Eigenkapitalausstattung von Existenzgründungen im Rahmen der Frühphasenfinanzierung [1 ed.] 9783896448361, 9783896730787

Existenzgründungen stellen aufgrund ihrer positiven gesamtwirtschaftlichen Effekte einen erheblichen Leistungsträger für

110 103 64MB

German Pages 348 Year 2000

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Eigenkapitalausstattung von Existenzgründungen im Rahmen der Frühphasenfinanzierung [1 ed.]
 9783896448361, 9783896730787

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Eigenkapitalausstattung von Existenzgründungen im Rahmen der Frühphasenfinanzierung

Schriftenreihe Finanzmanagement Herausgeber: Prof. Dr. Reinhold Hölscher

Band 2

Stefan Dafemer

Eigenkapitalausstattung von Existenzgründungen im Rahmen der Frühphasenfinanzierung

Verlag Wissenschaft & Praxis

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Daferner, Stefan: Eigenkapitalausstattung von Existenzgründungen im Rahmen der Frühphasenfinanzierung / Stefan Dafemer. - Sternenfels : Verl. Wiss, und Praxis, 2000 (Schriftenreihe Finanzmanagement; Bd. 2) Zugl.: Kaiserslautern, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-89673-078-9 NE: GT

ISBN 3-89673-078-9

© Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2000 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

Alle Rechte vorbehalten

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbe­ sondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

5

Geleitwort Der Schritt in die berufliche Selbständigkeit ist mit erheblichen Chancen, dane­ ben jedoch auch mit einer Reihe von Problemen verbunden. Innerhalb der Risi­ ken, die mit der Realisierung eines Gründungsprojektes einhergehen, nimmt die Gründungsfinanzierung einen besonderen Stellenwert ein. Zahlreiche Untersu­ chungen belegen, daß der häufigste Grund für das Scheitern junger Unternehmen in einer unzureichenden Kapitalausstattung liegt. Da in den Frühphasen der Unternehmensentwicklung die Selbstfinanzierung aufgrund fehlender Gewinne nicht zur Verfügung steht und die Außenfinanzie­ rung über öffentliche Förderprogramme sowie die Aufnahme von Bankkrediten einen gewissen Grundstock an Eigenkapital voraussetzt, besitzt die Eigenfinan­ zierung von Existenzgründern eine besondere Bedeutung. Die Versorgung der Entrepreneure mit Eigenkapital steht daher im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit. Aufbauend auf einer umfassenden Problemanalyse „traditioneller“ Beschaf­ fungsmöglichkeiten von Eigenkapital sowie moderner Akquisitionsalternativen, wie z.B. dem Mezzanine-Financing oder dem Venture Capital, werden von dem Verfasser mit der Implementierung organisierter Private-Equity-Märkte für in­ formelle Kapitalgeber, dem Aufbau regionaler Start-up-Märkte, der Umstruktu­ rierung der betrieblichen Altersversorgung hin zu Pensionsfonds angelsächsi­ scher Prägung sowie der Schaffung steuerlicher Anreize für private Kapitalanle­ ger verschiedene Konzepte vorgestellt und analysiert, die in direkter oder indi­ rekter Form eine Verbesserung der Eigenkapitalausstattung von Existenzgrün­ dungen während des Early- und First-Stage-Financing bewirken können.

Der Verfasser hat sich mit einem höchst aktuellen Problemkreis beschäftigt und die Diskussion über die Eigenkapitalausstattung junger Unternehmen um neue, vielversprechende Ansätze bereichert. Ich wünsche daher der vorliegenden Schrift, daß sie sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis auf reges Inte­ resse stößt.

Kaiserslautern, im August 1999

Reinhold Hölscher

7

Vorwort In Gesprächen, die ich im Rahmen meiner Tätigkeit als Referent des an der Uni­ versität Kaiserslautern angebotenen Existenzgründungstrainings „ExTra“ mit potentiellen Gründern führen konnte, wurde deutlich, daß die Gründungsfinanzie­ rung den meisten der zukünftigen Unternehmern Probleme bereitet. Im Grün­ dungskontext ergeben sich diese Finanzierungsprobleme dabei weitestgehend aus dem Bereich der Kapitalbeschaffung.

Ein Gründungsunternehmen verfügt auf der einen Seite (noch) nicht über ausrei­ chende Innen- resp. Selbstfinanzierungspotentiale, auf der anderen Seite sind externe Kapitalgeber oftmals (noch) nicht bereit, Kapital in das wirtschaftlich noch unausgewogene und riskante Gründungsprojekt zu investieren. Dieser Ant­ agonismus führt dazu, daß dem Eigenkapital mit seiner derivativen Finanzie­ rungsfunktion in der gesamten Gründungsfinanzierung eine erhebliche Relevanz beizumessen ist. Neben den Finanzierungseffekten ist das Eigenkapital für Grün­ dungsunternehmen aber auch unter Sicherheitsaspekten in Form eines Risikopuf­ fers bedeutsam. Aufgrund dieser besonderen Bedeutung fokussieren sich die Ausführungen dieser Arbeit auf die Eigenkapitalausstattung von Existenzgrün­ dungen. Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Finanzdienstleistungen und Finanzmanagement der Universität Kaiserslautern und wurde vom Fachbereich Sozial- und Wirtschafts­ wissenschaften im Sommersemester 1999 als Dissertation angenommen. An dieser Stelle möchte ich all denen danken, die mich während der Erstellung der Arbeit besonders unterstützt haben.

Mein aufrichtiger Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Reinhold Hölscher, der mich während meiner Assistentenzeit intensiv gefördert und der durch vielfältige Anregungen und kritische Hinweise wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat. Herrn Professor Dr. Heiner Müller-Merbach danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens. Ein weiterer Dank gilt meinen Kollegen am Lehrstuhl für Finanzdienstleistungen und Finanzmanagement, Herrn Dipl.-Wirtsch.-Ing. Markus Kremers und Herrn Dipl.-Wirtsch.-Ing. Christian Kalhöfer, die mir in regen Diskussionen wertvolle Hinweise für die Bearbeitung geben konnten. Zu danken habe ich aber auch den zahlreichen wissenschaftlichen Hilfskräften des Lehrstuhls, die mich bei meinen Literaturrecherchen tatkräftig unterstützten.

8

Danken möchte ich auch meinem Kollegen vom Lehrstuhl für Volkswirtschafts­ lehre und Wirtschaftspolitik (VWL I) der Universität Kaiserslautern, Herrn Dr. rer. pol. Wolfgang Flieger, der mir in der Schlußphase bei der Beseitigung sprachlicher Ungereimtheiten hilfreich zur Seite stand und der mir während mei­ ner gesamten Tätigkeit an der Universität Kaiserslautern in seinem Büro „Rau­ cherasyl“ gewährte. Ebenfalls danken möchte ich meinem Freund Rolf Dockter von der Universität Trier sowie meiner Kollegin Nina Hilbert von der Universität Duisburg, die bei­ de immer wieder einen wichtigen motivationellen Part bei diesem Dissertations­ projekt übernahmen. Ein besonderer Dank gebührt meinen Eltern, die mir sehr vieles überhaupt erst ermöglichten und auf deren Unterstützung ich mich stets verlassen konnte.

Schließlich gilt ein besonders herzlicher Dank den beiden wichtigsten Frauen im meinem Leben: meiner Frau Iris, die mich während der gesamten Dauer der Pro­ motion mit all ihren Höhen und Tiefen stets unterstützte, und meiner kleinen Tochter Sophie, für die ich oftmals allzu wenig Zeit hatte. Ihnen beiden sei diese Arbeit gewidmet.

Ettringen, im August 1999

Stefan Daferner

9

Inhaltsverzeichnis

Einleitung.............................................................................. 23

Erster Teil:

Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen........................................................... 30 A.

Wesen, Formen und Bedeutung von Existenzgründungen............... 30 I.

Der Begriff der Existenzgründung im betriebswirtschaftlichen Kontext............................................................................................... 30 1. Der Prozeß der Existenzgründung................................................. 30

2. Der Start-up als originäre Gründungsform.................................... 34 II.

Varianten der traditionellen Start-up-Gründung................................. 38 1. Kauf von Unternehmen sowie Management-Buy-Out.................. 38 2. Spin-off......................................................................................... 42 3. Franchising.................................................................................... 45

III. Gesamtwirtschaftliche Aspekte von Existenzgründungen.................. 48

B,

Nationale Rahmenbedingungen für Existenzgründungen im internationalen Vergleich.............................................................. 55

I.

Identifikation relevanter Einflußfaktoren............................................. 55

1. Grundsätzliche Systematisierung.................................................. 55

2. Interne Faktoren............................................................................ 57 3. Externe Faktoren........................................................................... 58

II. Rahmenbedingungen und daraus resultierende Problemfelder während des Gründungsprozesses...................................................... 62 1. Early-Stage-Phase......................................................................... 63 2. First-Stage-Phase.......................................................................... 66

10

Inhaltsverzeichnis

III. Die nationalen Rahmenbedingungen im europäischen Vergleich...... 70 1. Frankreich..................................................................................... 71

2. Großbritannien.............................................................................. 74 3. Norwegen...................................................................................... 77 4. Zusammenfassung der Ergebnisse.................................................80

C.

Die Gründungsfinanzierung als zentrales Problemfeld.................... 83

I.

Die besondere Stellung der Gründungsfinanzierung und Grundsätze ihrer Ausgestaltung.................................................. 83

1. Die Relevanz der Gründungsfinanzierung................................... 83 2. Die Fristenkongruenz von Finanzierungsmitteln und Finanzierungsobjekten............................................................. 85

3. Die besondere Bedeutung der Liquiditätssicherung..................... 88

4. Sonstige gründungsspezifische Finanzierungsregeln................... 91

II.

Finanzplanung als Instrument zur Sicherung der Liquidität und Ermittlung des Kapitalbedarfs............................................ 92

1. Aufgaben und Ziele der Finanzplanung........................................ 92 2. Kurzfristige Finanzplanung zur Sicherung der dispositiven Liquidität..............................................................97

3. Mittel- und langfristige Finanzplanung zur Ermittlung der Struktur des Kapitalbedarfs unter Berücksichtigung gründungsspezifischer Größen............................................... 100

III. Der Kapitalbedarf in Abhängigkeit vom Unternehmensalter und grundsätzliche Deckungsmöglichkeiten............................. 104 1. Der Kapitalbedarf im Verlauf einer Existenzgründung............... 105 2. Finanzierungsquellen in den Teilphasen des Existenzgründungsprozesses.................................................. 107

Inhaltsverzeichnis

11

Zweiter Teil:

Die besondere Relevanz des Eigenkapitals und Möglichkeiten der Eigenkapitalbeschaffung................... 112 A.

Das Wesen des Eigenkapitals im Rahmen einer Existenz­ gründung......................................................................................... 113 I.

Definitorische Abgrenzung............................................................... 113

II.

Gründungsspezifische Funktionen des Eigenkapitals....................... 119

1. Systematisierung der Eigenkapitalfunktionen.............................. 119

2. Die Handlungsfunktionen des Eigenkapitals................................ 120 3. Die Sicherungsfunktionen des Eigenkapitals............................... 122

III. Die Eigenkapitalbeschaffung bei Existenzgründungen..................... 126 1. Charakteristische Problemsituation.............................................. 126

2. Größenspezifische Probleme bei der Eigenkapital­ beschaffung............................................................................ 127

3. Nichtgrößenspezifische Probleme bei der Beschaffung von Eigenkapital....................................................................130 B.

Direkte Beteiligungsfinanzierung........................................................ 132 I.

Die Eigenkapitalbeschaffung über öffentliche Förderprogramme ....133 1. Instrumente der Gründungsförderung zur Stärkung der Eigenkapitalbasis.................................................................. 133 2. Förderprogramme auf Bundesebene.......................................... 135 3. Förderprogramme auf Landesebene........................................... 141

II.

Die Beteiligungsfinanzierung unter Berücksichtigung der Rechtsform des gegründeten Unternehmens............................ 143 1. Die Eigenkapitalbeschaffung bei Kapitalgesellschaften............. 143

2. Die Akquisition von Eigenkapital bei Personengesellschaften ...145 3. Die Eignung der Rechtsformen unter Berücksichtigung der Eigenfinanzierungspotentiale................................................ 149

Inhaltsverzeichnis

12

III. Die rechtsformunabhängige Mezzanine-Finanzierung..................... 150 1. Das Wesen einer Mezzanine-Finanzierung................................. 151

2. Stille Beteiligungen als Mezzanine Money................................. 153

3. Die Mezzanine-Finanzierung durch Emission von Genußscheinen....................................................................... 156 C.

Indirekte Beteiligungsfinanzierung über Venture Capital............ 160 I.

Begriffliche Bestimmungen der Finanzierungsalternative Venture Capital......................................................................... 160 1. Das Wesen einer Venture-Capital-Finanzierung......................... 160 2. Idealtypischer Verlauf einer Venture-Capital-Finanzierung...... 165 3. Beteiligungsformen von Venture Capital.................................... 170

II.

Der deutsche Venture-Capital-Markt im internationalen Vergleich................................................................................... 174 1. Entwicklung und Struktur des deutschen Venture-Capital-Marktes........................................................ 175

2. Der europäische Venture-Capital-Markt..................................... 180 3. Der US-amerikanische Venture-Capital-Markt........................... 183

III. Analyse der nationalen Rahmenbedingungen für Venture Capital......................................................................... 188 1. Gesellschaftliche Einflußfaktoren............................................... 188 2. Rechtliche Restriktionen............................................................. 192 3. Besonderheiten bei der steuerlichen Behandlung........................ 196

Inhaltsverzeichnis

13

Dritter Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital........ 199 A.

Die Implementierung organisierter Private-Equity-Märkte für informelle Eigenkapitalgeber................................................ 200

I.

Informal Venture Network zur effizienteren Einbindung privater Kapitalanleger in die Gründungsfinanzierung........... 200

1. Besondere Bedeutung von Business Angels für Existenzgründungen............................................................... 200

II.

2.

Anforderungen an das zu institutionalisierende Netzwerk........ 203

3.

Organisatorische und strukturelle Umsetzung eines Informal Venture Network.......................................................... 205

4.

Nationale Ansätze für Business-Angels-Netzwerke.................. 211

Spezielle Aktienmärkte für Existenzgründungen zur Eigen­ kapitalbeschaffung über ein going public............................... 214

1. Der Status Quo und Problemfelder der deutschen Aktienbörsen......................................................................... 214

2. Die Ableitung relevanter Anforderungen an einen nationalen Start-up-Markt auf Basis internationaler Börsensegmente... 218 3. Nationale Bemühungen zur Institutionalisierung regionaler Start-up-Märkte.....................................................................220

B.

Die verstärkte Einbindung von Pensionsfonds angel­ sächsischer Prägung in die Gründungsfinanzierung............ 225

I.

Pensionsfonds als externes Finanzierungsinstrument der betrieblichen Altersversorgung...............................................225 1. Die betriebliche Altersversorgung im System der Alterssicherung........................................................................... 225

2.

Begriff und Erscheinungsformen von Pensionsfonds................ 229

3.

Nationale Rahmenbedingungen für Pensionsfondsund daraus resultierende Problempotentiale......................................234

14

Inhaltsverzeichnis

II.

Internationaler Vergleich der Rahmenbedingungen und Aktivitäten von Pensionsfonds..................................................240 1. US-amerikanische Pensionsfonds............................................... 240 2. Pensionsfonds im europäischen Ausland.................................... 243 3. Zusammenfassende Analyse der nationalen Rahmen­ bedingungen..........................................................................246

III. Erforderliche Modifikationen der nationalen Strukturen zur Mobilisierung des Kapitalpotentials von Pensionsfonds......... 250 1. Veränderungen der steuerlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen.................................................................. 250 2. Durchführungsalternativen auf Basis der geforderten Modifikationen...................................................................... 252 3. Auswirkungen der Einführung von Pensionsfonds auf die Gründungsfinanzierung.......................................................... 255

C,

Die Schaffung steuerlicher Vorteile für private Eigenkapitalgeber.......................................................................... 258 I.

Arten und Wirkungsweise bestehenderSteuersparmodelle................ 259 1. Bauherrenmodell......................................................................... 259

2. Mobilien-Leasingfonds............................................................... 264 3. Medienfonds................................................................................268

II.

Inhaltliche Einbettung der Besteuerung privater Eigen­ kapitalgeber in das geltende Steuersystem............................... 272

1. Die Zuordnung zu den Einkünften ausKapitalvermögen............. 272

2. Definition des Steuertatbestandes............................................... 275

III. Umsetzungsalternativen der steuerlichen Behandlung privater Risikokapitalengagements...........................................279 1. Varianten privater Risikokapitalengagements............................. 279 2. Steuerliche Berücksichtigung privater Eigenkapital­ engagements........................................................................... 281 D.

Bewertung der diskutierten Ansätze................................................... 286

Inhaltsverzeichnis

15

Zusammenfassung.............................................................. 289 Literaturverzeichnis...........................................................299

Adressenverzeichnis........................................................... 343

16

Abbildungsverzeichnis Abb. 1:

Allgemeines Phasenmodell des Existenzgründungsprozesses............. 32

Abb. 2:

GründungsVarianten.............................................................................. 34

Abb. 3:

Ablauf einer originären Gründung während der Seed- und Start-up-Phase...................................................................................... 36

Abb. 4:

Schwierigkeiten nach der Betriebsübernahme..................................... 40

Abb. 5:

Anforderungen an ein MBO-Unternehmen.......................................... 41

Abb. 6:

Franchise-System und enthaltene Leistungsströme.............................. 45

Abb. 7:

Typologie von Franchise-Systemen..................................................... 46

Abb. 8:

Entwicklung des Gründungssaldos in Westdeutschland (1991-1997)......................................................................................... 49

Abb. 9:

Entwicklung des Gründungssaldos in Ostdeutschland (1991-1997)......................................................................................... 49

Abb. 10: Systematisierung relevanter Einflußfaktoren für Existenzgründungen.............................................................................56 Abb. 11: Problemfelder deutscher Existenzgründungen während der Gründungsphase................................................................ 63

Abb. 12: Problemfelder deutscher Existenzgründungen während der W achstumsphase................................................................ 67 Abb. 13:

Vergleich der Realtransfers europäischer Staaten.............................. 81

Abb. 14:

Vergleich der Finanztransfers europäischer Staaten.......................... 82

Abb. 15:

Entscheidende Insolvenzursachen deutscher Existenzgründungen... 83

Abb. 16:

Komponenten des finanziellen Gleichgewichts................................. 84

Abb. 17:

Prozeß der Finanzplanung................................................................. 95

Abb. 18: Arten der Finanzplanung und ihre Relevanz für Existenzgründungen........................................................... 96

Abb. 19:

Grundstruktur des kurzfristigen Finanzplans................................... 100

Abb. 20:

Statische Gesamtkapitalbedarfsermittlung....................................... 104

Abbildungsverzeichnis

17

Abb. 21:

Systematisierung der Finanzierungsarten......................................... 108

Abb. 22:

Finanzierungsquellen in den Teilphasen des Existenzgründungsprozesses............................................................. 111

Abb. 23:

Charakteristika des Eigenkapitals im Vergleich zum Fremdkapital...................................................................................... 118

Abb. 24:

Kapitalursprung und Funktionen der Kapital Verwendung............... 119

Abb. 25:

Finanzierungsspezifika von Existenzgründungen und Eigenkapitalfunktionen......................................................................127

Abb. 26:

Antagonismus zwischen Eigenkapitalbedarf und Eigenkapitalakquisition .................................................................... 131

Abb. 27:

Alternativen der Eigenkapitalbeschaffung und Eigenkapitalgeber.............................................................................. 132

Abb. 28:

Instrumente der Gründungsförderung zur Stärkung der Eigenkapitalbasis............................................................................... 133

Abb. 29:

Wesensmerkmale des Eigenkapitalhilfeprogramms (Stand Februar 1999).........................................................................137

Abb. 30:

Wesensmerkmale des Eigenkapitalergänzungsprogramms (Stand Februar 1999).........................................................................138

Abb. 31:

Antragsweg für öffentliche Förderprogramme................................. 139

Abb. 32:

Eigenfinanzierungspotentiale der Rechtsformen für Existenzgründungen........................................................................... 149

Abb. 33:

Ausstattungsprofile von Genußscheinen.......................................... 158

Abb. 34:

Typische Phasen einer Venture-Capital-Finanzierung..................... 167

Abb. 35:

Erscheinungsformen der Venture-Capital-Finanzierung............ .....170

Abb. 36:

Funktionsweise einer fondsorientierten VentureCapital-Finanzierung .........................................................................173

Abb. 37:

Segmente des deutschen Venture-Capital-Marktes.......................... 176

Abb. 38:

Entwicklung des deutschen VC-Marktes (1990-1997).................... 178

Abb. 39:

Aufteilung des invested capital (1991-1997)................................... 179

Abb. 40:

Die Entwicklung des europäischen VC-Marktes (1990-1997)........ 181

18

Abbildungsverzeichnis

Abb. 41: Anteile der Finanzierungsphasen im europäischen Vergleich (1991-1997)..................................................... 182

Abb. 42: Kapitalherkunft deutscher und europäischer Fondsvolumina........... 183 Abb. 43: Anteile der Finanzierungsphasen im internationalen Vergleich (1991-1997)...................................................................... 186 Abb. 44: Internationaler Vergleich der Bruttoinvestitionen nach Branchen................................................................................... 187 Abb. 45: Exitkanäle zur Beendigung des VC-Engagements in Deutschland................................................................................... 191

Abb. 46: Informal Venture Network für Business Angels.............................. 206 Abb. 47:

Ratingbogen zur Informationsverdichtung im Informal Venture Network.............................................................................. 208

Abb. 48: Profilanalyse zur Erfassung der soft skills eines Gründungsprojektes......................................................... 209 Abb. 49:

Teilmärkte des Aktienhandels.......................................................... 215

Abb. 50: Segmente des Kassamarktes und ihre wesentlichen Charakteristika................................................................. 216 Abb. 51:

Die drei Säulen der Alterssicherung und deren quantitative Bedeutung..................................................................... 226

Abb. 52:

Varianten der betrieblichen Altersversorgung................................. 228

Abb. 53:

Synopse wesentlicher Merkmale von Unterstützungsund Pensionskassen...........................................................................230

Abb. 54:

Strukturmodell eines Pensionsfonds angelsächsischer Prägung...... 232

Abb. 55:

Wesentliche Anlagevorschriften für Pensionskassen gern. § 54a VAG............................................................................... 238

Abb. 56:

Vermögen europäischer Pensionsfonds (1992/1997)...................... 243

Abb. 57: Anteil der Pensionsfonds am jeweiligen nationalen VC-Aufkommen.............................................................. 245 Abb. 58:

Vergleich der Rahmenbedingungen von Pensionsfonds..................247

Abb. 59:

Steuer- und Liquiditätsergebnis einer Flugzeugbeteiligung............. 266

Abbildungsverzeichnis

19

Abb. 60: Vorteilhaftigkeit der Flugzeugbeteiligung ohne resp. mit Berücksichtigung von Steuereffekten............................................... 268 Abb. 61: Einkommensteuerliche Auswirkungen der Beteiligung an Medienfonds............................................................... 270

Abb. 62:

Systematisierung der Einkunftsarten................................................ 272

Abb. 63:

Elemente des Steuertatbestandes im weiteren Sinne........................277

Abb. 64:

Mittelbare Kapitalbeteiligung über einenAnlegerverein.................. 280

Abb. 65:

Marktorientierte Risikokapitalprämie.............................................. 283

20

Abkürzungsverzeichnis a.a.O. AFG AgV AIM AktG AO Aufl. AV

am angegebenen Ort Arbeitsförderungsgesetz Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherzentralen, Berlin Alternative Investment Market, London Aktiengesetz Abgabenordnung Auflage Anlagevermögen

BAND BAV

Business Angels Netzwerk Deutschland e.V. Betriebliche Altersversorgung

BBK BddW BetrAVG bez. BFH BFHE BFuP BG BGB BGBl BGH BGHZ BIC bifego

Buchführung - Bilanz - Kostenrechnung, Zeitschrift Blick durch die Wirtschaft, Zeitschrift Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung bezüglich Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, Zeitschrift Bemessungsgrundlage Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Business and Innovation Center Betriebswirtschaftliches Institut für empirische Gründungs- und Organisationsforschung der Universität Dortmund Bruttoinlandsprodukt Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium für Wirtschaft Börsengesetz

BIP BMBF

BMF BMWi BörsG

Abkürzungsverzeichnis

BStBl BT BVB BVCA BVH BVK

Bundessteuerblatt Bundestag Bundesverband deutscher Banken e.V., Köln British Venture Capital Association, London (UK) Bundesverband der Börsen vereine an deutschen Hochschulen in Deutschland e.V., Mannheim Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften e.V., Berlin

CanD CS

Kanadischer Dollar Corporate Subsidiary

DAI DB DBW DIHT DIW DStR DStZ DtA

Deutsches Aktieninstitut e.V., Frankfurt/M. Der Betrieb, Zeitschrift Die Betriebswirtschaft, Zeitschrift Deutscher Industrie- und Handelstag, Bonn Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin Deutsches Steuerrecht, Zeitschrift Deutsche Steuerzeitung, Zeitschrift Deutsche Ausgleichsbank, Bonn

EASDAQ European Association of Securities Dealers Automated Quotation, Brüssel European Currency Unit ECU ed. edition EK Eigenkapital EKH Eigenkapitalhilfeprogramm ERP European Recovery Program EStG Einkommensteuergesetz et cetera etc. European Venture Capital Journal, Zeitschrift EVCJ EURO Wirtschaftsmagazin, Zeitschrift ewm Europäischer Wirtschaftsraum EWR folgend f. Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ

21

22

Abkürzungsverzeichnis

ff. FK

folgende Fremdkapital

GDGW GDV GewStG

ggfggü. GmbH GmbHG GRV

Gemeinschaftsausschuß der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V., Berlin Gewerbesteuergesetz gegebenenfalls gegenüber Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetzliche Rentenversicherung

HB HGB hrsg. von Hrsg. HWK

Handelsblatt Handelsgesetzbuch herausgegeben von Herausgeber Handwerkskammer

IAW i.e.S. ifm ifo IHK inkl. insbes. IQB ISB ITB IUG

Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung, Tübingen im eigentlichen Sinne Institut für Mittelstandsforschung, Bonn Institut für Wirtschaftsforschung, München Industrie- und Handelskammer inklusive insbesondere Initiative für Qualifikation und Beruf GmbH, Frankfurt/M. Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz GmbH, Mainz Institut für Technik der Betriebsführung im Handwerk, Karlsruhe Institutsunterstützte Unternehmensgründungen

JfB

Journal für Betriebswirtschaft, Zeitschrift

Abkürzungsverzeichnis

KAGG KfW KG KMU KStG KWG

Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kreditanstalt für Wiederaufbau, Frankfurt/M. Kommanditgesellschaft kleine und mittlere Unternehmen Körperschaftsteuergesetz Kreditwesengesetz

max. MBG

maximal Mittelständische Beteiligungsgesellschaft des Landes BadenWürttemberg Management-B uy-In Management-B uy-Out Mehrwertsteuer

MBI MBO MWSt

NASDAQ National Association of Securities Dealers Automated Quotation, New York National Venture Capital Association, Arlington VA (USA) NVCA

OECD OHG

Organization of Economic Corporation and Development, Paris Offene Handelsgesellschaft

p.a. PAV PSV PVCF resp.

per anno Private Altersversorgung Pensions-Sicherungs-Verein (auf Gegenseitigkeit) Private Venture Capital Firm respektive

RKW RWI

Rationalisierungs-Kuratorium der Wirtschaft, Eschborn Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, Essen

SBIC StB SVR

Small Business Investment Company Der Steuerberater, Zeitschrift Sachverständigenrat zur Begutachtung der Gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Steuer- und Wirtschaftskartei, Zeitschrift Süddeutsche Zeitung

SWK SZ

23

Abkürzungsverzeichnis

24

t&m TGZ Tz.

Technologie und Management, Zeitschrift Technologie- und Gründerzentrum Textziffer

u.a. UBGG USM usw. US-$ UV

und andere Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften Unlisted Securities Market, London undsoweiter US-amerikanischer Dollar Umlaufvermögen

VAG VC VCJ

Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen Venture Capital Venture Capital Journal, Zeitschrift

WiSt WISU WWZ WZB

Wirtschaftswissenschaftliches Studium, Zeitschrift Wirtschaftsstudium, Zeitschrift Wirtschaftswissenschaftliches Zentrum der Universität Basel Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Berlin

z.B. z.T. ZEW ZfB ZgS

zum Beispiel zum Teil Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft

25

Einleitung Kleine und mittelständische Unternehmen stellen für die deutsche Wirtschaft einen erheblichen Leistungsträger dar. Mehr als die Hälfte der gesamten Wirt­ schaftsleistung (Bruttowertschöpfung) aller Unternehmen wird von Betrieben dieser Größenklasse erbracht1. Gleichzeitig finden ungefähr zwei Drittel aller Beschäftigten einen Arbeitsplatz in mittelständischen Unternehmen2, die darüber hinaus ca. 80% der Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen3. Neben diesen quantitativen Besonderheiten haben kleine und mittlere Unternehmen im Gegen­ satz zu Großunternehmen eher die Möglichkeit, schnell und flexibel auf verän­ derte Marktsituationen zu reagieren. Dies wird auch durch die Tatsache bestätigt, daß Innovationen und neue Technologien oftmals durch mittelständische Unter­ nehmen eingeführt bzw. durch Unternehmensgründer entwickelt werden.

Um vor diesem Hintergrund die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wirt­ schaftsstandortes Deutschland erhalten zu können, ist dem Erhalt und dem Aus­ bau eines gesunden Mittelstandes eine erhebliche Bedeutung beizumessen. Eine wesentliche Voraussetzung hierfür besteht darin, daß eine hinreichend große Anzahl an Existenzgründern den Schritt in die Selbständigkeit wagt und die da­ mit verbundenen Herausforderungen und Risiken auf sich nimmt. Dadurch kann zum einen das Potential bzw. der Nachwuchs junger Unternehmen gesichert werden, zum anderen ergeben sich aber auch zusätzliche Möglichkeiten der Ar­ beitsplatzbeschaffung resp. -Sicherung. Trotz dieser gesamtwirtschaftlich positiven Effekte muß allerdings beachtet wer­ den, daß der Gründer beim Schritt in die Selbständigkeit mit einer Vielzahl von Risiken konfrontiert wird. Unter den vielfältigen Problemen, die der Entrepre­ neur zu bewältigen hat, nimmt die Finanzierung des neuen Unternehmens eine Sonderstellung ein. Sie muß neben der Überwindung diverser Startschwierigkei­ ten, z.B. dem Abbau von Informationsdefiziten, das Überleben am Markt sowie das spätere Wachstum gewährleisten. Eine unzureichende Kapitalausstattung in der Gründungsphase kann dazu führen, daß die für eine effiziente Arbeitsweise erforderlichen Investitionen unterbleiben, sich das Unternehmen nur unzurei­ chend am Markt positionieren kann und sich somit dessen Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert. Auch die in der Startphase in aller Regel auftretenden Verlustsi­ tuationen müssen durch entsprechende Finanzpolster ausgeglichen und abgefan­

1 2 3

Vgl. BMWi (Starthilfe 1997), S. 2. Vgl. Richter, H.-J. (Gründer 1994), S. 327. Vgl. KOLB, H.L. (Chancen 1996), S. 6.

26

Einleitung

gen werden. Fehlende Kapitalreserven führen zu Finanzierungsengpässen bzw. Finanzierungslücken, die ihrerseits eine Verschärfung der Liquiditätssituation bewirken und im Extremfall im Konkurs des gegründeten Unternehmens gipfeln können.

Solche Finanzierungsengpässe und Finanzierungslücken können ihren Ursprung in Unzulänglichkeiten bei der Kapitalbeschaffung, aber auch in einer unzurei­ chenden bzw. unausgewogenen Kapitalbedarfsplanung haben. Bei der Kapitalbe­ schaffung, die durch eine enorme Vielfalt von Finanzierungsmöglichkeiten cha­ rakterisiert ist, sind Existenzgründer oftmals mit der genauen Analyse der Finan­ zierungsangebote überfordert und wählen daher z.T. suboptimale Finanzie­ rungsalternativen aus. Als Konsequenz können hieraus hohe finanzielle Bela­ stungen durch zu leistende Kapitalkosten resultieren. Solche Finanzierungsfehler stellen den weitaus häufigsten Grund des Scheiterns von Entrepreneurfirmen dar4. Daneben erschweren bzw. verhindern teilweise auch Kapitalgeber durch um­ ständliche und zu aufwendige Überprüfungen oder durch fehlenden Sachverstand eine effiziente und rasche Finanzierung einträglicher und attraktiver Gründungen. Neben der Kapitalbeschaffung erweist sich zusätzlich die Finanzplanung als zweites Problemfeld im Rahmen der Gründungsfinanzierung. Hierbei ist zu kon­ statieren, daß Existenzgründer oftmals einen geringen Überblick über die mit einer Gründung verbundenen finanziellen Belastungen aufweisen. Allerdings besteht eine der wichtigsten Aufgaben des Existenzgründers in der finanziellen Absicherung seines Gründungsvorhabens, denn dessen Erfolg wird wesentlich vom Finanzierungskonzept bestimmt. Zur Ermittlung des Finanzierungsbedarfs kommt dabei in erster Linie der Kapitalbedarfsplan in Betracht, der zunächst sämtliche mit dem Gründungsprojekt verbundenen finanziellen Aufwendungen enthalten sollte. Zusätzlich können aus der Kapitalbedarfsplanung Hinweise über die Fristigkeit der jeweiligen Vermögensgegenstände und somit über die Fristig­ keit der erforderlichen Kapitaldeckung gewonnen werden. Die Refinanzierung des Kapitalbedarfs kann über Fremdmittel oder Eigenmittel erfolgen. Hierbei ist der Gründer in aller Regel auf eine externe Zuführung der Finanzmittel angewie­ sen, da seine eigenen Mittel normalerweise sehr schnell aufgezehrt sind und die anfängliche Ertragssituation des Gründungsunternehmens i.d.R. noch keine Selbstfinanzierung ermöglicht. Aber auch die externe Zufuhr von Kapital ist für den Gründer problembehaftet. Bei der traditionellen Fremdfinanzierung von Unternehmensgründungen über Kredite besteht von Seiten der Banken zunächst eine Risikoaversion und Innova­

4

Vgl. COLLREP, F. VON (Handbuch 1998), S. 227.

Einleitung

27

tionsscheu. Hindernisse für eine Kreditgewährung sind neben fehlenden Ver­ gleichsdaten bei innovativen Vorhaben der Mangel an ausreichenden Sicherhei­ ten, die meist nur geringe Erfahrung in der Geschäftsleitung sowie die kaum existenten Beziehungen zu Geschäftspartnern5. Hinzu kommt, daß die Vergabe solcher „Innovationskredite“ häufig an fehlendem oder zu geringem Eigenkapital der Gründungsunternehmen scheitert. Allerdings ist die Beschaffung von Risiko­ kapital in Form weiterer Eigenmittel ebenfalls mit Problemen verbunden, denn das Eigenkapital der Gründer ist - wie bereits erwähnt - meist schon frühzeitig aufgebraucht und die Situation der gegründeten Betriebe ermöglicht in der Regel keine Selbstfinanzierung. Für eine weitergehende Eigenkapitalakquisition über informelle Risikokapitalgeber bzw. formelle Venture-Capital-Gesellschaften bestehen trotz erheblicher Deregulierung in den letzten Jahren weiterhin z.T. ungünstige Rahmenbedingungen, die den vermehrten Rückgriff auf solche Kapi­ talgeber nach wie vor limitieren6. Die Folge hiervon ist eine dünne Eigenkapital­ ausstattung der Gründungsunternehmen, die vereinzelt sogar als „Eigenkapital­ lücke“ bezeichnet wird7. Ungeachtet der mannigfaltigen Diskussion8 um diesen Terminus bleibt unbestritten, daß die Eigenkapitalausstattung die Eigen- und Fremdfinanzierungsmöglichkeiten und damit das Wachstumspotential des Unter­ nehmens maßgeblich beeinflußt bzw. zu geringe Eigenmittel zu einer Gefährdung des Bestandes sowie einer Steigerung der Krisenanfälligkeit des jeweiligen Un­ ternehmens führen können. Gleichzeitig erfordern allerdings die zunehmende Globalisierung und die gesteigerte Technologisierung der Wirtschaft innovative und investive Unternehmensstrategien, die einen erheblichen Finanzierungsbe­ darf mit sich bringen. Bei zu teueren Finanzierungen können Investitionen nicht durchgeführt werden bzw. müssen Unternehmensgründungen unterbleiben9. Mangel an Innovationstätigkeit ist häufig die Folge eines Mangels an Finanzmit­ teln. Neue Wirtschaftsaktivitäten benötigen insbesondere in der Anfangsphase viel Kapital zur Mobilisierung der erforderlichen Ressourcen10. Somit können sich Unternehmen lediglich bei einer wettbewerbserhaltenden Finanzierung in einem Umfeld dynamischer Rahmenbedingungen und Märkte positionieren und konkurrenzfähig agieren. 5 6 7 8

9 10

Vgl. GROLL, M./CURTI, F. (Gründungsfinanzierung 1998), S. 279. Bereits der Name „Risikokapital“ verdeutlicht die Problematik dieser Finanzierungsaltemative, denn z.B. in den USA lautet die Übersetzung dieser Kapitalform „Chancenkapital“. Vgl. SVR (Jahresgutachten 1995/96), Z. 282. Zur Auseinandersetzung um den Begriff der Eigenkapitallücke vgl. Arbeitsgruppe „Zweiter Börsenmarkt“ (Börsenzugang 1989), S. 1 mit der dort zitierten Literatur; Schneider, D. (Ei­ genkapitallücke 1986), S. 2293ff.; KÜBLER, F./SCHMIDT, R.H. (Gesellschaftsrecht 1988), S. 115ff. Vgl. Kaufmann, F. (Besonderheiten 1997), S. 140. Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim BMWi (Gutachten 1997), S. 2.

