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German Pages 126 [152] Year 1893
Entscheidungen des
Ober Seeamis unb der Seeämter des
Deutschen Reichs. herausgegeben im
Reichsamt des Innern.
Zehnter Band. Best 5.
Hamburg. Druck und Verlag von £. Friederichsen & Co. 1893.
Inhalt Seit?
42. Spruch des Seeamts zu Stralsund vom 27. Februar (892, betreffend den Seeunfall des Schooners „Flora" von Stralsund................................................................................. 275 45.
Spruch des Seeamts zu Flensburg vom 25. August 1892, betreffend den Seeunfall des Schraubendampfers „Orconera" von Riel...................................................................... 278
44. Spruch des Seeamts zu Königsberg vom 8. September 1392, betreffend den Zusammenstoß des Schraubendampfers „Stadt Leer" von Stettin mit dem Rahn „Friedrich" in der Rinne des Königsberger Haffs................................................................................................ 284 45. Spruch des Seeamts zu Stettin vom 22. September ^892, betreffend den Seeunfall der Brigg „Felix" von Stettin..................................... 290 46. Spruch des Seeamts zu Rostock vom 27. September 1892, betreffend den Seeunfall des Dreimastschooners „Minna" von Rostock ................................................ 29;
47. Spruch des Seeamts zu Stettin von: \o> (Dctober ^392, betreffend den Seeunfall der Bark „Bertha Draheim" von Stettin.................................................................................... 293 48. Spruch des Seeamts zu Brake vom 28. October 4392, betreffend den Seeunfall der Bark „Emilie" von Brake........................................................................................................ 304
49. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 29. October 1392, betreffend den Seeunfall der Bark „Shakespeare" von Hamburg.................................................................................. 309 50. Spruch des Seeamts zu Flensburg vom t2. November |892, betreffend den Seeunfall der dänischen Jacht „Anne Rirstine" von Rudkjöbing auf Langeland........................... 3(7 5{. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom |5. November 4892, betreffend den Zusammenstoß des Schraubendampfers „Desterro" von Hamburg mit dpm britischen Schraubendampfer „Indra" in der Nordsee............................................................................................................ 321
52. Spruch des Seeamis zu Flensburg vom 25. Januar {892 und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom (7. November $892, betreffend den Seeunfall des Schraubendampfers „Hektos" von Flensburg....................................................................... 353
55. Spruch des Seeamts zu Flensburg vom 5. December ^392, betreffend den Seeunfall des Schraubendampfers „Ermanarich" von Kiel.................................................... 342
54. Spruch des Seeamts zu Brake vom 6. December (392, betreffend den Zusammenstoß der Bark „Solide" von Elsfleth mit der britischen Fischersmack „Belle" von Lowestoft im Canal ..................................................................................................................................... 546 55. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 8. December ^392, betreffend den Seeunfall des Schraubendamxfers „Desdemona" von Hamburg.................................... 350
56. Spruch des Seeamts zu Emden vom to. December (892, betreffend den Seeunfall der Schoonerbrigg „Follina" von Neuefehn.................................................................................. 558 (Fortsetzung folgt auf der dritten Seite des Umschlags.,
vom
42. Spruch des Seeamts zu Stralsund 27. Februar 1892, betreffend den Seeunfall Schooners „Flora" von Stralsund.
des
Der Spruch des Seeamts lautet: daß der Unfall darauf zurückzuführen, daß der Schiffer Bohn irrthümlich das Hasborough-Feuer als das Feuer eines Schiffes angesehen und irrthümlich daher dem Steuermann den Eurs SSU) angegeben hat, obgleich er wußte oder wissen mußte, daß mit diesem Turse — bei einer Entfernung von 3 Seemeilen vom Lande — das Schiff direct auf Strand laufen mußte; daß der etc. Bohn aber gleich darauf sich zur Ruhe be geben und die Navigirung des Schiffes dem Steuermann über lassen, obgleich der letztere genöthigt war, selbst am Ruder zu stehen und von einer Navigirung seitens desselben also keine Rede sein konnte; daß aber diese Nachlässigkeit den Mangel solcher Eigen schaften, welche zur Ausübung des Gewerbes als Schiffer erforderlich sind, in sich schließe und deshalb dem Schiffer Bohn die Befugniß zur Ausübung des Schiffergewerbes, unter Be lassung der Befugniß zur Ausübung des Gewerbes als Steuermann, zu entziehen; daß den Steuermaun Radvan ein Verschulden an dem Unfall nicht trifft. Gründe. Der Schooner„Flora", Unterscheidungs-Signal IMTV, Heimathshafen Stralsund, im Jahre 1856 in Damgarten von Eichen holz mit buchenem Aiel in Uravelart mit plattem Gatt erbaut, mit einem Netto-Raumgehalt von 423 cbm —- s49-»- britischen RegisterTons, ohne Tlasse einer Elassificationsgesellschaft, aber mit dem Vertrauenszeichen A 2 bei den Assecuradeuren, war mit einer Ladung Bretter von Nyhamm—Sundswall nach Antwerpen bestimmt, nach dem Zusammenstoß mit einem unbekannten Barkschiffe am 23. September s89s Swinemünde als Nothhafen angelaufen, dort gehörig wieder in Stand gesetzt und hatte am 9- Januar s892 unter Führung des X. 18
274
Zchooner Flora.
Schiffers Bohn mit -em Steuermann Radvan und 4 Mann Besatzung den Hafen Swinemünde zur Fortsetzung der Reise nach Antwerpen wieder verlassen. Schon in der Ostsee hatte die „Flora" mit schlechtem Wetter zu kämpfen, so daß auf der Höhe von Arcona bei stürmischer See Theile der Decksladung über Bord gingen. Auch in der Nordsee kämpfte das Schiff mit Sturm und hohem Seegang, ohne daß indessen das Journal etwas bemerkenswerthes über die Reise enthält. Dagegen giebt dasselbe über die Vorgänge vom 26. Januar folgenden Aufschluß: „Am 26. Januar um s Uhr nachmittags passirten Guter Dawsing Feuerschiff in Seemeilen Abstand. Um 6 Uhr nachmittags hatten Tromar Feuer im Süd etwa \2 Seemeilen von uns. 8 Uhr abends peilten dasselbe Feuer SW Abstand 7 Seemeilen, 9 Uhr North-Hasborough Feuerschiff GzS Abstand 2 Seemeilen. Der unsichtigen Kimm wegen waren die Feuer fast immer nur schwach und zeitweise gar nicht zu sehen. Segelten nun per Tompaß SSD Seemeilen. Wind NW, lebhafte Briefe, diesige Kimm. Um \2 Uhr nachts änderten den Lurs und steuerten SSD'/rS. Alsdann kam an Steuerbordseile voraus ein rothes Licht in Sicht; es wurde nunmehr SSW gesteuert, und da die Backbordwache auf Deck gekommen war, sollte der Steuer mann wieder SSO'/rO steuern, sobald er das Schiff passirt sei. Am 27. Januar etwa eine halbe Stunde nach [2 Uhr nachts rief der Steuermann in die Kajüte hinein: „Das Schiff ist auf Grund I" Der Schiffer sprang sofort auf Deck und erkannte auch gleich die Lage des Schiffes. Die schlafenden Leute wurden auf Deck gerufen, und dann der Versuch gemacht, das Schiff mittelst Segelkraft wieder flott zu machen, was vielleicht auch gelungen wäre, wenn die Leute hätten rasch genug arbeiten können, woran selbige jedoch durch das heftige Stoßen des Schiffes auf den Grund verhindert wurden. Bis zwischen 5 und 6 Uhr morgens blieb das Schiff dicht, dann aber drang das Wasser so rasch in dasselbe hinein, daß wir nicht eilig genug die nothwendigsten Sachen, als Lebensmittel u. f. w. auf Deck schaffen konnten. Mit Tagesanbruch fernen Hülfsmannfchaften vom Lande an Bord, welche die Deckslast landeten und einen Anker mit 75 Faden Kette ausbrachten, für den Bergelohn laut Gesetz. Inzwischen war auch ein Schleppdampfer gekommen, welcher jedoch nicht an das Schiff herankommen konnte oder mochte. Kurz vor Hochwasser wurde jedenfalls zu stark gehievt und die Kette brach. Darauf wurde ohne
Zchooner Flora.
