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German Pages 226 [227] Year 2005
Kommunale Selbstverwaltung Zukunfts- oder Auslaufmodell?
Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 172
Kommunale Selbstverwaltung Zukunfts- oder Auslaufmodell? Beiträge der 72. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung vom 24. bis 26. März 2004 an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
Herausgegeben von
Hermann Hill
Duncker & Humblot · Berlin
Bibliografische Infonnation Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrutbar.
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Gennany ISSN 0561-6271 ISBN 3-428-11943-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Bei dem vorliegenden Band handelt es sich um die Dokumentation der Referate der 72. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer vom 24.-26. März 2004. Das Jahr 2003 war geprägt durch die intensive Auseinandersetzung in der Fachöffentlichkeit in Politik und Verwaltung über die desolate Lage der kommunalen Finanzen und mögliche Abhilfestrategien. Die verlässliche finanzielle Grundausstattung ist flir die kommunale Selbstverwaltung sicherlich unverzichtbar. Daran muss auch weiter gearbeitet werden. Jedoch gerieten angesichts dieser alles andere überlagemden Diskussion über die Finanzen manche inhaltlichen Probleme und Perspektiven der kommunalen Selbstverwaltung etwas in den Hintergrund. Die Tagung sollte daher dazu beitragen, diese wieder etwas mehr in das Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Neben Fragen des demografischen Wandels, der Integration unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen und der Renaissance der Innenstädte wurden insbesondere die Themen Daseinsvorsorge und Wettbewerb unter europäischer Perspektive, neue Kooperationsformen, Veränderungen der kommunalen Organisation durch E-Govemment sowie das Verhältnis lokaler und regionaler Aufgaben und Organisationsformen behandelt. Die Tagung hat gezeigt, dass 200 Jahre nach den Reformen des Freiherrn vom Stein der Grundgedanke der kommunalen Selbstverwaltung nach wie vor noch aktuell ist, einzelne Ausprägungen jedoch neu überdacht werden müssen. Ich danke allen Referenten der Tagung für die Überlassung ihrer Beiträge sowie meinen Mitarbeitern, Markus Städter und Marco Junk, für die sorgfältige Aufbereitung der Manuskripte und die Redaktion des Tagungsbandes. Speyer, im November 2004
Hermann Hili
Inhaltsverzeichnis Erster Teil
Trends und Herausforderungen
Begrüßung und Einführung Von Hermann Hili ....... ....................................... ...................... ................................. II Herausforderungen und Konsequenzen des demographischen Wandels flir die Städte Von Heinrich Mäding .......................................................................... .. ..................... 17 Verschiedenartigkeit als Chance- Gelungene Integrationsstrategien Von Marga Pröhl und Claudia Walther. ..................... ................................................ 37 "Ab in die Mitte!" - Renaissance der Innenstädte Von Jens Imorde .......................... ......................... ..................................................... 51 Gemeindefinanzreform gescheitert- was nun? Von Petra Roth ................... ................ ... ................... .................................................. 71
Zweiter Teil
Daseinsvorsorge und Wettbewerb unter europlUseher Perspektive
Zukunft der Daseinsvorsorge- Rechts- und Planungssicherheit flir Kommunen Von Thomas Abel .................... .................................................................. ................ 83 Kommunalwirtschaft aus der Sicht des Innenministeriums Von DetlefDohmen ·············'················ ···························· ·························· ··············· 97
Inhaltsverzeichnis
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Dritter Teil
Kooperation und Planung
Neue Kooperationen und effiziente VerfahrenEin Beitrag zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung Von Peter Jakubowskiooooooooooooooooo ooooooooooooOooooooooOoOoOoooooOOOOooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooOOIII Elektronische Formen der Bürgerbeteiligungo Vom "informativen Grundrauschen" zu interaktiven Diskursangeboten-illustriert am Beispiel der Bauleitplanung Von Oliver Märker und Josef Wehner oo OOooooOOOOOOoooooooooooooooo oooooooooooooo oooo oooo ooooooooooooooooo 131
Vierter Teil
E-Goveroment verändert die kommunale Organisation
Wissensmanagement als Dienstleistung in der Region Von Dieter Rehfeld
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E-Govemrnent in der Metropolregion Harnburg Von Thorsten Heinze oooooooooooooooooooooooo .......................................................... o.. o........ 155 0
Neue institutionelle Arrangements ft.ir kommunale Leistungen aus der Perspektive von E-Govemment Von Michael Hokkelero ooooooOOoOO oOOOOOOO................ oo oo oooooo .......... o...... oo .. oo oo ...... o.. o...... o.... o163 Kommune Online 20040Mit eGovemment zu mehr Wachstum und Wohlstand für alle Von Franz-Reinhard Habbel oooo ooooooooooOo.......... oooooOOoOOO OO OOOOOO oOoOoO oOooooOOO oooooooo oo ooo ...... ooooo 173
Fünfter Teil
Lokale und regionale Aufgaben neu denken
Kommunale Kompetenzzentren Von Ulrich Gudat
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Inhaltsverzeichnis
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Kreisaufgaben der Zukunft. Lokale und regionale Aufgaben neu denken Von Dirk Heuwinkel ................................................................................................ 189 Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung durch regionale Kooperation Von Christian Specht ............................................................................................... 205 Stadtregion als Handlungsebene Von Folkert Kiepe ............................. ,...................................................................... 215
Verzeichnis der Autoren ............................................................................................ 225
Begrüßung und Einführung Von Hermann Hili
Im Ausland wird die deutsche kommunale Selbstverwaltung vielfach im Rahmen von Dezentralisierungsbemühungen als Vorbild und Erfolgsmodell gefeiert. 1 In Deutschland muss sie dagegen immer wieder um ihre Zukunfts- und Gestaltungsfähigkeit kämpfen. 2 Mit den folgenden zehn Thesen möchte ich in die Themen der Tagung einführen: I. Finanzen und Nachhaltigkeit 1. Um die deutsche kommunale Selbstverwaltung weiterhin zu sichern und als Exportschlager, insbesondere für die neuen Beitrittsstaaten in der Europäischen Union empfehlen zu können, bedarf es einer gesicherten Finanzbasis, die den Kommunen Gestaltungsmöglichkeiten unter eigener Verantwortung erlaubt. 3 Sie sind es, die das Lebensumfeld der Bürger maßgeblich, etwa im Rahmen der Daseinsvorsorge4 , prägen. Sie bedürfen daher der besonderen Aufmerksamkeit der Länder und des Bundes sowie der gesamten gesellschaftlichen Öffentlichkeit. 2. Die schon einige Zeit andauernde Finanzkrise der Kommunen ist allerdings auch eine Chance, überkommene Aufgaben und Leistungen kritisch zu hinterfragen. 5 Dabei müssen auch langfristige, Generationen übergreifende In1 Helmut Wollmann, Die traditionelle deutsche kommunale SelbstveJWaltung - ein "Auslaufmodell?", Deutsche Zeitschrift flir Kommunalwissenschaften (DfK) 2002/1, 24. 2 Vgl. schon Willi Blümel/Hermann Hili (Hrsg.), Die Zukunft der kommunalen SelbstveJWaltung, 1991; sowie noch Landtag NRW (Hrsg.), Zukunft der Städte, Bericht der Enquetekommission des Landtags von Nordrhein-Westfalen, 2004. 3 Zur finanziellen Situation der Kommunen vgl. Gemeindefinanzbericht 2004, der Städtetag 112004; sowie Hanns Karrenberg, Die Finanzlage der Kommunen 2003 und 2004, der Gemeindehaushalt 2004, 217. 4 Jörn Axel Kämmerer, Strategien zur Daseinsvorsorge, NVwZ 2004, 28; Christion Heinze, Daseinsvorsorge im Umbruch, BayVBI2004, 33. s Dazu Hili (Hrsg.), Aufgabenkritik, Privatisierung und Neue VeJWaltungssteuerung, 2004.
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Hermann Hili
teressen im Rahmen einer nachhaltigen Zukunftsplanung Berücksichtigung finden. Investitionen dürfen nicht deshalb unterbleiben, weil sich ihre positiven Auswirkungen erst mittel- oder langfristig niederschlagen. Lebensqualität muss immer wieder neu definiert werden6 . Dabei haben auch "magere Jahre" ihr Gutes. Besinnt man sich doch wieder auf alte, teilweise verschüttete Werte, wie etwa Solidarität zwischen den verschiedenen Gruppen und Generationen innerhalb der Gemeinschaft. 7 II. Gestaltung des demographischen Wandels 3. In den nächsten Jahren wird sich die Zusammensetzung der Bevölkerung tiefgreifend verändern. Wir werden weniger, älter und bunter. Nicht Überalterung ist das Problem, sondern "Unteijüngung". Konzepte fiir eine familienfreundliche Gestaltung der Kommunen gewinnen dadurch neue Bedeutung. Die Reaktion auf den demographischen Wandel darf nicht in einer bloßen Anpassung oder Verzögerung bestehen, vielmehr muss es darum gehen, die vorhandenen Potenziale und Ressourcen positiv fiir eine Neuaufstellung zu nutzen. Auch .,Schrumpfung" braucht Gestaltung! 8 4. Verschiebungen in der Zusammensetzung der Bevölkerung, Verteilungskämpfe zwischen den Generationen oder Auseinandersetzungen zwischen Einheimischen und Zuwanderern dürfen nicht nur als Problem wahrgenommen werden. Gerade in dieser Vielfalt und Verschiedenartigkeit in der Kommune liegt eine Chance. Gelungene Integrationsstrategien9 zeigen, wie diese fiir soziale Innovationen genutzt werden. Ebenso wie im Rahmen des Gender Mainstreaming eine Einbeziehung beider Geschlechter von Anfang an erfolgt, müssen im Rahmen eines General Mainstreaming alle Bevölkerungsgruppen von Anfang an in die Planungen und Entwicklungen der Kommune mit einbezogen
6 Hilf, Indikator Lebensqualität, 2002; Sigrid Meinhold-Henschel!Kerstin Schmidt/Ciaudia Watther (Hrsg.), Innovation gestalten - Handlungskonzepte für Lebensqualität, Gütersloh 2004. 7 Deutsches Institut für Urbanistik, Strategien flir die soziale Stadt, hrsg. im Auftrag des Bundesministeriums flir Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Juni 2003; www.sozialestadt.de. 8 www.stadt2030.de; www.schrumpfende-stadt.de; www.aktion2050.de; Norbert Portz, Den demografischen Wandel gestalten. Herausforderungen an die Stadtentwicklung, Stadt und Gemeinde 9/2004. 9 Alfred Reichwein/Stephanie Vogel, Integrationsarbeit - effektiv organisiert. Ein Handbuch für Kommunen, hrsg. vom Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen, 2004.
Begrüßung und Einführung
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werden. Nur so können mögliche Benachteiligungen sowie eine mangelnde Nutzung von Chancen vennieden werden.
Ill. Neue Strukturen und Akteure 5. Schnittstellen in der Kommune müssen zu Nahtstellen, Grenzen zu Brükken werden. Über fragmentierte Verwaltungszuständigk~iten hinweg muss der ganzheitliche Blick aus der Sicht der Bürger fiir ihre Lebenslage sowie aus der Sicht der Wirtschaft fiir ihre Geschäftsfälle wiedergewonnen werden. Bürgerbeteiligung und Public Private Partnership 10 müssen zu neuen Kooperationsformen in der Stadtentwicklung zusammengefiihrt werden. 11 Neue Medien können Bürgerorientierung sowie Planungs- und Beteiligungsprozesse wirksam unterstützen. Online-Verfahren können mit herkömmlichen Verfahren im Sinne eines "Blended Planning" verknüpft werden. 12 6. Electronic Government wird die kommunale Organisation verändern und zu einer organisatorischen Neugestaltung führen. Dabei wird es, wie z. B. die KGSt betont, darum gehen, Aufgaben und Prozesse "im Raum" neu zu gliedern und die im Raum verteilte Kompetenz optimal einzusetzen. Nicht jede Gemeinde muss alles selber produzieren. Bei vielen Leistungen kann die Produktion zentral erfolgen, Einkauf und Vertrieb können dezentral stattfinden. Dadurch können Verwaltungen Qualität und Effizienz steigern, ohne dass fiir Nutzer oder Beschäftigte Orientierungsprobleme oder Qualitätseinbußen entstehen. Der Bürger ruft Leistungspakete ab, der Ort der Produktion ist fiir ihn nicht entscheidend. 13 10 Ein Web-Based-Training (Interaktives elektronisches Lernprogramm) zu "Public Private Partnership" findet sich unter www.dhv-speyer.de/hilllkooperationenlpppwbt.htm. 11 Sabine Herz/Peter Jakubowski, Neue Kooperationen und effiziente Verfahren fiir lebendige Städte, Bundesbaublatt 3/2004, 12; Peter Jakubowski, Stadt und Projekte Wer macht in Zukunft Stadt?, Bundesbaublatt 7-8/2004, 15. 12 Dirk Heckmann, Web-based planning: Der Einfluss der Informations- und Kornmunikationstechnologie auf Planungsverfahren der öffentlichen Verwaltung, in: Jan Ziekow (Hrsg.), Bewertung von Fluglärm- Regionalplanung- Planungsfeststellungsverfahren, 2003, S. 287 ff. ; Heidi Sinning/Kiaus SetleiFrank Pflüger (Hrsg.), Neue Medien und Bürgerorientierung, Güterstob 2003; Thomas Hart/Frank Pflüger (Hrsg.), Neue Medien und Bürgerorientierung, Güterstob 2004. 13 Reichard Christoph/Scheske Michael/Schuppan Tino (Hrsg.), Das Reformkonzept E-Govemment, 2004; Klaus Lenk, Der Staat am Draht, 2004; Bernd Jürgen Schneider!Andreas Kasper, E-Govemment- Motor interkommunaler Zusammenarbeit, Städteund Gemeinderat 10/2004, 27; Hili, Transformation der Verwaltung durch EGovemment, Deutsche Zeitschrift fiir Kommunalwissenschaften (DfK), 2004111.
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Hermann Hili
7. Berechenbarkeit und Glaubwürdigkeit ist ein Maßstab sorgfältiger Kommunalpolitik. Leistungen der Kommune müssen daher in Wert und Gegenwert fiir Steuerzahler und Kontrollorgane messbar und sichtbar werden. Transparenz und Offenlegung von Zielen und Maßnahmen, Risiken und Chancen sind dabei Kennzeichen guter Geschäftsfiihrung 14. Kommunikation schafft Legitimation. Bürgerhaushalte, Bürgerchartas und Bürgereinbeziehung sind wichtige Instrumente kooperativer Stadtentwicklung. 15
IV. Revitalisierung, Wettbewerb und Kooperation 8. Planerische (Zwischenstadt, Stadtlandschaft) 16, wirtschaftliche (Einkaufen auf der grünen Wiese) Konzepte haben in den letzten Jahren zu einer Auszehrung der Stadtkerne gefiihrt. Mittlerweile zeigt sich eine neue Bewegung zur Renaissance der Innenstädte, die den öffentlichen Raum als Begegnungsstätte neu schaffen und das urbane Leben wiederbeleben will. Architektur und Baukultur als Markenzeichen, Vermeidung von Aggression und Gewalt durch Sicherheit17 und Sauberkeit sowie die Schaffung einerneuen Aufenthalts- und Erlebnisqualität sind dabei wichtige Erfolgsstrategien fiir lebendige Städte. 18 9. Gleichzeitig sollten Kommunen bemüht sein, Selbstverwaltung als Selbstgestaltung zu verstehen und ihre Individualität und Unterschiedlichkeil im Wettbewerb mit anderen Kommunen herauszustellen und zu betonen. Diskussionen über kommunal beeinflussbare Steuern, Abweichung von ministeriellen Standards sowie moderne Marketingkonzepte gehen in diese Richtung. Die spezifische Identität und Eigenheit jeder Kommune schafft dabei eine neue Verantwortung der gewählten Mandatsträger. Diese zeigt sich etwa beim Einkauf kommunaler Leistungen im Rahmen einer Gewährleistungsverantwor-
9.
14 Hili, Risiko-Management im öffentlichen Sektor, innovative verwaltung 12/2002,
15 Astrid Ley/Ludwig Weitz (Hrsg.), Praxis Bürgerbeteiligung. Ein Methodenhandbuch, Bonn 2003; Bertelsmann Stiftung/Innenministerium NRW (Hrsg.), Kommunaler Bürgerhaushalt Ein Leitfaden flir die Praxis, 2004. 16 Manfred Kühn, Vom Ring zum Netz? DISP 143 (2000), 18; Thomas Sieverts, Sieben einfache Zugänge zum Begreifen und zum Umgang mit der Zwischenstadt, in: Norbert Gestring, u.a. (Hrsg.), Jahrbuch StadtRegion 2003, 2004, S. 43. 17 Waller Siebel/Jan Wehrheim, Sicherheit und urbane Öffentlichkeit, Deutsche Zeitschrift flir Kommunalwissenscahften (DtK) 200311, II; Hartmut Frommer/Hermann Müller, Fünf Jahre Nürnberger Sicherheitspakt, BayVBI 2004, 68. 18 City21 - Bündnis für lebendige Städte, MittOST vom 13.11.2002, S. 351; www.abindiemitte.de.
Begrüßung und Einführung
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tung 19, aber auch bei der angestrebten Repolitisierung der Kornmunalwirtschaft, nach der kommunale Vertretungskörperschaften auch im europäischen Kontext selbst entscheiden können sollen, welche Dienstleistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegen und ob sie mit eigenen Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen wollen. 20 10. Vemetzung der Lebensbereiche, Koinplexität der Aufgaben und Mobilität der Bürger haben dazu gefiihrt, dass viele Aufgaben nicht mehr alleine in lokaler Verantwortung geregelt werden können. Ressourcensharing, interkommunale Kooperationen 21 sowie regionales Denken sind daher gefordert. Zunehmend wird sich daher die Stadtregion als Handlungsebene etablieren, weil nur dort im Wettbewerb der Standorte eine ausreichende Angebots- und Nachfragemacht sowie ein angemessener Vorteils- und Lastenausgleich und ein gemeinsames Auftreten, das letztlich allen beteiligten Kommunen nutzt, entwikkelt werden können. 22
19 Christoph Reichard, Das Konzept des Gewährleistungsstaates, in: Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (Hrsg.), Neue Institutionenökonomik- Public Private Partnership - Gewährleistungsstaat, Berlin 2004, S. 48; Jens Lattmann, Probleme, Risiken und Grenzen des Gewährleistungsstaat-Konzepts, in: Gesellschaft ftlr öffentliche Wirtschaft, a.a.O. S. 61. 20 Neben den Nachweisen in Fn. 4 vgl. noch Herbert Schmalstieg, Städte brauchen Spielraum bei der Daseinsvorsorge, der Städtetag 2003, 35; Matthias Wohltmann, Neue europäische Weichenstellungen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der kommunalen Daseinsvorsorge, Der Landkreis 2003, 746; Matthias Knauff, Die Daseinsvorsorge im Visier Europas, Vr 2004, 296; Markus Möstl, Renaissance und Rekonstruktion des Daseinsvorsorgebegriffs unter dem Europarecht, in: Michael Brenner, u.a. (Hrsg.), Der Staat des Grundgesetzes - Kontinuität und Wandel, Festschrift für Peter Badura, 2004, s. 951. 21 Deutscher Städtetag (Hrsg.), Interkommunale Kooperation, OST-Beiträge zur Kommunalpolitik, Heft 31, 2003; Deutscher Städte- und Gemeindebund (Hrsg.), Interkommunale Zusammenarbeit, DStGB-Dokurnentation No. 39, 2004; KGSt (Hrsg.), Interkommunale Zusammenarbeit - ein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung, KOStMaterialien Nr. 3/2004. 22 Fotleert Kiepe, Grundsatzfragen der Stadt-Umland-Probleme- die Verdichtungsräume brauchen Stadtregionen, in: Utz I. Küpper, u.a. (Hrsg.), Die Zukunft unserer Städte gestalten - Chancen aus Krisen, Neue Schriften des Deutschen Städtetages, Heft 85, 2003, S. 242 ff.; A.xel Priebs, Vom Stadt-Umland-Gegensatz zur vernetzten Stadtregion, in: Gestring u.a. (Hrsg.), Jahrbuch Stadtregion 2003, 2004, S. 17.
Herausforderungen und Konsequenzen des demographischen Wandels für die Städte Von Heinrich Mäding
I. Demographischer Wandel 1. Vorbemerkungen'
Demographie ist ein Thema, das sich im Aufschwung seiner Themenkonjunktur befindet und dies mit Recht. Denn es gibt wenige Themen, welche die deutsche Gesellschaft, die deutsche Wirtschaft und vor allem die deutschen Städte so beschäftigen sollten, wie die Fragen des demographischen Wandels. Die Warnrufe werden lauter. Ökonomen warnen: "Die Wirtschaft ist unser Schicksal. Die Demographie wird zu unserem Schicksal"2, ein Verfassungsrichter sieht uns "Am demographischen Abgrund" 3 . Bundesministerin Ulla Schmidt nennt den demographischen Wandel inzwischen "die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts" 4 und die Zeitschrift ,,Kommunalpolitische Blätter" erkennt in ihm zumindest "das spannendste Thema der nächsten Jahre"5. Die politische Praxis schwankt zwischen Abwehr und Nachfrage nach Wissenstransfer. Die Funktion meines Beitrages sehe ich darin, in der gebotenen Kürze einige wichtige demographische Prozesse der Vergangenheit zu beschreiben, einige wenige Projektionen in die Zukunft zu kommentieren, vor allem die unterschiedliche Betroffenheit der Städte und Regionen zu verdeutlichen und abschließend - in Thesenform - einige Anregungen für die Stadtpolitik zum strategischen Umgang mit den zu erwartenden Trends vorzutragen.
1 Ich danke Herrn Diplom-Politologen /ngo Einacker (Difu) flir wichtige Hilfe bei der Materialsammlung und Datenaufbereitung. Der folgende Text folgt streckenweise früheren Publikationen des Verfassers, die im Literaturverzeichnis enthalten sind. 2 U. Pfeiffer u.a. 200 I, S. 14. 3 Udo di Fabio, FAZ 12.10.2002. 4 Zit. nach Bosbach, FR 23 .2.2004. 5 Kommunalpolitische Blätter (2003), H. 8. S. 6.
Heinrich Mäding
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2. Nationales Bevölkerungsvolumen
a) Natürliche Bevölkerungsentwicklung Die Bevölkerung nach Zahl und Struktur entwickelt sich bekanntlich in zwei Prozessen, die zunächst relativ wenig miteinander zu tun haben, nämlich der natürlichen Bevölkerungsentwicklung und dem internationalen Wanderungsgeschehen. Die natürliche Bevölkerungsentwicklung basiert auf den Geburtenund Sterbeflillen. Von zentraler Aussagekraft ist die zusammengefasste Geburtenziffer: 210 Kinder pro 100 Frauen sichern, dass sich die Gesellschaft von Generation zu Generation regeneriert. In Deutschland beträgt die entsprechende Ziffer aber zur Zeit nur etwa 130 bis 140. Bei diesem Reproduktionsverhalten wird jeder nachfolgenden Generation etwa ein Drittel an Köpfen fehlen. Im Abstand von nur zwei Generationen, von Großeltern zu Enkeln, wäre die Bevölkerung halbiert. Zusammengefasste Geburtenziffern in den Jahren 1871 -1999
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Abb. 4: Ansprechpartner (links), Eingabemöglichkeit von Anregungen und Bedenken im Rahmen der I. oder 2. Stufe der formalen Bürgerbeteiligung (rechts), Beispiel Gütersloh
3. Bürgerbeteiligung- online und interaktiv
Die Spitze des Beteiligungsdreiecks bilden interaktive Formen elektronischer Bürgerbeteiligung, die nur zu ausgewählten Verfahren, möglichst vor Beginn des formalen Verfahrens, durchgefiihrt werden. Erst auf dieser Stufe der Bürgerbeteiligung werden die medialen Potenziale intemet-basierter Kommunikations- und Informationstechnologien, die wir in Anlehnung an Kubicek et a/. ( I998) auch als ,,Medien I. Ordnung" bezeichnen können, ausgeschöpft. Allerdings ist die lnwertsetzung von Medien I. Ordnung voraussetzungsreich: Folgende 4 Erfolgsfaktoren, die wir in Anlehnung an Kubicek et a/. (ebenda) auch als .,Medien 2. Ordnung" bezeichnen können, spielen dabei eine zentrale Rolle (ausfiihrlich siehe Hagedom et al. 2003; Märker et al. 2003a; Märker et al. 2003b; Märker et al. 2003c): 1.
Institutionelle Einbettung von Verfahren. Die institutionelle Einbettung von E-Partizipation ist von größter Bedeutung (vgl. auch Kubicek et al. 2003b: 1; Westholm 2002: 244-245; 2003: 2I7-222). Denn nur wenn den Bürger/inne/n glaubwürdig erläutert werden kann, welche Funktion das Verfahren hat, zu welchem Zweck also Wissen diskursiv generiert werden soll, und wie das so generierte Wissen in die Bauleitplanung einfließen soll, nur dann werden Bürger/innen bereit sein, sich zu beteiligen. Es müssen also klar definierte Schnittstellen zwischen "virtuellen" und ,,realen" Diskus-
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sions- und Planungsprozessen hergestellt werden. Das bedeutet - wie wir schon weiter oben gesehen haben - dass nicht nur "draußen" im WWW Diskurse für die Bürger/innen angeboten werden, sondern dass auch im backofficeein ausreichender personeller, mit entsprechenden Zuständigkeiten, kommunikativen und medialen Kompetenzen ausgestatteter ,,Resonanzboden" vorhanden ist, -
damit während des Verfahrens auf Anfragen, Beiträge und Kommentare der Bürger/innen geantwortet werden kann, und
-
nach Abschluss des Verfahrens die Ergebnisse so be- und verarbeitet werden, damit sie Teil des Abwägungsprozess werden können.
2.
Planung von Verfahren. Ist Funktion und Zielsetzung geklärt, dann können Verfahren zur Durchführung interaktiver Diskurse entsprechend geplant werden. Zur Planung gehören Zeitpunkte und Dauer sowohl des gesamten Verfahrens als auch seiner einzelnen Phasen. Letztere werden so geplant, dass die Zielsetzung des Verfahrens (z. B. Entwicklung von Ideen oder Bewertung eines Plans) über kommunikative Zwischenschritte erreicht werden kann (z. B. Woche 1 ldeensammlung, Woche 2 und 3 Vertiefung, Woche 4 Konsolidierung- vgl. Lührs et al. 2004). Zur Planung gehört je nach Bedarf und Zielgruppe auch die Einbettung konventioneller Veranstaltungsformen, wie zum Beispiel moderierte Workshops oder Bürgerversammlungen.
3.
Gestaltung durch Online-Moderation. Interaktive Diskurse bedürfen einer (Online-)Moderation, d.h. einer aktiven Gestaltung des Kommunikationsprozesses. Ähnlich wie in ,,realen" Beteiligungsverfahren trägt die Moderation und deren Qualität auch bei Internetforen entscheidend zur Ergebnisorientierung und damit zur angestrebten Generierung von Wissen bei. Durch die Moderation wird der Verfahrensplan in einen lebendigen Prozess "übersetzt". Die Moderation sorgt u.a. für die
4.