28

Einleitung

Eine nachhaltige Verbesserung der externen Finanzierung für Unternehmens­ gründer und junge Unternehmen kann deshalb insbesondere über die Bereitstel­ lung von Eigenkapital erreicht werden. Eigenkapital erweitert das enge Finanzie­ rungsspektrum durch zusätzliches Haftkapital, ohne dem Unternehmen wie im Falle des Fremdkapitals durch Zins- und Tilgungsverpflichtungen Liquidität zu entziehen11. Gleichzeitig determiniert eine ausreichende Höhe an Eigenkapital aber auch die Akquisitionsmöglichkeiten von Fremdkapital, was somit entspre­ chend zu einer Verbesserung der gesamten Kapitalausstattung des Gründungs­ unternehmens führt.

Vor dem Hintergrund dieser Finanzierungsproblematik konzentrieren sich die Ausführungen dieser Arbeit auf die Relevanz des Eigenkapitals im Existenzgrün­ dungsprozeß. Da in Zukunft gleichzeitig vermehrt Kapital in Anlageformen drängen wird, die an den Chancen innovativer Unternehmensgründungen teilha­ ben12, ist es notwendig, die erforderlichen Rahmenbedingungen sowohl im Be­ reich der Informationsversorgung, als auch in rechtlicher und steuerlicher Hin­ sicht zu modifizieren. Um diese Tendenzen zu berücksichtigen, werden unter­ schiedliche Ansätze diskutiert, die einerseits einen Beitrag zur Umgestaltung der Rahmenbedingungen leisten, andererseits aber auch eine Verbesserung der ge­ samten Eigenkapitalausstattung des Gründungsunternehmens implizieren können. Hierzu gestaltet sich der Gang der Untersuchung wie folgt. Um eine einheitliche Struktur der Arbeit zu gewährleisten, werden im ersten Teil zunächst die Grund­ lagen der Existenzgründungstheorie dargestellt. Hierzu gehört neben der Einord­ nung des Begriffes „Existenzgründung“ in den betriebswirtschaftlichen Kontext insbesondere die Betrachtung der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung von Unter­ nehmensgründungen im Hinblick auf deren Struktur-, Wettbewerbs- sowie ar­ beitsmarktpolitischen Potentiale. Nach einem internationalen Vergleich der grün­ dungsspezifischen Rahmenbedingungen konkretisiert sich die Existenzgrün­ dungsproblematik auf das Problemfeld des Kapitalbedarfs, indem die besondere Relevanz der Gründungsfinanzierung thematisiert und Grundsätze ihrer Ausge­ staltung erläutert werden. Abschließend erfolgen die Ermittlung des von der jeweiligen Teilphase des Existenzgründungsprozesses abhängigen Gesamtkapi­ talbedarfs sowie die Darstellung grundsätzlicher Deckungsalternativen.

12

Vgl. Schuster, S. (Kapitalbeschaffung 1998), S. 845. Vgl. O.V. (Beteiligungsfonds 1998), S. 30. Ein Beispiel für eine solche „innovative“ Anlageform stellt das neu aufgelegte CREA-Programm (Capital Risque pour les Entreprises en phase d'Amorgage) der EU dar. Über diesen Startkapital- resp. Existenzgründerfonds sollen KMUs und Entrepreneure finanzielle Unterstützung erfahren. Vgl. O.V. (Startkapitalfonds 1998), S. 30; O.V. (Risikokapitalfonds 1998), S. 19.

Einleitung

29

Als Konsequenz der ermittelten Ergebnisse thematisiert der zweite Teil das Ei­ genkapital und analysiert grundlegende Möglichkeiten der Eigenkapitalbeschaf­ fung. Hierzu wird zunächst eine definitorische Abgrenzung vorgenommen und über die spezifischen Eigenkapitalfunktionen die besondere Relevanz dieser Kapitalform vor dem Hintergrund der charakteristischen Problemsituation von Existenzgründungen verdeutlicht. Im Anschluß daran werden mit öffentlichen Förderprogrammen, der rechtsformspezifischen Eigenkapitalbeschaffung sowie dem rechtsformunabhängigen Mezzanine-Financing die wesentlichen Formen der direkten Beteiligungsfinanzierung erörtert. Den Abschluß bildet die Darstellung der indirekten Beteiligungsfinanzierung über Venture Capital (VC). Auf Basis einer ausführlichen Analyse der Entwicklung und der Struktur des deutschen VCMarktes sowie eines internationalen Vergleichs mit dem europäischen Ausland und den USA werden die nationalen Rahmenbedingungen für Venture Capital in Deutschland untersucht, wobei gesellschaftliche, rechtliche sowie steuerliche Einflußparameter Berücksichtigung finden. Basierend auf den Erkenntnissen des zweiten Teils werden im abschließenden dritten Teil weiterführende Ansätze zur Eigenkapitalbeschaffung von Existenz­ gründungen erörtert, die eine Verbesserung der Eigenmittelausstattung dieser Unternehmensgruppe nach sich ziehen. Hierzu werden mit der Implementierung organisierter Private-Equity-Märkte in Form eines Informal Venture Network bzw. spezieller Start-up-Märkte, der Umstrukturierung der betrieblichen Alters­ versorgung hin zu Pensionsfonds angelsächsischer Prägung sowie der Schaffung steuerlicher Sonderstatuten für Investoren im Bereich der Frühphasenfinanzie­ rung von Existenzgründungen insgesamt drei Ansätze diskutiert. Die Arbeit schließt mit einer Gegenüberstellung der vorgestellten Alternativen zur Verbesse­ rung der Eigenkapitalausstattung von Gründungsvorhaben bezüglich ihrer Prakti­ kabilität und ihrer Durchführungswahrscheinlichkeit.

30

Erster Teil

Formen, Rahmeiibedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen A.

WESEN, FORMEN UND BEDEUTUNG VON EXISTENZGRÜNDUNGEN

I.

Der Begriff der Existenzgründung im betriebs­ wirtschaftlichen Kontext

1.

Der Prozeß der Existenzgründung

In der Regel wird der Akt der Existenzgründung1 in der betriebswirtschaftlichen Literatur nicht als zeitpunktbezogenes Ereignis definiert. Vielmehr umfaßt die Existenzgründung eine Phase im betrieblichen Lebensprozeß, da ein Unterneh­ men nicht an einem Tag oder innerhalb weniger Stunden entsteht und konzipiert wird. Es bedarf normalerweise eines erheblichen Zeitaufwandes, um eine neue Unternehmenseinheit zu entwerfen, kritisch zu analysieren und endgültig zu er­ richten. Für diese Abläufe werden üblicherweise Zeiträume zwischen einem hal­ ben und einem Jahr veranschlagt2. Da die Frühentwicklungsphase eines neuge­ gründeten Unternehmens jedoch von herausragender Bedeutung ist3, soll der zeitliche Rahmen einer Existenzgründung im Rahmen dieser Arbeit auf einen Horizont von 5 Jahren erweitert werden4. Dieser Zeitraum stellt im allgemeinen die kritischste Phase eines jungen Unternehmens dar, denn innerhalb der ersten 5

2

Im folgenden sollen die Begriffe „Existenzgründung“ und „Untemehmensgründung“ synonym verwendet werden, auch wenn die „Existenzgründung“ eher eine Unterform der „Untemeh­ mensgründung“ darstellt. Vgl. NathüSIUS, K. (Existenzgründung 1990), S. 17. Vgl. HEIL, H. (Entwicklung 1997), S. 3. Dieser Zeitrahmen wird auch im Rahmen der Fördermaßnahmen für Existenzgründungen des Landes Bremen zugrunde gelegt. In diesem Programm umfaßt die Gründungsphase einen Zeit­ raum von fünf Jahren, der nach Ablauf des Monats beginnt, in dem die Gründungsinvestitionen begonnen wurden. Vgl. Winkler-Otto, A. (Finanzierungshilfen 1997), S. 109. Bei einem sol­ chen Zeitrahmen sprechen manche Autoren auch von sog. Jungen Unternehmen, so z.B. Szyperski, N. (Untemehmensgründungen 1981).

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

31

Jahre scheitern ca. 50% der Existenzgründungen5, 30% der Gründungsunterneh­ men überleben nicht einmal das Gründungsjahr6. Nach einer Studie der Creditre­ form betrug der Anteil der 1997 in Westdeutschland insolvent gewordenen Un­ ternehmen mit einem Lebensalter von bis zu vier Jahren immerhin fast 40% der gesamten Insolvenzen, in den neuen Bundesländern lag diese Quote sogar bei fast50%7.

Ein weiterer Grund für die Verlängerung des zeitlichen Betrachtungsrahmens liegt darin, daß zins- und tilgungsfreie Jahre als Vergünstigungen innerhalb öf­ fentlicher Finanzierungshilfen i.d.R. im dritten Jahr auslaufen8 und sich dann die finanziellen Belastungen erhöhen und die Gefahr einer Zahlungsmittelknappheit resp. Illiquidität verschärft.

Im weiteren Verlauf der Arbeit soll unter einer Existenzgründung folglich ein iterativer Prozeß verstanden werden, der zu einem bestimmten Zeitpunkt zwar eine neue Unternehmenseinheit hervorbringt, bis zu dem jedoch eine Vielzahl an Entwicklungsschritten mit einer schrittweisen Verfeinerung durchlaufen sein müssen, um abschließend zu einer erfolgreichen Gründung zu kommen9. Das gesamte Ablaufschema einer Existenzgründung verdeutlicht zunächst Abb. 1, wobei die einzelnen Phasen in Abhängigkeit von Art, Typ und Umfang des Gründungsvorhabens eine zeitlich sehr differenzierte Länge aufweisen können. In der Informations- und Orientierungsphase10 muß im zeitlichen Vorfeld der eigentlichen Gründung eine qualitative Vorentscheidung getroffen und durch Grundsatzüberlegungen verifiziert werden, d.h. der Gründer setzt sich erstmals mit der Möglichkeit einer Unternehmensgründung auseinander und macht sich die mit diesem Vorhaben verbundenen Risiken und Probleme bewußt11. Hierzu gehören beispielsweise Überlegungen hinsichtlich des Standortes, die Überprü­ fung des eigenen Stärken-Schwächen-Profils oder die Quantifizierung externer Einflußparameter. Hieraus resultiert ein visionäres Unternehmensmodell, das in der anschließenden Konzeptionsphase konkretisiert und weiterentwickelt wird und durch eine schrittweise Verfeinerung die Umsetzbarkeit („feasibility“) der

5 6 7 8

9 10

11

Vgl. BMWi (Junge 1998), S. 110. Vgl. Arnold, J. (Existenzgriindung 1997), S. 7. Vgl. O.V. (Insolvenzrekord 1997), S. 19. Vgl. Rasner, C./FüSER, K./FAIX, W. (Existenzgründerbuch 1997), S. 244; Kaune, S. (Arbeits­ los 1996), S. 25; zu den diversen Förderprogrammen vgl. Winkler-Otto, A. (Finanzierungshil­ fen 1997). Vgl. Nathusius, K. (Existenzgründung 90), S. 17. Zur Beschreibung der Phasen vgl. ARNOLD, J. (Existenzgründung 1997), S. 26ff.; KLANDT, H. (Überlegung 1984), S. 56ff. Vgl. Dette, J. (Engpaß 1997), S. 18.

32

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

Gründungsvision sicherstellen soll12. Gesammelte Informationen von Industrieund Handelskammern, Handwerkskammern, Verwaltungen, Berufs- und Wirt­ schaftsverbänden aber auch Beratungsgesellschaften werden aufbereitet, das Vorhaben hinsichtlich Rechtsform, Standort, Markt und Konkurrenz weiter strukturiert und ein Unternehmenskonzept sowie diverse Checklisten erarbeitet. In die Konzeptionsphase fällt außerdem die Planung der originären Gründungsfi­ nanzierung. Die beiden gründungsvorbereitenden Phasen werden auch als SeedPhase bezeichnet.

Erfolg

juristischer Gründungsakt

Idee

Informa tionsund Orientierungs­ phase

Konzeptions­ phase

Realisierungs­ phase (Gründungsphase i.e.S.)

Existenzsicherungsund ■festigungsphase

Unternehmensentwicklungsphase

--------------------------------------Existenzgründer i.e^.

Jungunternehmer

Abb. 1: Allgemeines Phasenmodell des Existenzgründungsprozesses13

Die Start-up-Phase (Realisierungsphase oder Gründungsphase i.e.S.), die zu­ sammen mit der Seed-Phase unter dem Begriff Early-Stage-Phase subsumiert wird, umfaßt den Zeitraum, der der Umsetzung der bis dahin erdachten und ge­ planten Aspekte dient, von der Realisierung des Gründungsvorhabens bis zu allen Maßnahmen, die unmittelbar vor dem eigentlichen Unternehmensstart und da­ nach liegen. In dieser Teilphase wird also das Gründungskonzept umgesetzt und die eigentliche Errichtung der Unternehmung als rechtlich und wirtschaftlich selbständiges Gebilde vollzogen14, was insbesondere die Beschaffung sämtlicher für das Vorhaben benötigter Produktionsfaktoren umfaßt15.

13 14 15

Vgl. Glauner, W. (Existenzgründung 1998), S. 38. In Anlehnung an ARNOLD, J. (Existenzgründung 1997), S. 26. Vgl. JÄGER, W. (Gründung 1976), S. 788. Vgl. DETTE, J. (Engpaß 1997), S. 18.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

33

Den Abschluß des gesamten Prozesses bildet die First-Stage-Phase mit den Teil­ phasen Existenzsicherungs- und -festigungsphase sowie der Unternehmens­ entwicklungsphase. Diese Frühentwicklungsphase dient dazu, das Unternehmen am Markt zu etablieren. Es erfolgen erstmals die Produktion und der Absatz der Produkte bzw. der Dienstleistungen; wobei wiederum Finanzierungsfragen einen wesentlichen Teil der Aktivitäten darstellen.

Die Existenzgründung ist somit als ein Prozeß anzusehen, der dann abgeschlos­ sen ist, wenn das gegründete Unternehmen etwaige Markteintrittsbarrieren über­ wunden hat, marktfähig ist und wirtschaftlich stabile Verhältnisse aufweist16. Der gesamte Existenzgründungsprozeß ist weiterhin dadurch gekennzeichnet, daß ein gegenüber der Umwelt qualitativ abgegrenztes und in der gleichen Struktur vor­ her nicht existentes System hervorgebracht wird17. Die Neuartigkeit kann dabei diverse Ausprägungsformen aufweisen. Hierzu zählen

• • • •

die Schaffung eines neuen Gutes in neuer Qualität, die Anwendung einer neuen Produktionsmethode, die Erschließung eines neuen Marktes, die Nutzung neuer Bezugsquellen von Rohstoffen und Halbfabrikaten oder die Durchsetzung einer für den jeweiligen Markt neuen Organisationsform18.

Dementsprechend handelt es sich bei einem Existenzgründer um eine Person, die durch eine neue Kombination von Produktionsfaktoren die Schaffung einer neuen wirtschaftlichen Einheit durchsetzt19. Synonym werden für die Beschreibung der Person auch die Äquivalente Gründer oder UnternehmensgrUnder sowie der aus dem englischen bzw. französischen Sprach weit stammende Begriff „Entrepre­ neur“ verwendet. Der Phasenbetrachtung folgend kann eine Unternehmensgründung nicht als ein lediglich juristischer Akt verstanden werden, der sich beispielsweise in der Un­ terzeichnung des Gesellschaftsvertrages oder durch den Eintrag im Handelsregi­ ster manifestiert. Vielmehr handelt es sich hierbei um formale Schritte, in denen der oder die Gründer ihre Absicht bekunden und eine Willenserklärung abgeben. Diese formal-juristischen Akte bilden den konkreten Abschluß der Gründungs­ phase i.e.S. und haben die tatsächliche Aufnahme der Geschäftstätigkeit zur Fol­ ge20.

16 17 18 19 20

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Unterkofler, G. (Erfolgsfaktoren 1989), S. 39. SZYPERSKI, N./NATHUSIUS, K. (Probleme 1977), S. 25. SCHUMPETER, J. (Entwicklung 1987), S. lOOf. SZYPERSKI, N. (Untemehmensgründungen 1981), S. 153. Nathusius, K. (Existenzgründung 1990), S. 17; Dette, J. (Engpaß 1997), S. 18.

34

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

2.

Der Start-up als originäre Gründungsform

Nachdem im vorangegangenen Abschnitt eine Definition des Begriffes Existenz­ gründung im Sinne einer Prozeßbetrachtung gegeben wurde, sollen im weiteren die unterschiedlichen Formen der Unternehmensgründung systematisiert und die traditionelle Start-up-Gründung erläutert werden. Unter Berücksichtigung des Innovationsgrades der zu gründenden Unternehmung sowie der Unternehmens­ struktur21 ergibt sich die in Abb. 2 dargestellte Zuordnung unterschiedlicher Gründungsformen.

Abb, 2: Gründungsvarianten

Die Start-up-Gründung als klassische Form der Unternehmensgründung stellt im engeren Sinne die erstmalige Gründung eines Unternehmens auf dem Markt dar und definiert die eigentliche originäre Form der Existenz- resp. Unternehmens­ gründung. Eine bisher in abhängigem Arbeitsverhältnis stehende Person strebt über die Gründung eine Vollexistenz an und tritt mit dem neu gegründeten Un­ ternehmen als neuer Marktteilnehmer auf22. Originäre Gründungen schaffen somit völlig neue Wirtschaftseinheiten und sind aufgrund fehlender vorhandener Strukturen in ihren Entscheidungen an geringere Restriktionen gebunden als bestehende Unternehmen, gleichzeitig aber infolge mangelnder Erfahrungen und

22

Vgl. Nathusius, K. (Konzepte 1988). Vgl. Arnold, J. (Existenzgründung 1997), S. 49.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

35

einer geringeren unternehmensspezifischen Informationsbasis einem höheren Risiko ausgesetzt23. Bei derivativen Gründungen hingegen werden existierende Wirtschaftseinheiten durch Übernahme, Umgründung oder sonstige Maßnahmen, die zu einer Änderung wesentlicher Strukturmerkmale führen, in eine neue Un­ ternehmenseinheit transformiert. Die Unternehmen verlieren dabei erhebliche Teile ihrer bisherigen Identität24. Dies ist z.B. bei einem Einzelunternehmen dann der Fall, wenn die Person des Einzelunternehmers infolge einer Übernahme oder einer Verpachtung wechselt. Der Einzelunternehmer verkörpert bei dieser Unter­ nehmensform den bestimmenden Einflußfaktor, und die Änderung der Person führt zu einer einschneidenden Veränderung der Identität des Unternehmens. Innovative Unternehmensgründungen zeichnen sich dadurch aus, daß mit der Gründung erstmalig eine neue Dienstleistung bzw. ein neues Produkt oder Ver­ fahren eingeführt resp. angeboten wird, die bzw. das bis dahin am Markt noch nicht verfügbar war25. Demgegenüber wird durch imitierende Existenzgründun­ gen ein bereits existentes Produkt, eine bereits vorhandene Dienstleistung oder ein bereits angewendetes Verfahren entweder in der gleichen Art und Weise oder in modifizierter Form dem Markt angeboten. Schätzungen zufolge stellt die Imi­ tation mit ca. 97% aller Unternehmensgründungen die häufigste Gründungsform dar, während nur etwa 3% der Unternehmensgründer mit einer innovativen Ge­ schäftsidee aufwarten26.

Den gesamten Ablauf einer originären Start-up-Gründung verdeutlicht Abb. 3, die insbesondere die für diese Gründungsform relevante Seed- und Start-upPhase verdeutlicht. Aus der Darstellung wird ersichtlich, daß bei einer Start-upGründung die Seed-Phase mit den gründungsvorbereitenden Maßnahmen einen erheblichen Umfang einnimmt, in der durch eine systematische, realistische und fundierte Planung mögliche Entwicklungslinien des Gründungsunternehmens aufgezeigt werden sollen27.

23 24 25 26 27

Vgl. 4. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

DETTE, J. (Finanzierung 1997), S. 16; PlSCHULTl, P. (Existenzgründungsberatung 1989), S. SZYPERSKI, N./NATHUSIUS, K. (Probleme 1977), S. 27. Nathusius, K. (Problemlage 1986), S. 6. Rentrop, N. (Tips 1995), S. 210. NATHUSIUS, K. (Gründungsplanung 1980), S. 339.

36

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

Gründungsidee > Informationsbeschaffung Zielgruppen- und Konkurrenzanalyse

unternehmerische Selbständigkeit



. , eTne

*

Standortsuche und -auswahl Erstellung eines Planungskonzeptes (visionäres Untemehmensmodell) Investitionsplan

Umsatz­ plan

Absatzplan

Personalplan

Kostenplan

r Rentabilitätsanalyse Kapitalbedarfsplan

(vorläufiger) Finanzierungsplan Gründungsexposd

Beschaffung der Finanzmittel, z.B. über Hausbank

bedingte Akzeptanz

volle Akzeptanz

keine Akzeptanz

Aufgabe oder neue Geschäftsidee

Durchführung des Konzepts __________ J............... . Formalitäten der Firmengründung, Z.B.:

Bauaktivitäten, Z.B.:

• Gewerbeanmeldung • Anmeldung Finanzamt • Anmeldung bei Versorgungsuntemehmen

• • • •

Grundstückserwerb Bauplanung Anfragstellung Bautätigkeit

Beschaffungs­ aktivitäten, z.B.:

Aktivitäten vor Betriebseröffnung, Z.B.:

• • • •

• Einrichtung • Personalschulung • Eröffnungswerbung

Maschinen Material Einrichtung Personal

T Betriebsaufnahme

Abb. 3: Ablaufeiner originären Gründung während der Seed- und Start-up-Phase28

Die Gründungsplanung beinhaltet dabei diverse Informationsbeschaffungsaufga­ ben zur Standortanalyse und -auswahl, zur Markt- und Konkurrenzanalyse sowie die Erarbeitung eines visionären Planungskonzeptes und verdichtet diese Ein­ 28

In Anlehnung an MEHRMANN, E. (Handbuch 1996), S. 11.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

37

zelaktivitäten im Gründungsexpose. In Abhängigkeit von der Akzeptanz dieses Exposes bei potentiellen Kapitalgebern ergeben sich die weiteren Schritte des Gründungsprozesses. Wird das Gründungsexpose abgelehnt, muß die Ge­ schäftsidee entweder aufgegeben oder durch eine neue ersetzt werden. Stößt das Gründungsexpose auf bedingte Akzeptanz, kommt es zu einem erneuten Durch­ lauf der angesprochenen Teilschritte, wobei Modifikationen in den einzelnen Bereichen vorgenommen werden müssen. Wird das Expose in vollem Maße akzeptiert, schließt sich nahtlos die Start-up-Phase an, die als eigentlicher Reali­ sierungszeitraum weitere Teilschritte umfaßt. Zu den zentralen Aufgaben wäh­ rend dieser Gründungsphase i.e.S. gehören insbesondere die Erledigung der mit einer Firmengründung verbundenen Formalitäten, die Durchführung von Beschaffungs- und ggf. Bauaktivitäten sowie die Vorbereitung der Betriebseröff­ nung.

Die abschließende First-Stage-Phase ist in der Abbildung nicht berücksichtigt, da die nun erforderlichen Absatz- und Marktdurchdringungaktivitäten bei sämtli­ chen Gründungsvarianten anfallen und somit keine start-up-spezifischen Maß­ nahmen beinhalten. Eine Sonderform der originären Gründung stellt in Abhängigkeit von der Anzahl der Gründer die sog. Teamgründung dar, bei der mehrere Gründer als Partner kooperieren und sowohl finanziell als auch arbeitsmäßig mehr oder weniger gleichberechtigt an der Gründung beteiligt sind29. Empirischen Untersuchungen zufolge vollzieht in den westlichen Bundesländern jeder vierte Existenzgründer seinen Start in die Selbständigkeit gemeinsam mit einem Partner, in den neuen Bundesländern liegt diese Quote sogar noch höher30. Durch solche Gründung­ steams können Einseitigkeiten bzw. Qualifikationsdefizite in der Person eines Gründers über ergänzende Eigenschaften von Mitgründern ausgeglichen und Synergieeffekte erreicht werden, die ansonsten nur durch den Einsatz kostspieli­ ger Beratungsinstitutionen möglich wären. Als geeignete Kombinationen werden hierbei Partnerschaften „Techniker/Kaufmann“, „Wissenschaftler/Manager“ oder „Neuling/Erfahrener“ genannt31. Andererseits kann es bei solchen Kooperationen in der Gründungsphase zu schwerwiegenden Problemen kommen, die u.a. aus der Persönlichkeit des einzelnen Individuums und seinen variablen Präferenzstruktu­ ren resultieren und eventuell zu einem Auseinanderbrechen der Gründungsteams führen. Es ist daher ratsam, daß sich die Gründungsmitglieder untereinander einer eingehenden Prüfung der Charaktere und Motive, aber auch weiterer Re­

29 30 31

Vgl. SZYPERSKI, N. (Betriebswirtschaftliche 1980), S. 310. Vgl. O.V. (Team-Management 1994), S. 22. Vgl. SZYPERSKI, N./NATHUSIUS, K. (Probleme 1977), S. 39.

38

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

striktionen, z.B. Einflüsse aus dem Umfeld der Partner, vor Beginn der Zusam­ menarbeit unterziehen32.

Start-up-Gründungen können in Abhängigkeit vom Innovationsgrad imitierend oder innovativ und je nach Unternehmensstruktur originär oder derivativ erfol­ gen, allerdings muß eine Existenzgründung nicht unbedingt als Start-upGründung durchgeführt werden. Neben der Start-up-Gründung existieren mit den sog. „Unternehmenstransfers“ sowie dem Franchising (vgl. Abb. 2) eine Vielzahl weiterer Gründungsvarianten, auf die in den nächsten Abschnitten vertiefend eingegangen werden soll.

II.

Varianten der traditionellen Start-upGründung

1.

Kauf von Unternehmen sowie Management-Buy-Out

Beim Kauf von Unternehmen oder Unternehmensteilen33 erwirbt der Käufer i.d.R. gegen Bezahlung eines auf Basis der Unternehmensbewertung ermittelten Kaufpreises die wesentlichen Betriebsgrundlagen, d.h. vor allem die Gegenstän­ de, denen für die Führung des Betriebes eine erhebliche Bedeutung beizumessen ist. Hierzu gehören insbesondere Betriebsgrundstücke und -gebäude, Produkti­ onsanlagen, Maschinen und Fuhrpark sowie sonstiges Inventar. Die Übernahme eines bestehenden Unternehmens ermöglicht dem Existenzgrün­ der einen „sanften“ Start in die Selbständigkeit. Neben dem Wegfall der risi­ koreichen Anlaufphase sind mit einer Betriebsübernahme im wesentlichen die folgenden Vorteile verbunden:



34

Durch einen bereits vorhandenen Kundenstamm sowie den Bekanntheitsgrad des übernommenen Unternehmens kann der Marktzugang erleichtert bzw. auf eingefahrene und erprobte Vertriebswege zurückgegriffen werden. Hieraus resultieren eine gewisse Umsatzsicherheit sowie die Möglichkeit einer we­ sentlich exakteren Planung des zu erwartenden Umsatzes und des erforderli­ chen Kapitalbedarfs34.

Vgl. Dette, J. (Finanzierung 1997), S. 17. Unter einem solchen Untemehmenskauf soll kein Mergers & Acqusitions verstanden werden, vielmehr handelt es sich um die Übernahme eines Unternehmens infolge der Geschäftsaufgabe des Altbetriebs, z.B. infolge einer altersbedingten Aufgabe des Geschäftsbetriebs, oder einen Geschäfts verkauf als Konsequenz fehlender Erben. Vgl. Mehrmann, E. (Handbuch 1996), S. 69; Dettmer, H. u.a. (Finanzmanagement II 1997), S. 129.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

39



Durch die Übernahme des Personals kann sich der Gründer auf ein einge­ spieltes und eingearbeitetes Team stützen, das sowohl das Unternehmen als auch den Markt kennt35. • Durch die Übernahme der Räumlichkeiten und die normalerweise vorhandene technische Grundausstattung kommt es beim Start der „neuen“ Betriebstätig­ keit zu keinen zeitlichen Verzögerungen36. • Im Gegensatz zur originären Neugründung verursacht ein Unternehmenskauf hinsichtlich der Finanzierung weniger Probleme, denn es kann auf Vergan­ genheitswerte zurückgegriffen werden, die eine Beurteilung des Vorhabens wesentlich erleichtern. Darüber hinaus versprechen der vorhandene Kunden­ stamm und der laufende Geschäftsbetrieb die bereits erwähnte frühzeitige Umsatztätigkeit, so daß die finanziellen Anspannungen einer Neugründung im wesentlichen nicht entstehen37.

Allerdings sind mit einer Betriebsübernahme auch Gefahren verbunden. Hierzu können im einzelnen zählen38:









Aus dem Forderungs- und Warenbestand können für den Käufer überdurch­ schnittliche Risiken resultieren, die sich z.B. aus einer Haftungsübernahme für bereits bestehende Verbindlichkeiten ergeben können. Infolge einer eventuellen Vernachlässigung erforderlicher Reparaturen durch den Vorbesitzer kann ein „Reparaturstau“ auftreten, der möglicherweise er­ hebliche Anlageinvestitionen für den oder die neuen Firmeninhaber zur Folge haben kann. Die Fehleinschätzung bestehender schwebender Vertragsverhältnisse und nicht bilanzierter Verpflichtungen sowie mangelnde Kenntnisse der vertragli­ chen Gestaltung bei Pacht- und Kaufverhältnissen können ebenfalls Risiken für den Unternehmenskäufer in sich bergen. Das bereits angesprochene Mitarbeiterpotential kann sich bei nicht ausrei­ chend qualifiziertem Mitarbeiterstamm bzw. einer ungesunden Altersstruktur des Personals schnell als nachteilig erweisen.

Eine von der Handwerkskammer Stuttgart im Jahre 1995 durchgeführte Umfrage unter Jungunternehmern, bei denen eine Firmengründung mittels Betriebsüber­ nahme erfolgte, bestätigte diese Risikopotentiale und führte zu den in Abb. 4 dargestellten Aussagen, wobei Mehrfachnennungen möglich waren.

35 36 37 38

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

EGGER, U.-P./GRONEMEIER, P. (Existenzgründung 1996), S. 2. SUDMEYER, E. (Übernahme 1995), S. 39. Graf, H. (Untemehmenserwerb 1990), S. 276. EGGER, U.-P./GRONEMEIER, P. (Selbständigkeit 1994), S. 12.

40

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

Abb. 4: Schwierigkeiten nach der Betriebsübernahme

39

Ein Spezialfall des Kaufs von Unternehmen oder Unternehmensteilen stellt der sog. Management-Buy-Out (MBO) dar. Der aus der anglo-amerikanischen Fi­ nanzwelt stammende Begriff bezeichnet eine Form des Unternehmenskaufs, bei dem das tätige Management alle oder zumindest wesentliche Anteile des Unter­ nehmens übernimmt und somit zum Miteigentümer resp. Unternehmer wird40. MBOs kommen einerseits als Gestaltungsform zur Regelung der Unternehmens­ nachfolge zur Anwendung, andererseits wird der MBO-Gedanke aber auch in Privatisierungskonzepte integriert. So kamen beispielsweise im Zuge der in Ost­ deutschland durchgeführten Privatisierungsaufträge der Treuhandanstalt vor­ nehmlich Management-Buy-Outs zum Einsatz41. Ein erfolgreicher MBO ist dabei im wesentlichen von der betriebswirtschaftli­ chen Konstitution des Zielunternehmens sowie von bestimmten finanzwirtschaft­ lichen und strategischen Kriterien abhängig, anhand derer die einzelnen Einfluß­ faktoren überprüft werden können (vgl. Abb. 5). Da es sich beim MBO - wie bereits erwähnt - um eine Sonderform des Unternehmenskaufs durch das im Unternehmen tätige Management handelt, gelten die dargestellten Punkte ent-

-w

40 41

Daten der Handwerkskammer Stuttgart von 1995 in: BMWi (Junge 1998), S. 11; Neumann, R. (Betriebsübemahme 1996), S. 46. Vgl. Schwien, B. (Management-Buy-Out 1995), S. 15. Vgl. WAGNER, K.-R. (Management Buy Out 1995), S. 1399f.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

41

sprechend auch für die Vorteilhaftigkeitsbeurteilung einer herkömmlichen Unter­ nehmensübernahme.

Struktur und Art von Vermögen u. Verbindlich­ keiten

Ertrags­ und Investitions­ lage

Kaufpreis

z.B.: • geringer Ver­ schuldungsgrad • ausreichende Liquidität • hoher/stetiger Cash-Flow • Struktur der Aktivseite

Z.B.: • Gewinnzone erreicht • kein Nachhol­ bedarf an In­ vestitionen • geringer kurz­ fristiger Investi­ tionsbedarf • wenig FuEKosten

Z.B.: • günstiger Kauf­ preis, z.B. im Verhältnis zum Cash-Flow oder dyn. Verschul­ dungsgrad

Produkt­ bezogene Eigenschaften

z.B.: • gesicherte Marktposition • positives Unter­ nehmensumfeld • Positionierung im mittleren Produktlebens­ zyklus (Wachs­ tums- bzw. Reife­ phase)

Personen­ bezogene Eigenschaften

z.B.: • routiniertes Management • gutes Betriebs­ klima

Abb. 5: Anforderungen an ein MBO-Unternehmen42

Dem Oberbegriff des MBO können verschiedene Unterformen zugeordnet wer­ den, z.B.:





42

43 44

Das Arbeitnehmer-Buy-Out oder Belegschafts-Buy-Out stellt eine Variante des Buy-Outs dar, bei dem sich neben dem eigentlichen Management ein gro­ ßer Teil der Mitarbeiter des Unternehmens am Erwerb, ggf. auch zum Zwecke der Sanierung, des eigenen, in temporären Schwierigkeiten befindlichen Un­ ternehmens beteiligt43. Beim Leveraged-Buy-Out erfolgt die Finanzierung der Unternehmensakqui­ sition überwiegend mit Fremdkapital, was also eine deutliche Erhöhung der Unternehmensverschuldung nach sich zieht44. Durch den primären Einsatz Zur ausführlichen Beschreibung der Kriterien vgl. KÜTING, K. (Management-Buyout 1997), S. 134f.; FORST, M. (Eignungskriterien 1992), S 39ff.; FORST, M. (Eignungskriterien 1993), S. 46ff. Vgl. BÜSCHGEN, H.E. (Banklexikon 1997), S. 55. Vgl. Hatzig, Chr. (Untemehmensbewertung 1995), S. 23.

