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German Pages [433] Year 2022
Stefanie Siedek-Strunk
Evangelische Gefängnisseelsorge in der SBZ und den frühen Jahren der DDR (1945 bis 1959)
Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte
Herausgegeben im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte von Siegfried Hermle und Harry Oelke Reihe B: Darstellungen Band 84
Vandenhoeck & Ruprecht
Stefanie Siedek-Strunk
Evangelische Gefängnisseelsorge in der SBZ und den frühen Jahren der DDR (1945 bis 1959)
Vandenhoeck & Ruprecht
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber https://dnb.de abrufbar. 2022, Vandenhoeck & Ruprecht, Theaterstraße 13, D-37073 Gçttingen ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schçningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Bçhlau, Verlag Antike und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschþtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: 3w+p, Rimpar
Vandenhoeck & Ruprecht Verlage j www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2197-0874 ISBN 978-3-666-56052-1
F ür Christina, Konrad, Lea und Noa
Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Forschungsgegenstand . . . . 2. Forschungsstand und Quellenlage 3. Zum Aufbau der Arbeit . . . . . .
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A Gestaltende Protagonisten und Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kirche in der SBZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Die Situation der Kirchen nach dem Kriegsende . . . . . . . 1.2 Die Kirchenpolitik der SED und die evangelische Kirche . . 2. Zuständigkeiten und Rechtsgrundlagen im Strafvollzug der SBZ . 2.1 Die deutsche Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Die Polizei der Länder und Provinzen . . . . . . . . . . . . . 3. Das sowjetische Innenministerium (NKWD / MWD) . . . . . . . 3.1 Die sowjetischen Speziallager . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Internierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Sowjetische Militärtribunale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Haftbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Transformationen in der Justizpolitik . . . . . . . . . . . . . . .
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B Die Gefängnisseelsorge in der SBZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Zeit der Improvisation (1945–1949) . . . . . . . . . . . . . 1.1 Die Vorreiterrolle der EKiBB . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Schlüsselinstitutionen und -personen . . . . . . . . . 1.1.2 Konzepte zur Finanzierung und Organisation . . . . 1.1.3 Der Einsatz von Hilfskräften in der Gefängnisseelsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Die Situation in den weiteren östlichen Landeskirchen . . 1.2.1 Die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen 1.2.2 Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen . . 1.2.3 Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.4 Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens 1.3 Beteiligung der SMAD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
2. Reglementierung und Vereinheitlichung (1946–1948) . . . . . . . 2.1 Die Entstehung der Dienstanweisung für die evangelischen Geistlichen an den Gefangenenanstalten der Justizverwaltung der SBZ von 1947 . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Der Entwurf der Dienstanweisung durch die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg . . . . . . 2.1.2 Die Dienstanweisung nach ihrer Überarbeitung durch die SMAD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Reaktionen auf die Dienstanweisung und ihre Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Weitere Einschränkungen der kirchlichen Arbeit im Strafvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Verstaatlichung der Fürsorge im Strafvollzug . . . . . 2.2.2 Zunehmende Dominanz des Polizeistrafvollzugs . . . 3. Festigung und Zentralisierung (1948–1949) . . . . . . . . . . . . 3.1 Landeskirchliche Bemühungen um Kooperation mit den Blockparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Situation der Gefängnisseelsorge am Ende der SBZ . . . . . 3.3 Führungsanspruch und Zentralisierungsbemühungen der Kirchenkanzlei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Die Umfrage zum Stand der Gefängnisseelsorge vom Herbst 1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Interpretation der Umfrageergebnisse durch die Kirchenkanzlei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Seelsorgerliche Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C Die Gefängnisseelsorge in den frühen Jahren der DDR (1949–1954) . 1. Kirchenpolitische Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 2. Umstrukturierungen im Strafvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Übernahme des Strafvollzugs durch das Ministerium des Innern im Frühjahr 1950 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Verwaltung und organisatorische Struktur des Strafvollzugs . 2.3 Veränderungen der Haftbedingungen . . . . . . . . . . . . . 2.4 Erste Auswirkungen auf die Gefängnisseelsorge . . . . . . . 3. Die Neuordnung der Gefängnisseelsorge . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Die Gefängnisseelsorge im politischen Strafvollzug . . . . . 3.1.1 Organisation und Ablauf der Oster- und Pfingstgottesdienste 1950 . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Die Anstellung Munds . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Funktionen Munds bei der Hauptverwaltung der Volkspolizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Ausbau der staatlichen Gefängnisseelsorge ab 1951 . . . . .
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Inhalt
4.
5.
6. 7.
8. 9.
3.3 Gefängnisseelsorge im Regelvollzug . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Gefängnisseelsorge in den Untersuchungsgefängnissen . . . Die Dienstordnung für die Seelsorge in den Strafvollzugsanstalten vom 3. Juli 1953 . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Entstehungsprozess und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Kirchliche Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Konfliktpotentiale der Dienstordnung . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Bestätigung der Seelsorger durch die Hauptverwaltung der Volkspolizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Ausschluss der Untersuchungshaftanstalten . . . . . . 4.3.3 Hinrichtungen und Beerdigungen . . . . . . . . . . . . 4.4 Wirkung der Dienstordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seelsorgerliche Arbeitswelten im Strafvollzug der DDR (1949–1953/54) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Die Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger . . . . . . . . 5.1.1 Haupt- und nebenamtliche Seelsorge . . . . . . . . . . 5.1.2 Frauen in der Gefängnisseelsorge und -fürsorge . . . . Kommunikation und Vernetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirksamkeit und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Reduzierung der Seelsorge auf zwei Komponenten . . . . . . 7.2 Gottesdienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Sprechstunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Behinderungen der Seelsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . Gefängnisseelsorge und Staatssicherheit . . . . . . . . . . . . . . Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
D Die Gefängnisseelsorge in den Jahren der zunehmenden Integration der DDR in den Ostblock (1955–1958) . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kirchenpolitische Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 2. Weichenstellungen der Jahre 1955/56 . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Die Situation in der Gefängnisseelsorge im Jahr 1955 . . . . 2.1.1 Die Tagung zur Gefängnisseelsorge vom 11. Februar 1955 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Krankheitsbedingter Ausfall Munds . . . . . . . . . . 2.1.3 Die geplante Einstellung eines vierten staatlichen Seelsorgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Zunehmende Bürokratisierung der Bestätigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Staatliche Strategien zur Einschränkung der kirchlichen Arbeit im Strafvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Behinderungen der Seelsorgepraxis in den Strafvollzugsanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
3.2 Behinderungen in der Organisation und Verwaltung . . . . . 4. Weitergehende Differenzierungspolitik . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Die Planung neuer Richtlinien für die Gefängnisseelsorge . . 4.2 Fortgesetzter Einsatz staatsloyaler Pfarrer im Strafvollzug – das Beispiel Görlitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E Prozesse finaler Dekonstruktion ab 1958 . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Ende des Dienstes von Mund . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Bearbeitung durch die Staatssicherheit . . . . . . . . . . . . 1.2 Beschränkung von Munds Wirkungsfeld auf Ostberlin . . . . 1.3 Flucht im Januar 1959 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übernahme der staatlichen Seelsorge durch Heinz Bluhm und Eckart Giebeler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Marginalisierung der nebenamtlichen Gefängnisseelsorge . . . . 3.1 Boykott der nebenamtlichen Seelsorge durch die Verwaltung Strafvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Rückgang der Konvente der Gefängnisseelsorger . . . . . . . 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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F Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . Unveröffentlichte Quellen . . . . . . . . . . 1. Archivalische Quellen . . . . . . . . 2. Schriftliche Auskünfte . . . . . . . . Veröffentlichte Quellen und Darstellungen 1. Veröffentlichte Quellen . . . . . . . . 2. Veröffentlichte Darstellungen . . . . 3. Internetquellen . . . . . . . . . . . .
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Personenregister / Biografische Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 Institutionen-, Orts- und Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 Dokumentenanhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 1. „Dienstanweisung für die evangelischen Geistlichen an den Gefangenenanstalten der Justizverwaltung in der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland“. Berlin 1946 . 421 2. Dienstanweisung, Rechtsabteilung der SMAD. Berlin-Karlshorst, 1947 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424
Inhalt
3. 4. 5. 6.
Fragebogen der Kirchenkanzlei zur Seelsorge in den Haftanstalten auf dem Gebiet der SBZ. Berlin, 12. Juni 1949 . Dienstordnung für die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzuganstalten in der DDR. Berlin, 3. Juli 1953 . . . . Richtlinie über die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten der VSV Berlin. Berlin, 21. August 1957 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Richtlinie über die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten des Staatssekretärs für Kirchenfragen.
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Vorwort Die vorliegende Studie ist die überarbeitete Fassung meiner im Wintersemester 2018/19 von der Philosophischen Fakultät der Universität Siegen angenommenen Dissertationsschrift. Während des Entstehungsprozesses haben mich zahlreiche Menschen, aber auch Institutionen begleitet, denen ich aufrichtig danken möchten. An erster Stelle gilt mein Dank meiner Doktormutter Prof. Dr. Veronika Albrecht-Birkner, die mich auf Hans-Joachim Mund aufmerksam machte und die Arbeit über den gesamten Entstehungsprozess hinweg engagiert betreute. Sie war meine wichtigste Ansprechpartnerin, gerade bei allen Problemen und Tücken, die dann entstehen, wenn in Westdeutschland Geborene und Sozialisierte ostdeutsche Themen bearbeiten und dabei nicht nur das eigentlich Offensichtliche übersehen, sondern es auch die nötige Empathie und Sensibilität vermissen lassen. Die Arbeit an der Dissertation war für mich auch in dieser Hinsicht ein Lernprozess, der meinen Blick auf Deutschland nachhaltig verändert hat. Frau Prof. Dr. Claudia Lepp danke ich herzlich für das Zweitgutachten und das gute und motivierende Gespräch in Siegen am Vorabend des Rigorosums. Danken möchte ich auch meinen Kolleginnen und Kollegen an der Universität Siegen, sowohl im Fach Evangelische Theologie als auch in der Geschichte. Auf großes Entgegenkommen bin ich in den von mir aufgesuchten Archiven und Gedenkstätten gestoßen, allen hier tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gilt mein aufrichtiger Dank. Bei den zahlreichen Zeitzeugen und Zeitzeuginnen, die ihre Erlebnisse und Eindrücke bereitwillig mit mir teilten, möchte ich mich für das mir geschenkte Vertrauen bedanken. Diese Gespräche werden mir in ganz besonderer Erinnerung bleiben. Der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte und den Herausgebern Prof. Dr. Harry Oelke und Prof. Dr. Siegfried Hermle danke ich für die Aufnahme in die Reihe „Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte“. Für anregende Diskussionen, Kritik und wohltuende Unterbrechungen der teils isolierend wirkenden Routine, die der Schreibprozess eines Buches mit sich bringt, bedanke ich mich beim Nachwuchsnetzwerk Kirchengeschichte der DDR, hier insbesondere bei Justus Vesting, außerdem bei Verena HofFreudenberg, Kerstin Grahn, Katharina Jabs, Thomas Poggel, Tobias Scheidt und dem Vortex Surfer Musikclub in Siegen. Marie Briese und Helen Schwarz danke ich für die Durchsicht der finalen Manuskriptversion. Lutz Cramer sei für das kritische Lesen der fertiggestellten Dissertationsschrift und seine humorvollen, aber stets scharfsinnigen Kommentare gedankt.
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Vorwort
Für meine Töchter, meine Schwester und meinen Neffen konnte ich aufgrund der Arbeit an der Dissertation in den letzten Jahren weniger da sein, als es nötig gewesen wäre. Ihr Verständnis und ihre Geduld können nicht genug gewürdigt werden. Daher ist diese Arbeit Lea Strunk, Noa Strunk, Christina Kölbis und Konrad Kölbis gewidmet.
Einleitung 1. Der Forschungsgegenstand Einer im Jahr 2019 abgeschlossenen Dissertationsschrift zur Kirchengeschichte der DDR haftet, so könnte man prima vista meinen, unweigerlich das Odium des Auslaufmodells an. Folgt man der 2003 aufgestellten These des Sozialhistorikers Jürgen Kocka, ist die DDR-Geschichte annähernd ausgeforscht und krankt zudem an der Eindimensionalität ihrer Fragestellungen und dem fehlenden Blick der beteiligten Historikerinnen und Historiker über den Tellerrand hinaus.1 Dieser, aufgrund ihrer Provenienz kaum zu ignorierenden Analyse folgte eine Reihe ambivalenter Resonanzen, so unter anderem der von der Historikerin und Leiterin der Münchner Forschungsstelle für Kirchliche Zeitgeschichte Claudia Lepp verfasste Beitrag „Ausgeforscht?“ aus dem Jahr 2006, der die Diskussion auf das Fach der Kirchengeschichte ausweitete.2 Lepp konstatierte hinsichtlich der kirchengeschichtlichen Forschung zur DDR, dass diese zwar ihren Zenit überschritten habe, gleichwohl würden weiterhin Forschungsdesiderate existieren – etwa zu den Prozessen der Entkirchlichung in der DDR. Auch bedürfe das Sonderphänomen „ostdeutscher Protestantismus“ nach wie vor einer Integration in die deutsche, aber auch in die europäische Kulturgeschichte.3 In seinem Beitrag zur DDR-Historiografie von 2014 argumentierte der Historiker Thomas Lindenberger hingegen, dass es weniger das Unbekannte sei, das die historische Forschung ausmache. Vielmehr sei eine innovative Fragestellung relevant „und mit ihr das über die SBZ und DDR hinausweisende Erkenntnisinteresse“4 – eine Einschätzung, die auch von der Autorin und den Autoren der Ergebnisstudie der 39. Konferenz der amerikanischen German Studies Assocation, die im Oktober 2015 stattfand, geteilt wird. Unter dem Thema „Alles andere als ausgeforscht. Aktuelle Erweiterungen der DDRForschung“5 bietet diese Dokumentation eine Vielzahl von Anregungen für eine Perspektivenerweiterung der DDR-Forschung, etwa zum „Selbstverständnis der kommunistischen Akteure“ und der sich an vielen Stellen aufdrängenden Frage, warum diese, trotz ihres differenten „Weltbildes und Wertehorizonts“ wiederum einen totalitären, in Zügen mit dem Nationalso1 2 3 4 5
Kocka, Bilanz. Vgl. Lepp, Ausgeforscht? Vgl. ebd., 98 f. Lindenberger, DDR, 29. Eisenhut / Hochmuth / Jarausch, Erweiterungen.
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Einleitung
zialismus vergleichbaren, Staat konstituierten.6 Weiterhin findet hier die von amerikanischer Seite vorgebrachte These Erwähnung, dass die SED als ein Phänomen der deutschen Arbeiterbewegung zu begreifen sei.7 Unterschiedliche Perspektiven auf Vergangenheit, Möglichkeiten und Zukunft der DDRForschung thematisiert schließlich auch der 2016 von dem Historiker Ulrich Mählert herausgegebene Sammelband „Die DDR als Chance“8. Wie der Titel bereits signalisiert, gehen die Autorinnen und Autoren davon aus, dass die DDR als Forschungsthema eine Zukunft habe, wenn auch abseits klassischer Pfade der Zeitgeschichte. Faktisch bildet der Sammelband ein Resümee der 2003 geführten Diskussion. Die vorliegende Arbeit erschließt mit der evangelischen Gefängnisseelsorge in der SBZ und der frühen DDR ein bislang nicht erforschtes Feld im Schnittbereich von Kirchen- und allgemeiner Geschichte, das sowohl für das Staat-Kirche-Verhältnis in der DDR als auch für die Entwicklung des Verhältnisses von EKD und ostdeutschen Landeskirchen sowie den Prozess der Entkirchlichung in der DDR als paradigmatisch gelten kann. Dabei werden in Verknüpfung im Kontext der SED-Kirchenpolitik staatliche Entscheidungen, die die Gefängnisseelsorge betreffen und zunächst beliebig bzw. autokratisch erscheinen, als Instrumente einer anfangs eher erratisch und zur Mitte der 1950er Jahre hin zunehmend stringent verfolgten Kirchenpolitik erkennbar. Jenseits einer reinen Dokumentation des Vorgangs der Umsetzung staatlicher bzw. parteilicher Vorgaben auf der Mikro- und Mesoebene wird somit ein Beitrag zum Verstehen der Diktatur als Gefüge des Agierens und Reagierens zwischen verschiedenen Handlungsakteuren und -ebenen geboten. Dies geschieht vor dem Hintergrund der weiterhin notwendigen gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit bis in die Gegenwart reichenden Traditionslinien.9 Die Untersuchung setzt zeitlich mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der unmittelbar darauf folgenden Konstituierung der SBZ Anfang Juni 1945 ein und findet ihr Ende mit den einschneidenden Ereignissen in der DDRKirchenpolitik des Jahres 1958, im Zuge derer es zu einem eklatanten und rapiden Abbau der Gefängnisseelsorge im Strafvollzug der DDR kam.10 Exemplarisch seien die Aufkündigung der Akkreditierung Propst Heinrich Grübers als Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der Regierung der DDR durch Ministerpresident Otto Grotewohl am 17. Mai 1958 sowie die Unterzeichnung des Kommuniqu s vom 21. Juli 1958 durch eine Delegation der 6 7 8 9
Ebd., 2. Ebd., 3. M hlert, DDR. Vgl. hierzu auch die Schlagzeilen der letzten Jahre um die 1947 gegründete Polizei des Landes Sachsen wie die Diskussion um die an nationalsozialistische Symbole erinnernden Logos im Inneren des Panzerfahrzeuges Survivor R im Dezember 2017 (Jacob / Schipkowski, PolizeiPanzerfahrzeug). 10 Der Mauerbau im August 1961 hingegen stellte keine für die Gefängnisseelsorge in der DDR bedeutsame Zäsur dar.
Der Forschungsgegenstand
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östlichen Landeskirchen und das damit formal zum Ausdruck gebrachte Zugeständnis, den Aufbau des Sozialismus zu unterstützen, genannt. In eben diesen Kontext fällt auch der ab dem Jahr 1958 nachweisbare sukzessive Rückzug des evangelischen Theologen Hans-Joachim Mund aus der seelsorgerlichen Betreuung der evangelischen Inhaftierten in den politischen Haftanstalten der DDR, die er seit 1950 als beim MdI (Ministerium des Innern) angestellter Volkspolizei-Kommandeur ausgeübt hatte. Doch spätestens Ende 1958 erachtete Mund seine Tätigkeit aufgrund der fortschreitenden Demontage der Gefängnisseelsorge durch den Staat als sinnlos. In Verbindung mit seiner zunehmenden Distanzierung von dem in der DDR praktizierten Sozialismus war dies mit ausschlaggebend für seine am 13. Januar 1959 erfolgte Flucht in den Westen, die den Niedergang der Gefängnisseelsorge in der DDR zusätzlich beschleunigte. Der Abschluss des Untersuchungszeitraums mit dem Jahresbeginn 1959 ist durch diese Entwicklungen und die in diesem Zusammenhang zu konstatierende deutliche Verschlechterung der Quellenlage bedingt. Die Tätigkeit Munds in der Gefängnisseelsorge der DDR markiert nicht nur das Ende des Untersuchungszeitraums, sondern definiert zugleich den in der Arbeit fokussierten geographischen Raum. Die von Mund seelsorgerlich betreuten Strafvollzugsanstalten befanden sich im Gebiet der EKiBB (Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg), der Evangelischen-Lutherischen Landeskirche Sachsens, der Evangelischen-Lutherischen Kirche in Thüringen und der EKKPS (Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen). Dementsprechend bildet die Gefängnisseelsorge in diesen Gebieten den zentralen Referenzrahmen der Untersuchung.11 Formal befand sich Mund unter der Dienstaufsicht der EKiBB. Er pflegte jedoch vom Beginn bis zum Ende seiner Tätigkeit eine intensive Beziehung zur Kirchenkanzlei der EKD, Berliner Stelle,12 im Besonderen zu Propst Grüber und in späteren Jahren zu OKR (Oberlandeskirchenrat) Hans-Jürgen Behm, 11 Erwähnung finden darüber hinaus Einzelereignisse in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs, der Evangelischen Landeskirche Greifswald (bis 1950 Evangelische Kirche in Pommern; 1950–1968 und ab 1991 Pommersche Evangelische Kirche), der Evangelischen Landeskirche Anhalts sowie der Evangelischen Kirche des Görlitzer Kirchengebietes. Die Territorien bzw. Grenzen der Landeskirchen in der SBZ und in der frühen DDR waren nicht mit denen der Länder und Provinzen bzw. der im Zuge der Verwaltungsreform von 1952 in der DDR eingerichteten 14 Bezirken kongruent. Hieraus ergab sich die Tatsache, dass für eine Landeskirche verschiedene Bezirksverwaltungen zuständig waren, die gegenüber der jeweiligen Kirchenleitung durchaus unterschiedlich agieren konnten, was die Zusammenarbeit zusätzlich erschwerte (vgl. Albrecht-Birkner, Freiheit, 85). Zu den Prozessen der Abweichung von Kirchen- und Staatsterritorien in Deutschland beginnend mit der Reformation bis über das Ende des Zweiten Weltkrieg hinaus vgl. die 1948 eingereichte, 1988 neu herausgegebene, staatskirchenrechtliche Arbeit von M ller, Staatsgrenzen. 12 Seit 1947 teilten sich das Konsistorium der EKiBB und die Kirchenkanzlei Räume in der Jebensstraße 3 im Westen Berlins. Im Zuge der sich abzeichnenden Schließung der Grenzen wurde 1952 in der Bischofstraße 6/8 die Außenstelle Ost der Kirchenkanzlei eingerichtet (vgl. Kap. B, Anm. 23).
18
Einleitung
dem für die Gefängnisseelsorge zuständigen Referenten der Kirchenkanzlei. Die Kooperation zwischen Mund und der Kirchenkanzlei lässt sich anhand des umfangreichen Schriftverkehrs betreffend die Gefängnisseelsorge zweifelsfrei belegen und war der Zusammenarbeit Munds mit der EKiBB vorgeordnet. Auch stand Mund mit dem Meißner Bischof Heinrich Wienken und ab 1952 mit dessen Nachfolger Prälat Johannes Zinke, den Hauptverantwortlichen für die Gefängnisseelsorge an den katholischen Gefangenen in der DDR, in Kontakt.
2. Forschungsstand und Quellenlage Die Gefängnisseelsorge in der SBZ / DDR bildet, wie eingangs bereits erwähnt, ein Forschungsdesiderat in der Kirchengeschichtsschreibung. Als aktueller Forschungsstand ist noch immer die einzige bisher zu diesem Thema erschienene Monografie mit dem Titel „Gott in Bautzen“ des Autorenteams Andreas Beckmann und Regina Kusch zu nennen.13 In dieser bereits 1994 veröffentlichten Publikation wählten die Autorin und der Autor einen personenbezogenen Zugriff, aufgrund dessen die von 1945 bis 1989 im Strafvollzug der SBZ und der DDR tätigen Gefängnisseelsorger im Zentrum der Ausführungen stehen. Zwar beleuchten Kusch und Beckmann auch die Organisationsstrukturen der Gefängnisseelsorge und verknüpfen ihre Ergebnisse mit dem historischen Hintergrundgeschehen, doch fußen erstere auf dem Stand der archivalischen Erschließung der frühen 1990er Jahre. Über 25 Jahre nach dem Erscheinen von „Gott in Bautzen“ bieten die Archive der östlichen Landeskirchen ebenso wie das Bundesarchiv in Berlin eine wesentlich besser geordnete, erschlossene und damit breitere Quellenbasis als noch kurz nach dem Mauerfall und der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Strukturen und Prozesse in der Gefängnisseelsorge der SBZ / DDR lassen sich auf dieser Quellenbasis wesentlich klarer erheben, als Kusch und Beckmann es möglich war. Auf Beckmann / Kusch basieren einige in den letzen zwei Jahrzehnten erschienene Veröffentlichungen, die kurze Ausführungen zur Gefängnisseelsorge enthalten. Am ausführlichsten geschieht dies in den die Jahre 1949 bis 1989 berücksichtigenden Studien von Tobias Wunschik zum Strafvollzug in Brandenburg-Görden, die unter vermehrter Hinzuziehung von Akten des BStU (Bundesbeauftragte(r) für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik) und des MdI auch die seelsorgerliche Tätigkeit von Mund und der anderen Gefängnisseelsorger im Dienst der HVDVP (Hauptverwaltung der Volkspolizei) näher umreißt.14 13 Beckmann / Kusch, Gott. 14 Wunschik, Seelsorge u. wiederum fokussiert auf die Haftsanstalt Brandenburg-Görden mit einem Kapitel auch zur Gefängnisseelsorge ders., Zuchthaus, 326–353.
Forschungsstand und Quellenlage
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Auch die von Christian Halbrock im Jahr 2004 veröffentlichte Dissertation über Evangelische Pfarrer in Berlin-Brandenburg15 enthält einige Ausführungen zur Gefängnisseelsorge. Sie konzentriert sich gemäß dem thematischen Zuschnitt der Arbeit im Wesentlichen auf die Einstellung von Mund, Heinz Bluhm und Eckart Giebeler als hauptamtliche Seelsorger durch das MdI und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die nebenamtlich geleistete Gefängnisseelsorge. Die neueren Arbeiten von Irene Becci zur Gefängnisseelsorge in der DDR16 verfolgen unter Verwertung der Erkenntnisse von Beckmann / Kusch, Halbrock und Auswertung der biografisch konnotierten Veröffentlichung des Gefängnisseelsorgers Giebeler17 einen religionsethnologischen Ansatz, wodurch sie zum hier relevanten Forschungsstand wenig beitragen können.18 Bereits im Mai 1990 hat Ulf Liedke in der Reihe „Studienmaterial der Initiative Frieden und Menschenrechte in Leipzig“ eine Semesterarbeit zur Seelsorge im Strafvollzug der DDR publiziert.19 Die Ergebnisse dieser studentischen Arbeit waren bereits zum Zeitpunkt ihres Erscheinens durch das aktuelle Zeitgeschehen überholt, weshalb diese, wie Liedke selbst anmerkt, vor allem der Dokumentation dienen sollte.20 Auch wenn Liedkes Arbeit außerhalb des hier definierten Untersuchungszeitraums angesiedelt ist und generell andere Fragestellungen verfolgt, ist sie doch insoweit wertvoll, als sie den Halbrock, Pfarrer. Zur Gefängnisseelsorge in Berlin-Brandenburg vgl. hier die Seiten 84–90. Becci / Willems, Gefängnisseelsorge; Becci, Religion. Giebeler, Türen. Becci berichtet, dass Poelchau von 1945 bis 1947 Gefängnisseelsorger war, dann aber entlassen wurde, da er mit der Regierung nicht einverstanden gewesen sei. Dies entspricht weder den Tatsachen (vgl. hierzu Kapitel A 2.1 dieser Arbeit) noch findet sich diese Feststellung unter dem bei Becci angegebenen Verweis (Rçhling, Seelsorger, 35–38). In direkter Anlehnung an Halbrock, Pfarrer, 85, merkt Becci zur Etablierung der staatlichen Gefängnisseelsorge ab dem Beginn der 1950er Jahre an: „The government became increasingly suspicious towards chaplains and towards pastors more generally. It was difficult for the government to control the numerous chaplains who worked in the GDR prisons. It wanted to reduce the number drastically to a handful of absolutely loyal pastors. To achive this, it first put an increasing number of political prisoners in isolation cells and deprived them of any religious care. Second, it reduced the number of chaplains as intended, leaving only a few completely loyal pastors.” (Becci, Religion, 45). Die Behauptung, man habe die im Frühjahr 1950 durch die Sowjets übergebenen politischen Gefangenen in Isolationszellen gebracht, entspricht nicht den historischen Tatsachen. Zwar kamen die ehemaligen Insassen der sowjetischen Speziallager in den politischen, vom MdI kontrollierten Strafvollzug, doch nicht mit der ausschließlichen Absicht, diese von der konfessionellen Seelsorge auszuschließen. Halbrock argumentiert tatsächlich so: Er erkennt in der ab 1950 eingerichteten staatlichen Gefängnisseelsorge das Bestreben des MdI, die politischen Gefangenen nicht mit den Seelsorgern und Seelsorgerinnen der östlichen Landeskirchen in Kontakt kommen zu lassen, um ihnen diesen Zugang zur Außenwelt zu nehmen und sie dadurch zu isolieren und zu zermürben. Tatsächlich waren Mund, Bluhm und Giebeler allerdings ebenso wie ihre nebenamtlich tätigen Kollegen und Kolleginnen darum bemüht, ihren Schützlingen die Haft mit den Mitteln der Seelsorge zu erleichtern. 19 Liedke, Seelsorge. 20 Ebd. „Vorbemerkung aus Anlaß der Veröffentlichung“, ohne Seitenzählung.
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Istzustand der Gefängnisseelsorge in der DDR in den späten 1980er Jahren beschreibt und deren Ende skizziert.21 Als Selbstzeugnis sind auch die Erinnerungen des von 1953 bis zum Ende der DDR amtierenden staatlichen Gefängnisseelsorgers Giebeler hier zu nennen,22 jedoch unter den mit derartigen Quellen verbundenen Vorbehalten – einschließlich der von Giebeler verschwiegenen Tatsache, dass er seit dem Ende der 1950er Jahre als IM (Inoffizieller Mitarbeiter) für das MfS (Ministerium für Staatssicherheit) arbeitete.23 Abseits des Untersuchungsraumes SBZ / DDR war und ist die Gefängnisseelsorge Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen unterschiedlicher akademischer Disziplinen, die jedoch für die vorliegende Arbeit von untergeordneter Relevanz sind und hier daher lediglich in Auswahl genannt werden. Aufschlussreich für die historische Genese der Seel- und Fürsorge an Gefangenen, gerade mit Hinblick auf die konfessionellen und säkularen Gefängnisgesellschaften, ist die sozialgeschichtlich angelegte Dissertation von D siree Schauz, deren Fokus auf den Disziplinar-, Besserungs- und Resozialisierungskonzeptionen des 18. und 19. Jahrhunderts liegt.24 Einen Abriss der Geschichte der Gefängnisseelsorge in Deutschland vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs bietet die Veröffentlichung von Brigitte Oleschinski. Die ebenfalls als Dissertation angelegte Arbeit ist vor allem aufgrund ihrer Beobachtungen zu den Veränderungen im Strafvollzug im Übergang von der Weimarer Republik zur NS-Diktatur und zum Umgang der Gefängnisseelsorger mit der Todesstrafe von hoher Relevanz.25 Dem Thema Todesstrafe widmen sich insbesondere auch die biografisch konnotierten Publikationen von dem und über den Gefängnisseelsorger Harald Poelchau.26 Schließlich sei die vor 30 Jahren ebenfalls als Dissertation angelegte historische und theologische Aufarbeitung der evangelischen Gefängnisseelsorge des Militärseelsorgers Peter Brandt genannt. Konzentriert auf den deutschen Raum erläutert das Standardwerk die Wurzeln der Gefängnisseelsorge, beginnend von der Urkirche über die Reformation bis in die Gegenwart hinein. Brandt lässt die ostdeutsche Perspektive aus, äußert sich jedoch kenntnisreich zur Konzeption und den strukturellen Herausforderungen, die die Gefängnisseelsorge für alle Beteiligten, insbesondere für die Gemeinden, darstellt.27 21 Liedke konstatiert für 1988 neben Giebeler als hauptamtlichem Seelsorger noch 17 im Nebenamt tätige Seelsorgerinnen und Seelsorger (vgl. Liedke, Seelsorge, 26). 22 Giebeler, Türen. 23 Zur Zusammenarbeit Giebelers mit der Staatssicherheit vgl. Beckmann / Kusch, Gott, 111–153. 24 Schauz, Strafen. 25 Oleschinski, Gottesdienst. 26 Poelchau / Stenbock-Fermor, Stunden; Schuppener, Umsonst; Harpprecht, Poelchau; und Poelchau, Ordnung. 27 Brandt, Strafgefangenenseelsorge.
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Neben historischen, ethnologischen und theologischen Untersuchungen zur Gefängnisseelsorge finden sich solche aus dem Bereich der Rechtswissenschaft, zumeist angesiedelt im Staatskirchenrecht. Zu dieser Kategorie gehören die Dissertationsschriften von Susanne Eick-Wildgans28 und Gebhard Strodel29. Während Eick-Wildgans das Staat-Kirche-Verhältnis im Strafvollzug der westlichen Bundesländer anhand der in den frühen 1990er Jahren in Kraft befindlichen Vertragswerke analysiert,30 konzentriert sich Strodel unter Zugrundelegung der im Jahr 2002 geltenden Rechtsquellen in einer für den juristischen Laien nur schwer rezipierbaren Darstellung auf die katholische Gefängnisseelsorge und auf die Analyse der in Sachen Religionsfreiheit ergangenen Gerichtsentscheide. Genannt sei hier zudem die der Kriminalistik zuzuordnende Dissertation von Alexander Funsch,31 der unter Berücksichtigung beider Konfessionen die Geschichte der Gefängnisseelsorge und ihrer theologischen Intentionen vom Mittelalter bis zur Gegenwart unter Konzentration auf Baden-Württemberg darstellt, wobei die Neuen Bundesländer auch hier ausgespart werden. Auch zu den in der SBZ und der DDR maßgeblich beteiligten Einzelakteuren der Gefängnisseelsorge liegen nur wenige Arbeiten vor. Über den staatlichen Gefängnisseelsorge Bluhm ist jenseits der Ausführungen bei Beckmann / Kusch und Subklew-Jeutner kaum etwas bekannt,32 wogegen Giebeler zwar häufiger Erwähnung findet, dabei jedoch zumeist, wiederum basierend auf Beckmann / Kusch, auf seine Tätigkeit für die Staatssicherheit reduziert wird.33 Das aktuelleste Werk zum Wirken Giebelers von Marianne Subklew-Jeutner thematisiert, neben der Arbeit Giebelers für die Stasi, auch dessen Selbstverständnis hinsichtlich seiner seelsorgerlichen Tätigkeit im Strafvollzug und die teils sehr ambivalente Position der Kirche gegenüber Giebeler.34 Zu Mund liegen außer Zeitzeugendokumenten zu seiner Tätigkeit als Gefängnisseelsorger35 Erkenntnisse zu seiner Tätigkeit als Leiter des beim ZK (Zentralkomitee) der SED angesiedelten ,Referats für Kirche, Christentum und Religion‘, die er von 1947 bis Mitte 1950 ausübte, vor.36 28 Eick-Wildgans, Anstaltsseelsorge. 29 Strodel, Seelsorge. 30 Die Gefängnisseelsorge in den ostdeutschen Bundesländern wird unter Verweis auf die in den frühen 1990er Jahren noch in der Schwebe befindliche bzw. ausstehende vertragliche Regelung der Gefängnisseelsorge zwischen der Justiz der Länder und den Landeskirchen nur angerissen (vgl. Eick-Wildgans, Anstaltsseelsorge, 371–374). 31 Funsch, Seelsorge. 32 Vgl. die Ausführungen zu Bluhm bei Beckmann / Kusch, Gott, 81–110; Subklew-Jeutner, Schattenspiel, 43–57. 33 So etwa bei Dçlling, Strafvollzug, 93; M ller, Strafvollzugspolitik, 315; Wunschik, DDRStrafvollzug, 467–494, hier 480. 34 Subklew-Jeutner, Schattenspiel. 35 Vgl. hierzu unter archivalische Quellen im Anhang. 36 Vgl. Hartweg / Heise, SED, Einleitung, 7, 43; Goerner, Kirche, 42 f.; ders.: Arbeitsgruppe, 63 f.
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Einleitung
Anders stellt sich die Situation bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Staat-Kirche-Verhältnisses in der DDR aus der Perspektive verschiedener Disziplinen dar, das zum Gegenstand zahlreicher Analysen mit differenten Deutungsmustern avancierte.37 Diese reichen von der Interpretation als seit den 1950er Jahre stetigem Weg der Kirchen in die Anpassung durch den Kirchenhistoriker Gerhard Besier und den Religionssoziologen Detlef Pollack38 bis zur Einordnung der Kirchen als Hort und Keimzelle der Opposition durch den Theologen und Religionssoziologen Ehrhart Neubert39. Als kirchengeschichtliche Arbeiten aus ostdeutscher Perspektive waren bislang die Monografien von Rudolf Mau einschlägig,40 während die bereits 1993 erschienene Darstellung von Horst Dähn einer politikwissenschaftlichen Perspektive verpflichtet ist.41 Insbesondere der Rolle des MfS in der Kirchenpolitik widmen sich die ebenfalls bereits in den 1990er Jahren erschienenen Arbeiten des Historikers Clemens Vollnhals.42 Martin Georg Goerner analysiert in seiner geschichtswissenschaftlichen Dissertation kommunistische Herrschaft mittels der Analyse der Kirchenpolitik der SED,43 unter Anwendung und Vertiefung eines von Edgar Dusdal entworfenen Periodisierungsmodells.44 Kürzlich hat die Kirchenhistorikerin Veronika Albrecht-Birkner eine monografische Darstellung zur Geschichte des Protestantismus in der DDR vorgelegt, in der sie verschiedene Perspektiven zusammenführt,45 während speziell die Problematik einer gesamtdeutschen kirchlichen Zeitgeschichte in einem Beitrag des Leipziger Kirchenhistorikers Klaus Fitschen analysiert wird.46 Die archivalische Quellenlage ist insgesamt als hervorragend zu bezeichnen. Zur Rekonstruktion der Ereignisse und zur Analyse des der den Bereich der Gefängnisseelsorge betreffenden Interaktionen zwischen Staat und Kirche wurden die im Bundesarchiv Berlin gelagerten Aktenbestände DO 1 des Ministeriums des Innern, Verwaltung Strafvollzug, und DY 30, die Protokolle des Politbüros des ZK der SED, sowie die Akten zur Gefängnisseelsorge aus den Landeskirchenarchiven von Berlin-Brandenburg, Sachsen, Thüringen und der EKKPS und zudem die relevanten Unterlagen der Berliner Kirchenkanzlei der EKD, die sich im EZA in Berlin befinden, herangezogen. Darüber hinaus 37 Siehe hierzu im Überblick die Ausführungen von Friedemann Stengel im Eröffnungsvortrag der Tagung ,Abgeschlossen? Stand und Folgen der Aufarbeitung der Geschichte der Kirchen in der DDR‘ an der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg vom 12. – 13. 6. 2015 (Stengel, Kirchen-DDR-Geschichte). 38 Vgl. Besier, SED-Staat; Pollack, Kirche. 39 Vgl. Neubert, Revolution. 40 Mau, Realsozialismus; ders., Protestantismus. 41 D hn, Kirchen. 42 Vollnhals, Kooperation; ders., Kirchenpolitik; und ders., Abteilung. 43 Goerner, Kirche. 44 Dusdal, Positionen. 45 Albrecht-Birkner, Freiheit. 46 Fitschen, Erinnerungen.
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fanden Bestände aus dem Archiv der Akademie der Künste, dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz und dem Archiv der Zentralen Landesbibliothek in Berlin, den BStU-Unterlagen sowie dem Universitätsarchiv Leipzig Berücksichtigung. Bei der großen Mehrheit der in die Untersuchung eingeflossenen Quellen handelt es sich um Korrespondenzen der in die Organisation der Gefängnisseelsorge involvierten Personen und Institutionen bzw. Behörden. Dazu zählten als kirchliche Akteure die Kirchenkanzlei der EKD (Berliner Stelle), die Leitungen bzw. Konsistorien der östlichen Landeskirchen sowie als staatliche Akteure das MdI der DDR und die diesem unterstellte Hauptverwaltung der Volkspolizei. Es handelt sich hierbei um einen formalisierten Schriftverkehr, in dem die tatsächlichen Geschehnisse in ihrer Brisanz durch Standardisierungen überformt sind, wodurch bei mit der Materie weniger vertrauten Lesenden der Eindruck einer durchaus freundschaftlich konnotierten Korrespondenz entstehen kann. Diese Korrespondenzen bieten zwar einen Einblick in die Strukturen und Abläufe, lassen jedoch nicht oder kaum den durch die konkreten Arbeitsbedingungen vor Ort geprägten persönlichen Erfahrungshorizont insbesondere der kirchlicherseits Beteiligten wie auch der Betroffenen erkennen. Letzterer ist vielmehr – im Sinne einer Komplementierung der aus der offiziellen Kommunikation erhebbaren Faktenlage – den in den Archiven der östlichen Landeskirchen in den Akten zur Gefängnisseelsorge mannigfach erhaltenen, unverstellten, teils emotionalen Beiträgen der im Strafvollzug seel- und fürsorgerlich tätigen Frauen und Männer zu entnehmen, welche die tatsächlichen Umstände und Schwierigkeiten der kirchlichen Arbeit im Strafvollzug erhellen. Dies gilt auch für Zeitzeugenberichte über die Arbeit Munds im Strafvollzug aus der Perspektive ehemaliger Häftlinge, wie sie sich in mehreren Titeln aus dem Bereich der Grauen Literatur, so z. B. bei Ulrich Haase47, Wolfgang Hardegen48 und Horst Keferstein49, finden. Die von Munds Pflegesohn Fritz Jochim Raddatz vorgelegten autobiografischen Publikationen geben dabei zugleich tiefere Einblicke in die Ambivalenzen Munds als Persönlichkeit.50 Zeitzeugenaussagen wurden auch in Gestalt persönlicher Gespräche sowie audiovisueller Aufzeichnungen von Interviews, die im Rahmen eines an der Universität Siegen angesiedelten, von der Bundesstiftung für Aufarbeitung finanzierten Projekts geführt wurden, herangezogen.51 Dabei wurden die für den Umgang mit Zeitzeugen- und speziell Oral
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Haase, Utopie; ders., Lehrjahre; und ders., Palestrina. Hardegen, Bautzen. Keferstein, Jahre; ders., Bautzen. Vgl. Raddatz, Unruhestifter; ders., Tagebücher 1982–2001; und ders., Tagebücher 2001–2014. Vgl. Thematisch aufbereitete Ausschnitte aus den in diesem Projekt entstandenen Zeitzeugeninterviews sind auf der 2018 erschienenen DVD ROM „Was haben wir verbrochen? Politische Gefangene erinnern sich an die Zeit von 1945 bis 1956 im ,Gelben Elend‘ in Bautzen“ zugänglich (vgl. http://www.zeitzeugen.eulefilm.de).
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Einleitung
History-Dokumenten maßgeblichen methodischen Überlegungen berücksichtigt.52
3. Zum Aufbau der Arbeit Die Arbeit folgt im Wesentlichen einem chronologischen Duktus. Dabei widmet sich das erste Kapitel der schon für den Sommer 1945 nachweisbaren Entstehung und sukzessiven Ausgestaltung des Arbeitsfeldes Gefängnisseelsorge in der SBZ als Kooperation zwischen den östlichen Landeskirchen und der deutschen Justiz unter dem zunehmend wachsamen Auge der sowjetischen Besatzungsmacht. 1947 erließ die in Berlin Karlshorst ansässige SMAD (Sowjetische Militäradministratur in Deutschland) eine für die gesamte SBZ gültige Dienstanweisung (DA) für die Gefängnisseelsorge, die den Dienst der Kirchen im Strafvollzug der Justiz erlaubte, ihn zugleich aber auch strikt reglementierte. Neben der Rekonstruktion der Ereignisse der Jahre 1945 bis 1949 unter Berücksichtigung der jeweiligen Interessen der daran maßgeblich beteiligten Institutionen und Personen werden die spätestens ab 1948 auf die Gefängnisseelsorge einwirkenden Transformationsprozesse und deren Ursprung in der Justizpolitik, der Deutschlandpolitik und der sich wandelnden Positionierung der SED zur Kirche dargestellt. Des Weiteren wird im Blick auf die jeweilige Situation vor Ort aufgezeigt, was die Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger im Strafvollzug der SBZ für die Inhaftierten leisten konnten, wo sie an Grenzen stießen und in welchen Netzwerken sie organisiert waren. Dabei wird anhand einer Umfrage der Kirchenkanzlei bei den östlichen Landeskirchen zum Funktionsniveau der evangelischen Gefängnisseelsorge im Herbst 1949 auch der Ist-Zustand der Gefängnisseelsorge im Übergang von der SBZ zur DDR ermittelt. Vor dem Hintergrund der Entwicklungen in der SBZ werden im zweiten Kapitel die nach der Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 einsetzenden Umgestaltungen der Gefängnisseelsorge bis 1954 eruiert. Dabei gilt der von der SED forcierten Übergabe des Strafvollzugs aus den Händen der Justiz an das MdI als strukturellem Eingriff von großer Tragweite besondere Aufmerksamkeit. Im Kontext dieser erst zum 1. Juli 1952 vollständig abgeschlossenen Übernahme des gesamten Strafvollzugs durch das MdI werden die zum 1. August 1950 erfolgte Einstellung Munds als erstem staatlichen Gefängnisseelsorger der DDR sowie dessen Aufgaben- und Arbeitsfelder thematisiert. Als weitere Zäsur in der Gefängnisseelsorge wird die im Juli 1953 in Kraft getretene Dienstordnung für die evangelischen Geistlichen in Straf52 Zur Bedeutung der Oral History für die Forschung, aber auch für die Erzählenden, gerade auch die Insassinnen und Insassen der Sowjetischen Speziallager in der SBZ/DDR, vgl. Boll, Last; Greiner, Preis; dies., Terror; Niethammer, Lebenserfahrung; ders., Schimäre; ders., Fragen; Obertreis, Erinnerungen; und dies., Oral History.
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vollzuganstalten53 in den Blick genommen. Bezüglich dieses Dokuments wird der Nachweis geführt, dass dessen Akzeptanz durch die leitenden Funktionäre der Kirchenkanzlei Berliner Stelle den ab Frühjahr 1954 deutlich wahrnehmbaren Niedergang der Gefängnisseelsorge einleitete und begünstigte. Im dritten Kapitel wird die weitergehende drastische Verschlechterung der Bedingungen der Gefängnisseelsorge in den Jahren 1955 bis 1958 untersucht. Im Zentrum stehen dabei die Auswirkungen der spätestens ab 1954 stringent betriebenen Kirchenpolitik der SED, die in unglücklicher Synergie mit der Dienstordnung (DO) von 1953 nun ihre volle Wirkung entfaltete. Weiterhin werden die 1955 einsetzenden Mechanismen aufgezeigt, die zur personellen Reduktion von etwa 130 im Strafvollzug aktiven Seelsorgern und Seelsorgerinnen im Jahr 195554 auf zwei staatliche Seelsorger – Bluhm und Giebeler – zum Jahresbeginn 1959 führten. In diesem Zusammenhang geht es auch um die kontinuierlich wachsende Beschneidung des Arbeitsfeldes von Mund und dessen Flucht in die Bundesrepublik im Januar 1959. Die Untersuchung schließt mit einer Zusammenschau und Diskussion der Ergebnisse im Kontext der Entwicklung des Verhältnisses von marxistisch-leninistischer Doktrin und Religion sowie von östlichen Landeskirchen und EKD, wofür die Gefängnisseelsorge ein Schlüsselthema darstellt. Beim Forschungsfeld Gefängnisseelsorge ist es besonders auffällig, dass in den historischen Quellen sowohl auf Seiten der in der Seelsorge Tätigen als auch auf Seiten der Inhaftierten auch dann nur männliche Wortformen verwendet werden, wenn es nachweislich (auch) um Frauen geht. Um der daraus resultierenden Gefahr einer unsachgemäß homogen männlichen Geschichtsschreibung zu entgehen, werden in der vorliegenden Arbeit immer dann sowohl die männliche als auch die weibliche Form verwendet, wenn Frauen am historischen Geschehen nachweislich beteiligt waren, wie auch, wenn ihre Beteiligung begründetermaßen nicht ausgeschlossen werden kann. Die in dieser Arbeit vorkommenden Personen werden in der Regel mit Vorund Familiennamen benannt. Ausnahmen bilden Fälle, bei denen lediglich der Familienname in Erfahrung zu bringen war.
53 O. Vf., Dienstordnung für die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten, Berlin, 3. 7. 1953 (EZA Berlin, 103/102, o. Pag.). 54 Vgl. o. Vf., Verzeichnis der Gefängnispfarrer für das Jahr 1955, Liste der Gefängnispfarrer geordnet nach Haftanstalten, Berlin, o. Datum (EZA Berlin, 103/101, Bl. 115–121).
A Gestaltende Protagonisten und Faktoren 1. Kirche in der SBZ 1.1 Die Situation der Kirchen nach dem Kriegsende Nach der Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 bestand in der auf der Konferenz von Jalta im Februar 1944 durch die Alliierten in ihren Grenzen definierten SBZ betreffend die staatlichen Verwaltungs- und Ordnungsorgane ein Vakuum. Dieses füllte sich erst mit der im Juni / Juli 1945 abgeschlossenen Übergabe der zunächst noch in Teilen von Engländern und Amerikanern besetzten Gebiete der SBZ an die Sowjets. Innerhalb ihrer Besatzungszone bestätigte die SMAD die bereits durch sowjetische Kader vorbereiteten Provinzial- und Landesverwaltungen am 4. Juli 1945.1 Im Zeitraum zwischen der Kapitulation und dem Greifen erster Maßnahmen zum Wiederaufbau der Infrastruktur herrschte in den sowjetisch besetzten Zonen das Kriegsrecht, das durch Kommandanten (zumeist Offiziere und Generäle) in den Städten, Bezirken und Gemeinden ausgeübt wurde.2 Theoretisch waren die sowjetischen Kommandanturen auch für die Belange der Bevölkerung zuständig. In der Praxis jedoch war das Verhältnis von sowjetischer Besatzungsmacht und deutscher Nachkriegsgesellschaft von Misstrauen geprägt, weshalb sich viele Menschen mit dringenden Anliegen, Nöten und Konflikten an die örtlichen Pfarrer wandten.3 Den evangelischen Landeskirchen gelang nach dem Kriegsende trotz der allgemein schwierigen Situation und der schwelenden innerkirchlichen Konflikte eine verhältnismäßig schnelle und umfassende Reorganisation.4 Nicht zuletzt über die EKD, deren Aufbau die Landeskirchen gemeinsam vorantrieben5 partizipierte man, wie auch die katholische Kirche6 aktiv am Wiederaufbau Deutschlands. Die dabei verfolgten Anliegen lassen sich in drei Punkten zusammenfassen: Mitgestaltung der Gesellschaft, garantierte politische Teilhabe und Absicherung des kirchlichen Wirkens durch entsprechende Gesetze.7 In diesen Ansprüchen wurden sie durch die Alliierten bestärkt, denn 1 Vgl. Fait / Welsh / Schneider, Landesregierungen, 73. 2 Fricke, Politik, 13. 3 Zur Rolle des Pfarrhauses und der hohen Arbeitsbelastung der Pfarrer in den Nachkriegsjahren vgl. Lepp / Nowack, Kirche, 14–16. 4 Ausführlich hierzu vgl. Seidel, Trümmern. 5 Lepp / Nowack, Kirche, 17. 6 Zur katholischen Kirche in der SBZ vgl. Sch fer, Staat, 57–69. 7 Vgl. K hne, Protokolle, 13.
Kirche in der SBZ
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diese hatten mit der Direktive Nr. 12 der European Advisory Commission vom November 1944 den Kirchen eine weitreichende Teilhabe an der Gestaltung der Gesellschaft nach dem Kriegsende eingeräumt und ihnen die eigene Reorganisation unabhängig von den Besatzungsmächten zugesichert.8 Die Kirchen genossen bei den Besatzungsmächten einen Vertrauensvorschuss. Man bediente sich der Hilfe von Geistlichen und setzte sie als Vermittler zur Bevölkerung ein, wobei die Sowjets trotz ihrer atheistischen Staatsdoktrin keine Ausnahme bildeten. Entsprechend wurde das Verhältnis zu den sowjetischen Besatzern auf kirchlicher Seite zeitgenössisch oftmals als tolerant und von Entgegenkommen geprägt charakterisiert.9 In der Forschung ist inzwischen allerdings auch auf Konflikte zwischen Kirchen und sowjetischen Besatzern hingewiesen worden.10 8 Vgl. ebd., 14. 9 Vgl. Vollnhals, Kooperation, 484 f. So heißt es z. B.in einem Rundbrief von Landespfarrer Franz Lau an die sächsischen Geistlichen vom 29. 6. 1945: „Die kirchliche Arbeit läuft überall gut an. Es ist vielfach erhebend, was wir da lesen in [zu lesen als „von“– Seidel] vollen Gotteshäusern, neuen Gottesdienstformen, wie täglichen Abendandachten usw. Überall im Lande haben die Besatzungskommandanten oder die Spitzen der gemeindlichen Selbstverwaltungen den Kirchen freies Arbeiten zugesagt. Noch mehr: man spürt, daß Soldaten der Roten Armee mit Ehrfurcht den Gotteshäusern und Kruzifixen begegnen. Ausnahmen sind anscheinend ganz selten.“ (abgedruckt in: Seidel, Neubeginn, 264). Für das aufgeschlossene Verhalten der SMAD gegenüber den Kirchen hat Martin-Georg Görner mit Bezug auf J. Jürgen Seidel die folgenden Gründe herausgearbeitet: 1.) Die SMAD verortete die deutschen Kirchen in Unkenntnis der genaueren Situation und unter Rückbezug auf Taten einzelner Kirchenleute wie z. B. Propst Grüber im Widerstand gegen die Nationalsozialisten. 2.) Teile der Kirche setzten sich für die Entnazifizierung der deutschen Gesellschaft und damit für ihre Neugestaltung ein – ein Interesse, das mit dem der Sowjets konform ging. 3.) Die Sowjets zeigten sich aufgrund der Tatsache, dass einige Geistliche bei der kampffreien Übergabe von Städten und Dörfern an die Rote Armee federführend gewesen waren, kirchlichen Belangen gegenüber aufgeschlossen. 4.) Geistliche wurden von den Sowjets als Partner bei der Organisation des Wiederaufbaus, z. B. des Schulwesens, in Deutschlands eingesetzt, um das Misstrauen, das in der Bevölkerung gegenüber den Besatzern gehegt wurde, abzubauen. Zugleich verlangte man jedoch von den Kirchenleitungen, dass sie die Bevölkerung zur Teilnahme an den gesellschaftspolitischen Veranstaltungen, die von den Sowjets organisiert wurden, motivierten. 5.) Die Sowjets waren bis zum März 1948 noch im Alliierten Kontrollrat engagiert und hatten dessen die Kirchenpolitik betreffende Entscheidungen bis dahin mitzutragen. 6.) Basis der sowjetischen Politik war ein geeintes Deutschland, für dessen politischen Charakter, so die russische Idee, die SBZ Modell stehen sollte. Eine positive Haltung der SMAD zur Kirche wäre dabei positiv zu Buche geschlagen. 7.) Aufgrund der im eigenen Land gemachten Erfahrungen sahen die Sowjets in der Kirche einen Faktor für die gesellschaftliche Stabilität. 8.) Trotz der Unterdrückung der russischorthodoxen Kirche in der UdSSR und hier offiziell kaum noch vorhandener konfessioneller Bindungen hegte ein großer Teil der russischen Offiziere und Soldaten Respekt gegenüber kirchlichen Einrichtungen, inklusive deren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen (vgl. Goerner, Kirche, 30 f.). In seinen Lebenserinnerungen beschreibt der Leiter der Propaganda- und Informationsabteilung der SMAD, Sergej Tjul’panov, die Beziehung zwischen der SMAD und der evangelischen Kirche als vertrauensvoll und von gegenseitiger Achtung geprägt (vgl. Tjul’ panov, Deutschland, 240 f.). 10 Vgl. Seidel, Neubeginn, 83 f. Seidel weist auch in einem 1993 veröffentlichten Vortrag auf Konflikte zwischen Sowjets und Kirchen hin. Diese hätten vorwiegend auf kommunaler Ebene
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Gestaltende Protagonisten und Faktoren
Die zunächst positive Bewertung des Umgangs der SMAD mit den Kirchen verdankte sich insgesamt weniger den positiven Erfahrungen Einzelner mit Vertretern der Besatzungsmacht als vielmehr positiv stimmenden strukturellen Maßnahmen, wie etwa der Wiedereröffnung der Theologischen Fakultäten zum Jahresende 1945 oder der Rückgabe des unter den Nationalsozialisten enteigneten kirchlichen Eigentums durch die Sowjets. Bereits im Juni 1947 erfolgte in der SBZ auch die (Wieder-) Eröffnung der unter kirchlicher Verwaltung stehenden Bibelschulen, Krankenpflegeschulen und Kindergärten. Die für den Religionsunterricht in den Schulen benötigten Bücher konnten in der im Mai 1946 in Berlin gegründeten Evangelischen Verlagsanstalt gedruckt werden.11 Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch das exklusive Zugeständnis der SMAD an die Kirchen, die Überprüfung und Entnazifizierung ihrer Mitglieder in Eigenregie durchführen zu dürfen.12 Alle Zugeständnisse der Sowjets gegenüber den Kirchen änderten freilich nichts an deren langfristig eigentlichem Ziel, den Einfluss der Kirche in der Gesellschaft nachhaltig zu schwächen und sie in ihrer Gesamtheit zu marginalisieren, [i] wobei man die Jugendpolitik als Ansatzpunkt favorisierte. So manifestierte sich das staatlich initiierte Entfremden der Bevölkerung von den Kirchen schon in der SBZ insbesondere im Aufbau des Erziehungs- und Bildungswesens. Hierfür galt ab dem 21. Mai 1946 das Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schulen, welches in dem von den Kirchen heftig kritisierten Art. 2 besagte: „Die schulische Erziehung der Jugend ist ausschließlich Angelegenheit des Staates. Der Religionsunterricht ist Angelegenheit der Kirche.“13 Mit dem weiteren Bestehen der SBZ stießen die Kirchen gerade beim Aufbau und der Organisation ihrer Jugendarbeit vermehrt auf Hindernisse, die deutliche Indizien für die durch die Sowjets forcierte Ausschaltung des kirchlichen Einflusses auf Kinder und Jugendliche waren.14 Die auf kirchlicher Seite gehegte Hoffnung auf eine relativ gesicherte Stellung innerhalb der gesellschaftlichen Ordnung der SBZ ließ sich spätestens ab 1948 nicht mehr aufrechterhalten.
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in den Jahren 1945 und 1946 stattgefunden und legten die Schlussfolgerung nahe, „dass die Parteifunktionäre vor Ort auf eine Behinderung kirchlicher Arbeit orientiert worden sind“ (Seidel, Grundzüge, 21 f.). Die Evangelische Verlagsanstalt wurde im Mai 1946 mit der Lizenznummer 54 der SMAD gegründet und besaß ab 1953 eine Dependance in Leipzig, dem heutigen Sitz der Verlagsanstalt (vgl. in: https://www.eva-leipzig.de/ [10. 9. 2020]. Vgl. Goerner, Kirche, 30. Zit. bei D hn, Konfrontation, 30. Vgl. Vollnhals, Kooperation, 483 f. Zum Religionsunterricht vgl. exemplarisch Brennan, Politics, v. a. das Kapitel „Unity Schools Are Secular Schools”, 69–100.
Kirche in der SBZ
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1.2 Die Kirchenpolitik der SED und die evangelische Kirche Der gesellschaftliche Faktor Religion war auch Thema der SED, deren Kirchenpolitik in den Jahren 1945–1947/48 von Ambivalenzen geprägt war.15 Offiziell, angesichts der ersten Wahlen in der SBZ im November 1946, zeigte sich die SED den Kirchen gegenüber tolerant. Dies war angesichts der Tatsache, dass ca. 90 % der Wählerschaft einer Kirche angehörten, unumgänglich, wollte die SED aus den Wahlen siegreich hervorgehen. Hinzu kam nach der durch die SMAD massiv forcierten Vereinigung von SPD und KPD zur SED im April 1946, dass ein nicht geringer Teil der SED-Mitglieder selbst einer christlichen Konfession angehörte.16 Dies alles konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass innerhalb der Partei eindeutig religions- bzw. kirchenfeindliche Tendenzen dominierten, zumal das Absterben der Religionen gemäß marxistischer Doktrin untrennbar mit dem Ideal der zu entwickelnden Arbeiterschaft bzw. Gesellschaft verknüpft war.17 Weiterhin ist im Blick auf die Kirchenpolitik zu beachten, dass alle zu diesem Zeitpunkt für die SBZ beschlossenen politischen Strategien nicht mit dem alleinigen Fokus auf diese getroffen wurden, sondern immer die Möglichkeit einer Anwendung für Gesamtdeutschland Priorität hatte. Aus diesem Grund musste jede politische Entscheidung möglichst sowohl mit dem Vorhaben, Staat und Gesellschaft im Sinne der kommunistischen Ideologie zu formen, harmonieren, als auch für die westlichen Alliierten eine gewisse Attraktivität besitzen.18 Ein Balanceakt, der die stark durch sowjetische Vorgaben bestimmte Kirchenpolitik der frühen Jahre der SED prägte,19 auch wenn vor der Kulisse des ,Kalten Krieges‘ die Aussichten auf ein in Einheit verbleibendes Deutschland spätestens zum Jahresende 1947 gegen Null tendierten. Das Scheitern der Londoner Außenministerkonferenz im Dezember 1947 markierte den Point of no return20 in die Zweistaatlichkeit und wurde vom 15 Vgl. Goerner, Kirche, 37–49; Sch fer, Staat, 39–42. 16 Noch 1954 waren 68 % der SED-Mitglieder einer der beiden großen Kirchen zugehörig (vgl. Goerner, Kirche, 40). 17 Dusdal betont, dass die Kirchenpolitik der SED im Kern doch kirchenfeindlich gewesen sei, „da sie die Selbstaufgabe des kirchlich eigenständigen Handelns mit einschloss.“ (Dusdal, Positionen, 29). In der SED habe es eine „tief verwurzelte Kirchenfeindlichkeit“ gegeben (ebd.). 18 Vgl. Goerner, Kirche, 39. 19 Zum sowjetischen Einfluss auf die Kirchenpolitik der SED und zur sowjetischen Perspektive auf die Kirche als politischem Akteur vgl. Creuzberger, Besatzungsmacht, 76–83. 20 Als weitere Wegmarken zur Bildung zweier deutscher Staaten und der Deutung des Jahres 1948 als Schicksalsjahr der Deutschen gelten die ab Januar 1948 einsetzenden Transformationen in der Bizone, die Londoner Sechsmächtekonferenz, der Rückzug des Sowjetischen Vertreters aus dem Alliierten Kontrollrat, getrennte Währungsreformen in West und Ost sowie als Höhepunkt, die Berlinblockade ab dem 24. 6. 1948. Für ausführliche Erläuterungen zu den Prozessen, welche die Teilung Deutschlands maßgeblich bestimmten, vgl. Wengst, Aufrechterhaltung. Zu den differenzierten Einschätzungen der in der älteren Forschung noch vertretenen Charakte-
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sowjetischen Staats- und Parteichef Josef Stalin mit den Worten „Der Westen wird sich Westdeutschland zu eigen machen, und wir werden aus Ostdeutschland unseren eigenen Staat machen“21 dementsprechend kommentiert. In einem am 1. Juli 1946 durch die beim Zentralsekretariat angesiedelte Abteilung für Kultur und Erziehung an die Landes-, Provinzial- und Bezirksorganisationen versandten Positionspapier mit dem Titel „Unsere Stellung zur Kirche“22 informierte die SED über die grundsätzliche Haltung der Partei zu Kirche und Religion auf dem Gebiet der SBZ. Das Dokument war auf sowjetischen Befehl hin verabschiedet worden und belegt durch die nahezu identische Übernahme des Wortlauts der sowjetischen Vorlage, wie kompromisslos die SMAD in die Kirchenpolitik der SED hineinregierte.23 Verkündet wurden die unbedingte Gewährung der Bekenntnisfreiheit in der SBZ sowie die prinzipielle Vereinbarkeit von Parteimitgliedschaft und religiösem Bekenntnis. Die Kirchen hätten Teil am Wiederaufbau und ihr positives Engagement sei zu begrüßen. In der praktischen Arbeit seien die Kirchen zu unterstützen, dies gelte auch hinsichtlich eventueller finanzieller Zuschüsse bei Renovierungen von kirchlichen Gebäuden oder bei der Anschaffung von Gerätschaften für den Gottesdienst. Wegen des gesellschaftlichen Einflusses der Pfarrer hielt man die Genossen und Genossinen an der Basis dazu an, diesen stärkere Aufmerksamkeit zu schenken. In diesem Zusammenhang hieß es: „die Materielle [sic] Lage der Geistlichen (hinsichtlich Ernährung, Wohnung, evtl. Landzuteilung) ist zu überprüfen und notfalls in den Vordergrund zu stellen“24. Religionsunterricht solle wöchentlich zwei Stunden vor oder nach dem Unterricht erteilt werden können. Gerade an diesem Punkt gelte es, Konflikte zu vermeiden. Besonders intensiv votierte SED-Vorstandsmitglied Otto Meier, unter anderem verantwortlich für Kultur, Schulung und Presse im Zentralsekretariat der SED in einem am 28. Januar 1947 auf der von der Abteilung Kultur und
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risierung der Sowjetunion als eines durch Expansionsinteressen getriebenen, die deutsche Teilung forcierenden Aggressors vgl. Loth, Friede, 71; Scherstjanoi, Absichten. Zitiert nach Grafe, Grenztruppen, 338. Zentralsekretariat der SED, Abt. Kultur und Erziehung, Unsere Stellung zur Kirche, Berlin, 1. 7. 1946 (BArch Berlin, DY 30 IV 2/14/1, 2 f). Die von Oberst Tjul’panov geleitete Abteilung Propagandaverwaltung bei der SMAD kritisierte bereits zum Beginn des Jahres 1946 den steigenden Einfluss der Kirchen auf die politische Stimmung in der SBZ und die völlige Verkennung dieser Tatsache durch die SED. Besondere Sorgen bereiteten Tjul’panov das Engagement evangelischer Führungspersönlichkeiten und einiger Pfarrer für die CDU und das daraus zu erwartende politische Bündnis. Um diese, für den Erfolg der SED kontraproduktive, Entwicklung zu behindern, bewirkte der politische Berater der SMAD, Wladimir Semenov, die Veröffentlichung eines im Tenor sehr positiven Grundsatzpapiers der SED zu Kirche und Religion, dessen Inhalt bzw. Wortlaut er vorgab (vgl. Creuzberger, Besatzungsmacht, 79–83). Zentralsekretariat der SED, Abt. Kultur und Erziehung, Unsere Stellung zur Kirche, Berlin, 1. 7. 1946 (BArch Berlin, DY 30 IV 2/14/1, 2 f.).
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Erziehung einberufenen sozialistischen Kulturkonferenz gehaltenen Referat, für eine Kooperation von Partei und Kirche.25 Meier betonte darin die ausdrückliche und über jeden Zweifel erhabene Entscheidung der SED zur Toleranz gegenüber den Kirchen und die Akzeptanz des in weiten Teilen der Bevölkerung verwurzelten religiösen Bedürfnisses durch die Partei.26 Angesichts der faktisch antireligiösen Tendenzen in der SED ist der appellative Charakter dieser Ausführungen evident. Auf die Spannungen innerhalb der Kirchenpolitik der SED reagierten besonders die der SED angehörigen und dort engagierten Religiösen Sozialisten sensibel.27 So kam es etwa auf der Konferenz der Kulturfunktionäre an der Parteihochschule Karl Marx in Liebenwalde Anfang Oktober 1947 zu einer Diskussion zwischen den hier Dozierenden Frida Rubiner und Victor Stern mit dem Religiösen Sozialisten Arthur Rackwitz, der sich wegen der von Rubiner und Stern in dieser Diskussion „vertretenen kategorischen Verneinung jeder Religion als unvereinbar mit dem Marxismus“ am 22. Oktober 1947 mit einem Schreiben an die Vorsitzenden der SED Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl wandte.28 Die Aussagen von Rubiner und Stern wogen umso schwerer, als es sich um Einschätzungen von Personen handelte, die durch ihre Tätigkeit an der Parteihochschule als Multiplikatoren parteipolitischer Meinungen einzustufen waren. Rackwitz warnte die Parteispitze, dass sie die christlichen Wähler nur mittels Authentizität erreichen und langfristig binden könne. Tarnmanöver seien zudem nicht nur für die Wähler, sondern auch für die politischen Gegner leicht durchschaubar und würden die Partei unglaubwürdig machen – denn was solle man, so Rackwitz, auf die auf christlicher Seite getätigte Feststellung „im tiefsten Grund seid ihr Atheisten und wagt es nur nicht, das zu sagen“ antworten, ohne zu lügen?29 25 Meier, Partei. Die knapp 50 Seiten starke Broschüre enthält neben einem Abdruck des von Meier gehaltenen Referats ein Vorwort des Leiters der Abteilung Parteischulung, Kultur u. Erziehung im Zentralsekretariat Richard Weimann sowie einige verschriftlichte Beiträge aus der anschließenden Diskussion. Meiers Referat gilt als die detaillierteste Positionierung der SED zum Verhältnis zur Kirche in der SBZ (vgl. Hartweg, Vorwort, XXII). 26 Zur sozialistischen Kulturkonferenz der SED vom 28. 1. 1947 vgl. Hartweg / Heise, Anfänge, 19. 27 Zu den Religiösen Sozialisten und deren Versuchen einer Symbiose von Marxismus und Christentum vgl. Hartweg, Vorwort, XVIII–XXVI. Eine amerikanische Perspektive auf die Versuche von SMAD und SED, durch Instrumentalisierung der Religiösen Sozialisten ihre angebliche Aufgeschlossenheit gegenüber religiösen Belangen zu demonstrieren, bietet Sean Brennan (Brennan, Politics). Zwar arbeitet die Untersuchung mit bereits bekanntem Quellenmaterial und enthält Fehler in der Angabe von Namen der Beteiligten (z. B „Kurt Rackwitz“ anstelle von Arthur Rackwitz; „Kurt Krummacher“ anstelle von Friedrich-Wilhelm Krummacher), bietet aber aufschlussreiche Interpretationen. (vgl. v. a. das Kapitel “Christianity and Marxism Are Not in Opposition: The Propaganda Offensive Concerning ‘Religious Freedom‘ under Communism‘, ebd., 165–194). 28 Arthur Rackwitz, Schreiben an Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl, Berlin-Neukölln, 22. 10. 1947 (ZLB Berlin, Nachlass Kleinschmidt, Karton 7). 29 Ebd.
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Die der SED angehörigen Religiösen Sozialisten bemühten sich seit der Gründung der Partei um Auflösung des ideologischen Widerspruchs zwischen Christentum und Marxismus. Sie berieten die Partei im Umgang mit der Kirche bzw. vermittelten den in Religionsfragen teils gänzlich ungebildeten Genossinen und Genossen diesbezüglich grundlegende Informationen und gingen für die Partei im christlichen Milieu auf Stimmenfang.30 Trotz ihrer Bemühungen blieben sie innerhalb der SED Außenseiter. Einige Religiöse Sozialisten waren Mitglieder einer im Zuge des Wahlkampfs im Sommer 1946 eingerichteten Kommission,31 die offenbar mehrere Namensvarianten aufwies. Es findet sich sowohl die Bezeichnung „Kommission für Kirchenfragen“ als auch „Kommission Christentum und Kirche“32 sowie „Kommission Kirche und Religion“33. Von März 1947 bis zur Gründung der DDR im Herbst 1949 existierte zudem ein Referat für Kirche, Christentum und Religion, welches in der Abteilung Kultur und Erziehung beim Zentralsekretariat der SED angesiedelt war. Leiter dieses Referates war Mund,34 der im Sommer 1950 der erste beim Staat angestellte Gefängnisseelsorger der DDR wurde. Ob Mund noch über weitere Mitarbeiter verfügte, die ihn unterstützten bzw. ihm unterstanden, konnte nicht festgestellt werden. Mund benutzte Briefpapier mit dem 30 Goerner, Kirche, 18 f. 31 Vgl. Zentralsekretariat der SED, Abt. Kultur und Erziehung, Unsere Stellung zur Kirche, 1. 7. 1946 (BArch Berlin, DY 30 IV 2/14/1, 2 f.). 32 Vgl. Goerner, Arbeitsgruppe, 63. 33 Vgl. o. Vf., Kommission Kirche und Religion, Berlin, Juni 1947 (BArch Berlin, DY 30/IV 2/14/ 176). Das Dokument enthält eine Namensliste von 17 Kommissionsmitgliedern. Zwei Personen (Matthäus Klein und Prof. Dr. Wilfried Werner) wurden nachträglich gestrichen. Am Ende der Liste wurden dagegen Prof. Böhme und Dr. Hall handschriftlich ergänzt. Vermutlich rückten diese für die gestrichenen Mitglieder nach. Bei den übrigen 15 Mitgliedern handelte es sich um: Bernhard Göring (2. Vorsitzender des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes), Harry Dörfel, Prof. Dr. Wilhelm Heise, Dr. Erich Kürschner (ehem. Gefängnisgeistlicher und Religiöser Sozialist), Otto Meier, Dr. Josef Naas (Direktor der Akademie der Wissenschaften), Arthur Rackwitz, Prof. Robert Rompe (Leiter der HA für Hochschulen und wissenschaftliche Institutionen bei der Zentralverwaltung für Volksbildung), Pfarrer Fritz Sasse (Berliner Geistlicher und Gefängnisseelsorger), Paul Wandel (Präsident der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung), Ernst Wildangel (Leiter des Hauptschulamtes beim Berliner Magistrat), Dr. Hans Würzburg (Jurist und Mitglied der SPD), Hans-Joachim Mund, Lic. Schlemer und Rudolf Brock. 34 Mund schrieb am 19. 5. 1947 an von Jüchen: „Inzwischen habe ich das Referat Kirche und Religion übernommen. Aus diesem Grund möchte ich Dich herzlich bitten, mir von Euren Plänen, Aufrufen usw. doch Mitteilung zu machen und zwar möglichst bevor Ihr sie der Öffentlichkeit bekannt gibt, denn ich werde für diese Dinge mit verantwortlich gemacht.“ (HansJoachim Mund an Aurel von Jüchen, Berlin, 19. 5. 1947, ZLB Berlin, Nachlass Kleinschmidt, Karton 7). Mund bezog sich hier auf die Aktivitäten der durch Kleinschmidt und von Jüchen initiierten „Arbeitsgemeinschaft für Christentum und Sozialismus“ in der SBZ. Im April 1947 gab es Bestrebungen von Seiten der Religiösen Sozialisten Kleinschmidt und von Jüchen aus Mitgliedern dieser Arbeitsgemeinschaft besonders geeignete Mitglieder für eine „Bruderschaft der religiösen Sozialisten“ zu rekrutieren. Diese Unternehmung scheint sich jedoch, wie auch alle anderen Versuche einer Organisation der Religiösen Sozialisten in der SBZ, zerschlagen zu haben (vgl. Aurel von Jüchen, Aufstellung geeigneter Mitglieder für eine Bruderschaft religiöser Sozialisten, Berlin, 24. 4. 1947, ZLB Berlin, Nachlass Kleinschmidt, Karton 20).
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Briefkopf der Abteilung Parteischulung, Kultur und Erziehung beim Zentralsekretariat, wogegen das von ihm geleitete Referat Kirche, Christentum und Religion beim Zentralsekretariat auf den Briefbögen nicht erscheint. Es kann somit vermutet werden, dass sich das von Mund geleitete Referat als Institution, die den Ansatz der Religiösen Sozialisten zumindest in Gestalt von Mund selbst noch integrierte, im Zentralsekretariat institutionell gar nicht etablierte. Im Sommer 1947 plante Mund die Publikation einer Broschüre über Christentum und Marxismus,35 die aber nicht realisiert wurde. Mund musste, ebenso wie die übrigen Religiösen Sozialisten in der SED, recht bald feststellen, dass alle Toleranz- und Kooperationsbeteuerungen der Partei gegenüber Kirchen und Religionen lediglich Makulatur waren. Spätestens nach der Gründung der DDR gerieten die Religiösen Sozialisten in der SED zunehmend unter Druck und verloren ihre Parteifunktionen. Richard Weimann ließ sich auf eigenen Antrag bereits 1949 von allen Funktionen entbinden. Gegen Erich Kürschner, der während der Weimarer Republik als Gefängnisseelsorger in der Strafanstalt Tegel gearbeitet hatte, wurde 1951 ein Parteiausschlussverfahren eröffnet, aufgrund von angeblicher „Klassenfremdheit, mangelnder Parteiverbundenheit und Beziehungen zu parteifeindlichen Organisationen“36. Rackwitz verließ die SED 1952, da er die Entwicklung der Partei als undemokratisch und atheistisch empfand und aus diesem Grund nicht mehr mittragen konnte. Besonders tragisch ist der Fall des Theologen und Religiösen Sozialisten Aurel von Jüchen. Von Jüchen wurde im Dezember 1949 aus der SED ausgeschlossen37 und durch ein SMT (Sowjetisches Militärtribunal) wegen Spionage zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt, aus welchem er 1955, gesundheitlich stark angegriffen, zurückkehrte. Einiges deutete darauf hin, dass von Jüchens Verhaftung und Verurteilung auf das Betreiben seines guten Freundes und Kollegens, den Religiösen Sozialisten Karl Kleinschmidt zurückgegangen war.38 Von Jüchen war nach seiner 35 Vgl. Protokoll der Sitzung der Kommission Christentum und Kirche, Berlin, 17. 6. 1947 (BArch Berlin, DY 30 IV 2/14/1). 36 Erich Kürschner, Schreiben an Karl Kleinschmidt, Ausschluss aus der SED, Berlin, 17. 10. 1951 (ZLB Berlin, Nachlass Kleinschmidt, Karton 20). 37 Im Nachlass von Kleinschmidt ist in Abschrift ein Auszug aus einem Brief von Pfarrer HeinrichErnst Schwartze aus Ludwigslust an von Jüchen vom 12. 2. 1949 überliefert, in dem es dazu heißt: „Lieber Aurel! In der Landeszeitung vom 1. Dezember las ich, daß Du aus der SED ausgeschlossen worden bist. Dir wird zum Vorwurf gemacht, Du habest ein doppelzüngiges Spiel getrieben und versucht zwischen den demokratischen Parteien Misstrauen zu säen, wodurch Du die gute Zusammenarbeit im Block gefährdet habest. Weiter wird Dir vorgeworfen, durch die Schaffung separater Jugendzirkel die Untergrabung der Einheit der Jugend betrieben zu haben.“ Heinz-Erich Schwartze, Schreiben an Aurel von Jüchens, Ludwigslust, 12. 2. 1949 (ZLB Berlin, Nachlass Kleinschmidt, Karton 24). Zu den näheren Umständen, die zum Ausschluss von Jüchens aus der SED führten vgl. Peter, Aurel, 331 f. 38 Von Jüchen hatte während eines Verhörs im Zuge seines SMT-Verfahrens ein Dokument vorgelegt bekommen, als dessen Verfasser er aufgrund der Hand- und Unterschrift eindeutig Kleinschmidt hatte identifizieren können. Von Jüchen vertraute sich nach seiner Rückkehr aus Workuta Rackwitz an, der Kleinschmidt daraufhin in einem privaten Briefwechsels scharf
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Rückkehr aus Russland von 1955 bis 1972 als Gefängnisseelsorger in BerlinPlötzensee tätig. Da ein geeintes Deutschland spätestens ab dem Jahresbeginn 1948 kaum noch eine Option darstellte, konnte das für die SED geltende Prinzip einer Parteipolitik, die sowohl im Osten als auch im Westen Deutschlands Akzeptanz wecken sollte, gelockert werden. Vor diesem Hintergrund konnte die SED gegenüber den Kirchen offen repressiver auftreten, womit nach Goerner die Phase der bis 1951/52 währenden Konfrontationspolitik einsetzte.39 Diese Phase schöpfte ihre Dynamik nicht nur aus den Aktionen der SED, auch die kirchlichen Reaktionen befeuerten den Prozess: Im gleichen Maße, in dem die SED die politische Inanspruchnahme der Kirchen für die eigenen Zweck forcierte, wuchs der kirchliche Widerstand und mit diesem die Bereitschaft, offensiv für die eigenen Rechte und die eigene politische Haltung einzutreten. Dabei spielten auch innerkirchliche Divergenzen zwischen dem weiterhin gesamtdeutschen Leitungsanspruch der EKD-Gremien und den ostdeutschen Landeskirchen eine wachsende Rolle. Die östlichen Landeskirchen verweigerten die von der SED eingeforderte positive Stellungnahme zur Volkskongressbewegung.40 Waren zunächst noch einzelne leitende Kirchenvertreter wie der Thüringer Bischof Moritz Mitzenheim und der sächsische Bischof Hugo Hahn sowie Propst Grüber an den gesamtdeutschen Veranstaltungen der Volkskongressbewegung wie auch denen auf Länderebene beteiligt, stellten sie ihr Engagement Anfang 1948 mit der Begründung ein, dass sich für die Kirche durch eine weitere Teilnahme an der Bewegung die Gefahr eines Profilverlusts ergebe und sie dadurch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung zu einer der vielen Massenorganisationen degradiert werden würde.41 Eine weitere große Herausforderung für die evangelische Kirche stellten die ebenfalls im Zuge der Wahlen zum Volkskongress durch die SED massiv betriebenen Rekrutierungsversuche von fortschrittlichen, also die Parteiarbeit unterstützenden und innerhalb der Gemeinden aktiv politisierenden, Pfarrern dar.42 Pfarrer, die sich gegen die politische Vereinnahmung wehrten, indem sie etwa Plakate oder Beschriftungen von ihren Pfarrhäusern oder Kirchengebäuden entfernten, mussten
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wegen des Verrates an dem gemeinsamen Freund kritisierte (vgl. Arthur Rackwitz, Schreiben an Karl Kleinschmidt; Berlin-Neukölln, 9. 12. 1955, ZLB Berlin, Nachlass Kleinschmidt, Karton 24; auch Peter, Aurel, 395 f.). Vgl. Goerner, Kirche, 54. Im November 1947 initiierte die SED die Volkskongressbewegung. Ziel dieser Sammlungsbewegung war eine Einigung aller gesellschaftlichen Gruppierungen, die für die Einheit Deutschlands eintraten. Strategisches Ziel dieser Kampagne unter der Führung der SED war es, die bereits deutlich absehbare Teilung Deutschlands den Westmächten anlasten zu können (vgl. Schroeder, SED-Staat, 52 f.). Vgl. Seidel, Neubeginn, 126. Vgl. Besier, SED-Staat, 55.
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mit ihrer Verhaftung rechnen. Gleiches konnte denjenigen Geistlichen geschehen, die sich kritisch zu den Volkskongresswahlen äußerten.43 Gegen diesen durch Vertreter der SED ausgeübten und rapide ansteigenden politischen Druck auf Kirchenvertreter versuchte die KOK (Kirchliche Ostkonferenz) über die SMAD zu intervenieren und deren Rückendeckung für die eigene Neutralität zu erwirken. In einem Schreiben an Marschall Wassili D. Sokolowski vom 11. Mai 1948, das diesem durch den Berliner Generalsuperintendenten Friedrich-Wilhelm Krummacher persönlich übergeben wurde, erläuterten die Bischöfe der ostdeutschen Landeskirchen die theologische Haltung der evangelischen Kirche zur Obrigkeit und erteilten einer politischen Instrumentalisierung der evangelischen Kirche und deren Mitarbeitern eine klare Absage.44 Dem einzelnen Pfarrer war die Mitgliedschaft in einer Partei gleichwohl nicht verboten – unter der Bedingung, dass er bei parteipolitischen Veranstaltungen als Privatperson und nicht als Kirchenvertreter agierte. Da sich diese Bedingung in der Praxis aber kaum umsetzen ließ, rieten die Kirchenleitungen ihren Pfarrern und Angestellten von politischem Engagement in Parteien oder anderen politischen Zusammenschlüssen ab.45 In das Jahr 1948 fiel auch die Gründung der EKD. Nach langen Diskussionen, sowohl den organisatorischen Aufbau, als auch theologische Aspekte betreffend, verabschiedete man am 13. Juli in Eisenach eine Verfassung.46 Die Konstituierung einer gesamtdeutschen evangelischen Kirche gerade in der Zeit, in der die politische Entwicklung von Ost- und Westdeutschland endgültig auseinanderging, stand konträr zu den Interessen der SED-Führung, wurde jedoch von den Sowjets positiv gesehen. Sie interpretierten den Zusammenschluss der Landeskirchen als Erstarken der evangelischen Kirche, gerade auch im sowjetischen Sektor, und hofften, durch die Gewinnung von fortschrittlichen Geistlichen in Ost- und Westdeutschland von der EKDGründung zu profitieren.47 Doch das Kalkül der Sowjets ging nicht auf. Tatsächlich entwickelte sich die noch bis 1969 geeinte gesamtdeutsche evangelische Kirche, zumindest in Teilen, zu einer oppositionellen Kraft im Osten Deutschlands und zu einem Dorn im Auge der Einheitspartei, insofern sie sich weniger als Instrument zur politischen Stimulierung der Bevölkerung im Sinne des Sozialismus als vielmehr als Brückenkopf des Imperialismus darstellte. Felder, auf denen die SED die Kirche zunehmend und durch die sowjetische Ideologie gedeckt ausbremsen konnte, waren Jugendarbeit und Bildung, denn diese fielen gemäß dem ,Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schulen‘, Artikel 2, in den Zuständigkeitsbereich des Staates. Auch wurden Bestrebungen, traditionell von den Kirchen dominierte Bereiche wie 43 Vgl. das Schreiben der Kirchenleitung der EKKPS an den Ministerpräsidenten von SachsenAnhalt vom 30. 5. 1949 (abgedruckt bei Seidel, Neubeginn, 325–329). 44 Vgl. Seidel, Neubeginn, 129; das Schreiben der KOK an Marschall Sokolowski ebd., 272–274. 45 Vgl. ebd., 131–133. 46 Zur Gründung der EKD vgl. Lepp / Nowak, Kirche, 33–38. 47 Goerner, Kirche, 55.
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Fürsorge oder Krankenpflege exklusiv in den Zuständigkeitsbereich des Staates zu verlagern, intensiviert.48 Im April 1949 begann die SED mit den Planungen einer offensiven Kampagne, deren konkretes Ziel in der Zurückdrängung der Kirchen auf dem Gebiet der SBZ bestand. Unter Einbeziehung der DEFA (Deutsche Film AG), des Kulturbundes und der in der Volksbildung engagierten Gesellschaft Urania sollte der Atheismus vermehrt in die Bevölkerung getragen und zu diesem Zweck auch der Schulunterricht um entsprechende Inhalte erweitert werden. Zudem ließ die SED bereits Möglichkeiten prüfen, wie der Kirche die Nutzung staatlicher Strukturen für den Einzug der Kirchensteuer unmöglich gemacht werden könnte.49 Diese Maßnahmen wurden von Seiten der SED in der Öffentlichkeit nicht thematisiert. Trotz des subtilen Vorgehens der SED blieben deren zunehmend religionsfeindliche Tendenzen freilich nicht verborgen. Otto Dibelius – Bischof der EKiBB und Vorsitzender des Rates der EKD – kritisierte in seinem zu Pfingsten 1949 an die evangelischen Gemeinden in Berlin-Brandenburg gerichteten Hirtenbrief „Recht und Frieden“ offen die vermehrten Anfeindungen, denen die Kirchen auf dem Gebiet der SBZ, gerade im Blick auf ihre Jugendarbeit, ausgesetzt seien: „Dem Religionsunterricht in den Schulen werden dauernd Schwierigkeiten bereitet von Schulräten und von anderen, so daß allen Zusicherungen zum Trotz an vielen Orten die Kinder, die die Kirche getauft hat, ohne jeglichen kirchlichen Unterricht heranwachsen, gleichzeitig im Schulunterricht dauernd im antichristlichen Sinn beeinflußt werden.“50
In demselben Hirtenbrief zog Dibelius Parallelen zwischen dem in Entstehung befindlichen Staatsgebilde der DDR und dem Nationalsozialismus und bezeichnete die politische Polizei der SBZ, die K5,51 als die Auferstehung der Gestapo.52 Der von Dibelius verfasste Hirtenbrief zeigt einerseits das Bewusstsein des Verfassers für seine singuläre Rolle und Verantwortung als EKDRatsvorsitzender für die Vorgänge in der SBZ, ist andererseits aber auch ein Beispiel für eine kirchliche Selbstwahrnehmung, wie sie teils auch bei anderen Kirchenvertretern in den Jahren 1945 bis 1949 erkennbar ist. Das offensichtlich hohe kirchliche Selbstbewusstsein basierte auf als noch ungebrochen empfundenen Traditionen und dem Wissen um Rückhalt in der Bevölkerung, mit der man das Misstrauen gegenüber den Sowjets bzw. dem Kommunismus 48 Mau, Protestantismus, 33. 49 Erst im Februar 1956 verfügte die Justizministerin der DDR Hilde Benjamin durch den nach ihr benannten ,Benjamin-Erlass‘ tatsächlich, dass der Kirche die staatliche Unterstützung bei der Einziehung der Kirchensteuer versagt wurde (vgl. Goerner, Kirche, 57). 50 Abgedruckt bei Seidel, Neubeginn, 274–277. 51 Kriminalpolizei – Klasse 5 (K5) war die politische Polizei der SBZ zur Kontrolle der inneren und äußeren Opposition im Auftrage der sowjetischen Besatzer. Sie gilt als Vorläufer des MfS (vgl. Gieseke, Verwaltung, 137 f.). 52 Zitat vgl. ebd. 275.
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teilte und die auch in der DDR im Jahr 1950 noch zu 80 % einer Kirche angehörte.53 Pollack spricht in diesem Zusammenhang von einem kirchlichen Überlegenheitsgefühl, das sich aus der Wahrnehmung der deutschen Kommunisten als politisch unehrlich, ungebildet sowie traditions- und kulturlos speiste. Diese Kategorisierung der Genossen und Genossinnen als annähernd barbarenhaft wurde durch das als unmoralisch und ungerecht wahrgenommene Agieren der sowjetischen Besatzungsmacht, das dem von Kirche und deutscher Bevölkerung geteilten Rechtsempfinden – gerade im Blick auf die zahlreichen willkürlichen Verhaftungen – diametral entgegenstand, noch verstärkt.54 Das Politbüro der SED reagierte auf den Hirtenbrief des Bischofs mit dem Start einer sich in den 1950er Jahren fortsetzenden Kampagne, deren erklärtes Ziel eine massive Imageschädigung von Dibelius darstellte.55 Goerner wertet dieses Vorgehen der SED als Anfang der bereits im April 1949 auf dem Papier beschlossenen, repressiven Maßnahmen gegenüber den Kirchen und damit zugleich als den Beginn der Eskalation des Konfliktes zwischen der evangelischen Kirche und der SED, „die mit dieser Kritik an ihrer empfindlichsten Stelle getroffen wurde – dem Mythos von ihrem vermeintlichen Kampf für den ,Antifaschismus‘, – der als Ersatz für die fehlende demokratische Legitimation ihrer Herrschaft einen entscheidenden Stellenwert in ihrem Dogmengebäude einnahm.“56
Trotz ihres offensiven Vorgehens gegen Bischof Dibelius verfolgte die SED weiterhin die Strategie, den Eindruck einer prinzipiell aufgeschlossenen Haltung gegenüber religiösen Angelegenheiten aufrechtzuerhalten, denn gerade hinsichtlich der im Herbst 1949 bevorstehenden Gründung der DDR galt es, christliche Kräfte nicht zu verschrecken, sondern diesen scheinbar die Option einer gesellschaftlichen und politischen Partizipation im Arbeiterund Bauernstaat anzubieten.57
53 Vgl. Pollack, Kirche, 381. 54 Vgl. Rçssler, Justizpolitik, 94. 55 Vgl. Besier, SED-Staat, 66 f. Zu der in den späten 1950er Jahren einsetzenden Kampagne der SED im Zuge des Abschlusses des Militärseelsorgevertrages zwischen der BRD und der EKD und der daraus resultierenden Kampagne der DDR-Regierung gegen den Nato-Bischof Dibelius vgl. Lemke, Berlinkrise, 25; Palm, Brüder, 269. 56 Goerner, Kirche, 56. 57 Vgl. ebd., 59.
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2. Zuständigkeiten und Rechtsgrundlagen im Strafvollzug der SBZ 2.1 Die deutsche Justiz In der SBZ entwickelte sich hinsichtlich der Zuständigkeiten eine Dreiteilung des Strafvollzuges: Unabhängig von der deutschen Justiz griffen auch die deutsche Polizei und die sowjetische Besatzungsmacht zu freiheitsentziehenden Maßnahmen und setzten diese auf der Basis unterschiedlicher Rechtsgrundlagen durch. Dabei betrieben alle Akteure eigene Gefängnisse bzw. Lager, die in ihren Konzeptionen stark voneinander abwichen. Dies schloss auch ganz unterschiedliche Bedingungen für die Gefängnisseelsorge mit ein. Die eigentliche Verantwortung für den deutschen Strafvollzug lag bei den Justizverwaltungen der Länder und Provinzen,58 was der sowjetischen Präferenz für ein nach föderalen Prinzipien geordnetes Deutschland entsprach. Die Justizverwaltungen agierten jedoch nicht selbstständig, sondern waren SMA-Kommandanturen zugeordnet, zu denen sie oftmals ein problematisches Verhältnis hatten. So griffen sowjetische Kommandeure immer wieder weit in eigentlich deutsche Zuständigkeiten ein und beanstandeten gerade bei den von der Justiz geführten Vollzugsanstalten, dass deren Konzeption nach russischem Verständnis zu wenig strafenden Charakter hatte.59 Neben den Justizverwaltungen der Länder und Provinzen existierte in der SBZ die in Berlin-Mitte ansässige DJV (Deutsche Justiz Verwaltung). Sie war eine von elf deutschen Zentralverwaltungen,60 deren Gründung durch den Obersten Chef der sowjetischen Militärverwaltung, Marschall Georgi K. Schukow, am 27. Juli 1945 mittels Befehl Nr. 17 verfügt worden war. Die Zentralverwaltungen fungierten als Scharnier zwischen der SMAD und den noch im Aufbau befindlichen Landes- und Provinzialverwaltungen.61 Sie wirkten für die SMAD vermittelnd, entlastend und koordinierend, waren jedoch gerade in den ersten Jahren in ihrer Wirksamkeit dadurch eingeschränkt, dass sie weder über Weisungsbefugnisse gegenüber den Landes- und Provinzialverwaltungen noch über ein Gesetzgebungs- und Verordnungsrecht verfügten.62 Bei ihren Versuchen, Einfluss zu nehmen, scheiterten sie deshalb 58 Zum Aufbau der Regierungen und Verwaltungen in den Ländern der SBZ vgl. Fait / Welsh / Schneider, Landesregierungen, 71–200. Vgl. auch die Untersuchung von Peter Erler zur Rolle der Moskau-Kader beim Aufbau der Haupt- und Zentralverwaltungen in der SBZ (Erler, Moskau-Kader, 277–291). 59 Vgl. Oleschinski, Abteilung, 86 f. 60 Neben der Zentralverwaltung der Justiz existierten Zentralverwaltungen für Arbeit- und Sozialfürsorge, Brennstoffindustrie, Finanzen, Gesundheitswesen, Handel und Versorgung, Industrie, Landwirtschaft, Nachrichten, Verkehr und Volksbildung. 61 Vgl. Wentker, Justiz, 26. 62 In seiner Darstellung, welche auch die Arbeitsweisen und die Zusammenarbeit von sowjetischen und deutschen Verwaltungen aufzeigt, weist Foitzik auf die insgesamt zu indifferente Perspektive der Geschichtsschreibung auf die Arbeit und die Kompetenzen der Zentralverwal-
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oftmals am hartnäckigen Widerstand der Landesregierungen, der so weit ging, Anweisungen der Zentralverwaltungen nicht nur zu verzögern, sondern auch völlig zu ignorieren. Erst ab 1948 stabilisierte sich die Position der Zentralverwaltungen und es gelang ihnen, ihren Macht- und Kompetenzbereich zu vergrößern und zu festigen.63 Der Aufbau der DJV begann im August 1945 und dauerte bis zum November desselben Jahres.64 Zum Präsidenten der DJV wurde der 85 Jahre alte Reichsminister a. D. und Jurist Eugen Schiffer65 ernannt, der, obgleich jüdischer Abstammung, die Zeit der Verfolgung und des Krieges in Berlin mittels einflussreicher Kontakte überlebt hatte und zu den Begründern der LDP (Liberal-Demokratische Partei) in der SBZ zählte.66 Trotz seines hohen Lebensalters agierte Schiffer scharfsinnig und hochmotiviert und war weit davon entfernt, sich in die Dienste einer ausschließlich kommunistischen Interessen folgenden Politik zu stellen bzw. sich durch diese steuern zu lassen. Aufgrund seiner nicht vorhandenen Fortschrittlichkeit weckte Schiffer bald das Misstrauen der Rechtsabteilung der SMAD, die daraufhin, wenn auch erfolglos, Bemühungen anstrengte, den Präsidenten der DJV seines Amtes zu entheben.67
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tungen hin. So merkt er an, dass die durch Schukow im November 1945 auf einer Beratung der SMAD ergangene Weisung, dass die Zentralverwaltungen gegenüber den Landesverwaltungen keine Befehlsbefugnisse bzw. keine Möglichkeiten zum Eingriff in deren Aufgabengebiete haben sollten, lediglich auf die „interessengeleitete Wahrnehmung der durch allgemeine und tief greifende Rechtsunsicherheit gekennzeichneten Lage durch den Protokollanten“ zurückgehe (Foitzik, Ordnungspolitik, 151). Der Landespräsident Mecklenburgs-Vorpommerns, der über die Sitzung ebenfalls eine Mitschrift anfertigte, sei mit keinem Wort auf diese angebliche Äußerung Schukows eingegangen, sondern habe das „Kompetenzgerangel“ zwischen den Zentralverwaltungen in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gestellt (ebd.). Folgt man dieser These Foitziks, hätten sich die Verwaltungen der Länder und Provinzen ihre Unabhängigkeit von den Zentralverwaltungen mittels einer fragwürdigen Interpretation des von Schukow Referierten selbst ins Protokoll geschrieben, wodurch sie ihre Unlust auf Unterordnung gegenüber den Zentralverwaltungen legalisieren und dadurch eine angeblich nicht existente Weisungsbefugnis der Zentralverwaltungen für sich proklamieren konnten. Vgl. Welsh / Zank, Einleitung. Zur schwierigen Position der DJV gegenüber den Landes- und Provinzialjustizverwaltungen mit dem Augenmerk auf Berlin-Brandenburg vgl. auch Pohl, Justiz, 41–45. Vgl. Lorenz, Zentralverwaltung, 136. Während Lorenz (unter Bezugnahme auf die Dissertation von Merker, Zentralverwaltungen) die Ansicht vertritt, dass die Struktur der DJV durch die sowjetische Rechtsabteilung vorgegeben worden sei, findet sich bei Wentker die Aussage: „Da die SMAD keine weiteren Vorgaben zu Aufgaben und Struktur der Justizverwaltung machte, war die DJV selbst gefordert, entsprechende Vorschläge zu unterbreiten.“ (Wentker, Justiz, 40). Zur Person Schiffers, dessen Tätigkeit im Justizwesen in der Weimarer Republik und dessen Motiven zur Übernahme des Präsidentenamtes in der DJV vgl. ebd., 45–49. Vgl. ebd., 47. Vgl. ebd., 49. Entsprechend wurde Schiffer im Gegensatz zu der bei Wentker durchweg positiven Darstellung zeitgenössisch z. B. durch Hans Nathan (KPD / SED), Abteilungsleiter für Gesetzgebung bei der DJV, sehr negativ eingeschätzt: „Dr. Schiffer war unter allen Leitern der Zentralverwaltungen der einzige gelernte Minister und der ganze Ehrgeiz dieses senilen, egozentrischen Mannes ging dahin, aus der Justizverwaltung ein Ministerium im alten Stil zu machen.
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Die Ausrichtung und Neuordnung des Strafvollzuges in allen vier Sektoren vollzog sich gemäß Kapitel II A. Nr. 8 des unter sowjetischer Beteiligung verabschiedeten Potsdamer Abkommens vom 2. August 1945 nach Richtlinien liberaler und humaner Grundtendenz.68 Hier hieß es: „Das Gerichtswesen wird entsprechend den Grundsätzen der Demokratie und der Gerechtigkeit auf der Grundlage der Gesetzlichkeit und der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz ohne Unterschied der Rasse, der Nationalität und der Religion reorganisiert werden.“69
Weitere Impulse setzte die Proklamation Nr. 3 des Alliierten Kontrollrats vom 20. Oktober 1945 über die Grundsätze zur Umgestaltung der Rechtspflege, die durch die Kontrollratsdirektive Nr. 19 vom 12. November 1945 „Grundsätze für die Verwaltung der deutschen Zuchthäuser und Gefängnisse“ konkretisiert wurde. Letztere basierte auf den Ideen des amerikanischen Strafvollzugreformers Myrl Alexander, der wiederum deutsche Sachverständige wie den Sozialpädagogen Albert Krebs bei der Ausarbeitung mit hinzugezogen hatte. Auch Schiffer hatte sich bereits in der Weimarer Republik um Reformen im Rechtswesen bemüht, da er dieses als ,dem Volk entfremdet‘ empfunden hatte.70 Bei seiner Arbeit in der DJV knüpfte er an die damaligen Konzepte an und forcierte sein Vorhaben durch die Einstellung ihn hierbei unterstützenden Personals. In diesen Kontext gehörte die Anstellung von Werner Gentz und Harald Poelchau als Mitarbeitern in der bei der DJV angesiedelten Abteilung Strafvollzug.71 Der von Schiffer mit der Leitung der Abteilung Strafvollzug beauftragte Gentz hatte sich vor 1933 als Ministerialrat im preußischen Justizministerium für Reformen im Strafvollzug engagiert.72 Ebenso wie Schiffer griff Gentz bei seiner Arbeit nun auf Ideen zurück, die während des Nationalsozialismus nicht mehr hatten verfolgt werden können.73 Kernpunkte waren dabei die
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[…] An der Spitze seines Ehrgeizes […] standen […] Äußerlichkeiten, und da ließen ihn die Freunde weise lächelnd gewähren. Wir pflegten den Grad der Fortschritt- oder Rückschrittlichkeit eines Mitarbeiters daran zu messen, wie der Schiffer anredete – es gab da die feinsten Nuancen. ,Exzellenz‘ war das höchste, dazu verstiegen sich nur ganz Extreme. […] Das Gros seiner eigenen Leute titulierte ihn ,Herr Reichsminister‘. Wir selbst – und mit uns einige Fortschrittliche […] – hielten es für nötig, den Reichsminister abzuwerten und sagten ‘Herr Minister’. Nur Melsheimer, der gerne den Proleten herausließ (der er gar nicht war), sagte kurz und grob ,Herr Schiffer‘ – worauf jener regelmäßig zuckte – und wenn es hoch kam ,Herr Dr. Schiffer‘.“ (zitiert nach: Amos, Personalpolitik, 114 f.). Vgl. Pfarr, Aufarbeitung, 7. Potsdamer Abkommen. Vgl. Wentker, Justiz, 46 f. Vgl. ebd., 203. Vgl. Oleschinski, Abteilung, 83. Eine Relativierung der in der Forschung häufig anzutreffenden Einschätzung, dass der Strafvollzug in der Weimarer Republik durchgängig von Reformgedanken geprägt gewesen sei, findet sich bei Kai Naumann. Naumann betont die Widerstände, die den Reformvorhaben von
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Abkehr vom Gedanken der Vergeltung und des Wegsperrens hin zu einem Erziehungsstrafvollzug mit dem Ziel der Resozialisierung der Straffälligen in die Gesellschaft. Gentz entwickelte für diesen Zweck ein Fünf-Stufen-Reformprogramm und sprach sich zudem für grundlegende Änderungen im Jugendstrafvollzug aus.74 Die von den Alliierten vorgegebenen Präferenzen und die Ideale der an der Umstrukturierung des Strafvollzugs Beteiligten bedingten eine grundsätzlich positive Haltung der HA SV (Hauptabteilung Strafvollzug) zur kirchlichen Mitarbeit in den Gefängnissen in Gestalt eines Seelsorgeangebots. So versuchte Gentz bei seinen Bemühungen, den Aufbau eines reformierten Strafvollzugs voranzutreiben, auch Unterstützung bei dem evangelischen Theologen und staatlich geprüften Fürsorger Poelchau. Gentz hatte Poelchau bereits 1932 zu einer Anstellung als Seelsorger in der Haftanstalt Berlin-Tegel verholfen75 – eine Funktion, die Poelchau auch während der NS-Zeit hatte ausüben können. Seine Tätigkeit hatte Poelchau in Kontakt zu zahlreichen Verfolgten des Nationalsozialismus gebracht, von denen er etliche in den letzten Stunden vor der Hinrichtung begleitete.76 Im September 1945 nahm Gentz erneut Kontakt zu Poelchau auf, mit dem Ziel, diesem nicht nur die Leitung der Strafanstalt Tegel zu übertragen, sondern ihn auch für eine Mitarbeit in der Abteilung Strafvollzug bei der DJV zu gewinnen.77 Auf Anraten von Propst Grüber willigte Poelchau ein und begann seine Arbeit als sogenannter Vortragender Rat bei der DJV am 1. Februar 1946.78 Die Voraussetzungen für die Etablierung eines Strafvollzuges unter Anknüpfung an die bereits in der Weimarer Republik teils angedachten, teils tatsächlich durchgeführten Reformen waren zu Beginn der Arbeit der DJV günstig. Sie verfügte über geeignete Mitarbeiter und die Unterstützung der Sowjets, die die für den Strafvollzug richtungsweisenden Beschlüsse der Siegermächte mitgetragen hatten. Trotz dieser positiven Vorzeichen war die Arbeit der DJV und der hier eingerichteten Abteilung Strafvollzug von Beginn
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Seiten der Anstaltsleitungen und des hier beschäftigten Personals, aber auch von Richtern und Staatsanwälten entgegengebracht worden seien, und geht davon aus, dass sich die tatsächliche Wirksamkeit der Reformen auf zwei bis drei Vorzeigeanstalten beschränkte (vgl. Naumann, Strafvollzug). Zu den Zielen der DJV und speziell denen von Gentz beim Aufbau des Strafvollzugs in der SBZ vgl. M ller, Strafvollzugspolitik, 27–45; Wentker, Justiz, 203–207. Vgl. Poelchau, Ordnung, 33. Zum Werdegang Poelchaus und zu seiner Arbeit als Seelsorger im Strafvollzug während der NSZeit vgl. ebd. Zu Leben und Wirken Poelchaus im Widerstand unter ausführlicher Berücksichtigung seiner Leistungen in der Gefängnisseelsorge vgl. Harpprecht, Poelchau; Schuppener, Umsonst. Vgl. Heinrich Grüber, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin, 27. 9. 1945 (ELA Berlin, 11/924, o. Pag.). Vgl. Schuppener, Umsonst, 128. Poelchau war vom 1. 4. 1933 bis zum Kriegsende und dann wieder von Januar 1949 bis September 1951 als Seelsorger in der StVA Berlin-Tegel tätig. Im Oktober 1951 wurde Poelchau durch Bischof Dibelius in das Amt des ersten Sozialpfarrers von Berlin eingeführt (vgl. ebd., 49, 134–136, 47).
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an verschiedenen Hemmnissen ausgesetzt, die zum einen den allgemein schlechten Bedingungen der Nachkriegszeit und zum anderen Problemen struktureller Art geschuldet waren. Zu Letzteren gehörte v. a. die nicht eindeutig definierte Beziehung der DJV zu den Justizverwaltungen der Länder und Provinzen, denn da die DJV durch die Sowjets kein Weisungsrecht gegenüber diesen erhalten hatte, konnte sie keine allgemein für die SBZ verbindlichen Regularien entwickeln und einführen. Da der DJV selbst keine Vollzugsanstalten unterstanden und sie zudem keine Befugnisse hatte, verbindlich in die Verwaltung der in Betrieb befindlichen Gefängnisse einzugreifen, war die DJV – wollte sie ihre Reformen und Vorstellungen durchsetzen – auf das Entgegenkommen und die Mithilfe der Justizverwaltungen angewiesen, innerhalb von deren Zuständigkeitsbereichen sich Strafanstalten befanden. So sandte Schiffer bereits am 16. Oktober 1945 ein mit einiger Sicherheit von Gentz entworfenes, fünfseitiges Schreiben an die Landes- und Provinzialverwaltungen,79 in dem er ausführlich „Leitgedanken“ zur Umgestaltung des Strafvollzuges in Anlehnung an und Weiterführung der „vor 1933 entwickelten internationalen Reformgedanken“80 formulierte, auf denen die Arbeit künftig basieren sollte. Zudem enthielten die „Leitgedanken“ eine grundsätzliche Neuregelung des Anstellungsverhältnisses der Gefängnisseelsorger. Diesbezüglich besagte die für Preußen geltende Dienst- und Vollzugsordnung für die Gefangenenanstalten von 1924, dass die hauptamtlichen Seelsorger der größeren Anstalten von den Justizbehörden angestellt werden sollten,81 – eine Regelung, die auch während des Nationalsozialismus Gültigkeit behalten hatte. Im Gegensatz dazu besagte Punkt 18 der von Gentz entworfenen „Leitgedanken“: „Jeder religiöse Zwang soll vermieden werden, aber der religiösen Betreuung durch Vertreter der Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaft, welcher sich der Gefangene zugehörig fühlt, sollen keine Hindernisse in den Weg gelegt werden. Es wird aber davon abgesehen werden können, Geistliche als Beamte in der Strafvollzugsverwaltung anzustellen.“82 79 Das Dokument trägt die Unterschrift Schiffers, jedoch weist Oleschinski darauf hin, dass der Entwurf mit einiger Sicherheit von Gentz verfasst wurde (vgl. Oleschinski, Abteilung, 83). Auch Wentker folgt dieser Einschätzung (vgl. Wentker, Justiz, 206). 80 Eugen Schiffer; Werner Gentz, Leitgedanken., Berlin, 16. 10. 1945 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 50–52). 81 Vgl. Dienst- und Vollzugsordnung für die Gefangenenanstalten der Justizverwaltung in Preußen vom 1. August 1924, Abschnitt D. Geistliche. § 29: Anstellung: „1. Beträgt die Durchschnittszahl der Gefangenen eines Bekenntnisses mehr als 10, so werden im Benehmen mit der Kirchenbehörde Geistliche durch Vertrag mit der religiösen Pflege betraut. Ist die Zahl geringer, so muß durch ein Übereinkommen mit der Kirchenbehörde die geistliche Versorgung ebenfalls gesichert werden. Für größere Anstalten werden Geistliche im Hauptamt angestellt.“ (Klein, Vorschriften, 74 f.). 82 Eugen Schiffer; Werner Gentz, Leitgedanken, Berlin, 16. 10. 1945 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 50–52).
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Die Art und Weise, wie die Justizverwaltungen der Länder auf die „Leitgedanken“ der DJV reagierten, lässt sich beispielhaft ablesen an der von der Bundesverwaltung Sachsen am 12. März 1946 erlassenen Rundverfügung Nr. 150 für die Gefängnisseelsorge: Hier wurde Punkt 18 der „Leitgedanken“ aufgegriffen, aber so umgedeutet, dass Seelsorge nur noch auf ausdrücklichen Wunsch des Gefangenen zu leisten sei.83 Die damit verbundene faktische Einschränkung der Gefängnisseelsorge wurde von den Kirchen heftig kritisiert. Gentz war noch zu Beginn seiner Tätigkeit davon ausgegangen, dass die Justizbehörden der Länder aller Besatzungszonen die Regularien für den Strafvollzug in Kooperation entwerfen würden und damit in Deutschland ein zwar nach Ländern getrennter, sachlich aber übereinstimmender Strafvollzug entstünde.84 Diese Erwartung musste er bereits im März 1946 korrigieren: Bereits die Entwicklungen in den Ländern und Provinzen der SBZ waren völlig unterschiedlicher Art, standen teils im Widerspruch zu den von Gentz entwickelten Idealen eines zentralisierten Justizwesens und liefen auf eine Autonomie der Justiz bei den Landes- und Provinzialverwaltungen hinaus.85 Diese zwischen der DJV und den Justizverwaltungen der Länder bestehenden Differenzen bezüglich der Kompetenz und der staatsrechtlichen Stellung der Länderbehörden konnten während der gesamten Zeit des Bestehens der SBZ nicht gelöst werden. Zwar bemühte sich die DJV mehrfach um die Durchsetzung der Zentralisierung der Justiz und drängte bei der Rechtsabteilung der SMAD auf die dafür nötigen Vollmachten, fand bei den Sowjets für ihre Anliegen jedoch keine verlässliche Unterstützung.86 Die Desorganisation der Zuständigkeiten von DJV und Länderverwaltungen korrespondierte mit einer undurchsichtigen Rechtsgrundlage: Bis zur Konstituierung der DDR war eine für die gesamte SBZ verbindliche, durch deren deutsche Organe entwickelte Rechtsgrundlage für den Strafvollzug nicht existent. In einem Schreiben vom 18. Mai 1949 führte Gentz als rechtliche Grundlage die „Leitgedanken“ vom 16. Oktober 1945 an, bezog sich zugleich aber auf die Strafvollzugsordnung vom 22. Juli 1940, die noch immer in Anwendung, jedoch von ihren nazistischen Inhalten gesäubert worden war.87 Noch im Frühjahr 1949 war die gesetzliche Regelung des Strafvollzugs daher Teil von Verhandlungen zwischen der DJV und der SMAD. Jedoch kam
83 Vgl. Reinhard Uhle, Rundverfügung Nr. 150, Dresden, 12. 3. 1946 (LKA Dresden, 2/292, Bl. 12). Zu den von den anderen Landesteilen der SBZ abweichenden Entwicklungen in der Gefängnisseelsorge in Sachsen vgl. Kap. B 1.2.4. 84 Vgl. Oleschinski, Abteilung, 87. 85 Vgl. Wentker, Justiz, 85. 86 Zum Konflikt zwischen der DJV und den Verwaltungen der Länder und Provinzen um Organisation und Aufbau der Justiz sowie den dabei vertretenen Konzepten des Zentralismus und Föderalismus vgl. ebd., 79–102. 87 Vgl. Oleschinski, Abteilung, 87.
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es aufgrund wiederholt widersprüchlicher Anordnungen von Seiten der Sowjets zu keiner abschließenden Lösung.88 Trotz fehlender verbindlicher Rechtsgrundlagen für den Strafvollzug für das gesamte Gebiet der SBZ verlief dieser in seinen Grundzügen geordnet. So gehörte die Strafvollstreckung zu den Aufgaben der Rechtspflege, die bei der Staatsanwaltschaft angesiedelt war. Deren Hauptziel bestand darin, der Tat möglichst schnell das Urteil folgen zu lassen und dieses dann umgehend zu vollstrecken, was im engeren Sinn bedeutete, die Einleitung des Vollzugs zu betreiben und dessen Realisierung zu kontrollieren. Die Durchführung des Strafvollzugs war dann wiederum Aufgabe der Vollzugsbehörden.89 Die rechtliche Grundlage für die von der Justiz praktizierte Untersuchungshaft bildete die Strafprozessordung vom 1. Februar 1877.90 Die hierin festgehaltenen Bestimmungen sollten der Flucht von Verdächtigten und der Verdunkelungsgefahr entgegenwirken. Hauptsächlich saßen die in Untersuchungshaft befindlichen Personen in den Amtsgerichtsgefängnissen oder aber in den Untersuchungshaftanstalten der Städte ein.91 Zwar kommt auch Micha Pfarr zu dem Ergebnis, „dass eine klare Linie und damit auch eine klare Bestimmung der Rechtsgrundlagen des Strafvollzugs während der sowjetischen Besatzungszeit kaum existierte“92. Doch dies, so Pfarr, sei auf die schlechten Bedingungen im Strafvollzug zurückzuführen, deren Bewältigung den Entwurf einheitlicher Rechtsgrundlagen in den Hintergrund habe treten lassen.93 Mit anderen Worten: Die Bemühungen der DJV und wohl auch der Justizverwaltungen der Länder um einen funktionierenden und halbwegs humanitären Strafvollzug hätten derart viele Energien gebunden, dass für administrative Tätigkeiten Zeit und Sinn fehlten. Mit diesen Überlegungen kommt als weiterer Aspekt des Themas der überaus schlechte Zustand der Gefängnisse nach dem Zusammenbruch 1945 in den Blick. Für die Realisierung der angestrebten Ziele bzw. Ideale der DJV hätte es nicht nur eines funktionierenden und etablierten Strafvollzugs bedurft, sondern auch nicht unerheblicher finanzieller Mittel – Voraussetzungen, die mit den Realitäten der Nachkriegszeit zwangsläufig kollidierten.94 Denn nach der Kapitulation Deutschlands war ein Großteil der im Gebiet der SBZ gelegenen Haftanstalten aufgrund weitreichender Zerstörungen außer Funktion, wie z. B. das Frauengefängnis in der Barnimstraße in Berlin, das durch Luftangriffe beschädigt worden und dadurch in seiner Kapazität stark eingeschränkt
88 Ein Sachverhalt, der gemäß Oleschinski auf „Unklarheiten und Differenzen innerhalb der SMAD“ schließen lassen könnte (vgl. ebd.). 89 Vgl. Mehner, Aspekte, 92 f. 90 Vgl. ebd., 93. 91 Vgl. ebd. 92 Pfarr, Aufarbeitung, 12. 93 Vgl. ebd. 94 Vgl. Schçnefeld, Struktur, 808.
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war.95 Gleiches galt für das Zuchthaus in Cottbus. Hier ergab das Ergebnis einer am 28. Mai 1945 durch die städtischen Behörden durchgeführten Besichtigung weitgehende Zerstörungen an den Gebäuden, 28 Bombentrichter auf dem Anstaltsgelände, Reparaturbedürftigkeit der gesamten Bedachung und Verglasung sowie Vernichtung nahezu aller Sicherungsanlagen.96 Zwar gab es durchaus unbeschädigte, für den Strafvollzug grundsätzlich nutzbare Einrichtungen, doch diese waren weitgehend durch die Sowjets beschlagnahmt und wurden jetzt durch den NKWD / MWD97 (genutzt, wie z. B. das als ,Roter Ochse‘ bekannte Zuchthaus in Halle / Saale.98 Viele Haftanstalten hatten im Laufe der Kriegswirren nicht nur das Personal, sondern auch die Insassen eingebüßt, denn die Sowjets ließen nach ihrem Einmarsch in einigen Städten die Gefängnisse öffnen, wodurch nicht nur politische Häftlinge die Freiheit erlangten, sondern auch zahlreiche Kriminelle.99 Schon durch die zunehmende Destabilisierung der öffentlichen Ordnung, die in den letzten Kriegswochen ihren Ausgang genommen und sich über das Kriegsende hinweg fortgesetzt hatte, waren zahlreiche Inhaftierte entwichen. Die von der Roten Armee veranlasste Räumung des Zuchthauses Brandenburg ging derart ungeordnet vonstatten, dass von den ehemals hier inhaftierten 3.500 Personen nach Beendigung der Kampfhandlungen nur wenige überhaupt zurückkehrten und dies zumeist in der Absicht, das noch weitestgehend intakte und funktionstüchtige Gebäude zu plündern.100 Die vor der näher rückenden Roten Armee geräumten Anstalten wurden aber nicht nur von freigekommenen Häftlingen auf verwertbare Güter durchsucht, die in der Nähe ansässige Bevölkerung tat es ihnen aufgrund der allgegenwärtigen Not gleich. Der Verlust des Haftanstaltsinventars, die marode Bausubstanz, die mangelnden Heizmöglichkeiten, aber auch das Fehlen von vertrauenswürdigem bzw. unbelastetem Personal gehörten zweifellos auch zu den Faktoren,101 die den Aufbau eines geordneten Strafvollzuges gemäß den von der DJV vertretenen Idealen in der SBZ behinderten und stark verzögerten. Um die Reorganisation und den Wiederaufbau des Strafvollzugs zu forcieren, unternahm die Abteilung Strafvollzug bzw. unternahmen die hier beschäftigten Mitarbeiter Gentz und Poelchau zahlreiche Revisionsreisen. Bei ihren Besuchen in den Haftanstalten der Länder und Provinzen galt ihr 95 Vgl. G lieu, Barnimstrasse, 259. 96 Vgl. Alisch, Strafvollzug, 16. 97 Die Abkürzungen NKWD und MWD stehen für das Innenministerium der UdSSR. Von 1934 bis 1946 wurde dies als ,Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten‘, russisch ,Narodnyj kommissariat wnutrennich del‘ (NKDW), bezeichnet. Im Jahre 1946 änderte man den Namen der Institution in ,Ministerium für Innere Angelegenheiten‘, russisch ,Ministerstwo wnutrennich del‘ (MWD). 98 Vgl. Bohse, Militärtribunale, 282. 99 Vgl. M ller, Strafvollzugspolitik, 47. 100 Vgl. Ansorg, Häftlinge, 38 f. 101 Vgl. Pfarr, Aufarbeitung, 12.
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Hauptaugenmerk dem Gesundheitszustand der Gefangenen und dem Personalstand vor Ort.102 Poelchau und Gentz wurden bei ihren oftmals abenteuerlichen Reisen durch die SBZ in einem völlig überalterten Dienstwagen, noch dazu auf schlechten Straßen und über unsichere Streckenabschnitte, von dem in Moskau geborenen Arzt und stellvertretenden Leiter der Abteilung Heilfürsorge bei der DJV Wladimir Lindenberg begleitet.103 Lindenberg war in Bonn promoviert worden und verschaffte dem Revisionsteam als russischer Muttersprachler104 bei den sowjetischen Kommandanten, die den Justizverwaltungen der Länder vorgeordnet waren,105 die nötige Autorität. Neben den katastrophalen Haftbedingungen bereitete das über weite Strecken unqualifizierte und menschlich völlig ungeeignete Personal Poelchau und seinen Kollegen die größten Sorgen „Für unser Empfinden fast noch schlimmer als diese materiellen Mängel war die Personalschwierigkeit. Strafvollzug, wenn er sinnvoll gehandhabt werden soll, ist eine Erziehungs- und damit eine Personenfrage. Die Gefängnisdirektoren, die wir antrafen, hatten alle eine reiche Erfahrung, denn sie hatten oft jahrelang in ihren eigenen Gefängnissen gesessen, allerdings nicht immer, wie sie vorgaben, aus politischen Gründen.“106
Was Poelchau hier beschrieb, war das Ergebnis der Anwendung des Prinzips ,der Feind meines Feindes ist mein Freund‘ durch die sowjetischen Besatzer. Die Sowjets hatten einige ehemalige Strafgefangene in der falschen Annahme, dass es sich um politische Häftlinge handelte, freigelassen und zu Anstaltsleitern erklärt, wodurch unabsichtlich Kriminelle in leitende Positionen im Strafvollzug gelangt waren. Belegt ist ein solches Vorgehen z. B. für das Zuchthaus Luckau. Hier stellten Mitarbeiter der Abteilung Strafvollzug bei einer Revision im Frühjahr 1946 fest, dass wegen krimineller Vergehen verurteilte und während des Zusammenbruchs in Haft befindliche Männer die Anstaltsleitung übernommen hatten. Skurril muteten die Zustände in der ehemaligen Vorzeige Strafvollzugsanstalt Untermaßfeld107 an: Auch hier war ein ehemaliger Gefangener zum Anstaltsleiter ernannt worden und hatte gleich 18 Beamte im Dienst belassen, die aufgrund ihrer ehemaligen Zugehörigkeit zur NSDAP eigentlich hätten beurlaubt werden müssen. Der Anstaltsleiter veranstaltete mit seinen Schergen sowie den 29 noch in Haft Befindlichen Trinkgelage und Maskenbälle, zudem konnten sich die Insassen tagsüber frei im Dorf bewegen und hatten prompt die Gelegenheit genutzt, 102 103 104 105 106 107
Vgl. Poelchau, Ordnung, 103 f. Vgl. ebd., 104. Vgl. M ller, Strafvollzugspolitik, 59. Vgl. Oleschinski, Abteilung, 86. Poelchau, Ordnung, 105. Ausführliche Erläuterungen zu dem während der Weimarer Republik in Untermaßfeld praktizierten Reform-Strafvollzug finden sich in der Untersuchung von Sagaster, Landesstrafanstalt.
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Waren im Wert von mehreren 10.000 Reichsmark zu verschieben.108 Als der mit der Durchführung der Gefangenenseelsorge in Jena beauftragte Pfarrer Justus Worbes 1947 seinen Dienst aufnehmen wollte, traf er auf eine Strafvollzugsanstalt ohne Insassen. Der zuständige Oberlandesgerichtsrat erklärte dem erstaunten Seelsorger, dass sich am Tage zuvor „die Häftlinge stark an die Mauer des provisorischen Gefängnisses gelehnt hätten, da habe die Mauer nachgegeben und sie hatten dies als einen Ruf verstanden, das Weite zu suchen“109. Derartige Szenarien können nicht als allgemeingültige Beschreibungen der Situation im Strafvollzug der SBZ verstanden werden, verdeutlichen jedoch, was 1945 / 46 und teils auch noch 1947 im Bereich des Möglichen lag.110 Allgemein zutreffend war zweifellos die äußerst mangelhafte Ernährungssituation der Insassen, die überaus schlechte Ausstattung der Anstalten sowie die qualitativ und quantitativ absolut ungenügende Personaldecke – Faktoren, die über das Bestehen der SBZ hinaus bis zur Mitte der 1950er Jahre in der DDR relevant blieben.111 2.2 Die Polizei der Länder und Provinzen Obgleich die Organisation des Strafvollzugs nach Ansicht der DJV unter Rückbezug auf Weimarer Traditionslinien exklusiv in das Ressort der Justiz fiel, etablierte sich in der SBZ parallel und gemäß dem sowjetischen Vorbild ein Strafvollzug, der der Polizei unterstand und somit bei den Verwaltungen des Inneren der jeweiligen Länder und Provinzen verortet war. Unter polizeilicher Regie wurde eine Reihe von Haftanstalten und Haftlagern betrieben,112 die Personen nicht ausschließlich für kurze Zeiträume arrestierten, sondern – ebenso wie der Strafvollzug der Justiz – Untersuchungshaft, Strafhaft und andere Formen des Strafvollzugs wie z. B. Arbeitshaft vollstreckten.113 Zur Legitimierung des Polizeivollzugs beriefen sich die Ministerien des Innern auf „Lücken im Strafgesetzbuch“, aus denen angeblich hervorging, dass eine große Anzahl an Kriminellen und Asozialen durch die Gerichte nicht ausreichend zur Rechenschaft gezogen würde, wodurch Gefahr
108 Vgl. Oleschinski, Abteilung, 85. 109 Justus Worbes, Schreiben an die Bezirksverwaltung der VP Jena, Jena, 20. 8. 1952 (LKA Eisenach, A 520-4, o. Pag.). 110 Berichte von Zeitzeugen über diese bereits einige Woche vor dem Kriegsende beginnende und bis zur Durchsetzung erster strukturbildender Maßnahmen durch die Verwaltungen andauernde Phase im Strafvollzug der SBZ sind kaum vorhanden (vgl. M ller, Strafvollzugspolitik, 45). 111 Vgl. Kap. A 4. 112 Vgl. M ller, Strafvollzugspolitik, 101. 113 Vgl. Mehner, Aspekte, 93.
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für die Öffentlichkeit bestünde.114 Die durch die Schutzpolizei Inhaftierten erhielten kein Urteil durch ein ordentliches Gericht, sondern lediglich eine Verurteilung „durch Kommissionen, zu denen Partei- und Organisationsvertreter ebenso wie Mitarbeiter amtlicher Institutionen, wie beispielsweise des Bereichs Arbeit und Sozialfürsorge gehörten“115. Erst später bildete man zusätzlich zu diesen Kommissionen schöffengerichtliche Dezernate unter dem Vorsitz eines Amtsrichters. Hatte man anfangs noch den Grundsatz vertreten, dass in den Polizeigefängnissen keine Freiheitsstrafen vollzogen werden sollten, verwischten im Alltag des Strafvollzuges die Unterschiede zwischen Polizeigefängnissen und Strafanstalten der Justiz zusehends.116 So wurde den Gerichten der Justiz nahegelegt, Freiheitsstrafen für Ersttäter nicht in den Vollzugsanstalten der Justiz abbüßen zu lassen, sondern die Verurteilten stattdessen in ein Haftlager der Polizei zu überstellen.117 Gleiches galt für Menschen, die nur kurze Haftzeiten zu verbüßen hatten, und ab Sommer 1947 dann zunehmend für die Personen, die aufgrund von Kriegsverbrechen nach SMAD-Befehl 201 verurteilt worden waren.118 Zum zahlenmäßigen Verhältnis zwischen den in den Justizvollzugsanstalten untergebrachten Gefangenen und den in den Lagern der Polizei Inhaftierten findet sich bei Müller für das Jahr 1946 die Angabe, dass allein in Sachsen 21.000 Männer und Frauen in Polizeigefängnissen einsaßen, während die Anzahl der Personen in den selbstständigen Anstalten der Justiz – einschließlich der Gerichtsgefängnisse – in der gesamten SBZ mit etwas weniger als 12.000 Inhaftierten im Dezember 1946 ihren Höhepunkt erreicht hatte.119 Der Justiz waren die Haftlager der Polizei ein Dorn im Auge und sie beanstandete die hier herrschenden Verhältnisse, wie den schlechten Ernährungszustand der Insassinnen und Insassen, die hohe Quote an Entweichungen oder das schlecht qualifizierte Personal. Dies tat sie völlig ungeachtet der Tatsache, dass in den eigenen Strafvollzugsanstalten exakt die gleichen Missstände herrschten.120 In der Expansion der Haftlager der Polizei, verbunden mit dem hier durchaus vorhandenen Anspruch, durch einen humanen Strafvollzug pädagogisch auf die Häftlinge einzuwirken und diese dadurch wieder zu wertvollen Mitgliedern der Gesellschaft zu machen, sieht Pfarr eine Ausweitung der Kompetenzen der Polizei in der SBZ, die bereits erste Hinweise auf künftige Entwicklungen im Strafvollzug der DDR und in dessen finale Eingliederung in das MdI liefert.121
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Vgl. ebd. Ebd. Vgl. Schçnefeld, Struktur, 811. Vgl. Mehner, Aspekte, 93. Vgl. M ller, Strafvollzugspolitik, 101. Vgl. ebd., 101. Vgl. ebd., 101 f. Vgl. Pfarr, Aufarbeitung, 7.
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3. Das sowjetische Innenministerium (NKWD / MWD) 3.1 Die sowjetischen Speziallager Die Speziallager des sowjetischen Innenministeriums auf deutschem Boden avancierten nach dem Ende des Kalten Krieges, dem Zerfall der Sowjetunion und der Freigabe einiger in Moskau befindlicher Aktenbestände für die Wissenschaft zu einem eigenständigen Forschungsbereich.122 Aufgrund der Komplexität des Themas und der daraus resultierenden zahlreichen Veröffentlichungen123 soll an dieser Stelle nur so weit auf die sowjetischen Speziallager eingegangen werden, wie es für das Verständnis der vorliegenden Untersuchung unabdinglich ist. Grundsätzlich gilt, dass in den Speziallagern zwei Kategorien von Gefangenen inhaftiert waren: die sogenannten. Internierten, also Personen, die ohne Gerichtsurteil in die Speziallager verbracht worden waren, und Personen, die durch ein SMT ein Urteil erhalten hatten.124 Beide Maßnahmen kamen parallel zum Einsatz, doch dominierten Internierte die Häftlingsstruktur im Jahr 1945, während von 1947 bis 1949 vermehrt SMTVerurteilte in die Speziallager eingewiesen wurden. In dieser Veränderung der Inhaftierungspraxis spiegelten sich die sich im Laufe der Zeit wandelnden sowjetischen Interessen und Prioritäten gegenüber den angeblich und faktisch 122 Informationen zum Stand der Erschließung des Quellenmaterials aus Moskauer Archiven mit Rückblicken auf die in diesem Kontext entstandenen deutsch-russischen Kooperationen, Erfahrungsberichten, aber auch kritischen Anregungen zur Rezeption des Quellenmaterials finden sich in dem Sammelband von Brunner / Scherstjanoi, Spuren. Zur Thematik der Speziallager sei innerhalb des Bandes insbesondere auf zwei Aufsätze verwiesen: Plato, Speziallager, 59–66; Heitzer, Speziallagerforschung, 109–120. Weiterhin Hausstein / Kaminisky / Knigge / Ritscher, Instrumentalisierung. 123 Vgl. zu den unterschiedlichen Phasen der Internierungen, den Vorgehensweisen der Geheimdienste und den Rechtsgrundlagen der SMT-Gerichte v. a. M ller, Verbrechensahndung. Älteren Datums, aber in vielerlei Hinsicht aufschlussreich ist Fricke, Politik. Darüber hinaus ist v. a. hinzuweisen auf: Finn, Speziallager; Hilger / Schmidt / Wagenlehner, Militärtribunale I, Hilger / Schmeitzner / Schmidt, Militärtribunale II; Kilian, Häftlinge; Lipinsky, Gefängnisse, 490–566; Mironenko / Niethammer / Plato, Speziallager Studien; und M ller, Terror. Zur weiterhin virulenten Diskussion über Häftlingszahlen, Anzahl der Todesfälle und genau Haftgründe vgl. Jeske, Bemerkungen, 457–480. 124 Erklärungen für den Sachverhalt, ob eine Person interniert, also ohne Urteil inhaftiert, oder vor ein sowjetisches Militärtribunal gestellt wurde, fallen unterschiedlich aus. Klaus Dieter Müller stellt fest, dass die Verhafteten nur dann, wenn konkrete Verbrechen vermutet wurden bzw. die für eine Gerichtsverhandlung benötigten Beweise vorlagen, vor ein SMT gestellt wurden, andernfalls sei die Einweisung in ein Speziallager erfolgt (vgl. M ller, Terror, 72, 75). Hierzu ist jedoch anzumerken, dass auch durch ein SMT verurteilte Personen anschließend in ein Speziallager verbracht wurden. Bettina Greiner formuliert bezüglich der Entscheidung zwischen Internierung oder Verurteilung durch ein SMT die Faustregel, dass die Gründe für eine Internierung in der Regel in der Vergangenheit der Verhafteten vor 1945, für SMT-Verurteilungen hingegen in Vorwürfen gelegen hätten, die sich auf die Besatzungszeit nach 1945 bezogen (vgl. Greiner, Terror, 131).
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nationalsozialistisch Belasteten.125 Vor der Verbringung sowohl der SMTVerurteilten als auch der Internierten in die Speziallager wurden diese durch den sowjetischen Geheimdienst NKWD / MWD bzw. dessen operativen Kräften in Untersuchungshaft genommen, die dafür eigens, zumeist in Wohnhäusern, eingerichtete Gefängnisse, die sogenannten GPU- oder NKWD-Keller, unterhielten. Hier wurden den Gefangenen unter teils wochenlanger und systematischer Folter Geständnisse abgepresst,126 die – davon ist auszugehen – Grundlage für die anschließende Kategorisierung als Internierte oder von einem SMT zu Verurteilende bildeten. In vielen Quellen, die die Speziallager der SBZ und den Strafvollzug der DDR betreffen, werden Internierte, SMT-Verurteile, aber auch Personen, die innerhalb des Untersuchungszeitraums in der DDR gegen den Staat opponierten und von DDRGerichten verurteilt wurden, verkürzend unter den Begriff Politische Gefangene subsumiert. Dadurch wurde die Heterogenität dieser Häftlingsgruppe offensichtlich gezielt verschleiert und die Kriminalisierung der Internierten und der SMT-Verurteilten durch die Regierung der DDR erleichtert. Die Speziallager und Gefängnisse der sowjetischen Besatzungsmacht bleiben in dieser Untersuchung unberücksichtigt, denn kein kirchlich beauftragter Seelsorger hat jemals einen GPU-Keller oder ein sowjetisches Speziallager betreten. Trotzdem waren gerade die Speziallager kein religionsfreier Raum, da inhaftierte Pfarrer beider Konfessionen seelsorgerische Arbeit leisteten und teils konspirativ, teils mit Duldung der Lagerleitung, Gottesdienste abhielten. Im sächsischen Landeskirchenarchiv ist ein Rundschreiben der Kanzlei der Evangelischen Kirche in Schwäbisch Gmünd vom 25. März 1946 erhalten, das die Wiederaufnahme von „Politischen- und Kriegsgefangenen“ in die evangelische Kirche in allen vier Besatzungszonen regelt. Gleichzeitig enthält es die Anweisung, in allen Kriegsgefangenenlagern der Alliierten evangelische Lagergemeinden zu bilden, deren Leitung in die Hände des Lagerpfarrers oder eines ähnlich geeigneten Insassen zu legen sei.127 Auch wenn sich ein solcher Beschluss in der SBZ sicher nicht völlig durchsetzen ließ, belegt das Schreiben, dass die evangelische Kirche den religiösen Bedürfnissen der politischen Gefangenen und der Kriegsgefangenen durchaus Beachtung schenkte und versuchte, diese einheitlich und den besonderen Gegebenheiten gemäß zu organisieren bzw. zu ordnen. In einigen Speziallagern waren spätestens ab Dezember 1947 Gottesdienste zu hohen christlichen Feiertagen gestattet, die zumeist von den Landesbischöfen gehalten wurden. So predigte am 25. Dezember 1947 der Bischof der EKKPS Müller im Spe-
125 Vgl. Fricke, Politik, 55 f. 126 Vgl. Morr , Speziallager, 611. 127 Vgl. Kanzlei der Evangelischen Kirche in Schwäbisch Gmünd, Rundschreiben Wiederaufnahme von Gefangenen in die Evangelische Kirche, Schwäbisch Gmünd, 25. 3. 1946 (LKA Dresden 2/310, Bl. 10).
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ziallager 10 in Torgau (Fort Zinna),128 weiterhin ist ein Ostergottesdienst unter der Leitung von Bischof Hahn für das Jahr 1949 in Bautzen belegt.129 Im Dezember 1949, also erst mit dem Ende des Bestehens der letzten Speziallager, wurden im Ergebnis intensiver Bemühungen der Berliner Kirchenkanzlei durch Oberstleutnant Wassiljew von der sowjetischen Kontrollkommission Weihnachtsgottesdienste in Sachsenhausen, Buchenwald und Bautzen bewilligt.130 Diese Gottesdienste wurden von den Landesbischöfen mit Unterstützung von in den Lagern in Haft befindlichen Pfarrern gehalten und fanden für beide Konfessionen statt.131 Im Zuge der Genehmigung der Gottesdienste war auch die Verteilung religiöser Schriften gestattet worden.132 Diese mussten jedoch am nächsten Tag, zumindest in Buchenwald, unter Strafandrohung der Lagerleitung ausgehändigt werden und wurden erst einige Zeit später, jedoch in geringerer Stückzahl, den Insassen retourniert.133 Bei der Genehmigung der Weihnachtsgottesdienste in den Speziallagern 1949 handelte es sich weniger um einen humanitären Akt als vielmehr um eine Propagandamaßnahme der sowjetischen Besatzungsmacht,134 die trotz der angestrebten völligen Isolie-
128 Vgl. Bischof Ludolf Müller, Predigtniederschrift Interniertenlager Torgau, 25. 12. 1947 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. F6, Nr. 120, o. Pag.). 129 Vgl. Pfarrer G. Fuß, Schreiben an Friedrich-Wilhelm Krummacher, o. Ort, 2. 5. 1949 (LKA Dresden, 3/41, Bl. 45). 130 Vgl. Friedrich-Wilhelm Krummacher, Schreiben an Hugo Hahn, Berlin, 14. 12. 1949 (LKA Dresden, 3/41, Bl. 51). 131 Die Gottesdienste fanden am ersten Weihnachtsfeiertag 1949 statt. Mitzenheim wirkte in Buchenwald, Hahn in Bautzen und Dibelius mit Unterstützung durch Grüber in Sachsenhausen. Zum Ablauf der Gottesdienste beider Konfessionen in Buchenwald vgl. Lipinsky, Buchenwald. Ein Nachspiel hatte der Weihnachtsgottesdienst in Sachsenhausen. Grüber, der während der NS-Zeit im KZ-Sachsenhausen inhaftiert gewesen war, hatte zugleich Teile des Lagers besichtigt und mit einigen Insassen gesprochen. Anschließend veröffentlichte er seine Beobachtungen, in welchen er die Speziallager deutlich von den KZ der Nationalsozialisten abgrenzte, und löste damit eine politische und gesellschaftliche Diskussion aus (vgl. Gr ber, Berlin-Sachsenhausen). Für das Speziallager Bautzen ist ein von Bischof Hahn gehaltener Gottesdienst bereits für Weihnachten 1947 belegt. So heißt es auch im Brief von Generalsuperintendent Krummacher vom 19. 11. 1949 an die sowjetische Kontrollkommission mit Bitte um Genehmigung der Weihnachtsgottesdienste in den Speziallagern: „Die zuständigen evangelischen Bischöfe sind gern bereit, persönlich diesen Dienst zu übernehmen, so, wie es Herr Landesbischof D. Hahn bereits mehrfach in dem Gefängnis Bautzen durchgeführt hat.“ (Friedrich-Wilhelm Krummacher, Schreiben an die SKK, Berlin, 19. 11. 1949, LKA Dresden, 3/41, Bl. 53 f.). 132 Vgl. Friedrich-Wilhelm Krummacher, Schreiben an Hugo Hahn, Berlin, 14. 12. 1949 (LKA Dresden, 3/41, Bl. 51). 133 Vgl. Lipinsky, Buchenwald, 89. 134 Entsprechend bezeichnet der ehemalige Bautzener Insasse Franz Burkard in seinen Hafterinnerungen den Weihnachtsgottesdienst als „propagandistische Weihnachtsfeier“ und berichtet: „Nach der Predigt verließ der Bischof, genau wie er gekommen, von der Wache gefolgt, auf vorgeschriebenem Weg schweigsam das Lager. Er hat nichts gesehen, was er nicht sehen sollte. Mit keinem der Gefangenen hat er auch nur einen Händedruck tauschen dürfen. Falls er doch mit einigen Internierten hätte sprechen dürfen, wären das vorher ausgesuchte Leute
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rung der Speziallager von der Umwelt nicht hatte verhindern können, dass Informationen und Gerüchte über die schlechten Haftbedingungen in der Öffentlichkeit kursierten und die sowjetischen Lager direkt mit den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten verglichen wurden.135 Durch die Genehmigung der Gottesdienste, mit denen eine – wenn auch streng kontrollierte – Öffnung verbunden war, hoffte man, diesen Eindruck zu relativieren. 3.2 Internierungen Der Errichtung der ersten Internierungslager auf dem Gebiet der zukünftigen sowjetischen Besatzungszone war eine Phase zahlreicher Verhaftungen von sogenannten Reichs- und Volksdeutschen in den jetzt durch die Rote Armee kontrollierten Gebieten durch den NKWD vorausgegangen. Grund für diese ersten Verhaftungswellen waren zwei im Dezember 1944 erlassene Befehle des GOKO (Staatliches Kommite für Verteidigung der UdSSR),136 die auf die Mobilisierung und Internierung von arbeitsfähigen Deutschen für den Einsatz in der UdSSR zielten und deren hauptsächliche Intention in der Aufrechterhaltung der russischen Kriegswirtschaft lag.137 Die oftmals als lebende Reparationen bezeichneten, im Ergebnis dieser Befehle Verschleppten wurden in die sowjetischen GUPVI-Lager (Lager der Hauptverwaltung für Kriegsgefangene und Internierte), überführt,138 wobei derzeit von mindestens 330.000 sogenannte Mobilisierten ausgegangen wird.139 Basis weiterer Deportationen war der am 11. Januar 1945 durch den sowjetischen Chef der Geheimdienste Lawrenti Pawlowic Berija erlassene, streng geheime NKWD-Befehl Nr. 0016, der Anweisungen zur „Säuberung des
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gewesen. Alles war bis ins kleinste vorbereitet! Eine propagandistische Theatervorstellung der NKWD.“ (Burkard, Freiheit, 9). Dies erklärt die politische Brisanz der Äußerung von Grüber im Anschluss an seinen Besuch in Sachsenhausen (vgl. Anm. 131 oben). Vgl. GOKO Beschluss Nr. 7161ss „Zur Mobilisierung und Internierung von arbeitsfähigen Deutschen für den Einsatz in der UdSSR“ vom 10. 12. 1944 und GOKO Beschluss Nr. 7252ss „Zum Arbeitseinsatz der internierten Deutschen“ vom 29. 12. 1944, abgedruckt in: Mironenko / Niethammer / Plato, Speziallager Dokumente, Dok. 3 u. Dok. 4, 133134. Zur Zwangsarbeit als Wirtschaftsfaktor vgl. Tjurina, Rolle. Im September 1939 gründete Berija die Hauptverwaltung GUPVI im NKWD und erklärte die Organisation von Kriegsgefangenenlagern zu deren Aufgabe. Zu den parallel zum ArchipelGULAG existierenden GUPVI gehörten zwischen 1939 und 1953 ca. 4.000 Lager, in welche hauptsächlich nicht in der Sowjetunion verurteilte Ausländer, Kriegsgefangene, Internierte ohne Gerichtsurteil, aber auch Soldaten der Roten Armee, die sich in deutscher Kriegsgefangenschaft befunden hatten, verbracht wurden (vgl. Karner, Der Archipel, 261; als Gesamtdarstellung zum Lagersystems des Archipels GUPVI ders., Im Archipel). Vgl. Foitzik, Terrorapparat, 10. Ausführlicher, und den Zusammenhang mit der Konstituierung der deutschen Staatssicherheit einbeziehend Foitzik / Petrov, Geheimdienste.
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Hinterlandes der Roten Armee von feindlichen Elementen“ beinhaltete und bis Mitte April des gleichen Jahres die Arbeit des NKWD / MWD und der Spionageabwehrzentrale, kurz SMERS, bestimmte.140 Bei diesen ersten Internierungen auf dem Gebiet des Deutschen Reiches kam es zur Anwendung von Zwangsmaßnahmen gegenüber der deutschen Bevölkerung, die weit über das normale Maß einer militärischen Absicherung und einer etwaigen damit verbundenen Arrestierung von Kriegsverbrechern bzw. wichtigen nationalsozialistischen Entscheidungsträgern hinausgingen.141 Possekel stellt fest, dass die Beseitigung von nationalsozialistischen Herrschaftsstrukturen überhaupt zu keiner Zeit der Hauptgegenstand von Befehl Nr. 0016 gewesen sei, sondern dass dieser vielmehr darauf abgezielt habe, den Staats- und Wirtschaftsapparat in den eroberten Gebieten nachhaltig zu lähmen.142 Auch Niethammer sieht in diesen Verhaftungswellen allenfalls eine „lockere Verknüpfung mit Entnazifizierungsmaßnahmen“. Vielmehr habe „die Sicherung der Truppe gegenüber deutschem Widerstand und vor allem […] die Gewinnung von Zwangsarbeitern“ im Vordergrund gestanden.143 Die Verbringung deutscher Internierter auf sowjetisches Gebiet wurde erst durch den NKWD-Befehl 00315 vom 18. April 1945 beendet, der unter anderem anordnete, dass „Personen, die im Zuge der Säuberungen des Hinterlandes der kämpfenden Truppen der Roten Armee festgenommen wurden, nicht mehr in die UdSSR geschickt werden dürfen“144. Des Weiteren wurde bestimmt: „Damit Festgenommene an Ort und Stelle in Haft gehalten werden können, haben die Fortbevollmächtigten des NKWD der UdSSR die notwendigen Gefängnisse und Lager zu errichten.“145 Warum die Sowjets den Transport der Internierten in die UdSSR beendeten, ist umstritten. Possekel vermutet als Gründe für die abrupte Aussetzung der Mobilisierung die Präferenzen der sowjetischen Reparationspolitik: Dem Abtransport von Rohstoffen und Industrieanlagen aus deutschem Gebiet sei der Vorzug gegenüber der Deportation von Arbeitskräften gegeben worden, 140 Vgl. Kilian, Häftlinge, 383 f. 141 Vgl. Mironenko / Niethammer / Plato, Speziallager Studien, 42. Dies belegt folgender Auszug aus dem NKWD-Befehl Nr. 0016 vom 11. 1. 1945: „Festzunehmen sind auch das leitende und operative Personal der Polizeiorgane, das leitende Personal von Gefängnissen und Konzentrationslagern, die Militärkommandanten, Staatsanwälte, Untersuchungsführer, Mitglieder von Militärgerichten und Tribunalen, Vorsitzende der Parlamente und Verwaltungen in den Gebieten, Kreisen und Landkreisen, die Bürgermeister, Mitglieder faschistischer Organisationen, Leiter großer Wirtschafts- und Verwaltungsorganisationen, Redakteure von Zeitungen und Zeitschriften, Verfasser antisowjetischer Publikationen, zum Kommandostab und zur Mannschaft gehörende Angehörige von Armeen, die gegen die UdSSR kämpfen, und Angehörige der sogenannten ’Russischen Befreiungsarmee’ sowie sonstige verdächtige Elemente.“ (zitiert nach: Kilian, Häftlinge, 383). 142 Vgl. Possekel, Einleitung, 43. 143 Niethammer, Internierungslager, 106. 144 Berija, Befehl des Volkskommissars. In: https://www.dokst.de/main/content/download/down load [11. 9. 2020]. 145 Ebd.
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auch weil Letztere bei den Demontagearbeiten vor Ort eingesetzt werden konnten und die Transportkapazitäten begrenzt waren. Weiterhin galt es, der Gefahr der Überlastung und damit der Selbstblockade der Verwaltungen, Geheimdienste und Sicherheitsapparate entgegenzutreten, denn im Zuge des sich abzeichnenden Kriegsendes war bei diesen mit überproportionalen Frequentierungen zu rechnen.146 Niethammer merkt an, dass den Sowjets Ende März 1945 Handbücher der Amerikaner vorlagen, die detaillierte Pläne zur Entnazifizierung und zur Arrestpolitik enthielten, dass darin jedoch von einer noch in Jalta diskutierten „Arbeitskräfte-Reparation in Gestalt deportierter Nazis nicht mehr die Rede war“147. Befehl 00315 präzisierte weiterhin die Bedingungen, unter denen Verhaftungen auf dem zukünftigen Gebiet der SBZ vorgenommen werden konnten,148 und reagierte damit, so Greiner, auf den Umstand, dass die Rote Armee nun nicht mehr auf einem Gebiet operierte, welches sie als ureigenen Zuständigkeitsbereich empfand.149 Damit sei eine 146 Mironenko / Niethammer / Plato, Speziallager Dokumente, 51. 147 Niethammer, Internierungslager, 105. 148 „In teilweiser Abänderung des Befehls des NKWD der UdSSR Nr. 0016 vom 11. Januar 1945 befehle ich: 1. Von den Frontbevollmächtigten des NKWD der UdSSR sind beim Vorrücken der Truppen der Roten Armee auf das vom Feind zu befreiende Territorium bei der Durchführung tschekistischer Maßnahmen zur Säuberung des Hinterlandes der kämpfenden Truppen der Roten Armee von feindlichen Elementen zu inhaftieren: a) Spionage,– Diversions- und terroristische Agenturen der deutschen Geheimdienste; b) Angehörige aller Organisationen und Gruppen, die von der deutschen Führung und den Geheimdiensten des Gegners zu Diversionshandlungen im Hinterland der Roten Armee abgestellt wurden; c) Betreiber illegaler Sendestationen, Waffenlager und Druckereien, wobei die für feindliche Handlungen bestimmte materiell-technische Basis zu beschlagnahmen ist; d) aktive Mitglieder der nationalsozialistischen Partei; e) Führer der faschistischen Jugendorganisationen auf Gebiets-, Stadt- und Kreisebene; f) Angehörige der Gestapo, des SD und anderer deutscher Terrororgane; g) Leiter administrativer Organe auf Gebiets-, Stadt- und Kreisebene sowie Zeitungsund Zeitschriftenredakteure und Autoren antisowjetischer Veröffentlichungen.“ (Mironenko / Niethammer / Plato, Speziallager Dokumente, 178–180, Zitat 178). 149 Vgl. Greiner, Terror, 55. Zur Studie Greiners, die besonders wegen der differenzierten Einschätzungen von Zeitzeugenliteratur und Oral History-Dokumenten durch die Autorin überzeugt (377–458), sei angemerkt, dass sich hier im Fazit eine spezifische Position innerhalb der wissenschaftlichen Diskussion um die Vergleichbarkeit von sowjetischen Speziallagern und KZs der Nationalsozialisten manifestiert: „Bei aller gebotenen Abgrenzung zum Nationalsozialismus gibt es keinen Grund, die Speziallager nicht bei dem Namen zu nennen, der ihnen zusteht: Konzentrationslager“ (472). Dies bleibt besonders aufgrund der von Greiner unmittelbar zuvor gebotenen Differenzierungen im Blick auf die Lagertypen unverständlich. So habe laut Greiner in den sowjetischen Lagern nicht die Absicht der Vernichtung von Menschen bestanden, es habe keine Arbeitseinsätze gegeben und es sei keine systematische Misshandlung und Erniedrigung durch das Lagerpersonal nachweisbar (470–472). Lutz Niethammers Einschätzung steht derjenigen Greiners diametral entgegen: „Vor allem aber überprüfte die Sowjetunion ihre Sicherheitsverwahrten über vier Jahre hinweg nicht, verfing sich in einer politischen Blockade über die Frage, was eigentlich der Sinn und Zusammenhang der Internierung sei und versorgte die Gefangenen so schlecht wie jene in Kriegsgefangenschaft, so daß über ein Drittel ums Leben kam. Diese bürokratische Vernachlässigung mit ihren für die Betroffenen ebenso unverständlichen wie schrecklichen Folgen rechtfertigt eine größere und teilnahmsvollere Aufmerksamkeit auf das Geschick der Spezlagerhäftlinge. Sie
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Mäßigung verbunden gewesen, die trotz des immer noch vorhandenen Raums für Interpretationen und der darauf basierenden Willkür keineswegs gering zu schätzen sei.150 Auch wenn die Beweggründe für den Erlass von Befehl 00315 nicht eindeutig zu fassen sind, bleibt die Beendigung der Deportation ab Mitte April 1945 eine historische Tatsache. Stattdessen begannen die Sowjets auf dem Gebiet der SBZ mit der Errichtung von Speziallagern,151 die in der Literatur hinsichtlich Standorten und Nummerierung teils unterschiedlich bezeichnet werden.152 Zur Verwaltung der Speziallager wurde die Abteilung Speziallager des NKWD der UdSSR in Deutschland gebildet, die direkt dem MdI unterstand.153 Die hier Internierten wurden in der russischen Amtssprache als „Spezkontingent“ (die Lager als „Spezlager“) bezeichnet, für die besondere Regeln galten: „Personen, die im Zuge des Befehls Nr. 00315 des NKVD der UdSSR vom 18. April 1945 in Spezlager eingewiesen wurden, werden nach Sonderregeln von der Gesellschaft isoliert; sie werden nicht angeklagt, und über sie werden keine Gerichtsakten wie in der Strafprozeßordnung vorgesehen, angelegt.“154
Wurde eine Person in ein Speziallager eingewiesen, war dafür ein Beschluss der ermittelnden Operativgruppe von Nöten, der auf der Zuordnung zu einer der in Befehl 00315 angegebenen Personengruppen155 basierte und in einem Standardtext wie dem folgenden formuliert wurde:
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rechtfertigt aber nicht eine Gleichsetzung der Spezlager oder gar der westlichen Internierungslager mit den KZ des Dritten Reiches, denn diese dienten in ihrer Masse der systematischen Entwürdigung, Vernutzung und vielfach der Vernichtung willkürlich bestimmter politischer, ethnischer und sozialer Gruppen.“ (Niethammer, Internierungslager, 122). Greiner, Terror, 55 f. Im Frontbereich der Roten Armee wurden bereits Ende April / Anfang Mai 1945 die ersten Lager eingerichtet. Dazu gehörten Weesow, Ketschendorf, Fünfeichen und Berlin-Hohenschönhausen (vgl. Morr , Speziallager, 512). Weesow trug ursprünglich die Nummer 7 in der gängigen Zählung der Speziallager, bestand aber lediglich von Mitte Mai 1945 bis Mitte August 1945. Das Speziallager wurde aufgrund der erschöpften Kapazitäten (es bestand lediglich aus fünf umzäunten Bauerngehöften und beherbergte im Juni 1945 über 7.500 Menschen, wobei eine Erweiterung des Lagergeländes nicht möglich war) und des nicht vorhandenen Bahnanschlusses nach Oranienburg verlegt. Hier wurde es in einem Teilbereich des ehemaligen KZ Sachsenhausen weitergeführt (vgl. Priess, Speziallager Nr. 7, 375–379). Nr. 1 Mühlberg (Elbe), Nr. 2 Buchenwald, Nr. 3 Berlin-Hohenschönhausen, Nr. 3 und 4 Bautzen, Nr. 4 Landsberg (Warthe), Nr. 5 Ketschendorf bei Fürstenwalde, Nr. 6 Jamlitz, Nr. 7 Sachsenhausen, Nr. 8 und 10 Torgau, Nr. 9 Fünfeichen. Zur Problematik der Verortung und Zählung der Speziallager sowie weiterführenden Informationen zu den Speziallagern vgl. Finn, Speziallager, 360–371; Reif-Spirek / Ritscher, Speziallager, Anhang mit Lagerplänen auf den S. 275–316. Ein historischer Abriss zu jedem einzelnen Speziallager findet sich in dem Kapitel „Die einzelnen Speziallager“ bei Mironenko / Niethammer / Plato, Speziallager Studien, 279–456. Plato, Geschichte, 29. Ebd. Vgl. im Kap. Anm. 148.
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Gestaltende Protagonisten und Faktoren „Der Verhaftete wurde hinsichtlich seiner verbrecherischen Tätigkeit ausreichend entlarvt und wird auf Befehl des NKWD der UdSSR Nr. 00315 vom 18. April 1945 in das Lager […] des NKWD der UdSSR eingewiesen.“156
Im Unterschied zu den im folgenden Abschnitt behandelten SMT-Verurteilten, die ebenfalls in die Speziallager eingewiesen wurden, waren die Internierten im Durchschnitt in fortgeschrittenem Alter und tendenziell nationalsozialistisch belastet,157 wurden – wie bereits erwähnt – also aufgrund von Vorwürfen verhaftet, die ihren Ursprung vor 1945 hatten.158 Auf dem Gebiet der SBZ endeten die Internierungen erst kurz nach der Gründung der DDR.159 3.3 Sowjetische Militärtribunale Die SMT haben ihren Ursprung in der russischen Revolution von 1917 und verhandeln bis heute hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, Straftaten, die durch Angehörige des Militärs begangen wurden. Die rechtliche Grundlage für die Tätigkeit der SMT auf dem Gebiet der SBZ / DDR bildete eine Reihe „sich überschneidende[r] und unübersichtliche[r], völkerrechtliche[r] Kompetenzzuweisungen“160 wie das Londoner Abkommen vom 8. August 1945 sowie die Kontrollratsgesetze Nr. 4 vom 30. Oktober 1945, Nr. 10 vom 20. Dezember 1945 und Nr. 43 vom 30. Dezember 1946. Grundsätzlich ging man davon aus, dass Deutschland durch die bedingungslose Kapitulation seine Souveränität und damit die Gerichtshoheit verloren habe, womit eine mögliche Tätigkeit ausländischer Gerichte auf deutschem Boden gegeben war.161 Das zur Schaffung einer einheitlichen Rechtsgrundlage für die Strafverfolgung von Kriegsverbrechern durch den Alliierten Kontrollrat erlassene Gesetz Nr. 10 vom 20. Dezember 1945 definierte in Artikel II.1 vier Kategorien von Verbrechen sowie die jeweils möglichen Strafmaßnahmen.162 Unter Verweis hierauf beschloss der Alliierte Kontrollrat am 12. Oktober 1946, also unmittelbar nach dem Abschluss der Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg, die Direktive Nr. 38 und führte aus: „Der Zweck dieser Direktive ist es, für ganz Deutschland gemeinsame Richtlinien zu schaffen betreffend: a) die Bestrafung von Kriegsverbrechern, Nationalsozialisten, Militaristen und Kilian, Häftlinge, 374. Vgl. Plato, Speziallager, 140. Vgl. Greiner, Terror, 131. Vgl. Fricke, Politik, 55. Schroeder, Rechtsgrundlagen, 38. Schroeder erläutert detailliert die Arten der SMT, die Rechtsgrundlagen für deren Tätigkeit sowie die gegenüber den deutschen Zivilisten angewandten Strafvorschriften. 161 Ebd., 38 f. 162 Vgl. Amtsblatt des Alliierten Kontrollrates, Bl. 50, Kontrollratsgesetz Nr. 10.
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Industriellen, welche das nationalsozialistische Regime gefördert und gestützt haben; b) die vollständige und endgültige Vernichtung des Nationalsozialismus und des Militarismus durch Gefangensetzung oder Tätigkeitsbeschränkung von bedeutenden Teilnehmern oder Anhängern dieser Lehren; c) die Internierung von Deutschen, welche, ohne bestimmter Verbrechen schuldig zu sein, als für die Ziele der Alliierten gefährlich zu betrachten sind, sowie die Kontrolle und Überwachung von Deutschen, die möglicherweise gefährlich werden können.“163
Zusätzlich zu diesen Richtlinien griff die sowjetische Besatzungsmacht bei der Strafverfolgung auf eigene Verordnungen wie die Befehle des NKWD, des MWD und der SMAD sowie auf Erlasse der Ortskommandanten zurück.164 Direkt nach dem Kriegsende verfügten alle sowjetischen Militäreinheiten ab Divisionsstärke über ein Tribunal. Erst ab 1947 waren die SMT bei den Sowjetischen Militäradministrationen verortet, also in der SMAD-Zentrale in Berlin-Lichtenberg und in den SMA (Sowjetische Militäradministration) der Länder in Schwerin, Potsdam, Weimar, Dresden und Halle / Saale,165 wobei Gerichtsverhandlungen der Ländertribunale durchaus in anderen Städten der jeweiligen Länder stattfinden konnten. Die personelle Besetzung der Tribunale konnte variieren. Im Allgemeinen bestanden diese jedoch aus einem Militärrichter, der dem Gericht vorstand, und zwei Militärschöffen; weiterhin waren ein Sekretär und ein Dolmetscher anwesend.166 Die Verurteilung deutscher Zivilisten auf dem Gebiet der SBZ durch SMT setzte kurz nach Kriegsende ein und dauerte bis zum Herbst 1955 an. Aktuelle Schätzungen gehen von mindestens 35.000 Verfahren aus, von denen 25.292, also immerhin 72,3 %, dokumentiert sind.167 Die Arbeit der Tribunale endete erst durch den „Vertrag über die Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken“ vom 20. September 1955, in dem die UdSSR der DDR „die völlige Gleichberechtigung, gegenseitige Achtung der Souveränität“ sowie die „Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten“ zugestand und im Zuge dessen auf das Recht der Strafverfolgung auf ostdeutschem Gebiet verzichtete.168 Die genaue Intention der SMT ist in der Geschichtswissenschaft nach wie vor umstritten. So warnen Hilger und Schmeitzer davor, „der sowjetischen Rechtsprechung ausschließlich eine sozialistische Zielrichtung zuzuschreiben“, da dann die Gefahr bestünde, legitime Bestrebungen der UdSSR wie die 163 164 165 166 167
Amtsblatt des Alliierten Kontrollrates, Bl. 184, Kontrollratsdirektive Nr. 38. Vgl. Erler, Tätigkeit, 207. Vgl. Schroeder, Rechtsgrundlagen, 53. Vgl. M ller, Terror; Fricke, Politik, 102. Vgl. Hilger / Schmeitzner, Einleitung, 18. Hier auch die tabellarische Aufbereitung der dokumentierten Verurteilungen nach dem Zeitpunkt der Verhaftung, dem Geschlecht sowie den Urteilsschwerpunkten (20–23). 168 Vgl. Hilger / Petrov, Schmutzarbeit, 59.
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Verfolgung nationalsozialistischer Kriegsverbrecher oder den Schutz der eigenen Armee zu ignorieren.169 Unumstritten hinsichtlich der Arbeitsweise der SMT ist, dass diese von „Sicherheit und Sühne“ als maßgeblichen Parametern und Basis völlig überzogener Maßnahmen zur Bekämpfung des Nationalsozialismus und zur Herstellung von Sicherheit und Ordnung geprägt waren.170 Hierzu gehörten großenteils undifferenzierte Verhaftungen von Zivilisten, inklusive der damit einhergehenden oftmals brutalen Vorgehensweise und Verhören in den GPU-Kellern, bei denen durch die fehlende Professionalität der sowjetischen Verantwortlichen Missbrauch und Willkür Tür und Tor geöffnet waren. Hinzu kam die „für rechtsstaatliche Verhältnisse unerträgliche Unbestimmtheit und damit Unberechenbarkeit“ fast aller Strafvorschriften des sowjetischen Strafrechts.171 Die SMT wendeten das Strafgesetzbuch der Russischen Sowjetischen Föderativen Sozialistischen Republik, meist die Art. 58–1 bis 58–14, an, in denen diverse Tatbestände unter dem Oberbegriff „Konterrevolutionäre Verbrechen“ formuliert waren, Zudem wurden die Art. 59–3 und 59–8 bis 59–12 herangezogen, um „besonders gefährliche Verbrechen gegen die Verwaltungsordnung“ zu ahnden.172 Von Straftatbeständen dieser Art nahmen die Sowjets an, dass sie in der deutschen Bevölkerung so allgegenwärtig seien, dass sich Termini wie Phobie173 und Paranoia174 geradezu aufdrängen. Die Strafen waren drastisch. Nicht selten wurde die Todesstrafe bzw. eine 25-jährige Freiheitsstrafe verhängt,175 wobei der Verdacht, sich eines konterrevolutionären Verbrechens schuldig gemacht zu haben, beinahe jeden treffen konnte. So wurden Jugendliche oftmals mit dem Vorwurf der Werwolf-Tätigkeit176 konfrontiert, Frauen aufgrund von Beziehungen zu Rotarmisten wegen Landesverrats verurteilt und leiseste Kritik als antisowjetische Propaganda gewertet.177 Wenn der Verdacht einer Verurteilungsquote auch nicht durch entsprechende Befehle nachzuweisen ist, kann aufgrund der unreflektierten Anwendung der vorhandenen Bestimmungen und der darauf basierenden hohen Anzahl an Verurteilungen geschlussfolgert 169 170 171 172 173 174 175 176
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Vgl. Hilger / Schmeitzner, Einleitung, 12. Vgl. Hilger / Petrov, Schmutzarbeit, 67 f., Zitat 67. Schroeder, Rechtsgrundlagen, 48. Ausführlich zu den bei der Verurteilung deutscher Zivilisten angewandten sowjetischen Strafvorschriftgen ebd., 4853. Hilger / Schmeitzner, Einleitung, 27. Schroeder, Rechtsgrundlagen, 52. Die Todesstrafe wurde in der UdSSR durch Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets am 26. 5. 1947 ausgesetzt und durch eine 25jährige Haftzeit ersetzt. Bereits am 12. 1. 1950 wurde sie jedoch rückwirkend wieder eingeführt (vgl. ebd., 51). Beim Werwolf handelte es sich um eine von Heinrich Himmler im September 1944 gegründete Gruppierung, deren Ziel es war, den Alliierten durch Anschläge und Terror Schaden zuzufügen und die deutsche Bevölkerung von der Fraternisierung abzuhalten. Die Wirkung des Werwolfs wird heute bestenfalls als marginal erachtet, wobei dessen Organisation in den ehemaligen Ostgebieten des Reiches ein höheres Niveau als im Westen erreichte (vgl. Koop, Aufgebot, 7 f.). Hilger / Schmeitzner, Einleitung, 27.
Haftbedingungen
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werden, dass Letztere für die SMT als Nachweis ihrer eigenen Effizienz fungierten.178
4. Haftbedingungen Menschen, die im Deutschland der Nachkriegszeit eine Haftstrafe verbüßten, taten das in der Regel unter menschenunwürdigen Bedingungen, wobei diese nicht ausschließlich von der jeweiligen Besatzungsmacht bzw. der freiheitsentziehenden Institution bestimmt wurden, sondern zugleich durch Faktoren, denen auch die Bevölkerung außerhalb der Gefängnisse und Lager unterworfen war. Hierzu zählten vor allem die schlechte medizinische Versorgung sowie ein eklatanter Mangel an Lebens- und Heizmitteln, der allgemein durch Ausnutzung schwarzer Märkte gelindert werden konnte – eine Alternative, die den Insassen der Lager und Gefängnisse allerdings nicht zur Verfügung stand. Darüber, wie die Häftlinge selbst die Bedingungen in den Strafanstalten der Justiz und der Polizei empfanden, liegen nur wenige Informationen vor. So findet sich bei Müller der Abdruck eines anonymisierten Leserbriefes aus einer Ausgabe der Sächsischen Zeitung von 1947, in dem die katastrophalen Zustände im Amtsgerichtsgefängnis Sebnitz beschrieben werden. Der Verfasser berichtet von der dreifachen Überbelegung der Zellen, mangelnden Waschgelegenheiten, seit Jahren ungewaschenen Decken, Ungezieferbefall, fehlenden Fensterscheiben und einer absolut unzureichenden Verpflegung.179 Über die Unterbringung im Polizeigefängnis in Bitterfeld liegen Berichte zweier Gefangener aus dem Jahr 1949 vor. Hier werden im Wesentlichen dieselben Zustände beklagt, zusätzlich jedoch die in der SBZ herrschende Rechtsunsicherheit und eine undurchsichtige Verhaftungspraxis, aus der große Verunsicherung, Verängstigung und Hass auf die Verantwortlichen in der Bevölkerung resultierten.180 Für Kurt N., der unter Bezugnahme auf Befehl 201 unter dem Vorwurf er sei Kapitalist verhaftet wurde, als wahren Grund jedoch „kalte Enteignung“ vermutete, stellte sich die Situation wie folgt dar: „Die Unterbringung ist skandalös und menschenunwürdig. Sie übertrifft die mir aus einer reichlichen KZ-Literatur bekanntgewordenen Zustände des ,Dritten Reiches‘.“181 Auch die erhaltenen Aufzeichnungen aus den Strafanstalten und der Registratur der Abteilung Strafvollzug der DJV in Berlin liefern ein bis auf wenige positive Ausnahmen völlig desolates Bild des Strafvollzugs.182 Die Quellen 178 Vgl. M ller, Terror, 88. 179 Vgl. M ller, Strafvollzugspolitik, 66. 180 Vgl. Kurt N., Bericht, 1947 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. B 1, 89, o. Pag.); G. Hein, Bericht, 1947 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. B 1, 89, o. Pag.). 181 Kurt N., Bericht, 1947 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. B 1, 89, o. Pag.). 182 Zu den Haftbedingungen im sächsischen Strafvollzug während des Bestehens der SBZ vgl. M ller, Strafvollzugspolitik, 4556.
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bestätigen die auch von den Zeitzeugen beklagte unzureichende Versorgung mit Lebensmitteln und berichten ebenfalls von aufgrund dessen völlig entkräfteten Insassen sowie von überbelegten und im Winter eiskalten Zellen, Mangel an Kleidung, Bettgestellen und Bettwäsche. Aufgrund der extrem schlechten Bedingungen und dem daraus resultierenden Mangel an Hygiene litt die Gesundheit der Insassen beträchtlich.183 Viele Gefangene waren von Ungeziefer und Hautkrankheiten wie Krätze befallen und die Lungentuberkulose konnte sich ungehindert ausbreiten.184 Zudem fehlte es an geeignetem Personal. Frauen, Männer und Jugendliche waren in direkter Nachbarschaft untergebracht. Eine Beschäftigung der Insassen war aufgrund mangelnder Ausrüstung wie geeigneter Arbeitskleidung oder Werkzeugen kaum möglich, es fehlte zudem an Transportmöglichkeiten und Rohstoffen und somit an den Grundlagen, um Arbeitsleistungen Inhaftierter überhaupt erst möglich zu machen.185 Die Situation der Gefangenen in den Haftanstalten der Justiz und der Polizei besserte sich bis zur Gründung der DDR nur langsam. Immerhin bestand mit der von Gentz geleiteten Abteilung Strafvollzug der DJV eine Kontrollinstanz, die den Anspruch hatte, den Strafvollzug gemäß den humanistischen Idealen zu reformieren, es als ureigene Aufgabe betrachtete, Versäumnisse und Missstände in den Haftanstalten zu protokollieren und, wann immer möglich, eine Besserung herbeizuführen. Aufgrund eklatant hoher Todesraten in der StVA (Strafvollzugsanstalt) Hoheneck in Stollberg im Erzgebirge, dem späteren Frauengefängnis der DDR, in dem zu diesem Zeitpunkt überwiegend gewöhnliche Kriminelle sowie zunehmend politische Gefangene männlichen Geschlechts inhaftiert waren, sandte Gentz Ende März 1947 Poelchau und den stellvertretenden Leiter der Abteilung Heilfürsorge Lindenberg nach Sachsen, um den aufkeimenden Verdacht einer grassierenden Seuche zu überprüfen. 183 Für das Gefängnis Magdeburg-Neustadt liegt der Bericht einer durch Dr. med. Bonk durchgeführten Inspektion vor. Bonk berichtete, dass das Stroh der Betten nicht erneuert werden könne, es keine Medikamente, Leibwäsche zum Wechseln oder Reinigungsmöglichkeiten für die Gefangenen gäbe, auch sei das Desinfizieren der Wäsche aufgrund fehlender Geräte nicht möglich. Zudem gäbe es keine Genehmigung, ernsthaft erkrankte Insassen in Hospitäler zu überführen. Diese Zustände trügen den Keim einer aufziehenden Katastrophe in sich, man könne nicht absehen, welches Unglück über die Anstalt im Falle eines Seuchenausbruches hereinbrechen würde (vgl. Bastian, Repression, 101). 184 Bereits im Herbst 1946 hätten in der Strafvollzugsanstalt Cottbus 70 % der Insassen einer intensiven medizinischen Betreuung aufgrund von Auszehrung bedurft. Verschärft wurde die Situation in den Strafanstalten durch den überdurchschnittlich strengen Winter 1946/47. Anfang Februar lag die Durchschnittstemperatur in den Aufenthaltsräumen der Anstalt Cottbus bei 13–14 8C. Nach dem Aufbrauchen der Kohlevorräte sank die Temperatur in den Räumen tagsüber auf 6–8 8C und ging in den Nächten auf 2 8C zurück. Daraufhin musste ein Teil der Gefangenen in Kälteurlaub geschickt werden. Die Bekämpfung von Läusen und Wanzen war aufgrund der nicht vorhandenen Badegelegenheiten sowie der außer Betrieb befindlichen, da nicht beheizbaren, Entlausungsanlagen unmöglich (vgl. Alisch, Strafvollzug, 22 f.). 185 Ebd.