275
weitere Abmachung von den Bergungsleuten ein Tau von dem Schleppdampfer an das Schiff gebracht und der Schleppdampfer ver suchte vergeblich das Schiff flott ;u machen. Dann versprachen die Hülfsleute zur Zeit des nächsten Hochwassers nochmal das Schlepptau zu holen, verweigerten jedoch zur paffenden Zeit die Arbeit und konnte somit nichts geschehen, weil die Schiffsmannschaft ohne den Schiffer mit Dunkelwerden am Vorabend das Schiff verlassen hatte. Im Laufe des Tages setzten das Schiffsboot ab und nahmen zur rechten Zeit vor dem dritten Hochwasser damit das Schlepptau selbst an Bord; der Schleppdampfer konnte aber auch jetzt nichts ausrichten. Abends zwischen 9 und U Uhr setzte plötzlich ein Nordsturm ein, und wir mußten das Schiff eiligst mit dem Schiffsboot verlassen. Am 29. Januar morgens lag das Schiff in starker Brandung, nach seewärts auf die Seite gefallen und das Hintertheil des Schiffes war aufgebrochen. Da die Hülfsmannschaften nicht mehr arbeiten wollten, so wurde von den Schiffsleuten an Segel und Tauwerk gerettet, soviel als irgend möglich war. Später nahmen die Bergungsleute die Bergung gegen Vs Werth der geretteten Gegenstände wieder auf." Der Matrose Müller, vor dem Seemannsamt in Swinemünde vernommen, hat ausgesagt: „Wir hatten gleich nach unserem Ausgang von Swinemünde schlechtes Wetter in der Vstsee, so daß uns schon hier ein kleiner Theil der Decksladung verloren ging. Zn der Nordsee trafen wir noch schlechteres Wetter an, so daß das Schiff bald anfing viel Wasser zu machen. An einem Tage haben wir Tag und Nacht gepumpt, ohne das Schiff lenz zu bekommen. Als später jedoch besseres Wetter eintrat, wurde es wieder dicht und wir hatten nur nöthig einmal am Tage zu pumpen. An dem Strandungstage hatte ich bis 8 Uhr abends die Wache gehabt. September s89l bis sO Uhr nachts mäßig
aus Dst, ging dann nach VND und wurde zum Sturm mit schwerer
SD,
Dünung aus
wodurch
die
Bark schon in der Nacht des
fO. September weiter auf den Strand getrieben und dann völlig zum
Wrack wurde,
Morgen des
welches nicht mehr abzuschleppen war,
da es am
ff. September s89l etwa fO Fuß Wasser im Raum
hatte, sich sehr stark auf die Backbordseite gelegt hatte und an dieser Seite zwischen den beiden vordem Masten gebrochen war.
Matrose
Hansen, welcher von der „Bertha Draheim" auf den amerikanischen Lootsenkutter übergegangen ist und am 9- September von s s Uhr nachts an das Ruder der Bark bediente, hat bekundet, daß sie beim Ansegeln von Ship Island wegen zu weiter Entfernung keine Lootfenflagge gezeigt, wohl aber dann vergeblich das Lootsensignal gegeben
hätten, inzwischen aber mit einer Fahrt von
—5 Knoten auf den
Jjafen zugesegelt, etwa um s \ ’/■> Uhr nachts an der Westspitze von Ship Island festgekommen seien.
Der Lootse, welcher am anderen
Bark Bertha Draheim.
303
Morgen um H Uhr längsseit kam, erklärte wegen niedrigen Wasser standes das Abbringen für unmöglich, bis sich der Wind geändert und die Fluth eingetreten sei, zu welchen Zeitpunkt dann ein Schlepper bestellt wurde. Das Schiff lag damals ruhig und machte kein Wasser, wurde aber bei zunehmendem Winde aus ND nach Backbord über gekrängt und begann Wasser zu machen. Der Reichscommissar macht es dem Schiffer zum Vorwurfe, daß derselbe in unverantwortlicher Weise Schiff und Mannschaft auf das Spiel gesetzt habe und ohne Noth in der Nacht in ein Fahrwasser hineingesegelt sei, vor dessen Riffen und seichten Stellen in der Segel anweisung gewarnt und bei dessen Benutzung große Vorsicht empfohlen wird. Auch sei auf der Karte des Schiffers eine Sandbank mit \ V® Faden und eine schmale Einfahrt mit 3 Faden Wasser verzeichnet gewesen. Die im Schiffstagebuchs vermerkten Vorgänge zwischen Schiffer und Steuermann gehörten zwar nicht hierher, seien aber ebenso bezeichnend für die Stellung des Schiffers zum Steuermann. Der Reichscommissar beantragt, dem Schiffer Draheim die Befugniß $ur Ausübung des Schiffergewerbes zu entziehen, für das Steuer mannsgewerbe aber zu belassen. Schiffer Wilhelm Draheim aus Stettin ist 33 Jahre alt, evangelisch, besitzt das Befähigungszeugniß als Schiffer auf großer Fahrt, hat als solcher die „Marie Hein" und „Sude Radmann" gefahren und war noch nicht vor deni Seeamt. Er sucht sich damit zu rechtfertigen, daß er mit seiner langen Reise habe zu Ende kommen wollen, den Ankerplatz der anderen Schiffe für sicherer gehalten habe, als das Liegen vor der Barre, auch schon im Hafen zu sein geglaubt habe. Von der Untiefe, auf welcher die Bark strandete, habe er nichts ge wußt; zwar habe er in der Segelanweisung die Beschreibung von Ship Island, nicht aber die von der Einsegelung selbst gesehen und deshalb diese nicht für gefährlich gehalten; auch habe er fortwährend gelothet. Das Seeamt hat aus deni festgestellten Thatbestände die Ueber zeugung gewonnen, daß die Strandung der Bark „Bertha Draheim" von ihrem Schiffer durch Handlungen und Unterlassungen verschuldet ist. Selbst die Karte des Schiffers, obwohl ihr Besteck für den Gebrauch dein: Einsegeln viel zu klein ist, ergiebt gleichwohl auf das deutlichste die Gefahr des Einsegelns in den Missisippisund durch die enge Ein fahrt zwischen Ship- und Tat-Island mit 3 'm Faden Tiefe und ganz flachem Wasser nach der Küste zu, während seewärts im Thandeleursunde Tiefen von vk und H"/-» Faden verzeichnet sind. Ebenso eindringlich
304
Bark Emilie.
warnte die im Besitze des Schiffers an Bord befindliche Segelanweisung von 1884 für den Golf von Mexico vor den vielen, oft in beträchtlichem Abstande von der Küste liegenden, nur unvollständig bekannten Sandbänken und ermahnte bei der Anseglung des Missisippi zur äußersten Vorsicht. Wenn nun auch den» Schiffer zugegeben werden soll, daß das Loth ausgiebig gebraucht ist, so war es gleichwohl ein überkühnes und geradezu unsinniges Unternehmen, ein völlig unbekanntes, nicht einmal erforschtes und unsicheres Fahrwasser in der Nacht, ohne Lootsen, ohne Specialkarte und sonstige gehörige Wegmessung anzusegeln, während man bequem und ohne alle Gefahr außerhalb von Ship Island liegen bleiben konnte, um den Morgen und mit ihm den unentbehrlichen Lootsen abzuwarten. Die Strandung der Bark war die unausbleibliche Folge einer Handlungsweise, welche in thörichter Ungeduld und ins blinde hineinsteuernd, Schiff und Mannschaft in Gefahr brachte und einen Mangel an seemännischer Besonnenheit, Umsicht und Erwägung der Umstände offenlegte, welcher zu dem Ausspruche führte: „Dem Manne kann man Schiff, Ladung und Leute nicht anvertrauen/' hat hiernach Schiffer Draheim den Unfall in Folge mangels solcher Eigenschaften verschuldet, welche zur Ausübung seines Gewerbes erforderlich sind, so war ihm auf Antrag des Reichscommiffars und auf Grund des §. 26 des Reichsgesetzes vom 27. Juli 1.877 die Befugniß zur Ausübung des Schiffergewerbes zu entziehen.
