Entscheidungen des Ober-Seeamts und der Seeämter des Deutschen Reichs: Band 8, Heft 4 [Reprint 2021 ed.] 9783112609262, 9783112609255


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German Pages 112 [152] Year 1890

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Entscheidungen des Ober-Seeamts und der Seeämter des Deutschen Reichs: Band 8, Heft 4 [Reprint 2021 ed.]
 9783112609262, 9783112609255

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Entscheidungen des

Ober-Seeamts und der Seeämter des

Deutschen Reichs. herausgegeben im

Reichsamt des Innern.

Achter Band, heft 4.

Hamburg. Druck und Verlag von L. Friederichsen & (£o. 1889.

Inhalt

69. Spruch des Seeamts zu Mainburg vom 22. August 1888 und Entscheidung des Kaiserlichen Vber-Seeamts vom 17. Januar 1889, betreffend den Seeunfall des Dreimastfchooners

„Nicolai" von Blankenese...................................................................................................... ^69

70. Spruch bc5 Seeamts zu Rostock vom 18. Januar 1889, betreffend den Zusammenstoß der Brigg „BürgermeisterPetersen" vonRostockmit der norwegischenBark „Christiane Sophie"

im Kattegat................................................................................................................................ ^82 71. Spruch des Seeamts zu Königsberg vom 22. Januar 1889, betreffend den Seeunfall der Bark „Pomona" von Memel...................................

H86

72. Spruch des Seeamts zu Danzig vom 23. Januar 1889, betreffend den Seeunfall des Schraubendampfers „Sophie" von Danzig.....................................................

490

73. Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 2. Februar 1889, betreffend den Zusammenstoß des Dollschiffes „Theodor Rüger" von Bremen mit dem britischen Schraubendampfer

„Nantes" im englischen Kanal.............................................................................................. ^92

74. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom n. September 1888 und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom 12. Februar 1889, betreffend den Seeunfall der Brigg

„Enrique" von Hamburg........................................................................................................ 501

75. Spruch des Seeamts zu Flensburg vom 5. November 1888 und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom 14. Februar 1889, betreffend den Seeunfall des

Schraubendampfers „Mereo" von Flensburg...................................................................... 512

76. Spruch des Seeamts zu Stettin vom 21. Februar 1889, betreffend die Seeunfälle des Schraubendampfers „Holsatia" von Kiel und des dänischen Schraubendampfers „Uffo" 521.

77. Spruch des Seeamts zu Flensburg vom 1. Oktober 1888 und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom 15. Februar 1889, betreffend den Seeunfall des Schraubendampfers „Fero" von Flensburg........................................................................................................... 525

78. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 20. Februar 1889, betreffend den Zusammenstoß des Schraubendampfers „Ludwig poffehl" von Hamburg mit der im Tau des Schlepp­ dampfers „Titan" befindlichen britischen Bark „Glenlora".............................................. 537

79. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 20. Februar 1889, betreffend den Seeunfall des Schooners „Niclot" von Hamburg.......................................................................................... 5^5 (Fortsetzung folgt auf der dritten Seite des Umschlags.)

69»

Spruch des Seeamts zu Hamburg

vom 22. August 1888 und Entscheidung des Kaiserlichen

Gber-Seeamts vom Januar 1889, betreffend den Seeunfall des Dreimastschooners „Nicolai" von Blankenese.

