266 5 11MB
German Pages 155 [160] Year 1902
Entscheidungen des
Ober-Seeamts und der Seeämter des
Deutschen Reichs. Herausgegeben im
Reichsamte des Innern.
Vierzehnter Band. Best b
Hamburg. Verlag von £. Frrederichsen 6c Co. 1901.
Inhalt.
1. Spruch des Seeamts zu Stralsund rom \i. Juli 1900, betreffend den Seeunfall des
schwedischen Postdampfers „Rex" ................................................................................................
2. Spruch des Seeamts zu Brake von:
1
15. Juli 1900, betreffend den Seeunfall des
Schraubendampfers „Portimao" von Oldenburg...................................................................
5
3. Spruch des Seeamts zu Hamburg von: 18 Juli 1900, betreffend den Seeunfall des Schraubendampfers „Gut ^cil" von Geestemünde...............................................................
1\
4. Spruch des Seeamts zu Flensburg vom 26. Juli 1900, betreffend den Zusammenstoß des Schraubendampfers „Prinz Sigismund" von Kiel mit dem dänischen Postdampfer „Aegir"................................................................................................................................................
16
5. Spruch des Seeamts zu Flensburg von: {. August 1900, betreffend den Seeunfall des Schranbendampfers „Olinda" vonKiel...............................................................................
20
6. Spruch des Seeamts zu Brake vom 2. August 1900, betreffend die Seeunfälle der Bark „Victoria" von Brake..........................................................................................................
25
7. Spruch des Seeamts zu Mainburg vom 10. August 1900, betreffend den Seeunfall des Schraubendampfers „Calabria" vonHamburg ...................................................................
8. Spruch des Seeamts zu Flensburg vom 15. August 1900, betreffend den Seeunfall des Dampfbaggers „Saugbagger No. II" von Kiel.............................................................
29
56
9. Spruch des Seeaints zu Stettin vom 10. Februar 1899 und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom 25.September 1900, betreffend den Seeunfall des Schraubendampfers „Schweden" von Stettin................................................................................................................
58
10. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 27. September 1900, betreffend den Seeunfall des Schraubendampfers „Echo" von Danzig............................................................................
48
11. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 9. Oktober 1900, betreffend den Zusammenstoß des Schraubendampfers „Stormarn" von Hamburg mit dem britischen Schraubendampfer „Gordon Eastle" in der Cardigan-Bay......................................................................................
51
12. Spruch des Seeamts zu Flensburg vom 16. Oktober 1900, betreffend den Zusammenstoß des Schraubendampfers „Franziska" von Kiel mit dem norwegischen Schraubendampfer „Faerder" in der Ostsee................................................................................................................
55
13. Spruch des Seeamts zu Brake vom 26. Oktober 1900, betreffend den Seeunfall der Bark „Katinka" von Elsfleth.......................................................................................................
61
14. Spruch des Seeamts zu Flensburg vom 5. November 1900, betreffend den Zusammenstoß des Schraubendampfers „Vesta" von Flensburg mit dem englischen Schraubendampfer „Laurelwood" in der Nordsee...........................................................
66
15. Spruch des Seeamts zu Rostock vom 9. November 1900, betreffend die Seeunfälle des Schraubendampfers „Mathilde Joost" von Rostock........................................................
68
(Fortsetzung folgt auf der dritten Seite des Umschlags,.
vom
b Spruch des Seeamts zu Stralsund U. Juli 1900, betreffend den Seeunfall schwedischen Postdampfers „Rex".
des
Der Spruch des Seeamts lautet:
Der Unfall, welchen der schwedische Postdampfer „Rex" am 27. Februar 1900 Morgens etwa 4 Uhr 20 Minuten unterhalb Nardevitz auf Iasmund erlitten hat, ist zurück zuführen auf außergewöhnlich starken nach Westen setzenden Strom, veranlaßt durch starken östlichen Sturm, und auf Nebel. Die Schiffsführung trifft keine Schuld. Die vom Schiffer angeordneten Maßregeln zur Bergung der Menschen waren sachgemäß.
Gründe. Auf Grund der Akten und der eidlichen Aussagen des Schiffers Freiherrn von Hermelin sowie des Heizers Ivar Ingelström in der seeamtlichen Verhandlung wurde folgender Sachverhalt für erwiesen erachtet: Der schwedische Postdampfer „Rex" der Linie Saßnitz—Trelleborg war am 27. Februar 1900 \2 Uhr 30 Minuten Vormittags von Trelleborg abgegangen. Das Schiff hatte 8 Passagiere, die Post und 17 Tolli Stückgüter an Bord und befand sich in völlig seetüchtigem Zustande. Die Besatzung bestand außer dem Schiffer Axel Adolf Karlsson von Hermelin aus 20 Köpfen. Außerdem befanden sich an Bord der Restaurateur Uggla und ein Küchen- und Bedienungs personal von 9 Köpfen sowie 3 Postbeamte. Die Nacht war dunkel und anfänglich die Luft diesig und der Wind ziemlich östlich in Stärke Nr. 7, die See hoch. Während der gewöhnliche Kurs SzOVtzV ist, wurde in Anbetracht des bei starken! östlichen Winde erfahrungsmäßig nach Westen setzenden Stromes xk bis 3/s Strich östlicher gesteuert. Etwa 20 Minuten nach der Abfahrt löste der erste Steuer mann Lysander den Schiffer auf der Konnnandobrücke ab und behielt die Wache bis 3 Uhr, zu welcher Zeit er wieder vom Schiffer abgelöst XIV. 1
2
Postdampfer Rex.
wurde. Der Wind war allmählich GNG geworden. Während für gewöhnlich um 2 Uhr ^5 Minuten das Feuer von Arcona zuerst sichtbar wird, war es, als der Schiffer um 3 Uhr an Deck fam, noch nicht zu sehen. Nachdem der Schiffer die Wache übernommen hatte, ließ er SzM'/rD steuern. Ungefähr ’/» Stunde nach 3 Uhr sah der Schiffer den begegnenden Dampfer „Imperator" quer ab zu luvwärts etwas weiter ab als gewöhnlich. Etwa eine halbe Stunde später sah er an Steuerbord einen anderen Dampfer in ungefähr derselben Entfernung wie „Imperator", etwa 2 Seemeilen, seinen Kurs in südöstlicher Richtung kreuzen. Da es inzwischen nebliger geworden war, ließ der Schiffer etwa sO Minuten nach Uhr die Maschine mit halber Kraft gehen und Nebelsignale geben; auch wurde das Patentlogg abgelesen. Dieses zeigte 52 Seemeilen; da es sonst bei Stubbenkammer 5^/55 Seemeilen zeigt, so wurde der Schiffer bedenklich und ließ das Handloth fertig machen. Zur Ausführung der Lothung wurde, einer allgemeinen Weisung des Schiffers entsprechend, der erste Steuermann Lysander ausgepurrt; es war dies etwa fO Minuten nach Uhr. Als Lysander sich zur Ausführung der Lothung nach vorn begab, bemerkte er von der Backbordseite aus gerade vor dem Steven des Fahrzeugs einen dunklen Streifen von Land und eilte sofort nach der Treppe zur Kommandobrücke, von welcher aus er dem Schiffer zurief, daß er gerade voraus Land sähe. Kurz vorher hatte der Schiffer, weil das Handloth inzwischen klar geworden war und er auch einen weißen Streifen, den er für Treibeis hielt, bemerkt hatte, den Befehl zum Stoppen der Maschine gegeben. Auf den Zuruf Lysanders hin kommandirte er sofort „Volldampf zurück", aber nach wenigen Minuten erfolgte schon ein heftiges Ausstößen des Schiffes. Das Schiff wurde sogleich quer zur See geworfen, welche anfing über das ganze Fahrzeug hereinzubrechen. Die Maschine wurde sogleich gestoppt. Um die Tiefe rund um das Schiff festzustellen, wurde vorn gelothet bis zu 3,s m, während hinten in Folge der schweren brechenden See ein Lothschuß nicht erhalten werden konnte. Gleich nach dem Ausstößen gab der Schiffer nach Berathung mit den beiden Steuerleuten den Befehl, die Passagiere, die freie Wache, das Restaurations- und Postpersonal zu wecken und mit Korkwesten zu versehen. Ferner gab der Schiffer, da das Schiff inzwischen immer gewaltsamer gegen die Steine geworfen wurde und ihm der Bericht zuging, daß das Wasser anfinge, in den Maschinenraum hineinzuströmen, den Befehl, die Feuer aus den Kesseln herauszureißen und den Dampf abzublasen, um eine Explosion zu verhüten. Unmittelbar vorher hatte
Postdampfer Rex.
