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German Pages 476 [477] Year 2004
Europäisches Verwaltungsverfahrensrecht
Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 161
Europäisches Verwaltungsverfahrensrecht Beiträge der 70. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung vom 20. bis 22. März 2002 an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
Herausgegeben von Hermann H i l l / Rainer Pitschas
Duncker & Humblot · Berlin
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0561-6271 ISBN 3-428-11424-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort In der wachsenden Diskussion um die künftigen Strukturen eines Europäischen Verwaltungsrechts nimmt das Verwaltungsverfahren eine besondere Stellung ein. Denn einerseits liegen in ihm, wie die Debatte um die Rücknahme gemeinschaftsrechtswidriger Verwaltungsakte beispielhaft gezeigt hat, wesentliche Problemschwerpunkte der „Europäisierung" des nationalen Verwaltungsrechts in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) geborgen. Die Auseinandersetzung hierüber führt letztlich auf den Grundwiderspruch zurück, der zwischen der prinzipiellen Verfahrensorientierung europäischer Rechtssetzung und der Bedeutung des Verfahrensrechts in zahlreichen Gemeinschaftsstaaten sowie der Ausrichtung vor allem des deutschen Verwaltungsrechts auf eine materielle gesetzliche Programmsteuerung besteht. Darüber hinaus und andererseits verlangt die Tätigkeit der mitgliedstaatlichen öffentlichen Verwaltungen im entstehenden europäischen Verwaltungsraum immer stärker nach kohärenten Handlungsmaßstäben und normativen Vorgaben zur wirkungssichernden Durchsetzung des europäischen Rechts auf der jeweils nationalen Verwaltungsebene. In den Mittelpunkt rückt dabei und vor dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips mehr und mehr die horizontale und vertikale Verwaltungskooperation zwischen den Gemeinschaftsstaaten sowie dieser mit der Europäischen Kommission. Hierfür fehlt es jedoch an einem verfahrensbezogenen europäischen Verwaltungskooperationsrechts. Dessen Strukturbildung zu fördern und zugleich die von der Europäischen Verwaltungsrechtswissenschaft seit längerem begonnene Entfaltung einer europäischen Perspektive des Verwaltungsverfahrensrechts voranzutreiben, ist das Anliegen der in dem hier vorgelegten Sammelband abgedruckten Beiträge aus der Verwaltungspraxis sowie aus der Rechts- und Verwaltungswissenschaft. Sie geben in überarbeiteter Form die Referate wieder, die auf der 70. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer zum Thema „Europäisches Verwaltungsverfahrensrecht" gehalten wurden. Die Veranstaltung, die vom 20. bis 22. März 2002 stattfand, stand unter der Leitung der beiden Herausgeber. Sie wurde von dem methodischen Bemühen getragen, für eine künftige Verfahrenskonzeption im Europäischen Verwaltungsrecht durch Länderberichte einen Rechtssystemvergleich innerhalb der EU sowie unter Einbezug ausgewählter Beitrittsstaaten zu ermöglichen. Das dadurch gelegte empirisch-analytische Fundament für eine künftige europäische Verfahrensrechtsordnung wollen sodann funktionale Ana-
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Vorwort
lysen der von den „europäisierten" Verwaltungen im Mehr-Ebenen-System der Gemeinschaft verwendeten Kommunikations- und Handlungsformen verbreitern. Sie schälen unter Berücksichtung des Verhältnisses von Rechtsprechung und Verwaltung sowie von Belangen der europäischen Verwaltungspraxis wesentliche Bausteine einer gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensordnung heraus. Den Band beschließen Aussagen zu den Integrationseffekten grenzüberschreitender kooperativer Verwaltungsverfahren und zur Rolle des EuGH bei der „Europäisierung" des Verwaltungsverfahrensrechts. Die Herausgeber danken den Verfassern der Länderberichte und allen weiteren Referenten auf der Tagung für die gründliche Vorbereitung ihrer Vorträge und die heute nicht mehr selbstverständliche Bereitschaft, diese für die anschließende Publikation noch einmal intensiv zu überarbeiten. Dieser Prozess hat freilich seine Zeit gebraucht. Unser Dank gilt darüber hinaus den Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Frau Dr. Monika John-Koch, Mag. rer. pubi., und Frau Ass. iur. Stefanie Gille für die Hilfe bei der Tagungsvorbereitung, die unermüdlichen redaktionellen Arbeiten und die Betreuung des Gesamtmanuskripts bei der Drucklegung. Ein besonderer Dank sei ferner Frau Michaela Busche und Frau Regina Hense sowie Frau Annette Benz, die in aufopfernder Weise zahlreiche Schreib- und Korrekturarbeiten übernommen haben, abgestattet. Die Drucklegung wurde im Hinblick auf die Beteiligung einiger Beitrittsstaaten teilweise durch entwicklungspolitische Mittel der Hochschule gefördert. Danken möchten wir auch dem Bundesministerium des Innern für die finanzielle Unterstützung bei den Reisekosten der ausländischen Referenten.
Speyer, im September 2003
Hermann Hill/Rainer
Pitschas
Inhaltsverzeichnis Erster Teil Begrüßung und Einfuhrung
Grußwort der Landesregierung Von Karl Peter Bruch
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Auf dem Weg zu einem europäischen VerwaltungsverfahrensrechtStrategien, Probleme und Perspektiven Von Jürgen Jekewitz
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Zweiter Teil Länderberichte zur Europäisierung des Verwaltungsverfahrensrechts
Länderbericht Deutschland Von Heribert Schmitz
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Länderbericht Österreich Von Karl Irresberger
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Auf dem Weg zu einem europäischen Umweltverfahrensrecht? Anmerkungen aus österreichischer Sicht Von Stephan Schwarzer
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Länderbericht Frankreich Von Michel Fromont
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EC Law and Decision-Making Procedures in the Netherlands Von Adrienne J.C. de Moor-van Vugt
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Länderbericht Finnland Von Paulina Tallroth
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Inhaltsverzeichnis
The Europeanization of administrative procedural law in Italy Von Giacinto della Cananea
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Länderbericht Spanien Von Maria Jesus Montoro-Chiner
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Länderbericht Griechenland Von Olga S. Zygoura
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Anhang: Verwaltungsverfahrensgesetz Griechenland
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Länderbericht Großbritannien: England ist anders? Von Frederick F. Ridley
205
Länderbericht Polen Von Miroslaw Wyrzykowski
219
Das Verwaltungsverfahren und die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Tschechischen Republik Von DuSan Hendrych und Jiri Grospiò
225
Die Reform des Verwaltungsverfahrenrechts in Ungarn Von Marianna Fazekas
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Dritter
Teil
Schwerpunkte der Europäischen Verfahrensentwicklung
Gute Verwaltungskommunikation - Ein Anforderungsprofil aus der Praxis Von Otto Häußer
263
Verwaltungskommunikation und Verwaltungsverfahren unter europäischem Einfluss Von Hermann Hill
273
Europäisches Verwaltungsverfahrensrecht und Handlungsformen der gemeinschaftlichen Verwaltungskooperation Von Rainer Pitschas
301
Inhaltsverzeichnis Handlungsformen für Verwaltungskooperation im europäischen Staatenverbund Von Reinhard Priebe
337
Verhältnis von Gerichtsbarkeit und Verwaltungsverfahren in europäischer Perspektive Von Heinz Joachim Bonk
353
Das Verhältnis von Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozessrecht in europäischer Sicht Von Rainer Wahl
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Vierter
Teil
Ansätze zur Integration
Verfahren bei grenzüberschreitenden Projekten Von Dietmar Marscholleck
385
Integration durch Koordination und Benchmarking? Von Christian Engel
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Die Rolle des EuGH bei der „Europäisierung des Verwaltungsverfahrensrechts" Von Siegbert Alber
Verzeichnis der Autoren
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Grußwort der Landesregierung Von Karl Peter Bruch Als Staatssekretär des Ministeriums des Innern und für Sport von RheinlandPfalz und damit des Sitzlandes der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer möchte ich Sie ganz herzlich zu der großen Frühjahrstagung der Hochschule, der 70. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung begrüßen. Es ist ein guter Brauch - die Zahl 70 kommt nicht von Ungefähr - und lässt auf eine erfolgreiche Tradition schließen, dass die Hochschule dann, wenn draußen das Grün wieder zu sprießen beginnt, zur Diskussion eines wichtigen uns alle berührenden Themas einlädt. Dieses Mal befassen Sie sich mit der neuen Entwicklung des Europäischen Verwaltungsverfahrensrechts, ein Thema, das gerade uns hier in diesem Bundesland besonders berührt. Schließlich ist Rheinland-Pfalz im Vergleich der deutschen Länder nicht zu übertreffen, was die Zahl an angrenzenden europäischen Partnerländern angeht. Zweifellos ist die Entwicklung des Verwaltungsverfahrens für das Zusammenwachsen Europas ein Thema von besonderer Bedeutung. Es berührt das Herzstück des Verhältnisses von Bürger zu Staat, und als „Staat" treten dem Bürger zunehmend unmittelbar oder auch mittelbar die Institutionen der Europäischen Union gegenüber. Sie haben sich vorgenommen, in einer großen Zahl von Länderberichten die Entwicklung des Verwaltungsverfahrens zu untersuchen. Bezogen auf die vergangenen 10 Jahre zeichnen sich hier Entwicklungslinien ab, die zu betrachten von großem Reiz ist. So stellt sich die Frage, inwieweit sich die Reformen der letzten Jahre vor allem am subjektiven Rechtsschutz des Bürgers orientieren, wie es der deutschen Rechtstradition entspricht, oder inwieweit nach der französischen Tradition die Verwaltungsgerichtsbarkeit eher als Garant einer richtigen und guten Verwaltung verstanden wird. Darüber hinaus dürfte es auch seinen Reiz haben, ausgehend vom Gesichtspunkt des in die Ökonomie eingebetteten und auch betriebswirtschaftlichen
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Karl Peter Bruch
Prinzipien verpflichteten Staates zu untersuchen, ob und inwieweit kooperative Formen des Verwaltungshandelns an Boden gewinnen. Schließlich können wir alle grenzüberschreitend feststellen, dass sich durch die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik, mit der sich die Begriffe eGovernment oder Verwaltung 24 verbinden, wahrscheinlich in allen europäischen Ländern auch das Verwaltungsverfahrensrecht völlig neuen Herausforderungen stellen muss. Diese neuen Entwicklungen werden die Verwaltung insgesamt verändern, neue Standards, neue Kommunikationswege unterstreichen die Bedeutung länderübergreifender, europaweiter Verfahrenswege. Auch, aber nicht nur bei Projekten über die Grenzen hinweg, wird es erforderlich sein, einem grenzüberschreitenden Projektmanagement entsprechende verfahrensrechtliche Rahmenbedingungen zur Seite zu stellen. Kurzum, ein bunter Strauß an hochinteressanten Themenstellungen, der noch dadurch ergänzt wird, dass die Rolle der einzelnen Akteure beleuchtet werden muss. Ob im Bereich der Gerichtsbarkeit und hier vor allem durch den Europäischen Gerichtshof, oder ob durch direkte Direktiven der europäischen Institutionen, wir sind Zeugen eines umfassenden Angleichungs- und Standardisierungsprozesses, in dem nur durch genaue Analyse und Kenntnis des Rechts und der Denkweise unserer europäischen Nachbarn die Schnittstelle zwischen europäischer Einheitlichkeit und nationalstaatlicher Besonderheit definiert werden kann. Für Ihre Tagung wünsche ich Ihnen eine inhaltsreiche und angeregte Diskussion und eine Vielzahl guter Ergebnisse, mit denen Sie schließlich nach Hause reisen. Speyer ist immer auch ein Ort der Begegnung und des Gesprächs im kleinen Kreis. Der Austausch bei einem Glas Wein und einem schmackhaften Häppchen ist oft mindestens genau so zielführend wie die Diskussion im großen Kreis. Deswegen will ich mich auf diese wenigen Worte beschränken und uns allen wünschen, dass wir uns in diesem oder einem vergleichbaren Rahmen noch sehr oft in Speyer treffen.
A u f dem Weg zu einem europäischen Verwaltungsverfahrensrecht Strategien, Probleme und Perspektiven Von Jürgen Jekewitz Ich habe mich genauso wie Sie alle an dieses Thema erst herangetastet und danke deswegen Herrn Pitschas genauso wie Herrn Hill im Vorhinein für das in mich gesetzte Vertrauen, daß sie mir gerade diesen Eingangs- oder Einleitungsvortrag abgenötigt haben. Ich habe bis vor drei Wochen im Bundesjustizministerium die Abteilung für Europa- und Völkerrecht geleitet. Das heißt, ich habe mit diesen Themen beruflich zu tun gehabt. Doch habe ich bei der Vorbereitung für diese Veranstaltung gemerkt, wie wenig eigentlich Verwaltungsverfahrensrecht dabei eine Rolle spielt. Verwaltungsverfahrensrecht wird in diesem Bereich weitgehend ausgeblendet; von daher macht mich der hohe Anspruch des Themas „Auf dem Weg zu einem europäischen Verwaltungsverfahrensrecht - Strategien, Probleme und Perspektiven4' etwas verlegen. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, daß auch in der Europäischen Kommission, etwa in der nach Amsterdam neu eingerichteten Generaldirektion Justiz und Inneres unter dem Generaldirektor Adrian Fortescue, keine konkreten Vorstellungen darüber bestehen, was unter europäischen Gesichtspunkten europäisches Verwaltungsverfahrensrecht zu sein hat oder sein kann. Wenn das mir gestellte Thema mit den Worten „Auf dem Weg ...." beginnt, dann muß im bisherigen Recht schon etwas als europäisches Verwaltungsrecht in dieser doppelten Bedeutung angelegt sein. Wenn man über Verwaltungsverfahrensrecht nachdenken will, heißt das gleichzeitig, daß unter dem Oberbegriff „Verwaltungsrecht" eine eigene, unterscheidbare Unterkategorie existieren muß, so wie auch der Verwaltungsprozeß bzw. das Verwaltungsprozeßrecht europaweit existieren muß, denn sonst könnte man nicht von einem europäischen Verwaltungsprozeßrecht sprechen. Dabei muß man sich bewußt sein, daß es sich dabei um eine typisch deutsche Kategorie handelt, die zudem noch sehr jung ist. Ich habe meinen französischen Kollegen und Verbindungsrichter im Justizministerium in Berlin nach einer Übersetzung für Verwaltungsverfahrensrecht gefragt. Die Antwort dieses erfahrenen Richters war, das wüßte er gar nicht so genau; den Begriff gäbe es bei ihnen nicht, da müßte man schon mit „contentieux" oder etwas ähnlichem arbeiten. Selbst in Deutschland ist das Verwaltungsverfahrensrecht, dessen Sinn und Zweck in § 9 des Verwaltungs-
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Jürgen Jekewitz
Verfahrensgesetzes des Bundes wie der Länder mit Außenwirkung und Finalität als bestimmende Elemente beschrieben wird, als abgegrenzte, ausgegliederte Materie relativ jung: Es wurde erst Mitte der 70er Jahre kodifiziert, in erster Linie auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Europäisches Verwaltungsverfahrensrecht - mit der Betonung auf Europa heißt dann nach dem üblichen Sprachgebrauch das von den Institutionen der EU geschaffene, hervorgebrachte, geschriebene und ungeschriebene Recht, also eine Abgrenzung nach der Art der Rechtsquelle, nicht nach dem Anwender bzw. nach der Art des Vollzugs. Wenn allgemeines Verwaltungsrecht als Summe aller Normen des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts die Verwaltungsorganisation und die Verwaltungstätigkeit auf supranationaler wie nationaler Ebene untereinander regelt, dann ist das entsprechende Verfahrensrecht als Parallele dazu zu sehen: Zum einen als das EG-eigene Verfahrensrecht, d.h. den direkten Vollzug durch eigene Verwaltungstätigkeit der Gemeinschaftsorgane regelnde Bereich; zum anderen als gemeinschaftliche Regelungen für den indirekten Vollzug durch die Mitgliedstaaten. Bei diesem indirekten Vollzug kann wiederum zwischen unmittelbarem und mittelbarem Vollzug unterschieden werden, nämlich erstens als die Anwendung von Normen des Gemeinschaftsrechts durch innerstaatliche Verwaltungen, meist auf der Grundlage und in der Form von Verordnungen, und zweitens als die Anwendung von europarechtlich vor allem durch Richtlinien überformte nationale Normen: Im indirekten Vollzug ist neben dem Gemeinschaftsrecht und den dazugehörigen überformten nationalen Ausführungsbestimmungen meist noch mitgliedschaftlich organisiertes, hervorgebrachtes, anwendbares Verwaltungsverfahrensrecht maßgeblich und erforderlich. Dessen Existenz ist auch weiter geboten, da die weitaus meisten Verwaltungsvorgänge in Europa auch in Zukunft trotz aller Unkenrufe nach wie vor nach den Regeln des jeweiligen nationalen Verwaltungsverfahrensrechts erledigt werden müssen. Man spricht zwar von „Europa", Europa ist aber gerade wegen der Subsidiarität der Ausführung nicht zu trennen von einer national existierenden zuständigen Verwaltung. Wenn aber national zuständige Verwaltungen einmal nach europäischem und einmal nach nationalem Recht entscheiden müssen, stellt sich die Frage nach einer Vereinheitlichung, nach einer Harmonisierung, nach Kollisionsregelungen, kurz nach einer Europäisierung des Verwaltungsverfahrens. Und so habe ich das Thema, das mir gestellt worden ist, auch verstanden. Die Fragestellung ist eine ähnliche wie auch für andere Rechtsbereiche. Es ist eine schlichte Banalität, daß die EG von Anfang an auch eine Rechtsgemeinschaft gewesen ist; entsprechend ihrem Grundprinzip der begrenzten Einzelermächtigung hat sie in den ihr übertragenen Politikfeldern immer auch Recht gesetzt und wollte rechtsetzend tätig werden, und sei es nur, daß diese Rechtsfolge als „effet utile" nebenher abgefallen ist. Die Angleichung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften ist dann zwar immer an das Funktionieren ei-
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nes Gemeinsamen Marktes als Grundvorgabe gebunden worden, so auch weiter unter Amsterdam, zum Beispiel in Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c), e), g); aber seit Amsterdam ist mit Art. 61 des EG-Vertrages auch ein schrittweiser Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts als bestimmendes weiteres Merkmal für diesen Rechtsraum vorgegeben worden. Als Teil dieser Aufbauarbeit, die ja auch ein Spiegelbild des freien Personenverkehrs ist, sind in Buchstabe d) geeignete Maßnahmen zur Förderung und Verstärkung der Zusammenarbeit der Verwaltungen nach Art. 66 genannt, wenn auch unter Verzicht auf inhaltliche Konkretisierungen. Anders ist es bei den Gebieten Zivilrecht und Strafrecht oder bei der polizeilichen Zusammenarbeit. Die justitielle Zusammenarbeit in Zivilsachen ist bereits jetzt durch Art. 65 vergemeinschaftet worden und wird nach Ablauf von fünf Jahren nach den Regeln des Gemeinschaftsrechts auch umgesetzt werden. Zwar wurde als Korrektur das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes noch im letzten Augenblick hinzugefügt, aber man ist sich darüber einig, daß man das zu vernachlässigen haben wird, da die Zusammenführung der Zivilrechtsordnungen längst auch ohne einen Binnenmarktbezug allein aus den Gründen der Schaffung eines gemeinsamen Rechtsraumes heraus erforderlich sein wird. Die strafrechtliche Zusammenarbeit ist zwar in der dritten Säule nach Amsterdam verblieben, aber durch Art. 29 und Art. 31 EUV ebenso vorgeprägt wie die polizeiliche durch Art. 30 EUV. Soweit dort Behörden, also Verwaltungstätigkeit angesprochen ist, sind immer die zuständigen Verwaltungen der Mitgliedstaaten gemeint, also auch eine allgemeine Verwaltung, aber nicht nur diese. Man darf deshalb nicht verwundert sein, wenn in den Politikfeldern, in denen ich für Europa in den vergangenen Jahren tätig war, zwar viel über die Harmonisierung von Zivilrecht und Strafrecht diskutiert worden ist, sich auch mit den Auswirkungen auf die entsprechenden Verfahrensrechte der Mitgliedstaaten kritisch oder lobend auseinandergesetzt wurde, aber eine Europäisierung des Verwaltungsverfahrensrechts nie eine Rolle gespielt hat. Es gibt zum Beispiel keinerlei Aussagen zum Verwaltungsverfahrensrecht in dem Wiener Aktionsplan vom Dezember 1998, der die neuen Bestimmungen des Amsterdamer Vertrages noch vor seinem Inkrafttreten sozusagen durchdekliniert und konturiert hat. Es gibt keine Aussagen in den Schlußfolgerungen des Sonderrats von Tampere vom Oktober 1999, die den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts näher umschreiben sollten und auch viel zum Straf- und zum Zivilrecht aussagen. Und entsprechend gibt es auch keine Programme für diesen Bereich wie etwa die vom Dezember 2000 zur weiteren Harmonisierung und gegenseitigen Anerkennung im Bereich des Zivil- und des Strafrechts. Es fehlt also ein europäisches Politikprogramm für diesen Bereich. Das liegt nicht nur daran, daß es sich bei dem Verwaltungsverfahrensrecht um Materien der sogenannten ersten Säule handelt, bei denen die Kommission in erster Linie und al-
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lein das Initiativrecht hat. Vielmehr fehlt auch ein gemeinsamer Ansatz, von dem aus eine Harmonisierung betrieben werden könnte. Dabei gab es oder gibt es einen solchen politischen Ansatz bzw. eine entsprechende Handlungsanweisung bereits seit geraumer Zeit, wenn auch auf einer anderen, höheren Ebene. Der Europarat als „Mutter allen Rechts in Europa" hat schon 1977 in seiner Entschließung „On the Protection of the Individual in relation to the Acts of Administrative Authorities" 1 unter Rechtsschutzgesichtspunkten Grundsätze nicht nur für den verwaltungsgerichtlichen, sondern auch für den verwaltungsverfahrensrechtlichen Rechtsschutz aufgestellt. Empfohlen wird, im nationalen Verwaltungsverfahrensrecht, also dem Verfahrensrecht der Mitgliedstaaten des Europarats, fünf Mindeststandards zugrunde zu legen: l.den Anspruch des Bürgers oder Betroffenen auf rechtliches Gehör, 2. den Anspruch derselben Person auf Akteneinsicht, 3. einen Anspruch auf Beratung und rechtliche Vertretung und, damit korrespondierend als Verpflichtung auf Seiten der Verwaltung, 4. die Pflicht der Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung sowie 5. die Pflicht zur Erteilung bzw. Herbeiführung einer Rechtsbehelfsbelehrung. Diese Grundsätze sind in erster Linie aus der Sicht des Betroffenen, d.h. aus der Sicht der subjektiven Rechte gesehen, weniger aus der Perspektive der Verwaltung selber, der Effektivität der Verwaltung. Dies ist auch verständlich, weil der Europarat von seiner ganzen Herkunft her stärker auf den Menschenrechtsschutz ausgerichtet ist und im Verwaltungsverfahren entsprechend die Verfahrensvorschriften der EMRK zugrunde legt. Daß diese nicht nur für den klassischen Fall des Strafrechts gelten, sondern eben auch für das Verwaltungsverfahren, ist inzwischen auch durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannt worden. Auf EU-Ebene hingegen fehlte es lange noch an derartigen Vorgaben. Maßstäbe zur Vorformung eines europäischen Verwaltungsrechts sind deshalb in erster Linie und auch hier schon früh in der Wissenschaft, und zwar in Deutschland entwickelt worden. 1981 hat Jürgen Schwarze im „Arbeitskreis europäische Integration" zum ersten Mal gemeinsam über „Europäisches Verwaltungsrecht im Werden" nachdenken lassen2, 1988 hat er die Konsequenz aus vertieftem Nachdenken in seinem Buch über europäisches Verwaltungsrecht gezogen3 und 1993 waren es die Staatsrechtslehrer, die an Manfred Zuleeg und HansWerner Rengeling den Auftrag gegeben haben, deutsches und europäisches Resolution (77) 31 of the Committee of Ministers of the Council of Europe, On the Protection of the Individual in relation to the Acts of Administrative Authorities, 28 September 1977. 2 Jürgen Schwarze (Hrsg.), Europäisches Verwaltungsrecht im Werden, BadenBaden 1982. J Jürgen Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2 Bände, Baden-Baden 1988.