Der Spruch des Seeamts lautet: Die Strandung des Dreimastschooners „Nicolai" am Juni 1888 auf der Nordostspitze der Insel Buen Ayre im Taraibischen ITleer, bei welcher zwei Mann der Besatzung, der Matrose Theodor Aowalke und der Noch Johann Schwartz, ums Leben kamen, ist dadurch verursacht, daß Schiffer Johannes Georg Vstermann bei der Absetzung seiner Turse aus Abtrift und Strömung keine Rücksicht nahm und auch nach dem Jnsichtkommen des Feuers von Lacre Point nicht auf die stattgehabte Versetzung des Schiffes von seinem Turse auf­ merksam wurde, sondern jenes Feuer sorgloser Weife für ein Dampferlicht hielt. Der Unfall hatte sich sicher vermeiden lassen, wenn mit größerer Vorsicht navigirt worden wäre. Wenngleich das Verhalten des Schiffers Vstermann auf das schärfste zu tadeln ist, tuaf demselben doch die Befngniß zur Ausübung seines Gewerbes zu belassen. Der Steuermann Heinrich Groth hat sich keiner direclen pflichtversänmniß schuldig gemacht; war auch sein Verhalten nicht vorwurfsfrei, so war demselben doch die Befugniß zur Ausübung des Steuermannsgewerbes zu belassen. Thatbestand. Der in Blankenese heimathsberechtigte Dreimast schooner „Nicolai", Unterscheidungs-Signal LFGA, Schiffer Johannes Georg Vstermann aus Blankenese, ist am sH. Juni s888 Morgens zwischen s Uhr 50 Minuten und 2 Uhr an der Nordostküste der Insel Buen Ayre im Taraibischen Meer gestrandet und total wrack geworden. Von der einschließlich des Schiffers aus 9 Mann be­ stehenden Besatzung sind zwei, nämlich der Matrose Theodor Aowalke und der Aoch Johann Schwartz ums Leben gekommen.

470

Dreimastschooner Nicolai.

Das Schiff, 1870 in Hamburg erbaut, durch das Bureau Veritas + 3/3 L. 1. 1. bis Oktober 1890 classifizirt, zu 818,> cbm = 288,79 britischen Register-Tons Netto-Raumgehalt vermessen und zu 30000 4t versichert, befand sich auf einer Reise von £a Guayra nach kaguna de Terminos in Mexiko in Ballast, um an letzterem j)latze Holz für Europa zu laden. Der Hergang, wie er durch die in Buen Ayre vor dem amerikanischen Tonsularagenten daselbst abgelegten» durch den Aaiserlich deutschen Tonsul zu ka Guayra bestätigten Verklarung und die Aussagen des Schiffers Oftermann und des ersten Steuermanns Heinrich Groth er­ mittelt ist, war der folgende. Am 13. Juni 1888 Mittags 12 Uhr 30 Minuten verließ der „Nicolai" ka Guayra mit einer frischen NVbisNOzOBrise. Das Schiff hatte 90 Tons Sandballast geladen und alle Segel beigesetzt. Um 2 Uhr Nachmittags peilte man ka Guayra SSO in 12 See­ meilen Abstand. Von 2 bis 7 Uhr steuerte man NNlV, das Schiff machte nach Angabe eine Fahrt von 10 Seemeilen in der Stunde, sodaß man bis 7 Uhr 50 Seemeilen gemacht hatte. Ermittelt wurde die Geschwindigkeit alle 2 Stunden mittelst Handloggs. Von 7 bis 8 Uhr ließ Schiffer Oftermann NN) steuern. Nach der Verklarung machte das Schiff während dieser Zeit 9 Seemeilen, nach Ostermann's Aussage in der seeamtlichen Verhandlung 10 Seemeilen. Von 8 bis 12 Uhr war der Lurs Nlv'/sU), die gelaufene Distanz nach Gissung 36 Seemeilen. Bis 12 Uhr hatte Oftermann selbst die Mache, dann übergab er sie dem ersten Steuermann Groth mit der Weisung, Nw'/-w weiter zu steuern und gut nach kand auszuschauen, ob­ wohl die gesetzten Turse nach des Schiffers Rechnung weit vom kande vorbeiführen mußten. Etwa um 1 Uhr 15 Minuten oder, wie Groth behauptet, um 1 Uhr 25 Minuten kam an Backbord ein kicht in Sicht. Groth beobachtete dasselbe durch ein Nachtglas, nahm die Seekarte zur Hand und rief dann den Schiffer auf Deck. Dieser beobachtete das kicht ebenfalls einige Zeit. Anfangs war Groth zweifelhaft, woher das kicht komme. Er sowohl wie Oftermann hielten es indeß für ein Dampferlicht und ging Oftermann hierauf nach etwa 10 Minuten wieder unter Deck. Man steuerte jetzt NW. Das kicht blieb noch einige Zeit in Sicht und verschwand dann plötzlich, wie Groth sich ausdrückt, „wie das Licht eines Dampfers, nämlich es war auf einmal weg." Nach 15 bis 20 Minuten sah Groth, der sich neben dem Ruders­ mann auf dem Hinterdeck befand, plötzlich Brandung voraus, ließ

