Ethische Untersuchungen: Genetisch-kritische Fragmentedition 9783110773583, 9783110773323

Friedrich Adolf Trendelenburg’s Ethical Investigations is the first publication of the manuscript, penned in ca. 1851. I

198 36 227MB

German Pages 469 [470] Year 2022

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Table of contents :
Inhalt
Siglen, Bezeichnungen und Abkürzungen
Einleitende Worte des Herausgebers
Danksagung
Vorbemerkungen
Ethische Untersuchungen
Diplomatische Umschrift
Genetische Darstellung
Klartextangebote
XXI. Das System (1862)
Editorischer Bericht
Textdarstellungen
Auflistung der Emendation
Literatur- und Abbildungsverzeichnis
Anhang
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Ethische Untersuchungen: Genetisch-kritische Fragmentedition
 9783110773583, 9783110773323

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Exempla Critica Historisch-kritische Einzelausgaben

Herausgegeben von Gerald Hartung, Rüdiger Nutt-Kofoth und Bodo Plachta

5

Friedrich Adolf Trendelenburg

Ethische Untersuchungen Genetisch-kritische Fragmentedition Herausgegeben von Christian Biehl

ISBN 978-3-11-077332-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-077358-3 ISSN 1613-2149 Library of Congress Control Number: 2022948174 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Printing and binding: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

V

Inhalt Siglen, Bezeichnungen und Abkürzungen Einleitende Worte des Herausgebers Danksagung Vorbemerkungen

VII IX XIII 1

Über den Autor Friedrich Adolf Trendelenburg

3

Einführung in die ›Ethiſchen Unterſuchungen‹

25

Ethiſche Unterſuchungen Diplomatische Umschrift

41 43

Umschlag

45

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften

55

Kapitel I – Erste Schlussfassung

145

Kapitel I – Zweite Schlussfassung, dritte Schlussfassung (Teil 1)

155

Kapitel I – Dritte Schlussfassung (Teil 2)

161

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik

167

Genetische Darstellung

213

Umschlag

215

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften

219

Kapitel I – Erste Schlussfassung

263

Kapitel I – Zweite Schlussfassung, dritte Schlussfassung (Teil 1)

269

Kapitel I – Dritte Schlussfassung (Teil 2)

273

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik

277

Klartextangebote

297

Umschlag

299

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F1)

303

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F2)

333

Kapitel I – Erste Schlussfassung

357

VI

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik XXI. Das System (1862) Diplomatischer Abdruck

363 379 381

Editorischer Bericht

401

Überlieferung

403

Zeugenbeschreibung

403

Datierung

406

Aufbau und Zweck

407

Zur Schreibmethodik Trendelenburgs

409

Hinzufügungen, Tilgungen und andere Schreibvorgänge Textdarstellungen Richtlinien der diplomatischen Umschrift

409 413 413

Musterlayout der diplomatischen Umschrift

415

Diakritische Auszeichnung der diplomatischen Umschrift

416

Richtlinien der genetischen Darstellung

422

Leseregeln der genetischen Darstellung

424

Diakritische Auszeichnung der genetischen Darstellung

426

Richtlinien der Klartextangebote

432

Richtlinien des diplomatischen Abdruckes von ›Das System‹

433

Musterlayout des diplomatischen Abdruckes

435

Auflistung der Emendationen

437

Literatur- und Abbildungsverzeichnis

441

Anhang

449

Personenregister

451

Werkregister

455

VII

Siglen, Bezeichnungen und Abkürzungen Siglen: EU NR1, NR2 LU1, LU1.I, LU1.II LU2, LU2.I, LU2.II LU3, LU3.I, LU3.II KA

Ethiſche Unterſuchungen (ca. 1851) Naturrecht auf dem Grunde der Ethik (1860), – (1868) Logische Untersuchungen (1840), – Band I, – Band II Logische Untersuchungen (1862), – Band I, – Band II Logische Untersuchungen (1870), – Band I, – Band II Hamburger Klopstock-Ausgabe, Abteilung Addenda II, Klopstocks Arbeitstagebuch (1977)

F1 F2 H.1, H.2, H.3 H.1.1, H.1.2, H.2.1 ...

Kapitel I, erste Fassung Kapitel I, zweite Fassung (Vortragsfassung) erste Textstufe, zweite Textstufe, dritte Textstufe Arbeitsschritte innerhalb von Textstufen

Bezeichnungen: Autor Nutzer/-innen

Friedrich Adolf Trendelenburg (Tr.) Nutzer/-innen dieser Edition

Abkürzungen: Hrsg. Dbl., Dbll. Bl., Bll. r v vermutl. unpag. Tr.

Herausgeber Doppelblatt, Doppelblätter Blatt, Blätter recto verso vermutlich unpaginiert Friedrich Adolf Trendelenburg

Abb. 1: B. J. Hirsch’s photogr. Kunst-Verlag: Dr. Trendelenburg, Prof. d. Philos., Berlin 1848. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Portr. Slg / Philos. gr. / Trendelenburg, Friedrich Adolf, Nr. 5.

Einleitende Worte des Herausgebers Für gewöhnlich werden einführende Worte zu Friedrich Adolf Trendelenburg (Abb. 1) mit einem Verweis auf die vielen namhaften Schüler versehen, die in den Genuss seiner Lehre gekommen sind. Und auch der Herausgeber der Ethischen Untersuchungen (EU) kommt nicht umhin, einige bekannte Namen in seinem Vorwort aufzuzählen. Zu diesen Schülern gehören Persönlichkeiten wie der ›Vordenker der Geisteswissenschaften‹ Wilhelm Dilthey, der Literaturnobelpreisträger des Jahres 1908, Rudolf Eucken, und andere Größen wie Hermann Bonitz, Franz Brentano, Hermann Cohen, Ernst Laas, Jürgen Bona Meyer, Friedrich Paulsen, Carl von Prantl oder Friedrich Ueberweg.1 Die Mehrheit hat Tr. durch seine Persönlichkeit und die Art der Wissensvermittlung zeitlebens inspiriert und mit einigen von ihnen, insbesondere Wilhelm Dilthey, eine lebenslange Freundschaft gepflegt. In zahlreichen Memoiren finden sich Zeugnisse über die Strahlkraft und Persönlichkeit des herausragenden Pädagogen. Trotz dieses hervorragenden Leumunds ist Tr. als Philosoph heute nahezu in Vergessenheit geraten. Von den Veröffentlichungen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts abgesehen, konstatiert Frederick Beiser in Late German Idealism. Trendelenburg and Lotze (2013), findet bis in die zweite Hälfte der 1980er Jahre kein größerer Diskurs über die Trendelenburg’sche Philosophie mehr statt.2 Erst in Klaus Christian Köhnkes (1853–2013) Entstehung und Aufstieg des Neukantianismus. Die deutsche Universitätsphilosophie zwischen Idealismus und Positivismus (1986) wird Tr. in einem wichtigen Kapitel als eigenständiger Forschungsgegenstand behandelt.3 Davor findet sich sein Name meist in Fußnoten und Randbemerkungen zuallererst in Bezug auf die im Jahre 1840 in seinem ersten, zwei Bände umfassenden Hauptwerk Logische Untersuchungen (LU) vorgetragene Hegelkritik, ferner auf seinen späteren Disput mit Kuno Fischer (1724–1907) über die sogenannte ›Trendelenburg’sche Lücke‹ (auch ›Kant-Lücke‹) sowie im Zusammenhang mit seinen berühmten Schülern. 1  Vgl. Gerald Hartung, Klaus Christian Köhnke: »Einleitung«. In: Eutiner Forschungen. Herausgegeben im Auftrag der Stiftung zur Förderung der Kultur und Erwachsenenbildung in Ostholstein. Bisher 16 Bde. Hier Bd. 10: Gerald Hartung, Klaus Christian Köhnke (Hg.): Friedrich Adolf Trendelenburgs Wirkung. Eutiner Landesbibliothek. Eutin 2006. S. 7–12, hier 7. 2  Vgl. »Preface« in Frederick C. Beiser: Late German Idealism. Trendelenburg and Lotze. Oxford University Press. New York 2013. unpag. S. 7. 3  Vgl. das »Preface« in ebd., unpag. S. 7 f. sowie das genannte Kapitel in Klaus Christian Köhnke: Entstehung und Aufstieg des Neukantianismus. Die deutsche Universitätsphilosophie zwischen Idealismus und Positivismus. Suhrkamp Verlag. Frankfurt am Main 1986. S. 23–57.

X

Einleitende Worte des Herausgebers

Den bisherigen Höhepunkt jüngerer Veröffentlichungen liefert ein Kolloquium, welches vom 23. bis 26. Oktober 2002 in Tr’s Heimatstadt Eutin anlässlich seines 200. Geburtstages veranstaltet wurde.4 Die dort präsentierten Beiträge von von Wilhelm Baumgartner, Uwe Dathe, Eduardo Fugali, Gottfried Gabriel, Gerald Hartung, Klaus Christian Köhnke, Erik Kreiter, Gudrun KühneBertram, Hans-Jürgen Lachmann, Hans-Ulrich Lessing, Ernst Wolfgang Orth, Gunther Scholtz sowie Risto Vilkko, liegen seit 2006 in Herausgabe durch Hartung und Köhnke im zehnten Band der Reihe Eutiner Forschungen unter dem Titel Friedrich Adolf Trendelenburgs Wirkung gesammelt vor. Darin wird Trendelenburg, die »noch immer weithin unbekannte Größe der Philosophie des 19. Jahrhunderts«5, in seiner Bedeutung für die Philosophie sowie in der Wirkung auf einige seiner berühmten Schüler umfassend beleuchtet. Darüber hinaus enthält die Aufsatzsammlung die durch Köhnke zusammengestellte und bisher vollständigste Bibliografie zu Tr’s Veröffentlichungen. Im zehnten Band der Reihe Berlinische Lebensbilder (2012) ist der erste Beitrag, verfasst von Hartung, mit Tr. einem »der wirkungsmächtigsten deutschen Universitätsphilosophen der Mitte des 19. Jahrhunderts«6 gewidmet, welcher sich, so Hartung, »für die Rezeption und Aktualisierung der Philosophie der Antike, insbesondere des Aristoteles, und die Neupositionierung der akademischen Philosophie als einer ›Theorie der Wissenschaften‹«7 verantwortlich zeichne. Es ist wohl in erster Linie den Herausgeberschaften und Veröffentlichungen Köhnkes und Hartungs zu verdanken, dass verglichen mit dem vorherigen Zustand Beiser, welcher mit der im Jahre 2013 erscheinenden Erstauflage des schon erwähnten Late German Idealism die – wenn auch parallel zur Philosophie Hermann Lotzes (1817–1881) – bisher letzte größere Veröffentlichung zur Trendelenburg’schen Philosophie vorgelegt hat, vorsichtig von »promising signs of a revival«8 für die Trendelenburg-Forschung sprechen darf, die allerdings noch »very much in its infancy«9 stecke. Beiser stellt fest, dass es ein Gemeinplatz sei, dass der deutsche Idealismus mit Hegels Tod 1831 zu Ende gehe.10 Diese Betrachtungsweise ignoriere jedoch, dass etwa noch ein halbes Jahrhundert nach dessen Ableben in Deutschland 4  Vgl. Hartung/Köhnke: »Einleitung«. In: Dies.: Trendelenburgs Wirkung, S. 7–12, hier 11. 5  Ebd., S. 7–12, hier 7. 6  Gerald Hartung: »Friedrich Adolf Trendelenburg«. In: Uwe Schaper (Hg.): Berlinische Lebensbilder. Bisher 11 Bde. Hier Bd. 10: Hans-Christof Kraus (Hg.): Geisteswissenschaftler II. Duncker & Humblot Verlag. Berlin 2012. S. 9–26, hier 9. 7  Ebd., S. 9–26, hier 9. 8  Aus dem »Preface« in Frederick C. Beiser: Late German Idealism, unpag. S. 7. 9  Aus dem »Preface« in ebd., unpag. S. 7. 10  Vgl. ebd., S. 1.

Einleitende Worte des Herausgebers

XI

eine idealistische Tradition existiere, in der Tr. und Lotze (1817–1881) »the two most influential philosophers«11 seien.12 Insbesondere in Bezug auf Tr.’s Bemühungen, die aristotelische Ethik als mögliche Alternative zur Ethik Kants zu betrachten, ist noch der jüngst im Jahre 2018 in Aristotelian Studies in 19th Century Philosophy, dem von Hartung, Colin Guthrie King und Christof Rapp herausgegebenen vierten Band der Reihe New Studies in the History and Historiography of Philosophy, veröffentlichte Beitrag Philipp Brüllmanns The Concrete Universal: Friedrich Adolf Trendelenburg on Kant, Aristotle and the Ethical Principle hervorzuheben.13 Vor dem Hintergrund dieser jüngeren Veröffentlichungen versteht sich die vorliegende Edition als ein weiteres ›Mosaikstück‹ in der wiederbelebten Trendelenburg-Forschung und möchte dazu beitragen, ihren Autor nicht mehr bloß als großen Lehrer von berühmten Schülern zu betrachten, sondern seine Philosophie ins Zentrum zu rücken. Die editorische Aufbereitung des Fragmentes dient ferner als Vorbereitung auf eine mögliche spätere Edition der beiden Hauptwerke LU und Naturrecht auf dem Grunde der Ethik (NR). Denn in die Textgeschichte beider Werke sind Elemente und Gedankengänge der EU eingeflossen. Eine Rezeption zu Lebzeiten des Autors findet ausschließlich indirekt über die genannten Hauptwerke statt.14 Zum systematischen Vorgehen dieser Veröffentlichung sei Folgendes angemerkt: Die Edition präsentiert nach einer biografischen und inhaltlichen Einleitung des Herausgebers das Manuskript der EU begleitet von einer diplomatischen Umschrift erstmals vollständig und im Rahmen des Buchformates verkleinert als Faksimile im Graustufendruck. Dem folgt die linear-integrierte genetische Wiedergabe der beiden überlieferten Kapitel nebst gesonderter Darbietung der drei Schlussfassungen des ersten Kapitels. Als Ergebnis der Textkonstitution werden die beiden Fassungen des ersten Kapitels sowie das unvollendete zweite Kapitel im Klartext abgedruckt. Dem Herausgeber ist dabei bewusst, dass im vorliegenden Falle eine Textkonstitution mit anschließendem Abdruck eines Lesetextes kontrovers aufge11  Frederick C. Beiser: Late German Idealism, S. 1. 12  Vgl. ebd., S. 1. 13 Vgl. hierzu Philipp Brüllmann: »The Concrete Universal: Friedrich Adolf Trendelenburg on Kant, Aristotle and the Ethical Principle«. In: New Studies in the History and Historiography of Philosophy. Edited by Gerald Hartung and Sebastian Luft. Bisher 10 Bde. Hier Bd. 4: Gerald Hartung, Colin Guthrie King, Christof Rapp (Hg.): Aristotelian Studies in 19th Century Philosophy. De Gruyter. Berlin/Boston 2018. S. 207–229. 14  Den bisher einzigen Beitrag zum Fragment der EU liefert Hartung im Jahre 2002 in oben erwähntem Kolloquium. Vgl. Gerald Hartung: »Wozu ›Ethische Untersuchungen‹? Trendelenburgs Grundlegung einer Theorie der menschlichen Welt« (2002). In: Hartung/Köhnke: Trendelenburgs Wirkung (2006), S. 83–103.

XII

Einleitende Worte des Herausgebers

nommen werden wird, handelt es sich doch sowohl um eine unvollendete Entwurfshandschrift als auch um ein darin eingeblendetes literarisches Fragment, das lediglich vorgetragen, aber nicht schriftlich publiziert wurde. Das Angebot eines Lesetextes birgt hier unter Umständen die Gefahr des Eindruckes eines fertigen Textes, der so nie existiert hat. Da es sich bei vorliegendem Gegenstand um die Bruchstücke eines bisher unveröffentlichten Hauptwerkes eines dazu heute weniger bekannten Autors handelt, muss neben aller editorischen Redlichkeit, die nach Ansicht des Herausgebers nicht Selbstzweck werden darf, für das Ziel dieser Edition, einen in den Hintergrund geratenen Autor wieder ins Gespräch zu bringen, ein Kompromiss gefunden werden. Um die Zielgruppe nicht weiter zu begrenzen, wählt diese Edition einen salomonischen Weg: Alle abgedruckten Lesetexte der EU verstehen sich als ›Klartextangebote‹, als eine Möglichkeit, das Fragment und die verschiedenen Textfassungen zu lesen. Sie sollen einer erweiterten Nutzerschaft den leichteren Zugang zum Denken Tr.’s ermöglichen. Die Faksimiles, unterstützt durch die diplomatische Umschrift, stellen weiterhin die defintive Wiedergabe der EU dar. Darüber hinaus werden die behutsamen Eingriffe und Entscheidungen des Herausgebers durch alle drei Stufen der Textpräsentation (Umschrift → genetische Darstellung → Klartextangebote) mittels diakritischer Auszeichnung sowie unterstützender Kommentierung kenntlich gemacht und abgesichert. Die Gefahr, mit den Klartextangeboten den Eindruck eines fertigen Textes zu vermitteln, wird dadurch minimiert. Tr. übernimmt einige Textsegmente des ersten von insgesamt zwei überlieferten Kapiteln in die zweite Auflage des zweiten Bandes der LU. Aus diesem Grund präsentiert die Edition das von den Ergänzungen betroffene Kapitel XXI. Das System in einem diplomatischen Abdruck. Hierbei werden in einem positiven Einzelstellenapparat die Textübernahmen aus den EU inklusive aller Varianten sowohl der EU als auch der LU aufgeschlüsselt. Den Textdarstellungen schließt sich der Editionsbericht an, welcher mit einer Zeugenbeschreibung, der Datierung des Fragmentes, Angaben zum Werkaufbau sowie einer Inventur der vorgefundenen Schreibprozesse zunächst die Überlieferung beschreibt. Dem schließen sich die Erörterungen der Textdarstellungen an. Die beigegebenen Register runden die Edition ab. Christian Biehl, Wuppertal, Oktober 2022

Danksagung Bei Gerald Hartung, Rüdiger Nutt-Kofoth und Bodo Plachta, den Herausgebern der Reihe Exempla critica, bedanke ich mich herzlich für die Aufnahme der vorliegenden Edition. Die Finanzierung der Herausgabe wird dabei unterstützt durch das DFGGraduiertenkolleg 2196 ›Dokument – Text – Edition. Bedingungen und Formen ihrer Transformation und Modellierung in transdisziplinärer Perspektive‹ (Wuppertal). In diesem Zusammenhang danke ich nochmals allen an dieser Entscheidung beteiligten Personen. Eine frühere Edition, aus der die vorliegende Veröffentlichung erwachsen ist, wurde von mir als Masterarbeit im Studiengang Editions- und Dokumentwissenschaft an der Bergischen Universität Wuppertal im Jahre 2017 vorgelegt. Mein Dank gilt hierbei dem Leiter des Studienganges, Wolfgang Lukas, für die unbürokratische finanzielle Unterstützung bei der damaligen Beschaffung der Digitalisate. Ein ganz besonderer Dank richtet sich nochmals an Gerald Hartung vom Philosophischen Seminar in Wuppertal, ohne den ich auf dieses unveröffentlichte philosophische Kleinod nicht gestoßen wäre und ohne dessen Zuspruch und Vertrauen es diese Edition nicht geben würde. Meine Dankbarkeit richtet sich außerdem an Bernd Füllner sowie Rüdiger Nutt-Kofoth vom Studiengang Editions- und Dokumentwissenschaft für das offene Ohr in editorischen Fragen. Darüber hinaus bedanke ich mich bei Georg Siegmann und Peter Trawny für deren hilfreiche Augen in Detailfragen, meinem Vater Hans Peter Biehl für die Unterstützung beim Gegenlesen sowie meiner Lebenspartnerin Franziska Fürst, deren still gelegene Räumlichkeiten ich zeitweilig für meine Arbeiten nutzen durfte. Ein weiterer Dank richtet sich an die Mitarbeiter/-innen der Abteilung Handschriften und Historische Drucke der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, insbesondere Monika Linder, Eef Overgaauw und Felicitas Rink. Abschließend bedanke ich mich herzlich bei Jessica Bartz und Florian Ruppenstein von De Gruyter für die hervorragende Betreuung dieser Edition. Diese Edition ist Udo Rameil gewidmet.

Vorbemerkungen

Über den Autor Friedrich Adolf Trendelenburg Wenige Tage nach seinem zweiten Schlaganfall am 16. Januar 1872 wird der Philosoph und Philologe Friedrich Adolf Trendelenburg mit einer Kutsche in die nahegelegene Nervenheilanstalt im Berliner Bezirk Pankow gefahren. Auf seinem letzten Wege lässt der Passagier den Wagen noch einmal an seiner Arbeitsstelle, der Berliner Universität, vorbeifahren und grüßt freudigen Herzens seine »preußischen Jungen«, die in geordneten Reihen vorbeiziehende und von klingender Marschmusik begleitete Schloßwache.1 Die Jugendjahre (1802–1824) Adolf wird am 30. November 1802 als Spross eines schon lange Zeit im Norden Deutschlands verwurzelten Patriziergeschlechtes, das viele Gelehrte hervorgebracht hat,2 im Hause des damaligen Eutiner Postamtes an der Lübecker Straße 10 in Eutin geboren.3 Seit der Verlegung des Posthauses auf die gegenüberliegende Straßenseite in das Gebäude Nr. 9 im Jahre 18384 fungiert das regionaltypische rote Backsteinhaus bis heute als Wohn- und Geschäftsimmobilie. Eine am Geburtshaus angebrachte Gedenktafel erinnert in bronzefarbenen Lettern an Friedrich Adolf Trendelenburg als Philosophieprofessor in Berlin und Mitglied der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften. Sein Vater, Friedrich Wilhelm Trendelenburg (1761–1835) – ein gelernter Jurist –, ist dänischer Postkommissar in Eutin,5 eine Tätigkeit, welche der Familie mit ihren insgesamt vier Kindern einen bescheidenden Wohlstand beschert.6 Ernst Karl Ludwig Bratuscheck (1837–1883), Adolfs ehemaliger Student und Biograf, beschreibt dessen Vater Wilhelm in seiner 1873 erscheinenden Biografie Adolf Trendelenburg als »Muster eines deutschen Hausvaters«.7 Als dessen einziger Sohn genießt der junge Adolf eine besondere Fürsorge, indem ihm die Liebe zu Wissenschaft und Kunst, aber auch humanistische Werte, vermittelt werden.8 Seine 1  Vgl. Friedrich Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg für Kinder und Enkel. Buchdruckerei des Waisenhauses. Halle a. d. Saale 1921. S. 187. 2  Vgl. Ernst Bratuscheck: Adolf Trendelenburg. F. Henschel Verlag. Berlin 1873. S. 3. 3  Vgl. Ernst-Günther Prühs: Geschichte der Stadt Eutin. 2. Auflage. Struve’s Buchdruckerei und Verlag. Eutin 1994. S. 216 f. 4  Vgl. ebd., S. 216 f. 5  Vgl. Gustav Peters: Geschichte von Eutin. Karl Wachholtz Verlag. Neumünster 1958. S. 184. 6  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 4. 7  Ebd., S. 4. 8  Vgl. ebd., S. 4.

4

Vorbemerkungen

fromme Mutter, Susanna Katharina Trendelenburg (geb. Schroeter, † 1835), ist eine Pastorentochter aus Ratekau bei Lübeck.9 Neben dem häuslichen Unterricht besucht der fünfjährige Adolf zunächst eine Leseklasse und wechselt danach in die Prima der damals noch in der Schlossstraße 9 gelegenen Eutin’schen Stadtschule, dem späteren Gymnasium, in welcher der in Zelle geborene Philosoph, Mathematiker und Philologe Georg Ludwig König (1766–1849) seit 1804 in Nachfolge des gebürtigen Sommersdorfers Johann Heinrich Voß (1751–1826), der noch bis 1802 diesen Posten innehat und nach welchem die heute an anderem Standort existierende Johann HeinrichVoß-Schule benannt ist,10 das Rektorat leitet.11 König führt darüber hinaus den Unterricht aller Fächer in der Primaklasse, welche denjenigen Schülern – so auch Adolf – vorbehalten ist, die auf ein späteres Studium hinstreben.12 Als Kenner antiker Literatur und früher Anhänger der Kant’schen Philosophie übt König auf den jungen Trendelenburg einen ersten wichtigen Einfluß aus, besonders auch, was seine kritische Einstellung zum Hegel’schen ›reinen Denken‹ betrifft, welches von König als πρῶτον ψεῦδος (Proton Pseudos) der moderen Philosophie betrachtet wird.13 Königs Unterrichtsstil ist seinerzeit sehr modern. Er verzichtet auf strenge Disziplinierung und setzt dagegen auf Milde, Geduld und Freiwilligkeit, veranstaltet die Sitzungen im häuslichen Umfeld seines Studierzimmers und achtet nicht auf starre Lehrziele und Zeiteinheiten.14 Mit diesem liberalen Lehrkonzept schafft er eine Atmosphäre, welche die Schüler für die verschiedensten Themen der Sprache, Mathematik und Naturwissenschaft zu interessieren weiß und in ihrem natürlichen Fleiß anspornt.15 Als Beleg für diese Wirkung mag stellvertretend ein Tagebucheintrag des erst fünzehnjährigen Adolf vom Samstag, den 10. Mai 1817, gelten:

9  Vgl. Jendris Alwast: »Trendelenburg«. In: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein in Lübeck. 13 Bde. Herausgegeben im Auftrag der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte und des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde. Hier Bd. 6. Karl Wachholtz Verlag. Neumünster 1982. S. 285 ff., hier 285. 10  Schon damals kann die Eutin’sche Stadtschule, welche 1309 ursprünglich als Lateinschule gegründet wird, auf eine lange Tradition zurückblicken. Vgl. N. N.: »Geschichte der Voß-Schule«. www.voss-schule.de/geschichte (05.06.2022). 11  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 122 und N. Mutzenbecher: »König, Georg Ludwig«. In: Allgemeine Deutsche Biographie 16 (1882), S. 508 f. Onlineversion: www.deutsche-biographie.de/pnd116292105.html#adbcontent (05.06.2022). 12  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 122 f. 13  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 8. 14  Vgl. ebd., S. 6. 15  Vgl. ebd., S. 6 f.

Über den Autor Friedrich Adolf Trendelenburg

5

Aufgeſtanden um 5¾ Uhr, 5¾—6 Uhr Griechiſche Vokabeln gelernt. 6—6¾ Lateiniſches Exercitium aus Werner (Th. 11, Gen. § 11) gemacht. 6¾—7½ aus Homer Jliade IV. 105—145 präparirt. Weil keine Schule war, ſo habe ich von 8¼—10½ in Ciceros Briefen ad fam. die ſchönen nicht kurzen beiden Briefe IV. 5. 6. Tröſtungen über den Tod von Ciceros Sohn enthaltend zweimal geleſen und die Redensarten exzerpirt. Von 10½ bis 11½ Homer Jliad. V. 145—179 präparirt. Von 11½—1 spazieren gegangen mit Olshauſen und Wallroth. Von 2—4 fuhr ich Sand in den Gartenſteg, machte die ſchwer zuzumachenden Fenſter zu. Von 4—5½ Aufſatz für Herrn Prediger Enke in der Kladde. Von 5½—7 ſah ich ein Theil von Vaters däniſcher Poſtrechnung nach, von 7—8¾ war ich bei Chr. Müller in der Apotheke, um ein Verzeichniß ſeiner Pflanzen mit ihm auszuarbeiten. 10½ Uhr ging ich in’s Bett.16

Schon früh zeigen sich bei Adolf Merkmale eines Universalgelehrten, indem er seine ganze Energie, oft unter Vernachlässigung von Freizeitaktivitäten, in die Bildung seines Geistes investiert und jedes Themengebiet mit gleicher Anstrengung behandelt.17 Neben der Schule fördern ihn seine Eltern – zum Nachteil der Schwestern – zusätzlich mit Privatunterricht in französischer und englischer Sprache.18 Durch den Kantianer König wird Adolf, der sich schnell zu einem seiner bevorzugten Schüler entwickelt, kritisches und selbständiges Denken vermittelt, was dazu führt, dass er, neben anderen Schülern, auch außerhalb der regulären Schulstunden, in den Genuss eines gelehrten Unterrichts kommt.19 In diesen zusätzlichen Lektionen wird den auserwählten Knaben Wissen zu bildender Kunst, Poesie und Naturkunde nähergebracht und als Besonderheit ein ausführlicher Unterricht in der Logik gegeben – letzterer nach den Lehrbüchern Johann Gottfried Karl Christian Kiesewetters (1866–1819) und von Jakob Friedrich Fries (1773–1843).20 Durch den privaten Umgang mit König und dessen bestem Freund, dem Maler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751–1829), wird Adolfs Kunstverständnis beeinflusst.21 Bei der Vermittlung der Philosophie legt König den Schwerpunkt auf die Lehre Kants, vernachlässigt dabei jedoch bis auf wenige Dialoge Platons die griechischen Klassiker.22 Dieser gelehrte Unterricht weckt in Adolf früh eine philosophische Neigung. Neben den zusätzlichen Lerneinheiten beschäftigt er sich 16  Zitiert nach F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 123 f. 17  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 7. 18  Vgl. ebd., S. 7 f. 19  Vgl. ebd., S. 8. 20  Vgl. ebd., S. 8. 21  Vgl. ebd., S. 8. 22  Vgl. ebd., S. 8 f.

6

Vorbemerkungen

autodidaktisch mit Aristoteles und organisiert, z.B. für einige seiner Mitschüler, eine philosophische Privatvorlesung durch den Großneffen des Justizrates Ludwig Bendix Trede (1731–1819).23 Nach seinem Schulabschluss im Jahre 1820 bleibt Adolf auf Bitten Königs der Eutin’schen Stadtschule noch knapp zwei Jahre als Vetretungslehrer für die unteren Klassen erhalten und nutzt diese Chance, um erste pädagogische Erfahrungen zu sammeln und sich gleichzeitig auf sein späteres Studium vorzubereiten.24 Nach der Auffassung Königs leistet Adolf bessere Arbeit als sein ausgeschiedener Vorgänger.25 Wie wichtig Adolf eine praktische Auszeit für die Bildung seines Geistes bewertet, wird in einem Brief an seine Schwester Marianne Trendelenburg vom Montag, den 25. Dezember 1820 (1. Weihnachtsfeiertag), deutlich: Ob ich das nächſte Jahr meinen Geburtſtag im väterlichen Hauſe wiederſehe oder nicht, kann ich dir nicht beſtimmen. Jch hoffe es noch ſehr, indeſſen Vater ſpricht leider häufig und zu beſtimmt das unangenehme Wort aus, daß ich nächſten Michaelis aus guten Gründen zur Univerſität müßte. Nun ich will dieſe Gründe hier nicht prüfen, mögen ſie immerhin nicht gewichtlos ſeyn, das aber weiß ich, daß 1½ Jahre leicht noch erfordert werden, um ganz und gar das durchzumachen, was ich vor der Univerſität nach meiner Anſicht noch durchmachen ſollte, falls ich nämlich die Wiſſenſchaften als etwas höheres betrachte, als eine Kuh, die uns mit Milch und Butter verſorgt. Fruchten meine Vorſtellungen bei Vater nicht, ſo ſehe ich meine Bildung auf eine höchſt nachtheilige Weiſe unterbrochen. Jch hoffe jedoch noch ſehr, daß Vater meinen inſtändigen Bitten Gehör giebt.26

Adolfs Bitte scheint erfolgreich zu sein, denn erst zu Ostern 1822 verlässt er zusammen mit einem exzellenten durch König ausgestellten lateinischen Arbeitszeugnis seine Heimatstadt Eutin für ein Studium der Philologie und Theologie an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel.27 In seiner bemerkenswerten Abschiedsrede vom Freitag, den 29. März 1822, dankt er für seine Erfahrungen in der Eutin’schen Stadtschule und hebt die Institution Schule insgesamt als die wirksamste Anstalt bürgerlicher Gemeinschaften hervor, die den Zweck habe, »den Menschen im Menschen zu bilden [...].«28

23  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 9. 24  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 124. 25  Vgl. Peters: Geschichte von Eutin, S. 184. 26  Zitiert nach F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 124. 27  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 17. 28  Ebd., S. 13.

Über den Autor Friedrich Adolf Trendelenburg

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In Kiel angekommen, meldet sich Adolf zeitnah zur Aufnahmeprüfung für die Universität, welche er mit der nur selten vergebenen Wertung ›vorzüglich würdig‹ besteht, wodurch der Neuling sich von Beginn an einen Namen bei den Kieler Dozenten machen kann.29 Auch dort zeigt sich seine Neigung zum Universalgelehrten. Neben dem Besuch theologischer Vorlesungen von August Detlev Christian Twesten (1789–1876) und Jakob Christoph Rudolf Eckermann (1754–1837) oder den philologischen Veranstaltungen des Historikers Ernst Wilhelm Wachsmuth (1787–1866) stillt Adolf seinen Wissensdurst über den regulären Stundenplan hinaus mit Kollegien in Physik und Meteorologie bei Christoph Heinrich Pfaff (1772–1852), in höherer Mathematik bei Nicolaus Theodor Reimer (1772–1832), in Kunstgeschichte beim Ästhetiker Johann Adolf Nasser (1753–1828), in deutscher und griechischer Geschichte bei Friedrich Christoph Dahlmann (1785–1860), zu Aulus Gellius sowie römischem Recht beim Juristen Andreas Wilhelm Cramer (1760–1833) und schließlich in Philosophie sowohl bei Karl Leonhard Reinhold (1757/58–1823/25) in den Bereichen Anthropologie und Philosophiegeschichte30 als auch bei Johann Erich von Berger (1772–1833).31 Unter seinen bekannteren akademischen Kontakten sind besonders Reinhold und Berger hervorzuheben. Wie Adolfs späterer Sohn, der heute noch für diverse medizinische Diagnoseverfahren berühmte Arzt Friedrich Trendelenburg (1844–1924), in der von ihm zusammengetragenen Familiengeschichte zu berichten weiß, ist es unter den Dozierenden zunächst Reinhold, dem, so Bratuscheck (1873), eigentlichen »Apostel« der Lehre Kants, mit welchem Adolf in Kiel freundschaftlichen Umgang pflegt.32 Neben dessen Vorlesungen besucht Adolf ein von ihm veranstaltetes Privatissimum unter dem Titel Über den Grund und die Beschaffenheit des philosophischen Wissens.33 In einem Brief an seine Schwester Marianne, der um Weihnachten 1822 verfasst wird, bewertet er seinen Kontakt zu Reinhold als einen »Gewinn fürs Leben. Ewig wird er mir als Urbild vorſchweben, dem ich nachzuſtreben habe. Denn in ihm ſtehen mehr wie in jedem andern, den ich kenne, Verſtand und Herz im wundervollſten Einklang.«34 Nach dessen plötzlichem Tod im April 1823 bemerkt er in einem weiteren Brief, dass es nie »einen Mann gegeben [habe], der redlicher die Wahrheit ſuchte, als er.«35 Wie Bratuscheck (1873) berichtet, ist es Reinholds Verständnis der Lehre 29  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 17. 30  Vgl. ebd., S. 18. 31  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 130. 32  Vgl. ebd., S. 130 und Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 18. 33  Vgl. ebd., S. 18. 34  Zitiert nach F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 130. 35  Zitiert nach ebd., S. 130.

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Vorbemerkungen

Kants als »Evangelium der reinen Vernunft«,36 welches den Ursprung für Adolfs lebenslange Auffassung von der Philosophie als ›Religion der Wissenschaft‹, die »das Ideale im Realen fest zu begründen und thatkräftig zu verwirklichen«37 habe, darstellen würde.38 Johann Erich von Berger, mit welchem Adolf in seinem dritten Semester in Kontakt tritt, liefert mit einer Vorlesung Über das Prinzip des Wissens, die er schon in seinem zweiten Semester besucht,39 nahezu alle wichtigen Bausteine für seine Philosophie. Dieser, als Vermittlerin aller Einzeldisziplinen, stelle sich darin für Berger die Aufgabe, die Prinzipien der Einzelwissenschaften im Zusammenhang zu erkennen und auf einen Ursprung zurückzuführen, zu deren Bewältigung die Erforschung der Sprache eine wichtige Voraussetzung darstelle, da diese nicht zufällig, sondern einer Gesetzmäßigkeit folgend, ihm als »sinnliches Gegenbild des übersinnlichen Gedankens«40 gelte.41 Auch das für die Trendelenburg’sche Philosophie so essenzielle ›Prinzip der Bewegung‹, das selbst auf nichts anderes zurückführbar allen Vorgängen in der materiellen Welt und dem Reich des Denkens zugrundeliegt und somit zwischen Denken und Sein vermittelt, finde sich schon bei Berger, der wie der spätere Trendelenburg ein stufenartiges Aufsteigen, eine Entwicklung der Bewegung vom Materiellen über das Organische bis in das selbstbewusste Denken vertrete, bei der über die teleologische Weltbetrachtung mit Hilfe der Anthropologie (Psychologie und Logik) sowie einer genetischen Betrachtung der Zweck des Menschen selbst erkannt werde und dadurch erst freies auf jene Bestimmung gerichtetes Handeln, der eigentliche Gegenstand praktischer Philosophie, möglich sei.42 Diese inhaltliche Deckung zwischen der Berger’schen und der Trendelenburg’schen Philosophie findet sich angefangen von den theoretischen Grundlagen in Logische Untersuchungen (LU, 1840) bis in seine praktische Schrift Naturrecht auf dem Grunde der Ethik (NR, 1860) wieder. Selbst Trendelenburgs Eigenart, seine Weltsicht aus der Philosophiegeschichte abzuleiten und zu begründen, ist, so Bratuscheck (1873), eine Anregung der philosophiehistorischen Kollegien bei Berger.43 In seinem Selbststudium setzt Adolf den Schwerpunkt mit der Zeit stärker auf die Philosophie, wodurch die Theologie für ihn an Bedeutung verliert. Neben Fichte und Leibniz interessieren ihn besonders Platon und Aristoteles, die, wie 36 Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 19. 37  Ebd., S. 20. 38  Vgl. ebd., S. 19 f. 39  Vgl. ebd., S. 20 f. 40 Ebd., S. 21. 41  Vgl. ebd., S. 21. 42  Vgl. ebd., S. 21 ff. 43  Vgl. ebd., S. 23 f.

Über den Autor Friedrich Adolf Trendelenburg

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er in Bergers philosophiegeschichtlichen Vorlesungen erfährt, fast ein Jahrtausend lang den philosopischen Diskurs der Gelehrten bestimmten.44 In der Philologie kann der junge Trendelenburg sich gegen Ende des zweiten Semesters seine ersten wissenschaftlichen Sporen verdienen, indem er bei einem Schreibwettbewerb mit dem Aufsatz Die Bereicherung des lateinischen Wortschatzes durch Plautus den ersten Platz gewinnt, welcher mit einem Preisgeld von 100 Talern dotiert ist.45 Unter den mit Adolf in Kiel befreundeten Kommilitonen finden sich z.B. Persönlichkeiten wie der spätere Theologe Christian Nikolaus Theodor Heinrich Thomsen (1803–1872), der damalige dänische Leutnant August Baggesen (1795–1865)46 und Peter Wilhelm Forchhammer (1801–1894),47 der spätere Professor für Altertumswissenschaften. Besonders zu Forchhammer, mit dem er seine Leidenschaft für Aristoteles teilt und zusammen die Kollegien besucht, verbindet Adolf schon seit Beginn des ersten Semesters ein enges freundschaftliches Verhältnis.48 Im Laufe des dritten Semesters wird ihm jedoch bewusst, dass die Universität Kiel ihm in Bezug auf altgriechische Philologie nicht das bieten kann, was er nach seiner Auffassung lernen muss.49 Ursprünglich plant er in Bonn unter Brandis, der einst zusammen mit dem großen Immanuel Bekker die Vorarbeiten der Berliner Akademieausgabe zum Gesamtwerk des Aristoteles zugeteilt bekam,50 sein Studium fortzusetzen.51 Aufgrund von Zerwürfnissen52 der Bonner Studierendenschaft mit der Universität entscheidet sich Adolf nach Leipzig zu wechseln, um unter dem Altphilologen Gottfried Johann Jakob Hermann (1772–1848) seine Sprachkenntnisse zu vertiefen.53 Vor seiner Wanderung nach Leipzig besucht er in den Ferien seine Eltern in Eutin, um schließlich am 26. Sepember 1823 von dort seine Reise anzutreten.54 Wie Adolfs Sohn Friedrich in der Familienbiografie berichtet, besteht schon seit der frühesten Jugend seines Vaters der Wunsch, »›[d]ie Welt 44  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 26 f. 45  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 130. 46  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 31. 47  Vgl. ebd., S. 29 f. 48  Vgl. ebd., S. 29. 49  Vgl. ebd., S. 32. 50  Vgl. N. von Hertling: »Brandis, Christian August«. In: Allgemeine Deutsche Biographie 3 (1876), S. 245. Onlineversion: www.deutsche-biographie.de/gnd116402326. html#adbcontent (05.06.2022). 51  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 131. 52  Vgl. ebd., S. 131. 53  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 32. 54  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 131.

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Vorbemerkungen

am Wanderstabe zu durchmessen‹«,55 und so nutzt Adolf die Möglichkeit, um Sehenswürdigkeiten, kulturelle Einrichtungen, Erziehungsinstitute, Kliniken, Unternehmen und Bergwerke zu besichtigen.56 In Celle macht er, da er sich für die damals noch junge klinische Psychologie interessiert, einen prägenden Besuch in einer Nervenheilanstalt und in Eisenach nimmt er an einer Führung durch die Wartburg teil, beschwert sich in einem Brief über den »seelenlos« durchgeführten Rundgang und beschreibt, wie er ehrfürchtig in das Schreibzimmer blickte, in dem Luther einst die Bibel übersetzte.57 Nach einer Station in Gotha, wo er den Astronomen Johann Franz Encke (1791–1865) besucht, den späteren Astronomieprofessor in Berlin, welcher seit 1822 den Posten des Direktors der Sternwarte auf dem Seeberg innehat,58 macht Adolf einen Kurzbesuch in Schnepfental,59 um sich einen Eindruck von der einst durch den Pädagogen Christian Gotthilf Salzmann (1744–1811) gegründeten Schnepfentaler Erziehungsanstalt zu verschaffen, die auf Johann Bernhard Basedows (1723/24–1790) Philantropin basiert,60 und vermerkt in wohlwollender Kritik über die Lektüre von Salzmanns Der Himmel auf Erden (1797) in einem aus dieser Zeit stammenden Brief an seine Schwester Julie Trendelenburg: Salzmann hat mehr die Seite der Religion aufgefaßt, die ins thätige Leben eingreift, als die innere Sehnſucht des Gemüths nach dem Ewigen und Unendlichen, die wir gewiß auch in ſtiller Bruſt nähren wollen, aber die a l l e i n genährt ſo Manche zu müßiger Schwärmerei führt.61

Weil ihm seine Schüchternheit gegenüber dem, wie er an einem Mittwoch, dem 15. Oktober 1823, ins Tagebuch notiert: »größte[n] Geiſt unſerer Zeit[...]«62 im Wege steht, kann Adolf sich bei seinem Aufenthalt in Weimar nicht überwinden, Goethe zu besuchen und ihm Tischbeins Grüße aus Eutin zu übermitteln.63 Diese Ehre sollte Adolf erst im Januar 1828 zuteilwerden.64

55  F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 131. 56  Vgl. ebd., S. 131. 57  Vgl. ebd., S. 131. 58  Vgl. August Kopf: »Encke, Franz«. In: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 489 f. Onlineversion: www.deutsche-biographie.de/gnd116471727.html#ndbcontent (05.06.2022). 59  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 131 f. 60  Vgl. N. Binder: »Salzmann, Christian Gotthilf«. In: Allgemeine Deutsche Biographie 30 (1890), S. 293–297. Onlineversion: www.deutsche-biographie.de/gnd118605232.html #adbcontent (05.06.2022). 61  Zitiert nach F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 132. 62  Zitiert nach ebd., S. 132. 63  Vgl. ebd., S. 132. 64  Vgl. ebd., S. 156 f.

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In Jena kommt er mit Jakob Friedrich Fries in Kontakt,65 dem Philosophen, dessen Lehrbuch in Königs außerplanmäßigen Logiksitzungen, die ihm als Knabe erteilt wurden, eine Grundlage bildete und der aufgrund einer Rede, welche er auf dem Wartburgfest vor den als staatsfeindlich betrachteten Burschenhaftlern gehalten hatte, zu dieser Zeit suspendiert ist.66 Von Jena nach Chemnitz, dann über Dresden und Meißen erreicht er schließlich Ende Oktober sein Ziel Leipzig, welches sich jedoch als nicht so ertragreich erweist, wie Adolf es sich erhofft. Eine andere und weniger gastfreundliche Mentalität als in Kiel führt lediglich zu spärlichen Kontakten mit Kommilitonen der von der Obrigkeit verpönten Burschenschaften, und von den zurückhaltenden Professoren ist einzig Friedrich August Wilhelm Spohn (1792–1824) zu nennen, bei dem er ein Kolleg zu Horaz’ Sermones besucht und mit welchem er drei Monate bis zu dessen plötzlichen Tod privat Umgang pflegt.67 In den Pfingstferien des Jahres 1824 unternimmt Adolf mit seinem Kieler Freund Forchhammer eine Reise zunächst nach Wien, in deren Rahmen er neben österreichischen Sehenswürdigkeiten den – nach seinem Eindruck – betagten Schlegel aufsucht.68 Da die von ihm mit Interesse konsultierten Vorlesungen bei Hermann ihren Schwerpunkt auf die Grammatik setzen und die anderen philologischen Kollegien ihn enttäuschen,69 beendet Adolf mit dem Sommersemester 1824 seine Studienzeit in Leipzig, um nach Berlin zu wechseln, wo er unter August Boeckh (1785–1867) seine Wissenslücken in Altertumsgeschichte schließen will, welche ihm in Leipzig zu sehr vernachlässigt wird.70 In einem Brief vom Mittwoch, den 4. August 1824, an seinen Vater in Eutin schreibt er dazu: Boeckh steht in der griechischen Literatur neben Hermann in Leipzig unübertroffen da. Es ist folgerecht, zuerst Hermann zu hören, der mehr an dem grammatischen Grund baut und dann Boeckh, der mehr den Blick auf das historische Resultat der Philologie richtet. Ich hatte gleich anfangs diese Reihenfolge im Kopf. [...] Gestehe ich nun auch gern, dass ich in dieser Hinsicht auch manches in Bonn haben werde: so sind doch keine Philosophen da, die ich suche, keine, wie Schleiermacher und Hegel [...]. Den ersteren nennen gewiss Theologen, Philologen und Philosophen nur mit Achtung. Ueber den zweiten ist man getheilt. Ich selbst bin von seiner Ansicht, soweit ich sie kenne, ein entschiedener Gegner und glaube nicht, dass Klarheit und Wahrheit 65  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 133. 66  Vgl. N. Eggeling: »Fries, Jakob«. In: Allgemeine Deutsche Biographie 3 (1876), S. 245. Onlineversion: www.deutsche-biographie.de/gnd11853601X.html#adbcontent (05.06.2022). 67  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 32 f. 68  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 135 f. 69  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 33. 70  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 136 f.

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Vorbemerkungen in Wissenschaft und Leben durch sie gross wird gefördert werden. Aber der Mann macht gross Aufsehen und man sieht auf ihn, wie auf die Spitze unserer Zeit.71

Schließlich, nach einer weiteren ereignisreichen Wanderschaft, trifft er Oktober 1824 »auf einem vollgeſtopften Perſonenwagen [...] in Berlin [ein].«72 Der Weg zur Promotion (1824–1826) In den nun folgenden drei Semestern, für welche er sich in einer spartanisch eingerichteten Studierstube einmietet,73 besucht Adolf an der Berliner Universität Kollegien zu christlicher Archäologie, der Geschichte des apostolischen Zeitalters sowie zur Patristik von Synesius bis Augustin bei dem Theologen August Neander (1789–1850), zu Pindar und Metrik bei dem Altertumsforscher und Altphilologen August Boeckh, über Thukydides bei Bekker, zur Astronomie des Aratos von Soloi bei dem Astronomen und Philologen Ludwig Ideler (1766–1846), zur allgemeinen Sprachgeschichte sowie Grammatik des Sanskrit bei dem Sprach- und Sanskritforscher Franz Bopp (1791–1867), über die Philosophie der Weltgeschichte bei Hegel, zu dessen Logik beim Philosophen Leopold Dorotheus Henning (1791–1866) und zu Ästhetik bei Friedrich Schleiermacher.74 Über die ›Mäeutik‹ Schleiermachers schreibt Adolf in einem Brief vom Montag, den 2. Mai 1825: Es ist feſſelnd, wie Schleiermacher in der Aufbauung einer philoſophiſchen Wiſſenſchaft ſucht und findet und uns ſelbſt mitſuchen und mitfinden läßt. [...] Jn den philoſophiſchen Vorträgen pflegt man ſonſt das Gefundene mit ſeinen Beweiſen, oft wie vom Dreifuß herunter, zu geben [...]. Schleiermacher lehrt ſelbſt den Weg gehen [...]. Jch wüßte nicht, wo ich mehr lernen könnte für die Gedankenentwicklung in mir und in andern.75

Vermutlich ist es jener Erfahrung mit Schleiermachers dialogischer Wissensvermittlung geschuldet, dass Trendelenburg später als einer der ersten Professoren gilt,

71  Zitiert nach Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 39. 72  F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 137. 73  Vgl. ebd., S. 137. 74  Vgl. ebd., S. 138. 75  Zitiert nach ebd., S. 138.

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welche die Unterrichtsform sogennanter ›Übungen‹ an deutschen Universitäten für ihre jeweiligen Fachbereiche einführen.76 Seiner Wissbegierde folgend besucht Adolf in Berlin wieder Vorlesungen aus anderen Disziplinen: Er hört Kollegien Ermans in Physik und des Geografen Carl Ritter (1779–1859) in allgemeiner Erdkunde sowie der Chorografie Palästinas.77 Neben Schleiermacher beeindruckt ihn die Vortragsweise des an der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Breslau tätigen Naturphilosophen und Naturforschers Henrich Steffens (1773–1845), der in einem Gastsemester an der Berliner Universität unter großem Andrang eine Vorlesung zu den Resultaten der philosophischen Naturwissenschaften anbietet.78 Bei Friedrich Rosen (1805–1837), einem befreundeten Kommilitonen aus seiner Studienzeit in Leipzig, nimmt Adolf Privatunterricht in Sanskrit und vom Medizinstudenten und ehemaligen Klassenkameraden aus Eutiner Tagen, Rudolph Kindt, erhält er eine Einführung in die Physiologie.79 Im Selbststudium beschäftigt sich Adolf wieder intensiv mit den philosophischen Systemen Platons und Aristoteles’, die er historisch sowie miteinander vergleichend im Sinne Schleiermachers als grundlegende Bestandteile für ein modernes Verständnis der Philosophie herausarbeiten will.80 Die persönliche Motivation dahinter offenbart Adolf in seinem gegen Ende des ersten Semesters verfassten Brief vom Dienstag, den 19. April 1825, an Baggesen: Wenn mich Jemand fragte, welchem Syſtem ich folge, ich könnte nicht anders als in meinem Sinn negativ antworten. Wol mag es für den folgerechten Denker ebenſo nothwendig ſeyn, ein Syſtem zu haben, wie man ein Haus haben muß. Aber ich denke ein Haus, in dem es mir geiſtig wöhnlich und gemüthlich ſeyn ſoll, das muß ich mir ſelbſt bauen. [...] Den Kant habe ich jetzt ziemlich ſtudirt. So viel ſehe ich, daß ich mich auf der einen theologiſchen Seite in Einigem an ihn anlehnen werde, wenn ich auch auf der anderen Seite ein tieferes Element des Lebens ſuche, als ſein bloßer ſtarrer Begriff iſt. Dann wiederum kann wol ſchwerlich ein Seyn ohne ſein Werden begriffen werden. Darin liegt die tiefe Wurzel einer geſchichtlichen Anſicht des ganzen Lebens [...].81

Für die Bewerkstelligung dieses Großprojektes beschäftigt er sich schon zu Beginn seiner Berliner Studienzeit mit der Ergründung Platons und stützt sich 76  Vgl. Friedrich Paulsen: »Adolf Trendelenburg. Ein Blatt persönlicher Erinnerungen«. In: Berliner Akademische Wochenschrift 24 (1907). S. 187–289, hier 188. 77  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 138. 78  Vgl. ebd., S. 138 f. 79  Vgl. ebd., S. 139 f. u. 142. 80  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 43 f. 81  Zitiert nach F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 139.

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Vorbemerkungen

dabei auf Schleiermachers Forschung, welche die platonischen Dialoge in einem Gesamtzusammenhang betrachtet, und zieht daraus für sich den Schluss, dass sich jene Systematik auch auf den mündlichen Unterricht in der platonischen Akademie, in welcher Aristoteles zwanzig Jahre lang Schüler war, ausgewirkt haben muss und dessen Werk somit den Schlüssel für das bessere Verständnis der Platon’schen Philosophie enthalte.82 Er sammelt und sichtet zunächst akribisch jede Textstelle, welche sich auf Platon bezieht, um in den folgenden drei Semestern intensiver in das Werk des Aristoteles einzutauchen sowie im Vergleich mit Platon ein tieferes Verständnis beider Philosophen zu entwickeln, wobei er zu dem Schluss kommt, dass der Schüler Aristoteles bisher zu Unrecht im Schatten seines Meisters steht.83 Endlich, am 10. Mai 1826, promoviert Adolf Trendelenburg mit einer seinem ehemaligen Lehrer König gewidmeten Dissertation zum Thema: Platonis de ideis et numeris doctrina ex Aristotele illustrata.84 Die Arbeit schlägt nach Richter (1894) erstmals den »seitdem vielfach mit Erfolg betretenen Weg ein, den Aristoteles als historische Quelle und kritische Norm bei Darstellung der Geschichte der griechischen Philosophie zu verwerthen.«85 Der Weg zur ordentlichen Professur (1826–1837) Nach erfolgreichem Abschluss und einer mehrmonatigen Orientierungszeit bezüglich seiner beruflichen Zukunft tritt Adolf am 17. November 1826 eine Anstellung als Hauslehrer bei Karl Ferdinand von Nagler (1770–1846) an, der damals als preußischer Generalpostmeister sowie als Minister im Frankfurter Bundestag tätig ist und dessen zwölfjährigen Sohn, Karl von Nagler, er für das Abiturexamen vorbereiten soll.86 An diese Anstellung gerät er im Rahmen der für die Promotion üblichen Konsultationen durch den Besuch bei Ober-Regierungsrat Johannes Schulze (1786–1869), dem er zuvor durch Boeckh empfohlen worden war.87 In einem Brief an seine Eltern in Eutin schreibt Adolf über das Treffen mit Schulze: »Der Geheimrat Schulze wußte es mir beſonders beizubringen, daß der Herr v. Nagler ein Schwager des Herrn v. Altenſtein ſei, und daß für

82  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 43 f. 83  Vgl. ebd., S. 44. 84  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 145. 85  A. Richter: »Trendelenburg, Friedrich Adolf«. In: Allgemeine Deutsche Biographie 38 (1894), S. 569–572. Onlineversion: www.deutsche-biographie.de/gnd11862380X.html #adbcontent (05.06.2022). 86  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 147 f. 87  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 52 f.

Über den Autor Friedrich Adolf Trendelenburg

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mein weiteres Fortkommen im Preußiſchen dadurch ſchon geſorgt ſei.«88 Mit dem Kontakt zu Schulze, dem damals das gesamte höhere Schulwesen unterstellt ist,89 öffnet Boeckh dem jungen Trendelenburg tatsächlich eine für seine spätere akademische Zukunft erste wichtige Tür. Die Anstellung bei Naglers, welche 34–36 Stunden90 pro Woche umfasst, lässt diesem zwar kaum Zeit für seine Forschung, jedoch kann er neben der praktischen Lehrerfahrung im Dunstkreis der Naglers und des Ministers Karl Freiherr von Altenstein (1770–1840) in Berlin und Frankfurt wichtige Kontakte in mächtige und hochgebildete Kreise knüpfen,91 daneben auch zu seinem späteren Schwiegervater, dem Sprachwissenschaftler Karl Ferdinand Becker (1775–1849).92 Seine Tätigkeit als Hauslehrer endet schließlich zwei Jahre später als geplant am 9. März 1833 nach insgesamt sieben Jahren mit dem ausgezeichnet bestandenen Examen seines Schützlings.93 Die jahrelangen Mühen im Hause der Naglers sollten sich kurz nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für Trendelenburg auszahlen: Während seines Aufenthalts in Paris, wo er in der Königlichen Bibliothek für den Kommentar seiner Edition von Aristoteles’ De Anima die Manuskripte sichtet,94 erreicht ihn ein Dankschreiben Naglers sowie ein Dekret von Minister Altenstein, welches ihm eine zunächst95 unbezahlte außerordentliche Professur an der Berliner Universität sowie einen ersten bezahlten Arbeitsplatz im Kultusministerium mit Aussicht auf einen späteren Posten als Schulrat in der preußischen Unterrichtsverwaltung verkündet.96 »[N]icht der übliche Weg«,97 wie sein Sohn Friedrich später in der Familienbiografie bemerkt. Zurück in Berlin bezieht er ein kleines Appartement in der Jägerstraße 15 im heutigen Bezirk Mitte und beginnt zum Sommersemester 1833 mit seiner ersten Vorlesung zum Leben und System des Aristoteles.98 Mit dem Erscheinen der Aristotelis de Anima Libri Tres (1833), in welchen Trendelenburg, so Bratuscheck (1873), »epochemachend« die Philosophie des Aristoteles aus der vollständigen Überlieferung inklusive der Zitate aus alten Sekundärquellen erläuternd kommentiert, wird Adolf 88  Zitiert nach F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 146. 89  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 52. 90  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 149. 91  Vgl. Hartung/Köhnke: »Einleitung«. In: Dieselb.: Trendelenburgs Wirkung, S. 7–12, hier 8. 92  Vgl. Hartung: »Friedrich Adolf Trendelenburg«. In: Kraus: Geisteswissenschaftler II, S. 9–26, hier 11. 93  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 149. 94  Vgl. Alwast: »Trendelenburg«, In: Biographisches Lexikon, S. 285 ff., hier 285. 95  Ab 1835 erhält Adolf wegen seiner akademischen Leistungen ein Gehalt von 800 Talern. Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 83. 96  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 149. 97  Ebd., S. 149. 98  Vgl. ebd., S. 160 f.

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Vorbemerkungen

Trendelenburg in akademischen Kreisen endgültig zu einer philosophischen und philologischen Autorität.99 Die Jahre 1834 bis 1835 sind für Adolf durch eine Reihe von schmerzhaften Todesfällen geprägt: Es beginnt am 12. Februar 1834 mit dem Tod des von ihm sehr verehrten Schleiermacher sowie dem Verscheiden seines Freundes Ferdinand Becker am 22. Juni und setzt sich im darauffolgenden Jahr mit dem Ableben der von Krankheit geschwächten Eltern fort, wobei die Mutter, welche erst gegen Ende des Jahres 1835 verstirbt, noch die Verlobung ihres Sohnes mit Ferdinande Becker (1811–1893) erleben darf.100 Aus der am 30. September 1835 geschlossenen Ehe101 mit Ferdinande gehen insgesamt sechs Töchter und zwei Söhne102 hervor.103 Die Familie Trendelenburg wechselt von der Jägerstraße zunächst in die Luisenstraße, lebt dann in der Zeit von 1846 bis 1863 in der Linienstraße, um schließlich ab 1863 in die Charlottenstraße im heutigen Bezirk Kreuzberg zu ziehen.104 Die Ferien mit der Familie wurden entweder in der alten Heimat Eutin oder aber in der Schweiz verbracht, wobei der Besuch der Weltausstellung in London 1851 eine Besonderheit darstellt.105 Im Sommersemester 1837 erhält Trendelenburg, nachdem zuvor ein Ruf aus Kiel erfolgt ist, eine ordentliche Professur in praktischer Philosophie sowie in Pädagogik, die er bis zu seinem Tod 1872 bekleiden wird.106 Die Schaffensjahre (1837–1872) Mit der ordentlichen Professur beginnt Trendelenburg neben seinen Vorlesungen als einer der ersten Hochschullehrer seiner Zeit sogenannte ›Übungen‹ in das Fach Philosophie einzuführen.107 Diese Seminare bestehen darin – so erinnert sein ehemaliger Schüler, Pädagoge und Philosoph Friedrich Paulsen (1846–1908), kurz vor seinem Tod im Jahre 1907 – zu »lesen und aufmerken zu lehren. Ein kleiner Abschnitt des Textes wurde erst gelesen und übersetzt; dann analysiert und erklärt, bis der Gedankengehalt klar herausgebracht war.«108 99  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 79 f. 100  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 163 ff. 101  Vgl. ebd., S. 165. 102  Sohn Karl Trendelenburg, stirbt schon ein Jahr nach der Geburt. Vgl. ebd., S. 170. 103  Vgl. Alwast: »Trendelenburg«, In: Biographisches Lexikon, S. 285 ff., hier 285. 104  Vgl. Hartung: »Friedrich Adolf Trendelenburg«. In: Kraus: Geisteswissenschaftler II, S. 9–26, hier 12. 105  Vgl. ebd., S. 12. 106  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 83. 107  Vgl. Friedrich Paulsen: »Adolf Trendelenburg«, S. 187 ff., hier 188. 108  Ebd., S. 187 ff., hier 188.

Über den Autor Friedrich Adolf Trendelenburg

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Nachdem Trendelenburg mit Aristotelis de Anima Libri Tres sowie den Elementa Logices Aristotelae (1836) schon zwei beachtliche Veröffentlichungen vorgelegt hat, wovon letztere zusammen mit den Erläuterungen zu den Elementen der aristotelischen Logik. Zunächst für den Unterricht in Gymnasien (1842) seinerzeit als maßgebliches Lehrbuch des Oberstufenunterrichts an preußischen Schulen verwendet wird,109 folgt neben seinen philologischen Publikationen dieser Zeit im Jahr 1840 die erste Auflage seines zweibändigen Hauptwerkes Logische Untersuchungen (drei Aufl.: 1840, 1862, 1870), welches die berühmte Kritik an Hegels dialektischer Methode enthält, in welcher er diesem schon bei dessen Logik des Anfangs vorwirft, dass beim Übertritt vom Sein oder NichtSein zum Werden stillschweigend das ›Prinzip der Bewegung‹ vorausgesetzt wird. Denn [d]as reine Sein iſt Ruhe; das Nichts — das ſich selbſt Gleiche — iſt ebenfalls Ruhe. Wie kommt aus der Einheit zweier ruhender Vorſtellungen das bewegte Werden heraus? Nirgends liegt in den Vorſtufen die Bewegung vorgebildet, ohne welche das Werden nur ein Sein wäre. Da ſowol das reine Sein als auch das Nicht=Sein Ruhe ausdrückt, ſo kann folgerichtig die nächſte Aufgabe des Denkens, wenn die Einheit beider geſetzt werden ſoll, nur die ſein, eine ruhende Vereinigung zu finden. Wenn aber das Denken aus jener Einheit etwas Anders erzeugt, trägt es offenbar dies Andere hinzu [...].110

Die Bewegung muss somit schon vorher gedacht sein, da, so könnte man sagen, dem Passiven nichts aktives ausfließen kann. Es ist eben jene »elementare Vermittlung«111 von Denken und Sein durch das ›Prinzip der Bewegung‹, welches zentral für die Trendelenburg’sche Philosophie ist: Weil die Bewegung eine in sich einfache Thätigkeit ist, die sich nur erzeugen, nicht zerlegen lässt, wird sie zugleich die letzte sein, die aus keiner andern stammt, und wird darum auch aus sich erkannt werden; weil sie die letzte ist, wird sie allgemein sein und jeder Thätigkeit zum Grunde liegen; und wenn sich das Denken als höchste Blüte der Thätigkeiten in der Welt erhebt, aber diese Blüte die übrigen gleichsam als nährenden Boden und tragenden Stamm voraussetzt: so wird um dieser Allgemeinheit willen die Bewegung dem Denken und Sein gemeinschaftlich angehören.112

109  Vgl. Hartung: »Friedrich Adolf Trendelenburg«. In: Kraus: Geisteswissenschaftler II, S. 9–26, hier 12 f. 110  LU1.I, S. 25. 111  LU2.I, S. 139. 112  Ebd., S. 153 f.

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Vorbemerkungen

Erst in der Vermittlung von Denken und Sein, in der Verbindung von Logik und Metaphysik, der, so die LU2.I, »Logik im weitern Sinne«,113 kommen das Logische und das Reale zur Deckung, können Denkformen mit den Formen der Wirklichkeit übereinstimmen: Die dargestellte Gemeinschaft von Denken und Sein zeigt sich weiter darin, dass die Formen des Denkens den Formen des Seins entsprechen [...]. Wie im Sein aus der Thätigkeit die Substanz hervorgeht und wiederum aus der Substanz Thätigkeiten: so werden aus Urtheilen Begriffe, aus Begriffen Urtheile. Das Verhältniss von Grund und Folge im Denken entspricht im Sein dem Verhältniss von Ursache und Wirkung.114

Dem anschauungslosen ›reinen Denken‹ Hegels erteilen die LU damit eine Absage oder wie es Gerald Hartung in seinem Aufsatz Wozu ›Ethische Untersuchungen‹? (2006) noch eindeutiger formuliert, gibt es für Trendelenburg »keinen rein logischen Anfang im Denken, sondern dieser setzt die Anschauung von Seiendem – und zwar in seiner radikalen Singularität und irreduziblen Pluralität – voraus.«115 Die Kritik richtet sich dabei nicht nur gegen Hegel. Auch eine streng auf sich selbst bezogene »formale Logik verfehlt [nach Trendelenburg] das Ziel, indem sie den fertigen Begriff auf sich beschränkt und [diesen] nur sich selbst gleichsetzt [...].«116 In seinen beiden zunächst in der Neuen Jenaischen allgemeinen Literaturzeitung getrennt erscheinenden und später in Die logische Frage in Hegels System. Zwei Streitschriften (1843) erneut publizierten gleichnamigen Aufsätzen formuliert Trendelenburg seine Hegelkritik drastischer, verneint – fast schon polemisch – die Wissenschaftlichkeit der dialektischen Methode und stellt erstmals im Wortlaut ›die logische Frage‹,117 welche von der Mitte des 19. Jahrhundert an den allgemeinen Diskurs in der Philosophie prägen sollte, und versteht seine Beiträge, so der Titel des ersten Kapitels, als »[e]ine Aufforderung zu ihrer wissenschaftlichen Erledigung.«118 »[E]ine der glänzenſten Leiſtungen der Streitliteratur«,119 113  LU2.I, S. 12. 114  LU2.II, S. 493 115  Vgl. Hartung: »Wozu ›Ethische Untersuchungen‹?«. In: Hartung/Köhnke: Trendelenburgs Wirkung, S. 83–103, hier 88. 116  LU2.I, S. 130. 117  Vgl. Risto Vilkko: »Trendelenburgs Kritik an der Herbartschen Logik und ihr Einfluß auf die Reform der Logik« (2002). In: Hartung/Köhnke: Trendelenburgs Wirkung (2006), S. 43–53, hier 43. 118  [Friedrich] Adolf Trendelenburg: Die logische Frage in Hegel’s System. Zwei Streitschriften. F. A. Brockhaus Verlag. Leipzig 1843. S. 1. 119  Rudolf Eucken: »Zur Charakteriſtik der Philoſophie Trendelenburgs«. In: Ders. (Hg.): Beiträge zur Geſchichte der neuern Philoſophie vornehmlich der deutſchen. Georg Weiß Verlag. Heidelberg 1886. S. 117–144, hier 130.

Über den Autor Friedrich Adolf Trendelenburg

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wie sein ehemaliger Weggefährte, der Literaturnobelpreisträger und Philosoph Rudolf Eucken (1846–1926), einige Jahre nach Adolfs Tod urteilt. Neben der ersten Veröffentlichung der LU ist im Jahre 1840 noch Adolfs Aufnahme als jüngstes Mitglied in die einst von Schleiermacher mitgegründete griechische Gesellschaft Die Griechheit hervorzuheben.120 In den Jahren danach beschäftigt er sich in Forschung und Lehre sowohl mit der Psychologie als auch besonders mit Philosophiegeschichte, wobei er in seinen Vorlesungen den Schwerpunkt auf die für ihn wichtigen Klassiker Platon, Aristoteles, Spinoza und Kant legt.121 Die Historischen Beiträge zur Philosophie, von denen mit den Jahren 1846, 1855 und 1867 insgesamt drei Bände erscheinen, fassen Trendelenburgs philosophiehistorischen Forschungen zusammen. 1841 wird die Berliner Universität durch die Berufung Schellings sowie Wilhelm und Jakob Grimms um drei bedeutende Größen der wissenschaftlichen Welt bereichert.122 Zu den Grimms entsteht besonders über Ferdinande Trendelenburg, welche sich mit Wilhelms Frau Henrietta Dorothea Grimm (geb. Wild, 1846–1926) anfreundet, ein persönlicher Kontakt.123 Ab 1842, dem Jahr der Grundsteinlegung des Kölner Doms, an dessen Feierlichkeiten Trendelenburg teilnimmt,124 ist die nächste Dekade durch eine Reihe von Ereignissen bestimmt, welche seinen akademischen Einfluss ausweiten: In den Jahren 1842, 1845, 1853, 1859 und 1868 wird er zum Dekan ernannt und bekleidet 1845, 1856 und 1863 das Amt des Rektors.125 Darüber hinaus ist er ab 1842 Mitglied der Gesetzlosen Gesellschaft zu Berlin, übernimmt nahezu durchgehend von 1847 bis 1860 den Vorsitz der wissenschaftlichen Prüfungskommission126 und bekleidet als ordentliches Mitglied127 von 1847 bis 1872 den Posten des ständigen Sekretärs der philosophisch-historischen Klasse der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin.128 Die stetig größer werdende Zahl an institutionellen Verpflichtungen, das tägliche Geschäft in der Universität und die Teilnahme in verschiedenen Vereinigungen führen dazu, dass Pflicht und philosophischer Forschergeist mehr und mehr in Konflikt geraten. Schon der erste Band seiner Historischen Beiträge zur Philosophie (1846) erscheint später als geplant.129 In den 1850er Jahren nutzt 120  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 170. 121  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 88 f. 122  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 171. 123  Vgl. ebd., S. 171. 124  Vgl. ebd., S. 172. 125  Vgl. Hartung/Köhnke: »Einleitung«. In: Dieselb.: Trendelenburgs Wirkung, S. 7–12, hier 9. 126  bereits seit 1837 Mitglied. 127  bereits seit 1846 ordentliches Mitglied. 128  Vgl. Hartung: »Friedrich Adolf Trendelenburg«. In: Kraus: Geisteswissenschaftler II, S. 9–26, hier 13. 129  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 173.

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Vorbemerkungen

Trendelenburg deshalb für seine philosophischen Untersuchungen besonders gerne die Herbstferien, in welchen er sich an einsame Orte wie Wyk auf Föhr, Helgoland, dem heute zu Polen gehörenden Sopot (damals Zoppot), stille Täler in der Schweiz und in Süddeutschland oder ab 1858 in Städte wie Heringsdorf, Kleve oder auch Barmen (heute ein Teil Wuppertals) zurückzieht.130 Bei einem solchen Herbstaufenthalt in Auerbach im Jahre 1858 vollendet er schließlich sein zweites philosophisches Hauptwerk Naturrecht auf dem Grunde der Ethik (zwei Aufl.: 1862 und 1870), an dem er schon seit 1840 arbeitet131 und das als »praktischer Ausläufer« einerseits seines in den LU1 vorgestellten Systems sowie andererseits der zeitlebens unvollendet gebliebenen Ethiſchen Unterſuchungen (EU) fungiert.132 Im auf Dienstag, den 10. April 1860, datierten Vorwort stellt das NR1 sich selbst die Aufgabe, zuerst das Princip des Rechtes zu finden und darzuthun, und im zweiten das gefundene und dargethane Princip in den Rechtsordnungen — vom Rechte des Eigenthums bis zum Völkerrechte — darzustellen und durchzuführen. [...] [Und dabei] das Recht ethisch, und das Ethische organisch, und das Organische ideal im Realen aufzufassen.133

Trendelenburg ist sich bewusst, dass die dem NR1 mitgegebenen einleitenden Kapitel für sich nicht ausreichen, um seine Rechtsphilosophie befriedigend zu fundieren. Daraus erwächst für ihn die Notwendigkeit, in ›ethischen Untersuchungen‹ von welchen diese Rechtsphilosophie ein praktischer Ausläufer ist, die psychologischen und ethischen Grundgedanken, welche hier angedeutet oder vorausgesetzt sind, so auszuführen, dass sie in der Helle der Kraft erscheinen, deren sie fähig sind. 134

Bereits zu Beginn der 1850er Jahre macht er den Versuch, eine Ethik unter dem Titel Etiſche Unterſuchungen zu schreiben. Der Entschluss, die EU über die beiden vorliegenden Kapitel hinaus nicht fertigzustellen, muss schon 1851 gefallen sein, da ab einem unbestimmten Zeitpunkt – vermutlich als ein Kompromiss – das erste der beiden vorliegenden Kapitel in ein Vorlesungsmanuskript umgearbeitet und unter dem gleichlautenden Titel Ueber den Ort der Ethik im Inbe-

130  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 182. 131  Vgl. ebd., S. 182. 132  Vgl. NR1, S. V. 133  Ebd., S. IV. 134  Ebd., S. V.

Über den Autor Friedrich Adolf Trendelenburg

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griff der Wiſſenſchaften im Jahre 1851 in der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften vorgetragen wird.135 In späteren Jahren übernimmt Trendelenburg einzelne Textsegmente aus dem ersten Kapitel der EU in das dadurch stark erweiterte Kapitel XXI. Das System der LU2.II. Die Textstellen werden hier teilweise wörtlich, teilweise sinngemäß, in den Text übernommen. Wie Rudolf Eucken zu berichten weiß, scheitern Trendelenburgs ursprüngliche Pläne, »eine Pſychologie und eine Ethik zu vollenden«,136 an dessen zahlreichen amtlichen Verpflichtungen.137 Eucken, der im Jahre 1866 mit einer Reihe von Empfehlungen sowie der Hoffnung auf eine »bleibende Stellung« frisch promoviert von Göttingen nach Berlin reist, um neben anderen akademischen Persönlichkeiten auch bei Adolf Trendelenburg vorstellig zu werden,138 bringt in seinen Lebenserinnerungen (1922) dessen damalige Bedeutung auf den Punkt: Trendelenburg ſtand damals auf der Höhe ſeines Wirkens. Er hatte eine hervorragende literariſche Tätigkeit, die ſowohl eine ſelbſtändige Weltanschauung vertrat, als ſich klar und kräftig mit anderen Denkern auseinanderſetzte, welche geiſtige Führer der Zeit waren, ſo namentlich mit Hegel und mit Herbart. Seine Vorleſungen waren ſehr beſucht; er war nicht nur Mitglied, ſondern auch Sekretär der Preußiſchen Akademie, auch ein Hauptmitglied der Staatsprüfungen. Ohne ihn ſchien damals in Berlin nichts möglich.139

In seinen späten Jahren gewöhnt sich Trendelenburg an, ein- bis zweimal die Woche, meist sonntags, in peripatetischer Tradition einen philosophischen Spaziergang zu machen, bei dem er z.B. von seinem Freund Dilthey begleitet wird.140 Darüber hinaus öffnet er als Erweiterung seiner Lehre für erlesene Studenten einmal wöchentlich sein Heim, gibt in familiärem Umfeld hilfreiche Hinweise für deren Studien oder lässt so manchen in seine aktuellen wissenschaftlichen Projekte blicken.141 Der Herbst seines Lebens (1869–1872) In der letzten Etappe seines Lebens ist besonders der literarische Schlagabtausch mit Kuno Fischer (1824–1907) hervorzuheben, bei dem um die richtige Ausle135  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 180. 136  Rudolf Eucken: Lebenserinnerungen. Ein Stück deutſchen Lebens. 2. erweiterte Auflage. K. F. Koehler Verlag. Leipzig 1922. S. 39. 137  Vgl. ebd., S. 39. 138  Vgl. ebd., S. 38. 139  Ebd., S. 38 f. 140  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 213. 141  Vgl. ebd., S. 213 f.

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Vorbemerkungen

gung der Kant’schen Philosophie in Bezug auf die ›Trendelenburg’sche Lücke‹ (auch ›Kant-Lücke‹) gestritten wird.142 Fischer argumentiert dabei in der zweiten Auflage seiner Schrift System der Logik und Metaphysik oder Wissenschaftslehre (1865) gegen die These Trendelenburgs, Kant habe »[d]ie Möglichkeit, daß der Raum [und die Zeit] auch objektiv ſei, d.h. eine von der Anſchauung unabhängige Realität haben könne [...] überſehen [...]«.143 Auf seine Lesart der Trendelenburg’schen Kritik entgegnet Fischer nun, dass Kant in Kritik der reinen Vernunft (1781) nachgewiesen habe, dass eine transzendentale Realität von Raum und Zeit unmöglich, »daß der Raum kein Ding an ſich [...] d.h. nichts unabhängig von der Anſchauung«144 sei und man Kant deswegen nicht vorwerfen könne, etwas übersehen oder nicht bewiesen zu haben.145 Der Streit sollte mit Trendelenburgs Kuno Fischer und sein Kant (1869) sowie Fischers polemisch betiteltem Gegenschlag Anti-Trendelenburg (1870) schließlich sein Ende finden. Am 21. Januar 1870 erleidet Trendelenburg einen leichten Schlaganfall, kann jedoch nur wenige Wochen danach unter ärztlichen Auflagen seine wissenschaftliche Arbeit wieder fortsetzen.146 Während der beiden Genesungsaufenthalte in der Schweiz und im Thüringer Wald im Sommer 1870 vollendet er noch die dritte vermehrte Auflage der LU,147 die bis auf kleinere Aktualisierungen und Hinzufügungen besonders den deutschen Darwinismus148 kritisch berücksichtigt, welcher »der vordringenste Angriff auf den Zweck als einen Gedanken im Grunde der Wesen«149 seit Spinoza sei. Als er zum Wintersemester 1870/71 in vermindertem Umfang wieder mit seiner Vorlesungstätigkeit beginnt, erscheinen kurz darauf als letzte größere Veröffentlichung die Kleinen Schriften (1871), eine zweibändige Sammlung seiner Festreden in der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften.150 142  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 195 f. 143  Kuno Fischer: Syſtem der Logik und Metaphyſik oder Wiſſenschaftſlehre. 2. völlig überarbeitete Auflage. Friedrich Bassermann Verlag. Heidelberg 1865. S. 175. 144 Fischer: Syſtem der Logik und Metaphyſik, S. 175. 145  Vgl. ebd., S. 175. 146  A. Richter: »Trendelenburg, Friedrich Adolf«. In: Allgemeine Deutsche Biographie 38 (1894), S. 569–572. Online: www.deutsche-biographie.de/gnd11862380X.html (05.06.2022). 147  Vgl. Hermann Bonitz: Zur Erinnerung an Friedrich Adolf Trendelenburg. Vortrag. Gehalten am Leibniztage 1872 in der Königlichen Akademie der Wissenschaften. F. Dümmlers Verlag. Berlin 1872. S. 30 f. 148  Schon im Jahre 1862 studiert Adolf das kurz zuvor erschienene Hauptwerk Darwins On the Origin of Species, by Means of Natural Selection or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life (1859). Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 183. 149  LU3.I, S. XI. 150  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 196.

Über den Autor Friedrich Adolf Trendelenburg

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Schließlich, nachdem er noch im Dezember 1871 das Ableben seiner Schwägerin und Freundin Sophie Helmsdörfer zu verkraften hat, ruft Adolf am Morgen des 16. Januars 1872 nach einer schlaflosen Nacht seinen Sohn Friedrich zu sich, um diesem im Falle einer Verschlechterung seines geistigen Zustandes die Vollmacht über das Haus und seine Person zu erteilen.151 Nur wenige Tage danach, am 24. Januar 1872, stirbt Trendelenburg in einer nahegelegenen Nervenheilanstalt in Pankow.152 Nach dem Erhalt der Todesnachricht überbringt ein Bote der Familie den Orden Pour le mérite, die höchste damals denkbare Auszeichnung, welcher Friedrich Adolf Trendelenburg traditionsgemäß am Gedenktag der Geburt Friedrichs des Großen verliehen wird.153 Meine Vorlesungen sollen ruhen.154

151  Vgl. F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg, S. 187. 152  Vgl. ebd., S. 187. 153  Vgl. ebd., S. 187. 154  Adolfs letzte niedergeschriebenen Worte während des Schlaganfalles in der Nacht vom 16. Januar 1872. Zitiert nach Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 219.

Einführung in die Ethiſchen Unterſuchungen Über die Hintergründe der Ethiſchen Unterſuchungen (EU) ist nur wenig bekannt. Etwa um 1851 muss Tr. mit seiner Arbeit daran begonnen haben. Ursprünglich als eigenständiges Werk konzipiert bricht die Untersuchung mitten im zweiten Kapitel ab. Zu einem unbestimmten Zeitpunkt arbeitet Tr. den Text des ersten Kapitels in ein literarisches Fragment um, welches 1851 in der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften vorgetragen wird.1 Die folgende Einführung bezieht sich auf die ursprüngliche Textfassung (F1) des ersten sowie die einzige Fassung des unvollendeten zweiten Kapitels. Inhalte der ›Vortragsfassung‹ (F2) werden nur insoweit berücksichtigt, als sie für das Verständnis der Zusammenhänge relevant sein könnten. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften Im ersten Kapitel beschäftigen sich die EU mit der Grundfrage, »welche Stelle die Ethik, inwiefern ſie einzelne Wiſſenſchaft iſt«,2 im System der Wissenschaften einnimmt. Zunächst wird einleitend die allgemeine Feststellung getroffen, dass die Ethik ›im weiteren Sinne‹ überall da beginne, wo der Menschengeist seine ihm ›eigentümlichen‹ Tätigkeiten ausführe.3 Wie dieses ›Eigentümliche‹ genauer zu bestimmen ist, bleiben die EU bis auf vage Umschreibungen jedoch schuldig. Erst im NR1 (1860), welches maßgeblich von den Inhalten der EU beeinflusst wird und dessen theoretische Paragraphen man als eine Weiterentwicklung der Erörterungen der EU betrachten kann, wird das ›eigentümlich Menschliche‹ als »[d]ie Wechselwirkung des Denkens mit dem Begehren und der Empfindung, [als] das bewusste Allgemeine in seiner Wirkung auf die blinden Regungen des Besondern«4 genauer gefasst. Was das bedeutet, wird erst an späterer Stelle bei der Beschreibung des genetischen Systems der Wissenschaften deutlich werden. Weil die Wissenschaft eine dem Menschengeist entflossene Bildung sei, fielen »alle Wiſſenſchaften in die Ethik; denn die Erforſchung des Wahren iſt eine ethiſche That«.5 Für die EU ist das ›Ganze der Erkenntnis‹ von der Ethik im weiteren Sinne durchdrungen, umfasst das Ethische den Inbegriff der Wissenschaften. Die Suche nach dem Ort der Ethik als philosophische Einzeldisziplin führt die Betrachtung nun dahin, zuerst den ›Einteilungsgrund der Philosophie‹ zu überprüfen. 1  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 180. 2  EU, Dbl. 1/1v f. 3  Vgl. ebd., Dbl. 1/1r. 4  NR1, S. 40. 5  EU, Dbl. 1/1v.

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Vorbemerkungen

In der Geistesgeschichte würden die philosophischen Wissenschaften entweder nach dem verschiedenen Verhalten zu ihren Gegenständen in ›theoretische und praktische‹ oder aber nach den spezifischen Gegenständen wie beispielsweise in ›Logik, Physik und Ethik‹ eingeteilt.6 Die erste Differenzierung wird nun einer näheren Prüfung unterzogen. Ihr Ursprung liegt für die EU in ihren Anlagen schon bei der in Platons Politikos getroffenen Unterscheidung der Erkenntnisse in ›handelnde‹ und ›einsehende‹.7 Aber erst Aristoteles entwickele diese mit seiner Unterteilung in ›theoretische, praktische und poietische Erkenntnisse‹ in philosophiehistorisch wirksamer Weise fort.8 Zunächst unterscheide er dabei zwischen den unwandelbar-notwendigen und den wandelbaren Gegenständen, wobei erstere dem wissenschaftlichen und letztere dem beratenden Vermögen zugeteilt würden.9 Unter das Betrachtende subsumiere Aristoteles wiederum die theoretische (betrachtende) und unter das Beratende die praktische (handelnde) und die poietische (bildende) Philosophie.10 Diese beiden Einteilungen unterziehen die EU nun der kritischen Würdigung. Hauptkritikpunkt ist hierbei die scharfe Trennung der jeweiligen Gebiete. So sei schon die Scheidung zwischen wissenschaftlichem und beratendem Vermögen nicht haltbar, weil diese sich wechselseitig bedingten.11 Vielmehr bestehe die Aufgabe »der Wiſſenſchaft [darin], das Zufällige in Nothwendiges zu verwandeln und im Veränderlichen das Unveränderliche zu erkennen.«12 Aber auch die strikte Aufteilung in drei Geistestätigkeiten, in unterschiedliche Arten, wie sie beispielsweise bei der Unterscheidung der verschiedenen Formen des Parallelogramms möglich sei, wäre nicht angemessen, da Betrachten, Handeln und Bilden nicht ohne einander gedacht werden könnten:13 Denn das Handeln muß von Vernunft durchdrungen ſein und das Bilden ſoll eine Jdee darſtellen u[.] zur Anſchauung bringen. Ebenſo iſt das Bilden in dem Handeln, wie in dem Betrachten enthalten; denn das Handeln vollendet ſich erſt 6  Vgl. EU, Dbl. 1/2r. 7 »Fremder: Auf diese Art also teile uns sämtliche Erkenntnisse, und nenne die eine handelnd, die andere lediglich einsehend.« Platon: Politikos, 258e. 8  Vgl. EU, Dbl. 1/2r f. 9  »Und zwar sei zugrunde gelegt, dass es zwei Vernunft besitzende Bestandteile gibt, einen, mit dem wir dasjenige Seiende betrachten, dessen Ursprünge nicht (so oder) anders sein können, und einen, mit dem wir das betrachten, was (so oder) anders sein kann. [...] Der eine Teil heiße nun ›wissenschaftlich‹ (epistēmonikos), der andere ›überlegend‹ (logistikos).« Aristoteles: Nicomachische Ethik VI, 1139a. 10  Vgl. EU, Dbl. 1/2v. 11  Vgl. ebd., Dbl. 2/1r f. 12  Ebd., Dbl. 2/1r. 13  Vgl. ebd., Dbl. 2/1v–3/1r

Einführung in die Ethiſchen Unterſuchungen

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in der ſittlichen Schönheit, in einer Darſtellung, die, wie das Kunſtwerk, ihrer Jdee entſpricht, und das Betrachten bedarf [...] des Hervorbringens, um ſich zu verwirklichen, und muß ſich darſtellen, um ſich ſelbſt klar und andern zugänglich zu werden.14

Der eigentliche Unterschied zwischen den genannten Tätigkeiten liegt für die EU in den verschiedenen Richtungen ihres Zweckes: »Das Betrachten will erkennen[,] um zu erkennen; das Bilden will hervorbringen, um einen Gedanken anzuſchauen oder eine Empfindung hinzuheften; das Handeln hingegen will eine Wirkung als ſolche.«15 Dennoch reicht den EU diese zugestandene Differenz nicht aus, um eine scharfe Trennung zwischen den drei philosophischen Tätigkeiten zu rechtfertigen, da die jeweiligen Zwecke der einen die Mittel der anderen darstellen würden.16 Aristoteles Unterscheidung habe sich durch das Mittelalter erhalten und erscheine bei Wolff, Kant und Fichte in der Zweiteilung zwischen theoretischer und praktischer Philosophie, welche bei Baumgarten durch die Hinzufügung der Ästhetik wieder die alte Dreiteilung bilde.17 Da ihnen eine Unterscheidung der verschiedenen menschlichen Tätigkeiten als Einteilungsgrund der Philosophie nicht taugt, wenden die EU sich der Frage zu, ob die Einteilung nach den inneren Unterschieden der wissenschaftlichen Gegenstände eine Alternative darstellen kann.18 So hätten sich die frühen Stoiker mit ihrer Aufteilung der Philosophie in Physik, Ethik und Logik, neben dem eben erörterten aristotelischen Modell bis in die jüngere Zeit durchgesetzt.19 Die ersten Stoiker platzierten noch die hervorbringende Physik, ihre Nachfolger hingegen die Ethik in das Zentrum ihrer Einteilung, wobei die Logik wie die Schale das Ei das Ganze zusammenhalte.20 In Descartes’ ›Baum des Wissens‹ meinen die EU eine weitestgehend mit dem Einteilungsgrund der Stoiker übereinstimmende Darstellung zu erkennen. Die cartesische Metaphysik, welche sinnbildlich die Funktion der Wurzel übernehme, entspreche in ihrer Bestimmung einer Kombination aus stoischer Logik und Physik – insoweit letztere metaphysisch sei – und über den Stamm, welcher durch die übrige Physik verkörpert werde, treibe dann die Medizin, Mechanik und Ethik, gefolgt von den Einzeldisziplinen, als Verästelungen aus.21 Eine ähnliche Aufteilung lasse sich des Weiteren auch bei Spinoza im Aufbau seiner Ethica (1677) ableiten: 14  EU, Dbl. 2/2v f. 15  Ebd., Dbl. 3/1r. 16  Vgl. ebd., Dbl. 3/1r f. 17  Vgl. ebd., Dbl. 3/1v f. 18  Vgl. ebd., Dbl. 4/2r. 19  Vgl. ebd., Dbl. 5/1r. 20  Vgl. ebd., Dbl. 4/2r f. 21  Vgl. ebd., Dbl. 5/1r f.

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Vorbemerkungen [V]on der Metaphÿſik im erſten Buche zu logiſchen Betrachtungen im zweiten, wobei er die Principien der Phÿſik lemmatiſch zwiſchen legt, von da zur Pſÿchologie der Leidenſchaften im 3t. u. 4t. Buch u. endlich im 5ten zur Ethik im engern Sinne, dem Ziel des Ganzen.22

Sowohl in der stoischen, cartesischen als auch spinozistischen Aufteilung erkennen die EU Andeutungen einer genetischen Abfolge, in welcher sich die einzelnen Wissenschaften »wie Bedingung und Bedingtes, Vorausſetzung und Folge an einander reihen.«23 Besonders Hegel, so erkennen die EU an, habe mit seiner Aufteilung in ›Philosophie der Logik‹, ›Philosophie der Natur‹ und ›Philosophie des Geistes‹, einen solchen genetischen Gang gezeichnet, bei dem die Logik methodisch notwendig im Ursprung verortet sei.24 Mit einem indirekten Verweis auf die schon in den LU1 kritisierte Hegel’sche Dialektik würde allerdings auch das daraus abgeleitete System zweifelhaft und somit als sicherer Einteilungsgrund ausscheiden. Denn, so formulieren es die LU2.I: »Das geschlossene Auge sieht nur Phantasmen. [Absatz] Das menschliche Denken lebt von der Anschauung, und es stirbt, wenn es von seinen eigenen Eingeweiden leben soll, den Hungertod.«25 Auf der Suche nach einem besseren Weg stellen die EU nun fest, dass es in der Geschichte der philosophischen Systeme zwei grundlegende Ordnungsprinzipien gebe: »[D]ie Ordnung, welche der Entſtehung der Sache folgt, und die Ordnung, welche der Gang des Lehrens und Lernens nöthig macht.«26 Erstere sei genetisch, letztere methodisch an die Lernpsychologie des Menschen angepasst.27 Die meisten philosophischen Systeme von Platon bis Hegel seien jedoch keine rein genetischen Betrachtungen, sondern seien Mischformen oder besäßen zumindest mehr oder weniger methodische Anteile,28 wie im Folgenden durch die EU am Beispiel der Stellung der Logik verdeutlicht wird: Obwohl die Logik erst aus ihrem Gegenstand, den Wissenschaften, hervorgegangen sei, stünde sie in den meisten genetischen Systemen methodisch am Anfang: Als Ergründung des Denkens wird ſie im genetiſchen Sÿſtem zu einem Theil der Geiſteslehre, zu einer Seite der Pſÿchologie. Aber als Logik hat ſie die Aufga-

22  EU, Dbl. 5/1v. 23  Ebd., Dbl. 5/2r. 24  Vgl. ebd., Dbl. 5/2r. 25  LU2.I, S. 109. 26  EU, Dbl. 5/2v. 27  Vgl. ebd., Dbl. 5/2v. 28  Vgl. ebd., Dbl. 5/2v f.

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be, nicht blo[ß] der Pſÿchologie, ſondern auch den Wiſſenſchaften, welche dieſer nothwendig vorangehen, zur Wegweiſerın zu dienen.29

An diesem Punkt der Untersuchung fällt auf, dass die EU nun von der allgemeinen Betrachtung stillschweigend – zumindest aber mit einem Begründungsdefizit – in Tr.’s eigene in den LU1.I vorgelegte Philosophie überleiten und die Metaphysik vor das genetische System neben die Logik stellen. Auch die Philosophie als ›Theorie der Wissenschaften‹ entstehe erst »im Gegensatz gegen die besondern Wissenschaften«30 und da sich »[i]n jeder Wissenschaft [nach zwei Seiten Elemente] finden [...], welche auf gleiche Weise dem Theil wie dem Ganzen angehören oder im Besondern die Macht eines Allgemeinern offenbaren«,31 eröffneten Logik und Metaphysik die Philosophie, welche zusammen als ›Logik im weiteren Sinne‹ bezeichnet werden könnten.32 Schon in den LU1.I sei in Abgrenzung zur rein formalen Methode nachgewiesen worden, dass wahre Erkenntnis nur durch »den Erwerb oder Beſitz der realen Principien, welche den erkannten Dingen zum Grunde liegen«,33 möglich sei.34 In I. Die Formale Logik setzten die LU die Beziehung von ›Denken und Gegenstand‹ analog zu ›Spiegel und Licht‹.35 Genau wie man das Gesetz der Reflexion nur erklären könne, indem man zuerst die Natur des einfallenden Lichtstrahles in seiner Wechselwirkung mit dem Spiegel untersuche, so könne das Denken und seine Kategorien nur in der Wechselwirkung zum Sein richtig erfasst werden:36 Alle Sinne haben eine unmittelbare Verwandſchaft mit dem Gegenſtande, für den ſie beſtimmt ſind. [...] Das Denken iſt gleichſam das höchſte Organ der Welt und zeigt daher, wenn man es in ſeinen Formen verſtehn will, auf die Natur der Dinge hin, die es geiſtig faſſen und begreifen ſoll.37

Dies bedeutet, dass erst durch die Vermittlung von Denken und Sein, Logik und Metaphysik, die Denkformen mit dem Realen in Deckung gebracht und dadurch eine adäquate Erkenntnis über die Welt gewonnen werden kann. Dahinter steckt ein philosophisches Konzept, welches in Abgrenzung zu Hegels 29  EU, Dbl. 6/1r f. 30  LU2.I, S. 4. 31  Ebd., S. 6. 32  Vgl. EU, Dbl. 6/1v f. 33  Ebd., Dbl. 6/2r. 34  Vgl. ebd., Dbl. 6/2r. 35  Vgl. LU1.I, S. 5 f. 36  Vgl. ebd., S. 5. f. 37  Ebd., S. 5 f.