42

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

von Fremdmitteln und die damit verbundene Ausnutzung des LeverageEffektes45 werden Management-Buy-Outs in der Literatur auch unter dem Be­ griff des Leveraged-Buy-Out subsumiert46. • Management-Buy-In: Hierbei erfolgen der Unternehmenserwerb und die anschließende Übernahme der Leitung durch einen oder mehrere dem Unter­ nehmen selbst nicht angehörende Manager47. Eine solche Form des Unter­ nehmenskaufs kommt insbesondere dann in Betracht, wenn im betreffenden Unternehmen neben den ausscheidenden Unternehmern kein ausreichendes Führungspotential zur Sicherung der Unternehmenskontinuität vorhanden ist48. Gegenüber dem MBO weist der Management-Buy-In insbesondere Nachteile auf, die aus einem mangelnden Insiderwissen resultieren. Diese Nachteile ergeben sich dabei vor allem aus fehlenden Kenntnissen des sich einkaufenden Managements über die Produkte, den Markt sowie die jeweili­ gen innerbetrieblichen Strukturen des Unternehmens49.

2.

Spin-off

Eine weitere Alternative zum Start-up stellt die Spin-off-Gründung dar, unter der das Herauslösen einzelner Unternehmensfunktionen aus einer Muttergesellschaft und die anschließende Unternehmensgründung durch die Einbindung Dritter verstanden wird50. Im weitesten Sinne und im Verständnis dieser Arbeit beschreibt ein Spin-off aber zudem einen Transfer technologischen Wissens aus Institutionen, in denen dieses Know-how entwickelt wurde, in praktische Anwendungen51. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei einer Spin-offUnternehmung folglich um ein technologieorientieres bzw. innovatives neues Unternehmen, das Produkte oder Dienstleistungen offeriert, herstellt oder

45

46 47 48 49 50 51

Prinzip der Hebelwirkung des Fremdkapitaleinsatzes, d.h. durch die zusätzliche Aufnahme von Fremdkapital kann die Eigenkapitalrendite eines Investitionsobjektes solange gesteigert werden, wie die Gesamtkapitalrendite größer als der Fremdkapitalzinssatz ist. Liegt die Gesamtkapital­ rendite über dem Zins für das aufgenommene Fremdkapital und kann dieses stetig zurückgeführt werden, führt dies zu einer deutlichen Wertsteigerung der investierten Eigenkapitalmittel. Vgl. Otto, H.-J. (Übernahmen 1989), S. 1389. Allerdings kann sich dieser Effekt auch ins Gegenteil umkehren, wenn die Gesamtkapitalrendite unter den Fremdkapitalzins sinkt, was bei rückläufi­ gen Gewinnen und/oder einem hohen Zinsniveau nicht unüblich ist. Die Folge ist dann eine Schmälerung der Eigenkapitalrendite und ggf. eine Reduzierung des Eigenkapitals. Vgl. Wagner, M. (Untemehmensfinanzierung 1997), S. 318. Vgl. KÜTING, K. (Management-Buyout 1997), S. 134. Vgl. HONERT, J. (Management buy-out 1995), S. 15. Vgl. Brandenstein-Zeppelin, C. von (Erfolgskonzept 1988), S. 9. Vgl. Schwien, B. (Management-Buy-Out 1995), S. 19. Vgl. Arnold, J. (Existenzgründung 1997), S. 59. Vgl. Nathusius, K. (Venture Management 1979), S. 236.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

43

entwickelt, die einen hohen Grad an technologischer Entwicklung erfordern52. Ein Spin-off erfolgt i.d.R. durch ehemalige Mitarbeiter von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von Unter-nehmen oder durch ehemalige Mitarbeiter von wissenschaftlichen Instituten entweder alleine oder zusammen mit anderen. Die Gründer können hierbei ihre Ideen und ihre technisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse als Ergebnis ihrer Arbeit beim letzten Arbeitgeber mit dessen Einverständnis und Billigung in das von ihnen gegründete Unternehmen einbringen und umsetzen53. Die Unternehmen, aus denen heraus ein Spin-off erfolgt, werden auch als Inkubatororganisation oder Inkubator bezeichnet54. Eine solche Inkubatororganisation hat neben der Katalysatorfunktion zur Ingangsetzung der Gründung auch unterstützende Wirkungen für das neugegründete Unternehmen, die beispielsweise in der Bereitstellung von Apparaturen, von technischem Know-how oder gesellschaftlichem Einfluß liegen können55. Die Gründe für einen Spin-off als Form der Existenzgründung liegen insbesonde­ re in den beiden folgenden Aspekten: •



52 53 54 55 56

Etablierte große Unternehmen führen Spin-offs durch, wenn sie langjährige qualifizierte Mitarbeiter bei frühzeitigem Erkennen der „Absprungbereit­ schaft“ für das eigene Unternehmen sichern wollen56. Um dieses Personal aus den Führungsebenen des Unternehmens nicht zu verlieren, kann das betref­ fende Unternehmenssegment ggf. verselbständigt werden. Die bereits vorhan­ dene Verantwortung des bisherigen Angestellten kann im Rahmen einer fi­ nanziellen Beteiligung dadurch ergänzt werden, daß dieser im Normalfall als geschäftsführender Gesellschafter für die eigene Unternehmenspolitik zur Verfügung steht. Bei typischen Aufgabenstellungen (z.B. Forschung und Entwicklung) und bedingt durch die Möglichkeit, besondere öffentliche Finanzierungs- und Unterstützungshilfen (z.B. Subventionen) zu erhalten, kann die Auslagerung der betreffenden Abteilung bzw. das Zusammenführen gleichartiger Unter­ nehmensbereiche mit anderen Gesellschaften erfolgversprechend sein. Dies gilt auch, wenn besondere Unternehmenszweige mit eigenen Produkten und

Vgl. Dette, J. (Engpaß 1997), S. 17. Vgl. SZYPERSKI, N./KLANDT, H. (Bedingungen 1980), S. 355; STORCK, J. (Mergers 1993), S. 28. Vgl. KLANDT, H. (Aktivität 1984), S. 277. Vgl. SIEWERT, H.H. (Existenzgründungs-Training 1995), S. 44; HüNSDlEK, D. (Untemehmensgründung 1987), S. 153. Vgl. KLANDT, H. (Aktivität 1984), S. 9.

44

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

Verfahren zur besseren Entwicklung verselbständigt werden, wodurch sich weitere externe Finanzierungsquellen erschließen lassen57.

Der Hauptvorteil einer Spin-off-Gründung liegt darin, daß der Gründer von An­ fang an über Ressourcen und Unterstützung seitens seines Inkubators verfügt, die der Entrepreneur allein in einer solchen Form nicht hätte aufbringen können58. Die Folge hiervon ist i.d.R. eine Steigerung der Überlebenswahrscheinlichkeit des Unternehmens59. Des weiteren lassen sich mit der Herauslösung von Spin­ offs bei den Stammunternehmen folgende Ziele realisieren60: Durch den (scheinbaren) Abbau von Personal und die damit verbundene Sen­ kung der Gemeinkosten in den bisherigen Hauptfunktionen erfolgt eine inter­ ne Rationalisierung. • Mit der Beteiligung an dem neugegründeten Spin-off-Unternehmen kann der Inkubator weiterhin einen Einblick in die transferierte Technologie und die von der Gründungsunternehmung bearbeiteten Märkte behalten. Somit sichert sich die Inkubatororganisation gegenüber unvorhersehbaren Strukturänderun­ gen in den jeweiligen Bereichen ab. • Die Einführung neuer Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen führt zu einer Diversifikation des Inkubatorunternehmens und der Erschließung neuer Einnahmequellen. • Sowohl der Inkubator als auch das neu gegründete Unternehmen können durch zusätzliche Innovationen aus dem neuen Unternehmen eine bessere Er­ schließung alter und neuer Zielgruppen erreichen. •

Im Vergleich zum traditionellen Start-up ist eine Spin-off-Gründung im wesentli­ chen dadurch gekennzeichnet, daß hohe Anforderungen an die Humankapitalaus­ stattung sowohl der Gründer als auch der Mitarbeiter, eine größere Problemviel­ falt sowie eine erhöhte Markteintrittsdauer bestehen. Insbesondere aus dem letzt­ genannten Aspekt heraus resultiert ein hoher Startkapitalbedarf infolge der lan­ gen Umsatz- und gewinnlosen Zeit sowie durch die hohen Kosten der Produk­ tentwicklung61. Zur Vermeidung dieser Probleme sollte bei einem Spin-off des­ halb beim Inkubator zunächst ein internes Projekt initiiert werden, das eine Prüf-, Entwicklungs- und Aufbauphase durchläuft. Die eigentliche Gründung erfolgt 57

59 60

61

Vgl. Arnold, J. (Existenzgründung 1997), S. 60. Auf diesem Grundgedanken basiert z.B. das Förderprogramm „Institutsgestützte Untemehmensgründung (IUG)“, das im zweiten Teil dieser Arbeit vorgestellt wird. Vgl. 2. Teil, Abschnitt B.I.3. Vgl. ALBACH, H. (Wiederentdeckung 1979), S. 542f. Vgl. Arnold, J. (Existenzgründung 1997), S. 61 f.; Hoffmann, P./Ramke, R. (ManagementBuy-Out 1990), S. 1037f.; NATHUSIUS, K. (Venture Management 1979), S. 245. Vgl. Albach, H./Hunsdiek, D. (Bedeutung 1987), S. 567.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

45

erst dann, wenn markt- und konkurrenzfähige Produkte verfügbar sind und das neue Unternehmen wirtschaftlich tragfähig ist62.

3.

Franchising

Eine weitere, sich in Deutschland stark ausbreitende Variante der Existenzgrün­ dung ist das Franchising. Nach der offiziellen Definition des Deutschen Franchi­ se Verbandes ist darunter ein vertikal-kooperativ organisiertes Absatzsystem rechtlich selbständiger Unternehmer auf Basis eines vertraglich geregelten Dau­ erschuldverhältnisses zu verstehen. Dieses System tritt am Markt einheitlich auf und wird durch das arbeitsteilige Leistungsprogramm der Systempartner sowie ein Weisungs- und Kontrollsystem geprägt63.

immateriell • Know-how • Image • Strategien • Motivation

-i

; I I I H •i

materiell • Betriebsaufbau • Dienstleistungen • Ausrüstung/Ware

immateriell • Engagement • Risikoübemahme • Imagebeitrag • Informationen

{ materiell I • Eintrittsgebühr ; • Ifd. Gebühren • Servicegebühr

Abb. 6: Franchise-System und enthaltene Leistungsströme64

Vereinfacht stellt sich das Franchise-System mit den enthaltenen Leistungsströ­ men gemäß Abb. 6 dar. Demnach kooperieren mit dem Franchise-Geber (Fran­ chiser) und dem Franchise-Nehmer (Franchisee) zwei rechtlich selbständige Partner, wobei die jeweiligen Rechte und Pflichten der beiden Systempartner im Franchise-Vertrag für eine i.d.R. fünf- bis zehnjährige Laufzeit geregelt werden. Der Franchise-Geber definiert in diesem Vertrag sein angebotenes Leistungspa­ ket, das aus einem Beschaffungs-, Absatz- und Organisationskonzept, dem Nut­ zungsrecht von Schutzrechten, der Ausbildung des Franchise-Nehmers sowie der Verpflichtung zu dessen laufender und aktiver Unterstützung besteht65. Mögliche Bestandteile der beiden letztgenannten Aspekte können beispielsweise regelmä­ ßige Schulungen der Franchise-Nehmer sowie Zusagen bez. einer Übernahme der Buchhaltung oder Personalabrechnung sein. Seitens des Franchise-Nehmers wird 62 63 64 65

Vgl. BEWERUNGE, C. (Selbständigkeit 1984), S. 24. Vgl. Deutscher Franchise Verband (Franchising o.J.), S. 5. In Anlehnung an BÜCHNER, H./KÄSTNER, G. (Franchising 1995), S. 15. Vgl. ARNOLD, J. (Existenzgründung 1997), S. 51.

46

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

über den Vertrag insbesondere die zu entrichtende Franchise-Gebühr beziffert, die aus einmaligen Einstandsgebühren, einer i.d.R. laufenden monatlichen pro­ zentualen Umsatzbeteiligung sowie sonstigen Gebühren, z.B. Werbegebühren, bestehen kann66.

Franchising

Abb. 7: Typologie von Franchise-Systemen

In Abhängigkeit von der Ausgestaltung des Franchise-Systems können unter­ schiedliche Formen des Franchisings differenziert werden (vgl. Abb. 7). Nach der Art der Geschäftstätigkeit unterscheidet man das Waren-, das Vertriebs- oder Distributions- sowie das Dienstleistungs-Franchising. Beim Waren-Franchising, das auch als Produkt-Franchising bezeichnet werden kann, stehen die Herstellung und der Verkauf des Produktes im Mittelpunkt des Franchise-Systems. Vereinzelt findet sich für diese Franchisingform auch der Begriff des industriellen Franchi­ se67. Vom Vertriebs- oder Distributions-Franchising spricht man, wenn über das Franchise-System ausschließlich der Vertrieb eines Produktes oder eines Pro­ duktsortiments betrieben werden soll68. Neben den Handelsbetrieben treten im­ mer häufiger Dienstleistungsbereiche im Franchising auf. Bei diesem, oftmals als höchste Form des Franchising bezeichneten System69 tritt der spezifische Cha­ rakter des Franchising am deutlichsten hervor, denn der Erfolg des Franchisees

67

Vgl. Büchner, H./KÄSTNER, G. (Franchising 1995), S. 14f.; LENNARDT, J. (Franchising 1990), S. 249. Vgl. SKAUPY, W. (Franchising 1995), S. 32. Beispiele für das Produkt-Franchising sind die

Franchise-Systeme der Coca-Cola-Gesellschaft oder das Yoplait-Franchise der französichen Sodima-Gesellschaft. Beispiele für Vertriebs-Franchise-Systeme sind Ihr Platz (Kosmetik- und Drogerieartikel), Stinnes Baumarkt AG (Bau- und Heimwerkermärkte), Eismann (Tielkühlkost-Heimservice), Yves Rocher (Kosmetikprodukte), Der Teeladen (Teefachgeschäfte). Vgl. Tietz, B. (Handbuch 1987), S. 35.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

47

ist hier äußerst stark von der Qualität und dem Know-how sowie der Kommuni­ kationspolitik des Franchisers abhängig70.

Hinsichtlich des Umfangs der Franchise-Erteilung können das Voll- und das Mini-Franchise differenziert werden. Beim Voll-Franchising als Normalform des Franchising führt der Franchisee den franchisierten Betrieb wirtschaftlich und rechtlich als selbständige Einheit, so daß das Unternehmen für ihn die alleinige geschäftliche Tätigkeit darstellt. Demgegenüber ergänzt der Franchisee beim Mini-Franchising einen bereits in seinem Besitz - eventuell auf technisch ähnli­ chem Gebiet - befindlichen Betrieb durch ein neues Arbeitsgebiet, auf welchem der Franchiser tätig ist, und gliedert somit seinem ursprünglichen Betrieb eine neue Abteilung an71.

Beim Groß- oder Investitions-Franchising, in den USA als „corporate franchise“ bezeichnet, handelt es sich um Systeme, bei denen der finanzielle Einsatz der Franchise-Nehmer recht erheblich ist und sich ihre Investition in Größenordnun­ gen von einer Million DM oder mehr bewegen72. Der Franchisee ist normalerwei­ se nicht selbst im franchisierten Betrieb tätig, sondern setzt Geschäftsführer als Fachleute ein. Im internationalen Verkehr existieren i.d.R. sog. Master-Franchisen, die auch als Master-Lizenzen oder General-Lizenzen bezeichnet werden. Dabei wird im Ausland, in dem das Franchise-System installiert werden soll, entweder eine neue Gesellschaft als Auslandstochter gegründet oder eine Zusammenarbeit mit dort ansässigen unabhängigen Geschäftsleuten oder Unternehmen verfolgt, denen das Franchise-System mit einem gleichen bzw. modifizierten Franchise-Paket ge­ währt wird. Dies bedeutet, daß der Master-Franchisee in seinem Land bzw. in seiner Region als eine Art „Unter-Franchiser“ arbeitet und regionale und lokale Franchisen an die von ihm auszusuchenden Franchise-Nehmer vergibt73.

Unabhängig von der genauen Ausgestaltung verbinden Franchise-Systeme die Vorteile von Großunternehmen mit denen eines Kleinbetriebs, von denen sowohl der Franchise-Nehmer als auch der Franchise-Geber profitieren. Auf Seiten des Franchisers gehören zu den positiven Aspekten insbesondere die nachfrageorien­ tierte Erschließung der Märkte infolge überregionaler Werbung, die Erbringung flächendeckend standardisierter Leistungen gleicher Qualität sowie eine dele­ 70

71 72

73

Beispiele für ein Dienstleistungs-Franchise-System sind Bereiche der Gastronomie {McDo­ nald's, BurgerKing) und Hotellerie {Holiday Inn, Mövenpick), Reparatur- und Renovierungs­ dienste {Portas) oder Dienstleistungen im intellektuellen Bereich {Inlingua-Sprachschulen). Vgl. Skaupy, W. (Franchising 1995), S. 34. Hierunter fallen Heimwerkermärkte {OBI, Stinnes), Fastfood-Imbisse {McDonald's, BurgerKing) und die Hotellerie {Holiday Inn). Vgl. SKAUPY, W. (Franchising 1995), S. 35. Vgl. Skaupy, W. (Franchising 1995), S. 36f.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

48

gierte Motivation. Für den Franchisee beinhaltet ein Franchise-System insbeson­ dere eine risikogeminderte Start- und Entwicklungsphase, resultierend aus der Nutzung vorhandener Marktkenntnisse eines etablierten Unternehmens sowie der Nutzung von Werbe- und Verkaufsförderprogrammen. Des weiteren ergeben sich für den Franchise-Nehmer Möglichkeiten des Großeinkaufs zu besseren Liefer­ konditionen, die Inanspruchnahme einer persönlichen Beratung durch den Fran­ chise-Geber74 und Entlastungen im Bereich einzelner Nebenfunktionen (z.B. in den Bereichen Werbung, Public Relations, Mitarbeiterschulung, Controlling, etc.)75. Aufgrund der genannten Vorteile erweisen sich Franchise-Nehmer als die risiko­ ärmste Gruppe unter den Existenzgründern76. So waren im Jahre 1994 ca. die Hälfte der klassischen Existenzgründungen nach fünf Jahren gescheitert, wohin­ gegen die Quote bei den Franchise-Nehmern lediglich bei 4,5% lag77. Die Vor­ teile dieser Gründungsform kommen auch in den ständig steigenden Zahlen neuer Franchisees zum Ausdruck. Waren es im Jahre 1990 bundesweit noch 8.000 Franchise-Nehmer, so hat sich deren Zahl bis 1992 mit 14.500 Franchisees fast verdoppelt und auch 1994 kam es zu einem weiteren Wachstum von etwa 24%. Für die Jahre 1996 und 1997 hat der Deutsche Franchise Verband auf Basis einer Erhebung bei seinen Mitgliedern sowie aufgrund statistischer Auswertungen externer Quellen eine Gesamtzahl von ca. 24.000 Franchisees im Jahre 1996 bzw. ungefähr 28.000 in 1997 ermittelt78.

III.

Gesamtwirtschaftliche Aspekte von Existenz­ gründungen

Das für das Franchising angesprochene Wachstum kann in Bezug auf den Exi­ stenzgründungssektor im allgemeinen beobachtet werden. In den letzten Jahren ist in Deutschland eine Welle von Unternehmensgründungen zu konstatieren, die sich unvermindert fortsetzt (vgl. Abb. 8). Die Anzahl der Gründungen in West­ deutschland stieg, von einem kleinen Rückgang im Jahr 1996 abgesehen, stetig an und erreichte im Jahr 1995 einen zwischenzeitlichen Höhepunkt mit insgesamt 452.000 Gründungen. Parallel zur Entwicklung der Gründungen entwickelte sich 74

75 76 77 78

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. 1.

O.V. (Franchising 1994), S. 14;. ARNOLD, J. (Existenzgründung 1997), S. 59. Clemens, R. (Bedeutung 1988), S. 9. Winkler, H. (Boom 1993), S. 9. O.V. (Existenzgründer 1996), S. 13. O.V. (Franchising 1994), S. 14; DEUTSCHER FRANCHISE VERBAND (Franchise-Telex 1998), S.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

49

aber auch die Anzahl der Liquidationen. Allerdings blieb der Gründungssaldo, d.h. die Differenz zwischen Unternehmensgründungen und -liquidationen, im gesamten Betrachtungszeitraum positiv.

Abb. 8: Entwicklung des Gründungssaldos in Westdeutschland (1991-1997)79

Abb. 9 stellt die entsprechende Entwicklung in den neuen Bundesländern dar. Nach einer hohen Gründungswelle im Jahre 1991 und einem anschließenden Rückgang in den Jahren 1992 bis 1994 stieg die Anzahl der Gründungen seither kontinuierlich an, der Gründungssaldo blieb wie in Westdeutschland ebenfalls über den gesamten Beobachtungszeitraum positiv, sinkt aber im Betrachtungs­ zeitraum erheblich.

Abb. 9: Entwicklung des Gründungssaldos in Ostdeutschland (1991-1997)80

79 80

Vgl. IfM (Existenzgründungen 1998). Vgl. IfM (Mittelstand 1998).

50

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

Diese Entwicklung der Unternehmensgründungen in Deutschland ist insbesonde­ re aus gesamtwirtschaftlicher Sicht von erheblicher Bedeutung, denn die langfri­ stige Leistungsfähigkeit marktwirtschaftlicher Systeme ist unter anderem davon abhängig, in welchem Umfang sich die in ihr agierenden Wirtschaftseinheiten generieren und regenerieren können81. Unter dem Aspekt der Erhaltung und Stei­ gerung der Leistungsfähigkeit der Marktwirtschaft erfüllen Existenzgründungen wichtige Systemfunktionen82, wobei Wettbewerbs- und strukturpolitische, in be­ sonderem Umfang aber auch arbeitsmarktpolitische Aufgaben mit entsprechen­ den positiven Effekten für die Gesamtwirtschaft zu beachten sind. Aus wettbewerbspolitischer Sicht, soweit sie durch das Leitbild der vollständigen Konkurrenz geprägt wird, ist der Erhalt eines intensiven Wettbewerbs oberste Maxime. Nur bei genügend intensivem Wettbewerb kann der Preismechanismus Angebot und Nachfrage im Sinne einer bestmöglichen Erfüllung der Allokations­ funktion steuern. Hierzu ist es erforderlich, möglichst viele kleine und mittlere Betriebe in den gesamten Produktions- und Verteilungsprozeß einzuschalten83, um einen paretooptimalen Zustand herbeizuführen, also eine Situation, die ein gesamtwirtschaftliches Wohlstandsoptimum liefert. Vor diesem Hintergrund wird die Bedeutung von Unternehmensgründungen deutlich, da mit einem positiven Gründungssaldo die Zahl der Unternehmen steigt, somit auch die Intensität des Wettbewerbs zunimmt und sowohl die Wettbewerbsfähigkeit als auch das Wachstum einer Volkswirtschaft in entsprechendem Maße durch eine ausrei­ chende Zahl an Gründungen gesichert wird. Unter wettbewerbspolitischen Ge­ sichtspunkten wäre demnach die Situation eines negativen Gründungssaldos als problematisch anzusehen.

Die strukturpolitische Relevanz von Unternehmensgründungen liegt in der Förde­ rung und Beschleunigung des Strukturwandels und in der Erhöhung der Struktur­ flexibilität84. Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu garantieren, ist es erforderlich, daß sich ein ständiger marktwirtschaftlicher Prozeß vollzieht, der durch Innovationsschübe mit kontinuierlichen Auslese- und Erneuerungsaktivi­ täten gekennzeichnet ist85. Dieser fortlaufende Prozeß läßt bestehende Wirt­ schaftszweige schrumpfen und zusätzliche Wirtschaftszweige mit auf neuen 81 82

83 84 85

Vgl. SZYPERSKI, N. (Existenzgründungspolitik 1990), S. 151 Zu den Systemfunktionen zählen insbesondere die Ordnungs- und Freiheitsfunktion, die Versor­ gungsfunktion, die Investitionsfunktion, die Wettbewerbsfunktion, die Strukturierungsfunktion, die Revitalisierungsfunktion sowie die Innovations- und Beschäftigungsfunktion. Vgl. Unterkofler, G. (Erfolgsfaktoren 1989), S. 19ff. Vgl. AENGENENDT, R. (Klein- und Mittelbetriebe 1962), S. 25. Vgl. JOOS, TH. (Untemehmensgründungen 1987), S. 37. Vgl. Albach, H./Hunsdiek, D. (Bedeutung 1987), S. 566; KÖRNER, H. (Marktwirtschaft 1990), S. 18.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

51

Technologien basierenden Ideen, Produkten und Dienstleistungen entstehen. Die Etablierung solcher neuer Branchen und Märkte erfolgt häufig durch eigens für diesen Bereich gegründete Unternehmen, so daß Existenzgründungen eine er­ hebliche Rolle im strukturellen Wandel spielen und einen wesentlichen Beitrag zum wirtschaftlichen Wachstum und als Folge davon auch zur individuellen Wohlstandssteigerung leisten. Existenzgründungen modernisieren die Volkswirt­ schaft und tragen mit dem gesamten Mittelstand dazu bei, neue Ideen und neues technisches Know-how rasch und effizient in marktfähige Produkte und Verfah­ ren umzusetzen. Die Flexibilität der Gründungsunternehmen macht sie zu einem wichtigen Instrument des beschleunigten Wissens- und Technologietransfers. Durch eine schnelle Anpassungsfähigkeit und ihre spezifische Größe beleben Existenzgründungen den Wettbewerb und verhindern eine Erstarrung und Ver­ krustung der Marktsituation86. Eine ausreichend große Anzahl an neu gegründe­ ten Unternehmen ist somit für den Strukturwandel genauso unverzichtbar wie für das gesamtwirtschaftliche Wachstum.

Eine weitere und äußerst wichtige Bedeutung von Existenzgründungen ist unter beschäftigungspolitischen Aspekten im Zusammenhang mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze zu sehen. KMUs als Ergebnis von Existenzgründungen zeichnen sich insbesondere durch die Fähigkeit aus, flexibel auf Strukturveränderungen zu reagieren und dadurch neue, konkurrenzfähige Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen87. Dabei müssen sowohl direkte als auch indirekte Beschäftigungswir­ kungen beachtet werden. Unter direkten BeschäftigungsWirkungen ist dabei die Schaffung neuer Arbeitsplätze in den neugegründeten Unternehmen selbst zu verstehen, während indirekte Beschäftigungswirkungen solche Beschäftigungsef­ fekte umfassen, die sich außerhalb der gegründeten Unternehmung vollziehen, mit dieser aber in ursächlicher Verbindung stehen und sowohl positiver als auch negativer Art sein können. Positive indirekte Beschäftigungseffekte entstehen als Folge der den neugegründeten Unternehmen zuzurechnenden Bezugs verflechtungs-, Einkommens- und Kaufkrafteffekte, die sich komplementär zu den direk­ ten Beschäftigungswirkungen verhalten. Negative indirekte Beschäftigungseffekte sind dann gegeben, wenn die Aktivitäten des gegründeten Unternehmens Be­ schäftigungseinbußen in konkurrierenden Betrieben bewirken88. Empirische Un­ tersuchungen kommen jedoch zu dem Schluß, daß Existenzgründungen mit den durch sie verursachten positiven Arbeitsmarkteffekten die von Unternehmensli­ quidationen ausgehenden negativen Beschäftigungswirkungen überkompensie­

86 87 88

Vgl. Thele, A. (Existenzgründungen 1986), S. 5f. Vgl. Albach, H. (Wirtschaftsraum 1986), S. 287. Vgl. JOOS, Th. (Untemehmensgründungen 1987), S. 77 u. 92 f.

52

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

ren89, also selbst unter Berücksichtigung der Liquidation erfolgloser Gründungs­ objekte eine Zunahme der Beschäftigtenzahl bewirken. So entstehen bei erfolg­ reichen Existenzgründungen im Durchschnitt ohne Berücksichtigung des Unter­ nehmensgründers drei neue Arbeitsplätze pro Gründungsunternehmen90, im Ver­ lauf des Unternehmens Wachstums erhöht sich diese Zahl der Beschäftigten auf knapp elf Personen91. Des weiteren kamen die Untersuchungen zu dem Ergebnis, daß von Unternehmensgründungen und -aufgaben im Durchschnitt die gleiche Personenzahl betroffen ist. Somit liegt der Schluß nahe, daß die von dem Unter­ nehmensfluktuationsprozeß ausgehenden Beschäftigungswirkungen über ein Mehr oder Weniger an Gründungen bzw. Liquidationen erfolgen92. Eine Bestäti­ gung der arbeitsmarktpolitischen These ergibt sich auch aus einer vom Vorstand des RKW auf einem Symposium zum Thema „Offensive für Selbständigkeit“ getätigten Aussage, nach der in den ersten 6 Monaten des Jahres 1995 insgesamt ungefähr 200.000 neue Arbeitsplätze durch Existenzgründungen, insbesondere durch die Gründung von High-tech-Unternehmen, geschaffen wurden93. Die arbeitsmarktpolitische Bedeutung der Existenzgründungen schlägt sich auch in unterschiedlichen Förderprogrammen nieder, beispielsweise in einem Unter­ stützungsprogramm des Landes Rheinland-Pfalz, das Existenzgründern, die Aus­ bildungsplätze schaffen und deren Gründung nicht länger als fünf Jahre zurück­ liegt, eine einmalige Prämie von 5.000 DM garantiert, wobei die Ausbildungs­ verhältnisse mindestens 2 Jahre bestehen müssen94.

Die gesamtwirtschaftliche Relevanz von Existenzgründungen spiegelt sich auch in der Tatsache wider, daß zur Beseitigung von Informationsdefiziten und zum Abbau intraindividueller Gründungshemmnisse in jüngster Vergangenheit sowohl auf Bundes- und Länderebene, aber auch im kommunalen Bereich diverse Veran­ staltungen forciert und potentiellen Gründern angeboten werden. Durch diese Angebote sollen Existenzgründungen angeregt und ein entsprechendes Grün­ dungsbewußtsein geschaffen werden95. Als Beispiele für solche Aktivitäten, die durch Signalwirkungen bei potentiellen Gründern entsprechende Verhaltensver­ 2Q

90 91

92 Ql

94

95

Vgl. Clemens, R./Friede, Chr./Dahremöller, A. (Existenzgründungen 1986), S. 60. Vgl. HüNSDIEK, D. (Wirkungen 1985), S. 15; DIW (Wochenbericht 11/98), S. 5. Vgl. HüNSDIEK, D./MAY-STROBL, E. (Entwicklungslinien 1986), S. 29f. Die Franchise-Branche z.B. schafft nach eigenen Schätzungen ca. 20.000 Arbeitsplätze pro Jahr. Vgl. O.V. (Verband 1997). S. 21. Vgl. ALBACH, H./HüNSDIEK, D. (Bedeutung 1987), S. 564f.; HüNSDIEK, D. (Wirkungen 1985), S. 17. Vgl. BÜHRENS, J. (Existenzgründung 1997), S. 203. Vgl. Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes Rheinland-Pfalz (Schritte o.J.), S. 28. Vgl. SZYPERSKI, N. (Existenzgründungspolitik 1980), S. 151.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

53

änderungen bewirken sollen, können die bundesweite Gründungsinitiative Star­ tup unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Herzog, die Gründungs­ offensive GO! des Landes Nordrhein-Westfalen oder die Gründungsoffensive New Work in Rheinland-Pfalz genannt werden.

Ergänzt wird dieses Angebot durch immer stärker ausgebaute Schulungs- und Informationsveranstaltungen von Industrie- und Handelskammern, von sonstigen Verbänden aber auch durch entsprechende Veranstaltungen an Hochschulen. Zu solchen universitären Seminaren zählen beispielsweise die im folgenden mit ihren wesentlichen Inhalten beschriebenen Veranstaltungen: Das Bayerische Förderprogramm zum leichteren Übergang in die Existenz­ gründung (FLÜGGE) versucht die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit zu erreichen, indem der gesellschaftliche Wert der unternehmerischen Tätigkeit verdeutlicht wird, fachliche und ökonomische Kompetenzen ausgebaut und Grundkenntnisse der Unternehmensführung vermittelt werden. Das allmähli­ che Loslösen von der Universität wird dabei durch eine Halbtagsbeschäfti­ gung unterstützt, was zum einen den Willen, zum anderen aber auch die Be­ reitschaft zur Selbständigkeit fördert96. • Vom Lehrstuhl für Betriebsinformatik und Operations Research der Univer­ sität Kaiserslautern wird seit 1994 das Existenzgründungstraining „ExTra“ angeboten, in dem Absolventen und Studenten ingenieurtechnischer Studien­ gänge mit potentiellen Gründungsideen betriebswirtschaftliche und existenz­ gründungstheoretische Grundlagen vermittelt werden. • Teilweise in Zusammenarbeit mit der Steinbeis-Stiftung bietet die Fachhoch­ schule Ulm ein Gründungstraining an, wobei aus den Erfahrungen in der Be­ treuung von gründungswilligen Studenten und erfolgreichen Existenzgrün­ dern ein Software-Paket zur Simulation einer Unternehmensgründung hervor­ gegangen ist. • An der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung in Vallen­ dar soll in Kürze ein „Zentrum für Unternehmertum und Existenzgründung“ eingerichtet werden, das neben der Förderung der eigenen Studenten eine en­ ge Zusammenarbeit mit regionalen Kammern, aber auch mit in- und insbe­ sondere ausländischen Hochschulen anbieten wird. Inländische Kooperati­ onspartner umfassen die Universitäten Siegen, Trier und Kaiserslautern, zu den ausländischen Partnerinstitutionen gehören insbesondere die nordameri­ kanischen Centers for Entrepreneurship an den Universitäten Harvard und Northwestern97. •

96 97

Vgl. ÄLBACH, H. (Untemehmensgründungen 1998), S. 10. Vgl. ALB ACH, H. (Untemehmensgründungen 1998), S. 11.

54

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

Zusätzlich zu diesen universitären Veranstaltungen hat das Bundeswirtschaftsmi­ nisterium die Schaffung spezieller Existenzgründungs-Lehrstühle initiiert. Durch die Bereitstellung diverser Fördermittel staatlicher und privater Institutionen sollen entsprechende Hochschuleinrichtungen geschaffen werden, wobei die private European Business School in Oestrich-Winkel mit Mitteln der Deutschen Ausgleichsbank (DtA) bereits einen solchen Stiftungslehrstuhl für Gründungsma­ nagement und Entrepreneurship errichtet hat. An der Privatuniversität WittenHerdecke wurden mit Unterstützung der Deutschen Bank bereits drei derartige Lehrstühle aufgebaut. Weitere von der DtA finanziell geförderte Lehrstühle sol­ len an den Universitäten Mannheim, Magdeburg, Dresden, Köln sowie an der Humboldt-Universität Berlin eingerichtet werden98. Dabei bleibt festzustellen, daß sich diese Einrichtungen nicht nur auf Forschung und Wissensvermittlung beschränken, vielmehr soll über diese Initiativen die Bereitschaft zur Selbstän­ digkeit geweckt und der Schritt in die Selbständigkeit erleichtert werden.

02

Vgl. Leendertse, J. (Unternehmer 1998), S. 106. Zu einem ausführlichen Überblick über das geplante resp. bereits vorhandene Lehrangebot der Entrepreneur-Lehrstühle vgl. ebenda, S. 108.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

B.

55

NATIONALE RAHMENBEDINGUNGEN FÜR EXISTENZGRÜNDUNGEN IM INTERNATIONALEN VERGLEICH

Trotz der genannten und kurz skizzierten Maßnahmen zur Förderung des Grün­ dungsbewußtseins ist festzustellen, daß viele gegründete Unternehmen bereits nach wenigen Jahren wieder vom Markt verschwunden sind (vgl. die entspre­ chenden Zahlen zu den Liquidationen in Abb. 8 und Abb. 9). Vor diesem Hinter­ grund ist es erforderlich, die maßgebenden Gründe für das Scheitern aufzuzeigen sowie existierende nationale Rahmenbedingungen bezüglich ihrer Vor- und Nachteile zu untersuchen und einem internationalen Vergleich zu unterziehen. Dies soll im folgenden Abschnitt unternommen werden.

I.

Identifikation relevanter Einflußfaktoren

1.