48. Sprucfy des Seeamts zu Brake vom 28. Gctober 1892, betreffend den Seeunfall der Bark
„Emilie" von Brake. Der Spruch des Seeamts lautet: Die Seeunfälle der Bark „Emilie" auf der Reife von Blyth nach pifagua, welche neben einer Beschädigung des Schiffes den Tod des Schiffers G. D. Hollander aus Emden, desZimmermanns Lehrend Broesder ebendaher und des Jungen Paul Julius Müller aus Görlitz, sowie die Erkrankung fast der ganzen übrigen Besatzung an Skorbut zur Folge gehabt haben, sind durch schweres Wetter und widrige Winde, welche das Schiff in der Nähe des Tap Horn über 4 Wochen lang aufhielten, herbeigeführt.
305
Bark Emilie.
In dem schweren Wetter lockerten sich die Saugrohre der Wassertanks; ferner
wurde die über den Tanks
und
dem
Pumpensood befindliche Luke eingeschlagen, wodurch Salzwasser
in die Tanks
gelangte und das Trinkwasser brackig wurde.
Durch den Genuß des verdorbenen Wassers sind offenbar die Erkrankungen an Skorbut verursacht.
Die Verproviantirung
des Schiffes mit Speisen und Getränken, namentlich auch mit frischem Gemüse, präservirtem Fleisch und conservirtem Gemüse,
sowie mit Lime Juice und sonstigen Mitteln gegen Skorbut
war durchaus ausreichend. Zu tadeln ist es, daß der Schiffer Hollander nicht einen
Nothhafen anlaufen ließ, als die Erkrankungen sich mehrten und einen ernsten Charakter annahmen. Gründe.
Die der Rhederei von U. T. Aoch und Genossen in
Brake gehörende eiserne Bark „Emilie", heimathshafen Brake, vermessen zu einem Netto-Raumgehalt von 2 685,s cbm oder 9^8,07 britischen
Register-Tons, Unterscheidungs-Signal NGAS, erbaut s86H in Sunderland, trat am U. Juli s89i von Blyth mit einer Ladung
Aohlen unter Führung des Schiffers auf großer Fahrt G. D. Hollander, die Reise nach pisagua an.
Die Besatzung bestand aus s6 Personen.
Am 23. September passirte man Tap St. Johns auf StaatenIsland und von hier an hatte man durchweg den denkbar ungünstigsten
Wind und Sturnr aus Westen bis zum 28. Gctober, von wo an der Wind östlich ging und sich zwischen Gst und SSG bis zum
30. (Dctober hielt mit leichter Briese.
Dann traten leichte SW bis
West Winde ein, mit denen man am 6. November nach 50° SüdBreite und 80° West-Länge gelangte. Am U. (Dctober hatte man auf 70° 56'
West-Länge
und
58° 49' Süd-Breite einen Sturm zu bestehen aus NNW bis WSW,
der mit geringen Unterbrechungen bis zum
l9> anhielt.
Am 24.
ging der noch immer steife bis stürmische Wind wieder in einen
vollen Sturm mit orkanartigen Böen über. Schon in den vorhergeheirden
Tagen hatte man viel Wasser über Deck erhalten.
Die Steuerbord-
Reservespiere war ant \2. durch das schwere Arbeiten des Schiffes losgeschlagen und hatte einen Theil des Holzwerks der Verschanzung beschädigt, auch mehrere eiserne Stützen, von denen eine abrach, gelöst. Am 25. Gctober schlug ein schwerer Brecher von Backbord den größten
Theil der obersten Regeling sowie die feste Regeling zwischen Fock und
Großmast nebst Nagelbank weg.
Schon am \7. Gctober hatte man
Gel anwenden müssen; am l9- wurden die Fenster des Aajütsskylight X. 20
Bark Emilie.
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eingeschlagen und viel Wasser drang in die Kajüte, wo der seit dem 23. September erkrankte Schiffer sein Bett hatte aufschlagen lassen.
Derselbe
hatte
sich
mit
Schmerzen
im
Bein
legen
verschlimmerte sich sein Zustand von Tag zu Tag. an, wurde ganz blau und steinhart; später, am
müssen und
Das Bein schwoll
s6. Gctober traten
Herzkrampf und Athemnoth ein.
Durch
das
schwere Arbeiten
des Schiffes und die auf Deck
umhergeschleuderten Trümmer wurden die Berschalkungen der Luken
beschädigt, so daß Wasser eindrang und die Pumpen in gang gesetzt Alan fand, daß die losgekommene Spiere einen der
werden mußten.
Laschingbolzen aus dem Deck gerissen hatte, und durch die Veffnung sowie durch gesprungene Decknähte und die eingedrückte Vorluke viel
Das Schiff hatte schwere Schlagseite und lag so
Wasser eindrang.
tief, daß fast jede See trotz der Gelbeutel darüber weg lief.
Am
und 27. Gctober wurde daher von der Ladung geworfen. Nachdem etwa 70 Tons aus dem Raunr gelöscht waren, wurde bei 26.
abnehmendem Winde das Schiff wieder lebendiger.
Nun stellte sich
heraus, daß das Wasser in beiden, vor dem Großmast befindlichen,
vom Schiffsboden bis fast unter Deck reichenden Wassertanks brackig geworden war. Am 28. Gctober erreichte man 70" 10' West-Länge und 56" Süd-Breite. An diesem Tage erkrankte der Zunge Müller;
demselben brach das Bein auf und entleerte eine Nkenge Eiter und Blut. Auch bei anderen Leuten traten Zeichen von Skorbut auf Am s s. November legte sich der Segelmacher Beeck mit angeschwollenem
Bein; am \2. November erkrankte der Koch Schnarendorf, am der Matrose Teich.
Alle litten an geschwollenen Beinen.
sH.
Als man
am s8.November auf HO ° Süd-Breite und 78"West-Länge angekommen
war, erkrankte auch der Zimmermann Broesder und wurde bettlägerig, während bei fast allen übrigen Schiffsleuten Anzeichen von Skorbut sich einstellten.
Von nun an war der Wind südlich, aber flau, so daß
man erst am 28. November 30" Süd-Breite und 76° West-Länge erreichte.
Am 27. November verstarb der Junge Müller, am 5. December auf 72° 53' West-Länge und 22" U' Süd-Breite der Zimmermann
Broesder.
Der Zustand des Schiffers wurde immer hoffnungsloser;
dennoch konnte der Vber-Steuermann H. Z. Aug. Schütt den Schiffer
nicht bewegen, einen Jjafen anzulaufen.
Am
\ l. December, am
Tage vor der Ankunft in Pisagua, starb der Schiffer Hollander. Während des schlechten Wetters hatten sich die Saugrohre der Wassertanks, da, wo sie in den Tank eintreten, gelockert und schlossen
nicht mehr dicht.
Der Schaden wurde beim Steuerbordtank entdeckt
307
Bark Emilie.
und durch den Zimmermann und den Zungen Viebahn ausgebessert. Als der Roch einmal während des schlechten Wetters die Pumpe
auf das Laugrohr des Backbordtanks aufgeschraubt hatte und beim
Wasserpumpen beschäftigt war, wurde er durch eine See von der Pumpe fortgeschlagen und meint -er Steuermann Schütt, daß bei dieser Gelegenheit Seewasser in den Tank gelangt sei.
Später hat
sich aber auch beim Backbordtank eine Lockerung des Saugrohrs
herausgestellt.
Die Verproviantirung des Schiffes war eine so reichliche, daß nicht nur bei der Ankunft in pisagua nach fünfmonatlicher Reise, sondern noch bei Beendigung der Rückreise und Ankunft in Dünkirchen
im Juli \8ty2 Borrath von Fleisch- und Gemüse-Tonserven vorhanden
Auch Spirituosen und Titronensaft (Lime juice) waren reichlich
war.
vorhanden.
Auf Deck hätte man 2 Wasserfässer; der zweite Steuer
mann Verlaut, welcher allein nach der Größe derselben befragt worden ist, giebt dieselbe als die eines Barrels an.
Zur Hauptverhandlung vor dem Seeamt konnte nur der zweite
Steuermann Verlaat sistirt werden. suchen
durch
die
betreffenden
Ts waren aber vorher auf Er
deutschen
Gerichte
vernommen
der
Matrose Vietander und der in pisagua, wo der bisherige Steuer mann Schütt als Führer eingesetzt worden war, als Ober-Steuermann angemusterte Bruno Berg.
Zm übrigen beruht die vorstehende Dar
stellung auf der vor dem Aaiserlich deutschen Tonsulat zu Zquique an Bord der „Emilie" zu Pisagua am (7. December sSsts aufge nommenen Verklarung der sämmtlichen Ueberlebenden von der Be
satzung.