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Verwaltungsrecht in seinen wechselseitigen Einwirkungen zu untersuchen4. Daneben gibt es eine Fülle von Aufsatzliteratur. Aber ich kehre noch einmal zu dem zurück, was ich am Anfang selbstkritisch gesagt habe: Zwischen dieser Literatur und dem, was täglich an Politik in Europa, in Brüssel und anderswo gemacht wird, ist jedoch irgendwie keine eigentliche Verbindung entstanden. Ausgangspunkt für diese intellektuelle wissenschaftliche Befassung war von Anfang an das jeweils bereits existierende europäische Verwaltungsrecht und die dazu ergangene Rechtsprechung auf europäischer Ebene, vor allen Dingen natürlich des EuGH und in jüngerer Zeit auch des Europäischen Gerichtshofs 5. Konstatiert werden zunächst einmal unterschiedliche Strukturkonzepte des Verwaltungsrechts bei einem deutschen und bei einem bisherigen europäischen Ansatz: Das deutsche Recht ist weitgehend und überwiegend durch Art. 19 Abs. 4 GG dominiert, d.h. es überwiegt die starke Stellung des Gerichts oder der Gerichte, die auch eine tatsächliche und rechtliche Überprüfung des jeweiligen Ergebnisses eines Verwaltungsverfahrens vornehmen. Nicht die Verwaltung wird in ihren Verfahrensschritten kontrolliert, sondern das gerichtliche Verfahren wird noch einmal oder erst in richtiger Form an die Stelle des Verwaltungsverfahrens gesetzt. Deshalb sind vorgängige Verfahrensfehler vergleichsweise wenig bedeutsam in Deutschland, wenn und so lange der Schutz der materiellen subjektiven Rechte gewährleistet ist. Das wirkt dann natürlich auch in das deutsche nationale Verwaltungsverfahrensrecht zurück. Nach § 45 VwVfG ist es möglich, Fehler im Verfahren innerhalb bestimmter zeitlicher Grenzen zu korrigieren; nach § 46 ist die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein wegen eines solchen Fehlers zwingend, wenn in der Sache keine andere Entscheidung hätte getroffen werden können. Und § 48 mit seiner Bestandskraft bzw. mit seinen Vertrauensschutzregelungen ist das deutlichste und auch europarechtlich strittigste Kriterium für die Vernachlässigung von möglichen Fehlern und die geringe Formstrenge, die wir im deutschen Verwaltungsverfahrensrecht von der Anlage her kennen. Das europäische Verwaltungsrecht, soweit es überhaupt in dem oben dargestellten Sinne als konturiert bezeichnet werden kann, orientiert sich - so auch der Befund - viel stärker am französischen Verwaltungsrechtsschutz, d.h. die Justiz darf die Verwaltung grundsätzlich nicht behindern. In diesem System ist
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Manfred Zuleeg/Hans-Werner Rengeling, Deutsches und europäisches Verwaltungsrecht - wechselseitige Einwirkungen. Bericht zum zweiten Beratungsgegenstand, VVDStRL 53, Berlin/New York 1994, S. 154 ff., S. 202 ff. 5 Vgl. zuletzt Gilbert G or nig/ Christiane Trite , Die Rechtsprechung des EuGH und des EuG zum Europäischen Verwaltungsrecht, JZ 2000, S. 395 ff., S. 446 ff., S. 501 ff.
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von vornherein eine stärkere Position der Verwaltung gegenüber der Justiz angelegt, so wie auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Frankreich sehr viel weniger ausgeprägt ist als in Deutschland. Deshalb gibt es in Frankreich, oder heute entsprechend auch in Europa, als erste prägende Beispiele nur eine objektive Rechtskontrolle in Bezug auf das Vorliegen von Rechtsfehlern, d.h. die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge. Die Überprüfung ist deshalb viel stärker verfahrensorientiert. Wo und wenn ein Verfahren durch primäres wie sekundäres Gemeinschaftsrechts vorgegeben ist, ist dieses Verfahren zu beachten. Und da sich der EuGH nicht an die Stelle der Verwaltung setzen kann und nach seinem eigenen Verständnis auch nicht will, kann ein gerichtliches Verfahren hier nicht das Verwaltungsverfahren ersetzen oder praktisch wiederholen. Deshalb sind nach diesem Verständnis auf europäischer Ebene bisher Verfahrensfehler grundsätzlich beachtlich, es sei denn, daß im konkreten Fall eine andere Entscheidung ausgeschlossen gewesen wäre, d.h. daß sich ein möglicher Fehler nicht auf die Entscheidung ausgewirkt hat bzw. hätte auswirken können. Dieser allgemeine Befund ist zwar historisch richtig, in seiner Abstraktheit aber nicht mehr korrekt: Die Rechtsprechung des EuGH hat längst Teile des Schutzes subjektiver Rechte aus dem deutschen Recht oder aus dem durch das deutsche Recht beeinflußten Europaratsrecht übernommen. Aber nicht nur aus dieser Richtung, auch durch die EMRK, die in Art. 6 Regelungen auch für das Verwaltungsverfahren und für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vorgibt, ist eine Prägung vorgegeben; und diese direkte Prägung haben wir inzwischen auch in Art. 6 des EU-Vertrages, der auf die EMRK und die traditionellen verfassungsrechtlichen Überlieferungen abstellt. Daneben hat sich vor dem Hintergrund der eingangs versuchten Differenzierung auch der Charakter des partiellen, schon identifizierbaren EU-Verwaltungsrechts und der darin inkorporierten verfahrensrechtlichen Teile verändert bzw. verschoben: Ursprünglich war Verwaltungsrecht als „effet utile" oder in welcher Form auch immer nur oder zumindest überwiegend an die EUInstitutionen gerichtet. Das gilt für das Kartell verfahrensrecht, wo das Verwaltungsrecht im Primärrecht niedergelegt ist, für das Recht der Fusionskontrolle, und es gilt auch für das europäische Beamtenrecht als ein in sich geschlossenes Rechtssystem mit Primär- und Sekundärrecht. Probleme gibt es aber beim Zollkodex mit seiner unter verfassungsrechtlichen Ansätzen schwierig festzustellenden Rechtsnatur. Hier ist ein System europäischer und nationaler Mischverwaltung entstanden mit, wie wir alle aus der kritischen Beobachtung europäischer Politik wissen, der Gefahr kollusiven Verhaltens zwischen dem Begünstigten und dem eigenen Mitgliedstaat. Verfahrensrechtliche Regelungen können sich hier sowohl für wie gegen die Verwaltung richten. Der konkrete Streitpunkt ist § 48 VwVfG, etwa bei der Rückforderung von Beihilfen. Wäh-
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rend das deutsche Recht hier stärker auf den Vertrauensschutz setzt, wird dieser Vertrauensschutz von dem form strengeren europäischen Recht nicht akzeptiert. In jüngerer Zeit hat sich das, was man als europäisches Verwaltungsverfahrensrecht bezeichnet, stärker nur an die Mitgliedstaaten gerichtet. Die UVPRichtlinie, die IVU-Richtlinie, aber auch der Zwang im nationalen Recht, Umweltinformationen für jedermann zu öffnen - bei uns im Umwelt-Informationsgesetz niedergelegt - sind Regelungen, die sich unmittelbar nur an die Verwaltungen der Mitgliedstaaten richten. Und wie schwer sich gerade Deutschland mit diesem Bereich des Umweltrechts getan hat, wissen alle, die bei der Umsetzung beteiligt waren, wo interessanterweise der Umweltminister eher Verständnis dafür hatte als der Innenminister, der verständlicherweise an seinem Verwaltungsverfahrensrecht, das durch besonderes Verwaltungsrecht unterminiert worden wäre, festhalten wollte. Nachhaltige Beeinträchtigungen oder Einflüsse auf das nationale Recht hat es aber auch im Beschaffungsrecht gegeben, das in Deutschland vollständig umgestellt werden mußte. Zum Teil mußte der deutsche Gesetzgeber mit leisem Nachdruck vom EuGH erst dahingebracht werden, das Beschaffungsrecht anzugleichen. Und das jüngste gerade in der Arbeit befindliche Beispiel ist das Asylverfahrensrecht, das sich zwar noch in der Übergangsphase zwischen erstem und drittem Pfeiler befindet, aber mit Amsterdam schon in den Gemeinschaftsbereich gehoben wurde: Das Verfahren im Asylrecht wird mit einer Verordnung, möglichst aber mit einer Richtlinie ganz klar vorgeschrieben werden. Ein weiteres ist festzustellen: Zunehmend wird in diesem Bereich, in dem Verwaltungsverfahrensrecht von europäischer Seite gesetzt oder zumindest beeinflußt wird, Kooperationsverfahrensrecht verlangt, da neben die klassische Rechtshilfe immer mehr die Amtshilfe tritt 6 . Beispielsweise wird das Schengener Durchführungsübereinkommen in großen Teilen durch Regelungen der Amtshilfe bestimmt, wenn sie auch im Gewand der Rechtshilfe daherkommt. Ebenso regelt das Rechtshilfeübereinkommen der EU vom Mai 2000 viele Bereiche nicht nur mit dem Instrument der klassischen Rechtshilfe, sondern auch auf dem Weg der Amtshilfe. Gerade hier wird deutlich, daß Rechtshilfe wie Amtshilfe in einem vereinigten Europa im Zusammenwirken der zuständigen nationalen Verwaltungen eben nicht mehr Fremdhilfe ist, sondern Beihilfe zur Selbsthilfe. Hier eröffnet sich ein ganz neuer Ansatz: Nationale Verwaltungen werden nicht inkorporiert, sie werden aber auch nicht im Wege der richtigen
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Vgl. etwa Jan Hecker, Europäisches Verwaltungskooperationsrecht am Beispiel der grenzüberschreitenden polizeilichen Zusammenarbeit, EuR 2001, S. 826 ff.
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Amtshilfe in Anspruch genommen, sondern als Teil eines verlängerten Armes behandelt. Damit existieren nicht mehr nur unterschiedliche Denkrichtungen im deutsch-französischen Verhältnis, sondern diese werden ergänzt durch Anregungen auch aus anderen Rechtskreisen. Beispielsweise wird das Verhältnis zur Verwaltungstransparenz, das in Frankreich im Grunde noch zurückhaltender behandelt wird als in Deutschland, nachhaltig durch die diesem Bereich gegenüber viel offeneren skandinavischen Staaten und durch die Niederländer beeinflußt. Die für Deutschland neue Diskussion erfordert ein Umdenken, und nicht umsonst mußte Deutschland mehrfach beim neuen, nicht voll EU-konformen Beschaffungsrecht und beim Umweltinformationsgesetz nachbessern. In Rechtsprechung und Rechtsentwicklung gilt es zwei Linien zu unterscheiden: Einmal eine Linie, die auf der klassischen Ebene des Betroffenenschutzes im Verfahren liegt. Dies ist im deutschen Verfahrens- und Prozeßrecht bereits entwickelt, aber etwa in Laeken vom Europäischen Rat gerade den Forderungen des Europarates entsprechend noch einmal nach rechtlichem Gehör, nach Akteneinsichtsrecht, nach Begründungspflicht und Anspruch auf rechtliche Beratung und Vertretung ausdrücklich angesprochen worden. Das ist natürlich nur eine Grobaufteilung; in Wirklichkeit sind die einzelnen Ausfaserungen hier viel differenzierter, ich verweise noch einmal auf die Aufsätze von Gornig und Trüe. Darüber gelagert ist eine zweite Ebene mit abstrakten Vorgabe für das Verwaltungsverfahren als solches. Diese Ebene berührt das gesamte Verwaltungsverständnis; so ist im europäischen Recht nach Art. 255 etwa das Akteneinsichtsrecht für die Akten der Kommission für jedermann angelegt. Das Akteneinsichtsrecht bezieht sich nicht auf ein bestimmtes Verwaltungsverfahren, sondern konstituiert Verwaltungsverfahren erst in ihrer Art. Auch die Begründungspflicht ist als abstrakt verfassungsrechtliche Vorgabe, nicht nur als Rechtsschutzansatz in Art. 253 EG für die Kommission statuiert. Es betrifft also einen Teil der Verwaltungskultur, die nicht zwischen Europa auf der einen und den mitgliedschaftlichen Verwaltungsverfahren auf der anderen Seite auf die Dauer trennen kann: Will man gemeinsam Politik und damit Verwaltungspolitik in Europa gestalten, bedarf es auch gemeinsamer Strukturen. Eine gemeinsame Basis dafür liegt seit Dezember 2000 und seit dem Europäischen Rat in Nizza mit der EU-Grundrechte-Charta vor. Darin gibt es ein eigenes Kapitel 5 mit der Überschrift „Bürgerrechte", das bezeichnenderweise mit Art. 41, dem „Recht auf gute Verwaltung" beginnt. Wenn dieses Recht auf eine gute Verwaltung im Vorfeld von Nizza als Beispiel genannt wurde, dann wurde es von Richtern oder Verwaltungsleuten immer mit einem gutmütigen Lächeln abgetan: Was ist denn ein Recht auf eine gute Verwaltung? Wenn man
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sich Art. 41 genauer ansieht mit dem geregelten Recht auf Entscheidungen, die unparteiisch, gerecht und in angemessener Frist zu erfolgen haben (Abs. 1), einem Anspruch auf rechtliches Gehör und Akteneinsicht sowie einer Begründungspflicht für die Verwaltung, jedoch ohne Anspruch auf Beratung und Vertretung, wie er in der Rechtsprechung entwickelt ist (Abs. 2), der Amtshaftung als Prinzip (Abs. 3) und einem eigenen Petitionsrecht für den Bereich der Verwaltung (Abs. 4), dann bildet Art. 41 schon eine Grundlage für eine solche Verwaltungskultur. Noch deutlicher wird dies, sieht man Art. 41 im Zusammenhang mit den übrigen vier Artikeln dieses Kapitels, nämlich Art. 42 mit dem Recht auf Zugang allgemein zu Dokumenten, Art. 43, der die Einrichtung eines Bürgerbeauftragten, eines Ombudsmannes in allen Mitgliedstaaten bzw. auf europäischer Ebene als Grundrecht konstituiert, Art. 44, der ähnlich wie in Art. 17 GG das Petitionsrecht festschreibt, sowie die Freizügigkeit nach Art. 45. Die EU-Grundrechte-Charta ist und soll erklärtermaßen Vorgabe nur für die EU selbst sein. Die Prinzipien, die darin enthalten sind und die gerade hier für dieses Kapitel 5 aufgeschrieben worden sind, dürften aber und müßten eigentlich generell auf das gesamte Verwaltungshandeln in der EU allgemein anwendbar sein. In dem Maße, wie sich hier Verwaltungshandeln weiter verschränkt, könnte der Ansatz für ein europäisches Verwaltungsverfahrensrecht liegen: Nicht mehr als getrenntes, eindimensionales Verfahrensrecht, sondern als Verwaltungskooperationsrecht, das die Zusammenarbeit der zuständigen Verwaltungen bzw. Behörden unter Inkaufnahme der unterschiedlichen nationalen rechtlichen und organisatorischen Strukturen regelt, Unterschiede aber dort auf einem gemeinsamen Niveau abschleift, wo sie eine solche Zusammenarbeit auch und gerade im Interesse der Bürger behindert. Dazu bedarf es aber zunächst eines allgemeinen Leitbildes für das Verwaltungsverfahrensrecht als solches. Soll es weiter nur entscheidungs- und vollzugsorientiertes Ordnungsmodell sein, so wie es bisher ist und wie es auch von Eberhard SchmidtAßmann7 noch einmal genannt worden ist? Oder soll es darüber hinaus ein Legitimationsinstrument im Sinne eines auf Kooperation, Konsens und Akzeptanz zielenden Gehäuses eines freiheitlichen Kommunikationsprozesses darstellen, wie es Rainer Pitschas8 einmal genannt hat? Das erste Leitbild ist wohl nüchterner, das zweite erinnert sehr an die verwaltungswissenschaftlichen Diskussionen der frühen 70er Jahre, an denen ich 7 Eberhard Schmidt-Aßmann, Der Verfahrensgedanke in der Dogmatik des öffentlichen Rechts, in: Peter Lerche/Walter Schmitt-Glaeser/Eberhard Schmidt-Aßmann, Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, Heidelberg 1984, S. 23 ff. (S. 57 ff.).
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Rainer Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, München 1990, S. 91.
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auch beteiligt war. Aber was man damals vertreten hat, soll ja nicht heute unbedingt schlechter geworden sein. Diese Diskussion hätte in Europa wohl noch geringe Chancen, aber man müßte dafür kämpfen. Getan werden muß aber etwas. Hans-Peter Ipsen hat in der Veranstaltung 1981 bei Jürgen Schwarze eine allgemeine Kodifizierung des Verwaltungsrechts als verwegen bezeichnet, verwegener noch als den Entwurf einer Gemeinschaftsverfassung 9. Über eine solche Gemeinschaftsverfassung wird seit Laeken im Dezember vorigen Jahres konkret geredet; der Konvent hat seine Arbeit aufgenommen. Kernstück soll nach dem Willen aller Beteiligten eben diese EU-Grundrechts-Charta bilden, die auch Aussagen zum Verwaltungsverfahren und zum Verwaltungsverfahrensrecht enthält. Warum soll es nicht dazu kommen, aber wenn, warum dann nicht, wie von der gesamten Anlage her, überwiegend und primär als ein Kooperationsverfahrensrecht? Analog zum Strafrecht und zum Zivilrecht könnte ein Programm gemeinsam zwischen Kommission und Mitgliedstaaten entwikkelt werden, das nicht dem Zufall des Entstehens in der Kommission in bisher unterschiedlich verteilten, je nach Sachgegenstand zuständigen Generaldirektionen überlassen wird, sondern von der für den Rechtsbereich zuständigen Generaldirektion Justiz und Inneres mit Antonio Vitorino an der Spitze. Dieses Vorgehen wäre geeignet, um für ein solches Programm das richtige Maß zwischen Harmonisierung einerseits und gegenseitiger Anerkennung andererseits bei optimaler Wahrung der Rechte der Bürger für das Verwaltungsverfahren in und für Europa zu suchen. Ich glaube, das ist die Perspektive, die wir alle im Auge haben müssen. Es wird schwierig sein, und wir werden viel darüber nachdenken müssen, auch die Betroffenen selber. Aber Vorarbeiten sind auf jeden Fall da.
9 Vgl. den Bericht über die Podiumsdiskussion, in: Jürgen Schwarze (Hrsg.), Europäisches Verwaltungsrecht im Werden, S. 117 ff. (S. 123).
Europäisierung des Verwaltungsverfahrensrechts Länderbericht Deutschland Von Heribert Schmitz*
1. Entwicklung des Verwaltungsverfahrensrechts Durch das VwVfG ist bundeseinheitlich ein Gedanke verwirklicht, der eine beachtliche Tradition hat. Schon kurz nach dem Westfälischen Frieden, im Jahre 1656, hat Veit Ludwig von Seckendorf/ in seinem „Teutschen Fürsten-Stat4' Regeln richtiger Regierungs- und Verwaltungskunst aufgestellt. Eine von ihnen lautete: Jede „Ampts-Verrichtung 44 habe „desto schleuniger auch ordentlicher und bequemer vonstatten zu gehen44.2 Es hat 320 Jahre gedauert, bis daraus § 10 Satz 2 VwVfG wurde. Allgemeine Grundsätze des Verwaltungsverfahrensrechts haben sich in einem längeren Prozess entwickelt. Quellen waren verschiedene gesetzliche Vorschriften, verwaltungsinterne Richtlinien, Verwaltungsübung (heute: good practice^) oder von Rechtsprechung und Wissenschaft herausgearbeitete Sätze ungeschriebenen Rechts. Aus diesen bildete sich - wenn auch im Detail teilweise umstritten - eine allgemeine Vorstellung von Mindesterfordernissen eines geordneten Verwaltungsverfahrens im Rechts- und Verfassungsstaat. Der Festschreibung dieser Grundsätze im Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes von 1976 war eine fast zwanzigjährige Diskussion über Sinn, Ziel und Umfang einer entsprechenden Kodifikation vorausgegangen.4 Letztlich setzte sich die Auffassung durch, die eine Festschreibung rechtsstaatlicher Verfahrensregelungen durch die Verfassung für geboten hielt, um der Allgemeinheit zu garantieFür wesentliche Vorarbeit bei der Erstellung dieses Beitrags danke ich Frau ORR'n Dr. Eva Brauns, Bundesministerium des Innern, Berlin. 1 * Herzogenaurach 1626, + Halle 1692, Kanzler der Herzöge von Sachsen-GothaAltenburg und Sachsen-Zeitz, 1692 Kanzler der zu gründenden Universität Halle. 2 P. Stelkens/Sachs. in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG. 6. Aufl. 2001. Einl. Rn. 5. ' Begrifflich differenzierend - good administrative behaviour als Zusammenfassung von Handlungspflichten der Verwaltung gegenüber dem Bürger - Martinez Soria. EuR 2001,682, 684 ff. 4 Vgl. Ρ Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 2), Einl. Rn. 36 ff.
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ren, dass die Behörden unter Einhaltung unverzichtbarer Grundsätze zu sachgerechten Entscheidungen gelangen, und um dem Bürger zu garantieren, dass seine individuellen Interessen ausreichend Berücksichtigung finden. 5 Diese Überlegungen kommen einem unwillkürlich wieder in den Sinn, wenn man an das europäische Verwaltungsverfahrensrecht denkt. 320 Jahre müssen dabei kein Maßstab für eine Zeitplanung sein. Aufgrund der Struktur der Bundesrepublik Deutschland als Bundesstaat hat der Bund allerdings nicht die alleinige Gesetzgebungskompetenz für das Verwaltungsverfahrensrecht in Deutschland. Soweit Landesgesetze ausgeführt werden, haben die Länder eine eigene Gesetzgebungskompetenz für das Verwaltungsverfahrensrecht. Alle Länder haben Verwaltungsverfahrensgesetze erlassen, die entweder die Vorschriften des VwVfG des Bundes ganz überwiegend wörtlich übernehmen oder unmittelbar auf das VwVfG des Bundes verweisen.6 Die Fortentwicklung des Verwaltungsverfahrensrechts 7 in Deutschland findet in einem gemeinsamen Prozess von Bund und Ländern statt. Der Einfluss des europäischen Rechts erfolgt weniger über das Allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht, sondern stärker über Referenzgebiete des Besonderen Verwaltungsrechts. Dies entspricht dem üblichen Vorgehen im deutschen Rechtsbereich: Neue Rechtsinstitute werden zunächst in einem Referenzbereich eingeführt und ihre Eignung erprobt. Bei Bewährung folgt die Prüfung der Fähigkeit zur Verallgemeinerung („vor die Klammer ziehen") und Einstellung in das VwVfG. 8 Aber auch hier ist jeweils das Erfordernis der vorherigen Abstimmung mit den Ländern zu beachten. Augenfällig wird die zunehmende Vernetzung von nationalem und europäischem Recht auch durch die immer häufiger zu findenden amtlichen Hinweise in deutschen Gesetzen: „Dieses Gesetz dient der Umsetzung folgender Richtli» 9
men: ... .
5
P. Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 2), Einl. Rn. 12 ff. P. Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 2), Einl. Rn. 61. 7 Zur weiteren Entwicklung des VwVfG nach 20 Jahren Schmitz, NJW 1998, 2866; nach g 25 Jahren Bonk N V w Z 2001, 636. Vgl. ζ. B. zur Einführung der Plangenehmigung in das VwVfG Schmitz/Wessendorf NVwZ 1996, 955, 960; Schmitz, NJW 1998, 2866; Bonk/Neumann, in: Stelkens/ Bonk/Sachs (Fn. 2), § 74 Rn. 131. 6
9 Z . B . beim Umweltinformationsgesetz i.d.F. vom 23. August 2001, BGBl. I S. 2218: „Das Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt (ABl. EG Nr. L 158 S.56)"; aber auch im Zivilrecht, ζ. B. beim BGB i.d.F. vom 2. Januar 2002, BGBl. I S 42.