-
Übersichtlichkeit und Zielorientierung durch Prozess- und Diskursstrukturierung
-
Herausforderung, Weiterentwicklung und Vertiefung der Argumentation
-
Ergebnissicherung der Diskussion durch Zusammenfassungen
Moderationsfiihige Software. Damit Diskurse im Netz entsprechend durch Verfahrensplanung und Moderation (Medien 2. Ordnung) umgesetzt werden können, ist eine flexible und dynamisch an unterschiedliche Diskurserfordernisse anpassbare Software notwendig, die gleichzeitig für die Teilnehmer/innen nutzungs- und bedienungsfreundlich ist. Dem Medium 2. Ordnung muss also entsprechend ein moderationsfähiges Medium 1. Ordnung zugeordnet werden, wobei Letzteres durch Ersteres in Wert
Elektronische Formen der Bürgerbeteiligung
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gesetzt wird. Mann kann auch sagen: Moderationsfähige Software ist notwendig, aber nicht hinreichend. V. Vorteile interaktiver Bürgerbeteiligung online
Internet-basierte Diskussionsforen, in denen auf der Basis von geschriebenen Nachrichten zeitversetzt (asynchron) kommuniziert werden kann, erlauben es den Bürger/inne/n, zu jedem ihnen beliebigen Zeitpunkt von unterschiedlichen Orten teil zu nehmen: Des weiteren erleichtern asynchrone Diskussionsforen neu Hinzukommenden den Einstieg in die Diskussion, da der gesamte bisherige Diskussionsverlauf verschriftlicht und dokumentiert wird, und aktuelle Zusammenfassungen durch die Online-Moderation verfügbar gernacht werden können. Für Bürger/innen, denen es sonst schwer fällt, vor einer großen Zahl anderer Personen oder in der Hektik der Debatte das Wort zu ergreifen, sind Diskurse im Internet leichter zugänglich. Hinzu kommt, dass in Internetdiskursen dem Bedürfnis nach Anonymität Rechnung getragen werden kann, ohne die Interaktivität in der Diskussion und damit das Potenzial, Wissen diskursiv zu generieren, aufgeben zu müssen ("Beteiligung im Schutz der Anonymität", vgl. Kubicek et al. 2003a: 75). Nicht zuletzt können in Diskussionsforen prinzipiell mehrere Personen gleichzeitig einen Beitrag abgeben und auch verschiedene Themen parallel bearbeiten. Ein weiterer Vorteil liegt in der Strukturiertheil und Sachlichkeit moderierter Internetdiskurse. Denn die Asynchronizität legt ein gründlicheres Überdenken der eigenen Beiträge nahe, bevor sie "gesendet" werden. In Diskussionsforen ist es zudem einfacher, sich auf Beiträge Dritter zu beziehen-, nicht nur weil es den Diskutanten nahe gelegt wird, eigene Beiträge denen von anderen zuzuordnen-, sondern auch, weil die Beiträge derer, auf die man sich beziehen möchte, nachgelesen werden können. Für die Verwaltung sind aufgrund der Verschriftlichung des Diskurses die Ergebnisse besser für Verfahren wie der Bauleitplanung verwertbar. Internet-basierte Diskurse haben, auch wenn Bürger/innen ohne Zugang zum Internet (materiell, bildungsbedingt) ausgeschlossen werden, eine höhere Reichweite, da mehr Teilnehmer/innen in einem diskursiven Modus eingebunden werden können und noch mehr Teilnehmer/innen Beiträge und Informationen zu Planungen lesen können. Allerdings zeigt die Praxis, dass es zukünftig darum gehen wird, medienübergreifende Diskurse zu organisieren, interaktive Diskurse, die durch eine intelligente Verknüpfung "konventioneller" Beteiligungsangebote auf der einen mit internetbasierten auf der anderen Seite gekennzeichnet sind.
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VI. Ausblick
Mit der Durchfiihrung interaktiver Formen elektronischer Bürgerbeteiligung im Rahmen der Bauleitplanung kann die Verwaltung auf innovative Weise Diskurse zur Generierung planungsrelevanten Wissens nutzen und dadurch neue Handlungsspielräume gewinnen. Allerdings muss das politisch-administrative System Veifahrenswissen aufbauen (,,Medien 2. Ordnung") und für die Entwicklung entsprechender (kommunikativer) Kompetenzen bei den Mitarbeiter/innen sorgen. Auf diese Weise können die latenten Konflikte zwischen den Bürger/inne/n und "denen da oben" zu großen Teilen vermieden und eine Stadtentwicklung befördert werden, die sich optimal an den so unterschiedlichen Nutzerbedürfnissen orientiert und diese abwägt. Politik und Verwaltung können durch diese Form des ,,zuhörenden Managements" auch in einer zunehmend heterogenen Gesellschaft ihre gestaltende Rolle erfüllen. Literatur Baecker, Dirk (1999): Organisation als System. Frankfurt (Main): Suhrkamp. Aufsätze. Becker, Barbara!Wehner, Josef (2001): "Eiectronic Media and Civil Society." S. 67-86 in Cultural, Technology, Communication. Towards an Intercultural global Village, Hrsg: C. Ess und F. Sudweeks. Albany: State University New York Press. Burg, Antje ( 1999): Internet und Planungspartizipation. Einsatz telekooperativer Verfahren in der Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Aufstellung städtebaulicher Pläne am Beispiel von Deutschland, Großbritannien und Schweden. Berichte aus der Architektur, Aachen. PhD Thesis, University Kaiserslautern, Germany. Gimmler, Antje (2000): "Deliberative Demokratie, Öffentlichkeit und das Internet." S. 191-208 in Subjektivität und Öffentlichkeit. Kulturwissenschaftliche Grundlagenprobleme virtueller Welten, Hrsg: Mike Sandbothe und Winfiied Marotzki. Köln: Herbert von Haiern Verlag. Habermas, Jürgen ( 1992): Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaates. Frankfurt (Main): Suhrkamp. Hagedorn, Hans/Märker, Oliver!Trene/, Matthias (2003): "Intemetgestützte Bürgerbeteiligung: Das Esslinger Fallbeispiel." S. 365-391 in Online-Mediation: Neue Medien in der Konfliktvennittlung - mit Beispielen aus Politik und Wirtschaft, Hrsg: Oliver Märker und Matthias Trenel. Berlin: edition sigma. Hili, Hermann (2002): ,,Partnerschaften und Netzwerke - Staatliches Handeln in der Bürgergesellschaft -." VBI Bayerische Verwaltungsblätter, Zeitschrift fiir öffentliches Recht und öffentliche Verwaltung (BayVBI) 2002, 11 :321-326.
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Elektronische Formen der Bürgerbeteiligung
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Wissensmanagement als Dienstleistung in der Region Von Dieter Rehfeld
I. Kommunale Herausforderungen Die Folgen der demographischen Entwicklung zu bewältigen und adäquate Lösungen zu entwickeln, ist eine wesentliche Herausforderung fiir die Städte und Gemeinden zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Der Geburtenrückgang führt zu einer dramatischen Alterung der Bevölkerung. Gleichzeitig setzt eine StadtLand-Flucht ein. Mittelfristig wird es zu einem Arbeitskräftemangel, vor allem zu einem Fachkräftemangel, kommen. Notwendig ist deshalb eine gezielte Zuwanderung von Menschen in die Bundesrepublik Deutschland. Dies hat Konsequenzen fiir die Stadtentwicklung. Die Arbeits- und Sozialpolitik der Agenda 2010 der Bundesregierung regelt die Zuständigkeiten und die Verantwortung fiir den regionalen Arbeitsmarkt und fiir die kommunale Sozialhilfe und Wohnungsunterstützung neu. Dies stellt die Kommunen aktuell vor erhebliche Koordinierungs- und Ausgleichsaufgaben im dezentralen Sozialmanagement Kommunal notwendige Aufgabe ist dabei, eine Abstimmung zwischen der regionalen Einrichtung der Bundesagentur fiir Arbeit, den Ämtern der Kommunen, den Sozialverbänden, den Bildungsträgem und anderen Akteuren, wie z. B. den Schuldnerberatungen, im regionalen Arbeits- und Sozialmarkt herbeizuführen. Die Kommunen haben nur noch wenig finanzielle Mittel fiir Investitionen. Neuinvestitionen fmden fast nicht mehr statt. Die erheblichen Defizite bei der Unterhaltung von Straßen, Gebäuden, Liegenschaften und Grundflächen, Kanälen und anderen Infrastruktureinrichtungen der Kommunen treten zutage. Die Kommunen sind im erheblichen Maße unterinvestiert. Die Substanz des kommunalen Vermögens reduziert sich dramatisch. Der nachfolgenden Generation wird ein geringerer Kapitalstock hinterlassen. Das Vermögen der Kommunen wird nicht generationengerecht gemanagt. Diese grundsätzlichen Entwicklungslinien werden zukünftig im neuen kaufmännischen Rechnungswesen bilanziert. Das Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF} führt dazu, dass die Kommunen zukünftig ihre Finanzströme wie Unternehmen abbilden. Eine Konsequenz des neuen kommunalen Finanzmanagements wird sein, dass auch die Kommunen entsprechend den
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Standardregeln des Finanzmarktes bewertet werden. So wird zum Beispiel der Cash-Flow ein Beurteilungskriterium für die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen. Die Kriterien von Basel II und die daraus folgenden RatingKriterien werden auch auf die Kommunen angewendet. Für ihre individuelle Refinanzierungsposition gegenüber den Banken müssen die Kommunen zukünftig ein Rating-Management nachweisen. Noch hoffen die Kämmerer, an diesem Thema vorbei zu kommen. Wahrscheinlicher ist aber, dass der Wettbewerbsdruck bei Banken und Sparkassen auch zu einem Wettbewerb um die "guten" Kommunen führen wird. Eine Bank, die "gute" Kommunen im Portfolio hat, kann ihr Gesamtrisiko minimieren. Die Banken werden also ein gutes kommunales Rating-Management durch günstigere Zinskonditionen belohnen. Inwieweit sich die Bürger in den Kommunen, das kommunale Verwaltungsmanagement und die kommunale Politik der Wirkuhgen dieser Herausforderung bewusst sind, ist nicht erkennbar. II. Zusammenrücken in regionalen Netzwerken Ein nahe liegendes und menschliches Strategieverhalten bei schwerer Bedrohung heißt schlicht "Zusammenrücken"! Dies wird auch von kommunalen Handlungsträgem sowie verantwortlichen Managern und Politikern erkannt. Nicht von ungefähr ist das Thema ,,kommunale Zusammenarbeit" in vielschichtigen Schattierungen hoch aktuell. Dabei tritt zunehmend die Schaffung kommunaler regionaler Netzwerke in den Vordergrund. Diese Netzwerke sind vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie die spezifischen Potentiale der Inforrnationstechnologie als Hebel sehen, um mit den aktuellen Herausforderungen kommunaler Politik fertig zu werden und Lösungsansätze für kommende Generationen aufzuzeigen. Vor allem neue Leistungsnetzwerke zwischen den Kommunen für die Produktion und den Vertrieb kommunaler Leistungen kristallisieren sich als neue organisatorische Antwort heraus. Produktion und Vertrieb kommunaler Leistungen werden in Front-Office- und Back-Office-Funktionalitäten getrennt. Im Front-Office werden die Bürgerdienste und die Dienste für die kommunale Wirtschaft orts- und bürgernah erbracht, während im Back-Office Ressourcen gemeinsam von mehreren Kommunen gemeinsam genutzt werden. Diese neuen Produktions- und Vertriebsformen kommunaler Leistungen rütteln an den Grundsätzen der bisherigen Aufbauorganisation und der politischen kommunalen Grenzen. Auch wenn die Theorie hier bereits vielfache Lösungsansätze aufzeigt, so ist doch erkennbar, dass die Praxistrotz aller Probleme nur zurückhaltend reagiert.
Wissensmanagement als Dienstleistung in der Region
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Die Entwicklung hin zu regionalen Netzwerken geschieht nicht freiwillig, sondern ergibt sich aus den dargestellten Herausforderungen. Diese wiederum werden verstärkt durch die rasanten Entwicklungen der Globalisierung. Diese erhält in Europa einen weiteren Schub durch die Osterweiterung der Europäischen Union. Der dabei gewünschte marktwirtschaftliche Konkurrenzdruck erfordert auch neue kommunale Antworten. Die kommunale Städteregion ist dabei eine Basis, um zukunftsorientierte Antworten zu finden. 111. Ideen für ein Government-Network-Management Die aktuelle organisatorische Diskussion und Entwicklung im kommunalen Umfeld zeigt einige Ideen für ein regionales Management. So wird an unterschiedlichen Stellen die Diskussion geführt, gemeinsame Back-OfficeOrganisationen für Buchhaltung und Kasse sowie für Personalabrechnung einzurichten. Auch die Bildung eines gemeinsamen Vermessungs- und Katasteramts für einige Städte im Ruhrgebiet ging durch die Presse. In der Aachener Region hat die Politik die Verwaltung beauftragt zu prüfen, ob nicht eine gemeinsame Abrechnungsgesellschaft (Billinggesellschaft) gegründet werden kann, um Gas, Wasser, Abfall, Abwasser und Straßenreinigung in einer "Gebühren"-rechnung abzurechnen. Dies nicht nur für eine kommunale Gesellschaft, sondern vielmehr für eine kommunale Region. Die kommunalen Steuern (Grundsteuer B) könnten- wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen sind - integriert werden. Diese Dienstleistung würde organisationsübergreifend für Kommunen, kommunale und private Infrastrukturunternehmen angeboten werden. Der Bürger (Kunde) wird über ein regionales kommunales Call-Center bedient. Diese Dienstleistung wird multikanalfähig über Telefon, Fax, Email und in naher Zukunft auch per Videokonferenz vertrieben. Mittlerweile gibt es eine Reihe von IT-Lösungen, die genutzt werden könnten, um das Govemment-Network-Management einer Region nachhaltig zu unterstützen. Vor allem Portale für Baugenehmigungen und Projektmanagement könnten in der Region die Genehmigungsbehörden, die Architekten, Bauträger, Zulieferer, Vermesser, Statiker, Versorger, Grundbuchämter, Rechtsanwälte und Notare in den Prozessen der Baugenehmigung und des Bauprojektmanagements nachhaltig unterstützen. Auch wenn die aufgezeichneten Ideen und die ersten Ansätze viel versprechend klingen, so muss vor Euphorie gewarnt werden, denn ein wesentliches Entwicklungshindernis ist: Macht, Zuständigkeiten und Einfluss verändern sich umfassend. Dies ruft Befiirworter und Gegner solcher Lösungskonzepte auf den Plan. Wie immer bei neueren Entwicklungen haben am Anfang die Beharrungskräfte ein Übergewicht. Aus der Theorie von und in Unternehmen wissen
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wir, dass die Stabilisierung beim bestehenden Attraktor so lange dauern wird, bis die treibenden Kräfte die ,,Kugel der Veränderung" über die ,,Kuppe des Widerstandes" tragen. Die skizzierte Entwicklung zum Govemment-NetworkManagement wird wesentlich ermöglicht durch die Technologie des lnternets. Ein weiterer Treiber dieser Entwicklung ist das zunehmende Bewusstsein der kommunal Verantwortlichen über die Notwendigkeit, das Wissen in und um die Verwaltungsprozesse gezielt gemeinsam zu nutzen und zu managen.
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Basis kommunaler regionaler Netzwerke ist Wissen
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regio iraachen
IV. Wissen und Wissensmanagement Wissen ist die Gesamtheit der Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Personen zur Lösung von Problernen einsetzen. Dies umfasst sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. Wissen stützt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden und entsteht als individueller Prozess in einem spezifischen Kontext und manifestiert sich in Handlungen. Der Wert des Wissens wird nur dann sichtbar, wenn das Wissen in ein Können umgesetzt wird. Wissen ist das Produkt eines Lernprozesses, in dem Daten als Information wahrgenommen, mit dem vorhandenen, im Gehirn gespeicherten Wissen ver-
Wissensmanagement als Dienstleistung in der Region
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netzt wird, und quasi als neues Wissen gelernt wird. Wissen braucht Wissen als Anker. Im Zusammenhang mit Unternehmens- und Verwaltungsführung ist Wissen selbstverständlich keine neue Größe. Das Wissen der Unternehmensleitung und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgte schon immer für einen Wettbewerbsvorteil auf dem Markt. Die Geheimrezeptur des italienischen Eises und das Können seiner Herstellung bestimmen, wo sich im Sommer die Kinder und Erwachsenen anstellen, um ein wunderbares Eis zu schlecken. Wissen war mithin zu jeder Zeit ein kostbares Gut. Vor dem Hintergrund des verschärften Wettbewerbs wird aber die Ressource Wissen noch entscheidender als bisher für das Überleben vieler Unternehmen. Dies gilt auch für das Überleben der Region im Wettbewerb. Nicht nur Geld, sondern auch Wissen ist flüchtig. Wir erleben dies in diesen Tagen aktuell anband der Diskussion zur Verlagerung von Produktionsarbeitsplätzen. Das vielfach gelobte Wissen der Facharbeiter/innen in der Bundesrepublik Deutschland und die besondere Fähigkeit der Produktionsarbeiterlinnen verlieren immer mehr an Bedeutung. Schon lange können qualitativ hochwertige Produktionsstandorte außerhalb der Bundesrepublik Deutschland gegründet werden, ohne dass irgendein Verbraucher dem fehlenden ,,Made in Germany" eine Träne nachweint. Noch dramatischer ist die Abwanderung der Eliten aus Forschung und Technik. Die Befunde lauten, die Bundesrepublik Deutschland investiere zu wenig in die "Wissensgesellschaft". Diese Erkenntnis ist überhaupt nicht neu, das Thema Wissensgesellschaft ebenso wenig. Bereits 1973 hat der Amerikaner Daniel Bell in seiner Arbeit ,,Die nachindustrielle Gesellschaft" die auch heute noch aktuellen Fragen zur Wissenschaftsgesellschaft gestellt: -
Wie fmanzieren wir die notwendige höhere Bildung?
-
Wie bewerten wir das Wissen?
-
Wie schaffen wir Voraussetzungen für kreative Prozesse zur Wissensentwicklung?
-
Welche Technologien setzen wir ein, um Wissen innerhalb der Gesellschaft zu verbreiten?
-
Welches Entwicklungstempo für die Wissensentwicklung und -Verbreitung ist möglich?
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Welche Anforderungen stellt der technologische und gesellschaftliche Wandel innerhalb der Wissensgesellschaft an die Menschen?
Die politisch-gestalterischen Antworten und Entscheidungen stehen für die Bundesrepublik jedenfalls in Form eines umfassenden Konzeptes (Masterplan) noch aus. Über alle Parteien hinweg bilden eher segmentierte und kleinteilige Auseinandersetzungen in der Tagespolitik den Horizont.
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Wie Wissensmanagement gestaltet wird, ist mithin nicht nur eine Frage betriebswirtschaftlicher oder informationstechnischer Überlegungen, sondern schließt auch gesellschaftspolitische und soziologische Fragestellungen ein. Auf den Weg zur Wissensgesellschaft haben auch Sirnon Nora und Alain Mine in ihrer wichtigen Arbeit "Die Informatisierung der Gesellschaft" fiir den französischen Staatspräsidenten bereits Mitte der 70er Jahre hingewiesen. Ihre Ableitung, dass die lnformatisierung der Gesellschaft nicht nur ein weiteres Netz darstellt, sondern vielmehr ein Netz neuer Art, das Bild, Ton und Informationsinhalte in eine vielschichtige Wechselbeziehung treten lässt, und dass diese Entwicklung unser Kulturmodell verändern wird, scheint vor dem Hintergrund des täglichen Internet rückblickend wie eine Selbstverständlichkeit. Keine 25 Jahre hat es gedauert, und das Internet hat die Verarbeitung, Speicherung und Verbreitung von Informationen tief greifend verändert. Das Internet hat das Nervensystem der gesamten Gesellschaft und ihrer Organisationen erfasst. Dass allerdings die technologische Revolution nicht die Neugier, Kreativität, Phantasie und das Wissen der Menschen ersetzen kann, macht die aktuelle Diskussion üb!!r die "Eliteuniversitäten" noch mal deutlich. Letztlich kommt es darauf an, dass Menschen ihr "implizites Wissen" entwickeln und einbringen können, um einen Beitrag für die Entwicklung der Gesellschaft zu leisten. Wissen heckt Wissen, dies ist die Grundlage der Wissensgesellschaft. Aufgabe des Wissensmanagements ist es dabei, dafür zu sorgen, dass das knappe Gut Wissen effektiv und effizient eingesetzt wird.
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Bausteine des Wissensmanagement
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Wissen spielt in Politik und Verwaltung seitjeher eine besondere Rolle. Viele Tätigkeiten innerhalb der Verwaltung und der Politikvorbereitung sind menschlicher Umgang mit Informationen. Es ist "geistige Arbeit". Bereits Max Weber hat hier den Ausdruck ,,Dienstwissen" geprägt. 1 Im öffentlichen Bereich geht es auch im täglichen operativen Geschäft in einem hohen Maße um anspruchsvolle Wissensarbeit Dies gilt auch fiir die Kommunalverwaltung. Die oben dargestellten Herausforderungen weisen auf einen nachhaltigen Innovations- und Wissensbedarf in den Kommunen hin. Um diesen Innovationsbedarf zu erfüllen, besteht ein Lernbedarf bei den Menschen und innerhalb der Organisation. Für Lenk und Wengelowski ist Wissen der wichtigste Potentialfaktor der Verwaltung und sie stellen deshalb zu Recht heraus:"Verwaltungsarbeit ist Wissensarbeitpar Exellence". Die Verwaltung hat Wissen über die Gesellschaft, über das recht- oder unrechtmäßige Verhalten von deren Mitgliedern, Wissen über Verwaltungshandeln und Wirkungen, über die zu rechtlichen Vorhaben geronnenen politischen Standards des Verwaltungshandeins sowie nicht zuletzt das Wissen der Verwaltung über sich selbst. Dieses Wissen ist verteilt in Köpfen, in Akten, in Gesetzen, in Rechenwerken, in Datenbanken. Es hat scharfe und unscharfe Zonen, vor allem aber steckt es in menschlichen Köpfen. In Bezug auf das Verwaltungshandeln können wir folgende Wissensarten unterscheiden: -
Verfahrenswissen betrifft das Vorgehen in der laufenden Arbeit,
-
Inhaltswissen umfasst dabei das Fakten- und Regelwissen und
-
Kontextwissen betrifft die Umgebung.
Dass die Kommunalverwaltung sich mit Wissensmanagement befasst, ist nicht Selbstzweck, sondern hat das Ziel, durch Verbesserung der Strukturen und Prozesse die Wettbewerbsfähigkeit der Städte und Gemeinden und der Regionen zu erhöhen. Wissensmanagement soll dazu beitragen, die Reaktionsgeschwindigkeit der Verwaltung zu verbessern, ihre Effektivität und EffiZienz zu erhöhen, ihre Lösungskompetenz zu steigern, sowie die Lern- und Innovationsfähigkeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entwickeln und aufrecht zu erhalten. Ein konkretes Beispiel dafiir ist der Aufbau eines Wissensmanagements fiir Rechtsämter.
1 Vgl.:
Lenk/Wengelowski: Wissen und VeJWaltungshandeln, 2003.
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V. Projekt Wissensmanagement für kommunale Rechtsämter (WikoR) Kommunale Rechtsämter verstehen sich als Berater und Dienstleister fiir die Ämter, Fachbereiche und Unternehmen in den Kommunen. Sie sind vor allem auch Berater der Verwaltungsspitze und werden gegenüber externen beauftragten Dritten als Qualitätssicherer und Auftraggeber tätig. Die Anforderungen an die Rechtsämter steigen. Vor dem Hintergrund knapper Ressourcen stellt sich die Herausforderung, die Effektivität und Effizienz kommunaler Rechtsämter auszubauen. Wissensmanagement ist dabei ein Ansatz, um diese Herausforderung zu bewältigen. Juristen arbeiten bereits heute mit zahlreich zur Verfugung stehenden Datenbanken, wie zum Beispiel mit JURIS. Das Internet ist ein wichtiges Unterstützungsmittel fiir Juristen in der Kommunalverwaltung. Die juristische Aufgabenstellung in den Kommunalverwaltungen hat aus unterschiedlichen Gründen in den letzten Jahren an Quantität, Anspruch und Komplexität stetig zugenommen. Wissensmanagement ist eines der aktuellen wichtigen Themen der Wirtschaftsinformatik in Wissenschaft und Praxis. Es hat fiir Unternehmens-, Rechts- und Steuerberatungen sowie Wirtschaftsprüfungsgesellschaften eine besondere Bedeutung. Denn das Wissen einzelner Mitarbeiter/innen und der Organisation insgesamt ist eng mit der Dienstleistung ,,Beratung und Vertretung" verbunden. Während im privatwirtschaftliehen Umfeld von Rechts-, Steuer- und Wirtschaftsberatungen zahlreiche Initiativen und Ansätze zum Wissensmanagement stattfmden, ist im kommunalen Umfeld das Thema "Wissensmanagement fiir Rechtsämter" noch nicht systematisch in der Bearbeitung. Ein Wissensmanagement fiir Rechtsämter wäre zu gestalten als ein "Wissensportal fiir kommunale Rechtsämter", das sowohl als Intranet-Anwendung innerhalb einer Kommunalverwaltung als auch in Form einer InternetAnwendung organisationsübergreifend zu Verfugung steht. Wesentlicher Bestandteil eines Projektes WikoR ist die Möglichkeit der (virtuellen) Zusammenarbeit von kommunalen juristischen Teams. Diese werden bei ihrer täglichen Arbeit durch die effektive und effiziente Nutzung von vorhandener (aber verteilter) Information unterstützt. Ein Wissensmanagement fiir Rechtsämter könnte dabei folgende Module umfassen: -
Systematische Erfassung und Verschlagwortung aller gutachtlichen Arbeiten in einem kommunalen Rechtsamt (Archivierungsverfahren und Suchfunktionen).
-
Systematisierung der eigenen Daten und Informationen.
-
Zugang zu externen Informationsquellen (Suchfunktionen).
Wissensmanagement als Dienstleistung in der Region
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-
Für die internen Nutzer (Ämter, Fachbereiche u.a.) Aufbau eines IntranetPortals fiir die schnelle Hilfe, fiir Rechtsservices, aktuelle Hinweise, Vorstrukturierungsleitfäden u.ä.
-
Aufbau eines kommunalen ,,Rechsämter-Portals" und Bildung eines Wissensnetzwerkes mit anderen kommunalen Rechtsämtern, mit dem Ziel der gegenseitigen Information sowie der gemeinsamen Erstellung und Nutzung von Gutachten.
-
Einrichtung einer technischen Plattform (Software), um in "virtuellen Arbeitsteams" an gemeinsamen Themen zu arbeiten.
-
Virtuelle Unterstützung fiir kleinere Kommunen; auch virtuelle Regionalisierung der Dienstleistung des Rechtsamtes.
-
Virtuelle Integration externer Dienstleister und Wissenschaftler.
Die Aufzählung ist in keiner Weise vollständig und abschließend. Sie soll nur erste Anregungen geben. Der Nutzen eines Wissensmanagements fiir Rechtsämter ist vielfältig. Entscheidungsprozesse, die eine juristische Fragestellung einschließen, können beschleunigt und in ihrer Qualität gesteigert werden. Dies trägt zu einer höheren Wirtschaftlichkeit und Rechtssicherheit bei. Die Unabhängigkeit der kommunalen Verwaltung wird gesichert.