3
bereits der erste Maschinist selbständig dies angeordnet, weil die Bordwände eingedrückt wurden und das Wasser anfing in den Maschinenraum hineinzuströmen. Erst als das Wasser über die unteren Schiffskammern stieg, begab sich das Maschinenpersonal an Deck. Auch die Dampfpfeife wurde, um die Küstenbevölkerung zur ijülfe herbeizurufen, sogleich gezogen und blasend erhalten solange Dampf in den Kesseln war. Da der Schiffer fürchtete, das Schiff könne alsbald durch die Wogen zerschlagen werden, so ließ er auch das Steuerbord-Rettungsboot mit 3 Matrosen und dem seebefahrenen Restaurateur Uggla besetzen und herunterfieren und ließ in dasselbe, da fich unter den Passagieren nur Männer befanden, die fünf zur Bedienung gehörenden Frauen bringen. Den Befehl über das Boot übernahm der Steuermann Lysander. Das Schiff lag mit dem Bug gegen (Osten vorn etwa 20, hinten etwa 30 m vom Strande. Es sollte versucht werden, mit dem Boote auch eine Leine an Land zu bringen, um eine Verbindung zwischen Schiff und Land herzustellen. Da das Boot anfänglich nicht frei vom Schiffe kommen konnte, indem es durch den starken Sog an die Schiffswand gepreßt wurde, so forderte der Steuermann Lysander das Loswerfen der Leine, was auch geschah. Darauf wurde das Boot in Folge des starken Stromes an der Schiffswand entlang nach hinten getrieben. Sobald es am Schiffe vorbei war, gab Lysander Befehl, die Riemen einzusetzen, um das Boot entweder in das ruhigere Wasser in Lee oder wenigstens in Richtung gegen die See zu bringen. Der Befehl konnte aber nicht gleich ausgeführt werden, weil die Riemen nach der Schiffsseite, solange das Boot sich noch hinter dem Schiffe befand, nicht hatten ausgelegt werden können. Dieser kurze Moment, in dem das Boot in Längs richtung der ganzen Gewalt der See ausgesetzt war, genügte aber, um dasselbe zum Kentern zu bringen, die dritte von drei schnell nach einander heranrollenden schweren Seen warf das Boot um. Lysander hörte nur noch einen Schrei und hörte und sah dann zunächst nichts weiter von den übrigen im Boote befindlich gewesenen Personen, obgleich er sich, nachdem er von den Wellen an's Land getragen war, nach ihnen umsah und horchte. Da er selbst sehr erschöpft war und sich sagte, daß er in diesem Zustande auch den Anderen keine Hülfe bringen könnte, so begab er sich das hohe Land hinauf und erhielt dort in einer Hütte die nöthige pflege. Nachdem er sich dort ein wenig erholt hatte, kehrte er zum Schiffe zurück und rief nach demselben hinüber, daß er sich nach Lohme begeben wolle, um an die Interessenten zu telegraphiren und um einen Arzt zu holen.
4
Postdampfer Rex.
Dies that er denn auch. Inzwischen waren auch schon verschiedene andere Leute von der Bootsbesatzung, die beim Kentern des Bootes in der hohen See und der Dunkelheit alle von einander getrennt worden waren, nach Lohme gelangt und hatten dorthin die Kunde von dem Unglück gebracht. Im Dorfe Nardevitz, unterhalb dessen sich die Strandungsstelle befindet, war der Fischer Benz etwa um 5 Uhr 30 Minuten Morgens am 27. Februar durch eine Frau geweckt worden mit der Aufforderung, einmal herauszukommen und zu hören, was das wäre. (Er kleidete sich schnell an und leistete der Aufforderung Folge. Als er in's Freie herausgetreten war, hörte er deutlich den anhaltenden gleichmäßigen Ton einer Dampfpfeife, die er als diejenige des „Rex" zu erkennen glaubte. (Er lief schnell nach dem Strande. Nachdem er sich dort überzeugt hatte, daß ein Dampfer auf dem Strande sitze, lief er gleich nach Lohme und machte dem Strandvogte von seiner Wahrnehmung Mittheilung. Dies war etwa gegen 7 Uhr Morgens. Der Strandvogt Venz ließ sofort den Wagen mit dem Raketenapparat anspannen und die Rettungsmannschaft zusammenrufen. (Etwa um 8 Uhr war der Raketenapparat zur Stelle und gleich die erste Rakete traf, sodaß noch vor 9 Uhr die erste Person geborgen war. des Dampf baggers „Saugbagger No. II" auf der Reife von Kiel nach Port Arthur am 19. September 1899 in der Nähe von Port Said ist auf Selbstentzündung zurückzuführen. Diese Selbstentzündung ist durch den geringen, 12 bis 15 cm betragenden Zwischenraum zwischen dem Kessel und der Bunkerwand, die dadurch hervorgerufene erhebliche Hitze und durch den Umstand gefördert, daß die Kohlen Gruskohlen waren. Gründe. Der im Jahre 1899 für die russische Regierung auf den Howaldtswerken bei Kiel erbaute Dampfbagger „Saugbagger No.il" war in das Kieler Schiffsregister eingetragen. Gr hatte einen NettoRaumgehalt von 215,67 Register-Tons und das UnterscheidungsSignal LBFlV. Bis zur definitiven Ablieferung an die russische Regierung in Port Arthur war er Gigenthum der Aktiengesellschaft Howaldtswerke in Kiel.
Der Dampfer, welcher mit allen Geräthschaften eines Saugbaggers ausgerüstet war, hatte über der Mitte nach hinten hinaus den Raum zur Aufnahme der ausgebaggerten Grde. Alsdann kam die Maschine und hinter dieser der Kessel. Seitwärts von der Maschine und dein Kessel an den Schiffswänden sowie hinter dem Kessel quer durch das Schiff waren die Kohlenbunker untergebracht. Führer des Dampfers war der Schiffer auf großer Fahrt Friedrich von Pieverling aus Kiel, erster Maschinist der Ukaschinist Johann Friedrich Gustav Griffel aus Hamburg. Am 2. und 3. September 1899 wurden 300 Tons Kohlen in Kiel eingenommen. Diese Kohlen hatten im Freien gelagert und da es an dem Tage vor dem Ginnehmen der Kohlen geregnet hatte,
Dampfbagger Saugbagger No. II.
37
waren sie etwas feucht geworden. Die Kohlen wurden in dem Lager raum und in den Kohlenbunkern untergebracht. So ausgerüstet trat der Dampfer am 3. September J899 die Reise nach Port Arthur an. Während der Reise wurden an jedem Tage, wenn die Witterung' es zuließ, die Kohlen in den Seitenbunkern, aus denen gefeuert wurde, aus dem Lagerraums wieder ergänzt, damit man bei ein tretendem schlechten Wetter mit genügend Kohlen irrt Heizraume versorgt war. Bis zum s8. September war die Reise gut und ohne irgend welche Zwischenfälle verlaufen. Die Kohlen in dem hiitteren Bunker, etwa sO Tonnen, waren bis dahin unberührt geblieben. Der Schiffer von pieverling hatte am s8. September Nachts um \2 Uhr von dem Steuermanne die Wache übernommen, als ihm gemeldet wurde, daß Rauch aus dem Hinteren Bunker steige. eni Mannschaftslogis versperren.
Schraubendampfer Stormarn und Gordon Castle.
51
lb Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 9‘ Mktober 1900, betreffend den Zusammenstoß des Schraubendampfers „Stormarn" von Hamburg mit dem britischen Schraubendampfer „Gordon Lastle" in der Lardigan-Bay. Der Spruch des Seeamts lautet:
Der Zusammenstoß des deutschen Dampfers „Stormarn" mit dem englischen Dampfer „Gordon Castle" am 16. September 1900 in der Cardigan-Bay, in Folge dessen beide Dampfet gesunken und der größte Theil der Mannschaft des englischen Dampfers um's Leben gekommen ist, ist in erster Linie durch den dichten Nebel verursacht. Daß Schiffer Leisener nach dem Hören des ersten schwachen Tones nicht stoppte, sondern die Maschine auf „langsam" stellte, ist ihm nach den Umständen des Falles nicht zum Verschulden anzurechnen; auch in anderer Beziehung liegt kein Verschulden einer j)erson der Besatzung des „Stormarn" vor, namentlich ist auch nach der Kollision alles Erforderliche zur Rettung der Mannschaft des „Gordon Tastle" geschehen.