Es ist dem Seeamt unzweifelhaft, daß der Skorbut an Vor der „Emilie"
lediglich als Folge des Genusses von verdorbenem
Trinkwasser aufgetreten ist und daß das Trinkwasser durch den Ein
zutritt von Seewasser, welches in die Tanks eindrang, verdorben ist. Nur der Schiffer Hollander, welcher bereits ant 23. September erkrankte, ehe man brackiges Wasser getrunken hatte, muß im Anfang seiner Arankheit an einem anderen Uebel gelitten haben.
Es ist
nach den Zeugenaussagen wohl nicht zu bezweifeln, daß das See wasser von oben durch die eingeschlagene Luke,
welche über dem
Punipensod befindlich, zugleich eine kleine Ecke jedes der beiden Tanks
bedeckte, auf die Oberfläche der Tanks hat gelangen können und so
durch die Oeffnung, welche sich an der Stelle, wo die Saugrohre
308
Bark Emilie.
in die Tanks eintreten, gebildet hatte, durch Lockerung der Rohre
in Folge des Arbeitens des Schiffes, in die Tanks selber hineinge
sickert ist.
Es mag auch, als der Roch von der Pumpe des Back
bordtanks durch eine See weggeschlagen wurde, durch die Pumpe oder neben derselben Wasser eingedrungen sein.
In dieser Beziehung ist zu rügen, daß nur 2 Wasserfässer auf Deck waren, wenn auch jedes derselben ein Dxhoftfaß gewesen ist,
wie das Seeanit entgegen der nicht besonders zuverlässigen Aussage
des
Steuermanns Verlaat
Wasserfässer
an Deck
annimmt.
Ts
mitzuführen,
wäre
richtiger
gewesen,
damit man bei anhaltend
schlechtem Wetter nicht nöthig hatte, aus den Tanks Wasser zu ent-
nehmen.
Was die Anordnung der Wassertanks mittschiffs beim Groß mast unter Deck 'anbetrifft, so ist diese nicht als unzweckmäßig zu
verwerfen, obgleich die Tanks bei einer Anordnung hinten unter der Kajüte gegen von oben eindringendes Seewaffer besser geschützt wären.
In der Witte beim Großmast ist aber mehr Platz für die umfang reichen Tanks und es ist zweckmäßig, die schwersten Inventarstücke,
zu welchen die gefüllten Tanks gehören, mittschiffs unterzubringen. Für guten und festen Verschluß derselben muß natürlich gesorgt werden. Eine schwere Verantwortung hat aber der verstorbene Schiffer
Hollander dadurch auf sich geladen, daß er nach dem Verderben des Trinkwassers es unterließ, sobald die Wöglichkeit vorhanden war,
solches in einem Hafen durch frisches zu ersetzen, also einen Nothhafen anzulaufen.
Und diese Möglichkeit war etwa vom
s5. November
an vorhanden; denn am 6. hatte man 50° Süd-Breite und 80" West-
Länge erreicht und am J8. befand man sich auf der Höhe von Valdivia;
bei den um diese Zeit herrschenden westlichen und südwestlichen Winden hätte man also Thiloe,
später aber Valdivia,
Concepcion oder
Valparaiso anlaufen können. Da der Schiffer nach Aussage der Steuerleute nicht zum Einlaufen
zu bewegen gewesen und er selbst
der Krankheit erlegen ist, der
Gber-Steuermann für diese Unterlassung aber nicht verantwortlich
gemacht werden kann, weil der Schiffer bis zuletzt zurechnungsfähig gewesen ist und das Eommando nicht abgegeben hat, so ist gegen
einen der Ueberlebenden in dieser Richtung ein Vorwurf nicht zu erheben.
Bark Shakespeare.
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49. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 29. Mctober 1892, betreffend den Seeunfall der Bark „Shakespeare" von Hamburg. Der Spruch des Seeamts lautet: Das Leckwerden der Bark „Shakespeare" auf der Reife von Hamburg nach Buenos Aires ist durch das Ausfließen von im Raum verladenen Säuren hervorgerufen, Welche den eisernen Schiffsboden durchfreffen hatten. Welche Partie der verladenen Säuren dies verursachte, und wodurch diese Leckage entstanden ist, hat fich nicht feststellen lassen; auch hat die Beweisaufnahme dafür nichts ergeben, daß jene Säuren nach der damaligen Praxis fehlerhaft verstaut worden seien. Den Schiffer Schade trifft kein Verschulden bei den: Unfall. Das Seeamt glaubt die Aufmerksamkeit der maßgebenden Behörden darauf hinlenken zu sollen, ob es sich nicht für den Seetransport von Säuren empfehle, analog den Bestimmungen für den Eisenbahntransport (Anlage D zum Betriebs-Reglement für die Eisenbahnen Deutschlands) durch Vorschriften an den Fabrikanten und den Ablader Fürsorge dafür zu treffen, daß gefährliche Säuren nur in völlig sicheren Umschließungen zur Verladung kommen könnten. Bezüglich der Verstauung solcher Säuren dürften die für deutsche Schiffe bereits geltenden Vor schriften des §. 59 der Unfallverhütungsvorschriften der See berufsgenossenschaft maßgebend sein. Thatbestand und Gründe. Die der Rhederei der Handels gesellschaft Rob. Miles Sloman & To. zu Hamburg gehörige und daselbst beheimathete eiserne, im Jahre s85ö zu Newport in England erbaute, zu 2^85,9 cbm — 877,53 britischen Register-Tons NettoRaumgehalt vermessene Bark „Shakespeare", Unterscheidungs-Signal RTBN, wurde am 30. September s889 auf der Reise von Hamburg nach Buenos Aires leck. Ani 3. Gctober wurde das Schiff unweit der brasilianischen Küste zwischen Guaratyba Point und Gabca Point von dem Hamburger Dampfer „Buenos Aires", Schiffer Löwe, in sinkendem Zustande angetroffen und glücklich in den Hafen von
Rio de Janeiro eingeschleppt. Ueber^iesen Unfall hat die seeamtliche Untersuchung in thatsächlicher
Beziehung Folgendes festgestellt: Das Schiff hatte den Hamburger Hafen mit einer nach Buenos Aires
310
Bark Shakespeare.
bestimmten Stückgutladung am s. August 1889 verlassen unter Führung
des Schiffers Heinrich Wilhelm Schade. Bis ;um 27. September setzte das Schiff die Reise ohne irgend bemerkenswerthe Vorkommnisse fort
und befand sich nach Nittags
besteck auf 18° ^8' Südbreite und 37 0 42' Westlänge nach Mbservation.
An diesem und den folgenden Tagen wurde das Wetter stürmisch und arbeitete das Schiff in der hohen See nach den Angaben im
Journal „fürchterlich"; auch war das Deck beständig unter Wasser. Am 30. .September nachmittags 6 Uhr gelang es, den Wasserstand
bei den Pumpen zu peilen, was in Folge des schweren Arbeitens des Schiffes an den vorherigen Tagen nicht hatte ausgeführt werden können, und fand man zur Ueberraschung \2 Fuß Wasser im Schiff;
auch erwies sich das Trinkwasser in den eisernen Wassertanks als total
brack.
Sofort
wurden
die
Pumpen angesetzt und dieselben
während der folgenden Tage mit allen disponiblen Leuten im gange gehalten; auch hatte man nach dem Leckspringen des Schiffes sogleich
nach Rio de Janeiro als Nothhafen abzuhalten.
Am
1. Mctober hatte man frische Briese bei schwerer SGDünung.
(Eine
beschlossen,
der zur Deckslast gehörigen Aisten war durch das an Deck stürzende Wasser ins Treiben gerathen und mußte, da eine Befestigung derselben
nicht gelang, über Bord geworfen werden. Am folgenden Tage konnte man den Wasserstand des Schiffes
nicht genau ermitteln, da das Deck beständig mit Wasser angefüllt war und trotz der nur leichten Briese die noch immer schwere Dünung über das tief liegende Schiff hinbrach.
Man bemerkte indeß, daß
das Wasser noch im Zunehmen war.
Abends 5 Uhr peilte man
Raza-Feuer in NG in einem Abstande von ungefähr 16 Seemeilen. Die Pumpen zeigten sich jetzt öfter mit Stroh verstopft. Am 3. Gctober morgens JO Uhr kam
die Mannschaft zum
Schiffer und erklärte, keine Nacht mehr auf dem Schiffe bleiben zu können, da es in kurzer Zeit wegsinken würde.