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II. Verfahrensgrundsätze Kern des kodifizierten Verwaltungsverfahrensrechts bilden die Verfahrensgrundsätze in §§ 9 bis 30 VwVfG. 1. Zwar hat die Behörde ein weitgehendes Ermessen bei der Verfahrensgestaltung. Dieses Verfahrensermessen 10 ist Voraussetzung der zweckmäßigen Umsetzung des materiellen Rechts, des Gesetzesvollzugs. Es findet seine Ermächtigungsgrundlage für einzelne Verfahrenshandlungen bei den für sie geltenden Regelungen des Fachrechts, soweit diese durch die Begriffe wie „kann", „sollen", „ist befugt" gekennzeichnet sind, oder auch in allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen. Daneben kommt das Verfahrensermessen in einer Vielzahl einzelner Bestimmungen des VwVfG zum Ausdruck, insbesondere — in § 22 VwVfG, der die Eröffnung des Verfahrens grundsätzlich ins Ermessen der Behörde stellt, — in § 24 VwVfG, der den Untersuchungsgrundsatz für das Verwaltungsverfahren festschreibt, d.h. die Verpflichtung der Behörde, den vollständigen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Dabei stehen ihr alle rechtsstaatlichen Beweismittel nach pflichtgemäßem Ermessen offen (§§ 26 f. VwVfG). 1 1 2. Verfassungsrechtliche Gesichtspunkte haben jedoch starke Auswirkungen auf die Verfahrensgestaltung und setzen dem Verfahrensermessen Grenzen. Zu nennen sind insbesondere — das Sozialstaatsprinzip, wonach die sozial Schwachen bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu unterstützen sind, — den Gleichheitsgrundsatz, der gleiche Chancen für alle Beteiligten im Verfahren garantiert (Waffengleichheit), — das Rechtsstaatsprinzip, das insbesondere zum Ausdruck kommt durch das Verbot willkürlicher Entscheidungen, durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (die Regelungen des Verfahrens sollen angemessen, sachgerecht,
10
Vgl. Hill, NVwZ 1985, 449; ders., DÖV 1987, 885; Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), 21, 36; Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, 1990, S. 694 ff. 11 Vgl. §40 VwVfG; ferner P. Stelkens/Schmitz, § 10 Rn. 16 ff.
in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 2),
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geeignet und erforderlich sein), das Gebot des Vertrauensschutzes und der Transparenz und Vorhersehbarkeit 12. Diese Grundsätze sollen dem Bürger ein faires Verfahren garantieren. Das Prinzip der Fairness ist oberste Auslegungsregel für jede einzelne Verfahrensbestimmung. I j Zur Sicherung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben statuiert das VwVfG insbesondere — eine Beratungs- und Auskunftspflicht der Behörde (§ 25 VwVfG), — die Pflicht zur Anhörung der Beteiligten bei belastenden Entscheidungen (§ 28 VwVfG), — ein Akteneinsichtsrecht der Beteiligten (§ 29 VwVfG), — das Recht, sich durch einen Bevollmächtigten vertreten zu lassen (§§ 14 ff. VwVfG). — Als Ausdruck des Rechtsstaatsprinzip sind außerdem Personen am Verfahren ausgeschlossen, die bei der Mitwirkung befangen sind (§§20, 21 VwVfG). — Die Beteiligten haben weiterhin einen Anspruch auf Geheimhaltung ihrer Geheimnisse und auf Datenschutz (§ 30 VwVfG, Datenschutzgesetze). — Im Interesse der Beteiligten ist das Verfahren effizient und zügig durchzuführen (§§ 10, 71a ff. VwVfG), um zum einen mit möglichst sparsamen Mitteln einen optimalen Zweck zu erreichen, zum anderen den Beteiligten des Verfahrens Rechtssicherheit und -klarheit in möglichst kurzer Zeit zu verschaffen. — Grundsätzlich sind Verwaltungsakte zu begründen (§ 39 VwVfG). Diese Vorgaben sind auch Bestandteil der verfahrensrechtlichen europäischen Rechtsgrundsätze. Sie haben zuletzt auch Niederschlag in Art. 41 „Recht auf eine gute Verwaltung" der Charta der Grundrechte der Europäischen Union 14 gefunden. 15 Insoweit sind für Deutschland keine Probleme bei der Bildung europäischer Standards zu erwarten.
12
P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 2), § 9 Rn. 49 f. Borgs, in: Meyer/Borgs, VwVfG, 2. Aufl. 1982, § 9 Rn. 1 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Einf. Rn. 21. 14 ABIEG C 364 vom 18. Dezember 2000, S. 1. 15 Vgl. Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 2), § 1 Rn. 18a f. Siehe ferner die Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Sonderbericht des Europäischen Bürgerbeauftragten an das Europäische Parlament im Anschluss an die Initiativuntersu13
Länderbericht Deutschland
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I I I . Handlungsformen Der Verwaltung stehen zahlreiche Handlungsformen zur Verfügung. Sie kann abstrakte Anordnungen wie Rechtsverordnungen, Satzungen (mit Außenwirkung) oder Verwaltungsvorschriften, Erlasse und Weisungen (mit ausschließlich interner Wirkung) erlassen. Sie kann Pläne beschließen, Verträge schließen, Gebote, Verbote (einschließlich Zwangsmaßnahmen), Erlaubnisse, Zusagen und Ratschläge aussprechen. 16 Sogar Nichtstun oder Schweigen kommt als Handlungsform der Verwaltung in Betracht (bei sog. Anzeige- und Genehmigungsfreistellungsverfahren). 17 Im deutschen Verwaltungsverfahrensrecht kodifiziert sind jedoch nur die Handlungsformen des Verwaltungsakts und des öffentlich-rechtlichen Vertrags.
1. Der Verwaltungsakt Der Verwaltungsakt ist eine ebenso häufige wie typische Handlungsform der öffentlichen Verwaltung. 18 Nach der Definition des Gesetzgebers (§ 35 Satz 1 VwVfG) ist der Verwaltungsakt eine einseitige, nach außen wirkende Handlungsform der Verwaltung, die der Regelung von Einzelfällen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts dient und die entscheidend durch die Überordnung der Verwaltung gegenüber dem Bürger geprägt wird. Erfasst werden nach § 35 Satz 2 VwVfG als Verwaltungsakt auch solche Regelungen, die zwar einen abstrakten Sachverhalt regeln, sich aber an einen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richten, und solche Regelungen, die einen konkreten Sachverhalt, aber einen unbestimmten Personenkreis betreffen (Allgemeinverfiigungen).
chung betreffend das Vorhandensein und die öffentliche Zugänglichkeit eines Kodexes für gute Verwaltungspraxis in den verschiedenen Gemeinschaftsinstitutionen und -organen (Protokoll vom 6. September 2001, gestützt auf Dokument C5-0438/2000 - endgültige Ausgabe). 16 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Band 2, 6. Aufl. 2000, § 44 Rn. 5. 17 Schmitz, NVwZ 2000, 1238, 1239 f.; zu ähnlichen Regelungen in anderen europäischen Staaten Sommermann, DÖV 2002, 133, 141. 18 Wolff/Bachof/Stober (Fn. 16), § 45 Rn. 1.
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2. Der öffentlich-rechtliche
Vertrag
Als zweite Handlungsform ist der öffentlich-rechtliche Vertrag in §§ 54 ff. VwVfG kodifiziert. Das verwaltungsrechtliche Denken in Deutschland ist bis heute von dem von Otto Mayer geprägten Grundsatz „Der Staat paktiert nicht" beeinflusst; danach gibt es grundsätzlich nur einseitiges Handeln in Form des VA, und der öffentlich-rechtliche Vertrag ist atypisch. 19 Dieses Denken ist zu überwinden. Zwar ist der VA weiterhin ein taugliches Instrument zur rechtmäßigen und sachrichtigen Erledigung von Verwaltungsaufgaben. Der Entscheidungsprozess nach den Verfahrensregeln des VwVfG ist auch beim VA ausreichend flexibel und in der Lage, Kooperation, Konsens und Akzeptanz zu fördern. 20 Gewandeltem Staats Verständnis (kooperativer Staat) muss aber das passende rechtliche Instrumentarium zur Verfügung stehen. So besteht Bedarf zur Fortentwicklung der Handlungsform des öffentlich-rechtlichen Vertrags. War der VA-ersetzende früher vorherrschend, steht mittlerweile der kooperative im Vordergrund. Verwaltungsrecht ist zudem nicht nur Kollisionsrecht zwischen öffentlichen und privaten Interessen; vielmehr geht es zunehmend um die Regulierung privater Belange unter öffentlicher Verwaltung. 21 Hier kann der öffentlich-rechtliche Vertrag ein besonders taugliches Instrument zum gerechten Interessenausgleich • 22 sein. Dabei unterscheiden die §§ 54 ff. VwVfG z. Zt. noch zwischen koordinationsrechtlichen Verträgen (also Verträge zwischen Trägern öffentlicher Verwaltung untereinander oder mit Privaten als gleichrangige Partner) und subordinationsrechtlichen Verträgen (zwischen einem Träger öffentlicher Verwaltung und einem Bürger in einem Über-/Unterordnungsverhältnis anstelle der Regelung durch Verwaltungsakt). Bei letzteren unterscheidet man insbesondere — Austauschverträge (§ 56 VwVfG), d.h. gegenseitig verpflichtende Verträge, bei denen die Gegenleistung der Verwaltung im Mittelpunkt des rechtlichen Interesses steht und
19 20
O. Mayer. AöR 3 (1888), 3. 42.
Vgl. Ρ Stelkens/U. Stelkens (Fn. 2), § 35 Rn. 6; Schoch. in: H offmann-Riem/ Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns (1994), S. 199, 207; R. Schmidt, VerwArch 91 (2000), 149, 158. 21 R. Schmidt, VerwArch 91 (2000), 149, 150 f. " Vgl. auch Schmitz, NVwZ 2000, 1238, 1240 f.; zum Bedeutungszuwachs vertraglichen Handelns in den Rechtsordnungen der anderen europäischen Staaten Sommermann, DÖV 2002, 133, 140.
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— Vergleichsverträge (§ 55 VwVfG), d.h. Verträge, die eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigen sollen. Gerade in der Verwaltungspraxis hat sich allerdings in den vergangenen Jahren die Entwicklung abgezeichnet, dass neben den traditionellen Formen des verwaltungsrechtlichen Vertrags die öffentliche Verwaltung zur Aufgabenerfüllung immer häufiger auf eine kooperative Zusammenarbeit mit anderen juristischen Personen, aber auch Privaten zurückgreift. 23 Dementsprechend wird z. Zt. geprüft, ob und wie der Gesetzgeber diese kooperativen Vertragsverhältnisse im VwVfG stärker berücksichtigen soll. Dabei wird Kooperation als Form der Beteiligung zu verstehen sein, nicht aber zur Verschiebung von Verantwortung („Verantwortungsteilung") i.S. einer Entlassung des Staates aus seiner (Gemeinwohl-)Verantwortung fuhren dürfen. 24
IV. Struktur des Entscheidungsverfahrens Die genannten Handlungsformen sind wesentliche Bestandteile der Definition des Begriffs „Verwaltungsverfahren" als die nach außen wirkende Tätigkeit von Behörden, die auf den Erlass eines Verwaltungsakts oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gerichtet ist (§ 9 VwVfG). Das Verwaltungsverfahren beginnt mit der
/. Entscheidung über die VerfahrenserÖffnung Die Entscheidung über die Verfahrenseröffnung hat der deutsche Gesetzgeber nach § 22 VwVfG grundsätzlich in das pflichtgemäße Ermessen der Behörde gestellt (Offizialgrundsatz). Ausnahmen gelten dann, wenn Rechtsvorschriften festlegen,
23
Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 2), § 54 Rn. 3 und 7 f. Gleichfalls kritisch zum Begriff „Verantwortungsteilung" Pitschas, Datenschutz in Sicherheitspartnerschaften der Polizei mit privaten Sicherheitsdienstleistern, in: Stober (Hrsg.), Public-Private-Partnerships und Sicherheitspartnerschaften, 2000, S. 91, 94; dersPolizeirecht im kooperativen Staat, in: ders. (Hrsg.), Kriminalprävention und „Neues Polizeirecht", 2002, S. 241, 253 f. Zum Zusammenhang von „Verantwortungsteilung" und Gemeinwohlverantwortung des Staates ferner Schuppen, Das Konzept der regulierten Selbstregulierung als Bestandteil einer als Regelungswissenschaft verstandenen Rechtswissenschaft, Die Verwaltung Beiheft 4/2001, 201, 223 ff. 24
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30
— dass die Behörde von Amts wegen oder auf Antrag tätig werden muss oder — dass die Behörde nur auf Antrag tätig werden darf und kein Antrag vorliegt. Aus § 22 VwVfG ergibt sich damit die Unterscheidung in Antragsverfahren und Verfahren von Amts wegen. Eine Verpflichtung der Behörde zur Verfahrenseröffnung auf Antrag und von Amts wegen folgt meist aus Vorschriften des Besonderen Verwaltungsrechts. Beispiele fur solche Verpflichtungen von Amts wegen finden sich häufig in Gesetzen zur Gefahrenabwehr (Gewerbeordnung, Gaststättengesetz, Waffengesetz usw.). 25 Sonst gilt für beide Eröffnungsentscheidungen der Grundsatz des Ermessens, wobei eine Ermessensreduzierung auf Null zur Verfahrenseröffnung von Amts wegen führen kann. 26 Beim Antragsverfahren ist als weitere Besonderheit zu beachten, dass die Eröffnung eines Verfahrens fehlerhaft ist, wenn der Antrag gesetzlich vorgeschriebene Eröffnungsvoraussetzung ist.
2. Bestimmung der Verfahrensart
und Durchführung des Verfahrens
Mit der Entscheidung zur Verfahrenseröffnung verbunden ist die Entscheidung, ob ein allgemeines, formloses Verwaltungsverfahren (§ 10 VwVfG) oder ein besonderes, förmliches Verwaltungsverfahren (§§ 63 ff., 72 ff. VwVfG) durchgeführt werden soll. 27 Wie die Behörde das Verfahren im Weiteren gestaltet, hängt von dieser Entscheidung ab. Beim formlosen Verfahren ist die Behörde in der Gestaltung des Verfahrensablaufs nur an die Verfahrensgrundsätze gebunden. Beim förmlichen Verfahren sind die einzelnen Verfahrensschritte demgegenüber stärker durch die gesetzlichen Vorschriften reglementiert, neben die allgemeinen Verfahrensgrundsätze treten weitere Bestimmungen, die der Komplexität dieser Verfahren Rechnung tragen sollen. 28
25 26 27
P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 2), § 22 Rn. 2 f. und 13. Wolff/Bachof/Stober (Fn. 16), § 60 Rn. 21. Wolff/Bachof/Stober (Fn. 16). § 60 Rn. 22. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 2), § 63 Rn. 5.
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Als besondere Verfahrensarten nennt das Verwaltungsverfahrensgesetz das förmliche Verwaltungsverfahren und das Planfeststellungsverfahren; hinzugetreten sind neu geschaffene Bestimmungen in §§ 71a f f VwVfG über die Gestaltung von Genehmigungsverfahren. 29
3. Beendigung des Verfahrens Nach herrschender Auffassung 30 wird das Verwaltungsverfahren beendet — mit dem Erlass eines Verwaltungsakts oder — mit dem Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags.
V. Fehlerfolgen /. Fehlerfolgen
beim Verwaltungsakt
Die sich aus der Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsakts ergebenden Rechtsfolgen richten sich grundsätzlich nach der Erheblichkeit der Fehler und nach Effizienzkriterien. 31 Besonders schwere Fehler, die i.d.R. auch leicht erkennbar sind, führen zur Unwirksamkeit (Nichtigkeit - § 44 VwVfG). Minder schwere rechtliche Fehler beeinträchtigen die Wirksamkeit des Verwaltungsakts zunächst nicht. Der Verwaltungsakt verliert seine Wirksamkeit erst, wenn er wegen des Fehlers von der Behörde zurückgenommen oder in einem Anfechtungsverfahren angegriffen und aufgehoben wird (§ 43 Abs. 2 VwVfG). Minder schwere Verfahrensfehler können sogar ganz unbeachtlich sein (§ 45 Abs. 1 VwVfG) oder nur eine Fristverlängerung beim Rechtsschutz zur Folge haben (§ 45 Abs. 3 VwVfG).
a) Nichtigkeit Ein nichtiger Verwaltungsakt ist von Anfang an unwirksam. 29 30 31
Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 2), § 63 Rn. 22. Α. A. Wolff/Bachof/Stober (Fn. 16), § 60 Rn. 26. Wolff/Bachof/Stober (Fn. 16), § 49 Rn. 5.
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Gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies offensichtlich ist (evidenzabhängige Nichtigkeit). Darüber hinaus ist ein Verwaltungsakt evidenzunabhängig nach § 44 Abs. 2 VwVfG immer dann nichtig, wenn er — schriftlich erlassen wurde, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt, — nur durch Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann und dies nicht erfolgt ist, — sich auf unbewegliches Vermögen oder ein anderes ortsgebundenes Recht bezieht und eine örtlich unzuständige Behörde ihn erlassen hat, — aus tatsächlichen Gründen nicht ausgeführt werden kann, — die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, — gegen die guten Sitten verstößt.
b) Unbeachtlichkeit Grundsätzlich ist ein fehlerhafter Verwaltungsakt, der nicht nichtig ist, wirksam. Einige Mängel sind sogar unbeachtlich oder korrigierbar: — Offenbare Unrichtigkeiten (Schreib-, Rechenfehler o. ä.) können jederzeit berichtigt werden (§ 42 VwVfG). — Verletzungen von Verfahrens- und Form Vorschriften (fehlender Antrag, fehlende Anhörung, fehlende Begründung, fehlende Mitwirkung einer anderen Behörde oder eines Ausschusses) können durch nachträgliche Erklärung bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geheilt werden. — Wenn der mangelhafte Verwaltungsakt zulässigerweise in einen rechtmäßigen Verwaltungsakt umgedeutet wird (§ 47 VwVfG).
c) Unanfechtbarkeit Unanfechtbarkeit erreicht ein Verwaltungsakt, sofern er nicht nichtig ist, — wenn der Anfechtungsberechtigte zulässigerweise auf Rechtsbehelfe verzichtet hat, — wenn die Rechtsbehelfsfrist abgelaufen ist,
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— wenn eine gerichtliche Entscheidung, mit der die Klage gegen den Verwaltungsakt abgewiesen worden ist, formell rechtskräftig wird, — wenn ein Gesetz die Unanfechtbarkeit anordnet, — wenn Rechtsbehelfe verwirkt sind. 32 Die erlassende Behörde wird durch die Unanfechtbarkeit nicht gehindert, die Sach- und Rechtslage erneut zu prüfen und ihren Verwaltungsakt ggfs. zu ersetzen. Dafür sieht das deutsche Verwaltungsverfahrensgesetz die Möglichkeiten der Aufhebung des Verwaltungsakts vor, und zwar: — die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts (§ 48 VwVfG) oder — den Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts (§ 49 VwVfG), wobei bei begünstigenden Verwaltungsakten Grenzen durch Vertrauensschutzregelungen gesetzt werden. Auch die Rechtsprechung des EuGH akzeptiert die Vertrauensschutzregelungen im Grundsatz. Die Freiheit des nationalen Gesetzgebers zur Verfahrensgestaltung ist jedoch beschränkt, wenn hierdurch Belange der Durchsetzung von EU-Recht tangiert werden. Obwohl keine EU-Kompetenz für das nationale Verwaltungsverfahrensrecht gegeben ist, wird dieses vom europäischen überwölbt: Nationales Recht darf europäisches Recht nicht konterkarieren. Insbesondere auf der Grundlage von Art. 92, 93 EGV a.F. (= Art. 87, 88 EGV i.d.F. des Vertrags von Amsterdam) hat sich eine zunehmend bedeutsame Rechtsprechung des EuGH speziell zu Voraussetzungen und Grenzen eines Vertrauensschutzes bei der Rücknahme rechtswidriger Subventionsbescheide entwickelt, vor allem bei der Rückforderung EG-rechtswidrig gewährter Beihilfen, wonach der nach den nationalen §§ 48, 49 relativ stark ausgeprägte Vertrauensschutz des Begünstigten weitgehend aufgehoben wird, weil nach dieser Rechtsprechung bei der Anwendung nationalen Rechts dem Gemeinschaftsinteresse voll Rechnung getragen werden muss und die Durchsetzung von Gemeinschaftsrecht nicht praktisch unmöglich gemacht werden darf (effet-utile-Prinzip)/'
32
Wolff/Bachof/Stober {Fn. 16). § 50 Rn. 10. Vgl. EuGH Slg. 1989, 189 - Alcan; ferner BVerwGE 92. 81 = NJW 1993. 2764 sowie Vorlagebeschluss an den EuGH vom 28. September 1994 zur Auslegung des § 48 Abs. 4, NVwZ 1995. 703 = EuZW 1995, 314. Hierzu hat der EuGH mit Urteil vom 20. März 1997 (EuGHE I 1997, 1591 = EuZW 1997, 276 = NJW 1998. 47) erneut entschieden, dass bei unter Verstoß gegen Art. 92, 93 EGV a.F. gemeinschaftsrechtswidrig gewährten Beihilfen (aus nationalen und EG-Mitteln) a) kein Vertrauensschutz gewährt wird, b) die Berufung auf eine Entreicherung ausscheidet und c) die Jahresfrist des Abs. 4 Satz 1 nicht anzuwenden ist (zur Bewertung dieser Rechtsprechung und zu ihrem 33
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34
Der deutsche Gesetzgeber wird hier zukünftig Grundsatzentscheidungen zu treffen haben, die u.a. das Verhältnis von Bürger und Verwaltung betreffen. Nicht zweckmäßig dürfte allerdings eine isoliert nationale Entscheidung sein, ob § 48 Abs. 4 VwVfG an die Rechtsprechung des EuGH angepasst wird; vielmehr ist eine Entscheidung im europäischen Kontext i.S. einer koordinierten Fortentwicklung der nationalen Rechte angezeigt. Für den durch den Verwaltungsakt Belasteten sieht das Verwaltungsverfahrensgesetz ferner die Möglichkeit vor, ein Wiederaufgreifen des Verfahrens (§ 51 VwVfG) zu beantragen, wenn — sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat, — neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden, — Wiederaufnahmegründe nach § 580 ZPO (insb. strafrechtlich beachtlich gefälschte Beweismittel) gegeben sind.
2. Fehlerfolgen
beim öffentlich-rechtlichen
Vertrag
Wie Verwaltungsakte können auch verwaltungsrechtliche Verträge trotz Rechtswidrigkeit wirksam sein. 34 Es gibt jedoch mehr Nichtigkeitsgründe als für Verwaltungsakte. Nichtige Verträge sind unwirksam und entfalten keine Rechtswirkungen. Sie begründen weder Leistungspflichten noch ändern sie die Rechtslage. Erfolgte und deshalb rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen lösen einen Erstattungsanspruch aus.35 Nichtig sind alle verwaltungsrechtlichen Verträge, sofern sich diese Rechtsfolge aus entsprechender Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, also dem zivilrechtlichen Kodex, ergibt (§ 59 Abs.l VwVfG). Darüber hinaus sind subordinationsrechtliche Verträge nichtig, — wenn ein VA mit entsprechendem Inhalt nichtig wäre,
Einfluss auf das nationale Verfahrensrecht BVerwGE 106, 328 = NJW 1998, 3728; bestätigt durch BVerfG (K), NJW 2000, 2015). S.hierzu ferner Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 2), § 1 Rn. 20 m.w.N.; BonK NVwZ 2001. 636, 638. 34 Wolff/Bachof/Stober (Fn. 16), § 54 Rn. 41. 35 Wolff/Bachof/Stober (Fn. 16), § 54 Rn. 42.
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— wenn ein VA materiell rechtswidrig wäre und dies den Parteien bekannt war, — wenn die Voraussetzungen für einen Vergleichs vertrag nicht vorlagen und ein VA mit entsprechendem Inhalt materiell rechtswidrig wäre (Missbrauchsverbot), — wenn beim Austauschvertrag eine unzulässige Gegenleistung vereinbart wurde. Nach § 56 VwVfG muss die Gegenleistung vier Voraussetzungen erfüllen: Sie muss für einen bestimmten Zweck sein, sie muss der Verwaltung zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe dienen, sie muss angemessen sein und im sachlichen Zusammenhang mit der Leistung der Verwaltung stehen (Kopplungsverbot). Die strenge Nichtigkeitsfolge bei der fehlenden Angemessenheit und Verstößen gegen das Kopplungsverbot hat allerdings in neuerer Zeit Anlass zu Kritik gegeben, weil dies immer zur Rückabwicklung der Verträge führt, obwohl eine Anpassung des Vertragsinhalts oft sachgerechter wäre. 36 Dementsprechend wird hier zur Zeit eine Gesetzesänderung erwogen. 37
VI. Besondere Verfahrensarten /. Förmliches Verwaltungsverfahren
(§§63 ff
VwVfG)
Ein förmliches Verwaltungsverfahren nach dem VwVfG wird dann durchgeführt, wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet ist (z. B. BBergG, KDVG, SaatgutverkehrsG, SortenschutzG); davon zu unterscheiden sind förmliche Verwaltungsverfahren, die detailliert in Spezialgesetzen geregelt werden (ζ. B. Atomrecht, Immissionsschutzrecht, Baurecht). 38 Die besonderen Regelungen des förmlichen Verwaltungsverfahrens im Verwaltungsverfahrensgesetz betreffen — die Formalisierung des Antrags (§ 64 VwVfG), — die von den allgemeinen Regelungen abweichende Mitwirkung von Zeugen (§ 65 VwVfG) und Anhörung von Beteiligten (§ 66 VwVfG), — das Erfordernis einer mündlichen Verhandlung (§§ 67 f. VwVfG), 36
Schmitz, NVwZ 2000, 1238, 1241 m.w.N. Vgl. Schmitz/Schlatmann, N V w Z 2002, 1281, 1294. j8 Wolff/Bachof/Stober (Fn. 16), § 61 Rn. 3 und 5 f. Zu einer Integration dieser spezialgesetzlich geregelten Verfahren in die Verwaltungsverfahrensgesetze Wahl, NVwZ 2002, 1192, 1194 f.; Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281, 1294. 37
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— die Entscheidungsfindung (§ 69 VwVfG) sowie — die besonderen Vorschriften für das Verfahren vor Ausschüssen (§71 VwVfG). Im übrigen gelten alle diesen Regelungen nicht entgegenstehenden Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes, insbesondere die Verfahrensgrundsätze. 39
2. Planfeststellungsverfahren
(§§ 72 ff
VwVfG)
Gegenstand eines Planfeststellungsverfahrens ist ein komplexes Vorhaben, ζ. B. der Bau einer Straße, eines Flughafens oder einer Eisenbahntrasse; Ziel ist der Erlass eines rechtsgestaltenden Verwaltungsakts, der sog. Planfeststellungsbeschluss.40 Dieser Beschluss enthält die Entscheidung über die Zulässigkeit eines mit dem Planfeststellungsverfahren notwendig verbundenen raumbezogenen Vorhabens mit Punkt- oder Streckenwirkungen. 41 Er ergeht in einem besonderen Verfahren (§ 73 VwVfG), einer besonderen Form (§ 74 VwVfG) und hat wesensimmanent besondere Rechtswirkungen (§ 75 VwVfG). 4 2 Besondere Bedeutung erlangt das Planfeststellungsverfahren durch seine Konzentrationswirkung: In einem sehr komplexen Verfahren, das eine Vielzahl von öffentlichen und privaten Interessen und Beteiligten berührt, entscheidet eine einzige Behörde in einem einzigen Verfahren durch einen einzigen Verwaltungsakt.43 Deshalb müssen die Verfahrensvorschriften sicherstellen, dass alle betroffenen Belange in die Entscheidung mit einfließen.