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Zwar bestätigte sich dieser nicht, doch stuften Lindenberg und Poelchau den gesundheitlichen Zustand der Mehrheit der Häftlinge (70 bis 90 %) als dermaßen alarmierend ein, dass deren unmittelbar bevorstehender Tod nur durch eine Entlassung zu verhindern sei.186 Auch wenn der Handlungsspielraum der Abteilung Strafvollzug vor dem Hintergrund der allgemein sehr schlechten Versorgungslage an Nahrungs- und Brennstoffen begrenzt war, war die Situation der Inhaftierten der Behörde durchgängig bekannt und keineswegs gleichgültig. Mit besonderer Besorgnis schaute man auf das in den Haftanstalten zum Einsatz kommende, oftmals schlecht ausgebildete und charakterlich nur wenig geeignete Personal und sparte diesbezüglich nicht mit Kritik.187 Die Abteilung Strafvollzug und ihr Leiter Gentz gerieten im Laufe der Zeit immer mehr in einen Konflikt zwischen den eigenen, humanistisch geprägten Ansprüchen und den Realitäten in den Haftanstalten, die sich ab 1947/ 48 zunehmend nach sowjetischem Vorbild zu formen begannen und im Strafvollzug den Aspekt der Sicherheit und Strafe vor den der Erziehung treten ließen.188 Gentz fasste das Dilemma im Oktober 1948 gegenüber dem Leiter des Cottbuser Zentralgefängnisses, Max Reeck, so zusammen: „Sie [die Gefängnisleitung–SiSt] wollen den Menschen ducken, und ich will ihn aufrichten.“189 Hinsichtlich des Umgangs des Gefängnis- bzw. Lagerpersonal mit den Gefangenen ist davon auszugehen, dass in den Strafanstalten der Justiz und der Polizei – von Ausnahmen abgesehen190 – Drangsalierungen oder gar Folter von Häftlingen keine flächendeckenden Phänomene in der SBZ gewesen sind. Völlig anders war diesbezüglich die Situation in den Gefängnissen der in der Regel aus fünf bis sechs Personen bestehenden operativen Gruppen des NKWD, von denen im Jahr 1946 auf dem Gebiet der SBZ ca. 170 existierten.191 Im Zuge der durch Befehl 00315 angeordneten Säuberung des Hinterlandes192 führten die sowjetischen Geheimdienste, oftmals auf Hinweis deutscher Zuträger, Verhaftungen von Zivilisten durch und verbrachten diese in beschlagnahmte Gefängnisgebäude oder aber, in Ermangelung derselben, in die 186 In der Strafanstalt Hoheneck verloren die Gefangenen in kürzester Zeit bis zu 20 kg Körpergewicht, woraus eine exorbitante Todesrate resultierte (vgl. M ller, Strafvollzugspolitik, 57 u. 59). 187 Einen Einblick in die diesbezügliche Arbeit der Abteilung Strafvollzug gibt die bei Alisch abgedruckte, über mehrere Jahre fortgesetzte charakterliche Einschätzung des Leiters des Cottbuser Zentralgefängnisses Reeck von Gentz (vgl. Alisch, Strafvollzug, 49 f.). 188 Vgl. Wentker, Justiz, 216. 189 Alisch, Strafvollzug, 51. 190 So wird in dem Leserbrief des ehemaligen Insassen des der Justiz unterstehenden Amtsgerichtsgefängnisses von Sebnitz aus dem Jahr 1947 an die Sächsische Zeitung von Ohrfeigen und Gebrüll wie auf einem Kasernenhof berichtet (vgl. M ller, Strafvollzugspolitik, 66). 191 Vgl. Morr , Speziallager, 611. Für Thüringen liegt ein Beitrag von Gabriele Hammermann vor, der sich ausführlich mit der Verhaftungspraxis der operativen Gruppen gegenüber deutschen Zivilisten und den hierfür genutzten Arrestorten beschäftigt (vgl. Hammermann, Verhaftungen). 192 Vgl. im Kap. Anm. 144.
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Kellerräume geeigneter, teils auch privater, Gebäude. Diese Kellergefängnisse wurden, in Anlehnung an den 1942 veröffentlichten antisowjetischen Propagandafilm „GPU“ von Karl Ritter,193 im Volksmund als GPU-Keller bezeichnet. Die sowjetischen Kellergefängnisse sind Gegenstand einiger Zeitzeugenberichte von ehemaligen Internierten und SMT-Verurteilten, die die dort herrschenden Bedingungen ausführlich schildern.194 Einen besonderen Stellenwert nehmen in den Beschreibungen der Zeitzeugen die Misshandlungen ein, denen sie während der stundenlangen und meist zur Nachtzeit stattfindenden Verhöre unterworfen waren. So berichtet Günter W., der aufgrund des Verdachtes auf Spionage verhaftet wurde, dass er am Ende seiner Haftzeit keine Zähne mehr im Mund gehabt habe, da man ihn während des Verhörs immer wieder mit dem Mund auf die Tischplatte gestoßen habe, weiterhin sei er durch einen Schlag mit einer Kalaschnikow bewusstlos geschlagen worden, wovon zwei tiefe, bis heute gut sichtbare Kerben am Hinterkopf zeugen.195 Harald K., dem als 17-Jährigem das Wissen um eine vergrabene Pistole zum Verhängnis geworden war, wurde während des Verhörs mit einem Luftgewehr beschossen und erhielt Tritte in den Unterleib.196 Auch Herbert G., 1946 ebenfalls aufgrund des Besitzes einer Pistole verhaftet, mit der er angeblich, so der das Verhör führende Offizier, hätte Stalin erschießen wollen, erinnert sich an Tritte in die Genitalien und Schläge ins Gesicht.197 Weit verbreitet war die Methode, völlig durchnässte Gefangene über Nacht der Zugluft in den sowieso eiskalten Einzelzellen auszusetzen.198
Die in den GPU-Kellern gemachten Gewalterfahrungen sind in den Erinnerungen der Zeitzeugen so dominant, dass Faktoren wie schlechtes Essen, mangelnde Hygiene und eine quasi nicht vorhandene medizinische Versorgung in den Hintergrund rücken.199 Die Androhung bzw. Anwendung von Folter in den mental zersetzenden Verhören veranlassten nicht wenige Ge193 Der unter der Regie von Karl Ritter entstandene Film „GPU“ erschien im Jahr 1942. Aufgrund seines propagandistischen Inhaltes gilt er heute als Vorbehaltsfilm, ist somit nicht für den Vertrieb freigegeben und darf nur zu den Bedingungen der in Wiesbaden ansässigen FriedrichWilhelm Murnau-Stiftung, die das Filmerbe Deutschlands verwaltet, eingesehen werden. 194 Die im Folgenden zusammengetragenen Zeitzeugenerfahrungen stammen aus den Interviews des durch die Bundesstiftung für Wiederaufarbeitung finanzierten Projekts „Gefängnispfarrer H.-J. Mund“. Vgl. hierzu in der Einleitung Anm. 51. Ein Großteil der Interviewten wurde nach dem Kriegsende durch operative Gruppen verhaftet, in GPU-Kellern wochen- bzw. monatelangen Verhören unterzogen und anschließend durch SMT-Gerichte, zumeist unter Bezug auf Artikel 58 des russischen Strafgesetzbuches, zu den obligatorischen 25 Jahren Haft verurteilt. 195 Interview mit Günther W., 16. 10. 2014. 196 Interview mit Harald K., 17. 11. 2014. 197 Interview mit Herbert G., 16. 10. 2014. 198 Vgl. Keferstein, Jahre,166 f. 199 Natalja Jeske berichtet über den in der Regel katastrophalen gesundheitlichen Zustand, der aus den GPU-Kellern in die Speziallager Entlassenen, da durch die russischen Verwaltung nicht eindeutig geregelt war, aus welchem Kontingent diese zu versorgen seien (vgl. Jeske, Versorgung, 194).
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fangene dazu, auch völlig unbeteiligte Personen aus ihrem Umfeld als Mittäter zu benennen, die dann ebenfalls verhaftet und in die GPU-Keller verbracht wurden. Die daraus resultierenden Gefühle von Schuld auf der einen Seite und der Enttäuschung über den Verrat des Freundes, des Partners oder Verwandten auf der anderen, wirken oftmals bis in die Gegenwart belastend. Am Ende der Haft im GPU-Keller stand entweder die Verurteilung durch ein SMT-Gericht oder, falls sich die Beweise für ein Gerichtsverfahren als nicht ausreichend erwiesen hatten, die Verbringung in ein Speziallager, als Internierter.200 Da auch die SMT-Verurteilten in die Speziallager verbracht wurden, mag der Unterschied, ob sich eine Person mit oder ohne Urteil im Lager befand, marginal erscheinen – in der Praxis jedoch war für die Betroffenen die Unkenntnis über die Gründe, die sie in diese unglückliche Lage gebracht hatten, ein erheblicher Frustationsfaktor. Die in den Haftanstalten der Justiz und der Polizei vorherrschenden Phänomene von Hunger, Kälte und gesundheitlicher, aber auch seelischer Verwahrlosung betrafen die sowjetischen Speziallager in noch einmal potenziertem Ausmaß, was sich in einer Todesrate unter den Insassen von 35,4 % niederschlug.201 Diese extrem hohe Mortalität bildet zugleich das wichtigste Unterscheidungskriterium zu den Internierungslagern im Westen Deutschland, in denen die Sterberaten den in der Bevölkerung allgemein herrschenden vergleichbar, teils – aufgrund der hier gesicherten Ernährung – sogar niedriger waren.202 Im Unterschied zu den Kellergefängnissen der sowjetischen Geheimdienste übte das Wachpersonal in den Speziallagern keine Gewalt gegenüber den Lagerinsassen aus, vielmehr wird das Verhalten der Wächter gegenüber den Bewachten durch ehemalige Internierte als distanziert, aber weitestgehend korrekt charakterisiert.203 Die sowjetischen Speziallager unterlagen strengster Isolation. Kontakte zur im Umkreis ansässigen Bevölkerung waren schon aufgrund des im Abstand von 50 m um das eigentliche Lager errichteten Zauns nicht möglich.204 Ebenso wie in den Haftanstalten der Justiz und der Polizei auf dem Gebiet der SBZ gerieten die sowjetischen Speziallager im Hungerwinter 1946/47 in eine Versorgungskrise katastrophalen Ausmaßes. Die allgemein schlechten Bedingungen wurden durch eine Anordnung der SMAD verschärft, die ab dem 1. November 1946 eine drastische Reduzierung der Verpflegungsnorm verfügte und damit ein Massensterben unter den Lagerinsassen verursachte.205 Erst Mitte 1947 endete die lebensbedrohliche Unterversorgung der Gefangenen, von denen viele inzwischen derart geschwächt waren, dass eine Rettung 200 201 202 203 204 205
Ausführlich hierzu Kap. A 3.2 (Internierungen) und Kap. A 3.3 (Sowjetische Militärtribunale). Possekel, Einleitung, 16. Niethammer, Internierungslager, 104 f. Ebd., 109. Vgl. Lipinsky, Gefängnisse, 505. Zu den unterschiedlichen Phasen der Versorgung der Speziallager und möglichen Gründen einfür die diesbezüglich auftretenden Schwankungen vgl. Jeske, Versorgung, 189–223.
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nicht mehr möglich war. Die Versorgungslage blieb weiterhin prekär. Ironischerweise besserten sich die Bedingungen in den Speziallagern Mitte 1948, als diese in den Zuständigkeitsbereich des GULAG (Hauptverwaltung der Besserungsarbeitslager und -kolonien) übergingen.206 Im Zuge von Entlassungen von aus sowjetischer Sicht minder belasteten Internierten ging auch die Zahl der Speziallager zurück. Zuletzt bestanden nur noch die Lager Sachsenhausen, Buchenwald und Bautzen. Auch hier wurden zunächst Entlassungen durchgeführt und die in Haft Verbliebenen bis zum 1. März 1950 an das MdI der DDR überstellt. Während die Speziallager Buchenwald und Sachsenhausen aufgelöst wurden, bestand Bautzen als Strafanstalt des MdI unter der Leitung der HVDVP fort.
5. Transformationen in der Justizpolitik Die Justizpolitik in der SBZ war in den Jahren 1948/49 entscheidenden Veränderungen unterworfen, die gemäß Hermann Wentker eine deutlichere Zäsur für das Justizwesen bedeuteten als die Staatsgründung der DDR im Oktober 1949.207 Zwar betrafen diese Umstrukturierungen die Gefängnisseelsorge nicht unmittelbar, jedoch waren sie im Strafvollzug spürbar und tangierten dadurch das Arbeitsumfeld der Fürsorge und der Gefängnisseelsorge. In den ersten Jahren der SBZ hatte das Justizwesen nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit von SPD / KPD und später der SED gestanden. Das Hauptinteresse der Parteiführungen hatte anderen Bereichen, wie der Vereinigung von SED und KPD, gegolten. Hinzu kam, dass die Parteien selbst nur über wenige versierte Juristen verfügten und daher die Ausformung des Rechts auf Länderebene vernachlässigt hatten.208 Eine diesbezüglich grundsätzliche Veränderung setzte im Januar 1948 ein, indem Zentralsekretariat und Parteivorstand den Führungsanspruch der SED in der Justiz verkündeten und fortan, so der justizpolitische Sprecher der Partei Max Fechner, als „Motor der demokratischen Umgestaltung“ wirken wollten.209 Laut Wentker bildete den Beginn der Maßnahmen der SED zur Umgestaltung der Justiz eine Neuausrichtung der Personalpolitik, die auf der zweiten Juristenkonferenz im Januar 1948 forciert wurde und auf zwei Säulen basierte.210 Zum einen wurden Personen, die weder der SED angehörten noch ihr nahestanden, aus ihren Positionen verdrängt und durch linientreue Parteianhänger ersetzt, oftmals unter Mitwirkung der SMAD, die die unliebsamen 206 207 208 209 210
Niethammer, Alliierte, 110. Vgl. Wentker, Jahr, 166. Vgl. ebd., 152. Ebd., 154. Vgl. Rçssler, Justizpolitik, 112 f.
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Mitarbeiter unter Heranziehung willkürlicher Begründungen entließ.211 Ein herausragendes Beispiel für diese Praxis war der Austausch des Präsidenten der DJV Schiffer gegen den juristisch kaum kompetenten Fechner. Schiffer reichte bereits im August 1948 seinen Rücktritt ein, da er bei anstehenden Entscheidungen in fachlichen und personellen Belangen in seiner Abteilung mehrfach übergangen worden und somit zu der Einsicht gelangt war, dass seine Mitarbeit in der DJV nicht mehr erwünscht sei.212 Die SMAD ernannte daraufhin am 2. Oktober 1948 den aufgrund seiner eingeschränkten fachlichen Kompetenz nur widerwillig zustimmenden, gerade dadurch jedoch leicht steuerbaren Fechner zum Präsidenten der DJV.213 Zum anderen verstärkte die SED ihre Bemühungen, die Genossinnen und Genossen zur Teilnahme an den bereits seit 1946 laufenden Volksrichterlehrgängen zu gewinnen – eine Maßnahme zur Ausbildung von Personen ohne juristische Vorkenntnisse zu Richtern im Straf- oder Zivilrechtsbereich innerhalb von sechs Monaten.214 Diese Art der Ausbildung war nicht ausschließlich dem extremen Richtermangel in der SBZ geschuldet, sondern gemäß der Einschätzung von Fricke in erster Linie „Bestandteil der Machteroberung und der Machtsicherung“ der SED.215 Bei der Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Volksrichterlehrgängen war nicht nur politische Konformität gefragt, auch die korrekte Klassenzugehörigkeit bildete ein Kriterium für die Aufnahme. Bereits im politischen Programm der SED vom April 1946216 war unter Punkt 4 der „Gegenwartsforderungen“ die „systematische Ausbildung befähigter Werktätiger als Beamte der Selbstverwaltungsorgane, als Lehrer, Volksrichter und Betriebsleiter unter besonderer Förderung der Frauen“ proklamiert worden. Das vordergründig emanzipatorisch wirkende Ziel war von der Intention her nichts anderes als „die entscheidende Maßnahme zur Zerschlagung der reaktionären deutschen Richter-Kaste, die viele Jahrzehnte hindurch eine Säule des Kapitalismus und Imperialismus gewesen ist“217. Diese Perspektive erlangte im Laufe des Jahre 1948 die Zustimmung des rechtspolitischen Beirats beim SED-Zentralsekretariat und der Ministerkonferenz.218 Parallel zur Etablierung SED-naher Kräfte in den Justizverwaltungen wurden durch die DJV und die DVdI (Deutsche Verwaltung des Innern) 211 212 213 214
215 216 217 218
Vgl. Wentker, Jahr, 156. Vgl. ders., Justiz, 255. Vgl. ders., Jahr, 156. Zur Ausbildung der Volksrichter in der SBZ / DDR, mit dem Schwerpunkt auf Ablauf und Methode, am Beispiel Sachsens vgl. Pfannkuch, Volksrichterausbildung; Wentker, Volksrichter, 119–171. Zu den Volksrichtern in Berlin-Brandenburg vgl. Pohl, Justiz, Die Kapitel „Die ersten Volksrichter“ 32–35 u. „Der zweite Personalaustausch“, 116–129. Pfannkuch, Volksrichterlehrgänge, 37. Abgedruckt bei Mommsen, Parteiprogramme, 754–759. Benjamin, Rechtspflege, 93. Vgl. Wentker, Volksrichter, 52.
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Verwaltungsreformen initiiert, die die Zentralisierung der Justiz zum Ziel hatten. Dazu gehörte auch die ab Jahresbeginn 1949 angeordnete Vereinheitlichung der Landesjustizministerien bei gleichzeitiger Beschneidung von deren Kompetenzen, im Zuge derer diese ihre Eigenständigkeit zu Gunsten einer zentralen Steuerung durch die DJV verlieren sollten, bevor sie im Sommer 1952 ganz abgeschafft und durch Landesjustizverwaltungen ersetzt wurden, die in völliger Abhängigkeit vom MdJ (Ministerium der Justiz) agierten.219 Der am 16. August 1947 durch die SMAD erlassene Befehl 201 leitete weitere Veränderungen für die Justiz in der SBZ ein. Zwar war die Justiz an der Durchführung der Ermittlungs- und Gerichtsverfahren beteiligt, doch faktisch gelang es der ebenfalls in diese Prozesse involvierten DVdI, sowohl die DJV als auch die Justizministerien der Länder beiseite zu drängen und dadurch nicht nur einen Kompetenzgewinn zu erreichen, sondern auch erste Erfolge bei ihren Bemühungen, den Strafvollzug zu übernehmen, zu verbuchen. Zudem wurden zwecks Prozessdurchführung bei den Landesgerichten Sonderstrafkammern gebildet, deren vorsitzende Richter dem Kurs der SED entsprachen und durch die SMA der Länder bestätigt wurden.220 Die Umstrukturierungen in der Justiz betrafen auch das für diese Untersuchung besonders relevante Feld des Strafvollzugs. Hier lassen sich spätestens seit der Innenministerkonferenz vom 29. und 30. November 1947 erste Tendenzen ausmachen, die auf eine Umstrukturierung nach sowjetischem Vorbild hindeuten. Die SMAD hatte bereits über die Ausführungsbestimmungen zu Befehl 201 die Verwahrung der Untersuchungsgefangenen unter die Aufsicht der Polizei gestellt, die Innenministerkonferenz erweiterte diese Vorschrift nun auf die gesamte Strafvollstreckung nach Befehl 201, was nicht nur zu empfindlichen Kompetenzeinbußen für die Justiz, sondern im Februar 1948 auch zum Protest von Ernst Melsheimer, Vizepräsident der DJV und späterer Generalstaatsanwalt der DDR, führte. Melsheimer warnte, dass man diese Maßnahme im Ausland dahingehend interpretieren könne, dass die politischen Gefangenen in der SBZ der Verantwortung der Justiz entzogen und damit einer willkürlichen Verfolgung ausgesetzt seien.221 Die Neuorganisation der Strafvollstreckung nach Befehl 201 Verurteilter gestaltete sich kompliziert. Entscheidungen wurden getroffen, kurz darauf revidiert und schließlich nur teilweise umgesetzt. In dieser Gemengelage gelang es der DVdI, ihren Einfluss auf den politischen Strafvollzug zu festigen und ihre Ansprüche auf Zuständigkeit für den gesamten Strafvollzug in der SBZ zu untermauern. Dies zog ein Kompetenzgerangel zwischen DJV und DVdI nach sich,222 das im Herbst 1949 – forciert durch die Auflösung der 219 220 221 222
Vgl. ders., 1948, 156. Vgl. Rçssler, Justizpolitik, 124. Vgl. Wentker, Jahr, 164. Ausführlich dazu vgl. das Kapitel „Der Strafvollzug im Übergang von der Justiz- zur Innenverwaltung (1948–1952)“ bei ders., Justiz, 369–388.
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Speziallager und in diesem Kontext die Übergabe von über 14.000 Gefangenen in die Hände des MdI – einen weiteren Höhepunkt erreichte. Bei diesem Unterfangen gewaltigen Ausmaßes, das nicht nur einen Gefangenenaustausch, sondern auch die Entlassung von weiteren ca. 10.400 Internierten in die Freiheit einschloss,223 wurde die deutsche Justiz von den Sowjets zunächst völlig außen vor gelassen, da man die zur Übergabe bestimmten Gefangenen als „Sicherheitsrisiko“ betrachtete und sich aus diesem Grunde bereits Anfang Oktober 1949 direkt an das MdI gewandt hatte.224 Im Zuge der Vorbereitungen der Übergabe beauftragte der Chef der Deutschen VP (Volkspolizei) und der frühere Präsident der DVdI Kurt Fischer, am 31. Oktober 1949 einige ,handverlesene‘ VP-Offiziere mit den Vorbereitungen für die Bildung einer HA SV (zunächst HA X), deren Leitung VP-Oberrat Karl Gertich übernahm.225 Zu den Aufgaben Gertichs zählte neben der Personalplanung der HA auch die Sicherstellung der für diese große Anzahl an Häftlingen nötigen Verwahrmöglichkeiten, wobei recht bald deutlich wurde, dass ein Rückgriff auf die von der Justiz verwalteten Kapazitäten unumgänglich war.226 Erneut wehrte sich die Justiz gegen den Übernahmeversuch durch die DVdI, konnte dabei jedoch lediglich Teilerfolge verbuchen. Im Frühjahr 1950 gingen die Haftanstalten Waldheim, Bautzen, Hoheneck, Torgau, Untermaßfeld und Luckau in den Verantwortungsbereich der VP über, zeitgleich intensivierte Fischer seine Bemühungen um eine vollständige Übernahme des Strafvollzugs durch die VP. In seinem vom 12. April 1950 datierenden Schreiben an Innenminister Karl Steinhoff argumentierte er, „dass ein nebeneinander bestehender Strafvollzug a) bei der Justiz, b) bei der Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei nicht ökonomisch ist und politisch unzweckmäßig. Er behindert die volle und zweckmäßige Ausnutzung der Haftanstalten und ist dem zweckmäßigen Arbeitseinsatz der Häftlinge nicht dienlich. Ich habe deshalb, im Einvernehmen mit unseren Freunden, an das Sekretariat der Partei den Antrag gestellt, zu beschließen, daß der gesamte Strafvollzug unter der Leitung der Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei vereinigt wird und hoffe zuversichtlich auf Ihre Unterstützung.“227
Im Juni 1950 war die Übernahme des Strafvollzuges durch die HVDVP beschlossene Sache. Zwar behielt die Justiz vorerst noch die Zuständigkeit für die 223 224 225 226
Vgl. Buddrus, Vorkommnisse, 16. Vgl. ebd., 11. Vgl. M ller, Strafvollzugspolitik, 112. Vgl. Eisert, Prozesse, 20 f., sowie das hier abgedruckte Schreiben Gertichs mit dem Betreff „Übernahme von Häftlingen aus dem Gewahrsam der Besatzungsmacht“, in dem es heißt: „Eine solche Unterbringung wäre nur möglich, wenn die Justiz einen Teil ihrer Haftanstalten ohne Rücksicht auf die Zuständigkeit des jeweiligen Landes räumt.“ (ebd., 43 f.). Vgl. auch M ller, Strafvollzugspolitik, 112 f. 227 Karl Fischer, Schreiben an Karl Steinhoff, Berlin, 12. 4. 1950 (BArch Berlin, DO 1/25049/7/49, Bl. 147).
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Untersuchungs- und Gerichtsgefängnisse, doch am 1. Juli 1952 war die vollständige Übernahme des Strafvollzuges durch die HVDVP abgeschlossen.228 Mit der Übernahme des gesamten Strafvollzuges der DDR durch die HVDVP und dem damit verbundenen Übergang in den Zuständigkeitsbereich des MdI wurde nicht nur den Bestrebungen nach einer weiteren Zentralisierung der Justiz Rechnung getragen, vielmehr erhielt zugleich die Durchführung des Strafvollzugs nach sowjetischem Vorbild mit seinen Präferenzen für den Aspekt der Bestrafung wachsende Relevanz. Das bedeutet, dass der von der Justiz eindeutig präferierte Reformvollzug zugunsten des sowjetischen Modells völlig ins Abseits geriet,229 was Veränderungen in der Mentalität des Anstaltspersonals in Richtung auf eine Militarisierung und Brutalisierung des Strafvollzugs nach sich zog. Diese Veränderungen in Kombination mit den weiterhin als desaströs zu bezeichnenden Haftbedingungen in den Strafanstalten führten zu einer vermehrten Abschottung des Strafvollzugs von der Öffentlichkeit. Die Bereitschaft des Staates, hinsichtlich Organisation und Durchführung des Vollzugs mit offenen Karten zu spielen, sank rapide – eine Entwicklung, die ihren Niederschlag auch in der ab Sommer 1950 einsetzenden Neuorganisation der Gefängnisseelsorge fand.
228 Zum Organisationsprozess vgl. M ller, Strafvollzugspolitik, 115–120. 229 Wunschik wertet die Übergabe der ostdeutschen Gefängnisse von der Justiz an die VP als Absage der SED-Machthaber an den ,humanistischen Strafvollzug‘ (vgl. Wunschik, Strafvollzug, 74).
B Die Gefängnisseelsorge in der SBZ 1. Die Zeit der Improvisation (1945–1949) Der Wiederaufbau der Gefängnisseelsorge in der SBZ nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war kein zentral gesteuerter und linear verlaufender Prozess. In einer Situation, in der die herkömmlichen Mittel der Kommunikation weitestgehend zerstört oder aber starken Beschränkungen unterworfen waren, der Bedarf an seelsorgerlicher Hilfe jedoch weiterhin bestand, erschien es nur folgerichtig, diese den Insassen der Haftanstalten schnellstmöglich wieder zu gewähren. Hierzu bedurfte es keines kirchlichen Auftrages oder einer Anweisung aus den Justizabteilungen der Länder und Provinzen. In vielen Fällen nahmen die Gefängnisseelsorger den Kontakt zu ihren alten Wirkungsstellen einfach wieder auf und setzten die Arbeit, sobald es die Umstände zuließen, wie gewohnt fort. Die Chancen für das Gelingen eines solchen, auf Eigeninitiative beruhenden Unterfangens waren immer dann besonders günstig, wenn die zu betreuende Strafvollzugsanstalt unter deutscher Leitung stand und diese der Kirche und deren Arbeit im Strafvollzug Wohlwollen entgegenbrachte. Diese Voraussetzungen waren jedoch nicht immer gegeben, z. B. wenn religionskritische Kräfte aus den Reihen der SPD und KPD die Gefängnisleitung übernommen hatten. Gefängnisse, die von den sowjetischen Besatzern beschlagnahmt und durch deren Geheimdienste genutzt wurden, blieben den Seelsorgern ohne Ausnahme verschlossen.1 Im Folgenden werden exemplarisch Beispiele für die divergenten Entwicklungen bei der Wiederaufnahme der Tätigkeit von Gefängnisseelsorgern nach 1945 vorgestellt. In der EKKPS z. B. hatte der Superintendent Walter Paarmann im Herbst 1945 die Seelsorge im Gerichtsgefängnis von Burg wieder aufgenommen, worüber er dem Konsistorium in Magdeburg am 12. April 1947 berichtete.2 Auch Pfarrer Carl Knopf, der die Haftanstalt in Halberstadt betreute, setzte seine Tätigkeit fort, „sobald dies möglich war“, und führte diese zunächst bis Februar 1947 regelmäßig und unbehindert durch die sowjetische Besatzungsmacht „mit großer Treue und Hingabe durch“3. Ebenfalls im Jahr 1945 ordnete der Generalstaatsanwalt von Naumburg die umgehende Wiederaufnahme der Gefängnisseelsorge in Magdeburg an, worauf Pfarrer 1 Vgl. ebd. 2 Vgl. Superintendentur Burg, Schreiben an das Konsistorium in Magdeburg, Burg, 12. 4. 1947 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 b, o. Pag.). 3 Superintendent Kirchenkreis Halberstadt, Schreiben an das Konsistorium in Magdeburg, Halberstadt, 2. 4. 1947 (AKPS Magdeburg, Rep. gen., 221b, o. Pag.).
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Hans-Werner Geinitz noch im gleichen Jahr zum hauptamtlichen Gefängnisseelsorger für die evangelischen Insassen der Magdeburger Haftanstalten bestellt wurde.4 Geinitz war es noch bis März 1947 möglich, in Ergänzung zum Gottesdienst und dem unbewachten seelsorgerlichen Gespräch einen von ihm als „lebenskundlich“ charakterisierten Unterricht mit den Gefangenen durchzuführen. Weiterhin pflegte er den Kontakt zu den Familienangehörigen und traf Vorkehrungen für die Zeit nach der Entlassung der Inhaftierten.5 Für das Gebiet der Landeskirche Sachsen ist eine katholisch-evangelische Kooperation im Bemühen um die Gewährung der Gefängnisseelsorge für das Speziallager Bautzen I und das zu diesem Zeitpunkt durch den sowjetischen Geheimdienst beschlagnahmte Bautzen II belegt.6 Der evangelische Geistliche Otto Lange und sein katholischer Kollege Joseph Neubner verfassten 1945 zwei Gesuche an den Kommandanten der russischen Besatzungstruppen in Bautzen, in denen sie um die Erlaubnis baten, Gottesdienste für die Insassen beider Arrestorte halten zu dürfen. Dem Anliegen wurde von sowjetischer Seite jedoch nicht entsprochen.7 Anders war die Situation im thüringischen Wasungen. In einer Umfrage zur Situation in der Gefängnisseelsorge, initiiert vom Thüringer Landeskirchenrat, bemerkte der eigentlich zuständige, seit 1934 in Wasungen tätige Pastor Rudolf Maier, dass die Durchführung der Gefängnisseelsorge im Wasunger Amtsgerichtsgefängnis, das durchschnittlich mit 20 bis 30 Personen belegt sei, problemlos möglich wäre, da die Gerichtsverwaltung verständnisvoll und kooperativ sei. Allerdings habe er dazu noch keinen kirchlichen Auftrag erhalten. Er sei überhaupt erst ein Mal, im Jahr 1937, auf ausdrücklichen Wunsch eines Gefangenen im Gefängnis seelsorgerlich tätig gewesen, danach habe er aufgrund der fehlenden kirchlichen Beauftragung keine weiteren Versuche zur seelsorgerlichen Betreuung der Insassen unternommen.8 Schon diese wenigen Beispiele verdeutlichen, dass der Wiederaufbau der Gefängnisseelsorge direkt nach dem Kriegsende sehr heterogen verlief. Ob die in den Jahren 1945 / 46 Inhaftierten in den Genuss einer seelsorgerlichen Betreuung kamen, bestimmte zunächst keine durch vorgesetzte Instanzen ausgehandelte und verabschiedete Richtlinie, sondern vielmehr die Situation vor Ort und das Engagement einzelner Beteiligter. Wichtige Faktoren für die baldige Wiederaufnahme der Gefängnisseelsorge waren dabei vor allem eine wohlwollende Haltung von Seiten der Justizverwaltungen bzw. der Anstaltsleitungen zum kirchlichen Engagement in den Haftanstalten sowie die Anzahl 4 Vgl. Hans-Werner Geinitz, Schreiben an das Konsistorium in Magdeburg, Magdeburg, 23. 8. 1947 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 b, o. Pag.). 5 Vgl. ebd. 6 Vgl. Kaminsky, Orte, 387 f. 7 Vgl. Seifert, Gefangenenseelsorge, 191 f. (hier auf S. 192 ein Abdruck des Gesuchs in deutscher Sprache). 8 Vgl. Superintendentur Meiningen, retournierter Fragebogen, Meiningen, 12. 12. 1948 (LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 31).
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der für die Seelsorge zu Verfügung stehenden Pfarrer bzw. deren zeitliche Kapazitäten, da die Kirchen im Gebiet der SBZ nach Kriegsende einen eklatanten Pfarrermangel zu beklagen hatten.9 Zahlreiche Quellen aus den Archiven der östlichen Landeskirchen belegen, dass es der evangelischen Kirche trotz dieser Probleme gelang, einen Großteil der im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands befindlichen Haftanstalten wieder seelsorgerlich zu betreuen, auch wenn hinsichtlich der Anzahl der Gottesdienste und Sprechstunden Abstriche akzeptiert werden mussten. Religionsunterricht für die Insassen wurde zunehmend seltener, überhaupt waren enge Beziehungen der Seelsorger zu den Gefangenen, wie sie seinerzeit der Berliner Gefängnispfarrer Poelchau noch pflegen konnte,10 nicht erwünscht und wurden zunehmend unterbunden. Bemühungen um den Wiederaufbau der Gefängnisseelsorge in der SBZ sind nicht nur auf der lokalen Ebene nachweisbar. Zeitgleich wurden von der Kirchenleitung der EKiBB in enger Kooperation und personeller Verzahnung mit der ebenfalls in Berlin ansässigen Kirchenkanzlei der EKD intensive Bemühungen unternommen, generelle Vereinbarungen zur seelsorgerlichen Betreuung in den Haftanstalten der SBZ zu treffen. Die für die Gefängnisseelsorge maßgeblichen Persönlichkeiten auf kirchlicher Seite – der EKDRatsvorsitzende und Bischof der EKiBB Dibelius, der Propst und Leiter der Abteilung Brandenburg im Konsistorium der EKiBB Kurt Scharf sowie Propst Grüber – konnten direkt mit der in Berlin ansässigen DJV konferieren, welche wiederum im ständigen Kontakt mit der in Berlin-Karlshorst ansässigen SMAD stand.11 Sowohl die DJVals auch Dibelius favorisierten einheitliche, für die gesamte SBZ geltende Regularien in der Gefängnisseelsorge, worin sich auf beiden Seiten der Anspruch auf eine diesbezügliche Führungsposition ausdrückte. Bei der DJV betraf dieser Führungsanspruch die Justizverwaltungen der Länder und Provinzen, im Falle von Dibelius die Landeskirchen in der SBZ. Dieses offen demonstrierte Streben nach Führung fand weder bei den regionalen Justizverwaltungen noch bei den Landeskirchen Zustimmung. Diese favorisierten vielmehr föderale Organisationsformen und standen jeglichen Zentralisierungsbestrebungen kritisch gegenüber.
9 Zu dem besonders im Osten eklatanten Pfarrermangel vgl. Lepp / Nowak, Kirche, 15; am Beispiel der EKiBB und unter Berücksichtigung der Situation der katholischen Kirche vgl. Halbrock, Pfarrer, 74–84. 10 Vgl. Poelchau, Ordnung, besonders das Kapitel „Die Aufgabe im Strafvollzug 1933–1945“, (37–96). 11 Die Kontaktpflege zwischen Evangelischer Kirche und SMAD beschränkte sich aber nicht auf diese Personen. So existieren zahlreiche Notizen über Gespräche, die der Berliner Generalsuperintendent Krummacher und Oberkirchenrat Zimmermann mit Leutnant Wsewoljod Alexandrowitsch Jermolajew, dem Referenten der SMAD für kirchliche Angelegenheiten, führten (vgl. Goerner, Kirche, 34 f.).
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1.1 Die Vorreiterrolle der EKiBB 1.1.1 Schlüsselinstitutionen und -personen Für den Aufbau der Gefängnisseelsorge in der SBZ stellte die EKiBB ein Schlüsselterritorium dar. Hier nahmen unter der Regie von Bischof Dibelius und Präses Scharf12 Entwicklungen ihren Ausgang, die für die Gefängnisseelsorge in der SBZ und in der späteren DDR prägend sein sollten und waren. Der Ablauf des Wiederaufbaus der EKiBB und die bedeutende Rolle von Dibelius dabei sind vielfach beschrieben worden,13 sollen jedoch aufgrund der zentralen Bedeutung dieser Prozesse für den Wiederaufbau der Gefängnisseelsorge hier noch einmal kurz umrissen werden. Auf seiner letzten Sitzung am 6. März 1945 autorisierte der Bruderrat der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union den 1933 zwangspensionierten Generalsuperintendenten der Kurmark Dibelius per Beschluss zum Wiederaufbau der Kirche der Mark Brandenburg nach dem Kriegsende.14 Unmittelbar nach dem Einmarsch der Roten Armee begann Dibelius „schnell und zielbewusst“15 mit der Realisierung dieses Auftrages und übernahm im Zuge dessen sowohl die Spitze der Leitung der Altpreußischen Union als auch die der EKiBB. Dibelius agierte nun als Generalsuperintendent, führte jedoch mit Zustimmung vom Beirat für kirchliche Angelegenheit beim Berliner Magistrat und des Konsistoriums der EKiBB den eigentlich in Berlin nicht existenten Bischofstitel.16 Begründet wurde diese umstrittene Entscheidung mit der Argumentation, dass der Titel des Bischofs gegenüber den Besatzungsmächten unverfänglicher sei als die Amtsbezeichnung Generalsuperintendent, dem eine militärische Konnotation anhafte.17 Unter der Leitung von Dibelius nahmen Konsistorium und Kirchenleitung der EKiBB am 14. Mai 1945 ihre Arbeit auf. Sie bezogen zunächst Räume in dem unzerstörten Burckhardthaus im Rudeloffweg 27 in Berlin-Dahlem.18 Im Frühjahr 1947 siedelte das Konsistorium dann in die Jebensstraße 3, gegenüber dem Berliner Bahnhof Zoo, um. Auch das Evangelische Hilfswerk un12 Im Oktober 1935 spaltete sich der Bruderrat von Berlin-Brandenburg aufgrund unterschiedlicher Ansichten im Kirchenkampf (vgl. Besier, Begeisterung, 725 f.). Auf der letzten gemeinsamen Synode wurde Scharf auf Initiative von Dibelius zum Präses für Brandenburg gewählt. 1945 übernahm Scharf nach seiner Rückkehr aus der russischen Gefangenschaft das Amt des Propstes von Brandenburg, führte aber weiterhin den Titel ,Präses‘, unter dem er allgemein bekannt war (vgl. Zimmermann, Kurt Scharf, 56) 13 Vgl. Besier, SED-Staat, 27 f.; Greschat, Christenheit, 89 f.; Seidel, Neubeginn, 195–205; Stupperich, Dibelius, 355–361. 14 Vgl. Greschat, Christenheit, 89. 15 Ebd. 16 Vgl. Stupperich, Dibelius, 358. 17 Vgl. Seidel, Neubeginn, 198. 18 Vgl. Heinrich, Ordnungen, 768.
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terhielt in der Jebensstraße 3 bis 1947 Lager- und Büroräume sowie eine Verteilstelle für Hilfsgüter. Weitere Räume wurden von den Quäkern genutzt. Mit dem Einzug des Konsistoriums der EKiBB in das Gebäude mussten sowohl das Hilfswerk als auch die Quäker ihre Räume in der Jebensstraße aufgeben.19 Bis Mitte 1951 war die Jebensstraße 3 zugleich Sitz des EOK (Evangelischer Oberkirchenrat), der obersten Verwaltungsbehörde der Kirche der Altpreußischen Union, der Dibelius als Präsident vorstand20 und die sich 1953 per Synodalbeschluss in EKU (Evangelische Kirche der Union) umbenannte.21 Auch die Nachfolgeinstitution des EOK, die Kirchenkanzlei der EKU, hatte hier ihren Sitz. Weiterhin waren in dem Gebäude die Büros der Kirchenkanzlei angesiedelt, die Dibelius ab Dezember 1945 aufzubauen begann.22 Die Kirchenkanzlei übernahm in den folgenden Jahren sukzessive die federführende Rolle bei der Organisation der Gefängnisseelsorge. Zunächst geschah dies noch über die Büros in der Jebensstraße, doch mit dem Beginn der 1950er Jahre fielen die Belange der östlichen Landeskirchen in Sachen Gefängnisseelsorge in den Zuständigkeitsbereich der Kirchenkanzlei Außenstelle Ost (Kirchenkanzlei Berliner Stelle), die, aufgrund der sich abzeichnenden Schließung der Grenzen gegründet worden war und ihren Sitz ab 1952 in der Bischofstraße hatte. Damit befand sich die Kirchenkanzlei Berliner Stelle in der unmittelbaren Nachbarschaft des Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Regierung der DDR, Propst Grüber, dessen Briefkopf bereits ab Jahresbeginn 1951 den Marienkirchhof 7 als Sitz ausweist.23 Auch müssen sich zumindest im Jahr 1953 Büros des Konsistoriums der EKiBB in diesen Gebäuden befunden haben.24 Mit Gründung der DDR und der ab Frühjahr 1950 beginnenden Übernahme des Strafvollzugs durch das MdI avancierte die Kirchenkanzlei zur Schnittstelle zwischen den östlichen Gliedkirchen und der im Berliner Osten, in der Glinkastraße 35 ansässigen, nun für die Gefängnisseelsorge in der DDR zuständigen HVDVP und der hier ebenfalls angesiedelten HA SV. Dabei hegten die Verantwortlichen in der EKD schon früh die Intention einer Zentralisierung der kirchlichen Arbeit in den Gefängnissen der SBZ. Die gemeinsame Nutzung des Gebäudes in der Jebensstraße durch mehrere zentrale kirchliche Einrichtungen in den Nachkriegsjahren und seine 19 Vgl. H ffmeier / Stache, Jebensstraße, 31–34. 20 Vgl. Zu dem Transformationsprozess der ,Kirche der Altpreußischen Union‘ zur ,Evangelischen Kirche der Union‘ vgl. Stupperich, Dibelius, 386–397. 21 Vgl. Besier, SED-Staat, 28 f. 22 Zum Aufbau, der personellen Besetzung und dem Anspruch der Kirchenkanzlei Berliner Stelle auf die Funktion als Interessenvertretung der östlichen Gliedkirchen vgl. K hne, Protokolle, 37–39. 23 Es ist möglich, dass sich der Marienkirchhof 7 und die Bischofstraße 6/8 in demselben Gebäude befanden. Dies legen zumindest die in der Kirchenkanzlei Berliner Stelle gebräuchlichen Verteilernotizen „Herrn Propst D. Grüber hier“ oder „im Hause“ sowie ein Abgleich mit zeitgenössischem Kartenmaterial nahe. 24 So befindet sich in der Signatur EZA Berlin, 4/733 Schriftverkehr an das Konsistorium der EKiBB mit Anschrift Bischofstraße, aber auch Neuer Grünstraße.
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Funktion als eine der Keimzellen der mitten im Wiederaufbau bzw. in der Neustrukturierung befindlichen evangelischen Kirche bedingte die Konzentration vieler verantwortlicher und engagierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an einem Ort und somit die Möglichkeit, viele Angelegenheiten unkompliziert informell zu regeln. Gleiches gilt für die Bischofstraße. Auch Strategien zur Rekonstruktion und Durchführung der Gefängnisseelsorge in Berlin-Brandenburg wurden hier entwickelt und vielfach auf dem kleinen Dienstweg geregelt, ohne schriftlich dokumentierte Spuren zu hinterlassen, was deren Erforschung teils erschwert. Eine weitere für die Neuorganisation der Gefängnisseelsorge bedeutsame Persönlichkeit im personellen Schnittbereich von Kirchenkanzlei und EKiBB war Grüber. Grüber war prominentes Mitglied der Bekennenden Kirche gewesen und hatte während der NS-Zeit in Berlin über die Hilfsstelle Büro Grüber vielen Menschen jüdischer Herkunft zur Emigration verholfen.25 Im Dezember 1940 war er aufgrund seines Engagements von der Gestapo verhaftet worden. Zunächst wurde er in das KZ Sachsenhausen verbracht und später nach Dachau verlegt, von wo aus er im Sommer 1943 aus der Lagerhaft entlassen wurde. Grüber war ebenfalls beteiligt an den Planungen zum Fortbestand der EKiBB nach Kriegsende kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee.26 Am 15. Juli 1945 wurde Grüber Pfarrer der Gemeinden St. Nikolai und St. Marien in Ostberlin und gehörte als Propst der Kirchenleitung der EKiBB an.27 Bereits seit dem 17. Mai 1945 war er zudem stellvertretender Leiter für kirchliche Angelegenheiten im Magistrat von Berlin.28 In seinen Erinnerungen charakterisiert Grüber sein Verhältnis zu Bischof Dibelius als schwierig. Dibelius habe ihn nur ungern in der Kirchenleitung gesehen und ihm aus diesem Grunde nahegelegt, er solle sein eigenes Büro 25 Vgl. Heinrich, Ordnungen, 802. Zu den Tätigkeiten und organisatorischen Abläufen im Büro Grüber vgl. das entsprechende Kapitel in Gr ber, Erinnerungen, 103–136. Nach dem Kriegsende setzte Grüber seine Arbeit für die Opfer der nationalsozialistischen Rasseverfolgungen fort. Er gründete in Berlin-Kreuzberg am Mariannenplatz 1–3, die Evangelische Hilfsstelle für ehemals Rasseverfolgte, der in Klammern der Namenszusatz Büro Pfarrer Grüber hinzugefügt wurde, um eine Reminzenz auf das von 1938 bis 1940 tätige Büro Pfarrer Grüber zu schaffen. Grüber selbst war es aufgrund der Vielzahl seiner dienstlichen Verpflichtungen nicht möglich, aktiv in der neuen Hilfsstelle mitzuarbeiten, weshalb er den Aufbau und die Arbeit in die Hände seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter legte (vgl. Ludwig, Entrechteten, 141). 26 Vgl. Seidel, Neubeginn, 196. 27 Ebd., 232. 28 Gemäß dem Protokoll der 5. Magistratssitzung vom 4. 7. 1945 wurde Grüber an diesem Tag für den Posten des stellvertretenden Abteilungsleiters vorgeschlagen und durch die Anwesenden bestätigt (vgl. Hanauske, Sitzungsprotokolle 1945, 111). Die Sitzungsprotokolle des Magistrats der Stadt Berlin wurden durch Dieter Hanauske bearbeitet und in der Schriftenreihe des Landesarchivs Berlin von Jürgen Wetzel in zwei Bänden herausgegeben. Jeder Band stellt den Dokumenten eine historische Einleitung voran, welche neben den politischen Entwicklungen der betreffenden Jahre auch viele Details zum Aufbau, zur Struktur, aber auch zu den Arbeitsbedingungen des Magistrats enthält (vgl. ebd., 23–78 und ders., Sitzungsprotokolle 1946, 1–39).
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eröffnen, um von dort aus diakonisch, vor allem aber selbstständig, als ein „evangelischer Sonnenschein“ tätig zu werden.29 Diesem Vorschlag kam Grüber, wohl auch wegen der Fülle der von ihm nach dem Kriegsende bereits ausgeübten Ämter, nicht nach. Im Dezember 1949 avancierte Grüber zum Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Regierung der DDR mit Dienstsitz am Marienkirchhof 7. Besier merkt dazu an: „Grübers Haltung im Dritten Reich, seine Tätigkeit für die Rasseverfolgten in dieser Zeit sowie die gemeinsame KZ-Haft mit Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftern empfahlen ihn förmlich für die schwierige Verbindungstätigkeit.“30 Da Grüber bereits vor seinem Amtsantritt als Bevollmächtigter der EKD Verhandlungen mit der DDR-Regierung geführt hatte, wurde seine Ernennung von Pieck und Nuschke positiv aufgenommen.31 1.1.2 Konzepte zur Finanzierung und Organisation Am 27. September 1945 erstattete Grüber dem Konsistorium der EKiBB Bericht über ein Gespräch, das er mit Gentz von der Abteilung Strafvollzug der DJV bezüglich des Wiederaufbaus der Gefängnisseelsorge in der SBZ und Groß-Berlin geführt hatte.32 Gentz, der selbst, wie Grüber explizit erwähnte, Katholik war, wollte laut Grübers Bericht „die Gefängnisseelsorge unter der vollen Verantwortung und im Auftrage der Kirche vollziehen zu lassen“. Die Kirche solle auch die Pfarrer berufen und bezahlen, jedoch wolle sich Gentz dabei ein Mitberatungsrecht vorbehalten. Angedacht sei eine Zuständigkeit für 500 Häftlinge pro Seelsorger. Besprochen worden sei auch eine Mitwirkung des Berliner Gefängnispfarrers Poelchau, dem Gentz nicht nur die Stelle des Strafanstaltsdirektors von Tegel zu übertragen gedächte, sondern den er auch für die Arbeit in der Abteilung Strafvollzug bei der DJV zu gewinnen hoffe. Grüber kommentierte am Ende des Berichts, dass er es aufgrund der Bedeutung des Strafvollzugs begrüßen würde, „wenn bewusst christliche Kräfte wie Gentz und Pölchau die Sache in den Händen hätten.“ Aus diesem Grund habe er Poelchau, der ihn bereits wegen der Anfragen von Gentz kontaktiert habe, mitgeteilt, dass er es sehr gerne sehen würde, wenn Poelchau „einem solchen 29 Vgl. Gr ber, Erinnerungen, 329 f. Dibelius’ Vorschlag, dass Grüber ein „evangelischer Sonnenschein“ werden solle, war eine Anspielung auf den vorrangig im Arbeitermilieu engagierten katholischen Priester Carl Sonnenschein. 30 Besier, SED-Staat, 62. 31 Vgl. Gr ber, Erinnerungen, 291. 32 Vgl. Heinrich Grüber, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin, 27. 9. 1945 (ELA Berlin, 11/924, o. Pag.). Hier auch das Folgende. Am unteren Blattende des Schreibens findet sich entsprechend eine Bleistiftnotiz von Dibelius, datierend vom 10. 10. 1945, die besagt, dass Jannasch bereits mit der Ausarbeitung der Vorschläge für die Durchführung der Gefängnisseelsorge begonnen habe.
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Rufe Folge leisten würde“. Gentz warte nun auf konkrete Vorschläge zur Gestaltung der Gefängnisseelsorge von Seiten der Kirche, welche Grüber ihm übermitteln solle. Gemäß der Aufforderung Grübers übermittelte das Konsistorium mit Schreiben vom 3. Oktober 1945 ein lediglich zwei Seiten umfassendes, von Pfarrer Wilhelm Jannasch ausgearbeitetes Papier, welches inhaltlich an die Praxis der Gefängnisseelsorge in der Weimarer Republik anknüpfte.33 So heißt es unter Punkt I: „Die Seelsorge an den evangelischen Untersuchungs- und Strafgefangenen ist Sache der evangelischen Kirche. Die Justizbehörde verpflichtet sich, für die reibungslose Durchführung der Gefängnisseelsorge wieder die gleichen Grundlagen und Voraussetzungen zu schaffen, wie sie vor den Einschränkungen bestanden haben, die ihr in den letzten Jahren des Dritten Reiches auferlegt wurden. Insbesondere müssen die Geistlichen den Anspruch auf den Schlüssel haben, das Recht zur Akteneinsicht, volle seelsorgerliche Besuchsmöglichkeiten, Hinzuziehung zu den Konferenzen, ungehinderte Verfügung über die Ausgabe der Bibeln, Gesangbücher und Andachtsbücher an die Gefangenen.“34
Die Einstellung der hauptamtlichen Seelsorger wie auch die Berufung der nebenamtlich Tätigen solle durch die Kirche geschehen, diese solle auch für die Gehälter zuständig sein und die Dienstaufsicht führen (Punkt II).35 Die Justiz solle die anfallenden Sachkosten und einen Zuschuss zu den persönlichen Aufwendungen in Höhe von 100,00 RM für die hauptamtlichen und 50,00 RM für die nebenamtlichen Seelsorger leisten übernehmen (Punkt III).36 Aufgrund der Belegungssituation sei momentan ein hauptamtlicher Seelsorger ausreichend, der die Gefängnisse in der Lehrter Straße, in Moabit und in der Barnimstraße betreuen solle. Alle weiteren Anstalten müssten zunächst nebenamtlich versorgt werden.37 33 Wilhelm Jannasch, Evangelische Gefängnisseelsorge, Dezember 1945 (ELA Berlin, 1/924). 34 Ebd. 35 Das Anstellungsverhältnis der hauptamtlich tätigen Anstaltsgeistlichen und -lehrer in Preußen war ab den 1840er Jahren sukzessive von den konfessionell gebundenen Gefängnisvereinen auf den Staat übergegangen (vgl. Schauz, Strafen, 74). Mit dem von Jannasch unterbreiteten Vorschlag sollte ein Prozess der Rückholung der Anstaltsseelsorger aus dem Verantwortungsbereich des Staates in den der Kirche eingeleitet werden. 36 In Berlin wurden auf Beschluss von Generalstaatsanwalt Ernst Scheidges bereits ab dem 1. 11. 1945 tatsächlich eben diese Aufwandsentschädigungen an die Strafanstaltsseelsorger gezahlt (vgl. Kurt Scharf, Schreiben an OKR Walter Zimmermann, Berlin-Dahlem, 19. 11. 1946, EZA Berlin, 4/731, o. Pag.). Scharf bezieht sich hier auf ein Schreiben Scheidges vom 28. 3. 1946, in dem dieser die mit dem Konsistorium der EKiBB getroffene Vereinbarung zur Entschädigung der Seelsorger schriftlich bestätigt hatte (vgl. Scheidges, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin 28. 3. 1946, ELA Berlin, 1/924 o. Pag.). 37 Dabei handelte es sich um die Haftanstalten in Spandau, Köpenick, Pankow, Schöneberg, Neukölln und Kreuzberg sowie Lichterfelde (vgl. Wilhelm Jannasch, Evangelische Gefängnisseelsorge, Dezember 1945, ELA Berlin, 1/924).
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Gentz reagierte mit einem Schreiben vom 18. Januar 1946.38 Er wies darauf hin, dass die durch das Konsistorium eingereichten Vorschläge lediglich Groß-Berlin berücksichtigten, die Gefängnisseelsorge jedoch in seinem gesamten Dienstgebiet, der SBZ, dringend einer Regelung bedürfe. Eigentlich stünden diesbezüglich die Provinz- und Länderverwaltungen in der Pflicht, jedoch beabsichtige er, jene mit Anregungen zu versorgen, und würde aus diesem Grund gerne die Vorstellungen des Konsistoriums der EKiBB hierzu kennenlernen. Mit Schreiben vom 16. März 194639 übermittelte Dibelius „als Leiter der Kanzlei der Evangelischen Kirche im Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone“ direkt an den Chef der Deutschen Justizverwaltung, Schiffer, eine „DA für die evangelischen Geistlichen an den Gefangenen-Anstalten der Justizverwaltung der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland“40, wodurch das von Gentz erbetene, landesweit gültige Regularium für die Gefängnisseelsorge in der SBZ nun vorlag. Die von Poelchau verfasste DA war keine völlige Neuschöpfung, sondern basierte auf der „Dienstanweisung für die evangelischen Geistlichen an den Gefangenenanstalten in Preußen vom 24. Mai 1924“,41 enthielt jedoch die grundsätzliche Neuerung, dass die haupt- und nebenamtlichen Gefängisseelsorger zukünftig ausnahmslos bei den Kirchenbehörden und nicht mehr bei der Justiz angestellt wurden. Diese Änderung war den Erfahrungen der Vergangenheit geschuldet, denn das Interesse der Kirchenbehörden an der spätestens seit Mitte des 18. Jahrhunderts fest im Strafvollzug etablierten Gefängnisseelsorge war zunächst eher gering. Dieser Effekt, resultierte aus der Anstellung der Gefängnisgeistlichen beim Staat, wodurch diese – zumindest in der Wahrnehmung der eigentlich für diese Geistlichen verantwortlichen Konsistorien – außerhalb des kirchlichen Kontextes agier38 Werner Gentz, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin, 18. 1. 1946 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 2). Gemäß dem angegebenen Verteiler gingen Kopien dieses Schreibens zur Kenntnis an Generalstaatsanwalt Scheidges beim Kammergericht – Strafvollzugsamt – sowie an Poelchau. 39 Vgl. Kurt Scharf, Schreiben an die Zentrale Justizverwaltung, Berlin, 15. 3. 1946 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 4). 40 Vgl. Harald Poelchau, Dienstanweisung (Entwurf), o. Datum (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 10–13). Der Entwurf ist mit stenographischen Korrekturen versehen. 41 Vgl. Rückfrage von Oberst Wassili W. Bukanow, dem stellvertretenden Chef der Rechtsabteilung der SMAD, vom 7. 9. 1946 an Eugen Schiffer: „Ich bestätige den Empfang Ihres Schreibens Nr. IV a 871/46 vom 30. 7. 1946 über die Frage der seelsorgerischen Betreuung im Gefängnis und bitte um Mitteilung, von welchen deutschen Rechtsnormen sich der Verfasser dieses Entwurfs einer DA für evangelische Pfarrer bei den Gefängnissen der Justizverwaltung leiten ließ.“ (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 33). Die Antwort Schiffers vom 27. 9. 1946 lautete: „Dem Entwurf der DA für die evangelischen Geistlichen in den Gefangenenanstalten der Justizverwaltung der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland liegt die DA vom 24. 5. 1924 (Allgemeine Verfügung vom 3. 7. 1924) aus dem Preuß. Justizministerialblatt Nr. 24 Seite 271 f. zu Grunde.“ (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 34). Die gegenüber dem ersten Entwurf der DA und auch allen weiteren Überarbeitungen derselben wesentlich umfangreichere und detaillierter Dienstanweisung der Justizverwaltung Preußen ist abgedruckt bei Klein, Vorschriften, 684–692.
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ten. Die Konsistorien der Landeskirchen taten sich daher teils schwer, ihre Dienstaufsicht gegenüber den Gefängnisseelsorgern wahrzunehmen, und mussten vom EOK aufgrund nicht durchgeführter Visitationen in den Strafanstalten angemahnt werden. Auch gab es Defizite in der Zusammenarbeit von Anstaltsseelsorgern und Gemeindepfarrern. Zwar bemühte sich der EOK ab den 1880er Jahren um mehr Integration der Gefängnisseelsorger in die kirchlichen Strukturen, jedoch waren die Erfolge eher bescheiden.42 Wohl auch, um diesem Missverhältnis entgegenzutreten, enthielt die DA – wie auch schon Jannaschs Entwurf – unter § 2 eine Neuerung, die das Angestelltenverhältnis der Seelsorger betraf und auf die Präses Scharf in seinem Anschreiben an die DJV explizit hinwies: „In dem gleichzeitig von uns vorgelegten Entwurf einer Dienstanweisung für die evangelischen Geistlichen an den Gefangenen-Anstalten der Justizverwaltung ist vorgesehen, daß im Gegensatz zur bisherigen Handhabung künftig die Kirchenbehörde – im Einverständnis mit der Zentralen Strafvollzugsbehörde – die hauptund nebenamtlichen Geistlichen anstellt.“43
Diese Änderung wurde in § 2 der DA dahingehend begründet, „dass die Tätigkeit des Geistlichen, wenn sie wirklich eindringen solle, die Freiheit seiner Stellung im Rahmen der Anstalt verlangt“44. Das Argument verdeutlicht die schwierige Position zwischen Kirche und Staat, in der sich die Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger befanden bzw. befinden, und die hieraus zwangsläufig entstehenden Probleme der Zugehörigkeit und Identifikation mit den beteiligten Institutionen. Der Vorschlag, die Seelsorger bei den Kirchen anzustellen, kam – sei es absichtlich oder unabsichtlich – dem sowjetischen Staatsverständnis, das eine strikte Trennung von Staat und Kirche vorsah, entgegen. Auch war genau dieser Vorschlag bereits Bestandteil der im Oktober 1945 von der DJV entwickelten „Leitgedanken“45 gewesen und mit diesen den Justizverwaltungen der Länder und Provinzen als Arbeitsgrundlage kommuniziert worden. Bezüglich der Anstellung der im Strafvollzug tätigen Geistlichen bei den Kirchen herrschte zwischen letzteren und der deutschen Justiz also Einigkeit. Ungleich schwieriger war die Frage nach der Finanzierung der Anstaltsseelsorge. Scharf sprach das Problem in einem Schreiben an die DJV offen an und bat diesbezüglich um Hilfe:
42 Vgl. Schauz, Strafen, 279, 386. 43 Kurt Scharf, Schreiben an die Zentrale Justizverwaltung, Berlin, 15. 3. 1946 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 4). 44 Vgl. Harald Poelchau, Dienstanweisung (Entwurf), ohne Datum (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 10–13). 45 Vgl. Eugen Schiffer; Werner Gentz, Leitgedanken, 16. 10. 1945 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 50–52).
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„Wir erlauben uns hierdurch die Anfrage, ob die Zentrale Justiz-Verwaltung zu den der Kirche dadurch [gemeint ist hier die Anstellung der Seelsorger-SiSt.] entstehenden Kosten eine pauschale Beihilfe zu geben bereit und in der Lage ist. Es würde sich allein in Berlin und Brandenburg um der Kirche neu entstandene Aufwendungen von jährlich 6 x 6.000 RM Gehalt handeln, für die wir einen staatlichen Besoldungszuschuß kaum würden entbehren können.“46
Die DJV, in Kenntnis des sowjetischen Standpunktes und der damit verbundenen Unmöglichkeit einer Unterstützung aus staatlichen Kassen für kirchliche Tätigkeiten, reagierte auf die Bitte des Präses abschlägig und leitete diese auch nicht an die SMAD weiter: „Angesichts der der gegenwärtigen Staatsauffassung zugrundeliegenden Trennung staatlicher und kirchlicher Obliegenheiten, sehe ich mich leider nicht in der Lage, über die Zugeständnisse des § 4 hinaus, die von Ihnen erbetene pauschale Beihilfe, zu den Gehaltsaufwendungen der Geistlichen, vorzuschlagen.“47
Scharf ruderte daraufhin mit seinen Forderungen zurück und unterbreitete der DJV mit Schreiben vom 3. Juni 1946 den Vorschlag, eine Dienstaufwandsentschädigung für die haupt- und nebenamtlichen Gefängnisseelsorger zu gewähren, wie dies im Bereich Berlin Stadt bereits geschehe. Im Juli 1946 richtete Bischof Dibelius ein Schreiben direkt an Schiffer, in dem er berichtete, dass die Seelsorge zumindest an den Gefangenen, die nach ihr verlangten, nun durchgängig geschehe, jedoch durch die Überbelegung der Haftanstalten erschwert sei.48 Zudem bedinge die hohe Anzahl an plötzlichen Verhaftungen einen verstärkten Einsatz der Kirche in der Fürsorge, da viele Familien gänzlich ohne Information über den Verbleib ihrer Angehörigen und völlig hilflos allein zurückgelassen seien. Die Kirche würde hier gerne unterstützend eingreifen, jedoch sei ihr das aufgrund ihrer katastrophalen Einnahmesituation nicht möglich. Die finanzielle Situation der Kirche im Westen sei ungleich besser, trotzdem würden staatliche Mittel für die Gefängnisseelsorge bereitgestellt. Mit gleichem Schreiben bat Dibelius, die Situation der Gefängnisseelsorge im persönlichen Gespräch in den Räumen der DJV zu erörtern.49 Schiffer gab der Bitte des Bischofs nach, worauf es am 29. Oktober 1946 zu einem Treffen von Dibelius, Scharf und Mitgliedern der DJV kam.50
46 Vgl. Kurt Scharf, Schreiben an die Zentrale Justizverwaltung, Berlin, 15. 3. 1946 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 4). 47 DJV, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin, 16. 5. 1946 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 9). Das Anschreiben trägt keine Unterschrift. Am unteren Rand des Blattes befinden sich die Unterschriftenkürzel von Schiffer und Gentz. 48 Vgl. Otto Dibelius, Schreiben an Eugen Schiffer, Berlin-Dahlem, 25. 7. 1946 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 25). 49 Ebd. 50 Harald Poelchau, Protokoll (Entwurf), 29. 10. 1946 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 36 f.). Das
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Die Idee zu diesem Gespräch stammte ursprünglich nicht von Dibelius, sondern von Poelchau. Poelchau hatte sich an Scharf mit der Bitte gewandt, dass dieser Dibelius den Vorschlag unterbreiten möge, direkt in Kontakt mit Schiffer zu treten, um im persönlichen Gespräch die Belange der Gefängnisseelsorge voranzutreiben.51 Dieses Vorgehen lässt den Rückschluss zu, dass sich Poelchau, dem sowohl Schiffer als auch Dibelius persönlich bekannt waren, von einem direkten Zusammentreffen beider Männer bessere Erfolgsaussichten für eine Regelung der Gefängnisseelsorge versprach als durch ausschließlich schriftlich geführte Verhandlungen. Auch hier fällt auf, dass Poelchau als Angestellter der DJV – wie schon im Fall des Entwurfs der DA – immer zugleich für seine landeskirchlichen Vorgesetzten handelte. Bei der Neuorganisation der Gefängnisseelsorge in der SBZ im Schnittfeld des Agierens von Kirche und Justiz nahm er somit zweifellos eine einzigartige Schlüsselrolle ein. Zur Vorbereitung des Gesprächs mit Schiffer hatte Dibelius darum gebeten, zuvor über die Anstellungsverhältnisse der Gefängnisseelsorger im Westen unterrichtet zu werden.52 Gemäß dem Protokoll über das Gespräch mit Schiffer favorisierte Dibelius gegenüber der DJV das hessische Modell für den Einsatz in der SBZ. Dieses sah ebenfalls eine Anstellung der Seelsorger durch die Kirche vor, allerdings sollte die Justiz der Kirche alle durch die Seelsorge entstandenen Aufwendungen erstatten. Der Vorteil hierbei sei, so Dibelius, dass „die Wirksamkeit der Strafanstaltsgeistlichen, wenn sie nicht Staatsbeamte sind, freier und durch ihre Unabhängigkeit tiefgreifender sein dürfte“53. Vom Grundsatz her waren sich Dibelius und Schiffer über die hohe Bedeutung der Gefängnisseelsorge einig. Auch sei die Gefängnisseelsorge gemäß Schiffer „[…] zweifelsohne genau so sehr ein Anliegen des Staates wie der Kirche und die Deutsche Justizverwaltung sei bereit, die Gefängnisseelsorge in jeder Weise zu fördern und zu unterstützen. Er betrachte die Gefängnisseelsorge als einen essentiellen Bestandteil der Strafrechtspflege und damit des Rechtes selbst.“54
Obwohl Schiffer der Gefängnisseelsorge einen so hohen Stellenwert einräumte, stellte er klar, dass der Staat keinesfalls die gesamten Kosten, welche durch die Gefängnisseelsorge entstehen würden, allein tragen könne, vielmehr müssten diese Lasten zwischen Kirche und Staat aufgeteilt werden. Eine finanzielle Entschädigung von staatlicher Seite in dem Umfang, wie dies in Hessen geschehe, käme für die SBZ nicht in Frage, jedoch einigten sich Schiffer
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Protokoll ist lediglich im Entwurf erhalten und mit zahlreichen kleineren und auch größeren Überarbeitungen versehen. Vgl. Kurt Scharf, Schreiben an Harald Poelchau, Berlin-Dahlem, 7. 6. 1946 (ELA Berlin 11/924, o. Pag.). Ebd. Harald Poelchau, Protokoll (Entwurf), 29. 10. 1946 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 36 f.). Hier auch das Folgende. Ebd. Bl. 36/2.
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und Dibelius auf eine Lösung in Anlehnung an das Berliner Modell: Die Justizverwaltungen der Länder sollten abhängig von der Anzahl der zu betreuenden Anstalten direkt an die Kirchen einen Pauschalbetrag auszahlen, der nicht unter der in Berlin vereinbarten Summe von 100,00 RM für die hauptamtlichen und 50,00 RM für die nebenamtlichen Seelsorger liegen solle. Schiffer und die Abteilung Strafvollzug standen nun allerdings vor dem Problem, dass zwar ein Verhandlungsergebnis vorlag, dieses jedoch gegenüber den Justizverwaltungen der Länder mittels Rundverfügung oder einer anders gearteten Anweisung nicht durchsetzbar war. Aus eben diesem Grund entschied man sich, verfahrensmäßig einen Umweg zu gehen. Der Generalstaatsanwalt von Gera, Friedrich Kuschnitzky (LDP),55 hatte bereits am 9. August 1946 die Vergütung der Anstaltsseelsorger gegenüber der DJV thematisiert und diesbezüglich auf eine Entscheidung gedrungen.56 Die DJV ging nun so vor, dass sie das daraufhin am 2. Dezember 1946 an Kuschnitzky verfasste Antwortschreiben nicht nur nach Gera, sondern in Abschrift zugleich an alle Justizabteilungen der Länder und Provinzen sandte. Zur Gewährung von Aufwandsentschädigungen und zur Bezahlung der Anstaltsgeistlichen nahm Gentz in diesem Schreiben wie folgt Stellung: „…meinerseits bestehen keine Bedenken dagegen das ihnen [den Gefängnisseelsorgern –SiSt] die ihnen erwachsenen Aufwendungen (Portokosten, Fahrgelder, Schreibhilfen usw.) sei es auf Grund rechnungsmässig belegter Aufstellungen, sei es Pauschaliter [sic] im Rahmen der verfügbaren Etatsmittel erstattet werden. Dagegen halte ich es im Hinblick darauf, das die Justizverwaltung davon absieht, ihrerseits Geistliche in den Gefangenenanstalten anzustellen (vergl. Ziffer XVIII der Richtlinien vom 16. Oktober 1945), nicht für angezeigt, auch diejenigen Kosten auf die Justizkasse zu übernehmen, die durch die Besoldung der Geistlichen erwachsen.“57
Damit enthielt das Schriftstück, anders als im Gespräch mit Dibelius vereinbart, keine am Berliner Modell angelehnte Richtlinie, sondern ließ die Höhe der durch die Justiz der Länder und Provinzen an die Kirche zu zahlenden Aufwandsentschädigungen für die Gefängnisseelsorge völlig offen bzw. machte es durch die Formulierung „im Rahmen der verfügbaren Etatsmittel“ 55 Der ab 1. 3. 1946 als Generalstaatsanwalt in Thüringen tätige Kuschnitzky hatte vor seinem Amtsantritt acht Jahre Lagerhaft in den KZs Buchenwald und Groß-Rosen durchlebt. Er wird von Petra Weber als unabhängiger und hochgebildeter Jurist beschrieben. Kuschnitzky hatte bereits unter Schiffer gearbeitet und teilte mit diesem die Einschätzung, dass Rechtssystem und Volk voneinander entfremdet seien. Kuschnitzky engagierte sich für den Aufbau eines demokratischen Rechtsstaats und hielt an der akademischen Ausbildung der Richter fest (vgl. Weber, Justiz, 33). 56 Friedrich Kuschnitzky, Schreiben an die DJV, Gera, 9. 8. 1946 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 28). 57 Werner Gentz, Schreiben an die Justizverwaltungen der Länder und Provinzen, Berlin, 2. 12. 1946 (EZA Berlin, 7/1824, o. Pag.).
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möglich, dass diese mit Hinweis auf eine desolate Haushaltssituation – also den zu diesem Zeitpunkt in der SBZ allgemein herrschenden Zustand – völlig verweigert werden konnte. Das Vorgehen der DJV, den Justizverwaltungen der Länder und Provinzen in Form der Abschrift eines Antwortschreibens an einen Generalstaatsanwalt eine als Information getarnte Anweisung zukommen zu lassen, war der Versuch, diesen trotz der unklaren Lage hinsichtlich des Weisungsrechts eine Weisung zu erteilen. Denn es entsprach der Auffassung Schiffers, dass der Aufbau der Justiz in der SBZ eine Zentralisierung der Gesetzgebung und der Gesetzesauslegung beinhalten müsse.58 Dies sei, so Schiffer, „die Voraussetzung aller Ordnung, besonders jeder normal funktionierenden Wirtschaft“59. Jenseits des begründeten Zweifels, ob die DJV aufgrund ihrer dünnen Personaldecke dazu überhaupt in der Lage gewesen wäre,60 scheiterte das Bestreben Schiffers aber auch an dem selbstbewussten Auftreten der Landes- und Provinzialverwaltungen.61 Schiffer wich zwar auch weiterhin nicht von seinem Kurs der Zentralisierung der Justiz ab und versuchte, die Rechte der DJV gegenüber denen der Landes- und Provinzialverwaltungen zu stärken, jedoch war er sich, wie sein Vorgehen bei den Aufwandsentschädigungen für die Gefängnisseelsorger nahelegt, des Konfliktpotentials, das das Verabschieden einer Rundverfügung mit sich gebracht hätte, bewusst. Im Folgenden seien einige Beispiele angeführt, die zeigen, wie die Landesund Provinzialverwaltungen die ihnen durch das Schreiben der DJV vom 2. Dezember 1946 zugestandenen Freiräume bei der Finanzierung der Gefängnisseelsorge nutzten. So findet sich in den Beständen des EZA in Berlin zum Thema der Einstellung und Entschädigung von Geistlichen bei den Justizvollzugsanstalten eine Rundverfügung, die von der Provinzialregierung der Mark Brandenburg am 14. Februar 1947 erlassen und vom Minister der Justiz des Landes Brandenburg, Ernst Stargardt, unterzeichnet wurde.62 Diese ordnete mit der Begründung, dass die Tätigkeit der Geistlichen auch Aufgaben umfasse, welche dem Strafvollzug dienten, eine Entschädigung der hauptamtlichen Seelsorger in Höhe von 100,00 RM an und folgte damit den Vorschlägen der DJV. Bei den nebenamtlichen Seelsorgern sollte eine Staffelung der Entschädigung gelten, die sich nach der Anzahl der zu betreuenden Ge-
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Vgl. Wentker, Justiz, 80. Zitiert nach ebd. Vgl. Welsh, Zentralverwaltung, 221. Zur Problematik des nicht zweifelsfrei geklärten Weisungsrechts zwischen der DJV und den Landes- und Provinzialverwaltungen insbesondere im Kap. A Anm. 62 sowie den Abschnitt „Der Konflikt um das Weisungsrecht und das Statut der DJV 1945 / 46“ bei Wentker, Justiz, 79–89. 62 Ernst Stargardt, Rundverfügung Nr. 45/VI (1947), Potsdam, 14. 2. 1947 (ELA Berlin, 11/924, o. Pag.). Hier auch das Folgenende.
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fangenen richtete.63 Weiterhin beinhaltete die Rundverfügung den Beschluss, dass den Geistlichen 10 % der ihnen entstandenen Aufwendungen z. B. für Messwein und Kerzen, aber auch Kosten für die Anfahrt zu erstatten seien. In Schwerin hatte der Generalstaatsanwalt den Oberkirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs bereits am 11. November 1946 – also einige Wochen vor dem Eintreffen der Empfehlungen der DJV – davon in Kenntnis gesetzt, dass er der Wiederaufnahme der Seelsorge durch die Kirche grundsätzlich zustimme, wobei aufgrund der schlechten finanziellen Situation aber nicht mit einer Kostenbeteiligung der Justiz nicht zu rechnen sei. Dies sei allerdings, so der Oberkirchenrat Werner de Boor in seinem Bericht zum Stand der Gefängnisseelsorge in der Landeskirche Mecklenburg an die Kirchenkanzlei, „selbstverständlich kein Hindernis für die Ausübung des Dienstes“64. Völlig anders gestaltete sich die Situation in Thüringen. Generalstaatsanwalt Kuschnitzky ging in seinem am 23. August 1947 verfassten Schreiben an „die Herren Vorstände der Vollzugsanstalten des Bezirks“ über die ihm von Schiffer vorgeschlagene Regelung der Entschädigungsleistungen für die im Strafvollzug tätigen Geistlichen weit hinaus.65 Er verfügte, dass der Kirche alle ihr durch die Durchführung der Anstaltsseelsorge tatsächlich entstehenden Kosten – wie z. B. Reisekosten oder Auslagen für Porto ebenso wie 2/3 der Besoldung der Anstaltsseelsorger –, aus den Mitteln der Justiz zu erstatten seien.66 In der EKKPS war den im Strafvollzug beschäftigten Anstaltspfarrern bereits zur Jahresmitte 1946 – immerhin mit der Option, die Seelsorge zukünftig unentgeltlich leisten zu dürfen – durch die Anstaltsleitungen gekündigt worden.67 Letztere begründeten die Maßnahme mit der Weisung des Präsidenten der Provinz Sachsen vom 3. Juni 1946,68 die sich wiederum auf eine angeblich durch die DJV in Berlin ergangene Anweisung bezog. Da eine solche nicht nachweisbar ist, ist anzunehmen, dass es sich hierbei um die eigentlich von Schiffer und Gentz als Impuls gedachten „Leitgedanken“ vom 16. Oktober 1945 handelte, gemäß denen die Anstellung und Besoldung der Anstalts63 Bei der Betreuung von 20–50 Gefangenen sollten 30,00 RM erstattet werden, bei 50–70 Gefangenen 40,00 RM, bei mehr als 70 Gefangenen 50,00 RM. 64 Werner de Boor, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Schwerin, 26. 2. 1947 (EZA Berlin, 4/731, o. Pag.). 65 Friedrich Kuschnitzky, Schreiben an die Herren Vorstände der Vollzugsanstalten des Bezirks, Gera, 23. 8. 1947 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 81). 66 Ebd. Diese Anordnung Kuschnitzkys galt auch für die katholische Gefängnisseelsorge. Wolfgang Tischner bezeichnet dieses weitgehende Entgegenkommen des Generalstaatsanwaltes, als „besonderer ,Thüringer Weg‘“ (Tischner, Kirche, 436). Martin Fischer belegt für die katholische Gefängnisseelsorge in Thüringen, dass die zugesagten finanziellen Mittel bis Juli 1951 tatsächlich flossen (Fischer, Gott, 183, 192). 67 Vgl. Paul Maruhn, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Naumburg, 21. 6. 1946 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 b, o. Pag.). 68 Vgl. Der Präsident der Provinz Sachsen, Entschädigung, 3. 6. 1946 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 78).
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pfarrer zukünftig in den Verantwortungsbereich der Kirchen übertragen werden sollten. Neun Monate später, am 26. März 1947, erging vom Konsistorium der EKKPS ein Rundschreiben an die Superintendenten der Kirchenkreise, mit der Aufforderung, darauf zu achten, wann die in den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen gelegenen Strafanstalten aus russischer Hand wieder an die deutschen Behörden übergeben werden würden.69 Sobald dies geschehe, sei die Seelsorge dort umgehend wieder aufzunehmen. Bezüglich einer zu leistenden Aufwandsentschädigung bezog man sich nun wieder auf das Schreiben der DJV an den Generalstaatsanwalt in Gera vom 2. Dezember 1946, das die Erstattung der bei der Durchführung der Seelsorge entstandenen Kosten gegen Vorlage der Belege oder pauschal empfohlen hatte. Über diese Kosten hinaus nehme man jedoch an, „dass die Seelsorge an der dortigen Gefangenenanstalt [gemeint ist jeweils die StVA, die im Gebiet des Kirchenkreises liegt – SiSt.] ehrenamtlich ausgeübt werden kann.“70 Für die mit der Seelsorge beauftragten Pfarrer und Fürsorgerinnen bedeutete dies faktisch nichts anderes, als dass sie die Gefängnisseelsorge zusätzlich zur Gemeindearbeit, jedoch ohne finanziellen Ausgleich, übernehmen mussten. Zwar stand nun wieder die Erstattung der Aufwendungen durch die Justiz im Raum, ob diese aber wirklich geleistet bzw. überhaupt durch die Kirche geltend gemacht wurde, ließ sich nicht ermitteln. Dass ehrenamtlich übernommene Seelsorge bereits vor dem Erlass des Konsistoriums der EKKPS vom 26. März 1947 Praxis war, zeigt das Beispiel des im Naumburger Gefängnis tätigen und Seelsorgers Paul Maruhn: Obwohl ihm sein seit 1934 bestehender Dienstvertrag durch die Anstaltsleitung mit Schreiben vom 21. Mai 1946 gekündigt worden war,71 verrichtete Maruhn mindestens bis zum Sommer 1947 weiterhin den seelsorgerlichen Dienst in der Naumburger Strafanstalt.72 1.1.3 Der Einsatz von Hilfskräften in der Gefängnisseelsorge Ein weiteres Beispiel einer von der DJV in Kooperation mit der EKIBB betriebenen Maßnahme im Sinne des Reformvollzugs war der zum Ende des Jahres 1946 geplante Einsatz freiwilliger Hilfskräfte im Strafvollzug. „Führende Organe des öffentlichen Lebens, insbesondere von der Leitung der Frauenausschüsse“ waren an die DJV herangetreten, um die Möglichkeiten 69 Vgl. Konsistorium der KPS, Gefängnisseelsorge, 26. 3. 1947 (AKPS, Magdeburg, Rep. gen., Nr. 246 c, o. Pag.). 70 Ebd. 71 Vgl. Paul Maruhn, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Naumburg, 21. 6. 1946, (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 b, o. Pag.). 72 Vgl. ders., Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Naumburg, 22. 3. 1947 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 b, o. Pag.).
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des Engagements ehrenamtlich engagierter Laien im Strafvollzug zu erfragen. Gentz griff den Vorschlag auf und empfahl den Justizabteilungen der Länder und Provinzen, die Mitarbeit freiwilliger Hilfskräfte im Strafvollzug zuzulassen.73 Im EZA in Berlin sind „Richtlinien für die Einstellung freiwilliger Hilfskräfte in die fürsorgerische und erzieherische Arbeit beim Strafvollzug“74 sowie ein „Merkblatt für freiwillige Hilfskräfte als Gefängnisbesucher“75 überliefert. Scharf sandte beide Dokumente am 6. Juni 1947 an die Superintendenten und die Gefängnisgeistlichen im Aufsichtsbereich der EKiBB und bezog sich dabei auf die Bemühungen der DJV vom Oktober 1946. Er kommentierte: „Die Deutsche Justizverwaltung der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland hat den Justizabteilungen der Länder und Provinzen empfohlen, die Mitarbeit freiwilliger Hilfskräfte zuzulassen“76. Die dem Anschreiben beigefügten Richtlinien und das Merkblatt enthalten detaillierte Ausführungen zu den Aufgaben und dem Anforderungsprofil der freiwilligen Hilfskräfte, die deutlich den Reformgeist der HA SV erkennen lassen. So sollten die Hilfskräfte die Fürsorger, aber auch die Lehrer bei der Fortbildung der Gefangenen unterstützen. Weiterhin sollte jede Hilfskraft drei bis sechs Gefangene regelmäßig besuchen. „Der Wert des Besuches der Gefangenen durch freie Hilfskräfte des Strafvollzugs besteht darin, daß durch sie dem Gefangenen für sein Fortkommen und seine Entwicklung notwendige Fühlung mit der Welt ausserhalb der Gefängnismauern vermittelt wird und daß er durch den Blick auf die Erfordernisse und Möglichkeiten des freien Lebens und durch die Einsicht für sie, vor der Gefahr bewahrt wird, in eine Zellen- oder Haftversponnenheit hineinzugleiten.“77
Die Besuche sollten unter vier Augen stattfinden, wobei die freiwilligen Hilfskräfte dazu angehalten werden sollten, den Gefangenen für die Zeitspanne bis zum nächsten Besuch „kleine geistige Aufgaben zu stellen, an denen sie innerlich in der Zwischenzeit wachsen können. Diese können beispielsweise in bestimmter Lektüre bestehen, oder in bestimmten Fragestellungen, auf die bei dem nächsten Besuch eine Antwort erforderlich wird“78. In seinem Anschreiben an die Gefängnisgeistlichen und Superintendenten bat Scharf, dass die Gefängnis-Geistlichen sich entsprechend dieser Vereinbarung um die Mitarbeit freiwilliger Hilfskräfte „ernstlich bemühen“ sollten, und
73 Vgl. Werner Gentz, Schreiben an die Justizabteilungen der Länder und Provinzen, Berlin, 29. 10. 1946 (ELA Berlin, 1/924, o. Pag.). 74 O. Vf., Richtlinien, Juni 1947 (EZA Berlin, 7/1824, o. Pag.). 75 O. Vf., Merkblatt, Juni 1947 (EZA Berlin, 7/1824, o. Pag.). 76 Kurt Scharf, Schreiben an die Herren Gefängnis-Geistlichen unseres Aufsichtsbereiches, Berlin 6. 6. 1947 (EZA Berlin, 7/1824, o. Pag.). 77 O. Vf., Merkblatt, Juni 1947 (EZA Berlin, 7/1824, o. Pag.). 78 Ebd.
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forderte zum 1. Oktober Bericht zum Stand der Einbindung der Freiwilligen in die Gefängnisseelsorge.79 Abgesehen davon, dass es für eine Zustimmung der Justizverwaltungen der Länder und Provinzen zu den Plänen der DJV betreffend die Einbindung Freiwilliger im Strafvollzug der SBZ keine Hinweise gibt, zeugt sowohl dieses Ansinnen der DJV als auch das Begleitschreiben Scharfs an die Superintendenten und Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger von einer vollständigen Fehlinterpretation der sowjetischen Auffassung vom Strafvollzug und von der Mitarbeit der Kirchen in diesem. Die Einsicht, dass das Staat-Kirche-Verhältnis in der SBZ ein völlig anderes war, als man erhofft hatte, setzte sich bei den leitenden Persönlichkeiten der evangelischen Kirche offensichtlich nur sehr langsam durch. 1.2 Die Situation in den weiteren östlichen Landeskirchen 1.2.1 Die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen Neben den oben skizzierten Bemühungen der EKiBB um die Gefängnisseelsorge, die direkt mit der in Berlin ansässigen DJV in Verhandlung getreten war, lassen sich zum Jahresanfang 1946 auch kirchliche Aktivitäten in der Gefängnisseelsorge in der EKKPS feststellen. Ausgangspunkt war auch hier Berlin, denn mit Erlass vom 20. Februar war der EOK an die östlichen Landeskirchen herangetreten und hatte diese um Informationen zum Stand der Gefängnisseelsorge in den Gefängnissen der jeweiligen Kirchenkreise gebeten, wobei sich diese frühe Umfrage lediglich anhand der Archivalien der EKKPS belegen lässt. Abgefragt wurden die Orte, in denen sich Gefängnisse befanden, das Fortschreiten der Wiederbesetzung der Stellen der Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger, aber auch die auftretenden Behinderungen bei der seelsorgerlichen Arbeit.80 Das Konsistorium der EKKPS fasste die ihm durch die Superintendenturen im Laufe des Jahres übermittelten Berichte zur Gefängnisseelsorge in einer Aktennotiz mit der Überschrift „Standpunkt Oktober 1946“ zusammen.81 Gemäß den Informationen in dieser Aktennotiz stellte sich die Situation in der EKKPS im Herbst 1946 wie folgt dar: Es gab allein auf dem Territorium der EKKPS 42 Arrestorte, wovon sich 19 in der Hand der operativen Gruppen des 79 Kurt Scharf, Schreiben an die Herren Gefängnis-Geistlichen unseres Aufsichtsbereiches, Berlin 6. 6. 1947 (EZA Berlin, 7/1824, o. Pag.). 80 Der Erlass des EOK liegt nicht vor, jedoch wird im Schreiben des Konsistoriums der EKKPS an die Superintendenten des Aufsichtsbereiches darauf Bezug genommen (vgl. Konsistorium der EKKPS, Schreiben an die Herren Superintendenten des Aufsichtsbereichs, Magdeburg, 8. 3. 1946, AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 b, o. Pag.). 81 Konsistorium der EKKPS, Standpunkt Oktober 1946, Magdeburg (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 b, o. Pag.).
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NKWD / MWD befanden und somit für die Seelsorge nicht erreichbar waren.82 Von den übrigen Haftanstalten waren Beetzendorf, Calbe und Gommern nicht belegt und in Haldensleben und Oschersleben war Gefängnisseelsorge grundsätzlich nicht möglich. Alle weiteren Gefängnisse ermöglichten den Geistlichen den Zutritt,83 wobei die Aktennotiz keine Aussagen über die Art oder die Häufigkeit bzw. Regelmäßigkeit der angebotenen Seelsorge liefert. Das Konsistorium der EKKPS meldete die Ergebnisse der Umfrage am 8. Oktober 1946 an den EOK und fasste die Situation so zusammen: „Eine geregelte Gefängnisseelsorge ist fast nirgends mehr. Verschiedene Verträge, die mit Geistlichen über nebenamtliche Gefängnisseelsorge noch bestanden, sind gekündigt. Es ist den Geistlichen zum Teil freigestellt, unentgeltlich das Seelsorgeamt am Gefängnis weiter auszuüben. Bei den bestehenden deutschen Gefängnissen ist die gelegentliche Seelsorge in den meisten Fällen nicht behindert, die Abhaltung von Gottesdiensten in den Gefängnissen nur an wenigen Orten möglich. […] Sehr erwünscht wäre es, wenn auch für die politischen Häftlinge der Seelsorgebesuch gestattet würde. Wir bitten, wenn das irgend möglich erscheint, sowohl für die Gefängnisse, die von der SMA besetzt sind, wie für die Lager entsprechende Verhandlungen zu führen.“84
1.2.2 Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen Auch der Landeskirchenrat der Thüringer Kirche ermittelte im Winter 1946 mit Hilfe von Fragebögen an die Superintendenturen den Ist-Zustand der Seelsorge in den Landesstrafanstalten und Gerichtsgefängnissen,85 wobei aufgrund der Aktenlage ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Erlass des EOK vom 20. Februar nicht nachweisbar ist, zumal zwischen Erlass und dem 18. November als Abfassungsdatum des Rundschreibens an die thüringischen Superintendenturen neun Monate liegen und nicht feststellbar ist, dass die Erhebung an den EOK weitergeleitet wurde.86 Die Auswertung der Fragebögen 82 Dazu gehörten: Aschersleben, Staßfurt, Gerichtsgefängnis Magdeburg, Osterburg, Quedlinburg, Salzwedel, Stendal, Wernigerode, Halle Strafanstalt, Eisleben, Bad Liebenwerda, Merseburg, Querfurt, Torgau, Gerichtsgefängnis Weißenfels, Amtsgefängnis Wittenberg, Worbis, Erfurt und Schleusingen (vgl. ebd.). 83 Gemäß der Aktennotiz: Genthin, Schönebeck, Burg, Halberstadt, Magdeburg, Wanzleben, Oebisfelde, Naumburg, Sangerhausen, Polizeigefängnis Weißenfels, Gerichtsgefängnis Wittenberg, Zeitz, Gerichtsgefängnis Suhl, Amtsgericht Weißensee, Kolberg-Roßla und KolbergKelbra. In Halle / Saale wurde das Untersuchungsgefängnis durch die Fürsorgerin der ehemaligen Gefängnisgesellschaft Halle Philipp betreut, in Bitterfeld war die Fürsorgerin Kleeberg von der Stadtmission tätig (vgl. ebd.). 84 Konsistorium der KPS, Schreiben an den EOK, Magdeburg, 8. 10. 1946 (EZA Berlin, 7/1824, o. Pag.). 85 Landeskirchenrat der Thüringer Kirche, Fragebogen, 18. 11. 1946 (LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 9). 86 Zu beachten ist allerdings, dass auf dem Begleitschreiben der Fragebögen ursprünglich das
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ergab, dass in den in Benutzung befindlichen großen Strafanstalten Ichtershausen, Untermaßfeld, Gräfentonna und in der Landesfrauenstrafanstalt Hohenleuben die Seelsorge unbehindert und in vollem Umfang geleistet werden konnte.87 Auch in einigen kleinen Gefängnissen wie dem Amtsgerichtsgefängnis in Königsee und dem Untersuchungsgefängnis in Jena war es den Seelsorgern ohne Probleme möglich, mit den Insassen in Kontakt zu kommen. In den Haftanstalten Gera und Eisenach sowie im Untersuchungsgefängnis Jena war Einzelseelsorge auf den Zellen erlaubt.88 In Weimar befand sich die Seelsorge gerade erst im Aufbau, da das Landgerichtsgefängnis aufgrund starker Beschädigungen zunächst nicht nutzbar und nach Instandsetzung von der GPU besetzt war. Erst seit einiger Zeit sei ein neues Amtsgerichtsgefängnis in Nutzung, in dem zumindest ein Weihnachtsgottesdienst habe gehalten werden können. Die Superintendentur in Weimar verhandle zudem mit dem örtlichen Staatsanwalt über eine regelmäßige seelsorgerliche Betreuung der Gefangenen.89 Auch im Thüringer Strafvollzug waren Frauen seelsorgerlich tätig, so wurden die weiblichen Gefangenen des Strafgefängnisses in der Mühlhauser Straße in Eisenach durch Vikarin Annemarie Geyer betreut90 und in der Frauenhaftanstalt Hohenleuben existierte dahingehend eine Besonderheit, dass die Leiterin der Anstalt, die promovierte Theologin Edith Marie Pietrusky, auch die Seelsorge an den Insassinnen leistete.91 1.2.3 Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs Positiv schätzte der OKR der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs den Stand der Gefängnisseelsorge in einem Zwischenbericht an die Kirchenkanzlei am 26. Februar 1947 ein.92 Man habe sich bereits im September 1946 an den Generalstaatsanwalt in Schwerin gewandt, um dessen Erlaubnis zur Wiedereinführung der Gefängnisseelsorge einzuholen. Das Anliegen sei positiv beschieden worden – wenn auch mit der Einschränkung, dass sich die Justiz finanziell nicht an der Seelsorge beteiligen würde. Mittlerweile wurden alle Strafanstalten im Land bis auf Bützow-Dreibergen als
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Datum 19. September eingetragen war, das jedoch gestrichen und durch den 18. November ersetzt wurde. Auch der Abgabetermin der Fragebögen wurde angepasst, vom 15. 10. 1946 auf den 15. 2. 1947 (vgl. ebd.). Vgl. Landeskirchenrat der Thüringer Kirche, Seelsorge in Landesstrafanstalten und Gerichtsgefängnissen, Eisenach, ohne Datum (LKA Eisenach A 520-3, Bl. 48). Ebd. Richard Gustav Kade, Schreiben an den Thüringer Landeskirchenrat, Weimar, 27. 12. 1947 (LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 47). Vgl. Georg Rohrbach, Fragebogen, Eisfeld, 27. 11. 1946 (LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 18). Landeskirchenrat der Thüringer Kirche, Seelsorge in Landesstrafanstalten und Gerichtsgefängnissen, Eisenach, ohne Datum (LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 48). Werner de Boor, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Schwerin, 26. 2. 1947 (EZA Berlin, 4/731, o. Pag.).
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größte wieder seelsorgerlich betreut. Für Bützow-Dreibergen sei, so hieß es, aufgrund der Größe ein hauptamtlicher Seelsorger von Nöten, man habe allerdings noch keine geeignete Kraft gefunden.93 Die Seelsorge in Mecklenburg könne insgesamt als „befriedigend geregelt“94 angesehen werden, man würde sich lediglich mehr Zeit für diese wünschen, was aber aufgrund der angespannten personellen Situation nicht möglich sei. 1.2.4 Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens Für Sachsen lassen sich schon früher als in den bislang benannten Ländern und Provinzen erste Behinderungen der Gefängnisseelsorge nachweisen, deren Ursprung in der intensiven kommunistischen Durchdringung der Landesverwaltung und des Polizeiapparates zu suchen ist.95 Hier verfügte der für die Justiz zuständige Vizepräsident der Landesverwaltung, Reinhard Uhle (LDP), am 12. März 1946 per Rundverfügung Nr. 150, dass zwar jedem Gefangenen der Zuspruch eines Geistlichen seines Bekenntnisses zustehe, machte jedoch im gleichen Schreiben eine Einschränkung, die sich über das Ende des Untersuchungszeitraums hinaus für die Kirchen als hinderlich bei der Durchführung der Seelsorge erweisen sollte und zugleich das Aus für die von den Kirchen angestrebte sogenannte nachgehende Seelsorge96 bedeutete: „Geistliche“, so Uhle, „haben auf Anforderung der Anstalten Zutritt und sind zum Besuch der Gefangenen berechtigt, die diesen ausdrücklich gewünscht haben“97. 93 Dies muss sich im Laufe des Jahres geändert haben, da sich in den Unterlagen der DJV ein an Poelchau adressiertes, vom Oktober 1947 datierendes Schreiben befindet, dessen Absender Erwin Schlagowski sich als Strafanstaltsgeistlicher von Bützow-Dreibergen auswies und Poelchau um die Übernahme eines Referates auf der für Dezember geplanten Rüstzeit für Gefängnisseelsorge bat (vgl. Erwin Schlagowksi, Schreiben an Harald Poelchau, Bützow-Dreibergen, 07. 10. 1947, BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 94). 94 Werner de Boor, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Schwerin, 26. 2. 1947 (EZA Berlin, 4/731, o. Pag.). 95 Zum Aufbau der sächsischen Landesverwaltung unter der Führung des 1. Vizepräsidenten und späteren Innenministers Fischer vgl. Richter / Schmeitzner, Entfernt, 84–86. 96 Die nachgehende Seelsorge beinhaltet das aktive Bemühen des Anstaltsseelsorgers um die Insassen, ohne dass diese einen konkreten Wunsch danach formuliert hätten. In der DA für die evangelischen Geistlichen an den Gefangenenanstalten der Justizverwaltung in Preußen vom 24. 5. 1924 war die nachgehende Seelsorge noch als verpflichtend für den Geistlichen festgelegt worden. So hieß es hier unter IV, § 12, Abs. 2: „Der Geistliche hat tunlichst alle Gefangenen kurz nach ihrer Einlieferung und vor ihrem Abgange zu besuchen. Er kann sich nicht darauf beschränken, sich nur denjenigen Gefangenen, welche ausdrücklich nach ihm verlangen, jederzeit zur seelsorgerlichen Unterredung zur Verfügung zu stellen, sondern es soll ihm selbstverständliche Pflicht sein, auch unaufgefordert die Gefangenen von Zeit zu Zeit zu besuchen und sich über ihre inneren Zustände zu unterrichten.“ (Klein, Vorschriften, 688). 97 Reinhard Uhle, Rundverfügung Nr. 150, Dresden, 12. 3. 1946 (LKA Dresden, 2/292, Bl. 12). Dieser Passus wurde, leicht abgewandelt, in § 5 der im Sommer 1947 in Kraft getretenen „DA für
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Das Land Sachsen betrat mit der Erhebung des Wunsches des Gefangenen zur Grundvoraussetzung für die Seelsorge kein Neuland, sondern griff lediglich eine Tradition des Nationalsozialismus auf. Auch hier hatte auf der Basis der Strafvollzugsordnung vom 22. Juli 1940, die erste Einschränkungen für die Gefängnisseelsorge im Dritten Reich einleitete, eine Anordnung bestanden, die direkte Gespräche zwischen Gefangenen und Geistlichen nur noch „auf ihren eigenen, unbeeinflussten und ausdrücklichen Wunsch“98 zuließ. Das sächsische Vorgehen wurde zudem von Punkt 18 der durch die DJV im Oktober 1945 an die Justizverwaltungen versandten „Leitgedanken“ gestützt. Diese betonten die Vermeidung eines jeglichen religiösen Zwangs im Strafvollzug,99 wodurch der Impuls für eine religiöse Betreuung nun in die Verantwortlichkeit des Inhaftierten fiel. Die Geistlichen verloren somit das Recht, Gefangene selbst einzubestellen, was eine Schwächung der Stellung der Kirchen im Strafvollzug bedeutete, die sich im Besonderen auf die Betreuung der Neuzugänge in den Anstalten, denen die Möglichkeit einer seelsorgerlichen Betreuung oftmals nicht bekannt war, auswirkte. Auch erhielten die Gefangenen durch das Anstaltspersonal nur selten die Information, dass der Wunsch nach seelsorgerlicher Betreuung durch einen Geistlichen offiziell, zumeist mittels eines schriftlichen Gesuchs zu stellen war. Im Kern handelte es sich somit bei der Einführung der Wunschseelsorge nicht um eine Stärkung der Rechte und der Teilhabe der Gefangenen, sondern um eine auf kirchen- bzw. religionsfeindlicher Ideologie basierende Repressalie, die nicht nur den Kontakt zwischen Gefangenen und Seelsorgern erschwerte, sondern auch den Einfluss der Kirche in den Strafanstalten – wie in der Gesellschaft überhaupt – marginalisieren sollte. Die Anordnung Uhles wurde durch Erich Schwarz, den Strafanstaltspfarrer der Haftanstalt Waldheim, entsprechend scharf kritisiert: „Evangelische Gefangene sind Glieder der evangelischen Kirche; diese zu besuchen dürfte unveräußerliches Recht der Kirche sein, wie es ihr gemäß den demokratischen Grundsätzen des heutigen Gemeinschaftslebens zugesagt ist. Seelsorgerliche Betreuung aller ihrer Glieder – insbesondere der Gefangenen – ist zudem unabweisbare Pflicht der Kirche.“100
Schwarz führte weiter aus, dass er bei Beerdigungen von Anstaltsinsassen regelmäßig von deren Verwandten gefragt werden würde, ob er den Verstorbenen im Rahmen seiner Seelsorgetätigkeit besucht habe. Die Bevölkerung, die evangelischen Geistlichen in den Gefängnissen der Justizverwaltung der sowjetischen Besatzungszone“ übernommen und war ebenfalls Bestandteil der am 3. 7. 1953 erlassenen „Dienstordnung für die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten“. 98 Zitiert nach Oleschinski, Gottesdienst, 384. 99 Vgl. Eugen Schiffer; Werner Gentz, Leitgedanken, 16. 10. 1945 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 50–52). 100 Erich Schwarz, Schreiben an das LKA Sachsen, Waldheim, 23. 3. 1946 (LKA Dresden, 2/310, Bl. 8).
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aber auch der Gefangene selbst, so Schwarz, erachte somit den Besuch des Pfarrers auf dessen eigene Initiative hin als selbstverständlich. Gegenwärtig sei es ihm aber sogar verboten, kranke Insassen zu besuchen, falls ihn diese nicht ausdrücklich darum gebeten hätten.101 In Dresden initiierte die Landesjustizverwaltung Sachsen am 4. Oktober 1946 eine Sitzung, zu der sie kirchliche Vertreter, die Parteien sowie die „staatlichen und kommunalen Behörden“102 einlud. Das erklärte Ziel war es, in Sachen Betreuung und Beratung von Straffälligen während und nach deren Haftzeit zu einem Konsens zu gelangen. Der vom LKA (Landeskirchenamt) Sachsen mit der seelsorgerlichen Betreuung der Straf- und Untersuchungsgefangenen in Dresden beauftragte Pfarrer Johannes Ungethüm formulierte vor diesem Forum die drei kirchlichen Mindestanforderungen an die Gefängnisseelsorge, die über das Bestehen der SBZ hinaus immer wieder Verhandlungsgegenstand von sozialistischem Staat und Kirche waren: die regelmäßige Abhaltung der Gottesdienste an den Sonn- und Feiertagen, das seelsorgerliche Gespräch mit dem Inhaftierten ohne Beisein eines Dritten und die Verteilung religiöser Schriften, die dann auch in den Besitz der Gefangenen übergehen und somit auf die Zellen mitgenommen werden sollten. Weiterhin brachte Ungethüm das besondere Interesse der Kirche an der Entlassenenfürsorge zum Ausdruck, einschließlich der kirchlicherseits bestehenden unbedingten Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Fürsorgerinnen und Fürsorgern der geplanten staatlichen Beratungsstellen für Haftentlassene. Da man von Seiten der Justiz zu den Forderungen und Angeboten Ungethüms zunächst keine Stellung bezogen hatte, bat dieser unmittelbar im Anschluss an die Sitzung und offenbar in Kenntnis seiner nur geringen Möglichkeiten der Einflussnahme das LKA Dresden um eine direkte Kontaktaufnahme zur Landesjustizverwaltung zwecks Schaffung einer verbindlichen Regelung für die Gefängnisseelsorge. Ob dies tatsächlich geschah, lässt sich nicht feststellen. Die Akten enthalten auch keine Informationen über eine Regelung der Zusammenarbeit der kirchlichen Seelsorger mit staatlich betriebenen Stellen zur Häftlingsrehabilitation.103 Ungethüm selbst betreute in Dresden das durch die Justiz verwaltete Gefängnis in der Proschhübelstraße und das Polizeigefängnis Landhausstraße. Während er in der Justizhaftanstalt die Seelsorge ungehindert ausüben konnte, waren Gottesdienste im Polizeigefängnis – angeblich aufgrund der räumlichen Gegebenheiten – nicht möglich. Die im März 1946 noch in beiden Einrichtungen geduldete Einzelseelsorge wurde im September 1946 durch die Anordnung des Generalstaatsanwaltes John-Ulrich Schröder insofern eingeschränkt, als diese fortan nur noch im Beisein einer Aufsichtsperson statt101 Ebd. 102 Johannes Ungethüm, Schreiben an das LKA Sachsen, Dresden, 4. 10. 1946 (LKA Dresden, 2/ 292, Bl. 26). Hier auch das Folgende. 103 Zur staatlichen Fürsorge in den Strafanstalten der SBZ und der DDR vgl. im Kap. C Anm. 411.
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finden durfte. Während Ungethüm in einem persönlichen Gespräch mit dem Generalstaatsanwalt zumindest für die Proschhübelstraße eine Änderung der Anordnung dahingehend erreichen konnte, dass diese nur noch für Juristen, Justizbeamte und Mediziner Gültigkeit hatte, denen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen wurden, blieb die Anwesenheit einer Aufsichtsperson beim Seelsorgegespräch für das Polizeigefängnis weiterhin obligatorisch, da man dort die Aufhebung der Verordnung nicht akzeptierte. Diese könne nicht durch den ursprünglich verantwortlichen Generalstaatsanwalt selbst vorgenommen werden, sondern müsse „am besten durch Kapitän Dalleteff von der SMA“ veranlasst werden.104 Ungethüm nahm zu den Vorgängen gegenüber der Superintendentur Dresden-Stadt wie folgt Stellung: „Die Form der ,Sprechstunde zu Dritt‘ wie sie im Polizeigefängnis Landhausstraße z. Zt. allein möglich ist, halte ich für untragbar, so daß ich meinerseits aus grundsätzlichen Erwägungen bis auf weiteres ablehne, dort Sprechstunde zu halten.“105
Diese selbstbewusste und kompromisslose Haltung Ungethüms gegenüber den staatlichen Stellen bzw. der örtlichen SMA ist bei kirchlichen Vertretern in der SBZ ebenso wie in den frühen Jahren der DDR vermehrt anzutreffen. Die in der Äußerung Ungethüms mitschwingende Überzeugung vom unbedingten Recht der Kirchen auf (Einzel-) Seelsorge in den Haftanstalten und die Vorstellung, diese im Auftrag und im Einverständnis mit der gesellschaftlichen Mehrheit zu leisten, standen hier paradigmatisch für ein kirchliches Selbstverständnis, das sich bis zur Mitte der 1950er Jahre völlig veränderte. 1.3 Beteiligung der SMAD Während des Bestehens der SBZ war die Seelsorge an den Insassen der Interniertenlager und Strafanstalten auch wiederholt Gegenstand bei den Zusammenkünften der KOK.106 Die KOK war im September 1945 durch Bischof Dibelius ins Leben gerufen worden und diente ab diesem Zeitpunkt regelmäßig und an wechselnden Orten dem Austausch der Vertreter der östlichen Kirchenleitungen.107 Viele Sitzungen der KOK fanden in Berlin in den Räumen der Kirchenkanzlei und unter Leitung von Dibelius statt, wodurch eine enge Verflechtung beider Organisationen bestand, die ihren Ausdruck in der Ausformung der Kirchenkanzlei zur Geschäftsstelle der KOK fand.108 104 Johannes Ungethüm, Schreiben an das LKA Sachsen, Dresden, 4. 10. 1946 (LKA Dresden, 2/ 292, Bl. 27). 105 Ebd. 106 Zu Geschichte, Gegenstand und Bedeutung der KOKvgl. die Einleitung bei K hne, Protokolle, 11–60. 107 Vgl. ebd., Protokolle, 25. 108 Ebd., 37 f.
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Die staatlichen Ansprechpartner der Kirchen auf der Länder- und Provinzebene hatten zumeist keine eindeutigen Befugnisse und konnten bei anstehenden Problemen und Konflikten deshalb nur wenig zur Lösung beitragen.109 Die KOK entsprang daher primär dem Erfordernis nach der Bildung eines Organs, das Anliegen der östlichen Landeskirchen – unter Umgehung der ostdeutschen Verwaltungsbehörden – unmittelbar der SMAD, dem Alliierten Kontrollrat und den Deutschen Zentralverwaltungen unterbreiten konnte. Im Zuge des Austausches zwischen der SMAD und der evangelischen Kirche kam es zur wiederholten Teilnahme von Leutnant Wsewoljod Alexandrowitsch Jermolajew, dem Leiter des Referats für Kirchenfragen bei der SMAD, an Sitzungen der KOK, so etwa an der 4. Sitzung am 2. April 1946110 und der 10. Sitzung am 22. Oktober 1947. Auf der 10. Sitzung stellte sich Jermolajew den Fragen und Anliegen der Konferenzteilnehmer, wobei von Seiten der Kirchen auch mögliche Hafterleichterungen für die Internierten wie die Genehmigung von Gottesdiensten und die Erlaubnis brieflichen Kontakts mit der Familie angesprochen wurden. Derartige Probleme, so Jermolajew, seien der SMAD bereits bekannt und sollten demnächst eine Regelung erfahren.111 Auf der 12. Sitzung der KOK vom 14. April 1948 wurde von den Bischöfen der östlichen Landeskirchen ein Schreiben an Marschall Sokolowski verabschiedet, in dem die Bitte um Erlaubnis von Gottesdiensten und Einzelseelsorge für die Häftlinge der Internierungslager und Gefängnisse formuliert wurde, wobei man, zwecks Erörterung dieser Aspekte, um ein Gespräch mit Sokolowski bat, das jedoch nicht zustande kam.112 Auch abseits der KOK bestanden persönliche Kontakte zwischen leitenden Kirchenleuten, vor allem aus der EKiBB, und hochrangigen Mitgliedern der SMAD. Bischof Dibelius pflegte den direkten Kontakt zur SMAD,113 wobei der Umgang mit dem renitenten Bischof für die Sowjets offensichtlich eher ein nicht zu vermeidendes Übel aufgrund von dessen herausragender Stellung in der evangelischen Kirche war. Viel mehr als Dibelius genossen Krummacher und Grüber das Vertrauen der Sowjets, was sowohl in den Biografien dieser Akteure als auch in ihrer aus sowjetischer Sicht progressiven Haltung begründet war. Im Falle des Berliner Generalsuperintendenten Krummacher bestand seit April 1946 eine Zusammenarbeit mit dem NKWD, im Rahmen 109 Ebd., 19. 110 Die KOK hatte eigentlich Oberst Tjul’panov als Vertreter der SMAD erwartet, der aber verhindert war, so dass die SMAD Jermolajew sandte. Die SMAD stellte auch die Verpflegung für die Sitzung des KOK bereit, wofür sich Dibelius schriftlich bedankte (vgl. ebd., 110). 111 Ebd., 221. 112 Ebd., 261. 113 Creuzberger berichtet unter Zugrundelegung sowjetischen Archivmaterials über ein persönliches Gespräch zwischen Dibelius und Oberst Tjul’panov vom 2. 8. 1946, in welchem Letzterer dem Bischof in freundlichem Ton, aber mit viel Nachdruck, die Vermeidung einer allzu engen Bindung der evangelischen Kirche an die CDU nahegelegt habe (vgl. Creuzberger, Besatzungsmacht, 82).
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derer Krummacher, quasi aus dem Herzen der Kirchenkanzlei, bis 1954 in regelmäßigen Abständen und gegen Bezahlung Informationen lieferte.114
2. Reglementierung und Vereinheitlichung (1946–1948) 2.1 Die Entstehung der Dienstanweisung für die evangelischen Geistlichen an den Gefangenenanstalten der Justizverwaltung der SBZ von 1947 2.1.1 Der Entwurf der Dienstanweisung durch die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg Ab Herbst 1946 wurden die Bemühungen um Rechtssicherheit der evangelischen Gefängnisseelsorge auf dem Gebiet der SBZ intensiviert. Federführend wirkten hierbei das Konsistorium der EKiBB und die DJV, deren gemeinsames Interesse, den Insassen der Gefängnisse im Nachkriegsdeutschland den Zugang zu einer konfessionellen Seelsorge zu ermöglichen, in der Abfassung einer DA Ausdruck fand, deren Geltungsbereich sich auf die gesamte SBZ erstrecken und damit zugleich den kirchlichen Anspruch auf Mitwirkung im Strafvollzug demonstrieren und absichern sollte. Verfasst werden sollte diese erste DA durch den evangelischen Pfarrer Poelchau, dessen hauptberufliche Tätigkeit im Februar 1946 jedoch die des Vortragenden Rates bei Abteilung SV der DJV war. Am 11. Februar 1946 sandte Poelchau einen ersten Entwurf der DA115 an Bischof Dibelius und kommentierte in dem beigefügten Schreiben: „In der Anlage übersende ich wunschgemäß den Entwurf für die Seelsorge in den Gefangenenanstalten für das Gebiet der sowjetischen Besatzungszone sowie den Entwurf eines Anschreibens an den Chef der Zentralen Justizverwaltung.“116
Diese Anmerkung belegt, dass Poelchau die DA im Auftrag seiner kirchlichen Vorgesetzten und damit in seiner Eigenschaft als Kirchenmann verfasst hatte. Als Präses Scharf die Entwürfe Poelchaus dann Mitte März 1946 an die DJV sandte, wurden diese an die für die Gefängnisseelsorge zuständige Abteilung SV übergeben und hier wiederum von Poelchau, wohl in Kooperation mit Gentz, bearbeitet. Offenbleiben muss, ob Gentz über die Verfasserschaft und den Entstehungsprozess der DA informiert war oder ob es sich hier um einen geschickten Schachzug der EKiBB hinter dem Rücken der DJV handelte. Die 114 Ebd., 78; Winter, Generalsuperintendenten, 214–242. Krummacher war als Wehrmachtspfarrer in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten, zum NS-Gegner geworden und im August 1945 mit der Gruppe Ulbricht als hochkarätiger Hoffnungsträger der Moskauer Kirchenpolitik in der SBZ nach Berlin gekommen (vgl. Neubert, Opposition, 53). 115 Vgl. Harald Poelchau, Dienstanweisung (Entwurf), ohne Datum (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 10–13). 116 Ders., Schreiben an Otto Dibelius, Berlin, 11. 2. 1946 (ELA Berlin, 11/924, o. Pag.).
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Vorgänge verdeutlichen die heikle Situation, in der Poelchau sich beim Aufbau der Gefängnisseelsorge zwischen seiner Kirche und der DJV als seiner Dienstherrin befand. Das Aufgabengebiet der Gefängnisseelsorge gliedert sich traditionell in vier Bereiche: Erstens in die Abhaltung der Gottesdienste inklusive aller damit in Verbindung stehenden Amtshandlungen wie Taufen, Konfirmationen, Beerdigungen und Abendmahlsfeiern; zweitens die Erteilung von Religionsunterricht und katechetischer Unterweisungen; drittens die Einzelseelsorge, die auch einen Einblick in den Charakter und seelischen Zustand der Gefangenen geben sollte; viertens die Einleitung von Fürsorgemaßnahmen, welche die unmittelbare Zeit nach der Entlassung betrafen, wodurch ein wiederholtes Entgleiten des Zöglings in das kriminelle Milieu verhindert werden sollte.117 Der im Februar 1946 durch Poelchau angefertigte allererste Entwurf einer DA für die evangelischen Geistlichen in den Strafanstalten der Justiz auf dem Gebiet der SBZ118 hatte diese Dienstpflichten in § 3 noch explizit aufgeführt,119 sie wurden jedoch bei den als moderat zu bezeichnenden Änderungen, welche die Abteilung SV dem Entwurf angedeihen ließ, um diesen für die SMAD akzeptabel zu machen, allgemeiner gefasst. So hieß es nun: „Der Geistliche hat in dem durch den Charakter der Anstalt als Gefängnis gegebenen Rahmen, der streng innezuhalten ist, diejenigen Rechte und Pflichten, die ihm als Geistlichen und Seelsorger kirchlich aufgetragen sind.“120 Lediglich § 5, der im Entwurf Poelchaus vom 11. Februar 1946 die Gewährung des Religionsunterrichts geregelt hatte und durch den Zusatz, dass dieser „von dem vorhandenen geistigen Besitz und den gemachten Lebenserfahrungen der Gefangenen, insbesondere der Jugendlichen auszugehen und das Wesen der christlichen Religion in lebendiger Weise zu vermitteln“121 habe, missionarisch konnotiert war, wurde ersatzlos gestrichen. Schon der hier implizit erhobene Anspruch auf eine kirchliche Jugendarbeit im Strafvollzug wäre von der SMAD keinesfalls gebilligt worden. Durch die Streichung von § 5 reduzierte sich die Anzahl der Paragraphen von 14 auf 13. Abgesehen von diesem Zugeständnis an die atheistische Ideologie der sowjetischen Besatzer war die
117 Vgl. Schauz, Strafen, 118. 118 Vgl.: Harald Poelchau, Dienstanweisung (Entwurf), §§ 3 u. 5, ohne Datum (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 10–13). 119 „Die Amtspflichten des Geistlichen sind: Die Abhaltung von Gottesdiensten, Andachten und kirchliche Amtshandlungen aller Art, der Religionsunterricht, die Einzelseelsorge, die Mitwirkung bei der Fürsorge für die Gefangenen und deren Familien und der dazu erforderlichen Briefwechsel; die Teilnahme an den Beamtenbesprechungen und die gutachtliche Äusserung über die Gefangenen; die Abhaltung von Sprechstunden in besonderen Fällen.“ (Harald Poelchau, Entwurf, 11. 2. 1946, ELA Berlin, 1/924, o. Pag.). 120 O. Vf., Dienstanweisung (durch DJV kor. Fassung), Mai 1946 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 47 f.). Vgl. Dok. 1 im Anhang. 121 Harald Poelchau, Dienstanweisung (Entwurf), ohne Datum (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 10–13). Hier auch das Folgende.
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DA unverkennbar in den Reformbestrebungen im Strafvollzug der Weimarer Republik verwurzelt. So hieß es in § 1: „Der Strafvollzug dient der Erziehung des Gefangenen, seiner sittlichen Reife und sozialen Eingliederung. Zur Erreichung dieses Ziels ist die Mitwirkung des Geistlichen neben der des Lehrers und des Fürsorgers von entscheidender Bedeutung.“
In § 2 wurde das Angestelltenverhältnis der Geistlichen dahingehend geregelt, dass diese von nun an den Kirchen unterstellt seien. Für die großen Anstalten sollten hauptamtliche, für die kleineren nebenamtliche Seelsorger eingestellt werden. Weiterhin enthielt die DA außer der genannten Definition der Amtspflichten des Geistlichen (§ 3) Vorschriften für den Gottesdienst (§ 4), Regelungen zur Seelsorge als Einzelgespräch (§ 5), zur Amtsverschwiegenheit des Seelsorgers (§ 6), zur Fürsorge (§ 7), zur Teilnahme der Seelsorger an den Beamtenbesprechungen (§ 9), zur Bücherausgabe (§ 10), zur Dienstaufsicht über die Geistlichen (§ 11) und zum jährlich an die Kirchenbehörde zu erstattenden Bericht durch den Seelsorger (§ 12). Die nun leicht korrigierte DAwurde von der DJV mit Schreiben vom 16. Mai 1946 zur Kenntnis und Genehmigung an das Konsistorium der EKiBB gesandt.122 Bereits am 3. Juni 1946 übermittelte Scharf die Einverständniserklärung des Konsistoriums an die DJV. Weiterhin bat er darum, die DA der SMAD vorzulegen und nach deren Genehmigung dann umgehend an die Provinzial- und Landesverwaltungen der Justiz weiterzuleiten.123 Die Genehmigung der DA durch die SMAD gestaltete sich jedoch schwieriger, als das Konsistorium der EKiBB und die DJV dies offenbar erwartet hatten. Zunächst verlangte der stellvertretende Chef der Rechtsabteilung, Oberst Wassili W. Bukanow, die Nennung der deutschen Rechtsnorm, auf deren Basis die DA entstanden sei. Nun ruderte die DJV in formaler Hinsicht zurück und degradierte die zur Genehmigung bei der SMAD eingereichte DA zu einer kircheninternen Handreichung: „Da bei der Neugestaltung des Strafvollzuges die Geistlichen nicht mehr von der Justiz angestellt werden, sondern lediglich von der Kirche, handelt es sich bei dem vorliegenden Entwurf nur noch um einen Erlaß der Kirchenverwaltung, die mich um eine Zustimmung zu diesem Entwurf gebeten hat. Ich habe den Entwurf geprüft und halte es für unbedenklich, daß nach ihm verfahren wird.“124
Faktisch ging die DJV mit dieser Formulierung am Kern der Angelegenheit vorbei, da die DA eindeutig die Belange und Zuständigkeiten der Justiz tan122 Vgl. Eugen Schiffer, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin 16. 5. 1946 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 9). 123 Vgl. Kurt Scharf, Schreiben an die DJV, Berlin, 3. 6. 1946 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 20). 124 Eugen Schiffer, Schreiben an Oberst Wassili W. Bukanow bei der SMAD, Berlin, 27. 9. 1946 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 34).
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gierte und damit weit über den Rahmen einer innerkirchlichen Regelung der Gefängnisseelsorge hinausreichte. Bei einer von Bischof Dibelius, Präses Scharf und Mitarbeitern der DJVam 29. Oktober 1946 abgehaltenen Zusammenkunft war die DA für die Gefängnisseelsorge Hauptgesprächsthema. Beide Parteien äußerten sich positiv zu dem Entwurf der DA und brachten ihr diesbezüglich volles Einvernehmen zum Ausdruck.125 Dass die SMAD auf das zur Genehmigung vorgelegte Schriftstück letztlich positiv reagieren würde, stand sowohl für die DJV als auch für die kirchlichen Teilnehmer des Treffens ohne jeden Zweifel fest, zumal zwischenzeitlich – soweit feststellbar – keine weiteren Nachrichten und Kommentare der Rechtsabteilung der SMAD eingetroffen waren. Wohl aus diesem Grund sandte Scharf die DA am 19. November 1946 an die Kirchenkanzlei in der Jebensstraße zu Händen von OKR Walter Zimmermann. Das Anschreiben enthielt den Hinweis, dass die DA bisher lediglich von Bischof Dibelius und dem Präsidenten der DJV bestätigt, durch die SMAD aber weder im Wortlaut noch formal genehmigt worden sei. Trotz dieses Mankos könne man die DA aber an die Gefängnisseelsorger weiterleiten, da „keine Zweifel an der Annahme durch die SMAD“ bestünden.126 Die Verteilung des durch die SMAD nicht autorisierten Dokuments erfolgte im Anschluss auf zwei Wegen. Gentz sandte die DA Anfang Dezember 1946 an die Landes- und Provinzialverwaltungen der SBZ,127 worüber er auch Dibelius unterrichtete: „Ebenso habe ich die DA für die evangelischen Geistlichen, nachdem von Seiten der Rechtsabteilung der Sowjetischen Militäradministration in Berlin-Karlshorst Einspruch nicht erhoben worden ist, den Justizabteilungen der Länder und Provinzen mit der Bitte um Bekanntgabe an die Leiter der Vollzugsanstalten übersandt.“128
Die Verteilung der DA an die östlichen Landeskirchen und Kirchenleitungen zur Weitergabe an die Gefängnisseelsorger und Fürsorgerinnen übernahm Zimmermann dann mit Schreiben vom 15. Januar 1947. Die Originale dieser ersten für das gesamte Gebiet der SBZ geltenden DA trugen dabei weder Datum noch Unterschrift, wodurch es unmöglich wurde, die hinter dem Dokument stehende verantwortliche Stelle zu verifizieren – ein bewusster Fehler, der nicht nur den einen oder anderen Gefängnispfarrer verwunderte,129 son125 Harald Poelchau, Protokoll (Entwurf), 29. 10. 1946 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 36 f.). 126 Vgl. Kurt Scharf, Schreiben an OKR Walter Zimmermann, Berlin, 19. 11. 1946 (EZA Berlin, 4/ 731, o. Pag.). 127 Vgl. Werner Gentz, Schreiben an die Landes- und Provinzialverwaltungen, Berlin, 2. 12. 1946 (EZA Berlin, 4/731, o. Pag.). 128 Gentz Werner, Schreiben an Otto Dibelius, Berlin, 2. 12. 1946 (EZA Berlin, 7/1824, o. Pag.). 129 So schrieb Pfarrer Brachmann im April 1947 an den Superintendenten in Halle / Saale: „In der Anlage sende ich die DA für die evangelischen Geistlichen in den Gefangenenanstalten der Justizverwaltung in der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland ergebenst zurück. Ich
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dern bis zum Ende des Bestehens der SBZ und darüber hinaus für Irritationen sorgen sollte. 2.1.2 Die Dienstanweisung nach ihrer Überarbeitung durch die SMAD Entgegen der Einschätzung der DJV und des Konsistoriums der EKiBB hatte der bei der SMAD in Karlshorst vorgelegte Entwurf der DA keineswegs stillschweigende Akzeptanz gefunden. Stattdessen reagierte die Rechtsabteilung der SMAD mit einer völlig überarbeiteten, der DJV am 8. Mai 1947 durch Oberst Bukanow übermittelten DA in russischer Sprache, die von der DJV zunächst zur Übersetzung gegeben werden musste.130 Das Ergebnis dieser durch den in Livland geborenen russischen Muttersprachler Arthur Kanger, Inhaber des Lehrstuhls für Kriminalistik an der Universität Berlin,131 vorgenommenen Übersetzung unterschied sich sowohl inhaltlich als auch „von der deutschen Verordnungssprache“132 her derart von der eingereichten Vorlage, dass Gentz eine Überprüfung von Kangers Arbeit in Auftrag gab, die jedoch lediglich die wortgetreue Wiedergabe des russischen Originals bestätigte.133 Der inhaltliche Vergleich der durch die DJVeingereichten DA mit der durch die Rechtsabteilung der SMAD verabschiedeten Fassung zeigt, dass weniger von einer Überarbeitung als vielmehr von einer Neufassung gesprochen werden muss. Zwar übernahm die sowjetische Fassung in weiten Teilen die äußere Form des Entwurfs –so blieben z. B. die Anzahl der Paragraphen und auch einige der Themenschwerpunkte erhalten –, doch ließen die Sowjets bezüglich ihrer Bereitschaft, selbstbestimmte kirchliche Arbeit in den Gefängnissen der SBZ zu tolerieren, wenig Interpretationsspielraum. Auch der von der DJV angestrebten Reform des Strafvollzugs, die ihren Ausdruck im Besonderen in § 1 der DA gefunden hatte, erteilte die SMAD in ihrer Version eine klare Absage. Die entsprechende Passage wurde ersatzlos gestrichen und durch folgende vage Formulierung ersetzt:
130 131 132 133
bemerke dazu, daß diese DA weder ein Datum trägt noch von irgendeiner Behörde gezeichnet ist. Das ist höchst merkwürdig. Es wäre vielleicht doch zu erwägen, ob diese Mängel nicht getilgt werden müssten.“ (Walter Brachmann, Schreiben an die Superintendentur in Halle, Halle / Saale, 12. 4. 1947, AKPS Magdeburg, Rep. gen., Nr. 354, o. Pag.). Vgl. Rechtsabteilung der SMAD, Schreiben an Eugen Schiffer, Berlin, 8. 5. 1947 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 64). Vgl. Wirth, Kanger, Arthur, 323. Werner Gentz, Schreiben an Ehlers bei der DJV, Berlin, 1. 7. 1947 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 71). Dies besagt die handschriftliche Notiz von Ehlers am unteren Seitenrand, ebd.
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„Wenn Personen, welche die Strafe in den Gefängnissen abbüssen, den Wunsch nach Gottesdienst haben, können Geistliche in die Gefängnisse zur Ausübung geistlicher Handlungen zugelassen werden“134
Drastisch war auch die Veränderung von § 3, der in der Version der DJV die Amtspflichten und Amtsrechte des Geistlichen definiert hatte. Hier stand nun die Anordnung: „Der Geistliche, der im Gefängnis diensttätig ist, erfüllt die Obliegenheiten eines Seelsorgers, ohne dabei das im Gefängnis bestehende Regime zu stören.“135 Weiterhin ergänzten die Sowjets § 4 um ein Verbot politischer Predigten und erklärten die Bezahlung des eventuell von außerhalb zu verpflichtenden Organisten für den Gottesdienst sowie des Messweins und der Oblaten zur Angelegenheit der Kirche. In dem durch die DJV übermittelten Entwurf war noch vorgesehen gewesen, dafür die Wirtschaftsabteilung der jeweiligen Anstalt finanziell in die Pflicht zu nehmen. Besonders weitreichend war die Bestimmung unter § 6, der Besuche Geistlicher bei Untersuchungsgefangenen nur noch mit richterlicher Bewilligung erlaubte und damit den Zutritt der Geistlichen zu den Untersuchungsgefängnissen enorm verkomplizierte. Zwar hatte auch der Entwurf der DJV die Abhaltung von Sprechstunden in Untersuchungsgefängnissen nur mit richterlicher Genehmigung vorgesehen, doch hatte dies explizit auf die Fürsorge abgezielt, bei der es um die Aufnahme familiärer Kontakte und somit potentielle Verdunkelungsgefahr ging. Seelsorge, also unter Schweigepflicht stehende Gespräche zwischen einem Geistlichen und dessen Schutzbefohlenen, hatte dies nicht eingeschlossen. Der ursprünglich vorgesehene kirchliche Einfluss auf den Literaturbestand der Anstaltsbibliotheken wurde durch die Rechtsabteilung der SMAD getilgt, auch wurde den Gefängnisseelsorgern nicht mehr die Verteilung religiöser Literatur an die Gefangenen gestattet. Hierfür sollten ausschließlich Bibliothekare zuständig sein. Den wohl gravierendsten Einschnitt stellte das nicht mehr eindeutig formulierte Recht des Gefangenen auf Einzelseelsorge dar. Aus der Formulierung „Die Seelsorge ist grundsätzlich in Einzelgesprächen unter vier Augen zu üben. Sie soll den Zweck des Strafvollzuges nicht außer Acht lassen, den Gefangenen nicht zu zerbrechen, sondern ihn zu heben, zu festigen und ihn in ein positives Verhältnis zur menschlichen Gesellschaft und zu seinem eigenen Lebenssinn zu bringen.“136
wurde eine Formulierung, die die Entscheidung, ob ein seelsorgerliches Gespräch unter vier Augen genehmigt wurde, in den Zuständigkeitsbereich der Anstaltsleitung delegierte: „Wenn von den Gefangenen die Bitte vorliegt, kann 134 Arthur Kanger, Wortgetreue Übersetzung der Dienstanweisung, 17. 5. 1947 (BArch Berlin, DP 1/30197, 69–70). 135 Ebd., 69. Hier auch das Folgende. 136 O. Vf., Dienstanweisung (durch DJV kor. Fassung), Mai 1946 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 47 f.). Vgl. Dok. 1 im Anhang.
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der Geistliche mit Genehmigung des Chefs des Gefängnisses von Gefangenen Beichten abnehmen und mit ihnen Gespräche führen.“137 Genauere Umstände der Entstehung der von der Rechtsabteilung der SMAD überarbeiteten Fassung der DA durch die Rechtsabteilung der SMAD lassen sich auf der Basis der überlieferten Quellen nicht rekonstruieren. Auch sind keine Reaktionen der DJV auf diese drastische und weitreichende Überarbeitung des eingereichten Entwurfs überliefert. Feststellbar ist lediglich, dass Gentz am 6. August 1947 ein Schreiben an Bischof Dibelius sowie die Landesund Provinzialregierungen sandte, in welchem er die Bestätigung der DA durch die SMAD mitteilte und darum bat, die Gefängnisgeistlichen von der neuen Version, die er dem Schreiben in Abschrift beifügte, in Kenntnis zu setzen.138 Das mit dem Schreiben versandte Exemplar139 entsprach bis auf wenige unbedeutende Anpassungen in Sprache und Grammatik der russischen Version. Die DJV hatte somit die Fassung der Rechtsabteilung der SMAD – trotz der darin enthaltenen weitreichenden Einschränkungen für die Gefängnisseelsorge und der unverhohlenen Beschneidung der Befugnisse der Kirchen im Strafvollzug überhaupt – akzeptiert. 2.1.3 Reaktionen auf die Dienstanweisung und ihre Auswirkungen Reaktion der Kirchenkanzlei Auf kirchlicher Seite konnte von einer Akzeptanz der durch die Sowjets überarbeiteten DA keine Rede sein. Hieraus erklärt sich, dass Bischof Dibelius, dem Gentz am 6. August 1947 zeitgleich zu den Landes- und Provinzialregierungen die sowjetische Version der DA hatte zukommen lassen, zunächst von einer Weiterleitung der DA an die östlichen Landeskirchen absah und es vorzog, diese unter Verschluss zu halten. Die Erkenntnis, dass eine von den Sowjets genehmigte, im gesamten Gebiet der SBZ geltende DA für die Gefängnisseelsorge existierte, setzte sich bei den östlichen Landeskirchen erst ein knappes Jahr später, im April 1948, durch. Am 22. April 1948 wandte sich der OLKR (Oberlandeskirchenrat) und Referent für die Gefängnisseelsorge im Bereich der Sächsischen Landeskirche, Gottfried Knospe, an die Kirchenkanzlei und bat um die Zusendung der von der SMA Dresden genehmigten Fassung der DA, auf deren Existenz er durch einen Hinweis Poelchaus aufmerksam geworden sei.140 137 Arthur Kanger, Wortgetreue Übersetzung der Dienstanweisung, 17. 5. 1947 (BArch Berlin, DP 1/30197, 69 f.). 138 Vgl. DJV, Schreiben an Otto Dibelius, Berlin, 6. 8. 1947 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 76). 139 O. Vf., Dienstanweisung (Sowjetische Überarbeitung), 1947 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 113). Vgl. Dok. 2 im Anhang. 140 Vgl. Gottfried Knospe, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Dresden, 22. 4. 1948 (EZA Berlin, 4/ 731). Am 1. 3. 1948 hatte Knospe in einem Schreiben an Poelchau erwähnt, dass man „trotz
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Im Konsistorium der EKKPS in Magdeburg lag zu diesem Zeitpunkt immerhin eine Kopie der von der SMAD genehmigten DA vor. Die Abschrift war Anfang April durch den Vorstand der Untersuchungshaftanstalt Halle / Saale dem hier als Seelsorger tätigen Pfarrer der Bartholomäusgemeinde Walter Brachmann übergeben worden,141 der diese über die örtliche Superintendentur an das Konsistorium in Magdeburg hatte weiterleiten lassen. Der durch das Konsistorium der EKKPS vorgenommene Vergleich der neuen Dienstordnung mit der zum Jahresbeginn 1947 durch die Kirchenkanzlei verschickten Version ergab „eine erhebliche Einschränkung des Umfangs und der Bedeutung der Seelsorge in den Gefängnissen ebenso wie eine erhebliche Erschwerung der Stellung der mit der Seelsorge beauftragten Pfarrer“,142 wobei man sich zugleich die Frage stellte, ob diese Regelung nur das Land Sachsen-Anhalt betreffe. Denn hier hatte man verstärkt mit Behinderungen durch das Justizministerium in Halle zu kämpfen, die man in anderen Teilen der Ostzone nicht beobachtete. Zudem konnte sich das Magdeburger Konsistorium nicht vorstellen, dass die Kirche in irgendeiner Form an der Ausarbeitung der DA beteiligt gewesen war, und bat die Kirchenkanzlei diesbezüglich um Stellungnahme.143 Dieser Frage ausweichend, antwortete die Kirchenkanzlei per Schreiben vom 22. Mai 1948, dass die DA per Anordnung vom 8. Mai 1947 durch die SMAD bestätigt und am 6. August 1947 über die
wiederholten Drängelns“ immer noch auf die Ausarbeitung von Ausführungsbestimmungen durch die Landesregierung warte, welche die Richtlinien für die Gefängnisseelsorge, die seinerzeit zwischen Bischof Dibelius und der DJV beschlossen worden seien, präzisierten (Gottfried Knospe, Schreiben an Harald Poelchau, Dresden, 1. 3. 1948, BArch Berlin, DP 1/ 30197, Bl. 109). Daraufhin antwortete Poelchau, dass Ausführungsbestimmungen weder geplant noch überhaupt vorgesehen seien, und fuhr fort: „Sollten sich Unklarheiten in der Auslegung der 2., von der SMAD genehmigten Fassung ergeben, so darf ich sie bitten, sich über die Kirchenkanzlei der Ostzone an mich zu wenden.“ (Harald Poelchau, Schreiben an Gottfried Knospe, Berlin 22. 3. 1948, BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 110). 141 Vgl. Walter Brachmann, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Halle/Saale, 11. 4. 1948 (AKPS Magdeburg, Rep. gen., 221 c, o. Pag.). Brachmann hatte seine Kirchenleitung bereits Anfang Dezember 1947 über die Existenz einer Verordnung informiert, die den Besuch von Untersuchungsgefangenen durch Seelsorger nur noch mit richterlicher Genehmigung zuließ. Demnach muss die DA der SMAD im Strafvollzug der damaligen Provinz Sachsen-Anhalt schon im Herbst / Winter 1947 vorgelegen haben. Im gleichen Schreiben kritisierte Brachmann die Genehmigungspflicht des seelsorgerlichen Besuchs bei den Inhaftierten durch einen Untersuchungsrichter, die den Pfarrer jedem anderen Besucher gleichstelle, außerdem die Ausgabe der religiösen Literatur durch Bibliothekare, die von der Gefängnisleitung ausgewählte Gefangene seien, „bei denen es fraglich sei, ob ein solcher gerade im Sinne des evangelischen Bekenntnisses arbeite.“ Die Situation stelle sich derzeit so dar, dass die gesamte Seelsorge von dem Entgegenkommen der Anstaltsleitungen abhängig sei, die noch dazu ständig ausgetauscht werden würden. (vgl. Walter Brachmann, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Magdeburg, 1. 12. 1947, AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 b, o. Pag.). 142 Konsistorium der EKKPS, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Magdeburg, 23. 4. 1948 (EZA Berlin, 7/1824, o. Pag.). 143 Vgl. ebd.
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DJV an Dibelius übersandt worden sei.144 Der Geltungsbereich erstrecke sich allgemein auf die Gefängnisse der Justizverwaltung innerhalb der SBZ und die Verteilung von Abschriften würde durch die Kirchenkanzlei demnächst vorgenommen werden.145 Hinsichtlich der Gründe, die Dibelius bzw. die Kirchenkanzlei veranlassten, die sowjetische Version der DA nicht umgehend an die zuständigen Stellen bei den östlichen Landeskirchen weiterzuleiten, lässt sich nur vermuten, dass das für die Durchführung der Gefängnisseelsorge unvorteilhafte Dokument nicht weitergegeben wurde, um Proteste bzw. Verwirrungen auf Seiten der Landeskirchen und Gefängnisseelsorger zu vermeiden. Das fragile, teils improvisierte, aber doch über weite Strecken funktionierende Konstrukt der Gefängnisseelsorge sollte keinen irgendwie vermeidbaren oder zumindest aufschiebbaren Erschütterungen ausgesetzt werden. Dass die Zurückhaltung der DA einem Spiel auf Zeit glich, dürfte Dibelius und seinen Vertrauten klar vor Augen gestanden haben, denn die Justizministerien der Landes- und Provinzialregierungen waren durch Gentz im Dezember 1946 über das Inkrafttreten der neuen DA informiert worden, was Dibelius bekannt war.146 Eventuell hoffte man bei der Kirchenkanzlei auf lange Bearbeitungszeiten bei den Justizministerien der Länder und Provinzen. Doch früher oder später mussten die Anweisungen aus Karlshorst zur Umsetzung in die Strafanstalten gelangen, wobei jeder Tag, der bis zu diesem Datum verstrich, als ein Gewinn für die Kirchen zu werten war. Dass man mit dieser Taktik nicht falsch lag, zeigt beispielhaft der Umstand, dass der beim MdJ von Sachsen-Anhalt beschäftigte Oberregierungsrat Zinke die neue Version der DA erst im Januar 1948 an die Vollzugsanstalten seines Zuständigkeitsgebietes weiterleitete, worüber er die DJV am 22. Januar 1948 unterrichtete und die damit einhergehenden Veränderungen folgendermaßen kommentierte: „Zur neuen, abgeänderten DA bemerke ich, daß der § 4, Satz 1 so aufgefaßt wird, daß die Untersuchungsgefangenen von der Teilnahme am Gottesdienst ausgeschlossen sind, da nur von Strafgefangenen die Rede ist. Die Herren Geistlichen werden an dieser wesentlichen Einschränkung sowie an der Bestimmung des § 6, wonach der Geistliche U. Gefangene nur mit Genehmigung des Untersuchungsrichters besuchen darf, sicher Anstoß nehmen. Desgleichen enthält § 7 eine Einschränkung der bisherigen Rechte der Geistlichen, Gefangenen religiöse Schriften auszuhändigen.“147 144 Deutlicher wurde Poelchau in einem privaten Schreiben vom 27. 2. 1949 an die Kirchenkanzlei: „Die DA in der nun vorliegenden Fassung ist das Produkt von Karlshorst.“ (Harald Poelchau, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 27. 2. 1949, EZA Berlin, 4/731, o. Pag.). 145 Vgl. EOK Berlin, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Berlin, 22. 5. 1948 (AKPS Magdeburg, Rep. gen., 221 c, o. Pag.). 146 Vgl. DJV, Schreiben an Otto Dibelius, Berlin, 6. 8. 1947 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 76). 147 Landesregierung Sachsen-Anhalt, Schreiben an die DJV, Halle/Saale 22. 1. 1948 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 101).
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Demnach waren in Sachsen-Anhalt die Vollzugsanstalten der Justiz ab Ende Januar 1948 im Besitz der sowjetischen Version der DA und agierten deren Weisungen entsprechend, ohne jedoch die Kirchen bzw. die Gefängnisgeistlichen über das neue Grundsatzpapier offiziell zu informieren. Noch im Herbst 1949, nach der Gründung der DDR, kursierten in Thüringen parallel die alte und die neue Version der DA. Da es aufgrund der auf beiden Dokumenten fehlenden Datums- und Verfasserangaben zunächst keine Möglichkeit gab, die gültige DA zu verifizieren, konnte erst ein Rundschreiben von OKR Gerhard Säuberlich an die in Thüringen tätigen Seelsorger, dem die geltende DA noch einmal beigefügt war, hier Klarheit schaffen.148 Diese Geschehnisse zeigen, dass es der Kirchenkanzlei gelungen war, die Vorgänge, die zur zweiten Version der DA geführt hatten – inklusive der eigenen Rolle dabei –, nicht nach außen dringen zu lassen. Das Eingeständnis, dass der eigene Entwurf der DA nicht die Zustimmung der SMAD erfahren hatte, weshalb die nun geltende DA nahezu vollständig aus sowjetischer Feder stammte, hätte vermutlich das Ansehen der Kirchenkanzlei bei den östlichen Landeskirchen beschädigt, wenn nicht sogar Schadenfreude erzeugt – ein Szenario, das die auf Leitungskompetenz gegenüber den östlichen Landeskirchen bestehende Institution zu verhindern gewusst hatte. Zweifellos brachte der Umstand, dass Dibelius den Landeskirchen die sowjetische Version der DA vorerst nicht zukommen ließ, den Justizverwaltungen der Provinzen und Länder einen Informationsvorsprung gegenüber den Landeskirchen, der Letzteren die Möglichkeit einer gemeinsamen Strategieentwicklung nahm und dazu führte, dass die Kirchen von der Justiz im Frühjahr 1948 weitgehend völlig unvorbereitet vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Reaktionen der östlichen Landeskirchen In einem vier Seiten umfassenden Schreiben unterrichtete der in der EKKPS tätige und erfahrene Gefängnisseelsorger Brachmann seiner Kirchenleitung über die Konsequenzen für die seelsorgerliche Praxis, die seiner Meinung nach aus der neuen DA resultierten. Kernpunkte seiner Kritik waren die in § 1 enthaltene ,Kann-Formulierung‘ und die Bestimmung, dass der Gefangene seinen Wunsch nach Gottesdienstteilnahme von sich aus zu erkennen geben müsse. Diese Klausel könne, so Brachmann, den Zutritt der Geistlichen zu den Haftanstalten vollständig verhindern, da „in der heutigen Zeit von den Gefangenen aus den verschiedensten Gründen, auch wenn der Wunsch [nach Gottesdienst – SiSt] vorhanden sein sollte, dieser in den allerseltensten Fällen geäußert werden wird.“149 Brachmann plädierte stattdessen für eine pauschale 148 Vgl. Gerhard Säuberlich, Schreiben an die Strafanstaltsseelsorger in Thüringen, Berlin, 5. 9. 1949 (LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 152). 149 Walter Brachmann, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Halle/Saale (AKPS Magdeburg, Rep. gen., 221 c, o. Pag.). Hier auch das Folgende.
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Zutrittsgenehmigung für evangelische Pfarrer zu allen Gefängnissen, in denen Gefangene evangelischer Konfession einsäßen. Die unter § 6 vorgenommene Einschränkung der seelsorgerlichen Betreuung von Untersuchungsgefangenen ausschließlich nach richterlicher Genehmigung entlarvte Brachmann als völlig praxisfremd: „Der Geistliche müsste ja erst wissen, wer in der Haftanstalt sitzt, um bei dem Untersuchungsrichter um Erlaubnis für einen Besuch bitten zu können.“ Zentrales Thema war die neue DA auf einer Zusammenkunft der Gefängnisseelsorger und Fürsorgerinnen der EKKPS am 15. Juli 1948 in Magdeburg.150 Nach ausführlicher Diskussion verabschiedeten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Konferenz eine Stellungnahme, die wiederum besonders die Formulierung unter § 1 kritisierte. Diese Art der „KannFormulierung“, so das Papier, gäbe Gefängnisleitungen, die aus weltanschaulichen oder anderen Gründen den Dienst der Kirche ablehnten, die Möglichkeit, jegliche Seelsorge zu unterbinden. Dies wiege umso schwerer, als in allen Haftanstalten ein großes Bedürfnis nach seelsorgerlicher Betreuung unter den Insassen vorhanden sei. Zudem seien nahezu alle Gefangenen kraft der Taufe und der Konfirmation Glieder der evangelischen Kirche, wodurch der seelsorgerliche Dienst, zu dem die Kirche im Übrigen verpflichtet sei, auch ohne ausdrückliche Anforderung durch die Inhaftierten erwartet werden könne. Die Bestimmung, erbauliche Literatur nur noch über die Anstaltsbibliotheken ausgeben zu lassen, bewertete die Konferenz als Möglichkeit, den kirchlichen Schriftendienst vollständig zu unterbinden. Weiterhin forderte die Konferenz eine Aufsicht über die Gefängnisseelsorge durch die Kirchenbehörde in Form von Visitationen sowie einen Dienstausweis für die Seelsorger, der ebenfalls durch die Kirchenbehörden auszustellen sei. Besonders negativ fielen die Reaktionen der östlichen Landeskirchen auf die mit der DA eingeführte Regelung zur Wunschseelsorge aus, gemäß der die formelle Einforderung der seelsorgerlichen Betreuung durch den Gefangenen Voraussetzung war. Gleiches galt für den deutlich erschwerten Zugang zu den Untersuchungshäftlingen, für den nun eine richterliche Genehmigung zwingend war. Diese neuen Bestimmungen wurden als derart nachteilig für die Seelsorgearbeit empfunden, dass sowohl für die Pfarrer als auch für die Kirchenleitungen eine kirchliche Mitwirkung am Entstehen der DA kaum vorstellbar war. Auch bei den Justizministerien kam es aufgrund der unpräzisen Formulierungen in der am 18. März 1948 an die Strafvollzugsanstalten versandten DA zu Rückfragen an die DJV.151 Hier hatten sich in der Praxis Schwierigkeiten bei der Auslegung des § 4 ergeben, der die Durchführung der Gottesdienste durch Geistliche explizit nur für Strafgefangene regelte, wo150 Vgl. o. Vf., Bericht über die Zusammenkunft der Gefängnisseelsorger und Fürsorgerinnen, Magdeburg, 15. 7. 1948 (EZA Berlin, 7/1824, o. Pag.). 151 Vgl. Landesregierung Sachsen-Anhalt, Justizminister, Schreiben an die Kirchenleitung der EKKPS, Halle / Saale, 18. 5. 1948 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 246 c, o. Pag.).
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durch es möglich geworden war, den Untersuchungsgefangenen eine Teilnahme am Gottesdienst zu verweigern. Bereits mit Schreiben vom 31. März 1948 besserte die DJV in der Angelegenheit eigenständig und dieses Mal ohne Rücksprache mit der SMAD152 nach: „Der Untersuchungsgefangene darf am gemeinsamen Gottesdienst grundsätzlich teilnehmen; es sei denn, daß der Richter oder Staatsanwalt mit Rücksicht auf den Zweck des Verfahrens anders anordnet, oder angeordnet hat. Ebenso kann der Richter oder Staatsanwalt bei einem Untersuchungsgefangenen die Einzelseelsorge beschränken oder ausschließen, wenn es besondere Gründe zur Sicherung des Verfahrens gebieten.“153
Ein Beispiel aus Sachsen-Anhalt zeigt auf, wie die DA trotz der darin enthaltenen massiven Beschneidungen auch stabilisierend auf die Gefängnisseelsorge wirken konnte. Zu Beginn des Jahres 1947 kam es in Sachsen-Anhalt zu gravierenden Störungen der Gefängnisseelsorge: Am 17. Februar 1947 verbot das Justizministerium der dortigen Provinzialregierung per Verfügung die Durchführung von Gottesdiensten und religiösen Feiern in allen Gefängnissen des Zuständigkeitsgebietes, da „keine Versammlungen von Gefangenen stattfinden dürfen, durch die die Verdunkelungsgefahr gefördert und Meutereien, Überfälle auf Beamte und Durchsteckereien ermöglicht und begünstigt werden.“154 Diese Begründung hielt das Konsistorium der EKKPS für vorgeschoben, wie es der Kirchenkanzlei am 19. März 1947 mitteilte, denn der verantwortliche Leiter der Justizabteilung habe zu erkennen gegeben, dass das Justizministerium das Gottesdienstverbot auf Anweisung der Russen ausgesprochen hätte.155 Das Konsistorium schaltete daraufhin den bei der Provinzialregierung Sachsen-Anhalt mit dem Kirchenwesen beauftragten Richard Kuhle ein, der in der Angelegenheit direkt beim Ministerpräsidenten Ehrhard
152 Dies lässt sich aus der kurzen Frist zwischen der Versendung der DA und der im Folgenden zitierten Klarstellung schließen. 153 Das Schreiben selbst ist nicht erhalten, wird jedoch in Auszügen im Schreiben der Landesregierung Sachsen-Anhalt an die Kirchenleitungen der EKKPS zitiert (vgl. AKPS Rep. Magdeburg, gen. 246 c, o. Pag.). 154 Provinzialregierung Sachsen-Anhalt, Justizminister, Schreiben an alle Vollzugsanstalten der Provinz, Halle / Saale, 17. 2. 1947 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 b, o. Pag.). 155 Vgl. Konsistorium EKKPS, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Magdeburg, 19. 3. 1947 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 b, o. Pag.). Auch der Seelsorger der Strafanstalt Naumburg, Pfarrer Maruhn, widersprach deutlich den Vorwürfen des Justizministeriums Halle und schob eventuelle Vorkommnisse auf das schlecht ausgebildete Personal in den Strafvollzugsanstalten: „Ich wüsste auch nicht, daß in den 12 Jahren meiner Tätigkeit hier jemals ernstlich Dinge der genannten Art durch den Gottesdienst begünstig worden seien. Wenn die Gafahr [sic] heute größer sein sollte, so kann es m. E. nur daran liegen, dass die Aufsicht nicht den Erfordernissen entspricht, vielleicht aus Mangel an erfahrenem und entsprechend geschulten Personal. In dieser Beziehung war auch hier allerlei zu wünschen.“ (Paul Maruhn, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Naumburg, 22. 3. 1947, AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 b, o. Pag.).
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Hübener (LDP) vorstellig wurde.156 Auch im Rahmen eines Gesprächs unter Beteiligung von Gentz und Poelchau von der DJV und einem Mitglied der Kirchenkanzlei im April 1947 wurden die Behinderungen der Gottesdienste in Sachsen-Anhalt thematisiert. Unter den Gesprächsteilnehmern herrschte Einvernehmen darüber, dass die Ursachen für die Störungen der Gefängnisseelsorge nicht bei der Justizverwaltung der Provinz Sachsen-Anhalts zu suchen seien, sondern ihren Ursprung in einer Anweisung der Sowjets hätten.157 Die DJV bat die Justizverwaltung in Halle deshalb, bei der hier ansässigen SMA zu protestieren, doch war dem Unterfangen kein Erfolg beschieden. Gleiches galt für die Intervention Kuhles beim Ministerpräsidenten. Deutlich wird dies durch das bereits erwähnte Schreiben des Justizministers des Landes Sachsen-Anhalt158 Zinke vom Januar 1948. In diesem erklärte Zinke weiterführend, dass die SMA in Halle dem Bitten des Justizministeriums auf Abänderung der am 17. Februar 1947 erlassenen Rundverfügung nicht gefolgt sei, wodurch zugleich belegt ist, dass das Gottesdienstverbot durch eine sowjetische Order verursacht worden war. Trotz des abschlägigen Bescheids der Hallenser SMA hob Zinke die Rundverfügung schließlich auf, da diese – so sein Argument – durch die neue DA, die Gottesdienste unmissverständlich erlaube, ausgehebelt sei.159 Erst durch dieses eigenständige, die Anweisung der örtlichen SMA ignorierende Handeln Zinkes, bei dem er sich auf die von der SMAD genehmigte DA bezog, wurde die Situation geklärt und eine Verbesserung der Gefängnisseelsorge in Sachsen-Anhalt erreicht. In Sachsen konnten die Seelsorger seit März 1946 aufgrund der durch den Justizminister erlassenen Rundverfügung Nr. 150 die Gefängnisse lediglich auf Anforderung durch die Gefangenen betreten. Die Situation verschärfend waren in den Dresdener Strafanstalten die Gottesdienste spätestens seit 1947 vollständig verboten. Nach Bericht von Pfarrer Ungethüm drängten die ca. 600 im Stadtgebiet Inhaftierten in den weiterhin erlaubten seelsorgerlichen Einzelgespräche beharrlich auf die Wiederaufnahme der Gottesdienste. Offenbar in Unkenntnis des kaum vorhandenen Einflusses des LKA auf die staatlichen Stellen kritisierte Ungethüm dessen seiner Meinung nach ungenügendes Engagement für die Wiederaufnahme der Gottesdienste: „Ich getraue mir nicht mehr mit gutem Gewissen zu sagen, das Landeskirchenamt sei bemüht, sich für Wiedergenehmigung der Gefängnis-Gottesdienste wirklich einzusetzen.“160 Die Situation verschlechterte sich im Mai 1947 weiter, als bei einer 156 Vgl. Konsistorium der EKKPS, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Magdeburg, 19. 3. 1947 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 b, o. Pag.) 157 Vgl. Kirchenleitung der EKiBB, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 12. 4. 1947 (EZA Berlin, 7/1824, o. Pag.). 158 Am 21. 6. 1947 war die Provinz Sachsen-Anhalt in ,Land Sachsen-Anhalt‘ umbenannt worden. 159 Landesregierung Sachsen-Anhalt, Schreiben an die DJV, Halle/Saale 22. 1. 1948 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 101). 160 Johannes Ungethüm, Schreiben an das LKA Sachsen, Dresden, 14. 5. 1947 (LKA Dresden, 2/ 292, Bl. 57).
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sowjetischen Kontrolle in der von der Justiz betriebenen Untersuchungshaftanstalt in Dresden alle bisher erlaubten Bücher entfernt wurden, darunter alle Bibeln, die Herrnhuter Losungen und die sächsische Kirchenzeitung ,Der Sonntag‘,161 wobei zu berücksichtigen ist, dass sich diese Maßnahme primär nicht gegen Religion oder Christentum an sich, sondern gegen den Strafvollzug der deutschen Justiz richtete, der nach sowjetischem Verständnis das strafende Element vermissen ließ. 2.2 Weitere Einschränkungen der kirchlichen Arbeit im Strafvollzug 2.2.1 Verstaatlichung der Fürsorge im Strafvollzug Eine weitere, ab dem Jahr 1947 eintretende und für die kirchliche Arbeit im Strafvollzug bedeutsame Änderung betraf die Einschränkung des Arbeitsgebietes der Seelsorger. Gemäß § 9 der durch die SMAD genehmigten Version der DA waren die Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger weiterhin in die Fürsorge involviert, denn hier hieß es: „Der Geistliche nimmt teil an der Fürsorge für die Personen, welche die Strafe abbüssen, mitwirkend, dass sie nach dem Verlassen des Gefängnisses zur Arbeit untergebracht werden.“162 Doch in der Praxis verlor die evangelische Kirche zunehmend ihren Einfluss auf die Fürsorge im Strafvollzug,163 da der Staat seinerseits Fürsorgerinnen und Fürsorger anstellte. Anders als vor 1945 waren diese nicht mehr christlich sozialisiert,164 sondern teilten die sozialistische Ideologie des Staates. Dass dies zu Schwierigkeiten führen konnte, zeigt eine Beschwerde von Pfarrer Geinitz, dem für die Magdeburger Vollzugsanstalt zuständigen Geistlichen. Als dieser nach einer Erkrankung wieder mit der Arbeit beginnen wollte, musste er feststellen, dass nicht nur die Anstaltsleitung, sondern auch der Fürsorger ausgetauscht worden war. Letzterer stünde nun, so Geinitz, anders als noch sein Vorgänger, „weltanschaulich einseitig auf parteipolitischem Boden. 161 Ebd. 162 Arthur Kanger, Wortgetreue Übersetzung der Dienstanweisung, 17. 5. 1947 (BArch Berlin, DP 1/30197, 69 f.). 163 Eine drastische Verschlechterung für die kirchlich organisierte Fürsorge stellte die von der DJV und der Deutschen Zentralverwaltung für Arbeit und Sozialfürsorge verabschiedete „Verordnung über die Strafentlassenen- und Straffälligenfürsorge“ vom 9. 12. 1947 dar. Diese bestimmte die Einrichtung von Ausschüssen, in denen Vertreter von Volkssolidarität, Sozialfürsorge, Justiz, Gesundheitswesen, Jugendamt, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund, Demokratischem Frauenbund, FDJ und dem Amt für Arbeit mitarbeiten sollten. Eine kirchliche Beteiligung war nicht vorgesehen (vgl. K hne, Protokolle, 175). 164 Die vor 1945 im Strafvollzug tätigen Fürsorgerinnen und Fürsorger waren, ebenso wie die Seelsorger, beim Staat angestellt. Anders jedoch als ihre Nachfolgerinnen und Nachfolger in der SBZ stammten sie in der Mehrheit aus dem kirchlichen Milieu, wie z. B. den konfessionellen Gefängnisgesellschaften und Gefängnisvereinen. Es gab somit keinen ideologischen Konflikt zwischen Seelsorge und Fürsorge (vgl. Schauz, Strafen, 290–291).
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Dieser Unterschied wird besonders im Aufbau des Unterrichtsplanes deutlich“165. Der Unterrichtsplan wurde in einer Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus dem Jugendreferenten der Stadtverwaltung, der Kreisreferentin der FDJ, der Fürsorgeschwester, dem Wohlfahrtspfleger der Magdeburger Stadtmission und dem staatlichen Fürsorger, festgelegt. Die Unterrichtsthemen hatten überwiegend politischen Charakter. Gottesdienste waren in Magdeburg aufgrund der im Februar 1947 erlassenen und bis Januar 1948 in Kraft befindlichen Verfügung nicht erlaubt. Umso mehr ärgerte es Geinitz, dass die politisch motivierten Veranstaltungen der Fürsorge unbehindert stattfinden konnten. Er hielt die Einzelgespräche als seelsorgerliche Betreuung keinesfalls für ausreichend, da die Insassen erst durch den Gottesdienst religiös angesprochen würden.166 2.2.2 Zunehmende Dominanz des Polizeistrafvollzugs Eine weitere Beschneidung des kirchlichen Einflusses im Strafvollzug brachte der SMAD-Befehl 201 vom 16. August 1947 mit sich.167 Mit diesem Erlass setzten die Sowjets die am 12. Oktober 1946 verabschiedete KRD (Kontrollratsdirektive) 38 zur Entnazifizierung in ihrer Besatzungszone nach eigenen Regularien um und wandten sich von der diesbezüglich vereinbarten Kooperation der Alliierten ab.168 Der Befehl sah vor, die nominellen Parteigenossen zu entlasten, wodurch diesen die Eingliederung in die Gesellschaft erleichtert werden sollte. Alle bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Einschränkungen für die Parteigenossen, wie z. B. das totale Beschäftigungsverbot in öffentlichen Ämtern, wurden aufgehoben, weiterhin wurde ihnen das aktive und passive Wahlrecht gewährt.169 Im Gegenzug wurde die Bestrafung der ehemals aktiven Nationalsozialisten intensiviert und in der gesamten SBZ unter Berücksichtigung der KRD 24 vom 12. Januar 1946 und KRD 38 vom 12. Oktober 1946 vereinheitlicht. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Verfolgung von NS-Verbrechern ausschließlich durch sowjetische Instanzen stattgefunden, doch Befehl 201 sollte gemäß Beschluss der KPdSU durch ostdeutsche Gerichte und Behörden ausgeführt werden – nicht zuletzt mit dem Hintergedanken, deren Kompetenzen hinsichtlich einer Verurteilung der Beschuldigten nach sowjetischen Vorstellungen zu testen.170 165 Hans-Werner Geinitz, Schreiben an das Konsistorium in Magdeburg, Magdeburg, 23. 8. 1947 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 b, o. Pag.). 166 Hans-Werner Geinitz, Schreiben an das Konsistorium in Magdeburg, Magdeburg, 23. 8. 1947 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 b, o. Pag.). 167 SMAD-Befehl 201 „Richtlinien zur Anwendung der Direktiven Nr. 24 und Nr. 38 des Kontrollrats über die Entnazifizierung“ vom 16. 8. 1947. 168 Zur Entnazifizierung in der SBZ vgl. Rçssler, Entnazifizierungspolitik. 169 Vgl. dies., Justizpolitik, 94. 170 Vgl. Wentker, Justiz, 408. Zur Entstehung von Befehl 201 und dessen Bedeutung für die
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Bereits die Ausführungsbestimmung Nr. 3 zu Befehl 201 hatte in Ziffer 8 festgelegt, dass die „Hauptverbrecher“ die Zeit der Untersuchungshaft getrennt von den übrigen Gefangenen in Einzelzellen und unter verschärften Bedingungen verbringen sollten.171 Der Erlass der DJV vom 9. Oktober 1947 präzisierte dahingehend, dass die Einzelhaft „nicht in den Gerichts-, sondern in den Polizeigefängnissen“ zu vollziehen sei,172 – eine Bestimmung, die per Beschluss der Innenministerkonferenz vom 29. und 30. November 1947 auf den gesamten Strafvollzug der nach Befehl 201 Verurteilten ausgeweitet wurde.173 Damit waren die sogenannten 201er für die Gefängnisseelsorge nur noch schwer und in Ausnahmefällen zu erreichen.174 Verschärfend kam hinzu, dass die nach Befehl 201 Verurteilten aufgrund des notorischen Platzmangels und entgegen der o. g. Bestimmung auch in den Haftanstalten der Justiz einsaßen – ein Dilemma, das die Intention des MdI, den gesamten Strafvollzug zu übernehmen, konterkarierte. In einigen Fällen, in denen das MdI nicht umhin kam, die Aufsicht über einen Teil der nach § 201 Verurteilten der Justiz zu überlassen, kam es zum vermehrten Einsatz von Polizeimitarbeitern in den
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Umbildung des Justizwesens in der SBZ / DDR vgl. ebd. das Kapitel „SMAD-Befehl 201“ (399–432). Vgl. Ausführungsbestimmung Nr. 3 zum Befehl Nr. 201 vom 16. 8. 1947 (Richtlinien zur Anwendung der Direktive Nr. 38 des Kontrollrats), abgedruckt bei Rçssler, Entnazifizierungspolitik, 153 f. Die nach SMAD-Befehl 201 Verurteilten wurden aufgrund der bei ihnen angeblich latent vorhandenen Fluchtabsichten besonders scharf bewacht und ihre Zellen bis zu zweimal in der Woche gründlich durchsucht, zudem durften sie keine Lebensmittelpakete bzw. Geldzuwendungen von Familienangehörigen empfangen. Auch die Einreichung einer Haftbeschwerde war ihnen verwehrt (vgl. Wunschik, Strafvollzugspolitik, 260 f.). Vgl. Erlass der Deutschen Justizverwaltung zur Durchführung des Befehls 201 vom 16. 8. 1947 (Richtlinien zur Anwendung der Direktive Nr. 38 des Kontrollrats), abgedruckt bei Rçssler, Justizpolitik, 159 f. Vgl. M ller, Strafvollzugspolitik, 108. In Berlin-Brandenburg wurden aufgrund der nicht funktionierenden Seelsorge in den Gefangenenanstalten des Landes zahlreiche Beschwerden an die Kirchenleitungen herangetragen. Als man den Vorwürfen nachging, stellte sich heraus, dass die Probleme lediglich die nach SMAD-Befehl 201 Verurteilten betrafen und dass bei diesem Personenkreis generell keine Seelsorge möglich war – Aspekte, die der Kirchenleitung neu waren. Präses Scharf wandte sich daraufhin an den Minister des Innern mit der Bitte, die Seelsorge für die nach Befehl 201Verurteilten zu gestatten. Der in der Strafvollzugsanstalt und im Untersuchungsgefängnis des Amtsgerichts von Gera tätige Pfarrer Otto Glombitza berichtete in einem Schreiben an den Thüringer LKR, dass die Polizei, zum Leidwesen der Anstaltsleitung, der Wachtmeister und seiner selbst, die religiöse Freiheit bei den nach SMAD-Befehl 201 Verurteilten auf Anordnung der DVdI behindern würde (vgl. Otto Glombitza, Schreiben an den LKA Thüringen, Gera, 3. 11. 1948, LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 77). Zwar schweigt sich Glombitza über die Art der Behinderungen aus, doch darf angenommen werden, dass die ,201er‘ weder Zugang zur Sprechstunde noch die Erlaubnis hatten, am Gottesdienst teilzunehmen. Das Schreiben Glombitzas bestätigt, dass die Polizei Ende 1948 bereits aktiv in die Abläufe im Justizstrafvollzug eingriff. Im Gerichtsgefängnis von Zeitz wurde die zuvor noch erlaubte seelsorgerliche Betreuung der nach Befehl 201 Verurteilten am 9. 3. 1948 verboten (vgl. Walter von Knebel, Schreiben an die Kirchenleitung der EKKPS, Zeitz, 11. 3. 1948, AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 b).
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eigentlich der Justiz unterstellten Anstalten, wie etwa in Hoheneck, Zwickau, Klein-Meusdorf und Görlitz, womit zwangsläufig Kompetenzüberschneidungen verbunden waren.175 Wie die Präsenz der Polizei das Anstaltsleben und die seelsorgerliche Arbeit der evangelischen Kirche beeinflusste, lässt sich aus den nachfolgenden Schilderungen des Stollberger Pfarrers Siegfried Rambow ableiten. Rambow berichtete im April 1948 an das sächsische LKA, dass die Seelsorge in Hoheneck völlig der Willkür der Anstaltsleitung unterworfen sei.176 Das Gebäude verfüge zwar über ein Zimmer, das die Aufschrift „ev.-luth. Pfarramt“ trüge, jedoch habe er zu diesem keinen Zutritt erhalten und mittlerweile sei es in einen Aufenthaltsraum für die Polizisten umgewandelt worden.177 In diesem Dienstzimmer hätten sich sämtliche Akten der „ehem. selbständigen Orts- und Gefängnisgemeinde Hoheneck“ befunden. Als Rambow die Übergabe der Akten verlangte, habe ihm der Amtsleiter gesagt, dass er nichts über den Verbleib derselben wisse, „diese seien sicherlich in dem Durcheinander von 1945 weggekommen“178. In direktem Gegensatz zu der vom sächsischen Justizminister Johannes Dieckmann im Juni 1948 verordneten Vorgehensweise verweigerte die Gefängnisleitung von Hoheneck die Weitergabe der Gesuche von Inhaftierten um Seelsorge an Rambow. Zudem begrenzte sie die für 800 Gefangene zur Verfügung stehenden Seelsorgestunden auf vier Stunden im Abstand von vierzehn Tagen. Ebenfalls erschwerend für die Seelsorge wirkte sich der auf einer Arbeitstagung des sächsischen Justizministeriums gefällte Beschluss aus, den Geistlichen die Gefängnisrundgänge und die damit verknüpften Zellenbesuche zu verwehren sowie das seelsorgerliche Einzelgespräch nur noch im Dienstzimmer des Pfarrers zuzulassen.179 Wohl auf Basis dieser Regelung wurde Rambow in Hoheneck der Besuch der Krankenbaracke verwehrt, wodurch die Seelsorge an allen Gefangenen, die das Dienstzimmer des Pfarrers nicht aus eigenen Kräften erreichen konnten, ausgeschlossen war. Das für die Seelsorge in Hoheneck dann ab Dezember 1948 zur Verfügung stehende Zimmer befand sich im Torwachraum und war von Seiten der Wachhabenden durch eine Glasscheibe einzusehen. Der Besuch 175 Vgl. M ller, Strafvollzugspolitik. 107. Wegen der Zuständigkeiten im Strafvollzug kam es spätestens ab 1947 in der SBZ zu einem Konflikt zwischen der DJV und dem MdI, im Zuge dessen sich ein Gerangel um die Zuständigkeit für die nach Befehl 201 Verurteilten entwickelte, deren Großteil eigentlich, so der Beschluss, in der Vollzugsanstalt Brandenburg-Görden zusammengezogen werden sollte. Die Leitung der StVA Brandenburg-Görden lag zunächst in den Händen der Polizei und wurde im Februar 1949 direkt an die DJV übergeben. Im Juli 1950 ging Görden im Zuge der Übernahme des Strafvollzuges durch das MdI dann wieder an die VP zurück (vgl. Ansorg, Häftlinge, 40–45; Wentker, Justiz, 369 f.). 176 Vgl. Siegfried Rambow, Schreiben an das LKA Sachsen, Stollberg, 19. 4. 1948 (LKA Dresden, 2/292, Bl. 87). 177 Ders., Schreiben an das LKA Sachsen, Stollberg, 11. 12. 1948 (LKA Dresden, 2/315, Bl. 30). 178 Ebd. 179 Vgl. o. Vf., Inhalte der Arbeitstagung Strafvollzug vom 20. 11. 1948 in Dresden, Dresden, 24. 11. 1948 (LKA Dresden, 2/315, Bl. 28).
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von Gottesdiensten war auf Gruppen (komplette Säle oder Abteilungen) beschränkt, da für individuelle Gottesdienstbesuche angeblich nicht genügend Wachpersonal vorhanden war. Für die in Hoheneck stattfindenden kulturellen Veranstaltungen wie Kinovorführungen oder Vorträge galt diese Einschränkung allerdings nicht.180 Die Gefangenen berichteten über eine im Vergleich zu Haftanstalten wie Dresden und Zwickau schlechte Verpflegung sowie eine Beschränkung des Paketempfangs.181 Rambows Ausführungen werden durch die Einschätzungen des in Stollberg ansässigen Superintendenten Friedrich Walter Helm, der die Haftanstalt Hoheneck zwecks Abhaltung eines Pfingstgottesdienstes besucht hatte, ergänzt. Das Verlangen nach Seelsorge unter den Häftlingen sei sehr stark, zumal eine Fürsorge nicht mehr existiere und viele Gefangene deswegen in großer Sorge um ihre Familien seien. Die Seelsorge würde durch die Anstaltsleitung zwar nicht völlig unterbunden, jedoch stark eingeengt. So dürften etwa nur wenige Gefangene zu den seelsorgerlichen Gesprächen erscheinen, die noch dazu in Anwesenheit eines Beamten stattfänden. Auch würde es durch die Anstaltsleitung teils versäumt, die Sprechstundentermine an die Insassen weiterzugeben. „Daß unter solchen Umständen eine seelsorgerliche Betreuung so gut wie illusorisch wird, ist klar und lastet auf Pfarrer Rambow und mir als ganz schwerer Druck. Da die Besatzungsmacht erklärt hat, es soll die Seelsorge wieder wie vor 1933 möglich sein, und da wir auch von anderen Gefangenenanstalten hörten, daß dort der Seelsorger jederzeit Zutritt hat, mit den Gefangenen in ihren Quartieren zu sprechen und überhaupt für eine planmäßige Seelsorge die Tür offen ist, muß es doch auch für Hoheneck eine Möglichkeit geben und bitten wir, doch bei den zuständigen Stellen dafür einzusetzen, da hier trotz aller Eingaben nicht weiterzukommen ist.“182
Der Verdacht eines Zusammenhangs zwischen diesen repressiven Maßnahmen und der Polizeipräsenz, die durch die nach Befehl 201 Inhaftierten bedingt war, lässt sich für den Hohenecker Strafvollzug somit kaum von der Hand weisen.183 Die Ursachen für diese ab dem Frühjahr 1947 nachweisbaren Behinderungen der Gefängnisseelsorge sind in parallel verlaufenden Prozessen auf landespolitischer Ebene und einer Korrektur der Justiz- und Kirchenpolitik 180 Vgl. Siegfried Rambow, Schreiben an das LKA Sachsen, Stollberg, 11. 12. 1948 (LKA Dresden, 2/315, Bl. 30). 181 Vgl. ebd. 182 Friedrich Walter Helm, Schreiben an das LKA Sachsen, Stollberg, 20. 5. 1948 (LKA Dresden, 2/292, Bl. 88). 183 Im Januar 1949 kam die Seelsorge in Hoheneck dann vollständig zum Erliegen, da Rambow durch die Anstaltsleitung des Kassiberschmuggels beschuldigt und aufgrund dessen aus dem Dienst entfernt wurde (vgl. Siegfried Rambow, Schreiben an das LKA Sachsen, Stollberg, 30. 1. 1949, LKA Dresden, 2/315, Bl. 32).
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der Sowjets zu suchen. So waren die von Gentz angestrebten Reformen im Strafvollzug von der SMAD zwar zu keinem Zeitpunkt aktiv unterstützt, zumindest anfangs teils aber doch positiv kommentiert und toleriert worden. Ab 1947 hingegen geriet die Arbeit der DJV zunehmend in die Kritik der Sowjets. So warf Oberstleutnant Abdul-Shagi A. Jakupov, der für die Angelegenheiten der DJV zuständige Sachbearbeiter bei der SMAD-Rechtsabteilung,184 den Landesministerien der Justiz auf der Länderkonferenz vom 11. April 1947 mangelnde Initiative bei der Bekämpfung von Fluchtversuchen und Entweichungen aus den Strafanstalten vor. Auch Maßnahmen zur Realisierung eines humanen Strafvollzugs wie die Vermeidung von Überbelegungen der Haftanstalten und die Entlassung Schwerstkranker stießen bei den Sowjets auf zunehmende Ablehnung. Im November 1947 geriet die in Brandenburg praktizierte Bewährungsarbeit, die bei leichteren Delikten und für Ersttäter verhängt werden konnte, in das Visier Jakupovs. Dieses Konzept der Pflichtarbeit sah vor, dass anstelle einer Haftstrafe Arbeit geleistet werden konnte, die nicht nur auf dem allgemein üblichen Lohnniveau vergütet wurde, sondern zugleich die Haftzeit um die Hälfte reduzierte. Diese Maßnahmen des reformierten Strafvollzugs waren Jakupov zu milde und er echauffierte sich wiederholt über den seiner Ansicht nach allzu humanen Strafvollzug der deutschen Justiz. Zwar konnten Gentz und seine Abteilung bis Ende 1947 immer wieder Reformen wie z. B. die am 9. Dezember 1947 beschlossene Entlassenenfürsorge durchsetzen, doch lässt sich insgesamt für das Jahr 1947 eine Veränderung der russischen Haltung zur Durchführung des Vollzugs in den Haftanstalten der Justiz feststellen, die sich auch in der weitreichenden und die Arbeit der Seelsorger massiv beschneidenden Überarbeitung der von der DJV vorgelegten DA für die evangelische Gefängnisseelsorge durch die SMAD niederschlug. Das Inkrafttreten dieser DA ab Herbst / Winter 1947 tangierte ebenso die Bestrebungen der DJV bei der Durchführung eines humanen Strafvollzugs in der SBZ wie die Gefängnisseelsorge und somit die Kirchenpolitik, die hier erste Korrekturen erfuhr. Die zunehmend ablehnende Haltung der SMAD gegenüber den Reformbemühungen der DJV und die damit im Zusammenhang stehenden Behinderungen der Gefängnisseelsorge wurden verstärkt durch das nach den Kreisund Landtagswahlen vom 20. Oktober 1946 zunehmende Erstarken der SED. Dieses verdankte sich weniger dem landesweiten Wahlergebnis von durchschnittlich 47,6 % als vielmehr der strategischen Personal- und Kaderpolitik der Partei. Bei der Regierungsbildung in den Landesparlamenten besetzte die SED bevorzugt die Ressorts für Wirtschaft, Volksbildung und Justiz und speiste die übrigen Parteien mit weniger bedeutsamen Ministerien wie denen für das Postwesen, den Wiederaufbau und das Gesundheitswesen ab. Auch wurde den Ministern aus bürgerlichen Parteien stets ein SED-Genosse als 184 Vgl. Wentker, Justiz, 28.