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Vorbemerkungen

»blinder« dialektischer Methode und zur »leeren« formalen Logik Kants das gesamte Programm der LU bestimmt. Nach dieser Feststellung begeben sich die EU in einer Zeitspanne von Thales bis Hegel auf einen historischen Exkurs, welcher die ursprüngliche Einheit der Philosophie, die anschließende sukzessive Abspaltung und Ausdifferenzierung der Einzeldisziplinen sowie das Verhältnis der Philosophie zu den Einzeldisziplinen, beleuchtet. Bei den Vorsokratikern seien Philosophie und Einzelwissenschaften noch nicht getrennt.38 Erst bei Platon werde die Dialektik zur Fundamentalwissenschaft eines philosophischen Systems,39 »ein[es] ſelbſtbewußte[n] Ganze[n].«40 Jedoch vernachlässige er beim Hinauf- und Hinabsteigen ins Reich der Ideen den Weg zurück zum Besonderen, zum »Verhältniß der vereinzelten Wiſſenſchaften und ihrer Methoden zur Philoſophie [...].«.41 Aristoteles hingegen differenziere zwischen der Tatsache (hoti) und der Erforschung des Grundes (di hoti).42 Man könne aber beide Seiten der Erkenntnis »nicht wie zwei Gebiete der Wiſſenſchaft [unter-]ſcheiden [...].«43 Während des alexandrinischen Zeitalters hätten sich dann erste Einzeldisziplinen wie z.B. die Grammatik, die Geografie, die Astronomie und besonders die Geometrie immer stärker von der Philosophie abgelöst.44 Im Anschluss an das Mittelalter, welches lediglich den Kenntnisstand des Altertums tradiert habe, finde sich erst wieder bei Tommaso Campanella (1568–1639) ein Systematisierungsversuch, jedoch ohne die Wechselwirkung der Philosophie mit den Einzelwissenschaften richtig zu erfassen, was auch für Descartes’ und Spinozas Bemühungen gelte.45 Wolff hingegen trenne zwischen rationaler und empirischer Philosophie, während Kant »das Rationale auf das Allgemeine und Nothwendige und das Allgemeine und Nothwendige [...] auf das Element des a priorie zurück[führe]«,46 aus welchem er dann seine Kategorien gewinne.47 Die Lücke, die durch Kants Transzendentalphilosophie zwischen dem Subjektiven und Objektiven entstehe, äußere sich bis in die Gegenwart durch ein inadäquates Verhältnis zwischen der Philosophie und den Einzeldisziplinen.48 38  Vgl. EU, Dbl. 7/1r. 39  Vgl. ebd., Dbl. 7/1r f. 40  Ebd., Dbl. 7/1v. 41  Ebd., Dbl. 7/1v. 42  Vgl. ebd., Dbl. 7/2r. 43  Ebd., Dbl. 7/2r. 44  Vgl. ebd., Dbl. 8/1r. 45  Vgl. ebd., Dbl. 8/1v f. 46  Ebd., Dbl. 8/2r. 47  Vgl. ebd., Dbl. 8/2r f. 48  Vgl. ebd., Dbl. 8/2v.

Einführung in die Ethiſchen Unterſuchungen

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Nach dieser philosophiehistorischen Betrachtung formulieren die EU das Programm, die verlorene Ganzheit der Philosophie wiederherzustellen, was weder die formale Logik, noch die anschauungslose Hegel’sche Dialektik leisten könne. Die Philosophie habe die blinden Vorausſetzungen der einzelnen Wiſſenſchaften, ſei es in der Methode, ſei es in den Principien, zu unterſuchen u[.] auf den letzten Grund zurückzuführen, die Wechſelwirkung, in welche die einzelnen Wiſſenſchaften für ſich nur beiläufig treten, zu einer durchgehenden und nothwendigen zu erheben, die einzelnen Wiſſenſchaften aus dem Gedanken des Ganzen zu begreifen und von dieſem Mittelpunkt aus zu beleuchten und zu beleben.49

Das genetische System der Wissenschaften, welches die EU einführen, versteht sich als Lösungsansatz. Das somit schon vermutlich seit 1851 vorliegende Konzept hat direkte Einflüsse auf die theoretischen Teile des späteren NR1 sowie die das System betreffenden Ergänzungen in den LU2.50 Vor dem Hintergrund des Scheiterns der EU sind diese Anleihen mitunter vollständiger und werden deswegen bei folgenden Erläuterungen mitberücksichtigt. Das System Bisher haben wir durch die EU erfahren, dass nur in der Vermittlung des Gegensatzes von ›Denken und Sein‹ das Ganze von seinem Ursprung her erfasst werden kann, jedoch nicht wie diese zustande kommt. Ein Blick in die LU2 verschafft hier Klarheit: Auf der Suche nach einem Vermittler wurde im ersten Band zunächst die Forderung aufgestellt, dass dieser den beiden Gliedern des Gegensatzes gemeinsam sein und notwendig eine Tätigkeit, d.h. dynamisch sein müsse, da eine ruhende Eigenschaft nichts vermitteln könne, sondern beharre.51 Als weitere Bedingungen müsse diese Tätigkeit einfach und aus sich selbst zu erkennen sein, ohne dabei aus etwas anderem abgeleitet werden zu können.52 Alle diese Bestimmungen sind für die LU2 durch das ›Prinzip der Bewegung‹ erfüllt: Weil die Bewegung eine in sich einfache Thätigkeit ist, die sich nur erzeugen, nicht zerlegen lässt, wird sie zugleich die letzte sein, die aus keiner andern stammt, und wird darum auch aus sich erkannt werden; weil sie die letzte ist, wird 49  EU, Dbl. 9/1v f., zitiert nach F2. 50  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 180 f. 51  Vgl. LU2.I, S. 137 f. 52  Vgl. ebd., S. 146.

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Vorbemerkungen sie allgemein sein und jeder Thätigkeit zum Grunde liegen; und wenn sich das Denken als die höchste Blüte der Thätigkeiten in der Welt erhebt, aber diese Blüte die übrigen gleichsam als nährenden Boden und tragenden Stamm voraussetzt: so wird um dieser Allgemeinheit willen die Bewegung dem Denken und Sein gemeinschaftlich angehören.53

Sowohl der Raum des Denkens als auch die Welt der Natur basieren auf demselben dynamischen Grundprinzip: In der äussern Welt ist jede Thätigkeit mit Bewegung verknüpft; die mechanischen Eindrücke, die chemischen Erregungen, die organischen Verrichtungen sind ohne Bewegung und zwar räumliche Bewegung nicht zu fassen. [...] Dieselbe Bewegung gehört dem Denken an, freilich nicht in der Weise dieselbe, dass der Punkt in der Bewegung des Denkens den entsprechenden Punkt der Bewegung in der Natur äusserlich deckt.54

Dass sich die innere und äußere Bewegung scheinbar unterscheiden, liegt somit an der verschiedenen Beschaffenheit der Räume. Denn auch Analyse und Synthese, die beiden Grundtätigkeiten des Denkens, sind für die EU als Tätigkeiten durch dieselbe Bewegung bestimmt.55 Die Bewegungsvorgänge im Raum des Denkens werden von den LU2 im Unterschied zur materiellen Bewegung als ›konstruktive Bewegung‹ bezeichnet.56 Diese sei die »apriorische Bedingung der sinnlichen«57 und, so EU und NR1, »das Princip der reinen mathematiſchen Erkenntniß«,58 in welcher »der erſte Grund der Nothwendigkeit«59 liege, »der Nothwendigkeit in Figur und Zahl [...].«60 Als erstes Prinzip eröffnet die ›konstruktive Bewegung‹ das vierstufige genetische System der Wissenschaften, welches die EU gegen Ende des ersten Kapitels etablieren. Jede »vorangehende Stufe [ist hier] die Bedingung der folgenden; jene kann ohne dieſe, aber dieſe nicht ohne jene gedacht werden; jene muß voran als Bedingung da ſein, damit dieſe werde.«61 Die erste Stufe dieses Systems definiert das Reich der theoretischen Mathematik.62

53  LU2.I, S. 153 f. 54  Ebd., S. 141 f. 55  Vgl. ebd., S. 144. f. 56  Vgl. ebd., S. 142 f. 57  LU2.II, S. 491. 58  EU, Dbl. 10/2r. 59  Ebd., Dbl. 10/2r. 60  NR1, S. 3. 61  EU, Dbl. 11/2r. 62  Vgl. ebd., Dbl. 10/2r.

Einführung in die Ethiſchen Unterſuchungen

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Dagegen sei die zweite Stufe das Gebiet der physikalischen Wissenschaften.63 Hier erscheine die ›konstruktive Bewegung‹ in der sinnlichen Anschauung als kausale Notwendigkeit: »In der Materie ist die Bewegung causal, setzt Substanzen in bestimmter Gestalt, erzeugt in ihnen Eigenschaften, giebt ihnen Grösse und Mass und umfasst sie mit der Einheit, welche die Theile in Wechselwirkung bindet.«64 Mithilfe der ›konstruktiven Bewegung‹ entwerfe der Geist aus der sinnlichen Anschauung der Bewegung die ›realen Kategorien‹.65 Nachdem die zweite Stufe durch die EU als das Gebiet der physikalischen Wissenschaften bestimmt wurde, erhebe sich nun auf der dritten mit ›dem Zweck‹ ein zweites ›eigentümliches‹ Grundprinzip:66 »Von Neuem stellt sich hier eine Macht dar, die dem Denken und Sein gemeinschaftlich gehört.«67 Der Zweck laufe dabei der kausalen Stoßrichtung der materiellen Welt entgegen und verschmelze mit der Bewegung; denn da er die Bewegung richtet, ist er selbst Bewegung. Indem die wirkende Ursache als das Woher angeschauet wird, erscheint der Zweck als das Wohin. Der Zweck bestimmt die aus der räumlichen Bewegung entsprungenen realen Kategorien, indem er sich in ihnen ausprägt. Dadurch empfangen sie eine ideale und geistige Bedeutung [...].68

Dem Zweck entspringe nun die ›organische Notwendigkeit‹ und die mathematische und physische der ersten beiden Stufen dienten ihm dafür zum Mittel:69 »Die Nothwendigkeit der frühern Stufe bleibt, aber ein Gedanke verfügt über ſie für die Einheit eines Ganzen: für die Erzeugung neuer Thätigkeiten. Der Gedanke eines Ganzen wird die Seele einer phÿſiſchen Nothwendigkeit.«70 Die dritte Stufe umfasse somit das Gebiet der organischen Wissenschaften, deren Aufgabe es sei, die immanente »Zweckmäßigkeit in den Kräften des Lebens«71 zu erkennen.72

63  Vgl. EU, Dbl. 10/2v. 64  LU2.II, S. 491. 65  Vgl. ebd., S. 491. 66  Vgl. EU, Dbl. 10/2v f. 67  LU2.II, S. 492. 68  Ebd., S. 492. 69  Vgl. EU, Dbl. 11/1r. 70  Ebd., Dbl. 11/1r. 71  Ebd., Dbl. 11/1v. 72  Vgl. ebd., Dbl. 11/1r f.

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Vorbemerkungen

Doch erst im Ethischen, der vierten Stufe, könne der dem Naturablauf innwohnende zweckvolle Gedanke erkannt werden:73 Das Organische ist der allgemeine Boden, das Ethische die höhere Stufe; denn die innern Zwecke, welche das Organische der Natur blind durchwalten, werden im Ethischen gewusst und gewollt und das Gebundene der Natur wird dadurch im Menschen frei.74

Hierdurch wird auch das zu Beginn des ersten Kapitels der EU angedeutete Menschenbild verständlich. Im Unterschied zum Tier, dem sich der immanente Gedanke hinter seinem Organismus und der Natur nur symptomatisch über die hedonistischen Gefühle der Lust und Unlust offenbare,75 könne der Mensch durch seine Fähigkeit zu denken sich den »im blinden Leben gebundenen Zweck«76 bewusst machen und gleichzeitig befreien77 und dadurch ethisches Handeln erst ermöglichen. Dies geschehe, so Hartung (2006), zunächst in einer Selbstreflexion, in welcher »der Mensch sich selbst als zweckdenkendes und -handelndes Wesen [begreife,] und [...] diesen Gedanken [qua Analogieschluss] auf die Struktur der gesamten Welt des Lebendigen [übertrage].«78 Der Gedanke, der den Dingen der Welt zum Grunde liegt, wird erkannt und gewollt; er erzeugt, um sich zu verwirklichen, neue Gedanken, welche dem ersten untergeordnet von Neuem Mittelpunkt des Wollens und Handelns werden.79

Der Ort der Ethik im System der Wissenschaften hat sich somit in einem ersten Schritt als die Sphäre der menschlichen Welt, als das Gebiet des menschlichen Handelns ergeben. Das erste Kapitel endet mit der Aufgabe, die »hervorbringenden Bedingungen«80 der Ethik zu untersuchen.81 Mit Ausblick auf das NR1 liegt für Tr. der

73  Vgl. EU, Dbl. 11/1v. 74  [Friedrich] Adolf Trendelenburg: »Herbart’s praktische Philosophie und die Ethik der Alten.« In: Ders. (Hg.): Historische Beiträge zur Philosophie. 3 Bde. Hier Bd. 3: Vermischte Abhandlungen. Gustav Bethge Verlag. Berlin 1867. S. 122–170, hier 165. 75  Vgl. LU2.II, S. 88 und 90. 76  EU, Dbl. 11/1v. 77  Vgl. ebd., Dbl. 11/1v. 78  Hartung: »Wozu ›Ethische Untersuchungen‹?«. In: Hartung/Köhnke: Trendelenburgs Wirkung, S. 83–103, hier S. 99. 79  LU2.II, S. 91. 80  EU, Dbl. 12a/1v. 81  Vgl. ebd., Dbl. 12a/1v.

Einführung in die Ethiſchen Unterſuchungen

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Schlüssel zur Erkenntnis des ›ethischen Princips‹ in der ›organischen Weltansicht‹ und der psychologischen Entwicklung des Menschen:82 Es müssen aus der Metaphysik die letzte Idee, welche sich in die Ethik hinein verzweigt, und aus der Psychologie die Einsicht in das Wesen des Menchen und in die realen Bedingungen der Verwirklichung desselben die Untersuchung des ethischen Princips leiten.83

In einer Randnotiz zu Beginn des zweiten Kapitels der EU vermerkt Tr.: »Eigentlich voran: Über die metaphyſıſche Grundlage der Ethik — Dann üb. d. pſycholog. (phyſ.) —«.84 Beide Kapitel werden nie verfasst. Zumindest sind dazu keinerlei Zeugnisse überliefert. Das ergeizige Projekt der EU scheitert somit an beiden Punkten. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik Das unvollendete zweite Kapitel stellt eine Zusammenfassung derjenigen Überlegungen dar, wie sie einige Jahre zuvor in Über den letzten Unterschied der philosophischen Systeme (1847) in der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften vorgetragen wurden:85 Zu Beginn des zweiten Kapitels wiederholen die EU zunächt die im vorherigen Kapitel formulierte Aufgabe der Philosophie, »das Ganze der Erkenntniß in ſeinem Urſprung zu beſtimmen.«86 Da jedes Ganze nur in seinen Gegensätzen am deutlichsten erfasst werden könne, müsse die Philosophie zur Lösung ihrer Aufgabe den »weiteſten Gegenſatz der Erkenntniß«87 untersuchen.88 Derselbe äußere sich je nach Hinsicht in unterschiedlicher Weise mal als ›bewusster innerer Gedanke und blinde äußere Kraft‹, mal als ›Idee und Materie‹, mal als ›Logos und Hypokeimenon‹, mal als ›extensio und cogitatio‹ oder mal als ›das Subjektive und das Objektive‹.89 Für die EU existieren ausschließlich drei mögliche Wege, wie man aus diesem Gegensatz zwischen ›bewusstem Gedanken und blinder Kraft‹ das Ganze auffassen kann:

82  Vgl. NR1, S. 21 f. 83  Ebd., S. 22. 84  EU, Dbl. 12a/2r. 85  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 180. 86  EU, Dbl. 12a/2v. 87  Ebd., Dbl. 13/1r. 88  Vgl. ebd., Dbl. 12a/2v f. 89  Vgl. ebd., Dbl. 13/1r.

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Vorbemerkungen Entweder ſteht die nackte Kraft vor dem Gedanken, ſo daß der Gedanke nicht das Urſprüngliche iſt, ſondern das von blinden Bewegungen Hervorgebrachte, ein Product und Accidenz der materiellen Kräfte; − oder der Gedanke ſteht voran, ſo daß die blinden Kräfte nichts für ſich ſind, ſondern vielmehr nur der Ausfluß oder das Erzeugniß des Gedankens; oder endlich Gedanke und Kräfte ſind im Grunde dieſelben und unterſcheiden ſich nur in unſerm Verſtande.90

Die erstere Grundansicht werde in der Philosophie durch die Materialisten (Demokritismus), die zweite durch die Idealisten (Platonismus) und die ›indifferente‹ dritte91 durch Spinoza vertreten.92 Insofern Letzterer jedoch die Zweckursache ablehne, könne man ihn wieder der physischen Auffassung zuordnen, wodurch von den ursprünglich drei Möglichkeiten am Ende nur noch das physische und idealistische Weltbild übrig blieben,93 zwischen denen ein stetiger Kampf ausgefochten werde.94 Vor dieser Folie hatte Tr. schon 1847 in obigem Vortrag in einer Zusammenschau der einzelnen philosophischen Systeme von den Atomikern bis Herbart festgestellt, dass jedes System in unterschiedlicher Weise von diesem Kampf betroffen sei,95 »einem Kampfe,« so die EU, »der zuletzt den Glauben an unſer eigenes Weſen u. unſern eigenen Werth trifft«,96 einem »Kampf zwischen Physik und Ethik«,97 der, würde er jeweils zu der einen oder der anderen Seite konsequent gedacht, zu folgenden Ergebnissen führe: Wer die Menſchen nur wie die Kräfte der Phÿſik oder die Zahlen in einer Gleichung auffaßt − und im äußern Verkehr, im Austauſch der Thätigkeit[,] unterliegen ſie vielfach einer ſolchen Betrachtung: der dehnt die phÿſiſche Weltanſicht in die Ethik aus. Wer umgekehrt die materiellen Kräfte als Thätigkeiten anſieht, die nur durch iſolirte Auffaſſung von dem Leben und dadurch von einem zum Grunde liegenden Gedanken losgeriſſen ſind; der arbeitet an der Erweiterung und dem Siege der organiſchen Weltanſicht.98 90  EU, Dbl. 13/2r. 91  Vgl. [Friedrich] Adolf Trendelenburg: »Über den letzten Unterschied der philosophischen Systeme« (1847). In: Philologische und historische Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Aus dem Jahre 1847. F. Dümmlers Verlag. Berlin 1849. S. 241–262, hier 249. 92  Vgl. EU, Dbl. 13/2v. 93  Vgl. ebd., Dbl. 13/2v f. 94  Vgl. ebd., Dbl. 12a/2v. 95  Vgl. Trendelenburg: »Über den letzten Unterschied«. In: Philologische und historische Abhandlungen, S. 241–262, hier 250–255. 96  EU, Dbl. 12a/2v. 97 Trendelenburg: »Über den letzten Unterschied«. In: Philologische und historische Abhandlungen, S. 241–262, hier 259. 98  EU, Dbl. 14/1r f.

Einführung in die Ethiſchen Unterſuchungen

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Den EU ist bewusst, dass die Philosophie für die endgültige Entscheidung zwischen physikalischer und idealistischer Weltauffassung einen langen Weg vor sich habe, könne aber in der akuten Frage der Ethik nicht auf das Ergebnis warten, sondern müsse einen Boden gewinnen, der auch im Wechsel der Systeme eine feste Grundlage bilden kann.99 Genau wie es in der Mathematik möglich sei, mit der euklidischen Geometrie erfolgreich den Raum zu berechnen, ohne bisher die metaphysische Frage danach, was der Raum sei, eindeutig beantwortet zu haben, müsse dies auch mit der Ethik gelingen.100 Für diesen Zweck planen die EU, einen prüfenden Blick auf die oben genannten drei Modelle zu werfen und beginnen zunächst mit der spinozistischen Weltansicht.101 Darin werden im Schnelldurchlauf einige Ergebnisse des zwei Jahre zuvor in der Akademie gehaltenen Vortrages Über Spinoza’s Grundgedanken und dessen Erfolg (1849) wiederholt. Besonders Spinozas Bestimmung des Verhältnisses zwischen ›Denken und Ausdehnung‹ – hier ›Geist und Körper‹ –, der beiden parallel laufenden Attribute der unendlichen göttlichen Substanz, wie sie im zweiten Lehrsatz des dritten Buches der Ethica vorgetragen wird, steht dabei im Fokus der kritischen Betrachtung: »Der Körper kann weder den Geiſt zum Denken, noch der Geiſt den Körper zur Bewegung, oder zur Ruhe, oder zu etwas anderem (wenn es ein ſolches giebt) beſtimmen.«102 Für die EU ist es schwer denkbar, dass ein von der Vernunft geleitetes Handeln ohne den vermittelten Zugriff auf Bewegung und Ruhe funktionieren kann, »ohne den [Zweck-]Gedanken im Grunde der Dinge«103 vorauszusetzen.104 Da, so die Grundgedanken, Spinoza jedoch feststelle, dass »das Denken nicht auf die Ausdehnung wirkt, kann es den Begriff nicht geben, der voraussetzt, daß ein Gedanke, eine Idee, die Gestalten der Ausdehnung in ihrem Wesen bestimme.«105 Da Denken und Ausdehnung als Attribute ein und derselben Substanz in keinerlei Wechselwirkung treten, könne Spinoza nicht anders, als den Zweck zu verneinen.106 Dadurch würde nach den EU jedoch unklar, »wie ſich das Denken, noch wie ſich die Ausdehnung vom Unendlichen zum Endlichen beſtimme.«107 Ohne den Zweck fehle Spinoza die Grundlage für individuelles 99  Vgl. EU, Dbl. 14/2r f. 100  Vgl. ebd., Dbl. 14/2v. 101  Vgl. ebd., Dbl. 14/2v f. 102 Spinoza: Ethica III, 2. Lehrsatz. 103  EU, Dbl. 15/2v. 104  Vgl. ebd., Dbl. 15/2r f. 105  [Friedrich] Adolf Trendelenburg: Über Spinoza’s Grundgedanken und dessen Erfolg. Gustav Bethge Verlag. Berlin 1850. S. 6. 106  Vgl. EU, Dbl. 17/1v. 107  Ebd., Dbl. 15/2v.

38

Vorbemerkungen

Leben.108 In der achten Definition des vierten Buches der Ethica hingegen meinen die EU auszumachen, dass Spinoza in die teleologische Betrachtung wechsle, da hier stillschweigend individuelles Leben vorausgesetzt würde:109 8) Unter Tugend und Vermögen (Fähigkeit, Macht, Kraft,) verſtehe ich eins und dasſelbe. Das heißt, [...] die Tugend, ſofern ſie auf den Menſchen bezogen wird, iſt das eigentliche Weſen, oder die eigentliche Natur des Menſchen, ſofern er die Macht hat, etwas zu bewirken, was durch die bloßen Geſetze ſeiner eigenen Natur begriffen werden kann.110

Unter dem ›eigentlichen Wesen‹ verstehe Spinoza »das begreifende Denken, das intelligere u. das Handeln, das aus ſolchen Begriffen folgt [...].«111 Der Mensch, so die Grundgedanken, als »Theil [der einen Substanz] ist nun nicht mehr blos in der Betrachtung da; er ist etwas in sich.«112 Dieses individuelle Leben offenbart sich für die EU besonders in Bezug auf das Sittliche.113 Im Sinne des Spinoza steht, so das NR1, vernünftiges Handeln im Dienste der Selbsterhaltung, dem »bestimmende[n] Naturgesetz des Menschen«114 oder wie die EU es ausdrücken, will [d]as menſchliche Weſen [...] ſein Sein behaupten und erweitern. Jeder leidende Zuſtand, der in ſeinem Jnnern Unluſt oder Furcht trägt, das Zeichen des verminderten Eigenlebens, jeder leidende Zuſtand, der ſtatt Macht Ohnmacht iſt, wird daher vom vernünftigen Handeln ausgeſchloſſen.115

Da der vereinzelte Mensch aus Vernunft danach strebe, seine Macht zu vergrößern, käme es als Wirkung »der Selbſterhaltung«116 zur »Gemeinſchaft der Menſchen«,117 zu der Vereinigung menschlicher Kräfte.118 Die EU betrachten dieses vernünftige Streben als ein Mittel zum Zweck, nämlich der Verstärkung der Macht für den Selbsterhalt.119

108  Vgl. EU, Dbl. 15/2v. 109  Vgl. ebd., Dbl. 15/2v f. 110 Spinoza: Ethica IV, 8. Definition. 111  EU, Dbl. 16/1r. 112 Trendelenburg: Über Spinoza’s Grundgedanken, S. 39. 113  Vgl. EU, Dbl. 16/1v f. 114  NR1, S. 12. 115  EU, Dbl. 16/1v. 116  Ebd., Dbl. 16/2r. 117  Ebd., Dbl. 16/2v. 118  Vgl. ebd., Dbl. 16/1v ff. 119  Vgl. ebd., Dbl. 16/2r.

Einführung in die Ethiſchen Unterſuchungen

39

Am Ende der Betrachtung hat sich somit für die EU die »eigenthümliche Stellung«120 der spinozistischen Auffassung bestätigt, da, soweit Spinoza den Zweck verneine, er sich zur materialistischen Position bewege und, soweit er ihn stillschweigend voraussetze, wieder zur teleologischen Weltansicht hinüberwechsle.121 Das zweite Kapitel bricht unvermittelt an dieser Stelle ab. Die zunächst angekündigte eingehende Untersuchung der beiden verbleibenden Weltansichten entfällt. Die Lösung ihres Konfliktes, die Aufgabe der Philosophie, bleibt jedoch als Problemstellung bestehen.

120  EU, Dbl. 17/2r. 121  Vgl. ebd., Dbl. 17/2r.

Ethiſche Unterſuchungen

Diplomatische Umschrift

Umschlag

Enthält Faksimiles und diplomatische Umschrift des Textes von Dbl. 0.

46

Diplomatische Umschrift

[Dbl. [0]/1r: Umschl., S. 1]

1

[ Nachl. Trendelenburg B 9,2 ]fr. H. II

2

Ethiſche Unterſuchungen.

3

[II.]fr. H. I

4

5 6

[1⟨=↶ –

fr. H. II⟩17

Doppelbll.. (9 = 3 Bll. 12 u. 12a)]fr. H. I

[ Film M 5950 – 1 ]fr. H. II

Handschrift B 9,2

Faksimile

47

Abb. 2: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. [0]/1r.

48

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Handschrift B 9,2

Abb. 3: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. [0]/1v.

[Dbl. [0]/1v: Umschl., S. 2]

Diplomatische Umschrift

49

50

Diplomatische Umschrift

[Dbl. [0]/2r: Umschl., S. 3]

Handschrift B 9,2

Faksimile

51

Abb. 4: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. [0]/2r.

52

Faksimile

Handschrift B 9,2

Abb. 5: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. [0]/2v.

[Dbl. [0]/2v: Umschl., S. 4]

Diplomatische Umschrift

53

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften

Enthält Faksimiles und diplomatische Umschrift des Textes der Dbll. 1–11. Die gesonderte Präsentation der drei Schlussfassungen erfolgt im Anschluss.

Diplomatische Umschrift

56

[Dbl. 1/1r: Kap. I., S. 1] [ 1 ]Pag, fr. H. II r1

Ethiſche Unterſuchungen.

1 2

Da ich mit ethiſchen Unter- r2 ſuchungen beſchäftıgt bın, r3

3 4a 4b 5

I. Der Ort der Ethik ⟪ im ↶i⟨m→n⟩⟨ Jnbegriff ⊄⟩ ⟨dem↘⟩ ⟨ der Wiſſenschaften ↶Jnbegriff der

Wiſſenſchaften.⟩⟫

Wo der Menſchengeiſt, ſei es im Einzel-

6

nen oder in der Menſchheit, ſein eigen=

7 '8 9 '10 11

thümliches Werk beginnt, ein Werk, das ausdrückt: da beginnt die Ethik, wenn

12

wir ſie im weitern Sinne auffaſſen.

ihm

nur dem Menſchen gehört und ſein Weſen auch

13

Jnwiefern ſie philoſophiſche Disciplin iſt,

14 '15 16

hat ſie mit der Philoſophie die Richtung auf

17

ſprung des Ganzen gemein: Denn wie

18 '19 20

ſehr auch die philoſophiſchen Lehren aus einander

21

laufende Kennzeichen der Philoſophie, daß

22

ſie im Gegenſatz gegen die bedingten

23

Stücke nach der Erkenntniß des unbe=

24

dingten ⟨ ↶ ⟩ Ganzen ſtrebt(,) das die Theile trägt.

25

auch

das Ganze der Erkenntniß und den Ur=

es

gehen mögen, ſo bleibt doch das durch=

Die Philoſophie, die unverrückt das Ganze

erlaube ich mır eın

r4

Fragment derſelben anzu- r5 legς – u. zwar üb⟨ ⟩f eıne r6

äußerliche Frage:

r7

üb. d. Ort ⟨dς↶pp⟩E

r8

Erläuterungen:

3 f. I. Der bis Wiſſenſchaften] Tr. ändert den Titel viermal ab, bevor er mit dem Verfassen des eigentlichen Textes beginnt. Die beiden im Faksimile noch erkennbaren nicht mehr gültigen Titelunterstriche in Grafit und Tinte für die ersten zwei der insgesamt vier Titelstufen werden im Sinne der Übersichtlichkeit der Darstellung innerhalb der Textgenese nicht berücksichtigt. r8 pp] Die Abbreviatur steht für lat. ›perge, perge‹. Der nachfolgende -Ansatz wird gestrichen.

⟨ die Theile tragenden ⟳ r9a die Theile tragenden ⟩

[1.]Pag

r9b

Handschrift B 9,2

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57

Abb. 6: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 1/1r.

58

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Abb. 7: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 1/1v.

[Dbl. 1/1v: Kap. I., S. 2]

r1 [ and. propoſitio. ]K

Erläuterungen: r1 and. propoſitio.] interne Randnotiz. Vermutl. mit Bezug auf die beiden Ausklammerungen ab der neunten Zeile. 8'–18 Obwol bis einzufügen.] Das in Winkelklammern markierte Textsegment wird in der dritten Textstufe (H.3) nicht mitgelesen. 19–25 Genau bis Ethik,] wie vorheriger Absatz in der dritten Textstufe (H.3) nicht mitzulesen. Die schließende Winkelklammer befindet sich auf Dbl. 1/2r, Z. 2.

Diplomatische Umschrift

59

im Auge behalten ſoll, wird eben dadurch

1

Sÿſtem, ideales Gegenbild eines realen

2

Ganzen. Was ſie denkt und darſtellt,

3

muß ſie im Sinne des Ganzen denken

4

und darſtellen. Jeder ihrer Theile

5

muß eine bewußte Beziehung zum Gan-

6

zen haben.

7 8' 9

nun

Obwol ſich ⟨nur↶erſt⟩ durch die Entwicklung

des innern Princips dieſer Zuſammenhang

10

erzeugt, ſo kann man doch auch dann

11

nicht, wenn man noch im Eingang und noch

12

vor der Disciplin ſteht, die Frage

13

umgehen, welches der Ort der Wiſſen-

14

ſchaft im Ganzen des Sÿſtems ſei. Es

15

iſt nöthig, wenigſtens in den äußern

16

Ueberblick des Ganzen den Theil ein=

17

zufügen.

18

Genau genommen, fallen alle Wiſſen=

19

ſchaften in die Ethik; denn die Erforſchung

20

des Wahren iſt eine ethiſche That und die

21

Gründung und Ausbildung der Wiſſenſchaf-

22

ten iſt eins der eigenſten Werke des

23

Menſchen. Aber deſſen ungeachtet bleibt

24

die Frage ſtehen, welche Stelle die Ethik,

25

60

Diplomatische Umschrift

1

inwiefern ſie einzelne Wiſſenſchaft iſt, zu in dem

2

von ihr umfaßten Jnbegriff aller einnehme.

3

Es handelt ſich dabei um den Eintheilungs=

4

grund der Philoſophie, der, wie die ⟨+↶Geſchicht=

5

[Dbl. 1/2r: Kap. I., S. 3]

Wollen wir nun

r1

den Ort einer Disr2 dıeſem r3' ciplin i⟨m→n⟩ Ganzen, r4

liche⟩ Betrachtung lehrt, weſentlich zwei Ge=

den Ort der Ethik im

r5

6

ſichtspunkten pflegt entnommen zu werden.

Jnbegriff der Wiſſen-

r6

7

Man gründet nämlich die Eintheilung ent=

ſchaften beſtimmen, ſo

r7

8

weder auf das verſchiedene Verhalten des

handelt es ſich

r8

9

Menſchen zu den Gegenſtänden der Wiſſen-

10

ſchaft oder auf ⟨ein(+)↶innere⟩ Unterſchiede

Erläuterungen:

13

und praktiſche Philoſophie, von dieſer die

14

Eintheilung in Logik, Phÿſik und Ethik.

15

Es iſt der Mühe werth, beide Weiſen

21 Plat.] Der Abkürzungspunkt befindet sich noch schwach erkennbar auf dem Falz des Korrekturrandes.

16

der Eintheilung zu unterſuchen, ehe

17

wir uns für eine derſelben entſcheiden.

18

Die Eintheilung der Wiſſenſchaft in

19

theoretiſche und praktiſche (,)geht, wenn

20

man die erſten Anſätze aufſucht, bis

21

in Plato’s Staatsmann zurück (Plat.

22

politic. p. 258): Ariſtoteles bildet

23

ſie auf ſeine Weiſe aus und legt ſie

24

dergeſtalt der Betrachtung des Gan-

25 '26 27

zen zum Grunde, daß ſie durch ihn ſich

11 12

der Gegenſtände ſelbſt. Von jener Art

iſt d z.B. die Eintheilung in theoretiſche

fortpflanzte und

bis in die neueſte Zeit ihre Geltung

1 f. inwiefern bis einnehme.] siehe die dritte Anmerkung auf Dbl. 1/1v, Z. 19–25.

r1–r8 Wollen bis ſich] Die spät ergänzte Variante wird in der dritten Textstufe (H.3) anstatt der beiden zuvor ausgelassenen Abschnitte gelesen. Mit einem Grafitstrich wird die Einweisungsstelle in der dritten Zeile gekennzeichnet. Die Variante ist bei Auslassung der unterstrichenen Koppelstelle in den Absatz hineinzulesen.

Handschrift B 9,2

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61

Abb. 8: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 1/2r.

62

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Handschrift B 9,2

Abb. 9: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 1/2v.

[Dbl. 1/2v: Kap. I., S. 4]

r1 [ Etwas ausfuhrlıcher r2 f. d. Vortrag. ]K

Diplomatische Umschrift

63

behauptete (Aristot. metaphys.VI. 1. eth. Nicom.

1

VI. 2-5)⟨ ⟩f

2

Ariſtoteles faßt die Gegenſtände theils

3

als unwandelbar und nothwendig - bei-

4

des iſt ihm daſſelbe, das das Nothwendige

5

nicht anders ſein kann - theils als ver-

6

änderlich und daher der Einwirkung

7 8' 9 10' 11

auf.

nach Arıſt.

frei gegeben . Wie nun den Gegenſtänden erkennenden

die Vermögen des E entſprechen, ſo ge= r3 ⟨ ⟩f das Unwandelbare hörte jenes dem wiſſenſchaftlichen Vermögen, r4

Gegenſtänden verhält ſich der Geiſt be=

12 13' 14 15' 16

trachtend, zu dieſen entweder handelnd

17

oder bildend. Darnach iſt die Erkenntniß

18

theils Erkenntniß der Betrachtung, theils

19

des handelnden Lebens, theils der bilden-

20

Erläuterungen:

den Kunſt und die Philoſophie theilt

21

r1 f. Etwas bis Vortrag.] Die Anmerkung gilt dem Hrsg. als ein Indiz dafür, dass es sich bei der dritten Textstufe (H.3) um einen Vortrag handelt.

ſich demgemäß in theoretiſche, praktiſche

22

und poietiſche. Aus welchen weitern

23

Gründen die theoretiſche Philoſophie ſich

24

in erſte Philoſophie, Phÿſik und Mathema-

25

5 Nothwendige] Tr. zeichnet unterhalb der -Schlaufe ein Strichlein, dessen Funktion vom Hrsg. nicht mehr zu ergründen ist.

tik thei, die praktiſche in Ethik, Oekono-

26

mik und Politik theilte und die Logik uals Werkzeug der Disciplinen voran-

27 28' 29

geſtellt wurde: das kann an dieſem Orte

30

und Nothwendige ⟨ ⟩f

11 Vermögen] siehe vorherige Erläuterung.

dagegen - das Veränderliche -

dieſes dem ⟨b↶Berathenden⟩ an; zu jenen Menſch

allen

Diplomatische Umschrift

64 1 2 3

unerörtert bleiben⟨,↶.⟩ ⟨bis↶Wir⟩ prüfen den erſten und allgemeinen Geſichtspunkt⟨ ⟩f Zunächſt bleibt der erſte Eintheilungsgrund

zweifelhaft, wenn für das Nothwendige das

4

wiſſenſchaftliche und für das Veränderliche

5 '6 7

u. poietiſche)

und Zufällige das berathende (praktiſche())

als das Gebiet

r1

Vermögen gewonnen werden ſoll. D⟨ie↶as⟩

der Freiheit

r2

der Thätigkeit Freigegebenen, ⟨↙,⟩ ſondern es

ſo daß beides zwei

r3

beſtimmt wird.

8

Nothwendige als das Unwandelbare liegt

9

nicht ueber dem Veränderlichen und darum

10 11 12

[Dbl. 2/1r: Kap. I., S. 5]

geht vielmehr durch das Veränderliche durch. Es iſt die eigentliche That der Wiſſenſchaft,

13

das Zufällige in Nothwendiges zu ver=

14

wandeln und im Veränderlichen das

15

verſchiedenen ⟪Ver=↶Ge= r4

mögen↶bieten⟫ zufallen r5

könnte,

r6

Unveränderliche zu erkennen. Noch

Durch die Wiſſenſchaft

r7

16

viel weniger kann man die innere Ver-

dehnt ſich das Gebiet

r8

17

wandtſchaft des Erkennens mit dem Gegen-

des Verände Nothwen-

r9

18

ſtande ſo verſtehen, daß das Nothwen-

digen fort u. fort

r10

19

dige durch ein beſonderes wiſſenſchaftliches

aus und ſchränkt

r11

20

Vermögen aufgefaßt werde, während das

ſich das willkürlich

r12

21

Veränderliche entweder der Einſicht ⟨ins Ha⟳ins Han= Veränderliche ⟨und↶ein⟩. r13

22 23 24 25

deln⟩ oder der Kunſt zufalle. Wenn man vielmehr auf den Vorgang der

Wiſſenſchaft ſieht, auf die Weiſe, wie das Nothwendige gefunden wird: ſo geſ hilft ⟨↙dabei⟩

Erläuterungen:

2 erſte] wird in der dritten Textstufe (H.3) nicht mitgelesen. 9 ueber] Tr. vergisst den -Kringel.

[2.]Pag

Handschrift B 9,2

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65

Abb. 10: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 2/1r.

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Handschrift B 9,2

Abb. 11: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 2/1v.

[Dbl. 2/1v: Kap. I., S. 6]

Diplomatische Umschrift

67

r1 Man kann in den ⟨↙Disci= fortwährend die Kunſt, die ſich im Ausführ= plinen⟩ 'r2 r3 Wiſſenſchaften die Theoreme baren bewegt, von den Rechnungen und

1 2

r4 und Probleme, die Lehr-

Conſtructionen der Mathematik bis zu

3

r5 ſätze und Aufgaben wie

den Experimenten der Naturwiſſenſchaft.

r6 Wiſſenſchaft und Kunſt

Ariſtoteles hat die Gebiete wie fertige un-

4 5' 6

r7 einander entgegenſtellen.

terſchieden, aber dabei nicht in ihrem Ent-

7

gegebene und

ſtehen u. Werden aufgefaßt. ⟨↙Darin liegt die Urſache⟩ r8 Wer nun beobachtet, wie Aufgaben des Fehlers. Grund dieſer Eintheilung ſchließt 'r9 r10 die ⟪⟨T⟩u↶Löſung ⟫ der Probleme Der andere Eintheilungsgrund(,) der ſich(+)

8 9' 10

r11 durch die Erkenntniß der

an den erſten anſchließt; indem er das

11

r12 Lehrſätze und der Beweis

Verhalten der menſchlichen Thätigkeit ins

r13 der Lehrſätze durch die

Auge faßt, das Betrachten, Handeln

r14 Ausführung von Aufgaben und Bilden. Es fragt ſich, ob ſich dieſe

12 13' 14 15' 16

Thätigkeiten auf ſolche Weiſe einander

17

ausſchließen, uns die Grundlage für

18

r15a bedingt iſt: der ⟪er⟨k↶ſ⟩ r15b ⟨en→ie⟩⟨n↶h⟩⟫t

das

das

r16 leicht ein, ⟨d→wie⟩ Wiſſen- nebengeordnete Arten zu ſein. Die

19

r17 ſchaft und Kunſt, Betrach-

Andeutungen, welche Ariſtoteles zur

20

r18 ten u. Bilden mit einan-

Unterſcheidung giebt, genügen ſchwer-

r19 der fortſchreiten und da=

lich. So ſoll ſich das Bilden dem Han-

21 22' 23

r20 her auch nicht das Gebiet

deln darin entgegenſtehen, daß jenes

r21 des Nothwendigen für die

einen Zweck außer ſich hab⟨e⟳e⟩, das Werk,

nämlich

in

einen

ſei trage,

r22 Wiſſenſchaft und das Gebiet dieſes ſich ſelbſt Zweck iſt , wie überdas

r23 des Veränderlichen für das haupt das richtige ⟨u→Wohlhandeln⟩ Ziel ſei. dergeſtalt 'r24 (die εὐπραξία im Sinne der εὐδαιμονία()) r25a Handeln u⟨ ⟩f die Kunſt r25b ⟨wie↶als⟩

durch drichtiges Handeln erreichten Glückſelig-

r26 geſchieden feſtzuhalten ſind, keit). Die nähere Betrachtung zeigt auch gehörten 'r27 r28 als fielen ſie zwei verſchie- hier eine Uebereinſtimmung. Der bildende r29 denen Vermögen zu(.)⟨↙an.⟩ r30

r31 nicht [Vortrag ]K

Erläuterung: r31 nicht] »nicht« stellt eine Alternativvariante dar, welche in der dritten Textstufe (H.3) in Zeile 21 f. anstatt »ſchwerlich« gelesen wird.

24 25' 26 27' 28 29' 30 31 32 33 34

Diplomatische Umschrift

68

[Dbl. 2/2r: Kap. I., S. 7]

1

Künſtler bringt allerdings ein Werk hervor, das

2

äußerlich daſteht. Wenn aber der Handelnde,

3 '4 5 '6 7 '8 9

z.B. der Tapfere, der Mäßige ⟨+++↶eine⟩ Wirkung

dem äußern Werk(.)(,) des Künſtlers - zu

10

geſchweigen, daß das Handeln, wenn es

11

im größern Maßſtabe erſcheint, in B blei-

12

benden Bildungen und Einrichtungen ⟨ ⟳ ⟩ hervor- ⟨ z.B. Anſtalten ⟳ z.B.

13 14

verhält ſich

bezweckt: ſo iſt dieſe, wie unſichtbar ſie auch dennoch

in die Kette der Ereigniſſe eingreife, gleich wie das

bringt wie lebendige, bewußte Kunſt-

vgl⟨ ⟩f noch Heft

r1

d⟨ ⟩f Geſch⟨ ⟩f dς⟨ ⟩f ⟨P↩olis⟩u. r2a Bog. 10. 1. 2. §. 3

Arıſt⟨ ⟩f polıt.

Anſtalten

werke. Wenn das Handeln ſich darum in

des Staats ⟳des Staats⟩

r2b r3 r4

r5a r5b r6

15

ſich ſelbſt Zweck ſein und ſich darum in

16

ſich ſelbſt vollenden ſoll, weil das Wohl-

Vgl. noch die Stelle

r7

17

handeln das letzte Ziel iſt: ſo iſt

b. Brandis no. 22

r8

18

dieſer Grund offenbar zu weit. Denn

aus eth. Nic. I. 1.

r9

19

das Wohlhandeln in jenem allgemeinen

20

⟨D↶Aber⟩ dagz z. erinnς: r10

Sinne der durch Handeln zu er⟪reic↶ſtre⟨h→b⟩⟫enden d. Werk iſt nicht beſſer

21

Glückſeligkeit (εὐπραξία) wird nicht

r11

als die Thätigkeiten;

r12

bloß durch das Handeln im engern

Denn die eigentliche Thä-

r13

23

Sinne, ſondern gleicher Weiſe durch das

24

wiſſenſchaftliche Betrachten und Künſt-

Conception der Kunſtwerke, r15

25

leriſche Bilden ins Werk geſetzt(.) erreicht.

tigk⟨ ⟩ft, d. urspr⟨ ⟩f, iſt die r14

u. das Kunſtwerk ist

r16

26

Ariſtoteles iſt uns deſſen ſelbſt ein Zeuge,

nur für dieſe da,

r17

27 '28 29

wenn er die menſchliche Glückſeligkeit in

um dieſe Thätıgk⟨ ⟩ft in

r18

22

will

der theoretiſchen für vollende⟨t↶n⟩ erachtet u.

Erläuterungen:

9 Künſtlers] kleines Strichlein unter dem Schluss-. Vermutl. ein zufälliges Artefakt des Schreibprozesses. Siehe auch Dbl. 1/2v, Z.5 und 11.

r1–r4 vgl bis §. 3] Tr. klammert den Verweis – vermutl. auf gleichlautenden Titel mit der Signatur ›B 17,10‹ im Nachlassverzeichnis – aus.

d. Beſchauen zu ver-

r19

vielfältigς⟨ ⟩f

r20

r7–r20 Vgl. bis vielfältigς] interne Randnotiz mit Verweis auf Textstelle in ungenannter Veröffentlichung von Christian August Brandis (1790–1867).

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69

Abb. 12: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 2/2r.

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Abb. 13: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 2/2v.

[Dbl. 2/2v: Kap. I., S. 8]

Erläuterung: 3' ff. hiernach] Besonderheit. Die Ergänzung in der Interlinearzeile wird anders als für Tr. üblich mit einem langen Einweisungsstrich der übernächsten Zeile zugewiesen. Die Funktion des zweiten Strichleins über der Ergänzung kann vom Hrsg. nicht mehr ermittelt werden.

Diplomatische Umschrift

71

alſo die Eupraxia des betrachtenden Lebens

1

auf die Höhe ſeiner Ethik ſtellt⟨:↶.⟩⟪⟨ſo↶B⟩↶Wenn⟫ hiernach

weit dieſer höhere Begriff des Wohlhandelns,

2 3' 4

des ſich durch Thätigkeit vollziehenden menſch=

5

lichen Zwecks durch alle drei Weiſen,

6

durch das Betrachten, das Handeln und ungeachtet alle drei wie Arten zu ein-

7 8' 9 10' 11

ander verhalten. Dann muß indeſſen ge-

12

fordert werden, daß ſie, obwol in dieſem

13

Allgemeinen übereinkommend, ſich ſonſt nicht mit einander vermiſchen, wie z.B.

14 15' 16

die Arten des Parallelogramms Qua-

17

drat, Rechteck, Rhombus und Rhomboid

18

in der Natur des Parallelogramms

19 20' 21

ſich

das Bilden hindurchgeht, ſo könnten deſſen

gleichwohl

ähnlich

derſelben

übereinkommen, ⟨u→aber⟩ ſonſt keine die eigenthümliche Natur des andern in ſich

22

enthält. Jſt dies nun bei den zum Grun-

23

de gelegten Begriffen der Fall? Das Be-

24

trachten iſt vielmehr ein Theil im Handeln,

25

⟨u↶wie⟩ im Bilden, als Erfordnerniß mit-

26

enthalten. Denn das Handeln muß von

27

Vernunft durchdrungen ſein und das Bilden

28

ſoll eine Jdee darſtellen u⟨ ⟩f zur An=

29

ſchauung bringen. Ebenſo iſt das Bilden

30

Diplomatische Umschrift

72 1

in dem Handeln, und Bet wie in dem Betrach-

2 '3 4

ten enthalten; denn das Handeln vollendet

5

ſtellung, die, wie das Kunſtwerk, ihrer

6

Jdee entſpricht, und das Betrachten bedarf,

7

wie ſchon gezeigt iſt, des Hervorbringens,

8

um ſich zu verwirklichen, und muß ſich

9

darſtellen, um ſich ⟨ander↶ſelbſt⟩ klar und andern

10 11

[Dbl. 3/1r: Kap. I., S. 9]

der

ſich erſt i⟨m→n⟩ ſittlichen Schönheit, in einer Dar=

zugänglich zu werden. Endlich vollzieht ſich

das Handeln im wiſſenſchaftlichen Beruf durch

12

das Betrachten und im künſtleriſchen durch

13

das Bilden auf eigenthümliche Weiſe.

14

Wer dieſe Beziehungen überdenkt, findet

15

die eine Thätigkeit mitten in der andern.

16

Es ſoll dabei nicht verkannt werden, daß

17

ſich die drei Rich Thätigkeiten, das Betrachten,

18

das Handeln und das Bilden nach den Rich-

19

tungen ⟪⟨i↘⟩⟨des↶hres⟩⟫ Zweckes unterſcheiden. Das Betra⟨+↶ch=

20

ten⟩ will erkennen⟨ ⟩f um zu erkennen; das

21

Bilden will hervorbringen, um einen

22

Gedanken anzuſchauen oder eine Empfin-

23

dung hinzuheften; das Handeln hingegen

24

will eine Wirkung als ſolche. Aber

25

dieſe verſchiedenen Zwecke, da ſie die an=

26

dern wechſelsweiſe als Mittel in ſich tragen,

[3.]Pag

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73

Abb. 14: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 3/1r.

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Abb. 15: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 3/1v.

[Dbl. 3/1v: Kap. I., S. 10]

Diplomatische Umschrift ſind nicht geeignet, um die Theile der

1' 2

Philoſophie mit ſcharfen Unterſchieden zu

3

allein

r1a ⟨ der ſpecif. Diffς ↶ r1b

der ſpecifiſchen

r2 Differenz⟩ r3

Würde daher eine

r4 Eintheilung der Philoſophie

75

begrenzen. Das Quadrat iſt, um zu⟨↙m⟩ obige⟨m→n⟩ 4

Beiſpiele zurückzukehren, in keinem Stücke ⟨ ⟳ ⟩ ein 5

Rhomb⟨b↶oid⟩, aber das Handeln ſchließt das Betrachten und das Bilden und dieſe

das Handeln umgekehrt in ſich(.) ein.

Auf ähnliche Weiſe verhält es ſich

r5 auf dem Grunde dieſer Be= mit den in neuerer Zeit viel genannten r6 griffe ſtreng ausgeführt,

und neben einander geſtellten Jdeen

r7 ſo wären Wiederholungen

des Guten, Wahren und Schönen. Sie

r8 unvermeidlich.

drücken daſſelbe als Gegenſtand aus, was

2

1

das

6 7 8' 9 10 11 12 13' 14 15' 16

i⟨m→n⟩ den Begriffen des Ha Betrachtens,

17

angeſchauet wird. Nur die oberflächliche

19

r11a kennς) Chalyb⟨a⟩fus

Anſicht vermag ſie zu trennen. Wer

r11b I. S. 7 ⟨5↶2⟩

in ihren Jnhalt tiefer eindringt, wird

20 21' 22

bald gewahr, daß man nicht den Jnhalt

23

der einen heben kann, ohne den Jnhalt

24

der andern mitzuheben.

25

r9 Plato⟨–⟩uGerſon im M. A. Handelns und Bildens als Thätigkeit r10

bonum (Begehrς) verum (Er-

r12 f⟨ ⟩f

r13 [ Jn die log. r14 Unt. 2t. Aufl. r15 aufgenomς. ]Ün

ſie

Wir begegnen im Mittelalter derſelben

18

26

oder einer mit Ariſtoteles verwandten Ein-

27

theilungen. Wir ſehen die Wirkung noch

28

im vorigen Jahrhundert, wenn Chr. Wolf

29 30' 31

u⟨ ⟩f Fıchte

u. nach ihm Kant die Philoſophie in theo= Erläuterungen:

r9 Plato⟨–⟩uGerſon] kann sich im inhaltlichen Kontext nur um einen Bis-Strich handeln.

r11a Chalyb⟨a⟩fus] Tr. vergisst das Trema.

13' f. Guten, Wahren] Umstellung zu ›Wahren, Guten‹.

Diplomatische Umschrift

76 1

retiſche und praktiſche eintheilen. Wenn

2

bald nach Wolf

3

Aeſthetik hinzufügte, ſo trat darin

4

die zurückgedrängte ποιητική des

5

Ariſtoteles von Neuem mit ihrem Rechte

6

hervor. Kant ſteht iſt, was die Einthei-

7

lung der Philoſophie betrifft, von ⟨W↶Chr.⟩ Wolf

8 9 10 11

Baumgarten die

abhängig. Man ſieht es deutlich, wenn man

⟨die↶Kants⟩ Architektonik der reinen Vernunft

mit der Einleitung zu Wolfs Logik ver-

gleicht.1) Wenn Kant, wie Wolf, die Philoſophie

12

zunächſt in theoretiſche und praktiſche eintheilt,

13

ſo hat darauf bei Kant, wie bei Wolf, die

14

Scheidung der Geiſtesthätigkeit in V Erkenntniß=

15

vermögen⟨ ⟩f und Begehrungsvermögen

weſentlichen

16

Einfluß.2) Aber die Ergebniſſe bei Kant

17

zeugen zugleich gegen die Richtigkeit

18 '19 20

dieſer Eintheilung. Die praktiſche Vernunft

21

und erzeugt theoretiſche Vorausſetzungen,

22

Poſtulate, welche der Kritik der reinen

23

Vernunft uzweifelhaft waren.

24 '25 26

und Gefühlsvermögen

r1 r2

beı ıhm

greift in das Gebiet der theoretiſchen zurück

Herbart gehört inſofern hieher, als auch nicht

er nicht die Philoſophie nach den Objecten ein=

27

Kant Kritik der reinen Vernunft. „Methoden⟨“⟩f-

28

1)

29

lehre⟨ ⟩f 3tes. Hauptſtück. 2t. Aufl. S. 874 ff. u. Wolf

30

[Dbl. 3/2r: Kap. I., S. 11]

2) Kant Kritik der Urtheils- r3 kraft. Ein 1790. Einleıtς

r4

III. S. ⟨2↶XX⟩.

r5

philosophia rationalis s. logica. 1728. discursus praeliminaris § 60 ff.

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77

Abb. 16: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 3/2r.

78

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Handschrift B 9,2

Abb. 17: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 3/2v.

[Dbl. 3/2v: Kap. I., S. 12]

Diplomatische Umschrift

79

theilt. Wenn er die Philoſophie als Bearbeitung

1

der Begriffe erklärt, ſo theilt er ſie nach

2

der logiſchen Thätigkeit ein, die ſie erforder⟨n⟳n⟩.

3

Aus den Hauptarten, wie die Begriffe bear-

4

beitet werden, ergeben ſich die Haupttheile

5

der Philoſophie: Jnwiefern es der Zweck iſt,

6

die Begriffe klar und deutlich zu machen, entſpringt die Logik. Jnwiefern gegebene

7 8' 9

Begriffe der Erfahrung Widerſprüche in

10

ſich tragen und ſie daher nach ihrer

11

beſondern Beſchaffenheit zu verändern

12

und zu ergänzen ſind, damit ſie denkbar werden: ſo ergibt ſich die Wiſſenſchaft

13 14' 15

der Metaphÿſik, welche auf ähnliche Weiſe,

16

wie bei Wolf und Kant, u in der

17

Pſÿchologie, Naturphiloſophie und natür-

18

liche⟨r→n⟩ Theologie ihre Anwendung findet.

19

ihm

ihm

Endlich werden Begriffe unterſchieden, welche

20

in unſerm Vorſtellen ein Urtheile des

21

Beifalls oder Mißfallens nothwendig her-

22

Erläuterung:

beiführen und die Wiſſenſchaft von ſolchen

27 ſä⟨m⟩ftlich]

Begriffen iſt die Aeſthetik. Angewandt auf

23 24' 25

Beim Vergleich mit der entsprechenden Übernahme der LU2 nutzt Tr. hier entweder eine alternative Schreibung zum dortigen »sämmtlich« oder vergisst den Geminationsstrich. Siehe auch Zeile 536 des in dieser Edition präsentierten Abdruckes von Kapitel ›XXI. Das System‹.

ihm

das Gegebene geht ſie in eine Reihe von Kunſt⟨ ⟩f

lehren über, welche man ſä⟨m⟩ftlich praktiſche

Wiſſenſchaften heißen können; praktiſche Philoihm

ſophie im engern Sinne heißt diejenige der

26 27 28 29' 30

Diplomatische Umschrift

80 1

Kunſtlehren, deren Vorſchriften den Charakter

2

der nothwendigen Befolgung darum an ſich tragen,

3

weil wir unwillkührlich und unaufhörlich den

4

Gegenſtand derſelben darſtellen.1) Dieſe Einthei=

5 '6 7 '8 9 10

lung wurzelt ganz in Herbarts eigenthümlicher

philoſophiſcher

Anſchauung und kann nur mit dieſer beur= ⟨Jndeſſen ſchon↘⟩ ⟨B↶bei⟩ einer

theilt werden: Zur vorläufigen Betrachtung ſpr⟪⟨e→i⟩ch⟨e↶t⟩n⟫ die folgenden einiges gegen die Stren-

11

ge dieſer Eintheilung: Zunächſt treten nach

12

dieſem Eintheilungsgrunde Logik und Aeſthetik

13

nicht ſcharf aus einander. Denn auch die Klar-

14

heit und Deutlichkeit der Begriffe gefällt u.

15

auch darauf kann ſich eine Kunſtlehre richten.

16

Jn Herbarts Schule iſt in der That dieſe Conſe-

17

quenz gezogen. Bobri⟨ck↶ks⟩ Logik2) überträgt

18

[Dbl. 4/1r: Kap. I., S. 13]

überträgt die Analogi⟨k→e⟩ der praktiſchen Philoſo=

19

phie auf die Erkenntnißlehre und entwirft

20

fünf(+) urſprüngliche und fünf abgeleitete logiſche

21

Jdeen, wie Herbart fünf urſprüngliche und

22

fünf abgeleitete praktiſche Jdeen darſtellt.

23

Der Grund der Eintheilung iſt hierdurch nicht ſcharf

24

genug. Ferner iſt es ſehr zweifelhaft, ob eine

25

ſolche Aufgabe be⟨d→i⟩ den Erfahrungs⟨g↶begriffen⟩ eine

26 27 '28 29 30 31

1) Joh. Frdr. Herbart Lehrbuch zur Einleitung in 3t. Aufl. ⟨+++↶1834.⟩

die Philoſophie. § 5 ff.

2) Dr. Ed. Bobri⟨ck↶k⟩ neues praktiſches Syſtem der Logik. I, 1.

urſprüngliche Jdeenlehre. Zürich 1838⟨ ⟩f § 12 ff⟨ ⟩f

[4.]Pag

Handschrift B 9,2

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81

Abb. 18: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 4/1r.

82

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Handschrift B 9,2

Abb. 19: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 4/1v.

[Dbl. 4/1v: Kap. I., S. 14]

Diplomatische Umschrift ſolche Aufgabe vorlieg⟨t↶e⟩⟨.↶,⟩ wie die von Herbart

behauptete metaphÿſiſche Berichtigung und Er-

gänzung. Was ⟨als↶für⟩ Widerſpruch angeſehen gewieſen worden, theils auch in der Bear-

beitung der Begriffe nicht wirklich weggeſchafft,

9

ſondern nur ſcheinbar für den Augenſchein ausgeglichen;1) theils ja, es darf gar nicht als

10 11' 12

Widerſpruch erſcheinen, wenn nicht ein falſcher

13

Maßſtab des Jdentitätsgeſetzes angelegt

14

wird.2) Endlich würde er ſich fragen, ob

15

nicht auch die aeſthetiſchen Begriffe und nament-

16

lich die praktiſchen Jdeen, wenn man den Wider-

17

ſpruch in Herbarts Sinne beſtimmt, denſelben

18

Widerſpruch in ſich enthalten, wie z.B. die

19

Jdee der Billigkeit nach Herbarts Auffaſſung

20

nicht ohne Verä die durch eine Handlung ein-

21

getretene Veränderung gedacht wird, welcher

22

Begriff nach Herbarts Metaphÿſik ſich in ſich

23

erklärt

r2 Aufl. 2 r3 aufgenomς ]Ün

1 2 3' 4 5' 6 7' 8

er in ihnen

r1 [ log. Unt.

83

wird, das wird theils, wie anderswo nach-

ſeiner metaphyſiſchen

wird

24 1) Logiſche Unterſuchungen B. I. S. 137 ff.

25

2) Logiſche Unterſuchungen B. II. S. 95 f.

26

84

Diplomatische Umschrift

1 '2 3

widerſpricht. Aus dieſen Gründen wird Herbarts

4

eigenen Vorausſetzungen, aber viel weniger außer-

5 '6 7

halb ſeines Sÿſtems halten können.

8

eignen, um einen Eintheilungsgrund der Philo-

fehlgeſchlagenen r2

9

ſophie abzugeben: ſo ſuchen wir ihn auf der

Verſuchen

10

andern Seite, in der Verſchiedenheit der Ge-

11

genſtände.

nicht einmal

Fundament der Eintheilung ſich kaum unter ſeinen

verſchiedene Verhalten

Sollte ſich hiernach d⟨ie↶as⟩ menſchliche⟨↙r ⟩ Thätigkeit nicht nach dieſen

12

Es begegnet uns auf dieſem Wege eine alte

13

Eintheilung, die zufolge einer Bemerkung des

14

Sextus Empiricus dem Keime nach bereits

15

in Plato liegt, aber erſt von den Stoikern

16

zur Norm des Sÿſtems genommen wurde. Es

17

iſt die Eintheilung der Philoſophie in Logik,

18

Phÿſik und Ethik.

19

[Dbl. 4/2r: Kap. I., S. 15]

Die alten Stoiker ſahen dabei die Phÿſik als

20

den Kern oder den Quell der Erkenntniß an;

21 '22 23

denn die Phÿſik, welche in die Vernunft der Natur

24

ihnen(,) wie in demſelben Sinne, wie dem Ariſto-

25

teles die Metaphÿſik, die göttlichſte unter

26

den Wiſſenſchaften. Sie vergleichen die Philoſophie

27

dem lebendigen Leibe eines Thieres und zwar

28

den logiſchen Theil den Knochen und Sehnen,

29

den ethiſchen dem Fleiſch und Blut, den phyſiſchen

göttlichen

als in den letzten Urſprung zurückgeht, iſt

Erläuterung: '22 göttlichen] Alternativvariante zu »letzten« in Zeile 23.

r1 r3

Handschrift B 9,2

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85

Abb. 20: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 4/2r.

86

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Handschrift B 9,2

Abb. 21: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 4/2v.

[Dbl. 4/2v: Kap. I., S. 16]

Diplomatische Umschrift

87

endlich der Seele⟨.→;⟩ ⟨O↶o⟩der ſie vergleichen nach

1

dem Bilde eines Eies den logiſchen Theil der

2

Schale, den ethiſchen dem Weißen, den phyſi-

3

ſchen dem Dotter; oder nach dem Bilde eines

4

fruchtbaren Ackers den logiſchen Theil

5

der Umzäunung, den ethiſchen der

6

Frucht, den phÿſiſchen dem Boden oder dem

7

Baume. Wie die Logik darnach als das

8

Zuſammenhaltende betrachtet wird, ſo bildet

9

die Phÿſik den geſtaltenden, hervorbringen-

10

den Mittelpunkt. Hiernach würde⟨↩n⟩ die

11

außen gehen, in der Reihe der Phÿſik, Ethık,

13

Folge d⟨er↶ie⟩ Theile, wenn wir von i⟨h⟩unnen nach

12

Logik auf einander folgen. Jndeſſen er-

14

kannten die Stoiker auf der einen Seite dıe

15

Wechſelwirkung der Theile ⟨u(.)↶,⟩ wollten keinen dem andern voranſtellen(,) u. änderten

16 17' 18

die Folge nach dem vorliegenden Zweck des

19

Vortrags u. der Lehre; auf der andern Sei-

20

te ſtellten ſpätere Stoiker nach der vor-

21

wiegenden Richtung, die ſie nahmen, die Ethik

22

in das eigentliche Centrum.1)

23

ſetzen

24 1) Diog. Laert. VII. 40

Sext. Empir. adv.

25

mathem. VII. 16 ff. vgl. Plutarch. De Stoicorum

26

repugnantiis. c. 9.

27

Erläuterung: 1–8 oder bis Baume.] Winkelklammern. Textsegment wird in der dritten Textstufe (H.3) nicht mitgelesen.

Diplomatische Umschrift

88 1 2

[Dbl. 5/1r: Kap. I., S. 17]

Da die Philoſophie ſtoiſche Eintheilung der Philoſophie aus der Sache⟨,↙⟩ entnommen iſt, ſo hat ſie ſich

aus dem innern

r1

3

neben jener ariſtoteliſchen bis in die neueſte Zeit

Verhältniß der

r2

4

behauptet.

Gegenſtände⟨ ⟩f

r3

5

Carteſius z.B. hat über die Eintheilung der

6

Philoſophie nur eine allgemeine Bemerkung,1)

7

aber ſie ſtimmt im Weſentlichen mit der ſtoi-

8

ſchen Einth Anſchauung. Carteſius ſagt, die

9

Philoſophie gleiche einem Baume. Seine Wurzeln

10

ſeien die Methaphÿſik - und er beſtimmt

11

ausdrücklich, daß die Principien der Erkennt-

12

niß, die Entwicklung der weſentlichen Attri-

13

bute Gottes, der Jmmaterialität der

14

Seele und aller klaren und einfachen Be-

15

griffe, die ſich in uns finden, zur Meta=

16

phÿſik gehören, ſo daß dieſe Disciplin im

17

carteſiſchen Sinne der B ſLogik der Stoiker

18

und dem metaphyſiſchen Theil ihrer Phÿſik ent-

19

ſprechen würde. Der Stamm jenes Baumes,

20

führt Carteſius fort, ſei die Phÿſik, die aus

21

ihm hervorwachſenden Zweige die übrigen

22

Wiſſenſchaften, welche auf drei zurückgehen,

23

Medizin, Mechanik und Ethik,(1)) ſo daß

24

wi⟨r⟳r⟩ in dieſen den andern Theil der ſtoiſchen

25 26

1) epiſt. ad principiorum philosophiae inter=

27

pretem Gallicum p. 10 f. nach der Amſterd. Aus=

28

gab. (+) 1685. p(.) 10 f(.)

[5.]Pag

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89

Abb. 22: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 5/1r.

90

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Abb. 23: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 5/1v.

[Dbl. 5/1v: Kap. I., S. 18]

Diplomatische Umschrift Phÿſik ſammt der Ethik vor uns haben. Man hat

Vergebens verſucht man aus Spinoza de intellectus r1

aber vergeblich(,) mit

1 2' 3

emendatione p. 417. f⟨ ⟩f eine Eintheilung de⟨s↶r⟩ Sÿſtems

4 5' 6

der menſchlichen Glückſeligkeit und Vollkommen-

8

heit, von einem Dienſt dieſes Studiums für

9

das ethiſche Ziel u. nicht von einer theore-

10

tiſchen Gliederung der Principien die Rede.

11

Es ſteht nichts im Wege, bei Spinoza eine

12

Eintheilung vorauszuſetzen, welche der des Car-

13

teſius verwandt iſt. ⟨Sein↶Jn⟩ ſeiner Ethik geht

14

tung⟨↙en⟩ im zweiten, wobei er die Principien

17

verſucht

Philoſophie zu gewinnen .⟨↙;⟩ Denn es iſt dort nur

r2 mit Unrecht(.) und ver- von dem Studium der Wiſſenſchaften für den Zweck r3 geblich.

91

7

er einen ähnlichen Gang, von der Metaphÿ-

15

ſik im erſten Buche zur ⟪⟨B→l⟩ogiſche⟨r↶n⟩⟫ Betrach-

16

der Phÿſik lemmatiſch zwiſchen legt, von da

18

zur Pſÿchologie der Leidenſchaften im 3t.

u. 4t. Buch u. endlich zur Ethik im

19 20' 21

engern Sinne, dem Ziel des Ganzen. Zwar

22

ſind auf dieſem Gange die wiſſenſchaft-

23

lichen Lehren durch den ethiſchen Zweck,

24

den das Ganze verfolgt, in ihrem Um-

25

fang beſchränkt und in ihrer Richtung ge-

26

bunden; aber es läßt ſich dennoch daraus

27

ein allgemeiner Entwurf der Eintheilung

28

im Sinne des Spinoza entnehmen.

29

im 5ten

Diplomatische Umschrift

92 1

Jn jenen ⟨B↶Vergleichen⟩ der Stoiker, in dem Bilde

2

des Carteſius und in der Anordnung des Spino-

3

za iſt der genetiſche Gang angedeutet, den die

4

Eintheilung verfolgen will. ⟨D↶Es⟩ ſollen die Disci-

5 6

[Dbl. 5/2r: Kap. I., S. 19]

plinen nicht in einem äußern Ueberblick neben einander geſtellt werden, ſondern ſie ſollen ſich

7

wie Bedingung und Bedingtes, Vorausſetzung

8

und Folge(,) K an einander reihen. Die

9

ſichere ſoll die Baſis der ſpätern ſein. Hegel will dies in einem noch ſtrengern

10 '11 12

Sinn, wenn er, wie die Stoiker, die Philoſophie

13

in Logik, Philoſophie der Natur und Philo-

14

ſophie des Geiſtes (()Ethik()) eintheilt. Die

15

dialektiſche Methode ſoll von Glied zu

16

Glied dieſen innern Zuſammenhang er-

17

zeugen. Wenn man namentlich bei dem

18

meiſt formalen Jnhalt der ſtoiſchen Logik

19

zweifelhaft ſein kann, wohin wo man ihr

20

ihren Ort anzuweiſen hat: ſo ſteht Hegels

21

Logik, die dialektiſche Vorbildnerin alles

22

Concreten, nothwendig im Urſprung. Jndeſſen

23

entſcheidet dieſelbe Kritik, welche genöthigt iſt,

24

⟨die dia↶Hegels⟩ dialektiſche Methode für eine Metho-

25 '26 27

ähnlich

de des Scheins zu erklären, auch über welche

künſtlıchς

dieſe Eintheilung, die aus der Dialektik

28

fließt. Wir müſſen daher die Ordnung der

29

Natur auf einem einfacheren Wege ſuchen.

Handschrift B 9,2

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93

Abb. 24: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 5/2r.

94

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Abb. 25: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 5/2v.

[Dbl. 5/2v: Kap. I., S. 20]

r1 [ Schon aufgenomς r2 in d. log. Unt⟨ ⟩f

r3 ⟨IIt↶2t⟩ Aufl⟨ ⟩f ]Ün

Diplomatische Umschrift

95

Jn der Eintheilung und Reihenfolge der

1

Wiſſenſchaften kreuzen ſich leicht zwei lei-

2

tende Geſichtspunkte, die Ordnung ⟨–↶,⟩ welche der

3

Entſtehung der Sache folgt, und die Ordnung,

4

welche der Gang des Lehrens und Lernens

5

nöthig macht. Die methodiſche Rückſicht durch-

6

ſchneidet die genetiſche Strenge. Denn die ge-

7

netiſche Betrachtung ſchöpft aus dem Grunde

8

der Sache, während ſich die methodiſche An-

9

ordnung den Bedürfniſſen des menſc ſich

10

entwickelnden menſchlichen Geiſtes anpaßt.

11

Wir finden dieſe Einſchränkung oder

12

Vermiſchung faſt in allen Sÿſtemen. Jn

13

Plato gehen die epagogiſchen Dialoge den

14

dialektiſchen voran: Ariſtoteles ver=

15

langt, daß man vor der Metaphÿſik, dıe

16

ſonſt von den erſten Gründen anhebt, die Logik vorherwiſſe und die Peripatetiker

17 18' 19

ſtellen überhaupt die Logik als das

20

Werkzeug der Disciplinen, als Organon,

21

vor den Jnbegriff derſelben. Von den

22

Stoikern iſt bereits angeführt, daß ſie die

23

Folge nach dem Zweck veränderten. Car=

24

teſius griff in ſeiner Schrift über die Metho-

25

de ſelbſt in die Ethik vor, um die Freiheit

26

der Unterſuchung zu ſichern: Chr. Wolf

27

Analÿtik

[unter=]Kus

28

96

Diplomatische Umschrift

1

unterſchied ausdrücklich zwiſchen der methodus

2

demonstrandi u. methodus studendi. Kant

3

Kant ſchickte ſeine ſteckte durch ſeine W

4

Kritik den Boden für das Sÿſtem ab und

5

ſchied Kritik u. Architekto⟨l↶nik⟩ ſehr deutlich.

6 7

Jn Hegels Lehre iſt bald die Phaenomeno=

logie als die Erziehung des Bewußtſeins zur

8 '9 10

ſpeculativen Erkenntniß, bald die hiſto-

11

der Philoſophie für eine nothwendige Vor⟨ſ↶be=

12 13 14 '15 16 '17 18 19 '20 21 22

der Encÿklopaedie

riſche Einleitung oder gar die ganze Geſchichte reitung⟩ erklärt, um den Standpunkt der

grundlegenden Wiſſenſchaft, der Logik, auf=

zufaſſen.

Namentlich iſt ein ſolches Hÿſteronprote= in

Logik, der Erkenntniß=

lehre⟨ ⟩f erſcheint ins= beſondere wie ein

wie ein Hyſteronproteron.

unvermeidlich. Als Theorie der Wiſſenſchaft

Hyſteronproteron⟩

ſie von

muß ſie in Principien eingehen, welche den übrigen Wiſſenſchaften angehören, und ⟨doch↶welche⟩

24 '25 26

doch kann ſie ihnen nicht wohl nachfolgen, den

denn ſie ſoll ih⟨r→n⟩en Grund ſichern u. ih den Bau vorzeichnen. Als Ergründung des

der meiſten Sÿſteme.⟫ im philoſophiſchen

zu einem Theil der Geiſteslehre, zu einer

30

Seite der Pſÿchologie. Aber als Logik hat

31

ſie die Aufgabe, nicht blo⟨s⟩f der Pſÿchologie,

r3b

↶ r4a r4b

↶ r5a r5b r6

r7 r8

Disciplinen

r9

Erläuterung:

31 blo⟨s⟩f.] vom übrigen Fragment abweichende Schreibung. Vermutl. Orthografiefehler.

r2

Syſtem den übrigen

Denkens ſteht wird ſie im genetiſchen Sÿſtem

29

r1

⟨ Die Stellung der Logik ↶ r3a

ron mit der Stellung der Erkenntnißlehre

kann ſie von ihnen erſt überkommt; und

28

⟪Die Stellung der

(Erkenntnißlehre) erſcheint

Bis zu einem gewiſſen Punkte

23

27

[Dbl. 6/1r: Kap. I., S. 21]

[6.]Pag

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97

Abb. 26: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 6/1r.

98

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Abb. 27: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 6/1v.

[Dbl. 6/1v: Kap. I., S. 22]

Diplomatische Umschrift

99

ſondern auch den Wiſſenſchaften, welche dieſer r1 Dies doppelte Verhält= nothwendig vorangehen, zur Wegweiſerın

1 2

r2 niß bringt in die

zu dienen. Daher wird man die Logik(,)

3

r3 Stellung der Logik

wie ſchon im Alterthum geſchah, d vor das

r4 ein Schwanken, und

ihren Ort an. genetiſche Sÿſtem ſtellen müſſen(.)(,) wobei

4 5' 6

r5 man weiſt ihr

ſich denn freilich mannigfaltige Voraus-

7

r6 meiſtens,

nahmen nicht umgehen laſſen.

8

Die Philoſophie entſteht im Unterſchiede von r7 [ Auf ]Ün

9

den einzelnen Wiſſenſchaften weſentlich daraus,

10

daß die nur vorausgeſetzten Principien der

11

einzelnen Wiſſenſchaften den Beweis ihrer

12

Berechtigung u. die zerſtreunten Anfänge

13 14' 15

Ganzen

den Zuſammenhang de⟨r↶s⟩ Einheit ſuchen.

Es iſt daher nothwendig, daß dieſe allgemeine

16

Aufgabe zunächſt erledigt werde. Denn

17

die beſondern Disciplinen empfangen da= durch ihren Urſprung und gegenſeitige

18 19' 20

Stellung. Es beſchäftigt ſich damit diejenige

21

Wiſſenſchaft, welche es von früh her unter=

22

nommen hat, das Seiende als Seiendes,

23

das Seiende als ſolches zu erkennen d.h.

24

das Seiende in jenem allgemeinen Sinn,

25

in welchem es nicht das Beſondere iſt, aber

26

den Grund des Beſondern in ſich trägt

27

- die Methaphÿſik. Sie wird daher, wie

28

die Logik, allen einzelnen Wiſſenſchaften voran=

29

Wurzeln

ihre

Erläuterung: r7 Auf] vermutl. abgebrochener Verweis auf Textübernahmen in die LU2.

Diplomatische Umschrift

100 1

[Dbl. 6/2r: Kap. I., S. 23] Erläuterungen:

gehen.

2

Logik und Metaphÿſik eröffnen hi nach dieſen

3

Betrachtungen die Philoſophie. Jndeſſen bilden ſie

4

vielleicht nur die beiden ſich einander bedin=

5

genden Seiten Einer und derſelben Wiſſen-

6

ſchaft, die wir als Logik im weitern Sinne

7

bezeichnen können. Dieſe Anſicht iſt

8

nothwendig, wenn es, wie nachgewieſen worden1),

9

ein vergebliches Bemühen iſt, eine formale Lo=

dann

7 ] Tintenfleck. Verursacht durch Tropfen einer unbekannten Flüssigkeit – z.B. Tee oder Wasser. Auch im Korrekturrand sind noch leichte Vergilbungen zu erkennen. r1 ff. den bis herausgegebenen] alternative Lesung der dritten Textstufe (H.3) zu »(dem Sÿſtem der)« in Zeile 23 f.

10

gik feſtzuhalten, wenn vielmehr der Vorgang

11

des Erkennens nur durch den Erwerb oder Beſitz

12

der realen Principien, welche den erkannten

13

Dingen zum Grunde liegen, begriffen werden

14

kann, wenn alle Nothwendigkeit auf eine Ge=

15

meinſchaft des Denkens und Seins als auf

16

ihren letzten Urſprung hinweiſt, wenn end=

17

lich die Lehre der Metaphÿſik nur von den=

18

ſelben Principien der Wiſſenſchaften, welche die

19

Erkenntnißlehre behandelt, und von keiner

20

andern Baſis ausgehen kann. Dieſer Paral=

21

lelismus des Denkens und Seins aus einer

22

innern Gemeinſchaft entſpringend, dieſe Ein=

23

heit der Logik und Metaphÿſik iſt in ( dem

den von mir

r1

24

Sÿſtem der ) logiſchen Unterſuchungen entworfen

früher herausge-

r2

gebenen

r3

25 26

1) Logiſche Unterſuchungen. Abſchnitt 1. Th. I. S. 4 ff⟨ ⟩f

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101

Abb. 28: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 6/2r.

102

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Abb. 29: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 6/2v.

[Dbl. 6/2v: Kap. I., S. 24]

Diplomatische Umschrift

103

und begründet worden. Erſt aus einer ſolchen

1

Grundlegenden Wiſſenſchaft kann die Gliederung

2

der⟨↩jenigς⟩ Disciplinen folgen, deren Principien ſie

3

auf

6

enthält.

Wenn man ſich in den Punkt hineinſtellt,

r1 [ Jn ⟨l↶die⟩ log.

welchem überhaupt erſt die Philo-

4 5

ſophie in ihrem Unterſchied von den ein-

7

r2 Unterſ. Ausg. 2.

zelnen Wiſſenſchaften entſteht: ſo wird ſich

8

r3 aufgenommen. ]Ün

der ſcheinbare Zirkel löſen, in welchem

9

eine ſolche Wiſſenſchaft die folgenden philo-

10

ſophiſchen Disciplinen zu begründen und doch

11

auf ihrem Grunde zu ſtehen ſchein⟪⟨e↶t⟩n⟫.

12

r4

Obwol die Philoſophie,

r5

wenn wir die Geſchichte fragen,

r6

in einer Einheit mit den

ſchaften in ihrer Zerſtreuung und in der

14

r7a

übrigen ⟪Disc↶Wiſſen

Geſtalt vor, die ſie ſich für ſich gegeben

15

r7b r8 r9

ſchaf⟨ten⟳ten⟩⟫

entſtand, ſo hat ſich durch d. Theilung der Arbeit längſt

r10

dieſer Verband gelöſt u.

r11

die Philoſ. fındet jetzt die

r12

u.ſ.w.

Erläuterungen: 6 ] Fleck von der Rückseite. 25 Vorgang-] schwach angedeuteter Trennstrich auf dem Bogenfalz.

Die Philoſophie findet die einzelnen Wiſſen=

13

haben. Die Logik ⟨wie↶und⟩ die Metaphÿſik ha⟨t→ben⟩ 16

in ihnen ihren Stoff der Betrachtung; ſie

17

finde⟨t↶n⟩ in ihnen Methoden und vorausgeſetz=

18

te Principien vor und ſie haben die

19

Aufgabe, ihren Urſprung und ihre Ein-

20

heit aufzuſuchen⟨↙.⟩(;) u(.) ⟨d↶D⟩urch dieſe höhere Auf- 21 faſſung der gemeinſamen Quelle, durch

22

dieſe gegenſeitige Regelung und Belebung

23

wird erſt der philoſophiſche Gehalt erzeugt:

24

Es kann nicht fehlen, daß in dieſem Vorgan⟨g⟩f-

25 [ge]Kus

26

r4–r12 Obwol bis u.ſ.w.] Die spät ergänzte Variante wird in der dritten Textstufe (H.3) anstatt des Textes in Zeile 5 bis 12 gelesen. Der neue Text ist dafür in Zeile 13 unter Auslassung der ersten vier Wörter in den Absatz hineinzulesen. Das »u.ſ.w« in Zeile r12 entfällt ebenfalls.

Diplomatische Umschrift

104

[Dbl. 7/1r: Kap. I., S. 25]

1

ge diejenigen Keime entſtehen, welche in

Erläuterungen:

2

der Entwicklung des Sÿſtems zu den Princi-

3

pien der philoſophiſchen realen Disciplinen

4

werden. Die vereinzelte⟨↙n⟩u Wiſſenſchaft⟨↙en⟩u

4 f. Die bis Geſtalten] Tr. ergänzt einige Pluralendungen. Die ersten beiden der vier Ergänzungen sind grafisch schwer zu erkennen. Nach Ansicht des Hrsg. müssen diese im Kontext des Änderungszusammenhanges jedoch erfolgt sein.

5 6 7

in ihre⟨r↶n⟩ geſchichtlichen Geſtalt⟨↙en⟩ werden von der grundlegenden Wiſſenſchaft der Logik

und Metaphÿſik vorausgeſetzt, aber die phi=

8 '9 10

loſophiſchen Disciplinen gehen in ihrer

11

Logik und Metaphÿſik greifen daher nicht

12

in die philoſophiſchen Disciplinen vor, ſon-

13

dern in die empiriſchen zurück.

14

dieſer

Gliederung aus derſelben hervor. Die

Es bedarf an dieſer Stelle einer allgemei=

15

nen Orientierung, welche am beſten durch

16

einen Blick auf die Geſchichte der Philoſophie

17

und der Wiſſenſchaften geſchieht:

18

übrigen Philo Wiſſenſchaften eins. Wir führen

20

nicht an, daß wir zur Zeit der Anfänge in

21

Thales, dem ioniſchen Phÿſiologen, einen Aſtronom

22

u. Geometer, in Pÿthagoras(,) einen Geometer

23

u. Harmoniker⟨↙,⟩ ſehen und daß ſchon damals

25

[ Fortzuſetzς auf

r1

Bog. 9. S. 2. ]K

r2

Als die Philoſophie entſtand, war ſie mit den

19

24

14 ff. Winkelklammer. In der dritten Textstufe (H.3) wird der in Zeile 14 beginnende Text übersprungen. Die Textauslassung endet auf Dbl. 9/1v, Z. 9.

die Analogien einzelner Wiſſenſchaften zu Welt-

in Demokrit einen

r3

Mechaniker

r4

anſichten ausgedehnt werden, wie dies ſ in der

26

Lehre des Pÿthagoras von der Zahl u. Harmonie

27

an einem klaren Beiſpiel hervortritt. Erſt in

[7.]Pag

Handschrift B 9,2

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105

Abb. 30: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 7/1r.

106

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Abb. 31: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 7/1v.

[Dbl. 7/1v: Kap. I., S. 26]

Diplomatische Umschrift

107

Plato wird die Philoſophie wahrhaft Sÿſtem, ein

1

ſelbſtbewußtes Ganze⟨s⟩u. Schon Plato ſtellt der

2

Dialektik, welche ihm die Methode der Philoſophie

3

iſt, das große Ziel, die bedingten Voraus=

4

ſetzungen der Wiſſenſchaften zum Unbedingten

5

der Jdee und die zerſtreuten Erkenntniſſe

6

zur Ueberſicht der Verwandtſchaft unter ſich

7

und mit der Natur des Seienden zu führen⟨ ⟩f

8

immer neuen, die wie abgeſtumpften An=

10

⟨B↶Jn⟩ dieſer Richtung lie⟪⟨f⟩u↶gen⟫ bei Plato die

9

triebe zu philoſophiſcher Betrachtung. Aber

11

in dem Drange nach der großartigen Ein-

12

heit verſäumt er den Z umgekehrten Zug

13

zum Beſondern. Wir finden bei ihm keine

14

Eintheilung des Ganzen in die einzelnen

15

Disciplinen und nirgends eine ſichere Er=

16

klärung über das Verhältniß der vereinzel=

17

ten Disciplinen Wiſſenſchaften und ihrer Me=

18

thoden uzur Philoſophie u. Dialektik. Denn

19

wenn auch Plato von einem Hinauf= und

20

Herabſteigen auf dem Gebiete der Jdee ſpricht,

21

ſo fehlt ihm doch in jenem vorwiegenden

22

Streben zur Jdee der beſonnene Entwurf

23

des Beſondern, der Gang zu den Wiſſenſchaften

24

zurück. Bei Plato heißt ſelbſt noch eıne

25

einzelne Wiſſenſchaft, wie die Geometrie, eine

26

108

Diplomatische Umschrift

1

Philoſophie (φιλοσοφία τιs), wie noch bei Ariſto-

2

teles ein wiſſenſchaftlicher Schluß φιλοσόφημα heißt.

3

Eine ſcharfe Scheidung, ein ausgeſprochener Gegen-

4

ſatz iſt zwiſchen der Philoſophie u. ihren Theilen

5

auf der einen, und den vereinzelten Wiſſenſchaften

6 '7 8

auf der andern Seite noch nicht da.

9

der Thatſache (τò ὄτι) und die Erforſchung des

nämlich

[Dbl. 7/2r: Kap. I., S. 27]

Es mag ſcheinen,

daß in Ariſtoteles

Ariſtoteles unterſcheidet die Auffaſſung

10

Grundes (τò δίοτι); er nennt jene ἱστορία

11

(z.B. de inceſsu animalium c. 1), u. man

12

hat dieſe hingegen in ⟨ſei↶Ariſtoteles⟩ Sinne

der Gegenſatz zwiſchen der Philoſophie und

r6

entſchieden werdς⟨ ⟩f

r7

er einen ſolchen Gegenſatz ablehnen. Die

15

Thatſache und der Grund gehören nach ſei=

16

ner Anſicht dergeſtalt zuſammen, daß

17

nach ſeiner Anſicht die genügende Erkennt-

18

niß der Thatſache zum Grunde führt (eth.

19

Nic. I. 2) und nur bisweilen erſt mit dem

20

Grunde die Thatſache hervorſpringt (analyt.

21

post. II. 8). Jn Ariſtoteles kann man dieſe

22

zwei Seiten der Erkenntniß nicht wie zwei

23

Gebiete der Wiſſenſchaft ſcheiden und am wenig-

24

ſten die Philoſophie vor jener ἱστορία ent-

25

gegenſtellen. Jn ⟪⟨d↶ſ⟩e⟨r↶i⟩⟨↩ner⟩⟫ oben berührten Ein=

Raum; und wie Ariſtoteles in der Phÿſik

r4

Wiſſenſchaften

14

27

r3 r5

φιλοσοφία nennen wollen. Jndeſſen würde

theilung der Philoſophie haben alle Wiſſenſchaften

r2

den einzelnen

13

26

r1

Erläuterungen: '7 ff. Strich. Der senkrechte oben leicht abgeknickte Strich zwischen Schriftspiegel und Marginaltext grenzt beide topografisch voneinander ab.

r1–r7 Es bis werdς] Der spät ergänzte Text ersetzt die getilgten Zeilen 3 bis 6.

Handschrift B 9,2

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109

Abb. 32: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 7/2r.

110

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Handschrift B 9,2

Abb. 33: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 7/2v.

[Dbl. 7/2v: Kap. I., S. 28]

Diplomatische Umschrift

111

diejenigen Naturwiſſenſchaften, welche die That-

1

ſache und nur dieſe darſtellen, z.B. die Thier-

2

geſchichte u(.) nicht ausſchließt, ſondern als

3

Grundlage für die Erforſchung fordert und

4

in ſie aufnimmt: ſo würde auch folge-

5

richtig zu der Politik die Geſchichte der

6

Staaten und die Beſchreibung der Verfaſſun⟨-⟩u gen, welche ίστορίαι ſind, als die περὶ

7 8' 9

τὰ ζῶα ίστορία, in demſelben Verhält-

10

niß ſtehen. Nach einer andern Seite liegt

11

eine andere Beſtimmung, die hier in Betracht

12

kommen könnte. - Ariſtoteles wendet bisweilen

13

das Bild des Werkmeiſters, der für die ver-

14

ſchiedenen Thätigkeiten der ausführenden Ar=

15

beiter gleichſam der Urſprung und die

16

Einheit iſt, auf die Wiſſenſchaften an und

17

bezeichnet die leitenden im Gegenſatz

18

gegen die ihnen untergeordneten mit dem

19

Namen der α τέχvαι άρχιτεκτονικαι (meta=

20

phys. V. 1) und die Philoſophie könnte

21

nun im vorzüglichen Sinne άρχιτεκτονική

22

heißen. Aber theils nennt Ariſtoteles ſie

23

nirgends ſo u. ſcheint vielmehr die erſte

24

Philoſophie, die Wiſſenſchaft der Urſprünge,

25

mit dieſem Bilde zu erläutern (metaphys.

26

I.⟨2↶1⟩.), theils würde auch auf dieſem Wege

27

ſo gut

Diplomatische Umschrift

112

[Dbl. 8/1r: Kap. I., S. 29]

1

keine beſtimmte Scheidung von den einzelnen

2

Wiſſenſchaften erzeugt werden. Hiernach iſt

3

auch bei Ariſtoteles eine ſcharfer Gegenſatz

Erläuterungen:

4

zwiſchen der Philoſophie und ihren Theilen auf

5 '6 7

der einen, und den vereinzelten Wiſſenſchaften

8

an den Grenzbeſtimmungen.

3 auch bis Ariſtoteles] Die Differenzierung zwischen Streichung und Unterstreichung ist im grafischen Befund nicht eindeutig. In Verbindung mit der Ergänzung aus der Interlinearzeile '6 kann sicher von einer Tilgung durch Streichung ausgegangen werden.

9

auch bei Ariſtoteles

auf der andern Seite noch nicht da. Es fehlt Erſt in de⟨r↶m⟩ alexandriniſchen Zeitalter voll=

10

zog ſich die Theilung der wiſſenſchaftlichen Ar=

11

beit entſchiedener. Die einzelnen Wiſſenſchaften

12

wuchſen damals durch einzelne Pflege, wie die

13

Grammatik in Zenodot, Ariſtarch und Ariſto-

14

phanes, die Geographie in Eratosthenes

15

und ſpäter in Ptolemaeus, die Aſtronomie

16

⟨in⟳in⟩ Hipparch, und die Geometrie gab in Eukli=

17 18

'24 obwohl] zum übrigen Fragment abweichende, heute korrekte Schreibweise mit .

des das große Beiſpiel eines einzelnen ſich

abſchließenden Sÿſtems und der ſich in beſtim=

19

ter Abfolge ergebenden nothwendigen Er=

20

kenntniſſe. Erſt in dieſer Zeit gehen die

21

einzelnen Wiſſenſchaften für ſich ihren Weg

22

und ſie löſen ſich, wie die Aſtronomie, die

23 '24 25

Geographie, die Mathematik, mehr u. mehr

26 '27 28

wie z.B. die hervorragenden Stoiker, fortwährend

obwohl

von der Philoſophie ab, wenn auch die Philoſophen, auch

auch in den einzelnen Wiſſenſchaften forſchten u⟨ ⟩f [8.]Pag

Handschrift B 9,2

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113

Abb. 34: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 8/1r.

114

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Abb. 35: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 8/1v.

[Dbl. 8/1v: Kap. I., S. 30]

Diplomatische Umschrift

115

ſie mit dem Ganzen der Lehre zuſammenbrachten,

1

wie wir dies z.B. in den Nachrichten ſehen, welche

2

uns Strabo über die geographiſchen Verdien-

3

ſte einzelner Stoiker erhalten hat. Selbſt

4

die neuplatoniſche Schule zerſchneidet nicht

5

ganz das Band mit den einzelnen Wiſſen=

6

ſchaften und in Proklus στοιχείωσις θεο-

7

λογικὴ verbindet ſie ſich auf ähnliche Weiſe

8

mit der Architektonik von Euklides Elemen=

9

ten, wie ſpäter Spinoza(.) ⟨↙thut.⟩

10

Elemente des Alterthums in träger Ueberlieferung friſtetet; als dann ein

14 15' 16

neues Leben in den einzelnen Wiſſen-

17

ſchaften regte: e⟨rk↶ntwarf⟩ z.B. Campa-

18

Nachdem das Mittelalter geſchieden war,

abgeſehen von das (,) ⟨nur↶der⟩ Theologie nur die wiſſenſchaftlichen ſich nun

11 12' 13

nella, um die Einſeitigkeiten zu vermeiden,

19

welche ſich in der Philoſophie aus dem vor-

20

wiegenden Jntereſſe einer einzelnen Wiſſen-

21

ſchaft erzeugen, eine Encÿklopaedie des Wiſſens. Aber gewiſſenhaft(,) wie Campanella,

22 23' 24

theils in der alten Scholaſtik theils im

25

ſo

neuen Geiſte der neuen Wiſſenſchaften

und Scheidung nicht bringen, welche in dem

26 27' 28 29' 30

Verhältniß der Philoſophie u. der eınzelnen Wıſſen=

31

2

ſtand, konnte er es zu der⟨↩jenigen⟩ Einigung 1

Erläuterung: 27' ff. Einigung bis Scheidung] Umstellung zu ›Scheidung und Einigung‹.

Diplomatische Umschrift

116 1

ſchaften zu einer höhern, aber ſchwierigen Auf=

2

gabe wurde. Unter dieſelbe wird man weder in

3

Carteſius, noch in Spinoza genügende Auskunft

4

finden. Zwar ſucht Carteſius, wie in ſeinen Me-

5

ditationen, in ſeiner Schrift über die Methode,

6 '7 8

für die Erklärung

einfache Prinzipien, und führt ſie⟨↙,⟩ namentlich

[Dbl. 8/2r: Kap. I., S. 31]

, wie in ſeiner

r1

nach der Seite der phÿſiſchen Erſcheinungen

Schrift der prin-

r2

9 '10 11

bi in ihre Folgen hinaus. Aber theils iſt die

cipia philoſophiae,

r3

12

die ethiſche Seite ziemlich leer aus, theils

13

fehlt der Geſichtspunkt, unter welchem ſich die

14

Philoſophie mit den einzelnen Wiſſenſchaften

15

aus einander ſetzen könnte. Spinoza hält

16

ſich überall mehr ⟪⟨i→v⟩⟨m↶om⟩⟫ P Metaphÿſiſchen aus mehr

17 18

es

Anwendung zu beſchränkt u. namentlich geht

im Eth Pſÿchologiſchen und Ethiſchen. Chriſtian

Wolf unterſcheidet das Rationale von dem

19

Empiriſchen und rückt mit dem vermeintlich

20

Rationalen in das Empiriſche, wie mit einem

21

nothwendigen Prinzip in den ⟨+↶gegebenen⟩ Stoff

22 23 24

vor. Aber erſt Kant übt an dieſen Begriffe⟨n⟩u die Kritik. Kant führt das Rationale auf

das Allgemeine und Nothwendige und das

25

Allgemeine und Nothwendige auf den Urſprung

26

im erkennenden Geiſte, auf das Element des

27

a priori zurück. J Aus dieſer Quelle ſchöpfte er Erläuterung: r2 f. principia philoſophiae,] Platzmangel. Komma befindet sich schwach erkennbar versetzt unterhalb der Zeile.

Handschrift B 9,2

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117

Abb. 36: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 8/2r.

118

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Abb. 37: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 8/2v.

[Dbl. 8/2v: Kap. I., S. 32]

Diplomatische Umschrift

119

die metaphÿſiſchen Prinzipien, mit denen er alle

1

Wiſſenſchaften befruchtete. Aber indem ihm auf ſubjecti=

2

vem Boden eine Transſcendentalphiloſophie ent=

3 4' 5 6' 7

ihm

ſt⟨and↶eht⟩, befeſtigte ſich eine K⟨u↶luft⟩ zwiſchen dem vermag

Subjective⟨m⟩f u⟨ ⟩f Objective⟨m⟩f und es ſtellt ſich

kein natürliches und geſundes Verhältniß zwiſchen

8

den einzelnen Wiſſenſchaften und der Philoſophie

9

herzuſtellen. Von Kant her überwog in

10

der deutſchen Philoſophie die Richtung auf apri-

11

oriſche Conſtruction und der Zwieſpalt mit

12

den einzelnen Wiſſenſchaften wuchs immer mehr.