Dreimastschoorier Nicolai.

VI

sogleich das Ruder in Lee legen und rief den Schiffer herauf, welcher

auch sofort an Deck eilte.

Etwas luvte das Schiff auch noch auf,

jedoch nicht viel, dann stieß es mit voller Fahrt auf Felsen und blieb sitzen.

Sogleich wurde die Steuerbordwache an Deck gerufen, um

soviel wie möglich Segel wegzunehmen und das kleine Boot fertig

zu machen. Das Schiff fiel aber sofort nach Steuerbord über, schwere Brechseen rollten über dasselbe hin. Beide Boote wurden zertrümmert,

die Großluke brach auf und auch das Deck brach durch.

Da das

Schiff jetzt voll Wasser lief, war es der Mannschaft nicht einmal mehr möglich, in die Kajüte zu gelangen, uni aus derselben etwas

zu bergen.

Die drei Masten wurden über Bord gespült und sank

das Schiff bis auf die Hintere Verschanzung unter Wasser.

Die

Nur 7 Personen

Mannschaft rettete sich daher eiligst nach hinten.

fanden sich hinten zusammen, zwei der Leute fehlten.

Kurze Zeit

nachher sahen die auf dem Schiffe Befindlichen einen der Fehlenden auf den Felsen am Ufer stehen.

Solange das Wrack noch einiger­

maßen zusammenhielt, blieb auch die Besatzung auf demselben und

trieb auf den Trümmern langsam dem Lande zu.

Als das Schiff

dann gänzlich auseinander zu schlagen anfing, retteten sich 6 der Leute durch Schwimmen an das Ufer; der Koch Schwartz ertrank. Kowalke mußte schon vorher über Bord gespült sein.

Die Leichen beider

wurden später gefunden und in Buen Ayre beerdigt. In Buen Ayre

erhielten die Schiffbrüchigen von dem amerikanischen Tonsularagenten

die erste Hülfe und gelangten von dort über La Guayra nach Europa zurück. Ueber die gesteuerten Turse konnte die vemommene Mannschaft nur wenig Aufschluß geben,

von \2 Uhr bis s Uhr 30 Minuten

stand der Matrose Schale am Ruder und wurde während dieser Zeit NW'/»W gesteuert.

Zur Zeit der Strandung stand der Schiffsjunge

Breckwoldt am Ruder und auf Ausguck Matrose Knutzen. Alle drei

erklären, das an Backbord in Sicht gekommene Licht weit länger

gesehen zu haben als Steuermann Groth.

Schale, der in seinen

Aussagen sehr bestimmt war, will jenes Licht, während er am Ruder

stand, schon vor s Uhr gesehen haben, und erklärt, dasselbe sei noch in Sicht gewesen, als das Ruder um l Uhr 30 Minuten verfangen wurde. Matrose Knutzen will jenes Licht noch früher gesehen haben, doch sind dessen Aussagen über die Zeit des Insichtseins nicht zu­

verlässig.

Gemeldet hat derselbe jenes Licht nicht, da er, als er auf

Ausguck kam, zunächst vorausblickte und erst später das schon achterlicher

wie dwars befindliche Feuer bemerkte und die Meldung nun nicht

V2

Dreimastschooner Nicolai.

mehr für nöthig hielt, da er annahm, daß es hinten schon gesehen

worden sei.