Grundsätzliche Systematisierung

Um dem Ausbau des Mittelstandes als tragende Säule der deutschen Wirtschaft gerecht zu werden, ist eine hinreichende Anzahl an Neugründungen erforderlich, damit über die Realisierung neuer Ideen weitere Betriebe und Arbeitsplätze ent­ stehen können. Um diese Forderung erfüllen zu können, ist eine neue Kultur der Selbständigkeit" erforderlich, die den Unternehmensgründern ein optimales Umfeld in Form entsprechender Rahmenbedingungen für ihre Gründungsaktivi­ täten bietet. Damit potentielle Gründer ihre Absicht in die Tat umsetzen, müssen sie positive Signale von der Außenwelt empfangen, die die negativen Signale überwiegen. Zu solchen positiven Signalen gehören beispielsweise Nachrichten über aus­ sichtsreiche Geschäftserwartungen in der Wirtschaft, das Wissen um die Ge­ winnmöglichkeiten in der jeweiligen Branche, die Beschaffbarkeit der erforderli­ chen Ressourcen sowie das Fehlen behördlicher oder berufsständischer Be­ schränkungen, die den Marktzutritt oder die Anwendung von Produktionsmetho­ den verhindern100. Negative Signale können durch eine schlechte Konjunkturlage, durch die Ge­ fährdung von Arbeitsplätzen, durch zu hohe Steuerbelastungen oder durch eine

" Vgl. KOHL, H. (Gesellschaft 1995), S. 863; O.V. (Kultur 1998), S. 17. 100 Vgl. ALBACH, H./May, E./HUNSDIEK, D. (Mittelstandspolitik 1984), S. 2.

56

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

allgemeine Debatte über den Wirtschaftsstandort Deutschland hervorgerufen werden. Zu den negativen Einflüssen zählen aber auch Nachrichten über Nach­ barschaftsprozesse, über Bürgerbewegungen gegen Straßenbau oder Flughafen­ ausbau sowie Standortverlagerungen von High-tech-Betrieben in die USA, weil dort die Chancen zur Erlangung von Risikokapital besser eingeschätzt werden101. Diese z.T. sehr subjektiv empfundenen Einflüsse spiegeln die gesamtwirtschaftli­ chen Rahmenbedingungen wider. Bei den für den Gründungsprozeß relevanten Einflußfaktoren kann eine Klassifizierung in

• interne Faktoren und • externe Faktoren erfolgen (vgl. Abb. 10).

• Finanzierungsmöglichkeiten • Infrastruktur • Steuerbelastung • Standortfragen • kommunale Verwaltungsfragen

• Humankapital • Unternehmertum

Abb. 10: Systematisierung relevanter Einflußfaktoren jur Existenzgründungen

Für die Gruppe der externen Faktoren findet sich auch der Begriff der „harten“ Faktoren, worunter relativ leicht beeinflußbare und gestaltbare Rahmenbedin­ gungen zu verstehen sind. Interne Faktoren werden auch mit „weichen“ Faktoren umschrieben, bei denen es sich um es sich um schwerer greifbare und gestaltbare Parameter handelt102.

Vgl. Albach, H. (Rahmenbedingungen 1997), S. 443. Vgl. ebenda, S. 445.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

2.

57

Interne Faktoren

Zu den internen Faktoren zählt zunächst das Humankapital, das sich aus den drei Teilfaktoren Wissen, Kompetenz und Integration zusammensetzt103. Eine erfolg­ reiche Gründung vollzieht sich u.a. dann, wenn der Gründer über das erforderli­ che Fachwissen verfügt, dieses kompetent anwenden kann und zusätzlich die Fähigkeit besitzt, weiteres Wissen aus unterschiedlichen Fachbereichen und Dis­ ziplinen zu integrieren. Insbesondere dem letztgenannten Punkt, also der Infor­ mationsbeschaffung, wird von Existenzgründern noch zu wenig Bedeutung zu­ gemessen. Empirischen Untersuchungen zufolge nehmen fast die Hälfte der Exi­ stenzgründer keine professionelle oder private Beratung in Anspruch104, was auch für die kostenlosen resp. kostengünstigen Beratungsleistungen der Kammern gilt. Zur Beseitigung dieses Defizits könnten sich sämtliche an einem Gründungspro­ zeß beteiligten Institutionen auf einer informellen Basis zusammenschließen, so daß ein in sich geschlossenes, leicht verständliches und anzuwendendes Informa­ tionsangebot entsteht105.

Aus dem Humankapital resultiert mit dem Unternehmertum bzw. der Persönlich­ keit des Gründers ein weiterer wichtiger interner Einflußfaktor, denn das Hauptrisiko einer Gründung liegt häufig in der Person des Gründers selbst. Per­ sönliche Einflüsse wirken auf die Gründung ein und können eine erfolgreiche Geschäftsentwicklung oftmals be- bzw. verhindern. Die persönlichen Erfolgsde­ terminanten umfassen dabei drei Wesensmodalitäten106: • Zu den Begabungswesenszügen - die bereits mit den Faktoren Wissen und Kompetenz im Rahmen des Humankapitals angesprochen wurden - rechnen zunächst die allgemeine Intelligenz sowie spezielle Formen der Intelligenz, worunter sich Faktoren wie die Fähigkeit zu kreativem Denken, die Ausbil­ dung oder Berufserfahrung bzw. jede Form speziellen Know-hows subsumie­ ren lassen. •

Stilistische Wesenszüge oder Persönlichkeitszüge umfassen allgemeine Cha­ raktereigenschaften des Gründers, beispielsweise Extra- oder Introvertiertheit, Rigidität, Freundlichkeit sowie Optimismus. Wichtig sind weiterhin ein hohes

103 Vgl. ALBACH, H. (Untemehmensgründungen 1998), S. 3. 104 Das Ergebnis stammt aus einer Untersuchung des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg. Vgl. GRIMM, H.M. (Existenzgründungen 1997), S. 105. 105 Die Region Ulm beispielsweise hat ein solches Informationsangebot in Form einer „Gründungs­ box“ entwickelt, ebenso wird von der IHK Koblenz eine „Existenzgründungsbox“ angeboten, die relevante Gründungsinformationen, aber auch Adressen und Ansprechpartner wichtiger Institu­ tionen enthält. 106 Vgl. CATTELL, R.B. (Empirische Forschung 1973), S. 150 zitiert in Klandt, H. (Person 1980), S. 326ff.

58



1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

Maß an Selbstvertrauen sowie eine genügende emotionale Stabilität, die den Gründer bei auftretenden Rückschlägen stützt. Zur Gruppe der dynamischen Wesenszüge zählen schließlich Eigenschaften wie Einstellungen, Motive, Instinkte und sonstige Verhaltensantriebe wie Lei­ stungsstreben, Unabhängigkeitsstreben oder eine gewisse Risikobereitschaft, also Merkmale, die sich im Zeitablauf und während des gesamten Existenz­ gründungsprozesses ändern können und die bei negativen Entwicklungen ein erhebliches Risikopotential für das Scheitern der Gründung in sich bergen107.

Neben diesen psychischen Eigenschaften spielen auch physische Größen eine Rolle für den Gründungserfolg, wobei insbesondere die körperliche Belastbarkeit und die Streßbeständigkeit des Gründers von Bedeutung sind108. Empirische Untersuchungen, nach deren Ergebnissen ca. 48% der Ursachen für einen Grün­ dungsmißerfolg auf persönliche Gründe entfallen, bestätigen die Relevanz dieser psychischen und physischen personellen Einflußfaktoren109. Zu diesem Ergebnis kommt beispielsweise eine Studie der Universität Gießen, in der bundesweit 200 nach 1990 gegründete Betriebe mit bis zu 50 Mitarbeitern untersucht wurden. Neben einem ausgeprägten Dominanzbedürfnis kennzeichnen dabei insbesondere ein hohes Qualifikationsniveau, strategische Begabung und die Fähigkeit, Ziele zu definieren, den erfolgreichen Gründer110.

3.

Externe Faktoren

Dem Bereich der Finanzierung kommt für Existenzgründungen eine elementare Bedeutung zu, da einerseits knappe finanzielle Ressourcen einen negativen Ein­ fluß auf die Liquidität und die Wachstumschancen des Unternehmens ausüben und andererseits eine überdimensionierte Anfangskapitalausstattung die Rentabi­ lität schmälern kann111. Zwar stehen Existenzgründern mit öffentlichen Förder­ programmen auf Bundes-, Länder- und Kommunalebene, mit Kapitalbeteili­ gungsgesellschaften sowie Fremdkapital von Kreditinstituten eine Vielzahl an Finanzierungsalternativen offen, allerdings ist insbesondere im Bereich der Kre­ ditfinanzierung festzustellen, daß Existenzgründer, innovative Betriebe sowie schnell wachsende Unternehmen den Anforderungen, die an die Vergabe von Fremdkapital im Form von Bankkrediten gestellt werden, oftmals nicht gerecht

107 Vgl. ELFERS, J. (Untemehmensgründungen 1995), S. 42. 108 Vgl. SZYPERSKI, N./NathüSIUS K. (Probleme 1977), S. 43f. 109 Vgl. RÜHL, G./Hantsch, G./SAUER, H. (Ursachen o.J.) zitiert in KROLL, H. (Überlegungen 1995), S. 14. Eine graphische Darstellung dieser Zahlen bietet auch die Abbildung 15. 110 Vgl. o.V. (Erfolgsfaktoren 1998), S. 65. 111 Vgl. KüßMAUL, H. (Betriebswirtschaftslehre 1998), S. 396.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

59

werden. Solche Kapitalnachfrager fallen häufig durch das Raster der Kreditfinan­ zierung und müssen somit auf diese Finanzierungsquelle verzichten112. Gründe hierfür sind insbesondere das Fehlen vergangenheitsbezogener Unternehmens­ daten und erforderlicher Sicherheiten, die es potentiellen Finanziers erleichtern, das Gründungsvorhaben bzw. das Kapitalengagement zu bewerten113.

Im Bereich der Finanzierungsmöglichkeiten stellt vor allem der Zugang zu Wag­ niskapital einen erheblichen Problembereich dar. Insbesondere kleine und mittle­ re Unternehmen haben in den USA einen kostengünstigeren Zugang zum Kapi­ talmarkt und greifen oftmals bei ihren Kapitalakquisitionsaktivitäten eher auf diese Alternative zurück. Abhilfe haben in Deutschland z.T. die Finanzmarktför­ derungsgesetze geschaffen, in denen z.B. durch eine Reduzierung der Gebühren und eine Lockerung der Zulassungskriterien insbesondere der Börsengang bereits bestehender mittelständischer Unternehmen erleichtert wurde114. Allerdings sind auch für Existenzgründer Überlegungen hinsichtlich einer solchen Eigenkapital­ beschaffung wünschenswert bzw. werden bereits angestellt115. Im Rahmen konstitutiver Entscheidungen bei der Unternehmensgründung spielt die Infrastruktur des Standortes des zu gründenden Unternehmens eine zentrale Rolle. Wird der Standort als Verwendungs- und Einsatzort der Produktionsfakto­ ren sowie als Ausgangsort für die erstellten Produkte bzw. angebotenen Dienst­ leistungen angesehen, übt dieser einen wesentlichen Einfluß auf die Ertragslage und die langfristigen Entwicklungsmöglichkeiten des neugegründeten Unterneh­ mens aus116. Dabei sind bei der Standort- und Infrastrukturanalyse unterschiedli­ che Teilaspekte zu berücksichtigen. Im Bereich der kommunalen Infrastruktur muß insbesondere darauf geachtet werden, daß entsprechende Gewerbeflächen oder Gewerbeparks vorhanden sind und zu akzeptablen Preisen angemietet resp. käuflich erworben werden können. Standortuntersuchungen haben aufgezeigt, daß Existenzgründer sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern diesem Bereich eine erhebliche Be­ deutung beimessen117. Weiterhin zu beachten ist die räumliche Nähe zu Dienstlei­ stungsanbietern, denen bestimmte Funktionen des Unternehmens übertragen 112 Vgl. Kaufmann, F. (Risikokapital 1996), S. 12. 113 Vgl. HÜNSDIEK, D./MAY-STROBL, E. (Entwicklungslinien 1986), S. 41. 114 Vgl. O.V. (Kultur 1998), S. 17; GDGW (Petersberger Erklärung 1998), S. 11. Dem GDGW (Gemeinschaftsausschuß der gewerblichen Wirtschaft) gehören insgesamt 16 Verbände aus In­ dustrie, Handel, Banken, Versicherungen, Handwerk und Landwirtschaft an. 115 Auf die Möglichkeit der Errichtung spezieller Börsensegmente für Gründungsuntemehmen bzw. einer weitreichenden Versorgung von Existenzgründem mit Venture Capital wird im dritten Teil dieser Arbeit explizit eingegangen. 116 Vgl. HÜNSDIEK, D./MAY-STROBL, E. (Entwicklungslinien 1986), S. 101. 117 Vgl. Albach, H. (Wirtschaftsraum 1986), S. 202ff.

60

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

werden können118, aber auch die Existenz öffentlicher Einrichtungen. Die Ver­ kehrsinfrastruktur stellt in besonderem Maße für Handels- und Dienstleistungs­ betriebe eine wichtige Rahmenbedingung dar. Hierzu zählen in erster Linie ein gut ausgebauter Öffentlicher Personennahverkehr sowie ein gutes Straßenver­ kehrsnetz für den Individualverkehr. Für die gewerbliche Wirtschaft ist eine Anbindung an regionale und überregionale Verkehrsnetze äußerst bedeutsam, wobei auch eine gute Anbindung an den Luftverkehr eine wichtige Rolle spielt. Neben verkehrsinfrastrukturellen Gegebenheiten müssen aber auch wissenschaft­ liche Rahmenbedingungen beachtet werden. Die Wissenschaftsinfrastruktur be­ inhaltet zunächst möglichst die Nähe des Gründungsunternehmens zu Hochschu­ len, was vor allem unter Aspekten der ortsgebundenen Personalbeschaffung aber auch vor dem Hintergrund eventueller Beratungsleistungen Bedeutung besitzt. Neben diesen Personalbeschaffungs- und Beratungsaspekten müssen Universitä­ ten ihre Lehr- und Forschungsanstrengungen stärker an den beruflichen Erforder­ nissen der beruflichen Praxis ausrichten und die Selbständigkeit stärker als bisher als attraktive Lebensperspektive aufzeigen. Als ein Ansatzpunkt kann beispiels­ weise der Technologietransfer genannt werden, bei dem in erster Linie über Spin­ offs aus universitären Forschungseinrichtungen innovative Unternehmensgrün­ dungen entstehen können119. Ebenfalls starken Einfluß auf die Entwicklung der Existenzgründungen übt die Steuerbelastung aus. Insbesondere die Investitionen auf dem Gebiet von For­ schung und Entwicklung sind in Deutschland im Verhältnis zu den wichtigen Konkurrenzländern sehr gering und führen zu Rückständen im Bereich der inno­ vativen Spitzentechnologie. Diese Investitionen in Forschung und Entwicklung können allerdings nicht isoliert betrachtet werden, vielmehr determinieren ge­ samtwirtschaftliche Bedingungen die Investitionsplanungen der Unternehmen. Probleme in diesem Bereich wirken sich in der Folge auch auf die Forschungsin­ vestitionen aus. Um Defizite zu verringern, ist eine Senkung der Abgabenlast dringend erforderlich, da durch eine Steuersenkung größere Spielräume für inno­ vative Investitionen eröffnet werden120. Gleichzeitig werden über die Senkung der Steuersätze auch Möglichkeiten geschaffen, Reserven zur Liquiditätsvorsorge zu bilden und dadurch die Krisenfestigkeit der Unternehmen zu steigern121. Neben 118

Beispiele hierfür können Rechtsanwaltskanzleien, die mit der Übernahme anfallender Rechtsan­ gelegenheiten betraut werden, oder Steuerberaterbüros sein, die erforderliche Buchführungs­ oder Jahresabschlußarbeiten übernehmen. 119 Vgl. GDGW (Petersberger Erklärung 1998), S. 9. 120 Vgl. o.V. (Kultur 1998), S. 17. 1 In Frankreich beispielsweise sind Existenzgründer seit 1983 drei Jahre von allen Gemeindesteu­ ern, von der Gewerbesteuer und der Einkommensteuer befreit. Eine genauere Darstellung dieses Tatbestandes erfolgt in Abschnitt III dieses Kapitels.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

61

der Steuerhöhe stellt allerdings auch die Steuersystematik einen wichtigen Ein­ flußfaktor in Verbindung mit den angesprochenen Finanzierungsproblemen dar. Die Höhe der Ertragsteuern, die den Gründungsunternehmen die Erwirtschaftung einer hohen Rendite abverlangt, behindert in starkem Umfang die Beteiligungsfi­ nanzierung von Gründungen durch institutionelle Investoren122. Zusätzlich wer­ den durch eine Doppelbesteuerung neben der regelmäßigen Gewinnbesteuerung bei Anteilsveräußerung entstehende Gewinne institutioneller Investoren nochmals der Körperschaftsteuer unterworfen123, was zu einer erheblichen steuerlichen Belastung der Gründungsbeteiligungen führt. Die bestehende Diskrepanz zwi­ schen risiko- und steueroptimalen Finanzierungsstrukturen führt dementspre­ chend zu Problemen in den Gründungsunternehmen, was somit die Finanzie­ rungsmöglichkeit der Existenzgründungen im Bereich der Eigenkapitalfinanzie­ rung erheblich beeinträchtigt124.

Eine weitere, den späteren Geschäftserfolg einer Existenzgründung maßgeblich beeinflussende Grundsatzentscheidung konkretisiert sich in der Frage nach dem optimalen Standort, denn nachträgliche Standortveränderungen sind in den mei­ sten Fällen kaum oder nur mit erheblichem Kostenaufwand realisierbar125. Die Standortanalyse konkretisiert sich dabei insbesondere in marktbezogenen, recht­ lichen und infrastrukturellen, aber auch in freizeitbezogenen Überlegungen126. Zur marktbezogenen Analyse des Standortes zählen beispielsweise Untersuchun­ gen des Absatzmarktes, der Konkurrenzsituation, des Beschaffungs- sowie des Arbeitsmarktes. Insbesondere beim letztgenannten Punkt spielen auch freizeitbe­ zogene Aspekte127 eine wichtige Rolle, denn Freizeitwert und Wohnwert des Standortes determinieren u.a. die Beschaffungsmöglichkeiten von qualifiziertem Personal. Des weiteren müssen Fragen hinsichtlich der Miet- und Grundstück­ spreise, der Nebenkosten wie Abwasser, Strom oder Gas, aber auch die Höhe der Gewerbesteuerhebesätze der einzelnen Gemeinden berücksichtigt werden. Bei der rechtlichen Analyse des Standortes schließlich sind Aspekte der Ansiedlung, wie z.B. Flächennutzungs- oder Bebauungspläne sowie Baunutzungsverordnun­ gen zu erfassen, die sich in ihrer Relevanz aus den bereits beschriebenen kom­ munalen Infrastrukturen ergeben. Die aus diesen Faktoren resultierende Qualität des Standortes ist somit einerseits eine Voraussetzung für die Nutzung vorhande­ 197

123 124 125 126 127

Vgl. Posner, D. (Early-Stage Finanzierungen 1996), S. 31 und S 125f. Zur ausführlichen Beschreibung dieser Steuerproblematik vgl. Teil 2 und 3 dieser Arbeit. Vgl. ENGELS, W. (Hnanzmärkte 1992), S. 31. Vgl. Dettmer, H. u.a. (Finanzmanagement II1997), S. 132. Vgl. Kirschbaum, G./Naujoks, W. (Selbständigkeit 1996), S. 63ff. Unter den freizeitbezogenen Aspekten nehmen Wohnwert und Freizeitwert eine erhebliche Bedeutung ein, wie Umfragen unter Existenzgründem ergeben haben. Vgl. Albach, H. (Rah­ menbedingungen 1997), S. 448.

62

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

ner Marktchancen, andererseits wird der Standort oftmals als Kreditbeurteilungs­ kriterium herangezogen, so daß auch vor diesem Hintergrund die entsprechenden Standortqualitätsmerkmale eine zusätzliche Relevanz besitzen128. Ebenfalls starke Auswirkungen sowohl auf die Anzahl als auch auf den Erfolg von Existenzgründungen haben wirtschaftsfreundliche Kommunalverwaltungen. Untersuchungen zufolge verbessert sich die Zusammenarbeit zwischen Kommune und Unternehmen mit steigender Betriebsgröße, wobei Existenzgründer der Zu­ sammenarbeit mit der Gemeinde generell eine überdurchschnittliche Relevanz beimessen129. Die Bedeutung der Kommunal Verwaltungen schlägt sich insbeson­ dere in der Beurteilung der kommunalen Infrastruktur nieder, denn wenn sich die Zusammenarbeit von Verwaltung und Gründungsunternehmen als mangelhaft erweist, werden künftige Existenzgründer einen durch diese Eigenschaften ge­ prägten Standort eher meiden. Ein wichtiger Schritt zur Verbesserung des Ver­ hältnisses zwischen Unternehmen und Verwaltung kann über eine konsequente Weiterführung der Deregulierungspolitik erfolgen, wenn beispielsweise Planungs-, Genehmigungs- oder Verwaltungsfragen schneller und unbürokratischer erledigt werden. Die Fortsetzung der Deregulierungspolitik wird den Schritt in die Selbständigkeit ebenso erleichtern, wie das Wachstum bereits bestehender Unternehmen130.

II.

Rahmenbedingungen und daraus resultierende Problemfelder während des Gründungsprozes­ ses

Nachdem im vorangegangenen Abschnitt relevante Rahmenbedingungen bzw. Einflußfaktoren für Existenzgründungen identifiziert und analysiert wurden, sollen im folgenden die Auswirkungen dieser Faktoren auf das Gründungsprojekt in den unterschiedlichen Teilphasen des Gründungsprozesses untersucht werden. Empirische Erhebungen haben dabei bestimmte der genannten Rahmenbedingun­ gen als gründungsspezifische Problembereiche herauskristallisiert131, auf die in den folgenden Abschnitten näher eingegangen werden soll. Dazu orientieren sich

128 Vgl. Olbert, G. (Kreditbeurteilung 1979), S. 267. 1 Vgl. ALB ACH, H. (Rahmenbedingungen 1997), S. 449. Vgl. o.V. (Kultur 1998), S. 17. 131 Vgl. Hunsdiek, D./May-Strobl, E. (Entwicklungslinien 1986), S. 63ff. In der im Auftrag des ifm durchgeführten empirischen Untersuchung wurden insgesamt 194 Gründungsuntemehmen befragt, von denen 119 bereit waren, an der Befragung teilzunehmen.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

63

die Ausführungen an den Phasen des dargestellten Existenzgründungsprozes­ ses132.

1.

Early-Stage-Phase

Zu den typischen Problemfeldern einer Existenzgründung während der grün­ dungsvorbereitenden Phase bzw. der Gründungsphase i.e.S. zählen in erster Linie • • •

die Beschaffung benötigter Einsatzfaktoren, der Absatz der produzierten Güter bzw. Dienstleistungen sowie die Kapitalbeschaffung (vgl. Abb. 11).

Abb. 11: Problemfelder deutscher Existenzgründungen während der Gründungsphase133

132 Zur Darstellung des Existenzgründungsprozesses vgl. Abbildung 1. 133 Vgl. THIELE, A. (Existenzgründungen 1986), S. 10; IHK SIEGEN (Existenzgründungsverhalten 1980), S. 26.

64

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

Als größtes Problem nennen die Existenzgründer in der Seed- bzw. der Start-upPhase den Beschaffungsbereich'34, wobei insbesondere die mangelnde Versor­ gung des Unternehmens mit den zur Leistungserstellung unmittelbar benötigten Einsatzfaktoren infolge zu geringer Bestellmengen und den daraus resultierenden ungünstigen Konditionen dominiert. Fehlende Geschäftsbeziehungen erschweren die Güterakquisition, der Nachteil der zu geringen Abnahmemengen muß über die Demonstration der Zukunftsträchtigkeit sowie der Leistungsfähigkeit und Stabilität des Unternehmens ausgeglichen werden. Hierbei besteht allerdings immer wieder die Gefahr, daß Gründungsunternehmen in die Abhängigkeit gro­ ßer Lieferanten geraten und durch sog. Knebelverträge in ihren Entscheidungen beeinflußt werden135. Ebenfalls problembehaftet ist die Situation der Gründungsunternehmen auf den Absatzmärkten™, auf denen sich das Unternehmen durchsetzen und etablieren muß. Speziell unter strategischen Gesichtspunkten ist der Frage nach den Ab­ satzmärkten eine vorrangige Bedeutung zuzumessen137, denn eine in der Konzep­ tionsphase überzeugende Idee kann an der Durchsetzung am Markt scheitern. Für die neugegründeten Unternehmen ergeben sich Absatzprobleme insbesondere aus der Tatsache, daß zunächst eine kaufkräftige Nachfrage geschaffen werden muß, da im Unterschied zu etablierten Unternehmen noch kein fester Kundenstamm vorhanden ist138. Durch die normalerweise geringe Anzahl an Abnehmern besteht für Gründungsunternehmen gleichzeitig die Gefahr des Verlustes der Unabhän­ gigkeit, da das Unternehmen in seinem wirtschaftlichen Erfolg in starkem Maße von der Geschäftsentwicklung und dem Wohlverhalten der wenigen Marktpartner abhängig ist139. Neben den Absatzmärkten ergeben sich aus der Konkurrenzsituation weitere Probleme für den Existenzgründer. Erfolgen Gründungen ohne eingehende Markt- bzw. Standortuntersuchungen, besteht die Gefahr, daß potentielle Kon-

134 Unter dem Begriff der Beschaffung werden sämtliche Tätigkeiten, die die Gewinnung der Mittel zum Ziel haben, denen sich der Betrieb zur Realisierung seiner gesetzten Ziele bedient, subsu­ miert. Hierzu gehören die Einstellung von Arbeitskräften, die Beschaffung von Finanzmitteln, Werkstoffen, Waren und Betriebsmitteln sowie von Dienstleistungen und Rechten. Vgl. WöHE, G. (Einführung 1996), S. 275f. Zur Beschaffung wird in der angegebenen Untersuchung jedoch lediglich die Versorgung des Unternehmens mit Sachgütern des Umlaufvermögens gezählt, da Personal- und Finanzierungsbeschaffungsmaßnahmen als gesonderte Problembereiche unter­ sucht werden. Vgl. HUNSDIEK, DJMay-Strobl, E. (Entwicklungslinien 1986), S. 72. 135 Vgl. SZYPERSKI, N. (Betriebswirtschaftliche 1980), S. 318f. 136 Vgl. Albach, H. (Rahmenbedingungen 1997), S. 445. 137 Vgl. Nathusius, K. (Existenzgründung 1990), S. 29. 138 Vgl. HUNSDIEK, D./MAY-STROBL, E. (Entwicklungslinien 1986), S. 76. 139 Vgl. SZYPERSKI, N. (Betriebswirtschaftliche 1980), S. 319.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

65

kurrenten erst nach der Gründung erkannt werden140. Der Gründer muß sich folg­ lich bereits frühzeitig bemühen, die Konkurrenz sowohl hinsichtlich Struktur (Größe, Anzahl, regionale Verteilung etc.), als auch hinsichtlich ihres Verhaltens zu analysieren. Hierzu bietet sich eine Stärken-Schwächen-Analyse des jeweili­ gen Konkurrenten an, die Hinweise hinsichtlich eventuell vorhandener Vorteile des Gründers gegenüber seiner bereits etablierten Konkurrenz ergeben kann141. Während der Gründungsphase beklagt die Mehrzahl der Unternehmensgründer weiterhin Finanzierungsprobleme, da hier trotz eines umfangreichen Angebots öffentlicher Förderprogramme die Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung für Existenzgründer unzureichend sind. Da dem Gründer oft nur in eingeschränktem Maße Eigenmittel zur Verfügung stehen, kommt der Beschaffung von Fremdka­ pital eine erhebliche Bedeutung zu. Hierbei kann der Entrepreneur zwar auf das Angebot des Geld- und Kapitalmarkts zurückgreifen, allerdings ergeben sich aus den hohen Anforderungen an die Kapitalsuchenden z.T. erhebliche Probleme bei der Kapitalbeschaffung. Dies ist verstärkt im Bereich der Kreditfinanzierung festzustellen, denn Existenzgründer erfüllen oftmals nicht die an die Vergabe von Fremdkapital gestellten Anforderungen, wobei insbesondere die in Kreditinstitu­ ten durchgeführte Kreditwürdigkeitsprüfung mit der Stellung entsprechender Sicherheiten genannt werden muß. Diese Tatsache belegt beispielsweise die Aussage des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftli­ chen Entwicklung, der in seinem Jahresgutachten 1979/1980 konstatiert: „Unter­ nehmen, die nur Ideen, aber keine Sicherheiten bieten können, haben es schwer, Fremdkapital zu erhalten“142. Die Folge hiervon ist ein zu geringer Kreditspiel­ raum. Dieser Tatbestand verschärft sich zusätzlich durch eine zu geringe Eigen­ kapitalausstattung der Unternehmen sowie durch fehlende Eigenkapitalgeber143, was von vielen Existenzgründern als eines der zentralen Finanzierungsprobleme genannt wird. Gleichzeitig ist die geringe Ausstattung mit Eigenkapital aber wiederum ein Grund für verminderte Fremdfinanzierungsmöglichkeiten. Grund­ sätzlich stehen den Existenzgründern mit öffentlichen Förderprogrammen zwar zusätzlich subventionsorientierte Kapitalbeschaffungsalternativen zur Verfügung, die bei der Vergabe allerdings an die Einschaltung weiterer Institutionen, Berater oder Banken gebunden sind und deren Entscheidungs- und Bewilligungsverfah­ ren als intransparent und langwierig charakterisiert werden144.

140 141 142 143 144

Vgl. HüNSDIEK, D./MAY-STROBL, E. (Entwicklungslinien 1986), S. 79. Vgl. Nathusius, K. (Existenzgründung 1990), S. 30. SVR (Jahresgutachten 1979), Z. 356. Vgl. THIELE, A. (Existenzgründungen 1986), S. 19. Vgl. SZYPERSKI, N. (Betriebswirtschaftliche 1980), S. 320; DIW (Wochenbericht 11/98), S. 3.

66

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

Die Finanzierungsproblematik ist jedoch nicht alleine auf mangelndes Kapital zurückzuführen, vielmehr liegen die Gründe für diesen Problembereich häufig in einer unzureichenden Beratung durch Industrie- und Handelskammern, Verbände oder freie Unternehmens- bzw. Steuerberater. Zu den als mangelhaft bezeichne­ ten Beratungsleistungen gehören beispielsweise fehlende Hinweise auf ausrei­ chende Reservenbildung für unvorhergesehene Situationen, die von vielen Grün­ dern unterschätzt bzw. mangels Wissen vernachlässigt wird145. Ebenso fehlen häufig auch Informationen bez. vorhandener und in Frage kommender Förder­ programme, wobei sich allerdings insbesondere der letztgenannte Aspekt mit fortschreitender Unternehmensdauer geringfügig reduziert. Als weitere Problemfelder nennen Unternehmensgründer eine zu hohe Steuerund Abgabenbelastung. In der Konsequenz führt dies zu erhöhten Ausgaben und einer Schmälerung der finanziellen Ressourcen des Gründungsunternehmens.

Zusätzlich erschweren rechtliche Vorschriften die Tätigkeit der Existenzgründer in den gründungsvorbereitenden Phasen. Die Fülle und Komplexität der rechtli­ chen Rahmenbedingungen führt zu Schwierigkeiten mit Behörden und Ämtern, wobei insbesondere das Einholen von Genehmigungen sowie behördliche Aufla­ gen und Kontrollen, z.B. durch das Gewerbeaufsichtsamt, aber auch Verordnun­ gen über die Arbeitszeitregelung oder Umweltschutzgesetze als Gründungs­ hemmnisse genannt werden146. Diese bürokratischen Erfordernisse haben in der jüngsten Vergangenheit zum Aufbau sog. „free activity areas“ geführt. In diesen Industrieparks können Existenzgründer neben der kostengünstigen Inanspruch­ nahme allgemeiner Verwaltungstätigkeiten und Büroeinrichtungen auch auf ent­ sprechende Hilfen bei der Bewältigung unterschiedlicher rechtlicher und behörd­ licher Probleme zurückgreifen.

2.

First-Stage-Phase

Die typischen Problemfelder während der sich anschließenden First-Stage-Phase, die durch die Etablierung des Unternehmens am Markt sowie ein gewisses Un­ ternehmenswachstum gekennzeichnet ist, ergeben sich teilweise als Konsequenz aus den bereits während der Gründungsphase auftretenden Problembereichen und lassen sich in erster Linie auf

• Wettbewerbsprobleme, • Schwierigkeiten beim Personaleinsatz sowie 145 Vgl. ALBACH, H. (Rahmenbedingungen 1997), S. 444f. 146 Vgl. SOSALLA, U. (Papierkrieg 1996), S. 7; Thiele, A. (Existenzgründungen 1986), S. 22; ALBACH, H. (Rahmenbedingungen 1997), S. 445.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen



67

die unzureichende Kapitalausstattung des Unternehmens

fokussieren. Neben diesen zentralen Problemen treten allerdings auch weitere Unzulänglich­ keiten auf, wobei die in der nachfolgenden Abb. 12 aufgeführten Aspekte ge­ nannt werden147.

Abb. 12: Problemfelder deutscher Existenzgründungen während der Wachstumsphase148

Wettbewerbsprobleme ergeben sich dabei vor allem für imitierende Unterneh­ men, die durch eine Reproduktion bereits am Markt erhältlicher Produkte oder Dienstleistungen einem höheren Konkurrenzdruck gegenüberstehen. Dieser um­ faßt insbesondere die Nachfragemacht eines oder mehrerer Unternehmen sowie die Konkurrenz durch bereits im Markt etablierte Unternehmen. Dabei ist festzu­ stellen, daß neu eintretende Unternehmen es vielfach nicht verstehen, sich neben etablierten Betrieben als kompetenter, qualitäts- und liefertreuer Markpartner einzuführen und bestehende Marktbeziehungen zu durchbrechen.

147 Die Ergebnisse basieren auf der bereits angesprochenen empirischen Untersuchung von Hunsdek, D./May-Strobl, E. (Entwicklungslinien 1986). 148 Vgl. Thele, A. (Existenzgründungen 1986), S. 11. Dieselben Problembereiche ergeben sich ebenfalls weitestgehend in einer von der IHK Siegen durchgeführten Existenzgründerbefragung. Vgl. IHK SEGEN (Existenzgründungsverhalten 1980), S. 26.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

68

Zusätzlich ergibt sich im Bereich stagnierender Märkte aus der sich ausweitenden Umsatztätigkeit des neugegründeten Unternehmens ein VerdrängungsWettbe­ werb, bei dem zum einen das neue Unternehmen die etablierte Konkurrenz erst­ mals wahrnimmt, zum anderen aber die Konkurrenz ihrerseits den Versuch un­ ternimmt, den „Newcomer“ vom Markt zu drängen149. Solche Wettbewerb­ saspekte fallen bei innovativen Unternehmen zwar unproblematischer aus, aller­ dings bestehen bei diesem Unternehmenstypus eher Probleme im Bereich der Produktion und dem daraus resultierenden Personaleinsatz. Dabei stellt trotz Zeiten hoher Arbeitslosigkeit der Personalbereich für viele innovative Grün­ dungsunternehmen einen Engpaßbereich dar. Dies kann dabei zum einen in Schwierigkeiten bei der Personalbeschaffung, zum anderen aber auch in Vorbe­ halten der Arbeitskräfte gegenüber einer Tätigkeit in neugegründeten Unterneh­ men begründet sein. Die Personalbeschaffung wird in der Regel dadurch behin­ dert, daß entsprechend qualifizierte Mitarbeiter von anderen Unternehmen abge­ worben werden müssen. Diese Arbeitnehmer stehen einem Wechsel in das neu­ gegründete Unternehmen auf Grund der relativ hohen Insolvenzgefahr und der damit verbundenen geringeren Arbeitsplatzsicherheit oftmals skeptisch gegen­ über. Ein partieller Ausgleich für diese erhöhten Risiken kann über eine Art Risi­ koprämie in Form eines höheren Gehaltes erzielt werden, was jedoch gleichzeitig zu einer Erhöhung des Kapitalbedarfs führt. Weitere Probleme bei der Personal­ beschaffung können in generellen Mobilitätshindernissen liegen, die vornehmlich aus der Bindung der Personen an einen angestammten Wohnort und/oder ein gewohntes soziales Umfeld resultieren150. Neben den hohen Anforderungen an das Engagement und die Flexibilität der Mitarbeiter, verbunden mit dem Wunsch nach einer möglichst geringen Fixkostenbelastung durch Löhne und Gehälter, können als weitere kritische Rahmenbedingungen im Bereich der Personalbe­ schaffung und -auslese die geringe Reputation des Unternehmens sowie die er­ hebliche Unsicherheit bedingt durch die Marktsituation genannt werden151. Unabhängig vom Innovationsgrad des Gründungsunternehmens ergeben sich während der Wachstumsphase, d.h. in den ersten fünf Jahren, korrespondierend zur Gründungsphase Finanzierungsprobleme, da gründungsnotwendige Investi­ tionen zurückgestellt wurden und nun nachgeholt werden müssen. Dieser Zeit­ versatz liegt darin begründet152, daß

149 150 151 152

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

HUNSDIEK, D./MAY-STROBL, E. (Entwicklungslinien 1986), S. 79f. JOOS, Th. (Untemehmensgründungen 1987), S. 173f. SZYPERSKI, N. (Betriebswirtschaftliche 1980), S. 318. HUNSDIEK, D./May-Strobl, E. (Entwicklungslinien 1986), S. 98.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

69

zum einen das erforderliche Kapital nicht beschafft werden konnte, da zusätzliche Eigenkapitalgeber fehlen bzw. nur unzureichende Fremd­ finanzierungsmöglichkeiten, bedingt durch zu hohe Sicherheitsanforderungen seitens der Kapitalgeber und einen daraus resultierenden eingeschränkten Kreditspielraum bestehen. Die Möglichkeiten zur Aufnahme von Fremdmitteln verbessern sich in der First-Stage-Phase gegenüber den Gründungsphasen zwar tendenziell, allerdings erhalten die Gründer Fremd­ kapital weiterhin nicht in der von ihnen benötigten Höhe. • Zum anderen wurde aber auch zur besseren Einschätzung der Erfolgschancen die Entwicklung am Markt abgewartet. Um nach dem Durchbruch der Ge­ schäftsidee und der Überwindung der Unbekanntheit entsprechende Expansi­ ons- und Wachstumschancen nutzen zu können, besteht ein erheblicher ein­ maliger Kapitalbedarf für sog. „Sprunginvestitionen“153. Diese Folge­ investitionen sind zwar für das Wachstum und die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit erforderlich, allerdings ist bei ca. der Hälfte der Grün­ dungsunternehmen hierfür kein weiterer Finanzierungsspielraum mehr vor­ handen.