13

Denn ſie wurden nicht ſelten ſo behandelt, als

14

gäben ſie für d⟨+↶i⟩e nothwendigen Erzeugniſſe

der Philoſophie nur die Beiſpiele her, und mußten

15 16' 17

ſich viel gefallen laſſen, um der Philoſophie zu

18

dienen. Sie ſträubten ſich dagegen mit dem

19

Triebe ihres eigenthümlichen Weſens und

20

trachteten nach einer autonomen Stellung

21

gegen die Philoſophie, der ſie entrathen zu

22

können meinten. Noch heute leidet das

23

wiſſenſchaftliche Studium an dieſem Widerſpruch.

24

Herbart iſt beſonnener verfahren. Jndem er

25

die Philoſophie in die Bearbeitung der Begriffe

26

ſetzt, empfängt er die Begriffe von der Em=

27

pirie ⟪⟨, ↶un⟩⟨e↶d⟩r⟫ nimmt ⟨di↶von⟩ ihr die Elemente be=

28

ſie

[wußt]Kus

Erläuterung:

7 Subjective⟨m⟩f bis Objective⟨m⟩f.] Deklinationsfehler.

29

Diplomatische Umschrift

120

[Dbl. 9/1r: Kap. I., S. 33]

'1 2

wußt . Bis ſo weit mögen wir ihm folgen. Aber

Erläuterungen:

3

die Weiſe, wie er die Aufgabe der Bearbeitung

4

auffaßt, iſt bereits ⟪⟨a↶o⟩b⟨g↶en⟩⟫ abgelehnt worden.

r4 3 Bll.] Notiz durch fr. H. II.* ergänzt hier die Angabe der fr. H. I auf Dbl. [0]/1r, Z. 5, welche besagt, dass es sich bei Bogen 9 um 3 Bll. handelt. Der Hrsg. konnte jedoch ermitteln, dass jenes in Dbl. 9 eingelegte Einzelblatt falsch zugeordnet wurde und eine Ergänzung von Dbl. 12a darstellt. In vorliegender Edition wird das fälschlich abgelegte vermeintlich dritte Blatt mit der Bogenzählung [12b] versehen. In Kombination von 12a und [12b] ergibt sich die dritte Schlussfassung.

5 6 7 8 9

u. ausdrücklich auf.

Jn den Anfängen der Geſchichte waren die Philo-

ſophie und die einzelnen Wiſſenſchaften eins und

es kann als ⟨ein↶das⟩ Ziel erſcheinen, daß ſie wieder eins werden. Aber dies Ziel iſt nur zu er=

reichen, wenn ſie beide ihre eigenthümliche Auf=

10

gabe und dadurch ihre gegenſeitige Stellung

11

richtig auffaſſen.

12

Es hilft nichts, wenn, wie in Kants Trans-

13

ſcendentalphiloſophie, der innere Zuſammenhang

14

des Allgemeinen mit dem Beſondern, das a

15

priori mit dem a posteriori, der Form⟨↩en⟩ mit

16

dem Stoff, des Jdealen mit dem Realen nicht

17

gefunden werden kann und zwiſchen dieſen Seiten

18

nur ein äußerliches Verhältniß zu Stande ge-

19 '20 21

bracht wird. Es kann nichts helfen und es er=

22

Schein philoſophiſcher Erkenntniß, wenn aus den

23

einzelnen Wiſſenſchaften unkritiſch u. heimlich

24

Elemente aufgenommen werden, welche ſür

21 nichts] Der erste Balken des wird durch Streichung des Kringels und Ergänzung des -Punktes zu einem geändert. Der zweite Balken wird durch das überschrieben.

als

zeugt n⟪⟨u→i↶c⟩⟨r↶ht⟩s⟫ einen verwirrenden, verderblichen

unter dem Namen

des reine⟨n↶r⟩

⟨Denkens↶Gedan= ken⟩

r1 r2a r2b r3

[9.]Pag [ 3 Bll. ]fr. H. II r4

Handschrift B 9,2

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121

Abb. 38: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 9/1r.

122

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Handschrift B 9,2

Abb. 39: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 9/1v.

[Dbl. 9/1v: Kap. I., S. 34]

Diplomatische Umschrift Erzeugniſſe des reinen Denkens galt ausgegeben

1

in vermeintlicher Selbſtbewegung(,) damit ſie ın

2

anſcheinender Selbſtbewegung ein nothwen-

3

diges Wiſſen erzeugen, das ſich hoch über

4

die einzelnen Wiſſenſchaften erhebe. ⟨Bei↶Auf⟩

5

einem ſolchen Wege iſt zwiſchen der Philoſophie

6

und den einzelnen Wiſſenſchaften, ſtatt daß ſie

7

ſi einander beleben ſollen, ein unheilbarer

8

Zwieſpalt unvermeidlich.

9

Es bleibt eine Thatſache, daß die Wiſſen-

r1

indem ſie ſich aus eige-

von ſelbſt

ſchaften, indem ſie aus ſich eine Methode ſuchen,

10 11' 12

welche ſich dem einzelnen Gegenſtande eigen=

13

thümlich anſchmiege,

14

in ſicherem Gange end-

r2 nem Bedürfniß Princi- los wachſen; und als einzelne Wiſſenſchaften r3 pien bilden⟨ ⟩f

ſei es in der Methode,

16

als ſie bei ihnen Hülfe ſuchen und zu Borg

17

gehen.

18 19

den Vorausſetzungen der einzelnen Wiſſenſchaften⟨ ,↙⟩

20

rückzuführen, die Wechſelwirkung, in welcher

22

die einzelnen Wiſſenſchaften für ſich ſtehen ⟨,↶nur⟩

23

r5 ſei es in den ⟨Me↶Prin= zu unterſuch⟨u→e⟩n u⟨ ⟩f auf den letzten Grund zur6 cipien,⟩

15

ſich nur ſo weit um die übrigen kümmern,

Es bleibt hingegen eine Forderung, die blinr4

123

21

beiläufig treten, zu einer durchgehenden und

24

nothwendigen zu erheben, die einzelnen

25

Wiſſenſchaften ⟨⟨v⟩u↶aus⟩ dem Gedanken des Ganzen

26

Erläuterungen:

9 unvermeidlich.] Der ab Dbl. 7/1r, Z. 14 in der dritten Textstufe (H.3) nicht mitzulesende Text endet hier. r2 Bedürfniß] vermutl. zufälliges Strichlein.

Diplomatische Umschrift

124 1

zu begreifen und von dieſem Mittelpunkt aus

2

neu zu beleuchten und zu beleben. Wenn die

3

Vorſtellung nicht leer iſt, daß die Wiſſenſchaften zu-

4

letzt Ein Ganzes darſtelle und Ein Leben habe, wie

5

die Welt, deren geiſtiges Gegenbild ſie zu

6

ſein trachtet: ſo ſind die einzelnen Wiſſenſchaften(,)

7

ſo lange ſie nur die aus einander geworfenen

8

Glieder, welche das Ganze ſuchen u. ⟨i→a⟩n dem

9

nie raſtenden Verſuche der Philoſophie Einen Leben

10

Theil zu haben trachten. Es liegt hier die mit

11 '12 13

mit ihr immer

14

es noch keine einzelnen Wiſſenſchaften giebt, da

15 16 17

[Dbl. 9/2r: Kap. I., S. 35]

ewig neue,

der Erkenntniß des Einzelnen wachſende⟨↩,⟩ und ſich nun vertiefende Aufgabe der Philoſophie. Wo

mag es ein Analogon der Philoſophie, ⟨u⟩u insbeſondere ihrer Metaphÿſik, in der Religion ge-

ben, wie bei den orientaliſchen Völkern, aber

18 '19 20

es giebt dort keine eigentliche Philoſophie.

21

ſchaften vorausſetzt, wird ſie damıt beginnen,

22

zu dem bezeichneten Zwecke die Methoden und

23

die Principien derſelben zu unterſuchen und

24

die letzte Quelle ihrer Nothwendigkeit zu erfor=

Erläuterung:

25

ſchen. Wenn es nicht möglich ſein wird, die logiſche

26 '27 28

That in den Wiſſenſchaften anders als aus den

29

Principien anders als in ihrer logiſchen

11 des] Über dem Wort sowie auf Höhe der zehnten Zeile befindet sich jeweils ein schräger Grafitstrich. Ob Tr. hier etwas intendiert – möglicherweise eine alternative Einweisung der älteren Hinzufügung –, ist für den Hrsg. nicht mehr zu erschließen.

die

Jndem die Philoſophie einzelne⟨↙n⟩ Wiſſen=

verſtehen

realen Principien zu begreifen u. die realen

r1

Handschrift B 9,2

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125

Abb. 40: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 9/2r.

126

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Handschrift B 9,2

Abb. 41: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 9/2v.

[Dbl. 9/2v: Kap. I., S. 36]

Diplomatische Umschrift

127

Wirkung aufzufaſſen: ſo werden Logik und Meta-

1

phÿſik in Eine Wiſſenſchaft zuſammengehen,

2

welche Logik im weitern Sinne heißen mag.

3

Jndem ſie die Principien und die ⟨einz↶Methoden⟩

4

ſie ihr Material. Wenn ihre Aufgabe gelingt,

5 6' 7

ſo werden aus ihrer Thätigkeit die erſten

8

philoſophiſchen Begriffe hervorgehen, welche

9

nun theils unmittelbar in die einzelnen

10

Wiſſenſchaften zurückfließen, theils die Beſtimmung in ſich tragen, die Principe der realen philo-

11 12' 13

ſopiſchen Disciplinen zu werden.

14

der einzelnen Wiſſenſchaften beobachtet, gewinnt an ihnen

oder der Grundgedanke

Man kann fragen, wie ſich denn dieſe Prin-

15

cipien der philoſophiſchen Realdisciplinen,

16

der Phÿſik und Ethik, zu einer concreten Er=

17

kenntniß entwickeln. Es iſt in dieſem Betracht

18

zweierlei denkbar. Entweder die Logik er=

19

mittelt eine Methode, welche dem abſoluten

20

Erkennen ⟪⟨z↶a⟩u⟨↙s⟩⟨ eig↶ſchließlich⟩⟫ zu eigen gehört, 21 oder die Methode der Philoſophie, wenn ſie

22

auch, nachdem das Princip gefunden iſt,

23

von dieſem her vorwiegend ſÿnthetiſch ver-

24

fährt, regelt ſich auf ähnliche Weiſe, wie

25

in den einzelnen Wiſſenſchaften. Das Erſte

26

iſt bis jetzt trotz kühner und großer

27

Verſuche mißlungen und die Fußſpuren

28

Erläuterung: 15–28 Man bis Fußſpuren] Das in Winkelklammern markierte Textssegment wird in der dritten Textstufe (H.3) nicht mitgelesen. Gilt bis Dbl. 10/1r, Z. 17.

128

Diplomatische Umschrift

1

ſchrecken, welche, wie in einen Jrrgang, ⟨+↶nur⟩

2 3

[Dbl. 10/1r: Kap. I., S. 37]

hineınführen, aber nicht herausweiſen. Wenn ⟨↙ nun ⟩ ſich vielmehr das Zweite al⟨s↶l↩eın⟩ das Sichere er(=)

4

einen Erfolg verſpricht, ſo wird bei der Ab=

Erläuterungen:

5

leitung aus dem Princip, bei der Entwicklung

1–17 ſchrecken bis fördern.] Das mit der schließenden Winkelklammer markierte Textsegment wird in der dritten Textstufe (H.3) nicht mitgelesen. Vgl. auch die Erläuterung auf Dbl. 9/2v.

6

des Grundgedankens die Kenntniß der ein-

7

zelnen Wiſſenſchaften wiederum mitwirken. Denn

8

jeder Keim bedarf der erregenden Reize,

9

damit er wachſe⟨(;)→.⟩ Die philoſophiſche That

10

wird darin liegen, daß das philoſophiſche

11

Princip ſ in der Gliederung des Beſon-

12

dern dargethan werde ⟨un↶thätig⟩ ⟨u↶ſei⟩ ⟨↙und für das ⟩ b erzeuge oder

r3

15

ten aufgefaßt wird, ſo werden ſich ihre

r5

16

Thätigkeiten gegenſeitig anerkennen und

anfeinden und hindern, r6

17

fördern.

ſondern ſich

13 14

18

Wenn auf dieſe Weiſe das Verhältniß

untergeordnete Be-

r1

ſondere die Principien

r2

bedinge.

r4

der Philoſophie und der einzelnen Wiſſenſchaf=

ſie einander nicht

r7

Jn dieſem Sinne ſetzen wir die „ logiſchen

19

Unterſuchungen“ voraus und wünſchen ſie

Der Ethik folgt hiernach r8

20 '21 22

als eine Vorbereitung der folgenden Ethik an-

eine Vorbereitung in d.

zuſehen, als das erſte Glied eines in ihrem

23

Logik voraus - u⟨ ⟩f wir ent- r10

⟨S↶Geiſte⟩ entworfenen Sÿſtems(.) Wir müſſen daher nehmen aus ihr nach frühern r11

24 25 26 27

Sÿſtems.

r9

auch von ihnen über den Ort der Ethik Belehrung

Unterſuchungen folgende r12

fordern.

Geſıchtspunkte für die

r13

Frage nach dem Ort

r14

der Ethık⟨ ⟩f

r15

Wenn die Grundbegriffe richtig ſind, welche als der Ertrag der „ logiſchen Unterſuchungen“ er=

26 f. Wenn bis er=] wird in der dritten Textstufe (H.3) nicht mitgelesen. r8–r15 Der bis Ethık] Spätvariante der dritten Textstufe (H.3) für Zeile 18 bis 25. Vgl. auch ausführlichere Erläuterung auf der nächsten Seite.

[10.]Pag

Handschrift B 9,2

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129

Abb. 42: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 10/1r.

130

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Handschrift B 9,2

Abb. 43: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 10/1v.

[Dbl. 10/1v: Kap. I., S. 38]

Diplomatische Umschrift

131

⟨ Dıe↶An ⟩

Erläuterung:

ſcheinen: ſo tritt an die Stelle einer nebenord-

Mit der Ausklammerung auf der vorherigen Seite beginnt eine Reihe von kleinteiligen Änderungsvorgängen, welche die dritte Textstufe (H.3), eine eigenständige zweite Fassung (F2), konstituieren. Diese Vorgänge erstrecken sich von Dbl. 10/1r bis Dbl. 11/1v, Z. 23. Wie schon bei den vorherigen Ausklammerungen und Varianten der dritten Textstufe bleibt der Text aus der zweiten Textstufe (H.2) erhalten. Beide Fassungen, (F1) und (F2), verlaufen parallel.

nenden Eintheilung eine Stufenfolge der Wiſſen-

wird

⟨ +↶treten ⟩

ſchaften . Denn dıe Erkenntniß muß ſich die

abſtufen, wie ihre Principien, welche ſie in ſich concentrieren, und die Wiſſenſchaften ſind ihrer

nur die erſchöpfende Darlegung der Erkenntniſſe. Die logiſchen Unterſuchungen gingen nun darauf erg⟨e↶a⟩ben

aus zu zeigen(,)⟨ ⟩f daß der Act des Erkennens, die Vermittlung des Denkens und Seienden,

9 10' 11 12 13' 14

des Subjectiven und Objectiven, durchweg nur

15 16' 17

durch Thätigkeiten geſchehn, welche dem Denken

18

und Seienden gemeinſchaftlich ſind. Sie er-

19

gaben ferner, daß ſich dieſe Principien, welche

20 21' 22 23' 24 25' 26

kann

ſich

logiſch und real zugleich ſind, dergeſta abſtufen r1 ſtufen ſich aus

1' 2 3' 4 5' 6 7' 8

ſetzt

und das Princip d⟨er↶ie⟩ höher⟨n↶e⟩ Stufe die nieist

dere voraus ſetzt und die niedere die

Bedingung der höhern iſt. Sie erg⟨e→a⟩ben,

27

hältniß den G, logiſch und real, den

28 29' 30

Gruppen der Wiſſenſchaften zum Grunde lie-

31

gen. Als logiſches Principien gehen ſie in

32

die Selbſtthätigkeit, in eine erzeu ſich ſelbſt

33

gewiſſe erzeugende That des Geiſtes zurück;

34

woraus die ſub als reale gehen ſie in

35

das thätige Weſen der Dinge. Nur aus dieſer

36

Einheit iſt die mächtige Nothwendigkeit zu

37

daß Principien in ſolchem gegenſeitigen Ver⟨ liegen⟳liegen ⟩

Diplomatische Umschrift

132 1

erklären, welche der Menſchengeiſt als eine

2

reale immer weiter in den Wiſſenſchaften

3

der Dinge hervorbringt. Hierdurch werden

4 '5 6

ſich die Wiſſenſchaften ord in derſelben Folge ordnen müſſen, wie ſich ihre Principien, die

7

Quelle ihrer Nothwendigkeit, abſtufen.

8

Als die erſte Stufe in der aufſtei=

9 '10 11

genden Linie, als die letzte auf dem

12

conſtructive Bewegung, welche als ein=

13

fache und urſprüngliche Thätigkeit nachge=

14

wieſen wurde, das erzeugende Princip

15 '16 17

für die Figuren im Raum, für die Zahlen

18

das Princip der reinen mathematiſchen Er-

19

kenntniß. Von ihr geht alle Möglichkeit

20

zu bilden und nachzubilden aus; in ihr

21

liegt der erſte Grund der Nothwendig-

22 '23 24 '25 26 '27 28

keit, welcher ſich durch alle ſpätern Z Stufen

29 '30 31

die

eint

Wege der Zergliederung erſchiene die

iſt

in der Zeit, überhaupt für die Formen ,

reinen

durchzieht. Die mathematiſchen Wiſſenſchaften im Sÿſtem der Wiſſenſchaften

nehmen hiernach die erſte Stelle ein. eint

Als die zweite Stufe erſchien die Erfahrung der materiellen Kräfte durch die Sinne. Es ſind

wurde nachgewieſen, daß die Sinne , ſo weit

[Dbl. 10/2r: Kap. I., S. 39]

Handschrift B 9,2

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133

Abb. 44: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 10/2r.

134

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Handschrift B 9,2

Abb. 45: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 10/2v.

[Dbl. 10/2v: Kap. I., S. 40]

Diplomatische Umschrift

die phÿſiologiſchen Unterſuchungen reich⟨en↶t⟩,

135 1

die Organe für ſpecificirte Bewegungen

2

ſind, und daß die Materie, ſo weit ſie ⟨↙uns⟩

3 4' 5

gefaßt und begriffen wird , durch Formen,

6

beſteht und

in deren Aneignung das Weſen der Sinne(,) zu deren allgemeinen Verſtändniß die

7 8' 9

Aufgabe vorausgehende Stufe der Erkenntniß

10

die Hülfe leiſtet. Jnwiefern die Erfahrung

11

durch die conſtructive Bewegung und der

12

Nachweis der Nothwendigkeit durch die

13

mathematiſche Erkenntniß bedingt iſt, wird

wurde ſie auf die zweite Stufe geſtellt.

14 15' 16

Die Bewegung mit ihren N nothwendigen

17

Formen wird zum Leitfaden im Materiellen, ſachen, durch die Richtung des Woher. Dieſe

18 19' 20 21' 22

zweite Stufe(,) iſt der Bereich der wir-

23

kenden Kräfte, der materiellen Urſachen⟨ ⟩f

24

wird

zugänglich iſt, nur durch die Formen ⟨↙auf-⟩

ſie die Trägerin

und offenbart ſich in den phÿſiſchen Uroffenbart ſie ſich

Hiernach nehmen die phÿſikaliſchen Wıſſen-

25

ſchaften im weitern Sinne - die Erkenntnıß

26

der Materie - die zweite Stelle eın.

27

Die dritte Stufe charakteriſirt ſich durch eine eigenthümliche Erhebung. Sie unterſcheidet

28 29

Diplomatische Umschrift

136 1

ſich von der zweiten und erſten, wie das

2

Organiſche vom Phyſikaliſchen und Mathe-

3

matiſchen, wie das Leben von nackten ma=

4 '5 6

teriellen Kräften und conſtructiver

7

auf dieſer Stufe durch die alten Begriffe

8

bedingt ein neuer Grundbegriff auftrete,

9

die Richtung der frühern umkehrend⟨↙,⟩(.) der

iſt

zuweiſen

Bewegung. Es wurde nachgewieſen, daß

10

Zweck(,) mit ſeinem Wohin, die innere

11

Zweckmäßigkeit, die auf einem die Kräfte

12

richtenden Gedanken ⟨ru↶beruht⟩. Ohne die frü=

13 14

[Dbl. 11/1r: Kap. I., S. 41]

hern Stufen iſt weder die Verwirklichung

noch die Erkenntniß des Zweckes möglich.

15 '16 17

Die frühern Stufen werden Mittel, die

18

Entwurf der conſtructiven Bewegung be=

19

ſonders in der Erkenntniß. Die Noth-

20

wendigkeit der frühern Stufe bleibt, aber

21

ein Gedanke verfügt über ſie(,) aus für

22

die Einheit eines Ganzen: für die Erzeu=

23

gung einer neue⟨n↶r⟩ Thätigkeiten. Der

dem Gebiete

materiellen Kräfte in der Natur, der

24

Gedanke eines Ganzen wird die Seele einer

25

phÿſiſchen Nothwendigkeit. Dieſe dritte

26

Stufe iſt der Bereich des organiſchen Lebens

27

in der Natur. Hiernach nehmen die Wiſſen=

[11.]Pag

Handschrift B 9,2

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137

Abb. 46: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 11/1r.

138

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Handschrift B 9,2

Abb. 47: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 11/1v.

[Dbl. 11/1v: Kap. I., S. 42]

Diplomatische Umschrift

139

ſchaften des Organiſchen, die Erkenntniß der

1

innern Zweckmäßigkeit in den Kräften

2

des Lebens, die dritte Stufe ein.

3

Ueber dem Organiſchen und auf dem Grund deſſelben erhebt ſich die vierte Stufe, das Ethiſche.

4 5' 6

Es fragt ſich, ob es da eine Ethik im engern

7

Sinne geben kann, wo es nur eine Phÿſik der

8

Kräfte giebt. Die Vorausſetzung alles Ethiſchen

9

iſt das Organiſche. Der Staat z.B., dieſe

10

ethiſche Bildung, iſt ein Organismus, aber

11

ein ſolcher, der, von dem blinden Organismus

12

der Natur weſentliche verſchieden, eine höhere

13

Stufe einnimmt. Der innere Gedanke, der

14

im Organismus der Natur verborgen liegt,

15

wird im Ethiſchen erkannt u. ſich ſelbſt be-

16

wußt. Der im blinden Leben gebundene

17

Zweck wird dadurch zugleich frei. Jn die-

18

ſem Betracht erſcheinen die ethiſchen Wiſſen=

19

ſchaften auf der vierten Stufe. Es wird eine

20

weſentliche Aufgabe ſein, dieſe Erhebung,

21

welche wir in den logiſchen Unterſuchungen

22

angedeutet wurde, als wirklichen Vorgang

23

zur Anſchauung zu bringen. ⟨ſ→Die⟩ Pſÿchologie,

24

eine

die man als die Höhe der organiſchen Wıſſen-

25

ſchaften anſehen kann, bildet inſofern die Grund-

26

lage des ethiſchen.

27

Erläuterung: 22 f. welche bis wurde,] wird in der dritten Textstufe (H.3) nicht mitgelesen. Das Komma hinter »Erhebung« in Zeile 21 entfällt somit für die Vortragsfassung (F2).

Diplomatische Umschrift

140 1

Jn dieſer Reihenfolge iſt die vorangehende Stufe

2

die Bedingung der folgenden; jene kann ohne dieſe,

3 '4 5

aber dieſe nicht ohne jene gedacht werden; jene

6

Daher ziehen ſich die Geſetze der niedern Stufen

7

durch die höhern durch und erſcheinen darin als

8

dienende Glieder. Die Phÿſik begründet ſich

9

durch die Rechnungen und Conſtructionen der

10

Mathematik, die Phÿſiologie durch die vereinte

11

Anwendung mechaniſcher, phÿſikaliſcher, chemi-

12

ſcher Geſetze; und die Ethik wird, wenn ſie

13 '14 15

nicht eine falſche und ſie ſelbſt gefährdende

16

die Geſetze des Lebens, als ſei ihre nothwen-

17 '18 19 '20 21 '22 23

dige Vorausſetzung gebunden ſein. Man

24 25

voran

muß als Bedingung da ſein, damit dieſe werde.

an

Selbſt⟨ſt↶ändigkeit⟩ begehrt, das Organiſche, an Beziehungen

erkennt die⟨s↶ſe⟩ Letzte in einzelnen Beiſpielen noch

leicht u. namentlich da, wo auf der höchſten der ethıſchen,

Stufe, ⟨die↶ſelbſt⟩ die Formel der erſten⟨↙,⟩ ⟨↙,⟩ wie- der mathematıſchen der erſcheint. Lange galt, um dies Eine an-

zuführen, der ariſtoteliſche Begriff der Ge-

26

rechtigkeit und wir finden ihn noch bei Leib-

27

niz. Wenn wir nun auf ⟨das↶ſein⟩ Weſen ſehen,

28 29 '30 31

[Dbl. 11/2r: Kap. I., S. 43]

ſo geht e⟨s↶r⟩ in die mathematiſche Faſſung, in die arithmetiſche und geometriſche Proportion demſelb⟨ ⟩fn

zurück. Es iſt in dieſem Sinne gezeigt worden,

r1

Handschrift B 9,2

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141

Abb. 48: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 11/2r.

142

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Handschrift B 9,2

Abb. 49: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 11/2v.

[Dbl. 11/2v: Kap. I., S. 44]

Diplomatische Umschrift

143

daß ſich auf der Grundlage der mathematiſchen

1

und phÿſiſchen Kategorien die organiſchen in

2

die ethiſchen erheben1). Es iſt keine wahrhafte

3

Ethik denkbar, die nicht in die Pſÿchologie, u.

4

keine Pſÿchologie, die nicht in die Phÿſiologie

5

als in ihre Bedingungen zurückginge. Es

6

hat für d⟨en↶ie⟩ richtige und lebendige Auffaſſung

7

und gäbe wurde, die Wiſſenſchaften wie getrenn-

10

des Wechſelverhältniſſes viel geſchadet, daß

8

es ſeit Plato g einem Bilde bei Plato g⟪⟨ä⟩u↶ang⟫

9

te Gebiete oder Felder zu betrachten, welche

11

neben einander liegend nur die Grenze

12

gemeinſam haben. Vielmehr wird durchweg

13

die vorang Thätigkeit des vorangehenden

14

Kreiſes in die Thätigkeit des folgenden auf=

15

genommen; und gerade durch dies Verhältniß

geſchieht es, daß die auf de⟨m↶r⟩ einen Gebiete

16 17' 18 19' 20 21' 22

zu erzeugen.

23

trägt

in

Wıſſen-

ſchaft

erworbene Nothwendigkeit dazu beiträgt(,)⟨ ⟩f in

eine neue Nothwendigkeit auf de⟨m↶r⟩ andern

Nach demſelben Princip ſollten ſich innerhalb

24

der einzelnen Stufen die einzelnen Wiſſen-

25

ſchaften abſetzen und ausbilden ⟪⟨(;)→.⟩ ⟨e↶E⟩⟫s ſind

26

⟪↙da⟨z⟩uu⟫

[⟨↙ Anfänge da, aber nur Anfgς ⟩]Kus

27 28 29 30

1) Logiſche Unterſuchungen II. S. 86 ff. Ge-

31

ſchichte der Kategorienlehre S. 370 ff.

32

Kapitel I – Erste Schlussfassung

Enthält Faksimiles und diplomatische Umschrift des Textes von Dbl. 12.

146

Diplomatische Umschrift

1

Anfänge ⟪⟨a⟩u+↶da⟫, aber nur Anfänge, wie z.B.

2

die reine Arithmetik von der Geometrie

3

unabhängig, aber dieſe von jener abhängig

4

erſcheint, und wie im Organiſchen die

5

Wiſſenſchaft der ſıch zu individuellern und

6

umfaſſendern Geſtaltungen erhebenden Reihe

7

des Lebens folgt. Auf dem phÿſikaliſchen Ge=

8

biete hingegen ſchwankt die Anſicht, ob

9 '10 11

man den erſten Grund in der Mechanik

12

der elaſtiſchen, expanſiven Gaſe finden ſoll.

13

Es iſt in der Unterſuchung der Kräfte noch

14

nicht hinlänglicher gelungen, das Urſprüng-

15

lich⟨e⟩u und Erſte von dem Bedingten und

16 17

[Dbl. 12/1r: Kap. I., S. 45] Erläuterung: r1 Beſſer bis Abſchn II?] Die interne Anmerkung bezieht sich auf den ab Zeile 26 mit Winkelklammer markierten Text. Siehe auch den Kommentar der genetischen Darstellung.

Phÿſik

der Feſten oder vielmehr in der Expanſion

Zweiten oder Dritten hinlänglich zu unter=

ſcheiden. Die Durchführung dieſes genetiſchen

18

Ganges bleibt daher der Zukunft vorbehalten;

19

aber wenn die Grundpunkte, die entſcheiden=

20

den Abſtufungen⟨ ⟩f richtig erkannt ſind, ſo

21

ſteht das Ziel klar vor unſern Augen;

22

und in demſelben Maße als man ſich ihm

23

nähert, wird die Methode ⟪⟨und ↶ſtren⟩⟨die↶ger⟩⟫ und

24 25 26 27

die Einſicht in die Nothwendigkeit umfaſſender werden.

Es iſt ſ eben der genetiſche Weg bezeichnet worden, der vom Einfachſten und Allgemeinen

[ Beſſer in Abſchn⟨ ⟩f II? ]K r1

[12.]Pag

Handschrift B 9,2

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147

Abb. 50: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 12/1r.

148

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Handschrift B 9,2

Abb. 51: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 12/1v.

[Dbl. 12/1v: Kap. I., S. 46]

Diplomatische Umschrift

149

ausgeht und zum Jndividuellen und Vi⟨+ſ↶elſeitigſten⟩

1

aufſteigt, der alſo von unten nach oben

2

führt(.) und zuletzt in das Gebiet führt, wel-

3

ches in unſerer Weltanſchauung die höchſte

4

Stelle einnimmt.

5

Die genetiſche Methode läßt indeſſen noch

6

eine andere Auffaſſung zu. Der eigentlıche

7

Urſprung der Dinge liegt nicht in den ſich

8

verſchlingenden einzelnen Bedingungen, ſondern in dem Unbedingten, das aus ſich

9 10' 11

iſt und aus ſich begriffen wird. Die Ab-

12

leitung, die dem Ausfluß aus dem Ur-

13

ſprung folgt, müßte hiernach mit dem

14

Unbedingten, mit der Jdee des Abſoluten,

15

mit dem Begriff Gottes beginnen, und aus dieſer Quelle die erſte und letzte

16 17' 18

Erkenntniß ſchöpfen. Da nicht die Zahlen oder

19

Figuren, nicht die endliche Bewegung, nicht

20

die materiellen Kräfte ⟪⟨d↶als⟩⟫ das ſchlecht-

21

Zerlegung zuletzt gefundenen Bedingungen:

24

in

wie die

hin Erſte ſind, ſondern vielmehr nur

22

die geſonderten Elemente, die let⟨z⟩u in der

23

ſo verlangen Viele, daß die wahrhaft ge-

25

netiſche Methode den eben beſchriebenen Weg

26

umkehr⟨t↶n⟩ u., wie Spinoza, aus Gott und

27

Diplomatische Umschrift

150 1

in der Form des Ewigen eine intuitiv erkenne.

2

Wir lehnen es nicht ab, daß die genetiſche

3

Methode in dieſem Sinne kann verſtanden wer=

4 '5 6

eine ſolche

7

den Erkenntniß liege. Aber ſie liegt nicht

8

in unſern Mitteln. Es iſt in den logiſchen

9

Unterſuchungen nachgewieſen worden1), daß wir

den; ja, wir mögen es einräumen, daß die Forderung in der Jdee der ſich vollenden=

10

von dem Abſoluten nur eine indirecte Er=

11

kenntniß haben. Schon dies muß uns abhal=

12

ten, zu wähnen; als ob wir eine adaequa=

13

te Erkenntniß des Unbedingten hätten, als ob

14

wir, indem wir ⟨ein↶das⟩ Unbedingte ſetzen, nun

15

auch dergeſtalt ſeinen vollen überſchwenglichen

16

Jnhalt beſäßen, um es ſicher und ſcharf zu

17

dem Princip der Ableitung zu machen. Wir

18

wiſſen, daß die Sonne die Quelle des Lichts iſt

19

u. der richtige Begriff der Sonne würde uns auch

20

den richtigen Begriff des Lichts geben. Aber

21 '22 23

deſſen ungeachtet unterſucht die Phÿſik das Licht

24

auch nur durch indirecte Schlüſſe erreicht. Sie

25

nimmt vielmehr den umgekehrten Gang, der

26

allein zuverläſſig iſt. Auf ähnliche Weiſe

deren Weſen

nicht unmittelbar an dieſer Quelle, welche ſie

27 28

1) Jm 20t. Abſchnitt. II, S. 337. ff⟨ ⟩f

[Dbl. 12/2r: Kap. I., S. 47]

Handschrift B 9,2

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151

Abb. 52: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 12/2r.

152

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Handschrift B 9,2

Abb. 53: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 12/2v.

[Dbl. 12/2v: Kap. I., S. 48]

Diplomatische Umschrift

153

widerſetzen wir uns den Conſtructionen aus

1

dem Abſoluten, die bis heute noch zu keinem

2

Heil geführt haben.

3

Jm Abſoluten ſcheide⟨n↶t⟩ ſich die Methode

4

des Erkennens von dem Wege des Urſprungs

5

ſchlechthin. Während es ſelbſt nie und

6

nirgends entſpringt, wird es aus dem

7

Entſprungenen erkannt. Nach der Richtung

8

⟨zu↘⟩welche⟨↙r⟩ uns das Bedingte anweiſt, ſetzen

9

des Entſprungenen aus dem letzten Ur-

12

ſprung⟨ ⟩f bleibt in demſelben Maße

13

wir das Unbedingte. Aber die Ablei=

10

tung des Bedingten aus dem Unbedingten⟨ ⟩f

11

zweifelhaft, als wir zwar nach einem

14

Zuge der Nothwendigkeit den unbeding-

15

ten Urſprung ſetzen, aber als endliche

16

Weſen den Begriff des Unendlichen ⟨↙nicht⟩

17

dergeſtalt zu vollziehen können, um

18

ihn wie einen endlichen Begriff gleich

19 20' 21

zu

einem Keime entwickeln⟨↙.⟩ zu kö

Hiernach iſt mit dem Orte der Ethık,

22

den wir für den Jnbegriff der Wiſſen-

23

ſchaften fanden, bereits eine Hinweiſung

24

auf die hervorbringenden Bedingungen,

25

auf den Grund der Ethik gegeben. Wir

26

folgen gehen derſelben nach. Erläuterung: 27 Platzmangel. Der Schlussstrich entfällt.

27

Kapitel I – Zweite Schlussfassung, dritte Schlussfassung (Teil 1)

Enthält Faksimiles und diplomatische Umschrift des Textes von Dbl. 12a/1r bis 1/v.

Diplomatische Umschrift

156

[Dbl. 12a/1r: Kap. I., S. 45a]

1

Anfänge da, aber nur Anfänge, wie z.B.

2

die reine Arithmetik von der Geometrie unab=

3

hängig, aber dieſe von jener abhängig erſcheint,

4

und wie im Organiſchen die Wiſſenſchaft der ſich

5

zu individuellern und umfaſſendern Geſtaltungen

6

erhebenden Reihe des Lebens folgt. Auf dem

7

phÿſikaliſchen Gebiete hingegen ſch⟨an↶wankt⟩ die

8

Anſicht, ob man den erſten Grund in der

Erläuterungen:

9

Mechanik des Feſten oder vielmehr in der

1–23 aber bis werden.] Das in Winkelklammern markierte Textsegment wird in der dritten Textstufe (H.3) nicht mitgelesen.

10

Phÿſik der elaſtiſchen, expanſiven Gaſe

11

finden ſoll. Es iſt in der Unterſuchung der

12

Kräfte noch nicht gelungen, das Urſprüng-

13

liche und Erſte von dem Bedingten ⟪⟨u⟨.⟩u ↶ode⟩⟨d⟨.⟩u↶r⟩⟫

14 15

Zweiten oder Dritten hinlänglich zu unter= ſcheiden. Die Durchführung dieſes geneti-

16

ſchen Ganges bleibt daher der Zukunft

17

vorbehalten; aber wenn die Grundpunkte,

18

die entſcheidenden Abſtufungen⟨ ⟩f richtig er=

19

kannt ſind, ſo tritt dadurch das Ziel hervor

20

und in demſelben Maße als man ſich ihm

21

nähert, wird die Methode ſtrenger und

22

die Einſicht in die Nothwendigkeit umfaſſender

23

werden.

24

Hiernach wird das Ethiſche zunächſt von dem

25

Organiſchen getragen, u. was die Ethik Eigen=

26

thümliches erzeugt, das erzeugt ſie auf der Vor=

r1 a.] Die Änderung zu Dbl. 12a scheint nach Vergleich des Schriftbildes durch fr. H. II vorgenommen worden zu sein. Der Hrsg. teilt deren mutmaßliche Feststellung, dass die Schlussfassung auf Dbl. 12a genetisch nach der Schlussfassung auf Dbl. 12 anzusiedeln ist, weil hier die dortigen Änderungen umgesetzt werden. Fassung 12a scheint Tr. für einen bestimmten Zeitraum gültig zu sein, da auf der zweiten Bogenhälfte von Dbl. 12a direkt mit dem nächsten Kapitel begonnen wird.

[12.]Pag [ a. ]fr. H. II

r1

Handschrift B 9,2

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157

Abb. 54: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 12a/1r.

158

Faksimile

Handschrift B 9,2

Abb. 55: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 12a/1v.

[Dbl. 12a/1v: Kap. I., S. 46a]

Diplomatische Umschrift

159 nun

ausſetzung dieſer Grundlage. Wenn ⟨der↶in⟩ dem

1' 2

Jnbegriff der Wiſſenſchaften der Ort der Ethik

3

richtig erkannt iſt, ſo weiſt er bereits

4

auf die hervorbringenden Bedingungen der-

5

ſelben hin. Wir gehen dieſer Spur weiter

6

nach.

7

r1 [ Ob ſchon hier r2 - üb. d. Theologıe

8

r3 als genet. Bdgς⟨ ⟩f

r4 dς⟨ ⟩f Ethik - wie r5 weıt? ]K

Erläuterung: r1–r5 Ob bis weıt?] interne Randnotiz. Tr. ist sich nicht sicher, ob und wie ausführlich er die Ansicht, dass die Theologie genetisch der Ethik als Bedingung vorangeht, noch an dieser Stelle behandeln soll.

Kapitel I – Dritte Schlussfassung (Teil 2)

Enthält Faksimiles und diplomatische Umschrift des Textes von Bl. [12b].

162

Diplomatische Umschrift

1

Hiernach wird das Ethiſche zunächſt von dem

2

Organiſchen getragen und was die Ethik Eigen=

3

thümliches erzeugt, das erzeugt ſie auf der

4

Vorausſetzung dieſer Grundlage. Wenn es der

5

Pſÿchologie gelingt, auf dieſem Grunde das Weſen

6

des eigenthümlich Menſchlichen zu beſtimmen: ſo

7

öffnet ſie dadurch die Quelle der Ethik den Weg

8

zu ihrem Princip.

9 10 11 12

[Bl. [12b]/r: Kap. I., S. 45b]

Es ergiebt ſich auf dieſe Weiſe der Ort der Ethik in dem Jnbegriff ⟨in↶der⟩ Wiſſenſchaften, in einem genetiſchen Sÿſtem.

Wir berühren den Einwurf, der hier nahe liegt.

13

Die Ethik hat ſeit Sokr. und Plato und beſonders

14

durch die chriſtlichen Darſtellungen eine Beziehung

15

zur Theologie. Jhr Princip wirkt(,) mit doppelter Kraft,

16

indem es als der Ausdruck des göttlichen Willens

17

erſcheint. Die ganze theologiſche Moral iſt auf

18

in dieſer Richtung entſtanden. Hierdurch kann es

19

ſcheinen, daß im genetiſchen Sÿſteme, wenn man nicht

20

das Gute von dem lebendigen Grunde des Gött-

21

lichen lostrennen will, d⟨ie↶er⟩ Ethik d⟨er↶ie⟩ Religions=

22 23

philoſophie vorangehen müſſe. Wir lehnen dies

ab. Denn einmal wird die Religionsphiloſophie, da

24

es ſich nicht um ein poſitives Religionsſÿſtem,

25

ſondern um philoſophiſche Erkenntniß handelt,

26

gerade erſt in d. Ethik ihre (+) Stütze haben und

27

eine Religionsphiloſophie vor der Ethik wird ein

28

zweifelhaftes Product. Es muß daher die Ethik

Erläuterung: 9 ff. Es bis Sÿſtem.] Das in Winkelklammern eingeschlossene Textsegment wird in der dritten Textstufe (H.3) nicht mitgelesen.

[12.b.]Pag, Ed. r1

Handschrift B 9,2

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163

Abb. 56: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Bl. [12b]/r.

164

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Handschrift B 9,2

Abb. 57: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Bl. [12b]/v.

[Bl. [12b]/v: Kap. I., S. 46b]

Diplomatische Umschrift

165

der Religionsphiloſophie vorangehen, ja es iſt

1

möglich, daß die Ethik - nach einer Seite hin -

2

die Bedingungen de⟨s↶r⟩ ⟨re↶Religion⟩ erſt aus ſich

3

hervorbringe. Jn⟨wief↶deſſen⟩ inwiefern noch ge=

4

ſo geht dieſe allgemeine ⟨Urſ↶Beziehung⟩ in

8

fordert wird, daß das ethiſche Princip in

5 6' ſeine⟨r→m⟩ Beziehung zum Unbedingte⟨m→n⟩ erkannt werde: 7 Verhältniß

die Metaphÿſik - die Grundlegende Disciplin

9

- zurück. Von dort her muß man die Ant-

10 11' 12

wie

wort auf die Frage ſuchen, ob das ethiſche Princip ⟨u→als⟩ Jdee durch die endliche Sphäre

13

des menſchlichen Weſens hindurchgehe, aber

14

aus dem Gedanken des Unbedingten quelle.

15

⟨D↶Jn⟩ dieſer metaphÿſiſchen Betrachtung liegt dıe

16

Göttlichen zu vertiefen u. auf dieſem Wege

19

Möglichkeit, auch den Urſprung der Philo=

17

ſophiſchen Ethik in den Grund⟨g↶Gedanken⟩ des

18

der philo theologiſchen Moral zu begegnen:

20

Aber ihre Entwi Begründung liegt in der

21

Entwicklung des menſchlichen Weſens als ſol-

22

chen - u. nicht in der vorweggenommenen

23

Thatſache einer poſitiven Offenbarung.

24

Auf dieſe Weiſe beſtimmt ſich nach den

25

Vorausſetzungen, die das Princip der Ethik

26

in ſich trägt, ihre Stellung zu den Wiſſenſchaften

27 28' 29

genetiſchen

vor ihr u. nach ihr, ihr Ort im Sÿſtem.

30

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik

Enthält Faksimiles und diplomatische Umschrift des Textes von den Dbll. 12a/2r–17/2v.

Diplomatische Umschrift

168 1 2

II. Die organiſche Weltanſicht als Grund= lage der Ethik.

3 4

Jede philoſophiſche Disciplin ſteht auf dem

[Dbl. 12a/2r: Kap. II., S. 1] [ Eigentlich voran:

r1

Über die me-

r2

taphyſıſche Grund-

r3

lage der Ethik

r4

5

Grunde des Ganzen und nimmt aus dem

6

Ganzen den Urſprung. Die Logik und Meta=

Dann üb. d. pſycho-

r6

7

phÿſik haben daher die Aufgabe, für die phi=

log. (phyſ.) ]K

r7

8

loſophiſchen Realdisciplinen dieſen letzten

9

Grund zu legen.

10

r8 Erläuterung:

Jn dieſem Sinne ſtreben die „logiſchen

11

Unterſuchungen“ dahin, die Jdee im Geiſte

12 '13 14

einer organiſchen Weltanſicht zu erreichen

15

Begriff aufzunehmen und vorauszuſetzen.

r1–r8 Eigentlich bis (phyſ.)] interne Randnotiz. Tr. notiert, dass dem zweiten Kapitel jeweils noch eines zur metaphysischen sowie zur psychologischen Grundlage der Ethik vorangehen müsse.

muß

und die Ethik hat den dort gewonnenen

16

Da es ſich nunmehr um die beſondere

17

Beziehung dieſer Grundlage zur Ethik han=

18

delt, ſo erörtern wir ſie noch einmal

19

und zwar mit dieſer beſondern Rückſicht.

20

r5

Je nachdem die Betrachtung auf der phy-

21

ſikaliſchen Stufe der materiellen Kräfte ver=

22

harrt und darnach die Anſicht des Ganzen

23

entwirft, oder aber ſich zum Organiſchen

24

erhebt, das in der Harmonie der Thätigkeıten

25

und in der Unterordnung der Theile einen

26

richtenden Gedanken offenbart, und unter dieſe

27

[ana=]Kus

r9

Handschrift B 9,2

Faksimile

169

Abb. 58: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 12a/2r.

170

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Handschrift B 9,2

Abb. 59: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 12a/2v.

[Dbl. 12a/2v: Kap. II., S. 2]

Diplomatische Umschrift

171

Analogie das Univerſum ſtellt: ſo

1

ergiebt ſich, wie gezeigt wurde, die

2

phÿſiſche (mechaniſche) oder aber die und ihrem Wege entgegen geſetzt, u(.)

3 4' 5 6' 7

in einem durchgehenden Kampfe be-

8

griffen und zwar in einem Kampfe,

9

der zuletzt den Glauben an unſer

10

eigenes Weſen u. unſern eigenen

11

Werth trifft. Dieſe ⟨(+)↶beiden⟩ Weltanſichten

12

beide

organiſche Weltanſıcht; in ihrem Ziel einander

wurden in dem letzten Abſchnitt der lo=

13

giſchen Unterſuchungen einander entge=

14

r1 in der Geſchichte der

gengeſtellt.1) Die eine wird von den ma-

15

r2 Philoſophie

terialiſtiſchen, die andere von den idealen

16

Sÿſtemen in de ausgeführt und vertreten.

17

Daß es ſich zuletzt um dieſe beiden

18

Anſchauungsweiſen handelt, läßt ſich auch

19

aus allgemeinen Verhältniſſen darthun.

20

Erläuterungen: 28 V⟨tr.⟩u.] grafischer Befund nicht eindeutig. Die Abbreviatur kann nur aus dem Kontext erschlossen werden. Bei dem verwiesenen Werk handelt es sich um einen ehemaligen Vortrag Tr’s. 33 S. ⟨2⟩f53 ff.] Fehlverweis. Korrekt ist S. 353 ff.

'r3 r4 r5

Es iſt die Aufgabe der Philoſophie, das Ganze der Erkenntniß in ſeinem Urſprung

22

zu beſtimmen. Wie nun jedes Ganze in

23

den Endpunkten ſeiner Richtungen, in den

24 25' 26' 27' 28

2)

vgl.

das V⟨tr.⟩u über den letz Abhandlung(:) über den

letzten Unterſchied der philoſophiſchen Syſteme

29

in den Denkſchriften der K. Akademıe der Wıſſenſchaften 1847.

30

⟨↙

31 32' 33

Das Unbedingte und 1) Logiſche Unterſuchungen. Abſchnitt XX. II. S. ⟨2⟩f53 ff.

die Jdee

21

172

Diplomatische Umschrift

1

Gegenſätzen ſeines Weſens am ſchärfſten aus-

2

einander tritt und zugleich ſich ſelbſt be-

3

grenzt: ſo hat auch die Philoſophie in dem

4 '5 6

weiteſten Gegenſatz der Erkenntniß ⟨die↶ihre⟩

7

[Dbl. [13/1r: Kap. II., S. 3]

zugleich

letzten Grenzpunkte und den nächſten Anhalt für die Unterſuchung. Als ein ſolcher

8

Gegenſatz, der, unter den verſchiedenſten

9

Geſtalten immer wiederkehrend(,) wie das

10

Grundthema aller Metaphÿſik, aller

11

Philoſophie erſcheint unter den verſchie=

12

denſten Geſtalten immer wiederkehrt, er=

13

ſcheint⟨↩en⟩ der ſich ſelbſt und anderes erkennen-

14

de Gedanke auf der einen Seite und die

15

blinden äußern Kräfte auf der andern.

16

Sie heißen bald Jdee und Materie oder

17

λόγος und ὑποκείμενον, bald extensio

18

und cogitatio, bald Subjectives und Objecti-

19 '20 21

ves; aber dieſe verſchiedenen Ausdrücke(,)

22

eines und deſſelben letzten Gegenſatzes. Wenn

23

gleich ⟨in↶bei⟩ dieſen Ausdrücken Vorgänge ⟨zu↶ge=⟩

24 25

Anſchauungs

bezeichnen nur verſchiedene Ausdrucksweiſen

denken ſind⟨,↶dacht⟩ werden müſſen, welche in

ſich mannigfaltig und vielfach ſind, ſo

26

gleicht ſich doch inſofern auf beiden Seiten

27

die Vorſtellung zu einer Einfachheit aus,

28

als ſ die Glieder des Gegenſatzes in ſich

[13.]Pag

Handschrift B 9,2

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173

Abb. 60: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 13/1r.

174

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Handschrift B 9,2

Abb. 61: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 13/1v.

[Dbl. 13/1v: Kap. II., S. 4]

Diplomatische Umschrift

175

gleichartig ſind und das Weſen ⟪ih⟨r↶d⟩er⟫

1

Richtungen auf der einen Seite durchweg

2

von der andern verſchieden iſt. Die

3

Kräfte der Materie - und was uns Materie

4

heißt, kennen wir nur in Kräften und Thätig=

5

keiten, ſtehen zunächſt, wie die Phÿſik ſie

6

auffaßt, dem Gedanken fremd gegenüber.

7

Der Gedanke bildet ſie nach und findet

8

ihre Geſetze; aber was ſie ſind, das ſind

9

ſie ohne ihn(,) als nackte Kräfte, denen

10

kein beſtimmender Gedanke zum Grunde

11

liegt, ohne ihn. Der Gedanke hingegen,

12

der anderes und ſich ſelbſt denkt, er(=)

13

ſcheint im letzten Grunde nur aus ſich

14

ſelbſt verſtändlich zu ſein.

15

Bei näherer Betrachtung weiſen die bei-

Gegenſätze den Endpunkte(,) auf eine Gemeinſchaft hin.

16 17' 18

Es giebt Anordnungen der Kräfte, wie ⟨in↶auf⟩

19

dem Gebiete des Lebens, in den organi=

20

ſchen Bildungen durchweg, welche nur

21

durch einen zuſammenhaltenden richtenden

22

Gedanken verſtändlich ſind. Jn dieſen ſcheınt letzte

der Gedanke das Beſtimmende zu ſein.

23 24' 25

Umgekehrt wird der Gedanke, ſo weit

26

wir ihn im Menſchen kennen, durch die

27

Kräfte bedingt, welche ihn tragen u. mit er=

28

Diplomatische Umschrift

176 1

zeugen. Das Verhältniß dieſer Gemeinſchaft

2

bleibt die erſte Aufgabe.

3

Wenn nun die Betrachtung die blinden

4

Kräfte und den bewußten Gedanken einander

5

gegenüberſtellt und der Einheit entgegen-

6 '7 8

führen will: ſo ergiebt ſich eine dreifache

9

dem Gedanken, ſo daß der Gedanke nicht das

nackte

Möglichkeit. Entweder ſteht die Kraft vor

10

Urſprüngliche iſt, ſondern das von blin-

11

den Bewegungen Hervorgebrachte, ein Pro-

12

duct und Accidenz der materiellen Kräfte; -

13

oder der Gedanke ſteht voran, ſo daß

14

die blinden Kräfte nichts für ſich ſind, ſondern

15

vielmehr nur der Ausfluß oder das Erzeug-

16

niß des Gedankens; oder endlich Gedan-

17

ke und Kräfte ſind im Grunde dieſelben(.)

18

und unterſcheiden ſich nur in unſerm Verſtande.

19

Nur dieſe drei Stellungen von Gedanken

20

und Kraft kann es geben u. es ſind darin

21

drei Grundanſichten beſtimmt. Jn der er=

22

ſten herſchen die materiellen Kräfte; in

23

der zweiten iſt der Gedanke das Ueber=

24

geordnete; in der dritten laufen beide,

25

nur im Verſtande unterſchieden, in der Auf-

26

faſſung einander parallel.

27

Man könnte vielleicht meinen, daß ſich

[Dbl. 13/2r: Kap. II., S. 5]

Handschrift B 9,2

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177

Abb. 62: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 13/2r.

178

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Handschrift B 9,2

Abb. 63: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 13/2v.

[Dbl. 13/2v: Kap. II., S. 6]

Diplomatische Umschrift

179

die beiden Endpunkte ((), nackte Kräfte und

1

Gedanken, dergeſtalt nach der Mitte be-

2

wegen laſſen, um dort in eine Jdentität

3

zuſammenzugehen. Eine ſolche würde indeſſen

4

nur die Unterſchiede nur vermiſchen und

5

verwaſchen(.) u. es ließe ſich in dieſe⟨r↶m⟩

aſchgrau Mitte nichts Beſtimmtes mehr den-

6 7' 8

ken u. aus dem Unbeſtimmten auch nıchts

9

Beſtimmtes mehr herausholen.

10

Einerlei der

Jene drei Weiſen der Anſchauung ſind

11

in der Geſchichte der Philoſophie durch die

12

verſchiedenen Richtungen der Sÿſteme ver=

13

treten, die erſte durch die materialiſtiſchen

14

Lehren ſeit den alten Atomikern, die

15

zweite durch die idealen Sÿſteme b ıns-

16

beſondere ſeit Plato, die dritte durch

17

Spinoza. Es ſoll hier nicht wiederholt

18

werden, daß alle Sÿſteme unter dieſe

19

letzten Unterſchiede fallen, mögen ſich ⟨+↶auch⟩

20

b ſich beſonders hervor. Jnwiefern er indeſſen

23

de nach ſeiner Anſicht eine Einwirkung

24

des Gedankens auf die Ausdehnung und

25

daher den Zweck mit ſeiner architektoniſchen

26

Macht nicht anerkennen kann u. er alſo

27

in einzelnen beide Richtungen begegnen.

21

Jn dieſer Ableitung tritt Spinoza für

22

Diplomatische Umschrift

180

[Dbl. 14/1r: Kap. II., S. 7]

1

nur die wirkende Urſache, die nackten Kräfte,

2

übrig behält: konnte er der phÿſiſchen Welt=

3 '4 5

anſicht zugerechnet werden. Wenn dies ge=

6

der phÿſiſchen und organiſchen Weltanſicht,

Stellungen auf

r2

7

welche ⟪⟨de↶a⟩⟨n→m⟩⟫ Schluß der logiſchen Unterſuchun=

zwei zurück und

r3

es

r4

8 9 10

wieder

ſchieht, ſo ergeben ſich die beiden Gruppen

gen bildeten(.) ⟨↙erwogen wurden.⟩

Die allgemeinen Betrachtungen führen auf

dieſen Unterſchied und die Richtungen, welche

11

aus den beſonderen Wiſſenſchaften entſpringen,

12 '13 14

nach der andern Seite(.) und ſpannten beide

15

zi⟨ ⟩fhen nach beiden theils nach der einen theıls

Anſichten in eine Spannung. Es würde dies

16

noch mehr offenbarer werden, wenn die Men=

17

ſchen, welche ihre einzelnen Vorſtellungen

18

auf einzelnen Gebieten über und ſtill=

19

ſchweigend auf andere übertragen, dieſe

20

Verallgemeinerung zur bewußten Conſe=

21

quenz des Ganzen ausbildeten. Wer die

22

Menſchen nur wie die Kräfte der Phÿſik oder

23

die Zahlen in einer Gleichung auffaßt - und

24

im äußern Verkehr, im Austauſch der Thätig-

25

keit⟨ ⟩f unterliegen ſie vielfach einer ſolchen

26 27 28

gehen die drei

bringen

Betrachtung: der dehnt die phÿſiſche Weltan=

ſicht in die Ethik aus. Wer umgekehrt die

materiellen Kräfte ⟨nur↶als⟩ Thätigkeiten anſieht,

Erläuterung:

12 zi⟨ ⟩fhen] Orthografiefehler.

[14.]Pag

r1

Handschrift B 9,2

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181

Abb. 64: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 14/1r.

182

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Handschrift B 9,2

Abb. 65: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 14/1v.

[Dbl. 14/1v: Kap. II., S. 8]

Diplomatische Umschrift

183

die nur durch iſolirte Auffaſſung von dem Leben

1

und dadurch von einem zum Grunde liegenden

2

Gedanken losgeriſſen ſind⟨;⟩u der arbeitet an

3

de⟨m↶r⟩ Erweiterung und dem Siege der organiſchen

4

Anſıc Richtung in den Wiſſenſchaften ſpar=

5 6' 7

ſamer(,) und die erſte überwiegt. Aber

8

wir rechnen im Einzelnen die Thatſache dahin, daß die Unterſuchung nicht ſelten, was für

9 10' 11

unorganiſche Maſſe galt, in Reſte und

12

Erzeugniſſe des organiſchen Lebens verwan-

13

delte.

14

Weltanſicht. Zwar gewahren wir dieſe letzte nur

ſcharfſichtigere

Dıe Wiſſenſchaft als Wiſſenſchaft geht zur

15

letzten Entſcheidung dieſes Kampfes einen

16

langſamen Weg und ſie kann nicht anders.

17

⟨S↶Eine⟩ directe Beobachtung iſt nicht möglich; die

18

Atome, die ⟨T⟩u vermeintlichen Träger der Kräfte, ent-

riſche Gedanke auf der andern Seite, der

19 20' 21 22' 23

Endzweck mit dem Sÿſtem der ihm unterge-

24

ordneten Zwecke. Eine Speculation auf

25 26' 27 28' 29 30' 31

beſtimmend

ziehen ſich ſo gut den Sinnen, als der ſchöpfe-

mende

einen

Einen Schlag wird ſchwerlich ei den Streit welcher

entſcheiden, der nach u. nach mit den im Abeınzelnen

lauf der Geſchlechter ſich ausbildenden Wıſſen⟨-⟩u ſchaften an Schärfe und Macht wuchs. Die

32

ſich vollendenden Wiſſenſchaften werden ihn

33

184

Diplomatische Umschrift

1

allein auf dem Wege entſcheiden, auf welchem ſie

2

fort und fort in den einzelnen Kreiſen die Theo-

3

rien zum Austrag bringen, indem ſie ſie ent-

4 '5 6

wickeln und an den Thatſachen meſſen. Es wird

7

daran arbeitete, zwiſchen Ptolemaeus und Co-

8

pernicus zu entſcheiden⟨↙,⟩ ⟨↙,⟩ als zwiſchen dem

[Dbl. 14/2r: Kap. II., S. 9]

auf dieſem Wege

leichter ſein, obwol die Wiſſenſchaft lange genug obwol die Wiſſen-

r1

Democritismus und Platonismus. Und doch

ſchaft lange genug

r2

10

kann die philoſophiſche Betrachtung bis zu dieſem

daran arbeitete,

r3

11

in weite Ferne zurückreichenden Zeitpunkt nicht

12

warten. Sie muß ſich, um den univerſellen

13

Geſichtspunkt zu gewinnen, entſcheiden und ⟨↙ſich⟩

9

14 15

entweder auf die eine oder auf die andere

Seite ſtellen; und ſie wird dabei nicht anders

16

verfahren können, als daß ſie die Thatſachen

17

der Natur und der Geſchichte, der phÿſiſchen und ⟨↙⟨d⟩uer⟩

18 19 '20 21

ſittlichen Welt auf die Grundfrage hinrichtet

und in der Tiefe der Betrachtung mit ihr auszu= dabei

gleichen ſtrebt. Es iſt unvermeidlich, d⟨u→aß⟩ die Lücken

22 '23 24

in den Datis auf verſchiedene Weiſe eine Ergän-

25

nur ſubjective⟨n↶r⟩ Conſtruction⟨↙en⟩u Raum geben.

26 27 28 29

theils

zung zulaſſen und daher den Elementen einer

⟨+↶Aber⟩ vor allem kann die ethiſche Wiſſenſchaft(,) bis

zu einer ſolchen letzten Entſcheidung nicht warten.

Es werden täglich und ſtündlich an ſi⟨ch↶e⟩ Fragen

gerichtet u. ſie ſ muß für die Antwort unge= Erläuterung: 13 ⟨↙ſich⟩.] Ergänzung am Zeilenende mit zusätzlich angedeutetem Einweisungsstrichlein.

der Begriffe, theils

r4

Forderungen des

r5

Glaubens

r6

Handschrift B 9,2

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185

Abb. 66: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 14/2r.

186

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Handschrift B 9,2

Abb. 67: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 14/2v.

[Dbl. 14/2v: Kap. II., S. 10]

Diplomatische Umschrift

achtet des p übrigen philoſophiſchen Streites

1

einen unbeſtrittenden Grund zu erreichen

2

ſuchen. Wir können ⟪⟨m↶f⟩⟨i→ü⟩⟨t↶r⟩⟫

3a

liegt, nicht erſt das Heil von dem Entfernteſten

4

d⟨em↶as⟩, was uns zunächſt

3b

erwarten. Es muß verſucht werden, für die

5

Ethik einen Boden zug gewinnen, der auch

6

im Schwanken der Weltanſichten ſicher beharre.

7

Es iſt dies nicht unmöglich; und die Beiſpiele an-

8

derer Wiſſenſchaften geben uns Muth. Noch

9

ſtreiten z.B. die Metaphÿſiker, was der Raum innerhalb dieſes Gebietes ſteht

ſei; aber der pÿthagoreiſche Lehrſatz ſteht

10 11' 12

ſeit Jah zw mehr als zwei tauſend Jahren

13

feſt und wirkt in Verbindung mit andern

dazu mit, Sätzen(,) um mehr und mehr geometriſche Ein= u. Macht

ſicht und mathematiſche Kunſt zu erzeugen.

14 15' 16 17' 18

Aehnlich würde es ſein, wenn es gelänge, ethiſche

19

Begriffe⟨ ⟩f z.B. den Begriff des Rechts, unab-

20

hängig von den wechſelnden Antworten auf jene

21

Grundfrage der Speculation, zur bleibenden

22

Beſtimmtheit zu bringen.

23

Wir werfen hiernach für dieſen ethiſchen

von der negativen Seite

24

Zweck auf die oben entworfenen Möglich-

25

keiten eider Weltanſicht einen betrachtenden

26

Blick.

27

Wir ſcheiden zunächſt Spinoza aus, der zwar, r1

187

inwiefern er den innern Zweck leugnet, zur

28 29

Diplomatische Umschrift

188

[Dbl. 15/1r: Kap. II., S. 11]

1

phÿſiſchen oder mechaniſchen Weltanſchauung, zur Allein=

2

herrſchaft der wirkenden Urſache übertritt, aber

3 '4 5

Denken und Ausführung eigenthümlich auffaßt

6

von der poſitiven ⟨ein↶das⟩ Grundverhältniß von

und dadurch eine eigenthümliche Stellung behaup=

7

tet.

8

verſchieden

begreift

Nur eine conſequente ⟨u↶Auffaſſung⟩ des ganzen

9

Sÿſtems, nur eine durchgehende Vergleichung ſeiner

10

Grundg Ausführung mit dem Grundgedanken, nur

11

eine ſcharfe Scheidung von den beiden andern

12

Anſchauungsweiſen, ⟨der↶ſowol⟩ der materialiſtiſchen als

13 14 15 16

auch der teleologiſchen, die ſich nur allzu leicht

unterſchieben, ⟨↙,⟩ vermögen der Frage Genüge zu

⟨ein↶nur⟩ ein

r1a

leiſten, ob Spinoza’s Lehre jene Nothwendig-

offener und

r1b

keit in ſich trage, welche er ſelbſt als dies Un-

ſtrenger Verſuch, die

r2

wandelbare und Ewige ſucht(.) erſtrebt. Es iſt nicht

metaphÿſiſchen Erklärun- r3

17 '18 19

möglich, eine ſolche Kritik an dieſer Stelle zwiſchen= gen mit den realen

r4

20

zuſchieben. Wir haben ſie an einem andern Orte

r5

21

verſucht und dürfen uns auf(,) auf den Ertrag,

22

den wir gewonnen haben, zurückbeziehen1).

weitläuffige

23

Wenn ſich in Spinoza’s Ethik die Kritik auf

24

die formale Vollendung des geſchloſſenen Ganzen

25

⟨neigt↶richtet⟩, ſo findet ſie in den Definitionen und

26 27

Thatſachen zu meſſen

1) „Ueber Spinoza’s Grundgedanken und deſſen Erfolg“

28

in den Abhandlungen der Königl. Akademie der Wiſſenſchaften

29

1849. vgl. („)logiſche Unterſuchungen⟨ ⟩f II(,) Abſchn. VIII. II,

30

S. 39 ff.

[15.]Pag

Handschrift B 9,2

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189

Abb. 68: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 15/1r.

190

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Handschrift B 9,2

Abb. 69: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 15/1v.

[Dbl. 15/1v: Kap. II., S. 12]

Diplomatische Umschrift

191

Axiomen aller Bücher philoſophiſche Voraus=

1

ſetzungen, welche unbegründet daſtehen,

2

und eine Vielheit von tragenden Anfangs-

3

punkten, deren Einheit des Urſprungs nicht

4

nachgewieſen iſt. Wer Spinoza in dieſer

5

Beziehung halten wollte, müßte ihn er-

6

gänzen; und würde dies ſchwerlich anders

7

können, als indem er Spinoza’s Vorſtellung

8

zu vollziehen u. „außerhalb der Wörter

9

r2 des reinen Ver=

und Bilder“(,) rein zu denken verſuchte.

10

r3 ſtandes

Aber Spinoza’s geometriſche Methode und

11

die ungeometriſche Dialektik des reinen Denkens, die ſtrenge Architektonik des

12 13' 14

ſtreng gebundenen Ganzen u. die flüſſi-

15

gen Begriffe einer modernen Conſtruction

16

ergäben nimmer ein Gebäude aus Einem

17

Entwurf und in Einem Stil.

18

r1

von der Erkenntniß

alte

Wenn ſich dann ferner die Kritik auf die

19

reale Durchführung des Grundgedankens rich-

20

tet, ſo erheben ſich noch größere Schwie-

21

rigkeiten u. zeigen ſich noch größere

22

Lücken.

23

Vor allem müßte noch gezeigt werden,

24

wie die Vorgänge zu begreifen ſeien, in

25

welchen ſonſt ein Zuſammenhang zwiſchen

26

Denken u. ⟪⟨Sei↶A⟩⟨n→u⟩sdehnung⟫ wie in deutlichen

27

Diplomatische Umschrift

192

[Dbl. 15/2r: Kap. II., S. 13]

1

Thatſachen vorzuliegen ſchien. Es müßte na=

2

mentlich in Bezug auf die Auffaſſung der

3

Dinge gezeigt werden, wie die Sinneswahr-

4 '5 6

nehmung, welche ſonſt als die Grundlage des

7

kung der Ausdehnung auf das Denken aufzu=

8

faſſen ſei oder mit dem, was Spinoza Gedanken

9

nennt, keine Gemeinſchaft habe. Es müßte umgekehrt

entweder

Gedankens betrachtet wird, ohne eine Einwir=

10

für die Thätigkeit des Menſchen nach außen gezeigt

11

werden, wie ein vernünftiges Handeln, Spino=

12

za’s ex ductu rationis agere, überhaupt mög-

13 '14 15

lich ſei, da im Menſchen alles vernünftige

16

die Wirkung, die noch nicht da iſt, alſo in der

17

Ausdehnung noch kein paralleles Gegenbild

18

hat, entwirft und vorwegnimmt und darnach

19

erſt den realen Vorgang der Mittel einleitet

20

u. einrichtet. Spinoza ſagt ſeinem Grundgedan-

21

ken gemäß ausdrücklich: Weder der Körper

22

kann den Geiſt zum Denken, noch der Geiſt

23

den Körper zur Bewegung oder Ruhe oder

24

irgend etwas Anderm beſtimmen (III. 2). Wo

25

indeſſen der Vernünftige in dem ex ductu ratio-

26

nis agere die Vernunft führt, da muß ſie

27

ſich doch mit der Bewegung und Ruhe einlaſſen;

28

da beſtimmt ſie ⟪⟨ſ→die⟩⟨↩ſe⟩⟫ doch, wie z.B. in ihren Mitteln.

den Gedanken

Handeln dergeſtalt zum Führer hat, daß er

Handschrift B 9,2

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193

Abb. 70: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 15/2r.

194

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Handschrift B 9,2

Abb. 71: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 15/2v.

[Dbl. 15/2v: Kap. II., S. 14]

Diplomatische Umschrift

195

Es hätte gezeigt werden müſſen, wie namentlıch ſolche

1

Thatſachen, wie das gegliederte Leben, Begriffe,

2

wie das Organiſche und Schöne, ohne den

3

Gedanken im Grunde der Dinge, ohne d⟨en↶ie⟩

4

inwohnende Einheit eines Zweckes wirklich

5

verſtanden werden können.

6

Es fehlt dem Spinoza mit dem Zweck ein

7

Princip der Determination, wodurch ein individuelles Leben gebildet würde. Deter-

8 9' 10

mination, die nichts als Verneinung iſt,

11

hat keinen poſitiven Mittelpunkt. Spinoza

12

hat weder geſagt, wie ſich das Denken, noch

13

wie ſich die Ausdehnung vom Unendlichen

14

zum Endlichen beſtimme. Wenn deſſen un-

15

geachtet ſeine ethiſche Anſicht auf der Grund-

16

lage ruht, daß jedes Weſen ſich in ſeinem

17

Sein zu behaupten u. daß alle Tugend

18

Die

nur die Macht ſei, etwas zu bewirken,

was a⟨us↶llein⟩ aus den Geſetzen der eigenen

giebt ſich leicht, daß ſtillſchweigend indi-

19 20' 21 22' 23 24' 25

viduelles Leben vorausgeſetzt iſt und damit

26

in den teleologiſchen Standpunkt übergeht.

27

Spinoza’s Ethik im engern Sinn hat ıhren

28

Kern in der Erklärung (eth. IV. Def. 8): „Un=

29

menſchlıchen

als ſolcher

Natur verſtanden werden kann: ſo erSpinoza

[ter]Kus

30

196

Diplomatische Umschrift

1

ter Tungend und Macht verſtehe ich daſſelbe d.h.

2

die Tugend, inwiefern ſie auf den Menſchen be=

3

zogen wird, iſt das Weſen des Menſchen ſelbſt,

4

inwiefern es im Stande iſt, etwas zu bewir=

5

ken, was allein aus den Geſetzen ſeiner Na=

6

tur begriffen werden kann“. Es iſt bemerkens-

7

werth, wie nahe hier Spinoza die Ethik des te=

8

leologiſchen Standpunktes berührt. Ariſtoteles,

9

von dem Gedanken der innern Zweckmäßig=

10 '11 12 '13 14

keit geleitet, forſchte⟨ ⟩f da er das Princip der

15 '16 17

thümliches Geſchäft verrichten, u. will darin

[Dbl. 16/1r: Kap. II., S. 15]

in demſelben Sinne

Ethik ſuchte, nach dem eigenthümlichen Werk z.B.

⟨u↶des⟩ Menſchen, wie Hand u. Fuß ihr eigen= (eth. Nic. I. 6)

die Beſtimmung erkennen. Das Eigenthüm=

18

liche und Specifiſche der menſchlichen Natur iſt

19

in beiden das Maß. Aber die Berechtigung

20 '21 22

und Bedeutung ſteht bei Ariſtoteles höher, da

23

Gedanken abgegrenzt iſt, aber bei Spinoza

24

die Determination nur in der Negation

25

ihr Weſen hat. Spinoza verſteht unter

26

dem, was allein aus den Geſetzen der menſch-

27

lichen Natur begriffen werden kann, das

28

begreifende Denken, das intelligere u. das

29

Handeln, das aus ſolchen Begriffen folgt, das

30

ex ductu rationis agere. Vgl. eth. IV. 35. IV.

r1

II. 5

bei ihm

er die eigenthümliche Natur aus einem innern

Erläuterung: r1 II. 5] Ergänzung zum Literaturverweis in Interlinearzeile '16.

[16.]Pag

Handschrift B 9,2

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197

Abb. 72: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 16/1r.

198

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Handschrift B 9,2

Abb. 73: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 16/1v.

[Dbl. 16/1v: Kap. II., S. 16]

Diplomatische Umschrift

199

app. c. 4. Wir wollen die innern Schwierigkeıten

1

nicht drängen. Genau genommen ­­­­­- und Spino-

2

za ſcheint es bisweilen ernſt zu nehmen -

3

iſt das reine Denken, d⟨as↶ie⟩ sola puri

4

intellectus cognitio das einzige, das

5

allein und ausſchließlich aus der menſchlichen

6

Natur begriffen wird. Wo noch ein Bild

7

einfließt, da iſt immer noch ein Reſt

8

eines äußern Verhaltens, da hat immer

9

noch ein anderes Ding, der Gegenſtand

10

der Sinne, außer der menſchlichen Natur mit-

11

gewirkt. Wir drängen nicht die innere Un-

12

möglichk⟨ ⟩ft dieſer sola puri intellectus cogni-

13

tio, ſo daß eigentlich das, was einzig und zu

allein aus der menſchlichen Natur begr⟪⟨i↶ei⟩f⟫fen alſo

wäre, verſchwinden würde. Wir nehmen d⟨as↶ie⟩

r1

jeder leidende Zuſtand,

Formel als, da jedes Handeln äußere Bedin-

19

gungen vorausſetzt, in dem Sinne eines vernünf-

20

tigen Wirkens und Gegenwirkens. Es fragt

21

ſich dann, was im Sittlichen der Jnhalt des intelli-

22

gere iſt. E Ein Grundzug geht durch daſſelbe

23

durch. Das menſchliche Weſen will ſein Sein be-

24

haupten und erweitern. Jeder leidende Zuſtand,

25

der in ſeinem Jnnern Unluſt oder Furcht trägt,

26

d⟨em↶as⟩ Zeichen des verminderten

27a

r2 der ſtatt Macht Ohnmacht Eigenlebens⟨↙,⟩⟨,↶ ⟩⟨↙,⟩⟨iſt↶wird⟩ daher r3 iſt,

14 15' 16 17' 18

vom vernünftigen Handeln ausgeſchloſſen. D Ferner

27b 28

Diplomatische Umschrift

200

[Dbl. 16/2r: Kap. II., S. 17]

1

wächſt die Macht des Einzelnen durch Vereinigung

2

und ⟪⟨was↶doch⟩⟨e⟩⟫ ⟨E→ſie⟩ iſt, was Eintracht erzeugt, ſittlich. Das

3

Streben nach dem, worin alle übereinkommen, das

4

Streben nach dem Allgemeinen der menſchlichen

5 '6 7

Natur, wird dadurch das Streben der Vernunft.

8

menſchlichen Handelns, des Handelns, das allein

9

aus den Geſetzen der menſchlichen Natur verſtan-

ergiebt

So ſtellt ſich das Allgemeine als der Jnhalt des

10

den werden kann. Es ergiebt ſich als eine Folge

11

der Selbſterhaltung, aber reicht als ein Urſprüng-

12

liches, das der menſchlichen Natur zum Grunde liegt;

13

es ergiebt ſich nur als ein Mittel für die Auf=

14

gabe der durch Vereinigung zu verſtärkenden

15

Macht, als ein Conſequenz und Accidenz. Wo

Nachfolgendes u.

r1

16

das Eigenleben für die Vermehrung ſeiner Macht,

Zufallendes.

r2

17

für die Selbſterhaltung ſeines Weſens, andere Wege

18

ſieht, wird dieſer Beweggrund des Sittlichen ⟨nicht↶wie⟩

19

ein künſtliches Band zerreißen. Wenn man,

20

wie Spinoza thut, das menſchliche Weſen ohne innere

21

Beſtimmung - denn die Determination iſt Nega=

22

tion - nur als Kraft faßt mit dem Triebe zu

23

beharren, wie andere Kräfte: ſo tritt auch

24

das intelligere nur als eine ſolche auf, und

25

die andern Kräfte ſind gleich berechtigt. Denn

26

jedes Ding hat nach der Natur ſo viel Recht als

27

es Macht hat zu ſein und thätig zu ſein. Wo die Erläuterung: r1 f. Nachfolgendes bis Zufallendes.] Alternativvariante zur lateinischen Entsprechung in Zeile 15.

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201

Abb. 74: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 16/2r.

202

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Abb. 75: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 16/2v.

[Dbl. 16/2v: Kap. II., S. 18]

Diplomatische Umschrift

Kräfte in dem Kampf, den ſie alle um ihr

1

Daſein führen, das intelligere in dieſem Kriege

2

aller gegen alle, das intelligere beſiegen, wo

3

ſie das vernünftige Handeln unmöglich machen,

4

da iſt auch nur das Naturgeſetz erfüllt. Das

5

intelligere hat nur inſofern einen Vorzug, als

6

es auf das Ganze geht; das Ganze iſt aber

7

nur berechtigt, ſo weit es in ſich zu beharren

8

verſteht; wenn der Theil ſiegt, ſo hat er

9 10' 11

oder mehr

ebenſo viel Recht. ⟨Was↶Denn⟩ was geſchieht, hat

Erläuterungen: 20 § 18)⟨ ⟩f.] Platzmangel. Satzpunkt entfällt. 22 f. Men=ſchen] Die Elemente des Doppeltrennstriches werden im Schreibprozess räumlich versetzt platziert.

203

ein Recht zu geſchehen. Gut und böſe ſind nur

12

Weiſen unſerer Vorſtellung. Die Strebungen,

13

welche aus der Vernunft entſpringen, und die

14

Begierden, welche ſich aus andern Urſachen in

15

uns erzeugen, ſind inſofern nicht verſchieden,

16

als dieſe, wie jene Wirkungen der Natur

17

ſind und die natürliche Kraft darſtellen,

18

wodurch der Menſch in ſeinem Weſen zu be-

19

harren(,) trachtet (tractat. polit. c. 2. § 18)⟨ ⟩f

20

ſchen, auf dem Werth eines innern Gedankens

23

Erſt wenn das Ganze, der Menſch in ſich als

21

Einzelner und d⟨er↶ie⟩ Gemeinſchaft der Men=

22

ruht und die Theile dieſem Gedanken unter=

24

geordnet ſind: ſo hat der ethiſche Trieb des

25

intelligere die übergeordnete Stelle, die

26

ihm gebührt. Spinoza hat in dem Trieb des menſch=

27

204

Diplomatische Umschrift

1 '2 3

lichen Weſens dies Ganze ſtillſchweigend voraus=

4

punkt übergetreten⟨.↶;⟩ Wenn aus dem Gedan=

[Dbl. 17/1r: Kap. II., S. 19]

iſt er

geſetzt⟨↙.⟩ und iſt ⟨d→D⟩adurch zu einem höhern Stand=

r1'

hat

und die atomiſtıſche r2

5

ken des Eigenlebens, das ſich durch Vereinigung

Richtung des Eigen-

r3

6

verſtärken will, wenn aus dem Gedanken der

lebens, welche

r4a

7

durch Eintracht zu vermehrenden Macht des Ein=

r4b

8

zelnen ſchon ſo viel fo des Sittlichen folgt, als

⟪⟨der↶ſei⟩⟨↩ner⟩⟫ Ableitung zum

r5

9

Spinoza in einfachem Gange daraus herleitet: ſo

Grunde liegt, iſt

r6

10

beweiſt das nu⟨(+)↶r⟩, daß auch d⟨er↶ie⟩ Glieder, damit dadurch b zurück-

11

ſie beharren können, das G geſchloſſene Ganze

12

ſuchen müſſen; es beweiſt nur die Wechſelwirkung

13

des Jntereſſes (des „utile suum utile“) zwiſchen

14

dem Ganzen u. den Theilen. Aber dem Gedanken

15

des Ganzen und dem Begriff des Theiles im Ganzen

16

iſt dadurch nicht genug geſchehen.

17

Spinoza’s Ethik wirkt, indem ſie⟨↙,⟩ ⟨↙,⟩ beſchreibt, was

gedrängt.

r7 r8

ohne etwas vor=

r9

18

der Vernünftige, der Freie thun, indem ſie durch

zuſchreiben, in der

r10

19

eine ſolche Betrachtung, die auf das gerichtet iſt, was

Form mathemati=

r11

20

allein aus der menſchlichen Natur folgt, das

ſcher Sätze

r12

21

Streben des eigenthümlich Menſchlichen erregt.

22

Die Vorſtellung wirkt nothwendig in dieſer

23

Richtung. Jnwiefern ſie aber den Menſchen auf

24

das hinweiſt, was ihn zum Menſchen macht: dient

25

ſie in dem Menſchen, den ſie nur als nackte Kraft

26

faßte, dennoch dem Gedanken⟨↙,⟩ ſeines Weſens ohne

27

den der Trieb ſeines Weſens nicht zu begreifen iſt.

[17.]Pag

Handschrift B 9,2

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205

Abb. 76: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 17/1r.

206

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Handschrift B 9,2

Abb. 77: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 17/1v.

[Dbl. 17/1v: Kap. II., S. 20]

Diplomatische Umschrift

207

mußte im Sinne des

1'

Aus Spinoza(’)s Grundgedanken⟨↙s⟩, nach welchem Denken 2

und Ausdehnung, unter ſich ın keinem Cauſalzuſammen-

3

hange, nur der verſchiedene Ausdruck einer

4

und derſelben Subſtanz ſind, den Zweck, das h⟨o⟩f⟨chſte⟩u,

5

einen das Weſen der Dinge beſtimmenden Ge=

6

danken verneinen. Vor ſeiner Grundanſchauung

7

aus konnte er nicht anders. Dagegen ſind

8

die Gründe, die er außerhalb derſelben hinzu=

9

fügt, um den Zweck aufzuheben, nicht von

10

gleichem Belang. So ſucht er z.B. zu zeigen,

11

daß der Zweck dem Begriffe Gottes wider=

12

ſpreche. (eth. I. 33. schol. 2). Diejenigen, welche

13

annehmen, ſagt er, daß Gott unter de⟨r↶m⟩

Rückſicht des Guten thätig ſei, ſcheinen etwas,

14 15' 16

außerhalb Gottes zu ſetzen, was von Gott

17

nicht abhängt, worauf indeſſen Gott in ſeiner

18

Thätigkeit wie auf ein Vorbild hinblickt oder

19

worauf er, wie ein Schütze auf die Scheibe

20

hinzielt. Das heiß⟨t↶e⟩ aber in der That nichts

21 22' 23

argumentieren. Aber am wenigſten darf

25

Zweck

Verhängniß

anders, als Gott einem Fatum unterwerfen.

Es iſt ſchwer, in Gottes ⟨b→Begriff⟩ hinein zu

24

es im bloßen Bilde geſchehen. Der Menſch

26

mag das Ziel, das er erreichen will, oftmals

27

außer ſich haben. ⟨N↶Aber⟩ wie ſchon er nicht

28

Erläuterung:

5 h⟨o⟩fchſte,] noch in das Ende der Zeile gequetscht. Das Trema über dem fehlt.

Diplomatische Umschrift

208 1

ſelten es ſelbſt ſetzt, ſo fällt das Außen u.

2

Jener im Abſoluten (in Gott), in dem ſich aus ſich

3 '4 5

beſtimmenden Gedanken von ſelbſt weg. Spino=

6

⟨D↶das⟩ iſt die Negation, die das Unendliche zum

7 8 9 10

[Dbl. 17/2r: Kap. II., S. 21]

Verhängniß

za hat ſeinem Gott ein anderes Fatum gelaſſen, Endlichen macht, und in ihrem Urſprung nicht ⟨↙un=⟩ begriffen⟨↙.⟩ iſt(.)

Wir haben die Gründe angedeutet, welche

den tiefer eingehenden Gedanken verhindern,

11

die eigenthümliche Stellung zu behaupten, welche

12

Spinoza der Speculation in ſeinem Grundge=

13

danken gegeben hat. Seine Ausführung zieht

14

entweder, inwiefern der innere Zweck geleug-

15

net wird, zum materialıſtiſchen, oder, durch

16

ſtillſchweigende Vorausſetzungen zum teleo-

17

logiſchen Standpunkt hinüber. Zwiſchen dieſen

18

beiden geht der Kampf fort; u. wir müſſen

19

uns zwiſchen ihnen entſcheiden. Erläuterung: 19 Die Untersuchung endet abrupt. Kapitel II bleibt unvollendet.

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209

Abb. 78: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 17/2r.

210

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Abb. 79: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2, hier Dbl. 17/2v.

[Dbl. 17/2v: Kap. II., S. 22]

Diplomatische Umschrift

211

Genetische Darstellung

Umschlag

Enthält die genetische Darstellung des Textes von Dbl. 0.

Umschlag

1

2

Genetische Darstellung

|Ethiſche Unterſuchungen.

217

|0/1r

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften

Enthält die genetische Darstellung des Textes der Dbll. 1–11. Die gesonderte Präsentation der drei Schlussfassungen erfolgt im Anschluss.

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften |Ethiſche Unterſuchungen.

1

221 |1/1r

2 3

4

5

6

⌈blDa ich mit ethiſchen Unterſuchungen beſchäftıgt bın, erlaube ich

mır eın Fragment derſelben anzulegς – u. zwar üb{.} eıne äußerliche Frage: üb. d. Ort 󳶲[󳶺[dς]↶⌜pÜ⌝p󳶪][E⫮]󳶢↯blerg⌉ {der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenschaften.}

7

T.1

7

T.2

7

T.3

7

T.4

8

T.2

8

T.3

8

T.4

I. Der Ort der Ethik blim

↶im [Jnbegr ⊄] i→n

blder

dem

[Jnbegriffbl

Wiſſenschaftenbl

↶Jnbegriff der Wiſſenschaften.

9

Wo der Menſchengeiſt, ſei es im Einzelnen oder in der Menſchheit,

10

ſein eigenthümliches Werk beginnt, ein Werk, das nur 󶈠⧸dem

11 12 13

MenſchenH.1⧸󳶺[dem Menschen⫮]⌜ihmers⌝󳶪H.2⧸󶈰 gehört und ſein Weſen ausdrückt: da beginnt 󶈠⧸⌜aucherg⌝H.2⧸󶈰 die Ethik, wenn wir ſie im weitern Sinne auffaſſen.

Erläuterungen:

7 f. I. Der bis Wiſſenſchaften] Erst nachdem Tr. die Kurzform »im« gegen »in dem« ersetzt hat, beginnt er mit dem eigentlichen Text. Das spät ergänzte »dem« sowie die Streichung des zweiten -Bogens gleichen in Duktus und Strichstärke denen des Binnentextes. Der Schreibstoffwechsel legt nahe, dass Tr. die Titelstufen in verschiedenen Arbeitsphasen erstellt.

3 ff. Da bis pp] Einleitung der dritten Textstufe, welche neben der Fassung der zweiten Textstufe (H.2) eine eigenständige gültige Fassung (F2) des ersten Kapitels darstellt, einen Vortrag. Der Hrsg. ergänzt den vermutl. vorgetragenen Titel.

Genetische Darstellung

222

Ethiſche Unterſuchungen

14

Jnwiefern ſie philoſophiſche Disciplin iſt, hat ſie mit der Philoſophie

15

die Richtung auf das Ganze der Erkenntniß und 󶈠⧸⌜aucherg⌝H.2⧸󶈰 den

16

Urſprung des Ganzen gemein: Denn wie ſehr auch die philoſophiſchen

17

Lehren aus einander gehen mögen, ſo bleibt 󶈠⧸⌜eserg⌝H.2⧸󶈰 doch das

18 19 20 21

durchlaufende Kennzeichen der Philoſophie, daß ſie im Gegenſatz gegen die bedingten Stücke nach der Erkenntniß des unbedingten 󶈠⧸Ganzen ſtrebt, das die Theile trägt.H.1⧸󳶺⌜bldie Theile tragen-

denblers⌝ Ganzen strebt[,⫮] [das die Theile trägt ⫮]󳶪.H.2.1⧸󳶺[bldie

24

Theile tragendenbl]↶⌜die Theile tragendenNZ⌝ 󳶪 Ganzen strebt.

25

wird eben dadurch Sÿſtem, ideales Gegenbild eines realen Ganzen.

22 23

H.2.2⧸󶈰

Die Philoſophie, die unverrückt das Ganze |im Auge behalten ſoll,

26

Was ſie denkt und darſtellt, muß ſie im Sinne des Ganzen denken

27

und darſtellen. Jeder ihrer Theile muß eine bewußte Beziehung zum

28

Ganzen haben.

29

30

31

32

33

n1

Obwol ſich 󶈠⧸nurH.1⧸󳶲⌜nunerg⌝ 󳶺[nur]↶⌜erſtÜ⌝󳶪󳶢H.2⧸󶈰 durch

die Entwicklung des innern Princips dieſer Zuſammenhang erzeugt, ſo

kann man doch auch dann nicht, wenn man noch im Eingang und noch vor der Disciplin ſteht, die Frage umgehen, welches der Ort der Wiſſenſchaft im Ganzen des Sÿſtems ſei. Es iſt nöthig, wenigſtens in

Randnotiz Tr.’s:

Erläuterung:

Nr. 1 zu Z. 29−34:

n1 and. propoſitio] Die Randnotiz liefert vermutl. eine Begründung für die Ausklammerung der beiden Absätze in der dritten Textstufe (H.3). Im ersten Absatz wird eine andere der Grundfrage nach dem Ort der Ethik im System der Wissenschaften vorgelagerte Fragestellung angesprochen. Derlei Exkurse klammert die Vortragsfassung (F2) jedoch weitestgehend aus.

bland.

propoſitiobl

|1/1v

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften 34

35

36

37

38

39

40

41

42

43

den äußern Ueberblick des Ganzen den Theil einzufügen. Genau genommen, fallen alle Wiſſenſchaften in die Ethik; denn die Erforſchung des Wahren iſt eine ethiſche That und die Gründung und Ausbildung der Wiſſenſchaften iſt eins der eigenſten Werke des Menſchen. Aber deſſen ungeachtet bleibt die Frage ſtehen, welche Stelle die Ethik, |inwiefern ſie einzelne Wiſſenſchaft iſt, [zu⫮]↯ in dem von ihr umfaßten Jnbegriff aller einnehme.

⌈blWollen wir nun den Ort einer Disciplin 󶈠⧸imH.3.1⧸󳶲󳶺i[m]↶

i⌜nN⌝󳶪 ⌜dıeſemerg⌝󳶢H.3.2⧸󶈰 Ganzen, den Ort der Ethik im Jnbegriff Es handelt ſich dabei um den der Wiſſenſchaften beſtimmen, ſo handelt es ſichblerg⌉

46

Eintheilungsgrund der Philoſophie, der, wie die 󳶺[+]↶⌜GÜ⌝eſchichtliche󳶪↯ Betrachtung lehrt, weſentlich zwei Geſichtspunkten pflegt

47

weder auf das verſchiedene Verhalten des Menſchen zu den Ge-

48

genſtänden der Wiſſenſchaft oder auf 󳶺〚e[i⫮]2n+〛1↶⌜innÜ⌝ere󳶪↯

44 45

49

223

entnommen zu werden. Man gründet nämlich die Eintheilung ent-

Unterſchiede der Gegenſtände ſelbſt. Von jener Art iſt [d⫮]↯ z.B. die

Erläuterungen:

41 ff. Wollen bis ſich] Die Spätergänzung wird in der dritten Textstufe (H.3) anstatt der beiden Abschnitte in Zeile 29−40 in den Text hineingelesen.

48 ...⫮]2... 〛1.] zuerst überschrieben, dann -Punkt gestrichen.

|1/2r

Genetische Darstellung

224

Ethiſche Unterſuchungen

50

Eintheilung in theoretiſche un[d]{d} praktiſche Philoſophie, von dieſer

51

die Eintheilung in Logik, Phÿſik und Ethik. Es iſt der Mühe werth,

52

beide Weiſen der Eintheilung zu unterſuchen, ehe wir uns für eine

53

derſelben entſcheiden.

54

Die Eintheilung der Wiſſenſchaft in theoretiſche und prakti-

55

ſche [,⫮]↯geht, wenn man die erſten Anſätze aufſucht, bis in Plato’s

56 57

Staatsmann zurück (Plat. politic. p. 258): Ariſtoteles bildet ſie auf ſeine

Weiſe aus und legt ſie dergeſtalt der Betrachtung des Ganzen zum

60

Grunde, daß ſie durch ihn ſich bis in die neueſte Zeit 󶈠⧸⌜fortpflanzte

61

underg⌝H.2⧸󶈰 ihre Geltung |behauptete (Aristot. metaphys. VI. 1. eth. Ariſtoteles faßt die Gegenſtände theils als unwandelbar und

62

nothwendig − beides iſt ihm daſſelbe, da[s⫮]↯ das Nothwendige nicht

63

anders ſein kann − theils als veränderlich und daher der Einwirkung

64

frei gegeben󶈠⧸. H.1⧸⌜ auf.erg⌝[.]H.2⧸󶈰 Wie nun 󶈠⧸

58 59

65 66 67 68 69

|1/2v

Nicom. VI. 2−5){.}

blnach Arıst.bl blnach

Arıſt.bl

H.2/.3⧸󶈰

den Gegenſtänden die 󶈠⧸⌜erkennendenerg⌝H.2⧸󶈰 Vermögen [des E⫮]↯

entſprechen, ſo 󶈠⧸gehörteH.1⧸gehört[e⫮]H.2⧸󶈰 jenes 󳶺󶈠⧸⌜{−} das Unwandelbare und Nothwendige {−} erg⌝ H.2⧸󶈰 dem wiſſenſchaftichen Vermögen, dieſes 󶈠⧸⌜dagegen − das Veränderliche −erg⌝

H.2⧸󶈰󳶪

dem 󳶺[b]↶⌜BÜ⌝erathenden󳶪↯ an; zu jenen Gegenſtänden

Randnotiz Tr.’s:

Nr. 2 vermutl. zu Z. 61−219: n2

blEtwas

ausfuhrlıcher f. d. Vortrag.bl

Erläuterungen: 64 nach Arıſt.] Die Spätergänzung erfolgt vermutl. im Zuge der Arbeiten an der dritten Textstufe (H.3). Abweichend zu den meisten anderen Eingriffen dieser Phase wird hier eindeutig ohne Alternativverlauf eingewiesen. Die Änderung gilt somit rückwirkend auch für Fassung (F1).

50 und] unvollständiges Zeichen komplettiert. n2 Etwas bis Vortrag] Die mit Grafitstift erfolgte Anmerkung gilt dem Hrsg. als ein Indiz dafür, dass es sich bei der dritten Textstufe (H.3) um eine Vortragsfassung (F2) handelt.

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften

72

verhält ſich der 󶈠⧸GeiſtH.1⧸󳶺[Geist⫮]⌜Menſchers⌝󳶪H.2⧸󶈰 betrach-

73

den Lebens, theils der bildenden Kunſt und die Philoſophie theilt

74

ſich demgemäß in theoretiſche, praktiſche und poietiſche. Aus wel-

75

chen weitern Gründen die theoretiſche Philoſophie ſich in erſte Phi-

76

loſophie, Phÿſik und Mathematik [thei⫮]↯, die praktiſche in Ethik,

70 71

77 78 79 80 81

tend, zu dieſen entweder handelnd oder bildend. Darnach iſt die

Erkenntniß theils Erkenntniß der Betrachtung, theils des handeln-

Oekonomik und Politik theilte und die Logik [u⫮]↯als Werkzeug der

Disciplinen 󶈠⧸⌜allenerg⌝H.2⧸󶈰 vorangeſtellt wurde: das kann an dieſem

Orte |unerörtert bleiben󳶲󳶺[,]↶⌜.Ü⌝󳶪 󳶺[bis]↶⌜WirÜ⌝󳶪󳶢↯ prüfen den erſten und allgemeinen Geſichtspunkt{.} Zunächſt bleibt der

erſte

für das Nothwendige das wiſſenſchaftliche und für das Veränderliche

83

und Zufällige 󶈠⧸⌜als das Gebiet der Freiheiterg⌝H.2⧸󶈰 das berathende 󶈠⧸(praktiſche) Vermögen gewonnen werden ſoll.H.1⧸

85 86 87 88

(praktische󳶲󳶺[)⫮] ⌜u. poietiſche)ers⌝󳶪 Vermögen 󳶺[gewonnen werden soll.⫮]⌜bestimmt wird.ers⌝󳶪󳶢H.2⧸󶈰 󳶺D[ie]↶⌜asÜ⌝󳶪↯ Nothwendige als das Unwandelbare liegt nicht ueber dem

Veränderlichen und darum der Thätigkeit Freigegebenen,

91

󶈠⧸󳶺⌈⌜ ſo daß beides zwei verſchiedenen Vermögen zufallen

92

könnte,erg⌝[,]erg⌉󳶪H.2.1⧸so daß beides zwei verschiedenen

dern es geht vielmehr durch das Veränderliche durch. Es iſt die eigent-

93

liche That der Wiſſenſchaft, das Zufällige in Nothwendiges zu

89 90

|2/1r

Eintheilungsgrund zweifelhaft, wenn

82

84

225

󳶺〚Vermö[g⫮]2en〛1↶⌜GebietenÜ⌝󳶪 zufallen könnte,H.2.2⧸󶈰 ſon-

Erläuterungen: 66 f. {−} Das bis Nothwendige {−}.] Die durch Tr. ergänzte Apposition erfordert entweder die Ummantelung mit Kommata oder – in stilistischer Kontinuität zu Zeile 68 – die vom Hrsg. hinzugefügten Gedankenstriche.