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Vertreter zur Seite gestellt.185 Bereits seit Juli 1946 wurde zudem durch die auf sowjetische Weisung hin gegründete DVdI massiv die Zentralisierung der deutschen Polizei – die als Betreiberin eigener StVA auch Ansprechpartnerin bei der Organisation der evangelischen Gefängnisseelsorge war – forciert. Bei diesem Unterfangen arbeiteten deutsche Kommunisten und SMAD Hand in Hand – mit dem Ergebnis, dass die Polizei gemäß Müller „zum frühzeitigen Testfeld für Maßnahmen der Säuberung, Zentralisierung, Politisierung und Gleichschaltung der gesamten Verwaltung in der SBZ“ diente.186 Das Land Sachsen – hier waren bereits im Dezember 1945 von 10.000 Polizeidienstangehörigen 50 % Mitglieder der KPD187 – hatte bei diesen Entwicklungen eine Vorreiterrolle.188 Unter der rigorosen, auf Verdrängung der bürgerlichen Parteien aus der Landespolitik ausgerichteten Führung des ersten Vizepräsidenten für Inneres und Volksbildung Fischer (KPD / SED),189 dessen Befugnisse darauf angelegt waren, alle anderen Ressorts zu kontrollieren, entstand in Sachsen ein Polizeiapparat, der nicht nur als Vorbild für die anderen Länder der SBZ diente, sondern zudem die Keimzelle des MfS bildete.190 Auch der Kontakt zu und die Arbeit mit den Kirchen wurden in Sachsen von Verwaltungsorganen koordiniert, die zugleich in die Organisation und den Aufbau des Polizeiapparates involviert waren. Anfangs gehörte die bei der Landesregierung eingerichtete Unterabteilung Kirchen und Religionsgemeinschaften zur Abteilung Volksbildung, die wiederum dem von Fischer geleiteten Ressort Inneres und Volksbildung unterstellt war. Nach diversen Umstrukturierungen existierten im Frühjahr 1946 zeitweise Pläne, die Zuständigkeit für die Kirchen ganz in die Hände der Polizei zu geben. Zwar wurden diese Absichten nicht realisiert, doch blieb der bei der Landesregierung Sachsen für kirchliche Angelegenheiten verantwortliche Bereich immer 185 Zu den Strategien und Hintergründen der SED-Personalpolitik in der SBZ vgl. M ller, Parteiministerien, v. a. Kap. 3 „Personalpolitik als Kaderpolitik“ (348–364). 186 M ller, Parteiministerien, 351. 187 Ebd., Anm. 48. 188 Zu Sachsen als „Modell-Land der Diktaturdurchsetzung“ in der Zeit von 1945 bis 1948 mit Ausführungen zu Strategien machtpolitischer Einflussnahme durch die Moskau-Kader und detailliertem Zahlenmaterial zur kommunistischen Personalentwicklung vgl. Schmeitzner, Instanzen, Zitat 197. 189 Die Lebensgeschichte Dr. Kurt Fischers erinnert an britische Spionagethriller. Fischer, stammend aus Halle / Saale, war Agent des russischen Militärnachrichtendienstes Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije (GRU) und wurde in dieser Funktion in China und Japan eingesetzt. Nach Sachsen kam er mit der Gruppe Ackermann. Politischer Gegner entledigte er sich bevorzugt, indem er sie durch die russischen Geheimdienste zunächst verhaften und dann verschwinden ließ. Zudem häuften sich unter Fischers unmittelbaren Mitarbeitern unerklärliche Todesfälle. Robert Bialek, 1946/47 Sekretär der SED-Landesleitung Sachsen und später Generalinspekteur der VP bei der DVdI, weist Fischer die Verantwortung am Tod von mindestens neun Genossen zu. Bis in die heutige Zeit wird darüber spekuliert, ob Fischer aktiv am Tod des sächsischen Ministerpräsidenten Rudolf Friedrich (1892–1947) beteiligt war (vgl. Richter / Schmeitzner, Entfernt, 88–92). 190 Vgl. ebd., 85.
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nahe beim MdI, was die Kontrolle der Kirchen und später dann auch deren Überwachung erleichterte.191 Die in Dresden bereits im Frühjahr 1946 einsetzenden Behinderungen in der Gefängnisseelsorge dürften mit diesen auch innerhalb der SBZ spezifischen Entwicklungen in Sachsen zusammenhängen, die für eine kirchliche Tätigkeit im Strafvollzug denkbar ungünstige Voraussetzungen bot.
3. Festigung und Zentralisierung (1948–1949) 3.1 Landeskirchliche Bemühungen um Kooperation mit den Blockparteien Bei ihren Bemühungen um die landesweite Sicherung der Seelsorge für die Inhaftierten im Strafvollzug ersuchten Kirchenvertreter auch die Blockparteien um Unterstützung. Ein erster Versuch, mit Hilfe einer der bürgerlichen Parteien günstigere Bedingungen für die Gefängnisseelsorge zu erzielen, lässt sich für Dezember 1947 in der EKKPS nachweisen. Der Hallesche Seelsorger Brachmann beklagte in seinem bereits erwähnten Schreiben an die Kirchenleitung vom 1. Dezember 1947 Behinderungen bei der Gefängnisseelsorge, die aus der neuen, aus sowjetischer Feder stammenden DA resultierten. Im Gegensatz zu den Kirchen würden etwa der SED und der FDJ, die ihrerseits im Strafvollzug politisch aktiv waren,192 Schwierigkeiten dieser Art in keinem ihm bekannten Falle bereitet. Er bat die Kirchenleitung daher eindringlich, „höheren Orts vorstellig zu werden, damit diese unhaltbaren Zustände aufhören und eine Ordnung gegeben wird, die einerseits das Ansehen der Ev. Kirche, andererseits aber das Interesse und Bedürfnis aller Gefangenen wahrt. Denn sonst wird nicht nur das Ansehen der Kirche, sondern auch das Ansehen der Demokratie mit Füßen getreten. Ich werde mich jedenfalls mit der CDU in Verbindung setzen, dass auch hier ein Vorstoß unternommen wird.“193
Brachmann kündigte an, sich mit der CDU in Verbindung zu setzen, damit von dieser Seite aus ebenfalls ein Vorstoß zur Verbesserung der Gefängnisseelsorge unternommen werden könnte. In Thüringen hatte der im Strafvollzug in Gera tätige Pfarrer Glombitza von dem zwischenzeitlich zurückgetretenen thüringischen Generalstaatsanwalt Kuschnitzky den Rat bekommen, sich hinsichtlich des Verbotes der seelsorgerlichen Betreuung der nach Befehl 201
191 Zur Verknüpfung der für die kirchliche Arbeit zuständigen Abteilung mit dem MdI und dem Polizeiapparat vgl. Wilhelm, Diktaturen, 262–265. 192 Vgl. im Kap. Anm. 214. 193 Walter Brachmann, Gefängnisseelsorge, 1. 12. 1947 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 b, o. Pag.).
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Verurteilten mittels einer kleinen Anfrage über eine Fraktion an den Innenminister zu wenden.194 Während Fort- und Ausgang dieser Bestrebungen in Thüringen und Sachsen-Anhalt nicht bekannt sind, lässt sich für Sachsen ein tatsächliches Engagement der CDU in Sachen Gefängnisseelsorge nachweisen. Ausgangspunkt waren hier Behinderungen der Seelsorgearbeit im Gefängnis Hoheneck in Stollberg, die dem sächsischen LKA Gelegenheit gaben, wegen der Gefängnisseelsorge erneut Kontakt zum sächsischen Justizministerium aufzunehmen, das mittlerweile von Dieckmann (LDPD) geleitet wurde.195 Mittels eines von OLKR Knospe unterzeichneten, fünf Seiten umfassenden Schreibens,196 in dem Rückbezug auf die zwischen Dibelius und Schiffer am 29. Oktober 1946 vereinbarte DA genommen wurde,197 wurden die elementaren Forderungen der evangelischen Kirche noch einmal zusammengefasst: „1. In allen Gefängnissen muß die Möglichkeit zu regelmäßigen Gottesdiensten bestehen, auch ohne daß von seiten der Anstaltsinsassen ein ausdrücklicher Wunsch danach geäußert wird. 2. Der Gefängnispfarrer muß, soweit es die Anstaltsordnung erlaubt, von sich aus Zutritt zu den Gefangenen haben und sie unter 4 Augen sprechen können. Dazu scheint uns nötig zu sein, dem Gefängnispfarrer das Schlüsselrecht einzuräumen. 3. Kirchliches Schrifttum, wie Bibeln, Gesangbücher, kirchliche Sonntagsblätter, darf den Strafgefangenen ausgehändigt werden. 4. An den großen Strafvollzugsanstalten wird sich die Anstellung eines hauptamtlichen Seelsorgers möglich machen, dem, wenn nötig, eine Wohnung innerhalb der Anstalt eingeräumt werden möchte, und dem ein Dienstzimmer zur Erledigung seiner Verwaltungsgeschäfte zur Verfügung stehen muß.“198 194 Vgl. Otto Glombitza, Schreiben an den LKA Thüringen, Gera, 3. 11. 1948 (LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 77). 195 Knospe hatte sich bereits im Sommer 1947 an den damaligen Justizminister Hermann Kastner (LDPD) gewandt und diesem die Grundbedingungen für eine nach kirchlicher Auffassung wirksame Gefängnisseelsorge in aller Deutlichkeit dargelegt (vgl. Gottfried Knospe, Schreiben an die Landesregierung Sachsen, Dresden, 9. 7. 1947, LKA Dresden, 2/292, Bl. 38). 196 Das Schreiben liegt in zwei Versionen vor: Der mit Streichungen und handschriftlichen Anmerkungen versehene Entwurf (vgl. Gottfried Knospe, Schreiben an Johannes Dieckmann [Entwurf], Dresden, 16. 6. 1948, LKA Dresden, 2/292, Bl. 98–100) und die Ausfertigung an Dieckman (vgl. Gottfried Knospe, Schreiben an Johannes Dieckmann, Dresden, 19. 6. 1948, EZA Berlin, 4/731 o. Pag.). 197 Zu diesem Zeitpunkt lag in Dresden bereits die durch die SMAD erlassene DA für die evangelischen Geistlichen in den Gefängnissen der Justizverwaltungen der SBZ vor, die jedoch vom LKA ignoriert wurde, „weil sie uns weder offiziell bekanntgegeben wurde noch bisher veröffentlich worden ist und angeblich auch nicht zur Veröffentlichung vorgesehen ist.“ (LKA Sachsen, Schreiben an Franz Jensch [Landtagsabgeordneter der CDU], Dresden, 18. 6. 1948 (LKA Dresden, 2/292, Bl. 97). 198 Vgl. Gottfried Knospe, Schreiben an Johannes Dieckmann, Dresden, 19. 6. 1948, EZA Berlin 4/731 o. Pag.). Hier auch das Folgende.
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Knospe verdeutlichte gegenüber Dieckmann die negativen Auswirkungen der gegenwärtigen Regelung, den Kontakt mit dem Anstaltsgeistlichen nur auf ausdrücklichen Wunsch der Inhaftierten zu erlauben, auf die Seelsorgepraxis, zumal das Anstaltspersonal dabei zwangsläufig als Zwischeninstanz fungiere, und somit das für die Seelsorge unablässige Vertrauen zwischen Seelsorger und Gefangenem gefährdet, wenn nicht sogar völlig verhindert werden würde. Mit der Kontaktaufnahme zu Dieckmann verfolgte die sächsische Kirchenleitung ein weitergehendes Anliegen. Knospe argumentierte in seinem Schreiben, dass der Staat mit „der zwangsweisen Vereinigung der Anstaltsinsassen auch die Pflicht übernimmt, für sie zu sorgen“. Dies gelte auch für die seelischen Bedürfnisse des Insassen, bei deren Befriedigung er völlig auf den guten Willen der Anstalt und eine umfassende Seelsorge angewiesen sei. Deshalb sei es die Pflicht der Justiz, Letztere ohne Einschränkungen zu ermöglichen und dabei auch personell Verantwortung zu übernehmen: „Die rechte seelsorgerliche Betreuung aber kann, zumal in größeren Anstalten nur durch einen zur Anstalt selbst gehörenden hauptamtlichen Anstaltsgeistlichen erfolgen.“ Die in Knospes Schreiben geforderten Gefängnisgeistlichen sollten in den Personalkörper der Anstalten eingegliedert sein – nicht zuletzt um die Einwirkung des Staates auf diese zu gewährleisten. Den Ortsgeistlichen, in deren Gebiet die Strafanstalten lägen, könne die große Anzahl an zusätzlichen Seelsorgebedürftigen neben ihrer eigentlichen Arbeit in der Gemeinde nicht zugemutet werden. Auch überstiegen die für die seelsorgerliche Betreuung der Insassen nötigen erheblichen finanziellen Mittel die Belastungsgrenzen der Ortskirchengemeinden. Weiterhin bedürften Gefängnisseelsorger einer besonderen Ausbildung und inneren Berufung. Zwar vermied Knospe es in dem gesamten Schreiben, die Forderung nach einer finanziellen Beteiligung des Staates an der Gefängnisseelsorge explizit zu formulieren, doch lässt der Duktus der Argumentation keinen Zweifel an der diesbezüglichen Intention des Verfassers.199 Verwunderlich sind in diesem 199 Der im Archiv des LKA in Dresden befindliche Entwurf des Schreibens von Knospe an Dieckmann wird an diesem Punkt deutlicher und formuliert: „[…] es handelt sich bei der auf staatliche Kosten zu besorgenden Versorgung der Anstaltsinsassen auch um eine Staatsleistung an die Landeskirche.“ (Gottfried Knospe, Schreiben an Johannes Dieckmann [Entwurf], Dresden 16. 6. 1948, LKA Dresden, 2/292, Bl. 99). Knospe zitierte dazu aus einem am 17. 8. 1927 vom Ministerium des Innern an das LKA in Dresden ergangenen Schreiben, in dem das Ministerium wie folgt Stellung bezogen hatte: „Immerhin ist auch die vom ev.– luth. Landeskonsistorium in seinem Schreiben an das Ministerium der Justiz vom 30. Juni 1923 vertretene Auffassung nicht von der Hand zu weisen, daß die kirchliche Versorgung der Landesanstalten Staatsleistungen an die Kirche darstellen, die auf Herkommen beruhen, und die der Staat deshalb nach Artikel 138 der Reichsverfassung abzulösen habe, wenn er sie nicht auch weiterhin trage. Es wird nicht ohne weiteres bestritten werden können, daß die Verfügungen, durch welche der Staat die kirchliche Versorgung in den Landesanstalten übernommen und geregelt hat, besondere Rechtstitel sind, durch die er der Kirche sonst von ihr zu erfüllende Aufgaben abgenommen hat, und daß er hierdurch der Kirche gegenüber Verpflichtungen eingegangen ist, auch wenn hierfür nicht die Form des Vertrages mit der Kirche
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Zusammenhang die Verweise des OLKR auf die Vorteile der Eingliederung der Gefängnisseelsorger in den Anstaltskörper, was mit deren Anstellung durch den Staat gleichzusetzen ist. Damit forderte Knospe eben jenes Arbeits- und Abhängigkeitsverhältnis, das bei den Verhandlungen zwischen Kirchenkanzlei, Kirchenleitung der EKiBB und der DJV einvernehmlich zu Gunsten des Modells, dass die Gefängnisseelsorger nun ausschließlich bei der Kirche angestellt werden sollten, abgelehnt worden war. Einen Hinweis auf die Beweggründe des sächsischen LKA für diese Initiative gibt das Protokoll der 8. Sitzung der KOKvom 5. März 1947. Dieses enthält den Passus: „Nach Mitteilung von Oberlandeskirchenrat Knospe und Präses Scharf hoffen die Kirchenleitungen in Dresden und Berlin zu erreichen, dass der Staat seine Verpflichtungen zur Anstellung von Strafanstaltsseelsorgern, mindestens aber zur Tragung der hierdurch entstehenden Kosten weiterhin [editorische Notiz: dieses Wort wurde nachträglich handschriftlich eingefügt] anerkennen werde.“200
Dieser Protokollauszug zeigt, dass nicht nur die Kirchenleitung der Sächsischen Kirche, sondern auch die der EKiBB nun gegensätzlich zu der mit der DJV ausgehandelten Lösung agierte, die Gefängnisgeistlichen ausschließlich bei der Kirche anzustellen. Scharf selbst hatte 1946 eben diesen, im kirchlichen Interesse gefassten Entschluss bei der DJV zunächst schriftlich vorgetragen und im persönlichen Gespräch unter Anwesenheit von Dibelius, Poelchau, Schiffer und Gentz bekräftigt. Von der Sitzung der KOK vom 5. März 1947, speziell zu dem Teil, der die Gefängnisseelsorge betraf, existiert eine weitere, durch den Dresdner Superintendenten Franz Lau angefertigte, Niederschrift. Lau führt aus: „OLKRat Knospe aus Dresden bittet dringend darum, daß der Anspruch auf staatliche Anstellung der Gefängnisseelsorger (und Anstaltsseelsorger überhaupt) nicht vorzeitig preisgegeben wird. Erst müssen die Rechtsansprüche auf Ablösung alter Verpflichtungen der Länder in Geld durchgefochten sein. Unterstützung erfährt OLKR Knospe von Präses Scharf, der als Formulierung für Abmachungen vorschlägt, nicht die Kirchenleitung stellt haupt- und nebenamtliche Geistliche an, dondern [sic]: Es werden …… angestellt.201
Den Hintergrund für das erneute Insistieren der Dresdner und der Berliner Kirchenleitungen auf staatlich bezahlten Anstalts- und Gefängnisseelsorgern gewählt worden ist. Zum mindesten wird sich die Kirche, wie sie es ja auch bereits getan hat, darauf berufen können, daß sie durch jahrzehnte-, wenn nicht jahrhundertelanges Herkommen einen Anspruch auf diese Leistungen des Staates erlangt habe.“ (ebd.). Im Entwurf ist dieser Absatz gestrichen und erscheint entsprechend auch nicht in dem schließlich an das Justizministerium versandten Schreiben (vgl. Anm. 195 oben). 200 Vgl. K hne, Protokolle, 174. 201 Franz Lau, Verhandlungen der KOK zur Anstaltsseelsorge (Niederschrift), o. Ort, 5. 3. 1947 (LKA Dresden, 2/292, Bl. 35).
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bildeten also, so wird hier deutlich, die Verhandlungen um die in den Länderverfassungen festgelegte Ablösung der Staatsleistungen.202 Offenbar wollten Knospe und Scharf verhindern, dass durch die Übernahme der Gefängnisseelsorge in die alleinige Verantwortung der Kirche möglicherweise noch erhebbare finanzielle Ansprüche gegenüber dem Staat in diesem Bereich vorschnell aufgegeben wurden. Von Bedeutung dürfte dabei auch die Frage nach der Altersversorgung der ehemaligen, als Staatsbeamte tätig gewesenen, hauptamtlichen Anstaltsseelsorger in der SBZ gewesen sein, für deren Pensionen der Staat hätte aufkommen müssen. Dieckmann reagierte auf das Schreiben des sächsischen LKA am 30. Juni 1948 mit einer Einladung zu einer persönlichen Aussprache und verwies dabei zugleich auf einen durch die CDU im Landtag eingebrachten Antrag, der den Erlass von Richtlinien für die Gefängnisseelsorge thematisierte.203 Zu den durch das LKA so dringlich vorgebrachten Einwänden gegen die Wunschseelsorge verwies Dieckmann jedoch auf seine Gebundenheit an die sächsische Verfassung, in der das Verlangen der Inhaftierten als Grundvoraussetzung für die Seelsorge bestimmt worden war.204 In dem am 6. Juli 1948 in den Räumen des Justizministeriums geführten Gespräch stellte Dieckmann gegenüber Knospe und Kirchenrat Fridtjof Held erneut die Unvereinbarkeit der von der Kirche geforderten nachgehenden Seelsorge205 mit der sächsischen Verfassung fest. Trotz dieser Tatsache wolle er „als Christ eine Regelung treffen, die auch dann Bestand habe, wenn wieder einmal ein den religiösen Fragen gleichgültig gegenüberstehender Minister am Ruder sei.“206 Dieckmanns Vorschlag zur Beseitigung der Diskrepanz zwischen Wunschseelsorge und nachgehender Seelsorge sah vor, die Inhaftierten bei ihrer Einlieferung und später in etwa wöchentlichen Intervallen auf ihr verfassungsmäßiges Recht auf Seelsorge und Teilnahme am Gottesdienst hinzuweisen, wobei bei der Entgegennahme der Anmeldungen der Gefangenen der Eindruck vermieden werden müsse, „sie würden durch ihre Meldung bei dem Gefängnispersonal nur unangenehm auffallen und die Meldung später mit irgendwelchen Schikanen zu büßen haben“207. Diese Voraussetzung 202 Die Staatsleistungen resultierten aus der staatlichen Anerkennung der Vermögensverluste der Kirchen im Zuge der Säkularisation. Auch die Verfassung der DDR von 1949 regelte in Art. 45, Abs. 1 die Ablösung der öffentlichen Leistungen an die Kirche. (vgl. Kremser, Rechtsstatus, 36 f.). 203 Vgl. Johannes Dieckmann, Schreiben an das LKA Sachsen, Dresden, 30. 6. 1948 (LKA Dresden, 2/292, Bl. 104). Zum Antrag der CDU vgl. unten. 204 Ebd. Artikel 94 der Verfassung des Landes Sachsen vom 28. 2. 1947 lautete: „Soweit das Verlangen nach Gottesdienst und Seelsorge in Krankenhäusern, Strafanstalten oder anderen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zugelassen.“ (O. Vf., Verfassung Sachsen 1947). 205 Vgl. im Kap. Anm. 95. 206 O. Vf., Niederschrift der Besprechung des Ministers der Justiz Dieckmann mit OLKR Knospe vom 6. 6. 1948, Dresden, 7. 7. 1948 (LKA Dresden, 2/292, Bl. 106). 207 Ebd.
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wolle Dieckmann bei seinen Besuchen in den Anstalten kontrollieren. Die von der Kirche gewünschte Aushändigung von Zellenschlüsseln lehnte der Justizminister hingegen ab. Er erklärte sich jedoch mit der Einsetzung hauptamtlicher Geistlicher und einer Vikarin für das Leipziger Frauengefängnis Klein-Meusdorf grundsätzlich einverstanden, wobei das Thema der Finanzierung und Anstellung dieser hauptamtlichen Seelsorger im Protokoll nicht vorkommt. Dieckmann räumte gegenüber den Kirchenvertretern die wenig erfreulichen Zustände in den Polizeigefängnissen, in denen sich die nach Befehl 201 Verurteilten befanden, ein, betonte jedoch zugleich, dass er „keinerlei Einfluß auf die Behandlung der von der Besatzungsmacht inhaftierten Gefangenen“ habe.208 Die Kirchenvertreter bewerteten das Gespräch mit dem Justizminister als Erfolg. Tatsächliche Verbesserungen in der Gefängnisseelsorge nach dem Gespräch lassen sich anhand der Quellen jedoch nicht verifizieren, was angesichts der zunehmenden Einflussnahme des MdI und damit der Polizei auf den Strafvollzug, die ab Juli 1948 durch den Präsidenten der DVdI, Fischer, massiv vorangetrieben wurde, kaum verwundern kann. Bevor Knospe sein Schreiben an Dieckmann abgesandt hatte, war er bereits mit dem Landtagsabgeordneten der CDU Franz Jensch telefonisch in Kontakt getreten, um mit diesem die Vorbereitung eines Antrages im sächsischen Landtag zu besprechen, der den Erlass von Richtlinien für die Gefängnisseelsorge zum Gegenstand haben sollte. Zur Unterstützung des Antrages und zur besseren Information der Fraktion sandte das Dresdner LKA am 18. Juni 1948 ein zusammenfassendes, mit dem Vermerk „vertraulich“ versehenes Schreiben an Jensch, dem insgesamt neun Dokumente beigefügt waren, die für die Reorganisation der Gefängnisseelsorge und die Etablierung der von den Kirchen abgelehnten Wunschseelsorge in Sachsen richtungsweisend gewesen waren.209 In dem Schreiben bildete die Forderung der Kirche nach Etablierung der nachgehenden Seelsorge das Kernstück, wobei auch die beiden in der SBZ erlassenen DA thematisiert wurden. Das LKA bekannte hier offen, dass man Justizminister Dieckmann gegenüber die von Dibelius und der DJV ausgearbeitete DA zur Grundlage gemacht habe, da diese für die kirchlichen Präferenzen als förderlicher zu werten sei. Hingegen habe man auf die Weiterleitung der zweiten, von der SMAD genehmigten DA an den Justizminister bewusst verzichtet,
208 Ebd. Diese Bemerkung deckt sich nicht mit der Tatsache, dass aufgrund sowjetischer Anordnung die Durchführung von Befehl 201 vollständig in den Verantwortungsbereich der deutschen Behörden bzw. Gerichte gegeben worden war. Möglicherweise waren die Gesetze und Mechanismen, nach denen Verhaftungen und Verurteilungen in der SBZ durchgeführt wurden, und somit auch die Zuständigkeiten selbst für die dafür verantwortlichen und ausführenden deutschen Behörden und Institutionen nicht immer durchschaubar. 209 Vgl. LKA Sachsen, Schreiben an Franz Jensch (Landtagsabgeordneter der CDU), Dresden, 18. 6. 1948 (LKA Dresden, 2/292, Bl. 97).
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„weil sie uns weder offiziell bekanntgegeben wurde noch bisher veröffentlicht worden ist und angeblich auch nicht zur Veröffentlichung vorgesehen ist. Wie Sie ersehen werden, haben wir uns lediglich auf die wesentlich günstigere DAvon 1946 berufen, weil wir eine ausgesprochene Wunschseelsorge als dem Wesen der Kirche widersprechend ablehnen müssen.“210
In der 46. Plenarsitzung des Sächsischen Landtags am 30. Juni 1948, in der die CDU den Antrag auf Sicherstellung der Seelsorge in Untersuchungs- und Strafvollzugsanstalten einbrachte, fanden die beiden unterschiedlichen DA letztlich keinerlei Erwähnung, womit die taktische Unterschlagung des eigentlich gültigen Dokuments gegenüber Dieckmann durch das LKA ihren Zweck verfehlt hatte. Der Antrag wurde durch die Landtagsabgeordnete Magdalena Kupfer verlesen, die in den Ausschüssen für Justiz, Volksbildung und Jugend mitwirkte und seit 1946 als Referentin für den Jugendstrafvollzug tätig war. Kupfer konnte in dieser Funktion die Schließung zweier Gefängnisse in Sachsen sowie die Abschaffung der sogenannten Schnell-Haft-Lager211 bewirken. Unter Bezugnahme auf die im sächsischen Strafvollzug relevanten Aspekte der Erziehung und Resozialisierung erläuterte Kupfer den Landtagsabgeordneten unter Anwesenheit von Ministerpräsident Max Seydewitz (SED) und Justizminister Dieckmann212 die dem Staat obliegende Pflicht, den Insassen während ihrer Haftzeit die ungestörte Religionsausübung zu gewährleisten, da diese zum einen als günstiger Einfluss zu verstehen und zum anderen durch die Artikel 89 und 94 der Verfassung des Landes Sachsens garantiert sei.213 Aus diesem Grund forderte Kupfer den Erlass einer spezifischen DA für das Land Sachsen, da die ursprünglich geplante zonale Regelung nicht zu Stande gekommen sei, und betonte in diesem Zusammenhang: „Es ist ein Wesenszug unserer politischen Arbeit im gegenwärtig demokratischen Staat, daß wir bei grundsätzlichen Sahchen [sic] nicht darauf warten, daß die Dinge von oben geregelt werden, sondern daß wir versuchen, demokratisch von unten aufzubauen.“
210 LKA Sachsen, Schreiben an Franz Jensch (Landtagsabgeordneter der CDU), Dresden, 18. 6. 1948 (LKA Dresden, 2/292, Bl. 97) 211 Vgl. ebd., 184. Mit der Bezeichnung „Schnell-Haft-Lager“ dürfte die Verfasserin in die in Sachsen vorübergehend existenten, durch angebliche Lücken im Strafgesetzbuch gerechtfertigten Haftarbeitslager der Polizei gemeint haben, in denen – gemäß der damaligen Auffassung und des Sprachgebrauchs – Arbeitsscheue, Vagabunden, aber auch Menschen, die an sexuell übertragbaren Krankheiten litten bzw. diese verbreiteten, inhaftiert wurden (vgl. Mehner, Aspekte, 91). 212 Zum SMAD-Vertreter heißt es im Bericht über die Sitzung: „Der im Landtag anwesende Vertreter der Besatzungsmacht verläßt beim Beginn der Ausführungen den Sitzungssaal.“ (O. Vf., Bericht über die Landtagssitzung am 30. Juni 1948 zum Antrag der CDU auf Erlaß von Richtlinien für die Gefängnisseelsorge, LKA Dresden, 2/292, Bl. 102). 213 Vgl. o. Vf., Teilabschrift aus dem Protokoll der 46. Plenarsitzung des Sächsischen Landtages am 30. Juni 1948 (LKA Dresden, 2/292, Bl. 120–122). Hier auch das Folgende.
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In Sachsen sei es im Strafvollzug hinsichtlich der seelsorgerlichen Betreuung der Gefangenen zu ernsten Behinderungen gekommen, wozu ihr eine Menge an Material mit Fallbeispielen vorläge. Neben punktuellen Einschränkungen bestünde das wesentliche Hemmnis in der in Sachsen geltenden Auslegung von Artikel 94, wonach „der Geistliche nur dann das Recht hat, sich einem Häftling seelsorgerlich zu nähern, wenn der Häftling diesen Wunsch geäußert habe“; so aber dürfe „man den Artikel 94 nicht verstehen“. Die daraus resultierende Seelsorge auf Wunsch sei unter keinen Umständen als genügend einzustufen. Eine umfassende und erzieherisch wirkende Seelsorge müsse immer eine nachgehende sein und auch Komponenten wie die Versorgung der Häftlinge mit erbaulicher Lektüre enthalten. Es gelte, sich einmal selbst in die Atmosphäre einer Strafanstalt zu versetzen, um das zuvor Erläuterte zu verstehen.214 Die Kirche, so Kupfer, sei nicht die einzige Organisation, die das Recht für sich beanspruche, im modernen Strafvollzug Einfluss auf die Gefangenen zu nehmen. Gleiches gelte für den Frauenbund, der Veranstaltungsund Singabende in den Haftanstalten durchführe, oder für die FDJ, deren Engagement sich auf die Jugendgefängnisse konzentriere.215 Der Wunsch der Kirche wäre demnach keineswegs als Extravaganz einer einzelnen Organisation zu werten. Obwohl der nationalsozialistische Staat ein christenfeindlicher gewesen wäre, hätte er doch „der Gefängnisseelsorge gegenüber eine durchaus positive Haltung eingenommen. In einer entsprechenden DA heißt es 1933, daß keinem Gefangenen der Zuspruch eines Geistlichen seines Glaubens versagt werden kann. […] Gewiss, 214 Laut Protokoll erging hier ein Zwischenruf des Landtagsabgeordneten Felix Kaden (SED): „Erzählen Sie keine Märchen! Wir haben auch gesessen!“ Worauf Kupfer erwiderte: „Die seelische Struktur der einzelnen ist nicht in jedem Falle so beschaffen wie die Ihre!“ (ebd.). 215 Wie problematisch und konkurrenzorientiert das Engagement der FDJ im Jugendstrafvollzug auf kirchlicher Seite wahrgenommen wurde, zeigt ein am 8. 4. 1948 vom Magdeburger Konsistorialpräsidenten Hofmann, an den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Erhard Hübener (LDPD), verfasstes Schreiben, dem er einen im SED-Organ Volksstimme am 25. 3. 1948 erschienenen Artikel beifügte (vgl. o. Vf., Märzensonne). Der Bericht beschrieb den Besuch der Jugend-Bezirkssekretärin der FDJ, Else Klingenberg, im Gefängnis Magdeburg-Neustadt. Klingenberg hielt einen ideologischen Vortrag, für den sie, laut Darstellung in dem Artikel, von den Insassen durchweg positive Resonanz erfuhr. Ihr zitiertes Resümee zu ihrem Besuch in der Haftanstalt und den bei dieser Gelegenheit mit den Insassen geführten Gesprächen lautete: „Sie sind das Opfer gesellschaftlicher Verhältnisse. Verhältnisse an deren Bestehen sie keine Schuld tragen, sondern der Faschismus. […] Wenn wir für diese jungen Opfer nur Gefängnisstrafen als Heilmittel übrig haben, dann ist das eine traurige Tatsache, die nach meiner Auffassung schnellstens geändert werden muss.“ Hofmann kommentierte gegenüber Hübner lakonisch: „Wer die Behinderungen kennt, die nun schon seit geraumer Zeit jeder kirchlichen Gefängnisseelsorge seitens des Justizministeriums im Wege stehen, kann diesen Bericht über die offenbar völlig unbehinderte Seelsorge, die die Bezirkssekretärin der SED im Gefängnis hat treiben dürfen, kaum ohne Bitterkeit lesen. Über diese Seelsorge wird in der Presse dann ausführlich berichtet, während der Kirche der Zugang zu den Gefangenen nach wie vor verwehrt wird.“ (Bernhard Hofmann, Schreiben an Erhard Hübener, Magdeburg, 8. 4. 1948, AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 b).
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1933 steckte [sic] der NS.-Staat seine Krallen noch nicht so aus, wie er sie später ausgestreckt hat. Ich glaube nicht, daß der gegenwärtige Staat – an dessen Aufbau wir alle arbeiten – in bezug auf die religiöse Toleranz hinter dem NS-Staat zurückstehen will.“216
Obwohl Kupfer mit ihrer Einschätzung bezüglich der Haltung der Nationalsozialisten zur Gefängnisseelsorge einer Fehleinschätzung unterlag,217 folgte sie mit dieser Äußerung einer zeitgenössisch nicht unüblichen Strategie: Um das politische System in der SBZ zu kritisieren, wurden bei offensichtlichen Missständen in den Gefängnissen Vergleiche mit dem Nationalsozialismus als nominell antagonistischem System schlechthin angestellt.218 Dieser auf die NS-Zeit als Vergleich zurückgreifenden Argumentation Kupfers widersprach der anwesende Justizminister unmittelbar. Die Seelsorge in den Untersuchungs- und Strafvollzugsanstalten, so Dieckmann, sei sichergestellt, bei den von Kupfer vorgetragenen Beschwerden handele es sich um Ereignisse aus nur einer Anstalt (Hoheneck), die jedoch keinesfalls repräsentativ für die gesamte SBZ seien. Er habe zu diesem Thema eine amtliche Umfrage initiiert, deren Ergebnis bestätige, dass die Verfassungsbestimmungen zur Gefängnisseelsorge in der Praxis eindeutig eingehalten würden. Wo dies in der Vergangenheit nicht der Fall gewesen sei, würde er die „Un216 Vgl. o. Vf., Teilabschrift aus dem Protokoll der 46. Plenarsitzung des Sächsischen Landtages am 30. Juni 1948 (LKA Dresden, 2/292, Bl. 121). 217 Alexander Funsch konstatiert in seiner 2015 veröffentlichten Dissertation zur Seelsorge im Strafvollzug, dass die von den Nationalsozialisten verordnete Neuausrichtung des Strafvollzuges in den Gefängnissen des Deutschen Reichs eine sukzessive Behinderung und Zurückdrängung der Gefängnisseelsorge nach sich zog. Dazu habe auch das drastische Ansteigen der Todesurteile, die eine intensive seelsorgerliche Betreuung der Todeskandidaten erforderlich machte und somit Ressourcen band, die an anderer Stelle fehlten, beigetragen (vgl. Funsch, Seelsorge, 76). Die positive Einschätzung der Einstellung der Nationalsozialisten zur Gefängnisseelsorge durch Kupfer ging möglicherweise auf eine Aufwertung der Gefängnisseelsorge in den Anfangszeiten des Dritten Reichs zurück. So waren Gottesdienste für alle Gefangenen verpflichtend gemacht worden (vgl. ebd.). Brigitte Oleschinski kommt in ihren Veröffentlichungen zu dem Ergebnis, dass den spätestens ab Jahresende 1939 unübersehbaren Bestrebungen, den Einfluss der Geistlichen im Strafvollzug zurückzudrängen, seit Beginn des Dritten Reiches eine Vielzahl an Maßnahmen und Verordnungen voraus gegangen waren, die das Fundament für die nun drastischere Beschränkung der Gefängnisseelsorge bildeten (vgl. Oleschinski, Gottesdienst, 375 f.). 218 So z. B.: „Die Unterbringung ist skandalös und menschenunwürdig. Sie übertrifft die mir aus einer reichlichen KZ-Literatur bekanntgewordenen Zustände des ,Dritten Reiches’.“ (Kurt Naumann, Bericht über eine fünfzehntägige Haft im Polizeigefängnis Bitterfeld, 1947, AKPS Magdeburg, Rep. gen. B 1, 89, o. Pag.). „Wir können nicht verschweigen, dass uns die gemachten Beschreibungen an Zustände erinnert [sic], die wir aus Berichten der Konzentrationsliteratur [sic] kennen. Es ist erstaunlich, dass Leiter und Personal der Polizei diese Unmenschlichkeiten zulassen.“ (Stadtmission Bitterfeld, Schreiben an den Ministerpräsidenten von Sachsen, Bitterfeld, 14. 9. 1949, EZA Berlin, 4/731, o. Pag.). „Ich wies ihn [den Polizeirat von Zeitz – SiSt] darauf hin, dass dann die politischen Gefangenen heute härter und schlechter behandelt würden als im ,Dritten Reich‘.“ (Walter von Knebel, Schreiben an die Kirchenleitung der EKKPS, Zeitz, 11. 3. 1948, AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 b).
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ebenheiten schnellstens abstellen und dafür sorgen, daß die Verfassungsbestimmungen restlos eingehalten werden“219. Abschließend stellte Dieckmann klar, dass die Verfassung des Landes Sachsen das Verlangen des Gefangenen nach Seelsorge als Grundvoraussetzung für die Ausübung derselben unmissverständlich vorschreibe: „Das ist für uns der ganz klare und verfassungsgemäße Ausgangspunkt, an den wir uns zu halten haben. Eine andere Möglichkeit und andere Richtlinien gibt es nicht. Dieses Verlangen ist also in jedem Falle festzustellen.“220 Es bliebe nun lediglich die Aufgabe, den durch die Gefangenen geäußerten Wunsch nach seelsorgerlichem Gespräch und Gottesdienst auf dem schnellsten Wege an die ebenfalls durch die Verfassung bestimmten Adressaten, also die Kirchen, weiterzuleiten, die dann selbstständig die in den Anstalten seelsorgerlich wirkenden Personen auszuwählen hätten. Dieckmann reagierte auf die kirchliche Forderung einer nachgehenden Seelsorge also durchgängig abschlägig, stärkte die Kirchen in ihrer Position im Strafvollzug aber dahingehend, ihnen bei der Durchführung der Einzelseelsorge und der Gottesdienste völlige Freiheit einzuräumen. Dies gelte auch für die Auswahl derjenigen, „die die gottesdienstlichen und sonstigen seelsorgerlichen Handlungen in den Anstalten vorzunehmen haben“221. Dieses Recht stünde der Kirche verfassungsmäßig zu, weshalb auch eine gesonderte Erlaubnis der seelsorgerlichen Handlungen durch die Anstaltsleitung entfalle: „Es ist nicht Sache des Staates oder der Justizverwaltung, sich im einzelnen in diese Dinge einzumischen und zu gestalten, sondern das ist Sache der Religionsgemeinschaften selber.“222 Dieckmanns auf die Verfassung rekurrierende Position zur Gefängnisseelsorge kann als durchaus positiver Impuls für die kirchliche Arbeit in den Gefängnissen gewertet werden. Zugleich darf sein Einfluss auf die diesbezügliche Praxis im Strafvollzug nicht überschätzt werden. Die Niederschrift der Sitzung vermerkt, dass das dem Antrag zugrunde liegende Material der Landesregierung zu übermitteln sei, enthält jedoch keine Angaben zum weiteren Verfahren. In einer am 20. November 1948 von der Provinzialverwaltung durchgeführten Arbeitstagung für die im Strafvollzug Beschäftigten der Länder und Provinzen wurde die Gefängnisseelsorge dann thematisiert.223 Man beschloss, den Rundgang der Seelsorger durch die Gefängnisse und damit die Seelsorge in den Zellen abzuschaffen. Stattdessen falle es in den Aufgabenbereich der Gefängnisleitung, mit den Insassen Rücksprache zu halten, ob diese ein seelsorgerliches Gespräch wünschten. Falls dem so sei, müsste dies in einem 219 Vgl. o. Vf., Teilabschrift aus dem Protokoll der 46. Plenarsitzung des Sächsischen Landtages am 30. Juni 1948 (LKA Dresden, 2/292, Bl. 121/2). 220 Ebd. 121/2. 221 Ebd. 121/2–122. 222 Ebd. 122. 223 Vgl. o. Vf., Inhalte der Arbeitstagung Strafvollzug vom 20. 11. 1948 in Dresden, Dresden, 24. 11. 1948 (LKA Dresden, 2/315, Bl. 28).
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Sprechzimmer stattfinden. Ein Sitzungsteilnehmer und Vertrauter Knospes übermittelte die wesentlichen Ergebnisse der Zusammenkunft dem sächsischen LKA und attestierte den deutschen Beteiligten Bestrebungen, den Strafvollzug nach humanitären Gesichtspunkten zu gestalten. Dass dieses Ideal bei der örtlichen SMA keine Zustimmung fand, verdeutlicht der ebenfalls in den Akten zu lesende Diskussionsbeitrag des sowjetischen Beobachters. Dieser hielt nicht nur das in den Strafanstalten tätige Personal für einen nach dem kollektivistischen Prinzip gestalteten Strafvollzug für ungeeignet, sondern kritisierte auch, dass die deutschen Verantwortlichen die Haft zu wenig als Verbüßung von Strafe und gezielte Abschreckungsmaßnahme für die bisher nicht straffällig gewordenen Glieder der Gesellschaft verstünden.224 3.2 Situation der Gefängnisseelsorge am Ende der SBZ In den kircheninternen Quellen der SBZ lassen sich für das Jahr 1949 keine staatlicherseits initiierten Eingriffe in die Abläufe der Gefängnisseelsorge feststellen, welche zu Revidierungen der in den Jahren 1945 bis 1948 entstandenen Arbeitsgrundlagen führten. Die von der SMAD im Sommer 1947 entwickelte DA hatte trotz ihrer tendenziell nachteiligen, die Arbeit der Kirchen im Strafvollzug marginalisierenden Intention und ihrer sprachlichen Ungenauigkeiten spätestens ab Sommer 1948 die Durchsetzung geregelter Gottesdienste und Sprechstunden der Anstaltsgeistlichen ermöglicht. Dieses Fazit zog auch das Konsistorium der EKKPS: „Wir bemerken noch, daß nach Ergehen der DA und der entsprechenden Verfügungen der Landesregierung der Dienst der Gefängnisseelsorge gefestigt ist und daß weiterhin – trotz der im Vergleich zu früher geltenden DA eingetretenen Verschlechterung – im Rahmen der geltenden Bestimmungen erfreuliche Erleichterung und sogar Förderung festgestellt werden kann.“225
Der Preis für diese zonenweit festzustellende Verbesserung war jedoch eine für die Kirchen völlig neue Form der Gefängnisseelsorge, die von dem kirchlichen Ideal und Anspruch weit entfernt war. Der seel- und fürsorgerlich wirkende 224 Vgl. ebd. 225 Konsistorium der EKKPS, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Magdeburg, 6. 11. 1948 (EZA Berlin, 4/732, o. Pag.). Auch der im Strafvollzug Aschersleben tätige Pfarrer Hermann Schwahn zog ein positives Fazit: „Wenn auch die DA an die evangelischen Gefängnisgeistlichen eine Erschwerung gegen früher bringt, so gibt sie doch manche Handhabe, um die Gefängnisseelsorge so gut es geht durchzuführen. Jedenfalls müssen die in ihr liegenden Möglichkeiten voll ausgenutzt werden.“ (Hermann Schwahn, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Aschersleben, 27. 9. 1948, AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 c, o. Pag.). Zur Aufhebung der im Februar 1947 auf sowjetische Weisung hin veranlassten Rundverfügung zum Verbot von Gottesdiensten im Strafvollzug in Sachsen-Anhalt unter Verweis auf die von der SMAD erlassene DA im Januar 1948 vgl. Kap. B 2.1.
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Gefängnisgeistliche, der tief in die Strukturen der Anstalten integriert war, sich eigenständig Zugang zu den Zellen verschaffen konnte und aufgrund zeitlich unbegrenzter Einzelseelsorge sowie religionspädagogischer Veranstaltungen mit den Gefangenen vertraut war, wurde durch einen religiösen Dienstleister ersetzt, dessen Aufgabenbereich auf das Durchführen von Gottesdiensten und gelegentlichen Abendmahlfeiern sowie zeitlich äußerst knapp bemessene Einzelgespräche beschränkt war.226 Dieser in der SBZ mit der DA der SMAD von 1947 einsetzende und Mitte der 1950er Jahre in der DDR abgeschlossene Prozess führte zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Landeskirchen, Seelsorgern und den für den Strafvollzug Verantwortlichen bei Justiz und Polizei. Auch wenn die Gefängnisseelsorge in Gestalt von Gottesdiensten und Einzelgesprächen durch die von der SMAD genehmigte DA formal gesichert war, wurde um ihre praktische Anwendung hart gerungen. Insbesondere für die Anstaltsseelsorger war dies ein kräftezehrender Prozess, denn der der DA inhärente Interpretationsspielraum ermöglichte es, hiermit die gesamte Bandbreite von großen Freiheiten bei der Durchführung der Seelsorge bis hin zu massiven Einschnitten in dieselbe zu begründen. Der Garant für eine funktionierende, auf das Individuum abgestimmte Seelsorge war in allen Fällen die Anstaltsleitung. Am Ende der SBZ befanden sich gerade die Vollzugsanstalten der Justiz zum großen Teil noch unter der Aufsicht fachkundiger Leiterinnen und Leiter, die teils über ausgebildetes Personal verfügten und deshalb trotz der insgesamt schlechten Bedingungen den Geist des Reformstrafvollzugs aufrechterhalten konnten. In derartigen Konstellationen waren die Arbeitsbedingungen der Seelsorger günstig. In Thüringen initiierte der Landeskirchenrat im Herbst 1948 erneut eine Umfrage zum Stand der Seelsorge in den Landesstrafanstalten und Gerichtsgefängnissen. Während bei einer ersten Erhebung im November 1946 Fragebögen zum Einsatz gekommen waren, übermittelten die Anstaltsseelsorger im Winter 1948 ihre Erfahrungen und Berichte in brieflicher Form. Die Ergebnisse belegen, dass die Gefängnisseelsorge in Thüringen flächendeckend sichergestellt war, hinsichtlich des seelsorgerlichen Angebots für gewöhnliche Strafgefangene über Gottesdienste und Sprechstunden hinaus aber keine Einheitlichkeit zu verzeichnen war. In der Kettenburg in Gräfentonna war unter der Leitung von Regierungsrat Walter Bullerjahn der Raum für den Gottesdienst vergrößert und ansprechend gestaltet worden. Die seelsorgerliche Betreuung durch die Kirchen wurde allen Insassinnen und Insassen, auch den nach Befehl 201 Verurteilten, in vollem Umfang gewährt. Wünsche nach Einzelseelsorge wurden vom Personal pflichtbewusst notiert und an den Gefangenenseelsorger Werner Rockenschuh weitergeleitet. Die Anzahl der Got226 Die Seelsorgenotizen des späteren hauptamtlichen Gefängnisseelsorgers der DDR Mund z. B.verzeichnen zu Beginn der 1950er Jahre an einigen Tagen zwischen 100 und 200 seelsorgerliche Einzelgespräche mit Inhaftierten (vgl. Hans-Joachim Mund, Seelsorgenotizen, 1952, AdK Berlin, WKBA 2889/1–3, o. Pag.).
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tesdienstbesucherinnen und -besucher stieg kontinuierlich an. Die Anstaltsleitung genehmigte und förderte einen Gefangenenchor, der „hochgestellte musikalische Ansprüche befriedigte“ und überwiegend aus politischen Gefangenen bestand.227 Der in der Frauenhaftanstalt Hohenleuben tätige Pfarrer Ernst Fengler engagierte sich intensiv in der Seelsorgearbeit und berichtete, dass bis zu 90 % der Insassinnen seine Gottesdienste besuchten.228 Hohenleuben wurde von der promovierten Theologin Pietrusky geleitet,229 die in der Anstalt auch selbst seel- und fürsorgerlich wirkte – eine in der SBZ einmalige Konstellation. Die Sprechstunden Fenglers waren im Vergleich zu denen von Pietrusky schwach besucht, da die Insassinnen letzteren den Vorzug gaben.230 In der Haftanstalt Gera nahmen an den Religionsstunden Insassen und Wachhabende teil, zudem war es dem Anstaltsgeistlichen Glombitza grundsätzlich möglich, an den Sitzungen des Strafvollzugsausschusses teilzunehmen. Die Seelsorge an den nach SMAD-Befehl 201 Verurteilten war hingegen nicht möglich.231 In Untermaßfeld, der ehemaligen Musteranstalt für modernen Strafvollzug in der Weimarer Republik, wirkte Pfarrer Karl Schüssler auf Basis der ersten, von Poelchau erarbeiteten DA noch das gesamte Jahr 1948 hindurch gemäß den Richtlinien für die Gefängnisseelsorge von vor 1933. Schüssler übte noch Fürsorge aus und führte im Rahmen derer Briefwechsel mit den Angehörigen der Insassen. Er beklagte sich allenfalls über junge Gefangene, die seine Gottesdienste störten und von ihm deshalb dem Wachpersonal gemeldet wurden.232 Der Seelsorger des Polizeigefängnisses in Greiz, in dem überwiegend politische Gefangene einsaßen, Wilhelm Neumann, erlangte 1948 durch gute Beziehungen Zugang zum dortigen Polizeirat, der dem Geistlichen einen Eintrittsschein verschaffte, der für alle Insassen Gültigkeit hatte. Erst ab Mitte Oktober war ihm der Besuch des Gefängnisses nur noch auf ausdrücklichen Wunsch der Gefangenen hin gestattet, außerdem wurde die Gefängniskapelle in einen Verwaltungsraum umgewandelt und dabei ihres gesamten Inventars beraubt.233 Von den im Landesgerichtsgefängnis in Meiningen untergebrachten Untersuchungshäftlingen durfte der zuständige Geistliche lediglich die sogenannten Kriminellen besuchen, sofern diese die Seelsorge wünschten. 227 Vgl. Werner Rockenschuh, Schreiben an den LKR, Gräfentonna, 29. 11. 1948 (LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 87). 228 Vgl. Ernst Fengler, Schreiben an den LKR, Hohenleuben, 26. 11. 1948 (LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 79). 229 Das Thüringer Pfarrerbuch dokumentiert lediglich die kirchliche Funktion Pietruskys: 1945–1950 Pietrusky, Edith Marie, Fürsorge am Frauengefängnis Hohenleuben (vgl. Meinhof, Thüringer Pfarrerbuch, 102). 230 Vgl. Ernst Fengler, Schreiben an den LKR, Hohenleuben, 26. 11. 1948 (LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 79). 231 Vgl. Otto Glombitza, Schreiben an den LKA, Gera, 3. 11. 1948 (LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 77). 232 Vgl. Ernst Schüssler, Schreiben an die Superintendentur Meiningen, 30. 11. 1948 (LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 83). 233 Vgl. Wilhelm Neumann, Bericht, 29. 11. 1948 (LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 80).
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Der Besuch der politischen Gefangenen wurde ihm hingegen nur in Ausnahmefällen gestattet.234 OKR Gerhard Phieler kommentierte den durch die Superintendentur in Meiningen nach Eisenach gesandten Bericht mit Unverständnis: „Wie aus dem Bericht des Pfarramts Gräfentonna zu entnehmen ist, ist der Gottesdienst für Häftlinge auf Grund des Befehl 201 gestattet. Andachten und Gottesdienste dürften demnach nicht grundsätzlich für diese Häftlingskategorie verboten sein.“235 Eine Bemerkung, die zeigt, wie schwierig es für die Verantwortlichen gewesen sein muss, die von Anstalt zu Anstalt variierenden Bedingungen für die Gefängnisseelsorge zu verstehen und daraus allgemeine Regularien für die seelsorgerliche Versorgung der Anstalten abzuleiten. Abschließend werden im Folgenden die Berichte von Pfarrer Rudolf Irmler vorgestellt. Irmler war einer von vier hauptamtlichen Gefängnisseelsorgern der SBZ236 und wirkte mit kirchlichem Auftrag und Anstellungsverhältnis vorwiegend in der sächsischen Strafanstalt Waldheim. Im Laufe seiner Tätigkeit fertigte er einige sehr detaillierte Jahres- bzw. Rechenschaftsberichte an,237 die einen plastischen Einblick in seine Tätigkeit geben. In seiner Funktion als Anstaltsseelsorger war er für nahezu 2.000 Strafgefangene (davon 90 % evangelisch-lutherisch) sowie für das Krankenhaus der Anstalt mit 300 Betten zuständig.238 Allein im Jahr 1949 hielt Irmler 85 Gottesdienste, davon 12 mit Abendmahl, welches 2.175 Insasinnen und Insassen einnahmen. Er nahm eine Taufe vor, 32 Beerdigungen, zahlreiche Aussegnungen bei Überführungen und Einäscherungen und arrangierte 15 Wiedereintritte in die evangelisch-lutherische Kirche. Zu seinen Gottesdiensten in der Anstaltskirche meldeten sich bis zu 800 Interessentinnen und Interessenten, von denen jedoch nur 500 in der Anstaltskirche Platz fanden. Seiner Meinung nach war die musikalische Ausgestaltung der Gefängnisgottesdienste von großer Wichtigkeit für die Gefangenen. Aus diesem Grund engagierte er eine Sängerin und spielte selbst begleitend die Violine. Trotz der auch in Waldheim praktizierten Wunschseelsorge hielt Irmler an drei bis vier Tagen in der Woche Sprechstunden, zu denen sich wöchentlich etwa 50–70 Personen anmelde234 Vgl. August Franklin Löffler, Schreiben an den LKR, Meiningen, 26. 11. 1948 (LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 81). 235 Gerhard Phieler, Schreiben an den LKR, Meiningen, 3. 1. 1949 (LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 82). 236 Laut Ergebnis der Umfrage der Kirchenkanzlei waren neben Irmler im Hauptamt beschäftigt: Christian Schwencker in Luckau, Erwin Schlagowski in Bützow-Dreibergen und Fritz Mewes in Zwickau (vgl. EZA Berlin, 4/735, o. Pag.). 237 Vgl. Rudolf Irmler, Jahresbericht 1949 für die Strafanstalt Waldheim, die Landesanstalt Waldheim und das Tbc-Heim Marienfels, 10. 2. 1950 (LKA Dresden, 3/41, Bl. 65). Zur seelsorgerlichen Arbeit Irmlers in den frühen Jahren der DDR vgl. ders., Jahresbericht 1951 an das LKA Sachsen, Waldheim 6. 1. 1952 (LKA Dresden, 2/316, Bl. 158); ders., Jahresbericht 1952 an das LKA Sachsen, Waldheim, 1. 2. 1953 (LKA Dresden, 2/339, Bl. 8 f.). 238 Vgl. ders., Jahresbericht 1949 für die Strafanstalt Waldheim, die Landesanstalt Waldheim und das Tbc-Heim Marienfels, 10. 2. 1950 (LKA Dresden, 3/41, Bl. 65). Hier auch das Folgende.
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ten.239 Irmler sprach mit den Gefangenen unter vier Augen und betreute sie über ihre Entlassung hinaus.240 Allein im Jahr 1949 verfasste der Seelsorger 683 Schreiben an Angehörige der Gefangenen und an Haftentlassene. Das Verteilen von Exemplaren des Herrnhuter Losungsbuches und des Neuen Testaments war Irmler ohne Probleme möglich, weiterhin oblag ihm die seelsorgerliche Betreuung der Todeskandidaten. Das Engagement Irmlers war nicht auf das Innere der Anstalten beschränkt. Außerhalb der Mauern hielt er Vorträge zum Thema Seelsorge im Strafvollzug, wodurch ihm die Organisation von Patenschaften für Insassen ohne familiäre Bindungen gelang. Lediglich im Bereich der Jugendarbeit intervenierte die Anstaltsleitung und zwang Irmler, den 1949 von ihm gegründeten Jugendchor noch im selben Jahr wieder aufzulösen. Das umfassende und weitestgehend ungehinderte Wirken Irmlers in Waldheim stellte allerdings eine Ausnahme in der SBZ dar, das eindrücklich belegt, wie groß die Varianzen in der Gefängnisseelsorge im Zuständigkeitsbereich der östlichen Landeskirchen noch 1949 waren. Doch im Februar 1950 wurde die Waldheimer Anstalt bis auf das Gefängniskrankenhaus komplett geräumt. Irmler berichtete Landesbischof Hahn, dass die politischen Gefangenen nach Brandenburg-Görden, die kriminellen nach Zwickau, die jugendlichen nach Naumburg und „der Rest“241 nach Mecklenburg abtransportiert worden seien. Diese Maßnahmen traf die noch junge DDR im Zuge der Auflösung der letzten verbliebenen Speziallager durch die Sowjets und die daraus resultierende Überstellung von 3.442 Internierten, die in den Waldheimer Prozessen durch deutsche Gerichte ein Urteil erhalten sollten. Aufschlussreich sind an dieser Stelle der Informationsstand Irmlers zu den Vorbereitungen der Prozesse und seine Prognose zur Gefängnisseelsorge in diesem Kontext, welche er im Februar 1950 Landesbischof Hahn mitteilte: „Es kommen nun die Inhaftierten aus den aufgelösten Lagern zu uns. Man rechnet mit 3–4000 Menschen. Sie werden alle der Volkspolizei unterstehen. Mit dem Oberkommissar Hoffmann aus Berlin hatte ich bereits schon eine Besprechung, in der er mir sagte, daß meine Arbeit so wie bisher an den Häftlingen geschehen kann. Es handelt sich zunächst nur um U-Gefangene. Sie werden in der Anstalt selbst schon vor Gericht gestellt. Wie sich meine Arbeit nun praktisch auswirken
239 Irmler nahm bei der Organisation der Wunschseelsorge ein Sprechbuch zu Hilfe, wie es auch in den Magdeburger Strafanstalten zum Einsatz kam. Mit Hilfe dieses zentral ausliegenden Buches konnten sich die Häftlinge, ohne das Wachpersonal zu involvieren, selbst zu den Sprechstunden anmelden (vgl. ders., Bericht über die Tagung der Referenten für Gefängnisseelsorge bei der Kirchenkanzlei in Berlin am 1. 3. 1950, Waldheim, 6. 3. 1950, LKA Dresden, 2/315, Bl. 117). 240 Ders., Jahresbericht 1949, 10. 2. 1950 (LKA Dresden, 3/41, Bl. 65). Hier auch das Folgende. 241 Ders., Schreiben an Landesbischof Hugo Hahn, Waldheim, 12. 2. 1950 (LKA Dresden, 3/41, Bl. 64).
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wird, will ich erst sehen. Die Schwierigkeiten werden gross sein. Aber die Aufgabe an den Menschen ist noch grösser.“242
Diese Einschätzung Irmlers sollte sich als zu optimistisch erweisen. Bereits Anfang Mai, und damit nur wenige Wochen nach seinem Bericht an Bischof Hahn, wurde ihm durch die HVDVP der Zutritt zur Haftanstalt Waldheim untersagt. Für die hier im Rahmen der Waldheimer Prozesse Angeklagten war somit keine Möglichkeit einer seelsorgerlichen Betreuung durch die evangelische Kirche gegeben. Im Frühjahr 1949 wandte sich die Kirchenkanzlei an die DJV mit dem Ziel, die seelsorgerliche Betreuung der Anstaltsinsassen für die gesamte SBZ zu erleichtern und zu vereinheitlichen. Anlass hierfür war die Behinderung der Seelsorge im Amtsgerichtgefängnis von Genthin durch die russischen KulturOffiziere, die Pfarrer Herbert Martin den Zugang zum Gefängnis verweigerten, da angeblich keiner der Inhaftierten ausdrücklich den Wunsch nach Seelsorge formuliert hatte.243 Die Kirchenkanzlei wandte sich in der Angelegenheit an den bei der DJV tätigen Pfarrer Poelchau. Sie vermied also den offiziellen Weg über die Zentralverwaltung der DJV und stellte den Kontakt zu Poelchau direkt her, der daraufhin einen Entwurf verfasste,244 der am 10. März 1949 als offizielles Schreiben der Kirchenkanzlei an die DJV gesandt wurde.245 Das Schreiben thematisierte die Problematik, dass der Wunsch Gefangener nach seelsorgerlicher Betreuung in der Praxis oftmals nicht an die Anstaltsgeistlichen weitergegeben wurde. Dieser für die Leistung der Seelsorge so fundamentale Akt würde „häufig durch mangelndes Verständnis der Beteiligten und durch die Gesamtsituation des Gefangenen, welcher über seine Möglichkeiten in dieser Hinsicht keine Belehrung empfängt, mannigfachen Hindernissen ausgesetzt.“ Aus diesem Grund bat die Kirchenkanzlei die DJV anzuordnen, die Gefangenen bereits bei der Aufnahme in den Anstalten nach ihrem religiösen Bekenntnis zu fragen und ein eventuell vorhandenes Bedürfnis nach Seelsorge in den Akten zu vermerken. In Ergänzung dazu könne dann den Geistlichen in regelmäßigen Abständen die Gelegenheit gegeben werden, sich bei der Gefängnisverwaltung über Namen und Anzahl der zu betreuenden Häftlinge zu 242 Rudolf Irmler, Schreiben an Landesbischof Hugo Hahn, Waldheim, 12. 2. 1950 (LKA Dresden, 3/41, Bl. 64). 243 Vgl. Konsistorium der KPS, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Magdeburg, 2. 2. 1949 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 c, o. Pag). 244 Vgl. Harald Poelchau, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin-Zehlendorf, 27. 2. 1949 (EZA Berlin, 4/731, o. Pag.). Bezeichnend für Poelchaus Rolle zwischen der DJVund der EKiBB bzw. der Kirchenkanzlei ist eine Bemerkung Poelchaus am Ende des Schreibens: „Entschuldigen Sie die Bevormundung: vielleicht ist sie aber praktisch. Ich fahre eben für längere Zeit weg und scheide ja mit dem 1. 3. aus der Verwaltung aus. Trotzdem hoffe ich Ihnen (ich kann jetzt wieder sagen ,uns‘) weiterhelfen zu können.“ 245 Vgl. Walter Zimmermann, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 10. 3. 1949 (BArch Berlin, DP 30197, Bl. 134). Hier auch das Folgende.
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informieren. Selbstverständlich müssten aber auch im weiteren Haftverlauf gestellte Anträge auf seelsorgerliche Betreuung Berücksichtigung finden. Die DJV folgte dem Anliegen der Kirchenkanzlei und bat die Justizministerien der Länder, unter Zugrundelegung der Bestimmungen der KRD Nr. 19 (Abschnitt 3 g),246 zukünftig bei der Aufnahme der Gefangenen das Bedürfnis nach Seelsorge feststellen zu lassen und dem Gefängnisgeistlichen ein Verzeichnis mit den Namen der Gefangenen zugänglich zu machen, die sich „seiner Seelsorge unterstellen wollen“247. In den Akten der DJV befinden sich zwei Schreiben, die die Weitergabe der durch die DJV veranlassten Vorschläge an die Justiz- und Vollzugsanstalten bestätigen: zum einen eine kurze Notiz vom Ministerium der Justiz der Landesregierung Sachsen248 und zum anderen ein Rundschreiben vom Minister der Justiz der Landesregierung Brandenburg Stargardt an die Staatsanwaltschaften und Anstaltsleitungen, das die unbedingte Befolgung der von der DJV unterbreiteten Vorschläge anordnete.249 Eine tatsächliche, zielgerichtete Umsetzung der Richtlinien ließ sich jedoch für keines der Länder zweifelsfrei feststellen. Aufgrund der nicht mehr zu ignorierenden Hinweise auf eine Übernahme des Strafvollzugs durch das MdI und des damit verknüpften Ausschlusses des Erziehungsstrafvollzugs verließ Poelchau die DJV zum 1. März 1949. Er ging zurück in seinen alten Wirkungskreis und übernahm erneut eine Anstellung als Gefängnispfarrer in Berlin-Tegel – mit dem Unterschied, dass er nun bei der EKiBB und nicht mehr bei der Justiz angestellt war. Mit dem Ausscheiden Poelchaus als Vortragender Rat bei der HA SV der DJV endete damit eine hinsichtlich der Kooperations- und Einflussmöglichkeiten der Kirchenkanzlei bzw. der EkiBB auf die Gestaltung der Gefängnisseelsorge in der SBZ einzigartige Konstellation. 3.3 Führungsanspruch und Zentralisierungsbemühungen der Kirchenkanzlei Die Kirchenkanzlei setzte ihre bereits seit dem Frühjahr 1946 nachweisbaren Bemühungen um eine einheitliche Organisation und Koordination der Gefängnisseelsorge auf dem Gebiet der SBZ auch in den folgenden Jahren fort. So bat sie im Zuge der Vorbereitungen der 8. KOK am 5. März 1947 in Berlin die 246 Artikel 3 g der KRD Nr. 19 vom 12. 11. 1945 besagte, dass im deutschen Strafvollzug „angemessene Gelegenheit für die Gefangenen, religiöse Fürsorge zu erhalten und Gottesdiensten nach eigener Wahl beizuwohnen“, gegeben sein müsse (vgl. o. Vf., Über die Prinzipien des deutschen Gefängnisverwaltungswesens, 1945, BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 44 f.). 247 Max Fechner, Schreiben an die Landesregierung Brandenburg (Justizministerium), Berlin, 31. 3. 1949 (ELA Berlin, 1/924 o. Pag.). 248 Vgl. Landesregierung Sachsen (Justizministerium), Schreiben an die DJV, Dresden, 28. 4. 1949 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 140). 249 Vgl. Ernst Stargardt, Rundschreiben Nr. 124/49, 7. 5. 1949 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 142).
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Leitungen der Landes- und Provinzialkirchen der SBZ um Übermittlung von Informationen zum Stand der Gefängnisseelsorge einschließlich der Namen der damit beauftragten Referentinnen und Referenten und übermittelte diese Informationen an Poelchau bei der DJV.250 Im Februar 1948 eruierte sie landesweit den Ablauf der Weihnachtsgottesdienste in den Strafanstalten und betonte bei dieser Gelegenheit: „angesichts der besonderen Wichtigkeit der Strafgefangenenseelsorge erlauben wir uns, nochmals darauf hinzuweisen, daß wir gern bereit sind, auch von uns aus diese Arbeit nachdrücklich zu unterstützen.“251 Mit dem Ausscheiden Poelchaus aus der DJV im Frühjahr 1949 engagierte sich die Kirchenkanzlei auf dem Gebiet der Gefängnisseelsorge in der SBZ / DDR zunehmend, was im weitergehenden Einsatz Poelchaus in der Gefängnisseelsorge in der SBZ / DDR – nun jedoch als Gefängnispfarrer der EkiBB – über die Kirchenkanzlei begründet lag. Mit Poelchau verfügte die Kirchenkanzlei über einen Mitarbeiter, der aufgrund seiner beruflichen Laufbahn über einzigartige praktische und verwaltungstechnische Einblicke in die juristische Seite des Strafvollzugs ebenso wie in die Gefängnisseelsorge verfügte. Dieses Insider-Wissen Poelchaus bedeutete für die Kirchenkanzlei einen klaren strategischen Vorteil gegenüber den östlichen Landeskirchen, der sich durch ihren Standortvorteil in Kombination mit der Konzentration maßgeblicher leitender Personen in Berlin potenzierte. Die Ziele der Kirchenkanzlei erschöpften sich nun nicht mehr in der Organisation der Gefängnisseelsorge und in der Vermittlungstätigkeit bei sämtlichen auftretenden Unstimmigkeiten, sondern folgten der Intention, eine leitende Instanz zu konstituieren, in deren Zuständigkeit alle Belange der Gefängnisseelsorge auf dem Gebiet der SBZ fielen. Dieses Ansinnen implizierte, dass direktes Verhandeln auf landeskirchlicher Ebene mit den zuständigen Verwaltungen der Länder und somit eine heterogene, da länderbezogene, Ausgestaltung der Gefangenenseelsorge verhindert werden sollte. Stattdessen plante die Kirchenkanzlei als der alleinige Ansprech- und Verhandlungspartner auch für die Landesregierungen zu fungieren und das auf dieser Ebene Erreichte dann zentralisiert an die Landeskirchen weitergeben.252 250 Vgl. Walter Zimmermann, Schreiben an die östlichen Landeskirchen, Berlin 10. 2. 1947 (EZA Berlin, 4/731, o. Pag). 251 Ders., Schreiben an die östlichen Landeskirchen, Berlin, 6. 2. 1948 (EZA 4/731, o. Pag.). 252 Poelchau bemühte sich im Herbst 1949 mehrfach um die Übernahme des Referats für Gefängnisseelsorge in der Kirchenkanzlei. Er wollte dieses ehrenamtlich übernehmen und dabei sowohl im Osten als auch im Westen Deutschlands wirken. Obwohl OKR Zimmermann dem Anliegen grundsätzlich positiv gegenüberstand, kam es nicht zu der Übernahme des Referats durch Poelchau. Die Gründe hierfür sind nicht bekannt, eventuell war ein solches Referat Ende 1949 in der Kirchenkanzlei noch nicht vorgesehen oder aber die Verantwortlichen hatten mit Poelchau andere Pläne (vgl. Harald Poelchau, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 1. 10. 1949, EZA Berlin, 4/731, o. Pag.). In einem Schreiben vom 4. 11. 1949 an die Leitungen der östlichen Gliedkirchen informierte Zimmermann diese darüber, dass Poelchau sich bereiterklärt habe, „die Strafanstaltspfarrer der Ostzone zu beraten und ihnen bei der Durchführung ihrer heute besonders wichtigen Aufgaben behilflich zu sein.“ (Walter Zimmermann,
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Die Kirchenkanzlei bediente sich zur Durchsetzung dieses Zieles zunächst zweier Instrumente: Der von ihr organisierten Versammlungen der Gefängnisseelsorger der östlichen Landeskirchen in Berlin und einer im Sommer 1949 durchgeführten aufwändigen Fragebogenaktion, die alle auf dem Gebiet der SBZ betriebenen Haftanstalten erfasste. Die im Zuge dieser Evaluation erhobenen Daten geben einen flächendeckenden Einblick in die Situation der Gefängnisseelsorge am Übergang von der SBZ zur DDR. Im Folgenden wird die Fragebogenaktion deshalb eigens thematisiert. 3.3.1 Die Umfrage zum Stand der Gefängnisseelsorge vom Herbst 1949 Der Fragebogen und die Kooperation der östlichen Landeskirchen Im Auftrag von OKR Zimmermann entwarf Poelchau im Juni 1949 einen Fragebogen, für dessen Versendung er ebenso wie für das Vorgehen bei besonders dringlichen Angelegenheiten genaue Anweisungen gab: „Lieber Bruder Zimmermann, im Anschluss an unser heutiges Telephongespräch schicke ich Ihnen den Fragebogen, der am besten in 2 Stücken mit Anschreiben über die Kirchenleitungen (ein Stück für diese zum Verbleib) mit Frist (1. August) den Geistlichen der […]Anstalten zu übersenden wäre: Mündlich wäre gelegentlich den Kirchenleitungen mitzuteilen, dass sich in manchen Fällen eine direkte Verbindung zwischen Berlin und den einzelnen Geistlichen […] als notwendig erweisen wird.“253
Die Fragebögen wurden schließlich am 8. Juli 1949 an die östlichen Landeskirchen versandt. Sie umfassten neun Oberpunkte, die durch mehrere Unterpunkte weiter spezifiziert wurden.254 Neben den Fakten, die die Durchführung der Gefängnisseelsorge betrafen, wurden auch die Resonanz der Insassen auf das seelsorgerliche Angebot und anstaltsspezifische Daten wie Belegungszahlen, Geschlechterverhältnisse und die prozentuale Verteilung der Konfessions- zugehörigkeit unter den Gefangenen abgefragt. Nicht alle Kirchenleitungen und Anstaltsgeistlichen hielten diese überwiegend statistische Abfrage zur Erhebung der Situation in der Gefängnisseelsorge für sachgerecht. Einige von ihnen reagierten mit mehrseitigen Schreiben, in denen sie weitergehende bzw. andere Informationen boten, die die Fragebögen ergänzen bzw. ersetzen sollten und von den Kirchenleitungen gesammelt Schreiben an die östlichen Landeskirchen, Berlin, 4. 11. 1949, EZA Berlin, 4/731, o. Pag.). Im März 1951 übernahm dann OKR Fichtner das Referat für Gefängnisseelsorge (vgl. Otto Dibelius, Schreiben an Emil Knodt, Berlin, 3. 3. 1951, ELA Berlin, 1/924, o. Pag.). 253 Harald Poelchau, Schreiben an Walter Zimmermann, Berlin, 12. 6. 1949 (EZA Berlin, 4/735, o. Pag.). 254 Harald Poelchau, Fragebogen zur Seelsorge in den Haftanstalten auf dem Gebiet der SBZ, Berlin, 12. 6. 1949 (EZA Berlin, 4/735, Bl. 2). Vgl. Dok. 3 im Anhang.
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und ebenfalls an die Kirchenkanzlei weitergeleitet wurden. Grundsätzlich reagierten die östlichen Landeskirchen auf die Erhebung zur Gefängnisseelsorge mittels des Fragebogens jedoch positiv, so dass die Kirchenkanzlei bis zum Spätsommer 1949 retournierte Fragebögen und briefliche Darstellungen zur seelsorgerlichen Praxis aus ca. 70 im Gebiet der SBZ und in Groß-Berlin befindlichen Strafanstalten erreichten.255 Eine Ausnahme bildete lediglich die EKKPS. Hier hatte das Konsistorium zunächst keine Veranlassung gesehen, an der Umfrage der Kirchenkanzlei teilzunehmen – ein erstes Indiz für die in den folgenden Jahren in der EKKPS immer wieder deutlich wahrzunehmenden Skepsis und Kritik an dem Führungsanspruch der Kirchenkanzlei. In einem von Konsistorialpräsident Bernhard Hofmann unterzeichnetem Schreiben unterstellte man der Kirchenkanzlei, dass mittels der Evaluation „eine stärkere zentrale Leitung der Gefängnisseelsorge erstrebt werden soll“256. Weiterhin zweifelte man seitens des Konsistoriums an Sinn und Gehalt der Umfrage, da aufgrund der ständig im Wandel befindlichen Verhältnisse im Strafvollzug die Ergebnisse bereits nach kurzer Zeit überholt seien. Die Bedingungen in jeder einzelnen Anstalt seien derart schwankend, dass der Aufwand, den eine solche „Art ,Statistik‘“ mit sich bringe, gerade hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Praxis als gering zu bewerten sei. Anstelle einer Rücksendung der Fragebögen habe man sich daher entschlossen, jeweils zur Jahresmitte einen mündlichen und am Ende eines jeden Jahres einen schriftlichen Bericht zum Stand der Gefängnisseelsorge in der EKKPS an die Kirchenkanzlei zu senden.257 Hofmann wies die Kirchenkanzlei darauf hin, dass sich neben den Haftanstalten Magdeburg, Naumburg, Halle, Gommern, Volkstedt, Torgau und Heiligenstadt, für die die Kirchenkanzlei Fragebögen bereit gestellt hatte, weitere 22 Haftanstalten im Territorium der EKKPS befänden, von denen eine jede über einen eigenen Seelsorger verfüge. Weiterhin existierten einige Polizeigefängnisse sowie reine Untersuchungsgefängnisse, die jedoch seelsorgerlich nicht betreut würden. Die Fürsorge in den Gefängnissen werde durch kirchliche Betreuungsstellen für Strafgefangene und Stadtmissionen geleistet, was sich aber in den durch die Kirchenkanzlei entworfenen Fragebögen nicht abbilden lasse.258 Hofmann brachte somit gegenüber der Kirchenkanzlei deutlich zum Ausdruck, dass man die Organisation der Gefängnisseelsorge in der EKKPS keinesfalls zu delegieren gedachte, zumal man in Berlin offensichtlich nicht über die dafür notwendigen Kenntnisse und Kompetenzen verfügte. Trotz dieser 255 Die Ergebnisse der Umfrage sowie die retournierten Fragebögen und weiterer Schriftverkehr befinden sich im EZA Berlin unter der Signatur 4/735. 256 Bernhard Hofmann, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Magdeburg, 10. 12. 1949 (EZA Berlin, 4/735, 44). 257 Ebd. Die Jahresberichte zum Stand der Gefängnisseelsorge aus der EKKPS liegen im EZA Berlin unter der Signatur 4/731 vor. 258 Vgl. Bernhard Hofmann, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Magdeburg, 10. 12. 1949 (EZA Berlin, 4/735, 44).
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Misstöne leitete das Konsistorium der EKKPS die von der Kirchenkanzlei entworfenen Fragebögen im Januar 1950 dann doch an die Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger weiter, woraus 30 weitere Berichte zum Stand der Gefängnisseelsorge resultierten,259 die jedoch auf Veranlassung des Konsistoriums der Kirchenkanzlei nicht zugänglich gemacht wurden. Hintergrund für die nun doch eingeleitete Versendung der Fragebögen war die für den 1. März 1950 in Berlin angesetzte Tagung der landeskirchlichen Referenten für die Gefängnisseelsorge – die erste Veranstaltung dieser Art in der noch jungen DDR – auf die sich das Konsistorium unter Zuhilfenahme der Fragebögen vorzubereiten gedachte.260 Die Tagung war auf Initiative von OKR Zimmermann in Absprache mit Poelchau einberufen worden und hatte neben dem obligatorischen Austausch die Vereinheitlichung der Gefängnisseelsorge in der SBZ unter der Leitung der Kirchenkanzlei zum Ziel.261 Als einzige der östlichen Landeskirchen verweigerte die EKKPS die Übergabe der von den Gefängnisseelsorgern verfassten Berichte und bearbeiteten Fragebögen an die Kirchenkanzlei. Die dort notierten Ergebnisse und Exzerpte der Evaluation wurden durch Konsistorialrat Karl Schaper im Laufe der Tagung lediglich mündlich referiert.262 Ergebnisse der Umfrage an Beispielen aus der Kirchenprovinz Sachsen Die vom Konsistorium der EKKPS und von der Kirchenkanzlei in Berlin abgegebenen Beurteilungen zur Situation in der Gefängnisseelsorge im Ergebnis der Umfragen von 1949 decken sich mit der eingangs getätigten Einschätzung einer zwar gewissen Einschränkungen unterworfenen, weitgehend aber gefestigten Gefängnisseelsorge im Gebiet der SBZ, spätestens seit dem Inkrafttreten der durch die Sowjets bestätigten DA im Sommer 1948. Dabei geben 259 Die Ergebnisse der Evaluation der Gefängnisseelsorge in der EKKPS sind einsehbar im AKPS Magdeburg unter der Signatur Rep. gen. 221, d. 260 Vgl. Konsistorium der EKKPS, Schreiben an die Gefängnisseelsorger im Aufsichtsbereich, Magdeburg, 12. 1. 1950 (AKPS Magedeburg, Rep. gen. 221 d). In dem Anschreiben bat man die Seelsorgerinnen und Seelsorger um weiterführende, die Lage in den Vollzugsanstalten präzisierende Angaben, z. B. zur Zusammensetzung der Häftlingsgesellschaft nach Untersuchungsgefangenen, Strafgefangenen und nach SMAD-Befehl 201 Verurteilten. Ebenfalls bat man um Ermittlung des Bedarfs an Fürsorge sowie Informationen über Situation und Ablauf derselben. 261 So schrieb Zimmermann an Poelchau: „Schliesslich ist es mir eine Frage, ob wir nicht einmal die Beauftragten für die Gefängnisseelsorge bei den einzelnen Landeskirchen zu einer Besprechung zusammen bitten sollten. Eine solche Besprechung hat bisher noch nicht stattgefunden. Sie wird aber immer notwendiger, wenn nicht die Frage in den einzelnen Landeskirchen uneinheitlich behandelt werden soll. Ich nehme an, dass Sie bereit wären, an einer solchen Besprechung teilzunehmen und uns evtl. mit einem Bericht über die Lage in den Gefängnissen zu dienen.“ (Walter Zimmermann, Schreiben an Harald Poelchau, Magdeburg, 15. 11. 1949, EZA Berlin, 4/731, o. Pag.). 262 Vgl. o. Vf., Niederschrift über die Tagung der landeskirchlichen Referenten für Gefängnisseelsorge am 1. März 1950 in Berlin (EZA Berlin, 103/100, Bl. 21–24).
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insbesondere die über den Fragebogen hinausgehenden Berichte der Geistlichen Einblicke in eine enorm ausdifferenzierte und fluide Seelsorgelandschaft in den Haftanstalten am Ende der SBZ und in den ersten Monaten nach der Gründung der DDR. Der Einschätzung des Konsistoriums der EKKPS hinsichtlich der ständig im Wandel befindlichen Strukturen, die eine abschließende Bewertung der Situation der Gefängnisseelsorge schlicht nicht erlaubten, ist angesichts dieses Befundes nachvollziehbar. So resultierten etwa aus kurzfristig durchgeführten Personal- und Leitungswechseln in den Vollzugsanstalten, die mit der Gründung der DDR im Oktober 1949 zunehmend forciert wurden, nicht selten völlig veränderte Voraussetzungen für die Seelsorge. Gleiches galt für die Verlegung einzelner Gruppen von Gefangenen zwischen den Anstalten. Vielfach entsteht der Eindruck, dass das Profil der jeweiligen Anstalt nicht klar definiert oder den jeweiligen Gefängnisgeistlichen zumindest nicht hinlänglich bekannt war. Dies resultierte sicher auch aus dem Umstand, dass gewöhnliche Kriminelle, nach SMAD-Befehl 201 Verurteilte und Untersuchungshäftlinge zu diesem Zeitpunkt noch nicht strikt getrennt voneinander untergebracht waren. Auch Männer und Frauen befanden sich aufgrund des eklatanten Platzmangels oftmals direkt nebeneinander in derselben Haftanstalt. Im Folgenden wird exemplarisch die Diversität der Seelsorgesituation in den Gefängnissen am Ausgang der 1940er Jahre jenseits der – vorbehaltlich ständig möglicher Irritationen und Einschränkungen – prinzipiell gesicherten seel- und fürsorgerlichen Grundversorgung auf dem Gebiet der SBZ vorgestellt, anhand der bereits erwähnten außergewöhnlichen Quellenlage geschieht dies am Beispiel der EKKPS. Die in Halle / Saale tätige Seelsorgerin Helene Philipp gehörte während der Zeit der SBZ bis zur Übernahme des Strafvollzugs durch die HVDVP zu den ganz wenigen kirchlichen Betreuungspersonen, die Zugang zu allen Halleschen Haftanstalten, inklusive des Polizeigefängnisses, hatten. Philipp berichtet, dass ihre Hilfe gezielt vom Wach- und Leitungspersonal erbeten werde und dass es ihr, obwohl der Fokus ihrer Arbeit auf der Betreuung der nach SMAD-Befehl 201 verurteilten Frauen liege, einige Male gelungen sei, „in dem noch besonders vergitterten 5. Stockwerk der Haftanstalt, in dem unter politischer Anklage stehende Männer untergebracht sind, einzelne zu sprechen und ihnen Wäsche und Schuhe zu bringen“263. Im Gegensatz zu früher, so Philipp, sei die derzeitige Anstaltsleitung bemüht, der Überbelegung entgegenzuwirken, und zudem auf Hygiene und Sauberkeit bedacht.264 Die Gründe, warum der Fürsorgerin der Zugang zum Polizeivollzug gewährt, dem mit der Seelsorge kirchlich beauftragten Pfarrer Erich Becker hingegen verweigert wurde, könnten in der 30jährigen Berufserfahrung von Philipp und den teils noch bestehenden 263 Helene Philipp, Bericht der kirchlichen Betreuungsstelle für Strafgefangene und Strafentlassene, Halle, 27. 1. 1950 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 d, o. Pag.). 264 Ebd.
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personellen Kontinuitäten bei Anstaltsleitungen, Polizei und Justiz als für die Gefängnisseelsorge relevanten Stellen zu suchen sein, zu denen sie während ihrer langjährigen Tätigkeit gute Verbindungen aufgebaut hatte. Die Leitung des Gerichtsgefängnisses in der Lutherstadt Wittenberg ließ dem zuständigen Pfarrer Johannes Schmidt bei der Gestaltung seiner Seelsorgearbeit völlig freie Hand.265 Waren etwa Gefangene durch die Aufseher nicht zu beruhigen, riefen diese Schmidt hinzu. Schmidt organisierte Verkündigungsspiele, bestellte zu den Weihnachtsfeiern externe Chöre und händigte die über ihn laufende Post den Gefangenen ohne Hinzuziehung der Anstaltsleitung aus, auch wenn diese aus dem Westen Deutschlands kam. Das Verhältnis zum Personal des Gerichtsgefängnisses, so Schmidt, habe sich nach der Verteilung von Heringen für die Häftlinge und die Aufseher, die durch das Evangelische Hilfswerk ermöglicht worden war, eklatant verbessert. Nur zu dem örtlichen Polizeigefängnis habe er, trotz einer „Beschwerde über K5“, keinen Zutritt. In Magdeburg waren in der ersten Hälfte des Jahres 1949 zunächst alle Gefangenen, darunter ein hoher Anteil von nach SMAD-Befehl 201 Verurteilten, noch unter sehr schlechten Bedingungen in dem Untersuchungsgefängnis an der Umfassungsstraße in der Neuen Neustadt untergebracht. Zum Jahresanfang wurde dann ein Teil der Frauen nach Schönebeck, etwa 30 km südlich von Magdeburg gelegen, verlegt. Im Juli und August desselben Jahres gaben die Sowjets das Gefängnis in Magdeburg-Sudenburg an die deutsche Justiz zurück, in welches dann die restlichen Gefangenen aus der Neuen Neustadt Einzug hielten. Die seel- und fürsorgerliche Betreuung aller Insassen und Insassinnen wurde vom Magdeburger Stadtverein für Innere Mission organisiert. Die Beziehung zwischen dem altgedienten Personal der Anstalt und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Stadtfürsorge wurde vom Pfarrer der Stadtmission Hermann Schneider noch im November 1949 als „Vertrauensverhältnis“ beschrieben.266 Schneider wurde in seiner Arbeit durch eine Fürsorgeschwester unterstützt, die im Besonderen für die Betreuung der Familien der Gefangenen zuständig war und mit dem staatlichen Fürsorger der Anstalt kooperierte.267 Die Fürsorgerin hielt in beiden Strafanstalten Sprechstunden. Hier wurden zumeist praktische Dinge wie das Besorgen von Bettwäsche und von Kleidungsstücken organisiert, die Gefangenen konnten aber auch um Hilfe bei familiären Streitigkeiten ersuchen. Weiterhin führte und verwaltete die Fürsorgerin den umfangreichen Schriftverkehr, den die Seel- und Fürsorgearbeit mit sich brachte. Die Anmeldung der Gefangenen zur Fürsorge und zur 265 Vgl. Johannes Schmidt, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, 20. 1. 1950 (AKPS Magdeburg Rep. gen. 221 d). 266 Hermann Schneider, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Magdeburg, 14. 11. 1949 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 d). 267 Ders., Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Magdeburg, 26. 2. 1949 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 c).
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Seelsorge lief auf unterschiedliche Weise ab. Wollten die Gefangenen den staatlichen Fürsorger sprechen, trugen sie sich in ein dafür ausliegendes Buch ein. Wollten die Gefangenen am Gottesdienst teilnehmen und Seelsorge in Anspruch nehmen, mussten sie dies bei ihrer Aufnahme angeben, was viele von ihnen versäumten. Zwar gab Pfarrer Schneider nach jedem Gottesdienst bekannt, dass er in seelsorgerlichen Fragen stets ansprechbar sei, doch hätten bisher nur die Frauen in Schönebeck, wo er im Übrigen über Akteneinsicht verfüge, sein Angebot angenommen. In der Sudenburg habe noch kein Gefangener den Wunsch nach Seelsorge gegenüber der Anstaltsverwaltung formuliert. In Schönebeck konnten die Insassinnen, mit Ausnahme der nach SMAD-Befehl 201 Verurteilten, einmal im Monat an einem Vortrag mit anschließender offener Diskussion teilnehmen. Die Vorträge trugen Titel wie „Beruf und Charakter“ oder „,Religion‘ als Bildungselement des Menschen“ und waren demnach sowohl religiös als auch weltlich konnotiert.268 Ob diese Vorträge von der Kirche oder den politischen Parteien initiiert wurden, lässt Schneider unerwähnt. In seinem Schreiben vom November 1949 erwähnt Schneider, dass die Aushändigung von Listen mit Namen und Adressen der Familien der Insassen, die stets Grundlage für eine gute Betreuung durch die Fürsorgeschwestern gewesen seien, seit Kurzem nicht mehr zur Verfügung gestellt würden. Trotzdem, so resümiert er, „lässt sich wohl zusammenfassend sagen, daß die Zusammenarbeit zwischen uns und der Haftanstalt reibungslos, allerdings nach bestimmten Maßstäben vor sich geht. Und Bestimmungen sind immer verbesserungsbedürftig.“269 In Naumburg konnte der Seelsorger Herbert Rakowski im Jahr 1949 ausnahmslos alle Gefangenen betreuen. Von 270 Inhaftierten waren 64 nach SMAD-Befehl 201 Verurteilte, 20 gewöhnliche Strafgefangene und 186 Untersuchungshäftlinge. Rakowski konnte die Gefangenen auf ihren Zellen besuchen und war noch im Januar 1950 im Besitz der Zellenschlüssel.270 Als dem Seelsorger zu Ohren kam, dass die Untersuchungshäftlinge an weltanschaulichen und kulturellen Veranstaltungen teilnehmen durften, erstritt er bei der Anstaltsleitung erfolgreich die Wiederzulassung der Untersuchungsgefangenen zu den Gottesdiensten.271 In Rakowskis Schreiben findet auch der katholische Seelsorger der Anstalt Erwähnung:
268 Ebd. 269 Hermann Schneider, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Magdeburg, 14. 11. 1949 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 d). 270 „Zellenschlüssel werden neuerdings wieder ausgehändigt. Um diese Schlüssel geht der Kampf hin und her.“ (Herbert Rakowski, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Naumburg, 26. 1. 1950, AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 d, o. Pag.). 271 Warum es den Untersuchungsgefangenen in Naumburg verboten war, am Gottesdienst teilzunehmen, lässt Rakowksi unerwähnt. Eventuell legte die Anstaltsleitung § 4 der DA, welcher explizit nur die Strafgefangenen zum Gottesdienstbesuch berechtigte, so aus, dass die Untersuchungsgefangenen von diesem ausgeschlossen waren.
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„Der kath. Pfarrer versorgt seine Schäflein nicht nur mit dem Wort Gottes, sondern auch mit Brot, Tabak u. dergl. und zwar kommt er wie ein Weihnachtsmann bepackt mit einem grossen Rucksack an und gibt seine Spenden in die Zellen hinein, was grosse Freude bei den Katholischen und grossen Neid bei den Evangelischen auslöst. Er hat weit weniger zu betreuen als ich. Ich müsste mit 3 Rucksäcken kommen, wenn er mit 1 kommt.“272
Inspiriert durch das Handeln des katholischen Kollegen begann auch Rakowski mit dem Sammeln von Nahrungsmitteln in seiner Gemeinde und ließ die Spenden an Häftlinge ohne Angehörige verteilen, da sich diese aufgrund der fehlenden Paketsendungen von außen mit der kargen und kalorisch ungenügenden Anstaltskost begnügen mussten. 3.3.2 Interpretation der Umfrageergebnisse durch die Kirchenkanzlei Zu Beginn der Tagung der landeskirchlichen Referenten für Gefängnisseelsorge bei der Kirchenkanzlei im März 1950 erläuterte Poelchau die gesetzlichen Grundlagen der Seelsorge, unter besonderer Berücksichtigung der derzeit geltenden DA für die evangelischen Geistlichen, in der „einmal von Bischof D. Dibelius vorgeschlagenen, sodann in der verstümmelten von Karlshorst genehmigten Fassung.“273 Die Tagesordnung wurde im Weiteren durch die Präsentation und Diskussion der Umfrageergebnisse dominiert. Die Fragebögen waren von den Landeskirchenleitungen, mit Ausnahme der EKKPS, retourniert worden und stellten nicht nur eine Information für die Kirchenkanzlei dar, sondern waren zugleich, so Zimmermann, „eine Ermutigung der Anstaltsgeistlichen, welche sehen, dass ihre Arbeit von oben beobachtet wird.“ Abseits dieser Formulierung, die den Anspruch der Kirchenkanzlei auf Kontrolle und Organisation der Gefängnisseelsorge in der SBZ klar zum Ausdruck brachte, zog Zimmermann ein ambivalentes Resümee. Er stellte fest, dass außer in Brandenburg keine staatlichen Mittel für die Gefängnisseelsorge zur Verfügung stünden.274 Die Gottesdienste würden zwar fast nirgends behindert, jedoch seien Untersuchungshäftlinge und nach SMAD-Befehl 201 Verurteilte davon teils ausgeschlossen. Die Seelsorge könne überall unter vier Augen durchgeführt werden, eine Ausnahme bilde lediglich Hoheneck. Die Gefangenen würden überwiegend zum Gespräch vorgeführt, da die Pfarrer nur in Potsdam und Eisenach noch Zellenschlüssel ausgehän272 Herbert Rakowski, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Naumburg, 26. 1. 1950 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 d, o. Pag.). 273 O. Vf., Niederschrift über die Tagung der landeskirchlichen Referenten für Gefängnisseelsorge, 1. 3. 1950, Berlin (EZA Berlin, 103/100, Bl. 21–24). Hier auch das Folgende. 274 Im Strafvollzug im sächsischen Coswig erhielt zumindest der Organist 5 Mark pro Stunde aus Mitteln der Justiz, auch die Auslagen für Wein, Kerzen und Porto wurden hier ersetzt (vgl. Fragebogen Coswig, EZA Berlin, 4/735 o. Pag.).
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digt bekämen. Lediglich vereinzelt wären noch Veranstaltungen außer Gottesdiensten, wie Religions- und Bibelkundeunterricht, erlaubt. Die Fürsorge läge beinahe ausschließlich bei staatlichen Fürsorgern und würde nur in Ausnahmefällen noch von Geistlichen durchgeführt. Im Anschluss an die von Zimmermann gegebene Zusammenfassung äußerten sich die einzelnen Referenten zur Situation in ihren jeweiligen Landeskirchen. Ein großes Problem stellte für alle Kirchenleitungen die Finanzierung der Gefängnisseelsorge dar, wobei zu diesem Zeitpunkt klar war, dass eine finanzielle Unterstützung durch den Staat nicht zu erwarten war. Der Magdeburger Konsistorialrat Schaper schätzte die jährlichen Aufwendungen für die Gefängnisseelsorge in der EKKPS auf weit über 5.000 Mark. Man kam überein, dass die Referenten sich bei ihren Kirchenleitungen um Beihilfen bemühen sollten; auch staatliche Stellen sollten, trotz der geringen Aussicht auf Erfolg, noch einmal angesprochen werden. Als weiteres konstantes Problem in der Gefängnisseelsorge wurde die Versorgung der Anstalten mit Exemplaren der Bibel bzw. des Neuen Testaments, Erbauungsliteratur und christlichen Periodika thematisiert. Dies war zum einen eine Frage des Geldes, zum anderen waren in einigen Anstalten, aufgrund des Mangels an aktueller christlicher Literatur, Schriften zur Verteilung gekommen, die während des Nationalsozialismus erschienen und ideologisch entsprechend konnotiert waren.275 Unter der Lizenz westlicher Verlage erschienene Literatur war ebenfalls in einigen Anstalten kassiert worden, weshalb man dafür plädierte, künftig nur noch Produkte östlicher Verlage zu verteilen.276 Poelchau berichtete, dass auch die von ihm mit Mühe organisierten 200 Gesangbücher aufgrund des darin enthaltenen Vermerks „gestiftet von der Amerikanischen Lutherischen Kirche“ beschlagnahmt worden seien. Hinsichtlich der weiteren Organisation der Gefängnisseelsorge wurde vereinbart, dass Poelchau die 275 So hatte z. B. Pfarrer Werner Marienfeld im Anschluss an den Heiligabendgottesdienst im Jugendgefängnis Plauerhof in Brandenburg 1949 ca. 35 Exemplare der Wochenzeitschrift „Heilig dem Herrn‘, Wochenblatt für jedermann“ aus dem Jahre 1934 an die Häftlinge verteilt. Ein Teil der Hefte hatte die Beilage „Zeitspiegel“ enthalten, die vollständig von nationalsozialistischem Gedankengut durchdrungen gewesen sein soll (vgl. MdI, Schreiben an die DJV, Berlin, o. Datum, BArch Berlin, DP 1/ 30197, Bl. 16). Der spätere hauptamtliche Gefängnisseelsorger der DDR und Informant des MfS Giebeler berichtet in seinen Erinnerungen, dass der 1949 in Brandenburg-Görden tätige Seelsorger Marienfeld die Anstalt nicht mehr betreten durfte, da er innerhalb seiner Gemeinde Schriftgut für die Inhaftierten gesammelt und dieses unter Verzicht auf eine inhaltliche Prüfung den Gefangenen ausgehändigt hätte (vgl. Giebeler, Türen, 16–18). Auch dem Gerichtsgefängnis Potsdam war durch den evangelischen Geistlichen Horst Lahr „ein größerer Stapel kirchlicher Blätter zur Verteilung zugegangen. Nach einer Überprüfung des Inhalts wurde festgestellt, daß ein großer Teil dieser Schriften aus den Jahren der Nazizeit und des Jahres 1948 stammte. Hetzartikel gegen die Sowjetunion, nazistische Rassenprobleme [sic] und bebilderte Kriegsdarstellungen sind vorherrschend. Die Schriften sind von der Polizei beschlagnahmt worden.“ (Oberstaatsanwalt Potsdam, Schreiben an die DJV, Berlin, o. Datum, BArch Berlin, DO 1/30197, Bl. 17). 276 Vgl. o. Vf., Niederschrift über die Tagung der landeskirchlichen Referenten für Gefängnisseelsorge, 1. 3. 1950, Berlin (EZA Berlin, 103/100, Bl. 23). Hier auch das Folgende.
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Verhandlungen mit den Ländern ebenso wie alle in Berlin zu führenden Gespräche übernehmen solle. Zum Austausch und zur landesweiten Information über Entwicklung und Stand der Gefängnisseelsorge wurde die jährliche Einberufung eines Treffens aller Gefängnisseelsorger der DDR erwogen, was mit dem 1952 ins Leben gerufenen und in den Räumen der EKiBB tagenden Generalkonvent Ost auch umgesetzt wurde. Zum Abschluss der Konferenz verabschiedeten die Anwesenden eine Erklärung zu Gegenstand und Zielen der Konferenz, die zugleich als Grundlage für künftige Verhandlungen mit dem Staat dienen und in der Presse veröffentlicht werden sollte:277 „Am 1. März tagte in Berlin eine Konferenz der Referenten für Gefangenenseelsorge aus sämtlichen evangelischen Landeskirchen innerhalb der Deutschen Demokratischen Republik. Die Konferenz befasste sich mit Fragen der Seelsorge, der Fürsorge, der Schriftenmission und weiterer Fragen der Betreuung Inhaftierter und Strafentlassener. Sie stellte fest, dass jeder getaufte Christ ein unbestreitbares Recht auf seelsorgerliche Betreuung durch seine Kirche hat und dass die Kirche die ihr von ihrem Herrn aufgetragene unabdingbare Pflicht hat, diesen Dienst wahrzunehmen. Die Konferenz beschloss, nachdem alle Gefangenen und Internierten in deutscher Hand sind, geeignete Schritte zur Durchführung einer geordneten Seelsorge in allen Anstalten, einschliesslich den der Polizei unterstellten, zu unternehmen, insbesondere überall für Gefangene jeder Art regelmässige Gottesdienste vorzusehen. Sie beschloss ferner, hierfür Bibeln und Gesangbücher in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen.“278
Neben dem offiziellen Protokoll existieren einige weitere Berichte zur Tagung der Gefängnisseelsorger in den Akten der Thüringischen und der Sächsischen Kirche sowie der EKKPS.279 Als Vertreter der Sächsischen Landeskirche wohnte der hauptamtliche Waldheimer Gefängnisseelsorger Irmler der Tagung bei. Sein in diesem Zusammenhang an das Konsistorium in Dresden übersandter Bericht liefert einige das offizielle Protokoll ergänzende Details. Der erfahrene Seelsorger äußerte die Meinung, dass die Bedingungen für die 277 Vgl. o. Vf., Niederschrift über die am 1. März in Berlin stattgefundene Konferenz der Referenten der Landeskirchen der Ostzone für die Strafanstaltsseelsorge, 4. 3. 1950 (LKA Eisenach, A 520-4, Pag. 30). 278 O. Vf., Niederschrift über die Tagung der landeskirchlichen Referenten für Gefängnisseelsorge, 1. 3. 1950, Berlin (EZA Berlin, 103/100, Bl. 21–24). 279 Vgl. o. Vf., Niederschrift über die am 1. März in Berlin stattgefundene Konferenz der Referenten der Landeskirchen der Ostzone für die Strafanstaltsseelsorge, 4. 3. 1950 (LKA Eisenach A 520-4, Pag. 30). Rudolf Irmler, Bericht über die Tagung der Referenten für Gefängnisseelsorge bei den Landeskirchen in der Kanzlei der EKiD Berlin-Charlottenburg am 1. 3. 50, Waldheim, 6. 3. 1950 (LKA Dresden, 2/315, Bl. 117); Karl Schaper, Bericht über die Referentenbesprechung vom 1. 3 1950 in der Kirchenkanzlei, Magdeburg, o. Datum (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 d, o. Pag.).
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Seelsorge immer durch die Anstaltsleitung diktiert werden würden. Aus diesem Grund sei die Arbeit in fast jeder Anstalt in der „Ostzone“ verschieden, er hätte in der einen Anstalt der Pfarrer noch die Zellenschlüssel und in der anderen dürfe er nicht einmal unter vier Augen mit den Gefangenen sprechen, wobei Letzteres, aus der Sicht Irmlers, aber auch daran läge, „daß viele Amtsbrüder selbst Fehler gemacht haben, so daß auch da die Arbeit erschwert wurde.“280 Ein Zugang zu Polizeigefängnissen sei nahezu unmöglich. Gerade hinsichtlich der Betreuung der nun in den Strafvollzug der Polizei übergehenden Internierten sei daher mit großen Schwierigkeiten zu rechnen. Während die Berichte aus Eisenach und Dresden nur einige Details ergänzten, die offizielle Verlautbarung aber durchgehend mittrugen, ist der in Magdeburg vorliegende Bericht von OKR Schaper für Bischof Ludolf Hermann Müller deutlich kritischer.281 Schaper merkte an, dass die Konferenz im Kern nichts Neues ergeben habe. Die Dinge seien überall sehr im Fluss und aufgrund dessen die Möglichkeiten für die Seelsorge sehr unterschiedlich. Schaper misstraute dem Bestreben der Kirchenkanzlei, als Vertreterin der östlichen Landeskirchen zu fungieren und in dieser Funktion in Verhandlungen mit den für die Gefängnisseelsorge zuständigen staatlichen Stellen zu treten.282 Er äußerte starke Zweifel angesichts der von Poelchau in die Verhandlungen investierten Energie sowie hinsichtlich des praktischen Nutzens der hiervon zu erwartenden Ergebnisse und empfahl eine Besprechung der Sachlage auf der nächsten KOK. Ein Vorschlag, der darauf abzielte, die Zuständigkeit für die und die Organisation der Gefängnisseelsorge auf der landeskirchlichen Ebene zu halten, und zugleich die weitergehende Vorreiterrolle der EKKPS unter den ostdeutschen Landeskirchen bei der Herausbildung einer kritischen Haltung gegenüber den von der Kirchenkanzlei angestrebten
280 Rudolf Irmler, Bericht über die Tagung der Referenten für Gefängnisseelsorge bei den Landeskirchen in der Kanzlei der EKiD Berlin-Charlottenburg am 1. 3. 1950, Waldheim, 6. 3. 1950 (LKA Dresden, 2/315, Bl. 117). 281 Vgl. Karl Schaper, Bericht über die Referentenbesprechung vom 1. 3. 1950 in der Kirchenkanzlei, Magdeburg, o. Datum (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 d, o. Pag.). Zur Kritik der EKKPS an der Umfrage zur Gefängnisseelsorge mittels Fragebogen vgl. Kap. B 3.1.1. 282 Mit welchen offiziellen Stellen Poelchau bzw. die für die Gefängnisseelsorge Zuständigen bei der Kirchenkanzlei verhandeln sollten, lässt sich den kirchlichen Akten nicht entnehmen. Das älteste Dokument staatlicher Provenienz, das die Gefängnisseelsorge nach der Konferenz vom 1. 3. 1950 thematisiert, stammt von der HA Haftsachen der HVDVP, datiert vom 22. 3. 1950 und ist ein Entwurf eines „Vorschlag[s] für die Durchführung besonderer Massnahmen [sic] anlässlich der Abhaltung kirchlicher Handlungen“ (August Mayer, Durchführung besonderer Massnahmen anlässlich der Abhaltung kirchlicher Handlungen [Entwurf], Berlin, 22. 3. 1950, BArch Berlin, DO 1/1572, Bl. 76–78). Aufgrund der zeitlichen Nähe zur Konferenz und des inhaltlichen Schwerpunktes des Schreibens kann angenommen werden, dass es in Reaktion auf eine kirchliche Eingabe zur Organisation der Gefängnisseelsorge nach der Konferenz verfasst wurde. Verhandlungen Poelchaus mit den Justizministerien der Länder, denen Anfang 1950 noch Strafanstalten unterstanden, konnten nicht nachgewiesen werden.
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Zentralisierungsbestrebungen im Blick auf die Gefängnisseelsorge in der DDR dokumentiert.283
4. Seelsorgerliche Netzwerke Den zentralisierenden Bestrebungen der Kirchenkanzlei standen die in der SBZ auf der landeskirchlichen Ebene bestehenden Netzwerke der in den Gefängnissen seel- und fürsorgerlich tätigen Frauen und Männer gegenüber. Diese Netzwerke dienten neben dem Erfahrungs- und Informationsaustausch auch der Weiterbildung. Zusammenkünfte dieser Art fanden in der SBZ in allen Landeskirchen statt und konnten hinsichtlich ihrer zeitlichen Dauer von nur wenige Stunden andauernden Treffen bis zu mehrtägigen Rüstzeiten variieren. So wandte sich etwa der Anstaltsgeistliche von Bützow-Dreibergen, Schlagowski, im Oktober 1947 mit der Bitte an Poelchau, auf einer in Mecklenburg für Dezember geplanten Rüstzeit für die in der Gefangenenseelsorge tätigen Pastoren ein Referat zum Thema „Grenzen und Möglichkeiten der Gefangenen-Seelsorge“ zu halten. Poelchau musste die Einladung aufgrund seiner hohen Arbeitsbelastung absagen,284 doch berichtete der Schweriner Oberkirchenrat de Boor im Mai 1948 an die Kirchenkanzlei, dass im Dezember 1947 in Dreibergen eine dreitägige Gefängnisseelsorgerkonferenz stattgefunden habe, zu der auch der Ministerialdirektor Wilhelm Heinrich von der Justizverwaltung Mecklenburg erschienen sei. Die Konferenz habe „der inneren Ausrichtung der Teilnehmer, aber auch der Besprechung der rechtlichen und praktischen Fragen“ gedient.285 Auch für das Jahr 1948 sei eine derartige Veranstaltung geplant. Schlagowski erstattete Poelchau über den Verlauf der Konferenz mit Schreiben vom 18. Dezember 1947 Bericht und gab die diskutierten Anregungen, wie z. B. die, dass den Geistlichen zwecks Zeitersparnis die Zellenschlüssel ausgehändigt werden sollten, weiter.286 Das Beispiel zeigt, dass sich die Gefängnisseelsorger in den Landeskirchen der SBZ keineswegs nur als Empfänger von Weisungen der Kirchenkanzlei verstanden. Entsprechend waren deren Konferenzen nach ihrer Auffassung auch nicht nur informelle Treffen, sondern Gremien mit Anspruch auf Mitgestaltung von Rahmenbedingungen der Gefängnisseelsorge. Dies wird beispielhaft auch an der Konferenz der Fürsorgerinnen und Seelsorger vom 283 Zu dem in der SBZ bestehenden Netzwerk der Gefängnisseelsorger und Fürsorgerinnen auf landeskirchlicher Ebene vgl. den folgenden Abschnitt. 284 Vgl. Harald Poelchau, Schreiben an Erwin Schlagowski, Berlin, 15. 10. 1947 (BArch Berlin, DP 1 30197, Bl. 94). 285 Werner de Boor, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Schwerin, 28. 5. 1948 (EZA Berlin, 4/731, o. Pag.). 286 Vgl. Erwin Schlagowski, Schreiben an Harald Poelchau, Bützow-Dreibergen, 18. 12. 1947 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 96).
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3. März 1948 in Halle / Saale deutlich. Die Inhalte und Beschlüsse dieser Konferenz wurden durch Pastor Brachmann an das Konsistorium in Magdeburg weitergegeben, mit der dringenden Bitte, dass das „Konsistorium freundlichst eine tatkräftige Führung der seelsorgerischen und fürsorgerischen Arbeit in den Straf- und Haftanstalten in die Hand nehmen wolle, insbesondere eine Kontrolle über die Möglichkeit der Seelsorge an allen Gefangenen.“287 In einer am 15. Juli 1948 in Magdeburg durchgeführten Zusammenkunft der Gefängnisseelsorger und Fürsorgerinnen setzten sich die Anwesenden besonders intensiv mit der neuen, durch die SMAD genehmigten bzw. erlassenen DA für die evangelischen Geistlichen im Strafvollzug auseinander. Das Ergebnis ihrer Arbeit – eine detaillierte Kritik – gelangte nicht nur an das Magdeburger Konsistorium, auch in den Akten der Kirchenkanzlei findet sich hiervon eine Abschrift.288 In Thüringen tauschten die Gefängnisfürsorgerinnen und -seelsorger auf einer vom 2. bis 3. November 1949 dauernden Tagung im Zinzendorfhaus in Neudietendorf ihre Erfahrungen aus.289 Die hier behandelten Themen waren nicht nur theologischer Natur, sondern betrafen auch die jüngsten politischen Entwicklungen, wie dem Referatsthema des Gefängnisseelsorgers Hans Korth aus Gera „Die Justizreform in der sowjetischen Besatzungszone“ zu entnehmen ist. Die Niederschrift der Tagung enthält den Vermerk, dass die Anstaltsleiterin der Frauenhaftanstalt Hohenleuben, Pietrusky, die sich mit Pfarrer Fengler die seelsorgerliche Betreuung der Insassinnen teilte, ebenfalls geladen war, jedoch aus dienstlichen Gründen hatte absagen müssen. Fengler übermittelte daher den Vorschlag Pietruskys, über die Frauenhilfskreise oder ähnliche kirchliche Einrichtungen Patenschaften für Familien der Häftlinge zu organisieren. Auch in Thüringen wurden im Anschluss an die Tagung Anregungen und Wünsche an den LKR (Landeskirchenrat) in Eisenach weitergegeben. In der Niederschrift der Zusammenkunft findet sich z. B. die dringende Bitte an den LKR, doch auf die Heimatpfarrämter der Gefangenen einzuwirken, dass auf Anfragen der Gefängnisseelsorger zu den Familienverhältnissen der Inhaftierten geantwortet werden möge. Hierzu heißt es: „Es wird erhebliche Klage über die Saumseligkeit vieler Pfarrämter in dieser Hinsicht geführt, insbesondere darüber, dass Bitten, die Angehörigen von Strafgefangenen zu besuchen, nicht stattgegeben werden.“290 Die Thüringer Gefängnisseelsorger sprachen damit das weitverbreitete Problem an, dass sich die Heimatpfarrämter bei der Betreuung der Familien der Inhaftierten nicht allzu 287 Walter Brachmann, Besprechung der Pastoren und Fürsorgerinnen am 3. 3. 1948 in Halle / Saale, 5. 3. 1948 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 c, o. Pag.). 288 Vgl., o. Vf., Bericht über die Zusammenkunft der Gefängnis-Seelsorger und Fürsorgerinnen am 15. Juli 1948 in Magdeburg, Juli 1948 (EZA Berlin, 7/1824, o. Pag.). 289 Vgl. Gerhard Säuberlich, Niederschrift der Tagung der Thüringer Gefängnisseelsorger vom 2. und 3. 11. 1949, Eisenach, 9. 11. 1949 (LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 159). 290 Vgl. Gerhard Säuberlich, Niederschrift der Tagung der Thüringer Gefängnisseelsorger vom 2. und 3. 11. 1949, Eisenach, 9. 11. 1949 (LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 159).
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kooperativ verhielten. Noch bis weit in die 1950er Jahre hinein gab es diesbezüglich immer wieder Beschwerden der Gefängnisseelsorger, gefolgt von Aufrufen der Kirchenkanzlei an die östlichen Kirchenleitungen, diese Missstände zu beseitigen.291 Sehr engagiert war auch der in Berlin-Moabit tätige Anstaltsgeistliche und Vorsitzende der Konferenz evangelischer Strafanstaltspfarrer Deutschlands Emil Knodt.292 Er lud spätestens seit 1947 in regelmäßigen Abständen die im Strafvollzug tätigen Geistlichen aus Brandenburg und Gesamtberlin zu Konferenzen ein.293 Offensichtlich weckte dieses Angebot in der SBZ auch außerhalb Brandenburgs Interesse. So erklärte Knodt in einem Schreiben an das Evangelische Konsistorium in Greifswald: „auf Grund Ihres Schreibens vom 29. Juni 1949 […] – erlaube ich mir, Ihnen mitzuteilen, dass voraussichtlich im Ausgang des Sommers wieder eine Konferenz der Gefängnisseelsorger von Berlin und Brandenburg stattfindet. Wir sind hocherfreut, dass aus den Kreisen unserer Strafanstalts-Amtsbrüder der Wunsch laut geworden ist, an unseren Konferenzen teilzunehmen und werden rechtzeitig den Termin der nächsten Konferenz bekanntgeben. Vielleicht haben Sie die grosse Güte und geben uns noch die Namen und Anschriften der betreffenden Gefängnisgeistlichen an, die an der Konferenz teilnehmen möchten. Wir haben früher Strafanstaltspfarrer-Konferenzen für ganz Deutschland abgehalten und ausserdem Regional-Konferenzen. Durch die besondere Zeitlage ist es uns leider noch nicht gelungen, überall hin die Verbindungen wieder herzustellen. Es sind Bestrebungen im Gange, die alten Veranstaltungen wieder ins Leben zu rufen. Der Leiter des im Berliner Konsistorium gegründeten Amtes für den kirchlichen Dienst an Kranken und Gefangenen ist Herr Oberkonsistorialrat Dr. Dr. Fichtner.“294
Eine weitere von Knodt verfasste Einladung ging im November 1949 nach Sachsen. Hier hatte der in Waldheim tätige Geistliche Irmler Interesse an einer Teilnahme an der Konferenz geäußert und bekam nun von Knodt die Zusicherung, dass man sich aufrichtig freuen würde, ihn zur nächsten Sitzung am 6. Dezember 1949 in Berlin begrüßen zu können.295 Irmler berichtete später 291 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die Leitungen der östlichen Landeskirchen 21. 2. 1957 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 f, o. Pag). Für weitere Quellen zu Thematik vgl. Kap. C Anm. 464. 292 Der Reichsverband evangelischer Strafanstaltspfarrer wurde 1927 gegründet und 1937 in „Konferenz evangelischer Strafanstaltspfarrer Deutschlands“ umbenannt. Emil Knodt fungierte ab 1949 als Geschäftsführer der Konferenz (vgl. Boberach / Nicolaisen / Papst, Handbuch, 462). 293 Die Einladungen Knodts zum ,Strafanstaltspfarrer Konvent‘ an Präses Scharf für die Jahre 1947, 1948 und 1949 sind einsehbar im ELA Berlin unter der Signatur 1/924. 294 Emil Knodt, Schreiben an das Konsistorium Greifswald, Berlin-Friedenau, 8. 8. 1949 (EZA Berlin, 7/1824, o. Pag.). 295 Vgl. Emil Knodt, Schreiben an das LKA Sachsen, Berlin-Friedenau, 10. 11. 1949 (LKA Dresden, 2/315, Bl. 82).
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über die Tagung an das Konsistorium in Dresden und beurteilte in diesem Zusammenhang besonders die Einzelgespräche mit seinen Amtsbrüdern im Anschluss an die Tagung als sehr wertvoll. Auch den Kontakt zu den Kollegen „und der Arbeit in Berlin“ erachtete Irmler, gerade auch für die sächsische Strafanstaltsseelsorge, als sehr wichtig.296 Die Arbeit der von Knodt geleiteten Zusammenkünfte für die Strafanstaltspfarrer fand nach der Gründung der DDR in den ab Februar 1950 regelmäßig in Berlin durchgeführten Generalkonventen ihre Fortsetzung.
5. Zwischenfazit Retrospektiv lässt sich für den gesamten Zeitraum des Bestehens der SBZ eine flächendeckend durch die Landeskirchen geleistete, gut funktionierende und organisierte Gefängnisseelsorge konstatieren. Zugleich belegt die Auswertung der zahlreichen in den landeskirchlichen Archiven überlieferten Quellen im Kontext innen- und außenpolitischer Faktoren eine enorme Varianz hinsichtlich des Funktionsniveaus der Gefängnisseelsorge. Gleiches gilt für die damit verbundenen verwaltungstechnischen Abläufe. Trotz ihrer Heterogenität war die Gefängnisseelsorge Interessen und Einflüssen unterworfen, die die Länder- und Provinzgrenzen überschritten, ihre Spuren in der Konzeption hinterließen und auch verschiedene Phasen konstituierten. Nach dem Kriegsende begann zunächst eine Phase relativ ungestörten Wiederaufbaus der Gefängnisseelsorge. Dieser verlief teils autark vor Ort, teils auf Anordnung kirchlicher oder justizieller Behörden, wobei die östlichen Landeskirchen alsbald die Beauftragung der zumeist im Nebenamt in den Strafanstalten tätigen Geistlichen übernahmen und somit die Gefängnisseelsorge organisierten und koordinierten. Von den im deutschen Strafvollzug allgemein herrschenden katastrophalen Bedingungen abgesehen, stießen sie dabei zunächst auf wenig Hindernisse bzw. Widerstände, was die vielerorts vertretene Auffassung stützt, dass die sowjetische Besatzungsmacht gegenüber den Kirchen anfangs liberal bzw. aufgeschlossen gewesen sei. Jedoch resultierte diese Haltung der Sowjets auch aus einer gewissen Unentschlossenheit und Unsicherheit gegenüber kirchlichen Amtsträgern im Zusammenhang mit den noch nicht vorhandenen kirchenpolitischen Strategien der SMAD, in deren Schatten sich die Gefängnisseelsorge zunächst weitgehend unbeobachtet und unbehelligt entwickeln konnte. Einen die Gefängnisseelsorge zunächst stabilisierenden Faktor stellten auch die Traditionslinien im deutschen Strafvollzug dar, denen gemäß im Kontext der Forderung nach freier Religionsausübung und der seit Anfang 296 Rudolf Irmler, Bericht an das LKA Sachsen, Waldheim, 8. 1. 1950 (LKA Dresden, 2/315, Bl. 95).
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des 19. Jahrhunderts in den Gefängnissen etablierten kirchlichen Fürsorgetätigkeit den Kirchen Zutritt zu den Strafanstalten gewährt wurde. Durch diese Traditionen war die Mitarbeit der Kirchen im Strafvollzug in Form der Anstaltsseelsorge in Deutschland so gefestigt, dass in den ersten Monaten nach dem Kriegsende kaum ernsthafte Bemühungen um eine diesbezügliche Änderung verfolgt wurden. Auch erwiesen sich die in den ersten Monaten nach Kriegsende noch schwebenden Zuständigkeiten sowie die unklare Rechtslage als vorteilhaft für die Gefängnisseelsorge. In dem dadurch gegebenen relativen Rechtsvakuum konnten die Anstaltsseelsorgerinnen und -seelsorger unbehelligt ihrer Arbeit nachgehen, zumal die Gefängnisseelsorge auf der Liste der für den Strafvollzug elementaren Dringlichkeiten eher nachrangig war. Verschlossen blieben den Kirchen lediglich die von den Geheimdiensten der Sowjets besetzten Gefängnisse, die GPU-Keller, und die Speziallager. In dieser Phase nahm mit der Einstellung der Gefängnisgeistlichen ausschließlich durch die ostdeutschen Kirchenbehörden zugleich eine der bedeutsamsten Neuerungen in der Gefängnisseelsorge ihren Ausgang. Dieses von der staatlichen Gefängnisseelsorge im Vorkriegsdeutschland abweichende Organisationsmodell blieb über den gesamten Zeitraum der SBZ in Kraft. Ein wichtiges Instrument bei der Organisation, aber auch Kontrolle der Gefängnisseelsorge durch die Kirchenkanzlei bzw. die Landeskirchenleitungen waren Umfragen mittels Fragebögen, die sich bereits für das Jahr 1946 für die EKKPS und Thüringen nachweisen lassen. Die Gefängnisseelsorger trugen hierbei detaillierte Informationen sowohl zur jeweils betreuten Anstalt als auch zum Umfang der dort verrichteten Arbeit in ein vorbereitetes Formular ein, das an die Kirchenleitungen zurückgesandt und von diesen im Sinne eines Überblicks zum Funktionsniveau der Gefängnisseelsorge der entsprechenden Landeskirche ausgewertet und im Falle der EKKPS auch an den EOK weitergeleitet wurde. Diese Methode wurde von allen Landeskirchen in regelmäßigen Zeitabständen im gesamten Untersuchungszeitraum angewandt. Spätestens Anfang Dezember 1946 war die Phase der Improvisation beendet. Mit der Entwicklung und Verabschiedung der durch die Kirchenkanzlei und die EKiBB in Kooperation mit der DJVentwickelten DA sowie dem Aufbau der Verwaltungen der Länder und Provinzen und dem dadurch ermöglichten Voranschreiten der bürokratischen Prozesse in der SBZ begann für die Gefängnisseelsorge ein neuer Abschnitt. Mit der durch die DJV veranlassten Übersendung dieser von den Sowjets nicht genehmigten DA an die Justizabteilungen der Länder und Provinzen wurden erste Regularien und Schritte zur Vereinheitlichung wirksam, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Intention dieser in Kooperation von DJV und Kirche entwickelten DA eindeutig die Festigung von kirchlichem Einfluss und Recht im Strafvollzug in Kombination mit der Weiterentwicklung von Reformvorhaben in demselben war. Aus diesem Grund brachte diese DA zunächst keinerlei die Seelsorge erschwerenden Veränderungen mit sich.
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Durch die Rundverfügung Nr. 150 der Landesregierung Sachsen vom 12. März 1946 erfuhr die Gefängnisseelsorge in der SBZ dann eine erste Einschränkung. Dabei ging es im Kern um die Unterbindung der nachgehenden Seelsorge, bei der sich der Anstaltsgeistliche aktiv um die Inhaftierten bemühte, unabhängig davon, ob diese den Wunsch nach seelsorgerlicher Betreuung geäußert hatten oder nicht. In Sachsen wurde dieser durch die Gefangenen ausdrücklich geäußerte Wunsch ab diesem Zeitpunkt zur Bedingung für die Seelsorge. Wurde der Wunsch offiziell nicht formuliert, blieb dem Geistlichen der Zugang zu den Inhaftierten verwehrt, wobei sich im weiteren Verlauf zusätzliche Schwierigkeiten in Form von vermehrter Bürokratisierung und gezielter Nichtweitergabe des Wunsches nach seelsorgerlicher Begleitung durch das Anstaltspersonal einstellten. Die sächsische Praxis der Wunschseelsorge wurde mit der durch die SMAD genehmigten Version der DA für die evangelischen Geistlichen im Strafvollzug der Justiz, die den Justizabteilungen der Länder spätestens im Sommer 1948 vorlag, in der SBZ flächendeckend wirksam und blieb auch in der DDR bestehen. Die DA avancierte zum Streitpunkt zwischen den Kirchen, diesen zugetanen Politikern und den Justizverwaltungen, wobei letztere argumentierten, dass die nachgehende Seelsorge über die in der Kontrollrats-Direktive Nr. 19 vom November 1945 und die in Artikel 46 der Verfassung der DDR vorgesehene religiöse Betreuung der Gefangenen hinausginge und somit nicht zur Debatte stehe. In den ersten Jahren des Bestehens der SBZ wurde der Grundstein für den Rückzug der Justiz aus der Finanzierung der Gefängnisseelsorge gelegt, wobei diese Entwicklung mit den „Leitgedanken“ der Abteilung Haftsachen bei der DJV begann, die bereits im Oktober 1945 den Justizabteilungen der Länder und Provinzen zur Kenntnis gebracht wurden. Für Groß-Berlin kann von regelmäßigen finanziellen Leistungen an die Kirchen für ihre seelsorgerlichen Aufwendungen ausgegangen werden. Auch in Thüringen floss der Kirche finanzielle Untersützung in Höhe von 2/3 der anfallenden Lohnkosten zuzüglich zu den real entstehenden Aufwendungen zu. In allen anderen landeskirchlichen Archiven sind für den gesamten Zeitraum des Bestehens der SBZ keinerlei Hinweise auf eine Beteiligung der Justiz an den Kosten der Gefängnisseelsorge oder auch nur auf diesbezügliche Verhandlungen dokumentiert. Dieser Sachverhalt steht im Widerspruch zu dem auf der Sitzung der KOK am 5. März 1947 gefassten Beschluss, dass eine Erstattung der durch die Beschäftigung von Pfarrern und Hilfskräften in der Gefängnisseelsorge entstehenden Unkosten mit den zuständigen Justizministerien auszuhandeln sei. Warum diese Ambitionen, ebenso wie die Hinzuziehung von Hilfskräften bei der Anstaltsseelsorge, auf deren Möglichkeit in derselben Sitzung hingewiesen wurde, faktisch offenbar nicht verfolgt wurden, lässt sich aufgrund der Aktenlage nicht ermitteln. Als für die Zukunft der Gefängnisseelsorge richtungsweisend erwies sich vielmehr die Aussage des Generalstaatsanwaltes von Gera: „Die Seelsorge ist hiernach jetzt ausschließlich Sache der Kirche. Eine, auch nur vermittelnde
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Tätigkeit von Seiten der Strafvollzugsbehörden bei der Seelsorge kommt nicht mehr in Frage.“297 Auch der maßgeblich als Vortragender Rat bei der DJVan der Organisation der Gefängnisseelsorge in der SBZ / DDR beteiligte und selbst als Gefängnisseelsorger in der Berliner StVA Tegel aktive Pfarrer Poelchau setzte sich in seiner Funktion aktiv dafür ein, die Gefängnisseelsorger aus der schwierigen Position als „Staatsbeamte[] im Justizdienst, die gleichzeitig immer noch an die Kirche und ihren theologischen Auftrag gebunden waren“,298 zu befreien. Durch die Anstellung der Gefängnisseelsorger bei den östlichen Landeskirchen wurde die Außenseiterrolle, die den Gefängnisseelsorgern als Angestellten der Justiz zugefallen war, aufgelöst und die Kirchenleitungen dazu gezwungen, der bis dato eher stiefmütterlich behandelten Gefängnisseelsorge mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Dass diese freiwillige Preisgabe des Wirkens in der Justiz gleichzeitig den Verlust von Information und Einfluss nach sich zog und es den Strafvollzugsbehörden zudem ermöglichte, den Kirchen den Zugang von Gefängnisseelsorgern zu den Insassen völlig zu verwehren, sollte sich erst später herausstellen. Am Ende dieser sich bereits 1945 / 46 andeutenden Entwicklung stand die völlige Übernahme der Gefängnisseelsorge in der SBZ durch die Kirchen, inklusive aller damit verbundenen Aufwendungen und Kosten, aber auch mit der Verantwortung, die Seelsorge gegen die immer größer werdenden Widerstände der Justiz bzw. später des MdI durchzusetzen. Mit der durch die SMAD autorisierten Version der DA, die ab Januar 1948 sukzessive ihre Wirksamkeit entfaltete, setzten nicht nur in Gestalt der Fixierung der Wunschseelsorge zunehmende Behinderungen der Gefängnisseelsorge ein. Denn die DA beruhte zwar auf der ursprünglich von Kirche und DJVerarbeiteten Version, ließ jedoch den im kirchlichen Entwurf enthaltenen liberalen und humanitären Geist vermissen und engte das Arbeitsfeld der Kirche insgesamt dergestalt ein, dass lediglich eine Mindestversorgung der Gefangenen durch gelegentliche Gottesdienste und Sprechstunden erlaubt war. Gleichzeitig garantierte sie die Abhaltung von Gottesdiensten und das Gespräch mit den Gefangenen als Mindestversorgung aber auch. Dies zeigte sich beispielhaft in Sachsen-Anhalt, wo unter Berufung auf die DA eine Rücknahme des am 17. Februar 1947 vom Justizministerium auf Betreiben der SMAD erlassenen Gottesdienstverbotes erwirkt werden konnte. Über das durch die DA gewährleistete Versorgungsniveau hinaus lässt sich für die letzten Jahre der SBZ eine weiterhin äußerst heterogene Situation in der Gefängnisseelsorge feststellen. Ob die Seelsorger neben dem Angebot von Gottesdiensten und Sprechstunden für die sogenannten gewöhnlichen Kriminellen weiteres Engagement entwickeln konnten bzw. Zugang zu weiteren 297 Friedrich Kuschnitzky, Schreiben an die Herren Vorstände der Vollzugsanstalten des Bezirks, Gera, 23. 8. 1947 (BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 81). 298 Schuppener, Umsonst, 44.
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Häftlingsgruppen wie Untersuchungshäftlingen und politischen Gefangenen erhielten, hing vom diesbezüglichen Wohlwollen der Anstaltsleitungen ab. Hierbei spielte in erster Linie die Beziehung zwischen Anstaltsleitung, Anstaltspersonal und Seelsorger eine Rolle. Vieles, was sich aus der geltenden DA nicht ableiten ließ, konnte zu diesem Zeitpunkt noch über diese persönlichen Kontakte erreicht werden. Ein elementarer Unterschied in der seelsorgerlichen Versorgung bestand zudem zwischen dem Strafvollzug unter der Aufsicht der Polizei und den der Justiz unterstellten Haftanstalten. Während Letztere auch in den späten Jahren der SBZ eine klare Tendenz zum liberalen Vollzug aufwiesen und dementsprechend auch für die Seelsorge günstige Bedingungen boten, präsentierten sich die Polizeigefängnisse – zumal diese auch nicht durch die DA, die nur für die der Justizverwaltung unterstellten Gefängnisse galt, abgedeckt waren – abweisender und verschlossen sich der Seelsorge ab etwa 1948 völlig. Ausnahmen bildeten diesbezüglich nur der Polizeivollzug in Greiz und in Halle, wobei dies auf die in beiden Fällen sehr guten Beziehungen des Geistlichen bzw. der Fürsorgerin zu den Verantwortlichen zurückzuführen war. Der Ausschluss aus dem Vollzug der Polizei stellte für die Kirchen ein Problem dar, zumal in den Ausführungsbestimmungen des der Entnazifizierung dienenden und im August 1947 erlassenen Befehls 201 eindeutig geregelt war, dass die nach diesem Befehl Verhafteten und Verurteilten in den Zuständigkeitsbereich der Polizei fielen und demnach für die Kirche unerreichbar blieben. Hinzu kam, dass die Polizei aufgrund der mangelnden Kapazitäten zur Unterbringung politischer Gefangener auch auf die der Justiz unterstehenden Vollzugsanstalten zurückgreifen musste. Dies führte zu einer polizeilichen Präsenz im Justizvollzug und damit, wie etwa in Hoheneck, auch hier zu schlechteren Bedingungen für die Gefängnisseelsorge. Weiterhin kann für den Strafvollzug konstatiert werden, dass dieser spätestens ab 1948 elementaren Transformationen unterworfen war, die insgesamt zu einem Paradigmenwechsel (weg vom Reformvollzug, hin zu einer Akzentuierung von Strafe und Sühne) führten. Die Grundvoraussetzungen, die für die Erbringung der Seelsorge in den Haftanstalten der SBZ maßgeblich waren, wurden im Wesentlichen durch Verhandlungen zwischen Justiz und evangelischer Kirche bestimmt. Beide Akteure waren im Zeitraum des Bestehens der SBZ aber Strategien von SMAD und SED ausgesetzt, die auf eine politische Instrumentalisierung von Justiz und Kirche zielten und dadurch dem Machtausbau der SED Vorschub leisten sollten. Während die Kirche als weitestgehend in sich geschlossene und gesellschaftlich breit verwurzelte Gruppierung mit Wertekonsens sich den Unterwanderungs- und Instrumentalisierungsversuchen der SED nicht nur entziehen, sondern auch aktiv widersetzen konnte, wurden die Justizverwaltungen der Länder ebenso wie die DJV in Berlin als staatliche Organe diesen sukzessive unterworfen. Als äußerst effektiv erwies sich hierbei der ab 1948 durch die SED zunehmend forcierte Austausch des bei der Justiz tätigen
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Personals gegen besonders linientreue SED-Mitglieder und die Ausdehnung des Einflusses der DVdI auf den Strafvollzug. Hierdurch gelangten vermehrt religionskritische Kräfte an die für die Organisation der Gefängnisseelsorge relevanten staatlichen Stellen, wie z. B. in die Justizverwaltungen der Länder, in Anstaltsverwaltungen und -leitungen, aber auch in die Wachmannschaften, was sich auf die Gefängnisseelsorge unmittelbar negativ auswirkte. Wie wirksam diese Methode war, zeigt der am Ende des Bestehens der SBZ beinahe von jeglichem kirchlichen Einfluss befreite Strafvollzug der Polizei, dessen Entscheidungsträger und ausführendes Personal durchweg aktive Kommunisten mit atheistischer Weltanschauung waren. Folgt man der von Goerner vorgeschlagenen Phaseneinteilung der Kirchenpolitik der SED, lässt sich diese auch auf die Gefängnisseelsorge anwenden und eine 1948 einsetzende, zunehmende Verdrängung kirchlichen Einflusses feststellen, deren Initialzündung in der von der SMAD genehmigten DA zu suchen ist. Zwar sicherte diese zunächst die seelsorgerliche Versorgung im gemäß dem Empfinden von SMAD und SED kirchenaffinen Strafvollzug der Justiz, doch zugleich wurde mit ihr die Grundlage dafür geschaffen, das Funktionsniveau der Anstaltsseelsorge massiv zu reduzieren und die Tätigkeit des Anstaltsgeistlichen und der Fürsorgerin als traditionelle Konstante im Strafvollzugsalltag zu marginalisieren. Die Heterogenität der Gefängnislandschaft, v. a. der dem Reformgedanken verpflichtete Justizstrafvollzug, konnte das in der DA enthaltene repressive Potential in vielen Anstalten kompensieren, doch mit der zunehmenden Durchdringung des Strafvollzuges durch das DVdI / MdI nahmen die Erschwernisse für die Gefängnisseelsorge spätestens ab dem Frühjahr 1950 eklatant zu. Bei der Organisation der Gefängnisseelsorge in der SBZ spielten zwei tendenziell konkurrierende Modelle eine Rolle: eine föderale Bottom-up- und eine zentralistische Top-down-Struktur. Erstere basierte auf den in den Gefängnissen überwiegend im Nebenamt tätigen Seelsorgerinnen und Seelsorgern, die innerhalb ihrer Landeskirchen und teils auch darüber hinaus vernetzt waren. Diese erstatteten ihren Superintendenturen Bericht über ihre Arbeitsbedingungen, Entwicklungen im Strafvollzug und andere, die Seelsorge betreffende Vorkommnisse, und brachten darüber hinaus strukturelle Vorschläge zur Gestaltung der Gefängnisseelsorge ein. Die zuständigen Gremien auf Landeskirchenebene sammelten diese Berichte und Vorschläge, werteten sie aus und traten in Konfliktfällen in Verhandlungen mit den Justizverwaltungen der Länder. Erst wenn auf der Länderebene kein Resultat erzielt werden konnte, zogen die Landeskirchen die Kirchenkanzlei hinzu, die die Angelegenheiten direkt mit der DJV verhandelte. Neben und entgegen diesem, von den östlichen Landeskirchen klar favorisierten Bottom-up-System, strebte die Kirchenkanzlei die Etablierung eines Top-down-Systems an, indem Dibelius als Bischof der EKiBB und Ratsvorsitzender der EKD mit Hilfe leitender Mitarbeiter der EKiBB und der Kirchenkanzlei Regularien wie die DA für evangelische Gefängnisgeistliche und
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Kontrollmechanismen wie z. B. Umfragen entwickelte, die an die Landeskirchen zwecks Umsetzung und Erledigung weitergereicht wurden. Zusätzlich sorgte man in Berlin mit der Einberufung der KOK für eine speziell auf ostdeutsche Bedürfnisse zugeschnittene Kommunikationsplattform. Bestimmte in den ersten Jahren der SBZ die Bottom-up-Struktur die Organisation der Gefängnisseelsorge in der evangelischen Kirche, baute die Kirchenkanzlei die von ihr angestrebte Funktion als Schaltzentrale der Gefängnisseelsorge in den östlichen Landeskirchen und damit eine Top-down-Struktur im Laufe der späten 1940er Jahre zunehmend aus. Die Demontage der föderalen Struktur in der Gefängnisseelsorge zu Gunsten einer zentralistischen durch die Kirchenkanzlei stellte faktisch – ob absichtlich oder unabsichtlich, sei dahingestellt – einen Parallelvorgang zu den bereits in der SBZ eingeleiteten Zentralisierungsbestrebungen des SED-Staates.299 Bei der Einschätzung der Rolle Poelchaus als Vortragender Rat der Abteilung SV in der DJV muss der Aspekt berücksichtigt werden, dass die Positionierung eines der EKiBB verbundenen Mitarbeiters im Herzen der deutschen Justiz für die kirchliche Seite unbedingt von Interesse gewesen sein dürfte. Ob die Kirchenleitung bzw. Dibelius und Grüber die Mitarbeit Poelchaus in der DJV aktiv und mit dem Vorsatz, so ungefilterte Einblicke und Informationen zu erlangen, betrieben haben, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Dafür sprechen jedoch die immer wieder durch Kirchenleute vorgenommene Kontaktierung Poelchaus unter Umgehung der DJV sowie Poelchaus mit privatem Absender versehene Schreiben an die Kirchenleitung der EKiBB und an die Kirchenkanzlei mit Informationen über seinen Dienstbereich betreffende Vorgänge. Das markanteste Beispiel für diese Zusammenarbeit ist der durch Poelchau im Auftrag von Dibelius verfasste erste Entwurf der DA und dessen Übermittlung im Namen des Konsistoriums der EKiBB an die DJV.
299 Zum demokratischen Sozialismus in der SBZ vgl. T rke, Zentralismus.
C Die Gefängnisseelsorge in den frühen Jahren der DDR (1949–1954) 1. Kirchenpolitische Rahmenbedingungen Die bereits am 1. November 1949 erfolgte Gründung der HA Verbindung zu den Kirchen,1 zu deren Leiter der evangelische Jurist Kurt Grünbaum bestellt wurde, konnte trotz der hier vertretenen kirchenfreundlichen Haltung nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die SED in der Kirche einen Brückenkopf des Westens sah, den es zu kontrollieren und zu bekämpfen galt.2 Die HA Verbindung zu den Kirchen stand unter der Dienstaufsicht des stellvertretenden Ministerpräsidenten Nuschke und befand sich seit ihrer Gründung in einem Konflikt mit dem MdI, bei dem es im Kern um die Zuständigkeit für Kirchenangelegenheiten und die Gestaltung der staatlichen Kirchenpolitik ging.3 Während das MdI gegenüber den Kirchen eine repressive Politik verfolgte, lässt sich die Position der HA, deren Mitarbeiter in der Mehrzahl der Ost-CDU angehörten, als kirchenfreundlich charakterisieren. In der Praxis jedoch zog die HA Verbindung zu den Kirchen gegenüber dem von SEDMitgliedern dominierten MdI bei konkurrierenden Optionen in konkreten Entscheidungsfällen in Belangen staatlicher Kirchenpolitik stets den Kürzeren.4 Im Zuge der Neuausrichtung der Kirchenpolitik der SED ab Ende 19535 und der daraus resultierenden Einrichtung der Abteilung Kirchenfragen beim ZK unter der Leitung Willi Barths im November 19546 wurde die HA Verbindung zu den Kirchen an die Peripherie der Geschehnisse gedrängt und nach dem Tod Nuschkes im Dezember 1957 ohne großes Aufsehen aufgelöst.7 Einer der wichtigsten Ansprechpartner für die HA war der vom Rat der EKD ernannte Bevollmächtigte bei der DDR-Regierung Propst Grüber, der im Besonderen zu Nuschke gute Beziehungen pflegte. Obwohl Grüber allgemein als verständnisvoll gegenüber der Regierung der DDR charakterisiert wird, oder, wie Mau formuliert, „mit manchen Äußerungen das Odium eines zu weit 1 Detailliert zu Nuschke und der Hauptabteilung Verbindung zu den Kirchen vgl. Schal ck, Agentur. 2 Zur Kirche als politischer Störfaktor in der DDR vgl. Albrecht-Birkner, Freiheit, 26 f.; Funk, Regionalisierung. 3 Ebd., 27. 4 Ebd., 110. 5 Vgl. Goerner, Kirche, 131. 6 Vgl. ebd., 175. 7 Ebd., Kirche, 184.
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gehenden Verständnisses für die SED auf sich zog“,8 drohte er Nuschke bereits im September 1951 mit Rücktritt: „Diese letzte Verweigerung der Einreisegenehmigung [für eine Tagung Rates der EKD in Elbingerode waren die frühzeitig beantragten Einreisegenehmigungen für die westdeutschen Ratsmitglieder nicht erteilt worden – SiSt] ist nur eine unter den vielen Schwierigkeiten, die in der letzten Zeit in Sonderheit von dem Innenministerium und den nachgeordneten Stellen gemacht werden, und die mich veranlassen, den Rat der Ev. Kirche bei seiner nächsten Sitzung zu bitten, mich von meinem Amt als Bevollmächtigter bei der Regierung der DDR zu entbinden. Der größte Teil der Verhandlungen, die ich in der letzten Zeit geführt habe, ist negativ verlaufen, und teilweise bin ich in einer Form hingehalten worden, die ich nicht länger hinzunehmen gewillt bin.“9
Im weiteren Verlauf seines Schreibens benannte Grüber weitere der von ihm erwähnten „Schwierigkeiten“ konkret. So beklagte er die wiederholt durchgeführten Beschlagnahmungen und vorsätzlichen Beschädigungen von Papierlieferungen für kirchliche Verlage, wie etwa für das Altenburger Bibelwerk und die Preußische Hauptbibelgesellschaft. Ein Problem sei auch die verzögerte Einfuhrabwicklung von Spenden der Westkirchen, zumeist Fett, Mehl und Medikamente, wodurch diese die Empfänger oftmals verdorben erreichten. Auch würden die dringend benötigten Lizenzen für Drucksachen, wie etwa Kirchenkalender, nicht ausgestellt. Weitere Beschwerdepunkte Grübers waren nicht erteilte Einreise- und Aufenthaltsgenehmigungen für Kirchenmitglieder aus Westdeutschland, aber auch die Verweigerung von Kooperation hinsichtlich der kirchlichen Betreuung der durch die Sowjetunion Internierten und SMT-Verurteilten und das Ausschlagen der von den Kirchen zur Verfügung gestellten Spenden, wie etwa hochwirksamen TbcMedikamenten, aber auch Nähr- und Stärkungsmittel, vorzugsweise für die Kranken und Gefangenen in den Gefängnissen der DDR. Für Grüber implizierte diese Situation ein persönliches Problem: „Ich darf zusammenfassend sagen, dass nicht nur bei der Kirchenleitung, sondern gerade auch bei der Bevölkerung der Verdacht besteht, dass ich die Angelegenheiten der Ev. Kirche nicht mit dem nötigen Nachdruck vertrete.“ Er verwies auf den zu diesem Zeitpunkt in der DDR noch vorhandenen gesellschaftlichen Rückhalt der evangelischen Kirche in der Gesellschaft, um vor diesem Hintergrund zu betonen, dass die Kirche keinesfalls gedenke, sich mit der Rolle eines Befehlsempfängers zu begnügen: „Wenn die Ev. Kirche auch nicht wie die katholische Kirche eine politische Macht darstellt, die mit dem Staat als gleichberechtigter Partner verhandeln kann, so bitte ich immer zu bedenken, dass von den 18 Millionen Bewohnern der DDR 8 Mau, Protestantismus, 36. 9 Heinrich Grüber, Schreiben an Otto Nuschke, Berlin, 28. 9. 1950 (GStA PK Berlin, VI. HA, Nl. Heinrich Grüber, Nr. 215, Bl. 163). Hier auch das Folgende.
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14 Millionen der Ev. Kirche angehören. Darüber hinaus hat die Ev. Kirche durch die Jahrhunderte alle Angelegenheiten, die zwischen Staat und Kirche zu regeln waren, auf dem Verhandlungswege geklärt, und nicht so, dass die Kirche als Befehlsempfänger dem Staate gegenüber stand. Wenn Abmachungen nicht eingehalten werden sollten, so war es bisher Sitte, dass diese Dinge in Klarheit und Offenheit ausgesprochen wurden. Der jetzige Zustand erschwert jede loyale und vertrauensvolle Zusammenarbeit.“
In eben dieses von Grüber geschilderte angespannte Verhältnis zwischen der Regierung der DDR und der evangelischen Kirche gehörten auch die Entwicklungen in der Gefängnisseelsorge in den frühen 1950er Jahren – auch wenn die zeitgenössischen Quellen hierzu diese starken Spannungen vielfach nur zwischen den Zeilen erkennen lassen. Nach dem Scheitern der zwischen März und August 1952 durch die Sowjetunion eingereichten diplomatischen Noten und der damit verbundenen Einsicht, dass die Idee eines vereinten neutralen Deutschlands zu diesem Zeitpunkt fernab der Realität war, drängte die Moskauer Parteiführung auf die Umgestaltung der DDR gemäß dem sowjetischen Vorbild.10 Die Proklamation des planmäßigen Aufbaus des Sozialismus durch Ulbricht geschah gleich zu Beginn der vom 9. bis 11. Juni 1952 in Ostberlin abgehaltenen II. Parteikonferenz der SED. Ulbricht rief zum Klassenkampf der Werktätigen gegen die Feinde des Marxismus-Leninismus auf – ein Appell, der umfangreiche und tief in die Gesellschaft eingreifende Prozesse in Gang setzte und diese zugleich rechtfertigte.11 In der Praxis bedeutete dies unter anderem den Aufbau der NVA (Nationale Volksarmee), den Ausbau der Schwerindustrie, die Kollektivierung der Landwirtschaft und des Mittelstandes sowie Umstrukturierungen in der Verwaltung. Im Zuge der Letzteren wurden im Juni 1952 die als föderale Überbleibsel empfundenen fünf Länder der DDR zu Gunsten von 14, bzw. bei Hinzuzählung Ostberlins 15, Bezirken aufgelöst, wodurch die von den Ländern an die Kirchen gezahlten Zuschüsse, unter der nun allgegenwärtigen Sparsamkeitsforderung, neu berechnet und um 25 % gekürzt wurden.12 Die Länderverwaltungen wurden durch Bezirksräte unter SED-Führung ersetzt, was zu einem Machtgewinn der Einheitspartei in Kombination mit vermehrter Kontrolle der politischen Basis führte. Die Finanzierung all dieser kostenintensiven Maßnahmen war in dem zum 10 Bei den als Stalin-Noten bezeichneten sowjetischen Schriftstücken handelte es sich um Vorschläge und Leitsätze zur Schaffung eines vereinten, selbstständigen, demokratischen und friedfertigen Deutschlands, die jedoch nicht die Zustimmung der Westmächte erlangten. Bis in die Gegenwart hinein sind die Stalin-Noten und die damit verbundenen sowjetischen Intentionen Gegenstand einer wissenschaftlichen Diskussion, deren Bandbreite von der sprichwörtlich verpassten Chance bis hin zu einer Einordnung der Noten als bewusste Störung der westlichen Bündnisverhandlungen reicht (vgl. Steininger, Chance; Zarusky, Stalin-Note; Ruggenthaler, Bluff; Bischof, Anfänge). 11 Vgl. Prokop, DDR, 105–111; Schçne, DDR, 57–81. 12 Vgl. Goerner, Kirche, 84 f.
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1. Januar 1951 in Kraft getretenen Fünfjahresplan nicht einkalkuliert gewesen, auch hatte die Parteikonferenz abgesehen von einem generellen Sparsamkeitsgebot keinerlei Finanzierungspläne erlassen.13 Zwecks Deckung des nunmehr enorm gestiegenen Kapitalbedarfs und im Zeichen des Klassenkampfes erhöhte das Finanzministerium die Einkommens- und Handwerkssteuer, drängte Selbstständige in eine teure Kranken- und Sozialversicherung und entzog den Intellektuellen vergünstigte Sonderzuteilungen an Konsumgütern.14 Die SED forcierte die Kollektivierung der Landwirtschaft und den Zusammenschluss privater Unternehmer in die beim Gros der Selbstständigen und Bauern unbeliebten Produktionsgemeinschaften. Um ihr Ziel zu erreichen, schreckte sie dabei nicht vor wirtschaftlichen Sanktionen und der Androhung hoher Strafen bei Verstößen gegen das im September 1952 durch das Politbüro beschlossene „Gesetz zum Schutz des Volkseigentums“ zurück.15 Diese Repressionen wurden durch die kooperativ agierende Justiz bereitwillig durchgesetzt und führten zu einem enormen Anstieg der Anzahl der Strafgefangenen in der DDR von ca. 30.000 im Juli 1952 auf 61.377 im Mai 1953.16 Schon das Nichterreichen von Produktionsquoten konnte bis zu zehn Jahren Gefängnis nach sich ziehen, selbst kleinste Diebstähle wurden mit einjährigen Haftstrafen, auch bei Jugendlichen unter Anwendung des Erwachsenenstrafrechts, geahndet. Die Gesamtheit dieser Umstände und ein gegenüber dem Westen deutlich geringerer Lebensstandard waren die Auslöser einer bereits ab 1951 nicht mehr zu verleugnenden Massenflucht unzufriedener DDRBürger Richtung Westen.17 Das Jahr 1953 brachte zwei markante Zäsuren mit sich: Den durch die Sowjets verordneten sogenannten „Neuen Kurs“18 und die Volksaufstände vom 17. Juni.19 Chronologisch betrachtet, begann der Neue Kurs mit dessen 13 Vgl. Staritz, Geschichte, 100. 14 Zu den der II. Parteikonferenz folgenden Maßnahmen betreffend Steuerpolitik, Zwangskollektivierungen und den gegenüber der Bevölkerung ausgeübten Repressionen mit Schwerpunkt auf der Rolle der Justiz vgl. Kowalczuk, Handeln. 15 Zum ,Gesetz zum Schutze des Volkseigentums‘ vgl. Werkentin, Strafjustiz, 64–68. 16 Vgl. Greschat, Protestantismus, 123. Hier auch das Folgende. 17 Als Fluchtzahlen werden für den Untersuchungszeitraum angegeben: 129.245 (1949); 197.887 (1951); 182.393 (1952); 331.390 (1953); 184.198 (1954); 252.870 (1955); 279.189 (1956); 261.622 (1957), 204.092 (1958); 143.917 (1959), 199.188 (1960); 207.026 (1961) (vgl. Judt, DDR-Geschichte, 545). 18 Der Neue Kurs bedeutete per se eine Rücknahme der von Ulbricht auf der II. Parteikonferenz der SED im Juni 1952 eingeläuteten Maßnahmen zum Aufbau des Sozialismus. Die Regierung räumte gegenüber der Bevölkerung ein, „dass in der Vergangenheit eine Reihe an Fehlern“ gemacht worden seien, welche einer Korrektur bedürften. Konkret versprach man etwa die Verbesserung der Versorgungssituation der Bevölkerung, die Förderung des Mittelstandes und die Rücknahme der Forcierung der Kollektivierung der Landwirtschaft, die Erhöhung der Rechtssicherheit, Amnestien im Strafvollzug und auch die Beendigung der Verfolgung der Jungen Gemeinde bzw. des „Kirchenkampfes“ (vgl. Wilke / Voigt, Kurs, 60). 19 Zum 17. Juni 1953 vgl. Diedrich, Waffen; Greschat / Kaiser, Umfeld; Becker, Zukunft, 109–119.
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Verkündung durch die SED am 9. Juni zwar vor den Juni-Unruhen, doch wurden die im Zuge dessen geplanten innenpolitischen Korrekturen faktisch von den Ereignissen des 17. Juni überrollt. Diese Tatsache führte bei vielen Inhaftieren zu der Auffassung, dass die allmählich einsetzenden Erleichterungen im Strafvollzug ein Ergebnis der Proteste des 17. Juni seien, was aber nicht zutraf.20 Die Strafvollzugsanstalten, vor allem Amnestieforderungen für die hier einsitzenden politischen Gefangenen, spielten für den 17. Juni jedoch eine zentrale Rolle: Landesweit kam es zwischen dem 16. und 20. Juni zu Protesten vor 60 Arrestorten und etwa 1400 Inhaftierte wurden aus Gefängnissen befreit.21 Wunschik merkt an, dass diese Ereignisse in der Historiographie marginalisiert würden, da sie nicht den Erinnerungsort des 17. Juni als Arbeiteraufstand bzw. sozialen Protest stützten.22 Zudem würde den Stürmen auf die Gefängnisse und der Befreiung der Insassen in diesem Zusammenhang der Makel anhaften, dass hierbei angeblich Faschisten und Kriminelle in Freiheit kamen, was eine Fortschreibung von Gerüchten bedeutet, die die SED nach dem Abklingen der Unruhen gezielt verbreiten lies. Die Kirche war bereits im Vorfeld des durch Ulbricht ausgerufenen Klassenkampfes verstärkt unter Druck geraten, weshalb die Jahre 1950–1953 in den ostdeutschen Kirchen und in der Kirchengeschichtsschreibung, im bewussten Rückgriff auf die als ähnlich repressiv empfundene Situation der Kirche unter den Nationalsozialisten, bereits im zeitgenössischen Kontext als „Kirchenkampf“ bezeichnet wurde.23 Von äußerster Wichtigkeit für die Neukonzeption der Kirchenpolitik der SED war die bereits zuvor erwähnte Einrichtung der ZK-Abteilung „Kirchenfragen“ unter der Leitung Barths, deren Gründung am 24. November 1954 vom Sekretariat des ZKs beschlossen wurde und die unmittelbar darauf ihre Arbeit aufnahm. Zu den Aufgaben der Abteilung „Kirchenfragen“ zählte die Erarbeitung „grundsätzlicher Gesichtspunkte für die Politik der Partei gegenüber der Kirche“ sowie „die Anleitung, Koordinierung und Kontrolle“ der Parteileitungen der Kreis- und Bezirksebene als auch die der „Genossen im Staatsapparat“24. Weiterhin beobachtete sie die Reaktionen von Kirchen und christlicher Bevölkerung auf die von der SED betriebene Innenpolitik.25 Im Dezember 1954 und damit nur einen Monat nach der Gründung der Abteilung „Kirchenfragen“ beim ZK entstand beim MfS die Abteilung 4 der Hauptabteilung 5 (HA V/4), welche sich in die Referate evangelische Kirche,
20 21 22 23
Vgl. M ller, Strafvollzugspolitik, 176. Vgl. Kowalczuk, Handeln, 218. Vgl. Wunschik, Befreiung, 175 f. Hier auch das Folgende. Zum Kirchenkampf vgl. Wentker, Kirchenkampf, 95–127; Mau, Protestantismus, 45–50; Becker, Zukunft, 79–92; Albrecht-Birkner, Freiheit, 42–47. Zum Konflikt um die Junge Gemeinde vgl. Helmberger, Blauhemd; Halbrock, Freiheit, 78–88; Anhalt, Macht. 24 Goerner, Kirche, 175. 25 Amos, Politik, 364.
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katholische Kirche und Sekten gliederte, und der Vorläufer der HA XX 4 war.26 Hier wurden die Fäden bezüglich der von der SED verordneten Unterwanderungspolitik und der damit einhergehenden Durchdringung der Kirchen gezogen. Die hier beschäftigten, in keiner Weise mit kirchlichen Belangen vertrauten Mitarbeiter durchliefen regelrechte Ausbildungsprogramme, die sie in die Lage versetzen sollten, Organisationsstrukturen und Arbeitsweisen im kirchlichen Bereich intellektuell zu durchdringen, um somit ihre eigentliche Aufgabe, die Bearbeitung und Anwerbung von Geistlichen, kompetent und effektiv erfüllen zu können. Die Durchdringungsarbeit der HAV/4 fand in der breit angelegten operativen Bearbeitung der durch die SED als feindlich eingestuften Pfarrer und Mitglieder der Kirchenleitungen ihre Ergänzung. Im Gegensatz zu der zuvor beschriebenen Abteilung für Kirchenfragen beim ZK wurde durch die HA V/4, wie überhaupt im MfS, keine aktive Kirchenpolitik betrieben. Der Arbeitsschwerpunkt lag hier auf dem Sammeln von Informationen, der Beeinflussung von Prozessen und den hieran beteiligten Personen im Sinne der SED. Im Unterschied zu den anderen an der Kirchenpolitik partizipierenden Institutionen tat man dies im MfS jedoch ausschließlich mit geheimdienstlichen Mitteln, fernab der Öffentlichkeit und ohne die kirchlicherseits Involvierten über die eigenen Absichten und Ziele zu informieren.27 Im März 1957 wurde das kirchenpolitische Instrumentarium der SED um das Staatssekretariat für Kirchenfragen erweitert. Die Einrichtung dieser mittlerweile dritten mit Kirchenangelegenheiten beschäftigten Stelle erklärt Boyens mit „dem Kommunisten zur zweiten Natur gewordenen Bedürfnis nach Doppelstrategie“28 und der damit im Zusammenhang stehenden Methode, die eigentlich in Sachen Kirche existierenden allumfassende Befugnisse der SED durch eine staatlichen Instanz zu tarnen.29 Als erster Staatssekretär für Kirchenfragen wurde Werner Eggerath bestimmt, zu dessen Vertreter der CDU-Funktionär Max Hartwig, der ehemalige persönliche Referent Nuschkes und bis 1956 kommissarische Leiter der HA Verbindung zu den Kirchen, bestellt wurde. Aufgrund seiner früheren Tätigkeit als SS-Mann war Hartwig erpressbar und lieferte, wie schon während seiner Tätigkeit für Nuschke, laufend interne Informationen an das MfS, das auch in den folgenden Jahren stetig darum bemüht war, Einfluss auf die Postenvergabe auszuüben. Aufgrund der darauf basierenden Allgegenwärtigkeit des MfS im Staatssekretariat für Kirchenfragen, so Boyens, sei dessen Einordnung als „Dependance des Mfs“ durchaus gerechtfertigt.30
26 Für Details zur Gründung, personellen Besetzung und zum Aufgabengebiet der kirchenpolitischen Abteilung vgl. Vollnhals, Abteilung. 27 Goerner, Kirche, 216. 28 Boyens, Staatssekretariat, 121. 29 Ausführlich zu Entstehung, Aufgabenbereich und personeller Entwicklung des Staatssekretariats für Kirchenfragen ebd., 120–138. 30 Vgl. ebd., 127 f.
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2. Umstrukturierungen im Strafvollzug 2.1 Übernahme des Strafvollzugs durch das Ministerium des Innern im Frühjahr 1950 Zum Zeitpunkt der Gründung der DDR lag die Verantwortung für den Strafvollzug noch in der Hand der Justiz, doch hinter den Kulissen stritten das MdJ und das MdI erbittert um die Zuständigkeiten.31 Der Präsident der DJV Fechner hatte bereits Mitte August 1949 der Übernahme des Strafvollzugs durch die DVdI zugestimmt. Über den Ablauf und den Zeitpunkt des geplanten Wechsels der Zuständigkeiten waren allerdings keine klaren Absprachen getroffen worden. Die zum Jahresbeginn 1950 unmittelbar bevorstehende Übergabe von 14.197 Internierten aus den Lagern Buchenwald, Sachsenhausen und Bautzen durch die sowjetische SKK (Sowjetische Kontrollkommission)32 an die HVDVP verlieh der geplanten Umstrukturierung neue Dringlichkeit.33 Während die Lager Buchenwald und Sachsenhausen aufgelöst wurden, wodurch die Unterbringung der dort einsitzenden Gefangenen zur Disposition stand, fand in Bautzen lediglich eine Übergabe des Lagers von der sowjetischen SKK an die deutsche HVDVP statt. Es blieb dadurch in seiner bestehenden Form erhalten, lediglich die Anstaltsleitung das Personal wechselte. Unter der Prämisse der unmittelbar bevorstehenden Unterbringung von über 14.000 Internierten wurde für das MdI der Rückgriff auf die Ressourcen des Strafvollzugs der Justiz unvermeidbar. Nach zähen Verhandlungen übergab die Justiz schließlich Waldheim, Hoheneck, Untermaßfeld, Torgau und Luckau an das MdI.34 Zu diesen fünf Haftanstalten kam noch die direkt von den Sowjets übergebene Strafanstalt Bautzen hinzu. Somit verfügte das MdI zu Anfang des Jahres für die Unterbringung von etwa 14.000 Häftlingen über insgesamt sechs Arrestorte, die bei normaler Belegung Platz für 6.000 bis 7.000 Häftlinge boten.35 Zwischen den Anstalten gab es hinsichtlich des Ausmaßes
31 Zur Organisation des Gefängniswesens der DDR während der Gesamtheit ihres Bestehens vgl. Wunschik, Zuchthaus. 32 Nach der Gründung der DDR wurde die SMAD aufgelöst und durch die SKK ersetzt. Zu Entstehung, Struktur und Aufgabenfeld der SKK vgl. Scherstjanoi, SKK-Statut. 33 Die genaue Anzahl der durch die SKK überstellten Internierten war der HVDVP Ende 1949 / Anfang 1950 nur annähernd bekannt. Die obige personengenaue Angabe stammt aus einem im September 1953 durch den damaligen Leiter der Abteilung SVAugust Mayer verfassten Bericht (vgl. August Mayer, Überblick, 7. 9. 1953, BArch Berlin, DO 4/1571, Bl. 161–166). 34 Vgl. Wentker, Justiz, 382. 35 Der Leiter der Abteilung SV Fischer bezifferte die Kapazität der dem MdI zur Verfügung stehenden Vollzugsanstalten im Frühjahr 1950 auf 5.834 Häftlinge (vgl. Kurt Fischer, Schreiben an Karl Steinhoff, Berlin, 12. 4. 1950, BArch Berlin, DO 1/25049/7/49, Bl. 147). Sein Amtsnachfolger Mayer ging in seinem im September 1953 entstandenen Bericht von einer Normalbele-
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der Überbelegung drastische Unterschiede. So war die Strafanstalt Bautzen I, das sogenannte „Gelbe Elend“, für etwa 1.500 Gefangene konzipiert, im April 1950 waren jedoch 6.400 Personen in dem Gebäude untergebracht.36 In seinem Schreiben an Innenminister Steinhoff vom 12. April 1950 verwendete der Chef der deutschen VP Fischer die drastische Überbelegung der ihm unterstehenden Polizeigefängnisse und die daraus resultierenden Sicherheits- und Hygienerisiken als Argument für die von ihm angestrebte Übernahme des Strafvollzugs durch die HVDVP. Da im Strafvollzug der Justiz kein solch eklatanter Raummangel bestehe und sich durch eine vorzeitige Entlassung der zu lediglich kurzen Freiheitsstrafen Verurteilten eine weitere Entlastung erreichen lasse, „ließe sich sehr viel Raum zum Manövrieren in der Belegung der Anstalten gewinnen. Hinzu kommt, daß ein nebeneinander bestehender Strafvollzug a) bei der Justiz, b) bei der Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei nicht ökonomisch ist und politisch unzweckmäßig. Er behindert die volle und zweckmäßige Ausnutzung der Haftanstalten und ist dem zweckmäßigen Arbeitseinsatz der Häftlinge nicht dienlich.“37
Fischers Intervention führte zum Erfolg. Ein am 15. Mai 1950 auf einer Beratung des Sekretariats der SED gefasster Beschluss verfügte endgültig die Verlegung der Zuständigkeit für den Strafvollzug an den nach SMAD-Befehl 201 Verurteilten, inklusive aller Stellenpläne, Gebäude und der für diesen Strafvollzug vorgesehenen finanziellen Mittel, in den Zuständigkeitsbereich der HVDVP.38 Zwei weitere Jahre später, am 1. Juli 1952, wurde dann der gesamte Erwachsenen- und Jugendstrafvollzug, einschließlich der Gerichts- und Untersuchungsgefängnisse sowie der Haftkrankenhäuser, an das MdI übergeben.39 Dieser finalen Entscheidung war ein zähes Ringen zwischen dem MdJ und dem MdI vorausgegangen, das zu Streitigkeiten innerhalb der Ministerien und zu Unruhen beim Personal der Justizvollzugsanstalten, das zu Recht um seine Anstellung fürchtete und sich daher anderweitig nach Beschäftigung umsah, geführt hatte.40 Die Übernahme des gesamten Strafvollzugs der DDR brachte für das MdI nicht nur Vorteile. Besonders die Verantwortung für die etwa 180
36
37 38 39 40
gung von 7.000 Häftlingen für alle sechs Anstalten aus (vgl. August Mayer, Bericht, 7. 9. 1953, BArch Berlin, DO 4/1571, Bl. 161–166). Vgl. Kurt Fischer, Schreiben an Karl Steinhoff, Berlin, 12. 4. 1950 (BArch Berlin, DO 1/25049/7/ 49, Bl. 147). Fischer machte im April 1950 folgende Angaben zur tatsächlichen Belegung (tB) im Verhältnis zum Fassungsvermögen (FV): Bautzen FV 1.500, tB 6.400; Waldheim FV 1.980, tB 3.618; Hoheneck FV 700, tB 1.165; Untermaßfeld FV 664, tB 1.227; Torgau FV 500, tB 1.411; Luckau FV 490, tB 800. Ebd. Vgl. Ansorg, Häftlinge, 31. Vgl. Wentker, Justiz, 392. Vgl. ebd., 380–392; Wunschik, Strafvollzug, 78.
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Untersuchungsgefängnisse stellte eine große Herausforderung für die HVDVP dar, da diese nicht – wie die sieben großen Haftanstalten für politische Gefangene – zentral von Berlin aus verwaltet werden konnten, was neben erhöhtem Verwaltungsaufwand auch finanzielle Belastungen mit sich brachte. Gleiches galt für die kostenintensiven Haftkrankenhäuser und den pädagogisch orientierten, im Vergleich zum Erwachsenenvollzug weniger strengen Jugendstrafvollzug, der aufgrund seines erzieherischen Anliegens konträr zu dem bei der HVDVP gepflegten Strafvollzugskonzept stand.41 Auch die deutlich wahrnehmbaren Vorzeichen einer in Bälde anstehenden Übernahme des Strafvollzugs durch die HVDVP hatten Gentz und seine Mitstreiter beim MdJ aber nicht von ihren Reformplänen abbringen können. So gelang ihnen trotz der ungünstigen Vorzeichen am 9. Juli 1951 in Naumburg die Eröffnung einer „zentralen Ausbildungsstätte für Angestellte der Justizhaftanstalten“. Zudem sorgten sie dafür, dass die bei der Justiz Inhaftierten bis 1952 sukzessive großenteils in Arbeit gebracht werden konnten, was der Volkswirtschaft zugutekam und sich mindernd auf die Haftzeit auswirkte.42 Trotz dieser Erfolge geriet Gentz innerhalb des MdJ vermehrt in die Kritik. Seine Arbeit und die der HA Anstaltswesen im MdJ wurden als nicht passend zu den in der DDR herrschenden Verhältnisse angesehen. Die Schließung der „HA für das Anstaltswesen“ im MdJ beendete das Engagement von Gentz und damit zugleich die Existenz des Reformvollzugs nach humanistischem Vorbild in der DDR.43 Die Übernahme des Strafvollzugs durch die HVDVP zog dessen grundlegende Veränderung hinsichtlich Anliegen und Durchführung nach sich: Stand bei der Justiz der Gedanke der Resozialisierung der Gefangenen durch Arbeit, die zugleich strafmindernd wirkte, und die Förderung von auf demokratischen Idealen basierenden Häftlingsselbstverwaltungen im Vordergrund, wurden nun Sicherheit, Abschreckung, Ideologisierung und Planerfüllung zu den dominierenden Parametern.44 SMAD, MdI und HVDVP beharrten gleichermaßen darauf, politische Gefangene als Staatsfeinde zu kategorisieren, die die gesamte Bandbreite staatlicher Abwehrmechanismen zu spüren bekommen müssten und keinerlei Strafmilderung verdienten. Jörg Müller interpretiert dies als charakteristische „kommunistische Lesart“ des politischen Gefangenen als Schädling der staatlichen Ordnung und somit auch des Gemeinwohls, was allerstrengstes Durchgreifen von Seiten des Staates rechtfertigte.45 Unter diesen Bedingungen fiel das erzieherische Element auf der Prioritätenliste im Strafvollzug weit hinter den Aspekt der Sicherheit – bezogen sowohl auf die Verwahrung der Häftlinge als auch auf deren Isolierung 41 42 43 44 45
Vgl. Wunschik, 79. Vgl. Wentker, Justiz, 389. Vgl. ebd., 389–393. Vgl. M ller, Strafvollzugspolitik, 127. Vgl. ebd., 120 f.
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von der Gesellschaft –,46 und das Anliegen politischer Umerziehung hinter das nun wieder deutlich im Vordergrund stehende Konzept von Strafe als Sühne zurück.47 Mit der Übergabe des Strafvollzugs an die HVDVP setzte in den Gefängnissen verstärkt ein Personalaustausch ein, der sowohl die Anstaltsleitungen als auch das Wachpersonal betraf. Dieser Personalwechsel war durch die HVDVP initiiert, da die Behörde der Belegschaft der Justiz die Fähigkeiten und die besondere Attitüde, die ihrer Meinung nach für die Durchführung des Polizeivollzugs vonnöten war, absprach. Erschwerend kam hinzu, dass das MdI den Angestellten der Justiz nicht traute und sie verdächtigte, Gerüchte betreffend eine deutlich strengere Durchführung des Strafvollzugs durch die HVDVP, verbunden mit schlechteren Haftbedingungen, zu streuen.48 Eine 1958 veröffentlichte Darstellung von Finn49 enthält eine Erhebung zu den Haftanstalten in der DDR vom 31. Dezember 1957, die neben Belegungszahlen auch weiterführende Informationen, z. B. über die in den Haftanstalten produzierenden VEB (Volkseigene Betriebe) und über das Anstaltspersonal, enthält. Hier findet sich auch eine Äußerung des ab Ende 1950 im Zuchthaus Brandenburg-Görden eingesetzten Anstaltsleiters und VP-Inspekteurs Heinz Marquard, die den Mentalitätswechsel im Strafvollzug nach der Übernahme durch die HVDVP drastisch vor Augen führt: „Wir müssen lernen, die Gefangenen zu hassen. Wir wollen wieder aus diesem Haus ein Zuchthaus machen und kein Sanatorium. Die Erfahrung hat gelehrt, daß gerade die Männer, die bei den Nazis im KZ gesessen haben, einen humanen Strafvollzug durchführen wollen. Dies zeigt uns aber, daß gerade diese Männer nicht die politische Reife besitzen und einsehen, daß sie einen harten Strafvollzug durchführen müssen.“50
Das MdI teilte die durch Marquard vorgenommene Einschätzung der Justizangestellten. Es kritisierte deren angeblich allzu kameradschaftliches Verhältnis zu den Gefangenen und den laschen Vollzug, der den Gefangenen neben einer guten Versorgung mit Lebensmitteln und Rauchwaren allerhand Freiheiten und Amüsements wie Kino und Theater sowie geschlechtliche Beziehungen erlaube.51 Die von der HVDVP betriebene Personalentwicklung konnte nicht mit dem durch die Übernahme von immer mehr Vollzugsanstalten verursachten, drastisch erhöhten Personalbedarf im Strafvollzug Schritt halten.52 Zwar 46 47 48 49 50 51 52
Vgl. ebd., 128 f. Vgl. Ansorg, Häftlinge, 53. Vgl. Buddrus, Vorkommnisse, 19. Vgl. Finn, Sowjetzone. Ebd., 165. Vgl. Buddrus, Vorkommnisse, 21. Zu den im Strafvollzug tätigen Volkspolizisten, deren Rekrutierung und Ausbildungsstand vgl. Wunschik, Strafvollzug, 84 f.
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waren viele Anstaltsleitungen bereits in Polizeihand, doch gerade beim Aufsichtspersonal kam es zu erheblichen Engpässen. Aus diesem Grund arbeiteten in vielen Haftanstalten bis zur völligen Übernahme des Strafvollzugs durch die HVDVP im Juli 1952 Personal der Justiz und der HVDVP nebeneinander.53 Die eigentlich naheliegende Übernahme von Wachpersonal der Justiz in ein Dienstverhältnis bei der VP kam aufgrund der teils unterstellten, teils tatsächlich vorhandenen völlig unterschiedlichen Vorstellungen von einem funktionierenden Strafvollzug für die HVDVP nicht in Frage.54 2.2 Verwaltung und organisatorische Struktur des Strafvollzugs Ab 1949 durchlief die Strafvollzugsverwaltung einige strukturelle Veränderungen, die im Folgenden kurz skizziert werden sollen.55 Unmittelbar nach der Gründung der DDR oblag die Verantwortung für den Strafvollzug zunächst der von VP-Oberrat Gertich geleiteten HA X der VP. Diese wurde bereits im Januar 1950 in HA Haftsachen und im Oktober desselben Jahres in HA Strafvollzug umbenannt und direkt der HVDVP als oberster Polizeibehörde unterstellt. Im Januar 1956 erfolgte dann – aufgrund von Umstrukturierungen beim MdI – die Herauslösung der HA SV aus der HVDVP, verbunden mit der Umbenennung in VSV (Verwaltung Strafvollzug), womit eine Eingliederung in das MdI einherging. Diese Verwaltungsreform wurde im Jahr 1958 rückgängig gemacht, wodurch die vor 1956 geltenden Strukturen wieder zum Tragen kamen.56 Für die vorliegende Arbeit sind diese Prozesse insofern wichtig, als die veränderten Verwaltungsstrukturen jeweils auch veränderte Zuständigkeiten und Bedingungen für die Gefängnisseelsorge implizierten. Dabei spielte eine Rolle, dass mit der Ansiedlung des Strafvollzugs direkt beim MdI eine Verschlechterung der Beziehungen zur Kirchenkanzlei einherging. Generell ließ die Bereitschaft zu Kooperation und Entgegenkommen bei der Durchführung der Gefängnisseelsorge mit dem Beginn des Jahres 1956 merklich nach. In personeller Hinsicht ist festzustellen, dass nach der Verhaftung Gertichs am 30. Juni 1951 Generalinspekteur Mayer die Leitung der HA Strafvollzug übernahm und diese Position bis zu seinem aus gesundheitlichen Gründen eingereichten Rücktritt im Jahre 1959 innehatte. Ihm folgte in der Leitung des 53 Vgl. ebd., 80. 54 Vgl. Buddrus, Vorkommnisse, 21. 55 Vgl. zum Folgenden v. a. M ller, Strafvollzugspolitik, 112 f., 146–148; Risse, Ministerium; und Wunschik, Zuchthaus, 53 f. 56 Vgl. Wunschik, Strafvollzug,74. In den in dieser Arbeit herangezogenen Quellen von der Kirchenkanzlei und der für den Strafvollzug zuständigen Regierungsbehörde wird ab 1958 bis zum Ende des Untersuchungszeitraums durchgehend die Bezeichnung „Ministerium des Innern, Verwaltung Strafvollzug“ verwendet. Eine Rückführung in die Strukturen von vor 1958 lässt sich nicht feststellen.