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Ein solches Wissensmanagement-Projekt hat vielfaltige technische, organisatorische, kulturelle und strategische Aspekte. Der technische Aspekt besteht vor allem in einer Implementierung effizienter Suchmaschinen (Agententechnologie) und Expertensysteme. Ziel ist es, ein Portal-Werkzeug (mit umfangreichen Voreinstellungen) zu entwickeln, welches kostengünstig für den Anwender zu nutzen ist, aber gleichzeitig für den Intranet-Einsatz individuelle Anpassungen ermöglicht. Zum Einsatz sollen vorhandene technologisch hochwertige Lösungen kommen, die zu einem spezifischen Produkt integriert werden. Lösungen aus dem Open-Source Umfeld werden dabei eine besondere Bedeutung haben. Zwischenzeitlich gibt es speziell auf die Unterstützung von Professional Services Firms, wie Beratungsuntemehmen, ausgerichtete Software. Mit XML (Extensible Markup Language) liegt ein Lösungsansatz vor, um unterschiedliche verteilte Plattformen in ein Wissensnetz einzubinden. Die momentan bei Beratungsfirmen eingesetzte Verschlagwortung geht von einer manuellen und damit kostenintensiven Lösung aus. Der Markt bietet aber zunehmend neue Software an, die Texten mittels intelligenter Mechanismen Schlagwörter zuordnet, so dass zukünftig der manuelle Aufwand gesenkt werden kann. Diese Lösungen könnten für Rechtsämter angepasst werden. Für das Auffinden von Wissensobjekten kommt dem Einsatz geeigneter Suchmaschinen eine große Bedeutung bei. Hier gibt es zahlreiche neue technologische Ansätze, wie z. B. Fuzzy Logik, Neuronale Netze oder Natural Language Processing (NLP), im Versuchs- und Entwicklungsstadium. Ein Wissensportal könnte auch eine Personalisierung ermöglichen. Auch hier gibt es neuere Lösungen. Ein besonders hohes Potential wird dem ,,Knowledge Mapping" zugeordnet. Hier geht es um die Visualisierung von Wissenszusammenhängen durch spezielle Softwarelösungen. Der organisatorische Aspekt liegt im Betreiben des Wissensnetzes und des Wissensmanagements der Rechtsämter. Rechtsform (z. B. Verein), Vertraulichkeit, Qualitätssicherung der Inhalte, Finanzierung auf Dauer u.ä. sind die Themen. Ein auf Dauer ausgerichteter Betrieb eines interkommunalen Wissensmanagements bedarf der Qualitätssicherung und der professionellen Betreuung. Der kulturelle Aspekt liegt bei den beteiligten Rechtsämtern und den handelnden Personen. Wie viel Netzwerkfahigkeit ist bei den Personen vorhanden, bzw. wie kann diese geschaffen werden? Nur wer gibt, erhält auch etwas. Wie entsteht Vertrauen? Wie können Trittbrettfahrer oder ein Rosinenpicken verhindert werden? Der strategische Aspekt des Projektes ist es, einen innovativen Beitrag zur Positionierung der kommunalen Rechtsämter zu leisten, damit nicht ein Wis-
Wissensmanagement als Dienstleistung in der Region
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sensvertust und eine ausschließliche Abhängigkeit von externen Büros und Beratern bei den zukünftigen rechtlichen Aufgabenstellungen entsteht.
E-Government in der Metropolregion Hamburg Von Thorsten Heinze
I. Die Metropolregion Harnburg Harnburg bildet mit den angrenzenden nördlichen und südlichen Nachbarräumen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen eine der großen europäischen Metropolregionen. Die Region umfasst rund vier Millionen Einwohnerinnen und Einwohner in 177 selbstständigen Städten und Gemeinden in 14 Landkreisen. Der Wirtschaftsraum ist eng verflochten. Allein aus dem Landkreis Rarburg (Niedersachsen) pendeln täglich knapp 60.000 Erwerbstätige nach Harnburg als internationalem Handels- und Dienstleistungszentrum ein. Wirtschaftliche Strahlkraft haben nicht nur der zweitgrößte Containerhafen Europas oder die Werkstandorte der Luftfahrtindustrie: Die Region liegt im Schnittpunkt bedeutender transeuropäischer Verkehrsachsen. Diese verbinden Skandinavien mit Süd- und Westeuropa, wie auch Westeuropa über Berlin mit dem mittel- und osteuropäischen Raum Der Raum ist damit eine wichtige Drehscheibe fiir die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und Europa. Die heutige und zukünftige Leistungsfähigkeit im globalen Wettbewerb hängt entscheidend von der Attraktivität des Standortes ab. Auf viele Standortfaktoren können die regionalen Akteure Einfluss nehmen. Die Aufgabe der Verwaltung ist es dabei, den gesetzlichen Auftrag sicher, zuverlässig, kostenbewusst sowie bürger-und unternehmensfreundlich zu erbringen. Im internationalen Maßstab wird der weitere Erfolg des Raumes davon abhängen, dass er nicht als Ansammlung unzähliger nicht harmonisierter Gebietskörperschaften wahrgenommen wird, sondern als einheitlicher nutzbarer Wirtschaftsraum bestehen kann. E-Government ermöglicht es, diese Wunschbetrachtung mit der Verwaltungswirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen, ohne Veränderungen an politischen und kulturellen Strukturen zu bedingen. Aus Sicht der Akteure ist E-Government das wesentliche administrative Instrument, Verwaltungshandeln im Spannungsfeld- öffentlicher Auftrag- Servicequalität - Wirtschaftlichkeit und Lage im globalen Wirtschaftsraum Harnburg in der Zukunft sicher zu gestalten, ohne die lokale Identität zu verlieren.
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Thorsten Heinze
II. E-Government in der Metropolregion Hamburg Im Jahr 2002 beschlossen die Oberkreisdirektoren und Landräte der Umlandkreise Hamburgs, über E-Governmentstrukturen die Metropolregion Harnburg in diesem Sinne zu stärken. Der Weg zu einem wirtschaftlichen EGovernment konnte dabei nur über eine intensivierte Zusammenarbeit der beteiligten Gemeinden der drei Bundesländer führen. Die Freie und Hansestadt Harnburg zeigte bereits früh Sympathie für die Idee. E-Government wurde als Leitprojekt der Metropolregion Harnburg initialisiert. Die Initiatoren waren sich dabei dem aktuellen Entwicklungsstand bei einzelnen E-Government-Prozessen in Deutschland bewusst. Aus ihrer Sicht war und ist die flächendeckende Einfiihrung internetorientierter Bürgerdienstleistungen vom heimischen PC aus- nicht zuletzt wegen der noch geringen Akzeptanz digitaler Signatursysteme - deutschlandweit allenfalls mittelfristig möglich. Ausnahmen gelten nur für eine sektorale Nutzung durch bestimmte Berufsgruppen (Notare, Architekten usw.). Infolgedessen genossen solche Projekte erste Priorität, die einer digitalen Signatur nicht bedurften. Eingedenk der vielfältigen Verwaltungsreformen im kommunalen und staatlichen Bereich mit zum Teil einschneidenden Organisationsveränderungen stand daher zunächst die zwischenbehördliche Kommunikation im Vordergrund. Ziel des ersten gemeinsamen E-Governmentprojektes ist es daher, die Verwaltungseinrichtungen in der Metropolregion Harnburg zu vernetzen, um Verwaltungskosten zu sparen und den Bürgerservice zu verbessern. Es fehlten bislang die Voraussetzungen für eine integrative, Verwaltungsgrenzen übergreifende und medienbruchfreie Abwicklung von Geschäftsprozessen in der Metropolregion, ebenso für die Einbindung verwaltungsexterner Kommunikationspartner. Insbesondere die Landkreise wünschen sich die Schaffung der Grundlagen fiir eine Zusammenlegung von Backoffice-Bereichen. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass Back-Office-Tätigkeiten an eine zentrale Stelle delegiert werden, sondern vielmehr, dass die beteiligten Verwaltungen bei der Herstellung von Verwaltungsdienstleistungen im Sinne von ,,Einer-für-Alle" kooperieren. Z. B. könnte Landkreis A bestimmte Tätigkeiten für die Landkreise B, C oder D erledigen, während Landkreis B wiederum andere Tätigkeiten für A, C und D übernimmt. Auch langfristig wird die direkte Ansprache der Verwaltung vor Ort ihre Bedeutung nicht verlieren. Die konsequente Trennung von backund .front-office-Bereichen fiihrt dazu, dass insbesondere in ländlichen Bereichen Anlaufstellen für die Bürgerinnen und Bürger erhalten bleiben können, weil kostspieliger Sachverstand an anderer Stelle gebündelt vorgehalten werden kann. Dem Rückzug der Verwaltung aus der Fläche kann damit wirkungsvoll
E-Govemment in der Metropolregion Harnburg
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entgegengearbeitet werden, ohne auf Kostenminimierung verzichten zu müssen. Die Erwartung, Kosten sparen zu können, war z. B. fiir den Kreistag des Landkreises Rarburg ausschlaggebend, die Beteiligung an dem Projekt zu befiirworten, - eine vor dem Hintergrund der Haushaltskonsolidierung notwendige Forderung. Daher kommt fiir viele Kommunen eine aktive Beteiligung nur in Frage, wenn die Kosten-Nutzen-Relation transparent gernacht wird. Effekte können z. B. durch eine verstärkte Nutzung gemeinsamer Fachverfahren, durch die Vermeidung von Insellösungen und Doppelentwicklungen sowie die Reduzierung des Aufwandes fiir die Zentrale Infrastruktur erzielt werden. Natürlich mit dem nötigen Realismus: Eine vollständige Einheitlichkeit bei den eingesetzten Fachverfahren ist derzeit illusorisch. 111. Lebenslage Umzug Als Pilot-Anwendungsbereich wurde die Lebenslage "Umzug" ins Auge gefasst. Aus Sicht der Verwaltung hat man es mit einem rechtlich einfach strukturierten Prozess zu tun, der aber heute erhebliche Nachteile im Datenaustausch aufweist: Die Situation ist davon geprägt, dass es nach wie vor viele Fachverfahren innerhalb und zwischen Verwaltungen gibt (insbesondere im Meldewesen), häufig Insellösungen ohne Möglichkeit des Datenaustausches bestehen, ein direkter Zugriff auf erforderliche Daten häufig nicht möglich ist, Daten doppelt gehalten werden und ein Mehrfachaufwand bei der Aufbereitung von Daten entsteht. Eine Prozessoptimierung bietet sich daher an. Aus Kundensicht lassen sich ebenfalls wirkungsvolle Verbesserungen erzielen. Ziel soll es sein, dass sich die Bürgerinnen und Bürger fiir Angelegenheiten des Meldewesens und der Kfz-Zulassung an jede dafiir vorgesehene Ortsbehörde innerhalb der Metropolregion wenden können- unabhängig von der jeweiligen formalen Zuständigkeit. Als Beispiel: Herr Müller arbeitet in Harnburg und will von der Stadt Norderstedt (Schleswig-Holstein) in die Stadt Buchholz (Niedersachsen) umziehen. Er erledigt die damit verbundenen Behördengänge in seiner Mittagspause in Harnburg abschließend bei einem Bürgeramt (ABCModell). Das gilt auch fiir die komplette Umschreibung seines Wagens, einschließlich der Vergabe eines neuen Kfz-Kennzeichens. Hier liegt der wesentliche Unterschied zu anderen in Deutschland im Aufbau befindlichen EGovernrnent-Lösungen fiir den Meldebereich, die bislang nur den etablierten Verwaltungsablauf abbilden (AB-Modell). Darüber hinaus soll perspektivisch die elektronische Melderegisterauskunft realisiert werden. Wichtig ist von Anfang an gewesen, dass auch Kommunen außerhalb der Metropolregion Harnburg von der Lösung profitieren sollten. Zudem dürfen die
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Aktivitäten nicht in Konkurrenz bzw. Widerspruch zu anderen E-GovernmentProjekten in den beteiligten Ländern stehen. Vor dem Hintergrund kritischer Haushaltslagen in fast allen Kommunen der Metropolregion war allgemeiner Wunsch, zunächst durch eine Machbarkeitstudie die fmanziellen Chancen und Risiken des Projektes abzubilden. In der von der Gemeinsamen Landesplanung der Länder SchleswigHolstein, Harnburg und Niedersachsen geförderten Studie werden nunmehr die Möglichkeiten fiir eine bürgerfreundliche Dienstleistung bei der Lebenslage "Umzug" am Beispiel des Ummelde- und KfZ-Zulassungsvorgangs dargestellt. Die Arbeiten an der Studie von Sommer 2002 bis Sommer 2003 wurden von der Unternehmensberatung BSL, Bergheim, durchgefiihrt. Begleitet wurde der Gutachter von einer Projektgruppe unter der Federfiihrung des Landkreises Harburg, Niedersachsen. Der Gutachter berichtete in hierfiir vorgesehenen Meilensteinsitzungen einer Lenkungsgruppe unter Vorsitz Hamburgs über den Gang der Untersuchung. Vertreten waren jeweils Landes-, Kreis und Gemeindeebene sowie kommunale Spitzenverbände der drei Bundesländer. Die wissenschaftliche Beratung erfolgte durch Prof. Dr. Klaus Lenk, Universität 01denburg. Dass das Thema von den Kommunen als wichtig eingeschätzt wurde, zeigte sich darin, dass sich in der Phase der Datenerhebung 100 Prozent der Landkreise und 75 Prozent der Gemeinden der Metropolregion beteiligt haben. Die Abschlusspräsentation der Studie fand am 10.09.2003 im Hamburger Rathaus statt. Der Gutachter kommt in der Studie im Wesentlichen zu dem Schluss, dass die Einrichtung eines Behördenintranets als Metropolregion-Netz wirtschaftlich sinnvoll und politisch empfehlenswert ist. Er beschreibt die technischen Voraussetzungen, gibt Hinweise auf rechtliche Hindernisse in Landesund Bundesrecht und Lösungsvorschläge zur organisatorischen Umsetzbarkeit.
IV. Aktueller Projektstand Die Projektpartner haben sich nach Abstimmung in den politischen Gremien auf eine schnelle Vorbereitung der Umsetzung verständigt. In einer ersten Pilotierungsphase werden seit Anfang 2004 konkrete technische und organisatorische Lösungen erarbeitet und erprobt. Beteiligt sind hier neben der Freien und Hansestadt Harnburg und den Ländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen die schleswig-holsteinischen Kreise Segeberg, Pinneberg, Stormam und Herzogtum Lauenburg sowie die niedersächsischen Landkreise Harburg, Lüneburg, Rotenburg (Wümrne) und der Betrieb Dataport als EDV-Dienstleister fiir die Verwaltungen in Schleswig-Holstein und Hamburg. Eingebunden sind die kommunalen Spitzenverbände der Länder.
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In vier Arbeitsgruppen werden technische, fachanwendungsspezifische, finanzielle und rechtliche Fragestellungen bearbeitet. Die Einhaltung zwischenzeitlich bundesweit etablierter Kommunikationsstandards (OSCI, XMeld) ist Grundvoraussetzung, ebenso die Wahrung von Datenschutz und Datensicherheit Die Lösung muss fiir eine perspektivische Einbindung der OnlineSelbstbedienung der Bürger über das Internet und die Aufnahme privatwirtschaftlicher Partner offen sein. Der Aufbau des Metropolregion-Netzes erfolgt in einer Baumstruktur unter Ausnutzung vorhandener oder entstehender Landesnetze in den drei Ländern. Die Gemeinden schließen sich über Kreisnetze oder kommunale Datenzentralen an die Landesnetze an. In einigen Landkreisen gibt es bereits (zumindest teilweise) Datenverbindungen zwischen Kreisverwaltungen und Gemeinden; der zusätzliche Aufwand fiir ein Metropolregion-Netz kann als gering eingeschätzt werden. Zur Realisierung der Lebenslage Umzug sollen die existierenden unterschiedlichen Fachverfahren miteinander verknüpft werden. Für den Datenaustausch wird eine auf die aktuellen Standards angepasste Lösung vergleichbar der bereits in den Kreisen Segeberg und Dithmarschen (beide SchleswigHolstein) genutzten Software "Verwaltung 2000" eingesetzt werden. Die Einhaltung der zwischenzeitlich gefestigten Standards XMeld, OSCI wird zur Herstellung der Kompatibilität zu anderen Datendistributionssystemen im Meldebereich (z. B. MOIN in Niedersachen) gewährleistet. Ob auf mittlere Sicht ein gemeinsames Fachverfahren mit den damit verbundenen Vorteilen zur Anwendung kommen kann, wird die Diskussion in den beteiligten Gemeinden erweisen. Die Urnsetzungsprojektierung steht vor besonderen vom Gutachter aufge~ zeigten Herausforderungen. Insbesondere bedarf es noch auf Länderebene, gfs. auf Bundesebene noch der Anpassung von Rechtsvorschriften des Melde-, und Straßenverkehrsrechtes, um das ABC-Modell ohne Einbußen zu realisieren. Hinsichtlicht der Schaffung des fiir den beschriebenen Prozess erforderlichen rechtlichen Rahmens ist dem Projekt von vielen Seiten - auch auf Länderebene - Zuspruch geäußert worden. Die rechtlichen Implikationen sollen dabei nicht gering geredet werden. Die Verwirklichung der Lebenslage Umzug im beschriebenen Sinne bietet tatsächlich einen ersten Eindruck vom verwaltungsverfahrensrechtlichen ,,Kulturumbruch", der in der Literatur beschrieben wird. Die sorgfältige Abarbeitung der verwaltungsverfahrensrechtlichen und datenschutzrechtlichen Fragen ist daher urnso wichtiger. Im Projekt wird dies durch die enge Einbeziehung der ministeriellen Fachressorts und Datenschutzbeauftragten der drei Länder gewährleistet. Eine Hauptforderung nach nach wie vor getrennten Datenbeständen bleibt dabei oberste Prämisse. Gleiches gilt bei Er-
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Thorsten Heinze
weiterung der örtlichen Zuständigkeit auf Verwaltungskooperationen mit der eindeutigen Identiflzierbarkeit von Fehlerquellen und Verantwortlichkeiten. Leichter Zugang zu Verwaltungsleistungen und Rechtssicherheit dürfen sich selbstverständlich nicht ausschließen. Rechtssicherheit ist ein gleichwertiger Standortfaktor. Aber auch praktische Organisationsfragen müssen noch abschließend erarbeitet werden: Die Leiter der Straßenverkehrsämter in den Landkreisen interessiert insbesondere die Handhabung der KfZ-Kennzeichen und der Umgang mit den verschiedenen Siegelmarken in der Region. Einem Hauptbedenken gegen das ABC-Modell wird aktiv begegnet. Die Rechtssicherheit des Verwaltungshandeins der beteiligten Kommunen fiir den Bürger bleibt oberstes Gebot. Das betriffi insbesondere die Eindeutigkeit des Urhebers der Verwaltungsentscheidung und die Wirksamkeit der Entscheidung mit tatsächlich möglicher Beweisfiihrung fiir die Verwaltung. Ein weiterer Einwand bedarf der ausführlichen Argumentation bei der Umsetzung: Die Zwangsläufigkeit der Auflösung der Monopolstellung einzelner Behörden in der Region. Die Bürgerämter als front-office-Bereiche werden sich in einer Wettbewerbssituation um die Gunst des Kunden befinden. Dies ist zwar bei großen Gebietskörperschaften nicht ungewöhnlich- z. B. generell in Großstädten oder bei Landkreisen mit mehreren stadtteilbezogenen Bürgerämtern oder Zulassungsstellen. In kleineren selbständigen Gemeinden, die nicht selten in einem unmittelbaren politischen und wirtschaftlichen Konkurrenzverhältnis zu Nachbargemeinden stehen, muss dieses jedoch vermittelt werden. Die Entwicklung des Kundenverhaltens ist nicht eindeutig prognostizierbar. Eine Klärung des Ausgleichs veränderter Finanzströme (Verwaltungsgebühren und Kosten) wird aber sicherlich notwendig werden. Viele Gemeinden und Landkreise der Region versprechen sich auf lange Sicht durch das Metropolregion-Netz erhebliche qualitative und quantitative Nutzeneffekte. Die Nutzungsmöglichkeiten sind vielfältig. Es eröffnen sich Möglichkeiten, zentrale Fachverfahren gemeinsam zu nutzen. Daneben ist das Netz auch zu Zwecken der Kommunikation zwischen den Verwaltungen einsetzbar. Vorstellbar hier sind als BeispieliP-Telefonie über das Netz, gemeinsamer Zugriff auf Datenbestände fiir Behörden und andere öffentliche Stellen, gemeinsames regionales Wissensmanagement, Zugangsmöglichkeit zu flächendeckenden GeoiDformationen oder perspektivisch auch Videokonferenzen. Des Weiteren können den Verwaltungen über das Metropolregion-Netz zentrale Dienstleistungen angeboten werden wie z. B. OSCI-Schnittstelle, InternetZugang oder die Einrichtung eines Beschaffungsportals. Mit der Zunahme von auch Ländergrenzen überschreitenden Kooperationsprojekten wie der Wirtschaftsinitiative Südereibe (Hamburg/Niedersachsen)
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wird das Metropolregionsnetz über die Lebenslage Umzug hinaus an großer praktischer Bedeutung gewinnen. Mit aktiven Projektergebnissen ist bereits fiir Ende 2004 zu rechnen. V. Zusammenfassung
Die Umsetzung des Leitprojektes "E-Government in der Metropolregion Hamburg" bietet: -
Die weitere Optimierung der Kommunikation und Kooperation zwischen Behörden,
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die Chance zur Anpassung von bürgerfreundlichen Verwaltungsabläufen an die Möglichkeiten der Technik und nicht umgekehrt,
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die Chance zur Haushaltskonsolidierung der beteiligten Kommunen durch eine zielfUhrende Verteilung von front- und back-office Bereichen in der Region,
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die Einfiihrung des Wettbewerbsgedankens zwischen Behörden durch Auflösung der Monopolstellung bei gleichzeitiger Wahrung der Rechtssicherheit fiir den Bürger und
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eine erhebliche Vorbild- und Sogwirkung des Projekts mit seiner Dimension fiir den Erfolg von regionalen E-Government-Prozessen in Deutschland überhaupt.
Informationen zum Projekt einschließlich Volltext der Studie unter http://metropolregion.hamburg.de; E-mail: [email protected] oder: Finanzbehörde Hamburg, [email protected] LK Harburg, [email protected]
Neue institutionelle Arrangements für kommunale Leistungen aus der Perspektive von E-Government Von Michael Hokkeler
Kommunen stehen unter Druck. Die Rahmenbedingungen für aktives kommunales Handeln haben sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. Die Finanzkrise ist als alles beherrschendes Thema mittlerweile auch in den letzten Städten und Gemeinden angekommen. Gleichzeitig beeinflussen weitere Trends von außen die Entwicklungen vor Ort. Die öffentliche Verwaltung muss sich steigenden Erwartungen von Bürgern oder Kunden an Geschwindigkeit und Qualität der Leistungserbringung stellen. Die Diskussion über die "Service-Wüste" Deutschland wurde 1: 1 auf die öffentliche Verwaltung übertragen. Bürokratie in Form von überzogenen Vorschriften und unklaren Zuständigkeiten wird häufig als zentrales Hemmnis für wirtschaftlichen Aufschwung identifiziert. Ein weiterer Trend, der in diesem Zusammenhang als Druck für die Kommunen spürbar wird, ist eine ITEntwicklung in immer kürzeren Zyklen und eine zunehmende IT-Ausstattungsund Nutzungsdichte in Wirtschaft und Gesellschaft. Die Diskussionen und Experimente rund um das E-Business tun ein Übriges, um die Erwartungen auch an die öffentliche Verwaltung zu verändern. Insbesondere Unternehmen drängen darauf, mit der Verwaltung elektronisch zu kommunizieren und zu interagieren. Angesichts dieser Situation wird auch der Wettbewerb zwischen Kommunen und Regionen im Hinblick auf harte und weiche Standortfaktoren schärfer. Um potenzielle Investoren wird mancherorts schon lange mit harten Bandagen gekämpft. Dabei wird die Bevölkerungsentwicklung als eines der wohl dominierenden Themen der nächsten Jahrzehnte noch gar nicht ausreichend berücksichtigt. Die Folgen des demographischen Wandels bezogen auf Infrastrukturen, Arbeitsmarkt, Sozialversicherungssysteme etc., aber nicht zuletzt auch auf die Verfiigbarkeit von Fachkräften für die Verwaltung werden heute allenfalls an-, nicht aber konsequent weitergedacht. Die resultierenden Anforderungen sind gewaltig: Die Kommune soll gleichzeitig Bürger-/Kundenzufriedenheit erhöhen und Kosten reduzieren, Qualität verbessern und EffiZienz steigern, Beschäftigtenzufriedenheit steigern und Per-
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sonal abbauen, gegebenenfalls neue Aufgaben wahrnehmen bzw. in anderen Bereichen Aufgaben anders wahrnehmen und Aufgaben abgeben. Doch Krise ist immer auch Chance und so stellen sich viele Verwaltungen seit Jahren diesem Spagat. Sie stehen in einem Reformprozess, in dessen Rahmen sie neue - vor allem betriebswirtschaftliche - Instrumente zur Verwaltungssteuerung einfiihren, Aufbaustrukturen schlanker gestalten, Verantwortung dezentralisieren, Wettbewerbselemente einfUhren, Personal qualiftzieren und Informationstechnik noch konsequenter einsetzen. Zudem gewinnt die Auseinandersetzung mit den Wirkungen kommunalen Handeins schon seit Jahren zunehmend an Gewicht. Erster deutlicher Ausdruck dieser Neuorientierung der Verwaltung an der Schnittstelle zum ,,Kunden" war die Outputorientierung und die damit einhergehende Definition von ,,Produkten" der Verwaltung. Das politisch gesteuerte Dienstleistungsunternehmen Kommunalverwaltung soll nachfrageorientiert und von außen nach innen organisiert sein. Die Verwaltung erstellt Leistungen im Sinne von Produkten nach bürgernahen, bedürfnisgerechten Kriterien. Produkte können sich aus Teilleistungen zusammensetzen, die arbeitsteilig, ggf. von verschiedenen Organisationseinheiten, erstellt werden und dem Abnehmer als Paket angeboten werden. Der sprichwörtliche Spießrutenlauf von Amt zu Amt, verbunden mit Unmengen auszufiillender Formulare, soll der Vergangenheit angehören. Kundenorientierung im Sinne von ,,Dienstleistungen aus einer Hand" sind daher als integraler Bestandteil der Reformbemühungen zu sehen. I. E-Government - Informationstechnik und Verwaltungsreform Informationstechnik ist im Reformprozess immer mehr vom Ermöglicher zum Treiber geworden. Insbesondere mit der Internettechnologie haben sich noch einmal neue Möglichkeiten ergeben, Verwaltungsarbeit zu unterstützen und anders zu organisieren. E-Govemment als Oberbegriff und Schlagwort fiir die technikunterstützte Verwaltungsreform hat dabei jetzt schon einige Jahre überdauert. E-Govemment betrifft das gesamte Verwaltungshandeln. Zusammengefasst ergeben sich zwei zentrale Handlungsfelder fiir die Verwaltung: -
Die Realisierung einer Vorverlagerung der Verwaltung zum Bürger/Kunden über vielfältige Zugangs- und Vertriebswege (Internet, Bürgerbüro etc.) unter Berücksichtigung der Grundsätze der Kundenorientierung.
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Die Veränderung von Produkten, Prozessen und Strukturen unter Einbeziehung neuer Formen der Zusammenarbeit, z. B. interkommunal über Verwaltungsgrenzen hinweg oder mit privaten Partnern.