90 [,].] überzähliges Komma von Hrsg. getilgt. 91 ...⫮]2...〛1.] nach Überschreibung, Streichung der Unterlänge des .

226

Genetische Darstellung

Ethiſche Unterſuchungen

94

verwandeln und im Veränderlichen das Unveränderliche zu er-

95

kennen. 󶈠⧸⌜Durch die Wiſſenſchaft dehnt ſich das Gebiet des [Verände⫮]↯ Nothwendigen fort u. fort aus und ſchränkt ſich das

96

99

willkürlich Veränderliche 󳶺[und]↶⌜einÜ⌝󳶪.erg⌝H.2⧸󶈰 Noch viel weniger kann man die innere Verwandtſchaft des Erkennens mit dem

100

res wiſſenſchaftliches Vermögen aufgefaßt werde, während das Ver-

101

änderliche entweder der Einſicht 󳶺[ins Ha]↶⌜ins HaNZ⌝ndeln󳶪 oder

97 98

Gegenſtande ſo verſtehen, daß das Nothwendige durch ein beſonde-

102

der Kunſt zufalle. Wenn man vielmehr auf den Vorgang der Wiſſenſchaft

103

ſieht, auf die Weiſe, wie das Nothwendige gefunden wird: ſo [geſ⫮]↯ hilft

104 105 106 107 108 109 110

󶈠⧸⌜dabeierg⌝H.2⧸󶈰 |fortwährend die Kunſt, die ſich im Ausführbaren bewegt, von den Rechnungen und Conſtructionen der Mathematik bis zu den Experimenten der Naturwiſſenſchaft. 󶈠⧸⌜Man kann in den Wiſſenſchaften die Theoreme und Probleme, die Lehrſätze und

Aufgaben wie Wiſſenſchaft und Kunſt einander entgegenſtellen. Wer nun beobachtet, wie die 󳶺[T]↶⌜LÜ⌝öſung󳶪↯ der Probleme durch die Erkenntniß der Lehrſätze und der Beweis der Lehrſätze durch die

114

Ausführung von Aufgaben bedingt iſt: der 󳶲[er⫮]󳶺[k]↶⌜ſÜ⌝󳶪󳶺[en] ↶⌜ieN⌝󳶪󳶺[n]↶⌜hÜ⌝t󳶪󳶢↯ leicht ein, 󳶺[d]↶⌜wÜ⌝ie󳶪↯ Wiſſenſchaft

115

und das Gebiet des Veränderlichen für das Handeln u{.} die Kunſt

116

118

󳶺[wie]↶⌜alsÜ⌝󳶪↯ geſchieden feſtzuhalten ſind, als fielen ſie zwei

119

bleme, die Lehrsätze und Aufgaben wie Wissenschaft und

120

Kunst einander entgegenstellen. Wer nun beobachtet, wie

121

die Lösung der 󳶺[Probleme⫮]↶⌜Aufgabeners⌝󳶪 durch die Erkenntniß der Lehrsätze und der Beweis der Lehrsätze durch

111 112 113

117

122

und Kunſt, Betrachten u. Bilden mit einander fortſchreiten und daher auch nicht das Gebiet des Nothwendigen für die Wiſſenſchaft

verſchiedenen Vermögen zu.erg⌝H.2.1⧸Man kann in den 󳶺[Wissenschaften⫮]↶⌜Disciplineners⌝󳶪 die Theoreme und Pro-

|2/1v

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften

227

123

die Ausführung von Aufgaben bedingt ist: der sieht leicht

124

ein, wie Wissenschaft und Kunst, Betrachten u. Bilden mit

125

einander fortschreiten und daher auch nicht das Gebiet

126

des Nothwendigen für die Wissenschaft und das Gebiet des

127

Veränderlichen für das Handeln u{.} die Kunst als geschie-

128

den festzuhalten sind, als 󳶲󳶺[fielen⫮]⌜gehörteners⌝󳶪 sie zwei

129 130 131 132 133 134 135 136 137

verschiedenen Vermögen 󳶺[zu.⫮]↶⌜an.ers⌝󳶪󳶢H.2.2⧸󶈰 Ariſtoteles hat die Gebiete wie 󶈠⧸⌜gegebene underg⌝H.2⧸󶈰 fertige unterſchieden,

aber dabei nicht in ihrem Entſtehen u. Werden aufgefaßt. 󶈠⧸⌜Darin liegt die Urſache des Fehlers.erg⌝H.2⧸󶈰

Der andere 󶈠⧸Eintheilungsgrund, der ſich[+⫮]↯ an den erſten

anſchließt;H.1⧸󳶲󳶺[Eintheilungsgrund⫮]↶⌜Grund dieſer Einthei-

lungers⌝󳶪󳶺[, der⫮]↶ ⌜ſchließters⌝ 󳶪 ſich an den ersten an[-]{,} [schließt⫮]󳶢 H.2⧸󶈰 indem er das Verhalten der menſchlichen

Thätigkeit ins Auge faßt, das Betrachten, 󶈠⧸Handeln und Bil-

140

den.H.1⧸⌜daserg⌝ Handeln und ⌜daserg⌝ Bilden.H.2⧸󶈰 Es fragt ſich, ob ſich dieſe Thätigkeiten auf ſolche Weiſe einander ausſchließen, uns

141

welche Ariſtoteles zur Unterſcheidung giebt, genügen

142

So ſoll 󶈠⧸ſichH.1⧸[ſich⫮]H.2⧸󶈰 das Bilden dem Handeln darin ent-

138 139

143 144 145 146 147 148

n3

die Grundlage für nebengeordnete Arten zu ſein. Die Andeutungen, ſchwerlich bl ⌜blnicht erg⌝

.

gegenſtehen, daß jenes einen Zweck außer ſich hab󳶺[e]⌜eNZ⌝󳶪↯, 󶈠⧸⌜nämlicherg⌝H.2⧸󶈰 das Werk, dieſes 󶈠⧸⌜inerg⌝H.2⧸󶈰 ſich ſelbſt

󶈠⧸󳶲⌜einenerg⌝H.2⧸󶈰 Zweck 󶈠⧸iſt,H.1⧸󳶺[ist⫮]⌜ſeiers⌝󳶪,H.2.1⧸󳶺[sei⫮]

⌜trageers⌝󳶪󳶢,H.2.2⧸󶈰 wie überhaupt das 󳶲[richtige⫮] 󳶺[u]↶⌜WÜ⌝ohlandeln󳶪󳶢↯ Ziel ſei. (die εὐπραξία im Sinne der 󳶺[εὐδαιμονία)⫮] durch [d⫮]󳶪↯richtiges Handeln erreichten Glückſeligkeit). Die nähere Randnotiz Tr.’s:

Erläuterung:

Nr. 3 zu Z. 141: blVortragbl

n3 Vortrag] Die kurze Randnotiz bezieht sich auf die spät ergänzte Variante »nicht« in Z. 141, welche damit der dritten Textstufe (H.3) zugewiesen wird.

228

Genetische Darstellung

Ethiſche Unterſuchungen

149

Betrachtung zeigt auch hier eine Uebereinſtimmung. Der bildende

150

|Künſtler bringt allerdings ein Werk hervor, das äußerlich daſteht.

151

Wenn aber der Handelnde, z.B. der Tapfere, der Mäßige 󳶺[+++]

152 153 154 155 156 157 158 159

↶⌜eineÜ⌝󳶪↯ Wirkung bezweckt: ſo 󶈠⧸iſt dieſe, wie unſichtbar ſie

auch in die Kette der Ereigniſſe eingreife, gleich dem äußern

Werk󳶺[.⫮][,⫮]󳶪↯H.1⧸󳶲󳶺[ist⫮]⌜verhält ſichers⌝󳶪 diese, wie unsichtbar sie auch in die Kette der Ereignisse eingreife,

󳶺[gleich⫮]⌜dennochers⌝󳶪󳶺[dem⫮]⌜wie dasers⌝󳶪󳶢 äußern WerkH.2⧸󶈰 des Künſtlers − zu geſchweigen, daß das Handeln, wenn es im größern Maßſtabe erſcheint, 󶈠⧸in [B⫮]↯ bleibendenH.1⧸[in⫮] bleiben-

de[n⫮]H.2⧸󶈰 Bildungen und Einrichtungen 󶈠⧸⌜bl{,} z.B. Anſtalten des

163

Staats{,}blerg⌝H.2.1⧸{,} 󳶲󳶺[blz.B. Anstaltenbl]↶⌜z.B. AnſtalteNZ⌝n󳶪 󳶺[bldes Staatsbl]↶⌜des StaatsNZ⌝󳶪󳶢{,}H.2.2⧸󶈰 hervorbringt wie le-

164

enden ſoll, weil das Wohlhandeln das letzte Ziel iſt: ſo iſt dieſer Grund

160 161 162

165

bendige, bewußte Kunſtwerke. Wenn das Handeln 󶈠⧸ſichH.1⧸[sich⫮]

H.2⧸󶈰 darum in ſich ſelbſt Zweck ſein und ſich darum in ſich ſelbſt voll-

offenbar zu weit. Denn das Wohlhandeln in jenem allgemeinen Sinne der durch Handeln zu 󶈠⧸erreichenden

169

⌜ſtre-Ü⌝󳶪 󳶺[h⫮]↶⌜bN⌝󳶪󳶢endenH.2⧸󶈰 Glückſeligkeit (εὐπραξία) wird nicht

170

Werk geſetzt.⫮]↯ erreicht. Ariſtoteles iſt uns deſſen ſelbſt ein Zeuge,

166 167 168

171 172 173 174 175 176 177

|2/2r

H.1⧸er󳶲󳶺[reic]↶

bloß durch das Handeln im engern Sinne, ſondern gleicher Weiſe durch das wiſſenſchaftliche Betrachten und Künſtleriſche Bilden [ins wenn er die menſchliche Glückſeligkeit in der theoretiſchen 󶈠⧸für

vollendet erachtetH.1⧸󳶲[für⫮] 󳶺vollende[t]↶vollende⌜nÜ⌝󳶪 󳶺[er-

achtet⫮]⌜willers⌝󳶪󳶢H.2⧸󶈰 u. |alſo die Eupraxia des betrachten-

den Lebens auf die Höhe ſeiner Ethik ſtellt󶈠⧸: ſo weitH.1⧸󳶲󳶺[:] ↶⌜.Ü⌝󳶪󳶺[so⫮]↶⌜BÜ⌝󳶪↯ weitH.2.1⧸󳶺[B⫮]↶⌜WeÜ⌝nn󳶪 [weit⫮]󳶢H.2.2⧸󶈰 dieſer höhere Begriff des Wohlhandelns, des 󶈠⧸⌜hiernacherg⌝H.2⧸󶈰 ſich durch Thätigkeit vollziehenden menſchlichen Zwecks durch alle

|2/2v

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften 178

drei Weiſen, durch das Betrachten, das Handeln und das Bilden

179

hindurchgeht, ſo könnten 󶈠⧸deſſen ungeachtetH.1⧸󳶲󳶺[dessen⫮]

180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192

229

⌜ſichers⌝󳶪 󳶺[ungeachtet⫮]⌜gleichwohlers⌝󳶪󳶢H.2⧸󶈰 alle drei wie Arten zu einander verhalten. Dann muß indeſſen gefordert werden, daß

ſie, obwol in dieſem Allgemeinen übereinkommend, ſich ſonſt nicht mit einander vermiſchen, 󶈠⧸⌜ähnlicherg⌝H.2⧸󶈰 wie z.B. die Arten des

Parallelogramms Quadrat, Rechteck, Rhombus und Rhomboid in der Natur des Parallelogramms übereinkommen, 󳶺[u]↶⌜aberÜ⌝󳶪↯ ſonſt

keine 󶈠⧸⌜derſelbenerg⌝H.2⧸󶈰 die eigenthümliche Natur des andern in ſich enthält. Jſt dies nun bei den zum Grunde gelegten Begriffen

der Fall? Das Betrachten iſt vielmehr [ein Theil⫮]↯ im Handeln, 󳶺[u]↶⌜wÜ⌝ie󳶪↯ im Bilden, als Erfordnerniß mitenthalten. Denn das Handeln muß von Vernunft durchdrungen ſein und das Bilden

ſoll eine Jdee darſtellen u{.} zur Anſchauung bringen. Ebenſo iſt das

Bilden |in dem Handeln, [und Bet⫮]↯ wie in dem Betrachten ent-

|3/1r

Randnotizen Tr.’s:

Nr. 4 vermutl. zu Z. 150 ff.: n4

blvgl{.}

n5 n6

noch Heft d{.} Geſch{.}

n15

nur für dieſe da, um dieſe Thä-

dς{.} P⌜oliserg⌝ Bog. 10

n16

tıgk{ei}t in d. Beſchauen zu

n17

vervielfältigς{.}bl

blVgl. noch die Stelle b. Brandis

Erläuterung:

no. 22 aus eth. Nic. I. 1. 󳶺[D]

n4 ff. vgl bis polit] Die Notiz verweist vermutlich auf die im Nachlassverzeichnis unter gleichlautendem Titel ›Ariſt. polit.‹ mit der Signatur: B 17,10 aufgeführte Handschrift. Tr. klammert den spät gesetzten Verweis jedoch wieder aus. Nach Ansicht des Hrsg. besteht für diesen Vergleich vielleicht für keine der beiden Textfassungen je ein Gültigkeitsstatus.

Arıſt{.} polit{.} 1. 2. §. 3bl Nr. 5 vermutl. zu Z. 150 ff.:

n7 n8

n11

↶⌜AÜ⌝ber󳶪↯ da[gz⫮]↯ z. er-

n12

gentliche Thätigk{ei}t, d. urſpr{.},

n13

iſt die Conception der Kunſt-

n14

werke, u. das Kunſtwerk iſt

n9 n10

innς: d. Werk iſt nicht beſſer als

die Thätigkeiten; Denn die ei-

Genetische Darstellung

230 193 194 195 196

Ethiſche Unterſuchungen

halten; denn das Handeln vollendet ſich erſt 󳶲i󳶺[m]↶ ⌜n N⌝󳶪 ⌜dererg⌝󳶢↯ ſittlichen Schönheit, in einer Darſtellung, die, wie das Kunſtwerk, ihrer Jdee entſpricht, und das Betrachten bedarf, wie ſchon gezeigt iſt, des Hervorbringens, um ſich zu verwirklichen, und

199

muß ſich darſtellen, um ſich 󳶺[ander]↶⌜ſelbſÜ⌝t󳶪↯ klar und andern zugänglich zu werden. Endlich vollzieht ſich das Handeln im

200

durch das Bilden auf eigenthümliche Weiſe. Wer dieſe Beziehungen

201

überdenkt, findet die eine Thätigkeit mitten in der andern. Es ſoll da-

202

bei nicht verkannt werden, daß ſich die drei [Rich⫮]↯ Thätigkeiten,

197 198

203 204 205

wiſſenſchaftlichen Beruf durch das Betrachten und im künſtleriſchen

das Betrachten, das Handeln und das Bilden nach den Richtungen 󶈠⧸desH.1⧸󳶺[des]↶i⌜hrÜ⌝es󳶪H.2⧸󶈰 Zweckes unterſcheiden. Das Be-

tra󳶺[+]↶⌜cÜ⌝hten󳶪↯ will erkennen{.} um zu erkennen; das Bilden

206

will hervorbringen, um einen Gedanken anzuſchauen oder eine

207

Empfindung hinzuheften; das Handeln hingegen will eine Wir-

208

kung als ſolche. Aber dieſe verſchiedenen Zwecke, da ſie die andern

209

wechſelsweiſe als Mittel in ſich tragen, |ſind 󶈠⧸⌜alleinerg⌝H.2⧸󶈰 nicht geeignet, um die Theile der Philoſophie mit ſcharfen Unterſchie-

210 211 212 213 214 215

den zu begrenzen. Das Quadrat iſt, um 󶈠⧸zu obigemH.1⧸zu󳶲⌜merg⌝

󳶺obige[m]↶obige⌜nN⌝󳶪󳶢H.2⧸󶈰 Beiſpiele zurückzukehren, in kei-

nem Stücke 󶈠⧸⌜blder ſpecif. Diffςblerg⌝H.2.1⧸󳶺[blder specif. Diffςbl]↶⌜der

ſpecifischenÜ⌝ Differenz󳶪H.2.2⧸󶈰 ein Rhomb󳶺[b]↶⌜oÜ⌝id󳶪↯, aber das Handeln ſchließt das Betrachten und das Bilden und

219

󳶺󶈠⧸⌜dieſeerg⌝H.2⧸󶈰 umgekehrt 󶈠⧸⌜das Handelnerg⌝H.2⧸󶈰 󳶪 in ſich[.⫮]↯ ein. 󶈠⧸⌜Würde daher eine Eintheilung der Philoſophie auf dem

220

Auf ähnliche Weiſe verhält es ſich mit den in neuerer Zeit viel

216 217 218

221

Grunde dieſer Begriffe ſtreng ausgeführt, ſo wären Wiederholungen unvermeidlich.erg⌝H.2⧸󶈰

genannten und neben einander geſtellten Jdeen des 󶈠⧸Guten,

|3/1v

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften 222 223 224 225 226 227 228 229 230 231 232

WahrenH.1⧸󳶺⇆Wahren, Guten󳶪H.2⧸󶈰 und Schönen. Sie drücken 󶈠⧸daſſelbeH.1⧸󳶺[dasselbe⫮]⌜dasers⌝󳶪H.2⧸󶈰 als Gegenſtand aus, was

i󳶺[m]↶⌜nÜ⌝󳶪↯ den Begriffen des [Ha⫮]↯ Betrachtens, Handelns

und Bildens als Thätigkeit angeſchauet wird. Nur die oberflächliche Anſicht vermag ſie zu trennen. Wer in 󶈠⧸ihren JnhaltH.1⧸󳶺[ihren

Jnhalt⫮]↶⌜ſieers⌝󳶪H.2⧸󶈰 tiefer eindringt, wird bald gewahr, daß man nicht den Jnhalt der einen heben kann, ohne den Jnhalt der andern mitzuheben.

Wir begegnen im Mittelalter derſelben oder 󶈠⧸einerH.1⧸[einer⫮]

H.2⧸󶈰

mit Ariſtoteles verwandten Eintheilungen. Wir ſehen die

Wirkung noch im vorigen Jahrhundert, wenn Chr. Wolf u. nach

235

ihm Kant 󶈠⧸⌜u{.} Fıchteerg⌝H.2⧸󶈰 die Philoſophie in theo|retiſche und praktiſche eintheilen. Wenn bald nach Wolf Baumgarten

236

te ποιητική des Ariſtoteles von Neuem mit ihrem Rechte hervor.

237

Kant [ſteht⫮]↯ iſt, was die Eintheilung der Philoſophie betrifft, von

233 234

238

|3/2r

die Aeſthetik hinzufügte, ſo trat darin die zurückgedräng-

󳶺[W]↶⌜CÜ⌝hr.󳶪↯ Wolf abhängig. Man ſieht es deutlich, wenn

240

Vernunft mit der Einleitung zu Wolfs Logik vergleicht.1) Wenn Kant,

241

man 󶈠⧸dieH.1⧸󳶺[die]↶⌜KanÜ⌝ts󳶪H.2⧸󶈰 Architektonik der reinen wie Wolf, die Philoſophie zunächſt in theoretiſche und praktiſche

242

eintheilt, ſo hat darauf bei Kant, wie bei Wolf, die Scheidung der

239

231

243 244

1) Kant Kritik der reinen Vernunft. „Methoden[“]lehre{“} 3tes.

245

Hauptſtück. 2t. Aufl. S. 874 ff. u. Wolf philosophia rationalis s. logica.

246

1728. discursus praeliminaris § 60 ff. Randnotiz Tr.’s: Nr. 6 vermutl. zu Z. 220 ff.:

n18 n19

||blPlato−Gerſon im M. A. bonum (Begehrς) verum (Erkennς) { }

Chalyb ä us I. S. 7 󳶺[5]↶⌜2Ü⌝󳶪↯{.}bl

||3/1v

Genetische Darstellung

232 247 248

Ethiſche Unterſuchungen

Geiſtesthätigkeit in [V⫮]↯ 󶈠⧸Erkenntnißvermögen und Begehrungs-

vermögenH.1⧸Erkenntnißvermögen{,} 󳶺[und⫮] Begehrungsver-

251

mögen ⌜und Gefühlsvermögenerg⌝󳶪H.2⧸󶈰 weſentlichen Einfluß.2) Aber die Ergebniſſe bei Kant zeugen zugleich gegen die Richtigkeit

252

in das Gebiet der theoretiſchen zurück und erzeugt theoretiſche

253

Vorausſetzungen, Poſtulate, welche der Kritik der reinen Vernunft

254

[u⫮]↯zweifelhaft waren.

249 250

255 256 257 258 259 260 261 262 263 264 265 266 267 268

dieſer Eintheilung. Die praktiſche Vernunft greift 󶈠⧸⌜bei ihmerg⌝H.2⧸󶈰

Herbart gehört inſofern hieher, als auch er 󶈠⧸nicht die Philo-

ſophieH.1⧸󳶺[nicht⫮] die Philosophie ⌜nichters⌝󳶪H.2⧸󶈰 nach den Objecten ein|theilt. Wenn er die Philoſophie als Bearbeitung der

Begriffe erklärt, ſo theilt er ſie nach der logiſchen Thätigkeit ein, die ſie erforder󳶺[n]↶⌜nNZ⌝󳶪↯. Aus den Hauptarten, wie die Begriffe bearbeitet werden, ergeben ſich die Haupttheile der Philoſophie: Jnwiefern es der Zweck iſt, die Begriffe klar und deutlich zu machen,

entſpringt 󳶲󶈠⧸⌜ihmerg⌝H.2⧸󶈰 die Logik. Jnwiefern gegebene Begriffe der Erfahrung Widerſprüche in ſich tragen und ſie daher nach ihrer beſondern Beſchaffenheit zu verändern und zu ergänzen ſind, damit

ſie denkbar werden: ſo ergibt ſich 󶈠⧸⌜ihmerg⌝H.2⧸󶈰 die Wiſſenſchaft der

Metaphÿſik, welche auf ähnliche Weiſe, wie bei Wolf und Kant, [u⫮]↯

in der Pſÿchologie, Naturphiloſophie und natürliche󳶺[r]↶⌜nN⌝󳶪↯ Theologie ihre Anwendung findet. Endlich werden Begriffe un-

269

terſchieden, welche in unſerm Vorſtellen ein Urtheil[e⫮]↯ des Beifalls

270

oder Mißfallens nothwendig herbeiführen und die Wiſſenſchaft von

271

ſolchen Begriffen iſt 󶈠⧸⌜ihmerg⌝H.2⧸󶈰 die Aeſthetik. Angewandt auf das

272 273 274 275

|3/2v

Gegebene geht ſie in eine Reihe von Kunſtlehren über, welche [man⫮]↯

||2) Kant Kritik der Urtheilskraft. [Ein⫮]↯ 1790. Einleıtς III. S. 󳶺[2]↶⌜XÜ⌝X.󳶪↯

||3/2r

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften 276

{ } ſä m tlich praktiſche Wiſſenſchaften heißen können; praktiſche

279

Philoſophie im engern Sinne heißt 󶈠⧸⌜ihmerg⌝H.2⧸󶈰󳶢 diejenige der| Kunſtlehren, deren Vorſchriften den Charakter der nothwendigen

280

hörlich den Gegenſtand derſelben darſtellen.3) Dieſe Eintheilung wur-

281

zelt ganz in Herbarts eigenthümlicher 󶈠⧸⌜philoſophiſchererg⌝H.2⧸󶈰 Anſchauung und kann nur mit dieſer beurtheilt werden: 󶈠⧸ZurH.1⧸

277 278

282

286 287

ſcharf aus einander. Denn auch die Klarheit und Deutlichkeit

288

der Begriffe gefällt u. auch darauf kann ſich eine Kunſtlehre rich-

289

ten. Jn Herbarts Schule iſt in der That dieſe Conſequenz gezogen.

290

292

Bobri󳶺[ck]↶⌜kÜ⌝s󳶪↯ Logik4) [überträgt⫮]↯ überträgt die Analo-

293

gi󳶺[k]↶⌜eN⌝󳶪↯ der praktiſchen Philoſophie auf die Erkenntnißlehre und entwirft fünf[+⫮]↯ urſprüngliche und fünf abgeleitete logiſche Jdeen, wie Herbart fünf urſprüngliche und fünf abgeleitete praktiſche

294

Jdeen darſtellt. Der Grund der Eintheilung iſt hierdurch nicht ſcharf

295

genug. Ferner iſt es ſehr zweifelhaft, ob 󳶺[eine⫮] [ſolche Aufgabe⫮]󳶪↯

284 285

291

296 297 298 299 300 301 302

|4/1r

Befolgung darum an ſich tragen, weil wir unwillkührlich und unauf-

󳶲[Zur⫮]⌜Jndeſſen ſchon 󳶺[B]↶⌜bÜ⌝ei󳶪↯ einerers⌝󳶢H.2⧸󶈰 vorläufigen Betrachtung 󳶲󳶺ſpr[e]ach[e]b[n⫮]↶spr⌜iN⌝ach⌜tÜ⌝b󳶪 [die folgenden⫮]󳶢↯ einiges gegen die Strenge dieſer Eintheilung: Zunächſt

283

233

treten nach dieſem Eintheilungsgrunde Logik und Aeſthetik nicht

be󳶺[d]↶⌜iN⌝󳶪↯ den Erfahrungs󳶺〚[g⫮]2〛1↶⌜bÜ⌝egriffen󳶪↯ eine|

|4/1v

||3) Joh. Frdr. Herbart Lehrbuch zur Einleitung in die Philoſophie.

||4/1r

ſolche Aufgabe vorlieg󳶲󳶺〚[t⫮]2〛1↶⌜eÜ⌝󳶪󳶺[.]↶⌜,Ü⌝󳶪󳶢↯ wie die 󶈠⧸⌜3t. Aufl. 󳶺[+++]↶⌜183Ü⌝4.󳶪↯erg⌝H.2⧸󶈰 §5 ff.

4) Dr. Ed. Bobri󳶺[ck]↶ kÜ

⌜ ⌝󳶪↯ neues praktiſches Syſtem der Logik. I, 1. urſprüngliche Jdeenlehre. Zürich 1838{.} § 12 ff{.}

Erläuterungen:

296 ...⫮]2〛1.] nach Überschreibung, Streichung der Unterlänge des .

297 ...⫮]2〛1.] nach Überschreibung, Streichung der Oberlänge des .

Genetische Darstellung

234

Ethiſche Unterſuchungen

303

von Herbart behauptete metaphÿſiſche Berichtigung und Er-

304

gänzung. Was 󶈠⧸als Widerſpruch angeſehen wird,H.1⧸󳶲⌜er ihn-

305 306 307 308 309 310

energ⌝ 󳶺[als]↶⌜fürÜ⌝󳶪 Widerspruch 󳶺[angesehen⫮] [wird⫮] ⌜erklärters⌝󳶪󳶢,H.2⧸󶈰 das wird 󶈠⧸theilsH.1⧸󳶲[theils⫮]H.2⧸󶈰, wie an-

derswo nachgewieſen worden, 󶈠⧸theilsH.1⧸[theils⫮]H.2⧸󶈰 auch in der Bearbeitung der Begriffe nicht wirklich weggeſchafft, ſondern

nur 󶈠⧸ſcheinbarH.1⧸[scheinbar⫮]H.2⧸󶈰 für den Augenſchein ausge-

glichen;5) 󶈠⧸theilsH.1⧸[theils⫮]󳶢H.2⧸󶈰 ja, es 󶈠⧸darfH.1⧸󳶺[darf⫮]

313

⌜wirders⌝󳶪H.2⧸󶈰 gar nicht als Widerſpruch erſcheinen, wenn nicht ein falſcher Maßſtab des Jdentitätsgeſetzes angelegt wird.6) Endlich würde

314

lich die praktiſchen Jdeen, wenn man den Widerſpruch in Herbarts

315

Sinne beſtimmt, denſelben Widerſpruch in ſich enthalten, wie z.B.

316

die Jdee der Billigkeit nach Herbarts Auffaſſung nicht ohne [Verä⫮]↯

311 312

317 318

er ſich fragen, ob nicht auch die aeſthetiſchen Begriffe und nament-

die durch eine Handlung eingetretene Veränderung gedacht wird, welcher Begriff nach Herbarts Metaphÿſik ſich in ſich| widerſpricht.

319

Aus dieſen Gründen wird Herbarts Fundament der Eintheilung ſich

320

󶈠⧸kaumH.1⧸󳶺[kaum⫮]⌜nicht einmalers⌝󳶪H.2⧸󶈰 unter ſeinen eigenen Vorausſetzungen, aber viel weniger außerhalb ſeines Sÿſtems halten

321 322 323

können.

Sollte ſich 󶈠⧸hiernach die menſchlicheH.1⧸󳶲󳶺[hiernach⫮]

327

⌜nach dieſen fehlgeſchlagenen Verſucheners⌝󳶪 󳶺d[ie]↶d⌜asÜ⌝󳶪 ⌜verſchiedene Verhalteners⌝ menschliche⌜rers⌝󳶢H.2⧸󶈰 Thätigkeit

328

der Gegenſtände.

324 325 326

|4/2r

nicht eignen, um einen Eintheilungsgrund der Philoſophie abzuge-

ben: ſo ſuchen wir ihn auf der andern Seite, in der Verſchiedenheit

329 330

||5) Logiſche Unterſuchungen B. I. S. 137 ff.

331

6) Logiſche Unterſuchungen B. II. S. 95 f.

||4/1v

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften

235

332

Es begegnet uns auf dieſem Wege eine alte Eintheilung, die zufolge

333

einer Bemerkung des Sextus Empiricus dem Keime nach bereits in

334

Plato liegt, aber erſt von den Stoikern zur Norm des Sÿſtems genom-

335

men wurde. Es iſt die Eintheilung der Philoſophie in Logik, Phÿſik

336

und Ethik.

337

Die alten Stoiker ſahen dabei die Phÿſik als den Kern oder den

338

Quell der Erkenntniß an; denn die Phÿſik, welche in die Vernunft

339

der Natur als in den 󶈠⧸letztenH.1⧸

340 341 342

Letzten ⌜göttlichenAV⌝

H.2⧸󶈰

Urſprung zu-

rückgeht, iſt ihnen󳶺[,⫮] [wie⫮]󳶪↯ in demſelben Sinne, wie dem Ariſtoteles die Metaphÿſik, die göttlichſte unter den Wiſſenſchaf-

ten. Sie vergleichen die Philoſophie dem lebendigen Leibe eines

343

Thieres und zwar den logiſchen Theil den Knochen und Sehnen,

344

den ethiſchen dem Fleiſch und Blut, den phyſiſchen| endlich der

345

Seele

346

347

348

349

|4/2v

󶈠⧸. Oder ſieH.1⧸󳶲󳶺[.]↶⌜;N⌝󳶪 󳶺[O]der↶⌜oÜ⌝der󳶪 sie󳶢H.2⧸󶈰 {.}

vergleichen nach dem Bilde eines Eies den logiſchen Theil der Schale, den ethiſchen dem Weißen, den phyſiſchen dem Dotter; oder nach dem Bilde eines fruchtbaren Ackers den logiſchen Theil der Umzäunung, den ethiſchen der Frucht, den phÿſiſchen dem Boden oder dem Baume.

Erläuterungen: 339 göttlichen] spät ergänzte Alternativvariante. Da Tr. keine Anmerkungen darüber hinterlässt, welche Variante gilt, wird für die Textkonstitution die ältere schonmals gesetzte Version verwendet und die Alternative unter dem Klartext vermerkt.

345−349 oder bis Baume] Vermeidung von Redundanz. Tr. beschränkt sich in der dritten Textstufe (H.3) auf eine metaphorische Umschreibung der Philosophie und ihrer Teile durch die Stoiker und klammert die anderen Bilder aus dem Vortrag aus.

Genetische Darstellung

236

Ethiſche Unterſuchungen

350

Wie die Logik darnach als das Zuſammenhaltende betrachtet wird,

351

ſo bildet die Phÿſik den geſtaltenden, hervorbringenden Mittelpunkt.

352

354

Hiernach 󶈠⧸würde die Folge derH.1⧸würde󳶲⌜nerg⌝ [die⫮] [Folge⫮]

355

Jndeſſen erkannten die Stoiker auf der einen Seite dıe Wechſelwir-

353

356 357

󳶺d[er]↶d⌜ieÜ⌝󳶪󳶢H.2⧸󶈰 Theile, wenn wir von i[h⫮]↯nnen nach außen gehen, in der Reihe der Phÿſik, Ethık, Logik auf einander folgen. kung der Theile 󶈠⧸u.H.1⧸󳶺〚[u⫮]1.〛2↶⌜,Ü⌝󳶪H.2⧸󶈰 wollten keinen

dem andern 󶈠⧸voranſtellenH.1⧸voran󳶺[stellen⫮]⌜ſetzeners⌝󳶪H.2⧸󶈰

358

u. änderten die Folge nach dem vorliegenden Zweck des Vortrags

359

u. der Lehre; auf der andern Seite ſtellten ſpätere Stoiker nach der

360

vorwiegenden Richtung, die ſie nahmen, die Ethik in das eigentliche

361

Centrum.7)

362 363 364 365 366

|Da die [Philoſophie⫮]↯ ſtoiſche Eintheilung der Philoſophie aus

der Sache󶈠⧸⌈,⌜aus dem innern Verhältniß der Gegenſtände{,}erg⌝erg⌉

H.2⧸󶈰

entnommen iſt, ſo hat ſie ſich neben jener ariſtoteliſchen bis in

die neueſte Zeit behauptet.

Carteſius z.B. hat über die Eintheilung der Philoſophie nur eine

367

allgemeine Bemerkung,8) aber ſie ſtimmt im Weſentlichen mit der

368

ſtoiſchen [Einth⫮]↯ Anſchauung. Carteſius ſagt, die Philoſophie

369 370

|5/1r

gleiche einem Baume. Seine Wurzeln ſeien die Methaphÿſik − und

er beſtimmt ausdrücklich, daß die Principien der Erkenntniß, die

371

Entwicklung der weſentlichen Attribute Gottes, der Jmmaterialität der

372

Seele und aller klaren und einfachen Begriffe, die ſich in uns finden,

373

zur Metaphÿſik gehören, ſo daß dieſe Disciplin im carteſiſchen Sinne

374 375

||7) Diog. Laert. VII. 40 Sext. Empir. adv. mathem. VII. 16 ff.

376

vgl. Plutarch. De Stoicorum repugnantiis. c. 9.

377

||8) epiſt. ad principiorum philosophiae interpretem Gallicum p. 10 f.

378

nach der Amſterd. Ausgab. [+⫮]↯ 1685. [p. 10 f.⫮]↯

||4/2v

||5/1r

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften 379 380 381

der 󳶺[B⫮] [ſ⫮]󳶪↯Logik der Stoiker und dem metaphyſiſchen Theil ihrer Phÿſik entſprechen würde. Der Stamm jenes Baumes, führt

Carteſius fort, ſei die Phÿſik, die aus ihm hervorwachſenden Zweige

382

die übrigen Wiſſenſchaften, welche auf drei zurückgehen, Medizin,

383

Mechanik und Ethik,[1)⫮]↯ ſo daß wi󳶺[r]↶⌜rNZ⌝󳶪↯ in dieſen den an-

384 385 386 387

dern Theil der ſtoiſchen |Phÿſik ſammt der Ethik vor uns haben.

󶈠⧸Vergebens verſucht man aus Spinoza de intellectus emenda-

tione p. 417. f{.} eine Eintheilung 󳶲󳶺de[s]↶de⌜rÜ⌝󳶪 [Sÿſtems⫮]󳶢↯ Philoſophie zu gewinnen.H.1⧸󳶲󳶺[Vergebens⫮] [versucht man⫮]

391

⌜Man haters⌝󳶪 aus Spinoza de intellectus emendatione p. 417. f{.} eine Eintheilung der Philosophie zu gewinnen ⌜verſuchterg⌝[.]⌜;erg⌝

392

⌜aber [vergeblich, mit⫮]↯ mit Unrecht[.⫮]↯ und vergeblich.erg⌝󳶢H.2⧸󶈰 Denn es iſt dort nur von dem Studium der Wiſſenſchaften für den

Zweck der menſchlichen Glückſeligkeit und Vollkommenheit, von

393

einem Dienſt dieſes Studiums für das ethiſche Ziel u. nicht von ei-

394

ner theoretiſchen Gliederung der Principien die Rede. Es ſteht nichts

395

im Wege, bei Spinoza eine Eintheilung vorauszuſetzen, welche der

396

des Carteſius verwandt iſt. 󳶺[Sein]↶⌜JnÜ⌝󳶪↯ ſeiner Ethik geht er einen ähnlichen Gang, von der Metaphÿſik im erſten Buche 󶈠⧸zur

388 389 390

397 398 399 400

󳶲[B⫮]↶⌜lN⌝ogiſche󳶺[r]↶⌜nÜ⌝󳶪󳶢↯ BetrachtungH.1⧸zu󳶺[r⫮] logi-

ſchen Betrachtung⌜enÜ⌝󳶪H.2⧸󶈰 im zweiten, wobei er die Principien der Phÿſik lemmatiſch zwiſchen legt, von da zur Pſÿchologie der

403

Leidenſchaften im 3t. u. 4t. Buch u. endlich 󶈠⧸⌜im 5tenerg⌝H.2⧸󶈰 zur Ethik im engern Sinne, dem Ziel des Ganzen. Zwar ſind auf dieſem

404

das Ganze verfolgt, in ihrem Umfang beſchränkt und in ihrer Richtung

401 402

237

Gange die wiſſenſchaftlichen Lehren durch den ethiſchen Zweck, den

Erläuterung: 356 ...⫮]2...〛1.] nach Überschreibung, Streichung des -Kringels.

|5/1v

238

Genetische Darstellung

Ethiſche Unterſuchungen

405

gebunden; aber es läßt ſich dennoch daraus ein allgemeiner Entwurf

406

der Eintheilung im Sinne des Spinoza entnehmen.

407

|Jn jenen 󳶺[B]↶⌜VÜ⌝ergleichen󳶪↯ der Stoiker, in dem Bilde des

408

Carteſius und in der Anordnung des Spinoza iſt der genetiſche Gang

409

angedeutet, den die Eintheilung verfolgen will. 󳶺[D]↶⌜EsÜ⌝󳶪↯ ſollen die Disciplinen nicht in einem äußern Ueberblick neben einander

410 411 412 413

geſtellt werden, ſondern ſie ſollen ſich wie Bedingung und Bedingtes, Vorausſetzung und Folge󳶺[,⫮] [K⫮]󳶪↯ an einander reihen. Die ſichere ſoll die Baſis der ſpätern ſein.

417

Hegel will dies in einem noch ſtrengern Sinn, wenn er, 󶈠⧸⌜ähnlicherg⌝H.2⧸󶈰 wie die Stoiker, die Philoſophie in Logik, Philoſophie

418

innern Zuſammenhang erzeugen. Wenn man namentlich bei dem

419

meiſt formalen Jnhalt der ſtoiſchen Logik zweifelhaft ſein kann, [wo-

414 415 416

420 421 422 423 424 425 426 427 428

der Natur und Philoſophie des Geiſtes 󶈠⧸(Ethik)H.1⧸ [(Ethik)⫮]

H.2⧸󶈰

eintheilt. Die dialektiſche Methode ſoll von Glied zu Glied dieſen

hin⫮]↯ wo man ihr ihren Ort anzuweiſen hat: ſo ſteht Hegels Logik, die dialektiſche Vorbildnerin alles Concreten, nothwendig im Urſprung.

Jndeſſen entſcheidet dieſelbe Kritik, welche genöthigt iſt, 󳶺[die dia]

↶⌜HegeÜ⌝ls󳶪 dialektiſche Methode für eine Methode des Scheins zu erklären, auch über dieſe Eintheilung, 󶈠⧸die aus der Dialektik fließt.H.1⧸󳶲󳶺[die⫮]⌜welcheers⌝󳶪 aus der ⌜künstlıchςerg⌝ Dialektik fließt.󳶢H.2⧸󶈰 Wir müſſen daher die Ordnung der Natur auf einem einfacheren Wege ſuchen.

|Jn der Eintheilung und Reihenfolge der Wiſſenſchaften kreuzen

431

ſich leicht zwei leitende Geſichtspunkte, die Ordnung 󳶺[−]↶⌜,Ü⌝󳶪 welche der Entſtehung der Sache folgt, und die Ordnung, welche

432

Rückſicht durchſchneidet die genetiſche Strenge. Denn die genetiſche

433

Betrachtung ſchöpft aus dem Grunde der Sache, während ſich die

429 430

|5/2r

der Gang des Lehrens und Lernens nöthig macht. Die methodiſche

|5/2v

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften 434 435 436

methodiſche Anordnung den Bedürfniſſen des [menſc⫮]↯ ſich entwickelnden menſchlichen Geiſtes anpaßt.

Wir finden dieſe Einſchränkung oder Vermiſchung faſt in allen

437

Sÿſtemen. Jn Plato gehen die epagogiſchen Dialoge den dialektiſchen

438

voran: Ariſtoteles verlangt, daß man vor der Metaphÿſik, dıe ſonſt

439

von den erſten Gründen anhebt, die 󶈠⧸LogikH.1⧸[Logik⫮]⌜Analÿ-

440

tikers⌝H.2⧸󶈰 vorherwiſſe und die Peripatetiker ſtellen überhaupt die

441

Logik als das Werkzeug der Disciplinen, als Organon, vor den Jnbe-

442

griff derſelben. Von den Stoikern iſt bereits angeführt, daß ſie die Folge

443

nach dem Zweck veränderten. Carteſius griff in ſeiner Schrift über

444

die Methode ſelbſt in die Ethik vor, um die Freiheit der Unterſuchung

445

zu ſichern: Chr. Wolf| unterſchied ausdrücklich zwiſchen der metho-

446

dus demonstrandi u. methodus studendi. Kant 󳶺[Kant⫮] [ſchickte⫮]

447 448 449 450 451 452 453 454 455 456 457 458 459

239

|6/1r

[ſeine⫮]󳶪↯ ſteckte durch ſeine [W⫮]↯ Kritik den Boden für das Sÿſ-

tem ab und ſchied Kritik u. Architekto󳶺〚[l⫮]2〛1↶⌜nÜ⌝ik󳶪↯ ſehr deutlich. Jn Hegels Lehre iſt bald die Phaenomenologie als die Erziehung

des Bewußtſeins zur ſpeculativen Erkenntniß, bald die hiſtoriſche

Einleitung 󶈠⧸⌜der Encÿklopaedieerg⌝H.2⧸󶈰 oder gar die ganze Geſchichte der Philoſophie für eine nothwendige Vor󳶺〚[ſ⫮]2〛1↶⌜bÜ⌝ereitung󳶪↯ erklärt, um den Standpunkt der grundlegenden Wiſſenſchaft, der Logik, aufzufaſſen.

󶈠⧸Namentlich iſt ein ſolches Hÿſteronproteron mit der Stellung

der Erkenntnißlehre unvermeidlich.H.1⧸󳶺[Namentlich⫮]⌜Bis zu

einem gewiſſen Punkteers⌝󳶪 ist ein solches Hÿsteronproteron 󳶺[mit⫮]⌜iners⌝󳶪 der Stellung der Erkenntnißlehre unvermeidlich.H.2.1⧸󳶺[Bis zu einem gewissen Punkte ist ein solches

Erläuterungen:

448 ...⫮]2〛1.] nach Überschreibung, Streichung der Oberlänge des .

452 ...⫮]2〛1.] nach Überschreibung, Streichung der Unterlänge des .

240

Genetische Darstellung

Ethiſche Unterſuchungen

460

Hÿsteronproteron in der Stellung der Erkenntnißlehre

461

unvermeidlich.⫮]⌜blDie Stellung der Logik (Erkenntnißlehre)

462

erſcheint wie ein Hyſteronproteron.blers⌝󳶪H.2.2⧸󳶺[blDie Stellung

463

der Logik (Erkenntnißlehre) erscheint wie ein Hysteron-

464

proteronbl]↶Die Stellung der Logik, der Erkenntniß⌜lehre{,} erſcheint insbeſondere wie ein HyſteronproteronÜ⌝ der meiſten

465 466 467 468 469 470 471 472 473 474 475

Sÿſteme.󳶪H.2.3⧸󶈰 Als Theorie der Wiſſenſchaft muß ſie in Principi-

en eingehen, welche 󳶺[⌜ſie vonerg⌝⫮] den übrigen Wiſſenſchaften󳶪↯ angehören, und 󳶲󳶺[doch]↶⌜welÜ⌝che󳶪 [kann⫮]󳶢↯ ſie von ihnen erſt überkommt; und doch kann ſie 󶈠⧸ihnen nicht wohl nachfolgen, denn ſie ſoll ihren Grund ſichernH.1⧸󳶲󳶺[ihnen⫮]⌜im philoſophiſch-

en Syſtem den übrigen Disciplineners⌝󳶪 nicht wohl nachfolgen, denn sie soll 󳶺ih[r]↶ih⌜nÜ⌝󳶪en ⌜denerg⌝󳶢 Grund sichernH.2⧸󶈰

u. [ih⫮]↯ den Bau vorzeichnen. Als Ergründung des Denkens [ſteht⫮]↯

wird ſie im genetiſchen Sÿſtem zu einem Theil der Geiſteslehre, zu einer Seite der Pſÿchologie. Aber als Logik hat ſie die Aufgabe, nicht

476

blo[s]{ß} der Pſÿchologie, |ſondern auch den Wiſſenſchaften, welche

477

dieſer nothwendig vorangehen, zur Wegweiſerın zu dienen. 󶈠⧸Daher

478 479 480 481 482

wird man die Logik, wie ſchon im Alterthum geſchah, [d⫮]↯ vor das

genetiſche Sÿſtem ſtellen müſſen󳶺[.⫮]⌜,ers⌝󳶪↯ wobei ſich denn freilich mannigfaltige Vorausnahmen nicht umgehen laſſen.H.1⧸󳶲󳶺[Daher⫮]

[wird⫮] [man die Logik,⫮]⌜Dies doppelte Verhältniß bringt in die Stellung der Logik ein Schwanken, und man weiſt ihr meiſtens,ers⌝󳶪

483

wie schon im Alterthum geschah, vor das genetische Sÿstem

484

󳶺[stellen müssen⫮][,⫮] [wobei⫮][sich denn freilich mannig-

485 486 487 488

faltige Vorausnahmen nicht umgehen lassen.⫮]⌜ihren Ort an.ers⌝󳶪󳶢H.2⧸󶈰 Die Philoſophie entſteht im Unterſchiede von den einzelnen

Wiſſenſchaften weſentlich daraus, daß die nur vorausgeſetzten Princi-

|6/1v

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften 489

pien der einzelnen Wiſſenſchaften den Beweis ihrer Berechtigung

490

u. die zerſtreunten Anfänge den Zuſammenhang 󶈠⧸der Ein-

491 492 493

heitH.1⧸󳶲󳶺de[r]↶de⌜sÜ⌝󳶪 󳶺[Einheit⫮]⌜Ganzeners⌝󳶪󳶢H.2⧸󶈰 ſuchen. Es iſt daher nothwendig, daß dieſe allgemeine Aufgabe zunächſt erledigt werde. Denn die beſondern Disciplinen empfangen dadurch

497

󶈠⧸ihren UrſprungH.1⧸ihre󳶺[n⫮] [Ursprung⫮]⌜Wurzelners⌝󳶪H.2⧸󶈰 und 󶈠⧸⌜ihreerg⌝H.2⧸󶈰 gegenſeitige Stellung. Es beſchäftigt ſich da-

498

d.h. das Seiende in jenem allgemeinen Sinn, in welchem es nicht

499

das Beſondere iſt, aber den Grund des Beſondern in ſich trägt

500

− die Methaphÿſik. Sie wird daher, wie die Logik, allen einzelnen

501

Wiſſenſchaften voran|gehen.

494 495 496

mit diejenige Wiſſenſchaft, welche es von früh her unternommen

hat, das Seiende als Seiendes, das Seiende als ſolches zu erkennen

Logik und Metaphÿſik eröffnen [hi⫮]↯ nach dieſen Betrachtungen

502 503

die Philoſophie. Jndeſſen bilden ſie vielleicht nur die beiden ſich ein-

504

ander bedingenden Seiten Einer und derſelben Wiſſenſchaft, die wir

505

als Logik im weitern Sinne bezeichnen können. Dieſe Anſicht iſt dann

506

nothwendig, wenn es, wie nachgewieſen worden9), ein vergebliches

507

Bemühen iſt, eine formale Logik feſtzuhalten, wenn vielmehr der

508

Vorgang des Erkennens nur durch den Erwerb oder Beſitz der realen

509

Principien, welche den erkannten Dingen zum Grunde liegen, begrif-

510

fen werden kann, wenn alle Nothwendigkeit auf eine Gemeinſchaft

511

des Denkens und Seins als auf ihren letzten Urſprung hinweiſt, wenn

512

endlich die Lehre der Metaphÿſik nur von denſelben Principien der

513 514

241

9) Logiſche Unterſuchungen. Abſchnitt 1. Th. I. S. 4 ff{.}

Erläuterung: 476 blo[s]{ß}] inkonsistente Schreibweise an die dominierende Schreibweise im Fragment angeglichen.

|6/2r

Genetische Darstellung

242

Ethiſche Unterſuchungen

515

Wiſſenſchaften, welche die Erkenntnißlehre behandelt, und von kei-

516

ner andern Baſis ausgehen kann. Dieſer Parallelismus des Denkens

517

und Seins aus einer innern Gemeinſchaft entſpringend, dieſe Einheit

518

der Logik und Metaphÿſik iſt in

519

520 521 522 523

524

525

526

527

528

529

gegebenenblerg⌝

dem Sÿſtem der bl⌜den

von mir früher heraus-

logiſchen Unterſuchungen entworfen| und begrün-

det worden. Erſt aus einer ſolchen Grundlegenden Wiſſenſchaft kann die Gliederung 󶈠⧸derH.1⧸der⌜jenigςerg⌝H.2⧸󶈰 Disciplinen folgen, deren Principien ſie enthält.

Wenn man ſich in den Punkt hineinſtellt, auf welchem über-

haupt erſt die Philoſophie in ihrem Unterſchied von den einzelnen Wiſſenſchaften entſteht: ſo wird ſich der 󶈠⧸ſcheinbareH.1⧸[schein-

{ } blObwol die Philoſophie, wenn wir die Geſchichte fragen, in ⌜ bare⫮]H.2⧸󶈰 Zirkel löſen, in welchem eine ſolche Wiſſenſchaft die foleiner Einheit mit den übrigen 󳶲[Disc]↶⌜WiſÜ⌝ſenſchaf{-}󳶺[ten] genden philoſophiſchen Disciplinen zu begründen und doch auf ih↶⌜ tenNZ⌝ 󳶪󳶢↯ entſtand, ſo hat ſich durch d. Theilung

rem Grunde zu ſtehen 󶈠⧸ſcheinenH.1⧸schein󳶲󳶺[e]↶⌜tÜ⌝󳶪[n⫮]󳶢H.2⧸󶈰.

der Arbeit längſt dieſer Verband gelöſt u. die Philoſ. Die Philoſophie findet die

fındet jetzt die [u.ſ.w.] blerg⌝

einzelnen Wiſſenſchaften in ihrer Zer-

530

ſtreuung und in der Geſtalt vor, die ſie ſich für ſich gegeben haben.

531

󶈠⧸Die Logik wie die Metaphÿſik hat in ihnen ihren Stoff der Betrach-

532 533

tung; ſie findet in ihnen Methoden und vorausgeſetzte Principien vor

und ſieH.1.1⧸Die Logik 󳶲󳶺[wie]↶⌜undÜ⌝󳶪 [die⫮] Metaphÿsik

|6/2v

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften 534 535 536 537 538 539 540 541

󳶺ha[t]↶ha⌜bN⌝en󳶪 in ihnen ihren Stoff der Betrachtung; sie 󳶺finde〚[t⫮]2〛1↶finde⌜nÜ⌝󳶪 in ihnen Methoden und voraus-

gesetzte Principien vor und [sie⫮]󳶢↯H.1.1⧸󶈰 haben die Aufgabe,

ihren Urſprung und ihre Einheit aufzuſuchen󶈠⧸; u. durchH.1⧸ 󳶲󳶺[;⫮]

[u.⫮]󳶪{.} 󳶺[d]urch↶⌜DÜ⌝urch󳶪󳶢H.2⧸󶈰 dieſe 󶈠⧸höhereH.1⧸[höhere⫮]H.2⧸󶈰 Auffaſſung der gemeinſamen Quelle, durch dieſe gegenſeitige Regelung und Belebung wird erſt der philoſophiſche Gehalt

erzeugt: Es kann nicht fehlen, daß in dieſem Vorgan[g]|ge diejeni-

542

gen Keime entſtehen, welche in der Entwicklung des Sÿſtems zu den

543

Principien der philoſophiſchen realen Disciplinen werden. 󶈠⧸Die

544 545 546 547 548 549

243

vereinzelte Wiſſenſchaft in ihrer geſchichtlichen GeſtaltH.1⧸Die

vereinzelt󳶲⌜nerg⌝ Wissenschaft⌜energ⌝ in 󳶺ihre[r]↶ihre⌜nÜ⌝󳶪 geschichtlichen Gestalt⌜energ⌝󳶢H.2⧸󶈰 werden von der grundlegenden Wiſſenſchaft der Logik und Metaphÿſik vorausgeſetzt, aber die philoſophiſchen Disciplinen gehen in ihrer Gliederung aus 󶈠⧸derſel-

benH.1⧸󳶺[derselben⫮]⌜dieſerers⌝H.2⧸󶈰 hervor. Die Logik und Meta-

550

phÿſik greifen daher nicht in die philoſophiſchen Disciplinen vor,

551

ſondern in die empiriſchen zurück.

Der folgende Text wird in der dritten Textstufe (H.3) ausgelassen: 552

Es bedarf an dieſer Stelle einer allgemeinen Orientierung, welche am

553

beſten durch einen Blick auf die Geſchichte der Philoſophie und der

554

Wiſſenſchaften geſchieht:

Erläuterungen: 518 f. den bis herausgegebenen] Verweis auf das eigene Werk in der dritten Textstufe (H.3) persönlicher formuliert. 529 [u.ſ.w.].] wird bei der Lesung der dritten Textstufe (H.3) ausgelassen.

535 ...⫮]2〛1.] nach Überschreibung, Streichung der Oberlänge des .

541 Vorgang[g]e] überzähliges getilgt.

|7/1r

Genetische Darstellung

244 555

Ethiſche Unterſuchungen

Als die Philoſophie entſtand, war ſie mit den übrigen [Philo⫮]↯

556

Wiſſenſchaften eins. Wir führen nicht an, daß wir zur Zeit der

557

Anfänge in Thales, dem ioniſchen Phÿſiologen, einen Aſtronom

558

u. Geometer, in Pÿthagoras[,⫮]↯ einen Geometer u. Harmo-

559

niker󶈠⧸⌈,⌜ in Demokrit einen Mechanikererg⌝erg⌉H.2⧸󶈰 ſehen und daß ſchon damals die Analogien einzelner Wiſſenſchaften zu

560 561 562 563 564

Weltanſichten 󶈠⧸ausgedehntH.1⧸[aus⫮]gedehntH.2⧸󶈰 werden, wie

dies [ſ⫮]↯ in der Lehre des Pÿthagoras von der Zahl u. Harmonie an einem klaren Beiſpiel hervortritt. Erſt in |Plato wird die Philoſophie wahrhaft Sÿſtem, ein ſelbſtbewußtes Ganzes. Schon Plato ſtellt der

565

Dialektik, welche ihm die Methode der Philoſophie iſt, das große Ziel,

566

die bedingten Vorausſetzungen der Wiſſenſchaften zum Unbedingten

567

der Jdee und die zerſtreuten Erkenntniſſe zur Ueberſicht der Ver-

568

wandtſchaft unter ſich und mit der Natur des Seienden zu führen{.}

569

󳶺[B]↶⌜JnÜ⌝󳶪↯ dieſer Richtung lie󳶺〚[f⫮]2〛1↶⌜gÜ⌝en󳶪↯ bei Plato

570

die immer neuen, die wie abgeſtumpften Antriebe zu philoſophiſcher

571

Betrachtung. Aber in dem Drange nach der großartigen Einheit

572

verſäumt er den [Z⫮]↯ umgekehrten Zug zum Beſondern. Wir finden

573 574 575 576 577

bei ihm keine Eintheilung des Ganzen in die einzelnen Disciplinen

und nirgends eine ſichere Erklärung über das Verhältniß der verein-

zelten [Disciplinen⫮]↯ Wiſſenſchaften und ihrer Methoden [u⫮]↯zur

Philoſophie u. Dialektik. Denn wenn auch Plato von einem Hinauf= und Herabſteigen auf dem Gebiete der Jdee ſpricht, ſo fehlt ihm doch

578

in jenem vorwiegenden Streben zur Jdee der beſonnene Entwurf des

579

Beſondern, der Gang zu den Wiſſenſchaften zurück. Bei Plato heißt

n20

|7/1v

Randnotiz Tr.’s:

Erläuterungen:

Nr. 7 vermutl. zu Z. 552−737:

n20 Fortzuſetzς bis S. 2.] Die Textauslassung ab Zeile 552 gilt bis 737.

||blFortzuſetzς auf Bog. 9. S. 2.bl

||7/1r

569 ...⫮]2〛1.] nach Überschreibung, Streichung des Oberlängenansatzes des .

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften 580

ſelbſt noch eıne einzelne Wiſſenſchaft, wie die Geometrie, eine

581

|Philoſophie (φιλοσοφία τιs), wie noch bei Ariſtoteles ein

582

wiſſenſchaftlicher Schluß φιλοσόφημα heißt. 󶈠⧸Eine ſcharfe Schei-

583 584 585

ihren Theilen auf der einen, und den vereinzelten Wiſſenſchaften auf

der andern Seite noch nicht da.H.1⧸󳶺[Eine scharfe Scheidung,

ein ausgesprochener Gegensatz ist zwischen der Philosophie

587

u. ihren Theilen auf der einen, und den vereinzelten

588

Wissenschaften auf der andern Seite noch nicht da.⫮]⌜Es mag

590 591 592

ſcheinen, daß in Ariſtoteles der Gegenſatz zwiſchen der Philoſophie und den einzelnen Wiſſenſchaften entſchieden werdς{.}ers⌝󳶪H.2⧸󶈰

Ariſtoteles unterſcheidet 󶈠⧸⌜nämlicherg⌝H.2⧸󶈰 die Auffaſſung der Thatſache (τò ὄτι) und die Erforſchung des Grundes (τò δίοτι); er

593

nennt jene ἱστορία (z.B. de inceſsu animalium c. 1), u. man hat dieſe

594

hingegen in 󳶺〚[ſ⫮]2ei〛1↶⌜AÜ⌝riſtoteles󳶪↯ Sinne φιλοσοφία nen-

595

nen wollen. Jndeſſen würde er einen ſolchen Gegenſatz ablehnen.

596

Die Thatſache und der Grund gehören nach ſeiner Anſicht dergeſtalt

597

zuſammen, daß 󶈠⧸nach ſeiner AnſichtH.1⧸[nach seiner Ansicht⫮]

598 599

H.2⧸󶈰

die genügende Erkenntniß der Thatſache zum Grunde führt

(eth. Nic. I. 2) und nur bisweilen erſt mit dem Grunde die Thatſache

600

hervorſpringt (analyt. post. II. 8). Jn Ariſtoteles kann man dieſe

601

zwei Seiten der Erkenntniß nicht wie zwei Gebiete der Wiſſenſchaft

602

ſcheiden und am wenigſten die Philoſophie [vor⫮]↯ jener ἱστορία

603

|7/2r

dung, ein ausgeſprochener Gegenſatz iſt zwiſchen der Philoſophie u.

586

589

245

entgegenſtellen. Jn 󶈠⧸derH.1⧸󳶺[der]↶⌜ſeiÜ⌝ner󳶪H.2⧸󶈰 oben berühr-

604

ten Eintheilung der Philoſophie haben alle Wiſſenſchaften Raum; und

605

wie Ariſtoteles in der Phÿſik |diejenigen Naturwiſſenſchaften, welche

Erläuterung: 594 ...⫮]2...〛1.] nach Überschreibung, Streichung der hervorstehenden Unterlänge des .

|7/2v

246 606 607 608

Genetische Darstellung

Ethiſche Unterſuchungen

die Thatſache und nur dieſe darſtellen, z.B. die Thiergeſchichte [u.⫮]↯ nicht ausſchließt, ſondern als Grundlage für die Erforſchung fordert

und in ſie aufnimmt: ſo würde auch folgerichtig zu der Politik die

609

Geſchichte der Staaten und die Beſchreibung der Verfaſſungen, wel-

610

612

che 󶈠⧸⌜ſo guterg⌝H.2⧸󶈰 ίστορίαι ſind, als die περὶ τὰ ζῶα ίστορία, in demſelben Verhältniß ſtehen. Nach einer andern Seite liegt eine an-

613

wendet bisweilen das Bild des Werkmeiſters, der für die verſchiedenen

614

Thätigkeiten der ausführenden Arbeiter gleichſam der Urſprung und

615

die Einheit iſt, auf die Wiſſenſchaften an und bezeichnet die leiten-

616

den im Gegenſatz gegen die ihnen untergeordneten mit dem Namen

617

der [α⫮]↯ τέχvαι άρχιτεκτονικαι (metaphys. V. 1) und die Philoſophie

611

618 619

dere Beſtimmung, die hier in Betracht kommen könnte. − Ariſtoteles

könnte nun im vorzüglichen Sinne άρχιτεκτονική heißen. Aber theils nennt Ariſtoteles ſie nirgends ſo u. ſcheint vielmehr die erſte

620

Philoſophie, die Wiſſenſchaft der Urſprünge, mit dieſem Bilde zu er-

621

623

läutern (metaphys. I. 󳶺[2]↶⌜1Ü⌝󳶪↯.), theils würde auch auf dieſem Wege |keine beſtimmte Scheidung von den einzelnen Wiſſenſchaften

624

Gegenſatz zwiſchen der Philoſophie und ihren Theilen auf der einen,

622

625 626

erzeugt werden. 󶈠⧸Hiernach iſt auch bei Ariſtoteles ein[e⫮]↯ ſcharfer und den vereinzelten Wiſſenſchaften auf der andern Seite noch nicht

da.H.1⧸Hiernach ist 󳶺[auch bei Aristoteles⫮] ein scharfer

627

Gegensatz zwischen der Philosophie und ihren Theilen auf

628

der einen, und den vereinzelten Wissenschaften auf der an-

629

dern Seite ⌜auch bei Ariſtotelesers⌝󳶪 noch nicht da.H.2⧸󶈰 Es fehlt

630

an den Grenzbeſtimmungen.

633

Erſt in de󳶺[r]↶⌜mÜ⌝󳶪↯ alexandriniſchen Zeitalter vollzog ſich die Theilung der wiſſenſchaftlichen Arbeit entſchiedener. Die einzel-

634

Grammatik in Zenodot, Ariſtarch und Ariſtophanes, die Geogra-

631 632

nen Wiſſenſchaften wuchſen damals durch einzelne Pflege, wie die

|8/1r

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften 635

phie in Eratosthenes und ſpäter in Ptolemaeus, die Aſtronomie

636

638

󳶺[in]↶⌜inNZ⌝󳶪↯ Hipparch, und die Geometrie gab in Euklides das

639

Erſt in dieſer Zeit gehen die einzelnen Wiſſenſchaften für ſich ih-

640

ren Weg und ſie löſen ſich, wie die Aſtronomie, die Geographie,

641

die Mathematik, mehr u. mehr von der Philoſophie ab, 󶈠⧸wenn

637

642 643

große Beiſpiel eines einzelnen ſich abſchließenden Sÿſtems und der ſich in beſtimter Abfolge ergebenden nothwendigen Erkenntniſſe.

auchH.1⧸󳶲󳶺[wenn auch⫮]⌜obwo[h]lers⌝󳶪H.2⧸󶈰 die Philoſophen, wie z.B. die hervorragenden Stoiker, fortwährend 󶈠⧸auchH.1⧸󳶺[auch⫮]

646

⌜auchers⌝󳶪󳶢H.2⧸󶈰 in den einzelnen Wiſſenſchaften forſchten u{.} |ſie mit dem Ganzen der Lehre zuſammenbrachten, wie wir dies

647

graphiſchen Verdienſte einzelner Stoiker erhalten hat. Selbſt die

648

neuplatoniſche Schule zerſchneidet nicht ganz das Band mit den ein-

649

zelnen Wiſſenſchaften und in Proklus στοιχείωσις θεολογικὴ verbin-

650

det ſie ſich auf ähnliche Weiſe mit der Architektonik von Euklides

651

Elementen, wie ſpäter 󶈠⧸Spinoza.H.1⧸Spinoza 󳶺[.⫮]⌜ thut.ers⌝󳶪H.2⧸󶈰

644 645

652 653 654 655 656 657 658 659 660

247

z.B. in den Nachrichten ſehen, welche uns Strabo über die geo-

Nachdem das Mittelalter geſchieden war, 󶈠⧸das[,⫮]↯ nur The-

ologie nur die wiſſenſchaftlichen Elemente des Alterthums in träger

Ueberlieferung friſtete[t⫮]↯;H.1⧸󳶲das ⌜abgeſehen vonerg⌝ 󳶺[nur] ↶⌜derÜ⌝󳶪󳶢 Theologie nur die wissenschaftlichen Elemente des Alterthums in träger Ueberlieferung fristete;H.2⧸󶈰

als 󶈠⧸󳶺[dann⫮]⌜ſichers⌝󳶪↯H.1⧸sich ⌜nunerg⌝H.2⧸󶈰 ein neues Leben in den einzelnen Wiſſenſchaften regte: e󳶺[rk]↶⌜ntÜ⌝warf󳶪↯ 󶈠⧸z.B.H.1⧸[z.B.⫮].H.2⧸󶈰 Campanella, um die Einſeitigkeiten zu ver-

meiden, welche ſich in der Philoſophie aus dem vorwiegenden

Erläuterung: 642 obwo[h]l] inkonsistente Schreibweise an die dominierende Schreibweise im Fragment angeglichen.

|8/1v

Genetische Darstellung

248

Ethiſche Unterſuchungen

661

Jntereſſe einer einzelnen Wiſſenſchaft erzeugen, eine Encÿklopaedie

662

des Wiſſens. Aber 󶈠⧸⌜ſoerg⌝H.2⧸󶈰 gewiſſenhaft[,⫮]↯ wie Campanella, theils in der alten Scholaſtik theils im 󶈠⧸neuen H.1⧸[neuen⫮]

663 664 665 666 667 668

H.2⧸󶈰

Geiſte der neuen Wiſſenſchaften ſtand, konnte er es zu

󶈠⧸derH.1⧸der ⌜ jenigenerg⌝H.2⧸󶈰 󶈠⧸Einigung und Scheidung H.1⧸

󳶺⇆Scheidung und Einigung󳶪H.2⧸󶈰 nicht bringen, welche in dem

Verhältniß der Philoſophie u. der eınzelnen Wıſſen|ſchaften zu einer höhern, aber ſchwierigen Aufgabe wurde. Unter dieſelbe wird man

669

weder in Carteſius, noch in Spinoza genügende Auskunft finden.

670

Zwar ſucht Carteſius, wie in ſeinen Meditationen, in ſeiner Schrift

671

über die Methode, einfache Prinzipien, 󶈠⧸und führt ſie namentlich

672

nach der SeiteH.1⧸und führt sie󳶲⌈[,]⌜, wie in ſeiner Schrift der prin-

676

cipia philoſophiae,erg⌝erg⌉ namentlich 󳶺[nach der Seite⫮]⌜für die Erklärungers⌝󳶪󳶢H.2⧸󶈰 der phÿſiſchen Erſcheinungen [bi⫮]↯ in

677

Seite ziemlich leer aus, theils fehlt der Geſichtspunkt, unter welchem

673 674 675

678 679 680

ihre Folgen hinaus. Aber theils iſt die Anwendung zu beſchränkt u.

󶈠⧸namentlichH.1⧸󳶺[namentlich⫮]⌜esers⌝󳶪H.2󶈰 geht die ethiſche ſich die Philoſophie mit den einzelnen Wiſſenſchaften aus einander

ſetzen könnte. Spinoza hält ſich überall 󳶲[mehr⫮] 󳶺〚[i⫮]2〛1/a[m]b

↶⌜vÜ⌝a⌜oÜ⌝bm󳶪 [P⫮]󳶢↯ Metaphÿſiſchen aus mehr im [Eth⫮]↯

681

Pſÿchologiſchen und Ethiſchen. Chriſtian Wolf unterſcheidet das

682

Rationale von dem Empiriſchen und rückt mit dem vermeintlich

683

Rationalen in das Empiriſche, wie mit einem nothwendigen Prinzip

684

in den 󳶺[+]↶⌜gÜ⌝egebenen󳶪↯ Stoff vor. Aber erſt Kant übt an dieſen

685 686

|8/2r

Begriffen die Kritik. Kant führt das Rationale auf das Allgemeine und Nothwendige und das Allgemeine und Nothwendige auf den Ur-

Erläuterungen: 672 [,].] im Zuge der Spätergänzung überzähliges Komma getilgt.

679 ...⫮]2〛1/a.] nach Überschreibung, Streichung des -Punktes.

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften 687

ſprung im erkennenden Geiſte, auf das Element des a priori zurück.

688

[J⫮]↯ Aus dieſer Quelle ſchöpfte er |die metaphÿſiſchen Prinzipien,

689 690 691 692 693

auf ſubjectivem Boden eine Transſcendentalphiloſophie entſtand, befeſtigt ſich eine K󳶺[u]↶⌜lÜ⌝uft󳶪↯ zwiſchen dem Subjective[m]{n}

u{.} Objective[m]{n} und es 󳶺[ſtellt⫮]⌜vermagers⌝󳶪↯H.1⧸Aber indem

ihm auf subjectivem Boden eine Transscendentalphilosophie

696 697

den einzelnen Wiſſenſchaften und der Philoſophie herzuſtellen.

695

698

vermagH.2⧸󶈰 ſich kein natürliches und geſundes Verhältniß zwiſchen

Von Kant her überwog in der deutſchen Philoſophie die Richtung

699

auf aprioriſche Conſtruction und der Zwieſpalt mit den einzelnen

700

Wiſſenſchaften wuchs immer mehr. Denn ſie wurden nicht ſelten ſo

701

704

behandelt, als gäben ſie für d󳶺[+]↶⌜iÜ⌝e󳶪↯ nothwendigen Erzeugniſſe der Philoſophie nur die Beiſpiele her, und 󶈠⧸⌜ſieerg⌝H.2⧸󶈰 mußten ſich viel gefallen laſſen, um der Philoſophie zu dienen.

705

Weſens und trachteten nach einer autonomen Stellung gegen die Phi-

706

loſophie, der ſie entrathen zu können meinten. Noch heute leidet das

707

wiſſenſchaftliche Studium an dieſem Widerſpruch.

702 703

Sie ſträubten ſich dagegen mit dem Triebe ihres eigenthümlichen

708

Herbart iſt beſonnener verfahren. Jndem er die Philoſophie in die

709

Bearbeitung der Begriffe ſetzt, empfängt er die Begriffe von der Empirie

710

󳶲󳶺[,]a[⎵]b[er]c↶⌜uÜ⌝anb⌜dÜ⌝c󳶪2[r⫮]3 nimmt 󳶺[di]↶⌜voÜ⌝n󳶪1󳶢↯ ihr die

711

|8/2v

mit denen er alle Wiſſenſchaften befruchtete. 󶈠⧸Aber indem ihm

󳶲󳶺entst[and]↶entst⌜ehtÜ⌝󳶪, befestigt[e⫮]󳶢 sich ⌜ihmerg⌝ eine Kluft zwischen dem Subjective{n} u{.} Objective{n} und es

694

249

Elemente 󶈠⧸be|wußt.H.1⧸be|wußt ⌜u. ausdrücklich auf.erg⌝[.]H.2⧸󶈰

Erläuterung:

691 f. Subjectivem bis Objectivem] Deklinationsfehler. Wird durch Hrsg. korrigiert.

|9/1r

Genetische Darstellung

250

Ethiſche Unterſuchungen

712

Bis ſo weit mögen wir ihm folgen. Aber die Weiſe, wie er die Aufgabe

713

der Bearbeitung auffaßt, iſt bereits 󳶺[a]ab〚[g⫮]2〛1/b↶⌜oÜ⌝ab⌜eÜ⌝bn󳶪↯

714 715 716

abgelehnt worden.

Jn den Anfängen der Geſchichte waren die Philoſophie und

die einzelnen Wiſſenſchaften eins und es kann als 󶈠⧸einH.1⧸

719

󳶺[ein]↶⌜dasÜ⌝󳶪H.2⧸󶈰 Ziel erſcheinen, daß ſie wieder eins werden. Aber dies Ziel iſt nur zu erreichen, wenn ſie beide ihre eigenthümliche

720

Es hilft nichts, wenn, wie in Kants Transſcendentalphiloſophie,

721

der innere Zuſammenhang des Allgemeinen mit dem Beſondern, das

722

a priori mit dem a posteriori, der 󶈠⧸FormH.1⧸Form⌜energ⌝H.2⧸󶈰 mit dem

717 718

Aufgabe und dadurch ihre gegenſeitige Stellung richtig auffaſſen.

723

Stoff, des Jdealen mit dem Realen nicht gefunden werden kann und

724

zwiſchen dieſen Seiten nur ein äußerliches Verhältniß zu Stande ge-

725

bracht wird. Es kann nichts helfen und es erzeugt 󶈠⧸nurH.1⧸󳶲n󳶺[u]a[r]b

726 727

↶⌜icN⌝a⌜htÜ⌝bs󳶪H.2⧸󶈰 ⌜alserg⌝󳶢 einen verwirrenden, verderblichen Schein philoſophiſcher Erkenntniß, 󶈠⧸wennH.1⧸wenn ⌜unter dem

731

Namen des reinen Denkenserg⌝H.2.1⧸wenn unter dem Namen 󳶲[des⫮] 󳶺reine[n]↶reine⌜rÜ⌝󳶪 󳶺[Denkens]↶⌜GedanÜ⌝ken󳶪󳶢H.2.2⧸󶈰

732

Denkens galt ausgegeben in vermeintlicher Selbſtbewegung⫮][,⫮]󳶪↯

728 729 730

733

aus den einzelnen Wiſſenſchaften unkritiſch u. heimlich Elemente

aufgenommen werden, 󳶺[welche ſür⫮] |[Erzeugniſſe des reinen damit ſie ın anſcheinender Selbſtbewegung ein nothwendiges Wiſſen

734

erzeugen, das ſich hoch über die einzelnen Wiſſenſchaften erhebe.

735

󶈠⧸BeiH.1⧸󳶺[Bei]↶⌜AuÜ⌝f󳶪H.2⧸󶈰 einem ſolchen Wege iſt zwiſchen

736 737

der Philoſophie und den einzelnen Wiſſenſchaften, ſtatt daß ſie [ſi⫮]↯ einander beleben ſollen, ein unheilbarer Zwieſpalt unvermeidlich. Ende des in der dritten Textstufe (H.3) ausgelassenen Textes.

Erläuterung: 713 ...⫮]2〛1/b.] nach Überschreibung, Streichung der Unterlänge des .

|9/1v

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften Es bleibt eine Thatſache, daß die Wiſſenſchaften, indem ſie 󶈠⧸aus

738 739 740 741

742

ſichH.1⧸󳶺[aus sich⫮]⌜von ſelbsters⌝󳶪H.2⧸󶈰 eine Methode ſuchen, welche ſich dem einzelnen Gegenſtande eigenthümlich anſchmiege, bl ⌜blindem sie sich aus eigenem Bedürfniß Principien bilden erg⌝ bl ⌜blindem ſie ſich aus eigenem Bedürfniß Principien bilden erg⌝

in ſicherem Gange

endlos

wachſen; und als einzelne Wiſſen-

743

ſchaften ſich nur ſo weit um die übrigen kümmern, als ſie bei ihnen

744

Hülfe ſuchen und zu Borg gehen. Es bleibt hingegen eine Forderung, die blinden Vorausſetzungen

745 746

747 748 749 750 751

der einzelnen Wiſſenſchaften

⌈bl,bl⌜blsei es in der Methode, sei es

⌈bl,bl⌜blſei es in der Methode, ſei es

in den 󳶺[Me]↶⌜PrÜ⌝incipien󳶪↯,blerg⌝erg⌉

zu unterſuch󳶺[u⫮]↶⌜eN⌝n󳶪↯ in den 󳶺[Me]↶⌜PrÜ⌝incipien󳶪↯,blerg⌝erg⌉ u{.} auf den letzten Grund zurückzuführen, die Wechſelwirkung,

in welche󳶲[r⫮] die einzelnen Wiſſenſchaften für ſich [ſtehen⫮]󳶢↯

󳶺[,]↶⌜nÜ⌝ur󳶪↯ beiläufig treten, zu einer durchgehenden und nothwendigen zu erheben, die einzelnen Wiſſenſchaften 󳶺[v]↶⌜aÜ⌝us󳶪↯

752

dem Gedanken des Ganzen |zu begreifen und von dieſem Mittelpunkt

753

aus 󶈠⧸neuH.1⧸[neu⫮]H.2⧸󶈰 zu beleuchten und zu beleben. Wenn

754

die Vorſtellung nicht leer iſt, daß die Wiſſenſchaft[en⫮]↯ zuletzt Ein

755

Ganzes darſtelle und Ein Leben habe, wie die Welt, deren geiſtiges

756

Gegenbild ſie zu ſein trachtet: ſo ſind die einzelnen Wiſſenſchaften

757

󳶺[,⫮] [ſo lange ſie⫮]󳶪↯ nur die aus einander geworfenen Glieder, welche

758

251

das Ganze ſuchen u. 󳶲󳶺[i]n↶⌜aN⌝n󳶪 dem [nie raſtenden Verſuche der

Erläuterung:

741−747 indem bis Principien] Die beiden vermutl. in einer Arbeitsphase der dritten Textstufe (H.3) durchgeführten Spätergänzungen werden mit Einweisungssymbol alternativlos ergänzt und gelten nach Ansicht des Hrsg. auch rückwirkend für die zweite Textstufe (H.2).

|9/2r

Genetische Darstellung

252 759

Ethiſche Unterſuchungen

Philoſophie⫮]󳶢↯ Einen Leben Theil zu haben trachten. 󶈠⧸Es liegt hier

760

die mit der Erkenntniß des Einzelnen wachſende, und ſich nun vertie-

761

fende Aufgabe der Philoſophie.H.1⧸Es liegt hier die 󳶲⌜ewig neueerg⌝

765

mit der Erkenntniß des Einzelnen wachsende󳶺[ und⫮]⌜,ers⌝󳶪 sich 󳶺[nun⫮]⌜mit ihr immerers⌝󳶪󳶢 vertiefende Aufgabe der

766

ihrer Metaphÿſik, in der Religion geben, wie bei den orientaliſchen

762 763 764

767 768 769 770 771

Philosophie.H.2⧸󶈰 Wo es noch keine einzelnen Wiſſenſchaften

giebt, da mag es ein Analogon der Philoſophie, [u⫮]↯ insbeſondere Völkern, aber es giebt dort keine eigentliche Philoſophie.

Jndem die Philoſophie 󶈠⧸einzelneH.1⧸󳶺⌜dieerg⌝ einzelne⌜nerg⌝󳶪 H.2⧸󶈰 Wiſſenſchaften vorausſetzt, wird ſie damıt beginnen, zu dem bezeichneten Zwecke die Methoden und die Principien derſelben

zu unterſuchen und die letzte Quelle ihrer Nothwendigkeit zu

772

erforſchen. Wenn es nicht möglich ſein wird, die logiſche That in den

773

Wiſſenſchaften anders als aus den realen Principien zu 󶈠⧸begreifenH.1⧸

774

󳶺[begreifen⫮]⌜verſteheners⌝󳶪H.2⧸󶈰 u. die realen Principien anders

775

als in ihrer logiſchen |Wirkung aufzufaſſen: ſo werden Logik und

776

Metaphÿſik in Eine Wiſſenſchaft zuſammengehen, welche Logik

777

im weitern Sinne heißen mag. Jndem ſie die Principien und die

778

780

󳶺〚ein[z⫮]2〛1↶⌜MeÜ⌝thoden󳶪↯ der einzelnen Wiſſenſchaften be-

781

ſophiſchen Begriffe hervorgehen, welche nun theils unmittelbar in

782

die einzelnen Wiſſenſchaften zurückfließen, theils die Beſtimmung

783

in ſich tragen, die Principe 󶈠⧸⌜oder der Grundgedankeerg⌝H.2⧸󶈰 der realen philoſopiſchen Disciplinen zu werden.

779

784

obachtet, gewinnt ſie 󶈠⧸⌜an ihnenerg⌝H.2⧸󶈰 ihr Material. Wenn ihre Aufgabe gelingt, ſo werden aus ihrer Thätigkeit die erſten philo-

Erläuterung:

778 ...⫮]2〛1.] nach Überschreibung, Streichung der Unterlänge des .

|9/2v

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften

253

Der folgende Text wird in der dritten Textstufe (H.3) ausgelassen: 785

Man kann fragen, wie ſich denn dieſe Principien der philoſophi-

786

ſchen Realdisciplinen, der Phÿſik und Ethik, zu einer concreten Er-

787

kenntniß entwickeln. Es iſt in dieſem Betracht zweierlei denkbar.

788

Entweder die Logik ermittelt eine Methode, welche dem abſoluten Er-

789

kennen 󳶺[z]au[⎵]b[eig]c↶⌜aÜ⌝au⌜sÜ⌝b⌜ſchlÜ⌝cießlich󳶪↯ zu eigen ge-

790

hört, oder die Methode der Philoſophie, wenn ſie auch, nachdem das

791

Princip gefunden iſt, von dieſem her vorwiegend ſÿnthetiſch verfährt,

792

regelt ſich auf ähnliche Weiſe, wie in den einzelnen Wiſſenſchaften. Das

793

Erſte iſt bis jetzt trotz kühner und großer Verſuche mißlungen und die

794

Fußſpuren |ſchrecken, welche, wie in einen Jrrgang, 󳶺[+]↶⌜nurÜ⌝󳶪↯

795 796

hineınführen, aber nicht herausweiſen. 󶈠⧸Wenn ſich vielmehr das Zweite als [das Sichere er⫮]↯ einen Erfolg verſpricht,H.1⧸Wenn

799

󳶲[sich⫮] vielmehr das Zweite 󳶺al[s]↶al⌜lÜ⌝ein󳶪 einen Erfolg

800

verspricht,H.2.1⧸Wenn ⌜blnunblers⌝󳶢 vielmehr das Zweite allein Princip, bei der Entwicklung des Grundgedankens die Kenntniß der

801

einzelnen Wiſſenſchaften wiederum mitwirken. Denn jeder Keim

802

bedarf der erregenden Reize, damit er wachſe󳶺[;⫮]↶⌜.N⌝󳶪↯ Die philoſophiſche That wird darin liegen, daß das philoſophiſche Princip

797 798

803 804 805 806 807

|10/1r

einen Erfolg verspricht,H.2.2⧸󶈰 ſo wird bei der Ableitung aus dem

[ſ⫮]↯ in der Gliederung des Beſondern 󶈠⧸[dargethan werde⫮]↯

󳶺[un]↶⌜thätigÜ⌝󳶪↯ 󳶺[u]↶⌜ſeiÜ⌝󳶪↯{.}H.1⧸thätig sei[{.}] ⌈und für das ⌜untergeordnete Beſondere die Principien [b⫮]↯ erzeuge oder

bedinge.erg⌝↯erg⌉H.2⧸󶈰

Erläuterungen:

798 nun] Aufgrund des Schriftbildes erfolgt die mit Grafitstift ausgeführte Spätergänzung vermutl. im Zuge der Arbeiten an der dritten Textstufe (H.3) und gilt offenbar zunächst für beide Fassungen. Durch die Ausklammerung von Zeile 785–813 kann die Änderung der zweiten Textstufe (H.2) zugewiesen werden.

802 Die Umarbeitung des Semikolons zum Satzpunkt erfolgt durch die Streichung des Kommas. 805 {.}] Für die korrekte Lesung der Grundschicht ergänzt der Hrsg. temporär den Satzpunkt, enfernt diesen jedoch für die zweite Textstufe (H.2) wieder.

Genetische Darstellung

254 806 807 808 809 810 811 812 813

Ethiſche Unterſuchungen

für das ⌜untergeordnete Beſondere die Principien [b⫮]↯ erzeuge oder

bedinge.erg⌝↯erg⌉H.2⧸󶈰

Wenn auf dieſe Weiſe das Verhältniß der Philoſophie und der

einzelnen Wiſſenſchaften aufgefaßt wird, 󶈠⧸ſo werden ſich ihre

Thätigkeiten gegenſeitig anerkennen und fördern.H.1⧸so wer-

den 󳶺[sich ihre⫮] [Thätigkeiten⫮] ⌜ſie einander nicht anfeinden und hindern, ſondern ſichers⌝󳶪 gegenseitig anerkennen und

fördern.H.2⧸󶈰

Ende des in der dritten Textstufe (H.3) ausgelassenen Textes.

814

815

816

817

818

819

820

Jn dieſem Sinne ſetzen wir die „ logiſchen Unterſuchungen“ voraus ⌜blDer Ethik folgt hiernach eine Vorbereitung in d. Logik voraus und wünſchen ſie als eine Vorbereitung der folgenden Ethik anzu-

− u{.} wir entnehmen aus ihr nach frühern Unterſuchungen folgende ſehen, als das erſte Glied eines 󶈠⧸in ihrem 󳶺[S]↶⌜GÜ⌝eiſte󳶪↯ entGeſıchtspunkte für die Frage nach dem Ort der Ethık{.}blerg⌝

worfenen Sÿſtems.H.1⧸󳶺[in ihrem⫮] [Geiſte entworfenen Sÿſtems.⫮]

⌜Sÿſtems.ers⌝󳶪H.2⧸󶈰 Wir müſſen daher auch von ihnen über den Ort

der Ethik Belehrung fordern.

Wenn die Grundbegriffe richtig ſind, welche als der Ertrag der

Erläuterungen: 814–918 Jn dieſem bis angedeutet wurde] Tr. beginnt hier mit größeren Umformungen und Ergänzungen, die der Konstitution der dritten Textstufe (H.3) dienen. Dabei bleibt die Fassung der zweiten Textstufe (H.2) weiterhin gültig. Auffällig ist, dass Tr. die textinternen Verweisungen auf die LU1 für die dritte Textstufe entfernt und durch neutralere Formulierungen ersetzt.

821 und 826 [an] bis [der].] Die spät gesetzten Varianten der dritten Textstufe (H.3) substituieren jeweilige Segmente der zweiten (H.2). Die Visualisierung des Vorganges wird hier durch den Hrsg. wieder getilgt. 829 und 834 {D}er und {D}ieſe] jeweils für die dritte Textstufe (H.3) in Majuskel abgeändert.

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften 821

255

„ logiſchen Unterſuchungen“ er|ſcheinen: ſo tritt an 󳶲[an]⌈bl󳶺[Dıe]↶⌜AnÜ⌝󳶪↯blers⌉󳶢

die Stelle einer

822

nebenordnenden Eintheilung

823

Wiſſenſchaften

824

muß ſich abſtufen, wie 󶈠⧸ihreH.1⧸󳶺[ihre⫮]⌜dieers⌝󳶪H.2⧸󶈰 Principien,

bl ⌜blwird erg⌝

bl ⌜bl 󳶺[+]↶⌜tÜ⌝󳶪↯reten erg⌝

eine Stufenfolge der . Denn dıe Erkenntniß

825

welche ſie in ſich concentrieren, und die Wiſſenſchaften ſind nur die

826

erſchöpfende Darlegung 󶈠⧸derH.1⧸

827

828

829

niſſe.

derH.2⧸󶈰

󳶺[der]⌜blihrerblers⌝󳶪

Erkennt-

Die logiſchen Unterſuchungen 󶈠⧸gingen nun darauf aus zu

zeigen, daß derH.1⧸󳶺[gingen nun darauf⫮] [aus zu zeigen,⫮] ⌜ergeben{.}ers⌝󳶪 daß derH.2.1⧸󳶺erg[e]ben↶erg⌜aÜ⌝ben󳶪{.} daß derH.2.2⧸󶈰 {D}er

830

Act des Erkennens, die Vermittlung des Denkens und Seienden,

831

durchweg nur durch bl ⌜blkann erg⌝ Thätigkeiten geſchehn, welche dem Denken und Seienden gemein-

832 833

834

835 836 837

des Subjectiven und Objectiven,

ſchaftlich ſind. dieſe {D}iese

Sie ergaben ferner, daß

󶈠⧸ſich H.1⧸[sich⫮] H.2⧸󶈰

Principien, welche logiſch und real zugleich ſind,

󳶺[derge-

ſta⫮]⌜ſichers⌝󳶪↯ abſtufen 󶈠⧸und das Princip der höhern StufeH.1⧸ bl ⌜blſtufen ſich aus erg⌝

und 󳶲[das Princip⫮] 󳶺d[er]↶d⌜ieÜ⌝󳶪 󳶺höher[n]↶höher⌜eÜ⌝󳶪 Stufe󳶢H.2⧸󶈰 󳶺

bl ⌜blſetzt erg⌝

die niedere voraus

ſetzt

󳶪 und die nie-

|10/1v

Genetische Darstellung

256 838

839

840

841

842 843 844 845 846 847 848

dere 󳶺

iſt. die Bedingung der höhern {.} 󳶪

⌜bliſt erg⌝ benH.1⧸󳶺erg[e]ben↶erg⌜aÜ⌝ben󳶪H.2⧸󶈰, daß bl

genſeitigen Verhältniß 󳶺[den⫮] [G⫮]󳶪↯ 󳶲 gen bl NZ ⌝ 󳶪↯ ers ⌉ zum Grunde

Ethiſche Unterſuchungen Sie 󶈠⧸erge-

Principen in ſolchem ge-

⌈ 󳶺 [ bll i e g e n bl] ↶ ⌜ bll i e -

, logiſch und real, den Gruppen der Wiſſenſchaften

liegen.

{.}

󳶢 Als logiſche[s⫮]↯ Principien gehen ſie in die

Selbſtthätigkeit, in eine [erzeu⫮]↯ ſich ſelbſt gewiſſe erzeugende That

des Geiſtes zurück; [woraus die ſub⫮]↯ als reale 󶈠⧸gehen ſieH.1⧸[gehen

ſie⫮]H.2⧸󶈰 in das thätige Weſen der Dinge. Nur aus dieſer Einheit iſt die

mächtige Nothwendigkeit zu |erklären, welche der Menſchengeiſt als eine reale immer weiter in den Wiſſenſchaften der Dinge hervorbringt. Hierdurch werden ſich die Wiſſenſchaften [ord⫮]↯ in derſelben Folge

851

ordnen müſſen, wie ſich 󶈠⧸ihreH.1⧸󳶺[ihre⫮]⌜dieers⌝󳶪H.2⧸󶈰 Prin-

852

dem Wege der Zergliederung erſch

853

wegung, welche als einfache und urſprüngliche Thätigkeit

849 850

854

855 856 857 858

cipien, die Quelle ihrer Nothwendigkeit, abſtufen.

Als die erſte Stufe in der aufſteigenden Linie, als die letzte auf

nachgewieſen wurde,

iene bl ⌜ bleint ers⌝

die conſtructive Be-

das erzeugende Princip für die Figuren im

, bl ⌜ bliſt erg⌝ das Princip der reinen mathematiſchen Erkenntniß. Von ihr geht alle

Raum für die Zahlen in der Zeit, überhaupt für die Formen

Möglichkeit zu bilden und nachzubilden aus; in ihr liegt der erſte Grund der Nothwendigkeit, welcher ſich durch alle ſpätern [Z⫮]↯

|10/2r

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften 859 860 861 862

863

864 865 866

Stufen durchzieht. Die 󶈠⧸⌜reinenerg⌝H.2⧸󶈰 mathematiſchen Wiſſenſchaften nehmen hiernach 󶈠⧸⌜im Sÿſtem der Wiſſenſchaftenerg⌝H.2⧸󶈰 die erſte Stelle ein.

Als die zweite Stufe erſch

Sinne 󳶺

bl ⌜blſind ers⌝

󳶺reich[en]↶reich⌜tÜ⌝󳶪󳶢H.2⧸󶈰 die Organe für ſpecificirte Beweſind, und daß die

868

gänglich iſt, 󳶺

871 872 873 874 875 876 877 878

, ſo weit |󶈠⧸die phÿſiologiſchen Unterſuchun-

gen reichen,H.1⧸die phÿsiologische󳶲[n⫮] Untersuchung[en⫮] gungen

870

ien

die Erfahrung der matebl ⌜ bleint ers⌝ Es wurde nachgewieſen, daß die riellen Kräfte durch die Sinne. {D}ie

867

869

257

bl ⌜blwird ers⌝

󳶪 Materie, ſo weit ſie 󶈠⧸⌜unserg⌝H.2⧸󶈰 zu-

nur durch die Formen 󶈠⧸gefaßtH.1⧸

⌜auferg⌝gefaßtH.2⧸󶈰 und begriffen

wird

󳶪, durch Formen, in deren

Aneignung das Weſen der 󶈠⧸Sinne,H.1⧸Sinne󳶺[,⫮]⌜ beſteht unders⌝󳶪 H.2⧸󶈰 zu deren allgemeinen Verſtändniß die [Aufgabe⫮]↯ vorausgehende Stufe der Erkenntniß die Hülfe leiſtet. Jnwiefern die Er-

fahrung durch die conſtructive Bewegung und der Nachweis der Nothwendigkeit durch die mathematiſche Erkenntniß bedingt iſt, wurde bl ⌜blwird ers⌝

ſie auf die zweite Stufe geſtellt. Die Bewegung mit ihren

[N⫮]↯ nothwendigen Formen wird zum Leitfaden im Materiellen, 󶈠⧸und offenbart ſich in den phÿſiſchen Urſachen, durch die Richtung

des Woher.H.1⧸und 󳶲󳶺[offenbart sich⫮] ⌜[ſie⫮]↯ die Trägeriners⌝󳶪󳶢 in

Erläuterung:

863 {D}ie] für die dritte Textstufe (H.3) in Majuskel abgeändert.

|10/2v

Genetische Darstellung

258 879 880 881 882

Ethiſche Unterſuchungen

den phÿsischen Ursachen, ⌜offenbart ſie ſicherg⌝󳶢 durch die Richtung des Woher.H.2.1⧸und [die Trägerin⫮] in den

phÿsischen Ursachen, offenbart sie sich durch die Richtung des Woher.H.2.2⧸󶈰 Dieſe zweite Stufe[,⫮]↯ iſt der Bereich der

883

wirkenden Kräfte, der materiellen Urſachen{.} Hiernach nehmen die

884

phÿſikaliſchen Wıſſenſchaften im weitern Sinne − die Erkenntnıß der

885

Materie − die zweite Stelle eın.

886

Die dritte Stufe charakteriſirt ſich durch eine eigenthümliche

887

Erhebung. Sie unterſcheidet |ſich von der zweiten und erſten, wie

888

das Organiſche vom Phyſikaliſchen und Mathematiſchen, wie das

889

Leben von nackten materiellen Kräften und conſtructiver Bewegung.