Die Finanzierungsproblematik in der First-Stage-Phase wird zusätzlich durch Liquiditätsprobleme bei der Einräumung branchenüblicher Zahlungsziele, durch ausbleibende Umsätze, Verkäufe „um jeden Preis“, hohe Außenstände sowie eine schlechte Zahlungsmoral der Schuldner resp. Zahlungsausfälle verschärft154.

Standortprobleme verstärken sich in der First-Stage-Phase ebenfalls, denn offenbar wird die Vorteilhaftigkeitsanalyse des Standorts oftmals zu kurzfristig angelegt und notwendige Wachstumsprozesse und entsprechende Mitbewerber­ reaktionen werden nicht oder nur ungenügend berücksichtigt. Als Problem­ bereiche in der Wachstumsphase werden fehlende räumliche Expansions­ möglichkeiten, infrastrukturelle Unzulänglichkeiten in den Bereichen Transport und Verkehrsanbindung, zu hohe Mieten sowie eine zu hohe Konkurrenzdichte bzw. ein zu geringes Nachfragepotential genannt155. Die bisher beschriebenen Problemfelder während der einzelnen Gründungs­ phasen sind nicht generell auf die politischen, sozialen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Existenzgründungen in Deutschland zurückzuführen, vielmehr treten sie in ähnlicher Form auch in anderen Volkswirtschaften auf. Allerdings können manche Bereiche und die ihnen immanenten Probleme durch

153 Vgl. BECKER, W. (Eigenkapitalbasis 1979), S. 38f. 154 Vgl. HUMMEL, M./Ludwig, U. ( Finanzierungsprobleme 1994), S. 5; THIELE, A. (Existenzgrün­ dungen 1986), S. 21; DtA (Jahresbericht 1987), S. 31. 155 Vgl. HUNSDIEK, D./MAY-STROBL, E. (Entwicklungslinien 1986), S. 103f.

70

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

eine Modifikation der jeweiligen Umfeldbedingungen beseitigt oder zumindest minimiert werden. Aus diesem Grund nimmt der folgende Abschnitt einen internationalen Vergleich der nationalen Rahmenbedingungen mit dem europäischen Ausland vor.

III.

Die nationalen Rahmenbedingungen im euro­ päischen Vergleich

Der Stellenwert kleiner und mittlerer Unternehmen gewinnt in sämtlichen Volkswirtschaften an Bedeutung und rückt vermehrt in das Interesse der Wirt­ schaftspolitik, was mit einem „Nachteilsausgleich “ für diesen Unternehmenssek­ tor begründet wird. Die Notwendigkeit dieses Nachteilsausgleichs wird einerseits aus einem Marktversagen bzw. aus der Benachteiligung der KMUs aufgrund ungünstiger staatlicher Rahmenbedingungen hergeleitet. Andererseits erfolgt die Begründung aber zusätzlich über die Tatsache, daß große Unternehmen besonde­ re Berücksichtigungen erfahren. Somit erscheint aus Gründen der Chancen­ gleichheit eine entsprechende Unterstützung notwendig156. Darüber hinaus grün­ det sich die Förderung der Existenzgründer aber auch auf die mit dieser Unter­ nehmensgruppe verbundenen und bereits angesprochenen positiven Effekte auf die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt157. In den Vergleich der Rahmenbedingungen bundesdeutscher Existenzgründungen werden mit Frankreich, Großbritannien sowie Norwegen ausgewählte europäi­ sche Länder einbezogen. Diese Nationen unternehmen durch Besonderheiten im Rahmen der Gründungsunterstützung den Versuch, möglichst optimale Rahmen­ bedingungen für die Unternehmensgründer herzustellen. Die angebotenen Lei­ stungen sollen dabei in Finanz- und Realtransfers unterschieden werden. Durch die Darstellung dieser Maßnahmen sollen bereits Potentiale für eventuelle Ände­ rungen der bundesdeutschen Rahmenbedingungen aufgezeigt werden, auf die dann im weiteren Verlauf der Arbeit zurückgegriffen wird. Finanztransfers bezeichnen dabei direkte Unterstützungsmaßnahmen durch die Bereitstellung finanzieller Mittel und können z.B. Investitionszuschüsse, Zins­ subventionen, Steuerstundungen, Bürgschaften oder Beteiligungen umfassen. Realtransfers hingegen zielen auf die Bereitstellung unmittelbar erforderlicher Ressourcen ab. Zu diesen kollektiven Wettbewerbsgütern158 zählen beispielswei­

156 Vgl. DE, D. U.a. (Gründungsförderung 1995), S. 1. Zur genauen Beschreibung dieser Effekte vgl. Abschnitt A.III. im ersten Teil dieser Arbeit. 158 Vgl. Frick, S. U.A. (Möglichkeiten 1998), S. 139.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

71

se die Schaffung entsprechender Infrastrukturen wie Gewerbeparks oder Tech­ nologietransferstellen, das Angebot von Sachdienstleistungen und Serviceein­ richtungen oder die Bereitstellung von Informationen, Ausbildung und Beratung.

1.

Frankreich

In Frankreich wird Gründern ein umfassendes Angebot an miteinander verknüpf­ baren Fördermaßnahmen zur Verfügung gestellt. Dabei wird die Gründungsför­ derung nicht von einer Stelle verantwortet, sondern ist vielmehr auf unterschied­ liche Organisationen verteilt. Sektoral erfolgt zunächst eine Verteilung der Ver­ antwortung auf unterschiedliche Ministerien. Im Rahmen der Dezentralisierung sowie zur Sicherung des flächendeckenden Zugangs sind sämtliche in die Grün­ dungsförderung einbezogenen Gesellschaften und Organisationen zumindest auf regionaler Ebene präsent159.

Zu den Realtransfers gehören in Frankreich in erster Linie Informationsangebote, z.B. die von der Banque de France angebotene Cellule dInformation. Über diese Datenbank können sämtliche Fördermaßnahmen mit den spezifischen Bedingun­ gen abgerufen werden. Zusätzlich wurde mit den 1985 gegründeten Points Chan­ ce pour Entreprendre160 ein flächendeckendes Netz von ca. 650 Büros mit durch­ schnittlich drei Mitarbeitern aufgebaut, die speziell auf Gründer ausgerichtete Informations- und Beratungsleistungen erbringen. Diese Stellen stehen grün­ dungswilligen Personen insbesondere bei der Klärung administrativer sowie rechtlicher Fragen zur Seite, unterstützen die Gründer aber auch mit Informa­ tions- und Schulungsmaßnahmen161. Neben den hauptamtlichen Beratern stehen den potentiellen Gründern in den jeweiligen Büros bis zu dreißig ehrenamtlich beschäftigte pensionierte Unternehmer und Geschäftsführer für eine Einzelfallbe­ ratung zur Verfügung. Vergleichbar mit den deutschen IHKn bieten französische Handelskammern neben Bibliotheken und Dokumentationszentren auch Bera­ tungsleistungen über den Einsatz neuer Techniken und Technologien sowie Se­ minare bez. betriebswirtschaftlicher Grundkenntnisse an. Hierzu beschäftigen die Handelskammern, die analog den deutschen Kammern eine Pflichtmitgliedschaft

159 Vgl. De, D. U.A. (Gründungsförderung 1995), S. 18. 160 Diese wörtlich übersetzten „Orte der Chance“ werden von der 1979 speziell zur Unterstützung von Gründungen ins Leben gerufenen ANCE (Agence Nationale pour la creation et la reprise d'entreprises nouvelles) in Zusammenarbeit mit regionalen Handwerkskammern unterhalten. 161 Vgl. De, D. U.A. (Gründungsförderung 1995), S. 15.

72

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

der Unternehmensgründer bedingen162, ca. 2.000 technische Berater, die Grün­ dern entsprechende - entgeltliche - Einzelfallberatungen anbieten163. Zusätzlich können französische Existenzgründer im Bereich der Gründungsfor­ malitäten auf erhebliche Erleichterungen zurückgreifen. In den sog. Centres de Formalites des Entreprises besteht die Möglichkeit, sämtliche gesetzlich vorge­ schriebenen Erklärungen bezüglich der Gründung eines Unternehmens an ein und demselben Ort und auf lediglich einem Vordruck abzugeben164. Somit reduzieren sich die von deutschen Existenzgründern als problematisch benannten rechtlichen Formalitäten in erheblichem Umfang.

Den Schwerpunkt der finanziellen Gründungsförderung bilden neben einer Viel­ zahl an Bürgschaften, Zuschüssen und partizipativen Darlehen insbesondere Steuererleichterungen. Die Vergünstigungen bestehen in einer dreijährigen Be­ freiung von den allgemeinen Gemeindesteuern (Exconceration d'impöts locaux) sowie in der bis zu einjährigen Befreiung von der Gewerbesteuer (Exconceration de taxe professionelle). Zusätzlich müssen Existenzgründer generell keine Er­ tragsteuern in Form der Einkommen- resp. Körperschaftsteuer (Exconceration d'impöts sur les benefices) entrichten, sofern es sich bei den Gründungen nicht um Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen oder Immobilienverwaltungsge­ sellschaften handelt165. Die vollständige Befreiung gilt zunächst für die ersten 24 Monate nach der Gründung, in den darauffolgenden Jahren ergeben sich Steuer­ ermäßigungen von zunächst 75% im dritten Jahr, anschließend 50% und im letz­ ten Jahr, d.h. dem fünften Jahr nach der Gründung, von 25%. Im Rahmen der Regionalförderung kann diese Befreiung auf einen Zeitraum von bis zu acht Jahren erweitert werden166, in manchen Überseedepartements gilt die Steuerbe­ freiung für die ersten 10 Jahre nach der Gründung. Diese Steuererleichterungen führen in den Frühphasen des Existenzgründungsprozesses zu einer deutlichen Senkung der Abgabenlast und entschärfen somit die Finanzsituation.

Des weiteren existieren steuerliche Anreizmechanismen, z.B. über die Gewäh­ rung einer Regionalprämie für die Gründung von Unternehmen, durch örtliche Hilfen bei der Gründung und Entwicklung von Unternehmen sowie durch eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung. Der letztgenannte Aspekt umfaßt beispielsweise das durch die staatliche Organisation ANVAR (Agence National de valorisation de la recherche) angebotene Innovations­ 162 163 164 165 166

Vgl. Frick, S. u.a. (Möglichkeiten 1998), S. 134. Vgl. DE, D. U.A. (Gründungsförderung 1995), S. 14ff. Vgl. Tillmanns, W. (Wirtschaftsförderung 1992), S. 413. Vgl. POSNER, D. (Early Stage-Finanzierungen 1996), S. 218. Vgl. ALBACH, H. (Rahmenbedingungen 1997), S. 447; De, D. U.a. (Gründungsförderung 1995), S. 15.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

73

Förderprogramm Aide ä 1 Innovation, in dessen Rahmen Gründungen aus dem technologie-orientierten Bereich mit günstigen Finanzierungsbedingungen unter­ stützt werden167.

Neben den Steuererleichterungen existiert in Frankreich für potentielle Gründer das sog. Livret d'Epargne Entreprise, das zukünftigen Gründern die Möglichkeit bietet, ein Sparkonto mit einer Mindesteinlage von 5.000 FF bei einer französi­ schen Bank zu eröffnen. Bei einer jährlichen Einzahlung von mindestens 3.600 FF verzinst sich das angesparte Kapital bis zu einer Summe vom 300.000 FF mit einem variablen, stets über dem Marktzins liegenden Zinssatz. Bei Durchführung der Gründung steht dem Existenzgründer dann neben dem angesparten Betrag optional ein Darlehen mit einer Laufzeit zwischen 2 und 15 Jahren und einer Verzinsung von ca. 2,5 bis 3% unter dem aktuellen Marktzins zur Verfügung. Vergleichbar mit diesem französischen Förderinstrument ist das Ansparförder­ programm des Bundes für die östlichen Bundesländer, das die Bildung von Ei­ genkapital für die Gründung selbständiger Existenzen erleichtern soll. Der Bund gewährt hierbei Ansparzuschüsse für Sparleistungen, die aufgrund eines zum Zweck der Existenzgründung mit einer in Deutschland zugelassenen Bank abge­ schlossenen Sparvertrages (Phase 1), dem sog. Gründungssparvertrag, erbracht und als Eigenkapital für die Existenzgründung verwendet worden sind. Auf die­ sen Sparvertrag leistet der Bund einen Ansparzuschuß in Höhe von 20% der erbrachten Sparleistungen einschließlich Zinsen, jedoch max. 10.000 DM (Phase 2). Der Zuschuß wird allerdings nur für Sparleistungen inkl. Zinsen gewährt, die innerhalb von max. 10 Jahren nach Abschluß des Gründungssparvertrages er­ bracht bzw. gutgeschrieben worden sind und über die frühestens 3 Jahre nach Abschluß des Gründungssparvertrages zum Zweck der Existenzgründung verfügt wurde168. Die Phase 1 mit dem Abschluß des Gründungssparvertrages lief 1995 aus, Phase 2 mit der Gewährung des Ansparzuschusses durch den Bund existiert weiterhin für bereits bestehende Verträge. Mit dem vom Arbeitsministerium angebotenen ACCRE (Aide aux chomeurs qui creent ou reprennent une entreprise) erfolgt über eine einmalige Subvention zwi­ schen 32.000 FF und 43.000 FF bei Gründung oder Übernahme eines Unterneh­ mens die Förderung arbeitsloser Gründer. In vergleichbarer Form existiert in Deutschland nach § 55 AFG ein Überbrückungsgeld des Arbeitsamtes, das Ar­ beitslosen, die eine selbständige Existenz gründen wollen (Übernahmen sind allerdings ausgeschlossen) als Zuschuß in Höhe der zuletzt bezogenen Beträge aus Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe für höchstens 26 Wochen gewährt 167 Vgl. TILLMANNS, W. (Wirtschaftsforderung 1992), S. 418ff. und 425 ff. 168 Vgl. BÜSCHGEN, H.E. (Banklexikon 1997), S. 51.

74

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

wird169. Ein landestypisches Programm, das die Förderung Arbeitsloser oder von der Arbeitslosigkeit bedrohter Personen beim Schritt in die Selbständigkeit unter­ stützt, wird in Mecklenburg-Vorpommern über eine nichtrückzahlbare Zuwen­ dung von bis zu 13.000 DM pro Existenzgründer für längstens 1 Jahr gewährt170.

Ebenfalls vom französischen Arbeitsministerium initiiert wurde ein Programm zur Förderung jugendlicher Gründer zwischen 18 und 25 Jahren, das sog. Fonds departemental pour ^initiative des jeunes, über das ein verlorener Zuschuß171 von bis zu 100.000 FF gewährt wird. Die Vergabe ist jedoch an die Bedingung ge­ knüpft, daß das Unternehmen mindestens 2 Jahre nach der Gründung mehrheit­ lich dem oder den Gründern gehört und daß der Zuschuß maximal 50% des be­ nötigten Eigenkapitals beträgt172. Des weiteren besteht für französische Gründer im Rahmen der Finanztransfers die Möglichkeit, über das staatliche Kreditinstitut CEPME (Credit d'equipement de petites et moyennes entreprises) Kredite zu günstigen Konditionen aufnehmen zu können, die zudem staatlich verbürgt sind173.

Insgesamt bleibt festzuhalten, daß in Frankreich in starkem Umfang Beratungsund Informationsleistungen für Existenzgründer angeboten werden, die über eine bessere Schulung der Unternehmensgründer insbesondere im Managementbe­ reich eine Erhöhung der Überlebensquote erreichen wollen. Eine Besonderheit der französischen Gründungsförderung liegt jedoch in der Gewährung von Steu­ erbefreiungen resp. Steuererleichterungen.

2.

Großbritannien

Ähnlich den Gründungsförderungsmaßnahmen in Frankreich existiert in Groß­ britannien eine Vielzahl an Finanzierungs-, Beratungs-, Fortbildungs- und Steu­ erhilfen für Unternehmensgründer. Administrative Realtransfers durch den Staat selbst stellen in Großbritannien jedoch eher die Ausnahme dar, vielmehr werden Institutionen eingesetzt, die potentiellen Gründern ihre Beratungsleistungen i.d.R. gegen eine Gebühr anbie-

169 Vgl. Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes Rheinland-Pfalz (Schritte o.J.), S. 25. 170 Vgl. Vgl. DIW (Wochenbericht 11/98), S. 2. Verlorene Zuschüsse können in unterschiedlichen Ausprägungen gewährt werden, beispielswei­ se in Form von Investitionszulagen und -Zuschüssen, als Arbeitsplatz- und Ausbildungszuschuß, als Förderung von Existenzgründungen aus der Arbeitslosigkeit oder in Form von BeratungszuSchüssen. Vgl. PETERSEN, U. (Finanzierungsplanung 1995), S. 28Iff. 17~ Vgl. DE, D. U.a. (Gründungsförderung 1995), S. 16. 173 Vgl. Posner, D. (Early Stage-Finanzierungen 1996), S. 220.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

75

ten. Der Staat engagiert sich somit für die Schaffung einer geeigneten Infra­ struktur, die ein ausreichendes Maß an Ausbildung, Beratung und Informationen schafft. Hierzu zählen beispielsweise im Rahmen des Aufbaus zum Teil subven­ tionierter regionaler Entwicklungsgesellschaften die sog. Training and Enterprise Councils (TECs) oder die insbesondere in Schottland vorkommenden Local Enterprise Companies (LECs). Des weiteren existieren mit den Local Enterprise Agencies (LEAs) sowie den Local Enterprise Trusts (LETs) lokale Entwick­ lungsgesellschaften, die ebenfalls wie die regionalen Beratungsstellen potentiel­ len Gründern ihr Informationsangebot z.T. staatlich subventioniert zur Verfügung stellen174. Weitere staatliche Förderung wird jungen Unternehmen auf lokaler Ebene durch die Small Business Information Centers (SBIC) zuteil, Informa­ tions- und Beratungstätigkeiten erfüllt außerdem die staatlich finanzierte Man­ power Service Commission (MSC)175. Darüber hinaus wird in Großbritannien der Aufbau lokaler Anlaufstellen (Business Links) sowie regionaler Technologiezen­ tren forciert, die den Gründern ebenfalls mit Informations- und Beratungsleistun­ gen unterstützend zur Seite stehen. Neben der Institutionalisierung dieser regionalen und lokalen Beratungsstellen erfolgt eine weitere wichtige Unterstützung der Existenzgründer durch die Be­ reitstellung von Gewerbeflächen, in denen Gründer ihren Vorstellungen hinsicht­ lich Größe, Infrastruktur und Umfeld entsprechende Büroflächen oder Produkti­ onsstätten zu i.d.R. begünstigten Mietkonditionen anmieten können176. Neben dem Raumangebot in Form mietbegünstigter Flächen bieten diese Gewerbeparks generell den Bedürfnissen der Gründer entsprechende fachkundige Beratungen sowie infrastrukturelle Rahmenbedingungen, über die entsprechende Kostendegressionseffekte ausgenutzt werden können177, beispielsweise durch die gemein­ same Nutzung von Büroausstattungen (z.B. Telefonanlage, Kopierer, Faxgeräte, etc.), Serviceleistungen (z.B. Sekretariat, Buchhaltung, Empfang, etc.), Informa­ tionsleistungen (z.B. Weiterbildung, Organisation des Erfahrungsaustauschs) sowie Vermittlungsleistungen (z.B. Kooperationsmöglichkeiten mit anderen

174 175 176 177

Vgl. O.V. (Großbritannien 1985), S. 47; FRICK, S. U.A. (Möglichkeiten 1998), S. 123. Vgl. POSNER, D. (Early Stage-Finanzierungen 1996), S. 193. Vgl. DE, D. U.A. (Gründungsforderung 1995), S. 36. Vergleichbare Einrichtungen stehen beispielsweise im Raum Kaiserslautern mit den Techno­ parks / und II zu Verfügung. Aufgrund räumlich begrenzter Kapazitäten und im Zuge der Kon­ version wird augenblicklich auf ehemaligen US-Militäranlagen mit dem PRE-Park Holtzendorff ein weiterer Gewerbepark errichtet, der auf einer Mietgrundfläche von insgesamt 140.000 qm insbesondere Existenzgründem aber auch sonstigen KMUs entsprechende Büroräume, Produk­ tionshallen sowie Infrastrukturen anbieten wird.

76

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

TGZ-Mitgliedern, Hilfe bei der Kontaktanbindung zu öffentlichen Verwaltungen, Behörden und Banken, etc.)178.

Im Rahmen der Finanztransfers ist in Großbritannien im Unterschied zu Frank­ reich eine starke Unterscheidung in landesweite, regionale und lokale Förder­ maßnahmen zu konstatieren179. Die unterschiedlichen Programme können zwar landesweit in Anspruch genommen werden, allerdings weisen manche Förderun­ gen durch die Einbindung der TECs eher einen regionalen Charakter auf. Zu den finanziellen Unterstützungsmaßnahmen gehört zunächst das 1994 eingeführte Enterprise Investment Scheme (EIS)180, das als landesweites Programm durch eine steuerliche Bevorzugung von Gründungsbeteiligungen den jungen Unter­ nehmen die Eigenkapitalfinanzierung erleichtern soll und es Investoren ermög­ licht, aktiv am Unternehmensgeschehen zu partizipieren. Die Steuererleichterun­ gen bestehen in einem 20%-igen Steuererlaß auf Investitionen in bestimmten Unternehmen sowie in einer vollständigen Steuerfreiheit des Kapitalzuwachses, dem sog. capital gain181. Ebenfalls landesweit gültig ist das Loan Guarantee Scheme (LGS), in dessen Rahmen die Fremdkapitalaufnahme durch die Übernahme staatlicher Ausfall­ bürgschaften bis zu einer Höhe von 70%, in speziellen förderungswürdigen Re­ gionen zu 85%, durch das britische Handelsministerium unterstützt und erleich­ tert werden soll. Für technologieorientierte Existenzgründungen bietet die British Technology Group (BTG) Unterstützungen insbesondere in den Bereichen Mar­ keting und Vertrieb, aber auch durch Beteiligungen und die Bereitstellung von Fremdkapital182. Ebenfalls unterstützende Wirkung hat die im Jahr 1948 gegrün­ dete National Research Development Corporation (NRDC), die durch die Verga­ be langfristiger Kredite und das Eingehen von Minderheitsbeteiligungen innova­ tive Projekte fördern soll183.

17R

Vgl. Fredrich-Ebert-Stiftung (Firmengründungen 1996), S. 19; Landrock, R. (Schließung 1997), S. 223; BARANOWSKI, G./GROß, B. (Innovationszentren 1995), S. 19ff.; LEMAN, M. (Technologiezentren 1990), S. 50Iff. Eine solche Dezentralisierung der Finanztransfers bzw. der finanziellen Fördermaßnahmen existiert mit Bundes-, Landes- sowie Kommunalförderprogrammen auch in Deutschland. 180 Das EIS löste das bis Ende 1993 vorhandene Business Expansion Scheme (BES) ab, das als zentrales Förderprogramm die privaten Investitionen in risikobehaftete junge Unternehmen bis zu einem Alter von fünf Jahren, kanalisierte und über das Privatanleger jährlich bis zu 40.000 £ steuerfrei anlegen konnten. Vgl. O.V. (Großbritannien 1985), S. 46. Zu der Entwicklung eines ähnlichen Ansatzes für deutsche Kapitalgeber vgl. 3. Teil, Abschnitt C. 182 Vgl. POSNER, D. (Early Stage-Finanzierungen 1996), S. 192. 183 Vgl. POSNER, D. (Early Stage-Finanzierungen 1996), S. 189.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

77

Über das Enterprise Allowance Scheme (EAS) wurden unter Einbindung der regionalen TECs Transferzahlungen an ehemals Arbeitslose getätigt, um diese zur Selbständigkeit zu bewegen und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Ergänzt wurde das Programm dabei durch das Business Start-up Scheme, das der Über­ brückung der auslaufenden Arbeitslosenhilfe diente184. Beide Programme sind zwar vor kurzem ausgelaufen, lieferten jedoch einen wichtigen Beitrag für die Förderung der Selbständigkeit185.

Eine weitere Aktivität der britischen Gründungsförderung stellt korrespondierend zu den französischen Maßnahmen eine Steuererleichterung für Existenzgründer dar, die in Großbritannien in einer Mehrwertsteuerbefreiung bis zu einem Umsatz von 36.600 £ besteht. Dadurch sollen Gründungsunternehmen finanziell entlastet, die Liquidität der Unternehmen erhöht und die Gründer von bürokratischen Bela­ stungen befreit werden. Weiterhin ergibt sich die Steuerpflicht im Rahmen der nationalen Mehrwertsteuer bis zu einem Umsatz von 300.000 £ seit 1990 ledig­ lich auf Basis tatsächlicher Zahlungen, während die Steuerpflicht bis dahin auf Rechnungen basierte. Gleichzeitig kam es durch verschiedene kleinere Steuerre­ formen zu Erleichterungen für die Unternehmen im allgemeinen und folglich auch für die Existenzgründer im speziellen. So müssen beispielsweise Firmen mit einem Umsatz von weniger als 10.000 £ lediglich eingeschränkte Angaben über Ausgaben, Einnahmen und Gewinn bei den zuständigen Behörden machen186.

Zusammenfassend bleibt zu konstatieren, daß sich auch in Großbritannien die Gründungsförderung stark auf Informations- und Beratungsaktivitäten konzen­ triert, was sich im Aufbau entsprechender Institutionen manifestiert. Im Rahmen der Finanztransfers zeichnen sich die Fördermaßnahmen zum einen durch eine Vielzahl unterschiedlicher Unterstützungsprogramme aus, zum anderen erhalten Existenzgründer gewisse Steuererleichterungen, so daß sich entsprechend grün­ dungsfreundliche steuerliche Rahmenbedingungen einstellen.

3.

Norwegen

Als drittes europäisches Land soll Norwegen zu einem Vergleich hinsichtlich der Gründungsbedingungen herangezogen werden. Wie in den anderen betrachteten Ländern, bilden auch in Norwegen die Gestaltung der Rahmenbedingungen so­ wie die Förderung und Unterstützung die zentralen Elemente der Gründungsför184 Die Transferzahlungen wurden in Form einer einjährigen Weiterzahlung der Arbeitslosenunter­ stützung gewährt. Vgl. DE, D. U.A. (Gründungsförderung 1995), S. 31; POSNER, D. (Early StageFinanzierungen 1996), S. 193. 185 Vgl. Frick, S. u.a. (Möglichkeiten 1998), S. 122f. 186 Vgl. De, D. U.a. (Gründungsförderung 1995), S. 36f.

78

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

derung. Dabei stehen in Norwegen die Finanztransfers eindeutig im Mittelpunkt der Förderung von Existenzgründungen, gleichzeitig werden allerdings durch Informations- und Beratungsdienstleistungen eine Reihe an Realtransfers ange­ boten187. Die Beratungseinrichtungen umfassen dabei in erster Linie das Institut für Technologie (Teknologisk Institutt, TI), die Staatliche Fördergesellschaft für Erfinder (Statens Veiledingskontor for Oppfinnere, SVO) und das Veiledingsinstituttet i Nord-Norge (VINN) sowie die regionalen Fördergesellschaften (Fylkeskommunale Rädgivningstjensten, FR).

Zu den als Realtransfers angebotenen Leistungen zählen zunächst die Aktivitäten der Selskapet for industrivekst (SIVA), die als staatliche Gesellschaft für indu­ strielles Wachstum in erster Linie ländliche Regionen fördern und unterstützen soll und im Rahmen ihrer Tätigkeiten Gewerberäume und Technologieparks erstellt und an Gründungsunternehmen verpachtet. Zusätzlich bietet die SIVA im Rahmen der Existenzgründungsförderung Beratungsleistungen, Managerhilfe sowie die Finanzierung von Vorprojekten an. Eine weitere Informationshilfe für Existenzgründer stellt das im Frühjahr 1992 im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft und Energie durch das VINN als Pilotprojekt gestartete und mittler­ weile etablierte Gründertelefon188 dar. Durch diese Maßnahme soll insbesondere die Kontaktaufnahme der Gründer mit den Behörden erleichtert werden. Dabei erhält jeder Gründer einen Ansprechpartner, der ihm bei der Erörterung allge­ meiner Probleme behilflich ist und ihn einzelfallorientiert über Formalitäten, öffentliche Fördermöglichkeiten, Antragsformulare etc. informiert. Neben der Verbesserung des Kontaktes zwischen Gründern und Behörden resp. öffentlichen Institutionen können über das Gründertelefon Erfahrungen gesammelt und in die Weiterentwicklung der Gründungspolitik für das Ministerium für Wirtschaft und Energie eingebracht werden. In Zusammenarbeit mit der Fördergesellschaft Bedriftenes Rädgivningstjeneste (BRT) betreibt das VINN die Gründerschule, in der Jungunternehmern oder originären Existenzgründern über einen Zeitraum von P/z Jahren in sechs Se­ minarblöcken von jeweils 2,5 Tagen Dauer in einer Kombination aus Vorlesun­ gen, Gruppenarbeit sowie individuellen Projekten grundlegendes betriebswirt­ schaftliches Wissen vermittelt wird189.

187

lüg

Zur den norwegischen Fördermaßnahmen vgl. insbes. De, D. u.a. (Gründungsförderung 1995), S. 68ff. Eine vergleichbare Einrichtung stellt das Bürgertelefon des BMWi dar. Vgl. COLLREP, F. VON (Handbuch 1998), S. 29. Vergleichbar hierzu ist bereits erwähnte Existenzgründungstraining ExTra der Universität Kaiserslautern.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

79

Zu den Real transfers zählen in erster Linie die Aktivitäten der 1969 gegründeten Staatlichen Förderungsgesellschaft für Erfinder (SVO), die im Rahmen einer Erfinderförderung neue technische Ideen und auf originären Geschäftsideen be­ ruhende Unternehmensgründungen unterstützt. Die SVO bietet insbesondere Beratungsleistungen an, finanzielle Zuschüsse werden nur eingeschränkt und insbesondere für Patentkosten (Anmeldungen, Schutz, etc.) sowie für die Ent­ wicklung von Prototypen und Modellen gewährt. Des weiteren vergibt die SVO dem Bereich der Finanztransfers zugehörige Erfinderstipendien, über die Perso­ nen mit vielversprechenden Ideen und Erfindungen mit bis zu 200.000 nKr pro Jahr für max. 2 Jahre gefördert werden können. Die Finanztransfers erfolgen hauptsächlich durch den norwegischen Industrieund Regionalentwicklungsfonds SND über die Gewährung von Krediten, Kredit­ garantien sowie verlorenen Zuschüssen. Letztere werden insbesondere zur Finan­ zierung der Vorgründungsphase (Seed-Phase) eines Unternehmens vor formaler und faktischer Aufnahme der Geschäftstätigkeit in einem Umfang von bis zu 200.000 nKr vergeben. Die als Ausfallgarantien konstruierten Kreditgarantien decken bis zu 75% der möglichen Kreditausfälle von Geschäftsbanken ab und können von Gründern bei unzureichenden eigenen Sicherheiten in Anspruch genommen werden. Kredite für Existenzgründer werden sowohl als nachrangige Darlehen als auch explizit als Risikokapitaldarlehen, z.T. auch ohne Sicherheiten vergeben und orientieren sich primär an den erwarteten Erträgen aus dem finan­ zierten Projekt.

Neben dem SND existieren kommunale Wirtschaftsfonds, die mit ihren finan­ ziellen Zuwendungen in Form von Zuschüssen sowie der Vergabe von Darlehen insbesondere Existenzgründungen fördern sowie die Erneuerung und Weiterent­ wicklung existierender Unternehmen unterstützen sollen.

Um Existenzgründungen aus der Arbeitslosigkeit zu fördern, besteht für arbeits­ lose Gründer, die innerhalb von 52 Wochen mit ihren Unternehmen scheitern, weiterhin das Recht auf den Bezug von Arbeitslosengeld wie vor der Gründung. Ebenfalls eine finanzielle Unterstützung stellen die vom Ministerium für Arbeit und regionale Entwicklung (Kommunal og arbeitsdepartementet, KAD) bewil­ ligten Gründerstipendien dar, die bis zu einer max. Höhe von 200.000 nKr ent­ weder in der Gründungsphase oder in der Frühentwicklungsphase beantragt wer­ den können, wobei die monatliche Zuwendung 10.000 nKr und die jährliche Zuwendung 100.000 nKr nicht übersteigen darf.

80

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

4.

Zusammenfassung der Ergebnisse

Bei einem zusammenfassenden Vergleich der betrachteten Länder wird deutlich, daß Realtransfers (vgl. Abb. 13) in erheblichem Umfang geleistet werden und sich das Angebot in erster Linie auf eine breite Palette an Beratungs- und Infor­ mationsdienstleistungen konzentriert. Des weiteren existieren dezentrale Institu­ tionen, die für die Bereitstellung von Informationen über die rechtlichen Rah­ menbedingungen und die Förderung einer Gründung verantwortlich sind. Zusätz­ lich ergeben sich infrastrukturelle Unterstützungen insbesondere in Form von Gewerbeparks oder Technologiezentren. Diese Formen der Gründungsunterstüt­ zung werden in jedem der betrachteten Länder in großem Maße geleistet, wobei sich die einzelnen Aktivitäten nur marginal voneinander unterscheiden. Demgegenüber gestalten sich die Finanztransfers (vgl. Abb. 14) wesentlich diffe­ renzierter, d.h. es existieren eine Vielzahl diverser staatlicher, regionaler sowie kommunaler Förderprogramme. Diese beinhalten neben einer Stärkung der Ei­ genkapitalausstattung über die Gewährung zins- und tilgungsgünstiger Darlehen auch eine Erleichterung bei der Erlangung von Fremdkapital. Einen besonderen Teilbereich der Finanztransfers stellen Steuererleichterungen resp. -befreiungen dar. Auf diesem Gebiet sind insbesondere in Frankreich und Groß­ britannien durch die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen Vorteile zu konstatieren, während in Deutschland und Norwegen keine speziellen direkten Unterstützungsmaßnahmen in Form steuerlicher Sonderbehandlungen vorzufin­ den sind.