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Strafvollzugs Alfred Schönherr. Für die Organisation der Gefängnisseelsorge war von 1951 bis um 1955 VP-Inspekteur Werner Jauch verantwortlich. Jauch oblag die Leitung der ,HA SV 2 Organisation‘, zu deren Ressort das Referat Gefangenenfürsorge gehörte. 1955 avancierte Jauch zum ,Stellvertreter Allgemein‘ von Mayer. Jauchs Name findet sich bis 1963 im Organigramm der VSV, zuletzt im Rang eines Obersts als Stellvertreter des 1962 eingesetzten Leiters der VSV Hans Kohoutek. Ab 1956 taucht in den Quellen im Zusammenhang mit Entscheidungen betreffend die Organisation bzw. Destruktion der Gefängnisseelsorge vermehrt der Name von VP-Inspekteur Horst Siegemund auf, dessen erste Erwähnung als stellvertretender Leiter der sich in einer Aktennotiz Behms vom 16. Dezember 1955 findet.57 Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieser Zuständigkeitswechsel mit den oben bereits erwähnten Umstrukturierungen im MdI im Zusammenhang stand. Siegemund leitete seit 1951 die „HA Strafvollzug 1 Politik-Kultur“ mit den drei angegliederten Referaten Organisation, Jugend sowie Schulung und Erziehung. Ebenso wie Jauch wurde Siegemund 1955 als Stellvertreter von Mayer geführt. Seine Beschäftigung bei der HV SV ist anhand der von ihm unterzeichneten Dokumente bis Ende März 1958 nachweisbar.58 Die Gefängnislandschaft der frühen DDR lässt sich wie folgt aufschlüsseln: Neben den großen Haftanstalten für die politischen Gefangenen – Torgau, Hoheneck, Bautzen I, Luckau, Brandenburg, Waldheim und Untermaßfeld59 – existierten Ende 1952 weitere 18 StVA für Kriminelle, 181 zumeist kleinere Untersuchungshaftanstalten, zu denen auch die ehemaligen, meist nur wenige Haftplätze umfassenden Gerichtsgefängnisse, sechs Jugendhäuser, zwölf Haftarbeitslager und vier Haftkrankenhäuser gezählt wurden.60 Die Anzahl an Untersuchungshaftanstalten und StVA war jedoch nicht feststehend, vor allem weil es aufgrund der nach der II. Parteikonferenz der SED im Juni 1952 ver57 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Aktenvermerk, Berlin, 16. 12. 1955 (EZA Berlin, 101/103, Bl. 99–101). 58 In einer Aktennotiz von Ernst Kusch, Stellvertreter des Hauptabteilungsleiters beim Staatssekretariat für Kirchenfragen Hans Weise, vom Juni 1959 heißt es, „dass nach Ausscheiden des Genossen Oberst Siegemund in der Angelegenheit [gemeint ist die Abfassung neuer Richtlinien für die Seelsorge in den Strafvollzugsanstalten – SiSt] nichts mehr veranlasst worden sei.“ (Ernst Kusch, Aktenvermerk über die Besprechung mit Genossen Oberst Jauch von der Abteilung Strafvollzug des MdI vom 18. 6. 1959, BArch Berlin, DO 4/1727, Bl. 529). Zu den Richtlinien über die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten vgl. Kap. D 4.1. Die Richtlinien wurden 1957 zwischen der VSV und dem Staatssekretär für Kirchenfragen diskutiert. Das jüngste die Richtlinien betreffende Schreiben stammt vom 20. 2. 1958; danach geriet die Thematik offensichtlich in Vergessenheit. Das letzte von Siegemund verfasste Schreiben, das recherchiert werden konnte, datiert vom 28. 4. 1958. Somit muss Siegemund die HA SV zwischen Mai 1958 und Juni 1959 verlassen haben. 59 Die Angaben zur Anzahl der Haftorte für politische Gefangene variieren. So wird die StVA Untermaßfeld im Strukturplan des DDR-Strafvollzugs vom März 1953 nicht mehr unter den StVAs für politische Gefangene angegeben; stattdessen werden hier Bautzen II und Halle unter diese Rubrik subsumiert (vgl. Wunschik, Strafvollzug, 76). 60 Vgl. HA SV, Aufstellung aller Dienststellen, Berlin, 11. 10. 1952 (BArch Berlin, DO 1/28455, Bl. 169–176).
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stärkt einsetzenden Repressionen gegen die Bevölkerung zu einem rapiden Anstieg der Anzahl von Verhaftungen kam. Untersuchungsgefängnisse wurden geschlossen, an anderer Stelle neu eröffnet und weitere Untersuchungsgefängnisse in StVA umgewandelt. Auch Haftarbeitslager wurden – je nach Bedarf an billigen Arbeitskräften – geschlossen, vergrößert oder aber verlegt.61 2.3 Veränderungen der Haftbedingungen Aussagen über Zustand und Lage der Gefängnisgebäude, die dort herrschenden hygienischen Verhältnisse, Gesundheit sowie die Stimmung unter den Gefangenen bilden eine Leerstelle in den Berichten zur Gefängnisseelsorge.62 Zwar hatten die Seelsorgerinnen und Seelsorger diesbezüglich zweifellos Einblick, doch wurden entsprechende Informationen, um die Zusammenarbeit mit den Gefängnisleitungen nicht zu gefährden, nicht nach außen getragen. Einen Einblick in die Lebensumstände im Strafvollzug der jungen DDR, vor allem in den der VP unterstehenden Gefängnissen, geben die nach dem Mauerfall zahlreich veröffentlichten Zeitzeugenberichte.63 Besonders gut dokumentiert sind die Bedingungen in der Vollzugsanstalt Bautzen, dem ehemaligen sowjetischen Speziallager Nr. 4, das am 1. Februar 1950 von der SKK direkt an die HVDVP übergeben wurde und, unter Bezug auf dessen ockerfarbene Klinkerfassade, als „Gelbes Elend“ bezeichnet wird,64 und für Brandenburg-Görden.65 Die für Bautzen vorliegende weitreichende Dokumentation, vor allem für die Jahre 1945–1956, ist nicht zuletzt auf die Arbeit des Bautzen-Komitees e. V. als Initiative ehemaliger Insassen zurückzuführen, deren Ziel „die Mitarbeit bei der Erforschung und Aufarbeitung der Verbrechen kommunistischer Gewaltherrschaft in den Bautzener Gefängnissen“ ist.66 61 Vgl. Wunschik, Befreiung, 177 f. 62 Eine Ausnahme bildet die Einschätzung von Konsistorialrat Schaper über den physischen und psychischen Zustand der Gefangenen in Torgau vom Frühjahr 1950 (vgl. im Kap. Anm. 115). Zudem ist eine kurze Schilderung der Atmosphäre im Weihnachtsgottesdienst 1954 aus dem Frauenarbeitslager Polßen in Brandenburg überliefert: „Es ist ein erschütternder Gottesdienst gewesen. Prädikant Röthke mußte mehrfach die Predigt unterbrechen, weil das Schluchzen und laute Weinen der Frauen zu stark wurde. Es setzte schon beim Sündenbekenntnis ein.“ (Superintendentur Gramzow, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Angermünde, 11. 1. 1955, EZA Berlin, 104/954, o. Pag.). 63 Vgl. Bautzen-Komitee, Elend; Keferstein, Jahre; Matz-Donath, Sphinx; Stern, Westen. 64 Vgl. in der Einleitung Anm. 51. 65 Zu den Haftbedingungen in Brandenburg-Görden während des gesamten Bestehens der DDR vgl. Wunschik, Zuchthaus, 302–411. 66 Bauzten-Komitee e.V.: Wer wir sind. Im Rahmen der Arbeit des Bautzen-Komitees, das sich auch für die Rechte der ehemaligen Insassen und deren Hinterbliebenen engagiert, sind etliche Veröffentlichungen entstanden, die die Schicksale, Erfahrungen und Perspektiven zahlreicher ehemaliger Inhaftierter dokumentieren, meist aber nicht als wissenschaftliche Aufbereitung zu
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In Bautzen kam es nach der am 1. Februar 1950 erfolgten Übernahme durch die VP im März 1950 zu zwei durch die Häftlinge initiierten Protestaktionen. Auslöser hierfür waren die starken Kürzungen der Rationen bzw. der hieraus resultierende, ständig gegenwärtige Hunger, die hohe Anzahl an Tuberkulosefällen, aber auch die enttäuschten Hoffnungen hinsichtlich bevorstehender Entlassungen, welche bei der Übergabe der Anstalt an die Deutschen von vielen Gefangenen gehegt worden waren.67 Mittels beschrifteter Betttücher und Sprechchören an den geöffneten Fenstern versuchten die Gefangenen, die Bewohner Bautzens auf die menschenunwürdigen Bedingungen in der Haftanstalt aufmerksam zu machen, was auch gelang. So berichten Gefangene, dass durch hilfsbereite Anwohner Kartoffeln, Kohl und Suppen zur Haftanstalt gebracht worden seien, dass die Bautzener vom Wachpersonal jedoch abgewiesen worden wären.68 Während diese erste Protestaktion für die Geverstehen sind. Trotz der bei Zeitzeugenberichten unvermeidbaren Unschärfe bieten diese Publikationen einen umfassenden Einblick in den Bautzener Strafvollzug in den frühen Jahren der DDR. 67 Mit dem Aufstand aus der Sicht der Häftlinge befasst sich die im Auftrag des Bautzen-Komitees e. V. von Harald Knaußt zusammengestellte Sammlung persönlicher Berichte (Knausst, Aufstand). Auch in Kempowskis Haftbericht „Im Block“ werden die Aufstände thematisiert (vgl. Kempowski, Block, 142–145). In zwei aus Bautzen geschmuggelten Briefen, verfasst von inhaftierten Sozialdemokraten und adressiert an den SPD-Vorstand in Hannover, wurden die Umstände, die zu den Aufständen führten, geschildert. Der erste, am 22. 3. 1950 von Willi Schöne verfasste Brief berichtete über am Leibe zerfallende Kleidung, drei Toiletten für 400 Personen, nicht vorhandene Wasserspülungen und Zahnbürsten sowie über „Jugendliche, die zum Teil mit 14 Jahren eingekerkert wurden und nun körperlich zurückgeblieben und zudem geistig und moralisch verkommen“ seien (abgedruckt in Knausst, Aufstand, 9–13, hier 11). Der zweite Brief, verfasst von Wilhelm Kuhlwilm, Werner Fronober, Dieter Rieke und Helmut Stief wurde durch Herbert Wehner, dem damaligen Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen, auf dem Parteitag der SPD am 6. 5. 1950 öffentlich verlesen (abgedruckt ebd., 18–26). Das Schreiben thematisiert die deutlich verschlechterten Bedingungen im Strafvollzug in Bautzen nach der Übernahme durch die HVDVP. In der Anstalt seien nun über 6.000 Gefangene inhaftiert, bei einer ursprünglich vorgesehenen Kapazität von 1.500 Zellenplätzen. Direkt nach der Übernahme, so das Schreiben weiter, hätte die Anstaltsleitung mit der Kürzung der Rationen begonnen. Der tägliche Speiseplan bestünde nun morgens aus „heißem Wasser mit vereinzelten Nudeln, mittags aus einer Futterrunkelbrühe, eingesäuerten Mohrrüben oder Kartoffelschalensuppe mit Sauerkrautfäden.“ (ebd., 19). Es gäbe keinen Anstaltsarzt, die Betreuung der zahlreichen Kranken, viele davon mit Tbc infiziert, würde durch Mediziner übernommen, die sich unter den Gefangenen befänden. Die VP hätte sowohl den Briefverkehr als auch die Versorgung der Insassen mit Tageszeitungen ausgesetzt. Auch das in Bautzen übliche „Kulturprogramm“, bei dem die Insassen für ihre Mitgefangenen auf den mit 350 bis 400 Mann belegten, 33 x 12 m2 großen Sälen Sprachkurse, Theaterstücke und Weiterbildungen jeglicher Art anboten, sei nun untersagt (ebd., 19 f.). 68 Vgl. Bericht von Kurt Pickel ebd., 93. In den Akten des LKA Sachsen befindet sich ein mit dem Vermerk „Streng vertraulich“ versehener Bericht der Superintendentur Bautzen an Landesbischof Hugo Hahn, in dem es heißt: „Ferner teile ich Ihnen mit, daß vor wenigen Tagen in diesem Lager eine Revolte stattgefunden hat. Die Umwohner haben ca. 1 12 Stunden lang das Geschrei der Gefangenen gehört: ,Wir haben Hunger, wir verrecken usw.‘. Danach ist es dann wieder still geworden.“ (Superintendentur Bautzen, Schreiben an Hugo Hahn, Bautzen, 16. 3. 1950, LKA Dresden, 3/41, Bl. 70).
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fangenen glimpflich ausging und ihnen von Seiten der VP eine Verbesserung ihrer Situation in Aussicht gestellt wurde, zeigte sich dieselbe am 31. März 1950 beim zweiten, ähnlich verlaufenden Protest der Insassen deutlich weniger kompromissbereit und knüppelte diesen Saal für Saal brutal nieder. Das Resultat waren Hunderte von teils schwer Verletzten. Auch die Krankenstation und damit die vielen an Tbc Erkrankten wurden von der Strafaktion des Aufsichtspersonals nicht verschont.69 Erst ab Mai 1950 kam es zu einer leichten Besserung der Haftbedingungen in den Vollzugsanstalten des MdI. Staatssekretär Johannes Warnke sicherte Propst Grüber bereits Ende April 1950 schriftlich zu, dass die Häftlinge bei entsprechend gutem Benehmen nun alle acht Wochen ein bis zwei Briefe schreiben und empfangen dürften und zudem einmal im Monat ein drei Kilogramm schweres Lebensmittelpaket von ihren Angehörigen erhalten könnten. Zudem könnten „die Häftlinge bei guter Führung die Erlaubnis erhalten, Zeitschriften, Broschüren und Bücher auf eigene Kosten zu beziehen. Alles das hat sich inzwischen eingespielt, so dass alle Häftlinge Gelegenheit hatten, an ihre Anverwandten zu schreiben.“70
Mit der Übergabe des Speziallagers 4 durch die SKK hatte die VP zugleich die Aufsicht über etwa 500 zumeist an Lungentuberkulose erkrankte Häftlinge übernommen. Die Ausbreitung der Tuberkulose wurde durch die sich zunehmend verschlechternde Ernährungssituation der Gefangenen, die zudem in überbelegten Zellen und Sälen untergebracht waren, sowie die extrem schlechten hygienischen Bedingungen begünstigt. In Ermangelung von Medikamenten war die einzige Behandlung, die die in den Lagern internierten Ärzte durchführen konnten, die Herbeiführung eines therapeutischen Pneumothorax, freilich unter hygienisch völlig unzureichenden Bedingungen. In Bautzen war die Konstruktion der dafür notwendigen Apparatur einem internierten Arzt unter Verwendung von leeren Medikamentenflaschen gelungen.71 Neben an Lungentuberkulose erkrankten Häftlingen waren in Bautzen
69 Vgl. Keferstein, Jahre, 274 f. 70 Hans Warnke, Schreiben an Heinrich Grüber, Berlin, 28. 4. 1950 (EZA Berlin, 103/100, Bl. 30). Mayer waren die Paketlieferungen an die Inhaftierten ein Dorn im Auge. Bereits im Juni 1950, also nur wenige Wochen nach dem Inkrafttreten der neuen Regelung, regte er Warnke gegenüber an, die Paketsendungen durch eine Geldüberweisung in Höhe von 25,00 DM zu ersetzen: „Dieser Weg wird vorgeschlagen, um die Übermittlung von Kassibern oder Ausbruchwerkzeugen zu verhindern und den jetzt erforderlichen grossen Kontrollapparat einzuschränken.“ (August Mayer, Schreiben an Hans Warnke, Berlin, 27. 6. 1950, BArch Berlin, DO 4/1572, Bl. 57). Warnke scheint diesen Vorschlag Mayers jedoch ignoriert zu haben, da es keinerlei Anzeichen gibt, dass das Senden von Paketen an Insassen der Vollzugsanstalten des MdI in den nächsten Wochen und Monaten verboten wurden. 71 Keferstein, Bautzen, 85. Die Prozedur, bei der Luft mittels Punktion in den Raum zwischen Lungenfell und Rippenfell (Pleuraspalt) geleitet wird, bewirkt die Aufhebung des Unterdrucks
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an Darm-, Wirbelsäulen-, Knochen-, Nieren,– und Hirnhauttuberkulose Erkrankte inhaftiert. Auch nach der Übernahme des Strafvollzugs durch das MdI änderte sich zunächst nichts an der hohen Infektionsrate. Im Juli 1952 gelang es Häftlingen der Strafvollzugsanstalt Bautzen offenbar, einen Bericht über den desaströsen Stand der medizinischen Versorgung der Gefangenen aus der Anstalt herauszuschmuggeln. Das Schreiben beziffert die Anzahl der insgesamt zu diesem Zeitpunkt an Tbc Erkrankten auf etwa 1.700. Die Verfasser beklagten zugleich die schlechte medizinische Ausbildung des von der HVDVP zur Verfügung gestellten medizinischen Personals sowie dessen Gleichgültigkeit gegenüber den Infizierten. Darüber hinaus würden die vom Roten Kreuz und anderen karitativen Organisationen angebotenen Spenden für die dringend benötigten Tuberkulose-Medikamente Streptomyzin und Paraaminosalicylsäure (PAS) mit der Begründung abgelehnt, dass „,draußen‘ auch Menschen stürben und das Int[ernationale] Rote Kreuz eine Agentenzentrale sei.“72 Dafür, dass der Bericht wohl tatsächlich den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat, spricht ein in den Akten der HA Strafvollzug überliefertes Protokoll einer Besprechung vom 9. September 1952, an der außer dem Chef der VP, Generalinspekteur Mayer, einige von dessen engsten Mitarbeitern, die Bautzener Anstaltsleitung und eine aus zwei jungen Ärzten bestehende Überprüfungskommission teilnahmen.73 Schon aufgrund der zeitlichen Nähe zu dem Bericht der Gefangenen ist davon auszugehen, dass sowohl die Besprechung als auch die Bildung der Überprüfungskommission durch den Bericht veranlasst waren. Evident wird dies anhand der Inhalte der Besprechung. Mayer fragte den Anstaltsleiter Heinz Bausch und dessen Vertreter Karther nach den Gründen für die rapide ansteigende Zahl an Tuberkuloseinfektionen. Bausch entgegnete, dass bei einer oberflächlichen Beurteilung schnell die Schlussfolgerung gezogen werden könnte, dass die hohe Belegung in der Lunge und führt somit zum Lungenkollaps. Der von der Tbc befallene Lungenflügel wird auf diese Weise ruhiggestellt, was die Heilung begünstigt. 72 Ein Abdruck des Berichts ebd., 105–109. 73 VP-Oberkommissar Taube, Protokoll der Besprechung vom 9. 9. 1952, Berlin, 11. 9. 1952 (BArch Berlin, DO 1/28573, Bl. 122–128). Die hier erwähnte Überprüfungskommission wird auch in einer höchst aufschlussreichen Denkschrift der SPD zum Thema „Straflager und Zuchthäuser“ in der DDR aus dem Jahr 1955 erwähnt: „Im September 1952 überprüfte eine aus zwei jüngeren Hauptärzten bestehende Kommission auf Veranlassung der Hauptverwaltung die Arbeit der Bautzener Häftlingsärzte. Die Häftlingsärzte konnten diesen gegenüber erstmalig all ihre Beschwerden und Klagen ungehemmt zum Ausdruck bringen, zumal die beiden VP-Ärzte ein gutes medizinisches Wissen und ein gutes Einfühlungsvermögen in die Verhältnisse der Strafanstalt mitbrachten. Die Arbeit der beiden Hauptärzte gestaltete sich ungewöhnlich gründlich. Sie ließen sich jeden einzelnen Tuberkulosekranken vorstellen und verschafften sich an Hand der gründlich geführten Krankenblätter, der Fieberkurven, der Laborbefunde, der Röntgenaufnahmen und der Durchleuchtungsklischees ein vollkommenes Bild von dem Krankheitszustand des Einzelnen und von der Arbeit der einzelnen Abteilungen.“ (o. Vf., Straflager, 33).
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der Anstalt zu einem schlechten Gesundheitszustand der Gefangenen führe. Es sei jedoch so, dass von einem schlechteren Gesundheitszustand gar nicht die Rede sein könne, denn nach dem Ausscheiden des Anstaltsarztes Dr. Wischhusen74 würde die Behandlung der Kranken ausschließlich durch Häftlingsärzte geschehen. Diese aber würden Inhaftierten eine TuberkuloseDiagnose auch dann stellen, wenn sie gar nicht an Tbc erkrankt seien, um ihnen bessere und mehr Nahrung zu verschaffen.75 Als weitere Hintergründe wurden Fehler in der Krankenstatistik und die zunehmend besseren Diagnosemöglichkeiten genannt. Mayer vermutete hinter den erhöhten Infektionsraten eine sich anbahnende Verschwörung bzw. Revolution der Inhaftierten: „Welcher Kategorie von Gefangenen gehören diese Fälle an, aus welchen Abteilungen sind sie, sind es solche, die sich gegenseitig zuflüstern könnten, kommen sie aus dem gleichen Milieu, sind es Spionagefälle? Wenn die in der Statistik angegebenen Zahlen stimmen sollten, muß eine bestimmte Taktik dahinterstecken.“76
Wohl vor dem Hintergrund solcher Spekulationen waren neun der insgesamt 18 in Bautzen eingesetzten Sanitäter VP-Angehörige im operativen Dienst und verfügten über keinerlei medizinische Vorbildung.77 Für die HVDVP hatte die Abwendung der potentiellen Gefahr einer weiteren Protestaktion Vorrang vor der Bekämpfung der Tuberkulose, was die Überlebenschancen der von der Krankheit Betroffenen deutlich einschränkte. Obwohl die Anstaltsleitung die Verantwortung für den Anstieg der Tuberkuloseerkrankungen unter fadenscheinigen Argumenten abgewiesen hatte, sorgte sie im Laufe der nächsten Wochen für eine Verbesserung der medizinischen Versorgung, indem beispielsweise mehr Räume für die Isolierung der Erkrankten geschaffen und Röntgenuntersuchungen aller Insassen angeordnet wurden.78 Eine Zäsur im Prozess der Übernahme des Strafvollzugs durch die HVDVP bildeten auch die nach dem Ort ihrer Austragung benannten, in der Zeit vom 21. April bis zum 29. Juni 1950 durchgeführten, Waldheimer Prozesse.79 Zweck dieser jeder Rechtsstaatlichkeit entbehrenden Prozessserie80 war die 74 Laut dem Bericht von Keferstein musste Dr. Wischhusen Bautzen verlassen, da er aus der Krankenhaus-Apotheke wiederholt das für die Schwerstkranken bestimmte Opiat Pantopon entwendet hatte (vgl. Keferstein, Bautzen, 97 f.). 75 Vgl. VP-Oberkommissar Taube, Besprechung, Berlin, 11. 9. 1952 (BArch Berlin, DO 1/28573, Bl. 124). 76 Ebd., 122. 77 Vgl. ebd., 125. 78 Vgl. Leitung der Strafvollzugsanstalt Bautzen, Schreiben an August Mayer, Bautzen, 18. 9. 1952 (BArch Berlin, DO 1/28573, Bl. 121). 79 Vgl. zu den Waldheimer Prozessen Eisert, Prozesse; Werkentin, Prozesse; Haase, Prozesse. 80 Werkentin vertritt die Ansicht, dass im Zusammenhang mit den Waldheimer Prozessen die Benutzung jeglichen justiziellen Vokabulars fehl am Platz sei, da diese eine Gerichtsbarkeit suggerierten, von der hier in keiner Weise die Rede sein könne. Angebrachter sei die Verwen-
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von der SKK angeordnete gerichtliche Untersuchung und Aburteilung der „verbrecherischen Tätigkeiten“ von 3.432 Internierten, die sich bislang ohne Urteil in den nun aufgelösten Speziallagern befunden hatten.81 Die Männer und Frauen, darunter Jugendliche, wurden in der Strafanstalt Waldheim zusammengezogen, wo sie die Tage bis zur „Verhandlung“ unter menschenunwürdigen Bedingungen verbringen mussten.82 Bereits die Vorbereitung der „Gerichtsverfahren“ erfolgte unter enormem Zeitdruck und für die Prozesse selbst war lediglich eine Höchstdauer von einer Stunde veranschlagt worden.83 Schuldspruch und Höhe der durch das Gericht verhängten Strafen wurden im Vorfeld durch die HVDVP bzw. das hier gebildete Untersuchungsorgan bestimmt.84 Die Waldheimer Prozesse blieben, trotz gegenteiliger Behauptungen der Verantwortlichen, der Öffentlichkeit verschlossen. Nur zehn Urteile wurden im Saal des Waldheimer Rathauses vor ausgesuchtem Publikum gefällt.85 Diese waren im Gegensatz zu den übrigen Schnellverfahren besser vorbereitet und sollten den handverlesenen Zuschauern den Eindruck von Rechtstaatlichkeit vermitteln. Dass dies zumindest teilweise auch gelungen sein muss, zeigt die Aussage des Waldheimer Pfarrers Werner Metzner. Metzner berichtete dem LKA in Dresden über seit Monaten im Pfarramt um Hilfe bittende Frauen und Kinder, die auf der Suche nach eventuell in Waldheim inhaftierten Ehemännern und Väter seien und denen er keinerlei Hilfe anbieten könne. Zwar würde er diese an den Waldheimer Anstaltspfarrer Irmler verweisen, dieser sei aber häufig nicht anwesend.86 Ergänzend fügte Metzner hinzu:
81 82
83 84 85 86
dung von „Begrifflichkeit und Metaphorik der Theatersprache. […] Das Theaterbild und die entsprechende Metaphorik verlieren allerdings dort ihre hilfreiche Funktion, wo zu vergegenwärtigen ist, daß in Waldheim die Verurteilten nach der Aufführung nicht ihre Garderobe wechseln und ins bürgerliche Leben abtauchen konnten, sondern 24 Todesurteile real vollzogen“ wurden (Werkentin, Prozesse, 854 f.). Vgl. Eisert, Prozesse, 22. Der bis zum April 1950 für die StVA Waldheim im Hauptamt zuständige Gefängnisseelsorger Irmler stattete Generalsuperintendent Friedrich Wilhelm Krummacher am 27. 4. 1950 in Berlin einen Besuch ab, während dessen er über die „schwierigen Zustände in Waldheim“ berichtete. Krummacher hielt die ihm durch Irmler übermittelten Informationen in einem Vermerk in Stichworten fest: „4.000 Häftlinge bei nur 2.000 Plätzen in Zellen. Unter den Häftlingen ca. 800 Tbc-Gefährdete, darunter 200 Pneuträger. Täglich nur eine warme Mahlzeit. Unhygienische Verhältnisse: Kübelsystem, mangelnde Waschgelegenheit. Tägliches Sterben mehrerer Häftlinge, die auf dem Anstaltsfriedhof ohne Beteiligung eines Pfarrers und ohne Benachrichtigung der Angehörigen begraben werden. […] Die Zellen seien neuerdings durch vorgenagelte Bretter so gut wie verdunkelt.“ (Friedrich-Wilhelm Krummacher, Vermerk, Berlin, 13. 5. 1950, EZA Berlin, 103/100, Bl. 61). Vgl. Eisert, Prozesse, 102. Vgl. ebd., 103. Zu den zehn Schauprozessen vgl. Werkentin, Medien, 226–230. Vgl. Werner Metzner, Schreiben an den Oberlandeskirchenrat, Waldheim, 4. 7. 1950 (LKA Dresden, 3/41, Bl. 85).
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„Ich habe übrigens einem der großen Prozesse im Waldheimer Rathaus beigewohnt. Außer gegen den Sarkasmus des Verhandlungsleiters hätte ich nichts einzuwenden gehabt. Vor allem machte der Angeklagte nicht den Eindruck, daß er irgendwie geistig herabgesetzt worden wäre. Sachlich wäre ihm kaum zu helfen gewesen.“87
Viele ehemalige Inhaftierte berichten von einem nach dem 17. Juni 1953 völlig veränderten Verhalten des Aufsichtspersonals gegenüber den Inhaftierten, das nicht nur von übermäßiger Freundlichkeit, sondern teils auch von Angst geprägt gewesen sei.88 So habe es nicht wenige Aufseher gegeben, die sich von den Gefangenen bestätigen ließen, diese stets ordentlich behandelt zu haben. Hintergrund dieses Stimmungsumschwungs waren offensichtlich Befürchtungen beim Strafvollzugspersonal, im Fall eventuell anstehender politischer Veränderungen für ihr rigides Verhalten gegenüber den Insassen zur Verantwortung gezogen zu werden. In vielen Gefängnissen änderte sich nicht nur der Umgangston, auch die Haftbedingungen wurden merklich erleichtert. So blieben Zellentüren teils unverschlossen, Pakete kamen vermehrt unbeschädigt bei den Adressaten an und auch die Qualität des Essens verbesserte sich. In Torgau z. B. übergab die Anstaltsleitung einfachere Verwaltungsaufgaben wie etwa die administrative Erfassung von Kranken und der zur Arbeit eingesetzten Gefangenen ebenso wie die Ausgabe der Pakete an eine Gefangenenselbstverwaltung ab.89 Die Inhaftierten glaubten in diesen positiven Veränderungen im Strafvollzug eine unmittelbare Auswirkung der Ereignisse des 17. Junis zu erkennen, tatsächlich jedoch wirkte hier der von den Sowjets verordnete „Neuen Kurs“ im Zuge dessen die Anstaltsleitungen auch vermehrt auf psychische und physische Gewaltausübung, z. B. den Einsatz der in vielen Haftanstalten gebräuchlichen Gummiknüppe verzichteten Zwar wurde diese Art der Gefangenendisziplinierung nie in Gänze abgestellt, „das in der stalinistischen Phase übliche Niveau physischer und psychischer Misshandlungen“ sei laut Wunschik jedoch nie wieder erreicht worden.90 Einige Gefangene berichteten hingegen über das Ende dieser liberalen Phase im Strafvollzug der DDR bereits mit dem Einsetzen des Winters 1953. Die Bedingungen seien ab diesem Zeitpunkt wieder auf dem Stand vor dem Sommer 1953 gewesen, teils sogar deutlich schlechter geworden.91 Die aufgrund des ,Neuen Kurses‘ eingeleitete Überprüfung zahlreicher Gerichtsurteile aus der Zeit von 1952 bis zur Jahresmitte 1953 führte zu einer Entlassungswelle im Strafvollzug, die bis Ende Oktober 24.000 Inhaftierten den vorzeitigen Weg in die Freiheit brachte. Weiterhin wurden im Januar 1954 noch etwa 6.000 von den Sowjets begnadigte SMT-Verurteilte aus dem Straf87 88 89 90 91
Ebd. Vgl. M ller, Strafvollzugspolitik, 175 f. Hier auch das Folgende. Vgl. ebd., 177 f. Wunschik, Regenmantel, 297. Vgl. M ller, Strafvollzugspolitik, 177.
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vollzug entlassen.92 Dem gegenüber standen etwa 10.000 im Zuge der Volksaufstände Verhaftete, von denen jedoch der größte Teil innerhalb weniger Tage bzw. Wochen wieder entlassen wurden. Lediglich in ca. 1.800 Fällen kam es zur Anklage. Die in diesem Zusammenhang ausgesprochenen Haftstrafen umfassten zwei vollstreckte Todesurteile sowie eine Reihe langer Haftstrafen, „jedoch blieb die gesamte strafrechtliche Abrechnung verglichen mit der sonstigen Strafpraxis quantitativ und qualitativ verhältnismäßig milde.“93 Ab 1953 gelang es der HVDVP, den seit Langem angestrebten Ausbau der Häftlingsarbeit sukzessiv zu verwirklichen. Das Ziel, alle Strafgefangenen einer Arbeit zuzuführen, war jedoch aufgrund von Schwierigkeiten wie dem Fehlen geeigneter Produktionsräume aufgrund von Platzmangel durch notorische Überbelegung in den Strafanstalten sowie Mangel an benötigten Materialien und Rohstoffen nur schwer zu realisieren. Ironischerweise führten dann die durch den ,Neuen Kurs‘ bedingten Amnestien wiederum zu Personalengpässen, die es den Anstalten unmöglich machten, die vorgesehenen Produktionsquoten zu erreichen. Ab 1953 durften neben den aufgrund krimineller Vergehen Inhaftierten auch politische Häftlinge am Arbeitsprozess teilnehmen – eine Neuerung, die von vielen politischen Gefangenen begrüßt wurde.94 2.4 Erste Auswirkungen auf die Gefängnisseelsorge Die sukzessive Übernahme des Strafvollzugs durch das MdI leitete auch eine Neuorganisation der Gefängnisseelsorge ein. Davon betroffen waren zunächst die zuerst durch die Justiz bzw. die SKK übergebenen Strafanstalten Waldheim, Hoheneck, Brandenburg-Görden, Luckau, Torgau und das ehemalige sowjetische Speziallager Nr. 4 Bautzen. In Bautzen hatte es nach 1945, abgesehen von gelegentlichen Festtagsgottesdiensten, durchgeführt von Landesbischof Hahn, keinerlei kirchliche Arbeit gegeben.95 In der Justizanstalt Hoheneck war es bereits ab April 1948 vermehrt zu Problemen und Einschränkungen bei der Seelsorge gekommen, da hier eine größere Anzahl nach SMAD-Befehl 201 Inhaftierter untergebracht wurden, was eine Steigerung des Einflusses der DVdI sowie die vermehrte Präsenz von Polizeibeamten in der Anstalt bedeutete. Die Seelsorge in Hoheneck war dann nach der Entlassung des Anstaltspfarrers Rambow im Januar 1949 vollständig zum Erliegen gekommen. Irmler, dem für Waldheim zuständigen Anstaltsgeistlichen, war 92 Vgl. Kowalczuk, Handeln, 223. 93 Ebd., 231. 94 Vgl. hierzu M ller, Strafvollzugspolitik, 302–306 u. das Kapitel „Die Gefangenenarbeit in der Strafvollzugsanstalt“ bei Ansorg, Häftlinge, 136–146. Einen Gesamtüberblick zur Häftlingsarbeit im Strafvollzug der DDR mit Fokus auf den 1970er und 1980er Jahren bietet Wunschik, Knastware. 95 Vgl. Kap. A, Anm. 131.
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noch im Februar 1950 durch die VP zugesichert worden, dass er seine Arbeit auch mit den ehemaligen Häftlingen der Speziallager, die sich nun in Waldheim befanden, in gewohnter Weise würde fortsetzten können, doch schon im April bestand für Irmler keinerlei Möglichkeit mehr, in die Anstalt zu gelangen, geschweige denn Gottesdienste oder Sprechstunden zu halten. Die Beispiele Hoheneck und Waldheim zeigen, wie wenig DVdI bzw. MdI zu einem Arrangement mit der evangelischen Kirche betreffend die seelsorgerliche Betreuung der Strafgefangenen in ihren Anstalten bereit waren. Auch in den anderen zuvor genannten Polizeihaftanstalten, die vor ihrer Übernahme durch das MdI noch in das seelsorgerliche Netzwerk der Landeskirchen eingebunden gewesen waren, untersagte die HVDVP der evangelischen Kirche die seelsorgerliche Betreuung der Inhaftierten. Letztere sollte zwar bereits im Sommer 1950 wieder einsetzen, jedoch unter völlig veränderten Bedingungen.
3. Die Neuordnung der Gefängnisseelsorge 3.1 Die Gefängnisseelsorge im politischen Strafvollzug 3.1.1 Organisation und Ablauf der Oster- und Pfingstgottesdienste 1950 Zu Beginn der Ausführungen über das Entstehen der staatlichen Gefängnisseelsorge in der DDR ist zu fragen, warum das MdI im Frühjahr 1950 begann, den Polizeistrafvollzug für die Seelsorge zu öffnen. Der Berliner Superintendent und bei Propst Grüber zuständige Bearbeiter für die Gefängnisarbeit, Johannes Zachau, vertrat in seinem Resümee vom 26. Mai 1950 über die Planung und den Ablauf der im politischen Strafvollzug der DDR in diesem Jahr erstmalig durchgeführten Festtagsgottesdienste – die den ersten Schritt und zugleich die Bewährungsprobe für dieses staatliche Zugeständnis darstellten – diesbezüglich die Ansicht: „Die Genehmigung der Gottesdienste ist sowohl als ein Akt anzusehen, durch den die Regierung den unter den Insassen der Haftanstalten bestehenden religiösen Wünschen gemäss den Grundsätzen der Verfassung nachkommt, wie auch als eine Massnahme, die gleichzeitig ein Ausdruck des Vertrauens zur kirchlichen Arbeit ist.“96
Den ersten Teil der Einschätzung Zachaus bestätigt auch ein vom VP-Kommandeur Jauch verfasstes internes Dokument der HA Strafvollzug vom 23. Februar 1951, das an die der HVDVP unterstehenden Strafanstalten gesandt wurde und in dem es hieß: 96 Johannes Zachau, Schreiben an Propst Grüber, 26. 5. 1950 (EZA Berlin, 103/100, Bl. 40).
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„Laut Verfassung der DDR, Artikel 41 genießt jeder Bürger volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Soweit bei Strafgefangenen das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge besteht, ist auf Grund des Artikels 46 der Verfassung der DDR die Abhaltung von religiösen Handlungen in den Strafanstalten zugelassen.“97
Inwieweit der Staat die von Jauch erwähnte verfassungsmäßig garantierte Glaubensfreiheit der Gefangenen und deren Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge tatsächlich respektierte, sollten die folgenden Jahre erweisen. Die ersten Indizien dafür, wie der SED-Staat das verfassungsmäßig garantierte Grundrecht auf Religionsfreiheit in den Gefängnissen praktisch umzusetzen gedachte, lieferten die Oster- und Pfingstgottesdienste des Jahres 1950. Am 21. März 1950 fand ein Treffen Grübers mit einigen Mitgliedern des MdI statt, im Rahmen dessen die seelsorgerliche Betreuung der im Gewahrsam der HVDVP befindlichen politischen Gefangenen diskutiert wurde. Hier gab sich die staatliche Seite kompromissbereit. Grüber vermerkte im Protokoll: „Eine geregelte seelsorgerliche Betreuung ist nach Erlaß der neuen Verordnung über den Strafvollzug an politischen Gefangenen98 vorgesehen. Für Karfreitag und an den Osterfeiertagen sind Gottesdienste mit Abendmahlfeiern für beide Konfessionen zugesagt. Einzelheiten werden darüber noch mitgeteilt. Auch die Verteilung von Schriften ist zugesagt.“99
Die Osterfeiertage fielen 1950 auf den 7. bis 10. April, sodass der Kirchenkanzlei und der HA Haftsachen nach dem Grundsatzgespräch nur eine kurze Zeitspanne für die Organisation der Festtagsgottesdienste zur Verfügung stand. VP-Inspekteur Gertich eruierte zunächst das Fassungsvermögen der in den Anstalten befindlichen Kirchen bzw. der für die Durchführung von Gottesdiensten sonst geeigneten Räumlichkeiten und genehmigte schließlich zwei Gottesdienste pro Feiertag und Haftanstalt, wobei eine Teilnahme ausschließlich mit Sitzplatz möglich war, da Gertich „herumstehende Gefangene“ als Sicherheitsrisiko einstufte.100 In dieser Planungsphase der Ostergottesdienste entwickelte der 1950 noch unter Gertich tätige VP-Generalinspekteur Mayer einen zweiteiligen Ablaufplan, der sich in „vorbereitende Maßnahmen“ und „Maßnahmen am Tage der kirchlichen Handlung“ gliederte und gleichermaßen für Straf- wie für Un-
97 Werner Jauch, Rundschreiben an die StVA (Entwurf), Berlin, 23. 2. 1951 (BArch Berlin, DO 4/ 1572, Bl. 129). 98 Zu der von Grüber hier erwähnten „neuen Verordnung über den Strafvollzug an politischen Gefangenen“ bzw. ähnlichen Regularien sind keine näheren Hinweise überliefert. 99 Heinrich Grüber, Schreiben an die Kirchenkanzlei, 21. 3. 1950 (EZA Berlin, 7/1824, o. Pag.). 100 Veranschlagt wurden für die einzelnen Anstaltskirchen: in Bautzen 400 Plätze, in Torgau 400 Plätze, in Waldheim 200 Plätze, in Hoheneck 300 Plätze und in Luckau 180 Plätze sowie im Kultursaal Untermaßfeld 200 Plätze (vgl. Karl Gertich, Aktenvermerk, Berlin, 23. 3. 1950, BArch Berlin, DO 4/1572, Bl. 69).
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tersuchungsgefangene galt.101 Dem Chef der VP Fischer empfahl Mayer in der dem Ablaufplan beigefügten Hausmitteilung, den „besonderen Maßnahmen anlässlich der Abhaltung kirchlicher Handlungen“ keinesfalls die Form einer Dienstanweisung zu geben, sondern diese „während der Tagung der Stellvertreter operativ, sowie der PK [Politkultur–SiSt.] -Leiter am Donnerstag, den 23. März 1950, zum Gegenstand einer eingehenden Belehrung zu machen.“102 Bereits der einleitende Satz des Ablaufplans verdeutlicht, dass die HVDVP die Gottesdienste in erster Linie als Stör- und Gefahrenfaktor im Strafvollzug betrachtete: „Die Abhaltung kirchlicher Handlungen in den von der HVDVP übernommenen Strafanstalten fördert und unterstützt die Bildung faschistischer Untergrundbewegungen sowie die Übermittlung von Nachrichten an die Aussenwelt. Sie stellen also in der derzeitigen Situation eine ausserordentlich grosse Gefahr dar, die durch besondere Sicherungsmaßnahmen ausgeschaltet werden soll.“103
Diese primäre Wahrnehmung der Gottesdienste als Gelegenheiten zu Konspiration und Aufruhr unter den Gefangenen erklärt die im Anschluss von Mayer detailliert beschriebenen Vorbereitungen, denn diese zielten vorrangig darauf, in den Gottesdiensten eine Informationsweitergabe – sowohl an die Außenwelt als auch unter den Insassen – zu verhindern. Um diese bereits im Ansatz zu unterbinden, sollten mittels aufwändiger Kontrollen und Umstrukturierungen das eingespielte soziale Gefüge in den Strafanstalten aufgebrochen und dadurch die bestehenden Kommunikationswege zerstört werden. Die Gefangenen wurden erst am Tag des Gottesdienstes über die Möglichkeit einer Teilnahme informiert, doch bereits eine Woche zuvor setzten intensive Kontrollen der Zellen ein, bei denen das Hauptaugenmerk – neben der Suche nach potentiellen Ausbruchswerkzeugen und waffenähnlichen Gerätschaften – auf den Schreibutensilien der Inhaftierten lag. Zusätzlich kam es zu „eingehenden körperlichen Untersuchungen“,104 bei denen sich die Inhaftierten ihrer gesamten Kleidung zu entledigen hatten, die bei dieser Gelegenheit auf Zwischennähte und Hohlräume, insbesondere im Schuhwerk, untersucht wurde. Nach diesen Kontrollen verblieben die Häftlinge in ihrer Abteilung, wurden jedoch einer neuen Zelle zugewiesen. Kalfaktoren durften sich ab diesem Datum nur noch in Begleitung von Wachpersonal durch die Zellentrakte bewegen, da man Gespräche zwischen diesen und den Zelleninsassen unbedingt vermeiden wollte. Am Gründonnerstag wurden ohne Ausnahme alle Hauskommandos wie der Küchen- und Kübeldienst aufgelöst und 101 August Mayer, Vorschlag für die Durchführung besonderer Maßnahmen bei kirchlichen Handlungen (Entwurf), Berlin, 22. 3. 1950 (BArch Berlin, DO 1/1572, Bl. 76–78). 102 Ders., Hausmittteilung, Berlin, 22. 3. 1950 (BArch Berlin, DO 4/1572, 74). 103 Ders., Vorschlag für die Durchführung besonderer Maßnahmen bei kirchlichen Handlungen (Entwurf), Berlin 22. 3. 1950 (BArch Berlin, DO 1/1572, Bl. 76–78). 104 Ebd., 76.
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personell neu besetzt. „Auf diese Art und Weise“, so Mayer, „wird mit Sicherheit eine etwa bestehende Organisation zerrissen“105. Alle Gefangenen, welche die Kontrollen durchlaufen hatten, durften im Anschluss nicht mehr auf Außenkommandos gesandt werden, um das Einschmuggeln neuer, potentiell gefährlicher Gegenstände und Nachrichten zu verhindern. An den Gottesdiensttagen wurden Tor- und Streifenposten verstärkt sowie eine zusätzliche, stark bewaffnete Bereitschaft zur Niederschlagung einer eventuellen Meuterei in den Anstalten stationiert. Alle Strafgefangenen hatten sich an diesem Tag einer gründlichen körperlichen Reinigung zu unterziehen, inklusive einer Rasur und eines Haarschnitts. Erst nach dieser Prozedur wurden die Gefangenen über die Möglichkeit einer Teilnahme am Gottesdienst informiert. Dem Geistlichen selbst war vor dem Gottesdienst der Kontakt zu den Inhaftierten untersagt, erst „nach der Erfüllung seiner Mission“106 war ihm eine kurze Unterredung mit einigen wenigen, durch die Anstaltsleitung ausgewählten Gefangenen gestattet, jedoch nur im Beisein des Strafanstaltsleiters und des PK-Stellvertreters. Parallel zu den Vorbereitungen in den Strafvollzugsanstalten fanden die Auswahl der bei den Gottesdiensten zum Einsatz kommenden Geistlichen und die Planung der zeitlichen Abläufe statt. Am 31. März 1950 verfasste Gertich nach Rücksprache mit dem Büro von Staatssekretär Hans Warnke einen Aktenvermerk, der die Bedingungen für die Durchführung der Festtagsgottesdienste festhielt.107 Die anstehenden Gottesdienste zu Karfreitag und Ostern fielen in die Gesamtverantwortung Propst Grübers, der auch die dafür benötigten „fortschrittlichen Pfarrer“ auswählen sollte. Die Gottesdienste durften ausschließlich in den Kirchen der Haftanstalten stattfinden. Die Pfarrer hätten dafür Sorge zu tragen, „dass die Gottesdienste keinen Versammlungscharakter annehmen“; auch „einzelne Diskussionen und Rücksprachen“ seien zu unterbinden. Besichtigungen der Haftanstalten durch die Geistlichen seien untersagt, gleiches gelte für das Verteilen von religiösen Schriften, sofern diese nicht zuvor durch das MdI genehmigt worden seien. Grüber habe bis zum 5. April Gelegenheit, Datum und Uhrzeit der geplanten Gottesdienste sowie die Namen der predigenden Pfarrer anzugeben, sodass die Anstalten entsprechend unterrichtet werden könnten. Superintendent Zachau übergab bereits am 1. April 1950 persönlich ein von Generalsuperintendent Krummmacher unterzeichnetes Schreiben der Kirchenkanzlei an den Assistenten Warnkes, Artos Grötschel, das eine Liste der für die Ostergottesdienste vorgesehenen Geistlichen enthielt.108 Entgegen der Anweisung Warnkes nannte das Schreiben zwar die Namen der Geistlichen 105 Ebd., 77. 106 Ebd., 78. 107 Vgl. Karl Gertich, Aktenvermerk, Berlin, 31. 3. 1950 (BArch Berlin, DO 4/1572, Bl. 72). Hier auch das Folgende. 108 Friedrich-Wilhelm Krummacher, Schreiben an das MdI, Berlin, 1. 4. 1950 (EZA Berlin, 103/ 100).
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und die vorgesehenen Gottesdiensttermine, enthielt jedoch keine Angaben zu den Uhrzeiten. Weiterhin übergab Zachau Grötschel die bereits angesprochenen religiösen Schriften, die im Rahmen der Gottesdienste verteilt werden sollten und zuvor einer Genehmigung durch das MdI bedurften. Diese Genehmigung wurde jedoch, trotz der am 31. März durch Warnke gegebenen Zusage, nicht erteilt.109 Gemäß dem Schreiben der Kirchenkanzlei waren zur Durchführung der Festtagsgottesdienste Geistliche mit Leitungsfunktionen bestimmt worden, die zumeist durch den Ortspfarrer, in dessen Gemeinde die jeweilige Strafanstalt lag, unterstützt werden sollten.110 Bereits am 5. April unterrichtete der in Waldheim hauptamtlich tätige Gefängnisseelsorger Pfarrer Irmler OLKR Knospe in Dresden über erste Schwierigkeiten bei der Vorbereitung der Ostergottesdienste. Der Waldheimer Anstaltsleiter, so Knospe, sei durch die in Berlin ansässige HA Haftsachen nicht über die anstehenden Gottesdienste informiert worden und sähe sich aus diesem Grund nicht in der Lage, diese zuzulassen. Im Falle einer noch eingehenden Anweisung aus Berlin würde lediglich der Geistliche, der der HVDVP benannt worden sei, Zugang zur Anstalt erhalten. Irmler selbst sowie der eigentlich eingeplanten Organistin sei eine Teilnahme am Festtagsgottesdienst nicht möglich.111 Trotz dieser im Vorfeld aufkeimenden Schwierigkeiten fanden die Ostergottesdienste in Waldheim statt. Für den ersten Osterfeiertag liegt hierüber ein Bericht von OLKR Samuel Kleemann vor, der einen Eindruck von den Hemmnissen wie auch den in den kommenden Jahren zur Anwendung kommenden Strategien der HDVP zur Behinderung der Gefängnisseelsorge vermittelt.112 Im Bericht Kleemanns heißt es, dass VP-Oberstleutnant Kolbe ihn unterrichtet habe, dass er hinsichtlich einer Abendmahlsfeier keine Anweisungen aus Berlin erhalten habe und diese somit nicht durchgeführt werden könne. Die Organistin sei nicht eingetroffen und die Gesangbücher hätte die Justiz „mitgenommen“113. Weiterhin seien nur 200 Personen pro Gottesdienst zu109 Karl Gertich, Aktenvermerk, Berlin, 3. 4. 1950 (BArch Berlin, DO 4/1572, o. Pag.) 110 Die Planung sah folgende Konstellationen vor: Gottesdienste am Karfreitag: StVA Bautzen OLKR Knospe; StVA Brandenburg-Görden Generalsuperintendent Braun und Pfarrer Giebeler; StVA Luckau Generalsuperintendent Jacob und Pfarrer Schwenker; StVA Torgau Propst Staemmler; StVA Waldheim OLKR Noth. – Gottesdienste am 1. Ostertag: StVA Bautzen Landesbischof Hahn; StVA Torgau Konsistorialrat Schaper; StVA Untermaßfeld Landesbischof Mitzenheim und Pfarrer Zahn; StVA Waldheim OLKR Kleemann mit Pfarrer Irmler. – Gottesdienste am 2. Ostertag: StVA Bautzen OLKR Knospe; StVA Torgau Superintendent Karl Barbe (vgl. Friedrich-Wilhelm Krummacher, Schreiben an das MdI, 1. 4. 1950, EZA Berlin, 103/100, Bl. 12). 111 Vgl. Rudolf Irmler, Schreiben an das LKA Sachsen, Waldheim, 5. 4. 1950 (LKA Dresden, 2/315, Bl. 136). 112 Samuel Kleemann, Niederschrift, o. Ort, 13. 4. 1950 (EZA Berlin, 103/100, Bl. 18). Hier auch das Folgende. 113 Damit ist gemeint, dass die Gesangbücher beim Wechsel der Strafanstalt vom Zuständigkeitsbereich der Justiz in den des MdI bei der Justiz verblieben seien, was aber nicht den Tatsachen entsprach.
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gelassen, da die Emporen der Anstaltskirche nicht besetzt werden könnten. Als Kleemann von politischen Gefangenen gesprochen habe, sei er von Kolbe dahingehend berichtigt worden, dass in Waldheim keine politischen Gefangenen einsäßen, „sondern Kriminelle, die Haupträdelsführer des Nationalsozialismus. Mit der Anwendung des Begriffs ,politische Gefangene‘ diskriminiere man die politischen Gefangenen, die für ihre politische Überzeugung jahrelang im Konzentrationslager gesessen hätten.“
Trotz dieses Tadels charakterisierte Kleemann den Gesprächsverlauf als überaus freundlich, zumal sich Kolbe mit den Worten „bis zum nächsten Mal!“ verabschiedet habe. Als Kleemann durch die Kirche zur Sakristei geführt worden sei, habe er ein erstes Mal einen Blick auf die Inhaftierten werfen können, von denen er einige nicht älter als siebzehn Jahre geschätzt habe. Er habe die Sakristei in einem unaufgeräumten Zustand vorgefunden, auch sei der Altar der Kirche nicht für den Gottesdienst vorbereitet gewesen – ein Detail, das Kleemann beim Durchschreiten der Kirche entgangen sei, da ihn der Anblick der Gefangenen abgelenkt habe. Kleemann habe sich davon aber nicht irritieren lassen und das Problem der fehlenden Gesangbücher und des Nichterscheinens der Organistin durch das Vorlesen der Liedtexte gelöst, die von den Gefangenen zu Kleemanns Überraschung dann auch mit guter Beteiligung gesungen worden seien. Nach dem Gottesdienst habe Kleemann Oberstleutnant Kolbe auf die fehlende Herrichtung der Kirche für den Gottesdienst angesprochen, worauf jener versichert habe, dass die Gegenstände aus Gründen der Reinigung entfernt worden seien und man für Kerzen keine finanziellen Mittel habe. Kleemann ergänzte am Ende des Schreibens: „Erst nach Verlassen der Anstalt erfuhr ich durch den ehemaligen Zuchthauspfarrer Irmler, dass die Gesangbücher da seien, dass er einen Organisten bestellt habe, dass er Paramente und auch Kerzen bereit gestellt habe.“ Auch in Bautzen durften im Anschluss an den Festtagsgottesdienst am Karfreitag keine Abendmahlsfeiern gehalten werden, da die Anstaltsleitung befürchtete, dass die Inhaftierten die Gelegenheit zur Ausgabe von „Parolen“ nutzen könnten.114 Den drei Geistlichen, die zur Unterstützung von OLKR Knospe mitgereist waren, blieb der Zutritt zur Anstalt verwehrt, ansonsten konnte der Gottesdienst ungehindert durchgeführt werden. Knospe kontaktierte am Abend des Karfreitags Grüber in Berlin, um einen zusätzlichen Gottesdienst für den Ostersonntag inklusive Abendmahlsfeier zu erwirken, worauf Grüber erneut mit Staatssekretär Warnke verhandelte, der sich zunächst entgegenkommend zeigte und versicherte, entsprechende zusätzliche Genehmigungen an die Anstaltsleitung in Bautzen weiterzugeben. De facto geschah dies jedoch nicht, so dass Hahn am Ostersonntag weder das 114 Gottfried Knospe, Niederschrift, 12. 4. 1950 (EZA Berlin, 103/100, Bl. 17). Hier auch das Folgende.
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Abendmahl austeilen noch einen zweiten Gottesdienst halten konnte. In der Frauenhaftanstalt Hoheneck kam es am zweiten Ostertag bezüglich der Anfangszeit des Gottesdienstes zu Unstimmigkeiten, die jedoch aufgrund der kooperativen Haltung der Anstaltsleitung ausgeräumt werden konnten. Während der Verbleib des zunächst verschollenen Orgelschlüssels geklärt werden konnte, blieben die Gesangbücher unauffindbar, weshalb Knospe auf bekannte Kirchenlieder ausweichen musste. In Torgau konnte im Unterschied zu den bereits genannten Anstalten im Anschluss an die Festtagsgottesdienste das Abendmahl gefeiert werden – überhaupt verliefen die Gottesdienste hier ohne nennenswerte Störungen. Von Konsistorialrat Schaper, der Torgau am Ostersonntag besuchte, stammt eine der wenigen Einschätzungen des gesundheitlichen und seelischen Zustands der Gefangenen: „Ich habe den Eindruck gehabt, dass die Häftlinge durch eine mehr oder weniger lange Haft gezeichnet waren. Vielen fehlten die Zähne im Mund, sie hatten eine graue, fahle Farbe. Beim Empfang des Heiligen Abendmahls schimmerte in ihren meist stumpfen Gesichtern durch Gebärde und Blick verhaltene Erwartung auf.“115
Auch zu Pfingsten 1950 fanden in den Haftanstalten der HVDVP Festtagsgottesdienste statt. Gertich unterrichtete die Anstaltsleitung von Untermaßfeld per Fernschreiben über die Berechtigung des Landesbischofs Mitzenheims, am ersten oder zweiten Pfingsttag einen Gottesdienst zu halten, wies jedoch darauf hin, dass eventuelle Begleitpersonen des Bischofs keinen Zutritt zur Anstalt hätten und dass Zeremonien, die das gegenseitige Berühren von Geistlichen und Gefangenen bedingten – wie eben das Abendmahl – verboten seien.116 Für Waldheim hingegen untersagte Gertich die Festtagsgottesdienste – eine Entscheidung, die höchstwahrscheinlich im Zusammenhang mit den zu diesem Zeitpunkt in Waldheim stattfindenden Prozessen stand: Zum einen sollten diese nicht in ihrem zeitlich eng getakteten Ablauf gestört werden, zum anderen sollte durch das Verbot der Gottesdienste das Durchsickern genauerer Informationen über die Prozesse in die Öffentlichkeit vermieden werden. In seinem bereits erwähnten Bericht an Propst Grüber bewertete Zachau das Zustandekommen der Oster- und Pfingstgottesdienste im Frühjahr 1950 als einen Erfolg der partnerschaftlich verlaufenden Gespräche zwischen Staat und Kirchenkanzlei: „Die Erwirkung der Erlaubnis für die Gottesdienste erfolgte zentral durch Verhandlungen der Leitung der Evangelischen Kirche in Berlin (Kirchenkanzlei) mit der Regierung der DDR (Innenministerium). Beide Partner übernahmen dann die 115 Karl Schaper, Bericht über den Ostergottesdienst in Torgau, Berlin, 20. 4. 1950 (EZA Berlin, 103/100, Bl. 25). 116 Vgl. Karl Gertich, Telegramm an die Anstaltsleitung Untermaßfeld, Berlin, 27. 5. 1950 (BArch Berlin, DO 1/1559, Bl. 58).
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Unterrichtung und Beauftragung der ausführenden Geistlichen bezw. der Strafanstaltsleitungen. Auf dem entsprechenden Wege wären daher auch etwa sich ergebende Wünsche oder Bemängelungen zur Sprache zu bringen, damit der Kontakt, der auch bei der gegenwärtig allgemeinen Situation noch günstig besteht, nicht durch daneben herlaufende Verhandlungsstränge belastet wird.“117
Diese optimistische Bewertung verschwieg, dass nahezu alle im Vorfeld der Festtagsgottesdienste vom MdI gemachten Zusagen, wie etwa die Genehmigungen zur Durchführung von Abendmahlsfeiern und zur Verteilung religiöser Schriften, nicht eingehalten worden waren. Auch die zahlreichen Behinderungen, mit denen die beauftragten Geistlichen in den Strafanstalten konfrontiert worden waren und die von Zutrittsverboten für die eigentlich mit der Assistenz betrauten Ortspfarrer bis hin zum Verstecken von Gesangbüchern und Orgelschlüsseln reichten, erwähnte Zachau mit keinem Wort. Ob diese beschönigende Perspektive auf die Organisation und Durchführung der Festtagsgottesdienste im Frühjahr 1950 tatsächlich Zachaus Sicht entsprach oder ob er die Möglichkeit in Betracht zog, dass sein Bericht in falsche Hände gelangen könnte, und er deshalb besonders zurückhaltend mit Kritik war, muss offen bleiben. Zu resümieren ist zu den Vorgängen im Frühjahr 1950, dass der Staat lediglich vorgab, seinen aus der Verfassung resultierenden Pflichten hinsichtlich der Garantie von Religionsfreiheit auch in den Strafvollzugsanstalten zu diesem Zeitpunkt durch die Genehmigung einzelner Festtagsgottesdienste zu erfüllen, dass faktisch aber selbst dieses Minimum an religiösem Angebot nur in Teilen und unter Schwierigkeiten zur Umsetzung kam. 3.1.2 Die Anstellung Munds Es war klar, dass im MdI über die Genehmigung von Festtagsgottesdiensten hinaus eine Lösung für den eigentlich unerwünschten Dienst der Kirchen in dem der HVDVP unterstehenden Strafvollzug gefunden werden musste. Der auslösende Impuls, der zur Anstellung des ersten hauptamtlichen Gefängnisgeistlichen beim MdI der DDR führte, lässt sich anhand der überlieferten Quellen nicht rekonstruieren. Tatsache ist aber, dass im Sommer 1950 im MdI die Entscheidung fiel, einen „fortschrittlichen“ Pfarrer mit der seelsorgerlichen Betreuung der evangelischen Inhaftierten zu beauftragen, der als fest 117 Vgl. Johannes Zachau, Schreiben an Propst Grüber, Berlin, 26. 5. 1950 (EZA Berlin, 103/100, Bl. 40). Mit der Formulierung „gegenwärtig allgemeinen Situation“ spielte Zachau auf die zunehmenden Differenzen zwischen der EKD und der Regierung der DDR an, die im März 1950, ausgelöst durch einen Brief von Bischof Dibelius an Ministerpräsident Grotewohl, einen neuen Höhepunkt erreicht hatten. Als die staatliche Seite die für den 11. 4. 1950 geplanten Staat-Kirche-Gespräche absagte, veröffentlichten einige Landeskirchen am 23. 4. eine Kanzelabkündigung, in der der Staat scharf kritisiert wurde (vgl. Besier, SED-Staat, 67–70; Stappenbeck, Öffentlichkeitsanspruch, 358–360).
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angestellter Mitarbeiter in die HVDVP integriert werden sollte. Ein gewichtiger Grund für ein solches Modell war aus der Sicht des MdI die damit einhergehende weitreichende Kontrolle der evangelischen Gefängnisseelsorge, was jedoch die Wahl eines äußerst loyalen, diskreten und systemkonformen Anstaltsgeistlichen voraussetzte. Als weitere Intention kam das Streben der noch jungen DDR hinzu, sich der Staatenwelt als demokratischer und in religiösen Angelegenheiten toleranter Staat zu präsentieren. Die Zulassung der Gefängnisseelsorge in den Haftanstalten des MdI war in besonderer Weise dazu geeignet, dieser Selbstdarstellung Glaubwürdigkeit zu verleihen. Der Schlüssel zu dieser Taktik war die Auswahl eines dafür geeigneten, kooperativen Geistlichen. Das MdJ hatte im Mai 1950 speziell für Brandenburg-Görden bei der Abteilung Staatliche Verwaltung, in deren Ressort die Verantwortlichkeit für Kirchenfragen mit der Gründung der DDR übertragen worden war,118 angefragt, ob grundsätzliche Bedenken gegen die Einstellung der Geistlichen Werner Marienfeld und Giebeler bestünden.119 Der zuständige Referent Bruno Wolff hatte daraufhin von beiden Pfarrern „Charakteristiken“ angefordert, die er nun, im Zuge der Übergabe der Haftanstalt im Juli 1950 an das MdI „zur weiteren Verwendung“120 für den Chef der VP, Gertich, weiterreichte. Doch beim MdI hatte man sich bereits für eine andere Herangehensweise entschieden. In einem nicht im Original erhaltenen, jedoch von Grünbaum im Schriftverkehr mit der Kirchenkanzlei am 6. Juli 1950 zitierten Schreiben121 bestätigte der beim MdI tätige Staatssekretär Warnke die Einstellung eines evangelischen Geistlichen durch die HVDVP, mit der der Anfang einer seelsorgerlichen Betreuung der Häftlinge des MdI gemacht sei. Dieser Geistliche sei dazu ermächtigt, sich bei Bedarf zur Unterstützung „geeignete“ Pfarrer hinzuzunehmen, „die dann ebenfalls von der HVDVP für ihre Aufgabe verpflichtet würden.“122 Anstatt der Bestellung eines Seelsorgers für jede Haftanstalt, wie ursprünglich durch das MdJ angedacht, entschied man sich also für eine bedarfsorientierte, durch die Zentrale der HVDVP in Berlin gesteuerte Verwaltung der Gefängnisseelsorge. Die personelle Entscheidung fiel auf Mund. Mund war Religiöser Sozialist und seit dem 13. Januar 1947 Mitglied der SED.123 Im April 1947 berief ihn der Parteivorstand der SED zum Referenten in der Kulturabteilung beim ZS (Zentralsekretariat). Bis zu seinem Wechsel in die Gefängnisseelsorge am 1. August 1950 unterstanden ihm hier zur gleichen Zeit die Referate für Kirche 118 Vgl. Goerner, Arbeitsgruppe, 64. 119 Vgl. Kurt Richter, Schreiben an die Hauptabteilung Staatliche Verwaltung, Berlin, 22. 5. 1950 (BArch Berlin, DO 4/11/1572, Bl. 33). 120 Vgl. Bruno Wolff, Schreiben an das MdI, Berlin, 14. 7. 1950 (BArch Berlin, DO 4/11/1572, Bl. 28). 121 Vgl. Kurt Grünbaum, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 6. 7. 1950 (BArch Berlin, DO 4/ 2069, Bl. 1113). 122 Vgl. ebd. 123 Vgl. o. Vf., Personalakte Mund, 6. 2. 1951 (BStU Berlin, MfS 14031/63, Bd. 2, Bl. 141).
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und Religion,124 für Bibliothekswesen sowie für Verlagswesen.125 Während des Krieges hatte Mund an der Berliner Humboldt-Universität Theologie studiert. Er beendete das Studium 1943 mit dem Ersten Theologischen Examen, absolvierte jedoch aufgrund der Kriegswirren kein Vikariat, weshalb er nicht das für den Dienst in der Gefängnisseelsorge eigentlich nötige Zweite Theologische Examen vorweisen konnte. Mund war neben seiner Arbeit für das ZS auch für die EKiBB tätig, so z. B. als Hilfspfarrer in der Gemeinde Berlin-Tempelhof und als Seelsorger am Krankenhaus Waldfrieden in Berlin-Zehlendorf.126 Außerdem hatte er, zumindest zeitweilig, eine Stelle als Religionslehrer an einem Berliner Gymnasium inne.127 1934 hatte Mund erstmals Kontakt zu dem Marburger Religionswissenschaftler und Leiter der in Berlin ansässigen Hochkirchlichen Vereinigung Friedrich Heiler.128 Im März 1948 erhielt er durch Heiler, der zu diesem Zeitpunkt auch Dekan der Marburger Theologischen Fakultät war, die hochkirchliche Weihe.129 Zudem war Mund Mitglied der Ende der 1930 Jahre von Franz-Josef Metzger gegründeten Una-Sancta Bewegung, die eine Vereinigung der evangelischen und katholischen Kirchen unter dem Motto der ,evangelischen Katholizität‘ anstrebte.130 In einem Beitrag zu einem Sammelband zum Gedächtnis des im Jahre 1980 verstorbenen Rackwitz131 begründete Mund seine Mitarbeit im ZS wie folgt: „Hoffend, dass man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hatte, wurde eine fruchtbare Begegnung zwischen Kirche, Arbeiterschaft und sozialistischen Parteien erwartet. So übernahm ich damals, auf Vorschlag von Arthur Rackwitz, eine
124 Vgl. Goerner, Arbeitsgruppe, 64. 125 Hans-Joachim Mund, Lebenslauf, 16. 8. 1950 (BStU Berlin, MfS ZA, ASt I, 23/59 Bd, 1). Allein die Tatsache, dass Mund, sofern man seinen Angaben im Lebenslauf Glauben schenkt, gleich drei Referate zur gleichen Zeit innehatte, lässt einen Rückschluss auf deren geringe Bedeutsamkeit und auf deren überschaubaren Umfang zu. 126 Vgl. ebd. Der von Mund verfasste Lebenslauf enthält keine Zeitangaben zu seinen diversen Tätigkeiten bei der EKiBB. Er gibt hier lediglich an, parallel zu seiner Arbeit als Referent beim ZS auch als Hilfsgeistlicher gearbeitet zu haben, und dass er diese Tätigkeit direkt nach der Beendigung des Kampfs um Berlin Anfang Mai 1945 aufgenommen hätte. 127 Raddatz, Unruhestifter, 48. 128 Zu Geschichte und Anliegen der Hochkirchlichen Vereinigung vgl. Mund, Vereinigung. 129 Vgl. Hans-Joachim Mund, Schreiben an die HVDVP, Berlin 6. 1. 1951 (BArch Berlin, DO 4/11/ 1572, Bl. 23). 130 Zu Franz Josef Metzger vgl. Hess, Christus. 131 Bereits als Jugendlicher war Mund von Karl Marx und dem historischen Materialismus fasziniert, der christlichen Religion hingegen brachte er ein eher mäßiges Interesse entgegen. Dies änderte sich, als Mund durch den Tod eines engen Freundes in eine Krise geriet: „Hier ließ mich der Marxismus im Stich, auf die Fragen gab er keine Antwort, oder ich empfand sie als völlig unzureichend.“ (vgl. Mund, Erinnerungen, 342). Irgendwann habe er gehört, dass der Pfarrer seiner Gemeinde (gemeint ist hier die Philipp-Melanchthon-Gemeinde in BerlinNeukölln) Christ und Sozialist zugleich sei. In der Hoffnung auf Rat und Hilfe suchte Mund Rackwitz auf. Aus diesem ersten Treffen entstand eine lebenslange Freundschaft, die erst mit dem Tod von Rackwitz im Jahr 1980 endete (vgl. ebd., 341 f.).
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politische Funktion, die als Brücke zwischen Kirche und sozialistischer Arbeiterbewegung gedacht war. Diese Hoffnung wurde enttäuscht.“132
Im Auftrag des ZS unternahm Mund in den Jahren 1947 und 1949 zwei jeweils mehrtägige Dienstreisen in die westlichen Besatzungszonen.133 Hintergrund dieser Dienstreisen war das Anliegen einer Kontaktaufnahme bzw. die Reaktivierung von Kontakten zu Religiösen Sozialisten in Marburg und Frankfurt, um eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit zu installieren. Mit dem gleichen Anliegen suchte Mund auch die Landes- und Bezirksleitungen der KPD in München und Marburg auf, stieß jedoch besonders in München auf insgesamt wenig Verständnis für christlich-sozialistische Weltanschauungen: „Niemand fühlte sich für diese Dinge zuständig. Das magere Ergebnis war ein Zettel mit einer Adresse eines Genossen, der Leiter der christlichen Widerstandsbewegung gewesen war […].“134 Durch Vermittlung des Marburger Kommunisten und Professors für Romanische Philologie Werner Krauss135 nahm Mund vom 5. bis 8. Dezember 1947 auch an der zweiten Tagung der Gesellschaft Imshausen teil136 und stand seit dem Treffen im Briefwechsel mit Werner und Heinrich von Trott zu Solz. Eine Einladung zu einem weiteren Treffen, das den Fortbestand der Gesellschaft Imshausen sichern sollte, nachdem es bei der dritten und letzten Tagung, an der Mund nicht hatte teilnehmen können, zum Streit zwischen einigen Teilnehmern gekommen war, sagte Mund aus dienstlichen Gründen ab.137 Inwieweit Mund auf seinen Westreisen privaten Interessen folgte und ob und in welchem Umfang er mit der Sammlung von Informationen für das ZS beauftragt war, lässt sich nicht eruieren. Jedenfalls zeigen die beiden Berichte, die er in seiner Funktion als Referent für Kirche und Religion über diese Reisen vorlegte,138 zwar eine grundsätzlich systemkonforme Gesinnung, lieferten vor allem aber Überlegungen im Blick auf den Aufbau einer sozialistischen, humanistischen Gesellschaft auf der Basis des Christentums. Faktisch waren dies die Ideale der Religiösen Sozialisten, für die sich bei der SED inzwischen jedes Zeitfenster – sofern es überhaupt jemals vorhanden gewesen war – geschlossen hatte. Die genauen Hintergründe der Einstellung Munds als hauptamtlicher Gefängnisseelsorger beim MdI lassen sich nicht rekonstruieren. Es kann jedoch 132 Ebd., 345. 133 Vgl. Hans-Joachim Mund, Bericht, Mai 1947 (BArch Berlin, DY 30/IV 2/14/252, o. Pag.); ders., Bericht, März 1949 (BArch Berlin, DY 30/IV 2/14/252, o. Pag.). 134 Mund, Bericht, Mai 1947 (BArch Berlin, DY 30/IV 2/14/252, o. Pag.). 135 Schwiedrzik, Träume, 205; ebd., Anm. 23. 136 Vgl. ebd., 75. Zur Gesellschaft Imshausen vgl. ebd. 137 Vgl. Hans-Joachim Mund, Telegramm an Heinrich von Trott, Berlin, 11. 9. 1947 (Sammlung K. v. Trott). 138 Vgl. ders., Bericht, Mai 1947 (BArch Berlin, DY 30/IV 2/14/252, o. Pag.); ders., Bericht, März 1949 (BArch Berlin, DY 30/IV 2/14/252, o. Pag.).
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angenommen werden, dass zu dem Zeitpunkt, als man beim MdI intensiver über die Anstellung eines „fortschrittlichen“ Geistlichen als Seelsorger im politischen Strafvollzug nachzudenken begann, Munds Name ins Spiel gebracht wurde, zumal die SED-Führung zunehmend darum bemüht war, die ihr angehörenden und in festen Anstellungen befindlichen Religiösen Sozialisten aus ihren Reihen zu entfernen.139 Ebenso unklar wie die genauen Umstände von Munds Einstellung auf staatlicher Seite sind die tatsächlichen Beweggründe Munds, den ihm angebotenen Posten anzunehmen. Es liegt jedoch nahe, dass Mund nach dem offensichtlichen Ende des Interesses der SED an einer Kooperation mit den Religiösen Sozialisten und christlichen Kräften überhaupt in der Tätigkeit als Gefängnisseelsorger im staatlichen Auftrag eine Möglichkeit sah, diese Kooperation doch zu praktizieren.140 Poelchau, ebenfalls ein Freund Munds, empfahl ihm, die Anstellung anzunehmen,141 jedoch die Bedingung durchzusetzen, dass er die Seelsorge an den Gefangenen allein, also ohne Bewachung durch das Anstaltspersonal, ausüben dürfe.142 Dieser Forderung wurde im Zuge der Einstellungsgespräche durch Gustav Röbelen als Chefinspekteur der Staatssicherheitsabteilung im ZK mit dem Hinweis auf „besonderes Vertrauen, was ihm eben die Partei entgegenbringe“, tatsächlich entsprochen.143 Möglich ist auch, dass der Impuls für die Einstellung Munds von Wolff kam. Nach der Gründung der DDR war die Zuständigkeit für Kirchenfragen von der Kulturabteilung beim ZS an die im ZK eingegliederte Abteilung „Staatliche Verwaltung“ übergegangen. Hier war der Sektor „Kirchen“ einer von fünf Bereichen, zu dessem Leiter das Kleine Sekretariat des ZK am 27. April 1950 Wolff bestimmt hatte,144 der sein Amt jedoch erst im Sommer 1950 antrat.145 In 139 Vgl. ebd. 140 Der Ziehsohn Munds und spätere Schriftsteller Fritz J. Raddatz hat als Hintergrund für die Einstellung Munds beim MdI eine eigene Version überliefert: Er und Mund hätten in einer Gärtnerei im Berliner Umland Geranien für das gerade frisch bezogene Eigenheim in Ostberlin organisiert und wären beim Passieren der Berliner Stadtgrenze trotz des Dienstwagens, der mit einem Nummernschild des ZS versehen gewesen sei, in eine Kontrolle geraten. Aufgrund des von Mund vorgezeigten ZS-Ausweises sowie eines Westberliner Personalausweises (Mund hatte sich noch nicht umgemeldet) und der Tatsache, dass sie Westgeld bei sich hatten, seien sie für Spione gehalten worden. Erst nach diversen Anrufen seien sie mit Geleit direkt zum Zentralsekretariat gebracht und dort von dem für die Sicherheit verantwortlichen Sekretär empfangen worden. Dieser habe auf die Information, dass Genosse Mund ein Pastor sei, halb irritiert, halb verwundert reagiert, letztendlich sei diese Begegnung aber der ausschlaggebende Faktor für den Wechsel Munds in die Gefängnisseelsorge gewesen (vgl. Raddatz, Unruhestifter, 52). 141 Vgl. Mund, Erinnerungen, 346. 142 Schwiedrzik, Träume, 206; ebd., Anm. 27. 143 Vgl. Karl Gertich, Stellungnahme, Berlin, 21. 2. 1951 (BArch Berlin, DO 4/1572, Bl. 102 f.). 144 Vgl. Goerner, Kirche, 167. 145 Vgl. Schal ck, Agentur, 103. Die von Schalück geäußerte Einschätzung, dass Wolff seine Position erst nach dem III. Parteitag der SED (20. bis 22. 7. 1950) angetreten habe, kann nicht zutreffen, als dass ein von Wolff in seiner Funktion als Kirchenreferent der Abt. „Staatliche
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den Monaten von der Gründung der DDR im Oktober 1949 bis zum Amtsantritt Wolffs wurde die Kirchenpolitik der SED weiterhin durch die Kulturabteilung beim ZS und somit durch Mund bestimmt.146 Von Wolff liegt eine 1952 getätigte Einschätzung der Arbeit der Kulturabteilung beim ZS vor, wobei dieser den Namen Munds nicht nennt: „Die damalige Abteilung Kultur und Erziehung hatte für diese Fragen einen Genossen vorgesehen. Er wurde aber in seiner Arbeit stark gehemmt, weil dieser nicht die genügende Beachtung geschenkt wurde.“147 Hierdurch gewinnt die Vermutung, dass der Wechsel der Zuständigkeit in Kirchenfragen den beruflichen Kontakt beider Männer bedingte und Mund und Wolff sich kannten an Wahrscheinlichkeit. Wolff war bereits, wie oben berichtet,148 durch das MdJ zwecks Organisation der Gefängnisseelsorge in Brandenburg-Görden konsultiert worden, ihm waren somit die Aktivitäten um eine seelsorgerliche Versorgung der Haftanstalten der HVDVP mittels eines „fortschrittlichen“ Geistlichen bekannt. Somit liegt es auch nahe, dass der Impuls für die Einstellung Munds auf Wolff zurückging. Denkbar ist noch eine weitere These, die sich aus der Auswertung der kirchlichen Archivalien ergibt. Aus diesen geht hervor, dass das Konsistorium der EKiBB Mund im Juli 1950 zum Antritt des Vikariats und zur Ablegung des Zweiten Theologischen Examens drängte, wobei dessen Tätigkeit beim ZS dem Konsistorium bekannt war.149 Mund hatte bereits in einem Gespräch vom 23. Februar 1949 gegenüber OKR Martin Kegel offen zugegeben, dass er gegenwärtig nicht beabsichtige, sich auf die Examensprüfungen vorzubereiten.150 Trotz seiner Beschäftigung beim ZS hatte Mund seine Ambitionen, in den kirchlichen Dienst zu treten, nicht völlig aufgegeben, denn am 1. April 1949 hatte er sein Vikariat bei Pfarrer Ernst Kumbier in der Berliner Gemeinde Tempelhof angetreten. Dies belegt das von Kegel unterzeichnete Einweisungsschreiben zum Vikariatsantritt: „Gemäß § 7 des Kirchengesetzes betreffend Vorbildung und Anstellungsfähigkeit der Geistlichen vom 5. Mai 1927 – KG u. VB1. S. 219 ff. – überweisen wir Sie hierdurch mit Wirkung vom 1. April 1949 bis auf weiteres Herrn Pfarrer Kumbier in Berlin-Tempelhof, Kirchenkreis Berlin-Neukölln, als Lehrvikar. Sie werden durch den Herrn Vikariatsleiter in das kirchliche Gemeindeleben und in die pfarramtliche Tätigkeit eingewiesen werden. Auch auf Ihre homiletische und katechetische Weiterbildung wird Bedacht genommen werden. Ebenso legen wir
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Verwaltung“ gezeichnetes Schreiben vom 14. 7. 1950 vorliegt (Bruno Wolff, Schreiben an das MdI, Berlin, 14. 7. 1950, BArch Berlin, DO 4/11/1572, Bl. 28). Vgl. Schal ck, Agentur, 103–104. Ebd., 104, Anm. 1. Bruno Wolff, Schreiben an das MdI, Berlin, 4. 7. 1950 (BArch Berlin, DO 4/11/1572, Bl. 28). Vgl. Martin Kegel, Schreiben an Hans-Joachim Mund, Berlin, 27. 7. 1950 (ELA Berlin, 15/ 5093, o. Pag.). Vgl. ders., Aktenvermerk, Berlin, 23. 2. 1949 (ELA Berlin, 15/5093, o. Pag.).
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Wert auf Ihre Mitarbeit im Kindergottesdienst und in der Jugendarbeit. Während des Lehrvikariats gewähren wir Ihnen einen Unterhaltszuschuss von monatlichen 90,00 DM, der Ihnen durch den Herrn Vikariatsleiter gezahlt werden wird.“151
Am 27. Juli 1949 wurde Mund erneut von Kegel bezüglich der Ablegung des Zweiten Theologischen Examens angeschrieben: „Seit Ihrer ersten theologischen Prüfung ist eine sehr lange Zeit verflossen. Das Kirchengesetz betr. Vorbildung und Anstellungsfähigkeit der Geistlichen vom 5. Mai 1927 bestimmt in § 15 folgendes: ,Die Meldung zur 2. Prüfung ist frühestens zwei Jahre, spätestens vier Jahre nach Ablauf der 1. Prüfung zulässig. Mit dem Ablauf der letzteren Frist erlöschen die dem Kandidaten auferlegten Rechte. Der Oberkirchenrat kann von diesen Fristen ausnahmsweise befreien.‘ Falls Sie noch beabsichtigen, die zweite theologische Prüfung zu machen, so müssten Sie durch den Evangelischen Oberkirchenrat ein Gesuch zur Zulassung zu der Prüfung einreichen. In diesem Gesuch müsste dargelegt werden, aus welchen Gründen Sie bisher nicht in der Lage waren, die zweite Prüfung abzulegen. Wie Ihnen schon mündlich mitgeteilt wurde, setzt die Zulassung zur zweiten Prüfung voraus, dass Sie sich ganz kirchlichem Dienst zur Verfügung stellen.“152
Am unteren Blattrand des Schreibens befindet sich ein ergänzender handschriftlicher Vermerk des Inhalts, dass Mund weder auf das Schreiben geantwortet noch sich anderweitig gemeldet habe. Am 13. Dezember 1949 erbat Pfarrer Kumbier vom Konsistorium dann eine schriftliche Zusage, dass Mund ihm bis zum 29. Februar 1950 als Vikar zugewiesen sei und für diesen Zeitraum auch weiterhin monatlich 90 DM West als Beihilfe erhalten solle.153 Kumbier führt an gleicher Stelle weiter aus: „Ich habe Br. Mund persönlich gesprochen, halte es aber für notwendig, daß er vom Ev. Konsistorium eine schriftliche Nachricht erhält, die ihn zu einer klaren Entscheidung über seinen zukünftigen Weg nötigt. Sollte Br. Mund sich entschließen, in den Ostsektor zu ziehen, wird dies dem Ev. Konsistorium mitgeteilt werden.“
Diese Aussage Kumbiers lässt auf eine gewisse Unsicherheit Munds bei der Planung seiner beruflichen Zukunft schließen. Offenbar schwankte er zwischen seinen beiden Dienstherren – der EKiBB und der SED. Letztere Institution dürfte auch die treibende Kraft hinter dem durch Mund in Erwägung gezogenen Umzug nach Ostberlin gewesen sein. Die Gründe für die Ent151 Vgl. ders., Schreiben an Hans-Joachim Mund, 7. 3. 1949 (ELA Berlin,15/5093, o. Pag.). 152 Ders., Schreiben an Hans-Joachim Mund, Berlin, 27. 7. 1950 (ELA Berlin, 15/5093, o. Pag.). 153 Ders., Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin, 13. 12. 1949 (ELA Berlin, 15/5093, o. Pag.). Hier auch das folgende Zitat.
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scheidung Munds gegen eine kirchliche Laufbahn bleiben letztlich unklar, doch war das Konsistorium der EKiBB nicht gewillt, Mund ohne dessen Meldung zum Zweiten Theologische Examen weiter zu beschäftigen. Diese wiederum hätte das Ende seiner Laufbahn beim ZS nach sich gezogen, wie Kegel unmissverständlich klargestellt hatte. Dies aber hätte für Mund, der inzwischen auch eine Familie zu ernähren hatte, nicht zuletzt empfindliche finanzielle Einbußen bedeutet. Da dem Berliner Propst Heinrich Grüber, der in seiner Position als Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der Regierung der DDR extrem gut vernetzt war und mit dem MdI kooperierte, nicht nur der Name, sondern auch die berufliche und familiäre Situation Munds bekannt gewesen sein dürften, wäre es auch denkbar, dass Munds Einsatz in der Gefängnisseelsorge über Grüber eingefädelt wurde. Dass die Platzierung eines loyalen Kirchenmannes in den mit dem Strafvollzug beauftragten Behörden im Osten Deutschlands für die Kirche ein überaus nützlicher Schachzug sein konnte, hatte bereits Poelchau mit seinem Einsatz in der Abteilung Strafvollzug bei der DJV demonstriert. Vor diesem Hintergrund könnte die Anstellung Munds als Gefängnisseelsorger bei der HVDVP, die ihren Sitz in der Berliner Glinkastraße hatte, durchaus im Interesse Grübers bzw. der Kirchenkanzlei gewesen sein. Die Möglichkeit, dass Grüber Munds Einstellung als Nachfolger Poelchaus über seine exzellenten Beziehungen hatte forcieren können, ist naheliegend. Abwegig erscheint es dagegen, einen Zusammenhang zwischen Munds Einstieg in die Gefängnisseelsorge und seinen sexuellen Neigungen zu konstruieren. Mund war Zeit seines Lebens praktizierender Homosexueller, dessen Präferenz nicht ausschließlich bei Erwachsenen lag, sondern auch die Ephebophilie, also die Vorliebe für pubertierende und postpubertierende Knaben, einschloss.154 Die Annahme, dass Mund in die Gefängnisseelsorge der DDR als einem Arbeitsumfeld abgeschoben wurde, in welchem er aufgrund der durchgängigen Bewachung und der überwiegend erwachsenen, oftmals kränklichen Schutzbefohlenen kaum Möglichkeiten zum Ausleben seiner 154 Mund missbrauchte seine beiden Pflegesöhne, darunter Fritz J. Raddatz. Raddatz verarbeitete in seinen biografisch konnotierten Werken seine Erfahrungen mit Mund in dem ihm eigenen provokanten Stil, die Realität um belletristische Elemente ergänzend, in einer Offensivität, die die Lesenden beinahe schmerzt. Von der hier vertretenen Sicht auf die Beziehung zu seinem Vormund als einem gleichberechtigten Liebespartner rückte er erst in den letzten Monaten seines Lebens – immer noch zweifelnd und ausschließlich seinen Geschwistern gegenüber, zu denen im Zuge der Recherchen zu diesem Projekt Kontakt aufgenommen wurde, – ab. Noch im Januar 2015 und damit nur wenige Wochen vor seinem Freitod schrieb er auf Nachfrage in einer Email: „Ich kann nur anfügen, daß ich Joachim Mund sehr viel zu verdanken habe und mich jeden Urteils enthalten möchte darüber, ob es ,christlich‘ oder überhaupt ethisch vertretbar war, das minderjährige Mündel, wie es heute heißt: zu ,mißbrauchen‘. Ich habe mich nicht mißbraucht gefühlt.“ (Fritz Raddatz, Email an Veronika Albrecht-Birkner, o. Ort, 21. 1. 2015, Privatarchiv Siedek-Strunk). Sehr wohl missbraucht fühlte sich hingegen der zweite Pflegesohn Munds, der dies in einem Kamera-Interview offen formulierte (vgl. Anonym, Mund, Privatarchiv Siedek-Strunk).
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Sexualität hätte finden können, ist deshalb abwegig, weil nach Aktenlage offensichtlich weder der Kirchenleitung noch den SED-Genossen noch dem MfS die Homosexualität Munds bekannt war.155 3.1.3 Funktionen Munds bei der Hauptverwaltung der Volkspolizei Seelsorgerliche Tätigkeit in den Strafanstalten des Ministeriums des Innern Grünbaum, der Leiter der HAVerbindung zu den Kirchen,156 wurde durch den Staatssekretär des MdI Warnke Ende Juni 1950 über die Einstellung des hauptamtlichen Gefängnisseelsorgers bei der HVDVP informiert. Die zwischen den beiden Institutionen herrschenden Spannungen schlugen sich auch in den Vorgängen um die Einstellung eines hauptamtlichen Gefängnisseelsorgers nieder. So verweigerte Warnke auf ein von Grünbaum am 28. Oktober 1950 an das MdI gerichtetes Schreiben, in dem dieser Warnke gebeten hatte, ihm den Namen des nun bei der HVDVP angestellten Gefängnisseelsorgers zu nennen, schlichtweg die Auskunft und argumentierte: „Keine Regierungsstelle ist verpflichtet an eine andere Dienststelle den Namen des zuständigen Bearbeiters zu nennen.“157 Zu einem dem Schreiben Grünbaums beigefügten Brief der Kirchenleitung der EKKPS, in dem um die Erlaubnis zur Abhaltung von Gottesdiensten und Seelsorge-Sprechstunden in Polizeihaftanstalten und Untersuchungsgefängnissen gebeten worden war, äußerte Warnke: „In der Angelegenheit Gefängnisseelsorge in den Strafanstalten haben wir schon verschiedentlich geantwortet. Nach meinem Dafürhalten sind alle Fragen klar beantwortet worden. […] Wenn die Kirche also betr. Seelsorge etwas will, dann soll sie sich an das Ministerium des Innern oder [die] Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei wenden.“158
Damit machte Warnke deutlich, dass er den Namen des hauptamtlichen Seelsorgers nicht zu nennen gedachte und dass er darüber hinaus die HA Verbindung zu den Kirchen als Mittler zwischen den Kirchen und dem MdI grundsätzlich nicht akzeptierte. Weder der Kirchenkanzlei noch den Lan155 Es ist davon auszugehen, dass gerade das MfS derartige Informationen massiv gegen Mund verwendet hätte. Dafür lassen sich jedoch im gesamten Quellenmaterial, einschließlich den über Mund geführten BStU-Akten und den hier dokumentierten operativen Vorgängen, keine Anzeichen finden. Es ist ebenfalls nicht vorstellbar, dass das Konsistorium der EKiBB auf die Ableistung des Vikariats durch Mund in der Gemeinde Tempelhof, zu dem Tätigkeiten in der Kinder- und Jugendarbeit gehörten, bestanden hätte, wenn ihm Munds Neigung bekannt gewesen wäre. 156 Zur HA Verbindung zu den Kirchen vgl. Schal ck, Agentur. 157 Kurt Grünbaum, Schreiben an das MdI, Berlin, 28. 10. 1950 (BArch Berlin, DO 4/2069, Bl. 1259). 158 Hans Warnke, Schreiben an die HA Verbindung zu den Kirchen, Berlin, 7. 11. 1950 (BArch Berlin, DO 4/2069, Bl. 1258).
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deskirchen wurde der Name des hauptamtlichen Seelsorgers jemals offiziell mitgeteilt, doch stand Propst Grüber als Bevollmächtigter der EKD bei der Regierung der DDR spätestens ab Ende November 1950 in persönlichem Kontakt mit Mund,159 dessen Dienst in den Haftanstalten der DDR am 1. August 1950 begonnen hatte. Eine Stellenbeschreibung bzw. ein wie auch immer geartetes Dokument, das die von Mund auszuführenden Tätigkeiten und seine Befugnisse definiert, existiert nicht. In den Akten des MfS finden sich in der Dokumentation des gegen ihn im Zuge seiner Flucht in die Bundesrepublik im Januar 1959 eingeleiteten operativen Vorgangs allerdings retrospektive Äußerungen von Angehörigen der HA Strafvollzug zum zunächst angedachten, später jedoch Einschränkungen unterworfenen Aufgabenfeld Munds: „Zu seinem Tätigkeitsbereich sollte die Organisierung, Ausrichtung und Kontrolle der mit der Seelsorge von Strafgefangenen betreuten Geistlichen in zentraler Funktion für das Gebiet der DDR gehören. Am Anfang seiner Tätigkeit konnte er seinen Einfluss bei der Auswahl der zur Betreuung der Strafgefangenen vorgesehenen Geistlichen mit geltend machen. Desweiteren führte er Verhandlungen mit den leitenden Persönlichkeiten der Kirchen beider Konfessionen. Diese Befugnisse wurden in der Folgezeit sehr eingeengt und Mund konnte nur noch offiziell Verhandlungen führen, wenn er dazu beauftragt wurde.“160
Auch Warnke äußerte in seinem Schreiben an Grünbaum, dass Munds primäre Aufgabe die seelsorgerliche Betreuung der in den Haftanstalten des MdI Inhaftierten unter Hinzuziehung weiterer, ebenfalls bei der VP angestellter Geistlicher sei.161 Letzteres war, sollte die Gefängnisseelsorge nicht zur Farce verkommen, unverzichtbar, da die Gesamtbelegung der durch das MdI kontrollierten Gefängnisse bei etwa 14.000 Personen lag und die Tätigkeit Munds neben dem Halten von Gottesdiensten und der Durchführung der Einzelseelsorge auch koordinierende und organisatorische Elemente umfasste. Um diese Verwaltungsarbeit leisten zu können, verfügte Mund im Gebäude der HVDVP in Berlin über ein Büro und eine Schreibkraft.162 Seinen Dienst als hauptamtlicher Seelsorger trat Mund aus Krankheitsgründen mit dreiwöchiger Verspätung an.163 Seinen nicht durchgängig sowie 159 Vgl. Heinrich Grüber, Schreiben an Hans-Joachim Mund, Berlin, 27. 11. 1950 (EZA Berlin, 103/100, Bl. 73). 160 Werner Jauch, Bericht, Berlin, 26. 1. 1959 (BStU Berlin, MfS ZA, ASt I, 23/59 Bd. 1, Bl. 7). 161 Vgl. Hans Warnke, Schreiben an die HAVerbindung zu den Kirchen, Berlin, 7. 11. 1950 (BArch Berlin, DO 4/2069, Bl. 1258). 162 Auskunft von Munds Ehefrau Brigitta gegenüber Ulrich Haase (vgl. Ulrich Haase, Notizen, Privatarchiv Haase). 163 Vgl. Karl Gertich, Beurteilung, 28. 11. 1950 (BStU Berlin, MfS, HA XX/4 269, AOP 14031/63, Bd. 2, 143). Gertich gibt hier an, dass Mund seinen Dienst aus Krankheitsgründen erst am 1. 9. 1950 angetreten habe. Aus dem Pfarrerkalender Munds ergibt sich jedoch zweifelsfrei ein Dienstbeginn am 21. 8. 1950 (vgl. Hans-Joachim Mund, Pfarrerkalender 1949–1950, AdK Berlin, WKBA 2889/4, o. Pag.).
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lediglich stichwortartig geführten und nicht vollständig erhaltenen Aufzeichnungen über seine Tätigkeit164 kann entnommen werden, dass Mund im August 1950 zunächst die Haftanstalten Bautzen, Waldheim, BrandenburgGörden sowie Luckau und im September dann Hoheneck besuchte. Vom 2. bis 4. November war er in Untermaßfeld. Am 5. November hielt er in Hoheneck um 14.00 Uhr einen Gottesdienst und reichte im Anschluss 312 Personen das Abendmahl,165 womit zugleich deutlich wird, dass Mund keine Seelsorge an den 24 in den Waldheimer Prozessen zum Tode Verurteilten, deren Hinrichtungen am 4. bis 5. November in Waldheim stattfanden, geleistet hat. Mund blieb nicht selten über mehrere Tage in einer Strafanstalt, so z. B. vom 21. bis 24. Oktober 1950 in Brandenburg-Görden. Hier hielt er am 22. Oktober Gottesdienst und arbeitete am folgenden Montag und Dienstag eine ihm im Voraus durch die Anstaltsleitung übermittelte Liste von insgesamt 109 Strafgefangenen, die sich zu seiner Sprechstunde angemeldet hatten, ab.166 Diese Zahl verdeutlicht sowohl den hohen Bedarf an seelsorgerlicher Betreuung als auch die geringe Zeitspanne, die Mund pro Häftling zur Verfügung stand. Einen genaueren Einblick in den Alltag des ersten hauptamtlich beim MdI angestellten Gefängnisseelsorgers der DDR vermitteln zwei Berichte aus der Anfangszeit von Munds Wirken.167 Mund schrieb, dass er vom 28. bis 30. September 1950 Luckau besuchte und am letzten Tag seines Aufenthalts nach Bautzen weiterreiste, wo er bis zum 4. Oktober verweilte, um am 5. Oktober nach Hoheneck weiterzufahren.168 In allen Haftanstalten waren mehr Meldungen für die geplanten Gottesdienste eingegangen, als Plätze in den Kirchen vorhanden waren. Auch hatte Mund Zugang zu den Krankenstationen und konnte sich dort kurz vorstellen. Viele Gefangene äußerten bei den seelsorgerlichen Gesprächen gegenüber Mund den Wunsch nach einer Bibel bzw. einem Neuen Testament, die bzw. das sie auf die Zellen oder Säle mitnehmen konnten. Besonders am Herzen lag den Inhaftierten der Kontakt zu ihren Familien. Die Sorge, dass die Zurückgelassenen durch den Wegfall des Versorgers in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten, war ebenso groß wie die um mögliche Untreue bzw. den Verlust des Ehepartners. Inhaftierte ohne Familienangehörige baten Mund vielfach um Unterstützung in Form von Lebensmittelpaketen oder Geldspenden, um ihre Ende 1950 oftmals noch sehr schlechte Versorgung aufzubessern. Nur wenige Gefangene, so Mund, seien mit religiösen Fragen an ihn herangetreten. Es hätten auch einige Katholiken seine Sprechstunde besucht. In Luckau und Hoheneck waren jeweils 200 164 Vgl. Hans-Joachim Mund, Seelsorgenotizen 1952 (AdK Berlin, WKBA 2889/1–3, o. Pag.). 165 Vgl. ebd. 166 Anstaltsleitung Brandenburg-Görden, Aufstellung der Gefangenen zur Sprechstunde beim Pfarrer, Brandenburg / Havel, 21. 10. 1950 (AdK Berlin, WKBA 2889/4, o. Pag.). 167 Vgl. Hans-Joachim Mund, Bericht, Berlin, 11. 10. 1950 (BArch Berlin, DO 4/11/1572, Bl. 43 f.); ders., Bericht, Berlin, 31. 10. 1950 (BArch Berlin, DO 1/1572, Bl. 39 f.). 168 Vgl. ders., Bericht, Berlin, 11. 10. 1950 (BArch Berlin, DO 4/11/1572, Bl. 43–44). Hier auch das Folgende.
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Häftlinge bei den Gottesdiensten anwesend, in Bautzen 600. Hier nahmen 116 Personen die Einzelseelsorge wahr, in Hoheneck 62. Die Inhaftierten seien Mund gegenüber freundlich und offen aufgetreten, eine Ausnahme hätten allerdings die Häftlinge in der StVA Luckau gebildet. Hier hatte es im Vorfeld von Munds Besuch Gerüchte gegeben, dass man dem neuen Seelsorger nicht vertrauen könne, weshalb sich nur zehn Personen für die Einzelseelsorge gemeldet hatten. Munds Bericht über seine Besuche in den Haftanstalten BrandenburgGörden und Torgau zeichnet ein ähnliches Bild. In beiden StVA besuchte Mund in Begleitung der Anstaltsärzte die Krankenstationen. In Brandenburg hielt er an zwei Tagen Sprechstunde, jeweils von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr und von 13.00 bis 17.00 Uhr. Insgesamt nutzten in Brandenburg-Görden 111 Personen die Gelegenheit zur Einzelseelsorge. Mund empfand die Stimmung unter den in Brandenburg-Görden Inhaftierten als gut. In Torgau lagen die Dinge etwas anders. Dem Bericht Munds ist zu entnehmen, dass der Zustand der Krankenstation wie auch der Verlauf des Gottesdienstes weniger seine Zustimmung fanden. Unter den Besuchern habe Unruhe geherrscht, da der Gottesdienst lediglich von vier Volkspolizisten bewacht gewesen sei. Gerade in den ersten Reihen seien viele Gespräche geführt worden, Gleiches sei der Fall gewesen, als die Gefangenen nach dem Ende des Gottesdienstes die Kirche verlassen hätten. Insgesamt hätten 44 Personen die Einzelseelsorge genutzt: „Die Zusammensetzung der Sprechstundenteilnehmer war ähnlich wie in Brandenburg, auch liefen ihre Wünsche in der gleichen Linie. Die gesamte Stimmung kann vielleicht als weniger gut wie in Brandenburg bezeichnet werden.“169
Eine von Gertich Ende November 1950 über Mund erstellte Beurteilung zeigt, dass es der HVDVP bei dessen Einstellung weniger um die Befriedigung religiöser Bedürfnisse der Inhaftierten als um die Vermeidung von Konflikten im Strafvollzug und um einen positiven Impuls für die eigene Außenwirkung ging: „Nach nunmehr 8-wöchiger Tätigkeit kann gesagt werden, daß die Tätigkeit des Herrn Mund sich insofern zum Nutzen der Hauptabteitlg. ausgewirkt hat, als zu einem gewissen Teil die vor seiner Tätigkeit vorhandenen Angriffe von Seiten der ev. Geistlichkeit in Deutschland und auch aus den Reihen der Bevölkerung verstummen, in denen zum Ausdruck kam, daß die Deutsche Volkspolizei den religiösen Bedürfnissen der Strafgefangenen nicht entgegen kommt und sich damit in Widerspruch [zu] der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik setzt. Auch innerhalb der Strafanstalten ist unter den Strafgefangenen die eine religiöse Tätigkeit wünschen eine gewisse Beruhigung eingetreten.“170
169 Hans-Joachim Mund, Bericht, Berlin, 31. 10. 1950 (BArch Berlin, DO 1/1572, Bl. 39 f.). 170 Vgl. Karl Gertich, Beurteilung, Berlin, 28. 11. 1950 (BStU Berlin, MfS, HA XX/4 269, AOP 14031/63, Bd. 2, 143). Hier auch das Folgende.
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An den Predigten von Mund hatte Gertich nichts auszusetzen und bescheinigte diesen einen „fortschrittlichen Charakter“. Er stufte Mund als korrekt und zurückhaltend gegenüber dessen Vorgesetzten ein, rügte jedoch dessen mangelndes Engagement bei der politischen und gesellschaftlichen Arbeit der HA; auch die Mitgliederversammlungen und Schulungen würde Mund trotz Aufforderung nicht besuchen. Gertich wies zudem auf den fragilen Gesundheitszustand des Geistlichen hin, der sich auch momentan in Rekonvaleszenz aufgrund einer OP befände. Zu den organisatorischen Tätigkeiten, die zumindest zu Beginn seiner Tätigkeit bei der HVDVP in das Aufgabengebiet Munds fielen, gehörte auch die zuvor von Propst Grüber vorgenommene Auswahl der Pfarrer für die Durchführung von Festtagsgottesdiensten in den Strafanstalten des MdI. Bereits im Oktober 1950 fertigte Mund eine erste Vorschlagsliste mit Namen geeigneter Pfarrer an,171 die Ende November eine Überarbeitung und Erweiterung erfuhr.172 Aus einer handschriftlichen Anmerkung am unteren Blattrand geht hervor, dass Mund im Zuge der Vorbereitung der Liste Empfehlungen bezüglich geeigneter Pfarrer einholte – jedoch nicht, wie man vermuten könnte, bei den Landeskirchen, in deren Gebieten die jeweiligen Haftanstalten lagen, sondern bei den SED-Parteistellen. So kontaktierte Mund in Bezug auf die sächsischen Haftanstalten den Landesvorstand der SED (Abteilung Kultur und Erziehung) und für Untermaßfeld in Thüringen den Kreisvorstand der SED.173 Obwohl die SED diese Geistlichen vorgeschlagen hatte, wurden sie bei der HVDVP durch den stellvertretenden Chef der VP Mayer als Vorgesetzten Munds einer weiteren Prüfung unterzogen.174 In einem ebenfalls von Mayer unterzeichneten Schreiben vom 19. Dezember 1950 übermittelte die HA Kriminalpolizei an die HA Haftsachen detaillierte Informationen zu den einzelnen Geistlichen, wobei es außer allgemein um politische Positionen speziell auch um Kontakte in die Bundesrepublik ging.175 Am Rand des Schreibens ist neben den einzelnen Namen jeweils „ja“ oder „nein“ handschriftlich vermerkt, wobei nicht klar ist, wer diese offensichtlich entscheidenden Bemerkungen notierte.176 Zu Weihnachten 1950 übernahm Mund 171 Vgl. Hans-Joachim Mund, Weihnachtsgottesdienste, 11. 10. 1950 (BArch Berlin, DO 1/1572, Bl. 41). 172 Vgl. ders, Vorschläge der Pfarrer für die Weihnachtsgottesdienste, 28. 11. 1950 (BArch Berlin, DO 4 /1572, Bl. 47 f.). In der Liste werden folgende Namen genannt: für Bautzen Pfarrer Meinecke und Pfarrer Irmler; für Brandenburg-Görden Pfarrer Giebeler und Pfarrer Mund; für Luckau Pfarrer Rackwitz, Pfarrer Poelchau und Kirchenrat Karl Rose; für Torgau Propst Staemmler; für Hoheneck Pfarrer Lewek und Pfarrer Zipfel; für Untermaßfeld Pfarrer Kreuzburg und Pfarrer Pasche; für Waldheim Pfarrer de Haas und Pfarrer Thomas. 173 Vgl. ebd. 174 Vgl. August Mayer, Schreiben an Karl Gertich, Berlin, 23. 11. 1950 (BArch Berlin, DO 4/1572, Bl. 49). 175 Vgl. ders., An die HA Haftsachen im Hause, Berlin, 1950 (BArch Berlin, DO 4/11/1572, Bl. 9). 176 Mund selbst kommt hier nicht in Frage, da er den nun für Luckau eigentlich vorgesehenen
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selbst auch die Aufgabe, die Geistlichen über ihren Dienst im Strafvollzug zu informieren.177 In späteren Jahren gab Mund die Namen der von der HVDVP für den Dienst in den Strafvollzugsanstalten zugelassenen Geistlichen dann an Propst Grüber weiter, der sie über die Kirchenkanzlei den zuständigen Kirchenleitungen übermittelte. Das Vorgehen Munds bei den Weihnachtsgottesdiensten im Jahr 1950 liefert einen Hinweis auf seine von Beginn an schwierige und exponierte Position zwischen der HVDVP als seiner Dienstherrin und den östlichen Landeskirchen, in deren Gebieten und mit Hilfe von deren Pfarrern die Seelsorge in den Strafvollzugsanstalten zu realisieren war. So war es ihm offensichtlich nicht möglich gewesen, die Landeskirchen in die Planung der Weihnachtsgottesdienste einzubeziehen, da diese einem solchen Anliegen – vorgetragen von einem bei der HVDVP beschäftigten Geistlichen – misstrauisch und ablehnend gegenübergestanden hätten. Eine ähnliche Reaktion hätten die Vorgesetzten Munds bei der HVDVP gezeigt, falls dieser direkt an die Leitungen der Landeskirchen herangetreten wäre. So blieb Mund nur der Umweg über die Parteistellen der SED, die selbstredend „fortschrittliche“ Pfarrer empfahlen, deren Beauftragung letztlich die Landeskirchen verärgerte, zumal die Beauftragung der Pfarrer durch die HVDVP nicht immer den Kirchenleitungen kommuniziert wurde.178 Mit HVDVP und evangelischer Kirche hatte Mund stets die Befindlichkeiten zweier Parteien zu berücksichtigen, die ihm, die Situation verkomplizierend, beide gleichermaßen misstrauten. Zentralisierung der Gefängnisseelsorge Bereits einige der frühesten Quellen zur Tätigkeit Munds bei der HVDVP thematisieren den geplanten Aufbau einer zentral, von Berlin aus organisierten Gefängnisseelsorge unter Leitung eines Geistlichen. So wurde dem in Bautzen tätigen Pfarrer Wolfgang Arnold im Oktober 1950 in Beantwortung
Pfarrer Giebeler ersetzen sollte, weshalb sein Name handschriftlich neben den Luckau betreffenden Absatz im Schreiben notiert wurde, dabei aber fälschlich mit „Mundt“ angegeben wurde. In der Liste vom 28. 11. waren für Luckau noch Rackwitz und Poelchau benannt gewesen, die jedoch gemäß der Aktenlagem weder in der SBZ noch in der DDR jemals einen Gottesdienst im Strafvollzug gehalten haben. 177 Der am 2. Weihnachtstag in Torgau predigende Propst Staemmler gab an, durch Mund persönlich um den Dienst in der Strafvollzugsanstalt gebeten worden zu sein (vgl. Wolfgang Staemmler, Schreiben an das Konsistorium in Magdeburg, 3. 2. 1951, Lutherstadt Wittenberg, AKPS Magdeburg, Rep. gen., 221 g, o. Pag.). Ebenfalls durch Mund direkt wurde der für Bautzen vorgesehene Pfarrer Meinecke unterrichtet (vgl. Konrad Müller, Bericht über die Referentenbesprechung in der Kirchenkanzlei, o. Ort, 15. 2. 1951, LKA Dresden, 2/316, Bl. 22). 178 So berichtet der OLKR der Sächsischen Landeskirche Müller, dass man von der Beauftragung Pfarrer Meineckes für den Weihnachtsgottesdienst 1950 in Bautzen erst dadurch erfahren habe, dass Meinecke um den Dienstwagen gebeten habe (vgl. ebd.).
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seiner routinemäßig, jedoch stets vergeblich geäußerten Bitte um Zutritt zur örtlichen StVA vom diensthabenden Wachtmeister mitgeteilt, „daß aber gerade in diesen Tagen ein Geistlicher, von Berlin gekommen, im Lager anwesend sei. Dieser habe auch am vergangenen Sonntag Gottesdienst gehalten. Auf die Frage, ob es sich um einen evang. oder katholischen Geistlichen handele, konnte der Wachtmeister keine Auskunft geben. Im übrigen erklärte er nochmals, daß die gesamte Verwaltung, Versorgung usw. des Lagers von Berlin aus geregelt würde, und zwar vom Innenministerium aus. Wir müßten uns mit unserem Anliegen dorthin wenden.“179
Im Januar 1951 wurde dem Magdeburger Stadtmissionspfarrer Schneider – nach der Übernahme der Haftanstalten Sudenburg und des Frauengefängnisses in der Neuen Neustadt durch die HDVP – vom Anstaltsleiter Polizeirat Ziemann mitgeteilt, dass man „einen Pfarrer Mund an der Spitze habe, der die Gefängnisseelsorge auf ,republikbasis‘ organisiere.“180 Schneider ging daher von einer Verantwortung Munds für die Gefängnisseelsorge im gesamten Gebiet der DDR aus und teilte dies dem Konsistorium der EKKPS mit. Auch der Landessuperintendent von Güstrow Sibrand Siegert berichtete dem OKR in Schwerin über den Berliner „Oberpfarrer Mund“, der die Versorgung der Haftanstalten mit Neuen Testamenten übernehmen und außerdem demnächst generelle Richtlinien für die Seelsorge in allen von der HVDVP übernommenen Haftanstalten herausgeben werde.181 Der in Naumburg tätige Pfarrer Gerhard Böhm zeigte im August 1952 die ihm von der Anstaltsleitung mitgeteilten Veränderungen im Strafvollzug nach dessen Übergabe an die HVDVP an. Neben umfangreichen baulichen Maßnahmen beträfen diese auch die Seelsorge. Deren Organisation und Durchführung erfolge zukünftig zentral, durch hauptamtliche Gefängnispfarrer, die Uniform trügen und Angestellte mit entsprechendem Rang bei der VP seien. Ein „hauptamtlicher Volkspolizeipfarrer“ sei „bereits angestellt und in Aktion.“182 Die Anstaltsleitung habe betont, dass die Seelsorge nicht abgeschafft werde, sondern nur eine Umgestaltung und Neuordnung erführe. Auf die Bemerkung Böhms, dass die Kirche ihre Angelegenheiten selbst regele, habe ihm die Anstaltsleitung entgegnet: „ja, in Euren Kirchen, aber nicht in unseren Anstalten.“183 Es ist nicht möglich, die Rolle und die Befugnisse Munds bei der durch die HVDVP angestrebten Zentralisierung der Gefängnisseelsorge in Gänze zu 179 Wolfgang Arnold, Schreiben an die Superintendentur in Bautzen, Bautzen, 3. 10. 1950 (LKA Dresden, 2/263, Bl. 3). 180 Hermann Schneider, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Magdeburg, 17. 1. 1951 (AKPS Magdeburg, Rep. gen., Nr. 221 g, o. Pag.). 181 Vgl. Sibrand Siegert, Schreiben an den Oberkirchenrat in Schwerin, Güstrow, 19. 1. 1951 (EZA Berlin, 4/731, o. Pag.). 182 Gerhard Böhm, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Naumburg, 22. 8. 1952 (AKPS Magdeburg, Rep. A gen. 221 g, o. Pag.). 183 Ebd.
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fassen. Auch das von ihm auszufüllende Arbeitsfeld lässt sich nicht klar umreißen. Sicher ist jedoch, dass schleichend eine Beschneidung seines Aktionsradius stattfand. Hatte dieser anfänglich die Organisation und Kontrolle der gesamten Gefängnisseelsorge in der DDR umfasst184 und lassen sich zu Beginn seiner Tätigkeit noch Besuche Munds in allen sieben großen Haftanstalten für politische Häftlinge nachweisen,185 verkleinerte sich das Wirkungsfeld des ersten hauptamtlich bei der HVDVP angestellten Gefängnisseelsorgers bereits zu Anfang des Jahres 1952, womit eine Konzentration der Kräfte Munds auf die Haftanstalt Bautzen einherging.186 Die Ursachen für die Verkleinerung des Arbeitsfeldes sind zum einen in der ab 1951 von der HVDVP betriebenen Anstellung zweier weiterer hauptamtlicher Seelsorger zu suchen. Zum anderen war Mund ab Herbst 1952 an zwei Tagen pro Woche als Oberassistent bei Emil Fuchs an der Theologischen Fakultät Leipzig tätig.187 Im Frauengefängnis Hoheneck kam es aufgrund des nunmehr sporadischen Erscheinens von Mund zu Einschnitten in der seelsorgerlichen Betreuung. Im April 1952 verfassten die evangelischen Strafgefangenen eine schriftliche Eingabe an Mund, in der sie die Abberufung des in Hoheneck in Vertretung Munds tätigen Pfarrers Willibald Eichler forderten. Zur Begründung hieß es: „Die […] Gottesdienste entsprachen in keiner Weise dem Bedürfnis nach Trost und Hilfe in unserer Not, sondern geben Anlaß zu allgemeiner Empörung bezw. Erheiterung aller Anwesenden. Das Niveau der Predigt bewegte sich unter dem eines Kindergottesdienstes. Beweis für die Unzulänglichkeit der Fürsorge dürfte die wachsende Abwanderung zum katholischen Glauben sein. Wir brauchen einen Pfarrer, der in einfacher, kurzer und klarer Weise zu uns spricht und fähig ist, Andacht und Erbauung zu geben. […] Gleichzeitig bitten wir, geistliche Sprechstunden wieder einzurichten.“188 184 Vgl. Werner Jauch, Hans-Joachim Mund, 26. 1. 1959 (BStU Berlin, MfS ZA, ASt I, 23/59 Bd. 1, Bl. 7). 185 Vgl. Hans-Joachim Mund, Pfarrerkalender 1949–1950 (AdK Berlin, WKBA 2889/4, o. Pag). 186 Bereits in der Weihnachtszeit 1951 erwähnte Mund bei einem Besuch in Waldheim gegenüber dem dort tätigen Seelsorger Irmler, dass er die Seelsorge in Waldheim und Hoheneck bald aufgeben und dann ausschließlich Bautzen betreuen werde (vgl. Rudolf Irmler, Schreiben an das LKA Sachsen, Waldheim, 6. 1. 1952, LKA Dresden, 2/316, Bl. 157). Auch in einem Gespräch mit OLKR Knospe vom 16. 2. 1952 berichtete Mund, dass sein eigentlicher Auftrag die Seelsorge in der Haftanstalt Bautzen I sei, darüber hinaus hätte er auch eine gewisse Aufsicht über die gesamte Seelsorge in den politischen Haftanstalten (vgl. Gottfried Knospe, Niederschrift, Dresden, 16. 2. 1952, LKA Dresden, 3/41, 134 f.). 187 Vgl. Emil Fuchs, Schreiben an den Referenten für Personalangelegenheiten, Leipzig, 26. 8. 1952 (UA Leipzig, Theol. Fak. 400 Bd. 2, Bl. 178). Mund hielt Seminare und arbeitete an seiner – nie vollendeten – Dissertation zum Thema „Die Auffassung der Ehe in der Orthodoxie des 17. Jahrhunderts“ (vgl. Emil Fuchs, Schreiben an den Stellvertreter des Staatssekretärs für Hochschulwesen Hans Gossens, Leipzig, 22. 11. 1954, HU Berlin, Nachlass Fuchs, 493, o. Pag.). 188 Die Eingabe der Insassinnen von Stollberg wird in einem Schreiben des Stollberger Superin-
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Die Frauen beschwerten sich außerdem bei Mund, dass Eichler die auf der Empore den Gottesdienst verfolgenden „Brüder von der Volkspolizei“ mit Engeln verglichen habe. Obwohl Mund sich der wahrheitsgemäßen Schilderung durch die Strafgefangenen nicht völlig sicher war, traf er unter Abstimmung mit dem Stollberger Superintendenten Helm die Entscheidung, dass Eichler abgelöst werden müsse. Daraufhin übernahm Pfarrer Gerhard Conrad von der Inneren Mission die Seelsorge in Hoheneck. Dieser hatte jedoch keine Erlaubnis, das von den Insassinnen so dringend geforderte Abendmahl zu reichen – dies blieb Mund vorbehalten.189 Insgesamt belegen die zuvor geschilderten Vorgänge das von den inhaftierten Frauen in Mund gesetzte Vertrauen und seine Akzeptanz bei den Häftlingen. Schnittstelle zwischen Staat und Kirchenkanzlei Im Februar 1951 kam es zwischen Mund und seinen Vorgesetzten bei der HVDVP zu einer Auseinandersetzung über die Durchführung der unbewachten Einzelseelsorge, die mit der – später zurückgenommenen – Kündigung Munds bei der HVDVP endeten. Ausgangspunkt war eine durch VPKommandeur Jauch, dem für die Organisation der Gefängnisseelsorge im Hause der HVDVP Verantwortlichen, entworfene, detaillierte Anweisung betreffend „Gottesdienst und Seelsorge“ in den Haftanstalten, die auch beinhaltete, dass zukünftig alle Seelsorgegespräche nur noch in Gegenwart eines VP-Angehörigen stattzufinden hätten.190 Diese Maßnahme war eine Reaktion auf den nun vermehrt geplanten Einsatz landeskirchlicher Pfarrer in den Haftanstalten des MdI, der gemäß einer Äußerung Munds gegenüber Pfarrer Meinecke in Dresden auf ein Zugeständnis Propst Grübers und des katholischen Bischofs Wienkens gegenüber den staatlichen Stellen zurückzuführen war.191 Mund teilte Jauch und dem Leiter des Strafvollzugs Gertich daraufhin tendenten Helm an das LKA Sachsen zitiert (vgl. Friedrich Walter Helm, Schreiben an das LKA Sachsen, 5. 6. 1952, LKA Dresden, 2/317, Bl. 92). Hier auch das Folgende. 189 Vgl. Gerhard Conrad, Schreiben an OLKR Gottfried Knospe, Chemnitz, 4. 6. 1952 (LKA Dresden, 2/317, Bl. 89). Bei der Bestimmung, die Conrad die Feier des Abendmahls untersagte, dürfte es sich um eine Vorsichtsmaßnahme der HVDVP gehandelt haben, die einen engeren Kontakt zwischen den Häftlingen und dem Geistlichen verhindern sollte. 190 Werner Jauch, Rundschreiben an die StVA (Entwurf), Berlin, 23. 2. 1951 (BArch Berlin, DO 4/ 1572, Bl. 129). 191 Vgl. Werner Meinecke, Schreiben an Landesbischof Hugo Hahn, Dresden, 4. 6. 1951 (LKA Dresden, 2/316, Bl. 76 f.). Das erwähnte „Zugeständnis“, betraf die nun verbindliche Bewachung der seelsorgerlichen Gespräche zwischen den Seelsorgern und Seelsorgerinnen durch einen Vollzugsbeamten, und sollte Mayer und Jauch durch Bischof Dibelius und Bischof Wienken bei einem Treffen am 6. 2. 1951 im Hause der HVDVP gegeben worden sein (zum Treffen vgl. Kap. C 3.3). Ob die Bischöfe wirklich dem durch Mayer ausdrücklich formulierten Verbot der Ohrenbeichte zugestimmt hatten, ist aus dem durch Scheffer, dem juristischen Berater Grübers, angefertigten Protokoll nicht ersichtlich – zumal das Treffen die Organisation der Seelsorge in den Strafanstalten für Kriminelle zum Inhalt gehabt und somit die Seelsorge,
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mit, er sähe „keine Möglichkeit, seine Tätigkeit weiter auszuüben, wenn ihm seitens des Chefs der Deutschen Volkspolizei nicht das Vertrauen für solche Rücksprachen unter vier Augen geschenkt werde.“192 Gertich reagierte auf diese Äußerung Munds mit dem Vorschlag, im Fall von dessen Ausscheiden die Gottesdienste und Sprechstunden durch die Ortspfarrer übernehmen zu lassen, zumal die Überwachung Letzterer von den Kirchenbehörden akzeptiert würde. Die Stellungnahme Munds wurde dann tatsächlich an den Chef der VP Karl Maron weitergeleitet, der das Schreiben am 24. Februar handschriftlich kommentierte: „Es bleibt bei der vorgesehenen Regelung. D. h. auch für Herrn Mund gibt es keine Ausnahmeregelung.“ Gertich übermittelte Mund die Entscheidung Marons noch am gleichen Tag. Dieser reagierte mit der Absage aller Sprechstunden für die kommende Dienstwoche und der Ankündigung, in der Sache Kontakt mit Röbelen aufzunehmen,193 der ihm bei seiner Einstellung als hauptamtlicher Gefängnisseelsorger unbewachte Seelsorgetermine fest zugesagt hatte.194 Wegen des fehlenden Entgegenkommens seiner Vorgesetzten kündigte Mund zum 1. April 1951, übernahm jedoch noch für den kompletten April die Durchführung der sonntäglichen Gottesdienste in den von ihm betreuten Strafanstalten.195 Propst Grüber setzte sich daraufhin bei der Kirchenleitung der EKiBB für die Übernahme Munds in den kirchlichen Dienst ein, und zwar sowohl bezüglich einer Zulassung zum Zweiten Theologischen Examen als auch hinsichtlich der Aufnahme einer Tätigkeit, „zunächst nebenamtlich in einer geistlichen Amtsfunktion schlichteren Umfangs“. In ihrer Sitzung vom 12. April 1951 beschloss die Kirchenleitung der EKiBB daraufhin die Zuweisung Munds an den Superintendenten Zachau in die Berliner Immanuelgemeinde. Hier sollte Mund weiter ausgebildet werden.196 Doch dazu kam es nicht. Bereits am 17. Mai 1951 berichtete Grüber bei einer Referentenbesprechung in der Kirchenkanzlei über die Fortführung der Gefangenenseelsorge durch Mund.197 Schon im gleichen Monat war Mund wieder in den Strafanstalten der DDR für die HVDVP im Einsatz. Seine Sprechstunden hielt er wie zuvor ohne jegliche Bewachung ab. Die genauen Vorgänge, die zu diesem Stimmungswandel beim MdI bzw. bei der HVDVP führten, lassen sich
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die Mund an den politischen Häftlingen leistete, eigentlich nicht tangierte hatte (vgl. Reinhard Scheffer, Aktenvermerk, Berlin, 6. 2. 1951, EZA Berlin, 4/731 o. Pag.). Karl Gertich, Stellungnahme, 21. 2. 1951 (BArch Berlin, DO 4/1572, Bl. 103). Hier auch das Folgende. Vgl. Karl Gertich, handschriftliche Notiz, Berlin, 24. 2. 1951 (BArch Berlin, DO 4/1572, o. Pag.). Vgl. ders., Stellungnahme, Berlin, 21. 2. 1951 (BArch Berlin, DO 4/1572, Bl. 102 f.). Vgl. Heinrich Grüber, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin, 7. 4. 1951 (ELA Berlin, 15/5093, o. Pag.). Hier auch das Folgende. Vgl. o. Vf., Auszug aus dem Protokoll der Kirchenleitung, 12. 4. 1951 (ELA Berlin, 15/5093, o. Pag.). Konrad Müller, Bericht über die Referentenbesprechung in der Kirchenkanzlei vom 17. 5. 1951, o. Ort (LKA Dresden, 2/316, Bl. 91).
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aus den Quellen nicht herleiten. Es liegt nahe, dass dem eine Klärung mittels mündlich getroffener Vereinbarung zwischen der HVDVP, dem MdI und Propst Grüber zugrunde lag. Die Vorgänge zeigen, dass Mund keine bloße Marionette der HVDVP war. Er verteidigte durchaus seine Prinzipien gegen den von seinen Vorgesetzten ausgeübten Druck und schreckte vor einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht zurück – vermutlich auch, weil Grüber Mund für den Fall eines endgültigen Ausscheidens aus dem Dienst der HVDVP Hilfe angeboten hatte, so dass Mund eine berufliche Alternative offenstand. Weiterhin liegt eine Aktennotiz über eine „Besprechung mit Herrn Mundt am 27. November 1950“ eines unbekannten Verfassers vor, welche die Vermittlertätigkeit Munds zwischen der kirchlichen Seite und der HVDVP verdeutlicht.198 Gemäß dieser Aktennotiz berichtete Mund seinem Gesprächspartner über den Stand der Gefängnisseelsorge in den Haftanstalten der HVDVP für politische Häftlinge.199 Dort fänden nun wieder regelmäßig Gottesdienste und Abendmahlfeiern statt, wobei das Abendmahl aus zeitlichen und hygienischen Gründen in Form der Intinctio200 gespendet würde. Zudem sei inzwischen die Austeilung von Bibeln durch die HVDVP erlaubt worden. Mund habe erklärt, dass die Hauptsorge der HVDVP darin bestehe, dass Geistliche und Gefangene die Seelsorge als Gelegenheit zum mündlichen Nachrichtenschmuggel nutzten. Mund und sein Gesprächspartner waren sich darüber einig, dass man auf der regelmäßigen Durchführung von Sprechstunden im Anschluss an die Gottesdienste bestehen müsse. Auch schätzte Mund die Chancen, dass den Strafanstalten für die politischen Gefangenen jeweils ein Geistlicher zugewiesen werden würde, als gering ein. Seiner Meinung nach wäre es möglich, einen ortsansässigen Geistlichen 14-tägig den Gottesdienst halten zu lassen, während er selbst im Anschluss noch mehrere Tage in der Anstalt bleiben und die Sprechstunden übernehmen könne. Mund und sein Gesprächspartner beschlossen, dass es der Gefängnisseelsorge dienlich sei, wenn man dem Chefinspekteur der HVDVP Mayer konkrete Vorschläge unterbreite und dabei auch die katholische Kirche mit einbeziehe. Der Verfasser schließt das Schreiben mit den Worten: „Ich habe in Vorschlag gebracht, dass wir vielleicht zu Weihnachten noch ein kleines Verteilblatt herausbringen, für die Anstalten mit entsprechendem Bildschmuck. Die Mittel für die Herstellung dieses Blattes, das 4seitig gedacht ist, müssten aufgebracht werden.“
198 Vgl. o. Vf., Besprechung mit Herrn Mund am 27. November 1950, o. Ort (EZA Berlin, 103/100, Bl. 75). Hier auch das Folgende. 199 Im Originaldokument „politisch Verfolgte“ (ebd.). 200 Eintauchen der Hostie in den Wein.
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In den Akten des EZA befindet sich ein vom 27. November 1950 – dem Tag des zuvor beschriebenen Treffens – datierendes und von Propst Grüber unterzeichnetes Schreiben folgenden Inhalts: „Sehr verehrter, lieber Herr Mund, ich bitte, bei Ihrer nachgeordneten Stelle nachzufragen, ob nicht die Möglichkeit besteht, zu Weihnachten ein Verteilblatt herauszubringen. Wir haben in den Jahren, als die Häftlinge der Sowjetischen Verwaltung noch unterstanden, solche Blätter verteilen können mit Genehmigung der SMA und wissen aus den Berichten der Entlassenen, wie dankbar diese begrüsst wurden.“201
Aus der zeitlichen Nähe der Reaktion Grübers sowie aus der Aktenordnung, welche die den Gesprächsinhalt wiedergebende Aktennotiz dem Schreiben Grübers an Mund nachordnet und so die Erklärung für das Schreiben liefert, kann auf die Teilnahme Grübers an dem Gespräch mit Mund geschlossen werden. Der die Jahre 1949 und 1950 umfassende Pfarrerkalender Munds weist im Telefonregister bereits an zweiter Stelle die Nummer Grübers aus und liefert somit ein weiteres Indiz für einen frühen persönlichen Kontakt zwischen Mund und Grüber, womit sowohl die Zugehörigkeit zur als auch dienstliche Inanspruchnahme Munds durch die Kirchenkanzlei, viel mehr als durch die EKiBB, in den Bereich des Wahrscheinlichen rückt. Ende Dezember 1950 sandte Grüber Superintendent Zachau mit der Bitte zu Mund, die Namen der in den Waldheimer Prozessen zum Tode Verurteilten zu nennen, und bat das MdI um die Aushändigung der Urnen der Hingerichteten, bzw. wohl generell um die kirchliche Beteiligung an den Beisetzungen von Haftgefangenen.202 Als Mund die Anliegen Grübers in schriftlicher Form beim Chef der VP Maron einreichte, kommentierte dieser am Fuß des Schreibens: „Namensnennungen der in Waldheim Hingerichteten: Nein! Vorherige Mitteilung der Beisetzung von Strafgefangenen an die Kirche: Nein!“203
Zachau legte Mund zudem eine Liste mit Namen von Waldheimer Strafgefangenen vor, deren Angehörige um seelsorgerliche Betreuung ihrer inhaftierten Familienmitglieder gebeten hatten. Auch hier reagierte Maron abweisend und kommentierte lediglich knapp, dass die Strafgefangenen hierfür selbst einen Antrag stellen müssten.204 Grüber muss klar gewesen sein, dass Mund in diesen von ihm vorgebrachten kirchlichen Belangen keine Entscheidungsbefugnis hatte, sondern die Anliegen an seine Vorgesetzten weitergab, was er in seinem Schreiben an 201 Heinrich Grüber, Schreiben an Hans-Joachim Mund, Berlin, 27. 11. 1950 (EZA Berlin, 103/ 100, Bl. 73). 202 Vgl. Hans-Joachim Mund, Schreiben an die HV SV, Abteilung Organisation, Berlin, 6. 1. 1951 (BArch Berlin, 285721/11/1572, Bl. 20 f.). 203 Ebd., 21. 204 Ebd.
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Mund vom 27. November 1950 thematisierte, in dem er Mund bat, bei den ihm „nachgeordneten Stellen nachzufragen.“ Trotzdem arbeitete er eng mit Mund zusammen. Es ist zu vermuten, dass es zwischen Mund und den Kirchenvertretern der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei eine Kommunikation gab, die weit über das in den Akten Überlieferte hinausging und den Vorgesetzten Munds bei der HVDVP nicht bekannt war. Aufgrund der räumlichen Nähe im damals noch ungeteilten Berlin stellten persönliche Treffen zwischen Mund und den Vertretern der Kirchenkanzlei kein großes Problem dar. Auch finden sich auf einigen Schreiben Vermerke, dass diese Mund nicht auf dem Postweg erreichen, sondern vom Unterzeichner persönlich bei Mund zu Hause in der Richterstraße in Berlin-Grünau abgegeben werden sollten. Die östlichen Landeskirchen werteten die Tätigkeit Munds zunächst wenig positiv. Gemäß ihrem Verständnis transportierte die Arbeit Munds Entscheidungen des Staats aber auch der Kirchenkanzlei, welche die Gefängnisseelsorge in den Strafanstalten ihrer Zuständigkeitsbereiche betrafen, wodurch ihre landeskirchliche Souveränität verletzt wurde.205 Auf den Punkt gebracht wird diese Befindlichkeit durch das im März 1951 verfasste Schreiben des Mecklenburgischen Oberkirchenrats de Boor an die Landesbehörde der VP Mecklenburg,206 welches in Abschrift auch die Kirchenkanzlei erreichte: „Der Oberkirchenrat ist davon überrascht, daß bei der sonst so stark betonten Trennung von Staat und Kirche die Volkspolizei die Berufung eines Seelsorgers für Dreibergen selbst in die Hand zu nehmen beabsichtigt. Da in Dreibergen in der Hauptsache Glieder der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs inhaftiert sind, kann sich der Oberkirchenrat keinesfalls damit einverstanden erklären, daß ein ihm kirchlich nicht unterstehender Pastor die kirchliche Seelsorge dort ausübt. Bisher hat die im Schreiben der Landesbehörde der Volkspolizei genannte Berliner Stelle sich noch nicht an den Oberkirchenrat gewandt.“207
Im Februar 1951 weigerte sich die Sächsische Landeskirche aus ähnlichen Gründen, die von Mund bzw. dessen Vorgesetzten getroffene Auswahl der Pfarrer für die Ostergottesdienste in den Strafanstalten anzuerkennen.208 Schon bei Bekanntwerden der vorgesehenen Pfarrer auf der Besprechung der 205 Zu den bereits mit dem Ende des SBZ aufkeimenden Spannungen zwischen der EKKPS und der Kirchenkanzlei aufgrund der Verletzung der landeskirchlichen Souveränität durch die Zentralisierungsbemühungen der Kirchenkanzlei vgl. Kap. B 3.3. 206 In Mecklenburg hatte die HVDVP den eigentlich für die StVA etablierten Seelsorger – den Landessuperintendenten von Güstrow Siegert – abgelehnt da, „die HVDVP Ha. SV als Seelsorger für Dreibergen / Bützow einen anderen Geistlichen vorgesehen hat“ (Sibrand Siegert, Schreiben an die Landessuperintendentur Güstrow, Güstrow, 19. 1. 1951, EZA Berlin, 4/731, o. Pag.). 207 Werner de Boor, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Seelsorge, Schwerin, 27. 3. 1951 (EZA Berlin, 4/731, o. Pag.). 208 Vgl. Konrad Müller, Bericht über die Referentenbesprechung in der Kirchenkanzlei, o. Ort 15. 2. 1951, LKA Dresden, 2/316, Bl. 22). Hier auch das Folgende.
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Referenten der Landeskirchen am 15. Februar 1951 in den Räumen der Kirchenkanzlei kritisierte OLKR Müller den Weg der Entscheidungsfindung scharf: Die Landeskirchen seien für die Gefängnisgottesdienste verantwortlich, weshalb es nicht angehe, dass nun von staatlicher Seite Geistliche mit deren Durchführung beauftragt würden. Als die Kirchenkanzlei Müller über die Konsequenzen einer Ablehnung dieses Verfahrens – dass es nämlich gar keine Festtagsgottesdienste in den Haftanstalten geben werde – belehrte, erklärte dieser, dass möglicherweise kein Gottesdienst besser sei, als einer, für den die Landeskirche die Verantwortung nicht übernehmen könne. Den Referenten wurde von Seiten der Kirchenkanzlei nahegelegt, entweder ihr Einverständnis zu geben oder aber schnellstmöglich neue Vorschläge zu unterbreiten. OLKR Knospe kam dieser Aufforderung mit Schreiben vom 20. Februar 1951 nach und lieferte Namen von Pfarrern, die in Sachsen die Gottesdienste anstelle der ursprünglich vorgeschlagenen Geistlichen209 übernehmen sollten. So sollte in Waldheim Landesbischof Hahn predigen und in Hoheneck OLKR Gottfried Noth; den Gottesdienst in Bautzen wollte Knospe selbst übernehmen.210 Mund wurde im Februar 1951 durch Grüber über die Proteste aus Sachsen informiert, denen sich auch die Thüringer Landeskirche angeschlossen hatte.211 Mund riet Grüber eindringlich, der ursprünglich getroffenen Auswahl von Geistlichen zuzustimmen, da diese bereits politisch überprüft und daher von der HVDVP akzeptiert seien. Keinesfalls würde die HVDVP die Abhaltung der Ostergottesdienste in Waldheim und Untermaßfeld durch die Landesbischöfe akzeptieren. Generell wäre es den Kirchen zwar möglich, die durch die HVDVP vorgegebene Auswahl zu beanstanden, doch könne dies nur bei schwerwiegenden Gründen, wie etwa schwebenden Disziplinarverfahren, anerkannt werden. Am 5. März 1951 verhandelte Grübers Mitarbeiter Reinhard Scheffer erneut wegen der Ostergottesdienste mit der HVDVP. Scheffer intervenierte, dass bei einigen der von der staatlichen Seite vorgeschlagenen Geistlichen ein politisch konnotierter Gottesdienst zu erwarten sei.212 Die bei der HVDVP beschäftigte Referentin Güll entgegnete, dass die Pfarrer Zipfel und Thomas amtierende Geistliche der Sächsischen Landeskirche seien. Schon deshalb seien ihr die Einwände gegen die Wahl dieser Pfarrer für die Ostergottesdienste nicht einleuchtend. Scheffer musste kapitulieren, und bei der nächsten Referentenbesprechung am 15. März 1951 in Berlin wurde den Vertretern der Landeskirchen das ne209 Für den 2. Osterfeiertag waren ursprünglich vorgesehen: in Waldheim zwei Gottesdienste durch Pfarrer Meinecke / Dresden, in Hoheneck ein Gottesdienst durch Pfarrer Zipfel / Schwarzenberg; in Bautzen ein Gottesdienst durch Pfarrer Thomas / Plauen (vgl. ebd.). 210 Gottfried Knospe, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Dresden, 20. 2. 1951 (LKA Dresden, 2/ 316, Bl. 23). 211 Heinrich Grüber, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 26. 2. 1951 (EZA Berlin, 4/731 o. Pag.). Hier auch das Folgende. 212 Reinhard Scheffer, Aktennotiz, Berlin, 5. 3. 1951 (EZA Berlin, 4/731). Hier auch das Folgende.
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gative Ergebnis der Verhandlungen mit der HVDVP mitgeteilt. Das sächsische LKA reagierte am 19. März 1951 mit einem in scharfem Ton abgefassten Schreiben, in dem es sich erneut die Einmischung des Staates in die Auswahl der Pfarrer verbat. Die Begründung, mit der die von Seiten der Landeskirche gemachten Vorschläge abgelehnt worden seien,213 seien unverständlich, da in Berlin-Brandenburg mit Propst Grüber und in der EKKPS mit Propst Staemmler hohen geistlichen Würdenträgern das Abhalten der Ostergottesdienste gestattet worden sei. Bischof Hahn zog nun nicht nur die Verantwortung für die Ostergottesdienste in den Haftanstalten seines Kirchengebietes zurück, sondern auch die eigentlich bereits erteilte Zustimmung für den Einsatz Meineckes in Waldheim.214 Weiterhin machte das sächsische LKA seinen Standpunkt zur Organisation der Feiertagsgottesdienste folgendermaßen deutlich: „Von dem bisher angewandten Verfahren, daß in Berlin zwischen der Kanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland und den zuständigen staatlichen Stellen über Gottesdienste in den Strafanstalten Vorverhandlungen geführt werden, bei denen ohne unser Wissen, personelle Vorschläge gemacht oder Absprachen über bestimmte Pfarrer, die für diese Gottesdienste in Betracht kommen, getroffen werden, möchte in Anbetracht der geschilderten Vorgänge besser abgesehen werden.“
Die Kirchenkanzlei stimmte der Sächsischen Landeskirche prinzipiell zu: „Grundsätzlich sind wir mit dem Landeskirchenamt der Meinung, dass es Sache der Kirchen sein muss, die Seelsorge in den Haftanstalten zu ordnen.“215 Die Kirchenkanzlei sparte auch nicht mit Kritik an Mund: Dieser sei Angestellter der HVDVP, vertrete somit die staatliche Seite und sei damit nicht in der Lage, kirchliche Rechte wahrzunehmen. Wohl um in dieser Angelegenheit eine Klärung herbeizuführen, suchte Mund Meinecke am 23. März 1951 (Karfreitag) zur Mittagszeit – eigentlich auf dem Weg zum Abendmahlsgottesdienst in Waldheim – privat in Dresden auf.216 Er hatte von Meinecke noch keine Information darüber erhalten, ob dieser gedachte, die beiden ihm von der HVDVP zugeteilten Ostergottesdienste in Waldheim auch ohne die Erlaubnis von Bischof Hahn zu halten. 213 Der Grund für die Ablehnung von Landesbischof Hahn und die Kirchenräte des LKA durch die HVDVP wird in dem Schreiben nicht genannt. Jedoch zitiert Pfarrer Meinecke Mund in einem Brief an Bischof Hahn dahingehend, dass die staatlichen Stellen die Abhaltung der Gottesdienste durch kirchliche Würdenträger als eine besondere Auszeichnung bzw. Aufmerksamkeit werteten, die den politischen Gefangenen nicht zustünde (vgl. Werner Meinecke, Schreiben an Landesbischof Hugo Hahn, Dresden, 4. 6. 1951, LKA Dresden, 2/316, Bl. 76 f.). 214 Vgl. Erich Kotte, Ostergottesdienste, 19. 3. 1951 (LKA Dresden, 3/41, Bl. 106). Hier auch das folgende Zitat. 215 Kirchenkanzlei, Schreiben an das LKA Sachsen, Berlin, 30. 3. 1951 (LKA Dresden, 2/316, Bl. 47). 216 Vgl. Werner Meinecke, Schreiben an Landesbischof Hugo Hahn, Dresden, 4. 6. 1951 (LKA Dresden, 2/316, Bl. 76 f.). Hier auch das Folgende.
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Meinecke berichtete Mund, dass ihm erst am gestrigen Gründonnerstag durch Knospe mitgeteilt worden sei, dass das LKA sein Amtieren in Waldheim am zweiten Ostertag nicht zu billigen gedenke. Er habe diesbezüglich sogar selbst Rücksprache mit Landesbischof Hahn genommen, die ihm „aber eine wirkliche Befreiung aus der Gewissensnot auch nicht gebracht habe.“ Um eine Aussprache der Beteiligten in Anwesenheit Munds herbeizuführen, rief Meinecke direkt nach dessen Abfahrt erneut bei Hahn an, erreichte den Bischof jedoch nicht. Als Mund auf dem Rückweg von Waldheim wiederum bei Meinecke vorstellig wurde, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen, entschlossen sich beide Männer ad hoc, OLKR Knospe in der Sache aufzusuchen. Es kam zu einer 90-minütigen Aussprache, an deren Ende Knospe „sein Bedauern darüber aussprach, daß nicht schon früher einmal ein Gedankenaustausch zwischen ihm und Br[uder] Mund möglich gewesen sei. Auch das LKA wäre dann gewiß in manchen Dingen zu einer anderen Sicht der Dinge gekommen und hätte gewisse Konsequenzen, wie sie in einem Brief an eine Berliner Stelle auch hinsichtlich des Dienstes von Br. Mund ausgesprochen seien, wohl nicht gezogen.“
Erst nach diesem versöhnlichen Ergebnis beschloss Meinecke, die Ostergottesdienste in Waldheim zu halten. Somit wäre der Konflikt beigelegt gewesen, wenn Mund am 28. März nicht einen Bericht über die Vorgänge in Sachsen abgefasst hätte, der bis zu Innenminister Steinhoff und von diesem an den stellvertretenden Ministerpräsidenten Nuschke, dem die HA Verbindung zu den Kirchen unterstand, gelangte. Denn der von Mund im SED-Jargon verfasste und dementsprechend wenig diplomatische Bericht gab die Position des LKA in Dresden zwar korrekt wieder, las sich im MdI jedoch wie eine Kampfansage der sächsischen Kirchenleitung. So resümierte Mund die Meinung des LKA Dresden folgendermaßen: „Der Staat hätte durch die Handhabung der Seelsorge die Verfassung verletzt und sich im [sic] Bezug auf die Ostergottesdienste in die inneren Angelegenheiten der Kirche eingemischt. Die Kirche müsse wegen der Behinderung der Seelsorge aus Protest die Seelsorge in allen Strafanstalten niederlegen“217.
Mund führte weiter aus, dass gemäß dem LKA Sachsen nun die Zeit zum Widerstehen gekommen sei. Man könne nicht mehr schweigen und würde sich in Form einer gesamtdeutschen Kanzelabkündigung an die Öffentlichkeit wenden. Das Kanzelrecht läge beim sächsischen Landesbischof, der es keinesfalls an Pfarrer Mund abgetreten habe. Zudem gäbe es in der Kirchenleitung Stimmen, die behaupteten, dass sich die Kirche durch das Beschweigen der Waldheimer Prozesse mitschuldig gemacht habe. Die Reaktion des MdI war entsprechend drastisch. Innenminister Steinhoff 217 Hans-Joachim Mund, Bericht, Berlin, 28. 3. 1951 (BArch Berlin, DO 4/2069, Bl. 1250). Hier auch das Folgende.
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forderte Nuschke auf, die Sächsische Landeskirche zur Raison zu bringen, da deren Einstellung „eine offene Verletzung des Art. 6 der Verfassung der DDR darstelle“218. Nuschke musste handeln. Mit Schreiben vom 8. Juni 1951 unterrichtete er das sächsische LKA über die vom MdI erhobenen Vorwürfe,219 wodurch zugleich klar wurde, dass Mund Interna aus dem Gespräch mit Meinecke und Knospe an das MdI weitergeleitet hatte. Daraufhin verfasste das LKA Dresden ein dreiseitiges, von Bischof Hahn und Erich Kotte, dem Präsident des LKA Dresden, gemeinsam unterzeichnetes Antwortschreiben, in dem es die Vorwürfe des MdI weit von sich wies. Zudem bat das LKA Nuschke, seinen Einfluss für eine Neuorganisation der Gefängnisseelsorge einzusetzen und machte diesbezüglich eine Reihe von Vorschlägen.220 Das LKA kontaktierte auch Pfarrer Meinecke und bat um eine Stellungnahme, die dieser am 4. Juni 1951 dann auch verfasste.221 Meinecke war über den auch ihm zugegangenen Bericht empört, „weil die in ihm enthaltenen Verdrehungen und Unwahrheiten einfach unglaublich sind,“ und fügte hinzu: „Ich halte es in der gegenwärtigen Lage nicht nur für unverantwortlich, sondern geradezu fast für eine verbrecherische Böswilligkeit, Ihnen [Bischof Hahn und OLKR Knospe – SiSt] Äußerungen in den Mund zu legen und zu kolportieren wie etwa die über die Notwendigkeit einer Kanzelabkündigung im Westen (!) und in der DDR.“
Anschließend legte Meinecke den genauen Ablauf der Gespräche am Karfreitag zwischen ihm und Mund und am Spätnachmittag desselben Tages bei Knospe dar. Für die vorliegende Untersuchung ist vor allem die von Meinecke hier wiedergegebene Selbsteinschätzung Munds bezüglich seiner Tätigkeiten und Möglichkeiten bei der HVDVP von Interesse. Mund hatte beklagt, dass die gesamte Frage seines Dienstes und auch die der Hilfen, welche er benötige, um seine Arbeit korrekt leisten zu können, durch Missverständnisse – insbesondere beim LKA Dresden – gekennzeichnet sei. Überhaupt zeigten die Kirchenleitungen kaum Verständnis „für die besonderen Schwierigkeiten seines Dienstes“, zumal ihm durch das von Propst Grüber und Bischof Wienken gegenüber den staatlichen Stellen gegebene Zugeständnis betreffend die Anwesenheit eines VP-Beamten bei seelsorgerlichen Gesprächen große Hemmnisse entstanden seien.222 Seiner Meinung nach sei unter diesen Be-
218 Karl Steinhoff, Schreiben an Otto Nuschke, Berlin, 11. 5. 1951 (BArch Berlin, DO 4/2069, Bl. 1251). 219 Das Schreiben Nuschkes ist in den Archivalien nicht auffindbar, doch nehmen Hahn und Kotte in ihrem Antwortschreiben darauf Bezug (vgl. die folgende Anm.). 220 Vgl. Hugo Hahn; Erich Kotte, Schreiben an Otto Nuschke, Dresden, 8. 6. 1951 (BArch Berlin, DO 4/2069, Bl. 1253 f.). 221 Werner Meinecke, Schreiben an Landesbischof Hugo Hahn, Dresden, 4. 6. 1951 (LKA Dresden, 2/316, Bl. 76 f.). Hier auch das Folgende. 222 Zum Zeitpunkt des Gespräches mit Meinecke musste auch Mund die Einzelgespräche unter
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dingungen eine wirkliche Seelsorge nicht mehr möglich und er stelle sich ernsthaft die Frage, ob er seinen Dienst eigentlich noch leisten könne und wolle. Er habe nun vor, sich einen festen Stamm helfender und loyaler Pfarrer aufzubauen, die nach erfolgter Zustimmung durch die „Berliner Sicherheitsbehörden“ Zugang zu den Strafanstalten bekämen und ihn dann auch außerhalb der hohen Feiertage bei Gottesdiensten und Sprechstunden unterstützen könnten. Meinecke habe Mund daraufhin vorgeschlagen, Bischof Hahn direkt aufzusuchen und diesem seine Situation zu erklären, womit sich Mund dann einverstanden erklärt habe. Da Hahn jedoch einer Aufführung der Matthäuspassion beigewohnt hätte und somit nicht vor Ort war, sei es zu dem Gespräch zwischen Mund, Meinecke und Knospe gekommen. Munds Gründe, den Bericht an seine Vorgesetzten überhaupt und zudem in einer derart politisch brisanten Tendenz zu verfassen, sind schwer nachvollziehbar. Nicht auszuschließen ist freilich auch, dass Meineckes Version die Ereignisse schönte und somit von der Wahrnehmung Munds tatsächlich stark abwich. In Thüringen kam es bei der Durchführung der Ostergottesdienste zu einem Ereignis, welches das Unbehagen der Landeskirchen, die Auswahl der Geistlichen für den Strafvollzug in fremde Hände zu geben, verdeutlicht. Der im StVA Untermaßfeld von Mund zum Einsatz gebrachte Pfarrer Daniel Pasche223 propagierte in der Wochenzeitung der Nationalen Front „Deutschlands Stimme“ den von ihm in Untermaßfeld angeblich vorgefundenen vorbildlichen Strafvollzug und nutzte die Gelegenheit für einen moralisierenden Fingerzeig in Richtung Westdeutschland. Pasche erklärte gegenüber ,Deutschlands Stimme‘, er sei nach dem Bekanntwerden seines Auftrages, den er im Übrigen direkt vom Strafanstaltspfarrer der HVDVP erhalten habe, vom LKR Thüringen zu einer Besprechung eingeladen worden, wo man ihm berichtet habe, dass die Insassen von Untermaßfeld nicht nur unter ständigem Hunger, sondern auch unter der angespannten Atmosphäre in der Haftanstalt litten: „schon beim Gang durch die Anstalt, so sagte man mir, bedrücke den Menschen geradezu ein überirdisch-teuflisches Empfinden. An- und Abtransport der Sträflinge erfolgte nur in der Nachtzeit. Politische Dinge solle ich, um eine Revolte unter den Insassen zu vermeiden, in meiner Predigt auf keinen Fall streifen.“224
Aufsicht eines Beamten durchführen, er wurde jedoch von dieser Auflage wieder befreit. Vgl. dazu am Anfang dieses Kapitels. 223 Pasche wurde im Zuge der Organisation der Weihnachtsgottesdienste 1950 durch die HVDVP überprüft. Das Ergebnis der Überprüfung wies Pasche als Mitglied der SED sowie als „Initiator des Kampfes der Nationalen Front in den Orten Frankenheim und Birx“ aus. Auch sei Pasche aufgrund seiner „aktiven Einstellung“ im Jahre 1949 von der ihm vorgesetzten Kirchenbehörde strafversetzt worden (August Mayer, Überprüfung Daniel Pasche, Berlin, 19. 12.1 950, BArch Berlin, DO 4/11/1572, Bl. 9). 224 Daniel Pasche, Augenzeugenbericht in Deutschlands Stimme, 13. 4. 1951.
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Sein Eindruck sei tatsächlich ein völlig anderer gewesen. Der körperliche Zustand der Gefangenen wie auch der ihrer Kleidung sei besser gewesen als zur Zeit des Nationalsozialismus. Der Altartisch sei für den Gottesdienst mit sehr viel mehr Sorgfalt hergerichtet gewesen als in der Vergangenheit. Auch seien die Buntglasfenster der Kapelle geschmackvoll erneuert worden. Die Häftlinge hätten sich ganz offensichtlich in guter Stimmung befunden. Abschließend stellte Pasche die rhetorische Frage, wie sich diese von ihm beobachteten Tatsachen mit den Lügen und Entstellungen der westlichen CDUPolitiker Konrad Adenauer und Jakob Kaiser über die Zustände in den östlichen Haftanstalten vertrügen, und endete mit den Worten: „Als Christen sind wir verpflichtet, der Wahrheit die Ehre zu geben gegenüber allen Lügen, Entstellungen und Verfälschungen, mit denen versucht wird, unter dem Deckmantel christlicher Besorgnis unser Kirchenvolk zu beunruhigen.“
Trotz dieses für die Thüringer Kirche unangenehmen Vorkommnisses und der Tatsache, dass Mund in Sachsen kirchliche Interna an das MdI weitergegeben hatte, worauf dem LKA in Dresden einige Schwierigkeiten entstanden waren, ließen nach diesem ersten persönlichen Treffen von Mund und Knospe im Frühjahr 1951 die Vorbehalte gegen den staatlichen Gefängnisseelsorger merklich nach. Auch wurde in den nachfolgenden Jahren die Legitimation Munds durch die östlichen Landeskirchen, zumindest in den Korrespondenzen, nicht mehr in Frage gestellt. Schon im September 1951 äußerte sich Präses Scharf gegenüber der Quäkerin Margarete Lachmund äußerst positiv zur Person Munds, wobei er die Gründe für die anfänglich noch gehegten Vorbehalte so erläuterte: „Wir waren ihm gegenüber anfänglich lediglich deshalb zurückhaltend, weil wir nicht wußten, ob wir ihm charakterlich oder politisch trauen dürften. Wir sind heute davon überzeugt, daß er seinen Dienst in echtem menschlichem Mitgefühl für die ihm anvertrauten Gefangenen wahrnimmt und daß er sich nach Kräften für die Erleichterung der Lage der Gefangenen einsetzt.“225
Die östlichen Landeskirchen arrangierten sich offenbar notgedrungen mit der staatlichen Konkurrenz, wobei auch der Vorteil eines kirchennahen Kontakts in der HVDVP mit beinahe uneingeschränktem Zugang zum Strafvollzug eine Rolle gespielt haben dürfte. Mund trat somit die Nachfolge Poelchaus nicht nur in der Gefängnisseelsorge, sondern auch als Brückenkopf der Kirchenkanzlei im Strafvollzug im Osten Deutschlands an. Im Unterschied zu dem ab 1953 in den Haftanstalten der DDR tätigen Seelsorger Giebeler arbeitete Mund nicht mit dem Staatssicherheitsdienst
225 Kurt Scharf, Schreiben an Margarete Lachmund, Berlin, 8. 9. 1951 (ELA Berlin, 15/5093, o. Pag.).
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zusammen.226 Als er im Juni 1951 von Ottomar Pech, Mitarbeiter des MfS und zu diesem Zeitpunkt Leiter der Abteilung VII mit Zuständigkeit für das MdI und die DVP,227 zwecks Zusammenarbeit kontaktiert wurde, stimmte Mund zunächst zu, nahm jedoch Informationen, die ihm in Beichtgesprächen anvertraut wurden, ausdrücklich von der Weitergabe aus.228 Unter dem Decknamen ,Michaelis‘, dem Geburtsnamen seiner 1945 verstorbenen Mutter, lieferte Mund dem MfS bedeutungslose Auskünfte aus dem Umfeld der evangelischen Kirche, der Religiösen Sozialisten und der Haftanstalten229 und wurde dafür mindestens zweimal mit 500 DM entlohnt.230 Bereits Ende 1951 ließ das MfS die Zusammenarbeit mit Mund auslaufen, da es das von ihm gelieferte Material als weitestgehend wertlos einstufte.231 3.2 Ausbau der staatlichen Gefängnisseelsorge ab 1951 Schon das regelmäßige Abhalten der Gottesdienste und Seelsorgestunden in den sieben großen Haftanstalten der HVDVP konnte Mund alleine nicht bewerkstelligen. Im Zuge der sukzessiven Übergabe des Justizstrafvollzugs an die HVDVP, welche dazu führte, dass die von der Justiz als Seelsorger noch in Anspruch genommenen örtlichen Pfarrer in vielen Fällen keine Akzeptanz mehr fanden, entstand eine weitere Verschlechterung der Situation, die das MdI zum Handeln zwang. Obwohl schon am Beispiel Munds die bei der Einstellung evangelischer Pfarrer als hauptamtliche Seelsorger bei der HVDVP zwangsläufig entstehenden strukturellen Kompetenz- und Loyalitätskonflikte deutlich geworden waren, hielt das MdI an dem Konzept fest und plante ab dem Frühjahr 1951 die Verpflichtung weiterer Geistlicher. Dieses Vorgehen deckte sich mit den Plänen Munds, eine Gruppe loyaler und helfender Pfarrer zu seiner Unterstützung aufzubauen.232 Propst Grüber besprach bereits Anfang Januar 1951 mit Giebeler, zu diesem Zeitpunkt hauptamtlicher Seelsorger von Brandenburg-Görden,233 die bei der 226 Zur Kooperation Giebelers mit dem MfS vgl. Beckmann / Kusch, Gott, 111–153; SubklewJeutner, Schattenspiel, 92–162. 227 Vgl. Gieseke, Ottomar Pech. 228 Vgl. Ottomar Pech, Bericht, Berlin, 14. 6. 1951 (BStU Berlin, MfS, HA XX/4 563, AP 20375/92, 120); ders., Bericht, Berlin, 14. 6. 1951 (BStU Berlin, MfS, HA XX/4 563, AP 20375/92, 118). 229 Vgl. ders., Treffen, 11. 7. 1951 (BStU Berlin, MfS, HA XX/4 563, AP 20375/92, 116); ders., Bericht, Berlin, 6. 11. 1951 (BStU Berlin, MfS, AP 20375/92, 93). 230 Vgl. ders., Treffen, Berlin, 20. 12. 1951 (BStU Berlin, MfS, AP 20375/92, 83). 231 Vgl. Paul Götzschel, Bericht, Berlin, 14. 09. 1953 (BStU Berlin, MfS, HA XX/4 269, AOP 14031/ 63, Bd. 2, 145). 232 Vgl. ebd. 233 Zum Weg Giebelers in die Gefängnisseelsorge vgl. Subklew-Jeutnner, Schattenspiel, 33–39. Schon im Juni 1950 hatte Giebeler gegenüber Ministerpräsident Grotewohl deutlich gemacht, dass er das Amt des Gefängnisseelsorgers auch nach der Übernahme Brandenburg-Gördens durch die HVDVP weiter ausüben wolle: „Es war mir eine besondere Freude, bis auf den
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HVDVP gehegten Pläne zur Verteilung der seelsorgerlichen Arbeit in den Haftanstalten auf insgesamt drei fest angestellte Pfarrer.234 Die Unterredung fand in Grübers Privaträumen statt und diente einer ersten Fühlungnahme mit Giebeler betreffend die Frage, ob dieser ein Dienstverhältnis dieser Art einzugehen bereit sei. Als Warnke dann im Mai desselben Jahres in einem Schreiben an die HVDVP offiziell die Betreuung der sieben großen Haftanstalten durch drei Pfarrer vorschlug, war Giebeler hierfür bereits fest vorgesehen, was auf im Hintergrund laufende Verhandlungen zwischen Propst Grüber und dem MdI bzw. Staatssekretär Warnke schließen lässt.235 Warnke führte aus, dass die Verantwortlichkeit für die Gefängnisseelsorge weiterhin bei Mund liegen könne. Dabei solle ihm zusätzlich die Betreuung von Bautzen, Waldheim und Hoheneck obliegen und er solle durch Pfarrer Dressler in Torgau und Luckau und Pfarrer Giebeler in Brandenburg und Untermaßfeld unterstützt werden. Prinzipiell könnten auch weitere Geistliche hinzugezogen werden, die sich jedoch zunächst einem Genehmigungsverfahren bei der HVDVP unterziehen müssten. Maron stimmte den Überlegungen Warnkes grundsätzlich zu, versuchte aber, eine Finanzierung der beiden zusätzlichen staatlichen Seelsorger aus dem Haushalt der HVDVP zu umgehen, indem er eine direkte Anstellung derselben beim MdI vorschlug – mit der Begründung, dass diese so „stärker an die Belange des Staates gebunden werden“ und „in der Öffentlichkeit nicht als ,VP-Angehörige‘ bezeichnet werden könnten.“236 Mund hingegen, dem die Organisation und Kontrolle der Seelsorge in allen Anstalten unterstehen sollte, würde weiterhin durch die HVDVP vergütet werden. Durch die Erfahrungen der Vergangenheit offensichtlich sensibilisiert, riet Maron Staatssekretär heutigen Tag beim Ministerium der Justiz für die Deutsche Demokratische Republik das Vertrauen zu geniessen und zu helfen ehemalige Naziaktivisten in das soziale Gefüge der Gesellschaft hineinzuführen. Ich gebe der Hoffnung Ausdruck, dass das Ministerium des Innern mit der Übernahme der Strafvollzugsanstalt Brandenburg / Görden durch die Polizei der DDR meiner Arbeit in der selben Weise, wie das Ministerium der Justiz, Rechnung trägt und mich an dieser Anstalt unter dem Schutz der Regierung gemeinsam mit den demokratischen Kräften der Polizei als Evangelischen Geistlichen arbeiten lässt.“ (Eckart Giebeler, Schreiben an Otto Grotewohl, Plaue / Havel, 30. 6. 1950, BArch Berlin, DO 4/11/1572, Bl. 27). Giebeler reagierte damit auf eine Erklärung Grotewohls, die dieser am 16. 6. 1950 „vor den Redakteuren der Berliner Zeitungen“ abgegeben hatte. In dieser Erklärung hatte Grotewohl den „fortschrittlichen“ Pfarrern, die fürchteten, „wegen ihrer positiven Stellungnahme zum Kampf um den Frieden und für die Ziele der Nationalen Front des demokratischen Deutschlands von der Leitung ihrer Kirche zur Verantwortung gezogen zu werden“, den Schutz und die Unterstützung der Regierung zugesagt (Otto Grotewohl, Regierung schützt die Geistlichen, Berliner Zeitschrift, 138/1950, Titelseite). 234 Vgl. Eckart Giebeler, Schreiben an Heinrich Grüber, Plaue, 5. 1. 1951 (EZA Berlin, 103/100, Bl. 81). 235 Vgl. Hans Warnke, Schreiben an die HVDVP, Berlin, 4. 5. 1951 (BArch Berlin, DO 4/2069, Bl. 1170). Hier auch das Folgende. 236 Karl Maron, Schreiben an Hans Warnke, Berlin-Niederschönhausen, 26. 5. 1951 (BArch Berlin, DO 4/2069, Bl. 1168). Hier auch das Folgende.
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Warnke, für die Betreuung der Strafanstalt Untermaßfeld durch Giebeler das Einverständnis der thüringischen Kirchenleitung, in deren Zuständigkeitsbereich die Anstalt lag, einzuholen, und schlug dafür den Weg über Propst Grüber vor. Sinnvoll sei es weiterhin, eine Klärung mit der Kirchenleitung der EKiBB hinsichtlich der Pensionsansprüche von Mund, Dressler und Giebeler herbeizuführen, damit diese durch die Anstellung beim MdI nicht verloren gingen. Die Beauftragung Dresslers wurde nur wenig später durch das MdI zurückgezogen237 und dieser durch Bluhm, Pfarrer in der brandenburgischen Gemeinde Luckenwalde, ersetzt. Giebeler und Bluhm traten ihre Tätigkeit als staatliche Seelsorger in den Gefängnissen der HVDVP im Frühjahr 1953 an. Die Dienstverträge, die beide Geistliche als Zivilangestellte der HVDVP auswiesen, datierten bereits vom 6. Februar 1953.238 Faktisch wechselten Bluhm und Giebeler lediglich den Dienstherrn. Denn Giebeler war bereits seit Herbst 1949 im Auftrag des Konsistoriums der EKiBB in der Strafvollzugsanstalt Brandenburg-Görden tätig und bekam nun von der HVDVP zusätzlich die Seelsorge in Torgau und Halle zugewiesen.239 Auch Bluhm verrichtete weiter seine Tätigkeit als Seelsorger in der Strafanstalt Luckau, musste jedoch seinen Wohnort von Luckenwald nach Waldheim verlegen und versah in der örtlichen Haftanstalt ebenfalls den seelsorgerlichen Dienst.240 Bei beiden Geistlichen handelte es sich somit um erfahrene Gefängnisseelsorger. Die 24 Monate zwischen den zuvor geschilderten ersten Überlegungen und der Einstellung der Geistlichen waren von der Diskussion diverser Organisationsmodelle und der Überprüfung der Geistlichen durch die Sicherheitsorgane bestimmt, zudem galt es im Vorfeld noch die Details des Dienstverhältnisses zu regeln. Von zentraler Bedeutung war hierbei ein von dem Leiter der Abteilung Staatliche Verwaltung des ZK Anton Plenikowski erarbeitetes Papier zur Einführung einer regelmäßigen kirchlichen Seelsorge in den Strafanstalten aufgrund eines Beschlusses des Sekretariats des ZK vom 14. Februar 1952, das am 12. Juni 1952 in der Sitzung des Sekretariats zur Vorlage gebracht wurde.241 Darin wurden dem Politbüro Vorschläge unterbreitet, die zur Grundlage der 237 Gegen Dressler war aufgrund seiner Nähe zur SED ein kirchliches Disziplinarverfahren eröffnet worden. Ausschlaggebend für die Entscheidung dürfte jedoch die im Rahmen der Entnazifizierung gegen Dressler erwirkte Gefängnisstrafe gewesen sein, die er in den Jahren 1945–1947 verbüßte hatte. Von Seiten des MdI wurden vor diesem Hintergrund Befürchtungen gehegt, dass Dressler noch bestehende Kontakte zu aktuell Inhaftierten haben könnte (vgl. Halbrock, Pfarrer, 85). 238 O. Vf., Bericht, Frühjahr 1953 (BArch Berlin, DO 4/2069, 1139–1442). 239 Vgl. Heinz Bluhm, Schreiben an die Superintendentur Luckenwalde, Luckenwalde, 24. 1. 1953 (EZA Berlin, 4/732, o. Pag.). 240 Bluhm war spätestens seit dem Frühjahr 1952 als Seelsorger in Luckau tätig und lieferte über seine Tätigkeit bis zu seiner Anstellung bei der HVDVP im März 1953 regelmäßig Berichte an die Kirchenkanzlei (vgl. zu seiner Tätigkeit in Waldheim auch im EZA Berlin 4/732). 241 Vgl. Protokoll Nr. 169 der Sitzung des Sekretariats des ZK am 12. Juni 1952 (BArch Berlin, DY/ 30/J IV 2/3, 298, 1–16).
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Organisation der Gefängnisseelsorge, wie sie in den folgenden Jahren etabliert wurde, avancierten. Die Anstalten 1–7 (Waldheim, Brandenburg, Bautzen, Hoheneck, Torgau, Luckau, Untermaßfeld) sollten künftig durch drei evangelische Geistliche betreut werden. Neben Bluhm und Giebeler als evangelische Seelsorger wurde der katholische Pfarrvikar der Gemeinde Waldheim, Max Hiersig, verpflichtet, der seinen Dienst aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes jedoch nie antrat.242 Die Anstellung aller Seelsorger sollte direkt bei der HVDVP erfolgen und durch eine, die DA der SBZ ersetzende, noch auszuarbeitende DO geordnet werden.243 Als zu gewährende seelsorgerliche Grundversorgung galten Gottesdienste an zwei Sonntagen im Monat sowie an den gesetzlichen Feiertragen. Einzelseelsorge sollte künftig nur noch in Anwesenheit eines VP-Angehörigen möglich sein.244 Während einer Besprechung im Januar 1952 informierte Mund Propst Grüber und dessen für Rechtsangelegenheiten und Strafsachen zuständige Mitarbeiter Zachau und Scheffer über die in den nächsten Monaten anstehenden Veränderungen in der Seelsorge in den Strafvollzugsanstalten der DDR. Er nannte auch Giebeler und Bluhm als von der HVDVP favorisierte Geistliche für die Seelsorge an den Gefangenen, ersuchte die Anwesenden zugleich aber, bei den östlichen Landeskirchen wegen weiterer geeigneter Seelsorger anzufragen. Weiterhin bat Mund die anwesenden Kirchenvertreter um die Ausarbeitung einer DO für die Strafanstaltsseelsorge, deren Genehmigung bzw. Korrektur sich die VP-Führung jedoch vorbehalte.245 Ebenso wie bei Mund bestand bei Bluhm und Giebeler das Problem, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der HVDVP zwar geregelt, der für die Gefängnisseelsorge aber eigentlich nötige kirchliche Auftrag nicht erteilt worden war. Mund hatte zudem zwar das Erste, nicht aber das Zweite Theologische Examen abgelegt. Somit war Mund formal lediglich Hilfsprediger – im kirchlichen Sprachgebrauch Prädikant – und durfte Abendmahlsfeiern und Taufen als im Rahmen der Gefängnisseelsorge anfallende sakramentale Amtshandlungen eigentlich nicht durchführen. Grüber hatte Maron als Chef der HVDVP bereits im Dezember 1950 über diesen Sachverhalt informiert,246 woraufhin Mund bei der Abteilung Organisation im Hause der HVDVP um die Genehmigung eines Treffens mit Bischof Dibelius gebeten hatte, da er „die Zustimmung und Einweisung (Ordination) von Bischof Dibelius, der zur Zeit der Oberste Bischof auch im Gebiet der DDR ist“, benötige.247 Am Fuß des Schreibens be242 Vgl. Beckmann / Kusch, Gott, 96 f. 243 Die am 3. 7. 1953 gemeinsam von HVDVP und Kirchenkanzlei unterzeichnete DO ersetzte mit dem Inkrafttreten die DA der SBZ. 244 Vgl. Protokoll Nr. 169 der Sitzung des Sekretariats des ZK am 12. Juni 1952 (BArch Berlin, DY/ 30/J IV 2/3, 298, 1–16). 245 Vgl. Hans-Joachim Mund, Besprechung, Januar 1952 (BStU Berlin, MfS, AP 20375/92, Bl. 76). 246 Vgl. Heinrich Grüber, Schreiben an Karl Maron, Berlin, 7. 12. 1950 (BArch Berlin, DO 4/11/ 1572, Bl. 24). 247 Vgl. Hans-Joachim Mund, Schreiben an die Abt. Organisation, Berlin, 6. 1. 1951 (ebd. Bl. 23).
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findet sich die handschriftliche Notiz „einverst[anden] Maron“, die nahelegt, dass tatsächlich ein Treffen Munds mit Dibelius staatgefunden hat, hinsichtlich einer Beauftragung Munds zunächst aber ergebnislos geblieben sein muss.248 Zusammenfassend lässt sich formulieren, dass die HVDVP im Frühjahr 1953 drei evangelische Geistliche als Seelsorger in den von ihr geleiteten Strafanstalten beschäftigte, die über keine kirchliche Legitimation verfügten. Auch hatten weder Giebeler noch Mund, Letzterem oblag die Leitung der Gefängnisseelsorge, die hierfür nötige Ausbildung abgeschlossen, noch waren sie ordiniert.249 Die HVDVP bemühte sich aus Gründen der Außendarstellung allerdings, diese Unzulänglichkeiten aus dem Weg zu räumen, wie folgender Beleg aus den Akten des MdI zeigt: „Falls es unterlassen wird, auf eine solche kirchliche offizielle Berufung dieser beiden Pfarrer zu dringen, oder falls die Kirche für beide Pfarrer eine solche Berufung verweigern sollte, wird praktisch der feindlichen Propaganda erneut Gelegenheit gegeben, zu sagen, dass in den Strafvollzugsanstalten der Deutschen Demokratischen Republik eine Strafgefangenenseelsorge überhaupt nicht besteht.“250
Aufgrund dieser Einschätzung hatte es im Vorfeld der Einstellung von Bluhm und Giebeler Bemühungen von Seiten des MdI gegeben, über die als „Dachorganisation“ bezeichnete Kirchenkanzlei eine landesweit gültige Beauftra-
248 Munds Ordination fand erst am 17. 3. 1957 im Berliner Frauengefängnis Barnimstraße durch den Generalsuperintendenten des Sprengels Berlin II Fritz Führ im Beisein von Zachau und Bluhm statt (vgl. Fritz Führ, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin, 19. 3. 1957, ELA Berlin, 15/5093, o. Pag.). 249 In seinen Erinnerungen berichtet Giebeler, dass er am 7. 4. 1950 in der Vollzugsanstalt Brandenburg-Görden durch Generalsuperintendent Walter Braun in sein Amt als Gefängnisseelsorger eingeführt worden sei (vgl. Giebeler, Türen, 30 f.). Diese Amtseinführung war jedoch nicht wie Halbrock schreibt (vgl. Halbrock, Pfarrer, 87) mit einer Ordination verbunden. Zu den Gründen der erst Ende 1953 erfolgten Ordination Giebelers vgl. Subklew-Jeutner, Schattenspiel, 36–39. Noch in dem von Scharf unterzeichneten Schreiben des Konsistoriums der EKiBB vom 25. 4. 1953, wird für Giebeler die Anrede „Herr Prediger Praktikant“ verwandt. Das Schreiben war an Bluhm adressiert, ging jedoch in Abschrift zur Kenntnisnahme ebenfalls an Giebeler, versehen mit einem Vermerk über zwei Zugeständnisse, die das Konsistorium Bluhm nicht gewährt hatte: Zum einen sollten die Angehörigen Giebelers im Falle seines Todes oder seiner Dienstunfähigkeit Versorgungsbezüge in Höhe eines Prediger-Anfangsgehalts erhalten. Zum anderen war das Konsistorium bereit, Giebeler durch den Superintendenten des Kirchenkreises Brandenburg-Havel mit einer Ordination für den Dienstbereich zu beauftragen, sofern Giebeler sich für den staatlichen Dienst von der Kirchenbehörde beurlauben ließe (vgl. Konsistorium der EKIBB, Schreiben an Heinz Bluhm, Berlin, 25. 4. 1953, EZA Berlin, 4/ 733 o. Pag.). 250 O. Vf., Bericht, Frühjahr 1953 (BArch Berlin, DO 4/2069, 1139–1143, hier 1140). Das Schreiben nimmt Bezug auf Schriftverkehr vom 20. 3. 1953 und dürfte demnach nur wenig später entstanden sein.