Thatbestand. Der Schraubendampfer „Stormarn" ist am 16. September 1900 in der Tardigan - Bay mit dem englischen Dampfer „Gordon Castle" zusammengestoßen; in Folge des Zusammen stoßes sind beide Dampfer gesunken und der größte Theil der Mannschaft des englischen Dampfers um's Leben gekommen. Die über diesen Unfall eingeleitete Untersuchung hat folgende Thatsachen ergeben:
I. Der in Hamburg beheimathete Schraubendampfer „Stormarn", Unterscheidungs-Signal LCHV, ist im Jahre 1880 in Kiel erbaut, hat einen Netto-Raumgehalt von s OO6,i cbm = 355, ie britischen Register - Tons und stand im Eigenthum der Aktien - Gesellschaft Nord-Ostsee-Rhederei. Er war beim Germanischen Lloyd vom April 1900 ab auf Zahre mit der höchsten Klasse klassifizirt, das Casco war an der Hamburger Börse mit 70 000 Ä versichert. Der Dampfer wurde geführt vom Schiffer auf großer Fahrt Johann Joachim Albert Leisener. Der „Stormarn" verließ am 16. September 1900 Eastham; das Schiff war nur beladen und hatte 240 Tons leichte Stückgüter an Bord; das Schiff war nach Hamburg bestimmt. Am Abend, nachdem
52
Schraubendampfer Stormarn und Gordon Castle.
man um 8 Uhr das Taruavon-Feuerschiff passirt hatte, trat um sO Uhr 30 Minuten dicker Nebel ein. Die Maschine wurde sofort auf halbe Kraft gesetzt und lief der Dampfer dabei etwa 4 Knoten Fahrt. Schiffer Leisener befand sich mit dem zweiten Steuermann Zeplien auf der Brücke, am Ruder stand der Matrose Arndt, auf Ausguck auf der Back stand der Matrose Behrmann. Kurz nach dem Eintreten des dicken Nebels hörten der Schiffer und der zweite Steuermann einen Ton ungefähr voraus eben an Backbordseite. Die Maschine wurde sofort auf langsam beordert, um dem Schiffe die Steuerkraft zu erhalten und um weitere Signale des anderen Schiffes genau hören zu können. Trotz angespannter Aufmerksamkeit hörten aber weder der Schiffer noch der Steuermann irgend ein weiteres Signal, worüber dieselben erstaunt waren, während sie selbst ununterbrochen Nebelsignale gaben. Nach einem längeren Zeiträume, der von den Zeugen übereinstimmend auf ungefähr s0 Minuten angegeben wird, hörte man plötzlich wieder ein Signal und zwar nun in unmittelbarer Nähe voraus, sofort kam auch die Toplaterne eines anderen Schiffes auf Backbordseite in Sicht. Unmittelbar darauf erfolgte die Kollision, in der der entgegenkommende Dampfer dem „Stormarn" den ganzen Bug durchschnitt und weit tu denselben hineinrannte. Die Maschine wurde sofort auf rückwärts gestellt, die Dampfer kanten von einander frei, sofort aber sank der andere Dampfer in die Tiefe. Beim Wegsinken sah man Flammen aus dem Schornstein schlagen und hörte einen starken Knall, im selben Augenblicke war der Dampfer auch schon verschwunden. Schiffer Leisener stoppte seine Maschine, ließ sofort die Boote aussetzen. Ein Boot rettete drei Personen des anderen Dampfers, ein Boot rettete die Frau des Kapitäns des anderen Dampfers, und ein Mann kam längsseit des Dampfers gefchwonttnen, sodaß im Ganzen vier Männer und eine Frau gerettet wurden. Der „Stormarn" hatte ebenfalls eine so schwere Beschädigung erhalten, daß er zu sinken begann, sodaß die ganze Besatzung, welche einschließlich des Schiffers aus Personen bestand, in die Boote steigen ntußte. Man ruderte mehrere Stunden und wurde gegen Morgen von einem norwegischen Dampfer „Borregaard" ausgenommen, welcher die Schiffbrüchigen nach der Küste von Wales brachte. II. Der englische Dampfer „Gordon Taftle", UnterscheidungsSignal der britischen Flagge W^BD, geführt vom Kapitän (Casey, im Eigenthum der Gordon Taftle To. £t. stehend, im Jahre s8?l in Glasgow gebaut und in Glasgow beheimathet, befand sich auf
Schraubendampfer Stormarn und Gordon Castle.
53
einer Reise von Benisaf nach Barrow in Furneß und hatte eine Ladung Eisenerz an Bord. Die Mannschaft bestand im Ganzen aus 23 Personen. Nach den vor dem Board of Trade in Newport aufgenommenen Vernehmungsprotokollen der geretteten Personen vom Dampfer „Gordon Tastle" hatte derselbe ebenfalls am (6. September Abends \O Uhr 30 Minuten plötzlich dicken Nebel angetroffen. Alle Lichter brannten vorschriftsmäßig und man ließ in Zwischenräumen von einer halben Minute Nebelsignale ertönen, plötzlich hörte der auf der Brücke befindliche Rudersmann William Spence (einer der geretteten Personen) einen Ton ungefähr JOO tzards entfernt. Der erste Steuermann gab darauf den Befehl „hart Backbord", und der Rudersmann hörte, daß auch der Maschine Grdres gegeben wurden, ohne aber sagen zu können, welche. Spence legte sofort das Ruder hart über (der Dampfer hatte Handsteuerung), aber bevor er das Ruder ganz übergelegt hatte, hörte er den Ausgucksmann ausrufen „ein Licht an Steuerbordbug." Spence sah auch im selben Augenblicke das Toplicht eines entgegenkommenden Dampfers an Steuerbordbug. Unmittelbar darauf rannte der entgegenkommende Dampfer den „Gordon Tastle" am Steuerbordbug ein, indem er den Steven bis unter die Wasserlinie durchschnitt. Ungefähr eine halbe Minute später sank der „Gordon Tastle" in die Tiefe. Gründe. Der Zusammenstoß der beiden Dampfer, welcher das verhängnißvolle Resultat gehabt hat, daß beide Dampfer unter gegangen sind und daß der größte Theil der Mannschaft des englischen Dampfers das Leben verloren hat, ist in erster Linie auf den ungewöhnlich dicken Nebel zurückzuführen. Darüber, ob die Manöver des englischen Dampfers richtig gewesen sind, namentlich ob sein „fjart Backbordruder" ein richtiges oder nicht vielmehr ein durchaus verkehrtes Manöver war, sowie darüber, ob er mit genügend gemäßigter Fahrgeschwindigkeit gefahren ist, enthält sich das Seeamt jeder Beurtheilung, da der ausschließlich von englischer Besatzung geführte englische Dampfer der Jurisdiction des Seeamts nicht untersteht und außerdem es schwer ist, nach dem nur sehr geringfügigen Beweismaterial sich ein sicheres Urtheil über die Vorgänge an Bord des englischen Dampfers zu machen. Menn sich das Seeamt somit darauf beschränkt, lediglich zu prüfen, ob der Dampfer „Stormarn" in jeder Beziehung seine Pflicht gethan hat, so ist in dieser Richtung zunächst als unzweifelhaft festzu stellen, daß der Ausguck auf dem Dampfer ein guter war, und daß der Schiffer und der zweite Steuermann, welche beide auf der Brücke
54
Schraubendampfer Stormarn und Gordon Castle.
waren, in vollständig klarer Erkenntniß der durch den Nebel geschaffenen schwierigen Situation, scharfe Wachsamkeit ausübten. Diese Thatsache wird auch nicht etwa durch den Umstand in Zweifel gezogen werden können, daß Schiffer und Steuermann keine ferneren Nebelsignale des anderen Dampfers gehört haben, obwohl die Mannschaft des „Gordon Tastle" bestimmt behauptet, beständig Nebelsignale gegeben zu haben, denn das Seeamt kann aus eigener Sachkunde seiner Beisitzer feststellen, daß die Schallreflexe im Nebel oft derartig merkwürdig sind, daß man einen aus größerer Entfernung abgegebenen Ton hört, während man dann die aus näherer Entfernung kommenden Töne nicht hört. Es ist deshalb sehr wohl möglich, daß der englische Dampfer vorschriftsmäßig Nebelsignale gegeben hat, und daß trotzdem und trotz angespannter Aufmerksamkeit auf dem „Stormarn" die Signale nicht gehört worden sind. Auch daß der Dampfer „Stormarn" mit halber Kraft fuhr, wobei er 4 Knoten Fahrt machte, muß als genügend gemäßigte Geschwindigkeit erachtet werden. Durchaus korrekt war es ferner, daß man beim Hören des ersten Tones keinerlei Rudermanöver gab und seine Fahrt noch weiter verminderte. Durchaus korrekt sind schließlich alle Handlungen gewesen, welche nach dem Zusammenstöße vorgenommen sind. Der einzige Zweifel, welcher bezüglich des Verfahrens des Dampfers „Stormarn" auftauchen konnte, war der, ob die Vorschrift des Artikels \6 Abf. 2 der Kaiserlichen Verordnung von dem „Stormarn" befolgt ist. Das Seeamt ist aber in Ueber einstimmung mit dem Reichskommissar auch bezüglich dieses Punktes einstimmig der Ueberzeugung, daß das Verhalten der Besatzung des Dampfers „Stormarn" vollständig korrekt und nicht im Widerspruch mit dem gedachten Artikel ^6 war. Die Gründe, welche das Seeamt in dieser Richtung leiten, sind die folgenden: wollte man die Vorschrift des Artikels [6 Abs. 2 ganz generell und unter allen Umständen zwingend dahin auffassen, daß ein Dampfschiff, welches das Nebelsignal eines anderen Schiffes anscheinend von vorn hört, immer stoppen müsse, so würde dieses eine vollständige Lahmlegung der Bewegung aller Schiffe bei eintretendem Nebel herbeiführen. Alle Schiffe müssen bei Nebel Nebelsignale geben, wenn nun jedes Schiff stoppen, dadurch zeitweilig also seine Steuer kraft gänzlich verlieren würde, so könnten hieraus namentlich in dicht befahrenen Revieren die schlimmsten Unzuträglichkeiten entstehen. Diese Vorschrift ist deshalb auch garnicht in der absolut zwingenden Form gegeben, sondern unter den beiden Einschränkungen, daß die
Schraubendampfer Franziska und Faerder.