In Deutschland existieren mit Investitionszulagen für neue, bewegliche Wirt­ schaftsgüter sowie der Möglichkeit von Sonderabschreibungen auf bestimmte Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zwar indirekte Steuererleichterungen190, allerdings könnte durch die Gewährung direkter Steuererleichterungen die finan­ zielle Situation der Gründer erheblich entlastet werden. Im Umkehrschluß könn­ ten sich dadurch gleichzeitig Einsparpotentiale im Bereich der öffentlichen För­ derprogramme ergeben bzw. würden sich bei gleichbleibendem Volumen der Programme eventuell höhere Unterstützungsbeträge pro Gründungsprojekt ein­ stellen.

190

Vgl. DETTMER, H./Hausmann, Th. (Finanzmanagement 1 1998), S. 240.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

Deutschland191 Beratungsund Informationseinrichtungen

- IHKn - Handwerks­ kammern - Seminare an Hochschulen

Angebot an insbesondere Gewerbeflä­ über regionale Gesellschaften193 chen und Technolo­ gieparks

Großbritannien 192

Frankreich’92 - ANCE - Handwerks­ kammern - Points Chance - Cellule d Information

-

TECs + LECs EAS + LETs MSC SBIC Business Links

über staatliche und regionale Gesellschaften

Norwegen -

81

192

TI VINN FR Gründertelefon Gründerschule

SIVA

Abb. 13: Vergleich der Realtransfers europäischer Staaten

Bezüglich der institutionellen Ausgestaltung der Gründungsförderung sind in den untersuchten Nationen keine nennenswerten Unterschiede zu erkennen. In sämtli­ chen betrachteten Ländern existieren vergleichbare staatliche Einrichtungen, die umfangreiche Beratungs- und Informationshilfen anbieten. In Deutschland über­ nehmen diese Aufgaben rund 9.000 hauptamtlich Beschäftigte im Bereich der Handwerkskammern, ca. 8.300 Mitarbeiter bei den Industrie- und Handelskam­ mern sowie ungefähr 5.500 Angestellte bei mittelstandsnahen Verbänden. Dar­ über hinaus engagieren sich Schätzungen zufolge vermutlich 250.000 ehrenamt­ lich tätige Personen in (privaten) Institutionen, die potentiellen Gründern spezifi­ sche Dienstleistungen bereitstellen194.

191

In der Übersicht kann aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Programme lediglich eine exem­ plarische Auswahl angegeben werden. Zur umfassenden Darstellung vgl. bspw. Winkler-Otto, A. (Finanzierungshilfen 1997). Eine ausführliche Beschreibung der Förderprogramme zur Un­ terstützung der Eigenkapitalbasis wird im 2. Teil, Abschnitt B.I.2. gegeben. 192 Zu den Abkürzungen der einzelnen Förderprogramme in Abbildung 13 und Abbildung 14 vgl. die Ausführungen zu den jeweiligen Ländern. 193 In Deutschland existieren ca. 180 Gründer- und Technologiezentren, die insgesamt ungefähr 4.000 Unternehmen mit etwa 35.000 Beschäftigten beherbergen. Vgl. Sobull, D. (Existenz­ gründung 1998), S. 15. 194 Vgl. FRICK, S. U. A. (Möglichkeiten 1998), S. 141 und 147.

82

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

Deutschland Förderung des Über­ gangs von der Arbeits­ losigkeit in die Selb­ ständigkeit Ansparför­ derung

Förderung der Eigen­ kapitalbasis

Förderung der Fremd­ kapitalauf­ nahme

Frankreich

Überbrückungs­ geld des Ar­ beitsamtes

ACCRE

Ansparförderung für die östlichen Bundesländer - ERP-EKHilfeprogramm - DtA-EKErgänzungsprogramm - DtA-Bürgschaften ggü. Kreditinstitu­ ten - ERP-Existenzgründungsprogramm - Technologie­ förderung

Livretd^pargne

Förderung technolo­ gieorien­ tierter Gründungen indirekte Maß­ Steuer­ nahmen begünsti­ gungen

Groß­ britannien

Norwegen

Weiterzahlung - EAS - Business Start­ des Arbeitslo­ sengeldes nach up Scheme Scheitern der (mittlerweile Gründung ausgelaufen)





Entreprise - FDIJ - Livret d'ßpargne Entreprise

EIS

CEPME

- LGS - BTG - NRDC

Aide ä 1'innovation

BTG

Befreiung von - Gemeinde-, - Gewerbe- und - Ertragsteuern

- Mehrwert­ steuer-Befrei­ ung -EIS

- Gründer­ stipendien - kommunale Wirtschafts­ fonds - SND - kommunale Wirtschafts­ fonds - SND

SVO

Abb. 14: Vergleich der Finanztransfers europäischer Staaten

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

83

C.

DIE GRÜNDUNGSFINANZIERUNG ALS ZENTRALES PROBLEMFELD

I.

Die besondere Stellung der Gründungsfinanzie­ rung und Grundsätze ihrer Ausgestaltung

1.

Die Relevanz der Gründungsfinanzierung

Trotz der in den vorangegangenen Abschnitten dargestellten Unterstützungs- und Fördermaßnahmen sind Existenzgründungen einer Vielzahl von Risiken ausge­ setzt. Von erheblicher Bedeutung sind hierbei die Finanzierung bzw. die aus einer unsachgemäßen Finanzierung resultierenden Probleme195, wie auch Abb. 15 nochmals verdeutlicht, in der die Insolvenzursachen deutscher Unternehmens­ gründungen aufgezeigt werden.

Abb. 15: Entscheidende Insolvenzursachen deutscher Existenzgründungen196

195 Die Finanzierung als Hauptproblem für Existenzgründungen wird in diversen empirischen Untersuchungen herausgestellt, so z.B. in der bereits erwähnten ifm-Studie von HUNSDIEK, D./May-Strobl, E. (Entwicklungslinien 1986) oder in einer Ifo-Erhebung von Meyerhöfer, W. (Hemmnisse 1982), S. 32f. 196 Die Ergebnisse basieren auf einer von der DtA zwischen 1979 und 1987 unter 1.598 mit dem Eigenkapitalhilfe-Programm der DtA geförderten Untemehmensgründem durchgeführten Befra­ gung, die ihr Unternehmen innerhalb dieses Zeitraumes wieder schließen mußten. Insgesamt wurden 771 der verschickten Fragebögen beantwortet und in die Untersuchung einbezogen (Mehrfachnennungen waren möglich). Vgl. DtA (Jahresbericht 1987), S. 25 und 32; BMWi (Workshop-Paket 1997), S. 6.

84

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

Die Bedeutung der Finanzierungsproblematik verdeutlichen ebenfalls die im vorangegangen Abschnitt dargestellten reichhaltigen Angebote unterschiedlicher europäischer Staaten im Bereich der Finanztransfers, die eine Stärkung der finan­ ziellen Ausstattung neugegründeter Unternehmen sowohl im Bereich der Eigen­ finanzierung als auch im Bereich der Fremdfinanzierung zum Ziel haben. Durch die Finanztransfers soll insbesondere das finanzielle Gleichgewicht der gegrün­ deten Unternehmen gesichert werden. Das finanzielle Gleichgewicht einer Unter­ nehmung umfaßt dabei mit der dispositiven Liquidität, der strukturellen Liquidi­ tät sowie der Rentabilität insgesamt drei Komponenten (vgl. Abb. 16), wobei in erster Linie die beiden erstgenannten Aspekte der Liquiditätserhaltung als Dauer­ aufgabe und absoluten Nebenbedingung für die Sicherung der Existenz der Un­ ternehmensgründungen Relevanz besitzen.

Finanzielles Gleichgewicht

I

dispositive Liquidität

strukturelle Liquidität

Sicherung derjederzeitigen Zahlungsfähigkeit

Sicherung der gleichgewichtigen Kapitalstruktur


Rentabilität Sicherung der hinreichenden Ertragskraft

Abb. 16: Komponenten des finanziellen Gleichgewichts197

Im weiteren Verlauf der Ausführungen bezeichnet Liquidität die Fähigkeit eines Unternehmens, die zu einem Zeitpunkt fälligen Zahlungsverpflichtungen unein­ geschränkt erfüllen zu können. Liquidität umfaßt somit sowohl den reinen Zah­ lungsmittelbestand als Begriff für die Verfügbarkeit von Geld, als auch die Ei­ genschaft von Vermögensgegenständen, in Geld umgewandelt werden zu kön­ nen198. Die Rentabilität mit dem Ziel, eine hinreichende Ertragskraft zu sichern, ist zumindest in der Seed- und in der Start-up-Phase einer Existenzgründung eher

197 In Anlehnung an Perridon, L./STEINER, M. (Finanzwirtschaft 1997), S. 529. 198 Vgl. ODENWALD, G. (Liquiditätsplanung 1995), S. 815; WITTE, E. (Liquidität 1995), S. 1381 f.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

85

von untergeordneter Bedeutung, muß allerdings in der First-Stage-Phase berück­ sichtigt werden.

Um das finanzielle Gleichgewicht des Gründungsvorhabens zu gewährleisten, wurden in der Gründungslehre unterschiedliche Finanzierungsgrundsätze erstellt, bei denen es sich um Erfahrungen aus der Praxis handelt und die sowohl für neugegründete als auch für bereits etablierte Unternehmen Gültigkeit besitzen. Eine strikte Orientierung an den Grundsätzen führt zwar nicht automatisch zur Beseitigung sämtlicher mit der Finanzierung verbundener Probleme, kann jedoch gewisse Gefahrenpotentiale verhindern. Auch Kapitalgeber fordern bzw. beach­ ten oftmals die Einhaltung der Finanzierungsregeln, so daß es vor diesem Hinter­ grund für die Gründungsunternehmen von besonderer Bedeutung resp. von Vor­ teil sein kann, sich den Regeln anzupassen199. Auf die wesentlichen Finanzie­ rungsregeln soll daher in den nächsten Abschnitten vertiefend und problemorien­ tiert eingegangen werden.

2.

Die Fristenkongruenz von Finanzierungsmitteln und Finanzierungsobjekten

Ein wichtiger horizontaler200 Finanzierungsgrundsatz ist die sog. goldene Finan­ zierungsregel201, die eine strukturelle Liquidität, d.h. die Sicherung der gleichge­ wichtigen Kapitalstruktur in Form der gleichartigen und ausgewogenen Kapital­ bindung, fordert Hierunter ist zu verstehen, daß langfristiges Betriebsvermögen in Form von Anlagevermögen und dem dauernd gebundenden Umlaufvermögen, z.B. Kundenforderungen oder Warenbestände, ebenfalls durch entsprechend langfristiges Kapital zu finanzieren ist. Der langfristige Charakter der Finanzie­ rungsmittel wird hierbei durch Eigenkapital oder langfristiges Fremdkapital, d.h. Fremdkapital mit einer Laufzeit von mehr als 4 Jahren, sichergestellt. Dement­ sprechend sollte kurzfristig gebundenes Vermögen mit kurzfristigem Kapital finanziert werden. Die auch als Grundsatz der Fristenkongruenz bezeichnete Regel fordert somit, daß Kapitalüberlassungs- und Kapitalbindungsdauer über­ einstimmen sollen.

199 Vgl. Swoboda, P. (Finanzierungsregeln 1995), S. 691. 200 Horizontale Strukturregeln beziehen sich auf das Verhältnis zwischen Finanzierungsmitteln (Finanzierung) und Finanzierungsobjekten (Investitionen) bzw. auf das Verhältnis zwischen Vermögens- und Kapitalpositionen. 201 Synonym werden auch die Begriffe klassische Finanzierungsregel oder goldene Bilanzregel verwendet.

86

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

Kapital soll demnach zeitlich nicht länger in Vermögensteilen gebunden werden, als die jeweilige Kapitalüberlassungsdauer beträgt202. Vorrangiges Ziel ist es dabei, ungleichgewichtige Finanzierungsmaßnahmen, die zu Liquiditätsengpäs­ sen führen können, zu vermeiden. Ebenfalls verhindert werden sollen Probleme mit der Anschlußfinanzierung oder ungeplant steigende Finanzierungskosten, die zu einer Beeinträchtigung der Rentabilität führen203. Da die Forderung nach fri­ stenkongruenter Finanzierung für jedes Vermögensteil erfüllt sein sollte, ergibt sich ein Zurechnungsproblem der einzelnen finanziellen Mittel zu den einzelnen Aktiva, denn es wird davon ausgegangen, daß zum einen die Einteilung der Vermögensgegenstände in Anlage- und Umlauf­ vermögen mit langfristiger bzw. kurzfristiger Kapitalbindung identisch ist und • zum anderen die Positionen der Passivseite den Vermögenspositionen der Aktivseite fristenkongruent zugeordnet werden können. •

Das Problem hierbei besteht in erster Linie darin, daß aus der Bilanz weder die aktivischen Liquidationsprozesse noch die effektiven passivischen Fristigkeiten präzise ersichtlich sind204. Insbesondere der letztgenannte Punkt beinhaltet zudem die Möglichkeit der Kündigung von langfristigem Kapital resp. eventuelle Pro­ longations- oder Substitutionszusagen bei kurzfristigen Verbindlichkeiten205 und ist somit für Existenzgründungen von besonderer Bedeutung.

Als weiterer Kritikpunkt gegen die goldene Finanzregel wird ihre Bilanzorientie­ rung angeführt. Da die Bilanz regelmäßig nur einen - oftmals unbedeutenden Teil zukünftiger Einnahmen und Ausgaben enthält und lediglich Stichtagsbestän­ de an Vermögen und Kapital ausweist, können nur die aus diesen Beständen resultierenden Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt werden. Alle übrigen Zahlungseingänge und -ausgänge der näheren Zukunft bleiben unberücksichtigt, außerdem werden keine hinreichenden Angaben über den zeitlichen Anfall dieser Zahlungsmittelbewegungen gemacht206.

202

203 204 205

206

Die Aussage der goldenen Finanzregel entspricht dem Inhalt der goldenen Bankregel des Bank­ wesens. Diese älteste bankbetriebliche Dispositionsnorm geht auf Otto Hübner zurück, der be­ reits 1854 folgende Empfehlung für das Bankgewerbe aussprach: Der Credit, welchen eine Bank geben kann, ohne Gefahr zu laufen, ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllen zu können, muß nicht nur im Betrage, sondern auch in der Qualität dem Credite entsprechen, welchen sie ge­ nießt. Vgl. Schierenbeck, H./HOlscher, R. (BankAssurance 1998), S. 170. Vgl. PERRIDON, L./STEINER, M. (Finanzwirtschaft 1997), S. 7. Vgl. Schierenbeck, H. (Grundzüge 1998), S. 606. Als Beispiel für die mangelnde Definierbarkeit der Fristigkeit kann ein Zehn-Jahres-Kredit mit jährlicher Kündigungsoption durch den Gläubiger angeführt werden. Hierbei stellt sich die Fra­ ge, ob ein solches Kreditkonstrukt langfristigen oder kurzfristigen Charakter besitzt. Vgl. Swoboda, P. (Finanzierungsregeln 1995), S. 694. Vgl. HÄRLE, D. (Finanzierungsregeln 1976), S. 487.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

87

Trotz der genannten theoretischen Einwände ist eine Orientierung an der golde­ nen Finanzregel vor allem in Planungsphasen notwendig, um Ungleichgewichte strukturellen Liquidität zu vermeiden. Für Existenzgründungen gilt dies insbe­ sondere in der Seed-Phase sowie in der Start-up-Phase, da in diesen Abschnitten des Gründungsprozesses zumindest die Zurechenbarkeitsproblematik zwischen Vermögen und Kapital noch keinen zu großen Stellenwert besitzt. In der FirstStage-Phase hingegen gilt eher die Auffassung der totalen Finanzierung, d.h. die Aktiva sollten durch die gesamten Passiva refinanziert sein. Eine spezielle Zu­ ordnung kann dann nicht mehr erfolgen. Die Anwendbarkeit der goldenen Finanzierungsregel in der (Gründungs-)Praxis kann dabei anhand der beiden folgenden Faustregeln umgesetzt werden207: langfristiges Vermögen Eigenkapital + langfristiges Fremdkapital

kurzfristiges Kapital

Wird in der ersten Formel lediglich das Verhältnis von Eigenkapital zu Anlage­ vermögen berücksichtigt, entsteht das sog. Investitionsverhältnis, das im Idealfall einen Wert von größer 1 aufweisen sollte208. Wird jedoch nur ein Teil des Anla­ gevermögens durch Eigenkapital gedeckt, so sollte der Rest durch langfristiges Fremdkapital finanziert werden. Dieses Verhältnis wird alternativ als silberne Finanzierungsregel bezeichnet209.

Die goldene Finanzierungsregel hat zwar auch für bereits bestehende Unterneh­ men in gewissen Maßen Gültigkeit, ist allerdings für Gründungsunternehmen von besonderer Bedeutung. Sie stellt eine Anforderung dar, die dem betreffenden Unternehmen eine Stabilität in der Finanzstruktur sichern soll, um das Scheitern des Gründungsunternehmens im Falle - oft unvermeidbarer - „Schieflagen“ zu verhindern. Ein solches Scheitern kann eintreten, wenn Gegenstände des langfri­

207 Vgl. PERRIDON, L./Steiner, M. (Finanzwirtschaft 1997), S. 538f. Für die Fristigkeitskategonen soll dabei gelten, daß langfristige Vermögens- bzw. Kapitalpositionen eine Bindungsdauer resp. Laufzeit von mehr als 4 Jahren, kurzfristige hingegen von weniger als einem Jahr aufweisen. Vgl. Schierenbeck, H./Hölscher, R. (BankAssurance 1998), S. 361. 208 Vgl. Dettmer, H./Hausmann, Th. (Finanzmanagement 1 1998), S. 51. 209 Vgl. Kirschbaum, G./Naujoks, G. (Selbständigkeit 1996), S. 133; DIHT (Planungshilfe 1983), S. 20.

88

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

stigen Betriebsvermögens kurzfristig finanziert werden und dementsprechend auch die Gefahr eines vorzeitigen Abrufs der Finanzmittel besteht bzw. keine neuen Kapitalgeber verfügbar sind. Bedingt durch den Entwicklungsstand kön­ nen bei Gründungsunternehmen unvorhergesehene Situationen auftreten, die die noch eher geringe Vertrauensbasis zwischen Kapitalgeber und Existenzgründer belasten. Der Kapitalgeber kann bei auftretenden Problemsituationen seine Fi­ nanzmittel zurückziehen, wenn diese nicht langfristig gebunden sind resp. ent­ sprechende Kündigungsoptionen enthalten. Dieser Tatbestand wird insbesondere dann eintreten, je geringer das Vertrauensverhältnis zwischen Gründer und Ka­ pitalgeber ist, d.h. insbesondere in den frühen Phasen der Existenzgründung210.

3.

Die besondere Bedeutung der Liquiditätssicherung

Im gesamten Existenzgründungsprozeß ist die dispositive Liquiditätssicherung im Gründungsunternehmen von herausragender Bedeutung. Hierunter ist die Siche­ rung der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit über die Bildung und Erhaltung einer Liquiditätsreserve beispielsweise in Form von Zahlungsmitteln, Bankguthaben oder kurzfristig verlustfrei abrufbaren und liquidierbaren Vermögenspositionen, die nicht wesentlich für die Produktion sind211, zu verstehen. Selbst eine nur vor­ übergehende Verletzung dieses Gebotes kann für Gründungsunternehmen die Liquidation bedeuten212, da Existenzgründungen unter liquiditätstechnischen Gesichtspunkten anfälliger sind als etablierte Unternehmen. Die Liquiditätssiche­ rung wird ebenfalls durch das bereits angesprochene Vertrauensverhältnis zwi­ schen Kapitalgeber und Entrepreneur determiniert, denn der Gründer kann keine Daten aus der Vergangenheit vorweisen, die ein Vertrauen des Kapitalgebers in zukünftige Entwicklungen rechtfertigen würden213. Insbesondere in der First-Stage-Phase befindet sich das Gründungsunternehmen in einer intensiven Lernphase, in der Fehler mit liquiditätsbelastender Wirkung kaum vermeidbar sind. Um solche Unwägbarkeiten erfolgreich abwehren zu können, ist es erforderlich, bereits frühzeitig eine bestimmte Liquiditätsreserve aufzubauen, die die Aufrechterhaltung der Zahlungsbereitschaft garantiert. Traditionell wird die Forderung nach einer ausreichenden Liquidität über sog. Liquiditätsgrundsätze verifiziert. Diese Postulate besitzen ebenso wie die bereits dargestellte goldene Finanzierungsregel sowohl für Unternehmensgründungen als auch für bereits etablierte Unternehmen Gültigkeit und können bei Befolgung 910

Vgl. NATHUSIUS, K. (Gründungsfinanzierung 1990), S. 157. 211 Vgl. PERRIDON, L./STEINER, M. (Finanzwirtschaft 1997), S. 7. 21 Vgl. SZYPERSKI, N. (Betriebswirtschaftliche 1980), S. 320. 213 Vgl. Nathusius, K. (Gründungsfinanzierung 1990), S. 158

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

89

einen entsprechenden Signalcharakter beinhalten bzw. als Indikatoren für Liqui­ ditätsengpässe dienen. Bei den auch als kurzfristige Deckungsgrade bezeichneten Liquiditätsregeln handelt es sich um Verhältniszahlen, die sich in der Einbezie­ hung von Vermögenspositionen unterschiedlicher Liquidierbarkeit unterscheiden und wie folgt definiert werden können214:

LlwldiU.1.Grades =-------------------------------------m [%) kurzfristige Verbindlichkeiten r. , monetäres Umlaufvermögen Liquidität 2. Grades=---------------------- -------- ------ iQO [%] kurzfristige Verbindlichkeiten

Tj (kurzfristiges)Umlaufvermögen ... r„i Liquidität 3. Grades=----- --------------------------- - —100 [%] kurzfristige Verbindlichkeiten

Die in den Formeln verwendeten Einzelgrößen setzen sich dabei aus folgenden Bestandteilen zusammen:

• Zahlungsmittel

=

Kasse + Bank- und Postscheckguthaben



monetäres Umlaufvermögen

=

Umlaufvermögen - Vorräte und sonstige Vermögens­ gegenstände



kurzfristiges Umlaufvermögen =

Umlaufvermögen - Teile, die nicht innerhalb eines Jahres liquidiert werden können - Vorräte, die durch Kundenanzah­ lungen gedeckt sind

Während die Liquidität 1. Grades aussagt, inwieweit über die Zahlungsmittel eine Begleichung der kurzfristigen Verbindlichkeiten möglich ist, zeigt die Liquidität 2. Grades an, in welcher Höhe sich unter zusätzlicher Berücksichtigung der Forderungen die kurzfristigen Verbindlichkeiten decken lassen215. Die Liquidität 1. Grades wird häufig auch als Kassa- oder Barliquidität bzw. als absolute liquidity ratio bezeichnet, für die Liquidität 2. Grades finden sich synonym die

214 Vgl. Perridon, L./Steiner, M. (Finanzwirtschaft 1997), S. 541. 215 Vgl. Dettmer, H./Hausmann, Th. (Finanzmanagement 1 1998), S. 52.

90

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

Begriffe net quick ratio bzw. acid test. Für die Liquidität 3. Grades existieren alternativ die Ausdrücke current ratio oder banker's rule. Je höher die einzelnen Liquiditätsgrade ausfallen, um so besser gestaltet sich die Liquiditätssituation des gegründeten Unternehmens. Gleichzeitig muß jedoch beachtet werden, daß sich eine unnötig hohe bzw. überdimensionierte Liquidität i.d.R. zu Lasten der Rentabilität auswirkt. Da Gründungsunternehmen im Unterschied zu etablierten Betrieben allerdings selbst bei kurzfristigen Liquiditätseng-pässen nicht unbedingt auf ausgleichende Bankkredite zurückgreifen können, sollte bei neugegründeten Unternehmen auch die Liquidität 1. Grades in entsprechendem Ausmaße dimensioniert sein, wohingegen bereits etablierte Unternehmen in der Praxis eine eher geringe absolute liquidity ratio aufweisen. Während aufgrund ständig wechselnder Zahlungsverpflichtungen für diesen Liquiditätsgrad keine konkreten Größen fixiert werden können, wird die Liquidität 2. Grades mit einer Größe von 100% und die Liquidität 3. Grades mit einem Wert von 200% quantifiziert216. Entsprechend beziffert die anglo-amerikanische Literatur die net quick ratio mit der sog. one-to-one rate (l:l-Verhältnis = Liquidität 2. Grades von 100%) und die current ratio mit der two-to-one rate (2:1-Verhältnis = Liquidität 3. Grades von 200%)217.

Die Notwendigkeit der Orientierung an den Liquiditätsregeln bzw. die Befolgung der Grundsätze mit den jeweiligen (Mindest-)Richtgrößen wird insbesondere durch zwei gründungsspezifische Charakteristika bekräftigt, die tendenziell zu Abweichungen bzw. zu zusätzlichen Liquiditätsbelastungen führen können218: 1. Die tatsächlichen Kosten und die gründungsspezifischen Ausgaben überstei­ gen häufig die in der Gründungsplanung angesetzten Größen, so daß zusätzli­ che finanzielle Belastungen auftreten. 2. Die tatsächlichen Umsätze und insbesondere die Zahlungseingänge sind häu­ fig geringer, als in den Gründungsplänen veranschlagt. Die Tendenz zu diesen Ausgabenüber- resp. Einzahlungsunterschreitungen ver­ deutlicht die Notwendigkeit einer ausreichenden Liquiditätsreserve, wodurch der Einsatz der angesprochenen Liquiditätsgrundsätze als Planungsinstrumente Hilfe­ stellungen bieten kann.

Vgl. Swoboda, P. (Finanzierungsregeln 1995), S. 693; PERRIDON, L./STEINER, M. (Finanzwirt­ schaft 1997), S. 542. 217 Vgl. Bogen, J.I./Shipman, S.S. (Financial 1964); GALLINGER, G.W./Healey, P.B. (Liquidity 1991) zitiert in SWOBODA, P. (Finanzierungsregeln 1995), S. 693. Vgl. Nathusius, K. (Gründungsfinanzierung 1990), S. 158.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

4.

91

Sonstige gründungsspezifische Finanzierungsregeln

Neben den angesprochenen Liquiditätsgrundsätzen und der goldenen Finanzregel als horizontalem Finanzierungsgrundsatz existieren weiterhin vertikale Finanzie­ rungsregeln. Diese beziehen sich auf das Verhältnis von Kapitalarten ohne expli­ zite Berücksichtigung der Vermögensstruktur. Zu den auch als Kapitalstrukturregeln bezeichneten Grundsätzen zählen insbesondere Postulate über die Relation zwischen Eigen- und Fremdkapital219. Dabei wird der Anteil des Eigenkapitals am Gesamtkapital einer Existenzgründung mit einer Mindestgröße von 20-30% beziffert220, wobei die Höhe über die an späterer Stelle ausführlich behandelte Relevanz der Eigenmittel sowie die spezifischen Eigenkapitalfunktionen begrün­ det werden kann221. Dieses Verhältnis darf allerdings nicht als fixe Größe ver­ standen werden, sondern sollte sich am Branchendurchschnitt orientieren und Branchenspezifika berücksichtigen222. Um einen ausreichenden Anteil an Eigen­ kapital in das zu gründende Unternehmen einbringen zu können, stehen dem Entrepreneur unterschiedliche Varianten der Eigenmittelbeschaffung zur Verfü­ gung. Allerdings zeichnen sich sämtliche Kapitalbeschaffungsmaßnahmen durch spezifische Problemkomponenten aus bzw. werden durch vorhandene Rahmen­ bedingungen in ihrer Effektivität z.T. negativ beeinflußt. Auf diese Beschaf­ fungsaktivitäten und die damit verbundenen Problemfelder wird im zweiten und dritten Teil dieser Arbeit ausführlicher eingegangen, so daß an dieser Stelle auf weiterführende Ausführungen verzichtet werden soll. Einen weiteren wichtigen Grundsatz der Gründungsfinanzierung stellt die Forde­ rung dar, daß neben dem Anlagevermögen auch das Umlaufvermögen mit dem Betriebsmittelbedarf in der Finanzplanung berücksichtigt werden muß, wobei auftretende Anfangsverluste möglichst genau einzukalkulieren sind. Diese An­ laufverluste stellen eine völlig normale Erscheinung für Gründungsunternehmen dar und sind kein Indiz für die Tragfähigkeit der Gründungskonzeption oder die weitere Unternehmensentwicklung, denn das gegründete Unternehmen muß sich vor Eintritt in die Gewinnzone zunächst am Markt etablieren223. 219 Vgl. Müller-Stewens, G./Roventa, G./Bohnenkamp, G. (Wachstumsfinanzierung 1996), S. 6. Diese Quantifizierung findet sich z.B. bei BMWi (Starthilfe 1997), S. 55; Deitmer, H. u.a. (Finanzmanagement II 1997), S. 147; BÜCHNER, H./KÄSTNER, G. (Franchising 1995, S. 70); BRANDMANN, P. (Finanzierung 1993), S. 21; NATHUSIUS, K. (Griindungsfinanzierung 1990), S. 155; O.V. (Gründer 1986), S. 7; DIHT (Planungshilfe 1983), S. 20; OLBERT, G. (Kreditbeurtei­ lung 1979), S. 268. 221 Zu Relevanz des Eigenkapitals sowie den spezifischen Funktionen vgl. die Ausführungen im 2. Teil, Abschnitt A dieser Arbeit. 222 Vgl. DETTMER, H./Hausmann, Th. (Finanzmanagement 1 1998), S. 49. 223 Vgl. NATHUSIUS, K. (Gründungsfinanzierung 1990), S. 157.

92

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

Um einerseits sämtliche Bestandteile des Anlage- und Umlaufvermögens zu berücksichtigen, andererseits aber auch die angesprochenen Finanzierungsgrund­ sätze erfüllen zu können, ist eine der wesentlichen Aufgaben der Gründungspla­ nung die detaillierte Finanzplanung, deren wesentliche Inhalte im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen stehen.

II.

Finanzplanung als Instrument zur Sicherung der Liquidität und Ermittlung des Kapitalbe­ darfs

Wie bereits mehrfach angedeutet, scheitern die meisten Unternehmensgründun­ gen an einer zu geringen Eigenkapitalbasis oder an einer unzureichenden Unter­ nehmensfinanzierung. Empirische Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, daß Insolvenzen in der Gründungsphase durch eine solide Gründungsfinanzierung weitestgehend hätten vermieden werden können224. Somit ist der wirtschaftliche Erfolg einer Existenzgründung entscheidend vom effektiven Mitteleinsatz wäh­ rend des gesamten Gründungsprozesses abhängig. Bevor jedoch nach geeigneten Finanzierungsquellen gesucht werden kann, ist im Rahmen der Finanzplanung einerseits die Erhaltung der Liquidität sicherzustellen und andererseits der ge­ naue Kapitalbedarf225 für das Gründungsvorhaben und für den laufenden Ge­ schäftsbetrieb zu ermitteln.

1.

Aufgaben und Ziele der Finanzplanung

Unter Planung ist zunächst ganz allgemein die gedankliche Vorwegnahme zu­ künftigen Handelns durch Abwägen verschiedener Handlungsalternativen und aktives Gestalten der zukünftigen Ereignisse und Zustände zu verstehen. Ziel der Planung ist es somit, die grundsätzlichen Unsicherheiten bei jeder Unternehmen­ stätigkeit zu verringern. Hierzu beinhaltet die Finanzplanung zunächst die zu­ kunftsorientierte Erfassung, Disposition und Kontrolle aller kurzfristig zu erwar­ tenden Zahlungsströme. Darüber hinaus hat eine mittel- bis langfristige Abstim­ mung von Kapitalbedarf und Kapitaldeckungsmöglichkeiten zur optimalen Errei­ chung der Unternehmensziele zu erfolgen226. Um diesen beiden Zielen gerecht zu

224 Vgl. Dieterle, W./Winckler, E. (Gründungsplanung 1995), S. VI. 225 Während der Gründungsphase entspricht der Kapitalbedarf ausschließlich den mit dem Grün­ dungsvorhaben verbundenen Auszahlungen. Vgl. JAHRMANN, F.-U. (Finanzierung 1996), S. 31. 226 Vgl. Jahrmann, F.-U. (Finanzierung 1996), S. 413.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

93

werden, müssen bei der Finanzplanung mehrere Grundsätze erfüllt sein, wobei insbesondere



die Systematik (Berücksichtigung wechselseitiger Abhängigkeiten der Teilpläne), • die Vollständigkeit (lückenlose Erfassung sämtlicher Zahlungsströme), • die Zeitpunktgenauigkeit (fehlerfreie und zeitpunktgetreue Erfassung der Zahlungen), • die Betragsgenauigkeit (Ansatz realistischer Beträge für die Zahlungsströme), • der Bruttoausweis (keine Saldierung der finanziellen Transaktionen) sowie • die Klarheit (übersichtliche Gliederung des Finanzplans) berücksichtigt werden müssen227.

Die gesamte Finanzplanung stellt dabei einen komplexen Prozeß dar, in dem die einzelnen Teilschritte des gesamten Ablaufschemas durch unterschiedliche interdependente Einzelaktivitäten gekennzeichnet sind228. Den kompletten Finanzplanungsprozeß mit seinen wesentlichen Aktivitäten innerhalb der einzelnen Prozeßteilschritte stellt Abb. 17 graphisch dar.



Im Anschluß an eine Zielformulierung und eine Prioritätenfestlegung erfolgt im Rahmen der Finanzprognose die umfassende Sammlung sämtlicher Informationen aus Teilplänen betrieblicher Funktionsbereiche, insbesondere Absatz und Produktion, die auf die finanzielle Zukunft des Grün­ dungsunternehmens schließen lassen. Mittels eines Prognoseverfahrens werden diese Informationen anschließend in Finanzgrößen transformiert, die erwartenen Zahlungsströme ermittelt und in einem sog. Finanzvorplan verdichtet. Dieser stellt zeitlich gegliedert die erwarteten Ein- und Auszahlungen in tabellarischer Form einander gegenüber. Als Prognose­ techniken können subjektive Verfahren (z.B. heuristische Verfahren229),

227 Vgl. Macharzina, K. (Finanzplanung 1994), S. 218f.; PERRIDON, L./STEINER, M. (Finanzwirtschaft 1998), S. 604. 228 Zur Beschreibung der im folgenden dargestellten einzelnen Teilphasen des Finanzplanungspro­ zesses vgl. insbesondere KüßMAUL, H. (Betriebswirtschaftslehre 1998), S. 175; PERRIDON, L./Steiner, M. (Finanzwirtschaft 1998), S. 607; JAHRMANN, F.-U. (Finanzierung 1996), S. 413; Macharzina, K. (Finanzplanung 1994), S. 219f. 229 Bei den heuristischen Verfahren ergeben sich die Werte der Finanzplanung aus dem Erfah­ rungsschatz des Unternehmers bzw. im Gründungsfalle aus den Erfahrungen externer Stellen (Durchschnittswerte, Betriebsvergleiche), aus vielfältigen Rahmenbedingungen (Marktsituation, Marktwachstum) sowie den unternehmerischen Zielvorstellungen. Vgl. KUßMAUL, H. (Be­ triebswirtschaftslehre 1998), S. 179.

94

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

extrapolierende Verfahren (z.B. Mittelwertverfahren230) sowie kausale Verfahren (z.B. lineare Regressionsananlyse 231) zum Einsatz kommen. Die Finanzprognose bildet den eigentlich schwierigsten Bereich der Finanz­ planung, da einerseits eine geistige Auseinandersetzung mit der Zukunft und andererseits eine Berücksichtigung wechselseitiger Abhängigkeiten und Pla­ nungsinterdependenzen zu erfolgen hat. • Im Rahmen der Alternativenplanung werden sämtliche Möglichkeiten der Finanzmittelbeschaffung und der Finanzmittelanlage unter zielgerichteter Einbeziehung möglicher Anpassungsmaßnahmen (Planausgleich) bei Un­ gleichgewichten oder Fehlentwicklungen optimiert. Hierzu gehören insbe­ sondere die an späterer Stelle ausführlicher beschriebenen finanzwirtschaft­ lichen Anpassungsmaßnahmen. • In der sich anschließenden Phase der Planfeststellung erfolgt die Ent­ scheidung für eine der ermittelten Alternativen unter Berücksichtigung der Unsicherheit der Erwartungen sowie die Erstellung und Verabschiedung des Finanzplans. Dieser dokumentiert neben den entscheidungsunabhängigen Zahlungsströmen somit auch die optimierten entscheidungsabhängigen Zahlungsströme und die zugehörigen Maßnahmen. • Mit der Ermittlung der Abweichungen sowie einer Ursachenanalyse (Plankontrolle) und der Anpassung der Planung an veränderte Situationen nach Ablauf einer Teilperiode (Planrevision) endet der Planungsprozeß. Dabei kommt insbesondere der Plankontrolle eine erhebliche Bedeutung für die Effektivität der gesamten Finanzplanung zu, da in dieser Phase der gesamte Finanzplan ständig und kritisch überwacht wird. Die Ermittlung der Planabweichungen, die in Form vom Mengen-, Preis- oder Zeitabweichungen auftreten können, und die Analyse der Abweichungsursachen erfordern dabei im Rahmen einer rollierenden Planung laufende Anpassungsmaßnahmen, die sich in einer kontinuierlichen Modifikation der vorangegangenen Teilschritte des Prozesses niederschlagen.