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gung der beiden Geistlichen zu erwirken, was die Kirchenkanzlei unter Hinweis auf die Souveränität der Landeskirchen jedoch abgelehnt hatte.251 Bluhm und Giebeler, deren Dienstorte Brandenburg-Görden und Luckau im Gebiet der EKiBB lagen, verhandelten ihrerseits mit der Kirchenleitung der EKiBB und der Kirchenkanzlei wegen einer Beauftragung für den Dienst im Strafvollzug.252 Für beide Geistliche ging es neben der angestrebten kirchlichen Legitimation für die Seelsorgetätigkeit um Fragen der Existenz wie Renten- und Versorgungsansprüche etwaiger Hinterbliebener. Noch im April 1953 zeigte sich das Konsistorium der EKiBB gegenüber Bluhm diesbezüglich unnachgiebig.253 Weder wollte man ihm die Berufung für die Seelsorge im Strafvollzug erteilen noch seine Einführung in diese Tätigkeit durch einen Amtsträger durchführen lassen. Man unterbreitete Bluhm stattdessen das Angebot, ihn für die Dauer seiner Tätigkeit bei der HVDVP vom kirchlichen Dienst zu beurlauben, wobei ihm das Recht vorbehalten bleibe, nach Beendigung dieses Dienstverhältnisses wieder in den kirchlichen Dienst zurückzukehren. Damit verbunden sei jedoch der Verzicht auf seine Pfarrstelle in Luckenwalde. Auch stünde er weiterhin unter der Dienstaufsicht der Kirchenleitung der EKiBB „sowohl in Sachen der Lehre, als auch in Fragen der Disziplinargerichtsbarkeit“. Renten- und Hinterbliebenenansprüche blieben bestehen, jedoch werde die Arbeitszeit bei der HVDVP nicht in den Bemessungszeitraum einfließen. Zudem habe Bluhm künftig nicht mehr das Recht zur Teilnahme an den Sitzungen der Kreissynode und an den Pfarrkonventen. Das Schreiben der Berliner Kirchenleitung wurde durch Bluhm an die HVDVP weitergegeben, worauf Hauptabteilungsleiter Grötschel wegen des seiner Meinung nach inakzeptablen Inhalts über Staatssekretär Warnke erneute Verhandlungen zwischen Staat und Kirche einforderte.254 Am 22. Mai 1953 kam es zu einer entsprechenden „Aussprache“ zwischen Bluhm, Giebeler und Präses Scharf.255 Scharf stellte im Gesprächsverlauf eindeutig klar, dass die 251 Vgl. ebd., 1141. 252 So schrieb Bluhm im März 1953 an die Kirchenkanzlei: „Diese ganz besonders verantwortungsvolle Arbeit kann meiner Meinung nach nicht ohne eine ordnungsgemäße Berufung vonseiten der Kirche durchgeführt werden. Eine derartig verantwortungsvolle und von der Kirche selbst als sehr wichtig bezeichnete kirchliche Arbeit kann unmöglich lediglich auf die persönliche Initiative oder Neigung eines einzelnen Pfarrers hin getan werden. Einsitzende werden mich ganz offen fragen, ob ich von der Polizei oder von der Kirche komme. Ich muß mit gutem Gewissen sagen können: Ich komme von der Kirche.“ (Heinz Bluhm, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Luckenwalde, 17. 3. 1953, EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). Wegen der von ihm angestrebten Beauftragung für die StVA Waldheim trat Bluhm mittels eines, ebenfalls auf den 17. 3. 1953 datierten, Schreibens auch an das LKA Sachsen heran (vgl. ders., Schreiben an das LKA Sachsen, Luckenwalde, 17. 3. 1953, ebd.). 253 Vgl. Kurt Scharf, Schreiben an Heinz Bluhm, Berlin, 27. 4. 1953 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). Hier auch das Folgende. 254 Artos Grötschel, Schreiben an Hans Warnke, Berlin, 19. 5. 1953 (BArch Berlin, DO 4/1572, Bl. 141). 255 Die am 22. 5. 1953 stattgefundene Aussprache zwischen Bluhm, Giebeler und Scharf wird in einer Aktennotiz erwähnt, die aufgrund eines Treffens der Kirchenvertreter Grüber, Behm und
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Kirche die Arbeit Bluhms und Giebelers nicht legitimieren werde und argumentierte mit dem kirchlicherseits nicht wahrnehmbaren Visitationsrecht.256 Trotz der hier von Scharf vertretenen harten Position, ging den Geistlichen dann am 22. Juni ein Schreiben zu, das sie vom Dienst in der EKiBB beurlaubte, bei gleichzeitiger Garantie ungekürzter Versorgungsleistungen trotz aussetzender Beitragszahlungen.257 Der Schluss des Schreibens klang regelrecht versöhnlich: „Darüber hinaus sind wir bereit, in einer besonderen Verfügung der Erwartung Ausdruck zu geben, daß Sie Ihren Dienst an den Gefangenen in Bindung an Ihr Ordinationsgelübde ausrichten und daß die Kirchenleitung Berlin-Brandenburg Ihnen für diesen Dienst, in dem Sie ihrer Lehr- und Disziplinaraufsicht auch weiterhin unterstehen, Gottes Segen wünscht.“
Auch an den von der HDVP nicht übernommenen Nebenkosten, die Bluhm und Giebeler durch den Dienst an den Gefangenen entstünden, wolle man sich mit hälftigem Anteil beteiligen und wegen der anderen Hälfte – betreffend die Strafanstalt Luckau – die Sächsische Landeskirche um Hilfe bitten. Zudem werde ein Talar zum Preis von 115 Mark zur Verfügung gestellt. Sowohl Bluhm als auch Giebeler durften neben ihrem Amt als Gefängnisseelsorger in der Landeskirche tätig sein, wodurch sie auch an Pfarrkonventen teilnehmen konnten. So war Giebeler nebenamtlich als Prediger im Pfarrsprengel Plaue tätig und Bluhm übernahm die seelsorgerliche Betreuung des Krankenhauses in Waldheim. Einen offiziellen Auftrag bekamen sie hierfür aufgrund der, wie es hieß, „mündlich dargelegten Gründe“ nicht, jedoch werde der Beauftragung „durch den zuständigen Herrn Superintendenten nicht widersprochen werden“. Der hier getroffene Kompromiss regelte in der DDR über die nächsten Jahre hinweg das Verhältnis der evangelischen Kirche zu den staatlichen Gefängnisseelsorgern. Von den Landeskirchen wurde er, wenn auch zähneknirschend, akzeptiert, doch offensichtlich ordnete man die eigenen Befindlichkeiten der Aussicht auf eine seelsorgerliche Betreuung der Haftanstalten der HVDVP unter. Auch für die HVDVP und das MdI war die Angelegenheit damit bis auf Weiteres geregelt. Zachau mit Inspekteur Jauch von der HVDVP angefertigt wurde (vgl. Hans-Jürgen Behm, Aktennotiz, Berlin 11. 6. 1953, EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). 256 Vgl. Subklew-Jeutner, Schattenspiel, 50–56. 257 Hier hieß es: „Wir können Ihnen mitteilen, daß das Evangelische Konsistorium Berlin-Brandenburg das Weiterbestehen Ihres Anspruches auf Versorgung für die im Dienst der Kirche verbrachte zurückliegende Zeit nicht von einer Beitragsleistung an die Versorgungskassen abhängig macht und auch gar nicht davon abhängig machen kann, da Sie nicht Anstaltsgeistlicher eines kirchlichen Werkes werden, vielmehr würde die Kirchenleitung […] durch eine besondere Erklärung feststellen, daß die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg auf der Grundlage der bisher von Ihnen im Dienste der Kirche verbrachten Amtszeit ihre Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung so übernimmt, als wenn Sie im Versorgungsfalle noch aktiver Geistlicher unserer Kirche wären.“ (Konsistorium der EKiBB, Schreiben an Heinz Bluhm, Berlin, 22. 6. 1953, EZA Berlin, 4/733, o. Pag.; hier auch das Folgende).
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Die zu Beginn des Jahres 1953 beschlossene Aufteilung der Haftanstalten für politische Gefangene auf die drei staatlichen Seelsorger Mund, Bluhm und Giebeler wurde nicht über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg strikt eingehalten. Mund konzentrierte seine Arbeit auf die Haftanstalt Bautzen I und besuchte die ihm ebenfalls unterstellte Frauenhaftanstalt Hoheneck spätestens ab 1952 allenfalls noch sporadisch.258 Der Großteil der Gefängnisseelsorge in Hoheneck wurde faktisch bereits ab Sommer 1952 durch den Direktor der Inneren Mission in Chemnitz, Pfarrer Conrad, geleistet.259 In Untermaßfeld wirkte keiner der drei staatlichen Seelsorger, sondern der von der Kirche beauftragte und durch die HVDVP bestätigte OKR Ernst Köhler aus Meiningen.260 Das Tätigkeitsfeld von Mund verlagerte sich ab 1957 nach Berlin, wo er bis zu einer Flucht nach Westberlin im Januar 1959 auch die Insassinnen der Haftanstalt Barnimstraße betreute. Die Häftlinge im politischen Strafvollzug der DDR wurden vorwiegend, aber nicht ausschließlich, durch die staatlichen Gefängnisseelsorger betreut. In der eigentlich im Zentrum der seelsorgerlichen Arbeit von Mund stehenden Haftanstalt Bautzen I wurde, wenn er verhindert war, der sorbische Pfarrer Laser durch die Anstaltsleitung mit der Abhaltung der Gottesdienste (nie jedoch der Sprechstunden) beauftragt.261 Der eigentlich für die Haftanstalt Bautzen II zuständige Bautzener Ortspfarrer Arnold übernahm ab April 1954 zusätzlich die Vertretung Munds in Bautzen I.262 Eine völlige Abschottung des politischen Strafvollzuges vor den im Nebenamt tätigen Gefängnisseelsorgern fand praktisch also nicht statt. 3.3 Gefängnisseelsorge im Regelvollzug Schon Ende November 1950 kam es zu ersten Umstrukturierungen, die die seelsorgerliche Arbeit der evangelischen Kirche in den Haftanstalten des Regelvollzugs behinderten. Grüber wandte sich daraufhin direkt an Maron: „Ich bekomme soeben Mitteilung von den nachgeordneten Landeskirchen, dass im Zuge der Übernahme des Strafvollzuges durch die Volkspolizei, die Seelsorge den Gefängnisgeistlichen in dem bisherigen Umfange nicht mehr gestattet werden könne. Ich weiß nicht, ob Sie selbst die letzte Entscheidung in dieser Frage sich 258 Vgl. Rudolf Irmler, Schreiben an das LKA Sachsen, Waldheim, 6. 1. 1952 (LKA Dresden, 2/316, Bl. 157). 259 Vgl. Gerhard Conrad, Schreiben an Gottfried Knospe, Chemnitz, 4. 6. 1952 (LKA Dresden, 2/ 317, Bl. 89). 260 Vgl. Gerhard Säuberlich, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Eisenach, 30. 10. 1953 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). 261 Vgl. Gerhart Laser, Schreiben an Propst Grüber, Göda, 21. 4. 1952 (LKA Dresden, 2/317, Bl. 44). 262 Vgl. Wolfgang Arnold, Schreiben an die Superintendentur Bautzen, Bautzen, 22. 4. 1954 (LKA Dresden, 2/340, Bl. 124).
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vorbehalten haben oder ob die Durchführung einer Ihnen nachgeordneten Stelle überlassen bleibt. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie dem Vertreter der Kath. Kirche, Herrn Bischof Wienken, und mir Gelegenheit geben würden, mit Ihnen oder mit Ihrem zuständigen Dezernenten die Frage der Seelsorge an den Insassen der Haftanstalten durchzusprechen.“263
Auf einer am 18. Januar 1951 in den Räumen der Kirchenkanzlei stattfindenden Besprechung der Referenten der Landeskirchen für die Gefängnisseelsorge gab Grüber noch der Hoffnung Ausdruck, dass in den Anstalten, in denen keine politischen Gefangenen inhaftiert seien, alles beim Alten bliebe. In den Haftanstalten mit politischen Häftlingen würde jedoch, soviel sei klar, die Einzelseelsorge nur noch durch einige wenige, „vom Innenministerium der DDR ausdrücklich zugelassene Pfarrer möglich sein.“264 Dass sich die Bedingungen für die Gefängnisseelsorge jedoch auch im Regelvollzug änderten, belegen die Vorgänge in Bautzen II. Der für diese StVA zuständige Pfarrer Arnold hatte schon im Vorfeld der Übernahme der Anstalt im Januar 1951 durch die HVDVP große Anstrengungen unternommen, die Seelsorge im gewohnten Maße weiterzuführen. Dazu gehörten nicht nur Einzelsprechstunden und die durch einen Posaunenchor musikalisch unterstützten Gottesdienste, sondern auch musikalische Darbietungen für alle Gefangenen im Treppenhaus der Vollzugsanstalt. Arnold suchte bereits am 8. Januar 1951 den neuen Leiter der Haftanstalt II, Polizeirat Hentschke, auf, um mit ihm über den künftigen Ablauf der Seelsorge zu verhandeln, und übermittelte am 10. Januar ein umfangreiches Schreiben an die Anstaltsleitung von Bautzen I, in welchem er detaillierte Fragen zum geplanten Ablauf der Seelsorge stellte.265 Noch Mitte Januar schätzte Arnold die Zusammenarbeit mit der HVDVP positiv ein: „Ich hatte […] jetzt den Eindruck, daß man von Seiten dieser neuen Verwaltung der Gefängnisse doch die Seelsorge nicht nur duldet, sondern auch auszubauen beabsichtigt.“266 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die bei Arnold übermittelte Schilderung der Anstaltsleitung, wie sie sich den zukünftigen Strafvollzug vorstellte. So plante sie die „Beschäftigung von Häftlingen bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe in Zusammenarbeit mit freien Arbeitern, Anerkennung von 2 Tagen Arbeit für 3 Tage Haft, Prämien für gute Arbeit in Gestalt von Straferlaß, volle Lohnzahlung und Teilüberweisung 263 Heinrich Grüber, Schreiben an Karl Maron, Berlin, 24. 11. 1950 (EZA Berlin, 103/100, Bl. 72). 264 O. Vf., Bericht über die Referentenbesprechung vom 18. 1. 1951 in der Kirchenkanzlei (AKPS Magdeburg, Rep. gen., 221 g, o. Pag.). 265 Vgl. Wolfgang Arnold, Schreiben an die Leitung der StVA Bautzen, Bautzen, 10. 1. 1951 (BArch Berlin, DO 4/11/1572, Bl. 21). 266 Wolfgang Arnold, Schreiben an das LKA Sachsen, Bautzen, 13. 1. 1951 (LKA Dresden, 2/316, Bl. 1). Hier auch das Folgende.
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an Familien, Ziel: Auch die Häftlinge in die Produktionspraxis einzugliedern usw. In den Rahmen dieses modernen Strafvollzuges gehört selbstverständlich auch die Seelsorge hinein, die […] entsprechend ausgebaut werden solle.“
Bei seinem nächsten Zusammentreffen mit dem Anstaltsleiter der Strafanstalt Bautzen II am 20. Januar 1951 wurde Arnold dann mitgeteilt, dass die gesamte Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Seelsorge bei der HA Haftsachen der HVDVP in Berlin läge. Zunächst sei jedoch alle zwei bis drei Wochen ein Gottesdienst in Begleitung des Posaunenchors erlaubt, alle weiteren Punkte seien bis zur Entscheidung durch die HVDVP zurückgestellt, was in der Praxis bedeutete, dass die Seelsorge in Bautzen II auf die Abhaltung von ein bis zwei Gottesdiensten im Monat beschränkt wurde.267 Neben der Einschränkung der Gefängnisseelsorge werden an diesen Vorgängen in Bautzen II auch die Effekte der Zentralisierungsbestrebungen der Regierung der DDR deutlich. War der Anstaltsleiter Polizeirat Hentschke noch am 10. Januar davon ausgegangen, dass er den Vollzug durchaus eigenständig und nach „modernen“ Idealen gestalten konnte, war davon am 20. Januar keine Rede mehr. Der Strafvollzug, so die klare Aussage, wurde nun zentral von Berlin aus organisiert. Eine Einbindung der Außenstellen der HA Strafvollzug, eben die StVA, in die Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse war nicht mehr vorgesehen. Am 6. Februar 1951 kam es zu einem Treffen zwischen Grüber, Scheffer, Wienken als Beauftragtem der katholischen Kirche bei der DDR-Regierung sowie Generalinspekteur Mayer und Kommandeur Jauch von der HVDVP, bei dem grundsätzliche Fragen der Seelsorge im Strafvollzug der HVDVP angesprochen wurden. Laut dem Bericht Scheffers äußerte Grüber bei diesem Treffen unter Bezugnahme auf die in der Verfassung der DDR verankerten Rechte der Strafgefangenen auf seelsorgerliche Betreuung den Wunsch der Kirchen, die Seelsorge im gewohnten Umfang weiterzuführen. Die Frage der Gefängnisseelsorge sei mit Ernst zu behandeln, „schon um eine Beruhigung in den beteiligten Bevölkerungskreisen zu schaffen und einer böswilligen Agitation die Grundlagen zu entziehen.“268 Mayer als stellvertretender Chef der HVDVP verdeutlichte daraufhin den absoluten Vorrang des Sicherheitsaspekts gegenüber der Durchführung der Gefängnisseelsorge. Zunächst müsse es darum gehen, die in einigen Strafanstalten bei der Übergabe an die HVDVP vorgefundenen Missstände zu beseitigen und wieder normale Verhältnisse herzustellen, wobei auch erzieherische Gesichtspunkte zu berücksichtigen seien. Gleichzeitig würde der Staat jedoch das Anliegen der Kirchen akzeptieren und wäre diesbezüglich an einer Einigung interessiert. Die Gottesdienste sollten wieder im gewohnten Umfang durchgeführt werden, „allerdings könne dieses Ziel nur schrittweise erreicht werden, je nach dem Grad, in dem sich der Konsolidationsprozess, in dem sich das Strafanstaltswesen zur Zeit noch befinde, fortschreite.“ Mayer machte klar, dass dem Angebot der 267 Vgl. ders., Schreiben an das LKA Sachsen, Bautzen, 20. 1. 1951 (LKA Dresden, 2/316, Bl. 5). 268 Reinhard Scheffer, Aktenvermerk, Berlin, 6. 2. 1951 (EZA Berlin, 4/731 o. Pag).
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kirchlichen Seelsorge die Nachfrage der Inhaftierten gegenüber stehen müsse. Seinen Erfahrungen nach entspräche der Wunsch nach Seelsorge bzw. Gottesdiensten nicht immer einem religiösen Bedürfnis, vielmehr stünde die hierbei gegebene Möglichkeit eines Treffens der Mitgefangenen im Vordergrund. Grüber setzte sich bei dem Treffen auch für die Seelsorge an Sterbenden, an den zum Tode Verurteilten und für kirchliche Begräbnisse in den Strafanstalten ein. Auch hier zeigte Mayer zunächst Verständnis, relativierte dies jedoch mit dem Hinweis auf weitere Instanzen, die hierbei mit zu entscheiden hätten. Die Asche der Gefangenen würde grundsätzlich freigegeben, doch sei es in der Vergangenheit anlässlich von Beisetzungen wiederholt zu politischen Demonstrationen gekommen und die Kirche könne eine Verhinderung dieses Missbrauchs von Beisetzungen für „propagandistische Zwecke“ ja nicht garantieren. Die kirchlichen Vertreter fragten auch wegen der von Mayer als derzeit nicht möglich bezeichneten Einzelgespräche nach und vertraten die Position, dass diese vollständig ihren Sinn verfehlten, wenn sie nur im Beisein eines Vollzugsbeamten durchgeführt werden dürften. Doch Mayer blockte ab: Zwar entscheide er auch in dieser Angelegenheit nicht allein, doch stünde hier ebenfalls der Sicherheitsaspekt im Vordergrund. Von großer Wichtigkeit sei deshalb die Auswahl der für die Seelsorge zuständigen Geistlichen. Es kämen dafür nur Personen in Frage, bei denen absolut sicher sei, dass sie eventuell erhaltene Mitteilungen von Inhaftierten entgegennehmen und an Dritte weiterleiten würden. Es sei weiterhin zu berücksichtigen, dass seelsorgerliche Besuche bei einzelnen Gefangenen eine Bevorzugung einzelner Inhaftierter gegenüber den übrigen Strafgefangenen darstellten. Mayer ging im Folgenden noch auf das Problem der Besuchserlaubnis für Personen aus der BRD bzw. Westberlin ein. Hier könne er keine Zusage geben, da neben dem sicherheitstechnischen Aspekt, wie Erfahrungen in der Vergangenheit gezeigt hätten, auch die Auswertung dieser Besuche für Propagandazwecke zu beachten sei. Obwohl die staatliche Seite den Kirchenvertretern im Rahmen des Treffens also keine konkreten Zusicherungen machte und stattdessen unter Verweis auf Sicherheitsaspekte und Zuständigkeiten anderer Instanzen auf der derzeit praktizierten Einschränkung der Seelsorge beharrte, verblieb man so, dass die Kirche zunächst geeignete Pfarrer für die Seelsorge im normalen Strafvollzug suchen und der HVDVP zur Genehmigung vorschlagen solle. Ein von Jauch am 6. Februar verfasster „Vorschlag der HA Strafvollzug über die Regelung des Gottesdienstes in den HA Strafvollzugsanstalten des Ministeriums des Innern“ enthielt fünf Punkte zur Regelung der Gefängnisseelsorge in allen von der HDVP verwalteten Gefängnissen: „1. Seelsorge in den bisher verwalteten Sonderstrafanstalten nach wie vor durch Herrn Mund, an gesetzlichen Feiertagen durch von der HA Strafvollzug besonders ausgewählte Geistliche.
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2. Katholischer Gottesdienst in den Sonderstrafanstalten anlässlich der gesetzlichen Feiertage (evtl. noch einige Gottesdienste je nach Bedarf) durch von Herrn Bischof Wienken zu benennende Geistliche. 3. Evangelische und katholische Gottesdienste in den neu übernommenen Strafanstalten durch die jeweiligen Ortsgeistlichen, dabei ev. Gottesdienste bis zu zweimal im Monat und kath. Gottesdienste je nach Bedarf – aber nicht mehr als einmal im Monat. 4. Seelsorgesprechstunden in sämtlichen Strafvollzugsanstalten nur unter Überwachung. Keine Ohrenbeichte. 5. Keine individuelle Paketüberweisung.“269
Art, Zweck und Inhalt dieses Papiers unterscheiden sich so grundlegend vom Protokoll Scheffers zum Gespräch vom 6. Februar, dass sich nicht erkennen lässt, ob sich beide Papiere auf dieselbe Unterredung beziehen. Aufgrund der zeitlichen Parallelität kann aber kein vollständig unterschiedlicher Sachstand vorgelegen haben. So müssen die Schriftstücke als Beispiel dafür eingeordnet werden, dass die Beteiligten von Staat und Kirche aus einem solchen Grundsatzgespräch entweder ganz verschiedene Resümees zogen oder dass Verhandlungen zwischen den Abfassungszeiten der Voten ohne Dokumentation fortgesetzt wurden. Quellenmäßig belegbar ist erst wieder ein Schreiben Munds an Pfarrer Meinecke vom 23. März, in dem dieser von einem Zugeständnis Grübers gegenüber der HVDVP hinsichtlich der Beaufsichtigung der seelsorgerlichen Gespräche durch die Vollzugsbeamten berichtete.270 Faktisch wurden in der DDR im Frühjahr 1951 die Weichen in Richtung auf eine Zweiteilung der Gefängnisseelsorge gestellt: Die politischen Gefangenen wurden vorzugsweise durch die bei der HVDVP angestellten staatlichen Gefängnisseelsorger betreut und die in den Gerichts- und Untersuchungsgefängnissen sowie in den Strafanstalten wegen krimineller Vergehen Einsitzenden durch bei den Landeskirchen beschäftigte Pfarrer, die diesen Dienst teils nebenamtlich und teils hauptamtlich leisteten. Durch das entschlossene Auftreten Munds, der sich dem Verbot der Ohrenbeichte, unmittelbar nach dessen Inkrafttreten, erfolgreich widersetzte, kamen gerade die politischen Gefangenen in den Genuss einer unbewachten Seelsorge – zumal später auch Bluhm und Giebeler ihre Sprechstunden in den allermeisten Fällen allein mit den Gefangenen abhalten konnten. Für die Inhaftierten in den übrigen Strafanstalten blieb das seelsorgerliche Gespräch im Beisein eines Vollzugsbeamten obligatorisch. Die Organisation und Strukturierung der staatlichen Gefängnisseelsorge in den politischen Haftanstalten war mit der Einstellung von Bluhm und Giebeler im Februar 1953 zunächst abgeschlossen. Hin269 Werner Jauch, Aktenvermerk, Berlin, 6. 2. 1951 (BArch Berlin, DO 4/11/1572, Bl. 127). 270 Erwähnt in: Werner Meinecke, Schreiben an Landesbischof Hugo Hahn, Dresden, 4. 6. 1951 (LKA Dresden, 2/316, Bl. 76 f.).
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sichtlich der seelsorgerlichen Betreuung der Gefangenen in den übrigen Haftanstalten und um die Auswahl der dafür geeigneten Pfarrer begannen hingegen nun langwierige Verhandlungen und Auseinandersetzungen zwischen Staat und Kirche. 3.4 Gefängnisseelsorge in den Untersuchungsgefängnissen Ab Sommer 1952 kam es in den Untersuchungsgefängnissen in der DDR vermehrt zu Einschränkungen der seelsorgerlichen Versorgung. So wurden vielerorts die Einzelsprechstunden verboten und in einigen Haftanstalten durften erneut keine Gottesdienste gehalten werden. Der in der Untersuchungshaftanstalt Mühlhausen in Thüringen tätige Pfarrer Theodor Projahn berichtete im August, dass ihm der Anstaltsleiter die Abhaltung von Gottesdiensten und Sprechstunden verboten habe.271 Er habe sich dabei auf eine mündliche Anweisung bezogen, die ihm auf einer Arbeitsbesprechung der HVDVP am 14. August in Erfurt erteilt worden sei. Zugleich habe der Anstaltsleiter gegenüber Projahn betont, dass das Verbot nicht als Maßnahme gegen Religion bzw. die Kirchen zu werten sei. Vielmehr sei diese Verfügung aufgrund von Verfehlungen des Personals in den Untersuchungshaftanstalten entstanden, die während der Gottesdienste Unterhaltungen, Tauschhandel und Durchstechereien geduldet hätten, teils aber auch selbst darin verwickelt gewesen seien. In Neuruppin wurde das ehemalige Gerichtsgefängnis nach der Übernahme durch die HVDVP zur volkspolizeilichen Untersuchungshaftanstalt. Als der dort zuständige Gefängnisseelsorger Reinhold Bittkau aus dem Urlaub zurückkehrte, wurde er von einer neuen Gefängnisleitung über die Aufhebung seines Vertrages mit der Haftanstalt in Kenntnis gesetzt: „Ich habe nun im Gefängnis nicht mehr Rechte als irgendein anderer. Ich darf nur dann einen Gefangenen ansprechen, wenn ich in Verhandlung mit dem zuständigen Staatsanwalt die Sprecherlaubnis erwirkt habe. Und die Unterredung mit dem Gefangenen darf dann auch nur in Gegenwart eines Volkspolizisten sein, was für den Gefangenen wie für den Pastor sehr genierlich ist und ein freies einander sich geben ausschließt. Die Entschädigung von 50–7 = 43,– DM, die ich monatlich vom Gefängnis erhielt, ist ab dem 1. Juli selbstverständlich auch hinfällig geworden. Trotzdem will ich möglichst alle 14 Tage wie bisher den Gefangenen mit einem Gottesdienst zur dienen suchen. […] Die Leitung liegt einseitig bei der Vo.Po. Für die Psyche des Gefangenen ist da wenig Verständnis zu erwarten.“272
271 Vgl. Theodor Projahn, Schreiben an das Konsistorium in Magdeburg, Bollstedt, 18. 8. 1952 (AKPS Magdeburg, Rep. A, Rep. gen., 221 g, o. Pag.). Hier auch das Folgende. 272 Reinhold Bittkau, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, 11. 9. 1952 (EZA Berlin, 4/732, o. Pag.).
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Auch das Konsistorium der EKKPS informierte die Kirchenkanzlei im September 1952 über zahlreiche Einschränkungen der Gefängnisseelsorge in den Haftanstalten ihres Gebietes, die mit Sicherheit auf die Übernahme der HVDVP zurückzuführen seien. In Burg, Stendal, Magdeburg, Wernigerode und Haldensleben sei der kirchliche Dienst völlig unterbunden worden. In anderen Haftanstalten habe die HVDVP die Anzahl der monatlichen Gottesdienste eingeschränkt und Order erlassen, dass Einzelgespräche nur noch im Beisein eines Beamten erlaubt seien.273 In der Kirchenkanzlei und in den östlichen Landeskirchen schob man diese Verschlechterungen zunächst auf die in der Schwebe befindliche Organisation der Gefängnisseelsorge,274 tatsächlich jedoch handelte es sich um Auswirkungen erster Umstrukturierungen bei der HVDVP, die lediglich die Untersuchungsgefängnisse betrafen, wie Behm und Grüber am 12. September 1952 während einer Besprechung über eine abschließende Regelung der Gefängnisseelsorge von Generalinspekteur Mayer, Inspekteur Siegemund und Kommandeur Heinrich Mehner von der HVDVP mitgeteilt wurde.275 Die von der HVDVP bei der Übernahme der Untersuchungshaftanstalten zum 1. Juli des Jahres vorgefundenen Missstände seien derart gravierend gewesen, dass man das Sicherheitskonzept für die Untersuchungshaft von Grund auf hätte ändern müssen. Ziel sei es nun, die Untersuchungshaft möglichst kurz zu halten und dann die gesetzmäßig Verurteilten schnellstmöglich in den ordentlichen Strafvollzug zu überführen.276 Während der Dauer der Untersuchungshaft bestehe jedoch kaum die Möglichkeit für Gottesdienste und seelsorgerliche Gespräche, wobei nach den bisher gemachten Erfahrungen diese in den Untersuchungshaftanstalten auch nicht verlangt werden würden. Man bat die Kirche um Geduld im Blick auf die im Zuge der Verwaltungsreform anfallenden Umstrukturierungen, von denen leider auch die Gefängnisseelsorge betroffen sei. Nach deren Abschluss erhoffe man sich jedoch eine für die HVDVP wie auch die Kirche annehmbare Lösung. Superintendent Zachau fasste die seit Jahresmitte 1952 festzustellenden Entwicklungen betreffend die Untersuchungshaftanstalten in einem Schreiben vom 17. September 1952 an die Kirchenkanzlei so zusammen: „Die von den Gefängnisgeistlichen eingegangenen Berichte lassen erkennen, dass es sich bei den neuerlichen Einschränkungen der Gefängnisseelsorge nicht um die eigentlichen Strafanstalten, sondern um Untersuchungshaftanstalten handelt. 273 Vgl. Konsistorium der EKKPS, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Magdeburg, 9. 9. 1952 (EZA Berlin, 4/732, o. Pag.). Hier auch das Folgende. 274 Vgl. o. Vf., Bericht über die Referentenbesprechung vom 27. 3. 52 in der Kirchenkanzlei (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 g, o. Pag.). 275 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Gesprächsnotiz, Berlin, 13. 9. 1952 (EZA Berlin, 4/732, o. Pag.). Hier auch das Folgende. 276 Die ab Oktober 1952 in der DDR geltende Strafprozessordnung bestimmte tatsächlich, dass der Zeitraum vom Eingang der Anklageschrift bis zur Verhandlung vier Wochen nicht überschreiten dürfe (vgl. Werkentin, Strafjustiz, 65).
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Hier liegen demnach zentrale Verfügungen vor, die darauf abzielen, dass nicht nur die Einzelseelsorge, sondern auch die Abhaltung von Gottesdiensten nicht mehr stattfinden soll. Damit würde eine bisher noch unbeanstandet gebliebene kirchliche Arbeit in den Gefängnissen ein Ende finden. Soweit wir sehen, ist nach der Verfassung der DDR die Seelsorge in den ,Strafanstalten‘ gewährleistet. Dieser Begriff wird dahin ausgelegt werden müssen, dass es sich um die sogenannten ,Strafvollzugsanstalten‘ handelt, also diejenigen Gefängnisse, in denen Verurteilte ihre Strafe abbüssen, nicht aber um die Haftanstalten, in denen sich Untersuchungsgefangene befinden.“277
Diese Einschätzung Zachaus bestätigte der am 1. Dezember 1952 durch die HVDVP präsentierte Vorläufer der schließlich am 3. Juli 1953 verabschiedeten „DO für die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten“, welche bereits dem Titel nach die Untersuchungshaftanstalten aus dem Geltungsbereich ausschloss.
4. Die Dienstordnung für die Seelsorge in den Strafvollzugsanstalten vom 3. Juli 1953 4.1 Entstehungsprozess und Inhalt Im November 1951 setzten auf der kirchlichen Seite erste Überlegungen für die Ausarbeitung einer DO als zukünftigem Fundament für die Zusammenarbeit der evangelischen Landeskirchen und der HVDVP auf dem Gebiet der Gefängnisseelsorge ein.278 Anlass dafür war die im Strafvollzug völlig unterschiedliche Handhabung der Seelsorge durch die Anstaltsleitungen, die in der Regel nicht über Art und Umfang der erlaubten Seelsorge informiert waren und diese oftmals mit einem Verweis auf die dadurch entstehenden Sicherheitsrisiken verweigerten.279 Auch die HVDVP zeigte sich an einer grundsätzlichen Regelung der Gefängnisseelsorge interessiert und ließ Grüber im Januar 1952 durch Mund ausrichten, dass „die Kirchenleitung eine verbindliche DO für die Strafanstaltsseelsorger erlassen solle, deren Bestätigung oder evtl. Änderung sich die VP Führung vorbehält.“280 Die Aufforderung der HVDVP wurde auf der KOK vom 9. Januar 1952 zur Diskussion gestellt und
277 Johannes Zachau, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 17. 9. 1952 (EZA Berlin, 4/732, o. Pag.). 278 Vgl. Johannes Zachau, Schreiben an die Kirchenkanzlei, 12. 11. 1951 (EZA Berlin, 4/732, o. Pag.); Gerhard Säuberlich, Niederschrift, Eisenach, 13. 11. 1951 (LKA Eisenach, A 520-4). 279 Vgl. Gerhard Säuberlich, Niederschrift, Eisenach, 13. 11. 1951 (LKA Eisenach, A 520-4). 280 Hans-Joachim Mund, Bericht, 5. 1. 1952, Berlin (BStU Berlin, MfS, AP 20375/92, Bl. 76).
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schließlich die Kirchenkanzlei mit der Abfassung einer DO und deren Einreichung beim MdI beauftragt.281 Bereits am 1. Februar 1952 übersandte der Leiter der Kirchenkanzlei ErnstViktor Benn einen ersten Entwurf der DO an Grüber sowie – zur Information und Genehmigung – an die leitenden Verwaltungsstellen der östlichen Gliedkirchen.282 Dabei handelte es sich um ein strukturell und inhaltlich völlig neuartiges Dokument: Die Kirchenkanzlei hatte auf Rückgriffe und auf Anleihen bei älteren Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche verzichtet und stattdessen eine DO entworfen, in deren Mittelpunkt die Rechte und Pflichten des Gefängnisseelsorgers, die religiöse Freiheit der Inhaftierten, aber auch die unbedingte Loyalität des Seelsorgers gegenüber der Anstaltsleitung standen. Dabei zeichnete sich das elf Punkte umfassende Dokument durch sorgsame und präzise Formulierungen aus, die wenig Interpretationsspielraum boten und somit den Erfahrungen mit der DA zur Gefängnisseelsorge von 1947 Rechnung trugen. Die Inhalte des Dokuments belegen zudem, dass hier eine gesamtdeutsche Kirche selbstbewusst agierte, die sich vor dem Hintergrund der in der Verfassung der DDR verankerten Religionsfreiheit und ihres Rückhalts in der Gesellschaft in der Rolle eines starken Verhandlungspartners sah. So hieß es unter Punkt eins: „Aufgabe eines Seelsorgers an den Haftanstalten in dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik ist es, sich aller Gefangenen seiner Anstalt seelsorgerlich anzunehmen. Hierbei ist kein Unterschied zu machen zwischen Häftlingen, die nach Befehl 202 [sic; gemeint war Befehl 201 – SiSt] und denen, die wegen krimineller Vergehen einsetzen [sic]. Die geistliche Betreuung erstreckt sich auch über Häftlinge in Untersuchungshaft, namentlich wenn mit einer längeren Dauer zu rechnen ist.“
Punkt zwei regelte die Berufung der Gefängnisseelsorger durch die Landeskirchen. Punkt drei besagte, dass „der Geistliche […] dafür Sorge zu tragen“ habe, „daß sonntäglich oder, wo dies undurchführbar ist, alle 14 Tage ordentlicher Gottesdienst stattfindet.“ Weiterhin habe der Geistliche bei den zuständigen Behörden darauf hinzuwirken, dass die Gefangenen rechtzeitig über Zeit und Ort der Gottesdienste informiert würden und dass der für den Gottesdienst vorgesehene Raum dem Anlass entsprechend würdig gestaltet sei. Die Pfarrer hatten die Anstaltsleitungen zudem zur Aushändigung der Gebets- und Gesangbücher an die Gefangenen aufzufordern und darauf zu achten, dass sich Gottesdienste und kulturelle Angebote (darunter fielen Kinovorführungen oder Vorträge) zeitlich nicht überschnitten. Punkt 4 be281 Vgl. o. Vf., Punkt 4 des Protokolls der 27. KOK, 9. 1. 1952 (AKPS Magdeburg, Rep. gen., 221 g, o. Pag.). 282 Vgl. Ernst-Viktor Benn, Dienstanweisung (Entwurf), Berlin, 1. 2. 1952 (EZA Berlin, 4/732, o. Pag.). Hier auch das Folgende.
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stimmte, dass auch Sakramentsgottesdienste zu den ordentlichen Gottesdiensten zählten. Unter Punkt 5 wurden die Geistlichen dazu angehalten, keinerlei Fragen außerhalb des geistlichen Kontextes zu beantworten. Die Geistlichen hatten allen Gefangenen der evangelischen Konfession zu dienen (Punkt 6), wobei es anzustreben sei, das seelsorgerliche Gespräch, gemäß der kirchlichen Ordnung, ohne Zeugen durchzuführen (Punkt 7). In Punkt acht war festgelegt, dass der Seelsorger erkrankte Gefangene besuchen und dafür Sorge tragen müsse, dass ihm lebensgefährlich Erkrankte gemeldet würden. Die Pflicht zur Anwesenheit des Geistlichen bei der Vollstreckung der Todesurteile und die vorherige Betreuung der Delinquenten, sofern durch diese gewünscht, bestimmte Punkt neun. Schließlich sollten die Geistlichen für die Versorgung der Gefangenen mit „geeignetem Schrifttum“ zuständig und beim Ausbau der Anstaltsbibliothek beratend tätig sein (Punkt 10). Darüber hinaus waren die Gefängnisseelsorger zu einem strikt loyalen Verhalten gegenüber den Anstaltsleitungen und der „Beobachtung der allgemeinen Ordnungen des Anstaltsbetriebes“ angehalten (Punkt 5) und sollten zudem perpflichtet sein, sich einer politischen Überprüfung durch die staatlichen Stellen zu unterziehen (Punkt 2). Vor der Weiterleitung an die HVDVP hatte Propst Grüber den Entwurf der Kirchenkanzlei in Kooperation mit Mund als hauptamtlich-leitendem staatlichem Gefängnisseelsorger in der DDR noch einmal in geringem Maße abgeändert.283 So hatte er Artikel 3 um die Pflicht des Seelsorgers ergänzt, dafür Sorge zu tragen, dass in den Krankenabteilungen der Haftanstalten regelmäßig auf die Möglichkeit des seelsorgerlichen Beistands aufmerksam gemacht wurde, und den unter Punkt 6 aufgeführten seelsorgerlich zu betreuenden Personenkreis auch auf jene ausgeweitet, die zwar aus der Kirche ausgetreten waren, die Seelsorge aber trotzdem in Anspruch nehmen wollten. In Punkt 8 war durch Grüber der Passus über die Verantwortlichkeit des Geistlichen dafür, dass er über lebensgefährlich Erkrankte informiert wurde und Zutritt zu den Sterbenden bekam, entfernt worden. Weiterhin hatte Grüber die Regelung zur beratenden Funktion des Geistlichen beim Ausbau der Anstaltsbibliothek gestrichen und ergänzt, dass die durch den Seelsorger zu verteilende erbauliche Literatur durch die HVDVP genehmigt werden müsse. In dieser Form sandte Grüber den Entwurf als Verhandlungsbasis am 13. Februar 1952 an die HVDVP, wobei er zugleich um die Möglichkeit bat, diesen in den Räumen der Kirchenkanzlei noch ausführlich zu erläutern.284 Die Reaktionen der Landeskirchen auf den von der Kirchenkanzlei initiierten Entwurf der DO waren überwiegend positiv. In Thüringen wurde dieser durch den Strafanstaltsseelsorger-Konvent überprüft und gebilligt. Lediglich das unter Punkt zwei gemachte Zugeständnis einer politischen Überprüfung 283 Vgl. Heinrich Grüber, Schreiben an Walter Zimmermann, Berlin, 18. 2. 1952 (EZA Berlin, 4/ 732, o. Pag.). 284 Vgl. ders., Schreiben an die HVDVP, Berlin, 13. 2. 1952 (EZA Berlin, 103/101, Bl. 11).
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der Seelsorger wurde kritisiert. Eine Überprüfung würde in der Praxis zwar nicht zu vermeiden sein, jedoch solle die Kirche diese nicht schon von sich aus anbieten, kommentierte OKR Säuberlich.285 Auch die Sächsische Landeskirche befand den Entwurf als zufriedenstellend und hoffte auf die Zustimmung der HVDVP.286 Von der EKKPS erreichte die Kirchenkanzlei ein vom dortigen Konvent der Gefängnisseelsorger am 20. Oktober 1952 ausgearbeitetes dreiseitiges Schreiben mit „Änderungsvorschlägen, Anregungen und Hinweisen zu dem von der Kirchenkanzlei der EKiD vorgelegten Entwurf“, die auf die Aufrechterhaltung von Maximalforderungen hinausliefen.287 Insbesondere bestanden die Absender – ungeachtet der diesbezüglich vollständig anderslautenden Entwicklungen bereits seit den späten 1940er Jahren – auf der nachgehenden Seelsorge für alle Insassen, da dies dem missionarischen Auftrag der Kirche Rechnung trage. Von Seiten der HVDVP kam es zunächst zu keiner Reaktion auf den Entwurf der Kirchenkanzlei, so dass die Verhandlungen um die Organisation der Gefängnisseelsorge ins Stocken gerieten. Zu den von Mayer zugesicherten Verhandlungen über die DO kam es nicht. Stattdessen legte Mund am 1. Dezember 1952 in den Räumen der Kirchenkanzlei einen Gegenentwurf einer DO – verfasst im Hause der HVDVP – vor.288 Die Akten der HVDVP enthalten auch den Entwurf einer vom 28. November datierenden, mit dem Kürzel Munds versehenen DO.289 Dieser Entwurf regelte jedoch nur die Arbeit der hauptamtlich im Dienst der HVDVP stehenden Strafanstaltsgeistlichen, die – so erläutert unter Punkt 1 – Angestellte, aber nicht Angehörige der VP seien. Vergleicht man diese interne DO mit jener, die den Kirchenvertretern ausgehändigt wurde, fällt allerdings auf, dass sich die Dokumente in den wesentlichen Punkten gleichen. Dieser Befund bedeutet, dass die HVDVP den von Mund für die hauptamtlichen, staatlichen Gefängnisseelsorger ausgearbeiteten Entwurf als Basis für ein generelles Regularium für die Gefängnisseelsorge herangezogen, den von der Kirchenkanzlei im Februar eingereichten Entwurf aber vollständig ignoriert hatte. Ob bei der HVDVP überhaupt jemals die Bereitschaft bestanden hat, den kirchlichen Entwurf oder auch nur einzelne Anregungen hieraus in die neue DO zu übernehmen, darf bezweifelt werden. Die offensichtlich auf Mund zurückgehende DO der HVDVP gliederte sich in drei Teile. Teil 1 regelte das Dienstverhältnis und enthielt das Verbot der Nachrichtenübermittlung aus dem Gefängnis heraus. Verboten wurde eben285 Vgl. Gerhard Säuberlich, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Eisenach, 21. 2. 1952 (EZA Berlin, 4/732, o. Pag.). 286 Vgl. Gottfried Knospe, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Dresden, 18. 2. 1952 (EZA Berlin, 4/ 732, o. Pag.). 287 Konvent der Gefängnisseelsorger der EKKPS, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Magdeburg, 20. 10. 1952 (AKPS Magdeburg, Rep A, Gen. 221 g, o. Pag). 288 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Aktennotiz, Berlin, 4. 12. 1952 (EZA Berlin, 4/732, o. Pag.). 289 Vgl. August Mayer [Hans-Joachim Mund], Dienstordnung, Berlin, 28. 11. 1952 (BArch Berlin, DO 4/11/1572, Bl. 139 f.). Hier auch das Folgende.
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falls die Überbringung von Gegenständen, Genuss- und Lebensmitteln an die Gefangenen. Teil 2 enthielt Vorschriften zur Abhaltung der Gottesdienste und Teil 3 Regelungen für die Sprechstunden. Das Dokument war knapp gehalten und fasste die Arbeit der Geistlichen auf nur einer Seite zusammen. Die Anzahl der Gottesdienste wurde auf zwei pro Monat – zuzüglich der anstehenden Festtagsgottesdienste – beschränkt. Sprechstunden sollten nur im Beisein eines VP-Angehörigen und nach einer entsprechenden vorherigen Interessenbekundung der Inhaftierten stattfinden. Für einen Gottesdienst auf der Krankenstation mussten mindestens zehn Interessensbekundungen von Inhaftierten vorliegen. Gespräche und Gottesdienste hatten sich auf religiöse und persönliche Themen zu beschränken. Politische Inhalte waren zu vermeiden, ein Gespräch über das Urteil und Rechtsfragen allgemein war nicht gestattet. Taufen und Konfirmationen waren erlaubt, mussten jedoch durch die HA Strafvollzug genehmigt werden. Im Unterschied zu der im Frühjahr 1947 von der SMAD genehmigten DA, die unter § 5, welcher die Einzelgespräche regelte, noch den konkreten Begriff der „Beichte“ enthalten hatte, wurden die Treffen von Gefangenem und Seelsorger in der DO von 1953 als „Sprechstunden“ bezeichnet, die durch den Gefangenen gewünscht und beantragt werden mussten. Diese terminologische Verschiebung war Ausdruck einer weitreichenden Veränderung, insofern die mit dem Begriff Beichte verbundene Konnotation eines vertraulichen Gesprächs unter vier Augen hiermit aufgeweicht und das vertrauliche Gespräch zwischen Seelsorger und Inhaftiertem ersetzt wurde durch ein von der Vollzugsanstalt kontrolliertes Gespräch. Diese Veränderung stellte einen der massivsten Einschnitte in die Gefängnisseelsorge, wie sie durch die DO von 1953 manifestiert wurden, dar. Mit dem Inkrafttreten der DO wurde das unter Aufsicht stehende seelsorgerliche Einzelgespräch in den Gefängnissen der DDR Standard, lediglich bei den drei staatlichen Gefängnisseelsorgern Mund, Bluhm und Giebeler wurden Ausnahmen gemacht. 4.2 Kirchliche Reaktionen Obwohl die HVDVP grundlegenden Forderungen der Kirchen nicht nachgekommen war, betonten die Beauftragten der Kirchenkanzlei Mund gegenüber, dass man das von der HVDVP vorgelegte Dokument trotz der darin enthaltenen Unzulänglichkeiten als Fortschritt betrachte.290 Bereits am 4. Dezember 1952 sandte die Kirchenkanzlei die DO an die östlichen Landeskirchen zur Kenntnis und bat um Stellungnahme.291 Dabei riet sie zugleich, den beigefügten Entwurf vorerst zu akzeptieren, da dieser trotz der drei zu konstatie290 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Aktennotiz, Berlin, 4. 12. 1952 (EZA Berlin, 4/732, o. Pag.). 291 Vgl. Bernhard Karnatz, Schreiben an die Leitungen der östlichen Landeskirchen, Berlin, 4. 12. 1952 (EZA Berlin, 4/732 o. Pag.). Hier auch das Folgende.
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renden Hauptkritikpunkte – dem Ausschluss der Untersuchungsgefangenen von der Gefängnisseelsorge, der Anwesenheit eines Beamten der VP beim seelsorgerlichen Einzelgespräch und der verweigerten Hinzuziehung von Geistlichen bei Begräbnissen – einige Verbesserungen für die seelsorgerliche Arbeit in den Strafanstalten beinhalte. Es sei ohnehin geplant, nach dem Eingang der Reaktionen der Landeskirchen Einspruch gegen den Entwurf zu erheben. Während die Thüringische Kirche den Entwurf trotz der darin enthaltenen Probleme begrüßte und ihn, ganz im Sinne der Kirchenkanzlei, „als brauchbares Instrument, um die Gefängnisseelsorge für die nächste Zeit in geordnete Bahnen zu bringen“, wertete,292 reagierte die Sächsische Landeskirche mit harscher Kritik. Vehement sprach sich das Dresdner LKA gegen die Bitte der Kirchenkanzlei aus, den beigefügten Entwurf als Verhandlungsbasis zu billigen: „Gegen die Bitte, die Kirchenleitungen möchten unter den angeführten Vorbehalten den vorgelegten Entwurf akzeptieren, haben wir jedoch erhebliche Bedenken. Wir glauben der Kanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland mit Rücksicht auf die angekündigten und unserer Meinung nach auch sehr nötigen weiteren Verhandlungen einen besseren Dienst tun zu können, wenn wir dem Entwurf aus den von der Kanzlei selbst angeführten Gründen unsere Zustimmung versagen und sind der Meinung, daß die betroffenen Gliedkirchen sich dieser Stellungnahme der sächsischen Landeskirche anschließen sollten, damit der Hauptverwaltung der Deutschen Volkspolizei gegenüber erklärt werden kann, daß die Kirche den in dem Entwurf der DO enthaltenen verfassungswidrigen Einschränkungen nicht zustimmen kann.“293
Auch die EKKPS und die Schlesische Kirche formulierten auf der Sitzung der KOK am 7. Januar 1953 Bedenken, worauf Verhandlungen mit der HVDVP unter Beteiligung von Vertretern des Dresdner LKA und des Magdeburger
292 Trotz der grundsätzlichen Zustimmung zum Vorgehen der Kirchenkanzlei bezüglich des Entwurfs der DO durch die HVDVP sparte auch die Thüringer Landeskirche nicht mit Kritik. Der Landeskirchenrat hatte den Entwurf mit den Seelsorgern der Vollzugsanstalten Gera, Gräfentonna, Ichtershausen und Untermaßfeld ausführlich diskutiert und fügte dem Schreiben eine Reihe von Formulierungs- und Verbesserungsvorschlägen bei. So riet man etwa, die verwendeten Begrifflichkeiten „seelsorgerlichen Belange“ und „persönliche und religiöse Anliegen des Gefangenen“ näher auszuführen, da außer Frage stünde, dass diese von Kirche und HVDVP inhaltlich unterschiedlich definiert werden würden. Auch die Regelung für das Ausleihen von religiösen Schriften bedürfe einer Verbesserung. So müsse erreicht werden, dass eine Bibel, die Losungen und das Gesangbuch dauerhaft in den Besitz des Gefangenen übergingen. (Vgl. Schreiben an die Kirchenkanzlei, Eisenach, 30. 12. 1952, EZA Berlin, 4/732, o. Pag.). 293 Gottfried Knospe, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Dresden, 5. 1. 1953 (LKA Dresden, 2/317, 193).
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Konsistoriums beschlossen wurden,294 die dann am 24. Januar 1953 in der Bischofstraße 6/8, dem Sitz der Kirchenkanzlei, von 10.00 Uhr bis 14.45 Uhr auch stattfanden. Die drei über diese Verhandlung existierenden Berichte, jeweils eine knappe Seite umfassend,295 fallen angesichts der Gesprächsdauer von beinahe fünf Stunden auffällig kurz aus. Sie belegen als Teilnehmende Landeskirchenrat Knospe (Dresden), Kirchenrat Schaper (Magdeburg), OKR Behm (Kirchenkanzlei Berlin), Superintendent Zachau (Evangelisches Hilfswerk Berlin) und als Beauftragten der HVDVP Mund. Behm hält in seinem mit „Vermerk“ überschriebenen Bericht lediglich fest, dass die Kirche dem von der HVDVP vorgelegten Entwurf nicht zustimme, „sondern ihn nur hinnehmen kann und betrachten kann als eine vorläufige Arbeitsgrundlage, nach der wir zu verfahren bereit sind, bis die grundsätzlichen Einwände behoben sind. Dementsprechend wird die KK an die HVDVP schreiben.“296
Etwas ausführlicher waren die Aufzeichnungen von OLKR Knospe. Laut seiner „Niederschrift“ beharrten die Kirchen gegenüber Mund auf der Seelsorge in den Untersuchungshaftanstalten, auf dem unbeaufsichtigten Einzelgespräch und auf der Mitwirkung bei den Beerdigungen Gefangener. Gemäß den Ausführungen Knospes wurde die DO Punkt für Punkt durchgesprochen und um genaue Formulierungen gerungen. Letztendlich habe Knospe selbst der DO nur deshalb zugestimmt, da ihm „überzeugend dargetan wurde, daß die Frage der Zulassung der Seelsorge in den Untersuchungshaftanstalten in der vom Staat vorgelegten DO weder bejaht noch verneint worden ist, sodass man um ihretwillen die DO nicht von vorneherein ablehnen solle, sondern in der Sache der Seelsorge an den Untersuchungshaftanstalten weiter verhandeln müsse.“297
Im Gegensatz dazu enthält der von Mund verfasste Bericht Hinweise, dass es während der Verhandlungen zu erheblichen Konflikten gekommen war. Erst nach längerer Aussprache und Vermittlung durch Superintendent Zachau hatten die zunächst vehement opponierenden Vertreter der Landeskirchen sich davon abbringen lassen, die DO vollständig abzulehnen – aus der Erwartung und dem Anspruch heraus, dass sich „die Forderung nach Seelsorge von ,unten her‘ von Seiten der Strafgefangenen und ihrer Angehörigen ge-
294 Vgl. o. Vf., Auszug aus dem Protokoll der 31. KOK vom 7. 1. 1953, o. Ort (AKPS Magdeburg, Rep. A, gen. 221 b). 295 Vgl. Hans-Joachim Mund, Bericht, Berlin, 29. 1. 1953 (BArch Berlin, DO 4/11/1572, Bl. 162); Hans-Jürgen Behm, handschriftlicher Vermerk, Berlin, 30. 1. 1953 (EZA Berlin, 4/732, o. Pag.); Gottfried Knospe, Niederschrift, 6. 2. 1953, o. Ort (LKA Dresden, 2/339, Bl. 7). 296 Hans-Jürgen Behm, handschriftlicher Vermerk, Berlin, 30. 1. 1953 (EZA Berlin, 4/732, o. Pag.). 297 Gottfried Knospe, Niederschrift, Dresden, 6. 2. 1953 (LKA Dresden, 2/339, Bl. 7).
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genüber dem Staat durchsetzen soll.“298 Eine Bemerkung, die darauf hindeutet, dass die Landeskirchenvertreter grundsätzliche Kritik am Top-downAgieren der Kirchenkanzlei in Sachen Gefängnisseelsorge in der DDR vorgebracht hatten. Am 5. Februar 1953 erkannte die Kirchenkanzlei die von der HVDVP entworfene DO offiziell an.299 Sie tat dies mit der Zustimmung aller östlichen Landeskirchen, unterstrich jedoch in ihrem Schreiben an die HVDVP, dass sie den Entwurf lediglich als vorläufige Arbeitsgrundlage ansähe und akzeptiere, da die DO wesentliche Aufgaben, die der Kirche aus ihrem Auftrag entstünden, „nicht in der erforderlichen Weise berücksichtige“. Diese Bemerkung bezog sich auch hier auf den Ausschluss der Untersuchungshaftanstalten aus der seelsorgerlichen Betreuung, auf die Verweigerung von Sprechstunden ohne Anwesenheit eines Vollzugsbeamten sowie auf fehlende Regelungen für die Heranziehung von Seelsorgern bei Begräbnissen, was dem generellen Verbot kirchlicher Mitwirkung bei Bestattungen gleichkam. Die Kirchenkanzlei versah den Entwurf der HVDVP mit einigen wenigen Korrekturen stilistischer Art und bat um umgehende Antwort, damit die Angelegenheit zum Abschluss gebracht werden könne. Doch erst im Sommer 1953 erfuhr die DO erneut Beachtung durch die HVDVP.300 Am 10. Juni 1953, dem Tag der Verabschiedung des Staat-KircheKommuniqu s301 und am Vortag der Verkündung des „Neuen Kurses“ im ,Neuen Deutschland‘, suchte VP-Inspekteur Jauch persönlich Propst Grüber in der Kirchenkanzlei in der Bischofstraße auf. Das Gespräch, an dem neben Jauch und Grüber noch OKR Behm und Superintendent Zachau teilnahmen, belegt eindrucksvoll den unmittelbaren Zusammenhang zwischen den verschiedenen Phasen der Kirchenpolitik und den Bedingungen für die Ausübung der Seelsorge im Strafvollzug.302 Die durch Behm über den Besuch erstellte Aktennotiz lässt auf einen insgesamt konstruktiven Gesprächsverlauf schließen. Die Kirchenvertreter konnten im Gespräch erneut deutlich machen, dass die Kirche die am 1. Dezember 1952 durch die HVDVP vorgelegte DO nur als „eine vorläufige Arbeitsgrundlage“ anerkannte und die Einwände gegen diese in vollem Umfange aufrechterhielt, obwohl die von der Kirchenkanzlei bereits im Februar angeforderte schriftliche Reaktion von Seiten der HVDVP auf diese kirchliche Positionierung bisher nicht erfolgt war.303 Inspekteur 298 Hans-Joachim Mund, Bericht, Berlin, 29. 1. 1953 (BArch Berlin, DO 4/11/1572, Bl. 162). 299 Vgl. Friedrich Wilhelm Krummacher, Schreiben an die HVDVP, Berlin, 5. 2. 1953 (EZA Berlin, 4/732 o. Pag.). Hier auch das Folgende. 300 Vgl. Kap. C, Anm. 18. 301 Zum Kommuniqu vom 10. 6. 1953 vgl. Besier, SED-Staat, 125–139; Goerner, Kirche, 119–124; Kçhler, Pontifex, 111–116. 302 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Aktennotiz, Berlin, 11. 6. 1953 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). Hier auch das Folgende 303 Vgl. dazu das am 5. 2. 1953 durch Krummacher an die HVDVP gesandte Schreiben, in welchem der Standpunkt der Kirchenkanzlei sowie die Hauptkritikpunkte mitgeteilt wurden (Friedrich
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Jauch versprach, sich in der Angelegenheit für eine zustimmende Antwort aus dem Hause der HVDVP einzusetzen, damit die Kirche endlich eine Arbeitsgrundlage für die Gestaltung der Seelsorge im Strafvollzug habe.304 Neben der Regelung der immer wieder benannten drei strittigen Punkte galt es zu diesem Zeitpunkt, Richtlinien für die Durchführung des Abendmahls zu finden. Denn während die Kirchen Abendmahlgottesdienste im Strafvollzug als den Regelfall durchsetzen wollten, beharrte die HVDVP zunächst darauf, das Abendmahl lediglich im Rahmen von Festtagsgottesdiensten zuzulassen.305 Im weiteren Verlauf des Gesprächs stimmte Jauch auch der seelsorgerlichen Betreuung von Arbeitskommandos durch die örtlichen Kirchengemeinden zu und zeigte sich in weiteren Punkten, wie z. B. der Versorgung der Untersuchungsgefangenen mit Bibeln, kooperativ.306 Offen bleiben muss, ob die Kirchenvertreter die gemäß dem ersten Absatz der DO nun verpflichtende Bestätigung des Gefängnisseelsorgers sowie die Regelung von dessen Urlaubs- und Krankheitsvertretungen durch die HA Strafvollzug ansprachen. Expliziet erwähnt ist die in Absatz 1 festgelegte, weitreichende und die Gefängnisseelsorge existentiell bedrohende Bedingung weder im Aktenvermerk Behms noch im thematisch dazugehörigen Schriftverkehr. Angesichts der weiteren Entwicklungen ist zu schlussfolgern, dass die Kirchenkanzlei die grundsätzliche Kooperationsbereitschaft der HVDVP hinsichtlich der Realisierung der den Insassinnen und Insassen der StVA verfassungsmäßig garantierten Gefängnisseelsorge deutlich zu positiv einschätzte. Am 26. Juni berichtete Mund der Kirchenkanzlei, dass die HVDVP nun bereit sei, die DO für verbindlich zu erklären und nach erfolgter Unterzeichnung durch je einen Vertreter der HVDVP und der Kirchenkanzlei an die Haftanstalten zu senden.307 Tatsächlich wurde die DO308 am 3. Juli von OKR Erich Grauheding und Generalinspekteur August Mayer unterschrieben und noch am gleichen Tag an die östlichen Landeskirchen versandt.309 Auch auf der Besprechung der Referenten der Landeskirchen am 16. Juli 1953 in den Räumen der Kirchenkanzlei wurden Kopien der DO verteilt und die Anwesenden durch OKR Grauheding über den Fortgang der Verhandlungen informiert. Die offizielle Verlautbarung war, dass man versuchen wolle, mehr Möglichkeiten
304 305 306 307 308 309
Wilhelm Krummacher, Schreiben an die HVDVP, Berlin, 5. 2. 1953, EZA Berlin, 4/732 o. Pag.). Vgl. Hans-Jürgen Behm, Aktennotiz, Berlin, 11. 6. 1953 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). Gemäß der am 3. 7. 1953 verabschiedeten Dienstanweisung waren dann die Gottesdienste „in der Regel als Abendmahlsgottesdienste“ durchzuführen. Hans-Jürgen Behm, Aktennotiz, Berlin, 11. 6. 1953 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). Vgl. o. Vf., Aktenvermerk, Berlin, 26. 6. 1953 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). Vgl. o. Vf., Dienstordnung, Berlin, 3. 7. 1953 (EZA Berlin, 103/102, o. Pag.). Vgl. Dok. 4 im Anhang. Vgl. Erich Grauheding, Schreiben an die Verwaltungsstellen der östlichen Gliedkirchen, Berlin, 3. 7. 1953 (EZA Berlin,103/102, Bl. 12).
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für die Seelsorge zu erreichen, jedoch zeigte sich Grauheding an diesem Punkt deutlich pessimistisch und meinte, es werde wohl auch künftig bei den in der DO vereinbarten Regelungen bleiben. Als Gewinn könne man allenfalls verbuchen, dass die Geistlichen nun bei den Anstaltsleistungen die zugesicherten Rechte auf Basis der DO einfordern könnten.310 Im November 1953 – also vier Monate, nachdem die Kirchen der DO vorläufig und unter großen Vorbehalten zugestimmt hatten, – erging eine von Mayer als stellvertretendem Chef der VP unterzeichnete Instruktion an die Leitungen der Strafvollzuganstalten, Haftarbeitslager, Haftkrankenhäuser und Jugendhäuser.311 Der erste Teil des Dokuments enthielt die im Juli des Jahres in Kraft getretene DO für die Gefängnisseelsorge, die im Unterschied zu dem von Grauheding und Mayer gemeinsam unterzeichneten Original allerdings einen zusätzlichen elften Punkt umfasste, der ausdrücklich festlegte, dass die Durchführung der Beichte – als Gespräch unter vier Augen – den Anstaltsseelsorgern nicht gestattet sei. Im zweiten Teil wurde der Anwendungsbereich der DO definiert. Demnach galt diese für alle Bereiche des Vollzugs, ausgenommen die Untersuchungshaftanstalten. Weiterhin wurde bestimmt, dass den Geistlichen die DO zur Kenntnis und zur anschließenden Unterschrift vorzulegen sei. Der dritte Teil regelte die Vorbereitung und Durchführung der Gottesdienste. Die Reinigung der Kirche bzw. des für den Gottesdienst bestimmten Raums hatten die Strafgefangenen zu erledigen und einen Tag vor dem Beginn des Gottesdienstes abzuschließen. Die Gefangenen sollten durch ihren Kommandoleiter über ihr Verhalten im Gottesdienst belehrt werden, so war etwa gemeinsames Sprechen nur während der Gebete erlaubt. Der Großteil der hier aufgeführten Instruktionen bezog sich jedoch auf das Verhalten der VP-Angehörigen: Verletzende Bemerkungen bei der Entgegennahme der Meldungen zu den Gottesdiensten und den Sprechstunden hatten tunlichst zu unterbleiben. Beim Aussteilen des Abendmahls bzw. der Kommunion sollten sich die überwachenden Beamten so aufstellen, dass die geistliche Zeremonie nicht gestört wurde. Das Rauchen während des Gottesdienstes war verboten und Bemerkungen über den Gottesdienst und die Predigt hatten zu unterbleiben. Außerdem war es den VP-Angehörigen verboten, sich in das Gespräch zwischen Gefangenen und Geistlichen einzumischen. Der diesem von Mayer unterzeichneten Schreiben inhärente Tonfall, die korrekte Verwendung theologischen Vokabulars und das zum Ausdruck kommende Verständnis für die religiösen Bedürfnisse der Gefangenen sowie das Wirken der Geistlichen stehen in starkem Gegensatz zu sonstigen aus den Unterlagen der HA Strafvollzug stammenden Schreiben und sprechen für die 310 Vgl. o. Vf., Bericht über die Referentenbesprechung vom 16. 7. 1953 in der Kirchenkanzlei, o. Ort (LKA Eisenach, A 520-4, o. Pag.). 311 Vgl. August Mayer, Instruktion SV Nr. xxx/53, Berlin, 13. 11. 1953 (BArch Berlin, DO 1/1559, Bl. 93 f.). Hier auch das Folgende.
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Mitwirkung Munds. Isoliert betrachtet, könnte das Papier zu dem Fehlschluss verleiten, dass zu diesem Zeitpunkt zwischen der HVDVP und den Kirchen ein insgesamt konstruktives und von gegenseitigem Einvernehmen geprägtes Verhältnis herrschte. Hiervon konnte jedoch keine Rede sein. Das Dokument ist vielmehr als Spiegel der kurzfristigen Auswirkungen des seit Juni 1953 in der DDR verfolgten „Neuen Kurses“ auf die Kirchenpolitik zu interpretieren, die auch in der Gefängnisseelsorge für eine vorübergehende Phase der Entspannung sorgte. Im März 1954 kam es zu einem Treffen zwischen Prälat Zinke dem Nachfolger von Bischof Wienken als Leiter des Kommissariats der Fuldaer Bischofskonferenz, OKR Behm von der Kirchenkanzlei und Christa Lewek,312 Referentin der Nuschke unterstehenden und zu diesem Zeitpunkt durch die SED in ihrer Kompetenz und Wirkung bereits stark beschnittenen HA Verbindung zu den Kirchen. Thema war auch hier die seit Juli 1953 in Geltung befindliche DO für die Gefängnisseelsorge. Behm bezeichnete das Dokument im Rahmen des Treffens als „auf die Dauer kirchlich nicht tragbar“313. Es handle sich um eine Mischordnung, in der staatliche Verordnung und kirchliche DO miteinander verflochten seien. Die Anwesenden einigten sich darauf, die von Behm in Vorschlag gebrachte „Entflechtung“ des Dokuments vorerst nicht vorzunehmen. Zunächst müsse es darum gehen, einen Eindruck zu gewinnen, ob das, was den Kirchen in der DO zugestanden worden sei, vor Ort auch umgesetzt werden könne. Zu diesem Zweck gelte es, eine entsprechende Umfrage bei den östlichen Gliedkirchen auf den Weg zu bringen. 4.3 Konfliktpotentiale der Dienstordnung 4.3.1 Bestätigung der Seelsorger durch die Hauptverwaltung der Volkspolizei Die ab dem 3. Juli 1953 in Kraft befindliche DO314 enthielt in verschiedener Hinsicht Konfliktpotential. So hieß es, wie bereits erwähnt, unter Punkt eins, dass die Gefängnisseelsorger ihren Auftrag zum Dienst im Strafvollzug durch die Kirche erhielten, jedoch einer Bestätigung durch die HA Strafvollzug der HVDVP bedurften. Diese Regelung erwies sich rasch als problematisch. Denn unter Berufung auf diese Angabe begann das Anstaltspersonal schon bald nach der Bekanntmachung der DO in den Strafanstalten der DDR, den Zutritt der Seelsorger von einer Bestätigung ihrer Tätigkeit durch die HA Strafvollzug abhängig zu machen. Unmittelbar nach dem Inkrafttreten lag diese zumeist aber noch nicht vor, wodurch Seelsorgenden die vielfach bereits jahrelang in 312 Zu Lewek vgl. Heise, Kompetent. 313 Hans-Jürgen Behm, Aktenvermerk, Berlin, März 1954 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). Hier auch das Folgende. 314 O. Vf., Dienstordnung, Berlin, 3. 7. 1953 (EZA Berlin, 103/102, o. Pag.).
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den Strafanstalten gewirkt hatten, nun der Zutritt verwehrt wurde.315 Das Problem wurde auf der am 6. August 1953 stattfindenden KOK thematisiert, die eine Klärung der Angelegenheit durch die Kirchenkanzlei beschloss.316 Die HVDVP zeigte sich zunächst offen und bat die Kirchenkanzlei, zwecks schnellerer Durchführung der Bestätigungen um die Übersendung eines Verzeichnisses aller in der Strafanstaltsseelsorge tätigen Geistlichen. Die hierfür nötigen Informationen holte die Kirchenkanzlei bei den östlichen Landeskirchen Ende September 1953 ein. Zusätzlich zu jedem Anstaltspfarrer sollten zwei Stellvertreter benannt und ihre Namen zur Bestätigung an die HVDVP gesandt werden. In diesem Zusammenhang bat die Kirchenkanzlei die Landeskirchen ausdrücklich darum, eventuell anstehende personelle Veränderungen nicht mit den Anstaltsleitungen der jeweiligen Haftanstalten zu regeln, sondern diese immer bei ihr anzuzeigen. Die zuständigen Sachbearbeiter würden diese dann bei der HVDVP verhandeln.317 Das Verzeichnis der in der Strafanstaltsseelsorge in der DDR tätigen Geistlichen wurde der HVDVP im Laufe des Novembers übermittelt.318 Es enthielt die Namen und Anschriften aller in der Gefängnisseelsorge Tätigen, die von den Kirchen für die Gefängnisseelsorge berufen worden waren, von denen bisher jedoch nur ein geringer Teil über die Bestätigung durch die HVDVP verfügte. In zwei Verzeichnissen waren 161 Seelsorgerinnen und Seelsorger für die einzelnen Landeskirchen gelistet, davon 28 für Thüringen, zehn für Anhalt, vierzig für die EKKPS, drei für Görlitz, zehn für Mecklenburg319 und siebzig für Sachsen.320 Die im Zuständigkeitsbereich der EKiBB tätigen Seelsorger finden sich in keinem der beiden Verzeichnisse; ihre Namen dürften separat übermittelt worden sein. In einem aktualisierten Verzeichnis 315 Bereits am 1. 8. 1953 berichtete der Anstaltsgeistliche von Gräfentonna, die Anstaltsleitung mache ihm unter Bezug auf den 1. Artikel der DO Schwierigkeiten, da er die dort als verpflichtend erachtete Bestätigung durch die HVDVP nicht vorweisen könne. Aller Voraussicht nach werde er daher den geplanten Gottesdienst am 2. 8. 1953 nicht halten können (vgl. Gerhard Säuberlich, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Eisenach, 1. 8. 1953, LKA Eisenach, A 520-4, o. Pag.). In Bützow-Dreibergen verbot der Anstaltsleiter dem langjährigen Gefängnisgeistlichen Pastor Salzmann die Feier des Abendmahls, da dieser die Bestätigung durch die HVDVP nicht vorlegen konnte (vgl. Oberkirchenrat Schwerin, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Schwerin, 14. 11. 1953, EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). In Halberstadt machte im Oktober 1953 die Gefängnisleitung die Abhaltung der nun durch die DO gesicherten seelsorgerlichen Gespräche ebenfalls von der Bestätigung des Pfarrers Knopf durch die HVDVP abhängig (vgl. Carl Knopf, Sprechstunden, 14. 10. 1953, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 e). 316 Vgl. o. Vf., Ausschnitt aus dem Protokoll der 37. KOK vom 6. 8. 1953 in Berlin (LKA Dresden, 2/339, Bl. 96). 317 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die Verwaltungsstellen der östlichen Gliedkirchen, Berlin, 22. 9. 1953 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). 318 Vgl. Kirchenkanzlei, Schreiben an die HVDVP, Berlin, 23. 11. 1953 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). 319 Vgl. o. Vf., 1. Verzeichnis, 12. 11. 1953 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). 320 Vgl. o. Vf., 2. Verzeichnis, 23. 11. 1953 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.).
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von 1955 werden für Brandenburg 32 Gefängnispfarrer aufgeführt.321 Geht man für die EKiBB von einer annähernd gleich hohen Anzahl an Gefängnisseelsorgern für 1953 aus, hieße dass, dass die HVDVP im November 1953 etwa 200 Gefängnisgeistliche in ihrem Amt zu bestätigen hatte. Dem ging in der Regel eine umfangreichende Prüfung der politischen Zuverlässigkeit der Geistlichen durch die HVDVP voraus, die nicht nur der jeweiligen Anstaltsleitung zuging, sondern auch – wie die folgenden Beispiele zeigen – so weitreichend war, dass eine schelle Bearbeitung der Bestätigungen der durch die Kirche zum Vorschlag gebrachten Seelsorger schon wegen dieser Überprüfung vermutlich unmöglich war. So erstellte die VP beispielsweise über den im thüringischen Gräfentonna als Gefängnisseelsorger tätigen Pfarrer Alfred Kopelke folgende Charakteristik und Einschätzung seiner Eignung für den Dienst im Strafvollzug: „Seit Kopelke in der Gemeinde Gräfentonna tätig ist, hat er sich bisher am politischen sowie gesellschaftlichen Leben noch nie betätigt [sic], seine ganze Arbeit verlagerte er für das neben der Jungen Gemeinde, er hat es verstanden die FDJ im Ort selbst dermassen zu schwächen, dass zur Zeit die FDJ noch 48 Mitglieder zählt gegenüber aber die Junge Gemeinde eine Stärke von 78 Personen zählt. Kopelke selbst geht sogar soweit, dass er die Jugendlichen in der Wohnung aufsucht und mit ihnen diskutiert. Sein Sohn meldete sich vor den Tagen des 17. 06. 1953 aus der FDJ ab. Kopelke selbst wurde durch den Vorsitzenden der Nationalen Front schon einige male [sic] angesprochen, Mitglied des Friedenskommitees zu werden, er gibt aber immer wieder negative Bescheide, sodass er bis zum heutigen Tage noch nicht im Friedenskommitee ist. Ebenfalls versteht er es ausgezeichnet, wenn eine Veranstaltung politischen Sinnes ist, gleichfalls eine kirchliche Veranstaltung durchzuführen, um somit die Veranstaltungen von unseren Blockparteien und Organisationen zu schwächen. Eingang polizeiliche Beurteilung: Von hiesiger Dienststelle kann der Pfarrer Kopelke nicht als Pfarrer einer Strafanstalt vorgeschlagen werden, denn sein ganzes Treiben in der Gemeinde Gräfentonna zeigt, dass er mit der Politik unserer Regierung nicht einverstanden ist.“322
Über den in Ichtershausen in Thüringen als Gefängnisseelsorger beschäftigten Pfarrer Herbert Wichmann berichtete das VP-Kreisamt: „Wichmann ist politisch nicht organisiert und tritt politisch nicht in Erscheinung, W. lehnte trotz Aufforderung von seiten der örtlichen Nationalen Front jede Unterstützung ab. An politischen Versammlungen und Veranstaltungen nimmt er ebenfalls keinen Anteil. W. steht mit kirchlichen Organisationen in Westdeutschland in Verbindung. Er bezieht von dort Pakete und verteilt diese unter seinen Kirchenanhängern. Seine [sic] eigenen Kinder [sic] droht er mit Schlägen falls diese irgend an einer Pionierveranstaltung teilnehmen. Sein sittlich [sic] und 321 Vgl. o. Vf., Verzeichnis, 11. 5. 1955 (EZA Berlin, 103/101, Bl. 72–74). 322 VP-Kreisamt Langensalza, Schreiben an die StVA Gräfentonna, Gräfentonna, 22. 12. 1953 (BArch Berlin, DO 4/11/1572, Bl. 199).
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moralisches Verhalten ist einwandfrei. In der Gemeinde Ichtershausen besitzt er einen guten Leumund.“323
Sehr detailliert fiel auch die Einschätzung des Gefängnisseelsorgers der Strafanstalt Cottbus Kurt Teumer aus: „[…] T. gehört keiner Partei und Massenorganisation an. Unserer Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik steht er negativ gegenüber, welches dadurch zum Ausdruck kommt, indem er sagte, lieber lasse er sich eine Kugel durch den Kopf schießen als das [sic] er wieder eine Waffe in die Hand nimmt. Er setzt in bewußt getarnter Form den Hitlerstaat mit unserer Staatsordnung gleich. T. ist der Meinung, daß die Kirche den Frieden will – aber einen echten – und läßt sich für politische Zwecke nicht mißbrauchen. Unter anderem will er wissen, daß die ,Stasi‘ eine Akte von ihm angelegt habe und will sogar das Aktenzeichen kennen. T. war im 2. Weltkrieg Soldat und war in engl. Gefangenschaft.“324
Damit die seelsorgerliche Arbeit im Strafvollzug nicht völlig zum Erliegen kam, vereinbarten HVDVP und Kirchenkanzlei einen Kompromiss: Alle von den Landeskirchen benannten Pfarrer galten zunächst als kommissarisch beauftragt und durften die Gottesdienste abhalten, wobei ihnen jedoch die Durchführung von Sprechstunden mit den Gefangenen untersagt wurde. Diese blieben das Vorrecht der durch die HVDVP bestätigten Seelsorger.325 Mund bat hinsichtlich der Bestätigungen um etwas Geduld, denn „[e]s läge nicht böser Wille vor, wenn hier Verzögerungen einträten, sondern es wäre technisch einfach nicht schneller zu schaffen.“ Mund informierte Behm, dass im Falle einer abgelehnten Bestätigung eines Seelsorgers dieser dann auch keine Gottesdienste mehr im Strafvollzug halten dürfe. Es gelte dann, von kirchlicher Seite aus einen neuen Kandidaten vorzuschlagen. Im März 1954 erweiterte die HVDVP ihr Zugeständnis an die Kirchen. Neben den Gottesdiensten durften die kommissarisch bestätigten Seelsorger nun auch Sprechstunden durchführen.326
323 VP-Kreisamt Arnstadt, Schreiben an den Jugendwerkhof Ichtershausen, Ichtershausen, 10. 12. 1953 (BArch Berlin, DO 4/11/1572, Bl. 200). 324 VP-Kreisamt Cottbus, Schreiben an die HVDVP, Cottbus, 4. 1. 1954 (BArch Berlin, DO 4/11/ 1572, Bl. 205). 325 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Aktennotiz, Berlin 15. 1. 1954 (EZA Berlin, 103/102, Bl. 45). Hier auch das Folgende. 326 Vgl. Bernhard Karnatz, Schreiben an die östlichen Landeskirchen, Berlin, 3. 3. 1954 (EZA Berlin, 103/102, Bl. 49).
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4.3.2 Ausschluss der Untersuchungshaftanstalten Eine Seelsorge in den Untersuchungshaftanstalten war gemäß der DO nicht mehr vorgesehen.327 Dass dies eine zweifellos beabsichtigte, besonders nachteilige Entwicklung für die Gefängnisseelsorge bedeutete, lag auf der Hand: Gerade die Untersuchungshaftanstalten waren aufgrund der im Ergebnis der auf der II. Parteikonferenz von Ulbricht proklamierten „Verschärfung des Klassenkampfes“ rapide ansteigenden Arrestierungen nicht nur stark überbelegt, sondern nahmen auch zahlenmäßig deutlich zu. Die Relationen gehen aus der bereits zitierten Statistik der HVDVP vom Oktober 1952 hervor, in der von den insgesamt 223 in der DDR befindlichen Haftanstalten 181 als Untersuchungshaftanstalten deklariert waren.328 Wie eine entsprechende Auflistung der HA Strafvollzug von 1955 zeigt, blieben diese Relationen auch stabil: Von insgesamt 189 Arrestorten waren jetzt 151 Untersuchungshaftanstalten.329 Auch ohne genaues Zahlenmaterial über die Anzahl der in Untersuchungshaft befindlichen Personen wird anhand der Aufstellung deutlich, was für eine gezielte Schwächung der Gefängnisseelsorge das ab 1953 geltende Verbot der seelsorgerlichen Arbeit in den Untersuchungsgefängnissen darstellte. Vielfach wurde die Erhöhung der Anzahl der Untersuchungshaftanstalten einfach durch Umdeklarierungen anderer Haftanstalten, die sich durch eben diese Umdeklarierung für die Seelsorge automatisch schlossen – auch dann, wenn in derselben Einrichtung faktisch sowohl Untersuchungsgefangene als auch bereits verurteilte Strafgefangene einsaßen, – erreicht.330 Der in den Strafanstalten Stadtvogtei, Rummelsburg und im Frauengefängnis Barnimstraße in Berlin tätige Seelsorger Fritz Sasse begründete in einem Schreiben an das Konsistorium der EKiBB eindrücklich, weshalb sich der Wegfall der Seelsorge an den Untersuchungsgefangenen aus kirchlicher Sicht als besonders nachteilig darstellte: „Gerade die Untersuchungshäftlinge sind die Erschütterten. Sie können mit dem Schicksal, das plötzlich, vielleicht ohne subjektive Schuld, über sie hereingebrochen ist, nicht fertig werden. Sie sind oft ganz haltlos und suchen nach Trost und 327 Vgl. August Mayer, Instruktion, SV Nr. xxx/53, Berlin, 13. 11. 1953 (BArch Berlin, DO 1/1559, Bl. 93 f.). 328 Vgl. Kap. C 2.2. 329 Vgl. HA SV, Aufstellung aller Dienststellen, 1. 12. 1955 (BArch Berlin, DO 1/28569, Bl. 6–24). 330 Sowohl in der Strafanstalt Rummelsburg als auch im Frauengefängnis Barnimstraße in Berlin z. B.saßen im Jahr 1953 Straf- und Untersuchungsgefangene gemeinsam ein. Da für das Personal der Arbeitsaufwand für das Trennen von Untersuchungs- und Strafgefangenen in den Abschnitten mit gemischter Belegung zu hoch war, wurde auch den hier untergebrachten Strafgefangenen der Besuch der Gottesdienste verwehrt (vgl. Pfarrer Fritz Sasse, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin-Johannisthal, 17. 10. 1953, EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). Diese Tatsachen wurden von der HVDVP negiert (vgl. ebd.). Hier auch das Folgende.
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Kraft, und gerade an sie komme ich nicht mehr heran. Ein richtiger Strafhäftling, der seine Zeit absitzt, hat sich abgefunden. Auch er braucht natürlich das Evangelium, besonders, wenn er vor der Entlassung steht, hat man ihm viel zu sagen, aber die aus der Bahn geworfenen sind die Untersuchungshäftlinge.“
Die Verweigerung der Seelsorge in den Untersuchungshaftanstalten implizierte für die Kirchen auch das Problem, dass es für sie kaum möglich war, den Charakter eines Gefängnisses mit absoluter Sicherheit zu erkennen. Alle diese Faktoren erklären, weshalb die evangelische Kirche die Ausgliederung der Untersuchungshaftanstalten aus ihrer seelsorgerlichen Arbeit weder akzeptieren konnte noch wollte, dies auch unmittelbar nach der Kenntnisnahme des ersten Entwurfs der DO gegenüber der HVDVP verdeutlichte, dabei aber erfolglos blieb.331 Mancherorts kam es allerdings zu Ausnahmen, so z. B. 1955 in Jena und in einigen Untersuchungshaftanstalten in Berlin und Brandenburg.332 Auch existiert ein Aktenvermerk über ein Gespräch zwischen OLKR Behm und Inspekteur Siegemund von der HVDVP, der belegt, dass es in einigen größeren Untersuchungshaftanstalten mit der stillschweigenden Duldung der HVDVP durchaus einen regelmäßigen kirchlichen Dienst an den Gefangenen gab.333 Dies änderte die insgesamt problematische Seelsorgesituation in den Untersuchungsgefängnissen aber nicht strukturell. Das Konsistorium der EKiBB beispielsweise übersandte der Kirchenkanzlei im Herbst 1954 einen Überblick über die Gefängnislandschaft im Zuständigkeitsbereich der Landeskirche. Hier wird deutlich, dass gemäß der neuen DO lediglich die Strafvollzugsanstalten Brandenburg-Görden, Luckau und Cottbus sowie die Strafarbeitslager Rüdersdorf und Polßen noch seelsorgerlich betreut werden konnten. Dem
331 Vgl. Kap. C 4.1. In einem im August 1954 verfassten Schreiben an Mund, welches auch den Verlauf der Weihnachtsgottesdienste 1953 zusammenfasst, geht Behm ausführlich auf die Schwierigkeiten für die Gefängnisseelsorge in den Untersuchungshaftanstalten ein. Tatsächlich hatten die Seelsorger in keinem einzigen Fall einen Gottesdienst in einer Untersuchungshaftanstalt halten können (vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an Hans-Joachim Mund, Berlin, 7. 8. 1954, EZA Berlin, 103/101, Bl. 56/2). 332 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Bericht über einen Besuch bei Mund, Berlin, 1. 7. 1955 (EZA Berlin, 104/955, o. Pag.). In einem Schreiben an das Konsistoriums der EKiBB stellte Behm klar: „Wir haben dem in dem oben angeführten Schreiben ausgesprochenen Wunsch, bei den Untersuchungshaftanstalten anzugeben, ob der betreffende Pfarrer vollen oder beschränkten Zugang hat, nicht entsprechen können. Einmal ist es uns nicht möglich, in allen Fällen dazu genaue Angaben zu machen. Dann sind wir auch der Meinung, daß derartige Angaben, die dazu noch für einen größeren Kreis bestimmt sind, nur dazu geeignet sind, bisher noch bestehende Arbeitsmöglichkeiten zu stören. Grundsätzlich hat kein Pfarrer Zugang zu Untersuchungsanstalten. Wenn in einzelnen Fällen auf Grund persönlicher Beziehungen zwischen Pfarrer und Anstaltsleiter eine Arbeit im begrenzten Umfang möglich ist, sollte davon möglichst wenig gesprochen werden.“ (Ders., Untersuchungsgefängnisse, 5. 1. 1955, ELA Berlin, 35/399, o. Pag.). 333 Ders., Aktennotiz, Berlin, 16. 12. 1955 (EZA Berlin, 103/101, Bl. 99–101).
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gegenüber standen 27 Einrichtungen, die als Untersuchungsgefängnisse geführt wurden und den Kirchen daher verschlossen waren.334 4.3.3 Hinrichtungen und Beerdigungen Verstarben Insassen oder Insassinnen in den Strafanstalten der DDR durch Krankheit oder Hinrichtung, wurden die Angehörigen zwar über den Tod des Familienmitglieds unterrichtet, doch gab es für diese keine Möglichkeit, an der Bestattung teilzunehmen, und nur in wenigen Fällen wurden die sterblichen Überreste ausgehändigt. Die Verstorbenen wurden zumeist eingeäschert und die Urnen auf dem Anstaltsgelände bestattet, so dass die Gräber für die Familien nicht erreichbar waren.335 Auch die neue DO enthielt keine Regelung für den kirchlichen Dienst bei Bestattungen, was bedeutete, dass ein solcher nicht vorgesehen war. Auch an diesem Punkt intervenierte die Kirchenkanzlei mehrfach bei der HVDVP und schrieb z. B. im Oktober 1953: „Wir können es nicht unwidersprochen hinnehmen, daß es den Geistlichen verwehrt ist, bei den in den Strafvollzugsanstalten verstorbenen Gliedern der Kirche die nach der kirchlichen Ordnung vorgesehenen Handlungen zu vollziehen. Es liegt uns deshalb sehr daran, einen Weg zu finden, der es der Kirche ermöglicht, den Dienst, den sie auch ihren Gliedern in den Gefängnissen und deren Angehörigen schuldig ist, zu leisten, ohne die Sicherheit, auf die die Volkspolizei bedacht ist, zu gefährden.“336
Man schlug vor, die Seelsorger der Strafanstalten jeweils unverzüglich über den eingetretenen Tod eines Gefangenen zu informieren, damit diese eine schlichte kirchliche Trauerfeier bei der Beerdigung bzw. vor der Einäscherung vornehmen könnten. Der Anstaltsseelsorger könne dann die Heimatpfarrei über den Tod des Gemeindemitglieds unterrichten und diese die Nachricht an die Angehörigen weitergeben. Außerdem bat die Kirchenkanzlei um die Aushändigung der Urnen, damit diese in die Heimatgemeinden überführt werden könnten. Im März 1954 fragte die Kirchenkanzlei die gängige Praxis
334 Es handelte sich dabei um die Untersuchungsgefängnisse Beeskow, Oranienburg, Brandenburg (Stadt), Eberswalde, Luckenwalde, Pritzwalk, Strausberg, Templin, Zehdenick, Wittenberge, Wittstock, Frankfurt (Oder), Guben, Spremberg, Senftenberg, Angermünde, Fürstenwalde, Perleberg, Rathenow, Neuruppin, Zossen, Potsdam, Forst, Bad Freienwalde, Königs Wusterhausen, Bernau und Jüterbog (vgl. Kurt Scharf, Schreiben an die EKiBB, Berlin, 2. 9. 1954, EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). 335 Vgl. Gerhard Säuberlich, Schreiben an das LKA Sachsen, Eisenach, 29. 6. 1951 (LKA Dresden, 2/316, Bl. 115); Gottfried Knospe, Schreiben an den LKR Thüringen, Dresden 6. 7. 1951 (LKA Dresden, 2/316, Bl. 116). 336 Erich Grauheding, Schreiben an die HVDVP, Berlin, 5. 10. 1953 (EZA Berlin, 103/101, Bl. 51). Hier auch das Folgende.
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bei Beerdigungen in den Gefängnissen der DDR flächendeckend ab337 und erhielt gemischte Ergebnisse. So hatten in den Strafvollzugsanstalten Strelitz in Mecklenburg und im brandenburgischen Cottbus vereinzelt Beerdigungen unter kirchlicher Mitwirkung stattgefunden.338 Im Cottbuser Fall war dies auf den Wunsch des Vaters des Verstorbenen zurückgegangen. In Coswig / Anhalt hatte es in den letzten sieben Jahren nach Auskunft des Landeskirchenrates überhaupt nur eine Beerdigung in einer Haftanstalt gegeben, die auf dem Anstaltsfriedhof, der jedoch dem städtischen Friedhof angegliedert war, unter Mitwirkung eines Pfarrers stattgefunden hätte.339 Im Bereich der Thüringischen und der Sächsischen Landeskirche waren die Kirchen bei Beerdigungen im Strafvollzug gar nicht beteiligt gewesen.340 In Thüringen wurden die Verstorbenen in der Regel aber zur Bestattung in ihrer Heimatgemeinde freigegeben bzw. die Urne überstellt. Gleiches galt für Berlin-Brandenburg und im Bereich der Landeskirche Mecklenburg. Das LKA Sachsen machte zur Überstellung der sterblichen Überreste von Gefangenen an die Heimatgemeinden keine Angaben. Im Allgemeinen versicherten die Anstaltsleitungen, die Familien über das Ableben eines Angehörigen zu informieren, doch war dies in der Regel nicht überprüfbar. In der neuen DO unerwähnt blieb auch die seelsorgerliche Betreuung der zum Tode verurteilten Gefangenen.341 Dass diese nur noch in seltenen Fällen gewährt wurde, hatte sich bereits zu Beginn der 1950er Jahre abgezeichnet. So berichtete Pfarrer Richter aus Frankfurt / Oder, dass er 1950 noch bei drei Hinrichtungen hinzugezogen worden sei, im Jahr 1951 jedoch bei keiner einzigen mehr – und dies, obwohl Richter sich sicher war, dass etliche Todesurteile vor Ort vollstreckt worden waren.342 Die in der DDR zum Tode Verurteilten wurden zumeist kurz vor ihrer Hinrichtung von ihrem ursprünglichen Arrestort in die zur Richtstätte gehörigen Zellen verlegt. Damit stand in der Nacht vor der Hinrichtung der vertraute Seelsorger nicht mehr zur Verfügung. Oftmals erfuhr dieser gar nichts von der anstehenden Hin-
337 Vgl. Bernhard Karnatz, Schreiben an die östlichen Landeskirchen, Berlin, 24. 3. 1954 (EZA Berlin, 103/102, Bl. 52). 338 Vgl. Konsistorium der Landeskirche Mecklenburg, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Schwerin, 21. 4. 1954 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.); Kurt Scharf, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 2. 9. 1954 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). 339 Vgl. Landeskirchenrat Anhalt, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Dessau, 20. 5. 1954 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). 340 Vgl. Gerhard Säuberlich, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Eisenach, 6. 5. 1954 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.); Gottfried Knospe, Ergebnisse, 19. 5. 1954 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). 341 Zur Todesstrafe in der DDR vgl. Werkentin, Tod; ders., Instrumentalisierung; Bludovsky, Legitimation. 342 Vgl. Pfarrer Richter, Schreiben an die Superintendentur Frankfurt / O., Frankfurt / O., 9. 5. 1951 (ELA Berlin, 11/924, o. Pag.). In der ab 1950 durch die Staatssicherheit betriebenen Untersuchungshaftanstalt in Frankfurt / Oder befand sich eine Hinrichtungsstätte, in der bis 1952 Gefangene durch das Fallbeil getötet wurden.
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richtung des von ihm betreuten Gefangenen,343 und der Seelsorger, in dessen Zuständigkeitsbereich die Hinrichtungsstätte lag, wurde wiederum nicht über das Ersuchen um Seelsorge des Todeskandidaten informiert.344 Als 1952 die Hinrichtungsstätte der DDR von Frankfurt / Oder nach Dresden verlegt wurde, war es dem Pfarrer der St. Markuskirche in DresdenPieschen, Erich Bornmann, zunächst erlaubt, dem zum Tode Verurteilten das Abendmahl zu reichen und ihn bis zum Augenblick der Abführung zur Hinrichtung zu betreuen.345 Als Bornmann im Laufe der Zeit immer seltener zu Hinrichtungen hinzugezogen wurde, intervenierte die Kirchenkanzlei, wurde von der HVDVP jedoch ignoriert. Propst Grüber fragte im April 1956 beim Generalstaatsanwalt der DDR Melsheimer an, ob das Hinzuziehen von Seelsorgern in der Richtstätte Dresden auf Wunsch des Delinquenten möglich wäre, und bot sich selbst dafür an.346 Von der Generalstaatsanwaltschaft erhielt er als Antwort: „Auf Ihr Schreiben vom 28. 4. 1956 teile ich Ihnen mit, daß vor Vollstreckung von Todesurteilen in jedem Fall der Verurteilte gefragt wird, ob er noch einen Pfarrer sprechen will. Wünscht er das, so wird unter allen Umständen ein Pfarrer zur seelsorgerischen Betreuung hinzugezogen. Wenn Herr Pfarrer Bornemann [sic] seit einem Jahr nicht mehr hinzugezogen wurde, so beruht das offenbar auf der Tatsache, daß sehr wenige Todesstrafen ausgesprochen und vollstreckt wurden. Zuletzt ist ein katholischer Geistlicher gewünscht worden.“347
Tatsächlich lässt sich jedoch das Hinzuziehen von evangelischen Geistlichen im Vorfeld von oder gar während der Exekution nach diesem Zeitpunkt nicht nachweisen. Das Blockieren des kirchlichen Dienstes bei Bestattungen und der seelsorgerlichen Betreuung zum Tode Verurteilter muss im Zusammenhang mit der durch die HVDVP betriebenen Verschleierung der Zustände im Strafvollzug gesehen werden. Zwar verbesserten sich diese im Laufe der 1950er Jahre, doch widersprach es dem Interesse der HVDVP, dass die Todesraten in den Haftanstalten und die genaue Anzahl der Hinrichtungen über die Besuche der Seelsorger nachvollzogen werden und nach außen gelangen
343 Vgl. Wolf Meydam, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Magdeburg, 1. 11. 1954 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 e, o. Pag.). Pfarrer Meydam wurde am 15. 12. 1954 verhaftet und wegen Boykotthetze nach Art. 6 der Verfassung der DDR zu sechs Jahren Gefängnis und Nebenstrafen verurteilt (vgl. Heinrich Grüber, Schreiben an Otto Nuschke, Berlin, 9. 5. 1956, ACDP St. Augustin, VII-013–1754, o. Pag.). 344 Vgl. Pfarrer Richter, Schreiben an die Superintendentur Frankfurt / O., Frankfurt / O., 9. 5. 1951 (ELA Berlin, 11/924, o. Pag.). 345 Vgl. Erich Bornmann, Schreiben an das LKA Sachsen, Dresden, 26. 4. 1954 (LKA Dresden, 2/ 340, Bl. 129). 346 Vgl. Heinrich Grüber, Schreiben an den Generalstaatsanwalt der DDR, Berlin, 28. 4. 1956 (EZA Berlin, 103/101, Bl. 126). 347 Generalstaatsanwalt der Deutschen Demokratischen Republik, Schreiben an Propst Grüber, Berlin, 14. 5. 1956 (EZA Berlin, 103/101, Bl. 127).
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konnten. Es ist anzunehmen, dass den Kirchen diese Intention der HVDVP auch bewusst war. 4.4 Wirkung der Dienstordnung Noch im März 1954 war die Kirchenkanzlei optimistisch genug, die im Juli des Vorjahres in Kraft getretene DO als ein Basisdokument zu werten, dessen Inhalte durch Verhandlungen mit der HVDVP zu kirchlichen Gunsten veränderbar waren. Um für diese Verhandlungen „einen zuverlässigen Ausgangspunkt zu gewinnen“, sandte die Kirchenkanzlei am 24. März 1954 ein Rundschreiben an die östlichen Landeskirchen, in dem die Durchführung der Gottesdienste und Sprechstunden sowie das Vorgehen der Anstaltsleitungen bei Bestattungen als Indikatoren für das Funktionsniveau der Gefängnisseelsorge abgefragt wurden. Ergebnis und Resonanz der Umfrage waren sehr unterschiedlich, die Antworten trafen teils weit nach dem von der Kirchenkanzlei auf den 1. Mai 1954 festgelegten Rückgabetermin ein.348 Während die Durchführung der Gottesdienste in Thüringen349 und im Bereich der Landeskirche Mecklenburg350 laut den jeweiligen Rückmeldungen regelmäßig und ohne Probleme vonstattenging, berichteten das Konsistorium der EKiBB und das LKA Sachsen von Schwierigkeiten. So wurde den Gefangenen in der Strafanstalt Cottbus der Gottesdienstbesuch nur alle zwei bis drei Monate erlaubt, der Hinweis des Anstaltsgeistlichen auf die neue DO und die dadurch ermöglichten häufigeren Gottesdienstbesuche ignoriert.351 Im Bereich der Sächsischen Kirche, in dem sich die meisten Strafanstalten der DDR befanden, war die Situation der Gefängnisseelsorge besonders heterogen. Im größten Teil der Haftanstalten waren die Gottesdienste ohne Schwierigkeiten und gemäß den Vorgaben der DO durchführbar, jedoch lag z. B. den Leitungen der im Bezirk Schneeberg situierten Haftarbeitslager die DO nicht vor, weshalb hier bislang keine Gottesdienste stattfanden. Probleme bereitete auch die Seelsorge in der Haftanstalt Bautzen II – dem neben dem Gelben Elend für die politischen Gefangenen, das durch den staatlichen Gefängnisseelsorger Mund betreut wurde, zweiten Gefängnis in Bautzen. Im Unterschied zu Bautzen I war dieses Gefängnis zunächst dem Regelvollzug vorbehalten. In Bautzen II leistete seit Jahren der Pfarrer der örtlichen Kir348 Es liegen Reaktionen aus den Landeskirchen Mecklenburg, Sachsen, der EKiBB, Anhalt und Thüringen, nicht aber aus der EKKPS und der Schlesischen Kirche vor (EZA Berlin, 4/733; vgl. Bernhard Karnatz, 24. 3. 1954, EZA Berlin, 103/102, Bl. 52). 349 Vgl. Gerhard Säuberlich, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Eisenach, 6. 5. 1954 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). 350 Vgl. Konsistorium der Landeskirche Mecklenburg, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Schwerin, 21. 4. 1954 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). 351 Vgl. Kurt Scharf, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 2. 9. 1954 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.).
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chengemeinde St. Petri, Arnold, die Seelsorge, was ihm bereits seit der Übernahme der Anstalt durch die HVDVP im Januar 1951 aber nur noch einmal pro Monat gestattet wurde.352 Zur Begründung führte die HVDVP an, dass Bautzen II der Anstalt Bautzen I unterstehe, die eine politische Anstalt mit besonderen Regeln sei. Aus diesem Grund sei auch in Bautzen II ausschließlich Pfarrer Mund die Durchführung der Einzelgespräche gestattet. Da Mund jedoch mit der Strafanstalt Bautzen I vollständig ausgelastet war, kam es faktisch zu keinen Einzelgesprächen in Bautzen II. Neben der Möglichkeit, die Gefängnisseelsorge und auch die DO unter Verweis auf von außen schlecht durchschaubare Verwaltungsstrukturen auszuhebeln, war es Gefängnisleitungen jederzeit möglich, Sprechstunden unter fadenscheinigen Gründen wie z. B. einem angeblich mangelnden Interesse der Gefangenen abzusagen, so geschehen im Frühjahr 1954 im Frauengefängnis Hoheneck und im Haftarbeitslager Neuoelsnitz. Basierend auf seinen Erfahrungen, nahm der die Haftanstalt Bautzen II betreuende Pfarrer Arnold an, dass die Gefangenen in vielen Fällen erst gar nicht über die Möglichkeit der Einzelseelsorge informiert wurden.353 Auch der im Berliner Strafvollzug tätige Pfarrer Sasse vermutete, dass die Meldezettel der Gefangenen für die Sprechstunden nicht an ihn weitergeleitet werden würden.354 Das Misstrauen der Seelsorger betreffend die Zuverlässigkeit der VP bezüglich der Meldung des Bedarfs an Gottesdiensten und Sprechstunden machte diese teils auch erfinderisch. So gelangte Pfarrer Müller getarnt als Kutscher eines mit Kartoffeln beladenen Pferdefuhrwerks in das von ihm betreute Lager in Röcknitz, um an Ort und Stelle den ungebrochenen Bedarf der Insassen an Gottesdiensten festzustellen.355 Faktisch zeichnete sich seit Anfang 1954 ab, dass die Erwartungen der östlichen Landeskirchen und der Kirchenkanzlei hinsichtlich einer Stabilisierung der Gefängnisseelsorge gerade in den Anstalten jenseits des politischen Strafvollzugs nicht in Erfüllung gehen würden. Der positive Effekt, den die Verabschiedung der DA in der SBZ im Jahr 1948 – trotz der mit dieser auch verbundenen Beschränkungen der kirchlichen Arbeit im Strafvollzug – letztlich mit sich gebracht hatte, trat 1953 nicht ein. Beispielhaft belegt dies ein am 7. August 1954 von der Kirchenkanzlei an die HA Strafvollzug zu Händen Munds gesandter zusammenfassender Bericht über die Durchführung der Weihnachtsgottesdienste 1953 im Gebiet der EKiBB.356 Aus diesem Bericht 352 Vgl. Gottfried Knospe, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Dresden, 19. 5. 1954 (EZA Berlin, 4/ 733, o. Pag.). Hier auch das Folgende. 353 Vgl. Wolfgang Arnold, Schreiben an die Superintendentur Bautzen, Bautzen, 22. 4. 1954 (LKA Dresden, 2/340, Bl. 124). 354 Vgl. Fritz Sasse, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin-Johannisthal, 17. 10. 1953 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). 355 Vgl. Gerber, Schreiben an das LKA Sachsen, o. Ort, 9. 12. 1953 (LKA Dresden, 2/340, Bl. 53). 356 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an Hans-Joachim Mund, Berlin, 7. 8. 1954 (EZA Berlin, 103/101, Bl. 55 f.).
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geht hervor, dass nur in Luckau und Cottbus die Festtagsgottesdienste wie geplant hatten stattfinden können. In allen anderen Strafvollzugs- und Untersuchungshaftanstalten war die Abhaltung der Gottesdienste nicht möglich gewesen. Als Gründe hierfür wurden auch, die nicht erfolgte Zusendung des Genehmigungsbescheids durch die HVDVP oder die örtlichen Behörden, der Mangel an geeigneten Räumen aufgrund von Überfüllung, die Abwesenheit von Wachpersonal oder aber – wie in Eberswalde, Freienwalde und Bernau – die Behauptung, die Häftlinge hätten schlicht nicht den Wunsch nach einem Weihnachtsgottesdienst angeführt. In einigen Haftanstalten hatte man den Gefängnisgeistlichen auch ganz ohne Angabe von Gründen den Zutritt verwehrt. Die Kirchenkanzlei führte Mund gegenüber aus, dass es ihr bei den Strafvollzugsanstalten Luckenwalde, Angermünde, Zossen und Strausberg bisher nicht gelungen sei, in Erfahrung zu bringen, um welche Art Strafvollzug es sich überhaupt handele. Resümierend hieß es: „Aus dieser Übersicht geht hervor, daß ernstlich eine Abhaltung von Gottesdiensten in den letztgenannten U-Anstalten nicht beabsichtigt war. […] Die Verhandlungstechnik der betreffenden Volkspolizei-Stellen bestätigt dies. Von wenigen Ausnahmen abgesehen wird eine etwas zögernde, aber fühlbare kühle Distanz gewahrt, die in zwei Fällen, in denen die Geistlichen draußen vor dem Gefängnistor abgefertigt wurden, in einem Falle unter der Anrede ,Junger Mann‘ ihre gröbste Form gezeigt hat (Brandenburg-Stadt und Forst). Wir sind der Meinung, daß eine solche Übersicht auch für die Hauptverwaltung von Interesse ist, und daß zugleich daran deutlich wird, daß nicht überall den Anordnungen der Hauptverwaltung unbedingt Folge geleistet wird. Wir bitten dafür Sorge zu tragen, daß bei den Weihnachtsgottesdiensten 1954 die Frage der Durchführung der Gottesdienste und die Anmeldung der Teilnehmer in einem loyalen Geist geschehen möchte.“357
Es ist kaum davon auszugehen, dass die Kirchenkanzlei Mitte 1954 noch glaubte, dass der katastrophale Verlauf der Weihnachtsgottesdienste des Jahres 1953 tatsächlich nur auf im örtlichen Strafvollzug nicht befolgte Anweisungen der HVDVP zurückzuführen war. Retrospektiv sind diese Entwicklungen als Symptom des gegen Ende 1953 erneut verstärkt repressiven Vorgehens des SED-Staates gegen die Kirche zu deuten. Dies betrifft auch die dabei angewandten Methoden: Anders als in den Jahren zuvor vermied die Regierung nun offensichtliche, für die Öffentlichkeit deutlich wahrnehmbare Maßnahmen und ging vorsichtiger aber zugleich zielgerichteter vor, wozu auch die Etablierung neuer, hierfür geeigneter Strukturen gehörte. Auf der Mikroebene der Gefängnisseelsorge bedeutete die geänderte Strategie, dass sich die Beteiligten auf latente, stets gegenwärtige, aber nur selten eindeutig als 357 Ebd., 56.
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vorsätzlich identifizierbare Störmanöver verlegten, die trotz einer gewissen Simplizität die Seelsorge nicht nur effektiv be- und teils ganz verhinderten, sondern die Beteiligten auch zermürbten. Propst Scharf fasste die Situation in der Gefängnisseelsorge und den Wirkungsgrad der DO in einem Schreiben an die Kirchenkanzlei vom 2. September 1954 so zusammen: „Aus allen Berichten ist zu entnehmen, dass die staatlichen Stellen, denen das Gefängniswesen untersteht, nicht gewillt sind, irgendeine Art von kirchlicher Betätigung in den Strafanstalten der Deutschen Demokratischen Republik zu dulden. Dies zeigt deutlich die Entwicklung seit 1952. Auch da, wo im Rahmen einer bereits recht engherzigen Dienstanweisung der Kirche noch ein gewisser Spielraum gewährt wird, sind untergeordnete staatliche Stellen bestrebt, eigenmächtig auch diesen letzten Rest vertraglich geschützter Abmachungen wirkungslos zu machen.“358
5. Seelsorgerliche Arbeitswelten im Strafvollzug der DDR (1949–1953/54) 5.1 Die Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger 5.1.1 Haupt- und nebenamtliche Seelsorge Zusätzlich zu den drei staatlich angestellten Gefängnisseelsorgern Mund, Bluhm und Giebeler versahen auf dem Gebiet der DDR in den frühen 50er Jahren etwa 200 weitere Seelsorger ihren Dienst. Das geschah in der Regel im Nebenamt, jedoch waren zu Beginn der 1950er Jahre auch noch einige hauptamtliche Seelsorger bei den östlichen Landeskirchen angestellt. Im Gebiet der Sächsischen Landeskirche waren das der in Waldheim tätige Pfarrer Irmler und die für die Haftanstalten Zwickau und Osterstein zuständige Theologin und ehemalige Leiterin der Strafanstalt Hohenleuben Pietrusky.359 Pietrusky konzentrierte sich auf die weiblichen Gefangenen, wodurch sie einen wesentlich kleineren Personenkreis als Irmler zu betreuen hatte. Wohl aufgrund ihrer früheren Tätigkeit, war Pietrusky einigen Behinderungen bei der Ausübung der Seelsorge ausgesetzt.360 Die von Irmler regelmäßig zum Jahresbeginn beim LKA Sachsen eingereichten Tätigkeitsberichte spiegeln die Arbeitsdichte des versierten Seelsorgers. Neben der Betreuung einer Reihe von Haftanstalten und der Tbc-Heime 358 Kurt Scharf, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 2. 9. 1954 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). 359 Vgl. Edith Pietrusky, Schreiben an die Superintendentur Zwickau, Zwickau, 14. 4. 1953 (LKA Dresden, 2/339, Bl. 58). 360 Vgl. hierzu Kap. C 5.1.2.
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Marienfels und Schweikersheim gehörte die Durchführung von Gemeindeund Umsiedlergottesdiensten, Evangelisationen, Bibelstunden und Vorträgen zu den Aufgaben des hauptamtlichen Gefängnisseelsorgers. Im Zuge der ihm ebenfalls unterstehenden Betreuung von Strafentlassenen und deren Familien versandte Irmler bzw. dessen Büro im Jahre 1951 insgesamt 940 Briefe.361 Die Zahlen für 1952 lagen etwas über denen des Vorjahres, zusätzlich bot Irmler den Angehörigen der in Waldheim Inhaftierten Sprechstunden an. Irmler schätzte die Situation der Gefängnisseelsorge 1952 als schwieriger als zuvor ein. Im Gegensatz zu 1951 seien ihm nun die Untersuchungshaftanstalten verschlossen und er könne keine Sonntagsblätter bzw. Bibeln mehr verteilen, zudem würden ihm die Namen der aus der Haft Entlassenen nicht mehr mitgeteilt, was die Nachbetreuung erschwere.362 Die Arbeit Irmlers als Gefängnisseelsorger in der Sächsischen Kirche endete 1953 mit seinem Weggang in den Westen, wodurch in Sachsen in der Gefängnisseelsorge eine empfindliche Lücke entstand. In Thüringen beauftragte das LKA zum 1. Juli 1950 Pfarrer Korth mit der hauptamtlichen Strafanstaltsseelsorge für ganz Thüringen,363 wofür es sich die Zustimmung des Ministeriums der Justiz in Erfurt eingeholt hatte.364 Korth, der prinzipiell in allen Strafanstalten Thüringens die Seelsorge übernehmen konnte, betreute vorwiegend die Gefangenen im Landesgerichtsgefängnis und in der Frauenstrafanstalt in Gera sowie in der Jugendarrestanstalt Ronneburg. In den anderen Strafanstalten Thüringens wurde die Seelsorge durch die vor 361 Sein Jahresbericht 1951 umfasst die Haftanstalten Zwickau (Osterstein), die Untersuchungsgefängnisse von Zwickau und Chemnitz, die Haftkrankenhäuser Leipzig-Meusdorf und Schkeuditz und die Strafanstalt Waldheim. Irmler bezifferte die von ihm gehaltenen Gottesdienste mit 184, hinzu kamen 131 Vorträge (vgl. Rudolf Irmler, Jahresbericht 1951 an das LKA Sachsen, Waldheim 6. 1. 1952, LKA Dresden, 2/316, Bl. 157). 362 Vgl. Rudolf Irmler, Jahresbericht 1952 an das LKA Sachsen, Waldheim, 1. 2. 1953 (LKA Dresden, 2/339, Bl. 8 f.). 363 Vgl. dazu die von Bischof Mitzenheim am 20. 6. 1950 unterzeichnete Anstellungsurkunde Korths (Landeskirchenrat Thüringen, Anstellungsurkunde, Eisenach, 20. 6. 1950, LKA Eisenach, A 520-5, Bl. 71). 364 Vgl. Gerhard Säuberlich, Schreiben an das MdJ in Erfurt, Eisenach, 9. 3. 1950 (LKA Eisenach, A 520-5, Bl. 16). Das Landesministerium für Justiz wandte sich in der Angelegenheit an das Ministerium der Justiz der DDR in Berlin: „Landeskirchenrath Thüringen will hauptamtlichen Strafanstaltsseelsorger einsetzen. In § 2 der Dienstanweisung für die ev. Geistlichen […] ist aber nur die Ernennung hauptamtlicher Seelsorger für einzelne bestimmte Gefängnisse vorgesehen, nämlich für solche, deren Belegung über 200 beträgt, nicht ein hauptamtlicher Seelsorger in dem vom Landeskirchenrat erstrebten Rahmen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit und um abweichende Regelungen in den Ländern der Republik zu vermeiden, bitten wir um nähere Weisung.“ (MdJ Thüringen, Schreiben an das MdJ in Berlin, Erfurt, 1. 4. 1950, BArch Berlin, DP 1 30197, Bl. 151). Vom Abteilungsleiter der HA Straf- und Anstaltsverwaltung beim MdJ Gentz kam bezüglich des Vorgehens des LKA eine positive Resonanz: „Glaubt die Kirche den Aufwand vertreten zu können, einen hauptamtlichen Strafanstaltsseelsorger für mehrere kleinere Vollzugseinstalten einzustellen, so bestehen diesseits keine Bedenken dagegen.“ (Werner Gentz, Schreiben an das MdJ Erfurt, 12. 5. 1950, BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 152).
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Ort wohnenden Gemeindepfarrer übernommen, denen Korth bei Bedarf beratend zur Seite stand.365 Korth trat seine Tätigkeit, wie seinem Schriftverkehr zu entnehmen ist,366 hochmotiviert an, geriet jedoch schon im September 1950 in einen Konflikt mit dem Thüringer LKR, da er einen Fragebogen an zwanzig im Strafvollzug in Thüringen tätige Seelsorger versandt hatte, gegen den der Kirchenrat „mancherlei Bedenken“ einzuwenden gehabt hatte.367 In einem Auszug aus der Niederschrift über die Sitzungen des LKR Thüringen vom 24. und 26. Januar 1951 findet sich unter Punkt 21 zum Thema Gefangenenseelsorge lediglich folgender Vermerk: „über die gegen den Gefängnispfarrer Korth vorliegende Beschwerde, über die die Entscheidung der staatlichen Behörden noch abzuwarten ist. OKR Bauer übernimmt es, sich um die Seelsorge in den Strafanstalten in Gera zu kümmern.“368
Im Protokollauszug werden die Gründe, die zur Beschwerde gegen Korth geführt hatten, nicht erläutert, doch waren diese aus Sicht der Anstaltsleitungen derart schwerwiegend, dass Korth die weitere Durchführung der Gefangenenseelsorge in Gera untersagt und diese fortan durch OKR Bauer übernommen wurde. Korth verfasste noch einen Bericht an den Landeskirchenrat Thüringen über den Generalkonvent der Strafanstaltspfarrer BerlinBrandenburgs in Berlin-Dahlem vom 28. Februar 1951, den er ohne offiziellen Auftrag besucht hatte.369 Nach März 1951 aber findet sich kein weiterer Schriftverkehr Korths mehr in den Akten. Auch im Verzeichnis aller Gefängnisseelsorger der DDR von 1953 wird Korth nicht aufgeführt,370 weshalb davon auszugehen ist, dass Korth seine Tätigkeit als hauptamtlicher Seelsorger in der Thüringischen Landeskirche nur knapp zehn Monate lang ausübte. Ein von kirchlicher Seite aus beauftragter Gefängnisseelsorger, der in ganz Thüringen Zutritt zu allen Strafanstalten hatte und als eine Art Supervisor koordinierende und beratende Tätigkeiten ausübte, passte nicht zum Konzept der Gefängnisseelsorge, das die HVDVP ab Sommer 1950 verfolgte. Das plötzliche Verschwinden von Korth dürfte ebenso wie die Aufgabe des Kon-
365 Vgl. Gerhard Säuberlich, Schreiben an das MdJ in Erfurt, 9. 3. 1950 (LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 16). 366 Eine Reihe der von Korth verfassten Berichte, Schreiben und Protokolle ist unter der Signatur A 520-5 im LKA Eisenach einsehbar. 367 Gerhard Säuberlich, Niederschrift, Eisenach, 21. 9. 1950 (LKA Eisenach, A 520-5, Bl. 75). 368 O. Vf., Auszug aus dem Protokoll zu den Sitzungen des Landeskirchenrats Thüringen vom 24. und 26. Januar 1951 (LKA Eisenach, A 520-5, o. Pag.). 369 Vgl. Hans Korth, Schreiben an den LKR Thüringen, Gera, 29. 2. 1951 (LKA Eisenach, A 520-5, Bl. 121–124). Am Ende des Berichts findet sich eine wohl durch Säuberlich verfasste Bleistiftnotiz: „Pf. Korth war nicht beauftragt, an diesem Konvent teilzunehmen. Reisekosten werden daher, falls er einen Antrag stellt, nicht [im Original unterstrichen – SiSt.] zu erstatten sein.“ (ebd., 124). 370 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die Verwaltungsstellen der östlichen Gliedkirchen, Berlin, 22. 9. 1953 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.).
Seelsorgerliche Arbeitswelten im Strafvollzug der DDR (1949–1953/54)
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zepts eines hauptamtlichen Gefängnisseelsorgers in Thüringen überhaupt in diesen Kontext gehören.371 Für die Pfarrer, die nebenamtlich als Gefängnisseelsorger tätig waren, bedeutete dieses Amt eine erhebliche Mehrbelastung. Dies traf im Besonderen für den Dienst in den großen Strafanstalten wie beispielsweise Bautzen I zu, wo aufgrund starker Nachfrage der Gefangenen zumeist zwei Gottesdienste pro Sonn- oder Feiertag zu halten waren. Der wiederholt in Vertretung Munds in Bautzen tätige sorbische Pfarrer Laser bat OLKR Knospe deshalb, für die Beauftragung eines weiteren Vertretungspfarrers für Bautzen I zu sorgen und betonte in diesem Zusammenhang: „Natürlich bin ich zu diesem Dienst, wie zu jedem anderen, zu dem ich gerufen werde, gern bereit. Bei aller Schwere und Verantwortung gerade dieser Arbeit muss ich doch bekennen, dass mir der Dienst an den gefangenen Brüdern auch lieb geworden ist. […] Ich gebe aber zu erwägen, dass ich alleiniger Pfarrer in einer sehr grossen Kirchengemeinde bin und dass ich – bei aller Zurückhaltung – im sorbischen kirchlichen Leben und auf dem Gebiet der Volksmission manche zusätzliche Arbeit habe.“372
Ein weiteres Problem bestand darin, dass Laser oftmals sehr kurzfristig zum Dienst in Bautzen I gerufen wurde, und zwar nicht durch seinen Superintendenten, sondern telefonisch durch die Anstaltsleitung, so dass er seine geplanten Termine „um des wichtigen Dienstes willen“ aufwändig umdisponieren musste. Das LKA teilte Laser mit Schreiben vom 18. März 1952 mit, dass als Vertreter Munds für Bautzen I eigentlich die Pfarrer Köhler und Krause benannt worden seien, deren Beauftragung durch die HVDVP aber ignoriert und stattdessen immer auf Laser zurückgegriffen werde.373 Eine weitere Erschwernis für die im Nebenamt tätigen Gefängnisseelsorger war die sporadisch gültige Anordnung der VP, dass die Seelsorger ihren Wohnsitz nicht am Ort der Anstalt haben durften.374 In Zeiten, in denen diese Verordnung durchgesetzt wurde, war folglich immer eine Anreise des Seelsorgers 371 Unabhängig davon kann es für die Absetzung auch Gründe gegeben haben, die bei Korth selbst lagen. Korth war bis 1945 Pfarrer an St. Salvator in Gera gewesen (vgl. Meinhof, Thüringer Pfarrerbuch, 68). 372 Gerhart Laser, Schreiben an das LKA Sachsen, Göda, 3. 3. 1952 (LKA Dresden, 2/316, Bl. 205). Hier auch das Folgende. 373 Das Schreiben vom LKA Sachsen an Laser ist nicht erhalten, dessen Datum und ungefährer Inhalt werden jedoch in einem Schreiben Lasers an Propst Grüber in Berlin erwähnt, der sich mit der Klärung der Angelegenheit befassen sollte (vgl. Gerhart Laser, Schreiben an Heinrich Grüber, Göda, 21. 4. 1952, LKA Dresden, 2/317, Bl. 44). 374 Entsprechend bat der bei der Kirchenkanzlei tätige OKR Zimmermann das LKA in Dresden, für die seelsorgerliche Betreuung der Haftanstalten „nur solche Geistlichen namhaft zu machen, die ihren Wohn- oder Dienstsitz nicht am Orte der betreffenden Strafvollzugsanstalt haben und bei denen zu erwarten ist, daß gegen sie von der Hauptverwaltung der Deutschen Volkspolizei keine politischen Bedenken erhoben werden.“ (Walter Zimmermann, Schreiben an das LKA Sachsen, Berlin, 13. 4. 1951, LKA Dresden, 2/316, Bl. 66).
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notwendig, was bei teils kurzfristiger Anforderung insbesondere für Geistliche ohne Dienstwagen nur schwer zu bewerkstelligen war.375 Knospe äußerte daher gegenüber der Kirchenkanzlei die Befürchtung, „daß die von uns benannten Pfarrer, wenn sie regelmäßig von auswärts den Dienst in den Strafanstalten übernehmen sollten, sich mit Rücksicht auf die Gemeinde weigern werden, besonders dann, wenn sie nicht rechtzeitig von der Ansetzung solcher Gottesdienste unterrichtet werden können.“
Wie effektiv diese Taktik war, zeigt die im Mai 1959 durch die HVDVP erfolgte Ablehnung des Pfarrers Siegfried Baltzer als Seelsorger für Hoheneck. Anstelle des nur wenige Kilometer von der Strafanstalt entfernt wohnhaften Baltzers schlug die HVDVP als Alternativen die beiden gesundheitlich stark angeschlagenen und dazu in großer Entfernung von Hoheneck lebenden Pfarrer Gustaf Carl Feller und Horst Unger vor, deren Ablehnung des seelsorgerlichen Auftrages als sicher gelten konnte.376 Unter Anwendung der zuvor geschilderten Maßnahme konnte die HVDVP die Ernennung eines neuen Gefängnisseelsorgers erheblich verzögern und subtil die Schwächung der Gefängnisseelsorge betreiben. 5.1.2 Frauen in der Gefängnisseelsorge und -fürsorge Nur in Ansätzen fassbar ist in den Quellen die Beteiligung von Frauen an der für- bzw. seelsorgerlichen Arbeit des Staates und der Kirchen im Strafvollzug der SBZ und der DDR, die hier als Querschnittsthema in den Blick genommen werden soll. Die erschwerte Fassbarkeit von im Strafvollzug für- und seelsorgerlich tätigen Frauen liegt nicht allein an ihrer Unterrepräsentation in einem männlich dominierten Arbeitsumfeld, sondern auch an der im zeitgenössischen Schriftverkehr konsequent unterlassenen Benutzung weiblicher Wortformen. Seelsorger- und Fürsorgerinnen sind in den Protokollen der Konvente, ja sogar in ihren Beauftragungsschreiben für den seelsorgerlichen Dienst, durchweg nicht als Frauen erkennbar. So beauftragte z. B. der Bischof der EKKPS Müller die Missionarin Ruth Kleeberg im November 1948 „mit der Wahrnehmung des Dienstes eines Gefängnisseelsorgers“,377 und auf der Anwesenheitsliste der Tagung der Gefängnispfarrer vom 11. Februar 1955 in
375 Vgl. Gottfried Knospe, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Dresden, 18. 2. 1952 (LKA Dresden, 2/316, Bl. 183). Hier auch das Folgende. 376 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an das LKA Sachsen, Berlin, 4. 5. 1959 (LKA Dresden, 2/ 345, Bl. 91); Gottfried Knospe, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Dresden, 9. 7. 1959 (LKA Dresden, 2/345, Bl.101). 377 Vgl. Ludolf Müller, Schreiben an Superintendent Lemke in Wanzleben, Magdeburg, 8. 11. 1948 (AKPS Magdeburg, Rep. gen., Nr. 246 c, o. Pag.).
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Berlin-Weißensee erschien sie schlicht als „Kleeberg“.378 Nur auf der Basis der Auswertung weiteren Quellenmaterials wurde ersichtlich, dass es sich bei diesem Gefängnispfarrer um eine Gefängnispfarrerin handelte. Frauen waren an den preußischen Universitäten bereits zum Beginn des 20. Jahrhunderts zum Theologiestudium zugelassen worden, doch erst 1927 wurde ihnen in den Kirchen der APU, die hier eine Vorreiterrolle einnahmen, durch das sog. Vikarinnengesetz das Ablegen der kirchlichen Examina gestattet.379 Die Ausbildung der zukünftigen Geistlichen und Vikarinnen war bis zum Ersten Theologischen Examen identisch, erst danach setzte eine Differenzierung ein. Diese betraf zunächst das Vikariat in den Gemeinden, welches die Vikare umfassend auf das Pfarramt und die damit verbundene Übernahme einer Gemeinde vorbereitete, wogegen die Tätigkeit der Vikarinnen auf die Frauen- und Jugendarbeit und das Abhalten von Kindergottesdiensten begrenzt blieb. Anschließend wurden Vikarinnen nicht ordiniert, sondern lediglich eingesegnet, womit ihnen das Recht der Sakramentsverwaltung verwehrt blieb.380 Im Falle einer Heirat hatten sie aus dem kirchlichen Dienst auszuscheiden.381 Die Vikarinnen wurden nicht als Pfarrerinnen, sondern als Kirchengemeindebeamtinnen angestellt, womit eine Gehaltsminderung um 25 % gegenüber den Pfarrern verbunden war.382 Erika Keutler gelangt aufgrund dieser Fakten zu der Einschätzung, „dass das Vikarinnengesetz der APU (Altpreußischen Union) von 1927 für die Frauen keine Einladung bedeutete, Theologie zu studieren, denn letzten Endes war hier nur ein neues ,Laienamt‘ geschaffen worden.“383 Erst ab Anfang der 1950er Jahre und gegen starke innerkirchliche Widerstände384 durften Vikarinnen Gottesdienste halten und die Sakramente spenden, blieben jedoch in der Praxis den Pfarrern untergeordnet.385 Die Vikarinnen bzw. später dann auch Pfarrerinnen unterlagen faktisch auch weiterhin der Verpflichtung, zölibatär zu leben.
In der Gefängnisseelsorge bildete das weibliche Pendant zum als Seelsorger tätigen männlichen Pfarrer zumeist die Fürsorgerin.386 So berichtet Poelchau in seinen Erinnerungen über die Fürsorgerin Gertrud Staewen, die durch Präses Scharf als Hilfe für Poelchau berufen wurde und in dieser Funktion von 1948 bis zu ihrer Pensionierung 1962 tätig war. Dabei erinnert er Staewen 378 O. Vf., Anwesenheitsliste der Tagung der Gefängnispfarrer am 11. 2. 1955 im Haus der Kirche in Berlin-Weißensee, 12. 2. 1955 (EZA Berlin, 103/102, Bl. 57). 379 Vgl. Herbrecht / H rter / Erhart, Streit, 3. 380 Kreutler, Theologinnen, 51. 381 Vgl. ebd., 48 f. Bei Kreutler findet sich eine aufschlussreiche Gegenüberstellung der kirchengesetzlichen Ausbildungsbestimmungen für Geistliche und Vikarinnen (41–47). 382 Zum Unterschied zwischen Vikarin und Pfarrer, bezogen auf die APU, vgl. ebd., 48–51. 383 Vgl. ebd., 51 384 Vgl. zur frühen Diskussion um das Pfarramt für Frauen in der Lutherischen Kirche Witt, Auseinandersetzungen, 159–174. 385 Vgl. Halbrock, Pfarrer, 80 f. 386 Für die Weimarer Republik sind einige wenige Theologinnen nachweisbar, die die Seelsorge im Strafvollzug im Hauptamt ausübten (vgl. Sçderblom, Gefängnisseelsorge).
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„als etwas Unerhörtes in der Geschichte der Männergefängnisse. Wahrscheinlich hätte man jede andere Frau bald unter einem Vorwand wieder entfernt. Frau Gertrud Staewen aber tat diese Arbeit so mit Leib und Seele, daß alle Angriffe von außen und alle Enttäuschungen, wie sie in dieser Arbeit unvermeidlich sind, an ihr abprallten und von ihr ein intensiverer pädagogischer Einfluß ausging als von irgend jemand in Tegel.“387
Die Einstellung Staewens als Hilfskraft für Poelchau ist charakteristisch für den damaligen Einsatz von Frauen in der Gefängnisseelsorge. Sie arbeiteten zumeist eng mit dem eigentlichen Seelsorger der Anstalt zusammen, wobei der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit in der Regel in der Pflege der Beziehungen der Häftlinge nach außen lag. Dies geschah nicht nur brieflich, sondern auch durch persönliche Besuche bei den Angehörigen. Dabei ist im Gegensatz zu Poelchaus Wahrnehmung retrospektiv festzustellen, dass in den Haftanstalten der SBZ und der frühen DDR etliche weibliche Fürsorgerinnen und später auch Seelsorgerinnen tätig waren, von denen im Folgenden exemplarisch einige vorgestellt werden sollen. In der EKKPS war die seit 1928 bei der ehemaligen örtlichen Gefängnisgesellschaft angestellte Fürsorgerin Philipp mit der Durchführung der kirchlichen Strafgefangenen- und Strafentlassenenfürsorge beauftragt.388 „Fräulein“ Philipp war eine ehemalige Angestellte der Gefängnisgesellschaft Sachsen und wurde nach deren Auflösung am Ende der SBZ finanziell von der Inneren Mission unterstützt. Obgleich die 1897 geborene Philipp sowohl auf der administrativen Ebene als auch als Seel- und Fürsorgerin in den Haftanstalten auf dem Gebiet der EKKPS in der Gefängnisseelsorge engagiert war, verfügte sie über keine feste Anstellung, sondern finanzierte sich lediglich über den Zuschuss der Inneren Mission in Höhe von 257,62 Mark.389 Philipp hatte im Rahmen dieser Tätigkeit Zugang zu allen Haftanstalten – eine vor allem im Blick auf das Polizeigefängnis in der SBZ einzigartige Situation. Philipp war noch im Juni 1951 mit der Durchführung der Strafgefangenenund Strafentlassenenfürsorge in der EKKPS beauftragt und kooperierte im Rahmen dieser Tätigkeit mit den Gefängnisgeistlichen, den kirchlichen Fürsorgerinnen, aber auch den zuständigen staatlichen Stellen.390 Die promovierte Theologin Pietrusky leitete im thüringischen Hohenleuben von 1945 bis 1950 die gleichnamige Frauenstrafanstalt und war hier gleichzeitig als Seelsorgerin der evangelischen Insassinnen tätig.391 Nach dem 387 Poelchau, Ordnung, 112. 388 Vgl. Stadtsuperintendentur Halle / Saale, Ausweis, 6. 6. 1951 (AKPS Magdeburg, Rep. H 54, Nr. 354, o. Pag.). 389 O. Vf., Schreiben an Hans Klett, Magdeburg, 23. 1. 1952 (AKPS Magdeburg, Rep. H 54, Nr. 354). 390 Vgl. Konsistorium der EKKPS, Schreiben an Helene Philipp, Magdeburg, 28. 6. 1951 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 g). 391 Vgl. Ernst Fengler, Schreiben an den LKR Thüringen, Hohenleuben, 26. 11. 1948 (LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 79) u. im Kap. B, Anm. 229.
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Ende der SBZ plante das LKA Sachsen die Beauftragung Pietruskys als Seelsorgerin für die Frauenhaftanstalt Hoheneck zum 1. Juni 1950,392 doch konnte Pietrusky diese Tätigkeit nicht aufnehmen, da Hoheneck als Haftanstalt mit überwiegend politischen Gefangenen in die Überlegungen zum Aufbau einer staatlichen Gefängnisseelsorge einbezogen war. Stattdessen übernahm sie die seelsorgerliche Arbeit im Haftkrankenhaus Klein-Meusdorf in Leipzig, die anderen Strafanstalten der Stadt blieben ihr jedoch verschlossen.393 Die Arbeit Pietruskys konzentrierte sich in den folgenden Jahren auf die Seelsorge an den Frauen in der Zwickauer Strafanstalt Schloss Osterstein und in der örtlichen Untersuchungshaftanstalt. Dort war sie, ebenso wie ihre Kolleginnen und Kollegen in den übrigen StVA der DDR, ab dem Jahr 1953 vermehrt Hemmnissen ausgesetzt.394 Nach dem Inkrafttreten der DO für die evangelischen Seelsorger versuchte das LKA Sachsen, eine Bestätigung Pietruskys für die Seelsorgetätigkeit in der Strafanstalt Zwickau durch die HVDVP zu erwirken,395 was jedoch misslang. Mit Schreiben vom 5. Januar 1954 teilte OLKR Knospe Pietrusky mit, dass mit ihrer Bestätigung durch die HVDVP, wohl aufgrund ihrer früheren Tätigkeit, nicht zu rechnen sei. Ob diese frühere Tätigkeit Pietruskys die Leitung der Frauenhaftanstalt Hohenleuben meinte oder auf frühere Beschäftigungsverhältnisse abzielte, muss hierbei offenbleiben. In einem persönlichen Gespräch sollte eine weitere Beschäftigung der Theologin bei der Superintendentur Zwickau geklärt werden.396 Über einen längeren Zeitraum hinweg lässt sich auch die Tätigkeit der Bitterfelder Stadtmissionarin Kleeberg nachvollziehen, die, wie bereits erwähnt, ab 1948 als Gefängnisseelsorgerin tätig war.397 Gemeinsam mit Maria 392 Vgl. Gottfried Knospe, Schreiben an Edith Pietrusky, Dresden, 19. 5. 1950 (LKA Dresden, 2/ 315, Bl. 159). 393 Vgl. Rudolf Irmler, Schreiben an das LKA Sachsen, Waldheim, 26. 6. 1950 (LKA Dresden, 2/ 315, Bl. 202). 394 Vgl. Edith Pietrusky, Schreiben an die Superintendentur Zwickau, Zwickau, 14. 4. 1953 (LKA Dresden, 2/339, Bl. 58). 395 Vgl. Gottfried Knospe, Schreiben an die Direktion der Haftanstalt Osterstein, Dresden, 11. 9. 1953 (LKA Dresden, 2/339, Bl. 99). 396 Vgl. ders., Schreiben an Edith Pietrusky, Dresden, 5. 1. 1954 (LKA Dresden, 2/340, Bl. 60). Der in Zwickau – sowohl in der Strafvollzugs- als auch in der Untersuchungshaftanstalt – tätige Seelsorger Riedel wurde auf Anweisung der Superintendentur Zwickau im Frühjahr 1956 durch Pfarrer Curt Friedrich ersetzt. Riedel informierte die Superintendentur darüber, dass er zu Ostern in beiden Anstalten seine Abschiedsgottesdienste gehalten habe. Weiterhin resümierte er eine insgesamt gute Zusammenarbeit mit der Anstaltsleitung und der VP, diese sei „korrekt und aufs Ganze gesehen durchaus entgegenkommend“ gewesen (Otto Riedel, Ausscheiden, 7. 4. 1956, LKA Dresden, 2/344, Bl. 50). Darüber hinaus bemerkte er: „Die Zusammenarbeit mit Fräulein Dr. Pietrusky war vorbildlich. Unterzeichneter hat der Amtsschwester für manchen guten Rat zu danken.“ (ebd.). Aus dieser Bemerkung Riedels lässt sich schließen, dass Pietrusky, wie von Knospe vorgeschlagen, Mitte der 1950er Jahre tatsächlich Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Gefängnisseelsorge in Zwickau ausgeübt hat (vgl. Gottfried Knospe, Schreiben an Edith Pietrusky, Dresden, 5. 1. 1954, LKA Dresden, 2/340, Bl. 60). 397 Im Zusammenhang mit der Beauftragung wurden von der Kirchenleitung der EKKPS Erwartungen formuliert, die im weitesten Sinn an eine Ordinationsverpflichtung erinnern: „Wir
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Kästner betreute sie die Frauen im Haftarbeitslager Bitterfeld, wo sie ihren Dienst bis zum Ende der SBZ ungehindert und mit Unterstützung der Gefängnisleitung sowie der staatlichen Fürsorger tun konnte.398 Kleeberg war zudem die einzige Seelsorgerin der DDR, welche 1953 eine Bestätigung durch die HVDVP erhielt und ihre Arbeit in der Gefängnisseelsorge somit fortsetzen konnte.399 Als die Gefängnisseelsorge 1954 erneut massiven Einschränkungen unterworfen wurde, suchte Kleeberg während eines Aufenthalts in Berlin Kontakt zum OKR der EKiBB Fichtner, wurde jedoch von diesem direkt an Mund verwiesen. Fichtner händigte der Fürsorgerin die Privatanschrift Munds in Berlin-Grünau aus – das Erscheinen einer Seelsorgerin im Dienstgebäude der HVDVP in der Glinkastraße wollte man offensichtlich nicht riskieren –, doch kam es, angeblich aus Zeitgründen, nicht zum Kontakt zwischen Kleeberg und Mund.400 Das Haftarbeitslager Bitterfeld wurde zum 31. Dezember 1954 aufgelöst und die dort inhaftierten Frauen auf andere Vollzugseinrichtungen verteilt.401 Im Februar 1955 nahm Kleeberg noch an der Tagung zur Gefängnisseelsorge im Haus der Kirche in Berlin-Weißensee teil,402 über dieses Datum hinaus lässt sich ein Wirken der 1894 geborenen Seelsorgerin nicht feststellen. Im Strafvollzug der DDR arbeiteten weitere Seelsorgerinnen, jedoch lässt sich die Tätigkeit dieser Frauen jeweils nur über kurze Zeiträume nachverfolgen. So wurden z. B. in Eisenach nachweislich im Winter 1946 die weiblichen Gefangenen im Gefängnis in der Mühlhausener Straßef durch Vikarin Annemarie Martha Alexandra Geyer betreut403 und in der Justizhaftanstalt Radebeul wirkte Vikarin Irene Atzerodt, die nach der Übernahme der Haftanstalt durch die HVDVP im Juli 1952 ihr Tätigkeit aufgeben musste, da ihr weder die Durchführung von Gottesdiensten – angeblich in Ermangelung eines hierfür geeigneten Raumes – noch von Einzelsprechstunden durch die
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erwarten, daß Sie sich mit Treue und Ernst der Inhaftierten in regelmäßigen Gottesdiensten und persönlicher Seelsorge annehmen nach dem Wort unseres Herrn und Heilandes: ,Der Menschen Sohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen was verloren ist.‘“ (Ludolf Müller, Schreiben an Superintendent Lemke in Wanzleben, Magdeburg, 8. 11. 1948, AKPS Magdeburg, Rep. gen., Nr. 246 c, o. Pag.). Vgl. Stadtmission Bitterfeld, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Bitterfeld, 30. 1. 1950 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 d, o. Pag.). Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die Verwaltungsstellen der östlichen Gliedkirchen, Berlin, 22. 9. 1953 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). Vgl. Ruth Kleeberg, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Bitterfeld, 30. 12. 1954 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 e). Vgl. Vesting, Zwangsarbeit, 50 u. Anm. 37. Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die Verwaltungsstellen der östlichen Gliedkirchen, Berlin, 22. 9. 1953 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). Zur Tagung der Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger in Berlin-Weißensee am 11. 2. 1955 vgl. Kap. D 2.1.1. Vgl. Georg Rohrbach, Fragebogen, Eisfeld, 27. 11. 1946 (LKA Eisenach, A 520-3, Bl. 18).
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neue Anstaltsleitung gestattet wurden.404 In Thüringen erfolgte zum 1. Oktober 1950 die Einstellung der Vikarin Maria Jensch für die Seelsorge in der Frauenabteilung im Strafvollzug Erfurt.405 Jensch nahm sowohl im Dezember 1950 als auch im Februar 1952 an den Konventen der thüringischen Gefängnisseelsorger teil.406 Somit ist davon auszugehen, dass sie ihre Arbeit antrat, über den weiteren Verlauf ihrer Tätigkeit liegen jedoch keine Angaben vor. Weiterhin wird in dem Verzeichnis der Gefängnisseelsorger der DDR vom Mai 1955 für die Justizanstalt Rostock die Stadtmissionarin Gertrud Bauck als Seelsorgerin aufgeführt.407 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass in den östlichen Landeskirchen die Tendenz bestand, eine seelsorgerliche Betreuung der Insassinnen von Strafanstalten auch durch weibliche Kräfte zu ermöglichen. Die hierfür beauftragten Frauen gehörten zwei unterschiedlichen Berufsgruppen an. Zum einen handelte es sich um Vikarinnen, also um Frauen, die ein Theologiestudium abgeschlossen und mindestens das Erste Theologische Examen absolviert hatten. Obwohl den Vikarinnen, gemäß geltendem Kirchenrecht, die Ordination versagt blieb, erhielt Pietrusky durch OLKR Knospe auch den Auftrag, im Wechsel mit Pfarrer Meigen in der mit Männern und Frauen belegten Untersuchungshaftanstalt Leipzig Gottesdienste zu halten.408 Gleiches galt für die Vikarin Atzerodt, die diesen kirchlichen Dienst einmal im Monat und bis zur Übergabe der Haftanstalt an die HVDVP in Radebeul tat.409 Einblick in das Arbeitsfeld einer Gefängnisseelsorgerin gibt das von Pietrusky an OLKR Knospe gesandte Schreiben vom 26. Juni 1950, in dem sie ihre Pläne für ihre zukünftige Arbeit im Strafvollzug Zwickau mitteilte: „Gottesdienste möchte ich zunächst nur für Frauen allein halten, vielleicht kann ich später auch für Gesamtgottesdienste einspringen, aber im Anfang gibt das zu leicht Anstoß. […] Ich möchte nur einmal im Monat Bibelarbeit mit ihnen [den Frauen – SiSt] tun, die nach dem Gesamtplan des Frauendienstes ausgerichtet ist 404 Vgl. Irene Atzerodt, Schreiben an OLKR Knospe, Radebeul, 17. 7. 1952 (LKA Dresden, 2/317, Bl. 122). 405 Vgl. Superintendent Breithaupt, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Erfurt, 12. 10. 1950 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 d, o. Pag.). 406 Die Bezeichnung Jenschs als ,Gast‘ in der Niederschrift von 1950 dürfte auf der Zugehörigkeit Erfurts zur EKKPS beruhen. Da die Kirchengrenzen für die Verwaltung des Strafvollzugs keine Größe darstellten, übte Jensch ihre Arbeit unter den in Thüringen herrschenden Bedingungen und geltenden Vorschriften aus (vgl. Hans Korth, Niederschrift der Arbeitstagung der Thüringer Gefängnisseelsorger v. 6. – 7. 12. 1950 in Neudietendorf, Gera, 18. 12. 1950, LKA Eisenach, A 520-5, Bl. 95; Gerhard Säuberlich, Niederschrift der Tagung der Thüringer Strafanstaltseelsorger v. 12. 2. 1952 in Neudietendorf, Gera, 13. 2. 1952, LKA Eisenach, A 5204, o. Pag.). 407 Vgl. o. Vf., Verzeichnis, 11. 5. 1955 (EZA Berlin, 103/101, Bl. 72–74). 408 Vgl. Edith Pietrusky, Schreiben an OLKR Gottfried Knospe, Leipzig-Markkleeberg, 12. 6. 1950 (LKA Dresden, 2/315, Bl. 209). 409 Vgl. Irene Atzerodt, Schreiben an OLKR Gottfried Knospe, Radebeul, 17. 7. 1952 (LKA Dresden, 2/317, Bl. 122).
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u. damit eine Brücke zu dem heimatlichen Frauenkreis schlägt, dazu Sprechstunden für Einzelseelsorge.“410
Zum anderen wurden für die Arbeit mit den inhaftierten Frauen kirchlicherseits Fürsorgerinnen herangezogen, die entweder bei kirchlichen karitativen Einrichtungen wie der Inneren Mission oder bei den aus den Gefängnisgesellschaften hervorgegangenen Betreuungsgesellschaften für Strafgefangene und Strafentlassene angestellt waren. Mit der bereits in der SBZ einsetzenden Verdrängung der kirchlichen Fürsorge aus dem Strafvollzug kamen in den StVA zunehmend staatlich angestellte Fürsorgerinnen und wohl auch Fürsorger zum Einsatz. Fürsorgerinnen hatten in der Regel eine primär praxisorientierte Ausbildung an einer Fürsorge- oder Sozialen Frauenschule in kirchlicher oder staatlicher Trägerschaft abgeschlossen.411 Bei der Arbeit christlicher Fürsorgerinnen und Seelsorgerinnen kam es praktisch durchaus zu Überschneidungen, etwa bei der Kontaktierung und Betreuung der Familien von Inhaftierten. Beide Berufsgruppen hielten Sprechstunden, auch wenn die Arbeitsschwerpunkte unterschiedlicher Art waren: Während die Fürsorgerinnen sich um praktische Dinge wie etwa die Beschaffung neuer Kleidung und die Regelung von Angelegenheiten außerhalb der Anstalten bemühten,412 stand bei den Vikarinnen wie bei ihren männlichen Kollegen das seelsorgerliche Gespräch im Vordergrund. In den Berichten der Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger finden sich Hinweise auf Kooperationen mit in der Fürsorge tätigen Männern und Frauen. So berichtete z. B. Pietrusky OLKR Knospe, dass die nachgehende Fürsorge im Haftkrankenhaus Meusdorf mit derart großer Umsicht von Frau Weingarten getan werde, „dass man ihr nichts daran nehmen möchte.“413 Zufrieden mit 410 Edith Pietrusky, Schreiben an OLKR Gottfried Knospe, Leipzig-Markkleeberg, 26. 6. 1950 (LKA Dresden, 2/315, Bl. 211). 411 Zur Fürsorge in der SBZ/DDR vgl. Boldorf, Sozialfürsorge; Willing, Armutsbekämpfung; ders., Wohlfahrt, Hammerschmidt / Weber / Steidenst cker, Soziale Arbeit, v. a. 119–123. Trotz der guten Forschungslage zur Fürsorge in der SBZ / DDR allgemein ist über die Arbeit von staatlichen Fürsorgerinnen und Fürsorgern im Strafvollzug der SBZ / DDR bisher nichts bekannt. Da diese in den Berichten ihrer im Strafvollzug tätigen christlichen Kolleginnen und Kollegen aber thematisiert werden, muss auch der Strafvollzug zu den Tätigkeitsfeldern der staatlichen Fürsorge gezählt haben. Erwähnungen staatlicher Fürsorge finden sich in folgenden Archivalien: Hans-Werner Geinitz, Schreiben an das Konsistorium in Magdeburg, Magdeburg, 23. 8. 1947 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 b, o. Pag.); Edith Pietrusky, Schreiben an OLKR Gottfried Knospe, Leipzig-Markkleeberg, 26. 6. 1950 (LKA Dresden, 2/315, Bl. 211); Fritz Sasse, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, BerlinJohannisthal, 17. 10. 1953 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.); Hermann Schneider, Bericht an das Konsistorium der EKKPS, 26. 2. u. 14. 11. 1949 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 c und d, beide ohne Pag.). 412 Vgl. Hermann Schneider, Bericht an das Konsistorium der EKKPS, Magdeburg, 26. 2. 1949 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 c, o. Pag.); ders., Bericht an das Konsistorium der EKKPS, Magdeburg 14. 11. 1949 (AKPS Magdeburg, Rep. 221. d, o. Pag.) 413 Edith Pietrusky, Schreiben an OLKR Gottfried Knospe, Leipzig-Markkleeberg, 12. 6. 1950 (LKA Dresden, 2/315, Bl. 209).
Kommunikation und Vernetzung
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der staatlicherseits organisierten Fürsorge zeigte sich auch der Berliner Pfarrer Sasse. Seine Sprechstunden in Rummelsburg seien rege besucht, was auch ein Resultat der guten Arbeit der hier tätigen staatlichen Fürsorger sei, „die, zwar Kommunisten, mehr Christen sind, als sie selber ahnen und mich in meinem Wirken bereitwillig unterstützen. […] Es werden von den Fürsorgern, fast könnte man sagen, mit Weisheit, solche Fälle mir vorgeführt, die den Seelsorger wirklich angehen.“414
Ob die in der Gefängnisseelsorge tätigen Frauen neben ihrer weiblichen Klientel auch Männer betreuten, lässt sich nicht mit Bestimmtheit feststellen, doch scheint dies nur in Ausnahmefällen wie z. B. bei kurzfristigen Vertretungen der Gefängnisseelsorger oder, wie das Beispiel von Irene Atzerodt in Radebeul zeigt, bei gleichzeitiger Belegung der Haftanstalten durch Männer und Frauen geschehen zu sein. Im Unterschied dazu war die seelsorgerliche Versorgung weiblicher Gefangener durch männliche Pfarrer üblich. Die ab 1953 verpflichtende Bestätigung der Gefängnisgeistlichen durch die HVDVP wirkte sich auch auf den Einsatz von Frauen in der seel- und fürsorgerlichen Arbeit im Strafvollzug negativ aus: Lediglich im Fall der Seelsorgerin Kleeberg ist belegt, dass sie die für den Dienst nötige Bestätigung durch die HVDVP erhielt.
6. Kommunikation und Vernetzung Die in den Landeskirchen der SBZ noch etablierten Arbeitstreffen der Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger, die bei dieser Gelegenheit Erfahrungen austauschten und im Anschluss an entsprechende Referate die aktuellen politischen Entwicklungen, aber auch organisatorische sowie theologische Fragen, die die Gefängnisseelsorge betrafen, diskutierten, lassen sich für die frühen Jahre der DDR noch vereinzelt nachweisen.415 Ab 1955, im Kontext der zunehmenden Einschränkungen der Gefängnisseelsorge, scheinen sie kaum mehr stattgefunden zu haben. 414 Fritz Sasse, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin-Johannisthal, 17. 10. 1953 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). Aus dem von Sasse verfassten Brief an das Konsistorium der EKiBB kann aus den eingangs genannten Gründen nicht erschlossen werden, ob es sich um Fürsorgerinnen oder um Fürsorger handelte. 415 Vgl. Hans Korth, Niederschrift der Arbeitstagung der Thüringer Gefängnisseelsorger in Neudietendorf v. 6. – 7. 12. 1950, Gera, 18. 12. 1950 (LKA Eisenach, A 520-5, Bl. 95); Gerhard Säuberlich, Niederschrift der Tagung der Thüringer Strafanstaltsseelsorger am 12. 2. 1952 in Neudietendorf, Eisenach, 13. 2. 1952 (LKA Eisenach, A 520-4, o. Pag.); o. Vf., Konvent der Gefängnisseelsorger der EKKPS in Halle am 20. 10. 1952 (AKPS Magdeburg, Rep A, gen. 221 g, o. Pag); Schaper, Einladung zum Konvent der Gefängnisseelsorger am 19. 10. 1953 in Magdeburg, Magdeburg, 9. 10. 1953 (AKPS Magdeburg, Rep. H 54, Nr. 722); Gerhard Säuberlich, Niederschrift der Dienstbesprechung v. 24. 5. 1955 in Neudientendorf, Eisenach, 27. 5. 1955 (LKA Eisenach, 540–4).
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Eine Ausnahme bildeten die seit 1947 durch den Oberpfarrer an der Untersuchungshaftanstalt Moabit Knodt organisierten Zusammenkünfte der Strafanstaltspfarrer für Berlin und Brandenburg, die – ab 1950 als Generalkonvente bezeichnet – zugleich den Vertretern der östlichen Landeskirchen offenstanden und von diesen auch besucht wurde.416 So nennt der Dresdener Pfarrer Erich Bornmann in seinem Bericht über den Konvent vom 26. April 1950 als Teilnehmer den Waldheimer Seelsorger Irmler und den hauptamtlichen Gefängnisseelsorger Thüringens Korth.417 Korth beziffert in seiner Niederschrift zum Generalkonvent die Anzahl der Teilnehmer auf insgesamt 26 und berichtet ausführlich über das vom Berliner Konsistorialrat Fichtner gehaltene Referat über die Ethik des Strafanstaltspfarrers.418 Die detaillierten Aufzeichnungen Korths von der Zusammenkunft vermitteln einen Eindruck von den Schwierigkeiten gerade der im Osten tätigen Gefängnisseelsorger, die diese im geschützten Rahmen des Konvents offen formulierten. So klagte z. B. Irmler darüber, dass für die 4.000 in Waldheim Inhaftierten lediglich zwei Gottesdienste ohne Abendmahlsfeier (je einer zu Pfingsten und zu Ostern) genehmigt worden seien, an denen er nicht einmal habe mitwirken dürfen. Korth selbst habe die Abhaltung von Gottesdiensten in Untermaßfeld nur durch hohe kirchliche Würdenträger kritisiert und diesbezüglich von dringend erforderlichen Veränderungen gesprochen. Der in Potsdam tätige Gefängnisseelsorger Lahr berichtete, dass die Anstalt angesetzte Gottesdienste telefonisch absage und er bei nahezu jedem seiner Besuche vor dem Tor warten und seinen Ausweis vorzeigen müsse. Die im Vollzug tätigen Beamten schätzte er als „passiv resistent“ ein und resümierte: „Es ist nur möglich, mit entsprechender Klugheit sich dennoch durchzusetzen.“ Der Konvent verfasste schließlich eine Resolution, in der eine geordnete Seelsorge für die Polizeianstalten gefordert wurde, gerade wegen der oftmals langen Verweildauer der hier Inhaftierten. Die Resolution sollte direkt am folgenden Tag durch Horst Fichtner an den Vorsitzenden des Rates der EKD Dibelius übergeben werden.419 Einen großen Raum in den über die Generalkonvente erhaltenen Berichten nehmen die hier gehaltenen Referate ein, die nicht nur das Leben in den Strafanstalten, sondern auch gesellschaftspolitische Prozesse sowie die moralische Positionierung der Gefängnisseelsorger thematisierten. In seinem Bericht vom Generalkonvent vom 25. Juni 1952 kommentierte der die thüringische Strafanstalt Ichtershausen betreuende Pfarrer Wichmann ein Refe416 Die Aktivitäten des Generalkonvents Gefängnisseelsorge für das Jahr 1952 sind unter der Signatur 1/953 im ELA Berlin dokumentiert. 417 Vgl. Erich Bornmann, Schreiben an das LKA Dresden, Dresden, 17. 5. 1950 (LKA Dresden, 2/ 315, Bl. 170). 418 Vgl. Hans Korth, Bericht an den LKR Thüringen über den Generalkonvent vom 26. 4. 1950 in Berlin Moabit, Gera, 16. 5. 1950 (LKA Eisenach, A 520-5, Bl. 59 f.). Hier auch das Folgende. 419 Erich Bornmann, Schreiben an das LKA Dresden, Dresden, 17. 5. 1950 (LKA Dresden, 2/315, Bl. 170).
Kommunikation und Vernetzung
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rat von Fichtner zur Seelsorge an nervenkranken Strafgefangenen offenbar ironisch, wenn er bemerkte, dass das Wissen über den Aufbau des zentralen und peripheren Nervensystems sowie das Diagnostizieren der verschiedensten Geisteskrankheiten unabdingbare Fertigkeiten für einen Gefängnisseelsorger seien.420 In diesem Kontext war es unter den Anwesenden zu einer Diskussion über den Umgang mit Homosexualität gekommen – einem Thema, das Wichmann als ungleich interessanter erachtete, „da es uns Gefängnisseelsorgern große Sorgen in unserer Arbeit macht“421. Der Bericht Wichmanns gibt ebenfalls Aufschluss über die zu Beginn der 1950er Jahre schon deutlich spürbare Entfremdung zwischen den Gefängnisseelsorgern aus dem Westen und dem Osten Deutschlands. Die politisch stark differenten Räume und die dadurch nur wenig vergleichbaren Arbeitsbedingungen führten im Umgang miteinander offensichtlich zu wachsender Distanz: „Etwas peinlich berührte der Blick auf die armen Ostpfarrer, für die ergreifende Worte gesprochen und gebetet wurden. Man war zu neu, um in ein Gespräch zu kommen.“ Wichmann kritisierte die seiner Meinung nach fehlende theologische Unterbauung des Konvents und konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, „dass unsere Andachten und Gebete mehr von der Existenzangst durchzittert sind“. Als „ein uns Ostpfarrern eigentümlich anmutendes Stück aus dem anderen Teil Deutschlands“ nahm Wichmann die während des Konvents von Poelchau und Oberpfarrer Knodt geführte Diskussion, ob Gefängnisseelsorger bevorzugt vom Staat oder von der Kirche einzustellen seien, wahr, in deren Verlauf Poelchau staatliche Seelsorger als „verkrachte theologische Existenzen“ bezeichnete – eine Unterstellung, die sich Knodt aus Gründen der Pfarrerehre vehement verbat. Der Generalkonvent bot den Gefängnisseelsorgern auch die Gelegenheit, die bei der Durchführung der Gefängnisseelsorge entstandenen Probleme vorzutragen und diese, falls das Eingreifen höherer Instanzen angebracht erschien, durch Knodt an Fichtner weiterleiten zu lassen. Allerdings zeigten sich Knodt und der Generalkonvent mit der Organisation der Gefängnisseelsorge durch das Konsistorium der EKiBB und der Arbeit Fichtners unzufrieden. In einem Brief an Dibelius beklagte Knodt, auch im Namen des Generalkonvents, unübersichtliche Abläufe und eine mangelnde Ausstattung Fichtners mit den erforderlichen Befugnissen.422 Die Antwort von Dibelius fiel unwirsch aus: 420 Vgl. Herbert Wichmann, Bericht, 27. 6. 1952 (LKA Eisenach, A 520-4, o. Pag.). Hier auch das Folgende. 421 Fichtner hatte in seinen Ausführungen zwischen der vererbten unheilbaren, soenannten endogenen, und der aus der Situation heraus entstehenden und daher heilbaren exogenen Homosexualität unterschieden. Die dazu im Weiteren von Wichmann gemachten Ausführungen bezogen sich jedoch nicht, wie zu vermuten gewesen wäre, auf Inhaftierte, sondern auf Pfarrer, die aufgrund ihrer Homosexualität aus ihrem Dienst in den Landeskirchen ausgeschlossen worden waren. 422 Vgl. Emil Knodt, Unklarheiten, 28. 2. 1951 (ELA Berlin, 11/924, o. Pag.).
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„Mein lieber Bruder Knodt! Ich komme soeben aus England zurück und finde hier Ihren Brief vom 28. Februar vor. Ich muss gestehen, dass der Inhalt mich einigermassen befremdet. Ich kann mir nicht denken, was für Unklarheiten in bezug auf das Dezernat für Gefängnisseelsorge beim Konsistorium bestehen sollen. Herr Oberkonsistorialrat Fichtner führt das eigentlich Referat, und zwar nach der Entscheidung des Konsistoriums mit grösserer Selbständigkeit, als es sonst bei den Referaten des Konsistoriums der Fall ist. Sein Koreferent ist Herr Präses Scharf, durch den die unmittelbare Verbindung mit der Gesamtarbeit des Konsistoriums hergestellt wird. Das sind, wie mir scheint, klare Verhältnisse. Ich weiss wirklich nicht, was für ,Hemmungen‘ aus dieser Ordnung erwachsen können.“423
Doch Knodt ließ nicht locker, sondern widerlegte „in dankbarer Bestätigung der liebenswürdigen Rückantwort“ des Bischofs anhand von Geschehnissen aus der Vergangenheit die von Dibelius unterstellten „klaren Verhältnisse“ in der Organisation der Gefängnisseelsorge in der EKiBB. Es sei offensichtlich, dass Fichtner bei seinen Bemühungen, die Arbeit der Gefängnisseelsorger zu unterstützen, „von dritter Seite Hindernisse in den Weg gelegt werden“ und dass „seine Selbstständigkeit in der Bearbeitung der sein Dezernat betreffenden Angelegenheiten auch im Verkehr mit anderen Behörden in völlig unzuverlässiger Weise eingeschränkt wird. Vielfach wird Herr D. Fichtner auch über wichtige Vorgänge, die seinen Amtsbereich betreffen, überhaupt nicht informiert und erfährt sie erst bei gelegentlichen Dienstreisen an Ort und Stelle.“424
Knodt kritisierte unter anderem eine trotz mehrmaliger Anforderung nicht erteilte schriftliche Bestätigung des Gefängnisseelsorgers der Haftanstalt Berlin-Köpenick, Pfarrer Rother, die zur Vorlage bei der Gefängnisleitung hätte eingereicht werden sollen. Zudem nannte er noch immer ausstehende Entscheidungen zur Verbreitung von kirchlichen Druckschriften im Strafvollzug und fehlende Regelungen bezüglich der Aufwandsentschädigungen für die Gefängnisgeistlichen. Gerade Letzteres sei von größter Dringlichkeit und im Übrigen für die katholischen Gefängnisseelsorger durch das Bischöfliche Ordinariat schon längst zügig und klar geregelt worden. Es liegt nahe, dass die Vorwürfe Knodts, dessen Wirkungsstätte das im Westteil von Berlin gelegene Untersuchungsgefängnis Moabit war, mindestens teilweise mit unzureichenden Kenntnissen über die Bedingungen, unter denen sich die Gefängnisseelsorge im Ostteil Berlins und in Brandenburg vollzog, zu tun hatten. So fiel die Bestätigung für Pfarrer Rother in Berlin-Köpenick eher in den Zuständigkeitsbereich der HVDVP, die auch die Verteilung religiöser
423 Otto Dibelius, Schreiben an Emil Knodt, Berlin, 3. 3. 1951 (ELA Berlin, 1/924, o. Pag.). 424 Emil Knodt, Kompetenzen, 10. 3. 1951 (ELA Berlin, 11/924, o. Pag.).
Kommunikation und Vernetzung
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Schriften im Strafvollzug reglementierte, und nicht in den Kompetenzbereich Fichtners. Der letzte Generalkonvent unter der Leitung des 1879 geborenen Knodts lässt sich für den 24. September 1952 belegen.425 Ab 1954 finden sich in den Akten der ostdeutschen Landeskirchen nur noch Einladungen zu und Berichte von den Generalkonventen für Gefängnisseelsorger Ost, die von Fichtner ausgerichtet sowie geleitet wurden und in den Räumen der Kirchenkanzlei Berliner Stelle in der Bischofstraße 6/8 im Ostsektor Berlins stattfanden. Es kann nur vermutet werden, dass die Einrichtung dieses Konvents für ausschließlich ostdeutsche Gefängnisseelsorger aus den sich vom Westen Deutschlands zunehmend stark unterscheidenden Arbeitsbedingungen resulutierte, die gesamtdeutsche Konvente nicht mehr sinnvoll erscheinen ließen. Diese zweifellos den politischen Entwicklungen geschuldete Umstrukturierung impliziert nicht nur eine gewisse Abhängigkeit und Kontrolle der Zusammenkünfte durch die Kirchenkanzlei, sondern führte auch zu Synergien mit Bestrebungen, die klar auf eine zentrale kirchliche Verwaltung der Gefängnisseelsorge durch die Kirchenkanzlei abzielten, die die Gefängnisseelsorge zu großen Teilen koordinierte und zudem die Kommunikation mit der in der Berliner Glinkastraße residierenden HVDVP abwickelte. Dafür spricht auch, dass Mund oftmals als Gast und Referent am Generalkonvent Ost teilnahm.426 In den Räumen der Kirchenkanzlei fanden auch die jährlichen Treffen der Referenten für Gefängnisseelsorge statt, bei denen die in den östlichen Landeskirchen mit der Gefängnisseelsorge beschäftigten Referenten in Austausch traten und durch Vertreter der Kirchenkanzlei wie Propst Grüber und dessen Mitarbeiter Zachau über neueste Entwicklungen in der Gefängnisseelsorge unterrichtet wurden.427 Auch zu den im Westen stattfindenden Konferenzen 425 Vgl. Alfred Kopelke, Bericht, 29. 9. 1952 (LKA Eisenach, A 520-4, o. Pag.). Die Personalakte Knodts beim Konsistorium der EKiBB reicht bis 1954 (vgl. Knodt, Emil Karl Wilhelm Hermann, 1945. 1.27 – 1954. 10. 10, ELA Berlin, 105/526). 426 Belegt ist Munds Anwesenheit für folgende Generalkonvente: Generalkonvent vom 23. 9. 1954 mit dem Referat „Meine Erfahrungen als Seelsorger im Strafvollzug“ (vgl. Horst Fichtner, Einladung zum Generalkonvent der Strafanstaltspfarrer Ost, Berlin, 10. 9. 1954, EZA Berlin, 104/954 o. Pag.); Generalkonvent vom 4. 11. 1954 (vgl. Gerhard Conrad an OLKR Knospe, Bericht über den Generalkonvent für Gefängnisseelsorge, Karl-Marx-Stadt, 10. 11. 1954, LKA Dresden, 2/340, Bl. 199). Im gleichen Schreiben findet sich zu den Plänen, den Generalkonvent einmal im Gebiet der Sächsischen Landeskirche auszurichten, die Bemerkung: „Allerdings müßte an diesen Konventen unbedingt Bruder Mundt mit teilnehmen.“ (ebd.). Somit ist davon auszugehen, dass Mund generell zum Generalkonvent eine Einladung erhielt, wenn er diese auch nicht in allen Fällen wahrnehmen konnte. Mund war z. B.zum Generalkonvent am 24. 5. 1958 geladen, konnte jedoch aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen und somit auch das geplante Referat zur „praktischen Gestaltung der Predigt“ nicht halten (vgl. Horst Fichter, Einladung zum Generalkonvent für Gefängnisseelsorger Ost am 24. 4. 1958, Berlin, 24. 4. 1958, ELA Berlin, 1/921, o. Pag.). 427 Vgl. o. Vf., Niederschrift, März 1950 (EZA Berlin, 103/100, Bl. 21–24); o. Vf., Bericht über die
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der evangelischen Gefängnisseelsorger, wie beispielsweise 1952 in Hofgeismar oder 1957 in Arnoldshain,428 ergingen stets Einladungen an die Kollegen in der DDR, die diesbezügliche Resonanz war jedoch äußerst gering.429 Offensichtlich waren die dort diskutierten Probleme und Themen zu sehr auf die Arbeit im Westen Deutschlands zugeschnitten und rechtfertigten in ihrer Verwertbarkeit für die östlichen Seelsorger nicht den für eine Westreise nötigen bürokratischen und finanziellen Aufwand.430
7. Wirksamkeit und Grenzen 7.1 Reduzierung der Seelsorge auf zwei Komponenten In den frühen Jahren der DDR fanden die bereits in der SBZ nachweisbaren Beschneidungen der Gefängnisseelsorge ihre Fortsetzung. Im Zuge der durch die HVDVP betriebenen Übernahme des gesamten Strafvollzugs stießen die Gefängnisseelsorger bald nach dem Austausch der zuvor in der Anstalt tätigen Justizbeamten gegen Volkspolizisten auf erste Hemmnisse und Schikanen. Mit der zum Juli 1952 abgeschlossenen Übernahme des Strafvollzugs in den Zuständigkeitsbereich der HVDVP, begann das MdI in Zusammenarbeit mit der HVDVP, die Gefängnisseelsorge in den Vollzugsanstalten mittels interner, teils mündlich ausgesprochener Verordnungen landesweit zu vereinheitlichen und durch die am 3. Juli 1953 von der Kirchenkanzlei akzeptierte DO vehement im Sinne eigener Vorstellungen und Vorteile zu gestalten. Wie bereits in der SBZ blieben den Gefängnisseelsorgern als Arbeitsfelder lediglich der Gottesdienst und die in den allermeisten Fällen im Beisein eines Beamten durchgeführten Sprechstunden. Jedoch lässt sich bereits für die frühen Jahre der DDR konstatieren, dass diese Beschränkungen, im Kontrast zu den in der SBZ zu beobachtenden, wesentlich konsequenter durchgesetzt wurden, was mit dem Wegfall der in der SBZ innerhalb der provisorischen, teils chaotischen Strukturen durchaus vorhandenen Freiräume inklusive der Referentenbesprechung vom 18. 1. 1951 in der Kirchenkanzlei (AKPS Magdeburg, Rep. gen., 221 g, o. Pag.); o. Vf., Bericht, 27. 3. 1952 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 g, o. Pag.). 428 Vgl. Herbert Wichmann, Bericht, 27. 6. 1952 (LKA Eisenach, A 520-4, o. Pag.); Kirchenkanzlei, Schreiben an die östlichen Kirchenleitungen, Berlin, 15. 4. 1957 (EZA Berlin, 104/ 957, o. Pag.). 429 Für Hofgeismar ist der Besuch der Konferenz durch Pfarrer Müller aus Gera gesichert. Dieser trug die Inhalte der Konferenz auf einem Treffen der Thüringer Gefängnisseelsorger vor (vgl. Gerhard Säuberlich, Niederschrift der Dienstbesprechung v. 24. 5. 1955 in Neudientendorf, Eisenach, 27. 5. 1955, LKA Eisenach, 540–4). Müller sei neben einem Pfarrer aus Ost-Berlin der einzige Gefängnispfarrer aus der DDR auf der Konferenz gewesen (ebd.). 430 Vgl. zu der 1957 in Arnoldshain durchgeführten Konferenz das Protokoll, das der Kirchenkanzlei zur Weiterleitung an die ostdeutschen Strafanstaltspfarrer übersandt wurde (HansJürgen Behm, Schreiben an die östlichen Gliedkirchen, ELA Berlin, 1/921, o. Pag.).
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hier noch möglichen individuellen Entscheidungen und Improvisationen zugunsten eines starren, zumeist streng eingehaltenen Reglements zu tun hatte. Auch kam es in der Praxis immer wieder vor, dass eigentlich durch die DO abgesicherte Gottesdienste und Sprechstunden unter fadenscheinigen Begründungen abgesagt oder aber den Gefangenen durch die Vollzugsbeamten nicht zur Kenntnis gebracht wurden. 7.2 Gottesdienste Die Gottesdienste im Strafvollzug der DDR unterschieden sich nur wenig von denen außerhalb der Gefängnismauern, wobei es keinen Unterschied machte, ob diese von einem der staatlichen oder einem durch die Kirche beauftragten Gefängnisgeistlichen gehalten wurden. In den Archiven der östlichen Landeskirchen sind nur vereinzelte Berichte der Gefängnisseelsorger über den Ablauf der Gottesdienste vorhanden. Die Zulassung der Gefangenen zu den Gottesdiensten stellte auch eine Belohnung für kooperatives Verhalten der Gefangenen im Strafvollzug dar.431 In einigen Gefängnissen der DDR wurden die Gottesdienste durch Chöre, Einzelmusiker und Instrumentalgruppen unterstützt, die sich aus den Reihen der Gefangenen rekrutierten. Belegt ist diese Art von musikalischem Engagement für die Haftanstalten Hoheneck,432 Waldheim,433 Torgau und Brandenburg434. In Bautzen I praktizierten zu Beginn der 1950er Jahre gleich zwei Chöre: Der durch den staatlichen Gefängnisseelsorger Mund bei der Anstaltsleitung durchgesetzte überkonfessionelle Kirchenchor, der sich geistlichem Liedgut widmete, und der durch die Anstaltsleitung als Gegenentwurf dazu installierte, auf ,fortschrittliche‘ Lieder orientierte Jugendchor.435 Hinzu kam ein Instrumentalensemble aus Orgel bzw. Klavier, Geige, Cello und Kontrabass.436 Der Kirchenchor ebenso wie das Ensemble wirkten sowohl in den evangelischen als auch in den katholischen Gottesdiensten, was gerade an den hohen kirchlichen Feiertagen drei bis vier Auftritte für die Beteiligten pro Tag bedeuten konnte.437 Die Mitglieder des bis 1956 existierenden, dann durch die Anstaltsleitung 431 Vgl. Werner Jauch, Schreiben an die Leitungen der StVA, Berlin, 25. 6. 1951 (BArch Berlin, DO 4/11/1572, Bl. 121); Hans-Joachim Mund, Bericht, 28. 3. 1951(BArch Berlin, DO 4/2069, Bl. 1250). 432 Vgl. Gerhard Conrad, Schreiben an OLKR Gottfried Knospe, Chemnitz, 29. 12. 1951 (LKA Dresden, 2/316, Bl. 156); ders., Schreiben an OLKR Gottfried Knospe, Chemnitz, 4. 6. 1952 (LKA Dresden, 2/317, Bl. 89). 433 Vgl. Gottfried Knospe, Aktenvermerk, Oktober 1953 (LKA Dresden, 2/340, Bl. 13). 434 Vgl. Haase, Utopie, 17. 435 Vgl. ders., Lehrjahre, 91. 436 Vgl. ebd., 114–119. 437 Vgl. ders., Palestrina, 28.