Schiffer Schade' ließ
nun die Boote klar machen und steuerte dem Verlangen der Mannschaft
gemäß dem in Sicht besindlichen Lande zu.
(Eine Peilung der Pumpen
ergab 14 Fuß Wasser im Raum.
Morgens
gegen
U
Uhr kam nun
Gabea Point in etwa 6—8 Seemeilen
zwischen Guaratyba und
Abstand
vom Lande
der
Hamburger Dampfer „Buenos Aires", Schiffer Löwe, in Sicht und
steuerte auf das gesetzte Nothsignal auf den „Shakespeare" zu.
Auf
das (Ersuchen um Hülfe erbot sich Schiffer Löwe, den „Shakespeare" in Schlepptau zu nehmen und den versuch zu machen, denselben nach
Bark Shakespeare.
3U
Rio de Janeiro einzuschleppen, und sandte den ersten Steuermann nebst 6 Mann zur Hülfeleistung an Bord. Die Segel wurden nun festgemacht und die Reise im Schlepptau des „Buenos Aires" fortgesetzt.
Da das Segelschiff sehr tief im Wasser lag, brachen bei der starken Südostdünung zweimal die Schlepptrossen; doch gelang es, das Schiff abends bei Santa Truz zu Anker zu bringen. Da die Mannschaft des „Shakespeare" völlig erschöpft war, sandte Schiffer Löwe s6 Mann vom „Buenos Aires" zum Pumpen während der Nacht an Bord und ließ um 8 Uhr 30 Minuten und um U Uhr abends Raketen als Nothsignale steigen, um Hülfe vom Lande herbei zurufen.
Um s l Uhr wurden die Nothsignale von den Forts vor Rio de Janeiro auch erwidert; doch erschien während der ganzen Nacht keine Hülfe. Um 7 Uhr morgens ging der „Buenos Aires" mit dem „Shakespeare" Anker auf und brachte denselben in den Hafen, wo derselbe dann schließlich Dampfpumpen erhielt und mit diesen über Wasser gehalten und nach einem Dock gebracht werden konnte. Tag und Nacht über wurde nun Ladung gelöscht, welche sich zum theil als total zerschlagen erwies. Das ausgepumpte Wasser zeigte sich stark mit Säuren vermischt, und fand man bei dem weiteren Löschen der Ladung, daß ein sehr großer Theil der hölzernen Aisten und der eisernen Trommeln, in welchen Säuren verladen worden
waren, aufgebrochen und zerfressen war. Die Entlöschung ging deshalb nur langsam vor sich; auch mußte eine Dampfpumpe beständig im gange gehalten werden.
Am 9. Gctober platzte früh morgens eins der eisernen Säure fässer im Großunterraum und verursachte einen so starken Dampf, daß das Löschen im Großraum aufgegeben und eine längsseits liegende Dampfspritze mehrere Stunden zur Bewältigung des Dampfes in
Thätigkeit gesetzt werden mußte. Am 18. Gctober war der „Shakespeare" so weit leer, daß derselbe in ein Trockendock geholt werden konnte, und ergab die ^>urch Sach
verständige vorgenommene Untersuchung, daß das Schiff auf der Backbordseite ziemlich mittschiffs, etwa cm von der Kante der Aielplatte entfernt, in der zweiten Bodenplatte zwischen zwei Spanten ein Loch von etwa 3 cm Durchmesser hatte, dessen innere Ränder die Einwirkung der Säuren, welche durch einen Riß im Lement ihren
Weg gefunden, deutlich erkennen ließen. Außerdem waren weiter nach vorn noch zwei weitere äußerst
5(2
Bark Shakespeare.
schadhafte Stellen vorhanden, bei welchen die Platten um die Nieten herum beinahe vollständig fortgefressen waren. Nachdem das Schiff die von den Sachverständigen zur Herstellung seiner völligen Seetüchtigkeit vorgeschriebenen Reparaturarbeiten aus geführt, setzte dasselbe mit dem durch die Havarie nicht beschädigten Theile der Ladung seine Reise nach seinem Bestimmungshafen Buenos Aires fort.
Der Schaden an dem Schiffe selbst war an sich weniger erheblich und belief sich nach dem Lonsulatsbericht vom 25. Nkärz (89( nur auf 320000 Reis Schmiedearbeit; dagegen war der der Ladung zu gefügte Schaden ungemein groß und belief sich auf Reis ^3 87? $ 6(0 gleich 97 505,80 Ulark.
Wie im einzelnen die Beschädigung der die Säure enthaltenen Behälter gewesen ist und ob dieselben überhaupt zur Verschiffung solcher gefährlichen Waaren geeignet gewesen, ist consularischerseits bei der Entlöschung nicht festgesteUt worden, da nach Tonstatirung der Bodenbeschädigung der Tonsul in Rio de Janeiro nach dem Bericht vom (-(.Januar (890 zu weiteren seeamtlichen Untersuchungen keine Veranlassung zu haben glaubte. Der Reichscommissar hat bei der seeamtlichen Verhandlung des Falles seinem Bedauern hierüber Ausdruck gegeben, und schließt sich das Seeamt dieser Aeußerung des Reichscommiffars nur an, da eine thunlichst genaue Tonstatirung der Beschaffenheit der beschädigten Behälter an Drt und Stelle für die Frage der Verpackung und Ver ladung jener gefährlichen Waare eine besonders wichtige gewesen wäre und nach §. -( des Reichsgesetzes vom 27. Juli (877 sub 2 zweifellos zu den Punkten gehört, auf welche das Seeamt bei den von ihm anzustellenden Untersuchungen sein Augenmerk zu richten hat, zumal im vorliegenden Falle die gesammte Besatzung des Schiffes in große Lebensgefahr gerathen war.
Nachträglich hat sich in jener Richtung nur weniges feststellen lassen, und mußte sich die seeamtliche Untersuchung daher auf die Prüfung der Verstauung der Güter im vorliegenden Falle und auf die Verladung jener gefährlichen Güter im Schiffsraum im allgemeinen beschränken. Bezüglich des ersteren Punktes wurden der Schiffer Schade, Steuermann Thristiansen und der Stauer Hentschel vor dem Seeamt vernommen, und haben alle drei Zeugen übereinstimmend den guten Zustand der übergenommenen Waaren bezeugt. Die Säuren sind in
3|3
Bark Shakespeare. eisernen Trommeln und in,
in Aisten verpackten Thonkrügen zur
Verladung gekommen.
Daß auf dem Transport nach dem Schiffe hin beschädigteTrommeln und Aisten in das Schiff übergenommen seien, hält Stauer Hentschel,
welcher sämmtliche Säureladungen für den „Shakespeare" angenommen hat, für ausgeschlossen, da er bei der Verstauung ständig zugegen gewesen sei. Schon der durch ausfließende Säuren entstehende Geruch
hätte ihn, seiner Aussage nach, sofort auf diesen Umstand aufmerksam
machen müssen. Line Kiste mit Säurekruken, welche bei dem Aufwinden aus
einer der eisernen Aastenschuten gegen die Schiffswand schlug und Leckage zeigte, ist sofort zurückgewiesen und überall nicht an Bord gekommen. Im Schiffsraum selbst fand die Verstauung der Güter folgender
maßen statt. Auf der hölzernen Bodengarnirung lagen zunächst Fliesen;
auf diesen Steinen lagen Bretter und Bohlen und hierauf die eisernen Säurefässer in zwei Lagen fest in einander gelegt und durch Holz
abgestaut.
Auf diesen eisernen Trommeln lagen
keine Aisten mit
Säurekruken, sondern andere leichte Güter und Säcke mit Infusorien-
Erde. Die Aisten waren an anderen Plätzen von der Großluke mehr nach hinten hin verstaut und standen auf einander.
Die eisernen
Trommeln lagen von der Großluke nach vorn zu verstaut. Daß die Ladung in dem stürmischen Wetter der Septembertage auf jener Reise losgekommen, ist weder von dem Schiffer noch von den Steuerleuten bemerkt worden.
Soweit sich
dies noch
ermitteln ließ,
stammten die eisernen
Trommeln nach den Angaben der Ablader aus dem für die Fabrikation solcher Fässer besonders bekannten Schwelmer Eisenwerk. der
Zum Schutz
Wandung vor directem Druck der Ladung umgeben 2 starke
eiserne Reisen jene Eisenfässer.