Neue institutionelle Arrangements fiir kommunale Leistungen
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Daran wird deutlich, dass der Perspektivwechsel zwischen "Verwaltung intern" (Organisation, Arbeitsprozesse) und "Verwaltung extern" (Kundenkontakt, Dienstleistungsangebot) und die Verknüpfung beider Perspektiven ein entscheidendes Element darstellt. Beide Handlungsfelder sind grundsätzlich nicht neu. Es sind bekannte Kernelemente der Verwaltungsmodernisierung. EGovemment bringt aber neue Aspekte und Lösungsansätze ins Spiel. E-Govemment ist somit mehr als die Neugestaltung der Schnittstelle zum Bürger im Internet. Selbst wenn dies abgedroschen klingt, in vielen KonmlUnen ist diese Botschaft noch nicht angekommen. Wenn E-Govemment tatsächlich seine Potenziale einerseits zur Qualitätsverbesserung, andererseits zur Rationalisierung entfalten soll, dürfen die Kommunen sich nicht darauf konzentrieren, neue Bürgerdienste zu entwickeln oder vorhandene Informationen und Dienstleistungen über einen neuen Vertriebsweg - das Internet- anzubieten. Wenn EGovemment Wirklichkeit werden und die immensen Anstrengungen sich auch rechnen sollen, ist der Umbau der Leistungserstellungsprozesse "hinter" der Bürgerschnittstelle ein Muss. E-Govemment bedeutet, Verwaltungsarbeit insgesamt umzugestalten, gerade auch dort, wo sie für Außenstehende weniger sichtbar ist. Es geht darum, die internen Leistungserstellungsprozesse im Sinne durchgehender Prozesse an die neue Kunden- und Bürgerschnittstelle anzupassen, Arbeitsprozesse insgesamt neu und dabei verstärkt gemeinsam mit externen - öffentlichen und privaten- Partnern zu gestalten.
1. Das Prinzip: Trennung von Front- und Back-Office Voraussetzung hierfür ist eine Trennung der Kundenschnittstelle (FrontOffice) von der eigentlichen Produktionsstätte (Back-Office). Die Informationstechnik macht dies heute möglich, ohne dass dem Bürger oder Kunden dies bewusst werden muss. Unter Front-Office ist die organisatorische Stelle zu verstehen, die für den Kunden erster Anlaufpunkt ist. Dieser Erstkontakt kann persönlich im Bürgerbüro oder Rathaus erfolgen, aber auch übers Telefon, per Fax oder über das Internet. Unter Back-Office ist die Organisationseinheit zu verstehen, in der die Leistungen der Verwaltung konkret erstellt werden (z. B. Bearbeitung eines Sozialhilfeantrags, Erstellung eines Genehmigungsbescheides). Produkte, die einfach bzw. standardisiert, weitgehend stabil, wenig beratungsintensiv und schnell zu erledigen sind (z. B. Anwohnerparkausweis, Melderegisterauskunft), erhält der Bürger dann über ein Call-Center, ein Bürgerbüro oder eine Webseite. Ziel ist, den Bürger möglichst schnell und abschließend zu bedienen. Durch die Trennung von Vertrieb und Produktion wird es möglich, auch organisations- und ebenenübergreifend Dienstleistungen anzubieten, die Bürger oder Kunden auf kommunaler Ebene nachfragen, ohne dass die ei-
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Abb. I: Die mögliche Trennung von Front-Office und Back-Office
gentliehe Leistungserstellung an einer bestimmten Stelle erfolgen muss.1 Ergebnis ist nicht nur ein Mehr an Flexibilität, Kundenorientierung und Leistungsqualität, sondern gleichzeitig auch eine höhere Wirtschaftlichkeit, denn im Back-Office können Standardisierungen und die Nutzung von Synergien zu erheblichen Rationalisierungseffekten fUhren. 2. Front-Office: Kundenkontakt und Vertrieb
Im Front-Office werden nur Leistungen angeboten, die innerhalb eines kurzen Zeitraums mit wenig Aufwand erledigt werden können. Dies kann eine reine Information sein, die Entgegennahme eines Antrags oder auch die Abwicklung eines einfachen bzw. hochautomatisierten Verfahrens mit sofortigem Ergebnis.
1 Vgl. KGSt (Hrsg.) (2002): Lebenslagen - Verwaltungsorganisation aus Bürger- und Kundensicht KGSt-Bericht Nr. 5/2002, Köln.
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Stellt sich heraus, dass das Anliegen des Kunden aufwändiger ist oder eine spezielle Beratung erfordert, muss dieser an die entsprechenden Experten im Back-Office verwiesen werden. In diesem Falle kann der Kunde zumindest umfassend über Ansprechpartner, Sprechzeiten, mitzubringende Dokumente etc. informiert werden. Im Idealfall wird der Erstkontakt mit den zuständigen Stellen hergestellt und ein konkreter Termin vereinbart. Eine immer größere Rolle in der Funktion als Front-Office spielt das Internet. In den letzten Jahren wurden erhebliche Ressourcen dafiir aufgewendet, um diesen Informations- und Kommunikationskanal auszubauen und sogar komplette Transaktionen darüber abzuwickeln. Durch die Konzentration auf interaktive Anwendungen wurden jedoch teilweise die tatsächlichen Bedürfnisse der Zielgruppen vernachlässigt. Es darf nicht zum Ziel einer Kommune werden, möglichst viele Anwendungen im Internet anzubieten. Stattdessen muss das Ziel lauten, Kunden in die Lage zu versetzen, kommunale Leistungen schnell und unkompliziert in Anspruch nehmen zu können. Das beginnt im ersten Schritt immer mit einer sorgfältigen und umfassenden Information. Kunden, die ein bestimmtes Anliegen haben, müssen Angaben zu Zuständigkeiten, Öffnungszeiten, Kontaktmöglichkeiten und zu den notwendigen Voraussetzungen (z. B. mitzubringende Dokumente, Gebühren) vorfinden. Durch diese Form der Vorabinformation erspart man den Kunden unter Umständen unnötige Wege und entlastet gleichzeitig die Verwaltung, indem Standardanfragen reduziert werden. Ob es wirklich lohnt, darauf aufbauend, den Prozess zum Kunden hin zu öffnen und eine Leistung als Internetanwendung online anzubieten, hängt von verschiedenen Faktoren ab und ist im Einzelfall je nach Produkt oder Dienstleistung zu entscheiden. In jedem Fall muss Klarheit über die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe herrschen, bevor man eine solche Entscheidung treffen kann. Wenn etwa Großteile der Leistungsempfänger noch nicht einmal über einen Internetzugang verfügen, macht es natürlich keinen Sinn, diese Leistungen interaktiv anzubieten. Dennoch sind solche Beispiele in der Vergangenheit mehrfach vorgekommen. Kriterien fiir die Bereitstellung interaktiver Anwendungen können sein: -
Hohe Fallzahlen und dadurch Einsparungspotenziale (geringer Aufwand, Vermeidung von Wegen, Bearbeitungszeiten, Druckkosten etc.) bei den Kunden.
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Hohe Fallzahlen in der Verwaltung und dadurch eine spürbare Entlastung bzw. Einsparungspotenziale.
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Einfache Umsetzbarkeit, z. B. weil eine Anwendung bereits zur Verfügung steht und schnell in das Internetangebot integriert werden kann.
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Ein entsprechender Entwicklungsstand bei den Prozessen im Back-Office, wenn durch die Internetschnittstelle Medienbrüche vermieden werden können.
Das Internet kann auf absehbare Zeit nicht den persönlichen Kotakt zur Verwaltung ersetzen. Es müssen also in jedem Fall andere Vertriebswege aufrecht erhalten werden. Insbesondere das Konzept der multifunktionalen Serviceläden2, die im ländlichen Raum private, halböffentliche und öffentliche Leistungen (z. B. Nahversorgung, Post und Verwaltung) unter einem Dach vereinen, kann im Rahmen von E-Govemment ein Modell für solch ein FrontOffice sein. 3. Back-Office: Interne Prozesse und Produktion Leistungen und Leistungspakete für spezifische Zielgruppen, die sich durch hohe Komplexität und hohe Variabilität (individuelle Lösungen) auszeichnen, erhält der Bürger/Kunde in der Regel durch direkten Kontakt mit einem Ansprechpartner bzw. mit einem Team, in dem Fachleute mit unterschiedlicher Fachkompetenz kooperieren. Die Möglichkeiten von E-Govemment werden hier in erster Linie zur Unterstützung der Fachleute und bei der Verknüpfung des Front-Office mit dem Back-Office genutzt (etwa in der Sozialverwaltung oder der Wirtschaftsförderung).3 Dies kann in der Verwaltung selbst geschehen, aber auch von oder in Zusammenarbeit mit externen Partnern. Die meisten Prozesse, die im Back-Office ablaufen, sind schon seit langem informationstechnisch unterstützt. Im Idealfall laufen die Prozesse sogar voll automatisiert ab, so dass der Kunde innerhalb kürzester Zeit die gewünschten Leistungen abrufen kann.
2 Vgl. Lenk!Klee-Kruse (2000); Lenk, Klaus, Bürgerservice im ländlichen Raum. Meilenstein auf dem Weg zum Electronic Govemrnent, in: Die Neue Verwaltung, Heft 3/2000, s. 12-15. 3 Vgl. Wu(ff(2002), Unsere Hornepage soll schöner werden- Handlungsfeld fiir Führungskräfte? KGSt-Positionspapier, Köln.
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BACK OFFICE
SachbtdtRer
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EOViJSsung/ Vtrf;~hrtn
Abb. 2: Prozessgestaltung im Back-Office Die eigentlichen Effizienzpotenziale fiir die Verwaltung liegen in arbeitsintensiven Prozessen im Back-Office. Prozesse können interkommunal, also in Kooperation mit anderen Verwaltungen oder durch Abgabe von (Teil-)Prozessen an private Partner in vielen Fällen kostengünstiger durchgeführt werden, als wenn jede Kommune alles selbst anbietet. II. Kooperation als Gestaltungsfaktor
Die Trennung von Front- und Back-Office ermöglicht verschiedene Varianten der Kooperation. Leistungen können entweder zentral von einem Einzigen erstellt werden oder dezentral von Mehreren. Dies geschieht für den Kunden natürlich unbemerkt, da die Teilprodukte im Front-Office zusammengeführt werden. Aus EffiZienzerwägungen bilden solche vernetzten Prozesse ein zentrales Ziel vieler E-Government-Projekte. Aufgaben und Funktionen werden in einem gemeinsamen, der Problernlage der Kunden angemessenen Prozess integriert. Auch dezentral, ohne strukturelle Integration, sprich organisatorische Zusammenführung von Verwaltungseinheiten werden die notwendigen Kräfte über das Netz gebündelt und verknüpft. Voraussetzung dafür ist das Wissen um die
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eigenen Geschäftsprozesse sowie notwendige bzw. mögliche Schnittstellen zu anderen Partnern. Die Nutzung vorhandener technischer Standards wie XMLStandards in der öffentlichen Verwaltung (XÖV) ist oberstes Gebot, denn einheitliche Informationen stellen die Basis dar, damit unterschiedliche technische Systeme miteinander kommunizieren, Daten ausgetauscht und weitergegeben werden können. Natürlich kann dieses Prinzip nicht von heute auf morgen auf die gesamte Verwaltung übertragen werden. Es ist als langfristige Perspektive zu verstehen, die in vielen Bereichen bereits umgesetzt werden kann. Wichtig ist dabei, dass die Verantwortlichen die aufgeführten Möglichkeiten, die sich durch die Trennung von Front- und Back-Office bieten, mitdenken. Sie ist gerade bei individuellen komplexen Problemlagen auch nicht mit letzter Konsequenz durchzuhalten. Bei vielen öffentlichen Leistungen kann die Grenze zwischen Kundenkontakt und Leistungserstellung verschwimmen. Dennoch macht es Sinn, konkret für bestimmte Leistungsbündel darüber nachzudenken, wo diese Grenze in der überwiegenden Mehrheit der Fälle verläuft und danach zu entscheiden, ob eine Trennung von Front- und Back-Office möglich ist bzw. wie flexibel diese gestaltet werden kann. Unter Umständen kann bereits die Abwicklung von Teilprozessen wie Vorinformation, Terminvereinbarung und Antragsannahme im Front-Office. das Back-Office massiv entlasten.
111. Kooperation als Gestaltungsoption Das Prinzip der Trennung von Vertrieb und Produktion hat in den letzten Jahren unter dem Schlagwort E-Government neuen Wind in die Bestrebungen um eine nachfrageorientierte Organisation der Kommunalverwaltung gebracht. Dieses Prinzip als mögliche Grundlage für die Reorganisation von Geschäftsprozessen in Entscheidungen einzubeziehen ist in vielen Verwaltungen durchaus neu. Genau darum geht es aber auch bei E-Government: Ausgetretene Pfade zu verlassen und die Möglichkeiten der Informationstechnik bei der Prozessgestaltungzum Wohle der Kunden und der Verwaltung selbst zu nutzen. Wie Kooperation im Einzelfall technisch und organisatorisch realisiert werden kann, hängt von der Ausgangslage und den verfolgten Zielen ab. In der einen Region macht es z. B. durch das Vorhandensein technischer Infrastruktur oder Know-how Sinn, Prozesse zentral zu organisieren, in einer anderen Region bieten sich eher dezentrale Lösungen mit definierter Arbeitsteilung an. Hier gibt es keine Patentrezepte. Kooperation kann sehr weitreichend verwirklicht werden, wenn alle Beteiligten dazu bereit sind.
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Wie jedes andere Projekt mit mehreren Partnern hängt der Erfolg der Kooperationen im Bereich E-Gov,e mment maßgeblich davon ab, dass Ziele verbindlich und eindeutig definiert werden. Notgemeinschaften und Schaufensterveranstaltungen, die nach dem Motto "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!" eingegangen werden, bringen vielleicht kurzfristig kleinere Erfolge, führen aber auf Dauer nicht zu mehr Effizienz bei der Leistungserstellung. Um es noch einmal zu betonen: E-Governrnent ist kein Selbstzweck! Es geht darum, auf Basis bestehender Reformbemühungen, die Möglichkeiten von EGovemment als Impulsgeber und Instrument zu nutzen, um unter den derzeitigen Rahmenbedingungen und Trends organisationspolitische Ziele zu verwirklichen. Angesichts der eingangs skizzierten Rahmenbedingungen ist Kooperation fiir viele Kommunen vielleicht die einzige Chance, in Zukunft wieder selbstbestimmt agieren zu können.
Kommune Online 2004 Mit eGovernment zu mehr Wachstum und Wohlstand für alle Von Franz-Reinhard Habbel
Die Modernisierung Deutschlands wird neben klaren politischen Zielen für eine Neuausrichtung des Landes und der Reformbereitschaft der Deutschen auch vom Umbau des Public Sektors abhängen. Unsere Probleme, wie mangelndes Wirtschaftswachsturn, Explosion der sozialen Ausgaben, überbordete Bürokratie und Haushaltsprobleme sind auch Probleme des Public Sektors. Die deutsche Verwaltung steht an einem Scheideweg. Entweder wir elektronifizieren bestehende Behörden mit ihren Strukturen und ihrer Bürokratie, oder wir bauen die Strukturen um und schaffen mehr Freiräume für Kreativität, Lebensqualität und Wohlstand in unserem Land. Wir brauchen eine Verwaltung, die sich ganzheitlich um die Probleme der Menschen und Unternehmen kümmert und die den Anforderungen der Welt flexibler Rechnung trägt. Globalisierung und neue Technologien wirken auch auf die Aufgaben der Staaten. In Asien wächst eine Volkswirtschaft heran, die uns Deutschen in den nächsten Jahren nicht nur Kühlschränke verkaufen wird, sondern die immer mehr hochleistungsfähige Produkte und Dienstleistungen auf den W eltrnarkt bringen wird. Neue Technologien verändern die Arbeitswelt und fUhren zu neuen vernetzten Unternehmen. Immer öfters werden heute per Mausklick auch Dienstleistungen in andere Länder verlagert, um Kostenvorteile in Anspruch zu nehmen. Nach der zentralen Datenverarbeitung und den dezentralen Informationssystemen kommt das Zeitalter der globalen Informationstechnik Das wird auch gewaltige Auswirkungen auf die Kommunen haben. Neben der Globalisierung und Technologisierung stellen auch Fragen der Sicherheit die Städte und Gemeinden vor neue Herausforderungen. Weltweite Bedrohungen durch den Terrorismus verlangen eine Sicherheitsarchitektur, die auch die Kommunen stärker mit einbeziehen wird. I. Neue Herausforderungen für eGovernment im Zeitalter der globalen Informationstechnik Vernetzte Informations- und Kommunikationstechniken bieten uns neue Möglichkeiten, die zunehmenden Fragmentierungen von Politik und Verwalt-
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ungsleistungen zu verringern. Ziele und Maßnahmen von staatlichen und/oder kommunalen Einrichtungen können durch Vernetzung zusammengefiihrt und besser aufeinander abgestimmt werden. Integrative Politiken und Dienste des Public Sectors sind das Ergebnis. Sie verbessern die Qualität des Services und die Dienstleistungsorientierung des Staates. Ein Beispiel: Im Rahmen des neuen Zuwanderungsrechts wird die bisher ausschließliche ordnungsbehördliche Funktion der Ausländerämter hin zur Integration erweitert werden müssen. Aus Ausländerbehörden werden Center fiir Integration. Künftig werden in solchen Integrationscentern neben den rechtlichen Fragen des Aufenthaltes auch Fragen der Qualifizierung, der Sprachförderung, des Wohnens und des Arbeitsmarktes aufgegriffen. Verschiedene Verwaltungsbehörden und Einrichtungen, aber auch private Organisationen arbeiten intensiver zusammen. Das erfordert neue Formen der Organisation und stellt neue Anforderungen an die Mitarbeiter. In den Integrationscentern müssen auch Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten, d. h. der türkische Migrant trifft auf türkische Mitarbeiter in der Verwaltung. Das Beispiel macht deutlich, dass Ganzheitlichkeit, Integration und Neuausrichtung des Verwaltungshandeins einer vernetzten Informations- und Kommunikationsarchitektur bedarf. Dies ist die wirkliche Herausforderung des eGovernment in Deutschland. All dies verlangt eine Neuausrichtung der staatlichen und kommunalen Aufgaben. Die bisher hierarchisch gegliederte Aufgabenorientierung muss durch eine Themenorientierung ergänzt werden. Dabei werden sich die Städte und Gemeinden künftig auf die Bereiche Arbeit, Wirtschaft, Gesundheit, Bildung und Sicherheit konzentrieren müssen. Für eGovernment bedeutet dies, dass sich nicht nur auf die Optimierung der Geschäftsprozesse konzentriert werden muss, sondern das auch hinterfragt werden muss, welche neuen Dienstleistungen Bürger und Unternehmen in der Informationsgesellschaft fiir die vorgenannten Themenfelder brauchen. In einer immer stärker vernetzten Wirtschaft und Gesellschaft müssen Politik und Verwaltung ihre Produkte ood Dienstleistungen besser aufeinander abstimmen. Wir brauchen ein ganzheitliches Government mit einer klaren Kundenorientierung. Komplizierte Zuständigkeiten müssen aus der Sicht des Kunden unbedeutend werden. Der Bürger will einen einfachen und schnellen Zugang zu den Dienstleistungen des Staates erhalten, ohne vorher fragen zu müssen, wer überhaupt fiir seine Anliegen zuständig ist. II. Finanzierung von eGovernment trotz knapper Kassen Die Finanzlage der Städte ood Gemeinden ist auch im Jahr 2004 weiterhin katastrophal. Die kommunalen Spitzenverbände rechnen zum Jahresende mit einem Gesamtdefizit von etwa 8,5 Mrd. Euro. Zusätzliche Finanzmittel können fiir eGovernment kaum bereitgestellt werden. Deswegen wird es wichtig sein,
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die bisherigen Budgets fiir Infonnations- und Kommunikationstechnik zu überprüfen und zu einer Verschiebung der Ressourcen zu kommen. Im kommunalen Bereich werden mehr als 70% der IT-Investitionen fiir Infrastrukturen und Basisanwendungen ausgegeben. Die Fachverfahren schlagen mit 20% der ITInvestitionen zu Buche und fiir eGovernment-Projekte werden lediglich 10% ausgegeben. Es muss gelingen, durch Transparenz und Optimierung die Aufwendungen bei den Basisinvestitionen und bei den Fachverfahren zu verringern, um freie Mittel fiir innovative eGovernment-Projekte verfügbar zu haben. Der Wert der Investitionen ist hier am größten. 111. Zentrale Entwicklungen der Verwaltungsmodernisierung Zwei zentrale Entwicklungen kennzeichnen die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland in den nächsten Jahren. Dies ist zum einen die Verbesserung der Produktivität und zum anderen die Veränderung von Strukturen . 1. Verbesserung der Produktivität
In einer vernetzten Verwaltung wird das Territorium als tragende Säule fiir die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen immer obsoleter. In den deutschen Kommunen arbeiten zur Zeit 1,5 Mio. Mitarbeiter in 10.000 Rathäusern. Die Personal- und Sachkosten betragen jährlich etwa 70 Mrd. Euro. Angesicht moderner lnfonnations- und Kommunikationstechniken können wir es uns nicht mehr länger leisten, in 10.000 Rathäusern administrativ 10.000 Mal das Gleiche zu machen, womit allerdings nicht die politische Gestaltungsarbeit in den Gemeinden, sondern ausschließlich die Verwaltungsarbeit gemeint ist. Ein Industriekonzern würde in seinen ,,Betriebsstätten" auch nicht jeweils eigenständige Personalwirtschaftssysteme, Buchungssysteme und Reisekostenrnanagementsysteme einsetzen. Nicht jede Verwaltung muss z. B. Ressourcen fiir den Einzug von Verwaltungsgebühren vorhalten. Das kann auch eine zentrale Gebühreneinzugszentrale übernehmen. 2. Vernetzung von Informations- und Kommunikationssystemen
Vernetzte Infonnations- und Kommunikationssysteme bieten der Verwaltung künftig ungeahnte Möglichkeiten zur interkommunalen Kooperation. Hochspezialisierte Kompetenzcenter im Zusammenschluss mehrerer Verwaltungen oder durch Einbindung von Unternehmen werden künftig verstärkt
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komplette Geschäftsprozesse abwickeln. Durch solche Kooperationsmodelle sind bis zum Jahre 2012 Einsparungen von mehr als 20% möglich. Schon heute werden z. B. im Rechenzentrum Lemgo in Ostwestfalen monatlich mehr als 40.000 Personalabrechnungsvorgänge im ASP-Modell für viele Kommunen verarbeitet. Die einzelnen Verwaltungen haben keine eigenen Softwareverfahren mehr. Die Mitarbeiter nutzen das Internet- wo immer sie auch sind - und wickeln darüber den Prozess vollständig ab. Ein weiteres Beispiel: Zu Beginn des Jahres 2005 wird das Arbeitslosengeld II im Jobcenter komplett über das Internet abgewickelt. Es ist die größte webbasierte eGovemment-Anwendung in Europa. Weitere Verfahren einer solchen globalen Informationsverarbeitung werden im Bereich des Haushaltswesen oder der Beschaffung folgen und damit die Verwaltungsarbeit revolutionieren. Die vielen Aktenschränke und Papiervorgänge werden komplett in webbasierten Datenbanken verschwinden. Die Servicearbeiten verringern sich dadurch erheblich. Spezialisten arbeiten vermehrt in virtuellen Kompetenzcentern und nicht mehr nur für eine Verwaltung. Durch eine solche Optimierung der Geschäftsprozesse werden die Administrationskosten sinken und wir werden mehr Geld für dringend notwendige kommunale Investitionen in Bildung und Infrastrukturen zur VerfUgung haben. Ein weiterer Aspekt wird immer wichtiger: Verwaltung ist künftig da, wo die Probleme sind und nicht nur im Arbeitszimmer des Rathauses. Mobile Bürgerdienste, wie z. B. in Berlin, gehen bereits in die Galerien von Geschäftscentern und bieten dort erfolgreich ihre Leistungen an. 3. Neue rechtliche Grundlagen
Auf die neue Form des "Collaboration-Work" ist das deutsche Verwaltungsrecht bisher nicht genügend ausgerichtet. Es gibt zwar eine Reihe von Instrumenten der Zusammenarbeit wie Zweckverbände, öffentlich-rechtliche Vereinbarungen oder auch Genossenschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, die als Grundlage für Formen der Zusammenarbeit dienen. Bei einer Verwaltungsebenen übergreifenden Zusammenarbeit treten aber neue Fragen, wie zum Beispiel nach der verantwortlichen Zuordnung (Demokratiegebot) von (Teil-) Aufgaben, auf. Nach der ersten Phase der Zusammenschlüsse von IT-Rechenzentren werden in der zweiten Phase gemeinsame Geschäftsprozesscenter aufgebaut. So genannte Agenturen für ganzheitliche Dienste greifen auf diese Prozesscenter zurück und liefern Produkte und Dienste des öffentlichen Sektors an ihren Kunden. Ein Beispiel sind die Jobcenter. Künftig arbeiten Arbeitsämter und Sozialämter mit weiteren Dienstleistern aus dem Gesundheits- oder Bildungswesen
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aber auch aus der Privatwirtschaft zusammen, um mittels so genannter Fallmanager den Arbeitssuchenden optimal zu bedienen. Das Beispiel der Jobcenter wird auch für andere Aufgabenfelder wie Bildung und Sicherheit Schule machen. 4. Veränderung der Strukturen In vielen Bereichen ist Deutschlands Verwaltung überbürokratisiert. Acht Verwaltungsebenen von der Gemeinde bis zu Europa bringen uns international häufig mehr Wettbewerbsnachteile als -vorteile. Die Verwaltung ist zu langsam. Leider ist es nicht gelungen, in die Föderalismusdebatte auch die Frage aufzugreifen: Wie können durch moderne Informations- und Kommunikationstechniken Servicecenter für die administrative Abwicklung von Verwaltungsaufgaben gemeinsam von Bund, Ländern und Gemeinden genutzt werden? So könnte zum Beispiel eine ,,Public-Datev" das Buchungswesen von Verwaltungen durch ein webbasiertes Verfahren, das alle nutzen können, optimieren. Bis zu 80 % der Kosten können dadurch eingespart werden. Dies wären beispielsweise allein für die Stadt Fellbachjährlich 10.000 Euro. 5. Interkommunale Zusammenarbeit erweitern Temporäre Zweckbündnisse auf Zeit als ein neues Instrument interkommunaler Zusammenarbeit könnten bestimmte Aufgaben übernehmen, die in einer Region besondere Wichtigkeit haben. Regionen, die flexibel auf Problernlagen reagieren und Chancen zur wirtschaftlichen Entwicklung nutzen, werden Wettbewerbsvorteile haben. Getragen wird diese Erkenntnis von der neuen Lehre der Institutionenökonomie, wonach öffentliche Einrichtungen wichtige Funktionen für das Wachstum einer Wirtschaft haben. Bereits heute gibt es in Deutschland erfolgreiche Modelle interkommunaler Zusammenarbeit. So hat die Gemeindeprüfungsanstalt in Nordrhein-Westfalen Aufgaben der Rechnungsprüfung in den Gemeinden übernommen. Durch eine zentrale Auswertung aller Informationen in der Anstalt werden im Übrigen strategische Erkenntnisse gewonnen, die allen angeschlossenen Städten und Gemeinden Nutzen bringen. Im Bereich des Rhein-Main-Gebietes haben Städte vereinbart, Standesämter und Bauämter gemeinsam zu fUhren. Im RheingauTaunus fordern die Bürgermeister vom Land Hessen gar eine Neuverteilung der Aufgaben und die Abschaffung der bisherigen Landkreise und des Regierungspräsidiums. Viele Aufgaben könnten die Kommunen künftig selbst erledigen, heißt es dort.