890

Es 󳶺

891 892 893 894 895 896 897

wurde bl ⌜bliſt ers⌝

nach

gewieſen bl ⌜blzuweiſen ers⌝

󳶪, daß auf dieſer Stufe durch

die alten Begriffe bedingt ein neuer Grundbegriff auftrete, die Richtung der frühern umkehrend󳶺[.⫮]⌜,ers⌝󳶪↯ der Zweck[,⫮]↯ mit ſeinem Wohin, die innere Zweckmäßigkeit, die auf einem die Kräfte rich-

tenden Gedanken 󳶺[ru]↶⌜bÜ⌝eruht󳶪↯. Ohne die frühern Stufen iſt weder die Verwirklichung noch die Erkenntniß des Zweckes möglich. Die frühern Stufen werden Mittel, die materiellen Kräfte in 󶈠⧸⌜bldem Gebieteerg⌝H.2⧸󶈰 ⌜bldem

Gebieteblerg⌝

der Natur, der Entwurf der conſtructiven

898

Bewegung beſonders in der Erkenntniß. Die Nothwendigkeit der frü-

899

hern Stufe bleibt, aber ein Gedanke verfügt über ſie󳶺[,⫮] [aus⫮]󳶪↯

900

für die Einheit eines Ganzen: für die Erzeugung 󳶲[einer⫮]

903

neue󳶺[n]↶⌜rÜ⌝󳶪󳶢↯ Thätigkeiten. Der Gedanke eines Ganzen wird

904

Wiſſen|ſchaften des Organiſchen, die Erkenntniß der innern Zweck-

905

mäßigkeit in den Kräften des Lebens, die dritte Stufe ein.

901 902

|11/1r

die Seele einer phÿſiſchen Nothwendigkeit. Dieſe dritte Stufe iſt der

Bereich des organiſchen Lebens in der Natur. Hiernach nehmen die |11/1v

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften

259

906

Ueber dem Organiſchen und auf dem Grund deſſelben erhebt

907

ſich 󶈠⧸dieH.1⧸󳶺[die⫮]⌜eineers⌝󳶪H.2⧸󶈰 vierte Stufe, das Ethiſche. Es

908

fragt ſich, ob es da eine Ethik im engern Sinne geben kann, wo es

909

nur eine Phÿſik der Kräfte giebt. Die Vorausſetzung alles Ethiſchen

910

iſt das Organiſche. Der Staat z.[B]{B}., dieſe ethiſche Bildung, iſt ein

911

Organismus, aber ein ſolcher, der, von dem blinden Organismus der

912

Natur weſentlich[e⫮]↯ verſchieden, eine höhere Stufe einnimmt. Der

913

innere Gedanke, der im Organismus der Natur verborgen liegt, wird

914

im Ethiſchen erkannt u. ſich ſelbſt bewußt. Der im blinden Leben

915

gebundene Zweck wird dadurch zugleich frei. Jn dieſem Betracht

916

erſcheinen die ethiſchen Wiſſenſchaften auf der vierten Stufe. Es wird

917

eine weſentliche Aufgabe ſein, dieſe Erhebung,

918

welche [wir⫮]↯ in

den logiſchen Unterſuchungen angedeutet wurde,

als wirklichen

921

Vorgang zur Anſchauung zu bringen. 󳶺[ſ]↶⌜DN⌝ie󳶪↯ Pſÿchologie, die man als die Höhe der organiſchen Wıſſenſchaften anſehen kann,

922

|Jn dieſer Reihenfolge iſt die vorangehende Stufe die Bedingung

923

der folgenden; jene kann ohne dieſe, aber dieſe nicht ohne jene ge-

924

dacht werden; jene muß 󶈠⧸⌜voranerg⌝H.2⧸󶈰 als Bedingung da ſein, damit dieſe werde. Daher ziehen ſich die Geſetze der niedern Stufen

919 920

925 926

bildet inſofern die Grundlage des ethiſchen.

|11/2r

durch die höhern durch und erſcheinen darin als dienende Glieder.

Erläuterungen: 880 [die Trägerin⫮].] Tr. bemerkt erst während der Überarbeitungen zur dritten Textstufe (H.3), dass das Textsegment nicht mehr in die Syntax des Satzgefüges passt und streicht die Spätergänzung der zweiten Textstufe (H.2) mit einem kleinen Grafitstrich.

897 dem Gebiete] vermutlich in einer Arbeitsphase der dritten Textstufe (H.3) spät ergänzt, gilt die Variante dem Hrsg. aufgrund der alternativlosen Einweisung per Einweisungsstrich rückwirkend für beide Textstufen. 917 f. welche bis wurde,] Tr. kürzt abermals für die dritte Textstufe (H.3) einen Verweis auf die LU1.

260

Genetische Darstellung

Ethiſche Unterſuchungen

927

Die Phÿſik begründet ſich durch die Rechnungen und Conſtruc-

928

tionen der Mathematik, die Phÿſiologie durch die vereinte Anwen-

929

dung mechaniſcher, phÿſikaliſcher, chemiſcher Geſetze; und die Ethik

930

wird, wenn ſie nicht eine falſche und ſie ſelbſt gefährdende

931

Selbſt󳶺[ſt]↶⌜änÜ⌝digkeit󳶪↯ begehrt, 󳶺󶈠⧸⌜anerg⌝H.2⧸󶈰 das Organiſche, an󳶪 die Geſetze des Lebens, als [ſei⫮]↯ ihre nothwendige Vo-

932 933 934 935 936 937 938 939 940 941

rausſetzung gebunden ſein. 󶈠⧸Man erkennt dies Letzte in einzelnen Beiſpielen leicht u. namentlich da, wo auf der höchſten Stufe, 󳶺[die]↶⌜ſelbſtÜ⌝󳶪↯ die Formel der erſten wieder erſcheint.H.1⧸Man

erkennt 󳶲󳶺die[s]↶die⌜ſÜ⌝e󳶪 [Letzte⫮]󳶢 in einzelnen Beispie-

len leicht u. namentlich da, wo ⌜nocherg⌝ auf der höchsten Stufe, ⌜ der ethıſchen, erg⌝ selbst die Formel der ersten⌈,

⌜der mathematıſchenerg⌝,erg⌉ wieder erscheint.H.2⧸󶈰 Lange galt, um dies Eine anzuführen, der ariſtoteliſche Begriff der Gerechtigkeit und

wir finden ihn noch bei Leibniz. 󶈠⧸Wenn wir nun auf das Weſen ſehen,

945

ſo geht esH.1⧸Wenn wir nun auf 󳶲󳶺[das]↶⌜ſeiÜ⌝n󳶪 Wesen sehen, so geht 󳶺e[s]↶e⌜rÜ⌝󳶪󳶢H.2⧸󶈰 in die mathematiſche Faſſung,

946

|daß ſich auf der Grundlage der mathematiſchen und phÿſiſchen

947

Kategorien die organiſchen in die ethiſchen erheben10). Es iſt kei-

948

ne wahrhafte Ethik denkbar, die nicht in die Pſÿchologie, u. keine

949

Pſÿchologie, die nicht in die Phÿſiologie als in ihre Bedingungen

950

952

zurückginge. Es hat für d󳶺[en]↶⌜ieÜ⌝󳶪↯ richtige und lebendige Auffaſſung des Wechſelverhältniſſes viel geſchadet, daß es ſeit

953

wurde, die Wiſſenſchaften wie getrennte Gebiete oder Felder zu be-

954

trachten, welche neben einander liegend nur die Grenze gemeinſam

955

haben. Vielmehr wird durchweg die [vorang⫮]↯ Thätigkeit des voran-

942 943 944

951

in die arithmetiſche und geometriſche Proportion zurück. Es iſt in 󶈠⧸

dieſemH.1⧸󳶺[diesem⫮]⌜demſelb{e}ners⌝󳶪H.2⧸󶈰 Sinne gezeigt worden,

󳶺[Plato⫮] [g⫮]󳶪↯ einem Bilde bei Plato g󳶺[ä]↶⌜aÜ⌝ng󳶪↯ und gäbe

|11/2v

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften 956

gehenden Kreiſes in die Thätigkeit des folgenden aufgenommen; und

957

󶈠⧸gerade durch dies Verhältniß geſchieht es, daß die auf dem einen

958 959 960 961 962 963 964 965 966 967 968 969 970 971

Gebiete erworbene Nothwendigkeit dazu beiträgt, eine neue Noth-

wendigkeit auf dem andern zu erzeugen.H.1⧸gerade durch dies

Verhältniß 󳶲󳶺[geschieht es, daß⫮]⌜trägters⌝󳶪 die 󳶺[auf⫮]⌜iners⌝󳶪

󳶺de[m]↶de⌜rÜ⌝󳶪 einen 󳶺[Gebiete⫮]⌜Wiſſenſchafters⌝󳶪 erworbene Nothwendigkeit dazu bei[trägt,⫮]{,} eine neue Nothwendigkeit 󳶺[auf⫮]⌜iners⌝󳶪 󳶺de[m]↶de⌜rÜ⌝󳶪󳶢 andern zu erzeugen.H.2⧸󶈰 Nach demſelben Princip ſollten ſich innerhalb der einzelnen

Stufen die einzelnen Wiſſenſchaften abſetzen und 󶈠⧸ausbilden; es ſind 󳶺⌜dazuerg⌝󳶪↯H.1⧸ausbilden󳶲󳶺[;]↶⌜.Ü⌝󳶪 󳶺[e]s↶⌜EÜ⌝s󳶪 sind

dazu󳶢H.2⧸󶈰 → weiter mit Dbl. 12/1r, Z. 972 oder 12a/1r, Z. 972a 10)

Logiſche Unterſuchungen II. S. 86 ff. Geſchichte der Kategorienlehre

S. 370 ff.

Erläuterung: 968 →.] für die gültigste Version der Fassung (F1) wird direkt ab Dbl. 12a/1r, Z. 972a gelesen und für die Lesung der Vortragsfassung (F2) als Erstes das nicht ausgeklammerte Textsegment auf Dbl. 12a/1r in Z. 972a sowie, daran anknüpfend, der Text auf Bl. [12b], Z. 988b. Dieser ersetzt den letzten Abschnitt auf Dbl. 12a/1v ab Z. 988a, welcher Tr. vermutlich für einige Zeit in der dritten Textstufe (H.3) gültig bleibt.

261

Kapitel I – Erste Schlussfassung

Enthält die genetische Darstellung des Textes von Dbl. 12.

Kapitel I – Erste Schlussfassung

265

974

→|Anfänge 󳶺[a+]↶⌜daÜ⌝󳶪↯, aber nur Anfänge, wie z.B. die reine Arithmetik von der Geometrie unabhängig, aber dieſe von jener ab-

975

zu individuellern und umfaſſendern Geſtaltungen erhebenden Rei-

976

he des Lebens folgt. Auf dem phÿſikaliſchen Gebiete hingegen

977

ſchwankt die Anſicht, ob man den erſten Grund in der Mechanik

978

der Feſten oder vielmehr in der 󶈠⧸ExpanſionH.1⧸󳶺[Expansion⫮]

972 973

979 980 981 982 983

hängig erſcheint, und wie im Organiſchen die Wiſſenſchaft der ſıch

⌜Phÿſikers⌝󳶪H.2⧸󶈰 der elaſtiſchen, expanſiven Gaſe finden ſoll. Es iſt in der Unterſuchung der Kräfte noch nicht 󶈠⧸hinlänglicherH.1⧸ [hinlänglicher⫮]H.2⧸󶈰 gelungen, das Urſprüngliche und Erſte von dem Bedingten und Zweiten oder Dritten hinlänglich zu un-

terſcheiden. Die Durchführung dieſes genetiſchen Ganges bleibt

984

daher der Zukunft vorbehalten; aber wenn die Grundpunkte, die

985

entſcheidenden Abſtufungen{,} richtig erkannt ſind, ſo ſteht das Ziel

986

klar vor unſern Augen; und in demſelben Maße als man ſich ihm nä-

987

989

hert, wird die Methode 󳶺[und]a[⎵]b[die]c↶⌜ſtrÜ⌝aenb⌜geÜ⌝cr󳶪 und

990

vom Einfachſten und Allgemeinen |ausgeht und zum Jndividuellen

991

und Vi󳶺[+ſ]↶⌜elÜ⌝ſeitigſten󳶪↯ aufſteigt, der alſo von unten nach oben [führt⫮]↯ und zuletzt in das Gebiet führt, welches in unſerer

988

992 993 994

die Einſicht in die Nothwendigkeit umfaſſender werden.

Es iſt [ſ⫮]↯ eben der genetiſche Weg bezeichnet worden, der

|12/1v

Weltanſchauung die höchſte Stelle einnimmt.

Die genetiſche Methode läßt indeſſen noch eine andere Auffaſſung

995

zu. Der eigentlıche Urſprung der Dinge liegt nicht in den ſich ver-

996

ſchlingenden einzelnen Bedingungen, ſondern in dem Unbedingten,

n21

|12/1r

Randnotiz Tr.’s:

Erläuterung:

Nr. 8 vermutl. zu Z. 989−1045:

972 →|.] Schlussfassung 12 knüpft direkt an Dbl. 11/2v, Z. 968 an.

||blBeſſer in Abſchn{.} II?bl

||12/1r

Genetische Darstellung

266

Ethiſche Unterſuchungen

999

󶈠⧸das ausH.1⧸das 󳶺[aus⫮]⌜iners⌝󳶪H.2⧸󶈰 ſich iſt und aus ſich begriffen wird. Die Ableitung, die dem Ausfluß aus dem Urſprung folgt,

1000

mit dem Begriff Gottes beginnen, und aus dieſer Quelle die erſte

1001

󶈠⧸undH.1⧸󳶺[und⫮]⌜wie dieers⌝󳶪H.2⧸󶈰 letzte Erkenntniß ſchöpfen. Da nicht die Zahlen oder Figuren, nicht die endliche Bewegung, nicht die

997 998

1002

müßte hiernach mit dem Unbedingten, mit der Jdee des Abſoluten,

1005

materiellen Kräfte 󶈠⧸󳶺[d]↶⌜alsÜ⌝󳶪↯H.1⧸[als⫮]H.2⧸󶈰 das ſchlechthin Erſte ſind, ſondern vielmehr nur die geſonderten Elemente, die

1006

langen Viele, daß die wahrhaft genetiſche Methode den eben be-

1003 1004

1007

[letz⫮]↯ in der Zerlegung zuletzt gefundenen Bedingungen: ſo verſchriebenen Weg 󶈠⧸umkehrtH.1⧸󳶺umkehr[t]↶umkehr⌜nÜ⌝󳶪H.2⧸󶈰

1008

u., wie Spinoza, aus Gott und |in der Form des Ewigen eine intuitiv

1009

erkenne.

1010

Wir lehnen es nicht ab, daß die genetiſche Methode in dieſem

1011

Sinne kann verſtanden werden; ja, wir mögen es einräumen, daß

1012

1014

󶈠⧸dieH.1⧸󳶺[die⫮]⌜eine ſolcheers⌝󳶪H.2⧸󶈰 Forderung in der Jdee der ſich vollendenden Erkenntniß liege. Aber ſie liegt nicht in unſern

1015

den11), daß wir von dem Abſoluten nur eine indirecte Erkenntniß

1016

haben. Schon dies muß uns abhalten, zu wähnen; als ob wir eine

1017

adaequate Erkenntniß des Unbedingten hätten, als ob wir, indem wir

1018

󳶺[ein]↶⌜dasÜ⌝󳶪↯ Unbedingte ſetzen, nun auch dergeſtalt ſeinen vol-

1013

1019 1020

|12/2r

Mitteln. Es iſt in den logiſchen Unterſuchungen nachgewieſen wor-

11) Jm 20t. Abſchnitt. II, S. 337[.] ff{.}

Erläuterungen: n21 Beſſer bis Abſchn{.} II?] Die Anmerkung bezieht sich auf den ab Zeile 989 mit Winkelklammer markierten Text. Tr. überlegt, ob er die dort kritisch behandelte spinozistische Position vom Absoluten als eigentlichen Ursprung alles Seienden und somit auch dem Ursprung, aus welchem die genetische Methode alle Erkenntnis intuitiv abzuleiten hätte, eher in Kapitel II abhandeln soll.

1020]S. 337[.].] da von der im Fragment sonst üblichen Quellenangabe abweichend, Punkt von Hrsg. getilgt. Der Verweis endet vermutl. zunächst hinter der Seitenzahl und das »ff« wird anschließend ohne Punkt ergänzt. Möglich ist jedoch auch eine zufällige Fehlleistung im Schreibprozess.

Kapitel I – Erste Schlussfassung 1021

len überſchwenglichen Jnhalt beſäßen, um es ſicher und ſcharf zu

1022

dem Princip der Ableitung zu machen. Wir wiſſen, daß die Sonne

1023

die Quelle des Lichts iſt u. der richtige Begriff der Sonne würde uns

1024

auch den richtigen Begriff des Lichts geben. Aber deſſen ungeachtet

1025

unterſucht die Phÿſik das Licht nicht unmittelbar an dieſer Quelle,

1026

󶈠⧸welcheH.1⧸󳶺[welche⫮]⌜deren Weſeners⌝󳶪H.2⧸󶈰 ſie auch nur durch

1027

indirecte Schlüſſe erreicht. Sie nimmt vielmehr den umgekehrten

1028

Gang, der allein zuverläſſig iſt. Auf ähnliche Weiſe |widerſetzen wir

1029

uns den Conſtructionen aus dem Abſoluten, die bis heute noch zu

1030

keinem Heil geführt haben.

1031

Jm Abſoluten ſcheide󳶺[n]↶⌜tÜ⌝󳶪↯ ſich die Methode des Erkennens von dem Wege des Urſprungs ſchlechthin. Während es ſelbſt

1032 1033

nie und nirgends entſpringt, wird es aus dem Entſprungenen erkannt.

1036

Nach der Richtung 󶈠⧸welcheH.1⧸󳶺⌜zu erg⌝welche⌜rerg⌝󳶪H.2⧸󶈰 uns das

1037

Urſprung{,} bleibt in demſelben Maße zweifelhaft, als wir zwar nach

1038

einem Zuge der Nothwendigkeit den unbedingten Urſprung ſetzen,

1039

aber als endliche Weſen den Begriff des Unendlichen 󶈠⧸⌜nichterg⌝H.2⧸󶈰

1034 1035

1040 1041 1042 1043 1044 1045

Bedingte anweiſt, ſetzen wir das Unbedingte. Aber die Ableitung des

Bedingten aus dem Unbedingten{,} des Entſprungenen aus dem letzten

dergeſtalt [zu⫮]↯ vollziehen können, um ihn wie einen endlichen Begriff gleich einem Keime 󳶲⌜zuerg⌝ entwickeln 󳶺[zu kö⫮]⌜.ers⌝󳶪󳶢↯

Hiernach iſt mit dem Orte der Ethık, den wir für den Jnbegriff der

Wiſſenſchaften fanden, bereits eine Hinweiſung auf die hervorbringenden Bedingungen, auf den Grund der Ethik gegeben. Wir [folgen⫮]↯ gehen derſelben nach.

Erläuterung: 1045 der für Tr. typische Schlussstrich am Kapitelende entfällt aus Platzmangel.

267

|12/2v

Kapitel I – Zweite Schlussfassung, dritte Schlussfassung (Teil 1)

Enthält die genetische Darstellung des Textes von Dbl. 12a/1r bis /1v.

Kapitel I – Zweite Schlussfassung, dritte Schlussfassung (Teil 1) 972a

→|Anfänge da

, aber nur Anfänge, wie z.B. die reine Arithmetik von {.}

271 |12a/1r

Der folgende Text wird in der dritten Textstufe (H.3) ausgelassen: 973a

der Geometrie unabhängig, aber dieſe von jener abhängig erſcheint,

974a

und wie im Organiſchen die Wiſſenſchaft der ſich zu individuellern

975a

und umfaſſendern Geſtaltungen erhebenden Reihe des Lebens folgt.

976a

978a

Auf dem phÿſikaliſchen Gebiete hingegen ſch󳶺[an]↶⌜wÜ⌝ankt󳶪↯ die Anſicht, ob man den erſten Grund in der Mechanik des Feſten

979a

den ſoll. Es iſt in der Unterſuchung der Kräfte noch nicht gelun-

980a

gen, das Urſprüngliche und Erſte von dem Bedingten 󶈠⧸u. d.H.1⧸

977a

oder vielmehr in der Phÿſik der elaſtiſchen, expanſiven Gaſe fin-

983a

󳶺[u.]a[⎵]b[d.]c↶⌜oÜ⌝adeb⌜rÜ⌝c󳶪H.2⧸󶈰 Zweiten oder Dritten hinläng-

984a

die entſcheidenden Abſtufungen{,} richtig erkannt ſind, ſo tritt dadurch

985a

das Ziel hervor und in demſelben Maße als man ſich ihm nähert,

986a

wird die Methode ſtrenger und die Einſicht in die Nothwendigkeit

987a

umfaſſender werden.→ weiter mit Dbl. 12[b]/r, Z. 988b

981a 982a

lich zu unterſcheiden. Die Durchführung dieſes genetiſchen Ganges bleibt daher der Zukunft vorbehalten; aber wenn die Grundpunkte,

Ende des in der dritten Textstufe (H.3) ausgelassenen Textes. Genetisch ältere Variante der dritten Textstufe (H.3): 988a

Hiernach wird das Ethiſche zunächſt von dem Organiſchen ge-

989a

tragen, u. was die Ethik Eigenthümliches erzeugt, das erzeugt ſie

990a

auf der Vor|ausſetzung dieſer Grundlage. Wenn 󶈠⧸⌜nunerg⌝H.2⧸󶈰 󳶺[der]↶⌜inÜ⌝󳶪↯ dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften der Ort der

991a 992a 993a

Ethik richtig erkannt iſt, ſo weiſt er bereits auf die hervorbringenden Bedingungen derſelben hin. Wir gehen dieſer Spur weiter nach.

994a

Ende der Variante.

|12a/1v

Genetische Darstellung

272

Ethiſche Unterſuchungen

Randnotiz Tr.’s: Nr. 9 Überlegung zur zweiten Schlussfassung: n22

||blOb fchon hier − üb. d. Theologıe als genet. Bdgς{.}

n23

dς{.} Ethik − wie weıt?bl

||12a/1v

Erläuterungen: 972a Anfänge da{.}] Das kleine Textsegment bleibt in der dritten Textstufe (H.3) gültig. Der hierfür notwendig gewordene Satzpunkt wird durch den Hrsg. ergänzt. 972a–987a [...], aber bis werden.] Das Textsegment wird in der dritten Textstufe (H.3) nicht mitgelesen und ist eine Abschrift von Dbl. 12/1r, Z. 972–988. Der ab Dbl. 12/1r, Z. 988 beginnende dreiseitige Schlusstext wird hierbei nicht übernommen und durch den kurzen Absatz Dbl. 12a/1v, Z. 988a–994a der Abschrift ersetzt. Da Tr. auf Dbl. 12a/2r f. direkt mit dem zweiten Kapitel weiterschreibt, scheint diese zweite Schlussfassung für einen gewissen Zeitraum gültig zu sein.

988a–994a Hiernach bis nach.] Zunächst wird Schlussfassung 12a mit einem Kapitelstrich abgeschlossen, später dann obige Frage (n22 f.) auf Bl. [12b] zusammen mit derjenigen nach der Erkenntnis der Ethik aus ihrem Bezug zum Unbedingten doch noch erörtert. Das verbliebene kleine Textsegment von Dbl. 12a und Bl. [12b] bildet miteinander kombiniert die dritte Schlussfassung. Bl. [12b] ersetzt den kompletten Text ab Dbl. 12a/1r, Z. 988a. Welche Schlussfassung Tr. schließlich bevorzugt, ist nicht mehr eindeutig zu ermitteln. n22 f. Ob bis weıt?] interne Randnotiz. Tr. ist sich nicht sicher, ob und wie ausführlich die Ansicht, dass die Theologie genetisch der Ethik als Bedingung vorangehe, noch an dieser Stelle behandelt werden soll.

Kapitel I – Dritte Schlussfassung (Teil 2)

Enthält die genetische Darstellung des Textes von Bl. [12b].

Kapitel I – Dritte Schlussfassung (Teil 2) Spätvariante zum letzten Abschnitt auf Dbl. 12a/1v, Z. 988a−994a: 988b

→|Hiernach wird das Ethiſche zunächſt von dem Organiſchen ge-

989b

tragen und was die Ethik Eigenthümliches erzeugt, das erzeugt ſie

990b

auf der Vorausſetzung dieſer Grundlage. Wenn es der Pſÿchologie ge-

991b

lingt, auf dieſem Grunde das Weſen des eigenthümlich Menſchlichen

992b

zu beſtimmen: ſo öffnet ſie dadurch [die Quelle⫮]↯ der Ethik den Weg

993b

275 |12b/r

zu ihrem Princip.

Textsegment wird in der dritten Textstufe (H.3) nicht mitgelesen:

994b

Es ergiebt ſich auf dieſe Weiſe der Ort der Ethik in dem Jnbegriff

996b

󳶺[in]↶⌜deÜ⌝r󳶪↯ Wiſſenſchaften, in einem genetiſchen Sÿſtem.

997b

ſeit Sokr. und Plato und beſonders durch die chriſtlichen Dar-

998b

ſtellungen eine Beziehung zur Theologie. Jhr Princip 󶈠⧸wirkt,H.1⧸

995b

Ende des ausgelassenen Textes.

999b 1000b 1001b 1002b 1003b 1004b 1005b 1006b 1007b 1008b 1009b 1010b

Wir berühren den Einwurf, der hier nahe liegt. Die Ethik hat

wirkt[,⫮]H.2⧸󶈰 mit doppelter Kraft, indem es als der Ausdruck des

göttlichen Willens erſcheint. Die ganze theologiſche Moral iſt [auf⫮]↯ in dieſer Richtung entſtanden. Hierdurch kann es ſcheinen, daß im

genetiſchen Sÿſteme, wenn man nicht das Gute von dem lebendigen Grunde des Göttlichen lostrennen will, 󶈠⧸die Ethik der Religions-

philoſophieH.1⧸󳶲󳶺d[ie]↶d⌜erÜ⌝󳶪 Ethik 󳶺d[er]↶d⌜ieÜ⌝󳶪󳶢 ReligionsphilosophieH.2⧸󶈰 vorangehen müſſe. Wir lehnen dies ab.

Denn einmal wird die Religionsphiloſophie, da es ſich nicht um ein poſitives Religionsſÿſtem, ſondern um philoſophiſche Erkenntniß handelt, gerade erſt in d. Ethik ihre [+⫮]↯ Stütze haben und eine Religionsphiloſophie vor der Ethik wird ein zweifelhaftes Product. Es muß daher die Ethik |der Religionsphiloſophie vorangehen, ja es

1011b

iſt möglich, daß die Ethik − nach einer Seite hin − die Bedingungen

1012b

󳶲de󳶺[s]↶⌜rÜ⌝󳶪 󳶺[re]↶⌜RÜ⌝eligion󳶪󳶢↯ erſt aus ſich hervorbringe. Jn󳶺[wief]↶⌜deſÜ⌝ſen󳶪↯ inwiefern noch gefordert wird, daß das

1013b

|12b/v

Genetische Darstellung

276 1014b 1015b 1016b 1017b 1018b 1019b 1020b 1021b 1022b 1023b 1024b 1025b 1026b 1027b 1028b

Ethiſche Unterſuchungen

ethiſche Princip 󶈠⧸in ſeiner Beziehung zum UnbedingtemH.1⧸in

󳶲󳶺seine[r]↶seine⌜mÜ⌝󳶪 󳶺[Beziehung⫮]⌜Verhältnißers⌝󳶪 zum 󳶺Unbedingte[m]↶Unbedingte⌜nÜ⌝󳶪󳶢H.2⧸󶈰 erkannt werde: ſo geht dieſe allgemeine 󳶺[Urſ]↶⌜BeÜ⌝ziehung󳶪↯ in die Metaphÿſik − die Grundlegende Disciplin − zurück. Von dort her muß man die Antwort

auf die Frage ſuchen, 󶈠⧸obH.1⧸󳶺[ob⫮]⌜wieers⌝󳶪H.2⧸󶈰 das ethiſche Princip 󳶺〚[u⫮]2〛1↶⌜aN⌝ls󳶪↯ Jdee durch die endliche Sphäre des menſchlichen Weſens hindurchgehe, aber aus dem Gedanken des Unbeding-

ten quelle. 󳶺[D]↶⌜JÜ⌝n󳶪↯ dieſer metaphÿſiſchen Betrachtung liegt dıe Möglichkeit, auch den Urſprung der Philoſophiſchen Ethik in

den 󳶲[Grund⫮]󳶺[g]↶⌜GÜ⌝edanken󳶪󳶢↯ des Göttlichen zu vertiefen u. auf dieſem Wege der [philo⫮]↯ theologiſchen Moral zu begegnen: Aber ihre [Entwi⫮]↯ Begründung liegt in der Entwicklung des

menſchlichen Weſens als ſolchen − u. nicht in der vorweggenommenen Thatſache einer poſitiven Offenbarung.

1029b

Auf dieſe Weiſe beſtimmt ſich nach den Vorausſetzungen, die das

1030b

Princip der Ethik in ſich trägt, ihre Stellung zu den Wiſſenſchaften vor

1031b

ihr u. nach ihr, ihr Ort im 󶈠⧸⌜genetiſchenerg⌝H.2⧸󶈰 Sÿſtem.

1032b

Ende der Spätvariante.

Erläuterungen: 988b−1032b Hiernach bis Sÿſtem] Bl. [12b] ersetzt den kompletten Text ab Dbl. 12a/1v, Z. 988a und bildet zusammen mit dem verbleibenden Textsegment in Zeile 972a die dritte Schlussfassung. 994b f. Es bis Sÿſtem] Der ausgeklammerte Text ist eine sinngemäße Entsprechung des Schlusssatzes ab Zeile 1029b. Der Hrsg. glaubt, dass Tr. zunächst in Zeile 995b mit dem Kapitel endet, um dann doch den Text ab Zeile 996b fortzuführen. 1022b ...⫮]2〛1.] zunächst durch die Ergänzung eines Strichleins Änderung von zu und anschließend Streichung des verbleibenden -Kringels.

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik

Enthält die genetische Darstellung des Textes der Dbll. 12a/2r–17.

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik | II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik.

1 2 3

Jede philoſophiſche Disciplin ſteht auf dem Grunde des Ganzen

4

und nimmt aus dem Ganzen den Urſprung. Die Logik und Metaphÿſik

5

haben daher die Aufgabe, für die philoſophiſchen Realdisciplinen

6

dieſen letzten Grund zu legen.

7

Jn dieſem Sinne ſtreben die „logiſchen Unterſuchungen“ da-

8

hin, die Jdee im Geiſte einer organiſchen Weltanſicht zu errei-

9

chen und 󶈠⧸die Ethik hat den dort gewonnenen Begriff aufzu-

12

nehmen und vorauszuſetzen.H.1⧸die Ethik 󳶲󳶺[hat⫮]⌜mußers⌝󳶪 den dort gewonnenen Begriff auf󳶺[zu⫮]nehmen und vo-

13

Da es ſich nunmehr um die beſondere Beziehung dieſer Grundlage

10 11

14

raus[zu⫮]󳶪setzen.󳶢H.2⧸󶈰

zur Ethik handelt, ſo erörtern wir ſie noch einmal und zwar mit

15

dieſer beſondern Rückſicht. Je nachdem die Betrachtung auf der

16

phyſikaliſchen Stufe der materiellen Kräfte verharrt und darnach die

17

Anſicht des Ganzen entwirft, oder aber ſich zum Organiſchen er-

18

hebt, das in der Harmonie der Thätigkeıten und in der Unterordnung

20

der Theile einen richtenden Gedanken offenbart, und unter dieſe Randnotiz Tr.’s: Nr. 10 zu einigen weiteren vermutl. geplanten Kapiteln:

n24

blEigentlich

n25 n26

voran: Über die metaphyſıſche Grundlage der Ethik bl

bl

Dann üb. d. pſycholog. (phyſ.)bl

n27

bl

bl

Erläuterung: n24−n27 Eigentlich bis (phyſ.)] Offenbar sind für den Aufbau der EU zwei weitere Kapitel geplant, die dem Kapitel zur organischen Weltansicht vorgelagert werden sollen.

279 |12a/2r

Genetische Darstellung

280

Ethiſche Unterſuchungen

21

|Analogie das Univerſum ſtellt: ſo ergiebt ſich, wie gezeigt wurde,

22

die phÿſiſche (mechaniſche) oder aber die organiſche Weltanſıcht;

23

󶈠⧸⌜beideerg⌝H.2⧸󶈰 in ihrem Ziel und ihrem Wege 󶈠⧸⌜einandererg⌝H.2⧸󶈰 entgegen 󶈠⧸geſetzt, u.H.1⧸gesetzt, [u.⫮]↯H.2⧸󶈰 in einem durchge-

24

hen den Kampfe begriffen und zwar in einem Kampfe, der zuletzt

25

den Glauben an unſer eigenes Weſen u. unſern eigenen Werth trifft.

26

Dieſe 󳶺〚[+⫮]〛↶⌜bÜ⌝eiden󳶪↯ Weltanſichten wurden in dem letzten

27

Abſchnitt der logiſchen Unterſuchungen einander entgegengeſtellt.1)

28

Die eine wird 󶈠⧸⌜in der Geſchichte der Philoſophieerg⌝H.2⧸󶈰 von den

29

materialiſtiſchen, die andere von den idealen Sÿſtemen [in de⫮]↯ aus-

30

geführt und vertreten.

31

Daß es ſich zuletzt um dieſe beiden Anſchauungsweiſen han-

32

delt, läßt ſich auch aus allgemeinen Verhältniſſen darthun.󶈠⧸1)H.1⧸

33

36

󳶺[1)]↶⌜[(]2Ü⌝)󳶪H.2⧸󶈰

37

Endpunkten ſeiner Richtungen, in den |Gegenſätzen ſeines Weſens

38

am ſchärfſten auseinander tritt und zugleich ſich ſelbſt begrenzt:

39

ſo hat auch die Philoſophie in dem weiteſten Gegenſatz der Erkenntniß

40

󶈠⧸dieH.1⧸󳶺[die]↶⌜ihrÜ⌝e󳶪H.2⧸󶈰 letzten Grenzpunkte und 󶈠⧸⌜zugleicherg⌝H.2⧸󶈰 den nächſten Anhalt für die Unterſuchung. Als ein

34

Es iſt die Aufgabe der Philoſophie, das Ganze der Erkenntniß

35

in ſeinem Urſprung zu beſtimmen. Wie nun jedes Ganze in den

41

ſolcher Gegenſatz, der, 󳶺[unter den verſchiedenſten Geſtalten im-

42 43 44 45 46 47 48 49

|12a/2v

[

||󶈠⧸⌈1) Logiſche Unterſuchungen. Abſchnitt XX. II. ⌜Das Unbedingte und die Jdee.erg⌝ S. [2]{3}53ff.erg⌉H.2⧸󶈰 ]

2) 󶈠⧸

⌜vgl.erg⌝H.2⧸󶈰 das Vtr. [über den letz⫮]↯ Abhandlung[:⫮]↯ über den letzten Unterſchied der philoſophiſchen Syſteme in den Denkſchriften der K. Akademıe der Wıſſenſchaften 1847.

|13/1r

||12a/2v

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik 50

mer wiederkehrend,⫮]↯ wie das Grundthema aller Metaphÿſik, al-

51

ler Philoſophie [erſcheint⫮]↯󳶪 unter den verſchiedenſten Geſtalten

52

immer wiederkehrt, 󶈠⧸erſcheintH.1⧸erscheint⌜energ⌝H.2⧸󶈰 der ſich

53

ſelbſt und anderes erkennende Gedanke auf der einen Seite und

54

die blinden äußern Kräfte auf der andern. Sie heißen bald Jdee und

55

Materie oder λόγος und ὑποκείμενον, bald extensio und cogitatio,

56

bald Subjectives und Objectives; aber dieſe verſchiedenen Aus-

57

drücke[,⫮]↯ bezeichnen nur verſchiedene 󶈠⧸AusdrucksweiſenH.1⧸

58 59 60 61 62 63 64 65

󳶺[Ausdrucks⫮]⌜Anſchauungs ers⌝weisen󳶪H.2⧸󶈰 eines und deſ-

ſelben letzten Gegenſatzes. Wenn gleich 󶈠⧸inH.1⧸󳶺[in]↶⌜bÜ⌝ei󳶪

⌜gÜ⌝e=󳶪↯󳶲[denken ſind⫮]󳶺[,]↶⌜dÜ⌝acht󳶪󳶢↯ werden müſſen, welche in ſich mannigfaltig und vielfach ſind, ſo gleicht ſich doch inſofern auf beiden H.2⧸󶈰 dieſen Ausdrücken Vorgänge 󳶺〚z[u⫮]2〛1↶

Seiten die Vorſtellung zu einer Einfachheit aus, als [ſ⫮]↯ die Glieder

des Gegenſatzes in ſich |gleichartig ſind und das Weſen 󶈠⧸ihrerH.1⧸

󳶲󳶺ih[r]er↶[ih⫮]⌜dÜ⌝er󳶪󳶢H.2⧸󶈰 Richtungen auf der einen Seite

66

durchweg von der andern verſchieden iſt. Die Kräfte der Materie − und

67

was uns Materie heißt, kennen wir nur in Kräften und Thätigkeiten,

68

ſtehen zunächſt, wie die Phÿſik ſie auffaßt, dem Gedanken fremd ge-

69

genüber. Der Gedanke bildet ſie nach und findet ihre Geſetze; aber

70

was ſie ſind, das ſind ſie 󳶺[ohne ihn⫮] [,⫮]󳶪↯ als nackte Kräfte, de-

71 72 73 74 75 76

281

nen kein beſtimmender Gedanke zum Grunde liegt, ohne ihn. Der Gedanke hingegen, der anderes und ſich ſelbſt denkt, 󳶺[er⫮]ſcheint󳶪↯ im letzten Grunde nur aus ſich ſelbſt verſtändlich zu ſein.

Bei näherer Betrachtung weiſen die beiden 󶈠⧸Endpunkte[,⫮]↯H.1⧸

󳶺[Endpunkte⫮]⌜Gegenſätzeers⌝󳶪↯H.2⧸󶈰 auf eine Gemeinſchaft hin.

Es giebt Anordnungen der Kräfte, wie 󶈠⧸inH.1⧸󳶺[in]↶⌜aÜ⌝uf󳶪H.2⧸󶈰

77

dem Gebiete des Lebens, in den organiſchen Bildungen durchweg,

78

welche nur durch einen zuſammenhaltenden richtenden Gedanken Erläuterung:

60 ...⫮]2〛1.] nach Überschreibung, Streichung des -Kringels.

|13/1v

Genetische Darstellung

282 79

Ethiſche Unterſuchungen

verſtändlich ſind. Jn dieſen ſcheınt der Gedanke das 󶈠⧸⌜letzteerg⌝H.2⧸󶈰

80

Beſtimmende zu ſein. Umgekehrt wird der Gedanke, ſo weit wir ihn

81

im Menſchen kennen, durch die Kräfte bedingt, welche ihn tragen

82

u. mit er|zeugen. Das Verhältniß dieſer Gemeinſchaft bleibt die erſte

83

Aufgabe.

84

Wenn nun die Betrachtung die blinden Kräfte und den bewußten

85

Gedanken einander gegenüberſtellt und der Einheit entgegenführen

86

will: ſo ergiebt ſich eine dreifache Möglichkeit. Entweder ſteht die

87

89

󶈠⧸⌜nackteerg⌝H.2⧸󶈰 Kraft vor dem Gedanken, ſo daß der Gedanke

90

te; − oder der Gedanke ſteht voran, ſo daß die blinden Kräfte nichts

91

für ſich ſind, ſondern vielmehr nur der Ausfluß oder das Erzeugniß

92

des Gedankens; oder endlich Gedanke und Kräfte ſind im Grunde

93

dieſelben[.⫮]↯ und unterſcheiden ſich nur in unſerm Verſtande.

88

nicht das Urſprüngliche iſt, ſondern das von blinden Bewegungen

Hervorgebrachte, ein Product und Accidenz der materiellen Kräf-

94

Nur dieſe drei Stellungen von Gedanken und Kraft kann es ge-

95

ben u. es ſind darin drei Grundanſichten beſtimmt. Jn der erſten

96

herſchen die materiellen Kräfte; in der zweiten iſt der Gedanke

97

das Uebergeordnete; in der dritten laufen beide, nur im Verſtande

98

unterſchieden, in der Auffaſſung einander parallel.

99

Man könnte vielleicht meinen, daß ſich |die beiden Endpunkte [(⫮]↯,

100

nackte Kräfte und Gedanken, dergeſtalt nach der Mitte bewegen

101

laſſen, um dort in eine Jdentität zuſammenzugehen. Eine ſolche

102

würde indeſſen [nur⫮]↯ die Unterſchiede nur vermiſchen und ver-

103 104

|13/2r

|13/2v

waſchen[.⫮]↯ u. es ließe ſich 󶈠⧸in dieſer [aſchgrau⫮]↯ H.1⧸in 󳶺diese[r]↶diese⌜mÜ⌝󳶪 ⌜einerlei dererg⌝H.2⧸󶈰 Mitte nichts Beſtimm-

Erläuterungen:

96 herſchen] Schreibweise, die sich in Tr.’s Werken neben der Form mit doppeltem gelegentlich wiederfindet.

129 zi{e}hen] Orthografiefehler korrigiert. 133 [über und].] überzähliges Textsegment entfernt.

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik 105

tes mehr denken u. aus dem Unbeſtimmten auch nıchts Beſtimmtes

106

󶈠⧸mehrH.1⧸[mehr⫮]H.2⧸󶈰 herausholen.

107 108

Jene drei Weiſen der Anſchauung ſind in der Geſchichte der

Philoſophie durch die verſchiedenen Richtungen der Sÿſteme ver-

109

treten, die erſte durch die materialiſtiſchen Lehren ſeit den alten

110

Atomikern, die zweite durch die idealen Sÿſteme [b⫮]↯ ınsbeſondere

111 112 113 114 115 116 117

ſeit Plato, die dritte durch Spinoza. Es ſoll hier nicht wiederholt wer-

den, daß alle Sÿſteme unter dieſe letzten Unterſchiede fallen, mögen ſich 󳶺[+]↶⌜aÜ⌝uch󳶪↯ in einzelnen beide Richtungen begegnen.

Jn dieſer Ableitung tritt Spinoza für [b⫮]↯ ſich beſonders hervor.

Jnwiefern er indeſſen [de⫮]↯ nach ſeiner Anſicht eine Einwirkung

des Gedankens auf die Ausdehnung und daher den Zweck mit ſeiner architektoniſchen Macht nicht anerkennen kann u. er alſo |nur die

118

wirkende Urſache, die nackten Kräfte, übrig behält: konnte er der

119

phÿſiſchen Weltanſicht zugerechnet werden. Wenn dies geſchieht, ſo

120

󶈠⧸ergeben ſich die beiden Gruppen der phÿſiſchen und organiſchen

121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133

283

Weltanſicht, welche den Schluß der logiſchen Unterſuchungen

bildeten.H.1⧸⌜gehen die drei Stellungen auf zwei zurück und eserg⌝ ergeben sich ⌜wiedererg⌝ die beiden Gruppen der phÿsischen und

organischen Weltansicht, welche 󳶺[de]a[n]b↶⌜aÜ⌝a⌜mN⌝b󳶪

Schluß der logischen Untersuchungen 󳶺[bildeten.⫮]⌜erwogen wurden.ers⌝󳶪H.2⧸󶈰

Die allgemeinen Betrachtungen führen auf dieſen Unterſchied und

die Richtungen, welche aus den beſonderen Wiſſenſchaften entſpringen,

zi{e}hen [nach beiden⫮]↯ theils nach der einen theıls nach der an-

dern Seite[.⫮]↯ und 󳶺[ſpannten⫮]⌜bringeners⌝󳶪↯ beide Anſichten in eine Spannung. Es würde dies noch [mehr⫮]↯ offenbarer werden, wenn die Menſchen, welche ihre 󶈠⧸einzelnenH.1⧸[einzelnen⫮]H.2⧸󶈰

Vorſtellungen auf einzelnen Gebieten [über und] ſtillſchweigend auf

|14/1r

284

Genetische Darstellung

Ethiſche Unterſuchungen

134

andere übertragen, dieſe Verallgemeinerung zur bewußten Conſe-

135

quenz des Ganzen ausbildeten. Wer die Menſchen nur wie die Kräfte

136

der Phÿſik oder die Zahlen in einer Gleichung auffaßt − und im äu-

137

ßern Verkehr, im Austauſch der Thätigkeit{,} unterliegen ſie vielfach

138

einer ſolchen Betrachtung: der dehnt die phÿſiſche Weltanſicht in die

139

Ethik aus. Wer umgekehrt die materiellen Kräfte 󳶺[nur]↶⌜alsÜ⌝󳶪↯ Thätigkeiten anſieht, |die nur durch iſolirte Auffaſſung von dem

140 141 142 143 144 145

Leben und dadurch von einem zum Grunde liegenden Gedanken

losgeriſſen ſind; der arbeitet an de󳶺[m]↶⌜rÜ⌝󳶪↯ Erweiterung und dem Siege der organiſchen Weltanſicht. Zwar gewahren wir dieſe letzte [Anſıc⫮]↯ Richtung in den Wiſſenſchaften 󶈠⧸ſparſamer,H.1⧸⌜nurerg⌝

sparsam[er,⫮]H.2⧸󶈰 und die erſte überwiegt. Aber wir rechnen im

148

Einzelnen die Thatſache dahin, daß die 󶈠⧸⌜ſcharfſichtigereerg⌝H.2⧸󶈰 Unterſuchung nicht ſelten, was für unorganiſche Maſſe galt, in Reſte

149

Dıe Wiſſenſchaft als Wiſſenſchaft geht zur letzten Entſcheidung

150

dieſes Kampfes einen langſamen Weg und ſie kann nicht anders.

151

󳶺[S]↶⌜EÜ⌝ine󳶪↯ directe Beobachtung iſt nicht möglich; die Atome,

146 147

152 153 154 155 156 157 158

und Erzeugniſſe des organiſchen Lebens verwandelte.

die [T⫮]↯ vermeintlichen Träger der Kräfte, entziehen ſich ſo gut den

Sinnen, als der 󶈠⧸ſchöpferiſcheH.1⧸󳶺[schöpferische⫮]⌜beſtim-

[mend⫮]↯mendeers⌝󳶪H.2⧸󶈰 Gedanke auf der andern Seite, der Endzweck mit dem Sÿſtem der ihm untergeordneten Zwecke. Eine Spe-

culation auf Einen Schlag wird ſchwerlich [ei⫮]↯ 󶈠⧸den H.1⧸

󳶺[den⫮]⌜eineners⌝󳶪H.2⧸󶈰 Streit entſcheiden, 󶈠⧸derH.1⧸󳶺[der⫮]⌜welcherers⌝󳶪H.2⧸󶈰 nach u. nach mit den im Ablauf der Geſchlechter ſich

161

ausbildenden 󶈠⧸⌜einzelnenerg⌝H.2⧸󶈰 Wıſſenſchaften an Schärfe und Macht wuchs. Die ſich vollendenden Wiſſenſchaften werden ihn |al-

162

einzelnen Kreiſen die Theorien zum Austrag bringen, indem ſie ſie

159 160

|14/1v

lein auf dem Wege entſcheiden, auf welchem ſie fort und fort in den

|14/2r

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik 163 164 165

entwickeln und an den Thatſachen meſſen. 󶈠⧸Es wird leichter ſein, obwol die Wiſſenſchaft lange genug daran arbeitete, zwiſchen Ptolemaeus

und Copernicus zu entſcheiden alsH.1⧸Es wird leichter sein, [ob-

166

wol die Wissenschaft lange genug daran arbeitete⫮][,] zwi-

167

schen Ptolemaeus und Copernicus zu entscheiden alsH.2.1⧸Es

172

wird 󳶺⌜auf dieſem Wegeerg⌝ leichter sein, zwischen Ptolemaeus und Copernicus zu entscheiden⌈, ⌜obwol die Wiſſenſchaft lange genug daran arbeitete,erg⌝[,]erg⌉󳶪 alsH.2.2⧸󶈰 zwiſchen dem

173

nicht warten. Sie muß ſich, um den univerſellen Geſichtspunkt zu ge-

174

winnen, entſcheiden und 󶈠⧸⌜ſicherg⌝H.2⧸󶈰 entweder auf die eine oder

168 169 170 171

Democritismus und Platonismus. Und doch kann die philoſophiſche

Betrachtung bis zu dieſem in weite Ferne zurückreichenden Zeitpunkt

175

auf die andere Seite ſtellen; und ſie wird dabei nicht anders verfah-

176

ren können, als daß ſie die Thatſachen der Natur und der Geſchichte,

177

der phÿſiſchen und 󶈠⧸⌜dererg⌝H.2⧸󶈰 ſittlichen Welt auf die Grundfrage

178

hinrichtet und in der Tiefe der Betrachtung mit ihr auszugleichen

179

ſtrebt. Es iſt 󶈠⧸⌜dabeierg⌝H.2⧸󶈰 unvermeidlich, d󳶺[u⫮]↶⌜aN⌝ß󳶪↯ die

180 181 182 183 184 185 186 187

Lücken in den Datis auf verſchiedene Weiſe eine Ergänzung zulaſſen

und daher 󶈠⧸den Elementen einer nur ſubjectiven Conſtruction Raum geben.H.1⧸󳶲󳶺[den Elementen⫮] [einer⫮] [nur⫮]⌜theilsers⌝󳶪

󳶺subjective[n]↶subjective⌜rÜ⌝󳶪 Construction󳶺⌜energ⌝ ⌜der Begriffe, theils Forderungen des Glaubenserg⌝󳶪󳶢 Raum geben.H.2⧸󶈰

󳶺[+]↶⌜AÜ⌝ber󳶪↯ vor allem kann die ethiſche Wiſſenſchaft[,⫮]↯ bis

zu einer ſolchen letzten Entſcheidung nicht warten. Es werden täglich und ſtündlich an ſi󳶺[ch]↶⌜eÜ⌝󳶪↯ Fragen gerichtet u. ſie [ſ⫮]↯ muß

Erläuterungen:

166 und 170 [,] und [,].] überzählige Kommata getilgt. 179 [u⫮].] Änderung erfolgt durch Streichung des -Kringels.

285

Genetische Darstellung

286 188 189 190

Ethiſche Unterſuchungen

für die Antwort unge|achtet des [p⫮]↯ übrigen philoſophiſchen

Streites einen unbeſtrittenden Grund zu erreichen ſuchen. 󶈠⧸Wir können mit demH.1⧸Wir können 󳶲󳶺[m]a[i]b[t]c↶⌜fÜ⌝⌜üN⌝⌜rÜ⌝󳶪

193

󳶺d[em]↶d⌜asÜ⌝󳶪󳶢H.2⧸󶈰, was uns zunächſt liegt, nicht erſt das Heil

194

Weltanſichten ſicher beharre. Es iſt dies nicht unmöglich; und die

195

Beiſpiele anderer Wiſſenſchaften geben uns Muth. Noch ſtreiten z.B.

196

die Metaphÿſiker, was der Raum ſei; aber 󶈠⧸der pÿthagoreiſche

191 192

197 198 199 200 201 202 203

von dem Entfernteſten erwarten. Es muß verſucht werden, für die Ethik einen Boden zu[g⫮]↯ gewinnen, der auch im Schwanken der

Lehrſatz ſteht ſeit [Jah⫮]↯ [zw⫮]↯ mehr als zwei tauſend Jahren feſt

und wirkt in Verbindung mit andern Sätzen, um mehr und mehr geometriſche Einſicht und mathematiſche Kunſt zu erzeugen.H1⧸

󳶲󳶺⌜ innerhalb dieſes gebietes ſtehters⌝ der pÿthagoreische Lehrsatz [steht⫮]󳶪 seit mehr als zwei tausend Jahren fest und wirkt in Verbindung mit andern Sätzen󳶺[, um⫮]⌜dazu mit,ers⌝󳶪 mehr und mehr geometrische Einsicht und mathema-

206

tische Kunst ⌜u. Machterg⌝ zu erzeugen.H2⧸󶈰 Aehnlich würde es ſein, wenn es gelänge, ethiſche Begriffe{,} z.B. den Begriff des Rechts,

207

der Speculation, zur bleibenden Beſtimmtheit zu bringen.

204 205

unabhängig von den wechſelnden Antworten auf jene Grundfrage

208

Wir werfen hiernach für dieſen ethiſchen Zweck auf die oben

209

entworfenen Möglichkeiten [ei⫮]↯ der Weltanſicht einen betrach-

210 211 212 213 214 215 216

|14/2v

tenden Blick.

Wir ſcheiden zunächſt Spinoza aus, der zwar, inwiefern er den

innern Zweck leugnet, 󶈠⧸⌜von der negativen Seiteerg⌝H.2⧸󶈰 zur |phÿſiſchen oder mechaniſchen Weltanſchauung, zur Alleinherr-

ſchaft der wirkenden Urſache{,} übertritt, aber von der poſitiven 󶈠⧸ein

Grundverhältniß von Denken und Ausführung eigenthümlich auffaßt und dadurch eine eigenthümliche Stellung behauptet. H.1⧸

|15/1r

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik 217 218 219 220 221 222 223 224 225 226

󳶲󳶺[ein]↶⌜dasÜ⌝󳶪

Grundverhältniß

287 von

Denken

und

Ausführung 󳶺[eigenthümlich⫮]⌜verſchiedeners⌝󳶪 󳶺[auffaßt⫮] ⌜begreifters⌝󳶪 und dadurch eine eigenthümliche Stellung behauptet.H.2⧸󶈰

Nur eine conſequente 󳶺[u]↶⌜AÜ⌝uffaſſung󳶪↯ des ganzen Sÿſtems,

nur eine durchgehende Vergleichung ſeiner [Grundg⫮]↯ Ausführung

mit dem Grundgedanken, nur eine ſcharfe Scheidung von den beiden andern Anſchauungsweiſen, 󳶺[der]↶⌜ſowolÜ⌝󳶪↯H.2 der materialiſtiſchen als 󶈠⧸auchH.1⧸[auch⫮]H.2⧸󶈰 der teleologiſchen, die ſich

nur allzu leicht unterſchieben, 󶈠⧸⌈󳶺[ein]↶⌜nurÜ⌝󳶪↯ ein offener und

227

ſtrenger Verſuch, die metaphÿſiſchen Erklärungen mit den realen

228

Thatſachen zu meſſenerg⌝,erg⌉H.2⧸󶈰 vermögen der Frage Genüge zu leiſten, ob Spinoza’s Lehre jene Nothwendigkeit in ſich trage, welche

229 230

er ſelbſt als dies Unwandelbare und Ewige [ſucht.⫮]↯ erſtrebt. Es iſt

233

nicht möglich, eine ſolche 󶈠⧸⌜weitläuffigeerg⌝H.2⧸󶈰 Kritik an dieſer Stelle zwiſchenzuſchieben. Wir haben ſie an einem andern Orte

234

nen haben, zurückbeziehen3).

231 232

235 236

verſucht und dürfen uns [auf⫮]↯ [,⫮]↯ auf den Ertrag, den wir gewonWenn ſich in Spinoza’s Ethik die Kritik auf die formale

Vollendung des geſchloſſenen Ganzen 󶈠⧸neigt H.1⧸󳶺[neigt]

239

↶⌜richtÜ⌝et󳶪H.2⧸󶈰, ſo findet ſie in den Definitionen und |Axiomen aller Bücher philoſophiſche Vorausſetzungen, welche unbegrün-

240

deren Einheit des Urſprungs nicht nachgewieſen iſt. Wer Spinoza

241

in dieſer Beziehung halten wollte, müßte ihn ergänzen; und würde

237 238

|15/1v

det daſtehen, und eine Vielheit von tragenden Anfangspunkten,

242 243

||3) „Ueber Spinoza’s Grundgedanken und deſſen Erfolg“ in den

244

Abhandlungen der Königl. Akademie der Wiſſenſchaften 1849. vgl.

245

[„⫮]↯logiſche Unterſuchungen{.} [II⫮]↯ [,⫮]↯ Abſchn. VIII. II, S. 39 ff.

||15/1r

288

Genetische Darstellung

Ethiſche Unterſuchungen

246

dies ſchwerlich anders können, als indem er Spinoza’s Vorſtellung

247

󶈠⧸⌜von der Erkenntniß des reinen Verſtandeserg⌝H.2⧸󶈰 zu vollziehen

248 249 250

u. „außerhalb der Wörter und Bilder“[,⫮]↯ rein zu denken verſuchte.

Aber Spinoza’s geometriſche Methode und die ungeometriſche Di-

alektik des reinen Denkens, die 󶈠⧸ſtrengeH.1⧸󳶺[strenge⫮]⌜alteers⌝󳶪H.2⧸󶈰

251

Architektonik des ſtreng gebundenen Ganzen u. die flüſſigen Begriffe

252

einer modernen Conſtruction{,} ergäben nimmer ein Gebäude aus

253

Einem Entwurf und in Einem Stil.

254

Wenn ſich dann ferner die Kritik auf die reale Durchführung

255

des Grundgedankens richtet, ſo erheben ſich noch größere Schwie-

256

rigkeiten u. zeigen ſich noch größere Lücken.

257

Vor allem müßte noch gezeigt werden, wie die Vorgänge zu

258

begreifen ſeien, in welchen ſonſt ein Zuſammenhang zwiſchen

259

261

Denken u. 󳶺[Sei]a[n]b↶⌜AÜ⌝a⌜uN⌝bsdehnung󳶪↯ wie in deutlichen

262

welche ſonſt als die Grundlage des Gedankens betrachtet wird,

263

󶈠⧸⌜entwedererg⌝H.2⧸󶈰 ohne eine Einwirkung der Ausdehnung auf das

260

|Thatſachen vorzuliegen ſchien. Es müßte namentlich in Bezug auf die

Auffaſſung der Dinge gezeigt werden, wie die Sinneswahrnehmung,

264

Denken aufzufaſſen ſei oder mit dem, was Spinoza Gedanken nennt,

265

keine Gemeinſchaft habe. Es müßte umgekehrt für die Thätigkeit

266

des Menſchen nach außen gezeigt werden, wie ein vernünftiges Ha-

267

ndeln, Spinoza’s ex ductu rationis agere, überhaupt möglich ſei, da

268

270

im Menſchen alles vernünftige Handeln 󶈠⧸⌜den Gedankenerg⌝H.2⧸󶈰 dergeſtalt zum Führer hat, daß er die Wirkung, die noch nicht da iſt,

271

und vorwegnimmt und darnach erſt den realen Vorgang der Mittel

272

einleitet u. einrichtet. Spinoza ſagt ſeinem Grundgedanken gemäß aus-

273

drücklich: [W]{„W}eder der Körper kann [d]{d}en Geiſt zum Denken, noch

274

der Geiſt den Körper zur Bewegung oder Ruhe oder irgend etwas

269

alſo in der Ausdehnung noch kein paralleles Gegenbild hat, entwirft

|15/2r

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik 275 276 277 278

Anderm beſtimmen (III. 2).{“} Wo indeſſen 󶈠⧸der VernünftigeH.1⧸[der

Vernünftige⫮]H.2⧸󶈰 in dem ex ductu rationis agere die Vernunft führt, da muß ſie ſich doch mit der Bewegung und Ruhe einlaſſen; da

beſtimmt ſie 󶈠⧸󳶺〚[ſ⫮]2〛1↶⌜dN⌝ie󳶪↯H.1⧸die⌜ſeerg⌝H.2⧸󶈰 doch, wie z.B.

279

in ihren Mitteln. |Es hätte gezeigt werden müſſen, wie namentlıch

280

ſolche Thatſachen, wie das gegliederte Leben, Begriffe, wie das Or-

281

ganiſche und Schöne, ohne den Gedanken im Grunde der Dinge,

282

ohne d󳶺[en]↶⌜ieÜ⌝󳶪↯ inwohnende Einheit eines Zweckes wirklich

283 284

Es fehlt dem Spinoza mit dem Zweck ein Princip der Determina-

287 288

ſich die Ausdehnung vom Unendlichen zum Endlichen beſtimme.

289

Wenn deſſen ungeachtet ſeine ethiſche Anſicht auf der Grundlage

290

ruht, daß jedes Weſen ſich in ſeinem Sein zu behaupten u. daß alle

291

Tugend nur die Macht ſei, etwas zu bewirken, was a󳶺[us]↶⌜llÜ⌝ein󳶪↯ aus den Geſetzen 󶈠⧸der eigenen NaturH.1⧸der 󳶲󳶺[eigenen⫮]

286

292 293 294 295 296 297 298

|15/2v

verſtanden werden können.

tion, wodurch ein individuelles Leben gebildet würde. 󶈠⧸⌜Dieerg⌝H.2⧸󶈰 Determination, die nichts als Verneinung iſt, hat keinen poſitiven

285

289

Mittelpunkt. Spinoza hat weder geſagt, wie ſich das Denken, noch wie

⌜menſchlıcheners⌝󳶪 Natur ⌜als ſolchererg⌝󳶢H.2󶈰 verſtanden werden kann: ſo ergiebt ſich leicht, 󶈠⧸daß ſtillſchweigend individuelles Leben

vorausgeſetzt iſtH.1⧸daß 󳶺⌜Spinozaerg⌝ stillschweigend individuelles Leben voraus[ge⫮]setzt [ist⫮]󳶪H.2⧸󶈰 und damit in den teleologiſchen Standpunkt übergeht. Spinoza’s Ethik im engern Sinn

hat ıhren Kern in der Erklärung (eth. IV. Def. 8): „Un|ter Tungend

299

und Macht verſtehe ich daſſelbe d.h. die Tugend, inwiefern ſie auf den

300

Menſchen bezogen wird, iſt das Weſen des Menſchen ſelbſt, inwie-

|16/1r

Erläuterungen: 278 ...⫮]2〛1.] Änderung durch Ergänzung zweier Strichlein zu einem , anschließend Streichung der hervorstehenden Unterlänge des .

273 ff. Latein korrigiert und Zitat markiert. 273 den] unvollständiges Zeichen komplettiert.

Genetische Darstellung

290

Ethiſche Unterſuchungen

301

fern es im Stande iſt, etwas zu bewirken, was allein aus den Geſetzen

302

ſeiner Natur begriffen werden kann“. Es iſt bemerkenswerth, wie

303

nahe hier Spinoza die Ethik des teleologiſchen Standpunktes berührt.

304

Ariſtoteles, von dem Gedanken der innern Zweckmäßigkeit gelei-

305

tet, forſchte{,} da er das Princip der Ethik ſuchte, 󶈠⧸⌜in demſelben Sinneerg⌝H.2.1⧸in dem[selben⫮] SinneH.2.2⧸󶈰 nach dem eigenthüm-

306 307 308 309 310 311

lichen Werk 󳶺〚[u⫮]1〛2↶⌜dÜ⌝es󳶪↯ Menſchen, wie 󶈠⧸⌜z.B.erg⌝H.2⧸󶈰 Hand u. Fuß ihr eigenthümliches Geſchäft verrichten, u. will dar-

in die Beſtimmung erkennen. 󶈠⧸⌜eth. Nic. I. 6erg⌝H.2.1⧸eth. Nic. I. 6 ⌜II. 5erg⌝ H.2.2⧸󶈰 Das Eigenthümliche und Specifiſche der menſchlichen Natur iſt in beiden das Maß. Aber die Berechtigung und Bedeutung ſteht

314

bei Ariſtoteles höher, da 󶈠⧸󳶺[er⫮]↯H.1⧸⌜bei ihmers⌝󳶪H.2⧸󶈰 die eigenthümliche Natur aus einem innern Gedanken abgegrenzt iſt,

315

hat. Spinoza verſteht unter dem, was allein aus den Geſetzen der

316

menſchlichen Natur begriffen werden kann, das begreifende Denken,

317

das intelligere u. das Handeln, das aus ſolchen Begriffen folgt, das ex

318

ductu rationis agere. Vgl. eth. IV. 35. IV. |app. c. 4. Wir wollen die

319

innern Schwierigkeıten nicht drängen. Genau genommen − und

320

Spinoza ſcheint es bisweilen ernſt zu nehmen − iſt das reine Denken,

321

323

󶈠⧸dasH.1⧸󳶺d[as]↶d⌜ieÜ⌝󳶪H.2⧸󶈰 sola puri intellectus cognitio das ein-

324

ein Reſt eines äußern Verhaltens, da hat immer noch ein ande-

312 313

322

aber bei Spinoza die Determination nur in der Negation ihr Weſen

|16/1v

zige, das allein und ausſchließlich aus der menſchlichen Natur

begriffen wird. Wo noch ein Bild einfließt, da iſt immer noch

Erläuterungen: 307 ...⫮]1〛2.] zunächst Streichung des -Kringels, dann Überschreibung.

309 II. 5] Ergänzung des Verweises »eth. Nic. I. 6« in derselben Zeilenhöhe. Diese soll für das Layout vermutl. in der Marginalspalte verbleiben.

339 [,].] überzähliges Komma von Hrsg. getilgt.

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik

291

325

res Ding, der Gegenſtand der Sinne, außer der menſchlichen Na-

326

tur mitgewirkt. Wir drängen nicht die innere Unmöglichk{ei}t die-

327

ſer sola puri intellectus cognitio, ſo daß eigentlich das, was einzig und

328

330

allein aus der menſchlichen Natur 󶈠⧸begriffenH.1⧸󳶲⌜zuerg⌝ 󳶺begr[i]f-

331

Handeln äußere Bedingungen vorausſetzt, in dem Sinne eines ver-

332

nünftigen Wirkens und Gegenwirkens. Es fragt ſich dann, was im

333

Sittlichen der Jnhalt des intelligere iſt. [E⫮]↯ Ein Grundzug geht durch

329

334 335 336 337 338 339 340 341

fen↶begr⌜eiÜ⌝[f⫮]fen󳶪󳶢H.2⧸󶈰 wäre, verſchwinden würde. Wir nehmen 󶈠⧸⌜alſoerg⌝H.2⧸󶈰 󳶺[das]↶⌜dieÜ⌝󳶪↯ Formel [als⫮]↯, da jedes

daſſelbe durch. Das menſchliche Weſen will ſein Sein behaupten und erweitern. Jeder leidende Zuſtand, der in ſeinem Jnnern Unluſt oder Furcht trägt, 󶈠⧸dem Zeichen des verminderten Eigenlebens, iſt daher vom vernünftigen Handeln ausgeſchloſſen.H.1⧸󳶲󳶺[dem]↶⌜dasÜ⌝󳶪

Zeichen des verminderten Eigenlebens[󳶺[,]↶⌜|Ü⌝󳶪]󳶺⌈, ⌜jeder leidende Zuſtand, der ſtatt Macht Ohnmacht iſt,erg⌝[,]erg⌉󳶪 󳶺[ist]↶⌜wirdÜ⌝󳶪󳶢 daher vom vernünftigen Handeln ausge-

schlossen.H.2⧸󶈰 [D⫮]↯ Ferner |wächſt die Macht des Einzelnen

344

durch Vereinigung und 󳶺[was]↶⌜dochÜ⌝󳶪↯ 󳶺[E⫮]↶⌜ſN⌝ie󳶪 iſt, was Eintracht erzeugt, ſittlich. Das Streben nach dem, worin al-

345

ſchlichen Natur, wird dadurch das Streben der Vernunft. So

346

348

󳶺[ſtellt⫮]⌜ergiebters⌝󳶪↯ ſich das Allgemeine als der Jnhalt des menſchlichen Handelns, des Handelns, das allein aus den Geſetzen der

349

eine Folge der Selbſterhaltung, aber reicht als ein Urſprüngliches,

350

das der menſchlichen Natur zum Grunde liegt; es ergiebt ſich nur als

351

ein Mittel für die Aufgabe der durch Vereinigung zu verſtärkenden

352

Macht, als ein 󶈠⧸Conſequenz und Accidenz. H.1⧸

342 343

347

le übereinkommen, das Streben nach dem Allgemeinen der men-

menſchlichen Natur verſtanden werden kann. Es ergiebt ſich als

Consequenz ⌜Nachfolgendes

|16/2r

Genetische Darstellung

292 353

und Accidenz. und Zufallendes.AV⌝

H.2⧸󶈰

Ethiſche Unterſuchungen

Wo das Eigenleben für die Vermehrung

354

Vermehrung ſeiner Macht, für die Selbſterhaltung ſeines Weſens, an-

355

dere Wege ſieht, wird dieſer Beweggrund des Sittlichen 󳶺 〚nic[ht⫮]2〛1

358

↶⌜wieÜ⌝󳶪↯ ein künſtliches Band zerreißen. Wenn man, wie Spinoza

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beharren, wie andere Kräfte: ſo tritt auch das intelligere nur als eine

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ſolche auf, und die andern Kräfte ſind gleich berechtigt. Denn jedes

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Ding hat nach der Natur ſo viel Recht als es Macht hat zu ſein und thä-

362

tig zu ſein. Wo die |Kräfte in dem Kampf, den ſie alle um ihr Daſein

363

führen, [das intelligere⫮]↯ in dieſem Kriege aller gegen alle, das intelli-

356 357

364

thut, das menſchliche Weſen ohne innere Beſtimmung − denn die

Determination iſt Negation − nur als Kraft faßt mit dem Triebe zu

gere beſiegen, wo ſie das vernünftige Handeln unmöglich machen, da

365

iſt auch nur das Naturgeſetz erfüllt. Das intelligere hat nur inſofern ei-

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nen Vorzug, als es auf das Ganze geht; das Ganze iſt aber nur berech-

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tigt, ſo weit es in ſich zu beharren verſteht; wenn der Theil ſiegt, ſo hat

368

370

er ebenſo 󶈠⧸⌜oder mehrerg⌝H.2⧸󶈰 viel Recht. 󳶺[Was]↶⌜DenÜ⌝n󳶪↯ was geſchieht, hat ein Recht zu geſchehen. Gut und böſe ſind nur

371

entſpringen, und die Begierden, welche ſich aus andern Urſachen

372

in uns erzeugen, ſind inſofern nicht verſchieden, als dieſe, wie jene

373

Wirkungen der Natur ſind und die natürliche Kraft darſtellen, wo-

374

durch der Menſch in ſeinem Weſen zu beharren[,⫮]↯ trachtet (trac-

375

tat. polit. c. 2. § 18){.} Erſt wenn das Ganze, der Menſch in ſich als

369

|16/2v

Weiſen unſerer Vorſtellung. Die Strebungen, welche aus der Vernunft

Erläuterungen: ←352 f. Nachfolgendes u. Zufallendes] spät ergänzte Alternativvariante. Da Tr. keine Anmerkungen dazu hinterlässt, welche Variante gelten soll, wird für die Textkonstitution die ältere, vormals gesetzte Variante beibehalten und die deutsche Entsprechung unter dem Klartext vermerkt.

355 ...⫮]2〛1.] zusätzliche Streichung der beiden Oberlängen von und nach Überschreibung.

394 ...⫮]2〛1.] zunächst überschrieben, dann Unterlängenansatz gestrichen.

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik

378

Einzelner und 󶈠⧸derH.1⧸d󳶺[er]↶d⌜ieÜ⌝󳶪H.2⧸󶈰 Gemeinſchaft der

379

des intelligere die übergeordnete Stelle, die ihm gebührt. Spinoza hat

380

in dem Trieb des menſch|lichen Weſens dies Ganze ſtillſchweigend

381

󶈠⧸vorausgeſetzt und iſt dadurch zu einem höhern Standpunkt über-

376 377

382 383 384 385 386 387 388 389 390 391 392 393 394 395

Menſchen, auf dem Werth eines innern Gedankens ruht und die Theile dieſem Gedanken untergeordnet ſind: ſo hat der ethiſche Trieb

getreten.H.1⧸vorausgesetzt󳶲󳶺[und ist⫮]⌜ . ers⌝ 󳶪 󳶺[d]adurch ↶⌜DN⌝adurch󳶪 ⌜iſt ererg⌝ zu einem höhern Standpunkt über-

getreten󳶺[.]↶⌜;Ü⌝󳶪⌜ und die atomiſtıſche Richtung des Eigen-

lebens, welche der Ableitung zum Grunde liegt, iſt dadurch [b⫮]↯ zurückgedrängt.erg⌝󳶢H.2.1⧸vorausgesetzt. Dadurch ist er zu ei-

nem höhern Standpunkt übergetreten; und 󳶲⌜ hat erg⌝ die atomistısche Richtung des Eigenlebens, welche 󳶺[der]

↶⌜ſeiÜ⌝ner󳶪 Ableitung zum Grunde liegt, [ist⫮] [dadurch⫮]󳶢 zurückgedrängt. H.2.2⧸󶈰 Wenn aus dem Gedanken des Eigenlebens,

das ſich durch Vereinigung verſtärken will, wenn aus dem Gedanken der durch Eintracht zu vermehrenden Macht des Einzelnen ſchon ſo viel [fo⫮]↯ des Sittlichen folgt, als Spinoza in einfachem Gange

daraus herleitet: ſo beweiſt das nu󳶺〚[+⫮]2〛1↶⌜rÜ⌝󳶪↯, daß auch d󳶺[er]↶⌜ieÜ⌝󳶪↯ Glieder, damit ſie beharren können, das [G⫮]↯

396

geſchloſſene Ganze ſuchen müſſen; es beweiſt nur die Wechſelwirkung

397

des Jntereſſes (des „[utile⫮]↯ suum utile“) zwiſchen dem Ganzen u.

398 399 400

den Theilen. Aber dem Gedanken des Ganzen und dem Begriff des Theiles im Ganzen iſt dadurch nicht genug geſchehen.

Spinoza’s Ethik wirkt, indem ſie󶈠⧸⌈,⌜ ohne etwas vorzuſchreiben,

403

in der Form mathematiſcher Sätzeerg⌝,erg⌉H.2⧸󶈰 beſchreibt, was der Vernünftige, der Freie thun, indem ſie durch eine ſolche Betrachtung,

404

das Streben des eigenthümlich Menſchlichen erregt. Die Vorſtellung

401 402

293

die auf das gerichtet iſt, was allein aus der menſchlichen Natur folgt,

|17/1r

294

Genetische Darstellung

Ethiſche Unterſuchungen

405

wirkt nothwendig in dieſer Richtung. Jnwiefern ſie aber den Men-

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ſchen auf das hinweiſt, was ihn zum Menſchen macht: dient ſie in

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dem Menſchen, den ſie nur als nackte Kraft faßte, dennoch dem Ge-

408

danken󳶺⌜, ers⌝[ ſeines Weſens⫮]󳶪↯ ohne den der Trieb ſeines Weſens nicht zu begreifen iſt.

409

413

|󳶺[Aus⫮] Spinoza[’s⫮] ⌜mußte im Sinne desers⌝ Grundgedanken⌜sers⌝󳶪↯, nach welchem Denken und Ausdehnung, unter ſich

414

nen das Weſen der Dinge beſtimmenden Gedanken verneinen. Vor

415

ſeiner Grundanſchauung aus konnte er nicht anders. Dagegen ſind

416

die Gründe, die er außerhalb derſelben hinzufügt, um den Zweck

417

aufzuheben, nicht von gleichem Belang. So ſucht er z.B. zu zeigen,

418

daß der Zweck dem Begriffe Gottes widerſpreche. (eth. I. 33. schol. 2).

419

Diejenigen, welche annehmen, ſagt er, daß Gott unter 󶈠⧸der Rück-

410 411 412

ın keinem Cauſalzuſammenhange, nur der verſchiedene Ausdruck einer und derſelben Subſtanz ſind, den Zweck, das h[o]{ö}chſte, ei-

422

ſichtH.1⧸󳶲󳶺de[r]↶de⌜mÜ⌝󳶪 󳶺[Rücksicht⫮]⌜Zweckers⌝󳶪󳶢H.2⧸󶈰 des

423

ein Vorbild hinblickt oder worauf er, wie ein Schütze auf die Scheibe

424

hinzielt. Das 󶈠⧸heißtH.1⧸󳶺heiß〚[t⫮]2〛1↶heiß⌜eÜ⌝󳶪↯H.2⧸󶈰 aber in

420 421

Guten thätig ſei, ſcheinen etwas, außerhalb Gottes zu ſetzen, was von

Gott nicht abhängt, worauf indeſſen Gott in ſeiner Thätigkeit wie auf

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der That nichts anders, als Gott einem 󶈠⧸FatumH.1⧸󳶺[Fatum⫮]⌜Ver-

428

bloßen Bilde geſchehen. Der Menſch mag das Ziel, das er erreichen

429

will, oftmals außer ſich haben. 󳶺[N]↶⌜AÜ⌝ber󳶪↯ wie ſchon er nicht

425 426

430 431 432 433

|17/1v

hängnißers⌝󳶪H.2⧸󶈰 unterwerfen. Es iſt ſchwer, in Gottes 󳶺[b]↶⌜BÜ⌝e-

griff󳶪↯ hinein zu argumentieren. Aber am wenigſten darf es im

|ſelten es ſelbſt ſetzt, ſo fällt das Außen u. Jener im Abſoluten (in Gott), in dem ſich aus ſich beſtimmenden Gedanken von ſelbſt weg. Spinoza hat ſeinem Gott ein anderes 󶈠⧸FatumH.1⧸󳶺[Fatum⫮]⌜Ver-

hängnißers⌝󳶪H.2⧸󶈰 gelaſſen, 󳶺[D]↶⌜dÜ⌝as󳶪↯ iſt die Negation, die das

|17/2r

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik 434 435

Unendliche zum Endlichen macht, 󶈠⧸und in ihrem Urſprung nicht begriffen iſt.H.1⧸󳶲[und⫮] in ihrem Ursprung 󳶺[nicht⫮]

438

⌜uners⌝󳶪begriffen󳶺⌜.ers⌝[ ist.⫮]󳶪󳶢H.2⧸󶈰 Wir haben die Gründe angedeutet, welche den tiefer eingehenden

439

welche Spinoza der Speculation in ſeinem Grundgedanken gegeben

440

hat. Seine Ausführung zieht entweder, inwiefern der innere Zweck ge-

441

leugnet wird, zum materialıſtiſchen, oder, durch ſtillſchweigende Vo-

442

rausſetzungen zum teleologiſchen Standpunkt hinüber. Zwiſchen

443

dieſen beiden geht der Kampf fort; u. wir müſſen uns zwiſchen ihnen

444

entſcheiden.

436 437

Gedanken verhindern, die eigenthümliche Stellung zu behaupten,

Erläuterungen: 424 ...⫮]2〛1.] erst überschrieben, dann Oberlänge des gestrichen.

413 h[o]{ö}chſte] fehlendes Trema von Hrsg. ergänzt. 437−444 wir bis entſcheiden] Die Untersuchung bricht unvermittelt ab. Kapitel II bleibt unvollendet.

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|Ethiſche Unterſuchungen.

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I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F1)

Die Präsentation des Klartextes von F1 erfolgt mit der zweiten Schlussfassung.

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F1)

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|Ethiſche Unterſuchungen.

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I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften.

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Wo der Menſchengeiſt, ſei es im Einzelnen oder in der Menſchheit, ſein eigenthümliches Werk beginnt, ein Werk, das nur ihm gehört und ſein Weſen ausdrückt: da beginnt auch die Ethik, wenn wir ſie im weitern Sinne auffaſſen.

10

Jnwiefern ſie philoſophiſche Disciplin iſt, hat ſie mit der Philoſophie die Richtung auf das Ganze der Erkenntniß und auch den Urſprung des Ganzen gemein: Denn wie ſehr auch die philoſophiſchen Lehren aus einander gehen mögen, ſo bleibt es doch das durchlaufende Kennzeichen der Philoſophie, daß ſie im Gegenſatz gegen die bedingten Stücke nach 15 der Erkenntniß des unbedingten die Theile tragenden Ganzen ſtrebt. 1/1v|

Die Philoſophie, die unverrückt das Ganze |im Auge behalten ſoll, wird eben dadurch Sÿſtem, ideales Gegenbild eines realen Ganzen. Was ſie denkt und darſtellt, muß ſie im Sinne des Ganzen denken und darſtellen. Jeder ihrer Theile muß eine bewußte Beziehung zum 20 Ganzen haben. Obwol ſich nun erſt durch die Entwicklung des innern Princips dieſer Zuſammenhang erzeugt, ſo kann man doch auch dann nicht, wenn man noch im Eingang und noch vor der Disciplin ſteht, die Frage umgehen, welches der Ort der Wiſſenſchaft im Ganzen des Sÿſtems ſei. 25 Es iſt nöthig, wenigſtens in den äußern Ueberblick des Ganzen den Theil einzufügen. Genau genommen, fallen alle Wiſſenſchaften in die Ethik; denn die Erforſchung des Wahren iſt eine ethiſche That und die Gründung

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Ethiſche Unterſuchungen

und Ausbildung der Wiſſenſchaften iſt eins der eigenſten Werke des Menſchen. Aber deſſen ungeachtet bleibt die Frage ſtehen, welche Stelle die Ethik, |inwiefern ſie einzelne Wiſſenſchaft iſt, in dem von ihr umfaß- |1/2r ten Jnbegriff aller einnehme. Es handelt ſich dabei um den Eintheilungsgrund der Philoſophie,

35

der, wie die Geſchichtliche Betrachtung lehrt, weſentlich zwei Geſichtspunkten pflegt entnommen zu werden. Man gründet nämlich die Eintheilung entweder auf das verſchiedene Verhalten des Menſchen zu den Gegenſtänden der Wiſſenſchaft oder auf innere Unterſchiede der Gegenſtände ſelbſt. Von jener Art iſt z.B. die Eintheilung in theoretiſche

40

und praktiſche Philoſophie, von dieſer die Eintheilung in Logik, Phÿſik und Ethik. Es iſt der Mühe werth, beide Weiſen der Eintheilung zu unterſuchen, ehe wir uns für eine derſelben entſcheiden. Die Eintheilung der Wiſſenſchaft in theoretiſche und praktiſche geht, wenn man die erſten Anſätze aufſucht, bis in Plato’s Staatsmann zurück

45

(Plat. politic. p. 258): Ariſtoteles bildet ſie auf ſeine Weiſe aus und legt ſie dergeſtalt der Betrachtung des Ganzen zum Grunde, daß ſie durch ihn ſich bis in die neueſte Zeit fortpflanzte und ihre Geltung |behauptete |1/2v (Aristot. metaphys. VI. 1. eth. Nicom. VI. 2-5)[.] Ariſtoteles faßt die Gegenſtände theils als unwandelbar und nothwen-

50

dig - beides iſt ihm daſſelbe, da das Nothwendige nicht anders ſein kann - theils als veränderlich und daher der Einwirkung frei gegeben auf. Wie nun nach Arıſt. den Gegenſtänden die erkennenden Vermögen entſprechen, ſo gehört jenes [-] das Unwandelbare und Nothwendige [-] dem wiſſenſchaftlichen Vermögen, dieſes dagegen - das Veränderliche -

55

dem Berathenden an; zu jenen Gegenſtänden verhält ſich der Menſch betrachtend, zu dieſen entweder handelnd oder bildend. Darnach iſt die Erkenntniß theils Erkenntniß der Betrachtung, theils des handelnden Lebens, theils der bildenden Kunſt und die Philoſophie theilt ſich

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F1)

307

demgemäß in theoretiſche, praktiſche und poietiſche. Aus welchen weitern Gründen die theoretiſche Philoſophie ſich in erſte Philoſophie, 60 Phÿſik und Mathematik, die praktiſche in Ethik, Oekonomik und Politik theilte und die Logik als Werkzeug der Disciplinen allen vorangeſtellt 2/1r|

wurde: das kann an dieſem Orte |unerörtert bleiben. Wir prüfen den erſten und allgemeinen Geſichtspunkt[.] Zunächſt bleibt der erſte Eintheilungsgrund zweifelhaft, wenn für 65 das Nothwendige das wiſſenſchaftliche und für das Veränderliche und Zufällige als das Gebiet der Freiheit das berathende (praktiſche u. poietiſche) Vermögen beſtimmt wird. Das Nothwendige als das Unwandelbare liegt nicht ueber dem Veränderlichen und darum der Thätigkeit Freigegebenen, ſo daß beides zwei verſchiedenen Gebieten zu- 70 fallen könnte, ſondern es geht vielmehr durch das Veränderliche durch. Es iſt die eigentliche That der Wiſſenſchaft, das Zufällige in Nothwendiges zu verwandeln und im Veränderlichen das Unveränderliche zu erkennen. Durch die Wiſſenſchaft dehnt ſich das Gebiet des Nothwendigen fort u. fort aus und ſchränkt ſich das willkürlich Veränderliche ein. Noch 75 viel weniger kann man die innere Verwandtſchaft des Erkennens mit dem Gegenſtande ſo verſtehen, daß das Nothwendige durch ein beſonderes wiſſenſchaftliches Vermögen aufgefaßt werde, während das Veränderliche entweder der Einſicht ins Handeln oder der Kunſt zufalle. Wenn man vielmehr auf den Vorgang der Wiſſenſchaft ſieht, auf die Weiſe, wie das 80

2/1v|

Nothwendige gefunden wird: ſo hilft dabei |fortwährend die Kunſt, die ſich im Ausführbaren bewegt, von den Rechnungen und Conſtructionen der Mathematik bis zu den Experimenten der Naturwiſſenſchaft. Man kann in den Disciplinen die Theoreme und Probleme, die Lehrſätze und Aufgaben wie Wiſſenſchaft und Kunſt einander entgegenſtellen. Wer 85 nun beobachtet, wie die Löſung der Aufgaben durch die Erkenntniß der Lehrſätze und der Beweis der Lehrſätze durch die Ausführung von

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Ethiſche Unterſuchungen

Aufgaben bedingt iſt: der sieht leicht ein, wie Wiſſenſchaft und Kunſt, Betrachten u. Bilden mit einander fortſchreiten und daher auch nicht 90

das Gebiet des Nothwendigen für die Wiſſenſchaft und das Gebiet des Veränderlichen für das Handeln u[.] die Kunſt dergeſtalt als geſchieden feſtzuhalten ſind, als gehörten ſie zwei verſchiedenen Vermögen an. Ariſtoteles hat die Gebiete wie gegebene und fertige unterſchieden, aber dabei nicht in ihrem Entſtehen u. Werden aufgefaßt. Darin liegt die

95

Urſache des Fehlers. Der andere Grund dieſer Eintheilung ſchließt ſich an den erſten an; indem er das Verhalten der menſchlichen Thätigkeit ins Auge faßt, das Betrachten, das Handeln und das Bilden. Es fragt ſich, ob ſich dieſe Thätigkeiten auf ſolche Weiſe einander ausſchließen, uns die Grundlage

100

für nebengeordnete Arten zu ſein. Die Andeutungen, welche Ariſtoteles zur Unterſcheidung giebt, genügen ſchwerlich. So ſoll das Bilden dem Handeln darin entgegenſtehen, daß jenes einen Zweck außer ſich habe, nämlich das Werk, dieſes in ſich ſelbſt einen Zweck trage, wie überhaupt das Wohlhandeln das Ziel ſei. (die εὐπραξία im Sinne der durch richtiges

105

Handeln erreichten Glückſeligkeit). Die nähere Betrachtung zeigt auch hier eine Uebereinſtimmung. Der bildende |Künſtler bringt allerdings |2/2r ein Werk hervor, das äußerlich daſteht. Wenn aber der Handelnde, z.B. der Tapfere, der Mäßige eine Wirkung bezweckt: ſo verhält ſich dieſe, wie unſichtbar ſie auch in die Kette der Ereigniſſe eingreife, dennoch wie das

110 Inhaltliche Randnotiz, vermutl. zu Z. 106 ff.: vgl[.] noch Heft d[.] Geſch[.] dς[.] Polis. Bog. 10. Arıſt[.] polıt. 1. 2. §. 3 Inhaltliche Randnotiz, vermutl. zu Z. 106 ff.: Vgl. noch die Stelle b. Brandis no. 22 aus eth. Nic. I. 1. Aber da z. erinnς: d. Werk iſt nicht beſſer als die Thätigkeiten; Denn die ei-

115 gentliche Thätigk[ei]t, d. urspr[.], iſt die Conception der Kunſtwerke, u. das Kunſtwerk iſt nur für dieſe da, um dieſe Thätıgk[ei]t in d. Beſchauen zu vervielfältigς[.]

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F1)

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äußern Werk des Künſtlers - zu geſchweigen, daß das Handeln, wenn es im größern Maßſtabe erſcheint, bleibende Bildungen und Einrichtungen[,] z.B. Anſtalten des Staats[,] hervorbringt wie lebendige, bewußte Kunſtwerke. Wenn das Handeln darum in ſich ſelbſt Zweck ſein und ſich dar- 120 um in ſich ſelbſt vollenden ſoll, weil das Wohlhandeln das letzte Ziel iſt: ſo iſt dieſer Grund offenbar zu weit. Denn das Wohlhandeln in jenem allgemeinen Sinne der durch Handeln zu erſtrebenden Glückſeligkeit (εὐπραξία) wird nicht bloß durch das Handeln im engern Sinne, ſondern gleicher Weiſe durch das wiſſenſchaftliche Betrachten und Künſtleriſche 125 Bilden erreicht. Ariſtoteles iſt uns deſſen ſelbſt ein Zeuge, wenn er die menſchliche Glückſeligkeit in der theoretiſchen vollenden will u. 2/2v|

|alſo die Eupraxia des betrachtenden Lebens auf die Höhe ſeiner Ethik ſtellt: Wenn dieſer Begriff des Wohlhandelns, des hiernach ſich durch Thätigkeit vollziehenden menſchlichen Zwecks durch alle drei Weiſen, 130 durch das Betrachten, das Handeln und das Bilden hindurchgeht, ſo könnten ſich gleichwohl alle drei wie Arten zu einander verhalten. Dann muß indeſſen gefordert werden, daß ſie, obwol in dieſem Allgemeinen übereinkommend, ſich ſonſt nicht mit einander vermiſchen, ähnlich wie z.B. die Arten des Parallelogramms Quadrat, Rechteck, Rhombus und 135 Rhomboid in der Natur des Parallelogramms übereinkommen, aber ſonſt keine derſelben die eigenthümliche Natur des andern in ſich enthält. Iſt dies nun bei den zum Grunde gelegten Begriffen der Fall? Das Betrachten iſt vielmehr im Handeln, wie im Bilden, als Erfordnerniß mitenthalten. Denn das Handeln muß von Vernunft durchdrungen ſein und das Bilden 140 ſoll eine Jdee darſtellen u[.] zur Anſchauung bringen. Ebenſo iſt das Bilden

3/1r|

|in dem Handeln, wie in dem Betrachten enthalten; denn das Handeln vollendet ſich erſt in der ſittlichen Schönheit, in einer Darſtellung, die, wie das Kunſtwerk, ihrer Jdee entſpricht, und das Betrachten bedarf, wie ſchon gezeigt iſt, des Hervorbringens, um ſich zu verwirklichen, 145

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Ethiſche Unterſuchungen

und muß ſich darſtellen, um ſich ſelbſt klar und andern zugänglich zu werden. Endlich vollzieht ſich das Handeln im wiſſenſchaftlichen Beruf durch das Betrachten und im künſtleriſchen durch das Bilden auf eigenthümliche Weiſe. Wer dieſe Beziehungen überdenkt, findet die eine 150

Thätigkeit mitten in der andern. Es ſoll dabei nicht verkannt werden, daß ſich die drei Thätigkeiten, das Betrachten, das Handeln und das Bilden nach den Richtungen ihres Zweckes unterſcheiden. Das Betrachten will erkennen[,] um zu erkennen; das Bilden will hervorbringen, um einen Gedanken anzuſchauen oder eine Empfindung hinzuheften;

155

das Handeln hingegen will eine Wirkung als ſolche. Aber dieſe verſchiedenen Zwecke, da ſie die andern wechſelsweiſe als Mittel in ſich tragen, |ſind allein nicht geeignet, um die Theile der Philoſophie mit |3/1v ſcharfen Unterſchieden zu begrenzen. Das Quadrat iſt, um zum obigen Beiſpiele zurückzukehren, in keinem Stücke der ſpecifiſchen Differenz

160

ein Rhomboid, aber das Handeln ſchließt das Betrachten und das Bilden und dieſe umgekehrt das Handeln in ſich ein. Würde daher eine Eintheilung der Philoſophie auf dem Grunde dieſer Begriffe ſtreng ausgeführt, ſo wären Wiederholungen unvermeidlich. Auf ähnliche Weiſe verhält es ſich mit den in neuerer Zeit viel ge-

165

nannten und neben einander geſtellten Jdeen des Wahren, Guten und Schönen. Sie drücken das als Gegenſtand aus, was in den Begriffen des Betrachtens, Handelns und Bildens als Thätigkeit angeſchauet wird. Nur die oberflächliche Anſicht vermag ſie zu trennen. Wer in ſie tiefer eindringt, wird bald gewahr, daß man nicht den Jnhalt der einen heben

170

kann, ohne den Jnhalt der andern mitzuheben. Randnotiz, vermutl. zu Z. 171 f.: Plato–Gerſon im M. A. bonum (Begehrς) verum [ ]

(Erkennς) Chalyb ä us I. S. 72 f[.]

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F1)

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Wir begegnen im Mittelalter derſelben oder mit Ariſtoteles verwandten Eintheilungen. Wir ſehen die Wirkung noch im vorigen Jahrhundert, 175 wenn Chr. Wolf u. nach ihm Kant u[.] Fıchte die Philoſophie in theo3/2r|

|retiſche und praktiſche eintheilen. Wenn bald nach Wolf Baumgarten die Aeſthetik hinzufügte, ſo trat darin die zurückgedrängte ποιητική des Ariſtoteles von Neuem mit ihrem Rechte hervor. Kant iſt, was die Eintheilung der Philoſophie betrifft, von Chr. Wolf abhängig. Man 180 ſieht es deutlich, wenn man Kants Architektonik der reinen Vernunft mit der Einleitung zu Wolfs Logik vergleicht.1) Wenn Kant, wie Wolf, die Philoſophie zunächſt in theoretiſche und praktiſche eintheilt, ſo hat darauf bei Kant, wie bei Wolf, die Scheidung der Geiſtesthätigkeit in Erkenntnißvermögen[,] Begehrungsvermögen und Gefühlsvermögen 185 weſentlichen Einfluß.2) Aber die Ergebniſſe bei Kant zeugen zugleich gegen die Richtigkeit dieſer Eintheilung. Die praktiſche Vernunft greift beı ıhm in das Gebiet der theoretiſchen zurück und erzeugt theoretiſche Vorausſetzungen, Poſtulate, welche der Kritik der reinen Vernunft zweifelhaft waren. Herbart gehört inſofern hieher, als auch er die Philoſophie nicht 190

3/2v|

nach den Objecten ein|theilt. Wenn er die Philoſophie als Bearbeitung der Begriffe erklärt, ſo theilt er ſie nach der logiſchen Thätigkeit ein, die ſie erfordern. Aus den Hauptarten, wie die Begriffe bearbeitet werden, ergeben ſich die Haupttheile der Philoſophie: Jnwiefern es der Zweck iſt, die Begriffe klar und deutlich zu machen, entſpringt ihm die Logik. 195 Jnwiefern gegebene Begriffe der Erfahrung Widerſprüche in ſich tragen und ſie daher nach ihrer beſondern Beſchaffenheit zu verändern und zu ergänzen ſind, damit ſie denkbar werden: ſo ergibt ſich ihm die

3/2r||

||1) Kant Kritik der reinen Vernunft. „ Methodenlehre[“] 3tes. Hauptstück. 2t. Aufl. S. 874 ff. 200 u. Wolf philosophia rationalis s. logica. 1728. discursus praeliminaris § 60 ff. 2) Kant Kritik der Urtheilskraft. 1790. Einleıtς III. S. XX.

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Ethiſche Unterſuchungen

Wiſſenſchaft der Metaphÿſik, welche auf ähnliche Weiſe, wie bei Wolf und Kant, in der Pſÿchologie, Naturphiloſophie und natürlichen Theologie 205

ihre Anwendung findet. Endlich werden Begriffe unterſchieden, welche in unſerm Vorſtellen ein Urtheil des Beifalls oder Mißfallens nothwendig herbeiführen und die Wiſſenſchaft von ſolchen Begriffen iſt ihm die Aeſthetik. Angewandt auf das Gegebene geht ſie in eine Reihe von Kunſtlehren über, welche ſä[m]tlich praktiſche Wiſſenſchaften heißen

210

können; praktiſche Philoſophie im engern Sinne heißt ihm diejenige der |Kunſtlehren, deren Vorſchriften den Charakter der nothwendigen |4/1r Befolgung darum an ſich tragen, weil wir unwillkührlich und unaufhörlich den Gegenſtand derſelben darſtellen.3) Dieſe Eintheilung wurzelt ganz in Herbarts eigenthümlicher philoſophiſcher Anſchauung und

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kann nur mit dieſer beurtheilt werden: Jndeſſen ſchon bei einer vorläufigen Betrachtung ſpricht einiges gegen die Strenge dieſer Eintheilung: Zunächſt treten nach dieſem Eintheilungsgrunde Logik und Aeſthetik nicht ſcharf aus einander. Denn auch die Klarheit und Deutlichkeit der Begriffe gefällt u. auch darauf kann ſich eine Kunſtlehre richten. Jn Herbarts

220

Schule iſt in der That dieſe Conſequenz gezogen. Bobriks Logik4) überträgt die Analogie der praktiſchen Philoſophie auf die Erkenntnißlehre und entwirft fünf urſprüngliche und fünf abgeleitete logiſche Jdeen, wie Herbart fünf urſprüngliche und fünf abgeleitete praktiſche Jdeen darſtellt. Der Grund der Eintheilung iſt hierdurch nicht ſcharf genug. Ferner

225

iſt es ſehr zweifelhaft, ob bei den Erfahrungsbegriffen eine |ſolche Aufgabe |4/1v vorliege, wie die von Herbart behauptete metaphÿſiſche Berichtigung und Ergänzung. Was er in ihnen für Widerſpruch erklärt, das wird, ||3) Joh. Frdr. Herbart Lehrbuch zur Einleitung in die Philoſophie. 3t. Aufl. 1834. § 5 ff.