Die Wandstärke der Fässer richtet sich
Zwischen den Nietnähten wird garantirt reiner Asbest als Einlage verwendet. Da kleine Undichtigkeiten sich durch
je nach der Größe.
den Zutritt der atmosphärischen Luft vergrößern würden, so werden
die Fässer einzeln auf ihre absolute Dichtigkeit bei s'/r Atmosphäre innerem Wasserdruck
sorgfältig geprüft
und
hieraufhin
von
dem
Eisenwerk gestempelt. Die größten der für Säureladung zur Verschiffung gelangenden Fässer aus dem Schwelmer Eisenwerk haben ein Gewicht
von 80 Kilogramm und enthalten 300 Liter Säure. Bei Sendungen über See werden nur völlig neue Fässer verwandt. Nach den Nkittheilungen des Schwelmer Eisenwerkes verwenden
3H
Bark Shakespeare.
die Säurefabrikanten indeß vielfach auch in Belgien verfertigte wohl
feilere eiferne Trommeln, welche notorisch aus weniger gutem Material hergestellt, leichthin gearbeitet sind und nicht einzeln auf Dichtigkeit geprüft werden.
Gb Fässer dieses Ursprunges unter der Ladung des
„Shakespeare" sich mitbefunden haben, hat sich nachträglich nicht feststellen lassen. Die Packung der Säuren in Aisten geschieht von den verschiedenen
Fabriken in meist völlig übereinstimmender Weife. Jede Kiste enthält
2 Thonkruken, welche je etwa 30 kg Säure enthalten. Jede Kruke ist von der anderen durch eine Holzwand getrennt
und mit Sägespänen fest in die Kiste hineingepackt.
Die ak Zoll im
Holz starke Kiste ist mit eisernen Reifen und Stoßleisten versehen. Die Kruken sind durch einen mit Schwefelkitt fest verkitteten
Stöpsel verschlossen, und der Stöpsel, welcher vielfach eingeschroben
wird, ist wiederum mit Pfeifenthon, Leinen und Draht befestigt. Die Späne sind in erster Linie bestimmt, den Kruken eine elastische Verpackung zu sichern und im Falle eines Risses der Kruken den
Inhalt derselben
thunlichst aufzusaugen.
Nach den Angaben der
vernommenen Inspectoren einiger der in betracht kommenden Fabriken,
sowie insbesondere des Agenten des
Gesterreichifchen Vereins
für
chemische und metallurgische Production zu Aussig a/E., aus dessen
Fabrik der größte Theil jener Kisten stammte, können die Sägespäne indeß den vollen Inhalt der Kruke nicht aufsaugen.
Nach dem vorgelegten Ladungsmanifest sind unter der in Rede
stehenden Ladung
des Schiffes
„Shakespeare"
im
ganzen
nahezu
^000 Kisten und Fässer verschiedener Säuren gewesen, als Schwefel säure, Salpetersäure, Essigsäure und Aether. Von diesen sind 2 686 Kisten und 6^ eiserne Fässer jener Säuren,
sowie verschiedene Demijohns Essigsäure theils zerstört, theils beschädigt in Rio de Janeiro
gelöscht
und
dort soweit noch angängig zum
öffentlichen Verkauf gebracht worden. Die Marken und Nummern sollen sich nur zum theil haben
feststellen lassen; doch ist dem Seeamt hierüber genaues nicht bekannt
geworden. Durch jene ausgeflossenen Säuren ist außerdem ein erheblicher Theil der mitverladenen Waaren zerstört und beschädigt worden.
Nach den consularischen Mittheilungen und den dem Seeamt
mit den Havariepapieren zur Kenntniß gebrachten Attesten der sach verständigen Schiffsbesichtiger in Rio de Janeiro unterliegt es
das
Seeamt
keinem
Zweifel,
daß
das
Leckwerden
des
für
Schiffes
Bark Shakespeare.
„Shakespeare" lediglich
5(5
durch das Ausfließen der im Raunr ver
ladenen Säuren hervorgerufen worden ist, welche den eisernen Schiffs boden durchfressen haben.
N)ie aus dem vorstehend mitgetheilten
Thatbestand aber weiter ersichtlich ist, hat sich durch die Untersuchung nicht feststellen lassen, welche Partie der verladenen Säuren dies ver ursacht habe, namentlich ob die in den eisernen Trommeln enthaltenen Säuren die Gefäße einfach durchfressen oder
der Thonkrüge Beschädigung erlitten haben.
ob etwa eine Partie
Der schwer lecke Zustand
des Schiffes, in Folge dessen dasselbe zunr größten Theil voll Wasser gelaufen war, ließ dies nicht mehr zur genüge erkennen.
In gleicher Weise ließ sich auch in jenem Zustande nicht mehr erkennen, ob etwa eine fehlerhafte Stauung der Ladung der Grund
des Zerbrechens und Leckwerdens der Säuregefäße gewesen ist. Nach den dem Seeamt in dieser Richtung nachträglich gegebenen Erklärungen liegt indeß hierzu kein Anlaß vor, da der damaligen Praxis gemäß die Stauung als eine fehlerhafte nicht bezeichnet werden kann.
Da
im übrigen aber auch das vorgelegte Journal dafür keinen Anhalt bietet, daß in der Schiffsführung etwas versehen ist, so trifft nach
Ansicht des Seeamts den Schiffer Schade kein Verschulden an dem Unfall. Der vorliegende Fall führt aber auch zur Erörterung der Frage
der Verladung
jener
gefährlichen
Güter
in den Schiffsraum
im
allgemeinen, und da läßt sich nicht verkennen, daß die Schiffsrheder jener gefährlichen Ladung gegenüber in einer schwierigen Lage sind. Einem
dem Seeamt
zur Aenntniß
gelangten
Gutachten
des
Directors des Chemischen Staatslaboratoriums zu Hamburg ist zu entnehmen, daß als für eiserne Schiffe besonders gefährlich zu be zeichnen sind: Schwefelsäure, Salpetersäure,
Salzsäure,
Essig resp.
welche Säuren lebhafte Wenn auch einige dieser Säuren in concentrirtem
Essigsäure, Flußsäure und Aieselstußsäure,
Handelsartikel sind.
Zustande Eisen nur wenig angreifen (wie z. B. Schwefelsäure und Salpetersäure), so geschieht dies doch im Zustande größerer Ver
dünnung und unter gegebenen Verhältnissen schon durch das auf dem Schiffsboden sich sammelnde Lenzwasser von selbst. Bei Erwägung der Vorkehrungen, welche die eiserne Schiffshaut gegen Leckage derartiger Säuren zu schützen im stände wären, wird
man nach Ansicht des Seeamts in erster Linie darauf hinzuwirken versuchen müssen, daß jene gefährlichen Säuren nicht in leicht zer
brechlichen oder lmdichten Umschließungen zur Verladung kommen
können, und dürfte es sich empfehlen, für den Seetransport in analoger
3{6
Bark Shakespeare.