230

Beim Mittelwertverfahren werden mehrere Vergangenheitswerte einer Prognosegröße zusam­ mengefaßt und in Abhängigkeit von der Zeitnähe gewichtet. Vgl. JAHRMANN, F.-U. (Finanzie­ rung 1996), S. 435. *1 Bei der Regressionsanalyse wird unter Annahme einer eindeutigen Ursache-WirkungsBeziehung zwischen zwei Größen die zukünftige Entwicklung einer Größe aus dem Verlauf der anderen Größe abgeleitet. Vgl. Jahrmann, F.-U. (Finanzierung 1996), S. 437.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

95

Abb. 17: Prozeß der Finanzplanung

Die gesamte Finanzplanung kann anhand unterschiedlicher Kriterien differenziert werden, wobei als Unterscheidungsmerkmale die Häufigkeit der Planerstellung (laufend oder einmalig), die Zielgruppenorientierung (offiziell oder inoffiziell), die Planungsebene (operativ oder strategisch) sowie die Fristigkeit (kurzfristig oder mittel- und langfristig) herangezogen werden können232. Abb. 18 stellt die Differenzierung der Finanzplanung graphisch dar und zeigt beispielhaft verschie­ dene Aspekte, die die Relevanz der Finanzplanung für das Existenzgründungs­ vorhaben hervorheben. Dabei wird deutlich, daß die Finanzplanung sowohl in den einzelnen Phasen des Gründungsprozesses, aber auch für die in das Grün­ dungsvorhaben involvierten Kapitalgeber von Bedeutung ist.

232

Vgl. Macharzina, K. (Finanzplanung 1994), S. 219.

96

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

Phase

Phase

Abb. 18: Arten der Finanzplanung und ihre Relevanz für Existenzgründungen

Hinsichtlich der Erfüllung der angesprochenen Finanzierungsgrundsätze ist die Finanzplanung in Abhängigkeit ihrer Fristigkeit insbesondere in •



eine kurzfristige Finanzpianung (Liquiditätsplanung) mit der Abstimmung der zu erwartenden Ein- und Auszahlungen und dem Ziel der Erhaltung der Li­ quidität und eine mittel- und langfristige Finanzplanung (Kapitalbedarfsplanung), die zur optimalen Erreichung der Unternehmensziele, z.B. der Erzielung einer mög­ lichst hohen Rentabilität im Sinne einer möglichst hohen Verzinsung des ein­ gesetzten Kapitals oder der Gewährleistung der Unabhängigkeit des Unter­ nehmens im Sinne der Erhaltung von Dispositionsfreiheit und Flexibilität, ei­ ne Abstimmung von Kapitalbedarf und Finanzierungsmöglichkeiten vor­ nimmt,

zu unterscheiden233. Die kurzfristige Finanzplanung stellt somit auf die Einhal­ tung der dispositiven Liquidität als Ergebnis der Liquiditätsgrundsätze ab, wäh­ rend die mittel- und langfristige Finanzplanung die strukturelle Liquidiät über die Einhaltung der goldenen Finanzregel sowie die Kapitalstrukturregeln themati­ siert. Die wesentlichen Besonderheiten der Finanzplanung, ihre Relevanz für Existenzgründungen sowie die zum Einsatz kommenden Planungsinstrumente stehen im Mittelpunkt der folgenden Abschnitte.

233

Vgl. KUßMAUL, H. (Betriebswirtschaftslehre 1998), S. 175.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

2.

97

Kurzfristige Finanzplanung zur Sicherung der dispositi­ ven Liquidität

Die kurzfristige Finanzplanung als weitestgehend passiv anpassend vollzogene Detailplanung soll für kurze Teilperioden eine Vorschau über die zukünftige Zahlungsbereitschaft des Unternehmens geben. Dadurch soll einerseits die Liqui­ ditätssicherung des Gründungsunternehmens erreicht werden. Andererseits sollen Potentiale für etwaige Anpassungsmaßnahmen bei Zahlungs- oder Finanzdiffe­ renzen, die zu einem finanziellen Engpaß oder Überschuß führen, frühzeitig aufgezeigt werden234. Bei Existenzgründungen, die eine kurzfristige Finanzpla­ nung in sämtlichen Phasen des Existenzgründungsprozesses gewissenhaft und detailliert durchführen sollten, werden solche Ungleichgewichte in erster Linie in einer finanziellen Unterdeckung liegen, so daß aus der kurzfristigen Planung insbesondere Maßnahmen zur Gewährleistung der Liquidität abgeleitet werden können235. Solche Anpassungsmaßnahmen können zum einen im finanzwirtschaftlichen und zum anderen im güterwirtschaftlichen Bereich durchgeführt werden236. Zu den güterwirtschaftlichen Anpassungsmaßnahmen zählen in erster Linie die Verzöge­ rung umsatzbedingter Auszahlungen, der Verzicht auf Ersatz- oder Erweite­ rungsinvestitionen sowie die Verkürzung der Kapitalbindungsdauer bspw. durch eine Reduzierung der Lagerbestände. Finanzwirtschaftliche Anpassungsmaßnah­ men beinhalten in erster Linie die Prolongation oder die Substitution von Kredi­ ten, die Neuaufnahme von Krediten oder die Eigenkapitalerhöhung durch neue Bareinlagen. In Abhängigkeit der Zurechnung der durchgeführten Anpassungs­ maßnahmen zu den jeweiligen Bilanzpositionen finden sich vereinzelt auch die Ausdrücke aktivische Finanzierung (güterwirtschaftlicher Bereich), bei der Ver­ mögenspositionen der Aktivseite der Bilanz liquidiert bzw. schneller umgeschla­ gen werden, sowie passivische Finanzierung (finanzwirtschaftlicher Bereich)237.

Entsprechend den bei einer Unterdeckung der Liquiditätssituation durchgeführten Anpassungmaßnahmen mit dem Ziel der Mobilisierung kurzfristiger Liquiditäts­ reserven können auch im Falle der Überdeckung korrespondierende Aktivitäten eingeleitet werden. Hierdurch sollen vorübergehende Kapitalanlagemöglichkeiten aufzeigen werden. Allerdings wird dieser Tatbestand bei einer Existenzgründung

234 Vgl. LANDROCK, R. (Existenzgründungsfragen 1990), S. 1. 235 Eine dauerhaft durchgeführte kurzfristige Finanzplanung während sämtlichen Phasen des Exi­ stenzgründungsprozesses dient somit der Erfüllung des angesprochenen Finanzierungsgrundsat­ zes der Liquiditätssicherung. Vgl. Kapitel C.I.3. in diesem Teil. 236 Vgl. KußMAUL, H. (Betriebswirtschaftslehre 1998), S. 181. 237 Vgl. Odenwald, G. (Liquiditätsplanung 1995), S. 826.

98

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

i.d.R. nicht gegeben sein, so daß auf eine weitere Darstellung entsprechender Maßnahmen verzichtet werden kann. Bei sämtlichen güter- und finanzwirtschaftlichen Anpassungsaktivitäten darf jedoch nicht nur eine kurzfristige Betrachtungsweise angestellt werden, vielmehr müssen die strategischen und längerfristigen Auswirkungen auf das gesamte Gründungsvorhaben Berücksichtigung finden. So kann beispielsweise ein Inve­ stitionsverzicht auf längere Sicht oftmals eine Minderung der Wettbewerbsfähig­ keit, einen Umsatzrückgang oder ein verlangsamtes Unternehmenswachstum nach sich ziehen und darf lediglich als kurzfristige Anpassungsmaßnahme ange­ sehen werden, die nach Beseitigung des finanziellen Engpasses umgehend nach­ geholt werden muß238.

Zu den Aufgaben der vom Existenzgründer durchzuführenden kurzfristigen Fi­ nanzplanung zählen somit insbesondere

• • •

die Gegenüberstellung der kurzfristig erwarteten Einnahmen und Ausgaben, die Vorschau über die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens sowie das Aufzeigen von Anpassungsmaßnahmen zur Gewährleistung der Liquidität oder zur vorübergehenden Kapitalverwendung.

Um durch die kurzfristige Finanzplanung die Liquidität im Sinne der Zahlungsfä­ higkeit des Unternehmens sicherzustellen, kann der Existenzgründer auf unter­ schiedliche Planungsinstrumente zurückgreifen. Hierzu können in Abhängigkeit vom genauen Planungshorizont der Liquiditätsstatus und der Liquiditätsplan als Planungshilfsmittel zum Einsatz kommen.

Der Liquiditätsstatus dient dabei der tagesgenauen Überwachung der Zahlungs­ ströme mit dem Ziel der Gewährleistung der täglichen Zahlungsbereitschaft auch bei unvorhergesehenen Zahlungswünschen. Bei KMUs und Existenzgründungen bezieht sich die Erstellung des Liquiditätsstatus i.d.R. lediglich auf die Dispositi­ on der Bankkonten und der eigenen Zahlungsmittel mit dem Ziel, Kontenüberziehungen und Fristenüberschreitungen bei Zahlungen zu vermeiden und ggf. kurzfristige Geldanlagen vorzunehmen. Der Prognosezeitraum erstreckt sich hierbei auf eine Spanne von 1 bis 2 Wochen, die Planungseinheit umfaßt einen Tag239. Durch diesen extrem kurzfristigen Charakter ist der Liquiditätsstatus in Form der tagesgenauen Liquiditätsvorschauberechnung für die Liquiditätspla­ nung während der Seed- bzw. der Start-up-Phase für eine Existenzgründung eher ungeeignet, da in diesen Zeitabschnitten noch keine kurzfristige Einzahlungs- und Auszahlungsplanung infolge fehlender Daten durchgeführt werden kann. AllerVgl. JAHRMANN, F.-U. (Finanzierung 1996), S. 432. ~39 Vgl. Jahrmann, F.-U. (Finanzierung 1996), S. 414.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

99

dings erhält der Liquiditätsstatus in den Frühentwicklungsphasen des Gründungs­ unternehmens Relevanz, denn zu diesen späteren Zeitpunkten kann der Existenz­ gründer bedingt auf Erfahrungswerte und Marktdaten zurückgreifen.

Für die Liquiditätsplanung von Existenzgründungen eher geeignet ist daher der kurzfristige Liquiditätsplan, der einen mittleren Planungshorizont (3 bis 6 Mo­ nate, z.T. auch bis zu einem Jahr) sowie eine Planungseinheit von einem Monat aufweist. Durch die Ausdehnung des zeitlichen Horizonts stellt dieser Finanzplan i.e.S. daher das typische Instrument zur detaillierten Vorschauplanung auf die erwarteten Zahlungsströme dar. Den Rahmen des Liquiditätsplans bilden dabei der Zahlungsmittelanfangsbestand, die Auszahlungen und Einzahlungen der Periode, Ausgleichsmaßnahmen bei Unter- oder Überdeckung sowie der hieraus resultierende Zahlungsmittelendbestand als Liquiditätsüberschuß resp. -defizit240. In seiner Grundform hat der kurzfristige Liquiditätsplan dabei das in Abb. 19 dargestellte Aussehen. Aus der Grundstruktur des kurzfristigen Finanzplans wird deutlich, daß zur Li­ quiditätssicherung auch Überlegungen bzw. Größen der mittel- und langfristigen Finanzplanung einfließen und die mit dem dort ermittelten Kapitalbedarf verbun­ denen Zahlungsströme berücksichtigt werden müssen. Bei zunehmender Reich­ weite der Planung werden die zu erfassenden Zahlungen jedoch bezüglich ihrer Höhe und des Zeitpunktes ihres Auftretens immer weniger genau prognostizier­ bar. Längerfristige Finanzpläne garantieren daher nicht die tägliche Zahlungsbe­ reitschaft, sondern dienen vielmehr der Ermittlung des zukünftigen Kapitalbe­ darfs und sollen gleichzeitig die Kapitalbindung aufzeigen. Für Existenzgrün­ dungen besteht dabei insbesondere die Notwendigkeit, über mittel- und langfri­ stige Finanzpläne den Gründungskapitalbedarf zu ermitteln, worauf im nächsten Abschnitt ausführlicher eingegangen wird.

240

Vgl. Macharzina, K. (Finanzplanung 1994), S. 219.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

100

Teilperiode

1

2

3

...

Zahlungsmittelanfangsbestand • Kassenbestand • Schecks • jederzeit verfügbare Guthaben bei Kreditinstituten + Einzahlungen • aus dem Leistungsbereich -> Umsatzeinzahlungen -> erwartete Anzahlungen • aus dem Finanzbereich > EK-Zuführungen > Kreditaufnahmen > Verkauf von Finanzanlagen > Finanzerträge -

Auszahlungen • für den Leistungsbereich > Personal- und Materialausgaben > Steuern • für Investitionen im Leistungsbereich -> Grundstücke und Gebäude -> Maschinen und Geschäftsausstattung • für den Finanzbereich -> EK-Rückzahlungen Kreditrückzahlungen -> Finanzaufwendungen

= Zahlungsmittelendbestand Überdeckung: Saldo > 0 Unterdeckung: Saldo < 0

Abb. 19: Grundstruktur des kurzfristigen Finanzplans241

3.

Mittel- und langfristige Finanzplanung zur Ermittlung der Struktur des Kapitalbedarfs unter Berücksichtigung gründungsspezifischer Größen

Wie bereits angedeutet, stellt die Erfassung des Kapitalbedarfs die zweite zen­ trale Aufgabe der Finanzplanung im Rahmen der Gesamtplanung einer Unter­ nehmensgründung dar, deren Ergebnisse im kurzfristigen Liquiditätsplan Berück­ sichtigung finden. Im Unterschied zur passiv vollzogenen Liquiditätsplanung handelt es sich bei der Kapitalbedarfsplanung um eine aktive Grobplanung, die den finanziellen Bereich als Engpaßsektor definiert und eventuelle Rückwirkun241

In Anlehnung an BIEG, H. (Finanzierung 1991), S. 171 f.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

101

gen der Finanzierungskosten auf andere betriebliche Teilpläne berücksichtigt242. Die Ermittlung des Kapitalbedarfs ist dabei i.d.R. als eine Vorstufe der eigentli­ chen umfassenden Finanzplanung anzusehen, da die Zahlungszeitpunkte sowie die fristgerechte Kapitaldeckung außer acht bleiben243. Allerdings nimmt die Kapitalbedarfsplanung bei Existenzgründungen einen besonderen Stellenwert ein, da sämtliche mit der Gründung verbundenen finanziellen Belastungen zu­ nächst erfaßt werden und der Entrepreneur einen umfassenden Überblick über die finanzielle Dimension des Gründungsvorhabens erhält. Im Rahmen dieser Über­ legungen müssen daher zwei zentrale Fragen detailliert beantwortet werden244:

• •

Wofür wird das Kapital benötigt (Mittelverwendung)? Wieviel Kapital muß für den jeweiligen Verwendungszweck veranschlagt werden?

Die Beantwortung dieser Fragen und der daraus resultierende Kapitalbedarf werden dabei in Struktur und Umfang in erster Linie von der Art des Gründungs­ objektes (vgl. Abb. 2) beeinflußt. So ist beispielsweise bei einer Neugründung ein wesentlich höherer Kapitalbedarf gegeben als bei einer Geschäftsübernahme. Während nämlich bei einem Unternehmenstransfer die betriebsnotwendigen Vermögensgegenstände i.d.R. bereits vorhanden sind, müssen die Bestandteile des Anlagevermögens bei der originären Start-up-Gründung normalerweise zu­ nächst neu beschafft werden und erhöhen dadurch den relevanten Kapitalbedarf in erheblichem Umfang.

Unabhängig von der expliziten Ausgestaltung des Gründungsvorhabens ergibt sich der Gesamtkapitalbedarf für zu gründende Unternehmen in allgemeiner Form einerseits aus dem erforderlichen Anlagevermögen (AV) und andererseits aus dem betriebsnotwendigen Umlaufvermögen (UV). In beiden Bereichen sind dabei gründungsspezifische Ausgabenblöcke zu berücksichtigen, wie die folgen­ den Ausführungen exemplarisch verdeutlichen.

• Kapitalbedarf des Anlagevermögens Der aus dem Anlagevermögen resultierende Kapitalbedarf ergibt sich für eine Existenzgründung in erster Linie aus der Beschaffung von Gegenständen und Vermögenswerten, die längerfristig im Unternehmen verbleiben und die für die eigentliche betriebliche Leistungserstellung notwendig sind245. Das Anla­ gevermögen umfaßt somit sämtliche Sachinvestitionen sowie die mit diesen Investitionen verbundenen Nebenkosten, z.B. Transport-, Einbau- oder Pla­ 242 243 244 245

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

PERRIDON, L./STEINER, M. (Finanzwirtschaft 1998), S. 609. KUßMAUL, H. (Betriebswirtschaftslehre 1998), S. 182. NATHUSIUS, K. (Gründungsfinanzierung 1990), S. 159. NEUMANN, G. (Finanzbedarfsplanung 1995), S. 273.

102

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

nungskosten, die unter Beachtung der goldenen Finanzierungsregel langfristig finanziert werden sollten. Typische Beispiele für Investitionen in das Anlage­ vermögen sind Grundstücke inkl. Nebenkosten (z.B. Erschließung, Grunder­ werbsteuer), Gebäude mit Bau- und Baunebenkosten (z.B. Planung durch Ar­ chitekt und Statiker, Genehmigungen, Versicherungen), Um- bzw. Ausbauten - die insbesondere bei Unternehmenstransfers Relevanz besitzen -, Fahrzeu­ ge sowie Betriebs- und Geschäftsausstattungen (z.B. Produktionsanlagen oder B üroeinrichtungen)246. Bei der Ermittlung des gesamten Anlagekapitalbedarfs erfolgt eine additive Verknüpfung sämtlicher relevanter Anschaffungs- und Anschaffungsnebenko­ sten des jeweiligen Anlagegutes, wobei insbesondere die anfallenden Neben­ kosten aus einer bereits abgeschlossenen Investitionsrechnung abgeleitet wer­ den können247. Um den auf diese Art und Weise errechneten Kapitalbedarf des Anlagevermögens in der Anfangsphase des Gründungsprojektes mög­ lichst gering zu halten und die Gefahr zu hoher Investitionskosten resp. zu hoher Fixkostenbelastungen zu verringern, können insbesondere die Miete oder das Leasing von Anlagegegenständen sowie der Erwerb von Gebraucht­ anlagen in Betracht gezogen werden. Allerdings sind mit diesen Investitions­ finanzierungsalternativen wirtschaftliche Besonderheiten - z.B. im Hinblick auf die steuerliche Behandlung - verbunden, so daß eine bereits im Rahmen der Finanzplanung angesprochene Alternativenprüfung in jedem Einzelfall unter Wirtschaftlichkeitsaspekten zu erfolgen hat248. • Kapitalbedarf des Umlaufvermögens Das Umlaufvermögen soll dem Existenzgründer die problemlose Realisierung des Umsatzprozesses ermöglichen, wobei in Abhängigkeit von der Art der produzierten Güter diese Vermögensart unterschiedliche Ausmaße annehmen kann. So ist der Anteil des Umlaufvermögens am Gesamtvermögen bei einem produzierenden Unternehmen deutlich höher als bei einem Dienstleistungs­ unternehmen.

In einer weiteren Unterteilung sollen dem Kapitalbedarf des Umlaufvermö­ gens eines Gründungsunternehmens die allgemeinen Betriebsmittel, grün­ dungsspezifische Ausgaben, Ausgaben für die Markteinführung sowie die lau­ fenden Betriebskosten zugerechnet werden. Die allgemeinen Betriebsmittel umfassen dabei insbesondere die Bestände des Vorrats vermögens, d.h. den Warenbestand an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie das Lager vermögen, Vgl. Kirschbaum, G./Naujoks, W. (Selbständigkeit 1996), S. 119. 247 Vgl. KußMAUL, H. (Betriebswirtschaftslehre 1998), S. 182. 248 Vgl. Neumann, G. (Finanzbedarfsplanung 1995), S. 273.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

103

d.h. Bestände an fertigen und halbfertigen Erzeugnissen. Die gründungsspezi­ fischen Ausgaben fallen z.B. für unmittelbare Rechtsberatungen sowie andere Gründungsberatungen (z.B. Steuer-, Finanz-, Unternehmensberater), für Ge­ nehmigungen, für Handels- und Registereintragungen an. Bei den insbesonde­ re für originäre Start-up-Gründungen relevanten Markteinführungsausgaben sind beispielsweise Ausgaben für Marktanalysen oder für die Eröffnungswer­ bung, die der Bekanntmachung des neugegründeten Unternehmens dienen, zu berücksichtigen249. Die laufenden Betriebskosten berücksichtigen den Tatbe­ stand, daß es i.d.R. eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, bis eingehende Kundenzahlungen fließen, die dann eine Deckung der anfallenden Mieten, Löhne, Gehälter und Materialkosten ermöglichen. Neben den Bestandteilen des Anlage- und des Umlaufvermögens muß bei der Ermittlung des mit einer Gründung verbundenen Gesamtkapitalbedarfs als pri­ vate Größe zusätzlich der Kapitalbedarf für die Lebensführung des Gründers Berücksichtigung finden. Hierbei sind vor allem Ausgaben in Form von Lebens­ haltungskosten, Mietausgaben für die Privatwohnung, Ausgaben für private Sozi­ al- (Kranken-, Renten-, Unfallversicherungen) oder Lebensversicherungen, Aus­ gaben für sonstige vertragliche Verpflichtungen, z.B. Bauspardarlehen, aber auch Rücklagen für Krankheit, Urlaub oder private Anschaffungen zu nennen.

In Form eines Sicherheitszuschlags ist bei der Ermittlung des Kapitalbedarfs schließlich eine Risiko- oder Liquiditätsreserve zur Abdeckung anfallender An­ laufverluste einzukalkulieren, die auch in besonderen und nicht vorhersehbaren Fällen eine drohende Illiquidität des Gründungsunternehmens verhindern soll. Aus Wirtschaftlichkeitsgründen sollte dieser Risikopuffer dabei nicht als Kassen­ bestand gehalten, sondern in leicht verkäuflichen Wertpapieren mit einer mög­ lichst hohen Verzinsung angelegt werden250. Diese für jung gegründete Unter­ nehmen oftmals überlebensnotwendige Risikoreserve wird auf einen Mindestbe­ trag von ca. 10% des Gesamtkapitals quantifiziert251. Unter Einbeziehung sämtlicher anfallender Größen des Anlage- und des Umlauf­ vermögens, der privaten Lebensführung sowie des Risikopuffers ergibt sich für die statische Gesamtkapitalbedarfsermittlung somit folgendes Rechenschema (vgl. Abb. 20).

249 Vgl. Bataillard, V. (Leitfaden 1994), S. 152f. 250 Vgl. KUßMAUL, H. (Betriebswirtschaftslehre 1998), S. 183. 251 Zu dieser Größe vgl. z.B. Bataillard, V. (Leitfaden 1994), S. 153; Dittrich, H. (Existenz­ gründung 1994), S. 46; KLOß, G. (Ratgeber 1990), S. 24. Manche Autoren erhöhen den Betrag der Risikoreserve auch auf einen Wert von bis zu 20% des gesamten Kapitalbedarfs, so z.B. Nathusius, K. (Gründungsfinanzierung 1990), S. 162.

104

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

Kapitalbedarf des AV für Sachinvestitionen + Kapitalbedarf des UV für die laufende Umsatztätigkeit + Kapitalbedarf für gründungsspezifische Ausgaben

+ Kapitalbedarf für private Lebensführung + Risikoreserve zur Abdeckung anfallender Anlaufverluste

= Gesamtkapitalbedarf

Abb. 20: Statische Gesamtkapitalbedarfsermittlung252

Als Planungsinstrumente bei dieser Kapitalermittlung stehen dem Existenzgrün­ der mit dem Kapitalbedarfs- sowie dem Kapitaldeckungsplan zwei zentrale In­ strumente zur Verfügung. Der Kapitalbedarfsplan erfaßt dabei sämtliche kapitalbindenden (z.B. Investitio­ nen in Sachanlagen) und kapitalentziehenden (z.B. Kreditrückzahlungen) Zah­ lungen hinsichtlich Höhe und Zeitpunkt. Der Kapitaldeckungsplan stellt die für den Ausgleich des ermittelten Kapitalbe­ darfs getroffenen Finanzdispositionen nach Finanzierungsquelle und Zeitpunkt der Inanspruchnahme dar253. Auf die Ergebnisse dieser beiden Planungsinstru­ mente, d.h. auf den Kapitalbedarf einer Unternehmensgründung während des Existenzgründungsprozesses sowie auf grundlegende Alternativen zur Deckung des Kapitalbedarfs wird im nachfolgenden Abschnitt näher eingegangen.

III.

Der Kapitalbedarf in Abhängigkeit vom Unter­ nehmensalter und grundsätzliche Deckungs­ möglichkeiten

Der im Rahmen der vorhergehenden Ausführungen beschriebene und zu ermittelnde reale Kapitalbedarf des Gründungsunternehmens darf nicht als fixe und unveränderliche Größe verstanden werden. Vielmehr kommt es in den jeweiligen Teilphasen des Gründungsprozesses zu verschiedenen Kapital­ bedarfssprüngen. Hinzu kommt der ständig wachsende externe Wettbewerbs­ druck als Folge neuer Vertriebsformen und Produktionsverfahren, die immer wieder zusätzliche Erweiterungs- und Änderungsinvestitionen verlangen.

252

In Anlehung an KußMAUL, H. (Betriebswirtschaftslehre 1998), S. 183. 53 Vgl. Macharzina, K. (Finanzplanung 1994), S. 219.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

105

In den folgenden Ausführungen sollen daher zunächst konkret die Entwicklung des Kapitalbedarfs neugegründeter Unternehmen im Zeitablauf am Beispiel originärer Start-up-Gründungen und anschließend grundsätzliche Alternativen zur Deckung des jeweiligen Kapitalbedarfs aufgezeigt werden.

1.

Der Kapitalbedarf im Verlauf einer Existenzgründung

Während des Existenzgründungsprozesses ist zunächst in der Seed-Phase ein Kapitalbedarf vorhanden, der insbesondere aus der Erfassung der Marktsituation, aus der Herstellung erster Kundenkontakte sowie aus technischen Realisierungs­ untersuchungen resultiert. Hierbei müssen beispielsweise Berater für die Erar­ beitung entsprechender Marktanalysen bezahlt werden, aber auch eigene Lei­ stungen, wie die Erarbeitung des Geschäftsplanes oder die Erstellung des Grün­ dungsexposes, verlangen finanzielle Mittel254.

In der Start-up-Phase steigert sich der Kapitalbedarf durch die Ausgaben für die Grundausstattung des Anlagevermögens des Gründungsunternehmens in erhebli­ chem Umfang, z.B. durch die Finanzierung von Räumlichkeiten, Gebäuden und Grundstücken, maschinellen Anlagen sowie von Betriebs- und Geschäftsausstat­ tung. Eine weitere Erhöhung des Kapitalbedarfs ergibt sich aus der Erstausstat­ tung mit Umlaufvermögen, d.h. der Finanzierungsnotwendigkeit von Vorräten und Forderungen sowie dem laufenden Ausgabevolumen der Anlaufphase. Ver­ stärkt wird dies durch die Tatsache, daß zu Beginn des Gründungsvorhabens i.d.R. keine Gewinne, sondern normalerweise (erhebliche) Verluste anfallen. Zusätzlich treten in der Start-up-Phase Ausgaben für gründungsspezifische Vor­ bereitungen, d.h. für die Erarbeitung von Gesellschafterverträgen, öffentliche Beurkundungen, für Genehmigungen und Registereinträge sowie in Abhängigkeit von der Rechtsform für einzubringendes Stammkapital an255. Eine weitere Fi­ nanzbedarfskomponente stellen Entnahmen des Jungunternehmers für den priva­ ten Lebensunterhalt dar. Die Kapitalbedarfsentwicklung nach der initialen Errichtung ist dann im wesent­ lichen durch die betragliche Höhe und den zeitlichen Anfall der kapitalbindenden Ausgaben (z.B. zur Bezahlung eingesetzter Leistungsfaktoren wie Löhne und Gehälter oder Betriebsmittel) sowie der kapitalfreisetzenden Einnahmen (z.B. aus der Veräußerung betrieblicher Leistungen) aus dem ordentlichen Betriebsprozeß beeinflußt. Der Umfang der auf Basis dieser Zahlungsströme bzw. Finanzbewe­ gungen ermittelten Kapitalbedarfsspitzen wird zusätzlich bestimmt durch fiska­

254 Vgl. Mackewicz & Partner (Venture Capital 1997), S. 28. 255 Vgl. Wessel, H.H./Zwernemann, D. (Firmengründung 1994), S. 394f.

106

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

lisch induzierte Zahlungsmittelzu- und -abflüsse, d.h. insbesondere Steuerzahlun­ gen256. Hinzu kommen Zins- und Tilgungsverpflichtungen für Fremdkapital und ggf. die Rückzahlung staatlicher Unterstützungsmaßnahmen257. Während des Wachstumsprozesses des Gründungsunternehmens in der FirstStage-Phase entsteht der Kapitalbedarf sehr diskontinuierlich und sprunghaft. Gründe hierfür liegen zum einen in dem Umstand, daß - wie bereits erwähnt erforderliche Investitionen in der Gründungsphase mangels Kapital nicht durch­ geführt wurden258, oder daß die Notwendigkeit solcher Investitionen erst im Zeitablauf und mit zunehmender Ausweitung des Geschäftsbetriebs erkennbar wird. Die Diskontinuität des Kapitalbedarfs wird zum anderen aber auch durch die Tatsache verstärkt, daß maschinelle Sachinvestitionen, beispielsweise als Folge-, Erweiterungs- oder Rationalisierungsinvestitionen, in einmaligen und nicht teilbaren Beträgen anfallen und somit dem Kapitalfreisetzungsrhythmus des Umsatzprozesses nicht angepaßt werden können. Zusätzlich kommt es u.U. zu einer Erweiterung der räumlichen Kapazitäten bzw. einer Neuordnung der Infra­ struktur des Unternehmens. Zu diesen Sekundärinvestitionen können aber auch die Beschaffung zusätzlichen Personals sowie wachsende Kapitalbindungen in zusätzlichen Vorräten, Erzeugnisbeständen, Forderungen etc. zählen. Neben diese in erster Linie materiellen Investitionen treten aber auch vermehrt immate­ rielle Kapitalbindungsaktivitäten. So fallen beispielsweise Ausgaben für For­ schung und Entwicklung im Rahmen der Entwicklung von Nachfolgeprodukten, für Marketingaktivitäten, insbesondere in Form von Werbung für die Akquisition neuer Kunden und der damit verbundenen Erschließung neuer Marktsegmente zur Sicherung und zum Ausbau der Marktposition, sowie Ausgaben für die Ausund Fortbildung der Mitarbeiter an259. Materielle und immaterielle Investitionen sind erforderlich, um einerseits den Marktverhältnissen und dem in der FirstStage-Phase verstärkt auftretenden Wettbewerbsdruck standhalten zu können und andererseits der zunehmenden Umweltdynamik bzw. externen Komplexität ge­ recht zu werden. Zusätzlich bedingt der Wachstumsprozeß Ausgaben für eine strategische Positionierung sowie eine effiziente Gestaltung der Organisation und der Produktion260.

Ein weiterer Grund für eine Erhöhung des Kapitalbedarfs in der First-StagePhase liegt aber auch darin, daß normalerweise die bereits angesprochene Ver­

256 Vgl. WOSSIDLO, P.R. (Finanzierungssituation 1990), S. 31. Zur genaueren Beschreibung solcher Förderinstrumente vgl. Teil 2, Abschnitt B.I. dieser Arbeit. 258 Vgl. HUMMEL,M./LUDWIG, U. (Finanzierungsprobleme 1994), S. 4. 259 Vgl. WOSSIDLO, P.R. (Finanzierungssituation 1990), S. 32. 260 Vgl. Mackewicz & Partner (Venture Capital 1997), S. 28.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

107

lustperiode zu Ende geht und mit dem Erreichen der Gewinnzone ebenfalls fis­ kalisch induzierte Ausgaben in Form von Steuerzahlungen auftreten.

Zusätzlich zu dem realen Wachstum des Kapitalbedarfs ist die schleichende Er­ höhung des Kapitalbedarfs, ein sog. nominaler Kapitalbedarf, durch eine ständige Geldentwertung in Form der Inflation zu berücksichtigen. Die analoge Verteue­ rung von Produktionsfaktoren selbst bei gleichbleibendem Leistungsumfang bewirkt automatisch einen höheren Finanzbedarf, der eigentlich durch die Bil­ dung einer Substanzerhaltungsrücklage in Höhe der entsprechenden Teuerungs­ rate aufgefangen werden müßte. Allerdings können insbesondere junge Unter­ nehmen zumindest in den ersten Phasen des Gründungsprozesses noch keine längerfristig orientierte Gewinnverwendungspolitik betreiben, da eine Selbstfi­ nanzierung in Folge fehlender oder mangelnder Gewinne noch nicht realisiert werden kann. Eventuell anfallende Gewinne müssen außerdem zunächst zum Ausgleich der anfallenden Anlaufverluste verwendet werden. Zusätzlich kommt es bei den gründungstypischen Rechtsformen wie der Einzelunternehmung, der OHG, der KG oder der GmbH mangels gesetzlicher Vorschriften nicht zu sol­ chen langfristig angelegten Rücklagendotationen 261.

2.

Finanzierungsquellen in den Teilphasen des Existenz­ gründungsprozesses

Gründungsunternehmen weisen - wie im vorherigen Abschnitt beschrieben - im entwicklungsgeschichtlichen Ablauf erhebliche und oftmals diskontinuierlich und schubweise auftretende Kapitalbedarfssteigerungen auf. Vor diesem Hintergrund ist zu analysieren, welche Alternativen den Gründungsunternehmen zur Verfü­ gung stehen, diesen Kapitalbedarf entsprechend zu refinanzieren. Dabei können unterschiedliche Deckungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden, die im folgenden zunächst in allgemeiner Form dargestellt werden sollen. Grundsätzlich können die zur Deckung des Kapitalbedarfs benötigten Finanzmittel gemäß der in Abb. 21 dargestellten Systematisierung anhand der Kriterien Rechtsstellung der Kapitalgeber resp. Mittelherkunft in Eigen- und Fremdfinanzierung bzw. in Innen- und Außenfinanzierung klassifiziert werden.

261

Vgl. WOSSIDLO, P.R. (Finanzierungssituation 1990), S. 33.

108

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

Abb. 21: Systematisierung der Finanzierungsarten262

Betrachtet man zunächst den unteren Ast der Abb. 21, können die zur Deckung des Kapitalbedarfs benötigten Finanzmittel prinzipiell intern aus dem betriebli­ chen Leistungsprozeß (Innenfinanzierung) oder extern (Außenfinanzierung) auf­ gebracht werden. Da junge Unternehmen in den Frühphasen des Existenzgrün­ dungsprozesses jedoch nur geringe Erträge erwirtschaften, läßt sich eine interne Kapitalbeschaffung im Rahmen der Selbstfinanzierung durch Einbehaltung von Gewinnen sowie durch eine Finanzierung aus Rückstellungen bzw. Abschreibun­ gen kaum realisieren. Ebenso scheidet eine Erhöhung des Stammkapitals durch die Gesellschafter als Finanzierungsquelle aus, da persönliche Ersparnisse der Gründer normalerweise in der Seed-Phase aufgebraucht werden. Somit sind für Existenzgründungen insbesondere die externen Finanzierungs­ quellen relevant, wobei im folgenden die im oberen Ast der Abb. 21 durchge­ führte Systematisierung in Eigen- und Fremdfinanzierung zugrundegelegt werden soll. Zu diesen Kapitalbeschaffungsalternativen zählen in erster Linie die Auf­ nahme von Fremdkapital durch klassische Bankdarlehen oder öffentliche Förder­ darlehen sowie die Erhöhung des Eigenkapitals durch die Aufnahme neuer Ge­ sellschafter oder durch eigenkapitalähnliche Finanzmittel263.

