Die Verwaltung und ihre Ressourcen: Untersuchungen zu ihrer Wechselwirkung. Tagung der Vereinigung für Verfassungsgeschichte in Hofgeismar vom 13.3.–15.3.1989. Red.: Gerhard Dilcher [1 ed.] 9783428472895, 9783428072897


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German Pages 168 [169] Year 1991

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Die Verwaltung und ihre Ressourcen: Untersuchungen zu ihrer Wechselwirkung. Tagung der Vereinigung für Verfassungsgeschichte in Hofgeismar vom 13.3.–15.3.1989. Red.: Gerhard Dilcher [1 ed.]
 9783428472895, 9783428072897

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Die Verwaltung und ihre Ressourcen Untersuchungen zu ihrer Wechselwirkung

BEIHEFTE ZU "DER STAAT" Zeitschrift für Staatslehre, Öffentliches Recht und Verfassungsgeschichte Herausgegeben von Ernst-Wolfgang Böckenförde, Rolf Grawert, Fritz Ossenbühl, Helmut Quaritsch, Rainer Wahl, Eberhard Weis, Bernard Willms t

Heft 9

Die Verwaltung und ihre Ressourcen Untersuchungen zu ihrer Wechselwirkung

Tagung der Vereinigung für Verfassungsgeschichte in Hofgeismar vom 13. 3. - 15. 3. 1989

Duncker & Humblot · Berlin

Redaktion: Prof. Dr. Gerhard Dilcher, Frankfurt

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Die Verwaltung und ihre Ressourcen : Untersuchungen zu ihrer Wechselwirkung ; Tagung der Vereinigung für Verfassungsgeschichte in Hofgeismar vom 13. 3.- 15. 3. 1989 I [Red.: Gerhard Dilcher]. - Berlin: Duncker und Humblot, 1991 (Der Staat : Beiheft ; H. 9) ISBN 3-428-07289-8 NE: Dilcher, Gerhard [Red.]; Vereinigung für Verfassungsgeschichte; Der Staat I Beiheft

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin 61 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0720-6828 ISBN 3-428-07289-8

Inhaltsverzeichnis Volker Press: Finanzielle Grundlagen territorialer Verwaltung um 1500 (14. - 17. Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Aussprache ... . ........... .. ..... . ........ . ................ . .... . .

30

Wilhelm Brauneder: Die Verwaltung im Beamtenstaat nach dem Dreißigjährigen Krieg

47

Aussprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

Reinhard Mußgnug: Die Finanzierung der Verwaltung an der Wende vom Ständestaat des 18. zum Verfassungsstaat des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

Aussprache .. . .. . . . ... ..... . .... . . . .. . .. .. . . .. . . .... .. . ...... . .. . . 101

Peter Hüttenberger: Aufbau und Ressourcen der deutschen Staatsverwaltung von 1930 bis 1934

111

Aussprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Verzeichnis der Redner . . .. .. .. . . .. . . . . .. . .. . . . .. .. . . . ... . . .. . . . ... .. . . 153 Satzung der Vereinigung für Verfassungsgeschichte

154

Verzeichnis der Mitglieder ... . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . ... . .. ...... . . ..... . . 157

Finanzielle Grundlagen territorialer Verwaltung um 1500 (14. - 17. Jahrhundert)

Von Volker Press, Tübingen Die finanzielle Fundierung des spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Landesstaats ist in vielerlei Hinsicht ein ungelöstes Problem - allerdings auch deshalb, weil die Zeitgenossen zwar recht gut um seine Bedeutung wußten, aber zugleich bereits ihre Einsicht begrenzt war. Dem steht gegenüber, daß die Finanzen eine gewichtige Steuerungsfunktion für territoriale Entwicklungen hattenl. Der Landesstaat bildete die prägende Kraft der deutschen Verfassungsentwicklung - seine Bauelemente spiegelten auch seine Grenzen und Möglichkeiten. Dabei wohnte ihnen, wie Dietmar Willoweit gezeigt hat, eine beträchtliche innere Diskrepanz inne, die erhebliche finanzielle Konsequenzen zeitigte2 . Die ursprüngliche finanzielle Basis war die Grundherrschaft mit den Abgaben und Fronden der Grundholden. Die Gerichtsherrschaft konnte ebenfalls Einkünfte tragen. Auch der Ausbau der Regalien, vor allem von Zoll, Geleits- und Münzrechten, Judenschutz, nicht zuletzt des Bergregals, erwies sich durchaus als expansiver Faktor der territorialen Finanzen. Besitz und Nichtbesitz von Zöllen und Bergwerken konnte die Chancen von 1 Dazu: E. Klein, Geschichte der öffentlichen Finanzen in Deutschland 1500 - 1870, 1974; A. Wagner, Finanzwissenschaft, Bd. 1: Steuergeschichte vom Altertum bis zur Gegenwart, 1910, Neudruck 1973; G. Droege, Die finanziellen Grundlagen des Territorialstaats in West- und Ostdeutschland an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit: Vierteljahresschr. für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 53 (1966), S. 145- 161 ; vgl. auch: M. Stolleis, Pecunia Nervus Rerum. Zur Staatsfinanzierung in der frühen Neuzeit, 1983. 2 Grundlegend: D. Willoweit, Die Entwicklung und Verwaltung der spätmittelalterlichen Landesherrschaft, in: K. G. A. Jeserich, H. Pohl, G.-Ch. v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches, 1983, S. 66 - 143. Ferner: E. Bamberger, Die Finanzverwaltung in den deutschen Territorien des Mittelalters 1200 - 1500: Zeitschr. für die gesamte Staatswiss. 22, (1922123), S . 168- 255; H. Mitteisl H. Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, 18. Aufl. 1988; G. Droege, Die Ausbildung der mittelalterlichen territorialen Finanzverwaltung, in: H. Patze (Hrsg.), Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, Bd. 1, 1970, S. 325- 345; H. Spangenberg, Vom Lehensstaat zum Ständestaat. Ein Beitrag zur Entstehung der landständischen Verfassung, 1912, Neudruck 1964; ders., Landesherrliche Verwaltung, Feudalismus und Ständeturn in den deutschen Territorien des 13. bis 15. Jahrhunderts: Hist. Zeitschr. 103 (1909), S . 473- 526; G. Theuerkauf, Zur Typologie spätmittelalterlicher Territorialverwaltung in Deutschland, in: Annali Fond. Ital. de Storia amministrativa, Milano 1965, S. 37 - 76.

1 Der Staat, Beiheft 9

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Territorien erheblich differenzieren. Aber auch die Tendenz der hoch- und spätmittelalterlichen Herren zur Expansion hatte unverkennbare finanzielle Konsequenzen: Gelder wurden zur Erwerbspolitik eingesetzt, die erworbenen Gebiete stärkten die finanzielle Kraft des Territoriums. Auch über die Territorien hinausragende Herrschaftsrechte wie Lehensrechte konnten erhebliche finanzielle Bedeutung gewinnen. Der spätmittelalterliche Verdichtungsprozeß des Landesstaates bedeutete eine langfristige Durchdringung der Territorien durch den Landesherrn. Zu ihrer Fundierung gehörte der Ausbau des Steuerwesens, beginnend mit der Bede, der allgemeinen Landessteuer - hier wurde die Heranziehung auch der Grundholden von Rittern und Klöstern zum Prufstein der Geschlossenheit des Territoriums. "Nimmt man hinzu, daß wohl auch schon im Spätmittelalter die Unterwerfung des gemeinen Mannes unter einen Herrn vor allem durch die Leistung von Abgaben gekennzeichnet war, dann erscheint die Entwicklung einer allgemeinen Landessteuer als die wohl wichtigste der die Landesherrschaft sichernden Maßnahme3." Der Ausbau der Bede wurde flankiert durch Sondersteuern, die bei Landesnot, auch bei Verheiratung der fürstlichen Töchter erhoben wurden- durch Abwehr von Verpfändung oder Verkauf sollten die Ressourcenungemindert erhalten bleiben4 . Dabei aber zeigte sich schnell, daß solche Sondersteuern nicht ohne Mitwirkung der privilegierten Gruppen von Klerus und Rittern zu erreichen waren5. Der Finanzbedarf des Territoriums war somit ohne die Kooptation D. Willoweit, Entwicklung der Landesherrschaft (FN 2), S. 74. A. v. Reden-Dohna, Landständische Verfassung, in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 2, Sp. 1578- 1585; 0. Brunner, Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter, 4. Aufl., 1959; P. Blickle, Landschaften im Alten Reich, 1973; H. Helbig, Der Wettinische Ständestaat, 1955; K. Bosl, Stände und Territorialstaat in Bayern im 14. Jahrhundert, in: Patze, Territorialstaat (FN 2), Bd. 2, S . 343 - 368. 5 Spangenberg, Vom Lehensstaat (FN 2); Brunner, Land und Herrschaft (FN 3); Helbig, Wettinischer Ständestaat (FN 3); G. v. Below, System und Bedeutung der landständischen Verfassung Deutschlands, in: ders., Territorium und Stadt, 2. Aufl. 1923, Neudruck 1965, S. 53 - 160; K. Bosl, Die Geschichte der Repräsentation in Bayern. Landständische Bewegung, landständische Verfassung, Landesausschuß und altständische Gesellschaft, 1974; F. L . Carsten, Princes and Parliaments in Germany, Oxford 1959; D. Gerhard (Hrsg.), Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, 1969 (darin vor allem der Beitrag von G. Birtsch, Die landständische Verfassung als Gegenstand der Forschung, S. 32- 55); W. Grube, Der Stuttgarter Landtag 1457- 1957, 1957; B. Jäger, Das geistliche Fürstentum Fulda in der Frühen Neuzeit : Landesherrschaft, Landstände und fürstliche Verwaltung. Ein Beitrag zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte kleiner Territorien des Alten Reiches, 1986; H. Krause, Das System der landständischen Verfassung Mecklenburgs in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, Rostock 1927; G. Gestreich I I. Auerbach, Ständische Verfassung, in: Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft, Bd. 6, 1972, S. 211 - 235; G. Oestreich, Geist und Gestalt des friihmodernen Staates, Berlin 1969; V. Press, Formen des Ständewesens in den deutschen Territorialstaaten des 16. Jahrhunderts, in: P. Baumgart (Hrsg.), Ständeturn und Staatsbildung in Brandenburg-Preußen, 1983, S. 280- 318 ; ders., Vom "Ständestaat" zum Absolutismus. Fünfzig Thesen zur Entwicklung des Ständewesens in Deutschland, in: ebd., S. 319 - 326; A. v . Reden, Land3 4

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der Stände nicht zu decken, an die sich dann auch die Städte ankristallisierten - ihre ursprüngliche Rolle als Teil des landesfürstlichen Kammerguts wurde dadurch deutlich, daß sie dem finanziellen Zugriff des Landesherrn oft stärker unterlagen als die vornehmeren Stände. Daraus folgte, daß das Problem der territorialstaatlichen Finanzen Landesherren und Landstände institutionell aneinanderband, daß beide gemeinsam den Finanzbedarf des Landes regelten. Dies heißt, daß die wichtigsten Bauelemente des Landesstaats gerade in ihrer finanzpolitischen Bedeutung von Anfang an verkoppelt waren. Wenn vom Aufkommen eines Landesbewußtseins die Rede ist, so steht dahinter auch der Egoismus der Stände, durch Bewahrung des Gebietsbestandes die finanzielle Basis des Territoriums zu erhalten - denn sie erkannten frühzeitig, daß zwischen Größe und Effektivität eines Territoriums offenkundig Zusammenhänge bestanden. Es sei daher die These gewagt, daß die Finanzproblematik auch die Ablösung des Territoriums vom Herrscher, also ein transpersonales Herrschaftskonzept förderte, da ohne dieses eine dauerhafte Finanzpolitik unmöglich gewesen wäre. Gleichwohl wird immer wieder das paradoxe Phänomen deutlich, wie sehr gegenläufige Effekte wirksam wurden. Dazu gehörte auch vielfach das als Vehikel der Modernisierung gepriesene Vordringen der Geldwirtschaft. Zweifellos war es eine entscheidende Voraussetzung des territorialen Verdichtungsprozesses, denn die Mobilisierung der Ressourcen der Ämter für die Zentrale setzte die Geldwirtschaft voraus. Andererseits zeigte sich, seit dem Ende des 16. Jh. in besonderem Maße im Zeichen der demographischen Expansion, daß Naturaleinkünfte wertvoller waren als Geldeinkünfte. Die Beispiele sind nicht selten, daß der Austausch von Geldgefällen gegen Naturalgefälle zur eigenen Bereicherung durchgeführt wurde6. Die alte Praxis, die Einkünfte nahegelegener Ämter zur Fundierung des Hofes zu verwenden, blieb vielfach bis zum Ende des 18. Jh. erhalten: die sogenannten Kammer- oder Küchenämter, etwa das Kastenamt Landshut für den dortigen Hof7. Diese Praxis gewährte eine sichere Naturalversorgung - aber daneben stand doch der steigende Geldbedarf. Die Mischung von Geld- und Naturalwirtschaft drückte sich sehr deutlich in den Besoldungen der einzelnen Amtsträger aus, die in der Regel auch ständische Verfassung und fürstliches Regiment in Sachsen-Lauenburg 1543 - 1689, Göttingen 1974; Rainer Walz, Stände und frühmoderner Staat. Die Landst ände von Jülich-Berg im 16. und 17. Jahrhundert, 1982. s Ein Beispiel: I. Bcitori, Besitzverhältnisse der Führungsschicht Kitzirrgens im 16. Jahrhundert, in: I. Batori u. E. Weyrauch (Hrsg.), Die bürgerliche Elite der Stadt Kitzingen. Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte einer landesherrlichen Stadt im 16. J ahrhundert, 1982, S. 276- 290. Vgl. auch: V. Press, Calvinismus und Territorialstaat. Regierung und Zentralbehörden der Kurpfalz, 1970, S. 160 - 167. 7 W. Ziegler, Studien zum Staatshaushalt Bayerns in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die regulären Kammereinkünfte des Herzogtums Niederbayern 14501500, 1981, S. 71 - 73 u. öfter . 1*

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Naturalanteile enthielten - die Kombination beider verhieß eine größere Stabilität8 . Dabei wurden die Einkünfte jedoch zumeist auf die Ämter angewiesen, die seit dem Spätmittelalter eine Vielfalt von Geldmitteln bis zu den Regalieneinkünften ihr eigen nannten. Dies gab den Amtsträgern eine relative Autonomie. Meistens entstammten sie dem ministerialischen, später ritterschaftliehen Adel und standen weniger in einem Dienst- als in einem Vertragsverhältnis zum Landesherrn. Es scheint, daß letzterer immer wieder eine Entfremdung seiner Ämter verhindern mußte. Die Amtsträger waren dennoch die Exponenten der territorialen Durchdringung, die übrigens mit einer Umgestaltung der Gesellschaft zusammenhing. Allenthalben ist ein ausgeprägter Konzentrationsprozeß sichtbar, der seit dem 12. Jh. von West nach Ost fortschritt, wobei wohl westeuropäische, französische, Vorbilder gewirkt haben9. Sehr deutlich ist die Notwendigkeit, bei schwierigen Informations-, Kommunikations- und Transportwegen machtvolle lokale Vertreter des Herrn anzusetzen - dem entsprach auch die Radizierung ihrer Einkünfte auf die 8 Dazu grundsätzlich: Willoweit, Entwicklung der Landesherrschaft (FN 2), S. 130138; P. Moraw, Die Entfaltung der Territorien im 14. und 15. Jahrhundert, in: Landesherrliche Kanzleien im Spätmittelalter, 1984. Ferner P. Fried, "Modernstaatliche" Entwicklungstendenzen im bayerischen Ständestaat des Spätmittelalters, in: Patze, Territorialstaat (FN 2), Bd. 2, S. 301- 341; W. Janssen, Zur Verwaltung des Kölner Erzstifts unter Erzbischof Walram von Jülich (1332 - 1349), in: H. Blum (Hrsg.), Aus kölnischer und rheinischer Geschichte. Festgabe Arnold Güttsches zum 65. Geburtstag, 1969, S. 1 - 40; ders., Landesherrliche Verwaltung und landständische Vertretung in den niederrheinischen Territorien 1250- 1350: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 173 (1971), S. 85- 122; H. Aubin, Die Verwaltungsorganisation des Fürstbistums Paderborn im Mittelalter, 1911; R. Sprandel, Die territorialen Ämter des Fürstentums Würzburg im Spätmittelalter: Jahrb. für Fränk. Landesforschung 37 (1977), S. 45- 64; F. Petri, Territorienbildung und Territorialstaat des 14. Jahrhunderts im Nordwestraum, in: Hans Patze (Hrsg.), Die Grundherrschaft des späten Mittelalters, Bd. 1, 1983, S. 383- 483; H. Altemayer, Die Entstehung der Amtsverfassung im Stifte Münster , insbesondere im Niederstift, Diss. Münster 1926; W. Hü cker, Die Entstehung der Amtsverfassung im Herzogtum Westfalen, Diss. Leipzig 1909; W. Radloff, Das landesfürstliche Beamtenturn Mecklenburgs im Mittelalter, Diss. Kiel 1910; M . Krieg, Entstehung und Entwicklung der Amtsbezirke im ehemaligen Fürstentum Lüneburg, 1922; R. Gresky, Die Finanzen der Welfen im 13. und 14. Jahrhundert, 1984; W. Schlesinger, Zur Geschichte der Landesherrschaft in den Marken Brandenburg und Meißen während des 14. Jahrhunderts, in: Patze, Territorialstaat (FN 2), Bd. 2, S. 101- 126; H. Falk, Mainzer Behördenorganisation in Hessen und auf dem Eichsfelde bis Ende des 14. Jahrhunderts, 1930; W . Volkert, Staat und Gesellschaft, in: M. Spindler I A. Kraus (Hrsg.), Handbuch der Bayerischen Geschichte, Bd. 2, 2. Aufl. 1988, S. 535 - 624; M. Nikolay-Panter, Terra und Territorium in Trier an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter: Rhein. Vierteljahresbl. 47 (1983), S. 67- 123; 0. Herk ert, Das landesherrliche Beamtenturn der Markgrafschaft Baden im Mittelalter, Diss. Freiburg/ Br. 1910; H. Lieberich, Landherren und Landleute, 1964; H. Cohn, The government of the Rhine Palatinate in the fifteenth century, London 1965; M. Schaab, Die Festigung der pfälzischen Territorialmacht im 14. Jahrhundert, in: Patze, Territorialstaat (FN 2), Bd. 2, S. 171 - 197; F. Quarthal, Die Verwaltung der Grafschaft Hohenberg beim Übergang an Österreich: Zeitschr. für Württ. Landesgesch. 41 (1982), S . 541- 564; ders., Landstände und landständisches Steuerwesen in SchwäbischÖsterreich, 1980. 9 Willoweit, Entwicklung (FN 2), S . 96f.

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lokalen Quellen, die in einer Hand zusammengeiaßt waren. Allerdings handelte es sich bei der Ausbildung der Ämterorganisation um langfristige Prozesse, die gleichwohl in den großen Territorien eine erstaunliche Parallelität zeigten. Aber die regionale Integration durch die Adeligen, geborenen Funktionären der Herrschaft, die diese zu Pferde und mit dem Schwert ausübten, hatte durchaus ihre Probleme. Einmallösten sie sich aus der ursprünglichen Unfreiheit- dem Aufstieg zum Herrschaftsträger verband sich die Neigung zur eigenen Herrschaftsbildung, die wiederum Rückwirkungen auf die finanzielle Fundierung des Territoriums haben mußte. Im 14. und 15. Jh. kam es in allen größeren Territorien in erheblichem Ausmaße zur Verpfändung von Ämtern an Adelige10 • Die Wurzeln sind nicht ganz eindeutig, dürften tatsächlich auch recht vielschichtig gewesen sein. Parallel dazu kam es zur Übereignung von landesfürstlichem Besitz an Adelige, um die oft aus Dienst- oder Kriegsleistungen erwachsenen Schulden abzutragen- durch solche Abtretungen entstand seit dem späten 15. Jh. der große ostpreußische Grundbesitz des Hauses Dohna, der auf die unbezahlten Schulden des Hochmeisters des Deutschen Ordens an seinen Feldhauptmann Stanislaus von Dohna zurückgeht11 • Landesfürstliche Schulden dürften bei diesem Prozeß tatsächlich vielerorts eine beträchtliche Rolle gespielt haben. Hier ist abermals auszuholen. So wie die Einkünfte dezentralisiert waren, so war es auch bei der Radizierung von Anleihen naheliegend, Ämter als Pfand zu geben - für den Fall der Nichtrückzahlung. Das konnte noch weitergehen: Man überließ Ämter als Gegenleistung für Darlehen, auch Bestallungen zum Rat oder Diener, wobei der Sold den Zins darstellte- ein Unterlaufen des kanonischen Zinsverbotes. Der nächste Schritt war, nicht einen als Gehalt getarnten Zins, sondern tatsächlich die Einkünfte eines Amtes zu überlassen. Auf der anderen Seite steht, daß der Pfandbesitz eines Amtes und die Pfandsumme auch eine gewisse Bindung des Pfandnehmers an den Herrn bedeutete 12. Dies zeigt, daß eine Vergabeaufgrund von Anleihen oder auch von nicht bezahlten Verbindlichkeiten nur die eine Seite war. Die Übernahme eines Amtes als Pfandschaft war zugleich auch eine gesteigerte Stellvertretung des Landesfürsten in diesem Amt. Durch sie wurde die Stellung des Amtmanns gehoben und verstärkt - dies mußte nicht nur die Abtretung des 1o G. Landwehr, Die Bedeutung der Reichs- und Territorialpfandschaften für den Aufbau des kurpfälzischen Territoriums: Mitteilungen des Hist. Vereins der Pfalz 66 (1968), S. 155 - 196; ders., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im Mittelalter, 1967; L. Tewes, Die Amts- und Pfandpolitik der Erzbischöfe von Köln im Spätmittelalter, 1987. u V. Press, Das Haus Dohna in der europäischen Adelsgesellschaft des 16. und 17. Jahrhunderts, in: A. Mehl u. W. Ch. Schneider (Hrsg.), Reformatio et reformationes. Festschrift für Lotbar Graf zu Dohna zum 65. Geburtstag, 1989, S. 371-402 (373f.). 12 WieFN 10.

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Amtes bedeuten, sondern konnte auch, durchaus im landesfürstlichen Interesse, seine verstärkte Integration bedeuten. Vielfach erhielten besonders prominente Ritter eine solche Pfandschaft, die für diese auch eine Auszeichnung darstellte. Andererseits beauftragte, wie Laufner gezeigt hat, etwa der Kurfürst von Trier besiegte und domestizierte "Raubritter" als Amtleute, ein Vorgang, der keineswegs einmalig war13. Gleichwohl blieb die Praxis der Verpfändung gefährlich, denn das Pfand von heute konnte zur Landesherrschaft von morgen werden. Hier zeigten sich die Grenzen der territorialen Integrationsfähigkeit wie der landesfürstlichen Finanzpolitik im Spätmittelalter. In jedem Fall macht diese Entwicklung deutlich, daß der werdende Landesstaat mit den von ihm geschaffenen Bedürfnissen keineswegs Schritt halten konnte. Die Finanznot blieb sein stetiger Begleiter. Er suchte ihr mit vielerlei Mitteln beizukommen. Die adeligen Amtsträger waren in der Regel keineswegs besonders qualifiziert, das Rechnungswesen zu verbessern. So suchte man sich an finanzerfahrene Stadtbürger zu halten - besonders originell war die Politik des großen Kurfürsten Balduin von Trier (1307 bis 1354), der die kurfürstliche Finanzverwaltung zeitweise Trierer Juden übergab, welche die Rentmeisterrechnungen auf hebräisch führten, wie Alfred Haverkamp gezeigt hat14 . Erst das große Judenpogrom von 1349 machte dieser Politik ein Ende. Generell drängte der Finanzbedarf des Landesstaates auf die Einrichtung weiterer Amtsstellen neben den Amtleuten, Pflegern und Vögten, die mit Schreiben und Rechnen befaßt waren- ein Prozeß, der etwa Mitte des 15. Jh. abgeschlossen war: Kastner, Keller, Rechenmeister, Schosser wurden in den Territorien zuständig für die Finanzgeschäfte, oft zusammen mit den Schreibarbeiten. Die ältere Auffassung, man habe es hier mit planmäßigen Maßnahmen der Landesfürsten zu tun gehabt, ist heute durch die Forschung stark relativiert worden- der für die Finanzen verantwortliche Amtsträger, der häufig dann auch die Schreibarbeiten erledigte, stand schon sehr früh neben dem Amtmann15. Deutlich ist allerdings auch hier ein Gefälle von West nach Ost- die geistlichen Territorien an Rhein und Main, auch Bayern, entwickelten frühzeitig solche Stellen, wobei offenkundig die Zwänge der Praxis eine große Rolle spielten. Andere folgten später nach. Daß Österreich und Kursachsen eine solche Ämterstruktur spät ausbildeten, öffnete den Ständen ein wichtiges 13 R. Laufner, Die Ausbildung des Territorialstaates der Kurfürsten von Trier, in: Patze, Territorialstaat (FN 2), Bd. 2, S. 127- 147. 14 A. Haverkamp, Erzbischof Balduin und die Juden, in: F. J. Heyen (Hrsg.), Balduin von Luxemburg. Erzbischof von Trier-Kurfürstdes Reiches, 1985, S . 437- 483 (469f.). 15 Gut zusammenfassend: Willoweit, Entwicklung der Landesherrschaft (FN 2), S. 92 - 104 (Lit. !). Auch : Bamberger, Finanzverwaltung (FN 2) ; Theuerkauf, Typologie (FN 2).

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Einfallstor. Aber Keller und Kastner verwalteten nach wie vor die Naturaleinkünfte- dies war eine Tätigkeit, die Vertrautheit mit den Naturalien, ja eine gewisse Handfestigkeit nötig machte und nicht immer mit finanztechnischen Kenntnissen vereinbar war. Schon hier zeichnete sich das traditionelle Defizit der landesfürstlichen Finanzen ab. Allenthalben gab es auch spezialisierte Ämter, vor allem für die Verwaltung der Regalien wie Zoll, Münze, Bergwerk, die dann unmittelbar dem Landesfürsten unterstanden, also in die sich entwickelnde Ämterorganisation nicht eingebaut waren16 . All diese mit Einnahmen und Ausgaben befaßten Ämter erhielten im 15. Jh. eine festere Ausprägung- sie hatten eine unabhängige Rolle neben der üblichen Amtsverwaltung und damit eine von den adeligen Amtsträgern unabhängige Stellung. Dies scheint auf den ersten Blick als ein "modernes" -ein "professionalisiertes"- Element in der Amtsverwaltung neben den Rittern, stärker an den Landesfürsten gebunden und der Erschließung des Territoriums dienend - allerdings waren auch hier durch die Kommunikationsbedingungen der Zeit einer unmittelbaren Bindung an den Landesherrn Grenzen gesetzt. Immerhin bildeten die Ansätze zur getrennten Verwaltung der Einkünfte einschließlich der Regalien ein Gegengewicht gegen mögliche adelige Separierungstendenzen, zumal diese Amtsträger über das Geld verfügten. Die bürgerlichen, mit den Finanzen beschäftigten Diener besaßen durchweg eine weit stärkere Abhängigkeit vom Landesherrn als die adeligen Amtleute 17 • Die Entstehung lokaler Finanzbeamter hat erst später die finanzpolitischen Aktivitäten von Hof und Zentrale provoziert. Insgesamt zeigte sich auch hier ein bemerkenswertes Defizit der landesherrlichen Finanzpolitik. Schon institutionengeschichtlich hinkte in der Regel bei der Ausbildung der zentralen Stellen der Finanzbereich hinter Rat und Kanzlei her. Es zeichnete sich ab, daß die Zentrale in zunehmendem Maße die Überschüsse aus 16 H. Thieme, Die Funktion der Regalien im Mittelalter : Zeitschr . für Rechtsgesch. Germ. Abt. 62 (1942), S. 57 - 88; 0. S tolz, Zur Entwicklungsgeschichte des Zollwesens innerhalb des alten Deutschen Reiches: Vierteljahresschr. für Sozial- und Wirtschaftsgesch. 41 (1954), S. 1- 41 ; H. Hassinger, Die Bedeutung des Zollregals für die Ausbildung der Landeshoheit im Südosten des Reiches, in: 0. Brunner u. a . (Hrsg.), FS Hermann Aubin, 1965, Bd. 1, S. 151 - 184. 17 Dazu neuerdings: V. Press, Führungsgruppen in der deutschen Gesellschaft im Übergang zur Neuzeit um 1500, in: H. H . Hofmann u. G. Franz (Hrsg.), Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit, Bd. 12, 1980, S. 29- 77 (44- 52); ders., Soziale Folgen der Reformation in Deutschland, in: M. Biskup u. K. Zernack (Hrsg.), Schichtung und Entwicklung der Gesellschaft in Polen und Deutschland im 16. und 17. Jahrhundert. Parallelen, Verknüpfungen, Vergleiche: Vierteljahresschr. für Sozial- u . Wirtschaftsgesch., Beiheft 74 (1983), S. 196- 243 (214- 225); E. Weis, Gesellschaftsstrukturen und Gesellschaftsentwicklung in der frühen Neuzeit, in: K. Bosl!E. Weis (Hrsg.), Die Gesellschaft in Deutschland, Teill: Von der fränkischen Zeit bis 1848, 1976, S. 131 - 289 (174- 176). Grundlegend: R. C. S chw inges, Deutsche Universitätsbesucher im 14. und 15. Jahrhundert , 1986; ders., Universitätsbesucher im Reich vom 14. bis zum 16. Jahrhundert. Wachstum und Konjunkturen : Geschichte und Gesellschaft 10 (1984), S . 5- 30.

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den Ämtern verschlang; dies ging weniger auf Rechnung der ausgebauten territorialen Behörden, sondern es war der landesfürstliche Hof, der freilich aufs engste mit ersteren zusammenhing, seine Repräsentation, seine Attraktivität für den Adel, der die Einkünfte verbrauchte- hier liegt zweifellos ein bedeutender Kostenfaktor für die territoriale Integration vor1s. Zudem setzte die Entwicklung einer zentralen territorialen Finanzverwaltung einen gewissen Ausbau der Geldwirtschaft voraus; ihre Anfänge liegen im Dunkeln und dürften aufgrundder Quellenlage auch kaum auszuleuchten sein. In Österreich haben die Habsburger kurz nach ihrem Regierungsantritt Zentralisierungsmaßnahmen versucht, indem sie den Hubmeister in Österreich, den Amtmann in Tirol, den Landschreiber in der Steiermark, den Viztum in Kärnten und Krain mit den Finanzangelegenheiten beauftragten19. In den bayerischen Viztumämtern trat der Rentmeister auf, der bald zum Exponenten der Verwaltungseffektivität wurde gegenüber dem adeligen Viztum20 - ein Prozeß, der sich in allen wichtigeren Territorien parallelisieren läßt, wobei auch er im Westen früher einsetzte als im Osten. Willoweit konstatiert: "Während das Amt des Rentmeisters oder Landschreibers von Westeuropa her in die Territorien des Reiches einzudringen scheint und für die Zusammenfassung der lokalen Einnahmen zu sorgen hat, dürfte der Kammermeister aus der einfachen älteren Organisationsstruktur der einheimischen Höfe hervorgegangen sein21." In der finanzpolitischen Rolle des Kammermeisters spiegelte sich erneut die Beanspruchung der Ressourcen für die höfischen, persönlich aufgefaßten Bedürfnisse der Landesherrn, wobei noch die Vorstellung der längst altmodisch gewordenen Schatzkammer eine Rolle spielte, in der gleichermaßen Geld, Juwelen, Kunstgegenstände und wichtige Urkunden nebeneinander lagen.

18 Zum Hof: P. Baumgart, Der deutsche Hof der Barockzeit als politische Institution, in: A. Buck u .a. (Hrsg.), Europäische Hofkultur im 16. und 17. Jahrhundert, Bd. 1, 1981, S . 25- 43; N. Elias, Die höfische Gesellschaft, 1969; H. Ch. Ehalt, Ausdrucksformen absolutistischer Herrschaft. Der Wiener Hof im 17. und 18. Jahrhundert, Wien 1980; K. Plodeck, Hofstruktur und Hofzeremoniell in Brandenburg-Ansbach vom 16. bis zum 18. Jahrhundert: Jahrbuch des Hist. Vereins f. Mittelfranken 86 (1971/72), S. 1- 260; V. Press, Patronat und Klientel im Heiligen Römischen Reich, in: A. Ma~zak (Hrsg.), Klientel-Systeme im Europa der Frühen Neuzeit, 1988, S. 1946; ders., La corte principesca in Germania nel XVI e XVll secolo, in: C. Mozarelli (Hrsg.), "Familia" del principe e famiglia aristocratica, Bd. 1, Roma 1988, S. 159- 179; D. Willoweit, Allgemeine Merkmale der Verwaltungsorganisation in den Territorien, in: Jeserich u. a., Verwaltungsgeschichte 1 (FN 2), S. 289 - 346 (300 - 307). 19 K. Lechner, Die Bildung des Territoriums und die Durchsetzung der Territorialhoheit im Raum des östlichen Österreichs, in: Patze, Territorialstaat (FN 2), Bd. 2, s. 389- 462 (430- 432). 20 E. Rosenthal, Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Baierns, Bd. 1, 1889, Neudruck 1968 u. 1984, S. 218f. ; Volkert, Staat (wie FN 8), s. 613f. 21 Willoweit, Entwicklung der Landesherrschaft (FN 2), S. 113.

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Die Finanzverwaltung hat es auch durch das ganze 16. und frühe 17. Jh. nicht geschafft, mit der Professionalisierung von Administration und Gerichtswesen Schritt zu halten22 • Das Eindringen gelehrter Juristen, mit einer spezifischen Universitätsausbildung, antwortete auf die Ausformung der Territorialstruktur des Reiches und diente der Verfechtung landesfürstlicher Rechte gegen den Adel und andere Untertanen, gegen die territorialen Nachbarn23 • Der Juridifizierungsprozeß gewann die Oberhand. Verwaltungstechniken, rechtliche Argumentationen nahmen an Schärfe und Dichte zuprägten zunehmend das Gesicht des Territorialstaats. Eine vergleichbare Ausbildung der Finanztechniken, eine Professionalisierung der Finanzbeamten gab es nicht, obgleich der Territorialisierungsprozeß, wie er von den Juristen betrieben und verfochten wurde, auch von hoher finanzpolitischer Relevanz war - die strukturelle Unfähigkeit des Territorialstaats, seine Ressourcen zu mobilisieren, hörte somit nicht auf. Nochmals: die Geldwirtschaft war entscheidende Voraussetzung für die Modernisierung des Finanzwesens24 . Aber es war auch immer noch der Moloch Hof, der die Gelder aufsaugte - dort waren sie schnell ausgegeben. Die eigentliche "Verwaltung" im engeren Sinne, also der Ausbau der zentralen Landesbehörden, war sehr viel wohlfeiler. Die Dominanz der Ausgaben machte den Transport der Geldmittel in die Zentrale zur entscheidenden Aufgabe. Die Erschließung neuer Einnahmen blieb zunächst als Problem sekundär - auch wenn man deutlich erkennt, daß die Rheinzölle die Basis der starken Stellung der vier weltlichen Kurfürsten am Rhein waren25 und daß die Bergwerke Tirols die Reichspolitik Maximilians I. abstützten26. Durch Zölle und Montangewerbe konnten sogar kleinere Herrschaften eine bedeutende Stellung erringen. Gewiß gab es Versuche, sich neue Einkünfte zu erschließen, aber zumeist mußte man sich auf das unlösbare und daher erfolglose Geschäft der Kontrolle und Eindämmung der Ausgaben konzentrieren - nicht umsonst war in zahlreichen Territorien der Hofmeister der wichtigste Finanzbeamte. Die Unfähigkeit einer Kontrolle von Einnahmen und Ausgaben hing auch mit der Praxis des "ambulanten" Hofes zusammen. Seine Seßhaftwerdung, 22 Willoweit, Allgemeine Merkmale (FN 18), S. 330 - 346; R. Hoke, Kammer, in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte 2, Sp. 570 - 572. 23 Vgl. die FN 17 zitierte Literatur. 24 Dazu immer noch eine gute Zusammenfassung: R. Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger. Geldkapital und Creditverkehr im 16. Jahrhundert, 2 Bde., 1896, Nachdruck 1963. 25 E. Gothein, Die Landstände der Kurpfalz: Zeitschr. f. Gesch. des Oberrheins 42, 1888, S. 1- 76 (4- 6); G. Droege, Die kurkölnischen Rheinzölle im Mittelalter: Annalen des Hist. Vereins für den Niederrhein 168/169 (1967), S. 21- 47. 26 H. Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. Das Reich Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit, Bd. 5, 1986, S . 563- 592; R. Palme, Frühe Neuzeit (1490- 1665), in: J. Fontana (Hrsg.), Geschichte des Landes Tirol, Bd. 2, S. 3 - 288 (16- 27).

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die sich im 15. und 16. Jh. vollzog, hat dann erst eine bessere Kontrolle der Finanzen ermöglicht2 7 • Nun wurde es allgemein üblich, die Überschüsse der Ämter nicht mehr an Ort und Stelle zu verzehren, sondern sie in die Zentrale zu überführen. Erst damit wurde eine Synopse der Einnahmen und Ausgaben des Territoriums möglich, Ansätze zur Aufstellung eines Gesamtetats, der ein vernünftigeres Wirtschaften ermöglichte. Im Lauf des 16. Jh. hatten viele Territorien auf diesem Gebiet große Fortschritte gemacht und daran anknüpfend auch eine Verbesserung zu erzielen getrachtet, auch wenn es oft sehr lange dauerte, bis man wirklich einen Überblick über die Finanzverhältnisse gewann. Die geringen Einsichten in die Gesetze finanzieller Bewegungen haben allerdings die Bemühungen erheblich erschwert - einer fortschreitenden Geldentwertung stand man ziemlich hilflos gegenüber. Es blieb ein Problem, die Überschüsse der Ämter in die Zentrale zu transportieren. Schwierigkeiten traten nicht nur im Hinblick auf die zunehmende Vielfalt der Münzsorten auf, mit deren Verrechnung man erhebliche Probleme hatte und die zu allerlei Manipulationen Raum bot. Die Buchführung wies 1600 noch erhebliche Mängel auf- so wußte man nicht recht, was man mit Rückständen der Amtleute an Zinsen und Gülten anfangen sollte. Probleme gab auch die Mischung von Natural- und Geldwirtschaft auf- angesichtsder Bevölkerungsvermehrung und des Preisanstiegs im ganzen 16. Jh. blieb die Naturalwirtschaft ein wichtiges Fundament territorialen Finanzgebarens. Man konnte nicht umhin, weiterhin Agrarprodukte zu lagern- die Translation der Überschüsse aber mußte in Geld erfolgen, was den Verkauf der Naturalien voraussetzte. Auch hier boten sich zahlreiche Manipulationsmöglichkeiten, aber auch Verlustmöglichkeiten durch unsachgemäße Lagerung. Schließlich bedeutete die Überführung von Naturalienüberschüssen eine schwierige Frage. Bargeldlose Geldverschiebungen waren nur in geringem Maße üblich Transportkosten waren im Vergleich zu den bewegten Summen immens hoch, was natürlich die Neigung begünstigte, die Direktlieferung zu vermeiden. Aber auch der Abgabeneinzug im lokalen Bereich war sehr aufwendig und kostenintensiv. Der Zwang zur Dezentralisierung wirkte sich auch auf die Schuldenverwaltung aus- es war immer noch erforderlich, die Zinszahlungen, aber auch die Bürgschaften den Ämtern zuzuweisen. Dies wiederum widersprach dem Prinzip einer einheitlichen Finanzverwaltung. Kurzum, auch von daher kam es vor allem auf die Kontrolle an, bei der es interessante Ansätze gab, die aber in den meisten Fällen den Rahmen nicht erreichte, den die guten Absichten gespannt hatten - die Rechnungskontrollen blieben vielfach liegen, wurden aufgeschoben.

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Das Problem bedürfte einer eingehenden Diskussion.

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Insgesamt läßt sich eine relativ geringe Fähigkeit der Territorien feststellen, mit ihren Finanzen umzugehen, worin sich eine entscheidende strukturelle Schwäche zeigte. Mit wenigen Ausnahmen, die mit besonders günstiger Ausstattung durch Regalieneinkünfte, Zölle oder Bergwerke begründet waren, griff eine weitergehende Zerrüttung der Finanzen um sich, auf die mit relativ primitiven Mitteln reagiert werden mußte- Münzverschlechterungen, Güterveräußerungen und Kreditaufnahmen konnten das Problem auf Dauer nicht lösen28 • Die Münzverschlechterungen hatten entschiedene wirtschaftliche Nachteile, aber wurden von den deutschen Fürsten immer wieder praktiziert, obgleich man versuchte, mit Hilfe der Reichskreise Ordnung in das verwirrende Geschäft zu bringen. Dabei zeigte sich erneut die Inkompetenz einer juristisch, nicht finanztechnisch geschulten Bürokratie, die sich sogar zuweilen zugute hielt, von Finanzen nichts zu verstehen. Eine planmäßige Münzpolitik scheint eine Ausnahme gebildet zu haben. Sie findet sich vor allem bei den großen Territorien. Daß auf der andern Seite Verpfändungen oder Verkauf von Herrschaften langfristig nachteilig waren, wußte man natürlich allzu gut. Es blieb die Anleihepolitik2 9. Auch diese ist oft schwer durchsichtig, denn im frühen 16. Jh. verbergen sich gerade bei Adeligen noch oft Anleihen hinter scheinbaren Dienstgeldern. Gleichwohl spielten Anleihen für die Finanzpolitik eine beträchtliche Rolle- das kanonische Zinsverbot war zum Normensatz von 5 % abgemildert worden, der zweifellos für den Kreditnehmer günstiger war, als eine freie Gestaltung des Anleihemarktes es erlaubt hätte. Allerdings mußten die Fürsten oft Kredite mit niedrigeren Summen aufnehmen, als die Nominalanleihe besagte. Insgesamt war diese Entwicklung für die finanzhungrigen Territorien jedoch relativ günstig. Es zeigte sich dabei der Vormarsch städtischer Geldgeber, reicher Stadtbürger, oft auch der Kommunen selbst. Die steigende Bedeutung städtischer Gelder weist eine erstaunliche Parallelität zum Eindringen bürgerlicher Beamter auf. Dabei bildeten sich für einzelne Territorien zentrale Finanzplätze heraus: Augsburg für Österreich und auch Bayern3o, Nürnberg für die fränki-

2a Der Übergang vom ambulanten zum festen Hof ist für Deutschland noch weitgehend ununtersucht. Er vollzog sich relativ spät bei den Habsburgern. Vor diesem Hintergrund ist auch das Schwanken der Residenz zwischen Wien und Frag von Ferdinand I. bis Matthias zu sehen. Für das Spätmittelalter: H. Patze, Die Bildung der landesherrlichen Residenzen im Reich während des 14. Jahrhunderts, in: W. Rausch (Hrsg.), Stadt und Stadtherr im 14. Jahrhundert, Linz 1972, S. 1- 54; ders. u. G. Streich, Die landesherrlichen Residenzen im spätmittelalterlichen Deutschen Reich: Blätter für deutsche Landesgeschichte 118 (1982), S . 205 - 220. 29 Ehrenberg, Zeitalter der Fugger FN 24); V. Press, Steuern, Kredit und Repräsentation: Zeitschr. f. Hist. Forschung 2 (1975), S .59- 94; J. Landmann, Der öffentliche Kredit, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 3, 2. Aufl. 1958, S. 1- 35; Th. Mayer, Geschichte der Finanzwirtschaft vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, in: ebd., Bd. 1, S. 236- 272.

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sehen Fürsten, auch für Pfalz-Neuburg31, Frankfurt für die rheinischen Kurfürsten und Hessen32 , Straßburg für Kurpfalz und Baden33. Dazu kamen die eigenen territorialen Stadtbürger. Vielfach begann man auch schon Zwangsanleihen aufzulegen, vor allem beim Klerus, der in den katholisch gebliebenen Territorien noch lange dafür hergenommen wurde. Die Anleihepolitik der Landesfürsten ging zweifelsohne in hohem Maße auf Kosten der Gläubiger - deren Sanktionsmöglichkeiten waren gering, konnten sie doch schwerlich einen Landesfürsten in den Schuldturm werfen, obgleich es Beispiele gab, daß man sich an seinen Untertanen schadlos hielt34 . In jedem Fall waren hier die Gläubiger in der weitaus schwächeren Position, zumal wenn es sich um eigene Untertanen handelte. Bei außerterritorialen Geldgebern setzten zwar bereits die Klagen bei den obersten Reichsgerichten ein, aber auch deren langsamer Prozeßgang wirkte sich faktisch zugunsten der Schuldner aus. Gegenüber der strukturellen Finanzschwäche der meisten Territorien war dies freilich auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Gerade hier zeigte sich nämlich die zunehmend geringere Bonität des landesfürstlichen Kredits, worin sich die rechtliche Schwäche der Gläubiger spiegelte. Immer mehr wurden Bürgschaften verlangt. Dies wiederum hatte Einfluß auf das territoriale Herrschaftssystem- eine Frage, die für Deutschland bislang in geringem Maße untersucht ist. Führende adelige Beamte waren oft große Kreditgeber. Es leuchtet ein, daß damit die Grenzen zur Ämterkäuflichkeit fließend waren3s. Wichtiger allerdings waren die Bürgschaften der Städte und Ämter eines Territoriums, die den landesfürstlichen Kredit absicherten; dabei zeigten sich in aller Schärfe die Vorteile, die ein größeres Territorium bot. Während etwa bei dem bescheidenen Bistum Speyer abwechselnd die drei Ämter Bruchsal, Udenheim und Lautenberg bürgten, konnte die benachbarte Kurpfalz auf eine größere Masse zurück30 H. Kellenbenz, Wirtschaftsleben der Blütezeit, in: G. Gottlieb u.a. (Hrsg.), Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, 1984, S. 258 301 (betont vor allem die Beziehungen zu Österreich). 31 W. Schultheiss, Geld und Finanzgeschäfte Nürnberger Bürger vom 13. bis zum 17. Jahrhundert, in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, Bd. 1, 1967, S. 49 116 (spiegelt die ganze Vielfalt der Nürnberger Kreditverflechtungen). 32 A. Dietz, Frankfurter Handelsgeschichte, Bd. 1 u . 2, 1910/21. 33 J .-P. Kintz, La Societe Strasbourgeoise du milieu du XVI• siede ä la finde la Guerre de Trente Ans 1560- 1650, Paris 1984, S. 371- 423. 34 Press, Steuern, Kredit und Repräsentation (FN 29), S. 67- 69. 35 W. Reinhard, Staatsmacht als Kreditproblem. Zur Struktur und Funktion des frühneuzeitlichen Ämterhandels: Vierteljahresschr. für Sozial- und Wirtschaftsgesch. 61 (1974), S. 289- 319; I. Mieck (Hrsg.), Ämterhandel im Spätmittelalter und im 16. Jahrhundert, 1984; K. Malettke (Hrsg.), Ämterkäuflichkeit: Aspekte sozialer Mobilität im europäischen Vergleich (17. und 18. Jahrhundert), 1980. Die Erforschung des Ämterhandels im Reich steht noch am Anfang - wahrscheinlich werden die Ergebnisse sehr zu differenzieren sein.

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greifen36 . Die Schuldbürgschaft einzelner Städte und Ämter zeigte aber auch die problematische Situation - oftmals wußte der Landesfürst selbst nicht, in welchem Maße seine einzelnen Landesteile belastet waren. Dies täuschte natürlich auch den Gläubiger- für ihn blieb völlig undurchsichtig, nicht nur, wie hoch der einzelne Fürst verschuldet war, sondern auch, welche Last die einzelnen Ämter trugen. An eine Schuldenexekution, etwa an eine Einziehung eines Amtes durch die Gläubiger, war ohnehin nicht zu denken, da die politischen Spielregeln dem entschieden widersprachen somit war das Kreditsystem von Anfang an langfristig auf eine Auspowerung der Gläubiger angelegt. Die Kreditnahmen des Landesfürsten transferierten in hohem Maße private oder kommunale Überschüsse in die landesfürstlichen Kassen, wo sie offensichtlich auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Mit der Anleihepolitik der Fürsten hängt auch eng zusammen die Stellung der Stände- so verschieden sie in den einzelnen Territorien ausgeformt war, so bedeutend war sie für deren Finanzgebaren37 • Gegenüber der Bürgschaft bloß eines Amtes bedeutete die Bürgschaft der Stände eine solche des ganzen Landes, das wesentlich mit ihrer Hilfe zu einem einheitlichen Corpus zusammengefaßt wurde, auch wenn es in der ständischen Finanzverwaltung durchaus Radizierung von Schulden auf einzelne Landesteile geben konnte. Die Stände sicherten die fürstliche Finanzpolitik ab, gewöhnten die Untertanen an neue Steuern, übernahmen auch meist die unpopulären Aufgaben von Repartition und Einzug. Sie waren Motor einer kräftigen Ausdehnung der landesfürstlichen Finanzpolitik und hielten den Kredit des Territoriums aufrecht. Es stellte sich jedoch heraus, daß sietrotzzahlreicher Forderungen sowohl in ihrem eigenen Interesse wie auf bessere Solidität des landesfürstlichen Finanzgebarens niemals ein echtes Gegengewicht gegenüber dem Herrscher sein konnten. Gerade ihre Schuldenübernahmepolitik, die den Ständen zeitweilig größeren Einfluß zu verleihen schien, mußte auf Dauer ihre Position im territorialen Gefüge schwächen. Das Spiel von Petition, Steuerbewilligung und Schuldenübernahme überließ vielfach dem nunmehr meist domestizierten Adel Rechte im lokalen Bereich, die dieser zu verstärkter Integration benützen konnte, welche auf Dauer wiederum der landesfürstlichen Finanzkammer zugute kam. Man wird dennoch die Aktivitäten der Stände des späten 15. und des 16. Jh. nicht gering einschätzen dürfen sie halfen den Zugriff auf die Ressourcen des Landes zu vergrößern, gewöhnten die Untertanen an eine expandierende Steuerpolitik, die die ursprüngliche Fundierung der Landesfinanzen auf die Domänen zurücktreten ließ. 36 Press, Steuern, Kredit und Repräsentation (FN 29), S. 79- 83 (85f.); L. Duggan, Bishop and chapter. The governance of the Bishopric of Speyer to 1552, New Brunswick 1978. 37 Vgl. die in FN 5 zitierte Literatur.

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Es gab deutliche Ansätze einer dualistischen Finanzverwaltung, also einer eigenen landständischen Steuerverwaltung, die sich in einem großen Teil der Territorien bis zum Ende des Alten Reiches erhielt- dies hat auf Dauer weniger die politische Mitsprache der Stände gestärkt, als vermutlich die Kosten des Staatswesens verteuert. Indessen setzte der Landeskredit dem Zugriff der absolutistisch werdenden Fürsten auf die Stände deutliche Grenzen. Die eklatante Finanzschwäche der Territorien zeigte sich vor allem bei krisenhaften Zuspitzungen, insbesondere bei Kriegen, wo vielfach der Wille der Kreditgeber übermächtig wurde. Es ist kaum abzusehen, wie der Bauernkrieg sich entwickelt hätte, wenn nicht der Kredit der Fugger die Fürsten gestützt hätte3B; Karl V. -und das wußte etwa der Leiter der bayerischen Politik, Leonhard von Eck, ganz genau- konnte seine militärische Macht nach dem Sieg von 1546/47 im Schmalkaldischen Krieg nur begrenzt aufrecht erhalten, so daß ihm am Ende der Erfolg wieder entglitt39. Das gleiche hatte sich schon ein gutes Jahrzehnt zuvor gezeigt, als Philipp von Hessen 1534 nach seinem raschen Siegeszug durch Württemberg auf einen schnellen Friedensschluß angewiesen war40 • Dies galt erneut für die siegreichen Kriegsfürsten bei ihrer Rebellion gegen Karl V. 1552, die es freilich besser verstanden, ihre politische Ernte einzufahren, als fünf Jahre zuvor der Kaiser41. Ganz deutlich wurde im Schmalkaldischen Krieg auch, daß die kleineren Reichsstände sehr viel weniger in der Lage waren, die Kostenexplosion des Krieges abzufangen - Walter Bernhardt hat gezeigt, daß eine Stadt wie Esslingen die Schuldenbelastung jener Jahre durch das ganze Ancien Regime weiterschleppte42 • Diese Erfahrungen mögen ein wichtiges Vehikel dafür gewesen sein, daß sich 1555 der Landfrieden durchsetzte. Die Wirkungen des Schmalkaldischen Krieges, des bedeutendsten militärischen Ereignisses auf deutschem Boden im 16. Jh., zeigten in aller Schärfe die Labilität landesfürstlicher Finanzen, Zeichen einer doppelten Belastung durch eigene Aufwendungen für das Kriegswesen und durch Einquartierungen und Kontributionen. So wurde den finanzpolitisch unentwickelten deutschen Terri-

38 G. Freiherr v. Pölnitz, J akob Fugger. Kaiser, Kirche und Kapital in der oberdeutschen Renaissance, 1949, S. 580 - 602. 39 V. Press, Die Bundespläne Kaiser Karls V. und die Reichsverfassung, in: H. Lutz (Hrsg.), Das römisch-deutsche Reich im politischen System Karls V., Wien 1982, S. 55- 106, passim. 40 J. Wille, Philipp der Großmütige von Hessen und die Restitution Ulrichs von Württemberg, 1882; A. Keller, Die Wiedereinsetzung des Herzogs Ulrich von Württemberg durch den Landgrafen Philipp von Hessen 1533/ 34, Diss. Marburg 1912. 41 H . Lutz, Christianitas afflicta. Europa, das Reich und die päpstliche Politik im Niedergang der Hegemonie Kaiser Karls V. (1552- 1556), 1964, S. 102f. 42 W. Bernhardt, Was die "Lutherei" die Stadt Esslingen gekostet hat. Esslingens Kampf gegen den Staatsbankrott am Ende des 16. Jahrhunderts: Esslinger Studien 20 (1981), s. 91 - 101.

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torien auf schmerzhafte Weise vor Augen geführt, welche Vorteile der Friede bot. Mit dem Religionsfrieden von 1555 wurde auch ein vorläufiger Schlußstrich unter die finanzpolitisch nicht unwichtigen Entwicklungen der Reformation gezogen. Für die evangelischen Territorien bedeutete der Erwerb des Kirchenguts eine erhebliche Ausweitung ihres Kreditvolumens43 • Am deutlichsten vielleicht hat dies der stark verschuldete Herzog Ulrich (14981519, 1534 - 1550) von Württemberg demonstriert, als .er nach. 15jährigem Exil 1534 in sein Herzogtum zurückkehrte und dieses der Reformation zuführte. Er zog sogleich das gesamte Kirchengut ein, was eine Ausweitung der herrschaftlichen Besitzungen und Einkünfte um mehr als ein Drittel bedeutete. Da es keinen landsässigen Adel gab, konnte er diese Maßnahmen zunächst ohne den Einspruch bisheriger Teilhaber durchführen, der in anderen, vergleichbaren Territorien sehr deutlich artikuliert wurde und damit die Nützlichkeit des Kirchengutes für den landesfürstlichen Kredit abschwächte44 . Ein solches fürstliches Vorgehen kollidierte jedoch mit dem Zwang zu einer Weiterführung der bisherigen Aufgaben der alten Kirche. Man kann allerdings sagen, daß derart rabiate Maßnahmen eines Territoriums auch die Stabilität seiner Reformation und damit ihre Absicherung verstärkten. Das Beispiel Württemberg läßt sich noch weiterspinnen. Als Herzog Christoph (1550 - 1568) nach 1555 den Weg einer stärkeren Fundierung der eigenen Kirche sowie der Schulen und der Universität Tübingen beschritt und damit den har ten Kurs seines Vaters korrigierte, tat dies dem württembergischen Kredit keinen Abbruch45 . Das hing natürlich auch mit der geschickten Territorialpolitik dieses mustergültigen Landesfürsten zusammen, aber das gut verwaltete Kirchengut gehörte trotz seiner neuen Zweckbindung zum Gesamtvolumen der landesfürstlichen Finanzen und erhielt den gesteigerten Kredit. Auf der andern Seite ermöglichte es eine Verbesserung der Pfarrbesoldung, da diese nun nicht mehr auf eine Pfründe, sondern auf ein größeres Corpus fundiert wurde. Christoph hatte sich am Ende einer Praxis zugewandt, die in den meisten evangelischen Territorien überwog. Diese sahen sich nach der Einführung

43 Die Frage der Bedeutung der evangelischen Klosteraufhebungen unter Einziehung des Kirchenguts für den Staatskredit der Landesfürsten ist im einzelnen noch nicht untersucht. 44 W.-U. Deetjen, Studien zur württembergischen Kirchenordnung Herzog Ulrichs 1534- 1550. Das Herzogtum Württemberg im Zeitalter Herzog Ulrichs (1498- 1550), Die Neuordnung des Kirchengutes und der Klöster (1534- 1547), 1980. 45 H. Ehmer, Valentin Vannius und die Reformation in Württemberg, 1976; V. Ernst, Die Entstehung des württembergischen Kirchenguts: Württ. Jahrbücher für Statistik und Landeskunde 1911 , S. 377- 424; H .-M. M aurer, Herzog Christoph als Landesherr: Blätter f. württ. Kirchengesch. 68/ 69 (1968/ 69), S . 112 - 138. Die Frage der Konsequenzen für den Landeskr edit harrt im einzelnen noch der Untersuchung.

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der Reformation den Forderungen von Adel und Städten konfrontiert, kirchliche Einrichtungen zu konservieren, die ihren Interessen entsprachen, die durchaus mit jenen des Landesfürsten Hand in Hand gehen konnten. Die Erhaltung von Prälaten in evangelischem Gewande bot einen doppelten Vorteil - den Kompromiß mit der altkirchlichen Tradition einerseits, ein stärkeres gouvernementales Einwirken auf die Landstände andererseits, da die Prälaten neuen Typs in der Regel Verfechter des landesherrlichen Willens waren4s. Insgesamt gewannen die evangelischen gegenüber den katholischen Territorien finanzpolitisch offenkundig einen Vorteil; letztere aber bemühten sich, den Zugriff auf ihren eigenen Klerus zu intensivieren, häufig mit Hilfe päpstlicher Sondergenehmigungen47. Die Entwicklung in der zweiten Hälfe des 16. Jh. hat die übernommenen Probleme festgeschrieben. Einer verbesserten Finanzverwaltung stand eine weitere Expansion staatlicher Aufgaben gegenüber, die sich in manchen Territorien am Anfang des 17. Jh. durch die verstärkte Kriegsgefahr noch vergrößerte. Die Schere zwischen juristisch-normativer Durchdringung und administrativer Verdichtung einerseits, den beschränkten finanziellen Möglichkeiten andererseits tat sichtrotz aller Bemühungen noch weiter auf. Das Zusammenwachsen Europas zeigte sich in den oft vergeblichen Versuchen deutscher Fürsten, fortgeschrittene Entwicklungen in West- und Südeuropa zu übernehmen - vor allem aber entwickelte man die eigenen Traditionen weiter. Schon im Spätmittelalter war die Schriftlichkeit von Verwaltungsakten wichtige Voraussetzung der Finanzpolitik. Landesfürstliche Rechte und Privilegien konnten durchaus finanziell nutzbar gemacht werden. So diente die Führung von Rechnungs- und Kopialbüchern auch der Sicherstellung der landesfürstlichen Finanzen- keine Frage, daß die juristische Absicherung von Rechten auch zu einer erfolgreichen Finanzpolitik gehörte, wenn sie auch keineswegs allein ausreichte4s. Man versuchte überdies die Kontrolltechniken zu verbessern, am einfachsten durch die Verdoppelung der Beamtenstellen, indem sich beide Inhaber wechselseitig, gegebenenfalls durch zwei Schlüssel der Kasse, kontrollieren sollten. Man versuchte eine jährliche Rechnungskontrolle durchzusetzen, ein schon recht altes Verfahren, das von einer Kommission bzw. von einem hohen Beamten durchgeführt wurde und seine Wurzel im 14. Jh. 46 W. Grube, Stuttgarter Landtag (FN 5), passim; Ch. Reinhardt, Prälaten im evangelischen Territorium. Die Universität Gießen als hessen-darmstädtischer Landstand, in: P. Moraw/V. Press (Hrsg.), Academia Gissensis. Beiträge zur älteren Gießener Universitätsgeschichte, 1982, S. 161 - 182. 47 E. Mack, Die kirchliche Steuerfreiheit in Deutschland seit der Dekretalgesetzgebung, 1916, Neudr. Amsterdam 1965 (umfaßt nur das Mittelalter). 48 Willoweit, Entwicklung der Landesherrschaft (FN 2), S. 136f.; H. Patze, Neu e Typen des Geschäftsschriftsgutes im 14. Jahrhundert, in: ders., Territorialstaat (FN 2), Bd. 1, S. 9- 64; G. Richter, Lagerbücher - oder Urbarlehre, 1979.

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hatte. In Bayern gab es die Umritte des Rentmeisters, die jährlich stattfinden sollten, was aber oft auf dem Papier blieb 49 . Überhaupt fällt auf, daß die Rechnungslegungen im 16. Jh. oft weit zurückhingen. Eine stärkere Triebfeder regelmäßiger Überprüfung bildete der Wunsch der Amtleute, entlastet zu werden, um nicht über Jahre mit Fragen verfolgt zu werden- noch gefährlicher war das Anwachsen eines Defizits, das man dann nach dem Tode des Stelleninhabers gegen die meist wehrlosen Angehörigen exekutierte. Bei den Pfandschaften verbot sich allerdings eine solche Praxis. Die steigenden Kosten von Hof und Verwaltung machten gerade die friedliche Zeit nach 1555 zu einer Phase der Reformmaßnahmen, die auch den persönlichen Bereich der Fürsten nicht ausklammerte - weil nach wie vor deutlich war, welch hohen Anteil ihre Ausgaben am territorialen Budget hatten. Zugleich zeigte sich eine verstärkte Tendenz zur Kontrolle, die sich seit dem 15. Jh. sogar in den Hofordnungen spiegelte. Sie mahnten oft zur Sparsamkeit, hatten sogar die Kontrolle des Finanzwesens im Programm. Einschränkung und Disziplinierung von Hof und Administration gehörten ja auch zur Kostendämpfung. Der Ausbau der Rechenbehörden, wahrscheinlich -wie für Bayern eindeutig nachgewiesen5° - oft auch provoziert durch die Gefahr, gegenüber den Ständen ins Hintertreffen zu geraten, war ein ausgesprochenes Kennzeichen jener Jahre. Man erkannte, daß es nicht nur um rein finanztechnische Maßnahmen ging, also Aufsuchen und Sicherung der Einkünfte, sowie Geldüberweisungen- sondern auch um die Aktivierung von Rechtstiteln, die Überprüfung des Zustands der Güter, seine Verbesserung, um die Mobilisierung neuer Reserven, um die Erschließung neuer Geldquellen. Dabei gingen freilich die finanztechnischen Kenntnisse weiterhin nicht Hand in Hand mit den juristischen. Die finanzpolitischen Überlegungen muten oft geradezu rührend an. So suchten die leitenden Politiker der Kurpfalz, die 1599 mit einer verheerenden Finanzkrise konfrontiert war, als Lösungsmittel die Säkularisation der Erzstifte Mainz und Trier sowie der Bistümer Worms und Speyer zu diskutieren, was einen Umsturz im Reich vorausgesetzt hätte51 • Immerhin haben die Pfälzer damals auf die kirchlichen Visitationserfahrungen zurückgegriffen und suchten sie auf die finanziellen Probleme zu übertragen, indem sie 1598 je einen politischen Generalvisitator in beiden Landesteilen , in der Unter- und der Oberpfalz bestallten, die freilich nur eine sehr kurzlebige 49 Rosenthal, Geschichte des Gerichtswesens, Bd. 1, S. 291; V. Press, Die wittelsbachischen Territorien: Die pfälzischen Lande und Bayern, in: Jeserich u.a ., Verwaltungsgeschichte 1 (FN 2), S. 552 - 599 (591 f.). 50 M. Lanzinner, Fürst, Räte und Landstände. Die Entstehung der Zentralbehörden in Bayern 1511 - 1598, 1980, passim. 51 Protokolle des kurpfälzischen Oberrats zu Heidelberg, 1599 Januar 29- April10, Bayer. Allg. Staatsarchiv München, Kasten schwarz 16 704.