55
tage des anderen Schiffes nicht auszumachen sei und daß die Umstände das Stoppen gestatten. Was die erste Einschränkung anlangt, so können Zweifel darüber entstehen, was unter dem Worte „Lage" zu verstehen ist. Man könnte hierunter verstehen, daß der genaue Kurs, welchen das andere Schiff anliegt, gemeint sei. Dann aber würde die Vorschrift keinen verständigen Sinn haben, weil bei nebligem Wetter, wo man das andere Schiff nicht sieht, sondern nur einen Ton hört, man aus der scheinbaren Richtung des Tones niemals den Kurs, den das andere Schiff steuert, entnehmen kann. Der Sinn dieses Wortes „Lage" kann sich deshalb nur auf die Richtung, aus welcher der Ton herkommt, beziehen, Hinzu kommt ferner, daß das Seeamt dem Schiffer Leifener darin durchaus folgen kann, daß die Umstände des Falles ihm ein Stoppen, wenn nicht unmöglich machten, so doch sehr erschwerten, da er schon bis zum frören des ersten Tones nur mit halber Kraft fuhr und damit nur noch sehr wenig Fahrt und sehr wenig Steuerfähigkeit beibehalten hatte. Unter diesen Umständen findet das Seeamt kein Verschulden der Führung des Dampfers „Stormarn" darin, daß er nach Hören des ersten Tones nicht sofort gestoppt, sondern die Maschine langsam gestellt hat; hierdurch hat er die fernere Vorschrift des Artikels 16 „vorsichtig manövrirt" jedenfalls erfüllt, und er hat auch dem Sinne der ersten Vorschrift entsprochen, welche durch das Anordnen zeitweiligen Stoppens lediglich ein zu schnelles Weiterfahren verhindern will.
\2. Spruch des Seeamts zu Flensburg vom l6. Oktober 1900, betreffend den Zusammenstoß des Schraubendampfers „Franziska" von Riel mit dem norwegischen Schraubendampfer „Faerder" in der Ostsee. Der Spruch des Seeamts lautet:
Der Zusammenstoß des Schraubendampfers „Franziska" mit dem norwegischen Dampfer „Faerder" in der Nähe von Gjedser Feuerschiff am s6. September 19°° ist durch den dichten Nebel verursacht. Die Führer beider Dampfer haben dadurch gegen die Artikel und 28 der Verordnung zur Verhütung des
56
Schraubendampfer Franziska und Faerder.
Zusammenstoßens der Schiffe auf See vom 9- Akai 1897 verstoßen, daß sie die im Artikel 28 vorgeschriebenen Steuer signale gegeben haben, ehe sie sich über ihre gegenseitige Lage zu einander vergewissert hatten. Das Verhalten der Führer beider Dampfer nach dem Zusammenstöße hat den Vorschriften der Verordnung vom 15. August 1876 entsprochen. Gründe. Der zur Rhederei Sartori & Berger in Kiel gehörende, daselbst auch beheimathete Schraubendampfer „Franziska", Unter scheidungs-Signal IFBT, ist im Jahre 1888 aus Stahl erbaut und hat einen Netto-Raumgehalt von 572 cbm = 202 britischen RegisterTons, die Maschine indizirte 160 Pferdestärken. Die Besatzung bestand aus U Mann. Führer war seit 1896 der Schiffer priegnitz aus Hamburg. Am Sonnabend den 15. September 1900 Morgens trat der Dampfer die Reise von Hamburg nach Danzig unter Leitung des Schiffers auf großer Fahrt priegnitz an. Die Ladung bestand aus Salpeter, der Dampfer hatte hinten U’/s Fuß Tiefgang. Nachdem um 10 Uhr Morgens Brunsbüttel passirt war, wurde unter Führung eines Kanallootfen durch den Kaiser Milhelm-Kanal gedampft, dabei um Uhr Nachmittags bei Nübbel der Lootse gewechselt und uni 9 Uhr Holtenau erreicht. Eine Stunde später wurde die Reise seewärts fortgesetzt. Am 16. September stellte sich um 6 Uhr Morgens Nebel ein, der ungleichmäßig durchbrochen war, weshalb eine Stunde lang mit halber Maschinenkraft, dann, als es sichtiger geworden, wieder mit voller Kraft gefahren wurde. Die „Franziska" fuhr, stetig die Dampfpfeife gebrauchend, um 9 Ahr 10 Minuten südlich am Gjedser Feuerschiff dicht vorbei, hörte die Nebelsirene desselben und steuerte mißweisend DND^/iV bei halber Maschinenkraft, Nebel und Sonnenschein. Gleich nachdem das Feuerschiff passirt war, hörte man recht voraus die Dampfpfeife eines anderen Dampfers, fand bei häufiger Kontrole des eigenen Kurses die Richtung, in der der Gegendampfer sich befand, unverändert, jedoch die Entfernung abnehmend. Zur Zeit hatte der Steuermann Bösch die Mache, am Ruder stand der Leichtmatrose Knoch, der Ausguckmann befand sich auf der Brücke, wie alle zur Mache gehörenden Leute. Der Schiffer priegnitz, welcher seit 2 Uhr Morgens auf der Brücke gewesen war, stellte nun den Maschinentelegraphen auf „langsam", welches Kommando in dem Maschinenraume befolgt wurde, gab mit der Dampfpfeife einen kurzen Ton und ließ das
Schraubendampfer Franziska und Faerder.
57
Schiff ungefähr 2 Strich nach Steuerbord abfallen. Zur schnelleren Ausführung des Ruderkommandos sprang der Matrose Radtke hinzu und blieb auch für die folgende Zeit am Ruder. Durch dieses Manöver wollte Schiffer priegnitz ein Ausweichen nach rechts hin bezwecken, wie es seiner Ansicht nach int Nebel üblich sei. Pont Gegendampfer wurde darauf ein langer Ton mit der Dampfpfeife gehört, während auf der „Franziska" ein kurzer Ton wiederholt, die Maschine gestoppt und das Ruder hart Backbord gelegt wurde. Alsdann hörte man vom Gegendampfer 2 kurze Töne, stellte daraufhin sofort den Maschinentelegraphen auf „volle Kraft rückwärts" und gab mit der Dantpfpfeife 3 kurze Töne. In dentselben Augenblicke sah man — die Sichtweite betrug etwa 3—% Schiffslängen — ungefähr H Strich an Backbord die Umrisse des Gegendampfers, der nun auch 3 kurze Töne gab. Doch gleich darauf, schon 9 Uhr 30 Minuten, erfolgte der Zusantmenstoß, wobei der Gegendampfer, welchen man als den norwegischen Dampfer „Faerder" aus Thristiania erkannte, unter rechtem Winkel an der Steuerbordseite vor dem Fockwant getroffen wurde. „Franziska" lag zur Zeit des Zusammenstoßes SSD an und hatte nach dem Patentlogg seit dem Passiren des Gjedser Feuerschiffs in 20 Minuten \ Seemeile Distanz gemacht; es war Windstille und glatte See. Da „Faerder" noch mit ziemlich schneller Fahrt an „Franziska" vorüberfuhr, wurde diese nach Steuer bord herumgerissen, sodaß sie heftig schlingerte und schließlich mit dem Bug nahezu so anlag, wie „Faerder", dabei glitt sie aber, an der Steuerbordseite des letzteren längsscheuernd, achteraus, und verlor endlich diesen int Nebel aus Sicht, obschon die während des Zusammenstoßes rückwärts arbeitende Maschine gestoppt war, dantit die Schiffe bei einander bleiben sollten. Durch deit Zusammenstoß war der Steven der „Franziska" von oben bis unten rechtwinklig nach Steuer bord umgebogen, infolgedessen wurde ein Boot klar gemacht und die Pumpen zum Großraum angesetzt, doch erwies sich dieser beim Peilen als dicht; der Kollisionsraum war voll Wasser gelaufen, doch widerstand das Schott dem Druck. Es wurde nun langsam an deit Dampfer „Faerder" herangefahren und gefragt, ob er hülfe nöthig habe, was verneint wurde. Das Maschinenjournal des Dampfers „Franziska" ergiebt für diese Zeit Folgendes: 7 Uhr f3 Minuten Morgens halbe Kraft, Langsam, 7 „ 32 u volle Kraft, 8 H n halbe Kraft, „ 45
,,
58
Schraubendampfer Franziska und Faerder.