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Franz-Reinhard Habbel 6. Bürokratieabbau als vorrangiges Ziel
eGovemrnent ist nicht nur ein Wachstumstreiber, sondern auch ein Entbürokratisierer. Notwendig ist eine Offensive für mehr Bürokratieabbau und mehr Freiräume für die Städte und Gemeinden. Dazu müssen wir klare Ziele setzen: Welche Aufgaben wollen wir in Zukunft angehen? Wer kann diese optimal erfüllen? Die Kosten der Geschäftsprozesse müssen ermittelt und transparent gemacht werden. Nur so kann man voneinander lernen und besser werden. Nicht die Digitalisierung aller Formulare ist das Ziel, sondern der Verzicht auf Formulare. Wer heute über das Internet einen Flug bei der Lufthansa bucht, sieht automatisch die Grunddaten einschließlich des präferierten Sitzplatzes bei jeder neuen Buchung. In der Verwaltung ist dies noch nicht der Fall. Dort müssen Bürger und Unternehmen ihre Grunddaten immer wieder neu in Formulare eingeben. Das muss anders werden. Ein weiteres Beispiel: Die Kfz-Zulassung mit über 400 Zulassungsstellen kann in Deutschland komplett abgeschaffi werden. Dies würde zur Einsparung von ca. 500 Mio. Euro führen. Das Auto erhält bei der Erstanmeldung ein Kennzeichen und behält dieses dann auch bei Besitzerwechsel bis zur Verschrottung bei. Der Halterwechsel findet virtuell in einer zentralen Datenbank statt. Andere Länder wie Spanien oder Skandinavien praktizieren diese Verfahren bereits seit Jahren. 7. Verwaltungen müssen sich auf die Erwartungen der Bürger einstellen
Verwaltung ist weit mehr als die Ummeldung und die Ausstellung eines Reisepasses. In einer immer globaler werdenden Welt verändern sich auch die Public Services. Bildung, Arbeit, Gesundheit und Sicherheit sind die zentralen Themen und damit die Dienste der Kommunen in den kommenden Jahren. Bürger und Wirtschaft erwarten eine Verwaltung, die hochflexibel und personalisiert ihre Dienste bereitstellt und der jeweiligen Lebenssituation oder den entsprechenden Anforderungen in den Unternehmen Rechnung trägt. Die Verwaltung muss sich künftig auch stärker auf ein branchenorientiertes eGovemment fokussieren. Sie muss den Unternehmen als Partner gegenüber stehen und auf ihre Bedürfnisse frühzeitig eingehen. Das A und 0 ist die Kundenorientierung. Jede Branche hat andere Anforderungen und muss individuell unterstützt werden. So hat z. B. die Chemiestadt Ludwigshafen Genehmigungsverfahren im Bereich Umwelt zu priorisieren und die Stadt Frankfurt am Main Breitbandnetze für das globale Finanzmanagement eGovemment ist Standortpolitik Diese Neuorientierung- ja dieser Neubau der Verwaltung- wird nur funktionieren. wenn sich die Verwaltung von ihrer Aufgabenorientierung verab-
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schiedet und den Weg zur ganzheitlichen Problemlösung geht. Ohne einen solchen grundlegenden Wandel wird Deutschland an internationaler Wettbewerbsfahigkeit weiter verlieren. Folgendes Szenario zeigt, wie die Kommune 2012 aussehen könnte: -
Die Idee der Jobcenter hat sich bewährt und wurde auf weitere Bereiche wie Wirtschaft und Bildung ausgedehnt.
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Das Tarif- und Dienstrecht wurde grundlegend reformiert- die Unkündbarkeit wurde abgeschafft- der Wechsel zwischen Wirtschaft und Verwaltung wesentlich erleichtert.
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Die Gewerbesteuer wurde zu einer lokalen Wirtschaftssteuer weiterentwikkelt und eine kommunale Bürgersteuer eingeführt.
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Die Föderalismusreform hat die Kommune durch den Leitgedanken des Subsidiaritätsprinzips gestärkt.
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In den meisten Bundesländern gibt es nur noch zwei Verwaltungsebenen Land und Kommune. So ist die Kommunalaufsicht abgeschafft.
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Auf dem Bundespersonalausweis befindet sich die digitale Signatur.
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Kommunen arbeiten klassische Verwaltungsbereiche mit anderen Kommunen in Geschäftsprozesscentern gemeinsam ab.
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Neue Kooperationen mit der Wirtschaft wie z. B. mit den Sparkassen und der Postbank führen dazu z. B. das gesamte Rechnungswesen extern abzuwickeln.
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Im Bildungswesen ist die Ganztagsschule der RegelfalL
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Die Schulbürokratie ist weitgehend abgeschafft. Die Vorgaben bestehen nur noch aus Kompetenzzielen, die die einzelne Schule - gemessen an ihrer Klientel- erreichen muss.
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Die Schulen sind vollständig kommunalisiert.
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Ehrenamt und freiwillige Dienste werden besonders anerkannt und ausgebaut.
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Es gibt eine bedarfsbezogene Ganztagsschule von Kindern.
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Bauplanungsentscheidungen berücksichtigen stärker die demographischen Entwicklungen.
Kommunale Kompetenzzentren Von Ulrich Gudat
Das Thema meines Vortrags lautet "Kommunale Kompetenzzentren", zwei Worte, die positiv besetzt sind und Wohlklang bedeuten. Wenn man etwas näher hinschaut und dabei auch das Oberthema des heutigen Vonnittags einbezieht, nämlich "Lokale und regionale Aufgaben neu denken", vielleicht auch neu organisieren, nähern wir uns schon mehr dem Inhalt dieses Wortes ,,Kommunale Kompetenzzentren", und zwar im Sinne moderner Verwaltungsstruktur und einer Reform der kommunalen Verwaltungsstruktur im Lande SchleswigHolstein. Nun hat Schleswig-Holstein, wie sicherlich auch noch das eine oder andere Land, eine besondere kleinteilige Gebietsstruktur. In den 70er, 80er und 90er Jahren hat man in Schleswig-Holstein nur ansatzweise eine kommunale Gebietsreform durchgefiihrt, eine umfassende Regelung ist aber unterblieben. Nun werden die einen sagen "Gott sei Dank", man hat sich die kleine kommunale, wohl feine Struktur erhalten, die anderen werden sagen, nein, da ist viel versäumt worden, man hat politisch nicht die Kraft gehabt, um geeignete leistungsfähige Strukturen zu schaffen. Ich möchte zunächst einen kleinen Überblick geben, wie das im Lande Schleswig-Holstein aussieht. Wir haben 1.127 Gemeinden, davon 103 amtsfreie Gemeinden hauptamtlich geleitet und 118 Ämter. Zusammen bestehen 221 hauptamtlich geleitete Verwaltungen von denen etwa 30 noch nicht einmal fiir 5.000 Einwohner zuständig sind. Die Struktur im Lande in der kommunalen Szene ist sehr kleinteilig organisiert. Es gibt zahlreichen Gemeinden, die weniger als tausend Einwohner haben. Auch bei einer Einwohnergröße bis zu 7.000 in den Ämtern ist ein großer Teil des ländlichen Raumes betroffen. In diesen Ämtern und in den kleineren Gemeindeveraltungen ist oft nur eine kleine Anzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern tätig, so z. B. in den kleinsten Verwaltungen sieben Vollkräfte, aber in vielen weiteren kleinen Verwaltungen eben bis zu 20 Beschäftigte. Sie werden praktisch von einem Beamten des gehobenen Dienstes geleitet, und zwar in der Größenordnung der Be-
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Soldungsgruppe A 13. Daneben sind oft kaum weitere Mitarbeiter des gehobenen Dienstes in diesen Verwaltungen tätig. Das ist die personelle Ausgangssituation, die kaum eine spezialisierte Aufgabenwahrnehmung zulässt. Und das bei den vielseitigen und speziellen Aufgaben, die auch die kleinen Verwaltungen vor Ort im Lande Schleswig-Holstein heute erledigen müssen. Deshalb hat das Land Schleswig-Holstein, gestützt auch auf einen Bericht des Landesrechnungshofes, Überlegungen angestellt, wie man die kommunale Verwaltungsstruktur im Lande Schleswig-Holstein verändern kann. Ausgangspunkt fiir die Überlegungen war dabei, keineswegs eine umfassende Gebietsreform nachzuholen, sondern schon die kleinteilige Gemeindestruktur im Kern zu erhalten. Politisch hält es niemand aus und fachlich fehlt auch die Überzeugung, dass es heute, im Jahre 2004 und in den nächsten Jahren Sinn macht, die kleinen Gemeinden gegen ihren Willen zusammenzulegen. Dort, wo die Bereitschaft in den kleinen Gemeinden vorhanden ist, mit den Nachbarn zusammenzugehen, wird es natürlich auch unterstützt - ich werde das unten anhand eines Beispiels näher darlegen-, aber die Philosophie, die hinter dieser Änderung der Verwaltungsstrukturreform im Lande Schleswig-Holstein oder der Bildung von Kornpelenzzentren steht, ist nicht Gebietsreform von oben, sondern die Struktur der Verwaltungen zu verändern, im Klartext heißt es, Verwaltungen zusammenzulegen. Der Landesrechnungshof Schleswig-Holstein hat die Verwaltungsstrukturen untersucht und wirtschaftliche Erfordernisse aufgezeigt. Auch das Innenministerium hatte zuvor eine interne Untersuchung angestellt und bewertet, in welcher Größenordnung in der Verwaltungsebene im ländlichen Raum in Schleswig-Holstein eine Optimierung zu erreichen ist. Gradmesser fiir die Optimierung ist das Verhältnis der Verwaltungskosten im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Interessanterweise sind wir gemeinsam zu der Erkenntnis ge.kommen, dass in der Größenordnung von 8.000 bis 9.000 Einwohnern aufwärts an ein Optimierungsgrad gegeben ist, der die Verwaltungskosten je Einwohner als Vergleichsmaßstab zugrunde legt. Oft wird in der Argumentation gesagt, "srnall is beautiful", also je kleiner die Gebietseinheit umso günstiger ist die Kostenstruktur. Das hat sich aber als nicht richtig herausgestellt. Die Optimierung beginnt bei 8.000/9.000 Einwohnern und zeigt diese Tendenz bis zu einer Größe von etwa 18.000/19.000 Einwohnern. Ab etwa 19.000 Einwohnern tritt eine sprunghafte Kostensteigerung auf, die aber auch zu begründen ist. Bei dieser Größenordnung der Gemeinden wird in Schleswig-Holstein die Funktion eines Mittelzentrums erreicht. Die Städte mit 20.000 Einwohnern sind bei uns Mittelzentren mit mittelzentralen Funktionen und sie nehmen dann weitere Aufgaben fiir den Verflechtungsraum wahr. Hinzu kommen auch historisch gewachsene Aufgaben (z. B. Museen, Ausstellungsräume etc.), die dann in diesen größeren Städten und Gemeinden wahrgenommen werden.
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Schleswig-Holstein hat die besondere Konstellation, dass wir häufig in größeren Gemeinden zugleich den Sitz von zwei Verwaltungen haben, nämlich einmal die Gemeinde- oder die Stadtverwaltung und daneben die Verwaltung eines Amtes. Ich möchte das an einem Beispiel aus der Mitte des Landes aufzeigen. Die Gemeinde Bordesholm ist vom Amt Bordesholm-Land umgeben und der Sitz dieser Amtsverwaltung ist auch in Bordesholm. In krassen Fällen sind solche ,,Kragenverwaltungen" und die Gemeindeverwaltungen zusammen fiir nicht mehr als 6.000 Einwohner zuständig, sodass hier eine Optimierung der Verwaltungskosten nicht erreichbar ist. Der Landesrechnungshof fordert, die beiden Verwaltungen zusammenzulegen, also die Amtsverwaltung und die Stadtverwaltung oder die Gemeindeverwaltung zu verschmelzen. Wir sprechen dabei von so genannten ,,Kragenämtern", Kragen deshalb, weil die Gemeinden, die das Amt bilden, praktisch die zentrale Gemeinde umgeben. Die Zusammenarbeit in der Vergangenheit dieser ,,Kragenämter" mit der zentralen Gemeinde ist sehr unterschiedlich ausgeprägt gewesen. In einigen Regionen hat es schon immer eine sehr enge Zusammenarbeit gegeben, einige wenige sind auch schon sogar im selben Gebäude untergebracht, aber arbeiten weiterhin als zwei nebeneinander wirkende Behörden. Andere dagegen haben überhaupt nicht zusammen gearbeitet und sich auch relativ unfreundlich gegenüber gestanden. Wie eingangs gesagt ist nicht vorgesehen eine Gebietsreform von oben zu verordnen, sondern es geht um den Zusammenschluss kommunaler Verwaltungen. Und dabei sind Initiativen der haupt- und ehrenamtlich Tätigen vor Ort sehr erwünscht, das heißt wir erwarten und erwünschen uns zumindest fiir einen längeren Übergangszeitraum die Initiativen der handelnden Personen vor Ort. Das kann der hauptamtliche Bürgermeister der kleinen Gemeinde sein, dann natürlich auch Stadt- und Gemeindevertreter und viele sind mittlerweile auch auf diesem Wege. Wir haben keinen zeitlichen Endpunkt vorgegeben fiir diese Strukturreform und wir wünschen uns eben auch, dass es sich um einen prozesshaften Verlauf der Reform handelt, d. h. dass viele Verhandlungen zunächst einmal starten und dann eine große Zahl von Gemeinden und Ämtern folgen, die der positiven Entwicklung folgen. Warum wollen wir das, warum verfolgen wir diese Ziele? Wir erwarten uns zunächst einmal eine größere Leistungsfähigkeit und Fachkompetenz dieser neu gebildeten, größeren Verwaltungen. Eine personelle Stärke von sieben bis zwanzig Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern belegt, dass hier nur begrenzte Möglichkeiten fiir eine differenzierte fachliche Tätigkeit gegeben sind. Ich denke beispielsweise an den Grundsatz der Trennung von Kasse und Verwaltung oder an Vertretungsregelungen im Standesamtsbereich und ähnliches mehr. Es wird deutlich, dass da Defizite vorhanden sind. Bei schwierigen komplexen Verwaltungsvorgängen (z. B. Vergaben), sind Überforderungen der Verwaltungskräfte oft gegeben. Durch das Zusammengehen von mehreren Verwaltungen sollen weiterhin Synergien geschöpft werden. Die fmanziellen Vorteile sollen dadurch erzielt werden, dass
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bestimmte Dienstleistungen nur einmal vorgehalten werden müssen. Das schöne Beispiel ist dabei immer das Standesamt. Wenn ein Standesamt verwaltungssicher organisiert wird, sind dafür drei vorgebildete Kräfte erforderlich. Alle drei sind natürlich nicht ausgelastet, aber alle drei müssen regelmäßig geschult, qualiftziert und weitergebildet werden. Wenn ich zwei oder auch mehrere Verwaltungen zusammenlege, erreicht man höhere Fallzahlen und kommt demnach mit nur drei ausgebildeten Standesbeamten aus und kann die Kosten fiir die Ausbildung der übrigen ersparen. Welche Organisationsform stellen wir uns nun vor, welche Organisationsformen sind möglich? Die wichtigsten Möglichkeiten der kommunalen Strukturreform gestalten sich wie folgt. Zunächst können neue Ämter, neue Gemeinden gebildet werden, die bisher eigenständig gearbeitet haben. Zurzeit gibt es, insbesondere im Kieler Umland, Bestrebungen aus drei hauptamtlich verwalteten Gemeinden ein neues Amt zu bilden. Daneben ist auch der Zusammenschluss von kleinen Ämtern zu sehen, die bisher nicht die Größenordnung von 8.000 bis 9.000 Einwohnern erreichen. Der Beitritt amtsfreier Gemeinden bzw. kleiner Städte zu einem Amt ist eine weitere Gestaltungsform. Die Bildung solcher leistungsfahiger Verwaltungszentren oder Kompetenzzentren ist rechtlich gesehen nach dem schleswig-holsteinischen Kommunalverfassungsrecht möglich und wird auch in wenigen Fällen bereits jetzt praktiziert. Denkbar ist auch, dass man, wenn man die Eigenständigkeit nicht aufgeben will, Verwaltungsgemeinschaften nach dem Gesetz über kommunale Zusammenarbeit bildet. Hier bleibt die Eigenständigkeit der bisherigen Organisationsträger erhalten. Darüber hinaus ist auch ein schrittweises Vorgehen förderungsfahig, wenn der Verwaltungszusammenschluss zu einer zentralen Gemeinde bzw. zu einer zentralen Stadt das Ziel sein soll. Das Land Schleswig-Holstein wird hierbei helfen, notfalls ergänzend auch die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, damit ein solcher Zusammenschluss reibungslos funktioniert. Im vorigen Jahr wurde beispielhaft der Zusammenschluss einer Stadt mit einem Amt zu einerneuen Gebietskörperschaft umgesetzt. Die Insel Fehmarn bestand aus einem Amt, mit mehreren Gemeinden und der Stadt Burg auf Fehmarn. Prozeßhaft hat man sich dort zu einer großen Lösung zur Stadt Fehmarn zusammengefunden. Und man kann sich vorstellen, dass da mitten in der Kommunalwahlperiode Beamtenverhältnisse beendet werden mussten. Dieses traf im Bereich der Feuerwehren und bei kommunalen Ehrenbeamten zu. Die Beendigung der Beamtenverhältnisse wurde über eine gesetzliche Regelung, "Iex Fehmarn" könnte man sagen, geregelt. Diese Entwicklung wurde auf der Insel Sylt mit Interesse beobachtet und als vorbildlich bewertet. Das aktuelle Ergebnis dort ist z. Z. allerdings noch nicht zufriedenstellend. Die Gemeindevertreter beurteilen die Zusammenfiihrung von Verwaltungen oft anders als ihre Bürgerinnen und Bürger. Es ist interessant zu beobachten,
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dass die Funktionäre im kommunalpolitischen Raum andere Wertmaßstäbe setzen als die Bürgerinnen und Bürger. Das ist für uns eine interessante Erfahrung gewesen. Als wir die ersten Beratungen in den Gemeinden vorgenommen haben. bestand dort überhaupt nicht die Absicht eine einzige Stadt auf der Insel zu bilden. sondern man wollte über Formen der Zusammenarbeit auf der Insel reden. Und je mehr man sich in Gesprächen zusammengefunden hatte, umso mehr zeichnete sich ab, dass aus wirtschaftlichen Gründen die Verwaltungen zusammengelegt werden sollten. Das war für uns zunächst gar nicht vorstellbar. Die Kommunalpolitiker hatten sich auch externer Beratung bedient, und von ihr wurde dann vorgeschlagen. die Insel-BürgerinDen und -Bürger insgesamt zu befragen. Und dieses Ergebnis war für die Kommunalpolitiker nicht einkalkuliert. Es ergab sich in allen Gemeinden und auch der Stadt Burg auf Fehmam ein recht eindeutiges Ergebnis, nämlich dass alle Gemeinden des Amtes und die Stadt Burg zu einer Stadt, Stadt Fehmarn, vereinigt werden sollten. Die Kommunalpolitiker, die diese Bürgerbefragung in Auftrag gegeben hatten, konnten natürlich hinter dieser demokratischen Willensbekundung nicht mehr zurückstehen. Das "Wahlvolk" hatte eindeutige Aussagen gemacht. Diese Erfahrungen wird man nicht auf alle anderen Bereiche übertragen können. Das eindeutige Ergebnis hing sicherlich auch mit der Sonderkonstellation auf dieser Insel zusammen. Interessanterweise hatte aber niemand aus dem kommunalpolitischen Raum so ein Ergebnis erwartet. In allen Gerneinden hatte sich eine absolute Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger für einen umfassenden Zusammenschluss ausgesprochen. Der Bürgerwille ist in der Zwischenzeit umgesetzt. Landespolitisch stellt man sich natürlich immer die Frage, ob man solche Entwicklungen nicht nur beratend oder auch mit ergänzenden gesetzgebensehen Maßnahmen unterstützen soll, sondern ob man auch finanzwirtschaftliehe Anreize setzen soll. Dieses haben wir mit Hilfe der kommunalen Verbände aus Mitteln des kommunalen Finanzausgleichs in der Vergangenheit geschaffi. Wir haben die Möglichkeit, fmanzielle Unterstützung zu gewähren. Die finanzielle Förderung soll zusätzliche Kosten für bauliche Erweiterungen in der Verwaltung oder in den Bauhöfen abdecken. Zurzeit wird überlegt, nicht nur bestimmte Aufwendungen zu fördern, sondern wir wollen einen nicht zweckgebundenen allgemeinen Anreiz schaffen in der Größenordnung von etwa 100.000 Euro, die für den Zusammenschluss zu einer Verwaltung gegeben werden. Damit sollen allgemeine Kosten abgedeckt werden. die aus einem solchen Zusammenschluss entstehen, beispielsweise für externe Moderation. aber auch für technische Aufwendungen im Verwaltungsgebäude und ähnliches mehr. Das heißt, es wird eine pauschale Förderung für einen solchen Zusammenschluss gewährt. Wie eingangs gesagt, kommen diese Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich; es gibt immer wieder den Wunsch, dass auch das Land Schleswig-Holstein Fördermittel bereitstellt. Darüber wird nachgedacht.
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Ein weiterer Anreiz wird auch darin bestehen den Kompetenzzentren weitere Aufgaben zu übertragen. Seit einigen Jahren bestehen in Schleswig-Holstein verschiedene Modellvorhaben, bei denen Aufgaben von der Kreisebene auf die Gemeinde- oder auf die Amtsebene übertragen worden sind. Je größer, je leistungsfähiger die Ämter und die Gemeinden auf der untersten Ebene sind, umso leichter fällt es natürlich den Kreisen und dem Land Schleswig-Holstein, Aufgaben von der Kreisebene auf die kommunale Ebene zu übertragen. Wir sehen darin durchaus auch einen positiven Leistungsanreiz, für eine bürgernahe Verwaltung vor Ort. Bisher wurden in den Modellvorhaben Aufgaben erfolgreich im Bereich der Verkehrsaufsicht und im Bereich des Ordnungsrechts übertragen. Schwieriger stellt sich der Bereich des Bauwesens, der Bauaufsicht, des Baugenehmigungsverfahrens dar. Hier wird im Lande lebhaft darüber stritten bei welcher Einwohnergröße Aufgaben der Bauaufsicht übertragen werden sollen. Auch diese Entwicklung läuft prozeßhaft ab und man kann es sich im Interesse einer bürgernahen Verwaltung durchaus vorstellen, dass auch Aufgaben aus der Landesebene auf die Kreisebene übertragen werden. Die Erwartungshaltung der Kreisebene an das Land Schleswig-Holstein ist in dieser Hinsicht groß. Die Chancen für eine Realisierung sind dann gegeben, wenn auf der untersten Verwaltungsebene leistungsfähige Verwaltungen entstehen und dann zahlreiche Aufgaben von der Kreisebene auf die kommunale Ebene übergehen. Wie eingangs gesagt, stehen wir in Schleswig-Holstein am Anfang eines Prozesses und die Landesregierung will die Verwaltungsneuordnung nicht mit Zwang erreichen. Die Landespolitiker von SPD und CDU sind sich in dieser Frage einig. Interessanterweise haben die Fraktionen der Grünen und des SSW (Partei der dänischen Minderheit) ein anderes, ein viel weiter reichendes Konzept aufgelegt, das im Lande hier und da auch fiir einige Aufregung sorgt. Hier wird die Auffassung vertreten, dass man gleich von vornherein auf Großgemeinden überwechseln und entsprechend auch auf Regionalkreise übergehen sollte. Dazu hat sich die Landesregierung und auch die größte Oppositionsfraktion bisher keineswegs durchgerungen, im Gegenteil, sie halten davon nichts. Kommunalverfassungsrechtlich gibt es in Schleswig-Holstein Überlegungen zu einer Änderung der Amtsordnung zu kommen. Wenn sich Ämter zu großen Verwaltungseinheiten zusammenschließen, reicht die bisherige Organisation unserer Amtsordnung nicht aus, um solche größeren Ämter effektiv arbeiten zu lassen. Wir denken insbesondere daran, dass diese Ämter dann in der Verwaltungsleitung zukünftig hauptamtlich organisiert sein können. Bisher liegt die Leitung eines Amtes bei einem ehrenamtlich tätigen Amtsvorsteher. In anderen Bundesländern erfolgt die Leitung eines Amtes durch hauptamtliche Kräfte. Wir streben an dieses auch in Schleswig-Holstein zu ermöglichen. Wir würden dann auch Amtsbürgermeister oder Amtsdirektoren zulassen, die ihr Amt
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hauptamtlich ausüben. Dariiber hinaus werden bestimmte Aufgaben, die bisher dem Amtsausschuß obliegen, auf andere Gremien übertragen werden können. Dahinter steht der Gedanke, dass der Amtsausschuß eine Größenordnung erhält, die ihn als schwerfällig und wenig leistungsfähig darstellt. Wenn 20 oder mehr Gemeinden zusammenkommen und diese im Amtsausschuss alle mit ihren kommunalpolitischen Repräsentanten vertreten sein sollen, dann stellt sich die Größe des Gremiums als Problem dar. Schleswig-Holstein hat seit zwei Jahren einen Anlauf zur Bildung von Kompetenzzentren genommen. Eine politische Aussage unseres Innenrninisters, über diese Dinge neu nachzudenken, hat dazu geführt, dass viele Gemeinden auch ohne entsprechende rechtliche Regelung, oft auch ohne fmanzielle Förderung in entsprechende Überlegungen eingetreten sind. Das Aufgabenfeld fiir Beratungen durch die Kommunalaufsichten und durch die kommunalen Landesverbände ist beträchtlich groß. Dann folgt der Kraftakt in der kommunalpolitischen Umsetzung, anschließend der tatsächliche Vollzug in der Verwaltung. Es treten in letzter Zeit erste Erfolge ein. Ich habe schon die Entwicklung zu der Stadt Fehrnam aufgezeigt, die jetzt ungefähr 10.000 Einwohner hat und damit eine leistungsfähige Verwaltung aufbauen kann. Ein anderes Beispiel, das auch bereits vollzogen ist, ist der Beitritt der Gemeinde Lägerdorf zum Amt Breitenburg. Auch auf Sylt zeigen sich Fortschritte auf. Die Gemeinde List auf Sylt hat sich mittlerweile in das Amt Landschaft Sylt einamten lassen. Dieses ist sicherlich auf der Insel ein erster Schritt fiir die weitere sinnvolle Zusammenarbeit der Verwaltungen. Auf der Halbinsel Eiderstedt gibt es konkrete Vereinbarungen: Das Amt Eiderstedt und die Stadt Garding werden verwaltungsmäßig zusammenarbeiten und sind gerade dabei, ein geeignetes Gebäude zu erwerben. Aus den Mitteln des kommunalen Finanzausgleichs wird dieser Erwerb entsprechend unterstützt. Wie man sieht, befindet sich Schleswig-Holstein am Anfang eines spannenden Prozesses. Wir wollen in den nächsten Wochen die Leitlinien fiir diese Fortentwicklung neu fassen, mit den kommunalen Verbänden eine Auftaktveranstaltung durchführen und damit ein erneutes Startsignal fiir die interkommunale Zusammenarbeit im Sinne der Bildung neuer Kompetenzzentren starten.