39 40 41 42 43
Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 2), § 63 Rn. 5. Wolff/Bachof/Stober (Fn. 16), § 62 Rn. 2. Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 2), § 72 Rn. 4. Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 2), § 72 Rn. 4. Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 2), § 72 Rn. 5.
37
Länderbericht Deutschland
3. Genehmigungsverfahrensbeschleunigung
(§§ 71a ff
VwVfG)
1996 wurden Vorschriften in das Verwaltungsverfahrensgesetz eingefügt, die die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren zum Ziel haben. Diese sollten insbesondere die Dauer von Anlagenzulassungsverfahren senken und damit die Attraktivität Deutschlands als Wirtschaftsstandort erhöhen. 44 Vorgesehen sind danach neben Beratungs- und Beschleunigungspflichten der Behörde — ein sog. Sternverfahren (§ 71d VwVfG), das für das schriftliche Verfahren eine gleichzeitige Beteiligung aller betroffenen Träger öffentlicher Belange mit Fristsetzung vorsieht (Schriftliches Verfahren), und — eine Antragskonferenz (§ 71e VwVfG), die auf Verlangen des Antragstellers alle Beteiligten zu einer mündlichen Erörterung der Probleme an einen Tisch bringen soll. 45
4. Rechtsbehelfsverfahren Im Verwaltungsverfahrensgesetz selbst ist nur ein geringer Teil des Rechtsbehelfsverfahrens geregelt (§§ 79, 80 VwVfG). Die wesentlichen Vorschriften finden sich in der Verwaltungsgerichtsordnung. Dies ist mit der Zwitterstellung 46 des Widerspruchsverfahrens zu begründen: Zum einen eröffnet der Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt ein neues Verwaltungsverfahren, 47 für das auch die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes grundsätzlich anwendbar sind (§ 79 VwVfG). Zum anderen ist das Widerspruchsverfahren aber auch eine Sachurteilsvoraussetzung für ein verwaltungsgerichtliches Verfahren. Im Widerspruchsverfahren prüft zunächst die Ausgangsbehörde, bei Nichtabhilfe anschließend die Widerspruchsbehörde erneut die Recht- und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts. Wichtigste Wirkung des Widerspruchs ist die aufschiebende Wirkung, d.h. der Verwaltungsakt kann grundsätzlich zunächst nicht vollzogen werden. Erlässt die Widerspruchsbehörde einen Widerspruchsbescheid, so ist dieser Gegenstand der anschließenden verwaltungsgerichtlichen Klage.
44 45 46 47
BonK in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 2), § 71a Rn. 1. BonK in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 2), § 71e Rn. 2. Wolff/Bachof/Stober (Fn. 16), § 63 Rn 1. P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 2), § 9 Rn. 198.
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VII. Neue Anforderungen an das Verwaltungsverfahrensrecht und deren Umsetzung Gesellschaft und Staatsverständnis haben sich in den letzten Jahren stark gewandelt. War die Verwaltung früher stark durch hoheitliches Handeln geprägt, ist heute Ziel des aktivierenden Staates, ein partnerschaftliches Verhältnis zum Bürger zu pflegen. Unter Zugrundelegung dieses Ziels ist auch das Verwaltungsverfahrensrecht fortzuentwickeln. Hierbei liegen in Deutschland48 die Schwerpunkte z. Zt. auf — der Einbeziehung der Informationstechnik in die Verwaltungsabläufe,
— die Eröffnung eines Zugangs der Bürger zu Informationen der Verwaltung, — der Schaffung von Regelungen zu Kooperationsverhältnissen der Verwaltung mit Bürgern und anderen Verwaltungsträgern.
1. Einsatz von IT in der Verwaltung Bund und Länder haben mit dem Musterentwurf des 3. Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften 49 die Voraussetzungen für rechtsverbindliche elektronische Kommunikation durch Verwendung elektronischer Signaturen zwischen Bürger und Verwaltung geschaffen. Wesentliche Eckpunkte dieses Entwurfs sind — die Einführung einer Generalklausel, die die Gleichwertigkeit von durch Gesetz angeordneter Schriftform und - mit qualifizierter elektronischer Signatur verbundener - elektronischer Form bestimmt (§ 3a VwVfG-E), — die Einführung des elektronischen (bisher: „schriftlich, mündlich oder in anderer Weise") Verwaltungsakts (§ 37 Abs. 4 VwVfG-E). Das Vorhaben ist ein zentrales Element der Verwaltungsmodernisierung. Es schafft auf der Basis der Signaturgesetznovelle 50 die Voraussetzungen für rechtsverbindliche elektronische Kommunikation durch Verwendung elektroni-
48
Zu konvergierenden Entwicklungen im Verwaltungsverfahrensrecht der europäischen Staaten s. Sommermann, DÖV 2002, 133. 49
50
Zum Gesetzentwurf des Bundes Schlatmann, DVB1. 2002, 1005. SigG vom 16. Mai 2001, BGBl. I S.876.
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scher Signaturen zwischen Bürger und Verwaltung. 51 Der Gesetzentwurf steht damit neben dem Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr. 52 Dieses Gesetz, durch das insbesondere die §§ 126 ff. BGB neugefasst werden, berücksichtigt ebenso wie das neue Signaturgesetz und der Entwurf eines 3. VwVfÄndG die Anforderungen, die sich für den elektronischen Rechtsverkehr aus der EG-Richtlinie 1999/93/EG vom 13. Dezember 1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen 53 und der EGRichtlinie 2000/31/EG vom 8. Juni 2000 54 über den elektronischen Rechtsverkehr ergeben. Das Vorhaben wurde auf Bundesebene durch das 3. VwVfÄndG 5 5 umgesetzt. Die wesentlichen Änderungen des VwVfG traten am 1. Februar 2003 in Kraft. Entsprechend dem bewährten Modell einer Simultangesetzgebung56 beabsichtigen alle Länder eine zügige Anpassung auch ihrer VwVfGe. So hat Bayern bereits vor der Verkündung des Bundesgesetzes den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung elektronischer Verwaltungstätigkeit, mit dem die Änderungen des 3. VwVfÄndG nachvollzogen werden, eingebracht. 57
2. Zugang zu Informationen der Verwaltung Mit dem Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes soll das behördliche Handeln über den Kreis der Verfahrensbeteiligten hinaus transparent gemacht und die demokratischen Beteiligungsrechte gestärkt werden. Während bisher in Deutschland (anders als in vielen anderen europäischen Staaten und in der Europäischen Union) der Grundsatz des Aktengeheimnisses gilt, der eine Akteneinsicht nur für Verfahrensbeteiligte zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen vorsieht, soll das Informationsfreiheitsgesetz auf Bundesebene einen gesetzlich geregelten Anspruch auf Informationszugang für jedermann eröffnen. Der Zugang zu Informationen ist durch Auskunftserteilung und Akteneinsicht möglich. Durch Ausnahmetatbestände wird der notwendige
51
Zu Perspektiven eines „Electronic Government" Boehme-Neßler, NVwZ 2001,
374. 52
Vom 13. Juli 2001, BGBl. I S.1542. Hierzu Hähnchen, NJW 2001, 2831. ABl. EG 2000 Nr. L 13, S. 12. 54 ABl. EG Nr. L 178, S. 1. 55 Vom 21. August 2002, BGBl. I S.3322; hierzu Schlatmann, LKV 2002, 489; umfassend Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281. 56 Hierzu Henneke, in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Rn. 4 und 34 vor § 1. 57 LT-Dr 14/9960 vom 9. Juli 2002. 53
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Schutz privater (Datenschutz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse) und öffentlicher Interessen (Wohl des Staates, Schutz des behördlichen Meinungs- und Willensbildungsprozesses) sichergestellt. Auch dieser Entwurf hat u.a. die Anpassung an europäische Standards zum Ziel. 58 Der Gesetzentwurf befindet sich zur Zeit noch in der Ressortabstimmung; eine Verabschiedung in der 15. Legislaturperiode ist Ziel der Bundesregierung.
3. Schaffung von Regelungen zu verwaltungsrechtlichen Kooperationsverhältnissen Der öffentlich-rechtliche Vertrag ist ein Instrument, das dem Anliegen der Bundesrepublik, im Sinne des aktivierenden Staates die Kooperation von Hoheitsträgern und Privaten zu fördern, den erforderlichen rechtlichen Rahmen geben kann. Die Vorschriften im VwVfG werden jedoch dieser Rolle insbesondere wegen zu strenger Rechtsfolgen bei Fehlerhaftigkeit nicht mehr gerecht. Zur Zeit werden daher Änderungsmöglichkeiten durch den Beirat Verwaltungsverfahrensrecht (einem beim Bundesministerium des Innern eingerichteten beratenden Gremium aus Wissenschaftlern, wissenschaftlich tätigen Praktikern, Vertreter der Landesinnenministerien sowie Verwaltungspraktikern) 59 geprüft. 60 Bis zu einem konkreten Entwurf zur Gesetzesänderung bedarf es jedoch noch weiterer wissenschaftlicher Diskussionen und Abstimmungen mit den Ländern.
58 Vgl. ζ. B. den Beschluss des Rates vom 20. Dezember 1993 93/731/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten, ABl. EG L 340, S. 43. Zum inhaltlichen Umfang des Beschlusses vgl. EuGH. DVBI. 2002, 326 - C-353/99 Ρ (Hautala ./. Rat). 59 Zum Beirat Verwaltungsverfahrensrecht Schmitz/Olbertz, NVwZ 1999, 126, 131: Bonk/Schmitz. in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 2), § 1 Rn. 276a. 60 Vgl. hierzu auch den Bericht und die Beschlussempfehlungen des Beirats Verwaltungsverfahrensrecht. NVwZ 2002, 834.
Europäisierung des Verwaltungsverfahrensrechts Länderbericht Österreich Von Karl Irresberger
I. Vorbemerkung Die Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaft ist für Österreich seit dem im Jahr 1995 erfolgten Beitritt - in geringerem Umfang schon durch die Schaffung des Europäischen Wirtschaftsraumes im Jahr 1994- wirksam geworden und hat in vielfacher Hinsicht zu einer Umgestaltung der österreichische Rechtsordnung geführt. Von dieser Umgestaltung war allerdings das Verwaltungsverfahrensrecht in verhältnismäßig geringem Maße betroffen, sieht man einmal von der eher banalen Tatsache ab, dass Richtlinien umgesetzt wurden, auch soweit sie verfahrensrechtlichen Inhalt hatten (so etwa im Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung). Ich möchte mich daher auf die Darstellung einiger der Hauptgesichtspunkte des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts und auf wichtigere Änderungen der jüngeren Zeit beschränken, besonders soweit sie mir unter einem europäischen, das heißt gemeinschaftsrechtlichen Blickwinkel bemerkenswert erscheinen. Dabei werde ich, der gebotenen Kürze und der rechtsvergleichenden Perspektive wegen, ein eher kursorisches Bild geben.
II. Rechtsentwicklung Die historische Entwicklung des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts beginnt im Jahr 1875. Damals war das Gebiet des heutigen Österreich Teil der Österreichisch-Ungarischen Monarchie; und zwar größtenteils der cisleithanischen oder österreichischen Reichshälfte. Diese Reichshälfte, die mit der transleithanischen oder ungarischen Reichshälfte nur durch die Person des Monarchen und einige wenige gemeinsame Institutionen und Kompetenzen verbunden war, war durch die Dezemberverfassung des Jahres 1867 als konsti-
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tutionelle Monarchie eingerichtet worden. Dem Verfassungsauftrag gemäß wurde im Jahr 1875 der Verwaltungsgerichtshof geschaffen. Diesem Gericht oblag im Wesentlichen die gerichtliche Kontrolle der Verwaltung des ausgedehnten Länderkomplexes mit seinen 26 Millionen Einwohnern, der in der cisleithanischen Reichshälfte zusammengefasst war. Zu den Aufgaben des Verwaltungsgerichtshofes gehörte es insbesondere, eine angefochtene „Entscheidung oder Verfügung wegen mangelhaften Verfahrens aufzuhebenwenn „wesentliche Formen des Administrativverfahrens außer Acht gelassen worden sind". Dem Verwaltungsgerichtshof fiel so die Aufgabe zu, den Begriff der „wesentlichen Formen des Administrativverfahrens" mit Leben zu erfüllen und die Grenzen zwischen mangelhaftem und mängelfreiem Verfahren zu ziehen. Es war daher der Verwaltungsgerichtshof, der im Laufe von fünf Jahrzehnten Prinzipien des Verwaltungsverfahrens herausarbeitete und die Grundzüge des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts schuf. Das österreichische Verwaltungsverfahrensrecht war somit in seinen Anfängen so etwas wie ein „case-law". Im Jahre 1918 zerfiel die Österreichisch-Ungarische Monarchie. Einer der Nachfolgestaaten war die kleine Republik Österreich. Diese übernahm im Wesentlichen die Verwaltungsstrukturen und die Rechtsordnung der untergegangenen Monarchie. Der drückenden Notlage, in der sich die junge Republik von Anfang an befand, suchte man unter anderem mit einer tiefgreifenden Verwaltungsreform zu begegnen. Ein Teil dieser Verwaltungsreform war die Kodifikation des Verwaltungsverfahrensrechts, die im Jahr 1925 erfolgte. Österreich besitzt damit eine der ältesten derartigen Kodifikationen. Diese war, wie erwähnt, nicht nur eine Frucht rechtsstaatlichen Pioniergeistes, sondern auch ein Kind der Not. Sie bildet bis heute die Grundlage des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, die im Laufe der Jahrzehnte nicht grundsätzlich verändert wurde. Eine weitere Zäsur, die ich hervorheben möchte, erfolgte erst im Jahr 1990 mit der Schaffung der unabhängigen Verwaltungssenate, auf die ich noch zurückkommen werde.
III. Struktur des Verwaltungsverfahrensrechts Die Struktur des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts ist wesentlich durch die bundesstaatliche Kompetenzverteilung mitbestimmt. Grundsätzlich richtet sich die Zuständigkeit zur Regelung des Verfahrens nach der Zuständigkeit zur Regelung der Sachmaterie. Daher ist die Regelungskompetenz für das Verfahrensrecht zunächst in gleicher Weise zwischen Bund und Ländern verteilt wie die für das materielle Recht. Im Jahr 1925 wurde aber auch ei-
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ne ergänzende Bundeskompetenz für das Verfahrensrecht geschaffen. Art. 11 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes lautet1: „Soweit ein Bedürfnis nach Erlass einheitlicher Vorschriften als vorhanden erachtet wird, werden das Verwaltungsverfahren, die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechtes, das Verwaltungsstrafverfahren und die Verwaltungsvollstreckung auch in den Angelegenheiten, in denen die Gesetzgebung den Ländern zusteht, insbesondere auch in den Angelegenheiten des Abgabenwesens, durch Bundesgesetz geregelt; abweichende Regelungen können in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen nur dann getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind."
Es handelt sich dabei um einen Typus der Gesetzgebungskompetenz, der der „konkurrierenden Gesetzesgebung" des deutschen Grundgesetzes nahe steht und in Österreich als Bedarfsgesetzgebungskompetenz bezeichnet wird. Es steht damit im Belieben des Bundesgesetzgebers, einheitliche Verfahrensvorschriften zu schaffen, doch kann der für die einzelnen Verwaltungsmaterien jeweils zuständige Gesetzgeber davon abweichen, wenn dies zur Regelung des Gegenstandes erforderlich ist. Dieses Erforderlichkeitskriterium, dass vom Verfassungsgerichtshof ziemlich streng ausgelegt wird, fordert die Geschlossenheit des Verfahrensrechts. Als materienübergreifende Verfahrensgesetze sind das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), das Verwaltungsstrafgesetz (VStG) und das Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VVG) ergangen. Daneben bestehen materienspezifische Verfahrensgesetze wie das Agrarverfahrensgesetz und das Dienstrechtsverfahrensgesetz. Aber auch die verschiedenen Materiengesetze enthalten häufig eigene Verfahrensbestimmungen, die durchaus umfangreich sein können. Für das Abgabenrecht bestehen besondere Verfahrensordnungen des Bundes und der Länder, die allerdings nicht allzu sehr divergieren. Einen umfassenden Anwendungsbereich hat das Zustellgesetz, das behördliche Zustellungen für alle Behörden und Rechtsmaterien einheitlich regelt. Der Anwendungsbereich des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes ist ein weiter, aber kein umfassender. Er wird nicht durch eine Generalklausel umschrieben, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen (EGVG) zählt vielmehr eine - große - Anzahl von Behörden auf, die das AVG anzuwenden haben. Zu den Behörden, die das AVG nicht anzuwenden haben, gehören ζ. B. die Sozialversicherungsträger und die Abgabenbehörden.
Die Texte der Rechtsvorschriften des österreichischen Bundesrechts sind unter www.ris.bka.gv.at zugänglich. Es wird daher im Folgenden auf die Angabe der Fundstellen im Bundesgesetzblatt grundsätzlich verzichtet.
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Das AVG regelt behördliche Verfahren, die auf den Erlass einer rechtsförmlichen individuellen Erledigung - eines Bescheides - abzielen. Vom Anwendungsbereich des AVG sind daher behördliche Handlungsformen von vornherein ausgenommen, die nicht auf den Erlass eines Bescheides abzielen. So ist das AVG nicht auf die Durchführung von Prüfungen anzuwenden, die der Beurteilung der Kenntnisse von Personen auf bestimmten Sachgebieten dienen, soweit es sich nicht um die Entscheidung über die Zulassung zur Prüfung handelt (Art. II Abs. 6 Z. 4 EGVG). Ebenso ist das Verfahren bei Anwendung unmittelbaren behördlichen Zwanges nicht im AVG geregelt (Art. II Abs. 6 Ζ 5 EGVG). Das Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge durch den öffentliche Auftraggeber ist gleichfalls kein behördliches Verfahren und unterliegt daher nicht dem AVG. Die Regelungen des AVG sind teils als tatsächlich einheitliche konzipiert, teils als bloß subsidiäre, die nur dann eingreifen, wenn die anwendbaren besonderen Rechtsvorschriften keine Regelung enthalten. Regelungen der besonderen Rechtsvorschriften gehen denen des AVG jedenfalls vor, auch wenn sie allenfalls mangels Erforderlichkeit verfassungswidrig sind.
IV. Verfahrensgrundsätze /. Vorbemerkung - Parteistellung Für die Möglichkeit der Beeinflussung des Verfahrens ist die Parteistellung von zentraler Bedeutung. Der österreichische Begriff der Partei entspricht dem deutschen Begriff des Beteiligten. Die wesentlichen Verfahrensrechte, wie insbesondere das rechtliche Gehör oder der Rechtsschutz, stehen nur Parteien zu. Die Parteistellung ist das prozessuale Gegenstück zum subjektiven Recht. Das AVG enthält zur Abgrenzung der Verfahrensparteien nur eine Leerformel, indem es darauf abstellt, ob eine Person an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt ist (§ 8). Die Frage der Parteistellung ist daher anhand der Materiengesetze zu ermitteln und dort zumeist ausdrücklich geregelt, gelegentlich in geradezu akribischer Weise, in dem ζ. B. darauf abgestellt wird, wie weit (in Metern) das Grundstück einer Partei von dem des Antragstellers entfernt ist, und überdies einzelne Bestimmungen aufgezählt werden, die subjektive Rechte und damit auch die Parteistellung im Verfahren vermitteln. Oft sehen die Materiengesetze auch Parteistellung ohne subjektive Rechte vor. Dabei handelt es sich zumeist um andere staatliche Stellen, die vor der das Verfahren führenden Behörde als Parteien auftreten.
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Da das Vorhandensein antragsgegnerischer Parteien tendenziell zu Verfahrensverzögerungen führt, wurde die Einengung des Kreises der Verfahrensparteien vom Gesetzgeber bisweilen als Mittel der Verfahrensbeschleunigung genutzt. Rechtsprechung und Lehre entnehmen den teils recht ausführlichen (an die dreihundert Absätze in rund hundert Paragraphen) Regelungen des AVG folgende Verfahrensgrundsätze:
2. Grundsätze der Nicht-Förmlichkeit Insgesamt kann gesagt werde, dass die Verfahrensregelungen des AVG weitgehend frei von Formalismus sind. Es besteht kein Anwaltszwang und grundsätzlich keine Pflicht der Parteien zur Wahl der Schriftform. Personen, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, hat die Behörde die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben und sie über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen (verfahrensrechtlicher Art) zu belehren („Manuduktionspflicht", § 13a AVG).
3. Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Parteiengehörs) Die Behörde hat den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (§ 37 AVG). Das Parteiengehör ist in förmlicher Weise von Amts wegen einzuräumen. Dem Recht auf Parteiengehör steht das Recht der Partei auf Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten (§ 17 AVG) nahe.
4. Grundsatz der Amtswegigkeit („ Offizialmaxime
")
Der Grundsatz der Amtswegigkeit gilt in umfassender Weise subsidiär: Soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnungen enthalten, haben die Behörden von Amts wegen vorzugehen (§ 39 Abs. 2 AVG), daher ist bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Verfahren von sich aus einzuleiten. Sehr häufig ist aber die Antragsbedürftigkeit von Verwaltungsakten vorgesehen.
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5. Grundsatz der Verfahrensökonomie Die Behörde hat sich von den Prinzipien der größtmöglichen Zweckmäßigkeit, Schnelligkeit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen (für das Ermittlungsverfahren: § 39 Abs. 2 letzter Satz AVG).
6. Grundsätze des Ermittlungsverfahrens a) Grundsatz der materiellen Wahrheitsforschung Die Behörde hat ohne Bindung an das Parteienvorbringen von sich aus den „wahren" Sachverhalt durch Aufnahme der nötigen Beweise festzustellen. Eine Bindung an das Parteienvorbringen oder an Beweisanträge der Parteien besteht nicht.
b) Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel Als Beweismittel kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist (§ 46 AVG).
c) Grundsatz der freien Beweiswürdigung Die Behörde hat die aufgenommenen Beweise allein nach dem inneren Wahrheitsgehalt dahingehend zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist. Einen angebotenen Beweis darf die Behörde nur dann von vornherein ablehnen, wenn er objektiv gesehen nicht geeignet ist, über den maßgebenden Sachverhalt Beweis zu liefern (Verbot der antizipierenden Beweiswürdigung).
d) Grundsatz der „arbiträren Ordnung": Bei der Gestaltung des Ermittlungsverfahrens ist die Behörde an keine starren Regeln - etwa durch Gebote der Unmittelbarkeit, der Mündlichkeit oder der Öffentlichkeit oder bezüglich der Reihenfolge der Beweisaufnahme - gebunden.
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7. Grundsatz der Selbsttragung der Verfahrenskosten Die Verfahrensbeteiligten haben ihre Kosten selbst zu bestreiten (§ 74 AVG), andererseits trägt auch die Behörde die bei ihr anfallenden Kosten selbst (§ 75 AVG). Allerdings können die Parteien zum Ersatz von „Bar-Auslagen" herangezogen werden, die durch das konkrete Verfahren veranlasst worden sind, etwa die Kosten nichtamtlicher Sachverständiger. Bedient sich eine Partei beispielsweise eines Rechtsanwaltes, so kann sie von anderen unterlegenen Verfahrensparteien keinen Kostenersatz verlangen. Außer den Grundsätzen des AVG seien die folgenden, für das Verwaltungsverfahren ebenfalls bedeutsamen erwähnt:
8. Amtshilfe Nach Art. 22 des Bundes-Verfassungsgesetzes sind alle Organe des Bundes, der Länder und der Gemeinden im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches zur wechselseitigen Hilfeleistung verpflichtet. Ein im AVG geregelter Anwendungsfall dieses Grundsatzes sind Beweisaufnahmen durch ersuchte Behörden (§ 55).
9. Amtsverschwiegenheit Der Grundsatz der Amtsverschwiegenheit ist im Bundes-Verfassungsgesetz (Art. 20 Abs. 4) geregelt. Er beinhaltet die Verpflichtung aller mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie der Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung aus bestimmten Gründen des öffentlichen Interesses oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist.