Uhr 50 Minuten Morgens volle Kraft, „ Halbe Kraft, 10 ff ff „ Langsam und Stopp, sowie 30 n ff volle Kraft rückwärts. „ erfolgte der Zusammenstoß. 32 ff ff Die „Franziska" lief darauf, halbe Kraft fahrend, Warnemünde als Nothhafen an und traf daselbst mit unbeschädigter Ladung Nachmittags 2 Uhr ein. Nach nothdürftiger Reparatur daselbst konnte die Reise laut Besichtigungsattest nach Danzig und von dort nach Kiel unter der Voraussetzung angetreten werden, daß in Kiel die Hauptreparatur erfolgen würde. Die „Franziska" verließ Warnemünde am sst. September, traf ohne weiteren Unfall in Danzig, sowie auch später in Kiel ein. Die Reparatur des Dampfers wurde darauf im Schwimmdock der Howaldtswerke in Diedrichsdorf bei Kiel aus geführt. Eine während der Reparatur am 5. Oktober fstOO vor genommene Besichtigung des Dampfers ergab, daß der Vordersteven in seiner ganzen Länge von oben bis unten, etwa 50 cm oberhalb des Kiels, vollständig nach Steuerbord im rechten Winkel umgebogen war. Oben befand sich außerdem eine ziemlich erhebliche Einbeulung. Im Großen und Ganzen reichte die Beschädigung des Vorderstevens nicht über den Steven hinaus. Der norwegische Dampfer „Faerder", Unterscheidungs-Signal HGDW, gehört der Rhederei Jens Meinicke & Eomp. in Ehristiania, hat einen Netto-Raumgehalt von 9U britischen Register-Tons und befand sich seit September s898 unter der Führung des Schiffers Stoltenberg aus Ehristiania. Der Dampfer war auf einer Reise von St. Petersburg mit Holz nach Gent begriffen. Am Morgen des f6. September hörte man bei dichtem Nebel, Sichtweite eine Schiffs länge, mißweisend SWzW'/?W steuernd, Schüsse vom Leuchtthurni auf Darserort, etwas später auch die Töne der Sirene vom Gjedser Feuerschiff in ungefährer Richtung WSW 6 Seemeilen ab. Auf der Brücke waren der Schiffer Stoltenberg, Steuermann Heyerdahl, Zimmermann Larsen, am Ruder stand der Matrose Frederiksen; der Ausguckmann, Matrose Andersen, befand sich auf der Back. Etwa um 9 Ut?r wurde bei ganz langsam arbeitender Maschine an Steuer bord voraus das Nebelsignal eines anderen Dampfers, welcher sich rasch näherte, gehört und beantwortet; ungefähr eine halbe Stunde darauf ließ Schiffer Stoltenberg die Maschine stoppen und nach einiger Zeit, als er die Bugwelle des anderen Dampfers hören und den Schatten desselben etwa 6—7 Strich an Steuerbord peilen konnte,
Schraubendampfer Franziska und Faerder.
59
gab er zwei Töne mit der Dampfpfeife, um dem Gegendampfer anzuzeigen, daß er einen Dampfer an seiner Steuerbordseite habe. Line gleichzeitige Ruderlegung nach Steuerbord hat Schiffer Stoltenberg in seiner Vernehmung am s8. September angegeben, am 22. September aber unter der Begründung widerrufen, daß „Faerder" still gelegen habe und die Ausführung des Kommandos deshalb keine Wirkung gehabt haben würde. Das Ruder lag mittschiffs. Ebenso sagte bei seiner Vernehmung der Rudersmann aus. Die zwei Töne auf fcent „Faerder" wurden vom Gegendampfer mit einem Tone beantwortet, welcher sich gleichzeitig in einer nach Steuerbord drehenden Bewegung mit großer Fahrt näherte. Ls wurde dann das Kommando „volle Kraft rückwärts" gegeben, was auch sofort ausgeführt wurde, und gleichzeitig 5 Töne mit der Dampfpfeife. Vom Gegendampfer hörte man gleich darauf auf englisch „geh zurück", worauf Schiffer Stoltenberg antwortete: „ich gehe zurück, soviel ich kann." Unmittelbar
darauf um etwa 9 Uhr ^5 Minuten fand der Zusammenstoß statt. Der Gegendampfer „Franziska" von Kiel traf den „Faerder" zwischen der Back und dem Fockwant an der Steuerbordseite, doch kamen die Schiffe gleich wieder von einander frei. Da verschiedene platten und Spanten sowie die Regeling gebrochen schienen, ließ Schiffer Stoltenberg ein Boot mit Mann aussetzen, um die enstandenen Risse durch Lintreiben von Holzkeilen und Verstreichen mit Talg, soweit wie möglich zu dichten. Während dies geschah, wurden mit der Dampfpfeife fortwährend kurze Töne gegeben, um anzudeuten, daß „Faerder" manöverirunfähig sei. Nachdenr die Schiffsführer sich gegenseitig davon überzeugt hatten, daß keine augenblickliche Gefahr für die Schiffe vorhanden sei, trennten sie sich, „Faerder" lief Kiel als Nothhafen an und hat diesen Hafen nach vollzogener Reparatur am 5. (Oktober wieder verlassen. Nach der Aussage des zweiten Maschinisten Visen, welcher an dem Tage des Unfalls von 8 Uhr Morgens die Wache in dem Maschinenraume hatte, arbeitete die Maschine um 8 Uhr des s6. September mit voller Kraft, bald darauf mit halber Kraft, um 8 Uhr 30 Minuten mit langsamer Kraft und abwechselnd Stopp. Um 9 Uhr Minuten wurde „volle Kraft rückwärts" kommandirt und dann gestoppt. Lhe das Kommando „volle Kraft rückwärts" gegeben wurde, ist die Maschine nach der Schätzung des Maschinisten Visen etwa s0 Minuten gestoppt gewesen. Als der Zusammenstoß erfolgte, hatte die Maschine nur kurze Zeit, etwa 2 Minuten, rückwärts
60
Schraubendampfer Franziska und Faerder.
gearbeitet. Diese Zeitangaben beruhen jedoch lediglich auf Schätzung. Nach der Uhr ist die Zeit nicht notirt. Zn der am |6. Oktober abgehaltenen Hauptverhandlung ist der Schiffer Priegnitz und Steuermann Bösch vom Dampfer „Franziska" als Zeugen vernommen und der Schiffer Stoltenberg vom „Faerder" durch seinen Rechtsbeistand, den Rechtsanwalt Niese aus Kiel, vertreten worden.
Aus dem Thatbestand erhellt, daß der Zusammenstoß in erster Linie auf den herrschenden Nebel zurückzuführen ist. (Er wäre aber vermieden worden, wenn die Führer der Dampfer, nachdem sie auf einander aufmerksam geworden, gestoppt oder, ohne ihren Kurs zu verändern, sich mit langsamer Fahrt und unter Abgabe einfacher Nebelsignale aneinander vorbei getastet hätten. Zm Artikel s6 der Kaiserlichen Verordnung zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See vom 9« Nlai |89? ist vorgeschrieben, daß bei Nebel ein Dampfschiff, welches anscheinend vor der Richtung querab (vorderlicher als dwars) das Nebelsignal eines Fahrzeugs hört, dessen Lage nicht auszumachen ist, sofern die Umstände dies gestatten, seine Maschine stoppen und dann vorsichtig manöveriren muß, bis die Gefahr des Zusammenstoßens vorüber ist. Diese Vorschrift ist nach dem darin ausdrücklich ausgesprochenen Vorbehalt nicht in allen Fällen anwendbar, insbesondere nicht in gefährlichem Fahrwasser oder auf sehr stark befahrenen See strecken oder bei Ansammlung einer größeren Menge von Fahrzeugen in gefahrdrohender Nähe. Seine Anwendbarkeit hängt von der Lage des einzelnen Falles ab. Wenn dieser aber die Anwendung zuläßt, dann muß diese Vorschrift befolgt werden, und es steht alsdann nicht im Belieben der Schiffsführer, sie außer Acht zu lassen. Ein solcher Fall lag hier vor, die Umstände gestatteten, da die Dampfer sich auf offener See befanden und außer dem „Faerder" und der „Franziska" kein anderes Schiff in der Nähe oder in Hörweite war, sehr wohl ein Manöveriren nach dieser Vorschrift des Artikels J6, Abf. 2. Daß die Führer beider Dampfer sie nicht befolgt haben, muß ihnen zum Vorwurf gemacht werden. Daß auch der Führer des „Faerder" diese Vorschrift nicht rechtzeitig befolgt hat, vielmehr noch bis zum Zusammenstoß eine sehr erhebliche Fahrt gemacht hat, geht daraus hervor, daß der „Faerder" eine verhältnißmäßig nur geringe Beschädigung erhalten und die Kraft besessen hat, die „Franziska" mit Herumzureißen und ihren Bug von oben bis unten rechtwinklig
Bark Ratinka.