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Existenz führten5 2 • Die fortwirkende Finanznot der Territorien führte vor allem zu einer Expansion der Kammerbehörden. Es dauerte allerdings geraume Zeit, bis man begriff, daß fiskalische Tendenzen, die Einkünfte des Herrschers zu steigern, in der Regel auch eine wirtschaftspolitische Seite hatten, die man zugleich in den Griff bekommen mußte. Allgemein war die Tendenz, die Kameralfunktionen, also die Finanzpolitik, in einer Hand zu konzentrieren- ein Vorgang, der von Österreich seinen Ausgang genommen hatte53 . Dabei suchten die Kammern immer ausgreifendere Kontrollmethoden zu entwickeln. Da sich aber das Finanzsystem strukturell nicht änderte, waren die Verbesserungen der Methoden nur ein Kurieren an den Symptomen. Überdies waren die Reisen zu den lokalen Beamten weiterhin unverhältnismäßig kostspielig - sie standen zumeist in keinerlei vernünftigem Verhältnis zu den Einkommen. Insgesamt zeichnete sich im 16. Jh. jedoch ein weiteres Davoneilen der Ausgaben vor den Einnahmen ab, dessen Gefahr durch eine ausgeprägte Anleihepolitik hinausgeschoben wurde. Sogar bislang wohlhabende Territorien fielen zurück. Erneut ist auf die Kurpfalz zu verweisen. Sie hatte im 15. Jh. von ihren Rheinzöllen so gut leben können, daß sie ständischer Steuer und Kreditbewilligungen nicht bedurfte54. Das Fehlen von unterpfälzischen Ständen entsprach auch dem Charakter des Landes, das am Rhein mehr über ein überterritoriales Satellitensystem gebot als über ein Territorium. Die Situation veränderte sich seit der Pfälzer Katastrophe im Landshuter Krieg 1503/04 - die einschneidenden Folgen konnten durch eine sehr zurückhaltende Politik noch einmal überwunden werden. Eine weitere Entlastung brachten die Übernahme der geistlichen Güter sowie die Ressourcen der Oberpfalz, die nicht die Kosten eines Hofes tragen mußte. Mit der ausgreifenden Reichspolitik verband sich jedoch seit der Mitte des 16. Jh. eine ebenso ausgreifende Schuldenpolitik, die man zunächst mit Hilfe der Oberpfalz und der dort vorhandenen Stände abzufangen trachtete, ohne daß man eine wirkliche Kontrolle über die Entwicklung behielt, die weiter bergab ging. Das zitierte Papier von 1599, jenes Dokument der Hilflosigkeit, entstand in einer Zeit, als der Bergsegen der Oberpfalz zurückging, ein wichtiges Fundament der kurfürstlichen Finanzpolitik. Am Ende kam man 1603 zum Ausweg, aus den Amtstädten der Kurpfalz eine Landschaft zu begründen und die Oberpfalz noch mehr zu belasten - bei Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges war die finanzielle Situation desolat55. Press, Calvinismus (FN 6), S. 108f. Willoweit, Entwicklung der Landesherrschaft (FN 2), S. 131f. 54 Gothein, Landstände der Kurpfalz (FN 25), S. 4- 6. 55 Carsten, Princes (FN 5), S. 340- 347; Gothein, Landstände der Kurpfalz (FN 25); V. Press, Die Landschaft der Kurpfalz, in: Von der Ständeversammlung zum demokratischen Parlament. Die Geschichte der Volksvertretungen in Baden-Württemberg, 52

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1982,

s. 62 - 71.

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Einen anderen Weg ging das wittelsbachische Bayern56. Auch hier stellte sich die Lage zunächst außerordentlich kritisch dar- wobei die Schwierigkeiten, die Ressourcen des Landes zu mobilisieren, recht deutlich wurden. Es erweist sich, daß Kammer- und Regaliengefälle in ihrem Anteil an den Landesfinanzen immer mehr sanken und um 1600 nur noch ein Neuntel betrugen. Dies führte zu einem ständig wachsenden Einfluß der Stände; deren Versuche einer Einschränkung der landesfürstlichen Finanzpolitik scheiterten immer wieder an willkürlichen Geldentnahmen der Herzöge, sehr ausgeprägt nach 1550 unter dem reichspolitisch aktiven und kunstfreudigen Albrecht V. Es zeigte sich ein deutlicher Wettlauf zwischen dem ständischen Einfluß und dem Ausbau der herzoglichen Finanzbehörden. 1597 mußte Herzog Wilhelm V. (1579- 1597) wegen der außergewöhnlichen Schuldensituation abdanken. Dem neuen Herzog Maximilian I. gelang dann die Sanierung, durch harten Zugriff auf alle finanziell relevanten Quellen, durch Verbindung von administrativer Durchdringung und finanzieller Mobilisierung unter der persönlichen Kontrolle des Landesherrn57 . Die Reformpolitik Maximilians I. (1597- 1651) war wegweisend, markierte die künftigen Tendenzen: Sie konsolidierte nicht nur die Finanzen und wehrte den Einfluß der Stände ab, sie führte auch zu einer verstärkten absolutistischen Durchdringung des Territoriums, getragen von Energie und Prestige des Landes. Gerade in Bayern zeigte sich das zentrale Problem, daß die von den Ständen kontrollierten Steuern der Hauptmotor finanzieller Expansion waren und daß es galt, sie unter landesherrliche Kontrolle zu bringen. Dem Herzog gelang eine überraschend schnelle Konsolidierung, entscheidende Voraussetzung seiner bedeutenden Reichspolitik - er konnte die Stände ausmanövrieren, bevor sie über den Hebel der Finanzen stärkeren Einfluß gewannen. Andererseits hätte, scherzhaft gesagt, bereits ein Vergleich der eigenen mit den landesherrlichen Finanzen Bayerns die abenteuerliche Politik der Kurpfalz nach 1618 und damit den Dreißigjährigen Krieg verhindern müssen. Wie in manchen anderen Bereichen läßt sich auch Hessen-Kassel recht gut mit Bayern vergleichen. Auch das Gesamthessen Philipps des Großmütigen (1518- 1567), eines meisterhaften Territorialpolitikers, konnte am Ende die Vorteile, welche der Erwerb der Grafschaft KatzeneUnbogen mit ihren Rheinzöllen geliefert hatte, nicht festhalten - die ausgreifende Reichs- und Religionspolitik des Landgrafen tat ein übriges 58 • Aber nach der Teilung

56 Zur Entwicklung Bayerns: D . Albrecht, Staat und Gesellschaft, 2. Teil: 1500 1745, in: Spindler/Kraus (Hrsg.), Handbuch 2, S. 625- 663; Press, Wittelsbachische Territorien (FN 49), S. 575- 599 ; Lanzinner, Fürst, Räte und Landstände (FN 50). 57 H. Dollinger, Studien zur Finanzreform Maximilians I. in Bayern in den Jahren 1598- 1618. Ein Beitrag zur Geschichte des Frühabsolutismus, 1968; R. Heydenreuter, Der landesherrliche Hofrat unter Herzog und Kurfürst Maximilian I. von Bayern (1598- 1651), 1981. Vor allem: Lanzinner, Fürst, Räte und Landstände (FN 50).

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gelang Wilhelm IV. (1567 - 1592) mit seinem "ökonomischen Staat", an dem der bedeutende Kammersekretär Sirnon Bingentscheidenden Anteil hatte, "eine Verwaltungsstatistik mit restloser Erfassung und Fixierung der staatlichen Machtquellen als Abschluß der Verwaltungsrationalisierung"59. Noch wichtiger dürften jedoch die Auswirkungen auf Konsolidierung und Stabilisierung der landesfürstlichen Finanzpolitik gewesen sein, die der Landgraf durch eine friedfertige Außenpolitik flankierte. Es zeigte sich dann allerdings schnell, daß die Aktivitäten seines Nachfolgers, des Landgrafen Moritz (1592 - 1627), scheinbar modern wegen starker Behördendifferenzierung, verbunden mit einer ausgreifenden Reichspolitik, sehr schnell den erreichten Status wieder gefährdeten. Ähnlich stellt sich die Entwicklung im albertinischen Kursachsen dar, für das schon bald die reichen Bergeinkünfte des frühen 16. Jh. nicht mehr ausreichten60. Herzog Georg der Bärtige (1500- 1539) und die Kurfürsten Moritz (1547 - 1553) und vor allem August (1553 - 1586) engagierten sich für die Stabilisierung der Finanzen. Vor allem August erwies sich als weitsichtiger Landesvater, der persönlich über die Verbesserung der Domänen- und Regalieneinkünfte wachte und sogar Schriften dazu anregte61 . Über rein fiskalische Maßnahmen hinaus hatte er eine ausgeprägte Wirtschaftspolitik in Angriff zu nehmen getrachtet. August konnte ein beachtliches Schuldenwesen, Erbe der groß angelegten Reichspolitik seines Bruders Moritz, in einen Überschuß von 1,6 Millionen Gulden verwandeln, aber ohne die Steuerbewilligungen der Stände kam auch er nicht aus - wegen der Reichspolitik Moritz' hatten sie eine wichtige Rolle gespielt. August verstand es, im Zusammenspiel mit den Ständen die Steuerorganisation zu verbessern. Bewußt war den Zeitgenossen allerdings auch, daß damit eine verstärkte Heranziehung der Untertanen verbunden war. Aber am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges geriet Kursachsen erneut in eine schwere Finanzkrise, die 58 F. Gundlach, Die hessischen Zentralbehörden von 1247- 1604, 3 Bde., 1930/32; Ch. v. Rammel, Geschichte von Hessen, Bd. 1 - 4: bis 1567, Kassel und Marburg 1820 1830. 59 H. Philippi, Der Oberrheinische Kreis, in: Jeserich u. a., Verwaltungsgeschichte 1 (FN 2), S. 634- 658 (638- 650); L. Zimmermann, Der ökonomische Staat Landgraf Wilhelms IV., 2 Bde., 1933/34; K. Krüger, Der ökonomische Staat Landgraf WHhelms IV., Bd. 3, 1977; ders., Finanzstaat Hessen 1500 bis 1567. Staatsbildung im Übergang vom Domänenstaat zum Steuerstaat, 1980. 60 K. Blaschke, Die Ausbreitung des Staates in Sachsen und der Ausbau seiner räumlichen Verwaltungsbezirke: Blätter f. Deutsche Landesgeschichte 91 (1954), S. 74- 109; ders., Die kursächsische Landesregierung, in: Forschungen aus mitteldeutschen Archiven, 1953, S. 270 - 284; ders., Sachsen im Zeitalter der Reformation, 1970; ders., Wechselwirkungen zwischen der Reformation und dem Aufbau des Territorialstaats: Der Staat 9 (1970), S. 347- 364; Th. Klein, Kursachsen, in: Jeserich u . a., Verwaltungsgeschichte 1 (FN 2), S. 803 - 843. 61 J. Falke, Die Geschichte des Kurfürsten August von Sachsen in volkswirtschaftlicher Beziehung, Leipzig 1868; G. Müller, Hans Harrer, Kammermeister des Kurfürsten August: Neues Archiv für sächsische Geschichte 15 (1894), S. 63- 118; E. Tiesler, Die Kammer in Sachsen 1550- 1700, Diss. Breslau 1931.

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zunächst nicht zu lösen war62 • Die Finanzkrise war auch ein Dauergast in Kurbrandenburg; auch dort machte sie die Hilfe der Stände unumgänglich, auch dort war zu Ende des 16. Jh. eine Schuldenreduktion zu verzeichnen; auch dort führte die Schuldenkrise zu administrativen Verbesserungen, vor allem zur Einrichtung einer ständisch bestimmten Kreisorganisation seit 1540 - sie macht sehr schön deutlich, wie die Regionalisierung dem verstärkten Zugriff auf das Vermögen der Untertanen diente. Auch in Brandenburg verschärfte sich im neuen Jahrhundert die Krisensituations3. Einen besonders starken Einfluß gewannen die Stände in Österreich durch die Abhängigkeit der Habsburger von ihren Heeres- und Kreditleistungenangesichts der seit 1526 fast permanent werdenden Türkenabwehr, aber auch durch die administrative Strukturschwäche der Herrschaft in einem weitgespannten Territorium64 • Hinzu kamen auch die finanziellen Anforderungen, die aus der kaiserlichen Würde erwuchsen. Die Stände ließen sich ihr Entgegenkommen mit verstärkten religiösen Konzessionen honorieren, die von der Herrschaft bald als bedrohlich empfunden wurden 55 . An der finanziell kritischen Situation änderte auch die vorbildliche Finanzverwal62 U. Starke, Veränderung der kursächsischen Stände durch die Kriegsereignisse im 17. Jahrhundert, Diss. masch. Göttingen 1958. 63 F. Hartung, Studien zur Geschichte der preußischen Verwaltung, 1. Teil: Vom 16. Jahrhundert bis zum Zusammenbruch des alten Staates im Jahre 1806, 1942; M . Haß, Die Verwaltung der Amts- und Kammersachen unter Joachim II. und Johann Georg: Forschungen zur brandenburgisch-preußischen Geschichte 10 (1906) S . 227- 230 ; ders., Die Hofordnung Kurfürst Joachims II. von Brandenburg, 1910; P . Baumgart (Hrsg.), Ständeturn und Staatsbildung in Brandenburg-Preußen, 1983; W. Vogel, Brandenburg-Preußen, A: Die Entwicklung der brandenburgischen Verwaltung bis zum Regierungsantritt König Friedrich Wilhelms I. (1713), in: Jeserich u. a ., Verwaltungsgeschichte 1 (FN 2), S . 858 - 889 (858 - 878). 64 H. Baltl, Österreichische Rechtsgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart, 4. Aufl. Graz 1979; W. Brauneder I F. Lachmeyer, Österreichische Verfassungsgeschichte, 2. Aufl. Wien 1980; E. C. Hellbling, Österreichische Verfassungs.- und Ver waltungsgeschichte, 2. Aufl. Wien/New York 1974; A. Luschin v . Ebengreuth, Osterreichische Reichsgeschichte. Geschichte der Staatsbildung, der Rechtsquellen und des öffentlichen Rechtes. Ein Lehrbuch , 1896; ders., Handbuch der Österreichischen Reichsgeschichte. Geschichte der Staatsbildung, der Rechtsquellen und des öffentlichen Rechts, Bd. 1: Österreichische Reichsgeschichte des Mittelalters, 2. Aufl. 1914; ders., Grundriß der Österreichischen Reichsgeschichte, 2. Aufl., 1918; Th. Fellnerl H. Kretschmayr, Die Österreichische Zentralverwaltung: 1. Abt., 2 Bde., Wien 1907; Ch. Link, Die Habsburgischen Erblande, die böhmischen Länder und S alzburg, in: J eserich u .a ., Verwaltungsgeschichte 1 (FN 2), S . 468- 552 (468- 516). 65 H. Hassinger, Die Landstände der Österreichischen Länder . Zusammensetzung, Organisation und Leistung im 16.- 18. Jahrhundert: Jahrbuch f. Landeskunde von Nieder österreich N. F. 36 (1964), S. 989- 1035; ders., Die ständischen Vertretungen in den althabsburgischen Ländern und in Salzburg, in: Gerhard, Ständische Vertretungen (FN 5), S. 247- 285; H. Wiesflecker, Die Entwicklung der landständischen Verfassungen in den Österreichischen Ländern von den Anfängen bis auf Maximilian 1., in: Institut für Österreichkunde (Hrsg.), Die Entwicklung der Verfassung Österreichs vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Graz/Wien 1963, S . 9- 23; W. Schulze, Das Ständewesen in den Erblanden der Habsburger Monar chie bis 1740: Vom dualistischen Ständestaat zum organisch-föderativen Absolutismus, in.: Baumgart, Ständeturn (FN 63), s. 263- 279.

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tung Österreichs nichts, die allerdings bereits von Maximilian I. und Ferdinand I. durchaus unter dem Druck einer permanenten Finanznot geschaffen worden warss. Das relativ weitgespannte und lockere Herrschaftssystem der Habsburger erschwerte den Zugriff im lokalen Bereich, in dem der Adel besonders stark war. Der Teufelskreis von Steuerbewilligung und Konzessionen an den Adel stand im Zeichen einer fortwährenden kritischen Situation. Der Erwerb Böhmens und von Teilen Ungarns änderte zunächst nichts. Der Landesherr konnte zwar nach 1600 die konfessionellen Sonderentwicklungen abbremsen, nicht aber die ausgeprägte ständische Steuerverwaltung. Offenbar gab es eine Relation zwischen Größe und Effektivität eines Territoriums. Noch stärker als Österreich zeigten der jülich-clevisch-bergische Territorialverband am Niederrhein, daß Krisensituationen zu einer Desorganisation der Finanzen führen konnten, die wiederum die Stände unentbehrlich machte. Diese waren in der Lage, durch Verweigerung der Steuern den Landesherrn in eine finanzielle Notlage zu stürzen, welche zu Verpfändungen und Anleihen nötigte67. Auch die welfischen Fürsten, die aus ihren spätmittelalterlichen Fehden im Rahmen des Territorialbildungsprozesses eine gehörige Schuldenlast mitgenommen hatten, suchten der Schere zwischen Einkünften und Ausgaben durch administrative Maßnahmen zu entgehen - auch hier entwickelte sich ein starker ständischer Einflußss. In Mecklenburg gelang Herzog Magnus II. (1477- 1503) eine sehr frühe Konsolidierung mit Einsparungen und administrativen Maßnahmen, die gekrönt war durch die Wiederherstel66 Zur Kontroverse: S . Adler, Die Organisation der Centralverwaltung unter Kaiser Maximilian I., 1886; Th. Mayer, Die Verwaltungsorganisation Maximilians I., Innsbruck 1920; F . Rachfahl, Die niederländische Verwaltung des 15. bis 16. Jahrhunderts und ihr Einfluß auf die Verwaltungsreformen Maximilians I. in Österreich und Deutschland: Hist. Zeitschrift 110 (1913), S. 1 - 66; E. Rosenthal, Die Behördenorganisation Kaiser Ferdinands I., das Vorbild der Verwaltungsorganisation in den deutschen Territorien: Archiv für Österreichische Geschichte 69 (1887), S. 51 - 316; A. Walther, Die burgundischen Zentralbehörden unter Maximilian I. und Karl V., 1909; ders., Die Ursprünge der deutschen Behördenorganisation im Zeitalter Maximilians 1., 1913. 67 G. v. Below, Die landständische Verfassung in Jülich und Berg, 3 Teile in einem Band, 1885- 1891; Neudruck 1965; Carsten, Princes (FN 29), S. 258- 340; H. Croon, Stände und Steuern in Jülich-Berg im 17. und vornehmlich im 18. Jahrhundert, 1929 ; U. Tornow, Die Verwaltung der jülich-bergischen Landsteuern während der Regierungszeit des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm (1609 - 1653), Diss. Bonn 1974; S. Wagner, Staatssteuern in Jülich-Berg von der Schaffung der Steuerverfassung im 15. Jahrhundert bis zur Auflösung der Herzogtümer in den Jahren 1801 und 1806, 1977; R. Walz, Stände und frühmoderner Staat. Die Landstände von Jülich-Berg im 16. und 17. Jahrhundert, 1982. Vgl. auch K. Ruppert, Die Landstände des Erzstifts Köln in der frühen Neuzeit. Verfassung und Geschichte: Archiv des Hist. Vereins vom Niederrhein 174 (1972), S. 47 - 111. 6B C. Haase, Das ständische Wesen im nördlichen Deutschland, 1964; W. R. Reinicke, Landstände im Verfassungsstaat, 1975; H. Koken, Die Braunschweiger Landstände um die Wende des 16. Jahrhunderts, 1914.

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lung des Domänenbesitzes, der durch seinen Vorgänger Heinrich II. fast ganz verschleudert und verpfändet worden war. Die Konsolidierung wurde dann freilich durch die Politik Herzogs Albrechts VII. (1503- 1547) wieder verspielt. Seither kam das mecklenburgische Haus unter den massiven Druck der Stände, dem es sich nicht mehr entziehen konnte, mit einschneidenden Folgen für das Land69. Es war schon die Rede vom offenkundigen Zusammenhang zwischen Finanzkraft und Größe des Territoriums. Landesteilung bedeutete überproportionalen Anstieg der Kosten durch die Doppelung von Höfen und Behörden, gewiß nicht der geringste Grund für den Widerstand der Stände. Bei den Grafen gab es offenbar Faustregeln für die untere Grenze einer Landesteilung. Daß der gesteigerte Behördenausbau von kleineren Territorien zu Überschuldungen führte, war eher ein Phänomen späterer Zeiten - eine wesentlich größere Rolle spielten überproportionale Hofhaltungen mit den damit verbundenen Belastungen, während andererseits Fürstendienste und das Entfallen einer Hofhaltung, vor allem für das Kleinterritorium, entsprechend entlastend wirkten. Dennoch nahmen die Landesteilungen gegen Ende des Jahrhunderts zu, nicht erstaunlichangesichtsdes Wachstums der Familien, des Wegfalls der Pfründen beim evangelischen Teil des Fürsten- und Grafenstandes 70 • Entsprechend schnell führte die geringere territoriale Substanz zu größerer finanzieller Anfälligkeit. Es gab einen offenkundigen Zusammenhang zwischen Schuldenwesen, Versuchen zur Einkommenssteigerung und entsprechender Steigerung der Lasten und Untertanenunruhen. Schon 1542 mußte Pfalzgraf Ottheinrich von Neuburg (1504- 1559), der spätere Kurfürst, der mehr auf seine kurfürstliche Abkunft als auf die beschränkten Ressourcen seines kleinen Territoriums sah, dieses unter ständische Verwaltung geben71 . Im Hinblick auf seinen Regierungsantritt in Heidelberg 1556 stieß er das verschuldete Neuburg an den Vetter Wolfgang von Zweibrücken (1532- 1569) ab, der seinerseits für diesen Erwerb das Stammland Zweibrücken so sehr verschuldete, daß für seine Nachfolger der 69 M. Hamann, Das staatliche Werden Mecklenburgs, 1962; C. Hegel, Geschichte der mecklenburgischen Landstände bis zum Jahr 1555 mit einem Urkunden-Anhang, Rostock 1856, Neudruck 1968; H. Krause, System der landständischen Verfassung Mecklenburgs in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, 1927; P. Steinmann, Die Geschichte der mecklenburgischen Landessteu ern und der Landstände bis zu der Neuordnung des Jahres 1555: Jahrbuch des Vereins für mecklenburgische Geschichte 86 (1922), S. 93- 132, ebd. 88 (1924), S . 1- 58; 0. Vitense, Geschichte von Mecklenburg, Gotha 1920; H. Witte, Mecklenburgische Geschichte, 2 Bde., 1909; Th. Klein, Mecklenburg, in: Jeserich u.a., Verwaltungsgeschichte 1 (FN 2), S. 782- 803. 70 Vgl. dazu neuerdings die Bemerkungen bei G. Schmidt, Der Wetterauer Grafenverein. Organisation und Politik einer Reichskorporation zwischen Reformation und Westfälischem Frieden, 1989, S. 490- 503. n V. Press, Fürstentum und Fürstenhaus Pfalz-Neuburg. Die dritte wittelsbachische Kraft, in: K. Ackermann / G . Girisch (Hrsg.), Gustl Lang. Leben für die Heimat, 1989, s. 255- 278 (256 f.).

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Zinsendienst das Einkommen des Ländchens überstieg. Die von Landgraf Wilhelm IV. von Hessen empfohlene Begründung einer landschaftlichen, von Bürgern und Bauern getragenen Verfassung änderte die Situation nicht mehr72 . Ende des Jahrhunderts mußte der hoch verschuldete Graf Heinrich von Fürstenberg sein Territorium unter dem Druck der Landschaft "unter Wald" (allerdings nicht nur deshalb) an die Agnaten übergeben. Auch hier zeigte sich eine sich dramatisch zuspitzende Krisensituation73 • Um 1600 war dies ein verbreitetes Phänomen. Nach einer offenbaren Konsolidierungsphase in der 2. Hälfte des 16. Jh., begünstigt durch den allgemeinen Reichsfrieden, hatte sich die Finanzentwicklung meistenteils gegen Ende des Jahrhunderts wieder zugespitzt - eine Entwicklung, die wahrscheinlich auch mit der Verschlechterung der politischen Lage zusammenhing. Die Beispiele sind zahlreich, daß die forcierten Rüstungen vor dem Dreißigjährigen Krieg das mühsam gewonnene finanzielle Gleichgewicht wieder zum Kippen brachten - Bayern scheint hier die Ausnahme gebildet zu haben. Hinzu kamen allerdings auch die vielerorts explodierenden Hofkosten, die wahrscheinlich den Aufwand für die Beamtenvermehrung deutlich übertrafen. Dabei handelte es sich nicht nur um eine epidemische Vergnügungswelle der Fürsten, sondern auch um den Versuch des neuerlichen Ausgleiches mit einem domestizierten Adel. Es mag sein, daß dieser auch angesichts einer sich wieder zuspitzenden allgemeinen Lage mit hohem Aufwand gewagt wurde. Die wachsende Tendenz zu Prunk, zum Bauwesen, zu Kunstförderung hatte durchaus auch eine Wurzel in der standesgemäßen Repräsentation; fehlte sie, konnte das die Kredi~fähigkeit beeinträchtigen. Die Anleihen nahmen seit Anfang des 17. Jh. in zahlreichen Territorien kräftig zu- am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges kam es sogar zu einem Zinsanstieg von 5 auf 6% 74. Es bestätigten sich die bereits älteren Erfahrungen, daß deutsche Territorien eine aktivere Politik, womöglich verbunden mit Rüstungen, sogleich mit erheblichen Belastungen bezahlen mußten, die schnell die Grenzen der verfügbaren territorialen Ressourcen überschritten. Die oben angeführten Beispiele ließen sich noch erheblich vermehren.

Press, Steuern, Kredit und Repräsentation (FN 29), S. 65. R. Asch, Verwaltung und Beamtentum. Die gräflich fürstenbergischen Territorien vom Ausgang des Mittelalters bis zum Schwedischen Krieg 1490- 1632, 1986, s. 181- 209. 74 Th. Mayer,. Die deutsche Volkswirtschaft vor dem Dreißigjährigen Kriege: Mitteilungen des Österr. Instituts für Geschichtsforschung 41 (1926), S. 216- 230; F. Lütge, Die wirtschaftliche Lage Deutschlands vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges, in: ders., Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Gesammelte Abhandlungen, 1963, S. 336- 395; F. Kaphahn, Der Zusammenbruch der deutschen Kreditwirtschaft im 17. Jahrhundert und der Dreißigjährige Krieg: Deutsche Geschichtsblätter 13 (1912), S . 139- 162; M . Neumann, Geschichte des Wuchers in Deutschland bis zur Begründung der heutigen Zinsengesetze 1654, Halle 1865. 72 73

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Die Krisensituation seit 1600, verbunden auch mit einem steigenden politisch-ökonomischen Krisenbewußtsein, tat das ihre. Die Kipper- und Wipperzeit am Anfang des Dreißigjährigen Krieges war auch Ausdruck der Überhitzung der landesfürstlichen Kreditpolitik75 - die Kurpfalz etwa bezahlte ihre Rolle in der Reichspolitik mit einem unverantwortlichen Schuldenwesen. Damals begann auch die ständische Kreditfähigkeit auf ihre Grenzen zu stoßen. Die Stände hatten immer wieder das wachsende Defizit der landesfürstlichen Kassen ausgeglichen und waren zugleich die wichtigsten Wegbereiter vom Domänen- und Regalienstaat zum Steuerstaat gewesen. Sie bürgerten die Steuern ein und halfen zugleich, die erhöhte Belastung der Untertanen zu legitimieren und zugleich durchzusetzen und aufrecht zu erhalten, indem sie sich der Steuereinnahmen annahmen. Ihr Kredit steigerte den fürstlichen ebenso wie die Einziehung des Kirchenguts durch die evangelischen Landesfürsten. Aber schon am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges war man am Ende seines Lateins, stieß der ständische Kredit auf seine Grenzen, zumal die Fürsten vielfach ihre Kammerschulden auf die Stände abgewälzt hatten. Diese waren so trotz gegenteiliger Abwehrversuche zu Wegbereitem eines intensivierten Landesstaates geworden, ohne daraus entscheidende Vorteile ziehen zu können. Die Schulden- und Kreditsicherung seitens der Stände verwies auf die strukturellen Unzulänglichkeiten des Landesstaates. Die herkömmlichen Maßnahmen gelangten an deutliche Barrieren - es wurde klar, daß eine bessere Fundierung der landesfürstlichen Finanzen harte Maßnahmen voraussetzte, die ihre Grenzen in der Produktionsfähigkeit der Untertanen hatten. Unter den Bedingungen des 16. Jh. war der erwirtschaftete Gewinn jeweils begrenzt. Das setzte den abschöpfbaren Summen Grenzen. So erwies das Dilemma einer permanenten Finanzkrise die meisten Fürsten auf den Weg zu administrativer Verdichtung und Expansion. Die Finanzkrise war ein wichtiger Motor des territorialen Ausbaus - dieser vermochte sie aber nicht zu lösen, sondern schrieb sie fort. Eine wirkliche Konsolidierung gelang nur ganz selten. Die skizzierte Entwicklung wurde durch den Dreißigjährigen Krieg dramatisch weitergetrieben: explodierende Kosten, Einstellung des Zinsendienstes, auch politisch motivierte "Staatsbankrotte" wie sie die bayerische Besatzungsmacht in den okkupierten Pfälzer Landesteilen praktizierte, setzten spektakuläre Akzente76 . Dennoch erzwang der Krieg über Einquar75 F. Redlich, Die deutsche Inflation des frühen siebzehnten Jahrhunderts in der zeitgenössischen Literatur. Die Kipper und Wipper, 1972; ferner: R. Gaettens, Inflationen, 2. Aufl. 1956. 76 Vgl. die FN 74 zitierte Literatur. Ferner : E . Gothein (Hrsg.), Ein Neu-Nutzliehund Lustigs Colloquium von etlichen Reichstags-Puncten, 1893.

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tierungen, Kontributionen und Brandschatzungen eine ungeheure Mobilisierung, die vielfach existenzbedrohend war, aber doch die Leistungsfähigkeit, die oft mehr eine Leidensfähigkeit war, antrieb. Der Krieg reduzierte meist die Zahl der Gläubiger und ruinierte den Kredit der Landstände. Es zeigte sich, daß in der konkreten Krisensituation schnelle, harte und durchgreifende Maßnahmen der Fürsten eine entscheidende Bedeutung gewannen, Erfahrungen, die die Kriegsjahre prägten und auf die weitere Entwicklung einwirkten. Mit dem Dreißigjährigen Krieg geht eine Phase der Finanzentwicklung zu Ende, die zwar eine beachtliche administrative Durchdringung und einen Ausbau der Finanzbehörden brachte, doch in den meisten deutschen Territorien die Diskrepanz zwischen Ausgaben und Einnahmen nicht beseitigen konnte. Das Hilfsmittel einer ständischen Kreditsicherung konnte nur begrenzt als Ersatz dienen. Nach 1648 suchte deshalb der Landesstaat nach neuen Wegen, die nun über die administrativen Maßnahmen hinausgingen- Erfahrungen: und Vorläufer hat es in der Zeit vor 1618 bereits gegeben. Wenn von der Diskrepanz zwischen Aufgaben und Ansprüchen des deutschen Territorialstaats auf der einen, von seinen begrenzten finanziellen Möglichkeiten auf der anderen Seite die Rede war, so ist das nur der eine Aspekt der Entwicklung- so breit diese Problematik auch die gesamte Verfassungsentwicklung betrifft. Es zeigte sich, daß die Einbringung ständischen Kredits und ständischer Mitwirkung wichtige Voraussetzung für diese war. Beide verwiesen aber nicht nur auf die strukturelle Schwäche des Territorialstaats, sondern auch auf größere Probleme und Konsequenzen, welche die Legitimierung der außerordentlichen Steuerforderungen mit sich brachte, verwiesen also auf den Weg von der Finanzierung territorialer Verwaltung aus Domänen und Regalien hin zur Einbürgerung von Steuern. Diese unterlagen zunächst keineswegs der willkürlichen Bestimmung durch den Herrscher. Der Konsens der Stände war zunächst für die Landesfürsten unabdingbar (bei den Reichsstädten sah es, entsprechend der anderen Verfassung, ähnlich aus) -er war ein wichtiger Bestandteil der Gewährleistung von Herrschaft. Es soll noch einmal betont werden, welch zentrale Bedeutung der damit verbundene Prozeß einer Gewöhnung an die zunächst außerordentlichen Steuern hatte. Daraus entstanden nicht nur die Grundlagen des frühneuzeitlichen "Steuerstaats". Dieser schaltete schließlich auch die Stände aus, die sich selbst mit ihrem Engagement überflüssig machten oder wenigstens ihre Bedeutung relativierten, wobei man allerdings nicht ihre Position nach dem Modell des modernen Parlamentarismus beurteilen sollte. Die strukturellen Defizite des Territorialstaats in der Finanzfrage zwangen ihn also immer weiter vorwärts und wurden ein bedeutender Motor zu seiner Verfestigung - wozu wohl auch die konstatierte Überlegenheit juristischer Kenntnisse gegenüber den finanzpolitischen bei den maßgeblichen Amtsträgern wesentlich beitrug.

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Ohne Frage bedeutet es ein erhebliches Defizit unserer Kenntnisse, daß die Finanzprobleme der einzelnen deutschen Territorien im wesentlichen noch unerforscht geblieben sind. Dies hängt aufs neue damit zusammen und hierin sind die heutigen Historiker gleichsam die Erben der damals Herrschenden- daß die Fragen nach der Verfassung im Vordergrund gestanden haben. Man kann aber auch sagen, daß die Defizite spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Finanzplanens noch dem modernen Forscher die Arbeit schwermachen. Um so höher ist der Stellenwert der einschlägigen Studien, wie etwa zuletzt jener von Walter Ziegler über die Finanzen der "reichen Herzöge" von Bayern-Landshut zwischen 1450 und 150077. Aber das angesprochene Problem hat noch wenigstens zwei andere Aspekte, die im einzelnen nicht erörtert werden konnten, auf die gleichwohl wenigstens hingewiesen werden soll. Zunächst ist die Wirkung der Reichssteuern zu nennen, die ganz offensichtlich wesentlich mithalfen, den Landessteuern den Weg zu bereiten. Eine Steuerforderung von Kaiser und Reich hatte für die Mehrheit deutscher Untertanen offenbar eine höhere Qualität als eine landesfürstliche, vor allem wenn sie durch die Türkenabwehr legitimiert war. Das Prestige von Kaiser und Reich galt mehr als das eines Landesfürsten, zumal wenn es sich um einen kleineren Herrn handelte. So wurden die Steuerbewilligungen der Reichstage für die oben skizzierten territorialen Steuern außerordentlich wichtig. Die Landesfürsten haben sich vielfach an die Reichssteuern angehängt und versucht, daraus ihren eigenen Vorteil zu ziehen. Das Steuersystem des Reiches, mit dem Prinzip der Matrikularbeiträge, das sich seit der Mitte des 16. Jh. endgültig durchsetzte, begünstigte ihre Tendenzen, auf die Reichssteuern zusätzliche Summen zum eigenen Vorteil daraufzusatteln, was gelegentlich von den Untertanen bemerkt wurde, wie Winfried Schulze gezeigt hat7B. Daß der Reichstag erst nach dem Dreißigjährigen Krieg versuchte, eine Gruppe von territorialen Steuerförderungen festzuzurren, bei denen ein eigener Landtagsbeschluß nicht mehr nötig war, zeigt, wie offen die Situation zuvor war, anders gesagt: daß es nicht ganz leicht war, territoriale Steuern einzubringen7 9. Daß der Reichstag diese Rolle spielte, erstaunt nicht - war er doch zuallererst eine Versammlung von Territorialherren in kurfürstlichem oder gräflichem Gewande; erstaunlich ist eher, daß er sich so lange zurückgehalten hat. Es war a uch nicht die Rede von der Rolle der Untertan en im territorialen Verfassungsgefüge, also von adeligen und geistlichen Korporationen, städtiZiegler, Studien zum Staatshaushalt (FN 7). W. S chulze, Reich und Türkengefahr im späten 16. Jahrhundert. Studien zu den politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer äußeren Bedrohung, 1978, s. 238- 302. 79 K. Lohmann, Das Reichsgesetz von 1654 über die Steuerpflicht der Landstände, Diss. Bann 1892/93. 77

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sehen oder ländlichen Gemeinden. Sie fanden sich - zumeist abgesehen von den ländlichen Gemeinden - in den Landständen wieder. Bäuerliche und dörfliche Gemeinden waren in der Regel nur in den Landschaften von Kleinterritorien repräsentiert80 • Aber abgesehen von dieser Rolle spielten sie auch bei Steuerveranlagung und Steuereinzug eine beträchtliche Rolle. Dies war naturgemäß eine sehr undankbare Aufgabe, keineswegs nur Ausdruck korporativer oder gemeindlicher Autonomie. Andererseits hatte der Landesstaat keineswegs ein zwingendes Interesse, diese Korporationen auszuschalten. Es war bereits ausführlich die Rede davon, wie sehr er selbst seine Probleme hatte mit der Durchsetzung des .,Steuerstaats" auf der Ebene der Ämter. So war er gar nicht in der Lage, auch noch auf die Ebene der Gemeinden vorzudringen, ganz abgesehen davon, daß sich der Adel gegen einen Eingriff in seine Korporationen gewiß gewehrt hätte. Allerdings war es für den noch nicht ganz durchgebildeten Landesstaat auch der bequemere Weg, die korporativen und kommunalen Organisationen für Steuerrepartition und Steuereinziehung einzuspannen - dies war übrigens auch ein wesentlicher Aspekt der Einbeziehung der Stände, die sich ihrerseits oft genug auf die Korporationen und Kommunen stützten- ihre Mobilisierung dürfte kein geringes Motiv für die Beteiligung der Stände am territorialen Steuerwesen dargestellt haben. Der Landesstaat konnte sich mit ihrer Inanspruchnahme eine ganze Menge von Konfliktmöglichkeiten vom Halse schaffen- nicht die Aufsaugung, sondern die Instrumentalisierung von Korporationen und Kommunen auf der unteren Ebene war ein Ziel, das· der deutsche Landesstaat seit dem 16. Jh. in immer stärkeren Ausmaßen erreichtes I. Diese zusätzlichen Seiten bei der Entwicklung des landesfürstlichen Finanzwesens, die hier nur kurz skizziert werden konnten, unterstreichen, wie komplex die finanzielle Fundierung des deutschen Landesstaates war aber auch welch zentrale Bedeutung dieses Problem hatte. Gewiß muß das Bild für die Vielzahl und die vielfältig großen deutschen Territorien stark differenziert werden. Hinzu kam ein unterschiedlicher Entwicklungsstand in den unterschiedlichen Teilen des Reiches. Daraus folgte ein höchst komplexes Erscheinungsbild. Wie unzulänglich auch die Methoden waren, die 80 P. Blickle, Landschaften im Alten Reich. Die staatliche Funktion des Gemeinen Mannes in Oberdeutschland, 1973; V. Press, Herrschaft, Landschaft und .,Gemeiner Mann" in Oberdeutschland vom 15. bis zum frühen 19. Jahrhundert: Zeitschr. für die Gesch. des Oberrheins 122 (1975), S. 169- 214. 81 Zu den Problemen jetzt: V. Press, Stadt- und Dorfgemeinden im territorialstaatlichen Gefüge des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit, in: P. Blickle (Hrsg.), Landgemeinde und Stadtgemeinde in Mitteleuropa. Ein struktureller Vergleich, 1991, S. 425 - 454. Dazu auch: V. Press, Kommunalismus oder Territorialismus? Bemerkungen zur Ausbildung des frühmodernen Staates in Mitteleuropa, in: H. Timmermann (Hrsg.), Die Bildung des frühmodernen Staates - Stände und Konfessionen, 1989, s. 109- 135.

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finanzielle Fundierung des Landesstaates sicherzustellen (bei den kleineren sollte seit dem 17. Jh. die strukturelle Schwäche in eklatanter Weise hervortreten), so haben doch die unterschiedlichen Fürsten und Herren die Tragweite des Problems allemal begriffen: "Pecunia nervus rerum! "

Aussprache Battenberg: Mich interessiert besonders das Problem der fürstlichen Anleihen in den Territorien. Die Darlehensaufnahmen der Fürsten bei Städten und in der Beamtenschaft hatten Sie angesprochen; doch wie stand es mit den Anleihen bei der Judenschaft? Sie hatten von der Mitwirkung der Juden in der territorialen Verwaltung gesprochen. In diesem Zusammenhang tauchten sie gewiß auch als Geldgeber auf. Aus den Quellen ist bekannt, daß die Darlehenstätigkeit der Juden im 14. und 15. Jh. von Fürsten und anderen lokalen Herrschaftsträgern recht häufig in Anspruch genommen wurde. Im 16. Jh. gingen die Kreditbeziehungen zu den Juden im Bereich des Heiligen Römischen Reiches stark zurück, um dann mit dem Dreißigjährigen Krieg und den neuen Bedürfnissen der Territorialverwaltung wieder massiv einzusetzen (Hofjuden!). Man könnte sich vorstellen, daß in verschiedenen Territorien, die einer leistungskräftigen Beamtenschaft entbehrten und ohne kapitalkräftigere Städte waren, einzelne Juden in starkem Umfang zur Beleihung der Landesherren beitrugen, um ihre eigene Stellung im Lande zu stabilisieren. Die Herrschaft und spätere Grafschaft Lichtenberg im Elsaß, um nur ein Beispiel zu nennen, von mittlerer Ausdehnung und mit einer über die Amtmannschaft auf lokaler Ebene nicht hinausgehenden Verwaltung, verfügte zwar seit Mitte des 14. Jh. über keine eingesessenen Juden mehr; dennoch aber bestanden stabile Kreditbeziehungen zu zwei bis drei Juden aus Straßburg und Hagenau, die über eine längere Zeit hinweg den Anleihebedarf der Herrschaft deckten. Den erhaltenen Schuldbriefen nach zu schließen waren Darlehen von jüdischer Seite hier die Regel. Deshalb meine Frage: Kann man dieses Beispiel verallgemeinern, gab es weitere Territorien mit einer gegenüber städtischer und "verwaltungsinterner" Darlehenstätigkeit hervortretenden jüdischen Kreditwirtschaft zugunsten der Fürsten? Press: Ich hatte an sich gedacht, die Fragen zu sammeln - aber vielleicht antworte ich in diesem Fall doch etwas genauer. Sicherlich spielen Judenschulden für die Territorien eine Rolle. Dabei möchte ich auf die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg nicht eingehen, weil es sich hier um eine etwas andere Thematik handelt. Die Judenschulden hatten den Ruf, durch höhere Zinsen für die Schuldner deutlich ungünstiger zu sein. Das kommt wahrscheinlich daher, daß Juden bei der Mobilisierung von Kredit schneller waren und deshalb anscheinend auch ungünstigere Kredite genommen hatten. Bei den Juden spielte eine relativ große Rolle das Geschäft auf Pfandleihe. Ich weiß aus der Kurpfalz, daß sie sich teilweise bei Frankfurter

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Juden verschuldet hat, wobei es natürlich auch Probleme gab. Es gibt einen interessanten Fall, über den ich gelegentlich noch veröffentlichen will: der Mann, der über die pfälzische Schatzkammer zu wachen hatte, suchte nach 1600 hinter dem Rücken des Kurfürsten zu seinem eigenen Vorteil die repräsentativen Juwelen und Schätze der Kurpfalz bei Frankfurter Juden zu verpfänden; es gab also auch Manipulationen. Als Faustregel kann man wohl sagen, daß die Juden offenbar eine ganz große Rolle für Zwischenfinanzierungen spielten, weil sie relativ schnell mobilisierbar waren. Ohne Anspruch darauf, eine allgemein gültige Aussage treffen zu wollen, denke ich, daß insgesamt bei längerfristigen Schulden Juden eine eher geringe Rolle spieltensie waren anscheinend wichtig für die rasche Geldmobilisierung.

Frau Barmeyer: Bei den Schwierigkeiten des Staates, mit den finanziellen Problemen fertig zu werden, hatten Sie darauf hingewiesen, daß dies zum Teil daran lag, daß die Verwaltungsbeamten eher juristisch ausgebildet waren, von Finanztechnik aber wenig verstanden. Mich wundert nun etwas, daß man nicht wenigstens im Spätmittelalter, als doch die europäischen Wirtschaftszusammenhänge noch übergreifender sind als nach der Abschließung des frühneuzeitlichen Territorialstaates, die Finanzkenntnisse der Kurie und der oberitalienischen Städte z. B. nicht stärker gekannt und aufgenommen hat. Kunisch: Hier ist die Rede gewesen von allgemeinen Prozessen, die mit Verdichtung, mit Expansion, mit Rationalisierung und ähnlichem beschrieben worden sind. Meine Frage ist nun, was sind denn die primären Triebkräfte, die dahintergesteckt haben, die diese Prozesse, von denen an vielen regionalen Beispielen die Rede war, in Gang gesetzt haben, was sind die politischen oder welche Anlässe auch immer, oder personalpolitische Erwägungen gewesen, die diese Prozesse in Gang gesetzt haben. Es war auch die Rede davon, daß größere Territorien offenbar effektiver haben arbeiten können. Insofern wäre Vergrößerung, "agrandissement" , das ja im 18. Jh. ganz eindeutig in den Vordergrund tritt, ein wesentlicher Faktor von Staatsbildung und überhaupt ein Motiv, mit dem man Machtpolitik oder überhaupt Politik im Sinne einer Rationalisierung und Steigerung von Effektivität getrieben hat. Schindling: Meine Frage schließt in gewisser Weise an Herrn Kunisch an mit einem konkreten Phänomen, über das gesprochen wurde, nämlich die Steigerung von Repräsentationsaufwand und Repräsentationsaufgaben, die um 1600 an den fürstlichen Höfen in Deutschland zu verzeichnen ist. Die Zeit um 1600 ist ja neuerdings wieder verstärkt in die Diskussion gekommen, es geistert da sogar ein Begriff wie "Vorsattelzeit" durch neueste Literatur; es hat allerdings auch vorher bei den Kunsthistorikern schon Diskussionen gegeben, etwa um die Weser-Renaissancehier in der Nachbarschaft und um den rudolfinischen Hof in Prag. Meine Frage wäre nun die: Wie

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erklärt sich diese Steigerung von höfischem Luxus, von höfischer Repräsentation, es wurde ja angedeutet, daß es möglicherweise mit der Einbindung des Adels in die Fürstenhöfe zu tun haben könnte, also gewissermaßen Louis XIV. avant la lettre, aber könnte man nicht vielleicht auch an das Vorbild von maßgebenden Höfen um 1600 denken, also etwa gerade an den Hof Rudolfs II. in Prag und mir fällt dann ein, daß auch Heinrich IV. in Frankreich ja ein sehr prächtiger Monarch war, der Künste und Hofleben sehr förderte; oder sind das vielleicht noch andere Motive, die die großen Höfe in Deutschland zu einer gesteigerten Repräsentation veranlaßt haben, also ist es vielleicht ein wirtschaftliches Motiv, die Konjunktur, die günstig war, oder sind die großen Bauten ganz im Gegenteil Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, um einem Notstand abzuhelfen, dies als einige offene Fragen.

Press: Ich möchte versuchen, alle drei Fragen zu beantworten. Meines Erachtens ist das Defizit in finanztechnischer Ausbildung ein allgemeines Phänomen deutscher Amtsträger gewesen. Was die Kurie angeht, so ist ihr unmittelbarer Einfluß im 16. Jh. relativ gering geblieben- ein anderes Problem wäre, ob sie im 16. Jh. noch den weiten Vorsprung besaß, der sie im späten Mittelalter auszeichnete. Natürlich war es nicht so, daß die Juristen bereits damals der Welt eingeredet hätten, daß es nur auf eine juristische Bildung ankäme. Gerade die deutschen Territorien mit ihren vielfältigen Konflikten, in denen es um Rechtstitel ging- Territorienbildung war auch Sammlung von Rechtstiteln - benötigten den juristisch geschulten Techniker der Herrschaft, der diese Rechtstitel durchzusetzen verstand. Mit diesem Phänomen scheint mir der Primat des Juristischen stark zusammenzuhängen. Ich komme zur Frage von Herrn Kunisch, die sich da schön anschließt. Was waren die primären Triebkräfte? M.E. ist es eine grundsätzlich problematische Frage, "primäre Triebkräfte" aus einem komplexen Vorgang herauszupräparieren - also eine Frage, die man eigentlich nicht beantworten darf. Dabei spielte natürlich die Triebkraft der Herrschaftskonsolidierung, der Herrschaftsbehauptung, der Effektivmachung der Herrschaft eine Rolle; das waren Triebkräfte, die auch unter dem Druck der Finanzsituation -und diese ist stets ein wichtiger Faktor staatlicher Entwicklung..:.. wirksam gewesen sind. Ganz deutlich ist es so, daß es eine Relation gegeben hat zwischen der Größe eines Territoriums und seiner Effektivität gerade im Hinblick auf seine Kosten. Wenn ein Fürst meinetwegen ein Territorium unter drei Söhnen geteilt hat, dann bedeutete dies eine Verdreifachung der Hofkosten, so daß ein Drittel des Landes annähernd die gleichen Hofkosten tragen mußte, einschließlich der für die damals immer noch in den Hof eingebetteten "Bürokratie". Man kann ungefähr zeigen, daß das Ansteigen der Kosten disproportional war- dies habe ich selbst bei der wetterauischen Grafenfamilie Solms studiert. Dort sagte man, daß man nicht unter eine gewisse Ter-

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ritorialgröße teilen dürfe, ohne daß man die standesgemäße Existenz des Begünstigten gefährdete. Dies galt allmählich auch für die Ritter, die mit Teilungen besonders schlechte Erfahrung gemacht hatten. Hier liegt ein Ansatz zur Ausbildung des Fideikommisses. Das bedeutet, daß es eine Territorialgröße gab, die höchste Effektivität garantierte und die administrative Durchdringung möglich machte. Auch wenn das Territorium zu groß geworden ist, konnte dies dazu führen, daß seine Effektivität nachließ. Ein zu großes Territorium begünstigte die sekundäre Bildung eines sehr starken Adels. Dies ist ein Problem, das für die österreichisch-böhmische Geschichte, für Teile der osteuropäischen Geschichte- oder sagen wir: Ost-Mittel-Europa, auch wenn man sich damit in ein sehr schwieriges Gelände der Diskussion über diesen Saum zwischen Ostsee und Adria gelangt - wichtig wird. Das Interessante ist dabei, daß dieses Phänomen sich schon frühzeitig in Brandenburg-Preußen in einer ganz anderen Weise bemerkbar machte als in Böhmen und in den habsburgischen Ländern, die unter sich eine sehr ähnliche Struktur gehabt haben. Diese Gedanken hat übrigens schon Peter Moraw in seinem Band der Propyläen Geschichte Deutschlands dargelegt. Kurzum, es scheint, daß Territorien mittlerer Größe, also Territorien wie Sachsen und Bayern, für effektive Herrschaft und auch für den territorialen Konzentrationsprozeß am günstigsten strukturiert waren. Dies scheint mir ein ganz wichtiger Vorgang für die deutsche Geschichte gewesen zu sein- der auf die Handlungsfähigkeit der einzelnen Territorien zurückwirkte. So wichtig der Adel für die Staatwerdung in Österreich war, so sehr ergaben sich dann später die Möglichkeiten einer starken adeligen Opposition. Ich komme zu der Bemerkung von Herrn Schindling: Es ist richtig, daß sich am Ende des 16. Jh.- über die Frage einer "Vorsattelzeit" will ich jetzt nicht streiten, zumal hier die Kombattanten fehlen- die Repräsentation, der Hofaufwand, der höfische Stil erheblich steigerten. Es ist eine Zeit, die man in der Kunstgeschichte als "Deutsche Renaissance" bezeichnet. Diese Entwicklung ist gar nicht von der Konfession abhängig. In Briefen haben wohlbekannte Heidelberger Reformierte um die Wende zum 17. Jh. gesagt, daß der Heidelberger nach dem Kaiserhof der schönste sei, man sprach ja vom Calvinismus aulicus. Das hängt damit zusammen, daß sich auch die Calvinisten einer grundsätzlichen Verhaltensweise des Fürstenstandes nicht entziehen konnten: der Frage der Reputation des Fürsten, der Tatsache, daß die Fürstenhöfe untereinander konkurriert haben. Dabei haben sie sicher viele Dinge nachgemacht, sich gegenseitig kopiert, und dies in heftiger Konkurrenz - selbst der Erwerb schöner Bilder oder kurioser Gegenstände vollzog sich unter erbittertem Wettbewerb, was die Preise übrigens stark nach oben getrieben hat. Hinzu kommt für diese Entwicklung auch der Faktor einer stärkeren Einbindung des Adels in den Hof - Ausdruck des Ausgleichs des Fürstenstaates mit einem inzwischen im Territorium domestizierten Adel, also die Rückverlegung der Kommunikation mit dem landsässigen Adel aus 3 Der Staat, Beiheft 9

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den Landständen in den Hof. So gesehen handelt es sich vielleicht doch um eine "Vorsattelzeit" - wobei der Begriff Sattel ja ganz zum Adel passen würde-, die sich dann im 17. Jh. fortsetzte. Um beim Thema zu bleiben: die Frage der Reputation hängt ja auch wieder- ich habe dieses angedeutetmit dem Kredit zusammen. Man kann in den Korrespondenzen lesen, daß sich um 1600 die Grafen von Solms überlegten, ob sie Lehensrechte abstoßen sollten, die wertlos geworden sind- aber sie taten es nicht, weil sie sagten, es sei eine Ehre, Lehensleute zu haben, und der Reputation und dem Kredit schädlich, sie einfach abzustoßen. Was den Vorbildcharakter auswärtiger Höfe angeht, so ist für unsere Zeit zu sagen, daß der Vorbildcharakter des Kaiserhofes, insbesondere der des Hofes von Rudolf II., ausgesprochen stark gewesen ist, auf den natürlich spanische Einflüsse wirkten, nicht zuletzt auch italienische. Westeuropäische Vorbilder kamen bei den Reformierten zum Tragen, vielleicht weniger stark der nicht nachahmbare Hof des Königs von Frankreich, sondern viel eher jener des Hofes des Herzogs von Bouillon in Sedan, der gern als Vorbild genannt wird und der überdies eine Fürstenschule hatte. Bei den kleineren katholischen Höfen könnte sein, daß die Wirkung der italienischen Fürstenhöfe relativ stark war.

Kleinheyer: Darf ich mich ganz kurz mal einschalten zum Stichwort Größe. Größe ist ja ein Begriff, den man näher definieren müßte, das Ausmaß des Territoriums gehört dazu, die Frage der Bevölkerungsstruktur, der Nutzung des Bodens, der Handelsbeziehung usw. Mußgnug: Wenn ich es richtig sehe, so sind erst in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg in größerer Zahl Bücher erschienen, die sich eingehend auf eindrucksvollerem Niveau mit den ökonomischen und finanzpolitischen Aspekten des landesherrlichen Regiments auseinandersetzten. Ich denke z.B. an Seckendorffs "Teutschen Fürsten-Staat" von 1656, der den Aufschwung der Kameral- und Polizeiwissenschaft eingeleitet und die Fundamente für ihre Blüte im 18. Jh. gelegt hat. Aus der Zeit vor dem dreißigjährigen Krieg sind mir keine vergleichbaren Werke bekannt. Ich vermute, daß erst das Desaster des Dreißigjährigen Kriegs die Einsicht geweckt hat, daß es allein mit juristischen und moralisch-philosophischen Betrachtungen des Herrscheramts nicht getan ist. Oder irre ich mich? Moraw: Zum Begriff der Administration fällt (für das spätere Mittelalter) auf, daß mancherlei Aspekte nur mit einer sehr weitgefaßten Begriffssprache handhabbar sind. Wenn für ein Territorium (Böhmen) bereits 1358 ein "Generalunternehmer" überliefert ist, offenbar weil die Finanzen am Ende sind, so ist dies ein Faktum, das nicht leicht als (staatliche) Administration zu verstehen ist. In Österreich ist etwa zur gleichen Zeit dasselbe vorgefallen. Gibt es später noch diese Situation eines "Generalunternehmers", der alles übernimmt, vermutlich um zu sanieren? Wenn ja, erhebt sich die Frage:

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Muß man nicht Verwaltungsgeschichte auch an Konjunkturgeschichte ankoppeln? Ein anderer Punkt: Man kann beim Königtum Herrscher unterscheiden, die eine mehr ökonomische und solche, die eine eher juristische Elite besaßen. Kontinuität statt Schwanken gab es wohl erst in der zweiten Hälfte des 15. Jh. Die klassische Auffassung von Administration wird auch noch von einem anderen Aspekt her weniger vielleicht in Zweifel gezogen als ausgeweitet, nämlich von der Mentalität der Fürsten her. Wieviel Wert besaß das geschriebene Wort, wieviel Wert die addierte Liste, wenn zwei Reichsfürsten miteinander sprachen und sich verständigten? Ich nehme an, daß jene relativ wenig wichtig gewesen sind. Das Reich als Ganzes war zuerst ein aristokratisches Phänomen.

Neuhaus: Eine Passage Ihres Vortrages kann man wohl dahingehend zusammenfassen: Schuldenkrise führt zu administrativen Verbesserungen. Daran schließt sich meine Frage an: Gibt es eine vorbildhafte Finanzverwaltung in einem frühneuzeitlichen Reichsterritorium?- Sie haben vorhin in Ihrer Antwort auf die Frage von Herrn Kunisch auf die Territorien mittlerer Größe verwiesen, die eigentlich am besten mit ihren Problemen fertig werden. Haben diese Territorien auch vorbildhafte Finanzverwaltungen zu errichten gewußt und waren - zusätzlich gefragt - die Heranbildung einer entsprechenden Funktionselite sowie Konkurrenz zwischen den Territorien um den "besten" Finanzbeamten Folgen dieses Befundes? Baumgart: Ich möchte nochmals an die Ausführungen von Herrn Kleinheyer anknüpfen und Herrn Press fragen, ob es neben der Größe nicht noch weitere wichtige Kriterien für die Finanzkraft der Territorien gibt, nach denen diese von ihm nacheinander behandelten und in ihren Strukturen ja ziemlich ähnlichen Territorien zu vergleichen wären. Ein solcher Gesichtspunkt wäre für mich die Frage nach der Rolle der Konfession oder nach der in anderem Zusammenhang bereits erwähnten geographischen Lage. Sind etwa die westlichen Territorien fortgeschrittener als die ostmitteleuropäischen? etc. Weiterhin steht die Finanzverwaltung ja nicht im luftleeren Raum, sondern ist in eine Gesamtadministration integriert, die ihrerseits Entwicklungsstufen aufweist. Daher bleibt zu fragen, ob die Entwicklung der Finanzverwaltung nicht vor allem auch an die Fortentwicklung der allgemeinen Verwaltung gebunden ist, etwa an die Ausbildung der "Ratsstube" ,des "Geheimen Rats" und ähnlicher Institutionen. Dies wären Anknüpfungspunkte, um über die bloße Kategorie der Größe hinauszugelangen. Zur Größenproblematik möchte ich noch eine illustrierende Anmerkung hinzufügen: Worauf Sie hinwiesen, dürften Territorien mittlerer Größe auch finanzpolitisch optimal strukturiert gewesen sein. Dem entspricht gut eine Beobachtung, die ich der Lektüre einer gerade publizierten Studie von P. M. Hahn entnehmen konnte, daß nämlich herrschafts- und hofferne Regionen, 3*

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wie dies z. B. die Altmark, die ursprüngliche Ausgangsbasis für die Territorialbildung Kurbrandenburgs, für den brandenburgischen Kurfürsten war, einen vom Adel dominierten Raum bildeten, in dem die Finanzverwaltung des Landesherren lange Zeit nicht greifen konnte. Vielmehr hatten die dort ansässigen, verzweigten Adelsfamilien, etwa die Schulenburg oder Alvensleben, noch über den Dreißigjährigen Krieg hinaus das Heft fest in der Hand. Vielleicht noch ein anderer Gesichtspunkt, der mit der Bedeutung der Administration zusammenhängt: Muß nicht vor allem auch danach gefragt werden, wie die Verwaltungsorganisation auf lokaler Ebene in den Territorien übergreifend ausgebildet war? Anders formuliert: Der Charakter der Ämterverwaltung scheint mir ein wichtiges Kriterium für die Betrachtung auch der Entwicklung der Finanzverwaltung zu sein.