Weife, wie für den Eisenbahntransport geschehen und wie hierfür Anlage D zum Betriebs-Reglement für die Eisenbahnen Deutschlands eine Anleitung giebt, Vorschriften an den Fabrikanten und Ablader zu erlassen, welche in dieser Beziehung die nöthige Fürsorge treffen. Das Seeamt möchte die Aufmerksamkeit der maßgebenden Behörden
hierauf gelenkt haben. Der Reichscommissar hat speciell eine amtliche Prüfung der Säurebehälter durch Techniker befürwortet, und unterläßt das Seeamt nicht, auch hierauf hinzuweisen. Zur Minderung der Gefahren des Ausfließens von Säuren ist nach dem erwähnten Gutachten des Themischen Staatslaboratoriums ein practisch sehr brauchbarer Weg der der Ausschüttung des Schiffs bodens mit absorbirenden bzw. neutralisirenden Stoffen, und ist hierfür Sand das einfachste und am bequemsten zur Hand liegende Material. Allein der Sand befitzt zu geringe Absorptionskraft. Sobald es fich nun um beträchtliche Mengen von ausgeflossener Säure handelt und das Sandbett nicht sehr dick ist, würde die Säure einfach durchfiltriren und auf das Eisen wirken. Zn gleicher Weise verlieren Schlackenwolle und Aieselguhr, allein angewandt, ihre Wirkung dadurch, daß sich jene Stoffe mit dem unvermeidlicheu Lenzwasser in Schiffen vollsaugen und dann für die nachträgliche Imprägnation mit Säure mehr oder minder wirkungslos würden. Jenes Gutachten empfiehlt deshalb die gleichzeitige Anwendung neutralisirender Substancen und als solche Kalkstein bezw. Areide, und zwar diese auf den Schiffsboden zunächst ausgebettet uud dann mit jenen absorbirenden Stoffen überschichtet. Ausgeflossene Säuren würden, wenn sie auf diese Stoffe gelangten, das Eisen unangegriffen lassen. Zum Schutz der Schiffswände gegen Berührung durch Säuren beim Ueberholen, Stampfen und Rollen wird eine lockere Verschaalung und Ausfüllung des Zwischenraumes mit gröberem Grus von Aalkstein sich empfehlen. Mit der Neutralisation der herabgeflossenen Säuren durch Aalkstein resp. Areide würde allerdings die Entwickelung von Aohlensäuregas verbunden sein, welche zwar für die sonstige Schiffsladung und
Bemannung keinerlei Gefahren mit sich bringe, wohl aber den bei der Entlöschung beiheiligten Leuten gefährlich werden könne. Diesem Uebelstande könne aber durch geeignete Vorsichtsmaßregeln, wie vorherige Lüftung und Betreten der Räume erst, wenn eine hineingehaltene Lampe ruhig weiter brenne, vorgebeugt werden. Jene Vorsichts maßregeln seien überhaupt geboten, wenn es sich um Schiffsladungen
Jacht Anne Airstine.
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mit Säuren handele, denn sofern Leckage von Säuren vorliege, könnten sich leicht durch Wechselwirkung, die ausgeflossene Säure mit anderen Bestandtheilen der Ladung oder der Emballage, irrespirable Dünste bilden. Ein Hinderniß für die Verwendung von Kalkstein liege in jenem Umstande nicht. Bezüglich der deutschen Schiffe hat die Seeberufsgenossenschaft in ihren am (. April (89( in Kraft getretenen Unfallverhütungs vorschriften sich jenen Vorschlägen im wesentlichen angeschlossen.. Das Seeamt ist auch der Ansicht, daß weitergehende Vorschriften als die im §. 59 der Unfallverhütungsvorschriften enthaltenen bezüglich der Verstauung solcher Säuren in Schiffsräumen nicht erforderlich sind, zumal wenn schon der Schwerpunkt jener Vorkehrungen auf die gesicherte Umschließung jener Säuren gelegt wird, indem dadurch die den Schiffen aus der Verladung im Raum drohende Gefahr ganz wesentlich gemindert wird.
50. Spruch des Seeamts zu Flensburg vom \2. November 1892, betreffend den Seeunfall der dänischen Jacht „Anne Rirstine" von Rudkjöbing auf Langeland. Der Spruch des Seeamts lautet: Der Unfall ist dadurch herbeigeführt, daß der Schiffer in einem Raum Feuer anmachte, wo sich durch ausströmendes Naphta in Verbindung mit Luft, leicht explodirende Gase gebildet hatten. Der Schiffer hat damit gegen die Bestimmungen des §. 22
der Kieler Hafen- und Brückenordnung vom (8. April (859 gefehlt. Zur Verhütung ähnlicher Unfälle ist es zu empfehlen, daß bei Petroleum-Naphta-Ladungen die Luken offen gelassen
werden. Gründe. Der Schiffer Hans Jensen aus Rudkjöbing auf Langeland war mit seiner Jacht „Anne Kirstine" am 6. September (892 von Holtenau nach Kiel gekommen, um hier eine Ladung Naphta für Kastrup bei Kopenhagen einzunehmen. Außer dem Schiffer hatte die Jacht nur noch einen Mann Besatzung, nämlich
den (9 Jahre alten Jungmann Hans Peter Andersen.
3(8
Jacht Anne Airstine.
Das Schiff war gechartert von dem Makler Emil Klünder in Kiel für die Firma A. Lasati daselbst, nach der T Hartepartie für eine Ladung von 63 Faß Petroleum (Naphta); das demnächst vorn Schiffer gezeichnete Konnossement lautete auf 63 Barrel Naphta im Gewicht von (0058 kg. Der Schiffer meldete am andern Morgen dem Hafenvogt Krog, daß er Petroleum laden solle. Der Hafenvogt wies ihm Schleppstelle 8 an der Kaistraße, unweit der Anlegestelle der dänischen Postdampfer als Ladeplatz an. hier wurden die verfrachteten Fässer verladen; 59 wurden im Raum unter Zollverschluß verstaut, die übrigen auf Deck geladen. Sämmtliche Fässer waren auf dem Faßboden mit großer rother Schrift als feuergefährlich bezeichnet. Nach beendeter Ladung ließ der Hafenvogt das Schiff weiter nach Süden, nach Schleppstelle (0, verlegen und zwar so, daß es mit dem Steven nach Norden längsseit des unmittelbar an der Brücke liegenden Prahms „Peter" und südlich r>om schwedischen Postdampfer „Flora" zu liegen kam. hier blieb es mit dichten Luken unter zollamtlicher Bewachung liegen. Gegen Abend verließen der Schiffer und der Iungmann das Schiff und begaben sich zur Stadt. Sie kehrten um (0 Uhr abends zurück. Der Iungmann blieb mit einer Handharmonika unter dem Arm auf dem Vorderdeck. Der Schiffer öffnete die Thür zu der im Heck liegenden Tajüte, stieg hinein und rieb ein Zündholz an, um die Lampe anzuzünden. Sobald das Zündholz in Brand gekommen war, entstand eine Explosion. Der Schiffer wurde zunächst gegen das Schott des Laderaums geworfen und dann durch die offene Kajütsluke fliegend in das längsseit seines Fahrzeuges liegende Schiffsboot geschleudert. Der Iungmann war verschwunden. Das Schiff stand gleich darauf in vollen Flammen. Die Flammen verbreiteten sich auf den Prahm und die vor der Hafenkaimauer stehenden Sturmpfähle. Die Kieler Feuerwehr löschte den Prahm und die brennenden Sturmpfähle. Die Jacht mit der Ladung brannte vollständig aus; es blieb nur der unter Wasser liegende Rumpf übrig; das Deck war gänzlich verschwunden; die Steuerbordseite war vorn vom Steven und hinten vom Heck abgeborsten. Am (6. September wurde die Leiche des Iungmannes in der Nähe der Unfallstelle im Wasser treibend
gefunden. Der Schiffer ist mit einigen leichten Brandwunden und geringen Tontusionen davon gekommen. Er konnte schon nach einigen Tagen
aus den akademischen Heilanstalten entlassen werden. Die in die Jacht verladenen 63 Fässer waren von der Firma
Jacht Anne Airstine.
319
I. Müller in Nordenhamm mit der Eisenbahn an die Firma A. Easati in Kiel zur Weiterbeförderung nach Dänemark gesandt und zwar als zollpflichtige Waare ohne Verschluß unter Begleitschein mit der Declaration Petroleum (Naphta). Sie waren am 7. September nach der Verladung in die „Anne Kirstine" beim Zollamt wieder ausclarirt, diesmal aber nicht als Petroleum (Naphta), sondern als Petroleum. Der bei dem Makler Emil Klünder angestellte Lehrling überbrachte einen Zettel, auf welchen: Petroleum stand; der Eommis Schröder von demselben Geschäft hatte diesen Zettel geschrieben und, wie er sagt, deshalb Petroleum angegeben, weil der Eommis Ziesmer von der Firma A. Easati ihm gesagt hatte, er solle, wie immer, auch in diesem Falle nur Petroleum zur Ausclarirung anmelden. Das Kieler Zollamt, welches die Eincassirung der städtischen Hafen abgaben besorgt, hatte daraufhin für die Hafenbehörde einen sogenannten Brückenzettel ausgefertigt, einen Schein, in welchem Naine des Schiffes, Größe, Bestimmungsort und Ladung angegeben sind, wann dieser Schein aufs Hafenamt gekommen ist, hat nicht festgestellt werden können; dahingegen steht fest, daß der Hafenmeister ihn erst gesehen hat, nachdem das Unglück bereits passirt war. Der Hafenvogt Krog, welcher dem Schiffer den Ladeplatz anwies, hatte die Aufschrift: „Feuergefährlich" nicht gesehen; er hat sich nicht weiter um die Einladung bekümmert, auch nicht gewußt, was Naptha bedeute; das Laden selbst zu überwachen hat er dem Polizeiserganten Duwald überlassen. Der als Sachverständiger vernommene Droguist Scholinus in Flensburg erklärt den Umstand folgendermaßen: Die Ladung habe aus Naphta bestanden; dieses sei einDestillationsproduct aus Petroleum- Rohöl, aber weniger gereinigt und deshalb feuergefährlicher als das gewöhnliche Leuchtöl. Es werde ein oder das andere der verladenen Fässer leck gesprungen sein. Das auslaufende Naphta habe sich dann mit der Luft vermengt und in den: durch die Luken verschlossenen Raume Gase erzeugt, welche, mit Feuer in
Berührung gekomn:en, sofort explodirten. Daß die in die Jacht eingeladenen Fässer Naphta enthielten, wird auch durch die Aussage des Versenders von Nordenhannn, des Kaufmannes Müller, bestätigt. Uebereinstnnmend mit dem Sach verständigen Scholinus bekundete Müller, daß Naphta sowohl wie Petroleum ein Product von Rohöl seien, sowie daß ersteres sich wesentlich leichter entzünde als letzteres.