10. Auskunftspflicht Die Verpflichtung aller mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie der Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts, über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht, ist nicht nur für das Verwaltungsverfahren, sondern allgemein in einem Auskunftspflichtgesetz des Bundes und korrespondierenden Landesgesetzen geregelt. Dieser Verpflichtung entspricht auf der anderen Seite das entsprechende Recht des Antragstellers auf Erteilung einer Auskunft.
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V. Handlungsformen Das Ziel des Verwaltungsverfahrens ist der Erlass eines Verwaltungsaktes, der in der österreichischen Rechtsordnung als Bescheid bezeichnet wird. Dieser wird in Rechtsprechung und Lehre als individueller, hoheitlicher, im Außenverhältnis ergehender Akt der Verwaltung definiert. Vom Bescheid sind im Verwaltungsverfahren besonders die Verfahrensanordnungen abzugrenzen, die nur der Vorbereitung des Bescheiderlasses dienen und nicht gesondert anfechtbar sind. Der Typus des öffentlich-rechtlichen Vertrages als Alternative zum Bescheid ist dem österreichischen Verwaltungsrecht fremd. Schweigen der Behörde wird in Österreich nicht als Handlungsform der Verwaltung begriffen. Zu verweisen ist jedoch auf die in zahlreichen Materiengesetzen vorgesehenen Anzeigeverfahren. Bei dieser Verfahrensart kann das angezeigte Vorhaben ausgeführt werden, wenn es nicht binnen bestimmter Frist durch Bescheid untersagt wird. Im Regelfall führt länger dauernde Untätigkeit der Behörde jedoch nur dazu, dass auf Verlangen der Partei, über deren Antrag zu entscheiden ist, die Entscheidungspflicht auf die nächsthöhere Instanz übergeht (vgl. § 73 AVG).
VI. Einzelfragen der Rechtsdurchsetzung Aus der Sicht des effet utile des Gemeinschaftsrechts ist es wünschenswert, dass sowohl die staatlichen Organe von Amts wegen das Gemeinschaftsrecht anzuwenden haben als auch dass Einzelpersonen die ihnen vom Gemeinschaftsrecht zugedachten Rechte durchsetzen können. Im Bereich der Durchsetzung subjektiver Rechte brachte das Jahr 1998 gewisse Neuerungen: Die Durchsetzung subjektiver Rechte ist nur bei Kenntnis vom Verfahren möglich. Daher verlangt das österreichische Verfahrensrecht als Grundsatz die persönliche Verständigung der Parteien. Je größer und diffuser der Kreis der Parteien ist, umso größer ist auch die Gefahr, dass Parteien übergangen werden, die dann das Verfahren auch nach dessen Abschluss neu aufrollen könnten. Nach verschiedenen Zwischenstadien ist im Jahr 1998 eine Neuregelung 2 erfolgt, die folgende Grundzüge hat:
Die Neuregelung erfolgte durch das Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz von 1991, das Verwaltungsstrafgesetz von 1991 geändert wurden, BGBl. I Nr. 158/1998 (kurz auch „Verwaltungsverfahrensnovelle 1998").
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1. Großverfahren
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(§§ 44a ff A VG)
Das Großverfahren setzt voraus, dass am Verfahren voraussichtlich insgesamt mehr als hundert Personen beteiligt sein werden. Hauptkennzeichen dieser Verfahrensart ist, dass Mitteilungen an die Parteien durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen können. Die Behörde hat den verfahrenseinleitenden Antrag durch Edikt kundzumachen, um die potentiellen Antragsgegner vom Verfahren zu verständigen. Das Edikt ist zumindest in zwei weit verbreitenden Tageszeitungen und im Amtsblatt zur Wiener Zeitung zu verlautbaren. Im Edikt kann auch eine öffentliche Erörterung des Verfahrens angesetzt und eine mündliche Verhandlung anberaumt werden. Diese ist im Gegensatz zur allgemeinen Regelung öffentlich. Auch weitere für das Verfahren erhebliche Mitteilungen an die Parteien können durch Edikt in Form der Mitteilung erfolgen, indem ein Schriftstück bestimmten Inhalts bei der Behörde zur öffentlichen Einsicht ausliegt. Dies gilt auch für den verfahrensabschließenden Bescheid.
2. Präklusion (§§ 42, 44b A VG) Auch dieses Rechtsinstitut wurde im Jahr 19983 neu geregelt. Die Präklusion ist nun definiert als Verlust der Parteistellung für das betreffende Verwaltungsverfahren. Sie kann, etwas vergröbert, wie folgt dargestellt werden: Präklusion einer antragsgegnerischen Partei setzt voraus, dass eine mündliche Verhandlung anberaumt wurde und die Partei davon Kenntnis erlangen konnte. Dies kann durch persönliche Verständigung oder durch Kundmachung bewirkt werden. Die Kundmachungsformen des Großverfahrens wurden schon erwähnt. Im übrigen gilt folgende Regel: Wenn die Form der Kundmachung nicht in den Regelungen der betreffenden Verwaltungsmaterie festgelegt ist, muss sie sicherstellen, dass ein Beteiligter von der Anberaumung der Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt. Außerdem ist die Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde oder im Amtsblatt der Behörde zu verlautbaren. 3 Siehe Fn. 2; vgl. dazu insb. Potacs, Der Vollzug des Gemeinschaftsrechts im österreichischen Verwaltungsverfahrensrecht, in: Hauer (Hrsg.), Die Handhabung des Gemeinschaftsrechts in der österreichischen Verwaltung, Schriften des Instituts für Verwaltungsrecht der Universität Linz 2001, S. 1-14; Wiederin, Die Neuregelung der Präklusion, in: Schwarzer (Hrsg.), Das neue Anlagenverfahrensrecht, Wien 1999, S. 17-90. Pallitsch, Die Präklusion im Verwaltungsverfahren. Die Auswirkungen der Präklusionsregelungen nach der AVG-Novelle 1998, Wien 2000.
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Wer den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ohne grobes Verschulden versäumt, kann seine Einwendungen noch bis zur Rechtskraft der Entscheidung nachholen.
3. Entscheidungsbefugnis
der Berufungsbehörde
Der Rechtsschutz gegen fehlerhafte Bescheide wird den Parteien typischerweise zunächst innerhalb der Verwaltung durch das Rechtsmittel der Berufung (vgl. § 63 AVG) geboten. Erst dann ist normalerweise die Anrufung des Verwaltungs- und des Verfassungsgerichtshofes möglich. Nach dem Gesetzestext (§ 66 AVG) hat die Berufungsbehörde dieselben Befugnisse wie die Behörde, die den Bescheid erlassen hat. Sie ist daher befugt, in der Sache selbst zu entscheiden und „ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern" (§ 66 Abs. 4 AVG). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf die Behörde aber bei mit Berufung geltend gemachten subjektiven Abwehrrechten z. B. von Nachbarn nicht über die Grenzen hinausgehen, die von dem subjektiven Recht gezogen werden. 4 Nach einer jüngsten Neuregelung 5 wird die Funktion von Berufungsbehörden in weiten Bereichen, besonders im Betriebsanlagenrecht, auf die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern übergehen. Es sind dies gerichtsähnliche Verwaltungsbehörden, die als Gerichte im Sinne der Art. 5 und 6 EMRK gelten und auch zur Vorlage an den EuGH nach Art. 234 EGV berechtigt sind. Ein Unterschied zur verwaltungsgerichtlichen Kontrolle besteht bei diesem Behördentyp in der Befugnis zur Entscheidung in der Sache und in dem Ausüben von Ermessen. Allerdings wurden gerade diese Befugnisse anlässlich der erwähnten Zuständigkeitserweiterung von einer Bedingung abhängig gemacht, nämlich dass die kontrollierte Behörde der Ausübung der fraglichen Befugnisse nicht widerspricht. Als zulässiger Widerspruchsgrund wurde nur die „Bedachtnähme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens'''' festgelegt, obwohl der tiefere Grund für die Beschränkung in grundsätzlichen Überlegungen über die richtige Gewichtung im Verhältnis zwischen politisch gelenkter und dadurch demokratisch legitimierter Verwaltung und richterlicher Unabhängigkeit zu suchen ist.
4 5
VwSlg. 10317 A / l 980 u.a. Durch das Verwaltungsreformgesetz 2001, BGBl. I Nr. 65/2002.
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V I I . Fehlerfolgen bei Bescheiden Das System der Fehlerfolgen kann hier nur grob angedeutet werden. Es ist im Einzelnen kompliziert, aber mit dem des deutschen Rechts vergleichbar.
/. (Absolute) Nichtigkeit Absolut nichtig (das heißt gänzlich unbeachtlich) sind nach Lehre und Rechtsprechung - eine ausdrückliche gesetzliche Regelung fehlt - Akte, denen ein wesentliches Bescheidmerkmal fehlt. 6 Das sind z. B. solche, die — nicht von einer Behörde herrühren, — von einer nicht dazu befugten Person innerhalb der Behörde (z. B. Portier) herrühren, — deren Urheber oder Adressat nicht feststellbar ist oder — die keine normative Aussage haben. Auch eine telefonische Mitteilung kann wegen Verfehlung der Form keinesfalls ein Bescheid sein. Eine Anfechtung derartiger Nicht-Bescheide ist konsequenterweise nicht möglich. Berufungen oder Beschwerden gegen absolut nichtige Verwaltungsakte sind daher zurückzuweisen.
2. Wesentliche Verfahrensmängel Die Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die Behörde einen anderen Bescheid hätte erlassen können, ist für den Verwaltungsgerichtshof ebenso ein Aufhebungsgrund (§ 42 Abs. 2 lit. c des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG) wie aktenwidrige oder unvollständige Sachverhaltsfeststellung (§ 42 Abs. 2 lit. a und b VwGG).
3. Heilung von Verfahrens mangeln Eine Heilung von Verfahrensmängeln kann (in derselben oder) in der nächsthöheren Verwaltungsinstanz erfolgen. Wurde z. B. das Recht auf Partei6 Näheres siehe etwa bei Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 7. Auflage, Wien 1999, Rz. 433 ff.
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engehör in erster Instanz verletzt, so wird durch die Möglichkeit, gegen den Bescheid Berufung einzulegen, das Parteiengehör gewährt. Da die nächsthöhere Verwaltungsinstanz (außer bei grob mangelhafter Sachverhaltsermittlung durch die untere Instanz) in der Sache selbst zu entscheiden hat, kommt es für die Beurteilung durch den Verwaltungsgerichtshof nur darauf an, ob der letztinstanzliche Bescheid unter Einhaltung der Verfahrensbestimmungen zustande gekommen ist. Eine Heilung von Mängeln des Verwaltungsverfahrens im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist nicht bzw. nur in der Weise möglich, dass die Behörde (sofern eine der gesetzlichen Voraussetzungen für die Abänderung oder Aufhebung des Bescheides vorliegt, vgl. die nachfolgenden Ausführungen) den Bescheid selbst aufhebt und den Beschwerdeführer damit klaglos stellt.
4. Aufhebung oder Abänderung rechtskräftiger Bescheide durch Verwaltungsbehörden von Amts wegen Von Amts wegen kann ein Bescheid (teils von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, teils von der zuständigen Oberbehörde) abgeändert bzw. aufgehoben oder für nichtig erklärt werden (§ 68 AVG), — wenn aus ihm niemandem ein Recht erwachsen ist, — in Wahrung des öffentlichen Wohls, und zwar mit möglichster Schonung erworbener Rechte, insoweit dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Missständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist, — wenn er von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde (nur binnen drei Jahren), — wenn er einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde, — wenn er tatsächlich undurchführbar ist oder — wenn er an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet (die Nichtigkeit ist hier also nur ein Art der Aufhebbarkeit, für ab initio unwirksame Akte wird in der Verwaltungsrechtslehre der Ausdruck „absolute Nichtigkeit" verwendet). Die Materiengesetze sehen oft weitergehende Aufhebungs- und Abänderungsgründe vor, z. B. Aufhebung einer Betriebsgenehmigung, wenn die Anlage den Bestimmungen des Gesetzes oder des Genehmigungsbescheides nicht mehr entspricht, oder Abänderung wegen Erforderlichkeit zusätzlicher Auflagen.
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V I I I . Besondere Verfahrensarten Das österreichische Verwaltungsverfahrensrecht ist reich an materienspezifischen Differenzierungen, die hier nicht ausgebreitet werden können.7 Das AVG selbst kennt als besondere Verfahrensarten das Mandatsverfahren, das Großverfahren und das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten.
/. Mandatsverfahren Das Mandatsverfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass der Bescheid ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren erlassen wird. Auf Verlangen des Bescheidadressaten („Vorstellung") hat die Behörde binnen zwei Wochen das Ermittlungsverfahren einzuleiten; sollte dies nicht geschehen, tritt der angefochtene Bescheid von Gesetzes wegen außer Kraft. Diese Verfahrensart kann gewählt werden, wenn Geldleistungen nach einem feststehenden Maßstab vorzuschreiben oder wegen Gefahr in Verzug unaufschiebbare Maßnahmen zu treffen sind. Bei dem Vorschreiben von Geldleistungen hat das Rechtsmittel der Vorstellung aufschiebende Wirkung.
2. Großverfahren Das Großverfahren wurde bereits oben erwähnt und ausführlich geschildert, so dass auf nähere Ausführungen an dieser Stelle verzichtet werden kann.
3. Verfahren
vor den unabhängigen Verwaltungssenaten
Bei den unabhängigen Verwaltungssenaten handelt es sich um einen Typ von Verwaltungsbehörden, die den Gerichten hinsichtlich der Garantien der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zumindest nahe kommen. Sie wurden eigens geschaffen, um den Anforderungen der Art. 5 und 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention im Verwaltungsrecht Rechnung zu tragen. Dementsprechend bestehen die Besonderheiten dieser Verfahrensart hauptsächlich darin, dass die mündlichen Verhandlungen dieser Behörden öffentlich sind und auf Antrag einer Verfahrenspartei durchgeführt werden müssen.8
7
g Vgl. auch den nachfolgenden Beitrag von Schwarzer
in diesem Band, § 67a bis 67g bzw. 67h (in der Fassung des Verwaltungsreformgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 65/2002) AVG.
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IX. Wiederaufnahme des Verfahrens Die Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 69 f AVG) und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§71 f AVG) sind unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die denen im deutschen Recht sehr ähnlich sind (§§ 32 und 51 VwVfG).
X. Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsbarkeit Rechtsschutz wird den Parteien typischerweise zunächst innerhalb der Verwaltung durch das Rechtsmittel der Berufung gewährt (vgl. § 63 AVG). Berufungen haben aufschiebende Wirkung, wenn diese nicht ausgeschlossen wird. Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ist zulässig, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist (§ 64 AVG). Steht innerhalb der Verwaltung kein Rechtszug mehr offen, so ist der Bescheid rechtskräftig und damit grundsätzlich auch vollstreckbar. Wird nun der Verwaltungs- oder der Verfassungsgerichtshof angerufen, so kann er der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre (§ 30 Abs. 2 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes, § 85 Abs. 2 des Verfassungsgerichtshofgesetzes). Für das Verhältnis zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit ist kennzeichnend, dass der Gerichtshof einen fehlerhaften Bescheid nicht korrigieren, sondern nur aufheben kann, so dass es Sache der Verwaltungsbehörde ist - wenn auch unter Bindung an die Rechtsansicht des Gerichtshofs - einen neuen Bescheid zu erlassen. Der Verwaltungsgerichtshof ist überdies an die Sachverhaltsfeststellungen der Verwaltungsbehörde gebunden, er prüft also grundsätzlich nur geltend gemachte Mängel des Verfahrens sowie die Richtigkeit der Rechtsauffassung der Verwaltungsbehörde. Zum Prüfungsumfang gehört auch die Frage, ob der Sachverhalt genügend ermittelt wurde und die Beweiswürdigung schlüssig ist. Diese beschränkte Rolle des Verwaltungsgerichtshofes erklärt die große Bedeutung der Einhaltung der Vorschriften des Verwaltungsverfahrens für den Rechtsschutz. Sie ist auch ein Grund für die Schaffung einer Vielfalt unabhängiger Verwaltungsbehörden wie vor allem der unabhängigen Verwaltungssenate.
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XI. Neue Anforderungen an das Verwaltungsverfahrensrecht Generell ist festzustellen, dass das klassische Verwaltungsverfahren, das auf den Erlass eines Bescheides -typischerweise die Erteilung einer Berechtigung- abzielt, sich auf dem Rückzug befindet, da es als zu teuer, schwerfällig und langsam kritisiert wird. Die Maßnahmen des Gesetzgebers und der Verwaltung zum Abbau und zur Beschleunigung von Verwaltungsverfahren sind vielfältig, etwa Ersatz von Bewilligungsverfahren durch Akkreditierungs- und Zertifizierungssysteme, Haftpflichtversicherungspflichten u.ä. Zum Teil finden Gewichtsverschiebungen zwischen verschiedenen Arten des Verwaltungsverfahrens statt, etwa vom Genehmigungsverfahren hin zum Anzeigeverfahren oder durch Einführung vereinfachter Verfahren. Schließlich versucht man auch die Verfahren selbst in verschiedener Weise zu beschleunigen. Einer der Wege, die der Verwaltungsverfahrensgesetzgeber in Österreich dazu jüngst 9 beschritten hat, ist die Förderung der Nutzung elektronischer Medien. Diese erstreckt sich im Wesentlichen auf drei Bereiche: — Elektronische Mitteilungen der Bürger an die Behörde, — elektronische Aktenführung und Akteneinsicht und — elektronische Mitteilungen der Behörde an Verfahrensbeteiligte. Das bedeutet etwa: Elektronische Mitteilungen an die Behörde sind nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zulässig und stehen den schriftlichen gleich (§ 13 Abs. 1 AVG). Verwaltungskunden sollen sich gegenüber der Behörde bei elektronischen Mitteilungen mit Hilfe einer allgemein verbreiteten Chipkarte durch eine Art Verbindung einer elektronischen Signatur mit ihrem Datensatz im Zentralen Melderegister ausweisen können (§ 13 Abs. 4a AVG 1 0 ). 9 Verwaltungsverfahrensnovelle 2001, BGBl. I Nr. 137, und Verwaltungsreformgesetz 2001, BGBl. I Nr. 65/2002. 10 In der Fassung des Verwaltungsreformgesetzes 2001 : „(4a) Zum Zweck der eindeutigen Identifikation von Verfahrensbeteiligten im elektronischen Verkehr mit der Behörde darf diese die ZMR-Zahl (§ 16 Abs. 4 des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992) als Ausgangsbasis für eine verwaltungsbereichsspezifisch unterschiedliche, abgeleitete und verschlüsselte Personenkennzeichnung verwenden. Die ZMR-Zahl darfauch auf den im elektronisches Verwaltungssystem für die Sozialversicherung (ELSY, § 31 a Abs. 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes. BGBl. Nr. 189/1955) verwendeten Chipkarten als Ausgangszahl für die eindeutige Iden-
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Elektronisch erfasste Aktenteile sollen die gleiche Beweiskraft besitzen wie das Original, sofern eine nachträgliche Manipulation ausgeschlossen ist (§ 13 Abs. 9 AVG 1 1 ), alle Aktenvorgänge sind elektronisch möglich (§ 14 Abs. 8, 18 Abs. 1,3 und 4 A V G ) 1 2 . Die Erledigung der Behörde auf einen elektronisch gestellten Antrag kann ebenfalls elektronisch erfolgen (§ 18 Abs. 3 AVG, § 17a und 26a des Zustellgesetzes)lj. Eine neu eingeführte Zustellform ist dabei die, dass der Empfänger bloß davon verständigt wird, dass ein elektronisches Dokument auf einem Server bereitliegt. Greift der Adressat tatsächlich auf den Server zu, so hat die Behörde einen indirekten Beleg für die erfolgreiche Zustellung.
tifikation des Karteninhabers bei der Anwendung der elektronischen Signatur und der Verschlüsselung gespeichert werden. Die ZMR-Zahl darf von der Behörde anlässlich der elektronischen Identifikation nicht aufgezeichnet werden." 11 In der Fassung des Verwaltungsreformgesetzes 2001 (Fn. 9). 12 In der Fassung der Verwaltungsverfahrensnovelle 2001 und des Verwaltungsreformgesetzes 2001 (Fn. 9). b In der Fassung des Verwaltungsreformgesetzes 2001 (Fn. 9).
A u f dem Weg zu einem europäischen Umweltverfahrensrecht? Anmerkungen aus österreichischer Sicht Von Stephan Schwarzer
I. Vorbemerkungen Gegenstand der folgenden Betrachtungen sind behördliche Verfahren über die umweltrechtliche Zulassung von Investitionsvorhaben. Im Kontext des Generalthemas der „Europäisierung des Verwaltungsverfahrensrechts" möchte ich der Frage nachgehen, inwieweit die europäische Ebene die Rechtsentwicklung im Bereich der Umweltverfahren auf der nationalen Ebene beeinflusst und ob in diesem Zusammenhang bereits ein europäisches Verfahrensrecht entstanden ist. Dazu werde ich zunächst die Entwicklungslinien des Umweltverfahrensrechts in Österreich nachzeichnen (II). Anschließend gehe ich auf die bisherige und die absehbare Entwicklung auf europäischer Ebene ein (III). Den Abschluss bildet eine thesenhafte Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung (IV). In inhaltlicher Hinsicht steht das auf der nationalen wie der gemeinschaftlichen Ebene jeweils unterschiedlich wahrgenommene Spannungsfeld zwischen Ökologisierungs- und Ökonomisierungsbestrebungen 1 im Vordergrund. Den folgenden Ausführungen lege ich ein weites Verständnis des Begriffs Verfahrensrecht zugrunde. Mit Verfahrensrecht meine ich im Folgenden nicht bloß Regelungen zur prozeduralen Abwicklung im engeren Sinn, etwa betreffend die Ermittlung des Sachverhalts, die zur Verfügung stehenden Fristen, Beteiligung von Betroffenen und der Öffentlichkeit, Form und Erlass der Erledigungen, (dies würde dem österreichischen Begriffsverständnis entsprechen2). Auch die Regelungen, welche subjektive Abwehrrechte der von den Auswirkungen einer Anlage Betroffenen, sowie Vorschriften über die Zuständigkeiten der Behörden beziehe ich in die Betrachtung mit ein. 1
Rechtsvergleichend zur Ökonomisierung des Verwaltungsverfahrensrechts Sommermann, Konvergenzen im Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht europäischer Staaten, DÖV 2002, 133 (140). 2 Vgl Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 7. Auflage, Wien 1999, Rz. 14 ff.
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II. Entwicklung in Österreich 1. Entwicklung von 1970 bis 1995: Ökologisierung der Anlagengenehmigungsverfahren Lange Zeit war die Entwicklung der Umweltverfahren in Österreich ausschließlich von der Ökologisierung und der Verrechtlichung geprägt. Die Ökologisierung war ein mehrschichtiger Prozess, der die Rechtsetzung und die Rechtsanwendung erfasste. Aufgrund eines erhöhten Problemverständnisses bei Betroffenen, Sachverständigen, Behörden und Gerichten und dementsprechend verstärkter Wahrnehmung von Abwehrrechten durch Betroffene fand eine schleichende Ökologisierung auf der Ebene der Rechtsanwendung statt. Tradierte generalklauselartig formulierte anlagenrechtliche Genehmigungsvorbehalte, die vormals extrem restriktiv (nur große Anlagen erfassend) verstanden worden waren, wurden nunmehr ihrem Inhalt gemäß auch auf kleinere Anlagen bis hin zu „Bagatellfällen" und dementsprechend auf eine immense Zahl von Fällen angewandt. Dies kann etwa an den Beispielen der Friseursalons, die immer mehr zur genehmigungspflichtigen Betriebsanlage mutierten oder des Aufstellen eines Billardtisches in einem Kaffeehaus, das als Fall einer genehmigungspflichtige Anlagenänderung erkannt wurde 3, veranschaulicht werden. Zu Beginn der siebziger Jahre wurden noch weit bedeutendere Vorhaben, etwa die Errichtung eines Gasthauses oder eines Hotels, als genehmigungsfrei angesehen, das heißt, es wurde ihnen die Eignung, auf die Umgebung beeinträchtigend einzuwirken, pauschal abgesprochen. Diesen Prozess des wachsenden Problembewusstseins auf der Anwendungsebene begleitete - zeitlich versetzt - ein tiefgreifender Ökologisierungsprozess auf der Ebene der Gesetzgebung4. Die legislative Ökologisierung brachte, um nur einige ihrer wichtigsten Ausdrucksformen zu nennen, — eine Ausdehnung von Genehmigungsvorbehalten (a), — die Ergänzung des Kanons der Genehmigungskriterien (b) und — damit verbunden die Erweiterung der Einspruchsrechte Dritter (c).