Press: Herr Mußgnug, es ist natürlich schon so, daß es Ansätze zur ökonomischen Literatur bereits im 16. und frühen 17. Jh. gab. Die Verwaltungspraxis des Kurfürsten August I. von Sachsen, der sich ja sehr stark um das Wohlergehen seines Landes kümmerte, hat durchaus Schriften zur Landesökonomie gefördert. Auf der anderen Seite steht diese Literatur in ihrer Anfangszeit vielfach in der Tradition der Fürstenspiegel, die nun sehr stark die Verhaltensnormen auch der Beamten zu normieren suchten. Vieles ist in diesem Bereich noch nicht erforscht. So gibt es um 1600 einen pfälzischen Rat, Hippolyt von Colli, einen Italiener aus Alessandria, der als Calvinist emigriert war und in mehreren Werken Fürst, Rat und Höfling definiert hat. Auf der anderen Seite stand nicht selten die Mentalität des Fürsten einer rationalisierenden Finanzpolitik entgegen. Sehr häufig findet sich der Fall, daß sich die Stände beklagten, daß sich die Fürsten an keinerlei Absprache hielten, sich immer wieder entgegen allen Verträgen aus der Kasse bedienten. Hinzu kam die Mentalität, den Schuldenstand nicht offen zu legen, was natürlich dem Kredit nicht dienlich war- Gerüchte konnten dabei eine ganz beträchtliche Rolle spielen. Nicht günstig war auch die Mentalität der Juristen, daß sie sich zu gut für die Finanzpolitik waren. Ich würde meinen, daß es schon Ansätze zu einem Konsolidierungsprozeß gibt, Ansätze zur Verbesserung der Ämterorganisation - das weist auf Herrn Baumgarts Frage hin. Allerdings darf man sich dies alles für das späte 16. und frühe 17. Jh. nicht zu ausgeprägt vorstellen. Die überkommenen Strukturen standen natürlich Experimenten wie Generaluntemehmern oder Versuchen, etwas Neues auszuprobieren oder gar etwas Unkonventionelles, entgegen. So ist der Versuch der Kurpfälzer, mit dem "Generalvisitator" verstärkte Kontrollen in beiden Landesteilen der Unter- und der Oberpfalz einzuführen, augenscheinlich gescheitert, wahrscheinlich an der Struktur der Kammerverwaltung einerseits und an den lokalen Beamten andererseits. Die Kammerverwaltung, Herr Baumgart, ist

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sicher eingebaut in den gesamten Apparat, aber ich glaube, auch hier soll man das Ganze nicht zu modern sehen im Sinne einer progressiv-fortschreitenden Entwicklung der Verwaltung. Sicher, man unternimmt zwar gewisse Reformen, aber diese finden sich in der Regel mehr bei Gericht und im Rat als bei den Kammern, wenn man absieht von der auch hier mächtigen Tendenz zur Personalvermehrung. Es ist meinem Eindruck nach sehr die Regel, daß man nach den traditionellen Mustern weiterarbeitet. Wechselseitiger Einfluß ist immer da. Herr Neuhaus, sicher ist es so, daß die Österreichischen Reformen eine gewisse Wirkung gehabt haben. Mir scheint dabei jedoch, daß man im Vergleich zu Maximilian I. die Zeit Ferdinands I. nicht unterschätzen darf. Von der konkreten Aktenführung, von der Verwaltungspraxis her, auch vom Aktenanfall her muß man den Innovationsschub unter Ferdinand I. sehr, sehr hoch einschätzen. Dies war das Vorbild- begünstigt dadurch, daß ein besonders vornehmer Herr, also der König selbst, die Reformen unternommen hat. Natürlich wirkten auch die größeren auf die kleineren benachbarten Höfe ein - vielleicht haben im 15. Jh. die Geistlichen den Weltlichen eher als Vorbild gedient, mit denen sie ja oft genug eng verzahnt waren. Nun komme ich zunächst zu der Frage von Herrn Kleinheyer, dann zu jener von Herrn Baumgart. Eine Gesamtdarstellung des deutschen Finanzwesens scheint mir zur Stunde noch nicht zu leisten - diese wäre etwas schwierig, und ich muß auch sagen, daß es kaum einen Bereich gibt, wo die Vorarbeiten so gering sind. Übrigens ist auch die Quellenlage vielfach relativ schlecht. Ich darf erinnern an die ebenso unselige wie weitverbreitete Praxis deutscher Archivverwaltungen, gerade die Amtsrechnungen wirklich zu dezimieren, also nur jeden zehnten Jahrgang zu behalten, den Rest zu vernichten. Etwa hat man im alten Bayern bei einer glänzenden Überlieferung der Amtsrechnungen in den meisten Ämtern ganz konsequent in Oberund Niederbayern Amtsrechnungen dezimiert - nur die Zentralrechnungen hat man ganz aufbewahrt. Dies ist ein großes Pech, daß man etwa gerade dadurch die Amtsrechnung des Jahres 1525, das unglücklicherweise kein rundes Jahr war, die eine wichtige Quelle für Aufstandsbewegungen in Bayern zum Bauernkrieg gewesen wären, fast völlig verschwinden hat lassen. Da gab es aber einen schlauen Archivdirektor in Amberg, der für die Oberpfalz diese Anweisungen nicht durchgeführt hat. Daher hat man dort eine sehr viel bessere Überlieferung, vielleicht kann Herr Rattenberg diese Problematik noch genauer schildern. Diese Praxis ist eine ausgesprochene Katastrophe für die Erforschung der Finanzgeschichte, weil damit die Möglichkeit zerstört wurde, das Funktionieren der Ämter mit seriellen Quellen zu erforschen. Man muß sich also mit diesen Fragmenten behelfen. Gewiß hat die geographische Lage eine erhebliche Rolle gespielt, eine ebenso große die Binnenstruktur des Territoriums. Der Adel suchte immer

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den Zugriff der Finanzbeamten abzuwehren, also den finanziellen Zugriff des Landesstaats- dies ist immer eine Grundhaltung der eher peripheren Institutionen, des Adels, der Gemeinden, der kirchlichen Institutionen. Die Technik des Täuschens, des Betrügens, der Steuerhinterziehung ist eine sehr alte und eine sehr entwickelte, zumal wenn es eine Selbstveranlagung gibt. Dabei spielt die jeweilige Binnenstruktur eines Territoriums eine immense Rolle - und hier kommen wir wieder auf das alte Problem der begrenzten Handlungsfähigkeit, wenn das Territorium zu groß ist oder der Adel zu dominant. Es ist immer ein Kampf, ob die Überschüsse der Untertanen dem Zugriff des Guts- oder Grundherrn offenliegen, oder dem des Landesherrn. Damit hängt die ganze Philosophie der Bauernschutzpolitik zusammen, die ja in hohem Maße eine Frage des Zugriffs auf die Agrarrente war. Die Bauernschutzpolitik wurzelte im Willen des Landesherrn, als Steuerherr nicht ganz leer auszugehen. Ein Beispiel für den Zusammenhang der Binnenstruktur eines Territoriums mit dem Ausbau der Verwaltung, für den Zusammenhang zwischen Binnenstruktur und Rekrutierung der Beamten: Derwürttembergische Herzog konnte, da er durch das Ausbrechen des Adels in die Reichsritterschaft keine Landsassen hatte, die administrative Durchdringung des Landes sehr viel weiter vorantreiben als andere, da der Adel hier nicht opponieren konnte. In diesem Fragenkomplex wäre m. E. für die Forschung noch sehr viel zu tun- aber es ist kein Zufall, daß hier noch ein Defizit herrscht, denn man stößt auf große Probleme. Die literarische Diskussion der Verwaltungsanwendung steht neben der Tradition der konkreten Erfahrung - die geringe Ausbildung dieser Literatur korrespondiert mit dem Defizit an Finanztechniken. Zu Herrn Moraw: Natürlich muß man hier die Chronologie, auch die Geographie in Rechnung stellen, wobei sicherlich das Weitergeben von Verwaltungserfahrung im Finanzbereich eine Rolle spielt. Es war schon die Rede davon, daß sich die Struktur der Finanzbehörden wechselseitig beeinflußte, wobei diese Einflüsse schwer zu verfolgen sind. Dabei erscheint mir vor allem der Wechsel von Beamten wichtig; ich glaube, daß spontane Gespräche u . ä . eine weitaus geringere Rolle spielten. Dabei gibt es manche Überraschung - so könnte man die mir ganz gut bekannte Buchführung in der Oberpfalz einmal mit der Buchführung im Kronarchiv in Prag vergleichen; vielleicht ergeben sich dann überraschende Zusammenhänge. Der Typ des "Generalunternehmers" ist mir für das 16. Jh. nicht bekannt. Es gibt Ansätze dazu, indem beherrschende Figuren der Finanzpolitik auftreten -berühmt ist der Kammerpräsident Salamanca des Römischen Königs Ferdinand, ein Spanier, der diese Dinge monopolisierte und auch heftige, vor allem ständische Kritik, auf sich zog. Er näherte sich der Gestalt des "Generalunternehmers" an.

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Erst später, nach der hier behandelten Epoche, gibt es dererlei Ansätze, vor allem bei kleineren und mittleren Territorien- nach 1648 versuchte man es da und dort mit Generalpächtern der Finanzen und ähnlichen Unternehmern, die eindeutig nach französischem Muster betraut wurden. Auch mein Eindruck ist es, daß die Leute, die nach Italien und Frankreich gekommen sind, sich nicht gerade Einsichten in die Finanztechniken verschaffen konnten, denn auch dort hat man die Finanztechniken natürlich als Arcana betrachtet. Dies ist ein Faktum, das übrigens die Verbreitung stark erschwert. Ich könnte mir vorstellen, daß ein italienischer Fürst oder die Kurie nicht gerade einem durchreisenden deutschen Jura-Studenten Einblick in ihre Finanztechniken gewährt hatten, oder daß jemand sozusagen ein Praktikum an der kurialen Kammer, an der päpstlichen Kammer machen konnte. Das von Herrn Moraw angesprochene Mentalitätsproblem scheint mir sehr wichtig- generell würde ich sagen, daß die Administration mit allen Einschränkungen, die man diesem Begriff für das 16. Jh. mitgeben muß, in deutschen Territorien eine spezifische Mentalität ausgebildet hat, die sichtlich nicht die finanztechnischen Innovationsfähigkeiten begünstigte. Dilcher: Ich wollte nochmal eingehen auf den Punkt, auf den Sie, Herr Press, mehrfach hingewiesen haben: Das Verhältnis bürgerlichen Kapitals zu fürstlicher Finanzverwaltung. Im Spätmittelalter hat sich ja in den Stadtrechten und in der Rezeption des römischen Rechtes die Rationalität des sich in den Städten sammelnden Kapitals mit der Rationalität des neuentstandenen Rechtes verbunden. Gerade die Städte haben ja versucht, auch ein Vollstreckungssystem zu finden, durch welches schuldrechtliche Forderungen auch verwirklicht werden konnten, die Rationalität kapitalorientierter, berechneter Zukunftserwartung also auch ihre Realisierung finden konnte. Z. T. ist ja hier sogar die Kirche mit ihren Gerichten eingesprungen als die universale Macht, die über Stadt- und Territorialgrenzen hinweg die Durchsetzung von Gerichtsurteilen erzwingen konnte. Diese Verbindung der Rationalität des Geldes mit dem des Rechtes scheint sich aber dort zu brechen, wo ein besonders großer Finanzbedarf, also Bedarf auch nach Anleihen bei bürgerlichem Kapital, besteht: am fürstlichen Hof. Hier endet aber die Möglichkeit gerichtlicher Durchsetzung und Vollstrekkung, da kommt der bürgerliche Gläubiger nicht heran. Er wird aber offenbar dennoch angezogen von diesem großen Finanzbedarf, von den Gewinnchancen, die er dort hat. Dasselbe gilt gerade auch für die Juden, wie schon angesprochen. Ich meine, daß diese Bruchstelle ein Problem der Rechtsordnung darstellte, das sich dann ganz stark ins 18. und auch ins 19. Jh. hineinzieht (als Problem der Durchsetzung der Gleichheit der bürgerlichen Rechtsordnung), aber sicher können wir schon Folgerungen dieser Bruchstelle in der früheren Zeit sehen. Ich erinnere mich daran, daß der Rechtshistoriker Klaus Luig einmal eine Studie geschrieben hat, welche Bedeutung das Verbot der Abtretung einer Forderung an einen Mächtigen im römischen Recht

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in der ständischen Gesellschaft einnimmt, in einer ganz anderen Situation als das römische Recht eigentlich vorausgesehen hat (K. Luig behandelt das Problem der cessio in potentiorem in: G. Dilcher u. N. Horn (Hrsg.), Sozialwissenschaften im Studium des Rechts, Bd. VI: Rechtsgeschichte, 1978, S. 173 ff.). Ich glaube, das beleuchtet diese Situation. Eine zweite Frage ist, wieweit Forderungen gegen den Fürsten nicht mehr als gegen den Souverän gerichtet, sondern nur noch gegen den Fiskus, der dann der Rechtsordnung unterliegt, angesehen werden. Ich glaube, daß frühe Antworten der Rechtsordnung, diesen eklatanten Widerspruch zu mildem, sich schon in der früheren Neuzeit finden lassen, daß aber die Kernfrage sich im späten 18. und 19. Jh. stellt, nämlich der Generalisierung der Rechtsordnung. In der Konzeption des städtischen Rechtes des Spätmittelalters und in der Rezeption des Römischen Rechtes ist sie, glaube ich, grundsätzlich angelegt. Und die Frage ist, ob nicht die erwähnten Irrationalitäten der Finanzverwaltung sich auch daher erklären, daß diese Verbindung von Rationalität des Geldes und Rationalität der Rechtsordnung hier an dieser Stelle, nämlich der Brechung der Durchsetzungsmöglichkeit vor dem Bereich von Fürst, Staat und Fiskus, gestört ist. Kunisch: Ich möchte anknüpfen an Ihre Wortmeldung, Herr Baumgart, an der mir einmal sehr deutlich geworden ist, daß wir es mit dem Problem der Finanzadministration nicht mit einer Gegebenheit als solcher zu tun haben, sondern im Grunde doch mit einem nachgeordneten Phänomen. Schon das Wort macht deutlich, daß dieser Bereich eine dienende Funktion besaß. Aber dann stellt sich die Frage: Welchem Zweck dient denn das ganze Instrument überhaupt und wie vollzieht sich der Prozeß einer Verdichtung, einer Effizienzsteigerung und dergleichen, den wir hier immer wieder beschrieben haben. Wer ist denn der Motor dieser Entwicklung? Dabei stoßen wir auf Sachverhalte, die eindeutig überregional sind und der gesamteuropäischen Fürstenwelt zugeordnet werden müssen. Da gibt es Dynasten, die geheiratet haben, die Habsburger an erster Stelle. Sie konnten überhaupt keine Grenze mehr finden. Sie haben nicht ein begrenztes, ein mittleres Territorium im Auge gehabt, sondern sie wollten alles, was sie bekommen konnten. Das ist ein Strukturelement, das in allen Dynastien hervortritt. Geheiratet haben sie alle, und alle wollten Riesenterritorien, Imperien begründen. Das ist eine Tendenz, die überall nachweisbar ist und regionale Besonderheiten in den Hintergrund drängt. Hinzu tritt die Konkurrenz dieser Dynastien untereinander, die auch einen Motor in dieser Richtung darstellt und den Prozeß einer finanziellen Effizienzsteigerung offensichtlich doch in Gang gesetzt hat. Ein weiterer Faktor sind die Kriege, besonders die Erbfolgekriege gewesen. Sie scheinen mir als primär auslösendes Element für eine Verbesserung der Finanzadministration betrachtet werden zu müssen. Jedenfalls sollten sie in angemessener Weise in die Betrachtung ja nur scheinbar autonomer Verwaltungsbereiche einbezogen werden.

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Brauneder: Zur Darlehensrückzahlung möchte ich bemerken, daß diese wohl gar nicht erwartet wurde, vor allem dann, wenn für das Darlehen ein Nutzungspfand bestellt worden war: Hier geht die Intention des Gläubigers auf Nutzung des Pfandobjekts, nicht auf Rückzahlung der Darlehenssumme. Die Reichspfandschaft Eger kam ja auf diese Weise an das Königreich Böhmen. Hüttenberger: Hängt nicht die Finanzwirtschaft von der Art und Geschwindigkeit der Geldzirkulation ab? Es ist die Epoche der hohen Zufuhr von Silber und Gold, Edelmetalle, die in Krisenzeiten anschließend wieder verschwanden. Wo blieben diese Gelder? Hatten die Verwaltungen der deutschen Landesherrn überhaupt eine Vorstellung von der Geldzirkulation? Press: Das ist sicher eine richtige Bemerkung. Es war ein Problem des Geldkreislaufs im 16. Jh., daß der steigende Geldbedarf nicht gedeckt werden konnte. Es führte dann immer stärker zu Operationen mit dem Buchgeld, was dann am Ende dazu beitrug, die Inflation anzuheizen; dies hat auch unseriöse Finanzpolitik begünstigt. Sicher hängt es mit der Geldzirkulation zusammen - ein Defizit, ein Geldmangel, den man ganz handfest betrachten kann. Z. B. denkt man nach heutigen Finanzerfahrungen nicht daran, daß in der Wetterau die Getreidepreise nicht wegen eines Überangebots an Getreide fielen, sondern weil alles Geld nach Frankfurt in die Messe abgeflossen war. Dies macht wiederum die Diskussion der Ernte-PreisRelation sehr schwierig. Aber ich bin kein Ökonom, um in so tiefe Dimensionen finanztheoretischer Überlegungen einzudringen. Die Frage von Herrn Brauneder ist sehr kompliziert. Sie könnte sich vielleicht mit der von Herrn Dilcher kombinieren lassen. Einmal ist es so, daß die Darlehensgeber vielfach nicht auf die Rückzahlung aus waren, sondern lieber von der Rendite leben wollten. Was die Zahlungsfähigkeit angeht, gilt das gleiche bei Pfandschaft und Nutzung. Dabei muß man natürlich aufpassen, daß die Sache dann kritisch wird, wenn ein soziales Gefälle zwischen Pfandgeber und Pfandnehmer den Zugriff des letzteren erschwerte- ein Landesfürst ließ sich kaum in den Schuldturm transportieren. Damit bin ich bei der Frage von Herrn Dilcher. Ich glaube, daß das Rechtssystem der Kreditgewährung in der Tat durch die Fürsten und Herren und durch ihre Mentalität, übrigens auch durch die Ritter und ihre Mentalität, durchbrachen wird. Die Frage des Rückgriffs auf den Schuldner ist schwierig- ein bürgerlicher Schuldner des 16. Jh. verpflichtet sich immer noch zum Einlager, d.h. daß er sich bei Nichtrückzahlung des Kredits eine gewisse Zeit festsetzen läßt. Dies war wiederum nicht sehr praktisch, die Rückzahlung zu befördern. Auf der anderen Seite steht der nicht mehr mögliche Zugriff auf den Landesherrn oder einen hohen Adeligen, was indirekt natürlich dessen Kredit abträglich war. Daß sich davon der Fiskus als abstrakte Größe löst, daß es Forderungen gegen den Fiskus gibt - dies entwik-

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kelt sich erst langsam, und ich möchte mich hier bewußt auf die Zeit bis zur Mitte des 17. Jh. beschränken. Eine Vollstreckbarkeit gegen jedermann gibt es nicht. Ein Ersatz waren die Bürgschaften, also die Fälle, daß man nach den Bürgen greift, wenn man den Landesherrn nicht fassen kann - und dies geschah durchaus. Ein Beispiel, das in gewisser Weise ein Extremfall ist, das aber gleichwohl diese Mechanismen in einer sehr schönen Weise illustriert, ist das der Grafen von Hohenems. Die Grafen von Hohenems hatten in der Zeit der Inflation vor 1618 eine expansive Kaufpolitik betrieben, sich dabei überschuldet, so daß es nach 1648 zu einer katastrophalen Schuldensituation kam. Es handelte sich also um eine strukturelle Fehlspekulation, und da haben in der Regel, wie auch bei anderen Territorien, die Landschaften, also die Untertanenschaftell der hohenemsischen Territorien, gebürgt. Nun machte der Graf einen ganz abenteuerlichen Versuch der Schuldensanierung, nämlich durch Hexenprozesse und Konfiskationen gegen begüterte Verurteilte in den Herrschaften Vaduz, Schellenberg und Hohenems- die Rechnung war zu simpel, als daß sie gelungen wäre. Vielmehr führte das Vorgehen eine allgemeine Herrschaftskrise herbei, und dabei passierte es, daß die Gläubiger von außerhalb des Territoriums, also vor allem Schweizer, Graubündner und Vorarlberger, sich an die Bürgen hielten. Sie begannen also hohenemsische Untertanen auszupfänden. Daraufhin zahlten die Untertanen den Herren keine Abgaben mehr und infolgedessen brach die Herrschaft der Grafen von Hohenems zusammen. Daraus entstand dann durch Verkauf von zwei der drei hohenemsischen Herrschaften das heutige Fürstentum Liechtenstein. So etwas war aber natürlich nur denkbar bei einem kleinen Territorium. Da ließen sich vermutlich weitere Beispiele finden, nicht bei einem Großterritorium. Zu Herrn Kunisch: Ich würde meinen, der Vergrößerungswille ist durchaus ein wichtiger Punkt, aber natürlich sind die Habsburger ein Extremfall. Heiratspolitik ist in der Regel eine Politik auf Gegenseitigkeit, die ein wenig Lotterie-Charakter hat, Lotterie insofern, daß derjenige den Gewinn zieht, der überlebt. Bei diesem großen Lotteriespiel haben die Habsburger gleich mehrfach das große Los gezogen. Wer konnte ahnen, daß Don Juan in Spanien sterben, die Nachfahren seines habsburgischen Schwagers Philipp des Schönen aber überleben würden, daß 1526 der ungarische König nach der katastrophalen Niederlage gegen die Türken in der Schlacht bei Mohacs in einem seichten Gewässer ertrinken würde. Der Heiratspolitik wohnen also Spekulationen inne- die Tendenz der ständigen Rivalität ist sicher gegeben, wenn sie jedoch die allein dominierende gewesen wäre, hätte man ständig miteinander kämpfen müssen. Es gab auch Trägheitsmomente in den Spielregeln der Gesellschaft, die sich stark, etwa im Heiratsverhalten, äußerten. Gegenüber den Expansions-

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tendenzen der Territorien hat der Reichsverband seine friedenstiftende Funktion dadurch ausgeübt, daß er die Vergrößerungstendenzen erheblich abgeschwächt hat. Eine solche konnte sich nur eine ganz schmale Gruppe, eigentlich nur ganz große Herren, leisten. Es wurden immer mehr, die darauf angewiesen waren, daß der Reichsverband ihre Existenz sicherte. Dem Expansionswillen stand also, ihm gleichsam dialektisch verbunden, ein Trägheitsmoment, ein stark retardierendes Moment gegenüber. Ich glaube nicht, daß man so weit gehen kann, im Vergrößerungsstreben den letzten Ursprung der Finanzentwicklung zu sehen. Sicher ist allerdings, daß die Finanzentwicklung stark mit reichspolitischen, auch europäischen Aktivitäten belastet war - das haben die Leute auch gemerkt. Und hat man auch spekuliert, wie z.B. die Grafen von Hoheneros bei ihrer Aufkaufpolitik- so sind wie diese auch andere gescheitert, weil sie sich überhoben hatten. Ein Punkt wäre noch die Investition von Geldern der Kriegsunternehmer, die sich noch heute etwa in den glanzvollen Bauten der Weser-Renaissance äußert. Wichtig ist auch die Übertragung von Rechts-, auch finanziellen Ansprüchen an Mächtigere, ein Verhalten, das für die Spätphase des Fehdewesens eine zentrale Rolle spielte. Siekingen oder Berlichingen haben sich solcher Ansprüche bedient und sie dann durchgefochten. Der Krieg ist sicher ein Faktor, der immer wieder die finanziellen Begrenztheiten deutlich machte, die Finanzen aufs äußerste anspannte und somit Finanzentwicklungen begünstigte. Auf der anderen Seite wirkte er natürlich auch stark zerstörerisch, auf Sachwerte und auf das Geld- denn im Dreißigjährigen Krieg ist sicher eine ganze Menge Buchgeld verloren gegangen. Andererseits war die Phase zwischen dem Augsburger Religionsfrieden und den Jahren um 1600 eine ausgesprochen friedliche Phase- ein Eindruck, der sich von den meisten deutschen Territorien ja bestätigt. Die großen Aufrüstungen setzten im wesentlichen erst nach der Jahrhundertwende ein, trotz vereinzelter pfälzischer Kriegszüge in den Niederlanden oder zu den Hugenotten. Aber nach 1600 zeigte sich eine Korrespondenz zwischen dem Gefühl des Bedrohtseins, wo man einerseits den "papistischen Haufen", andererseits die bösen Calvinisten sah, die angeblich eine europäische Verschwörung machten, der man nicht trauen durfte. So butterte man eine ganze Menge Geld in die Kriegsrüstungen. Hier zeigte sich ohne Zweifel ein struktureller Zusammenhang zwischen der Solidität des Finanzgebarens und einer sich zunehmend anspannenden Situation - daß der Dreißigjährige Krieg mit seinen finanzpolitischen Erfahrungen ganz wesentlich für spätere Phasen bestimmend wurde, habe ich in meinen Schlußsätzen gesagt. Battenberg: Meine Frage zielt auf die technischen Mittel zur Sicherung der Staatseinnahmen, insbesondere die von Ihnen angesprochenen Amtsrechnungen. Meiner Ansicht nach waren diese eher ein sekundäres Verwaltungsmittel, mit dem bestimmte, außerhalb ihrer gesetzte Vorstellungen realisiert werden sollten. Darüber hinaus gab es weitere Verwaltungshilfs-

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mittel, wie etwa die Anlage von Sal- oder Lagerbüchern, eine Kategorie, der auch der von Ihnen angesprochene "Ökonomische Staat" Landgraf WHhelms IV. von Hessen unterfällt. Diese Hilfsmittel waren bedeutsamer als die Amtsrechnungen, um über die Vorstellungen, die erwarteten Einkünfte und die Rechtspositionen des Landesherrn Auskunft zu geben. Ein weiteres Mittel der Landesherrn zur Realisierung seiner Einkünfte waren die von Ihnen angesprochenen Generalunternehmer bzw. Generalpächter. Sie haben auf das Vorbild der westeuropäischen Verwaltung hingewiesen, doch auch bezweifelt, ob sich diese Form im mittleren Europa ebenfalls in nennenswertem Umfang nachweisen läßt. Auf ein weiteres Vorbild möchte ich noch hinweisen, auch wenn es vermutlich ebenfalls keine direkten Nachfolger in den Territorien des Reiches gefunden hatte. Ich meine die Rechtsform der Arrenda im Bereich des Großreiches Polen-Litauen. Adelige Grundherren hatten hier besonders mit kapitalkräftigen Juden Generalvereinbarungen getroffen, durch die sie ganze Herrschaften an die Juden als Unternehmer verpachteten, sich aber die Zahlung regelmäßiger Renten oder von Pauschalsummen vorbehielten; der Adel konnte sich auf diese Weise ein höfisches Leben in der Stadt ermöglichen und sich von der Unsicherheit seiner Einkünfte befreien. Die Juden hatten das Risiko, doch auch die Chance, bestimmte Nutzungsrechte (z.B. Schankrechte) extensiv in Anspruch zu nehmen.

Peyer: Herr Press, sind Sie auf den Einfluß von Justus Lipsius auf die Verbesserung der finanztechnischen Ausbildung gestoßen? In schweizerischen Archiven ist es auffallend, wie die Finanzakten seit etwa 1600 viel präziser und sorgfältiger werden, und zur selben Zeit können wir sowohl in katholischen wie auch in protestantischen Kantonen einen starken Einfluß von Justus Lipsius' Werken feststellen. Ein Zweites: Sie haben, meiner Überzeugung nach mit gutem Recht, auf die Auspowerung der Gläubiger hingewiesen. Bei Schweizern, die vor dem Dreißigjährigen Krieg Darlehen an deutsche Fürsten gaben, kommt immer wieder der mahnende Hinweis auf die Stelle bei Jesus Sirach vor: "Leihe keinem, der stärker ist als du, sonst erachte es als verloren." Dann haben Sie die qualitative Entwicklung der Verwaltung stark hervorgehoben. Ist es archivalisch und quellentechnisch möglich, für ein gegebenes Territorium die quantitative Entwicklung der Verwaltung, also die zahlenmäßige Zunahme der Beamten, zu erfassen? In unserer schweizerischen Selbstüberschätzung sind wir gerne stolz darauf, daß es bei uns weniger Beamte als in den Ländern mit fürstlicher, absolutistischer Tradition gibt. Ob das richtig ist, bin ich mir noch nicht ganz so sicher. Schließlich ist die Frage der Konjunktur aufgeworfen worden. Spielt nicht etwa bei den vielen prächtigen Schlössern, die in der Friedenszeit der zweiten Hälfte des 16. Jh. gebaut wurden, auch die Konjunktur, die guten Ernten und niedrige Preise der Arbeit, eine Rolle? Sie hat doch zweifellos vielen Fürsten eine ungewöhnlich günstige Finanzsituation verschafft.

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Press: Herr Battenberg, erstens: Natürlich sind Amtsbücher oder Lagerbücher die Grundlage der Verwaltung; Rechnungen dienen der besseren Kontrolle. Polen-Litauen als Vorbild erscheint mir nach allem, was man schon um 1600 über Polen-Litauen liest, eher unwahrscheinlich. Es könnte vielleicht sein, daß es für Brandenburg oder Preußen bei den wechselseitigen Beziehungen eine Rolle spielte. Herr Peyer, es ist deutlich, daß wir eine ständige Verbesserung der Rechnungsführung haben. Der qualitative Sprung lag aber schon vorher - es ist sicher, daß man die Wichtigkeit von Lipsius kaum unterschätzen kann. Dieser hat natürlich auch ein Bedürfnis erkannt, das der Notwendigkeit der Territorien entsprach. "Leihe keinem Starken" findet man oft, oder: "Dem Fürsten seien seine Ohren abgefallen, wenn man seine Schulden nennt" und ähnliche Sprüche gibt es. Konjunkturelle Einflüsse sind wahrscheinlich groß. Die Agrarkonjunktur hat gut wirtschaftende Adelige begünstigt, das kann man in den Gebieten der Getreideproduktion östlich der Elbe sehen. Die Fürstenbergs haben eine nicht ungeschickte Dienstpolitik gemacht- sie waren in kaiserlichen, auch in bayerischen Diensten, was sie sehr entlastet hat und sogar zusätzliche Einnahmen schuf. Die Frage der Ausweitung der Verwaltung müßte man qualifizieren. Das ist keineswegs das Leichteste, wobei vermutlich herauskommt, daß man in jener Zeit noch keine Explosion der Verwaltung hatte. Es gab bis zum Dreißigjährigen Krieg eher eine langsame, ganz allmähliche Ausweitung, wobei es Schübe gab, aber die Schübe, die eine kräftige Erweiterung herbeiführten, zeigten sich meist in jenem Bereich, wo die gelehrten Juristen tätig waren. Dies hängt mit der Verrechtlichung des Reichssystems zusammen und dem Versuch, Konflikte auf diesem Weg für sich zu entscheiden. Daß heute die Schweiz in diesem Punkt, ich würde sagen der europäischen, insbesondere der bundesdeutschen Entwicklung weit nachhinkt, würde ich als einen absoluten Vorzug sehen.

Die Verwaltung im Beamtenstaat nach dem Dreißigjährigen Krieg Von Wilhelm Brauneder, Wien I.

1. Der Westfälische Friede hatte, so die nachfolgende Meinung eines Konversationslexikons um 1700, die vorausgegangenen "Streitigkeiten zu Teutschlands größtem Vergnügen glücklich gehoben" 1 und so bildet das Jahr 1648 in den verschiedensten historischen Darstellungen eine Zäsur2- keine solche aber in jenen der Rechts-, Verfassungs- oder Verwaltungsgeschichte. Vor allem der jüngsten "Deutschen Verwaltungsgeschichte" 3 gilt der Zeitraum vom 16. bis zum 18. Jh. als eine Einheit4 im Falle Bayerns, der pfälzischen Länder und Kursachsens oder mit anderen Zäsuren5 wie bei Württemberg 1553, den thüringischen Ländern 1573, Brandenburg-Preußen "im 17. Jahrhundert" und Österreich 1741; allein für Mecklenburg zertrennt 1648 die Darstellungs.

Tatsächlich zeitigte der Dreißigjährige Krieg eine unterschiedliche zeitliche und territoriale Betroffenheit. So blieben von den Kriegsereignissen etwa die Länder in den Alpen nahezu unberührt 7 • Justin den Jahren 1614 bis 1628 wurde der heutige Dom in Salzburg erbaut und von 1619 bis 1628 das Stift Admont barock umgestaltet. Zudem fügten sich an den Dreißigjährigen bald andere Kriege, wie etwa der schwedisch-polnische von 1655 bis zum Frieden von Oliva 1660, der Brandenburg-Preußen miteinbezog; der 1

J. Hübner, Reales Staats-Zeitungslexicon . .. , 1759, S. 1242.

Z.B.: H. Hantsch, Die Geschichte Österreichs 1648- 1918, 4. Aufl. 1953; D. Groh (Hrsg.), Propyläen Geschichte Deutschlands,- Band 4: H. Lutz, Das Ringen um deutsche Einheit und kirchliche Erneuerung 1490- 1648, 1984,- Band 5: R. Vierhaus, Staaten und Stände. Vom Westfälischen bis zum Hubertusburger Frieden 1648 - 1763, 1984; auch in der DDR: M. Steinmetz, Deutschland 1476- 1648, 2. Aufl. Berlin (Ost) 1978; G. Seifert, Deutschland 1648 - 1789, 4. Aufl. Berlin (Ost) 1980. 3 Jeserich, K. G. A. I Pohl, H. I v. Unruh, G.-Ch. (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 1: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches, 1983; im folgenden abgekürzt zitiert als DtVG 1. 4 V. Press, in: DtVG 1 (FN 3), S. 575ff., 555ff.; T. Klein, Kursachsen, ebd., S. 808ff. s B . Wunder, in: DtVG 1 (FN 3), S. 622; J. Fischer, Herzog Eberhard III. (16281674), in: R. Uhland (Hrsg.), 900 Jahre Haus Württemberg, 1984, S. 20lff.; T. Klein, in: DtVG 1 (FN 3), S. 849; W. Vogel, ebd., S. 872 ; C. Link, ebd., S. 516. 6 Klein, in: DtVG 1 (FN 3), S. 792. 7 Zum Folgenden Hantsch (FN 2), S. 16f., 27, 30, 35f. 2

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Wilhelm Brauneder

Reichstag entschied 1663 abermals über die Türkenhilfe gegen eine Bedrohung, die sich erst nach der Belagerung Wiens 1683 aus dem Reich verlagerte; 1674 erklärte dieses den Krieg gegen Frankreich, dessen "Reunionen" auf Reichsgebiet übergriffen. Verfassungsrechtlich standen Reich wie Territorien vor 1618 und nach 1648 in formaler Kontinuität als Ständestaaten, Neues zu deren Ausformung wurde schon vor 1618 getan und gedacht. Ausdrücklich keinen "Wandel der Reichsverfassung" sieht Vierhaus 8 mit oder aufgrundder Westfälischen Friedensschlüsse eintreten.

Derartigen Kontinuitäten stehen freilich - gerade im Hinblick auf die Ressourcen - einschneidende Veränderungen gegenüber: Auffallend etwa ist die Reduzierung der Reichsbevölkerung um ein Drittel9, worauf in den hundert Jahren nach 1650 ein Ansteigen von 10 auf 18 Millionen anschließt1o. Örtlich sieht es oft schlimmer aus: In Württemberg beträgt der Bevölkerungsrückgang an die 60%, um 1650 ist ein Drittel der Nutzfläche, sind 40% der Weingärten unbebaut11 . 2. Kontinuitäten und Veränderungen, als Mittelposition einfach Hemmnisse kennzeichnen auch die Strukturen und das Handeln der Verwaltung in vielfältiger Weise. a) Blickt man in einem allgemeinen Querschnitt auf die Behörden12, so ist der Hofrat schon im 16. Jh. mit seinen Doppelkompetenzen Regierungsgeschäfte einer- und Justizsachen andererseits fest ausgebildet; ihre Scheidung tritt dann erst nach 1700 ein. Gleichfalls im 16. Jh. spalten sich eigene Räte ab: für Krieg, für Religion, der Geheime Rat, im 17. Jh. dann die "Konferenz". Auch die Kammer für die umfassende Wirtschaftsverwaltung erwächst aus dem Mittelalter her und durchläuft das ganze 17. Jh. hindurch eine weitere Entwicklung. Eigene Gremien für Handel und Gewerbe etablieren sich gleichfalls schon vor 161813. Ab etwa 1600 nimmt der Ämterkauf zu und es steigen die Berufserfordernisse für Kammerfunktionen, Proberelationen existieren schon ab etwa 1550 14. Technische Einrichtungen wie das Registerwesen sehen auf eine lange Tradition zurück15 .

a Vierhaus (FN 2), S. 98.

9 Ders., Deutschland im Zeitalter des Absolutismus (1648 - 1763), in: Deutsche Geschichte Band 2, 1985, S. 362. 1o A. Kraus, Geschichte Bayerns, 1988, S. 274. 11 0. A. Vann, Württemberg auf dem Weg zum modernen Staat 1593 - 1793, 1986, S. 82; W. Baelke, Das Haus Württemberg und die Wirtschaftsentwicklung des Landes, in: Uhland (FN 5). 12 D. Willoweit, in: DtVG 1 (FN 3), S. 309ff., 318, 321, 330. 13 Ebd., S. 299. 14 Ebd., S. 345, 349 f., 356. 15 Ebd., S. 307.

Die Verwaltung im Beamtenstaat nach dem 30jährigen Krieg

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Spezifiziertes Verwaltungshandeln ist grundsätzlich bereits für das 16. Jh. typisch, ebenso Reflexionen darüber. Fürstenspiegel nehmen dann seit 1600 an Umfang zu und teilweise die Form sogenannter "Hofliteratur" an1s. Regierungshandbücher verzeichnen von Osse bis Seckendorffl 7 in immerhin einhundert Jahren inhaltlich geringere Unterschiede als historische Ereignisse vermuten lassen: In der alten Lehre des "Gute-Ordnung-Haltens" werden schon vor 1618 Kontrolle und Organisation (Lorich), Rechtsschutz und Sparsamkeit (Osse), die Zweckmäßigkeit der Verwaltung (Obrecht) betont; aus der bloßen "Ordnung" wird allmählich "Wohlfahrt". Die Regel "Mann für Amt, nicht Amt für Mann" läßt sich 1617 nachweisen 1B. Nach der Ausbildung des weiten Polizeibegriffs im 16. Jh. steigt die Zahl der Beamtenl9 und ihre Differenzierung nach Gruppen und Rängen2o. Nicht nur versteht sich die Beamtenschaft als eigener Stand, sie reflektiert zum Teil über ihre Tätigkeit und ihr sachliches Substrat: Die Verwaltung sei ein gegliederter Organismus zur Beförderung des "Gemeinen Nutzens" -womit in Württemberg konkret eine Gegenposition zum Regieren des adelig-ständischen Kabinetts formuliert sein soll, bezeichnenderweise von den bürgerlichen Beamten21. Gesetzgebungsaktivitäten reichen ab 1500 ohne Zäsur in den Dreißigjährigen Krieg hinein: In Österreich unter und ob der Enns etwa beginnen um 1520 die Arbeiten an einer Landrechtskompilation, die sich kontinuierlich bis 1650 hinziehen, noch gegen 1750 werden Teile hiervon durch Sanktion zum Gesetz22. Dieses allgemeine Bild bestätigen Kontinuitäten in einzelnen Territorien. In dem von Kriegsereignissen kaum berührten und fast ausschließlich landesfürstlich verwalteten Salzburg tritt im 17. Jh. praktisch keine Veränderung in den Verwaltungsstrukturen ein23. Aber auch in dem vom Krieg betroffeneren, überdies ständisch mitverwalteten und zeitweise pfandherrschaftlich bayerischen Österreich ob der Enns bleibt gerade die ständische Verwaltung das ganze 17. Jh. hindurch fast unverändert24. Als Beispiel für M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland 1, 1988, S. 343 f. Zum Folgenden Stalleis (FN 16), S. 349, 346, 347, 349f. 1s Ebd., S. 358 FN 14. 19 Ebd., S. 367ff. 2o Ebd., S. 359. 21 Vann (FN 11), S. 75. 22 Vgl. dazu: W. Brauneder, Zur Gesetzgebungsgeschichte der niederösterreichischen Länder, in: FS H. Demelius, 1973, S. lff.; G. Wesener, Zur Bedeutung der Österreichischen Landesordnungsentwürfe des 16. u. 17. Jahrhunderts für dieneuere Privatrechtsgeschichte, in: FS N. Grass I, 1974, S. 713ff. 23 G. Ammerer, Funktionen, Finanzen und Fortschritt. Zur Regionalverwaltung im Spätabsolutismus am Beispiel des geistlichen Fürstentums Salzburg, o. 0 . o. D., S . 20 (Separatdruck aus MGSL 126, S. 341- 518, und MGSL 127, S. 152- 418). 24 G. Putschögl, Die landständische Behördenorganisation in Österreich ob der Enns (=Forschungen zur Geschichte Österreichs 14), Linz 1978, S. 56; R. Heyden16 17

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eine überwiegend kontinuierliche Entwicklung trotz Kriegsereignissen steht insbesondere Bayern25. Die gesamte Herrschaft Maximilians I. von 1597 bis 1651 charakterisiert ein Bürokratisierungsschub zufolge seines persönlichen Regiments. Schon ab 1600 wird die Hofkammer alsbald größte Behörde des Landes und über ihre ureigensten Aufgaben hinaus für eine planmäßige Reformpolitik der Wirtschaft eingesetzt. Eine Kommerziendeputation existiert ab 1613/1616. Durch das ganze 17. Jh. zieht sich die Schwächung des Hofrats durch Abspaltung anderer Behörden hin. Noch dauert in Bayern bis zum Ende des 17. Jh. ein "Lehenbeamtentum"26 neben moderneren Formen fort. Zwar ist die Hofratsordnung 1677 neuartig, jedoch völlig anders geartet erst jene aus 1750 27 • Kursachsen zeigt eine Bayern ähnliche Situation2B. Schon seit der zweiten Hälfte des 16. Jh. kommt es zur Steigerung des Kammerguts letztlich durch den Aufkauf von Herrschaften. Die Nutzungssteigerung ist ein kurfürstliches Anliegen, sichtbar in den Bemühungen um Forste und Bergwesen auch auf theoretischer Basis, dann in der Steigerung von Handel und Gewerbe, in der Proviantvorsorge: Im wesentlichen bleibt das Behördenwesen von 1600 an unverändert, ein eigenes Kammerkollegium besteht bereits seit 1590. Das Entstehen neuer Behörden schon vor 1618 fällt fast überall auf: Kurköln29 besitzt seit 1610 auf Dauer eine Hofkammer, in Kurmainz setzt sich nach 1600 die Ressortaufgliederung fort, in Hessen-Darmstadt3o tragen nach 1600 Titelanhebungen neuen Behördenstrukturen Rechnung. In Brandenburg-Preußen31 erhält der seit 1601 bestehende Geheime Rat einen steigenden Wirkungskreis in den Instruktionen 1616/1617, schon 1609 existierten die Kriegskommissare als Beauftragte des Landesfürsten, seit 1614 ein Kirchenrat, seit 1615 die Kammer. Der Wiederaufbau nach 1648 versteht sich in den ersten zehn Jahren als Rückgriff auf die Organisation der Friedensjahre32. Wird somit die Kontinuität im Behördenwesen vielleicht durch die vorgebliche Zäsur, den Dreißigjährigen Krieg, sogar unterstrichen, nämlich dadurch, daß seine Teile mit eben dieser Behördenstruktur zu organisieren und durchzuführen sowie seine Folgen schließlich damit zu beseitigen waren? reuther, Die Behördenreform Maximilians 1., in: H. Glaser (Hrsg.), Um Glauben und Reich. Kurfürst Maximilian I.(= Wittelsbach und Bayern 11/1), 1980, S. 243f. 25 Zum Folgenden Press, in: DtVG 1 (FN 3), S. 580, 582, 584, 578; zu Bayern Heydenreuter (FN 24), S . 237ff. 26 Willoweit, in: DtVG 1 (FN 3), S. 356. 27 Ebd., S. 295, 298. za Klein, in: DtVG 1 (FN 3), S. 816ff. 29 G. Droege, in: DtVG 1 (FN 3), S . 713, 717. 30 H. Philippi, in: DtVG 1 (FN 3), S. 648. 31 Vogel, in: DtVG 1 (FN 3), S. 871, 874, 875, 877. 32 D. Willoweit, Rat und Recht im Regiment des Großen Kurfürsten von 1648 1658, in: R. Schnur (Hrsg.), Die Rolle der Juristen bei der Entstehung des modernen Staates, 1986, S. 805; Vogel, in: DtVG 1 (FN 3), S. 879f.

Die Verwaltung im Beamtenstaat nach dem 30jährigen Krieg

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b) Im Detail freilich hemmt das Kriegsgeschehen manche Entwicklungen: In Württemberg verzögert es die Konstituierung des Geheimen Regimentsratesaa. In Brandenburg-Preußen schleppt sich die Reform der Finanzverwaltung hin und erst 1651 kann der Geheime Rat neu geordnet werden34. In Österreich ob der Enns 35 wird spät, 1660, der Reitrat mit Präsidenten und Sekretär komplettiert, in diesem Jahr setzt die verzögerte Neuordnung der Verwaltung überhaupt ein. In Kurmainz36 kommt es erst nach 1648 zur Konzentration der wichtigsten Regierungsangelegenheiten im Geheimen Rat mit eigener Kanzlei und eigenem Archiv. Auch im Fürstentum WolfenbütteP 7 läßt sich die Regierungsordnung von 1623 mit der Gliederung der Regierungsspitze in Geheimen Rat, Kammer und Justiz erst 1699 realisieren. In der Habsburgermonarchie hemmen noch späterhin Türken- und dann Erbfolgekriege notwendige Reorganisationen. c) In die Zeiten des Dreißigjährigen Krieges und die unmittelbar danach fallen aber auch ganz konkrete Veränderungen. Allgemein betrachtet nimmt die Einrichtung von Visitationen zu, die allerdings ihre Vorläufer im 16. Jh. haben. Nach etwa 1650 entstehen neue Dauerbehörden sowie Behörden "auf Zeit" (Kommissionen)38 , beide insbesondere für den "Kommerz": 1666 verwirklicht Kaiser Leopold I. Bechers Vorschlag für eine eigene Kommerzbehörde, sie wird dann Vorbild für andere Territorien39. Nach Versuchen wie in Preußen 1684, Sachsen 1687 und Württemberg 1709 treten erst später Erfolge ein, nämlich in Preußen 1723, in Sachsen 1735 oder in Württemberg 1734. Hier beginnt 1668 die Einsetzung von Deputationen auf insbesondere fiskalischem Gebiet4o. Der Bedarf nach einem größeren Kammerkollegium steigt vor allem in den großen Territorien. Willoweit4 1 vermutet hinter manchen Neueinrichtungen aber auch bloß Modeerscheinungen. Insgesamt läßt sich eine steigende Bedeutung und daher Vergr~ßerung der Kameralverwaltung gegenüber Hofrat und Geheimem Rat feststellen. In den einzelnen Territorien variieren konkrete Veränderungen zeitlich und sachlich, manchmal sichtbar abhängig von den Kriegsläufen. Während beispielsweise der Hofkriegsrat in Bayern 1650 aufgelöst wird42, fallen ihm in der Habsburgermonarchie zufolge der Nichtauflösung von Regimentern Wunder (FN 5), S. 627. Vogel, in: DtVG 1 (FN 3), S . 880. 35 Putschögl (FN 24), S . 241, 53 ; Link, in: DtVG 1 (FN 3), S . 500. 36 Dröge, in: DtVG 1 (FN 3), S . 717. 37 G. Scheel, in: DtVG 1 (FN 3), S. 746. 38 Stalleis (FN 16), S. 445. 39 Ebd., S. 440, 443. 40 Wunder, in: DtVG 1 (FN 3), S . 628. 41 Willoweit, in: DtVG 1 (FN 3), S. 335, 338, 344. 42 Press, in: DtVG 1 (FN 3), S. 592; Kraus (FN 10), S. 277. 33 34

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just jetzt neue Aufgaben zu 43, und in Preußen wandeln sich 1660 die Kriegsbehörden zu ständigen Militärbehörden44. Der Krieg stimuliert nicht bloß naturgemäß die Militär-, sondern auch die Finanzverwaltung. In der Habsburgermonarchie kommt es zufolge der zerrütteten Finanzen 1625 zur Neuordnung der Hofkammer, eine eigene böhmische Hofkammer wird wegen des hohen Steueraufkommens in Böhmen mit 60% vom Gesamtanteil zur ständigen Einrichtung45 . Um diese Zeit organisiert Kurmainz die Hofkammer als kollegiale Behörde46 . Jülich-Berg verselbständigt 163247 seine Finanzverwaltung, Wolfenbüttel etabliert eine eigene Kammer ab 163648. Auch wird Vorhandenes aktiviert oder modifiziert. Bayern führt erst zufolge des Krieges Visitationskontrollen ein, die es zwar 1669 abstellt, späterhin aber wieder aufnimmt49 . In Österreich ob der Enns verfestigen sich zahlreiche der bisherigen Institutionen50 • Der Reitrat wird 1620/1630 zum ständigen Kollegium, ähnlich bildet sich 1630/1650 aus fallweisen Ausschüssen als ständiger Ausschußrat der "Ordinari-Ausschuß" , auch das Syndikat wird ab 1627 als dauerndes Amt und mit Juristen besetzt, die schon 1600 angeordnete Residenzpflicht des Verordneten-Kollegiums befolgt dieses ab 1630 wegen der Truppendurchzüge. Eine Neuerung brachte der Krieg in Brandenburg-Preußen5 1 durch das Einsetzen zahlreicher Kommissare mit sich, die fortan zur Effizienzsteigerung der Verwaltung beitrugen. Daß die Bemühungen um eine bessere Wirtschafts- und Finanzverwaltung nach dem Kriege dominierten, versteht sich von selbst. Nicht nur einer rationellen Nutzung und der Einführung der Geldwirtschaft, sondern auch der Kontrolle der Verwaltung ist es zuzuschreiben, daß sich in Brandenburg-Preußen von 1652/53 auf 1673/75 die Einkünfte versechsfachtens2. Anteildaranhatte wohl auch das 1659 neu errichtete Commerz- und Industrie-Departement53. Einen weiteren Erfolg konnte die Führung einer straffen Verwaltung im Postwesen verbuchen: Die Post nahm nicht nur an Dichte und Schnelligkeit zu, 1660 hatte sie einen Überschuß von fast 20 000 43 44 45

Link, in: DtvG 1 (FN 3), S . 502. Vogel, in: DtVG 1 (FN 3), S. 883. Link, in: DtVG 1 (FN 3), S. 500, 507; J. K. Hoensch, Geschichte Böhmens, 1987,

s. 238. 46 47

48 49 50

51 52 53

Droege, in: DtVG 1 (FN 3), S . 717. Ebd., S. 709. Scheel, in: DtVG 1 (FN 3), S. 752. Press, in: DtVG 1 (FN 3), S. 578, 592. Zum Folgenden: Putschögl (FN 24), S. 57f., 64, 52, 53, 168. Vogel, in: DtVG 1 (FN 3), S . 882. Ebd., S . 884. Willoweit, (FN 32), S. 813, 819.

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Reichstalern erwirtschaftet54. Auch in Kursachsenss setzt nach 1650 die Verbesserung des Postwesens ein und, ebenfalls wie in Preußen, ein Aufschwung des Zivilbauwesens. In Preußenss reichen die wirtschaftlichen Maßnahmen von der Förderung des Schiffsbaus über die Steuersubventionierung von Grundnahrungsmitteln, der Gründung der brandenburgischafrikanischen Handelskompanie 1682 bis zum Edikt von Potsdam über die Hugenotteneinwanderung von 1685. In Württemberg nimmt der Herzog eine entscheidende finanztechnische Änderung gleich nach Kriegsende vor, nämlich die Trennung in Staatsvermögen einerseits und "Hofkammergut" andererseits: Dieses das ererbte, erheiratete, gekaufte Fürstenvermögen, jenes das übrige mit insbesondere ständischen Mitwirkungsrechten. Dazu zählen bald auch die erst kriegsbedingten, dann aber auch nach 1648 weiter eingehobenen regelmäßigen ständischen Zuschüsse57.

n. 1. Zum gleichbleibenden Muster der Behördenstruktur kontrastiert ein neuer Regierungs- und Verwaltungsstil. Allgemein wandelt sich gegen Ende des 17. Jh. das bisherige "Gute-Ordnung-Halten" zur "politischen Gestaltung durch Monarchenwillen"sa, somit das stete Abstellen von Mißständen zum Setzen neuer Regeln; auffallend ist weiters, daß neben "Ordnungen" nun auch "Instruktionen" treten 59. Aufgrund der ,,Ordnungen" sieht StolZeis nach 1648 einen "Modernisierungsschub" einsetzenso, durch die "Instruktionen"61 wird ab 1650 das Einhalten der Amtspflichten besonders eingeschärft, dazu eine Intensivierung der Überwachung eingeführt sowie Sanktionen für Pflichtverletzungen. "Officia incompatibilia" gelten als schädlich wie etwa Kammerpräsident und Oberster Münzmeister in Böhmen62 • Kontrolle erscheint besonders wichtig. Nach dem Dreißigjährigen Krieg ordnet sich diesen Anforderungen manchmal auch die Konfessionsbewertung unter, jedenfalls tritt eine Lockerung der engen Verbindung zwischen dem Bekenntnis des Landesfürsten und dem der Untertanen, zumal der Beamten, ein63 • Vogel, in: DtvG 1 (FN 3), S. 881. Klein, in: DtvG 1 (FN 3), S . 819. 56 Vogel, in: DtVG 1 (FN 3), S . 882, 883. 57 Vann (FN 11), S. 96, 99f. 58 Willoweit, in: DtVG 1 (FN 3), S. 346. 59 Ebd., S. 299. so Stalleis (FN 16), S. 371. 61 Willoweit, in: DtVG 1 (FN 3), S. 352. 62 E. Schebek, Die Lösung der Wallenstein-Frage, 1881, Beilage 4: "Die Wolkenstein'sche Relation", S. 564. sa M. Stolleis, Grundzüge der Beamtenethik, in: Schnur (FN 32), S. 299; Willoweit, in: DtVG 1 (FN 3), S . 364. 54 55

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Die offenkundige Bedeutung des Heerwesens mit seinen Strukturen färbt auf die Zivilverwaltung ab. Es bestimmt Beamtendifferenzierung und zivile Ränge64 • Für Hessen-Kassel wurde festgehalten, daß nicht nur der "Merkantilismus", sichtbar im Edikt von Kassel 1685 hinsichtlich der Hugenotten, sondern auch der "Militarismus" sich unter Landgraf Karl "in der Umgestaltung des Verwaltungslebens" niederschlug65 . Dieser Umstand beförderte, wie Beispiele aus dem Österreichischen zeigen werden, das Hinüberwechseln von Offizieren in die Zivilverwaltung. Die Landstände bleiben oder werden vom Regieren meistens ausgeschaltet, und zwar in unterschiedlichster Art. In Böhmen und Mähren existieren sie zwartrotzder Niederlage von 1620 in den neuen Landesordnungen von 1627 bzw. 1628 fort, aber ausdrücklich bei Entzug des Gesetzgebungsrechtesse, in Mähren gemildert durch den Zusatz, der Landesfürst werde sie "in einem oder ander zu vorhero ... vernehmen". Ohne derartige Konfrontation bleiben in Hessen-Kassel nach 1648 die Stände von der Regierungstätigkeit ausgeschlossen und auf Formalien im Steuerwesen beschränkt67 . Bayern sieht 1669 zum letzten Mal die Landstände als Vallandtag einberufen58 • Von ihnen erscheinen nur knapp über die Hälfte. Von der Spaltung in Prälaten und Adel sowie in alten und neuen Adel profitiert der Landesfürst: Seine Anträge werden alle bewilligt und überdies der Landtagsausschuß vom Landtag mit Vollmachten in bestimmten Grenzen versehen. Am Beispiel Bayerns69 zeigt sich deutlich das Durchsetzen des Absolutismus als eine Befreiung vom Mitregieren der Landstände als "organisierter Körperschaft". Dazu trägt auch der Reichsabschied 1654 bei, der jenen die Erfüllung von Reichs- und Kreisumlagen zur Pflicht macht. Mit dem Absolutismus geht allerdings eine außerordentliche Vermehrung der Staatsaufgaben einher, die einen entsprechenden Finanzbedarf nach sich zieht, da der Landtagsausschuß Gelder nur in bestimmten Grenzen bewilligen kann: An die Stelle des Abmühens mit dem gesamten Landtag muß das Erschließen neuer Einnahmequellen und damit eine neue Wirtschaftspolitik treten.

Freilich gibt es auch Beispiele für eine nahezu gegenteilige Situation wie in Württemberg7o: Die Abspaltung des fürstlichen Familienfonds macht zwar die herzogliche Familie finanziell unabhängig, nötigt aber zur Heranziehung des ständischen Vermögens als Ergänzung des Staatsvermögens. Allerdings trug dazu auch der Umstand bei, daß sich die ständischen Herr64

65 66 67 68 69 70

Stalleis (FN 16), S. 359. Philippi, in: DtVG 1 (FN 3), S. 643. Link, in: DtVG 1 (FN 3), S . 514f.; Brauneder (FN 22), S. 11. Philippi, in: DtVG 1 (FN 3), S . 643. Kraus (FN 10), S. 277f. Ebd., S. 277, 279. Vann (FN 11), S. 96, 100f.

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schaften rascher als die fürstlichen erholten. Da aber der Landtag seine regelmäßigen Zuschüsse nur für maximal drei Jahre bewilligte, mußte er entsprechend einberufen werden. Dies ist ähnlich der Fall in der habsburgischen Monarchie, in deren Reichsterritorien man erst knapp 100 Jahre nach der Ständeausschaltung in Bayern diese nachzuvollziehen vermag71 • Aber bereits zuvor sehen die Stände ihren Stellenwert und ihre Aufgabe vielfach anders: So vor allem die neuen Grundherrn der Gegenreformation, die oft als Fürstendiener in den Landtag eintreten und sogar betonen, daß sie hier "Euer Kaiserlichen Majestät desto mehr nützliche und getreueste Dienste" leisten werden 72. Auch für die hofferne gebildete Bevölkerung konzentriert sich das Bild vom Gemeinwesen auf den Monarchen, weitet sich damit und sprengt das Lokal-Territoriale: Festgehalten beispielsweise im sogenannten "Hausbuch" der Ehegattin eines Gewerken aus dem steirischen Vordemberg mit Eintragungen von 1669 bis 169473. Unter dem Eindruck der siegreichen Türkenkriege ab 1683 gibt ihr das "Hauß von Essterreich" den staatlichen Rahmen ab, als die "Unßerigen" Ofen und Fünfkirchen (Pecs) erobern, hat "unser lieber Kaiser" sein Land vermehrt; Salzburg, Innsbruck, München, Nürnberg, Bamberg, Köln, Sachsen, Würzburg und die "sieben Kurfürsten" sind ihr nicht fremd, hingegen England, Holland, die Niederlande "ferne Länder". Mit verwandtschaftlichen Beziehungen in umliegende Länder, ihrem Sohn als Studenten in Wien, dem Ehegatten als Gläubiger d es Kaisers ist nicht das Land Steiermark ihr Horizont, im Monarchen sieht sie nicht bloß den Landesfürsten, sondern, stets mit "Kaiser" tituliert, den Inhaber weitreichender Herrschermacht, siegreich in Ungarn, bedroht durch die Franzosen "im Reich". Später dichtete dann ein Verehrer Friedrichs des Großen, der Walhecker Kanonikus Johann Wilhelm Ludwig Gleim, er "möchte wohl der Kaiser sein", nicht aber, wenn Kaiser "Joseph meinen Willen bei seinem Leben will erfüllen und sich darauf die Weisen freun", was in Wien W. A. Mozart 1788 vertonte (KV 539). 2. Nach 1650 soll und kann zunehmend das Regieren von Gemeinwesen nicht mehr als bloß oder überwiegend auf Erfahrung gestützte Tätigkeit betrieben werden. Rasch entwickelt sich eine umfassende und auch umfangreiche Verwaltungslehre, deren Handbücher die Theorie der Praxis schmackhaft, jedenfalls zumindest als Maßstab bekannt machen. Auf Sekkendorffs "Teutscher Fürstenstaat" von 1656 folgt gleich 1658 ein "Statutenbuch", das sich nicht an den Fachmann, sondern den "Biedermann" W. Brauneder, Österreichische Verfassungsgeschichte, 5. Aufl. Wien 1989, S. 38. H. Sturmberger, Adam Graf Herberstorff. Herrschaft und Freiheit im Konfessionellen Zeitalter, Wien 1976, S . 367. 73 Zum Folgenden: J. v. Zahn (Hrsg.), Der Frau Maria Elisabeth Stampfer aus Vordernberg Hausbuch, Wien 1887, S. 41, 43, 46, 41, 45, 47. 71

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wendet, gegen 1700 wird bereits eine Loseblattsammlung von Gesetzen realisiert74 • Verfestigung durch Verrechtlichung manifestiert 1678 das erste Handbuch des Beamtenrechts von Myler v. Ehrenbach 75. Eine Reihe von Anleitungsbüchern steht mit dem nach 1650 einsetzenden planmäßigen Aufbau von Verwaltungsbehörden in Wechselwirkung76 . Eine besondere Bedachtnahme auf die Ressourcen der Verwaltung finden wir bei den Kameralisten. Dieser Blickwinkel ebnet überkommene Strukturen ein und eröffnet- auch für die Verwaltung- neue räumliche Perspektiven. Als ein Beispiel sei auf Johann Joachim Becher77 verwiesen, der nachweislichen Einfluß auf seine Zeitgenossen und spätere hatte, konkret auf Einrichtungen besonders in Bayern und in den Habsburgerländern. Folgende Momente sind hervorhebenswert: Als beste Regierungsform78 erscheint ihm ein sogenanntes "gemischtes Regiment" des starken Landesfürsten mit Ständen, die Aristokratie lehnt er ab, bloß einmal, nämlich in bezug auf die Reichsstädte, gibt er ihr den Vorzug. Damit steht Becher in Einklang mit der noch zu besprechenden Praxis Wallensteins, Stände sogar dort zu errichten, wo diese, wie in Friedland, bisher fehlten! Sodann interessiert Bechers Sicht der Habsburgermonarchie wegen ihrer Eigenschaft als Länderkomplex79. Die "kaiserlichen Erblande" sind ihm ein ununterschiedenes Ganzes, in dem der Monarch aus den verschiedensten Rechten, Einrichtungen, Unternehmen usw. Einkommen bezieht. Weniger scharf als Becher dies in Hinblick auf Bayern betont, gibt es die Kammergüter des Landesfürsten einerseits und die Herrschaften der Stände andererseits 80. Keine Rolle spielen die einzelnen Länder, sie sind ihm offenbar nur geographische Begriffe, aber keine eigenständigen Gemeinwesen; der Landstände als jeweils eigener Korporation gedenkt er gar nicht. Im Vordergrund steht allein der große Wirtschaftskörper und eben in dieser Weise beschreibt er das Herrschaftsgebiet des Monarchen. Man könnte fast sagen: Die Ressourcen machen den Staat aus, sie bestimmen sein Tätigwerden, seine Verwaltung. So interessiert sich Becher denn auch nur für diese eine StaatsfunktionBI . Das konkrete Verhältnis des Landesfürsten zu den Landständen bleibt unbestimmt, damit die Gesetzgebung am Rande, die Justiz kommt bezeichnenderweise als Verwaltungskontrolle ins Spiel. Die Organisation der Verwaltung aber beschreibt

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8o 81

Stolleis (FN 16), S. 352, 360. Willoweit, in: DtVG 1 (FN 3), S. 359. StolZeis (FN 16), S. 356. J. J. Becher, Politischer Diseurs, 3. Aufl. Frankfurt I M. 1688. Ebd., S. 18f. Ebd., S. 866ff. Ebd., S. 305, 870, 877ff. Ebd., S . 871ff.