230 4) Dr. Ed. Bobrik neues praktiſches Syſtem der Logik. I, 1. urſprüngliche Jdeenlehre. Zürich 1838[.] § 12 ff[.]

||4/1r

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F1)

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wie anderswo nachgewieſen worden, auch in ſeiner metaphyſiſchen Bearbeitung der Begriffe nicht wirklich weggeſchafft, ſondern nur für den Augenſchein ausgeglichen;5) ja, es wird gar nicht als Widerſpruch erſcheinen, wenn nicht ein falſcher Maßſtab des Jdentitätsgeſetzes ange- 235 legt wird.6) Endlich würde er ſich fragen, ob nicht auch die aeſthetiſchen Begriffe und namentlich die praktiſchen Jdeen, wenn man den Widerſpruch in Herbarts Sinne beſtimmt, denſelben Widerſpruch in ſich enthalten, wie z.B. die Jdee der Billigkeit nach Herbarts Auffaſſung nicht ohne die durch eine Handlung eingetretene Veränderung gedacht wird, 240 4/2r|

welcher Begriff nach Herbarts Metaphÿſik ſich in ſich |widerſpricht. Aus dieſen Gründen wird Herbarts Fundament der Eintheilung ſich nicht einmal unter ſeinen eigenen Vorausſetzungen, aber viel weniger außerhalb ſeines Sÿſtems halten können. Sollte ſich nach dieſen fehlgeſchlagenen Verſuchen das verſchiedene 245 Verhalten menſchlicher Thätigkeit nicht eignen, um einen Eintheilungsgrund der Philoſophie abzugeben: ſo ſuchen wir ihn auf der andern Seite, in der Verſchiedenheit der Gegenſtände. Es begegnet uns auf dieſem Wege eine alte Eintheilung, die zufolge einer Bemerkung des Sextus Empiricus dem Keime nach bereits in Plato 250 liegt, aber erſt von den Stoikern zur Norm des Sÿſtems genommen wurde. Es iſt die Eintheilung der Philoſophie in Logik, Phÿſik und Ethik. Die alten Stoiker ſahen dabei die Phÿſik als den Kern oder den Quell der Erkenntniß an; denn die Phÿſik, welche in die Vernunft der Natur als in den letzten Urſprung zurückgeht, iſt ihnen in demſelben Sinne, wie 255 dem Ariſtoteles die Metaphÿſik, die göttlichſte unter den Wiſſenſchaften.

4/1v||

||5) Logiſche Unterſuchungen B. I. S. 137 ff. 6) Logiſche Unterſuchungen B. II. S. 95 f. Alternativvariante: 255 letzten] göttlichen von Tr. spät ergänzt. 260

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Ethiſche Unterſuchungen

Sie vergleichen die Philoſophie dem lebendigen Leibe eines Thieres und zwar den logiſchen Theil den Knochen und Sehnen, den ethiſchen dem Fleiſch und Blut, den phyſiſchen |endlich der Seele; oder ſie vergleichen |4/2v nach dem Bilde eines Eies den logiſchen Theil der Schale, den ethiſchen 265

dem Weißen, den phyſiſchen dem Dotter; oder nach dem Bilde eines fruchtbaren Ackers den logiſchen Theil der Umzäunung, den ethiſchen der Frucht, den phÿſiſchen dem Boden oder dem Baume. Wie die Logik darnach als das Zuſammenhaltende betrachtet wird, ſo bildet die Phÿſik den geſtaltenden, hervorbringenden Mittelpunkt. Hiernach würden die

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Theile, wenn wir von innen nach außen gehen, in der Reihe der Phÿſik, Ethık, Logik auf einander folgen. Jndeſſen erkannten die Stoiker auf der einen Seite dıe Wechſelwirkung der Theile, wollten keinen dem andern voranſetzen u. änderten die Folge nach dem vorliegenden Zweck des Vortrags u. der Lehre; auf der andern Seite ſtellten ſpätere Stoiker nach

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der vorwiegenden Richtung, die ſie nahmen, die Ethik in das eigentliche Centrum.7) |Da die ſtoiſche Eintheilung der Philoſophie aus der Sache, aus dem |5/1r innern Verhältniß der Gegenſtände[,] entnommen iſt, ſo hat ſie ſich neben jener ariſtoteliſchen bis in die neueſte Zeit behauptet.

280

Carteſius z.B. hat über die Eintheilung der Philoſophie nur eine allgemeine Bemerkung,8) aber ſie ſtimmt im Weſentlichen mit der ſtoiſchen Anſchauung. Carteſius ſagt, die Philoſophie gleiche einem Baume. Seine Wurzeln ſeien die Methaphÿſik - und er beſtimmt ausdrücklich, daß die Principien der Erkenntniß, die Entwicklung der

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||7) Diog. Laert. VII. 40 Sext. Empir. adv. mathem. VII. 16 ff. vgl. Plutarch. De Stoicorum ||4/2v repugnantiis. c. 9.

||8) epiſt. ad principiorum philosophiae interpretem Gallicum p. 10 f. nach der Amſterd. ||5/1r Ausgab. 1685.

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F1)

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weſentlichen Attribute Gottes, der Jmmaterialität der Seele und aller 290 klaren und einfachen Begriffe, die ſich in uns finden, zur Metaphÿſik gehören, ſo daß dieſe Disciplin im carteſiſchen Sinne der Logik der Stoiker und dem metaphyſiſchen Theil ihrer Phÿſik entſprechen würde. Der Stamm jenes Baumes, führt Carteſius fort, ſei die Phÿſik, die aus ihm hervorwachſenden Zweige die übrigen Wiſſenſchaften, wel- 295 che auf drei zurückgehen, Medizin, Mechanik und Ethik, ſo daß wir 5/1v|

in dieſen den andern Theil der ſtoiſchen |Phÿſik ſammt der Ethik vor uns haben. Man hat aus Spinoza de intellectus emendatione p. 417. f[.] eine Eintheilung der Philoſophie zu gewinnen verſucht; aber mit Unrecht und 300 vergeblich. Denn es iſt dort nur von dem Studium der Wiſſenſchaften für den Zweck der menſchlichen Glückſeligkeit und Vollkommenheit, von einem Dienſt dieſes Studiums für das ethiſche Ziel u. nicht von einer theoretiſchen Gliederung der Principien die Rede. Es ſteht nichts im Wege, bei Spinoza eine Eintheilung vorauszuſetzen, welche der des 305 Carteſius verwandt iſt. Jn ſeiner Ethik geht er einen ähnlichen Gang, von der Metaphÿſik im erſten Buche zu logiſchen Betrachtungen im zweiten, wobei er die Principien der Phÿſik lemmatiſch zwiſchen legt, von da zur Pſÿchologie der Leidenſchaften im 3t. u. 4t. Buch u. endlich im 5ten zur Ethik im engern Sinne, dem Ziel des Ganzen. Zwar ſind auf dieſem 310 Gange die wiſſenſchaftlichen Lehren durch den ethiſchen Zweck, den das Ganze verfolgt, in ihrem Umfang beſchränkt und in ihrer Richtung gebunden; aber es läßt ſich dennoch daraus ein allgemeiner Entwurf der Eintheilung im Sinne des Spinoza entnehmen.

5/2r|

|Jn jenen Vergleichen der Stoiker, in dem Bilde des Carteſius und in 315 der Anordnung des Spinoza iſt der genetiſche Gang angedeutet, den die Eintheilung verfolgen will. Es ſollen die Disciplinen nicht in einem äußern Ueberblick neben einander geſtellt werden, ſondern ſie ſollen ſich wie

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Bedingung und Bedingtes, Vorausſetzung und Folge an einander reihen. 320

Die ſichere ſoll die Baſis der ſpätern ſein. Hegel will dies in einem noch ſtrengern Sinn, wenn er, ähnlich wie die Stoiker, die Philoſophie in Logik, Philoſophie der Natur und Philoſophie des Geiſtes eintheilt. Die dialektiſche Methode ſoll von Glied zu Glied dieſen innern Zuſammenhang erzeugen. Wenn man namentlich bei

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dem meiſt formalen Jnhalt der ſtoiſchen Logik zweifelhaft ſein kann, wo man ihr ihren Ort anzuweiſen hat: ſo ſteht Hegels Logik, die dialektiſche Vorbildnerin alles Concreten, nothwendig im Urſprung. Jndeſſen entſcheidet dieſelbe Kritik, welche genöthigt iſt, Hegels dialektiſche Methode für eine Methode des Scheins zu erklären, auch über dieſe Eintheilung,

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welche aus der künſtlıchς Dialektik fließt. Wir müſſen daher die Ordnung der Natur auf einem einfacheren Wege ſuchen. |In der Eintheilung und Reihenfolge der Wiſſenſchaften kreuzen ſich |5/2v leicht zwei leitende Geſichtspunkte, die Ordnung, welche der Entſtehung der Sache folgt, und die Ordnung, welche der Gang des Lehrens und

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Lernens nöthig macht. Die methodiſche Rückſicht durchſchneidet die genetiſche Strenge. Denn die genetiſche Betrachtung ſchöpft aus dem Grunde der Sache, während ſich die methodiſche Anordnung den Bedürfniſſen des ſich entwickelnden menſchlichen Geiſtes anpaßt. Wir finden dieſe Einſchränkung oder Vermiſchung faſt in allen Sÿſ-

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temen. Jn Plato gehen die epagogiſchen Dialoge den dialektiſchen voran: Ariſtoteles verlangt, daß man vor der Metaphÿſik, dıe ſonſt von den erſten Gründen anhebt, die Analÿtik vorherwiſſe und die Peripatetiker ſtellen überhaupt die Logik als das Werkzeug der Disciplinen, als Organon, vor den Jnbegriff derſelben. Von den Stoikern iſt bereits an-

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geführt, daß ſie die Folge nach dem Zweck veränderten. Carteſius griff in ſeiner Schrift über die Methode ſelbſt in die Ethik vor, um die Freiheit der Unterſuchung zu ſichern: Chr. Wolf |unterſchied ausdrücklich |6/1r

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F1)

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zwiſchen der methodus demonstrandi u. methodus studendi. Kant ſteckte durch ſeine Kritik den Boden für das Sÿſtem ab und ſchied Kritik u. Architektonik ſehr deutlich. Jn Hegels Lehre iſt bald die Phae- 350 nomenologie als die Erziehung des Bewußtſeins zur ſpeculativen Erkenntniß, bald die hiſtoriſche Einleitung der Encÿklopaedie oder gar die ganze Geſchichte der Philoſophie für eine nothwendige Vorbereitung erklärt, um den Standpunkt der grundlegenden Wiſſenſchaft, der Logik, aufzufaſſen.

355

Die Stellung der Logik, der Erkenntnißlehre[,] erſcheint insbeſondere wie ein Hyſteronproteron der meiſten Sÿſteme. Als Theorie der Wiſſenſchaft muß ſie in Principien eingehen, welche den übrigen Wiſſenſchaften angehören, und welche ſie von ihnen erſt überkommt; und doch kann ſie im philoſophiſchen Syſtem den übrigen Disciplinen 360 nicht wohl nachfolgen, denn ſie ſoll ihnen den Grund ſichern u. den Bau vorzeichnen. Als Ergründung des Denkens wird ſie im genetiſchen Sÿſtem zu einem Theil der Geiſteslehre, zu einer Seite der Pſÿchologie. 6/1v|

Aber als Logik hat ſie die Aufgabe, nicht blo[ß] der Pſÿchologie, |ſondern auch den Wiſſenſchaften, welche dieſer nothwendig vorangehen, zur 365 Wegweiſerın zu dienen. Dies doppelte Verhältniß bringt in die Stellung der Logik ein Schwanken, und man weiſt ihr meiſtens, wie ſchon im Alterthum geſchah, vor das genetiſche Sÿſtem ihren Ort an. Die Philoſophie entſteht im Unterſchiede von den einzelnen Wiſſenſchaften weſentlich daraus, daß die nur vorausgeſetzten Principien 370 der einzelnen Wiſſenſchaften den Beweis ihrer Berechtigung u. die zerſtreunten Anfänge den Zuſammenhang des Ganzen ſuchen. Es iſt daher nothwendig, daß dieſe allgemeine Aufgabe zunächſt erledigt werde. Denn die beſondern Disciplinen empfangen dadurch ihre Wurzeln und ihre gegenſeitige Stellung. Es beſchäftigt ſich damit diejenige 375 Wiſſenſchaft, welche es von früh her unternommen hat, das Seiende als

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Ethiſche Unterſuchungen

Seiendes, das Seiende als ſolches zu erkennen d.h. das Seiende in jenem allgemeinen Sinn, in welchem es nicht das Beſondere iſt, aber den Grund des Beſondern in ſich trägt - die Methaphÿſik. Sie wird daher, wie die 380

Logik, allen einzelnen Wiſſenſchaften voran|gehen.

|6/2r

Logik und Metaphÿſik eröffnen nach dieſen Betrachtungen die Philoſophie. Jndeſſen bilden ſie vielleicht nur die beiden ſich einander bedingenden Seiten Einer und derſelben Wiſſenſchaft, die wir als Logik im weitern Sinne bezeichnen können. Dieſe Anſicht iſt dann nothwen385

dig, wenn es, wie nachgewieſen worden,9) ein vergebliches Bemühen iſt, eine formale Logik feſtzuhalten, wenn vielmehr der Vorgang des Erkennens nur durch den Erwerb oder Beſitz der realen Principien, welche den erkannten Dingen zum Grunde liegen, begriffen werden kann, wenn alle Nothwendigkeit auf eine Gemeinſchaft des Denkens

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und Seins als auf ihren letzten Urſprung hinweiſt, wenn endlich die Lehre der Metaphÿſik nur von denſelben Principien der Wiſſenſchaften, welche die Erkenntnißlehre behandelt, und von keiner andern Baſis ausgehen kann. Dieſer Parallelismus des Denkens und Seins aus einer innern Gemeinſchaft entſpringend, dieſe Einheit der Logik und

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Metaphÿſik iſt in dem Sÿſtem der logiſchen Unterſuchungen entworfen |und begründet worden. Erſt aus einer ſolchen Grundlegenden |6/2v Wiſſenſchaft kann die Gliederung derjenigς Disciplinen folgen, deren Principien ſie enthält. Wenn man ſich in den Punkt hineinſtellt, auf welchem überhaupt erſt

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die Philoſophie in ihrem Unterſchied von den einzelnen Wiſſenſchaften entſteht: ſo wird ſich der Zirkel löſen, in welchem eine ſolche Wiſſenſchaft die folgenden philoſophiſchen Disciplinen zu begründen und doch auf ihrem Grunde zu ſtehen ſcheint.

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||9) Logiſche Unterſuchungen. Abſchnitt 1. Th. I. S. 4 ff[.]

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I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F1)

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Die Philoſophie findet die einzelnen Wiſſenſchaften in ihrer Zerſtreuung und in der Geſtalt vor, die ſie ſich für ſich gegeben haben. Die Logik und Metaphÿſik haben in ihnen ihren Stoff der Betrachtung; ſie finden in ihnen Methoden und vorausgeſetzte Principien vor und haben die Aufgabe, ihren Urſprung und ihre Einheit aufzuſuchen. Durch dieſe 410 Auffaſſung der gemeinſamen Quelle, durch dieſe gegenſeitige Regelung und Belebung wird erſt der philoſophiſche Gehalt erzeugt: Es kann nicht 7/1r|

fehlen, daß in dieſem Vorgan|ge diejenigen Keime entſtehen, welche in der Entwicklung des Sÿſtems zu den Principien der philoſophiſchen realen Disciplinen werden. Die vereinzelten Wiſſenſchaften in ihren ge- 415 ſchichtlichen Geſtalten werden von der grundlegenden Wiſſenſchaft der Logik und Metaphÿſik vorausgeſetzt, aber die philoſophiſchen Disciplinen gehen in ihrer Gliederung aus dieſer hervor. Die Logik und Metaphÿſik greifen daher nicht in die philoſophiſchen Disciplinen vor, ſondern in die empiriſchen zurück.

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Es bedarf an dieſer Stelle einer allgemeinen Orientierung, welche am beſten durch einen Blick auf die Geſchichte der Philoſophie und der Wiſſenſchaften geſchieht: Als die Philoſophie entſtand, war ſie mit den übrigen Wiſſenſchaften eins. Wir führen nicht an, daß wir zur Zeit der Anfänge in Thales, dem 425 ioniſchen Phÿſiologen, einen Aſtronom u. Geometer, in Pÿthagoras einen Geometer u. Harmoniker, in Demokrit einen Mechaniker ſehen und daß ſchon damals die Analogien einzelner Wiſſenſchaften zu Weltanſichten gedehnt werden, wie dies in der Lehre des Pÿthagoras von 7/1v|

der Zahl u. Harmonie an einem klaren Beiſpiel hervortritt. Erſt in |Plato 430 wird die Philoſophie wahrhaft Sÿſtem, ein ſelbſtbewußtes Ganzes. Schon Plato ſtellt der Dialektik, welche ihm die Methode der Philoſophie iſt, das große Ziel, die bedingten Vorausſetzungen der Wiſſenſchaften zum Unbedingten der Jdee und die zerſtreuten Erkenntniſſe zur Ueberſicht der

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Verwandtſchaft unter ſich und mit der Natur des Seienden zu führen[.] Jn dieſer Richtung liegen bei Plato die immer neuen, die wie abgeſtumpften Antriebe zu philoſophiſcher Betrachtung. Aber in dem Drange nach der großartigen Einheit verſäumt er den umgekehrten Zug zum Beſondern. Wir finden bei ihm keine Eintheilung des Ganzen in die einzelnen

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Disciplinen und nirgends eine ſichere Erklärung über das Verhältniß der vereinzelten Wiſſenſchaften und ihrer Methoden zur Philoſophie u. Dialektik. Denn wenn auch Plato von einem Hinauf- und Herabſteigen auf dem Gebiete der Jdee ſpricht, ſo fehlt ihm doch in jenem vorwiegenden Streben zur Jdee der beſonnene Entwurf des Beſondern, der Gang

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zu den Wiſſenſchaften zurück. Bei Plato heißt ſelbſt noch eıne einzelne Wiſſenſchaft, wie die Geometrie, eine |Philoſophie (φιλοσοφία τιs), wie |7/2r noch bei Ariſtoteles ein wiſſenſchaftlicher Schluß φιλοσόφημα heißt. Es mag ſcheinen, daß in Ariſtoteles der Gegenſatz zwiſchen der Philoſophie und den einzelnen Wiſſenſchaften entſchieden werdς[.]

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Ariſtoteles unterſcheidet nämlich die Auffaſſung der Thatſache (τò ὄτι) und die Erforſchung des Grundes (τò δίοτι); er nennt jene ἱστορία (z.B. de inceſsu animalium c. 1), u. man hat dieſe hingegen in Ariſtoteles Sinne φιλοσοφία nennen wollen. Jndeſſen würde er einen ſolchen Gegenſatz ablehnen. Die Thatſache und der Grund gehören

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nach ſeiner Anſicht dergeſtalt zuſammen, daß die genügende Erkenntniß der Thatſache zum Grunde führt (eth. Nic. I. 2) und nur bisweilen erſt mit dem Grunde die Thatſache hervorſpringt (analyt. post. II. 8). Jn Ariſtoteles kann man dieſe zwei Seiten der Erkenntniß nicht wie zwei Gebiete der Wiſſenſchaft ſcheiden und am wenigſten die Philoſophie je-

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ner ἱστορία entgegenſtellen. Jn ſeiner oben berührten Eintheilung der Philoſophie haben alle Wiſſenſchaften Raum; und wie Ariſtoteles in der Phÿſik |diejenigen Naturwiſſenſchaften, welche die Thatſache und nur |7/2v dieſe darſtellen, z.B. die Thiergeſchichte nicht ausſchließt, ſondern als

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F1)

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Grundlage für die Erforſchung fordert und in ſie aufnimmt: ſo würde auch folgerichtig zu der Politik die Geſchichte der Staaten und die 465 Beſchreibung der Verfaſſungen, welche ſo gut ίστορίαι ſind, als die περὶ τὰ ζῶα ίστορία, in demſelben Verhältniß ſtehen. Nach einer andern Seite liegt eine andere Beſtimmung, die hier in Betracht kommen könnte. - Ariſtoteles wendet bisweilen das Bild des Werkmeiſters, der für die verſchiedenen Thätigkeiten der ausführenden Arbeiter gleichſam der 470 Urſprung und die Einheit iſt, auf die Wiſſenſchaften an und bezeichnet die leitenden im Gegenſatz gegen die ihnen untergeordneten mit dem Namen der τέχvαι άρχιτεκτονικαι (metaphys. V. 1) und die Philoſophie könnte nun im vorzüglichen Sinne άρχιτεκτονική heißen. Aber theils nennt Ariſtoteles ſie nirgends ſo u. ſcheint vielmehr die erſte Philoſophie, die 475 Wiſſenſchaft der Urſprünge, mit dieſem Bilde zu erläutern (metaphys. I. 1.), 8/1r|

theils würde auch auf dieſem Wege |keine beſtimmte Scheidung von den einzelnen Wiſſenſchaften erzeugt werden. Hiernach iſt ein ſcharfer Gegenſatz zwiſchen der Philoſophie und ihren Theilen auf der einen, und den vereinzelten Wiſſenſchaften auf der andern Seite auch bei Ariſtoteles 480 noch nicht da. Es fehlt an den Grenzbeſtimmungen. Erſt in dem alexandriniſchen Zeitalter vollzog ſich die Theilung der wiſſenſchaftlichen Arbeit entſchiedener. Die einzelnen Wiſſenſchaften wuchſen damals durch einzelne Pflege, wie die Grammatik in Zenodot, Ariſtarch und Ariſtophanes, die Geographie in Eratosthenes und 485 ſpäter in Ptolemaeus, die Aſtronomie in Hipparch, und die Geometrie gab in Euklides das große Beiſpiel eines einzelnen ſich abſchließenden Sÿſtems und der ſich in beſtimter Abfolge ergebenden nothwendigen Erkenntniſſe. Erſt in dieſer Zeit gehen die einzelnen Wiſſenſchaften für ſich ihren Weg und ſie löſen ſich, wie die Aſtronomie, die Geographie, 490 die Mathematik, mehr u. mehr von der Philoſophie ab, obwol die Philoſophen, wie z.B. die hervorragenden Stoiker, fortwährend auch

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in den einzelnen Wiſſenſchaften forſchten u[.] |ſie mit dem Ganzen der |8/1v Lehre zuſammenbrachten, wie wir dies z.B. in den Nachrichten ſehen, 495

welche uns Strabo über die geographiſchen Verdienſte einzelner Stoiker erhalten hat. Selbſt die neuplatoniſche Schule zerſchneidet nicht ganz das Band mit den einzelnen Wiſſenſchaften und in Proklus στοιχείωσις θεολογικὴ verbindet ſie ſich auf ähnliche Weiſe mit der Architektonik von Euklides Elementen, wie ſpäter Spinoza thut.

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Nachdem das Mittelalter geſchieden war, das abgeſehen von der Theologie nur die wiſſenſchaftlichen Elemente des Alterthums in träger Ueberlieferung friſtete; als ſich nun ein neues Leben in den einzelnen Wiſſenſchaften regte: entwarf Campanella, um die Einſeitigkeiten zu vermeiden, welche ſich in der Philoſophie aus dem vorwiegenden Jntereſſe

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einer einzelnen Wiſſenſchaft erzeugen, eine Encÿklopaedie des Wiſſens. Aber ſo gewiſſenhaft wie Campanella, theils in der alten Scholaſtik theils im Geiſte der neuen Wiſſenſchaften ſtand, konnte er es zu derjenigen Scheidung und Einigung nicht bringen, welche in dem Verhältniß der Philoſophie u. der eınzelnen Wıſſen|ſchaften zu einer höhern, aber |8/2r

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ſchwierigen Aufgabe wurde. Unter dieſelbe wird man weder in Carteſius, noch in Spinoza genügende Auskunft finden. Zwar ſucht Carteſius, wie in ſeinen Meditationen, in ſeiner Schrift über die Methode, einfache Prinzipien, und führt ſie, wie in ſeiner Schrift der principia philoſophiae, namentlich für die Erklärung der phÿſiſchen Erſcheinungen in ihre

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Folgen hinaus. Aber theils iſt die Anwendung zu beſchränkt u. es geht die ethiſche Seite ziemlich leer aus, theils fehlt der Geſichtspunkt, unter welchem ſich die Philoſophie mit den einzelnen Wiſſenſchaften aus einander ſetzen könnte. Spinoza hält ſich überall vom Metaphÿſiſchen aus mehr im Pſÿchologiſchen und Ethiſchen. Chriſtian Wolf unterſcheidet

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das Rationale von dem Empiriſchen und rückt mit dem vermeintlich Rationalen in das Empiriſche, wie mit einem nothwendigen Prinzip

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in den gegebenen Stoff vor. Aber erſt Kant übt an dieſen Begriffen die Kritik. Kant führt das Rationale auf das Allgemeine und Nothwendige und das Allgemeine und Nothwendige auf den Urſprung im erkennenden Geiſte, auf das Element des a priori zurück. Aus dieſer 525 8/2v|

Quelle ſchöpfte er |die metaphÿſiſchen Prinzipien, mit denen er alle Wiſſenſchaften befruchtete. Aber indem ihm auf ſubjectivem Boden eine Transſcendentalphiloſophie entſteht, befeſtigt ſich ihm eine Kluft zwiſchen dem Subjective[n] u[.] Objective[n] und es vermag ſich kein natürliches und geſundes Verhältniß zwiſchen den einzelnen Wiſſenſchaften 530 und der Philoſophie herzuſtellen. Von Kant her überwog in der deutſchen Philoſophie die Richtung auf aprioriſche Conſtruction und der Zwieſpalt mit den einzelnen Wiſſenſchaften wuchs immer mehr. Denn ſie wurden nicht ſelten ſo behandelt, als gäben ſie für die nothwendigen Erzeugniſſe der Philoſophie nur die Beiſpiele her, und ſie mußten ſich viel gefallen 535 laſſen, um der Philoſophie zu dienen. Sie ſträubten ſich dagegen mit dem Triebe ihres eigenthümlichen Weſens und trachteten nach einer autonomen Stellung gegen die Philoſophie, der ſie entrathen zu können meinten. Noch heute leidet das wiſſenſchaftliche Studium an dieſem Widerſpruch.

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Herbart iſt beſonnener verfahren. Jndem er die Philoſophie in die Bearbeitung der Begriffe ſetzt, empfängt er die Begriffe von der Empirie 9/1r|

und nimmt von ihr die Elemente be|wußt u. ausdrücklich auf. Bis ſo weit mögen wir ihm folgen. Aber die Weiſe, wie er die Aufgabe der Bearbeitung auffaßt, iſt bereits oben abgelehnt worden.

545

Jn den Anfängen der Geſchichte waren die Philoſophie und die einzelnen Wiſſenſchaften eins und es kann als das Ziel erſcheinen, daß ſie wieder eins werden. Aber dies Ziel iſt nur zu erreichen, wenn ſie beide ihre eigenthümliche Aufgabe und dadurch ihre gegenſeitige Stellung richtig auffaſſen.

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Es hilft nichts, wenn, wie in Kants Transſcendentalphiloſophie, der innere Zuſammenhang des Allgemeinen mit dem Beſondern, das a priori mit dem a posteriori, der Formen mit dem Stoff, des Jdealen mit dem Realen nicht gefunden werden kann und zwiſchen dieſen Seiten nur 555

ein äußerliches Verhältniß zu Stande gebracht wird. Es kann nichts helfen und es erzeugt nichts als einen verwirrenden, verderblichen Schein philoſophiſcher Erkenntniß, wenn unter dem Namen reiner Gedanken aus den einzelnen Wiſſenſchaften unkritiſch u. heimlich Elemente aufgenommen werden, |damit ſie ın anſcheinender Selbſtbewegung |9/1v

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ein nothwendiges Wiſſen erzeugen, das ſich hoch über die einzelnen Wiſſenſchaften erhebe. Auf einem ſolchen Wege iſt zwiſchen der Philoſophie und den einzelnen Wiſſenſchaften, ſtatt daß ſie einander beleben ſollen, ein unheilbarer Zwieſpalt unvermeidlich. Es bleibt eine Thatſache, daß die Wiſſenſchaften, indem ſie von ſelbſt

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eine Methode ſuchen, welche ſich dem einzelnen Gegenſtande eigenthümlich anſchmiege, in ſicherem Gange endlos wachſen; und als einzelne Wiſſenſchaften ſich nur ſo weit um die übrigen kümmern, als ſie bei ihnen Hülfe ſuchen und zu Borg gehen. Es bleibt hingegen eine Forderung, die blinden Vorausſetzun-

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gen der einzelnen Wiſſenſchaften zu unterſuchen u[.] auf den letzten Grund zurückzuführen, die Wechſelwirkung, in welche die einzelnen Wiſſenſchaften für ſich nur beiläufig treten, zu einer durchgehenden und nothwendigen zu erheben, die einzelnen Wiſſenſchaften aus dem Gedanken des Ganzen |zu begreifen und von dieſem Mittelpunkt aus |9/2r

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zu beleuchten und zu beleben. Wenn die Vorſtellung nicht leer iſt, daß die Wiſſenſchaft zuletzt Ein Ganzes darſtelle und Ein Leben habe, wie die Welt, deren geiſtiges Gegenbild ſie zu ſein trachtet: ſo ſind die einzelnen Wiſſenſchaften nur die aus einander geworfenen Glieder, welche das Ganze ſuchen u. an dem Einen Leben Theil zu haben trachten. Es

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F1)

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liegt hier die ewig neue, mit der Erkenntniß des Einzelnen wachſende, 580 ſich mit ihr immer vertiefende Aufgabe der Philoſophie. Wo es noch keine einzelnen Wiſſenſchaften giebt, da mag es ein Analogon der Philoſophie, insbeſondere ihrer Metaphÿſik, in der Religion geben, wie bei den orientaliſchen Völkern, aber es giebt dort keine eigentliche Philoſophie.

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Jndem die Philoſophie die einzelnen Wiſſenſchaften vorausſetzt, wird ſie damıt beginnen, zu dem bezeichneten Zwecke die Methoden und die Principien derſelben zu unterſuchen und die letzte Quelle ihrer Nothwendigkeit zu erforſchen. Wenn es nicht möglich ſein wird, die logiſche That in den Wiſſenſchaften anders als aus den realen 590 Principien zu verſtehen u. die realen Principien anders als in ihrer 9/2v|

logiſchen |Wirkung aufzufaſſen: ſo werden Logik und Metaphÿſik in Eine Wiſſenſchaft zuſammengehen, welche Logik im weitern Sinne heißen mag. Jndem ſie die Principien und die Methoden der einzelnen Wiſſenſchaften beobachtet, gewinnt ſie an ihnen ihr Material. 595 Wenn ihre Aufgabe gelingt, ſo werden aus ihrer Thätigkeit die erſten philoſophiſchen Begriffe hervorgehen, welche nun theils unmittelbar in die einzelnen Wiſſenſchaften zurückfließen, theils die Beſtimmung in ſich tragen, die Principe oder der Grundgedanke der realen philoſopiſchen Disciplinen zu werden.

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Man kann fragen, wie ſich denn dieſe Principien der philoſophiſchen Realdisciplinen, der Phÿſik und Ethik, zu einer concreten Erkenntniß entwickeln. Es iſt in dieſem Betracht zweierlei denkbar. Entweder die Logik ermittelt eine Methode, welche dem abſoluten Erkennen ausſchließlich zu eigen gehört, oder die Methode der Philoſophie, wenn ſie 605 auch, nachdem das Princip gefunden iſt, von dieſem her vorwiegend ſÿnthetiſch verfährt, regelt ſich auf ähnliche Weiſe, wie in den einzelnen Wiſſenſchaften. Das Erſte iſt bis jetzt trotz kühner und großer Verſuche

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Ethiſche Unterſuchungen

mißlungen und die Fußſpuren |ſchrecken, welche, wie in einen Jrrgang, |10/1r 610

nur hineınführen, aber nicht herausweiſen. Wenn nun vielmehr das Zweite alleın einen Erfolg verſpricht, ſo wird bei der Ableitung aus dem Princip, bei der Entwicklung des Grundgedankens die Kenntniß der einzelnen Wiſſenſchaften wiederum mitwirken. Denn jeder Keim bedarf der erregenden Reize, damit er wachſe. Die philoſophiſche That wird darin

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liegen, daß das philoſophiſche Princip in der Gliederung des Beſondern thätig ſei und für das untergeordnete Beſondere die Principien erzeuge oder bedinge. Wenn auf dieſe Weiſe das Verhältniß der Philoſophie und der einzelnen Wiſſenſchaften aufgefaßt wird, ſo werden ſie einander nicht anfein-

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den und hindern, ſondern ſich gegenſeitig anerkennen und fördern. Jn dieſem Sinne ſetzen wir die „ logiſchen Unterſuchungen“ voraus und wünſchen ſie als eine Vorbereitung der folgenden Ethik anzuſehen, als das erſte Glied eines Sÿſtems. Wir müſſen daher auch von ihnen über den Ort der Ethik Belehrung fordern.

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Wenn die Grundbegriffe richtig ſind, welche als der Ertrag der „ logiſchen Unterſuchungen“ er|ſcheinen: ſo tritt an die Stelle einer ne- |10/1v benordnenden Eintheilung eine Stufenfolge der Wiſſenſchaften. Denn dıe Erkenntniß muß ſich abſtufen, wie die Principien, welche ſie in ſich concentrieren, und die Wiſſenſchaften ſind nur die erſchöpfende

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Darlegung der Erkenntniſſe. Die logiſchen Unterſuchungen ergaben[,] daß der Act des Erkennens, die Vermittlung des Denkens und Seienden, des Subjectiven und Objectiven, durchweg nur durch Thätigkeiten geſchehn, welche dem Denken und Seienden gemeinſchaftlich ſind. Sie ergaben ferner, daß dieſe Principien, welche logiſch und real zugleich

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ſind, ſich abſtufen und die höhere Stufe die niedere vorausſetzt und die niedere die Bedingung der höhern iſt. Sie ergaben, daß Principien in ſolchem gegenſeitigen Verhältniß, logiſch und real, den Gruppen

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der Wiſſenſchaften zum Grunde liegen. Als logiſche Principien gehen ſie in die Selbſtthätigkeit, in eine ſich ſelbſt gewiſſe erzeugende That des Geiſtes zurück; als reale in das thätige Weſen der Dinge. Nur aus 640 10/2r|

dieſer Einheit iſt die mächtige Nothwendigkeit zu |erklären, welche der Menſchengeiſt als eine reale immer weiter in den Wiſſenſchaften der Dinge hervorbringt. Hierdurch werden ſich die Wiſſenſchaften in derſelben Folge ordnen müſſen, wie ſich die Principien, die Quelle ihrer Nothwendigkeit, abſtufen.

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Als die erſte Stufe in der aufſteigenden Linie, als die letzte auf dem Wege der Zergliederung erſchiene die conſtructive Bewegung, welche als einfache und urſprüngliche Thätigkeit nachgewieſen wurde, das erzeugende Princip für die Figuren im Raum, für die Zahlen in der Zeit, überhaupt für die Formen, das Princip der reinen mathematiſchen Erkennt- 650 niß. Von ihr geht alle Möglichkeit zu bilden und nachzubilden aus; in ihr liegt der erſte Grund der Nothwendigkeit, welcher ſich durch alle ſpätern Stufen durchzieht. Die reinen mathematiſchen Wiſſenſchaften nehmen hiernach im Sÿſtem der Wiſſenſchaften die erſte Stelle ein. Als die zweite Stufe erſchien die Erfahrung der materiellen Kräfte 655 10/2v|

durch die Sinne. Es wurde nachgewieſen, daß die Sinne, ſo weit |die phÿſiologiſche Unterſuchung reicht, die Organe für ſpecificirte Bewegungen ſind, und daß die Materie, ſo weit ſie uns zugänglich iſt, nur durch die Formen aufgefaßt und begriffen wird, durch Formen, in deren Aneignung das Weſen der Sinne beſteht und zu deren allgemeinen 660 Verſtändniß die vorausgehende Stufe der Erkenntniß die Hülfe leiſtet. Jnwiefern die Erfahrung durch die conſtructive Bewegung und der Nachweis der Nothwendigkeit durch die mathematiſche Erkenntniß bedingt iſt, wurde ſie auf die zweite Stufe geſtellt. Die Bewegung mit ihren nothwendigen Formen wird zum Leitfaden im Materiellen, und in den 665 phÿſiſchen Urſachen, offenbart ſie ſich durch die Richtung des Woher.

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Ethiſche Unterſuchungen

Dieſe zweite Stufe iſt der Bereich der wirkenden Kräfte, der materiellen Urſachen[.] Hiernach nehmen die phÿſikaliſchen Wıſſenſchaften im weitern Sinne - die Erkenntnıß der Materie - die zweite Stelle eın. 670

Die dritte Stufe charakteriſirt ſich durch eine eigenthümliche Erhebung. Sie unterſcheidet |ſich von der zweiten und erſten, wie das |11/1r Organiſche vom Phyſikaliſchen und Mathematiſchen, wie das Leben von nackten materiellen Kräften und conſtructiver Bewegung. Es wurde nachgewieſen, daß auf dieſer Stufe durch die alten Begriffe bedingt

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ein neuer Grundbegriff auftrete, die Richtung der frühern umkehrend, der Zweck mit ſeinem Wohin, die innere Zweckmäßigkeit, die auf einem die Kräfte richtenden Gedanken beruht. Ohne die frühern Stufen iſt weder die Verwirklichung noch die Erkenntniß des Zweckes möglich. Die frühern Stufen werden Mittel, die materiellen Kräfte in der Natur,

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der Entwurf der conſtructiven Bewegung beſonders in der Erkenntniß. Die Nothwendigkeit der frühern Stufe bleibt, aber ein Gedanke verfügt über ſie für die Einheit eines Ganzen: für die Erzeugung neuer Thätigkeiten. Der Gedanke eines Ganzen wird die Seele einer phÿſiſchen Nothwendigkeit. Dieſe dritte Stufe iſt der Bereich des organiſchen Lebens

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in der Natur. Hiernach nehmen die Wiſſen|ſchaften des Organiſchen, die |11/1v Erkenntniß der innern Zweckmäßigkeit in den Kräften des Lebens, die dritte Stufe ein. Ueber dem Organiſchen und auf dem Grund deſſelben erhebt ſich eine vierte Stufe, das Ethiſche. Es fragt ſich, ob es da eine Ethik

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im engern Sinne geben kann, wo es nur eine Phÿſik der Kräfte giebt. Die Vorausſetzung alles Ethiſchen iſt das Organiſche. Der Staat z.B., dieſe ethiſche Bildung, iſt ein Organismus, aber ein ſolcher, der, von dem blinden Organismus der Natur weſentlich verſchieden, eine höhere Stufe einnimmt. Der innere Gedanke, der im Organismus der

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Natur verborgen liegt, wird im Ethiſchen erkannt u. ſich ſelbſt bewußt.

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F1)

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Der im blinden Leben gebundene Zweck wird dadurch zugleich frei. Jn dieſem Betracht erſcheinen die ethiſchen Wiſſenſchaften auf der vierten Stufe. Es wird eine weſentliche Aufgabe ſein, dieſe Erhebung, welche in den logiſchen Unterſuchungen angedeutet wurde, als wirklichen Vorgang zur Anſchauung zu bringen. Die Pſÿchologie, die man als die 700 Höhe der organiſchen Wıſſenſchaften anſehen kann, bildet inſofern die Grundlage des ethiſchen. 11/2r|

|Jn dieſer Reihenfolge iſt die vorangehende Stufe die Bedingung der folgenden; jene kann ohne dieſe, aber dieſe nicht ohne jene gedacht werden; jene muß voran als Bedingung da ſein, damit dieſe 705 werde. Daher ziehen ſich die Geſetze der niedern Stufen durch die höhern durch und erſcheinen darin als dienende Glieder. Die Phÿſik begründet ſich durch die Rechnungen und Conſtructionen der Mathematik, die Phÿſiologie durch die vereinte Anwendung mechaniſcher, phÿſikaliſcher, chemiſcher Geſetze; und die Ethik wird, wenn 710 ſie nicht eine falſche und ſie ſelbſt gefährdende Selbſtändigkeit begehrt, an das Organiſche, an die Geſetze des Lebens, als ihre nothwendige Vorausſetzung gebunden ſein. Man erkennt dieſe Beziehungen in einzelnen Beiſpielen leicht u. namentlich da, wo noch auf der höchſten Stufe, der ethıſchen, ſelbſt die Formel der erſten, der mathematıſchen, 715 wieder erſcheint. Lange galt, um dies Eine anzuführen, der ariſtoteliſche Begriff der Gerechtigkeit und wir finden ihn noch bei Leibniz. Wenn wir nun auf ſein Weſen ſehen, ſo geht er in die mathematiſche Faſſung, in die arithmetiſche und geometriſche Proportion zurück. Es iſt in

11/2v|

demſelb[e]n Sinne gezeigt worden, |daß ſich auf der Grundlage der 720 mathematiſchen und phÿſiſchen Kategorien die organiſchen in die ethiſchen erheben.10) Es iſt keine wahrhafte Ethik denkbar, die nicht in die Pſÿchologie, u. keine Pſÿchologie, die nicht in die Phÿſiologie als 10) Logiſche Unterſuchungen II. S. 86 ff. Geſchichte der Kategorienlehre S. 370 ff.

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Ethiſche Unterſuchungen

in ihre Bedingungen zurückginge. Es hat für die richtige und lebendige Auffaſſung des Wechſelverhältniſſes viel geſchadet, daß es ſeit einem Bilde bei Plato gang und gäbe wurde, die Wiſſenſchaften wie getrennte Gebiete oder Felder zu betrachten, welche neben einander lie730

gend nur die Grenze gemeinſam haben. Vielmehr wird durchweg die Thätigkeit des vorangehenden Kreiſes in die Thätigkeit des folgenden aufgenommen; und gerade durch dies Verhältniß trägt die in der einen Wıſſenſchaft erworbene Nothwendigkeit dazu bei[,] eine neue Nothwendigkeit in der andern zu erzeugen.

735

Nach demſelben Princip ſollten ſich innerhalb der einzelnen Stufen die einzelnen Wiſſenſchaften abſetzen und ausbilden. Es ſind dazu |An- |12a/1r fänge da, aber nur Anfänge, wie z.B. die reine Arithmetik von der Geometrie unabhängig, aber dieſe von jener abhängig erſcheint, und wie im Organiſchen die Wiſſenſchaft der ſich zu individuellern und

740a

umfaſſendern Geſtaltungen erhebenden Reihe des Lebens folgt. Auf dem phÿſikaliſchen Gebiete hingegen ſchwankt die Anſicht, ob man den erſten Grund in der Mechanik des Feſten oder vielmehr in der Phÿſik der elaſtiſchen, expanſiven Gaſe finden ſoll. Es iſt in der Unterſuchung der Kräfte noch nicht gelungen, das Urſprüngliche und Erſte von dem

745a

Bedingten oder Zweiten oder Dritten hinlänglich zu unterſcheiden. Die Durchführung dieſes genetiſchen Ganges bleibt daher der Zukunft vorbehalten; aber wenn die Grundpunkte, die entſcheidenden Abſtufungen[,] richtig erkannt ſind, ſo tritt dadurch das Ziel hervor und in demſelben Maße als man ſich ihm nähert, wird die Methode ſtrenger und die

750a

Einſicht in die Nothwendigkeit umfaſſender werden. Hiernach wird das Ethiſche zunächſt von dem Organiſchen getragen, u. was die Ethik Eigenthümliches erzeugt, das erzeugt ſie auf der Vor|ausſetzung dieſer Grundlage. Wenn nun in dem Jnbegriff der |12a/1v Wiſſenſchaften der Ort der Ethik richtig erkannt iſt, ſo weiſt er bereits

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F1)

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auf die hervorbringenden Bedingungen derſelben hin. Wir gehen dieſer 755a Spur weiter nach.

Randnotiz zu weiterem Vorgehen: Ob ſchon hier - üb. d. Theologıe als genet. Bdgς[.] dς[.] Ethik - wie weıt?

760a

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F2)

Die Präsentation des Klartextes von F2 erfolgt mit der dritten Schlussfassung.

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F2)

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|Ethiſche Unterſuchungen.

1/1r|

Da ich mit ethiſchen Unterſuchungen beſchäftıgt bın, erlaube ich mır eın Fragment derſelben anzulegς – u. zwar üb[.] eıne äußerliche Frage: üb. d. 5 Ort [der Ethik in dem Inbegriff der Wiſſenſchaften.] I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften. 10

Wo der Menſchengeiſt, ſei es im Einzelnen oder in der Menſchheit, ſein eigenthümliches Werk beginnt, ein Werk, das nur ihm gehört und ſein Weſen ausdrückt: da beginnt auch die Ethik, wenn wir ſie im weitern Sinne auffaſſen. Jnwiefern ſie philoſophiſche Disciplin iſt, hat ſie mit der Philoſophie 15 die Richtung auf das Ganze der Erkenntniß und auch dem Urſprung des Ganzen gemein: Denn wie ſehr auch die philoſophiſchen Lehren aus einander gehen mögen, ſo bleibt es doch das durchlaufende Kennzeichen der Philoſophie, daß ſie im Gegenſatz gegen die bedingten Stücke nach der Erkenntniß des unbedingten die Theile tragenden Ganzen ſtrebt. 1/1v|

20

Die Philoſophie, die unverrückt das Ganze |im Auge behalten ſoll, wird eben dadurch Sÿſtem, ideales Gegenbild eines realen Ganzen. Was ſie denkt und darſtellt, muß ſie im Sinne des Ganzen denken und darſtellen. Jeder ihrer Theile muß eine bewußte Beziehung zum Ganzen haben.

1/2r|

|Wollen wir nun den Ort einer Disciplin in dıeſem Ganzen, den Ort der Ethik im Jnbegriff der Wiſſenſchaften beſtimmen, ſo handelt es ſich dabei um den Eintheilungsgrund der Philoſophie, der, wie die Geſchichtliche Betrachtung lehrt, weſentlich zwei Geſichtspunkten pflegt

25

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Ethiſche Unterſuchungen

entnommen zu werden. Man gründet nämlich die Eintheilung entweder auf das verſchiedene Verhalten des Menſchen zu den Gegenſtänden der Wiſſenſchaft oder auf innere Unterſchiede der Gegenſtände ſelbſt. Von jener Art iſt z.B. die Eintheilung in theoretiſche und praktiſche Philoſophie, von dieſer die Eintheilung in Logik, Phÿſik und Ethik. Es iſt

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der Mühe werth, beide Weiſen der Eintheilung zu unterſuchen, ehe wir uns für eine derſelben entſcheiden. Die Eintheilung der Wiſſenſchaft in theoretiſche und praktiſche geht, wenn man die erſten Anſätze aufſucht, bis in Plato’s Staatsmann zurück (Plat. politic. p. 258): Ariſtoteles bildet ſie auf ſeine Weiſe aus und legt

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ſie dergeſtalt der Betrachtung des Ganzen zum Grunde, daß ſie durch ihn ſich bis in die neueſte Zeit fortpflanzte und ihre Geltung |behauptete |1/2v (Aristot. metaphys. VI. 1. eth. Nicom. VI. 2-5)[.] Ariſtoteles faßt die Gegenſtände theils als unwandelbar und nothwendig - beides iſt ihm daſſelbe, da das Nothwendige nicht anders ſein

45

kann - theils als veränderlich und daher der Einwirkung frei gegeben auf. Wie nun nach Arıſt. den Gegenſtänden die erkennenden Vermögen entſprechen, ſo gehört jenes [-] das Unwandelbare und Nothwendige [-] dem wiſſenſchaftlichen Vermögen, dieſes dagegen - das Veränderliche dem Berathenden an; zu jenen Gegenſtänden verhält ſich der Menſch

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betrachtend, zu dieſen entweder handelnd oder bildend. Darnach iſt die Erkenntniß theils Erkenntniß der Betrachtung, theils des handelnden Lebens, theils der bildenden Kunſt und die Philoſophie theilt ſich demgemäß in theoretiſche, praktiſche und poietiſche. Aus welchen weitern Gründen die theoretiſche Philoſophie ſich in erſte Philoſophie, Phÿſik

55

und Mathematik, die praktiſche in Ethik, Oekonomik und Politik theilte und die Logik als Werkzeug der Disciplinen allen vorangeſtellt wurde: Randnotiz vermutl. ab Z. 43: Etwas ausfuhrlıcher f. d. Vortrag.

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F2) 2/1r|

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das kann an dieſem Orte |unerörtert bleiben. Wir prüfen den erſten und allgemeinen Geſichtspunkt[.]

60

Zunächſt bleibt der Eintheilungsgrund zweifelhaft, wenn für das Nothwendige das wiſſenſchaftliche und für das Veränderliche und Zufällige als das Gebiet der Freiheit das berathende (praktiſche u. poietiſche) Vermögen beſtimmt wird. Das Nothwendige als das Unwandelbare liegt nicht ueber dem Veränderlichen und darum der Thätigkeit 65 Freigegebenen, ſo daß beides zwei verſchiedenen Gebieten zufallen könnte, ſondern es geht vielmehr durch das Veränderliche durch. Es iſt die eigentliche That der Wiſſenſchaft, das Zufällige in Nothwendiges zu verwandeln und im Veränderlichen das Unveränderliche zu erkennen. Durch die Wiſſenſchaft dehnt ſich das Gebiet des Nothwendigen fort u. 70 fort aus und ſchränkt ſich das willkürlich Veränderliche ein. Noch viel weniger kann man die innere Verwandtſchaft des Erkennens mit dem Gegenſtande ſo verſtehen, daß das Nothwendige durch ein beſonderes wiſſenſchaftliches Vermögen aufgefaßt werde, während das Veränderliche entweder der Einſicht ins Handeln oder der Kunſt zufalle. Wenn man 75 vielmehr auf den Vorgang der Wiſſenſchaft ſieht, auf die Weiſe, wie das 2/1v|

Nothwendige gefunden wird: ſo hilft dabei |fortwährend die Kunſt, die ſich im Ausführbaren bewegt, von den Rechnungen und Conſtructionen der Mathematik bis zu den Experimenten der Naturwiſſenſchaft. Man kann in den Disciplinen die Theoreme und Probleme, die Lehrſätze und 80 Aufgaben wie Wiſſenſchaft und Kunſt einander entgegenſtellen. Wer nun beobachtet, wie die Löſung der Aufgaben durch die Erkenntniß der Lehrſätze und der Beweis der Lehrſätze durch die Ausführung von Aufgaben bedingt iſt: der sıeht leicht ein, wie Wiſſenſchaft und Kunſt, Betrachten u. Bilden mit einander fortſchreiten und daher auch nicht 85 das Gebiet des Nothwendigen für die Wiſſenſchaft und das Gebiet des Veränderlichen für das Handeln u[.] die Kunſt dergeſtalt als geſchieden

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Ethiſche Unterſuchungen

feſtzuhalten ſind, als gehörten ſie zwei verſchiedenen Vermögen an. Ariſtoteles hat die Gebiete wie gegebene und fertige unterſchieden, aber 90

dabei nicht in ihrem Entſtehen u. Werden aufgefaßt. Darin liegt die Urſache des Fehlers. Der andere Grund dieſer Eintheilung ſchließt ſich an den erſten an; indem er das Verhalten der menſchlichen Thätigkeit ins Auge faßt, das Betrachten, das Handeln und das Bilden. Es fragt ſich, ob ſich dieſe

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Thätigkeiten auf ſolche Weiſe einander ausſchließen, uns die Grundlage für nebengeordnete Arten zu ſein. Die Andeutungen, welche Ariſtoteles zur Unterſcheidung giebt, genügen nicht. So ſoll das Bilden dem Handeln darin entgegenſtehen, daß jenes einen Zweck außer ſich habe, nämlich das Werk, dieſes in ſich ſelbſt einen Zweck trage, wie überhaupt das

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Wohlhandeln das Ziel ſei. (die εὐπραξία im Sinne der durch richtiges Handeln erreichten Glückſeligkeit). Die nähere Betrachtung zeigt auch hier eine Uebereinſtimmung. Der bildende |Künſtler bringt allerdings |2/2r ein Werk hervor, das äußerlich daſteht. Wenn aber der Handelnde, z.B. der Tapfere, der Mäßige eine Wirkung bezweckt: ſo verhält ſich dieſe, wie

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unſichtbar ſie auch in die Kette der Ereigniſſe eingreife, dennoch wie das äußern Werk des Künſtlers - zu geſchweigen, daß das Handeln, wenn es im größern Maßſtabe erſcheint, bleibende Bildungen und Einrichtungen[,] z.B. Anſtalten des Staats[,] hervorbringt wie lebendige, bewußte Kunſtwerke.

110 Randnotiz vermutl. zu ›nicht‹ Z. 97: ||Vortrag

||2/1v

Inhaltliche Randnotiz, vermutl. zu Z. 102 ff.: ||vgl[.] noch Heft d[.] Geſch[.] dς[.] Polis. ||2/2r Bog. 10. Arıſt[.] polıt. 1. 2. §. 3 Inhaltliche Randnotiz, vermutl. zu Z. 102 ff.: Vgl. noch die Stelle b. Brandis no. 22 aus eth. Nic. I. 1. Aber da z. erinnς: d. Werk iſt nicht beſſer als die Thätigkeiten; Denn die

115 eigentliche Thätigk[ei]t, d. urspr[.], iſt die Conception der Kunſtwerke, u. das Kunſtwerk iſt nur für dieſe da, um dieſe Thätıgk[ei]t in d. Beſchauen zu vervielfältigς[.]

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F2)

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Wenn das Handeln darum in ſich ſelbſt Zweck ſein und ſich darum in ſich ſelbſt vollenden ſoll, weil das Wohlhandeln das letzte Ziel iſt: ſo iſt dieſer Grund offenbar zu weit. Denn das Wohlhandeln in jenem allgemeinen Sinne der durch Handeln zu erſtrebenden Glückſeligkeit (εὐπραξία) wird 120 nicht bloß durch das Handeln im engern Sinne, ſondern gleicher Weiſe durch das wiſſenſchaftliche Betrachten und Künſtleriſche Bilden erreicht. Ariſtoteles iſt uns deſſen ſelbſt ein Zeuge, wenn er die menſchliche 2/2v|

Glückſeligkeit in der theoretiſchen vollenden will u. |alſo die Eupraxia des betrachtenden Lebens auf die Höhe ſeiner Ethik ſtellt: Wenn dieſer 125 Begriff des Wohlhandelns, des hiernach ſich durch Thätigkeit vollziehenden menſchlichen Zwecks durch alle drei Weiſen, durch das Betrachten, das Handeln und das Bilden hindurchgeht, ſo könnten ſich gleichwohl alle drei wie Arten zu einander verhalten. Dann muß indeſſen gefordert werden, daß ſie, obwol in dieſem Allgemeinen übereinkommend, 130 ſich ſonſt nicht mit einander vermiſchen, ähnlich wie z.B. die Arten des Parallelogramms Quadrat, Rechteck, Rhombus und Rhomboid in der Natur des Parallelogramms übereinkommen, aber ſonſt keine derſelben die eigenthümliche Natur des andern in ſich enthält. Jſt dies nun bei den zum Grunde gelegten Begriffen der Fall? Das Betrachten iſt vielmehr 135 im Handeln, wie im Bilden, als Erfordnerniß mitenthalten. Denn das Handeln muß von Vernunft durchdrungen ſein und das Bilden ſoll eine

3/1r|

Jdee darſtellen u[.] zur Anſchauung bringen. Ebenſo iſt das Bilden |in dem Handeln, wie in dem Betrachten enthalten; denn das Handeln vollendet ſich erſt in der ſittlichen Schönheit, in einer Darſtellung, die, wie das 140 Kunſtwerk, ihrer Jdee entſpricht, und das Betrachten bedarf, wie ſchon gezeigt iſt, des Hervorbringens, um ſich zu verwirklichen, und muß ſich darſtellen, um ſich ſelbſt klar und andern zugänglich zu werden. Endlich vollzieht ſich das Handeln im wiſſenſchaftlichen Beruf durch das Betrachten und im künſtleriſchen durch das Bilden auf eigenthümliche 145

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Ethiſche Unterſuchungen

Weiſe. Wer dieſe Beziehungen überdenkt, findet die eine Thätigkeit mitten in der andern. Es ſoll dabei nicht verkannt werden, daß ſich die drei Thätigkeiten, das Betrachten, das Handeln und das Bilden nach den Richtungen ihres Zweckes unterſcheiden. Das Betrachten will erkennen[,] 150

um zu erkennen; das Bilden will hervorbringen, um einen Gedanken anzuſchauen oder eine Empfindung hinzuheften; das Handeln hingegen will eine Wirkung als ſolche. Aber dieſe verſchiedenen Zwecke, da ſie die andern wechſelsweiſe als Mittel in ſich tragen, |ſind allein nicht |3/1v geeignet, um die Theile der Philoſophie mit ſcharfen Unterſchieden zu

155

begrenzen. Das Quadrat iſt, um zum obigen Beiſpiele zurückzukehren, in keinem Stücke der ſpecifiſchen Differenz ein Rhomboid, aber das Handeln ſchließt das Betrachten und das Bilden und dieſe umgekehrt das Handeln in ſich ein. Würde daher eine Eintheilung der Philoſophie auf dem Grunde dieſer Begriffe ſtreng ausgeführt, ſo wären Wiederholun-

160

gen unvermeidlich. Auf ähnliche Weiſe verhält es ſich mit den in neuerer Zeit viel genannten und neben einander geſtellten Jdeen des Wahren, Guten und Schönen. Sie drücken das als Gegenſtand aus, was in den Begriffen des Betrachtens, Handelns und Bildens als Thätigkeit angeſchauet wird.

165

Nur die oberflächliche Anſicht vermag ſie zu trennen. Wer in ſie tiefer eindringt, wird bald gewahr, daß man nicht den Jnhalt der einen heben kann, ohne den Jnhalt der andern mitzuheben. Wir begegnen im Mittelalter derſelben oder mit Ariſtoteles verwandten Eintheilungen. Wir ſehen die Wirkung noch im vorigen Jahr-

170

hundert, wenn Chr. Wolf u. nach ihm Kant u[.] Fıchte die Philoſophie in theo|retiſche und praktiſche eintheilen. Wenn bald nach Wolf |3/2r Randnotiz, verm. zu Z. 162 f.: ||Plato–Gerſon im M. A. bonum (Begehrς) verum (Erkennς) ||3/1v [ ]

Chalyb ä us I. S. 72 f[.]

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Baumgarten die Aeſthetik hinzufügte, ſo trat darin die zurückgedräng- 175 te ποιητική des Ariſtoteles von Neuem mit ihrem Rechte hervor. Kant iſt, was die Eintheilung der Philoſophie betrifft, von Chr. Wolf abhängig. Man ſieht es deutlich, wenn man Kants Architektonik der reinen Vernunft mit der Einleitung zu Wolfs Logik vergleicht.1) Wenn Kant, wie Wolf, die Philoſophie zunächſt in theoretiſche und praktiſche eintheilt, 180 ſo hat darauf bei Kant, wie bei Wolf, die Scheidung der Geiſtesthätigkeit in Erkenntnißvermögen[,] Begehrungsvermögen und Gefühlsvermögen weſentlichen Einfluß.2) Aber die Ergebniſſe bei Kant zeugen zugleich gegen die Richtigkeit dieſer Eintheilung. Die praktiſche Vernunft greift beı ıhm in das Gebiet der theoretiſchen zurück und erzeugt theoretiſche 185 Vorausſetzungen, Poſtulate, welche der Kritik der reinen Vernunft zweifelhaft waren. Herbart gehört inſofern hieher, als auch er die Philoſophie nicht 3/2v|

nach den Objecten ein|theilt. Wenn er die Philoſophie als Bearbeitung der Begriffe erklärt, ſo theilt er ſie nach der logiſchen Thätigkeit ein, die 190 ſie erfordern. Aus den Hauptarten, wie die Begriffe bearbeitet werden, ergeben ſich die Haupttheile der Philoſophie: Jnwiefern es der Zweck iſt, die Begriffe klar und deutlich zu machen, entſpringt ihm die Logik. Jnwiefern gegebene Begriffe der Erfahrung Widerſprüche in ſich tragen und ſie daher nach ihrer beſondern Beſchaffenheit zu verändern 195 und zu ergänzen ſind, damit ſie denkbar werden: ſo ergibt ſich ihm die Wiſſenſchaft der Metaphÿſik, welche auf ähnliche Weiſe, wie bei Wolf und Kant, in der Pſÿchologie, Naturphiloſophie und natürlichen Theologie ihre Anwendung findet. Endlich werden Begriffe unterſchieden, welche 200

3/2r||

||1) Kant Kritik der reinen Vernunft. „Methodenlehre[“] 3tes. Hauptstück. 2t. Aufl. S. 874 ff. u. Wolf philosophia rationalis s. logica. 1728. discursus praeliminaris § 60 ff. 2) Kant Kritik der Urtheilskraft. 1790. Einleıtς III. S. XX.

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Ethiſche Unterſuchungen

in unſerm Vorſtellen ein Urtheil des Beifalls oder Mißfallens nothwen205

dig herbeiführen und die Wiſſenſchaft von ſolchen Begriffen iſt ihm die Aeſthetik. Angewandt auf das Gegebene geht ſie in eine Reihe von Kunſtlehren über, welche ſä[m]tlich praktiſche Wiſſenſchaften heißen können; praktiſche Philoſophie im engern Sinne heißt ihm diejenige der |Kunſtlehren, deren Vorſchriften den Charakter der nothwendigen |4/1r

210

Befolgung darum an ſich tragen, weil wir unwillkührlich und unaufhörlich den Gegenſtand derſelben darſtellen.3) Dieſe Eintheilung wurzelt ganz in Herbarts eigenthümlicher philoſophiſcher Anſchauung und kann nur mit dieſer beurtheilt werden: Jndeſſen ſchon bei einer vorläufigen Betrachtung ſpricht einiges gegen die Strenge dieſer Eintheilung: Zunächſt

215

treten nach dieſem Eintheilungsgrunde Logik und Aeſthetik nicht ſcharf aus einander. Denn auch die Klarheit und Deutlichkeit der Begriffe gefällt u. auch darauf kann ſich eine Kunſtlehre richten. Jn Herbarts Schule iſt in der That dieſe Conſequenz gezogen. Bobriks Logik4) überträgt die Analogie der praktiſchen Philoſophie auf die Erkenntnißlehre

220

und entwirft fünf urſprüngliche und fünf abgeleitete logiſche Jdeen, wie Herbart fünf urſprüngliche und fünf abgeleitete praktiſche Jdeen darſtellt. Der Grund der Eintheilung iſt hierdurch nicht ſcharf genug. Ferner iſt es ſehr zweifelhaft, ob bei den Erfahrungsbegriffen eine |ſolche |4/1v Aufgabe vorliege, wie die von Herbart behauptete metaphÿſiſche Be-

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richtigung und Ergänzung. Was er in ihnen für Widerſpruch erklärt, das wird, wie anderswo nachgewieſen worden, auch in ſeiner metaphyſiſchen Bearbeitung der Begriffe nicht wirklich weggeſchafft, ſondern nur für den Augenſchein ausgeglichen;5) ja, es wird gar nicht als Widerſpruch

230

||3) Joh. Frdr. Herbart Lehrbuch zur Einleitung in die Philoſophie. 3t. Aufl. 1834. § 5 ff.

||4/1r

4) D . Ed. Bobrik neues praktiſches Syſtem der Logik. I, 1. urſprüngliche Jdeenlehre. Zürich 1838[.] § 12 ff[.]

||5) Logiſche Unterſuchungen B. I. S. 137 ff.

||4/1v

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erſcheinen, wenn nicht ein falſcher Maßſtab des Jdentitätsgeſetzes angelegt wird.6) Endlich würde er ſich fragen, ob nicht auch die aeſthetiſchen 235 Begriffe und namentlich die praktiſchen Jdeen, wenn man den Widerſpruch in Herbarts Sinne beſtimmt, denſelben Widerſpruch in ſich enthalten, wie z.B. die Jdee der Billigkeit nach Herbarts Auffaſſung nicht ohne die durch eine Handlung eingetretene Veränderung gedacht wird, 4/2r|

welcher Begriff nach Herbarts Metaphÿſik ſich in ſich |widerſpricht. Aus 240 dieſen Gründen wird Herbarts Fundament der Eintheilung ſich nicht einmal unter ſeinen eigenen Vorausſetzungen, aber viel weniger außerhalb ſeines Sÿſtems halten können. Sollte ſich nach dieſen fehlgeſchlagenen Verſuchen das verſchiedene Verhalten menſchlicher Thätigkeit nicht eignen, um einen Eintheilungs- 245 grund der Philoſophie abzugeben: ſo ſuchen wir ihn auf der andern Seite, in der Verſchiedenheit der Gegenſtände. Es begegnet uns auf dieſem Wege eine alte Eintheilung, die zufolge einer Bemerkung des Sextus Empiricus dem Keime nach bereits in Plato liegt, aber erſt von den Stoikern zur Norm des Sÿſtems genommen wur- 250 de. Es iſt die Eintheilung der Philoſophie in Logik, Phÿſik und Ethik. Die alten Stoiker ſahen dabei die Phÿſik als den Kern oder den Quell der Erkenntniß an; denn die Phÿſik, welche in die Vernunft der Natur als in den letzten Urſprung zurückgeht, iſt ihnen in demſelben Sinne, wie dem Ariſtoteles die Metaphÿſik, die göttlichſte unter den Wiſſenſchaften. Sie 255 vergleichen die Philoſophie dem lebendigen Leibe eines Thieres und zwar den logiſchen Theil den Knochen und Sehnen, den ethiſchen dem Fleiſch

4/2v|

und Blut, den phyſiſchen |endlich der Seele. Wie die Logik darnach als das Zuſammenhaltende betrachtet wird, ſo bildet die Phÿſik den geſtaltenden, hervorbringenden Mittelpunkt. Hiernach würden die Theile, wenn wir 260

4/1v|| 4/2r||

||6) Logiſche Unterſuchungen B. II. S. 95 f. Alternativvariante: 254 ||letzten] »göttlichen« von Tr. spät ergänzt.

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Ethiſche Unterſuchungen

von innen nach außen gehen, in der Reihe der Phÿſik, Ethık, Logik auf 265

einander folgen. Indeſſen erkannten die Stoiker auf der einen Seite dıe Wechſelwirkung der Theile, wollten keinen dem andern voranſetzen u. änderten die Folge nach dem vorliegenden Zweck des Vortrags u. der Lehre; auf der andern Seite ſtellten ſpätere Stoiker nach der vorwiegenden Richtung, die ſie nahmen, die Ethik in das eigentliche Centrum.7)

270

|Da die ſtoiſche Eintheilung der Philoſophie aus der Sache, aus dem |5/1r innern Verhältniß der Gegenſtände[,] entnommen iſt, ſo hat ſie ſich neben jener ariſtoteliſchen bis in die neueſte Zeit behauptet. Carteſius z.B. hat über die Eintheilung der Philoſophie nur eine allgemeine Bemerkung,8) aber ſie ſtimmt im Weſentlichen mit der

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ſtoiſchen Anſchauung. Carteſius ſagt, die Philoſophie gleiche einem Baume. Seine Wurzeln ſeien die Methaphÿſik - und er beſtimmt ausdrücklich, daß die Principien der Erkenntniß, die Entwicklung der weſentlichen Attribute Gottes, der Jmmaterialität der Seele und aller klaren und einfachen Begriffe, die ſich in uns finden, zur Metaphÿſik ge-

280

hören, ſo daß dieſe Disciplin im carteſiſchen Sinne der Logik der Stoiker und dem metaphyſiſchen Theil ihrer Phÿſik entſprechen würde. Der Stamm jenes Baumes, führt Carteſius fort, ſei die Phÿſik, die aus ihm hervorwachſenden Zweige die übrigen Wiſſenſchaften, welche auf drei zurückgehen, Medizin, Mechanik und Ethik, ſo daß wir in dieſen den

285

andern Theil der ſtoiſchen |Phÿſik ſammt der Ethik vor uns haben.

|5/1v

Man hat aus Spinoza de intellectus emendatione p. 417. f[.] eine Eintheilung der Philoſophie zu gewinnen verſucht; aber mit Unrecht und ||7) Diog. Laert. VII. 40 Sext. Empir. adv. mathem. VII. 16 ff. vgl. Plutarch. De Stoicorum ||4/2v 290 repugnantiis. c. 9.

||8) epiſt. ad principiorum philosophiae interpretem Gallicum p. 10 f. nach der Amſterd. ||5/1r Ausgab. 1685.

I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F2)

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vergeblich. Denn es iſt dort nur von dem Studium der Wiſſenſchaften für den Zweck der menſchlichen Glückſeligkeit und Vollkommenheit, von einem Dienſt dieſes Studiums für das ethiſche Ziel u. nicht von ei- 295 ner theoretiſchen Gliederung der Principien die Rede. Es ſteht nichts im Wege, bei Spinoza eine Eintheilung vorauszuſetzen, welche der des Carteſius verwandt iſt. Jn ſeiner Ethik geht er einen ähnlichen Gang, von der Metaphÿſik im erſten Buche zu logiſchen Betrachtungen im zweiten, wobei er die Principien der Phÿſik lemmatiſch zwiſchen legt, von da 300 zur Pſÿchologie der Leidenſchaften im 3t. u. 4t. Buch u. endlich im 5ten zur Ethik im engern Sinne, dem Ziel des Ganzen. Zwar ſind auf dieſem Gange die wiſſenſchaftlichen Lehren durch den ethiſchen Zweck, den das Ganze verfolgt, in ihrem Umfang beſchränkt und in ihrer Richtung gebunden; aber es läßt ſich dennoch daraus ein allgemeiner Entwurf der 305 Eintheilung im Sinne des Spinoza entnehmen. 5/2r|

|Jn jenen Vergleichen der Stoiker, in dem Bilde des Carteſius und in der Anordnung des Spinoza iſt der genetiſche Gang angedeutet, den die Eintheilung verfolgen will. Es ſollen die Disciplinen nicht in einem äußern Ueberblick neben einander geſtellt werden, ſondern ſie ſollen ſich 310 wie Bedingung und Bedingtes, Vorausſetzung und Folge an einander reihen. Die ſichere ſoll die Baſis der ſpätern ſein. Hegel will dies in einem noch ſtrengern Sinn, wenn er, ähnlich wie die Stoiker, die Philoſophie in Logik, Philoſophie der Natur und Philoſophie des Geiſtes eintheilt. Die dialektiſche Methode ſoll von Glied zu Glied 315 dieſen innern Zuſammenhang erzeugen. Wenn man namentlich bei dem meiſt formalen Jnhalt der ſtoiſchen Logik zweifelhaft ſein kann, wo man ihr ihren Ort anzuweiſen hat: ſo ſteht Hegels Logik, die dialektiſche Vorbildnerin alles Concreten, nothwendig im Urſprung. Jndeſſen entſcheidet dieſelbe Kritik, welche genöthigt iſt, Hegels dialektiſche 320 Methode für eine Methode des Scheins zu erklären, auch über dieſe

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Ethiſche Unterſuchungen

Eintheilung, welche aus der künſtlıchς Dialektik fließt. Wir müſſen daher die Ordnung der Natur auf einem einfacheren Wege ſuchen. |Jn der Eintheilung und Reihenfolge der Wiſſenſchaften kreuzen ſich |5/2v 325

leicht zwei leitende Geſichtspunkte, die Ordnung, welche der Entſtehung der Sache folgt, und die Ordnung, welche der Gang des Lehrens und Lernens nöthig macht. Die methodiſche Rückſicht durchſchneidet die genetiſche Strenge. Denn die genetiſche Betrachtung ſchöpft aus dem Grunde der Sache, während ſich die methodiſche Anordnung den Be-

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dürfniſſen des ſich entwickelnden menſchlichen Geiſtes anpaßt. Wir finden dieſe Einſchränkung oder Vermiſchung faſt in allen Sÿſtemen. Jn Plato gehen die epagogiſchen Dialoge den dialektiſchen voran: Ariſtoteles verlangt, daß man vor der Metaphÿſik, dıe ſonſt von den erſten Gründen anhebt, die Analÿtik vorherwiſſe und die Peripatetiker

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ſtellen überhaupt die Logik als das Werkzeug der Disciplinen, als Organon, vor den Jnbegriff derſelben. Von den Stoikern iſt bereits angeführt, daß ſie die Folge nach dem Zweck veränderten. Carteſius griff in ſeiner Schrift über die Methode ſelbſt in die Ethik vor, um die Freiheit der Unterſuchung zu ſichern: Chr. Wolf |unterſchied ausdrücklich zwiſchen |6/1r

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der methodus demonstrandi u. methodus studendi. Kant ſteckte durch ſeine Kritik den Boden für das Sÿſtem ab und ſchied Kritik u. Architektonik ſehr deutlich. Jn Hegels Lehre iſt bald die Phaenomenologie als die Erziehung des Bewußtſeins zur ſpeculativen Erkenntniß, bald die hiſtoriſche Einleitung der Encÿklopaedie oder gar die ganze Geſchichte der Philoſophie

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für eine nothwendige Vorbereitung erklärt, um den Standpunkt der grundlegenden Wiſſenſchaft, der Logik, aufzufaſſen. Die Stellung der Logik, der Erkenntnißlehre[,] erſcheint insbeſondere wie ein Hyſteronproteron der meiſten Sÿſteme. Als Theorie der Wiſſenſchaft muß ſie in Principien eingehen, welche den übrigen

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Wiſſenſchaften angehören, und welche ſie von ihnen erſt überkommt;

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und doch kann ſie im philoſophiſchen Syſtem den übrigen Disciplinen nicht wohl nachfolgen, denn ſie ſoll ihnen den Grund ſichern u. den Bau vorzeichnen. Als Ergründung des Denkens wird ſie im genetiſchen Sÿſtem zu einem Theil der Geiſteslehre, zu einer Seite der Pſÿchologie. 6/1v|

Aber als Logik hat ſie die Aufgabe, nicht blo[ß] der Pſÿchologie, |ſondern 355 auch den Wiſſenſchaften, welche dieſer nothwendig vorangehen, zur Wegweiſerın zu dienen. Dies doppelte Verhältniß bringt in die Stellung der Logik ein Schwanken, und man weiſt ihr meiſtens, wie ſchon im Alterthum geſchah, vor das genetiſche Sÿſtem ihren Ort an. Die Philoſophie entſteht im Unterſchiede von den einzelnen Wiſſen- 360 ſchaften weſentlich daraus, daß die nur vorausgeſetzten Principien der einzelnen Wiſſenſchaften den Beweis ihrer Berechtigung u. die zerſtreunten Anfänge den Zuſammenhang des Ganzen ſuchen. Es iſt daher nothwendig, daß dieſe allgemeine Aufgabe zunächſt erledigt werde. Denn die beſondern Disciplinen empfangen dadurch ihre Wurzeln 365 und ihre gegenſeitige Stellung. Es beſchäftigt ſich damit diejenige Wiſſenſchaft, welche es von früh her unternommen hat, das Seiende als Seiendes, das Seiende als ſolches zu erkennen d.h. das Seiende in jenem allgemeinen Sinn, in welchem es nicht das Beſondere iſt, aber den Grund des Beſondern in ſich trägt - die Methaphÿſik. Sie wird daher, wie die 370

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Logik, allen einzelnen Wiſſenſchaften voran|gehen. Logik und Metaphÿſik eröffnen nach dieſen Betrachtungen die Philoſophie. Jndeſſen bilden ſie vielleicht nur die beiden ſich einander bedingenden Seiten Einer und derſelben Wiſſenſchaft, die wir als Logik im weitern Sinne bezeichnen können. Dieſe Anſicht iſt dann nothwen- 375 dig, wenn es, wie nachgewieſen worden9), ein vergebliches Bemühen iſt, eine formale Logik feſtzuhalten, wenn vielmehr der Vorgang des 9) Logiſche Unterſuchungen. Abſchnitt 1. Th. I. S. 4 ff[.]

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Ethiſche Unterſuchungen

Erkennens nur durch den Erwerb oder Beſitz der realen Principien, welche den erkannten Dingen zum Grunde liegen, begriffen werden kann, wenn alle Nothwendigkeit auf eine Gemeinſchaft des Denkens und Seins als auf ihren letzten Urſprung hinweiſt, wenn endlich die Lehre der Metaphÿſik nur von denſelben Principien der Wiſſenſchaften, wel-

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che die Erkenntnißlehre behandelt, und von keiner andern Baſis ausgehen kann. Dieſer Parallelismus des Denkens und Seins aus einer innern Gemeinſchaft entſpringend, dieſe Einheit der Logik und Metaphÿſik iſt in den von mir früher herausgegebenen logiſchen Unterſuchungen entworfen |und begründet worden. Erſt aus einer ſolchen Grundlegenden |6/2v

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Wiſſenſchaft kann die Gliederung derjenigς Disciplinen folgen, deren Principien ſie enthält. Obwol die Philoſophie, wenn wir die Geſchichte fragen, in einer Einheit mit den übrigen Wiſſenſchaften entſtand, ſo hat ſich durch d. Theilung der Arbeit längſt dieſer Verband gelöſt u. die Philoſ. fındet jetzt die einzelnen

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Wiſſenſchaften in ihrer Zerſtreuung und in der Geſtalt vor, die ſie ſich für ſich gegeben haben. Die Logik und Metaphÿſik haben in ihnen ihren Stoff der Betrachtung; ſie finden in ihnen Methoden und vorausgeſetzte Principien vor und haben die Aufgabe, ihren Urſprung und ihre Einheit aufzuſuchen. Durch dieſe Auffaſſung der gemeinſamen Quelle, durch

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dieſe gegenſeitige Regelung und Belebung wird erſt der philoſophiſche Gehalt erzeugt: Es kann nicht fehlen, daß in dieſem Vorgan|ge dieje- |7/1r nigen Keime entſtehen, welche in der Entwicklung des Sÿſtems zu den Principien der philoſophiſchen realen Disciplinen werden. Die vereinzelten Wiſſenſchaften in ihren geſchichtlichen Geſtalten werden von der grund-

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legenden Wiſſenſchaft der Logik und Metaphÿſik vorausgeſetzt, aber die philoſophiſchen Disciplinen gehen in ihrer Gliederung aus dieſer hervor. Die Logik und Metaphÿſik greifen daher nicht in die philoſophiſchen Disciplinen vor, ſondern in die empiriſchen zurück.

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|Es bleibt eine Thatſache, daß die Wiſſenſchaften, indem ſie von ſelbſt eine Methode ſuchen, welche ſich dem einzelnen Gegenſtande eigent- 410 hümlich anſchmiege, indem ſie ſich aus eigenem Bedürfniß Principien bilden[,] in ſicherem Gange wachſen; und als einzelne Wiſſenſchaften ſich nur ſo weit um die übrigen kümmern, als ſie bei ihnen Hülfe ſuchen und zu Borg gehen. Es bleibt hingegen eine Forderung, die blinden Vorausſetzungen 415 der einzelnen Wiſſenſchaften, ſei es in der Methode, ſei es in den Principien, zu unterſuchen u[.] auf den letzten Grund zurückzuführen, die Wechſelwirkung, in welche die einzelnen Wiſſenſchaften für ſich nur beiläufig treten, zu einer durchgehenden und nothwendigen zu erheben, die

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einzelnen Wiſſenſchaften aus dem Gedanken des Ganzen |zu begreifen 420 und von dieſem Mittelpunkt aus zu beleuchten und zu beleben. Wenn die Vorſtellung nicht leer iſt, daß die Wiſſenſchaft zuletzt Ein Ganzes darſtelle und Ein Leben habe, wie die Welt, deren geiſtiges Gegenbild ſie zu ſein trachtet: ſo ſind die einzelnen Wiſſenſchaften nur die aus einander geworfenen Glieder, welche das Ganze ſuchen u. an dem Einen Leben 425 Theil zu haben trachten. Es liegt hier die ewig neue, mit der Erkenntniß des Einzelnen wachſende, ſich mit ihr immer vertiefende Aufgabe der Philoſophie. Wo es noch keine einzelnen Wiſſenſchaften giebt, da mag es ein Analogon der Philoſophie, insbeſondere ihrer Metaphÿſik, in der Religion geben, wie bei den orientaliſchen Völkern, aber es giebt dort 430 keine eigentliche Philoſophie. Jndem die Philoſophie die einzelnen Wiſſenſchaften vorausſetzt, wird ſie damıt beginnen, zu dem bezeichneten Zwecke die Methoden und die Principien derſelben zu unterſuchen und die letzte Quelle ihrer Nothwendigkeit zu erforſchen. Wenn es nicht möglich ſein wird, die 435 logiſche That in den Wiſſenſchaften anders als aus den realen Principien

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zu verſtehen u. die realen Principien anders als in ihrer logiſchen |Wirkung

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Ethiſche Unterſuchungen

aufzufaſſen: ſo werden Logik und Metaphÿſik in Eine Wiſſenſchaft zuſammengehen, welche Logik im weitern Sinne heißen mag. Jndem ſie 440

die Principien und die Methoden der einzelnen Wiſſenſchaften beobachtet, gewinnt ſie an ihnen ihr Material. Wenn ihre Aufgabe gelingt, ſo werden aus ihrer Thätigkeit die erſten philoſophiſchen Begriffe hervorgehen, welche nun theils unmittelbar in die einzelnen Wiſſenſchaften zurückfließen, theils die Beſtimmung in ſich tragen, die Principe oder

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der Grundgedanke der realen philoſopiſchen Disciplinen zu werden. |Der Ethik folgt hiernach eine Vorbereitung in d. Logik voraus – u[.] |10/1r wir entnehmen aus ihr nach frühern Unterſuchungen folgende Geſıchtspunkte für die Frage nach dem Ort der Ethık[.] |An die Stelle einer nebenordnenden Eintheilung wird eine Stufen- |10/1v

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folge der Wiſſenſchaften treten. Denn dıe Erkenntniß muß ſich abſtufen, wie die Principien, welche ſie in ſich concentrieren, und die Wiſſenſchaften ſind nur die erſchöpfende Darlegung ihrer Erkenntniſſe. [D]er Act des Erkennens, die Vermittlung des Denkens und Seienden, des Subjectiven und Objectiven, kann durchweg nur durch Thätigkeiten geſchehn,

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welche dem Denken und Seienden gemeinſchaftlich ſind. [D]ieſe Principien, welche logiſch und real zugleich ſind, ſtufen ſich aus und die höhere Stufe ſetzt die niedere voraus und die niedere iſt die Bedingung der höhern. Principien in ſolchem gegenſeitigen Verhältniß liegen, logiſch und real, den Gruppen der Wiſſenſchaften zum Grunde. Als logiſche

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Principien gehen ſie in die Selbſtthätigkeit, in eine ſich ſelbſt gewiſſe erzeugende That des Geiſtes zurück; als reale in das thätige Weſen der Dinge. Nur aus dieſer Einheit iſt die mächtige Nothwendigkeit zu |er- |10/2r klären, welche der Menſchengeiſt als eine reale immer weiter in den Wiſſenſchaften der Dinge hervorbringt. Hierdurch werden ſich die Wiſ-

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ſenſchaften in derſelben Folge ordnen müſſen, wie ſich die Principien, die Quelle ihrer Nothwendigkeit, abſtufen.

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Als die erſte Stufe in der aufſteigenden Linie, als die letzte auf dem Wege der Zergliederung erſcheint die conſtructive Bewegung, welche als einfache und urſprüngliche Thätigkeit[,] das erzeugende Princip für die Figuren im Raum, für die Zahlen in der Zeit, überhaupt für die Formen 470 iſt, das Princip der reinen mathematiſchen Erkenntniß. Von ihr geht alle Möglichkeit zu bilden und nachzubilden aus; in ihr liegt der erſte Grund der Nothwendigkeit, welcher ſich durch alle ſpätern Stufen durchzieht. Die reinen mathematiſchen Wiſſenſchaften nehmen hiernach im Sÿſtem der Wiſſenſchaften die erſte Stelle ein.

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Als die zweite Stufe erſcheint die Erfahrung der materiellen Kräfte 10/2v|

durch die Sinne. [D]ie Sinne ſind, ſo weit |die phÿſiologiſche Unterſuchung reicht, die Organe für ſpecificirte Bewegungen[.] [D]ie Materie, ſo weit ſie uns zugänglich iſt, wird nur durch die Formen aufgefaßt und begriffen, durch Formen, in deren Aneignung das Weſen der Sinne beſteht und zu 480 deren allgemeinen Verſtändniß die vorausgehende Stufe der Erkenntniß die Hülfe leiſtet. Jnwiefern die Erfahrung durch die conſtructive Bewegung und der Nachweis der Nothwendigkeit durch die mathematiſche Erkenntniß bedingt iſt, wird ſie auf die zweite Stufe geſtellt. Die Bewegung mit ihren nothwendigen Formen wird zum Leitfaden im Materiellen, 485 und in den phÿſiſchen Urſachen, offenbart ſie ſich durch die Richtung des Woher. Dieſe zweite Stufe iſt der Bereich der wirkenden Kräfte, der materiellen Urſachen[.] Hiernach nehmen die phÿſikaliſchen Wıſſenſchaften im weitern Sinne - die Erkenntnıß der Materie - die zweite Stelle eın. Die dritte Stufe charakteriſirt ſich durch eine eigenthümliche Er- 490

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hebung. Sie unterſcheidet |ſich von der zweiten und erſten, wie das Organiſche vom Phyſikaliſchen und Mathematiſchen, wie das Leben von nackten materiellen Kräften und conſtructiver Bewegung. Es iſt nachzuweiſen, daß auf dieſer Stufe durch die alten Begriffe bedingt ein neuer Grundbegriff auftrete, die Richtung der frühern umkehrend, 495

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Ethiſche Unterſuchungen

der Zweck mit ſeinem Wohin, die innere Zweckmäßigkeit, die auf einem die Kräfte richtenden Gedanken beruht. Ohne die frühern Stufen iſt weder die Verwirklichung noch die Erkenntniß des Zweckes möglich. Die frühern Stufen werden Mittel, die materiellen Kräfte in dem 500

Gebiete der Natur, der Entwurf der conſtructiven Bewegung beſonders in der Erkenntniß. Die Nothwendigkeit der frühern Stufe bleibt, aber ein Gedanke verfügt über ſie für die Einheit eines Ganzen: für die Erzeugung neuer Thätigkeiten. Der Gedanke eines Ganzen wird die Seele einer phÿſiſchen Nothwendigkeit. Dieſe dritte Stufe iſt der Bereich des

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organiſchen Lebens in der Natur. Hiernach nehmen die Wiſſen|ſchaften |11/1v des Organiſchen, die Erkenntniß der innern Zweckmäßigkeit in den Kräften des Lebens, die dritte Stufe ein. Ueber dem Organiſchen und auf dem Grund deſſelben erhebt ſich eine vierte Stufe, das Ethiſche. Es fragt ſich, ob es da eine Ethik im en-

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gern Sinne geben kann, wo es nur eine Phÿſik der Kräfte giebt. Die Vorausſetzung alles Ethiſchen iſt das Organiſche. Der Staat z.B., dieſe ethiſche Bildung, iſt ein Organismus, aber ein ſolcher, der, von dem blinden Organismus der Natur weſentlich verſchieden, eine höhere Stufe einnimmt. Der innere Gedanke, der im Organismus der Natur ver-

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borgen liegt, wird im Ethiſchen erkannt u. ſich ſelbſt bewußt. Der im blinden Leben gebundene Zweck wird dadurch zugleich frei. Jn dieſem Betracht erſcheinen die ethiſchen Wiſſenſchaften auf der vierten Stufe. Es wird eine weſentliche Aufgabe ſein, dieſe Erhebung als wirklichen Vorgang zur Anſchauung zu bringen. Die Pſÿchologie, die man als die

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Höhe der organiſchen Wıſſenſchaften anſehen kann, bildet inſofern die Grundlage des ethiſchen. |Jn dieſer Reihenfolge iſt die vorangehende Stufe die Bedingung der |11/2r folgenden; jene kann ohne dieſe, aber dieſe nicht ohne jene gedacht werden; jene muß voran als Bedingung da ſein, damit dieſe werde. Daher

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ziehen ſich die Geſetze der niedern Stufen durch die höhern durch und 525 erſcheinen darin als dienende Glieder. Die Phÿſik begründet ſich durch die Rechnungen und Conſtructionen der Mathematik, die Phÿſiologie durch die vereinte Anwendung mechaniſcher, phÿſikaliſcher, chemiſcher Geſetze; und die Ethik wird, wenn ſie nicht eine falſche und ſie ſelbſt gefährdende Selbſtändigkeit begehrt, an das Organiſche, an die Geſetze 530 des Lebens, als ihre nothwendige Vorausſetzung gebunden ſein. Man erkennt dieſe Beziehungen in einzelnen Beiſpielen leicht u. namentlich da, wo noch auf der höchſten Stufe, der ethıſchen, ſelbſt die Formel der erſten, der mathematıſchen, wieder erſcheint. Lange galt, um dies Eine anzuführen, der ariſtoteliſche Begriff der Gerechtigkeit und wir finden 535 ihn noch bei Leibniz. Wenn wir nun auf ſein Weſen ſehen, ſo geht er in die mathematiſche Faſſung, in die arithmetiſche und geometriſche 11/2v|

Proportion zurück. Es iſt in demſelb[e]n Sinne gezeigt worden, |daß ſich auf der Grundlage der mathematiſchen und phÿſiſchen Kategorien die organiſchen in die ethiſchen erheben.10) Es iſt keine wahrhafte 540 Ethik denkbar, die nicht in die Pſÿchologie, u. keine Pſÿchologie, die nicht in die Phÿſiologie als in ihre Bedingungen zurückginge. Es hat für die richtige und lebendige Auffaſſung des Wechſelverhältniſſes viel geſchadet, daß es ſeit einem Bilde bei Plato gang und gäbe wurde, die Wiſſenſchaften wie getrennte Gebiete oder Felder zu betrachten, welche 545 neben einander liegend nur die Grenze gemeinſam haben. Vielmehr wird durchweg die Thätigkeit des vorangehenden Kreiſes in die Thätigkeit des folgenden aufgenommen; und gerade durch dies Verhältniß trägt die in der einen Wiſſenſchaft erworbene Nothwendigkeit dazu bei[,] eine neue Nothwendigkeit in der andern zu erzeugen.

10) Logiſche Unterſuchungen II. S. 86 ff. Geſchichte der Kategorienlehre S. 370 ff.

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Ethiſche Unterſuchungen

Nach demſelben Princip ſollten ſich innerhalb der einzelnen Stu555 556a 557b

fen die einzelnen Wiſſenſchaften abſetzen und ausbilden. Es ſind dazu |Anfänge da.

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|Hiernach wird das Ethiſche zunächſt von dem Organiſchen ge- |12b/r tragen und was die Ethik Eigenthümliches erzeugt, das erzeugt ſie auf der Vorausſetzung dieſer Grundlage. Wenn es der Pſÿchologie gelingt,

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auf dieſem Grunde das Weſen des eigenthümlich Menſchlichen zu beſtimmen: ſo öffnet ſie dadurch der Ethik den Weg zu ihrem Princip. Wir berühren den Einwurf, der hier nahe liegt. Die Ethik hat ſeit Sokr. und Plato und beſonders durch die chriſtlichen Darſtellungen eine Beziehung zur Theologie. Jhr Princip wirkt mit doppelter Kraft,

565b

indem es als der Ausdruck des göttlichen Willens erſcheint. Die ganze theologiſche Moral iſt in dieſer Richtung entſtanden. Hierdurch kann es ſcheinen, daß im genetiſchen Sÿſteme, wenn man nicht das Gute von dem lebendigen Grunde des Göttlichen lostrennen will, der Ethik die Religionsphiloſophie vorangehen müſſe. Wir lehnen dies ab. Denn

570b

einmal wird die Religionsphiloſophie, da es ſich nicht um ein poſitives Religionsſÿſtem, ſondern um philoſophiſche Erkenntniß handelt, gerade erſt in d. Ethik ihre Stütze haben und eine Religionsphiloſophie vor der Ethik wird ein zweifelhaftes Product. Es muß daher die Ethik |der |12b/v Religionsphiloſophie vorangehen, ja es iſt möglich, daß die Ethik - nach

575b

einer Seite hin - die Bedingungen der Religion erſt aus ſich hervorbringe. Jndeſſen inwiefern noch gefordert wird, daß das ethiſche Princip in ſeinem Verhältniß zum Unbedingten erkannt werde: ſo geht dieſe allgemeine Beziehung in die Metaphÿſik - die Grundlegende Disciplin zurück. Von dort her muß man die Antwort auf die Frage ſuchen, wie

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das ethiſche Princip als Jdee durch die endliche Sphäre des menſchlichen Weſens hindurchgehe, aber aus dem Gedanken des Unbedingten quelle. Jn dieſer metaphÿſiſchen Betrachtung liegt dıe Möglichkeit, auch den

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Urſprung der Philoſophiſchen Ethik in den Gedanken des Göttlichen zu vertiefen u. auf dieſem Wege der theologiſchen Moral zu begegnen: Aber ihre Begründung liegt in der Entwicklung des menſchlichen Weſens als 585b ſolchen - u. nicht in der vorweggenommenen Thatſache einer poſitiven Offenbarung. Auf dieſe Weiſe beſtimmt ſich nach den Vorausſetzungen, die das Princip der Ethik in ſich trägt, ihre Stellung zu den Wiſſenſchaften vor ihr u. nach ihr, ihr Ort im genetiſchen Sÿſtem.

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Kapitel I – Erste Schlussfassung

Kapitel I – Erste Schlussfassung 12/1r|

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|Anfänge da, aber nur Anfänge, wie z.B. die reine Arithmetik von der Geometrie unabhängig, aber dieſe von jener abhängig erſcheint, und wie im Organiſchen die Wiſſenſchaft der ſıch zu individuellern und umfaſſendern Geſtaltungen erhebenden Reihe des Lebens folgt. Auf dem phÿſikaliſchen Gebiete hingegen ſchwankt die Anſicht, ob man den 5 erſten Grund in der Mechanik der Feſten oder vielmehr in der Phÿſik der elaſtiſchen, expanſiven Gaſe finden ſoll. Es iſt in der Unterſuchung der Kräfte noch nicht gelungen, das Urſprüngliche und Erſte von dem Bedingten und Zweiten oder Dritten hinlänglich zu unterſcheiden. Die Durchführung dieſes genetiſchen Ganges bleibt daher der Zukunft vorbe- 10 halten; aber wenn die Grundpunkte, die entſcheidenden Abſtufungen[,] richtig erkannt ſind, ſo ſteht das Ziel klar vor unſern Augen; und in demſelben Maße als man ſich ihm nähert, wird die Methode ſtrenger und die Einſicht in die Nothwendigkeit umfaſſender werden. Es iſt eben der genetiſche Weg bezeichnet worden, der vom Einfach- 15

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ſten und Allgemeinen |ausgeht und zum Jndividuellen und Vielſeitigſten aufſteigt, der alſo von unten nach oben und zuletzt in das Gebiet führt, welches in unſerer Weltanſchauung die höchſte Stelle einnimmt. Die genetiſche Methode läßt indeſſen noch eine andere Auffaſſung zu. Der eigentlıche Urſprung der Dinge liegt nicht in den ſich verſchlingenden 20 einzelnen Bedingungen, ſondern in dem Unbedingten, das in ſich iſt und aus ſich begriffen wird. Die Ableitung, die dem Ausfluß aus dem Urſprung folgt, müßte hiernach mit dem Unbedingten, mit der Jdee des Abſoluten, mit dem Begriff Gottes beginnen, und aus dieſer Quelle die erſte wie die letzte Erkenntniß ſchöpfen. Da nicht die Zahlen oder 25 Figuren, nicht die endliche Bewegung, nicht die materiellen Kräfte das ſchlechthin Erſte ſind, ſondern vielmehr nur die geſonderten Elemente,

12/1r|| Randnotiz zu weiterem Vorgehen mit Textsegment Z. 15–64: ||Beſſer in Abſchn[.] II?