6\
nach Steuerbord umzubiegen. Ferner haben beide Dampferführer gegen die Vorschrift des Artikels 28 verstoßen, welche die Schall signale für Fahrzeuge, welche einander ansichtig sind, regelt. Sie haben, trotzdem sie einander nicht ansichtig, vielmehr durch den Nebel verhindert waren, ihre gegenseitige Sage zu einander mit Bestimmtheit zu erkennen, Steuersignale gegeben und dementsprechend das Ruder gelegt, eine Thatsache, die auch der Führer des „Faerder" bei seiner ersten Vernehmung am (8. September ausdrücklich zu gegeben hat. Dadurch' haben sie nach Lage der Sache sich eines Verstoßes gegen den Artikel 28 schuldig gemacht. Aber wenn auch die Zulässigkeit der Steuersignale zugestanden werden könnte, so hätte der Führer des „Faerder" doch einen Verstoß gegen die internationalen Bestimmungen über das Seestraßenrecht dadurch begangen, daß er einmal bei Angabe einer Aursänderung nach Steuerbord durch einen kurzen Ton nicht auch diese Ruderlegung anordnete, und daß er ferner, weil nach Angabe der „Faerder" mit gestoppter Maschine lag und keine oder nur wenig Fahrt durchs Wasser machte, einen Ton und nicht, wie der Artikel (5 b es verlangt, alle 2 Minuten zwei langgezogene Töne in einer Zwischenpause von ungefähr einer Sekunde mit der Dampfpfeife abgab. Die Beweiserhebung und vor allem der Zustand des umgelegten Vorderstevens der „Franziska" haben aber ergeben, daß „Faerder" eine weit größere Fahrt hatte, als angegeben und auch eine größere als „Franziska", weil sonst durch den Zusammenstoß einerseits der Dampfer „Faerder" eine viel erheblichere Beschädigung hätte erfahren müssen und andererseits ein derartiges Verbiegen des Stevens der „Franziska" nicht hätte bewirkt werden können. Das Verhalten der Führer beider Dampfer nach dem Zusammenstoße entsprach den Vorschriften der Verordnung vom (5. August (876. Somit rechtfertigt der Thatbestand den obigen Spruch.
13. Spruch des Seeamts zu Brake vom 26. Oktober 1900, betreffend den Seeunfall der Bark „Ratinka" von Elsfleth. Der Spruch des Seeamts lautet: Am 22. Juli (900 ist die Bark „Aatinka", als sie auf der Außenrhede von Hamelin t)arbor segelfertig lag, während
62
Bark Katinka. eines Grkans von ihren Moorings losgerissen, an Strand getrieben und wrack geworden. Bei der Strandung haben der erste Steuermann und vier Mann der Besatzung ihr Leben verloren und ein Mann ist später in Folge der Anstrengungen gestorben.
Die Schiffsleitung trifft kein verschulden. Gründe. Die „Katinka",Heimathshafen Elsfleth,UnterscheidungsSignal NFWT, war eine s87^ aus Eisen erbaute Bark, vermessen zu
2 28 s,7 cbm — 80H britischen Register-Tons Netto-Raumgehalt. Besatzung betrug s5 Mann.
Die
Von Ende Mai bis Mitte Juli sYOO hatte das Schiff in Hamelin k)arbor (West-Australien) Karri-Holzschwellen geladen. Am s 8. Juli wurde es nach den Außen-Moorings gebracht, etwa zwei See meilen vom Lande. Am 2 s. Juli war es für die Reise seefertig. Der Schiffer begab sich an diesem Tage nach dem 4 Meilen land einwärts gelegenen Karridale, um dort mit den Beladern abzurechnen und Konnossemente zu zeichnen. Er wurde hiermit an dem betreffenden Tage nicht fertig und mußte über Nacht wegbleiben. Am Morgen des 22. Juli trat plötzlich ein Witterungswechsel ein. Das Barometer war um 6 Uhr früh auffallend rasch um s5 mm gefallen und es wehte heftig. Noch vor Beendigung der Abrechnungsgeschäfte eilte der Schiffer zurück und kam um sO Uhr Morgens an der Landungs brücke an. Bei dem Winde und dem Seegange, die schon zu dieser Zeit herrschten, war es ihm jedoch nicht möglich, an Bord zu gelangen, sodaß er den weiteren Verlauf am Strande abwarten mußte. Der Wind kam Vormittags aus NW und sprang gegen Abend nach WSW um. Das Barometer hat nach Angabe des zweiten Steuer manns um 3 Uhr Nachmittags mit 74 \ mm seinen tiefsten Stand erreicht. Nach Aussage des Leuchtthurmwärters von Kap Leeuwin war es um 6 Uhr Nachmittags auf 720,9 mm gesunken. Nach derselben Quelle hat die Windstärke um 2 Uhr Nachmittags 67 See meilen in der Stunde betragen und hat bis 8 und 9 Uhr Abends zugenommen bis auf 85 Seemeilen die Stunde.
Die Mooringsboje, an der das Schiff vertäut war, lag vor 3 Ankern im Gewichte von je 2'1» Tonnen an Ketten von 30 Faden Länge. Beide Ankerketten der „Katinka" waren in die Mooring gefchäkelt, die Ketten waren nach Anweisung des Lootfen s5 Faden lang ausgesteckt und auf jeder Kette war eine neue s5 Zoll Toirtrosse als Spring gesetzt, gelascht und um den Fockmast befestigt. Zn den
Bark Katinka.
63
Backbordbuganker war eine Schlepptrosse von vier Zoll Stahldicke geschäkelt und klar zum Fallen. Um ein Entzweischeuern zu ver meiden, waren die Kubel mit Segeltuch und Tauwerk umwickelt und an jeder Seite waren einige Matrosen mit der Aufsicht betraut. Ferner war das Vorstängestagsegel losgemacht, alle Klüverschoten waren klar auf der Back und endlich war das Rettungsboot an Steuerbord klar, vom Lande erhielt das Schiff tagsüber keinerlei Signale, wenngleich es dort sonst üblich ist, vom Lande aus Verhaltungs anweisungen zu ertheilen und auch die „Katinka" bei ihrer Einfahrt solche Signale erhalten hatte. Um 8 Uhr Abends brach plötzlich in einer orkanartigen Böe das Kabel an Steuerbord etwa einen Fuß hinter dem Ankerspill, und während die Mannschaft beschäftigt war zu laschen, brach die Anker kette an der Backbordseite. Als dann die Laschings r>om Backbord kabel gekappt wurden, damit sie nach Steuerbord genommen werden sollten, brach auch die Steuerbordankerkette. Dieser ganze Vorgang dauerte ungefähr drei Minuten. Der erste Steuermann ging hierauf mit der halben Mannschaft nach hinten, während der zweite Steuer mann mit 5 Mann beschäftigt war, die Ketten einzuholen, um sie in die Anker zu schäkeln. Dies mißlang, da die Ketten mehrere Faden vor der Klüse gebrochen sein mußten. Auch der Anker mit dem Drahtseil konnte nicht mehr zum Fallen gebracht werden, da es der Mannschaft kaum möglich war, sich gegen Wind und Wasser zu halten. Während dieser Zeit war das Schiff auf ein dem Strande entlang laufendes Riff zugetrieben, es stieß hinten auf und drehte schnell bei. Den Weg von der Boje zu der etwa ^00 tzards vom Lande entfernten Strandungsstelle soll das Schiff ungefähr in zwei Minuten zurückgelegt haben. Dabei ist jedoch zu bemerken, daß das Schiff die Boje mit den drei Ankern und den Ketten, bevor die Ketten brachen, eine Seemeile weit nach dem Strande zu ver schleppt hat. Nach der Strandung brachen ungeheure Seen über das Schiff, nahmen die Boote und alles weg und schlugen innerhalb einer Stunde das ganze Mittelschiffshaus bis auf das Eisengestell weg und alle Luken offen. Gegen \\ Uhr ging der Großmast über Bord und riß ein Stück von der Besahnsstänge mit herunter. Im Laufe der Nacht wurde es etwas flauer. Gegen 7 Uhr Morgens brach das Schiff bei der Großluke auseinander und die See brach das ganze Schiff mittschiffs auf. Als das Schiff auflief, befand sich ein Theil der Mannschaft
6H
Bark Katinfa.
mit dem ersten Steuerniann hinten im Schiffe und stiegen in das Besahnswant. Der erste Steuermann hat noch versucht, die Schiffs papiere zu retten, hat aber nicht in die Kajüte gelangen können und ist in das Besahnswant zurückgekehrt. Kurz vor [2 Uhr hat der erste Steuermann Diejenigen, welche schwimmen konnten, angewiesen, sich zu entkleiden und sich durch Schwimmen zu retten. Einem von diesen, dem Matrosen Bertram, ist dies auch gelungen. Außerdem hat sich noch ein anderer Matrose, Kurt Mols, durch Schwimmen an das Land gerettet, ist aber einige Zeit später, am (3. August, in Folge der Anstrengungen im Hospitale zu Fremantle gestorben. Zm Uebrigen sind der erste Steuermann und die Leute, die bei ihm waren, lebend nicht wieder gesehen worden. Der zweite Steuermann und der Theil der Mannschaft, der sich bei ihm befand, flüchtete sich in die Fockwanten und hat hier die ganze Nacht verbracht. Darunter befand sich auch der Junge (Dtto Neufeld. Dieser hat wahrscheinlich, ohne daß die Anderen es bemerkten, versucht sich durch Schwimmen zu retten und ist hierbei verunglückt. Die Uebrigen sind um (0 Uhr Morgens vom Klüverbaunr aus nrittelst Rettungsboje und Leine in das vom Lande hergekommene Rettungsboot geholt und gerettet. Ein schon am frühen Morgen auf Anweisung -es am Lande befindlichen Schiffers angestellter Versuch, eine Verbindung zwischen denr Schiffe und dem Lande herzustellen, war erfolglos geblieben.