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Becher nicht nur bis ins Detail, sondern verknüpft mit ihr jeden nur denkbaren Lebenssachverhalt: Alles soll verwaltet werden. Becher zieht aus alldem für seine Betrachtung des Staates noch eine eminente Folgerung. In jedem Gemeinwesen gäbe es unter dem Aspekt der Leitung nur zweierlei Arten von Menschen: Jene, die regieren, und die anderen, die regiert werden. Das Verhältnis aber ist ein ganz spezielles geworden: Es sind nämlich jene, die regieren, die Diener der Regierten! Diener in diesem Sinne sind Pfarrer, Apotheker, Ärzte, natürlich die Beamten und auch der Landesfürst82 . Noch deutlicher wird ein Länderkomplex wie der habsburgische als einheitliches Wirtschaftsgebiet von Bechers Schwager und zeitweise engstem Mitarbeiter Philipp Wilhelm Hörnigk gesehen83. In seinem Buch von 1684, "Österreich, über alles, wenn es nur will", versteht er unter "Österreich" eher neuartig den Gesamtkomplex der Länder "des Deutschen Österreichischen Erzhauses", so in Abgrenzung zu den spanischen Habsburgern, und dies ununterschieden nach seinen Teilen. Diesem Gesamtkomplex schreibt er neun merkantilistische Grundregeln für eine einheitliche "Lands-Oeconomie" vor, und zwar bis ins Detail. Das "Land" dieser "Ökonomie" ist aber in den Worten Otto Brunners gar nicht mehr der einzelne "Ständestaat" als das "Land" im herkömmlichen Sinn, sondern die "Monarchische Union". Diese Sicht gewinnt besondere Bedeutung durch den Umstand, daß sie sich Hörnigk aufgrund einer umfassenden Inspektionsreise zum Zwecke der Erstellung einer Gewerbestatistik angeeignet hat84 • Diese Reise ließ ihn die Länder offenbar gar nicht mehr als politische Individualitäten erkennen, sondern ihre Summe als eine ökonomisch nutzbare Einheit sich ergänzender Ressourcen. Diese, im Detail bis hin zu "Käse, Speck, Fett" aufgeführt, sollen natürlich verwaltet sein. Dies folgt nach Hörnigk schon aus den beiden Staatszwecken, nämlich der "Sicherheit und Bequemlichkeit des Lebens"B5. Ersterem diene "nach innen die Handhabung der Justiz, gegen außen das Kriegswesen", für beide beständen "Ratskollegien" wie ferner noch die Kammer, um die Steuern "aus den Unterthanen Beutel zu erheben". Vernachlässigt werde aber das Ziel der "Bequemlichkeit", nämlich des "Landes allgemeine Ökonomie", da man sie nur für ein Nebenwerk- "Parergon"der Kammer halte, obwohl sie es doch sei, welche die "Beutel der Unterthanen" fülle. Neben "Staatsrat" und "Justizkollegium" müßten daher weitere "besondere Collegia" für die Landesökonomie treten, auch neben die KamEbd., S . 4ff. P. W. Hörnigk, Österreich über alles, wenn es nur will ... , 1684, Hrsg. G. Otruba (Osterreich-Reihe 249/251). 84 F. Posch, Philipp Wilhelm v. Hörnigk. Werdejahre und österreichisch-steirische Beziehungen: MIÖG 61 (1953), S. 345; H. Hassinger, Johann Joachim Becher 16351682 (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 38), Wien 1984, S. 184. 85 Hörnigk (FN 90), S. 185. 82

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mer, da für sie "absonderliche Wissenschaft und Personen", ja sogar "erfahrenste, ansehnlichste und eifrigste Männer eines Staats" notwendig seien. Man solle diesen Kollegien übrigens auch die einschlägige Gerichtsbarkeit aus anderen "Instanzen" übertragen! Auch hier ist von intermediären Gewalten keine Rede mehr- der Wirtschaftsverwaltungsstaat ist fürstlicher Beamtenstaat, es sind ausschließlich seine Behörden, die im vorgenannten Weg modifiziert werden sollen. Wie schon angedeutet, sind dies bei Hörnigk keine Konstruktionen am Grünen Tisch, sondern Vorschläge aufgrund praktischer Erfahrungen. Ein Lagebericht über die Zustände in Böhmen aus 1633, die "Wolkensteinsche Relation" 86 , offenbar eines um die böhmischen Verhältnisse kundigen Hofadeligen, sieht gleichfalls alle "Länder des allerhochlöblichsten Hauses Oesterreich" als eine "monarchie", "regiert" allein vom Monarchen, er, allein, führt das "Gouvernament", seine "ministri" die "Administration" . Die "Regierung" des Monarchen solle sich an Eigenschaften seiner Vorfahren orientieren wie u.a. der "Gerechtigkeit" König Rudolfs I., dem "Verstand" Kaiser Rudolfs II., der "Andacht" Kaiser Ferdinands II. und schließlich der "oeconomia", die den Adressaten der Relation, König Ferdinand III., selbst auszeichne: eine neue, zeitgenössische Eigenschaft also. In diesen theoretisch-praxisorientierten Abhandlungen tritt ein neues Staatsbild zutage, das von der Verfügbarkeit über Mittel ausgeht, nicht von überkommenen rechtlichen Strukturen: Rechtstitel gelten mehr als nutzbare Dinge denn als politische Forderungen. Diese "Wolkensteinsche Relation" zeigt übrigens in kameralistischer Manier Gutes und Schlechtes auf87 • Schlecht sei, nämlich im kaiserlichen Böhmen, die Ausgliederung von "nutzbare(n) Werthschaften" vom Meierhof bis hin zum Teich aus den wirtschaftlichen Einheiten der Städte, die Auswanderung,der unkontrollierte Truppendurchzug und die zügellose Einquartierung; die Folge seien öde Städte wie Prag mit seinen 1400 demolierten Häusern, Feldern mit Disteln und Dornen überwachsen, fehlendes Steueraufkommen und fehlende Armenfürsorge. Gut sei hingegen, nämlich in Friedland, die "Menge der Städte, Schlösser", der "Landfriede", die guten "Ordnungen" der "Cameralien", die gute Besoldung, da sie Korruption verhindere, die Gratifikationen, da sie Innovationen hervorriefen, und die Anwendung von "subtilen Grifflein und Vorschlag" durch die Kameralverwaltung. Hier verbindet sich praktische Anschauung mit merkantilistischen Schlußfolgerungen gleichsam zur Festschreibung von Zielen der Verwaltung. 3. Die Konturen der Verwaltungsgestaltung im und nach dem Dreißigjährigen Krieg und die Zusammenhänge der Ressourcen werden schärfer, kön86 87

E. Schebek (FN 62), S. 555ff., 556ff., 567. G. Mann, Wallenstein 1971, S . 754f.

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nen wir auf einen fast planmäßigen Neubeginn blicken. Dies ist modellhaft teils an verborgener, teils an vergessener Stelle der Fall: Verborgen, weil kurzlebig und im Schatten der Person stehend, ist die neu eingerichtete Landesherrschaft des Reichsfürstentums Friedland Albrecht v. Wallensteins, wenig beachtet der Aufbau der kaiserlichen Verwaltung im rückeroberten Teil Ungarns. a) Zu Friedland, aus dem Land Böhmen gleichsam herausgeschnittenes, geben weitere wallensteinische Landesherrschaften noch zusätzlichen Aufschluß, nämlich Mecklenburgs9 und das nach dessen Verlust 1632 Wallenstein zugesprochene Herzogtum Großglogau, schließlich auch Sagan9o. Hier überall hat Wallenstein tatkräftig in die Verwaltung eingegriffen - dies erklärt auch, daß in der "Deutschen Verwaltungsgeschichte" allein die Darstellung Mecklenburgs mit 1648 eine Zäsur aufweist91. Die Verwaltung in Friedland92 besorgte unter einem Landeshauptmann als Stellvertreter Wallensteins die Hofkanzlei einerseits und die Hofkammer andererseits. Die Hofkanzlei als kollegiale oberste Gerichtsbehörde war unter einem "Kanzler" mit Juristen, die Hofkammer als oberste kollegiale Verwaltungsbehörde unter einem "Regenten" mit Kammerräten besetzt93. Diese verwaltete einerseits die Kammergüter, andererseits die herzoglichen Lehen. Die Kammergüter als Großgutsverwaltungen unterstanden einem "Hauptmann" als Verwalter, der wöchentlich einen schriftlichen und jährlich einen persönlichen Bericht an die Hofkammer zu erstatten hatte letzteres erinnert an die ad-limina-Besuche katholischer Bischöfe in Rom. Als Kontrollinstanz vor allem gegenüber den "Hauptmännern", aber auch der Hofkammer, fungierte ein unabhängiger "Oberhauptmann" . Verwaltung und Gerichtsbarkeit unterer Instanz blieben den überkommenen Herrschaften belassen - den erwähnten Lehen oder den Kammergütern. Auch Mecklenburg94 wurde in diesem Sinne organisiert , die Stelle des Landeshauptmanns vertrat hier der "Geheime Rat" , der anders als in Friedland auch als oberstes Gericht tätig wurde: Eine Konzession an den vorgefundenen Zustand. Interessant ist der Umstand, daß der "Regent" 95, der Vorsteher der Kammeralverwaltung, für sämtliche Wallensteinische Landesherrschaften H. Diwald, Wallenstein. Eine Biographie, 1979, S . 226. Klein, in: DtVG 1 (FN 3), S. 791f.; 0. Grotefend, Mecklenburg unter Wallenstein und die Rückeroberung durch die Herzöge, 1901 ; 0 . Hunziker, Wallenstein als Lan88 89

desherr insbesondere als Herzog von Mecklenburg, Zürich 1875. 90 Hunziker (FN 89), S. 48. 91 Klein, in: DtVG 1 (FN 3), S. 792. 92 Hunziker (FN 89), S. 53; Mann (FN 87), S. 256f.; Diw ald (FN 88), S. 231f. 93 Mann (FN 87), S. 225f.; Diwald (FN 88), S. 232. 94 Mann (FN 87), S . 486f.; Hunzi ker (FN 89), S. 53f. 95 Zum Folgenden Mann (FN 87), S. 486f.; Hunziker (FN 89), S. 53, 69 f.

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Friedland, Mecklenburg und Sagan tätig wurde, selbstverständlich auch Wallensteins Sekretär, der immer um seine Person war. Als "Regent" fungierte übrigens mit Heinrich Neumann ein Offizier und Dr. iuris, als Landeshauptmann in Friedland gleichfalls ein Offizier. Das Verhältnis zu seinen Beamten gestaltete Wallenstein wie das zu seinen Soldaten: Bei ersteren drang er nach Vorbild der letzteren auf eine strenge Einhaltung der Titel und der entsprechenden Erfüllung der Pflichten, vor allem der richtigen Steuereinnahme; auch die Diktion bei Pflichtversäumnissen war für beide Gruppen gleich96: Ihr werdet "mit euren Köpfen zahlen müssen". Anhand der Gerichtsakten Mecklenburgs läßt sich deutlich eine Beschleunigung der Rechtspflege zufolge der auffallend dünnen Aktenbündel der wallensteinschen Zeit nachweisen9 7 • Zur Landesherrschaft zählen aber auch die Stände: Nicht nur die vorhandenen etwa in Mecklenburg, Großglogau und Sagan, sondern auch für Friedland war nach dem Landesordnungsentwurf 1632 die Einführung von Ständen geplant98 . Sie sollten aus Geistlichkeit, Adel und Vertretern der herzoglichen Städte bestehen: "ein Mittel zur Integration des Staates" nach Golo Mann 99 • Freilich drohte Wallenstein den Sagansehen Ständen sogleich an, sie müßten "gehorsam und willig (sich) erzeigen" wie weiters, daß er allenfalls auch gegen ihre Beschlüsse, so sie seinen Intentionen zuwiderliefen, handeln werde. Jene in Friedland100 wären ausdrücklich auf "Consultationen" beschränkt gewesen; dies entspricht auch der Haltung gegenüber den mecklenburgischen Ständen, denen er einschärfte, sie "sollen mich nicht auf solche Weise traktieren, wie sie die vorigen Herzoge traktieret haben" 101 . Stände also als Beratungsorgane und kaum mehr! Rat suchte Wallenstein aber auch anderswo, etwa bei den Bürgerschaften der Städte Mecklenburgs. Dem Adel Friedlands sah Wallenstein kräftig auf die Fingerto2. Ein Bittschreiben ging wegen des Tones sofort an ihn zurück und er unterstellte ihm, er wolle aus seinen "Krohnlehen" eine "libera republica" machen - was er sich entschieden verbäte: Die Ablehnung der Aristokratie als Regierungsform, aber immerhin doch die Einführung beratender Stände verbindet Wallenstein mit Bechers Theorie. An Wallensteins weiteren Plänen für Friedland sieht man, daß zur Landesherrschaft auch eine Universität gehören sollte, mit der Domkirche in 96 W. Hecke, Wallensteins Güterbewirthschaftung, Wien 1881, S . 22; Hunziker (FN 89), s. 73. 97 Klein, in: DtVG 1 (FN 3), S. 792. 98 Hunziker (FN 89), S. 48, 51f.; Hecke (FN 96), S. 7f. 99 Hierzu und zum Folgenden Mann (FN 87), S. 260. 100 A . Heinrich, Wallenstein als Herzog von Sagan, Breslau 1896, S . 15. 101 Hunziker (FN 89), S . 50. 1o2 Diwald (FN 88), S. 226.

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Gitschin war ein künftiges Bistum angepeiltlo3. Eindeutig stand aber die Sorge um die Wirtschaftsverwaltung im Vordergrund104 . Dies zeigt nicht nur eine Korrespondenz ungeheuren Ausmaßes, die jeder Kleinigkeit gedenkt, sondern besonders eine "Wirtschaftsinstruktion" für Friedland aus 1628, die bezeichnenderweise mit einer "Verwaltungsinstruktion" eine Einheit darstellt. Erstere regelt detailliert den Anbau verschiedener Getreidesorten je nach Lage der Äcker, das Düngen und ähnliches bis hin zum Zerstreuen von Maulwurfshügeln, die Art der Viehhaltung, die Milchproduktion, den Obstbau gegliedert nach Birnen und Äpfeln, die Fischzucht, aber auch die Art des Dachdeckens: Stroh statt Schindeln. Die "Verwaltungsinstruktion" schreibt dazu Inspektionen, Aufzeichnungen, Abrechnungen, Registrierung, Kontrollen durch Gegenzeichnung und anderes mehr vor; dazu gesellen sich Strafdrohungen für Säumnis. Für seine Hauptstadt Gitschin105 zeigt sich Wallenstein bemüht um Gewerbe und Handel, Anlage neuer Stadtviertel, Feuerschutz, Epidemieschutz, ärztliche Versorgung, Aufbau einer Seidenindustrie durch Maulbeerpflanzungen, Wasserleitung, Förderung betriebsamer Bürger. Seine Städte insgesamt sollen arbeitsteilig wirtschaften, die einen Tuch, die anderen Schuhe, weitere Bier liefern- das Brauen hat er zum Monopol gemacht und durch Qualitätssteigerung den Bierkonsum mehr als verfünffacht 106. Wohl ohne merkantilistische Schriften zu kennen, war es ein Anliegen, daß "Geld unter die Leut", aber nicht außer Landes kommtiD 7 • Ein Lieblingsgedanke ist ihm der Kanalbau im großen von der Ost- zur Nordsee, im kleinen, um Gitschin an ein größeres fließendes Gewässer zur Holztransportation anzubinden 108 . Aus Parma sollen Fachleute kommen, um Parmesan zu produzieren, damit der Import entfallen könne. Die Bestrebungen hatten, wie man weiß, vollen Erfolg- fast: böhmische Seide oder böhmischer Parmesan wurden zu keinen Begriffen. In bezug auf Friedland berichtete 1633 die "Wolkensteinsche Relation" an den kaiserlichen Hof, Böhmen sei geteilt in eine "terra felix", nämlich das wallensteinsehe Friedland, und eine "terra deserta", nämlich das kaiserliche Böhmen. Wallensteins Musterland und die Maßnahmen, die dies bewirkten, waren somit am Wiener Hof - und sicherlich anderswo - durchaus bekanntl09.

1o3 Hunziker (FN 89), S. 47 ; Hecke (FN 96), S. 7. 104 Zum Folgenden Hecke (FN 96), S. 8f., 21f. 1o5 Hunziker (FN 96), S. 74ff. 1os A. Salz, Wallenstein als Merkantilist: Mitteilungen des Vereins für Geschichte

der Deutschen in Böhmen 1909, S. 437ff.; A. Ernstberger, Wallenstein als Volkswirt im Herzogtum Friedland: (=Frager Studien aus dem Gebiet der Geschichtswissenschaft 19), 1929, S. 47. 1o1 Diwald (FN 88), S. 228. 1oa Mann (FN 87), S. 489. 109 In Schebek (FN 62), S. 555ff., 562f.

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Golo Manns Feststellung hinsichtlich MecklenburgsllO, mit derartigen Maßnahmen sei die "Verwandlung des Adels- und Ständestaates in einen straff organisierten Beamtenstaat" eingetreten, läßt sich für Friedland dahingehend abwandeln, daß dieser hier neu aufgebaut wurde. Die "Wolkensteinsche Relation" machte das nicht nur den Zeitgenossen bewußt, sondern verdeutlicht auch noch uns, worauf es ankam: die Erkennung der Ressourcen und ihre Verwaltung im Sinne einer Ertragssteigerung. b) Ähnlich ist es um den wiedereroberten Teil Ungarns, die sogenannten Neoaquisita, bestellt. Hier eröffnet sich uns ein praktischer und ein theoretischer Aspekt, nämlich die tatsächlich eingerichtete Verwaltung sowie ein Vorschlag hierzu, das sogenannte "Einrichtungswerk" 11 1. An der tatsächlichen Verwaltung, als Provisorium gedacht, interessiert das Folgendem: Nach der Eroberung Ofens wurde hier ein "Provisor", schließlich "Administrator" betitelt, eingesetzt, ferner ein sogenannter "Dreißiger" zur Einhebung der ebenso benannten Steuer, beide versehen mit einem "Gegenhandler" zur Kontrolle, dann Provisoren, Waldmeister, Bauschreiber, Schanzschreiber, Salzversilberer etc.- schon die Bezeichnungen zeigen die Verwaltungszwecke an. Ihnen allen ist eingeschärft, strikt Rechnung zu verlangen, solche dann der Hofkammer zu legen. Hierbei allerdings handelt es sich nicht um die ungarische Hofkammer mit ihrem weiterhin auf das von den Türken verschonte Ungarn beschränkten Wirkungsbereich, sondern um die zentrale kaiserliche Hofkammer113 • Mehrfach tritt uns der ausdrückliche Befehl entgegen, die ungarische Hofkammer habe in den - ungarischen! Neoaquisita keine Kompetenz. Die alte Landesbehörde bleibt somit weitestgehend ausgeschaltet, die neuen Behörden hingegen werden einer zentralen Leitung und Visitation unterworfen. In bewußter Anlehnung an das französische Intendantensystem ist die untergeordnete Verwaltung organisiert, nämlich durch delegierte Beamte der Zentralstelle114 • Die Verwaltungsziele legt eine "Instruktion" an den "Kameralinspektor zu Ofen" fest- obwohl hier nur die Kameralia erwähnt sind, erfassen sie auch die Zivilgerichtsbarkeit, der Kameralinspektor errichtet überdies eine eigene Kriminalgerichtsbarkeitlls. Ähnlich wie in Friedland bleiben aber die lokalen Einheiten, Mann (FN 87), S. 480. Ein Reformplan des Präsidenten der Ungarischen Hofkammer aus den Jahren 1688/89, abgedruckt als "Compendium der hauptr elation über die einrichtung deß königreich Rungarn ab anno 1688" bei T. Mayer, Verwaltungsreform in Ungarn nach der Türkenzeit, 1911, im Anhang I -XLV, und in der von J. Fleckenstein und H. Stoob herausgegebenen und bearbeiteten 2. Aufl. 1980, im AnhangS. 87ff. m Zum Folgenden Z. Fallenbüchel, Die Ofner Kameraladministration: Die Verwaltung 16 (1983), S. 490; Mayer (FN 111), S. 19f.; Fleckenstein I Stoob (FN 111), s. 23. 113 Fallenbüchel (FN 112), S. 489 ; Mayer (FN 111), S . 101f. 114 Fallenbüchel (FN 112), S. 490; Mayer (FN 111), S . 16. m Mayer (FN 111), S. 18; Fallenbüchel (FN 112), S. 490f. 110 111

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die Grundherrschaften und Komitate, unangetastet, in den rückeroberten Gebieten werden sie sogar wieder errichtet. Ab 1696 amtiert die "Administration" in Ofen kollegial, die Zahl der Beamten wächst rapide, desgleichen aber auch der wirtschaftliche Aufschwung der Neoaquisita: Die Einnahmen übersteigen alsbald die Millionen-Gulden-Grenze trotzmancher Widerwärtigkeiten. Dies ist zumindest der Zustand bis zum ungarischen Landtag von 1715, der einen Umschwung herbeiführtlls. Über die schon angedeuteten Verwaltungszwecke hinaus 117 haben die neuen Behörden insbesondere für die Wiederbesiedlung, die Neugestaltung des Wirtschaftslebens, die Verproviantierung der Gebiete zu sorgen, im Detail für das Postwesen, auch hier für Seidenraupenzucht und Parmesanproduktion, dann den SalzhandeL Für Ofen wird ähnlich wie auch für andere Städte die Bevölkerungsvermehrung, Katasteranlegung, Einführung vonWienerMaß und Gewicht, Schuttabfuhr, Wasserversorgung und Brautätigkeit sowie der Erlaß von Zunft-, Feuer- und Bauordnungen anbefohlen. Die Lage unterscheidet sich insgesamt nicht sehr von jener in Friedland: Auch hier die Erweckung der Ressourcen durch die Verwaltung, damit einhergehend eine Vermehrung der Beamten, im Zentrum die Kameralverwaltung sogar mit Ausgriffen auf die Gerichtsbarkeit, ebenso wieder ein Zuviel an Planung und Illusion: Parmesan und Seidenraupen. Der Unterschied besteht allerdings darin, daß die alten Einheiten, die Komitate zumal, ihr Eigenleben immer stärker entfalten. Vergleicht man die Komitate in etwa mit den Ländern der Habsburger im Reichsg.ebiet, so fällt der Unterschied auf11B. Hier sind sie Landesfürst, dort aber nicht auch Haupt der Komitate, dies vielmehr Obergesparr und Vizegesparr als zwar königliche Beamte, aber nur dem Namen nach, da tatsächlich den Ständen verbunden; hier fungiert der Kaiser vielfach und oft überwiegend als Grundherr, dort ist er es als König von Ungarn nicht. Grob gesprochen fehlt ihm somit die Rolle des Landesfürsten wie die des mehrfachen Grundherrn. Um so mehr dringen gerade die kaiserlichen Beamten darauf, die Verwaltungsagenden in den Neoaquisita nicht den Behörden des ehemaligen Restungarn zu überlassen, sondern an die kaiserlichen Zentralbehörden anzubinden. Von diesem Geist sind mehrere Denkschriften getragen, es ist dies in den sechzigerund siebziger Jahren des 17. Jh. nach Theodor Mayers Diktion der des "unbedingten Absolutismus" am Wiener Hofe119 . Allerdings setzt er sich selbst in den Denkschriften nicht zur Gänze durch, auch nicht in der Theorie des erwähnten "Einrichtungswerks", eines im kaiserlichen Fallenbüchel (FN 112), S. 496; Mayer (FN 111), S . 102ff. Zum Folgenden Fallenbüchel (FN 112), S. 493; Mayer (FN 111), S. 21f. ; Fleckenstein I Stoob (FN 111), S. 25. 118 Zum Folgenden Mayer (FN 111), S. 12f., 17. 119 Ebd., S. 75f., 36. 11 6

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Auftrag erstellten "Compendium der Hauptrelation über die Einrichtung des Königreichs Rungarn de anno 1688"120: federführend hierfür Kardinal Kolonitsch in einer Kommission 121 , der Oberhofmeister, österreichischer Hofkanzler, Hofkriegsratspräsident, Hofkammerpräsident, der böhmische Oberste Kanzler, wohl auch der Hofkammer-Vizepräsident und die Österreichischen Vizekanzler sowie der Hofkriegsratsdirektor angehörten: Adelige und Bürgerliche, aber keine Ungarn. Eindeutig läßt sich der Einfluß von Grotius und Pufendorf ausmachen, mit hoher Sicherheit auch der des Kameralisten Sehröder und wohl auch der von Becher und Hörnigk. Sehröder gehörte übrigens der sogenannten "Zipser Kammer" an. Die skizzierte provisorische Verwaltung Ungarns hatte gleichfalls Einfluß, vor allem aber, und dies ist wohl am interessantesten, die Verwaltung österreichischer Länder- ausdrücklich nicht schlug das "Einrichtungswerk" zentrale Hofstellen für Ungarn vor, sondern nur Verwaltungsorgane einer tieferen, eben der Länder-Ebene: Es sollte also kein Dualismus angebahnt, Ungarn vielmehr in das habsburgische Totum eingebaut werden122 . Der Hauptinhalt des "Einrichtungswerks" gilt einer geordneten Finanzverwaltung, die Hauptintention der Hofkammer. Ein angeblicher Mangel an Einheitlichkeit erinnert an Bechers "Politische Diseurs", das überwiegende Abstellen von Mißständen an die Vergangenheit, Vieles aber an erst im 18. Jh. verwirklichte Ideen123. Eine entsprechende Einrichtungskommission war übrigens bis 1720 mit kaiserlichen Beamten besetzt, danach, aufgrunddes ungarischen Landtags 1715, mit ungarischen Ständemitgliedern124. c) Wir hatten bisher die Landesverwaltung im Auge: Dies wäre nicht nur an sich unvollständig, sondern auch wegen der auf sie wirkenden Einflüsse, würde man nicht kurz der Grundherrschaften gedenken. Auch sie suchen mit einem Beamtenstab Ressourcen zu aktivieren. Als Beispiel für eine der neu entstehenden Grundherrschaften durch die Konfessions- und Ständeumwälzung dient uns jene des Statthalters Herberstorff in der kurzzeitigen bayerischen Pfandherrschaft in Österreich ob der Enns 125 • Seine 1625 erworbene Grundherrschaft Orth läßt er vom Kaiser mit dem Titel "Grafschaft" versehen und arrondiert in der Folge zielbewußt dieses Gebiet mit Gütern und auch anderen Grundherrschaften: Dem Zeitgenossen galt dieser Komplex alsbald als "des Grafen von Herberstorff Land". Herberstorff allerdings bleibt bei einer dezentralen Verwaltung seiner Herrschaftsteile, wenngleich Hofhaltung und Bautätigkeit dies optisch überbrücken. Übri-

120 121 122 123 124 12s

S.o. FN 111. Mayer (FN 111), S . 29f., 37, 75f. Ebd., S. 73, 75. Ebd., S . 100, 78 ; s. auch o . FN 77. Ebd., S. 79f., 104. Zum Folgenden Sturmberger (FN 72), S . 356, 358, 361ff., 343, 373f.

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gens begegnet uns auch hier wieder ein Verwalter mit dem Grad Iuris utriusque licentiatus, der zuvor Offizier gewesen war. Ähnliches wie Herberstorff gelingt auch anderen126. Analog zur Landesebene setzt sich im grundherrschaftliehen Bereich eine schon im 16. Jh. beginnende Verwaltungsentwicklung fort 127. Neben dem vorerst einzigen grundherrliehen Beamten, dem Pfleger, treten allmählich weitere, etwa in der Herrschaft Lambach Hofrichter, Hofschreiber, Stadlschreiber, zwei Kanzleischreiber, Kastner, Jäger, Forstknecht, anderswo existieren Gegenschreiber zur Kontrolle. Im 17. Jh. nennen sich einige der Pfleger "Regent", andere "Hauptmann" just so wie im Wallensteinsehen Friedland: Beide Titel verbietet aber für den grundherrschaftliehen Bereich der Landesfürst128. Allgemein ist auch im grundherrschaftliehen Bereich die Tendenz zur Modernisierung der Wirtschaft und der Verwaltung spürbar, ausgreifende Initiativen jedoch versagt der lokale Zuschnitt - außer es setzt sich das grundherrschaftlich-gutsherrschaftliche Bemühen auf Landesebene fort129. Wallenstein begann als Grundherr in Mähren. Ökonomisch ist ihm das Land Grundherrschaft so wie Herberstorff und seinen Zeitgenossen die Grundherrschaft "Land": In den Zielen besteht kein Unterschied, oft nicht einmal in den Ressourcen und im Titel der Beamten. Aus der Grundherrschaftsverwaltung kommt auch einer der führenden Merkantilisten: Hörnigk13o. In den Jahren 1668 bis 1676 verwaltete er die Pfarrgrundherrschaft Hartberg in der Steiermark für deren Inhaber Bischof Rojas so mustergültig, daß dieser bescheinigte, man könne ihm "ruhig die Verwaltung des ganzen Erzbistums" anvertrauen, nämlich Salzburg, zu dem Hartberg bistumsmäßig gehörte. Hörnigk schuf dauernde Grundlagen füreine geordnete Verwaltung, er legte beispielsweise ein Kopialbuch, eine Urkundensammlung und wohl auch ein Urbar an und ordnete das Archiv.

m. Fassen wir zusammen: Der Territorialstaat nach 1650 ist in Theorie und allmählich auch in der Praxis ein unterschiedlich nutzbares Ganzes hinweg über Länder- und Reichslehensgrenzen und als solches fürstlich bestimmter oder orientierter Beamtenstaat. Dies freilich im Wesentlichen mit dem über126

Etwa im Land ob der Enns den Grafen von Meggau: SturmbergeT (FN 72),

s. 364.

127 H. Feigl, Die niederösterreichische Grundherrschaft vom ausgehenden Mittelalter bis zu den theresianisch-josephinischen Reformen (~ Forschungen zur Landeskunde von Niederösterreich 16), Wien 1964, S. 272, 285. 12 8 D ers., Geschichte des Marktes und der Herrschaft Trautmannsdorf an der Leitha (~Forschungen zur Landeskunde von Niederösterreich 20), Wien 1974, S. 119. 129 Diwald (FN 88), S. 229. 1ao Zum Folgenden Posch (FN 84J, S. 343f., 347, 351, 348.

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kommenen Behördenapparat, so daß hier alsbald Reformen einsetzen. Die Erwartungen des Herrschers, seiner Beamten und Ratgeber, dann der Theoretiker, sind nachweislich auf bestmögliche Nutzung durch geordnete Verwaltung ausgerichtet. Dem korrespondiert das Herrscherbild des 17. Jh.1 31 . Es stellt den Fürsten als Feldherrn und Gesetzgeber dar, der Neues plant und entscheidet, der lenkt, während er bisher als Richter begriffen wurde, der das vorhandene Recht findet, Ordnung hält. Durch diese Rolle blieb weitestgehend der überkommene rechtliche Rahmen und daher die Bewahrung verfassungsrechtlicher Institutionen maßgebend: das konkrete Landesfürstentum, die Abhängigkeit von den Ständen, die Behördenorganisation. Nun aber wird der Herrscher als Monarch mit geringer Rücksicht hierauf in neue und umfassendere Zwecke eingespannt, in Entscheidungsprozesse hineingestellt, so daß von ihm spezifische Tugenden erwartet werden - die Fürstenspiegel halten sie ihm vor, das tatsächliche Regieren verlangt ihm Energie, Willen, Verstand und vor allem der Kontinuität wegen auch Nachfolger ab. Er regiert aber nicht allein: Zur Fürstentugend gehört es, die richtigen Ratgeber und Beamten auszuwählen. In der Praxis entscheidet sich das gute Regieren auch nach deren Qualität. Dieser Auffassung entspricht schon mancherorts eine abnehmende Bedeutung der Konfession, freilich ist Konversion noch nützlich wie bei Wallenstein und Herberstorff, aber eben auch unverdächtig. Mit 1648 beginnt daher nicht etwa eine "Stunde des Fürsten", vielmehr nach Vierhaus die "Stunde der Regierungen"132. Vom Beamten werden ebenfalls Tugenden verlangt, entsprechende Darstellungen schärfen sie ein. In der Praxis entwickeln sich die Beamten zu einem eigenen, selbstbewußten Stand, der vor allem seine Sachkenntnis vorrangig aufgrund des Studiums der Rechtswissenschaften betont, nicht dem Land seiner Herkunft verbunden bleibt, daher vielerorts verwendbar ist und auch sein will. Die Beamten machen den staatlichen Organismus aus, sie sind nicht bloß das Substrat der Verwaltung, sondern der lebende Staat. In diesem kann der Fürst als dessen "erster Diener" seinen Platz haben133. "Diener" im Sinne Bechers als "Regierender", also als "erster" hiervon eben als neben anderen "Regierern" mitgestaltender Monarch. So entschied sich Kaiser Leopold I. dafür, ."kein primo ministro zu haben, sondern mein eigener primado selbst zu sein". Es ging aber auch anders: Kaiser Ferdinand II. hatte sich strikt an der Mehrheitsentscheidung seiner Räte orientiert und 13 1 Zum Folgenden StolZeis (FN 16), S. 367, 363; zur Konfession: Willoweit, in: DtVG 1 (FN 3), S . 350f. (364); Vierhaus (FN 2), S. 132; H. Rabe, Reich und Glaubensspaltung, in: Neue Deutsche Geschichte IV, 1989, S. 445; S . Skalweit, Reich und Reformation, 1974, S. 347. 132 Vierhaus (FN 2), S. 98. 133 Zum Folgenden B. Schimetschek, Der Österreichische Beamte. Geschichte und Tradition, Wien 1984, S. 60f.

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war daher stets auf deren ungerade Zahl bedacht gewesen. Der Fürst kann so auch außerhalb des Beamtenstaates stehen, als Symbolfigur, nicht als die tatsächliche Macht selbst. Für diese Bezugsfigur setzten sich die "Ministri" des Monarchen ein: Je mehr sie seine Macht fördern, desto mehr üben sie hiervon aus und es stärkt dies mit dem Stand der Beamten ihren sozialen Status. Dies gilt auch für den Adel: Lieber Ansehen und Macht in Grundherrschaften durch Fürstendienst - wie etwa Herberstorff - als Zurückgeworfensein auf die Herrschaft allein in ständischer Spannung zum Landesfürsten, zumal dem kaiserlichen Hof. Die Macht der Fürsten und mit dieser die des Gemeinwesens bietet Schutz: Das empfindet besonders die Grenze gegen die Türken. Daher regt sich das Verlangen nach einer gesicherten und in allen habsburgischen Ländern einheitlichen Thronfolge zuerst in Kroatien, und zwar unter der Bedingung des identischen Herrschers mit Innerösterreich, und es folgen sogar Ungarn und Siebenbürgen134 : auch hier ein die Länder-, ja die Reichsgrenze übergreifendes, neustaatliches Interesse. Was nun die Nutzung und ihre Verteilung durch die Verwaltung anlangt, so erscheint sie vorstellbar und tatsächlich durchführbar durch zentrale Entscheidungen in differenzierten Behörden, die formal den zentralen Willen exekutieren. Dazu gehört auch, daß Kommissare oder Intendanten als gleichsam dezentralisierte "Ministri" die monarchische Macht in die Provinzen hinaustragen. Korporative Machtausübung verträgt sich mit allen diesen Erwartungen nicht: Die Theorie lehnt die republikanische Regierungsform als nicht optimal ab, tatsächlich schwindet die Macht der Stände aus unterschiedlichen, aber nicht zuletzt auch in ihnen selbst liegenden Gründen. Weder ein einzelnes Land wie Bayern, geschweige denn der habsburgische oder brandenburgisch-preußische Länderkomplex lassen sich mit den Ständen regieren. Zuviel Umständliches, zuviele Sonderinteressen, zu langwieriges Verhandeln hemmen nicht nur den Zugriff der Ressourcenverwaltung, sondern stellen auch die erwünschte Stetigkeit in Frage. Deshalb sind aber die Stände nicht entbehrlich geworden: Sie tragen zur Mitverwaltung als Grund- oder Stadtherren bei. Sie, das heißt die von ihnen abforderbaren Steuern, haben aber damit kaum einen anderen Stellenwert als ertragreiche Weingärten oder Bergwerke auch. Zum zentralen Regieren ist bestenfalls ihr Rat erwünscht, aber ebenso der von anderen auch; einzelne Ständemitglieder fungieren als Beamte des Monarchen, aber auch bürgerliche Juristen. Dazu gesellt sich die Rolle des Lokalen: Noch ist die komplexe Rechts-, Sozial- und Wirtschaftsordnung auf kleinräumige Bereiche angewiesen, 134 W. Brauneder, Die Pragmatische Sanktion als Grundgesetz der Monarchia Auriaca von 1713 bis 1918, in: FS H . Baltl, Gr az 1988, S . 631.

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hier entscheiden Gerichtsbarkeit und Administration über konkrete individuelle Anliegen aufgrund lokaler Rechte, ineinander verwoben nicht nur in der Praxis, sondern auch von der Theorie noch nicht so getrennt, daß der Praxis geholfen wäre. Zudem ist der fürstliche Beamtenstaat selbst nicht frei von einem Partikularismusl35. Was einmal administriert, registriert und archiviert wird, läßt sich offenbar nur schwer auflösen. Da amtieren in Wien zeitweise Hofkammer und niederösterreichische Kammer, die Eingliederung der letzteren in die erstere zieht sich von 1625 bis 1635 hin, dann etwa in Graz die innerösterreichische, in Innsbruck die Oberösterreichische und in Freiburg/ Breisgau die vorderösterreichische Kammer. Auch im Geschäftsgang geht man nicht so bald zu Neuern über: Die Österreichische Hofkammerinstruktion aus 1681 unterscheidet sich kaum vom Vorgänger hundert Jahre zuvor. Die alten Länder werden zwar zunehmend durch neuartige Behörden obsolet: keine steierische, keine mährische Kammer. Der Partikularismus ist neuer, länderübergreifender Art: Es bilden sich gleichsam mit ihren Verwaltungszentralen Haupt- gegenüber Nebenländern aus, diese von jenen administriert, wie etwa die Steiermark gegenüber Kärnten, Böhmen gegenüber Mähren, Tirol gegenüber Vorarlberg. Da den Ländern entzogen, ist dieser Partikularismus aber der Disposition des Monarchen zugänglich. Freilich hemmt noch das alte Herkommen: In "den Grenzen von Recht und Religion" siedelt Baumgart136 die monarchische Herrschaft im frühneuzeitlichen Staat an. Ändert der Monarch radikal, sägt er den Ast ab, auf dem auch er sitzt, nämlich die alten Rechtstitel. Es ist Legende, daß der Monarch absolut regiert, weil er absolut ist137 : Er regiert vor allem dann patentiert, vielleicht auch absolut, wenn er sich auf eine Fülle alter Rechtstitel abstützen kann und sie allmählich zu einer Einheit verschmilzt. Nicht bloß mehrfaches Landesfürstentum als Addition wie im Titel des Monarchen sichtbar, bestimmt diese Position, ihre Neuartigkeit liegt in der Summierung einzelner Rechtstitel zu möglichst umfassender Monarchenstellung, womit die Konturen des alten Landesfürstentums verschwimmen und verschwinden, allenfalls in lokal bedingter Besonderheit eines Rechtstitels fortleben. Es setzt sich diese Verschmelzung anbahnende kameralistische Sicht in den "Statistiken" des 18. und frühen 19. Jh. fort: De Luca136 zählt die einzelnen 13 5 Zum Folgenden F. Walter, Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 2. Aufl. Wien 1974, S. 67. 136 P. B. Baumgart, Epochen der preußischen Monarchie im 18. Jahrhundert: Zeitschrift für historische Forschung 6 (1979), S. 301. 137 Vgl. etwa W. Ogris, Zwischen Absolutismus und Rechtsstaat, in: Österreich im Europa der Aufklärung, Wien 1985, S. 369f. 138 I. De Luca, Österreichische Staatenkunde im Grundriß, 2 Bände, Wien 1786; ders., Historisch-Statistisches Lesebuch zur Kenntnis des Österreichischen Staates, Wien 1797/ 98.

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Länder der Habsburgermonarchie, obwohl in verschiedenen Reichskreisen und auch außerhalb des Reiches gelegen, nicht anders auf als die Bevölkerungsgruppen und kennt für alles nur ein "Staatsrecht", einen "Hofstaat" und einen einheitlich dargestellten Behördenorganismus. Dieser Verschmelzungsprozeß zeigt sich auch in der vereinheitlichenden Gesetzgebung etwa Bayerns und vor allem der Monarchischen Unionen mit ihren nunmehr "Allgemeinen" Gesetzen. Beispielsweise wird in der Habsburgermonarchie der Gesetzgebungskommission detailliert aufgetragen, wie sie die einzelnen Provinzialrechte auf einen Nenner zu bringen habe. Diese Entwicklung ist aber erst jetzt, im 18. Jh., in vollem Gange. Eindeutig initiiert sie in fast allen Fällen die hohe Beamtenschaft: Sie fordert die einheitliche Erbfolgeordnung von Kaiser Karl VI., die Behördenorganisation und die Rechtsvereinheitlichung139. So scheint es, als ob gerade der "Beamtenstaat" sozusagen "post-westfälischer" Prägung mit seinem neuartigen Verständnis einer Verwaltung von primär wirtschaftlichen Ressourcen aller Art ohne oder mit nur geringer Rücksicht auf die überkommenen Verfassungsstrukturen der ständisch gebundenen Ländereinheiten mit hinführt und schließlich einmündet in den neuen umfassenden Rechtsrahmen des absolutistischen Großstaates.

139 W. Brauneder (FN 134), S . 62 ; ders., Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch für die gesamten Deutschen Erbländer der Österreichischen Monarchie von 1811, in: Gutenberg-Jahrbuch 1987, S. 206ff.

Aussprache Baumgart: Inhaltlich hat Herr Brauneder, woran vielleicht zunächst erinnert werden darf, von der Problematik des Zäsurcharakters des Dreißigjährigen Krieges als Ausgangssituation gesprochen. Seine Charakteristik der Verwaltung in den Territorien erlaubt durchaus, die Kontinuität zu betonen, statt dem Kriege eine besondere Bedeutung für die Verwaltungsentwicklung zuzuschreiben. Dies korrespondiert freilich nicht mit einer - wie Sie wissen- in der europäischen Forschung heute stark ausgeprägten Tendenz, von einer Krise des 17. Jh. und einer entsprechenden Zäsur zu sprechen. H. Koenigsberger (London) hat die deutschen Historiker erst kürzlich ermahnt (Zeitschrift für Historische Forschung 9 {1982]), sich dieser Krisenproblematik stärker bewußt zu werden. Die Frage wäre also, ob dies auch in die Diskussion über die Verwaltungsentwicklung eingehen sollte. Zum anderen möchte ich betonen, daß die von Herrn Kollegen Brauneder gewählten Beispiele ja eher Ausnahmebeispiele sind. Weder die Verhältnisse in der Herrschaft Friedland noch die Situation in Ungarn können unbedingt als typisch für die Verwaltungsentwicklung in den deutschen Territorien nach dem Dreißigjährigen Krieg gelten. Friedland war die Ausgangsbasis eines Militärunternehmers großen Stils, der dann an dieser Problematik auch gescheitert ist; in Ungarn beobachten wir den Versuch der jedenfalls tendenziell absolutistisch orientierten Wiener Regierung, sich eines wiedereroberten Gebietes mit Hilfe von absolutistischen Techniken und Praktiken zu bemächtigen. Aber auch dieser Versuch ist letztlich gescheitert; denn die ungarischen Stände konnten ihre Positionen im wesentlichen behaupten, indem ihr Wahlkönigtum zwar eingeschränkt, aber nicht, wie in Böhmen, abgeschafft und außerdem die Konfessionsfrage nicht einseitig im habsburgischen Sinne gelöst wurde. Es handelt sich also mithin nicht um Regelfälle absolutistischer Verwaltung nach dem Dreißigjährigen Krieg. Drittens möchte ich schließlich noch nach der Bedeutung der kameralistischen Theorie fragen. Die sogenannten alten deutschen Kameralisten, wie Kurt Zilenziger sie bezeichnet hat, waren letztlich, wie mir scheint, Wanderer zwischen den Territorien, die sich nach den jeweiligen Konjunkturen dort richteten. J. J. Becher war zuerst in kurmainzischen, dann in pfälzischen, schließlich in bayerischen Diensten, ehe er nach Wien kam, und seine Pläne waren großenteils utopisch. Ähnliches gilt wohl auch für W. v. Sehröder und Hornigk. Inwieweit diese Vertreter einer kameralistischen Theorie Generalten-

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denzen der damaligen Zeit zum Ausdruck brachten, muß offen bleiben. Sicher waren sie aber Exponenten der Situation am damaligen Wiener Hof. Daran knüpft sich für mich die Frage, welche Rolle denn der Kaiser selbst in dem von Herrn Brauneder mit Schwerpunkt auf den habsburgischen Ländern skizzierten System spielte. Diese Frage sollte ausgedehnt werden auch auf die deutschen Territorialstaaten. Welche Rolle spielten die Fürsten als Person? Dieser Gesichtspunkt wurde ja in der deutschen Verfassungsgeschichtsforschung namentlich von Gerhard Gestreich stark betont, und wie ich meine, auch zu Recht. Das "persönliche Regiment" des Fürsten war sicherlich ein Indikator für eine (früh-)absolutistische Regierungsweise. Damit gelangen wir zu der Problematik des Verhältnisses von Fürsten und Ständen. Ich möchte einen gewissen Widerspruch darin sehen, einerseits diesen "Staat", wie er gerade auch im ersten Referat beschrieben wurde, als einen dualistisch geprägten "Ständestaat" charakterisiert zu erhalten, andererseits auf diese Ansätze einer absolutistischen fürstlichen Politik zu stoßen, die ja schon von der Definition her antiständisch waren. Im Verhältnis der verfaßten Stände zum Fürsten kommt eine gewisse Ambivalenz zum Ausdruck, die vielleicht eine Diskussion darüber erlaubt, ob es tatsächlich den vielzitierten Dualismus gegeben hat. Ich bitte um Nachsicht für diese einleitenden Bemerkungen und eröffne die Diskussion mit Fragen an den Referenten. Schindling: Herr Brauneder, zwei Aspekte sind mir durch den Kopf gegangen nach Ihrem Vortrag. Zum einen die Frage der Entkonfessionalisierung in der Beamtenschaft, das war bei Ihnen ein untergeordneter Punkt, Sie haben das nicht weiter ausgeführt. Aber ich muß sagen, bei dem Stichwort habe ich doch gewisse Bedenken, wenn ich die deutschen Territorien nach 1648 sehe; ob man da tatsächlich schon von einer Entkonfessionalisierung in der Beamtenschaft sprechen kann. Also zum Teil, etwa gerade in den habsburgischen Ländern würde ich sagen, im Gegenteil, da ist die Katholizität wohl nie so betont worden, wie gerade in der Ära Leopolds I. Und selbst der Große Kurfürst hat sorgfältig darauf geachtet, daß Konfessionsverwandte, nämlich Reformierte, in die Beamtenstellen kamen und nicht etwa Lutheraner. Dies als eine Bemerkung dazu. Und jetzt weiter: Um diese hochinteressante begriffsgeschichtliche Darlegung, die Sie uns gegeben haben, daß einerseits bei den Österreichischen Kameralisten, andererseits aber auch in alltagsgeschichtlichen Quellen der Begriff "Land" in der zweiten Hälfte des 17. Jh. gelegentlich bereits so verwendet wird, daß das Gesamte der Österreichischen Länder darunter verstanden wird: Also die Länder des Hauses Habsburg und nicht mehr nur Steiermark oder Kärnten oder Österreich ob- oder unter der Enns. Das ist ein aufregender Punkt, denn die offizielle Terminologie ist ja in der Ära Leopolds I. doch ganz eindeutig "unsere Erbkönigreiche und Länder" (im Plural), und dann im 18. Jh. setzt sich als offizielle Sammelbezeichnung, also als Kollektivsingular,

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für die Länder die Bezeichnung "Monarchie" durch. Also die Monarchie, nicht etwa das Land Österreich, sondern die Monarchie. Nun meine Frage: Diese Quellen, die Sie uns so eindrucksvoll dargestellt haben, mit dieser begriffsgeschichtlich bemerkenswerten Verwendung von Land. Wie repräsentativ würden Sie die einschätzen? Sind das Stimmen von Außenseitern, als die man ja vielleicht Becher und Hörnigk und Schröder, die Kameralisten, ansehen muß, es sind Projektemacher, auch Ausländer übrigens, keine Österreicher. Allerdings, diese alltagsgeschichtliche Tagebuchquelle, die Sie zitiert haben, das ist ja wohl das Tagebuch einer Österreicherin, einer Steiermärkerin, und da wird es nun ganz besonders spannend, daß hier der Begriff "Land" erkennbar für alle Österreichischen Länder verwendet wird. Aber mich würde nun das zeitgeschichtliche Begriffsumfeld interessieren. Wie würden Sie da die Gewichtung vornehmen?

Brauneder: Zur Bezeichnung "Land": Die Mehrzahlform "Erbkönigreiche und Länder" sagt rechts- und verfassungsgeschichtlich weniger aus. Trotz der Mehrzahlform in der Bezeichnung "Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für die deutschen Erbländer der Österreichischen Monarchie" sind diese "Erbländer" als Einheit verstanden, nämlich als einheitlicher Geltungsbereich dieser Kodifikation. Gleiches gilt auch für den monarchischen Titel, die Anführung mehrerer Herrschaften bedeutet etwa um 1800 nicht mehr, daß er unterschiedliche Rechtspositionen in verschiedenen Ländern hätte, sie alle sind zu einer einheitlichen Rechtsstellung des Monarchen verschmolzen- als solcher erhält er freilich erst 1804 den Titel "Kaiser von Österreich". Diese Sicht zeigen sehr klar die sogenannten "Statistiken" schon des 18. Jh. und zuvor kameralistische Darstellungen. Der Ausdruck "Monarchie" kommt früher vor als vermutet, etwa in der von mir erwähnten" Wolkensteinischen Relation" aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Hier wie in den kameralistischen Schriften bildet diese "Monarchie" eine politische Einheit, nicht mehr das einzelne Land. "Landesökonomie" bezieht sich nicht mehr auf die traditionellen Territorien, die "Länder", sondern eben die "Monarchia". Ich habe fast das Empfinden, daß der Brunner'sche Begriff "Land" für die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg nicht mehr die zeitgenössische Sicht des Gemeinwesens widerspiegelt. Dieses Gefühl müssen Zeitgenossen insbesonders dann gehabt haben, wenn sie Landstand in mehreren Ländern waren, den kaiserlichen Dienst etwa in Ungarn dem in ihrem Land als Landstand vorgezogen haben und in ähnlichen anderen Fällen. Es bildet sich jedenfalls ein gesamtstaatlicher Adel aus, der nicht mehr eine primäre Beziehung zu einem Land, sondern eine solche zur Monarchie schlechthin hat. Dies trifft dann auch auf die entstehende Beamtenschaft zu. Im kurzlebigen Herzogtum Friedland und in Ungarn sehe ich Modelle für Behördenstrukturen: Hierbei fällt auf, daß selbst in diesen neu eingerichte-

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ten Verwaltungen der Typus der bisherigen Behördenstruktur mit etwa Rat -Kanzlei- Kammer verwendet wird. Die Kurzlebigkeit beider Herrschaftseinrichtungen fällt bei dieser typenbezogenen Betrachtung nicht ins Gewicht. Freilich ist noch dazu zu bemerken, daß Ungarn gleichsam einen Sonderfall darstellt, da hier auf besondere politische Momente - etwa die bisherige Zweiteilung des Landes - und heimische Rechtseinrichtungen die Komitatsverwaltung- doch mehr Rücksicht zu nehmen war, als die Planer der Verwaltungsorganisation anfänglich glaubten. Hier spielt auch tatsächlich der Raum eine Rolle. Seine Beherrschung war schon deshalb schwierig, weil man ihn nicht so ganz kannte, etwa keine verläßlichen Angaben darüber hatte, wie weit Städte auseinander lagen. Es stellte sich dann wohl- im Gegensatz zum Herzogtum Friedland- heraus, daß der Raum mit seinen teils unbekannten Entfernungen eine zentrale Verwaltung nicht erlaubte, wozu wohl auch Engpässe in den personellen Ressourcen kamen.

Battenberg: Es bleiben aber die Komitate ja gerade erhalten, das haben Sie ja bemerkt. Die Lokalverwaltung, die amtliche Lokalverwaltung bleibt erhalten. Brauneder: Der große Unterschied zu anderen Ländern ist wohl der folgende: Im Komitat hat der Monarch nicht die Stellung eines Landesfürsten wie in den Reichsterritorien, auch ist er nicht, wie meistens dort, einer der großen oder gar der größte Grundherr. Damit kommt dem Komitatschef, dem Obergespan und dem Vizegespan, und somit dem Adel, eine dominierende Rolle zu. Eine unüberwindbare Schranke stellt auch das an überkommene Verfassungsstrukturen gebundene Rechtsdenken dar: Wenn dem Monarchen in Ungarn Besitz anheimfällt, dann doch immer nur als König von Ungarn und nicht in einer alle Besitzungen übergreifenden Monarchenstellung. Eine Aufteilung Ungarns wie gute 100 Jahre danach eine solche Polens kommt gar nicht in das Blickfeld, bestenfalls werden einige Städte in Ungarn wie beispielsweise Ödenburg (Sopron) oder St. Veit an der Pflaum (Fiume, Rijeka) von Behörden in benachbarten Ländern verwaltet. Verschiebungen gibt es also im Behördenwesen, nicht aber in der grundsätzlichen Verfassungsstruktur- diese kann dann eben doch wieder partikularistisch benutzt werden. Baumgart: Es kam aber dennoch nicht zu einer Wirtschaftseinheit der Österreichischen Länder, sondern die unterschiedlichen Zollsysteme und Steuersysteme blieben alle nebeneinander bestehen, so daß eine Wirtschaftseinheit, wie sie hier scheinbar konzipiert ist, überhaupt nicht realisiert werden konnte. Brauneder: Von der Größe her läßt sich ein vollkommen zentralisierter Staat in der Habsburgermonarchie nicht etablieren. So entwickelt sich auch eine neue Regionalisierung mit den in meinem Referat erwähnten "Haupt-

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ländern" als Sitz von Verwaltungs- und Gerichtsbehörden mit Zuständigkeiten auch in anderen Ländern. Die Behördenreformen im aufgeklärten Absolutismus gliedern dann den Staat in Gouvernementsbezirke, die mehrere Länder umfassen, aber sich nicht in diese, sondern in Kreise gliedern. Diese Entwicklung des 18. Jh. ist mit den erwähnten Haupt- und Nebenländern schon vorher angelegt.

Battenberg: Ihre Bemerkungen zu den Kommerzkollegien geben Anlaß, die Frage der Kontinuität der Finanzverwaltung über den Dreißigjährigen Krieg hinweg nochmals aufzugreifen. Hier müßte die konkrete Erfahrung des Krieges und dessen motivierende Kraft für den Aufbau einer Finanzverwaltung bedacht werden. Die militärischen Notwendigkeiten ließen für die Fürsten häufig Situationen entstehen, die es notwendig machten, binnen kürzester Frist Güter und Kriegsgerät bereitzustellen, Fouragelieferungen zu garantieren und Subsistenzen zu ermöglichen. Als kapitalkräftige Geldgeber und Vermittler sprangen während des Krieges häufig Juden ein, die über weiträumige Kreditbeziehungen verfügten undkraftihrer Unentbehrlichkeit als "Hofjuden" an die Fürstenhöfe gebunden wurden. Als mit dem Westfälischen Frieden die kriegsbedingte Zwangssituation zurückging, der Nutzen eines langfristig angelegten und kurzfristig verfügbaren Kreditsystems aber erkannt war, entstand für viele Fürsten die Frage, inwieweit sie die Hofjuden behielten oder sich von ihnen unabhängig machten und ein eigenes Finanzsystem aufbauten. Auch hierin könnte man einen Ursprung der sich in der zweiten Hälfte des 17. Jh. bildenden Finanz- und Kommerzkollegien sehen, Gremien also, die die Kreditbedürfnisse des Hofes und des Territoriums zu kanalisieren hatten. Insofern entstand um 1650 durchaus etwas Neues, das längerfristig eine Umbildung der Finanzverwaltung zur Folge hatte, auch wenn die Kommerzkollegien vielfach keine längere Lebensdauer hatten. Brauneder: Ein neues Modell der Verwaltung wird nach dem Dreißigjährigen Krieg nicht entwickelt, vielmehr das bisherige modifiziert vor allem durch eine Verstärkung der Kameralverwaltung und der Einrichtung der Kommerzverwaltung. Baumgart: Man könnte auch in diesem Zusammenhang ein Beispiel erwähnen. Die traditionelle Finanzverwaltung scheiterte in den Türkenkriegen Leopolds. Die Financiers waren die Hoffaktoren Oppenheimer und Wertheimer; das waren die Finanzleute, die den Krieg im wesentlichen durch Anleihen finanzierten; daran sieht man eben, daß diese traditionelle Verwaltung sich nicht fortentwickelt hat, sondern stagnierte. Neuhaus: Herr Kollege Brauneder, anknüpfend an Ihre Ausführungen über das ungarische "Einrichtungswerk" ließe sich vereinfachend zusammenfassen: Das "Einrichtungswerk" ist ein Versuch, eine Administration

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gleichsam auf der grünen Wiese zu installieren, was eben in Österreich oder auch in Böhmen nicht mehr möglich war; die Realisierung dieses "Einrichtungswerkes" scheiterte, als die alten Strukturen wieder deutlicher hervortraten, die Komitate sich als alte Verwaltungsbezirke stärker erwiesen. Habe ich das so richtig verstanden? - Meine zweite Frage knüpft an Ihre These an, die Länder spielten dann keine Rolle mehr. Sie haben das eben in der Diskussion etwas differenziert und von einer Übergangszeit gesprochen, nach der sich ein neuer Regionalismus ausbildete und auch wieder lokale Verwaltungen entstanden. Meine Frage: Haben neuer Regionalismus und wiederbelebte lokale Verwaltungen Konsequenzen, nachweisbare, schon untersuchte Konsequenzen hinsichtlich der Zusammensetzung der Beamtenschaft gehabt? Und weiter: Können Sie etwas über die Ausbildung der Beamtenschaft sagen? Im Vortrag von Herrn Press war ja gestern davon die Rede, daß die Beamtenschaft- jedenfalls im Finanzbereich- sehr stark juristisch geprägt war und sich etwa bei den schwierigen Fragen der Finanzverwaltung mit Neuland konfrontiert sah.

Brauneder: Zum Einrichtungswerk: Wie erwähnt entstammt es einer kaiserlichen Kommission ohne Beiziehung von Ungarn, nimmt allerdings auf die ungarische Komitatsverwaltung doch auch Bedacht. Stark beeinflußt ist es von Grotius und Pufendorf, dann aber auch von Kameralisten, die zum Teil in der Kameralverwaltung praktische Erfahrungen gesammelt hatten. Für die untere Verwaltung mußte man schließlich doch wieder auf die Komitate zurückgreifen. Zur Entwicklung in der Habsburgermonarchie im allgemeinen ist festzuhalten, daß mit den Landständen auch die Länder zunehmend keine verfassungsrechtliche Rolle mehr spielen, wenngleich sie weiter existieren. Signifikant hierfür die Pragmatische Sanktion 1713: Den Landtagen wird ihre Befolgung oft sehr nachdrückliehst anbefohlen, angeordnet etwa in Böhmen, sie sei in die Sammlung der Landesverfassungsgesetze aufzunehmen. Hier geht es um die Einschärfung geltenden Rechts, geltend durch den Gesetzesbefehl des Monarchen - er richtet sich noch an die überkommenen Einheiten, die Länder, doch wirken diese an der Gesetzgebung nicht mehr mit. Dies setzt sich dann fort etwa im Zuge der Kodifikationen, zum Teil werden ständische Gremien um Gutachten gebeten, aber solche durchaus auch von vielen anderen Personen oder Gremien eingeholt. Das Neue ist die schon erwähnte Zusammenfassung von Ländern zu Gouvernementsbezirken. Dazu ist noch nachzutragen, daß die Ländergruppen, wie sie sich zum Teil schon im Mittelalter entwickelt haben, eine Rolle spielen, vor allem Innerösterreich, bestehend aus Steiermark, Kärnten und Krain, dessen Entwicklung Schulze mit seinem Buchtitel "Landesdefension und Staatsbildung" gut beschreibt. Allerdings werden Länder stets zusammengefaßt, nie aber zerlegt, worin sich Beharrendes zeigt. Sie, d.h. ihre Stände, stellen aber

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keinen verfassungspolitischen Faktor mehr dar, auch nicht in Böhmen oder anderen Ländern. Zur Ausbildung der Beamten: Erst gegen Ende des 18. Jh. wird es zum Anliegen, daß im Studium der Rechtswissenschaften nicht nur Rechtsfächer unterrichtet werden, sondern etwa auch wirtschaftliche Fächer, und zwar gerade für die Beamtenausbildung. Auf diese stellt ja der Universitätsunterricht jetzt primär ab. Gerade hierfür sind dann etwa Lehrstühle wie für den "Geschäftsstil", den Unterricht im Abfassen von Bescheiden, Verordnungen etc. gedacht.

Schulze: Nur zwei Bemerkungen: Die eine betrifft die am Anfang unseres Gespräches angedeutete Kontroverse um die Intensität, mit der sich der sog. Absolutismus schon im 17. Jh. gegenüber älteren Verhältnissen und besonders gegenüber ständischen Strukturen formieren oder nicht formieren konnte. Für mich waren Herrn Brauneders Ausführungen insofern sehr aufschlußreich, als sie nach meiner Ansicht der Auffassung widersprechen, daß die wesentlich von den frühen Kameralisten geprägten Vorstellungen über die Verwaltungsfunktionen des fürstlichen Staates reine Theorie waren. In den Beispielen, die Sie angeführt haben- Wallenstein und Ungarn- zeigen sich doch gewissermaßen Realmodelle dessen, was praktisch-politisch jedenfalls von einigen Trägern politischer Gewalt gewollt wurde. Zwar würde ich dies scharf eingrenzen. Festzuhalten bleibt aber, daß es nicht nur rein theoretische Ansätze, sondern politische Realisierungsversuche dieser Art gab, auch wenn diese zu unterscheiden sind von dem, was gewissermaßen als politischer Durchschnitt für diese Zeit charakteristisch war. Zweite Bemerkung: Wir haben die ganze Zeit- dessen sollten wir eingedenk sein- mit einer begrifflichen Unschärfe operiert. Zumindest haben wir uns noch nicht ausdrücklich darüber verständigt, was wir eigentlich mit der "Verwaltung" meinen, der hier unsere Überlegungen gelten. Im ersten Vortrag von Herrn Press ist das Problem in der begrifflichen Distanzierung sichtbar geworden: Die Bezeichnung "Administration" verfremdet den Gegenstand etwas gegenüber dem modernen Begriff "Verwaltung". Auf einen Quellenbegriff "Verwaltung" können wir uns für die vormoderne Zeit in der Tat kaum stützen. Ein Thema der weiteren Überlegungen müßte insbesondere sein, inwieweit wir "Verwaltung" mit dem identifizieren wollen, was dem fürstlichen Territorialstaat zugeschrieben bzw. von ihm beansprucht wird. Wir müssen uns vor Augen führen, daß Verwaltungsfunktionen i. S. der späteren Begrifflichkeit auch ganz andere politische Institutionen wahrgenommen haben (die Grundherrschaften, die Zünfte usw.) und daß eigentlich eine Hauptfrage ist, wie überhaupt dies, was wir heute als "öffentliche Verwaltung" primär auf den Staat beziehen, sich zu einer (dem Anspruch nach) vornehmlich fürstlich-territorialstaatlichen Funktion verdichtet. Insofern haben wir begrifflich zu unterscheiden zwischen Verwal-

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tung im weiteren Sinne, der Wahrnehmung von Ordnungsfunktionen durch verschiedenste Träger von politischer Gewalt einerseits, und eben Verwaltung in jenem Sinne, }Vie er hier im Vortrag im Hinblick auf den "absolutistischen" Beamtenstaat zugrundelag, andererseits.