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Ethiſche Unterſuchungen

die in der Zerlegung zuletzt gefundenen Bedingungen: ſo verlangen Viele, daß die wahrhaft genetiſche Methode den eben beſchriebenen Weg umkehrn u., wie Spinoza, aus Gott und |in der Form des Ewigen |12/2r intuitiv erkenne. Wir lehnen es nicht ab, daß die genetiſche Methode in dieſem Sinne

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kann verſtanden werden; ja, wir mögen es einräumen, daß eine ſolche Forderung in der Jdee der ſich vollendenden Erkenntniß liege. Aber ſie liegt nicht in unſern Mitteln. Es iſt in den logiſchen Unterſuchungen nachgewieſen worden,11) daß wir von dem Abſoluten nur eine indirecte Erkenntniß haben. Schon dies muß uns abhalten, zu wähnen;

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als ob wir eine adaequate Erkenntniß des Unbedingten hätten, als ob wir, indem wir das Unbedingte ſetzen, nun auch dergeſtalt ſeinen vollen überſchwenglichen Jnhalt beſäßen, um es ſicher und ſcharf zu dem Princip der Ableitung zu machen. Wir wiſſen, daß die Sonne die Quelle des Lichts iſt u. der richtige Begriff der Sonne würde uns auch den rich-

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tigen Begriff des Lichts geben. Aber deſſen ungeachtet unterſucht die Phÿſik das Licht nicht unmittelbar an dieſer Quelle, deren Weſen ſie auch nur durch indirecte Schlüſſe erreicht. Sie nimmt vielmehr den umgekehrten Gang, der allein zuverläſſig iſt. Auf ähnliche Weiſe |widerſetzen |12/2v wir uns den Conſtructionen aus dem Abſoluten, die bis heute noch zu

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keinem Heil geführt haben. Jm Abſoluten ſcheidet ſich die Methode des Erkennens von dem Wege des Urſprungs ſchlechthin. Während es ſelbſt nie und nirgends entſpringt, wird es aus dem Entſprungenen erkannt. Nach der Richtung zu welcher uns das Bedingte anweiſt, ſetzen wir das Unbedingte. Aber die Ableitung

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des Bedingten aus dem Unbedingten[,] des Entſprungenen aus dem letzten Urſprung[,] bleibt in demſelben Maße zweifelhaft, als wir zwar nach ||11) Jm 20t. Abſchnitt. II, S. 337. ff[.]

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Kapitel I – Erste Schlussfassung

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einem Zuge der Nothwendigkeit den unbedingten Urſprung ſetzen, aber als endliche Weſen den Begriff des Unendlichen nicht dergeſtalt voll- 60 ziehen können, um ihn wie einen endlichen Begriff gleich einem Keime zu entwickeln. Hiernach iſt mit dem Orte der Ethık, den wir für den Jnbegriff der Wiſſenſchaften fanden, bereits eine Hinweiſung auf die hervorbringenden Bedingungen, auf den Grund der Ethik gegeben. Wir gehen 65 derſelben nach.

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik

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|II. Die organiſche Weltanſicht als

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Grundlage der Ethik.

Jede philoſophiſche Disciplin ſteht auf dem Grunde des Ganzen und 5 nimmt aus dem Ganzen den Urſprung. Die Logik und Metaphÿſik haben daher die Aufgabe, für die philoſophiſchen Realdisciplinen dieſen letzten Grund zu legen. Jn dieſem Sinne ſtreben die „logiſchen Unterſuchungen“ dahin, die Jdee im Geiſte einer organiſchen Weltanſicht zu erreichen und die Ethik 10 muß den dort gewonnenen Begriff aufnehmen und vorausſetzen. Da es ſich nunmehr um die beſondere Beziehung dieſer Grundlage zur Ethik handelt, ſo erörtern wir ſie noch einmal und zwar mit dieſer beſondern Rückſicht. Je nachdem die Betrachtung auf der phyſikaliſchen Stufe der materi- 15 ellen Kräfte verharrt und darnach die Anſicht des Ganzen entwirft, oder aber ſich zum Organiſchen erhebt, das in der Harmonie der Thätigkeıten und in der Unterordnung der Theile einen richtenden Gedanken of12a/2v|

fenbart, und unter dieſe |Analogie das Univerſum ſtellt: ſo ergiebt ſich, wie gezeigt wurde, die phÿſiſche (mechaniſche) oder aber die organiſche 20 Weltanſıcht; beide in ihrem Ziel und ihrem Wege einander entgegen geſetzt, in einem durchgehenden Kampfe begriffen und zwar in einem Kampfe, der zuletzt den Glauben an unſer eigenes Weſen u. unſern

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||Eigentlich voran: Über die metaphyſıſche Grundlage der Ethik

Dann üb. d. pſycholog. (phyſ.)

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Ethiſche Unterſuchungen

eigenen Werth trifft. Dieſe beiden Weltanſichten wurden in dem letzten Abſchnitt der logiſchen Unterſuchungen einander entgegengeſtellt.1) Die eine wird in der Geſchichte der Philoſophie von den materialiſtiſchen, die andere von den idealen Sÿſtemen ausgeführt und vertreten. Daß es ſich zuletzt um dieſe beiden Anſchauungsweiſen handelt, läßt

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ſich auch aus allgemeinen Verhältniſſen darthun.2) Es iſt die Aufgabe der Philoſophie, das Ganze der Erkenntniß in ſeinem Urſprung zu beſtimmen. Wie nun jedes Ganze in den Endpunkten ſeiner Richtungen, in den |Gegenſätzen ſeines Weſens am ſchärfſten auseinan- |13/1r der tritt und zugleich ſich ſelbſt begrenzt: ſo hat auch die Philoſophie

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in dem weiteſten Gegenſatz der Erkenntniß ihre letzten Grenzpunkte und zugleich den nächſten Anhalt für die Unterſuchung. Als ein ſolcher Gegenſatz, der, wie das Grundthema aller Metaphÿſik, aller Philoſophie unter den verſchiedenſten Geſtalten immer wiederkehrt, erſcheinten der ſich ſelbſt und anderes erkennende Gedanke auf der einen Seite

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und die blinden äußern Kräfte auf der andern. Sie heißen bald Jdee und Materie oder λόγος und ὑποκείμενον, bald extensio und cogitatio, bald Subjectives und Objectives; aber dieſe verſchiedenen Ausdrücke bezeichnen nur verſchiedene Anſchauungsweiſen eines und deſſelben letzten Gegenſatzes. Wenn gleich bei dieſen Ausdrücken Vorgänge gedacht

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werden müſſen, welche in ſich mannigfaltig und vielfach ſind, ſo gleicht ſich doch inſofern auf beiden Seiten die Vorſtellung zu einer Einfachheit aus, als die Glieder des Gegenſatzes in ſich |gleichartig ſind und das |13/1v Weſen der Richtungen auf der einen Seite durchweg von der andern verſchieden iſt. Die Kräfte der Materie - und was uns Materie heißt,

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||1) Logiſche Unterſuchungen. Abſchnitt XX. II. Das Unbedingte und die Jdee. S. [3]53 ff. ||12a/2v 2) vgl. das Vtr. Abhandlung über den letzten Unterſchied der philoſophiſchen Syſteme in den Denkſchriften der K. Akademıe der Wıſſenſchaſten 1847.

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik

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kennen wir nur in Kräften und Thätigkeiten, ſtehen zunächſt, wie die Phÿſik ſie auffaßt, dem Gedanken fremd gegenüber. Der Gedanke bildet 60 ſie nach und findet ihre Geſetze; aber was ſie ſind, das ſind ſie als nackte Kräfte, denen kein beſtimmender Gedanke zum Grunde liegt, ohne ihn. Der Gedanke hingegen, der anderes und ſich ſelbſt denkt, ſcheint im letzten Grunde nur aus ſich ſelbſt verſtändlich zu ſein. Bei näherer Betrachtung weiſen die beiden Gegenſätze auf eine Ge- 65 meinſchaft hin. Es giebt Anordnungen der Kräfte, wie auf dem Gebiete des Lebens, in den organiſchen Bildungen durchweg, welche nur durch einen zuſammenhaltenden richtenden Gedanken verſtändlich ſind. Jn dieſen ſcheınt der Gedanke das letzte Beſtimmende zu ſein. Umgekehrt wird der Gedanke, ſo weit wir ihn im Menſchen kennen, durch die Kräf- 70 13/2r|

te bedingt, welche ihn tragen u. mit er|zeugen. Das Verhältniß dieſer Gemeinſchaft bleibt die erſte Aufgabe. Wenn nun die Betrachtung die blinden Kräfte und den bewußten Gedanken einander gegenüberſtellt und der Einheit entgegenführen will: ſo ergiebt ſich eine dreifache Möglichkeit. Entweder ſteht die nackte 75 Kraft vor dem Gedanken, ſo daß der Gedanke nicht das Urſprüngliche iſt, ſondern das von blinden Bewegungen Hervorgebrachte, ein Product und Accidenz der materiellen Kräfte; - oder der Gedanke ſteht voran, ſo daß die blinden Kräfte nichts für ſich ſind, ſondern vielmehr nur der Ausfluß oder das Erzeugniß des Gedankens; oder endlich Gedanke 80 und Kräfte ſind im Grunde dieſelben und unterſcheiden ſich nur in unſerm Verſtande. Nur dieſe drei Stellungen von Gedanken und Kraft kann es geben u. es ſind darin drei Grundanſichten beſtimmt. Jn der erſten herſchen die materiellen Kräfte; in der zweiten iſt der Gedanke das Uebergeordne- 85 te; in der dritten laufen beide, nur im Verſtande unterſchieden, in der Auffaſſung einander parallel.

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Ethiſche Unterſuchungen

Man könnte vielleicht meinen, daß ſich |die beiden Endpunkte, nack- |13/2v te Kräfte und Gedanken, dergeſtalt nach der Mitte bewegen laſſen, um 90

dort in eine Jdentität zuſammenzugehen. Eine ſolche würde indeſſen die Unterſchiede nur vermiſchen und verwaſchen u. es ließe ſich in dieſem Einerlei der Mitte nichts Beſtimmtes mehr denken u. aus dem Unbeſtimmten auch nıchts Beſtimmtes herausholen. Jene drei Weiſen der Anſchauung ſind in der Geſchichte der Philo-

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ſophie durch die verſchiedenen Richtungen der Sÿſteme vertreten, die erſte durch die materialiſtiſchen Lehren ſeit den alten Atomikern, die zweite durch die idealen Sÿſteme ınsbeſondere ſeit Plato, die dritte durch Spinoza. Es ſoll hier nicht wiederholt werden, daß alle Sÿſteme unter dieſe letzten Unterſchiede fallen, mögen ſich auch in einzelnen beide

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Richtungen begegnen. Jn dieſer Ableitung tritt Spinoza für ſich beſonders hervor. Jnwiefern er indeſſen nach ſeiner Anſicht eine Einwirkung des Gedankens auf die Ausdehnung und daher den Zweck mit ſeiner architektoniſchen Macht nicht anerkennen kann u. er alſo |nur die wirkende Urſache, die |14/1r

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nackten Kräfte, übrig behält: konnte er der phÿſiſchen Weltanſicht zugerechnet werden. Wenn dies geſchieht, ſo gehen die drei Stellungen auf zwei zurück und es ergeben ſich wieder die beiden Gruppen der phÿſiſchen und organiſchen Weltanſicht, welche am Schluß der logiſchen Unterſuchungen erwogen wurden.

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Die allgemeinen Betrachtungen führen auf dieſen Unterſchied und die Richtungen, welche aus den beſonderen Wiſſenſchaften entſpringen, zi[e]hen theils nach der einen theıls nach der andern Seite und bringen beide Anſichten in eine Spannung. Es würde dies noch offenbarer werden, wenn die Menſchen, welche ihre Vorſtellungen auf einzelnen Gebieten

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ſtillſchweigend auf andere übertragen, dieſe Verallgemeinerung zur bewußten Conſequenz des Ganzen ausbildeten. Wer die Menſchen nur wie

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik

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die Kräfte der Phÿſik oder die Zahlen in einer Gleichung auffaßt - und im äußern Verkehr, im Austauſch der Thätigkeit[,] unterliegen ſie vielfach einer ſolchen Betrachtung: der dehnt die phÿſiſche Weltanſicht in die Ethik aus. Wer umgekehrt die materiellen Kräfte als Thätigkeiten anſieht, 120 14/1v|

|die nur durch iſolirte Auffaſſung von dem Leben und dadurch von einem zum Grunde liegenden Gedanken losgeriſſen ſind; der arbeitet an der Erweiterung und dem Siege der organiſchen Weltanſicht. Zwar gewahren wir dieſe letzte Richtung in den Wiſſenſchaften nur ſparſam und die erſte überwiegt. Aber wir rechnen im Einzelnen die Thatſache dahin, daß 125 die ſcharfſichtigere Unterſuchung nicht ſelten, was für unorganiſche Maſſe galt, in Reſte und Erzeugniſſe des organiſchen Lebens verwandelte. Dıe Wiſſenſchaft als Wiſſenſchaft geht zur letzten Entſcheidung dieſes Kampfes einen langſamen Weg und ſie kann nicht anders. Eine directe Beobachtung iſt nicht möglich; die Atome, die vermeintlichen Träger der 130 Kräfte, entziehen ſich ſo gut den Sinnen, als der beſtimmende Gedanke auf der andern Seite, der Endzweck mit dem Sÿſtem der ihm untergeordneten Zwecke. Eine Speculation auf Einen Schlag wird ſchwerlich einen Streit entſcheiden, welcher nach u. nach mit den im Ablauf der Geſchlechter ſich ausbildenden einzelnen Wıſſenſchaften an Schärfe und 135

14/2r|

Macht wuchs. Die ſich vollendenden Wiſſenſchaften werden ihn |allein auf dem Wege entſcheiden, auf welchem ſie fort und fort in den einzelnen Kreiſen die Theorien zum Austrag bringen, indem ſie ſie entwickeln und an den Thatſachen meſſen. Es wird auf dieſem Wege leichter ſein, zwiſchen Ptolemaeus und Copernicus zu entſcheiden, obwol die Wiſſen- 140 ſchaft lange genug daran arbeitete, als zwiſchen dem Democritismus und Platonismus. Und doch kann die philoſophiſche Betrachtung bis zu dieſem in weite Ferne zurückreichenden Zeitpunkt nicht warten. Sie muß ſich, um den univerſellen Geſichtspunkt zu gewinnen, entſcheiden und ſich entweder auf die eine oder auf die andere Seite ſtellen; und ſie 145

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Ethiſche Unterſuchungen

wird dabei nicht anders verfahren können, als daß ſie die Thatſachen der Natur und der Geſchichte, der phÿſiſchen und der ſittlichen Welt auf die Grundfrage hinrichtet und in der Tiefe der Betrachtung mit ihr auszugleichen ſtrebt. Es iſt dabei unvermeidlich, daß die Lücken in 150

den Datis auf verſchiedene Weiſe eine Ergänzung zulaſſen und daher theils ſubjectiver Conſtructionen der Begriffe, theils Forderungen des Glaubens Raum geben. Aber vor allem kann die ethiſche Wiſſenſchaft bis zu einer ſolchen letzten Entſcheidung nicht warten. Es werden täglich und ſtündlich an ſie Fragen gerichtet u. ſie muß für die Antwort

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unge|achtet des übrigen philoſophiſchen Streites einen unbeſtrittenden |14/2v Grund zu erreichen ſuchen. Wir können für das, was uns zunächſt liegt, nicht erſt das Heil von dem Entfernteſten erwarten. Es muß verſucht werden, für die Ethik einen Boden zu gewinnen, der auch im Schwanken der Weltanſichten ſicher beharre. Es iſt dies nicht unmöglich; und die

160

Beiſpiele anderer Wiſſenſchaften geben uns Muth. Noch ſtreiten z.B. die Metaphÿſiker, was der Raum ſei; aber innerhalb dieſes Gebietes ſteht der pÿthagoreiſche Lehrſatz ſeit mehr als zwei tauſend Jahren feſt und wirkt in Verbindung mit andern Sätzen dazu mit, mehr und mehr geometriſche Einſicht und mathematiſche Kunſt u. Macht zu erzeugen. Aehnlich würde

165

es ſein, wenn es gelänge, ethiſche Begriffe[,] z.B. den Begriff des Rechts, unabhängig von den wechſelnden Antworten auf jene Grundfrage der Speculation, zur bleibenden Beſtimmtheit zu bringen. Wir werfen hiernach für dieſen ethiſchen Zweck auf die oben entworfenen Möglichkeiten der Weltanſicht einen betrachtenden Blick.

170

Wir ſcheiden zunächſt Spinoza aus, der zwar, inwiefern er den innern Zweck leugnet, von der negativen Seite zur |phÿſiſchen oder mechaniſchen |15/1r Weltanſchauung, zur Alleinherrſchaft der wirkenden Urſache[,] übertritt, aber von der poſitiven das Grundverhältniß von Denken und Ausführung verſchieden begreift und dadurch eine eigenthümliche Stellung behauptet.

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik

371

Nur eine conſequente Auffaſſung des ganzen Sÿſtems, nur eine durch- 175 gehende Vergleichung ſeiner Ausführung mit dem Grundgedanken, nur eine ſcharfe Scheidung von den beiden andern Anſchauungsweiſen, ſowol der materialiſtiſchen als der teleologiſchen, die ſich nur allzu leicht unterſchieben, nur ein offener und ſtrenger Verſuch, die metaphÿſiſchen Erklärungen mit den realen Thatſachen zu meſſen, vermögen der Frage 180 Genüge zu leiſten, ob Spinoza’s Lehre jene Nothwendigkeit in ſich trage, welche er ſelbſt als dies Unwandelbare und Ewige erſtrebt. Es iſt nicht möglich, eine ſolche weitläuffige Kritik an dieſer Stelle zwiſchenzuſchieben. Wir haben ſie an einem andern Orte verſucht und dürfen uns auf den Ertrag, den wir gewonnen haben, zurückbeziehen.3)

185

Wenn ſich in Spinoza’s Ethik die Kritik auf die formale Vollendung des 15/1v|

geſchloſſenen Ganzen richtet, ſo findet ſie in den Definitionen und |Axiomen aller Bücher philoſophiſche Vorausſetzungen, welche unbegründet daſtehen, und eine Vielheit von tragenden Anfangspunkten, deren Einheit des Urſprungs nicht nachgewieſen iſt. Wer Spinoza in dieſer Beziehung halten 190 wollte, müßte ihn ergänzen; und würde dies ſchwerlich anders können, als indem er Spinoza’s Vorſtellung von der Erkenntniß des reinen Verſtandes zu vollziehen u. „außerhalb der Wörter und Bilder“ rein zu denken verſuchte. Aber Spinoza’s geometriſche Methode und die ungeometriſche Dialektik des reinen Denkens, die alte Architektonik des ſtreng gebundenen Ganzen 195 u. die flüſſigen Begriffe einer modernen Conſtruction[,] ergäben nimmer ein Gebäude aus Einem Entwurf und in Einem Stil. Wenn ſich dann ferner die Kritik auf die reale Durchführung des Grundgedankens richtet, ſo erheben ſich noch größere Schwierigkeiten u. zeigen ſich noch größere Lücken.

15/1r||

||3) „Ueber Spinoza’s Grundgedanken und deſſen Erfolg “ in den Abhandlungen der Königl. Akademie der Wiſſenſchaften 1849. vgl. logiſche Unterſuchungen[.] Abſchn. VIII. II, S. 39 ff.

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Ethiſche Unterſuchungen

Vor allem müßte noch gezeigt werden, wie die Vorgänge zu begrei205

fen ſeien, in welchen ſonſt ein Zuſammenhang zwiſchen Denken u. Ausdehnung wie in deutlichen |Thatſachen vorzuliegen ſchien. Es müßte |15/2r namentlich in Bezug auf die Auffaſſung der Dinge gezeigt werden, wie die Sinneswahrnehmung, welche ſonſt als die Grundlage des Gedankens betrachtet wird, entweder ohne eine Einwirkung der Ausdehnung auf

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das Denken aufzufaſſen ſei oder mit dem, was Spinoza Gedanken nennt, keine Gemeinſchaft habe. Es müßte umgekehrt für die Thätigkeit des Menſchen nach außen gezeigt werden, wie ein vernünftiges Handeln, Spinoza’s ex ductu rationis agere, überhaupt möglich ſei, da im Menſchen alles vernünftige Handeln den Gedanken dergeſtalt zum Führer hat, daß

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er die Wirkung, die noch nicht da iſt, alſo in der Ausdehnung noch kein paralleles Gegenbild hat, entwirft und vorwegnimmt und darnach erſt den realen Vorgang der Mittel einleitet u. einrichtet. Spinoza ſagt ſeinem Grundgedanken gemäß ausdrücklich: [„W]eder der Körper kann den Geiſt zum Denken, noch der Geiſt den Körper zur Bewegung oder

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Ruhe oder irgend etwas Anderm beſtimmen[“] (III. 2). Wo indeſſen in dem ex ductu rationis agere die Vernunft führt, da muß ſie ſich doch mit der Bewegung und Ruhe einlaſſen; da beſtimmt ſie dieſe doch, wie z.B. in ihren Mitteln. |Es hätte gezeigt werden müſſen, wie namentlıch ſolche |15/2v Thatſachen, wie das gegliederte Leben, Begriffe, wie das Organiſche

225

und Schöne, ohne den Gedanken im Grunde der Dinge, ohne die inwohnende Einheit eines Zweckes wirklich verſtanden werden können. Es fehlt dem Spinoza mit dem Zweck ein Princip der Determination, wodurch ein individuelles Leben gebildet würde. Die Determination, die nichts als Verneinung iſt, hat keinen poſitiven Mittelpunkt. Spinoza

230

hat weder geſagt, wie ſich das Denken, noch wie ſich die Ausdehnung vom Unendlichen zum Endlichen beſtimme. Wenn deſſen ungeachtet ſeine ethiſche Anſicht auf der Grundlage ruht, daß jedes Weſen ſich

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik

373

in ſeinem Sein zu behaupten u. daß alle Tugend nur die Macht ſei, etwas zu bewirken, was allein aus den Geſetzen der menſchlichen Natur als ſolcher verſtanden werden kann: ſo ergiebt ſich leicht, daß Spinoza 235 ſtillſchweigend individuelles Leben vorausſetzt und damit in den teleologiſchen Standpunkt übergeht. Spinoza’s Ethik im engern Sinn hat 16/1r|

ıhren Kern in der Erklärung (eth. IV. Def. 8): „Un|ter Tugend und Macht verſtehe ich daſſelbe d.h. die Tugend, inwiefern ſie auf den Menſchen bezogen wird, iſt das Weſen des Menſchen ſelbſt, inwiefern es im Stande 240 iſt, etwas zu bewirken, was allein aus den Geſetzen ſeiner Natur begriffen werden kann“. Es iſt bemerkenswerth, wie nahe hier Spinoza die Ethik des teleologiſchen Standpunktes berührt. Ariſtoteles, von dem Gedanken der innern Zweckmäßigkeit geleitet, forſchte[,] da er das Princip der Ethik ſuchte, in dem Sinne nach dem eigenthümlichen Werk des Menſchen, 245 wie z.B. Hand u. Fuß ihr eigenthümliches Geſchäft verrichten, u. will darin die Beſtimmung erkennen. (eth. Nic. I. 6) Das Eigenthümliche II. 5 und Specifiſche der menſchlichen Natur iſt in beiden das Maß. Aber die Berechtigung und Bedeutung ſteht bei Ariſtoteles höher, da bei ihm die eigenthümliche Natur aus einem innern Gedanken abgegrenzt iſt, aber 250 bei Spinoza die Determination nur in der Negation ihr Weſen hat. Spinoza verſteht unter dem, was allein aus den Geſetzen der menſchlichen Natur begriffen werden kann, das begreifende Denken, das intelligere u. das Handeln, das aus ſolchen Begriffen folgt, das ex ductu rationis agere. Vgl.

16/1v| eth.

IV. 35. IV. |app. c. 4. Wir wollen die innern Schwierigkeıten nicht 255

drängen. Genau genommen ­­­­­- und Spinoza ſcheint es bisweilen ernſt zu nehmen - iſt das reine Denken, die sola puri intellectus cognitio das einzige, das allein und ausſchließlich aus der menſchlichen Natur begriffen wird. Wo noch ein Bild einfließt, da iſt immer noch ein Reſt eines äußern Verhaltens, da hat immern noch ein anderes Ding, der Gegenſtand der 260 Sinne, außer der menſchlichen Natur mitgewirkt. Wir drängen nicht die

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Ethiſche Unterſuchungen

innere Unmöglichk[ei]t dieſer sola puri intellectus cognitio, ſo daß eigentlich das, was einzig und allein aus der menſchlichen Natur zu begreifen wäre, verſchwinden würde. Wir nehmen alſo die Formel, da jedes 265

Handeln äußere Bedingungen vorausſetzt, in dem Sinne eines vernünftigen Wirkens und Gegenwirkens. Es fragt ſich dann, was im Sittlichen der Jnhalt des intelligere iſt. Ein Grundzug geht durch daſſelbe durch. Das menſchliche Weſen will ſein Sein behaupten und erweitern. Jeder leidende Zuſtand, der in ſeinem Jnnern Unluſt oder Furcht trägt, das Zeichen

270

des verminderten Eigenlebens, jeder leidende Zuſtand, der ſtatt Macht Ohnmacht iſt, wird daher vom vernünftigen Handeln ausgeſchloſſen. Ferner |wächſt die Macht des Einzelnen durch Vereinigung und doch |16/2r ſie iſt, was Eintracht erzeugt, ſittlich. Das Streben nach dem, worin alle übereinkommen, das Streben nach dem Allgemeinen der menſchlichen

275

Natur, wird dadurch das Streben der Vernunft. So ergiebt ſich das Allgemeine als der Jnhalt des menſchlichen Handelns, des Handelns, das allein aus den Geſetzen der menſchlichen Natur verſtanden werden kann. Es ergiebt ſich als eine Folge der Selbſterhaltung, aber reicht als ein Urſprüngliches, das der menſchlichen Natur zum Grunde liegt; es

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ergiebt ſich nur als ein Mittel für die Aufgabe der durch Vereinigung zu verſtärkenden Macht, als ein Conſequenz und Accidenz. Wo das Eigenleben für die Vermehrung ſeiner Macht, für die Selbſterhaltung ſeines Weſens, andere Wege ſieht, wird dieſer Beweggrund des Sittlichen wie ein künſtliches Band zerreißen. Wenn man, wie Spinoza thut, das

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menſchliche Weſen ohne innere Beſtimmung - denn die Determination iſt Negation - nur als Kraft faßt mit dem Triebe zu beharren, wie andere Kräfte: ſo tritt auch das intelligere nur als eine ſolche auf, und die andern Kräfte ſind gleich berechtigt. Denn jedes Ding hat nach der Natur ſo viel

290

Alternativvariante: 281 Conſequenz und Accidenz.] Nachfolgendes u. Zufallendes.

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik 16/2v|

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Recht als es Macht hat zu ſein und thätig zu ſein. Wo die |Kräfte in dem Kampf, den ſie alle um ihr Daſein führen, in dieſem Kriege aller gegen alle, das intelligere beſiegen, wo ſie das vernünftige Handeln unmöglich machen, da iſt auch nur das Naturgeſetz erfüllt. Das intelligere hat nur inſofern einen Vorzug, als es auf das Ganze geht; das Ganze iſt aber nur 295 berechtigt, ſo weit es in ſich zu beharren verſteht; wenn der Theil ſiegt, ſo hat er ebenſo viel oder mehr Recht. Denn was geſchieht, hat ein Recht zu geſchehen. Gut und böſe ſind nur Weiſen unſerer Vorſtellung. Die Strebungen, welche aus der Vernunft entſpringen, und die Begierden, welche ſich aus andern Urſachen in uns erzeugen, ſind inſofern nicht 300 verſchieden, als dieſe, wie jene Wirkungen der Natur ſind und die natürliche Kraft darſtellen, wodurch der Menſch in ſeinem Weſen zu beharren trachtet (tractat. polit. c. 2. § 18)[.] Erſt wenn das Ganze, der Menſch in ſich als Einzelner und die Gemeinſchaft der Menſchen, auf dem Werth eines innern Gedankens ruht und die Theile dieſem Gedanken unter- 305 geordnet ſind: ſo hat der ethiſche Trieb des intelligere die übergeordne-

17/1r|

te Stelle, die ihm gebührt. Spinoza hat in dem Trieb des menſch|lichen Weſens dies Ganze ſtillſchweigend vorausgeſetzt. Dadurch iſt er zu einem höhern Standpunkt übergetreten; und hat die atomiſtıſche Richtung des Eigenlebens, welche ſeiner Ableitung zum Grunde liegt, zurückgedrängt. 310 Wenn aus dem Gedanken des Eigenlebens, das ſich durch Vereinigung verſtärken will, wenn aus dem Gedanken der durch Eintracht zu vermehrenden Macht des Einzelnen ſchon ſo viel des Sittlichen folgt, als Spinoza in einfachem Gange daraus herleitet: ſo beweiſt das nur, daß auch die Glieder, damit ſie beharren können, das geſchloſſene Ganze ſuchen 315 müſſen; es beweiſt nur die Wechſelwirkung des Jntereſſes (des „ suum utile“) zwiſchen dem Ganzen u. den Theilen. Aber dem Gedanken des

Ganzen und dem Begriff des Theiles im Ganzen iſt dadurch nicht genug geſchehen.

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Ethiſche Unterſuchungen

Spinoza’s Ethik wirkt, indem ſie, ohne etwas vorzuſchreiben, in der Form mathematiſcher Sätze, beſchreibt, was der Vernünftige, der Freie thun, indem ſie durch eine ſolche Betrachtung, die auf das gerichtet iſt, was allein aus der menſchlichen Natur folgt, das Streben des eigenthümlich Menſchlichen erregt. Die Vorſtellung wirkt nothwendig in dieſer

325

Richtung. Jnwiefern ſie aber den Menſchen auf das hinweiſt, was ihn zum Menſchen macht: dient ſie in dem Menſchen, den ſie nur als nackte Kraft faßte, dennoch dem Gedanken, ohne den der Trieb ſeines Weſens nicht zu begreifen iſt. |Spinoza mußte im Sinne des Grundgedankens, nach welchem Den- |17/1v

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ken und Ausdehnung, unter ſich ın keinem Cauſalzuſammenhange, nur der verſchiedene Ausdruck einer und derſelben Subſtanz ſind, den Zweck, das [ ]

h ö chſte, einen das Weſen der Dinge beſtimmenden Gedanken verneinen. Vor ſeiner Grundanſchauung aus konnte er nicht anders. Dagegen ſind die Gründe, die er außerhalb derſelben hinzufügt, um den Zweck aufzuhe335

ben, nicht von gleichem Belang. So ſucht er z.B. zu zeigen, daß der Zweck dem Begriffe Gottes widerſpreche. (eth. I. 33. schol. 2). Diejenigen, welche annehmen, ſagt er, daß Gott unter dem Zweck des Guten thätig ſei, ſcheinen etwas, außerhalb Gottes zu ſetzen, was von Gott nicht abhängt, worauf indeſſen Gott in ſeiner Thätigkeit wie auf ein Vorbild hinblickt

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oder worauf er, wie ein Schütze auf die Scheibe hinzielt. Das heiße aber in der That nichts anders, als Gott einem Verhängniß unterwerfen. Es iſt ſchwer, in Gottes Begriff hinein zu argumentieren. Aber am wenigſten darf es im bloßen Bilde geſchehen. Der Menſch mag das Ziel, das er erreichen will, oftmals außer ſich haben. Aber wie ſchon er nicht |ſelten es |17/2r

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ſelbſt ſetzt, ſo fällt das Außen u. Jener im Abſoluten (in Gott), in dem ſich aus ſich beſtimmenden Gedanken von ſelbſt weg. Spinoza hat ſeinem Gott ein anderes Verhängniß gelaſſen, das iſt die Negation, die das Unendliche zum Endlichen macht, in ihrem Urſprung unbegriffen.

II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik

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Wir haben die Gründe angedeutet, welche den tiefer eingehenden Gedanken verhindern, die eigenthümliche Stellung zu behaupten, welche 350 Spinoza der Speculation in ſeinem Grundgedanken gegeben hat. Seine Ausführung zieht entweder, inwiefern der innere Zweck geleugnet wird, zum materialıſtiſchen, oder, durch ſtillſchweigende Vorausſetzungen zum teleologiſchen Standpunkt hinüber. Zwiſchen dieſen beiden geht der Kampf fort; u. wir müſſen uns zwiſchen ihnen entſcheiden.

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XXI. Das System (1862)

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XXI. Das System (1862)

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󶈠1󶈠3XXI. DAS SYSTEM.

1

1. Die verschiedenen Weisen der Begründung sind dargestellt worden. Wir haben darauf aufmerksam gemacht, wie sie einander fordern und im lebendigen Akte des Erkennens zusammenwirken.1 Ein Beispiel mag diese Einheit erläutern, die zugleich zu einer grösseren logischen Gestalt überleitet. Alles Verständniss ist Interpretation, sei es des gesprochenen Wortes oder der sinnvollen Erscheinungen selbst. Der innere Vorgang hat in beiden Fällen grosse Verwandtschaft. Wir vergegenwärtigen uns daher den Gang des Geistes in der philologischen Erklärung, um in dieser leichter zu beobachtenden Thätigkeit die verwickeltere wiederzufinden; und wir werden die Einheit der Methoden erkennen, wenn wir z. B. im Einzel-

3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

1 In den „ Erläuterungen zu den Elementen der aristotelischen Logik“ 2. Aufl. 1861 hat der Vf. Beispiele aus den verschiedenen Disciplinen gegeben, und in dem „Naturrecht auf dem Grunde der Ethik“ hat er einen ganzen Abschnitt (§§. 71–82) darauf verwandt, die Logik des Rechts in seiner Entstehung und Anwendung nach den verschiedenen Methoden, die sich darin verschlingen, darzustellen. Es ist wichtig, die abstrakte Logik nicht im Abstrakten zu halten oder in gemachten Beispielen zu entkräften, sondern in die wirklichen Wissenschaften zu verfolgen und dort in der vollen Bedeutung anzuschauen. Dazu mögen die genannten Schriften in Uebereinstimmung mit den „logischen Untersuchungen“ anleiten.

Seitenanzeiger der LU: LU1.II (󶈠1= S. 332), LU3.II (󶈠3= S. 443) Lesarten der LU:

1 XXI. DAS SYSTEM.] XIX. Das Syſtem. LU1.II, S. 332. 3 1. Die] Die »1« ist nicht miteingezogen. LU1.II, S. 332. 5 Akte] Acte LU1.II, S. 332. 5 f. Zusammenwirken.1] keine Fußnote LU1.II, S. 332. 7 grösseren] größern LU1.II, S. 332. 8 Verständniss] Verſtändniß LU1.II, S. 332. 10 grosse] große LU1.II, S. 332. 16–26 1 In bis anleiten.] nicht enthalten. LU1.II, S. 332.

2

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XXI. Das System. 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61

|3nen beobachten, welche Wendungen unser Denken stillschweigend macht, um eine schwierige und dunkle Stelle eines alten Klassikers zu verstehen. Das Verfahren ist dabei in seiner ganzen Richtung analytisch. Aus dem geschriebenen Worte als der sichtbaren Erscheinung soll der hervorbringende Grund, der Gedanke, gefunden werden. Indem wir aber diese Aufgabe lösen, verfahren wir sogleich synthetisch. Denn wir verstehen die einzelne Stelle, indem wir fortlesen, durch die lebendige Nachbildung des Ganzen. |1Wir stehen daher schon, wenn uns etwa eine Stelle als schwierig erscheint, mitten in dem hervortreibenden Grunde des Gedankens. Wir stossen gerade an, weil das analytische Verfahren, das aus den Zeichen den Sinn gleichsam sammelt, mit dem synthetischen, das von dem Ganzen her jeden durch die Analysis entstehenden Theil beleuchtet, in Widerspruch geräth. Der neue Theil will sich nicht in das gewonnene Bild des Ganzen fügen, und die Gewalt der Einheit, in der alles Verständniss geschieht, weist ihn als fremdartig zurück. Sogleich wird die bisherige Synthesis problematisch, und es fragt sich, ist der neue Theil oder das alte Ganze, oder sind beide unrichtig genommen und wie lassen sie sich vereinigen? Die Mittel, die wir in einer solchen Frage anwenden, sind zunächst analytisch. Wir construiren etwa die Stelle nach den Wortformen, die uns wie Erkenntnissgründe einen Rückschluss erlauben. Nun wird ein Sinn herausgebracht. Ist es der rechte? Der Zusammenhang der ganzen Stelle, also der Synthesis, ist die Probe dieses analytischen Ergebnisses. Die versuchte Erklärung ist vielleicht falsch. Die Widerlegung erscheint dann in einem indirekten Beweise. Denn gäbe jene Ansicht, schliessen wir, den richtigen Sinn, so wäre dies und das im Ganzen oder Einzelnen ungereimt. Der Zusammenhang leistet jenen Widerstand, von dem ein indirekter Beweis überhaupt ausgeht. Die Erklärung wird aufgegeben; eine neue wird versucht, bis das analytische Verfahren, das sich auf die grammatischen Verhältnisse stützt, und das synthetische, das aus dem Ganzen heraus dem innern

Seitenanzeiger der LU: LU1.II (|1= S. 333), LU3.II (|3= S. 444) Lesarten der LU: 36 schon, wenn] schon, wenn LU3.II, S. 444. 38 stossen] ſtoßen LU1.II, S. 333. 43 f. Verständniss] Verſtändniß LU1.II, S. 333. 47. vereinigen? Die] vereinigen? Die LU1.II, S. 333. 50 Erkenntnissgründe bis Rückschluss] Erkenntnißgründe [...] Rückſchluß LU1.II, S. 333. 54 indirekten] indirecten LU1.II, S. 333. 55 schliessen] ſchließen LU1.II, S. 333. 58 indirekter] indirecter LU1.II, S. 333.

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XXI. Das System (1862)

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XXI. Das System. |3Gedanken nachschafft, sich einander gegenseitig bestätigen. Die innere Genesis des Gedankens, die sich mit Nothwendigkeit in die gegebene Form kleidet, ist der direkte Beweis. In dem ganzen Vorgange ist der Blick auf das Individuelle gerichtet, und daher verschwindet leicht für die Beobachtung der Syllogismus, der aus dem faktisch Allgemeinen das Einzelne ableitet. Aber er ist stillschweigend vorhanden. Wenn z. B. in dem Verlauf eine allgemeine gramma|1tische Regel angewandt, oder wenn im indirekten Beweis aus einem Allgemeinen argumentirt wird: so geschieht es durch die rasche Verknüpfung eines Syllogismus der ersten Figur. Die ausschliessende Widerlegung endet meistens in einem Schluss der zweiten Figur. Die Induction ist als Hülfsmacht thätig, indem sie etwa eine lexicalische Bedeutung feststellt, die für das Verständniss versucht wird. In der raschen Wechselsprache der Gedanken unterscheiden wir diese verschiedenen Richtungen der Methode nicht. Wenn wir aber darauf merken, so bewundern wir unser eigenes Weber-Meisterstück:

62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79

„Wo Ein Tritt tausend Fäden regt, Die Schifflein herüber hinüber schiessen, Die Fäden ungesehen fliessen, Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt.“

80 91 82 83

Wir denken in ähnlicher Weise, wie wir uns bewegen. In einem Nu bewegen wir das freie Spiel der Hand. Wie viele Muskeln wirken dazu nicht in einer Einheit zusammen! Wenn der Physiolog uns ihre verschlungene Thätigkeit zeigt, so bewundern wir den Organismus. Die Formen des Denkens wirken geistig, wie leiblich die Muskeln. Wir üben beide, ohne sie zu sehen und zu kennen. Das Verständniss einer schwierigen Stelle, wie wir es eben zergliederten, ist gleichsam ein Musterbild alles Erkennens. Wenn überhaupt die Nachbildung der Sache aus dem Ganzen (Die Synthesis) in die Formen der Erscheinungen (die Erkenntnissgründe der Analysis) dergestalt hineinwächst, dass sich beide einander bejahen und bezeugen: so wird erreicht, was

84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96

Seitenanzeiger der LU: LU1.II (|1= S. 334), LU3.II (|3= S. 445) Lesarten der LU: 64 direkte] directe LU1.II, S. 333. 67 faktisch] factisch LU1.II, S. 333. 70 indirekten] indirecten LU1.II, S. 334. 72 f. Die bis zweiten Figur.] nicht enthalten. LU1.II, S. 334. 75 Verständniss] Verſtändniß LU1.II, S. 334. 80–83 schiessen, bis fliessen,] ſchießen, [...] fließen, LU1.II, S. 334. 91 Verständniss] Verſtändniß LU1.II, S. 334. 94 f. Erkenntnissgründe bis dass] Erkenntnißgründe [...] daß LU1.II, S. 334.

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XXI. Das System. 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131

|3aerreicht werden kann. Es ist nur die Aufgabe des Menschengeistes, dass er auf gleiche Weise die Welt als ein Ganzes verstehe. 2. In dem vorangehenden Beispiel, das den Knoten darstellt, zu dem sich die Methoden zusammenschürzen, tritt von Neuem hervor, dass der Geist auf eine Einheit des Ganzen der Erkenntniss gerichtet ist. Diese Einheit des Ganzen ist allent|1halben die stille Voraussetzung. Alle Erkenntnisse wollen um ein Centrum gravitiren. Das Entlegene soll nicht zerfallen und das Nahe nicht zusammenschwinden. Die Einheit ist nicht bloss Abwesenheit des Widerspruchs, welche zunächst im indirekten Beweise gefordert wird, sondern Gemeinschaft des Denkens und Seins, aus der allein die geistige Nothwendigkeit ihr ewiges Band webt. Das S y s t e m stellt diese grosse Einheit dar und ist gleichsam nur Ein erweitertes Urtheil. Denken und Sein entspricht sich auch hier. Der Begriff wurde im Urtheil lebendig, wie die Substanz in der Thätigkeit. Der Grund ergoss sich in seine Folgen, wie die Ursache in ihre Wirkung. Der Zusammenhang der Begriffe und Urtheile bildet das System, wie der Zusammenhang der Substanzen und Thätigkeiten die Welt bildet. Die logische Einheit, die der metaphysischen entspricht, ist oben behandelt worden. Die Nachbildung zeigt sich hier nur in einem grössern Massstab. Wir unterscheiden ein System der A n o r d n u n g und ein System der E n t w i c k e l u n g. Beide beherrschen eine Vielheit der Erkenntnisse durch die Einheit. In dem einen waltet die Uebersicht der Eintheilung, in dem andern die lebendige Erzeugung eines Princips. In jenem werden fertige Substanzen nach ihrer Verwandtschaft zusammengestellt, in diesem entstehen sie aus ihren Gründen. Die Herrschaft eines Eintheilungsgrundes bestimmt das System der Anordnung; die genetische Methode, wenn sie sich vollendet, bringt das System der Entwickelung hervor. |3bJenes

Seitenanzeiger der LU: LU1.II (|1= S. 335), LU3.II (|3a= S. 446, |3b= S. 447) Lesarten der LU: 98 dass] daß LU1.II, S. 334. 102 f. dass bis Erkenntniss] daß [...] Erkenntniß LU1.II, S. 334. 106 bloss] bloß LU1.II, S. 335. 107 indirekten] indirecten LU1.II, S. 335. 111 S y s t e m ] nicht gesperrt. LU1.II, S. 335. 111 grosse] große LU1.II, S. 335. 115 ergoss] ergoß LU1.II, S. 335. 115 Folgen, wie] Folgen, wie LU1.II, S. 335. 121 grössern Massstab.] größern Maßſtab. LU1.II, S. 335. 122 System] gesperrt gedruckt. LU1.II, S. 335. 123 beherrschen] beherſchen LU1.II, S. 335, beherschen LU3.II, S. 446.

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XXI. Das System (1862)

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XXI. Das System.

EU (Dbl.)

soll eine Vorstufe von diesem sein, und nur dieses ist im vorzüglichen Sinne System. Wenn zuerst durch eine A n s i c h t vom Standpunkt des Beschauers her auf eine Masse von Vorstellungen ein Lichtblick fällt, und sich diese nun in einem - wenn auch noch subjektiven - |1aGrundgedanken verknüpfen, wenn dann die T h e o r i e weiter in die Erklärung der Sache vordringt: so vollenden sich diese Versuche im S y s t e m. Das System will in seiner Entwickelung ein sich entwickelndes Gebiet von Erscheinungen decken und sucht das unabhängige Ganze. Die einzelnen Systeme der Wissenschaften sind selbst nur Glieder eines grossen Systems. Sie verwachsen in einander, indem sie aus einander Nahrung ziehen. Wenn sich diese abhängigen Glieder zu Einem Organismus zusammenschliessen, der sich selbst verwirklicht: so entsteht das Bild des grossen Systems, das das geistige Gegenbild der W e l t sein will. [...]󶈰1b (1)▶3. Es liegt in der Natur jener grundlegenden Wissenschaft, welche wir Eingangs bezeichneten1 und in unseren Untersuchungen verfolgten, dass sie, die logischen und metaphysischen Principien aufsuchend, die Grundzüge für die G l i e d e r u n g d e s S y s t e m s der Wissenschaften gewinne. Wir versuchen daher in einem Blick auf die Ergebnisse die Linien zu markiren, welche den Aufriss bilden. Wir legten auf den Begriff der Stufen, auf einen solchen Fortschritt ein Gewicht, in welchem nicht bloss das Frühere methodisch und real das Folgende vorbereitet, wie das Einfache das Zusammengesetzte, sondern auch das Frühere, gemessen an dem Zweck des Ganzen, als das Niedere erscheint, ohne welches wir jedoch das Höhere nicht erreichen. Ein solches Verhältniss sahen wir insbesondere in jenen beiden Gruppen von Principien, welche sich als wirkende Ursache und Zweck unterschieden. Die Stufen erheben sich und in der Entwicke1 Band I. S. 3 ff.

132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166

10/1v bis 11/2v

Seitenanzeiger der LU: LU1.II (|1a= S. 336, [...]󶈰1b= Textübernahme unterbrochen. Fortsetzung ab Z. 323.) Lesarten der LU:

Erläuterung:

134 Standpunkt] Standpunct LU1.II, S. 335. 136 f. subjektiven] ſubjectiven LU1.II, S. 335. 144 grossen] großen LU1.II, S. 336. 146 f. zusammenschliessen, bis grossen] zusammenschliessen, [...] grossen LU1.II, S. 336. 149–322 3. Es bis hinausweist.] nicht enthalten. LU1.II

149–322 3. Es bis hinausweist.] Der den LU2.II neu hinzugefügte und hier als ›Segment (1)‹ gekennzeichnete Text basiert grob auf dem in Dbl. 10/2r, Z. 3 bis Dbl. 11/2v, Z. 22 befindlichen Text der EU. Obwohl Tr. im Manuskript der EU den betroffenen Textabschnitt an einigen Stellen grob als Übernahme markiert, wird dieser für die LU2.II vollkommen neu formuliert.

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[S. 413]

XXI. Das System.

EU (Dbl.) 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201

|3alung sehen wir das Niedere zum Höheren streben, und das Hö-

here, selbst zu einer Zeit, da es äusserlich noch nicht da ist, das Niedere ziehen oder es sich zum Organ bereiten. In demselben Sinne bilden die Wissenschaften Stufen der Erkenntniss. Wir schliessen uns, um sie darzustellen, an d i e Fragen an, in welchen wir anfangs die Motive zur Logik und Metaphysik erblickten; und es wird dabei deutlich werden, ob und wie weit wir sie vor Augen hatten. Diese Fragen liessen sich in zwei Ausdrücke fassen, welche im Grunde dasselbe wollen. Allgemein genommen lauteten sie so: w i e i s t ü b e r h a u p t W i s s e n s c h a f t m ö g l i c h, und wie bringt der Geist N o t h w e nd i g k e i t hervor? Diese allgemeinen Fragen gliederten sich von selbst durch die sich absetzenden und abstufenden Principien in die besonderen darunter begriffenen. Durch die geforderte elementare Vermittlung des Denkens und Seins, welche sich als constructive Bewegung ergab, wurde die Grundlage gewonnen. Indem sich mit den Gebilden der entwerfenden Bewegung die Möglichkeit ergab, a priori anzuschauen, d. h. vor der Erfahrung und die Erfahrung bedingend, beantwortete sich die Frage: w i e i s t m a t h e m a t i s c h e E r k e n n t n i s s m ö g l i c h? Die logische That, auf dem Gebiet erklärte sich im Menschengeschlecht consequent wachsend, durch den Besitz eines realen Princips; denn die constructive Bewegung, Figuren und Zahlen erzeugend, muss als ein solches bezeichnet werden. Ohne ein reales Princip im Ursprung bliebe die reine Erkenntniss leer. In demselben Akt sehen wir die m a t h e m a t i s c h e N o t h w e n d i g k e i t entstehen. Wenn in aller Nothwendigkeit, wie sich in der Untersuchung der modalen Kategorien ergab,1 Subjektives und Objektives ||3bübereinstimmt, so stellt sich dies Verhältniss in der reinen Mathematik so, dass aus der eigenen Thätigkeit und ihrer innern Bestimmung das Gesetz der Sache fliesst. Die mathematische Erkenntniss ist die durchschaute Consequenz einer eigenen erzeugenden That. |3c

1 S. oben Bd. II. S. 176 ff.

Seitenanzeiger der LU: LU3.II (|3a= S. 448, |3b= S. 449, ||3c= S. 448) Lesarten der LU: 183 gewonnen. Indem] gewonnen. Damit wurde eine bewusstlose causale Thätigkeit, die Bewegung im Raume, an eine bewusste, die constructive, angeknüpft, beide als einander entsprechend betrachtet, und die bewusstlose, indem sie im Bewusstsein unter die Identität tritt, erkennbar gemacht. Indem [...] LU3.II, S. 448.

[S. 414]

XXI. Das System (1862)

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XXI. Das System. Aus der Construction und Determination entspringt das Mannigfaltige in der Einheit; und weil dieser Ursprung erkannt wird, ist es möglich, das gegebene Mannigfaltige auf das Gesetz des Ursprungs zurückzuführen und die Consequenz in der Wechselwirkung der entstandenen Gebilde zu verfolgen. Es handelt sich nur darum aufzufinden, was in der erzeugenden That mit gesetzt ist; und darauf richtet sich der mathematische Scharfsinn in der Erkenntniss der Gesetze. In dem Beispiel Kants, 7 + 5 = 12, zählen w i r zusammen, setzen w i r ab, haben w i r die dekadische Ordnung gestiftet. Das Beispiel der mathematischen Nothwendigkeit, 2 × 2 = 4 (wir sagen, etwas sei so gewiss, als 2 mal 2 4 ist), leuchtet jedem ein, weil es die eigene That ist. Einmal gesetzt ergiebt es durch Beziehungen, die es aufnimmt, anderes Nothwendiges, z. B. 4 : 2 = 2, 3 + 1 = 4 u. s. w. Ebenso verhält es sich mit dem Dreieck, das wir construiren, mit den Parallelen, die wir ziehen. Die trigonometrischen Gesetze, welche niemand beim ersten Blick in dem Dreieck ahnet, sind doch darin; wenn mit dem Dreieck der Kreis und dessen Beziehungen combinirt werden, treten sie hervor. Es kommt für den Fortschritt der mathematischen Nothwendigkeit nur darauf an, dass man die Mittel finde, die Consequenz des Wesens in der Wechselwirkung mit Anderem zu verfolgen. Die mathematische Nothwendigkeit gilt sprichwörtlich als die strenge. Sie ist mit nichts Fremdem, das von aussen käme, und darum mit nichts Zufälligem versetzt. Auf dem Gebiete der Erfahrung, welches als die zweite Stufe erschien, herrscht das Gegebene. Der Erkennende steht auf demselben in realer Wechselwirkung mit dem Realen, und die Wahrnehmung, welche ihm zuletzt in Lust und Unlust empfindlich wird, verbürgt ihm diese Wirklichkeit. Daraus geht auf diesem Gebiete der Begriff der T h a t s a c h e hervor. Wie |3auch der Rückschluss sich vom ersten Eindruck entferne, ihm liegt die Wirkung des Realen zum Grunde. Im Gegensatz gegen Spiele der Einbildung, gegen losgerissene Vorstellungen, welche in uns ihr Wesen treiben, unterrichtet die durch die

Seitenanzeiger der LU: LU3.II (|3= S. 450) Lesarten der LU: 232 auf diesem Gebiete und hervor.] Unter »auf diesem Gebiete« steht eingezogen (petit): »Log. Untersuch. II. 3. Aufl.«. Unter dem »hervor« steht (petit): »29«. LU3.II, S. 449.

EU (Dbl.) 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225 226 227 228 229 230 231 232 233 234 235 236

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XXI. Das System.

EU (Dbl.) 237 238 239 240 241 242 243 244 245 246 247 248 249 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259 260 261 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271

Thatsache gebundene Erfahrung durch die Dinge selbst und schafft Macht über die Dinge. In dem Neuen, das diese Stufe darstellt, wirkt das Alte. Die Aneignung durch die Sinne geschieht mit Hülfe der constructiven Bewegung; die Ergründung geht in mathematische Gesetze zurück; die Materie ist zuletzt nur durch die Bewegung verständlich. So beantwortet sich die Frage, w i e d i e E r f a h r u n g d e r m a t e r i e l l e n K r ä f t e (die Physik im engern Sinne) m ö g l i c h s e i. In Ihr bringt der Verstand von Neuem Nothwendigkeit - nennen wir sie m a t e r i e l l e (physische) N o t h w e n d i g k e i t - hervor, deren Eigenthümliches innerhalb der wirkenden Ursache die Verflechtung von Thatsache und Grund ist. Die zwingende Thatsache, die Basis dieser Nothwendigkeit, übt zwar nur einen äussern Zwang, aber die mathematische Betrachtung des Grundes verwandelt ihn in geistige Nothwendigkeit. Man denke einmal aus der Physik und Technik das mathematische Element, alle Constructionen und Rechnungen hinweg, und man sieht ein, dass keine Nothwendigkeit darin übrig bleibt. Es ist daher der Satz richtig, dass nur so viel Nothwendigkeit in der Physik sei, als Mathematik darin ist. Die materielle Thatsache wird von der mathematischen Nothwendigkeit durchdrungen. Eine dritte Stufe erscheint da, wo die o r g a n i s c h e N a t u r einen neuen Grundbegriff offenbart, dem die früheren Principien als Bedingung seines Daseins dienen. Im Zweck, den der erfindene Geist entwirft und der betrachtende, wo er verwirklicht ist, wiedererkennt, im Zweck, der nur aus dem vorbildenden, die Wirkung zur Ursache vorwegnehmenden Gedanken verständlich ist, beantwortet sich die Frage, wie eine E r k e n n t n i s s d e r o r g a n i s c h e n N a t u r m ö g l i c h s e i . Sie ergiebt die o r g a n i s c h e N o t h w e n d i g k e i t . Ruhend auf den beiden vorangehenden Stufen, denn diese werden ihr Organ, |3wird sie durch den Gedanken als die entwerfende, das Viele sich unterordnende Einheit eigenthümlich; sie ist die Nothwendigkeit aus dem bestimmenden Gedanken des Ganzen. Wie in der geometrischen Aufgabe die erkannten Gesetze zum Mittel

Seitenanzeiger der LU: LU3.II (|3= S. 451)

[S. 416]

XXI. Das System (1862)

391

XXI. Das System. der Lösung werden, so wird für den Zweck, aus welchem die organische Nothwendigkeit entspringt, die mathematische und physikalische Mittel. Der Gedanke eines Ganzen wird die Seele einer physischen Nothwendigkeit. Die constructive Bewegung macht das Wort möglich, das dem Plato zugeschrieben wird: Gott sei in der Welt Geometer; und wenn er es ist, im Physikalischen wie im Organischen, so musste das Princip dieser göttlichen Geometrie den Anfang bilden. Da nur aus einer Gemeinschaft des Denkens mit dem Seienden, aus einer Berührung des Subjektiven und Objektiven die Nothwendigkeit, gleichsam das anerkannte Sein, hervorgeht: so ist nun das subjektive Element gestiegen. Wo sich der Gedanke im Physikalischen noch an die materielle Vielheit entäussert, findet er im Organischen seinen eigensten Begriff als einen bildenden wieder. Aus der organischen Stufe hebt sich endlich die ethische hervor. Sie beherrscht die früheren und befreit sie zugleich. Wenn man fragt, w i e e i n e E r k e n n t n i s s d e s E t h i s c h e n m ö g l i c h s e i, so liegt die Antwort darin, dass der letzte Zweck des menschlichen Wesens und die menschliche Natur als Mittel oder Organ zu diesem Zweck kann erkannt werden. Indem nun das Gesetz in den Willen eintritt, erscheint die e t h i s c h e N o t h w e n d i g k e i t, und indem der Wille dem Gesetze seines Wesens genügt, dieselbe Nothwendigkeit als Freiheit. In der ethischen Nothwendigkeit ist die organische, die aus der Einheit die Vielheit bestimmt, und mit der organischen die physikalische und mathematische Nothwendigkeit vorausgesetzt. Die Kräfte, welche in der organischen Mittel sind, steigen in der ethischen zu Personen, welche Mittel und zugleich Zweck in sich selbst sind. Von Stufe zu Stufe werden die Principien concreter, verwachsener, gebundener, aber durch die erkannten Bedingungen |3der vorangehenden auch lichter, freier. In demjenigen Elemente, in welchem auf jeder Stufe der denkende Geist mit ihnen Gemeinschaft hat, ist ihm die Möglichkeit gegeben, sich den von diesen Principien bestimmten Objekten so anzuschmiegen, dass

Seitenanzeiger der LU: LU3.II (|3= S. 452) Lesarten der LU: 302 erkannten Bedingungen] mittig darunter (petit): »29*«. LU3.II, S. 451.

EU (Dbl.) 272 273 274 275 276 277 278 279 280 281 282 283 284 285 286 287 288 289 290 291 292 293 294 295 296 297 298 299 300 301 302 303 304 305 306

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[S. 417]

XXI. Das System.

EU (Dbl.) 307 308 309 310 311 312 313 314 315 316 317 318 319 320 321 322 323 324 325 326 327 328 329 330 331 332 333 334 335 336 337 338 339 340 341 342

er sie erfasst. Seine logischen Formen gehören daher allen Wissenschaften an, aber bestimmen sich in ihnen specifisch nach dem Objekte, damit durch sie die Erkenntniss der Nothwendigkeit reife. Es lässt sich nicht leugnen, dass diese Stufen, welche die Eintheilung des nach den innern Principien fortschreitenden Systems bilden müssen, sich zu u n s hin erheben, und es ist, als ob wir auf der letzten u n s krönten. Thun wir es wirklich? Wir bekennen, dass, was wir Menschen System nennen, nur aus einem Stücklein der Welt stammt und nur auf der Erde, also vielleicht nur auf einem in grossem Raum hineingeschleuderten Abspliss des durchglühten und scheinenden Sonnenherzens, gedacht ist; aber wir fühlen, dass sich schon in aller Nothwendigkeit ein Zug kund giebt, der mächtiger ist als der Mensch und über den Menschen, den allenthalben bedingten, hinausweist.◀ 󶈠1a4. Schon in dem Gedanken der Welt überfliegen wir den Kreis der Erfahrung. Denn wohin wir blicken, da ist Stückwerk. Aber durch den Zug des Geistes getrieben, ergreifen wir das Ganze. Die Idee der Wissenschaft geht hier weiter als ihre Verwirklichung. Nicht einmal das Ganze der im grossen und im kleinen Raum unendlichen Erscheinungen ist zugänglich; viel weniger die Tiefe des ganzen Grundes. Nur der Prometheustrotz des menschlichen Erkennens weist auf die Erde als den alleinigen Wohnplatz des Geistes und spricht vermessen: hic Rhodus, hic salta; als ob es nichts anderes gäbe. Zeigt uns doch schon die Erfahrung die Welten, die wir nicht kennen. Aber allerdings ist uns genug gegeben, und es ist unsere Aufgabe, aus den Bruchstücken den Geist des Ganzen zu verstehen; denn die Erscheinungen sind seine Offenbarungen.󶈰b |3Es kündigt sich hierin ein neuer Begriff an, ein Begriff des Geistes, die bedingte Erfahrung kühn übersteigend, das Unbedingte, das A b s o l u t e, das als der eigentliche Gegenstand der Metaphysik betrachtet wird; und es bleibt für das nächste Log. Untersuch. II.

27

Seitenanzeiger der LU: LU1.II (󶈠1a= Fortsetzung von S. 336, 󶈰1b= Kapitel endet auf S. 336.), LU3.II (|3= S. 453) Lesarten der LU:

323 4. Schon bis Welt] Mit dieſem Gedanken LU1.II, S. 336. 324 Erfahrung. Denn] Erfahrung. Denn LU1.II, S. 336. 328 grossen] großen LU1.II, S. 336. 332 f. hic bis salta] nicht kursiviert (Antiqua). LU1.II, S. 336. 333 anderes] Anderes LU1.II, S. 336. 334 kennen.] kennen? LU1.II, S. 336. 335 gegeben,] gegeben; LU1.II, S. 336. 335 f. Aufgabe,] Aufgabe LU1.II, S. 336. 341 f. wird; bis es] wird. Zu demselben Begriff werden wir geführt, wenn wir die Gründe der Dinge rückwärts in die Bedingungen verfolgen, von Bedingungen zu den Bedingungen der Bedingung schreitend. Der erste Grund, der alle bedingen würde, wird selbst das Unbedingte sein. Es [...] LU3.II, S. 453. 342 Log. bis 27] Verweis nicht enthalten. LU3.II, S. 453.

[S. 418]

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Kapitel die Frage übrig, o b u n d w i e w e i t e i n e E r k e n n t n i s s d e s U n b e d i n g t e n m ö g l i c h s e i. Die Antwort muss mit dem Nothwendigen, das die vorangehenden Untersuchungen ergaben, in engem Zusammenhang stehen. Ehe wir zu dieser letzten Frage übergehen, mag nur noch ein Punkt erörtert werden, damit in der eben angedeuteten Gliederung der Wissenschaften keine Lücke bleibe. Wenn wir mit den Principien die Wissenschaften sich abstufen und als mathematische, physikalische, organische und ethische sich erheben sahen: so fragt sich, wohin gehört denn die Logik und Metaphysik, deren Einheit wir festgehalten haben? Wir haben sie oben als grundlegende Disciplin bezeichnet und wir bemerken Folgendes zur Rechtfertigung. (2)▶In der Eintheilung und Reihenfolge der Wissenschaften kreuzen sich leicht zwei leitende Gesichtspunkte, die Ordnung, welche der Entstehung der Sache folgt, und die Ordnung, welche der Gang des Lehrens und Lernens nöthig macht. Die methodische Rücksicht durchschneidet die genetische Strenge. Denn die genetische Betrachtung schöpft aus dem Grunde der Sache, während sich die methodische Anordnung den Bedürfnissen des sich entwickelnden lernenden Geistes anpasst.◀ (3)▶Die Stellung der Logik erscheint daher in den Systemen nicht selten wie ein Hysteronproteron. Als Theorie der Wissenschaft muss sie in Principien eingehen, welche den übrigen Wissenschaften angehören und welche sie von ihnen erst überkommt; und doch kann sie im philosophischen System der Disciplinen nicht wohl nachfolgen; denn sie soll ihnen den Grund sichern und |3den Bau vorzeichnen. Als Ergründung des subjektiven Denkens wird die Logik im genetischen System zu einem Theil der Psychologie; aber als Erkenntnisslehre, als Theorie der Wissenschaft, muss sie nicht bloss der Psychologie,|e sondern auch den Wissenschaften, welche dieser vorangehen, zur Wegweiserin dienen. Dies doppelte Verhältniss bringt in die Stellung der Logik ein Schwanken.◀ (4)▶Wenn man sich in den Punkt hineinstellt, auf welchem

343 344 345 346 347 348 349 350 351 352 353 354 355 356 357 358 359 360 361 362 363 364 365 366 367 368 369 370 371 372 373 374 375 376 377

5/2v

6/1r f.

|e6/1v

6/2v f.

Seitenanzeiger der LU: LU3.II (|3= S. 454) Lesarten der EU: Textsegment (2) (Z. 356–363): 356 In] Jn EU, Dbl. 5/2v. 363 lernenden bis anpasst.] menſchlichen [...] anpaßt. EU, Dbl. 5/2v. Textsegment (3) (Z. 363–376): 364 f. Logik bis Hysteronproteron.] Logik, der Erkenntnißlehre[,] erſcheint insbeſondere wie ein Hyſteronproteron der meiſten Sÿſteme. EU, Dbl. 6/1r. 365 muss] muß EU, Dbl. 6/1r. 366 f. angehören] angehören, EU, Dbl. 6/1r. 368 der Disciplinen] den übrigen Disciplinen EU, Dbl. 6/1r.

369 nachfolgen; bis und] nachfolgen, [...] u. EU, Dbl. 6/1r. 370–375 Als bis dienen.] Als Ergründung des Denkens wird ſie im genetiſchen Sÿſtem zu einem Theil der Geiſteslehre, zu einer Seite der Pſÿchologie. Aber als Logik hat ſie die Aufgabe, nicht blo[ß] der Pſÿchologie, |ſondern auch den Wiſſenſchaften, welche dieſer nothwendig vorangehen, zur Wegweiſerın zu dienen. EU, Dbl. 6/1r f. 375 Verhältniss bis Schwanken] Verhältniß [...] schwanken, EU, Dbl. 6/1v. 376 Schwanken.] Schwanken, EU, Dbl. 6/1v.

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XXI. Das System.

EU (Dbl.)

7/1r|e

[S. 419]

378 379 380 381 382 383 384 385 386 387 388 389 390 391 392 393 394 395 396 397 398 399 400 401 402 403 404 405 406 407 408 409 410 411 412 413

überhaupt erst die Philosophie in ihrem Unterschiede von den einzelnen Wissenschaften entsteht: so wird sich der Cirkel lösen, in welchem eine solche Wissenschaft die folgenden philosophischen Disciplinen zu begründen und doch auf ihrem Grunde zu stehen scheint. Obzwar die Philosophie, wenn wir die Geschichte fragen, in einer Einheit mit den übrigen Wissenschaften entstand, so hat sich doch durch die Theilung der Arbeit dieser Verband längst gelöst, und die Philosophie findet jetzt die einzelnen Wissenschaften in ihrer Zerstreuung und in der Gestalt vor, die sie sich für sich gegeben haben. Die Logik und Metaphysik haben in ihnen ihren Stoff der Betrachtung; sie finden in ihnen Methoden und vorausgesetzte Principien vor und haben die Aufgabe, ihren Ursprung und ihre Einheit aufzusuchen. Durch diese Auffassung der gemeinsamen Quelle, durch diese gegenseitige Regelung und Belebung wird der philosophische Gehalt erzeugt, und es entstehen |ediejenigen Keime, welche in der Entwickelung des Systems zu den Principien der philosophischen realen Disciplinen werden. Auf diese Weise werden zwar die vereinzelten Wissenschaften in ihren geschichtlichen Gestalten von der grundlegenden Wissenschaft der Logik und Metaphysik vorausgesetzt, aber die philosophischen Disciplinen gehen in ihrer Gliederung aus dieser hervor. Die Logik und Metaphysik greifen also nicht in die philosophischen Disciplinen vor, sondern in die empirischen zurück.◀ In diesem Sinne ist die Philosophie weder eine müssige Wiederholung der besonderen Wissenschaften noch ein ency|3klopaedischer Auszug derselben, sondern auf dem Grunde der Logik und Metaphysik, der Fundamentalphilosophie, vollendet sie die jeweilige Erkenntniss des Menschengeschlechtes, indem sie, auf die Idee des Ganzen bedacht, die philosophischen Principien in der Gliederung des Besondern geltend macht und für das untergeordnete Besondere die Principien erzeugt oder bedingt. Wie weit sie dabei in die einzelnen Wissenschaften vorrücke, bleibt die Kunst überlassen, mit der sie das Princip ge27*

Seitenanzeiger der LU: LU3.II (|3= S. 455) Lesarten der LU: 413 414 439 449

27*] Verweis nicht enthalten. LU3.II, S. 455. handhabt. So] handhabt. So LU3.II, S. 455. Kunst. 3] Kunst. 1 LU3.II, S. 456. 3 Metaphysik] 1 Metaphysik LU3.II, S. 456.

Lesarten der EU: Textsegment (4) (Z. 377–402): 378 f. Unterschiede bis Cirkel] Unterſchied [...] Zirkel EU, Dbl. 6/2v. 383–386 Obzwar bis Philosophie] Obwohl die Philoſophie, wenn wir die Geſchichte fragen, in ei-

ner Einheit mit den übrigen Wiſſenſchaften entſtand, ſo hat ſich durch d. Theilung der Arbeit längſt dieſer Verband gelöſt u. die Philoſ. [...] EU, Dbl. 6/2v. 393 ff. wird bis Entwickelung] wird erſt der philoſophiſche Gehalt erzeugt: Es kann nicht fehlen, daß in dieſem Vorgan|ge diejenigen Keime entſtehen, welche in der Entwicklung EU, Dbl. 6/2v f. 396 ff. Auf bis von] Die vereinzelten Wiſſenſchaften in ihren geſchichtlichen Geſtalten werden von EU, Dbl. 6/2v. 401 also] fehlt in den EU, Dbl. 6/2v.

[S. 420]

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XXI. Das System.

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staltend handhabt. So entwirft sie auf dem Boden der grundlegenden Wissenschaft, der Logik und Metaphysik, jene vier sich abstufenden Realdisciplinen und knüpft sie an die Erkenntniss des Absoluten als an den letzten Befestigungspunkt. (5)▶5. Die vorgeschlagene Eintheilung der Philosophie ist aus den Principien der Sache, aus dem innern Verhältnisse der Gegenstände entnommen, und nur eine solche wird scharf und bestimmt ausfallen. Zufolge einer Bemerkung des Sextus Empiricus1 liegt dem Keime nach schon bei P l a t o die Eintheilung der Philosophie, welche bei den Stoikern zur Norm des Systems wurde, in Dialektik, Physik und Ethik.◀ Bei Plato ist die Dialektik jene grundlegende, die Idee darthuende Wissenschaft, welche Logik und Metaphysik einigt, und Physik und Ethik werden von ihr getragen. Nach dem Ergebniss unserer Untersuchungen muss sich die Physik in die Erkenntniss der mathematischen, physikalischen und organischen Stufe unterscheiden. Was sich bei Cartesius als Andeutung einer Eintheilung2 und bei Spinoza in der Reihenfolge seiner ethischen Bücher als Plan findet, entspricht im Grossen und Ganzen der ursprünglichen einfachen Anlage der platonischen Eintheilung. (6)▶In A r i s t o t e l e s tritt ihr früh eine subjektive entgegen, welche die Philosophie nach den drei Weisen menschlicher Thätigkeit, nach dem Betrachten, Handeln und Bilden, als theore|3atische, praktische und poietische gliederte, als Erkenntniss der Betrachtung, des handelnden Lebens und der bildenden Kunst.3 Es war ein Abfall von dem ersten Gesichtspunkt, wenn in einem neuen sachlichen Theilungsgrunde die theoretische Philosophie sich in erste Philosophie, Physik und Mathematik, die praktische in Ethik, Oekonomik und Politik schied und dann die Logik als Werkzeug der Disciplinen allen vorangestellt wurde;◀ |3b

1 Adv. mathematicos VII. §. 16. 2 Epist. ad principiorum philosophiae interpretem Gallicum p. 10 f.

nach der Amsterdamer Ausgabe. 1685. 3 Metaphysik VI. 1, vgl. nikomachische Ethik VI. 2–5. ||3c

414 415 416 417 418 419 420 421 422 423 424 425 426 427 428 429 430 431 432 433 434 435 436 437 438 439 440 441 442 443 444 445 446 447 448 449

4/2r

1/2v f.

Seitenanzeiger der LU: LU3.II (|3a= S. 456, |3b= S. 455, ||3c= S. 456) Textsegment (5) (Z. 418–424): 418–424 5. Die bis Ethik] Es begegnet uns auf dieſem Wege eine alte Eintheilung, die zufolge einer Bemerkung des Sextus Empiricus dem Keime nach bereits in Plato liegt, aber erſt von den Stoikern zur Norm des Sÿſtems genommen wurde. Es iſt die Eintheilung der Philoſophie in Logik, Phÿſik und Ethik. EU, Dbl. 4/2r.

Textsegment (6) (Z. 435–444): 435–444 In bis wurde;] Danarch iſt die Erkenntniß theils Erkenntniß der Betrachtung, theils des handelnden Lebens, theils der bildenden Kunſt und die Philoſophie theilt ſich demgemäß in theoretiſche, praktiſche und poietiſche. Aus welchen weitern Gründen die theoretiſche Philoſophie ſich in erſte Philoſophie, Phÿſik und Mathematik, die praktiſche in Ethik, Oekonomik und Politik theilte und die Logik als Werkzeug der Disciplinen allen vorangeſtellt wurde: das kann an dieſem Orte |unerörtert bleiben. EU, Dbl. 1/2v f.

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EU (Dbl.)

3/1r f.

3/1v|e 2/2v f. 3/1r|e

2/1v

3/1r 3/1v

[S. 421]

450 451 452 453 454 455 456 457 458 459 460 461 462 463 464 465 466 467 468 469 470 471 472 473 474 475 476 477 478 479 480 481 482 483 484

und diese Wendung zum Objektiven mag auf sich beruhen. Es fragt sich, wie weit jener erste und allgemeinste Eintheilungsgrund genüge. (7)▶Es soll nicht verkannt werden, dass sich die drei Thätigkeiten, das Betrachten, das Handeln und das Bilden, nach den Richtungen ihres Zweckes unterscheiden. Das Betrachten will erkennen, um zu erkennen; das Bilden will hervorbringen, um einen Gedanken anzuschauen oder eine Empfindung hinzuheften; das Handeln hingegen will eine Wirkung als solche. Aber diese verschiedenen Zwecke tragen die anderen wechselsweise als Mittel in sich |eund eignen sich darum nicht zur specifischen Differenz.◀ (8)▶Das Betrachten ist im Handeln, wie im Bilden, als Erforderniss mit enthalten. Denn das Handeln muss von Vernunft durchdrungen sein und das Bilden soll eine Idee darstellen und zur Anschauung bringen. Ebenso ist das Bilden |ein dem Handeln, wie in dem Betrachten, enthalten; denn das Handeln vollendet sich erst in der sittlichen Schönheit, in einer Darstellung, die wie das Kunstwerk ihrer Idee entspricht. Das Betrachten bedarf der Hervorbringungen, um zum Ziel zu gelangen.◀ (9)▶Man kann in den Disciplinen die Theoreme und Probleme, die Lehrsätze und Aufgaben wie Wissenschaft und Kunst einander entgegenstellen. Wer nun wahrnimmt, wie die Lösung der Aufgaben durch die Erkenntniss, die Lehrsätze und der Beweis der Lehrsätze durch die Ausführung von Aufgaben bedingt ist, wie ferner in den Naturwissenschaften Beobachtung und Experiment einander begleiten: der sieht leicht ein, wie Wissenschaft und Kunst, Betrachten und Bilden mit einander |3fortschreiten und daher diese Begriffe nicht geeignet sind, eine Grenzlinie zwischen zwei Gebieten der Philosophie zu ziehen.◀ (10)▶Endlich vollzieht sich das Handeln im wissenschaftlichen Berufe durch das Betrachten und im künstlerischen durch das Bilden auf eigenthümliche Weise.◀ (11)▶Wird daher eine Eintheilung der Philosophie auf dem Grunde dieser Begriffe streng ausgeführt, so sind Wiederholungen unvermeidlich.◀ Schon bei Aristoteles, dem Urheber dieser Dreitheilung, in dessen eigenthümliche Bestimmung wir uns enthalten haben einzugehen, wird

Seitenanzeiger der LU: LU3.II (|3= S. 457) Lesarten der LU: 506 Einfluss.3] Einfluss.1 LU3.II, S. 458. 515 S. 141 f.] S. 162 f. LU3.II, S. 457. 519 3 K a n t] 1 K a n t LU3.II, S. 458. Lesarten der EU: Textsegment (7) (Z. 452–460): 452 soll nicht bis dass] ſoll dabei nicht [...] daß EU, Dbl. 3/1r. 453 Bilden,] Bilden EU, Dbl. 3/1r. 455 erkennen,] erkennen[,] EU, Dbl. 3/1r. 458 ff. Zwecke bis Differenz.] Zwecke, da ſie die andern wechſelsweiſe als Mittel in ſich tragen, |ſind al-

lein nicht geeignet, um die Theile der Philoſophie mit ſcharfen Unterſchieden zu begrenzen. EU, Dbl. 3/1r f. Textsegment (8) (Z. 460–468): 460 f. ist bis Erforderniss] iſt vielmehr [...] Erforderniß EU, Dbl. 2/2v. 461 f. muss bis Idee] muß [...] Jdee EU, Dbl. 2/2v. 463 und] u[.] EU, Dbl. 2/2v. 464 Betrachten,] Betrachten EU, Dbl. 3/1r. 466 ff. die bis gelangen] die, wie das Kunſtwerk, ihrer Jdee entſpricht, und das Betrachten bedarf, wie ſchon gezeigt iſt, des Hervorbringens, um ſich zu verwirklichen, und muß ſich darſtellen, um ſich ſelbst klar und andern zugänglich zu werden. EU, Dbl. 3/1r.

[S. 422]

XXI. Das System (1862)

397

XXI. Das System.

EU (Dbl.)

es zweifelhaft, wohin einzelne Disciplinen, z. B. die Rhetorik, zu rechnen seien. (12)▶Auf ähnliche Weise verhält es sich mit den in neuerer Zeit viel genannten und neben einander gestellten Ideen des Wahren, Guten und Schönen. Sie drücken das als Gegenstand aus, was in den Begriffen des Betrachtens, Handelns und Bildens als Thätigkeit angeschauet wird. Nur die oberflächliche Ansicht vermag sie zu trennen. Wer in sie tiefer eindringt, wird bald gewahr, dass man nicht den Inhalt der einen heben kann, ohne den Inhalt der anderen mitzuheben.1 Die aristotelische Eintheilung greift bis in die neuere Zeit hinein. C h r i s t i a n W o l f theilte die Philosophie in die theoretische und praktische. B a u m g a r t e n fügte die Aesthetik hinzu und stellte insofern als dritten Theil die poietische Philosophie wieder her. |eK a n t ist, was die Eintheilung der Philosophie betrifft, von Chr. Wolf abhängig. Man sieht es deutlich, wenn man Kants Architektonik der reinen Vernunft mit der Einleitung zu Wolfs Logik vergleicht.2 Wenn Kant, wie Wolf, die Philosophie zunächst in theoretische und praktische eintheilt, so hat darauf bei Kant, wie bei Wolf, die Scheidung der Geistesthätigkeit in Erkenntnissvermögen, Begehrungsvermögen und |3aGefühlsvermögen wesentlichen Einfluss.3 Aber die Ergebnisse bei Kant zeugen gegen die Richtigkeit der Eintheilung. Die praktische Vernunft greift bei ihm in das Gebiet der theoretischen zurück, indem sie Postulate erzeugt, also theoretische Voraussetzungen, welche der Kritik der reinen Vernunft zweifelhaft waren. H e r b a r t gehört insofern hieher, als auch er die Philosophie nicht nach den Objekten ein|etheilt. Wenn er die Philosophie als Bearbeitung der Begriffe erklärt, so ist sein Theilungs|3b |e

1 S. oben Bd. II. S. 141 f. 2 K a n t Kritik der reinen Vernunft. Methodenlehre. 3. Hauptstück.

2. Aufl. S. 874 ff. Werke. II. S. 651 ff. und W o l f philosophia rationalis s. logica. 1728. discursus praeliminaris §. 60 ff. 3 K a n t Kritik der Urtheilskraft. 1790. Einleitung III. S. XX. Werke ||3c IV. S. 14 ff.

485 486 487 488 489 490 491 492 493 494 495 496 497 498 499 500 501 502 503 504 505 506 507 508 509 510 511 512 513 514 515 516 517 518 519 520

3/1v bis 4/2r

|e3/2r

|e3/2v |e3/2r

Seitenanzeiger der LU: LU3.II (|3a= S. 458, |3b= S. 457, ||3c= S. 458) Textsegment (9) (Z. 468–477): 470 wahrnimmt,] beobachtet, EU, Dbl. 2/1v. 471 Erkenntniss,] Erkenntniß EU, Dbl. 2/1v. 473 f. ist, wie bis begleiten: der] iſt: der EU, Dbl. 2/1v. 475 Betrachten und] Betrachten u. EU, Dbl. 2/1v. 476 f. diese bis ziehen.] auch nicht das Gebiet des Nothwendigen für die Wiſſenſchaft und das Gebiet des Veränderlichen für das Handeln u[.] die Kunſt dergeſtalt und geſchieden feſtzuhalten ſind, als gehörten ſie zwei verſchiedenen Vermögen an. EU, Dbl. 2/1v. Textsegment (10) (links, Z. 478 ff.): 478 f. Berufe] Beruf EU, Dbl. 3/1r.

Textsegment (11) (links, Z. 480 ff.): 480 ff. Wird bis sind] Würde [...] wären EU, Dbl. 3/1v. Textsegment (12) (Z. 487–577): 493 dass] daß EU, Dbl. 3/1v. 494 mitzuheben.1] mitzuheben. EU, Dbl. 3/1v. 515 1 S bis S. 141 f.] nicht enthalten. EU, Dbl. 3/1v. 495–499 Die bis her.] Wir begegnen im Mittelalter derſelben oder mit Ariſtoteles verwandten Eintheilung. Wir ſehen die Wirkung noch im vorigen Jahrhundert, wenn Chr. Wolf u. nach ihm Kant u[.] Fıchte die Philoſophie in theo|retiſche und praktiſche eintheilen. Wenn bald nach Wolf Baumgarten die Aeſthetik hinzufügte, ſo trat darin →

Diplomatischer Abdruck

398

XXI. Das System.

EU (Dbl.)

4/1r|e

[S. 423]

521 522 523 524 525 526 527 528 529 530 531 532 533 534 535 536 537 538 539 540 541 542 543 544 545 546 547 548 549 550 551 552 553 554 555 556

grund die logische Thätigkeit, welche sie erfordern. Aus den Hauptarten, wie die Begriffe bearbeitet werden, ergeben sich die Haupttheile der Philosophie. Inwiefern es der Zweck ist, die Begriffe klar und deutlich zu machen, entspringt ihm die Logik. Inwiefern gegebene Begriffe der Erfahrung Widersprüche in sich tragen und sie daher nach ihrer besondern Beschaffenheit zu verändern und zu ergänzen sind, damit sie denkbar werden: so ergiebt sich ihm die Wissenschaft der Metaphysik, welche auf ähnliche Weise, wie bei Wolf und Kant, in der Psychologie, Naturphilosophie und natürlichen Theologie ihre Anwendung findet. Endlich werden Begriffe unterschieden, welche in unserem Vorstellen ein Urtheil des Beifalls oder Missfallens nothwendig herbeiführen, und die Wissenschaft von solchen Begriffen ist ihm die Aesthetik. Angewandt auf das Gegebene geht sie in eine Reihe von Kunstlehren über, welche sämmtlich praktische Wissenschaften heissen können; praktische Philosophie im engern Sinne heisst ihm diejenige der |eKunstlehren, deren Vorschriften den Charakter der nothwendigen Befolgung darum an sich tragen, weil wir unwillkürlich und unaufhörlich den Gegenstand derselben darstellen.1 Diese Eintheilung wurzelt ganz in Herbarts eigenthümlicher philosophischer Anschauung und kann nur mit dieser beurtheilt werden. Indessen ist die Strenge der Eintheilung schon aus folgenden |3aGründen zweifelhaft. Zunächst treten nach dem bezeichneten Eintheilungsgrunde Logik und Aesthetik nicht scharf aus einander. Denn auch die Klarheit und Deutlichkeit der B e g r i f f e gefällt und auch darauf kann sich eine Kunstlehre richten. In Herbarts Schule ist in der That diese Consequenz gezogen. B o b r i k s Logik2 überträgt die Analogie der praktischen Philosophie auf die Erkenntnisslehre und entwirft fünf ursprüngliche und fünf abgeleitete logische Ideen, wie Herbart fünf |3b

1 J o h. F r i e d r. H e r b a r t Lehrbuch zur Einleitung in die Philosophie. 3. Aufl. 1834. §. 5 ff. 2 D r. E d. B o b r i k neues praktisches System der Logik. I. 1. ur||3c sprüngliche Ideenlehre. Zürich 1838. §. 12 ff.

Seitenanzeiger der LU: LU3.II (|3a= S. 459, |3b= S. 458, ||3c= S. 459) Lesarten der LU:

Lesarten der EU:

540 darstellen1] darstellen2 LU3.II, S. 458. 553 1 Joh.] 2 Joh. LU3.II, S. 458. 559 gezogen.1] gezogen.2 LU3.II, S. 459. 591 1 S. bis 153 ff.]

(12)→ die zurückgedrängte ποιητική des Ariſtoteles von Neuem mit ihrem Rechte hervor. EU, Dbl. 3/1v f. 499 K a n t] nicht gesperrt. EU, Dbl. 3/2r. 502 Wolfs bis vergleicht.2] Wolfs [...] vergleicht.1) EU, Dbl. 3/2r. 505 f. Erkenntnissvermögen, bis Einfluss.3] Erkenntnißvermögen[,] [...] Einfluß.2) EU, Dbl. 3/2r. 507 zeugen gegen] zeugen zugleich gegen EU, Dbl. 3/2r. 508 ff. zurück, bis welche] zurück und erzeugt theoretiſche Vorausſetzungen, Poſtulate, welche

[...]

2 S. oben Bd. I. S. 181 ff. Bd. II. S. 174 ff.

LU3.II, S. 459. 592 ] ca. acht Zeilen tiefer. LU3.II, S. 460.

[S. 424]

XXI. Das System (1862)

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EU (Dbl.)

ursprüngliche und fünf abgeleitete praktische Ideen darstellt. Die specifische Differenz zwischen Logik und Aesthetik schlägt also nicht durch. Ferner ist oben in Zweifel gezogen,1 ob bei den Erfahrungsbegriffen eine |esolche Aufgabe vorliege, wie die von Herbart verlangte metaphysische Berichtigung und Ergänzung. Theils erscheint der Widerspruch in den Erfahrungsbegriffen nur nach dem falsch angelegten Massstab des Identitätsgesetzes, theils ist er von Herbart, wenn er angenommen wird, nur für den Augenschein ausgeglichen. Daher vermag diese Art der Bearbeitung von Begriffen keine Metaphysik zu begründen; und vermöchte sie es, so schlüge wieder die specifische Differenz nicht durch. Denn wenn man den Widerspruch in Herbarts Sinne bestimmt, so enthalten die aesthetischen Begriffe, namentlich die praktischen Ideen, denselben Widerspruch in sich, wie z. B. die Idee der Billigkeit nach Herbarts Auffassung nicht ohne die durch eine Handlung eingetretene Veränderung gedacht wird, welcher Begriff nach Herbarts Metaphysik sich in sich |ewiderspricht. Aus diesen Gründen wird sich Herbarts Fundament der Eintheilung nicht einmal unter seinen eigenen Voraussetzungen, aber viel weniger als eine allgemeine ausserhalb seines Systems halten können.◀ Namentlich wird die Einheit des Systems und der Weltanschauung dadurch zerrissen, dass die praktische Philosophie geflissentlich von der Grundlage der Metaphysik losgelöst und |3adie ethischen Begriffe durch den Charakter des nothwendigen Beifalls auf sich gestellt werden. Dadurch wird die Gemeinschaft aufgehoben, in welcher die Wissenschaften, unbeschadet ihres Unterschiedes, gedeihen. Auf diese Weise treten in allen Versuchen, welche die philosophischen Disciplinen nach subjektiven Gesichtspunkten ordnen, unverträgliche Schwierigkeiten hervor; und sie weisen darauf hin, die Gliederung, wie oben geschehen ist, in den objektiven Principien zu suchen. |3b ||3c

1 S. oben Bd. I. S. 173 ff. Bd. II. S. 153 ff.

󶈰3d

557 558 559 560 561 562 563 564 565 566 567 568 569 570 571 572 573 574 575 576 577 578 579 580 581 582 583 584 585 586 587 588 589 590 591 592

|e4/1v

|e4/2r

Seitenanzeiger der LU: LU3.II (|3a= S. 460, |3b= S. 459, ||3c= S. 460, 󶈰3d= Kapitel endet auf S. 460.) EU, Dbl. 3/2r. 511 H e r b a r t] nicht gesperrt. EU, Dbl. 3/2r. 512 Objekten] Objecten EU, Dbl. 3/2r. 513, 521 so bis sie erfordern.] ſo theilt er ſie nach der logiſchen Thätigkeit ein, die ſie erfordern. EU, Dbl. 3/2v. 515 1 S. bis 141 ff.] nicht enthalten EU, Dbl. 3/2r. 515 K a n t bis S. 14 ff.]

1) Kant Kritik der reinen Vernunft. „Methodenlehre[“] 3tes. Hauptſtück. 2t. Aufl. S. 874 ff. u. Wolf

philosophia rationalis s. logica. 1728. discursus praeliminaris § 60 ff. 2) Kant Kritik der Urtheilskraft. 1790. Einleitς III. S. XX.

EU, Dbl. 3/2r.

523 Philosophie. Inwiefern] Philoſophie: Jnwiefern EU, Dbl. 3/2v. 525 Inwiefern] Jnwiefern EU, Dbl. 3/2v. 532 f. unserem bis herbeiführen,] unſerm [...] Mißfallens [...] herbeiführen EU, Dbl. 3/2v. 536 sämmtlich bis heissen] sä[m]tlich [...] heißen EU, Dbl. 3/2v. 537 heisst] heißt EU, Dbl. 3/2v. 540 darstellen1] darstellen1) EU, Dbl. 4/1r. 542 werden.] werden: EU, Dbl. 4/1r. 543 f. Indessen bis zweifelhaft.] Jndeſſen ſchon bei einer vorläufigen Betrachtung ſpricht einiges gegen die Strenge dieſer Eintheilung: EU, Dbl. 4/1r. 544 f. nach bis Eintheilungsgrunde] nach dieſem Eintheilungsgrunde EU, Dbl. 4/1r.

400

Diplomatischer Abdruck

546 B e g r i f f e] nicht gesperrt. EU, Dbl. 4/1r. 547 und bis In] u. [...] Jn EU, Dbl. 4/1r. 549 B o b r i k s Logik2] Bobricks Logik2) EU, Dbl. 4/1r. 550 Erkenntnisslehre] Erkenntnißlehre EU, Dbl. 4/1r. 551 Ideen] Jdeen EU, Dbl. 4/1r. 553–556 1 J o h. bis 12 ff.] 1) Joh. Frdr. Herbart Kritik Lehrbuch zur Einleitung in die Philoſophie. 3t. Aufl. 1834. § 5 ff. 2) Dr. Ed. Bobrik neues praktiſches Syſtem der Lo-

gik. I, 1. urſprüngliche Jdeenlehre. Zürich 1838[.] § 12 ff[.] EU, Dbl. 4/1r. 557 Ideen] Jdeen EU, Dbl. 4/1r. 558 f. Die bis durch.] Der Grund der Eintheilung iſt hierdurch nicht ſcharf genug. EU, Dbl 4/1r. 559 oben bis gezogen,1] es ſehr zweifelhaft, keine Fußnote. EU, Dbl. 4/1/r. 561 verlangte] behauptete EU, Dbl. 4/1v. 562–571 Theils bis sich,] Was er in ihnen für Widerſpruch erklärt, das wird, wie anderswo nachgewieſen worden, auch in ſeiner metaphÿſiſchen Bearbeitung der Begriffe nicht wirklich weggeſchafft, ſondern nur für den Augenſchein ausgeglichen;1) ja, es wird gar nicht als Widerſpruch erſcheinen, wenn nicht ein falſcher Maßſtab des Jdentitätsgeſetzes angelegt wird.2) Endlich würde er ſich fragen, ob nicht auch die aeſthetiſschen Begriffe und namentlich die praktiſschen Jdeen, wenn man den Widerſpruch in Herbarts Sinne beſtimmt, denſelben Widerſpruch in ſich enthalten, EU, Dbl. 4/1v.

571 Idee] Jdee EU, Dbl. 4/1v. 575 wird sich bis nicht] wird Herbarts Fundament der Eintheilung sich nicht EU, Dbl. 4/2r. 576 f. weniger bis ausserhalb] weniger außerhalb EU, Dbl. 4/2r. 591 1 S. bis 153 ff.] 1) Logiſche Unterſuchungen B. I. S. 137 ff. 2) Logiſche Unterſuchungen B. II. S. 95 f.

EU, Dbl. 4/1v.

Erläuterung: 591 1 S. bis 153 ff.] Die EU verweisen werkextern nach Paginierung der LU1. Hingegen belegen die LU2 und 3 jeweils werkintern nach der eigenen Seitennummerierung. In allen drei Auflagen sind die verwiesenen Inhalte weitestgehend identisch.

Editorischer Bericht

Überlieferung Zeugenbeschreibung Zeuge: Autor:

Ethiſche Unterſuchungen Friedrich Adolf Trendelenburg (1802–1872)

Signatur:

Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2 Film M 5950-1

Microfiche: Erwerb: Datierung: Besitzerin:

1918 ca. 1851 Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz/ Abteilung Handschriften und Historische Drucke Unter den Linden 8 10117 Berlin

Autorschrift:

Deutsche Kurrentschrift und lateinische Schrift

Fremde Hände:

fr. H. I (Archivpersonal oder unbekannte Person) fr. H. II (Archivpersonal)

Bögen: Seitenmaß: Beschreibstoff: Schreibstoffe: Schreibgeräte:

19 Dbll. und 1 Bl. ca. 170 x 215 mm (≙ ½ ›Pro Patria‹) leicht vergilbtes Papier (ohne Wasserzeichen) schwarzbraune Tinte und Grafit Stahlfeder und Grafitstift

Schäden:

vermutl. durch klare Flüssigkeit im Schreibprozess entstandener Tintenfleck auf Dbl. 6/2r sowie auf der Rückseite durchsickernd. Im Rand sind noch einige vergilbte Tropfen erkennbar. Kein Textverlust.

Das Zeugenkonvolut der EU besteht aus neunzehn zu je vier Seiten gefalteten Dbll. sowie einem einzelnen Bl., von denen ein Dbl. als loser Umschlag dient. Insgesamt ergeben sich somit 78 Einzelseiten, welche ein Format von ca. 170 x 215 mm besitzen, von denen 74 beschrieben sind. Beim Beschreib-

404

Editorischer Bericht

stoff handelt es sich um leicht vergilbtes Papier gleicher Sorte ohne Wasserzeichen, das sich trotz seines Alters in einem sehr guten Zustand befindet. Die Dbll. sind bis auf den Umschlag jeweils auf der ersten Rectoseite durch den Autor nummeriert worden. Das Einzelblatt, welches in Dbl. 9 eingelegt ist, trägt keine Nummer. Das Gesamtkonvolut befindet sich als zweites Heft lose zwischen drei anderen Handschriftensammlungen in einer mit Leinenbändern zusammengebundenen Mappe, welche mit »B. 9.« betitelt ist (Abb. 80).1 Verwendete Schreibstoffe sind schwarzbraune Tinte sowie Grafit. Auf Dbl. 0/1r, der einzigen beschriebenen Seite des Umschlages, befindet sich nach der in vorliegender Edition eingeführten Zählung ab der zweiten Zeile der zentriert platzierte mit Schmuckkringel unterlegte Titel der Handschrift. An einem späten, vermutlich nach dem Tod des Autors zu datierenden Zeitpunkt werden durch Notate fremder Hand (fr. H. I) mit anthrazitfarbener Tinte unter dem Titel eine römische Zwei als Heftnummerierung sowie am Seitenfuß die Aufzählung der enthaltenen Dbll. ergänzt. Aufgrund der Kurrentschreibung erfolgen diese Notate nach Ansicht des Herausgebers möglicherweise noch vor Ankunft des Konvolutes in archivarische Obhut im Jahre 1918, zumindest aber früher als weitere spät erfolgte Notate fremder Hand (fr. H. II) mit Grafitstift in lateinischer Schrift. Hierbei wird am Seitenkopf die Signatur ›Nachlass Trendelenburg B 9,2‹ sowie die dazugehörige Microfichesignatur unter die Dbl.-Aufzählung ergänzt, in welcher ferner die Änderung des doppelten Bis-Striches zu einem einfachen erfolgt. Archiv- und Microfichesignatur sind offenbar durch Personal des Berliner Archivs durchgeführt worden. Die älteren Notate stammen entweder von früherem Archivpersonal oder einer anderen Person, die vor Übergabe des Konvolutes in archivarische Hände ordnend in das Manuskript eingegriffen hat. Dbl. 12 ist zweimal vorhanden, wobei die Paginierung des genetisch jüngeren Dbl.’s von fr. H. II mit Grafitstift um ein ergänzt worden ist. Neben der Nummerierung von Dbl. 9 befindet sich ebenfalls eine mit Grafitstift ausgeführte Notiz, die vermutlich durch selbige Schreiber/-in ergänzt wurde. Die Notiz mit der Lautung »3 Bll.« weist auf das in Dbl. 9 eingelegte unpaginierte Bl. hin. Wie der Herausgeber in der vorliegenden Edition nachweisen kann, handelt es sich bei dem fälschlicherweise in Dbl. 9 einsortierten Bl. um eine Ergänzung für die dritte Schlussfassung des ersten Kapitels. Das Bl. erhält deswegen die Bezeichnung [12b]. 1 Davor befindet sich die Philoſophiſche Ethik (Sommersemester 1837) mit der Signatur ›Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,1‹, welche eine Reihe von philosophiegeschichtlichen Vorlesungsmanuskripten unter dem Schwerpunkt ›Ethik‹ enthält, darunter mit der Signatur ›Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,3‹ Ueber Ariſtoteliſche Ethik und ihre geſchichtliche Bedeutung für die philoſophiſche und theologiſche Moral (1871), danach eine Abhandlung über die Peripatetiſche Ethik bei Stobaeus mit der Signatur ›Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,4‹.