Folgende Personen sind bei der Strandung ums Leben gekommen: V der erste Steuermann Elinrar A. U). Menke aus Oldenburg, 27 Jahre alt,
2. 3. H. 5. 6.
der Matrose Martin Augustsen aus Strömstadt, 22 Jahre alt, der Matrose Max Hermann aus Essen, 22 Jahre alt, der Segelmacher Georg Hamann aus Hamburg, 24 Jahre alt, der Zunge Dtto Neufeld aus Schrimm, (6 Zahre alt, der Leichtmatrose Kurt lvolf aus Geising (Meißen), (8 Zahre alt.
Der zuletzt Genannte ist, wie bereits bemerkt, nachträglich im Hospital zu Fremantle gestorben. Nach den Sprüchen der TotenschauZury hat der Steuermann Menke seinen Tod durch Ertrinken gefunden, während es bei den zu 2—H Genannten als zweifelhaft bezeichnet ist, ob sie ertrunken oder durch herabstürzende Takelung rc. erschlagen sind. Die Leiche des Zungen Neufeld ist nicht gefunden worden.
Bark Ratinka.
65
Zu bemerken ist noch, daß in Folge desselben Mrkans zwei andere Schiffe und zwar die dänische Bark „Norwester" und die norwegische Bark „Lovespring", die im inneren Hafen von Hamelin Harbor an der Zetty festgemacht und auch vermoort waren, von ihren Befestigungen losgerissen, auf Strand gelaufen und völlig zerstört sind. Die vorstehende Darstellung beruht auf der von den geretteten Personen der Besatzung vor dem Kaiserlichen Konsulat in Fremantle abgelegten Verklarung, den Protokollen der Leichenschau-Jury, einigen Zeitungsnachrichten und den Aussagen, die der zweite Steuermann Kahle in der Verhandlung vor dem Seeamte gemacht hat. Nach Erachten des Seeamts ist die Strandung und der Verlust der „Katinka" und der Tod eines Theiles der Besatzung ausschließlich auf die Stärke des Mrkans zurückzuführen, sodaß Niemand die Verantwortung dafür zur Last gelegt werden kann. Daß sich der Schiffer zur entscheidenden Zeit nicht an Bord befand, war nach den vorliegenden Umständen gerechtfertigt. Die von ihm und demnächst von dem ersten Steuermann getroffenen Maßregeln, um ein Losreißen des Schiffes zu verhüten, waren zweckmäßig. Wenn die Springe und die Ketten demnach und zwar unmittelbar hintereinander brachen und die Strandung dadurch unvermeidlich wurde, so war dies nicht Schuld der Schiffsleitung. Daß die Ketten und die Springe nicht gut und ordnungsmäßig gewesen seien, ist nicht anzunehmen; dagegen spricht, daß sie trotz der Stärke des Mrkans den ganzen Tag über gehalten haben und daß das Schiff die Boje mit den drei schweren Ankern und den Ketten eine Seemeile weit verschleppt hat. Fraglich könnte sein, ob die Takelung des Schiffes hätte erleichtert werden müssen. Das Seeamt glaubt jedoch der Schiffsführung daraus, daß sie dies unterlassen hat, keinen Vorwurf machen zu sollen, da sie vom Lande aus keine Weisungen erhielt und deshalb, da sie sonst immer Weisungen vom Lande erhalten hatte, annehmen konnte, daß die Erleichterung der Takelung nicht erforderlich sei.
Zm Uebrigen bietet der Unfall dem Seeamte keinen Anlaß zu weiteren Bemerkungen.
66
Schraubendampfer Vesta und Laurelwood.
14» Spruch des Seeamts zu Flensburg vom 3. November 1900, betreffend den Zusammenstoß des Schraubendampfers „Vesta" von Flensburg mit dem englischen Schraubendampfer „Laurelwood" in der Nordsee. Der Spruch des Seeamts lautet: Der Zusammenstoß des Flensburger Dampfers „Vesta" mit dem englischen Dampfer „Laurelwood" in der Nordsee am (9- August 19°0 ist in erster Linie auf den herrschenden Nebel zurückzuführen. Der erste Steuermann der „Vesta", Peter Jensen, gebürtig aus Vordingborg in Dänemark, jetzt wohnhaft in Flensburg, hat gegen die Artikel 16 und 28 der kaiserlichen Verordnung zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See gehandelt, weil er beim Hören des Nebelsignals vom anderen Dampfer das Ruder Backbord legte, anstatt zu stoppen. Gründe. Der Schraubendampfer „Vesta", Heimathshafen Flensburg, Unterscheidungs-Signal LMNK, vermessen zu einem
Netto-Raumgehalt von 1 (79,92 britischen Register-Tons, ist am 19> August 1900 in der Nordsee, etwa 20 Seemeilen östlich von Flamborough - l^ead, mit dem englischen Schraubendampfer „Laurelwood" von Nkiddlesborough zusammengestoßen. Die „Vesta" befand sich auf der Reise von Amsterdam in Masserballast nach A)est-Hartlepool. Führer war der Schiffer Hans Hansen Ahrenkiel aus Stollig bei Apenrade. Erster Steuermann war Peter Jensen aus Vordingborg in Dänemark, jetzt wohnhaft in Flensburg. Morgens 8 Uhr ^0 Minuten, während man mit langsam gehender Maschine in dichtem Nebel etwa NlVVeN anliegend dampfte, hörte der wachhabende erste Steuermann an Backbordseite voraus den langen Ton einer Dampfpfeife. Der Steuermann antwortete mit einem langen Tone und ließ das Ruder hart Backbord legen. Mährend das Ruder gelegt wurde, erschien auch der Schiffer, welcher in seiner Kajüte die fremde Dampfpfeife gehört hatte, auf der Kommandobrücke. Der Steuermann wollte gerade einen kurzen Ton mit der Dampfpfeife geben, um zu signalisiren, daß er seinen Kurs nach Steuerbord richte, da tauchte rechts voraus in der Entfernung einer Schiffslänge ein fremder Dampfer aus dem Nebel auf, welcher den Kurs der „Vesta" von Backbord nach Steuerbord kreuzte. Der Steuermann ließ sofort die Maschine auf volle Kraft rückwärts stellen.
Schraubendampfer Vesta und Laurelwood.
67
Gleich darauf erfolgte der Zusammenstoß. Die Dampfer trafen sich gegenseitig mit ihrem Steuerborbbug, scheuerten an einander vorbei und kamen damit wieder von einander frei. Der „Vesta" kam der fremde Dampfer zunächst tnt Nebel aus Sicht. Der Schiffer ließ aber sofort ein Boot aussetzen und nach dem fremden Dampfer suchen. Nachdem man diesen gefunden und Namen, Nationalität und Bestimmungshafen ausgetauscht, auch erfahren hatte, daß keine Hülfe gebraucht werde, setzte man die Reise fort. Der fremde Dampfer war der „Laurelwood", ein Schiff mit einem Netto-Raumgehalt von sSstö britischen Register-Tons. Gr wurde geführt von dem Schiffer John Beal und befand sich auf der Reise von Umba im weißen Nkeere mit fjolj nach London. Nkan hatte kurz vor dem Zusammenstöße, während man mit langsam gehender Nkaschine und unter den vorschriftsmäßigen Nebelsignalen im Kurse SSM fuhr, anscheinend in noch einiger Entfernung ungefähr voraus den langen Ton einer Dampfpfeife gehört. Sobald der Ton gehört war, hatte man die Nkaschine gestoppt, und sobald darauf die Fahrt aus dem Schiffe heraus war, zwei Töne mit der Dampfpfeife gegeben. Kurz darauf war die „Vesta" in Sicht gekommen. Nach dem Sichten der „Vesta" hatte man gleich die Nkaschine auf volle Kraft rückwärts gestellt und solches gleichzeitig durch 3 Tön« mit der Dampfpfeife angezeigt. Dann war, wie beschrieben, der Zusammen stoß erfolgt. Beide Schiffe sind durch den Zusammenstoß erheblich beschädigt worden. Sie haben indeß, weil die Schäden über Wasser waren, ohne fremde Hülfe den Bestimmungsort erreichen können. Zur Zeit des Unfalls wehte eine leichte Briefe aus NM. Die See war nicht bewegt.