Die Finanzierung der Verwaltung an der Wende vom Ständestaat des 18. zum Verfassungsstaat des 19. Jahrhunderts Von Reinhard Mußgnug, Heidelberg I. 1. a) Verwaltung ohne Steuern wäre heute ein Ding der Unmöglichkeit. Aber dem war nicht immer so. Denn Steuern kann die Verwaltung nur dort in ausreichender Höhe, mit der nötigen Kontinuität und einer alle Schichten der Bevölkerung gleichmäßig belastenden Gerechtigkeit erheben, wo Handel und Gewerbe für einen kontinuierlich fließenden Geldumlauf sorgen. Fehlt es daran, so muß sie auf ihre Finanzierung in barer Münze verzichten. Sie muß sich dann mit einer Fundierung behelfen, die sie mit Grundbesitz ausstattet, den sie ertragbringend bewirtschaften und in der Form der Vergabe von Lehen und Pfründen zur Entlohnung ihrer Amtsträger verwenden kann.

Das liefert den Schlüssel zum Verständnis des vorkonstitutionellen Finanzverfassungsrechts. Seine Eigenarten rühren daher, daß es sich erst verhältnismäßig spät zum Steuersystem der modernen Geldwirtschaft hingewandt und bemerkenswert lange an den weit in die Vergangenheit zurückreichenden Finanzierungsmethoden festgehalten hat, die auf der Verfügungsmacht des Landesherrn über den Grund und Boden seines Landes aufbauten. Es erklärt zugleich auch die Ohnmacht des alten deutschen Reiches. "Der Kaiser hat keines Schuhes breit Land, daraus er die Einkünfte zieht" lautete die Formel, mit der die Reichspublizistik sie zu begründen und zu beklagen pflegte1• Die reichsunmittelbaren Territorien, die sich samt und sonders ein beträchtliches Kammergut gesichert hatten, befanden sich in einer günstigeren Position. Dieses Kammergut bestand, um Johann Jacob Moser2 zu zitieren, aus "dem Landesherrn eigenthümlich zustehenden Privatgütern, aus ganzen Ortschafften oder einzelnen Grundstücken, welche allerley Namen führen, als Chatoull-Güter, Cammerschreibereygüter, Patrimonial1 Vgl. von Unruh, Die Wirksamkeit von Kaiser und Reich, in: Jeserich/Pohl / von Unruh (Hrsg.), Deutsche Verfassungsgeschichte I, 1982, S. 268ff. (271). 2 Von der Landeshoheit in Cameral-Sachen, 1773, S . 4.

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güter usw." Der gängige Sprachgebrauch drückte das einfacher aus; er redete von den landesherrlichen Domänen. Die Domänen bildeten zunächst die reale und später die finanzielle Grundlage des landesherrlichen Regiments. Die Landesherren haben sie entweder auf eigene Rechnung bewirtschaftet oder gegen feste Summen verpachtet. Zu den Geldern, die so zusammenkamen, traten die Einnahmen aus den Berg-, Salz-, Geleit-, Münz- und anderen Regalien sowie Sporteln und Gebühren hinzu. Außerdem flossen einige Abgaben in die landesherrliche Kammerkasse, die wir heute zu den Verbrauchsteuern rechnen würden, die das Staatsrecht der damaligen Zeit aber noch zu den Cameralgefällen zählte, weil sie keiner landständischen Bewilligung bedurften. Auch die Staatsmanufakturen, die im Zeitalter des Merkantilismus vor allem in den größeren deutschen Territorien gegründet wurden, lieferten ihre Gewinne an die Kammerkasse ab. Aber die Domänen bildeten die Haupteinnahmequelle der landesherrlichen Verwaltung3. Die Kammereinkünfte waren, wie Struben es 1774 in einem Rechtsgutachten formulierte, für die "Ertragung der sämtlichen Regierungsbürden" bestimmt4 • Mit ihnen hatte der Landesherr neben den Kosten seiner Hofhaltung und dem Unterhalt seiner Familie die gesamten Kosten seiner Verwaltung zu bestreiten. Er konnte zwar nach Gutdünken über sie verfügen. Aber er mußte mit ihnen auskommen, damit "nicht nöthig wäre, die Unterthanen zu beschweren"s. b) Die Einnahmen aus dem Kammergut deckten allerdings nur den regulären Bedarf der landesherrlichen Verwaltung, und auch ihn nur, wenn sie in der gewohnten Höhe eingingen. Mehrausgaben und Mindereinnahmen zwangen daher doch, die Untertanen mit Steuern zu beschweren. Aber die Landesherrn konnten die Steuern nicht einfach "durch mandata und Befehl"6 ausschreiben. Dies setzte die Einberufung eines Landtags voraus, auf dem sie ihre Steueransinnen begründen und die Stände um ihre Bewilligung bitten mußten. Man bezeichnete die Steuern in ihren Anfängen daher als Bethen oder auch Beisteuern. Das eine brachte zum Ausdruck, daß die Steuern erbeten und bewilligt werden mußten, das andere, daß sie eine exzeptionelle Einnahmequelle darstellten, auf die nur beim Vorliegen eines besonderen Grundes und beim Nachweis eines außerordentlichen Bedarfs 3 Zu alledem ausführlicher Hermann Schulz, Das System und die Prinzipien der Einkünfte im werdenden Staat der Neuzeit, 1982, S . 167ff.; Mußgnug, DerHaushaltsplan als Gesetz, 1976, S. 40ff. 4 Von dem Ursprung und der Bestimmung der Cammergüter in Teutschland; Rechtliche Bedenken, 2. Theil, 2. Aufl. 1774, S. lf., 7. > So Moser (FN 2), S. 10, in Anlehnung an einen Bericht über die Rechtslage in Pommern im 17. Jh. 6 So Johann Wilhelm Neumayr von Ramsla, Schatzungen und Steuern sonderbarer Tractat, 1632; zitiert nach Schulz (FN 3), S. 56.

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zurückgegriffen werden konnte, für den der Landesherr seine Kammereinkünfte nicht einzusetzen brauchte. Anfangs stand es den Ständen frei, die Steuerbitten des Landesherrn nach Gutdünken auszuschlagen. Aber diese Freiheit wurde ihnen im Laufe der Zeit durch Bewilligungspflichten beschnitten, denen sich die Stände nicht entziehen konnten. Insbesondere hatten die Landesherren schon sehr früh durchgesetzt, daß die Stände für die Kosten der Teilnahme des Landes an den Reichskriegen und für alle Umlagen aufzukommen hatten, die das Reich seinen Territorien auferlegte. Denn die Kriegslasten und die Beiträge an das Reich galten per se als außerordentlicher Aufwand, von dem das Land seinen Herrn zu entlasten hatte7. Ähnlich verhielt es sich, wenn Mißernten die Kammereinnahmen schmälerten; wenn Brände die Kammer zu unvorhergesehenen Baumaßnahmen nötigten; oder, um ein Kuriosum zu nennen, wenn der Landesherr seinen Töchtern eine teuere Ausstattung mit in die Ehe geben mußte; in diesem Fall hatten ihm die Stände eine Prinzessinenoder Fräuleinsteuer zu bewilligen8 • Die Ablösung des alten Ritterheeres durch stehende Heere verwandelte die bis dahin üblichen Kriegssteuern allerdings in fortwährend aufs Neue zu bewilligende Militärsteuern. Es lag in der Logik der Dinge, daß der miles perpetuus die contributio perpetua nach sich zog. Darüber verblaBte der exzeptionelle Charakter der Steuern, ohne jedoch gänzlich zu erlöschen. Die Landstände beschworen ihn nach wie vor. Denn er rechtfertigte ihr Beharren auf der befristeten Geltung ihrer Bewilligungen jeweils nur für die Zeitdauer einiger weniger Jahre. Außerdem verlieh er der strengen Scheidung zwischen den vom Landesherrn aus seinen Kammereinnahmen zu deckenden und den vom Land durch Steuern zu finanzierenden Ausgaben Rückhalt, an der den Ständen schon deshalb gelegen war, weil sie ihre Bewilligungspflichten begrenzte. 2. a) Die Abtrennung der regulären Kammerausgaben von dem durch Steuerbewilligungen zu deckenden irregulären Verwaltungsaufwand schlug sich in zwei für das altständische Finanzverfassungsrecht typischen Besonderheiten nieder: Zum einen in einer strikten Zweckbindung sämtlicher Steuern, und zum andern in einer dem modernen Betrachter schwer verständlichen Abtrennung der Steuerverwaltung von der Kameralverwaltung. Für die Zweckbindung der Steuern sorgten sog. Appropriations-Klauseln, die sich die Stände bei jeder ihrer Bewilligungen ausbedungen haben. Der brändenburgische Landtagsrezeß von 1472 liefert dafür ein Beispiel. Mit 7 Man sprach vom ius subcollectandi, das den Landesherren aufgrund reichsrechtlicher Garantien zustand; vgl. Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2, 1966, s. 236ff. s Dazu Schulz (FN 3), S. 95.

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ihm bewilligten die brandenburgischen Stände 100 000 fl. für die Tilgung der markgräflichen Kammerschulden. Aber sie taten das nur unter der Bedingung, daß dieses Geld "an die Schuld und nirgends anderswo angelegt wird"9 • Um sicherzugehen, daß der Landesherr ihre Approbations-Klauseln beachtete, behielten sich die Stände auch die Erhebung und Verwaltung der Steuern vor. Bewilligten sie eine Steuer, so hieß das daher nicht etwa, daß sie den Landesherrn zu ihrer Beitreibung ermächtigt hätten. Sie sagten ihm vielmehr lediglich zu, die bewilligten Summen termingerecht für die durch sie zu deckenden Ausgaben bereitzustellen. Die Stände trieben die Steuern daher selbst ein, der gutsgesessene Adel bei seinen Untertanen, die Städte bei ihren Bürgern. Die Stände führten die Steuern auch nicht an die landesherrliche Kammer ab. Da ihnen das zu unsicher war, zogen sie es vor, die Ausgaben, für die ihre Bewilligungen bestimmt waren, direkt zu begleichen, also Schuldentilgungssteuern an die Gläubiger des Landesherrn, Militärsteuern an die Regimentsobristen, Schloßbausteuern an die Bauhandwerker zu überweisen. Das war auf die Dauer nur mit Hilfe eines gut eingespielten Stabes von Steuereinnehmern, Kassenverwaltern und Rechnungsführern zu bewerkstelligen. Deshalb errichteten die Stände allenthalben eigene Steuerbehörden, sog. Landkästen, Landschaftskassen, Landschaftseinnehmereien oder Landesaerarien1o, die sie eifersüchtig gegen den Zugriff des Landesherren abschotteten. In diesen Behörden fand die dualistische Struktur des Ständestaates ihren sichtbaren Niederschlag. Der Ständestaat dachte nicht nur dualistisch. Er war auch organisatorisch in einen landesherrlich-cameralen und einen ständisch-contributionalen Zweig gespalten, die unverbunden nebeneinanderher wirtschafteten und jeder für sich mit eigenen Einnahmen eigene Ausgaben bestritten. Die Mittel für die Unterhaltung ihrer Landkästen zweigten die Stände von den Steuern ab. Deshalb schlugen sie auf ihre Bewilligungszusagen stets auch die Beitreibungskosten auf. Dabei schalteten sie so großzügig, daß fortwährend Überschüsse heraussprangen, die sie für den Bau und die Unterhaltung von Ständehäusern, für die Indienstnahme renommierter Berater und last not least zu lukrativen Kreditgeschäften verwandten. Für diese Kreditgeschäfte verschafften sich die Stände zusätzliches Kapital, indem sie dem Publikum die zinsgünstige Anlage seiner Spargelder anboten. Letzteres wußte selbst Friedrich der Große zu schätzen. Er war zwar den Ständen nicht sonderlich gewogen. In seinen beiden "Politischen Testamenten"l1 hob er aber dennoch lobend hervor, daß ihre Landschaftskassen verVgl. Krug, Geschichte der preußischen Staatsschulden, 1861, S. 5. Dazu und zum folgenden Mußgnug (FN 3), S. 52 ff. n Hrsg. v. Oppeln-Bronikowski, 1922, S. 17f. und 131f.

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hinderten, daß die Bürger "mit ihrem Vermögen, mit dem sie bei uns nichts anfangen könnten, ins Ausland gehen". Aber das verwundert nicht weiter. In Preußen hatte schon der Große Kurfürst die Landschaftskassen so energisch unter seine Kontrolle gebracht, daß sie dort nur noch die Funktion öffentlicher Sparkassen erfüllen konnten, die seinem absoluten Regiment keinen Abbruch tat. In den übrigen Ländern behielten die Stände die Steuerverwaltung jedoch fest in ihrer Hand. Der Kaiser wollte zwar "nicht zugeben, daß die LandStände die Disposition über die Land-Steuern, deren Empfang, Ausgabeund Rechnungs-Recessierung mit Ausschließung der Landes-Herren privative vor- und ansichziehen". Aber dieses in Art. IXX der Wahlkapitulation von 1711 12 enthaltene Versprechen fruchtete wenig. Johann Jacob Moser13 , als württembergischer Landschaftskonsulent nicht ganz unbefangen, merkte dazu an: "Man sieht von selbsten, daß die Wahlcapitulation klar vorausseze: Es seye die Regel und etwas allgemeines, daß der Landesherr die Verwaltung der Landesgelder nicht habe, sondern daß sie in den Händen derer Land-Stände seye; daher die Wahlkapitulation nur verhindern will, daß der Landesherr nicht gar ausgeschlossen werde." Mehr als eine gewisse Kontrolle über das landständische Finanzgebaren konnte die Reichsgewalt dem Landesherrn daher nicht garantieren. Wie weit diese Kontrollen gingen, ist leider noch nicht hinreichend erforscht. Sicher ist jedoch, daß die ständische Steuerverwaltung zumindest ihre organisatorische Eigenständigkeit außerhalb Preußens so gut wie überall bis zum Ende des 18. Jh. behaupten konnte. Noch mehr als das verwundert freilich, daß die Stände sich mit der Steuererhebung und -verwaltung nicht begnügten, sondern ihre Landkästen zu regelrechten Banken ausbauten. Das 18. Jh. fand jedoch an derartigen Verquickungen von Verwaltungsaufgaben mit erwerbswirtschaftlichem Gewinnstreben nichts Anstößiges. Im Gegenteil: es feierte sie geradezu als eine der administrativen Kardinaltugenden. Die Stände ahmten daher nur nach, was ihnen die landesherrliche Kammer vorexerzierte. b) Die landesherrliche Kammer mußte ihre Ausgaben aus den Gewinnen bestreiten, die sie aus den Domänen zog. Deshalb war sie auf Ökonomen angewiesen, die sich auf die Leitung ihrer land- und forstwirtschaftliehen Betriebe und ihrer Manufakturen verstanden. Dem trug die Kameral- oder Staatswissenschaft Rechnung, die sich ab dem ausgehenden 17. Jh. zu einem eigenständigen Studienzweig entwickelte und im 18. Jh. allenthalben, insbesondere in Wien, in hoher Blüte stand, wo mit Justi und Sonnenfels ihre bedeutendsten Vertreter lehrten. 12

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Text bei Buschmann, Kaiser und Reich, 1984, S. 548ff. Von der Landeshoheit in Steuersachen, 1773, S. 649.

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Drängte schon der Grundsatz, daß die landesherrliche Kammerverwaltung ihre Mittel aus dem Kammergut selbst zu erwirtschaften habe, zu einem mehr Unternehmerischen als administrativ-bürokratischen Verwaltungsstil, so verstärkte die kameralistische Schulung ihres Beamtenstabs diesen Drang zusätzlich. Das Hauptaugenmerk der Kammerverwaltung lag daher auf der Verbesserung ihrer land- und forstwirtschaftliehen Wirtschaftsmethoden; der Errichtung von Mühlen, Brauereien, Brennereien, Sägewerken und ähnlichen Nebenbetrieben; der Teilnahme am Getreideund Holzhandel und schließlich auch auf dem Einstieg in die industrielle Produktion. Ihre Verwaltungsaufgaben indessen tat die Kammerverwaltung kurz ab. Sie sorgte für das unumgänglich Nötige. An einer Expansion ihrer Verwaltungsleistungen indessen blieb sie desinteressiert, weil sie der Landesherr aus seiner eigenen Tasche hätte bezahlen und ihretwegen die Kosten seiner Hofhaltung hätte einschränken müssen. Mit Vorschlägen, die in diese Richtung zielten, machten sich die Kammerräte nicht gerade beliebt. Kein Wunder also, daß sie sich mit ihnen zurückhielten. Sie mußten die Kammereinnahmen steigern. Wer eine Erhöhung der Verwaltungsaufgaben empfahl, verhielt sich karriereschädlich. Aus der Idee, daß die Verwaltung sich selbst zu finanzieren habe, folgte konsequent zu Ende gedacht, daß nicht nur die Verwaltung in ihrer Gesamtheit vom Kammergut zu tragen, sondern daß auch der Finanzbedarf einer jeden einzelnen Verwaltungsaufgabe durch ihre Fundierung auf einen speziell ihr zugeordneten Teil des Kammerguts zu decken war. Das Mittelalter dachte so konsequent. Es hielt sich an die Regeln der Fondswirtschaft, die jedem Amt ein Gut zuwies, das seinen Träger zu nähren und mit allem zu versehen hatte, was er zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigte. So hielt es die Kirche mit ihren Pfründen und Stiftungen. Die profane Verwaltung verfuhr ebenso. Auf diese Weise fand die Zweckbindung der Steuern ihr Spiegelbild in einer nicht minder strengen Zweckbindung der Kammereinnahmen. Dafür sorgte die Fondswirtschaft mit etwas anderen Methoden, aber dem gleichen Resultat. Auch der Kammergutsertrag war ihretwegen im Großen und Ganzen appropriiert. Spätestens ab dem 18. Jh. hätte man freilich unschwer zum Wirtschaften nach dem sog. Gesamtdeckungs- oder Nonaffektationsprinzip übergehen können, das sämtliche Einnahmen in einer zentralen Kasse sammelt, um sie bedarfsgerechter verteilen zu können. Aber das hätte zum Aufstellen von Haushalts- und Finanzplänen gezwungen. Die Mühe, die man darauf hätte verwenden müssen, schreckte ab. Die Fondswirtschaft, die sich damit begnügte, jedem Amt seinen Fonds zuzuweisen, und alles weitere seinem Inhaber und seinen Nachfolgern zu überlassen, war einfacher zu handhaben. Sie war im übrigen nicht nur bequem. Die Beamten wußten sie auch deshalb zu schätzen, weil sie ihnen erlaubte, die Überschüsse, die sie durch

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Sparsamkeit bei den Ausgaben und Härte bei der Beitreibung der Einnahmen erzielten, als wohlverdientes Einkommen für sich zurückzubehaltenl4. Die Kritik, die in der kameralistischen Literatur an der Fondswirtschaft geübt wurde, fand daher bei den Praktikern der Kameralverwaltung wenig Anklang. Sie wurde lediglich von den besonders reformfreudigen geistlichen Landesherrn beherzigt. Die weltlichen Landesherrn indessen nahmen sie kaum zur Kenntnis. Spielten sie ausnahmsweise doch mit dem Gedanken, die Fondswirtschaft durch modernere Wirtschaftsmethoden zu ersetzen, so redeten ihre Kammerräte ihnen das rasch wieder aus 15. c) Die Fondswirtschaft erfreute sich nicht zuletzt auch wegen ihrer Undurchsichtigkeit großer Beliebtheit. Da sie die Finanzlage des Landes verschleierte, erleichterte sie den Landesherrn die Begründung ihrer Steueransinnen. Sie konnten es bei dem Nachweis bewenden lassen, daß für die Ausgaben, für die sie um Steuerhilfe baten, kein Fonds bereitstand. Hakten die Stände mit der Frage nach, ob denn sämtliche Fonds wirklich voll ausgelastet seien, so konnte man dies leicht abblocken. Denn die Landesherren brauchten den Ständen die Interna ihrer Kammerverwaltung nicht offenzulegen. Gleichwohl versuchten die Stände immer wieder, Einfluß auf die Kammer und vor allem auf den Aufwand des Landesherrn für seine Hofhaltung zu nehmen. So forderten die württembergischen Stände ihren Herzog 1610 auf, "allen Überfluß und von etlichen Fremden eingeführte ausländische Pracht und Kostbarkeit auszumustern und abzuschaffen, und die Sachen bey Hof auf die alte einfältige, doch löbliche Teutsche Manier und Württembergische Herkommen zu richten"16. Derartige Mahnungen wurden als cantus firmus auf so gut wie jedem Landtag angestimmt. Gegen die Regel "Ein Teutscher Reichstand kan über die Gefälle und Einkünffte seiner Lande disponieren und seine Hofoekonomie und Cameral-Wesen führen und bestellen wie er will"17 , kamen die Stände damit aber nicht an. Trieb der Landesherr die Mißwirtschaft zu weit, so konnten die Stände allerdings auf die Hilfe der Reichsgewalt zählen. Die Stände des Bistums Basel hat der Reichshofrat 1736 zwar "ein für allemal abgewiesen und dem Fürsten die Besorgung seiner Cameral-Einkünfften, der bißherigen Observanz gemäß, alleine überlassen"18 • Die mecklenburgische Kammer hat der Kaiser jedoch 1735 der kommissarischen Verwaltung durch den Kronprin14 Der Chor "Es nehme 100 000 Dukaten der Kammerherr alle Jahr' ein" aus Bachs Bauernkantate brachte das auf den Punkt. Hätte Bach ihn statt in Dur in Moll gesetzt, so hätte er freilich die Stimmung der dieskausehen Bauern genauer getroffen. 10 Wegen der Einzelheiten sei auf Mußgnug (FN 3), S. 43 und 63f. verwiesen. 1s Maser (FN 2), S. 40. 17 Maser (FN 2), S. 49. 18 Zitiert nach Maser (FN 2), S. 22.

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zen unterstellt und ihm aufgetragen, "sein eigenes und seines armen mitgenommenen Landes Bestes zu beherzigen"19. Dem Herzog von Württemberg untersagte der Hofrat 1765 sogar die Abholzung seiner Wälder, als dieser sich zur Finanzierung der Schloßbauten in Ludwigsburg, Graveneck, Einsiedel und Solitude und zu allem Überfluß auch noch zur Gewinnung von Palisaden für einen Parforce-Zaun zu einem Kahlschlag anschickte20 • Über derartige Teilerfolge drangen die Stände jedoch nicht hinaus. Insbesondere gelang es ihnen nicht, ihre Steuerhoheit mit der Kammerhoheit enger zu verknüpfen und den Einsatz des Steueraufkommens mit dem der Kammereinnahmen zu koordinieren. 3. a) Mit der Verdrängung der außerordentlichen Kriegssteuern durch die permanent zu bewilligende Militärsteuer und dem Aufschwung von Wirtschaft, Technik und Kultur, der zu einer energischen Steigerung der Ausgaben für den Straßenbau, das Bildungswesen und die Förderung der Wissenschaften herausforderte, hatte sich die archaische Unterscheidung zwischen den Kammer- und den Steuerausgaben freilich überlebt. Sie war zu einem Hemmschuh geworden, der die Leistungsfähigkeit der Verwaltung empfindlich bremste. Spätestens ab der Wende vom 17. zum 18. Jh. wäre es daher an der Zeit gewesen zu einem Finanzierungssystem überzugehen, das nur noch Staatsausgaben kennt und sich nicht mehr länger darum schert, ob sie auf Kosten der landesherrlichen Kammer oder der steuerzahlenden Bevölkerung zu bestreiten sind. Aber das kostete seinen Preis. Die Stände hätten ihn mit der Abtretung ihrer Steuerverwaltung an die landesherrliche Kammer bezahlen müssen. Damit aber hätten sie dem Landesherrn den Weg zur eigenmächtigen Steuererhebung freigeben müssen. Hätten sie ihre Landkästen der Weisungsgewalt des Landesherrn unterstellt, so hätten der Steuererhebung durch landesherrliche "mandata und Befehl" nur noch rechtliche, aber keine faktischen Hindernisse mehr entgegengestanden. In der Sicht der Stände hätte die an sich naheliegende Vereinigung der Kammer- mit der Steuerverwaltung daher weit über eine bloße Verwaltungsreform hinausgegriffen. Sie hätte das altlandständische Verfassungsrecht aus den Angeln gehoben. Genau darauf legte es die preußische Monarchie an. Der Große Kurfürst machte den Anfang. Er rang seinen Ständen zunächst eine langfristige Bewilligung und sodann die Perpetuierung der Militärsteuer durch ihre unbefristete Bewilligung ab. Diesen Erfolg komplettierte er durch die Errichtung eines Generalkriegskommissariats. Dessen Name trügt. An der militärischen Führung der kurfürstlichen Armee war das Kriegskommissariat nicht beteiligt. Seine eigentliche Aufgabe bestand darin, die pünktliche 19 20

Moser (FN 2), S. 23. Moser (FN 2), S. 45.

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Entrichtung der Militärsteuer sicherzustellen. Anfangs beschränkte es sich auf die bloße Überwachung ihrer Erhebung durch die Provinzialstände, das Einsammeln ihrer Erträge und ihre zentrale Bewirtschaftung. Im Laufe der Jahre verschärfte das Kriegskommissariat seine Kontrollen aber so sehr, daß die Stände vor ihm mehr und mehr das Feld räumen mußten. Darüber mauserte sich das Kriegskommissariat vollends zu einer zivilen Steuerbehörde. Es sorgte nicht nur für die Finanzierung des Heeres. Es finanzierte alle Ausgaben, die in Brandenburg-Preußen in die Kompetenz der Steuerverwaltung fielen2I. Noch wichtiger ist der finanzgeschichtliche Durchbruch, den Friedrich Wilhelm I. erzielte. Er stellte dem Generalkriegskommissariat 1713, sogleich nach seinem Regierungsantritt, ein Generalfinanzdirektorium zur Seite, das alle bis dahin noch selbständigen Kassen der Domänen und Hofstaatsverwaltung unter seine Leitung nahm und zügig mit der bis dahin auch in Preußen üblichen Fondswirtschaft aufräumte. Denn das Direktorium wirtschaftete nach einem General-Etat, der, wie die Budgets späterer Zeiten, alljährlich überprüft und neu aufgestellt wurde. Dieser Etat galt auch für den König selbst. Er wies ihm alljährlich ein "Handgeld" von 52 000 Talern (rd. 1/10 dessen, was sein Vorgänger Friedrich I. vom Kammergutsertrag abgezweigt hatte) zu. Weitere Ausgaben für den königlichen Hof sah er nicht vor. Damit hat Friedrich Wilhelm I. das Kammergut, das seine Vorgänger noch als ihr Privateigentum angesehen und genutzt hatten, in Staatseigentum verwandelt. Die Scheidung des staatlichen Kammerguts vom Privatvermögen des Monarchen machte sichtbar, daß der Staat nicht mit seinem Herrscher und die Krone nicht mit ihrem Träger identisch sind. Was andere Monarchen allenfalls in der Theorie gelten ließen, setzte Friedrich Wilhelm I. so in handfeste, auch grundbuchrechtlich nachvollziehbare Realität um. Er erhob den preußischen Staat endgültig zur rechts- und vermögensfähigen juristischen Person, die über ihrem Monarchen stand. Der König war nicht mehr länger der Staat, sondern nur noch ein Organ seines Staats. Das Nebeneinander von Steuer- und Kammerverwaltung blieb davon allerdings noch unberührt. Aber das Kriegskommissariat und das Finanzdirektorium haben, wie Friedrich Wilhelm I. sich ausdrückte, "nichts getan, als Collisions gegeneinander gemacht, als wenn das Generalkommissariat nicht sowohl des Königs von Preußen wäre, als die Domänen"22 • Um dem ein Ende zu bereiten, vereinigte Friedrich Wilhelm I. am 19. Januar 1723 das Kriegs21

Daß dies nicht ohne harte Kämpfe abging, liegt auf der Hand; zu ihnen Schmol-

ler, Preußische Verfassungs-, Verwaltungs-, Finanzgeschichte, 1921, S. 74ff.

22 So der Text der Kabinettsorder vom 19. Januar 1723 (Altmann, Ausgewählte Urkunden zur brandenburgisch-preußischen Verfassungsgeschichte, 1. Teil, 2. Aufl. 1914, S. 248ff.), mit der Friedrich Wilhelm I. dieses "Confussionswerk" im Januar 1723 beseitigte.

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kommissariat mit dem Finanzdirektorium zum "General-Ober-FinanzKriegs- und Domänedirektorium", kurz Generaldirektorium genannt23 • Das Generaldirektorium war in fünf Departements eingeteilt, von denen das fünfte die Aufgaben der Rechtsabteilung wahrnahm. Die vier ersten indessen teilten sich in die Aufsicht über die Provinzialverwaltung und ihre lokalen Behörden. Außerdem waren jedem Departement einige Aufgaben übertragen, die ihrer Natur gemäß zentral verwaltet werden mußten. Das erste Departement war z.B. für Preußen, Pommern und die Neumark zuständig; außerdem oblagen ihm Marsch-, Verpflegungs- und Einquartierungsangelegenheiten des Militärs. Das dritte Departement verwaltete die rheinischen Provinzen, das Postwesen und den SalzhandeL Ausschlaggebend für diese heute sonderbar anmutende regionale Struktur des Generaldirektoriums war die Absicht des Königs, bei seinen Departements alle Steuer- und Kammerangelegenheiten ihres Zuständigkeitsbereichs in einer Hand zusammenzufassen. Das schloß eine Gliederung des Generaldirektoriums nach dem Ressortprinzip a limine aus. Mit ihr hätte Friedrich Wilhelm I. nicht verhindern können, daß die Steuer- und Karneratverwaltung ihre Kräfte auch unter dem Dach des Generaldirektoriums weiterhin an sinnlose Konkurrenzkämpfe und Kompetenzstreitigkeiten vergeudet hätten. So indessen sorgte das Generaldirektorium für Remedur. Mit ihm erhielt Preußen als erstes deutsches Land eine Regierung, die auf die veraltete Scheidung der Steuer- von den Kammerausgaben keine Rücksicht mehr zu nehmen brauchte. Daß damit für Preußen auch die landesherrliche Steuerbewilligung erledigt war, verstand sich von selbst. § 15 II 13 ALR, der festhielt, daß "das Recht zur Bestreitung der Staatsbedürfnisse, das Privatvermögen, die Personen, ihre Gewerbe,. Produkte oder Konsumtion mit Abgaben zu belegen, ein Majestätsrecht" ist, besaß bei seinem Inkrafttreten nur noch deklaratorische Bedeutung. Friedrich Wilhelm 1., der seine Souveränität wie einen rocherde bronce stabilisiert hatte, hatte schon 60 Jahre zuvor jeden Zweifel daran ausgeräumt, daß in seinem Land die Steuern von ihm "durch mandata und Befehl" eingefordert werden. b) Die absolute Monarchie Preußens blieb freilich für Deutschland ein Sonderfall. Österreich, Bayern und einige andere Staaten kamen ihrem Vorbild zwar recht nahe. Sie haben die ständische Steuerhoheit jedoch nur aushöhlen, sie aber nicht mit der gleichen Konsequenz wie Preußen beiseite räumen können. Österreich behalf sich mit großzügigen Verlängerungen der Steuerperioden, indem es den Ständen Quinquennal- oder gar Dezennalbewilligungen 23

Zu ihm Schmoller (FN 21), S. 134ff.; Mußgnug (FN 3), S. 66ff., 68.

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abverlangte24. Bayern kam auf dem umgekehrten Weg zum Ziel. Es verkürzte die Steuerperioden auf ein Jahr. Auch das war den Ständen alles andere als willkommen. Ihnen lag wenig daran, Jahr für Jahr in München zum Landtag antreten zu müssen. Deshalb ließen sie sich durch einen mit 16 Mitgliedern besetzten Ausschuß, die sog. Landschaftsverordnung, vertreten, der sie auch die Leitung des Landkastens übertrugen25. Mit diesem Ausschuß hatte die Krone leichtes Spiel. Wie willfährig er alles bewilligte, was von ihm verlangt wurde, schildert Kreittmayr in seinem" Grundriß des allgemeinen deutschen und bayerischen Staatsrechts" aus dem Jahre 176926. Ihm zufolge liefen die alljährlichen Postulatshandlungen so ab, "daß man gedachtes Postulat durch zwei auf dem Landhaus erscheinende Churfürstliche commissarios mündlich und schriftlich eröffnet, remonstranda dagegen remonstriert, nach gewöhnlichem Schriftwechsel endlich den Schluß macht, so hin die Verordnung gegen gewöhnlichen Revers, daß sie ihrer Bewilligung halber bei nächst künftigem Landtag vertreten werden solle, wiederum entlasset und bei Hof ausspeiset." Wo es so einträchtig zuging, hatte man natürlich wenig Anlaß, das Besteuerungsrecht als Majestätsrecht zu reklamieren. Das hätte nur Unruhe gestiftet und der Krone allenfalls die Mahlzeiten erspart, die sie den 16 Landschaftsverordneten in jährlicher Wiederkehr spendieren mußte. Deshalb blieb Bayern der Form halber beim altlandständischen Verfassungsrecht. Es wurde in Bayern, wie in den übrigen Rheinbundstaaten, erst 1806 durch die Art. 25 und 26 der Rheinbundakte aufgehoben. Der erste dieser beiden Artikel sicherte den Rheinbundfürsten die "volle Souveränität", der zweite als deren selbstverständliches Attribut das "Recht der Auflagenerhebung". Das nutzten die Rheinbundfürsten unverzüglich aus. Sie gliederten die landständischen Steuerbehörden in die staatliche Verwaltung ein und vereinigten das Steueraufkommen mit den Kammereinnahmen zu einer von allen Zweckbindungen freien einheitlichen Deckungsmasse für den gesamten Staatsbedarf. Damit bereitete der Spätabsolutismus des Rheinbundes dem neuen Finanzverfassungsrecht der konstitutionellen Monarchie den Boden. Bayern, Baden und Württemberg brauchten sich beim Erlaß ihrer Verfassungsurkunden nicht mehr mit der längst überholten Vorstellung herumzuschlagen, die Steuer- und Kammerausgaben sowie die Steuer- und Kammerverwaltung seien voneinander getrennt zu halten. Diese Vorstellung war in den 12 Jahren zwischen 1806 und 1818, in denen die bayerische, badische und

24 Dazu Otto Hintze, Der Österreichische und der preußische Beamtenstaat, in: ders., Staat und Verfassung, Gesammelte Abhandlungen, 2. Aufl. 1962, S. 348. 25 Vgl. Feßmaier, Grundriß des baierischen Staatsrechts, 1801, S. 170ff. 26 § 183.

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württembergische Monarchie frei schalten konnte, der wohlverdienten Vergessenheit anheim gefallen. II.

1. a) Mit dem berühmten Satz "In allen Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung stattfinden" schien Art. XIII der Bundesakte von 1815 gleichwohl eine Restauration der altlandständischen Finanzverfassung nahezulegen. Aber selbst Friedrich von Gentz2 7, der diesen Artikel XIII streng beim Wort nahm, verstand ihn nur als eine Absage an die Idee der Volksrepräsentation, nicht jedoch auch als einen bundesrechtlichen Befehl zur Wiederbelebung des landständischen Finanzdualismus.

Auch den Befürwortern des neulandständischen Repräsentativsystems war klar, daß die absolute Monarchie mit der Vereinigung der Kammer- und Steuerverwaltung zu einer besseren, zeitgerechteren Lösung vorgedrungen war. An einer Rückkehr zur Steuerverwaltung durch eigene, von der landesherrlichen Regierung unabhängige Behörden waren sie daher nicht interessiert. Um so nachdrücklicher forderten sie jedoch die Verstaatlichung der landesherrlichen Domänen, die Transformation des altlandständischen Steuerbewilligungsrechts in ein neulandständisch-parlamentarisches, periodisch wiederkehrende Steuerbewilligungen, kurze Bewilligungsperioden sowie einen exakten Nachweis des staatlichen Steuerbedarfs durch die Offenlegung sämtlicher Staatsausgaben und aller Einnahmen, die der Staatskasse aus den Domänen und anderen steuerunabhängigen Quellen zuflossen. Diesen Postulaten mußten Bayern, Baden und Württemberg in ihren Verfassungsurkunden von 1818 und 1819, den, wenn auch nicht ältesten, so doch bedeutsamsten Verfassungen aus der Frühzeit der konstitutionellen Monarchie, gewissenhaft Rechnung tragen. Sie wären sonst von der Bevölkerung nicht akzeptiert worden. §59 der badischen Verfassungsurkunde vom 22. August 1818 28, hob zwar hervor, daß die Domänen "nach allgemein anerkannten Grundsätzen des Staats- und Fürstenrechts unstreitiges Privateigenthum des Regenten und seiner Familie" seien. Aber er fügte dem hinzu, daß der Großherzog "dennoch den Ertrag derselben .. . der Bestreitung der Staatslasten ferner belas27 Über den Unterschied zwischen den landständischen und Repräsentativ-Verfassungen, abgedruckt bei Klüber, Wichtige Urkunden über den Rechtszustand der deutschen Nation, 2. Aufl. 1845, S . 220ff.; zu dieser für die Karlsbader Konferenzen des Jahres 1819 bestimmten Denkschrift E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. I., 1957, 643ff. 28 Zu ihren und den im wesentlichen inhaltsgleichen finanzrechtlichen Bestimmungen der bay . und der württ. VerfUrk. vom 26. 5. 1818 und 25.9.1819 ausführlicher Mußgnug (FN 3), S. 90ff.

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sen" wolle. §53 stellte klar, daß "ohne Zustimmung der Stände keine Auflage ausgeschrieben und erhoben werden" kann. Damit machte §53 die Steuererhebung von einem sog. Auflagengesetz29 abhängig, das gemäß § 54 jeweils für zwei Jahre zu beschließen war3o und daher vor dem Ablauf seiner Geltung erneuert werden mußte. Grundlage der Beschlußfassung bildeten dabei "das Staatsbudget und eine detaillierte Uebersicht über die Verwendung der verwilligten Gelder aus den früheren Etatsjahren", die dem Landtag gemäß § 55 stets zugleich mit dem Entwurf des Auflagengesetzes vorzulegen waren. Das Budget durfte der Landtag jedoch nur einsehen und prüfen. Denn Gegenstand des von seiner Zustimmung abhängigen Auflagengesetzes war allein die Steuerbewilligung. Von einem parlamentarischen Ausgabebewilligungsrecht indessen war in der badischen Verfassungsurkunde nirgendwo die Rede, ebensowenig in der bayerischenund württembergischen31. Denn die konstitutionelle Bewegung hatte es nicht gefordert. Ihre Theoretiker hatten sich ganz auf die Steuerbewilligung, ihr Verfahren und die Domänenfrage konzentriert. Die politische Bedeutung der Staatsausgaben ist ihnen gegenüber verborgen geblieben. Sie zu entdecken, blieb den Praktikern vorbehalten, die von 1820 an als Landtagsabgeordnete das Steuerbewilligungsrecht auszuüben hatten, und schnell erkannten, daß es ohne seine Verknüpfung mit der Ausgabenbewilligung auf halbem Wege stehen blieb. Von Verfassungs wegen legte das Auflagengesetz jedenfalls lediglich die Höhe der Steuersummen fest, die zur Deckung der Differenz zwischen dem Domänenertrag und den vom Landtag für gut befundenen Ausgaben benötigt wurden. Diese Differenz lieferte fortan den eigentlichen Besteuerungsgrund. Denn anders als in der vorkonstitutionellen Zeit sollten die Steuern nicht mehr zweckgebunden zur Finanzierung bestimmter, näher zu konkretisierender Ausgaben, sondern pauschal zur Auffüllung der Deckungslücke zwischen dem Domänenertrag und dem Gesamtbetrag der Staatsausgaben bewilligt werden. Aus diesem Grunde waren die im Budget veranschlagten Einzelansätze irrelevant. Es kam auf die Summe an, zu der sie sich aufaddierten. Alles andere wäre mit dem monarchischen Prinzip des Art. 57 der Wiener Schlußakte32 unvereinbar gewesen. Dieses Prinzip beschränkte die Landtage auf die Mitwirkung bei der "die Freyheit der Person oder das Eigenthum der Staatsangehörigen betreffenden" Gesetzgebung33. Regierung Zu dessen Inhalt und Gestalt Mußgnug (FN 3), S . 94 ff. Das war eine für die damalige Zeit sehr kurze Frist. In Württemberg galten drei-, in Bayern sogar sechsjährige Bewilligungsperioden. 31 Zu den Besonderheiten der württ. VerfUrk., auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, Mußgnug (FN 3), S. 114ff. 32 Zu ihm E. R. Huber (FN 27), S. 651 ff. 33 So die Formel des § 65 bad. VerfUrk., die auch in allen anderen Verfassungen jener Zeit wiederkehrt. 29

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und Verwaltung indessen behielt es der ausschließlichen Leitung durch das souveräne Staatsoberhaupt vor. Damit hätte sich die parlamentarische Mitbestimmung über die Ausgabenpläne der Regierung nicht vertragen. Das nahm den Landtagen zwar nicht das Recht, die Ausgabenansätze des Budgets nach Belieben zu kürzen oder zu streichen. Aber das frühkonstitutionelle Verfassungsrecht berechtigte sie lediglich zu den entsprechenden Abstrichen bei der Steuerbewilligung. Die Regierungen indessen hinderte es nicht daran, die vom Landtag beanstandeten Ausgaben gleichwohl zu leisten. Die Regierungen mußten die Zensurbehörden daher nicht etwa schließen, wenn der Landtag die für sie veranschlagten Beträge strich. Dies zwang sie nur dazu, die Mittel für die Besoldung der Zensoren durch Einsparungen bei anderen vom Landtag gebilligten Ausgaben aufzubringen. Das taten die Regierungen so denn auch mit der gleichen Regelmäßigkeit, mit der die Landtage die Zensorengehälter aus ihren Budgetentwürfen herausstrichen. Ebenso verfuhren sie, wenn die Landtage die Militärausgaben kürzten; wenn sie an den für den Deutschen Bund bestimmten Matrikularbeiträgen Anstoß nahmen, oder wenn die Landtage Hand an andere nach Auffassung der Krone dringliche Ausgaben legten. Die Manövriermasse für diese sog. Erübrigungspolitik verschafften sich die Regierungen dadurch, daß sie an den Stellen ihrer Budgetentwürfe, denen der Beifall des Landtags gewiß war (z.B. bei den Ansätzen für die Lehrerbesoldung) höhere als die wirklich benötigten Beträge veranschlagten. Darin tat sich vor allem die bayerische Regierung hervor. Sie griff mit ihren Voranschlägen für die populären Ausgaben stets so hoch, daß sie nicht nur alle für sie inakzeptablen Streichungen und Kürzungen auffangen, sondern auch gewaltige Summen für außerplanmäßige Ausgaben "erübrigen" konnte. So sind z. B. die Münchner Hofarkaden und das Nymphenburger Schloß mit "Erübrigungsgeldern" gebaut worden; auch die Münchner Pinakothek konnte viele ihrer Bilder mit Geldern kaufen, die dem Budget zufolge an sich für Personalvermehrungen im Schuldienst, Verbesserungen im Strafvollzug und andere dem Landtag einleuchtendere Zwecke hätten verwendet werden sollen34 . Der bayerische Landtag hat dagegen zwar immer wieder lautstark protestiert. Aber die Regierung hatte das Verfassungsrecht auf ihrer Seite. b) Dem Überspielen des Landtags mit der Methode der Erübrigungswirtschaft schob nur das Verfassungsrecht Waldecks, Sachsen-Weimars, Sachsen-Coburgsund Sachsen-Meiningens einen Riegel vor. Diese vier Länder garantierten ihren Landtagen von Anbeginn an zugleich mit dem Steuerbe34 vgl. M. von Seydel, Bayerisches Staatsrecht, Bd. li, 2. Aufl. 1896, S. 436ff.; Oeschey, Die Bayerische Verfassungsurkunde und die Charte Ludwigs XVIII., 1914,

s. 120.

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willigungsrecht auch das Ausgabenbewilligungsrecht. FriauflS, der das ins rechte Licht gerückt hat, lobt sie freilich allzu sehr. Waldeck und die thüringischen Herzogtümer haben zwar als erste deutsche Länder das parlamentarische Ausgabenbewilligungsrecht anerkannt. Dafür aber haben sie die Domänen im Privateigentum ihrer Landesherrn belassen und diesen das Recht vorbehalten, den gesamten Domänenertrag nach freiem Gutdünken für ihre Hofhaltung36 und die Vermehrung ihres Vermögens zu verwenden. Waldeck und die sachsen-thüringischen Kleinstaaten belasteten ihre Bevölkerung daher mit wesentlich höheren Steuern als Bayern, Baden und Württemberg, die ihren Finanzbedarf ihrer Verwaltung immerhin zu 23,4 %, 16,8% und 28% aus dem Domänenertrag bestreiten konnten37 . Ihre Landtage mußten also die Staatsausgaben, über die sie mitentscheiden durften, voll und ganz aus der Tasche der Steuerzahler begleichen. Damit hätten Bayern, Baden und Württemberg ihren Bürgern nicht kommen können. Dort wollte man beides, die Domänen und das Ausgabenbewilligungsrecht. Darauf, daß man beides fordern muß, sind auch die mitteldeutschen Landtage schnell gekommen. Denn sie fochten mit ihren Landesherrn heftige Kämpfe um die Domänen aus, die der Staatsrechtslehre des 19. Jh. ein schier unerschöpfliches Thema für Rechtsgutachten, Monographien und Zeitschriftenaufsätze lieferten3s. 2. Den Landtagen Bayerns, Badens und Württembergs wurde ebenfalls schnell klar, daß sie mit der Verstaatlichung des Domänenertrags noch nicht alles erreicht hatten. Daß sie zwar das Geld für den Zensor streichen durften, den Zensor aber dennoch nicht um seinem Sold bringen konnten, führte 35 Der Staatshaushaltsplan im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, 1968, s. 41ff. 36 Zu der sie freilich auch eine Fülle gemeinnütziger Ausgaben zählten. Die Verfügungsgewalt der thüringischen Fürsten über den Domäneertrag verhalf z. B. dem coburgischen Gymnasium, dem meiningischen Theater und Hoforchester und der Weimarer Galerie zu hohem Ansehen. Sie erklärt auch, wie es möglich war, in der mitteldeutschen Provinz Musikern vom Range eines Brahms, Reger, Richard Strauss und von Bülow ein Orchester anzubieten, das in Deutschland seinesgleichen suchte. Das dafür nötige Geld hätte der sachsen-meiningische Landtag kaum in ausreichender Höhe bereitgestellt. 37 Vgl. Schulz (FN 3), S . 218, der mit diesen auf das Jahr 1813 bezogenen Zahlen freilich ein Jahr mit extrem hohen Kriegskosten herausgreift. Der badische Etat für 1820 zeigt, daß der Domänenanteil an den Staatsausgaben in normalen Zeiten weit höher als 16,8% lag; er veranschlagte Ausgaben von 9,5 Mio. fl. und Domäneneinnahmen von 3,18 Mio. fl., was einem Anteil von 33,5 % entspricht. Um eine andere Rechnung aufzumachen: Das sachsen-thüringische Recht hätte den badischen Steuerbedarf zwar um die 1,81 Mio. fl. verkürzt, mit denen die Zahlungen an das großherzogliehe Haus zu Buche schlugen; die verbleibenden Ausgaben von 7,69 Mio. fl. hätte Baden jedoch mit um 1,37 Mio. fl. (also 17,8%) höheren Steuerforderungen decken müssen, wenn der Großherzog den gesamten Domänenertrag für sich beansprucht hätte, anstatt sich wie in§ 59 Abs. 2 VerfUrk. festgehalten, mit der noch nicht einmal halb so lukrativen und nur mit Zustimmung des Landtags erhöhbaren "Civil-Liste" zu bescheiden. 38 Dazu informativ Jensen, Das Dominium Waldeck, 1984.

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ihnen drastisch vor Augen, daß sie das Verfassungsrecht der konstitutionellen Monarchie bei Lichte besehen schlechter behandelt hat als das altlandständische, das den Ständen immerhin die Gewißheit gab, daß die Steuern, die sie für den Straßenbau bewilligten, nicht für andere Aufgaben verwendet wurden. Die Empörung, mit der die Landtage darauf reagierten, ist nur allzu verständlich. Mit den Steuern, die sie für bessere Zwecke bewilligt hatten, "den eigenen Maulkorb bezahlen zu müssen"39 , empfanden sie als eine absurde Zumutung. Aber mit der Behauptung, die Bewilligung der Steuern schließe die Bewilligung der Staatsausgaben mit ein, lagen die Landtage ersichtlich falsch. Denn "das Recht der Steuerbewilligung ist nicht gleichbedeutend mit dem Rechte, das Staatsausgabenbudget zu regeln". So sagte es das als "Die sechzig Artikel" bekanntgewordene Schlußprotokoll der Wiener Ministerkonferenzen vom 12. Juni 183440. Das kümmerte die Landtage jedoch wenig. Sie vertraten mit schwachen Argumenten, dafür aber mit um so unerbittlicherer Hartnäckigkeit die gegenteilige Meinung. Sie verstanden auch, ihr Nachdruck zu verleihen. Denn sie behandelten alle Ausgaben, die ohne ihre ausdrückliche Bewilligung geleistet wurden, als rechtswidrig und infolgedessen die für sie verwendeten Gelder als de iure unverbrauchte Kassenbestände, die sie von ihren Steuerbewilligungen für die nächste Finanzperiode abzogen. Daß die "Sechzig Artikel" von 1834 auch das als landes-und bundesrechtswidrig brandmarkten41 , nutzte den Regierungen wenig. Was ihnen die Landtage zum Ausgleich ihrer Eigenmächtigkeiten vorenthielten, konnte ihnen der Bund nicht zur Verfügung stellen. Das bewog die Regierungen nach und nach zum Einlenken. Diebayerische Regierung ging 1843 mit einem förmlichen Friedensschluß voran. Sie sicherte dem Landtag zu, sie werde das Budget künftig in der Fassung, in der dieser es seiner Steuerbewilligung zugrunde gelegt hatte, als "in quanto et quali obligatorisch" anerkennen. Dies geschah in einer als das "Bayerische Verfassungsverständnis" bekannt gewordenen Denkschrift, die zwar nie in das Gewand einer förmlichen Verfassungsänderung eingekleidet, aber dennoch bis 1918 als regierungsamtliche Verfassungsinterpretation zu den Grundlagen des bayerischen Finanzverfassungsrechts zählte42. 39 So Ludwig Uhland in der Debatte des württembergischen Landtags über das Auflagengesetz 1833/36; vgl. Adam, Ein J ahrhundert Württembergische Verfassung, 1919, S . 49. 40 Abgedruckt bei E. R. Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, 3. Aufl. 1978, S. 137ff. 41 Art. 20 Abs. 3: "Werden bereits erfolgte Ausgaben von den Landständen nicht anerkannt oder gestrichen, so können letztere zwar eine Verwahrung für künftige Fälle einlegen oder nach Umständen einen andem nach der Verfassung jeden Landes zulässigen Weg einschlagen; es können aber dergleichen als wirklich verausgabt nachgewiesene Summen nicht als effektive Kassenvorräthe von den Ständen in Anschlag gebracht werden."

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Die übrigen Landesregierungen begnügten sich damit, das parlamentarische Ausgabenbewilligungsrecht nicht mehr länger zu bestreiten43. Sie zogen sich statt dessen auf die einfacher zu verteidigende Position zurück, zwischen den notwendigen und den nur nützlichen Ausgaben zu unterscheiden. Als notwendig bezeichneten sie diejenigen Ausgaben, zu denen sie rechtlich verpflichtet waren, insbesondere die Aufwendungen, die ihnen das Bundesrecht auferlegte. Bei diesen Ausgaben gingen die Regierungen von einer Bewilligungspflicht des Landtags aus und leisteten sie auch dann, wenn der Landtag sie pflichtwidrig strich44 . Bei den nützlichen Ausgaben indessen richteten sie sich nach den Beschlüssen des Landtags. Die Staatsrechtslehre legte ihnen das mit der Konstruktion nahe, daß der Staatshaushaltsplan als verbindlich vereinbart zu gelten habe, wenn die Regierung das auf seiner Grundlage beschlossene Auflagengesetz und seine Steuerbewilligungen angenommen hat45. Damit stand die Finanzierung der Verwaltung endgültig auf gesichertem Boden. Sie beruhte auf dem Domänenertrag und auf den Steuern, die die Landtage in periodisch wiederkehrenden Zeitabständen nach Maßgabe des im Staatshaushaltsplan ausgewiesenen und von ihnen anerkannten Bedarfs zu bewilligen hatten, ein Verfahren, das im Gemeindesteuerrecht der Bundesrepublik nach wie vor fortlebt. Die Gemeinden legen die Hebesätze der Gewerbe- und Grundsteuer noch immer für jedes Haushaltsjahr erneut durch ihre Haushaltssatzungen fest46.

m. 1. Es kommt freilich nicht von ungefähr, daß die periodisch zu erneuernde Steuerbewilligung in das Kommunalrecht verbannt worden ist. Die Gemeinden kommen mit ihr zurecht, weil sie im wesentlichen nur über zwei Steuern zu befinden haben, deren Ertrag sich relativ einfach über ihre Hebesätze regulieren läßt.

So verhielt es sich auch mit dem Steuerrecht des frühen 19. Jh. Es war zwar längst nicht mehr so leicht zu handhaben wie das der altlandständischen Zeit, das den Ständen noch erlaubte, ihre Bewilligungen kurzerhand 42 Dazu M. von Seydel (FN 34), S. 565ff.; ders., Das Budgetrecht des bayerischen Landtags und das Verfassungsverständnis von 1843, in: ders., Staatsrechtliche und politische Abhandlungen, n .F. 1902, S. 278ff.; Mußgnug (FN 3), S . 131ff. 43 Zum Budgetrecht in den nach 1830 erlassenen deutschen Landesverfassungen Mußgnug (FN 3), S . 125ff. 44 Vgl. Mußgnug (FN 3), S . 108ff. 45 Zu dieser Konstruktion Johannes Heckel, in: Anschütz / Thoma (Hrsg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. II, 1932, S . 364, sowie Mußgnug (FN 3), S . 117ff. 46 §§ 16 Abs. 2 und 3 des Gewerbe- und 25 Abs. 2 und 3 des Grundsteuergesetzes.

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als Simplum, Duplum, Triplum oder ein anderes Vielfaches der in einer Steuermatrikel festgehaltenen Grundbeträge zu beziffern. Aber die Finanzministerien des 19. Jh. wußten noch immer, wie sie die Grund-, Gewerbeund Bürgersteuern modifizieren mußten, um annähernd genau auf die vom Landtag bewilligten Summen zu kommen. Auch die Landtage konnten sich unschwer ausrechnen, um wieviel Prozentpunkte die individuelle Steuerschuld stieg oder sank, wenn sie der Regierung 10 000 fl. mehr oder weniger bewilligten. Aber diese Rechnungen gingen schon im 19. Jh. nicht nahtlos auf. Deshalb zwang das System der periodischen Steuerbewilligung zu einer großzügigen Gestaltung der Steuertarife. Es wäre sonst nicht gewährleistet gewesen, daß die bewilligten Summen auch tatsächlich aufkamen. In den Augen der Landtage wurde dieser Nachteil dadurch aufgewogen, daß ihnen die periodische Steuerbewilligung die Gelegenheit gab, die Regierung durch die Drohung mit der Steuerverweigerung unter Druck zu setzen. Verweigerte der Landtag dem Auflagengesetz seine Zustimmung, so verlor nämlich die Regierung mit dem Tag des Außerkrafttretens seines Vorläufers die Rechtsgrundlage für weitere Steuererhebungen. Eine zwar nicht gerade herrschende, aber in der Literatur weit verbreitete Meinung folgerte daraus, daß die Regierung dann die Steuererhebung bis zur Beendigung des steuerrechtslosen Interims ersatzlos einzustellen und ihre Ausgaben auf das Maß zu drosseln habe, das der Domänenertrag deckte47 • Gegen diese These sprach zwar manches4 a. Aber es war höchst fraglich, ob sich die Bevölkerung von juristischen Argumenten hätte beeindrucken lassen, wenn der Landtag dem Auflagengesetz die Zustimmung verweigert und zum Steuerstreik aufgerufen hätte. In den unruhigen Zeiten des Vormärz zogen es die Regierungen daher vor, ihre Landtage mit politischen Zugeständnissen zur pünktlichen Steuerbewilligung zu bewegen. Die badische Regierung hat ihrem Landtag das Auflagengesetz für 1831/32 sogar mit einer vorübergehenden Aufhebung der Pressezensur49 abgekauft, die sie freilich nach dessen Inkrafttreten auf Drängen des Deutschen Bundes wieder rückgängig machen mußteso.

47 So z. B. Paul Achatius Pfizer, Das Recht der Steuerbewilligung, 1836, S. 83 f., der die Steuerverweigerung als "legalen Widerstand" ansah; ähnlich von Rotteck , Lehrbuch des Vernunftrechts und der Staatswissenschaft, VI, 1835, S. 446. 48 Das haben u. a. R. von Mohl, Zachariä und Zoepfl hervorgekehrt, vgl. Mußgnug (FN 3), S. 106ff. 49 Durch Gesetz vom 28. 12. 1831 (RegBL 1832, S. 29). so Durch eine vom Großherzog einseitig erlassene Verordnung vom 28. 7. 1832 (RegBl. S. 371). Dazu van Calker, Das Badische Budgetrecht, 1901, S. 105; Mußgnug (FN 3), S. 107; Eisenhardt, Der Deutsche Bund und das badische Pressegesetz von 1832, in: GS f . H. Conrad, 1979, S. 103ff., der freilich zu voreilig von "einem Schritt auf dem Wege zur Pressefreiheit" spricht; der Schritt zurück zur Pressezensur folgte auf allzu schnellem Fuße nach.

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Darin zeigte sich, daß die periodische Steuerbewilligung eine Fehlkonstruktion war. Sie ging von der Bereitschaft der Landtage zur pünktlichen Steuerbewilligung aus, trieb die Landtage aber geradezu an, die Verhandlungen über das Abgabengesetz mit sachfremden Forderungen zu befrachten und damit seine rechtzeitige Verabschiedung zu gefährden51 • Die periodische Steuerbewilligung abzuschaffen, hätte jedoch Verfassungsänderungen vorausgesetzt. Dafür waren die Landtage nicht zu gewinnen. Denn erst die befristete Geltung der Auflagengesetze machte ihr Steuerbewilligungsrecht zur scharfen Waffe. Diese Waffe wirkte zwar antiquiert. Aber sie schoß noch. Die Landtage wären sich selbst untreu geworden, wenn sie auf sie verzichtet hätten. 2. Auch Preußen wäre wohl kaum an der periodischen Steuerbewilligung vorbeigekommen, wenn die Berliner Nationalversammlung, wie ursprünglich geplant, über die Verfassungsurkunde von 1848 mitentschieden hätte. Das Verfahren des Verfassungsoktroys machte es der Krone jedoch leicht, das preußische Steuerrecht zu perpetuieren. Die Nationalversammlung versäumte es nicht, ihr das noch kurz vor ihrem endgültigen Auseinandergehen mit einem Steuerverweigerungsbeschluß vom 15. November 184852 nahezulegen. Die Väter der oktroyierten Verfassung haben darauf in ihrem Art. 108 mit dem Satz reagiert: "Die bestehenden Steuern werden fortenthoben ... bis sie durch Gesetz geändert werden". Mit diesem Satz rettete Preußen sein vorkonstitutionelles Steuerrecht in die neue Epoche der konstitutionellen Monarchie hinüber. Es galt in der Gestalt weiter, die ihm die Krone in den Jahren vor 1848 in absolutistischer Machtvollkommenheit gegeben hatte. Das ließ dem Landtag keinen Raum für Steuerverweigerungen. Die Krone brauchte seine Zustimmung nur einzuholen, wenn sie Steueränderungen anstrebte. Im übrigen gründete sich ihre Steuerhoheit auf dauerhaft gültige Gesetze, die der Landtag nicht einseitig aufheben konnte. Dem hätte die Krone mit dem Vetorecht begegnen können, das sie sich in Art. 62 Abs. 2 der oktroyierten Verfassung53 vorbehalten hatte. Das parlamentarische Ausgabenbewilligungsrecht mußte die oktroyierte Verfassung freilich anerkennen. Es gehörte 1848 bereits zu den minima essentialia dessen, was eine Repräsentativverfassung der Volksvertretung 51 Art. 110 Abs. 4 des Bonner Grundgesetzes reagiert, frühkonstitutionellen Vorbildern wie z.B. dem§ 56 der bad. Verf.Urk. folgend, darauf mit einem sog. Bepackungsverbot, das allerdings heute, wo das Parlament der Regierung seinen Willen allemal aufzwingen kann, ohne sich haushalts- oder steuerrechtlicher Kunstgriffe bedienen zu müssen, keinen rechten Sinn mehr hat. Vgl. dazu von Portatius, Das haushaltsrechtliche Bepackungsverbot, 1974. 52 Text bei Huber (FN 40), S. 478. 53 "Die Uebereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetze erforderlich" .

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zu garantieren hatte. Art. 98 der oktroyierten Verfassung bestimmte daher: "Alle Einnahmen und Ausgaben des Staats müssen für jedes Jahr im Voraus veranschlagt und auf den Staatshaushalts-Etat gebracht werden. Letzterer wird jährlich durch ein Gesetz festgestellt" 54 • Diese Bestimmung ist eine der großen Wendemarken in der Geschichte des deutschen Finanzverfassungsrechts. Sie leitete die Abkehr von der periodischen Steuerbewilligung ein, indem sie das Auflagengesetz, das lediglich die Steuern regelt, durch das Haushaltsgesetz ersetzte, das allein über die Staatsausgaben entscheidet. Während alle übrigen deutschen Länder bis 1918 an zwei- oder gar dreijährigen Steuerbewilligungen festhielten, fand sich Preußen zudem, wie später auch die Reichsverfassung von 1871, die Weimarer Reichsverfassung und das Bonner Grundgesetz, mit einjährigen Haushaltsperioden ab. Das scheint die Enttäuschung des Landtags über die Perpetuierung der Steuergesetze gedämpft zu haben. Jedenfalls hat er sich nicht eindringlicher gegen sie verwahrt, sondern den Art. 108 der oktroyierten Verfassung unverändert als Art. 109 der revidierten Verfassung von 1850 fortgelten lassen. Für die Finanzierung der Verwaltung besaß das weittragendeBedeutung. In den anderen Ländern mußten die Steuern nach den Ausgaben bemessen werden. Preußen dagegen konnte seine Ausgaben nach den Steuern regulieren. Das macht einen gewichtigen Unterschied. Geben die Ausgaben den Ausschlag für die Höhe der Steuern, so weckt das konjunkturbedingte Ansteigen des Steueraufkommens den Drang nach Steuersenkungen. Wo, wie in Preußen, die Ausgaben nach den Einnahmen veranschlagt werden, rechtfertigt der Anstieg des Steuerertrags umgekehrt eine Erhöhung des Verwaltungsaufwands. Eine Verwaltung, die sich aus perpetuierlich fließenden Steuern finanziert, kann daher großzügiger expandieren als eine solche, die sich alle zwei oder drei Jahre mit dem Parlament darüber streiten muß, ob sie ihre Mehreinnahmen für sich behalten oder dem steuerzahlenden Publikum durch Steuersenkungen zurückerstatten muß. Die Perpetuierung seiner Steuergesetze gab Preußen die politische Kraft, auf der seine führende Position beruhte. Preußen war nicht nur das größte, sondern dank seines den Anforderungen der Zeit angeglicheneren Steuerund Haushaltsrechts auch das finanzstärkste Land des Deutschen Bundes und später des Deutschen Reiches. Davon abgesehen kam seiner Regierung zustatten, daß sie im Verfassungskonflikt der Jahre 1861 - 1866 nicht um ihr Steuererhebungsrecht fürchten mußte. Ob Bismarck sich dem Landtag gegenüber auch dann hätte behaupten können, wenn er es mit einem Steuerkonflikt zu tun gehabt hätte, bleibt mehr als fraglich. Als bloßer Budgetkonflikt war der Verfassungskonflikt jedenfalls leichter durchzustehen. Mit 54 Zur Entstehungsgeschichte des Art. 98 und den mit ihm auf das Engste zusammenhängenden Art. 108 vgl. Mußgnug (FN 3), S. 152ff.