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wegen Kassiberschmuggels aufgelösten Kirchenchores hielten in ihren Hafterinnerungen neben ausführlichen Beschreibungen der Chorarbeit auch Bemerkungen zum Ablauf der Gottesdienste fest. So berichtet der damals in Bautzen inhaftierte Ulrich Haase, dass die Kirchenbänke, auf denen die Häftlinge während des Gottesdienstes saßen, in Abteile getrennt waren, die zwar Tauschhandel und die Weitergabe von Kassibern verhinderten, nicht jedoch gelegentliche Flüstereien. Der Pastor betrat die Kirche durch die Sakristei, begrüßte die Insassen vom Altar aus und predigte von der hinter dem Altar angebrachten Kanzel herab.438 In den Erinnerungen Haases ließ sich Mund bei seinen Gottesdiensten „nicht in Streicheleinheiten für uns zu Unrecht eingesperrte ein. Wir warteten als politische Häftlinge ja eigentlich darauf, dass der Pfarrer uns, die moralisch besseren [gemessen an den wegen krimineller Vergehen verurteilten Insassen – SiSt] zumindest bedauern und unser Selbstbewusstsein stärken, uns gewissermaßen anerkennend auf die Schulter klopfen würde. Das jedoch unterließ er und forderte statt dessen, über unseren Glauben nachzudenken, den Versuch zu machen, die Gefangenschaft als Prüfung zu begreifen, als Chance, seinen Weg neu zu finden. So jedenfalls habe ich und viele mit mir die Botschaft seiner Ansprachen verstanden und versucht, ihr zu folgen. Andere Zuhörer jedoch waren enttäuscht von ihm, weil er nicht direkt genug auf unsere persönliche Haftsituation in Bautzen und die alltäglichen Schikanen und Demütigungen durch unsere Bewacher einging.“439
Mund wurde bei den Gottesdiensten in Bautzen durch Pfarrer Reinhard Runge und Diakon Heinz Frank, zwei inhaftierte Theologen, unterstützt. Bei diesen holte er sich die Rückversicherung ein, ob die Predigt von den Gefangenen korrekt verstanden worden war, und formulierte sie bei gegebenenfalls für seinen nächsten Einsatz um.440 Im Rahmen der ein- bis zweimal pro Monat stattfindenden Gottesdienste wurden auch Konfirmationen und Taufen gefeiert, denn gelegentlich entschlossen sich bis dato konfessionslose Gefangene zum Eintritt in die evangelische Kirche. Haase erinnert sich in diesem Zusammenhang auch an einen für die Gefangenen sehr emotionalen Taufgottesdienst für ein Neugeborenes Anfang 1953. Die Bautzener Gefangenen sammelten aus ihrem ohnehin begrenzten Verpflegungskontingent ein Taufgeschenk. Mutter und Kind seien unmittelbar nach dem Gottesdienst abgeführt und abtransportiert worden, aller Wahrscheinlichkeit nach ins Frauengefängnis nach Hoheneck, so Haase.441 Die genauen Umstände, die zur Taufe des Säuglings in Bautzen führten, bleiben hierbei rätselhaft, da auch das
438 439 440 441
Vgl. ders., Lehrjahre, 57. Vgl. ders., Palestrina, 27. Vgl. ebd., 28. Vgl. ebd., 29.
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Frauengefängnis Hoheneck über eine Anstaltskirche und über einen Chor verfügte – ein Umstand, der Haase nicht bekannt gewesen war. Mund versorgte den Gefangenenchor der Strafanstalt Bautzen I mit Noten und Lehrbüchern zur Chormusik,442 woraus eine äußerst reichhaltige musikalische Ausgestaltung der Gottesdienste auf hohem Niveau resultierte, zumal die Chormitglieder auf dem Saal sehr viel Zeit für die Proben zur Verfügung hatten.443 Haase entstanden dann auch, angesichts des hohen Stellenwertes von Chor- aber auch instrumentaler und teils konzertanter Musik im Gottesdienst, Bedenken, ob diese nicht mehr Kirchenkonzerten glichen. Diese Einschätzung teilte Pfarrer Laser aus Göda, der Mund im Falle einer Verhinderung bei den Gottesdiensten in Bautzen vertrat. In einem Schreiben vom 21. April 1952 an Propst Grüber zum Ablauf der Ostergottesdienste, merkte Laser an, dass er die musikalische Ausgestaltung der Gottesdienste und die damit verknüpfte Beteiligung der Insassen äußerst positiv einschätze, dass die Gottesdienste mit „viermal Chormusik und viermal Instrumentaleinsatz, darunter ein ganzer Sinfoniesatz“,444 musikalisch jedoch eindeutig überladen seien. „Das liturgische Gefüge des Gottesdienstes leidet und die Verkündigung kommt zu kurz“, kommentierte Laser an anderer Stelle.445 Zudem sei es dadurch zu einer Ausweitung der Gottesdienstzeit auf neunzig Minuten und zu einer Verschiebung des anschließenden katholischen Gottesdienstes um eine halbe Stunde gekommen. Gemäß der DO waren die im Strafvollzug gehaltenen Gottesdienste „in der Regel als Abendmahlsgottesdienste durchzuführen“,446 wobei aus hygienischen Gründen, vor allem wegen der zahlreichen Tbc-Kranken, meist auf die Intinctio zugrückgegriffen wurde.447 Auch in der Erinnerung Haases waren die von Mund in Bautzen gehaltenen Gottesdienste in fast allen Fällen Abendmahlsgottesdienste, wobei das Abendmahl in den Gottesdienstablauf selbst integriert war.448 Wurde Mund vertreten, wie eben durch Pfarrer Laser in Bautzen I449 oder durch Pfarrer Conrad in der Frauenhaftanstalt Hoheneck,450 442 Vgl. ders., Lehrjahre, 108. 443 Die von Ulrich Haase verfasste Erinnerungsschrift „Palestrina auf der Pritsche. Meine Zeit im Bautzener Kirchenchor“ enthält ein „Repertoire der Bautzener Kirchenmusik von 1951–1956“, geordnet nach den Lebensdaten der Komponisten (71–81). Darin sind etwa 300 Titel aus verschiedenen Epochen verzeichnet, darunter gregorianische Gesänge und Kompositionen von Giovanni Pierluigi da Palestrina, Bach, Händel, Mozart, Vivaldi, Beethoven, Schubert, Tschaikowski und Wagner, daneben auch einige Eigenkompositionen der Chormitglieder. 444 Gerhart Laser, Schreiben an OLKR Gottfried Knospe, Göda, 22. 4. 1952 (LKA Dresden, 2/317, Bl. 43). 445 Ders., Schreiben an Heinrich Grüber, Göda, 21. 4. 1952 (LKA Dresden, 2/317, Bl. 44). 446 Vgl. o.Vf., Dienstordnung, 3. 7. 1953 (EZA Berlin, 103/102, o. Pag.). 447 Vgl. o.Vf., Besprechung, 27. 11. 1950 (EZA Berlin, 103/100, Bl. 75). 448 Vgl. Haase, Palestrina, 29. 449 Vgl. ebd. 450 Vgl. Gerhard Conrad, Schreiben an OLKR Gottfried Knospe, Chemnitz, 4. 6. 1952 (LKA Dresden, 2/317, Bl. 89).
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wurde kein Abendmahl durchgeführt. In den frühen 1950er Jahren wurden Abendmahlsfeiern in den Haftanstalten meist noch problemlos erlaubt. Aber der Mitte des Jahrzehnts änderte sich dies – trotz anderslautender Bestimmungen der DO –, weil sich aus der Perspektive von HVDVP und den bei den Gottesdiensten anwesenden Beamten Gefangene und Pfarrer bei diesem Sakrament zu nahe kamen. Man befürchtete unkontrollierte Gespräche und womöglich Gelegenheit zum Kassiberschmuggel. Die folgende Episode, die der katholische Geistliche Joachim Gregers berichtet, spricht für eine bereits enorme Entfremdung auf Seiten des Wachpersonals von kirchlichen Ritualen: „Bei einer Messe in Bautzen kam es zu folgendem Zwischenfall: Als ich zur Kommunion an die Gefangenen hintrat, konnte ich zwar noch den ersten drei Gefangenen die Hl. Kommunion reichen, aber dann sprang der wachhabende Polizist (mit Dienstmütze auf dem Kopf) an die Kommunikantenreihe und rief mir zu: ,Das dürfen sie hier nicht tun, die Verpflegung geben wir, hören sie sofort mit dem Gottesdienst auf.‘ Ich sagte, daß ich immer die Hl. Kommunion gebe, er bestand auf der Verweigerung, die Gefangenen waren hell empört, ich sagte: ,Sie machen jetzt einen großen Fehler‘. Dann wurden die Gefangenen hinausgeführt, und ich packte alles zusammen und ging mit dem Allerheiligsten zur Pfarrkirche.“451
7.3 Sprechstunden Die Feststellung, dass die staatlichen Gefängnisseelsorger unbeaufsichtigte und die im Dienst der Kirche stehenden nur beaufsichtigte Gespräche mit Gefangenen führen durften, beschreibt insgesamt mehr eine Tendenz als eine Regel. In der Praxis kam es immer wieder vor, dass auch die staatlichen Seelsorger die Anwesenheit eines Vollzugsbeamten hinnehmen mussten, genauso wie es kirchlichen Seelsorgern ab und an gelang, mit Gefangenen allein zu sprechen. Was die Anwesenheit eines VP-Beamten bei einer Sprechstunde konkret bedeutete, lässt sich beispielhaft der Schilderung einer Erfahrung Munds in der Haftanstalt Brandenburg-Görden entnehmen: „[…] von einem Strafgefangenen wurde die Äusserung getan, er sei von den ,Russen‘ zu 25 Jahren verurteilt worden. Darauf schaltete sich der VP-Wachtmeister ein mit der Frage, was verstehen sie unter ,Russen‘? Da der Strafgefangene bereits seit 1945 inhaftiert war, war ihm der Sinn dieser Frage nicht verständlich. Daraufhin hielt ihm der VP-Wachtmeister einen kleinen Vortrag über die Anwendung des Wortes ,Russe‘ und über die Zusammensetzung der Völker in der Sowjetunion und in seinem Falle hätte er sagen müssen: ,Ich bin vom sowjetischen Militärtribunal verurteilt worden‘.“452 451 Joachim Greger, Erinnerungen, o. Datum (Privatarchiv Haase). 452 Hans-Joachim Mund, Bericht, Berlin, 20. 6. 1951 (BArch Berlin, DO 4/11/1572, Bl. 123).
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Dieses Verhalten des Wachtmeisters habe auf Seiten des Gefangenen Befangenheit und Verwirrung hervorgerufen. Als am nächsten Tag ein Beamter die Aufsicht über die Sprechstunde übernommen habe, hätte sich aufgrund von dessen Präsenz eine Doppelsprechstunde entwickelt, da die Gefangenen die Gelegenheit dazu genutzt hätten, ihre Anliegen und Fragen gegenüber dem Beamten vorzubringen, worauf dieser – zum Bedauern Munds – eingegangen war. Als besonders problematisch hatte Mund die Sprechstunde in der Haftanstalt Luckau empfunden. Hier hatte ein Gefangener das Misstrauen, das ein Teil der Inhaftierten aufgrund von Gerüchten, dass Mund „ein VP-Kommandeur oder ein SED-Funktionär sei“, diesem gegenüber hegte, im Beisein des VP-Wachtmeisters offen angesprochen. Darauf habe Mund ihm entgegnet, dass das „einzige Kriterium für einen ev. Pfarrer die Bibel sei und er hätte meine Worte daran zu prüfen. Alles andere sei ohne Belang. Im übrigen sei der Anstaltspfarrer immer Angestellter der jeweiligen Vollzugsbehörde gewesen. Ein ähnliches Verhältnis läge selbstverständlich bei meiner Tätigkeit vor.“453
Diese und weitere Probleme, wie z. B. Beschwerden eines Strafgefangenen über ständige Beschimpfungen durch die Kommandoleiter, brachte Mund in einem vom 20. Juni 1951 datierenden Bericht seinem Vorgesetzten Jauch zur Kenntnis.454 Jauch verfasste daraufhin umgehend ein Rundschreiben an die der HVDVP unterstehenden Strafanstalten, in dem er die Störung der Sprechstunden durch anwesende Vollzugsbeamte ebenso untersagte wie die Erörterung aller Probleme in den Sprechstunden beim Gefängnisseelsorger, die nicht in den religiösen Kontext gehörten. Zudem wies er darauf hin, dass „das Beschimpfen von Gefangenen eines VP.-Angehörigen unwürdig ist“ und dass die Anstaltsleitung bei renitenten Gefangenen über genügend alternative Methoden verfüge.455
453 Ebd., 124. Vorbehalte gegen Mund aufgrund seiner Beauftragung durch die und Anstellung bei der HVDVP gab es auch in anderen Haftanstalten, so beispielsweise in Halle / Saale. Hier berichtete ein ehemaliger Häftling, dass das Gros der Gefangenen Mund nach Bekanntwerden seines Ranges bei der VP ablehnend gegenübergestanden habe (vgl. Pfarramt Beyern-Züllsdorf, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Beyern-Züllsdorf, 27. 1. 1954, AKPS Magdeburg, Gen. 221 e, o. Pag.). Immer wieder thematisiert wurde auch das angebliche Auftreten Munds in Uniform. Als im Juli 1955 derartige Gerüchte an das LKA Sachsen herangetragen wurden, bat man im Rahmen einer Referentenbesprechung in Berlin diesbezüglich um Auskunft. Dem Referenten des LKA Sachsen wurde durch den Leiter der Kirchenkanzlei Ost OKR Behm daraufhin mitgeteilt, „daß Mund nur Uniform trage, wenn er dadurch bei den Dienststellen etwas Bestimmtes erreichen wolle. Nur in solchen Fällen mache er sichtbar Gebrauch von seinem Rang als Kommandeur.“ (Konrad Müller, 15. 9. 1955, LKA Dresden, 2/343, Bl. 118). 454 Hans-Joachim Mund, Bericht, Berlin, 20. 6. 1951 (BArch Berlin, DO 4/11/1572, Bl. 123). 455 Vgl. Werner Jauch, Schreiben an die Leitungen der StVA, Berlin, 25. 6. 1951 (BArch Berlin, DO 4/11/1572, Bl. 121).
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Die Gefängnisseelsorge in den frühen Jahren der DDR (1949–1954)
Informationen über den genauen Ablauf der Sprechstunden lassen sich aus wenigen Zeitzeugenberichten und aus den von Mund verfassten und überlieferten Seelsorgenotizen aus den Jahren 1952 und 1953456 gewinnen. Mund notierte gewöhnlich den Namen und das Geburtsdatum des jeweiligen Besuchers sowie in kurzen Stichworten dessen Anliegen, ganz selten auch seinen persönlichen Eindruck vom Gefangenen. Da er die Besuche durchnummerierte, lässt sich für das jeweilige Datum die Gesamtzahl der Personen, die in die Sprechstunde kamen, genau ermitteln, nicht jedoch die Uhrzeit und die Dauer des einzelnen Gesprächs. Die Anzahl der an einem Tag geführten Gespräche konnte beachtlich sein. So nahmen, gemäß den Notizen Munds, z. B. am 17. März 1953 in Hoheneck 95 und am 12. September 1953 86 Frauen die Sprechstunde in Anspruch. In Bautzen waren es im gleichen Jahr an einem Tag ohne konkrete Datumsangabe 120 Männer. Für einen Besuch Munds vom 22. bis 25. Oktober 1950 in der Haftanstalt Brandenburg-Görden erstellte die Anstaltsleitung zwei Listen mit Namen von Gefangenen, die sich zur Sprechstunde angemeldet hatten – 47 aus Verwahrhaus I und 62 aus Verwahrhaus 2.457 Gemäß dem Pfarrerkalender Munds458 waren die Sprechstunden auf den 23. und 24. Oktober beschränkt, was etwas mehr als 50 seelsorgerliche Gespräche pro Tag bedeutete. Vergleicht man diese Angaben mit weiteren Einträgen in Munds Seelsorgenotizen, so handelt es sich bei diesen Zahlen tatsächlich um die durchschnittliche Anzahl der Seelsorgegespräche, die Mund bei seinen Besuchen täglich zu führen hatte.459 Obwohl Mund die Inhalte der Gespräche – sicher auch aus Gründen des Schutzes der Inhaftierten – in nur wenigen Stichworten notierte, offenbaren die Seelsorgenotizen auf eindringliche Weise die große seelische Not der bei ihm Rat und Trost suchenden Männer und Frauen. Dass sich Munds Notizen gerade hinsichtlich im eigentlichen Sinne religiöser und im Strafvollzug erwartbarer Motive wie Schuld, Reue, Sühne und Vergebung als Leerstelle erweisen, dürfte sich durch die strikte Wahrung des Beichtgeheimnisses durch Mund erklären. Seine Notizen beinhalten ausschließlich Wünsche der Inhaftierten im Blick auf Personen und Ereignisse zumeist außerhalb der Gefängnismauern, auf die sie selbst keinen Einfluss nehmen konnten und deshalb die Vermittlung des staatlichen Seelsorgers in Anspruch nahmen bzw. nehmen mussten. So bildete die Sorge der Inhaftierten um ihre Familie, gemäß den Notizen Munds, den Schwerpunkt vieler Sprechstunden. Nicht selten war die 456 457 458 459
Überliefert in AdK Berlin, WKBA 2889/1–3, o. Pag. Hier auch das Folgende. O. Vf., Anmeldungen zur Sprechstunde, 21. 10. 1950 (AdK Berlin, WKBA 2889/4, o. Pag.). Vgl. Hans-Joachim Mund, Pfarrerkalender 1949–1950 (AdK Berlin, WKBA 2889/4, o. Pag.). Der 1950 im Berliner Gefängnis Barnimstraße tätige Pfarrer Eberhard Kietzig gab an, dass er in seiner 7 Stunden währenden Sprechzeit höchstens 15 Gefangene seelsorgerlich betreuen könne (vgl. Eberhard Kietzig, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin, 22. 11. 1950, ELA Berlin, 11/924, o. Pag.). Diese eher realistisch anmutende Zahl kann als Indiz dafür gelten, dass die Anforderungen an die staatlichen Gefängnisseelsorger anderer Art waren als die an ihre landeskirchlichen Kolleginnen und Kollegen.
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Verhaftung derart schnell vonstatten gegangen, dass keine Gelegenheit für eine Verabschiedung oder aber die Regelung der dringendsten Angelegenheiten geblieben war. Vielfach waren Familien ohne den Hauptverdiener oder Kinder ohne Mutter, in manchen Fällen auch ohne beide Elternteile, zurückgeblieben. Die Sorgen, die sich aus dieser Situation für die Inhaftierten ergaben, stellten eine zusätzliche seelische Belastung von erheblichem Ausmaß dar. Dabei ist zu beachten, dass es in diesen Fällen nicht nur um seelischen Trost, sondern um praktische Hilfe ging. So resultierte aus einem nicht geringen Teil der Gespräche mit Gefangenen ein aktiver Einsatz der Seelsorger. Meist handelte es sich um Schreiben an die Heimatgemeinden der Inhaftierten mit der Bitte um bestimmte Informationen, die über den Gefängnisseelsorger dann wieder an die Inhaftierten gelangten, was ein oft mühsames Prozedere darstellte, das den Beteiligten viel Geduld abverlangte. In den Sprechstunden ging es im Ergebnis vielfach um die Verarbeitung schlechter Nachrichten. Dies galt im Besonderen für eine Vielzahl von Anfragen aus dem Frauengefängnis Hoheneck, die den Verbleib und das Wohlergehen der Kinder inhaftierter Mütter betrafen, die sich oftmals in Pflegestellen oder Heimen befanden. So sandte Mund nach einer Sprechstunde im November 1952 z. B. eine Anfrage zum Verbleib der Kinder der inhaftierten Liesbeth W. aus Aschersleben an den dortigen Superintendenten, die dieser erst mit Schreiben vom 1. April 1953 beantwortete, wobei Mund die Antwort wiederum erst am 27. Mai an die betroffene Frau weitergab.460 Mitunter reagierten Zuständige rascher und teils auch mittels sensibler Formulierungen. Dies zeigt z. B. die Antwort von Pfarrer Hans-Jürgen Möller aus Schönebeck / Elbe vom 12. November 1953 auf eine Anfrage Munds von September des Jahres, wo es hieß: „Bezüglich der Betreuung ihrer drei Kinder braucht sich die Gefangene keine Sorge zu machen. Die Betreuung durch Frl. Misch ist die denkbar beste. Wäsche, Kleidung und Lebensmittel sind immer genügend vorhanden. Freunde und Bekannt [sic] helfen. Im Oktober wurde eine Gelbeihilfe [sic] für die Beschaffung von Kleidern geleistet. Gesundheitlich geht es allen drei Kindern gut. Im Schulunterricht kommen sie gut voran, sie können als gute Durchschnittsschüler gelten. Hans-Ludwig hat sich in letzter Zeit sogar verbessert. Bei Gisela rückt die Frage, ob der Uebergang in die Oberschule erfolgen kann, immer näher, denn in 2 Jahren ist es soweit.“461 460 Der Superintendent hatte Mund folgende Informationen übermittelt: „Peter befindet sich jetzt im Coppi-Heim in Bernburg / Sa., Karlstrasse. Dieses Heim ist ausschließlich für Hilfsschüler eingerichtet und daher für Peter besser geeignet als das Ascherslebener für Normalschüler. Peter ist dort nach Aussage der Leiterin gut aufgehoben. Heimleiterin in Bernburg ist Else Bock. Ueber den Aufenthalt von Heinz konnte leider noch nichts ermittelt werden. Es ist damit zu rechnen, dass dies in allernächster Zeit möglich werden wird.“ (Hans-Joachim Mund, Kinder der Gefangenen W., 27. 5. 1953, AdK Berlin, WKBA 2889/9). 461 Hans-Joachim Mund, Kinder Gerda S., 19. 11. 1953 (AdK Berlin, WKBA 2889/9).
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Die Gefängnisseelsorge in den frühen Jahren der DDR (1949–1954)
Einige Reaktionen enthielten über die Anfrage Munds hinausgehende Informationen. So berichtete das Pfarramt Burg Stargard in Mecklenburg im November 1953: „Die Kinder, nach denen die Gefangene fragt, sind z. Zt. in guten Pflegestellen untergebracht und werden dort wie eigene Kinder gehalten. Roswitha ist tbcgefährdet und befindet sich in ärztlicher Aufsicht. Beide Kinder machen in der Schule gute Fortschritte. Roswitha besucht regelmäßig den Kindergottesdienst. Es wird weiter mitgeteilt, dass die beiden Kinder von der Gefangenen völlig vernachlässigt worden sind; dadurch soll sie auch am Tode eines dritten Kindes schuldig geworden sein.“462
Schon diese wenigen Beispiele verdeutlichen, dass die Gefängnisseelsorger in der DDR auf die Mitarbeit und Kooperation der Heimatgemeinden der Gefangenen angewiesen waren, was sich in der Praxis über den gesamten Untersuchungszeitrum hinweg als ein Problem darstellte. Viele Heimatgemeinden ignorierten auch wiederholte Anfragen der Gefängnisseelsorger und mussten im Auftrag der Kirchenkanzlei mehrfach über Rundschreiben an die Superintendenturen und Bekanntmachungen in kirchlichen Amtsblättern zur Mitarbeit aufgerufen werden.463 Der die im Osten Berlins liegende StVA Rummelsburg, Stadtvogtei und den Frauenvollzug Barnimstraße seelsorgerlich betreuende Pfarrer Sasse berichtete dem Konsistorium der EKiBB im 462 Ders., Kinder der Gefangenen H., 19. 11. 1953 (ebd.). 463 So betonte Zachau in einem Schreiben vom 19. 9. 1952 an die Kirchenkanzlei: „Von einigen der in der Strafanstaltsseelsorge in der DDR tätigen Geistlichen wurde darauf hingewiesen, daß ihnen von den Heimatpfarrämtern in einzelnen Fällen trotz mehrfacher Bitte die gewünschten Mitteilungen nicht zugegangen sind. Es handelt sich in der Regel um Nachfragen über die Familienverhältnisse der Gefangenen, um die Möglichkeiten einer Unterstützung bei wirtschaftlicher Notlage oder auch um seelsorgerische Angelegenheiten insbesondere Ehenöte und Kindererziehung. Die Gefangenen empfinden ihre in dem seelsorgerlichen Gespräch vorgebrachten Wünsche und Fragen als sehr dringlich. In zahlreichen Fällen konnte bereits manche innere und äußere Not auf diesem Weg gesteuert werden. Ein längeres Ausbleiben eines Bescheides des Heimatpfarramtes erschwert die seelsorgerliche Arbeit gegenüber den Gefangenen nicht unwesentlich. (Johannes Zachau, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 19. 9. 1952, EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). Auch der staatliche Gefängnisseelsorger Giebeler beklagte die mangelnde Kooperation der Heimatgemeinden in einem Schreiben an die Kirchenkanzlei vom 21. 10. 1955 (vgl. Eckart Giebeler, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Brandenburg / Havel, 21. 10. 1955, EZA Berlin, 104/955, o. Pag.). Deutliche Worte fand OKR Behm am 21. 2. 1957: „Aus gegebenem Anlaß ersuchen wir die Herren Gemeindepfarrer dringend, die Arbeit der Strafanstaltsgeistlichen nach besten Kräften zu unterstützen. Es gehört zum Dienst der Liebe, den die Kirche den Gefangenen schuldig ist, etwaige Bitten eines Gefängnisgeistlichen um seelsorgerliche Rücksprache mit Angehörigen (z. B.bei Eheschwierigkeiten) zu entsprechen. Es ist unverantwortlich, wenn der Gemeindepfarrer einer solchen Bitte entweder überhaupt nicht oder erst nach mehrfacher Mahnung nachkommt. Ein Geistlicher, der so verfährt, wird schuldig gegenüber den Gefangenen, die auf die seelsorgerliche Hilfe der Kirche hoffen, und er trägt darüber hinaus dazu bei, den Dienst der Kirche in den Augen der Gefangenen überhaupt unglaublich zu machen.“ (Hans-Jürgen Behm, Rundverfügung an die Herren Gemeindepfarrer, Berlin, 21. 2. 1957, AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 f, o. Pag).
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Oktober 1953, dass er auf die zahlreichen von ihm verfassten Schreiben an die Heimatgemeinden in den letzten zwei Jahren nur in drei Fällen eine Reaktion erhalten habe, woraus er schlussfolgerte, dass „wohl oft noch der Standpunkt vorherrsche, daß jeder, der eingesperrt ist, ein Verbrecher sein muß.“464 Besonders beunruhigt reagierten Gefangene auf ausbleibende Post von den jeweiligen Familien bzw. Ehepartnern. Immer wieder finden sich in den Unterlagen Munds Kurznotizen wie „Frau schreibt nicht. Warum?“ oder „Frau schreibt schlecht, nicht regelmäßig. Wie geht es der Frau. Bitte Bericht“465. Einige Gefangene bereuten ihr Verhalten in der Vergangenheit: „Die Frau möchte verzeihen was ihr Mann als Ehemann hat fehlen lassen.“ Auch erhielten Inhaftierte Briefe, in denen die Ehepartner ihre Absicht kundtaten, sich scheiden zu lassen. Auch in solchen Fällen wurde der Gefängnisseelsorger zwecks Klärung der näheren Umstände hinzugezogen, wie die nachstehenden Notizen Munds zeigen: „Frau wollte sich scheiden lassen – was will sie?“, „Frau will sich scheiden lassen – warum? oder, „warum schreibt der Mann nicht? 71 Jahre Mann (will sich scheiden lassen, inzwischen Nachricht)“. In den frühen 1950er Jahren findet sich in den Notizen Munds zudem vielfach das Anliegen von Gefangenen, der Seelsorger möge die Angehörigen um Zusendung von Nahrungsmittelpaketen bitten. Einen anders gearteten Themenkomplex bildeten Bitten Gefangener um Taufe, Konfirmation und den Wiederein- bzw. Übertritt in die evangelische Kirche. Die Möglichkeiten der Gefängnisseelsorger waren diesbezüglich klar geregelt: Sie sollten besonders die Anforderungen bei dem Wunsch nach Wiedereintritt der Gefangenen in die Kirche niedrigschwellig halten, dies sollte jedoch nicht allgemein bekannt gegeben, sondern im Gespräch, unter Berücksichtigung der persönlichen Beweggründe des Gefangenen, vermittelt werden.466 So verzichtete man kirchlicherseits auf die eigentlich notwendige Kontaktaufnahme zur ehemaligen Gemeinde des am Wiedereintritt Interessierten, denn oftmals konnten die Gefangenen dazu keine näheren Angaben mehr machen oder aber die Gemeinden lagen mittlerweile außerhalb der Grenzen Deutschlands.467 Zur Veranlassung eines Wiedereintritts in die evangelische Kirche verfügte Mund über zwei Vordrucke, die ihm der ebenfalls in der Gefängnisseelsorge engagierte Bautzener Pfarrer Arnold zur Verfügung gestellt hatte. Mittels des ersten erklärte der Häftling seinen Wiedereintritt in die evangelische Kirche, im zweiten wurde er über die daraus resultierenden Pflichten aufgeklärt und mit der Auflage versehen, sich nach 464 Pfarrer Fritz Sasse, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin-Johannisthal, 17. 10. 1953 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). 465 Hans-Joachim Mund, Seelsorgenotizen (AdK Berlin, WKBA 2889/1–3). Hier auch das Folgende. 466 Vgl. Johannes Zachau, Schreiben an Reinhard Scheffer, Berlin, 17. 12. 1952 (EZA Berlin, 103/ 101, Bl. 37). 467 Vgl. Johannes Zachau, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 24. 3. 1953 (EZA Berlin, 4/ 733).
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drei Monaten Bedenk- und Bewährungszeit beim Pfarramt St. Petri in Bautzen zu melden. Letzteres dürfte durch ein Gespräch mit Mund in der Haftanstalt ersetzt worden sein, wonach der Tag der Wiederaufnahme, die in der Regel während eines sonntäglichen Abendmahlsgottesdienstes stattfand, festgelegt wurde.468 Die von einigen Gefangenen gewünschte Konfirmation stellte die Kirche hingegen vor größere Probleme, da diese laut kirchlichen Vorgaben „nur nach vorangegangener genügender Unterweisung vorgenommen werden“ durfte.469 Diese Bestimmung aber konnte durch die Beschneidung der kirchlichen Arbeit im Strafvollzug, zu der der Wegfall des Religionsunterrichts gehörte, nur schwer erfüllt werden. Trotzdem wurden in Bautzen Inhaftierte konfirmiert, so z. B. Wolfgang Hardegen am 16. April 1954470 und Ulrich Haase sowie Bodo Skrobek am 22. November 1953.471 Für Bautzen belegt ist auch die Taufe von Helmut Kosmalla am 3. August 1952.472 Mund ließ in seinen Sprechstunden die aus der Kirche ausgetretenen Gefangenen mit sofortiger Wirkung zum Abendmahl zu, wenn sie die Absicht eines Wiedereintritts bekundeten, wertete das Sakrament der Taufe also höher als den rechtlichen Akt des Kirchenaustritts. Bei diesen Fällen notierte er neben dem Austrittsdatum des Gefangenen stets die Worte „wieder zugelassen am […]“, wobei das hier eingesetzte Datum stets identisch mit dem Termin der Sprechstunde ist. Unter einigen Einträgen findet sich der Zusatz „wieder anfordern“, was bedeutet, dass Mund entgegen der gängigen Regelung, dass die Initiative zur Teilnahme an den Sprechstunden vom Gefangenen ausgehen musste,473 die Möglichkeit hatte, diese in seine Sprechstunden rufen zu lassen. Zur Sprechstunde in Waldheim am 31. August 1951 schrieb Mund unter den Eintrag zur inhaftierten Elfriede F. „später alleine anfordern“, was eine sonstige Abfertigung von Seelsorgesuchenden in Gruppen impliziert. Gelegentlich finden sich in den Seelsorgenotizen Kommentare zu den Gefangenen. So notierte Mund am 1. November 1951 in der Haftanstalt Brandenburg-Görden unter dem Namen des zum Tode verurteilten SA-Führers Julius Bergmann „Todeskandidat, Abendmahl“ und am gleichen Tag zu einem Gefangenen namens Karl Flemming „Nazi“. Einmal findet sich der Kommentar „geistesgestört“. Mitunter traten Gefangene an Mund mit theologischen Fragen heran, so bat im November 1951 der hier inhaftierte Ulrich Nagel 468 Vgl. Hans-Joachim Mund, Wiedereintrittserklärung, o. Datum (AdK Berlin, WKBA 2889/ 1–3). 469 Vgl. Kirchenkanzlei, Schreiben an die HVDVP, Berlin, 20. 10. 1953 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). 470 Vgl. Wolfgang Hardegen, Schreiben an Hans-Joachim Mund, Berlin, 29. 5. 1955 (AdK Berlin, WKBA 2889/13). 471 Haase, Lehrjahre, 29. 472 Hans-Joachim Mund, Seelsorgenotizen (AdK Berlin, WKBA 2889/1–3); Helmut Kosmalla, Schreiben an Hans-Joachim Mund, Apolda, 21. 6. 1955 (AdK Berlin, WKBA 2889/14). 473 Vgl. hierzu Kap. B 3.1.
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um die Meinung des Seelsorgers zu „der Gerechtigkeit der Götter“, ein anderer hatte Fragen zur katholisch-evangelischen „Mischehe“. Ein weiterer Gefangener beklagte sich bei Mund über die angeblich fehlende Feierlichkeit bei den Gefängnisgottesdiensten. Auf einige Gefangene hatte die Begegnung mit Mund offensichtlich eine derart große Wirkung, dass sie sich nach ihrer Entlassung um einen Kontakt bemühten, wie etwa der ehemals in Halle inhaftierte Horst Leonhardt aus dem brandenburgischen Beyern. Ihn hatten besonders die von Mund gefeierten Gottesdienste beeindruckt, in den Sprechstunden hingegen, so sein Eindruck, sei Mund „äußerst kühl und zurückhaltend gewesen“474. Die anhand der Aufzeichnungen von Mund erhebbaren Beobachtungen zur Sprechstundenpraxis von Gefängnisseelsorgern in den frühen Jahren der DDR sind im vermutlich im Wesentlichen auch auf die anderen Seelsorgerinnen und Seelsorger übertragbar. Allerdings scheinen die hauptamtlichen staatlichen Seelsorger und insbesondere Mund mehr Kompetenzen gehabt zu haben als die im kirchlichen Auftrag nebenamtlich arbeitenden Seelsorger – insbesondere im Blick auf die Anforderung von Inhaftierten und die Einbestellung von Gefangenen in Gruppen. Im Falle Munds kommt hinzu, dass sich dieser laut den Berichten ehemaliger Strafgefangener auch nicht scheute, die Gefangenen mit Lebensmitteln und Medikamenten zu versorgen,475 die er in seiner Aktentasche – die aufgrund seines hohen Ranges bei der VP nicht kontrolliert wurde – mit in die Sprechstunden brachte und verteilte. Die Sprechstunden boten auch die Möglichkeit des Kassiberschiebens, also des Weiterleitens schriftlicher Nachrichten über den Gefängnisseelsorger an andere Gefangene oder aber an Personen außerhalb der Strafanstalten. Diese Art der Nachrichtenübermittlung war strengstens verboten, kam aber in der Praxis, sowohl unabsichtlich als auch absichtlich, immer wieder vor. Manche Gefangene baten den Gefängnisseelsorger in einem unbeobachteten Augenblick um die Annahme eines Kassibers, andere schmuggelten kleine Schriftstücke in auf dem Tisch befindliche Unterlagen oder in die Bibel, ohne dass dies vom Pfarrer bemerkt wurde. Von Mund ist bekannt, dass er Nachrichten zwischen Gefangenen, die in verschiedenen Haftanstalten einsaßen, transportierte, so im Falle des Bautzener Häftlings Walter Kempowski und dessen in Hoheneck inhaftierter Mutter, Margarete Kempowski. Da Mund beide seelsorgerlich betreute, hatte er die Möglichkeit, für einen Informationsaustausch zwischen Mutter und Sohn zu sorgen.476 474 Pfarramt Beyern-Züllsdorf, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Beyern-Züllsdorf, 27. 1. 1954 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 e, o. Pag). 475 Als der Schriftsteller, ehemalige Bautzener Häftling und Seelsorge-Schützling Munds Kempowski den von Mund durchgeführten Medikamentenschmuggel literarisch verarbeiten wollte, bat Mund ihn, dies zum Schutze der eventuell noch in der DDR weilenden Beteiligten und der dort in der Gefängnisseelsorge Tätigen zu unterlassen (vgl. Hans-Joachim Mund, Schreiben an Walter Kempowski, München, 9. 10. 1968, Privatarchiv Haase). 476 Hans-Joachim Mund, Seelsorgenotizen (AdK Berlin, WKBA 2889/1–3).
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Die Gefängnisseelsorge in den frühen Jahren der DDR (1949–1954)
Der HVDVP war die Möglichkeit des Kassiberschmuggels über die Gefängnisseelsorger bekannt und sie gab dies 1952 als Grund für die Einschränkung der Sprechstunden an. Während der Tagung der Synode der Landeskirche Thüringen im November 1952 machte man für diese plötzliche Sensibilisierung der HVDVP die durch Alexander Stenbock-Fermor 1949 veröffentlichten Erinnerungen Poelchaus477 verantwortlich, die Details zur Weiterleitung von Kassibern durch Gefängnisseelsorger enthielten und dadurch „der kirchlichen Anstaltsseelsorge einen schlechten Dienst getan“ hätten, „denn in diesem Buche wird weitgehend davon gesprochen, wie der damalige Strafanstaltsseelsorger diesen Opfern des 20. Juli 1944 laufend Nachrichten und Hilfsmittel hat zukommen lassen.“478 Die Annahme eines solchen Zusammenhangs ist allerdings schon wegen des zeitlichen Abstandes zwischen der Publikation und dem Eingriff der HVDVP in die Sprechstundenpraxis kaum haltbar. Zweifellos war der HVDVP die aus dem persönlichen Kontakt zwischen Gefangenem und Seelsorger entstehende Gefahr unkontrollierten Nachrichtenaustauschs unabhängig von der Publikation längst bewusst. So findet sich in den Unterlagen der Kirchenkanzlei z. B. eine Notiz vom November 1950 über ein Gespräch mit Mund (vermutlich von Grüber), in der Befürchtungen der HVDVP, dass Geistliche „Nachrichtenvermittler zwischen drinnen und draußen werden“, thematisiert werden.479 Es gab auch Pfarrer, die die Sprechstunden mit den Gefangenen kritisch sahen bzw. sich davon überfordert fühlten. So berichtete der seit Weihnachten 1947 im Strafvollzug in Jena tätige Pfarrer Worbes, dass er dem Verbot der Einzelgespräche durchaus etwas Positives abgewinnen könne: „Sie kosteten mir zuviel Zeit, wurden auch von den Häftlingen weithin missverstanden. Sie sahen in mir einen Advokat. […] Man sah in mir einen Briefträger und Wunschvermittler. Ich wurde gebeten, die Angehörigen um Wäsche, Lebensmittel und Rauchwaren zu bitten u. ä.Es war mir durchaus recht, als das persönliche Gespräch mit mir verboten wurde. Wo seitdem ein Häftling die Bitte aussprach, mich als Beichtiger in Anspruch zu nehmen, habe ich bis zum heutigen Tag um Gelegenheit gebeten, mit dem einzelnen zu sprechen und habe dazu auch eine Möglichkeit gefunden und erhalten. Derartige Zwiegespräche sind freilich sehr selten.“480 477 Vgl. Poelchau / Stenbock-Fermor, Stunden. 478 Vgl. Gerhard Säuberlich, Bericht über den Stand der Gefängnisseelsorge, Eisenach 11. 11. 1952 (LKA Eisenach, A 520-4, o. Pag.). 479 O. Vf., Besprechung, 27. 11. 1950 (EZA Berlin, 103/100, Bl. 75). 480 Justus Worbes, Schreiben an die Bezirksverwaltung der VP Jena, Jena, 20. 8. 1952 (LKA Eisenach, A 520-4, o. Pag.). Worbes hatte nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub keinen Zutritt mehr zur Untersuchungshaftanstalt erhalten, da dort Gottesdienste nun nur noch einmal im Monat erlaubt waren. In seinem Schreiben an die VP intervenierte Worbes auf das Heftigste gegen „diese widernatürliche und widergeistliche Einschränkung“ seines Dienstes an den Gefangenen (ebd.).
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Diese Einschätzung Worbes teilte auch der in Thüringen tätige katholische Seelsorger Anton Jendrzejczyk. Er hielt in Ichtershausen keine wöchentlichen Sprechstunden, „weil die Sträflinge in die Sprechstunde fast nie mit seelsorgerlichen Wünschen kommen, sondern mit Privatwünschen, die ich gar nicht erfüllen kann und auch nicht darf“ […].481 7.4 Behinderungen der Seelsorge Einige der auch in den späteren Jahren der DDR noch relevanten Strategien des SED-Staates zur Behinderung der Gefängnisseelsorge setzten in den Jahren 1949 – 1954/55 ein. Dazu zählten eine starke Bürokratisierung, insbesondere in Gestalt der ab 1953 zwingend notwendigen Bestätigung der Gefängnisseelsorger durch die HVDVP und absichtlich unterlassener Informationen der Gefangenen über die Möglichkeit der Teilnahme an Gottesdiensten und Sprechstunden.482 Ab Februar 1954 kam es zu einer weiteren Einschränkung bzw. Kontrolle der Gefängnisseelsorge durch die HVDVP. OKR Behm hielt in einem Aktenvermerk fest: „Am 1. 2. ds. Jrs. erscheint bei mir der Prädikant Mund, um mir im Auftrage der Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei eine Reihe von Mitteilungen zu machen. […] Herr Mund macht weiter Mitteilung von neuen Anordnungen der HVDVP, die eine wesentliche Erschwerung für die Strafanstaltsgeistlichen hinsichtlich der Durchführung der Einzelseelsorge bedeuten. Es ist den Geistlichen nicht gestattet, Namenslisten und andere Notizen aus den Strafanstalten fortzunehmen und den Schriftverkehr außerhalb der Anstalten durchzuführen, vielmehr muß der Geistliche seinen gesamten Schriftverkehr, soweit er Strafanstaltsfragen berührt, durch die Anstaltsleitung gehen lassen.“483
Hinzu kamen ab 1952 vermehrt Verbote von Bibeln bzw. Neuen Testamenten und anderer religiöser Literatur im Strafvollzug. Die im November 1950 von Mayer als Chef der HVDVP erlassene Weisung, dass Bibeln und Neue Testamente auf Antrag und bei guter Führung an die Häftlinge auszuhändigen seien,484 wurde nicht mehr beachtet. Auch die Weitergabe von Verteilblättern durch die Geistlichen, die im Dezember 1950 durch das MdI nach Vorlage der Materialien noch anstandslos genehmigt worden war,485 war kaum mehr möglich. Im Unterschied zu den Verteilblättern gingen Bibeln bzw. Neue 481 Zit. nach: Fischer, Gott, 189. 482 Superintendentur Gramzow, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Angermünde, 11. 1. 1955 (EZA Berlin, 104/954, o. Pag.). 483 Hans-Jürgen Behm, Aktenvermerk, Berlin, 2. 2. 1954 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). 484 Vgl. August Mayer, Schreiben an Karl Gertich, Berlin, 23. 11. 1950 (BArch Berlin, DO 4/1572, Bl. 49). 485 Vgl. Herbert Thomas, Schreiben an Heinrich Grüber, Berlin, 22. 12. 1950 (EZA Berlin, 103/ 100, Bl. 80).
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Die Gefängnisseelsorge in den frühen Jahren der DDR (1949–1954)
Testamente nicht in den Besitz der Gefangenen über, sondern blieben in der Verwahrung der Strafanstaltsbibliotheken, wo eine Ausleihe unter teils fadenscheinigen Argumenten dann verweigert wurde. So antwortete ein Aufseher der Haftanstalt Königs Wusterhausen auf die Frage des Seelsorgers nach Bibeln in der Anstaltsbibliothek, „dass sie die Bibliothek in zwei Hälften geteilt hätten ,einwandfreie Bücher‘ und ,fragliche Bücher‘. Über die fraglichen Bücher warteten sie auf eine Entscheidung von oben. Zu diesen fraglichen Büchern gehöre auch die Bibel.“486
Ab Juni 1953 erlaubte eine wohl mit dem „Neuen Kurs“ in Zusammenhang stehende Anweisung der HVDVP der Kirche, Bibeln und Neue Testamente für die Anstaltsbibliotheken zur Ausleihe an die Gefangenen zur Verfügung zu stellen.487 Dies bedeutete für die Kirchen zwar einen finanziellen Aufwand, doch verbesserte sich dadurch die Versorgungssituation der Gefangenen bezüglich religiöser Literatur. Trotzdem blieb die Ausleihe von Bibeln bzw. Neuen Testamenten und anderer christlicher Literatur aus der Anstaltsbibliothek letztlich bis zum Ende des Untersuchungszeitraums für die Gefangenen problematisch und wurde immer wieder ohne konkreten Anlass verweigert. Im Januar 1954 wurde dem langjährigen Seelsorger der Frauenhaftanstalt Hohenleuben Fengler seine Bestätigung durch die HVDVP entzogen, da er angeblich eine mit Kommentaren versehene Bibel in die Anstalt gebracht und in einer Predigt gegen den Kommunismus polemisiert habe.488 In diesem Vorgehen der HVDVP ist eine weitere Strategie erkennbar, bestätigte jedoch unliebsame Gefängnisseelsorger auf der Basis konstruierter Verfehlungen aus den StVA zu entfernen. Wie negativ sich diese Strategien gerade bei systematischer Anwendung auf die seelsorgerliche Praxis auswirkten, verdeutlicht ein Schreiben vom 20. Juli 1954 des Seelsorgers in der Haftanstalt Dreibergen und im Frauengefängnis Bützow Max Salzmann an Propst Grüber.489 In den durch Salzmann betreuten Haftanstalten wurden ab 1953 die meisten der im Zuge der Enteignungen an der Ostseeküste – bekannt unter dem Namen „Aktion Rose“ – Inhaftierten untergebracht.490 Nach den Beobachtungen Salzmanns war in beiden Haftanstalten die Anzahl der Besucher und Besucherinnen der Gottesdienste viel zu gering und lag unter dem Prozentsatz bei den Zivilgemeinden, obwohl – gemäß seiner Erfahrung – das Bedürfnis nach Gottesdiensten in den Strafanstalten stets größer sei als bei Menschen in Freiheit. Hinzu kam, dass die zuvor für die Gottesdienste zur Verfügung stehenden großen Räume durch die 486 Pfarrer Werner, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Königs Wusterhausen, 22. 9. 1952 (EZA Berlin, 4/732, o. Pag.). 487 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Aktenvermerk, Berlin, 27. 6. 1953 (ELA Berlin, 11/922, o. Pag.). 488 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Vermerk, Berlin, 26. 1. 1954 (EZA Berlin, 103/102, Bl. 45). 489 Vgl. Max Salzmann, Schreiben an Heinrich Grüber, Zernin, 20. 7. 1954 (EZA Berlin, 104/954, o. Pag.). Hier auch das Folgende. 490 Zur Aktion Rose vgl. Werkentin, Aktion.
Wirksamkeit und Grenzen
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HVDVP in Arbeitszimmer umgewandelt und Salzmann lediglich kleine Räume als Ersatz zur Verfügung gestellt worden waren, die selbst die wenigen Gottesdiensteilnehmer nicht zu fassen vermochten. Salzmann hatte das Raumproblem nach Absprache mit Mund zunächst dadurch gelöst, dass er zwei Gottesdienste nacheinander gehalten hatte. Dies wurde ihm jedoch durch die Anstaltsleitung untersagt, da es hierdurch zu einer Mehrbelastung der Genossinnen und Genossen der VP sowie Schwierigkeiten im Dienstplan käme. Weiterhin gäbe es keine Absprache über mehrere Gottesdienste pro Tag, nach Rücksprache mit Berlin sei dies auch in keiner anderen Anstalt der Fall. Außerdem solle sich Salzmann nicht einbilden, dass die Gefangenen aufgrund der Predigt die Gottesdienste besuchten, dies geschähe vielmehr aus der Intention heraus, bei dieser Gelegenheit schriftliche Nachrichten zu tauschen. Anders sei es nicht zu erklären, dass die Teilnehmer an evangelischen und katholischen Gottesdiensten bis zu 30 % Zugehörige der jeweils anderen Konfession seien. Auf den Einwand Salzmanns, dass der Anstaltsleiter doch zugeben müsse, dass die Räume für den Gottesdienst viel zu klein seien, entgegnete dieser, er werde persönlich von Zelle zu Zelle gehen, um den Gottesdienstbedarf zu ermitteln und gemäß diesem die passenden Räume zuweisen. Salzmann schrieb dazu: „Nach meinen Erfahrungen in Dreibergen heisst das aber nichts anderes als: Es werden so viele Leute zum Gottesdienst zugelassen, dass der Raum ausreicht, den die Anstalt zur Verfügung stellt. Bei den Uebrigen liegt dann eben kein Bedürfnis zum Gottesdienst vor.“491
Salzmann sprach gegenüber dem Anstaltsleiter zum wiederholten Male die Klage vieler Gefangenen an, dass ihnen die Bibel vorenthalten werde, worauf der Anstaltsleiter ihn über insgesamt 45 beim Filzen der Zellen gefundene Bibeln informierte, die eben durch dieses böswillige Zurückhalten dann nicht in der Ausleihe zur Verfügung stünden. Salzmann berichtete Grüber auch über einen Vorfall im Anschluss an den Gottesdienst vom 18. Juli 1954. Ein Gefangener sei aufgestanden und habe sich darüber beklagt, dass er und seine Kameraden seit über einem Jahr keine Bibel mehr in der Hand gehabt hätten. Weiterhin habe der Betreffende zum Ausdruck gebracht, dass er die Art und Weise, in welcher in der Anstalt die Teilnahme an der Sprechstunde des Gefängnisseelsorgers abgefragt werde, missbillige. Der den Brief beschließende Kommentar Salzmanns über das Vorgehen der VP und die daraus resultierende Situation in den Haftanstalten Bützow und Dreibergen lässt sich dabei im Wesentlichen auf die gesamte Seelsorge im Strafvollzug der DDR übertragen:
491 Max Salzmann, Schreiben an Heinrich Grüber, Zernin, 20. 7. 1954 (EZA Berlin, 104/954, o. Pag.). Hier auch das Folgende.
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„Zusammenfassend ergibt sich für mich folgendes Bild: Die Anstalt versucht nach Aussen hin den Eindruck zu erwecken, als wenn sie sich an die vereinbarte DO hielte. Es finden Gottesdienste statt, es gibt auch Bibeln in der Anstalt und sogar eine Sprechstunde ist vorhanden. – Aber nach Innen hin wird der Dienst an den Gefangenen so unwirksam wie möglich gemacht: Die Zahl der Gottesdienstbesucher wird gering gehalten. Das Ausleihen der Bibeln wird z. T. ganz ausgesetzt. Die Sprechstunden werden in einer Form angeboten, die es dem Gefangenen geboten sein lassen, darauf zu verzichten.“
Neben diesen Behinderungen der Gefängnisseelsorge durch verwaltungstechnische Methoden sind auch Versuche einiger Anstaltsleitungen nachweisbar, die Ausübung der Seelsorge durch Einschüchterung bzw. Bedrohung der Pfarrer zu verhindern. So musste der 1954 mit der Durchführung des Weihnachtsgottesdienstes im Frauenarbeitslager Polßen (Brandenburg) beauftragte Prädikant Röthke im Raum der Lagerkommandantin allein mit zwei Wachhunden ausharren und „konnte sich nicht rühren, da sonst die Wachhunde auf ihn losgegangen wären.“
8. Gefängnisseelsorge und Staatssicherheit An dieser Stelle der Untersuchung drängt sich die Frage nach dem Einfluss des im Februar 1950 gegründeten MfS auf die Gefängnisseelsorge im Untersuchungszeitraum auf. Klarheit lässt sich an diesem Punkt nur im Blick auf die drei staatlichen Gefängnisseelsorger, bei denen eine Kooperation mit dem MfS auch besonders nahelag, gewinnen.492 Mund widersetzte sich, wie bereits dargestellt, einer Kooperation mit dem MfS.493 Bei dem im Jahr 1967 verstorbenen Bluhm kann zum jetzigen Zeitpunkt über eine Zusammenarbeit mit dem MfS noch keine eindeutige Aussage getroffen werden. Anders liegen die Dinge im Fall Giebeler, der bis 1989 als staatlicher Gefängnisseelsorger tätig war und in dieser Funktion unter dem Decknamen „Roland“ ab Mai 1959 und damit erst ab dem Ende des Untersuchungszeitraums Informationen an das MfS lieferte.494 Laut Beckmann / Kusch leitete Giebeler nicht nur Kircheninterna, sondern auch die im Zuge der Seelsorge gewonnenen Informationen
492 Für analoge Aussagen zu den kirchlichen Gefängnisseelsorgern und Fürsorgerinnen bedürfte es einer flächendeckenden Auswertung aller BStU-Akten zu diesen Personen, was den Rahmen dieser Untersuchung sprengen würde. Angesichts des Interesses des MfS an Kircheninterna (vgl. Besier, Rolle, 515–516) ebenso wie an Informationen über die Gefangenen dürfte es von dessen Seite intensive Bemühungen um Kooperation gegeben haben. 493 Vgl. Kap. C 3.1. 494 Für detaillierte Informationen zur Zusammenarbeit Giebelers mit dem MfS vgl. SubklewJeutner, Schattenspiel.
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über einzelne Inhaftierte unmittelbar im Anschluss an die Sprechstunden an das MfS weiter.495 Nachgewiesen werden kann eine im Herbst 1953 beginnende operative Bearbeitung Munds durch das MfS. Im September informierte die Abteilung XV (Strafanstalten) bei der Bezirksverwaltung Dresden ihr Pendant bei der Zentrale des MfS in Berlin, dass gemäß vorliegender Berichte durch GI (geheimer Informator) der „angeblich von Berlin eingesetzte und in der VA (Vollzugsanstalt) sehr enge Verbindungen mit verschiedenen Strafgefangenen“496 unterhaltende Pfarrer Mund, seine Aufgaben missbrauche, „da er angeblich für Strafgef[angene] als Berichter [sic] die Verbindung aufgenommen hat und dadurch Mitteilungen aus der VA und in die VA bringt, was nach unserer Meinung bestimmt nicht in seinem Aufgabenbereich liegt.“
Der in Berlin innerhalb der Abteilung XV497 zuständige Oberstleutnant Paul Götzschel sandte daraufhin am 14. September 1953 Schreiben an die Staatssekretariate für Staatssicherheit in Leipzig498 und Dresden499, in denen er diese über die Aufnahme der operativen Bearbeitung Munds aufgrund der bei der Bezirksverwaltung Dresden vorliegenden Berichte informierte und anwies, die dafür nötigen Maßnahmen einzuleiten. Götzschel ergänzte den aus Dresden kommenden Vorwurf des Aufgabenmissbrauchs durch angeblich von Mund gepflegte Verbindungen zu Persönlichkeiten aus Westberlin und bat die Abteilungen zwecks effektiverer operativer Bearbeitung Munds um Kontaktaufnahme und Kooperation. Dieser erste Ansatz zu einer operativen Bearbeitung Munds scheint jedoch im Sande verlaufen zu sein. Jedenfalls enthalten die Akten für die nächsten beiden Jahre keine weiteren Schriftstücke. Erst 1956 kam es zu einer erneuten und nun wesentlich intensiveren Bearbeitung Munds durch das MfS, deren Resultat die im Januar 1959 erfolgte Flucht Munds in den Westen war. 495 Vgl. Beckmann / Kusch, Gott, 120–128. 496 Schubert, Bericht, Berlin, 9. 9. 1953 (BStU Berlin, MfS, HA XX/4 563, AP 20375/92, 58). Hier auch das Folgende. 497 Zu den Aufgaben der Abteilung XV (Strafanstalten) des MfS zählte die „operative Bearbeitung des eingesetzten VP-Personals, Verhinderung bzw. Liquidierung von Meutereien, Revolten, Hungerstreiks und Ausbrüchen. Weiterführung der Aufklärungsarbeit unter Strafgefangenen über verheimlichte strafbare Handlungen oder noch nicht bekannte Verbindungen zu Spionageorganisationen durch den Einsatz von Sachbearbeitern des Staatssekretariats für Sicherheit / MfS, die unter der Tarnung als VP-Angehörige in den größeren Strafanstalten eingesetzt wurden.“ (Wiedmann, Diensteinheiten, 57). Die Abteilung wurde im Oktober 1953, kurz nach dem Schreiben Götzschels an die Staatssekretariate in Dresden und Leipzig, aufgelöst. Teile Ihre Aufgaben wurden von der Abteilung VII (Polizei, MdI) übernommen (vgl. ebd., 95). 498 Vgl. Paul Götzschel, Bericht an das Staatssekretariat für Staatssicherheit der Bezirksverwaltung Leipzig, Berlin, 14. 9. 1953 (BStU Berlin, MfS, AP 20375/92, Bl. 57). 499 Vgl. ders., Bericht an das Staatssekretariat für Staatssicherheit der Bezirksverwaltung Dresden, Berlin, 14. 9. 1953 (BStU Berlin, MfS, HA XX/4 269, AOP 14031/63, Bd. 2, Bl. 145).
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9. Zwischenfazit Mit der Gründung der DDR geriet die Seelsorge der evangelischen Kirche im Strafvollzug weiter unter Druck. Als Motor für die immer mehr zunehmende und klar auf eine Verdrängung der Kirchen aus dem Strafvollzug zielende Reglementierung des kirchlichen Dienstes in den Haftanstalten wirkte hierbei die von der SED forcierte Übergabe des Strafvollzugs aus den Händen der Justiz an das MdI. Die zum 1. Juli 1952 vollständig abgeschlossene Übernahme des gesamten Strafvollzugs durch das MdI führte neben einer allgemeinen Verschärfung des Haftregimes auch zu einer Vereinfachung und Vereinheitlichung der organisatorischen Strukturen. Dies gilt besonders im Vergleich zum Strafvollzug in der SBZ, der von drei verschiedenen Akteuren – den sowjetischen SMT, der DVdI und der DJV – durchgeführt und, sofern es die deutschen Behörden betraf, weitestgehend auf der Länder- und Provinzialverwaltungsebene dezentral organisiert worden war. Wie in Teil I der Untersuchung dargestellt, hatten sich aus diesen komplexen Verwaltungsstrukturen zwangsläufig völlig heterogene Bedingungen im Strafvollzug und somit auch für die Gefängnisseelsorge ergeben. Die 1948 sukzessiv in Kraft getretene, von der Rechtsabteilung der in Berlin ansässigen SMAD genehmigte „Dienstanweisung für die evangelischen Geistlichen in den Gefangenenanstalten der Justizverwaltung in der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland“ hatte einen ersten Versuch der Sowjets dargestellt, den Einfluss der Kirchen im Strafvollzug zu reglementieren, zu vereinheitlichen und in der gesamten SBZ zu marginalisieren, womit ein Muster für die Schaffung einer den Interessen des Staates entsprechenden Gefängnisseelsorge auch in der DDR geschaffen worden war. In der Praxis bedeutete die DA unter den Bedingungen der SBZ aber auch eine Stabilisierung für die Gefängnisseelsorge. Im Unterschied zur SBZ wurde der Strafvollzug der DDR ab Juli 1952 zentral von der der HVDVP unterstellten HA Strafvollzug geleitet. Zudem existierte in jedem Land – ab Juli 1952 Bezirk – eine Abteilung SV, die den jeweiligen Bezirksbehörden der VP nachgeordnet war. Alle Abteilungen SV wurden von Berlin aus instruiert.500 Für die vorliegende Untersuchung sind diese Transformationen im Strafvollzug der DDR insofern bedeutsam, als sich die Anzahl der auf staatlicher Seite am Strafvollzug beteiligten und damit auch die Gefängnisseelsorge beeinflussenden Personen somit stark reduzierte. Anweisungen zur Durchführung der Seelsorge wurden ab 1950 nur noch durch das MdI bzw. den dortigen Staatssekretär Warnke und hochrangige Mitglieder der HA Strafvollzug wie Gertich und Mayer sowie von dem ab August 1950 bei der HA Strafvollzug tätigen staatlichen Gefängnisseelsorger Mund gegeben. Diese Schlüsselpersonen traten wiederum in Kontakt mit einer überschaubaren Anzahl an Personen und Institutionen: den auf der regionalen Ebene ansäs500 Vgl. Wunschik, Strafvollzug, 75.
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sigen Abteilungen SV, den örtlichen Gefängnisleitungen und der Kirchenkanzlei als zentraler kirchlicher Stelle bzw. Propst Grüber als für die Gefängnisseelsorge zuständigem Ansprechpartner auf kirchlicher Seite. Darüber hinaus spielten in den frühen 1950er Jahren gelegentlich noch Kontakte zu Nuschke und dem Leiter der HA Verbindung zu den Kirchen Grünbaum eine Rolle. Interessanter Weise fanden diese Zentralisierung und verwaltungstechnische Verengung der Gefängnisseelsorge auf der staatlichen Seite ihre Entsprechung auf der kirchlichen. Die ab 1947 deutlich spürbaren Bemühungen der in Berlin ansässigen Kirchenkanzlei um eine führende Rolle bei der Organisation und Gestaltung der Gefängnisseelsorge kristallisierten sich seit 1950 gegen den Widerstand der östlichen Landeskirchen immer weiter heraus. So kritisierte die EKKPS bereits auf der am 1. März 1950 in Berlin abgehaltenen Tagung der landeskirchlichen Referenten für die Gefängnisseelsorge den Führungsanspruch der Kirchenkanzlei scharf und bekundete auch gegenüber der durch die Kirchenkanzlei angeratenen Akzeptanz der DO ihre Bedenken. Unterstützt wurde sie hierbei vor allem von den Vertretern der Sächsischen Landeskirche, die gegenüber der Kirchenkanzlei offen formulierten, dass man der Ansicht sei, der Kirchenkanzlei einen besseren Dienst zu erweisen, wenn man die Zustimmung zur DO verweigere. Die Sächsische Landeskirche protestierte unter anderem im Frühjahr 1951 scharf gegen die von der Kirchenkanzlei akzeptierte Organisation der Ostergottesdienste durch die HVDVP bzw. durch Mund. Ungeachtet derartiger Unstimmigkeiten setzte die Kirchenkanzlei ihren Führungsanspruch in der Gefängnisseelsorge durch. Bereits mit der Gründung der DDR sind Alleingänge der einzelnen östlichen Landeskirchen oder gar einzelner Pfarrer in Sachen Gefängnisseelsorge – etwa mittels direkter Schreiben an hohe Funktionsträger der SED oder an die Blockparteien – nicht mehr nachweisbar. Die gesamte Organisation der Gefängnisseelsorge in der DDR vollzog sich ab 1950 in Berlin als Kooperation zwischen der HA Strafvollzug und der Kirchenkanzlei. Die auf dieser Ebene getroffenen Entscheidungen wurden durch die Kirchenkanzlei auf schriftlichem Weg oder im Rahmen der regelmäßig stattfindenden Besprechungen der landeskirchlichen Referenten für die Gefängnisseelsorge an die östlichen Landeskirchen weitergegeben. Anders als die während des Bestehens der SBZ erlassene DA entpuppte sich die am 3. Juli 1953 gemeinsam von OKR Grauheding (Kirchenkanzlei) und Mayer (HVDVP) verabschiedete „Dienstordnung für die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten“ nicht als Garant für den kirchlichen Seelsorgedienst im Strafvollzug. Gemeinsam war beiden Regularien die Beschränkung der Gefängnisseelsorge auf Gottesdienste und seelsorgerliche Gespräche, wobei Letztere in den der HVDVP unterstellten Vollzugsanstalten im Beisein eines Beamten stattzufinden hatten. Diese Einschränkung der Gefängnisseelsorge hatte in der SBZ in den von der Justiz verwalteten Straf-
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vollzugsanstalten noch einen wesentlich geringeren Teil der Inhaftierten betroffen. Während die in der SBZ in Kraft getretene DA ihren ausschließlichen Geltungsbereich in den Strafvollzugsanstalten der Justiz gehabt und den Strafvollzug der Polizei nicht tangiert hatte, regelte die DO von 1953 die Gefängnisseelsorge für den gesamten Strafvollzug der DDR.501 Beide Dienstordnungen basierten auf kirchlichen Entwürfen, die nach der Weitergabe an die staatlichen Stellen jeweils invasive Überarbeitungen erfuhren, in deren Ergebnis die vormals enthaltenen christlichen und humanitären Ansätze nahezu vollständig getilgt waren. Zur Zeit der SBZ hatten die durch sowjetische Hand vorgesehenen Einschränkungen in der Gefängnisseelsorge durch die überwiegend zum Reformvollzug neigende Justiz aber abgefedert werden können. Der Entstehungsprozess der am 3. Juli 1953 in der DDR in Kraft getretenen DO spiegelt in vielerlei Hinsicht die zeitgleich ablaufenden innenpolitischen Entwicklungen. So erreichte der durch Propst Grüber am 13. Februar 1952 an die HVDVP gesandte Entwurf diese an einem strategischen Wendepunkt in der Kirchenpolitik der SED: Das bis zum Frühjahr 1952 noch eher dominierende Interesse an einer systemstabilisierenden Instrumentalisierung der Kirchen wich nun einer durch Ulbricht forcierten Strategie reiner Konfrontation und Eskalation, die durch den auf der II. Parteikonferenz der SED im Juli 1952 proklamierten „planmäßigen Aufbau der Grundlagen des Sozialismus“ eine neue Dynamik entwickelte. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen erklärt sich nicht nur der ab 1952 sukzessiv einsetzende Ausschluss der Untersuchungshaftanstalten aus der konfessionellen Seelsorge, sondern auch die Hinhaltetaktik des MdI bzw. der HVDVP bezüglich der Ausarbeitung der DO. Bis es am 1. Dezember 1952 schließlich zu einem Treffen zwischen Mund als Mitarbeiter der HA Strafvollzug und einigen Kirchenvertretern in Sachen DO kam, war die staatliche Seite jeglicher Verhandlung ausgewichen und präsentierte darüber hinaus nun eine den kirchlichen Entwurf vollständig ignorierende und der Kirche in allen Teilen zum Nachteil gereichende eigene DO. Auch die im Januar 1953 aufgrund der Interventionen einiger Landeskirchen502 aufgenommenen Nachverhandlungen blieben ohne Ergebnis. Wegen des extrem angespannten Verhältnisses zwischen Staat und Kirche blieb der Kirchenkanzlei sowie den östlichen Landeskirchen keine andere Möglichkeit, als die DO Anfang Februar 1953 zähneknirschend und unter Vorbehalt zu akzeptieren – wohl wissend, dass die Ablehnung derselben das Aus für die Gefängnisseelsorge in der DDR bedeutet und der Staat die Kirche dafür verantwortlich gemacht hätte.
501 Eine Ausnahme bilden hierbei die Gefängnisse der Staatssicherheit, die in dieser Untersuchung unberücksichtigt bleiben. 502 Gegen die Akzeptanz der von der HVDVP vorgelegten DO sprachen sich die EKKPS, die Sächsische und die Schlesische Landeskirche aus.
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Trotz des weitreichenden Entgegenkommens der Kirche setzte sich die Verzögerungstaktik des MdI im Blick auf die DO und somit das Hinausschieben einer organisatorischen Absicherung der Gefängnisseelsorge vorerst weiter fort. Erst nach dem im Zuge des „Neuen Kurses“ am 10. Juni 1953 verabschiedeten Staat-Kirche-Kommuniqu nahm die HVDVP die Kommunikation mit der Kirchenkanzlei wieder auf, woraus die am 3. Juli 1953 verabschiedete, von OKR Grauheding für die Kirchenkanzlei und Generalinspekteur Mayer für die HVDVP unterzeichnete DO resultierte. Dabei bleibt auffällig, dass die evangelische Kirche dieses Zeitfenster nicht erneut auch für Verhandlungen über den Inhalt der DO im Sinne einer Verbesserung der Konditionen für die Gefängnisseelsorge nutzte, wozu der „Neue Kurs“ durchaus die Möglichkeit geboten hätte. Hier könnten die Ereignisse des 17. Juni, durch die die Kirchenvertreter auf staatlicher Seite Kräfte gebunden sahen, eine Rolle gespielt haben. Naheliegender ist die Vermutung, dass die Kirche zu diesem Zeitpunkt nicht durchschaute, in welchem Ausmaß die neue DO dem SED-Staat Handlungsmöglichkeiten zu erheblichen Einschränkungen der Gefängnisseelsorge bot. Dies sollte für die weitere Entwicklung der evangelischen Gefängnisseelsorge in der DDR nachhaltig destruierende Folgen haben. Neben dem Einverständnis der Kirchenkanzlei mit bewachten Sprechstunden, der Akzeptanz des Ausschlusses der Untersuchungshaftanstalten aus der Gefängnisseelsorge und der Hinnahme der Weigerung der HVDVP, kirchliche Dienste bei Hinrichtungen und Beerdigungen zuzulassen, war der entscheidende Faktor dabei die in Punkt 1 der DO enthaltene Bestimmung, dass die Gefängnisseelsorger neben einer Beauftragung durch die Kirche fortan auch eine Bestätigung durch die HVDVP benötigten. In den folgenden Jahren entpuppte sich diese bürokratische Hürde als ein äußerst wirksamer Hebel zur Behinderung der Gefängnisseelsorge durch die HVDVP. Dass die evangelische Kirche gerade diese brisante Bestimmung akzeptierte, spricht entweder für eine deutliche Fehleinschätzung der Intentionen des MdI bzw. der HVDVP und der ihr nachgeordneten HA Strafvollzug durch die Kirche oder dafür, dass die Kirche zur Mitte des Jahres 1953 bereits mehr mit dem Rücken zur Wand stand, als dies bisherigen Annahmen entspricht, oder beides. Nach der Unterzeichnung der DO am 3. Juli 1953 durch HVDVP und Kirchenkanzlei lässt sich kein Entgegenkommen der HVDVP in Sachen Gefängnisseelsorge mehr feststellen. Stattdessen wurden bestehende Vereinbarungen gebrochen und immer weiter ausgehöhlt – analog zum sich rasch wieder verschlechternden Staat-Kirche-Verhältnis.
D Die Gefängnisseelsorge in den Jahren der zunehmenden Integration der DDR in den Ostblock (1955–1958) 1. Kirchenpolitische Rahmenbedingungen Das Jahr 1955 markiert in der Kirchenpolitik der SED eine Zäsur, da nach einer „Latenzphase“ seit dem Beginn der Planung stringenter kirchenpolitischer Maßnahmen der SED ab der Jahresmitte 1953 diese nun nachhaltig griffen.1 Anzeichen dessen waren die wieder verstärkten und strukturell veränderten Repressionen gegen die Kirchen wie die Kürzung der staatlichen Zuwendungen, eine vermehrte Kontrolle der kirchlichen Presse- und Druckerzeugnisse, die Einführung der Jugendweihe und die Forcierung der AtheismusKampagne.2 Hinzu kam eine intensivierte Unterwanderungs- und Differenzierungspolitik, welche laut Besier nicht nur Einzelne, sondern auch die Kirche als Institution überforderte, weshalb er 1955 als „das letzte Jahr, das die Kirche in innerer Geschlossenheit zeigte“, beschreibt.3 1955 nahmen zugleich die Prozesse ihren Ausgang, an deren Ende im Juni 1958 ein durch die SED diktiertes und von den Kirchenvertretern akzeptiertes Kommuniqu stand, in welchem die evangelische Kirche ihre „respektierende Mitwirkung“ am Sozialismus zusicherte.4 Bereits am 22. September 1955, bei der Amtseinführung von Bischof Johannes Jänicke im neu geweihten Magdeburger Dom, hatte der am 1. Juli zum Innenminister avancierte ehemalige Chef der VP Maron auf eine Loyalitätserklärung der Kirchen gegenüber dem Staat gedrängt.5 Dieselbe Forderung wurde auch von Nuschke in einer im Dezember des gleichen Jahres vor dem Hauptvorstand der CDU gehaltenen Rede formuliert.6 Im Kern verlangte Nuschke von den Kirchen, ihre Rezeption der DDR als „Zwischenlösung“ zu beenden und durch deren Akzeptanz als einen dauerhaften und souveränen, im Gefüge des Ostblocks fest verankerten Staat zu ersetzen, zu dem sich die Kirchen nicht nur offen bekennen, sondern ihn auch in der Öffentlichkeit unterstützen müssten.7 In den Loyalitätsforderungen Marons und Nuschkes spiegelten sich die 1 2 3 4 5 6 7
Goerner, Kirche, 303. Vgl. Anhalt, Macht; Besier, SED-Staat, 179; und Mau, Protestantismus. Besier, SED-Staat, 193. Goerner, Kirche, 357. Vgl. Mau, Protestantismus, 55. Vgl. Besier, SED-Staat, 191 f. Vgl. Goerner, Kirche, 308.
Kirchenpolitische Rahmenbedingungen
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außenpolitischen Entwicklungen des Jahres 1955. Am 9. Mai 1955 waren die Pariser Verträge in Kraft getreten, die den Besatzungsstatus der Bundesrepublik Deutschland beendeten, diese in die Souveränität entließen und ihren Beitritt zur NATO sicherten. Im Gegenzug avancierte die DDR zum Gründungsmitglied des am 5. Mai 1955 wirksam gewordenen Militärbündnisses „Warschauer Vertrag“ bzw. nach westlichem Sprachgebrauch „Warschauer Pakt“. Die Pariser Verträge schwächten das Mitte der 1950er Jahre noch durchaus vorhandene gesamtdeutsche Empfinden und schärften im Gegenzug das Bewusstsein der Deutschen für die nun unabänderliche Zweistaatlichkeit Deutschlands.8 Diese Entwicklung wurde durch die Verhandlungen Grotewohls während seiner Moskau-Reise vom 17. bis 20. September 1955, an deren Ende die Sowjets der DDR formal-vertraglich die volle Souveränität zusicherten, noch verstärkt. Diese neuen Gegebenheiten, denen die evangelische Kirche im Osten durch eine Loyalitätserklärung gegenüber dem SED-Staat Rechnung tragen sollte, implizierten zugleich eine Abgrenzung der östlichen Landeskirchen von der EKD mit erheblichen Konsequenzen für die Gefängnisseelsorge, da diese auf Betreiben der EKD bis zur Mitte der 1950er Jahre zunehmend bei der Kirchenkanzlei zentralisiert worden war. Das sich seit 1956 weiter verkomplizierende Staat-Kirche-Verhältnis in der DDR9 beobachtete man auf evangelischer Seite mit großer Sorge. Man befürchtete insbesondere, dass der Staat auf eine Abspaltung der östlichen von der westlichen Kirche drängen werde. Eben um eine solche Entwicklung abzuwenden, sandten Kirchenvertreter am 2. Februar 1956 einen von Bischof Mitzenheim unterzeichneten Brief an Grotewohl mit der Bitte um eine Aussprache. Die staatliche Seite nahm das Angebot an, bestimmte als Termin den 10. Februar und informierte im Vorfeld, dass anstelle von Nuschke Innenminister Maron mit der Gesprächsführung beauftragt sei. In dem Bewusstsein, dass man dem Staat bei diesem Treffen etwas anbieten müsse, vereinbarten Mitzenheim und andere Kirchenvertreter am 9. Februar auf der Sitzung der KOK, dass man unter der Prämisse einer durch den Staat garantierten „echten Toleranz, Neutralität in weltanschaulichen Auseinandersetzungen und auf Grund der Verfassung ungehinderten Religionsausübung und freien Betätigung der Kirche im öffentlichen Leben“10 die eingeforderte Loyalitätserklärung leisten würde. Als Mitzenheim, Krummacher – inzwischen Bischof der Pommerschen Kirche –, Scharf, Grünbaum als juristischer Oberkonsistorialrat der EKiBB und Behm als Vertreter der Kirchenkanzlei Ost am 10. Februar zum Gesprächstermin erschienen, trafen sie neben Innenminister Maron auf den Staatssekretär für Innere Angelegenheiten Josef Hegen und auf Hartwig, dem 8 Vgl. Schwarz, Pariser Verträge,10. 9 Vgl. Besier, SED-Staat, 193–195; Mau, Protestantismus, 55–64; und Albrecht-Birkner, Freiheit, 49–53. 10 Zit. nach Besier, SED-Staat, 199.
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Gefängnisseelsorge während der Integration der DDR in den Ostblock
zu diesem Zeitpunkt kommissarischen Leiter der HA Verbindung zu den Kirchen. Anstelle des von den Kirchenvertretern erhofften Dialogs kam es lediglich zu einer durch Maron verlesenen Erklärung, deren Kern eine Loyalitätsforderung an die Kirche darstellte, und diese zugleich zur „Grundlage […] für positive Gespräche über die Beziehungen von Staat und Kirche“ erklärte.11 Maron behauptete, dass die DDR alles tue, um die in der Verfassung verankerten Rechte auf Glaubens- und Religionsfreiheit zu wahren. Im Gegenzug erwarte man jedoch, dass die Kirchen ihrerseits den Staat achteten und innerhalb der geltenden Gesetze agierten. Dies sei jedoch in der Vergangenheit nicht immer der Fall gewesen. So habe etwa der Görlitzer OKR Hans-Joachim Fränkel von der Kanzel herab verkündet, „dass die evangelische Kirche in Ostdeutschland ein Stück Freiheit mitten in einer höchst unfreien Welt sei. Hier, in der Kirche würde nicht auf Kommando gelacht, geweint, geniest und gehustet.“12 Der Präses der Synode der EKKPS Lothar Kreyssig habe auf einer Kirchenversammlung erklärt, „dass es mit Gottlosen keinen Frieden und keine Koexistenz geben könne, da die Gottlosen keinen Frieden hätten“. Hierzu kommentierte Maron: „Ich möchte dazu sagen, es dürfte an der Zeit sein, daß die Vertreter der Kirche sich etwas bescheidener verhalten. Die Vertreter der materialistischen Weltanschauung, die Vertreter der fortgeschrittenen Wissenschaft, haben nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, ihre wissenschaftliche Lehre überall zu vertreten. Wir leben nicht mehr im Mittelalter, wo Vertreter des religiösen Aberglaubens fortschrittliche Auffassungen unterdrücken können.“13
Auch könne sich der Staat des Eindrucks nicht erwehren, dass die Kirche durch die NATO beeinflusst sei und kirchliche Einrichtungen in diesem Sinne missbraucht werden würden. Im Anschluss an die Verlesung gelang es Mitzenheim, einen mit der KOK abgestimmten Text vorzutragen, der die „Beschränkungen, Versagungen und Zensurierungen“14 thematisierte, denen die Kirche in der DDR unterworfen sei. Maron jedoch forcierte einen Gesprächsabbruch unter Hinweis darauf, dass er grundsätzliche Erklärungen der Kirchenleitungen sowohl zu den unterbreiteten Problematiken als auch hinsichtlich einer positiven Stellung zur DDR in Bälde erwarte.15 Grüber als Bevollmächtigter der EKD bei der Regierung der DDR und Grauheding als Leiter der Kirchenkanzlei Ost reagierten auf die Maron11 Zum Folgenden vgl. Karl Maron, Erklärung, 10. 2. 1956 (BArch Berlin, DY30/IV 2/14/7, 48 f.), Zitat 48. Auszüge aus der Erklärung, den Folgeverhandlungen und Weiteres zum Kontext der Maron-Erklärung bei Kçhler, Pontifex, 144–147, sowie Besier, SED-Staat, 193–205 und Goerner, Kirche, 309–324. 12 Kçhler, Pontifex, 145. Ausführlich zu Fränkel vgl. Naumann, Terrorbrecher. 13 Ebd., 146. 14 Ebd., 148. 15 Ebd., 147 f.
Kirchenpolitische Rahmenbedingungen
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Erklärung mit einer ausführlichen Stellungnahme. Faktisch handelte es sich hierbei um eine Analyse der kirchlichen Arbeit in der DDR und der der Kirche staatlicherseits dabei auferlegten Beschränkungen und Behinderungen.16 In einer an den Staatschef der DDR Walter Ulbricht gerichteten Aktennotiz von der Abteilung Kirchenfragen beim ZKwurden die Inhalte des Schriftstücks als „unverschämte Forderungen in provokatorischer Form“17 bezeichnet. Es werde nicht zu den „grundsätzlichen Fragen“ Stellung bezogen. Zudem sei das Schriftstück weder mit einer Anschrift noch mit einem Absender oder einer Unterschrift versehen, „so daß man dieses Material als anonym bezeichnen muss“. Deshalb werde das folgende Vorgehen beschlossen: „Mit dem Genossen Wandel wurde vereinbart, daß Genosse Maron weder eine schriftliche noch eine mündliche Stellungnahme zu diesem Material gibt und bei evtl. Rückfragen erklärt, dass dieses Material weder eine Unterschrift trägt, also an niemand gerichtet ist, und da jede Unterschrift fehlt, nicht festgestellt werden kann, von wem es kommt. Bei Gen. Maron ist eine grundsätzliche Stellungnahme der Kirchenleitung zu seiner Erklärung nicht eingegangen.“
Somit blieb die kirchliche Analyse weitestgehend unbeachtet, während die Maron-Erklärung über die staatlichen Stellen sämtlichen Bischöfen, Kirchenleitungen, Superintendenten und Pfarrern zur Kenntnis gebracht wurde. Da die Verteilung in Schriftform untersagt worden war, wurde die Erklärung den Adressaten stets vorgelesen und es wurde sehr genau beobachtet, ob die dafür angesetzten Termine wahrgenommen wurden.18 So heißt es in der Aktennotiz der Abteilung Kirchenfragen, dass in einigen Bezirken die Superintendenten und Pfarrer der Einladung nicht Folge geleistet hätten. Zwar sei auf administrative Mittel verzichtet worden, jedoch behielte man sich im Einzelfall vor, eingegangene Anträge aus diesen Kirchengemeinden solange nicht zu bearbeiten, bis die Betreffenden „ein richtiges Verhältnis zum Staatsapparat hergestellt“ hätten.19 Die Tatsache, dass das Papier der Kirchenkanzlei nicht die üblichen Formalien aufwies, wurde von staatlicher Seite als Grund dafür angegeben, dass Maron es am 20. März 1956 persönlich an Grüber retournierte.20 Warum die Verfasser auf Adressierung und Unterzeichnung des Dokuments verzichtet hatten, bleibt unklar. Möglicherweise sollte das Papier dadurch eher informellen Charakter haben und dadurch deutlich werden, dass die ostdeutschen 16 Vgl. Kirchenleitungen, Stellungnahme, o. Datum (BArch Berlin, DY 30 IV 2/14/7, 181–197). Teil A 181–185, Teil B 186–197. 17 ZK Abteilung Kirchenfragen, Aktennotiz (Entwurf), 7. 3. 1956 (BArch Berlin, DY 30 IV 2/14/7, 83–85). Hier auch das Folgende. Auf Blatt 85 befinden sich handschriftliche Ergänzungen zum Entwurf, der die Seiten 83 u. 84 umfasst. 18 Goerner, Kirche, 310. 19 ZK, Abteilung Kirchenfragen, Aktennotiz (Entwurf), Berlin, 7. 3. 1956 (BArch Berlin, DY 30 IV 2/14/7, 84). 20 Besier, SED-Staat, 203.
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Landeskirchen an dessen Abfassung nicht beteiligt waren. Auffällig ist jedenfalls der dezidierte Verzicht auf ein diplomatisches Vorgehen, insofern das Schreiben keinerlei Hinweise auf Kompromissbereitschaft hinsichtlich der geforderten Loyalitätserklärung enthielt. Ausgesprochen konfrontativ hieß es vielmehr: „Aus dem Verhalten des Staates in den aufgeführten Fällen spüren wir eine Haltung, die der Befriedung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche nicht dienlich ist. Wir müssen weiter feststellen, dass dort, wo innerkirchliche Konflikte aufbrechen, […] der Staat offenbar in dem Betreiben, die Spaltung zu fördern, eindeutig gegen die Kirche Stellung bezieht. Wir halten es deshalb, wenn nicht die Beziehungen zwischen Staat und Kirche weiterhin Schaden nehmen sollen, für unerlässlich, dass sich in diesen Fragen ein Wandel vollzieht.“21
Möglicherweise spielte dabei eine Rolle, dass weder Grüber noch Grauheding als Verfasser des Papiers am Treffen vom 10. Februar selbst teilgenommen hatten, sondern für die Kirchenkanzlei OKR Behm. Deutlich wird hier, dass die Strategien der Kirchenkanzlei und zumindest einiger ostdeutscher Landeskirchen differierten, wobei die Kirchenkanzlei nun aktiv versuchte, den Diskurs zu formen und zu bestimmen.22 Im Frühjahr 1957 gerieten die ostdeutschen Landeskirchen vermehrt unter Druck.23 Die hierbei durch den Staat zum Einsatz gebrachten Methoden waren vom Prinzip und Ansatz her ähnlich wie die schon 1952/53 praktizierten, wenn auch weniger offensichtlich aggressiv. Dies war ein Resultat des nun zur Verfügung stehenden kirchenpolitischen Apparates, bestehend aus drei kooperierenden staatlichen Stellen, deren Ziel in einer vollständigen Marginalisierung und Unterwerfung der Kirchen bestand.24 Mittels Differenzierungspolitik nahm die Regierung der DDR die Kirche nun in die Zange und übte Druck sowohl an der kirchlichen Basis als auch bei den Kirchenleitungen aus.25 21 Kirchenleitungen, Stellungnahme, Teil A, o. Datum (BArch Berlin, DY 30 IV 2/14/7, 185). 22 Vgl. die von Bischof Mitzenheim am 2. 2. 1956 zugesagte Bereitschaft, alles tun zu wollen, um die Situation zu entspannen und zu befrieden (ebd., 196). 23 Es kam zu einer Reihe von Verhaftungen, bei denen auch die Studentenpfarrer Georg-Siegfried Schmutzler und Martin Giersch unter dem Vorwurf staatszersetzender Aktivitäten inhaftiert und später verurteilt wurden (vgl. Neubert, Opposition, 124–126). Am 12. Februar 1958 trat der nach dem Minister für Volksbildung, Fritz Lange, benannte „Lange-Erlass“ in Kraft, der den Religionsunterricht beider Konfessionen für Schüler unter 14 Jahren enorm erschwerte und für ältere Schüler nur außerhalb der Schulen erlaubte (vgl. Besier, SED-Staat, 253). Das Verfahren der atheistischen Konkurrenzveranstaltung zum religiösen Ritual, das sich seit der Einführung der Jugendweihe im Mai 1954 als Alternative zu Konfirmation und Firmung bewährte, wurde im Zuge des durch die Regierung betriebenen ,Aufbaus des Sozialismus‘ ausgebaut durch Erweiterung um sozialismus-konforme Ersatzhandlungen auch für die Taufe sowie für christliche Eheschließungen und Beerdigungen (vgl. Vogel, Abgestorben?, 207). 24 Vgl. ebd. 25 Um die Gewinnung staatsloyaler Pfarrer bemüht, schuf der SED-Staat exklusive Organisations-
Kirchenpolitische Rahmenbedingungen
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Hartwig, der Stellvertreter des Staatssekretärs für Kirchenfragen Eggerath, verdeutlichte in einer am 29. April 1957 in der Tageszeitung „Neue Zeit“ veröffentlichten Rede die Position der DDR-Regierung: Die EKD sei durch den Abschluss des Militärseelsorgevertrages die Symbiose mit einem – zum politischen System der DDR konträr ausgerichteten – Staat eingegangen. Dadurch sei die evangelische Kirche in der DDR eine Ausnahmeerscheinung im Gefüge der sozialistischen Staaten: „Wir haben eine Kirche in zwei Staaten, und diese Kirche verbunden mit einem dieser Staaten, der der anderen nach der Existenz trachtet.“26 Um der von Hartwig geforderten Distanzierung der ostdeutschen Landeskirchen von der gesamtdeutschen EKD Nachdruck zu verleihen, erteilte die Regierung der DDR Eggerath den Auftrag, alle Bischöfe mit Wirkungsfeld und Wohnsitz in der DDR zu einem ersten gemeinsamen Treffen einzuladen.27 Aufgrund der „Wohnsitzklausel“ wurden Dibelius und Grüber, die zwar auf dem Gebiet der DDR tätig waren, jedoch ihren Wohnsitz im Westen hatten, bei der Einladung außen vor gelassen.28 Dies war ein symbolischer Akt, der den Anfang vom Ende der Tätigkeit Grübers als Bevollmächtigter der EKD bei der Regierung der DDR einleitete.29 Offiziell existierte Grübers Amt zwar noch bis Mai 1958, doch waren die von Grotewohl an Grüber gesandten Signale wenig subtiler Natur. So verzichtete er in einem Schreiben vom Juni 1957 auf die eigentlich korrekte Anrede Grübers als Bevollmächtigter des Rates der EKD und adressierte stattdessen schlicht an „Herrn Propst D. H. Grüber“, implizierend, dass die Regierung der DDR das Amt des Bevollmächtigten der EKD für gegenstandslos erachtete.30 Erst am 17. Mai 1958 beendete Grotewohl den nunmehr in der Schwebe befindlichen Zustand des Amtes und kündigte offiziell die Akkreditierung Grübers bei der Regierung der DDR.31
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und Belohnungsstrukturen. Dazu zählten der „Bund der evangelischen Pfarrer in der DDR“, das Periodikum „Glauben und Gewissen“, aber auch die beiden Gästehäuser des Staatssekretärs für Kirchenfragen, die zugleich als Erholungsheime, politische Schulungszentren und internationale Begegnungsstätten für staatsloyale Pfarrer dienten. Dabei konnte man die in den Gästehäusern zusammenkommenden Pfarrer der DDR und der benachbarten Ostblockstaaten nicht nur politisch instruieren, sondern auch hervorragend Informationen über kirchliche Interna abschöpfen. (vgl. hierzu Beier, Sonderkonten, 108–124; Goerner, Kirche, 264). Kçhler, Pontifex, 171. Vgl. Goerner, Kirche, 340. Aufgrund dieses missglückten Auftakts in der Beziehung zwischen Staatssekretär Eggerath und Grüber als Bevollmächtigtem initiierte Grüber ein Zusammentreffen mit Eggerath, das am 17. 4. 1958 im privaten Rahmen stattfand. Ebenfalls anwesend war der Stellvertreter Eggeraths, Hartwig, ehemals SS-Unterscharführer und Bewacher im KZ Oranienburg. Ob Grüber Hartwig als KZ-Bewacher erkannte oder ihm diese Information bereits im Vorfeld zugegangen war, bleibt unklar. Jedoch war für Grüber unübersehbar, dass Hartwig, vormals persönlicher Referent von Nuschke, das Gespräch bespitzelte, worauf dieses wenig Gehalt hatte und keine Annäherung brachte. (vgl. Boyens, Staatssekretariat, 127; Kçhler, Pontifex, 163). Für Details zu den Abläufen vgl. Rink, Bevollmächtigter, 237–240. Ebd., 238. Ebd., 240. Rink weist in seiner Untersuchung zum Leben und Wirken Grübers darauf hin, dass
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2. Weichenstellungen der Jahre 1955/56 2.1 Die Situation in der Gefängnisseelsorge im Jahr 1955 2.1.1 Die Tagung zur Gefängnisseelsorge vom 11. Februar 1955 Zum Jahresbeginn 1955 begannen in der Kirchenkanzlei die Vorbereitungen für eine Tagung, bei der neben den Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorgern auch Verantwortliche der HVDVP und der Generalstaatsanwaltschaft anwesend sein sollten. Die Planungen hatten sich als schwierig erwiesen, doch war es Mund „nach längerem Bemühen“ schließlich gelungen, die HVDVP gemäß der entsprechenden Bitte Grübers zu einer Teilnahme zu bewegen.32 In einem Gespräch mit OKR Behm am 30. Dezember 1954 hatte sich Mund ausgebeten, dass die Kirche die Tagung ausrichten möge, und zugleich betont, dass als Teilnehmende von kirchlicher Seite ausschließlich die im Strafvollzug, in den Haftarbeitslagern, Haftkrankenhäusern und Jugendwerkhöfen in der Seelsorge Tätigen in Frage kämen. Die Untersuchungshaftanstalten, die den größten Teil der in der DDR bestehenden Arrestorte ausmachten, hatte er nicht erwähnt. Der Grund hierfür war, dass die HVDVP die Seelsorge in den Untersuchungshaftanstalten nicht duldete, – vermutlich auch in der Hinsicht, dass er trotz des Verbotes aufgrund stillschweigenden Einvernehmens mit Anstaltsleitungen bestehende Möglichkeiten der Seelsorge nicht gefährden wollte.33 Dieses Agieren Munds verdeutlicht schlaglichtartig die wichtige und zugleich schwierige Position Munds als Mittler zwischen der Kirchenkanzlei und der HVDVP. Die Kirchenkanzlei informierte die Leitungen der östlichen Landeskirchen am 7. Januar 1955 über die für den 11. Februar im Haus der Kirche in BerlinWeißensee geplante Tagung und übermittelte zugleich die Tagesordnung.34 Laut dieser sollte dem für 10.00 Uhr vorgesehenen Eintreffen der staatlichen Grüber – wohl ganz bewusst – die Auflösung der ungeklärten Situation herbeiführte. Auf der Synode der EKD im Osten Berlins stellte sich Grüber Ende April mittels eines Redebeitrags eindeutig auf die Seite von Bischof Dibelius. Grüber verkündete, dass Dibelius – im Gegensatz zu den wohlgenährten und nervlich ausgeruhten Remigranten, welche sich damals in die Ämter gedrängt hätten, – jedes Recht gehabt habe und immer noch hätte, sich zur Neuordnung Deutschlands zu äußern bzw. sich daran zu beteiligen. Diesen Seitenhieb konnte Ulbricht nicht ignorieren und er führte dazu, dass Grüber offiziell nicht mehr empfangen werden durfte. Ausschnitte aus der Rede Grübers und Protokollausschnitte der Sitzung des Politbüros vom 7. 5. 1959 mit dem Kommentar Ulbrichts zur Rede Grübers ebd., 239. 32 Vgl. Konrad Müller, Teilabschrift der Referentenbesprechung vom 20. 1. 1955 in der Kirchenkanzlei (LKA Dresden, 2/343, Bl. 3); Hans-Jürgen Behm, Aktenvermerk, Berlin, 4. 1. 1955 (EZA Berlin, 104/954, o. Pag.). Hier auch das Folgende. 33 Vgl. Kap. C, Anm. 332 u. 333. 34 Vgl. o. Vf., Tagung der Gefängnispfarrer am 11. 2. 1955 in Berlin-Weißensee, Berlin, 7. 1. 1955 (EZA Berlin,103/101, Bl. 66).
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Vertreter eine 30-minütige Besprechung der Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger vorausgehen. Die Tagung sollte mit einem Referat des Staatsanwaltes Ernst Leim über die Grundsätze des Strafvollzugs beginnen. Nach der Mittagspause sollte ein weiteres Referat, gehalten von Mund, mit dem Thema „Erfahrungen in der Strafanstaltsseelsorge“ mit anschließender Aussprache folgen. Das Ende der Tagung war für 18.00 Uhr angesetzt. Das Schreiben schloss mit der Bemerkung: „Wir bitten die Kirchenleitungen, zu dieser Tagung alle Pfarrer zu entsenden, die an Strafvollzugsanstalten, Haftarbeitslagern, Haftkrankenhäusern und Jugendwerkhöfen Dienst tun. Es können nicht hinzugezogen werden die Pfarrer an Untersuchungshaftanstalten und die Referenten der Kirchenleitungen, damit bei dieser ersten Fühlungnahme mit staatlichen Vertretern der Kreis nicht zu groß werde.“35
Aufgrund dieser durch die Kirchenkanzlei getätigten „Ausladung“ der Referenten der Kichenleitungen von der Tagung kam es auf der Referentenbesprechung am 20. Januar 1955 in den Räumen der Kirchenkanzlei zu einem Eklat. Der Vertreter des LKA Dresden OLKR Müller legte gegen den von der Kirchenkanzlei verordneten Ausschluss der Referenten Protest ein, dem sich die Vertreter der EKKPS und Thüringens anschlossen.36 Aufgrund der heftigen Reaktionen, insbesondere aus der EKKPS, erläuterte OKR Behm die komplexe Vorgeschichte sowie die Hintergründe der Tagung, die Müller in seinen Aufzeichnungen von der Besprechung so zusammenfasste: „Seit länger als zwei Jahren bemühe man sich um dieses direkte Gespräch. Die Anregung dazu sei von D. Grüber ausgegangen. Es sei sehr schwer gewesen, die staatlichen Vertreter dazu zu bekommen und das sei überhaupt nur gelungen, indem man ausdrücklich erklärt habe, dass es sich nur um ein informatorisches Gespräch handele, bei dem das Grundsätzliche ausser Betracht gelassen werden solle. Die Vertreter des Staates hätten erklärt, dass ihnen die grundsätzliche Einstellung der Kirche bekannt sei, und hätten deshalb nicht gewünscht, dass die Vertreter der Kirchenleitungen anwesend seien.“
Müller berichtete weiterhin, dass Behm im Verlauf seiner Erklärungen unglücklicher Weise die Formulierung „der Staat habe die Auflage gemacht“ verwendet habe, wobei das Wort „Auflage“ für große Erregung unter den Anwesenden gesorgt habe, wohl da an dieser Stelle überdeutlich wurde, dass die Kirchenkanzlei sich einer staatlichen Forderung gebeugt hatte. Nach der Veranstaltung wären sowohl der Vizepräsident der EKD und Leiter der Kirchenkanzlei Bernhard Karnatz als auch OKR Behm, denen die Vorkommnisse 35 O. Vf., Tagung der Gefängnispfarrer am 11. 2. 1955 in Berlin-Weißensee (EZA Berlin, 103/101, Bl. 66). 36 Vgl. Konrad Müller, Teilabschrift der Referentenbesprechung vom 20. 1. 1955 in der Kirchenkanzlei, (LKA Dresden, 2/343, Bl. 3). Hier auch das Folgende.
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sehr peinlich gewesen seien, auf ihn zugekommen, um den Ausschluss der Referenten von der Tagung zu erklären und sich dafür zu entschuldigen. Zugleich hätten sie allerdings betont, dass eine Absage der Tagung gegenüber dem Staat „schlechterdings unmöglich“ sei. Müller endete mit der Aussage, dass er glaube, „dass die Kirchenkanzlei aus diesem Vorfall für die Zukunft die entsprechenden Folgerungen ziehen wird und dass wir es bei dieser peinlichen Erörterung bewenden lassen können.“ Letztlich erübrigte sich diese Diskussion aber dadurch, dass die HVDVP bzw. die Generalstaatsanwaltschaft der DDR ihre Teilnahme absagte, worüber Behm die östlichen Landeskirchen am 9. Februar unterrichtete.37 Trotz der Absage entschied man bei der Kirchenkanzlei, die Tagung wie geplant durchzuführen – zumal der Teilnahme der Referenten der Kirchenleitungen nun nichts mehr im Wege stünde. Laut Anwesenheitsliste nahmen schließlich 31 mit der Organisation und Durchführung der Gefängnisseelsorge beschäftigte Personen an der wie geplant am 11. Februar 1955 stattfindenden Tagung teil.38 Dazu zählten Grüber und dessen Mitarbeiter Zachau sowie Behm und Grauheding als Vertreter der Kirchenkanzlei (Stelle Ost). Ebenfalls anwesend waren die drei durch die HVDVP fest angestellten Gefängnisseelsorger Mund, Bluhm und Giebeler und 23 in den Gefängnissen der DDR praktizierende Seelsorger sowie Kleeberg als einzige durch die HVDVP für den Dienst in den Gefängnissen bestätigte Seelsorgerin.39 Neben einer Aktennotiz von Behm40 liegen von weiteren fünf Anwesenden Berichte über die Tagung vor und zwar von Wildgrube (Naumburg),41 Kleeberg (Stadtmission Bitterfeld),42 Backmann (Wiesa / Erzgebirge),43 Meigen (Petersgemeinde Leipzig)44 und Schumann (Markusgemeinde Leipzig)45. Die in der Ausführlichkeit der Darstellung variierenden Schriftstücke können nur einen begrenzten Einblick in Ablauf und Inhalt der Tagung geben, da, wie den Ausführungen Kleebergs zu entnehmen ist, „als besondere Auflage gegeben wurde, daß von der Besprechung nichts über die 4 Wände des Sitzungssaales hinausgehen dürfe. Darum kann mein Bericht nur oberflächlicher Art sein; gegebenenfalls wäre mündlich darüber zu berichten.“46 37 LKA Sachsen, Aktenvermerk, Dresden, 9. 2. 1955 (LKA Dresden, 2/343, Bl. 32). Hier auch das Folgende. 38 O. Vf., Anwesenheitsliste (Anlage zum Aktenvermerk v. 12. 2. 1955), o. Datum (EZA Berlin, 103/102, Bl. 57). 39 Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die Verwaltungsstellen der östlichen Gliedkirchen, Berlin, 22. 9. 1953 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). 40 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Protokoll der Tagung der Gefängnispfarrer vom 11. 2. 1955 in BerlinWeißensee, 12. 2. 1955 (EZA Berlin, 103/102, Bl. 55 f.). 41 Vgl. Günter Wildgrube, Bericht, Naumburg, 4. 3 1955 (AKPS Magdeburg, Rep. F 6, Nr. 120, o. Pag.). 42 Vgl. Ruth Kleeberg, Bericht, Bitterfeld, 24. 2. 1955 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 e, o. Pag.). 43 Vgl. W. Backmann, Bericht, Wiesa, 24. 2. 1955 (LKA Dresden, 2/343, Bl. 55). 44 Vgl. Christfried Meigen, Bericht, Leipzig, 10. 3. 1955 (LKA Dresden, 2/345, Bl. 65). 45 Vgl. Georg Schumann, Bericht, o. Datum (LKA Dresden, 2/343, Bl. 70). 46 Ruth Kleeberg, Bericht, Bitterfeld, 24. 2. 1955 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 e, o. Pag.).
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Auch Pfarrer Wildgrube erwähnt in seinem Bericht die Verpflichtung aller Teilnehmer zu „strengem Stillschweigen“.47 In Auswertung aller vorliegenden Berichte lassen sich Ablauf und Inhalt der Konferenz folgendermaßen rekonstruieren: Zu Beginn der Veranstaltung war zunächst die am 3. Juli 1953 in Kraft getretene DO mit besonderem Fokus auf den darin enthaltenen Problematiken48 thematisiert worden. Obwohl die Kirchenkanzlei die DO nur als „vorläufige Arbeitsgrundlage“ bis zur Behebung dieser Diskrepanzen anerkannt hatte,49 hatte sich die HVDVP jeglicher weitergehenden Klärung entzogen. Somit war und blieb die DO entgegen ihrer angenommenen Vorläufigkeit dauerhaft das Regularium für die Gefängnisseelsorge. Schumann berichtete, dass man die DO Punkt für Punkt durchgesprochen habe, dass die zentrale Frage, ob der Strafvollzug „Abschreckungsmittel oder der Weg einer Resozialisierung des Inhaftierten sei“,50 aufgrund der Abwesenheit der Vertreter der HVDVP jedoch nicht hätte beantwortet werden können. Der Bericht Schumanns enthält zudem einige Informationen zu weitergehenden Entwicklungen in der Praxis der Gefängnisseelsorge. So informierte man die Seelsorger und die Seelsorgerin darüber, dass die bei den Gesprächen anwesenden Beamten keine Berichte hierüber an die Anstaltsleitungen geben dürften. Hier gelte das Amtsgeheimnis. Falls nachweisbar trotzdem Berichte weitergegeben werden würden, könne dagegen Einspruch erhoben werden. Der VP-Angehörige dürfe sich auch nicht in das seelsorgerliche Gespräch einmischen, hätte allerdings die Befugnis, dieses zu beenden, falls es in Thematiken abgleite, die nicht in ein solches Gespräch gehörten. Die Definition, was ein seelsorgerliches Gespräch denn beinhalten solle, sei allerdings von Anstalt zu Anstalt unterschiedlich. So dürften in Leipzig weder der Name des Gefangenen genannt werden noch die Namen von dessen Ehefrau und Kindern. Müsse der Seelsorger betreffend einen Gefangenen einen Brief schreiben, so müsse dies in der Anstalt geschehen. Der Brief würde vom Anstaltsleiter abgeschickt, ebenso ginge das Antwortschreiben über den Anstaltsleiter. Allgemein hätten viele der Inhaftierten noch immer gar keine Kenntnis von der Möglichkeit, einen Seelsorger zu konsultieren, weshalb man überlegte, dies bei den Gottesdiensten in den Anstalten anzusprechen. Die Gefangenen müssten bei der Beantragung der Seelsorge auch nicht den Grund für das Gespräch angeben. Trotz der DO werde die Seelsorge nicht in allen Strafvollzugsanstalten gleich gehandhabt, in einigen seien die Bedingungen 47 Günter Wildgrube, Bericht, Naumburg, 4. 3. 1955 (AKPS Magdeburg, Rep. F 6, Nr. 120, o. Pag.). 48 Es handelte sich um den Ausschluss der Untersuchungsgefangenen von der Seelsorge, die Bewachung der seelsorgerlichen Gespräche durch einen Vollzugsbeamten und die Weigerung der HVDVP, bei Begräbnissen einen Pfarrer hinzuzuziehen. 49 Friedrich Wilhelm Krummacher, Schreiben an die HVDVP, Berlin, 5. 2. 1953 (EZA Berlin, 4/ 732 o. Pag.). 50 Georg Schumann, Bericht, o. Datum (LKA Dresden, 2/343, Bl. 70). Hier auch das Folgende.
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günstiger als in anderen. Es gäbe auch VP-Angehörige, die den Raum während der Seelsorge verließen, das sei jedoch persönliches Entgegenkommen, auf das man sich nicht berufen könne. Bezüglich der Ausstattung der Strafanstalten mit Bibeln und Gesangbücher war es zu einer Klärung gekommen: Diese mussten zwingend neu, nach 1945 gedruckt und mit einer Lizenznummer versehen sein. Sie mussten durch die Landeskirchen bei der Evangelischen Verlagsanstalt bestellt, bezahlt und dann an die HVDVP geliefert werden, worauf diese die Bibeln und Gesangbücher an die Strafanstalten verteilte.51 Im zweiten Teil der Tagung hielt Mund das angekündigte Referat, in dem er seine Arbeit als Gefängnisseelsorger in der Strafvollzugsanstalt Bautzen I vorstellte. Aus den vorliegenden Berichten über die Tagung geht nicht eindeutig hervor, ob den anwesenden Seelsorgern und Seelsorgerinnen der Sonderstatus von Mund wie auch von Bluhm und Giebeler hinlänglich klar war. So findet sich in den Ausführungen von Pfarrer Schumann zwar die Bemerkung, dass „bereits drei hauptamtliche Geistliche im Dienst der Strafanstaltsseelsorge tätig seien“,52 jedoch erwähnt Schumann weder die Namen noch das besondere Dienstverhältnis dieser drei Hauptamtlichen. Die Einschätzung Kleebergs, dass gegenüber Mund „eine gewiße Zurückhaltung bestand“,53 könnte jedoch als Hinweis interpretiert werden, dass die Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger der östlichen Landeskirchen über die Anstellungsverhältnisse der hauptamtlichen Seelsorger Bescheid wussten. Sie schätzten ein, dass die hauptamtlichen Seelsorger generell über mehr Möglichkeiten als die im Nebenamt tätigen verfügten – vor allem hinsichtlich der musikalischen Gestaltung der Gottesdienste in Bautzen, eben durch den hier von Mund initiierten Kirchenchor, und im Blick auf unbewachte Einzelgespräche. Im Bericht Wildgrubes finden sich Aufzeichnungen zur „Rangordnung der staatlichen Stellen“,54 also zur Organisationsstruktur des Strafvollzugs in der DDR: An der Spitze stehe der Chef des Strafvollzugs, Generalinspekteur Mayer, dann folge die HA Strafvollzug der HVDVP, darunter die Bezirksbehörden der VP und an letzter Stelle die einzelne Strafvollzugsanstalt. In der Aktennotiz Behms zur Tagung heißt es, dass die Ausführungen von Mund „mit großer Aufmerksamkeit und Dankbarkeit zur Kenntnis genommen wurden. Die Aussprache hier war relativ kurz, da von allen betont wurde, daß sie über diese Fragen erst noch länger nachdenken wollten.
51 Vgl. Günter Wildgrube, Bericht, Naumburg, 4. 3. 1955 (AKPS Magdeburg, Rep. F 6, Nr. 120, o. Pag.); Hans-Jürgen Behm, Protokoll der Tagung der Gefängnispfarrer vom 11. 2. 1955 in Berlin-Weißensee, Berlin, 12. 2. 1955 (EZA Berlin, 103/102, Bl. 55 f.). 52 Georg Schumann, Bericht, o. Datum (LKA Dresden, 2/343, Bl. 70). 53 Ruth Kleeberg, Bitterfeld, Bericht, 24. 2. 1955 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 e, o. Pag.). 54 Günter Wildgrube, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Naumburg, 11. 4. 1956 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. Nr. 221 f, o. Pag).
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Am Schluß der Tagung wurde übereinstimmend der Wunsch ausgesprochen, daß ein solcher gelegentlicher Erfahrungsaustausch der Gefängnisgeistlichen sehr notwendig und begrüßenswert sei, daß man die Kirchenkanzlei bitte, in absehbarer Zeit wiederum etwas Ähnliches zu veranstalten. Vielleicht ergäbe sich dann auch die Möglichkeit, mit staatlichen Vertretern eine solche Aussprache durchzuführen.“55
Die genauen Gründe, die zur kurzfristigen Absage ihrer Teilnahme an der Tagung durch die staatlichen Vertreter geführt hatten, sind nicht bekannt, dürften aber im ohnehin geringen Interesse derselben an einem direkten Austausch mit den Kirchenvertretern zu suchen sein. Dass sich die Vertreter von HVDVP und Generalstaatsanwaltschaft der Kritik der Kirchenleute, geschweige denn einer harten Diskussion mit diesen, hätten stellen müssen, muss bezweifelt werden. Denn die Machtverhältnisse im Strafvollzug und damit auch für die Gefängnisseelsorge waren geklärt und die Kirche längst in die Position des Bittstellers zurückgedrängt. Vehement vorgetragene Forderungen oder Appelle hätten – und darüber waren sich die anwesenden Seelsorger, Seelsorgerinnen und die Angehörigen der Kirchenkanzlei bewusst – eher ein Zuschlagen des letzten Türspalts als eine Besserung nach sich gezogen. Strukturell ist allerdings zu berücksichtigen, dass Mund, Bluhm und Giebeler aufgrund ihrer Anstellung bei der HVDVP diese selbst auch repräsentierten, wobei Mund nicht nur über ein eigenes Büro im Gebäude der HVDVP verfügte, sondern auch als fester Mitarbeiter der HA Strafvollzug im Dienstrang eines Kommandeurs geführt wurde. Dass er seinen Vorgesetzten einen Bericht über die Tagung lieferte, ist – auch wenn dieser nicht vorliegt – sehr wahrscheinlich. 2.1.2 Krankheitsbedingter Ausfall Munds Die Tätigkeit von Mund in der Gefängnisseelsorge der DDR wurde immer wieder durch längere Kranken- und Kuraufenthalte unterbrochen. Bereits sein Dienstantritt, ursprünglich für den 1. August 1950 vorgesehen, hatte sich aus gesundheitlichen Gründen um etwa drei Wochen verzögert.56 Für das Jahr 1953 ist ein längere Krankheitsperiode Munds belegt, die vom Frühjahr bis etwa Juni des Jahres andauerte,57 weiterhin ein längerer Dienstausfall im Jahr 55 Hans-Jürgen Behm, Tagung der Gefängnispfarrer vom 11. 2. 1955 im Haus der Kirche, BerlinWeißensee, 12. 2. 1955 (EZA Berlin, 103/102, Bl. 55 f.). 56 Vgl. Kap. C, Anm. 163. 57 Fuchs schrieb am 18. 6. 1953 an den Prorektor der HUB: „Ich kann also dem Aspiranten ein wahrhaft gutes Zeugnis ausstellen. Leider wurde die Tätigkeit des Aspiranten 14 Tage vor Schluss des Semesters [Fuchs meint das Sommersemester 1953 – SiSt.] durch eine Gallenerkrankung abgebrochen. Er war im Krankenhaus und ist noch nicht völlig wieder hergestellt. Doch ist die Hoffnung, dass er sich bald erholt haben wird und wieder energisch an die Arbeit
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1958 aufgrund eines Leberleidens.58 Die Teilnahme an der Tagung der Gefängnisseelsorger am 11. Februar 1955 ist die letzte belegbare dienstliche Tätigkeit Munds, bevor er für nahezu zwölf Monate ausfiel. Am 24. Februar berichtete der für Bautzen II zuständige Seelsorger und Pfarrer Arnold, dass Mund die Strafvollzugsanstalt wegen einer Krankheit einige Wochen lang nicht aufsuchen könne.59 Der Krankheitsverlauf Munds gestaltete sich jedoch langwieriger, als zunächst von Arnold angenommen, so dass die seelsorgerliche Versorgung von Bautzen I 1955 nahezu vollständig zum Erliegen kam. Auch für die Organisation der Gefängnisseelsorge und die dafür notwendige Kommunikation zwischen HVDVP und Kirchenkanzlei mussten aufgrund der Abwesenheit Munds neue Wege gefunden werden. Erst am 1. Februar 1956 war Mund gesundheitlich wieder so weit hergestellt, dass er seine Tätigkeit bei der HVDVP fortsetzen konnte.60 Der insgesamt als fragil zu bezeichnende Gesundheitszustand Munds resultierte, folgt man den Aussagen seines Ziehsohnes Raddatz, aus einer Tuberkuloseinfektion, die sich Mund angeblich bei seinen Besuchen in den Strafanstalten zugezogen hatte.61 Die Diagnose Tuberkulose findet sich auch in einem Dankesbrief Wolfgang Hardegens, der Mund während seines Aufenthalts im St. Hedwig-Krankenhaus in Ostberlin im Sommer 1955 erreichte.62 Hardegen schrieb: „Wie geht es Ihnen? Was macht ihre Darm-Tbc, Ihre Struma? Ihre Leber? Lassen Sie sich bitte gut ausheilen. Auch das Gefäss der Seele muss man ab und zu putzen. Ich wünsche Ihnen jedenfalls recht gute Besserung.“ Auch in der Kirchenkanzlei wusste man um den schlechten Gesundheitszustands Munds und bemühte sich bereits im Januar 1955 um die Finanzierung eines Kuraufenthalts, von dem man sich die Wiederherstellung der Arbeitskraft Munds erhoffte. In dieser Angelegenheit nahm Propst Grüber auch Kontakt mit dem tschechischen Theologen Josef Hrom dka auf:
58 59 60 61 62
gehen kann.“ (Emil Fuchs, Schreiben an den Prorektor für wissenschaftliche Aspirantur an der HUB, Leipzig, 18. 6. 1953, HUB UA Leipzig, Theol. Fakultät, 400 Bd. 2, o. Pag.). Vgl. Emil Fuchs, Schreiben an den Prorektor für den wissenschaftlichen Nachwuchs der Humboldt-Universität zu Berlin, Wandlitzsee, 14. 8. 1958 (HUB UA Leipzig, Nachlass Fuchs, 1161, o. Pag.). Wolfgang Arnold, Schreiben an das Pfarramt in Anklam, Bautzen, 24. 2. 1955 (AdK Berlin, WKBA 2889/13). Gemäß dem Schreiben von Behm an Mund: „Nachdem Sie am 1. Februar d. Js. Ihre Tätigkeit wieder aufnehmen […]“ (vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an Hans-Joachim Mund, Berlin, 30. 1. 1956, EZA Berlin, 104/956, o. Pag.). Fritz Raddatz, Email an Veronika Albrecht-Birkner, o. Ort, 21. 1. 2015 (Privatarchiv SiedekStrunk). Wolfgang Hardegen, Schreiben an Hans-Joachim Mund, Berlin, 29. 5. 1955 (AdK Berlin, WKBA 2889/13). Hier auch das Folgende. Hardegen war 1947 im Alter von 18 Jahren durch ein SMT-Gericht zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt worden. Seine Haftzeit hatte er in Bautzen I verbracht, wo er durch Mund seelsorgerlich betreut wurde. Am 7. 4. 1955 wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen (vgl. Hardegen, Bautzen).
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„Darf ich dann noch einmal auf meine besondere Bitte zurückkommen, die ich Ihnen wegen Pastor Mu n d vortrug? Sie hatten mir seinerzeit freundlichst zugesagt, daß Ihre Kirche für ihn eine Kur in Karlsbad übernehmen würde. Daß wir uns irgendwie erkenntlich zeigen, brauche ich nicht zu betonen. Pastor Mund ist nicht nur Theologe, sondern zugleich auch höherer Führer in der Volkspolizei. Er ist der erste der federführenden Strafanstaltsgeistlichen in der Deutschen Demokratischen Republik. Wir legen von beiden Seiten großen Wert darauf, daß er bald wieder voll einsatzfähig ist. Ich habe schon mit seinem Vorgesetzten in der Deutschen Volkspolizei gesprochen, der es auch sehr begrüßen würde, wenn Mund durch die Kur in Karlsbad wieder zu seiner vollen Arbeitskraft kommen würde.“63
Ob es bereits 1956 zu einem Kuraufenthalt Munds in Karlovy Vary gekommen ist, lässt sich nicht feststellen. Belegt ist aber ein Aufenthalt Munds in dem tschechischen Kurort im November 1957.64 2.1.3 Die geplante Einstellung eines vierten staatlichen Seelsorgers Mund verbrachte den Großteil des Jahres 1955 im Krankenhaus und erhielt während dieser Zeit mindestens zwei Besuche von OKR Behm von der Kirchenkanzlei, bei denen Details zur Organisation der Gefängnisseelsorge besprochen wurden.65 Bereits im Juli 1955 informierte Propst Grüber die Kirchenkanzlei über die Bereitschaft des VP-Kommandeurs Jauch, nicht zuletzt wegen der langen Krankheit Munds die Einstellung eines vierten Seelsorgers zu befürworten.66 Grüber bat die östlichen Gliedkirchen, Personalvorschläge einzureichen, damit man in der Lage sei, der HVDVP geeignete Kandidaten vorzuschlagen, da er sich von der Einstellung eines vierten hauptamtlichen Seelsorgers im Strafvollzug nicht nur eine große Erleichterung, sondern zu-
63 Heinrich Grüber, Schreiben an Josef Hrom dka, Berlin, 27. 1. 1955 (EZA Berlin, 103/124, Bl. 230). 64 Vgl. Emil Fuchs, Schreiben an die Verwaltung der Karl-Marx-Universität Leipzig, Abteilung Arbeit, Leipzig, 21. 11. 1957 (HUB UA Leipzig, Nachlass Fuchs, 735, o. Pag.). Gegen einen Kuraufenthalt Munds bereits 1955 in Karlovy Vary spricht die Bemerkungen Grübers in einem Schreiben an Jauch „Da Pfarrer Mund einen erneuten Rückfall bekommen hat und mit einer ˇ SR so bald nicht zur rechnen ist und ein endgültigen Heilung bzw. einem Kuraufenthalt in der C Ausfall von mindestens einem halben Jahr in Ansatz gebracht werden muss, so wäre die umgehende Besetzung einer zusätzlichen Stelle dringend erforderlich.“ (Heinrich Grüber, Schreiben an Werner Jauch, Berlin, 15. 9. 1955, EZA Berlin, 103/101, Bl. 92). Zu den Plänen für die Einstellung eines vierten hauptamtlichen Seelsorgers vgl. Kap. D 2.1.3. 65 Über die Besuche Behms bei Mund liegen zwei Berichte vor (Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die HVDVP, Berlin, 1. 7. 1955, EZA Berlin,104/955, o. Pag.; ders., Aktenvermerk, 6. 9. 1955, ebd.). 66 Vgl. Heinrich Grüber, Besprechung, Berlin, 14. 7. 1955 (EZA Berlin, 103/101, Bl. 84).
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gleich einen Ausbau der seelsorgerlichen Arbeit erhoffe.67 Kritisch gegenüber dem Vorschlag Grübers zeigte sich die Landeskirche Sachsen, in deren Gebiet die Bautzener Strafanstalten lagen. Knospe argumentierte, dass man sich nicht in der Lage sehe, einen geeigneten Kandidaten vorzuschlagen, da es für die Pfarrer unzumutbar sei, den Dienst in der Landeskirche aufgrund einer Anstellung bei der HVDVP zu quittieren.68 OLKR Knospe bat OLKR Müller, diese Position auf der für den 28. Juli angesetzten Referentenbesprechung bei der Kirchenkanzlei zu vertreten, und ergänzte vorausschauend: „Sollte Propst D. G r ü b e r an der Referentenbesprechung teilnehmen, wird man unsere Bedenken ja mit einiger Vorsicht vortragen müssen, da Propst D. Grüber sie sicher nicht teilt. Wir sind aber auch dann nicht in der Lage, dem Wunsch der Kirchenkanzlei zu entsprechen.“
Der Kommentar verdeutlicht die distanzierte Position der Sächsischen Landeskirche gegenüber dem Handeln und den Vorschlägen Grübers und der Kirchenkanzlei. Wie von Knospe vermutet, nahm Grüber an der Referentenbesprechung teil. Laut dem von Müller verfassten Protokoll69 verkündete der Propst stolz, dass es ihm gelungen sei, die HVDVP von der Notwendigkeit eines vierten hauptamtlichen Seelsorgers zu überzeugen. Nun müsse für diese sehr bedeutsame Aufgabe ein geeigneter Kandidat gefunden werden. Finanziell stünde sich ein staatlicher Seelsorger im Übrigen besser als seine durch die Kirchen besoldeten Kollegen. Grüber berichtete, dass der neue Seelsorger nicht für Bautzen I vorgesehen sei, denn diese Strafanstalt bliebe weiterhin Mund vorbehalten, sondern in den Strafvollzugsanstalten in Luckau, Torgau und Halle zum Einsatz kommen solle, wodurch eine Bewerbung aus dem Gebiet der EKKPS sinnvoll sei. Es läge bereits eine Bewerbung für den Posten von Pfarrer Heinz Riege aus Grebbin (Mecklenburg) vor.70 Im September 1955 begleitete Grüber als Teil einer großen Delegation Konrad Adenauer auf dessen Reise nach Moskau. Ziel des Besuchs war die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion und damit verbunden die Forderung Adenauers nach Freilassung aller noch immer in den russischen Lagern befindlichen deutschen Kriegs67 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die östlichen Gliedkirchen, Berlin, 19. 7. 1955 (ELA Berlin, 11/922, o. Pag.). 68 Gottfried Knospe, Schreiben an OLKR Konrad Müller, Dresden, 26. 7. 1955 (LKA Dresden, 2/ 343, Bl. 153). Hier auch das Folgende. 69 Konrad Müller, Teilabschrift der Referentenbesprechung vom 28. Juli 1955 in der Kirchenkanzlei, Meißen, 29. 7. 1955 (LKA Dresden, 2/343, Bl. 153). 70 Pfarrer Riege hatte Mund bereits im Sommer 1955 einen Krankenbesuch abgestattet, um sich dessen Unterstützung bei seiner Bewerbung als vierter hauptamtlicher Gefängnisseelsorger der HVDVP zu sichern. Er hatte bei diesem Besuch aber einen ungünstigen Eindruck hinterlassen, worüber Mund OKR Behm in Kenntnis setzte. Da Munds Einschätzung mit jener der Kirchenleitung in Schwerin übereinstimmte, wurde Rieges Bewerbung nicht berücksichtigt (vgl. Hans-Jürgen Behm, Aktenvermerk, Berlin, 6. 9. 1955, EZA Berlin, 104/955, o. Pag.).
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gefangenen und Internierten.71 Kurz vor seiner Abreise nach Moskau informierte Grüber Mund über die von Jauch zugesagte Einstellung eines vierten hauptamtlichen Seelsorgers. Mund, dem die Angelegenheit unglaubwürdig vorkam, kontaktierte daraufhin vom Krankenbett aus die HVDVP und erfuhr, „dass von einer festen Zusage der Volkspolizei betreffend eines 4. hauptamtlichen Strafanstaltsseelsorgers absolut nicht gesprochen werden kann“72. Jauch erklärte Mund gegenüber, „er habe Propst Grüber nur unverbindliches Entgegenkommen gezeigt, indem er ihn gebeten habe, gelegentlich konkrete Vorschläge zu machen, es könne ja über diese Frage dann weiter verhandelt werden.“ Gegenüber OKR Behm formulierte Mund entsprechend starke Zweifel am Gelingen der Verhandlungen um die Einstellung eines vierten hauptamtlichen Seelsorgers, riet jedoch, diese nicht auszusetzen, sondern die Gelegenheit zu nutzen und konkrete Personalvorschläge einzureichen, die künftig als Verhandlungsbasis dienen könnten. Ein positives Ergebnis solle man allerdings, wenn überhaupt, erst in einiger Zeit erwarten. Diese Einschätzung Munds sollte sich bewahrheiten. Auf die bereits am 18. August 1955 an Jauch weitergeleitete Bewerbung von Pfarrer Engler73 erhielt Grüber keine Reaktion. In einem Schreiben vom 15. September 1955 erkundigte sich er sich bei dem VP-Kommandeur deshalb nach dem Stand der Dinge und bemerkte: „Da Mund einen erneuten Rückfall bekommen hat und mit einer endgültigen Heilung bzw. einem Kuraufenthalt in der CSR so bald nicht zu rechnen ist und ein Ausfall von mindestens einem halben Jahr in Ansatz gebracht werden muss, so wäre die umgehende Besetzung einer zusätzlichen Stelle dringend erforderlich. Sollte es an Etatmitteln scheitern, so kann die Besoldung vorläufig von der Kirche übernommen werden.“74
Im Antwortschreiben Jauchs vom 22. September 1955 war von einer Einstellung eines vierten hauptamtlichen Seelsorgers dann keine Rede mehr. Stattdessen bat Jauch Propst Grüber, zur Vertretung Munds einen in Bautzen wohnhaften Pfarrer zu benennen, dabei jedoch nicht auf Pfarrer Arnold aus der örtlichen St.-Petri Gemeinde zurückzugreifen, da dieser bereits die 71 Zur Reise Adenauers sowie deren Hintergründen und dem Ablauf der Verhandlungen vgl. Kilian, Reise. 72 Hans-Jürgen Behm, Aktenvermerk, Berlin, 6. 9. 1955 (EZA Berlin, 104/955, o. Pag.). Hier auch das Folgende. 73 Über Engler ist sonst nichts bekannt. Grüber schrieb Jauch lediglich, dass er Engler für den geeignetsten Bewerber für die vierte Seelsorgerstelle im Strafvollzug halte. Zugleich mahnte er Jauch zur Eile: „Da ich vor einer längeren Reise in die Sowjetunion stehe, wäre ich dankbar, wenn die Verhandlungen mit Herrn Engler unmittelbar geführt werden würden. Wenn es möglich wäre, dass die Verhandlungen bis zum 30. 9. abgeschlossen werden, wäre ich sehr dankbar. Es könnte dann ein Dienstantritt am 1. 10. erfolgen.“ (Heinrich Grüber, Schreiben an die HVDVP, Berlin, 18. 8. 1955, EZA Berlin, 103/101, Bl. 91). 74 Heinrich Grüber, Schreiben an Werner Jauch, Berlin, 15. 9. 1955 (EZA Berlin, 103/101, Bl. 92).
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Häftlinge in Bautzen II betreue.75 Der daraufhin von der Landeskirche Sachsen in Vorschlag gebrachte, in Bautzen lebende Pfarrer Wolfgang Richter wurde durch die HVDVP jedoch nicht bestätigt.76 Der krankheitsbedingte Ausfall Munds, der bis Ende Januar 1956 währte, bedeutete für die Gefängnisseelsorge in der DDR einen massiven Einschnitt, insbesondere wegen der dadurch entstehenden Kommunikationslücke zwischen der HVDVP und der Kirchenkanzlei. Als Vertreter Munds an dieser Stelle fungierte sein Vorgesetzter Jauch, mit dem Grüber und Behm bis zum November 1955 alle Angelegenheiten, die die Gefängnisseelsorge betrafen, besprachen. Dass Jauch als Verhandlungspartner der Gefängnisseelsorge ähnlich wohlwollend wie Mund gegenüberstand, ist allerdings unwahrscheinlich. Zwar scheint er sich hinsichtlich der Einstellung eines vierten hauptamtlichen Seelsorgers zunächst kooperativ gezeigt zu haben, es ist jedoch fraglich, ob dieser Eindruck lediglich das Resultat eines Missverständnisses auf Seiten Grübers war. Sollte die Einstellung von Jauch anfangs tatsächlich unterstützt worden sein, kann dies auch taktische, kirchenpolitische Gründe gehabt oder auf einer Selbstüberschätzung Jauchs hinsichtlich seiner diesbezüglichen Kompetenzen beruht haben. 2.1.4 Zunehmende Bürokratisierung der Bestätigungsverfahren Zum Jahresende 1955 wurde die Gefängnisseelsorge durch die vermehrte Ablehnung der von den Kirchen mit der Seelsorge beauftragten Pfarrer durch die HVDVP weiter eingeschränkt. Die Kirchenkanzlei zeigte sich bezüglich der nun streng von der HVDVP durchgeführten Bestätigungsverfahren irritiert und intervenierte nach Bekanntwerden eines Falles aus dem Strafvollzug im thüringischen Gera bei der HVDVP: „Pfarrer Müller wurde seitens der Leitung der Anstalt Gera mitgeteilt, er könne solange seinen Dienst nicht aufnehmen, als nicht eine Bestätigung der Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei erfolgt sei. Wir nehmen an, daß hier ein Irrtum vorliegt. Gemäß den Vereinbarungen, die zwischen der Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei und uns getroffen sind, bedarf es über die Bestellung der Strafanstaltsgeistlichen seitens der Kirche nur der offiziellen Mitteilung und nicht einer zusätzlichen Bestätigung durch die Hauptverwaltung der Volkspolizei. Lediglich in Fällen, in denen bei der Deutschen Volkspolizei erhebliche Bedenken gegen eine Geistlichen bestehen, wird dieses der Kirche mitgeteilt und sie wird dann einen anderen Geistlichen benennen.“77 75 Vgl. Werner Jauch, Schreiben an Heinrich Grüber, Berlin, 22. 9. 1955 (EZA Berlin, 103/101, Bl. 93). 76 Vgl. Heinrich Grüber, Schreiben an das LKA Sachsen, Berlin, 14. 11. 1955 (EZA Berlin, 103/ 101, Bl. 98). 77 Erich Grauheding, Schreiben an die HVDVP, Berlin, 13. 6. 1955 (EZA Berlin, 103/101, Bl. 78).
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Im Dezember 1955 folgte die Ablehnung des kommissarischen Hilfspredigers der Magdeburger Stadtmission Paul Wagner und des Pfarrers an St. Martini in Halberstadt Joachim Lange als Seelsorger für die Strafvollzugsanstalten der beiden Städte.78 In einem persönlichen Gespräch erläuterte der ab Dezember 1955 für die Gefängnisseelsorge bei der HVDVP zuständige VP-Inspekteur Siegemund OKR Behm, dass der Grund für die Ablehnung der beiden Pfarrer darin zu suchen sei, dass sie selbst oder aber ihre Angehörigen gegen den Staat eingestellt seien. Wie sich diese aus Sicht der HVDVP negative Einstellung geäußert hatte, ließ Siegemund offen, deutete Behm gegenüber jedoch an, dass Geistliche, die sich klar gegen die seit März 1955 in der DDR praktizierte Jugendweihe positionierten, vom Dienst in den Haftanstalten ausgeschlossen seien.
3. Staatliche Strategien zur Einschränkung der kirchlichen Arbeit im Strafvollzug 3.1 Behinderungen der Seelsorgepraxis in den Strafvollzugsanstalten Die Maron-Erklärung vom 10. Februar 1956 und die erfolgten kirchlichen Reaktionen bedingten eine Verhärtung der Fronten vor allem zwischen dem SED-Staat und der Kirchenkanzlei.79 Zweifellos spielte dabei der Wegfall der Kirchen als deutschlandpolitisch nützlichem Faktor, nachdem die Zweistaatlichkeit faktisch vollzogen war und der Kalte Krieg die Tagesordnung dominierte, eine wesentliche Rolle.80 Aufgrund dessen kam es in der Gefängnisseelsorge zu drastischen Behinderungen und weitergehenden Rückschritten, die besonders die kirchliche Arbeit in den Jugendwerkhöfen, Haftkrankenhäusern und Haftarbeitslagern betrafen und deren Vorläufer im Jahr 1953 zu verorten sind. Schon zu Weihnachten 1953 war auf Weisung der HVDVP der geplante Festtagsgottesdienst im Haftkrankenhaus Eisenach abgesagt worden.81 Auf Nachfrage der Kirchenkanzlei ließ die HVDVP durch Mund mitteilen, dass der Gottesdienst in Haftkrankenhäusern wie auch Haftarbeitslagern und Jugendwerkhöfen nicht durch die DO geregelt sei, da sich diese ausschließlich auf die Strafvollzugsanstalten beziehe. In den Einrichtungen, in denen bis dato 78 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die HVDVP, Berlin, 16. 12. 1955 (EZA Berlin, 101/103, Bl. 99–101). Hier auch das Folgende. 79 Zu den Versuchen verschiedener Stellen, diese für alle Beteiligten wenig vorteilhafte Situation aufzulösen, vgl. Goerner, Kirche, 314–324. 80 Ebd., Kirche, 307 f. 81 Vgl. Gerhard Säuberlich, Schreiben an Otto Nuschke, Eisenach, 8. 1. 1954 (BArch Berlin, DO 4/ 2069, Bl. 1536).
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Gottesdienste durchgeführt werden würden, könne dies auch in Zukunft geschehen, allerdings werde „in den neu beantragten Anstalten eine Regelung erwogen und geprüft, wieweit örtlich eine Durchführung möglich ist. Unter diese Rubrik fällt auch das Haftkrankenhaus Eisenach. Dasselbe gilt für Schacksdorf und für das Haftarbeitslager Himmelmühle.“82
Diese Information der HVDVP stand im Widerspruch zu dem vom 13. November 1953 datierenden Begleitschreiben zur DO von Generalinspekteur Mayer an die Haftanstalten, in dem der Geltungsbereich der DO so definiert worden war: „Die DO findet sinngemäß Anwendung in den Strafvollzugsanstalten, Haftarbeitslager [sic], Haftkrankenhäuser [sic] aber nicht in den Untersuchungshaftanstalten.“83 Im Februar 1954 musste Behm die östlichen Landeskirchen dann darüber informieren: „daß die Hauptverwaltung der Deutschen Volkspolizei die im Juli 1953 verabschiedete DO für die Tätigkeit der Geistlichen […] dahingehend auslegt, daß sie nur Gültigkeit hat für die ausgesprochenen Strafvollzugsanstalten, also nicht für die Haftkrankenhäuser, Haftarbeitslager, Jugendwerkhöfe und Polizeihaftanstalten.“84
Diese nachträgliche und ohne Absprache mit der Kirchenkanzlei von der HVDVP beschlossene Verengung des Geltungsbereichs der DO schrieb den Ausschluss der Untersuchungshaftanstalten aus der Seelsorge strukturell fort und verkleinerte das Wirkungsfeld der Gefängnisseelsorge erneut eklatant. Zwar scheint diese Regelung 1954 noch großzügig ausgelegt worden zu sein, da sich in den Akten kaum Hinweise auf diesbezügliche Beschwerden der Gefängnisseelsorger bzw. der östlichen Landeskirchen finden, jedoch änderte sich dies zur Jahresmitte 1955. In Thüringen kam es im Juni 1955 zu Einschnitten bei der Gefängnisseelsorge in den Jugendhäusern Ichtershausen und Hohenleuben. In beiden Einrichtungen wurden Einzelseelsorge und Abendmahlsfeiern verboten und die Anzahl der monatlichen Gottesdienste von zwei auf einen reduziert. Auch die Seelsorge im Haftkrankenhaus Eisenach wurde erschwert. Wie in den Jugendhäusern wurde die Anzahl der Gottesdienste auf einen pro Monat beschränkt. Zudem wurde dem Seelsorger Pfarrer Wilhelm Büchner der Besuch der Bettlägerigen untersagt.85 In beiden Fällen bat Behm die HVDVP darum, 82 Hans-Jürgen Behm, Aktenvermerk, Berlin, 2. 2. 1954 (EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). 83 Vgl. August Mayer, Instruktion, SV Nr. xxx/53, Berlin, 13. 11. 1953 (BArch Berlin, DO 1/1559, Bl. 93 f.). 84 Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die leitenden Verwaltungsstellen der östlichen Gliedkirchen, Berlin, 8. 2. 1954 (LKA Dresden, 2/340, Bl. 85). Diese erneute Beschneidung der Gefängnisseelsorge war Behm im persönlichen Gespräch von Mund mitgeteilt worden (vgl. Hans-Jürgen Behm, Aktenvermerk, Berlin, 2. 2. 1954, EZA Berlin, 4/733, o. Pag.). 85 Vgl. ders., Schreiben an die HVDVP, Berlin, 13. 6. 1955 (EZA Berlin, 103/103, Bl. 79).
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die Sachlage im Sinne der Kirchen zu überdenken.86 In seiner Antwort vom 21. Juni 1955 stellte VP-Inspekteur Siegemund jedoch klar, dass die Jugendhäuser in der DO bewusst ausgeklammert worden seien, „da nach Auffassung der HA-SV die Jugendhäuser nicht schlechthin Strafvollzugsanstalten sind, sondern dass hier nach bestimmten Prinzipien die Erziehung an den Jugendlichen durchgeführt wird. Wenn im Jugendhaus Ichtershausen bisher Gottesdienst durchgeführt wurde, so hat der Leiter des Jugendhauses gegen die bestehenden Vereinbarungen der HA-SV mit ihren nachstehenden Dienststellen verstossen.“87
Siegemund erläuterte weiter, die HVDVP würde auch in Zukunft keine Gottesdienste in den Jugendhäusern dulden. Gleiches gelte aus dienstlichen und organisatorischen Gründen für das Haftkrankenhaus in Eisenach: Dieses habe schlichtweg nicht den Charakter einer Strafvollzugsanstalt, zumal die Häftlinge hier auch nur für kurze Zeit verweilten. Bezüglich Hohenleuben unternahm die Kirchenkanzlei im Januar 1956 einen erneuten Vorstoß. Sie ernannte Pfarrer Walter Schulze aus Vippachedelhausen zum zuständigen Seelsorger und bat die HVDVP, dass diese die Anstaltsleitung über den neuen Seelsorger in Kenntnis setzen solle. Behm beendete sein Schreiben mit dem optimistischen Satz: „Wir sind überzeugt, dass eventuell aus der besonderen Situation der Strafanstalt Hohenleuben sich ergebende Schwierigkeiten durch örtliche Verhandlungen geregelt werden können.“88 Die ehemalige HA Haftsachen der HVDVP, nach einer zum Jahresbeginn 1956 erfolgten Umstrukturierung in die VSV beim MdI transformiert, antwortete prompt: „In Beantwortung Ihres Schreibens vom 24. 1. 1956 teilt Ihnen die Verwaltung Strafvollzug mit, dass nach den bei uns geltenden Prinzipien es nicht möglich ist, in den Jugendhäusern die seelsorgerliche Betreuung durchzuführen. Daran würden auch örtliche Verhandlungen, wie sie von Ihnen vorgeschlagen wurden, nichts ändern.“89
Mit dem Verbot der kirchlichen Arbeit in den Haftarbeitslagern, das sich bereits 1954 angedeutet hatte90 und den Kirchen im Februar 1956 durch die 86 Vgl. ebd., Bl. 77, 79. 87 Horst Siegemund, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 21. 6. 1955 (LKA Eisenach, A 5204, o. Pag.). Hier auch das Folgende. 88 Hans-Jürgen Behm, Schreiben an das MdI, 24. 1. 1956 (EZA Berlin, 104/956, o. Pag.). 89 Horst Siegemund, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 1. 2. 1956 (EZA Berlin, 104/956, o. Pag.). 90 So wurde im Haftarbeitslager Himmelmühle bei Annaberg (Sachsen) dem dort tätigen Seelsorger Pfarrer Backmann am 27. 3. 1955 durch den Anstaltsleiter Scholz unter Bezugnahme auf eine durch die Staatsanwaltschaft Annaberg ergangene Weisung die Austeilung des Abendmahls verweigert (vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die HVDVP, Berlin, 5. 4. 1955, EZA Berlin, 103/101, Bl. 69). Im Januar 1956 wandte sich Backmann dann direkt und „selbst auf die Gefahr hin, daß ich bei unserem Landeskirchenamt in Dresden anecke“, an die Kirchenkanzlei, da es ihm nicht gelungen war, die im Haftarbeitslager in Benutzung befindlichen und stark in Mit-
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HVDVP offiziell kommuniziert wurde,91 war der durch die HVDVP forcierte Prozess der Marginalisierung der kirchlichen Arbeit im Strafvollzug abgeschlossen. Die Kirchen waren nun ganz auf die Arbeit mit Erwachsenen im normalen Strafvollzug limitiert. In der unter III A zitierten, wohl im Frühjahr 1956 verfassten Situationsanalyse der Kirchenkanzlei zur kirchlichen Situation in der DDR findet sich im Teil B unter den aufgezählten Behinderungen der kirchlichen Arbeit auch eine Zusammenfassung zum Dienst der Kirchen im Strafvollzug.92 Kritisiert werden hier der Ausschluss der Untersuchungshaftanstalten von der Seelsorge, die Anwesenheit von Vollzugsbeamten beim seelsorgerlichen Gespräch und die Nichteinhaltung der DO vom 3. Juli 1953 durch die VSV. Zudem sei der Strafvollzug nach dem Inkrafttreten der DO immer weiter differenziert worden, so dass es neben den gewöhnlichen Strafvollzugsanstalten nun auch Jugendgefängnisse, Haftarbeitslager, Polizei-Haftarbeitslager und weitere Formen der Verwahrung der Strafgefangenen gebe. Die Verfasser analysierten: „Nach unseren Beobachtungen strebt die Verwaltung Strafvollzug darauf hin, den Dienst nur noch in den eigentlichen Strafvollzugsanstalten zuzulassen.“93 Auch sei unter Missachtung der von Inspekteur Jauch gegenüber Propst Grüber am 10. Juni 1953 diesbezüglich gemachten Zusage94 der kirchliche Dienst in den Haftarbeitslagern nun vollständig verboten. Darüber hinaus werde der Dienst in den Haftkrankenhäusern zunehmend eingeschränkt und selbst im Regelvollzug würden Gottesdienste – wie etwa in Greifswald – aufgrund z. B. von baulichen Mängeln untersagt. Weiter heißt es:
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leidenschaft gezogenen Gesangbücher von 1894 durch bei der Evangelischen Verlagsanstalt in Berlin gedruckte, neue Exemplare ersetzen zu lassen (vgl. W. Backmann, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Wiesa, 26. 1. 1956, EZA Berlin, 104/956, o. Pag.; hier auch das Folgende). Dass diese Möglichkeit unter gewissen Voraussetzungen bestand, war den Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorgern auf der Tagung vom 11. 2. 1955 in Berlin-Weißensee durch die Kirchenkanzlei mitgeteilt worden. Gemäß dem von Backmann in seinem Schreiben an die Kirchenkanzlei zitierten Antwortschreiben der HVDVP hatte man den Austausch der Gesangbücher mit der Begründung abgelehnt, dass die Haftarbeitslager in der bestehenden DO über die Ausübung der Seelsorge im Strafvollzug nicht erfasst seien und aus diesem Grund eine Auslieferung der schon bereitstehenden Bücher nicht erfolgen könne. „Am 1. 3. 1956 erscheint Herr Pfarrer Mund und berichtet: Am 18. 2. d. Js. hat ihm der Leiter der Verwaltung Strafvollzug den Auftrag gegeben, den beiden Kirchen offiziell mitzuteilen, dass ein kirchlicher Dienst in den Haftarbeitslagern in Zukunft nicht mehr möglich sein soll. Angegeben wurden als Begründung organisatorische und Sicherheitsgründe. Herr Chefinspekteur Mayer hat sich auf Weisung von höherer Stelle berufen. Verhandlungen mit der Verwaltung Strafvollzug sind demnach sinnlos.“ (Hans-Jürgen Behm, Aktenvermerk, Berlin, 1. 3. 1956, EZA Berlin, 104/956 o. Pag.). Kirchenleitungen, Stellungnahme, o. Datum (BArch Berlin, DY 30 IV 2/14/7, 181–197), Punkt 8. Ebd., 190. Hier auch das Folgende. Die Analyse ist insofern richtig, als Arrestorte zwar seit der Gründung der DDR existierten, in der ersten Hälfte der 1950er Jahre quantitativ aber erheblich ausgedehnt worden waren, wodurch immer mehr Gefangene der Möglichkeit kirchlicher Seelsorge entzogen worden waren. Vgl. Kap. C, Anm. 302.
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„Die Anstaltsleitungen verhalten sich z. T. ausgesprochen unfreundlich gegenüber den Gefängnisgeistlichen (Polssen, Halberstadt). Vereinbarte Termine von Gottesdiensten werden nicht eingehalten (Hoheneck). Die Häftlinge werden vondem [sic] Anstaltspersonal über die Termine der Gottesdienste und über die Möglichkeit eines Seelsorgegesprächs nicht genügend unterrichtet und es werden ihnen hinsichtlich der Teilnahme an Gottesdiensten und Seelsorgegespräch unbegründete Schwierigkeiten gemacht (Rummelsburg, Halberstadt).“
Im März 1956 protestierte die Kirchenkanzlei mit einem Schreiben an Nuschke im Namen aller östlichen Gliedkirchen gegen die Behinderungen der kirchlichen Arbeit im Strafvollzug der DDR.95 Gemäß Artikel 46 der Verfassung sei der Dienst der Kirche in den öffentlichen Anstalten zu gewährleisten. Hierzu zählten zweifelsfrei und gemäß der Strafprozessordnung alle Einrichtungen des Strafvollzugs, wie eben Jugendgefängnisse, Haftarbeitslager und Haftkrankenhäuser. Zudem sei „bei der Verabschiedung der ,DO für die Tätigkeit der Geistlichen an den Strafvollzugsanstalten‘ vom 3. Juli 1953 diese Auffassung der Kirche in keiner Weise bestritten worden. Wir müssen daher auf diesem Standpunkt bestehen.“ Inspekteur Siegemund von der VSV habe darüber hinaus erklärt, dass zukünftig mehr Arbeitskommandos in den Haftanstalten gebildet werden sollten, die aufgrund ihrer Außentätigkeit dann jeglicher seelsorgerlicher Betreuung entzogen seien. Auch solle das System der Haftarbeitslager ausgebaut werden, zu denen die Kirche aufgrund der neuesten Entwicklungen dann keinen Zugang mehr habe. Weiter hieß es: „Eine konsequente Durchführung der Bestimmung, daß in solchen Haftarbeitslagern kein Dienst der Kirche stattfinden darf, würde demnach nicht nur eine Verletzung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (Artikel 46) bedeuten, sondern auch eine große Zahl evangelischer Christen auf längere Zeit der seelsorgerlichen Betreuung durch ihre Kirche entziehen. Wir können dem auf keinen Fall zustimmen. Die angegebene Begründung, aus organisatorischen und Sicherheitsgründen sei solche Einschränkung notwendig, vermag uns nicht zu überzeugen. Die DO für die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten vom 3. Juli 1953 wird von der Kirche genau innegehalten. Wir müssen darum vom Staat erwarten, daß auch er sich an sie gebunden hält und sie nicht einseitig für bestimmte Gruppen von Strafvollzugsanstalten außer Kraft setzt.“96
Auf das Schreiben Grauhedings erfolgte trotz des darin enthaltenen Vorwurfs, dass der Staat bei der Gefängnisseelsorge die Verfassung breche, keine schriftliche Reaktion Nuschkes, der zu diesem Zeitpunkt aber ohnehin kaum noch Möglichkeiten gehabt hätte, in dieser Sache zwischen Kirchenkanzlei
95 Vgl. Erich Grauheding, Schreiben an Otto Nuschke, Berlin, 3. 3. 1956 (ELA Berlin, 1/921, o. Pag.). Hier auch das Folgende. 96 Ebd.
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und HVDVP zu vermitteln.97 Deutlich wird hier das Dilemma der Verantwortlichen bei der Kirchenkanzlei, die im Frühjahr 1956 für ihre Anliegen auf dem Gebiet der Gefängnisseelsorge schlichtweg keine geeigneten Ansprechpartner mehr fanden: War die Kommunikation über die HA Strafvollzug in den Jahren zuvor zwar schwierig, vor allem wegen der Rolle Munds aber doch nicht ganz aussichtslos gewesen, gestaltete sich die Zusammenarbeit mit der zum Jahresbeginn 1956 dem MdI unterstellten VSV gänzlich unfruchtbar. Dort, so Grauheding, werde sich bei allen Entscheidungen auf Weisung von höherer Stelle berufen, weshalb Verhandlungen zwecklos seien.98 Diese Feststellung Grauhedings lässt darauf schließen, dass der seit 1. Februar 1956 wieder im Dienst befindliche Mund nach seiner Rückkehr einen Kompetenzverlust hinnehmen musste, der vermutlich auch mit der Herauslösung der HA Strafvollzug aus der HVDVP in Verbindung stand. Doch auch im gewöhnlichen Strafvollzug griffen, wie anhand des Schreibens der Kirchenkanzlei bereits thematisiert, ab dem Frühjahr 1956 Maßnahmen, die die Arbeit der Seelsorger weiter einschränkten bzw. auf teils subtile Art und Weise sabotierten. Eine besonders wirksame Komponente bildeten hierbei die zu diesem Zeitpunkt vermehrt greifenden Atheismuskampagnen. Diese wirkten sich im Strafvollzug in Gestalt des Verbots, in den Anstaltsbibliotheken religiöse Bücher einzustellen, aus – zugunsten der Aufnahme von materialistisch geprägter Literatur.99 Der in der StVA Torgau tätige hauptamtliche Gefängnisseelsorger Giebeler berichtete bei einem Besuch des Konsistoriums der EKKPS 1957 zudem über „antichristliche Beeinflussung“ der Gefangenen bei Schulungen und über einen Vortrag, der den Titel „Religion als Aberglaube“ getragen habe.100 Eine von den Anstaltsleitungen gerne angewandte Taktik, um die Teilnehmerzahlen der Gottesdienste zu senken, war es, zeitgleich zu diesen weltliche Kulturveranstaltungen wie etwa Kinovorführungen anzubieten.101 Mancherorts führte man die eigentlich dem Gottesdienst vorbehaltenen Räumlichkeiten überhaupt anderen Verwendungszwecken zu, so etwa in Halberstadt, wo der Weihnachtsgottesdienst 1955 zunächst unter der Begründung, dass der Gottesdienstraum zum Arbeitsraum umfunktioniert worden sei, abgesagt wurde.102 In der StVA Greifswald wurden die Gottesdienste im Januar 1956 angeblich in Ermange97 Vgl. zu den schwindenden Kompetenzen der von Nuschke geleiteten HA Verbindung zu den Kirchen in den 1950er Jahren Kap. C 1. 98 Vgl. Erich Grauheding, Schreiben an Otto Nuschke, Berlin, 3. 3. 1956 (ELA Berlin, 1/921, o. Pag.). 99 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Aktenvermerk, Berlin, 1. 3. 1956 (EZA Berlin, 104/956 o. Pag.). 100 Konsistorium der EKKPS, Aktenvermerk, Magdeburg, 11. 7. 1957 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. Nr. 221 f, o. Pag.). 101 Vgl. Walter Brachmann, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Rüdersdof, 31. 3. 1956 (EZA Berlin, 104/956, o. Pag.). 102 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die VSV, Berlin, 2. 2. 1956 (EZA Berlin, 103/101, Bl. 107–109).
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lung eines dafür geeigneten Raums eingestellt.103 Als die Kirchenkanzlei daraufhin bei der VSV intervenierte und um die Bereitstellung eine Alternative bat,104 reagierte diese ungehalten: „Es ist ein unbilliges Verlangen, einen Büroraum oder einen Korridorraum zur Verfügung zu stellen, da dieser Wunsch die Aufrechterhaltung und den Ablauf eines geordneten Vollzugs stören würde. Es ist auch unmöglich, den Kulturraum […] zur Durchführung von Gottesdiensten zur Verfügung zu stellen.“105
Auch weiteres Drängen der Kirchenkanzlei unter Hinweis auf die geltende DO und die Tatsache, dass die Anstaltsleitung sich keine Umstände hinsichtlich der Herrichtung des Raumes machen müsse, da prinzipiell ein Tisch genüge, den sich der Pfarrer selbst zurechtrücken könne, führte bei der VSV vorerst nicht zum Einlenken. Erst ab August 1956 wurden Gottesdienste in Greifswald dann wieder möglich.106 Wenn eine Anstaltsleitung den kirchlichen Dienst missbilligte, war es ein Leichtes, Gottesdienste und Sprechstunden zu unterbinden. Teils wurden von der Anstaltsleitung zeitgleich stattfindende Konkurrenzveranstaltungen angeboten oder aber die für die Gottesdienste vorgesehenen Räumlichkeiten kurzerhand zweckentfremdet.107 Es genügte freilich schon, die Inhaftierten 103 Vgl. Superintendentur Greifswald, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Greifswald, 18. 1. 1956 (EZA Berlin, 104/956, o. Pag.). 104 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die VSV, Berlin, 25. 1. 1956 (EZA Berlin, 103/101, Bl. 106). 105 Horst Siegemund, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 1. 2. 1956 (EZA Berlin, 104/956, o. Pag.). 106 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die VSV, Berlin, 17. 3. 1956 (EZA Berlin, 104/956, o. Pag.). Am 13. 7. 1956 ließ Inspekteur Siegemund mitteilen, dass man die Anstaltsleitung der StVA Greifswald angewiesen habe, „alle Möglichkeiten zu überprüfen, die eine Seelsorge in der dortigen Anstalt ermöglichen.“ (Horst Siegemund, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 10. 7. 1956 EZA Berlin, 104/957, o. Pag.). Im September 1956 berichtete der Greifswalder Superintendent Walter Wilm, dass nach erneuten mehrfachen Verhandlungen der Leiter der StVA endlich einen Raum für den Gottesdienst zur Verfügung gestellt habe. Allerdings könne nur er allein die Anstalt betreten, da lediglich er durch die VSVeine Bestätigung als Seelsorger erhalten habe (vgl. Superintendent Walter Wilm, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Greifswald, 8. 9. 1956, EZA Berlin, 104/957, o. Pag.). 107 Vgl. Erich Grauheding, Bericht, Berlin, 12. 9. 1956 (LKA Dresden, 2/344, Bl. 111). Als der Seelsorger Brachmann im Frühjahr 1956 einen eigentlich durch die VSV genehmigten Ostergottesdienst im Haftarbeitslager Rüdersdorf abhalten wollte, wurde dieser durch die Verwaltung des Lagers mit der Begründung abgesagt, dass sich keine Interessenten gefunden hätten. Als Brachmann auf den gut besuchten Weihnachtsgottesdienst des Vorjahres hinwies, teilte man ihm mit, dass es zu diesem Zeitpunkt kalt gewesen sei. Nun hingegen würden die Gefangenen das gute Wetter lieber zum Fußballspielen als zum Gottesdienstbesuch nutzen. (vgl. Walter Brachmann, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Rüdersdorf, 31. 3. 1956, EZA Berlin, 104/956, o. Pag.). In der StVA Halberstadt wurde dem mit der Seelsorge beauftragten Superintendenten Christoph Hinz mitgeteilt, dass sich niemand für den Weihnachtsgottesdienst am 25. 12. 1955 gemeldet habe. Auf den Einwurf von Hinz, dass er sich dies beim besten Willen nicht vorstellen könne und die Insassen persönlich dazu befragen wolle, wurde Hinz eingelassen und in einen Verwaltungsraum geführt. Im Bericht heißt es weiter: „Dort waren
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über Tag und Uhrzeit eines geplanten Gottesdienstes bzw. über die Möglichkeit eines seelsorgerlichen Gesprächs einfach nicht zu informieren. Derartige Praktiken hatten sich schon seit 1953 zunehmend etabliert und führten nun zu einem nahezu völligen Verschwinden der Einzelseelsorge. Teils muteten die Bemühungen des Anstaltspersonals, die Seelsorge zu behindern, nahezu skurril an. So wurde dem im Berliner Frauengefängnis in der Barnimstaße tätigen Pfarrer Gerhard Kreitschmann das Benutzen seiner Taschenbibel untersagt, als er Inhaftierte zwecks Seelsorge aufsuchte, „da es nicht gestattet sei, den Gefangenen etwas aus Büchern vorzulesen.“108 Kreitschmann lenkte zunächst ein, da ihm die benötigten Bibelstellen geläufig waren. Als er diese jedoch zitierte, brach die anwesende Beamtin das Gespräch ab und informierte die Anstaltsleitung über das Verhalten des Pfarrers: „Nach kurzer Zeit erschien ein Kommissar, der mir noch einmal nachdrücklichst das Verbot vorhielt, bei Besuchen den Gefangenen etwas vorzulesen. Als ich seinen Vorwurf in der Richtung korrigierte, dass ich ja nichts vorgelesen, sondern etwas auswendig hergesagt habe, liess er auch das nicht gelten.“
In der Haftanstalt Görlitz wurden Pfarrer Möller weder die Namen der von ihm seelsorgerlich betreuten Inhaftierten mitgeteilt noch erlaubte ihm die anwesende Beamtin, diesen zur Begrüßung die Hand zu reichen. Zwar korrigierte der Anstaltsleiter die Beamtin dahingehend, dass der Handschlag erlaubt sei, in Sachen Personalien blieb er jedoch hart.109 Auf diese Weise sollte es dem Seelsorger erschwert werden, zu den Angehörigen der Insassen Kontakt aufzunehmen. Auch in der StVA in Greifswald kam es wegen des Handschlags zu Problemen: Im Frühjahr 1957 wurde diese im Anschluss an die Gottesdienste gebräuchliche Geste verboten, da sich Gefangene und Pfarrer hierbei nach Ansicht der VSV zu nahe kamen. Auch das Abendmahl durfte in Greifswald, wohl aus den gleichen Beweggründen heraus, ab Ostern 1957 nicht mehr gereicht werden.110 etwa 10 Häftlinge versammelt und zwar lauter Frauen, von denen einige eine Armbinde mit der Aufschrift ,Brigadier‘ trugen. Eine von ihnen ergriff sofort das Wort und lehnte in einer sehr heftigen Redeweise jeden Gottesdienst oder irgendetwas Ähnliches ab. Zwei andere äussertern sich im gleichen Sinne.“ (Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die VSV, Berlin, 2. 2. 1956, EZA Berlin, 103/101, Bl. 109). 108 Gerhard Kreitschmann, Schreiben an die EKiBB, 3. 2. 1956 (ELA Berlin, 1/941, o. Pag.). Hier auch das Folgende. 109 Vgl. Konsistorium der Evangelischen Kirche von Schlesien, Schreiben an die Kirchenkanzlei Görlitz, 25. 7. 1956 (EZA Berlin, 104/957, o. Pag.). 110 Superintendent Wilm berichtete mit Schreiben vom 24. 4. 1957 dem Greifswalder Konsistorium: „Die regelmäßige Abhaltung der Gottesdienste in der Strafvollzugsanstalt Greifswald geht ohne Schwierigkeiten vor sich. Die Gottesdienste finden zweimal im Monat statt. Anfangs war es nicht beanstandet worden, daß ich den Gefangenen am Schluß des Gottesdienstes die Hand gab. Ich bin in sehr höflicher Form gebeten worden, das zu unterlassen, da jede körperliche Verbindung mit den Gefangenen verboten sei. […] Endlich wurde mir zu Ostern, wiederum mit höflichem Bedauern, die Feier des Abendmahls untersagt. Am Totensonntag
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Als besonders nachteilig für die Insassen im Strafvollzug erwies sich das seit Mitte 1955 bestehende Verbot des Empfangs von Westpaketen,111 welches 1956 um die Beschränkung von Geldsendungen auf zehn DM ergänzt wurde.112 Das über die Westdeutsche Notenbank angewiesene Geld konnten die Gefangenen dazu verwenden, zu HO-Preisen, die ungleich höher als im normalen Einzelhandel waren, Nahrungsmittel und Hygieneartikel zu kaufen.113 Diese Maßnahmen der VSV wirkten sich bei den Inhaftierten vor allem psychisch aus, da sie Abwechslungen im Haftalltag und vor allem die Möglichkeiten der Familien, ihre bleibende Verbindung mit den Inhaftierten auszudrücken, einschränkten. Die Kirchenkanzlei versuchte, bei der VSV eine Aufhebung beider Einschränkungen zu erwirken,114 was jedoch nicht gelang.115 Im März 1957 sprach beim Greifswalder Konsistorium ein ehemaliger Häftling der StVA Bützow vor und berichtete über seine Erfahrungen mit der Gefängnisseelsorge während seiner Haftzeit von 1952 bis 1957.116 Zwar hätten sich, so berichtete er, die Haftbedingungen gegenüber den frühen 1950er Jahren enorm verbessert, doch von diesen positiven Entwicklungen habe die Gefängnisseelsorge nicht profitiert, vielmehr sei das Gegenteil der Fall. So fände in Bützow zwar 14-tägig evangelischer und katholischer Gottesdienst statt, jedoch in einem sehr lieblos ausgestatteten und nur etwa 50 bis 70 Personen fassenden Raum, wodurch es für die Gefangenen sehr schwer sei, am Gottesdienst teilzunehmen. Abendmahlsfeiern seien vollständig verboten. Für die Kinovorführungen hingegen stehe ein wesentlich größerer Raum zur Verfügung, zudem seien diese zeitgleich zu den Gottesdiensten angesetzt. Es gebe keine Einzelseelsorge. Nur einmal in fünf Jahren habe er erlebt, dass bekanntgemacht worden sei, dass der Pfarrer für ein Gespräch bereitstünde. Daraufhin hätten sich derart viele Interessenten gemeldet, dass nur ein kleiner
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hatte ich sie durchführen dürfen. Auch hier wurde darauf hingewiesen, daß allgemeine Bestimmungen vorliegen, die auf der Kreisebene nicht geändert werden können.“ (Walter Wilm, Schreiben an das Konsistorium Greifswald, Greifswald, 14. 5. 1957, EZA Berlin, 104/958, o. Pag.). Das Konsistorium leitete den Bericht von Wilm an die Kirchenkanzlei weiter. Vgl. Heinrich Grüber, Besprechung, Berlin, 15. 7. 1955 (EZA Berlin, 103/101, Bl. 84). Vgl. Gottfried Noth, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Dresden, 31. 5. 1956 (EZA Berlin, 104/ 956, o. Pag.). Vgl. Heinrich Grüber, Besprechung, Berlin, 15. 7. 1955 (EZA Berlin, 103/101, Bl. 84). „Am 3. 6. d.Js. hat mir Pfarrer Mund offiziell mitgeteilt, dass die Verwaltung Strafvollzug nach wie vor es strikt ablehnt, den Strafgefangenen Pakete durch ihre Angehörigen zukommen zu lassen. Alle Vorstellungen der Kirche in diesem Punkte sind entschieden zurückgewiesen und als Aktionen veranlasst durch westliche Einflüsse hingestellt.“ (Hans-Jürgen Behm, Schreiben an Propst Grüber, Berlin, 4. 6. 1956, EZA Berlin, 104/956, o. Pag.). Vgl. z. B.Kirchenvorstand Meerane, Schreiben an Propst Grüber, Meerane, 5. 12. 1956 (LKA Dresden, 2/344, Bl. 141). Hier auch das Folgende. Vgl. Konsistorium Greifswald, Schreiben an Propst Grüber, Greifswald, 12. 3. 1957 (EZA Berlin, 104/957, o. Pag.). Hier auch das Folgende. Dieser Haftentlassene berichtete auch über das in Bützow geltende Paketverbot und bat darum, dass sich die Kirche dafür einsetzen möge, dieses aufzuheben.
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Teil von diesen die Seelsorge hätte wahrnehmen können. In der Gefängnisbibliothek befänden sich etwa 75 Bibeln, die jedoch nur auf intensives Bitten ausgeliehen werden würden, zudem werde die Ausleihe der Bibeln auf der Lesekarte des Gefangenen gesondert vermerkt, was – so die Vermutung der Häftlinge – zu Nachteilen führen könne. Zur Krankenabteilung in Bützow habe kein Pfarrer Zutritt, wodurch die Kranken von jeder Art geistlichen Zuspruchs abgeschnitten seien. Das Konsistorium wandte sich in der Angelegenheit an die Kirchenkanzlei, worauf diese beim MdI protestierte.117 Eine Besserung der Bedingungen für die Gefängnisseelsorge in der StVA Bützow lässt sich jedoch nicht belegen. 3.2 Behinderungen in der Organisation und Verwaltung Am 7. Juni 1956 verhandelte Grüber erneut mit der VSV über die Durchführung der Gefängnisseelsorge.118 Behm hatte Grüber mit Schreiben vom 4. Juni eine Zusammenfassung der drängendsten Probleme geliefert und gebeten, diese bei dem Treffen zur Sprache zu bringen. Neben dem bereits thematisierten Paketverbot und der Aussetzung der Gefängnisseelsorge in den Haftarbeitslagern und Haftkrankenhäusern galt der Ärger Behms im Besonderen den durch die VSV hinausgezögerten Bestätigungsverfahren für die Seelsorger – wobei er betonte, dass es der Kirchenkanzlei nicht möglich sei zu entscheiden, ob dies „absichtlich oder lediglich aus bürokratischer Erwägung“ heraus geschehe. Die bereits zuvor zu beobachtende Verzögerungstaktik der VSV bei den Bestätigungsverfahren wurde im Laufe des Jahres 1956 um folgende strukturelle Variante ergänzt: Die VSV lehnte einen von der Kirchenkanzlei benannten Seelsorger ab, unterbreitete jedoch im gleichen Schreiben den Neuvorschlag eines – ihrer Meinung nach – besser geeigneten Kandidaten, zu dem die Kirche ihr Einverständnis erklären sollte. Erstmals nachweisbar ist dieses Vorgehen der VSV im Juli 1956. In einem Schreiben an die Kirchenkanzlei teilte Inspekteur Siegemund mit, dass im Falle des in Magdeburg-Sudenburg tätigen Seelsorgers Johannes Frank eine Bestätigung erfolge. Der für die Thüringer StVA Gräfentonna in Vorschlag gebrachte Pfarrer Karl-Heinz Neumann werde jedoch abgelehnt, da dieser der Politik der Regierung nicht positiv gegenüberstehe.119 Siegemund schrieb weiterhin: „Uns ist bekannt geworden, daß der Pfarrer Ernst Ku s c h k a , Burgtonna ein geeigneter Vorschlag für die Anstalt Gräfentonna wäre. Sie werden gebeten uns 117 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an das MdI, Berlin, 28. 3. 1957 (EZA Berlin, 104/957, o. Pag.). 118 Vgl. ders., Schreiben an Propst Grüber, Berlin, 4. 6. 1956 (EZA Berlin, 104/956, o. Pag.). Hier auch das Folgende. 119 Vgl. Horst Siegemund, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 10. 7. 1956 (EZA Berlin, 104/ 957, o. Pag.).
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mitzuteilen, ob von Ihrer Seite dieser Vorschlag akzeptiert wird.“120 Zu dem Fall Neumann existiert eines der wenigen Dokumente, in dem die VSV die Ablehnung eines durch die Kirchen in Vorschlag gebrachten Gefängnisseelsorgers detailliert begründete.121 Neumann, so der Bericht, habe sich geweigert den Appell des Wiener Friedensrates122 zu unterschreiben und sich öffentlich zum Verbot der Bahnhofsmission123 – mit den Worten „Früher sperrte man Mörder ein, heute aber Mitarbeiter der Bahnhofsmission, die nur ihre Pflicht getan hätten“ – geäußert. Zudem stelle sich der Pfarrer öffentlich gegen die demokratische Schule, gegen die Aktivistenbewegung und die Jugendweihe. Aus all diesen Gründen könne keine Bestätigung erfolgen. Die Ablehnung Neumanns stieß auf scharfe Kritik der Thüringer Landeskirche. OKR Säuberlich bezeichnete die von der VSV vorgebrachten Gründe als nicht stichhaltig, die VSV verfüge nur über einseitige Informationen. Es gelte daher, in der Angelegenheit auch Pfarrer Neumann selbst zu befragen. Säuberlich merkte zudem an, dass der gegenüber Neumann gemachte Vorwurf der Agitation gegen die Jugendweihe zwar zutreffe, dieser jedoch, „damit nur seine kirchliche Pflicht getan und nach den für alle Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland einheitlich gültigen Richtlinien gehandelt hat. Außerdem ist die Jugendweihe, wie immer wieder von staatlicher Seite betont wird, keine staatliche Einrichtung, sondern eine Veranstaltung freier Vereinigungen oder Kreise. Es kann also aus dem Widerspruch Pfarrer Neumanns gegen die Jugendweihe kein Vorwurf gegen ihn erhoben werden.“124
Auch der von der Kirchenkanzlei bereits mehrfach nachgefragten Bestätigung des Volkstedter Ortspfarrers Friedrich Tschampel als Seelsorger für das in Volkstedt befindliche Haftarbeitslager125 wurde von Seiten der VSV nicht entsprochen: 120 Ebd. 121 Vgl. ders., Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin 22. 8. 1956 (EZA Berlin, 104/957, o. Pag.). Hier auch das Folgende. 122 Gemeint ist hier die zum Wiener Appell gehörende Unterschriftenaktion des Weltfriedensrates von 1955, die sich gegen atomare Aufrüstung und einen dadurch ermöglichten Atomkrieg richtete. 123 Zum Jahresbeginn 1956 war es in Berlin und in weiteren Städten zur Schließung von Dienststellen und zu Verhaftungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bahnhofsmission aufgrund angeblicher Spionage für die Westmächte gekommen (vgl. Besier, SED-Staat, 193). 124 Gerhard Säuberlich, Schreiben an das MdI (über die Kirchenkanzlei), Eisenach, 24. 9. 1956 (EZA Berlin, 104/957, o. Pag.). 125 Bezüglich der Bestätigung Tschampels durch die VSV hatte das Konsistorium der EKKPS bereits im Februar 1956 starke Zweifel gehegt, da dieser von der Lagerleitung als „politisch untragbar“ eingestuft worden war und aufgrund dessen bereits den Weihnachtsgottesdienst 1955 nicht hatte halten dürfen (Konsistorium der EKKPS, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Magdeburg, 2. 2. 1956, EZA 104/956, o. Pag.). Erstmalig war die Bestätigung Tschampels durch die Kirchenkanzlei im Dezember 1955 bei der VSV nachgefragt worden (vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die VSV, 15. 2. 1956, EZA Berlin, 104/956, o. Pag.).
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„Die angestellten Ermittlungen über den Pfarrer Fritz Tschampel im HAL [kurz für Haftarbeitslager – SiSt] Volkstedt sind nicht geeignet, unsere Zustimmung zur Ausübung der Seelsorge durch diesen Pfarrer zu geben. Wir schlagen Ihnen vor, den Pfarrer Ernst M ü l l e r, Helfta Krs. Eisleben, die seelsorgerlichen Tätigkeit im HAL Volkstedt ausüben zu lassen.“126
Während Säuberlich den durch die VSV vorgeschlagenen Pfarrer Ernst Kuschka aufgrund von dessen Alter und der Tatsache, dass Kuschka selbst angegeben hatte, den Dienst als Seelsorger in Gräfentonna neben seinen sonstigen pfarramtlichen Pflichten aus Altersgründen nicht mehr leisten zu können, ablehnte,127 akzeptierte das Konsistorium der EKKPS den durch die VSV in Vorschlag gebrachten Müller aus Eisleben als Seelsorger für das Haftarbeitslager Volkstedt.128 Dabei könnte eine Rolle gespielt haben, dass gemäß dem Beschluss der VSV vom März 1956 in den Haftarbeitslagern eigentlich gar kein kirchlicher Dienst mehr erlaubt war,129 so dass man sich kirchlicherseits diese außergewöhnliche Chance nicht entgehen lassen wolle. Ob Volkstedt eine Ausnahme bildete oder Siegemund schlicht übersehen hatte, dass es sich um ein Haftarbeitslager handelte, lässt sich nicht feststellen. Möglicherweise sollte einfach Kooperationsbereitschaft simuliert werden, die in der Praxis ohnehin keine Auswirkungen hatte, denn faktisch gelang es Pfarrer Ernst Müller während der gesamten Zeit seiner Beauftragung und trotz vieler Versuche und Mühen nicht, zu den Häftlingen im Haftarbeitslager Volkstedt vorzudringen. Wiederholt bestellte die Lagerleitung Müller aufgrund des angeblich mangelnden Interesses der Inhaftierten am Gottesdienst ab und machte ihm zugleich wenig Hoffnung auf ein künftiges Zustandekommen eines Gottesdienstes an einem Sonntagnachmittag, da zu diesem Zeitpunkt gleich mehrere Veranstaltungen im Lager stattfänden.130 Müller meinte: „Man hat mir in durchaus freundlicher Art versichert, dass in Abständen durch Lautsprecher um Meldungen angefragt wird, ob ein Gottesdienst gewünscht wird. Auf diesem Wege ist bisher nichts erreicht worden.“131 Auch die Einzelseelsorge wurde Müller nicht gestattet. Im Juni 1957 gab er den Seelsorgeauftrag im Haftarbeitslager Volksstedt offiziell zurück, da ihm von der Lagerleitung 126 Horst Siegemund, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 10. 7. 1956 (EZA Berlin, 104/957, o. Pag.). 127 Vgl. Gerhard Säuberlich, Schreiben an das MdI (über die Kirchenkanzlei), Eisenach, 24. 9. 1956 (EZA Berlin, 104/957, o. Pag.). 128 Vgl. Ernst Müller, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Eisleben, 26. 11. 1956 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 f, o. Pag.). 129 Vgl. im Kap. Anm. 91. 130 Da in den Haftarbeitslagern an den Werktagen gearbeitet wurde und die Gefangenen sich zumeist im Außeneinsatz im Mansfelder Kupferbergbau befanden, war es Müller nicht möglich, die Gottesdienste zu einem anderen Zeitpunkt als am Sonntagnachmittag abzuhalten. 131 Ernst Müller, Schreiben an das Konsistorium der EKKPS, Eisleben, 26. 11. 1956 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 f, o. Pag.).
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während eines Gespräches eröffnet worden war, dass seine Berufung nicht zu Recht bestünde. Denn Haftarbeitslager könnten nicht mit den StVA gleichgesetzt werden und würden deshalb von einem „bestimmten Pfarrer und Dozenten aus Leipzig“ – laut Konsistorium der EKKPS solle es sich um einen „Pfarrer Mundle“ handeln, der im Haftarbeitslager Volkstedt jedoch noch nicht vorstellig geworden sei – betreut werden.132 Außerdem, so wurde Müller mitgeteilt, sei das Magdeburger Konsistorium gegen die Regierung der DDR eingestellt. Müller wurde durch die anwesenden Offiziere auch zu seiner Meinung zur Militärseelsorge und zu seiner Beteiligung an den Volkskammerwahlen befragt. Im Anschluss an das Gespräch hieß es, dass Müller aufgrund seiner Haltung nicht für den seelsorgerlichen Dienst im Strafvollzug in Betracht käme. Im Magdeburger Konsistorium zeigte man sich über die Vorgänge in Volkstedt irritiert und kontaktierte aufgrund von Müllers Schilderungen die Kirchenkanzlei: „Aus der Tatsache, daß die Abteilung Strafvollzug Pfarrer Müller selbst vorgeschlagen hat, ergibt sich doch, daß keine Weisung besteht, daß die Arbeitslager nur durch einen besonders beauftragten Pfarrer aus Leipzig betreut werden sollen. Wir bitten alles zu tun, daß die Angelegenheit endlich in Ordnung gebracht wird.“
Die Vorgänge im Haftarbeitslager Volkstedt werfen ein Schlaglicht darauf, wie die EKKPS als östliche Landeskirche noch 1957 versuchte, Spielräume für die Gefängnisseelsorge zu nutzen, die laut bereits erlassener Regelungen durch die VSV längst nicht mehr bestanden. Dass Pfarrer Mund im Brief des Konsistoriums der EKKPS an die Kirchenkanzlei fälschlich als „Pfarrer Mundle“ bezeichnet wird – als ob sein Name in Magdeburg zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht bekannt gewesen wäre – könnte durchaus als subtile Form der Ablehnung von dessen Person und Rolle zu interpretieren sein. Zugleich wird anhand der Vorgänge um die Seelsorge im Haftarbeitslager Volkstedt die kritische Einschätzung der Magdeburger Kirchenleitung durch den SED-Staat in der Mitte der 1950er Jahre deutlich. Aufgrund des Todes von Pfarrer Sasse im Jahr 1956,133 der zusammen mit Mund die Ostberliner Gefängnisse betreut hatte,134 versuchte die Kirchenkanzlei eine Bestätigung von Pfarrer Rudolf Schade für diese Position zu erwirken. Auch in diesem Fall enthielt das Antwortschreiben von Siegemund neben der Ablehnung Schades einen Gegenvorschlag: 132 Konsistorium der EKKPS, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Magdeburg, 28. 6. 1957 (AKPS Magdeburg, Rep. gen. 221 f, o. Pag.). Hier auch das Folgende. 133 Pannier, Bericht, Berlin, 20. 11. 1956 (BStU Berlin, MfS 14031/63, Bd. 2, Bl. 153). Sasse verstarb am 17. 9. 1956 (vgl. Personalakte Sasse, Fritz, ELA Berlin, 15/6254). 134 Das Verzeichnis der Gefängnispfarrer der DDR und Ostberlins von 1955 weist Mund und Sasse als Gefängnispfarrer für „sämtliche Haft- und Strafanstalten in Ostberlin“ aus, wobei Mund an erster und Sasse an zweiter Stelle gelistet ist (Verzeichnis 1955, o. Datum, EZA Berlin, 103/101, Bl. 115–121). Sasse und Mund hatten bereits in der 1947 gegründeten Kommission für Kirchenfragen beim ZK zusammengearbeitet (vgl. im Kap A., Anm. 33).