Überlieferung

405

Abb. 80: Sammelbox 9. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2. Foto: Christian Biehl. Das Manuskript umfasst zwei Kapitel, von denen sich das erste, Der Ort der Ethik in dem Inbegriff der Wiſſenſchaften, inklusive aller Schlussfassungen auf den Dbll. 1–12, 12a/1v sowie [12b], das zweite, Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik, auf den Dbll. 12a/2r–17/2r befindet. Für Kapitel I sind insgesamt drei Schlussfassungen überliefert, von denen die erste auf dem kompletten Dbl. 12 und die zweite auf Dbl. 12a/1r f. enthalten ist. Eine dritte Schlussfassung entsteht unter Berücksichtigung weiterer Änderungen an der zweiten in Kombination mit Dbl. [12b]. Hingegen ist Dbl. 17/2v, die letzte Seite der Handschrift, leer. Jede beschriebene Seite des Manuskriptes besitzt, je nach Genauigkeit bei der Ausführung des Falzes, einen im Schnitt ca. 55 mm breiten Marginalrand, welcher für Bemerkungen und Ergänzungen verwendet wird. Der verbleibende Schriftspiegel enthält den Basistext, welcher mit schwarzbrauner Tinte in einer sehr gut lesbaren deutschen Kurrentschrift niedergeschrieben ist. Späte Änderungen werden entweder per Stahlfeder oder mit Grafitstift vorgenommen. Auf den Dbll. 1/1v, 1/2r, 2/1r–2/2r, 3/1v–3/2r, 4/1v–4/2v, 5/2v, 6/1v–7/1r, 9/1v–12/1r, 12a/1r und Bl. [12b]/r befinden sich mit Grafitstift eingezeichnete Winkelklammern und Striche, deren Funktion sich meist aus dem Kontext oder den von Tr. selbst hinterlegten Notizen ableiten lässt.

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Editorischer Bericht

Datierung Bis vor einiger Zeit waren die EU im Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz noch undatiert. Auch dem Herausgeber ist es zunächst nicht gelungen, eine exaktere Datierung vorzunehmen. Die EU verweisen an mehreren Stellen sowohl im Text als auch in den Fußnoten auf die schon erschienenen Logischen Untersuchungen (LU1, 1840). Dass es sich nicht um eine der beiden späteren Auflagen (1862 und 1870) handelt, kann aufgrund der Seitenangaben ausgeschlossen werden. Darüber hinaus befindet sich auf Dbl. 15/1r der späteste Verweis auf Ueber Spinoza’s Grundgedanken und deſſen Erfolg, ein anderer Vortrag Tr’s, gehalten in der Akademie im Jahre 1849.2 Auf den Dbll. 3/1v, 4/1v, 5/2v, 6/1v und 6/2v notiert Tr. zu einem fortgeschrittenen Zeitpunkt mit unruhigem Schriftbild einige Randbemerkungen, die eindeutig auf Textübernahmen in die LU2 (1862) hinweisen. Der Herausgeber konnte mithilfe der Plagiatssoftware Plagscan und einer anschließenden Kollation die wortwörtlichen Übernahmen und Anlehnungen aufschlüsseln.3 Eine weitere Information zu den EU liefert eine Bemerkung Tr’s im auf den 10. April 1860 datierten Vorwort von Naturrecht auf dem Grunde der Ethik (NR1, 1860): Für die letzten Principien und für die logische Einsicht war es nöthig, auf die ›logischen Untersuchungen‹ zurückzuweisen. Wenn diese schon seit mehreren Jahren vergriffen sind, so kann es nun des Verfassers nächste Sorge sein, sie vermehrt und ergänzt wieder aufzulegen. Es bleibt dann noch übrig, in ›ethischen Untersuchungen‹, von welchen diese Rechtsphilosophie ein praktischer Ausläufer ist, die psychologischen und ethischen Grundgedanken, welche hier angedeutet oder vorausgesetzt sind, so auszuführen, dass sie in der Helle und Kraft erscheinen, deren sie fähig sind.4

Die Textstelle dokumentiert, dass sich Tr. um 1860 mit der Notwendigkeit befasst, ein Werk über ›ethische Untersuchungen‹ zu schreiben, welches neben einer erweiterten zweiten Auflage der LU rückwirkend als theoretische Grundlegung für das NR1 dienen soll. Der Herausgeber ging zunächst davon aus, dass der Zeitraum einer Datierung zwischen 1849 und 1862 liegen muss, da die Niederschrift nach dem Beitrag über Spinoza’s Grundgedanken und vor der Druckle2  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 180. 3  Die wortwörtlichen ›Eigenplagiate‹ finden sich ausnahmslos in den LU2.II im Kapitel XXI. Das System. In der vorliegenden Edition wird dieses Kapitel in einem diplomatischen Abdruck nebst Verzeichnung der Varianten der beiden anderen Auflagen sowie der betreffenden Übernahmen aus den EU präsentiert. 4  NR1, S. V.

Überlieferung

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gung der LU2 erfolgt sein muss. Wie Batuscheck jedoch in Adolf Trendelenburg (1873) berichtet, hält Tr. im Jahre 1851 in der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften einen Vortrag unter dem Titel Ueber den Ort der Ethik im Inbegriff der Wissenschaften.5 Dieser wurde zwar nicht in die Historischen Beiträge (1855) aufgenommen, jedoch, so Bratuscheck, für die Paragraphen §16 bis §44 im NR1 sowie für die Kapitel X und XXI der LU2.II die maßgebliche Grundlage.6 Wortwörtliche Übernahmen finden sich, wie oben erwähnt, jedoch nur in Kapitel XXI der LU2.II. Es ist somit anzunehmen, dass Tr. nach 1849 mit den EU angefangen und die letzten Arbeiten 1851 abgeschlossen hat. Schon vor Kenntnis der Angaben Bratuschecks vertrat der Herausgeber die These, dass die in den Textverlauf des ersten Kapitels eingeblendete zweite Textfassung (F2) zum Zwecke eines Vortrages erstellt wird. Es liegt nahe, dass es sich um den obigen Beitrag in der Akademie handelt. In der spät ergänzten Einleitung für die zweite Textfassung beginnt Tr. den Titel mit »üb. d. Ort«,7 während er bei der ersten Fassung im Unterschied zum genannten Vortrag noch auf das bei seinen Vorträgen übliche ›Über‹ verzichtet. Die grobe Markierung der Übernahmen in die LU2 muss zu einem sehr späten Zeitpunkt stattfinden – entweder zur Zeit der Veröffentlichung der LU2 oder, aufgrund des unruhigen Schriftbildes, möglicherweise auch nach dem ersten Schlaganfall im Jahre 1870. Der Herausgeber tendiert auf Basis der bisherigen Informationen und mit Berufung auf Bratuscheck zu einer Datierung um 1851. Daneben ist festzuhalten, dass die EU konstitutiver Bestandteil nennenswerter Bereiche sowohl der LU2.II als auch des NR1 ist. Der Ursprung dieser Übernahmen und Anlehnungen sollte bei zukünftigen historisch-kritischen Editionsprojekten genannter Werke berücksichtigt werden. Aufbau und Zweck Wie zuvor beschrieben, enthält das Fragment der EU zwei Kapitel. Für das erste Kapitel, Der Ort der Ethik in dem Inbegriff der Wiſſenschaften, lassen sich insgesamt drei Textstufen (H.1–H.3) rekonstruieren: Der weiterhin gültige Text in H.1 sowie der letztgültige Text in H.2 bilden für Kapitel I die erste und Kapitel II die einzige Fassung, während H.3 gemeinsam mit dem weiterhin geltenden Text aus H.2 die zweite Fassung (F2) des ersten Kapitels konstituiert. Von den drei Schlussfassungen des ersten Kapitels, welche an Dbl. 11/2v, Z. 27 anknüpfen und zu welchen Tr. keine Randnotizen über deren Gültigkeitsstatus hinterlässt, 5  Vgl. Bratuscheck: Adolf Trendelenburg, S. 180. 6  Vgl. ebd., S. 180. 7  EU, Dbl. 1/1r.

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Editorischer Bericht

ist Dbl. 12 die älteste und gleichzeitig längste Fassung. Hingegen ist Dbl. 12a, Z. 1–23 eine spätere Abschrift von Dbl. 12, Z. 1–25, auf welcher in Zeile 13 lediglich ein ›und‹ durch ein ›oder‹ ersetzt sowie ein kürzerer neuer Schlussabsatz formuliert wird. Das fälschlicherweise in das Dbl. 9 eingelegte Einzelblatt, welches in dieser Edition als Bl. [12b] gezählt wird, ersetzt den ab Dbl. 12a, Z. 24 verfassten Schlussabsatz und bildet zusammen mit dem verbleibenden kurzen Textsegment auf Dbl. 12a/1r, Z 1 die dritte Schlussfassung. Da nach Fertigstellung der zweiten Schlussfassung direkt auf demselben Bogen mit Kapitel II fortgesetzt wird, liegt die Vermutung nahe, dass die Schlussfassung auf Dbl. 12a über einen bestimmten Zeitraum gültig ist. Darüber hinaus sprechen die Winkelmarkierungen auf Dbl. 12a/1r und Bl. [12b]/r dafür, dass diese für die Textkonstitution von F2 verwendet werden sollen. Es gilt jedoch zu beachten, dass die Überlieferungslage dieser drei Endfassungen dürftig und die Ableitungen des Herausgebers – obwohl begründet – nur eine zur Diskussion gestellte Vermutung darstellen. Auch über die Verwendung der zweiten Textfassung des ersten Kapitels als Vortrag kann der Herausgeber anhand der gegebenen Indizienlage nur mutmaßen. Offenbar generiert Tr. diesen in einer späten Arbeitsphase in Form eines literarischen Fragmentes aus Kapitel I. Direkt die erste in dieser Edition der dritten Textstufe und damit F2 zugeordnete einleitende Textergänzung auf Dbl. 1/1r etikettiert den mutmaßlichen Vortrag (F2) als ein literarisches Fragment: »Da ich mit ethiſchen Unterſuchungen beſchäftıgt bın, erlaube ich mır eın Fragment derſelben anzulegς – u. zwar üb[.] eıne äußerliche Frage:«8 Auch die Randnotate auf Dbl. 1/2v und 2/1v, welche wörtlich auf den Gebrauch des Manuskriptes für einen Vortrag hindeuten, stützen obige Annahme. Sofern diese Ableitung zutreffen sollte, läge Kapitel I sowohl als Entwurfsfragment (F1) als auch in Form eines literarischen Fragmentes (F2) vor. Letzteres ist dabei gegenüber F1 stark gekürzt und scheint Kapitel II nicht zu berücksichtigen. Betrachtet man die tatsächlichen Änderungen und Auslassungen der dritten Textstufe, fällt auf, dass größere philosophiehistorische Diskurse bzw. über die Grundfrage nach dem Ort der Ethik hinausgehende Nebenschauplätze sowie die innertextlichen Verweise auf die den EU zugrunde gelegten LU1 weitestgehend entfernt werden. In einer Randbemerkung, welche Tr. zu Beginn des zweiten Kapitels neben den Titel notiert, nennt er mit Über die metaphyſiſche Grundlage der Ethik und Über die pſychologiſche Grundlage der Ethik zwei weitere nicht mehr verfasste Kapitel, die dem zweiten vorangestellt werden sollen. Im Ergebnis stellen die EU somit im Œuvre Tr’s einerseits den unvollendeten Beginn einer eigenen großen 8  EU, Dbl. 1/1r.

Überlieferung

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Veröffentlichung neben den LU und dem NR dar, zum anderen sind sie Teil einer Reihe von Vorträgen, die in der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften gehalten wurden. Zur Schreibmethodik Trendelenburgs In den folgenden Abschnitten wird die schriftstellerische Vorgehensweise Tr.’s verallgemeinert und einer Analyse unterzogen. Die Aufstellung der in den EU auftretenden Schreibphänomene dient der Begründung der gewählten Auszeichnungsverfahren in den Textdarstellungen. Tr. erweist sich als ein Autor, welcher in einer ersten Arbeitsphase per Stahlfeder größere Textabschnitte mit nur seltenen Sofortkorrekturen niederschreibt, um diese dann in späteren Arbeitsphasen durch größere und kleinere Ergänzungen, Ersetzungen, Tilgungen oder Umstellungen zu verändern, wodurch sich die ursprüngliche Textmenge zumeist erhöht. Diese nachträglichen Änderungen können sehr kleinschrittig und dadurch komplex ausfallen. Umfangreiche Hinzufügungen werden mit demselben Verfahren wie der Basistext mit nur seltenen Sofortkorrekturen zuerst komplett niedergeschrieben und in späteren Arbeitsphasen überarbeitet. Außerdem finden sich sporadisch mit Grafitstift hinterlegte Kommentare, Winkelklammern und Markierungen, welche Informationen über die Textkonstitution sowie Hinweise auf Übernahmen einiger Textsegmente aus den EU in die LU2 enthalten. Hervorzuheben ist, dass Tr. nahezu alle Arbeitsphasen in zumeist sehr gut leserlicher Schrift auf ein und demselben Zeugen abhandelt und nur selten, z.B. im Falle der drei Schlussfassungen des ersten Kapitels, Abschriften oder alternative Fassungen auf gesonderten Bögen anfertigt. Hinzufügungen, Tilgungen und andere Schreibvorgänge Im Manuskript der EU existieren drei unterschiedliche Arten der Hinzufügung (Textergänzungen oder -ersetzungen). Bei der ersten und häufigsten Form werden kürzere Textsegmente von meist einzelnen Wörtern in räumlicher Nähe in die Interlinearzeile über der zu erweiternden oder zu ersetzenden Textstelle platziert und per Einweisungsstrich exakt zugeordnet. Ausnahmen bilden kürzere Ergänzungen, die mit oder ohne Einweisungsstrich vor das erste oder hinter das letzte Wort einer Zeile außerhalb des Textspiegels platziert werden. In Einzelfällen gelingt es, diese noch innerhalb des Textspiegels unterzubringen. Bei kurzen Hinzufügungen, welche im Zuge der Ersetzungen nach Streichung

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Editorischer Bericht

oder bei Notation einer Alternativvariante9 erfolgen, fällt der Einweisungsstrich weg, da der Platzierungsort durch den inhaltlichen und syntaktischen Kontext fast immer eindeutig wird. Für die zweite Art der Hinzufügung werden in der Regel größere und umfangreiche Ergänzungen oder Ersetzungen auf dem Korrekturrand neben dem Textspiegel platziert und durch individuelle Einweisungssymbole, welche sich an der exakten Einweisungsstelle wiederfinden, gekennzeichnet. Die dritte Form der Hinzufügung größerer Textbausteine in den Seitenrand verwendet ein dem Prinzip der Kustode ähnelndes Verfahren, bei dem im Zieltext einige Wörter unterstrichen werden. Im zu ergänzenden oder zu ersetzenden Textsegment finden sich diese als die ersten paar Wörter wieder, sodass man den Text gedanklich an der betreffenden Stelle verkoppeln bzw. die unterstrichenen Wörter ersetzen muss. Manchmal fällt die Unterstreichung jedoch aus. In diesen Einzelfällen können jeweilige Einfügungs- und Koppelstellen problemlos aus dem Zusammenhang ermittelt werden. Neben drei Arten der Hinzufügung lassen sich im Manuskript vier Arten der Tilgung unterscheiden: Bei der ersten Form handelt es sich um Streichungen überwiegend einzelner Interpunktionszeichen, Graphen und Graphenfolgen, Wörter und Wortfolgen, Satzteile und Sätze, die einfach oder mehrfach ausfallen können, jedoch, unabhängig von der Zahl der Streichungen, in ihrer Funktion einfache Tilgungen darstellen. Die zweite Art der Tilgung ist das Schreiben auf gestrichenem und nicht gestrichenem Text. Eine Sonderform stellt hier die ›Nachzeichnung‹ dar, bei welcher schon niedergeschriebener Text nochmals nachgezogen wird. Die Tilgung einzelner oder mehrerer Interpunktionszeichen und Graphen, bei welcher die Ressourcen des vorhandenen Zeichens für das dieses ersetzende Zeichen mitverwendet werden, charakterisiert die dritte Form. Hier wird z.B. die Ähnlichkeit zwischen dem und dem in der Kurrentschreibung ausgenutzt, um durch Ergänzung eines Kringels ein zu generieren. Die vierte und seltenere Art der Tilgung ist die durch Schrägstriche ausgeführte Streichung mehrerer Zeilen bzw. ganzer Absätze. Bei dieser großflächigen Streichung handelt es sich um eine Tilgung höherer Ordnung, da in dem gestrichenen Text andere zuvor ausgeführte Eingriffe mitgetilgt werden. Die vorgefundenen Sofortkorrekturen offenbaren sich zumeist durch Zeichenansätze, Abbrüche im Wort oder im logischen Ablauf der Syntax. Bei sofort getilgten Zeichen- und Wortansätzen wird deutlich, dass es sich häufig um Vorgriffe des Autors handelt, welche einige Wörter oder Zeilen später realisiert werden, was im schreibpsychologischen Sinne dafür sprechen könnte, dass bei der Mehrheit der Sofortkorrekturen umgangssprachlich ›der Kopf die Hand 9  Bei einfacheren Alternativvarianten wird die zu alternierende Stelle im Text wie z.B. auf Dbl. 4/2r zusätzlich unterstrichen.

Überlieferung

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überholt hat‹. Daneben befindet sich sowohl im ersten als auch im zweiten Kapitel des Manuskriptes jeweils eine kleine Textumstellung. Die Umstellungsreihenfolge wird dabei durch Zahlenfolgen über den betreffenden Wörtern angezeigt.

Textdarstellungen Richtlinien der diplomatischen Umschrift Das Fragment wird zeilen- und weitestgehend standgetreu wiedergegeben. Zeilenabstände werden hingegen vereinheitlicht. Eigentümlichkeiten der Orthografie wie langes , Ligaturen , die zeitgenössische Verwendung von für sowie die Interpunktion bleiben erhalten. Ziffern, Interpunktionszeichen und historische Buchstaben (Graphen) werden – sofern im Zeichensatz vorhanden – übernommen, Fehler spitz eingeklammert und durch ein hochgestelltes kenntlich gemacht, jedoch nicht korrigiert. Abbreviaturen, Suspensionsschleifen und Geminationsstriche werden nicht aufgelöst, fehlende Akzentzeichen nicht ergänzt, Zeilenfall, bedeutungshaltiger Leerraum sowie Schreibrichtung der Vorlage weitestgehend übertragen, Kustoden ausgeklammert, nur wahrscheinliche Lesungen durch ein exponiertes für ›unsicher‹ und nicht mehr entzifferbare Zeichen durch ein Pluszeichen repräsentiert. Aufgrund der komplizierten Überschreibungsvorgänge muss die Darstellung aus Platzgründen in seltenen Fällen auf weitere Zeilen ausweichen. Hierbei wird der entsprechende Zeilenzähler wiederholt und zusätzlich alphabethisch durchgezählt (Bsp.: 12a, 12b, 12c ...). Ausweichzeilen sind als Teil derselben Zeile zu lesen. Ferner wird zwischen Regulär- und Interlinearzeilen differenziert. Schriftspiegel und Marginalspalte erhalten jeweils einen eigenen Zeilenzähler. Den Marginalzeilen wird ein für ›Rand‹ vorangestellt. Interlinearzeilen werden zusätzlich mit geradem Hochstrich (Prime) markiert (Bsp.: 1, 2', 3, ... bzw. r1, r2', r3, ...). Die Zählung der Zeilenzähler gilt ausschließlich für die jeweilige Manuskriptseite. Bei Streichungen wird nicht zwischen Einfach- und Mehrfachstreichungen differenziert, sondern jeweils eine Einfachstreichung wiedergegeben, da die Anzahl der Tilgungsstriche zufällig – z.B. durch die Ober- und Unterlänge von Graphen – und nicht erkennbar bedeutungstragend ist. Unterschieden wird hingegen zwischen intendierter und vorgefundener Streichung. Dies bedeutet, dass Streichungslinien in der Umschrift nur so weit und mit allen Unterbrechungen wiedergeben werden, wie dies im Manuskript der Fall ist. Zeichen, welche hierbei nicht miterfasst sind, deren Streichung aber offensichtlich intendiert ist, werden ohne Tilgungsstrich in Graustufe als nicht mehr gültig ausgezeichnet. Ferner wird zwischen lokalen und übergeordneten Streichungen von ganzen Absätzen unterschieden. Ein übergeordnet gestrichenes Textsegment kann interne Streichungen und andere Binnenphänomene enthalten. Aus diesem Grund sind übergeordnete Streichungen in der Darstellung durch Unterstreichung (Bsp.: Text ...) hervorgehoben. Gestrichene Interpunktionszeichen werden – um unschöne typo-

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Editorischer Bericht

grafische Effekte zu vermeiden – einheitlich durch einfache Klammern gekennzeichnet. Damit im Bewusstsein bleibt, dass es sich bei der diplomatischen Umschrift um den ersten Grad einer Interpretation des Herausgebers handelt, werden, bis auf die Symbole der diakritischen Auszeichnung, alle Texte, Zeilenzähler, Kürzel und Kommentare des Herausgebers kursiviert wiedergegeben. Um frühzeitig für die Eigentümlichkeiten und Zusammenhänge des vorliegenden Fragmentes zu sensibilisieren, wird die Umschrift durch erste Kommentare begleitet, welche mit kleinerer Schriftgröße und anderer Zeilenhöhe typografisch vom Text abgesetzt sind. Zusätzlich können sich weitere Anmerkungen an korrespondierender Stelle der genetischen Darstellung finden. Für einen möglichst unverfälschten und exakten typo- als auch topografischen Eindruck werden der Umschrift die Faksimiles des kompletten Manuskriptes im SchwarzWeiß-Druck gegenübergestellt. Die Abbildung der Handschrift erfolgt aufgrund des Buchformates nicht in Originalgröße. Bei allen in dieser Edition vorgenommenen Verweisen auf die EU sind der Text und die Dbl.- bzw. Bl.-Zählung der diplomatischen Umschrift zugrunde gelegt. Die diplomatische Darstellung in Begleitung der Faksimiles soll jederzeit als die definitive Grundlage der Konsultation dienen. Sie ist das Zentrum der Edition.

Musterlayout der diplomatischen Umschrift

Diplomatische Umschrift

XXX 1

ſchaften zu einer höhern, aber ſchwierigen Auf=

2

gabe wurde. Unter dieſelbe wird man weder in

3

Carteſius, noch in Spinoza genügende Auskunft

4

finden. Zwar ſucht Carteſius, wie in ſeinen Me-

5

ditationen, in ſeiner Schrift über die Methode,

6 '7 8

für die Erklärung

[

einfache Prinzipien, und führt ſie⟨↙,⟩ namentlich

Dbl. 8/2r: Kap. I., S. 31]

, wie in ſeiner

r1

nach der Seite der phÿſiſchen Erſcheinungen

Schrift der prin-

r2

9 '10 11

bi in ihre Folgen hinaus. Aber theils iſt die

cipia philoſophiae,

r3

12

die ethiſche Seite ziemlich leer aus, theils

es

Anwendung zu beſchränkt u. namentlich geht [...] Erläuterungen: 1 höhern] Mustererläuterung des Herausgebers. '7 Erklärung] Mustererläuterung des Herausgebers.

Seitenzähler der Edition

[Kustode]Kus [X.]Pag

Kolumnentitel Dbl.- bzw. Bl.-Paginierung Angabe des Kapitels mit Seitenzahl Zeilenzähler Schriftspiegel Zeilenzähler Marginaltext Zeilenzähler Interlineartext Kommentar des Herausgebers Kustoden werden transkribiert und durch den Herausgeber ausgeklammert. Bogenpaginierungen werden durch den Herausgeber ausgeklammert.

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Editorischer Bericht

Diakritische Auszeichnung der diplomatischen Umschrift Schrift und Farbe

Erläuterung

Autortext Tinte Autortext Grafit

Gültiger in Tinte geschriebener Autortext deutscher Kurrentschreibung wird durch schwarze Antiquaschrift (recte: 11 Pt), in Grafit ausgeführter Text zusätzlich durch Umklammerung mit einem Grafitstiftsymbol wiedergegeben. Interlinear- und Marginaltext werden in petiter Schriftgröße (recte: 9 Pt, in platzbedingten Ausnahmefällen 8 Pt) dargestellt. (Adobe Inc., Minion® Pro Regular, – Bold)

ungültiger Autortext Tinte ungültiger Autortext Grafit

Ungültiger Autortext in Tinte oder Grafit wird in Graustufe (60 % Schwarzwert) wiedergegeben. Darüber hinaus erfolgt die Textdarstellung analog zu gültigem Autortext.

Autortext Tinte ungültiger Autortext Grafit

Autorext in lateinischer Schreibung wird mit Groteskschrift (recte: 10,5 Pt) wiedergegeben. Darüber hinaus erfolgt die Textdarstellung analog zu gültigem und ungültigem Autortext. (De Gruyter, De Gruyter Sans Regular, – Bold) Notate der beiden fremden Hände I und II werden mittels kursiven ›Square Brackets‹ ausgeklammert und im Exponenten den Schreibern zugewiesen. Diakritische Zeichen werden in schwarz und recte wiedergegeben. (Typoma®, Minion® Math Regular) Der Herausgebertext wird mit kursivierter Antiquaschrift in der Kopfzeile in 11 Pt, in den Zeilenzählern und Kommentaren in 9 Pt wiedergegeben. (Adobe Inc., Minion® Pro Italic)

Textdarstellungen Diakritische Auszeichnung

417 Erläuterung Auftexttilgungen In der vorliegenden Edition wird, um Verwechslung mit der Überschreibung im engeren Sinne zu vermeiden, mit der Oberkategorie ›Auftext‹ ein direkt an oder über schon niedergeschriebenen Zeichen, Wörtern, Wortfolgen und Sätzen ausgeführter Text bezeichnet. Auftextvorgänge werden in der Umschrift mit Spitzklammern eingegrenzt. In Tr.’s Schreibgewohnheiten lassen sich drei unterschiedliche Arten der ›Tilgung durch Auftext‹ unterscheiden, welche in ihrer Verschiedenheit bei der Darstellung Berücksichtigung finden: Die Überschreibungstilgung (↶) Durch Überschreibung getilgte Interpunktionszeichen, Graphen, Graphenfolgen, Wörter, Wortfolgen, Satzteile und Sätze werden farblich nach den obigen Kriterien für ungültigen Text ausgegraut. Dem folgt das Überschreibungssymbol sowie der sich dahinter befindende Überschreibungstext. Zeichen, die ein oder mehrere Zeichen überschreiben, werden exponiert und in fettem Schriftschnitt wiedergegeben. Sind bei der Überschreibung Zeichen hinzufügt worden, die nicht mehr überschreiben, werden diese in normaler Schriftstärke dargestellt. In Beispiel a) wird das Wort ›Text‹ mit dem Wort ›Zahlen‹ überschrieben. Neue nicht überschreibende Zeichen werden dabei mit in die Spitzklammern übernommen. In Beispiel b), oft eine Spätkorrektur, wird, nachdem die vollständige Niederschrift von ›Text‹ mit Tinte erfolgt ist, mit Grafitstift durch ein überschrieben.

418 Diakritische Auszeichnung

Editorischer Bericht Erläuterung Die Änderungstilgung (→) Diese Art des ›Auftextes‹ nutzt die Ressourcen eines vorhandenen Zeichens, um daraus, z.B. durch grafische Ergänzung, teilweise Streichungen und andere Manipulationsformen, ein neues Zeichen zu erstellen. Die Darstellung folgt den oben aufgeführten allgemeinen Regeln der ›Tilgung durch Auftext‹. Mit dem Änderungssymbol wird wie in a) der Vorgang ausgezeichnet. Das Änderungsphänomen zeigt sich für gewöhnlich nur bei einzelnen Zeichen, kann aber wie in b) in Kombination mit anderen Auftexttilgungen und Streichungen auftreten. Die Darstellungsregel solch komplexer Vorgänge wird weiter unten erläutert. Die Nachzeichnung (⟳) Die ›Nachzeichnung‹ ist keine Tilgung im engeren Sinne, da durch sie lediglich bereits niedergeschriebener Text nachgezogen wird. Es handelt sich bei ihr jedoch um eine Art ›Auftext‹, weswegen sie in dieser Edition in die Klasse der ›Tilgung durch Auftext‹ subsumiert wird. Der Vorgang kann einzelne Graphen, Wörter, Wortfolgen und Sätze betreffen. Die Darstellung erfolgt analog zu den oben genannten Vorgaben für Auftexttilgungen. Die Nachzeichnung wird durch ein Kreislaufsysmbol ausgezeichnet. Kombinationen von Auftexttilgungen Überschreibung, Änderung oder Nachzeichnung treten in unterschiedlichster Kombination auf. Um solche verschachtelten Vorgänge in der Umschrift darstellen zu können, werden doppelte Spitzklammern als Umklammerung höherer Ordnung eingesetzt. Im obigen Beispiel wird das Wort

Textdarstellungen Diakritische Auszeichnung

419 Erläuterung ›Stift‹ auf das Wort ›Text‹ geschrieben. Dabei überschreibt zunächst die Graphenfolge die Graphenfolge . Anschließend wird aus dem ein generiert. Das letzte Graph ist nicht überschreibend. Textergänzungen Ergänzungen in der Zeile Bei Ergänzungen innerhalb der Zeile wird der hinzugefügte Text mit Spitzklammern eingegrenzt. Das Pfeilsymbol zeigt je nach Pfeilrichtung an, ob es sich um eine Ergänzung a) hinter oder b) vor dem ergänzten Wort handelt. Kann die Zeichenergänzung aus Platzmangel zu dem nächsten Zeichen oder Wort innerhalb der Zeile nur durch Ausweichen auf die darunterliegende Interliniearzeile vollendet werden, wird die Ergänzung wie in c) durch den Unterführungspfeil dargestellt. Interlinearergänzungen über der Zeile Interlinearergänzungen erhalten bis auf wenige Ausnahmen durch Tr. einen eindeutigen Einweisungsstrich. Einweisungsstriche werden in der Umschrift wie in a) einheitlich als durchgehender Strich mit Einweisungsmarker dargestellt. Bei fehlendem Einweisungsstrich verwendet der Herausgeber in uneindeutigeren Fällen gepunktete Einweisungszeichen. Ergänzungen vom Rand Ergänzungen aus der Marginalspalte werden von Tr. mal mit, mal ohne Einweisungssymbol durchge-

420 Diakritische Auszeichnung

Editorischer Bericht Erläuterung führt. Die Umschrift bemüht sich, die verwendeten Einweisungssymbole zu imitieren und die relative Position der Einweisungstexte wiederzugeben. Besonderheiten bei der Einweisung werden an der jeweiligen Stelle kommentiert. Sonstige Zeichen und Darstellungen: Suspensionsschleifen werden einheitlich mit dem Sigma-Zeichen wiedergeben und nicht aufgelöst. Graphen und Graphenfolgen entsprechender Anzahl, welche nach Meinung des Herausgebers nicht mehr entziffert oder rekonstruiert werden können. Unvollständig ausgeführte Graphenansätze werden durch eine darüber befindliche gepunktete Linie gekennzeichnet. Eindeutig a) fehlende oder b) falsche Graphen und Interpunktionszeichen werden durch zwei Spitzklammern mit exponiertem markiert. Fehlende Zeichen sind durch ein Leerzeichen repräsentiert. Durch Radierung getilgter Text. Tilgungen durch Streichung werden einheitlich als einfache Streichung dargestellt. Es wird dabei zwischen vorgefundener und von Tr. intendierter Streichung unterschieden. Erfasst der intendierte Streichvorgang nicht alle zur Streichung vorgesehenen Zeichen, werden diese ohne Strich im Grauton als ungültig ausgezeichnet. Erfolgen Streichungen nicht in einem Zug, wird dies in der Darstellung berücksichtigt. Um unschöne typografische Effekte bei der Wiedergabe zu vermeiden, werden durch Streichung getilgte Interpunktionen umklammert.

Textdarstellungen Diakritische Auszeichnung

421 Erläuterung Lesungen von Graphen, Graphenfolgen und Interpunktionszeichen, die aus beliebigem Grund problematisch, unklar oder diskussionsbedürftig erscheinen, werden in Spitzklammern mittels exponiertem für ›unklar‹ ausgezeichnet. Dies betrifft alle problematischen Lesungen, deren Zutreffen nach Ansicht des Herausgebers mit höherer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist. Alle Winkelklammern, Linien und Markierungen, welche Tr. in das Manuskript einzeichnet, werden in die Umschrift übernommen. Die fein gestrichelt dargebotenen Grafitlinien und -winkel in Verbindung mit dazugehörigen Randnotaten Tr.’s geben Hinweise auf die Textkonstitution der zweiten Fassung (F2) des ersten Kapitels. Zu einem sehr späten Zeitpunkt werden in Kapitel I weitere Linien, Winkelklammern und Anmerkungen für die Dokumentation der Textübernahmen in die LU2.II von Tr. hinzugefügt. Damit der Leser die ebenfalls mit Grafit ausgeführten Markierungen von den älteren unterscheiden kann, werden diese durch eine stärkere Strichelung hervorgehoben. Dazugehörige Anmerkungen Tr.’s werden durch den Herausgeber ausgeklammert. Dabei wird im Exponenten zwischen a) den Notaten zur Textkonstitution (K) und b) zu den Übernahmen (Ün) differenziert.

422

Editorischer Bericht

Richtlinien der genetischen Darstellung Die in dieser Edition präsentierte linear-integrierte genetische Darstellung basiert lose auf der Idee des Einblendungsapparates, wie er 1977 in der von Klaus Hurlebusch herausgegebenen Hamburger Klopstock-Ausgabe (KA) für die Variantenauszeichnung der im Arbeitstagebuch enthaltenen Prosatexte erstmalig eingesetzt wird.10 Beim linearen Einblendungsapparat werden die Varianten direkt im edierten Text angezeigt.11 Sofort- und Spätkorrekturen sind hier mithilfe von diakritischen Auszeichnungen in den Textfluss der Grundschicht integriert. Das Prinzip erinnert an die XML-Auszeichnung digitaler Editionen, bei welcher einzelne Texteigenschaften und -phänomene mittels ›Start- und Endtags‹ markiert und attribuiert werden. Auch die Darstellung verschachtelter Zusammenhänge von Varianten ist möglich. Die verschiedenen Editionen verwenden aus den zur Verfügung stehenden Zeichensätzen modellbedingt zumeist spitze Klammersymbole, welche durch weitere diakritische Zeichen und Abkürzungen für topografische oder materielle Befunde spezifiziert werden können. Die Eigentümlichkeiten der Handschrift der EU sowie die daraus resultierende Komplexität erfordern mehrere Modifikationen in Form von Vereinfachungen und Ergänzungen der obigen Apparatform. Im Unterschied zu einer synoptisch-kolumnierten Darstellung, die durchaus auch für Prosatexte verwendet werden kann, besteht zunächst das Problem, dass man für das ganzheitliche Verständnis der Änderungszusammenhänge wesentlich stärker auf die Unterstützung durch diakritische Zeichen angewiesen ist, da die paradigmatische Dimension der Textstruktur mit der syntagmatischen linear zusammenfällt und somit deren Trennung gedanklich durch die Nutzer/-innen selbst vorgenommen werden muss.12 Hier konnte insbesondere mit der Einführung 10  Ausführlich erläutert in Klaus Hurlebusch: »Editionsprinzipien«. In: Friedrich Gottlieb Klopstock: Werke und Briefe. Historisch-Kritische Ausgabe. Abteilung Addenda II: Klopstocks Arbeitstagebuch. Hrsg. von Klaus Hurlebusch. De Gruyter. Berlin/New York 1977. S. 173–227. 11  Mehr zur Textdarstellung der Schreibphänomene und der diakritischen Auszeichnung nach Hurlebusch in ebd., S. 196–227 sowie in Kurzform auf S. 226 f. 12  Der Hrsg. hat vorab eigene erfolgreiche Versuche mit der kolumnierten Darstellung für das Fragment durchgeführt. Sowohl Einblendungs- als auch synoptisch-kolumnierter Apparat sind nach den Modifikationen des Hrsg. in der Lage, die textgenetischen Vorgänge der EU adäquat anzuzeigen. Egal ob Tilgungen durch Auftext, Hinzufügung oder Ergänzung, ob Sofortkorrektur oder alternative Lesungen, beide Apparate sind gleichermaßen präzise und in ihrer Detailschärfe noch erweiterbar. Die synoptisch-kolumnierte Präsentation benötigt jedoch knapp ein Drittel mehr Raum. Bei der Herstellung beider Apparate ist der editorische Aufwand hingegen in etwa gleich hoch, verringert sich aber zugunsten der linear-integrierten Darstellung, wenn für die Edition eine spätere Extraktion von Lesefassungen geplant ist.

Textdarstellungen

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von stufenartigen Gliederungshilfen in Kombination mit einfachen Leseregeln nachgebessert und ferner durch den Wechsel zu einer etwas intuitiveren Symbolik eine Abmilderung erzeugt werden:

Das Bestechende an der linear-integrierten Darstellung ist, dass das Einblendungsverfahren sich zum einen dem in der westlichen Kultur üblichen Lesefluss anpasst und zum anderen die Trennung von kritischem Apparat und dem edierten Text maximal aufgehoben ist. Darüber hinaus ergibt sich darstellungsbedingt eine signifikante Platzersparnis gegenüber anderen integrierten Darstellungsformen. Für die Wiedergabe des ersten Kapitels, welches – auf denselben Zeugen befindlich – zwei ineinander verschachtelte eigenständige Fassungen präsentiert, wird eine sogenannte ›syn-lineare‹ Darstellung verwendet, bei der die Zeile in zwei ›Lesegleise‹ aufgespalten wird und jedes ›Gleis‹ für sich die genetischen Zusammenhänge der beiden Fassungen erkennbar macht und gleichzeitig in einen synoptischen Bezug setzt. Auch aus der Natur des überlieferten Manuskriptes selbst, insbesondere des ersten Kapitels, in welches Tr. die zweite Fassung quasilinear integriert, kann die hier getroffene Wahl der Darstellung als dem editorischen Gegenstand gemäß begründet werden. Für die geradezu virtuos angewendeten und dadurch mitunter komplexen Überschreibungsvorgänge wird in dieser Edition ein Darstellungssystem gewählt, welches jene mikrogenetischen Prozesse vollständig aufschlüsselt und gleichzeitig möglichst intuitiv verständlich bleibt. Darüber hinaus wird mit Rücksicht auf eine moderne Nutzerschaft bei der Wahl der diakritischen Zeichen die gestalterische Vielfalt aktueller Satzprogramme ausgeschöpft. Da der genetischen Wiedergabe eine diplomatische Umschrift nebst faksimilierter Präsentation der Zeugen vorangestellt ist, kann die Darstellung von topografischen Informationen befreit und der Schwerpunkt auf die chronologischen Zusammenhänge – den eigentlichen Zweck der Textgenese – gelegt werden. Der diakritische Zeichensatz der genetischen Wiedergabe bleibt dabei weitestgehend analog zur diplomatischen Darstellung. Was die Reihenfolge der genetischen Präsentation betrifft, werden der Heftumschlag, Kapitel I, die drei Schlussfassungen von Kapitel I sowie Kapitel II gesondert dargeboten. Der Präsentation ist ein durchlaufender Zeilenzähler beigeordnet, welcher die gesamten Zeilen des jeweiligen Kapitels bzw. der jeweiligen Schlussfassung

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Editorischer Bericht

durchzählt. Die Zeilenzähler der Schlussfassungen knüpfen direkt an die auslaufende Zeilenzählung am Ende von Dbl. 11/2v an. Kapitel II startet wieder mit Zeile 1. Randnotate des Autors, welche in Bezug auf die Textkonstitution relevant sein könnten, werden in der Textgenese am Seitenfuß mit eigenem durch das gesamte Fragment laufenden Zeilenzähler nebst vorangestelltem für ›Notiz‹ (Bsp.: n1, n2, n3, ...) ausgestattet. Zusätzlich erhält jedes dieser Notate durchlaufend eine Nummer sowie eine Anmerkung des Herausgebers, worauf sich die Randnotiz beziehen könnte. Auf die Wiedergabe der zu einem späten Zeitpunkt durch Tr. dokumentierten Übernahmen in die LU2 innerhalb der genetischen Darstellung wird aus zwei Gründen verzichtet: Erstens, stellt sich bei einer Analyse der betreffenden Textsegmente heraus, dass diese Markierungen ungenau und unvollständig sind, zweitens, werden die Lesarten dieser Anleihen im Abdruck des von den Übernahmen betroffenen Kapitels XXI. Das System vollständig durch einen positiven Einzelstellenapparat aufgeschlüsselt. Um den Nutzer/-innen jederzeit die Möglichkeit zu geben, eine Textstelle in der Umschrift oder im Faksimile ohne großen Aufwand konsultieren zu können, befindet sich auf der rechten Seite der Darstellung eine Leiste mit Angabe der Dbl.-Zählung und der jeweiligen Bogenseite. Am Seitenfuß werden, sofern der Herausgeber den Eindruck hat, dass eine Darstellung weiterer Anmerkung bedarf, zusätzlich Erläuterungen angefügt. Leseregeln der genetischen Darstellung Textstufe H.1 (Grundschicht, erste Niederschrift): Für die erste Textstufe liest man unter Auslassung der diakritischen Symbole den gesamten schwarzen gültigen Text außerhalb von Zeilenspaltungen und runden Klammern sowie diejenigen Textsegmente innerhalb der runden Klammern, welche durch die Sigle vor dem schließenden Schrägstrich noch der ersten Textstufe H.1 zugewiesen sind. Ferner sind für die Lesung des gültigen Textes die obigen Leseanweisungen für Auftexttilgungen zu beachten. Bei einer eventuellen Aufsplittung der Textstufen, z.B. bei mehrschrittigen Änderungen, gilt der Änderungsschritt mit dem höchsten Zahlenwert als ›letztgültig‹. Innerhalb der Spaltungen liest man ausschließlich den Text des oberen Gleises, welcher nach denselben Regeln wie der nicht gespaltene Text gelesen wird. Textstufe H.2 (F1): Für die zweite Textstufe, Fassung F1, liest man unter Auslassung der diakritischen Symbole den gesamten schwarzen gültigen Text außerhalb von Zeilenspaltungen und runden Klammern sowie diejenigen Textsegmente innerhalb der abgerundeten Klammern, welche durch die Sigle vor dem schließenden Schrägstrich der Textstufe H.2 zugewiesen sind. Ferner sind

Textdarstellungen

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für die Lesung des gültigen Textes die obigen Leseanweisungen für Auftexttilgungen zu beachten. Bei einer eventuellen Aufsplittung der Textstufen, z.B. bei mehrschrittigen Änderungen, gilt der Änderungsschritt mit dem höchsten Zahlenwert als ›letztgültig‹. Innerhalb der Spaltungen liest man ausschließlich den Text des oberen Gleises, welcher nach denselben Regeln wie der nicht gespaltene Text gelesen wird. Textstufe H.3 (F2, Vortragsfassung): Für die dritte Textstufe des ersten Kapitels, Fassung F2, liest man unter Auslassung der diakritischen Symbole den gesamten schwarzen gültigen Text außerhalb von Zeilenspaltungen und runden Klammern sowie diejenigen Textsegmente innerhalb der runden Klammern, welche durch die Sigle vor dem schließenden Schrägstrich der Textstufe H.2 zugewiesen sind. Bei einer eventuellen Aufsplittung der Textstufen, z.B. bei mehrschrittigen Änderungen, gilt der Änderungsschritt mit dem höchsten Zahlenwert als ›letztgültig‹. Innerhalb der Spaltungen liest man ausschließlich den Text des unteren Gleises, welcher nach denselben Regeln wie der nicht gespaltene Text gelesen wird. Hier gilt jedoch im Unterschied zum Text außerhalb der Spaltung die letztgültige Stufe bzw. der letztgültige Arbeitsschritt von H.3. Will man den Schreibprozess inklusive der Sofortkorrekturen und Tilgungen auch im Detail nachvollziehen, gilt für alle drei Textstufen: Erreicht man eine Sofortkorrektur oder Tilgung, liest man diese zunächst mit, um anschließend die betreffende Stelle in der geänderten Form wiederholt zu lesen. Lesehilfe:

An Textstellen, bei denen die Darstellung auseinanderfällt und somit das Lesen von gültigem Text erschwert, hilft die Edition durch Unterstreichung der betreffenden Textelemente. Die Wellenlinie erfüllt dabei keine Auszeichnungsfunktion. Sie ist eine punktuell eingesetze visuelle Unterstützung.

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Editorischer Bericht

Diakritische Auszeichnung der genetischen Darstellung Schrift und Farbe

Erläuterung Gültiger in Tinte geschriebener Autortext deutscher Kurrentschreibung wird mittels schwarzer Antiquaschrift (recte: 11 Pt), in Grafit ausgeführter Text zusätzlich durch Umklammerung mit dem Kürzel ›bl‹ für ›Bleistift‹ dargestellt. (Adobe Inc., Minion® Pro Regular) Ungültiger Autortext in Tinte oder Grafit wird in Graustufe (60 % Schwarzwert) wiedergegeben. Darüber hinaus erfolgt die Textdarstellung analog zu gültigem Autortext. Autortext in lateinischer Schreibung wird mit Groteskschrift (recte: 10,5 Pt) wiedergegeben. Darüber hinaus erfolgt die Textdarstellung analog zu gültigem und ungültigem Autortext. (De Gruyter, De Gruyter Sans Regular) Herausgebertext wird mit kursivierter Antiquaschrift in der Kopfzeile mit Schriftgröße 11 Pt, in den Zeilenzählern und Kommentaren in 9 Pt wiedergegeben. (Adobe Inc., Minion® Pro Italic) Diakritischen Zeichen werden in schwarz und recte wiedergegeben. (Typoma®, Minion® Math Regular) Darstellungsbedingt werden analog zur Vorgehensweise der KA Textbestandteile aus dem syntaktischen Kontext wiederholt. Die Wiederholung erfolgt dabei durch Majuskeln und Kapitälchen.

Textdarstellungen Diakritische Auszeichnung

427 Erläuterung Textergänzung. Ergänzter Text wird mit oben gewinkelten Einweisungsklammern wiedergegeben. Ferner erfolgt die Attribuierung mit ›erg‹ für ›Ergänzung‹ vor der jeweils schließenden Winkelklammer. Die kleinen Klammern zeichnen wie in a) einfache Ergänzungen aus, d.h. Ergänzungen, welche keine weiteren Binnenergänzungen enthalten. Die großen Klammern finden wie in b) immer dann Anwendung, wenn mindestens eine Binnenergänzung vorhanden ist. Diese Klammern höherer Ordnung ersetzen die in der KA verwendeten doppelten Ergänzungszeichen . Dadurch werden unschöne typografische Effekte wie in Beispiel c) vermieden. Tilgung durch Streichung. Tilgungen werden mit der Umschließung durch ›Square Brackets‹ dargestellt. Für die Markierung einer Streichung wird vor dem schließenden ›Square Bracket‹ ein -Zeichen angezeigt. Analog zu den in sich verschachtelten Ergänzungen, die durch Klammern höherer Ordnung dargestellt werden, fungieren gedoppelte ›Square Brackets‹ als die Ummantelung von Binnenstreichungen. Die Textersetzung, d.h. die Hinzufügung in Folge der Tilgung durch Streichung, wird nach gleichbleibendem Schema wiedergegeben. Der getilgte Text liegt in der Regel auf der linken, die Ersetzung auf der rechten Seite. Durch die Attribuierung mit ›ers‹ wird die Hinzufügung als ›Ersetzung‹ ausgezeichnet. Die leeren Spitzklammern grenzen den Änderungszusammenhang ein. Auftexttilgungen. Das Auftextsymbol kennzeichnet die in Spitzklammern eingegrenzte Änderungseinheit als eine Art von Auftextphänomen. Auf der linken Seite befinden sich die getilgten Elemente, auf der rechten der ›Auftext‹ oder bei

428 Diakritische Auszeichnung

Editorischer Bericht Erläuterung partiellen Tilgungen die ›Auftextsegmente‹. Bei der Attribuierung wird zwischen a) der Auftexttilgung durch Überschreibung: , b) Nutzung der Ressourcen des getilgten Zeichens: oder c) Nachzeichnung: unterschieden. Die leeren spitzen Klammern begrenzen die Änderungseinheit. Von der Tilgung nicht betroffene Segmente der linken Seite werden auf der rechten in Majuskelschrift bzw. Kapitälchen als Wiederholung angezeigt. Mithilfe von exponierten Kleinbuchstaben können die zusammengehörigen Segmente wie in d) miteinander verknüpft werden. Um den gültigen Text einer Auftexttilgung zu lesen, ignoriert man die weiterhin gültigen Zeichen vor dem Auftextsymbol und liest wie in e) nur die hinzugefügten und sich ggf. wiederholenden Zeichen dahinter. Im Falle von Sofortkorrekturen wie in f) wird in der Regel nur das Wortsegment ausgezeichnet, das von der Überschreibung betroffen ist. Bei der Lesung des gültigen Textes sind auch die Wortsegmente vor der Spitzklammer zu berücksichtigen. Spitzklammern. Die Edition verwendet analog zur KA für die Abgrenzung textgenetischer Vorgänge sogenannte ›leere‹ und ›gefüllte‹ Spitzklammern. Ähnlich wie bei dem Verfahren zur Textergänzung können sowohl einfachere Änderungen mittels ›leerer‹ als auch komplexere Vorgänge, d.h. Änderungszusammenhänge, welche Binnenzusammenhänge enthalten, mittels gefüllter Klammern verschachtelt werden. Hierdurch ergeben sich vielseitige Möglichkeiten der Strukturierung der genetischen Wiedergabe. Auszeichnung von Textstufen. Einzelne Änderungen und Stapelungen von Änderungen, die einer oder mehreren Textstufen zugeordnet sind, werden durch schmale runde Klammern umschlossen und intern mit Schrägstrich voneinander

Textdarstellungen Diakritische Auszeichnung

429 Erläuterung abgegrenzt. Jedes einer Textstufe zugeordnete Textsegment beginnt hinter einem Schrägstrich (Slash) und endet mit Attribuierung der Stufensigle vor einem ›Slash‹ (Bsp.: ...H.1⧸Text ⌜Textsegmenterg⌝H.2⧸). Aus dem in dieser Edition dargebotenen Fragment der EU können insgesamt drei Textstufen abgeleitet werden: Die erste Textstufe H.1 entspricht dem Text der Grundschicht, wie er mit seinen Sofortkorrekturen ohne späte Eingriffe gelesen werden kann. Die Gültigkeit der Textstufe H.1 wird durch die Spätänderungen der Textstufe H.2 teilweise aufgehoben. Der Text der Textstufe H.2 entspricht der ersten gültigen Fassung (F1) des ersten Kapitels und stellt für Kapitel II die einzige gültige Fassung dar. Textstufe H.3 ist eine zweite gültige Fassung (F2) von Kapitel I. Für die Darstellung des Textverlaufs der Eingriffe der Textstufe H.3 musste auf die weiter unten erläuterte sogenannte ›syn-lineare Spaltung‹ der betroffenen Textzeilen zurückgegriffen werden. Um komplizierte Änderungsvorgänge innerhalb einer Textstufe für die Nutzer/-innen verständlicher darstellen zu können, werden diese in Arbeitschritte aufgesplittet. Dazu wird der Stufenzählung zusätzlich ein durchlaufender Zähler angehängt. Die Lesung, welche der letztgültigen Gestalt der jeweiligen Textstufe entspricht, ist hier diejenige mit dem höchsten Zahlenwert. Sofortkorrekturen. Das Blitzsymbol markiert alle Arten von Sofortkorrekturen und wird hinter die entsprechende Darstellung des Änderungsvorganges platziert. Es gilt für die Vorgänge innerhalb der jeweils attribuierten Umklammerung. In a) haben wir beispielsweise eine Sofortstreichung, in b) und c) eine Sofortüberschreibung bzw. -ersetzung und in d) eine komplexe Sofortkorrektur.

430

Editorischer Bericht

Diakritische Auszeichnung

Erläuterung Paginierung der EU. Die durch die Paginierung verlinkte Textmenge der betreffenden Dbl.-Seite der EU befindet sich hinter dem senkrechten Balken (Vertical Bar) und endet vor dem nächsten. Bei den Fußnoten kann zwar über die Verknüpfung der Fußnotenzählung mit dem Anzeiger im Basistext die Zuordnung auf die entsprechende Seite des Manuskriptes erschlossen werden. Da diese Anzeiger bei den sonstigen Anmerkungen Tr.’s über die Textkonstitution jedoch fehlen oder das Verweisziel sich ggf. noch auf der vorherigen Seite der genetischen Darstellungen befindet, werden doppelte ›Vertical Bars‹ zur Markierung von Seitenübersprüngen verwendet. Die beiden späten Textumstellungen des Fragmentes werden eingegrenzt durch leere Spitzklammern und mit den vorangestellten -Pfeilen markiert. Die syn-lineare Zeilenspaltung

... Text

Textverlauf H.1 und H.2 (Grundschicht und Fassung F1) Textverlauf H.3 (Fassung F2)

Text ...

Um die Eigenständigkeit der dritten Textstufe als zweite Fassung (F2) hervorzuheben, wird auf die Spaltung der Darstellung in ›Lesegleise‹ zurückgegriffen. Weil hier zwei lineare Wiedergaben miteinander quasi-synoptisch parallel laufen, wird das Verfahren in der Edition kurz ›syn-linear‹ genannt. Das obere ›Lesegleis‹ setzt die im nicht gespaltenen Text wiedergegebene genetische Entwicklung der ersten Fassung (F1) bzw. der ersten und zweiten Textstufe fort. Während sich im unteren ›Gleis‹ ausschließlich die Genese ab Texstufe H.3 befindet. Existiert zum Textverlauf des jeweiligen ›Gleises‹ kein Gegenstück im anderen ›Gleis‹, z.B. bei größeren Textergänzungen oder -auslassungen, bleibt die Darstellung dort entsprechend leer.

Textdarstellungen

431 Besonderheit Kolumnenapparat

Tr. ändert den Titel des ersten Kapitels viermal ab. Dies geschieht, bevor er mit der Schreibarbeit für den Basistext beginnt. Für die Darstellungen der vier Titelstufen (T1–T4) wird eine klassisch-kolumnierte Darstellung gewählt. Für die jeweiligen Titelstufen liest man die beiden Zeilenvarianten mit der entsprechenden Stufensigle: 7 T.1

Beispiellesung: Für T.2 liest man ... →

I. Der Ort der Ethik blim

7 T.2 7 T.3

... und →

blder

8 T.2 8 T.3 8 T.4

↶im [Jnbegr ⊄]bl i→n

7 T.4

dem

[Jnbegriffbl

Wiſſenschaftenbl

↶Jnbegriff der Wiſſenschaften.

Erläuterung der diakritischen Zeichen: 1. Überschreibung. 2. Nutzung der Ressourcen eines getilgten Zeichens. 3. Tilgung durch Radierung. 4. < > Wiederholung des Textes der vorherigen Variantenzeile.

Eingriffe des Herausgebers

Erläuterung

[ausgeklammert] Wo[r]rt

Durch den Herausgeber getilgter Text wird mit kursiven ›Square brackets‹ umschlossen, jedoch farblich nicht als ›ungültig‹ markiert. Trotz Eingriff soll der Entwurfscharakter des Fragmentes erhalten bleiben. Die diakritischen Auszeichnungen können bei Bedarf jederzeit ignoriert und der Text in seiner historischen Gestalt rezipiert werden.

{hinzugefügt oder geändert} {;}

Durch den Herausgeber hinzugefügter bzw. geänderter Text wird kursiviert und in ›Akkoladen‹ eingeschlossen.

432

Editorischer Bericht

Richtlinien der Klartextangebote Bei der Darstellung der Klartextangebote werden bekannte oder eindeutige Abbreviaturen und Suspensionsschleifen bis auf wenige Ausnahmen13 nicht aufgelöst, historische Eigentümlichkeiten der Interpunktion sowie fehlende Punkte (türkisches ) nicht ergänzt.14 Die Wiedergabe von Suspensionsschleifen erfolgt einheitlich über das Sigma . Obligatorische Satzzeichen sowie Abkürzungspunkte werden hinzugefügt,15 überzählige Interpunktionszeichen, z.B. nach Textergänzungen, entfernt. Eine Korrektur erfolgt in der Regel bei unkorrekt geschriebenen Namen, eindeutigen Rechtschreib- und Grammatikfehlern16 sowie unzutreffenden Seitenangaben in Verweisen, da diese für das Textverständnis wichtig sind. Durch die typografische Hervorhebung im Kursivsatz sowie die zusätzliche Einklammerung mittels ›Square Brackets‹ (Bsp.: [,], blo[ß]) ist die Unterscheidung zwischen Autortext und den erfolgten Eingriffen des Herausgebers jederzeit gegeben. Die Darstellung erhält einen durchlaufenden fünfschrittigen Zeilenzähler, welcher Anmerkungen und Fußnoten Tr.’s einbezieht, sowie eine Paginierung. Die adressierte Textmenge der Paginierung beginnt hinter dem -Balken (Vertical Bar) und endet vor dem nächsten. Bei Seitenübersprüngen werden sich wiederholende Zeilenzähler derselben Dbl.-Seite durch doppelte ›Vertical Bars‹ angezeigt . Dadurch ist es Nutzer/-innen der Edition jederzeit möglich, ohne Aufwand die entsprechende Stelle in den verschiedenen Textdarstellungen zu konsultieren. In beiden Kapiteln befindet sich je eine Alternativvariante, welche ohne weitere Anmerkungen von Tr. spät ergänzt wird. Für die Klartexte verwendet die Edition die ältere vormals gesetzte Variante, da diese für Tr. – zumindest eine Zeit lang – gültig ist. Die Alternative wird in entsprechender Fußnote hinterlegt. Hinzu kommen mehrere Randnotizen Tr.’s, von denen für die jeweilige Fassung oder das jeweilige Kapitel relevante Ausführungen ebenfalls unter dem Text notiert werden. 13  Gemeint sind hier einige untypische Abbreviaturen der Sorte ›Kontraktion‹. 14  Die einzigen Ausnahmen bilden die Ergänzungen der Tremata beim Nachnamen des Philosophen Chalybäus auf Dbl. 3/1v sowie bei ›höchste‹ auf Dbl. 17/1v. 15  Insbesondere bei als Apposition intendierten Satzbestandteilen, bei denen z.B. das schließende Komma oder der Gedankenstrich ausbleiben und somit das Risiko des Missverständnisses einer Konjunktion besteht, sowie beim völligen Auslassen der Markierung solcher Beisätze, erfolgt eine Korrektur des Hrsg. Die Eingriffe stehen hierbei im Dienste eines korrekten Textverständnisses. 16  Die beiden im Verhältnis zum übrigen Fragment inkonsistenten Schreibungen von ›blos‹ auf Dbl. 6/1r, Z. 31 und ›obwohl‹ auf Dbl. 8/1r, Z. '24 werden an die im Fragment dominierende Schreibung angepasst.

Textdarstellungen

433

Als Besonderheit des ersten Kapitels gilt, dass die Fassung F1 (≙ H.1–H.2) und die mutmaßliche Vortragsfassung F2 (≙ H.1–H.3) separat hintereinander abgedruckt werden. Da Tr. für F2 mehrere Seiten ausklammert und verschiedene Absätze neu formuliert, hätte ein paralleler Abdruck die durchgängige Leseerfahrung von F2 gestört. Auch wenn keine expliziten Anmerkungen darüber hinterlassen sind, ob und wenn ja, welche der Schlussfassungen maßgeblich ist, scheint Dbl. 12a/1r f., die zweite Schlussfassung, für einen gewissen Zeitraum gültig zu sein, da auf demselben Bogen im Schreibprozess direkt mit Kapitel II fortsetzt wird. Aus diesem Grunde wird der Klartext von F1 zusammen mit der zweiten Schlussfassung präsentiert. Da sich sowohl auf Dbl. 12a sowie auf Dbl. [12b] Winkelklammern befinden, welche Text für die dritte Textufe ausklammern, liegt die Ableitung nahe, dass die dritte Schlussfassung den Text von F2 konstituieren soll. Entsprechend wird F2 mit der dritten Schlussfassung, die erste Schlussfassung hingegen als separater Textanhang dargeboten. Richtlinien des diplomatischen Abdruckes von Das System Zu einem späten Zeitpunkt entscheidet sich Tr. dafür, Textsegmente der EU zum Zweck der Erweiterung des einundzwanzigsten Kapitels der LU2.II wiederzuverwenden. Um zu dokumentieren, welche Textsegmente und Inhalte in wörtlicher, geänderter oder sinngemäßer Form schließlich doch noch veröffentlicht werden, präsentiert die Edition XXI. Das System nebst Lesarten sowohl der LU1 und 3 als auch der übernommenen Textsegmente vollständig als diplomatischen Abdruck. Die Wahl der Fassung der LU2 als Leittext wird dadurch begründet, dass dort die eigentlichen Übernahmen erfolgen. Über die Aufschlüsselung der Varianten der ersten sowie der dritten Auflage ist es möglich einerseits das Kapitel in seiner Urform, d.h. ohne die Gedankengänge der EU, und andererseits die Frage nach einer möglichen weiteren Textentwicklung der betroffenen Textsegmente lückenlos beantworten zu können. In Abgrenzung zum diplomatischen Abdruck sind analog zu den anderen Textdarstellungen dieser Edition alle Herausgebertexte kursiviert. Auf der jeweiligen Innenseite der Kopfzeile (⎵⎵) befindet sich der durch ›Square Brackets‹ eingeklammerte Seitenzähler der LU2. Für die Auszeichung der Varianten der EU verweist die am Außenrand (⎵⎵) der jeweiligen Seite platzierte Leiste auf die betreffenden Dbl.-Seiten. Durch die senkrechten Klammern, die sogenannten ›Segmentanzeiger‹ (⎵⎵), wird in Verbindung mit dem durchlaufenden Zeilenzähler (⎵⎵) das betroffene Textsegment lokalisiert. Hierbei wird durch die Art der Linierung zwischen wortwörtlichen Übernahmen (⎵⎵) und Anlehnungen (⎵⎵) unterschieden. Innerhalb des Basistextes (⎵⎵) markieren gefüllte Spitz-

434

Editorischer Bericht

klammern die exakte Textmenge der Übernahmen und Anlehnungen, welche zusätzlich mit einer durchlaufenden Nummer (⎵⎵...(1, 2, 3...)▶...◀...) versehen sind. Aufgrund dieser Kennzeichung ist es möglich, die einzelnen Lesarten der EU am Seitenfuß mit eigenem Einzelstellenapparat zu präsentieren (⎵⎵). Sofern vorhanden, finden sich dort ebenfalls die Varianten der LU1 und 3 (⎵⎵). Seitenumbrüche der variierenden Texte werden im Leittext durch ›Vertical Bars‹ als ›Seitenanzeiger‹ platziert und im Exponenten mit dem jeweiligen Variantentext verknüpft. Der Seitenanzeiger der EU wird mit exponiertem und der dazugehörige Verweis auf die Dbl.-Seite in Zeilenhöhe des Anzeigers (⎵⎵) wiedergegeben. Aus Platzmangel befinden sich die Seitenanzeiger der LU1 und 3 am Seitenfuß (⎵⎵) – jeweils durch Auflagenzahl im Exponenten attribuiert. Sofern für eine der verwiesenen Auflagen im Leitext mehrere Seitenanzeiger auftreten, werden diese durch eine alphabetische Zählung im Exponenten differenziert. Im Falle von Seitenübersprüngen, d.h. mehreren Seitenanzeigern derselben Seite des variierenden Textes, werden die ›Vertical Bars‹ zusätzlich doppelt wiedergebenen. Bei der Übetragung in die diplomatische Darstellung werden Zeilenfall, relative Positionierung, bedeutungshaltiger Leerraum sowie gesperrter oder exponierter Text exakt übertragen. Dabei entstehen darstellungsbedingt von Zeile zu Zeile Unregelmäßigkeiten in den Wortabständen, die in etwas abgeschwächter Form so auch in der originalen Vorlage zu erkennen sind. Im Falle der Varianten der LU1 wird auf Abdruck in Fraktursatz verzichtet. Eine Berücksichtigung der Titelangabe (⎵⎵) der Kopfzeile in der Zeilenzählung findet nicht statt.

Musterlayout des diplomatischen Abdruckes [S. 418]

XXI. Das System XXI. Das System.

EU (Dbl.)

Kapitel die Frage übrig, o b u n d w i e w e i t e i n e E r k e n n t n i s s d e s U n b e d i n g t e n m ö g l i c h s e i. Die Antwort muss mit dem Nothwendigen, das die vorangehenden Untersuchungen ergaben, in engem Zusammenhang stehen. Ehe wir zu dieser letzten Frage übergehen, mag nur noch ein Punkt erörtert werden, damit in der eben angedeuteten Gliederung der Wissenschaften keine Lücke bleibe. Wenn wir mit den Principien die Wissenschaften sich abstufen und als mathematische, physikalische, organische und ethische sich erheben sahen: so fragt sich, wohin gehört denn die Logik und Metaphysik, deren Einheit wir festgehalten haben? Wir haben sie oben als grundlegende Disciplin bezeichnet und wir bemerken Folgendes zur Rechtfertigung. (2)▶In der Eintheilung und Reihenfolge der Wissenschaften kreuzen sich leicht zwei leitende Gesichtspunkte, die Ordnung, welche der Entstehung der Sache folgt, und die Ordnung, welche der Gang des Lehrens und Lernens nöthig macht. Die methodische Rücksicht durchschneidet die genetische Strenge. Denn die genetische Betrachtung schöpft aus dem Grunde der Sache, während sich die methodische Anordnung den Bedürfnissen des sich entwickelnden lernenden Geistes anpasst.◀ (3)▶Die Stellung der Logik erscheint daher in den Systemen nicht selten wie ein Hysteronproteron. Als Theorie der Wissenschaft muss sie in Principien eingehen, welche den übrigen Wissenschaften angehören und welche sie von ihnen erst überkommt; und doch kann sie im philosophischen System der Disciplinen nicht wohl nachfolgen; denn sie soll ihnen den Grund sichern und |3den Bau vorzeichnen. Als Ergründung des subjektiven Denkens wird die Logik im genetischen System zu einem Theil der Psychologie; aber als Erkenntnisslehre, als Theorie der Wissenschaft, muss sie nicht bloss der Psychologie,|e sondern auch den [...]

343 344 345 346 347 348 349 350 351 352 353 354 355 356 357 358 359 360 361 362 363 364 365 366 367 368 369 370 371 372 373 [...]

5/2v

6/1r f.

|e6/1v

Seitenanzeiger der LU: LU3.II (|3= S. 454) Lesarten der EU:

Lesarten der LU:

Textsegment (2) (Z. 356–363): 356 Variante X] Variante X2 EU, Dbl. 5/2v. 364 Variante Y] Variante Y2 EU, Dbl. 6/1r.

364 Variante X] Variante X2 LU3.II, S. 454 370 Variante Y] Variante Y2 LU3.II, S. 455 373 Variante Z] Variante Z2 LU3.II, S. 456

Auflistung der Emendation (Aufgelistet werden Emendationen der Klartexte.) ›I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F1)‹ Z. 48: fehlender Satzpunkt ergänzt. Z. 53: fehlende Markierung der Apposition analog zu Z. 54 ergänzt. Z. 64: fehlender Satzpunkt ergänzt. Z. 91: fehlender Abkürzungspunkt ergänzt. Z. 110-116: mehrere fehlende Satz- und Abkürzungspunkte ergänzt. Z. 115 f.: verschliffene Graphen beider Kontraktionen aufgelöst. Z. 118 f.: fehlende Markierung der Apposition ergänzt. Z. 141: fehlender Abkürzungspunkt ergänzt. Z. 153: fehlendes Komma ergänzt. Z. 173: fehlendes Trema und Abkürzungspunkt ergänzt. Z. 176: fehlender Abkürzungspunkt ergänzt. Z. 185: fehlendes Komma ergänzt. Z. 200: fehlendes Anführungszeichen ergänzt. Z. 209: fehlende Gemination ergänzt. Z. 231: zwei fehlende Abkürzungspunkte ergänzt. Z. 278: fehlendes Komma der Apposition ergänzt. Z. 298: fehlender Abkürzungspunkt ergänzt. Z. 356: fehlendes Komma der Apposition ergänzt. Z. 364: an dominierende Schreibweise angepasst. Z. 405: fehlender Abkürzungspunkt ergänzt. Z. 435: fehlender Satzpunkt ergänzt. Z. 449: fehlender Satzpunkt ergänzt. Z. 491: ›obwol‹ an dominierende Schreibweise angepasst. Z. 493: fehlender Abkürzungspunkt ergänzt. Z. 529: fehlender Abkürzungspunkt ergänzt sowie falsche Beugung korrigiert. Z. 570: fehlender Abkürzungspunkt ergänzt. Z. 630: fehlendes Komma ergänzt. Z. 668: fehlender Satzpunkt ergänzt. Z. 720: fehlender oder verschliffener Graph ergänzt. Z. 733: fehlendes Komma ergänzt. Z. 747a: fehlendes Komma der Apposition ergänzt. Z. 759: fehlende Abkürzungspunkte ergänzt. ›I. Der Ort der Ethik in dem Jnbegriff der Wiſſenſchaften (F2)‹ Z. 4 ff.: fehlender Abkürzungspunkt in Z. 5 sowie vermutl. Wortlaut der Einleitung in Z. 6 ergänzt.

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Editorischer Bericht

Z. 42: fehlender Satzpunkt ergänzt. Z. 47: fehlende Markierung der Apposition analog zu Z. 48 ergänzt. Z. 60: fehlender Satzpunkt ergänzt. Z. 87: fehlender Abkürzungspunkt ergänzt. Z. 107 f.: fehlende Markierung der Apposition ergänzt. Z. 110-116: mehrere fehlende Satz- und Abkürzungspunkte ergänzt. Z. 138: fehlender Abkürzungspunkt ergänzt. Z. 149: fehlendes Komma ergänzt. Z. 170: fehlender Abkürzungspunkt ergänzt. Z. 174: fehlendes Trema und Abkürzungspunkt ergänzt. Z. 182: fehlendes Komma ergänzt. Z. 201: fehlendes Anführungszeichen ergänzt. Z. 207: fehlende Gemination ergänzt. Z. 232: zwei fehlende Abkürzungspunkte ergänzt. Z. 271: fehlendes Komma der Apposition ergänzt. Z. 286: fehlender Abkürzungspunkt ergänzt. Z. 347: fehlendes Komma der Apposition ergänzt. Z. 355: an dominierende Schreibweise angepasst. Z. 379: fehlender Abkürzungspunkt ergänzt. Z. 412: fehlendes Komma der Apposition ergänzt. Z. 417: fehlender Abkürzungspunkt ergänzt. Z. 446 und 448: fehlender Abkürzungs- und Satzpunkt ergänzt. Z. 452 und 455: für Lesung von F2 jeweils in Majuskel korrigiert. Z. 469: fehlendes Komma ergänzt. Z. 477 f.: für Lesung von F2 jeweils in Majuskel korrigiert und nötigen Satzpunkt ergänzt. Z. 488: Satzpunkt ergänzt. Z. 538: fehlender oder verschliffener Graph ergänzt. Z. 549: Komma ergänzt. Kapitel I – Erste Schlussfassung Z. 11: fehlendes Komma ergänzt. Z. 29: fehlender Abkürzungspunkt ergänzt. Z. 55 f.: fehlende Markierung der Apposition ergänzt. Z. 58: fehlender Abkürzungspunkt ergänzt. ›II. Die organiſche Weltanſicht als Grundlage der Ethik‹ Z. 56: falsche Seitenzahl in Verweis korrigiert. Z. 112: fehlender oder verschliffener Graph ergänzt.

Auflistung der Emendation Z. 118: fehlendes Komma der Apposition ergänzt. Z. 165: fehlendes Komma ergänzt. Z. 172: fehlendes Komma der Apposition ergänzt. Z. 196: fehlendes Komma ergänzt. Z. 203: fehlender Abkürzungspunkt ergänzt. Z. 203: fehlender Abkürzungspunkt ergänzt. Z. 219: versehentliche Lateinschreibung angepasst. Z. 219 ff.: Anführungsstriche in Zitat ergänzt. Z. 244: fehlendes Komma ergänzt. Z. 262: verschliffener Graph der Kontraktion aufgelöst. Z. 303: fehlender Satzpunkt ergänzt. Z. 332: fehlendes Trema ergänzt.

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Literatur- und Abbildungsverzeichnis

Literatur Primärliteratur Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von Ursula Wolf (Hg.). 5. Auflage. Rowohlt Taschenbuch Verlag. Reinbeck bei Hamburg 2015. Fischer, Kuno: Syſtem der Logik und Metaphyſik oder Wiſſenschaftſlehre. 2. völlig überarbeitete Auflage. Friedrich Bassermann Verlag. Heidelberg 1865. Platon: »Politikos«. In: Ders.: Sämtliche Werke. 4 Bde. Auf der Grundlage der Bearbeitung von Walter F. Otto, Ernesto Grassi und Gert Plamböck neu herausgegeben von Ursula Wolf. 37. Auflage. Rowohlt Taschenbuch Verlag. Reinbeck bei Hamburg 2013. Bd. 3: Kratylos, Parmenides, Theaitetos, Sophistes, Politikos, Phelebos, Briefe. S. 337–418. Spinoza, Baruch de: Die Ethik von Spinoza (Ethica). Neu überſetzt und mit einem einleitendem Wort verſehen von Jakob Stern (Hg.). Philipp Reclam jun. Verlag. Leipzig 1887. Trendelenburg, [Friedrich] Adolf: Die logische Frage in Hegel’s System. Zwei Streitschriften. F. A. Brockhaus Verlag. Leipzig 1843. Trendelenburg, Friedrich Adolf: Ethiſche Unterſuchungen. Manuskript. Berlin [ca. 1851]. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2. (Komplett) Trendelenburg, [Friedrich] Adolf: »Herbart’s praktische Philosophie und die Ethik der Alten.« In: Ders. (Hg.): Historische Beiträge zur Philosophie. 3 Bde. Hier Bd. 3: Vermischte Abhandlungen. Gustav Bethge Verlag. Berlin 1867. S. 122–170. Trendelenburg, [Friedrich] Adolf: Logische Untersuchungen. 2 Bde. Gustav Bethge Verlag. Berlin 1840. Trendelenburg, [Friedrich] Adolf: Logische Untersuchungen. 2 Bde. 2. ergänzte Auflage. Salomon Hirzel Verlag. Leipzig 1862. Trendelenburg, [Friedrich] Adolf: Logische Untersuchungen. 2 Bde. 3. vermehrte Auflage. Salomon Hirzel Verlag. Leipzig 1870. Trendelenburg, [Friedrich] Adolf: Naturrecht auf dem Grunde der Ethik. Salomon Hirzel Verlag. Leipzig 1860.

444

Literatur- und Abbildungsverzeichnis

Trendelenburg, [Friedrich] Adolf: »Über den letzten Unterschied der philosophischen Systeme« (1847). In: Philologische und historische Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Aus dem Jahre 1847. F. Dümmlers Verlag. Berlin 1849. S. 241–262. Trendelenburg, [Friedrich] Adolf: Über Spinoza’s Grundgedanken und dessen Erfolg. Gustav Bethge Verlag. Berlin 1850.

Sekundärliteratur Beiser, Frederick C.: Late German Idealism. Trendelenburg and Lotze. Oxford University Press. New York 2013. Bonitz, Hermann: Zur Erinnerung an Friedrich Adolf Trendelenburg. Vortrag. Gehalten am Leibniztage 1872 in der Königlichen Akademie der Wissenschaften. F. Dümmlers Verlag. Berlin 1872. Bratuscheck, Ernst: Adolf Trendelenburg. F. Henschel Verlag. Berlin 1873. Brüllmann, Philipp: »The Concrete Universal: Friedrich Adolf Trendelenburg on Kant, Aristotle and the Ethical Principle«. In: New Studies in the History and Historiography of Philosophy. Edited by Gerald Hartung and Sebastian Luft. Bisher 10 Bde. Hier Bd. 4: Gerald Hartung, Colin Guthrie King, Christof Rapp (Hg.): Aristotelian Studies in 19th Century Philosophy. De Gruyter. Berlin/Boston 2018. S. 207–229. Eucken, Rudolf: Lebenserinnerungen. Ein Stück deutſchen Lebens. 2. erweiterte Auflage. K. F. Koehler Verlag. Leipzig 1922. Eucken, Rudolf: »Zur Charakteriſtik der Philoſophie Trendelenburgs«. In: Ders. (Hg.): Beiträge zur Geſchichte der neuern Philoſophie. vornehmlich der deutſchen. Georg Weiß Verlag. Heidelberg 1886. S. 117–144. Hartung, Gerald, Klaus Christian Köhnke: »Einleitung«. In: Eutiner Forschungen. Herausgegeben im Auftrag der Stiftung zur Förderung der Kultur und Erwachsenenbildung in Ostholstein. Bisher 16 Bde. Hier Bd. 10: Gerald Hartung, Klaus Christian Köhnke (Hg.): Friedrich Adolf Trendelenburgs Wirkung. Eutiner Landesbibliothek. Eutin 2006. S. 7–12. Hartung, Gerald: »Friedrich Adolf Trendelenburg«. In: Uwe Schaper (Hg.): Berliner Lebensbilder. Bisher 11 Bde. Hier Bd. 10: Hans-Christof Kraus (Hg.): Geisteswissenschaftler II. Duncker & Humblot Verlag. Berlin 2012. S. 9–26.

Literatur

445

Hartung, Gerald: »Wozu ›Ethische Untersuchungen‹? Trendelenburgs Grundlegung einer Theorie der menschlichen Welt« (2002). In: Eutiner Forschungen. Herausgegeben im Auftrag der Stiftung zur Förderung der Kultur und Erwachsenenbildung in Ostholstein. Bisher 16 Bde. Hier Bd. 10: Gerald Hartung, Klaus Christian Köhnke (Hg.): Friedrich Adolf Trendelenburgs Wirkung. Eutiner Landesbibliothek. Eutin 2006. S. 83–103. Hurlebusch, Klaus: »Editionsprinzipien«. In: Friedrich Gottlieb Klopstock: Werke und Briefe. Historisch-Kritische Ausgabe. Abteilung Addenda II. Klopstocks Arbeitstagebuch. Hrsg. von Klaus Hurlebusch. De Gruyter. Berlin/New York 1977. S. 173–227. Köhnke, Klaus Christian: Entstehung und Aufstieg des Neukantianismus. Die deutsche Universitätsphilosophie zwischen Idealismus und Positivismus. Suhrkamp Verlag. Frankfurt am Main 1986. N. N.: »Geschichte der Voß-Schule«. www.voss-schule.de/geschichte (05.06.2022). Paulsen, Friedrich: »Adolf Trendelenburg. Ein Blatt persönlicher Erinnerungen«. In: Berliner Akademische Wochenschrift 24 (1907). S. 187–189. Peters, Gustav: Geschichte von Eutin. Karl Wachholtz Verlag. Neumünster 1958. Prühs, Ernst-Günther: Geschichte der Stadt Eutin. 2. Auflage. Struve’s Buchdruckerei & Verlag. Eutin 1994. Trendelenburg, Friedrich: Geschichte der Familie Trendelenburg für Kinder und Enkel. Buchdruckerei des Waisenhauses. Halle a. d. Saale 1921. Vilkko, Risto: »Trendelenburgs Kritik an der Herbartschen Logik und ihr Einfluß auf die Reform der Logik« (2002). In: Eutiner Forschungen. Herausgegeben im Auftrag der Stiftung zur Förderung der Kultur und Erwachsenenbildung in Ostholstein. Bisher 16 Bde. Hier Bd. 10: Gerald Hartung, Klaus Christian Köhnke (Hg.): Friedrich Adolf Trendelenburgs Wirkung. Eutiner Landesbibliothek. Eutin 2006. S. 43–53.

Lexika Die Lebensdaten historischer Persönlichkeiten in dieser Edition sind der Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB) sowie der Neuen Deutschen Biographie (NDB) entnommen.

Alwast, Jendris: »Trendelenburg«. In: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein in Lübeck. 13 Bde. Herausgegeben im Auftrag der Gesellschaft für Schleswig-Hol-

446

Literatur- und Abbildungsverzeichnis

steinische Geschichte und des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde. Hier Bd. 6. Karl Wachholtz Verlag. Neumünster 1982. S. 285–287. Binder, N. : »Salzmann, Christian Gotthilf«. In: Allgemeine Deutsche Biographie 30 (1890), S. 293–297. Onlineversion: www.deutsche-biographie.de/gnd118605232. html#adbcontent (05.06.2022). Eggeling, N. : »Fries, Jakob«. In: Allgemeine Deutsche Biographie 3 (1876), S. 245. Onlineversion: www.deutsche-biographie.de/gnd11853601X.html#adbcontent (05.06.2022). Kopf, August: »Encke, Franz«. In: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 489 f. Onlineversion: www.deutsche-biographie.de/gnd116471727.html#ndbcontent (05.06.2022). Mutzenbecher, N.: »König, Georg Ludwig«. In: Allgemeine Deutsche Biographie 16 (1882), S. 508 f. Onlineversion: www.deutsche-biographie.de/pnd116292105. html#adbcontent (05.06.2022). Richter, A. : »Trendelenburg, Friedrich Adolf«. In: Allgemeine Deutsche Biographie 38 (1894), S. 569–572. Onlineversion: www.deutsche-biographie.de/gnd11862380X.html#adbcontent (05.06.2022). von Hertling, N.: »Brandis, Christian August«. In: Allgemeine Deutsche Biographie 3 (1876), S. 245. Onlineversion: www.deutsche-biographie.de/gnd116402326.html #adbcontent (05.06.2022).

Zitierte Briefe, Tagebucheinträge und sonstige Dokumente Aus F. Trendelenburg: Geschichte der Familie Trendelenburg: Trendelenburg, [Friedrich] Adolf: Tagebucheintrag vom Samstag, den 10. Mai 1817. S. 123 f. Trendelenburg, [Friedrich] Adolf: Brief an Marianne Trendelenburg vom Montag, den 25. Dezember 1820. S. 124. Trendelenburg, [Friedrich] Adolf: Brief an Marianne Trendelenburg von Weihnachten 1822. S. 130. Trendelenburg, [Friedrich] Adolf: Brief an nicht genannte Person (verm. wieder Marianne Trendelenburg) wahrscheinlich vom April 1823. S. 130 f.

Literatur

447

Trendelenburg, [Friedrich] Adolf: Brief an Julie Trendelenburg vom Herbst 1823. S. 132. Trendelenburg, [Friedrich] Adolf: Brief an nicht genannte Person vom Montag, den 2. Mai 1825. S. 138. Trendelenburg, [Friedrich] Adolf: Brief an August Baggesen vom Dienstag, den 19. April 1825. S. 139. Trendelenburg, [Friedrich] Adolf: Brief an Friedrich Wilhelm Trendelenburg vom Sommer 1826. S. 146 Aus Bratuscheck: Adolf Trendelenburg: Trendelenburg, [Friedrich] Adolf: Abschiedsrede vom Freitag, den 29. März 1822. S. 12–16. Trendelenburg, [Friedrich] Adolf: Brief an Friedrich Wilhelm Trendelenburg vom Mittwoch, den 4. August 1824. S. 39.

Abbildungen Abb. 1: B. J. Hirsch’s photogr. Kunst-Verlag: Dr. Trendelenburg, Prof. d. Philos., Berlin 1848. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Portr. Slg / Philos. gr. / Trendelenburg, Friedrich Adolf, Nr. 5. Abb. 2–79: Friedrich Adolf Trendelenburg: Ethiſche Unterſuchungen. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2. Abb. 80: Christian Biehl: Sammelbox 9. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Nachlass Trendelenburg, Friedrich Adolf, Handschrift B 9,2.

Anhang

Register Namensregister Alexander, ›alexandrinisch‹ 30, 112, 246, 321, 319, 369 Altenstein, Karl Freiherr von 14 f. Aratos von Soloi 12 Aristarch 112, 246, 321 Aristophanes 112, 246, 321 Aristoteles, ›aristotelisch‹, ›Ariſt.‹ X f., 6, 8 f., 13 ff., 17, 19, 26 f., 30, 63, 67 f., 76, 88, 95, 108, 111 f., 140, 196, 224, 227, 228, 231, 235, 239, 245, 246, 260, 290, 306, 308 f., 311, 313 f., 316, 320 f., 329, 336, 338–341, 343 f., 346, 353, 373, 383, 395, 397 Atomiker, ›atomistisch‹ 36, 179, 204, 283, 368 Augustin 12 Baggesen, August 9, 13 Basedow, Johann Bernhard 10 Baumgarten, Alexander Gottlieb 27, 76, 231, 311, 341, 397 Baumgartner, Wilhelm X Becker, Karl Ferdinand 15 f. Beiser, Frederick C. XI f. Bekker, Immanuel 9, 12 Berger, Johann Erich von, ›Berger’schen‹ 7 ff.

Bobrik, Eduard 80, 233, 311, 342, 398 Boeckh, August 11 f., 14 f. Bonitz, Hermann IX Bopp, Franz 12 Brandis, Christian August 9, 68, 229, 308, 338 Bratuscheck, Ernst Karl Ludwig 3, 7 f., 15, 407 Brentano, Franz XI Brüllmanns, Philipp XI Campanella, Tommaso 30, 115, 247 f., 322 Chalybäus, Heinrich Moritz 75, 231, 310, 340, 432 Ciceros Sohn 5 Cohen, Hermann XI Cramer, Andreas Wilhelm 7 Dahlmann, Friedrich Christoph 7 Darwin, Charles Robert, ›Darwinismus‹ 22 Dathe, Uwe X Demokrit, Demokritismus 36, 104, 184, 244, 285, 319, 369 Descartes, Rene, ›Cartesius‹, ›cartesisch‹ 27 f., 30, 88, 91 f., 95, 116, 236 ff., 248, 314 ff., 322, 344 f., 395 Dilthey, Wilhelm IX, 21

452 Diogenes Laertios 87, 314, 344 Eckermann, Jakob Christoph Rudolf 7 Encke, Johann Franz 10 Eratosthenes 112, 247, 321 Erman (Physiker) 13 Eucken, Rudolf IX, 19, 21 Euklides 112, 247, 321 f. Fichte, Johann Gottlieb 8, 27, 75, 231, 311, 340 Fischer, Kuno XI, 21 f. Forchhammer, Peter Wilhelm 9, 11 Friedrich der Große 23 Fries, Jakob Friedrich 5, 11 Fugali, Eduardo X Gabriel, Gottfried X Gellius, Aulus 7 Gerson, Jean le Charlier de 75, 231, 310, 340 Goethe, Johann Wolfgang von 10 Grimm, Dorothea (geb. Wild) 19 Grimm, Jakob 19 Grimm, Wilhelm 19 Hartung, Gerald X f., 18, 34

Anhang Hegel, ›Hegelkritik‹, ›Hegel’sche‹ IX f., 4, 11 f., 17 f., 21, 28–31, 92, 96, 238 f., 316 f., 345 f. Helmsdörfer, Sophie 23 Henning, Leopold Dorotheus 12 Herbart, Johann Friedrich 21, 36, 76, 80, 83 f., 119, 232 ff., 249, 311 ff., 323, 341 ff., 395, 398 f. Hermann, Gottfried Johann Jakob 9, 11 Hipparch 112, 247, 321 Homer 5 Horaz 11 Hurlebusch, Klaus 422 Ideler, Ludwig 12 Kant, Immanuel, ›Kant-Lücke‹, ›Kant’schen‹, ›Kantianer‹ IX, XI, 4 f., 7 f., 13, 19, 22, 27, 30, 75 f., 79, 116, 119 f., 231 f., 239, 248 ff., 311 f., 317, 323 f., 340 f., 346, 389, 397 f. Kiesewetter, Johann Gottfried Karl Christian 5 Kindt, Rudolph 13 King, Colin Guthrie XI Köhnke, Klaus Christian X, 18 König, Georg Luwig 4 ff., 11, 14 Kopernikus/Copernicus 184, 285, 369 Kreiter, Erik X

Register Kühne-Bertram, Gudrun X Laas, Ernst XI Lachmann, Hans-Jürgen X Leibniz, Gottfried Wilhelm 8, 140, 260, 329, 353 Lessing, Hans-Ulrich X Lotze, Hermann X f. Luther, Martin 10 Meyer, Jürgen Bona XI Nagler, Karl Ferdinand von, ›Naglers‹ 14 f. Nagler, Karl von (Sohn von ebd.) 14 f. Nasser, Johann Adolf 7 Neander, August 12 Orth, Ernst Wolfgang X Paulsen, Friedrich XI, 16 Peripatetiker 95, 239, 316, 346 Pfaff, Christoph Heinrich 7 Platon/Plato, ›Platonismus‹, ›platonisch‹, ›neu-platonisch‹ 5, 8, 13 f., 19, 26, 28, 30, 36, 60, 75, 84, 95, 107, 115, 143, 162, 179, 184, 224, 231, 235, 239, 244, 260, 275, 283, 285, 306, 310, 313, 316, 319 f., 322, 330, 336, 340, 343, 346, 353 f., 368 f., 391, 395 Plautus 9

453 Plutarch 87, 314, 344 Prantl, Carl von XI Proklos/-us 115, 247, 322 Ptolemäus/Ptolemaeus 112, 184, 247, 285, 321, 369 Pythagoras, ›phytagoreisch‹ 104, 187, 244, 286, 319, 370 Rapp, Christof XI Reimer, Nicolaus Theodor 7 Reinhold, Karl Leonhard 7 Ritter, Carl 13 Rosen, Friedrich 13 Salzmann, Christian Gotthilf 10 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 19 Schlegel, Karl Wilhelm Friedrich 11 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst 11–14, 16, 19 Scholtz, Gunther X Schulze, Johannes 14 f. Sextus Empiricus 84, 87, 235, 313, 343, 395 Sokrates, ›Sokr.‹ 162, 275, 354 Spinoza, Baruch de, ›Spinozismus‹, ›spinozistisch‹ 19, 22, 27 f., 30, 36–39, 91, 115 f., 149, 179, 187 f., 191 f., 195 f., 199 f., 203 f., 207 f., 237 f., 247 f., 266, 283, 286–290, 292–295, 315, 322, 344 f., 360, 368, 370–373, 375 ff., 395, 406

454 Spohn, Friedrich August Wilhelm 11 Steffens, Henrich 13 Stobaeus 404 Stoiker, ›stoisch‹ 27 f., 84, 87 f., 92, 95, 112, 235–239, 247, 313–316, 321 f., 343–346, 397 Strabon/Strabo 115, 247, 322 Synesius von Kyrene 12 Thales 30, 104, 244, 319 Thomsen, Christian Nikolaus Theodor Heinrich 9 Thukydides 12 Tischbein, Johann Heinrich Wilhelm 5, 10 Trede, Ludwig Bendix/Benedict 6 Trendelenburg, Ferdinande (geb. Becker), (Ehefrau Tr.’s) 16, 19 Trendelenburg, Friedrich, (Sohn Tr.’s) 7, 9, 15, 23 Trendelenburg, Friedrich Wilhelm, ›Eltern‹ 3, 6, 9, 11, 14, 16 Trendelenburg, Julie, ›Schwester‹ 10 Trendelenburg, Karl, ›Sohn‹ 16 Trendelenburg, Marianne, ›Schwester‹ 6, 7 Trendelenburg, Susanna Katharina, (geb. Schroeter), ›Eltern‹, ›Mutter‹ 4, 9, 14, 16 Twesten, August Detlev Christian 7

Anhang Ueberweg, Friedrich XI Vilkko, Risto X Vorsokratiker 30 Voß, Johann Heinrich 3 Wachsmuth, Ernst Wilhelm 7 Wolff, Christian/Wolf 27, 30, 75 f., 79, 95, 116, 231 f., 239, 248, 311, 316, 322, 340 f., 346, 397 f. Zenodot 112, 246, 321

Register

455

Werkregister Aufgelistet werden, mit Ausnahme der Schriften Trendelenburgs, lediglich diejenigen im Text genannten Werke, die nicht in der Literaturliste erwähnt sind. Adversus mathematicos (Sextus Empirikus) 87, 236, 314, 344, 395 Analytica posteriora (Aristoteles) 108, 245, 320 Anmerkung (Brandis’ zur Nikomachischen Ethik in unklarer Quelle) 68, 229, 308, 338 Anti-Trendelenburg (Kuno Fischer) 22 Aristotelis de anima libri tres (Trendelenburg) 15, 17 Berliner Akademieausgabe (Kant) 9 Bibel 10 De Anima (Aristoteles) 15 De incessu animalium (Aristoteles) 108, 245, 320 Der Himmel auf Erden (Salzmann) 10 De Stoicorum repugnantiis (Plutarch) 87, 236, 314, 344 Die Bereicherung des lateinischen Wortschatzes durch Plautus (Wettbewerbsbeitrag Trendelenburgs) 9 Die logische Frage in Hegels System. Zwei Streitschriften (Trendelenburg) 18 Discours de la méthode (Descartes) 116, 248, 322

Discursus praeliminaris de philosophia in genere (Wolff) 76, 231, 311, 341, 397 Elementa logices Aristoteleae (Trendelenburg) 17 Elemente der Theologie, ›στοιχείωσις θεολογικὴ‹ (Proklos/-us) 115, 247, 322 Entstehung und Aufstieg des Neukantianismus. Die deutsche Universitätsphilosophie zwischen Idealismus und Positivismus (Köhnke) XI Epistola Authoris ad Principiorum Philosophiae Interpretem Gallicum (Descartes) 88, 236, 314, 344, 395 Erläuterungen zu den Elementen der aristotelischen Logik. Zunächst für den Unterricht in Gymnasien (Trendelenburg) 17, 383 Ethica, Ethik, ›eth I–IV‹ (Spinoza) 27, 37 f., 188, 192, 195 f., 204, 207, 289 f., 294, 372 f., 376 Geschichte der Kategorienlehre (Trendelenburg) 143, 261, 329 Hamburger Klopstock-Ausgabe, KA, Arbeitstagebuch (Klopstock) 422, 426 ff. Historischen Beiträge zur Philosophie (Trendelenburg) 19, 407 Iliade/Ilias (Homer) 5 Jenaische allgemeine Literaturzeitung 18 Kleine Schriften (Trendelenburg) 22

456 Kritik der reinen Vernunft (Kant) 22, 76, 231, 311, 341, 397 Kritik der Urtheilskraft (Kant) 76, 232, 311, 341, 397 Kuno Fischer und sein Kant (Trendelenburg) 22 Leben und Lehre der Philosophen, ›Diogenes Laert.‹ (Diogenes Laertios) 87, 236, 314, 344 Lehrbuch zur Einleitung in die Philosophie (Herbart) 80, 233, 311, 342, 398 Logische Untersuchungen, ›LU‹ (Trendelenburg) IX, XI f., 8, 17–22, 28–32, 83, 95, 100, 103, 128, 139, 143, 150, 171, 180, 188, 234, 241 f., 255, 259, 261, 266, 279 f., 283, 287, 313, 318, 326, 329, 342 f., 346, 353, 360, 365 f., 371, 383, 406–409, 421, 424, 433 ff. Meditationes de prima philosophia, ›Meditationen‹ (Descartes) 116, 248, 322 Metaphysik (Aristoteles) 63, 111, 224, 246, 306, 321, 336, 395 Naturrecht auf dem Grunde der Ethik, ›NR‹ (Trendelenburg) XI, 8, 20, 25, 31 f., 34, 38, 383, 406 f., 409 Neues praktisches System der Logik (Bobrik) 80, 233, 311, 342, 398 Nikomachische Ethik, ›eth. Nic.‹ (Aristoteles) 26, 63, 108, 196, 224, 245, 290, 306, 320, 338, 373, 395 On the Origin of Species (Darwin) 22

Anhang Platonis de ideis et numeris doctrina ex Aristotele illustrata (Trendelenburg) 14 Politik (Aristoteles) 68, 229, 308, 338 Politikos, ›Staatsmann‹ (Platon) 26, 60, 224, 306, 336 Principia philosophiae (Descartes) 116, 248, 322 Sermones (Horaz) 11 System der Logik und Metaphysik oder Wissenschaftslehre (Fischer) 22 Tractatus de intellectus emendatione (Spinoza) 91, 237, 315, 344 Tractatus politicus (Spinoza) 203, 292, 375 Über den letzten Unterschied der philosophischen Systeme (Vortrag) (Trendelenburg) 35 f., 171, 280, 366 Ueber den Ort der Ethik im Inbegriff der Wiſſenſchaften (Vortrag) (Trendelenburg) 20 f., 407 Über Spinoza’s Grundgedanken und dessen Erfolg (Vortrag) (Trendelenburg) 37 f., 188, 287, 371, 406