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Bismarcks Haushaltswirtschaft ohne Haushaltsgesetz fand sich die Bevölkerung ab. Eine Besteuerung ohne Steuergesetz hätte sie wohl kaum vier Jahre lang hingenommen. 3. Der Wechsel von der periodischen Steuerbewilligung zur periodischen Ausgabenbewilligung hat im übrigen nur eine Entwicklung zu Ende geführt, die sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jh. überall Bahn gebrochen hatte. Es brachte den Landtagen wenig ein, in kontinuierlicher Wiederkehr über die Steuern entscheiden zu können. Die Entscheidung über die Ausgaben dagegen verhalf ihnen zu dem politischen Einfluß, den ihnen das Staatsrecht der konstitutionellen Monarchie hatte vorenthalten wollen. Denn die Staatsausgaben bildeten den archimedischen Punkt, von dem aus sich das monarchische Prinzip des Art. 57 WSchlA aushebein ließ. Hätten die Landtage bei den Steuern angesetzt, so wären sie politisch bedeutungslos geblieben. Sie hätten sich mit dem kargen Erfolgserlebnis bescheiden müssen, der Regierung alle zwei oder drei Jahre einige 1000 fl. vorenthalten zu haben, ohne freilich die individuelle Steuerlast nennenswert mildern zu können. Mit der Eroberung des Ausgabenbewilligungsrechts dagegen waren sie der Regierung ebenbürtig geworden. Solange sie nur die Steuern bewilligten, konnten sie die Verwaltung lediglich knapp halten. Seit sie über die Staatsausgaben entschieden, konnten sie das administrative und gouvernementale Handeln der Regierung aktiv mitgestalten. IV.

Das erklärt, warum im 19. Jahrhundert so nachhaltig um das parlamentarische Ausgabenbewilligungsrecht gerungen wurde. Kann das Parlament die Regierung nicht stellen und auch nicht abwählen, so muß es die Auseinandersetzung mit ihr in den Haushaltsberatungen suchen. Die Parlamente der Gegenwart dagegen können die Regierung durch Koalitionsvereinbarungen an ihren Mehrheitswillen binden. Auf ihre Entscheidungsgewalt über den Haushaltsplan sind sie nicht mehr angewiesen. Die Entscheidung über den Haushaltsplan besitzt daher nicht mehr das gleiche politische Gewicht, das sie im 19. Jh. noch beansprucht hatte. Dennoch ist sie nach wie vor bedeutsam. Mit dem Haushaltsplan fällt noch immer die Entscheidung über den staatlichen Steuerbedarf. Das wird bei den Klagen über die Höhe der Steuerlast zu wenig bedacht. Wer diese Klage anstimmt, sollte nicht vergessen, daß die Steuern das politische Programm einer Regierung finanzieren, die den Erwartungen ihrer Wähler gerecht werden muß. Steuersenkungen kann daher mit Fug und Recht nur fordern, wer bereit ist, auch Kürzungen der Staatsausgaben hinzunehmen. Darin liegt der entscheidende Unterschied zwischen der Finanzierung der Verwaltung im Ständestaat des 18. und im Verfassungsstaat des 20. Jh. Die 7*

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Reinhard Mußgnug

Stände des 18. Jh. mußten einen ihnen aufdiktierten Steuerbedarf decken. Der Steuerbürger der Gegenwart dagegen hat für einen Verwaltungsbedarf geradezustehen, den er selbst hervorruft. Geht er seinetwegen, wie die Stände des 18. Jh., mit der Verwaltung ins Gericht, so protestiert er bei der falschen Adresse. Er darf nicht über die Steuerlast lamentieren. Er muß die Expansion der Staatsausgaben attackieren. Denn die Steuerlast kann die Regierung nur senken, wenn sie gewiß sein kann, daß die Wählerschaft auch die damit zwangsläufig verbundenen Kürzungen der Staatsleistungen akzeptiert. Aber die Zeiten, in denen die Regierungen damit rechnen konnten, sind vorbei. Im Sozialstaat der Gegenwart regt die Finanzierung der Verwaltung kaum zur Nachdenklichkeit an. Man verlangt, daß die Verwaltung alle Erwartungen erfüllt, und ist eher bereit hohe Steuern zu tragen, als auf Staatsleistungen zu verzichten. So betrachtet ist die Finanzierung der Verwaltung heute gesicherter denn je. Ob dies die richtige Betrachtungsweise ist, bleibt eine andere Frage. Sie führt von der Verfassungsgeschichte weg und zur Finanz- und Sozialpolitik der Gegenwart hin. Deshalb muß sie in anderem Zusammenhang und bei anderer Gelegenheit erörtert werden.

Aussprache Hüttenberger: Herr Mußgnug, hat man eigentlich mal durchgerechnet, wie stark die Proportionen der Belastungen der einzelnen Ausgabengruppen in den Haushalten tatsächlich im 18. Jh. waren? Also ist die Belastung durch den Hof wirklich so groß im Vergleich zu anderen Bereichen der Verwaltung oder des Militärs? Mußgnug: Die Lage ist nur schwer zu durchschauen. Exakte Einnahmeund Ausgaben-Rechnungen sind kaum zu finden. Landes- und lokalgeschichtliche Untersuchungen haben zwar manches Bemerkenswerte zu Tage gefördert. Aber ich habe meine Zweifel, ob man ihre Funde verallgemeinern darf. Wenn ich es richtig sehe, so haben sich die Kammerverwaltungen lediglich vereinzelt zum Wirtschaften nach Einnahme- und Ausgabe-Plänen und einer genaueren Rechnungsführung aufgeschwungen. Wo es dazu kam, eilte man seiner Zeit weit voraus. In aller Regel begnügte man sich bis zum Ende des 18. Jh. mit den primitiven Methoden der Fondswirtschaft, die auf Urbarien, Kammergutsregistern und ähnlichen Verzeichnissen aufbaute, die man einmal aufstellte und dann auf lange Jahre unverändert weiterverwendet hat.

Durchgängig zu beobachten ist dagegen das Klagen der Landstände über die Verschwendung des Kammergutertrags für den Prunk des landesherrlichen Hofs. Es gab jedoch auch Stimmen, die den politischen Nutzen des höfischen Repräsentationsaufwands hervorgehoben haben. Justi z.B. hat beredsam vor übertriebener Bescheidenheit gewarnt, mit der kein Staat zu machen sei. Damit fand er bei den Höfen natürlich mehr Anklang als die Landtage mit ihrer Mahnung zur spartanischen Sparsamkeit. Sparsamkeitsfanatiker wie Friedrich Wilhelm I. und einige geistliche Landesherrn blieben Ausnahmen. In aller Regel sahen die Landesherrn im Kammergut eine Einnahmequelle nicht ihres Landes, sondern ihrer Dynastie, die sie ohne sonderlichen Drang zur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bis zur Neige aus- und darüber hinaus auch erschöpft en. Es gab noch zu wenig, was sie vom Abholzen ihrer Wälder um des raschen Gewinns willen, von unbedachten Kreditaufnahmen und ähnlichen Fehlern hätte abhalten können. Hüttenberger: Das Bürgertum hielt wohl im 18. Jh. die umfangreichen Ausgaben der Höfe für wirtschaftlich irrational. Hier zeichnet sich ein Wandel der Mentalitäten ab, der schon am Sprachgebrauch deutlich wird: "höflich" zu "höfisch", wobei höfisch etwas Teures, Unangenehm-Intigrantes konnotiert.

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Mußgnug: Das ist ambivalent zu beurteilen. Die höfische Pracht hat zwar viel Geld verschlungen, das besser für den Ausbau der Landesverwaltung verwendet worden wäre. Aber es sollte nicht übersehen werden, daß die Höfe gerade mit ihrem Aufwand vielen Brot und Arbeit gegeben haben. Das Kunsthandwerk lebte von ihnen. Selbst die Palisadenzäune für die Hofjagden waren keineswegs nur ein Ärgernis. Auch sie haben den Tagelöhnern, die sie bauen mußten, zu Einkünften verholfen, die ihnen ohne sie entgangen wären. Hofmann: Darf ich eine kleine Zwischenbemerkung machen zu dieser Ambivalenz der höfischen Repräsentation, die ja die Klammer bildet zwischen dem, das wir gestern erörtert haben und dem Vortrag heute. Sie haben, Herr Mußgnug, über die wichtige Rolle gesprochen, die die Forstwirtschaft im Frühabsolutismus spielte, in der Kammerwirtschaft, und von da den Bogen geschlagen zu Ökologieproblemen der Gegenwart. In Wahrheit war es natürlich so, daß auch diese Forstwirtschaft, die sich dann ja auch im bürgerlichen Sinne sehr rationalisieren ließ, auch ein Bestandteil höfischer Repräsentation war, weil es nämlich galt, Jagdreviere zu pflegen und zu erhalten.

Frau Barmeyer: Eine ganz kurze Ergänzung. Ich glaube, die historische Wirklichkeit des Mittelalters und der frühen Neuzeit ist eben häufig nicht auf die neuzeitlichen bürgerlichen Begriffe zu bringen. Es gibt durchaus den Fall, daß beim Ausbleiben fürstlicher Forstjagden die Bauern klagen, weil ihnen dann hinterher auch die Entschädigungen, mit denen sie fest gerechnet hatten, ausblieben. Wir können, glaube ich, nicht vorsichtig genug sein. Das frühneuzeitliche Denken ist anders als unseres, das in klare Bereiche gliedert. Unsere Rationalität ist eine andere als die einer höfischen Gesellschaft. Mußgnug: Das ist richtig. Die Parforcejagden haben in der Tat für eine Reduktion des Schwarzwildes gesorgt. Aber man hätte die Wildschweine natürlich auch mit ebenso wirksamen, aber billigeren Methoden dezimieren können.

Mager: Meine Frage richtet sich nach dem Kreditwesen. Wie weit ließ sich die Finanzverwaltung über Kredite speisen, und wie weit haben Kredite die Möglichkeit geschaffen, die Mitwirkung der Landstände oder des Landtages zu unterlaufen? Mußgnug: Die Kreditaufnahme galt als die Geldbeschaffungsmethode der ersten Wahl. Die Landstände drängten ihre Landesherrn sogar, bei ihr Zuflucht zu suchen. Denn sie haben ihnen häufig statt der erbetenen Steuerbewilligungen Darlehen aus der Landschaftskasse angeboten. In Württemberg war es im 18. Jh. nachgerade üblich geworden, die Steueransinnen des Herzogs brüsk abzulehnen, ihm aber Kredite in Aussicht zu stellen und sich als Sicherheit für sie Domänengüter verpfänden zu lassen. Verfielen diese

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Pfänder, so beschwor das die Rechtsfrage herauf, ob sie weiterhin landesherrliche Güter blieben, oder mit ihrem Ausscheiden aus dem herzoglichen Besitz zu Grundherrschaften aufstiegen, die ihren neuen Besitzer zu Sitz und Stimme im Landtag berechtigten. Damit hat sich Johann Jakob Maser in seinem Traktat über die "Landeshoheit in Kameralsachen" auseinandergesetzt. Wenn ich mich richtig erinnere, hat er sich auf die Seite der Stände geschlagen, denen wenigdarangelegen war, daß ihnen mit den neuen Herren der ehemals herzoglichen Kammergüter im Landtag eine Konkurrenz erwuchs, die ihre dominierende Rolle geschmälert hätte. Es brachte den württembergischen Städten eben mehr, wenn sie die ihnen verpfändeten landesherrlichen Güter ebenso wie der Landesherr als Einnahmequelle nutzten, sie aber nicht als landtagsfähige Grundherrschaften anerkannten. Das Jahr 1815 brachte die große Wende. Es galt die Schuldenlast der Befreiungskriege abzutragen. Das verbot weitere Kreditaufnahmen. Daher mußte man von der Staatsverschuldung Abschied nehmen und den Staatsaufwand ausschließlich aus dem Domänenertrag und aus Steuern bestreiten. Die Schließung des preußischen Staatsschuldenetats durch die berühmte Verordnung vom 17. Januar 1820 belegt das. Die übrigen Bundesstaaten taten es Preußen darin gleich. Der Verzicht auf weitere Staatsverschuldungen hat nicht unwesentlich zur Akzeptanz der konstitutionellen Monarchie beigetragen. Das liberale Bürgertum sah in ihm einen gewichtigen Fortschritt. Bei ihm stand die staatliche Schuldenwirtschaft, wie sie im 18. Jh. ins Kraut geschossen war, im Geruch des Unseriösen, ja sogar Obszönen. Man begann freilich schon verhältnismäßig früh darüber nachzudenken, ob es nicht gerechter ist, die Investitionen, die späteren Generationen zugute kommen, von diesen über die Schuldentilgung mitbezahlen zu lassen, anstatt ihre Kosten in voller Höhe den Steuerzahlem der Gegenwart aufzubürden, denen sie keinen rechten Nutzen einbringen. "Pay as you use" nennen wir das heute. Davon war in anderen Formulierungen schon im frühen 19. Jh. die Rede. Die Finanzierung der Tulla'schen Rheinregulation aus Krediten wurde daher beifällig aufgenommen. Uneingeschränkte Anerkennung fand die Staatsverschuldung jedoch erst in den 40er Jahren des 19. Jh., als der Eisenbahnbau sie unvermeidlich machte und zugleich mit ihr Preußen zur Einlösung des 1820 in der Staatsschulden-Verordnung gegeben en Verfassungsversprechens nötigte. Aber das nimmt nicht w eiter Wunder. Für die Eisenbahnkredite sprach, daß sie mit Hilfe der Gewinne getilgt werden konnten, die man sich von den Staatsbahnen erhoffte.

Schulze: Ich habe drei Fragen zu drei verschieden en Abschnitten in Ihrer Darstellung. Die Rindemisse für das Gesamtdeckungsprinzip in der früheren Zeit, die Sie behandelt haben, haben Sie eher steuertechnisch erklärt. Muß man sie nicht auch in dem Zusammenhang der politischen und sozialen

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Schranken für die Zentralisierung, die eben diesem meist absolutistisch genannten Staat vom modernen Staat doch noch unterschieden, sehen? War es nicht auch eine Frage der politischen Stellung derjenigen, die dort auf der unteren Ebene tätig wurden und die zum Teil intermediäre Gewalten waren, daß man nicht ohne weiteres zum Gesamtdeckungsprinzip übergehen konnte? Während dies die frühere Zeit betrifft, richtet sich die zweite Frage auf die von Ihnen als Umbruchphase genannte Zeit 1806- 1818. Ich hatte den Eindruck, daß die konkret in dieser Zeit auftretenden Impulse des Wandels von Ihnen nur gestreift wurden. Hat man sich beispielsweise von Frankreich inspirieren lassen, hat man eine innere deutsche Diskussion geführt, in der diese Fragen dann auch deutlich thematisiert wurden, und damit die Vorbereitung geschaffen für die späteren Entwicklungen? Dritte Frage: Mich hat es fasziniert, wie Sie die Veränderungen in der Art der Beteiligung der Landstände im 19. Jh. im Hinblick auf Steuer und Budget dargestellt haben. Kann man dies als einen ganz wichtigen Faktor im Wandel der Volksvertretungen im weitesten Sinne von einem Gegengewicht zum Staat zu einem mitgestalteten Organ des Staates sehen, indem sie jetzt in die Gestaltung des Budgets einbezogen sind und nicht mehr von einer Außenposition her die Steuer bewilligen oder nicht bewilligen? Mußgnug: Die Noblesse d'Europe hat von der Fondswirtschaft gelebt. Deshalb ließ sich die Fondswirtschaft nicht einfach beiseite schieben. Ihre Überwindung war eine der epochemachenden Leistungen des preußischen Absolutismus. Wo sich der Absolutismus nicht ebenso rigide wie in Preußen durchsetzen konnte, blieb die Fondswirtschaft indessen bis zum Ende des 18. Jh. unangetastet. Sie sicherte den Trägern der Landesverwaltung das kontinuierlich, zuverlässig und reichlich fließende Einkommen, das die Grundlage ihres Lebensstandards bildete. Das Amtsgut ernährte den Inhaber eines jeden Amts wie der Pfarrhof die Pfarrer ernährte, freilich mit einem Unterschied: Die Amtsgüter und die mit ihnen verbundenen Ämter konnten verkauft, verpachtet und vererbt werden. Wer das Gut erwarb, brauchte sich um das mit ihm verknüpfte Amt nicht beim Landesherrn zu bewerben und sich auch nicht durch ein Examen oder einen sonstigen Befähigungsnachweis für seinen Beruf zu qualifizieren. Das tat der Leistungsfähigkeit der Verwaltung empfindlichen Abbruch. Ohne eine der französischen vergleichbaren Revolution wäre Deutschland davon nicht abgekommen, hätte nicht der preußische und der Spätabsolutismus der Rheinbundstaaten mit einer unblutigen Revolution von oben für Remedur gesorgt.

Die Frage nach der Mitgestaltung der Steuergesetzgebung durch die Landtage ist schwierig zu beantworten. Daß die Landtage permanent mit dem Gedanken der Steuerverweigerung spielten, läßt sich einfacher erklären. Die Landtage verstanden sich als Repräsentanten des Bürgertums, das im

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Staat und seiner Regierung ihre natürlichen Widersacher sah. Die Dichotomie von Staat und Gesellschaft mußte erst überwunden werden, ehe die Steuerverweigerung undenkbar wurde. Ein Parlament, das sich als Staatsorgan begreift, kann seinem Staat die Steuern, die er zur Finanzierung seines Bedarfs benötigt, nicht einfach verweigern. Es muß sich damit bescheiden, diesen Bedarf zu regulieren und damit die Steuerlast in den Grenzen des Erträglichen zu halten. Das steckte allerdings auch in der Grundidee des frühkonstitutionellen Finanzverfassungsrechts mit seinem System der Steuerbewilligung nach vorheriger Prüfung des Ausgabebudgets. Es überzeugte jedoch nicht, solange das Parlament der Regierung antagonistisch gegenüberstand. Für ein Parlament, das die Regierung nicht selbst wählen kann, liegt es nahe, die Steuerbewilligung mit politischen Forderungen zu verbinden, und sie zu verweigern, wenn sich die Regierung diesen Forderungen widersetzt. Deshalb kann das fortwährende Drohen der Landtage mit der Steuerverweigerung in der Frühzeit der konstitutionellen Monarchie ebenso wenig verwundern, wie der Gewichtsverlust, den das parlamentarische Haushaltsbewilligungsrecht seit 1919 mit dem Übergang von der konstitutionellen Monarchie zur parlamentarischen Demokratie erlitten hat. Die modernen Parlamente bringen nicht den Haushaltsplan zu Fall, wenn sie mit der Regierung unzufrieden sind. Sie wechseln die Regierung aus. Daß bei den Haushaltsberatungen heute zwischen der Parlamentsmehrheit und der von ihr gestellten Regierung eher Einvernehmen als Gegnerschaft zu beobachten ist, ist die natürliche Folge des Verfassungswandels, der das Parlament zum Herrn über die Regierung gemacht hat. Die Parlamente der konstitutionellen Monarchie konnten der Regierung nur mit Hilfe ihres Steuer- und später Ausgabenbewilligungsrechts beikommen. Es blieb ihnen gar nichts anderes übrig, als diese Rechte im Ringen um die Politik der Regierung als das entscheidende Druckmittel einzusetzen. Die Parlamente der Gegenwart gebieten über schärfere Waffen.

Schulze: Signalisiert da nicht schon die oktroyierte Verfassung einen Wandel? Mußgnug: Wohl eher pragmatisch. Es war klar, daß um das Ausgabebewilligungsrecht nicht herumzukommen war. Aber man hatte erkannt, daß seine Anerkennung den Weg für die Überwindung der Steuerbewilligung freimachte, und daß mit Ausgabeverweigerungen leichter fertig zu werden war, als mit Steuerverweigerungen, die der Steuererhebung die erforderliche gesetzliche Grundlage entzogen. Im preußischen Verfassungskonflikt hat sich gezeigt, daß diese Rechnung aufging. Baumgart: Ist es nicht so, daß die Rhein-Bund-Reformen sehr stark unter französischem Eindruck standen; Montgelas ist ja wohl ein Musterbeispiel dafür, und Reitzenstein muß man auch in diesem Zusammenhang sehen. Wenn ich recht sehe, geht die Tendenz und die Diskussion bei der Betrach-

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tung dieser Reformzeit sehr stark dahin, die französische Komponente besonders zu betonen, also die Rhein-Bund-Reform von den preußischen Reformen bewußt abzuheben und damit eine Zäsur zu setzen, die andere Akzente hat, als sie in der gewohnten Betrachtungsweise dieser Perioden bestanden. In dem Zusammenhang möchte ich meine Fragen formulieren, die an die Frage meines Vorredners anknüpfen, nämlich, wie weit haben wir es hier mit einer kontinuierlichen Entwicklung zu tun, wo sind die wirklichen Zäsuren? Ist tatsächlich die Zeit ab 1806 konstitutiv als Zäsur, als Einschnitt in der Betrachtung des Ständewesens und der vor- oder frühkonstitutionellen Frage? So wie Sie die Situation dargestellt haben, erscheint mir eher Kontinuität gegeben. Im anderen Zusammenhang (1979) haben wir diskutiert, ob es einen Bruch oder einen nahtlosen Übergang, eine echte Zäsur in dieser Reformzeit gibt und wodurch sie ausgelöst wurde. Vielleicht können Sie Ihre speziellen finanzgeschichtlichen Aspekte in diese allgemeine Problematik einordnen und sagen, ob sie eher die Kontinuität oder die Zäsuren betonen.

Mußgnug: Das Jahr 1806 brachte eine klare Zäsur. Das belegen die Verhältnisse in Württemberg. Dort hatte es die Krone bis 1806 nicht geschafft, Einfluß auf die landständische Steuerverwaltung zu gewinnen. Ihr gelang noch nicht einmal, Einblick in die landständischen Kassen- und Rechnungsbücher zu erhalten. Darüber war es noch 1805 zu einem Konflikt zwischen dem Herzog und den württembergischen Ständen gekommen. Die Stände hatten den in einem Vater-Sohn-Zwist nach Frankreich ausgerissenen Kronprinzen mit namhaften Zahlungen unterstützt, um sich seines Wohlwollens zu versichern. Darin sah der Herzog einen Akt der Auflehnung gegen sein Regiment. Deshalb wollte er Sanktionen gegen die Stände verhängen. Um an das erforderliche Beweismaterial heranzukommen, ordnete er eine Prüfung sämtlicher Ausgaben der Landschaftskasse an. Aber die Stände verweigerten ihm jeden Einblick in ihre Bücher. Sie gaben selbst dann nicht nach, als der Herzog den Landschaftssekretär und seine Frau, die alle Unterlagen beiseite geschafft hatten, in Beugehaft nahm. Ihr Widerstand brach jedoch 1806 mit der Gründung des Rheinbunds und der mit ihr verbundenen Erhebung des Herzogs zum alleinigen Träger der Staatsgewalt in sich zusammen. Mit ihm war die landständische Steuerverwaltung gleichsam über Nacht erledigt. Der Herzog konnte sie nach preußischem Muster mit seiner Domänenverwaltung vereinigen. Als König, zu dem ihn Art. 24 der Rheinbundakte erhoben hatte, und aufgrund der "vollen Souveränität", die ihm ihr Art. 25 garantierte, war er endlich in der Lage, nicht nur die landständische Steuerverwaltung, sondern überhaupt jede landständische Mitsprache aufzuheben. Das hat er so denn auch unverzüglich getan. Aber das geschah nicht nur in Württemberg. 1806 haben sämtliche Rheinbundstaaten die landständische Steuerverwaltung kassiert. Darüber ist

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nicht lange diskutiert worden. Die Regierungen nutzten die Gunst der Stunde. Daß die landständische Steuerverwaltung schon seit langem überlebt war, erwies sich dabei natürlich als hilfreich. Aber es war nicht ausschlaggebend. Den entscheidenden Durchbruch bewirkte der Rheinbund und das Garantieversprechen, mit dem Frankreich seinen Fürsten zugesagt hatte, sie bei der Durchsetzung ihres neubegründeten Souveränitätsanspruchs zu unterstützen. Unter diesen Umständen bestand kein Bedarf für theoretisch argumentierende Rechtfertigungen. Die Stände hatten nichts mehr zu melden. Also brauchte man sich vor ihnen auch nicht zu rechtfertigen. Brandt: Ich würde Ihnen recht geben, Herr Mußgnug, daß das Budgetrecht in der politischen Publizistik der Zeit eine durchaus nachgeordnete Rolle gespielt hat. Ich würde indessen bestreiten, daß dies auch für die Landtage selbst gilt.

Nehmen wir Württemberg, das auf diesem Felde der Erprobung des Neuen ja Schrittmacher gewesen ist. Schon in der Verfassung von 1819 war neben dem Steuerbewilligungs- auch das Etatbewilligungsrecht niedergelegt worden- etwas verklausuliert zwar, aber doch so, daß schon die Konstituante keinen Zweifel daran gelassen hatte, daß die Kammern über ein voll ausgebildetes Budgetrecht verfügten. Im Landtag selbst sind dann auch niemals Zweifel daran gehegt worden. Aber nicht nur dies: Im Gegensatz zum Recht der Steuerbewilligung, das eher technisch verstanden wurde, hat die Budgetzustimmung über Jahrzehnte hinweg eine überragende Rolle in der parlamentarischen Praxis gespielt. Die Abgeordneten, die oppositionellen voran, nutzten das Instrument, die Regierung zu kontrollieren, und die Regierung (Schlayer!) verstand, daß das konstitutionelle System im Medium des Staatshaushalts immer ein virtuell parlamentarisches war. Wadle: Meine Frage zielt auf die Zusammensetzung der Staatseinnahmen in der ersten Hälfte des 19. Jh. Neben .den Domäneneinkommen und den Steuern haben die Zolleinnahmen wachsende Bedeutung erlangt, nachdem ein entsprechendes Instrumentarium geschaffen worden war. Die Frage ist, inwieweit es sich hier um eine nach modernen Gesichtspunkten (franz. Vorbild) gestaltete neue Einnahmequelle handelt, mit deren Hilfe die staatliche Finanzpolitik beweglicher wurde. Bei der Beweglichkeit könnte das evtl. Mitspracherecht der Stände von Bedeutung sein. In Preußen war dies kein Problem, da es keine Stände gab, doch anderswo könnte es der Fall gewesen sein; m.a .W.: Inwieweit hat das parlamentarische Budgetrecht die Zolleinnahmen umfaßt und welche Bedeutung hat dies? Battenberg: Sie hatten mit Recht den exzeptionellen Charakter der Steuern hervorgehoben und verschiedene immanente Faktoren dafür genannt,

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daß diese allmählich in den Staatsaufbau integriert wurden. Wie es zur Ausprägung des Steuersystems kam und welche Faktoren dafür maßgebend wurden, daß dieses zum unentbehrlichen Teil der öffentlichen Verwaltung wurde, konnte insofern in Ihrem Referat nicht ganz geklärt werden, als die Funktion des Heiligen Römischen Reiches außer acht gelassen wurde. Die Notwendigkeit, auf Reichs- und Kreisebene ständige Institutionen zu finanzieren und die Verteidigung des Reichsganzen, z.B. gegen die Türken, im Rahmen der Reichssteuern auf alle Glieder des Reiches umzulegen, verstärkte den Druck auf die Territorien, die eigenen Steuersysteme so zu stabilisieren, daß Reichs- und Kreisaufgaben wahrgenommen werden konnten. Ich könnte mir vorstellen, daß dieser seit dem 16. Jh. stärker werdende Druck von oben die Legitimation der Landesherren zur Erhebung dauernder Steuern und zur Einführung funktionierender, auf ständiger Besteuerung beruhender Verwaltungen befördert hat. Inwieweit also gibt es Zusammenhänge zwischen den Reichssteuern bzw. -umlagen und den territorialen Entwicklungen im Ausbau des Steuersystems?

Mußgnug: Das Reich hat darauf gedrungen, daß alle einmal bewilligten Steuern vom Reichstag in der Folgezeit weiter bewilligt und so von freiwilligen in notwendige Steuern umgewandelt wurden. Die Reichsstände ließen sich darauf ein, weil sie ihr ius subcollectationis zu entsprechenden Steuerforderungen gegen ihre Untertanen berechtigte. Das führte zu einem Zusammenspiel zwischen der Reichsverwaltung und dem Reichstag. Die Steuern, die der Reichstag bewilligte, brauchten die Reichsstände nicht aus der eigenen Tasche zu bezahlen. Sie konnten sich außerdem bei der Perpetuierung der Militärsteuern auf ihre Pflicht zur Bereithaltung von Truppen für das Reichsheer berufen und sich so auch bei der Finanzierung ihrer Rüstungsausgaben reichsrechtliche Rückendeckung verschaffen. Darin zeigt sich, daß das Reich auch im 18. Jh. weit mehr Bedeutung besaß, als ihm gemeinhin beigemessen wird. Seine Existenz verhalf den Reichsständen zur Festigung ihrer Position im eigenen Land. Zu Herrn Brandts Einwurf ist anzumerken: In Württemberg galten in der Tat im Hinblick auf das parlamentarische Budgetrecht gewisse Besonderheiten. Auch die württembergische Verfassung räumte dem Landtag in ihren §§ 109, 110, 124 und 181 expressis verbis zwar nur das Steuerbewilligungsrecht ein. Aber ihr § 112 redete von dem "von den Ständen anerkannten und angenommenen Hauptetat" und erklärte ihn "auf drei Jahre" für "gültig". Das gab der These des Landtags Rückhalt, die Krone sei nicht nur bei der Steuererhebung, sondern auch bei ihrem Ausgabegebaren an seine Bewilligungen gebunden. Die Rechtslage war jedoch bei weitem nicht so klar geregelt, wie das vom württembergischen Landtag und von einigen Juristen des frühen 19. Jh., insbesondere von Paul Achatius Pfizer und Robert von Mohl behauptet worden ist. Es gab gewichtige Anhaltspunkte

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dafür, daß auch die württembergische Verfassung dem Landtag nur das Steuerbewilligungsrecht einräumen und ihn lediglich zur Prüfung, aber nicht zur Bewilligung des Ausgabenbudgets ermächtigen wollte. Die württembergische Regierung zog es jedoch vor, sich auf den Vorrang des Bundesrechts zu berufen, wenn ihr der Landtag die Mittel verweigerte, die sie zur Unterhaltung der Zensurbehörden, des württembergischen Kontingents zum Bundesheer und zur Erfüllung ähnlicher Bundespflichten benötigte. Damit umschiffte sie den Streit um das Ausgabebewilligungsrecht, das auch sie erst zu Beginn der 40er Jahre uneingeschränkt anerkannt hat. So ist es bis auf den heutigen Tag umstritten geblieben, ob das parlamentarische Ausgabebewilligungsrecht in Württemberg - anders als in Bayern und Baden- von Anbeginn an verfassungsrechtlich abgesichert war. Von der Unklarheit der württembergischen Verfassung in diesem wichtigen Punkt rührt im übrigen her, daß die Differenzierung zwischen den notwendigen Ausgaben, die der Landtag bewilligen mußte und den nützlichen, die er nach Gutdünken streichen oder kürzen durfte, in Württemberg entwickelt worden ist. Bei ihr hat Robert von Mohl Pate gestanden. Die von Herrn Wadle angesprochenen Zölle gehörten mit zu den Staatseinnahmen, die in das Budget eingestellt werden mußten. Sie setzten auch eine Regelung durch Gesetz, d.h. die Zustimmung des Landtags zu ihrer Erhebung voraus. Mir ist im Augenblick jedoch nicht präsent, wie die Zolltarife festgesetzt worden sind; ich vermute, daß auch dies durch förmliches Gesetz geschah. Aber ich kann nicht ausschließen, daß dafür auch Verordnungen genügten, die von der Krone einseitig in Kraft gesetzt wurden. Sicher ist jedoch, daß der Soll-Ertrag der Zölle ebenso im Budget veranschlagt werden mußte, wie ihr Ist-Ertrag in die Haushaltsrechnung der vorherigen Finanzperiode einzustellen und damit ebenfalls dem Landtag mitzuteilen war. In "Schwarze Kassen" flossen die Zölle jedenfalls nicht. Das hätten die Landtage rasch unterbunden. Denn sie wußten, daß der Staatskasse Zolleinnahmen zuflossen. Daß sie auf Heller und Pfennig genau wissen wollten, in welcher Höhe sie in der vergangenen Finanzperiode angefallen waren, und wie die Regierung ihr künftiges Aufkommen einschätzt, verstand sich daher von selbst. Hätten die Regierungen über ihre Zolleinnahmen nicht gewissenhaft abgerechnet, so hätten sie sich daher dem Vorwurf des Verfassungsbruchs ausgesetzt. Die Zölle waren im übrigen die ersten durch Gesetz regulierbaren Staatseinnahmen, an denen die Interdependenzen zwischen der Wirtschafts- und der Finanzpolitik sichtbar wurden. Man lernte schnell, daß der Ertrag der Einfuhrzölle nicht etwa stieg, sondern im Gegenteil sank, wenn man sie unbedacht erhöhte, und daß die Wirtschaft Schaden erlitt, wenn wichtige Güter wegen ihrer allzu hohen Belastung mit Einfuhrzöllen nicht mehr zu vernünftigen Preisen importiert werden konnten. Daß überhöhte Ausfuhr-

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zölledie inländische Wirtschaft ruinieren, ohne dem Staat Mehreinnahmen zu verschaffen, entdeckte man noch rascher. Es dauerte erheblich länger, bis auch erkannt wurde, daß überhöhte Gewinn-, Verbrauch- und Verkehrsteuern die Konjunktur in ähnlicher Weise negativ beeinflussen.

Aufbau und Ressourcen der deutschen Staatsverwaltung von 1930 bis 1934 Von Peter Hüttenberger, Düsseldorf I.

Johannes Popitz, Staatssekretär im Reichsfinanzministerium, schreibt 1928 im Rückblick auf die Finanzgeschichte des Deutschen Reiches in den vorangegangenen zehn Jahren, "Staats- und Finanzgeschichte verflechten sich in einem Maße, wie es in normalen Zeiten nicht der Fall ist" 1 • Er begründet dieses Urteil mit zwei Ereignissen: zum einen habe der Zusammenbruch 1918/19 nicht nur das "politische Schicksal des Volkes berührt", sondern er bedeutete auch "bei dem Staat unserer in Geldbegriffen arbeitenden Wirtschaft die völlige Zerrüttung der Finanzen" 2 und zum anderen habe mit dem Währungsverfall 1922/23 "jeder Wertmaßstab verloren zu gehen gedroht". Diese "Verflechtung" wies von Anfang an zwei ineinander verschränkte Seiten auf. Auf der einen Seite hatten die Staatsaufgaben und -Verpflichtungen im beträchtlichen Maße, vor allen Dingen aber 1918/19 schlagartig zugenommen, 1. aufgrundder unmittelbaren Kriegsfolgelasten, wie z.B. der Demobilmachung, der Umstellung der Kriegs- auf die Friedensproduktion, der Verschleuderung von Gütern in den Monaten des Umbruchs, aufgrund des Wiederaufbaues im zerstörten Ostpreußen und der Unterbringung von Vertriebenen aus Elsaß-Lothringen sowie der Entschädigung im Ausland enteigneter Personen, 2. aufgrund mittelbarer Kriegsfolgelasten, wie der Übernahme der Besatzungskosten im Westen und der Reparationen und 3. schließlich aufgrund der veränderten politisch-rechtlichen Situation, denn die insbesondere in den Gemeindevertreterversammlungen und Landtagen erstarkten linken Parteien forderten vom Staat mit Nachdruck eine Erhöhung und Ausweitung der sozialen und kulturellen Leistungen. Andererseits bemühten sich gerade aber die großen Gemeinden an die 1914 abgerissene Entwicklung des zivilisatorischen Fortschritts wieder anzuknüpfen, sich zu modernisieren, um der auf Rationalisierung bedachten Industrie günstige 1 Johannes Popitz, Die deutschen Finanzen 1918- 1928, in: Zehn Jahre deutsche Geschichte 1918- 28, 1928, S. 179. 2 Popitz errechnete eine Schuldenlast des Reiches von rund 148 Milliarden Mark, und ein Zusammenschmelzen der Golddeckung der Noten im Durchschnitt des Jahres 1918 auf 17,5 %.

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Peter Hüttenherger

Standortbedingungen anbieten zu können und Arbeitsplätze zu schaffen; die Kommunen gaben große Geldsummen in der Hoffnung aus, damit die Wirtschaft zu locken und so die sozialen Mißstände wenigstens mildern zu können. Die Kriegsfolgelasten setzten die öffentlichen Haushalte auf allen Ebenen des Staatswesens schwerem finanziellen Druck und infolgedessen auch politischen Konflikten aus: Die tendenziell progressiven Kräfte sahen in einem großzügigen Haushaltsgebaren einen Weg, gesellschaftliche Krisen zu verhindern, Republik und Gesellschaft zu versöhnen und ihre eigene verarmte, unruhige Klientel zufriedenzustellen, die Konservativen drängten dagegen auf eine sparsame Ausgabenpolitik, wie sie sagten, nach den Maßstäben der Vorkriegszeit, um 1. die Staatsverschuldung zu verringern und 2. um Mittel für den Ausbau der Modernisierung der Infrastruktur und Wirtschaft frei zu bekommen. Die Nationalversammlung warangesichtsdessen bestrebt, das Finanzwesen des Reiches grundsätzlich in Ordnung zu bringen. Sie verfolgte zum einen das Ziel, dem ordentlichen Haushalt des Reiches die laufende Dekkung zuzuführen, und zum anderen, einen großen Teil "der schwebenden Schuld durch Eingänge aus einmaligen Steuern zu erledigen" 3 . Es ging ihr nicht nur um eine formelle Ordnung des Steuerwesens in Reich, Ländern und Gemeinden, sondern auch um eine Reform der materiellen Steuergesetze, die allerdings durch die Inflation zunächst unterlaufen wurde. Die sogenannte Erzbergische Reform übertrug die Finanz- und Steuerhoheit auf das Reich; Artikel 8 der Reichsverfassung gewährte dem Reich grundsätzlich den Zugriff auf alle Steuern und schloß mit dieser Inanspruchnahme, wenn das Reich nicht selbst Abweichendes bestimmte, die Länder und die Gemeinden von den gleichen Steuerquellen aus 4 : Die Steuerpolitik lag von nun an im wesentlichen in der Hand des Reichstages und des Reichsfinanzministeriums, wobei angesichts der grassierenden, schwerwiegenden Währungsprobleme die Reichsbank eine entscheidende Rolle spielte. Damit war die Neigung verbunden, sämtliche in Deutschland bestehenden Steuern zu einem System zu vereinigen: Reichssteuern sollten durch Reichsbehörden verwaltet werden; ferner gehörte dazu die Abschaffung aller Reservate auf steuerlichen Gebieten, weiterhin die Beseitigung von Matrikularbeiträgen der Länder und Gemeinden an Reichssteuern und schließlich die Aufstellung von Normativbestimmungen für die den Ländern und Gemeinden belassenen Steuern. Die Reformer hatten somit die Einnahmeseite des Haushaltswesens der gesamten öffentlichen Hand weitgehend zentralisiert, wogegen die Ausga3 4

Popitz (FN 1), S . 186. Popitz (FN 1), S. 187.

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beseite schon aus verfassungsrechtlichen Gründen zum Teil dezentralisiert in der Verfügungsgewalt von Gemeinden und Ländern verblieb. Allerdings neigte das Reich dazu, die Gemeinde- und Länderhaushalte gut auszustatten, den Reichshaushalt dagegen knapp zu halten. Es verfolgte damit die Taktik, gegenüber den Kontrahenten im Rahmen der Reparationsverhandlungen als arm zu erscheinen, ein vordergründig durchaus verständliches Verfahren, das jedoch gerade die Gemeinden zu einem großzügigen, oft die gebotenen Grenzen der notwendigen Sparsamkeit überschreitenden Haushaltsgebaren verleitete. Später konnte das Reich nur mit Mühen und unter Anwendung verfassungsrechtlich bedenklicher Methoden diesen Hang, über die Verhältnisse zu leben, wieder korrigieren. Diese Disproportionen mußten in Krisenlagen zu schweren Spannungen im Verfassungssystem führen, denn die Gemeinden tendierten nach Beseitigung der Inflation unter dem Druck ihrer verarmten EinwohnerschaUen und ihrer Gemeindevertretungen zu einer expansiven, durch Kredite finanzierten Ausgabepolitik in der Absicht, z. B. sozialen Konflikten nach dem Muster der Erwerbslosenbewegung von 1923 vorzubeugen, die dramatische Lage auf den Wohnungsmärkten zu normalisieren und die technischen Rückstände im Straßenbau und der Gas-, Wasser- und Elektrizitätswirtschaft aufzuholen. Die Länder konnten sich dieser Politik aus wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Gründen kaum entziehen, zumal sie selbst daran interessiert waren, etwa das Verkehrswesen, Kanäle, Eisenbahnen und Straßen zu modernisieren und den durch die Gebietsverluste veränderten wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen. Im Reich setzte sich ab 1926 vor dem Hintergrund der schweren Reparationsproblematik und aufgrund von Interventionen der konservativen bürgerlichen Parteien eher die Neigung zu einem sparsamen Haushaltsgebaren durch. So entwickelte sich schon vor der großen Wirtschaftskrise von 1929 allmählich ein zunächst noch latenter, struktureller Gegensatz zwischen den Gemeinden sowie deren Interessenverbänden einerseits und dem Reichsfinanzminister sowie der Finanzverwaltung andererseits, die, gedrängt von den Banken und von auswärtigen Verhandlungspartnern, im Rahmen der Dawes- und Young-Pläne die Ausgabenfreude eindämmen wollten, ohne sich jedoch damit zunächst durchsetzen zu können, denn einen drastischen Eingriff in die Budgethoheit der Gemeinde- und Länderparlamente wagten sie nicht. Solange noch ihr Einfluß wirksam war, vermochten der Reichstag und seine links orientierten Fraktionen die restriktiven Strömungen in der Ministerialbürokratie zu konterkarieren, aber ab 1929 änderte sich die Lage: Das Reichsfinanzministerium glaubte sich gezwungen, angesichts der Notzeit die Handlungsspielräume des Reichstages einzuengen und die in der Reichsverfassung garantierten Zuständigkeiten von Ländern und Gemeinden auszuhöhlen. 8 Der Staat, Beiheft 9

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Gewöhnlich empfindet man das Jahr 1933, die Machtergreifung des Nationalsozialismus, als scharfe Zäsur in der Verfassungsentwicklung, als Jahr der Zerstörung der demokratischen Weimarer Reichsverfassung; gewiß ist dieses Urteil im Blick auf zahlreiche Felder der Politik zutreffend, aber es erhebt sich doch die Frage, ob einige der Verfassungsänderungen im Laufe des Jahres 1933 und im Winter 1933/34, so z.B. die Abschaffung der Länderparlamente und die Zerschlagung der demokratisch gewählten Gemeindevertreterversammlungen oder die sogenannte Verreichlichung der Länder, wirklich Akte spezifisch nationalsozialistischer Staats- und Verfassungspolitik waren, oder nicht doch auch Ergebnis und Endpunkt einer schon Jahre vor 1933 eingeleiteten Finanzpolitik einer nicht nur antiparlamentarisch gesinnten, sondern vor allem auch unter dem Druck der finanziellen Verhältnisse des Reiches handelnden Finanzbürokratie. Damit geht die komplementäre Frage einher, ob der Wille der Gemeindevertreterversammlungen und Länderparlamente zu einer expansiven Ausgabenpolitik 1933 abriß und ob er nicht doch einfach auf andere, neue politische Institutionen überging, die nun ihrerseits eine auf Sparsamkeit und zentralisierte Verwaltung bedachte Finanzbürokratie des Reiches bedrängten.

II.

Das Reich hatte sich auch nach der Beseitigung der Inflation fortwährend mit gewaltigen Kriegsfolgelasten, dann auch mit Inflationsfolgelasten auseinanderzusetzen. Die nationalsozialistische Propaganda - und manche Historiker folgen ihr bis heute - stellte die Reparationen als einzigen, entscheidend bedrückenden, die finanziellen Handlungsspielräume am stärksten einengenden Faktor dar; psychologisch und außenpolitisch gewiß ein besonders schweres Gepäck für die Republik, aber bei genauer Betrachtung des Jahressolles des Reichshaushaltes von 1930 sind auch andere, fast ebenso schwere Belastungen nicht zu übersehen und spielten im finanzpolitischen Kalkül fortwährend eine große Rolle. Hinzu kamen noch langfristige Reichsschulden. Dieter Hertz-Eichenrade hat in diesem Zusammenhang auf die Funktion der Wirtschaftskrise des Winters 1925/26 hingewiesen. Er konstatiert: "Begünstigt durch einen Kabinettswechsel zu Beginn des Jahres 1926 vollzog sich auf höchster Ebene der Übergang zu einer aktiven konjunkturbeeinflussenden Politik .. . Von nun an besaßen alle Regierungen, die sich künftig um den Ausgleich der wirtschaftlichen Wechsellagen bemühen würden, ein Beispiel, an dem sie sich orientieren konnten. Neben die Arbeitslosenhilfe, die öffentlichen Notstandsarbeiten und staatlichen Aufträge, die als konjunkturbeeinflussende Maßnahmen bereits eingebürgert waren, traten Steuersenkungen, Exportförderungen, Kredite für den Wohnungsbau und regionale Strukturbeihil-

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Tabelle 1 a) Reparationen: Reichshaushalt Reichsbahn

1047,90 Mio. RM 660,00 Mio. RM 1707,90 Mio. RM

b) Kriegshinterbliebene, Beschädigte c) Innere Kriegslasten Äußere Kriegslasten

1749,30 Mio.RM 364,30 Mio.RM 109,80 Mio. RM 474,10 Mio.RM

Dem standen Ausgaben für Aufgaben der Sicherheit gegenüber: a) Militär (Heer/Marine)

438,30 Mio. RM

b) Schutzpolizei (Zuschüsse zu den Personalkosten)

195,00 Mio. RM

fen 5 ." Die Steuersenkung und die Subventionierung der Arbeitsbeschaffung verursachten bis 1926 ungedeckte Ausgaben von mehr als 800 Millionen Reichsmark, die mit späteren Anleihen verrechnet werden sollten. Da es jedoch schon 1928/29 nicht gelang, genügend Anleihen hereinzubekommen, geriet der Reichshaushalt zunehmend in kaum mehr lösbar erscheinende Kalamitäten 6• Die Militärausgaben, die Steuersenkungen von 1925, Subventionen, Zuschüsse zur Arbeitslosenhilfe sowie Innere und Äußere Kriegslasten lähmten zusätzlich die Finanzpolitik des Reiches, genauer gesagt, sie zwangen das Reichsfinanzministerium zu immer schneller sich selbst überholenden Improvisationen. Das Reich schleppte 1930 Fehlbeträge mit sich, die eine antizyklische Konjunkturpolitik nicht geboten erscheinen ließen; darüber hinaus verursachte der nun einsetzende Rückgang der Steuereinnahmen weitere Schwierigkeiten. Das Reich bedurft e daher in rapide wachsendem Maße Kredite, um seine Kasse zur Bezahlung wenigstens der fälligen Gehälter und Löhne flüssig zu halten. Da indes die deutschen Banken, die sich seit der Währungsreform und der danach eintretenden Einlageverknappungen durchweg selbst in einer beengten Situation befanden, nicht stetig einspringen konnten, mußte das Reich verstärkt um Anleihen im Ausland nachsuchen. Es begab sich dadurch in eine vertiefte Abhängigkeit von der Kreditpolitik englischer und amerikanischer Kreditinstitute. Schon 1929/30 geriet das Reich in eine schier ausweglose Lage: Eine von vielen politischen Kräften geforderte Rationalisierung und Verbilligung der Ver5 Dieter Hertz-Eichenrode, Wirtschaftskrise und Arbeitsbeschaffung. Konjunkturpolitik 1925/26 und die Grundlagen der Krisenpolitik Briinings, 1982, S. 248. 6 Hertz-Eichenrade (FN 5), S . 250.

s•

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waltung zum Zweck der Etatentlastung war bislang nicht gelungen, da sie sozial kaum vertretbare Entlassungen nach sich zogen, die unumgänglichen Zuschüsse zur Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung und Arbeitsvermittlung stiegen an, die Steuer- und Zolleinnahmen gingen zurück. Daraus folgte: 1. Es gab einen weiteren 1929 im Reichshaushalt entstandenen hohen Fehlbetrag, der 1930 mitgeschleppt werden mußte. 2. Die Kassenlage verschlechterte sich von Monat zu Monat und 3. schrumpften die Spielräume des außerordentlichen Reichshaushalts; gewisse Reserven bildeten lediglich noch die Vorzugsaktien der Reichsbahn, die das Reich zur Not verkaufen konnte. Das Reich war somit gezwungen, entweder die Steuern zu erhöhen, die es 1925 mühsam gesenkt hatte, oder rasch Noteinsparungen vorzunehmen und die akuten Steuerausfälle sowie die Fehlbeträge in der Kasse durch Anleihen vorübergehend auszugleichen. Da drastische Steuererhöhungen aus konjunkturellen Gründen nicht opportun erschienen, aber auch politisch kaum durchzusetzen waren, beschritten Reichsfinanzminister Rudolf Hilferding und sein Staatssekretär Popitz im Dezember 1929 den Weg der verstärken Anleiheaufnahme und der Propagierung von Einsparungen; immerhin waren Anleihen fast nur noch bei Nachweis von Einsparungen zu bekommen. Ein Versuch, z.B. über die Reichsbank einen dringend benötigten Schatzanweisungskredit zu erhalten, endete damit, daß der Reichsfinanzminister dem Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht ein Schuldentilgungsgesetz zusagen mußte, eine peinliche Niederlage der Reichsregierung7. Schacht stellt diesen Vorgang in seinen Erinnerungen folgendermaßen dar: "Leider war die Reichskasse durch die verschwenderische Finanzpolitik so erschöpft, daß im Laufe des Dezembers die Gefahr auftauchte, daß die Beamtengehälter nicht mehr gezahlt werden konnten. Wiederum, ohne eine Mitteilung zu machen, verhandelte Hilferding mit einem amerikanischen Bankenkonsortium wegen eines zu gewährenden kurzfristigen Kredits. Dieamerikanische Firma aber hielt es im Laufe der Verhandlungen für notwendig, bei der Reichsbank anzufragen, ob sie mit der Gewährung eines solchen Kredits einverstanden sei, was die Reichsbank verneinte. Rechtzeitig mit der Mitteilung über diese Haltung der Reichsbank benachrichtigte ich den Finanzminister Hilferding, daß ich nicht die Absicht hätte, ihn im Stich zu lassen, sondern bereit wäre, einen deutschen Bankkredit von einigen hundert Millionen zu befürworten, wenn durch ein entsprechendes Gesetz die Rückzahlung des Kredits in drei gleichen aufeinanderfolgenden Jahresraten durch den Reichstag beschlossen würde und wenn die Regierung an der beabsichtigten Finanzreform festhielte." Der Kanzler nahm diese Bedingungen widerwillig an, die Parteien der Linken im Reichstag waren über diese "Erpressung" empörte. Daneben mußte der Reichsfinanz7 Hertz-Eichenrade (FN 5), S. 243. s Hjalmar S chacht, 76 J ahre meines Lebens, 1953, S. 323.

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minister eine politisch ebenfalls höchst umstrittene Anleihe bei dem schwedischen Industriellen Ivar Kreuger in der Hoffnung beschaffen, die künftige Kassenlage werde keine weiteren Verbindlichkeiten notwendig machen und er werde die vorhandenen Schulden verringern können. Allerdings sah er sich aufgrundder immer instabiler werdenden Kassenlage schon im Frühsommer 1930- Brüning regierte seit März 1930- erneut gezwungen, eine Großanleihe aufzunehmen, wollte er nicht bei den bürgerlichen Parteien kaum durchsetzbare Steuererhöhungen fordern. In dieser Situation führte der Staatssekretär im Reichsfinanzministerium Hans Schäffer, Popitz' Nachfolger, mit dem stellvertretenden Reichsbankpräsidenten Dreyse eingehende Gespräche über die Finanzlage des Reiches. Der Reichsbankpräsident hatte nämlich den Reichsfinanzminister wissen lassen, er könne einen weiteren Kredit erst dann zustande bringen, wenn der Etat in der Banköffentlichkeit als ausgeglichen gelte. Da der Reichsfinanzminister jedoch beabsichtige, Rückzahlungen an sich schwebender Schulden erst vom Februar 1931 an vorzunehmen, sei zu erwarten, daß eine nun geplante Anleihe nicht im Rechnungsjahr 1932 zurückgezahlt werden könne. Daraus entnehme der Reichsbankpräsident, daß der Reichshaushalt künftig nicht gedeckt sein werde. Aber nur ein gedeckter Haushalt gewährleiste prompte Rückzahlungen. So entstehe die Gefahr, daß das Reich kreditunwürdig werde9. Dennoch kam Ende Juni noch einmal ein Konsortial-Überbrückungskredit deutscher Banken über 125 Millionen Reichsmark zustande, der jedoch nur einen Tropfen auf den heißen Stein darstellte. Nun geriet der Reichsfinanzminister von verschiedenen Seiten her, wohlgemerkt vor der desaströsen Reichstagswahl im September 1930, finanzpolitisch in eine schwierige Lage. Die Wallstreet ließ wissen, sie gewähre nur noch dann Anleihen, wenn das Reich radikal den Staatsapparat einschränke und Soziallasten abwerfe. Dieser Auffassung schlossen sich die bürgerlichen Parteien und die Industrie- und Handelskammern an. Großbanken warnten vor einem "Ausräumen" des Geldmarktes durch den Staat. Die Notverordnungaufgrund Art. 48 RV vom 16. Juli 1930 war somit nicht nur der Ausdruck eines theoretisch oder ideologisch begründeten Willens zur Sparsamkeit, sondern vor allem auch eine Reaktion auf diese Pressionen, die das Reich illiquide zu machen drohten. Der Reichsfinanzminister stand vor der Frage, wie er weiter verfahren sollte. Schäffer unterschied zwei verschiedene, inhaltlich jedoch eng miteinander verzahnte Probleme: 1. die Wiederherstellung des langfristigen Kredits und 2. die dringende Beschaffung von Geldern zur Deckung der Kasse für das laufende Haushaltsjahr. Improvisierte Maßnahmen zur Deckung unmittelbarer, rechtlich verbindlicher Ausgaben behinderten grundlegend die Kreditwürdigkeit des Reiches. Der Staatssekretär war indes überzeugt, daß eine rigide Haushaltspolitik im Sinne der Banken und Industrien nur 9

Vermerk Juni 1930, BA R2-3782.

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durchsetzbar wäre, wenn kurzfristig Mittel aufzutreiben seien, so befand er sich in einem Dilemma. Er sah zwei mögliche Auswege: zum einen die allmähliche Ausgabe von Reichspapieren in Augenblicken, in denen das Publikum liquide erscheine und nach Anlagemöglichkeiten suche. Diesen Weg hielt er allerdings für sehr riskant, da die Reichstagswahlen im September eine unübersichtliche Lage schaffen könnten, und Mißerfolge dürfe sich das Reich nicht mehr leisten; er schätzte das Vertrauen potentieller Anleger in die Reichsfinanzen als nicht mehr hoch ein. So hielt er den zweiten Weg, eine Konvertierung, d. h. zu einem späteren Zeitpunkt, wenn keine allzu gravierenden, allgemeinen Finanz- und Wirtschaftsprobleme mehr vorlägen, mit einer Anleihe hervorzutreten, die einen größeren Umfang haben könne, für richtiger, da dieses Verfahren dem Reich den Zeitpunkt überlasse und den bestehenden schlechten Eindruck der Verquickung von einzelnen Tilgungsraten und Neuemissionen vermeide 10 • Schäffer hegte also noch einigen Optimismus. Er wollte aber vor allem verhindern, daß Kreditgeber und -beschaffer, ähnlich wie vor einigen Monaten Schacht, das Reich unter Druck setzen könnten. Er bat zudem den Arbeitsminister Adam Stegerwald, dieser möge die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte beeinflussen, bei der Abnahme von Reichsbahnvorzugsaktien behilflich zu sein. Offensichtlich suchte er für seine Absichten die Unterstützung bei dem Reich nahestehenden Institutionen. Gleichzeitig erwogen er und auch Stegerwald die Beiträge der Arbeitslosenversicherung auf 5,5% oder gar 6% zu erhöhen. Beide Politiker sahen voraus, daß künftig nicht nur die Arbeitslosenversicherung einen Mehrbedarf an Mitteln benötige, sondern auch die Krisenfürsorge, deren Berechtigtenkreis sich inzwischen erheblich ausgedehnt· hatte. Die Anspruchszeiten der Arbeitslosenversicherung waren aus Ersparnisgründen verkürzt worden, daher mußten immer rascher und mehr Arbeitslose in die Krisenfürsorge absteigen. Dieses Manöver sollte den Reichshaushalt kurzfristig entlasten, zumindest den Zuschußbedarf an die Arbeitslosenversicherung stagnieren lassen, und so ein Zeichen setzen, daß das Reich Soziallasten abzuwerfen gedenke und daher die Kreditwürdigkeit anstrebe. Am 12. September, kurz vor der Reichstagswahl, trafen sich Schäffer und Reichsbankpräsident Hans Luther erneut zur Besprechung der Lage. Luther ging bei dieser Unterredung davon aus, daß der Trend auf der Einnahmenseite des Reichshaushaltes weiter abwärts gerichtet sei. Schäffer meinte, eine Erschließung von neuen Einkünften über die Verbrauchssteuern sei unumgänglich; an die Einkommens-, Umsatz- und Körperschaftssteuern sei aus politischen Gründen allerdings nicht zu denken. Luther meinte dazu, man solle in die Kreditverträge des Reiches die Verpflichtung, "neue Steuern hineinzunehmen", hineinschreiben. Er gedachte so politische Widerstände im Reichstag gegen Steuererhöhungen zu überspielen, ja gar zu bre10

Vermerk des Reichsfinanzministers (RFM) 9. 9. 1930, BA R2-3782 .

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chen. Schäffer hatte dagegen Bedenken. Er nannte solche Abmachungen "Kreditverträge des Balkans" und er könne den Reichstag gegenüber den Banken nicht zum Erlaß von Gesetzen verpflichten. Er beurteilte, anders ausgedrückt, den Vorschlag des Reichsbankpräsidenten, das Parlament möglichen Pressionen mittels Verträgen mit Banken, womöglich ausländischen Banken, auszusetzen, als verfassungswidrig. Es wäre indes wohl absurd anzunehmen, daß Luther das Reich den Banken ausliefern wollte mit welchem Sinn auch?-, aber der Vorschlag zeigt doch, daß es sich tatsächlich schon in der Zone der Abhängigkeit von den Banken bewegte; mit dem Reichshaushalt war es doch schon so weit gekommen, daß der Reichsbankpräsident ernsthaft überlegte, zur Beschaffung neuer Mittel, die Legislative und die darin vertretenen, im Interesse ihrer Wählerklientel sich gegen Steuererhöhungen sträubenden Parteien aushebein zu sollen. Andererseits aber deutet Luther auch an, man könne ja vorsichtig von der bisher primär angebots-, industriefreundlichen Wirtschafts- und Finanzpolitik abrücken und zu einer nachfrageorientierten, eher den Gewerkschaften entgegenkommenden Politik übergehen. Er meinte, man dürfe die Wirtschaftsentwicklung nicht nur "unter rationellster Beschränkung der Kapitalbildung auf die produzierenden Unternehmen durchführen, sondern man müsse auch der Arbeiterbevölkerung einen Anteil an dem wieder zu bildenden Wohlstand gewähren". Hinter dieser so sozial anmutenden Äußerung verbarg sich wohl auch der Gedanke, daß eine nachfrageorientierte Politik, die Bereitschaft der linken Parteien fördere, Verbrauchssteuererhöhungen durchgehen zu lassenll. Die beiden Gesprächspartner faßten nach einem schwankenden Hin und Her über die Grundsätze einer künftigen Finanzpolitik folgende Maßnahmen ins Auge: 1. Erhöhung der Tabaksteuer, von der zu erwarten sei, daß sie rasche Erträge bringe, sowie der Biersteuer, die demgegenüber langsamer reagiere, da der Konsum sich erfahrungsgemäß an eine Erhöhung erst allmählich gewöhnen müsse. 2. Deckung der Arbeitslosenversicherung nicht nur durch Reichszuschüsse, sondern auch durch Beiträge von Beamten und Angestellten. 3. Einsparungen im Personaletat des Reiches und, 4. um die Zwischenzeit zu überstehen, in der diese Vorhaben erst wirksam werden würden, die Durchsetzung einer schon in die Wege geleiteten Anleihe beim Bankhaus Lee, Rigginsan und Co., New York, als Überbrückungskredit, der durch Vermittlung der Amsterdamer Bank Löb und Paul Kempner zustandekommen sollte, eine Vermittlertätigkeit, die übrigens heftige antisemitische Ausfälle auf Seiten der nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten Joseph Goebbels und Gottfried Feder nach sich zog. Geld gegen Schatzanweisungen des Reiches galt als nicht mehr beschaffbar12 . 11

12

Vermerk des RFM 12. 9.1930, BA R2-3782. Vermerk des RFM 24. 9. 1930, BA R2-31782.