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„In Beantwortung Ihres Schreibens vom 12. 7. 1956 wird Ihnen mitgeteilt, daß die Verwaltung Strafvollzug sich außerstande sieht, den Pfarrer Schade, Rudolf zur Ausübung der seelsorgerischen Tätigkeit zu bestätigen. Die näheren Umstände können Ihnen in der Verwaltung SV persönlich mitgeteilt werden. Um unsere positive Mitarbeit bei der Lösung des Problems für die Geistlichen zur Ausübung der seelsorgerischen Tätigkeit im Strafvollzug zu unterstreichen, schlagen wir vor, dem Pfarrer Werner Schmidt, geb. am 11. 12. 1899, die Seelsorge im Berliner Strafvollzug zu übertragen.“135
Schmidt, der aufgrund seiner Mitgliedschaft im Friedensrat seines Stadtbezirkes und im örtlichen Vorstand der Nationalen Front zu den aus der Perspektive des SED-Staates „fortschrittlichen“ Pfarrern zählte, lehnte eine Berufung zum Gefängnisseelsorger aber ab, woraufhin die Kirchenkanzlei das Konsistorium der EKiBB bat, einen neuen Vorschlag einzureichen, da „die Kirche u. E. an ihrem Vorschlagsrecht unbedingt festhalten muss“136. Im November 1956 erbot sich Mund schließlich, den Dienst in Ostberlin allein zu übernehmen, und gab seinen bisherigen Arbeitsmittelpunkt, die StVA Bautzen I, damit zugleich auf. Dies dürfte eigenen Interessen Mundes entsprochen haben, da er inzwischen in Verdacht stand, in Bautzen brisantes Material in Form von Kassibern aus der StVA heraus in den Westen zu schmuggeln, und dadurch in den Fokus der Staatssicherheit geraten war. Im Herbst 1956 übernahm daraufhin der bisher in Luckau tätige, ebenfalls bei der VSVangestellte hauptamtliche Seelsorger Bluhm die Seelsorgearbeit in Bautzen I, wodurch die Seelsorge in Luckau zur Disposition stand. Folgt man dem Schreiben Behms vom 13. Dezember 1956 an das Konsistorium der EKiBB und Propst Grüber,137 wurde Luckau nun aus dem direkten Zuständigkeitsbereich der VSV ausgegliedert und durch die örtlichen Bezirksbehörden verwaltet. Aus diesem Grund fiel die StVA auch aus dem Tätigkeitsfeld der staatlichen Seelsorger heraus, wodurch ein nebenamtlich tätiger Pfarrer für Luckau in Vorschlag gebracht werden musste. Am 25. Juni 1957 teilte die Kirchenkanzlei dem Konsistorium der EKiBB mit, dass der zur Durchführung der Seelsorge in Luckau vorgeschlagene Pfarrer Rudolf Schulz aus Drehna nicht die Zustimmung der VSVerhalten habe, dafür jedoch Pfarrer Crüger aus Luckau-Paserin von derselben als geeignet erachtet werde.138 Auf der Sitzung der Kirchenleitung der EKiBB vom 1. August 1957 wurde die Angelegenheit ausführlich diskutiert. Präses Scharf merkte an, dass bei einer eventuellen 135 Horst Siegemund, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 10. 9. 1956 (EZA Berlin, 104/957, o. Pag.). 136 Hans-Jürgen Behm, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin, 12. 10. 1956 (EZA Berlin, 104/956, o. Pag.). 137 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB und an Grüber, Berlin, 13. 12. 1956 (EZA Berlin, 103/101, Bl. 168). Hier auch das Folgende. 138 Vgl. Kirchenkanzlei, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin, 25. 6. 1957 (ELA Berlin, 35/584, o. Pag.).
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Ablehnung Crügers durch das Konsistorium nicht mehr damit gerechnet werden könne, überhaupt einen Seelsorger für Luckau zu finden, der die Billigung des Staates erhalte. Wohl auch aus diesem Grund stimmte die Kirchenleitung der Ernennung Crügers schließlich zu.139 Besonders drastisch waren die im Herbst 1957 im Frauengefängnis Hoheneck einsetzenden Verwirrspiele der VSV um die Gefängnisseelsorge. Der bereits seit Ende 1951 in Hoheneck tätige Mitarbeiter der Inneren Mission in Karl-Marx-Stadt Conrad konnte die Seelsorge in Hoheneck ab Oktober 1957 aufgrund beruflicher Veränderungen nicht mehr ausüben. In den Jahren zuvor war Conrad die konstante Seelsorgekraft der Haftanstalt gewesen,140 unterstützt durch Mund und dessen Vertreter Pfarrer Felix Fokken. Bis auf wenige Unterbrechungen hatte Conrad stets unbehelligt Gottesdienste halten können und war bei den inhaftierten Frauen beliebt. Zunächst waren Conrad und OLKR Knospe vom sächsischen LKA davon ausgegangen, dass der in Hoheneck bereits bekannte Pfarrer Fokken die Seelsorge übergangsweise in Vertretung übernehmen könne. Mund stellte jedoch klar, dass bei der VSVein neuer Vorschlag für einen Seelsorger gemacht werden müsse, der – gemäß dem üblichen Prozedere – auch eine Bestätigung brauche.141 Die Kirchenkanzlei versuchte, Fokken zumindest so lange als Interimslösung bei der VSV durchzusetzen, bis ein neuer Seelsorger für Hoheneck bestimmt worden war. Jedoch fand dieser Vorschlag bei der VSV kein Entgegenkommen. Sie lehnte Fokken ab und schlug für den Übergang Pfarrer Otto Riedel aus Karl-MarxStadt vor.142 Riedel nahm das Amt an, bat sich jedoch für die Anfahrt zu den Gottesdiensten die Benutzung eines Dienstwagens aus.143 Der Weggang Conrads aus Hoheneck löste bei den inhaftierten Frauen große Bestürzung aus. Conrad berichtete Knospe, dass die ansonsten so ruhige Gemeinde im Anschluss an die Nachricht „in erschütternder Weise ihre schmerzliche Empfindung zum Ausdruck gebracht habe.“144 Conrad bat Knospe in diesem Zusammenhang eindringlich, für die Anstaltsgemeinde weiterhin und wie gewohnt am ersten und dritten Sonntag im Monat den Gottesdienst auszu-
139 Vgl. O. Vf., Protokollauszug Sitzung der Kirchenleitung der EKiBB, 1. 8. 1957 (ELA Berlin, 35/ 584, o. Pag.). 140 Die erste aktenmäßige Erwähnung Conrads im Zusammenhang mit Hoheneck findet sich in Form eines von Conrad verfassten Berichts an OLKR Knospe über zwei zu Weihnachten 1951 hier abgehaltene Gottesdienste (vgl. Gerhard Conrad, Schreiben an Gottfried Knospe, Chemnitz, 29. 12. 1951, LKA Dresden, 2/316, Bl. 156). 141 Vgl. Gerhard Conrad, Schreiben an Gottfried Knospe, Karl-Marx-Stadt, 10. 10. 1957 (LKA Dresden, 2/344, Bl. 195). 142 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an Gottfried Knospe, Berlin, 12. 11. 1957 (LKA Dresden, 2/ 344, Bl. 199). 143 Vgl. Otto Riedel, Schreiben an Gottfried Knospe, Zwickau, 23. 11. 1957 (LKA Dresden, 2/344, Bl. 203). 144 Gerhard Conrad, Schreiben an Gottfried Knospe, Karl-Marx-Stadt, 6. 12. 1957 (LKA Dresden 2/344, Bl. 204).
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richten, auch die Anstaltsleitung sei dies gewohnt und würde sich strikt an diesen Plan halten. Als Riedel dann seinen Dienst in Hoheneck aufnehmen wollte, wurde er nicht zu den Insassinnen vorgelassen. Dem eigentlich durch die VSV abgelehnten Pfarrer Fokken gelänge dies jedoch, berichtete Riedel Knospe im Februar 1958 und plädierte deshalb dafür, Fokken das Amt zu übertragen.145 Knospe zeigte sich überrascht und beschloss, Fokken in Hoheneck predigen zu lassen, im Gegenzug die Beauftragung Riedels zurückzuziehen und die Angelegenheit vorerst ruhen zu lassen.146 Bei der Kirchenkanzlei traf im Februar ein Schreiben von Siegemund ein, in dem Riedel – zuvor von der VSV selbst als Interimslösung vorgeschlagen – als Anstaltspfarrer für Hoheneck abgelehnt und an dessen Stelle nun Pfarrer Johannes Zill aus Karl-Marx-Stadt für dieses Amt vorgeschlagen wurde. Zill wiederum reagierte auf die entsprechende Anfrage des Dresdner Konsistoriums völlig verständnislos: Aus gesundheitlichen Gründen könne er diesen Auftrag keinesfalls übernehmen und es sei ihm „unerklärlich, daß man auf meine Person zugekommen ist, bzw. meinen Namen in dieser Angelegenheit ins Spiel gebracht hat.“147 Behm teilte den Entschluss Zills der VSV mit und schlug im gleichen Schreiben erneut Riedel als Seelsorger für Hoheneck vor.148 Als diesbezüglich keine Reaktion erfolgte, schlug Behm der VSV im Juli 1958 vor, Fokken zum neuen Seelsorger von Hoheneck zu ernennen, da dieser nun seit geraumer Zeit dort ungehindert Gottesdienste abhalte.149 Daraufhin wurde Fokken durch die Anstaltsleitung im Auftrag der VSV nach über zweijähriger Tätigkeit in Hoheneck der Zugang zur Haftanstalt nun verweigert.150 Nach dem hierauf erfolgten Weggang Fokkens aus Hoheneck im Sommer 1958 kam es erst im November 1960 zur Wiederaufnahme der Seelsorge in der Haftanstalt.151 In der Zwischenzeit hatte die VSV auf alle Perso145 Vgl. Otto Riedel, Schreiben an Gottfried Knospe, Zwickau, Februar 1958 (LKA Dresden, 2/345, Bl. 19). 146 Vgl. Gottfried Knospe, Aktenvermerk, Dresden, März 1958 (LKA Dresden, 2/345, Bl. 20). 147 Johannes Zill, Schreiben an das LKA Sachsen, Mai 1958 (LKA Dresden, 2/345, Bl. 37). 148 Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die VSV, Juni 1958 (LKA Dresden, 2/345, Bl. 45). 149 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die VSV, Berlin, 17. 7. 1958 (LKA Dresden, 2/345, Bl. 49). 150 Vgl. Superintendentur Karl-Marx-Stadt, Schreiben an das LKA Sachsen, Karl-Marx-Stadt, 14. 8. 1958 (LKA Dresden, 2/345, Bl. 54.). Weitere Quellen zu den Vorgängen um die Besetzung der Seelsorgerstelle in Hoheneck, die hier nicht weiter ausgeführt werden können, finden sich unter den Signaturen 2/344 und 2/345 im LKA Dresden. 151 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die VSV, Berlin, 18. 11. 1960 (LKA Dresden, 2/345, Bl. 151). Im März 1960 führte Behm ein Gespräch mit den Verantwortlichen bei der VSV, bei dem die in Hoheneck zum Stillstand gekommene Seelsorge thematisiert wurde. Behm versuchte, Informationen darüber zu erhalten, auf welcher Grundlage die VSV die durch die Kirche in Vorschlag gebrachten Seelsorger ablehnte bzw. diesen zustimmte: „In dem Gespräch wurde deutlich, dass die VSt [gemeint ist die VSV – SiSt.] in dieser Frage völlig unselbständig und ganz an die Entscheidungen anderer Stellen gebunden ist. Was mir an Gesichtspunkten bei der evtl. Auswahl von Vorschlägen genannt wurde, war so unsubstantiell, dass man damit kaum
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nalvorschläge der Kirchenkanzlei abschlägig und mit Gegenvorschlägen zumeist älterer Pfarrer, die sich die Seelsorgetätigkeit in Hoheneck nicht mehr zumuten konnten und wollten, reagiert. Die Vorgänge um die Neubesetzung des Amtes des Gefängnisseelsorgers in Hoheneck verdeutlichen plastisch, dass die in der DO unter Punkt 1 enthaltene Bestätigungspflicht für die Seelsorger durch die Strafvollzugsverantwortlichen auf staatlicher Seite in der Praxis dazu geeignet war, eine StVAvollständig von der kirchlichen Arbeit auszuschließen. Die östlichen Landeskirchen und die für das Bestätigungsverfahren zuständige Kirchenkanzlei verfügten über keinerlei Mittel, an dieser Stelle Druck auszuüben, sondern waren der Willkür des SED-Staates ausgeliefert. Die einzige ,Waffe‘ der Kirchenkanzlei war eine gewisse Hartnäckigkeit bzw. Penetranz, die auch im Falle Hohenecks nach über zwei Jahren schließlich zum Erfolg führte. Die prima vista in Ansätzen kooperativ anmutende Praxis der VSV, einen Gegenvorschlag zu einem von der Kirche vorgeschlagenen Seelsorger einzubringen, stellte zweifellos nicht nur eine ausgefeilte Verzögerungstaktik im Bestätigungsverfahren dar, sondern zielte auch darauf, potentiell regierungskritische Pfarrer in der Gefängnisseelsorge gegen systemtreue auszutauschen. Im Falle der Ablehnung eines in Vorschlag gebrachten Kandidaten durch die Kirchenkanzlei konnte sich die VSV stets auf die Position zurückziehen, dass die von der Kirche oftmals beklagten Verzögerungen bei der Bestellung der Seelsorger durch diese selbst verursacht werden würden, da diese einem Kandidaten die Beauftragung verweigerte. Dabei befand sich die VSV in der komfortablen Situation, dass bei der Akzeptanz des vorgeschlagenen Seelsorgers durch die Kirchenkanzlei – ganz im Sinne der staatlichen Unterwanderungs- und Differenzierungspolitik – ein staatsloyaler Pfarrer den Dienst antrat, hingegen bei einer Ablehnung die jeweilige StVA auf längere Zeit unversorgt und dadurch zugleich frei von ungebetenen kirchlichen Einflüssen blieb. Ablehnungen von durch die VSV in Vorschlag gebrachten Pfarrern durch die Kirche bargen für diese durch die angespannte Situation im StaatKirche-Verhältnis darüber hinaus eine besondere Brisanz, denn sie lieferten dem Staat weitere Argumente dafür, dass die evangelische Kirche eine ablehnende Haltung gegenüber dem SED-Staat einnehme. Um in der für die Gefängnisseelsorge äußerst komplizierten Situation eine neue Handlungsoption zu schaffen, unterbreitete Superintendent Zachau in seiner Funktion als Leiter des Gefangenendienstes bei der Berliner Stelle des Evangelischen Hilfswerks der Kirchenkanzlei im Juli 1956 einen Vorschlag: etwas anfangen kann.“ (Hans-Jürgen Behm, Aktenvermerk, Berlin, 22. 3. 1960, EZA Berlin, 104/959, o. Pag.). Es ist davon auszugehen, dass zu diesem Zeitpunkt der Staatssekretär für Kirchenfragen in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED die Entscheidung über die zum Einsatz kommenden Seelsorger fällte und dabei auf Informationen zurückgriff, die die HA V/4 des MfS zur Verfügung stellte und die für die Personalentscheidungen letztlich ausschlaggebend waren. Das würde sowohl die langen Bearbeitungszeiten als auch die Widersprüchlichkeiten bei der Bestätigung der Gefängnisseelsorger erklären.
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Damit die Gefängnisseelsorge durch die langwierigen Bestätigungsverfahren nicht weiter geschwächt werde, könnten die Kirchenleitungen bereits bestätigte Gefängnisseelsorger mit der Betreuung gleich mehrerer Haftanstalten beauftragen.152 Diese Anregung Zachaus wurde jedoch von der Kirchenkanzlei nicht aufgegriffen. Zwar sei man, so hieß es, mit Zachau einer Meinung, dass der geordneten Gefängnisseelsorge durch die ständige Ablehnung geeigneter Seelsorger durch die VSVgroße Hindernisse in den Weg gelegt würden, jedoch könne die Versorgung mehrerer Haftanstalten durch einzelne Pfarrer lediglich als „ultima ratio“ angedacht werden. Begründend hieß es dazu: „Da die Gefängnisseelsorge in den meisten Fällen nur nebenamtlich durchgeführt wird, besteht auf diese Weise die Gefahr, daß in allen Anstalten, die von einem Pfarrer versorgt werden, die Arbeit nur in ungenügendem Maße durchgeführt werden kann. Wir sind weiterhin der Meinung, dass die Kirche von den staatlichen Stellen verlangen muss, dass nur bei wirklich schwerwiegenden Gründen Pfarrer abgelehnt werden, dass aber nicht durch eine Verzögerung der Bestätigung der Dienst der Kirche praktisch lahmgelegt werden darf.“153
Die Kirchenkanzlei bat Grüber, die vermehrten Ablehnungen in Vorschlag gebrachter Seelsorger durch die VSV bei seinen Regierungskontakten zur Sprache zu bringen, handelte sich jedoch von Grüber eine Abfuhr sein: „Zum Schreiben vom 1. 8. 1956 – KB III 836/56 II – teile ich mit, dass ich die Stellungnahme der Kirchenkanzlei bei den staatlichen Stellen nicht vertreten kann […]. Es ist zu allen Zeiten und in allen Ländern so gewesen, dass der für die Durchführung des Strafvollzuges Verantwortliche Geistliche ablehnen kann, denn es ist sein gutes Recht.“154
Im Falle der Ablehnung eines Seelsorgers durch die VSV, so führte Grüber weiter aus, müsse durch die Kirche ein neuer Geistlicher in Vorschlag gebracht werden. Andernfalls würde die Kirche die Seelsorge an den Gefangenen sabotieren und für die dadurch verursachten Ausfälle die Verantwortung tragen. Auf der KOK vom 12. September 1956 fasste Grauheding den Stand der Seelsorge so zusammen: „Besonders seit Anfang des Jahres ist eine zunehmende Behinderung und Einschränkung des kirchlichen Dienstes in den Strafanstalten zu beobachten. Der Dienst der Kirche ist untersagt in den Jugendhäusern, in den Haftarbeitslagern und in den Haftkrankenhäusern. Weiterhin wird von der Verwaltung Strafvollzug die endgültige Bestätigung von Pfarrern für den Dienst an Haftanstalten in einer 152 Vgl. Johannes Zachau, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 26. 7. 1956 (EZA Berlin, 104/ 956, o. Pag.). 153 Hans-Jürgen Behm, Schreiben an Johannes Zachau, Berlin, 1. 8. 1956 (EZA Berlin, 103/101, Bl. 156). 154 Vgl. Heinrich Grüber, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 3. 8. 1956 (EZA Berlin 104/ 957, o. Pag.).
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Reihe von Fällen bis über ein Jahr hinaus verzögert, häufig erfolgen Ablehnungen gerade sehr geeigneter Pfarrer. Da von staatlicher Seite angestrebt wird, möglichst viel Haftarbeitslager aus den Strafvollzugsanstalten auszugliedern, muß befürchtet werden, daß der Dienst der Kirche einen großen Teil der Häftlinge nicht mehr erreicht. Hinzu kommt, daß in den Anstalten selber das Personal verschiedentlich versucht, daß die Häftlinge nicht von den Terminen der Gottesdienste und von der Möglichkeit des Seelsorgegespräches unterrichtet werden. So ist vielfach die Einzelseelsorge fast ganz zum Erliegen gekommen. […]“155
Das LKA Sachsen veranlasste im Dezember 1956 die Bekanntmachung der miserablen Zustände in der Gefängnisseelsorge im Rahmen der Abkündigungen in den sonntäglichen Gottesdiensten der Gemeinden.156 Zugleich wurde darüber informiert, dass die östlichen Landeskirchen sich redlich bemüht hätten, diesbezüglich Verbesserungen zu erwirken, bisher jedoch ohne Erfolg. Man bat darum, Gemeindemitglieder mit Angehörigen im Strafvollzug hiervon zu unterrichten und diese noch einmal explizit darauf hinzuweisen, dass seelsorgerliche Besuche nur dann möglich seien, wenn der Wunsch danach durch die Häftlinge selbst geäußert werde.
4. Weitergehende Differenzierungspolitik 4.1 Die Planung neuer Richtlinien für die Gefängnisseelsorge Am 5. September 1957 erhielt die Kirchenkanzlei durch Mund vertraulich Kenntnis davon, dass die VSV derzeit die seit dem 3. Juli 1953 gültige DO für die Gefängnisseelsorger überarbeite.157 Im Gegensatz zur Kirchenkanzlei, so Mund, sei Prälat Zinke als Verantwortlicher für die Gefängnisseelsorge auf Seiten der katholischen Kirche über diese – angeblich kurz vor dem Abschluss befindliche – Überarbeitung durch Inspekteur Siegemund bereits persönlich informiert worden. Dieser Vorgang könnte als Hinweis auf eine gezielte Differenzierungspolitik des SED-Staates gegenüber der evangelischen und der katholischen Kirche interpretiert werden, die durch die Bereitschaft zur Kooperation Letzterer und insbesondere auch der Caritas mit dem MfS seit der Ende der 1950er Jahre nachhaltig greifen konnte.158 Dies schloss die offensichtlich gezielte Verbreitung von Gerüchten unter den Gefangenen ein, dass 155 Vgl. Erich Grauheding, Teilabschrift aus dem Protokoll der 50. Kirchlichen Ostkonferenz vom 12. 9. 1956 in Berlin (LKA Dresden, 2/344, Bl. 111). 156 Vgl. Gottfried Knospe, Schreiben an alle Superintendenturen, Dresden, 10. 12. 1956 (LKA Dresden, 2/344, Bl. 113). Hier auch das Folgende. 157 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die VSV, Berlin, 7. 9. 1957 (EZA Berlin, 104/958, o. Pag.). Hier auch das Folgende. 158 Zinke pflegte Kontakte zum Mfs (vgl. Sch fer, Staat, 74; Buss, Priester, 54; ausführliche Informationen bei Kçsters, Staatssicherheit).
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die evangelische Kirche sich nicht im gleichen Maße wie die katholische um ihre Gemeindeglieder unter den Inhaftierten kümmere. So klagte etwa der staatliche Seelsorger Bluhm, der Ende der 1950er Jahre die Einzelgespräche in der Frauenhaftanstalt Hoheneck durchführte, gegenüber dem Superintendenten in Stollberg darüber, dass es ihm aufgrund der Anwesenheit eines Vollzugsbeamten nicht möglich sei, den Insassinnen begreiflich zu machen, dass die Schuld für die seit Monaten ausfallenden Gottesdienste in Hoheneck nicht bei den Seelsorgern oder etwa der Kirchenleitung läge.159 Da Behm offiziell keine Kenntnis über die Vorgänge um die Überarbeitung der DO hatte und sich bei der VSV nicht auf Mund berufen konnte, beschloss er, in der Angelegenheit Kontakt zu seinem katholischen Kollegen aufzunehmen. In einem am 6. September 1957 geführten Gespräch bestätigte Zinke die vertraulichen Informationen Munds.160 Die neue DO, so Zinke, würde als innerdienstliche Richtlinie deklariert werden, „außerdem solle sie sehr gummiartig gefaßt sein, z. B. soll ein Satz eingefügt werden, der etwa lauten wird: 159 Der Superintendent notierte: „Am 6. 1. war Pfarrer Blum [sic], Waldheim anlässlich seines Seelsorgedienstes in der Verwahranstalt Hoheneck bei mir und teilte mit, daß die Gefangenen sich bitter beklagt haben, weil seit Juli kein evangelischer Gottesdienst mehr stattfindet, zu den katholischen Gottesdiensten sie aber nicht zugelassen werden.“ (Superintendentur Stollberg, Schreiben an das LKA Sachsen, 9. 1. 1959, LKA Dresden, 2/345, Bl. 70). Beispielhaft seien hier einige Belege aus den Akten genannt, die ebenfalls auf eine gezielte konfessionelle Differenzierungspolitik hindeuten: „Bei Gesprächen mit Entlassenen aus den Haftanstalten Waldheim und Bautzen kommt immer wieder die tiefe Enttäuschung über mangelhafte Seelsorge seitens der Evangelischen Kirche zum Ausdruck. Auf unseren Hinweis, daß die dort tätigen Pfarrer nicht im Dienste unserer Kirche stehen, wird erwidert, daß die Enttäuschung darum so stark sei, weil die Seelsorge an den römisch-katholischen Christen durch den dafür bestellten Geistlichen jederzeit vorbildlich gewesen sei.“ (Pfarrer Reinhold, Schreiben an das LKA Sachsen, Mittweida, 14. 9. 1956, LKA Dresden, 2/344, Bl. 102 (R)). „Der Kirchensteuerverwaltung werden immer wieder Klagen und Beschwerden von Gemeindegliedern zugeleitet, die in den Gefängnissen des Demokratischen Sektors von Gross-Berlin inhaftiert waren und dort jegliche seelsorgerische Betreuung sehr vermissten. […] Aus gegebenem Anlass übermitteln wir eine neue Beschwerde des Gemeindegliedes Bruno Wallor […], der weitere Kirchensteuerzahlungen mit folgender dem Kirchensteuererheber gegebenen Begründung verweigert hat: Er wäre 15 Monate in Rummelsburg inhaftiert gewesen und nicht ein evangelischer Pfarrer hätte die Gefangenen besucht, während die katholischen Gefangenen jede Woche ihren Gottesdienst hatten.“ (Berliner Stadtsynodalverband, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin, 15. 8. 1959, ELA Berlin, 35/581, o. Pag.). „Wir machen darauf aufmerksam, daß nun seit über einem Jahr keinerlei evangelische Gefängnisseelsorge in Görlitz mehr stattfindet, während die Katholische Kirche ungehindert arbeiten kann. Wir können uns nicht länger in der evangelischen Bevölkerung dem Vorwurf aussetzen, daß wir im Unterschied zur Katholischen Kirche uns nicht um die unserer Kirche angehörenden Strafgefangenen in Görlitz kümmern. Falls diese Angelegenheit weiter so behandelt wird wie bisher und unserer Kirche die Möglichkeit geordneter Seelsorge in der Strafvollzugsanstalt in Görlitz nicht gewährt wird, sind wir gezwungen, den Sachverhalt vor der Öffentlichkeit der Evangelischen Kirche klarzustellen, damit uns nicht länger der Vorwurf der Vernachlässigung wichtiger seelsorgerischer Pflicht gemacht werden kann.“ (Hans-Joachim Fränkel, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Görlitz, 15. 1. 1960, EZA Berlin, 104/959 o. Pag.). 160 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Aktenvermerk, Berlin, 7. 9. 1957 (EZA Berlin, 104/958, o. Pag.). Hier auch das Folgende.
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Soweit Organisation und Hygiene die Seelsorge zulassen“. Diese Bestimmung sollte, wie Behm analysierte, die Verdrängung der Seelsorge aus den Haftarbeitslagern und Haftkrankenhäusern rechtlich absichern. Zinke und Behm vereinbarten, dass ein Vertreter der Kirchenkanzlei bei der VSV unter Bezugnahme auf die von der katholischen Seite stammenden Informationen direkt bei Siegemund vorstellig werden solle. Dabei solle argumentiert werden, dass die DO vom 3. Juli 1953 aufgrund der Unterschriften von Chefinspekteur Mayer und OKR Grauheding einen „vertragsähnlichen Charakter“ trage, aufgrund dessen eine eventuelle Abänderung nur dann geschehen könne, wenn diese durch beide Vertragspartner gewollt sei. Hieraus ergäbe sich zwangsläufig, dass der Entwurf der neuen Richtlinien vor deren Verabschiedung den Kirchen vorzulegen sei. Für den Fall, dass sich die VSV dieser Argumentation anschlösse, also den Kirchen Zugang zu den in Vorbereitung befindlichen Richtlinien verschaffe und sich diese als die Seelsorge weiterhin hemmend erweisen sollten, planten Behm und Zinke ein gemeinsames Vorgehen. Laut Behms Kommentar am Ende des Aktenvermerks zum Gespräch seien aber weder er noch Zinke bezüglich des Gelingens dieses Planes optimistisch gewesen: „Prälat Zinke und ich gaben uns keinen Täuschungen hin, daß wenig Aussicht auf Erfolg unserer Aktion besteht. Auch vom Staatssekretär für Kirchenfragen ist keine Unterstützung zu erwarten. Es scheint vielmehr so, als ob von da sehr stark der Einfluß ausgeht auf Verschärfung. Prälat Zinke war der Meinung, daß z. B. Herr Kusch [Mitarbeiter im Staatssekretariat für Kirchenfragen – SiSt.] umgefallen ist.“161
Entsprechend dieser Absprache informierte OKR Behm die VSV mit Schreiben vom 7. September 1957, dass die evangelische Kirche Kenntnis über die auf staatlicher Seite vorgesehene Überarbeitung der DO habe und dieses Vorgehen ohne kirchliche Beteiligung missbillige.162 Diese Stellungnahme der Kirchenkanzlei wurde über die VSV direkt an den Staatssekretär für Kirchenfragen weitergeleitet, da hier zu diesem Zeitpunkt über den am 23. August durch die VSV zur Prüfung vorgelegten Entwurf der
161 Hans-Jürgen Behm, Aktenvermerk, Berlin, 7. 9. 1957 (EZA Berlin, 104/958, o. Pag.) 162 Behm schrieb: „Durch Herrn Prälat Z i n k e den Beauftragten des Bischöflichen Ordinariats der Katholischen Kirche erfahren wir, daß seitens der Verwaltung Strafvollzug eine Überarbeitung der DO für die Tätigkeit der Geistlichen an Strafvollzugsanstalten vom 3. Juli 1953 beabsichtigt sei. Vorsorglich möchten wir dazu folgendes bemerken: Die DO vom 3. 7. 53 trägt neben der Unterschrift des Vertreters der Evangelischen Kirche die Unterschrift des Chefinspekteurs der Verwaltung Strafvollzug. Sie hat damit vertragsähnlichen Charakter. Es erscheint uns darum unmöglich, eine neue DO zu erlassen, ohne daß diese vorher mit beiden Vertragspartnern der alten Ordnung abgesprochen ist. Aus diesem Grunde bitten wir, uns vor Verabschiedung der neuen Ordnung diese im Entwurf zur Stellungnahme zuzuleiten.“ (HansJürgen Behm, Aktenvermerk, 7. 9. 1957, EZA Berlin, 104/958, o. Pag.).
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Richtlinien beraten wurde.163 Die Neufassung betraf nicht nur die Regelungen zur Arbeit der Seelsorger im Strafvollzug, sondern Siegemund hatte auch die Durchführungsbestimmungen zur Seelsorge in den StVA überarbeitet. Beide Dokumente lagen dem Staatssekretär für Kirchenfragen Eggerath nun zwecks Genehmigung und Überarbeitung vor, was dafür spricht, dass die im Frühjahr 1957 neu eingerichtete Behörde mit den entsprechenden Befugnissen ausgestattet war. Eggerath riet der VSV ausdrücklich von einer Beteiligung der Kirchen an der Neuausarbeitung der Richtlinien ab, weil es sich hierbei um staatliche Regularien handle, die grundsätzlich nicht mit den Religionsgemeinschaften zu beraten seien.164 Zudem teilte er mit, dass er die ihm zugesandten „Richtlinien über die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten“165 gründlich geprüft und eine neue Fassung, die er für notwendig halte, ausgearbeitet habe. Bezüglich der für die Leiter der StVA bestimmten, ebenfalls vorgelegten „Richtlinien zur Durchführung der Arbeit der Geistlichen in den SV-Dienststellen“166 gehe man mit dem Entwurf konform und habe keinerlei Änderungsvorschläge. Aus nicht rekonstruierbaren Gründen erreichten das Schreiben Eggeraths und die überarbeitete Richtlinie die VSV aber nicht. Als diese fünf Monate später, im Februar 1958, in der Angelegenheit nachfragte, übersandte der Abteilungsleiter der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen Kusch neben einer Abschrift der durch das Staatssekretariat vorgenommenen Neufassung eine ausführliche Stellungnahme zur Auffassung der Kirche, dass die DO vom 3. Juli 1953 durch die Unterschriften von Grauheding und Mayer einen vertragsähnlichen Charakter erhalten habe, wodurch eine Neufassung oder Überarbeitung derselben der Zustimmung beider Vertragspartner bedürfe. Diese Stellungnahme war offensichtlich die Reaktion darauf, dass die Kirchenkanzlei die VSV im Februar 1958 hatte wissen lassen, dass man die DO von 1953 auf kirchlicher Seite aus dem genannten Grund bis auf Weiteres als gültig ansah.167 Dieser Auslegung der evangelischen Kirche widersprach Kusch nachdrücklich, um im Anschluss zu argumentieren: „Abgesehen davon, daß das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche die Verbindung von Staat und Kirche (auch durch Vertrag), soweit sie nicht überwiegend zivilrechtlicher Natur ist, ausschließt, regelt auch die vorliegende Richtlinie nicht irgendwelche Dienstverhältnisse evangelischer Geistlicher, sondern gibt lediglich
163 Vgl. Werner Eggerath, Richtlinien, 19. 9. 1957 (BArch Berlin, DO 4/1727, 545 f.). Hier auch das Folgende. 164 Vgl. Werner Eggerath, Schreiben an die VSV, 19. 9. 1957 (BArch Berlin, DO 4/1727, 545 f.). 165 Verwaltung Strafvollzug, Richtlinie über die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten (Entwurf), Berlin, 21. 8. 1957 (BArch Berlin, DO 4/1727, Bl. 533 f.). Vgl. Dok. 5 im Anhang. 166 Ebd., Bl. 53 f. 167 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die VSV, Berlin, 3. 2. 1958 (EZA Berlin, 104/958, o. Pag.).
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an, in welchem Rahmen und unter Beachtung welcher Sicherheitsvorschriften die Seelsorge in Haftanstalten durchgeführt werden kann.“168
Diese Sicherheitsvorschriften seien im Strafvollzug zwingend, weshalb eine Abänderung der Ordnung unter kirchlicher Beteiligung ausgeschlossen sei. Die Unterschriften auf der von 1953 stammenden DO seien auf der staatlichen Seite als Entgegenkommen und auf kirchlicher Seite als Kenntnisnahme zu werten. Daraus resultiere, dass von Seiten der Kirche keinerlei Ansprüche auf irgendeine Art von Mitwirkung an den Richtlinien existierten. Aufgrund dessen könne „es für die staatlichen Organe auch unerheblich sein, welche Richtlinie die Evangelische Kirche als gültig ansieht. Die Durchführung der Seelsorge dürfte jedenfalls nur im Rahmen der vom Ministerium des Innern erlassenen Richtlinie möglich sein.“169
Diese Begründung wurde durch die VSV nahezu wortgetreu an die Kirchenkanzlei übermittelt, wodurch faktisch jede Art der Kooperation, so mangelhaft diese in der Vergangenheit auch gewesen sein mochte, durch die VSV aufgekündigt wurde. Grauheding als leitender Jurist der Kirchenkanzlei und Unterzeichner der DO von 1953 auf kirchlicher Seite intervenierte bei der VSV, indem er Kusch dahingehend berichtigte, dass gerade die Trennung von Staat und Kirche, die Letztere im Übrigen bejahe, den Abschluss von Verträgen zwischen Staat und Kirche erst ermögliche.170 In euphemistischer Überzeichnung der tatsächlichen Umstände behauptete er darüber hinaus, dass bei der Abfassung der DO von 1953 von der damaligen HA Strafvollzug großer Wert auf die Zustimmung der evangelischen Kirche gelegt worden sei, weshalb die kirchliche Unterschrift mehr als nur eine bloße Kenntnisnahme impliziert habe. Mittlerweile sei jedoch deutlich geworden, dass die VSV nicht beabsichtige, diese Form der Zusammenarbeit beizubehalten, zumal dem Wunsch der Kirchen, vor dem Erlass der neuen Richtlinien zur Gefängnisseelsorge über deren Inhalt informiert bzw. dazu gehört zu werden, von der VSV nicht entsprochen worden sei. Grauheding bat die VSV schließlich um Aushändigung der neuen Richtlinien, damit man diese unter den Seelsorgern bekanntmachen könne, und fügte hinzu: „Es scheint uns notwendig, daß diese wissen, in welchem Rahmen sie ihre Arbeit tun können.“ Grauheding sandte eine Abschrift des Schreibens an
168 Werner Kusch, Schreiben an die VSV, Berlin, 20. 2. 1958 (BArch Berlin, DO 4/1727, Bl. 541 f.). 169 In seinem Schreiben vom 1. 3. 1958 an die Kirchen formulierte Siegemund noch restriktiver: „Die Durchführung der Seelsorge wird unter allen Umständen nur im Rahmen der vom Ministerium des Innern erlassenen Richtlinie möglich sein.“ (Horst Siegemund, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 1. 3. 1958, EZA Berlin, 104/958, o. Pag.). Hier auch das Folgende. 170 Vgl. Erich Grauheding, Schreiben an die VSV, Berlin, 10. 3. 1958 (EZA Berlin, 103/101, Bl. 192).
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Grüber und bemerkte auf dieser resümierend mit unüberhörbarer Resignation: „Wir sehen bei der derzeitigen Situation zwischen Staat und Kirche keine Möglichkeit von erfolgversprechenden Verhandlungen. Da die Neufassung der DO in Form von innerdienstlichen Richtlinien herausgegangen ist, sind wir vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Wir möchten auch darauf verzichten, den Staatssekretär für Kirchenfragen in dieser Sache weiter zu bemühen; erfahrungsgemäß ist von dieser Dienststelle für uns keine Unterstützung zu erwarten.“
Die Vorgänge um die Überarbeitung der DO zwischen Herbst 1957 und Frühjahr 1958 und insbesondere deren Transformation zu einer internen Richtlinie der VSV zeigen, dass die evangelische Kirche vom SED-Staat in der zweiten Hälfte des 1950er Jahre nicht nur praktisch in den StVA171 und organisatorisch im Blick auf die Genehmigungsverfahren für einzelne Gefängnisseelsorger, sondern auch strukturell aus der Gefängnisseelsorge verdrängt wurde, während die praktischen Seelsorgeoptionen der katholischen Kirche – bei formal gleichen Bedingungen – offensichtlich wesentlich besser waren. Obwohl es letztlich nicht zu einer Neuordnung der Gefängnisseelsorge durch die VSV kam, weil das Interesse an den beiden Richtlinien bei der VSV nach dem Weggang Siegemunds – wohl im Frühjahr 1958 – schlichtweg versandete,172 lohnt ein Blick in die Entwürfe. Voranzustellen ist, dass die überarbeitete Version Eggeraths,173 auf die im Folgenden Bezug genommen wird, insofern von dem von Siegemund am 21. August 1957 beim Staatssekretär für
171 Ein sprechendes Beispiel hierfür bildet auch der Bericht des Konsistoriums der EKKPS an die Kirchenkanzlei über die vergeblichen Bemühungen des in der StVA Coswig inhaftierten Pfarrers Johannes Bolte um seelsorgerliche Betreuung und die Überlassung einer Bibel. Auch Mund, Zachau und Grüber, die von der Ehefrau Boltes um Hilfe in dieser Angelegenheit ersucht wurden, war es im Frühjahr 1956 nicht mehr möglich, Bolte seelsorgerlich zu begleiten. Somit resümierte das Konsistorium: „Man kann hier in die durch die Behinderung der Gefangenenseelsorge verursachte geistliche Not hineinsehen, die gewiß nicht nur bei einem Pfarrer vorhanden ist. Die Schwierigkeiten auch in solchen Haftanstalten, bei denen der Gefängnisseelsorger ordnungsmässig bestellt ist, nehmen kein Ende. […] Von entlassenen Sträflingen aus der Haftanstalt Magdeburg hören wir immer wieder, wie schmerzlich eine geordnete evangelische Seelsorge vermisst wird.“ (Konsistorium der EKKPS, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Magdeburg, 30. 4. 1956, AKPS Magdeburg, Rep. gen. Nr. 221f, o. Pag.). 172 In einem Aktenvermerk von Kusch heißt es: „Genosse Jauch teilte mit, daß nach Ausscheiden des Genossen Oberst Siegmund [sic] in dieser Angelegenheit nichts mehr veranlaßt worden sei, da die Abteilung Strafvollzug eine unbedingte Neuregelung bisher für nicht so dringend erachtet hat. Es wurde vereinbart, daß für den Fall, daß die vorbereitete Neuregelung aus einem akuten Anlaß jetzt oder an einem bestimmten Beispiel für notwendig erachtet wird, der Abteilung Strafvollzug durch unsere Dienststelle eine Mitteilung zugeht.“ (Ernst Kusch, Aktenvermerk, Berlin, 18. 6. 1959, BArch Berlin, DO 4/1727, Bl. 529). 173 Vgl. Staatssekretär für Kirchenfragen, Richtlinie über die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten, o. Ort, o. Datum (BArch Berlin, DO 4/1727, Bl. 547–550). Vgl. Dok. 6 im Anhang.
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Kirchenfragen eingereichten Entwurf der Richtlinien abweicht,174 als die Formulierungen Eggeraths präziser sind und insofern weniger Interpretationsspielraum lassen. Faktisch implizierte dies eine Verschärfung der Bedingungen für die Seelsorge, auch wenn der Staatssekretär für Kirchenfragen im Wesentlichen den Vorschlägen Siegemunds folgte.175 Weiterhin wurde, neben der dreiteiligen Gliederung des Dokuments,176 die Anzahl der jeweiligen Unterpunkte übernommen. Im Folgenden werden zwei Beispiele für die Art der durch das Staatssekretariat für Kirchenfragen vorgenommenen Änderungen vorgestellt. Der in diesem ersten Beispiel bei dem in beiden Versionen enthaltene Verweis auf Art. 46 der Verfassung der DDR stellt eindeutig eine Abwehrreaktion auf den zu diesem Zeitpunkt immer wieder von den Kirchen offen formulierten Vorwurf des Verfassungsbruchs gegenüber der DDR-Regierung dar.177 Das Original leitete die Richtlinien wie folgt ein: „Zur Gewährleistung der seelsorgerlichen Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten und entsprechend dem Art. 46 der Verfassung wird folgendes festgelegt: I. 1.) Im Rahmen der gesetzlichen Regelung sind die Geistlichen zur Ausübung der seelsorgerlichen Tätigkeit in den Strafvollzugsanstalten berechtigt.“178
Das Staatssekretariat formulierte neu: „G e m ä ß Artikel 46 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik wird zur Gewährleistung von Gottesdienst und Seelsorge in den Strafvollzugsanstalten folgendes bestimmt: 1.1. Geistliche sind zur Vornahme religiöser Handlungen in den Strafvollzugsanstalten der Deutschen Demokratischen Republik zugelassen, soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge besteht.“179
Aus Punkt III im Original „III. 1.) Der Geistliche kann im Beisein eines SV-Angehörigen Einzelseelsorge mit den Strafgefangenen, die einen solchen Wunsch in einem Antrag zum Ausdruck 174 VSV, Richtlinie über die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten (Entwurf), 21. 8. 1957 (BArch Berlin, DO 4/1727, Bl. 533 f.). Vgl. Dok. 5 im Anhang. 175 Vgl. Werner Eggerath, Schreiben an die VSV, Berlin, 19. 9. 1957 (BArch Berlin, DO 4/1727, 545 f.). 176 I. Rechtsanspruch auf Gefängnisseelsorge, Anzahl der Gottesdienste, Verbot der Ein- und Ausbringung von Gegenständen durch die Geistlichen aus dem Strafvollzug, II. Durchführung des Gottesdienstes, III. Durchführung der Einzelseelsorge. 177 Vgl. Albrecht-Birkner, Freiheit, 51 f. 178 VSV, Richtlinie über die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten (Entwurf), 21. 8. 1957 (BArch Berlin, DO 4/1727, Bl. 533 f.). Vgl. Dok. 5 im Anhang. 179 Vgl. Staatssekretär für Kirchenfragen, Richtlinie über die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten, o. Ort, o. Datum (BArch Berlin, DO 4/1727, Bl. 547–550). Vgl. Dok. 6 im Anhang.
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bringen, durchführen. Die Seelsorge hat nur dem religiösen Anliegen des Strafgefangenen zu dienen.“180
machte das Staatssekretariat „III.1. Einzelseelsorge kann durch Geistliche an Strafgefangenen, die einen solchen Wunsch durch Antrag zum Ausdruck bringen, im Beisein eines Angehörigen des Strafvollzugs abgehalten werden. Die Seelsorge darf nur der Erfüllung der religiösen Bedürfnisse des Strafgefangenen dienen.“181
Im Vergleich der am 3. Juli 1953 in Kraft getretenen DO mit den Richtlinien von 1957 fällt weiterhin auf, dass Letztere ausschließlich die Zusammenarbeit zwischen dem durch die VSV zugelassenen bzw. bestätigten Geistlichen und den Leitern der StVA regelte.182 Die Kirche, die gemäß der DO von 1953 noch die Beauftragung der Pfarrer zur organisieren und ihr Einverständnis bei einer eventuellen Einstellung hauptamtlicher Geistlicher durch die HVDVP zu geben hatte,183 fand in den Richtlinien von 1957 keine Erwähnung mehr. Auch die 1953 noch vorhandene Regelung, Gottesdienste üblicherweise als Abendmahlgottesdienste zu feiern, fehlte in den Richtlinien. Zudem wurde die Möglichkeit, Taufen und Konfirmationen durchzuführen, nicht mehr erwähnt. Enthalten war hingegen eine Klausel, die Strafvollzugsanstalten, „die aus baulichen, hygienischen und sicherheitsmäßigen Gründen für solche Zwecke nicht geeignet sind“,184 von der Seelsorge ausschloss – jener ,Gummiparagraph‘ also, den Zinke offensichtlich gemeint hatte und der dazu geeignet war, Seelsorge jederzeit kurz- oder langfristig zu verhindern. Neu war auch die Weisung, dass das Gespräch zwischen Seelsorger und Inhaftiertem umgehend zu beenden sei, falls dieses den religiösen Kontext verlasse und sich juristischen Fragen oder den Haftbedingungen zuwenden sollte.185 Die entworfenen Richtlinien stellten im Grunde ein Regularium für die Gestaltung der Beziehung zwischen Anstaltsleitungen und Anstaltsseelsorgern dar, das deren jeweilige Rechte und Pflichten definierte. Zwar waren die Anstaltsleiter den Seelsorgern dabei klar vorgeordnet und hatten diesen gegenüber eine Kontrollfunktion, doch konnte man die Richtlinien theoretisch als Anleitung zu einer fairen Kooperation verstehen, die dazu geeignet war, die 180 VSV, Richtlinie über die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten (Entwurf), 21. 8. 1957 (BArch Berlin, DO 4/1727, Bl. 533 f.). Vgl. Dok. 5 im Anhang. 181 Vgl. Staatssekretär für Kirchenfragen, Richtlinie über die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten, o. Ort, o. Datum (BArch Berlin, DO 4/1727, Bl. 547–550). Vgl. Dok. 6 im Anhang. 182 Vgl. die Punkte II.1, II.3 und III. 2 in Staatssekretär für Kirchenfragen, Richtlinie über die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten, o. Ort, o. Datum (BArch Berlin, DO 4/ 1727, Bl. 547–550). Dok. 6 im Anhang. 183 Vgl. o. Vf., Dienstordnung, 3. 7. 1953 (EZA Berlin, 103/102, o. Pag.). 184 Staatssekretär für Kirchenfragen, Richtlinie über die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten, o. Ort, o. Datum (BArch Berlin, DO 4/1727, Bl. 547–550, Zitat 547). 185 Ebd., 548.
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Gefängnisseelsorge als Paradebeispiel für freie Religionsausübung und religiöse Toleranz im DDR-Staat zu präsentieren. Faktisch spiegelten die Richtlinien den in der Praxis bereits vollzogenen Ausschluss der Kirchen als institutionell Beteiligten aus der Gefängnisseelsorge zugunsten einer Durchdringung der Anstaltsseelsorge mit einzelnen systemtreuen Pfarrern, deren Einsatz die VSV durch die Bestätigungsverfahren forcierte. Die Kirchen fungierten dabei nur noch als Geldgeber für die nebenamtlichen Seelsorger, deren Tätigkeit der Staat koordinierte. Im Fall der hauptamtlichen – staatlichen – Seelsorger spielte die Kirche ohnehin überhaupt keine Rolle mehr. 4.2 Fortgesetzter Einsatz staatsloyaler Pfarrer im Strafvollzug – das Beispiel Görlitz Beispielhaft für die weitergehende Differenzierung im Blick auf die Gefängnisseelsorger seien hier Vorgänge ab Dezember 1957 in Görlitz vorgestellt. In Görlitz war der Seelsorger Pfarrer Möller mit der Anstaltsleiterin in Konflikt geraten, worauf diese im Dezember 1957 eine Predigt Möllers als politische Manipulation der Insassinnen deutete. Daraufhin ersuchte die VSV die Kirchenkanzlei um Möllers Ablösung.186 Zunächst übernahmen Superintendent 186 Im Schreiben der VSV an die Kirchenkanzlei hieß es: „Von unserer Dienststelle in Görlitz wurde uns mitgeteilt, daß die am 8. 12. 1957 gehaltene Predigt des Pfarrer Möller, Görlitz, vor Strafgefangenen eine Beunruhigung unter den Strafgefangenen selbst ausgelöst hat. Pfarrer Möller soll sinngemäß vor den Strafgefangenen in seiner Predigt zum Ausdruck gebracht haben: ,Man soll den Blick nicht nach Osten lenken, wo die Sonne aufgeht und es angeblich hell erscheint, sondern man muß mehr nach dem Westen sehen, wo man bemüht ist, die alten kirchlichen Gepflogenheiten zu pflegen und zu erhalten.‘ Weiterhin betonte der Pfarrer in seiner Predigt: ,Ein gottloser Mensch stellt nur solange etwas dar, solange er eine gute Anstellung, eine schöne Wohnung und ein entsprechendes Bankkonto hat, jedoch kläglich zusammenbricht, wenn ihm dies einmal verloren gehen sollte‘. Nach Beendigung des Gottesdienstes wurde Pfarrer Möller von dem verantwortlichen Offizier, der den Gottesdienst überwacht hat, auf das Falsche seines Verhaltens hingewiesen. Für Görlitz muss ein neuer Pfarrer benannt werden!“ (Horst Siegemund, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Berlin, 10. 1. 1958, EZA Berlin, 104/958, o. Pag.). Pfarrer Möller nahm zu den Vorwürfen Stellung und schrieb an das Konsistorium: „Die Beschwerde der Strafvollzugsanstalt Görlitz über meine Predigt vom 8. 12. 57, wird mit Darstellungen und Zitaten begründet, die ich als böswillig entstellt und unwahr zurückweisen muss. […]Bei der Predigt am 8. 12. 57 habe ich gerade darum in jeder Hinsicht ein sehr gutes Gewissen, weil ich dieselbe Predigt am 1. Advent in der Kreuzkirche gehalten und also meine Worte durchaus in fester Kontrolle hatte. Ich predigte über den Text 1. Tess.5, 1–11. Die erste Stelle, die in der Beschwerde zitiert wird, ist eine ganz törichte, um nicht zu sagen böswillige Entstellung dessen, was ich in der Einleitung gesagt habe: In der Adventszeit geht es um Kommen und Warten. Vom Kommen des Herrn und vom Warten der Christenheit auf ihn ist auch im Text die Rede, jedoch so, daß vom Warten weit mehr als vom Kommen gesagt wird. Das Verhältnis dieser beiden Stücke zueinander machen wir uns an einem Bild klar: Wenn wir den Sonnenaufgang beobachten, so ist es sehr lohnend, einmal der aufgehenden Sonne den Rücken zu kehren und am entgegengesetzten Horizont zu beobachten, wie sich dort die Strahlen der aufgehenden Sonne in zarten Farben widerspiegelt.
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Paul Demke und Pfarrer Schulz, beide aus Görlitz, die Seelsorge. Beiden wurde im Herbst 1958 durch die VSV die Genehmigung für die seelsorgerliche Arbeit aber entzogen, da die Anstaltsleiterin die VSV darüber informierte hatte, dass die Geistlichen nicht zur Wahl gegangen waren,187 wodurch sich diese „gegen den Staat, seine Friedenspolitik und den Sozialismus erklärt hätten.“188 Bereits im Dezember 1958 besetzte die VSV die Stelle des Gefängnisseelsorgers in Görlitz ohne Rücksprache mit dem Görlitzer Konsistorium oder der Kirchenkanzlei neu. Die Wahl fiel auf Pfarrer Fritz Schulze aus Dresden, wovon die Kirchenkanzlei mit Schreiben vom 29. Dezember 1958 unterrichtet wurde.189 Im Görlitzer Konsistorium führte diese Nachricht zu großer Empörung. Wohl da der eigentlich vorgeschriebene Amtsweg über die Kirchenkanzlei zu diesem Zeitpunkt keinerlei Erfolgsaussichten mehr hatte, wandte sich OKR Fränkel direkt an den Staatssekretär für Kirchenfragen. Zwar habe der Staat die Zuständigkeit für den Strafvollzug inne, argumentierte Fränkel, doch „eine kirchlich-legitime evangelische Seelsorge könne es nur geben, wenn auch ein kirchlicher Auftrag für die Verkündigung des Wortes Gottes und Verwaltung der Sakramente vorliege“. Diese Beauftragung könne man im Falle Schulzes nicht erteilen, da dieser aufgrund eines gegen ihn anstehenden Der kommende Herr entspricht der aufgehenden Sonne, das Warten der Christenheit dem anderen, entgegengesetzten Horizont. So wollen wir der Weisung des Textes den Rücken kehren und auf die Widerspiegelung seines Kommens im Warten seiner Gemeinde Obacht geben. […] Als die stellvertretende Anstaltsleiterin auch den Passus von dem östlichen Horizont erwähnte und daraus eine Anspielung auf politische Dinge meinte heraushören zu müssen, habe ich das mit fröhlichem Lachen quittiert und noch einmal die reine Bildhaftigkeit dieses Gleichnisses dargelegt. Ich hätte nach diesem Gespräch wirklich nicht für möglich gehalten, daß sie aus diesem mißverstandenen und nachher erläuterten Bild einen Anlaß zur Beschwerde über mich nehmen würde. Ich kann mir das alles und die ganze Beschwerde nur aus der vorgefaßten, böswilligen Absicht erklären, meinem jahrelangen Dienst unter den Strafgefangenen ein Ende zu bereiten.“ (H. Möller, Schreiben an das Görlitzer Konsistorium, Görlitz, 27. 1. 1958, EZA Berlin, 104/958, o. Pag.). 187 Am 16. 11. 1958 fanden in der DDR die Wahlen zur 3. Volkskammer statt. Demnach mussten Demke und Schulz zwischen Mitte November und Ende Dezember 1958 die Seelsorge in der StVA Görlitz aufgeben. 188 Hans-Joachim Fränkel, Schreiben an die Leiterin der StVA Görlitz, 19. 12. 1958 (EZA Berlin, 104/959, o. Pag). Fränkel legte mit diesem Schreiben bei der Gefängnisleitung offiziell Protest gegen diese Entscheidung ein und schrieb: „Wir können diese Schlussfolgerung in keiner Weise anerkennen. Die Wahl gilt als freie Wahl und setzt damit die Freiheit jedes Bürgers voraus. Wie immer er sich entscheidet, steht diese Entscheidung im Rahmen der verfassungsmäßig garantierten Gewissensfreiheit. Aus der Nichtbeteiligung eines Bürgers könnte höchstens geschlossen werden, daß er mit den vorgeschlagenen Kandidaten nicht einverstanden war oder bestimmte Bedenken gegen den Wahlmodus hatte, nicht aber, daß er den Staat und seine Bemühungen um Frieden und gerechte und soziale Verhältnisse überhaupt ablehnt.“ (ebd.). 189 Vgl. Abschrift des Schreibens der VSV an die Kirchenkanzlei vom 29. 12. 1958 bei HansJoachim Fränkel, Schreiben an das Staatssekretariat für Kirchenfragen (über die Kirchenkanzlei), Görlitz, 21. 1. 1959 (EZA Berlin, 104/959, o. Pag.). Aus dem Schreiben Fränkels auch das Folgende.
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Disziplinarverfahrens nicht amtsfähig sei. „Seine Tätigkeit kann daher von uns in Gemeinschaft mit der ganzen Evangelischen Kirche nicht als evangelische Seelsorge anerkannt werden,“ resümierte Fränkel. Dass die Wahl der VSVauf den in Dresden wohnhaften Pfarrer Fritz Schulze gefallen war, war kein Zufall. Schulze hatte sich in einer Broschüre des zentralen Ausschusses für Jugendweihe für eine generelle Vereinbarkeit von Jugendweihe und Konfirmation ausgesprochen, worauf die Sächsische Landeskirche das von Fränkel angesprochene Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Amtsenthebung gegen Schulze eröffnet hatte.190 Die Verwerfungen zwischen der Landeskirche und Schulze waren dem MdI nicht entgangen. Bei der Überprüfung bezüglich seiner Eignung für den Einsatz in der Gefängnisseelsorge war Schulze eine eindeutig positive Haltung zum Aufbau des Sozialismus bescheigt worden, welche Schulze durch weitere Artikel und Vorträge auch fortlaufend unterstrich.191 Die Entfernung der Seelsorger Demke und Schulz aus der StVA Görlitz aufgrund von deren Enthaltung bei der Wahl zur 3. Volkskammer im November 1958 und deren von der VSV – ohne jegliche Rücksprache mit kirchlichen Stellen – umgehend betriebener Ersatz durch den staatsloyalen Pfarrer Schulze aus Dresden192 ist symptomatisch für die Strategie der VSV in den ausgehenden 1950er Jahren: Pfarrer mit unangepasster politischer Positionierung wurden von der Gefängnisseelsorge ausgeschlossen und durch systemtreue Pfarrer ersetzt.193 Der programmatische Ausschluss der Kirche aus dem Prozedere bei der Berufung der Gefängnisseelsorger spiegelt sich deutlich in der Antwort der StVA Görlitz auf die Anfrage der Görlitzer Kirchenleitung nach der Regelung der seelsorgerlichen Betreuung in der örtlichen Haftanstalt. Zwar seien, so hieß es hier, die Religionsgemeinschaften zur 190 Vgl. Gruhle, Gott, 76. 191 In einem Bericht von Major Jentsch von der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei Dresden an die VSV Berlin heißt es: „Der Amtsleiter der Weinbergkirche (Dresden) führte gegen die fortschrittliche Haltung von Pfarrer Schulze einen systematischen Kampf mit dem Ziel, Sch[ulze] aus dem Dienst zu entfernen. Es gelang ihm und Schulze wurde als Hilfsprediger in Freital und Dresden-Gruna eingesetzt. In diese Zeit fällt sein offenes Auftreten für die Jugendweihe als gesellschaftspolitische Angelegenheit. Ein entsprechender Zeitungsartikel im Sächsischen Tagesblatt gab dem Landeskirchen-Amt Veranlassung, ein Disziplinarverfahren gegen ihn einzuleiten, da seine Stellung mit der der Landeskirche nicht mehr übereinstimme und er gegen die Grundsätze der Kirche verstoßen habe. Der Ausgang des Disziplinarverfahrens ergab, daß er zur Disposition gestellt wurde. Damit nahm man ihm die Kanzel und jegliche Möglichkeit, mit Christen in Verbindung zu bleiben.“ (Jentsch, Schreiben an die VSV, Dresden, 3. 6. 1958, BArch Berlin, DO 4/1606, o. Pag.). 192 Die VSV entschied sich aus unbekannten Gründen später gegen den Einsatz von Pfarrer Fritz Schulze, stattdessen sollte Pfarrer Horst Manno die Seelsorge übernehmen (vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an das Konsistorium Görlitz, 2. 8. 1960, EZA Berlin, 104/959, o. Pag.). Ob dies so eintrat, ließ sich nicht verifizieren. 193 Die Görlitzer Kirche stand aufgrund ihrer kritischen Haltung unter anderem zur Jugendweihe und zur staatlichen Bildungspolitik am Ende der 1950er Jahre massivst im Visier des SEDStaates (vgl. Albrecht-Birkner, Freiheit, 132–134).
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Vornahme religiöser Handlungen im Strafvollzug zugelassen, doch wäre man hierbei „nicht an die örtlichen Religionsgemeinschaften gebunden. Ebenso sind wir den Religionsgemeinschaften gegenüber nicht rechenschaftspflichtig. Wir bitten von weiterem Schriftwechsel abzusehen.“194
194 Aus einem Schreiben der Leitung der StVA Görlitz an die Görlitzer Kirchenleitung, zitiert bei Hans-Joachim Fränkel, Schreiben an das Staatssekretariat für Kirchenfragen (über die Kirchenkanzlei), Görlitz, 22. 7. 1959 (EZA Berlin, 104/959, o. Pag.).
E Prozesse finaler Dekonstruktion ab 1958 1. Das Ende des Dienstes von Mund 1.1 Bearbeitung durch die Staatssicherheit Ab 1956 interessierte sich das MfS zunehmend für den staatlichen Gefängnisseelsorger Mund, da dieser angeblich in Kassiberschiebereien in der StVA Bautzen verwickelt war.1 Im März 1956 beklagte Mund gegenüber einem Bekannten die unfachmännische Öffnung seiner Post durch die Staatssicherheit. Dies sei klar erkennbar, weil die Briefe beim Wiederverschließen aufgrund der großzügigen Verwendung von Leim direkt mit an den Umschlag geklebt werden würden. Wenn die Staatssicherheit schon die Post öffne, so Mund gegenüber dem Bekannten, dann solle sie dabei doch bitte den nötigen Sachverstand walten lassen.2 Im Unterschied zu 1953, als der gegen Mund gehegte Vorwurf des Kassiberschmuggels nicht weiter verfolgt worden war, blieb die Staatsicherheit nun hartnäckig. Munds MfS-Akte enthält drei weitschweifige, sprachlich eher schlicht gehaltene und teils wirr klingende Berichte der in Bautzen ansässigen HA VII/3 mit Ergebnissen von Ermittlungen gegen Mund aufgrund einer Kassiberschmuggelaffäre in der Haftanstalt Bautzen I im März 1956, in die neben Mund auch die Mitglieder des Kirchenchors und des Konstruktionsbüros verwickelt sein sollten.3 Gemäß diesen Berichten wurden in der StVA Bautzen im Frühjahr 1956 Personenlisten erstellt, die vor allem Details zur Verhaftung der Gefangenen enthielten und auf speziellen Befragungen basierten.4 Diese Listen hatte der bereits am 7. März 1956 aus der Haft entlassene Kempowski laut MfS an Mund weitergereicht, der sie dann in seiner Aktentasche aus der Anstalt geschafft hatte. Angeblich 1 Vgl. Hilbrich, Kassiberschiebereien, 20. 3. 1956 (BStU Berlin, MfS, HA XX/4 563, AP 20375/92, 45). 2 Vgl. GI-Bericht, 16. 3. 1956 (BStU Berlin, MfS, HA XX/4 563, AP 20375/92, 53). 3 Vgl. Hilbrich, Kassiberschiebereien, 20. 3. 1956 (BStU Berlin, MfS, HA XX/4 563, AP 20375/92, 45) und ders., Nachtrag zum Sachstandsbericht vom 20. 3. 1956 über Kassiberschiebereien in Bautzen, 24. 3. 1956 (ebd., 48), sowie die Zusammenfassung beider Berichte in ders., Sachstandsbericht. Kassiberschiebereien in der StVA Bautzen, 28. 5. 1956 (ebd., 39–43). 4 Laut MfS sollen die folgenden Details abgefragt worden sein: „1. Wer noch jugendlich war bei seiner Verhaftung. 2. Wer wegen Kriegsverbrechen gegen die SU verurteilt wurde und nicht auf dem Territorium der SU war. 3. Wer unschuldig verurteilt wurde und weniger als 25 Jahre hat. 4. Wer glaubt, von einem internationalen Gericht freigesprochen zu werden und bereit ist, dort als Zeuge aufzutreten. 5. Wer kein Soldat war und auch nicht wegen Kriegsverbrechen verurteilt ist. 6. Wer seine Angehörigen in Westdeutschland hat und die genaue Anschrift dazu.“ (Ebd., 45 f.).
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sollten diese Listen in den Westen gebracht und kirchlichen Kreisen zugänglich gemacht werden. Die vom MfS erhobenen Vorwürfe entsprachen dem Straftatbestand des Landesverrats und hätten eigentlich die umgehende Verhaftung des hauptamtlichen Seelsorgers gerechtfertigt. Der die Ereignisse um den Kassiberschmuggel zusammenfassende Bericht vom 28. Mai 1956 enthält allerdings lediglich die Bemerkung, dass Mund am 27. Mai 1956 noch einen Gottesdienst in Bautzen gehalten habe, für den „sämtliche Sicherungsmaßnahmen eingeleitet wurden, jedoch konnte nicht festgestellt werden, ob Mundt über die Angelegenheit Kenntnis erhalten hat“5. Als Konsequenz aus der Angelegenheit wurde Mund zunächst der Dienstausweis der VP entzogen,6 worauf ihm als Ausweisdokumente lediglich der Personalausweis und der Hausausweis der VSV blieben. Darüber hinaus begann das MfS, die privaten Verhältnisse Munds auszukundschaften, wobei sie auf Zuträger aus der Nachbarschaft der Familie Mund zurückgriff.7 In einem im April 1956 durch die Abteilung VII des MfS Groß-Berlin verfassten Bericht bescheinigte man Mund geordnete Familienverhältnisse, vermerkte jedoch, dass sein politisches Engagement stark zu wünschen übriglasse: „Von einer Verbundenheit zu unserem Arbeiter- und Bauernstaat ist nichts zu merken. Er flaggt zu keiner Veranstaltung und Kundgebung. Im Wohngebiet wird Mund als uninteressiert bezeichnet.“8 Die zu Mund vorliegenden Unterlagen der Staatssicherheit enthalten einen Maßnahmenplan vom Dezember 1956, in dem die Meinung der VSV über Mund beschrieben ist. Hier heißt es, dass die VSV mit Mund nicht einverstanden sei und den Eindruck habe, dass Mund seine Position bei der VSV dafür nutzen wolle, in den höheren kirchlichen Dienst zu gelangen. Da er als Gefängnisseelsorger zeitlich freier agieren könne als ein Gemeindepfarrer,
5 Ebd. 6 Dies berichtete Munds Vorgesetzter Jauch nach der Flucht Munds im Januar 1959. Es liegt nahe, dass Jauch in seinem Bericht an die Untersuchungsabteilung der HVDVP um Schadensbegrenzung bemüht war und deshalb die Entziehung des Dienstausweises in das Jahr 1956 verlegte. In einem weiteren Bericht zur Person Munds, angefertigt durch die Anstaltsleiterin der StVA für Frauen in der Berliner Barnimstraße Scholz, gab diese am 26. 1. 1959 unter Hinzuziehung des Besucherbuchs die Auskunft, dass Mund hier noch den Dienstausweis mit der Nummer 0000154 vorgelegt habe. Zudem sei Mund erstmalig am 30. 5. 1957 in der Anstalt gewesen (vgl. Küchler, Vernehmung, 26. 1. 1959, BStU Berlin, MfS ZA, ASt I, 23/59 Bd. 1, o. Pag.). Zumindest diese letzte Angabe kann nicht stimmen, da Mund am 17. 3.1957 in der Barnimstraße seine Ordination erhielt (vgl. Fritz Führ, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin, 19. 3. 1957, ELA Berlin, 15/5093, o. Pag.). Auch sind Beschwerden von Scholz über das Auftreten Munds in der StVA Barnimstraße überliefert, die vom Dezember 1956 stammen (vgl. hierzu Kap. E 1.2). Laut Ermittlungen der Staatssicherheit erfolgte der Entzug des Dienstausweises im März/April 1958 (vgl. Fetkulin, Dienstausweis, 30. 1. 1959, BStU Berlin MfS 14031/63, Bl. 174). 7 „M. ist als Zivilangestellter bei der Verwaltung SV tätig und arbeitet als Seelsorger in der StVA. Die Ermittlungen sind äußerst konspirativ und nur im Wohngebiet durchzuführen.“ (Knauer, Ermittlungen, 24. 2. 1956, BStU Berlin, MfS, HA XX/4 563, AP 20375/92, 50). 8 O. Vf., Ermittlungsbericht, Berlin, 26. 4. 1956 (BStU Berlin, MfS 14031/63, Bd. 2).
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habe er zudem beste Möglichkeiten zum Studium.9 Um in Sachen Mund Fortschritte zu erzielen, so der Maßnahmeplan, gelte es nun abzuklären, ob dessen Weiterbeschäftigung bei der VSV notwendig sei. Zudem sei zu eruieren, ob bei der HAV/410 genug belastendes Material vorhanden wäre, das eine Suspendierung Munds vom Dienst rechtfertige, und ob die HA V/4 Bedenken gegen die Lösung des Einzelvertrages zwischen MdI und Mund habe. Das gesamte über Mund bekannte negative Material müsse in einem Bericht zusammengefasst und der Staatssicherheit zur Kenntnis gebracht werden.11 1.2 Beschränkung von Munds Wirkungsfeld auf Ostberlin Eine weitere Maßnahme in Reaktion auf die Vorgänge um den Kassiberschmuggelvorwurf in Bautzen war die Beschränkung von Munds Wirkungskreis auf die Ostberliner Vollzugsanstalten.12 Aufgrund des nun stark verkleinerten Aktionsradius musste Mund seinen Dienstwagen an die HVDVP zurückgeben.13 Es war offensichtlich, dass Mund auf staatlicher Seite massiv an Fürsprache verlor und damit früher oder später selbst von einer Verhaftung bedroht war. In dieser Situation beschloss das Konsistorium der EKiBB, Mund in Gestalt eines als Kolloquium gewerteten Gesprächs mit Bischof Dibelius das Zweite Theologische Examen abzunehmen. Die erste Anregung hierzu war bereits im Juni 1955 durch Superintendent Zachau an das Konsistorium herangetragen worden. In einem Bericht hatte Zachau die schwierige Arbeit Munds hervorgehoben und zugleich kritisiert, dass es diesem nicht gelungen sei, „in ernster Verantwortung gegenüber seinem geistlichen Auftrag den Weg seines Dienstes richtig und segensvoll zu gehen.“14 Aufgrund dessen sei er der Ansicht, dass die Kirchenleitung zumindest erwägen solle, Mund „in einem formalen Verfahren die Rechte des Geistlichen Standes zu erteilen“. Dafür würde Munds wissenschaftliche Arbeit zusammen mit seiner Tätigkeit in der Gefängnisseelsorge eine ausreichende Grundlage bieten. Interne Entscheidungsprozesse des Konsistoriums in dieser Sache sind 9 Beyer, Maßnahmeplan, Berlin, 10. 12. 1956 (BStU Berlin, MfS, 14031/63, Bd. 2, 154). 10 Die Hauptabteilung V war zuständig für die Überwachung der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Sie war die Vorgängerin der 1964 gegründeten HA XX, in deren Aufgabenbereich die Überwachung von Staatsapparat, Blockparteien, Kirchen, Kultur und des „politischen Untergrunds“ fielen. Zu HA V/4 und HA XX vgl. Auerbach u. a., Hauptabteilung XX. 11 Vgl. Beyer, Maßnahmeplan, 10. 12. 1956 (BStU Berlin, MfS, 14031/63, Bd. 2, 154). 12 Vgl. Werner Jauch, Bericht, Berlin, 26. 1. 1959 (BStU Berlin, MfS ZA, ASt I, 23/59 Bd. 1, Bl. 7). 13 Aus diesem Grund fragte Mund im Dezember 1956 beim Konsistorium der EKiBB wegen eines Dienstwagens an, worauf man ihm mitteilte, dass man ihm Ende Januar 1957 einen neuen Wartburg zur Verfügung stellen könne, falls er die erforderliche Einfuhrgenehmigung für den von der westfälischen Kirche gespendeten Volkswagen nicht erhalten sollte (vgl. Konsistorium der EKiBB, Schreiben an Hans-Joachim Mund, Berlin, 21. 12. 1956, ELA Berlin, 35/581 o. Pag.). 14 Johannes Zachau, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin, 30. 6. 1955 (ELA Berlin, 15/5093, o. Pag.). Hier auch das Folgende.
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nicht rekonstruierbar. Gesichert ist lediglich, dass Mund am 1. Juni 1956 zu einem persönlichen Gespräch bei Bischof Dibelius erschien, in dem dieser Mund ebenso zu seiner wissenschaftlichen Arbeit wie zu seiner Tätigkeit im Strafvollzug befragte. Auch ließ er sich versichern, dass Mund trotz seiner Hochkirchlichen Ausrichtung und Ordination durch Heiler in Marburg im März 1948 mit den Grundsätzen der EKiBB konform ging: „Hinsichtlich der kirchlichen Haltung gab Prädikant Mund befriedigende Erklärungen ab. Hinsichtlich seiner Heilerschen Ordination ergab sich, dass er nicht daran denkt, diese als geistliche Grundlage für seinen Dienst innerhalb der Kirche anzusehen.“15
Im Anschluss erklärte Dibelius, dass das durchgeführte Gespräch „als ein Colloquium anstelle des zweiten Examens anzusehen und als bestanden zu erklären ist“, und bat das Konsistorium, Mund die Anstellungsfähigkeit zu erteilen. Entsprechend wurde Mund am 19. März 1957, nachdem er fast sieben Jahre lang ohne kirchlichen Auftrag die Gefängnisse in der DDR seelsorgerlich betreut hatte,16 im Frauengefängnis in der Berliner Barnimstraße durch Fritz Führ als Generalsuperintendent von Berlin (Sprengel II) im Beisein von Superintendent Zachau und Bluhm ordiniert.17 Die im erwähnten Maßnahmenplan von 1956 greifbaren Bestrebungen, Mund aus der der VSV auszuschließen, wurden zunächst nicht umgesetzt, woraus geschlussfolgert werden kann, dass dem kirchlicherseits verfolgten Plan, Mund durch das Zweite Theologische Examen und die Ordination gewissermaßen zu beschützen, Erfolg beschieden war. Mund arbeitete weiter als Angestellter der VSV und übernahm den seelsorgerlichen Dienst im Frauengefängnis in der Barnimstraße sowie in der StVA Rummelsburg in Berlin. Obwohl die überlieferten Quellen zu Mund und zur evangelischen Gefängnisseelsorge im Strafvollzug der DDR überhaupt ab 1957 quantitativ stark zurückgehen, wird deutlich, dass Mund nach der Zuerkennung des Zweiten Theologischen Examens noch enger mit der Kirche kooperierte als zuvor. Besonders die Zusammenarbeit zwischen ihm und OKR Behm intensivierte sich, wobei die Kommunikation – zweifellos um die Möglichkeiten des MfS, Informationen über deren Inhalte zu beziehen, einzuschränken – vorwiegend mündlich oder per persönlich überbrachter schriftlicher Nachrichten erfolgte. Es sind somit im Wesentlichen Randnotizen, welche diese partiell noch 15 Otto Dibelius, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin, 1. 6. 1956 (ELA Berlin, 15/ 5093, o. Pag.). Hier auch das Folgende. 16 Erstmalig im Jahr 1952 hatte OLKR Gottfried Knospe sich bemüht, Mund für seinen Dienst in Bautzen einen Auftrag der Sächsischen Landeskirche zu erteilen. Dies war jedoch an dem fehlenden Zweiten theologischen Examen Munds gescheitert (vgl. Gottfried Knospe, Aktenvermerk, Dresden, 16. 2. 1952, LKA Dresden, 3/41, 134 f.; ders., Schreiben an Hans-Joachim Mund, Dresden, 26. 4. 1952, LKA Dresden, 2/317, Bl. 29). 17 Vgl. Fritz Führ, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin, 19. 3. 1957 (ELA Berlin, 15/ 5093, o. Pag.).
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rekonstruierbar machen.18 So weist z. B. ein von Hand geschriebener Vermerk am unteren Blattrand eines Schreibens von Behm an Mund darauf hin, dass sich dieser im April 1957, als der Thüringer OKR Säuberlich ihn aufgrund von Problemen bei der Organisation der Gefängnisseelsorge in Gräfentonna und im Haftkrankenhaus Eisenach aufsuchte, mit Mund persönlich über das weitere Vorgehen beriet.19 In den Zusammenhang der enger werdenden Kommunikation zwischen Mund und der Kirchenkanzlei gehört auch die vertrauliche Information Letzterer durch Mund über die bei der VSV in Arbeit befindlichen neuen Richtlinien für die Gefängnisseelsorge. Über Munds seelsorgerliche Arbeit in der Rummelsburger StVA ist wenig bekannt, jedoch ist deutlich, dass sich diese offensichtlich schwierig gestaltete. Bereits im Dezember 1956 – also nur wenige Wochen, nachdem Mund den seelsorgerlichen Dienst in Ostberlin übernommen hatte, – bekundete die Leiterin der StVA Hedwig Scholz gegenüber der Staatssicherheit ihre Abneigung gegenüber Mund.20 Der neue Anstaltspfarrer sei überheblich. Er wolle mit „Herr Pfarrer Mund“ angesprochen werden und keinesfalls mit „Genosse“ und Dienstgrad. Für die Einzelseelsorge hätte er ein Zimmer verlangt, zu dem kein Wachtmeister Zutritt habe, und bei der Terminierung der Gottesdienste sollte sich die Anstaltsleitung nach ihm richten. Mund habe weiterhin verlangt, dass seine schriftliche Arbeit durch eine Sekretärin erledigt werde. Der Mitarbeiter der Staatssicherheit schloss den Bericht zusammenfassend: „Die Genossin Oberrat Scholz war über das Auftreten des VP-Kommandeurs sehr empört und sagte, sie will ihn, solange er sich in der Anstalt aufhält, nicht aus dem Auge lassen. Sie fragte, ob es nicht möglich ist, in das Zimmer eine Abhörvorrichtung einzubauen. Sie sieht in ihm eine Gefahr des Kassiber-Schmuggels.“21
Die von Scholz nach der Flucht Munds im Januar 1959 als Zeugin gegenüber der VP gemachten Aussagen geben weitere Informationen über Munds Tätigkeit in der StVA Barnimstraße und deren Überwachung und Behinderung.22 So heißt es hier, dass Munds Predigten mitgeschrieben und an die Politabteilung der VSV weitergeleitet wurden, wo sich Mund dann für deren Inhalte rechtfertigen musste. Zudem habe Mund, als sich keine Gefangenen für die Einzelgespräche, auf deren Möglichkeit er während der Gottesdienste immer wieder hingewiesen habe, meldeten, eigene Listen von Namen Gefangener mitgebracht, die er von der Kirchenkanzlei erhalten habe. Sie habe sich jedoch 18 So findet sich auf einigen Briefen der Zusatz, dass dieser nach der erfolgten Reinschrift an Behm zu übergeben sei, da das Schreiben Mund persönlich ausgehändigt werde (vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an das MdI, Berlin, 28. 3. 1957, EZA Berlin, 104/957, o. Pag.). 19 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Aktenvermerk, Berlin, 11. 4. 1957 (EZA Berlin, 104/957, o. Pag.). 20 Vgl. Pannier, Bericht, Berlin, 20. 11. 1956, und Schaumburger, Bericht, Berlin, 11. 12. 1956 (BStU Berlin, MfS 14031/63, Bd. 2, Bl. 153, 156). 21 Pannier, Bericht, Berlin, 20. 11. 1956 (BStU Berlin, MfS 14031/63, Bd. 2, Bl. 153). 22 Vgl. Küchler, Vernehmung, Berlin, 26. 1. 1959 (BStU Berlin, MfS ZA, ASt I, 23/59 Bd. 1). Hier auch das Folgende.
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geweigert, Mund die auf der Liste notierten Frauen vorführen zu lassen. In der ebenfalls von Mund betreuten Anstalt in Rummelsburg vollzogen sich Überwachung und Behinderung der Seelsorge analog.23 Gegenüber Jauch äußerte Mund angesichts des vollständigen Ausbleibens von Interessierten an der Einzelseelsorge, dass es kaum möglich sein könne, dass sich im gesamten Raum Ostberlin kein einziger Gefangener für die Einzelseelsorge melden würde, wenn diesbezüglich nicht Druck von Seiten der Anstaltsleitungen ausgeübt werde. Nach Aussage von Scholz von 1959 hatte es zwischen ihr und Mund explizite Diskussionen um die Frage gegeben, was unter Seelsorge zu verstehen sei.24 Sie habe Mund zu verstehen gegeben, dass sie unter Einzelseelsorge lediglich Erläuterungen zu den Predigten oder aber das Rezitieren von Bibelversen zu Erbauungszwecken verstehe. Mund habe dagegengehalten, dass seine Aufgaben als Seelsorger auch in der Aufrechterhaltung der Verbindung zu den Familien, in der Vermittlung bei Ehestreitigkeiten und in vielem anderen liege. Hier, so Scholz 1959, „gingen die Meinungen zwischen ihm und mir auseinander, da diese Aufgaben der Verwaltung Strafvollzug obliegen.“ Munds Anwesenheit in den Ostberliner Gefängnissen ebenso wie in seiner Dienststelle bei der VSV war 1957 erneut durch längere Abwesenheits- bzw. Krankheitszeiten unterbrochen. Sein Kuraufenthalt in Karlovy Vary im selben Jahr brachte ihm hinsichtlich seines Leberleidens nur wenig Linderung, weshalb Mund auch 1958 krankheitsbedingt vielfach ausfiel.25 Dass Mund sich durch diese krankheitsbedingten Ausfälle seiner Arbeit bei der VSV bewusst entzog, kann nur vermutet werden.
23 Vgl. Hans-Joachim Mund, Schreiben an Genossin Flöricke und Genosse Lahl beim Referat für Kirchenfragen beim Magistrat von Groß-Berlin, o. Ort, 24. 1. 1959 (BStU Berlin, MfS, HA XX/4 269, AOP 14031/63, Bd. 2, 177–179). Hier auch das Folgende. 24 Vgl. Küchler, Vernehmung, Berlin, 26. 1. 1959 (BStU Berlin, MfS ZA, ASt I, 23/59 Bd. 1). Hier auch das Folgende. 25 Im April 1958 erwähnt Behm eine längere Krankheitsperiode Munds in einem Schreiben an das LKA Sachsen: „Es bestand bisher keine Möglichkeit mit Herrn Pfarrer Mund, der seit längerer Zeit krank ist, diesbezüglich Rücksprache zu nehmen und uns zu informieren, wie Herr Pfarrer Mund sich bei seiner Argumentation auf eine Anregung von Oberst Siegemund beziehen kann.“ (vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an das LKA Sachsen, Berlin, 22. 4. 1958, EZA Berlin, 103/ 101, Bl. 195). Emil Fuchs schrieb im August 1958 in seinem über Mund angefertigten Gutachten: „Leider können die Ärzte kein sicheres Datum geben, bis wann die Erkrankung der Leber überwunden sein könnte. So muß man mit Geduld abwarten, daß endlich die volle Arbeitskraft wiederhergestellt wird.“ (Emil Fuchs, Schreiben an den Prorektor für den wissenschaftlichen Nachwuchs der Humboldt-Universität zu Berlin, Wandlitzsee, 14. 8. 1958, HUB UA Berlin, Nachlass Fuchs, 1161, o. Pag.).
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1.3 Flucht im Januar 1959 Am 12. Januar 1959 erschien Mund zum Dienst bei der VSVund nahm noch an demselben Tag an einer Tagung des Friedensrates im Haus der Presse in Berlin teil.26 Nur zwei Tage später setzte er sich mit seiner Frau und seiner Tochter nach Westberlin ab27 und wurde von dort auf kirchliches Betreiben am 15. Januar nach München ausgeflogen. Schon im März des Jahres trat Mund eine Stelle als Seelsorger in der Psychiatrie in Bruchberg bei Ansbach in Bayern an und am 1. Juni 1959 wurde er Gemeindepfarrer in Wasserburg am Inn.28 Mund hat sich nach seiner Flucht in die Bundesrepublik kaum über seine Tätigkeit als hauptamtlicher Gefängnisseelsorger in der DDR geäußert. Im November 1959 lehnte er die Bitte des Journalisten Günter Lincke, einen Redebeitrag zum Gedenken an die Opfer der Justiz in der SBZ und der DDR zu verfassen,29 mit Bestimmtheit ab: „Sicher könnte ich die von Ihnen sachlich gewünschte Erinnerung an die Menschen, die in den Zuchthäusern der Zone starben, geben. Aus Rücksicht auf meine Amtsbrüder, die noch in der Strafanstaltsseelsorge stehen, empfiehlt es sich nicht, den dortigen Staat durch eine Sendung, in der meine Person erscheint, besonders zu reizen. Es würden ihnen nur neue Schwierigkeiten daraus erwachsen. Aus Gründen der persönlichen Sicherheit habe ich auch keinerlei Interesse daran, die Aufmerksamkeit des Staatssicherheitsdienstes erneut auf meine Person zu lenken. Vielleicht kommt einmal die Zeit, wo ich ohne Rücksichtnahme auf die obigen Gründe reden kann. Ich möchte Sie bitten, von der Kenntnis meiner Anschrift keinen weiteren Gebrauch zu machen.“30
26 Vgl. Fetkulin, Bericht, Berlin, 23. 1. 1959 (BStU Berlin, MfS 14031/63, Bd. 2, 89–94). 27 Mund hatte einen Tipp betreffend seine unmittelbar bevorstehende Verhaftung mittels eines Codeworts erhalten. Raddatz als Ziehsohn Munds, der die DDR bereits im Dezember 1959 verlassen hatte, erinnert das Geschehen wie folgt: „Ja, es gab dieses Codewort, es hieß ,Remember‘. Das hatten wir für alle (Not-)Fälle miteinander verabredet, niemand außer uns beiden kannte es; es sollte signalisieren, daß jegliche mit diesem Codewort spezifizierte Nachricht autorisiert ist, also tatsächlich vom Absender (und nur von dem einen Absender) stammt. Nach meiner Flucht aus Ostberlin wurde ich von einem Secret-Service Offizier der Amerikaner besucht, befragt usw. Im Laufe des zweiten Gesprächs berichtete mir dieser Amerikaner, daß Pastor Mund kurz vor seiner Verhaftung stehe (nicht verwunderlich nach seiner Vorgeschichte). Ich schickte kein Telegramm, wie Sie vermuten, sondern einen Brief nicht an IHN (was ja nicht opportun gewesen wäre), sondern an den ihm sehr vertrauten Pfarrer Rackwitz in Westberlin (den auch ich gut kannte) mit der dringenden Bitte, den Brief umgehend persönlich Pastor Mund in Grünau zu überbringen. Dieser Brief, die Warnung an Mund, war mit dem Codewort versehen. Das geschah und das war dann der Anlaß, der Anstoß zur Flucht der Familie Mund.“ (Fritz Raddatz, Email an Veronika Albrecht-Birkner, o. Ort, 21. 1. 2015, Privatarchiv SiedekStrunk). 28 Vgl. Haase, Utopie. 29 Vgl. Günter Lincke, Schreiben an Hans-Joachim Mund, 6. 11. 1959 (Privatarchiv Haase). 30 Hans-Joachim Mund, Schreiben an Günter Lincke, 13. 11. 1959 (Privatarchiv Haase).
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Munds Äußerung zu dieser Anfrage spiegelt deutlich das Bewusstsein für die speziell vom MfS auch weiterhin für ihn ausgehende Gefahr wider. In den Unterlagen des MfS zu Mund befindet sich ein auf den 14. Januar 1959 – den Tag der Flucht Munds – datierter Operativplan mit Details zur Bearbeitung Munds und einer weiteren Person und der zusätzlichen Bemerkung, dass Mund nach dem Eingang seiner aktuellen Beurteilung aus dem Vorgang zu streichen sei.31 Diese Bemerkung deutet darauf hin, dass Mund zu diesem Zeitpunkt weniger kritisch gesehen wurde als in den Jahren zuvor und dass auch keine Verhaftung bevorstand – was zugleich erklären könnte, weshalb er trotz intensiver Bearbeitung durch das MfS seit 1956 seinen Dienst bei der VSV dennoch hatte weiter ausüben können. Offensichtlich bestanden auf staatlicher Seite auch weitergehende Interessen an Mund, die sich aber auf den universitären Bereich richteten. So heißt es in einem vom 23. Januar datierenden, vom MfS angefertigten Bericht über ihn: „Von seiten der Verwaltung Strafvollzug wurden wiederholt Absprachen mit der Abteilung Sicherheitsfragen beim ZK betr. Mu n d geführt mit dem Ziel, M. als Unsicherheitsfaktor aus der Abteilung Strafvollzug zu entfernen. Eine Regelung erfolgte jedoch nicht. Als Grund wurde angegeben, den M. solange zu beschäftigen, bis dieser als Professor an einer theologischen Fakultät untergebracht sei.“32
Der hier angesprochene Wechsel Munds von der VSV an eine Theologische Fakultät war Gegenstand eines Gespräches gewesen, das Barth als Leiter der Abteilung Kirchenfragen beim ZK, am 5. Januar mit Mund geführt hatte.33 Konkret war es um einen Wechsel an die Karl-Marx-Universität Leipzig mit Perspektive auf eine Professur an der Humboldt-Universität in Berlin gegangen. Es habe laut MfS bei Mund die Gefahr der Republikflucht bestanden,34 weshalb Barth Mund „seine große Perspektive in der DDR aufgezeigt“ habe.35 Der über Mund am 6. März 1959 durch die HVDVP angefertigte Abschlussbericht unterstreicht die Einblicke Munds in den Strafvollzug der DDR. Mund 31 Vgl. Gütling, Operativplan, Berlin, 14. 1. 1959 (BStU Berlin, MfS 14031/63, Bd. 2, 79). 32 Fetkulin, Bericht, Berlin, 23. 1. 1959 (BStU Berlin, MfS 14031/63, Bd. 2, 89–94). 33 Vgl. Gütling, Mund, Bericht, 26. 1. 1959 (BStU Berlin, MfS 14031/63, Bd. 2, 83). Hier auch das Folgende. 34 Die Einschätzung des MfS, dass bei Mund Republikfluchtabsichten bestanden, resultierte laut einem am 21. 1. 1959 von Hauptmann Franz Sgraja von der HA V/4 angefertigten Bericht aus (offensichtlich abgehörten) Informationen aus dem Büro von Präses Kurt Scharf. Hier hatte Mund am 19. 12. 1958 in einer als Beichtgespräch charakterisierten Unterredung mit Scharf seine Unzufriedenheit bezüglich seiner gegenwärtigen beruflichen Situation zum Ausdruck gebracht und Überlegungen angestellt, die DDR zu verlassen. Hierzu heißt es: „Diese Information wurde am 25. 12. 1958 dem Gen. Willi Barth vom ZK mündlich mitgeteilt, mit dem Vorschlag, mit Mu n d über seine weitere Tätigkeit zu sprechen.“ (Franz Sgraja, Bericht, Berlin, 21. 1. 1959, BStU Berlin, MfS AP Nr. 20375/92, Bl. 29 f., Zitat 29). 35 Eine Hochschulkarriere Munds hatte das Staatssekretariat für das Hoch- und Fachschulwesen bereits seit spätestens 1958 im Auge. Obwohl Mund nicht promoviert war, war er als möglicher Nachfolger Otto Haendlers auf dem Lehrstuhl für Praktische Theologie an der Berliner Humboldt-Universität vorgesehen worden (vgl. Stengel, Theologischen Fakultäten, 398).
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sei in Besitz von Informationen wie „Kenntnis über Stimmungen in den Anstalten, über bauliche Besonderheiten und ihrer Bewachung“36 Auch hieß es, Mund habe im Rahmen seiner Tätigkeit bei der VSV Spionage für westliche Geheimdienste betrieben. Trotz derartiger Anschuldigungen empfahl der Verfasser im letzten Satz des Schreibens, das Verfahren gegen Mund vorläufig einzustellen.37 Die MfS-Akte Munds enthält drei von ihm verfasste, offensichtlich abgefangene Briefe, in denen er die Gründe für seinen Entschluss, die DDR zu verlassen, darlegte. Das erste Schreiben richtete Mund nur drei Tage nach seiner Flucht an Scharf als Bischof der EKiBB und teilte diesem mit: „Wenn Sie diese Zeilen erhalten, dann habe ich die DDR verlassen. Ich bedauere es sehr, daß ich sie so enttäuschen muss. Die Umstände waren leider stärker als mein guter Wille, den Dienst an meinen Gemeinden durchzuhalten. Man hat mir Dinge zugemutet, die sich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren liessen. Mehr möchte ich nicht schreiben, noch habe ich weder die äussere noch innere Ruhe dazu.“38
Ausführlicher äußerte Mund sich in seinem Schreiben an Frau E. Flöricke und Herrn Lahl vom Referat Kirchenfragen des Groß-Berliner Magistrats vom 24. Januar 1959.39 Hier beschrieb er seine Flucht als Konsequenz „jahrelanger Enttäuschungen und von sich immer mehr steigernden Gewissenskonflikten“. Es sei ihm schwer gefallen, die Ideen des Religiösen Sozialismus, für die er sich seit seinem 16. Geburtstag begeistert habe, aufzugeben, doch habe ihn seine Arbeit bei der VSV davon überzeugt, dass alles, für was die DDR stehe, „nichts mit Sozialismus im Sinne von Marx und Engels zu tun“ habe. Die Verfassung sei den Genossen „einen Pfifferling wert“. „Strategie und Taktik“ stünden stets im Vordergrund, weshalb Menschen und Gesetze skrupellos geopfert werden würden. Entgegen der Propaganda existiere in der DDR keine Diktatur des Proletariats, die Macht sei vielmehr in den Händen eines kleinen Teils des Politbüros. Er, Mund, habe seine Arbeit im Strafvollzug unter der Bedingung aufgenommen, jeden Inhaftierten ohne Bewachung seelsorgerlich betreuen zu können – ein Zugeständnis, welches man später gebrochen habe. Mund fuhr fort:
36 Papst, Schlussbericht, Berlin, 6. 3. 1959 (BStU Berlin, MfS 14031/63, Bd. 2, Bl. 95–98, Zitat 97). 37 Entsprechend wurde gemäß einem Aktenvermerk der HA VII/1/2 des MfS (zuständig für MDI und VP) dem Generalstaatsanwalt von Groß-Berlin durch die HVDVP tatsächlich die vorläufige Einstellung des Verfahrens empfohlen, da momentan kein operatives Interesse bestehe. Das vorhandene Material solle dem Archiv übergeben werden (vgl. Fetkulin, Bericht, Berlin, 19. 6. 1959, BStU Berlin, MfS AP 20375/92, Bl. 182). 38 Hans-Joachim Mund, Schreiben an Kurt Scharf, 17. 1. 1959 (BStU Berlin, MfS, 14031/63, Bd. 2, 161). 39 Ders., Schreiben an Genossin Flöricke und Genosse Lahl beim Referat für Kirchenfragen beim Magistrat von Groß-Berlin, o. Ort, 24. 1. 1959 (BStU Berlin, MfS, HA XX/4 269, AOP 14031/63, Bd. 2, 177–179). Hier auch das Folgende.
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„Man hat an mich gerichtete Post einfach unterschlagen, der Brief von Niemöller war kein Einzelfall. In Torgau z. B. wurde die Meldung von Gefangenen zur Sprechstunde unterdrückt und man besaß noch die Geschmacklosigkeit, einem Amtsbruder gegenüber sich dessen zu rühmen. Das letzte Jahr in den Berliner Anstalten hat mir den Rest gegeben. Ein Gespräch mit Oberst Jauch machte mir die ganze Unmöglichkeit meiner dortigen Position deutlich. Als ich ihm sagte, es sei mir nicht glaubhaft, daß sich in den Berliner Anstalten kein Gefangener zur Sprechstunde melde, gab er mir zu, daß das auch seine Meinung sei. Auf meinen Apell hin, dann doch die Anstaltsleiter zur Einhaltung der demokratischen Gesetzlichkeit zu bewegen, lehnte er dies ab mit der Begründung, der würde nur noch raffiniertere Methoden zur Erschwerung meiner Arbeit anraten. Als ich mir keinen anderen Rat mehr wußte und Oberst Siegemund mitteilte, daß ich mich beim Generalstaatsanwalt beschweren würde, war seine Antwort: ,Sie sind wohl verrückt geworden‘. Am 12. 1., bei meiner letzten Unterredung mit ihm, machte er mir wieder Mitteilung von einer Beschwerde über eine Predigt aus der Anstalt Berlin II [Rummelsburg – SiSt]. In diesen häufigen Beschwerden lag System, man wollte mich offensichtlich aus der Arbeit drängen. Die Beschwerden stimmten sachlich nicht. Genausowenig, wie es der Wahrheit entsprach, daß ich verhaftet sei und bereits die Weitergabe von Gefangenenlisten nach Westdeutschland gestanden habe; mit dieser Behauptung hatte die Staatssicherheit Gefangene in Bautzen zu Aussagen erpressen wollen.“
Mund berichtete weiter, dass ihm der Entschluss, die DDR zu verlassen, schwer gefallen sei, aber ein konsequenter und nötiger Schritt gewesen wäre, da er vom Staat als „Feigenblatt“ benutzt worden sei, „hinter dem sich die nackte Blöße am Verrat des Sozialismus und die Unmenschlichkeit verbirgt“. Er habe diese Missstände nicht mehr durch eine nach außen propagierte Gefängnisseelsorge decken wollen, die in der Praxis nicht mehr vorhanden sei, wodurch der Staat die Menschenwürde verletze. Eine besonders deutliche Sprache spricht Munds vier Seiten umfassender Brief an den Vorsitzenden des Bundes Evangelischer Pfarrer in der DDR Wolfgang Caffier vom 25. Januar 1959.40 Mund kritisierte hier hart die verdeckte staatliche Finanzierung und somit fehlende Souveränität des Pfarrerbundes. Selbst Mitglied des Pfarrerbundes, hatte er erst nach seiner Wahl in den geschäftsführenden Ausschuss, die ihm Einblick in die Finanzen des Bundes ermöglichte, festgestellt, dass dieser nicht – wie von Caffier behauptet – ein staatliches Darlehen über 50.000 Mark erhalten hatte, sondern ein vollständig vom Staat finanziertes Instrument der Differenzierungspolitik war:
40 Vgl. Hans-Joachim Mund, Schreiben an Wolfgang Caffier, 25. 1. 1959 (BStU Berlin, MfS, AP 20375/92, 24–27). Hier auch das Folgende. Zum Bund Evangelischer Pfarrer in der DDR vgl. Bulisch, Presse, 182–189; Goerner, Kirche, 251–258; Mau, Realsozialismus, 109–115.
Übernahme der staatlichen Seelsorge durch H. Bluhm und E. Giebeler
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„Mehr als peinlich berührt hat mich das ganze System der Aufwandsentschädigungen und der Etat mit doppeltem Boden. Es ist mir unbegreiflich, wie Sie noch glauben können, jene ungeteilte Verantwortung wahrnehmen zu können, […] wenn Sie sich vom Staat derartig goldene Fesseln anlegen lassen. Sie wissen genau wie ich, daß nach Ansicht der staatlichen Funktionäre Kirche und Christentum immer als ein zu bekämpfender Überrest bürgerlicher Ideologie anzusehen sind. Der Staat kann daher gar nicht die Rolle eines freundlichen Protektors ihm loyal ergebener, aber auch ihrem Herren treuer Pfarrer einnehmen. Er muss von seiner Position her sie nur als Mittel zum Zweck seiner kirchenpolitischen Ziele benutzen – und die heißen eben Beseitigung aller religiöser Institutionen und Kräfte. Wenn sich dann Pfarrer finden, die ihm bei diesem Ziel noch helfen, dann kann ihm das nur recht sein […]. Es geht nicht um ein rechtes Kräftemessen des Glaubens mit dem marxistischen Atheismus – wer wollte das nicht bejahen. Es geht vielmehr darum, daß der Staat den Pfarrerbund benutzt, um die Einheit der Kirche aufzubrechen, damit ihr vermeintlicher Zerfallsprozess sich beschleunige.“
Die Vorgänge um den Pfarrerbund hatten Mund in seiner Entscheidung, dem System den Rücken zu kehren, bestärkt, zumal er sich nach zehn Jahren Tätigkeit für die Regierung der DDR hatte eingestehen müssen, dass die von ihm angestrebte und stets für möglich gehaltene Vereinbarkeit von Religion und Sozialismus in der DDR gescheitert war: „[…] bedenken Sie, daß ich seit fast 30 Jahren um die Verwirklichung der Dinge, von denen ich meine, daß auch Ihnen sie am Herzen liegen, gerungen habe [gemeint ist hier die Vereinbarkeit von sozialistischer Ideologie und Christentum – SiSt]. Durch meine Stellung im ZK der SED und dem MdI habe ich einen so intensiven Eindruck von den Schwierigkeiten erhalten, ich möchte sogar sagen von der Unmöglichkeit, das zu verwirklichen, was Ihnen vorschwebt – daß Sie mein Urteil nicht einfach ignorieren sollten.“
In den von Mund nach seiner Flucht verfassten Briefen kommt deutlich zum Ausdruck, wie stark er vom SED-Staat enttäuscht und sich seiner Ohnmacht gegenüber dessen Machtstrukturen bewusst war. Sie lassen den für ihn und für die Religiösen Sozialisten überhaupt schmerzhaften und zermürbenden Prozess der Einsicht in die Tatsache, dass die DDR nicht der evangeliumsgemäße Staat war und werden würde, auf den man gehofft hatte, sondern eine letztlich menschenverachtende Diktatur, erahnen.
2. Übernahme der staatlichen Seelsorge durch Heinz Bluhm und Eckart Giebeler In seiner Funktion als einer von drei hauptamtlichen Seelsorgern in der DDR wurde Mund nicht ersetzt, was zur Folge hatte, dass der Strafvollzug in Ost-
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berlin von evangelischer Seite seelsorgerlich nicht mehr betreut wurde. Zwar schlug Präses Scharf mit Schreiben vom 13. März 1959 der VSV Rudolf Schade aus Berlin-Pankow als Nachfolger im Amt des Seelsorgers für die beiden ehemals von Mund betreuten Vollzugsanstalten Rummelsburg und das Frauengefängnis in der Barnimstaße vor,41 doch kam es zu keiner Bestätigung bzw. Beauftragung desselben durch die VSV. Auch Pfarrer Hans-Joachim Seilkopf, der gemäß Scharf „bekannt ist durch seine Mitarbeit in der Friedensbewegung der Deutschen Demokratischen Republik“, wurde durch die VSV trotz einer durchaus guten Beurteilung vom Referat Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Potsdam42 und der Tatsache, dass „auch die anderen an dieser Angelegenheit interessierten Organe gehört wurden und ihre Zustimmung erteilt haben“,43 für den Einsatz in der Seelsorge abgelehnt. Mit Schreiben vom 21. Juli 1959 unterbreitete die VSV dem Konsistorium der EKiBB einen Gegenvorschlag zu Seilkopf: „Die Verwaltung Strafvollzug schlägt im Interesse der Aufrechterhaltung der Seelsorge in den zwei Berliner Vollzugsanstalten vor Pfarrer Heinz Bluhm, Waldheim, als Seelsorger einzusetzen. Die Verwaltung SV nimmt an, das Ihrerseits dagegen keine Einwände erhoben werden und wird die Leiter der StVA Berlin I und Berlin II hierüber informieren.“44
Das Konsistorium stimmte diesem Vorschlag der VSV zu, da es mit dieser Lösung den Fortbestand der Gefängnisseelsorge in Ostberlin nicht nur gesichert, sondern in der Hand eines Mannes sah, der diesbezüglich ebenso viel Erfahrung mitbrachte, wie Mund sie gehabt hatte. Scharf, dabei zugleich annehmend, dass Bluhm die seelsorgerliche Arbeit in Waldheim mit dem Auftrag in Ostberlin aufgab, dankte der VSV herzlich für diese Regelung. Man habe bereits mit der sächsischen Kirchenleitung Kontakt aufgenommen und diese gebeten, einen Nachfolger Bluhms für die Arbeit in Waldheim vorzuschlagen, und erwarte nun, dass Bluhm in Sachen seines Dienstantritts in Berlin umgehend beim Konsistorium der EKiBB vorstellig werde.45 Doch anstelle Bluhms erreichte das Konsistorium der EKiBB lediglich ein Schreiben desselben, in dem dieser um einen einmaligen Zuschuss in Höhe von 500 Mark 41 Vgl. Kurt Scharf, Schreiben an das Staatssekretariat für Kirchenfragen, 13. 3. 1959 (EZA Berlin, 104/959, o. Pag.). 42 In der direkt an den Staatssekretär für Kirchenfragen gesandten Beurteilung hieß es zu Seilkopf: „Er ist absolut gegen die Kirchenleitung eingestellt, jedoch von Natur sehr ängstlich und in der letzten Zeit zu schwach, um sich offen zu bekennen. […] Als Anstaltsgeistlicher würde er jedoch unabhängiger sein [von seiner Landeskirche, der EKiBB – SiSt.], sodass die Möglichkeit bestände, ihn mehr als bisher an die politische Arbeit heranzuziehen.“ (Rat des Bezirkes Potsdam, Schreiben an den Staatssekretär für Kirchenfragen, Potsdam, 13. 4. 1959, BArch Berlin, DO 4/ 1727, Bl. 519). 43 Ernst Kusch, Aktenvermerk, Berlin, 18. 6. 1959 (BArch Berlin, DO 4/1727, Bl. 529). 44 VSV, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin,17. 7. 1959 (ELA Berlin, 35/581, o. Pag.). 45 Vgl. Kurt Scharf, Schreiben an die VSV, Berlin, 24. 7. 1959 (ELA Berlin, 35/581, o. Pag.).
Übernahme der staatlichen Seelsorge durch H. Bluhm und E. Giebeler
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für die Winterbereifung seines PKWs bat, da er seinen Wohnsitz in Waldheim behalten wolle und für die Durchführung der Gottesdienste in den Berliner StVA dann jeweils anreisen müsse. Die Beihilfe sei erforderlich, damit es bei winterlichen Witterungsbedingungen nicht zu Ausfällen von Gottesdiensten komme.46 Im Konsistorium der EKiBB und bei der Kirchenkanzlei zeigte man sich irritiert. OKR Behm bat Bluhm zum Gespräch, da ihm unklar sei, wie Bluhm seine seelsorgerlichen Tätigkeiten parallel in den weit voneinander entfernt gelegenen StVA in Waldheim, Hoheneck47 und Berlin zu organisieren gedachte.48 Dabei hatte er noch nicht einmal im Blick, dass Bluhm nach der Versetzung Munds von Bautzen nach Berlin zusätzlich dessen Dienst in der StVA Bautzen I übernommen hatte49 und somit insgesamt auch für eine viel zu große Anzahl an Gefangenen zuständig war. Das Konsistorium der EKiBB legte bei der VSV gegen diese Pläne Einspruch ein, da ein Seelsorger einen so großen Arbeitsbereich nicht ohne qualitative Einbußen bei der Seelsorge bewältigen könne. Es bat die VSV, von der Übergabe des Seelsorgeauftrags für die Ostberliner StVA an Bluhm abzusehen und stattdessen noch einmal den Einsatz von Seilkopf zu überdenken.50 Bluhm selbst und die VSV beharrten jedoch auf der Meinung, dass die seelsorgerliche Versorgung von Bautzen, Ostberlin, Hoheneck und Waldheim bei Einsatz eines PKWs zur Zurücklegung der Wegstrecken von einem Seelsorger zu bewältigen sei.51 Im März 1960 traf sich OKR Behm mit den Verantwortlichen bei der VSV.52 46 Vgl. Heinz Bluhm, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, o. Ort, 3. 9. 1959 (ELA Berlin, 35/ 581, o. Pag.). 47 Im Januar 1959 berichtete Bluhm, dass er das Frauengefängnis Hoheneck zwecks Durchführung der Einzelseelsorge etwa alle fünf Wochen besuche, wobei stets ein Wachtmeister zugegen sei (vgl. Superintendentur Stollberg, Schreiben an das LKA Sachsen, 9. 1. 1959, LKA Dresden, 2/ 345, Bl. 70). Offensichtlich um Hoheneck besser in die Seelsorge einzubinden, bemühte sich Bluhm im Oktober 1959 dann um die Beauftragung eines nebenamtlich tätigen Geistlichen direkt beim Stollberger Superintendenten Helm und somit unter Umgehung der Kirchenkanzlei (vgl. Kirchenamtsrat Leipzig, Schreiben an das LKA Sachsen, Leipzig, 12. 10. 1959, LKA Dresden, 2/345, Bl. 120). 48 Hans-Jürgen Behm, Schreiben an Heinz Bluhm, Berlin, 6. 10. 1959 (LKA Dresden, 2/345, Bl. 119). 49 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, 13. 12. 1956 (EZA Berlin, 103/101, Bl. 168). 50 Konsistorium der EKiBB, Schreiben an die VSV, Berlin, 30. 10. 1959 (ELA Berlin, 35/581, o. Pag.). 51 Vgl. Heinrich Mehner (VSV), Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Berlin, 8. 12. 1959 (ELA Berlin, 35/581, o. Pag.). 52 Der Aktenvermerk weist Major Karow und Hauptmann Dittmar als Gesprächspartner Behms aus. Diese informierten ihn, dass Oberstleutnant Mehner der zuständige Abteilungsleiter sei, die Sachbearbeitung obliege Dittmar (Hans-Jürgen Behm, Aktenvermerk, Berlin, 22. 3. 1960, EZA Berlin, 104/959, o. Pag.). Hier auch das Folgende. Somit mussten sich OKR Behm und die Kirchenkanzlei zum Jahresbeginn 1960 auf neue Ansprechpartner bei der VSVeinstellen, die die in den vorherigen Jahren für die Gefängnisseelsorge zuständigen Jauch und Siegemund ersetzten.
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Auf seine Frage, ob man sich hier Gedanken um einen Nachfolger von Mund zur Unterstützung der beiden verbliebenen hauptamtlichen Seelsorger Giebeler und Bluhm gemacht habe, da diese nach Ansicht Behms mit der derzeitigen Situation überfordert seien, erhielt Behm keine Antwort und notierte: „Wir verblieben dahin, dass für den Fall, dass es den beiden zu viel wird, diese Frage erneut aufgegriffen werden soll.“ Die Entscheidung, dass Seilkopf keine Aussicht auf die Übernahme der Gefängnisseelsorge in Ostberlin habe, wurde ihm durch das MdI mit Schreiben vom 19. August 1960 mitgeteilt.53 Seilkopf berichtete Scharf, dass man bei der VSV nicht vorhabe, die Lücke, die Mund in der Gefängnisseelsorge hinterlassen habe, zu schließen. Das sei der sehr schweren Enttäuschung über dessen Republikflucht zuzuschreiben, die in Berlin „nahezu schockierend gewirkt hat“. Er selbst sei zu der Einsicht gelangt, dass es wohl das Beste sei, die Angelegenheit der Nachfolge Munds nicht länger zu verfolgen. Der Vorgang zeigt, wie die VSV und das MdI das Ausscheiden Munds aus der Gefängnisseelsorge für ihre Interessen zu nutzen wussten: Während man durch dessen Flucht in den Westen faktisch dem eigentlichen Ziel einer Gefängnisseelsorge auf Sparflamme und unter völliger Kontrolle des MdI einen großen Schritt näher gekommen war, schob man Mund in der Außendarstellung die Schuld für die weitere Reduktion der hauptamtlichen Gefängnisseelsorge zu und deklarierte dessen Weggang in diesem Zusammenhang als einen gewaltigen Vertrauensbruch, der die DDR-Regierung in eine Art Schockzustand versetzt habe. Dass Mund in seiner Seelsorgetätigkeit über Jahre hinweg systematisch durch die VSV behindert worden war, man sich seiner trotz durchgängiger Kontrolle und Bespitzelung aber nicht hatte entledigen können und sein Ausscheiden nun zweifellos mit Freude wahrnahm, waren Interna, deren Nachaußendringen man zu verhindern wusste. Laut Kusch und Beckmann habe Bluhm nach dem Ausscheiden Munds aus der Gefängnisseelsorge der DDR dessen Stelle bei der VSV eingenommen.54 Dass er eine der Rolle Munds vergleichbare Position mit Einblick in interne Abläufe bei der VSV eingenommen hat, ist äußerst unwahrscheinlich. Als Bluhm 1967 verstarb,55 stellte die VSV auch für ihn keinen Nachfolger ein. Als einziger hauptamtlich beim Staat angestellter Gefängnisgeistlicher blieb nun 53 Vgl. Hans-Joachim Seilkopf, Schreiben an Kurt Scharf, Lohm, 6. 10. 1960 (ELA Berlin, 35/581, o. Pag). Hier auch das Folgende. 54 Vgl. Beckmann / Kusch, Gott, 108. 55 Bluhm starb im Jahr 1967, wobei sich das genaue Datum nicht ermitteln ließ. Im ELA in Berlin findet sich unter Sig. 127 eine die Jahre 1945 bis 1967 umfassende Nachlassakte zu Bluhm. Beckmann / Kusch erwähnen eine schwere Krankheit Bluhms, die ihn ab November 1966 an der Ausführung seiner Arbeit gehindert habe. Das bei Halbrock angegebene Ausscheiden Bluhms aus der Gefängnisseelsorge im Jahr 1956 aus persönlichen Gründen (vgl. Halbrock, Pfarrer, 88) dürfte auf einem Missverständnis beruhen. Eine Korrespondenz Bluhms mit der Kirchenkanzlei ist bis September 1959 nachweisbar (vgl. Heinz Bluhm, Schreiben an das Konsistorium der EKiBB, Luckenwalde, 3. 9. 1959, ELA Berlin, 35/581, o. Pag.).
Marginalisierung der nebenamtlichen Gefängnisseelsorge
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Giebeler zurück, der die Gefängnisse der DDR bis 1989 betreute und dabei seit Ende der 1950er Jahre kontinuierlich dem Seelsorgegeheimnis unterliegende Informationen an die Staatssicherheit weitergab.56
3. Marginalisierung der nebenamtlichen Gefängnisseelsorge 3.1 Boykott der nebenamtlichen Seelsorge durch die Verwaltung Strafvollzug Die seit dem Inkrafttreten der DO von 1953 virulente Taktik des SED-Staates, die nebenamtliche Gefängnisseelsorge durch komplizierte, langwierige und für die Kirche nicht durchschaubare Bestätigungsverfahren für die Seelsorger immer mehr zu erschweren, setzte sich auch in den späten 1950er Jahren fort. Für die östlichen Landeskirchen ebenso wie für die Kirchenkanzlei war es faktisch unmöglich, Pfarrer für den Einsatz im Strafvollzug vorzuschlagen, die die VSV akzeptierte. Immer im Bestreben, den Gefangenen zumindest Gottesdienste anbieten zu können, sah sich die Kirche zum Ende der 1950er Jahre gezwungen, Pfarrer als nebenamtliche Seelsorger zu akzeptieren die sich loyaler zur Regierung verhielten, als es der Kirche lieb war. Bluhm als hauptamtlicher staatlicher Seelsorger berichtete dem Superintendenten in Stollberg / Sachsen bei einem Besuch im Januar 1959 von der nahezu sicheren Ablehnung solcher Pfarrer durch die VSV, die nicht an den Wahlen teilnehmen würden. Im Gegensatz dazu sei jedoch eine kritische Einstellung zur Jugendweihe kein Hemmnis, da er selbst sein Kind nicht zur Jugendweihe hätte gehen lassen.57 Im Oktober 1959 klagte der Stollberger Superintendent Helm im Blick auf eine von Bluhm angefragte Beauftragung eines nebenamtlichen Seelsorgers für die StVA Hoheneck, dass er keine Personalvorschläge mit Aussicht auf Erfolg machen könne, da in seiner Ephorie kein Pfarrer Mitglied des Bundes evangelischer Pfarrer sei.58 Die Bemerkung weist darauf hin, dass die Zugehörigkeit zum Pfarrerbund in kirchlichen Kreisen inzwischen offensichtlich zumindest informell als Kriterium galt, ob ein Pfarrer als Gefängnisseelsorger zugelassen wurde oder nicht. OKR Behm resümierte in einem Aktenvermerk nach einem Treffen mit Verantwortlichen der VSV betreffend die Auswahl eines neuen Gefängnisseelsorgers für Hoheneck, dass er sich zwar redlich bemüht habe herauszufinden, nach welchen Kriterien diese erfolge, nun aber erkennen müsse, dass die VSV selbst hierüber nicht zu entscheiden habe, sondern völlig fremdbestimmt agiere.59 Die 56 Zu Giebelers eigener Darstellung seiner Tätigkeit vgl. Giebeler, Türen. 57 Vgl. Superintendentur Stollberg, Schreiben an das LKA Sachsen, Stollberg, 9. 1. 1959 (LKA Dresden, 2/345, Bl. 70). 58 Kirchenamtsrat Leipzig, Schreiben an das LKA Sachsen, Leipzig, 12. 10. 1959 (LKA Dresden, 2/ 345, Bl. 120). 59 Siehe hierzu im Kap. D Anm. 151.
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ihm übermittelten Informationen zu dieser Thematik seien ausnahmslos substanzloser Art gewesen, ein Gewinn an Erkenntnis sei hieraus nicht zu erlangen.60 Hierbei handelt es sich um Beobachtungen, die ein Indiz dafür sind, dass die bestimmende Macht in Sachen Gefängnisseelsorge zu diesem Zeitpunkt längst vollständig beim MfS lag. Die Abwärtsspirale, in der sich die nebenamtliche Gefängnisseelsorge seit den 1950er Jahren befand, setzte sich in den 1960er Jahren fort. Verschärfend kam nun hinzu, dass das Interesse der Gefangenen an der Gefängnisseelsorge rapide abnahm, so dass Gottesdienste und Einzelseelsorge, selbst wenn sie angeboten wurden, nicht mehr wahrgenommen wurden.61 Ob diese Entwicklungen gleichermaßen die Angebote der hauptamtlichen Seelsorger sowie die katholische Seelsorge betrafen und wo genau die Ursachen hierfür zu suchen sind, müsste an anderer Stelle noch untersucht werden. 3.2 Rückgang der Konvente der Gefängnisseelsorger Mit der vollständigen Marginalisierung der nebenamtlichen Gefängnisseelsorge zerrissen auch die Netzwerke der Gefängnisseelsorger und Gefängnisseelsorgerinnen. Die Tagung der Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger aller östlicher Landeskirchen in Berlin in Weißensee vom 11. Februar 1955 war das erste und letzte Ereignis dieser Art. Im Juni 1955 erreichte die Kirchenkanzlei hinsichtlich weiterer Tagungen noch ein Vorstoß aus Thüringen: Mit Schreiben vom 6. Juni 1955 übermittelte OKR Säuberlich die Bitte der Thüringer Gefängnisseelsorger, dass die Kirchenkanzlei doch zwei bis drei Treffen dieser Art pro Jahr organisieren möge, wobei der Veranstaltungsort nicht zwangsläufig immer Berlin sein müsse.62 Die Kirchenkanzlei stand dem Vorschlag aus Thüringen aufgeschlossen gegenüber, wollte sich jedoch, bevor sie in Aktion trat, des Interesses der übrigen östlichen Landeskirchen versichern.63 Deren Reaktionen waren durchweg positiv,64 nur der Dresdner OLKR Knospe ließ verlauten, dass man weder Konvente noch Dienstbesprechungen für konstruktiv halte, weshalb man dafür keine finanziellen Mittel bereitstellen werde, und fuhr fort: „Wir sind vielmehr der Meinung, daß die zuständigen Sachbearbeiter der Konsistorien und Landesämter der Gliedkirchen, soweit nötig, zu solchen Bespre60 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Aktenvermerk, Berlin, 22. 3. 1960 (EZA Berlin, 104/959, o. Pag.). 61 Hans-Jürgen Behm, Schreiben an das LKA Sachsen, Berlin, 22. 3. 1961 (LKA Dresden, 2/345, Bl. 159). 62 Vgl. Gerhard Säuberlich, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Eisenach, 6. 6. 1955 (EZA Berlin, 104/955, o. Pag.). 63 Vgl. Hans-Jürgen Behm, Schreiben an die östlichen Landeskirchen, Berlin, 15. 6. 1955 (EZA Berlin, 104/955, o. Pag.). 64 Für die Antwortschreiben der östlichen Landeskirchen vgl. die Signatur EZA Berlin, 104/955.
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chungen zusammentreten und daß diese das Ergebnis dieser Besprechungen innerhalb ihrer Kirche für die Strafanstaltsseelsorge auswerten.“65
Die Sächsische Landeskirche signalisierte also wiederum deutliche Distanz gegenüber einer weitergehenden Koordinierung und Zentralisierung von Gefängnisseelsorgertreffen durch die Kirchenkanzlei. Trotz der mit Ausnahme der Landeskirche Sachsen positiven Resonanz legte die Kirchenkanzlei die Planung der landesweiten Treffen der Gefängnisseelsorger auf Eis. Auf eine Nachfrage der Schlesischen Kirche vom Januar 1956 zum Stand der Dinge66 teilte Behm mit, dass man es „zur Zeit für untunlich halte, alle Gefängnisseelsorger zusammen zu rufen“67. Zuerst müsse die Problematik der Ausgliederung der Haftarbeitslager aus der Seelsorge geklärt werden, dann werde man weitersehen. Im April 1957 gingen den Gefängnisgeistlichen der östlichen Landeskirchen über die Kirchenkanzlei Einladungen zu einer gesamtdeutschen Tagung der evangelischen Strafanstaltspfarrer vom 13. bis 15. Mai im hessischen Arnoldshain zu.68 Doch keiner der in der DDR tätigen Gefängnisgeistlichen nahm an der Tagung teil. Der sächsische OLKR Knospe war über die Einladung derart verärgert, dass er alle für Sachsen gedachten Einladungen kurzerhand retour schickte und erklärte, dass man keinerlei Absicht hege, jemanden zu der Konferenz zu schicken, zumal die Gefängnisseelsorge in der DDR bis auf die in Hoheneck durch Pfarrer Conrad geleistete völlig zum Erliegen gekommen sei.69 Lediglich die staatlichen Gefängnisseelsorger Bluhm und Mund seien noch im Einsatz, diese wolle man jedoch nicht delegieren. Bei der Durchsicht des Protokolls der letzten Konferenz der Gefängnisseelsorger Deutschlands habe man sich zudem nicht des Eindrucks erwehren können, dass auf der Konferenz Themen diskutiert würden, die für die Gegebenheiten in Ostdeutschland wenig gehaltvoll seien. In den Akten der EKiBB finden sich auch in den späten 1950er Jahren zudem die Einladungen des beim Konsistorium für die Gefängnisseelsorge zuständigen OKR Fichtner an die Gefängnisseelsorger Ost zu dem von Pfarrer Knodt im Jahr 1947 etablierten Generalkonvent.70 Ob dieser an die EKiBB 65 Gottfried Knospe, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Dresden, 26. 6. 1955 (EZA Berlin, 104/955, o. Pag.). 66 Vgl. Konsistorium der Evangelischen Kirche von Schlesien, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Görlitz, 24. 1. 1956 (EZA Berlin, 104/956, o. Pag.). 67 Hans-Jürgen Behm, Schreiben an das Konsistorium der Evangelischen Kirche von Schlesien, Berlin, 9. 3. 1956 (EZA Berlin, 104/956, o. Pag.). 68 Vgl. Der Vorsitzende der Konferenz der Evangelischen Strafanstaltspfarrer Deutschlands, Einladung zu der Konferenz der Evangelischen Strafanstaltspfarrer Deutschlands vom 13. bis 15. Mai 1957, Frankfurt / Main, 2. 4. 1957 (EZA Berlin, 104/957, o. Pag.) 69 Vgl. Gottfried Knospe, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Dresden, 29. 4. 1957 (EZA Berlin, 104/ 958, o. Pag.). Hier auch das Folgende. 70 Vgl. Horst Fichtner, Schreiben an die Herren Gefängnisseelsorger von Ostberlin und der DDR, Berlin, 24. 4. 1958 (ELA Berlin, 1/921, o. Pag.). In der Akte sind darüber hinaus Einladungen zu folgenden Terminen enthalten: 25. 9. 1958, 30. 4. 1959, 26. 6. 1959 und 8. 10. 1959. Einen Kon-
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gebundene Konvent durch die Gefängnisseelsorger der östlichen Landeskirchen zu diesem Zeitpunkt noch frequentiert wurde, lässt sich anhand der Quellenlage nicht ermitteln. Eine weitere Leerstelle bleiben die regionalen Netzwerke der Gefängnispfarrer der östlichen Landeskirchen. Waren diese noch bis Mitte der 1950er Jahre landesweit nachweisbar, lassen sich für die Jahre 1955 bis 1960 aufgrund mangelnder Quellen hierzu keine Aussagen mehr treffen. Das LKA Sachsen befand Zusammenkünfte dieser Art aufgrund der nur noch rudimentär möglichen nebenamtlichen Gefängnisseelsorge 1957 für obsolet und legte sie völlig ad acta.71 Es ist davon auszugehen, dass die ehemals rege Tätigkeit der regionalen und überregionalen Konvente der Gefängnisseelsorger in den ausgehenden 1950er Jahren in der DDR allgemein zum Erliegen gekommen war.
4. Zwischenfazit In den Jahren 1955 bis 1958 höhlte der SED-Staat sukzessive weiter die von 1949 bis 1953 getroffenen Vereinbarungen, die die Organisation und Durchführung der Gefängnisseelsorge betrafen, aus, ohne sie formal aufzukündigen. Strukturell entsprach dieser Prozess dem Umgang mit der Verfassung in der DDR: Theoretisch vorhandene Rechte wurden aktuellen Entwicklungen derart angepasst, dass sie primär den Interessen und der Sicherung der Macht der Herrschenden dienten und nicht eingeklagt werden konnten. Organisation und Durchführung der Gefängnisseelsorge waren in der DDR durch die am 3. Juli 1953 verabschiedete DO für Gefängnisseelsorger geregelt. Bereits kurz nach deren Verabschiedung setzten durch das Erstarken der Regierung Ulbrichts Prozesse ein, die das erst kurz zuvor Vereinbarte aufweichten und in seinem Wirkungsgrad fundamental einengten. Diese Demontage der Gefängnisseelsorge gehörte unmittelbar in den Kontext der 1954 eingeführten und ab 1955 auch konsequent verfolgten Kirchenpolitik einer weniger offensichtlich konfrontativen Bekämpfung der Kirche zugunsten von deren langfristiger und subtilerer Destabilisierung durch den SED-Staat mit dem MfS als maßgeblichem Akteur der Unterwanderung und Differenzierung. Den Schlüssel hierfür bildete die mit der DO von 1953 von der Kirchenkanzlei akzeptierte Bestätigungspflicht kirchlicherseits beauftragter Gefängnisseelsorger durch die HA Strafvollzug bzw. ab 1956 durch die VSV. Damit war dem Staat ein wirkmächtiges Instrument in die Hand gegeben, das in seiner ab der vent am 15. 9. 1959 erwähnt der Potsdamer Pfarrer Seilkopf in einem Schreiben an Präses Scharf (vgl. Hans-Joachim Seilkopf, Schreiben an Kurt Scharf, Lohm, 15. 9. 1959, ELA Berlin, 35/581, o. Pag.). 71 Vgl. Gottfried Knospe, Schreiben an die Kirchenkanzlei, Dresden, Konferenz, 29. 4. 1957 (EZA Berlin, 104/958, o. Pag.).
Zwischenfazit
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Mitte der 1950er Jahre greifenden restriktivsten Anwendung dazu führte, dass eine kirchlich bestimmte nebenamtliche Seelsorge im Strafvollzug der DDR faktisch kaum noch eine Rolle spielte. Bis zur Mitte des Jahres 1955 bediente sich die staatliche Seite dieser ihr nun zur Verfügung stehenden Repressionsmethode noch nicht stringent. In der Regel wurden die von den östlichen Landeskirchen in Vorschlag gebrachten Pfarrer ohne große zeitliche Verzögerung durch die HA Strafvollzug bestätigt – wobei sich dieses unkompliziert anmutende Prozedere nicht zuletzt dem noch bestehenden Einfluss von Mund, dessen Diplomatie die kirchlichen Interessen im Hause der HVDVP stärkte, verdankt haben dürfte. Indem Mund in der neuen Kirchenpolitik nicht die Rolle einnahm, die ihm staatlicherseits zweifellos zugedacht war – insbesondere in Gestalt seiner Verweigerung einer Zusammenarbeit mit dem MfS –, schwächte sich seine Stellung bei der HA Strafvollzug und folglich auch seine Möglichkeiten, die Organisation der Gefängnisseelsorge zu beeinflussen. Dies äußerte sich ab Ende 1955 in einer stetigen Verkomplizierung und Bürokratisierung der Bestätigungsverfahren für die durch die Kirchen zum Einsatz im Strafvollzug bestimmten Pfarrer durch die HA Strafvollzug, ab 1956 dann VSV. Durch diese Politik entstanden enorme zeitliche Verzögerungen bei der Neubesetzung vakant gewordener Stellen in der nebenamtlichen Gefängnisseelsorge, was die evangelische Kirche in ihrem Bemühen, den Gefangenen eine stabile seelsorgerliche Betreuung zu bieten, auch in der innerkirchlichen Öffentlichkeit unter Druck setzte. Eben dieser Effekt war staatlicherseits im Sinne der Differenzierungspolitik ganz offensichtlich beabsichtigt und wurde durch bessere Bedingungen für die katholische Gefängnisseelsorge forciert. Was möglicherweise aus der früh vorhandenen Bereitschaft der katholischen Kirche und speziell der Caritas zur Zusammenarbeit mit dem MfS resultierte. Aufgrund dessen waren die Kirchenkanzlei und die östlichen Landeskirchen – wollten sie die evangelische Gefängnisseelsorge nicht völlig kollabieren lassen – gezwungen, die im Zuge der Differenzierungspolitik ab 1956 durch die VSV konsequent eingebrachten Gegenvorschläge systemtreuer Pfarrer als Gefängnisseelsorger zu akzeptieren. Trotz dieser die Kirchen hinsichtlich ihres Seelsorgeanliegens hart treffenden Zugeständnisse stabilisierte sich die Situation in der nebenamtlichen Gefängnisseelsorge kaum, zumal die VSV die Kommunikation und Kooperation mit der Kirchenkanzlei zunehmend verweigerte. Dabei spielte auch eine Rolle, dass sich ihre diesbezüglichen Kompetenzen mit der Gründung der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen als offiziellem Ansprechpartner der Kirchen im Mai 1957 weiter einschränkten. Faktisch waren in den späten 1950er Jahren neben dem Staatssekretär für Kirchenfragen auch die beim MfS angesiedelte HA XX/4 und die Abteilung Kirchenfragen beim ZK in die Entscheidungsprozesse zur Gefängnisseelsorge eingebunden, wobei der jeweilige Grad der Involviertheit und die Weisungshierarchie unter den drei Stellen nicht eindeutig ermittelbar sind und vermutlich von Fall zu Fall vari-
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ierten. Die hohe Effektivität dieser Behördenkonstellation hinsichtlich einer Aushöhlung der evangelischen Gefängnisseelsorge und einer Ausnutzung dieser Entwicklungen selbst für die Interessen des SED-Staates ist jedenfalls evident: Kritik an verzögerten Bestätigungsverfahren für nebenamtliche Gefängnisseelsorger konnte auf die Kirchen, die angeblich keine geeigneten Pfarrer vorschlugen oder Personalvorschläge ablehnten, rückprojiziert werden, während zugleich die Möglichkeiten wuchsen, systemtreue Pfarrer in der Gefängnisseelsorge zu platzieren. Gleichzeitig konnte man auf die Umsetzung des in der Verfassung der DDR verankerten Rechts auf Gefängnisseelsorge verweisen und sich somit als toleranter, allemal Religionsfreiheit gewährender Staat präsentieren. An dem Vorgehen der VSV und der Arbeitsweise des Staatssekretariats für Kirchenfragen lässt sich die insbesondere auf die evangelische Gefängnisseelsorge verheerende Wirkung der staatlichen Kirchenpolitik nachweisen. War 1953 noch die HA Haftsachen, wenn auch unter Abstimmung mit dem MdI, bei der Abfassung der DO federführend gewesen, wodurch es den evangelischen Kirchen – wohl durch die Beteiligung von Mayer und Jauch – möglich gewesen war, einen Teil ihrer Anliegen durchzusetzen, war die Zeit für diese Art der Kooperation zwischen evangelischer Kirche und den Verantwortlichen für den Strafvollzug 1957 endgültig abgelaufen. Die zu Beginn der 1950er Jahre noch weniger stringente Kirchenpolitik der SED-Regierung und vor allem die kurze Phase des „Neuen Kurses“ hatten der Kirche noch den einen oder anderen Freiraum verschaffen können. Dieser entfiel jedoch mit der strategisch ausgerichteten Kirchenpolitik mit dem MfS als zentralem Akteur, wofür die Gefängnisseelsorge ein Beispiel par excellence war, ab Mitte der 1950er Jahre. Dabei spielte möglicherweise auch eine konfessionelle Differenzierungspolitik zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche, im Zuge derer speziell die evangelische Gefängnisseelsorge planvoll und nachhaltig verdrängt wurde, eine Rolle. Parallel zum Abbau der nebenamtlichen, kirchlichen Gefängnisseelsorge vollzog sich der Ab- bzw. Umbau der hauptamtlichen, staatlich finanzierten Seelsorge, die für den SED-Staat das Modell der Zukunft darstellte, insofern die Gefängnisseelsorge hier vollständig im Zugriffsbereich des Staates lag. Dies implizierte das Ziel einer Kooperation der einzelnen staatlichen Gefängnisseelsorger mit dem MfS, um an sensible Informationen über die Inhaftierten zu kommen. Dass Mund an dieser Stelle nicht in der erhofften Weise funktionierte, behinderte offensichtlich eine rasche Durchsetzung dieser Politik und erklärt, weshalb er ab 1956 selbst im Visier des MfS stand und in seinem Tätigkeitsbereich massiv eingeschränkt wurde. Sein Wegfall als aktiver Gefängnisseelsorger im Osten Berlins und als Mitarbeiter der VSV durch Flucht in den Westen im Januar 1959 schuf eine Leerstelle in der staatlichen Seelsorge, die dem SED-Staat nur willkommen sein konnte – zumal die Tatsache, dass Munds Stelle anschließend nicht mehr besetzt wurde, seinem mit der Flucht vollzogenen „Vertrauensbruch“ gegenüber dem DDR-Staat zuge-
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schrieben werden konnte. Man übertrug die Arbeit, die zuvor von drei hauptamtlichen Seelsorgern geleistet worden, war, auf lediglich zwei Seelsorger: Bluhm und Giebeler. Mit dem Tod Bluhms 1967 verblieb bis zum Ende der DDR Giebeler als einziger hauptamtlicher, eng mit dem MfS kooperierender Seelsorger. Am Ende der 1950er Jahre waren die Weichen in Sachen evangelische Gefängnisseelsorge also vollständig im Sinne des SED-Staates gestellt und damit eine Situation geschaffen, die für die evangelische Kirche in höchstem Maße unbefriedigend war. Dabei darf als erschwerender Faktor nicht übersehen werden, dass die Kirchenkanzlei seit 1958 als offizieller Gesprächspartner des SED-Staates ausfiel und es – nachdem diese selbst seit den ausgehenden 1940er Jahren eine Zentralisierung der Gefängnisseelsorge auf kirchlicher Seite im Gegenüber zur Installierung einer zentral institutionalisierten Seelsorge auf staatlicher Seite befördert hatte – längst nicht mehr die Option eines Wiederanknüpfens an eine dezentral organisierte evangelische Seelsorge auf der Basis landeskirchlicher Eigenverantwortlichkeiten gab.
F Zusammenfassung Die evangelische Gefängnisseelsorge in der SBZ und den frühen Jahren der DDR wurde vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis etwa Dezember 1946 durch die im November 1945 von Bischof Dibelius als Nachfolgeorganisation des EOK gegründete Kirchenkanzlei (Berliner Stelle) und die Kirchenleitungen der östlichen Landeskirchen nahezu im Alleingang gestaltet. Als Ansprechpartner auf staatlicher Seite dienten der Kirchenkanzlei und der bei der Organisation der Gefängnisseelsorge zu diesem frühen Zeitpunkt eine Sonderstellung einnehmenden EKiBB dabei die in Berlin ansässige DJV, den östlichen Landeskirchen analog hierzu die jeweils zuständigen DJV der Länder und Provinzen, in deren Territorium sich die Haftanstalten jeweils befanden. Diese etwa eineinhalb Jahre andauernde Kooperation zwischen der Kirchenkanzlei, den evangelischen Landeskirchen und der DJV war geprägt von einer zwischen den Verhandlungspartnern herrschenden Gleichberechtigung und gegenseitigem Respekt – beruhend auf einem gemeinsamen Wertekonsens, der neben dem christlichen Bekenntnis auch das Ziel der Etablierung eines nach humanistischen Idealen ausgerichteten Strafvollzugs im Deutschland der Nachkriegszeit umfasste. Dies waren die Grundvoraussetzungen, welche die Organisation der Gefängnisseelsorge erleichterten und förderten, woraus wiederum eine flächendeckende und stark an den Bedürfnissen der Inhaftierten ausgelegte nachgehende Seelsorge in der SBZ resultierte. Kirchenintern war spätestens im Frühjahr 1946 entschieden, dass die zukünftig in der SBZ zum Einsatz kommenden Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger nicht mehr, wie vor dem Krieg allgemein üblich, durch die Justiz in staatlichen Arbeitsverhältnissen beschäftigt werden sollten. Stattdessen votierte man für eine Anstellung bei der jeweils zuständigen Landeskirche, wodurch eine engere Bindung der Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger an die Landeskirchen sichergestellt werden sollte. Diese Entscheidung harmonierte zwar mit den Vorstellungen der sowjetischen Besatzungsmacht von einer angemessenen Trennung staatlicher und kirchlicher Belange, setzte faktisch aber den Anliegen der konfessionellen Seelsorge aufgeschlossen agierende Strafvollzugsverwaltungen voraus – eine Prämisse, die in der SBZ dann ab 1947 nicht mehr gegeben war. Die Betreuung der Inhaftierten in der SBZ wurde auch durch Frauen geleistet. In den Gefängnissen waren studierte Theologinnen und ausgebildete Fürsorgerinnen tätig, wobei letztere sowohl im kirchlichen als auch im staatlichen Dienst stehen konnten. Die nach dem Kriegsende fehlenden Organisationsstrukturen begünstigten die Freiheit von evangelischer Kirche und DJV beim Wiederaufbau der Gefängnisseelsorge, doch mit der Errichtung der Verwaltungen der Provinzen
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und Länder erreichten die bürokratischen Prozesse auch die bis dahin kaum beachtete Gefängnisseelsorge. Im Zuge des Aufbaus der Verwaltungen wurde die bereits im März 1946 gemeinschaftlich von EKD und DJV verfasste „Dienstanweisung für evangelische Pfarrer in den Gefängnissen der Justizverwaltung“ durch die SMAD überarbeitet, wobei die Elemente, welche die kirchliche Arbeit im Strafvollzug stärken und sichern sollten, völlig getilgt wurden. Faktisch verhinderte die SMAD mit dieser neuen – ab Jahresbeginn 1948 dann zunehmend auch streng angewandten – DA die Etablierung des kirchlichen Einflusses im Strafvollzug und schränkte den kirchlichen Dienst auf den Gottesdienst und das seelsorgerliche Einzelgespräch ein. Ein gravierendes Novum war dabei, dass die seelsorgerliche Betreuung nun ausdrücklich von den Inhaftierten gewünscht werden musste. Diese Wunschseelsorge ersetzte in der gesamten SBZ und auch später in der DDR die nachgehende Seelsorge, die die Kirchen für die im Strafvollzug angemessene Praxis hielten. Ab 1948/49 durchlief die DJV einschließlich ihrer Organe in den Ländern und Provinzen, die sich in den Belangen der Gefängnisseelsorge als zuverlässige Partner der evangelischen Kirche erwiesen hatten, durch die von der SED forcierten Umstrukturierungen in der Justizpolitik einen radikalen, primär über personalpolitische Maßnahmen durchgesetzten, Wandel. Beschäftigte, die weder der SED angehörten noch mit ihr offen sympathisierten, wurden durch systemkonforme Parteimitglieder ersetzt, wodurch die kirchlichen Stellen ihnen prinzipiell zugeneigte, am Dialog interessierte und ähnlichen Idealen verpflichtete Verhandlungspartner verloren. Stattdessen mussten Sie nun mit Justizverwaltungen kooperieren, die tendenziell der SED nahestanden und ihre Vorstellungen von einem das Strafprinzip favorisierenden Vollzug zunehmend durchsetzten. Überspitzt lässt sich formulieren, dass die Justiuzverwaltungen, ehemals verlässlichen Verbündete, nun die Seiten zu wechseln begannen. Die Situation verschärfend, erfuhr der Strafvollzug der Justiz zu Gunsten des beim MdI angesiedelten Polizeistrafvollzugs, der bereits seit 1948 für die konfessionelle Seelsorge verschlossen worden war, eine starke Abwertung. Mit dem Ende der SBZ, nur wenige Monate nach der Gründung der DDR, wurden 14.000 aus den aufgelösten Speziallagern der Sowjets stammende Gefangene nicht, wie eigentlich zu erwarten gewesen wäre, an die Justiz überstellt, sondern kamen in die Obhut des MdI und damit in die Zuständigkeit des Strafvollzugs der Polizei, wodurch den Kirchen die Betreuung dieser ehemals Internierten und SMT-Verurteilten nahezu unmöglich wurde. Mit der Gründung der DDR wurde die SMAD aufgelöst und durch die SKK ersetzt. Diese befasste sich jedoch nicht mehr mit Angelegenheiten, die die Seelsorge betrafen, wodurch ein relevanter sowjetischer Faktor – im Sinne expliziter Voten – in der Gefängnisseelsorge im restlichen Untersuchungszeitraum nicht mehr nachweisbar ist. Auch die für die Gefängnisseelsorge zuständigen kirchlichen Organisationsstrukturen waren ab 1948 zunehmenden Veränderungen unterworfen. In
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der vormals breit angelegten Kommunikation zwischen den östlichen Kirchenleitungen und den jeweils zuständigen DJV setzten – durch das Bestreben der Kirchenkanzlei, die Leitung der Gefängnisseelsorge in den östlichen Landeskirchen im eigenen Hause zu zentralisieren und diese dadurch zu vereinheitlichen – Prozesse ein, die hier eine Verengung bewirkten. Verkürzt dargestellt wurde die durch die östlichen Landeskirchen in den ersten Jahren nach Kriegsende erfolgreich praktizierte und auch weiterhin favorisierte Bottom-up Struktur durch das von der Kirchenkanzlei durchgesetze Topdown System substituiert. Im gleichen Maße, in dem sich die Berliner Kirchenkanzlei zur tonangebenden Instanz in allen die Gefängnisseelsorge betreffenden Belangen profilierte, ging der Einfluss der östlichen Landeskirchen auf deren Organisation und Gestaltung zurück. Diese Entwicklungen stießen über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg besonders in der EKKPS, aber auch in der Sächsischen und teils der Schlesischen Landeskirche auf Kritik und heftigen Widerstand. Ungeachtet der Proteste dieser auffällig renitenten Landeskirchen reklamierte die Kirchenkanzlei spätestens ab 1950 die führende Rolle in der Gefängnisseelsorge für sich, woraus resultierte, dass die gesamte Organisation der Gefängnisseelsorge nun in Berlin zwischen der Kirchenkanzlei und der ebenfalls hier ansässigen HVDVP abgewickelt wurde. Mit den durch die Überarbeitung der kirchlichen Version der DA durch die SMAD vorgenommenen massiven Interventionen kam es zu einer Verschiebung der Kompetenzen bei der Organisation der Gefängnisseelsorge. Fraglich bleibt an dieser Stelle, ob die evangelische Kirche, insbesondere die Kirchenkanzlei, diese ab 1948 deutlich wahrnehmbaren Veränderungen im Machtgefüge realisierte. Wie sicher man sich 1946 noch der wohlwollenden Unterstützung der SMAD war, belegt die von Scharf initiierte Verteilung der ersten kirchlichen Version der DA an die Landeskirchen, ohne die eigentlich verpflichtende Bestätigung der SMAD abzuwarten. Auch nach dem Bekanntwerden der abschlägigen Reaktion der SMAD auf die von der evangelischen Kirche vorgelegte DA und der von den Sowjets verfassten wesentlich ungünstigeren Version derselben gab man in der Kirchenkanzlei dem Anliegen der Sowjets nicht nach, sondern hielt das am 6. August 1947 durch den Leiter der Abteilung Strafvollzug Gentz direkt an Dibelius übersandte, für die Gefängnisseelsorge nachteilige Dokument bis Mai 1948 zurück. Dabei verfogte man offensichtlich das Ziel, die Gefängnisseelsorge auf dem Gebiet der SBZ möglichst lange nach kirchlichen Vorstellungen leisten zu können. Diese Entscheidung illustriert plastisch das große Selbstbewusstsein und den Souveränitätsanspruchs der EKD und ihrer Vertreter in der Kirchenkanzlei Berliner Stelle in der SBZ am Ende der 1940er Jahre. Auch die Verlagerung der Zuständigkeit für die Organisation der Gefängnisseelsorge von der Landeskirchenebene ausschließlich in den Kompetenzbereich der Kirchenkanzlei belegt die beabsichtigte Vereinheitlichung und Aufwandsrationalisierung und zeugt vom Führungs- und Gestaltungsanspruch namentlich von Dibelius in der evangelischen Kirche der Nach-
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kriegszeit. Retrospektiv stellt sich hier die Frage, ob diese Bestrebungen, die zunächst gerade hinsichtlich der am Beginn der 1950er Jahre zunehmenden Zentralisierungstendenzen des SED-Staates durchaus weitsichtig erscheinen, den Niedergang der Gefängnisseelsorge in der DDR langfristig nicht begünstigt haben. Denn eine fortgesetzt dezentrale Organisation der Gefängnisseelsorge über die östlichen Landeskirchen hätte nicht nur eine größere Varianz in den Verhältnissen, sondern auch einen für die HVDVP verwaltungstechnisch aufwändigeren und damit erschwerten Zugriff auf die Gefängnisseelsorge bedeutet. Mit der Einstellung Munds als erstem hauptamtlichem Gefängnisseelsorger der DDR durch die HVDVP im August 1950 begann eine neue Phase der Gefängnisseelsorge in der DDR. Diese wurde von nun an durch zwei Akteure, eben die Kirchenkanzlei und das MdI organisiert, wobei erstere die nebenamtlichen Seelsorgerinnen und Seelsorger zumeist für die Arbeit in den kleineren Haftanstalten stellte, während das MdI ab 1953 die politischen Gefangenen in den großen StVA bevorzugt durch drei fest angestellte hauptamtliche Seelsorger betreuen ließ. Es lässt sich feststellen, dass Kirchenkanzlei und HVDVP in den ersten 18 Monaten nach der Gründung der DDR zwar eigenständige Ziele in der Gefängnisseelsorge verfolgten, dabei jedoch durchaus noch konstruktiv kooperierten, wobei die koordinierende und vermittelnde Funktion Munds zwischen Kirchenkanzlei und HVDVP zweifellos eine wichtige Rolle spielte. Manifestieren sollte sich die Zusammenarbeit von EKD und HVDVP in Gestalt einer gemeinsam verabschiedeten Dienstordnung für die nebenamtlichen Gefängnisseelsorger, mit deren Ausarbeitung die evangelische Kirche im Januar 1952 begann und deren Verabschiedung sich bis zum 3. Juli 1953 hinzog. Die zwischen Ausarbeitung und Verabschiedung der DO liegenden 18 Monate fielen fast vollständig in die Zeit der massiven politischen Bekämpfung der Kirchen in der DDR, deren Ende das Staat-Kirche-Gespräch vom 10. Juni 1953 und das in dessen Ergebnis gemeinsam verabschiedete Kommuniqu markierten. Das sich hier artikulierende Ziel einer Normalisierung der Staat-Kirche-Beziehungen als „Neuer Kurs“ war faktisch aber nur für wenige Monate relevant. Die evangelische Kirche hatte die DO auf dem Höhepunkt des „Kirchenkampfes“ im Februar 1953 unter dem Vorbehalt, dass man diese lediglich als eine vorläufige Arbeitsgrundlage betrachte, anerkannt. Als es am 3. Juli desselben Jahres zur Verabschiedung der DO kam, standen die Zeichen aufgrund des „Neuen Kurses“ dagegen auf Entspannung. Es bleibt unklar, warum die EKD dennoch darauf verzichtete, hinsichtlich der mit der DO eingeführten Bestätigungspflicht für die im Strafvollzug zum Einsatz kommenden Seelsorgerinnen und Seelsorger durch die HVDVP vor der Unterzeichnung der DO nachzuverhandeln. Erkannten die Verantwortlichen die der Bestimmung innewohnende Möglichkeit der Willkür nicht und / oder waren sie durch Mund diesbezüglich beruhigt worden? Jenseits derartiger Spekulationen bleibt lediglich festzuhalten, dass die EKD durch die Akzeptanz dieses Punktes der DO
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dem Niedergang der Gefängnisseelsorge in der DDR faktisch Vorschub leistete und später selbst die ihr eigentlich zum Vorteil gereichenden Regelungen der DO, wie die hier garantierten regelmäßigen Gottesdienste und bewachten Sprechstunden, in der Praxis nicht mehr durchsetzen konnte. Zudem gelang es der HVDVP 1954 durch die Ausweitung des Verbots der kirchlichen Arbeit in den Untersuchungshaftanstalten, das 1955 auf die Haftlager, Haftkrankenhäuser und Jugendhöfe ausgeweitet wurde, den Kreis der Gefangenen, der von der evangelischen Kirche seelsorgerlich betreut werden durfte, drastisch zu reduzieren. Die nunmehr verbindlichen Bestätigungsverfahren führten weiterhin zu einem Ausschluss der weiblichen Gefängnisseelsorgerinnen vom Dienst in den StVA. Die letzte und einzige durch die HVDVP bestätigte Gefängnisseelsorgerin der DDR Kleeberg schied um 1955 aus ihrem Dienst aus, zu dem sie 1948 durch den Bischof der EKKPS Müller beauftragt worden war. Mund spielte in der Organisation der evangelischen Gefängnisseelsorge der frühen DDR eine exemte Rolle. Unter Berücksichtigung der beim Einsatz Poelchaus in der DJV durch die Hauptverantwortlichen der EKiBB angewandten Strategien kann angenommen werden, dass Mund – ähnlich wie Poelchau – durch die kirchlichen Beteiligten ganz bewusst im Herzen der Verwaltung des Strafvollzugs platziert wurde. Vordergründig vertrat Mund die Interessen der bei der HVDVP ansässigen HA Strafvollzug, war also Staatsdiener. Zugleich unterstand er aber dem Konsistorium der EKiBB und kooperierte eng mit Propst Grüber, woraus ein Loyalitätskonflikt resultierte, der für Mund nicht auflösbar war. Gleichwohl lässt sich feststellen, dass Mund in den ersten Jahren seiner Tätigkeit eine starke Loyalität gegenüber der HVDVP als seiner Dienstherrin zeigte. Dies hatte vermutlich auch damit zu tun, dass er die sozialistische Ideologie, auf die sich die DDR berief, seit seiner Jugend teilte und damit Hoffnungen auf eine gerechtere, bessere und evangeliumsgemäßere Gesellschaft verband. Im weiteren Verlauf seiner Tätigkeit und aufgrund jahrelanger Enttäuschungen und heftiger Gewissenskonflikte verlagerte sich Munds Loyalität spätestens nach seiner beinahe das gesamte Jahr 1955 andauernden Krankheitsperiode deutlich zur evangelischen Kirche, wobei diese zu diesem Zeitpunkt daraus keine Vorteile hinsichtlich der Organisation der Gefängnisseelsorge mehr ziehen konnte. Durch die ab Ende 1953 / Anfang 1954 forcierte Neuausrichtung der Kirchenpolitik der SED gerieten die kirchlichen Akteure derart in die Defensive, dass ihnen bei den Verhandlungen zu Belangen der Gefängnisseelsorge kaum mehr Raum zum Agieren blieb. Insbesondere im Verlauf des Jahres 1955 – zeitgleich und in Zusammenhang mit einer längeren krankheitsbedingten Abwesenheit Munds – griffen massive staatliche Interventionen. Ab 1956 verschlechterte sich die Situation in der Gefängnisseelsorge weiterhin eklatant, wofür zwei Faktoren ausschlaggebend waren. Zum einen wurde zum Jahresbeginn 1956 die HA Strafvollzug aus der HVDVP ausgegliedert und direkt dem MdI unterstellt, woraus nicht nur eine Umbenennung in Verwaltung Strafvollzug (VSV), sondern auch eine Abkühlung des Verhältnisses zur
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Kirchenkanzlei bis zur völligen Verweigerung der Kooperation von Seiten der VSV resultierte. Zum anderen entfaltete sich nun die ganze Macht der von der SED installierten kirchenpolitisch relevanten Organe, wobei die 1954 eingerichtete Abteilung Kirchenfragen beim ZK der SED und die in demselben Jahr gegründete HA V/4 des MfS im März 1957 durch das Staatssekretariat für Kirchenfragen ergänzt wurden. Dieser kirchenpolitische Apparat in seiner Gesamtheit bildete für die Gefängnisseelsorge die entscheidungsrelevante Instanz. So fällte der Staatssekretär für Kirchenfragen in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED die Entscheidungen über die zum Einsatz kommenden Seelsorger, wobei auf Informationen zurückgriffen wurde, die die HAV/4 des MfS zur Verfügung stellte. Aus dieser Art der Kooperation der verschiedenen Instanzen erklären sich erstens die langen Lauf- und Bearbeitungszeiten bei der Bestätigung der Gefängnisseelsorger, zweitens die ab Ende 1957 in Planung befindlichen Richtlinien für die Neuordnung der Gefängnisseelsorge ohne jegliche Absprache mit den kirchlichen Stellen und drittens die gegen Ende der 1950er Jahre immer deutlicher zu Tage tretende Unselbstständigkeit und Weisungsgebundenheit der VSV. Deren Abhängigkeiten von übergeordneten Instanzen, die bei ihren Verhandlungen mit der Kirchenkanzlei deutlich zu Tage traten, für die Kirchen aber nicht identifizierbar waren, verhinderten von Vornherein das Zustandekommen jeglicher konstruktiven Ergebnisse. Faktisch forcierte die staatliche Seite in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre verdeckt eine nachhaltige Verdrängung des kirchlichen Einflusses auf die Gefängnisseelsorge, was praktisch mit einer Verweigerung der Kommunikation einherging. Mit der im Februar 1958 durch den Abteilungsleiter der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen Kusch getroffenen Feststellung, dass die Ansichten der Kirche für den Staat bedeutungslos seien und daraus resultierend die organisatorische Mitarbeit der evangelischen Kirche in der Gefängnisseelsorge überflüssig sei, kündigte der Staat faktisch die seit Oktober 1949 bestehende Kooperation mit der Kirchenkanzlei auf. Bildlich gesprochen, verließ der Staat – ohne dies in irgendeiner Form klar zu kommunizieren – den Verhandlungsraum und ließ die Kirchen dort mit einer als Attrappe fungierenden VSV zurück, die lediglich die Illusion eines ansprechbaren Kooperationspartners aufrechterhielt, faktisch jedoch keinerlei Verhandlungskompetenzen hatte. Die Verweigerung der Kooperation und Kommunikation des Staates bezüglich der Gefängnisseelsorge scheint dabei explizit auf die evangelische Kirche beschränkt gewesen zu sein. Die exakten Gründe für die zu diesem Zeitpunkt besseren Möglichkeiten der katholischen Kirchen in der Gefängnisseelsorge, wie auch die hier offensichtlich noch bestehende Kommunikation mit der VSV bedürfen dabei noch einer genaueren Untersuchung. Hinter dem Ausstieg des Staates aus dem Diskurs mit der evangelischen Kirche über die Gefängnisseelsorge stand die Intention, diese von nun an im
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Alleingang, also ohne Berücksichtigung der Kirche als „Störfaktor“, zu organisieren. Dieses Ansinnen war, im Unterschied zu den frühen 1950er Jahren, nun durchaus realistisch, denn die Differenzierungs- und Unterwanderungsstrategien der Kirchenpolitik der zweiten Hälfte der 1950er Jahre hatten inzwischen zu Erfolgen geführt. Die VSV konnte aufgrund der „Vorarbeit“ der HA V/4 nun selbstständig auf staatsloyale Pfarrer zugehen und diese für den Seelsorgedienst im Strafvollzug werben. Eine kirchliche Beauftragung spielte dabei keine Rolle. Munds Ausscheiden aus der Gefängnisseelsorge aufgrund seiner Flucht im Januar 1959 erscheint unter den genannten Voraussetzungen weniger spontan, sondern vielmehr folgerichtig. Für die VSV hatte Mund mit seiner wachsenden Loyalität gegenüber der Kirche jede Nützlichkeit eingebüßt. Seine Hauptaufgabe – die Organisation der Gefängnisseelsorge in Absprache mit der EKD – war durch die Verlagerung der maßgeblichen Kompetenzen auf die neuen kirchenpolitischen Organe ohnehin überflüssig geworden. Der Weggang des zunehmend als lästig erachteten Gefängnispfarrers Mund stellte für die VSV, anders als von seinen Vorgesetzten behauptet, insofern mehr eine Problemlösung als ein Unglück dar. Es kann daher nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass der Staat selbst dafür sorgte, dass Mund über eine (angeblich) bevorstehende Verhaftung informiert und somit zur Flucht animiert wurde, denn für die stets auf Außenwirkung bedachte Regierung der DDR hätte die tatsächliche Verhaftung eines hauptamtlichen Gefängnisseelsorgers ein Problem bedeutet. Indem Mund im Januar 1959 selbst die Initiative zur Flucht ergriff, konnte der SED-Staat diesen Umstand als Argument anführen, dass die gemäß der Verfassung garantierte Gefängnisseelsorge im Strafvollzug nur rudimentär ausgeübt werden könne: Weil einer der Hauptverantwortlichen in den Westen gegangen sei, müsse man sich diesbezüglich noch von der Enttäuschung und dem Schock erholen. Es lässt sich resümieren, dass die evangelische Kirche in der SBZ und der frühen DDR ihr Möglichstes tat, um den Insassinnen und Insassen des Strafvollzugs in der SBZ und der frühen DDR ihren seelsorgerlichen Dienst bieten zu können. Dabei wurden die in den Landeskirchen etablierten organisatorischen Bottom-up-Strukturen sukzessive allerdings durch das Topdown-Agieren der Kirchenkanzlei verdrängt. Dass Letztere im Zuge des einsetzenden Kalten Krieges im Laufe der 1950er Jahre als Kommunikationspartner des SED-Regimes immer weniger akzeptiert wurde, musste sich auf die Gefängnisseelsorge insofern besonders fatal auswirken. Die Kirchenpolitik der DDR lief bis zum Ende der 1950er Jahre darauf hinaus, dass der SED-Staat die Gefängnisseelsorge vollständig in der Hand hatte – in Gestalt zweier hauptamtlich-staatlicher sowie mehrerer nebenamtlicher Seelsorger, die er unter dem Aspekt der Systemkonformität ebenfalls selbst auswählte. Dass er bei alledem in der Außendarstellung auf eine funktionierende Gefängnisseelsorge als Zeichen seiner verfassungsmäßig garantierten religiösen Toleranz verweisen konnte, war ein willkommener Nebeneffekt.
Abkürzungsverzeichnis ACDP AdK AKPS APU Anm. BArch BStU DA DDR DEFA DJV DO DVdI EKD EKiBB EKKPS EKU ELA EOK EZA FDJ GStA PK GI GOKO GPU GULAG GUPVI HA HAL HA SV HUB HUB UA
Archiv für Christlich-Demokratische Politik Akademie der Künste Archiv der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen Altpreußische Union Anmerkung Bundesarchiv Bundesbeauftragte(r) für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Dienstanweisung Deutsche Demokratische Republik Deutsche Film AG Deutsche Justizverwaltung Dienstordnung Deutsche Verwaltung des Innern Evangelische Kirche in Deutschland Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen Evangelische Kirche der Union Evangelisches Landeskirchliches Archiv Berlin Evangelischer Oberkirchenrat Evangelisches Zentralarchiv Berlin Freie Deutsche Jugend Geheimes Staatsarchiv Preussischer Kulturbesitz Geheimer Informator Gosudarstvennyj komitet oborony (Staatliches Kommite für Verteidigung der UdSSR) Gosudarstvennoe politicˇeskoe (Sowjetischer Geheimdienst) Glavnoe upravienie lagerej (Hauptverwaltung der Besserungsarbeitslager und -kolonien) Glavnoe upravienie po delam voennoplennych i internirovannych (Hauptverwaltung für Kriegsgefangene und Internierte) Hauptabteilung Haftarbeitslager Hauptabteilung Strafvollzug Humboldt Universität Berlin Humboldt Universität Berlin, Universitätsarchiv
356 HVDVP IM KOK KPD KPdSU KRD KZ LDP(D) LKA LKA Dresden LKA Eisenach LKR MdI MdJ MfS MWD NKWD NVA OKR OLKR o. Pag. SBZ SED SKK SMA SMAD SMERS SMT StVA SPD SV UAL UdSSR VA VEB VP VSV WKBA ZLB ZS ZK
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Hauptverwaltung der Deutschen Volkspolizei Inoffizieller Mitarbeiter des MfS Kirchliche Ostkonferenz Kommunistische Partei Deutschlands Kommunistische Partei der Sowjetunion Kontrollratsdirektive Konzentrationslager Liberal-Demokratische Partei (Deutschlands) Landeskirchenamt Landeskirchenarchiv Dresden Landeskirchenarchiv Eisenach Landeskirchenrat Ministerium des Innern Ministerium der Justiz Ministerium für Staatssicherheit der DDR Ministervo vnutrennych del SSSR (Ministerium für Innere Angelegenheiten der UdSSR) Narodnyj komissariat vnutrennych del SSSR (Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten) Nationale Volksarmee Oberkirchenrat Oberlandeskirchenrat ohne Paginierung Sowjetische Besatzungszone Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sowjetische Kontrollkommission Sowjetische Militäradministratur auf Länderebene Sowjetische Militäradministratur in Deutschland, Zentralbehörde Berlin-Karlshorst Sowjetischer militärischer Spionageabwehrdienst Sowjetisches Militärtribunal / Sowjetische Militärtribunale Strafvollzugsanstalt Sozialdemokratische Partei Deutschlands Strafvollzug Universitätsarchiv Leipzig Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Vollzugsanstalt Volkseigener Betrieb Volkspolizei Verwaltung Strafvollzug Walter Kempowski Biographien-Archiv Zentral- und Landesbibliothek Berlin Zentralsekretariat der SED Zentralkomitee der SED
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Alle bibliografischen Abkürzungen im Literaturverzeichnis und in den Anmerkungen entsprechen dem Standard von Schwertner, Siegfried M., Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. Zeitschriften, Serien, Lexika, Quellenwerke mit bibliographischen Angaben (IATG3), Göttingen / Boston 2014.
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Unveröffentlichte Quellen
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Personenregister / Biografische Angaben Bei Personen, die bei Braun / Grünziger1 erfasst sind, werden lediglich die Lebensdaten zusammen mit dem Verweis auf den Fundort im Personenlexikon genannt. Adenauer, Konrad, Politiker, Bundeskanzler 205, 294 f. geb. 5. 1. 1876 Köln, gest. 19. 4. 1967 Bad Honnef-Röhndorf 1917–1933 u. 1945 Oberbürgermeister Köln, 1946 MdL Nordrhein-Westfalen, 1948–1949 Präsident Parlamentarischer Rat, 1949–1963 Bundeskanzler. Arnold, Karl Ludwig Wolfgang, Superintendent 192 f., 213–215, 240, 267, 292, 295 geb. 15. 10. 1908 1933 Ordination und Vikar Oberneuschönberg, 1935 Pfarrer Neusalza-Spremberg, 1950 1. Pfarrer Bautzen St. Petri, 1957–1974 Superintendent Leipzig, 1974 Emeritierung. Atzeroth, Irene, Vikarin 250 f, 253 geb. 29. 8. 1909 Dresden, gest. 16. 6. 1992 1945–1952 Gefängnisseelsorgerin im Strafvollzug in Radebeul. Baltzer, Siegfried, Pfarrer 246 geb. 14. 5. 1914 Arnoldsgrün 1951 Pfarrer Borstendorf, 1957 1. Pfarrer Thalheim/Erzgebirge, 1969 Superintendent Marienberg. Barbe, Franz Hermann Friedrich Karl, Superintendent 176 geb. 5. 10. 1889 Berlin, gest. 7. 6. 1969 Bad Kreuznach 1914 Hilfsprediger Velten, 1914–1919 Hilfsprediger Evangelische Gemeinde Konstantinopel, 1919–1920 1. Pfarrer Erlöserkirche in Berlin-Lichtenberg, 1920–1924 Lehrer Landeskirchliches Diasporaseminar Wittenberg, 1924–1932 2. Pfarrer St. Bartholomäus Halle- Giebichenstein, 1932–1962 1. Pfarrer und Superintendent Torgau. Barth, Willi, Leiter der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED 152, 156, 334 geb. 15. 9. 1899 Ingersleben, gest. 5. 5. 1988 Berlin 1919/20 USPD, 1920 KPD, 1930 stellv. Bürgermeister Ingersleben, 1931–1933 Bezirkssekretär der „Roten Hilfe“ des Bezirksverbandes Thüringen, 1934–36 Emigration nach Prag, 1938–1942 Emigration und Inhaftierung in England und Kanada, 1942–1946 Tischler, 1954–1977 Leiter der AG/Abt. Kirchenfragen beim ZK der SED. Bauck, Gertrud, Stadtmissionarin Rostock 251 Bausch, Heinz, Leiter Strafvollzug Bautzen 167 geb. 30. 3. 1899 Ruhrgebiet, gest. 1974 1920–1922 Betriebsrat und zeitweise Kompanieführer der ”Roten Ruhrarmee”, Verurteilt zu sechs Jahren Zuchthaus wegen Hochverrats in der Weimarer Republik, leitender Funktionär der KPD in Sachsen, 1931–1932 Aufenthalt in Moskau, 1933 1 Braun / Grünziger, Personenlexikon.
Personenregister / Biografische Angaben
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Rückkehr nach Deutschland, 1933–1945 Inhaftierung in verschiedenen Lagern, u. a. KZ Buchenwald, ab 1945 erster Polizeidirektor in Sachsen, dortiger Aufbau der VP, 1950–1953 Leiter der Strafvollzugsanstalt Bautzen, 1959 Leiter der Bezirksdirektion VP Leipzig im Range eines Oberst, 1959 im Ruhestand. Becker, Friedrich Ernst Erich, Pfarrer 135, 155 f. geb. Freyburg 17. 6. 1903, gest. Halle 26. 6. 1991 1917 Abitur Halle, 1917–1922 Frankesche Stiftungen Halle, 1922–1926 Universität Halle, 1926 Erstes Theologisches Examen ebd., 1929 Zweites Theologisches Examen Magdeburg, 1929 Ordination St. Moritz Halle, 1927 Vik. St. Moritz Halle, 1928–1929 Prädikant Ziesar, 1929–1933 Pfarrer Viesen, 1933–1948 Pfarrer Rehmsdorf, 1948–1973 1. Pfarrer St. Johannes Halle und Verwalter der Kirchlichen Betreuungsstelle für Strafgefangene und Strafentlassene, 1973 Emeritierung. Behm, Hans-Jürgen, Oberkirchenrat 17, 144, 163, 211 f., 219, 223 f., 226–228, 230 f., 233, 235, 240, 244, 246, 250, 258, 263, 266, 271 f., 281, 284, 286–288, 290–300, 302–307, 310–318, 325, 330–332, 339–343 geb. 12. 7. 1913 Parchim, gest. 1994 Pfarrer in Rostock, 1952–1969 Kirchenrat in der Berliner Stelle der EKD-Kirchenkanzlei (ab 1954 als Oberkirchenrat), 1959–1966 Mitglied im Ökumenischen Ausschuss der VELKD, 1966 stellv. Vorsitzender des Burckhardthauses in der DDR, 1966 Vertreter im Referat für Studentenseelsorge und Studentengemeinden in der DDR und Groß-Berlin, 1969–1978 Oberkirchenrat im Sekretariat des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR. Benn, Ernst-Viktor, Jurist, Präsident, Justitiar 221 geb. 18. 6. 1898 Sellin (Brandenburg), gest. 7. 8. 1990 Essen [Personenlexikon, 34] Bergmann, Julius, SA-Sturmbannführer 268 geb. 3. 6. 1894 Schwarzburg, gest. 30. 8. 1952 (hingerichtet) Dresden 1928 Eintritt in die SA, 1933 SA-Sturmbannführer im Gruppenstab der SA-Gruppe Berlin-Brandenburg, 1951 vor dem Ost-Berliner Landgericht zum Tode verurteilt, aufgrund von Folterung und Mord an den Gefangenen in einem wilden Gefängnis in der Berliner Hedemannstaße, 1952 Tod durch das Fallbeil in der zentralen Hinrichtungsstätte der DDR. Berija, Lawrenti, Chef des sowjetischen Geheimdienstes 52 f. geb. 29. 3. 1899 Mercheuli, gest. 23. 12. 1953 (hingerichtet) Moskau 1938 Chef des sowjetischen Geheimdiensts NKWD/MWD, 1940 Volkskommissar des Inneren, 1945 Marschall der Sowjetunion, 1946 Vollmitglied im Politbüro, 1953 zum Tode verurteilt aufgrund von Spionage. Bittkau, Reinhold, Pfarrer 218 geb. 26. 2. 1880 Ahrensdorf, gest. 10. 11. 1966 1908–1911 Reiseprediger in Argentinien, 1914 hauptamtlicher Pfarrer und Schulleiter in C mpina/Rumänien, 1952 Pfarrer in Neuruppin. Bluhm, Heinz, Pfarrer, Gefängnisseelsorger 19, 21, 25, 208–213, 217, 224, 242, 274, 288, 290 f., 310, 316, 330, 337–341, 343, 347 Bçhm, Gerhard, Pfarrer 32, 193 geb. 11. 2. 1911 Mettkeim, gest. 5. 7. 1983 Wittenberg
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Personenregister / Biografische Angaben
1937 Ordination Königsberg, 1937–1938 Hilfsprediger Schillen bei Tilsit, 1938 Divisionspfarrer Heilsberg/Ostpreußen, 1938–1945 Pfarrer der 20. Panzerdivision, 1945–1950 Pfarrer (bis 1948 kommissarisch) Ranis-Land, 1950–1956 Pfarrer St. Othmar Naumburg, 1956–1976 Pfarrer Stadtkirche und Superintendent Wittenberg, 1976 Emeritierung. Bolte, Johannes Friedrich Julius, Pfarrer 320 geb. 21. 8. 1900 Briesen, gest. 21. 2. 1992 Heidelsheim Studium der Theologie in Greifswald, Erlangen, Halle/Saale und Berlin, 1926 Ordination, 1926–1927 Vikariat Frankfurt/Oder später Zehenick, 1927–1934 Pfarrer Zabelsdorf, 1934–1935 Zweiter Pfarrer Osterwieck, 1935–1937 kommissarischer Pfarrer Belgern später Nessa, 1938–1947 Pfarrer Obereichstädt, Soldat im Zweiten Weltkrieg, 1947 kommissarischer Pfarrer Schladebach, 1947–1959 Hemleben, 1955 Haft in Coswig und Naumburg aufgrund von „Boykotthetze“, nach der Haftzeit Flucht in den Wester, 1959 Emeritierung. Boor, Werner de, Dr., Theologe, OKR 83, 88 f., 142, 199 geb. 24. 4. 1899 Breslau, gest. 18. 3. 1976 Schwerin 1922–1924 Vikariat in Eisenach, 1924–1926 Pastor in Bobeck, 1926–1928 Assistent an der theologischen Fakultät in Marburg, 1931 Promotion, 1928–1932 Pastor in Kordeshagen, Mitglied der Bekennenden Kirche und des Reichsbruderrates, 1940/41 Kriegspfarrer in Norwegen, 1945 Pfarrer in Lübteen, 1946 Pfarrer in Rostock und im September des Jahres Berufung zum Schweriner OKR, 1953 Ausscheiden aus dem Amt, dann freier landeskirchlicher Evangelist, Vorsitzender der Evangelistenkonferenz der DDR. Bornmann, Erich, Pfarrer 238, 254 geb. 16. 5. 1891 Lauban, gest. 10. 8. 1968 Dresden 1922 Ordination, 1945 1. Pfarrer Pieschen, 1947 1. Pfarrer Dresden, 1948 1. Pfarrer Pieschen, 1961 Emeritierung. Brachmann, Heinrich Richard Walter, Pfarrer 97 f., 101, 103 f., 114, 143, 302 f. geb. 28. 2. 1887 Stolp/Pommern, gest. 8. 12. 1958 Halle/Saale Studium der Evangelischen Theologie in Erlangen, Rostock, Berlin und Breslau, 1911 Erstes Theologisches Examen, 1912 Zweites Theologisches Examen, 1912 Ordination Berlin, vor 1913 Hilfsprediger Gollnow/Pommern, 1913–1919 Pfarrer Naugard, 1914–1916 Feldprediger 1. und 5. Armee, 1919–1925 Leiter Kreiswohlfahrtsamt Naugard, 1925–1932 Pfarrer Gerichtsgefängnis Halle/Saale, 1932–1957 Pfarrer St. Bartholomäus Halle-Giebichstein, 1957 Emeritierung. Braun, Walter, Theologe, Pfarrer 176, 210, 378 geb. 13. 1. 1892 Windenburg (Ostpreußen), gest. 24. 2. 1973 Berlin Studium der Evangelischen Theologie Philipps-Universität in Marburg, 1917 Hilfsprediger später Pfarrer der Evangelischen Landeskirche der älteren Provinzen Preußens, der späteren APU, 1926–1947 Missionsinspektor Berliner Mission, 1947–1967 Generalsuperintendent der Kurmark mit Sitz in Potsdam. Brock, Rudolf, Mitglied der Kommission Kirche und Religion 32 B chner, Wilhelm 298 geb. 4. 9. 1894, gest. 1987 Eisenach 1929 Pfarrer Jena, 1943 Superintendent Eisenach und Propst der Aufsichtsbezirke West und Ost sowie Mitglied des landeskirchlichen Prüfungsamtes.