Zn erster Linie ist der vorliegende Zusammenstoß auf den dichten Nebel zurückzuführen, der die Führer beider Schiffe daran hinderte, sich gegenseitig früh genug zu erkennen, um ausweichen zu können. Mb und inwieweit das Ruderlegen auf der „Vesta" vor dem Zusammenstöße diesen herbeigeführt oder gefördert hat, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, weil nicht auszumachen ist, ob das Legen des Ruders nach Backbord schon wirksam geworden war, als der Zusammenstoß erfolgte. Es ist immerhin möglich, daß der Zusammen stoß auch dann erfolgt wäre, wenn das Ruder nicht gelegt wäre, da die Zeit, welche der „Vesta" zum Drehen blieb, nur eine sehr knappe
68
Schraubendampfer Mathilde Joost.
gewesen sein kann. Jedenfalls war es unrichtig und ein Verstoß gegen die Vorschriften zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See, daß auf der „Vesta" das Ruder hart Backbord gelegt wurde, als man voraus das Nebelsignal eines Dampfers hörte, dessen Lage nicht auszumachen war. Nach Artikel (6 Abs. 2 der Kaiserlichen Verordnung zur Verhütung des Zusannnenstoßens der Schiffe auf See hätte man damals auf der „Vesta" die Maschine sofort stoppen und dann vorsichtig manövriren müssen, bis die Gefahr des Zusammenstoßens vorüber war. (Es liegen keinerlei Umstände vor, welche die Befolgung dieser Vorschrift nicht gestatteten. Indem der Steuermann das Ruder hart Backbord legte, verstieß er zugleich gegen Artikel 28 der Verordnung, weil darnach die zum Ausweichen bestimmten Kurse erst dann eingeschlagen werden dürfen, wenn die Fahrzeuge einander ansichtig geworden sind. Auf den, englischen Dampfer sind, soweit erkennbar, die Vorschriften der Verordnung beobachtet worden. Man handelte hier den Vorschriften entsprechend, als man in Gemäßheit des Artikels j6 Abs. 2 beim i)ören des Nebelsignals von der „Vesta" die Maschine stoppte und nach Artikel sö b zwei lang gezogene Töne gab, sobald das Fahrzeug keine Fahrt mehr durch's Wasser machte, endlich auch, als man beim Rückwärtsgehen der Maschine nach Artikel 28 drei Töne mit der Dampfpfeife gab.
s5. Spruch des Seeamts zu Rostock vom 9. November 1900, betreffend die Seeunfälle des Schraubendampfers „Mathilde Joost" von Rostock. Der Spruch des Seeamts lautet:
s. Die Beschädigung, welche der Rostocker Dampfer „MathildeIoost" am Morgen des (fr. Juli s899 auf der Reise von Danzig nach London erlitten hat, ist dadurch verursacht, daß der Blicklicht apparat der auf der Brunsbütteler Rhede ausgelegten Gasboje nicht ordnungsmäßig funktionirte und deshalb ihr Licht erst so spät an Bord des Dampfers gesichtet werden konnte, daß dem letzteren in seiner Fahrt ein Ausweichen nicht mehr möglich war und er mit der Boje zusammenstieß.
Schraubendampfer Mathilde Joost.
(Ein verschulden
69
des Schiffers und der Steuerleute
an
Bord des Dampfers liegt nicht vor. 2.
Die Ursache des
am
JO. Dezember
(899 im
Hafen von
Neufahrwaffer in dem vorrathsraume des Dampfers entstandenen
Brandes ist nicht aufgeklärt. 3.
Ingleichen hat die Ursache des am (6. Januar (900 auf der
Reife von Danzig nach Leith an Bord des Dampfers ein getretenen Maschinenschadens nicht ermittelt werden können.
4.
Am Morgen des (6. Februar (900 ist der Matrose Paul Haase
aus Althagen durch eine schwere überbrechende See von Bord des Dampfers „Mathilde Joost" gespült und ertrunfen. Verschulden
an
diesem
Unfälle
trifft Niemand.
Die
Ein
den
Umständen nach möglichen Versuche zur Rettung des ver
unglückten sind unternommen. 5.
Der am (6. Februar (900 auf der Reise von Leith nach Rostock eingetretene Verlust des Dampfers „Mathilde Joost"
ist dadurch erfolgt, daß in schwerem Wetter durch überbrechende
hohe See die Verschalkung der Großluke weggeschlagen wurde, durch die Luke Wasser in den Raum drang und das Schiff
hierdurch eine starke Steucrbordschlagseite erhielt, ferner daß dasselbe lecksprang und sich auch der Maschinenraum deshalb mit Wasser füllte,
sodaß der Dampfer zum Sinken gebracht
wurde und von seiner Besatzung verlassen werden mußte. Verschulden an diesem Unfälle
kann
Ein
Niemand beigemessen
werden. Das Verhalten des Schiffsführers T. Mc Eue, des Steuer manns James Brophy und des Deckmanns Iof. Norgate vom englischen Fischdampfer „Bengal"
aus Hüll,
welches
diese Personen bei dem mit großer Lebensgefahr bewerkstelligten Abbergen der Besatzung des Dampfers „Mathilde Joost" am (6. Februar (900 gezeigt haben, verdient volle Anerkennung. Gründe. Auf Grund der Beweiserhebung ist Folgendes
festgestellt: Der in
Rostock
beheimathet
gewesene
Schraubendampfer
„Mathilde Joost", Unterscheidungs-Signal MDAI, vermessen zu
einem Raumgehalt von 2 (74 cbm brutto und (296,7 cbm = 457,72 britischen Register-Tons netto, ist zu Rostock (882/83 aus Eisen erbaut und als Schooner getakelt.
Er war zum Theil mit Doppelboden,
festem Zwischendeck, mehreren festen eisernen Schotten versehen, hatte
eine zweicylindrige Eompound-Maschine von 500 indizirten Pferde-
70
Schraubendampfer Mathilde Joost.
frästen, war mit einem Großboot, einem Rettungsboot für 18 Personen und einem kleinen Boot ausgerüstet, auch befanden sich 18 Korkwesten und oder 5 Rettungsringe an Bord. Die Besatzung bestand aus 15 Personen einschließlich des Schiffers, zweier Steuerleute und zweier Maschinisten. Versichert war das Schiff mit 160 000 Ä Es war im Frühjahr 1899 auf der hiesigen Neptun-Merft noch gründlich reparirt und hatte beim Germanischen Lloyd noch bis August 1900 Klaffe. Seit Oktober 1897 ist es von dem jetzt 38 Jahre alten Schiffer auf großer Fahrt Franz Dedow aus Rostock geführt worden. Er war nicht Eigenthümer oder Miteigenthümer der „Mathilde Joost". Mährend seiner Führung dieses Schiffes hat das letztere mehrere Unfälle erlitten. I. Am Juli 1899 gelangte der Dampfer auf der Reise von Danzig nach London mit einer Ladung Zucker Morgens etwa 2xli Uhr nach dem Passiren des Kaiser Milhelm-Kanals auf die Brunsbütteler Rhede, wo man nach einem Ankerplätze suchte. Auf der Kommandobrücke befanden sich um diese Zeit der Schiffer Dedow, der erste Steuermann Methling und der Elbelootse Julius Lobeck aus Euxhaven. Der Ausguck war mit dem zweiten Steuermann Peters besetzt. Mie diese Personen wußten, befanden sich in ihrer Nähe dort ausgelegte Gasbojen, besonders die zweite. Diese ward indessen zunächst nicht von ihnen wahrgenommen, plötzlich kam sie dicht vor dem Schiffsbug, etwas rechts voraus, als ein dunkler Körper in Sicht und gleich darauf auch ihr Licht. Zwar wurde sofort das Ruder Steuerbord gelegt und die Maschine gestoppt, aber es war zur Vermeidung der Boje zu spät, zumal starker Strom den Dampfer gegen dieselbe drängte. Das Schiff fuhr über die Boje hinweg, sodaß diese etwa mittschiffs unter den Kiel gerieth und erst hinter der Schraube wieder aus dem Master emporkam. Alsbald nach dem Zusammenstöße wurde der Dampfer untersucht, jedoch noch keine Beschädigung desselben bemerkt; erst später zeigte sich auf der Weiter fahrt, daß die Schraubenwelle verbogen war und zwei Schraubenflügel gebrochen waren. Nach der Ankunft in London ging das Schiff ins Trockendock zur Ausbesserung und zeigte sich nun weiter, daß auch die Sternbuchse gebrochen und die Schiffswand auf Steuerbord seite theilweise arg verbeult war. Die Schäden sind in London völlig ausgebessert, namentlich ist die verbogene Melle an Land gekommen und gerade gerichtet. Die Kosten der Havarie beliefen sich auf über 7 700 M. Nach dem am 6./fO. Juli in London aufgenommenen Seeprotest behaupteten damals Dedow, Peters und der Matrose
Schraubendampfer Mathilde Joost.
7\
Dunser, das Acht der überrannten Boje sei nicht farbig gewesen und der Zusammenstoß durch den starken ausgehenden Strom verursacht, während später Dedow und Methling versichern, daß das Licht der Boje dem Verlöschen nahe gewesen fei. Nach der Mittheilung des Hafenkapitäns zu Brunsbüttelkoog soll der Blicklichtapparat der Boje zur kritischen Zeit nicht richtig funktionirt haben und nach der Mit theilung der Deputation für handel und Schiffahrt zu Hamburg soll die Boje von ihrer Station nach der Aussage des Lootsen damals vertrieben sein. II. Am Sonntag den