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Das Finanzwesen des Reiches hatte sich also schon vor der Reichstagswahl vom 14. September 1930 das schlechte Renommee der Kreditunwürdigkeit eingehandelt, ein Ruf, der Anleger veranlaßte, sobald als rechtlich möglich, ihre Kredite zurückzuziehen und weitere wenn überhaupt nur noch äußerst vorsichtig und mit hohen Kautelen versehen zu vergeben. Der überraschende Erfolg der NSDAP bei den Wahlen und die daraus resultierenden Zweifel über die künftige Stabilität der politischen Verhältnisse im Reich hatten offensichtlich ein schon längst vorhandenes Mißtrauen von Geldgebern nur noch vertieft. Ende September 1930, die neue Reichsregierung hatte sich noch nicht konstituiert, die allgemeine Lage war höchst labil, lagen im Reichsfinanzministerium besorgniserregende Einschätzungen zur Finanzierung des Reichshaushalts vor: zum einen erfordere die Reichsarbeitslosenversicherung, so meinte man, im laufenden Haushaltsjahr einen Mehrbedarf von 300 Mio. RM, die Steuerausfälle betrügen hingegen 600 Mio. RM; ein möglicher Fehlbetrag von 900 Mio. RM schien realistisch. Für das Haushaltsjahr 1931 ging das Reichsfinanzministerium von einem weiteren Einnahmenausfall von 1158 Mio. RM und einem Deckungsdefizit des Reiches von 420 Mio. RM aus. Das Reichsfinanzministerium glaubte 1010 Mio. wegkürzen zu können, so daß es mit einem Gesamtdefizit von 586 Mio. RM rechnete. Der Kassenbedarf bis Ultimo März '31 betrug dabei 900 Mio. RM13. Der Reichsfinanzminister hoffte das zu erwartende Defizit auf dem Kreditwege bewältigen zu können. Er legte dazu ein Gesetz vor, wonach der Reichsfinanzminister pauschal ermächtigt werden sollte, eine Summe von 500 Mio. RM durch Kreditverträge zu beschaffen. Man war sich dabei durchaus im klaren darüber, daß man dann, wenn man den ordentlichen Reichshaushalt mittels Überbrückungskrediten für die Kasse teilfinanzieren und Reichsbank sowie Reichsfinanzministerium dafür unkontrolliert Anleihen aushandeln ließe, allmählich das Budgetrecht der Legislative aushöhlte. Es sieht aber so aus, als hätten die Parteien mit ihren hartnäckigen, gerade in dieser Situation problematischen Weigerungen, Erhöhungen der großen Einkommen-, Körperschafts- und Vermögenssteuern zuzustimmen, das Reichsfinanzministerium zu dieser Politik der Ausweglosigkeit getrieben, zumal eine strenge Sparpolitik kurzfristig nicht die rapide ansteigenden Ausnahmefälle und die akuten Zwänge zur Ausgabenverminderung etwa für die Arbeitslosenversicherung auszugleichen vermochte. Die dramatische Entwicklung der Finanzen ließ alsbald ältere Berechnungen unzutreffend erscheinen und entzog allen längerfristigen Vorausschätzungen den Boden. Sie höhlte bisher angestellte Überlegungen, wie die Lage in den Griff zu bekommen sei, aus; ja, im Dezember 1930 stellte sich 13

Vermerk des RFM 28. 9. 1930, BA R2-3782.

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die Situation folgendermaßen dar: Der Fehlbetrag am Ende des Haushaltsjahres 1929, am 31. März 1930, belief sich auf 465 Mio. RM, wovon 154,4 Mio. noch aus dem Jahr 1928 stammten. Die Ist-Einnahmen vom 1. April1930 bis 30. November 1930 an 1. Steuern, Zöllen, Abgaben, Verzinsungen von Reichsbahnaktien, 2. an Zuschüssen aus dem Verkauf von Vorzugsaktien der Reichsbahn, 3. an Überschüssen der Reichspost, 4. an Münzprägungen, 5. aus der Reparationssteuer und 6. aus Verwaltungseinnahmen der verschiedenen Ressorts betrugen 7061 Mio. RM, die des Monats Dezember 1930 650,6 Mio. RM bei einem Jahressoll von 11632 Mio. RM. Dem standen beträchtliche und kaum überschaubare Ausgaben gegenüber. 1. Das Reich hatte bis 31. 12. 1930 den Ländern 2368,4 Mio. RM von dem jenen zustehenden Anteil aus der Einkommens-, Körperschafts-, Umsatz-, Grunderwerbsund Kraftfahrzeugsteuer zu überweisen, wovon ein erheblicher Teil noch ausstand. 2. Die Bezüge der Reichsbediensteten, der Kriegsbeschädigten, die Ruhegehälter und Pensionen beliefen sich auf 2607,6 Mio. RM, wovon erst 2097 Mio. RM ausgezahlt waren. 3. An inneren und äußeren Kriegslasten sowie Reparationen standen 2182,0 Mio. RM an, davon waren 1355,1 Mio. RM erbracht. 4. Das Reich war verpflichtet, 601,2 Mio. RM Zuschüsse zu den Alters- und Sozialversicherungen abzuführen, ein Beitrag, der gegenüber dem Vorjahr inzwischen reduziert war. 5. Die Unterstützung für die Arbeitslosen setzte sich aus verschiedenen Posten zusammen: a) Zahlungen an die Reichsanstalt für Arbeitslose und Arbeitsvermittlung b) Krisenunterstützung c) Wertschaffende Arbeitslosenfürsorge d) Notstock für die Reichsanstalt

11,0 Mio. RM 300,0 Mio. RM 46,4 Mio. RM 50,0 Mio. RM

e) Reichszuschuß für die Reichsanstalt

184,0 Mio. RM

f) Darlehen für die Reichsanstalt

140,0 Mio. RM

insgesamt also 731,4 Mio. RM. Davon waren Ende Dezember 1930 schon 702 Mio. RM ausgegeben, aber ein weiterer unvorhergesehener Bedarf war zu erwarten. 6. Die zu entrichtenden Reichsschulden lagen bei 890 Mio. RM, wovon immerhin 838,8 Mio. RM beglichen waren; das Reich achtete sorgsam auf möglichst pünktliche Zahlungen, um seine angeschlagene Kreditwürdigkeit nicht gänzlich zu ruinieren. 7. Zuschüsse des Reiches an die Länder für die Schutzpolizei

195,0 Mio. RM.

8. Schließlich benötigten die Reichsressorts für sachliche Ausgaben 9642 Mio. RM, darin die großen Blöcke der Ausgaben für Heer und Marine (438,3 Mio. RM).

Insgesamt hatte das Reich bis Ende 1930 7576 Mio. RM ausgegeben, für Dezember kamen 1003,0 Mio. RM hinzu, 8579,4 Mio. RM bei einem Soll für das laufende Rechnungsjahr von 11697,3 Mio. RM. Der Reichsfinanzminister berechnete nun die Mehrausgaben auf 865,7 Mio. RM.

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Daneben gab es den außerordentlichen Haushalt. Seine Einnahmen sollten für 1930 1339,0 Mio. RM betragen. Sie beliefen sich, bis Ende Dezember 1930 auf nur 725,8 Mio. RM. Das Reich entschloß sich, davon lediglich 567,3 Mio. RM tatsächlich auszugeben, es hatte bis dahin mit 265 Mio. RM höchst sparsam gewirtschaftet. Aber, und hier lagen die tieferen Probleme: Die Gesamtschuld des Reiches hatte bis Dezember 1930 die stolze Summe von 7665,5 Mio. Inlands- und 2839,8 Mio. Auslandsschulden erreicht, wovon 1735,0 Mio. sogenannte schwebende Schulden waren, die bald beglichen werden mußten14. Das Reich benötigte also sowohl Mittel, um die demnächst anstehenden Schulden abzuzahlen, als auch um unvorhergesehene Mehrausgaben aufzufangen. Angesichts dieser quälenden Situation zum Jahresende 1930 kamen innerhalb der Reichsfinanzbürokratie, aber auch innerhalb der Länder, tiefe Zweifel über die Funktionstüchtigkeit, die Fähigkeit zur Selbstdisziplin, Selbstbescheidung und Sparsamkeit des Reichstages, der Landtage und der Gemeindevertreterversammlungen auf; die Überzeugung setzte sich durch, daß das Reichsfinanzministerium stärker als bisher auch die Ausgabenseite der öffentlichen Haushalte unter Kontrolle nehmen müßte. Der Reichsrat zum Beispiel hatte sich schon im März 1930 darüber beklagt, daß der Reichstag Beschlüsse fasse, die zu über- oder außerplanmäßigen Ausgaben führten; er wollte zumindest gefragt werdenls. Der Reichsfinanzminister stimmte mit diesem Ansinnen überein, zumal die Industrie und die bürgerlichen Parteien im Reichstag weiterhin drängten, den Aufwand für soziale Zwecke zu senken und die Zuschüsse für die Arbeitslosenversicherung neu zu regeln und so den Reichshaushalt zu entlasten; gerade aufgrund des bislang üblichen Zuschusses sei eben das Budget nicht zu sanierenls.

m. Angesichts der seit Sommer 1930 herrschenden Finanznot und der höchst pessimistischen Prognosen, griff der Reichsfinanzminister zwar zunehmend auf Artikel 48 RV zurück, bemühte sich aber weiterhin mit bisherigen finanz- und verwaltungsrechtlich eingespielten Usancen, drastische, auch schmerzhafte Einsparungen zu erzielen. Als besondere Bürde galt seit zwei Jahren die Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung und Arbeitsvermittlung. Die Reichsanstalt war seit Januar 1929 Schuldnerirr des Reiches; Mitte 1929 hatte sich die Schuld auf eine Viertelmilliarde erhöht. Das Reich war einerseits bestrebt gewesen, dieser 14 15 16

Monatsausweis für Dez. 1930, BA R2-13398. Vermerk des RFM vom 10. 3.1930, BA R2-13447. Korrespondenz des RFM, BA R2-13375.

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wachsenden Verschuldung auf dem Wege der Gesetzgebung17 durch Rationalisierung der Anstaltsverwaltung und befristete Erhöhung der Beiträge Einhalt zu gebieten, aber beide Maßnahmen hatten nicht ausgereicht, die Deckung der Fehlbeträge zu gewährleisten, so daß neue hohe Forderungen an den Reichshaushalt für 1931 in Aussicht standen. Selbst bei einem auf der noch recht günstigen Grundlage der Jahre 1926- 1928 errechneten, nur durchschnittlichen Anstieg der Zahl der Hauptunterstützungsempfänger befürchtete der Reichsfinanzminister für 1930 bei 1,2 Mio. Berechtigten Einnahmen in Höhe von 922 Mio. RM und Ausgaben in Höhe von 1243 Mio. RM, somit einen möglichen Fehlbetrag von 324 Mio. RM; bei der rapiden Zunahme der Arbeitslosen stand indes für 1931 weitaus Schlimmeres bevor. Der Reichsfinanzminister schlug daher vor, die Beiträge nur leicht zu erhöhen, nicht wie ursprünglich erwogen auf 5 V2 bis 6 %, zudem einen Reservefond zu bilden, auf den die Reichsanstalt bei einem sprunghaften Anstieg von Ausgaben notfalls kurzfristig zurückgreifen sollte, ohne den Reichshaushalt unmittelbar in Anspruch zu nehmen, und schließlich eine Erweiterung der Kompetenzen des Vorstands der Reichsanstalt, um die Einflüsse von Interessenvertretern in deren Umfeld einzudämmen. Er glaubte, so 600 Mio. RM einzusparen und darauf die Argumentation für eine versprochene, konjunkturförderliche Senkung der Einkommens- und Gewerbesteuer aufzubauen1s. Der Reichsrat reagierte jedoch skeptisch, er nahm diesen Vorstoß lediglich zur Kenntnis. Die Beiträge für die Reichsanstalt mußten dann doch auf 6 112% erhöht werden; damit wurde die Bürde der Versorgung der Arbeitslosen der abnehmenden Zahl der Arbeitenden aufgelastet, ja der Reichsfinanzminister plante für 1931, die Reichsanstalt gänzlich vom Reichshaushalt abzukoppeln, sie weitgehend sich selbst zu überlassen und nur noch Zuschüsse für die Krisenfürsorge zu bezahlen. Darüber hinaus entwarfen ab Mitte September 1930 infolge der Gespräche zwischen Staatssekretär Schäffer und Reichsbankpräsident der Reichsfinanzminister und der Reichsinnenminister ein für das Reich drastisches Sparprogramm: 1. Umgestaltung der Bauzuschußwirtschaft, 2. Vereinfachung der Verwaltung, 3. einschneidende Sparmaßnahmen durch Gehaltskürzungen für Beamte, Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, ferner Einschränkungen des Personalbestandes, allgemeine Ausgabenbegrenzung für Reich, Länder und Gemeinden und 4. schließlich Zuschläge zur Einkommenssteuer für Ledige sowie Senkung der Realsteuer bei Vereinfachung des Steuerwesens im Rahmen der Vermögens- und Umsatzsteuer und eine Mäßigung der Grundsteuer in der Landwirtschaft. 17

18

Gesetz vom 12.10. 1929, RG Bl I, S. 153, und vom 22.12.1929, RG Bl I, S. 244. Gesetzentwurf April1930, BA R2-13 357.

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Reichskanzler Brüning griff dieses Programm im Oktober 1930 auf und begründete es vor dem Reichsrat mit Hinweisen auf die gerade erlebten Rückschläge in der Anleihepolitik des Reiches. Er führte die schlechte Entwicklung der Finanzen auf eine herrschende Vertrauenskrise zurück, ja auf Resignation, ein verdeckter Hinweis auf die Kreditunwürdigkeit des Reiches, aber er wollte auch Hoffnungen machen, die Industrie werde wieder Aufträge annehmen und investieren, wenn sie sicher sein könnte, daß ein die öffentlichen Haushalte stabilisierendes Wirtschafts- und Finanzprogramm der Reichsregierung in kurzer Zeit verwirklicht werde. Brüning vertrat hier Positionen, die Finanzbürokratie, Reichsbank, Industrie und ausländische Banken schon seit Monaten einnahmen19 • Es ging hierbei weniger um ideologische oder wirtschaftstheoretische Motive als um die Fragen der Kreditwürdigkeit des Reiches und der Funktionsfähigkeit der Geldmärkte. Die Notverordnungen vom 1. Dezember 1930 sollten tatsächlich diese Politik der oberen Begrenzung des Reichshaushalts, der Senkung der Personalausgaben und der Anhebung umstrittener neuer Steuern realisieren. Bald darauf errechnete jedoch der Reichsfinanzminister aufgrundneuer Schätzungen der Einnahmen für 1931 einen zu erwartenden Fehlbetrag von rund 900 Mio. RM, und trotz aller Bemühungen, die Reichsanstalt vom Reichshaushalt abzukoppeln, befürchtete er, 200 Mio. RM zur Arbeitslosenversicherung zuschießen zu müssen. Hinzu kamen noch 255 Mio. RM für die Länder und 125 Mio. RM für die Knappschaftsinvalidenversicherung. Schließlich bedrängten das Reich die nun anfallenden Zinsen und Tilgungen für die Kreuger-Anleihe, den Schacht- und weitere Bankkredite20 • Die Einnahmeausfälle rührten aus einem deutlichen Rückgang der Lohn(173 Mio. RM), der veranlagten Einkommen- (113 Mio. RM) und der Umsatz(125 Mio. RM) steuersowie ferner der Zölle (108 Mio. RM). Die Verbrauchssteuern brachten ebenfalls nichts ein, der Bier- und Schnapskonsum war rapide zurückgegangen- die Verarmung der Bevölkerung verursachte keineswegs einen zunehmenden Alkoholismus. Der Reichsfinanzminister schätzte bald darauf, Januar 1931, den Anstieg der Fehlbeträge auf rund 1000 Mio. RM im Ordinarium und 300 Mio. RM im Extraordinarium ein. Er kam zur künftigen Sicherung der Kasse nicht umhin, die Fehlbeträge wenigstens teilweise durch weitere Kredite zu dekken. Er dachte an Reichsschatzwechsel, Betriebskredite der Reichsbank und Überbrückungskredite. Er wollte bei der Beschaffung von Geldern auf die Hilfe reichseigener oder vom Reich abhängiger Institutionen zurückgreifen, um nicht erneut von Banken unter Druck gesetzt zu werden, und um jede Initiative zu unterlassen, welche die durch die Septemberwahlen angeschla19 Protokoll der Reichsratsitzung vom 4. 11. 1930, BA R2-13335. zo Pr otokoll der Reichsr atsitzung vom 4. 11. 1930, BA R2-13375; Sitzung des Reichshaushaltsausschusses, 14.1. 1931, BA R2-13375.

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geneKreditwürdigkeitweiter zu verschlechtern drohte. Nur so glaubte er, das tiefe Mißtrauen vor allem der auswärtigen Verhandlungspartner abbauen zu können. In der Tat stand die Reichsregierung vor der Alternative, entweder durch eine vorsichtige, berechenbare Finanzpolitik das Vertrauen der Nachbarstaaten und vor allem der USA in das Reich allmählich wiederzugewinnen oder das Risiko einzugehen, durch eine rücksichtslose Finanzpolitik in kurzfristigem Nationalinteresse das schon unterminierte Vertrauen endgültig zu verspielen; langfristig gesehen, erschien bei der offensichtlichen politischen Schwäche des Reiches die Politik der Vertrauensbildungklüger als die eines waghalsigen, verschlagenen Vorgehens, das auf Dauer zur Isolierung führen mußte. Aber die Reichsregierung besaß kaum Zeit, um sorgsam die Konsequenzen der beiden Alternativen zu überprüfen; das Reich war in schlimmer Bedrängnis. Der Reichsfinanzminister dachte nun daran, Steuerüberweisungen an die Länder zu verschleppen, womit er sich nicht ganz zu Unrecht den Vorwurf einhandelte, er wolle den Föderalismus zerstören. Er bemühte sich zudem, nicht nur kurzfristig anfallende Reparationsleistungen über 1818 Mio. RM auf 1794 Mio. RM herabzumindern, sondern auch die inneren Kriegslasten stark zu verringern, eine Maßnahme, die chauvinistische Strömungen in der Bevölkerung belebte, die der NSDAP zugute kamen, und zudem insbesondere Polen- und ElsaßLothringen-Flüchtlinge hart traf. Er vermochte zwar Einsparungen im Beamtenapparat vorzunehmen, -von 854 Mio. RM auf 795 Mio. RM -, aber an eine Senkung der schon früher reduzierten, dennoch gewaltigen Summe der Kriegsbeschädigtenversorgung - hier traten lediglich natürliche Abgänge ein- sowie der Sozialhilfen, von 1931 1647 Mio. RM, war nach allen Berechnungenangesichts des rückläufigen Beitragsaufkommens kaum zu denken. Arbeitslosen I Krisenfürsorge: Tabelle 2 1930 Mio. RM

1931 Mio. RM

Zuschüsse zur Reichsanstalt

685

420

Zuschüsse zur Invalidenversicherung

219

236

Zuschüsse zur Invalidenversicherung

21

20

Zuschüsse zur Knappschaftsfürsorge

125

6

Wertschaffende Arbeitslosenfürsorge

45

45

Kleinrentnerfürsorge

35

35

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Peter Hüttenherger

Angesichts dessen mußte der Reichsfinanzminister nun auch die Ausgaben für die normale Staatstätigkeit, Armee (424 Mio. RM), Infrastrukturmaßnahmen (1930 137, 1931 126 Mio. RM), Auswärtiges und Kultur (1930 286, 1931 222 Mio. RM), Finanzverwaltung (1930 94, 1931 77 Mio. RM), stagnieren lassen oder gar zurücknehmen, er engte somit den Vollzug der Staatsausgaben zugunsten der Sicherung der Soziallasten ein21. Die mit diesen Einschränkungen notwendig verbundenen vielfältigen, oft aufgrund fehlender Quellen kaum nachvollziehbaren Konflikte zwischen der Reichsbürokratie und den Parteien sowie den Parlamenten belebten auf seiten der hohen Beamtenschaft des Reichsfinanzministeriums ein schon lange angelegtes Mißtrauen gegenüber der Bereitschaft des Reichstages zur Sparsamkeit. Der Reichsfinanzminister ging daher ab Januar 1931 zu der Praxis über, Finanzvorlagen von Fraktionen und anderen Ressorts ohne Beratung im Plenum unmittelbar dem Reichshaushaltsausschuß zuzuleiten und Anträge von Mitgliedern des Reichstages, die "eine Finanzvorlage darstellen und eine Ausgabenerhöhung oder eine Einnahmesenkung zur Folge haben können", nur zu beraten, wenn damit ein Ausgleichsantrag zur Dekkung verbunden war und auch nur dann, wenn die Reichsregierung mit der Schätzung des Deckungsvorschlages einverstanden sei. Der Reichsfinanzminister wollte offensichtlich auf diese Weise nicht nur den Willen der Parlamentarier, Geld auszugeben, eindämmen, sondern auch das Ausgabegebaren des Reichstages insgesamt in die Hand bekommen. Damit suchte er auf dem Feld der Ausgabenpolitik die Möglichkeit der Initiative weg von der Legislative hin zur Exekutive zu verschieben22 und von den übrigen ReichsRessorts in seine Zuständigkeit zu verlagern. Der liberale Reichsfinanzminister Hermann Dietrich warf in diesen Zusammenhängen das bittere, verächtliche Wort von den Parteien als "Interessenhaufen" in eine heftige Reichstagsdebatte und schreckte auch nicht vor dem Vorwurf zurück, sein Ressort schwinge sich zum "Überministerium" auf, das den anderen seinen Willen aufzwänge. Der Reichstag schwächte sich also nicht nur selbst durch interne, politische und ideologische Gegensätze und die Immobilitäten der Fraktionen, sondern die Exekutive, zumal der Reichsfinanzminister und mit ihm der Reichsinnenminister, nutzten die Notlage des Reichs sowie das höchst wirksame Argument der Notwendigkeit der Wiederherstellung von Kreditwürdigkeit, um die Handlungsspielräume des Parlaments auf einem formaladministrativen Verfahrenswege einzuschränken. Zwei merkwürdig widersprüchliche, verfassungsrechtlich Zerstörerische Vorgänge begannen sich gleichsam zu kreuzen: Einerseits litt ein großer 21 22

Protokoll der Sitzung des Reichshaushaltsausschusses 14. 1.1931, BA R2-13375. Vermerk des Reichsfinanzministers, 15. 1. 1931, BA R2-13375.

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Teil der staatlichen Ressorts an gravierenden Lähmungserscheinungen, weil ihnen die nötigen Finanzmittel fehlten und sie unter einer harten Kontrolle des Reichsfinanzministeriums standen, andererseits zentrierte sich die Finanzpolitik, ein Kernstück aller Staatstätigkeit, immer mehr beim Reichsfinanzminister, der sich als Hüter des gesamten Staatswesens verstand; ein schmaler Teil der Exekutive gewann somit bei gleichzeitigem allgemeinen Verlust von Handlungsspielräumen an Macht -ein Phänomen, das im Rahmen schwerer politischer Krisen häufig, so z. B. auch in den letzten Jahren des Dritten Reiches, zu beobachten ist: Das nationalsozialistische Regime begann zu zerfallen und dennoch konnten Teile davon, hier sicherheitspolitisch bedingt, Polizei, SD, SS, ihre Macht nicht nur steigern, sondern auch bis zum Ende wahren. 1931 kam ein weiteres Problem hinzu: Der Reichsfinanzminister hatte sich bis dahin um das Haushaltsgebaren der Gemeinden, insbesondere deren Anleihe- und Ausgabepolitik, nur gelegentlich, z. B. im Rahmen von Anträgen auf die Hereinnahme von Krediten aus dem Ausland gekümmert; die Gemeinden, zumal die Großstädte, hatten ihrerseits 1924 wiederholt hohe Anleihen aufgenommen, um ihre zusammengebrochenen Wohnungsmärkte, die verrotteten Versorgungseinrichtungen wiederherzustellen und ihr angeschlagenes Prestige zu verbessern. Besonders eifrig auf diesem Feld waren z.B. Städte wie Köln, Düsseldorf, Essen und Duisburg, Nachbarstädte, die sich schon seit dem 19. Jh. als Konkurrenten empfanden und die überdies aufgrundder belgischen, britischen oder französischen Besatzung bis 1923 bzw. bis 1925 erhebliche Rückschläge hatten hinnehmen müssen. Die Ausgabenpolitik der Großstädte war aus wirtschafts- und sozialpolitischen Gründen solange gut und richtig, bis 1929 die Wohlfahrtslasten sprunghaft anstiegen und die gesamte Finanzpolitik aus den Fugen geraten ließ.

Der deutsche Städtetag schrieb im Juni 1931 an den Reichsfinanzminister, daß die kommunalen Ausgaben für die Wohlfahrtserwerbslosen 1929 270 Millionen Reichsmark, 1930 600 Millionen Reichsmark und 1931 1040 Millionen Reichsmark betrügen. Trotz einschneidender Abstriche könnten die Gemeinden ihre Haushalte nicht mehr ausgleichen; die Fehlbeträge beliefen sich für das Jahr 1930 auf 400 Millionen Reichsmark, für das Jahr 1931 würden sie vermutlich bis auf 800 Millionen Reichsmark anwachsen. Fast sämtliche Gemeinden deckten seit 1930 ihre laufenden Ausgaben durch Kredite; Preußen helfe nur noch, wenn ein Kommunaletat wirklich kurz vor dem Zusammenbruch stehe23. Angesichts dessen traf die Bankenkrise des Sommers 1931 gerade die Gemeindefinanzen mit voller Wucht; es scheint so, weit mehr als das Reich. Sparkassen und Provinzialbanken standen vor dem Ruin und mußten ihren 23

Städtetag an Reichsfinanzminster 30. 7.1931, BA R2-13378.

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Gemeinden Darlehen kündigen. Andererseits konnten die Städte früher aufgenommene, nun fällige Kredite nicht mehr tilgen, da sie die Gehälter und die Wohlfahrtsunterstützung auszuzahlen hatten. Zahlreiche kleine Kommunen wußten bis 1. August 1931 nicht, wie sie ihre Bediensteten, die aus Protest immer mehr der NSDAP zuneigten, entlohnen sollten. Der Reichsstädtebundklagteam 8. 7.1931 über den Niedergang der Rheinischen Landesbank; der Bayerische Städtebund bat am 7. August das Reich um Kassenhilfen, sonst zerfielen zahlreiche Gemeindeverwaltungen. Der Landkreistag bezeichnete die Kommunalpolitik der Länder als verfehlt; sie unterscheide nicht sinnvoll zwischen Großstädten, Kleinstädten und Dörfern24. Der Deutsche Städtetag wies darauf hin, daß nun kurzfristig keine Kredite mehr zu bekommen wären, daß ferner die restlichen Reserveguthaben im Juli ausgeschöpft worden seien und daß deshalb seine Mitglieder Kassenhilfen und Entlastungendringend benötigten25. Das dabei vielleicht aufregendste Spektakel bot die Stadtverwaltung von Köln unter Oberbürgermeister Konrad Adenauer, von dem es in der Reichsbürokratie inzwischen hieß, er habe besonders leichtfertig gewirtschaftet. Köln bewegte sich am Rande der Zahlungsunfähigkeit. Da die Reichsregierung befürchtete, es könnten kaum mehr kontrollierbare Unruhen in der Stadt ausbrechen, nahm sich der Reichsfinanzminister ihrer unmittelbar an. Adenauer bot das Städtische Elektrizitätswerk zum Verkauf feil. Er ließ sogar den Reichsfinanzminister durch Staatssekretär Pünder bitten, die reichseigene Holding VIAG möge das Werk doch erwerben. Staatssekretär Schäffer winkte ab, die VIAG sei dazu nicht in der Lage und andere Interessenten gäbe es zur Zeit nicht26 • Darüber hinaus wuchsen die Fehlbeträge in den Haushalten der Länder rapide: Bayern 29 Mio. RM, Sachsen 24 Mio. RM, Baden 10 Mio. RM, Württemberg 12 Mio. RM, Hessen 10 Mio. RM; die Handlungsspielräume verringerten sich. Die Gesamtlage stellte sich im Spätsommer 1931 so dar: Das Reich war vor allem aufgrund des Rückgangs an Steuererträgen, der unumgänglichen Zahlungen für die Kriegshinterbliebenen, Arbeitslosen, Invaliden sowie für die allgemeinen Kriegsfolgelasten überbürdet. Demgegenüber bedeutete das Aufschieben der Reparationen fast mehr eine psychologische als eine tatsächliche Erleichterung. Der Niedergang des deutschen Banksystems und der Kreditwirtschaft traf überdies die sowieso schon überschuldeten Gemeinden, aber auch die Landwirtschaft, die gerade in einer Umschuldung 24 Reichsstädtebund an Reichsminister der Finanzen 8. 7.1931; Bayrischer Städtebund an Reichsminister der Finanzen 7. 8.1931; Landkreistag an Reichsminister der Finanzen 31. 8. 1931, BA R2-13378. 25 Städtetag an RFM, 30. 7. 1931, BA R2-13378. 26 Pünder an Schäffer 7.10.1931 ; Schäffer an Pünder 8.10.1931, BA R2-13378.

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begriffen war; die Länder verfügten nicht mehr über die ausreichenden Mittel, Zusammenbrüche aufzufangen. Hinzu kam, daß die Erträge der in der VIAG zusammengefaßten reichseigenen Unternehmen schrumpften. Dieser Vorgang ist nicht gänzlich zu vernachlässigen, wenn man bedenkt, welcher Art die 88 Unternehmen waren. Der Reichsarbeitsminister kontrollierte u. a. 12 Wohnungsbauvereine und Genossenschaften, der Reichsverkehrsminister 56 Kraftverkehrsgesellschaften, einige Kleinbahnen sowie fast sämtliche Fluggesellschaften, die Lufthansa und die Junkerswerke. Der Reichsfinanzminister hielt erhebliche Anteile an Elektrizitätswerken, Aluminium-, Kalkstoff- und Maschinenbaubetrieben, darunter auch an RheinmetallBorsig, und an der AEG sowie an Schiffahrts- und Versicherungsgesellschaften27. Schließlich hatten Reich und Länder in wachsendem Maße Bürgschaften mit Schwerpunkt in der Wohnungsbauwirtschaft und im Bankwesen gewährt. Ab 1930 hatten beide verstärkt die Kreditwirtschaft gestützt, die angesichts des Anleiheabflusses ins Ausland im Interesse der Gemeinden handlungsfähig bleiben sollte. Diese so entstandene Haftungssumme sollte von 1930 bis 1933 um rund 60% ansteigen. Allein im Januar 1932 hatte das Reich mit 353 Erklärungen einen Gesamtbetrag von 2015 RM gebürgt. Im März 1933 lagen 586 Bürgschaftserklärungen vor, darunter 17 für Betriebe der Landwirtschaft, 18 für Banken, z.B. auch die Dresdner Bank, 29 für Konsumgenossenschaften, 203 für Kreditgenossenschaften mit einem Gesamtbetrag von 2076 Mio. RM. So kamen folgende Bürgschaften für die öffentlichen Haushalte zusammen: Tabelle 3

Reich Länder Gemeinden Hansestädte

1928

1929

1930

1931

1932

1933

840,8 595,9 860,2 23,4

1101,6 934,4 1175,3 20,8

977,3 955,8 1462,2 134,0

1133,7 1069,2

2015,7 2052,7

227,7

379,7

2076,2 1692,7 1530,3 342,7

2320,4

3232,1

3529,2

-

-

-

-

+195,0

5642,0 5837,0

Quelle: Anweisung RMF, 1933, BA R2-13434.

In der Krisensituation der Jahre 1931/32 stellten die Entwicklung der reichseigenen Unternehmen und die Bürgschaften für die öffentlichen Haushalte ein hohes Risiko dar, denn niemand war in der Lage vorauszuberechnen, ob, wann und wieviele Unternehmen zusammenbrechen würden. 27 Aufstellung der Unternehmen, an denen das Reich beteiligt war, 1. Juli 1930, BA R2-13434.

9 Der Staat, Beiheft 9

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Die Finanzkrise überrollte das gesamte Staatswesen in zwei zeitlich gestaffelten Wellen: Die erste warf im Sommer/Herbst 1930 den Reichshaushalt aus der Bahn, der im Winter 1930/31 nur mühsam durch Gegensteuerung auf Kurs gehalten werden konnte; die zweite trieb in Verbindung mit der Bankenkrise vor allem die Gemeinden, aber auch die Länder an den Rand des Abgrundes und lieferte der Reichsbürokratie Gelegenheit und Vorwand ihrerseits, sowohl in die Kommunen als auch in den Föderalismus einzugreifen. Angesichts dieser dramatisch sich zuspitzenden Entwicklung gelangten Reichsbankpräsident und Staatssekretär im Reichsfinanzministerium im Sommer 1931 zur Auffassung, daß zwar die Lage des Reichshaushaltes inzwischen aufgrund der Sparmaßnahmen des Winters 1930/31 und des Frühjahrs 1931 gerade noch annehmbar, die Defizite der Gemeinden und Länder mit schätzungsweise 700 Mio. RM aber bedrohlich und "kassenmäßig, nicht mehr darzustellen" seien; dieses Defizit müßte mit ins nächste Haushaltsjahr geschleppt werden. Man könne allerdings 350 Mio. RM kurzfristiger Schulden durch die Ersparnisse aus dem Hoover-Plan abdecken; die dennoch anstehenden Reste müßten durch Kostendrosselung bewältigt werden. Der Staatssekretär drückte dazu seine Überzeugung aus, nun kämen lediglich Reichs- und Verwaltungsmaßnahmen in Frage. Offensichtlich trauten er und seine Beamten im Ministerium den Landtagen und Gemeindevertreterversammlungen kaum die nötige Selbstdisziplin zur Allsgabenbeschränkung zu. Luther stimmte dem zu; die Masse der Deutschen stehe finanztechnischen Manipulationen gleichgültig gegenüber, sie wolle Taten sehen, die das Vertrauen stärken. Mittelbar sagte er damit, daß der Bevölkerung wenig am Parlamentarismus gelegen sei, es komme vielmehr darauf an, daß sie sich versorgt fühle und hoffnungsvoll in die Zukunft schauen könne. Der Staatssekretär entgegnete dazu wörtlich: "Es müßte sofort von der Preußischen und von der Reichsregierung erklärt werden, daß bis zum Schluß des Etatjahres, ab März 1932, die Preußische und die Reichsverwaltung in eine zusammengefaßt werden. Das darf sich nicht nur auf die Außenverwaltung, sondern muß sich auch auf die Ministerien beziehen." Er griff damit ältere Überlegungen im Rahmen der Reichsreformdiskussion auf, Überlegungen, die dann durch die Regierung von Papen und durch das Dritte Reich vollzogen werden sollten. Offensichtlich zielte er darauf ab, die gesamte Finanzpolitik der öffentlichen Haushalte zu zentralisieren, auch wenn dabei der Föderalismus der Reichsverfassung ausgehebelt würde. Luther meinte darüber hinaus, weitere Gehaltskürzungen für die Beamten seien nicht mehr ratsam, sie brächten auch kaum mehr etwas ein und riefen nur Unruhen und Illoyalitäten hervor. Es käme allerdings darauf an, Personaleinsparungen vorzunehmen und Beförderungen zu unterbinden. Durch "Zusammenschließen von Reich und Preußen" würden zahlreiche Beamte überflüssig, die in den billigeren Wartestand versetzt werden könnten2B.

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Reichsbankpräsident und Staatssekretär wollten alsoangesichtsder finanziellen Katastrophe in einem großen Rundschlag, nicht durch eine Aufgliederung, sondern durch die Verreichlichung Preußens die Reichsreform durchpeitschen, ein Akt, der die übrigen Länder notwendig mit in den Strudel hineingezogen hätte, und dies in der Absicht, die Staats- und Verwaltungsaufgaben zu rationalisieren und so Ausgaben einzusparen. Das schon 1930 eingetretene faktische Schrumpfen der Staatsaufgaben sollte nun auch organisatorisch und personalpolitisch nachvollzogen werden, um künftig die Handlungsspielräume der Reichsregierung wieder zu erweitern. Aus haushaltspolitischen Gründen vor allem dachten Reichsbankpräsident und Staatssekretär also daran, den Föderalismus zu untergraben und die schon erschütterte Selbstverwaltung der Gemeinden dem Regime des Reiches zu unterwerfen. Zwei Hauptpfeiler der Reichsverfassung, die indes schon durch die Steuerreform der frühen 20er Jahre geschwächt waren, sollten im Interesse einer als unumgänglich erscheinenden Sparpolitik wenigstens zeitweise unterminiert werden. So bildete die im Sommer 1931 kumulierende Finanzkrise nicht nur eine Voraussetzung, wie häufig gesagt wird, für das Abwerfen der Reparationslasten, sondern auch für eine weitere Zentralisierung des Reiches und dies noch, nachdem der Druck der Reparationsforderungen durchaus nachgelassen hatte. Wie sehr sich allerdings Reichsbankpräsident und Reichsfinanzminister fortgesetzten akuten Zwängen ausgesetzt sahen, wird an einer weiteren Entwicklung deutlich: Der deutsche Botschafter berichtete, die City sei der Auffassung, man könne die deutschen Gemeinden auch kurzfristig nicht zur Sparsamkeit erziehen, ein hartes Vorgehen der Reichsregierung gegen die Städte mache das Reich in den Augen der internationalen Bankenwelt erst wieder kreditwürdig29. Auch die deutschen Banken drängten das Reich, die Kommunen zu restriktivem Haushaltsgebaren zu nötigen. Aus ihrer Sicht war klar, daß nur ausgeglichene öffentliche Haushalte die Voraussetzung abgäben, künftig die schwebenden Schulden zu tilgen und neue Anleihen aufzunehmen. Die Banken verhielten sich gegenüber dem Reich, den Ländern und Gemeinden, wie gemeinhin Gläubiger gegenüber schwach gewordenen Großschuldnern. Sie waren im eigenen Interesse nicht bereit, auf eigenes Risiko Mittel einzusetzen, wenn nicht gewährleistet sei, daß diese auch wieder fristgerecht zurückflössen. Hier ging es also nicht in erster Linie um allgemeine staatsrechtliche Theorien, sondern um Konsequenzen aus den pragmatischen Usancen auf den Geldmärkten. Die Reichsregierung handelte nun rasch. Am 20. August waren sich der Reichsfinanzminster und der Reichsinnenminister einig, die Landesregierungen zu ermächtigen, ihre eigenen Haushalte und die ihrer Gemeinden auf 28 29

9*

Vermerk Reichsminister der Finanzen 29. 7.1931 , BA R2-1 3378. Bernstorff an Reichsregierung 15. 8. 1931, BA R2-13378.

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dem Verordnungsweg auszugleichen. Die Personalausgaben sollten durch Einstellungs- und Beförderungssperren, Stellenwegfall und Pensionsahsenkungen sowie durch Verminderung der Kriegshinterbliebenenbezüge eingeschränkt werden. Femer waren Einschränkungen bei Studienbeihilfen und Freistellen vorgesehen. Die Schulen sollten ihre Klassenfrequenzen und die Pflichtstundenzahlen der Lehrer anheben, die Lehrergehälter sollten gekürzt und die Vor- und Weiterbildung der Lehrer abgebaut werden3o. Das Reich nahm damit einen tiefen Eingriff in die Selbstverwaltung der Gemeinden und das Funktionieren der Gemeinde- und Länderparlamente vor; es stärkte die Exekutiven. Darüber hinaus zielte es darauf ab, die Staatsaufsicht über die Gemeinden zu verschärfen. Die Einbußen aus der am 2.12.1930 vorgenommenen Senkung der Realsteuer, der Gewerbe- und Grundsteuer, wollte es schließlich durch Erhöhung der Gemeindesteuer, Getränke- und Bürgersteuer zur Sicherung der Wohlfahrtsausgaben kompensieren. Schließlich forderte es die Gemeinden und Länder zu "Sparaktionen größten Ausmaßes auf"31. Der Reichsfinanzminister ermächtigte am 27.8.1931 aufgrund Notverordnung vom Dezember 1930 die Landesregierungen, "alle zum Ausgleich ihrer Gemeindehaushalte erforderlichen Maßnahmen auf dem Verordnungsweg zu treffen". Praktisch entzog er damit den Parlamenten das Budgetrecht, degradierte sie mittels Verordnung zu kommentierenden Zuschauern. "Die Haushalte müssen unbedingt ausgeglichen sein" hieß es, "Hemmungen sind zu beseitigen, die das zu hindem oder auch nur zeitlich aufzuhalten geeignet sind". Der Reichsfinanzminister bedauerte sogar, wegen der verschiedenartigen Rechtslagen in den Ländem, nicht selbst die unmittelbar notwendigen Maßnahmen treffen zu können. Er wies darauf hin, daß die Verordnungen, die aufgrund reichsrechtlicher Ermächtigung von den Landesregierungen erlassen werden, Verordnungen "genuinen" Reichsrechtes seien und den Vorschriften der Landesverfassungen nicht unterlägen32. Die Landtage konnten somit nicht etwa unter Berufung auf die jeweiligen Landesverfassungen die Aufhebung der entsprechenden Maßnahmen der Landesfinanzminister verlangen. Der Artikel 48 RV warf seinen langen Schatten auf die Landesverfassungen und Gemeindeverordnungen. Notfalls konnte sogar auf dem Verordnungsweg von Landesverfassungen abgewichen werden: Eine Landesregierung könne, so meinte der Reichsfinanzminister, bei weiterhin normalerweise eingeschränkter Rechtsaufsicht über die "Gemeinden" diese auf dem Verordnungsweg durchbrechen um die Gemeinde zur Sparsamkeit zu zwingen. Sie dürfe sogar die Vertretungs-

30 31 32

Vermerk des RFM 20. 8. 1931, BA R2-13378. Verordnung vom 27 . 8. 1931, BA R2-13378. VO des RFM, 27. 8.1931, BA R2-13053 foll.

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körperschaft der Gemeinde zur "Erzwingung von Ersparnissen ausschalten". Die Verordnung brachte den Ländern und Gemeinden die Stunde der Exekutive. Damit setzte der Reichsfinanzminister eine Verwaltungspraxis in Gang, wie sie im Dritten Reich allgemein üblich werden sollte: das Regieren durch Verordnungen, nicht durch verfassungskonform erlassene Gesetze, ein Phänomen, das Ernst Fränkel 1940 mit dem Terminus "Maßnahmenstaat" kennzeichnen wird33. Der Reichsfinanzminister begründete im Einvernehmen mit dem Reichsinnenminister sein Vorgehen mit folgenden Hinweisen: 1. Auslands- und Inlandsanleihen für die öffentliche Verwaltung stünden nicht mehr zur Verfügung; er ging also davon aus, daß das Reich seine Kreditwürdigkeit inzwischen verloren hatte.

2. Die Fürsorgelasten würden im Winter 1931132 voraussichtlich weiter ansteigen; die Auszahlungen seien nur durch Abstriche bei den übrigen Ausgaben zu sichern. 3. Eine Durchsetzung großer systematischer Sparaktionen sei nicht mehr möglich, die Zeit dafür sei zu kurz; jede Verwaltung müsse selbst im Rahmen der vorgegebenen Daten handeln.

Die Landesregierungen und die Gemeindeverwaltungen nahmen nun in der Regel rasch Ausgabenkürzungen in Angriff, wie sie wenige Wochen zuvor Reichsbankpräsident und Staatssekretär im Gespräch umrissen und die Beamtenschaft im Reichsfinanzministerium formuliert hatten. Das Reich besaß Ende 1931 zwei Möglichkeiten, einen Ausweg aus den Finanzkrisen zu finden: Zum einen konnte es Geld schöpfen, eine tendenzielle Inflationspolitik in der Hoffnung betreiben, die so angekurbelte und schließlich prosperierende Wirtschaft würde es nicht bis zur tatsächlichen Inflation kommen lassen. Dieser Kurs schien indes nicht frei zu sein von Gefahren: zum Beispiel konnte man daraus die politisch bedenkliche Annahme ableiten, daß die öffentliche Hand, wie schon 1922/23, einfach ihre inzwischen wieder angehäuften Schulden abschütteln wolle, und zudem zielte die damalige Außenhandelspolitik Deutschlands noch nicht auf Autarkie ab; sie mußte somit im Rahmen der Währungspolitik die Interessen von auswärtigen Handelspartnern, vor allem in den USA, berücksichtigen. Nur ein vertrauenswürdiges, zu keinen unkalkulierbaren, riskanten Handlungen geneigtes Reich blieb im Ausland kreditwürdig und hatte damit die Chance, seine Interessen künftig auf den Weltmärkten durchsetzen zu können. Wenn es dennoch einen inflationären Pfad beschreiten sollte, dann mußte man befürchten - was viele Deutsche in Erinnerung an 1923 33

Ernst Fränkel, Der Doppelstaat, 1974.

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auch taten-, daß ein solcher Kurs langfristig entweder im wirtschaftlichen Fiasko endete oder daß er angesichts der Weltwirtschaftskrise und der wirtschaftlichen Blockbildungen in der Welt in eine expansive Außenpolitik zur Ablenkung von den eigenen inneren Schwierigkeiten einmünden würde. Darüber hinaus konnte es sich eine parlamentarische Demokratie kaum leisten, auf hasardeurhafte Weise ihre internationale Kreditwürdigkeit zu untergraben und die Haushalte ihrer öffentlichen Hände nicht zu sanieren. Die Bedeutung dieser finanz- und währungstechnischen Überlegungen war allerdings für die Masse der Bevölkerung kaum nachvollziehbar. Gedrängt von internationalen und nationalen Banken, den Industrie- und Handelskammern und den bürgerlichen Parteien entschloß sich die Finanzbürokratie des Reiches und der Länder zu dem zweiten Weg, der überdies den eigenen Denkgewohnheiten und administrativen Traditionen nahe lag. Sie nahm dafür eine Aushöhlung des Parlamentarismus auf allen Ebenen des Staatswesens sowie des Föderalismus und der kommunalen Selbstverwaltung in Kauf. Sie forcierte damit aber auch, durchaus pragmatisch, den schon seit 1918 sich abzeichnenden Trend zur Zentralisierung des Reiches und arbeitete unbeabsichtigt den Verfassungsänderungen des Sommers 1933 und des Winters 1933/34 vor. In ihren Augen stellte die Wiederherstellung der internationalen Kreditwürdigkeit und die Schaffung eines Einheitsstaates mit einem defekten Parlamentarismus- wie er ja schon vor dem Krieg existiert hat - keinen Widerspruch dar, im Gegenteil, die Ausgabenund Partikularpolitik der rund 52 000 Gebietskörperschaften und ihrer Vertretungen galt ihr im Zeichen der schweren Wirtschaftskrise als höchst unseriös und diskreditierend. Die improvisierten, nur ephemer erscheinenden Verschiebungen im Verfassungsgefüge konnten als ernste Bemühungen verstanden werden, das angeschlagene Reich zu stabilisieren, und in d er Tat griff die Sanierungspolitik auf Reichsebene im Lauf der zweiten Hälfte des Jahres 1931 einigermaßen; die Lage des Reichshaushaltes entwickelte sich verhältnismäßig günstig. Bis Ende November betrugen die Einnahmen im Ordinarium 5909,4 Mio. RM, die Ausgaben lediglich 5817,7 Mio. RM, das Extraordinarium schloß mit einem geringen Fehlbetrag von 110,6 Mio. RM ab. Das Jahressoll an Einnahmen des ordentlichen Haushaltes war auf 9076,9 Mio. RM angesetzt, die tatsächlichen Einnahmen beliefen sich indes auf 8896,7 Mio. RM. Man hatte ferner mit 9236,5 Mio. RM "Vollausgaben" gerechnet, kam allerdings nur auf 9160,2 Mio. RM. Der außerordentliche Haushalt schloß endgültig mit Mehrausgaben,- im wesentlichen produktiven Investitionen,- von 160,0 Mio. RM ab, die Kasse war im Winter 1931/32 weitgehend ausgeglichen. Das Reich vermochte also bis 1932 seine akuten, dramatischen Haushaltsprobleme unter Kontrolle zu bringen, es schleppte allerdings alte Schulden weiterhin mit, mußte im Laufe des Jahres 1932

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neue machen, und zudem waren die großen Schwierigkeiten der Gemeinden und einiger Länder noch keineswegs behoben. Man beurteilte die Diskrepanz zwischen der günstigen Finanzlage des Reiches und der düsteren der Gemeinden sogar als höchst gefährlich; Popitz sagte 1932, der Staat könne, finanztechnisch gesehen, auseinanderbrechen, ein Problem, das bis 1933 nicht gelöst wurde.

IV. Im Lauf der Monate Januar/Februar 1933 verbesserte sich dann die Lage des Reichshaushaltes merklich. Zwar schätzte der Reichsfinanzminister den von 1932 überkommenden Fehlbetrag auf eine Höhe von 1637,9 Mio. RM, eine Schätzung, die er nachträglich noch auf 1880,0 Mio. RM korrigierte, aber die Einnahmen begannen zu steigen. Im November des Rechnungsjahres 1933 beliefen sich die Mehreinnahmen des Reiches sogar auf 191,2 Mio. RM. Der Befund spricht für die These, daß dieser Erfolg nicht der Politik der nationalsozialistisch/deutschnationalen Koalition, sondern den Maßnahmen der Reichsregierung in den Jahren vor 1933 zu verdanken war, denn die Wirtschaftsprogramme des Jahres 1933 waren noch nicht einmal alle endgültig verabschiedet und sie hatten in den wenigen vergangenen Wochen erst recht nicht wirken können. Aber die nationalsozialistische Propaganda erweckte in der Öffentlichkeit den Eindruck, als seien diese günstigen Erträge allein auf das entschlossene Handeln des "Führers" zurückzuführen. Wie sah die Lage des Reichshaushaltes am Ende des Rechnungsjahres 1933, am 31. März 1934, aus? Die gesamten Reichsschulden betrugen 10 326 Mio. RM; der Fehlbetrag 2110 Mio. RM. Dieser Fehlbetrag setzte sich folgendermaßen zusammen: aus dem Jahr 1930 noch 250 Mio. RM aus dem Jahr 1931 noch 920 Mio. RM aus dem Jahr 1932 noch 610 Mio. RM aus dem Jahr 1933 noch 330 Mio. RM.

Das Reich hatte zwar 1933 weiterhin Schulden machen müssen, aber eben weitaus weniger als 1930/31. Die Isteinnahmen kamen dabei auf 6028,0 Mio. RM, die Istausgaben auf 6270,1 Mio. RM. Das Reich hatte also 242,1 Mio. RM mehr ausgegeben, wobei noch ein weiterer zu erwartender Restbetrag von 313,0 Mio. RM offen stand. Anfang 1934 neigte das Reich also wieder zur Schuldenpolitik, wohl weil die Reparationslasten inzwischen weggefallen, die Arbeitslosenzahlen zurückgegangen und damit sich auch die Zahlungen für entsprechende Unterstützungen zumindest nicht mehr erhöht hatten. Diese Schuldenpolitik sollte von nun an fortdauern, Jahr für Jahr blieben

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beträchtliche Fehlbeträge zurück: 1935 sogar wieder 526,0 Mio. RM bei immerhin 10130,4 Mio. RM Einnahmen, so daß mit den Fehlbeträgen des Vorjahres fast 3 Milliarden RM herauskamen34 • Hatte der Reichsfinanzminister 1933 seine Sparpolitik abrupt abgebrochen? Die Regierung Hitler finanzierte ihre Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nicht in erster Linie aus dem Reichshaushalt, insofern spiegeln die Zahlen des Reichshaushaltes auch nicht den Gesamtumfang der Finanzwirtschaft der beginnenden nationalsozialistischen Herrschaft wider. Das erste "Reinhardt-Programm" - genannt nach dem neuen Staatssekretär im Reichsfinanzministerium- vom Mai 1933, finanzierte sich aus sogenannten "Arbeitsschatzanweisungen" über 1 Milliarde RM, also auf die Staatskasse aufgenommene schwebende, ohne Verpfändung besonderer Sicherheiten bei Banken und bei der Börse untergebrachte Schulden. Die Reichsbank unter ihrem kurz zuvor ernannten Präsidenten Schacht hatte das Geld zur Verfügung gestellt, derselbe Schacht der 1929/30 bei der Beschaffung einer Anleihe den Reichsfinanzminister massiv mit der Forderung eines Schuldentilgungsgesetzes unter Druck gesetzt hatte35 . Diese Mittel, verstärkt durch das schon laufende ältere "Schleicher-Sofortprogramm", kamen arbeitsintensiven öffentlichen Aufträgen, vor allem der lahmliegenden Bauwirtschaft, zugute; durch beide Programme sollten heruntergekommene Häuserkomplexe, Fabriken und Maschinen instandgesetzt werden. Sie glichen in wesentlichen Zügen den Investitions- und produktiven Erwerbslosenprogrammen der Zeit nach 1925. Das zweite "Reinhard-Programm" stellte Zuschüsse an bauwillige Hausbesitzer bereit, die jedoch ebenfalls nicht unmittelbar aus dem Reichshaushalt stammten. Sein Umfang war vermutlich erheblich geringer, als er nach außen hin propagiert wurde, so daß es nicht allzu stark ins Gewicht fiel36. Die Finanzierung der im Juni 1933 beschlossenen Reichsautobahn, ein Projekt, das auf Pläne und Straßenbautechniken aus den Jahren 1925/26 der Rheinischen Provinzialverwaltung zurückgriff, gestaltete sich verhältnismäßig schwierig. Schacht erinnerte sich, er habe dafür 600 Millionen Reichsmark bereitgestellt, die aus dem Reichshaushalt zurückgezahlt werden sollten37. Tatsächlich gewährte er jedoch im November 1933 einen Kreditrahmen von 6,3 Milliarden Reichsmark, von dem 1934 allerdings nur 57 Millionen Reichsmark vonseitender Reichsbahngesellschaft und von Württemberg erfüllt waren; der Reichsfinanzminister weigerte sich aus Gründen Aufstellung des RFM für die Rechnungsjahre 1933 und 1935, BA R2-13400. Schacht (FN 8), S. 384. 36 Karl-Heinz Minuth (Bearb.), Die Regierung Hitler, Teil I 1933/34, Bd. 1, in: Konrad Repgen I Hans Bohms (Hrsg.), Akten der Reichskanzlei. Die Regierung Hitler, 1933 - 1938, 1983, S. XXXIX, VL. 37 Schacht (FN 8), S. 384. 34 35

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der Sparsamkeit, Forderungen des Generalinspektors für das Deutsche Straßenwesen über 600 Millionen Reichsmark nachzukommen. Die Reichsbank bewilligte statt dessen aber der Reichsautobahngesellschaft einen Wechselkredit von 500 Millionen Reichsmark auf drei Jahre, wobei eine Voraussetzung war, daß der Reichsfinanzminister die Haftung für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft übernahm. Große Teile der so aufgebrachten Mittel wurden dann über die Regierungspräsidenten, die Stadt- und Landkreise ausgegeben und boten den örtlichen und regionalen Parteidienststellen, den Gauleitern, Kreisleitern, SAFührern Gelegenheiten, die Verteilung zu beeinflussen, politisch genehme Antragsteller zu bevorzugen, angebliche Gegner zu benachteiligen und die Nationalsozialisten allgemein als Wohltäter hinzustellen. Die NSDAP gewann in einem rechtlich ungeregelten Prozeß Einfluß auf das Finanzwesen; einmal den Fuß in der Tür, begann sie auf den Staat Druck auszuüben. Die Finanzierung der Aufrüstung, somit auch die Finanzierung eines Teiles des industriellen Aufschwungs, geschah schließlich durch sogenannte Mefo-Wechsel. Schacht beschreibt diese Methode in seinen Memoiren folgendermaßen. Er ging davon aus, daß "ungenutztes Kapital in den Kassen der Wirtschaft brachliege". Ferner schätzte er nach den Erfahrungen der Jahre 1929- 1932 die Möglichkeit pessimistisch ein, er könne als Reichsbankpräsident dieses Kapital durch "Ausgabe von Staatsanleihen einfangen"- das Reich zog immer noch eine lange schwere Schleppe von Schulden hinter sich her, das Vertrauen von Anlegern in den Staat war seiner Meinung nach nicht gefestigt. Der schlechte Ruf der Kreditunwürdigkeit hing dem Reich offenbar auch noch im Winter 1933/34 an. Schacht gründete deshalb mit einem Kapital von 1 Million Reichsmark der Unternehmen Siemens, Gutehoffnungshütte, Krupp und Rheinstahl eine Metall-Forschungs AG. Für sämtliche Schulden dieser Mefo-AG übernahm das Reich eine Selbstschuldnerische Bürgschaft. Die Lieferanten für Staatsaufträge stellten dann gegen ihre Forderungen Wechsel auf die Mefo-AG aus, und die Reichsbank erklärte sich bereit, jederzeit diese Wechsel gegen Bargeld einzulösen. Die Reichsregierung finanzierte von nun an vor allem Rüstungsaufträge mit Mefo-Wechseln, die alsbald zu einem Papier für die Anlage kurzfristiger Bankgelder wurden. Marktbeträge an Mefo-Wechseln, die nicht am Markt unterzubringen waren, nahm die Reichsbank in ihr Portefeuille38 • Das gesamte Finanzierungssystem, Reinhard-Programme, Mefo-Wechsel, Reichsautobahnkredite, brachte zwar 1934/35 die Wirtschaft in Schwung, es lief jedoch weitgehend am Reichshaushalt vorbei und entzog dem Reichsfinanzminister Handlungsspielräume, die er sich 1931 verschafft hatte. Es spaltete gleichsam die Reichsfinanzen in einen Part, den weitgehend die 38

Schacht (FN 8), S. 400 - 401.

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Reichsbank handhabte, und einen, den Reichsfinanzminister Lutz Graf Schwerin von Krosigk kontrollierte. Schacht schaffte Mittel herbei, die großzügig ausgegeben wurden. Seine Verfahren waren solange durchaus seriös, als von ihnen wirtschaftliche Impulse ausgingen. Sie mußten jedoch in ein Vabanque-Spiel umschlagen, wenn es nicht gelang, rechtzeitig von der unproduktiven Aufrüstung in eine produktive Friedenswirtschaft umzuschalten und den Konsum anzuregen. Schwerin von Krosigk, vor 1933 Etat-Direktor des Reichsfinanzministeriums, bemühte sich dagegen weiterhin um ein so sparsames Haushaltsgebaren, wie es die Reichsfinanzminister vor 1933 als sinnvoll und unumgänglich geübt hatten. Hitler umging allerdings, indem er sich auf Schacht stützte, die eher traditionalistische, nationalkonservative und noch am Vorbild der Staatlichkeit des alten Reiches, ja Preußens orientierte Finanzbürokratie, und die Zusammenarbeit zwischen Reichsfinanzminister und Reichsbankpräsidenten war 1933/34 offensichtlich nicht so eng und wohl auch nicht so vertrauensvoll wie früher zwischen Staatssekretär Schäffer und Dreyse bzw. Luther, so daß ein Zusammenwirken zwischen beiden mit dem Ziel, Hitler unter Kontrolle zu halten, nicht zustande kam. Schwerin von Krosigk bestätigt zwar, daß er sich mit Schacht in Fragen einer gemäßigten Aufrüstung einig gewesen sei, daß er der Schaffung der Mefo-Wechsel zugestimmt habe, zumal der 1933 noch beengte und seit Jahren mit Fehlbeträgen belastete Haushalt des Reiches keine nennenswerten Beträge aufzubringen vermochte, und da der Geld- und Kapitalmarkt mit wesentlichen Krediten nicht einspringen konnte3 9, aber er drückte auch tiefe Zweifel an Schachts Zuverlässigkeit und dessen Willen zur gebotenen Standhaftigkeit in finanziellen Dingen gegenüber Hitler aus4o. Neben der Aufspaltung des Finanzwesens des Reiches in eine von der Reichsbank finanzierte Politik der Konjunkturbelebung und einen Reichshaushalt für gleichsam herkömmliche Aufgaben zeichnete sich eine weitere Entwicklung ab. Bislang waren die Ausgaben für Heer und Marine unter den "Stichworten Ausgaben der Reichsverwaltung" im Etat ausgewiesen worden: im Rechnungsjahr 1932 für das Heer noch 326,4 Millionen Reichsmark und für die Marine 169,4 Millionen Reichsmark. Beide Titel waren 1933 zunächst leicht um rund 28 Millionen Reichsmark angehoben worden. Am 4. 4. 1933 beschloß die Reichsregierung auf Drängen des Reichswehrministers Werner von Blomberg, daß der Reichsfinanzminister die für die "Umorganisation der Wehrmacht erforderlichen Mittel ohne Rücksicht auf den Haushaltsplan in einer Summe und Form bereitstelle", die der Öffentlichkeit den Einblick in die geplanten Maßnahmen verwehre. Die parlamen39 Lutz Graf Schwerin von Krosigk, Es geschah in Deutschland. Menschenbilder unseres Jahrhunderts, 1951, S. 187. 40 Schwerin von Krosigk (FN 39), S. 188.

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tarische Aufsicht und die Prüfung des Rechnungshofes wurden weitgehend abgeschafft, jedenfalls stark eingeschränkt. Die Reichswehr setzte mit dem Argument einer notwendigen Verschleierung der Auf- und Umrüstung eine Art Sonderhaushalt im Reichshaushalt durch, den der Reichsfinanzminister im einzelnen jedenfalls nicht mehr zu kontrollieren vermochte. 1934 stiegen dann die Ist-Ausgaben für die Wehrmacht stark an4I. Dabei entstanden finanztechnisch verwickelte Situationen: Das Militär bekam sowohl Mittel aus dem Reichshaushalt als auch aus den "Reinhard-Programmen" und überdies mittelbar über die Mefo-Wechsel. So begann die Einheitlichkeit der Haushaltsführung allmählich zu verfallen, und nur noch wenige Beamte waren imstande, steuernd einzugreifen. Vor diesem diffuser werdenden Gesamtszenario bemühten sich der Reichsfinanzminister, unterstützt vom Reichsinnenminister, wenigstens auf dem ihnen verbliebenen Restgebiet, der Finanzwirtschaft unverdrossen die Grundsätze der Einheit von Reichsfinanzen und Verwaltung sowie der sparsamen Haushaltsführung aufrechtzuerhalten. Dabei glaubten sie, daß ihnen die endgültige Beseitigung der Parlamente durch das erste Gleichschaltungsgesetz vom 31.3.1933 entgegenkommen würde. In der Begründung zu dem Gesetz über den Neuaufbau des Reiches42 heißt es dazu: "Im demokratischen Staate hatten die Landtage die besondere Aufgabe, Kontrollorgane der Regierungen zu sein, und als solche vor allem die Haushaltspläne festzustellen. Es entspricht den Grundsätzen des Einheitsstaates sowohl als auch dem nationalsozialistischen Führungsgrundsatz, daß diese "Verantwortung von unten" in eine Verantwortung dem Reich gegenüber umgestaltet wird. Diesem Zwecke entsprechend, bringt das vorliegende Gesetz (Gesetz über den Neuaufbau des Reiches vom 28.1.1934) die Unterstellung der Länder unter das Reich, die in den Artikeln 2 und 3 ihren Ausdruck findet ... Das Vorgesetztenverhältnis der Reichsregierung über die Landesregierungen umfaßt also sowohl ein allgemeines Kontrollrecht, beispielsweise bezüglich der Haushalte, auch das Recht, alle fraglichen Einzelheiten durch zu Gehorsam verpflichtende Anweisungen autoritativ zu regeln, z.B. die Ernennung und Versetzung von Beamten anzuordnen, die Neueinrichtung von Stellen zu vertreten, bestimmte Ausgaben zu untersagen, gewisse polizeiliche Maßnahmen zu verlangen usw.... ". Die Gesetze über die Gleichschaltung der Landtage vom 31. 3. 1933, der Neuaufbau des Reiches vom 28.1. 1934 gingen nicht in erster Linie aus genuin nationalsozialistischem Geist und Staatsauffassung hervor, sie stellten vielmehr eine Systematisierung der aufgrund Artikel48 RV auf dem Verordnungsweg in Gang gebrachten Verfassungsentwicklung in den Jahren 1931132 dar, und der Reichsfinanzminister legte sie "konservativ" aus, was an seinen Maßnahmen 1934 deutlich wird. 41 42

Minuth (FN 36), S. XXXIV. BA R18-5436, S. 312 - 324.