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Bukanow, Wassili Wassiljewitsch, Oberst 77, 96, 98 1998–1919 Absolvent des Instituts für Rote Professur, Vorsitzender des Moskauer Oblastgerichts Mitglied des Militärkollegiums des Obersten Gerichts der UdSSR, Vorsitzender der 1. Abteilung für Sonderfälle der Bezirke und Fronten, stellvertretender Vorsitzender der 1. Abteilung der sowjetischen Truppen in Deutschland, 1946–1948 stellvertretender Chef der Rechtsabteilung der SMAD. Bullerjahn, Walter, Regierungsrat 125 geb. 1893 Hamburg, gest. 27. 8 1949 Erfurt während der Weimarer Republik Lagerverwalter der Berlin-Karlsruher Industriewerken, 1925 Verurteilung zu 15 Jahren Zuchthaus wegen angeblichen Landesverrates durch das Reichsgericht, 1932 vorzeitige Freilassung, 1949 Leiter StVA Gräfentonna. Caffier, Wolfgang, Pfarrer 336 geb. 10. 3. 1919 Leipzig, gest. 4. 8. 2004 Dresden 1949 Liebenau, 1954 Weixdorf, 1958–1961 Leiter des Bundes der evangelischen Pfarrer der DDR. Conrad, Gerhard Hugo Wolfgang, Pfarrer 195, 213, 257, 259, 261, 311, 343 geb. 12. 11. 1905 Schneeberg, gest. 25. 9. 1958 1931–1932 Pfarrer Trachenau, 1947 Direktor Stadtverein für Innere Mission Chemnitz, 1957 Pfarrer in Großzschocher-Windorf. Cr ger, Otto, Pfarrer 310 f. geb. 14. 1. 1900, gest. 7. 7. 1971 1957 Pfarrer in Luckau-Paserin. Demke, Paul, Pfarrer, Superintendent 324 f. geb. 29. 1. 1897 Nieder Cosel/Rothenburg, gest. 21. 8. 1960 Görlitz Studium Breslau, Halle/Saale, 11. 4. 1924 Ordination Breslau, Pfarrvikar Mochbern, 1926 Pfarrer Bunzlau, 1940 Superintendent ebd., 1942–1949 Wehrdienst und Kriegsgefangenschaft, 1950 Pfarrer und Superintendent Görlitz. Dibelius, Otto, Bischof, Ratsvorsitzender der EKD 36 f., 41, 51, 71–75, 77, 79–81, 92–94, 97, 100–103, 115, 117, 119, 132, 138, 150 f., 179, 195, 209 f., 254–256, 285 f., 329 f., 348, 350 geb. 15. 5. 1880 Berlin, gest. 31. 1. 1967 Berlin [Personenlexikon, 58] Dieckmann, Johannes, Präsident der Volkskammer der DDR, sächsischer Justizminister 110, 115 f., 118–120, 122 f. geb. 19. 1. 1893 Fischerhude, Kreis Achim, gest. 22. 2. 1969 Ost-Berlin Mitbegründer der LPDP in Sachsen und seit 1946 für diese im Sächsischen Landtag, 1948 Justizminister und stellvertretender Ministerpräsident von Sachsen, 1949–1969 stellvertretender Vorsitzender der LDPD und Präsident der Volkskammer der DDR. Dressler, Walter, Pfarrer 207 f. geb. 15. 2. 1898 Eggerath, Werner, Politiker, Widerstandskämpfer 157, 285, 318, 320 f. geb. 16. 3. 1900 Elberfeld, gest. 16. 6. 1977 Berlin 1920 Kämpfer in der Roten Ruhrarmee, 1920–1932 KPD-Funktionär, 1932–1934 Besuch der Internationalen Lenin-Schule Moskau, 1935 Verhaftung und 1936 Verurteilung vor dem Volksgerichtshof wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 15 Jahren Haft,
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1945 Landrat Mansfelder-Seekreis in Eisleben und erster Sekretär der KPD-Bezirksleitung Thüringen, 1946 Landtagsabgeordneter im Thüringer Landtag und Landesvorsitzender der SED Thüringen, 1947 Innenminister der DDR, 1947–1952 Regierungspräsident (Ministerpräsident) des Landes Thüringen, 1952–1954 Staatssekretär beim Ministerpräsidenten der DDR, 1954–1957 Botschafter in Rumänien, 1957–1960 erster Staatssekretär für Kirchenfragen, 1960 Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen. Eichler, Willibald, Pfarrer 194 f. geb. 21. 10. 1889 Limbach, gest. 8. 7. 1967 1919 Ordination, 1919–1933 Diakon in Großzschocher-Windorf, 1933 Pfarrer in Ursprung. Fechner, Max, SED-Politiker, Justizminister 64 f., 130, 158 geb. 27. 7. 1892 Rixdorf, gest. 13. 9. 1973 Schöneiche 1911–1917 Mitglied der SPD, 1914–1917 Soldat im Ersten Weltkrieg, 1917–1922 Mitglied der Unabhängigen SPD (USPD), 1920 Angestellter im ZK der USPD, 1921–1925 Bezirksverordneter Berlin-Neukölln, 1922–1933 Mitglied der SPD und hauptamtlicher Sekretär beim Parteivorstand, 1928 Abgeordneter im preußischen Landtag, 1933 Verhaftung durch die Geheime Staatspolizei (Gestapo), 1934 Inhaftierung KZ Oranienburg, 1945 Mitglied des Zentralausschusses der SPD in der SBZ, 1946–1953 Mitglied des ZK der SED und zeitweise stellvertretender Vorsitzender, 1948–1949 Mitglied des Präsidiums des Deutschen Volksrates und Präsident der DJV, 1948–1953 Mitglied des Deutschen Volksrates, der Volkskammer und des ZK der SED, 1949–1953 Justizminister der DDR, 1953 Ausschluss aus der SED aufgrund partei- und staatsfeindlichen Verhaltens und Verhaftung durch die Staatssicherheit,1953–1955 Untersuchungshaft in Berlin-Hohenschönhausen, 1955 Verurteilung zu acht Jahren Haft durch das Oberste Gericht der DDR wegen „Verbrechen gegen den Staat“, 1956 Begnadigung durch Wilhelm Pieck im Zuge der Entstalinisierung, 1958 Wiederaufnahme in die SED. Feller, Gustav Carl Max Wilhelm, Pfarrer 246 geb. 28. 9. 1899 Nürnberg, gest. 13. 1. 1963 Chemnitz 1924 Predigercolleg Leipzig, 1926 Ordination und Pfarrer Waldkichen/Erzgebirge, 1960 Emeritierung. Fengler, Ernst Theodor Michael, Pfarrer 126, 143, 248, 272 1945–1955 Pfarrer in Hohenleuben. Fichtner, Horst, Theologe, Mediziner, Oberkonsistorialrat 132, 144, 250, 254–257, 343 3. 9. 1893 Dresden, gest. 12. 5. 1961 Berlin [Personenlexikon, 75] Fischer, Kurt, Kommunist, Chef der HVDVP 67, 83, 89, 113, 119, 158 f., 174, 271 geb. 1. 7. 1900 Halle/Saale, gest. 22. 6. 1950 Bad Colberg 1919 Eintritt in die KPD, 1924 Übersiedlung in die Sowjetunion und Eintritt in die KPDdSU, 1933 Beginn des Studiums an der Militärakademie in Moskau, bis 1939 Agent des russischen Militärnachrichtendienstes Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije (GRU) mit Einsätzen in China und Japan, 1939–1941 Tätigkeit innerhalb der Roten Armee für den NKWD, 1945 Rückkehr nach Deutschland mit der Gruppe Ackermann, Mai 1945 stellvertretender Bürgermeister in Dresden, 1948 Präsident der DVdI im Rang eines Generalinspekteurs, ab 1949 Chef der DVP bis zu seinem Tod während eines Kuraufenthaltes in Bad Colberg.
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Flçricke, E., Mitarbeiterin beim Referat Kirchenfragen des Groß-Berliner Magistrats 332, 335 Fokken, Felix, Pfarrer 311 f. geb. 9. 4. 1908 Arusha/Tansania, gest. 2. 4. 1999 1930 Predigerseminar Lückendorf, 1931 Vikar Erlbach, 1932 Ordination, 1934 Pfarrer Erlbach, 1955 Diakon Gablenz bei Chemnitz. Frank, Johannes Paul Karl, Pfarrer 260, 306 geb. 12. 2. 1894 Tolk/Pommern, gest. 23. 8. 1989 Mölln 1919 ordiniert, 1919–1920 Hilfsfprediger Freienwalde/Pommern, 1920–1926 Pfarrer in Plantikow/Pommern, 1926–1945 Pfarrer Rehwinkel/Pommern, 1945–1946 Pfarrer in Vorpommern, 1946–1949 Pfarrer Bützow/Mecklenburg, 1949–1951 Pfarrer Schermcke,1951–1960 6. Pfarrer St. Ambrosius Magdeburg, 1960 Emeritierung, 1961 Übersiedlung Westdeutschland Fr nkel, Hans-Joachim, Dr. h. c., Pfarrer, Oberkonsistorialrat, Bischof 282, 316, 324–326 geb. 31. 8. 1909 Liegnitz, gest. 21. 12. 1996 Marburg 1936 Ordination in Breslau, 1943 Pfarrer in Breslau, 1945 Kirchenrat in der Kirchenleitung, 1952 OKR, 1964–1979 Bischof der schlesischen Kirche/Kirche des Görlitzer Kirchengebiets, 1965 Ehrenpromotion, 1979 Übersiedlung nach Marburg, 1993 Ehrenbürger der Stadt Görlitz. Friedrich, Karl Kurt, Pfarrer 249 geb. 6. 1. 1886 Leipzig, gest. 20. 1. 1976 3. 4. 1910 Ordination und Hilfsgeistlicher, 1912 Diakon St. Moritz Zwickau (Diakon), 1919 Diakon St. Katharinen Zwickau, 1930 Pfarrer St. Katharinen Zwickau, 1956 Emeritierung. Friedrich, Rudolf, Oberbürgermeister, Ministerpräsident 113, 373 geb. 9. 3. 1892 Plauen, gest. 13. 6. 1947 Dresden 1922 Eintritt in die SPD, 1923 Regierungsassessor, 1926 Regierungsrat im Innenministerium, 1930–1933 ehrenamtlicher Stadtrat Dresden, 1945 Oberbürgermeister Dresden, 1946 Ministerpräsident Sachsen. Fuchs, Emil, Theologe, Professor an der Universität Leipzig 194, 291–293, 332, 360 geb. 13. 5. 1874 Beerfelden, gest. 13. 2. 1971 Ost-Berlin [Personenlexikon, 82] F hr, Hermann Paul Fritz, Theologe, Generalsuperintendent 54, 210, 293, 328, 330 geb. 28. 2. 1904 Halberstadt, gest. 21. 7. 1963 Berlin 1923–1927 Studium der Theologie Marburg und Halle, 1927 Erstes Theologisches Examen Halle und Vikariat Neumarkt Gemeinde, 1929 Zweites Theologisches Examen, 1929 Ordination im Dom zu Magdeburg, 1930 Hilfsprediger Worbis, 1930–1940 Pfarrer Berga Kirchenkreis Kyffhäuser, 1940–1945 Militärdienst, Mitglied der Bekennenden Kirche, 1946 kommissarischer Verwalter an St.-Petri-Kirche Nordhausen und Superintendent des Kirchenkreises Nordhausen, 1948–1956 Propst, 1956–1963 Superintendent Berlin Sprengel II, Inhaber der 3. Pfarrstelle der Erlöser-Gemeinde, Geinitz, Hans-Werner, Pfarrer 70, 107 f., 252 geb. 2. 3. 1909 Magdeburg, gest. Schweiz 1936 Predigerseminar Wittenberg, 1937–1938 Hilfsprediger Pauluskirche Magdeburg, 1938 Hilfsprediger Groß Ottersleben, 1938–1939 Hilfsprediger Weißenfels-Altstadt, 1939 Hilfsprediger Arsten-Habenhausen, 1939–1940 Hilfsprediger Kreuzkirche Bre-
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merhaven, 1945–1946 Pfarrer Kirchenkreis Magdeburg, 1946–1947 Gefängnispfarrer Magdeburg, 1947–1954 Prediger der Vereinigten Reformierten Kirchengemeinde Magdeburg, 1955 Amtsniederlegung aufgrund theologischer Differenzen, 1955–1957 Freie Evangelische Lukasgemeinde Gießen, 1957 Religionslehrer Chillon-College in Montreux-Gillon/Schweiz. Gentz, Werner, Jurist 40–43, 45 f., 60 f., 75–79, 81, 83, 85, 90, 94, 97 f., 100, 102, 106, 112, 117, 160, 243, 350 geb. 1884, gest. 1979 1933 Entlassung als Ministerialrat im Preußischen Justizministerium, 1933–1945 Amtsrichter in Berlin, 1945–1949 Leiter der Abteilung Strafvollzug bei der DJV, 1950–1952 Leiter der Hauptabteilung für das Anstaltswesen. Gertich, Karl, Schlosser, Leiter des Strafvollzugs der DDR 67, 162, 173, 175 f., 178, 180, 183, 188, 190 f., 195 f., 271, 276 geb. 1905, gest. 1970 gelernter Schlosser, 1930 Eintritt in die SPD, 1936 Verhaftung, 1937 Verurteilung zu 2,5 Jahren Zuchthaus durch das Kammergericht Berlin wegen „eines hochverräterischen Unternehmens“, Dienst in der Wehrmacht, 1944–1946 englische Gefangenschaft, 1947 Eintritt in die SED, 1947 DVdI Berlin, Sachbearbeiter in der Abteilung „ K5“, 1949 stellvertretender Abteilungsleiter, 1950 Leitung des gesamten Strafvollzugs der DDR, 1951 Verhaftung aufgrund „trotzkistischer Machenschaften“ verhaftet und wegen „Zersetzungsarbeit“ zu sieben Jahre Haft verurteilt, 1956 vorzeitige Entlassung und Flucht in die Bundesrepublik. Geyer, Annemaria Martha Alexandra, Vikarin 88, 250 1941–1945 Pfarrhelferin Saalfeld, 1945–1949 Vikarin in Eisenach. Giebeler, Eckhart, Pfarrer 19–21, 25, 139, 176, 180, 191 f., 205–213, 217, 224, 242, 266, 274, 288, 290 f., 302, 337, 340 f., 347 geb. 13. 10. 1925 Berlin, gest. 2. 3. 2006 Berlin 1949 nebenamtlicher Gefängnispfarrer Brandenburg-Görden, ab 1950 im Hauptamt, 1950–1951 Mitarbeit Nationale Front im Ortsausschuss Plaue, 1951 Eintritt in die OstCDU, 1951 staatlich beauftragter Rundfunkprediger, 1953–1989 hauptamtlicher Gefängnisseelsorger im Dienst der HVDVP im Range eines Majors, 1959 Beginn der bis zum Ende seiner Dienstzeit anhaltenden Kooperation mit dem MfS unter dem Decknamen „Roland“. Giersch, Martin, Studentenpfarrer 284 geb. 1. 6. 1909, gest. 1969 Berlin Sohn Herrnhuter Missionare, 1939–1944 Dienst in der Wehrmacht, 1945 Pfarrassistent später Vikar Milbitz/Thüringen, 1951 Ordination und Pfarrer in Weimar, 1957 Verhaftung und Verurteilung zu 14 Monaten Gefängnis aufgrund angeblicher Boykotthetze, 1959–1969 Pfarrer in Blankenheim. Glombitza, Otto Paul Richard, Pfarrer, Superintendent 109, 114 f., 126 geb. 1908, gest. 1978 1933–1937 Hilfsprediger Rückersdorf, 1945–1946 kommunaler Verwalter Gera Salvator I, 1946–1950 Pfarrer Gera Johannes II, 1950–1970 Pfarrer und Superintendent Friedrichroda II. Gçring, Bernhard, Widerstandskämpfer, Politiker 32 geb. 21. 11. 1987 Berlin, gest. 1. 12. 1949 Dresden
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1916 Eintritt in die SPD, 1921 Funktionär in den Angestelltengewerkschaften, persönlicher Referent von Siegfried Aufhäuser, aktiv im Bund der religiösen Sozialisten Deutschlands, 1933 Leitung einer Widerstandsgruppe des AfA-Bundes (Arbeitsgemeinschaft der freien Angestelltenverbände), Mitglied der Widerstandsgruppe „Neu beginnen“, 1937–1940 mehrere Verhaftungen, die aufgrund seiner Netzwerke jedoch nie in Verurteilungen endeten, ab 1945 beteiligt am Wiederaufbau der SPD und der Gewerkschaften, Befürworter der Vereinigung von SPD und KPD, 1946 SED Mitglied im Parteivorstand und hauptamtlich 2. Vorsitzender im FDGB. Grauheding, Erich, Jurist, OKR 228 f., 236, 277, 279, 282, 284, 288, 296, 301–303, 314 f., 317–319, 421 geb. 10. 2. 1911 Essen, gest. 12. 7. 2000 Speyer 1934 Referendarexamen vor dem Oberlandesgericht Köln und Promotion zum Dr. jur, 1934–1938 Gerichtsassessor Essen, 1938 juristischer Hilfsarbeiter Konsistorium Stettin, 1939–1941 Assessor Konsistorium der KPS in Magdeburg, 1941 Ernennung zum Konsistorialrat, 1942–1945 Kriegsdienst, 1946 Rückkehr in die Magdeburger Kirchenverwaltung, 1952–1957 OKR und leitender Jurist der Kirchenkanzlei Ost, 1958 OKR Speyer, 1964 Präsident des LKA Kiel, 1975 Emeritierung. Gregers, Joachim, Priester 262 Grothewohl, Otto, Ministerpräsident der DDR 16, 31, 179, 206 f, 281, 285 geb. 11. 3. 1894 Braunschweig, gest. 21. 9. 1964 1912 Eintritt in die SPD, 1914–1918 Soldat, 1918 Eintritt in die USPD, 1920–1925 Abgeordneter im braunschweigischen Landtag, 1921–1922 Minister für Volksbildung und Inneres Braunschweig, 1922 Erneuter Eintritt in die SPD, 1923–1924 Minister für Justiz Braunschweig, 1925–1933 Bezirksvorsitzender des SPD-Landesverbandes Braunschweig, Mitglied im Reichstag,1933–1938 selbständiger Kaufmann, 1939–1945 Umzug nach Berlin und mehrfache Verhaftungen wegen „illegaler Umtriebe“ und Kontakt zum Widerstand, 1945 Wahl zum Vorsitzenden der SPD, 1946–1954 zusammen mit Wilhelm Pieck Vorsitzender der SED. Grçtschel, Artos Ottokar, Hauptabteilungsleiter im MdI der DDR 175 f., 211 geb. 24. 7. 1912 Plauen/Voigtland, gest. 27. 7. 1992 Berlin 1930 Expedient Leipzig, 1932 Bürovorsteher ebd., 1939 Leiter der Rechtsabteilung ebd., 1940–1945 Kriegsdienst und -gefangenschaft, Sekretär beim Bürgermeisteramt Pegau/ Kreis Borna, 1945/46 Kassenleiter Groitzsch, 1947 Kreisrat Borna, 1949 Besuch der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft Potsdam-Babelsberg, 1949–1952 persönlicher Referent des Staatssekretärs Warnke im Ministerium des Innern der DDR, 1952 Leiter der Hauptabteilung Vermessung und Kartenwesen ebd., Führung der Geschäfte des Staatssekretärs ebd., 1954 Versetzung zum Rat des Bezirks Magdeburg, 1958 Vorsitzender des Rates des Kreises Salzwedel, 1960 Bürgermeister Haldensleben, 1964 Oberreferent im VEB-Kombinat Kraftverkehr Leipzig, 1970 Abteilungsleiter ebd., 1977 Ruhestand. Gr nbaum, Kurt Robert Karl Eduard 152, 180, 187 f., 277, 281 geb. 5. 4. 1892 Brandenburg/Havel, gest. 9. 4. 1982 Brandenburg/Havel 1914–1918 Kriegsdienst, 1922–1925 Rechtsanwalt, 1923–1926 Jurist im Konsistorium Berlin, 1925 Konsistorialrat ebd., 1927 Ministerialrat (geistl. Abt.), 1945 Regierungsdirektor der Landesregierung Brandenburg, 1948 Domkurator Brandenburg, 1950–1952 Leiter der Hauptabteilung Verbindung zu den Kirchen in der DDR-Regie-
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rungskanzlei, 1953 Jurist im Berliner Konsistorium, 1954–81958 Konsistorialpräsident Magdeburg, 1958 Ruhestand und Domkurator Brandenburg, 1961–1971 juristischer Referent in der Kirchenkanzlei der EKU. Haas, Rudolf August de, Pfarrer 23, 168, 188, 191, 259–262, 268 f., 333 geb. 7. 9. 1901 Saarlouis, gest. 9. 7. 1956 Dresden 1936–1956 Pfarrer der evangelisch-reformierten Gemeinde zu Dresden. Haase, Ulrich, Studiendirektor 23, 188, 260 f., 268, 361 geb. 2. 2. 1928, gest. 2. 12. 2016 Hahn, Hugo, Theologe, Landesbischof 34, 51, 128 f., 165, 171, 176 f., 195, 200–204, 217 geb. 4. 10. 1886 Reval, gest. 5. 11. 1957 Dresden 1910–1919 Gemeindepfarrer in Estland, 1919 Pfarrer Worbis, 1927 Wechsel an die Thomaskirche Leipzig, 1930 Pfarrer Frauenkirche Dresden und Superintendent im Dresdner Landesbezirk, in der Zeit des Nationalsozialismus Leiter der Bekennenden Kirche in Sachsen, 1945–1947 Gemeindepfarrer in Stuttgart-Zuffenhausen, Unterzeichner des Stuttgarter Schuldbekenntnisses vom 19. 10. 1945, 1947 Rückkehr nach Dresden, 1947 Landesbischof, 1953 Emeritierung aufgrund einer schweren Erkrankung. Hartwig, Max, SS-Unterscharführer, stellvertretender Staatssekretär für Kirchenfragen 157, 281, 285 geb. 1922 1940 Eintritt in die Waffen-SS, Dienst als Unterscharführer in den Konzentrationslagern Oranienburg und Buchenwald, 1957 stellvertretender Staatssekretär für Kirchenfragen unter Otto Nuschke, 1960 Amtsenthebung aufgrund seiner SS-Mitgliedschaft nach deren Bekanntwerden in der Presse. Hegen, Josef 281 geb. 23. 4. 1907 Hunschgrün/Böhmen, gest. 28. 2. 1969 Berlin ˇ , 1935–1938 Besuch der Leninschule Moskau, 1939 Emigration 1924 Mitglied der KPC ˇ in Karlovy Vary, hier leitete er die nach Moskau, 1945/46 Instrukteur bei der KPC Vertreibung und Aussiedlung von Deutschen in die SBZ, 1946 Eintritt in die SED, 1946–1947 Vorsitzender der SED in Südwestsachsen, 1948–1950 Chefinspekteur der Deutschen Volkspolizei Sachsen-Anhalt, 1950–1952 Innenminister Sachsen-Anhalt, 1952–1953 Vorsitzender des Rates des Bezirkes Magdeburg, Mitglied der SED-Bezirksleitung, 1953–1957 Staatssekretär für innere Angelegenheiten im MdI der DDR, Mitglied der Abteilung Kirchenfragen beim ZK, 1957–1961 Botschafter in Polen, 1961–1964 Botschafter in China, 1964 Minister für Äußere Angelegenheiten, 1966 erster stellvertretender Minister und Staatssekretär. Heiler, Johann Friedrich, Religionswissenschaftler 181, 330 geb. 30. 1. 1892 München, gest. 28. 4. 1967 München [Personenlexikon, 103] Heise, Wilhelm, Literaturwissenschaftler, Pädagoge 21, 31 f., 230 geb. 25. 3. 1897 Fürstenwalde/Spree, gest. 11. 3. 1949 Berlin 1915 Abitur und Studium der Germanistik und der Philosophie an der HumboldtUniversität Berlin, 1919 Promotion und Absolvierung des Staatsexamens für das Lehramt an höheren Schulen, 1919–1934 Schulassessor und Studienrat an der KörnerOberrealschule in Berlin, 1934 Entlassung aus dem Schuldienst, Schreib- und Vortragsverbot, 1945 Leiter der Schulabteilung der Deutschen Verwaltung für Volksbil-
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dung, Mitorganisator der Schulreform in der SBZ, 1946 Mitglied der SED, 1946 außerordentlicher Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin und Dekan der Pädagogischen Fakultät, 1947 ordentlicher Professor für allgemeine Didaktik. Held, Friedtjof, Kirchenrat 118 geb. 21. 1. 1904 Dittmannsdorf/Meißen, gest. 20. 6. 2001 1928–1931 Jurastudium Leipzig, 1937 Promotion, 1954–1960 Kirchenrat Leipzig, 1960 Landeskirchenamt Dresden. Helm, Friedrich-Walter, Superintendent 111, 195, 339, 341 geb. 21. 1. 1896 Penig, gest. 11. 1. 1975 Meißen 1922 Predigerkolleg in Leipzig, 1923 Ordination, 1925 Pfarrer in Hammerbrücke, 1930–1934 Pfarrer St. Marien Zwickau, 1947 Superintendent Stollberg/Erzgebirge. Hinz, Christoph Paulus Otto Friedrich, Superintendent 303 geb. 28. 1. 1928 Zezenow, gest. 21. 03. 1991 Magdeburg 1952 Erstes theologisches Examen Halle/Saale, Vikar, Studieninspektor und kommissarischer Studentenpfarrer ebd., 1956 Zweites theologisches Examen Magdeburg, Studentenpfarrer Halle/Saale, 1963–1967 Pfarrer Merseburg, 1967–1978 Rektor des Pastoralkollegs Gnadau Magdeburg, 1978 Pfarrer der Magdeburger Matthäus-Gemeinde und Propst des Sprengel Magdeburgs, 1986 Emeritierung. Hofmann, Bernhard, Jurist, Konsistorialpräsident 121, 133 geb. 19. 7. 1889 Magdeburg, gest. 10. 2. 1954 Magdeburg [Personenlexikon, 114] Hromadka, Josef, Theologe 292 f. 8. 6. 1889 Hodslavice/Mähren, gest. 26. 12. 1969 Prag 1907–1911 Studium der Theologie Wien, Basel und Heidelberg, 1911 Erstes Theologisches Examen, 1912 Ordination zum evangelisch-lutherischen Pfarrer, 1912–1917 Vikar Vset n, 1917 Promotion, 1919 Pfarrer Sˇonov/Böhmen, 1920 Habilitation HusFakultät Prag und Antritt einer außerordentlichen Professur für Systematische Theologie, 1922 Ausscheiden aus dem Pfarramt, 1928 ordentlicher Professor, Engagement in der Ökumene, im Nationalsozialismus Unterstützer der Bekennenden Kirche, 1939 Exil in der Schweiz und Übernahme einer Gastprofessur an der Princeton University, 1947 Rückkehr nach Prag und Wiederaufnahme der Lehrstuhlarbeit an der Universität, hier Dienst als Dekan bis 1969. H bener, Friedrich Julius Erhard, Politiker, Ministerpräsident 106, 121 geb. 4. 8. 1881 Tacken/Brandenburg, gest. 3. 6. 1958 Gadderbaum/Bielefeld 1901 Abitur an der Landesschule Pforta/Altmark, Studium der Geschichte und der Nationalökonomie beendet mit der Promotion, 1914–1918 Offizier, 1918 Eintritt in die DDP, 1919 Mitarbeiter im preußischen Handelsministerium, 1922–1933 Landeshauptmann in der preußischen Provinz Sachsen, 1933 Entfernung aus dem Amt, 1945 Wiederberufung in das Amt des Landeshauptmannes durch die Amerikaner, später Ernennung zum Präsidenten der Provinzialverwaltung der Provinz Sachsen durch die SMAD, Mitbegründer der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands (LDPD) in Halle/Saale, 1946 Wahl zum einzigen nicht der SED angehörigen Ministerpräsidenten in der SBZ, 1949 freiwilliger Rücktritt aus dem Amt. Irmler, Rudolf, Pfarrer 127–129, 140 f., 144 f., 169, 171 f., 176 f., 191, 194, 213, 242 f., 249, 254 geb. 11. 8. 1907 Lüben, gest. 8. 1. 1999 Marktheidefeld
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Studium der Theologie, 1931 Vikariat Pilgramsdorf bei Lüben, 1931–1939 Dienst in der deutschen Gemeinde Jgrejinha in Brasilien, 1932 Ordination Grande du Sul/Brasilien, Dienst als Gefängnisseelsorger im Hinrichtungsgefängnis Kattowitz/Oberschlesien, nach dem Kriegsende Rückkehr nach Schlesien und Betreuung der Gemeinden in den Kirchenkreisen Lüben und Steinau im Auftrag der Breslauer Notkirchenleitung, 1947 Ausweisung aus Schlesien, 1948 Gemeindepfarrer Waldheim/Sachsen und Übernahme der Gefängnisseelsorge in der dortigen Strafvollzugsanstalt, 1953 Übersiedlung in den Westen Deutschlands, Krankenhauspfarrer in Frankfurt/Main, 1954 theologischer Mitarbeiter beim Gustav-Adolf-Werk in Kassel, 1963 Pfarrer und Rektor des Diakonissenmutterhauses Breslau-Lehmgruben in Marktheidenfeld am Main. Jacob, Günther, Theologe 16, 176 geb. 8. 2. 1906 Berlin, gest. 29. 9. 1993 Berlin [Personenlexikon, 122] Jakupov, Abdul-Shagi, Oberstleutnant SMAD 112 J nicke, Johannes Richard Adolf, Bischof 280 geb. 23. 10. 1900 Berlin, gest. 30. 3. 1970 Halle/Saale [Personenlexikon, 123] Jannasch, Wilhelm, Theologe, Pfarrer 75 f., 78 geb. 8. 4. 1888 Gnadenfrei/Schlesien, gest. 6. 6. 1966 Frankfurt/Main [Personenlexikon, 123–124] Jauch, Werner, Volkspolizei-Inspekteur 163, 172 f., 188, 194 f., 212, 215–217, 227 f., 259, 263, 293, 295 f., 300, 320, 328 f., 332, 336, 339, 346 1951–1955 Leitung der ,HA SV 2 Organisation‘, 1955 ,Stellvertreter Allgemein‘ von August Mayer, 1963 Oberst in der Verwaltung Strafvollzug. Jendrzejczyk, Anton, kath. Pfarrer 271 geb. 1899, gest. 1954 Strafanstaltsseelsorger Erzbistum Breslau, 1947 Flüchtlingspriester und Gefängnisseelsorger in Thüringen. Jensch, Franz, Mitbegründer der CDU in der DDR, Abgeordneter des Sächsischen Landtages 115, 119 f. geb. 9. 2. 1906 Schmottseiffen (heute Lubomierz/Polen), gest. 6. 4. 1985 Dresden gelernter Schmied, 1928 Eintritt in die Zentrumspartei, vornehmliches Wirken im Christlichen Metallarbeiterverband, 1933 Entlassung als Gewerksschaftssekretär,1935 Leitung des Katholischen Pfarrsteuerverbandes in Dresden, 1935–1972 Diözesansenior des Kolpingwerks, 1945 Mitbegründer der Christlich-Sozialen Volkspartei und Mitglied der CDU, 1946 Wahl zum stellvertretenden Landesvorsitzenden der sächsischen CDU, 1948 Abgeordneter im 1. Deutschen Volksrat, 1952 Vize-Präsident des deutschen Katholikentages, 1971 Eintritt in den Ruhestand. Jensch, Maria, Vikarin 251 1950 Einstellung für die Seelsorge in der Frauenabteilung im Strafvollzug Erfurt, Beschäftigung in dieser Position nachweisbar bis 1952. Jermolajew, Wsewoljod Alexandrowitsch, Leutnant/Hauptmann 71, 93 geb. 1909 Geschichtsdozent,1941 Mitarbeiter der Politischen Hauptverwaltung der Roten Armee (GlawPURKKA),1945–1949 Beschäftigung bei der SMAD-Informationsverwaltung
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und damit verantwortlich für den Kontakt mit den Kirchen, Vertreter für Kirchenfragen im Kontrollrat, danach wieder Dozent für Geschichte. J chen, Aurel von, Theologe 32 f. geb. 20. 5. 1902 Gelsenkirchen, gest. 11. 1. 1991 Berlin Abitur 1922, danach Studium der Theologie in Münster, Tübingen und Jena, 1926 Erstes Theologisches Examen, Lehrvikar in Meuselwitz, 1928 Eintritt in die SPD und in den Bund der Religiösen Sozialisten Deutschlands, 1929 Zweites Theologisches Examen,1929–1932 Pfarrstelle Mohrenbach/Thüringen, 1932 Amtsenthebung durch die Thüringische Landeskirche wegen aktiven Engagements für die SPD, 1938 Anschluss an die Bekennende Kirche, Pfarrer in Rossow bei Netzeband, 1939–1945 Wehrmacht, 1945 Landes-jugendpfarrer Mecklenburg, Vertreter der evangelische Jugend im FDJLandesverband Mecklenburg, 1945–1946 Eintritt SPD/SED, Vorsitzender des Kulturbunds Schwerin, 1949 Ausschluss aus der SED, 1950 Festnahme durch das NKWD in Schwerin, Verurteilung wegen angeblicher Spionage zu 15 Jahren Zwangsarbeit, 1950–1955 Haft im Lager Workuta, 1955 Berufung durch Otto Dibelius als Strafanstaltspfarrer für Berlin-Plötzensee und das West-Berliner Frauengefängnis, 1972 Emeritierung. Kaden, Felix, Abgeordneter des Sächsischen Landtages 121 geb. 12. 8. 1892 Kötzschenbroda (heute Radebeul), gest. 29. 6. 1964 1910 Eintritt in die SPD, 1918–1920 Inhaber einer Gärtnerei, 1920–1933 Parteisekretär der SPD in Bautzen und Meißen, 1945–1946 Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der sächsischen SPD, 1946–1948 Mitglied des SED-Landessekretariats und Abgeordneter des sächsischen Landtags, 1950 kurzzeitig Minister für Land- und Forstwirtschaft im Kabinett Seydewitz. Kaiser, Jakob 155, 205 geb. 8. 2. 1888 Hammelburg/Franken, gest. 7. 5. 1961 Berlin 1906–1912 Buchbinder in Nürnberg, 1912 Eintritt in die Zentrumspartei, 1933 Wahl zum Reichstagsabgeordneten, 1934 Arbeit im Widerstand, 1938 Gestapo-Haft aufgrund des dringenden Verdachtes hochverräterischer Betätigung, 1945 Mitbegründer des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes und der CDU Deutschlands in der SBZ, 1947 Enthebung aus dem Amt des Vorsitzendes der CDU durch die SMAD aufgrund seines Widerstands gegen die Gleichschaltungspolitik, Abgeordneter im Berliner Stadtparlament, 1948/1949 Mitwirkung als Vertreter Berlins im Parlamentarischen Rat an der Ausarbeitung des Grundgesetzes, 1949 Übernahme der Führung der Sozialausschüsse der CDU/CSU, 1949–1957 Abgeordneter der CDU im Bundestag. Kanger, Arthur, Direktor des Instituts für Kriminalistik an der Humboldt Universität in Berlin 98–100, 107 geb. 17. 4. 1875 Valka/Lettlan, gest. 1960 1902 Abschluss in Pharmazie Universität Dorpat (heute Tartu/Estland), 1911 Promotion in Pharmazie, 1916 Inhaber der Lehrstühle für Forensische Pharmazie, Pharmazeutik und Forensische Chemie Odessa, 1923 Dozent der Kriminalwissenschaften in Riga, Gründer des Instituts für Gerichtsmedizin in Riga, 1930 Mitglied der Internationalen Akademie der Kriminalwissenschaften, 1933 außerordentliche Professur am Herder Institut für forensische Wissenschaft, Chemie und Materialkunde, 1936 Vorstandsmitglied der Internationalen Forschungsgemeinschaft für Graphologie und fo-
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rensische Dokumentenprüfung, Ehrenmitglied der Pharmazeutischen Gesellschaft in Riga. Karnatz, Bernhard 224, 233, 237, 239, 287 geb. 29. 3. 1882 Verden/Aller, gest. 18. 3. 1976 Berlin [Personenlexion, 130] Kastner, Hermann 115 geb. 25. 10. 1886 Berlin, gest. 4. 9. 1957 München 1904–1908 Studium der Rechtswissenschaften und der Volkswirtschaft in Berlin, 1909 Promotion, Tätigkeit in der Berliner Stadtverwaltungen von Lichtenberg und Neukölln sowie beim Berliner Magistrat, 1917 Ruf an die Fürst-Leopold-Akademie für Verwaltungswissenschaften, 1920 Rechtsanwalt Dresden, Gründungsmitglied der Demokratischen Partei Deutschlands (DDP), Vorsitzender in Ostsachsen, 1922–1933 Abgeordneter der DDP im Sächsischen Landtag, 1945 Präsident der sächsischen Anwaltsund Notarkammer, Gründungsmitglied und Vorstandsmitglied der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands (LDPD), 1945–1949 Vorsitzender des sächsischen Landesverbands der LDPD,1946–1948 Justizminister, 1948 Fachsekretariat Finanzen, Post und Fernmeldewesen in der Deutschen Wirtschaftskommission, 1948 erster stellvertretender Vorsitzender der LPD, 1949 Vorsitzenden der LDPD der SBZ, 1949 Berufung in die Provisorische Regierung der DDR, 1950 Ausschluss aus der LDPD, 1951 auf sowjetischen Druck Rehabilitierung und Wiederaufnahme und Übertragung der Leitung des „Förderausschusses für die Intelligenz“ beim Ministerpräsidenten der DDR, 1956 Flucht in die BRD. K stner, Maria, Seelsorgerin im Haftarbeitslager Bitterfeld während der SBZ 250 Kegel, Martin Theodor, Oberkonsistorialrat 184–186 Kempowski, Walter, Schriftsteller 165, 269, 327, 356, 358, 361 geb. 29. 4. 1929 Rostock, gest. 5. 10. 2007 Rotenburg an der Wümme 1948 Verhaftung durch den sowjetischen Geheimdienst wegen Spionage für den USNachrichtendienst und Verurteilung durch ein SMT zu 25 Jahren Arbeitslager, 1948–1956 Ableistung der Haft in Bautzen im sog. Gelben Elend, hier leitete er ab 1954 den Gefängnischor, 1956 Studium der Pädagogik in Göttingen, 1960–1965 Lehrer bei Zeven, 1965–1975 Lehrer in Nartum, Landkreis Rotenburg (Wümme), 1969 Veröffentlichung der Hafterinnerungen unter dem Titel „Im Block“, 1975–1979 Lehrer in Zeven bei Bremen, 1971 Förderpreis des Lessingpreises der Stadt Hamburg, 1972 Auszeichnung mit dem Wilhelm-Raabe-Preis der Stadt Braunschweig und dem Förderpreis des AndreasGryphius-Preises, 1977 Gastdozent an der Universität Essen, 1980–1991 Lehrbeauftragter für Fragen der Literatur-Produktion an der Universität Oldenburg, 1983 Gastdozent an der Universität Hamburg, 1986 Herausgebertätigkeit des Archivs für publizierte Autobiographien, 1994 Gründung des Werk-Archivs in Rostock und Verleihung des Konrad-Adenauer-Preises, 1996 Auszeichnung mit dem Großen Bundesverdienstkreuzes der Bundesrepublik, 1997 erfolgte die Erweiterung des Rostocker Archivs zu einer Sammlung Rostocker Schriftsteller, 2003 Übernahme einer Honorarprofessur für Neuere Literatur- und Kulturgeschichte an der Universität Rostock. Kietzig, Eberhard, Pfarrer und Seelsorger im Berliner Frauengefängnis Barminstraße 264 geb. 17. 2. 1904
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Kleeberg, Ruth, Stadtmissionarin und Gefängnisseelsorgerin in Bitterfeld 87, 246 f., 249 f., 253, 288, 290, 352 Kleemann, Johannes Samuel, Pfarrer, Oberlandeskirchenrat 176 f. geb. 2. 6. 1899 Chemnitz, gest. 27. 11. 1991 Dresden 1925 Abschluss Predigerkollegs Leipzig, 1926 Ordination, 1926 Pfarrer Werda, 1936 Pfarrer Zscheila, 1947 Diakon Radebeul, 1947–1969 OLKR für kirchliche Ausbildung und Evangelisation der Evangelisch-Lutherischen Kirche Sachsens. Klein, Matthäus, Philosoph, Vizepräsident der Urania 32, 42, 77, 89, 183 geb. 18. 12. 1911 Bettingen, gest. 2. 2. 1988 Ost-Berlin 1931 Abitur in Wertheim, Studium der evangelischen Theologie in Greifswald, Heidelberg und Erlangen, 1939 Unteroffizier Wehrmacht, 1941 Kriegsgefangenschaft und Mitbegründer des Nationalkomitees Freies Deutschland, 1945 Eintritt in die KPD und Mitwirkung beim Aufbau des Berliner Rundfunks, 1947 Lehrer für Philosophie an der Parteihochschule Karl Marx beim ZK der SED, 1950 Dozent für Gesellschaftswissenschaften an der Universität Jena, 1951–1962 Professor am Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED, 1962–1973 stellvertretender Direktor des Zentralinstituts für Philosophie an der Deutschen Akademie der Wissenschaften, 1956–1960 Chefredakteur der Deutschen Zeitschrift für Philosophie, 1977 Emeritierung. Kleinschmidt, Karl, Pfarrer, Abgeordneter der DDR-Volkskammer, Religiöser Sozialist 31–34, 360 geb. 26. 4. 1921, gest. 13. 8. 1978 Schwerin 1921–1924 Studium der evangelischen Theologie Jena u. München, Vikariat, 1927–1933 Pfarrer in Weißbach und Eisenberg, Mitglied im Thüringer Landesverband des Bunds Religiöser Sozialisten, 1927 Eintritt in die SPD, 1931 Enthebung aus dem Pfarramt, 1933 Verhaftung durch die Gestapo, 1935 Wiederaufnahme in den kirchlichen Dienst und Domprediger in Schwerin, 1939 erneutes Disziplinarverfahren, 1939 Einzug zur Wehrmacht bis 1945 Kriegsdienst zuletzt als Oberfeldwebel, amerikanische Gefangenschaft, 1945 Wiedereinsetzung als Domprediger in Schwerin, 1949 Eintritt in die SED, 1947 Mitbegründer des Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, 1947–1949 Vizepräsident des Kulturbundes, 1949–1954 Abgeordneter der Volkskammer, 1955 Mitherausgeber von „Glaube u. Gewissen“, 1958 Mitbegründer und Vorstandsmitglied des Bunds Evangelischer Pfarrer in der DDR, 1959 leitender Redakteur, des „Evangelischen Pfarrerblatts“, 1961–1973 Mitglied des DDR-Regionalausschusses der Christlichen Friedenskonferenz, 1968 Ruhestand. Klingenberg, Else, Jugend-Bezirkssekretärin der FDJ Magdeburg 121 geb. 5. 7. 1921 Magdeburg, gest. 23. 8. 2019 Magdeburg Knebel, Walter Gottfried Julius von 109, 122 geb. 6. 8. 1894 Friedland/Ostpreußen Studium der Theologie, 1919 Erstes Theologisches Examen Friedland, 1921 Zweites Theologisches Examen ebd., 1921 Prediger Seminar in Wittenberg, 1921 Ordination, 1921 Hilfsprediger Elbing, 1922 Hilfsprediger Heimkehrerlager Heilsberg, 1922–1927 Pfarrer Heiligenbeil/Ostpreußen, 1927–1932 Pfarrer Polleben, 1932–1953 Pfarrer an St. Nicolai Zeitz, 1953–1961 zweiter Pfarrer an St. Johannes in Halle/Saale, 1961 Emeritierung und Übersiedlung nach Westdeutschland. Knodt, Emil Karl Wilhelm Hermann, Pfarrer, Gefängnisseelsorger 132, 144 f., 254–257, 343
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geb. 17. 9. 1878 1906 Ordination und Synodalvikar Runkel/Lahn, 1907 Pfarrer Nochern, 1913 Pfarrer Oestrich/Rheingau, 1914 Inspektor Berlin, 1924 Pfarrer Stadtvogtei Berlin, 1929 Pfarrer Zellengefängnis Moabit, 1924 Pfarrer Strafgefängnis Berlin Tegel, 1947–1951 Vorsitzende der Konferenz evangelischer Strafanstaltspfarrer Deutschlands. Knopf, Gottfried Martin Carl, Pfarrer 69, 231 geb. Wehrstedt 8. 4. 1870, gest. Halberstadt 6. 3. 1962 1891–1894 Studium der Theologie in Halle/Saale, 1894 Erstes Theologisches Examen Halle/Saale, 1896 Zweites theologisches Examen Magdeburg, 1900 Ordination ebd., 1897–1898 Oberhelfer Alsterdorfer Anstalten Hamburg, 1898–1900 Hilfsprediger Städtische Irrenanstalt Frankfurt/Main, 1900–1904 Hilfsprediger St. Jacobi Magdeburg, 1904–1949 2. Pfarrer St. Martini Halberstadt, 1949 Emeritiert, 1949–1954 Pfarrverwalter in Halberstadt (als Emeritus). Knospe, Gottfried, Oberlandeskirchenrat 100 f., 115–119, 124, 176–178, 194 f., 200, 202–205, 213, 223, 225 f., 236 f., 240, 245 f., 249, 251 f., 257, 259, 261, 294, 311 f., 315, 330, 342–344 geb. 2. 4. 1901 Kaitz, gest. 16. 10. 1965 Dresden 1928 Ordination, 1927–1928 Pfarrer Arnsdorf und an der Heil- und Pflegeanstalt ebd., 1932–1933 Heil- und Pflegeanstalt Hochweitzschen und 1. Pfarrer ebd., 1934 Pfarrer Rudolf-Heß-Krankenhaus (Johannstadt) und Pfarrer in Dresden, 1941–1942 1. Pfarrer an Trinitatis Dresden, 1943 1. Pfarrer in Striesen, 1953 ständiger OLKR LKA Dresden. Kçhler, Ernst, Oberkirchenrat 213, 227, 245, 282, 285 Kohoutek, Johannes (Hans), Leiter der VSV 163 geb. 2. 11. 1911 Leipzig, gest. 2013 1932 Eintritt in die KPD, 1940 Wehrmacht und Einsatz als Funker an der Ostfront, 1944 Desertation und Anschluss an die Rote Armee, Kursant der Antifa-Frontschule und Mitglied beim Nationalkomitee Freies Deutschland, 1945 Rückkehr nach Deutschland mit der Roten Armee und Übernahme schutzpolizeilicher Aufgabe im Raum Chemnitz und Dresden, 1945 Polizeipräsident Annaberg, 1949 Polizeipräsident Chemnitz, 1951 Leiter der Hauptabteilung Betriebsschutz des MdI Berlin, 1957 Chef der Bezirksbehörde Leipzig der DVP, 1962 Leiter der VSV beim MdI, 1965 Entlassung aus dem Amt wegen unkooperativem Verhalten gegenüber der Staatssicherheit, 1970 Entlassung aus dem Polizeidienst. Kopelke, Alfred, Gemeindepfarrer Gräfentonna 232, 257 geb. 1906 Korth, Hans 143, 243–245, 251, 253 f. Kotte, Erich 201, 203 geb. 16. 11. 1886 Buchenau/Eisenach, gest. 24. 10. 1961 Dresden [Personenlexikon, 143] Krauss, Werner, romanischer Philologe182 geb. 7. 6. 1900 Stuttgart, gest. 28. 8. 1976 Berlin 1918 Abitur am Eberhard-Ludwigs-Gymnasium Stuttgart, Studium der Literatur- und Kunstwissenschaften München, Madrid und Berlin, 1928 Promotion, 1931 Habilitation, 1933 außerordentlichere Professor für romanische Philologie, 1940 Einberufung zur Dolmetscher-Lehrkompanie nach Berlin, Anschluss an die Widerstandsgruppe Schulze-Boysen, 1942 Verhaftung, 1943 zum Tode verurteilt, 1944 Umwandlung des
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Urteils in fünf Jahre Zuchthaus, 1945 Flucht aus dem Zuchthaus Torgau, 1945 Eintritt in die KPD, 1947 Ruf auf den romanistischen Lehrstuhl der Universität Leipzig, 1958–1965 Direktor des Instituts für romanische Sprachen und Kultur der Deutschen Akademie der Wissenschaften, 1965 Emeritierung. Krebs, Albert, Sozialpädagoge, Ministerialrat, Strafvollzugsreformer 40 geb. 7. 10. 1897 Frankfurt/Main, gest. 2. 12. 1992 Oberursel/Taunus 1914–1918 Soldat im Ersten Weltkrieg, nach dem Krieg Studium der Fächer Geschichte, Deutsch und Fürsorgewesen, 1921 Promotion, 1923 Beginn der Arbeit im Strafvollzug, 1928 Direktor der Landesstrafanstalt Untermaßfeld, 1933 Entlassung durch die Nationalsozialisten, 1933–1945 Arbeit als Bibliothekar bei der Deutschen Gold- und Silberscheideanstalt (DEGUSSA), 1945 Leiter der Abteilung Strafvollzug im Hessischen Justizministerium, 1950 Mitbegründer der „Zeitschrift für Strafvollzug“, 1956 Honorarprofessor an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, 1987 Ehrendoktor der Sozialwissenschaften verliehen durch die Bergische Universität Wuppertal. Kreitschmann, Gerhard, Pfarrer 304 geb. 28. 4. 1917 Grotz Retzken Soldat im Zweiten Weltkrieg, 1954 Hilfsprediger mit kommissarischer Verwaltung der 1. Pfarrstelle in Lazarus Berlin, 1955–1972 1. Pfarrer an Lazarus, 1972 Übersiedlung in die Bundesrepublik. Kreyssig, Lothar, Jurist, Konsistorialpräsident 282 geb. 30. 10. 1898 Flöha/Sachsen, gest. 5. 7. 1986 Bergisch Gladbach [Personenlexikon, 145] Krummacher, Friedrich-Wilhelm, Theologe, Bischof 31, 35, 51, 71, 93 f., 169, 175 f., 227 f., 281, 289 geb. 3. 8. 1901 Berlin, gest. 19. 6. 1974 Altefähr/Rügen [Personenlexikon, 146] Kuhle, Richard, Beauftragter Kirchenwesen bei der Landesregierung Sachsen-Anhalt 105 f. Kumbier, Ernst, Pfarrer in Berlin Tempelhof geb. 1. 12. 1891, gest. 31. 1. 1972 Kupfer, Magdalena, Politikerin, Religionspädagogin 120–122 geb. 9. 10. 1910 Leipzig, gest. 25. 2. 2011 Dresden Studium der Pädagogik, Psychologie und Philosophie in Leipzig, Mitglied im „Bund deutscher Kriegsgegner“, 1933 Mitglied Bekennende Kirche, Verlust der Festanstellung im Schuldienst, stattdessen Springerin für Sachsen mit insgesamt 19 Strafversetzungen, 1945 Schulleiterin in Leukersdorf, 1946–1950 Mitglied im Sächsischen Landtag für die CDU und Leiterin des sächsischen Frauengefängnisses Leipzig-Kleinmeusdorf, 1950 Austritt aus der CDU und Aufgabe aller Ämter, 1951–1976 Dozentin für Pädagogik und Psychologie am Evangelisch-Lutherischen Diakonhaus Moritzburg, Mitglied der sächsischen Landessynode und der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Referentin der Evangelischen Akademie in Meißen und Erste Diakonin der Gemeinschaft Moritzburger Diakone und Diakoninnen, 1997 Bundesverdienstkreuz. K rschner, Erich, Pfarrer, Religiöser Sozialist 32 f. geb. 7. 11. 1889 Loszainen/Ostpreußen, gest. 3. 1. 1966 Berlin 1908–1913 Studium der Theologie, Philosophie und Kunstgeschichte in Königsberg, Wien und London, 1913 Ordination in der Evangelischen Landeskirche der älteren
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Provinzen Preußens, ab 1928 Pfarrstellen in Eydtkuhnen, Zinsdorf und Mehlauken, 1921 Mitglied der SPD, Anschluss an die Bruderschaft sozialistischer Theologen, 1924 erfolglose Kandidatur für den Reichstag, 1928 Übersiedlung nach Berlin, Gefängnispfarrer in der Strafanstalt Tegel, Mitarbeit in der Berliner Gruppe des Bundes der religiösen Sozialisten Deutschlands (BRSD), 1933 Entlassung aus dem Staatsdienst und Begin der Tätigkeit im Widerstand, 1934–1935 für einige Monate in „Schutzhaft, 1938 Verurteilung durch den Volksgerichtshof zu zehn Jahren Zuchthaus, 1945 Arbeit im Berliner Magistrat und Leitung der öffentlichen Bibliotheken Berlins, Eintritt in die SED, 1946–1947 Mitglied des Kulturausschusses der Partei, 1959–1962 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Außenministerium der DDR. Kusch, Ernst18–21, 163, 206, 209, 274 f., 317–320, 338, 340, 353 Mitarbeiter der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen, ab 1955 Abteilungsleiter. Kuschka, Ernst, Pfarrer 306, 308 geb. 1890 1945 kommunaler Verwalter Schönau/Hörsel, 1953–1958 kommunaler Pfarrverwalter (bereits emeritiert) Kleinfahner und Burgtonna. Kuschnizky, Friedrich, Jurist, Ministerialrat 81, 83, 114, 148 1946 Leiter der thüringischen Generalstaatsanwaltschaft, 1947–1950 Lehrauftrag für Strafrecht an der Universität in Jena. Lachmund, Margarethe Marie Pauline, geb. Grobbecker, Widerstandskämpferin, Quäkerin 205 geb. 17. 9. 1896 Woldegk, gest. 14. 10. 1985 Köln 1918–1920 Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei, 1927 Eintritt in die SPD, 1933 aktiv im Widerstand und Eintritt in die Religiöse Gesellschaft der Freunde, half von der Verfolgung durch die Nationalsozialisten bedrohten Juden und Jüdinnen, aktiv bei den Quäkern, 1954–1962 Schreiberin des Quäker Friedensausschusses, Engagement gegen Atomwaffen und für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung in der BRD. Lahl, Mitarbeiterin der Abteilung Kirchenfragen im Magistrat von Groß-Berlin 332, 335 Lange, Fritz 284 geb. 23. 11. 1898 Berlin, gest. 16. 9. 1981 1945–1948 Oberbürgermeister von Brandenburg, 1950–1958 Abgeordneter der Volkskammer und Kandidat des ZK der SED, 1954–1958 Minister für Volksbildung¸1958 abgelöst, 1960–61 Mitarbeit im Deutschen Institut für Militärgeschichte Potsdam, 1966 Ruhestand. Lange, Joachim Martin Stephan, Pfarrer 297 geb. 5. 7. 1895 Abberode, gest. 28. 7. 1975 Soldat im Ersten Weltkrieg, 1918 erstes Theologisches Examen Berlin, 1921 zweites Theologische Examen Berlin, 1921 Ordination in Berlin, 1918–1924 Pfarrverwalter Spechtsdorf/Pommern, 1922–1924 Pfarrer Spechtsdorf/Pommern, 1924–1933 Pfarrer Stötterlingen, 1933–1936 Pfarrer Leuna-Ockendorf, 1936–1945 Archidiaconus Stadtkirche Wittenberg, 1945–1947 kommissarischer Pfarrer Minsleben, 1947–1948 kommissarischer zweiter Domprediger Halberstadt, 1948–31. 05. 1957 Oberpfarrer St. Martini Halberstadt, 1956 für den Dienst in der Evangelischen Kirche des Rheinlands freigegeben, 1958–1965 Pfarrer Solingen und Mühlheim/Ruhr, 1965 Emeritierung. Lange, Otto, Pfarrer 70
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Laser, Gerhart, Pfarrer 213, 245, 261 geb. 16. 10. 1910 Hirschfelde, gest. 3. 7. 1992 1935 Pfarrer Milkel, 1936 Ordination, 1941 Pfarrer in Jöhstadt, 1948 Pfarrer Göda, 1959–1979 Pfarrer Hochkirch, 1976 Emeritierung. Lau, Franz, Theologie, Pfarrer, Landessuperintendent 27, 117 geb. 18. 2. 1907 Leipzig, gest. 6. 6. 1973 Leipzig [Personenlexikon, 153] Leim, Ernst, Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft der DDR 287, 327 Lewek, Christa, Parteifunktionärin der DDR-CDU, Oberkirchenrätin 230 19. 1. 1927 Leipzig, gest. 27. 3. 2008 Berlin 1946–1954 Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie in Leipzig, 1951–1952 wissenschaftliche Assistentin an der Universität Leipzig, 1952–1957 Hauptreferentin in der Hauptabteilung Verbindung zu den Kirchen von Otto Nuschke, 1958 Cheflektorin der Evangelischen Verlagsanstalt, 1959 Austritt aus der Ost-CDU, 1958–1969 Kirchenrätin und Oberkirchenrätin in der Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen der DDR, 1969–1988 Oberkirchenrätin und stellvertretende Leiterin des Sekretariat des Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR, verantwortlich für den Bereich Kirche und Gesellschaft. Lewek, Ernst, Theologe mit jüdischen Wurzeln, Pfarrer 191 geb. 18. 12. 1893 Leipzig, gest. 8. 11. 1993 Leipzig Studium der Evangelischen Theologie in Heidelberg, 1914 Kriegsfreiwilliger Grenadier, 1916 Ausscheiden aus dem militärischen Dienst nach einer Verwundung, Fortsetzung des Studiums, 1918 Ordination, 1919 Hilfsgeistlicher in Radeberg, 1920 Diakon Luthergemeinde Plauen, 1926 dritter Pfarrer an der Leipziger Nikolaikirche, 1933 aktiv beim Pfarrernotbund, 1935 Verhaftung und Verbringung ins KZ nach Sachsenhausen, 1944–1945 Zwangsarbeiter im Außenlager Osterrode des KZ Mittelbau-Dora, 1946 Eintritt in die Ost-CDU, Landesleiter Sachsen der Verein der Verfolgten des NaziRegimes, 1950 Abgeordneter in der Volkskammer der DDR mit dem Mandat der VVN, 1950–1952 Mitglied des sächsischen Landtags. Lincke, Günther, Journalist 333, 361 Lindenberg, Wladimir, Neurologe, Psychiater, Autor 15, 46, 60 f. geb. 16. 5. 1902 Moskau, gest. 18. 3. 1997 Berlin Schulzendorf musste aufgrund seiner adeligen Herkunft nach der Russischen Revolution seine Heimat verlassen, 1921–1926 Studium der Medizin und Psychologie in Bonn, aktive Mitarbeit in der Bündischen Jugend und beim Nerother Wandervogel, 1928 Promotion, 1930 Schiffsarzt, 1937 Verhaftung und Haft im KZ Neusustrum, 1941 Entlassung und Umzug nach Berlin, dort Übernahme der Leitung eines Forschungslabors, 1946–1947 Arzt im Behelfskrankenhaus Berlin-Heiligensee, stellvertretender Leiter der Abteilung Heilfürsorge bei der DJV, 1947 Beginn der schriftstellerischen Arbeit, 1947–1959 Chefarzt für Hirnverletzte am Evangelischen Waldkrankenhaus in Berlin-Spandau, 1954–1977 Mitglied des Kuratoriums der Fürst Donnersmarck-Stiftung zu Berlin. Maier, Rudolf, Pfarrer 70 1929–1934 Hilfsprediger, Hilfspfarrer und Pfarrer Wechmar, 1934–1948 Pfarrer Wasungen, 1943 Kriegsdienst, 1948–1959 Pfarrer Pferdsdorf/Werra. Marienfeld, Werner, Pfarrer 139, 180 geb. 6. 6. 1908 Talskeim, gest. 20. 5. 1989 Dortmund
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1934–1938 Pfarrer Mariä-Geburt-Kirche Wallenrode, aktiv bei der Bekennenden Kirche, 1945–1948 Seelsorger in Sibirien, 1949 Pfarrer Brandenburg/Havel, 1953 Flucht nach West-Berlin, 1953 Pfarrer in Dortmund-Marten, 1964 Gründungsmitglied der Gemeinschaft evangelischer Ostpreußen e. V., 1974–1984 Schatzmeister und stellvertretender Vorsitzender der Stiftung Ostpreußen. Maron, Karl, Chef der Deutschen Volkspolizei, Politiker 196, 198, 207, 209 f., 213 f., 280–283, 297 geb. 27. 4. 1903 Berlin-Charlottenburg, gest. 2. 2. 1975 Ost-Berlin 1917–1921 Ausbildung zum Maschinenschlosser, 1926 Eintritt in die KPD, 1933 Emigration nach Kopenhagen und Moskau, 1945 Rückkehr nach Deutschland als Mitglied der „Gruppe Ulbricht“, 1946 Erster Stellvertretender Oberbürgermeister von Berlin, 1946 Eintritt in die SED, 1949–1950 stellvertretender Chefredakteur des „Neuen Deutschland“, 1950–1955 Chef der Deutschen Volkspolizei, 1954 Mitglied des ZK der SED, 1955–1963 Innenminister, 1958–1967 Abgeordneter der Volkskammer, 1964–1974 Leiter des Instituts für Meinungsforschung beim ZK der SED. Marquardt, Heinz, Inspekteur Volkspolizei 161 Langjähriges KPD-Mitglied, während des Nationalsozialismus verurteilt zu Haftstrafen, die er in den Haftanstalten Luckau, Moabit und Brandenburg-Görden verbrachte, 1950–1954 Leiter der Haftanstalt Brandenburg-Görden, 1954–1958 Leiter der Abteilung Strafvollzug Leipzig, 1958 wegen Unfähigkeit aus dem Polizeidienst entlassen. Martin, Ernst Herbert, Pfarrer 22, 27, 83, 129, 184 geb. 3. 3. 1885 Schraplau, gest. 12. 11. 1974 Bad Münstereifel 1908–1911 Predigerseminar in Wittenberg, 1911 Ordination in Magdeburg, 1911–1912 Hilfsprediger Hötensleben, Nordgermersleben, 1912–1918 Pfarrer Felgentreu, 1918–1957 vierter Domprediger in Magdeburg, 1957 Emeritierung. Maruhn, Paul Pfarrer 83 f., 105 geb. 10. 4. 1898 Berlin 1924 Ordination, Hilfsprediger in Bornim, 1924–1926 Pfarrer Wanzer, 1926–1932 Pfarrer in den Neinstedter Anstalten, 1932–1933 Pfarrverwalter in Großkayna, 1933–1947 Pfarrer an St. Wenzel Naumburg. Mayer, August, Generalmajor Volkspolizei der DDR, Leiter der Verwaltung Strafvollzug 141, 158 f., 162 f., 166–168, 173–175, 191, 195, 197, 204, 215 f., 219, 223, 228 f., 234, 271, 276 f., 279, 290, 298, 300, 317 f., 346, 421 geb. 9. 6. 1898 München, gest. 11. 10. 1969 Berlin 1916 Eintritt in die Sozialistische Arbeiter-Jugend und die SPD, 1917–1918 Militärdienst, 1920 Eintritt in die KPD, 1922 Mitarbeiter des ZK der KPD Berlin zuständig für die Waffenbeschaffung, 1924 Inhaftierung im Tscheka Prozess, 1927 Entlassung (Hindenburgerlass) und wieder Mitarbeiter des ZK der KPD nun zuständig für die Waffenbeschaffung im gesamten Reich, 1931 Flucht in die UdSSR, 1931–1932 Militärschule in Moskau, 1932–1945 Arbeit für die Komintern, Leiter der KPD-Emigrationsgruppe in Holland, 1945 Rückkehr nach Deutschland, 1945–1946 Direktor beim Suchdienst des Alliierten Kontrollrats, 1946 Eintritt in die SED, 1946–1948 Präsident des Suchdienstes für vermisste Deutsche in der SBZ, 1948 Verwaltung des Innern und Generalinspekteur der Deutschen Volkspolizei und Leiter der Hauptabteilung Kriminalpolizei, 1949 Stellvertreter des Chefs der Deutschen Volkspolizei und Leiter der
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Hauptabteilung Kriminalpolizei, 1951–1959 Leiter der Verwaltung Strafvollzug in der HVDVP. Mehner, Heinrich, VP-Kommandeur, Autor 44, 47 f., 120, 219, 339 Meier, Otto, Politiker 30–32 geb. 3. 1. 1889 Magdeburg, gest. 10. 4. 1962 Potsdam 1903–1906 kaufmännische Lehre, 1909–1910 Militärdienst, 1911 Eintritt in die SPD, Soldat im Ersten Weltkrieg, Entlassung aufgrund einer schweren Verwundung, 1917 Wechsel zur USPD, 1922 Eintritt in die SPD, 1921–1933 Abgeordneter im Preußischen Landtag, während der Zeit des Nationalsozialismus mehrfach in Haft, zuletzt im KZSachsenhausen, 1945 Mitunterzeichner zur Wiedergründung der SPD, 1945–1946 Chefredakteur der SPD-Zeitung „Das Volk“, 1947 Abgeordneter, 1949–1952 Präsident des ersten und zweiten Brandenburger Landtags. 1948–1949 Mitglied im Deutschen Volksrat, 1949–1950 Abgeordneter der Provisorischen Volkskammer, 1950–1958 Abgeordneter der Länderkammer der DDR, 1952–1962 Abgeordneter des Bezirks Potsdam, 1952 Generaldirektor des Staatlichen Archivwesens, 1956 Ablösung aus gesundheitlichen Gründen. Meigen, Arnold Ludwig Christfried, Pfarrer 251, 288 geb. 11. 1. 1889 Pockau/Flöhatal, gest. 16. 9. 1957 1903 Gymnasium in Freiberg, 1919 Ordination, 1919 Pfarrer Oberneuschönberg, 1924 Verein für Innere Mission zweiter Geistlicher, 4. Pfarrer in Leipzig, 1934 4. Pfarrer St. Petri Leipzig, 1950–1956 2. Pfarrer St. Petri Leipzig (Archidiakon). Meinecke, Franz Wilhelm Werner, Pfarrer, Landeskirchenrat 191 f., 195, 200–204, 217 geb. 31. 1. 1910, gest. 11. 12. 1971 1936 Predigercolleg Leipzig, 1937 Hilfsgeistlicher in Trünzig, 1938 Ordination, 1946 Pfarrer an der Zionskirche Dresden, 1948 Pfarrer an der Heilandskirche von DresdenCotta, Landeskirchenrat, 1957 Emeritierung. Melsheimer, Ernst, Generalstaatsanwalt der DDR 40, 66, 238 geb. 9. 4. 1897 Nieder-Neunkirchen/Saar, gest. 25. 3.1960 Ost-Berlin 1914–1915 Soldat im Ersten Weltkrieg, 1915–1918 Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Marburg und Bonn, 1918 erstes Staatsexamen, 1918–1921 Vorbereitungsdienst bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften in Rhauenen, Saarbrücken, Neunkirchen und Köln, 1918 Promotion, 1921 zweites Staatsexamen, 1921–1937 Dienst im Preußischen Justizministerium und im Reichsministerium, 1924–1932 Landgerichtsrat Berlin, 1928–1933 Mitglied der SPD, 1932–1933 Oberjustizrat Berlin, 1933 Austritt aus der SPD und aufgrund fehlender NSDAP-Mitgliedschaft zum Kammergerichtsrat degradiert, 1942–1944 Kreisrechtsberater der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, 1945 Oberstaatsanwalt beim Bezirksgericht Berlin-Friedenau, 1945–1946 Leiter der Abteilung Gesetzgebung der Deutschen Zentralverwaltung für Justiz der SBZ, 1946–1949 Vizepräsident der DJV, 1949–1960 Generalstaatsanwalt der DDR. Metzger, Franz-Josef, Priester, Pazifist 181 geb. 3. 2. 1887 Schopfheim, gest. 17. 4. 1944 Brandenburg Görden durch Hinrichtung 1905–1910 Studium der Philosophie und Theologie in Freiburg/Breisgau und Freiburg/ Üechtland, 1911 Promotion, Divisionspfarrer im Ersten Weltkrieg, mannigfaltiges soziales Engagement wie z. B. im Weltfriedensbund und der überkonfessionellen UnaSancta Bewegung, 1915 Generalsekretär des Kreuzbund-Verbandes abstinenter Ka-
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tholiken, Engagement gegen den Nationalsozialismus daraus resultierend zwei kürzere Haftzeiten in den Jahren 1934 und 1939, 1943 erneute Verhaftung und Verurteilung zum Tode. Metzner, Walter, Pfarrer 169 geb. 8. 1. 1894 Adorf/Erzgebirge, gest. 18. 7. 1974 1919 Ordination, 1921 4. Pfarrer (3. Diakon) Oelsnitz, 1921 3. Pfarrer (2. Diakon Oelsnitz), 1932 Pfarrer Waldheim. Mewes, Fritz, Pfarrer in Zwickau 127 Meydam, Wolf, Pfarrer 238 geb. 17. 2. 1914 Berlin, gest. 13. 5. 1985 Witten Diplomkaufmann, 1948 Ordination, 1948–1949 Hilfsprediger Unterneubrunn/Eisfeld, 1949–1952 Pfarrer Unterneubrunn/Eisfeld, 1952–1957 Pfarrer und Leiter Stadtmission Magdeburg, 1955 Verhaftung wegen Boykotthetze und Fluchthilfe und Verurteilung zu sechs Jahren Haft, 1957 Übersiedlung 1958–1979 Beschäftigungsauftrag Witten/ Ruhrgebiet, Emeritierung 1979. Mitzenheim, Moritz, Theologe, Landesbischof 34, 51, 176, 178, 243, 281 f., 284 geb. 17. 8. 1891 Hildburghausen, gest. 4. 8. 1977 Eisenach [Personenlexikon, 175–176] M ller, Ernst, Pfarrer 258, 296, 308 f. geb. 9. 2. 1886 Hamma, gest. 12. 2. 1974 Eisleben 1911 Ordination, 1910–1911 Prädikant Plötzky, 1911–1933 Pfarrer Thürungen, 1933–1958 Pfarrer Helfta, 1958 Emeritierung. M ller, Konrad, Oberlandeskirchenrat im Landeskirchenamt Dresden 192, 196, 199 f., 263, 286 f., 288, 294 geb. 12. 2. 1900 Schlettau/Annaberg, gest. 8 4. 1977 Ludwigslust M ller, Ludolf, Theologe, Bischof 50 f., 141, 250, 352 geb. 8. 10. 1882 Kalbe, gest. 14. 2. 1959 Magdeburg [Personenlexikon, 180] Mund, Hans-Joachim, Pfarrer, staatlicher Gefängnisseelsorger 13, 17–19, 21, 23–25, 32 f., 62, 125, 178–210, 213, 216 f., 220, 222–224, 226–228, 230, 233, 235, 239–242, 245, 250, 257, 259–271, 273–278, 286–288, 290–298, 300, 302, 305, 309–311, 315 f., 320, 327–340, 343, 345 f., 351 f., 354, 361 geb. 25. 11. 1914 Brandenburg/Havel, gest. 29. 10. 1986 München 1932 Eintritt in den Bund der Religiösen Sozialisten, 1934 Mitglied der Bekennenden Kirche, 1934 Studium der Theologie an der HU Berlin, 1943 Erstes Theologisches Examen, 1944 Kriegsdienst, 1947 Eintritt in die SED und Referent in der Kulturabteilung beim Zentralsekretariat zuständig für die Referate Kirche und Religion, Bibliothekswesen und Verlagswesen, 1950 Wechsel zur Hauptverwaltung der Volkspolizei in die Hauptabteilung Strafvollzug im Range eines Kommandeurs, zuständig für die Organisation aber auch die Durchführung der Gefängnisseelsorge, 1959 aufgrund zunehmender Repressionen von Seiten der Staatssicherheit Flucht in den Western, 1959 Pfarrer Wasserburg am Inn. Myrl, E. Alexander, Strafvollzugsreformer, Direktor des Federal Bereau of Prisions USA 40 Naas, Josef, Mathematiker 32 1928–1933 Studium der Mathematik, Physik und Philosophie in Köln, Berlin und
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Hamburg, 1935 Promotion, Anstellung bei der deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt,1932 Eintritt in die KPD, aufgrund absichtlicher Übermittlung falscher Ergebnisse in der Ballistik Verbringung in das KZ Mauthausen unter den Nationalsozialisten, 1945 Leiter des Ausschusses für Wissenschaftsleitung des Magistrats und Leiter der Kulturabteilung des ZK der SED, 1946–1953 Direktor der Deutschen Akademie der Wissenschaften Berlin, 1953–1959 Professur und Leitung des Instituts für Reine Mathematik an der Akademie, 1959–1971 Direktor und Leiter der Forschungsgruppe Differentialgeometrie. Nathan, Hans, Jurist 39 geb. 2. 12. 1900 Görlitz, gest. 12. 9. 1971 Berlin 1919–1921 Studium der Rechtswissenschaften in Berlin, Marburg, München und Breslau, Promotion, 1922–1933 selbstständiger Rechtsanwalt, 1933 Emigration nach Prag, Mitherausgeber der „Weltbühne“, 1939 Flucht über Polen und Schweden nach England, 1946 Rückkehr nach Deutschland, Vortragender Rat der Gesetzgebungsabteilung der DJV in der SBZ, 1949 Leiter der „Hauptabteilung Gesetzgebung“ im MdJ und Präsident des Justizprüfungsamts, 1952/53 Chefredakteur der Fachzeitschrift „Neue Justiz“, 1952 Professor für Familien- und Zivilprozessrecht, 1954–1962 Dekan der Juristischen Fakultät an der HU Berlin, 1963 Direktor des von ihm gegründeten Instituts Erfinder- und Urheberrecht,1966 Emeritierung. Naumann, Kurt, Verfasser eines persönlichen Berichts über die Haftzustände in Bitterfeld 1947 40 f., 122, 282 Neubner, Joseph, Kaplan und katholischer Gefängnisseelsorger für den Strafvollzug Bautzen 70 Neumann, Karl-Heinz, Pfarrer 306 f. 1950–1956 Pfarrer in Großenbehringen, 1956–1960 Pfarrer Gräfentonna, 1960–1975 Pfarrer Meiningen. Neumann, Wilhelm Paul Otto Friedrich, Pfarrer 126 1934–1960 dritter Diakon Greiz. Noth, Gottfried, Theologe, Pfarrer, Oberlandeskirchenrat, Landesbischof 176, 200, 305 geb. 26. 1. 1905 Dresden, gest. 9. 5. 1971 Dresden Theologiestudium in Leipzig, Erlangen, 1930 Ordination, 1932 Pfarrer in Zethau, 1942 Pfarrer in Dresden, Mitglied der Bekennenden Kirche, 1944/45 Sanitätssoldat, Kriegsgefangenschaft, 1945 kommissarischer Oberkirchenrat, 1950 Oberkirchenrat, 1953 Bischof der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens, 1955–1969 Mitglied des Rates der EKD, 1954–1971 Mitglied im Zentralausschuss des Ökumenischen Rat der Kirchen, 1969 stellvertretender Vorsitzender der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR. Nuschke, Otto, Politiker, Vorsitzender der Ost-CDU 75, 152 f., 157, 202 f., 230, 238, 277, 280 f., 285, 297, 301 f. geb. 23. 2. 1883 Frohburg bei Leipzig, gest. 27. 12. 1957 Henningsdorf 1897–1901 Ausbildung zum Buchdrucker Leipzig, 1904–1908 Chefradakteur der Hessischen Landeszeitung Marburg, verschiedenes politisches Engagement in Hessen, 1910–1915 Redakteur des Berliner Tageblatts, Gefreiter im Ersten Weltkrieg, 1918 Mitbegründer der Deutschen Demokratischen Partei, 1919/20 Mitglied der Nationalversammlung, 1921–1933 Abgeordneter des Preußischen Landtages, 1933 Berufsver-
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bot, 1945 Mitbegründer der CDU, 1946–1952 Abgeordneter des brandenburgischen Landtags, aber 1949 Abgeordneter der Volkskammer, 1949–1957 stellvertretender Ministerpräsident und Leiter der Hauptabteilung Verbindung zu den Kirchen. Paarmann, Theodor Johannes Walter, Superintendent 69 geb. 11. 3. 1895 Wongrowitz/Posen, gest. 5. 6. 1965 Lübeck 1920 Ordination, 1920–1921 Pfarrer Weichselhorst bei Bromberg, 1921–1923 dritter Pfarrer an der Kreuzkirche Posen, zugleich Inspektor am Predigerseminar und Dozent an der theologischen Schule in Posen, 1923–1936 Pfarrer in Wissek bei Wirsitz und am Diakonissenhaus Wolfshagen, 1936–1941 Pfarrer und Superintendent Pinne bei Samter/Posen, 1941–1945 Pfarrer und Superintendent Wongrowitz/Posen, 1945–1964 1. Pfarrer und Superintendent Burg, 1964 Emeritierung. Pasche, Daniel, Pfarrer 191, 204 f. 1938–1939 Hilfsprediger und Pfarrer in Queienfeld und Untermaßfeld, 1939–1943 Wehrdienst, 1944–1945 wieder Pfarrer in Queienfeld und Untermaßfeld, 1945–1950 kommunaler Verwalter Zella St. Blasii, 1960–1976 Pfarrer Apfelstädt. 1950–1960 kommunaler Verwalter und Pfarrer Frankenheim/Rhön. Pech, Ottomar, Offizier der Staatssicherheit 206 geb. 2. 1. 1914 Weißenfels, gest. 13. 12. 2000 1928–1931 Ausbildung zum Stricker und Mitglied der Sozialistischen Arbeiter-Jugend, 1933–1935 Stricker, 1935–1937 Wehrdienst, 1939 zur Wehrmacht eingezogen, sowjetische Kriegsgefangenschaft und Besuch einer Antifa-Schule, 1945 Eintritt in die KPD, 1946 Einritt in die SED, 1945 Einstellung bei der Polizei in Chemnitz, 1948 Kommandeur der Schutzpolizei Chemnitz, 1948–1949 Kommandeur der Schutzpolizei Berlin, 1949/50 Sonderlehrgang in der Sowjetunion, 1950 Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit, 1951/52 Leiter der Abteilung VII (Ministerium des Innern/Deutsche Volkspolizei), 1953 Generalmajor der Hauptabteilung I im MfS, 1955 Kommandeur der Abteilung Innere Truppen, 1956 Stabschef bei der Hauptverwaltung Innere Sicherheit, 1957 Versetzung zur Nationalen Volksarmee als Chef des Hauptstabes für Allgemeine Fragen, 1961–1969 Chef der Verwaltung und Kader im Ministerium für Nationale Verteidigung, 1969 Beförderung zum Generalleutnant, 1995 angeklagt aufgrund der Todesschüsse an der Berliner Mauer. Phieler, Gerhard 127 geb. 21. 10. 1891 Oberweimar, gest. 20. 12.1964 Eisenach [Personenlexikon, 195] Philipp, Helene, Gefängnisseelsorgerin 87, 135, 181, 248 1928 beschäftigt bei der Gefängnisgesellschaft Halle/Saale, 1949 Leitung der kirchlichen Betreuungsstelle für Strafgefangene in Halle/Saale, bis 1951 durch die KPS beauftragte Gefängnisseelsorgerin im Gebiet der KPS. Pieck, Wilhelm, Politiker 31, 75 geb. 3. 1. 1876 Guben, gest. 7. 9. 1960 Berlin, 1890–1894 Tischlerlehre in Guben, 1895 Eintritt in die SPD, 1896–1910 Umzüge nach Bremen und Berlin, bis 1906 Tätigkeit als Tischler, 1906–1914 hauptamtlicher Parteisekretär, 1914 Anschluss an den Spartakusbund, daraufhin Enthebung als Parteisekretär, 1915 Haftzeit, 1915–1916 Wehrdienst, 1917 Desertation, 1918 Flucht nach Holland, 1918 Rückkehr nach Berlin und enger Mitarbeiter von Karl Liebknecht, 1918–1933 Tätigkeit in der Parteizentrale der KPD, 1921–28 und wieder 1932 Abge-
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ordneter im Preußischen Landtag, 1928–1933 Abgeordneter im Deutschen Reichstag, 1933–1935 Emigration und Aufenthalt in Paris, 1935–1945 Aufenthalt in Moskau, 1945 Rückkehr nach Berlin mit der Gruppe Ulbricht, 1946 gemeinsam mit Otto Grotewohl (SPD) Vorsitzender der SED, 1949–1960 erster und einziger Präsident der DDR. Pietrusky, Edith-Marie, Strafvollzugsleiterin, Gefängnisseelsorgerin 88, 126, 143, 242, 248 f., 251 f. geb. 1900, gest. 14. 6. 1973 1936 Ordination, 1945–1950 Leiterin des Frauengefängnisses Hohenleuben/Thüringen und Gefängnisseelsorgerin ebd., 1950 erste Pfarrerin in der Strafvollzugsanstalt Schloß Osterstein in Zwickau, 1953 Pfarrerin Heil- und Pflegeanstalt Untergöltzsch, 1960 Emeritierung. Plenikowski, Anton, Parteifunktionär 208 geb. 19. 11. 1899 Zoppot bei Danzig, gest. 3. 3. 1971 Ost-Berlin, 1914 Lehrerseminar in Langfuhr bei Danzig, 1917 Kriegsdienst, 1918 Mitglied des Soldatenrates Breslau, 1919 Abschluss der Lehrerausbildung Langfuhr, 1920–1929 Volksschullehrer, 1925–1928 Gemeindevertreter Ließau bei Danzig, 1926 Eintritt in die SPD, 1927 Wechsel zur KPD, 1928 Abgeordneter im Danziger Volkstag und Fraktionsvorsitzender, 1929 hauptamtlicher Parteifunktionär Organisationsleiter KPD-Unterbezirk Danzig, nach dem Verbot der KPD behielt er sein Mandat und war 1935 Spitzenkandidat der Liste Plenikowski, die mit zwei Abgeordneten in den Volkstag einzog, 1937 Emigration nach Schweden, 1946 Rückkehr nach Berlin und Eintritt in die SED, 1946–1954 Leiter der Abteilung Staatliche Verwaltung des ZK der SED, 1954–1956 zunächst stellvertretender Leiter, dann Leiter des Büros des Präsidiums des Ministerrates und Staatssekretär im Ministerrat der DDR, 1950–1967 Abgeordneter der Volkskammer, 1963–1967 Vorsitzender des Verfassungs- und Rechtsausschusses der Volkskammer, 1954–1967 Kandidat des ZK der SED, 1967 auf eigenen Wunsch Rücktritt aus allen Funktionen. Poelchau, Harald, Theologe, Gefängnispfarrer 19 f., 40 f., 45 f., 60 f., 71, 75, 77–80, 89, 94 f., 97, 100–102, 106, 117, 126, 129–132, 134, 138 f., 141 f., 148, 151, 183, 186, 191 f., 205, 247 f., 255, 270, 352 geb. 15. 10. 1903 Potsdam, gest. 29. 4. 1972 Berlin [Personenlexikon, 196] Projahn, Theodor, Pfarrer 218 geb. 11. 07. 1909 Obertopfstedt 1935–1936 Predigerseminar Wittenberg, 1937 Ordination in Magdeburg, 1936–1938 Prädikant später Hilfsprediger Bollstedt, 1938–1955 Pfarrer Bollstedt, 1955–1960 1. Pfarrer Aken/Elbe, 1952 Gefängnisseelsorger in der Untersuchungshaftanstalt Mühlhausen. Rackwitz, Arthur, Theologe, Pfarrer 31–34, 181, 191 f., 333 geb. 4. 8. 1895 Landsberg, gest. 16. 8. 1980 Berlin [Personenlexikon, 200] Raddatz, Fritz-Jochen, Feuilletonist, Autor 23, 181, 183, 186, 292, 333, 361 geb. 3. 9. 1931 Berlin, gest. 26. 2. 2015 Pfäffikon/Schweiz 1946 unter der Vormundschaft von Hans-Joachim Mund, 1950 Umzug nach Berlin aus politischen Gründen, Studium der Germanistik, Geschichte, Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Amerikanismus an der HU Berlin, 1953–1958 Leiter der Aus-
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landsabteilung und stellvertretender Cheflektor beim Verlag „Volk und Welt“, 1958 Promotion, 1958 Übersiedlung in die BRD, 1960–1969 Cheflektor und stellvertretender Verlagsleiter des Rowohlt Verlags, 1971 Habilitierung, 1976–1985 Leiter des Feuilletons bei der Wochenzeit, 2014 zog er sich aus dem aktiven Journalismus zurück, 2015 Freitod bei Dignitas/Schweiz. Rakowski, Herbert, Pfarrer 137 f. geb. 31. 7. 1912 Zechelwitz/Schlesien 1940 Ordination in Magdeburg, 1940–1941 Hilfsprediger Arzberg, Wildschütz, Belgern, 1942–1954 Pfarrer Kleinjena. Rambow, Siegfried 110 f., 171 geb. 24. 1. 1915 Kamenz, gest. 24. 9. 1981 1945 Ordination, 1. Pfarrer Kamenz, 1946 1. Pfarrer an St. Jacobi Stollberg/Erzgebirge, 1952 1. Pfarrer Geyer, 1978 Emeritierung. Reeck, Max 61 1945–1949 Leiter der Strafvollzugsanstalt Cottbus. Richter, Wolfgang, Pfarrer 41, 65 f., 81, 89, 105, 113, 180, 237 f., 296 geb. 5. 12. 1913 Radebeul, gest. 2. 10.1974 1944 Diakon in Zehren, 1946 Ordination, 1949–1958 1. Pfarrer an St. Petri in Bautzen,1958 zweiter Pfarrer Chemnitz, 1965 1. Pfarrer Coldiz. Riedel, Otto Herbert, Pfarrer 249, 311 f. geb. 10. 07. 1908 Zwickau, gest. 24. 10. 1983 1919 Abitur Zwickau, 1934 Predigercolleg Leipzig, 1935 Ordination, 1937 1. Pfarrer Härtensdorf, 1955 1. Pfarrer an St. Katharinen in Zwickau, 1974 Emeritierung. Riege, Heinz, Pfarrer 294 geb. 1909, gest. 22. 6. 1969 1936 Ordination Schwerin, 1936–1937 Pfarrer an St. Georg II Wismar, 1937–1938 Hilfsprediger Schwerin-Schloßkirche, 1938–1946 Pfarrer in Karbow und Propst des Plauer Zirkels, 1946–1956 Pfarrer Grebbin, 1956–1969 Kirch Jesar/Ludwigslust. Ritter, Karl, Regisseur 62 geb. 7. 11. 1888 Würzburg, gest. 7. 4. 1977 Buenos Aires 1918 Studium der Architektur, 1920–1921 Illustrator der Zeitschrift „Der Orchideengarten“, 1925 Eintritt in die NSDAP, 1925 Werbegrafiker bei der Südfilm AG, 1932 Produktionschef Reichsliga, 1933 Produzent bei der Ufa, 1938 Professor an der Filmakademie Potsdam-Babelsberg, zum Ende des Krieges Einzug zur Luftwaffe und russische Gefangenschaft, Einstufung als Mitläufer, 1949 Emigration nach Argentinien, 1953 Rückkehr nach Deutschland, 1955 Gründung der Karl Ritter Filmproduktion GmbH, Rückkehr nach Argentinien. Rçbelen, Gustav, Politiker 183, 196 geb. 3. 4. 1905 Bregenz, gest. 28. 4. 1967 Berlin Volksschule, 1919–1921 Berufsausbildung zum Kaufmann, 1929 Eintritt in die KPD in Bremen, 1933 Flucht nach Belgien aufgrund von Sprengstoffdiebstahl und Körperverletzung, 1936–1939 Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg als Mitglied der Internationalen Brigaden, Hauptmann der Spanischen Volksarmee, 1937 Besuch einer Partisanenschule, 1938 Übernahme von Spezialaufträgen für den NKWD, 1939–1940 Schlosser in der Oblast Moskau, 1941 Beginn einer Ausbildung in der Parteihochschule
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der KPdSU in Puschkino, Offizier des NKWD im Deutsch-Sowjetischen Krieg, 1946 Rückkehr nach Deutschland, 1946–1948 Leiter der Abteilung für allgemeine Verwaltung und Personal, 1949 Ernennung zum Leiter der Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft beim ZK der SED, maßgeblich beteiligt am Aufbau der Deutschen Volkspolizei, 1957 Oberst bei der NVA, 1959–1964 Leiter der Schulverwaltung des Ministeriums für Verkehrswesen, 1964 Ruhestand. Rockenschuh, Werner, Pfarrer 125 f. 1937–1950 Lehrvikar, Pfarrvikar, Hilfsprediger, Pfarrverwalter und Pfarrer in Gräfentonna, 1950–1958 Pfarrer in Gräfenroda. Rompe, Robert, Physiker, SED Funktionär 32 geb. 10. 9. 1905 St. Petersburg, gest. 6. 10. 1993 Berlin-Müggelheim 1923 Studium der Physik und Fernmeldetechnik in Berlin, 1930 Promotion, 1930–1945 wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Osram Berlin, 1932 Eintritt in die KPD und Tätigkeiten für den KPD Nachrichtendienst (Industriespionage), 1933–1936 Mitglied der Gruppe Hermann Ulfert und anderen Widerstandsgruppen, 1935–1945 mehrfache Inhaftierungen, 1939–1945 Biophysiker Abteilung Genetik Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung in Berlin-Buch, 1945–1949 Leitung der Hauptabteilung für Hochschulen und wissenschaftliche Institutionen in der Zentralverwaltung für Volksbildung, Mitglied des Parteivorstandes der SED, 1949–1968 Leitung des PhysikalischTechnischen Instituts der Deutschen Akademie der Wissenschaften, seit 1958 Mitglied des ZK der SED, Mitte der 1980er Jahre Umzug nach Hiddensee. Rose, Karl, Kirchenrat 191 geb. 13. 6. 1896 Riga/Lettland, gest. 1976 Studium und Promotion an der Universität Riga, Pfarrer in Riga, 1945 Beauftragung von Otto Dibelius als Verbindungsmann zwischen den kirchlichen Stellen und der SMAD in Karlshorst, im Nebenamt Kirchenrat und Referent für ostkirchliche Fragen bei der Berliner Kirchenkanzlei, 1948 Bevollmächtigter für kirchliche Angelegenheit beim Magistrat von Berlin, 1952 Lehrauftrag an der Berliner Theologischen Fakultät, 1955 Direktor des Instituts für Ost- und Südslawische Religions- und Kirchenkunde, 1958 Professur, Pfarrer der Berliner Adventsgemeinde am Prenzlauer Berg. Rubiner, Frieda Abramowna, geb. Ichok, Schriftstellerin, Kommunistin 31 geb. 28. 4. 1879 Mariampol, gest. 22. 1. 1952 Kleinmanchow bei Berlin Ausbildung als Schneiderin, 1899 Studium der Literatur, Philosophie und Geschichte an der Universität Zürich, 1903 Promotion in der Physik, 1906 Eintritt in die SPD, 1908 Umzug nach Frankfurt am Main, Tätigkeit als Übersetzerin, 1918 Mitbegründerin der KPD, 1919 Teilnahme am ersten Kongress der Kommunistischen Internationale in Moskau, aktiv bei der Münchner Räterepublik, 1920–1922 Aufenthalt in Wien und Redakteurin der Wiener Ausgabe der „Roten Fahne“, 1922–1924 Korrespondentin der Zeitung „Inprekor“ in Moskau, 1924 Rückkehr nach Moskau und Redakteurin der „Roten Fahne“, 1928 Leitung der Reichsparteischule der KPD in Dresden, 1929 auf eigenen Wunsch Rückkehr in die Sowjetunion, 1932–1935 Presseabteilung des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationalen, 1936–1939 Leiterin der Presseabteilung der sowjetischen Literaturagentur, 1939–1941 Redakteurin im Verlag für fremdsprachige Literatur in Moskau, 1941–1945 Leiterin des Umschulungsprogrammes für deutsche Kriegsgefangene bei der 7. Hauptabteilung der politischen Hauptverwaltung der Roten Armee, 1946 Rückkehr nach Deutschland, 1946 an der Partei-
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hochschule Karl Marx in Berlin/Liebenwalde (später Kleinmachnow) als Dekanin der Fakultät Grundfragen des Marxismus-Leninismus eingesetzt. Runge, Reinhard, Pfarrer 260 geb. 21. 12. 1909, gest. 3. 1. 1994 Bad Salzuflen 1938 Pfarrer in Beelitz, 1948–1956 Haft in Bautzen, 1956–1964 im Dienst der EKiBB. Salzmann, Max, Pfarrer 231, 272 f. 1937–1953 Pfarrer Sietow/Mecklenburg, Gefängnisseelsorger in Bützow-Dreibergen, Pfarrer in Schwaan bei Bützow. Sasse, Fritz, Pfarrer 32, 234, 240, 252 f., 266 f., 309 geb. 4. 9. 1889 Berlin, gest. 17. 9. 1956 Berlin 1916–1918 Festungsgarnisonspfarrer Danzig, zahlreiche Orden auch als Frontkämpfer, 1918 4. Pfarrer der Lazarus-Gemeinde Berlin, Freimaurer, 1939 Pfarrer in Berlin-Johannisthal, 1947 Mitglied der Kommission Kirche und Religion. S uberlich, Gerhard, Theologe, Pfarrer, Bruderratsvorsitzender 103, 143, 213, 220, 223, 231, 236 f., 239, 243 f., 251, 253, 258, 270, 297, 307 f., 331, 342 geb. 5. 6. 1901 Mulango (Englisch Ostafrika), gest. 15. 1. 1959 Eisenach [Personenlexikon, 212] Schade, Rudolf, Pfarrer 58, 284, 309 f., 338 geb. 13. 12. 1910, gest. 3. 3. 1999 Pfarrer in Berlin-Pankow Schaper, Karl 134, 139–141, 164, 176, 178, 226, 253 geb. 25. 2. 1910 Wietze bei Celle, gest. 21. 2. 1965 Stendal/Altmark Abitur in Celle, 1930–1938 Studium der Theologie Göttingen, Marburg an der Lahn und Berlin, 1938 Erstes Theologisches Examen und Vikariat bei der Berliner Stadtmission, 1940 Zweites Theologisches Examen in Tübingen, als Soldat im Zweiten Weltkrieg mehrfach schwer verwundet und Verlust des linken Beines, 1948 Konsistorialrat am Konsistorium in Magdeburg und Gründung der Predigerschule Wittenberg, 1954 Propst der Altmark, 1954–1961 Pfarrer in Eichstedt bei Stendal. Scharf, Kurt, Theologe, Pfarrer, Bischof 71 f., 76–80, 85 f., 94, 96 f., 109, 117 f., 144, 205, 210–212, 236 f., 239, 242, 247, 256, 281, 310, 334 f., 338, 340, 344, 350 geb. 21. 10. 1903 Landsberg/Warthe, gest. 28. 3. 1990 Berlin [Personenlexikon, 215] Scheffer, Reinhard 195 f., 200, 209, 215, 217, 267 geb. 2. 8. 1903 Leipzig, gest. 26. 3. 1994 Berlin, 1939–1945 Kriegsdienst, 1947–1961 Justiziar bei der Inneren Mission Ost-Berlin, 1951–1953 juristischer Berater von Propst Grüber, 1961–1968 Referent für Arbeitsrecht der Hauptgeschäftsstelle der Inneren Mission, und des Hilfswerks der EKD in Stuttgart. Scheidges, Ernst, Jurist, Politiker 76 f. 1945–1949 Generalstaatsanwalt, 1950–1972 Präsident des Strafvollzugsamts Berlin. Schiffer, Eugen 39 f., 42, 65, 77–83, 90, 96, 98, 115, 117 geb. 14. 2. 1860 Breslau, gest. 5. 9. 1954 Berlin Abitur Breslau, 1877–1880 Studium der Rechtswissenschaften in Breslau, Leipzig und Tübingen, Promotion, 1885 Große Juristische Staatsprüfung, 1888–1899 Amtsrichter in Zabrze/Oberschlesien, 1899–1906 Amtsgerichtsrat und Landgerichtsrat Magdeburg, 1906 Berufung an das Kammergericht in Berlin, 1910 Ernennung zum Oberverwaltungsgerichtsrat,1912–1917 Abgeordneter der Nationalliberalen Partei im Reichstag,
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1917 Berufung zum Unterstaatssekretär im Reichsschatzamt, 1919 Reichsminister der Finanzen und stellvertretender Regierungschef unter Philipp Scheidemann, 1919–1920 Reichsjustizminister und Vizekanzler, 1923–1934 Aufsichtsratsvorsitzender der Werschen-Weißenfelser Braunhkohle AG und der Anhaltischen Kohlenwerke, 1945 Mitbegründer der LDPD Deutschlands, 1945–1948 Präsident der DJV, 1949–1950 Vorsitzender des Verfassungsausschusses der provisorischen Volkskammer der DDR, 1950 Übersiedlung in den Westen und Eintritt in die FDP. Schlagowski, Erwin, Pfarrer 89, 127, 142 geb. 1911 Schneidemühl (heute Pila/Tschechien), gest. 1995 Rendsburg Studium der Theologie, Vikariat, Mitglied des Bruderrates Stettin, Predigerseminar Finkenwalde, Pfarrer der Varziner Gutsdörfer der Familie Bismarck, 1937 Verhaftung wegen staatsfeindlicher Äußerungen, 1938 Kurprediger Benz/Usedom, Kriegsdienst und im Zuge dessen Verlust eines Beines, 1947–1950 Strafanstaltspfarrer in Bützow/ Dreibergen, 1950–1971 Gemeindepfarrer in Graal-Müritz, 1971 Emeritierung. Schmidt, Johannes, Pfarrer 136 Pfarrer in Wittenberg und Seelsorger im dortigen Strafvollzug. Schmidt, Werner, Pfarrer 310 geb. 11. 12. 1899 Pfarrer in Berlin, Mitglied im Friedensrat und im örtlichen Vorstand der Nationalen Front. Schmutzler, Georg-Siegfried, Pfarrer 284 geb. 14. 3. 1915 Leipzig, gest. 11. 10. 2003 Dresden Studium der Pädagogik und der Philosophie in Leipzig, 1939 Promotion, aktiv in der Bekennenden Kirche, 1941 Einzug zur Wehrmacht und Einsatz in Jugoslawien, Kriegsgefangenschaft bis 1946, 1947 Studium der Theologie in Leipzig, 1951 Vikariat im Landeskirchenamt Dresden, 1946–1947 Stadtverordneter in Markanstädt bei Leipzig, Eintritt in die CDU, 1952 Ordination und Hilfsgeistlicher in Panitzsch, 1953 Pfarrer an der Kreuzkirche in Dresden und Studieninspektor im Predigerseminar Lückendorf, 1954–1957 Pfarrer an St. Petri in Leipzig und Studentenpfarrer der Evangelischen Studierendengemeinde Leipzig, 1957 Verhaftung und Verurteilung wegen „Boykotthetze“ zu 5 Jahren Gefängnis, 1961 Entlassung aus der Haft, 1961–1980 Pfarrer in Dresden, 1981 Emeritierung und Übersiedlung nach West-Berlin. Schneider, Hermann 26, 38, 136 f., 193, 252 geb. 16. 3. 1894 Schaafheim, gest. 18. 2. 1979 Quedlinburg Prediger Seminar Friedberg/Hessen, 1924 Ordination, 1924 Pfarrvikar Vielbrunn, 1924–1927 Pfarrverwalter Schlierbach, 1927–1931 Pfarrer ebd., 1931–1934 Pfarrer Beyendorf, 1935–1948 3. Pfarrer Magdeburg/Buckau, 1948–1951 Pfarrer der Stadtmission Magdeburg, 1951–1956 Pfarrer Goldlauter, 1956–1964 1. Pfarrer St. Servatii Quedlinburg, 1965 Emeritierung. Scholz, Hedwig, Leiterin des Strafvollzugs Rummelsburg 299, 328, 331 f. Schçnherr, Alfred, Funktionär, Leiter Hauptverwaltung Strafvollzug 163 geb. 1. 10. 1909 Chemnitz, gest. 9. 4. 1986 Ost-Berlin 1924–1927 Ausbildung als Elektromonteur, 1927 Eintritt in den Kommunistischen Jugendverband, 1931 Eintritt in die KPD, 1931 Verhaftung aufgrund von Widerstand gegen die Staatsgewalt, 1933 Verbindungsmann und später Leiter des Parteiselbstschutzes im illegalen Unterbezirk Berlin-Zentrum der KPD, 1934 Anklage wegen
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„Vorbereitung zum Hochverrat“ und Verurteilung zu 6,5 Jahren Haft, 1935–1941 Haft in Waldheim, Arbeit im Widerstand, 1944 erneute Verhaftung und Verurteilung zu 5 Jahren Haft, 1945 Befreiung aus Waldheim durch sowjetische Truppen, 1945 Eintritt in die KPD und Beschäftigung bei der Volkspolizei, 1946 Eintritt in die SED, 1948–1949 Leitung der Abteilung Kriminalpolizei beim MdI, 1950–1951 Besuch der Parteihochschule Karl Marx, 1954 Beförderung zum Oberst, 1955–1956 Erster Sekretär der SEDParteiorganisation der Hauptverwaltung Aufklärung, 1956–1957 Erster Sekretär der SED-Kreisleitung im MfS Berlin, 1957 Leiter der Kontrollinspektion des MfS, 1957 stellvertretender Operativ des Leiters der Bezirksverwaltung Frankfurt/O. des MfS, 1959 Leiter der Hauptverwaltung Strafvollzug im MdI als Offizier im besonderen Einsatz, 1962 Einritt in den Ruhestand. Schrçder, John-Ulrich, Jurist 91 geb. 6. 8. 1876 Boizenburg/Elbe, gest. 23. 2. 1947 Hellerau Dresden Jurastudium und Promotion, 1914–1918 Marinerichter Hamburg, vermittelnd tätig während der Matrosenaufstände, danach Engagement in der Arbeiterbewegung und Sympathisant der USPD, 1922 leitender Beamter im sächsischen Justizministerium, 1933 Amtsenthebung, 1945–1947 erster Generalstaatsanwalt von Sachsen. Schukow, Georgi Konstantinowitsch, Generalstabschef der Roten Armee 38 f. geb. 1. 12. 1896 Strelkowka (heute Teil der Stadt Schukow), gest. 18. 6. 1974 Moskau 1911 Abitur, Soldat im Ersten Weltkrieg, Eintritt in die Rote Armee als Schütze, 1939 Kommando über die sowjetischen Streitkräfte und die Mongolische Revolutionäre Volksarmee, 1940 Armeegeneral und Ernennung zum Befehlshaber des Kiewer Besonderen Militärbezirk, 1940–1945 hauptverantwortlicher militärischer Koordinator der Roten Armee, 1945–1949 Oberster Chef der SMAD, 1955 Verteidigungsminister der UdSSR, 1958 Ruhestand. Schulz, Rudolf, Pfarrer 310, 324 f. geb. 31. 12. 1911, gest. 10. 8. 2002 1945–1978 Pfarrer in Fürstlich Drehna Schulze, Fritz, Pfarrer 324 f. Pfarrer in Dresden Schulze, Walter, Pfarrer 299 1950–1955 Hilfsprediger, Hilfspfarrer und Pfarrer in Vippachedelhausen, 1956–1972 Pfarrer in Hohenleuben, 1972–1894 Pfarrer in Dorndorf/Saale. Sch ssler, Karl Wilhelm, Pfarrer 126 1924–1925 Vikar, Hilfspfarrer Leutenberg, 1925 Hilfsprediger Lobenstein I (Reuß), 1925–1930 Pfarrer Herschdorf bei Königsee, 1930–1935 Pfarrer Friemar, 1946–1959 Pfarrer und als Emeritus kommunaler Verwalter Untermaßfeld. Schwahn, Hermann 124 geb. 28. 2. 1875 Neudorf bei Bromberg, gest. 13. 2. 1954 Aschersleben Gymnasium Graues Kloster Berlin, Studium der Theologie in Greifswald, Marburg und Halle/Saale, 1899 Erstes Theologisches Examen in Halle/Saale, 1902 Zweites Theologisches Examen Magdeburg, 1904 Ordination Magdeburg, 1904–1907 2. Hilfsprediger St. Georgen Halle/Saale, 1907–1909 Diakon St. Stephani Aschersleben, 1909–1924 Archidiaconus ebd., 1914–1918 Felddivisionspfarrer, 1924–1947 Oberpfarrer und Superintendent Aschersleben, 1947 Emeritierung.
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Schwarz, Erich, Pfarrer 13, 90 f., 281 geb. 1. 8. 1898 Berlin, gest. 19. 7. 1987 1925 Ordination, 1938 Anstaltsgeistlicher in Waldheim, 1946 Diakon und Pfarrer in Hartha, 1967 Emeritierung. Schwencker, Christian 127 1946 Strafanstaltspfarrer in Luckau Seilkopf, Hans-Joachim, Pfarrer 338–340, 344 geb. 21.10. 1899, gest. 15.2 2. 1973 Semenov, Wladimir, Diplomat 30 geb. 16. 2. 1911 Krasnoslobodkkoje/Gebiet Tabmow, gest. 18. 12. 1992 Köln 1926 Buchhalter und Mitarbeiter im Kreis-Komitee des Kosomol in Kaschiera, 1931–1937 Studium der Sprachen und Literatur in Moskau, 1937–1939 Lehrer für Marxismus-Leninismus in Rostow am Don, 1939 Botschaftsrat der UdSSR in Litauen, 1940 Botschafter in Berlin, 1942–1945 Gesandtschaftsrat an der Botschaft der UdSSR in Stockholm, 1945 Rückkehr nach Berlin, 1946–1953 Politischer Berater der SMAD, 1953 sowjetischer Botschafter in Ost-Berlin, 1954 Leiter der III. Europäischen Abteilung, 1955–1978 Stellvertretender Außenminister der UdSSR, 1978–1986 sowjetischer Botschafter in Bonn, 1986 Ruhestand. Seydewitz, Max 120 geb. 19. 12. 1892 Forst/Lausitz, gest. 8. 2. 1987 Dresden, Ministerpräsident Buchdruckerlehre, 1910 Eintritt in die SPD, 1918–1920 Redakteur des sozialdemokratischen Volksblatt Halle/Saale, 1920–1931 Chefredakteur des Sächsischen Volksblatt Zwickau, 1924 Mitglied des Reichstags, 1931 Ausschluss aus der SPD, 1933 Exil in der Tschechoslowakischen Republik, den Niederlanden, Norwegen und Schweden, Journalist in Stockholm, 1934 Ausbürgerung aus dem Deutschen Reich, 1945 Rückkehr nach Berlin, 1946 Mitglied der SED, 1946–1947 Intendant beim Berliner Rundfunk, 1947 Wahl zum sächsischen Ministerpräsidenten, 1947–1949 Mitglied im SED-Parteivorstand, 1950 Mitglied der Volkskammer, 1955–1968 Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlung Dresden. Sgraja, Franz, Offizier des MfS 334 geb. 1. 12. 1922 Gleiwitz/Oberschlesien 1937–1940 Jungbergmann, 1940 Wehrmacht und sowjetische Kriegsgefangenschaft, 1947–1948 Antifa-Schule, 1948 Eintritt in die SED, 1948 Tätigkeit beim MfS in der Länderverwaltung Mecklenburg, 1951 Kreisdienststelle Güstrow, Versetzung in die Hauptabteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirchen, Untergrund) des MfS in Berlin, 1962 stellvertretender Abteilungsleiter der Abteilung 4 (Kirchen), 1965–1970 Fernstudium an der Juristischen Hochschule des MfS in Potsdam-Eiche, abgeschlossen mit Diplom, 1969–1977 Leiter der Abteilung 4 der HA XX des MfS, 1972 Oberst-Leutnant, 1979 Offizier für Sonderaufgaben, Hauptverwaltung A, Abt. III, 1983 Ruhestand. Siegemund, Horst 163, 219, 235, 297, 299, 301, 303, 306, 308–310, 312, 315, 317–321, 323, 332, 336, 339 1951 stellvertretender Hauptabteilungsleiter Polit-Kultur in der Hauptabteilung Strafvollzug mit den drei angegliederten Referaten Organisation, Jugend sowie Schulung und Erziehung, 1955 stellvertretender Leiter der Hauptabteilung Strafvollzug.
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Personenregister / Biografische Angaben
Siegert, Siebrand, Oberkirchenrat 193, 199 geb. 1925 Güstrow Studium der Theologie in Erlangen und Rostock, Vikariat in Rostock, 1977–1984 Oberkirchenrat Schwerin, 1988 Emeritierung, Umzug nach Hannover. Sokolowski, Wassilij Danilowitsch, Marschall der Sowjetunion 35, 93 geb. 21. 7. 1897 Kosliki, gest. 10. 5. 1968 Moskau 1918 Eintritt in die Rote Armee, 1918–1920 Teilnahme am Russischen Bürgerkrieg, 1921 Akademie des Generalstabs, Gehilfe des Chefs der operativen Verwaltung der Turkestanfront, 1922–1930 Stabschef einer Schützendivision und eines Schützenkorps, 1931 Eintritt in die KPdSU, 1930–1935 Divisionskommandeur, 1941 Stellvertreter des Generalstabs, im deutsch-sowjetischen Krieg Stabschef und oberster Befehlshaber der sowjetischen Westfront, 1944–1945 Stabschef der ersten Ukrainischen Front der Roten Armee, 1945 erster Stellvertreter der SMAD, 1946–1949 Oberster Chef der SMAD und Oberkommandierender der Gruppe Sowjetischer Streitkräfte in Deutschland, 1946 Marschall der Sowjetunion, 1949–1960 Erster Stellvertreter des Verteidigungsministers der Sowjetunion, 1961–1968 Mitglied des ZK der KPDdSU. Sonnenschein, Carl, katholischer Priester 75 geb. 15. 7. 1876 Düsseldorf, gest. 29. 2. 1929 Berlin Studium der katholischen Theologie und Philosophie Bonn und Rom, 1897 Promotion Philosophie, 1900 Promotion Theologie, 1900 Ordination, 1901 Rückkehr nach Düsseldorf, 1902 Kaplan Aachen, 1903 Kaplan Köln-Nippes, 1904 Versetzung Elberfeld, hohes Engagement in der Arbeiter- und Frauenbewegung, 1906 Beurlaubung aufgrund seiner politischen Tätigkeit, Anstellung im Volksverein für das katholische Deutschland in Mönchengladbach, einer Denkfabrik des sozialen Katholizismus, 1908 Gründung des „Sekretariat Sozialer Studentenarbeit“ in Mönchengladbach, 1914–1918 Einsatz für Kriegsgefangene, 1918 Umzug nach Berlin, 1923 Aufbau einer katholischen Volkshochschule, 1926 Eröffnung einer katholischen Lesehalle, Gründung des Geschichtsvereins katholische Mark. Staemmler, Wolfgang 176, 191 f., 201 geb. 2. 9. 1889 Duschnick (Posen), gest. 27. 10. 1970 Calbe/Saale [Personenlexikon, 243] Staewen, Gertrud, Fürsorgerin 247 f. geb. 18. 7. 1894 Bremen, gest. 10. 6. 1987 Berlin 1920 Abschluss der Ausbildung zur Erzieherin im Verein Jugendheim in Charlottenburg, aktiv in der Bekennenden Kirche, 1936 Arbeit im Burckhardthaus-Verlag in Berlin-Dahlem, Betreuung und Begleitung von durch die Deportation Bedrohten, Flucht aus Berlin, 1946 Rückkehr nach Berlin, 1948–1962 Fürsorgerin im Männergefängnis Berlin-Tegel. Stargardt, Ernst, Politiker 82, 130 geb. 30. 12. 1883 Berlin, gest. 1954 Berlin 1922 Staatsanwalt in Potsdam, aktiv in der Bekennenden Kirche, 1935 Entlassung aufgrund der jüdischen Herkunft und Tätigkeit als Privatlehrer, 1945 Oberstaatsanwalt in Potsdam, 1946–1950 Justizminister von Brandenburg, 1950 Flucht in den Westen. Steinhoff, Karl, Jurist, Politiker 67, 158 f., 202 f. geb. 24. 11. 1892 Herford, gest. 19. 7. 1981 Wilhelmshorst 1910–1921 Studium der Rechtswissenschaften in Freiburg, München, Königsberg,
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Berlin und Münster, 1921 Promotion, 1923 Eintritt in die SPD und Beschäftigung im Reichsministerium des Innern und für Justiz, 1924 Legationssekretär der Sächsischen Gesandtschaft in Berlin, 1926 Regierungsrat in Zittau, 1928 Landrat in Zeitz später Regierungs-Vizepräsident in Gumbinnen und Vize-Oberpräsident der Provinz Ostpreußen, 1933 Entlassung aus dem Staatsdienst, 1940–1945 Syndikus in einer Kartonagengroßhandlug in Berlin, 1945 Präsident der Provinzialverwaltung Brandenburg, 1946–1952 Ministerpräsident von Brandenburg und Abgeordneter im Landtag, 1948–1954 Mitglied im Deutschen Volksrat und der daraus hervorgehenden Volkskammer, 1949–1954 Mitglied des Zentralkomitees, 1949–1955 Professor für Verwaltungsrecht an der HU Berlin. Stern, Victor, Philosoph 31, 164 geb. 29. 10. 1885 Triesch/Mähren, gest. 27. 3. 1958 Potsdam-Babelsberg 1904 Abitur, 1904–1908 Studium in Wien und Abschluss mit Promotion, Eintritt in die SPÖ, 1914–1918 Soldat und später als Offizier im Ersten Weltkrieg, 1919 Eintritt in die USPD, 1920 Wechsel zur KPD, 1920–1921 Teilnahme an den Ruhrkämpfen, 1921 Chefredakteur der Wiener Ausgabe der Roten Fahne, 1922 Delegierter auf dem IV. Weltkongress der Kommunistischen Internationalen, 1923 Übersiedlung in die ˇ Mitglied der tschechoslowaTschechoslowakei, 1925–1932 als Abgeordneter der KPC kischen Nationalversammlung, 1935–1945 Emigration und Aufenthalt in Moskau, hier Arbeit als Lehrer an der Internationalen Lenin-Schule, 1946 Rückkehr in die Tschechoslowakei dann Übersiedlung in die SBZ und Übernahme in die SED, 1947–1955 Lehrstuhlinhaber für dialektischen und historischen Materialismus an der Parteihochschule Karl Marx, ab 1952 als Professor, 1955 Emeritierung. Teumer, Kurt, Pfarrer in der Strafanstalt Cottbus 233 Thomas, Georg, Pfarrer in Plauen 13, 15, 191, 200, 271 Trott zu Solz, Heinrich von, Offizier 182 geb. 16. 5. 1918 Kassel, gest. 14. 10. 2009 Nentershausen Trott zu Solz, Werner von, Widerstandskämpfer im NS 182 geb. 1902, gest. 1965 Tschampel, Friedrich 307 f. geb. 19. 10. 1906 Karf/Oschles, gest. 30. 10. 1964 Kayna Ausbildung zum Diakon, 1926–1930 Neinstedter Anstalten, 1931–1948 Wohlfahrtsschule Stephanstift Hannover, 1948 Predigerseminar Wittenberg, 1949 Ordination, 1935–1950 Pfarrverwalter Volkstedt, 1950–1958 Pfarrer ebd., 1958–1964 Pfarrer Kayna. Tulpanov, Sergej Ivanowitsch 27 geb. 3. 10. 1901, gest. 16. 2. 1984 Leningrad 1945–1949 Chef der Verwaltung für Propaganda/Information der SMAD, 1950–1956 Dozent für Politische Ökonomie an der Marine-Akademie Leningrad. Uhle, Reinhard, Jurist, Politiker 43, 89 f. geb. 13. 5. 1890 Leipzig, gest. 1973 1909–1912 Studium der Rechts-, Staats- und Volkswirtschaftswissenschaften in Leipzig, 1916–1919 Leiter des Kreiswirtschaftsamt in Pillkallen/Ostpreußen, 1920 Eintritt in den sächsischen Staatsdienst, 1922 Promotion, 1923 Regierungsrat, 1924 Eintritt in die DDP, 1928–1931 Beschäftigung im sächsischen Innenministerium und im Arbeits- und Wohlfahrtsministerium, 1932 Oberregierungsrat, 1934 Tätigkeit im sächsischen Wirtschaftsministerium, 1936 Tätigkeit im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit,
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1944–1945 Tätigkeit am Oberbergamt Freiberg, Mitbegründer der Liberal-Demokratischen Partei (LPD) in Sachsen und dort von 1945–1947 im Landesvorstand, 1945 Vizepräsident der Landesverwaltung Sachsen für Justiz und für Gesundheit, 1946–1950 Minister für Land- und Forstwirtschaft der Landesregierung Sachsen und Abgeordneter im Sächsischen Landtag, 1950 Flucht in die BRD und Tätigkeit als juristischer Sachbearbeiter beim Amt für Vermögenskontrolle und Wiedergutmachung in Frankfurt/M. Ulbricht, Walter Ernst Paul, Politiker 94, 154–156, 234, 278, 283, 286, 344 geb. 30. 6. 1893 Leipzig, gest. 1. 8. 1973 Berlin 1906 Mitglied in der Sozialistischen Arbeiterbewegung, 1912 Eintritt in die SPD, 1917–1920 Anschluss an die USDP, 1918 Haft aufgrund von Propaganda und Desertation, Mitglied im Spartakusbund, 1919 Mitbegründer der KPD in Leipzig, 1920–1921 Lokalredakteur „Der Klassenkampf“, 1921–1923 Sekretär der Bezirksleitung Großthüringen Jena, 1923 Mitglied des Zentralkomitees der KPD, 1926 Mitglied im sächsischen Landtag, 1928 Mitglied des Deutschen Reichstages und Bezirkssekretär von Berlin-Brandenburg und der KPdSU, 1931 Verurteilung wegen Hochverrats, 1933 Emigration nach Prag, 1933–1935 Mitglied der Auslandsleitung der KPD, 1934 Delegierter auf dem Exilparteitag der KPD in Brüssel, 1935 Übersiedlung nach Paris, 1936–1938 Tätigkeit im rotspanischen Hauptquartier, 1938–1945 Vertreter der deutschen Kommunisten in der Komintern, 1946 stellvertretender Vorsitzender und Mitglied im Zentralsekretariat der SED, 1950 Generalsekretär der SED, 1953–1971 Erster Sekretär des Zentralkomitees der SED, 1960 Vorsitzender des Staatsrat der DDR. Unger, Horst, Pfarrer 246 geb. 18. 7. 1914, gest. 12. 5. 1982 1939 Vikar später Pfarrer in Hirschfeld, 1941 Ordination, 1944 1. Pfarrer in Eibenstock, 1953 Pfarrer in Stützengrün. Ungeth m, Johannes, Pfarrer 91 f., 106 geb. 16. 6. 1913, gest. 13. 5. 1993 1939 Ordination, 1939 1. Pfarrer in Strehla, 1940 1. Pfarrer in Plauen, 1943 1. Pfarrer in Dresden, 1978 3. Pfarrer in Dresden. Wandel, Paul, Minister für Volksbildung 32, 133, 135, 283 f., 349 geb. 16. 2. 1905 Mannheim, gest. 3. 6. 1995 Berlin 1919 Ausbildung zum Maschinentechniker und Eintritt in die Sozialistische Arbeiterjugend, 1923 Eintritt in den Kommunistischen Jugendverband Deutschlands, 1925–1929 Techniker in einem Betrieb in Mannheim, 1926 Eintritt in die KPD, 1930–1931 Sekretär der KPD-Bezirksleitung Baden, 1930–1932 Vorsitzender der KPDFraktion im Stadtrat Mannheim, 1931–1936 Kursant, Aspirant danach Dozent und Parteisekretär der Lenin-Schule in Moskau, Mitglied der KPdSU, 1941 Leiter der deutschen Sektion an der Schule der Kommunistischen Internationalen in Kuschnarenkowo, 1943 Mitglied des Auslandbüros der KPD in Moskau, 1945 Präsident der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung, 1946 Mitglied des Zentral Komitees der SED, Präsident des Friedensrats der DDR, 1958–1961 Botschafter der DDR in der Volksrepublik China, 1961–1964 Vizepräsident der Liga für Völkerfreundschaft, 1982–1989 Vorsitzender des Freundschaftskomitees DDR – VR China, 1989 Mitglied der PDS und dem Rat der Alten.
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Warnke, Johannes 166, 175–177, 180, 187 f., 207 f., 211, 276 geb. 15. 8. 1896 Hamburg, gest. 9. 1. 1984 Rostock 1914 Eintritt in die SPD, 1915–1918 Wehrdienst, 1918 Vorstand der USPD Güstrow, 1920 Mitglied des Landesvorstandes der USPD, dann Mitglied der KPD, 1924–1933 MdL Mecklenburg und Vorsitzender der KPD-Fraktion, 1924–1926 Haft aufgrund von „Vorbereitung zum Hochverrat“, 1926–1933 Politischer Leiter und Organisationsleiter der KPD-Bezirksleitung Mecklenburg, 1928–1933 Mitglied des Zentralkomitees der KPD, 1933–1935 Zuchthaus, 1939/40 und 1944 KZ Sachsenhausen, 1945 Oberbürgermeister Güstrow, 1945/46 Mitglied der KPD-Bezirksleitung Mecklenburg-Vorpommern, 1946 Eintritt in die SED, 1946–1949 Innenminister der Landesverwaltung Schwerin, 1946–1952 Mitglied des SED Landesvorstands Mecklenburg, 1948/49 Mitglied des deutschen Volksrates, 1949–1952 Staatssekretär im Innenministerium der DDR, 1950–1963 Mitglied der Volkskammer, 1966 Ruhestand. Weimann, Richard, Funktionär 31, 33 geb. 16. 4. 1890 Wilthen bei Bautzen, gest. 2. 7. 1976 Berlin kaufmännischer Angestellter, 1908 Eintritt in die SPD, 1913–1916 Sekretär der Arbeiterjugend in Groß-Berlin, 1916–1919 Redaktionssekretär „Vorwärts“, 1920–1933 Geschäftsführer im Reichsausschuss für soziale Bildungsarbeit, 1933 Mitglied der illegalen SPD, 1934–1945 Reisebüroinhaber und Vertreter im Jugendfilm-Verleih, Arbeit im Widerstand, Unterstützung der Angehörigen von Inhaftierten, 1945 Mitglied SPD und Leiter der Kulturarbeit, 1946 Eintritt in die SED, 1946–1950 Mitglied im SEDParteivorstand, 1946 paritätischer Leiter der Abteilung Kultur und Erziehung, 1947 paritätischer Leiter Parteischulung, Kultur und Erziehung des Zentralsekretariats, 1949 Rücktritt von allen Funktionen, anschließend Arbeit im DEFA-Filmvertrieb für Sachsen und Sachsen-Anhalt in Leipzig, 1950 Aufbau und Leitung der Kulturfilmabteilung der DEFA,1952 Austritt aus der SED und Wiedereintritt in die SPD, Übersiedlung nach West-Berlin und Mitglied der SPD in Berlin-Neukölln. Weise, Hans, MfS 43, 80, 95, 137, 157, 163, 167 f., 172, 175, 180, 194, 207, 227, 256, 264, 273, 277, 287, 301 f., 304, 311, 314, 324, 346 geb. 1917 bis 1949 Mitarbeiter der Kriminalpolizei K5, 1952 Landesparteischule, 1953–1957 Mitarbeiter der AG Kirchenfragen beim ZK der SED, 1957–1982 Hauptabteilungsleiter in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen, IM und Offizier mit Besonderem Einsatz des MfS. Werner, Wilfried, Prof. Dr. 32, 97, 165, 169, 182, 195, 201, 203, 217, 272, 319 Wichmann, Herbert Karl Edmund 232, 254 f., 258 1927 Vikar Berga/Elster, 1927–1936 Vikar, Lehrvikar und Pfarrer Ruhla/Trinitatis, 1937–1949 Pfarrer Mittelhausen bei Erfurt und Nöda, 1949–1966 Pfarrer, Oberpfarrer und stellvertretender Superintendent Ichtershausen. Wienken, Heinrich, Bischof 18, 195, 203, 214 f., 217, 230 geb. 14. 2. 1883 Stalförden/Kreis Cloppenburg, gest. 21. 1. 1961 Berlin 1909 Priesterweihe, Tätigkeit als Kaplan in Münster, 1912–1916 Kaplan und Jugendseelsorger der Pfarrei St. Sebastian in Wedding, 1916 stellvertretender Leiter der Caritas Berlin, 1922–1946 Direktor der Berliner Vertretung des Caritasverbandes, 1930 Ernennung zum Päpstlichen Geheimkämmerer, 1934 Ernennung zum Hausprälat Seiner Seligkeit, 1937 Weihe zum Bischof von Meißen, 1949–1951 Beauftragter der
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Personenregister / Biografische Angaben
katholischen Kirche bei der DDR-Regierung, Rückkehr nach Berlin und Leiter des Bischöflichen Kommissariats der Fuldaer Bischofskonferenz. Wildangel, Ernst Friedrich Wilhelm, Pädagoge 32 geb. 22. 1. 1891 Köln, gest. 6. 4. 1951 Berlin 1910–1914 Studium der Neuphilologie in Münster, Bonn und Greifswald, 1914–1918 Offizier im Ersten Weltkrieg, 1919 Staatsexamen und Gymnasiallehrer, 1919–1923 Vorsitzender der Zentrumspartei in Mönchengladbach, 1924 Eintritt in die SPD, Tätigkeiten als Oberstudienrat in Oberhausen, Moers, Wuppertal und Berlin, 1930 Eintritt in die KPD, 1931 Aufnahme einer Lehrtätigkeit an der Reformschule Karl-Marx in Berlin-Neukölln, 1933 Flucht nach Paris, später Südfrankreich, 1944–1945 nach der Verhaftung durch die SS Verbringung ins Gestapo-Lager Neue Bremm und ins Gestapo-Gefängnis Berlin Alexanderplatz, 1945 Beauftragung mit dem Neuaufbau des Schulwesens in der SBZ, 1948 Stadtschulrat von Groß-Berlin. Wildgrube, Ferdinand Friedrich Wilhelm Günter, Theologie, Superintendent 288–290 geb. 06. 08. 1911 Brandenburg 1931–1933 Universität Tübingen, 1935 Erstes Theolgisches Examen, 1938 Zweites Theologisches Examen, 1938 Ordination, 1938 Hilfsprediger Cottbus, 1938–1939 Hilfsprediger Wittenberge, 1939–1951 4. Pfarrer Wittenberge, 1940–1945 Kriegsdienst, 1951–1957 Oberpfarrer St. Wenzel Naumburg, 1957–1958 2. Pfarrer St. Johannis und Superintendent Wernigerode, 1958–1961 Oberpfarrer und Superintendent ebd., 1960 Übersiedlung in die BRD, 1961–1975 Pastor des deutschen Teils der Gemeinden der dänischen Volkskirche in Tondern und Uberg, 1975 Emeritierung. Wilhelm, Heinrich, Jurist 62, 114, 126, 142, 165, 169, 227 f., 257, 289 geb. 15. 2. 1882 Friesack, gest. 23. 6. 1970 1923–1945 Zivilrichter in Stettin, 1945 Eintritt in die Ost-CDU und Kurator der Universität Rostock und der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald, 1945–1949 Leiter der Landesjustizverwaltung Mecklenburg, 1947–1950 Mitglied im Landesvorstand der CDU, 1949–1969 Oberrichter und Vorsitzender des Ersten Zivilsenats am Obersten Gericht der DDR. Wilm, Walter, Theologe Pfarrer 303–305 geb. 7. 1. 1893 Berlin, gest. 10. 12. 1957 Greifswald [Personenlexikon, 276] Wischhusen, Polizeiarzt in Bautzen 168 Wolff, Bruno, Funktionär 180, 183 f. Referent für Kirchenfragen des Zentralkomitees der SED, 1953 Absetzung und Verhaftung. Worbes, Justus Friedrich, Pfarrer 47, 270 f. 1927 Hilfsfprediger Oberweißbach, 1928–1942 Pfarrer Teichwitz, 1939–1940, 1943–1945 Kriegsdienst, 1942 Verwalter Münchenbernsdorf, 1946 kommunaler Verwalter Moßbach bei Auma, 1946–1953 Pfarrer Jena, Burgau, Nennsdorf, 1953–1964 Pfarrer Azmannsdorf. W rzburg, Hans, Jurist, Politiker 32 geb. 21. 12. 1904 Berlin, gest. 15. 12. 1983 Berlin-Lichterfelde Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Berlin, Tübingen und Breslau, 1927 Referendarexamen, 1928 Promotion, 1931 Assessorexamen, 1940–1945 Wehrdienst, 1945 Eintritt in die SPD, 1950–1958 Bezirksverordneter Steglitz, 1955–1961 Vorsit-
Personenregister / Biografische Angaben
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zender der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen, 1959 Vorsitzender der Spruchkammer Berlin, 1963–1967 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. Zachau, Johannes Karl Julius, Superintendent 172, 175 f., 178 f., 196, 198, 209 f., 212, 219 f., 226 f., 257, 266 f., 288, 313 f., 320, 329 f. geb. 5. 4. 1896 zu Sielkeim/Kreis Labiau, gest. 27. 3. 1974 Seehausen/Altmark 1914 Abitur Humanistisches Gymnasium Elbing, 1914–1920 Studium der Theologie in Königsberg, Kriegsdienst 1916–1919, 1922 Erstes Theologisches Examen in Königsberg und Ordination, 1922 Hilfsprediger Locken-Langguth/ Kreis Osterrode, 1922–1935 Pfarrer Gehsen, 1935–1939 Pfarrer in Petersdorf/Wehlau, 1938 Superintendentur-Verwalter Kirchenkreis Wehlau, 1939–1945 Superintendent und 1. Pfarrer in Wehlau, 1939 und 1945 Kriegsdienst, 1945 Kriegsgefangenschaft, 1946–1950 Pfarrer der Immanuel Gemeinde Berlin, 1950 Mitarbeiter der Kirchenkanzlei Berlin, 1965 Emeritierung. Zill, Johannes Ferdinand, Pfarrer 312 geb. 25. 5. 1894 in Chemnitz, gest. 2. 4. 1968 1921 Ordination, 1925 zweiter Pfarrer Taucha, 1927 Pfarrer Euba, 1962 Emeritierung. Zimmermann, Walter, Oberkirchenrat 71 f., 76, 97, 129, 131 f., 134, 138 f., 222, 245 geb. 14. 4. 1902 Essen-Rüttenscheid, gest. 15. 3. 1972 Greifswald [Personenlexikon, 283] Zinke, Johannes, Prälat 18, 102, 106, 230, 315–317, 322 geb. 18. 11. 1903 Liegnitz/Schlesien, gest. 14. 11. 1968 Berlin 1928 Priesterweihe, 1935 Ernennung zum Diözesanpräses der Kolpingfamilien im Erzbistum Breslau und Pfarrkurat an St. Adalbert, 1938 Ruf zum Diözesan-Caritasdirektor, 1946 paritätische ab 1952 alleinige Leitung des Deutschen Caritasverbandes Berlin, 1951 Leiter des Kommissariats der Fuldaer Bischofskonferenz, 1957 Päpstlicher Hausprälat, 1966 Apostolischer Protonotar. Zipfel, Max Fürchtegott, Pfarrer, Politiker 191, 200 geb. 26. 6. 1883 Dresden, gest. 13. 7. 1964 Schwarzenberg/Erzgebirge Studium der Theologie in Leipzig, 1909 Ordination Freiberg, 1926 Pfarrer Schwarzenberg, 1945 Eintritt in die CDU und Mitglied im CDU-Kreisvorstand Schwarzenberg und des CDU-Bezirksvorstandes Karl-Marx-Stadt, Mitglied im Friedensrat der DDR, 1954–1958 Mitglied der Volksammer.
Institutionen-, Orts- und Sachregister
Abendmahl 127, 178, 189, 195, 197, 228 f., 231, 238, 261 f., 268, 299, 304, 417 Abteilung – Kirchenfragen 93, 152, 156 f., 180, 183 f., 283, 313, 332, 334 f., 338, 345, 353, 361 – Staatliche Verwaltung des ZK 208 – Strafvollzug 16, 18–21, 23–25, 38, 40–48, 50, 59–61, 64, 66–69, 71, 73, 75, 77 f., 81–86, 88, 90, 94–96, 98–101, 107–112, 114, 119–126, 128, 130 f., 133, 135, 138, 141, 143–147, 149 f., 155 f., 158–165, 167 f., 170–174, 179, 183, 186, 188, 190, 192 f., 195, 204 f., 211, 213–216, 219 f., 224, 227–230, 232–234, 237 f., 240–242, 244, 246 f., 249–253, 256–259, 261, 264, 268, 270 f., 273, 276–279, 286 f., 289–291, 293, 295–297, 300–302, 305, 309 f., 314 f., 318–324, 326, 330, 334 f., 337, 341, 344–346, 348–352, 354–356, 414 f., 425 – XV 275 Aktion Rose 272 Alliierter Kontrollrat 27, 29, 56, 93 Arbeitslager (siehe Haftarbeitslager) 33, 292, 309 Arnoldshain 258, 343 Atheismus 36, 280, 337
108–111, 114, 119, 122, 125–127, 134–138, 149, 159, 171, 186, 221, 292, 333, 357, 361 – 00315 53–56, 61 Bekennende Kirche (BK) 74 Berlin 17 f., 22–25, 28, 30–35, 38 f., 41 f., 44, 51, 55, 57, 59, 67, 71–83, 85–90, 92–104, 106 f., 115, 117, 122, 124 f., 127–134, 138–145, 148 f., 151, 153, 158–160, 163–169, 172–215, 217–240, 242–247, 250–259, 261–273, 275–277, 282–284, 286–336, 338–340, 342–344, 346, 348, 350, 355 f., 358–361, 414, 417, 419–422, 424 Berlin-Brandenburg 19, 22, 36, 39, 65, 72, 74, 109, 201, 212, 237, 244 Bernburg/Sachsen 265 Beyern-Züllsdorf 263, 269 Bollstedt 218 Bonn 46 Bruderrat 72 Bundesrepublik Deutschland (BRD) 281 Bund Evangelischer Pfarrer in der DDR 336 Burckhardthaus 72 Burg (bei Magdeburg) 69, 87, 219, 266 Burgtonna 306 Büro Grüber 74
Bahnhofsmission 307 Bautzen-Komitee 164 f. Beerdigungen 90, 95, 127, 226, 236 f., 279, 284 Befehl 30, 38, 48, 52–59, 61, 66, 108–111, 114, 119, 125–127, 134–138, 149, 159, 171, 221 – 0016 52–54 – 201 13, 15 f., 22 f., 48, 59, 62, 66,
Chemnitz (siehe auch Karl-Marx-Stadt) 195, 213, 243, 259, 261, 311 Christlich-Demokratische Union (CDU) 30, 93, 114 f., 118–120, 152, 157, 205, 280 Coswig 138, 237, 320 Cottbus 45, 60 f., 233, 235, 237, 239, 241 ˇ SR (Tschechoslowakei) 293 C
Institutionen-, Orts- und Sachregister Dahlem 72, 76, 79 f., 244 Deportation 52 f., 55 Deutsche Film AG (DEFA) 36, 355 Deutsche Justizverwaltung (DJV) 77, 80, 85, 109, 355 Deutsches Reich 53, 122 Deutsche Verwaltung des Innern (DVdI) 65, 355 Dienstanweisung (DA) 24, 77 f., 94 f., 98–100, 107, 174, 221, 228, 242 f., 276, 349, 355, 414, 417 Dienstordnung (DO) 24 f., 90, 101, 220, 223, 228, 230, 239, 261, 277 f., 322, 351, 355, 360, 420 Differenzierungspolitik 280, 284, 313, 315–326, 336, 345 f. Drehna 310 Dresden 57, 91 f., 100, 106 f., 111, 114–117, 141, 145, 169, 176, 195, 201 f., 226, 238, 275, 324 f. Drittes Reich 55, 59, 75 f., 90, 122 Einzelseelsorge 88, 91, 93, 95, 99, 105, 123, 125, 188, 190, 195, 209, 214, 220, 240, 252, 271, 298, 304 f., 308, 315, 321 f., 331 f., 339, 342, 423, 425 Eisenach 35, 88, 127, 138, 141, 143, 250 Eisfeld 88, 250 Evangelische Kirche der Altpreußischen Union (APU) 72 Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (EKKPS) 17, 86, 355, 360 Evangelische Kirche der Union (EKU) 73, 355 Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg (EKiBB) 17, 94, 212, 355 Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) 201, 225, 307, 355, 359 Evangelischer Oberkirchenrat (EOK) 73, 355, 359 Fort Zinna 51 Fragebogen 70, 87 f., 132 f., 135, 138, 141, 244, 250, 419 Frankfurt / Oder 237–238 Frauenbund 107, 121
415
Frauengefängnis 44, 60, 119, 126, 194, 210, 234, 240, 260 f., 265, 272, 304, 311, 330, 338 f. – Barnimstraße 44, 76, 210, 213, 234, 264, 266, 328, 330 f. – Bützow 199, 272 f., 305 f. – Hoheneck 60 f., 67, 110 f., 115, 122, 138, 149, 158 f., 163, 171, 173, 178, 189 f., 190–200, 207, 209, 213, 240, 246, 249, 259, 261, 264 f., 269, 301, 311–316, 339, 341, 343 – Hohenleuben 88, 126, 143, 242, 248 f., 272, 298 f. – Klein-Meusdorf 110, 119 Freie Deutsche Jugend (FDJ) 355 Freital 325 Friedensrat 307, 310, 333 Fuldaer Bischofskonferenz 230 Fünfjahresplan 155 Fürsorge 20, 36, 41, 64, 79, 85, 91, 95 f., 99, 107 f., 111, 126, 130, 133 f., 136 f., 139 f., 194, 246, 250, 252 f., 414 f., 418 f. Gefängnisgesellschaft 20, 87, 107, 248, 252 Gelbes Elend 164 Generalkonvent 140, 145, 244, 254 f., 257, 343 – Ost 17, 29, 34 f., 71, 73, 131, 140, 172 f., 178, 186, 205, 254 f., 257 f., 263, 266, 281 f., 286, 288, 323, 343, 346 – Strafanstaltsseelsorger 76, 103, 117, 220, 222, 243, 253, 270, 295 Generalstaatsanwalt 66, 69, 76 f., 81–84, 88, 91 f., 114, 147, 238, 335 f. Genthin 87, 129 Gera 81, 84, 109, 114, 143, 147, 244 f., 258, 296 Gesellschaft Imshausen 182 Gesellschaft Urania 36 Gestapo 36, 54, 74 Göda 213, 245, 261 GOKO (Staatliches Komitee für Verteidigung der UdSSR) 52, 355 Görlitz 17, 110, 231, 282, 304, 316, 323–326, 343 Gottesdienst 20, 30, 50–52, 70 f., 87, 90 f.,
416
Institutionen-, Orts- und Sachregister
93, 95 f., 99, 102–106, 108 f., 111, 115, 118, 122–127, 130, 137–140, 148, 164, 172–178, 187–190, 192–197, 200 f., 204–206, 209, 213–222, 224, 228 f., 231, 233–235, 239–241, 243, 245–247, 250 f., 254, 258–262, 269–274, 277, 289 f., 297–305, 308, 311 f., 315 f., 321–323, 328, 331, 339, 341 f., 349, 352, 414, 417–420, 422, 424 f. GPU-Keller 50, 58, 62 f., 146 Greifswald 17, 144, 300, 302–305 Groß-Berlin 75, 77, 133, 147, 328, 332, 335 Gruna / Dresden 325 Grünau / Berlin 199, 250, 333 GULAG 52, 64, 355 GUPVI 52, 355 Haftarbeitslager 120, 163 f., 229, 239 f., 250, 286 f., 297–301, 303, 306–309, 314 f., 317, 343, 355 – Bitterfeld 5 – Himmelmühle 298 f. – Polßen 164, 235, 274 – Rüdersdorf 235, 303 – Volkstedt 133, 307–309 Haftkrankenhaus – Eisenach 297–299, 331 – Klein-Meusdorf 243, 249, 252 Halle / Saale 45, 57, 87, 97, 101, 113, 135, 143, 263 Hauptabteilung – Strafvollzug / HA SV 41, 67, 85, 130, 163, 199, 234, 299 – V / 4 156, 353 – Verbindung zu den Kirchen 152, 157, 187 f., 202, 230, 277, 282, 302 – XX 4 157 Hauptamt 42, 127, 169, 247 Hinrichtungen 41, 189, 236–238, 279 Hochkirchliche Vereinigung 181 Hofgeismar 258 Humboldt-Universität Berlin 181, 292, 332, 334 Hunger 63, 165, 204 Hygiene 60, 62, 135, 317
Innere Mission 136, 195, 213, 248, 252, 311 Internierungen / Internierte 49–67, 92 f., 128, 140 f., 153, 158, 166, 169, 295, 349 Jalta 26, 54 Jugendgefängnis – Plauerhof 139 Jugendhaus 299 Jugendweihe 280, 284, 297, 307, 325, 341 Junge Gemeinde 155 f., 232 Juni, 17. 16, 26, 28, 32, 55, 67, 79, 83, 85, 96, 110, 116, 118–120, 122 f., 132, 144, 154–156, 162 f., 166, 168, 170, 187, 203, 206, 208 f., 212, 227 f., 230, 248 f., 251, 254, 263, 272, 279 f., 285, 291, 298–300, 306, 308, 310, 312, 329 f., 333, 342, 351, 419 Justizministerium 40, 101, 105 f., 110, 115, 117 f., 121, 130, 148 Justizverwaltungen 38, 42–44, 46, 65, 70 f., 78, 81 f., 86, 90, 103, 115, 147, 149 f., 349 Kalter Krieg 29, 49, 345 Kanzelabkündigung 179, 202 f. Kapitulation 26, 44, 56 Karl-Marx-Stadt 257, 311 f. Karlovy Vary (Karlsbad) 293, 332 Kassiber 166, 260, 269 f., 310, 331 Kirchenchor 259–261, 290, 327 Kirchenkampf 72, 155 f., 351 Kirchenkanzlei, Berliner 17 f., 22–25, 51, 71, 73 f., 83, 88 f., 92, 94, 97, 100–103, 105 f., 117, 124, 127–134, 138, 140–144, 146, 150 f., 162, 164, 173, 175 f., 178, 180, 186 f., 192, 195 f., 198–201, 205, 208–211, 213 f., 219–231, 233, 235–242, 245 f., 257 f., 263, 266–268, 270–272, 277–279, 281–284, 286–289, 291–294, 296–320, 323 f., 326, 331, 339–345, 347 f., 350 f., 353 f., 419, 421 Kirchensteuer 36 Kirchliche Ostkonferenz (KOK) 35, 315, 356 Kommission für Kirchenfragen 32, 309 Kommunismus 36, 272
Institutionen-, Orts- und Sachregister Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) 356 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 356 Konfirmationen 95, 224, 260, 322 Königsee 88 Konsistorium 17, 41, 69–73, 75–77, 79, 83 f., 86 f., 94, 96, 98, 101–103, 105 f., 108, 124, 129, 133–138, 140, 143–145, 151, 184–187, 192 f., 196, 208, 210–212, 218 f., 226, 231, 234 f., 237–240, 248, 250–253, 255–257, 263 f., 266 f., 269, 290, 302–312, 316, 320, 323–325, 328–330, 338–340, 343, 352, 359 Kontrollratsdirektive (KRD) 40, 57, 108, 356 Konvent der Strafanstaltsseelsorger 254–257 Konzentrationslager (KZ) 52–54, 177, 356 – Buchenwald 81 – Dachau 74 – Groß-Rosen 81 – Oranienburg 285 Kreissynode 211 Kriminalpolizei Klasse 5 / K5 36,136 Kulturabteilung 180, 183 f. Kulturbund 36 Landeskirchenamt – Dresden 91, 106, 110, 115–124, 165, 169, 201–205, 211, 225, 237, 239, 242, 245, 249, 263, 287, 311, 315, 344 – Eisenach 243 Landesregierung Brandenburg 130 Landesverwaltungen 26, 39, 96 Leipzig 19, 22 f., 28, 119, 194, 243, 249, 251 f., 275, 288 f., 292 f., 309, 334, 339, 341, 356, 360 Leitgedanken 42 f., 78, 83, 90, 147 Liberal-Demokratische Partei (LDP) 39, 356 Luckenwalde 208, 211 Lutherstadt Wittenberg 136, 192 Magistrat, Berliner 32, 72, 74, 332, 335 Marburger Theologische Fakultät 181
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Marienfels (Tbc-Heim) 127, 243 Mecklenburg 17, 39, 83, 88 f., 128, 142, 199, 231, 237, 239, 266, 294 Meerane 305 Meiningen 70, 126 f., 213 Militärseelsorgevertrag 37, 285 Ministerium – der Justiz / MdJ 66, 102, 158, 160, 180, 184, 243 – des Innern / MdI 17–19, 23 f., 48, 55, 64, 67 f., 73, 109 f., 114, 119, 130, 148–210, 221, 258, 271, 275–279, 299, 302, 306, 325, 329, 335, 337, 340, 346, 349, 351 f. – für Staatssicherheit/MfS 20, 22, 36, 113, 139, 156 f., 187 f., 206, 274 f., 313, 315, 327–335, 342, 344–347, 353 Moskau 38, 46, 49, 94, 113, 154, 281, 294 f. Nationale Front 204, 207, 232, 310 Nationale Volksarmee (NVA) 154, 356 Nationalsozialismus 16, 36, 40–42, 54, 57 f., 90, 122, 139, 177, 205 NATO 281 f. Nebenamt 20, 145, 150, 213, 242, 245, 290 Neudietendorf 143, 251, 253 Neuer Kurs 351 NKWD 45, 49 f., 52–57, 61, 87, 93, 356 Opposition 22, 31, 36, 94, 284 Ostberlin 74, 154, 183, 185, 292, 309 f., 329, 331–333, 338–340, 343 Ost-CDU 152 Ostergottesdienst 51, 173, 175 f., 178, 199–202, 204, 261, 277, 303 Pankow / Berlin 338 Parteikonferenz 154 f., 163, 234, 278 Pfarrkonvente 211 f. Plaue / Thüringen 212 Politbüro 22, 37, 155, 208, 286, 335 Politische Gefangene 19, 23, 50, 60, 66, 122, 126–128, 149, 156, 160, 163, 171, 173, 177, 197, 201, 213 f., 217, 239, 249, 351 Potsdam 40, 57, 82, 138 f., 236, 254, 338, 344
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Institutionen-, Orts- und Sachregister
Potsdamer Abkommen 40 Provinzialverwaltungen 38, 42 f., 82, 97 Radebeul 250 f., 253 Religionsunterricht 28, 30, 36, 71, 95, 268, 284, 419 Röcknitz 240 Ronneburg 243 Rote Armee 27, 45, 52–55, 72, 74 Rotes Kreuz 167 Rundverfügung 43, 81–83, 89, 106, 124, 147, 266 – Nr. 150 43, 89, 106, 147 Sachsen 16 f., 22, 43, 48, 60, 65, 70, 83, 89–92, 106, 110 f., 113–115, 118–123, 127, 130, 134, 144 f., 147, 165, 176, 194 f., 200–202, 205, 211, 213–215, 231, 236–240, 242 f., 245 f., 248 f., 263, 288, 294, 296, 299, 312, 315 f., 332, 339, 341–344, 360 Sachsen-Anhalt 35, 101–106, 115, 121, 124, 148 Sächsische Landeskirche 100, 140, 192, 199–201, 203, 212, 223, 225, 237, 242, 257, 277, 294, 325, 330, 343 Sächsischer Landtag 118–120 Schloss Osterstein 249 Schnell-Haft-Lager 120 Schwerin 57, 83, 88 f., 142, 193, 199, 231, 237, 239, 294 Sebnitz, Amtsgerichtsgefängnis 59, 61 Seelsorge, nachgehende 89, 118 f., 121, 123, 147, 223, 252, 348 f. SMERS 53, 356 Sowjetische Besatzungszone (SBZ) 52, 77, 85, 90, 94, 97, 143, 276, 356, 414, 417 Sowjetische Kontrollkommission (SKK) 51, 158, 356 Sowjetische Militäradministratur der Länder (SMA) 38, 57, 66, 87, 92, 100, 106, 124, 198 Sowjetische Militäradministratur (SMAD) 24, 356 Sowjetisches Militärtribunal (SMT) 33, 49, 356
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) 356 Sozialismus 17, 32, 35, 151, 154 f., 278, 280, 284, 324 f., 335–337 – religiöser 32, 51, 91, 99, 118, 179 f., 190, 256, 264, 271 f., 321, 326, 337, 420, 424 Sozialistische Einheitspartei (SED) 356 Speziallager 19, 24, 49–56, 61–64, 67, 70, 128, 146, 164, 166, 169, 171 f., 349 – Bautzen 18, 23, 51, 55, 64, 67, 70, 158 f., 164–168, 171, 173, 176 f., 189–194, 200, 207, 209, 213–215, 239 f., 245, 260–262, 264, 267–269, 290, 292, 294–296, 310, 316, 327–330, 336, 339 – Buchenwald 51, 55, 64 – Fünfeichen 55 – Hohenschönhausen 55 – Jamlitz 55 – Ketschendorf 55 – Landsberg 55 – Mühlberg 55 – Sachsenhausen 51 f., 55, 64, 74, 158 – Torgau 51, 55 – Weesow 55 Staatssekretär für Kirchenfragen 157, 163, 285, 313, 317 f., 320–322, 324, 338, 345, 353, 358, 424 Staatssekretariat für Kirchenfragen 157, 163, 317, 321, 324, 326, 338, 346, 353 Stadtmission Bitterfeld 122, 250, 288 Stollberg / Erzgebirge 60, 110 f., 115, 194, 316 339, 341 Strafarbeitslager (siehe Haftarbeitslager) 235 Strafvollzugsanstalt 17, 25, 46–48, 60, 69, 90, 104 f., 109, 115, 120, 122, 156, 163, 167 f., 171, 175, 179, 192, 207–210, 216 f., 220, 235–237, 241, 245, 277 f., 287, 289 f., 292, 294, 297–301, 304, 315–318, 320–323, 356, 420, 422, 424 f. – Bautzen I 70, 159, 163, 194, 213 f., 239 f., 245, 259, 261, 290, 292, 294, 310, 327, 339 – Bautzen II 70, 163, 213–215, 239 f., 292, 296 – Beetzendorf 87
Institutionen-, Orts- und Sachregister – Brandenburg-Görden 18, 110, 128, 139, 161, 164, 171, 176, 180, 184, 189–191, 206, 208, 210 f., 235, 262, 264, 268 – Bützow-Dreibergen 88 f., 127, 142, 231 – Calbe 87 – Gera 88, 109, 126, 225, 243 f., 296 – Gommern 87, 133 – Gräfentonna 88, 125–127, 225, 231 f., 306, 308, 331 – Greiz 126, 149 – Halberstadt 69, 87, 231, 297, 301–303 – Haldensleben 87, 219 – Heiligenstadt 133 – Hoheneck 60 f., 67, 110 f., 115, 122, 138, 149, 158 f., 163, 171–173, 178, 189–191, 194 f., 200, 207, 209, 213, 240, 246, 249, 250, 259–261, 264 f., 269, 301, 311–313, 316, 339, 341, 343 – Ichtershausen 88, 225, 232 f., 254, 271, 298 f. – Luckau 46, 67, 127, 158 f., 163, 171, 173, 176, 189–192, 207–209, 211 f., 235, 241, 263, 294, 310 f. – Magdeburg-Neustadt 60, 121 – Moabit 76, 144, 254, 256 – Oschersleben 87 – Plötzensee 34 – Rostock 251 – Rummelsburg 234, 253, 266, 301, 316, 330–332, 336, 338 – Schönebeck 87, 136 f., 265 – Stendal 87, 219 – Strausberg 236, 241 – Tegel 33, 41, 75, 130, 148, 248 – Torgau 51, 55, 67, 87, 133, 158 f., 163 f., 170 f., 173, 176, 178, 190–192, 207–209, 259, 294, 302, 336 – Untermaßfeld 46, 67, 88, 126, 158 f., 163, 173, 176, 178, 189, 191, 200, 204, 207–209, 213, 225, 254 – Waldheim 67, 90, 127–129, 140 f., 144 f., 158 f., 163, 169–173, 176–178, 189, 191, 194, 198, 200–202, 207–209, 211–213, 242 f., 249, 254, 259, 268, 316, 338 f. – Wernigerode 87, 219
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– Zwickau 110 f., 127 f., 242 f., 249, 251, 311 f. Superintendentur 69 f., 86–88, 92, 98, 101, 126 f., 150, 164 f., 193, 208, 213, 237 f., 240, 242, 249, 266, 271, 303, 312, 315 f., 339, 341 Taufen 95, 209, 224, 260, 322 Tempelhof 181, 184, 187 Todeskandidaten 122, 128, 238 Todesstrafe 20, 58, 237 f. Tuberkulose (Tbc) 127, 153, 165–169, 242, 261, 266, 292 UdSSR 27, 45, 52–58, 355 f. Una-Sancta-Bewegung 181 Untersuchungsgefangene 66, 91, 99, 101 f., 104 f., 134, 137, 174, 220, 225, 228, 234, 289, 416 f. Untersuchungsgefängnis 87 f., 109, 136, 256 – Angermünde e 236, 241 – Bad Freienwalde 236 – Beeskow 236 – Bernau 236, 241 – Brandenburg (Stadt) 45, 71 f., 79, 82, 112, 138 f., 144, 163 f., 189 f., 207, 209 f., 232, 235 f., 241, 254, 256, 259, 266, 274, 359 – Eberswalde 236, 241 – Forst 236, 241 – Frankfurt / Oder 236 – Fürstenwalde 55, 236 – Guben 236 – Jena 47, 88, 235, 270 – Jüterbog 236 – Königs Wusterhausen 236, 272 – Luckenwalde 236, 241 – Mühlhausen 218, 250 – Neuruppin 218, 236 – Oranienburg 236 – Perleberg 236 – Pritzwalk 236 – Rathenow 236 – Senftenberg 236 – Spremberg 236 – Templin 236 – Wittenberge 236
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– Wittstock 236 – Zehdenick 236 – Zossen 236, 241 Verwaltung Strafvollzug (VSV) 22, 162, 299 f., 305, 310, 314, 317 f., 332, 334, 338, 341, 352, 356, 422, 424 f. Volkseigener Betrieb (VEB) 356 Volkskongressbewegung 34 Volkspolizei (VP) 17 f., 23, 67, 128, 159, 187, 190, 195 f., 199, 213, 230, 236, 241, 271, 293, 295 f., 325, 356 Volksrichter 65 Waldheimer Prozesse 128 f., 168 f., 189, 198, 202 Wanzleben 87, 246, 250 Warschauer Pakt 281 Wasungen 70
Weihnachtsgottesdienst 51, 88, 131, 164, 191 f., 204, 235, 240 f., 274, 302 f., 307 Weimar 47, 57, 88 Weimarer Republik 20, 33, 39–41, 46, 76, 96, 126, 247 Weißensee / Berlin 247, 250, 286– Werwolf 58 Westberlin 183, 213, 216, 275, 333 Workuta 33 Wunschseelsorge 90, 104, 118–120, 127 f., 147 f., 349 Zehlendorf (Berlin) 129, 181 Zeitz, Gerichtsgefängnis 87, 109, 122 Zentralsekretariat (ZS) 30–33, 64 f., 180, 183, 356 Zentralverwaltungen 38 f., 93 Zernin 272 f.
Dokumentenanhang 1. „Dienstanweisung für die evangelischen Geistlichen an den Gefangenenanstalten der Justizverwaltung in der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland“. Berlin 1946 F: BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 47–48 (O). Dienstanweisung für die evangelischen Geistlichen an den Gefangenenanstalten der Justizverwaltung in der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland § 1 Die Notwendigkeit des Geistlichen Der Strafvollzug dient der Erziehung des Gefangenen, seiner sittlichen Reife und sozialen Eingliederung. Zur Erreichung dieses Ziels ist die Mitwirkung des Geistlichen neben der des Lehrers und des Fürsorgers von entscheidender Bedeutung. § 2 Anstellungsverhältnis Die Tätigkeit des Geistlichen verlangt, wenn sie wirklich eindringen soll, Freiheit seiner Stellung im Rahmen der Ans-talt. Daher stellt die Kirchenbehörde im Einvernehmen mit der Zentralen Strafvollzugsbehörde in größeren Anstalten hauptamtliche, in kleineren nebenamtliche Geistliche an. Die Belegungsziffer soll für einen nebenamtlichen Geistlichen 200, für einen hauptamtlichen 500 Gefangene eines Bekenntnisses nicht überschreiten. § 3 Die Amtspflichten des Geistlichen Der Geistliche hat in dem durch den Charakter der Anstalt als Gefängnis gegebenen Rahmen, der streng innezuhalten ist, diejenigen Rechte und Pflichten, die ihm als Geistlichen und Seelsorger kirchlich aufgetragen sind. Darüber hinaus obliegt ihm: Die Mitwirkung bei der Fürsorge für die Gefangenen und deren Familien und der dazu erforderliche Briefwechsel; die Teilnahme an den Beamtenbesprechungen und die gutachtliche Äußerung über die Gefangenen; die Abhaltung von Sprechstunden in besonderen Fällen. § 4 Gottesdienst Der Gottesdienstbesuch ist freiwillig; er ist auf ihren ausdrücklichen Wunsch auch solchen Gefangenen zu gestatten, die aus der Kirche ausgetreten sind. Einen für den Gottesdienst geeigneten Raum stellt die Anstaltsleitung zur
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Verfügung und sorgt für seine Instandhaltung, Heizung, Reinigung und Beleuchtung. Soweit für den Organistendienst nicht ein geeigneter Gefangener herangezogen werden kann, kann einem freien Hilfsorganisten eine Entschädigung aus Justizmitteln gewährt werden. Für die mindestens vierteljährlich abzuhaltenden Abendmahlsgottesdienste stellt die Wirtschaftsabteilung der Anstalt den nötigen Wein und die Oblaten zur Verfügung. § 5 Seelsorge Die Seelsorge ist grundsätzlich in Einzelgesprächen unter vier Augen zu üben. Sie soll dem Zweck des Strafvollzuges nicht außer acht lassen, den Gefangenen nicht zu zerbrechen, sondern ihn zu haben, zu festigen und ihn in ein positives Verhältnis zur menschlichen Gesellschaft und zu seinem eigenen Lebenssinn zu bringen. Zu ihrer ordnungsmäßigen Ausübung wird dem Geistlichen Einblick in die Gefangenen-Register gewährt, aus denen sich die Konfessionszugehörigkeit des Gefangenen ergibt. § 6 Amtsverschwiegenheit Der Geistliche ist verpflichtet, das Siegel der geistlichen Amtsverschwiegenheit oder des Beichtgeheimnisses auf das Strengste zu bewahren. In der Regel wird er alle mit Gefangenen Gepflogenheiten Einzelunterredungen von Vorneherein als unter dem Siegel der Amtsverschwiegenheit ruhend anzusehen haben, um ebensosehr seinerseits sich vor unbedachten Mitteilungen über den Inhalt derselben zu hüten, als auch jedem Versuch, ihn zum Zeugnis darüber zu veranlassen, mit Grund widerstehen zu können. Er ist weder verpflichtet, noch ist es ihm erlaubt, Geständnisse, welche ein Gefangener ihm macht, zur gerichtlichen Anzeige zu bringen. H ält er es um des Seelenfriedens des Gefangenen Willen für notwendig, daß das Gericht Kenntnis von dem ihm eingestandenen Verbrechen erhält, so bleibt ihm nur übrig, zu versuchen, diesen selbst zur offenen Enthüllung seines vor Gericht noch verschwiegenen Verbrechens zu bewegen. § 7 Fürsorge Seelsorge ist praktisch nicht ohne Fürsorge durchführbar. Soweit ein hauptamtlicher Fürsorger vorhanden ist, ist mit ihm eng zusammenzuarbeiten; soweit er fehlt, hat der Geistliche schon bei der Aufnahme die wirtschaftliche Lage des Gefangenen und seiner Familie zu klären, Hilfe zu veranlassen und die Zukunft des Gefangenen von Anfang an zu überdenken und ihre Gestaltung vorzubereiten. § 8 Teilnahme an den Beamtenbesprechungen Zur Beurteilung des Gefangenen hat der Geistliche sich gutachtlich zu äußern. Sein Urteil wird weniger die äußere Haltung und den Fleiß, als die sittliche
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Reife, die Intensität seines Gemütslebens, seine Bindung an Familie und andere sittliche Werte, sowie seine seelische Eigenart oder Abartigkeit zum Gegenstand haben. § 9 Abhaltung von Sprechstunden Die Sprechstunde des Geistlichen dient der Wiederanknüpfung der Beziehung zur Familie, der Aussöhnung von Eltern und Kindern, sowie von Ehegatten usw. Sie ist eine Einrichtung, die in den erwähnten Fällen im seelsorgerischen Interesse erforderlich, aber zur Verhütung von Mißbrauch und Durchstechereien mit der notwendigen Vorsicht anzuwenden ist. Bei Untersuchungsgefangenen bedarf es dazu ausdrücklicher richterlicher Genehmigung. §10 Bücherausgabe Der Geistliche soll darauf achten, daß der Gefangene neben der allgemeinen Unterhaltungslektüre auch durch individuell ausgewählte bildende Literatur gefördert wird. Zu diesem Zweck wird er bei der Auswahl der anzuschaffenden Werke für die Gefangenenbücherei mitherangezogen. Er hat das Recht, in ihm geeignet erscheinenden Fällen bestimmte Bücher aus der Anstaltsbücherei und aus Privatbesitz durch Vermittlung der Anstaltsbücherei an Gefangene aushändigen zu lassen. § 11 Dienstaufsicht Die Aufsicht über die Tätigkeit des Geistlichen obliegt der Kirchenbehörde. Der Anstaltsvorsteher hat nur darüber zu wachen, daß durch die Tätigkeit des Geistlichen nicht die Ordnung und Sicherheit der Anstalt gefährdet wird. § 12 Bericht Der Geistliche hat der Kirchenbehörde jährlich Bericht über seine Tätigkeit zu erstatten. Auch die Strafvollzugsbehörde kann von dem Geistlichen in bestimmten Fristen Bericht über seine Tätigkeit erfordern.
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2. Dienstanweisung, Rechtsabteilung der SMAD. Berlin-Karlshorst, 1947 F: BArch Berlin, DP 1/30197, Bl. 113 (deutsche Übersetzung). Dienstanweisung für die evangelischen Geistlichen bei den Gefängnissen der Justizverwaltung der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland §1 Wenn Personen, welche in Gefängnissen Strafe verbüßen, den Wunsch nach Gottesdienst haben, können Geistliche zur Ausübung geistlicher Handlungen zugelassen werden. §2 Wenn die in § 1 dieser Dienstanweisungen bezeichneten Voraussetzungen vorliegen und die Zahl der Strafgefangenen 200 übersteigt, sind die Kirchenbehörden befugt, mit Zustimmung des Ministeriums der Justiz des Landes oder der Provinz einen hauptamtlichen Geistlichen für das betreffende Gefängnis zu ernennen. Bleibt die Zahl der Gefangenen unter 200, so kann ein Geistlicher bestellt werden, der den Dienst im Gefängnis nebenamtlich versieht. §3 Der im Gefängnis tätige Geistliche darf bei Erfüllung seiner seelsorgerischen Obliegenheiten die Gefängnisordnung nicht stören. §4 Der Geistliche veranstaltet im Gefängnis den Gottesdienst für die Strafgefangenen. Der Besuch des Gottesdienstes ist freiwillig. Predigten über politische Themen sind unzulässig. Die Gefängnisverwaltung stellt für den Gottesdienst einen geeigneten Raum zur Verfügung und sorgt für dessen Instandhaltung. Die Kosten für das Gehalt des Organisten und für den Gottesdienst einschließlich des Abendmahls trägt die Kirche. §5 Wenn Gefangene den Wunsch danach äußern, kann der Geistliche mit Genehmigung des Anstaltsleiters ihnen die Beichte abnehmen und Gespräche mit ihnen führen. Der Geistliche ist verpflichtet, das Beichtgeheimnis zu wahren. Wenn aus den Mitteilungen des Gefangenen zu ersehen ist, daß er den gerichtlichen Untersuchungsbehörden ein von ihm begangenes Verbrechen verheimlicht hat, so muß der Geistliche versuchen, den Gefangenen zu bewegen, daß er selbst das ausgeführte oder vorbereitete Verbrechen zur Kenntnis bringt. §6 Untersuchungsgefangene darf der Geistliche nur mit Genehmigung des Untersuchungsrichters besuchen.
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§7 Die Ausgabe von Büchern und Schriften religiösen Inhalts an Gefangene ist nur durch den Bibliothekar der Anstalt zulässig. §8 Im Gottesdienst und in den Gesprächen mit den Gefangenen soll der Geistliche sich bemühen, an der Besserung und Umerziehung des Verurteilten mitzuwirken. §9 Der Geistliche soll sich an der Fürsorge für die Gefangenen beteiligen und dabei helfen, daß sie nach der Entlassung aus dem Gefängnis in Arbeit kommen. §10 Wenn der Anstaltsleiter das Urteil des Geistlichen über einen Gefangenen zu erfahren wünscht, so hat der Geistliche dem stattzugeben. Soweit ein Bedürfnis danach besteht, kann der Geistliche zur Teilnahme an den Beamtenkonferenzen aufgefordert werden. §11 Die kirchliche Aufsicht über die Tätigkeit des Gefängnisgeistlichen obliegt seiner Kirchenbehörde. Der Anstaltsleiter hat darüber zu wachen, daß die Tätigkeit des Geistlichen die Ordnung und Sicherheit im Gefängnis nicht beeinträchtigt. §12 Der Geistliche erstattet jährlich seiner Kirchenbehörde einen Bericht über seine Tätigkeit. Die Strafvollzugsbehörde kann von dem Geistlichen gleichfalls einen Tätigkeitsbericht erfordern.
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3. Fragebogen der Kirchenkanzlei zur Seelsorge in den Haftanstalten auf dem Gebiet der SBZ. Berlin, 12. Juni 1949 F: EZA Berlin, 4/735, Bl. 2 (O). 1.) Name und Vorname des Geistlichen a. persönliche Anschrift und Anruf b. dienstliche Anschrift und Anruf c. haupt– oder nebenamtlich tätig 2.) Belegung der Anstalt a) insgesamt b) davon evangelisch c) davon betreut 3.) Gottesdienste a) wie oft monatlich b) wie oft für einzelne Gefangene c) Teilnehmerzahl d) in welchem Raum 4.) Abendmahlsfeiern a) wie oft jährlich b) durchschnittliche Teilnehmerzahl 5.) Religionsunterricht 6.) sonstige Amtshandlungen 7.) Seelsorgebesuche a) unter vier Augen b) auf Grund von Vorführungen c) werden dem Geistlichen Zellenschlüssel ausgehändigt 8.) Fürsorge a) wer ist beauftragt b) wer übt sie aus c) werden dem Geistlichen Zellenschlüssel ausgehändigt d) Hat diese generelle Sprecherlaubnis 9.) Werden Aufwandsentschädigungen aus staatlichen Mitteln bezahlt? Wie hoch? 10.) Bemerkungen und Vorschläge zur Intensivierung der Arbeit
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4. Dienstordnung für die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzuganstalten in der DDR. Berlin, 3. Juli 1953 F: EZA Berlin, 103/102, o. Pag. (Abschrift). Dienstordnung für die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten 1. Der Geistliche erhält als Amtsträger der Kirche von dieser den Auftrag, für die Ausübung seines Dienstes in einer Strafvollzugsanstalt der Deutschen Demokratischen Republik. Er bedarf dazu der Bestätigung der HS SV der HVDVP. Das gleiche gilt auch für Urlaubs- und Krankheitsvertretungen. 2. In besonderen Fällen behält sich die HA SV vor, ihrerseits mit Einverständnis der Kirchenleitung einen Geistlichen hauptamtlich einzustellen. 3. Dem Geistlichen ist untersagt, irgendwelche Mitteilungen des Gefangenen, die sich nicht auf die seelsorgerischen Belange beziehen, an andere Gefangene oder Personen ausserhalb der Anstalt weiterzugeben. Es ist ihm nicht gestattet, schriftliche Notizen der Gefangenen entgegenzunehmen und weiterzuleiten. Ebenso darf er nicht Gegenstände, Genuß- oder Lebensmittel dem Strafgefangenen während seiner seelsorgerischen Tätigkeit zuwenden, es sei denn, daß eine besondere Erlaubnis dazu erteilt worden ist. 4. Die Ausgabe von religiöser Lektüre erfolgt über die Anstaltsbibliothek. Bei besonderen Anlässen kann zusätzlich an Strafgefangene, die dieses wünschen, solche nach Genehmigung durch die HA SV verteilt werden. Gottesdienste 1. Der Geistliche kann in der ihm zugewiesenen Anstalt an jedem 2. Sonntag für die, die das Bedürfnis haben, Gottesdienst – in der Regel als Abendmahlsgottesdienst – durchführen. An den großen kirchlichen Festtagen können weitere Gottesdienste abgehalten werden, jedoch muß ein Feiertag gottesdienstfrei bleiben. 2. Ereignen sich besondere Vorkommnisse bei Gottesdiensten, so wird darum gebeten, der HA SV einen kurzen Bericht darüber zuzuleiten. 3. Soweit der Wunsch bei kranken Strafgefangenen auf Andacht besteht und die örtlichen Verhältnisse es zulassen und die Zahl der sich dafür Meldenden nicht weniger als 10 beträgt, kann dem Rechnung getragen werden.
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4. Erbitten einzelne Strafgefangene die Vornahme besonderer Kul(t)handlungen, wie z. B. Taufe oder Konfirmation, so kann dem nach Einholung des Einverständnisses der HA SV stattgegeben werden. Sprechstunden 1. Der Geistliche kann im Beisein eines VP-Angehörigen Sprechstunden mit den Strafgefangenen durchführen, die diese wünsch(en) und durch einen Antrag zum Ausdruck gebracht haben. 2. Dieses Gespräch hat sich nicht mit allgemeinen Angelegenheit(en) und Fragen zu befassen, sondern soll den persönlichen und religiösen Anliegen des Gefangenen insbesondere seiner seelischen Verfassung, sowie seinen in dieser Richtung seelsorgerischen Fragen etwa hinsichtlich seiner Angehörigen gelten. Erörterungen über Urteil und Rechtsfragen haben zu unterbleiben. Berlin, 3. 7. 1953 Mayer, Generalinspekteur
EKiD – Kirchenkanzlei – Berlin Stelle i. V. Dr. Grauheding
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5. Richtlinie über die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten der VSV Berlin. Berlin, 21. August 1957 F: BArch Berlin, DO 4/1727, Bl. 533–534 (E). Richtlinie über die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten Zur Gewährleistung der seelsorgerischen Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten entsprechend dem Art. 46 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik wird folgendes festgelegt: I. 1. Im Rahmen der gesetzlichen Regelung sind die Geistlichen zur Ausübung der seelsorgerischen Tätigkeit in den Strafvollzugsanstalten berechtigt. Ausgenommen davon sind solche Objekte, die in baulicher, hygienischer und sicherheitsmässiger Hinsicht nicht geeignet sind. Die für die Durchführung der seelsorgerischen Tätigkeit benannten Geistlichen müssen von der Verwaltung Strafvollzug bestätigt werden. Das gleiche gilt bei Urlaubs- und Krankheitsvertretungen. 2. Gottesdienst für Strafgefangene, die das Bedürfnis äußern, kann an zwei Sonntagen im Monat durchgeführt werden. An den großen kirchlichen Feiertagen kann ein weit[e]rer zusätzlicher Gottesdienst abgehalten werden. 3. Dem Geistlichen ist in Ausübung seiner seelsorgerischen Tätigkeit nicht gestattet, irgend welche Mitteilungen, schriftliche Unterlagen, Gegenstände, Lebens- und Genußmittel an den Strafgefangenen auszuhändigen oder von demselben entgegen zu nehmen. II. Zur Durchführung des Gottesdienstes: 1. Die Festlegung der Gottesdiensttermine erfolgt unter Berücksichtigung der Anstaltsordnung zwischen dem Leiter der Strafvollzugsanstalt und dem Geistlichen. Für die Durchführung des Gottesdienstes ist entsprechend den gegeben[en] Möglichkeiten ein geeigneter Raum zur Verfügung zu stellen. 2. Von der Möglichkeit der Teilnahme am Gottesdienst sind die Strafgefangenen rechtzeitig zu unterrichten. 3. Im Interesse einer reibungslosen Abhaltung der seelsorgerischen Tätigkeit wird den Leitern der Anstalten und den Geistlichen empfohlen regelmässige Aussprachen durchzuführen.
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III. Zur Durchführung der Einzelseelsorge: 1. Der Geistliche kann im Beisein eines SV-Angehörigen Einzelseelsorge mit den Strafgefangenen, die einen solchen Wunsch in einem Antrag zum Ausdruck bringen, durchführen. Die Seelsorge hat nur dem religiösen Anliegen des Strafgefangenen zu dienen. Gespräche über Urteile und Rechtsfragen sowie Fragen des Anstaltsleben haben zu unterbleiben. 2. Der Zeitpunkt der Einzelseelsorge ist zwischen dem Leiter der Anstalt und dem Geistlichen zu vereinbaren. 3. Wenn kranke Strafgefangene den letzten Wunsch äußern, den Geistlichen zu empfangen, so ist diesem Wunsch nach Möglichkeit Rechnung zu tragen. 4. Das Gespräch ist abzubrechen, wenn die Bestimmung nach ABS III/1 nicht eingehalten werden oder dadurch die Ordnung der Anstalt gestört wird. Der Leiter der SV-Dienststelle hat den für die Anstalt zuständigen Geistlichen über den Inhalt dieser Richtlinie zu informieren.
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6. Richtlinie über die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten des Staatssekretärs für Kirchenfragen F: BArch Berlin, DO 4/1727, Bl. 547–550 (O). Richtlinie über die Tätigkeit der Geistlichen in den Strafvollzugsanstalten Gemäß Artikel 46 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik wird zur Gewährleistung von Gottesdienst und Seelsorge in den Strafvollzugsanstalten folgendes bestimmt: I. 1. Geistliche sind zur Vornahme religiöser Handlungen in den Strafvollzugsanstalten der Deutschen Demokratischen Republik zugelassen, soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge besteht. Ausgenommen davon sind Strafvollzugsanstalten, die aus baulichen, hygienischen und sicherheitsmäßigen Gründen für solche Zwecke nicht geeignet sind. Die für die Durchführung von Gottesdienst und Seelsorge durch die Religionsgemeinschaften benannten Geistlichen bedürfen zur Vornahme religiöser Handlungen in den Strafvollzugsanstalten der Bestätigung durch die Verwaltung Strafvollzug. Diese Bestätigung ist auch bei Urlaubs- und Krankheitsvertretungen notwendig. 2. Für Strafgefangene, die das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge geäußert haben, kann an 2 Sonntagen im Monat Gottesdienst abgehalten werden. An großen kirchlichen Feiertagen kann ein weiterer zusätzlicher Gottesdienst gestattet werden. 3. Dem Geistlichen ist es bei der Ausübung seiner seelsorgerlichen Tätigkeit nicht gestattet, Mitteilungen irgendwelcher Art, schriftliche Unterlagen, Lebens- und Genußmittel sowie andere Gegenstände an Strafgefangene auszuhändigen oder von ihnen entgegenzunehmen. II. 1. Die Termine für die Gottesdienste werden von dem Leiter der Strafvollzugsanstalt nach Vereinbarung mit dem für die Seelsorge in der Strafvollzugsanstalt benannten und bestätigten Geistlichen unter Berücksichtigung der Anstaltsordnung festgelegt. Für die Abhaltung der Gottesdienste wird durch den Leiter der Strafvollzugsanstalt entsprechend den gegebenen Möglichkeiten ein geeigneter Raum zur Verfügung gestellt.
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2. Die Strafgefangenen sind von der Möglichkeit der Teilnahme an Gottesdiensten rechtzeitig zu unterrichten. 3. Den Leitern der Strafvollzugsanstalten und den zugelassenen Geistlichen wird empfohlen, im Interesse einer ordnungsgemäßen Abhaltung von Gottesdienst und Seelsorge regelmäßige Aussprachen durchzuführen. III. 1. Einzelseelsorge kann durch Geistliche an Strafgefangenen, die einen solchen Wunsch durch Antrag zum Ausdruck bringen, im Beisein eines Angehörigen des Strafvollzuges abgehalten werden. Die Seelsorge darf nur der Erfüllung der religiösen Bedürfnisse des Strafgefangenen dienen. Gespräche über Urteile und Rückfragen sowie Fragen des Anstaltslebens sind nicht gestattet. 2. Der Zeitpunkt der Einzelseelsorge ist zwischen dem Leiter der Anstalt und dem Geistlichen zu vereinbaren. 3. Dem Wunsche ernstlich erkrankter Strafgefangener nach geistlichem Zuspruch und Erteilung der Sakramente ist nach den gegebenen Möglichkeiten entgegenzukommen. 4. Das Gespräch zwischen dem Seelsorger und dem Strafgefangenen ist abzubrechen, wenn die Bestimmungen der Ziffer III/1 dieser Richtlinie nicht beachtet werden oder die Anstaltsordnung durch die Einzelseelsorge gestört wird. Die Leiter der Strafvollzugsanstalten sind verpflichtet, die für die Anstalt zuständigen und durch die Verwaltung Strafvollzug bestätigten Geistlichen von dem Inhalt dieser Richtlinie zu unterrichten (informieren).