320
Jacht Anne Airstine.
Der £)crr Reichscommissar hat sich dahin ausgesprochen, daß es noch aufzuklären bleibe, weshalb der Commis Ziesmer gesagt habe,
daß man nur Petroleum ausclariren solle und daß deshalb der bisher nicht vernommene auch als Zeuge nicht geladene Ziesmer noch vorerst hierüber zu vernehmen sei. Das Leeamt ist indeß des Erachtens, daß dieses nicht erforderlich sei, weil es die Frage, aus welchen: Grunde Ziesmer solches gesagt hat, für unerheblich erachtete. Das Seeamt hat hierbei erwogen, daß der Hafenmeister den ihn: von dem Zollamt zugesandten Ausclarirungsschein vor dem Unfall nicht angesehen hatte und kein Grund zu der Annahme vorliegt, er würde ihn angesehen haben, wenn er etwas anderes enthalten hätte, als er thatsächlich enthielt. In der Sache selbst schließt sich das Seeamt dem Gutachten des Sachverständigen Scholinus an und folgert daraus, daß die im Laderaum entwickelten Gase durch das denselben von der Kajüte abschließende Schott in die Kajüte eingedrungen waren und zur Explosion gelangten, als sie mit dem von dem Schiffer durch Anreiben des Zündholzes gemachten Feuer in Berührung kamen. Wären die Luken des Laderaums nicht verschlossen gewesen, so hätten die sich im Raume bildenden Gase entweichen müssen und es würde in diesem Falle durch Anreiben des Zündholzes eine Explosion nicht enstanden sein. Es kann deshalb zur Vermeidung ähnlicher Unfälle nur empfohlen werden, daß bei Petroleum-NaphtaLadungen die Luken, wenn angängig, offen gehalten werden. Der Schiffer hat unzweifelhaft selbst den Unfall verschuldet, weil er, wissend, daß er eine feuergefährliche Ladung an Bord hatte, es trotzdem an der nöthigen Vorsicht mangeln ließ. Er hat auch gegen den §. 22 der Kieler Hafen- und Brückenordnung vom s8. April J859 gefehlt, weil daselbst vorgeschrieben ist, daß bei leicht Feuer fangenden Waaren auf Schiffen im Kieler Hafen weder Feuer noch Licht an Bord sein darf. §. s0 der genannten Hafenordnung schreibt auch vor: „Auf Fahrzeugen, die mit ungelöschtem Kalk, Schwefelsäure oder anderen leicht entzündlichen Waaren als Flachs, Hanf u. f. w. beladen werden sollen, darf das Einnehmen der Ladungen nur unter Aufsicht des Hafenmeisters geschehen." Unter Bezugnahme hierauf hat der Herr Reichscommissar sich dahin ausgesprochen, daß der Hafenmeister die Beladung hätte beaufsichtigen müssen. Nach dem Erachten des Seeamts ist dies unzutreffend, weil der Hafenvogt nicht anders wußte, als daß Petroleum verladen werden solle und Petroleum im täglichen Verkehr als
Zchraubendampfer Desterro und Indra.
besonders feuergefährliche Waare nicht angesehen wird. Es würde in der That doch auch ;u weit führen, wenn man dem Hafenmeister zumuthen wollte, bei jedem Faß Petroleum, welches im Kielet Hafen gelöscht oder geladen wird, selbst die Aufsicht zu führen. Für den guten Glauben des Hafenvogts, daß Petroleum verladen werde, spricht, daß die Waare ohne besondere Vorsichtsmaßregeln per Eisenbahn transportirt war und daß die Fässer, welche Naphta enthalten, gerade so aussehen, wie die, welche Petroleum enthalten. Zur Zeit als die Kieler Hafenordnung erlassen wurde, fand noch kein handel in Petroleum und Naphta statt. Daraus erklärt sich, daß sich specielle Bestimmungen über das Laden und Löschen '.n der Hafenordnung nicht finden. Vb und inwieweit der vorliegende Unfall Veranlassung giebt, die Hafenordnung zu ändern oder zu ergänzen, muß lediglich der Erwägung der Kieler Stadtverwaltung überlassen bleiben.
5b Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 15. November 1892, betreffend den Zusammenstoß des Schraubendampfers „Desterro" von Hamburg mit dem britischen Schraubendampfer „Indra" in der Nordsee. Der Spruch des Seeamts lautet:
Der Zusammenstoß des Dampfers „Desterro" mit dem britischen Dampfer „Indra" am 2b März 1892 in der Nordsee unweit des Terschelling-Feuerschiffes, in folge dessen ersterer sank, ist in erster Linie auf das am Tage des Unfalls herrschende Nebelwetter zurückzuführen. Der Unfall würde sich haben vermeiden lassen, wenn die „Indra", als sie aus den sich nähernden Nebelsignalen das herannahen eines des Nebels wegen nicht sichtbaren Schiffes auf Backbord annehmen mußte, zunächst gestoppt und eine abwartende Haltung angenommen, dann aber bei dem Insichtkommen des Toplichtes und grünen Lichtes an Backbord sofort die Maschine rückwärts gestellt hätte, anstatt noch eine Zeitlang bei der Vorausfahrt zu bleiben. Auf dem „Desterro" hätte man gleichfalls, als man das X. 21
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Schraubendampfer Desterro und Indra.
Nebelsignal der „Indra" an Steuerbord zu hören glaubte, was ein verhängnißvoller Irrthum war, durch Stoppen eine Klärung der tage abwarten, jedenfalls aber nicht, ohne den Gegendampfer zu sichten, auf das Nebelsignal hin das Ruder Steuerbord legen sollen. Nach dem Insichtkommen der „Indra" ist auf dem „Desterro" durchaus sachgemäß verfahren. Eine Bergung des Schiffes war nach der Katastrophe ausgeschlossen. Die Hülfeleistung seitens des Schiffers Swann vom Dampfer „Vporto" sowie seitens seiner Nlannschaft verdient volle Anerkennung. Thatbestand. Der in Hamburg heimathsberechtigte, der ActienGesellschaft Hamburg-Südamerikanische Dampfschiffahrts-Gesellschaft gehörige Schraubendampfer „Desterro", Unterscheidungs-Signal RGTI, gerieth auf seiner Reise von Südamerika nach Hamburg am 2^. März 1892 morgens ungefähr um 3 Uhr HO Minuten nordwestlich von Terschelling-Feuerschiff in der Nordsee mit dem britischen Schrauben dampfer „Indra" in Tollision und sank nach etwa 7'1» Stunden. Die an Bord befindlich gewesenen HH Passagiere, sowie die aus 39 Mann bestehende Besatzung retteten sich an Bord des britischen Dampfers „Oporto", welcher dem „Desterro" zur Hülfe gekommen war, und brachte der „Mporto" die Geretteten nach Hamburg. I. Der „Desterro" war ein eisernes, in Hamburg im Jahre (885 erbautes Schraubendampfschiff mit Schoonertakelung und einer Maschine von 1000 indicirten Pferdekräften. Der Netto-Raumgehalt betrug H 193,8 cbm = 1H8O,«o britischen Register-Tons. Bei dem Bureau Veritas hatte dasselbe die Classe 4* I 3/3 L. 1. 1. A. & C. P. und war zu