Kreisaufgaben der Zukunft Lokale und regionale Aufgaben neu denken Von Dirk Heuwinkel
I. Steckbrief "Landkreis Osnabrück" Wenn im Folgenden von Landkreisen gesprochen wird, dann mit Blick auf eine gewisse Einwohnergröße und Leistungsfahigkeit der Verwaltung - wohl wissend, dass es auch Landkreise gibt, die nur ein Viertel so groß sind wie der Landkreis Osnabtück. Der Landkreis Osnabtück ist mit 357.000 Einwohnern 1 der zweitgrößte Kreis in Niedersachsen. Er umschließt das Oberzentrum Osnabtück (167.000 Einwohner) von drei Seiten. Der Landkreis besteht aus 21 Gemeinden, darunter vier Samtgemeinden, die zwischen 6.000 und 46.000 Einwohner haben. Mit 2.121 Quadratkilometern Fläche ist er fast so groß wie das Saarland. Der Landkreis Osnabtück ist vergleichsweise jung und dynamisch. Er ist in der Gebietsreform 1972 aus vier Altkreisen entstanden. Diese Strukturen sind noch immer in den Wahmehmungsmustern und Verhaltensweisen der Bevölkerung ablesbar. Deutlichstes Indiz: Die regionale Zeitung erscheint weiterhin in entsprechenden Teilausgaben. Wie andere Kreise in West-Niedersachsen besitzt der Landkreis Osnabtück eine relativ junge Bevölkerung: 23 Prozenr der Einwohner sind unter 18 Jahre alt. Und durch einen Wanderungsgewinn von über 52.000 sowie einen Geburtenüberschuss von knapp 11.000 Personen ist die Einwohnerzahl seit 1988 um 20 Prozent gewachsen. Die Dynamik der Einwohnerentwicklung liegt damit weit über dem Landes- und Bundesdurchschnitt (Land Niedersachsen 11 Prozent). Die Entwicklungsperspektiven fiir den Landkreis Osnabtück sind auch weiterhin sehr günstig, bedingt durch die verkehrlieh optimale Lage im Autobahn1
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Stand: 31.12.2002. Auf volle Prozent gerundet.
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und Eisenbahn-Kreuz Bremen-Dortmund und Arnsterdam-Berlin, über das die großen Verdichtungsräume in maximal zwei Stunden zu erreichen sind. Nach einer aktuellen Prognose des Instituts für Entwicklungsplanung (ies) an der Universität Hannover wird der Landkreis bis zum Jahr 2020 um weitere vier Prozent wachsen, während die Stadt Osnabrück z. B. um ein Prozent schrumpfen wird.
II Anlässe zur Aufgabenkritik Die Aufgaben und deren Zuordnungen verändern sich dynamisch. Verwaltungsreform ist deshalb weiter eine Daueraufgabe. In Niedersachsen wird aktuell die Kommunalisierung von Aufgaben der Bezirksregierungen vorbereitet. Starke Triebfeder war die ständig schwieriger werdende Finanzsituation des Landes Niedersachsen. Neue Formen der Zusammenarbeit der Kommunen werden zugleich durch die zur Zeit hoffuungslos erscheinenden Haushaltslücken der Kommunen angeregt, die nur noch durch unkonventionelle Maßnahmen geschlossen werden können. So verspricht die Zusammenarbeit über gewohnte Grenzen hinweg noch Rationalisierungseffekte (sog. Synergien). Die Bildung der Hannover Region, als eine organisatorisch sehr weit gehende Lösung für die Zusammenarbeit von Zentrum und Umland, hat bundesweit Aufmerksamkeit gefunden. Sie ist in Niedersachsen nicht unumstritten und der Beleg steht noch aus, dass die erwarteten Effekte insbesondere bei der Kostensenkung und bei der Steuerung der regionalen Entwicklungen wirklich eintreten. Des weiteren hat sich in den letzten Monaten - ausgehend vom EXPO-Städtenetz - die Metropolregion Hannover-BraunschweigGöttingen formiert. 3 Dies alles sind Anstöße, auch im Landkreis Osnabrück über die Themen und Arbeitsformen der Zukunft nachzudenken. Eines unserer mittelfristigen Entwicklungsziele lautet dementsprechend: ,.Haushaltskonsolidierung und Kreisaufgaben der Zukunft".4 Die Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung steht dabei angesichts des hohen Haushaltsdefizits im Vordergrund. Die notwendigen Einsparungen und Urnstrukturierungen sollen jedoch so erfolgen, dass der Kreis sich dabei dennoch möglichst gut für die zukünftigen Kreisaufgaben rüstet. Dabei geht es u.a. auch darum, Synergien aus Kooperationen mit anderen Kommunen zu gewinnen. 3 Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen clo Landeshauptstadt Hannover (Hg.): Metropolregion von europäischer Bedeutung., März 2004. 4 Landkreis Osnabrück: Strategiepapier 2004.
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Das Thema "Funktional- und/oder Gebietsreforrn" steht nicht nur in Niedersachsen, sondern auch in anderen Bundesländern auf der Tagesordnwtg. Das Inneruninisterium in Mecklenburg-Vorpommern z. B. strebt die Bildwtg von Großkreisen im Rahmen einer Fwtktional- und Verwaltwtgsreforrn an. Diese hätten jeder die dreifache Größe des Saarlandes wtd etwa 200 Gemeinden. Könnte man dann noch von Landkreisen als Organisationsform der kommunalen Selbstverwaltwtg und von überörtlichen Aufgaben der örtlichen Gemeinschaften reden? In Baden-Württemberg sollen alle staatlichen Mittelbehörden in die Bezirksregierungen und Landkreise integriert werden wtd deren Bündelwtgsfunktion stärken. Außerdem befinden wir uns mitten in einer teils wissenschaftlich, teils politisch geführten Fachdiskussion in den Regionalwissenschaften, in der sich starke Stimmen fiir Regionalisierung als Zukunftsmodell fiir die Großstadtregionen aussprechen. 5 Die Landkreise müssen zu derartigen Überlegungen aktiv Stellung beziehen. Im Rahmen des Innovationsringes beim Deutschen Landkreistag haben die Landkreise Osnabrück, Aachen, Borken wtd Soest ein Argumentationspapier mit Möglichkeiten einer Straffung der Verwaltwtgsstrukturen zur Diskussion gestellt.6 Im Folgenden wird daran angeknüpft. 111. Zukunft für die Kreise Die Selbstverwaltwtgsgarantie fiir die Kommunen gilt auch fiir Gemeindeverbände, zu denen die Landkreise zählen (Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG). Den Landkreisen steht das Recht zu, die kommunalen Aufgaben, fiir die sie zuständig sind, im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Dieses Selbstverwaltwtgsrecht umfasst einen Grundbestand an Aufgaben des eigenen Wirkoogskreises und eine Reihe von Gestaltwtgsrechten wie die Finanzhoheit, die Personalhoheit, die Organisationshoheit wtd die Satzungsautonomie. 7 Die Landkreise sind aber nicht nur öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften, sondern auch Gemeindeverbände. Insoweit ist das Verhältnis der Landkreise wtd der kreisangehörigen Gemeinden zueinander auf Zusammenarbeit, auf gegenseitige Unterstützung und Förderung sowie auf Ausgleich angelegt. Gemeinden und Kreise sind Glieder einer gestuften Verwaltwtg, die in Fwtktionsteilwtg ihre Bürger versorgt. Aus der Sicht des Bürgers erbringen der Kreis und s So auch: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL): "Strategien fur Großstadtregionen im 21. Jahrhundert" in: ARL-Nachrichten 112004, Hannover, S. 1-3. 6 Vgl. Der Landkreis, Oktober 2003, S. 637f. 7 Vgl.: http://www.nlt.de/NLT/fset_landkreise.htrn.
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die kreisangehörigen Gemeinden gemeinsam die öffentlichen Leistungen, die außerhalb des Kreisbereichs von den kreisfreien Städten erbracht werden. Außerdem stellen die Landkreise die "Nahtstelle" zwischen Staats- und Kommunalverwaltung dar. Sie erfüllen im Auftrage von Bund und Land eine Fülle staatlicher Aufgaben. Die typischen Kreisaufgaben sind in Abbildung 1 zusammengestellt.
Leistungen der Kreise ... zweckmäßi~rweise übergemeindlich organisiert
g
• Rettungswesen • Kreisstraßen • Gynl!l8sien,_Sonderschulen, Berufsschu~en
• Regionalplanung • Regionalmarketing
... zum Ausgleich unterschiedlicher Leistungsfähigkeit
... als untere staatliche Verwaltungsbehörde für Land und Bund
• Albeitsförderung + Sozialhilfe • Jugendhilfe • Kfz-Zulassung • Wirtschaftsförderung • Lebensmittelkontrolle • Natur-/ Gewässerschutz • Bauordnung • Kommunalaufsicht
Abb. I : Typische Leistungen der Kreise heute Für einzelne Landkreise folgt aus dieser rechtlichen Stellung jedoch noch keine Bestandsgarantie. Es ist also möglich und wegen der ständigen gesellschaftlichen Veränderungen auch erforderlich, die regionalen Organisationsformen neu zu denken. Die zahlreichen Beispiele fiir interkommunale Zusammenarbeit und regionale Kooperation, wie Kompetenzzentren, Zweckverbände, Regionalverbände etc., zeigen, dass diese Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden und dass modernes Verwaltungsmanagement dabei nicht durch die verfassten kommunalen Strukturen gebremst wird. Das Land Niedersachsen hat kürzlich sein Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit8 erlassen, das die Kommunen ausdrücklich ermutigt, solche mo8
Nds. Gesetz über die Kommunale Zusammenarbeit (NkornZG) vom 19.2.2004.
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demen Formen für die Erledigung der öffentlichen Aufträge zu wählen. Das Niedersächsische Gesetz über die Kommunale Zusammenarbeit (NKornZG) löst das als Landesrecht fortgeltende Zweckverbandsgesetz (ZVG) von 1939 ab. Es ermöglicht den Gemeinden, Samtgemeinden und Landkreisen (kommunalen Körperschaften), zur gemeinsamen Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben 1. ein gemeinsames Unternehmen in der Rechtsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts (gemeinsame kommunale Anstalt) zu errichten, 2. sich an einer gemeinsamen kommunalen Anstalt als weitere Träger zu beteiligen, 3. eine Zweckvereinbarung abzuschließen, 4. einen Zweckverband zu errichten und 5. sich an einem Zweckverband als weiteres Verbandsmitglied zu beteiligen. Die Kommunen können so in vielen Fällen ihre Aufgaben wirtschaftlicher erledigen. Gleichzeitig wird die Zusammenarbeit auch vereinfacht. Die Landkreise haben sich als poltisch-geographische Selbstverwaltungsstruktur historisch so entwickelt, wie wir sie heute vorfinden. Für die Lösung der zugeordneten Aufgaben haben sie sich grundsätzlich bewährt. Aber sie werden auch nur dann eine Zukunft haben, wenn sie zukunftsfähig sind. Ob die gewachsenen Landkreise ein "Zukunftsmodell" sind, entscheidet sich somit immer wieder daran, ob sie in der Lage sind, die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen.
IV. Die Kreisaufgaben der Zukunft I. Herausforderungen durch gesellschaftlichen Problemlösungs-Bedarf Die zukünftigen Herausforderungen für die Landkreise ergeben sich aus dem wirtschaftlichen, demographischen und sozialen Wandel. Politik und Verwaltung müssen diesen analysieren und Handlungsstrategien entwickeln, um für die Bürgerinnen und Bürger optimale Lebens- und Arbeitsbedingungen zu erhalten oder zu schaffen. Für den Landkreis Osnabrück z. B. lauten die mittelfristigen Entwicklungsziele, d.h. die zu bewältigenden Herausforderungen: -
Bildung und Erziehung stärken,
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zukunftsfähige Arbeitskräfte und Arbeitsplätze,
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nachhaltiger Umgang mit unseren Lebensgrundlagen,
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Standortqualitäten sichern, ausbauen und an den demographischen Wandel anpassen,
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Haushaltskonsolidierung und zukünftige Kreisaufgaben. 9
Hieraus leiten sich konkrete Aufgabenstellungen ab, die zu lösen sind. Diese werden in jährlichen Handlungsschwerpunkten sowie - auf der Umsetzungsebene - in Produkten und Leistungen beschrieben, realisiert und "controlt". Für eine erfolgreiche strategische und operative Steuerung bedarf es in der Verwaltung und in der Politik der nötigen Problemlösungskompetenz in Form von Sachverstand, Zuständigkeit und erforderlichen Ressourcen. 2. Herausforderungen durch Kooperations-Bedarf Der Zwang zur Kooperation ergibt sich aus unterschiedlichen Zusammenhängen. Angesprochen wurde bereits die Kooperation zwischen Kommunen mit dem Ziel, Synergieeffekte im Bereich der Wirtschaftlichkeit zu erzielen. Bei regionalen Infrastrukturen der Ver- und Entsorgung, beim Regionalverkehr oder bei zentralen Einrichtungen der Bildung und Kultur (wie Volkshochschule, Museum, Theater etc.) führen ebenfalls sachliche Erwägungen dazu, dass hier die interkommunale Zusammenarbeit der Regelfall ist. Für den Landkreis Osnabrück kann man drei Bereiche der interkommunalen Kooperation unterscheiden: -
Zusammenarbeit im Gemeindeverband (z. B. Rechnungsprüfung, Wirtschaftsförderung, Projekt "Der Landkreis vor Ort", ... ),
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Zusammenarbeit mit dem Oberzentrum Osnabrück (z. B. Gemeinsames Gesundheitsamt, Kfz-Zulassung, ÖPNV, Theater, Berufsschulentwicklung, ... , Müll},
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Zusammenarbeit in der Großregion Westniedersachsen (z. B. Konferenz der Landräte, RIS Weser-Erns, Strukturkonferenz Osnabrück, EUREGIO).
Bürgerbeteiligung und Förderung des Bürgerengagements sind weitere Kooperationsfelder. Insbesondere die Förderung des Bürgerengagements und Projekte in private-public-partnership sind noch junge und stark wachsende Kooperationsfelder für Kommunen. In dem Maße, in dem sich die Verwaltung von der Ordnungs- zur Dienstleistungsverwaltung und weiter zum "Regionalmanager" oder zum "Ermöglicher" in der Bürgergesellschaft profiliert, wird die Ko9 Vgl. Mittelfristige Entwicklungsziele des Landkreises Osnabrück, in Strategiepapier 2004.
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Operationsfähigkeit eine Schlüsselkompetenz der modernen Kommunalverwaltung. In allen diesen Bereichen sind Kommunen nur erfolgreich, wenn sie über eine hoch entwickelte Kooperationsfähigkeit verfUgen. Das heißt, dass sie einen ausgeprägten Willen und die Bereitschaft zur Kooperation haben, über Kompetenz und Erfahrung im Umgang mit anderen Institutionen und privaten Akteuren verfUgen und die Rolle wahrnehmen können, diese fiir die Zusammenarbeit zusammen zu bringen (Vernetzungskompetenz). 3. Herausforderungen durch Verwaltungsreform-Bedarf
Schon bisher sind die Kreise immer wieder den veränderten Aufgabenstellungen und verwaltungsökonomischen Erfordernissen entsprechend verändert und zusammengefasst worden. Da sie durchweg auch Teil der regionalen Identifikation der Einwohner sind, erweisen sie sich gegenüber derartigen Veränderungen jedoch als etwas schwerfällig. Das öffentliche Dienstrecht und die weitgehenden Beschäftigungsgarantien tragen ihrerseits zu der zu beobachtenden Behäbigkeit der Verwaltungsstrukturen bei. Andererseits nimmt der Handlungsdruck infolge der oben angesprochenen gesellschaftlichen Herausforderungen zu. Weiterer Reformdruck ergibt sich daraus, dass die moderne Datenverarbeitungs-, Informations- und Kommunikationstechnik die Verwaltungsabläufe beschleunigt und verschlankt, wodurch Antragswege erleichtert und Bearbeitungszeiten kürzer werden. Neue, bequemere Zugangskanäle ergeben sich fiir die Bürger über das Internet. Auch die stärkere Orientierung am Ziel der Wirtschaftlichkeit, mit dem Denken in Produkten und Leistungen, mit der Kostenleistungsrechnung und mit der Umstellung von der Kameralistik zur Doppik, löst weitere tiefgreifende Veränderungsprozesse in den Verwaltungen aus. Deshalb ist es wichtig, dass in den Verwaltungen eine Veränderungskultur, ein Milieu der Veränderungsbereitschaft und der Bewältigung von Veränderungen entwickelt wird. Die Zweckrationalität und das Effizienzdenken unserer Zeit verlangen hohe Flexibilität. Deshalb muss fiir die öffentlichen Verwaltung generell- und speziell auch fiir die Landkreise - immer wieder die Frage beantwortet werden: "Welche Aufgaben sollen die Kreise künftig erfiillen?" und "Sind sie geeignet, diese Aufgaben optimal zu erfiillen?" Die Landkreise müssen sich also - wie alle öffentlichen Aufgabenträger - an konkreten Prüfkriterien fiir die Aufgabenkritik messen lassen.
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Dirk Heuwinkel
V. Aufgabenrevision - Entwurf einer Methode Damit steht die Aufgabenkritik methodisch im Blickpunkt. Ziel dieser Aufgabenrevision ist es, die Kreisaufgaben der Zukunft zu identifizieren. Würde man allein die derzeitigen Kreisaufgaben auf den Prüfstand stellen (s. Abb. 1), käme ein verkürztes Ergebnis heraus. Vielmehr müssen alle öffentlichen Aufgaben in den Blick genommen werden. Dabei können folgende Grundsätze gelten: Grundsätze for die Aufgabenrevision 1. Öffentliche Aufgaben sollen- wenn möglich- privatisiert werden, weil die Demokratie aktive, mitgestaltende Bürger braucht. Die Notwendigkeit der öffentlichen Aufgabenerledigung muss begründet werden. Die Gemeinden, Städte und Kreise bieten die besten Möglichkeiten dafür, dass sich Bürger selbst aktiv beteiligen und Demokratie leben können. 2. Die knapper werdenden öffentlichen Mittel müssen auf die notwendigerweise öffentlich zu erbringenden Leistungen konzentriert werden. Die Staatsquote muss gesenkt werden. Zudem stellt sich bei allen öffentlichen Aufgaben die Frage nach den Qualitätsstandards. 3. Alle notwendigerweise öffentlich zu erledigenden Aufgaben sind konsequent dort anzugliedern, wo sie am besten erledigt werden können. Kriterien sind die Gesichtspunkte des Bürgemutzens (Erreichbarkeit, Qualität und Kosten) und die Fachlichkeit. 4. Die öffentlichen Hände tragen die Gewähr allein for die rechtmäßige und sozial ausgewogene Aufgabenerfollung. Hierzu bedienen sie sich möglichst Dritter. Nur wenn besondere Gründe gegeben sind, werden öffentliche Träger mit eigenem Personal tätig. 5. Zwischen Staat und Ortsgemeinde ist eine mittlere Verwaltungsebene erforderlich. Sie ist den Städten und Gemeinden von der Verfassung garantiert. Die Komplexität und Vielfalt der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung erfordert diese Ebene. Die potentiellen Kreisaufgaben würden die örtliche Ebene überfordern, die staatliche Ebene lässt hingegen eine ausreichende Bürgemähe vermissen. 6. Regionale Strukturunterschiede bedingen, dass Aufgabenzuordnungen den regionalen Bedürfnissen anzupassen sind.
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Die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Aufgabenträger wird bei der Zuordnung der Aufgaben berücksichtigt. 7. Der Bürgernutzen und moderne Kommunikations- und DatenverarbeitungsTechniken bestimmen heute mehr denn je die Aufgabenwahrnehmung zum Wohle des Bürgers.
E-Governrnent eröffnet neue, zusätzliche oder veränderte "Vertriebs- und Zugangswege", über die abhängig von der Art des Produktes und der jeweiligen Zielgruppe zu entscheiden ist. Dem E-Governrnent kommt daher im Kontext der Aufgabenzuordnungen eine besondere Bedeutung zu. Ziel von E-Governrnent müssen differenzierte Vertriebswege und eine medienbruchfreie elektronische Prozessgestaltung sein. Der zentrale Gedanke bei der Aufgabendiskussion lautet jedoch: "Wer kann was am besten". Der Blick geht mithin unvoreingenommen in alle Richtungen (privat I staatlich I kommunal). Also sind auch die staatlichen Ebenen und die Sonderbehörden als exekutive Ebenen der Bundes- und Landesverwaltung mit einzubeziehen.
Aufgaben überprüfen Wer kann was am besten?
~ '------'
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Landkreis
~
(
BOrger
)
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Kernkompetenzen
Kernaufgaben Or. OU1< Hauwinkel
Speyer 2U.2oo.4
.... 2
0
I==:
Abb. 2: Schlüsselfrage
Zu fragen ist zuerst, wer die Aufgabe verantwortlich wahrnimmt und die Kompetenz hat, die Prozesse zu steuern. Losgelöst davon ist die Form der Erle-
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Dirk Heuwinkel
digung auf operativer Ebene zu bestimmen. Sie ist anband der Durchführungskompetenz zu entscheiden. Zu klären ist also, wer als Gewährleister für die Aufgabenwahrnehmung verantwortlich ist und wer somit den Prozess steuert, und nicht die Form der Erledigung. Hier können dann andere als Dienstleister mitwirken. Bei der Beurteilung dieser Frage sind nicht nur die zu erfiillenden Aufgaben, sondern auch die Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, unter denen sie zu erfiillen sind. Das sind zunächst die gebietliehen und verwaltungsspezifischen Strukturbedingungen wie Größe (Einwohnerzahl, Gebiet), Lage (z. B. Stadturnland wie im Falle des Landkreises Osnabrück, Grenzlage usw.), soziale und wirtschaftliche Stärken- und Schwächen (z. B. Arbeitsrnarktschwäche, Selbsthilfepotenziale o.ä.) oder Verwaltungskraft (Zahl und Qualifikation der Verwaltungsmitarbeiter o.ä.). Ferner sind Kooperationspotenziale zu berücksichtigen und drittens die Möglichkeiten des Einsatzes der modernen Zugangsund Vertriebswege über Internet. Zu prüfen sind alle Aufgaben, sowohl freiwillige, als auch Pflichtaufgaben und übertragene Aufgaben. Die Prüfschritte für die Aufgabenzuordnung im Sinne verantwortlicher Gewährleistung sind: (1) privat oder öffentlich?
(2) staatlich oder kommunal? (3) örtlich oder überörtlich? Am Beispiel der Kfz-Zulassung kann man die Prüfmethode leicht nachvollziehen (vgl. Abb. 3). Zunächst ergibt sich klar, dass dies eine gesetzlich verankerte öffentliche Aufgabe ist. Sie ist aus ordnungspolitischen Gründen öffentliche Aufgabe. Dann ist zu entscheiden, auf welcher Verwaltungsebene die Aufgabe sinnvollerweise zugeordnet ist. Hier kommt man unter dem Gesichtspunkt der Bürgernähe zur Zuordnung auf kommunaler Ebene. Bezieht man jedoch die Möglichkeiten der modernen Informations- und Kommunikationstechniken ein, könnte auch eine Zuordnung auf staatlicher Ebene - etwa beim Kraftfahrtbundesamt - in Betracht kommen. Nach Antragstellung per Internet könnten die Zulassungsvorgänge auch zentral in Flensburg erledigt und die Bescheide per Post direkt an die Antragsteller gesandt werden. Wenn die Entscheidung allerdings für die kommunale Bearbeitung fällt, dann muss noch geprüft werden, ob die Aufgabe in den Ortsgemeinden oder auf regionaler Ebene erfiillt werden soll. Die Gründe der Bürgernähe (Einsparung von Wegzeiten und -kosten) sprechen für eine Zuordnung in den Gemeindeverwaltungen. Allerdings muss hierbei die Leistungsfähigkeit der örtlichen
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Or. Dil1< Heuwinkel
s.,.yer
2t.U004
Abb. 3: Beispiel ,,Kfz-Zulassung"
Verwaltung berücksichtigt werden. So wird z. B. in Niedersachsen, wo die Kreise und kreisfreien Städte zuständig sind, durch das Land seit einiger Zeit den größeren Gemeinden mit mehr als 15.000 Kraftfahrzeugen die Möglichkeit eingeräumt, die Übertragung der Aufgabe zu beantragen.
VI. Prüfergebnis - Kernaufgaben der Kreise Wenn man die oben genannten Grundsätze und die Kriterien, die den Kompetenzen zu Grunde liegen, anwendet, gelangt man zu den Aufgabenfeldern, die zu den Kernaufgaben der Kreisebene gehören. Sie sind nachstehend aufgeführt.
1. Soziales und Gesundheit -
Beschäftigungsforderung (Aktive Sozial- und Beschäftigungspolitik)
-
Heimaufsicht/Fachaufsicht (Pflegeeinrichtungen, Frauenhäuser, Behinderteneinrichtungen)
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-
Dirk Heuwinkel
Gesundheitsschutz und Gesundheitsvorsorge (Sozialpsychiatrischer Dienst, Kinder- und Jugendärztlicher Dienst, Zahngesundheit, Gesundheitsforderung/Selbsthilfe) 2. Bildung
-
Innere und äußere Schulangelegenheiten (Gesamtverantwortung für junge Menschen muss beim Kreis liegen I Schnittstelle Jugendhilfe)
-
Schulpsychologische Beratung
-
Schülerbeforderung
-
Berufliche Weiterbildung
-
Erwachsenenbildung 3. Jugend I Sport
-
Wirtschaftliche Jugendhilfe
-
Erziehungs- und Beratungshilfen
-
Jugendgerichtshilfe
-
Sportforderung
4. Strukturplanung
-
Regionalplanung, Raumordnung (insbes. Genehmigung der Flächennutzungspläne)
-
Kreisentwicklung
-
Vermessungs- und Katasterangelegenheiten
-
Sanierungsgebiete
-
Verkehr und Infrastruktur (Planfeststellung usw.)
-
Kunst, Denkmalpflege, Denkmalschutz
5. Wirtschaftsforderung I Regionalmarketing
-
Regionalmarketing (Tourismus, Freizeit, Kultur als Aspekte der Lebensqualität nicht nur unter örtlichen. sondern räumlichen Gesichtspunkten)
Kreisaufgaben der Zukunft
-
Unternehmernetzwerke
-
Technologieförderung
-
Standortmarketing
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6. Veterinärwesen und Verbraucherschutz
-
Verbraucherschutz
-
Veterinärwesen
-
Aufgaben der Agrarstruktur
7. Gefahrenabwehr, Brand- und Katastrophenschutz -
Gewerbeaufsicht
-
Gefahrenabwehr/K.atastrophenschutz
-
Polizeiaufgaben
-
Aufgaben der Eichämter 8. Umwelt
-
Umweltschutz
-
Gewässerschutz
-
Natur- und Landschaftsschutz Vll. Die Kernkompetenzen der Kreise
Die Zukunftsfiihigkeit der Landkreise entscheidet sich aber nicht allein durch die Zuordn~g bestimmter Aufgaben, sondern eigentlich erst, wenn diese erfolgreich gelöst werden. Schlüssel dafiir sind deshalb die erforderlichen Kernkompetenzen. Ein Vergleich mit der örtlichen Ebene (kreisangehörige Städte und Gemeinden) und mit der staatlichen Ebene (Länder und Bund) ergibt - ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit - fiir die Kreise nachfolgende besonders augenfiillige Kernkompetenzen:
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1. Bündelungskompetenz
Durch die Kreise als der gemeindlichen Ebene übergeordnete Dienstleister werden interkommunale Interessen identifiziert, gebündelt und gefördert. Die regionale Übersicht ist hier ausschlaggebender Faktor. Kreise haben die Kompetenz, andere Träger öffentlicher Belange zu beteiligen. Übergreifende Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft können durch die regionale Akzeptanz der Akteure und die Kenntnis der dezentralen Strukturen besser und wirtschaftlicher wahrgenommen werden. 2. Problemlösungskompetenz
Den Kreisen ist es im Vergleich zu den Gemeinden eher möglich, komplexe Fragestellungen zu bewältigen, besondere fachliche Anforderungen zu bestehen, Spezialistenwissen vorzuhalten sowie multiprofessionellen Anforderungen zu entsprechen. Hier spielen Fachlichkeit und Kontinuität der Aufgabenerledigung eine wichtige Rolle. Auch die Definition von Standards ist auf der lokalen Kreisebene sinnvoll. 3. Netzwerkkompetenz
Kreise sind unter Wahrung regionaler Bezüge am ehesten in der Lage, Netzwerke und Allianzen zu begründen, regionale Problemstellungen zu erfassen und zu lösen und Aufgaben zu erledigen sowie mit weiteren privaten und öffentlichen Aufgabenträgem Kompetenzplattformen und damit Arbeitsbühnen aufzubauen (z. B. Regionale Beschäftigungsnetzwerke, Regionalmanagement, Wirtschaftsförderung). 4. Ausgleichskompetenz
Den Kreisen kommt im Rahmen der Ausgleichsfunktion über die kommunalverfassungsrechtlich festgelegte Aufgabe als Gemeindeverband eine bedeutende Rolle bei der Steuerung der unterschiedlichen Lebensverhältnisse zu. Sie sichern einen bedarfsorientierten Ausgleich aufüberörtlicher Ebene (z. B. Wirtschaftsförderung, Bildungsforderung, Nahverkehr, Öffentliche Daseinsvorsorge, Sicherstellung der sozialen Gerechtigkeit).