Schiffsjunge Breckwoldt giebt die Zeit des Insichtseins

jenes Lichtes auf '/a Stunde an. Schiffer Gstermann wie Steuermann Groth erklären beide, daß

es ihnen nicht in den Sinn gekommen sei, jenes Licht für ein Land­

feuer von Buen Ayre zu halten, da der von ihnen gesetzte Eurs weit außerhalb des Feuerkreises von Lacre Point auf Buen Ayre lag, nach Schiffer Gstermann sogar

Seemeilen außerhalb desselben.

Der gesetzte Eurs mußte, da der äußerste Feuerkreis jenes Lichtes \2 Seemeilen beträgt, somit 26 Seemeilen von der Insel selbst frei­ führen.

Eine Erklärung für die Strandung findet Schiffer Gstermann

nur in einer von ihm unbemerkt gebliebenen und ihm unbekannt ge­ wesenen Stromversetzung.

Der Reichscommissar führt die Strandung und den dadurch er­

folgten Verlust der beiden Menschenleben auf von der Schiffsführung

begangene große Fehler und unentschuldbare Versehen zurück. Sowohl die nach dem Aussegeln von La Guayra gesetzten Eurse, wie auch

das ganze Verhalten der Schiffsführung, namentlich des Steuermanns Groth während seiner Wache zeugten von großer Sorglosigkeit.

Der

Schiffer hätte wissen müssen, daß an jener Stelle eine starke westliche

Wenn man die Strömung, die Abtrift und den Eurs des Schiffes betrachte, so ergebe sich, daß das Schiff

Strömung vorherrschend sei.

mit voller Fahrt direct auf das Land gesteuert sei.

Den Steuermann

treffe insbesondere auch der Vorwurf, das Feuer von Buen Ayre

viel zu spät erblickt und nicht als solches erkannt zu haben.

Wegen

dieser höchst leichtfertigen Navigirung und der bewiesenen erheblichen

Pflichtversäumniß ist beantragt, dem Schiffer Gstermann die Befngniß

zur Ausübung des Gewerbes als Schiffer und dem Steuermann Groth

diejenige als Steuermann zu entziehen.

Gründe.

Da das Schiffsjournal bei der Strandung verloren

gegangen ist, haben für die Beurtheilung des im Vorstehenden dar­

gelegten

Ergebnisses

der Verhandlung die Angaben des Schiffers

Gstermann und des Steuermanns Groth über die gesteuerten Eurse und die gelaufenen Distanzen zu Grunds gelegt werden müssen, wenn­ gleich das Seeamt sich nicht des Eindrucks erwehren konnte, daß

dieselben nicht völlig der Wirklichkeit zu entsprechen scheinen; namentlich ist dies mit den zunächst von La Guayra aus gelaufenen Distanzen der Fall, welche das Bestreben erkennen lassen, die westliche Aenderung des Eurses möglichst nach Norden zu verlegen, um mit dem später

gesteuerten NW'/aWEurs in gutem Abstande von der Nordostspitze

473

Vreimasischooner Nicolai.

von Buen Ayre zu bleiben.

Nach den Angaben Gstermann's sind

nun die von ihm gesteuerten (Lurse auch

gutgemachte (Lurse und

würden diese nach der Berechnung den „Nicolai" etwa 7 Seemeilen von der Nordostspitze von Buen Ayre vorüberführen.

€s würde

sich das Schiff darnach um J Uhr 30 Almuten Nachts auf f2" J4'

Nordbreite und 680 4' Westlänge befunden haben. Dies ist aber nicht

der Fall gewesen und liegt nach Ansicht des Seeamts der Grund hierfür wesentlich darin, daß der von £a Guayra aus zuerst gesegelte

(Eurs nicht als gutgemachter