3
VwGH, 27.3.1990, 89/04/0223 (ZfVB 1991/2/550). Vgl zum Folgenden Schwarzer, Genehmigung von Betriebsanlagen, Wien 1991, S. 12 ff. 4
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a) Die Ausdehnung der Genehmigungsvorbehalte fand in zweifacher Weise statt: Neue Spezialgesetze für einzelne Anlagengattungen, etwa das Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen, die Abfallwirtschaftsgesetze des Bundes und der Länder und das Immissionsschutzgesetz-Luft, führten neue Genehmigungsregime ein. In bestehenden Gesetzen, die bisher keine anlagenrelevanten Vorschriften enthielten, wurden umweltrechtliche Anlagengenehmigungsvorbehalte aufgenommen, etwa im Forstgesetz und im Wasserrechtsgesetz. b) In der Gewerbeordnung wurde das Vorsorgeprinzip für die Luftreinhaltung (1988) und den Umgang mit Abfällen (1990) in Gestalt von Genehmigungsvoraussetzungen eingeführt. Für Großanlagen brachte das neue UVP-Gesetz 1993 sehr weitgespannte Genehmigungskriterien, die in Summe die Forderung einer gesamthaften Umweltverträglichkeit ergeben. c) Soweit neue Genehmigungsvoraussetzungen Drittschutzcharakter haben, erweitern sich die Einspruchsrechte Dritter dementsprechend. Bei den Konkretisierungen des Vorsorgeprinzips war dies nicht der Fall, ihnen wurde nur objektivrechtlicher Gehalt zugemessen5. Als Verstärkung des Drittschutzcharakters kann indes das Ensemble der Immissionsgrenzwerte für Luftschadstoffe angeführt werden, die zwar nur bestehende Schutzgüter konkretisieren und keine neuen Schutzgüter repräsentieren, aber in diesem Sinn Rechtspositionen von Dritten begründen.
2. Parallelentwicklung:
Verrechtlichung
der Anlagengenehmigungsverfahren
Die Verrechtlichung des Anlagenrechts - hier verstanden als Ausbau des Instrumentariums des Rechtsschutzes und der Rechtsdurchsetzung - ergab sich zum Teil bereits unmittelbar aus der beschriebenen Ökologisierung. Dies insofern, als die Erweiterung von subjektiven Rechten gleichzeitig Möglichkeiten des Rechtsschutzes und der Rechtsdurchsetzung eröffnet. Es gibt jedoch auch eine Komponente der Verrechtlichung, die sinnvollerweise selbstständig darzustellen ist.
3
Schwarzer. Genehmigung, 289 ff. Siehe für den Gesundheitsschutz des Menschen die Immissionsgrenzwerte des „Immissionsschutzgesetzes - Luft" (BGBl. I 1997/115) und für den Schutz des Waldes die Immissionsgrenzwerte einer Durchführungsverordnung zum Forstgesetz (BGBl. 1984/199). 6
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Dabei handelt es sich um die Ergänzung individueller Rechtsschutzinstrumente durch Formen des objektiven oder kollektiven Rechtsschutzes. In den Ländern wurden etwa ab 1986 durch Gesetze weisungsfreie Umweltanwaltschaften eingerichtet. Ihre Aufgabe es ist, die Belange des Umweltschutzes in bau- und naturschutzrechtlichen Verfahren als Verfahrensparteien gegenüber dem Genehmigungswerber und der Genehmigungsbehörde zu vertreten 7. Diesen Umweltanwaltschaften verlieh das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 1993 für den Bereich der UVP-Verfahren Parteistellung. Daneben anerkannte dieses Gesetz auch Bürgerinitiativen, welche von mindestens 200 unterstützungsberechtigten Personen unterstützt werden, als Verfahrensparteien 8. Auch den Gemeinden und zuletzt (UVP-G 2000, A WG 2002) den wasserwirtschaftlichen Planungsorganen wurde die Parteistellung zugesprochen. Bemerkenswert war nicht nur die Erweiterung des Kreises der Einspruchsberechtigten. Bei den neuen „Gegenparteien" fiel auch die Begrenzung des Rechtsschutzes auf die Wahrnehmung der jeweiligen subjektiven Rechte weg, denn sie sind befugt, die Einhaltung jeglicher Umweltschutzvorschrift, im Fall des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans jeglicher Gewässerschutzvorschrift, geltend zu machen. Die neuen Formen des Rechtschutzes dienten zunächst der Überwindung der Ein-Parteien-Verfahren, in denen der Behörde nur eine Partei, der verfahrensveranlassende Genehmigungswerber, gegenüberstand9. In der effektiven Ausgestaltung und Anwendung kommt diesen neuen Formen aber selbstverständlich auch bei den Verfahren, in denen es einwendungsberechtigte Einzelpersonen gibt, erhebliche Bedeutung zu. Einen Beitrag zur Verrechtlichung liefert auch das 2001 beschlossene Verwaltungsreformgesetz. Dieses beruft die gerichtsähnlich konstruierten - insbesondere weisungsfreien - Unabhängigen Verwaltungssenate (UVS) anstelle politischer Behörden zur Entscheidung über Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Entscheidungen.
7
Vgl Moosbauer, Die Rechtsstellung des Landesumweltanwalts, ÖGZ 1989, H 12, 2. Zu den Bürgerinitiativen Köhler/Schwarzer, Kommentar zum UVP-Gesetz (1997), Rz 38 ff. zu § 19 (208 ff.). 8
9
Zur historischen Entstehung siehe Schwarzer, Probleme des Verfahrens bei der Genehmigung umweltbelastender Anlagen, ZfV 1987, 397.
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3. Entwicklung ab 1995: Ökonomisierung der Anlagengenehmigungsverfahren als Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Etwa um 1995 kommt es zu einer neuen Entwicklung: Es setzen starke Ökonomisierungsbestrebungen ein, die durchaus den bisher dominanten Ökologisierungs- und Verrechtlichungstendenzen entgegenlaufen. Diese zuletzt genannten kommen nicht zum Erliegen, stehen aber nun in der Gesetzgebung und in der Anwendung im Widerstreit zu den Ökonomisierungstendenzen. Grundlage der Ökonomisierungstendenzen ist die Einsicht, dass die nationalen Regelungssysteme zur behördlichen Zulassung von Investitionsprojekten nicht nur für den Umweltschutz, sondern auch für die Wirtschaft funktional adäquat gestaltet werden müssen10. Unter den Kriterien, nach denen Investoren ihre Investitionsstandorte auswählen, kann die Dauer von Genehmigungsabläufen eine maßgebliche - negative - Rolle spielen. Dies ist der Fall, wenn ein Land in dieser Hinsicht signifikant schlechtere Bedingungen (Langwierigkeit der Genehmigungsabläufe oder gar fehlende Kalkulierbarkeit der erforderlichen Zeitspannen bis zur Realisierbarkeit des Projekts aus rechtlicher Sicht) bietet als andere Länder, die nach den sonstigen Auswahlkriterien auch als Investitionsstandorte in Betracht kommen. Die Regelungssysteme der Anlagenzulassungen stehen somit selbst zueinander in einem Wettbewerb. Defizite bei den Regelungssystemen aus Sicht der Investoren können so eine Belastung eines Landes im internationalen Standortwettbewerb bewirken. Als Beispiele für Vereinfachungs- und Beschleunigungsmaßnahmen sind zu nennen: — die großflächige Einführung vereinfachter Genehmigungsverfahren — der schrittweise Ausbau der Konzentrationswirkungen von Genehmigungen, — die Weiterentwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts im Hinblick auf Anlagengenehmigungsverfahren und — der Um- und Rückbau des UVP-Regimes.
10 Dazu und zum Folgenden (für Österreich) Schwarzer, Reform des Betriebsanlagenrechts, herausgegeben vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten (1997), 32 ff., und (für Deutschland): Investitionsförderung durch flexible Genehmigungsverfahren. Bericht der unabhängigen Expertenkommission zur Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren (1994).
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a) Vereinfachte Genehmigungsverfahren Schon ab dem Ende der achtziger Jahre begann sich in Österreich der Gedanke zu verbreiten, dass ein einheitliches Anlagenzulassungsverfahren den Unterschieden der in der Realität zu bewältigenden Genehmigungsfälle nicht gerecht wird. Gefordert wurde die Entwicklung eines Systems nach dem Prüfungsaufwand und der Verfahrensdauer abgestufter Zulassungsverfahren 11. Dem „Normalverfahren" sollten einerseits abgekürzte Verfahren für die einfacheren Genehmigungsfälle, andererseits vertiefende Verfahren mit besonderem Qualitätsanspruch für die komplexen Genehmigungsfälle an die Seite gestellt werden. Der Siegeszug der vereinfachten Genehmigungsverfahren fand allerdings erst ab 1995 statt. Heute gibt es in beinahe allen einschlägigen Anlagengenehmigungsregimen vereinfachte Verfahren, so etwa in der GewO, im Abfallrecht, im Wasserrecht und im Baurecht. Insgesamt besteht derzeit eine Vielfalt vereinfachter Verfahren, die zum überwiegenden Teil als Genehmigungsverfahren, zum Teil aber auch als Anzeigeverfahren ausgestaltet sind 12 . Die vereinfachten Genehmigungsverfahren sind durch den Wegfall von Einspruchsberechtigungen und Parteistellungen und die Geltung verkürzter Erledigungsfristen (in der Regel Halbierung bis Drittelung der normalen Erledigungsfrist) gekennzeichnet. Bei genauerer Betrachtung kann man zwei Arten der vereinfachten Verfahren unterscheiden. Bei der ersten Gruppe ist im Prinzip dasselbe Verfahrensprogramm zu bewältigen wie bei den ordentlichen Genehmigungsverfahren (d.h. die Genehmigungsbehörde hat die Einhaltung aller auch sonst geltenden Genehmigungsvoraussetzungen zu prüfen). Es fallen bloß Einspruchsberechtigungen und Parteistellungen weg und die Erledigungsfrist wird deutlich verkürzt. Der Vereinfachungseffekt resultiert hier im Wesentlichen daraus, dass die für dieses Verfahren vorgesehenen Bewilligungsfälle aufgrund des begrenzten Ausmaßes der vom Vorhaben ausgehenden Einwirkungen vom Tatsächlichen her einen geringeren Ermittlungsaufwand erfordern.
11 Vgl. Schwarzer, Die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren als wirtschaftsund umweltpolitisches Anliegen, in: Schwarzer (Hg.), Die Beschleunigung von Betriebsanlagengenehmigungen (1997), 1 ff. Siehe auch die in diesem Band abgedruckten Empfehlungen der österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT), 115 ff. (116) sowie des Umweltrates, 122. 12
Näher zur Typologie der vereinfachten Verfahren Schwarzer, Vereinfachte Zulassungsverfahren fur Betriebsanlagen im Spannungsfeld von Verfahrensbeschleunigung, Rechtssicherheit und Umweltschutz, in: Rill (Red.), Festschrift 100 Jahre Wirtschaftsuniversität Wien, dargebracht vom Fachbereich Rechtswissenschaften (1998), 339 ff.
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Hingegen kommt es bei der zweiten Gruppe der vereinfachten Verfahren zu einer krassen Reduktion des Verfahrensthemas. Als Beispiel für die zuletzt genannte Variante ist das Anzeigeverfahren für Anlagenänderungen in der Gewerbeordnung zu erwähnen 13. Hier geht es nur noch um die Frage, ob es sich um eine emissionsneutrale Anlagenänderung oder um einen Maschinenaustausch handelt. Alle anderen Fragen, etwa der Beitrag zur Immissionsbelastung, die Auswirkungen auf Schutzgüter und die Frage, ob der Stand der Technik eingehalten ist, sind auszuklammern. Zu verweisen ist auch auf das Anzeigeverfahren für Anlagenänderungen (auch Anlagenerweiterungen) nach dem Umweltmanagementgesetz, welches ähnlich konzipiert ist und das der Gesetzgeber Betrieben anbietet, die das europäische Umweltmanagementsystem „EMAS" installiert haben. Die Prüfung formaler Fragen tritt hier jedoch kaum an die Stelle der Prüfung der Einhaltung inhaltlicher Genehmigungsvoraussetzungen14.
b) Ausbau der Konzentrationswirkungen Ein weiterer Schwerpunkt der Bemühungen um ein bedarfsgerechtes Anlagenzulassungsrecht war das Streben nach Zusammenfassung und Bündelung bisher separat durchzuführender Zulassungsverfahren 15. Verschiedene Anlagenbewilligungen wurden mit Konzentrationswirkungen ausgestattet, d.h. dass Anlagenbewilligungen, die nach anderen Rechtsvorschriften erforderlich wären, in einer bestimmten Bewilligung bereits inkludiert sind. Marksteine der Entwicklungen sind die Einführung der konzentrierten Anlagenbewilligung im Abfallrecht (1990), im UVP-Regime (1993) und im Gewerberecht (1997, ausgebaut, durch die Novelle 2000 und die Novellierung durch das Verwaltungsreformgesetz 2001). Das neue Abfallwirtschaftsgesetz 2002 brachte einen nochmaligen Ausbau der Entscheidungskonzentration durch Einbeziehung des Naturschutzrechts. Die genannten Verfahrenskonzentrationsregelungen verdrängen die nach anderen Rechtsvorschriften geregelten Genehmigungsverfahren, die dort aufgestellten Genehmigungsvoraussetzungen sind jedoch mit anzuwenden (deshalb spricht man auch vom „konzentrierten Genehmigungsverfahren").
Ij Schwarzer, Das Anzeigeverfahren für die Änderung von Betriebsanlagen nach der Gewerberechtsnovelle 1997, ecolex 2000, 684 ff. 14 List/Tschulik, Verwaltungsvereinfachungen durch EMAS und das Umweltmanagementgesetz, RdU 2001, 83 (85). 15 Siehe die Empfehlungen der ÖGUT und des Umweltrates, abgedruckt in: Schwarzer (Hg.), Beschleunigung, 116 und 122.
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Demgegenüber entwickelte das Verwaltungsreformgesetz 2001 16 - ergänzend - einen verfahrensrechtlichen und einen kompetenzrechtlichen Ansatz der Verfahrenskonzentration. Soweit ein- und dieselbe Behörde für mehrere Genehmigungsverfahren zuständig ist - und solche Fälle gibt es immer noch - , wird sie dazu ermächtigt, diese gemeinsam durchzuführen. Gleichzeitig werden die Zuständigkeitsbestimmungen zahlreicher einschlägiger Umweltgesetze so gestaltet, dass im Regelfall immer dieselbe Behörde, nämlich in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde, in zweiter Instanz der Unabhängige Verwaltungssenat für alle anlagenrelevanten Genehmigungsverfahren zuständig ist. Beim Verwaltungsreformgesetz mischen sich standortpolitische und verwaltungsreformatorische Ökonomisierungsüberlegungen.
c) Weiterentwicklung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts Das Verwaltungsverfahrensrecht (im engeren Sinn) wurde 1998 von den Beschleunigungsbestrebungen erfasst. Im Zentrum der - weitgehend einhellig anerkannten- Kritik waren einerseits das Fehlen adäquater Bestimmungen für Massenverfahren und andererseits die enorme Zersplitterung des anlagenbezogenen Verfahrensrechts durch ein immer üppigeres Sonderverfahrensrecht in den materiellen Anlagengesetzen17. Die Novelle 1998 führte dementsprechend unter dem Titel „Großverfahren" ein Sonderregime für Verfahren ein, an denen sich voraussichtlich mindestens 200 Personen beteiligen können 18 . Es enthält die seit Langem geforderten speziellen Bestimmungen über die Kundmachung der Vorhaben, über die Präklusion der Parteistellungen und die Zustellung behördlicher Mitteilungen und Erledigungen per Edikt. Damit ging ein Rückbau des Sonderfahrensrechts in den materiellen Gesetzen einher. Im materiellen Recht wurden verfahrensrechtliche Bestimmungen in mehreren Schritten abgebaut oder weiterentwickelt. 1995 entfiel in der GewO die Duplizität von Errichtungs- und Betriebsbewilligungen 19. Stattdessen wurde eine betreiberfreundliche Regelung über Versuchsbetriebsbewilligungen aufgenommen, die es erlaubt, die Errichtung und den Betrieb der Anlage vor Ab16
BGBl. I 65/2002. Vgl. die Empfehlungen der ÖGUT sowie des Umweltrates, abgedruckt in: Schwarzer (Hg.), Beschleunigung, 117 und 119 ff. 18 List, Die neuen Bestimmungen der AVG-Novelle 1998 über Großverfahren, in: Schwarzer (Hg.), Das neue Anlagenverfahrensrecht (1999), 91 ff. 17
19
Donninger, Bisherige Bemühungen des Bundesgesetzgebers zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, in: Schwarzer (Hg.), Beschleunigung, 49 (51 ff.).
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schluss des Genehmigungsverfahrens gewissermaßen provisorisch zu genehmigen. 1997 durchbrach der Gesetzgeber im Gewerberecht den Grundsatz der aufschiebenden Wirkung von Berufungen gegen Genehmigungen (nur noch Berufungen wegen Gefährdung der Gesundheit von Arbeitnehmern haben aufschiebende Wirkung). Gleichzeitig wurde die Änderung des Projekts während des Genehmigungsverfahrens erleichtert, um zu vermeiden, dass der Projektwerber im Falle einer Projektänderung das gesamte Verfahren ab initio neu durchführen muss20.
d) Um- und Rückbau des UVP-Regimes Das ursprüngliche UVP-Gesetz aus 1993 wurde 2000 einer tiefgreifenden Revision unterzogen, welche stark im Zeichen der Verfahrensbeschleunigung stand21. Die zuvor stark ausgedehnten Erledigungsfristen werden verkürzt. Nunmehr gibt es zwei Verfahrensarten innerhalb des UVP-Regimes, ein herkömmliches und ein vereinfachtes UVP-Verfahren. Beim vereinfachten UVPVerfahren wird das Umweltverträglichkeitsgutachten durch eine „zusammenfassende Bewertung" ersetzt. Für beide Verfahrensarten entfällt die Auflage des Entwurfs einer Gutachterliste. Das Vorverfahren erhält echten fakultativen Charakter. Auf die Verpflichtung des Antragstellers, im Genehmigungsantrag sämtliche anwendbare Genehmigungstatbestände anzugeben, wird verzichtet. Für das herkömmliche UVP-Verfahren wirkt weiter der Wegfall des Formalismus der Zweistufigkeit des Umweltverträglichkeitsgutachtens - die bisherige Trennung zwischen Teilgutachten und Gesamtgutachten wird aufgehoben entlastend.
4. Empirische Befunde zu den erzielten Beschleunigungseffekten Diese Bestrebungen haben im Verbund mit umfassenden Maßnahmen zur Verbesserung des Verfahrensmanagements, auf die ich hier nicht im Einzelnen eingehe22, eine deutlich Reduktion der tatsächlichen Verfahrensdauern erbracht. Diese Regelung wurde 1998 ins allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht transferiert. Zu ihrem Inhalt Köhler, Weitere anlagenrechtrelevante Änderungen des AVG, in: Schwarzer (Hg.), An lagen verfahrensrecht, 101 ff.
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Näher Furherr/Schwarzer, Das neue Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (2000), 76. 22 Dazu einlässlich Ober seder/Hiithmair, Beschleunigung der Betriebsanlagenverfahren - Maßnahmen und praktische Erfahrungen der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen, in: Schwarzer (Hg.), Beschleunigung, 61 ff., 75 f.
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Zum verbesserten Verfahrensmanagement sei nur das eine angemerkt: Es ist Ausdruck dessen, dass die standortpolitisch veranlassten Ökonomisierungsbestrebungen auch auf der Vollzugsebene stark wirkten und wirken. Die Verkürzung der Verfahrensdauern ist meines Erachtens empirisch klar belegt: Genehmigungsverfahren benötigen heute im bundesweiten Durchschnitt nur noch 120-150 Tage. Die Benchmark für die „optimierte durchschnittliche Verfahrensdauer 44 dürfte bei etwa 60-70 Tagen liegen, ein Wert, der von etlichen Verwaltungsbezirken bereits erreicht wird 2 j . Um 1995 lag der Durchschnittswert der Dauer der Anlagengenehmigungsverfahren bei rund 400 Tagen 24 . Demnach wurde die Verfahrensdauer auf etwa ein Drittel verkürzt, wobei der reduzierte Wert von fortschrittlichen Behörden nochmals halbiert wird (Reduktion dort somit auf rund ein Sechstel der ursprünglichen Verfahrensdauer). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gewerberechtlichen Genehmigungsverfahren, auf die sich die Angaben beziehen, insofern aufgewertet wurden, als sie im Unterschied zu früher als konzentrierte Verfahren nunmehr auch Genehmigungen abdecken, die früher separat einzuholen waren. Bei den UVP-Verfahren gibt es ebenfalls starke Hinweise auf die Realisierung von Beschleunigungseffekten. Während die Verfahren nach dem UVP-G 1993 rund 1.000 Tage dauerten 25, beträgt die Verfahrensdauer nach dem UVPG 2000 durchschnittlich nur noch die Hälfte (Infrastrukturprojekte sind hier nicht berücksichtigt).
2j Vgl. Schwarzer, An einem neuen Anlagenrecht führt kein Weg vorbei, in: Österreichischer Wasser- und Abfallwirtschaftsverband (Hg.), Neues Anlagenrecht und Stand der Technik (1999), 69 ff., und Bürger, Die Genehmigung von Betriebsanlagen nach der Gewerberechtsnovelle 1997 - eine Behördenbefragung zur Entwicklung der Verfahrensdauer in den Jahren 1996 und 1998, Diplomarbeit an der Wirtschaftsuniversität Wien (2000). 24 Huber, Gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigungsverfahren in Österreich, Band 4 der Schriftenreihe Wissenschaft und Wirtschaftspraxis der Wirtschaftskammer Österreich (1999): derselbe. Dauer und Verzögerungsfaktoren der Genehmigungsverfahren. Ergebnisse einer Unternehmensbefragung, 91 f., in: Schwarzer (Hg.), Beschleunigung, 9 ff. 25
Vgl Schröck, Umweltverträglichkeitsprüfung in Österreich und Europa, IWIArbeitsheft 40, Industriewissenschaftliches Institut (1999); Schmelz/Schwarzer, Investitionshemmnis Betriebsanlagenrecht, Dringendster Reformbedarf beim UVP-Gesetz, Umweltschutz der Wirtschaft, herausgegeben von der Abteilung für Umweltpolitik der WKÖ, 1996, Heft 6, 5 ff., und Sommer/Bergthaler, Evaluation der Verfahren zum UVPGesetz (2000), 148 f.
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III. Bisherige Entwicklung auf europäischer Ebene 1. Harmonisierung ökologischer und rechtlicher Mindeststandards Auf europäischer Ebene ist eine lang anhaltende Entwicklung des Anlagenverfahrensrechts in die Richtung der Festlegung ökologischer und rechtlicher Mindeststandards zu verzeichnen. Diese dienen gleichzeitig zwei Zielen: Einerseits soll das Umweltschutzniveau angehoben werden, andererseits soll vermieden werden, dass Länder durch das Fehlen eines adäquaten Umweltschutzes gegenüber den anderen Mitgliedstaaten Wettbewerbsvorteile haben. Ökonomisierungstendenzen sind auf der Ebene der europäischen Rechtsetzung - im Unterschied zur einzelstaatlichen Ebene - nicht auszumachen. Die wichtigsten Marksteine der Ökologisierung waren bislang: — Die Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter öffentlicher und privater Vorhaben (UVP-Richtlinie) aus 1984, erweitert 1997: Sie ist eine umweltverfahrensrechtliche Richtlinie im engeren Sinn, denn sie schreibt ein bestimmtes Verfahren der - integrativen - Prüfung der Umweltauswirkungen von Projekten vor, wobei die Öffentlichkeit über das Projekt und seine möglichen Auswirkungen umfassend zu informieren ist; — Die Richtlinie über integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU-Richtlinie, nach dem englischen Titel auch IPPCRichtlinie genannt): Diese Richtlinie ist eine Rahmenrichtlinie für die Gestaltung des Anlagenrechts durch die Mitgliedstaaten. Ihr Anwendungsbereich beschränkt sich wie jener der UVP-Richtlinie auf große Anlagen, die dabei verwendeten Schwellenwerte sind jedoch niedriger als in der UVPRichtlinie. Die IVU-Richtlinie vereinigt materiellrechtliche und verfahrensrechtliche (i.e.S.) Elemente. Die erstgenannten inkludieren mitgliedstaatliche Verpflichtungen, Genehmigungspflichten, Genehmigungsvoraussetzungen und Überwachungspflichten für die betroffenen Projekte. Beschleunigungsbestrebungen auf mitgliedstaatlicher Ebene, die auch „konkludente Bewilligungen" oder „Bewilligungsfiktionen" (wenn die Behörde innerhalb einer bestimmten Frist nicht reagiert) als Bewilligungsfonnen gelten lassen wollen, schiebt die Richtlinie einen Riegel vor 26 . Eine starke Ökologisierungsverpflichtung betrifft auch die bestehenden Anlagen, die in periodi26 Artikel 8 der IPPC-Richtlinie (96/61/EG) sieht vor: „ ... erteilt die zuständige Behörde eine Genehmigung mit Auflagen, die sicherstellen, dass die Anlage den Anforderungen dieser Richtlinie entspricht; ist dies nicht der Fall, lehnt sie die Genehmigung ab." Der EuGH hat in mehreren Urteilen festgestellt (vgl. EuGH 14.06.2001 RSC 230100, Punkt 14 ff.), dass eine stillschweigende Genehmigung nicht mit den gemeinschaftsrechtlichen Erfordernissen einer behördlichen Genehmigung vereinbar ist.