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5. Managementkompetenz Im Vergleich zur staatlichen Ebene besitzen die Kreise die besondere Fähigkeit, sich kurzfristig und flexibel auf eine neue Gestaltung von Abläufen einzustellen und Probleme zu identifizieren, zu bearbeiten und zu lösen. Hierzu sind Kenntnisse über die örtlichen Strukturen, örtliche Akzeptanz und Mitwirkung örtlicher Träger unabdingbar.
VIII. Verlagerung von Kreisaufgaben auf die Gemeindeebene In den Gemeinden ist viel fachliche und operative Kompetenz für die Durchfiihrung der Kreisaufgaben vorhanden. Um den Bürgern lange Wege zu ersparen, sollten deshalb künftig möglichst alle sich durch häufige Kundenkontakte auszeichnende Aufgaben bei den Gemeinden vor Ort gebündelt werden. Der Landkreis Osnabrück hat in seinem Projekt ,,Der Landkreis vor Ort" durchaus positive Erfahrungen mit der Verlagerung von Kreisaufgaben auf die Städte und Gemeinden gemacht, die teils mit eigenem Personal, teils mit Personal des Landkreises die Aufgaben in den Rathäusern für den Landkreis als Gewährträger erledigen. Bei komplizierten Aufgaben erweist sich dabei das Modell der ,,FrontOffice/Back-Office-Organisation" als praktikabel. Zunächst ist der Begriff des ,,Front-Office" zu beschreiben. Hierunter ist einerseits das mit dienstleistenden Personen besetzte (humane) "Front-Office" zu verstehen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzen auf Wunsch des Bürgers Dienstleistungsprozesse und damit Verwaltungsverfahren in Gang. Daneben entsteht ein zunehmend wichtiger werdender Zugang über das Internet, in dem ein eigenständiges (digitales) ,,Front-Office" zur Verfugung steht. Dienstleistungen können dort von Bürgern direkt in Auftrag gegeben, begleitet oder hinsichtlich des Bearbeitungsstandes überprüft werden. Die anschließende und abschließende Bearbeitung erfolgt in beiden Fällen im ,,Back-Office", das die eigentlichen Leistungen und Produkte erstellt. Hier kommen beispielsweise nachstehende Leistungen in Frage: -
Kfz-Zulassung
-
Erziehungsgeld
-
Unterhaltsvorschuss
-
Jagdscheine
-
Führerscheine I Fahrerlaubnisse
-
Genehmigungen im Gaststättemecht
-
Aufgaben des Gewerberechts
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-
SchulpflichtverletzWlgen
-
u.v.a.
Gerade auf örtlicher Ebene können mögliche Interessenkollisionen im Spannungsfeld von Bürgemähe Wld übergeordnetem Gemeinwohl entstehen. Oft überwiegen dann (legitime) lokale Interessen das gesamtgesellschaftliche Erfordernis. In solchen Fällen sind innerregionale Interessengegensätze zu moderieren und KonsenslösWlgen zu erarbeiten oder übergeordnete Entscheidungen durchzusetzen. IX. Fazit Die Frage ,,Kommunale Selbstverwaltung - Zukunftsmodell oder Auslaufmodell?" kann aus Sicht der Landkreise zusammenfassend so beantwortet werden: Die Landkreise haben sich als regionales Element der Verwaltungsstruktur bewährt. Sie stehen nicht grundsätzlich unter Schutz, sind aber aus unserem Staatsaufbau auch nicht einfach wegzudenken. Im Gegenteil, sie erfüllen als heimatlicher Identifikationsraum eine wichtige Funktion. Die Kreisaufgaben wandeln sich. Wie sie erfüllt werden hängt stark auch von den jeweiligen Strukturbedingungen des Landkreises Wld seines Umlandes ab. Die Zuordnung der Aufgaben und ggf. die interkommunale Zusammenarbeit bei der LeistWlgserbringung müssen in einem regionalen und interkommunalen Aushandlungsprozesses festgelegt werden. Geprüft wird dabei: "Wer kann was am besten". Die Landkreise haben fiir die ihnen zugeordneten Aufgaben zunächst die Ergebnis-Verantwortung. Sie nutzen Synergien durch moderne Formen der kommunalen Zusammenarbeit (Kooperationsverträge, kommunale Unternehmen, Zweckverbände, Kompetenzzentren etc.). Eine Gebietsreform ist dafiir nicht nötig. Landkreise beziehen ggf. die kreisangehörigen Städte und Gemeinden oder Private in die Erledigung der Aufgaben ein. In derartigen Fällen delegieren sie die Leistungserbringung nach dem Prinzip der Efftzienz und Wirtschaftlichkeit.
Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung durch regionale Kooperation Von Christian Specht
Das Thema "Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung durch regionale Kooperation" erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich. Führen Kooperationen auf regionaler Ebene nicht automatisch zum Verlust von Einfluss und Macht bei den Kooperierenden? Kann die Übertragung von kommunalen Aufgaben auf eine regionale Einrichtung überhaupt zu mehr Autonomie und Gestaltungsmöglichkeiten bei der abgebenden Körperschaft fiihren? Sind es nicht gerade die neuen, regional verfassten Verwaltungs- bzw. Planungsebenen wie z. B. in den Regionen Hannover oder Stuttgart, die die ureigensten kommunalen Hoheitsbereiche begrenzen? 1' 2 Es ist bislang noch eine offene Frage, ob die Strategie des "dividae et impera", also das Teilen und Herrschen der römischen Kaiser, auch ein gangbarer Weg fiir die Kommunen des 21. Jahrhunderts ist, um ihre Selbstverwaltungsspie!räume zu erhalten.
I. Strategische Neupositionierung durch Kooperation In der Leipziger Resolution des Deutschen Städtetags von 2001 wird festgestellt, dass ,~wesentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge und der Zukunftsgestaltung von den Städten und Gemeinden einer Region nur noch gemeinsam erfiillt werden können" 3• Diese Feststellung wurde vom Städtetag aufseiner Sitzung in Mannheim im Jahr 2003 dahingehend erweitert, dass es ein allgemein verbindliches Modell fiir Kooperationen angesichts der Vielfalt der regionalen Aus1 Vgl. Überblick bei Schmitz, G., 1999, Neue kommunale Organisationsmodelle filr Stadtregionen, in: Die Region ist die Stadt, Forschungs- und Sitzungsberichte der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Bd. 206, Hannover, S. 60-72. 2 Priebs, A., 2002, Die Bildung der Region Hannover und ihre Bedeutung filr die Zukunft stadtregionaler Organisationsstrukturen, in: Die Öffentliche Verwaltung, Jg. 2002, Heft 4, S. 144-151. 3 Deutscher Städtetag (Hrsg. ), Hauptversammlung bestätigt die Städtetagsspitze Leipziger Resolution verabschiedet: Städte starten Aufbruch in die Zukunft, Ratsbrief 21 vom 28.05.2001.
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gangsbedingungen nicht geben kann. Es ist deshalb in jedem Einzelfall zu prüfen, wie die kommunale Selbstverwaltung durch regionale Kooperation gestärkt werden kann. Angesichts der dramatischen finanziellen Ressourcenknappheit bei Städten und Gemeinden kann eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung nur durch eine Verbesserung der Finanzausstattung erfolgen. Nachdem die großen Erwartungen an eine umfassende Gemeindefinanzreform bei weitem nicht erfiillt werden konnten, kommt es nunmehr fiir die Gemeinden selbst darauf an zu prüfen, wie sie ihre Einnahmesituation verbessern bzw. ihre Ausgaben reduzieren können. Erfolgreiche Verwaltungen zeichnen sich dabei dadurch aus, dass sie auf diese Herausforderung nicht nur reagieren, sondern den Sparzwang zum Anlass nehmen, sich fiir die Zukunft strategisch neu zu positionieren. Strategische Neupositionierung bedeutet: Kritische Auseinandersetzung mit der Frage, welche Aufgaben und Entscheidungskompetenzen auf der überörtlichen Ebene angesiedelt werden sollten, welche organisatorischen Gestaltungsoptionen am besten fiir das jeweilige Profil passen und mit welchen Akteuren verbindliche Aufgabenteilungen vereinbart werden sollen. In der aktuellen kommunal-/regionalpolitischen Debatte versteift sich die Diskussion in der Regel zu schnell auf Fragen der Organisationsstrukturen. Es besteht die Tendenz, bereits über Entscheidungswege und Gremienstrukturen, Personalausstattung und Budgets, Organisationsformen und Satzungen zu reden, bevor überhaupt Klarheit und Konsens über die kommunale/regionale Strategie und die damit verbundenen Aufgabenstrukturen erzielt wurde. Regionale Kooperation ist aber kein institutioneller Selbstzweck, sondern sie muss daran gemessen werden, welchen Mehrwert sie fiir die Beteiligten tatsächlich generiert. Insofern hat die Organisationsform letztlich eine geringere Bedeutung als der politische Konsens über die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung. Das Motto ,,Der Weg ist das Ziel" gilt fiir die Anbahnung von Kooperationen in besonderer Weise. Vielfach müssen vermeintlich kleinere Partner in den Prozess eingebunden werden. Dieser intensive Prozess ist notwendig, um unterschiedliche Zielvorstellungen der Kooperationspartner zusammenzufUhren und die Schnittmengen des Machbaren zu definieren. Die organisatonsche Gestaltungsform regionaler Kooperation hängt dabei im Wesentlichen vom Aufgabentyp und vom Maß der Verbindlichkeit der jeweiligen Aufgabenwahrnehmung ab. D. Kooperationsvoraussetzungen Am Anfang eines Kooperationsprozesses steht die Identifizierung des Bedarfs. Bei der klassischen interkommunalen Kooperation sind es Größenvortei-
Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung durch regionale Kooperation
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le oder wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die eine Kooperation notwendig erscheinen lassen. Die Identifizierung des Kooperationszusammenhangs in den klassischen Aufgabenfeldern wie im Ver- und Entsorgungssektor oder im Öffentlichen Personennahverkehr ergibt sich aus der Natur der Sache. Lassen sich gemeinsame Bauhöfe und Wasserzweckverbände noch auf einen überschaubaren Kreis von Beteiligten reduzieren, so können Aufgabenfelder wie die Abfallwirtschaft oder der Öffentliche Personennahverkehr sinnvoll nur in einer räumlichen Gesamtbetrachtung wirtschaftlich bearbeitet werden. Beschränkt sich der Kooperationsraum nicht mehr auf eine Kernstadt und ihr Umland oder auf nur wenige Gemeinden, so ist eine Identifizierung und Kanalisierung des Kooperationsbedarfes zwingend erforderlich. Das gilt sowohl bei neueren Aufgaben des Hochwasserschutzes in Form interkommunaler, teilregionaler Hochwasserpartnerschaften als auch bei der Wirtschaftsforderung und im Öffentlichen Personennahverkehr. Bereits in der Phase der Identifizierung des Kooperationsbedarfes ist es sehr nützlich, wenn ein neutraler Partner die Kooperationssituation und deren Problembeschreibung unter Berücksichtigung der jeweiligen Ausgangslage ohne Eigeninteresse formulieren kann. Für diese Aufgabe prädestiniert und auch in vielen Fällen erprobt sind regionale Planungsverbände oder regionale Eimichtungen. 4 Nicht nur in der Initiierungsphase, sondern auch beim konkreten Aushandeln der Kooperation ist die Beteiligung eines neutralen Moderators, der ohne Eigeninteressen lediglich am Zustandekommen der Kooperation interessiert ist, von großer Bedeutung. Eine weitere wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Kooperation ist die Verteilung von Kooperationsnutzen und Kooperationslasten. Eine nicht ausgeglichene Verteilung der Vor- und Nachteile führt in der Regel zum Scheitern der interkommunalen Kooperationen. Regional initiierte Kooperationen haben hierbei den Vorteil, dass sie eine einheitliche Informationsgrundlage bei den Beteiligten über die Kooperationsgewinne und -verluste schaffen können. Wichtig erscheint dabei, unbegründeten Befürchtungen, fehlerhaften Beurteilungen oder mangelhafter Kenntnis von den Wirkungen überregional wahrgenommener Aufgaben frühzeitig zu begegnen. Die Aufbereitung von Informationen kann hierbei von regionalen Planungsträgem erfolgen, die sich ggf. selbst Sachverstand von Beratern und Gutachtern einkaufen. Nutzen und Lasten einer regionalen Kooperation sind zum Teil schwer zurechenbar. Die Erfahrung zeigt, dass eine freiwillige Beteiligung einer Gemeinde 4 Vgl. Initiierung der Zusammenarbeit in der Abfallwirtschaft im Rhein-NeckarRaum zur Gründung eines Zweckverbandes Abfallwirtschaft Rhein-Neckar mit Aufgaben und Funktionsteilung: Müllverbrennung in Mannheirn, Mülldeponierung im RheinNeckar-Kreis und Bioabfallverwertung in Heidelberg; Initiierung und langjährige Geschäftsfilhrung des Verkehrsverbundes Rhein-Neckar.
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an den Kosten der Infrastruktur einer anderen Gemeinde bilateral kaum zu erreichen ist. Besteht hingegen eine umfassende Kooperationsagenda, bei der mehrere Themen im Sinne einer Verhandlungs- und Tauschmasse zur Verfügung stehen, eröffnet sich die Möglichkeit, die jeweiligen Vor- und Nachteile auf den entsprechenden Kooperationsfeldern anzurechnen und eine angemessene Verteilung zwischen den Kooperierenden herzustellen. Hierzu bedarf es einer Art Kooperationsgewinn- und -verlustbilanzierung im Hinblick auf die in Frage stehenden Kooperationsfelder. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Chancen regionaler Kooperation zwischen Kommunen steigen, wenn sie flankiert werden durch eine Form regionaler Koordination. Die regionale Ebene hat dabei Steuerungs-, Koordinierungs- Initiatoren-, Beratungs- und Mediatorenfunktion. In Folgendem soll an ausgewählten Kooperationsfeldern untersucht werden, inwieweit regionale Kooperation einen Beitrag zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung leisten kann.
111. Wirtschaftsförderung Ein Kernziel kommunaler Wirtschaftsforderung ist die Verbesserung der Einnahmesituation durch mehr Gewerbesteuereinnahmen. Die Gewerbesteuer als traditionelles Band zwischen den ortsansässigen Unternehmen und der Kommune soll als wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle mit Hebesatzrecht die Gemeinden an der Produktivität ihres Wirtschaftsraumes teilnehmen lassen. Die traditionelle Bindung von weltweit agierenden Unternehmen an bestimmte Entwicklungs- und Produktionsstandorte lässt aber erheblich nach. Vielfach spielen die klassischen Standortfaktoren wie Verkehrsanbindung sowie Verfiigbarkeit von Ressourcen und qualiftzierten Arbeitskräften, die heute überall nahezu gleichwertig vorhanden sind, bei Standortentscheidungen nicht mehr die entscheidende Rolle. Gefragt sind heute vielmehr branchenspezifische Cluster, eine WirtschaftsfOrderung entlang bestehender Wertschöpfungsketten auf der Basis der vorhandenen Unternehmenslandschaft. Ein kommunaler Wirtschaftförderer braucht hierzu detaillierte Branchenkenntnisse, die in der Regel wirtschaftlich erst im Zusammenspiel mehrerer betroffener Wirtschaftsförderungseinrichtungen aufgebaut und angeboten werden können. Gerade die Wirtschaftsförderung entlang von Wertschöpfungsketten verlangt eine Professionalisierung, die vielfach noch nicht einmal mehr in Wirtschaftsforderungseinrichtungen von Großstädten vorhanden ist. Das kommunale Instrumentarium zur Sicherung von Arbeitsplätzen ist auch unter Betiicksichtigung der EU-Beihilfe-Problematik sehr begrenzt. Es konzentriert sich insbesondere im produzierenden Gewerbe auf das Thema organisierte
Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung durch regionale Kooperation
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Produktion von Kreativität und Innovation. Innovationen sind die zentralen Wachstumsdeterminanten in einem Hocheinkommensland wie Deutschland. Gemeinden mit Wissenschaftseinrichtungen, privater oder öffentlicher Forschungsinfrastruktur sind deshalb gefordert, diese in ihre Stadtentwicklungsprozesse intensiv mit einzubeziehen. Gemeinden ohne vergleichbare Wissenschaftsinfrastruktur bemühen sich vielfach um Anschluss an Gemeinden mit einer solchen Infrastruktur. Vielfach wird erst im Zusammenwirken verschiedener Gemeinden eine relevante Einflussgröße erreicht, die einen Wachstumsimpuls fiir die kommunale Wirtschaft schafft. Gemeinsame Ansiedlungskonzepte fiir Wissenschaftseinrichtungen bzw. Standortsicherungskonzepte fiir private und öffentliche Wissenschaftseinrichtungen sind deshalb heute genauso wichtig wie die klassische Ansiedlungspolitik fiir Unternehmen. Hierbei zeigt sich, dass sich auch Wissenstransfereinrichtungen in ländlichen und peripheren Räumen bei einer engen Anhindung an eine etablierte Wissenschaftseinrichtung als Kristallisationspunkte fiir wirtschaftliche Entwicklung eignen. 5
IV. Standortmarketing Im Bereich der Ansiedlungsförderung kommt einem modernen Standortmarketing eine erhebliche Rolle zu. Der vielzitierte Wettbewerb der Standorte in Buropa führt dazu, dass die Einzelstandorte als Adresse an Bedeutung verlieren. Vielmehr kommt es darauf an, dass ein Raum sich als Region identifizierbar präsentiert. Dies setzt z. B. voraus, dass Standortinformationen über Flächenverfügbarkeiten oder über den Arbeitsmarkt innerhalb eines Radius von 50 km schnell und unbürokratisch, womöglich über das Internet, zur Verfügung stehen. Modeme Standortkommunikationssysteme ermöglichen hierbei dem Ansiedlungswilligen in kürzester Zeit, sich einen Überblick über das Angebot an Gewerbeflächen und Gewerbeimmobilien innerhalb eines Wirtschaftsraumes zu verschaffen. 6 Neben dem transparenten Überblick fiir Außenstehende bieten solche Systeme eine Basis fi1r eine verbesserte Kommunikation zwischen den im Wettbewerb bestehenden kommunalen Wirtschaftstorderem. Die Möglichkeit, Anfragen schnell innerhalb einer Region, gewissermaßen auf dem kleinen Dienstwege, an benachbarte Kommunen weiterzugeben, erhöht sich durch diese Form der vereinfachten Kooperation. Modeme Standortkommunis Z. 8 . Berufsakademien im ländlichen Raum, Steinbeis-Transfer-Zentren oder ähnliche Transfer- und Impulseinrichtungen. 6 Vgl. Standortkommunikationssystem des Raumordnungsverbandes Rhein-Neckar: www.standorte-rheinneckar.de.
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kationssysteme verkörpern in ihrer Wirkungsweise den paradoxen Zustand, dass mehrere Kommunen gleichzeitig sowohl Wettbewerber als auch Kooperationspartner sind. 7 Kooperation auf regionaler Ebene ist dabei zur Bündelung der knappen Finanzressourcen fiir ein attraktives Marketing wesentlich. Gemeinsame Präsentationen auf Branchenmessen, bei europäischen Institutionen oder im Rahmen von Ansiedlungswettbewerbsverfahren von multinationalen Unternehmen erzwingen eine solide Form der regionalen Kooperation. Von den Gegnern regionaler Kooperation in den Aufgabenfeldern Wirtschaftsförderung und Standortmarketing wird eingewandt, dass durch zu viel Kooperation der Wettbewerb zwischen den Gemeinden um die attraktivsten Ansiedlungs- bzw. Standortbedingungen aufgehoben wird. Diese Argumentation verkennt zweierlei: Zum einen handelt es sich bei dem aktuellen Standortwettbewerb zwischen den Kommunen um eine Maßstabsvergrößerung. Standen früher Einzelstandorte im Wettbewerb, so sind es heute ganze Regionen. Auch eine regionale Kooperation im Bereich Wirtschaftsförderung schließt den Wettbewerb zwischen den Beteiligten nicht aus. Sie ermöglicht aber in der Erstansprache und in der Erstbetreuung von Unternehmen eine umfassendere und qualifiziertere Betreuung. Ist der Interessent oder das verlagerungswillige Unternehmen fiir den Standort Region gewonnen, kann nach wie vor der innerregionale Wettbewerb stattfmden. Zudem wird vielfach von den Kritikern innerregionaler Kooperation übersehen, dass der Wettbewerb zwischen den Gemeinden im Unterschied zur Privatwirtschaft nicht mit selbst erwirtschafteten fmanziellen Ressourcen bestritten wird, sondern durch SteuermitteL Diese Form des Wettbewerbs mit knappen öffentlichen Mitteln bedarf deshalb im Interesse der Staatsbürger einer Wettbewerbsordnung zwischen Gemeinden. V. Siedlungsentwicklung und regionale Planung
Die Lebenswirklichkeit der Bürger vollzieht sich nicht mehr innerhalb einer Gemeinde. Menschen organisieren ihren Alltag über Gemeindegrenzen hinweg. Einkaufen, Arbeiten, Freizeit, das Nutzen von Kultur- und Bildungseinrichtun-
7 In der ökonomischen Spieltheorie wird hierfür der Begriff der "coopetition" verwendet.
Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung durch regionale Kooperation
211
gen finden aufgrund der stärkeren Motorisierung und des Ausbaus des Öffentlichen Nahverkehrs in verschiedenen Gemeinden eines Lebensraumes statt. 8 Die Steuerung der Siedlungsentwicklung bedarf aufgrunddes Auseinanderfallen& von Lebensraum der Bürger und Verwaltungsraum einer intensiven regionalen Zusammenarbeit. Am Beispiel einer gemeindeübergreifenden Planung fiir den großflächigen Einzelhandel lässt sich dies sehr anschaulich zeigen: Die strukturellen Veränderungen im Einzelhandel machen nämlich weder vor Stadtnoch Ländergrenzen halt. Stetiges Flächenwachstum bedingt regelmäßig größere Einzugsgebiete und damit weitreichende und unübersehbare Auswirkungen in den Nachbarkommunen. Standortwünschen von Einzelhandelsgroßprojekten wird mancherorts nur deshalb entsprochen, weil ein angedrohtes Ausweichen in die Nachbargemeinde verhindert werden soll. Dagegen hilft regionale Kooperation. Eine regionale Kooperation der Standortentwicklung im großflächigen Einzelhandel gewährleistet nicht nur eine städtebaulich verträgliche Einzelhandelsentwicklung, sondern sie sichert auch die regionalplanerischen Funktionszuweisungen und entwickelt die Zentrenhierarchie weiter. Durch die Festlegung mittel- und langfristiger Planungsziele kann interkommunale Konkurrenz frühzeitig abgebaut werden, ohne die Planungshoheit der Einzelgemeinde zu konterkarieren. Auch fiir potenzielle Investoren kann regionale Kooperation Planungssicherheit bieten, denn wo fiiihzeitig Standorte abgestimmt sind, wird es in der Regel auch keine langwierigen Verfahren und Auseinandersetzungen mit den Genehmigungsbehörden geben. Im Bereich der Siedlungstätigkeit gibt es weitere wesentliche Kooperationsnotwendigkeiten, die zur Stärkung der kommunalen Planungshoheit und letztendlich der kommunalen Finanzressourcen unerlässlich erscheinen. In diesem Zusammenhang soll nur darauf hingewiesen werden, dass auch aus der demographischen Entwicklung ein erhöhter Abstimmungsbedarf fiir die Ausweisung von Wohnbaugebieten entstehen wird. In diesem Zusammenhang steht auch das Thema "lnnenentwicklung vor Außenentwicklung". Hierbei geht es langfristig darum, insbesondere in Gebieten mit Einwohnerverlusten in den nächsten 20 Jahren eine bestandssichemde Entwicklungspolitik im bestehenden Siedlungskörper zu betreiben. Ein ruinöser Wettbewerb um junge Familien in dislozierten Einfamilienhausgebieten ist aufwendig und teuer und belastet die kommunalen Haushalte.
8 In der Region Rhein-Neckar überqueren täglich über 50 % der 2,35 Mio. Einwohner mindestens eine Stadt-/Landkreisgrenze.
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VI. Erhaltung der ökologischen Grundlagen Neue planungsrechtliche Anforderungen wie die Umweltverträglichkeitsprüfung oder auch Vorgaben aus den Natura 2000-Richtlinien zeigen, dass die grüne Infrastruktur eines Lebens- und Wirtschaftsraumes nicht fragmentiert nach Verwaltungsgrenzen betrachtet werden kann. Gerade die ökologischen Zusammenhänge verlangen ein zusammenhängendes und kohärentes Netz von Freiraum- und Biotopstrukturen, das einer intensiven Abstimmung über die Gemeindegrenzen hinweg bedarf. Viele Regionalverbände gerade in den Verdichtungsräumen entwickeln hierfür so genannte regionale Landschaftsparks. Landschaftsparks bieten für die Kommunen den Vorteil, vorsorgend Ausgleichsflächen in einem sinnvollen gesamtregionalen Zusammenhang stellen zu können. Zudem wird die Attraktivität einer Gemeinde als Teil eines größeren regionalen Grünzuges für die Wohnbevölkerung interessant. Die wohnortnahe Naturerholung bildet einen wesentlichen Standortfaktor im vielzitierten Wettbewerb der Standorte. In einem engen Zusammenhang mit Fragen der Erhaltung der ökologischen Grundlagen steht die Herausforderung eines kommunale Grenzen überschreitenden Katastrophenschutzes. In dem Teilbereich des vorbeugenden Hochwasserschutzes zeigt sich, wie intensiv staatliche und fachplanerische Vorgaben, z. B. zur Flächensicherung für Wasserrückhaltemaßnahmen, durch ein enges Kooperationsnetz innerhalb eines Gefährdungsraumes ergänzt werden müssen. Dazu zählen z. B. Hochwassergefahrengemeinschaften, die zum Teil als Hochwasserzweckverbände innerhalb ihres lokalen Wassereinzugsgebiets sich über Standorte für Rückhaltebecken verständigen. Hierzu dient die Organisationsform des öffentlich-rechtlichen Zweckverbandes. Modeme Hochwasservorsorgeprävention verlangt jedoch eine Vemetzung von kleinräumigen interkommunalen Maßnahmen zu einem regionalen Gesamtkonzept So betrachtet z. B. die EU-Wasserrahmenrichtlinie gesamte Flusseinzugsgebiete, die auch über Regionsgrenzen hinausgehen. Ziel der regionalen Kooperation ist es deshalb, Solidarität zwischen Ober- und Unterlieger eines Gefahrenraumes zu organisieren. Zum Einsatz kommen hierbei auch raumordnensehe Verträge im Sinne von§ 13 Abs. 5 Raumordnungsgesetz des Bundes.9 Im Ergebnis zeigt sich, dass die aktuellen Herausforderungen der kommunalen Selbstverwaltung dazu führen, dass nur durch gezielte Kooperationslösungen Handlungsdefizite abgeschwächt werden können. Dabei ist entscheidend, 9 Vgl. Specht, C., Die Anwendung raumordnenscher Verträge, S. 171 in: Beschränkung des Flughafenbetriebs - Planfeststellungsverfahren- Raumordnungsrecht, Vorträge auf den 5. Speyerer Planungsrechtstagen, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 163, 2004, Berlin.
Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung durch regionale Kooperation
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dass eine strategische Neupositionierung der Gemeinden mit einer internen Aufgabenkritik einhergeht. Hierbei ist im Sinne einer rationalen Aufgabenerfüllung zu fragen, welche Aufgaben besser im Verbund mit anderen Partnern oder sogar auf regionaler Ebene gelöst werden sollen. Dabei ist zu beachten, dass die Organisationsform vom Aufgabentypus und dem Grad der Verbindlichkeit abhängen muss. Im Rahmen der Neuausrichtung der Aufgabenerledigung sind vorhandene institutionelle Ausgangsbedingungen, gewachsene Strukturen und prägende Elemente zu beachten. Vorteilhaft für die Neuausrichtung des kommunalen Kooperationsverständnisses ist das Vorhandensein eines regionalen Leitbildes. Regionalplanungsverbände und regionale Einrichtungen verfügen in der Regel über ein hohes Maß an Kooperationskapazität. Diese kann zur Initiierung, Moderation, Mediation und Steuerung des notwendigen interkommunalen Aushandlungsprozesses genutzt und im Sinne des Leitbildes des Gesamtraumes eingesetzt werden.
Stadtregion als Handlungsebene Von Folkert Kiepe
I. Zur Notwendigkeit einer Reform kommunaler Selbstverwaltung Stadt und Region, ein altes Thema. Die Frage ist: Müssen wir fiir dieses Spannungsfeld eine neue Organisationsform anstreben? Ich möchte das ohne Zweifel bejahen und auch erläutern. Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte über Verwaltungsstrukturreformen in der Europäischen Union, aber eben auch in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland gewinnen Überlegungen noch mehr an Bedeutung, staatliche Regelungen zu reduzieren, auf das notwendige Maß zurückzufUhren und das heißt statt dessen, dezentrale Strukturen - also in der Bundesrepublik Deutschland: Kommunale Selbstverwaltung - auf der lokalen und regionalen Ebene zu stärken. Dazu gehört neben der Grundsatzdebatte über die Aufgaben kommunaler Selbstverwaltung und deren Finanzierung auch die Diskussion über die wirtschaftliche Betätigung der Städte im Rahmen der Daseinsvorsorge und über bessere und neue Formen interkommunaler Zusammenarbeit in den jeweiligen gewachsenen Regionen, gerade auch angesichts des europäischen Einigungsprozesses. Stadtregionen und Verdichtungsräume werden zunehmend als regionale Wachsturnsmotoren gesehen. Öffentliche wie private Akteure fordern übereinstimmend mehr kommunale Zusammenarbeit im regionalen Kontext. Zu den Gründen wird insbesondere immer wieder vorgetragen -
die zu kleinteilige politisch-administrative Struktur auflokaler Ebene,
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ein anhaltendes Wachsturn der Verdichtungsräume an ihren Rändern, das mit einer immer engeren funktionalen Verflechtung zwischen den einzelnen stadtregionalen Teilräumen einhergeht,
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zunehmende fmanzielle Disparitäten zwischen Kernstädten und Umlandgemeinden und schließlich
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ein Bedeutungsgewinn der regionalen Ebene im Kontext des sich verschärfenden Wettbewerbs der Städte in Europa.
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Zu dem vorletzten Spiegelstrich: Schaut man sich die Verteilung der Ernkommensteueranteile zwischen den Kernstädten und den Umlandgemeinden nach Größenklassen an, so wird deutlich, dass die Städte und Gemeinden mit weniger als 50.000, insbesondere mit weniger als 20.000 Einwohnern die Gewinner in dieser Beziehung sind, und zwar kontinuierlich seit Ende der 70er Jahre. Die letzten Gemeindefmanzberichte des Städtetages weisen außerdem nach, dass sich diese Entwicklung auch so fortsetzt. In der Fachwelt herrscht schon seit längerem Konsens darüber, dass es auf der Ebene der Stadtregion eine ganze Reihe von Aufgaben gibt, in denen interkommunale Zusammenarbeit notwendig ist und die auch durch Kooperation auf der regionalen Ebene bewältigt werden können, zum Beispiel in der Siedlungsentwicklung, im Verkehr, im Umweltschutz, in der Ver- und Entsorgung, in der Wirtschaftsfdrderung, auch in der Kulturpolitik. Es fehlt jedoch nach wie vor an einem tragfähigen Konzept zur Reform der kommunalen Selbstverwaltung auf der regionalen Ebene. ß. Thesen
Die nachfolgenden Thesen greifen die Fragen nach den richtigen Ansätzen und Formen interkommunaler Zusammenarbeit auf und formulieren hierzu Eckpunkte aus städtischer Sicht. Zunächst zwei Eingangsthesen: 1. Kommunale Selbstverwaltung und die damit verbundene kommunale Eigenständigkeit im Staatsaufbau, der ja nur zweistufig, aber eben mit drei Verwaltungsebenen ausgestattet ist, ermöglicht eine orts- und bürgernahe Staats- und Verwaltungstätigkeit und bietet außerdem zwei außerordentliche Vorzüge, die gerade in Zeiten grundlegender Veränderungen, wie wir sie zur Zeit erleben, von besonderer Bedeutung sind. Im ökonomischen Bereich haben wir die Globalisierung mit allen ihren Auswirkungen bis auf die lokale Ebene und im politischen Bereich die Vertiefung und Erweiterung der EU, also wirklich grundlegende Veränderung. Und in diesen Zeiten ist das von besonderer Bedeutung, was wir hier an kommunaler Selbstverwaltung haben. Zum einen ist dieses dezentrale System besonders flexibel und kann die unterschiedlichen Entwicklungen in den einzelnen Räumen eines großen Flächenstaates und erst recht in einer sich erweiternden Europäischen Union viel besser aufnehmen als dies eine Zentralverwaltung könnte. Zum anderen ist mit diesem System die fiir grundlegende Entscheidungen unabdingbare demokratische Zustimmung der Bevölkerung eher erreichbar als auf nationaler Ünd europäischer Ebene. Richtig praktiziert, kann es somit
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zwei wichtige Säulen erfolgreichen Verwaltungshandeins miteinander verbinden: Effizienz und Legitimität. 2. Dieses leistungsfähige Organisationsprinzip ,,kommunale Selbstverwaltung" muss allerdings in seiner konkreten Ausgestaltung und in den tatsächlichen Erscheinungsformen auch den heutigen aktuellen Entwicklungen angepasst werden, um die Aufgaben der Zukunft auf der kommunalen Ebene bewältigen zu können. Auf nationaler Ebene ist generell festzustellen, dass Zahl und Umfang der Aufgaben, die von den einzelnen Städten nicht mehr allein bewältigt werden können, stark zugenommen haben. Die Probleme im Stadt-Umland-Verhältnis haben sich zu Daueraufgaben entwickelt. Im europäischen Binnenmarkt verstärkt der verschärfte Wettbewerb den Druck auf die Städte und Gemeinden zur Zusammenarbeit in den Regionen. In der EU wird schon zunehmend in Stadtregionen gedacht. Es ist zwar von Frankfurt und von Köln und München die Rede, aber gemeint ist immer die gesamte Region. Und es wird nicht nur in konzeptionell denkenden Kreisen dariiber nachgedacht, sondern hinsichtlich der Planungs-, vor allem der Strukturförderpolitik wird auch so gehandelt. Die Politik in Deutschland ist auf diesen Prozess noch nicht ausreichend vorbereitet. Dies gilt fiir Bund und Länder. So fehlt es insbesondere in den Ländern bisher an einer intensiven Debatte über Aufgaben, Rolle und Perspektiven der Stadtregionen. Es kommt deshalb darauf an, sich Klarheit dariiber zu verschaffen, welche Anforderungen auf die Stadtregionen zukommen und ob die bisherigen Strukturen geeignet und entwicklungsfähig sind, um im Wettbewerb der Regionen bestehen zu können. 111. Offene Fragen Die verschiedenen Möglichkeiten zur besseren Organisation kommunaler Kooperation in den Regionen bedürfen der eingehenden Priifung unter kommunalverfassungsrechtlichen, planungsrechtlichen und organisationspraktischen sowie unter Finanzierungsgesichtspunkten. Und dabei sind unter Wahrung der Kernelemente kommunaler Selbstverwaltung, insbesondere der Planungshoheit, Antworten auf folgende Fragen zu fmden: -
Erstes Stichwort: Aufgabenfelder. In welchen Aufgabenbereichen kommunaler Selbstverwaltung ist eine Zusammenarbeit der Städte und Gemeinden auf regionaler Ebene notwendig?
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Zweites Stichwort: Instrumente kommunaler Zusammenarbeit. Reichen die bisher bekannten Handlungsformen aus - Netzwerke, Zweckverbände, Umlandverbände - um diese regionalen Aufgaben zu bewältigen?
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Drittes Stichwort: Verwaltungsrefonn. In welchem Umfang muss der Verwaltungsaufbau zwischen der konununalen Ebene - Städte und Gemejnden - und der staatlichen Ebene - Regierungsbezirke, Ämter, Ministerien der Länder - neu geordnet werden, um eine leistungsfähige konununale Kooperationsform auf der regionalen Ebene zu erhalten? Nach welchen Kriterien sollte der Gebietszuschnitt der neuen Kooperationsräume - es sei dahingestellt, ob man das nun Stadtregion oder Regionalkreis nennen mag - soll diese Gebietsabgrenzung vorgenonunen werden?
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Viertes Stichwort: Gebietsreform. Wo setzt die Beseitigung von Fehlentwicklungen im Stadt-Umland-Verhältnis eine Gemeindegebietsreform voraus, wo fehlt es aufgrund zu geringer Einwohnerzahlen an einer ausreichenden Gemeindegröße und damit auch an einer ausreichenden Verwaltungskraft, um überhaupt kooperieren zu können in den zuvor angesprochenen Aufgabenbereichen?
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Fünftes Stichwort: Finanzrefonn. Welche Finanzierungsregelungen sind zu verändern, um den für eine verbesserte interkonununale Zusammenarbeit in der Region notwendigen Finanzausgleich zu gewährleisten? Finanzierungen über Umlagen reichen kaum aus, wobei auch andere Auffassungen vertreten werden. Reichen sie aus oder braucht man eigene Steueranteile?
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Und schließlich das sechste Stichwort: Demokratische Legitimation. In welcher Weise sollen die neuen Entscheidungsträger auf der regionalen Ebene demokratisch legitimiert werden? Ist eine Delegation durch Räte oder eine Direktwahl der bessere Weg? IV. Ziele und Eckpunkte einer Verwaltungsstrukturreform der lokalen und regionalen Ebene
Diese Fragen bestinunen schon heute die bundesweite Debatte, aber eben mehr in den Fachkreisen und in der Wissenschaft. Dabei werden die Vorschläge aus den Räumen Hannover, Frankfurt und Stuttgart mit ihren unterschiedlichen Lösungsansätzen besonders eingehend diskutiert. Über alle unterschiedlichen Sichtweisen hinweg kann wohl festgestellt werden, dass angesichts der neuen Aufgabenstellungen für die Länder und die konununalen Gebietskörperschaften insbesondere auch vor dem europäischen Hintergrund und angesichts der eingeschränkten öffentlichen Finanzierungsspielräume Verwaltungsstrukturreformen dringend geboten sind. Ziel solcher Verwaltungsstrukturreformen in den Ländern muss es sein,
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1. die Landesverwaltung auf rein staatliche Aufgaben zu konzentrieren und sie von nichtstaatlichen Aufgaben zu entlasten; das ist der Dezentralisierungsgedanke; 2. die kommunale Selbstverwaltung in ihrer Handlungsfähigkeit und in ihren Gestaltungsspielräumen zu stärken und ihr dazu alle die Aufgaben zuzuweisen, die örtlich und regional bewältigt werden können; das ist der Subsidiaritätsgedanke; 3. schließlich- das ist das spannendste- die Schnittstelle zwischen neuorganisierter staatlicher Landesverwaltung und kommunaler Selbstverwaltung so zu organisieren, dass sie sowohl jeweils für sich als auch gemeinsam ihre Leistungsfähigkeit steigern können; das ist der EffiZienzgedanke. Zur Modernisierung und Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung sollten bei einer solchen Verwaltungsstrukturreformdebatte aus der Sicht der Städte folgende neun Eckpunkte berücksichtigt werden. 1. - Das ist mir besonders wichtig - bei allen Organisationsüberlegungen muss zunächst eine Aufgabenkritik und Aufgabenprüfung stattfmden, um entscheiden zu können, ob die jeweilige Aufgabe öffentliche Aufgabe bleiben soll, künftig ganz entfallen kann oder staatlich bzw. kommunal vorgenommen werden soll. Erst wenn man sich darauf verständigt hat, was auf der örtlichen, was auf einer kommunalverfassten regionalen Ebene und was auf der Ebene staatlicher Landesverwaltung zu regeln ist, sollte man über die entsprechenden Organisationsformen debattieren, streiten und entscheiden. Leider läuft es oft anders herum, weil jeder schon im Hinterkopf die Konsequenzen auch für die politischen Machtstrukturen im Kopf hat. 2. Zur kommunalen Selbstverwaltung gehört sowohl die örtliche als auch die regionale Ebene. Zur staatlichen Landesverwaltung gehören die Ministerien und - soweit in den großen Flächenländern erforderlich - die Bezirksregierungen als so genannte Mittelbehörden mit Bündelungsfunktion. 3. Die Bezirksregierungen sollten auf ihre originären staatlichen Aufgaben begrenzt werden. Dazu gehören unstreitig alle hoheitlichen Aufgaben, Kommunal-, Rechtsaufsicht, Polizei. Dagegen sind die Aufgabenfelder Regionalplanung, Verkehr, Sport, Kultur, Denkmalschutz, Gesundheit, Soziales und auch Umwelt, Wirtschaft und Schule der kommunalen Selbstverwaltung auf der örtlichen bzw. der regionalen Ebene zuzuordnen. Dies bedeutet zum Beispiel für den Bereich der Regionalplanung, dass die in einigen Ländern bekannten Bezirksplanungsräte- in Nordrhein-Westfalen heißen sie jetzt wieder etwas anders- in ihrer Grundstruktur von einer kommunalverfassten Regionalorganisation übernommen werden könnten. 4. Bei einer Neuverteilung der Aufgaben müssen Doppelzuständigkeiten bzw. fachliche Kompetenzüberschneidungen vermieden werden. Die bisher vor-
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bandenen Landesober-, -unter- und -sonderbehörden sollten aufgelöst und in den Verwaltungsaufbau des Landes bzw. der kommunalen Selbstverwaltung auf der örtlichen oder regionalen Ebene eingegliedert werden. Neue staatliche Sonderverwaltungen darf es nicht geben. 5. Kommunale und staatliche Verwaltungen auf der mittleren Ebene sollten nicht in einer gemeinsamen Behörde zusammengefasst werden, um staatliche Eingriffe in Selbstverwaltungsaufgaben von vornherein auszuschließen. Nur in einer klaren Trennung der staatlichen und der kommunalen Sphäre kann die notwendige Transparenz in der Aufgaben- und Verantwortungszuweisung erreicht werden. 6. Neue Modelle für eine bessere Organisation der kommunalen Selbstverwaltung auf der örtlichen und regionalen Ebene dürfen auf keinen Fall zur Errichtung einer zusätzlichen Verwaltungsebene fiihren. Dies würde sowohl dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung als auch der gewünschten verbesserten Kooperation der kommunalen Gebietskörperschaften zuwiderlaufen. Eine qualitativ neue Planungs- und Verwaltungsebene regionalen Zuschnitts setzt deshalb voraus, dass die kommunale Selbstverwaltung auf dieser Ebene so organisiert wird, dass auf eine oder mehrere der bisherigen Verwaltungsebenen verzichtet werden kann. Zwischen den Städten und Gemeinden einerseits sowie der Landesverwaltung andererseits darf es daher nur eine, und zwar kommunal organisierte regionale Ebene geben. Diese kommunalverfasste Regionalorganisation würde jeweils die kreisfreien Städte sowie die Städte und Gemeinden mehrerer Kreise in einer gewachsenen Region umfassen. Eine solche Organisationsstruktur erfordert natürlich auch eine Veränderung der Aufgaben und Organisationszuschnitte der Bezirksregierungen, soweit diese in großen Flächenländern überhaupt weiterhin erforderlich sind. In kleineren Flächenländern brauchen wir sie gar nicht, in Schleswig-Holstein beispielsweise gibt es sie ja auch schon seit längerem nicht mehr. Das ist die eine Voraussetzung. Und die andere? Ein solches Organisationsmodell verlangt natürlich zugleich eine Integration der Kreise in eine solche neu verfasste kommunale Organisation. Für die Kreise als zusätzliche Organisationsebene zwischen so defmierten Regionen bleibt keine Aufgabe. 7. Insbesondere in den neuen Ländern werden die Grenzen kommunaler Planungshoheit im doppelten Sinne angesichts der bisher weitgehend unterlassenen Gemeindegebietsreform überdeutlich. Rund vierzehn Millionen Einwohner organisieren sich in ca. 5.300 Gemeinden, etwa 40 Prozent dieser Gemeinden hat weniger als 500- nicht 5.000, sondern 500- Einwohner. Demgegenüber leben in den alten Ländern einschließlich Berlin 68 Millionen Einwohner in ca. 8.500 Gemeinden. Das heißt nicht, dass man dort alles so machen muss wie in Hessen oder Nordrhein-Westfalen, auf diesen deut-
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liehen Strukturunterschied sei nur hingewiesen. Und man kann von Gemeinden mit 500 Einwohnern oder auch 5.000 Einwohnern nicht dieselbe Aufgabenlast einfordern, man kann auch nicht dieselbe Kooperationsfähigkeit erwarten wie bei Einwohnerzahlen von 20.000, 50.000 oder mehr. Da es somit in den ostdeutschen Ländern - wohl unstrittig - noch an leistungsfähigen Gemeindegrößen fehlt, werden auf der Länder- und Bundesebene andere Schlussfolgerungen daraus gezogen als ich sie ziehe. Es wird nämlich zunehmend die Forderung erhoben, die Planungs- und Vollzugsinstrumente auf der regionalen Ebene zu verstärken, aber eben staatlich gedacht. So jedenfalls eine Reihe von Überlegungen in den zuständigen Abteilungen von Staatskanzleien. Anstatt jedoch zunächst daran zu gehen, leistungsfähige kommunale Grundeinheiten zu schaffen und die Kooperationsformen zwischen diesen kommunalen Aufgabenträgem zu verbessern, wird immer wieder über eine Stärkung der staatlichen Regionalplanung, der staatlichen Organisationen zu Lasten kommunaler Selbstverwaltung nachgedacht. Wer jedoch die kommunale Selbstverwaltung und die damit verbundene kommunale Selbstverantwortung als ein Grundelement unserer dezentralen und foderalen Verfassungs- und Staatsordnung bewahren und fiir die Verwaltungspraxis unseres politischen Gemeinwesens weiterhin mit Erfolg nutzen will, der muss über andere Lösungswege nachdenken. Dazu bietet sich das in Deutschland - im Grundsatz jedenfalls - bewährte System Zentraler Orte und das Planungsprinzip der dezentralen Konzentration an. 8. Voraussetzung jeder Aufgabenverlagerung auf die kommunale Ebene ist die strikte Beachtung des Prinzips der Konnexität von Aufgaben- und Finanzzuweisung. Für eine funktionsfähige Region dürfte eine Finanzierung nur über Umlagen nicht ausreichen, vielmehr muss auch über eine steuerfinanzierte Grundausstattung nachgedacht werden. 9. Schließlich: Die zuvor skizzierten, neu zu bildenden kommunalverfassten Regionen mit einem bedeutenden, bisher teils in staatlicher, teils in kommunaler Verantwortung liegenden Aufgabenzuschnitt bedürfen hierfiir einer hinreichend demokratischen und bürgernahen Legitimation. Und dies spricht eher fiir eine Direktwahl der regionalen Vertretungskörperschaft. V. Ausblick und Fazit Die Neugestaltung der interkommunalen Zusammenarbeit in den Regionen ist zwar ein Prozess. Man sollte deshalb schrittweise in realistischen Etappen vorgehen, um Konflikte zu begrenzen und um verschiedene Kooperationsformen auch zu testen. Deswegen sollten auch nicht - wie es in wissenschaftlichen Diskussionen leider immer wieder geschieht - die informellen (oder "wei-
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chen") gegen die formellen (oder "harten") Instrumente zur Kooperation ausgespielt werden. Das ist kein Gegeneinander, wir brauchen beides. Wir sollten möglichst die informellen Instrumente nutzen, um neue Organisationsformen zu testen. Und diese Phase durchlaufen wir zur Zeit. Die Beispiele reichen von Kooperationen auf der Grundlage des privaten Vereinsrechts bis zu Zweckverbänden in einzelnen Aufgabenfeldern und Umlandverbänden mit einer vielfältigen Aufgabenpalette. Auch das neue Instrument des regionalen Flächennutzungsplans gemäß § 9 Abs. 6 Raumordnungsgesetz kann und sollte genutzt werden, da wo es die Länder uns ermöglichen, es zu nutzen. Aber wenn wir diese informellen Formen und Organisationsformen nutzen, dann werden wir an irgendeinem Punkt erkennen müssen, dass wir mit informellem Handeln in den gewachsenen Regionen nicht weiterkommen. Bei allen Schwierigkeiten und Widerständen, die mit einer grundlegenden Reform der kommunalen Selbstverwaltung auf der regionalen Ebene verbunden sind, kommt man an der Erkenntnis nicht vorbei, dass die hier angesprochenen offenen Fragen beantwortet werden müssen, wenn es kommunale Selbstverwaltung und lokale Demokratie auch zukünftig in der EU geben soll. Sowohl die ökonomischen Strukturveränderungen als auch die anstehende Neubestimmung des Verhältnisses der Institutionen in der Europäischen Union, ihrer Mitgliedstaaten und deren Länder oder vergleichbarer Großregionen zwingen uns dazu. Und auch die aktuelle Debatte im Rahmen der sog. Föderalismuskommission macht das ganz deutlich. Ich meine, dass wir hierzu auch eine Perspektive haben. Wir sehen die jedenfalls in dem jetzt von mir nicht näher erläuterten Modellfall der Region Hannover. In dieser Region Hannover lässt jedenfalls das, was wir mit diesem sowohl fachlich wie politisch gut vorbereiteten Gesetz in Niedersachsen an ersten Erfahrungen sammeln konnten, hoffen. Der entscheidende V orteil des dort gewählten Ansatzes ist, dass die regionale Kooperation eben nicht "von oben" den Gemeinden aufgedrängt worden ist, sondern das Engagement "von unten" aufgegriffen wurde. Und das entscheidende tragende Element dieses Konzepts ist der Vorteils- und Lastenausgleich innerhalb dieser Region. Das ist der entscheidende Ansatz. Dazu werden sicherlich noch viele Diskussionen geführt werden. Immer wieder erlebe ich auch, dass mir gesagt wird, das was ich da vorschlage, das könne man auch in einzelnen Zweckverbänden regeln und die Räume seien doch teilweise sehr unterschiedlich, ob Umwelt oder Verkehr, Kultur oder Wirtschaftsförderungsraum Wenn man sich aber einmal die Mühe macht, diese einzelnen Verwaltungsstrukturen in bestimmten Regionen mit Folien übereinander zu legen, dann wird man erkennen, dass es im Kern immer um die seihen Räume geht. An den Rändern franst das immer etwas aus, aber im Kern hat man eben die selben Räume. Und wenn das so ist, dass in ganz
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wichtigen, sozusagen in den Grundaufgabenfeldern in einer Vielzahl einzelner Zweckverbände gehandelt wird und die Steuerung unter dem EffiZienzgesichtspunkt nicht mehr gewährleistet wird, dann muss man sich wirklich fragen, ob man die Entscheidungs- und Legitimationsebene nicht wieder zusammenfUhren muss. Und das wird politisch nur gelingen, indem man - das ist, glaube ich, der entscheidende Vorteil des Beispiels Hannover- verschiedene Aufgaben so miteinander kombiniert, dass nicht der eine immer nur Vorteile und der andere immer nur Nachteile aus dieser Kombination erlebt, sondern eben einmal Vorteile und einmal Nachteile; so wie eben im Raum Hannover durch die Zuordnung von Nahverkehr und Sozialhilfe, weiterbildenden Schulen und Natur- und Umweltaufgaben auf die regionale Ebene. Dadurch entsteht ein Vorteils- und Lastenpaket, das ermöglicht, für eine solche Handlungsebene überhaupt Zustimmung in der Politik und bei den Bürgerinnen und Bürgern zu gewinnen.
Verzeichnis der Autoren Thomas Abel, Deutscher Städte- und Gemeindebund, Berlin Detlef Dohmen, Regierungsdirektor, Westfalen, Düsseldorf
Innenministerium des
Landes Nordrhein-
Ulrich Gudat, Leiter der Kommunalabteilung, Innenministerium Schleswig-Holstein, Kiel Franz-Reinhard Habbel, Deutscher Städte- und Gemeindebund, Berlin Thorsten Heinze, Servicebereichsleiter, Landkreis Harburg Dr. Dirk Heuwinkel, Leiter des Referates Strategische Steuerung und Kreisentwickiung, Landkreis Osnabrück Prof. Dr. Hermann Hili, Deutsche Hochschule fiir Verwaltungswissenschaften Speyer
Michael Hokkeler, Kommunale Gemeinschaftsstelle (KGSt), Köln Jens /morde, Projekt- und Kulturberatung GmbH, Münster Dr. Peter Jakubowski, Bundesamt f\ir Bauwesen und Raumordnung, Bonn
Folkert Kiepe, Beigeordneter des Deutschen Städtetages, Köln Prof. Dr. Heinrich Mäding, Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin Dr. Oliver Märker, Fraunhofer-Institut AIS, St. Augustin Prof. Dr. Marga Pröhl, Bertelsmann Stiftung, Gütersloh
Dieter Rehfe/d, Geschäftsf\ihrer, regio iT aachen GmbH, Aachen Petra Roth, Präsidentin des Deutschen Städtetags, Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt am Main Christian Specht, Verbandsdirektor des Raumordnungsverbandes Rhein-Neckar, Mannheim
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Verzeichnis der Autoren
Claudia Walther, Bertelsmann Stiftung, Güterstob Dr. Josef Wehner, Fraunhofer-Institut AIS, St. Augustin