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Eine das Gesetz vom 28. Januar 1934 interpretierende Durchführungsverordnung vom 2. Februar 1934 und ein Rundschreiben des Reichsfinanzministers vom 5. Februar 1934 sollten entsprechende Handhaben bieten. Darin betont der Reichsfinanzminister noch einmal ausdrücklich: 1. Die Hoheitsrechte der Länder gehen auf das Reich über; Landesgesetze bedürfen der Zustimmung des zuständigen Reichsministers.

2. Aus ursprünglichem Recht wird für die Länder übertragenes; anstelle der politischen Berufung ist staatsrechtlicher Auftrag getreten. 3. Die Obersten Landesbehörden sind von nun an dem Reich verantwortlich. 4. Es bleibt bei der uneingeschränkten finanziellen Selbstverwaltung der "Einheiten" in der Haushaltsplanung, -führung und Verwaltung. Der Auftrag des Reiches, in dem dies zu geschehen hat, bedeutet nicht ein Eintreten des Reiches für die Ergebnisse, Fehlbeträge werden daher auch künftig nur durch ein Land selbst geregelt. Der Reichsfinanzminister war also nicht bereit, für die Schulden der Länder und Gemeinden einzustehen und damit einer leichtfertigen, von oben kaum kontrollierbaren Ausgabenpolitik wieder Tür und Tor zu öffnen. Die Gebietskörperschaften sollten durch weiterhin sparsame Haushaltsführung selbst mit ihren "Altlasten" fertig werden. Die Durchführungsverordnung forderte daher auch die Länder und Gemeinden auf, Haushaltsgesetze, die 1932 und 1933 nicht rechtzeitig verabschiedet worden waren, unter allen Umständen in Kraft treten zu lassen. Ein auch nur vorübergehender Zerfall des Etatwesens sollte unterbunden werden. Ferner ermahnte der Reichsfinanzminister, die Länder und Gemeinden auf Jahre hinaus äußerste Sparsamkeit walten zu lassen und möglichst keine Verpflichtungen zu übernehmen; Anleihen bedürften der Zustimmung des Reichsfinanzministers. Reichsfinanzminister und Reichsinnenminister kündigten zudem an, sie beabsichtigten Verwaltungsaufgaben der Länder und des Reiches zusammenzulegen, weswegen sich das Reich in Personalangelegenheiten freie Hand vorbehalte. Schließlich sollte der schon 1930 eingeleitete Beamtenabbau strikt fortgesetzt werden; eine "Verreichlichung der Länder" hatte Luther 1931 deshalb befürwortet, um Stellenpläne schrumpfen zu lassen. 1934 durften freie Stellen nur noch auf dem Weg der Versetzung innerhalb einer Laufbahn, Eingangsstellen nur mit vorhandenen außerplanmäßigen Beamten besetzt werden. Zulagen und Aufwandsentschädigungen waren weder neu auszubringen noch bei Freiwerden neu zu vergeben. 1934 hatten sämtliche Verbesserungen, Schaffungen neuer Planstellen und Umwandlungen in höhere Besoldungsgruppen zu unterbleiben43 • Der Reichsfinanz43

Rundschreiben des RFM 5. Februar 1934, BA R2-20369.

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ministerwar offensichtlich entschlossen, Sparpolitik, zumindest innerhalb des Reiches, der Länder- und Gemeindeverwaltungen, die mit der neuen Gesetzgebung in seinem Zugriff lagen, fortzuführen. Er war bestrebt, die in seinem Aufgabengebiet eingespielte Kontinuität zu wahren. Indes, der Reichsfinanzminister vermochte die angekündigte Politik nicht durchzuhalten. 1. Kurz vor ihrer "Verreichlichung" hatten die Länder in Erwartung der Restriktionen einen außerplanmäßigen Beförderungsschub vorgenommen, der nach Ansicht des Reichsfinanzministers die künftige Personalwirtschaft schwer belastete44.

2. Der Reichsfinanzminister mußte zur Beförderung gesperrte Stellen im Reichshaushalt wieder freigeben, da die Beamtenschaft ungehalten wurde, wobei er dennoch bestrebt war, den raschen Aufstieg kaum vorgebildeter, die Laufbahnvorschriften nicht erfüllender Nationalsozialisten zu verhindern und die voreiligen Beförderungen der Länder wieder zu unterlaufen45. Dabei mußte er seine Politik gegen Angriffe der NSDAP, SA und SS, die in den Gemeinden und Landeshaushalten Stellen und Sozialausgaben forderten, verteidigen. Hier wirkten sich vor allem die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für erwerbslose "Alte Kämpfer" aus, Maßnahmen, die in Großstädten wie zum Beispiel Düsseldorf zur Einstellung von bis zu 700 Personen führen konnten. Außerdem stemmte er sich den Versuchen der Führung der NSDAP entgegen, finanzielle Leistungen im Interesse des Reiches auf die Länder abzuwälzen4s. Andererseits bürdeten sich die Gemeinden, meist von Kreisleitern, Gauleitern oder SA-Führern ermuntert, immer neue hohe Verpflichtungen auf, sie übernahmen sich dabei und versuchten dann, die Länder und das Reich zu nötigen, sie vor dem selbst verursachten Ruin zu retten. Dabei spielten zwei Momente eine Rolle. Zum einen, die gerade bestellten nationalsozialistischen Gemeindebeamten waren häufig fachlich überfordert und daher nicht fähig, die finanziellen Folgen ihrer Maßnahmen abzuschätzen, und zum anderen standen sie unter dem Druck der lokalen Parteifunktionäre, die ihrerseits die Forderungen ihrer verarmten, aber Privilegien erheischenden Klientel zu erfüllen suchten, die glaubten, sichtbare Erfolge vor einer noch mißtrauischen Öffentlichkeit vorweisen zu müssen. Die Dienststellen von NSDAP/PO, der SA und SS ursupierten damit irregulär Funktionen, die vor 1933 verfassungsrechtlich die Gemeindevertreterversammlungen ausgeübt und gegen deren Ausgabefreudigkeit der Reichsfinanzminister einst

44 45 46

Rundschreiben des RFM 23. F ebruar 1934, BA R2-20369. Rundschreiben des RFM 23. Februar 1934, BA R2-20369. Rundschreiben des RFM 12. Mai 1934 und 24. August 1934, BA R2-20369.

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hart angekämpft hatte. Die Partei höhlte, nun allerdings mit größerer politischer Macht versehen als die Parteien vor 1933, die Verfassungsentwicklungen der Jahre 1931 in verdrehter Form gleichsam wieder aus. Der Reichsfinanzminister erlitt eine erste schwere Niederlage, als er im Juni 1934 trotz erheblicher Bedenken die Ausgaben der Länder und Gemeinden für Zwecke des Luftschutzes für zulässig erklären mußte. Es sieht so aus, als habe dieses Nachgeben wie ein Dammbruch gewirkt. Er wußte, daß hierdurch für die Haushalte gewaltige Summen für den Bau von Hilfskrankenhäusern, für Verdunklungsmaßnahmen, Dislozierung der Feuerwehren, Umbauten an kommunalen Versorgungseinrichtungen, Warndienste, Werkschutz und Luftmeldedienste entstehen würden. Man dachte sogar an "Auskernungen" eng bebauter Altstadtviertel, die zu Umsiedlungsaktionen führen mußten. Tatsächlich sollten einige Städte Straßendurchbrüche vornehmen. Der Luftschutz bildete schließlich einen Vorwand für neue Personalanforderungen und Beförderungen47 • Die anschwellenden personalpolitischen Wünsche der Partei auf der Ebene der Länder und Gemeinden bereiteten dem Reichsfinanzminister große Sorgen. So schrieb er in einem Rundschreiben zur Haushaltsführung für das Rechnungsjahr 1935, "Anforderungen, die von Stellen ausgehen, denen weder ein staatsrechtlich begründetes Mitbestimmungsrecht über die Haushaltsführung zukommt, noch die Möglichkeit zu Gebote steht, die ganze Tragweite ihrer meist auf politischen Erwägungen gestützten finanziellen Wünsche zu überblicken, entsprechen nicht dem Prinzip der Sparsamkeit ... Es muß selbstverständlich Grundsatz sein und bleiben, daß diese Anforderungen ohne Rücksicht auf die Stelle, von der sie ausgehen und ohne Rücksicht auf den Zweck, dem sie dienen sollen, von den Obersten zuständigen Landesbehörden mit pflichtgemäßer Sorgfalt auf die organisatorische und finanzielle Durchführbarkeit geprüft und, soweit es sich um Landesausgaben handelt, nur dann zugestanden werden, wenn sie nach jeder Richtung verantwortet werden können"48. Dieses Rundschreiben ähnelt den Verordnungen und Appellen des Reichsfinanzministers an die Gemeinden und die Länder in den Jahren 1931/32, in denen es darauf ankam, die Ausgabenwünsche der Parlamente einzudämmen. Der strukturelle Konflikt zwischen Reich und Gemeinden bzw. Ländern, den der Reichsfinanzminister 1931 für sich entscheiden konnte, tauchte nun erneut, allerdings politisch verschoben auf die NSDAP, auf. Inhaltlich ging es jedoch nicht mehr um die unmittelbare Bewältigung der Lasten des Krieges, der Inflation und der Weltwirtschaftskrise, sondern um die Etablierung einer neuen Klasse von Politikern und um die Aufrüstung.

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Vermerk 12. Juni 1934, BA R2-20369. Rundschreiben des RFM 12. Oktober 1934, BA R-20369.

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Es ging aber auch um einen Gegensatz zwischen einer überwiegend technokratisch gesinnten, nach traditionellen Verwaltungsverfahren vorgehenden Beamtenschaft des Reichsfinanzministeriums einerseits und andererseits ideologisch und machtpolitisch orientierten Parteifunktionären, die ohne Rücksicht auf herkömmliche Spielregeln agierten. Nunmehr aber stand der Reichsfinanzminister auf verlorenem Posten; die Probleme häuften sich. So kauften zahlreiche Gemeinden, erneut angeregt durch örtliche Parteidienststellen, Grundstücke auf und überließen sie kostenlos der Reichswehr, der Luftwaffe oder der Polizei/SS. Sie begehrten in Konkurrenz zueinander, allein aus Prestigegründen, ohne wirtschaftlichen Nutzen und ohne die Folgelasten zu beachten, in den Rang von Garnisonsstandorten erhoben zu werden. Der Reichsfinanzminister verurteilte dieses Gebaren und bemühte sich, ihm Einhalt zu gebieten49 . Angesichts derartiger Vorgänge glaubte er im August 1934, die Reichsbehörden, Länder und Gemeinden erneut zur strengen Ordnung in ihrer Ausgabenpolitik neu ermahnen zu müSsen. Er forderte einen direkten Ausgleich der Haushalte und eine Veranschlagung der Ausgaben auf möglichst niedriger Grundlage. Dies begründete er mit Hinweisen auf die Vorbelastungen aus den Jahren 1932 und 1933, ferner mit seiner Absicht, die sich abzeichnenden Mehrausgaben zur Deckung der Lücken im Rechnungsjahr 1934 zu verwenden und schließlich mit seinem Willen, die Landeshaushalte von "Forderungen der Reichsressorts" fernzuhalten. Reichsressorts waren nämlich dazu übergegangen, Mehrausgaben, die sie aus ihrem eigenen Etat nicht mehr finanzieren konnten, auf die Länderhaushalte abzuwälzen. Die "Verreichlichung" führte offenbar zur Verwischung und Durchbrechung des Grundsatzes der Haushaltstransparenz. Ferner mußte der Reichsfinanzminister sämtliche Behörden zum wiederholten Male, bislang also erfolglos, zur Disziplin in der Personalwirtschaft anhalten. Er brachte damit allerdings viele Behördenleiter, die vom Wohlwollen der politischen Funktionäre abhingen, in eine vertrakte Situation. Er drängte schließlich die Gemeinden, die dem 1933 geschaffenen Umschuldungsverband beigetreten waren, ihre Mehreinnahmen zum Ankauf der 4 %igen Umschuldungsanleihen zu verwenden, die Anleihe diente dann der Abdeckung der Forderungen des Umschuldungsverbandes zum Nennbetrag. Diese Mahnung beruhte auf folgender Regelung: Alle Gemeinden, die nicht in der Lage waren, ihren kurzfristigen Verbindlichkeiten nachzukommen, sollten einem unter Aufsicht des Reichsfinanzministers arbeitenden Umschuldungsverband beitreten. Aufgabe des Verbandes war die Ausgabe von Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit über zwanzig Jahre bei 4% Verzinsung und 3% Tilgung bis zu einer Höhe der zur Umschuldung gelangenden kurzfristigen Inlandsschulden der Gemeinden. Jedes Verbandsmitglied hatte seinen Gläubigern eine Umwandlung ihrer Forderung gegen 49

Vermerk des RFM 13. Juni 1934, BA R2-20369.

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Schuldverschreibung anzubieten. Sollte ein Gläubiger dieses Angebot ablehnen oder sich nicht in bestimmter Frist erklären, dann würde seine Forderung auf fünf Jahre als gestundet gelten. Es kam also darauf an, kurzfristige Schulden in langfristige umzuwandeln und die Gemeinden in ihrer Ausgabenpolitik zu diszipliniertem Verhalten zu zwingen. Zahlreiche Gemeinden frönten indes der Unsitte, nicht mit Nachdruck ihre alten Schulden abzutragen, sie brachten lieber "Alte Kämpfer" unter, förderten Gauheimstättensiedlungen und errichteten ideologisch bedingte Großbauten oder modernisierten Versorgungseinrichtungen, sie gebärdeten sich ähnlich wie Gemeinden zwischen 1924 und 193050• Reichsfinanzminister und Reichsinnenminister zielten im Herbst 1934 im Blick auf die Zerfallserscheinungen des Finanzwesens darauf ab, nun endgültig Voraussetzungen für die Vereinheitlichung der öffentlichen Haushalte zu schaffen, die mit dem Gesetz vom 31. Januar 1934 noch nicht vollständig vollzogen war: Zum Neuaufbau des Reiches gehöre eine "völlig gesunde und leistungsfähige Finanzwirtschaft". Beide Minister kündigten an, sie würden die Reichshaushaltsordnung vom 31. Dezember 1922 in der Fassung vom 14. April 1930 und in der Ergänzung vom 13.12.1933 überprüfen. Preußen habe die revidierte Reichshaushaltsordnung schon übernommen- übrigens so, wie es sich Schäffer schon 1931 gewünscht hatte-, 1935 müßten nun die übrigen Länder diesem Beispiel folgen 51 . Man kann in den verschiedenen Entwürfen und Erlassen vom Oktober 1934 ablesen, daß es innerhalb des Reichsfinanzministers Kräfte gab, die rasch vorpreschen und die die "Einheit der öffentlichen Finanzen" als "natürliche Daseinsgrundlage des Reiches" dekretieren wollten. Sie mußten jedoch einer weicheren, vorsichtiger operierenden Linie nachgeben. Während der Reichsfinanzminister noch um die Einheit der Finanzwirtschaft des Reiches kämpfte, zeichnete sich auf einem weiteren Gebiet ein das Staatswesen und damit auch die Haushalte aufsplitternder Prozeß ab. Den Anfang machte schon 1933 die Einrichtung einerneuen Obersten Reichsbehörde, des Generalinspektors für das Deutsche Straßenbauwesen, die nicht einem der zuständigen Reichsministerien unterstellt werden sollte, sondern unmittelbar dem Reichskanzler; der Generalinspektor, Todt, erhielt gegenüber dem Reichsfinanzminister weitgehende Handlungsfreiheit, indem er sich auf den Kanzler berufen und stützen konnte. Der Reichsfinanzminister und der Reichsinnenminister hatten die Schaffung dieses "Straßenbauministers", eine erste Sonderbehörde, der noch zahlreiche andere folgen sollten, als unzweckmäßig abgelehnt, da sie jeder sonst so laut propagierten Verein50 Erlaß des Reichsfinanzministers und Reichsministers des Innem über die Baushaltsführung für 1935, 11. Oktober 1934, BA R2-20369. 51 Erlaß des Reichsfinanzministers und Reichsinnenministers, 10. Oktober 1934, BA R2-20369.

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fachung der Verwaltung zuwider liefe. Sie meinten, der Generalinspektor gehöre zum Etat des Reichsverkehrsministers, und sie sahen die Gefahr aufkommen, daß nunmehr, begünstigt durch die Verreichlichung der Länder, jede Reichsverwaltung von sich für ihren Geschäftsbereich ähnliche organisatorische Maßnahmen treffen werde "sei es durch Umwandlung oder durch Umorganisation von Landesverwaltungszweigen oder durch reichsseitige Inanspruchnahme des Landesverwaltungsapparates, der dieser ohne Vergrößerung nicht gewachsen wäre". Reichsfinanzminister und Reichsinnenminister befürchteten 1. einen schleichenden Zerfall des inneren Zusammenhanges der Verwaltungen, 2. eine personelle Aufblähung der Behörden und damit eine weitere Verteuerung und 3. die Aufgabe des erwünschten sparsamen Haushaltsgebarens, Tendenzen, die sie vor 1933 der parlamentarischen Demokratie als immanente Funktionsstörungen angelastet hatten. Sie waren 1934 bestrebt, derartigen, den Ressortegoismen entspringenden Entwicklungen vorzubeugen5 2 • Umsonst. Schon im Laufe des Jahres 1934 z.B. bildete sich innerhalb der einzelnen Ressorts und Parteidienststellen die Neigung aus, die ihnen jeweils zufließenden Informationen nicht oder nur verkürzt und lückenhaft den anderen Ministerien zur Verfügung zu stellen. Dies führte dazu, daß nun jedes Ressort die ihm unterstellten Behörden aufforderte, regelmäßig nicht nur über die ihnen eigenen Fachgebiete, sondern auch über die allgemeinen politischen Verhältnisse zu berichten. So kam nach und nach ein gefächertes, aufwendiges Berichtswesen auf, die umfangreichen, voneinander unabhängigen Verwaltungsberichte u.a. der Regierungspräsidenten, der Oberlandesgerichtspräsidenten oder der Polizei. Darüber hinaus entstanden im Herbst 1934 auf der Ebene der Stadt- und Landkreise neue lokale Sonderbehörden, so die Sozialämter, eine Domäne von Partei und SA, die dort ihre Mitglieder unterzubringen suchten. Nach der Auffassung des Reichsfinanzministers und Reichsinnenministers verletzten diese Sonderbehörden die Einheit der Kommunalverwaltung. Sie sahen vor allem die Zerstörung des Amtes des Landrates voraus, das der Reichsfinanzminister als Grundlage des Zusammenhaltes des Reiches und im Interesse einer einheitlichen Haushaltsführung gestärkt wissen wollte53. Der Reichsfinanzminister mußte schließlich auch noch die Bildung von Gesundheitsämtern als Sonderbehörden hinnehmen, ferner die eigenständige Meliorationspolitik des Reichsarbeitsdienstes und schließlich vor allem den sich immer autonomer gebärdenden Reichsnährstand. Diese Sonderbehörden waren ihrerseits bemüht, eine eigenständige Ausgabenpolitik zu betreiben und zu diesem Zwecke den Reichsfinanzminister unter Druck zu setzen, Mittel zu bewilligen. Rundschreiben des RFM 31. 3. 1934, BA R2-20369. Rundschreiben des RFM 12. Dezember 1934 und 16. November 1934, BA R220369. 52 53

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So breiteten sich 1934/35 innerhalb des Verwaltungssystems des Reiches zwei verschiedenartige, die Entwicklungen vor 1933 konterkarierende Strömungen aus, zum einen zunehmende Anforderungen an die noch immer verschuldeten, damit prekären öffentlichen Haushalte; die Vermehrung der Einnahmen aufgrund der Konjunktur weckte eben die Begehrlichkeiten ehrgeiziger Parteifunktionäre und willfähriger Beamter, Anforderungen, denen sich der Reichsfinanzminister vergeblich entgegenzustemmen suchte, und zum anderen ein starker Zug zur gegenseitigen Abschottung der Ressorts und zur Bildung von Sonderbehörden, die sich bemühten, direkt dem "Führer" unterstellt zu werden, oder die sich, wie die Polizei, mit einer Parteiorganisation, der SS, aufs engste verschränkten. Damit entstanden Sonder- und Nebenhaushalte, über die der Reichsfinanzminister meist aus politischen Gründen nur noch eine bedingte Kontrolle ausüben konnte. Die nationalsozialistische Führung ignorierte die Fehlbeträge und Defizite in den öffentlichen Haushalten, sie tat offensichtlich so, als spiele Geld keine Rolle und sei fast unbegrenzt beschaffbar. Diese Tendenzen widersprachen dem Begriff und den Traditionen preußisch-deutscher Staatsauffassung, an die sich jedenfalls bis 1934 die Beamten im Reichsfinanzministerium hielten. Im Dezember 1934 vermerkte der Reichsfinanzminister fast resigniert: "Die fortschreitende Aufspaltung der allgemeinen Verwaltung in eine Reihe mehr oder weniger selbständiger Einzelverwaltungen erfüllt auch (ebenso den Reichsinnenminister) mich mit ernster Sorge. Sie greift dem Neuaufbau des Reiches in einer Weise vor, die nur zu oft die unbedingt gebotene Planmäßigkeit vermissen läßt" und er prognostizierte, daß diese Entwicklung nicht zur Verringerung von Lasten, die das Volk erwarte, führe, sondern vielmehr zur Schaffung neuer54• 1935 gab der Reichsfinanzminister indes seinen Kampf noch nicht verloren, er hoffte auf eine grundlegende, von ihm beeinflußte Neuordnung des Reiches. In diesem Sinne arbeitete er unverdrossen an einer schon 1930/31 geforderten Reform des Steuersystems. Immerhin bereinigte er darin einige Ungereimtheiten, die nach 1920 zusammengekommen waren, und harmonisierte die disparate Rechtslage 55 . Man kann sich des Eindrucks nicht entziehen, daß die hohe Bürokratie des Reichsfinanzministeriums 1934 weder die finanzwirtschaftliehen noch die verfassungspolitischen noch die administrativen Konsequenzen des sich anbahnenden "Führer- und Unterführerstaates" durchschaute; sie glaubte, den Nationalsozialisten ihren Begriff von Staat und geordneten Haushaltswesen aufdrängen zu können. Sie erkannte nicht, daß ein sich über den Gesetzen stehend fühlender "Führer" und seine um Machtsegmente ringen54 55

Vermerk des RFM 4. 12. 1934 BA R2-20369. Aufstellung, BA R2-20381.

Aufbau und Ressourcen der deutschen Staatsverwaltung 1930-1934

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den Unterführer eine politische Dynamik entfalteten, die die herkömmlichen, selbst autoritären, antidemokratischen staats-und verfassungsrechtlichen Regelwerke überrollte und zertrümmerte; ein "Führer", eine quasi sakrale Figur, benötigte eben kein förmlich entscheidendes Kabinett, sondern einen ,.Hofstaat", der ihm Glanz verlieh, eine "Camarilla", die seinen Winkelzügen folgte. Er mußte Kohärenz und Ordnung, des Bestehenden als Fessel empfinden, die er im Interesse seiner weltanschaulichen Fernziele zu sprengen hatte. Die Finanzbürokratie war nicht in der Lage, die einflußreiche Position, die Stellung des "Überministeriums", die sie im Laufe der Weimarer Republik unter dem Eindruck der anhaltenden Finanzkrisen mit Unterstützung von Banken, Interessenvertretungen der Industrie und liberal-konservativer Parteien erobert hatte, zu halten; sie zerrann unter gewandelten politischen Rahmenbedingungen in wenigen Monaten. Der Rückzug der großen Mächte, der Gläubigerländer Deutschlands wie der USA und Großbritanniens, auf die eigenen Wirtschafts- und Währungsräume anläßlich der Weltwirtschaftskrise, lockerte den bislang kreditpolitischen Druck auf Währungs-, Finanz- und Haushaltspolitik; die Frage nach der Kreditwürdigkeit des Reiches verblaßte. Damit entstanden Voraussetzungen für die nach 1933 sich durchsetzende, weitgehend rüstungstechnisch orientierte Autarkiepolitik. Die Taktik des Reichskanzlers, die Arbeitsbeschaffungsprogramme und die Aufrüstung mit Hilfe von Reichsbankkrediten und Mefo-Wechseln zu finanzieren, relativierte die Stellung des Reichshaushalts im Rahmen der staatlichen Finanzwirtschaft; 1933/34 konnten sich Reichsfinanzminister, vielleicht auch Reichsbankpräsident, noch der Illusion hingeben, diese Entwicklung mit Hilfe einer reformierten Reichshaushaltsordnung, einer Neuordnung der Steuern und schließlich einer Reorganisation der Reichsverwaltung wieder in den Griff zu bekommen, aber beide unterschätzten den jedes Gesetz sprengenden Machtwillen der nationalsozialistischen Führungszirkel und die Bereitschaft der Reichswehr, sich mit den neuen Machthabern zu arrangieren. Schließlich stellten sich die Industrielobbyisten und die Reichswehrführung nicht wie gewöhnlich vor 1933 hinter die auf ein sparsames Haushaltsgebaren ausgelegte Politik des Reichsfinanzministers, sondern gingen in je eigenem Partikularinteresse auf die großzügige Finanzpolitik des Reichskanzlers ein, ohne zu bedenken, daß von ihr auf Dauer inflationäre Tendenzen ausgehen mußten. Die Reichsfinanzbürokratie hat 1929 bis 1932 in der Notzeit durchaus in der wohlmeinenden Absicht, das Reich zu stabilisieren, Organe der Weimarer Verfassungen zerstört; sie vermochte jedoch ab 1933 keine neuen rechtsstaatlich verankerten Fundamente mehr zu legen. 10*

Aussprache Frost: Zunächst möchte ich Ihnen, verehrter Herr Hüttenberger, sehr dafür danken, daß Sie uns auf so überzeugende Weise durch die "Grauzone" geführt haben, die sich in der Endphase der Weimarer Republik zwischen zwei Abschnitte unserer jüngeren deutschen Verfassungsgeschichte eingeschoben hat. Bei grundsätzlicher Übernahme Ihrer Deutung erhebt sich für mich nun die Frage, ob es seinerzeit eine wirkliche Alternative zur Finanzpolitik Heinrich Brünings und der damaligen Ministerialbürokratie gegeben hat. Das allgemein als Deflationspolitik bezeichnete Vorgehen Brünings, also Konsolidierung des Haushalts, Begrenzung der Staatsausgaben, gezielte Sparmaßnahmen und Geldmengenlimitierung, hat ja immerhin bis zum Frühjahr 1932 spürbare Erfolge gezeigt; es handelt sich um die von Brüning selbst so genannten "hundert Meter", die ihn vom Ziel trennten, bevor ihn Hindenburg abberief. Doch standen dem politische Opfer entgegen, wie Sie sie uns im Verhalten der Beamtenschaft nach den Gehaltskürzungen geschildert haben und wie wir sie wohl allgemein im Verfall der parteipolitischen Mitte konstatieren können, faktisch als Vorbereitung der nationalsozialistischen Machtergreifung. Wäre dem mit einer gegenteiligen Finanzpolitik, also einem gezielten Inkaufnehmen inflationärer Entwicklungen, etwa durch Notstandsarbeiten größeren Stils, weitere "lnnenverschuldung" und bewußte Erhöhung der umlaufenden Geldmenge, zu steuern gewesen? Aktuelle Beispiele liefern ja heute nicht nur Länder der Dritten Welt, sondern auch durchaus Länder des euro-amerikanischen Raumes, wie etwa Island. Hätte die Gefahr eines vielleicht doch begrenzbaren Währungsverfalls die politischen Gefahren aufgehalten oder noch verstärkt? Ich lasse das einmal bewußt offen. Gestatten Sie, daß ich - nicht etwa aus Lokalpatriotismus - in diesem Zusammenhang die Möglichkeit einer andersartigen Beurteilung auch der damaligen kommunalen Finanzpolitik andeute und mich auf das von Ihnen erwähnte Beispiel der Stadt Köln beziehe. Adenauer hat als Oberbürgermeister sehr bewußt inflationäre Mittel verwendet. Mit den damals durchgeführten Notstandsarbeiten wurde unmittelbar die hohe Arbeitslosenquote gesenkt, während mittelbar der Stadt mit dem neuen Universitätsgebäude, den Bauten der Kölner Messehallen, einerneuen Rheinbrücke und der großzügigen Ausgestaltung weiterer Grünzonen bleibende Werte zuwuchsen. Kann man die dabei bewußt in Kauf genommene, partiell wohl auch als spekulativ zu bezeichnende hohe Verschuldung nur als Negativum bezeichnen?

Aussprache

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Ich will diese Momente nicht zeitlos als Mittel zur Lösung vergleichbarer Schwierigkeiten propagieren. Doch muß man wohl die damalige Gegenposition zur Reichspolitik sich einmal klar vorstellen, um beurteilen zu können, ob überhaupt eine andere Politik möglich gewesen wäre als diejenige, die über uns gekommen ist.

Luntowski: Eine Frage an Sie hinsichtlich der Rolle der Staats- oder sog. Schuldenkommissare bei der Errichtung der NS-Diktatur. Staatskommissare wurden in der Weimarer Zeit in den stark verschuldeten Kommunen mit besonderen Vollmachten und mit der Aufgabe der Haushaltssanierung eingesetzt. Soweit ich das gesehen habe, wurde die Einrichtung der Staatskommissare nach der Machtergreifung von den Nationalsozialisten zu dem Zwecke benutzt, die Kommunalverwaltungen in ihrem Sinne zu "säubern" und politisch gleichzuschalten.- Ein anderer Aspekt: Ihre Vermutung, daß die Brüning'schen Gehaltskürzungen zur Neigung der Beamten beigetragen haben, NSDAP zu wählen, kann ich aus meiner Sicht durchaus bestätigen. Hüttenberger: Ich gehe zunächst auf die Frage nach den Kommissaren ein. Diese Kommissare wurden im Sommer 1931 von Reich und Ländern eingesetzt, um das Haushaltsgebaren einiger Gemeinden zu überwachen und wenn nötig in seine Schranken zu verweisen. Die Nationalsozialisten haben die "Figuren" gleichsam "ausgetauscht", nun aber nicht in erster Linie die Finanzen, sondern die Personalpolitik kontrollieren lassen. 1933 verschoben sich die Schwerpunkte der Gemeinden, Länder und Reich weg von der Finanzund Haushaltspolitik hin zur Personal- und Arbeitsbeschaffungspolitik Ob die Kommissare vor 1933 wirklich wirkungsvoll arbeiteten, ist schwer abzuschätzen. Auch die Tätigkeit der NS-Kommissare sollte nicht überbewertet, sondern differenziert werden. Die Veränderungen in den vorhandenen Personalstrukturen der Gemeinden waren verhältnismäßig gering. Die NSDAP besetzte in der Regel lediglich die Spitzenpositionen um, ließ jedoch den übrigen großen, mittleren Verwaltungsapparat intakt. Allerdings wurden 1933/34 die Personalhaushalte durch die Unterbringung von "Alten Kämpfern" zusätzlich aufgebläht. Ein besonderes Problem stellten die Kommunalpolizeien dar: Zum einen waren sie schon vor 1933 kaum noch in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen, und zum anderen reduzierte Göring in Preußen 1933 weiter ihre Personalstärke, um die staatliche Polizei aufzuwerten. Die Kommunalpolitik sprach Herr Frost an: Ab 1924 taten die Gemeinden grundsätzlich das richtige: sie bauten Wohnungen, verbesserten die örtliche Infrastruktur und bekämpften die Arbeitslosigkeit. Sie finanzierten ihre Vorhaben gewöhnlich mittels Anleihen, da ihre normalen Einnahmen nur zur Aufrechterhaltung ihrer Verwaltungen ausreichten. Die Weltwirtschaftskrise zerschlug diese Politik, die bei stetig guter Konjunktur durchaus zum Erfolg geführt hätte. Es gab allerdings einige Städte, wie Düssel-

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Aussprache

dorf, die aufgrund einer günstigen Zusammensetzung ihrer Industrie die Krise den Umständen nach gut durchstanden, während andere, wie Köln, bedingt durch eine allzu großzügige Ausgabenwirtschaft, in den Ruin trieben. Die Weltwirtschaftskrise, die vor allem zu einem Zusammenbruch des für die Gemeinden bedeutsamen Teils des Banksystems führte, "überrumpelte" die Oberbürgerrr.eister und Kämmerer. Die Frage, ob Brüning überhaupt die Freiheit besaß, Inflationspolitik zu betreiben oder nicht, scheint mir angesichts der innen- und außenpolitischen Zwänge, angesichts des Druckes, der vom internationalen Kapitalmarkt und den großen Banken ausging, ein wenig spekulativ zu sein. Die Akten des Reichsfinanzministeriums erweckten, anders als die Protokolle des Reichstages den Eindruck, daß die Handlungsspielräume der Regierung eng waren. Jedenfalls waren Brüning und die leitenden Beamten des Reichsfinanzministeriums überzeugt, daß nur eine strikte Sparpolitik das Reich wieder kreditwürdig mache. Erstaunlich ist nur, daß die Banken, die Brüning ermahnten zu sparen, 1933 Schacht und Hitler freie Hand ließen und gegen beider großzügige Kreditpolitik keinen Widerstand leisteten.

Quaritsch: Offensichtlich erschien den Bankiers die Regierung Hitler vertrauenswürdiger als die Regierungen Brüning, v. Papen und v. Schleicher. Hüttenberger: Ganz offensichtlich. Quaritsch: Heute werfen wir dem einfachen Wähler vor, daß er Hitler wählte. Wieso irrte nicht nur der quivis ex populo, sondern weshalb irrten Leute mit wirtschaftlichem Durchblick und internationalen Erfahrungen? Hüttenberger: Es geht 1933 noch nicht um das Vertrauen in die Person Hitler, sondern um ein Vertrauen in die Koalitionsregierung, in der ja immerhin so erfahrene Finanzpraktiker wie Graf Schwerin-Krosigk tätig war en und den Reichshaushalt lenkten. Überdies kamen zahlreiche hohe Beamte aus der preußischen Verwaltung. Brauneder: Wieso ändert sich die Kreditwürdigkeit der Reichsregierung nach der Machtübernahme 1933? Dazu ein Gedankensplitter: Steckt dahinter vielleicht auch die Idee, daß zuvor die ausländischen Banken einen kommunistischen Umbruch befürchtet haben und jetzt nicht mehr? Hüttenberger: Das spielt wohl eine große Rolle, die Unterdrückung der Kommunisten und der Linken hat die "Bonität" des Reiches erhöht. Nicht nur im ideologischen, sondern auch im materiellen Sinne. Und das Zweite, was sicher eine Rolle spielt, ist, daß Hitler auf dem Erlaßweg die "Revolution beendet" hat. D.h. er signalisierte, die linken SA-Strömungen, die es gab, werden ausgeschaltet. Quaritsch: Die Reformen, die seit 1930 angesagt waren, ähnelten den Reformen nach 1919. Die Finanzreformen hätte man in normalen Zeiten

Aussprache

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niemals gegen den Willen der Länder durchziehen können. Auch die Schiffersehen Justizreformen waren aus nackter Not geboren. Die damals z.B. vorgenommene Verringerung der Besetzung der Senate der Oberlandesgerichte von fünf auf drei Richter ist nie wieder rückgängig gemacht worden, auch nicht in der Bundesrepublik, als die Kassen wieder gefüllt waren. Offenbar lassen sich einschneidende, aber vernünftige Reformen nur dann realisieren, wenn das Wasser bis zum Hals steht. Sie hatten betont, die Finanzbehörde habe schon ab 1930 die Parlamentsmacht, aber auch die kommunale Selbständigkeit unterminiert. Dabei erwähnten Sie auch den Namen Schwerin von Krosigk, der auch in der Regierung Hitler als Finanzminister war. Ich glaube aber nicht, daß man ihn wegen autokratischer Neigungen oder als Gegner des Parlamentarismus in die Regierung übernommen hat, sondern weil er ein bedeutender Finanzmann war. Selbst Dönitz legte auf ihn als Reichsfinanzminister Wert. Gleichwohl die grundsätzliche Frage: Waren die Finanzbürokraten keine Demokraten, oder waren sie zu der Erkenntnis gekommen, daß die Parlamente den Staat zugrunde richteten?

Hüttenberger: Die Finanzbürokratie des Reiches und der Länder betrachtete die Parteien und Kommunalparlamente als "Störenfriede", die eine vernünftige, sparsame und geordnete Finanzverwaltung immer wieder unterminierten. Vor allem warf sie ihnen vor, daß sie die Folgekosten ihrer Projekte nicht bedächten, ein Vorwurf, der in den 60er und 70er Jahren übrigens auch in der Bundesrepublik aufkam. Diese Haltung hat Tradition, sie geht bis ins 19. Jh., bis in die Zeit nach den Napoleonischen Kriegen zurück, in denen die Staatsfinanzen Preußens zerrüttet wurden. Andererseits begriff die Reichsfinanzverwaltung der Weimarer Republik nicht, daß Zentrum, SPD und KPD vor dem Hintergrund der sozialen Nöte, im Interesse ihrer armen Klientel ständig Anträge auf Ausgaben stellen mußten. Brauneder: Aufmerksam zu machen ist auf eine Parallele in Österreich bei der sogenannten 1. Völkerbundsanleihe 1922. Österreich wurde eine Verfassungsänderung aufgetragen, welche der demokratischen Verfassung nahezu entgegengesetzt war, eine Lösung, die man nach dem Ersten Weltkrieg gar nicht mochte: Der Bundesregierung mußte nämlich zur Durchführung der Völkerbundsanleihe und damit zusammenhängender Wirtschaftsfragen ein Notverordnungsrecht eingeräumt werden- verpönt seit dessen Anwendung im monarchischen Österreich. Für die Aufrechterhaltung des- demokratischen- Österreich hatte dieses also ein vor allem von den Sozialdemokraten als völlig undemokratisch empfundenes Verfassungselement aufzunehmen. Quaritsch: Sie haben die nach 1933 auftauchenden Sonderbehörden kritisiert. Die "Einheit der Verwaltung" ist auch heute noch ein verwaltungswissenschaftliches Ideal und dementsprechend die "Sonderbehörde" ein wenigstens mißtrauisch beäugter Praxistatbestand. Allerdings erscheint mir

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Aussprache

die Sonderbehörde des Generalinspekteurs Todt nicht besonders geeignet, die Untauglichkeit von Sonderbehörden zu beweisen. Finanzierung und Organisation mögen, wie Sie feststellten, ein "totales Chaos" gewesen sein. Aber das ist, wenn Sie mir den zugespitzten, von mir nicht negativ gemeinten Ausdruck gestatten, eine bürokratische Perspektive. Sehen wir hingegen auf das Ergebnis, so ist festzustellen: Diese Sonderbehörde schuf innerhalb von sechs Jahren (1933- 1939) mit den Reichsautobahnen das modernste Straßennetz der Welt (die amerikanischen Highways waren damals nicht kreuzungsfrei). Ich bin überzeugt, die normalen Straßenbauverwaltungen unter der ebenso normalen Ministerialverwaltung des Verkehrsministeriums hätten diese revolutionären Baumaßnahmen niemals in so kurzer Zeit und in diesem Umfang durchsetzen können. Damit wäre die traditionelle Bürokratie überfordert gewesen. Ich kann das im einzelnen nicht ausführen, möchte aber ihrer Betrachtung die These entgegensetzen: Außergewöhnliche Maßnahmen sind nur mit außergewöhnlichen organisatorischen Mitteln durchzusetzen. Hüttenberger: Ja, das ist zwiespältig. Todt war ein geschickter, durchsetzungsfähiger Administrator. Darre, der Leiter des Reichsnährstandes, war dagegen unfähig und geriet schon 1935 in die Kritik von Gauleitern und Industrie. Man entmachtete ihn und übertrug die Landwirtschaftspolitik einem Technokraten. Insgesamt hatte der Kreis um Hitler die Neigung, die herkömmlichen Behörden zu umgehen - er mißtraute der Beamtenschaft und Sonderbehörden zu errichten. So zerfiel der innere Zusammenhang des Staatswesens, das bald nur noch durch den "Führer" zusammengehalten wurde. Es gibt gewiß Bereiche, in denen Sonderbehörden begrenzt eingesetzt, auf ein bestimmtes Programm zugeschnitten, Sinn haben. Aber kann man mit diesem Instrument die gesamte Staatsverwaltung führen?- Wohl kaum! Anfang 1934 glaubten die Beamten der Reichsfinanzverwaltung an einem Punkt angekommen zu sein, den sie seit gut zehn Jahren angestrebt hatten. Dann aber entglitt ihnen die Steuerung der Reichsverwaltung, die die nationalsozialistische Bewegung an sich riß.

Verzeichnis der Redner

Barmeyer-Hartlieb 31, 102 Battenberg 30, 43f., 73, 74, 107f. Baumgart 35f., 70f., 73, 74, 105f. Brandt 107 Brauneder 41, 72f., 73f., 74, 75f., 150, 151 Dilcher 39f. Frost 148f. Hofmann 102 Hüttenherger 41, 101, 149f., 151, 152 Kleinheyer 34 Kunisch 31, 40

Luntowski 149 Mager 102 Moraw 34f. Mußgnug 34, 101, 102f., 104f., 106f., 108f. Neuhaus 35, 74f. Peyer 44 Press 30f., 32 ff., 36ff., 41ff., 45 Quaritsch 150f., 151f. Schindling 31, 71 Schulze 76f., 103f., 105 Wadle 107

Vereinigung für Verfassungsgeschichte Satzung § 1 1. Die Vereinigung für Verfassungsgeschichte stellt sich die Aufgabe:

a) Wissenschaftliche Fragen aus der Verfassungsgeschichte, einschließlich der Verwaltungsgeschichte, durch Referate und Aussprache in Versammlungen ihrer Mitglieder zu klären; b) Forschungen in diesem Bereich zu fördern; c) auf die ausreichende Berücksichtigung der Verfassungsgeschichte im Hochschulunterricht sowie bei staatlichen und akademischen Prüfungen hinzuwirken. 2. Sie verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts "Steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung in ihrer jeweils gültigen Fassung. 3. Sit z der Vereinigung ist Frankfurt am Main.

§ 2 Gründungsmitglieder der Vereinigung sind diejenigen Personen, die zur Gründungsversammlung am 4.10.1977 in Hofgeismar eingeladen worden sind und schriftlich ihren Beitritt erklärt haben.

§ 3 1. Mitglied der Vereinigung kann werden, wer

a) auf dem Gebiet der Verfassungsgeschichte, einschließlich der Verwaltungsgeschichte, seine Befähigung zu selbständiger Forschung durch entspr echende wissenschaftliche Veröffentlichungen nachgewiesen hat und b) an einer Universität bzw . gleichgestellten wissenschaftlichen Hochschule oder Hochschuleinrichtung als selbständiger Forscher und Lehrer, an einem wissenschaftlichen Forschungsinstitut als selbständiger Forscher oder im Archivdienst tätig ist. 2. Das Aufnahmeverfahren wird durch schriftlichen Vorschlag von drei Mitgliedern d er Vereinigung eingeleitet. Ist der Vorstand einstimmig der Auffassung, daß die Voraussetzungen für den Erwerb der Mitgliedschaft erfüllt sind, so verständigt er in einem Rundschreiben die Mitglieder von seiner Absicht, dem Vorgeschlagenen die Mitgliedschaft anzutragen. Erheben mindestens fünf Mitglieder binnen Monats-

Satzung der Vereinigung für Verfassungsgeschichte

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fristgegen die Absicht des Vorstandes Einspruch oder beantragen sie mündliche Erörterung, so beschließt die Mitgliederversammlung über die Aufnahme. Die Mitgliederversammlungbeschließt ferner, wenn sich im Vorstand Zweifel erheben, ob die Voraussetzungen der Mitgliedschaft erfüllt sind. 3. In besonders begründeten Ausnahmefällen kann Mitglied der Vereinigung auch werden, wer die Voraussetzungen nach Abs. 1lit. b nicht erfüllt. In diesem Falle wird das Aufnahmeverfahren durch näher begründeten schriftlichen Vorschlag von fünf Mitgliedern der Vereinigung eingeleitet. Über die Aufnahme entscheidet nach Stellungnahme des Vorstandes die Mitgliederversammlung mit 2/3-Mehrheit der anwesenden Mitglieder.

§4 Die ordentliche Mitgliederversammlung soll regelmäßig alle zwei Jahre an einem vom Vorstand bestimmten Ort zusammentreten. In dringenden Fällen können außerordentliche Versammlungen einberufen werden. Auf Verlangen von 1/3 der Mitglieder ist der Vorstand verpflichtet, eine außerordentliche Mitgliederversammlung unverzüglich einzuberufen. Auf jeder ordentlichen Mitgliederversammlung muß mindestens ein wissenschaftlicher Vortrag mit anschließender Aussprache gehalten werden.

§5 Der Vorstand der Vereinigung besteht aus einem Vorsitzenden und zwei Stellvertretern. Die Vorstandsmitglieder teilen die Geschäfte untereinander nach eigenem Ermessen. Der Vorstand wird am Schluß jeder ordentlichen Mitgliederversammlung neu gewählt; einmalige Wiederwahl ist zulässig. Der alte Vorstand bleibt bis zur Wahl eines neuen Vorstandes im Amt. Zur Vorbereitung der Mitgliederversammlung kann sich der Vorstand durch Zuwahl anderer Mitglieder verstärken. Auch ist Selbstergänzung zulässig, wenn ein Mitglied des Vorstandes in der Zeit zwischen zwei Mitgliederversammlungen ausscheidet. § 6

Der Beirat der Vereinigung besteht aus fünf Mitgliedern; die Mitgliederzahl kann erhöht werden. Der Beirat berät den Vorstand bei der Festlegung der Tagungsthemen und der Auswahl der Referenten. Die Mitglieder des Beirats werden von der Mitgliederversammlung auf vier Jahre gewählt. § 7

Zur Vorbereitung ihrer Beratungen kann die Mitgliederversammlung, in eiligen Fällen auch der Vorstand, besondere Ausschüsse bestellen.

§

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Zu Eingaben in den Fällen des § 1 Ziff. 2 und 3 und über öffentliche Kundgebungen kann nach Vorbereitung durch den Vorstand oder einen Ausschuß auch im Wege schriftlicher Abstimmung der Mitglieder beschlossen werden. Ein solcher Beschluß

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Satzung der Vereinigung für Verfassungsgeschichte

bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder; die Namen der Zustimmenden müssen unter das Schriftstück gesetzt werden.

§9 Der Mitgliedsbeitrag wird von der Mitgliederversammlung festgesetzt. Der Vorstand kann den Beitrag aus Billigkeitsgründen erlassen.

Verzeichnis der Mitglieder (Stand 1. Oktober 1991)

Vorstand 1. Luntowski, Dr. Gustav, Professor, Postfach 10 50 53, 4600 Dortmund 1

2. Moraw, Dr. Peter, Professor, Otto-Behaghel-Straße 10, 6300 Gießen 3. Mußgnug, Dr. Reinhard, Professor, Friedrich-Ebert-Anlage 6- 10, 6900 Heidelberg

Beirat 1. Baumgart, Dr. Peter, Professor, Am Hubland, Philosophiegebäude, 8700 Würzburg

2. Oexle, Dr. Otto Gerhard, Professor, Hermann-Foege-Weg 11, 3400 Göttingen 3. Stehkämper, Dr. Hugo, Severin-Straße 222- 228, 5000 Köln 1 4. Stolleis, Dr. Michael, Professor, Senckenberganlage 31, 6000 Frankfurt a.M. 5. Wadle, Dr. Elmar, Professor, Universität des Saarlandes, 6600 Saarbrücken 15

Mitglieder 1. Ableitinger, Dr. Alfred, Professor, Institut für Geschichte, Heinrichstraße 26, A-8010 Graz

2. Badura, Dr. Peter, Professor, Am Rothenberg Süd 4, 8113 Kochel 3. Barmeyer-Hartlieb, Dr. Heide, Professorin, Auf den Bohnenkämpen 6, 4930 Detmold 4. Battenberg, Dr. Friedrich, Professor, Schloß (Staatsarchiv), 6100 Darmstadt 5. Baumgart, Dr. Peter, Professor, Universität Würzburg, Am Hubland, Philosophiegebäude, 8700 Würzburg 6. Becker, Dr. Hans-Jürgen, Professor, Universität Regensburg, Universitätsstraße 31, 8400 Regensburg 7. Behr, Dr. Hans-Joachim, Ltd. Staatsarchivdirektor, Bohlweg 2, 4400 Münster 8. Birke, Dr. Adolf M., Professor, 76 Westbourne Ferrace GB-London W 26 QA (Universität Bayreuth) 9. Birtsch, Dr. Günter, Professor, Fb III Geschichte der Universität Trier, Postfach 38 25, 5500 Trier

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Verzeichnis der Mitglieder

10. Blickle, Dr. Peter, Professor, Universität Bern, Engehaldenstraße 4, CH-3012 Bern 11. Böckenförde, Dr. Ernst-Wolfgang, Professor, Türkheimstraße 1, 7801 Au bei Freiburg 12. Boldt, Dr. Hans, Professor, Universität Düsseldorf, Universitätsstraße 1, 4000 Düsseldorf 31 13. Borck, Dr. Heinz-Günther, Am Steine 7, 3200 Hildesheim (Stadtarchiv und Stadtbibliothek) 14. Botzenhart, Dr. Manfred, Professor, Universität Münster, Spiekerhofstraße 40/43, 4400 Münster 15. Brandt, Dr. Hartwig, Privatdozent, Wilhelm-Röpke-Straße 6, 3550 Marburg 16. Brauneder, Dr. Mag. Wilhelm, Professor, Universität Wien, Schottenbastei 10- 16, A-1010 Wien 17. Chittolini, Dr. Giorgio, Professor, Via Chiaravene 7, 1-20122 Milano 18. Dann, Dr. Otto, Professor, Universität Köln, Hist. Seminar, Albertus-MagnusPlatz, 5000 Köln 1 19. Diestelkamp, Dr. Bernhard, Professor, Kiefernweg 12, 6242 Kronberg 2 20. Dietrich, Dr. Richard, Professor, Sachsenstraße 17, 3500 Kassel 41 21. Dilcher, Dr. Gerhard, Professor, Kuckucksweg 18, 6240 Königstein/Ts. 22. Droege, Dr. Georg, Professor, Am Hofgarten 22, 5300 Bonn 1 23. Duchhardt, Dr. Heinz, Professor, Dompla~z 20 - 22, 4400 Münster 24. Eisenhardt, Dr. Ulrich, Professor, Feithstraße 152, 5800 Hagen 25. Endres, Dr. Rudolf, Professor, An den Hornwiesen 10, 8520 Erlangen-Buckenhof 26. Ermacora, Dr. Felix, Professor, Dr. Karl-Lueger-Ring 1, A-1010 Wien 27. Fenske, Dr. Hans, Professor, Kardinal-Wendel-Straße 45, 6720 Speyer 28. Fioravanti, Dr. Maurizio, Professor, Universita degli Studi di Firenze, Piazza Indipendenza 9, 1-50129 Firenze 29. Friauf, Dr. Karl Heinrich, Professor, Universität Köln, Albertus-Magnus-Platz, 5000 Köln 1 30. Frost, Dr. Herbert, Professor, Kringsweg 24, 5000 Köln 41 31. Frotscher, Dr. Werner, Professor, Institut für Öffentliches Recht, Universitätsstraße 6, Savigny-Haus, 3350 Marburg/Lahn 32. Gall, Dr. Lothar, Professor, Universität Frankfurt FB 8, Senckenberganlage 31, 6000 Frankfurt/M. 33. Gangl, Dr. Hans, Professor, Universitätsplatz 3, A-8010 Graz 34. Giesen, Dr. Dieter, Professor, FU Berlin, FB Rechtswissenschaften, Van't-HoffStraße 8, 1000 Berlin 33 35. Grawert, Dr. Rolf, Professor, Universität Bochum, Fak. f. Rechtswiss., Universitätsstraße 150, 4630 Bochum 1 36. Grimm, Dr. Dieter, Professor, Universität Bielefeld, Universitätsstraße 25, 4800 Bielefeld 1 37. Grube, Dr. Walter, Professor, Hangleiterstraße 2, 7000 Stuttgart 1

Verzeichnis der Mitglieder

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38. Hartlieb v. Wallthor, Dr. Alfred, Universität Münster, FB 10, Spiekerhof 40/43, 4400 Münster 39. Hartmann, Dr. Peter Claus, Professor, Universität Mainz, FB Geschichtswiss., Saarstraße 21, 6500 Mainz 40. Heckel, Dr. Martin, Professor, Liesehingstraße 3, 7400 Tübingen 41. Heun, Dr. Werner, Professor, Universität Göttingen, Goßlerstraße 11, 3400 Göttingen 42. Heyen, Dr. Erk Volkmar, Professor, Hochschule für Verwaltungswissenschaft, Freiherr-vom-Stein-Straße 2, 6720 Speyer 43. Hofmann, Dr. Hasso, Professor, Christoph-Meyer-Weg 5, 8700 Würzburg 44. Hoke, Dr. Rudolf, Professor, Universität Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1, A-1010 Wien 45. Hüttenberger, Dr. Peter, Professor, Universität Düsseldorf, Universitätsstraße 1, 4000 Düsseldorf 46. Ishibe, Dr. Masakuke, Professor, Sumiyoshiku Sugimotocho, Osaka, Japan 47. Ishik awa, Dr. Takeshi, Professor, Faculty of Law, Hokaido-University, Kita-ku, Kita 9, Nishi 7, Sapporo, Japan 48. Janssen, Dr. Wilhelm, Professor, Kalkstraße 14, 4000 Düsseldorf 31 (Hauptstaatsarchiv Düsseldorf) 49. Johanek, Dr. Peter, Professor, Universität Münster, Spiekerhof 40/43, 4400 Münster 50. Kleinheyer , Dr. Gerd, Professor, Universität Bonn, Adenauerallee 24 - 42, 5300 Bonn 51. Klippel, Dr. Diethelm, Professor, Universität Gießen, Postfach, 6300 Gießen 52. Koselleck, Dr. Reinhard, Professor, Universität Bielefeld, Postfach 8, 4800 Bielefeld 53. Krieger, Dr. Karl-Friedrich, Professor, Universität Mannheim, Schloß M 404, 6800 Mannheim 54. Kroeschell, Dr. Karl, Professor, Universität Freiburg, Alte Universität, Petershof, Schloßbergstraße 17, 7800 Freiburg i. Br . 55. Krüger, Dr. Peter, Professor, Universität Marburg, Wilhelm-Röpke-Straße 6 C, 3550 Marburg/Lahn 56. Kühne, Dr. Jörg-Detlef, Professor, Universität Hannover, Hanomagstraße 8, 3000 Hannover 1 57. Kunisch, Dr. Johannes, Professor, Hist. Seminar Universität Köln, 5000 Köln 1 58. Landwehr, Dr. Götz, Professor, Universität Hamburg, Rothenbaumchaussee 41, 2000 Harnburg 13 59. Laufs, Dr. Adolf, Professor, Inst. f. gesch. Rechtswissenschaft, Friedrich-EbertPlatz 2, 6900 Heidelberg 60. Link, Dr. Christoph, Professor, Universität Erlangen, Katholischer Kirchenplatz 9, 8520 Erlangen 61. Luntowski, Dr. Gustav, Professor, Staatsarchiv Dortmund, Postfach 10 50 53, 4600 Dortmund 1 62. Mager, Dr. Wolfgang, Professor, Universität Bielefeld, Universitätsstraße 25, 4800 Bielefeld 1

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Verzeichnis der Mitglieder

63. Majer, Dr. Diemut, Professor, Welfenstraße 30, 7500 Karlsruhe 64. Malettke, Dr. Klaus, Professor, Universität Marburg, Wilhelm-Röpke-Straße 6, 3550 Marburg/Lahn 65. Maurer, Dr. Hans-Martin, Staatsarchivdirektor, Liesehingstraße 47, 7000 Stuttgart 80 66. Mazzacane, Dr. Aldo, Professor, Ist. di storia del diritto italiano, Mezzocannone 16, I-80133 Napoli 67. Menger, Dr. Christian-Friedrich, Professor, Universität Münster, Universitätsstraße 14/16, 4400 Münster 68. Modeer, Dr. Kjell A., Professor, Universität Lund, Juridicum, S-22105 Lund 1 69. Mößle, Dr. Dr. Wilhelm, Professor, Universität Bayreuth, Postfach 30 08, 8580 Bayreuth 70. Mohnhaupt, Dr. Heinz, Freiherr-vom-Stein-Straße 7, 6000 Frankfurt/M. (MPI) 71. Moormann van Kappen, Dr. Olav, Professor, Gerhard Noodt Instituut, Faculteit der Rechtsgeleerdheid, Postbus 9049, NL-6500 KK Nijmegen 72. Moraw, Dr. Peter, Professor, Universität Gießen, Hist. Institut, Otto-BehaghelStraße 10, Postfach 111440,6300 Gießen 73. Morsey, Dr. Rudolf, Professor, Hochschule für Verwaltungswissenschaften, 6720 Speyer 74. Murakami, Dr. Junichi, Professor, The University of Tokyo, Faculty of Law, 7-3-1 Hongo, Bunkyo-ku, 113 Tokyo, Japan 75. Mußgnug, Dr. Reinhard, Professor, Institut für Finanz- und Steuerrecht, Friedrich-Ebert-Anlage 6 - 10, 6900 Heidelberg 76. Naujoks, Dr. Eberhard, Professor, Wildermuthstraße 32, 7400 Tübingen 77. Neuhaus, Dr. Helmut, Professor, Friedrich-Alexander-Universität, Kochstraße 4, 8520 Erlangen 78. Oexle, Dr. Otto Gerhard, Professor, MPI für Geschichte, Hermann-Foege-Weg 11, 3400 Göttingen 79. Ogris, Dr. jur. Werner, Professor, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1, A-1010 Wien 80. Pet erson, Dr. Claes, Professor, University of Stockholm, Faculty of Law, S-106 91 Stockholm 81. Peyer, Dr. Hans Conrad, Professor, Rosenbühlstraße 28, CH-8044 Zürich 82. Press, Dr. Volker, Professor, Hegelbau, Wilhelmstraße, 7400 Tübingen 83. Prodi, Dr. Paolo, Professor, Italienisch-deutsches historisches Institut, Via S . Croce 77, I-38100 Trento 84. Putzer, Dr. Peter, Professor, A-5101 Bergheim 311 (Universität Salzburg) 85. Quaritsch, Dr. Helmut, Professor, Otterstadter Weg 139, 6720 Speyer 86. Randelzhofer, Dr. Albrecht, Professor, Vant'-Hoff-Straße 8, 1000 Berlin 33 87. Ranieri, Dr. Filippo, Privatdozent, MPI für europ. Rechtsgesch., Hausener Weg 120, 6000 Frankfurt a. M. 90 88. Robbers, Dr. Gerhard, Professor , Universität Trier, FB V Rechtswissenschaft, Postfach 38 25, 5500 Trier

Verzeichnis der Mitglieder

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89. Rückert, Dr. Joachim, Professor, Universität Hannover, Hanomagstraße 8, 3000 Hannover 91 90. Russocki, Dr. Stanislaw, Professor, Uniwersytet Warszawski, Instytut Historii Prawa, ul. Krakowskie Przedmiescie 26/28, PL-00-927 Warszawa 91. Scheel, Dr. Günter, Am Okerufer 23, 3340 Wolfenbüttel 92. Schiera, Dr. Pierangelo, Professor, Istituto Trentino Di Cultura, Via S . Croce 77, I-381000 Trento 93. Schindling, Dr. Anton, Professor, Universität Osnabrück, Postfach 44 69, 4500 Osnabrück 94. Schlaich, Dr. Klaus, Professor, Universität Bonn, Konrad-Adenauer-Allee 24- 42, 5300 Bonn 95. Schneider, Dr. Hans, Professor, Ludolf-Krehl-Straße 44, 6900 Heidelberg 96. Schneider, Dr. Hans-Peter, Professor, Universität Hannover, Hanomagstraße 8 3000 Hannover 91 97. Schneider, Dr. Reinhard, Professor, FB 5, Universität des Saarlandes, 6600 Saarbrücken 98. Schnur, Dr. Roman, Professor, Lindenstraße 49, 7407 Rottenburg 5 99. Schott, Dr. Clausdieter, Professor, Dorfstraße 37, CH-8126 Zumikon 100. Schroeder, Dr. Klaus-Peter, Privatdozent, JuS Schriftleitung, Postfach 1102 41, 6000 Frankfurt 101. Schubert, Dr. Wemer, Professor, Universität Kiel, Olshausener Straße 40, 2300 Kiel 102. Schütz, Dr. Rüdiger, Privatdozent, Rist. Institut, Kopemikusstraße 16, 5100 Aachen 103. Schulz, Dr. Gerhard, Professor, Wilhelmstraße 36, 7400 Tübingen 104. Schulze, Dr. Reiner, Privatdozent, Senckenberganlage 31, 6000 Frankfurt a. M. 105. Sprandel, Dr. Rolf, Professor, Institut für Geschichte, Am Hubland, 8700 Würzburg 106. Stehkämper, Dr. Hugo, Ltd. Stadtarchivdirektor, Histor. Archiv d. Stadt Köln, Severinstraße 222 - 228, 5000 Köln 1 107. Steiger, Dr. Reinhard, Professor, Universität Gießen, LieherstraBe 76, 6300 Lahn-Gießen 108. Stolleis, Dr. Michael, Professor, Waldstraße 15, 6242 Kronberg 2 109. Stourzh, Dr. Gerald, Professor, Dr. Karl-Lueger-Ring 1, A-1010 Wien 110. Ullmann Dr. Hans-Peter, Professor, Wirtschaftswiss. Seminar der Universität Tübingen, Mohlstraße 36, 7400 Tübingen 1 111. von Unruh, Dr. Georg-Christoph, Professor, Steenkamp 2, 2305 Kitzeberg 112. Wadle, Dr. Elmar, Professor, Universität des Saarlandes, 6600 Saarbrücken 15 113. Wahl, Dr. Rainer, Professor, Inst. f. Öffentl. Recht, Werderring 10, 7800 Freiburg i.Br. 114. Weis, Dr. Eberhard, Professor, Universität München, Geschwister-Scholl-Platz 1, 8000 München 22 11 Der Staat Beiheft 9

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Verzeichnis der Mitglieder

115. Weitzel, Dr. Jürgen, Privatdozent, Heinrich-Tessenow-Weg 23, 6000 Frankfurt!M. 90 116. Willoweit, Dr. Dietmar, Professor, Institut für Rechtsgesch., Domerschulstraße 16, 8700 Würzburg 117. Wolf, Dr. Armin, MPI f. europ. Rechtsgesch., Hausener Weg 120, 6000 Frankfurt 90 118. Würtenberger, Dr. Thomas, Professor, Institut für Öffentliches Recht, Postfach, 7800 Freiburg 119. Wyduckel, Dr. Dieter, Privatdozent, Universität Münster, Universitätsstraße 14/16, 4400 Münster