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sehen Abständen an den aktuellen Stand der Technik anzupassen sind. Die Richtlinie hat auch eine verwaltungsorganisatorische Komponente: Der integrative Charakter der Prüfung der Umweltauswirkungen verlangt Instrumente der Konzentration der Genehmigungskompetenzen oder der Koordination zwischen mehreren entscheidungsbefugten Behörden. Formellrechtliche und materiellrechtliche Elemente finden sich auch in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sowie in der Vogelschutzrichtlinie. Die Mitgliedstaaten sind zur Ausweisung von Schutzgebieten verpflichtet, in denen Naturschutzpläne zu erstellen und beabsichtigte Eingriffe einer Naturverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind. Den Mitgliedstaaten wird in der Richtlinie ein Abwägungsprogramm vorgegeben. Betrifft ein Eingriff eine der in der Richtlinie genannten besonders schutzwürdigen Arten, ist die Europäische Kommission vor der Entscheidung über die Genehmigung anzuhören. Folgt die mitgliedstaatliche Genehmigungsbehörde dem Votum der Europäischen Kommission nicht, so hat diese die Möglichkeit, gegen den Mitgliedstaat eine Vertragsverletzungsklage einzubringen. Ähnlich der IPPC-Richtlinie verlangt auch die Abfallrahmenrichtlinie ein gewisses Grundgerüst von Genehmigungsvorbehalten und behördlichen Überwachungspflichten. Die Wasserrahmenrichtlinie enthält ein ambitioniertes Programm der Bewirtschaftung der Wasserressourcen durch die Mitgliedstaaten. Es sind Bewirtschaftungspläne aufzustellen. Das Besondere liegt darin, dass das Bewirtschaftungsprogramm nach Flusseinzugsgebieten aufzubauen ist. Dies erzeugt Spannungen zum bestehenden System der Behördenkompetenzen auf mitgliedstaatlicher Ebene und erfordert neuartige Instrumente der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Im Vergleich zum österreichischen Recht fällt auf, dass das EU-Umweltrecht die Gestaltungsrolle der Verwaltung stärker betont. Während das österreichische Recht Verwaltung im Wesentlichen anlassbezogen als genehmigende und sanktionierende Rechtsfolgenfestlegung begreift, nimmt die EU-Richtlinie die nationalen Verwaltungen in die Pflicht, um Ist-Zustände zu beschreiben und abzusichern oder Soll-Zustände konzeptiv zu entwickeln und in der Realität herbeizuführen sowie die Effekte der getroffenen Maßnahmen zu evaluieren und Maßnahmenkataloge dementsprechend anzupassen und fortzuschreiben. Die der Europäischen Kommission insofern eingeräumte Überwachungsfunktion wird durch extensive Berichtspflichten der Mitgliedstaaten abgestützt. Damit erzwingen die Richtlinien wohl auf längere Zeit die Zuordnung eines Mindestmaßes von Verwaltungsressourcen zu Aufgaben des Umweltschutzes.
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2. Weitere Ökologisierung durch das Aarhusprotokoll Eine neue Qualität erhalten die Europäisierungstendenzen mit dem Aarhusprotokoll, das im Oktober 2001 völkerrechtlich in Kraft getreten ist. Hier sind Mindeststandards für die Information der Betroffenen und für deren Einspruchsrechte vorgesehen 27. Die einzelnen Betroffenen sowie Nichtregierungsorganisationen müssen die Möglichkeit erhalten, gegen Genehmigungsentscheidungen bei einer unabhängigen Instanz wegen der Verletzung von Umweltvorschriften Klage zu erheben. Welche Verbände die Klagebefugnis erhalten, ist durch das nationale Recht festzulegen. Weiter verpflichtet das AarhusProtokoll die Mitgliedstaaten dazu, Betroffenen sowie Umweltverbänden Befugnisse zur gerichtlichen Durchsetzung der Einhaltung von Umweltrechtsvorschriften einzuräumen. Das Aarhus-Protokoll geht über die Ebene der Europäischen Union hinaus, es ist im Rahmen der ECE (Europäische Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen) zustande gekommen. Zu den teilnehmenden Staaten gehören auch die osteuropäischen. Die EU wird das Aarhusprotokoll wie ihre Mitgliedstaaten ratifizieren. Basis für die Erfüllung der Verpflichtungen aus der Konvention wird eine einschlägige EU-Richtlinie sein, welche bis Ende 2002 zu erwarten ist. Am 1. März hat der Umweltministerrat den Gemeinsamen Standpunkt zum Richtlinienvorschlag der Kommission verabschiedet 28. Bemerkenswert ist, dass die Frage der Rechtsstellung des ausländischen Nachbarn auch im Aarhus-Protokoll keiner Harmonisierung zugeführt wird. Nach wie vor bleibt es dem nationalen Gesetzgeber anheim gestellt, ausländischen Betroffenen Abwehrrechte gegen Projekte einzuräumen oder nicht 29 . Auch die bereits kundgemachte Richtlinie über die Strategische Umweltprüfung 30 setzt die Entwicklungslinie des Einziehens gemeinschaftsweiter ökologischer sowie partizipativer Mindeststandards fort.
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Dazu Kroiss, Die Verbandsbeschwerde im Umweltrecht - neue Impulse für Osterreich durch die Aarhus-Konvention, RdU 2001, 87. 28 Einhelliges Einvernehmen über den gemeinsamen Standpunkt wurde schon auf dem Umweltministerrat am 12.12.2001 erzielt (vgl. Press Release 459 Nr. 15060/01). Der gemeinsame Standpunkt wurde am 01.03.2002 verabschiedet (Ratsdokument Nr. 5475/02). 29 Zum Problem der Rechtsstellung der ausländischen Nachbarn im österreichischen Recht Schwarzer, Die Genehmigung von Betriebsanlagen (1992), 197 (m.w.Hinw.). 30 2001/42/EG, vgl. Ginzky, Die Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, UPR 2002, 47.
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3. Ist eine Ökonomisierung des Anlagenverfahrensrechts auf europäischer Ebene zu erwarten? In Bezug auf Effizienz und Tempo der Genehmigungsverfahren gibt es derzeit keine Regulative auf EU-Ebene. Die wenigen diesbezüglichen Bestrebungen sind schon im Vorfeld der Rechtsetzung stecken geblieben31. Offenbar wurde bislang insofern auf Gemeinschaftsebene kein Harmonisierungsbedarf gesehen, weil man darauf vertraut, dass der Standortwettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten ohnedies dafür sorgt, dass Potenziale der Verfahrensbeschleunigung auf dieser Ebene gesucht und ausgeschöpft werden. Eine andere Sichtweise könnte sich ergeben, wenn die EU die Effizienz verwaltungsbehördlicher Genehmigungssysteme als Determinante der Wettbewerbsfähigkeit der EU im Vergleich zu anderen Wirtschaftsräumen erkennt. Dies ist bisher nicht der Fall gewesen. Auch die rezenten Proklamationen der Europäische Union, die wettbewerbsfähigste Region der Welt werden zu wollen 32 , haben bisher nicht dazu geführt, dass die Verbesserung der Effizienz und die Verkürzung der Dauer von Genehmigungsregimen als Regelungsvorhaben auf der europäischer Ebene aufgegriffen wird. Wenngleich bislang explizite Initiativen auf der europäischen Ebene nicht vorliegen, wäre es kurzsichtig, der europäischen Ebene den Einfluss auf die Ökonomisierungsbestrebungen der Mitgliedstaaten überhaupt abzusprechen. Denn diese Bestrebungen sind nicht nur im jeweiligen innenpolitischen Diskussionsrahmen einzelner Mitgliedstaaten entstanden, sie sind auch von externen Entwicklungen auf Gemeinschaftsebene beeinflusst. Ohne Zweifel steht das Bemühen um die Steigerung der Attraktivität eines Landes im Zusammenhang mit dem Entstehen eines einheitlichen europäischen Wirtschaftsraumes, in dem die Investoren so beweglich sind wie früher innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten. Hinzu kommt, dass die neugeschaffene Wirtschafts- und Währungsunion die Mitgliedstaaten dazu drängt, ihre Ausgaben für die Verwaltung zu verringern, um die anspruchsvollen budgetpolitischen Ziele erreichen zu können. 31
Vgl Molitor, Der Umweltschutz im Bericht der Gruppe unabhängiger Experten für die Vereinfachung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften im Auftrag der Europäischen Kommission, in: Rengeling (Hg.), Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren - Deregulierung, 13 ff. 32 In den Schlussfolgerungen (Press Release Nr. 100/1/00) des Europäischen Rates von Lissabon am 23. und 24.03.2000 wird als neues strategisches Ziel fur das kommende Jahrzehnt bestimmt, „die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten, wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen" (Lissabonner Strategie). Dieses Ziel wird auf dem Europäischen Rat von Barcelona am 15. und 16.03.2002 bestätigt (Schlussfolgerungen: Press Release Nr. 100/02).
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IV. Zusammenfassende Thesen Die Ausführungen sind in folgenden drei Thesen zusammenzufassen: 1. Die Entwicklungen im Bereich des Umweltverfahrensrechts sind auf europäischer Ebene und auf nationaler Ebene - zumindest aus österreichischer Sicht- uneinheitlich. Während auf europäischer Ebene die Harmonisierung klar in die Richtung der Festlegung und Verdichtung ökologischer und rechtlicher Mindeststandards verläuft, ist die österreichischen Entwicklung von einer Ambivalenz gegenläufiger Bestrebungen gekennzeichnet: Dem Streben nach einer Adaptierung des Anlagengenehmigungsregimes an standortpolitische Erfordernisse steht der fortgesetzte Drang nach der Ausbau der ökologischen Standards und der Rechtspositionen von Betroffenen gegenüber. 2. Auf der europäischer Ebene gibt es bereits einen Kern eines anlagenbezogenen Umwelt(verfahrens)rechts. Ihn bilden fachspezifische Richtlinien wie die Naturschutzrichtlinien, die Wasserrahmenrichtlinie und die Abfallrahmenrichtlinie im Verbund mit der allgemeinen Anlagenrahmenrichtlinie (IPPC-Richtlinie) und den Verfahrensrichtlinien (UVP-Richtlinie, SUP-Richtlinie). Die bevorstehende Anpassung von Richtlinien zur Umsetzung des Aarhus-Protokolls wird diesen Anlagenverfahrensrechtskern noch weiter abrunden. Charakteristisch für das einschlägige EU-Recht ist die Verantwortung der Verwaltung auf mitgliedstaatlicher Ebene für die aktive Pflege und Verbesserung des Umweltzustandes. 3. Auch wenn von der Europäischen Ebene bisher keine Vorgaben gekommen sind, die die Ökonomisierung der Umweltverfahren betreffen, so muss man doch davon ausgehen, dass die Europäische Ebene die Mitgliedstaaten durch allgemeine Bestrebungen, etwa in der Wirtschafts- und der Budgetpolitik, unter Druck setzt. Der Zielkonflikt zwischen immer anspruchsvolleren und verwaltungsaufwändigen Untersuchungsprogrammen und Maßnahmenkatalogen auf der einen Seite und der Verschlankung der Verwaltung auf der anderen Seite könnte sich daher in Zukunft verschärfen.
Europäisierung des Verwaltungsverfahrensrechts Länderbericht Frankreich Von Michel Fromont Das französische Verwaltungsrecht ist bisher noch nicht einheitlich kodifiziert, aber gerade deshalb wird es ständig weiterentwickelt. Die meisten Regelungen sind in verschiedenen Gesetzen festgelegt, wobei die wichtigsten in den letzten 25 Jahren verkündet wurden. Das letzte Gesetz ist das Gesetz Nr. 2000321 vom 12. April 2000 über die Rechte der Bürger in ihren Beziehungen zu den Verwaltungsbehörden (Bürgerrechtegesetz). Die Rechtsprechung des Conseil d'État ist dieser Gesetzgebung teilweise vorangegangen; ζ. B. wurde das Anhörungsrecht zuerst durch den Conseil d'État entwickelt. Noch heute gelten daneben weiter ungeschriebene Grundsätze über die Pflichten, Stellungnahmen anderer Verwaltungsbehörden einzuholen oder über den Verlauf der Beratung in einem Gremium. Bisher ist der Einfluss des europäischen Rechts (EU- und EG-Recht) auf das französische Verwaltungsverfahrensrecht gering. Nur auf dem Gebiet des Umweltrechts, des Vergaberechts und neuerdings des Datenschutzes ist der Einfluss bemerkbar. Ansonsten geschieht die Annäherung an die Rechtsordnungen der europäischen Staaten eher ungesteuert und spontan. Im Folgenden werden in aller Kürze nacheinander die allgemeinen Grundsätze, die Sonderverfahren und die Fehlerfolgen dargestellt. Fragen des materiellen Verwaltungsrechts, wie ζ. B. der Umfang des Ermessens oder die Rücknahme des Verwaltungsaktes, werden dabei nicht eingehender untersucht, weil der Begriff des Verwaltungsverfahrens im französischen Recht sehr eng verstanden wird.
I. Grundsätze Der Gesetzgeber hat nicht immer selbst die Grundsätze festgelegt; vielmehr haben häufig Politiker und Juristen die wichtigsten Regeln im Rahmen der Empirie entwickelt. Die wichtigsten Vorschriften knüpfen damit an die fünf Grundsätze Transparenz, Unparteilichkeit, Gründlichkeit, Zügigkeit und Publizität an. Andere Prinzipien wie ζ. B. die Vereinfachung und die Konzentration
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stellen dabei meines Erachtens mehr Ziele der Gesetzgebung als materielle Rechtsregeln dar.
/. Tranparenz Gemäß dem französischen Recht verlangt der Transparenzgrundsatz, dass der Bürger bereits vor einer Verwaltungsentscheidung genau über die Vorgänge informiert werden kann. Zuerst hat der Bürger ein Recht auf Zugang zu den Rechtsvorschriften, die für ihn gelten (Art. 1 Bürgerrechtegesetz). Aus diesem Grund ist die Regierung verpflichtet, die geltende Gesetzgebung in thematischen Gesetzesbüchern zu sammeln und zu ordnen (Art. 3 Bürgerrechtegesetz) und die Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, für einen einfachen Zugang zu den von ihr erlassenen Vorschriften zu sorgen (Art. 4 Bürgerrechtegesetz). Der Conseil constitutionnel hat sogar den Verfassungsrang dieses Rechts anerkannt: „die Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 6 der Menschenrechtserklärung) und die Garantie der Rechte (Art. 16 der Menschenrechtserklärung) wären nicht gewährleistet, wenn die Bürger über die für sie geltenden Rechtsvorschriften nicht ausreichend informiert wären". Damit existiere das „verfassungsrechtliche Ziel der Zugänglichkeit und Verständlichkeit des Gesetzes"1. Daneben hat der Bürger das Recht auf Zugang zu Informationen, die im Besitz der Verwaltung sind. Dieses Recht wird von drei Gesetzen geformt, nämlich dem Gesetz Nr. 78-17 vom 6. Januar 1978 betreffend Informatik, Karteien und Freiheiten (Datenschutzgesetz), dem Gesetz Nr.78-753 vom 17. Juli 1978 zur Verbesserung der Verhältnisse zwischen Verwaltung und Öffentlichkeit (Aktenzugangsgesetz) und dem Gesetz Nr. 79-18 vom 3. Januar 1979 betreffend der Archive (Archivgesetz). Diese drei Gesetze wurden durch ein neueres Gesetz, nämlich das Gesetz Nr. 2000-321 vom 12. April 2000 über die Rechte der Bürger in ihren Beziehungen zur Verwaltung (Bürgerrrechtegesetz), aufeinander abgestimmt. Folgende Grundprinzipien sind darin enthalten: — Auch wenn er nicht persönlich betroffen ist, hat jeder Bürger das Recht auf Zugang zu allen Dokumenten und Akten der Verwaltung, die bereits abgeschlossen sind und eine schon entschiedene Sache betreffen (Recht auf freien Zugang). — Kein Zugang wird zu denjenigen Vorgängen gewährt, die eine Beurteilung der Personen enthalten (Datenschutz); erst, wenn es sich um ältere, schon
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Entscheidung Nr. 99-421 DC, Ree. 1999, 136.
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abgeschlossene Aktenvorgänge handelt, kann der Zugang zum Archiv gewährt werden. — Der Zugang zu den Akten umfasst das Recht, Fotokopien zu erhalten (nicht kostenlos) oder die Informationen auf den eigenen Computer überspielt zu bekommen. — Wenn die Zulässigkeit des Antrags eines Bürgers von der Verwaltung bestritten wird, kann der Bürger eine sogenannte unabhängige Verwaltungsbehörde, die „Commission d'accès aux documents administratifs (CADA)", anrufen. Sollte es dabei immer noch nicht zu einer Anerkennung seines Rechts kommen, kann der Betroffene innerhalb von zwei Monaten nach der endgültigen Ablehnung den Conseil d'État anrufen. Neben diesen Rechten auf Zugang zu den Rechtsvorschriften und zu Informationen hat der Bürger das Recht, den Namen, den Vornamen, die Funktion und die Anschrift des Büros des Beamten zu kennen, der seine Sache zu bearbeiten hat. Diese Informationen müssen auf den an ihn geschickten Briefen angegeben sein (Art. 4 Bürgerrechtegesetz).
2. Gründlichkeit Nach ständiger Rechtsprechung hat die Verwaltungsbehörde „die besonderen Umstände jedes Einzelfalls genau zu untersuchen und in Betracht zu ziehen' ,a. Insbesondere darf sie nicht nach allgemeinen Richtlinien entscheiden; sie hat die Besonderheit der Umstände bzw. der Unterlagen jeder Sache zu berücksichtigen. Deshalb sind im französischen Recht die Verwaltungspraxis und die Runderlasse rechtlich irrelevant. Selbst der Grundsatz der Gleichheit spielt nur eine geringe Rolle bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten. Der Grundsatz der Gründlichkeit hat eine besondere Bedeutung, wenn andere Behörden oder Gremien vor der Entscheidung Stellung nehmen müssen. In dieser Hinsicht enthält das Dekret vom 28. November 1983 für die Staatsverwaltung mehrere Rechtsvorschriften über das Verfahren der beratenden Gremien: — 5 Tage vor der Sitzung hat die Behörde eine Einladung mit Tagesordnung und Unterlagen zu verschicken, — die Hälfte der Mitglieder müssen bei der ersten Sitzung anwesend sein,
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Examen particulier du dossier: CE. 7 8.1925, colonel Secrettand. Ree. 1925, 853.
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— die Mitglieder, die ein persönliches Interesse an der Sache haben, dürfen nicht an der Sitzung teilnehmen und — es muss ein Protokoll geführt werden. Wenn die Verwaltungsbehörde die Stellungnahme einer anderen Behörde oder eines Gremiums einzuholen hat, hat sie nach dem Empfang der Stellungnahme gemäß der ständigen Rechtssprechung nur eine beschränkte Wahl hinsichtlich des weiteren Vorgehens: sie darf entweder keine oder die geplante Entscheidung treffen und zwar entweder in ihrer ursprünglichen oder in der vom Gremium vorgeschlagenen Fassung; eine Zwischenlösung ist ausgeschlossen. Diese Rechtsprechung ist insbesondere anwendbar, wenn die Regierung verpflichtet ist, die Stellungnahme des Conseil d'État einzuholen.
3. Unparteilichkeit Der Grundsatz der Unparteilichkeit ist meiner Meinung nach eng mit dem Grundsatz der Gründlichkeit verbunden. Im engeren Sinne bedeutet er nicht nur, dass die Behörde kein persönliches Interesse in der Sache hat, sondern auch dass sie vorher keine Meinung zur Sache geäußert hat. Diese Rechtsregel beruht auf einem allgemeinen Rechtsgrundsatz (principe général du droit), der vom Conseil d'État aus der gesamten Gesetzgebung heraus entwickelt wurde und zusätzlich auf Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention basiert, welche nach französischem Recht übergesetzlichen Rang hat. Ein Beispiel für die Umsetzung ist, dass ein Berichtserstatter nicht an der Beratung einer Kollegialbehörde -jedenfalls nicht mit beratender Stimme - teilnehmen darf. Im weiteren Sinne verlangt der Grundsatz der Unparteilichkeit, dass der betroffene Bürger seine Meinung darstellen darf. Zuerst hatte der Conseil d'État als allgemeinen Rechtsgrundsatz das Recht auf Verteidigung anerkannt. Dieses galt aber nur gegenüber Strafmaßnahmen der Verwaltung und vergleichbaren Verwaltungsakten. Deshalb haben das Dekret vom 28. November 1983 und dann das Bürgerrechtsgesetz vom 12. April 2000 dieses Recht in das Anhörungsrecht umgewandelt und den Geltungsbereich entsprechend erweitert. Nach geltendem Recht hat die Verwaltungsbehörde das Anhörungsrecht des Adressaten zu gewährleisten, soweit der Betroffene keinen Antrag gestellt hat und die vorgesehene Entscheidung für ihn ungünstig sein kann. Das Anhörungsrecht besteht aus dem Recht, — informiert zu sein, — innerhalb einer angemessen Frist schriftlich Stellung nehmen zu können und — auf Antrag mündlich angehört zu werden.
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4. Zügigkeit Der Grundsatz der Zügigkeit gilt im französischen Verwaltungsverfahren nicht allgemein, sondern nur soweit die Verwaltungsbehörde nicht vom Amts wegen sondern auf Antrag entscheiden muss. Grundsätzlich ist die Verwaltungsbehörde verpflichtet, im Hinblick auf einen gestellten Antrag innerhalb einer bestimmten Frist durch einen Verwaltungsakt Stellung zu nehmen. Wenn keine ausdrückliche Stellungnahme erfolgt, gilt das Schweigen bzw. die Untätigkeit der Verwaltungsbehörde als stillschweigende Entscheidung, die in der Regel als negative (décision implicite de rejet) und ausnahmsweise als positive Entscheidung (décision implicite d'acceptation) betrachtet wird. Seit Anfang des XX. Jahrhunderts gilt der Grundsatz, dass das Schweigen bezogen auf einen Antrag nach vier Monaten als stillschweigender negativer Verwaltungsakt galt. Dies führte dazu, dass die Entscheidung dann vor dem Verwaltungsgericht angefochten und für rechtswidrig erklärt werden konnte. Seit 1995 bestand für das Verwaltungsgericht sogar die Möglichkeit, im Endurteil anzuordnen, dass die Verwaltungsbehörde einen bestimmten Verwaltungsakt innerhalb einer festgesetzten Frist zu erlassen hat. Im Jahr 2000 wurde das Verwaltungsgerichtsgesetzbuch (Code de la justice administrative) nochmals geändert und im Rahmen eines Eilverfahrens kann das Verwaltungsgericht es nunmehr auch vorläufig anordnen. Das Bürgerrechtegesetz aus dem gleichen Jahr hat die Frist für das Stillschweigen dann noch einmal erheblich verkürzt: in der Regel gilt nunmehr das Schweigen über den Antrag als negative Entscheidung nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten (Art. 21). Diese Regel ist auch auf eine Verwaltungsbeschwerde anwendbar, die an die Behörde oder die nächst höhere Behörde gerichtet ist (Art. 18). Damit dieses System reibungslos funktioniert, hat das Gesetz mehrere Einzelheiten geregelt: — Das Datum der Absendung kann von der Empfangbestätigung des eingeschriebenen Briefs oder eines homologierten E-Mails bewiesen werden (Art. 16). — Die Behörde, die den Antrag empfängt, muss den Empfang bestätigen; tut sie dies nicht, läuft die Klagefrist gegen die stillschweigende Entscheidung nicht (Art. 19). — Wenn die Behörde, die den Antrag empfangen hat, nicht zuständig ist, muss sie ihn weiterleiten und den Antragsteller davon unterrichten (Art. 20). Seit etwa 40 Jahren hat der Gesetzgeber in manchen Fällen eine entgegengesetzte Regelung aufgestellt, nämlich dass das Schweigen über einen Antrag während einer bestimmten Frist als stillschweigende positive Entscheidung gelten soll. Das wichtigste Beispiel dafür ist die Baugenehmigung. Das Bürgerrechtegesetz 2000 hat dieses Institut ausdrücklich bestätigt und dabei auch eine
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Frist von zwei Monaten als Regelfrist festgesetzt. Es hat den nationalen Verordnungsgeber (d.h. die Regierung) ermächtigt, das Institut der positiven stillschweigenden Entscheidung auf neue Bereiche auszudehnen und es näher zu regeln (Art. 31). Der nationale Verordnungsgeber ist ζ. B. ermächtigt, der Verwaltung die Pflicht aufzuerlegen, eine Bescheinigung der stillschweigenden Entscheidung auszugeben. Die Probleme, die mit einem solchen Institut auftauchen, betreffen hauptsächlich folgende Fragen: — Wann ist der Antrag vollständig? — Wie können die Verfahrensvorschriften beachtet werden? — Wie können Dritte von der Entscheidung informiert werden? Trotzdem entspricht dieses Institut dem Streben nach einer zügigen Verwaltung und auch dem Grundgedanken der Freiheit: alles, was nicht ausdrücklich verboten ist, ist erlaubt.
5. Publizität Die Publizität hängt eng mit der Transparenz zusammen. Der Unterschied liegt darin, dass die Transparenz das Verfahren selbst, d.h. die Vorbereitung der Verwaltungsakte und die Publizität das Ergebnis des Verfahrens, d.h. den Verwaltungsakt betrifft. Hier muss zwischen der förmlichen Begründung des Verwaltungsakts und der Publizität des gesamten Verwaltungsakts unterschieden werden. Vor dem Begründungsgesetz von 1979 beruhte die Begründungspflicht nur auf der Rechtsprechung, wobei diese sehr restriktiv war: nur Entscheidungen von Kollegialbehörden mussten begründet werden 3. Das Begründungsgesetz von 1979 hat den Anwendungsbereich der Begründungspflicht dann stark ausgedehnt. Kraft diesen Gesetzes sind die Verwaltungsakte zu begründen, — die entweder gegenüber dem Adressaten ungünstige Wirkungen haben (insbesondere Polizeimaßnahme, Ablehnung einer Genehmigung, Ablehnung einer beantragten Zuteilung irgendwelcher Vorteile, auf die der Antragsteller ein Recht hat) oder — von der allgemeinen Regelung kraft einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung abweichen.
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Conseil d'État, Urteil vom 27.11.1970, Agence maritime Marseille-fret.
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Die Begründung muss schriftlich die tatsächlichen und rechtlichen Gründe der Entscheidung angeben. In zwei Fällen ist die Verwaltung nicht verpflichtet, ihre Entscheidungen zu begründen, nämlich wenn die Entscheidung eilig war oder wenn die Verwaltung stillschweigend negativ entschieden hat. In solchen Fällen kann der Betroffene aber von der Verwaltung die Mitteilung der Gründe der Maßnahme verlangen (Art. 4 und 5 des Begründungsgesetzes). Im letztgenannten Fall beginnt die Anfechtungsfrist vor der Mitteilung der Gründe nicht zu laufen und kann die Verwaltungsbehörde ihre stillschweigende Entscheidung zurücknehmen, soweit sie rechtswidrig ist. Schließlich muss die Verwaltungsbehörde im Verwaltungsakt die Klagemöglichkeiten und die Klagefristen angeben; sonst beginnt die Anfechtungsfrist nicht zu laufen (Art. 421-5 des Verwaltungsgerichtsgesetzbuches).
II. Sonderverfahren Zwei Sonderverfahren sollen hier im Folgenden kurz dargestellt werden: die öffentlichen Enqueten (enquêtes publiques) und das Vergaberecht (attribution des contrats). /. Die öffentlichen
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Ursprünglich, am Anfang des 19. Jahrhunderts, wurde die öffentliche Enquete zum Schutz von enteigneten Eigentümern eingerichtet. Vor einer Enteignung musste der Staat die Nützlichkeit des geplanten Bauwerks für die Allgemeinheit förmlich erklären. Vor der Allgemeinnnützlichkeitserklärung (déclaration d'utilité publique) mussten gerade die betroffenen Eigentümer diesbezüglich Stellung nehmen können und zu diesem Zweck mussten die eher kurz zusammengefassten Unterlagen des Bauvorhabens offengelegt werden. Im 20. Jahrhundert wurden solche öffentlichen Enqueten vom Gesetzgeber auf weitere Bereiche ausgedehnt (1983, kurz vor der Reform, existierten etwa 3000 Enqueten). Der Zweck des Sonderverfahrens war eigentlich nicht mehr der Schutz von Eigentümern und Privateigentum, sondern der Schutz der Nachbarschaft und der Umwelt. Um dieser „Umwidmung" Rechnung zu tragen, wurde das Gesetz vom 12.7.1983 „zur Demokratisierung der öffentlichen Enqueten" (loi sur la démocratisation des enquêtes publiques) erlassen. Durch dieses neue Gesetz wurde das Verfahren vereinheitlicht (mit weiterhin vorhandenen Abweichungsmöglichkeiten im Gesetz für bestimmte Arten von Enqueten) und vor allem insgesamt gestärkt. Die Effektivität der Mitwir-
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kung der Bürger wurde deutlich erhöht, indem beispielsweise die offenzulegenden Unterlagen viel umfangreicher wurden und sogar die genehmigten Umweltschutzvereine von den gesamten Unterlagen, die sich bei der Verwaltungsbehörde befinden, Kenntnis nehmen dürfen. Der Kommissar als Leiter der Enquete (commissaire enquêteur) wird vom Präsidenten des Verwaltungsgerichts ernannt und soll einen Schlussbericht schreiben und seine eigene Stellungnahme begründen. Der Schlussbericht muss veröffentlicht werden. Wenn der Bericht gegenüber dem geplanten Bauvorhaben Bedenken äußert und deshalb eine ablehnende Stellungnahme des Kommissars enthält, die Verwaltungsbehörde aber die allgemeine Nützlichkeit des Vorhabens und der damit verbundenen Enteignung trotzdem erklärt, kann das Verwaltungsgericht auf Antrag diese Erklärung aussetzen, soweit die Anfechtungsklage (recours pour excès de pouvoir) begründet zu sein scheint (Art. L 554-12 Verwaltungsgerichtsgesetzbuch). Selbstverständlich muss in vielen Fällen dazu noch ein Umweltverträglichkeitsbericht (étude d'impact) vor- und offengelegt werden. Wenn der Bericht fehlt, hat das Verwaltungsgericht die angefochtene Genehmigung des Vorhabens auszusetzen (Art. L 554-1 Verwaltungsgerichtsgesetzbuch).
2. Vergabeverfahren Der französische Begriff Verwaltungsvertrag („contrat administratif 4) hat mit dem deutschen Begriff „öffentlich-rechtlicher Vertrag" nichts gemein. Während der deutsche öffentlich-rechtliche Vertrag eine Art verhandelter Verwaltungsakts ist, sind französische Verwaltungsverträge ganz anderer Art und existieren deshalb viel zahlreicher. Es gibt zwei Hauptarten von Verwaltungsverträgen: — „Marchés Publics" (Verwaltungsaustauschverträge), d.h. Verträge, durch welche die Verwaltung Sachen oder Dienstleistungen (insbesondere Bauarbeiten) gegen einen bestimmten Preis von einem Unternehmen erhält. — „Contrats de Délégation de Service Public" (Verträge zur Betrauung mit einer öffentlichen Aufgabe), d.h. Verträge, durch welche die Verwaltung ein Unternehmen beauftragt, Bauarbeiten oder Dienstleistungen zugunsten der Bürger zu leisten und von diesen Bürgern Geldzahlungen zur Kostendeckung zu verlangen. Bei den Austauschverträgen sind nur die wichtigsten öffentlich-rechtlicher Natur, wenn sie außerordentlichen Klauseln enthalten; dagegen sind alle Beauftragungsverträge auf jeden Fall öffentlich-rechtlicher Natur. Aufgrund der von der EG erlassenen Richtlinien in den Jahren 1988 bis 1992, welche als Kampfmaßnahmen gegen die Korruption in der Verwaltung -
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insbesondere der Selbstverwaltung - anzusehen sind, hat der französische Gesetzgeber das Verfahren zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen in den Jahren 1991 bis 1995 noch straffer als vorher geregelt. Vor Abschluss eines Verwaltungsvertrages müssen die wesentlichen Klauseln veröffentlicht werden, damit die interessierten Unternehmen davon Kenntnis nehmen und sich bewerben können (Art. 38 des Gesetzes vom 29.01.1993 zur Vorbeugung vor Korruption und zur Transparenz öffentlicher Verfahren; Art. 39 ff. Nouveau Code des marchés publics 2001). Wenn diese Publizität lücken- oder fehlerhaft ist oder überhaupt nicht stattfand, kann das Verwaltungsgericht auf Antrag eines interessierten Unternehmens das Vergabeverfahren aussetzen, berichtigen oder aufheben (Art. L 551-1 und 2 Verwaltungsgerichtsgesetzbuch). Was die Auswahl des besten Unternehmens angeht, ist das Verfahren verschieden je nach Typ des Verwaltungsvertrages: Wenn es sich um einen „Verwaltungsaustauschvertrag" (marché public) handelt, ist das Verfahren durch den „Code des marchés publics" (Gesetzbuch über Verwaltungsaustauschverträge in der Fassung vom 7.3.2001) sehr detailliert geregelt. Insbesondere ist eine direkte Verhandlung mit den Bewerbern verboten und die Angebote müssen in geschlossenen, anonymisierten Umschlägen enthalten sein. Das beste Angebot ist dann verpflichtend anzunehmen. Wenn es sich um einen „Beauftragungsvertrag" (contrat de délégation de service public) handelt, muss die Verwaltungsbehörde zuerst eine Liste der Unternehmen aufstellen, die für die Einbringung von Angeboten zugelassen sind, hat dann aber die freie Wahl, soweit sie ihre eigenen Auswahlkriterien und das allgemeine Wettbewerbsrecht beachtet.
III. Fehlerfolgen Verwaltungsfehler haben in Frankreich grundsätzlich die Nichtigkeit des Verwaltungsakts zur Folge; es gibt keine Heilungsmöglichkeiten. /. Die Aufhebbarkeit
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Seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts führen Form- und Verfahrensfehler zur Aufhebbarkeit des angefochtenen Verwaltungsakts. Dieser Fehlertyp spielt auch in der Praxis eine große Rolle, weil das Verwaltungsgericht zuerst die Form und das Verfahren zu prüfen hat und in der Regel geneigt ist, einen solchen Fehler als Aufhebungsgrund zu bevorzugen. Dieser Grundsatz wurde von der Lehre der sogenannten wesentlichen Formund Verfahrensfehler etwas abgeschwächt. Nach dieser Lehre, die von der
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Rechtssprechung entwickelt wurde, sollen zur Aufhebbarkeit nur wesentliche Form- und Verfahrensfehler fuhren. Als wesentliche Form- und Verfahrensfehler werden ζ. B. Verletzungen von Vorschriften angesehen, die zum Schutz des Einzelnen erlassen worden sind. Umgekehrt handelt es sich nicht um wesentliche, wenn sie auf das Ergebnis unter den konkreten Umständen der Sache keinen Einfluss ausüben konnten. In der Praxis führen aber die meisten Form- und Verfahrensfehler tatsächlich zur Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes. Dabei wurden in Frankreich viele Verwaltungsakte aus Gründen der Formund Verfahrensfehler aufgehoben, weil es ein bestimmtes Vorgehen des Verwaltungsgerichts gibt. Dieses hat zuerst die sogenannte „externe" Rechtsmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts zu prüfen. Erst wenn diese Prüfung keine Rechtsfehler dieser Art erkennen lässt, prüft das Gericht die sogenannte „interne" Rechtsmäßigkeit. Diese Regel resultiert aus der traditionellen Auffassung von der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung der Verwaltungsakte, die mehr dem Schutz der objektiven Rechtsordnung als dem Schutz der subjektiven Rechte dienen soll. Diese Auffassung verliert heute immer mehr an Boden, ist aber noch nicht völlig aufgegeben und fuhrt sogar manchmal zu einem besonders wirksamen Rechtsschutz.
2. Keine Heilungtsmöglichkeit Im französischen Recht sind Heilungsmöglichkeiten unbekannt. Weder die Verwaltungsbehörde selbst, die den angefochtenen Akt erlassen hat, noch die höhere Verwaltungsbehörde können Form- bzw. Verfahrensfehler heilen. Der Grund liegt darin, dass das französische Recht das Institut des Widerspruchs nicht kennt. Der Bürger kann das Verwaltungsgericht unmittelbar anrufen. IV. Zusammenfassung Aufgrund einer fehlenden Kodifizierung ist das französische Verwaltungsverfahrensrecht besonders beweglich und macht ca. jedes fünfte Jahr große Fortschritte. Dabei sind im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht insbesondere der Zugang zu den öffentlichen Akten, das Anhörungsrecht und die Begründungspflicht als prägende Grundsätze hervorzuheben. Die Verfahrensvorschriften sind für die Verwaltung besonders zwingend, was zur Folge hat, dass im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht fast jeder Form- oder Verfahrensfehler zur Aufhebbarkeit des Aktes führt. Bei den zwei Sonderverfahren, der dargestellten „öffentlichen Enquete" und dem Vergabeverfahren, sind daneben auch die Befugnisse der Verwaltungsgerichte stark hervorgehoben.
E C L a w and Decision-Making Procedures in the Netherlands Von Adrienne J.C. de Moor-van Vugt
I. General features of Dutch administrative law1 Dutch administrative law is based on the general rules and principles of Dutch constitutional law. The principles of the rule of law (principle of legality), the recognition of fundamental rights, and the balance of powers are important constitutional principles in this respect. As a general rule, every act of governmental power must be based on a statute. This holds for rule-making and for public law acts of administrative authorities. Every administrative act that affects the rights and freedoms of an individual must have a statutory basis. Historically there have been some exceptions to this rule. For instance, as far as supplying grants or subsidies by administrative authorities were concerned, the principle of legality was not regarded as applicable (although the matter was, and is, considered a public law affair). The background of this exception is the idea that the decision to subsidize does not impose an (unwanted) obligation on a citizen. In the present views on grants and subsidies, it is no longer considered justified to make this general exception. The Algemene wet bestuursrecht (General Administrative Law Act, or GALA) now demands a formal legal (statute) basis in these matters. As a general rule, governmental bodies can only exercise public law authority if there is an express statutory basis for that authority. An important feature of the Dutch legal system is that, whenever governmental bodies are engaged in private law affairs, private law is applicable. In some cases, policy goals can be reached in different ways. The administration can then choose to act either on a public law or on a private law basis. Public bodies are not entirely free in making this decision: sometimes public law is supposed to (implicitly) forbid government to choose the private law solution,
1 A general overview of the Dutch system is offered in J.G. Brouwer and A.E. Schilder , A Survey of Dutch Administrative Law, Ni jmegen, Ars Aequi Libri 1998.
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for instance, if the objectives of a public law statute would be undermined by opting for private law instruments. Governmental public law decisions have to respect legislation, of course. But they also have to comply with general principles of proper administration (ialgemene beginselen van behoorlijk bestuur , or principes généraux du droit public ), including principles of natural justice. These principles can be considered as unwritten legal standards that limit the discretionary powers of government bodies. Among these principles are the principle that the reasons for a decision must be given, the principle of legal certainty and of protection of legitimate expectations, and the principle of reasonableness or proportionality. Some of these principles have been wholly are partly codified in the GALA. The parts that have been left uncodified still apply as unwritten principles.
/. General Administrative
Law Act 2
In order to comply with Art. 107, paragraph 2 of the Dutch Constitution of 1983, which states that general rules of administrative law shall be laid down in an Act of Parliament, a large legislative operation is now going on in the Netherlands. This operation, to draft the General Administrative Law Act, is intended to harmonize existing legislation, to codify unwritten administrative law, and to regulate some additional topics of a general nature. Because this is a complicated and wide-ranging operation, it is executed in several stages, "tranches", some of which have been adopted and some of which are now read in Parliament. The first tranche consists essentially of rules governing unilateral legal acts of public law, the "orders" (besluiten ) and governing preliminary proceedings and judicial review. Furthermore, definitions of key concepts in administrative law are given. These definitions will be applied to the same concepts in specific legislation in order to achieve better consistency. The second tranche is closely linked to another large operation: a reorganization of the court system to replace the old incoherent system of administrative courts. The special administrative courts that used to exist have now been integrated into the regular courts. The regular courts have administrative divisions, equipped to hear cases for judicial review. As far as the courts of first instance are concerned, the first step has been made: the public servants tribunals and the social security tribunals have been integrated within the regular courts, the District
2 An English translation is available on the Internet: http://www.minjust.nl/a_beleid/ thema/awb/diversen/awbeng 14-4-99.doc.
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Courts.3 However, the appeal system is still structured in the same way (see below Sect. 5). The second tranche of the GALA contains general rules of procedure that apply to procedures before (most of the) administrative courts, including the administrative divisions of the District Courts. It was necessary to lay down these rules in a new law, because every special administrative court used to have its own statutory rules of procedure. In order to harmonize these rules, the second tranche was introduced. Both the first and the second tranche came into force in 1994 together with the new court system. In the third tranche of the GALA, rules are laid down on different subjects of a general nature: mandate and delegation, policy rules, grants, and enforcement (supervision and sanctions). This tranche was adopted in 1998. The work on the GALA is still in progress. Several changes have already been made to the provisions on the decision-making procedure, as a follow up of the first evaluation of the GALA. 4 A second evaluation has recently been finished. Furthermore, a fourth tranche has been proposed, with general provisions on the administrative fine, financial claims under public law, and public access to documents.
2. Article 6, para 1, EC HR: criminal charge The case law of the European Court of Human Rights, applying Article 6 of the Convention, has been quite influential. Administrative acts can imply sanctions, and the European Court has ruled that sometimes application of these administrative sanctions must be considered as "criminal charges" within the meaning of Article 6. The Court has done so in the case Engel v. the Netherlandsand in the well-known Öztiirk case.6 In reaction to these judgments, Dutch Courts have established that several important sanctions in national administrative law must comply with Article 6. For example, as far as major fines in tax law, social security law, and competition law are concerned. This has important consequences, for instance, because the administration now has to act
The Arrondissementsrechtbanken, which act as courts of first instance in many cases. 4 Among other things, the requirements concerning the right to a hearing were made less strict. See Eerste evaluatiewet Awb , Netherlands Bulletin of Acts and Decrees. {Staatsblad ) 2002, 53. 5 ECHR 8 June 1976, Pubi. Court, Series A, no. 22 (1977). 6 ECHR 21 February 1984, Pubi. Court, Series A, no. 73 (1984).
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in accordance with the presumption of innocence, and because of the requirement that the judgment has to be given within a reasonable time has to be respected. The Öztürk judgment of the European Court has also had a direct influence on Dutch legislation: it affected a statute that introduced administrative sanctions for a number of traffic offences that previously carried criminal lawbased sanctions.7 The discussion on minor offences has lingered on, but has now been settled on the view that, for minor fines the demands of Art. 6 do not apply. These views are reflected in the applicable legislation and in the proposals for the fourth tranche of the GALA, in which specific formal requirements like the right to a hearing do not apply to cases in which a fine up to € 340 can be imposed.
3. The influence of European Community law on Dutch administrative
law
More and more Dutch practitioners of administrative law show an interest in European law. The decisions of the Court of Justice on delays of implementation of EC-directives (Emmott, 8 Francovich and Bonifaci 9 ), the case law on liability (Brasserie 10) and the problems related to the notification of technical requirements (Securitel 11 ) have drawn increasing attention to the fact that European law has a very important influence on national administrative law. This and the increasing number of cases in which the Netherlands was considered to have failed to fulfil the obligation to implement directives have given a strong impulse to the influence of European law in administrative law in general and the matter of implementation in particular. In the GALA, the influence of European law can be found in several topics, but is in fact of limited importance. One of the most important results of this influence is the codification of the principle of proportionality in the first tranche, as a general rule applicable to every legal act of the administration that is a result of the use of discretion. Furthermore, attention was paid to EC law in the draft on grants and subsidies in the third tranche. In the past, the Dutch legislature and doctrine seldom took into account the consequences of European law for projects like the GALA. It is argued that, on Traffic Offences Administrative Enforcement Act (Wet administratiefrechtelijke handhaving van verkeersvoorschriften, Netherlands Bulletin of Acts and Decrees (Staatsblad) 1990, 300. 8 Case C-208/90, ECJ 25 July 1991. 9 Cases C-6/90 and 9/90, ECJ 19 November 1991. 10 Cases C-46/93 and C-48/93, ECJ 5 March 1996. 11 Case C-194/94, ECJ 30 April 1996.
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more occasions, the explanatory memorandum of the General Act could have paid attention to European influences. Topics like rules for consultation, or policy rules as an alternative to ensure swift implementation of directives, or the consequences of the Emmott judgment for the standing of the appellant and the time limits in judicial procedures, the consequences of the Zuckerfabrik Süderdithmarschen judgment 12 on the rules for interim injunctions, the time limits for revocation and repayment of grants, etc., have not been taken into account. This situation is changing rapidly. Almost every project of new legislation pays attention to EC developments and requirements. The EC check has become a normal thing to do and new EC legislation or case law is discussed extensively in the scholarly press.
II. The preparation of administrative decisions The GALA contains several chapters on the preparation of orders (besluiten ) an administrative decisions (beschikkingen ). Orders are written decisions issued by an administrative authority constituting a public law act (Art. 1:3, Para 1 GALA). "Administrative decision" means an order, which is not of a general nature, including the rejection of an application for such an order (Art. 1:3, Para 2 GALA). 1 3 Before the GALA existed, administrative decisions and orders were only reviewed on the basis of the national general principles of proper administration, which, on some points, differ from the European principles. The GALA codified and refined those principles, especially the duty to decide impartially and independently (Art. 2:4), the principle of careful preparation (Art. 3:2), the duty to underpin decisions with valid reasons (Art. 3:46) and the right to a hearing (Art. 4:7 and 4:8). Principles governing the substance of a decision are hardly found in the GALA; the only one is the principle of proportionality and reasonableness (Art. 3:4). Others that are worth mentioning are the principles of equality, of the protection of legitimate expectations, and of legal certainty. In general, these rules and principles offer few difficulties in relation to their European counterparts. In most cases, the core of the requirements is the same and they are fully exchangeable. However, there are some problems in the ap-
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Cases C-143/88 and C-92/89. "Order" seems similar to the German "Allgemeinverfugung", be it that the concept of the order also covers delegated legislation. The administrative decision is of an individual nature and is similar to the German concept of "Verwaltungsakt". 13
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plication o f the European principles o f proportionality, o f protection o f legitimate expectations and the European rights o f the defence.
/. Rights of the defence In Community law, the right to defence against an unfavourable decision is a fundamental principle that national authorities should comply with. The right to defence has several aspects, which revolve around the demand that the addressees o f a decision should be placed in a position in which they may effectively make known their views. Provisions concerning these rights are scattered all over Dutch legislation and unwritten law. Let us start w i t h the G A L A . 1 4 Articles 4:7 and 4:8 o f the G A L A express the purpose o f the right o f individuals to state their views on a proposed decision: it is mainly focused on the
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Article 4:7 1. Before an administrative authority rejects all or part of an application for an administrative decision, it shall give the applicant the opportunity to state his views, if: (a) the rejection is based on information about facts and interests relating to the applicant, and (b) this information differs from information supplied by the applicant himself in the matter. 2. Subsection 1 shall not apply if the difference from the application can be of only minor importance to the applicant. Article 4:8 1. Before making an administrative decision about which an interested party who has not applied for the administrative decision may be expected to have reservations, an administrative authority shall give that interested party the opportunity to state his views, if: (a) the administrative decision is based on information about facts and interests relating to the interested party, and (b) this information was not supplied in the matter by the interested party himself. 2. Subsection 1 shall not apply if the interested party has not complied with a statutory obligation to supply information. Article 4:12 1. The administrative authority may also refrain from applying articles 4:7 and 4:8 in the case of an administrative decision laying down a financial obligation or claim, if: (a) an objection may be made or an administrative appeal may be lodged against that administrative decision, and (b) the adverse consequences may be completely nullified after an objection or administrative appeal. 2. Subsection 1 shall not apply to an administrative decision: (a) refusing a subsidy under article 4:35 or in accordance with article 4:51 ; (b) fixing a subsidy at a lower amount under article 4:46, subsection 2, or (c) repealing the granting or fixing of a subsidy or altering it to the detriment of the recipient.
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gathering of facts. In other words, the general provisions on the right to be heard are limited to fact finding. Moreover, if the administration is preparing a decision, which involves financial obligations or rights of the addressee, Articles 4:7 and 4:8 do not apply (Art. 4:12, Para 1). The oniy exception to this rule is the revocation of subsidies (Art. 4:12, Para 2), when the applicant has deliberately or out of neglect given wrong information to the authorities. In this case, an element of defence has been built in. As it happens, the GALA does not contain any provisions on the rights of the defence in case financial penal sanctions like fines are envisaged. Neither is the right to silence an item in the GALA. In the fourth tranche of the GALA, there will be a chapter on the administrative fine, which also includes the right to defence and the right to silence, but even then, some categories are not covered. I already mentioned the fines up to € 340, which are considered to constitute "minor offences". Furthermore, other burdening decisions fall under the scope of Art. 4:7 and 4:8, which do not guarantee defence rights. For these cases, we have to turn to the general principles of proper administration like careful preparation and fair play and the case law on Art. 6 ECHR. It seems that the EC standard on the rights of the defence is not fully complied with under Dutch law. It is remarkable, however, that EC law is hardly ever invoked.
2. Legitimate expectations The principle that legitimate expectations must be honoured leads, according to Dutch law, to the consequence that the expected decision (e.g., a grant or a permit) has to be granted with the expected contents, sometimes even if such a decision is against the law (