262 In Anlehnung an Perridon, L./Steiner, M. (Finanzwirtschaft 1998), S. 342; Bieg, H. (Außen­ finanzierungsentscheidungen 1997), S. 176. Vgl. Baier, W./Pleschak, F. (Technologieuntemehmen 1996), S. 104.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

109

Die externe Fremdfinanzierung erfolgt dabei vornehmlich über die Gewährung von Bankkrediten oder öffentlichen Darlehen. Diese Finanzierungsalternativen sind dabei durch unterschiedliche Merkmale charakterisiert. Zunächst hat der Kreditgeber Anspruch auf Zins und Tilgung, die unabhängig von der Geschäfts­ lage in der vereinbarten Höhe zu entrichten sind. Somit ist Fremdkapital von Banken und Sparkassen relativ teuer und der zu leistende Kapitaldienst kann junge Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen. Aus diesem Grund bieten öffentliche Kreditinstitute, wie die DtA oder die KfW spezielle kostengünstige Darlehen für Existenzgründungen und Innovationsvorhaben an, die sich durch eine zins- und tilgungsfreie Anfangszeit auszeichnen. Allerdings schreiben diese Subventionsprogramme die Abwicklung über Kreditinstitute vor, was neben einer langen Bearbeitungszeit auch die Gefahr in sich birgt, daß die Anträge bereits von der bearbeitenden Bank im Vorfeld abgelehnt werden264.

Neben der Erbringung des Kapitaldienstes ist Fremdkapital in der Regel zeitlich befristet und an verschiedene Voraussetzungen, beispielsweise die Stellung von Sicherheiten durch den Kapitalnehmer, geknüpft. Die fehlenden Sicherheiten der Existenzgründer führen zu einem eher unzureichenden Engagement von Fremd­ kapitalgebern, was zusätzlich durch das besondere Risiko der zu gründenden Unternehmen, die i.d.R. dünne Eigenkapitalausstattung sowie eine schwierige Bewertung des Gründungsvorhabens infolge fehlender Vergangenheitsdaten noch verstärkt wird. Um diesen „Sicherheitsnachteil“ auszugleichen, ist es für Existenzgründer daher notwendig, sich in der Phase des Aufbaus, in der hohen Entwicklungs- und An­ laufkosten keine oder nur spärliche Erträge gegenüberstehen, Kapital zu beschaf­ fen, das Risikohaftung übernimmt und Eigenkapitaldefizite ausgleicht265, da durch die Eigenkapitalbasis der Kreditspielraum in erheblichem Maße positiv beeinflußt wird und oftmals erst durch die Erhöhung des Eigenkapitals weitere Fremdkapitalzuführungen möglich werden. Eigenkapital bedeutet somit zum einen Unabhängigkeit, zum anderen stärkt es die Position des Gründungsunter­ nehmens gegenüber Lieferanten, Kunden und Wettbewerbern. Zusätzlich bewirkt das langfristig und unbefristet zu Verfügung stehende Eigenkapital, daß Til­ gungszahlungen entfallen und somit die Liquidität in den Anlaufphasen geschont wird. Daneben ist mit einer ausreichenden Eigenkapitalbasis für Gründungsun­ ternehmen eine Vielzahl an weiteren Funktionen verbunden, auf die ausführlicher im zweiten Teil dieser Arbeit eingegangen werden soll.

264 Vgl. Mackewicz & Partner (Venture Capital 1997), S. 29. 265 Vgl. ORTH, K.-A. (Existenzgründung 1998), S. XXI.

110

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

Möglichkeiten zur Eigenkapitalgenerierung stellen in den Frühphasen des Grün­ dungsprozesses die Aufnahme neuer Gesellschafter oder die Zusammenarbeit mit Kapitalbeteiligungs- oder Venture-Capital-Gesellschaften in Form einer Beteili­ gungsfinanzierung dar, mit denen gleichzeitig auch die Einbringung von Mana­ gement-Know-how verbunden ist. Die Möglichkeiten der Eigenkapitalbeschaf­ fung im Rahmen der Beteiligungsfinanzierung werden allerdings seitens der Beteiligungsgeber wie auch der Existenzgründer noch unzureichend genutzt. Aus diesem Grund bietet die öffentliche Hand jungen Unternehmen und Existenz­ gründern über Zuschüsse und über eigenkapitalähnliche Darlehen, z.B. durch das Eigenkapitalergänzungsprogramm der Deutschen Ausgleichsbank (DtA), weitere Möglichkeiten zur Akquirierung von Eigenkapital266. Zu späteren Zeitpunkten, insbesondere während der First-Stage-Phase, können diese Varianten der Eigen­ kapitalbeschaffung eventuell durch Börsengänge der Unternehmen ergänzt wer­ den, wenn die hierfür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

In Abhängigkeit von der Höhe des während des gesamten Gründungsprozesses auftretenden Kapitalbedarfs ergeben sich somit zusammenfassend die in Abb. 22 dargestellten Finanzierungsquellen für die einzelnen Teilphasen des Existenz­ gründungsprozesses, wobei die Beschaffung von Eigenkapital oder eigenkapita­ lähnlichen Mitteln durch die weiß unterlegten Felder besonders hervorgehoben sind.

Aus der Abbildung wird somit nochmals die besondere Bedeutung des Eigenka­ pitals resp. der Eigenfinanzierung im Rahmen einer umfassenden Unternehmens­ gründungsfinanzierung deutlich. Aus diesem Grund analysiert der folgende zweite Teil ausführlich die besondere Relevanz des Eigenkapitals für Existenz­ gründungen, die mit den Eigenmitteln verbundenen Funktionen sowie die grund­ legenden Möglichkeiten der Eigenkapitalakquisition.

266

Vgl. Baier, W./Pleschak, F. (Technologieuntemehmen 1996), S. 105.

1. Teil: Formen, Rahmenbedingungen und Kapitalbedarf von Existenzgründungen

267 In Anlehnung an MACKEWICZ & PARTNER (Venture Capital 1997), S. 26.

111

112

Zweiter Teil

Die besondere Relevanz des Eigenkapitals und Möglichkeiten der Eigenkapital­ beschaffung Der erste Teil dieser Arbeit hat verdeutlicht, daß Existenzgründungen mit unter­ schiedlichsten Problemen und Risiken konfrontiert werden, wobei der Gründungsfinanzierung eine erhebliche Bedeutung zukommt. Im Gründungskontext ergeben sich diese Finanzierungsprobleme weitestgehend aus dem Bereich der Finanzmittelbeschaffung. Dieser Tatbestand resultiert daher, daß der Entrepre­ neur selbst (noch) nicht über ausreichendes Eigenkapital verfügt und gleichzeitig Kreditinstitute (noch) nicht bereit sind, Fremdkapital zur Verfügung zu stellen, da für sie das mit einer Existenzgründung verbundene wirtschaftliche Risiko zu unübersichtlich resp. zu groß ist. Dieser Sachverhalt hängt in erster Linie mit der besonderen Situation der Gründungsunternehmen zusammen, die naturgemäß durch das Fehlen vergangenheitsbezogener Leistungsdaten gekennzeichnet ist1. Allerdings ist das Eigenkapital ein zentraler Baustein für die Finanzierungs­ struktur insbesondere junger Unternehmen, da ein ausreichender Eigenkapi­ talanteil die bei einer Existenzgründung typischerweise auftretenden Risiken auffangen und mildern kann. Gleichzeitig determiniert die Menge des Eigenka­ pitals aber auch das finanzielle Engagement potentieller Kapitalgeber, die insbe­ sondere unter dem Aspekt des Gläubigerschutzes ein ausreichendes Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital fordern, zumal die Erfolgsaussichten von Grün­ dungsvorhaben nicht immer entsprechend dem Risiko eingeschätzt werden kön­ nen. Insofern ist das Eigenkapital mit seinen spezifischen Funktionen für Unter­ nehmensgründungen von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Die Verdeutli­ chung dieses Tatbestandes steht daher im Mittelpunkt der folgenden Ausführun­ gen. Hierzu werden zunächst die besonderen Charakteristika und Funktionen dieser Kapitalgröße im Rahmen einer Existenzgründung herausgearbeitet. Zu­ sätzlich werden spezifische Problemfelder von Unternehmensgründungen und deren Auswirkungen auf die Eigenkapitalbeschaffung identifiziert. Abschließend wird eine Analyse grundlegender Varianten der Eigenmittelbeschaffung durchge­ führt. i

Vgl. ELFERS, J. (Untemehmensgründungen 1995), S. 46.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

A.

DAS WESEN DES EIGENKAPITALS IM RAHMEN EINER EXISTENZGRÜNDÜNG

L

Definitorische Abgrenzung

113

Generell handelt es sich beim Eigenkapital einer Unternehmung um die Kapital­ größen, die den Gläubigern als haftende Mittel zur Verfügung stehen. Diese Definition des Eigenkapitals impliziert unter juristischen Aspekten die Einbezie­ hung des Privatvermögens eines Einzelunternehmers bzw. des persönlichen haf­ tenden Gesellschafters einer OHG oder KG. Der Zugriff auf das Privatvermögen, das betriebswirtschaftlich gesehen vom Unternehmen abhängig ist, stößt im Haf­ tungsfalle jedoch auf Schwierigkeiten. Deshalb beschränkt sich die gängige be­ triebswirtschaftliche Literatur bei der Eigenkapitaldefinition auf diejenigen Mit­ tel, die in einer engen Beziehung zum Unternehmen und diesem auch längerfri­ stig und unbegrenzt zur Verfügung stehen2. Somit begründet das Eigenkapital ein Beteiligungsverhältnis des Kapitalgebers zum Unternehmen, über das er als (Mit)Eigentümer mit der Kapitaleinlage für die Verbindlichkeiten des Unternehmens und im Konkursfall gegenüber den Gläubigern haftet3. Von dem Begriff des Eigenkapitals abzugrenzen ist der Terminus Haftkapital. Dieses übersteigt in manchen Fällen die unternehmensinternen Kapitalien, wenn etwa das Privateigentum der vollhaftenden Gesellschafter oder die Höhe der ausstehenden Einlagen dem Eigenkapital des Unternehmens zugerechnet wer­ den4. Bei Existenzgründungen wird das Privatvermögen unter Haftungsaspekten oftmals als Sicherheit zur Erlangung von Fremdkapitalbeträgen herangezogen und somit indirekt als Teil der Eigenmittel betrachtet. Allerdings sollen im Rah­ men dieser Arbeit die Bestandteile des Privatvermögens nicht explizit als Eigen­ kapital berücksichtigt werden, da diese i.d.R. dem Lebensstandard des Gründers dienen und zudem normalerweise nicht als liquide Mittel vorliegen. Eine Liqui­ dation dieser Vermögensgegenstände mit dem Ziel der Einbringung in das Unter­ nehmen und der damit (gleichzeitigen) Verbesserung der Kapitalausstattung ist vielmehr mit einem z.T. erheblichen Zeitaufwand verbunden und führt gleichzei­ tig zu erheblichen Einbußen im Bereich der privaten Lebensführung. Aus diesem Grund definiert sich das Eigenkapital im Verständnis dieser Arbeit aus allen Kapitalgrößen, die bei Einzelunternehmen von den Eigentümern und

2 3 4

Vgl. Arnim, B. von (Eigenkapital 1976), S. 284. Vgl. ARNOLD, W. (Finanzierungsziele 1986), S. 29. Vgl. Sauer, R. (Eigenkapitalbeschaffung 1992), S. 22.

114

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

bei Gesellschaften durch die Gesellschafter bzw. Anteilseigner dem Betrieb zur Verfolgung der spezifischen Unternehmenszwecke unbefristet zur Verfügung gestellt werden und die nicht mit festen Tilgungsleistungen verbunden sind. Eine Zwitterstellung bilden die öffentlichen Eigenkapitalförderprogramme, die zwar Zins- und Tilgungsmodalitäten beinhalten, deren spezifische Ausgestaltung aller­ dings eine Zurechnung zum Eigenkapital aufgrund der an späterer Stelle erläu­ terten Haftungsfunktion als korrekt erscheinen läßt.

Diese Sichtweise berücksichtigt somit explizit lediglich die Eigenfinanzierung in Form der Außenfinanzierung, da - wie bereits erwähnt - die Innenfinanzierung mit den Varianten Selbstfinanzierung, Finanzierung aus Abschreibungen sowie Finanzierung aus Rückstellungen für Existenzgründungen nicht in Frage kom­ men. Die im Rahmen der Außenfinanzierung dem Unternehmen zur Verfügung gestellten Komponenten des Eigenkapitals zeichnen sich weiterhin durch cha­ rakteristische Merkmale aus, die sie vom Fremdkapital unterscheiden. Als we­ sentliche Unterscheidungskriterien können dabei die im folgenden näher be­ schriebenen Eigenschaften der Kapitalformen herangezogen werden.

• Zunächst unterscheiden sich Eigen- und Fremdkapital hinsichtlich der Rechts­ stellung der Kapitalgeber. Eigenkapital zeichnet sich dadurch aus, daß mit ihm eine Eigentümerposition verbunden ist, d.h. Eigenkapitalgeber werden gleichzeitig (Mit-)Eigentümer der Gesellschaft. Im Gegensatz hierzu erwer­ ben Fremdkapitalgeber als Gläubiger kein Eigentum an der Unternehmung, ihre Verbindung ist vielmehr schuldrechtlicher Natur5. • Als ein weiteres Differenzierungsmerkmal zwischen Eigen- und Fremdkapital kann die Überlassungsdauer der Kapitalgrößen herangezogen werden. Grundsätzlich steht Eigenkapital einer Unternehmung dauerhaft zur Verfü­ gung, während im Fremdkapitalverhältnis Kapitalnehmer und -geber bei Ver­ tragsabschluß die Tilgungsmodalitäten und eine vertraglich befristete Kapi­ talüberlassungsdauer fixieren. Allerdings existieren hierbei auch Ausnahmen. Beispielsweise können Personengesellschafter ihre Einlagen bei teilweise sehr kurzen Kündigungsfristen aus dem Unternehmen abziehen, andererseits ste­ hen manche rechtlich kurzfristigen Fremdkapitalien den Unternehmen eher dauerhaft zur Verfügung, wenn entsprechende Prolongationsmöglichkeiten bestehen, so z.B. beim Kontokorrentkredit6. • Mit der Zuverfügungstellung finanzieller Mittel erwirbt der Kapitalgeber i.d.R. das Recht, ein Nutzungsentgelt für die Kapitalüberlassung zu erhalten. Während Fremdkapitalgebern ein vertraglich fixierter Anspruch hinsichtlich 5 6

Vgl. BlEG, H. (Kreditfinanzierung I 1997), S. 221. Vgl. Kaiser, B. (Eigenkapitalausstattung 1995), S. 10.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

115

Zahlungshöhe und Zahlungszeitpunkt unabhängig vom Unternehmenserfolg in Form des zu entrichtenden Zinses zusteht, partizipieren Eigenkapitalgeber am erwirtschafteten Ergebnis, d.h. die Höhe ihres Nutzungsentgelts hängt vom Erfolg des Unternehmens in Form des erzielten Gewinns bzw. Verlustes ab7. Da Eigentümer demnach in Krisensituationen keinen Anspruch auf re­ gelmäßige Zahlungen besitzen, erfährt die Unternehmung somit keine zusätz­ lichen Liquiditätsbelastungen. Allerdings muß bei diesem Unterscheidungs­ kriterium beachtet werden, daß sich auch die vertraglich bestimmten Ansprü­ che der Fremdkapitalgeber nicht in jedem Fall realisieren lassen. So kann es vorkommen, daß Fremdkapitalnehmer in Krisensituationen ihre Zahlungen eventuell verspätet leisten8, was für Existenzgründungen insbesondere in der Start-up-Phase durch die auftretenden Anlaufverluste eintreten kann. • In engem Zusammenhang mit dem Nutzungsentgelt steht das Kriterium der Mitsprache- und Informationsrechte bei der Differenzierung zwischen Eigenund Fremdkapital. Im Vergleich zu Fremdkapitalgebern stellen Eigenfinan­ ziers deutlich höhere Informationsanforderungen 9. Durch das hohe Kapital­ verlustrisiko haben Eigenkapitalgeber gesetzlich10 und/oder vertraglich ga­ rantierte Rechte, sich über Angelegenheiten des Unternehmens zu informie­ ren, unternehmerische Entscheidungen zu initiieren und an ihnen mitzuwir­ ken11. Während also mit der Zuführung von Eigenkapital üblicherweise die Gewährung von Entscheidungs-, Mitsprache-, Stimm- und Kontrollrechten verbunden ist12, besitzen Fremdkapitalgeber normalerweise weder Informa­ tions- noch Mitspracherechte im Schuldnerunternehmen. De facto verfügen jedoch manche Eigenkapitalfinanziers, z.B. stille Gesellschafter, über mini­ male resp. keine Einflußmöglichkeiten, während sich Kreditgeber teilweise Mitspracherechte bei geschäftspolitischen Entscheidungen des Kreditnehmers einräumen lassen13. Dies ist beispielsweise dann gegeben, wenn Fremdkapi­ talgeber ihre Möglichkeit der Kreditkündigung oder die Verweigerung der Prolongation von Krediten als Druckmittel einsetzen, um faktisch an Unter­ nehmensentscheidungen zu partizipieren, zumindest aber erheblichen Einfluß auf die Geschäftsführung auszuüben14. Allerdings werden solche Informati­ onsrechte von Kreditgebern z.T. auch gesetzlich vorgegeben. Gemäß § 18

7 8 9 10 11 12 13 14

Vgl. Hax, H. (Bedeutung 1988), S. 9; Kaiser, B. (Eigenkapitalausstattung 1995), S. 9. Vgl. Schneider, D. (Messung 1987), S. 187. Vgl. BRUNS, C. (Eigenkapital 1997), S. B4. Eine gesetzliche Verpflichtung ist beispielsweise für die OHG in § 114 Abs. 1 HGB definiert. Vgl. GARHAMMER, CHR. (Finanzierungspraxis 1996), S. 29. Vgl. KußMAUL, H. (Aspekte II 1996), S. 483. Vgl. Kaiser, B. (Eigenkapitalausstattung 1995), S. 10. Vgl. Hax, H. (Bedeutung 1988), S. 11.

116

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

KWG beispielsweise sind Kreditinstitute verpflichtet, sich von Kreditneh­ mern, denen sie einen Kredit von mehr als 250.000 DM gewähren, deren wirtschaftlichen Verhältnisse offenlegen zu lassen15. Somit kann die Aufnah­ me von Fremdkapital u.U. mit erhöhten Ansprüchen auf Verwaltungsrechte seitens der Kapitalgeber verbunden sein, als dies bei bestimmten Formen der Beteiligungsfinanzierung der Fall ist. • Zusätzlich kann zur Unterscheidung zwischen Fremd- und Eigenkapital das Recht der Kapitalgeber auf Rückzahlung des eingesetzten Betrages angespro­ chen werden. Bei der Vergabe von Fremdkapital steht dem Gläubiger ein An­ spruch auf die Tilgung des zur Verfügung gestellten Kapitals in Höhe des Nominalwertes zu. Eigenkapitalgeber hingegen besitzen das Recht auf einen Quotenanteil am Liquidationserlös nach Befriedigung der Gläubiger. Ihr An­ spruch ist somit nicht von vornherein fixiert, sondern richtet sich vielmehr nach dem Wert der Unternehmung zum Zeitpunkt der Kapitalrefundierung16. Daraus folgt, daß Eigenkapital auch am Mißerfolg der Unternehmen partizi­ piert. Somit bezeichnet Eigenkapital eher risikoorientiertes und garantieren­ des Kapital, wohingegen Fremdkapital eher als sicherheitsorientiert und ga­ rantiert zu charakterisieren ist17. • Ein weiteres Differenzierungskriterium stellt die Haftung der Kapitalgrößen dar. Während im Falle eines Verlustes das Eigenkapital durch seine (Mit-) Eigentümerstellung bis zur vollen Höhe der Einlage haftet, partizipiert das Fremdkapital durch seine Gläubigerstellung nicht am Verlust18. • Ein letztes, eher pragmatisches Differenzierungsmerkmal zwischen den bei­ den Kapitalformen besteht in ihrer steuerlichen Behandlung im Rahmen der Ertragsteuerermittlung. Hierzu gehört zunächst in Abhängigkeit von der Rechtsform des Unternehmens die Einkommen- resp. Körperschaftsteuer, bei denen die handelsrechtlich als Aufwand zu verbuchenden Fremdkapitalzinsen grundsätzlich eine steuerlich abzugsfähige Betriebsausgabe darstellen und somit die Steuerbemessungsgrundlage bzw. die zu entrichtenden Steuerzah­ lungen mindern19. Demgegenüber werden Verpflichtungen, die mit der Zur­ verfügungstellung von Eigenkapital in Verbindung stehen, steuerlich nicht be­

15

16 17 18 1

§18 KWG nennt hierbei insbesondere die Vorlage von Jahresabschlüssen. Dieser Tatbestand ist zwar in den Anlaufphasen einer Existenzgründung noch nicht gegeben, allerdings lassen sich Kreditinstitute die wirtschaftlichen Verhältnisse von Untemehmensgründem i.d.R. über Busi­ nesspläne dokumentieren, anhand derer gewisse Einflußmöglichkeiten auf unternehmerische Entscheidungen ausgeübt werden können. Vgl. SWOBODA, P. (Risikograd 1985), S. 348. Vgl. Hahn, O. (Kapitalformen 1971), S. 28. Vgl. BIEG, H. (Kreditfinanzierung I 1997), S. 222. Vgl. BIEG, H. (Außenfinanzierungsentscheidungen 1997), S. 178f.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

117

rücksichtigt. Dieser Tatbestand wirkt sich zusätzlich auf die Bemessungs­ grundlage der Gewerbesteuer aus, bei deren Ermittlung die als abzugsfähige Betriebsausgaben berücksichtigten Dauerschuldzinsen lediglich zur Hälfte wieder hinzuzurechnen sind (§ 8 GewStG Abs. 1). Bei der Fremdfinanzierung ist der Gewerbeertrag demnach um die Hälfte der Dauerschuldzinsen niedri­ ger als bei der Eigenfinanzierung, wodurch auch die Höhe der Gewerbeer­ tragsteuer entsprechend geringer ausfällt. Neben diesen charakteristischen Unterscheidungsmerkmalen differenzieren for­ maljuristische Erfordernisse Eigen- und Fremdkapital. Während unter diesem Aspekt dem Fremdkapital keine Bedeutung zukommt, ist die Errichtung be­ stimmter Rechtsformen (GmbH, AG) bzw. Unternehmenstypen (Kapitalanlage­ gesellschaften) mit einem gewissen Mindestmaß an Eigenkapital verknüpft20 bzw. muß zur Vermeidung von Überschuldungstatbeständen ein entsprechender Min­ destumfang an Eigenmitteln vorhanden sein21. Zusätzlich können Eigen- und Fremdkapital aber auch über ihre geschäftspolitische Bedeutung differenziert werden. So schwächt beispielsweise ein zu hoher Fremdkapitalanteil die Wider­ standskraft der Unternehmen in Rezessionsphasen bzw. bei geändertem Verhal­ ten der Marktpartner. Demgegenüber stellt sich bei ausreichendem Eigenkapital der umgekehrte Effekt ein, denn ein entsprechend hoher Eigenkapitalanteil führt eher zur Stärkung der Widerstandskraft in den angesprochenen Situationen bzw. erhöht die Vertrauensbildung gegenüber den Marktpartnern. Die wesentlichen Unterscheidungskriterien zwischen Eigen- und Fremdkapital sind zusammenfassend in der folgenden Abb. 23 dargestellt. Gleichzeitig soll jedoch nochmals darauf hingewiesen werden, daß nicht alle in der Tabelle aufge­ führten Differenzierungsmerkmale hinreichend trennscharfe Abgrenzungskriteri­ en darstellen, vielmehr existieren z.T. Überschneidungen bzw. Ausnahmen.

90

21

Im Falle der GmbH ist ein Stammkapital in Höhe von 50.000 DM erforderlich (§ 5 GmbHG), eine Aktiengesellschaft benötigt ein Grundkapital von mindestens 100.000 DM (§ 7 AktG). Ka­ pitalanlagegesellschaften müssen über ein haftendes Eigenkapital von mindestens 10 Mio. DM verfügen (§ 12 Abs. 1 KAGG). Vgl. STRUCK, J. (Engpaßl996), S. 6.

118

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Fremdkapital

Eigenkapital

Rechtliche Stellung der Kapitalgeber

Erwerb von Eigentum; (Mit-)Eigentümerstellung

schuldrechtliche Gläubiger­ stellung

Kapitalnutzungsentgelt

erfolgsabhängig (Gewinn­ anteil)

gewinnunabhängig (fester Zinsanspruch)

Steuerliche Behandlung

Nutzungsentgelt steuerlich irrelevant

eingeschränkte Berücksich­ tigung der Zinszahlungen als Betriebsaufwand

Auswirkungen auf Liqui­ dität und Erfolg

keine Auswirkungen auf Erfolg; über Ausschüttung/Entnahme zwar auf Liquidität, aber i.d.R. ohne vorgegebenen Zeitpunkt

Zinsen mindern Erfolg, Tilgung und Zinsen belasten Liquidität zu vorher festge­ legten und kaum variierba­ ren Zeitpunkten

Kapitalüberlassungsdauer

i.d.R. unbefristet

i.d.R. befristet

Kapitalrückzahlung

Nominalwert zzgl. Zinsen

kein Rückzahlungsanspruch

Gewinn-ZVerlustbeteiligung

anteilsmäßig

ausgeschlossen

Risikodeckung

Haftung gegenüber Gläubi­ gem

keine Haftung

Besicherung

unbesichert

besichert

Verwaltungsrechte

gesetzlich und/oder vertrag­ lich fixierte Mitsprache- und Informationsrechte

grundsätzlich ausgeschlos­ sen, aber teilweise faktische Möglichkeit

Formaljuristische Erfor­ dernisse

bei Errichtung bestimmter Rechtsformen

nein

Geschäftspolitische Be­ deutung

stärkt Widerstandskraft in Rezession oder bei geän­ dertem Verhalten der Marktpartner, Vertrauens­ bildung gegenüber Markt­ partner

zu hoher Fremdkapitalanteil schwächt Widerstandskraft in Rezession oder bei geän­ dertem Verhalten der Marktpartner

Abb. 23: Charakteristika des Eigenkapitals im Vergleich zum Fremdkapital22

22

In Anlehnung an BIEG, H. (Kreditfinanzierung I 1997), S. 222; IfM DER UNIVERSITÄT Mannheim (Eigenkapitalversorgung 11991), S. 9f.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

119

II.

Gründungsspezifische Funktionen des Eigenka­ pitals

1.

Systematisierung der Eigenkapitalfunktionen

Aus den beschriebenen charakteristischen Merkmalen des Eigenkapitals leiten sich einige spezifische Grundfunktionen dieser Finanzierungsform ab, die eine weiterführende Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdkapital ermöglichen. Insgesamt können hierbei mit den Sicherungsfunktionen und den Handlungs­ funktionen zwei wesentliche Funktionsgruppen klassifiziert werden, die durch bestimmte Einzelfunktionen charakterisiert sind (vgl. Abb. 24). Dabei wird deut­ lich, daß das Eigenkapital sämtliche genannten Funktionen erfüllt und somit einen besonderen Stellenwert im Rahmen der Gründungsfinanzierung einnimmt.

Abb. 24: Kapitalursprung und Funktionen der Kapitalverwendung23

23

In Anlehnung an STRUCK, J. (Engpaß 1996), S. 5.

120

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Von eher untergeordneter Bedeutung für Existenzgründungen sind dabei die Gewinnverteilungsfunktion und die Identifikationsfunktion. Die Gewinnvertei­ lungsfunktion wirft bei Unternehmensgründungen keine besonderen Aspekte auf, da in den ersten Jahren kaum zu verteilende Gewinne erwirtschaftet werden, vielmehr treten i.d.R. Verlustsituationen auf. Im Rahmen der Identifikationsfunktion wird unterstellt, daß ein geringerer Eigen­ kapitalanteil zu exzessivem Risikoverhalten bzw. zu einer geringeren Kostendis­ ziplin der Unternehmer beiträgt. Dieser Zusammenhang basiert auf der Vermu­ tung, daß ein selbständiger Unternehmer dann besonders stark an einer positiven Entwicklung des Unternehmens interessiert sein wird, wenn eigenes Vermögen eingebracht ist. Der empirische Nachweis einer solchen Funktion ist jedoch schwierig bzw. die aus der Identifikationsfunktion abgeleitete These, der aus dem privaten Vermögen eingebrachte Eigenkapitalanteil am Gesamteigenkapital habe nachweisbaren Einfluß auf den meßbaren Erfolg des Unternehmens, kann durch empirische Untersuchungen nicht bestätigt werden. Vielmehr haben multivariate statistische Analysen mit Eigenkapitalhilfe geförderter Existenzgründer ergeben, daß bei Investitionen der Anteil der aus dem privaten Bereich eingebrachten Mittel in keinem signifikanten Zusammenhang zum Umsatzwachstum oder Aus­ fallrisiko steht. Verfügt ein Existenzgründer also über eine gewisse Menge an Eigenkapital, ist es folglich unerheblich, in welchem Umfang er eigene Mittel aus dem Privatvermögen zur Durchführung der Investition einbringt24.

Von den dargestellten Eigenschaften des Eigenkapitals sind daher für Existenz­ gründungen insbesondere die Errichtungs- und Arbeitsfunktion, die Voraushaftungs- und Fremdkapitalbeschaffungsfunktion sowie die Risikopufferfunktion von Relevanz. Die wesentlichen Charakteristika dieser Funktionen sowie deren unmittelbaren Auswirkungen für die Gründungsunternehmen stehen im Mittel­ punkt der folgenden Ausführungen.

2.

Die Handlungsfunktionen des Eigenkapitals

Im Rahmen der Handlungsfunktionen ist zunächst die Errichtungs- oder In­ gangsetzungsfunktion zu nennen, denn Eigenkapital stellt die Grundlage der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Unternehmung dar25. Dabei müssen einige Rechtsformen gesetzlich vorgeschriebene Mindestanforderungen hinsichtlich ihres Eigenkapitalgrundstocks bei der Unternehmensgründung erfüllen (juristi-

£

Vgl. Struck, J. (Engpaßl996), S. 4. Vgl. LE Coutre, W. (Bilanzkunde 1949), S. 109 zitiert in Kaiser, B. (Eigenkapitalausstattung 1995), S. 13.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

121

sehe Interpretation der Ingangsetzungsfunktion26). So liegt der Gründungsmin­ destbetrag für das Eigenkapital bei einer AG bei 100.000 DM (§ 7 AktG), eine GmbH muß ein Stammkapital von mindestens 50.000 DM aufweisen (§ 5 GmbHG). Somit können u.U. die genannten Rechtsformen der GmbH oder der AG für Existenzgründungen infolge mangelnder Eigenkapitalausstattung über­ haupt nicht in Frage kommen27. Dies wird jedoch durch die generelle Möglichkeit entschärft, daß zum einen auch Sacheinlagen eingebracht werden können und zum anderen bei der GmbH nur 50% des Stammkapitals und bei der AG lediglich ein Viertel des Aktiennennbetrages zu Beginn eingezahlt werden müssen28.

In Zusammenhang mit der Errichtung bzw. ebenfalls unter dem Aspekt der Ge­ schäftstätigkeit ist die Arbeits- oder Einsatzfunktion zu nennen, durch die jede Art des verfügbaren Kapitals seine Bedeutung für die Leistungserstellung eines Unternehmens erhält. Ohne die Möglichkeit, Kapital zum Erwerb von Produkti­ onsfaktoren einzusetzen, wird keine nennenswerte Unternehmenstätigkeit erfol­ gen, bzw. erst über den Einsatz von Kapital zum Kauf von Produktionsfaktoren wird das wirtschaftliche Handeln des Unternehmens ermöglicht29. Die auch als originäre Finanzierungsfunktion30 umschriebene Arbeitsfunktion des Eigenkapi­ tals dient somit der Durchführung sowohl materieller (z.B. Büroausstattungen, Kraftfahrzeuge, Maschinen, etc.), als auch immaterieller oder „weicher“ Investi­ tionen (z.B. Betriebsmittelbedarf für Markterschließung, Personalvorfinanzie­ rung, etc.)31. Zwar unterscheiden sich Eigenkapital und Fremdkapital hinsichtlich der Arbeitsfunktion grundsätzlich nicht, vielmehr wirkt diese Funktion bei Exi­ stenzgründungen wie auch bei bestehenden Unternehmen in ähnlicher Weise. Allerdings haben Existenzgründungen i.d.R. einen höheren Kapitalbedarf, da sämtliche für das wirtschaftliche Handeln relevanten Faktoren erstmals beschafft werden müssen. Speziell Betriebsübernahmen weisen einen hohen Startkapi­ talbedarf auf, da hier bestehende Vorrichtungen zu einem genau terminierten Zeitpunkt akquiriert werden. Auch bestehende Unternehmen müssen Investitio­ nen durchführen, allerdings kann dies auf Basis eines funktionsfähigen Unter­ nehmens und weitreichender Innenfinanzierungsmöglichkeiten, beispielsweise über die Selbstfinanzierung, geschehen, die bei Neugründungen jedoch - wie bereits erwähnt - (noch) nicht gegeben sind. Gleichzeitig sind in der Gründungs­ phase Betriebsmittel wie Löhne und Mieten vorzufinanzieren, ohne daß entspre­

27 28 29 30 31

Vgl. BlEG, H. (Finanzierung 1991), S. 27. Vgl. Struck, J. (Engpaß 1996), S. 6. Vgl. Kirchhoff-KESTEL, S./KLANDT, H. (Existenzgründungsförderung 1996), S. 140. Vgl. ebenda, S. 138. Vgl. Sauer, R. (Eigenkapitalbeschaffung 1992), S. 22. Vgl. Struck, J. (Engpaß 1996), S. 7.

122

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

chende Einnahmen aus früherer Geschäftstätigkeit vorliegen. Eine zeitliche Dis­ krepanz besteht ebenfalls zwischen Vorsteuerzahlungen an Lieferanten und der Rückerstattung durch das Finanzamt, was in der Folge gleichfalls zu Liquiditäts­ belastungen führt. Da aufgrund fehlender dinglicher Sicherheiten Kredite zur Deckung dieser Ausgaben in Deutschland nur sehr eingeschränkt vergeben wer­ den, kommt der Arbeitsfunktion des Eigenkapitals insbesondere bei der Betriebsmittelfinanzierung im Rahmen einer Existenzgründung eine besondere Bedeutung zu32. Ebenfalls zu den Handlungsfunktionen des Eigenkapitals zählt die Fremdkapi­ talakquisitionsfunktion33. Diese sog. derivative Finanzierungsfunktion34 ist bei Existenzgründungen aufgrund des insgesamt erhöhten Risikos stärker eingegrenzt bzw. wird über den Bestand an Eigenmitteln in erheblichem Maße determiniert. So sinkt z.B. bei zu geringem Eigenkapital die Kreditaufnahmefähigkeit des Gründungsunternehmens, die mangelnde Bonität ist mit höheren Zinssätzen, schlechteren Zahlungsbedingungen und dem Verlangen nach einem höheren Informationsfluß zu kompensieren35. Gleichzeitig ist der Funktion der Fremdka­ pitalbeschaffung im Rahmen einer umfassenden Gründungsfinanzierung jedoch eine erhebliche Bedeutung beizumessen, denn Existenzgründern bleiben infolge der in den meisten Fällen eher kleinen Unternehmensgröße diverse Eigenkapital­ beschaffungsmöglichkeiten, z.B. die Emission von Aktien, versperrt. Dieser kausale Zusammenhang zwischen Haftung und Kapitalbeschaffung wird teilweise auch als ökonomische Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals bezeichnet, da aus wirtschaftlichen Gründen bei den Unternehmen ein Mindestmaß an Eigenka­ pital unerläßlich ist, um entsprechende Fremdmittel oder Kapitalzwischenformen generieren zu können36.

3.

Die Sicherungsfunktionen des Eigenkapitals

Neben den Handlungsfunktionen sind mit einer ausreichenden Ausstattung an Eigenkapital zusätzlich Sicherungsfunktionen verbunden, da über die Eigenmittel eine Risikosenkung für die Kapitalgeber herbeigeführt wird. Im Rahmen der Haftungs- bzw. Garantiefunktion vermindern Verluste zunächst das Eigenkapital und betreffen das Fremdkapital erst dann, wenn das Eigenkapital in voller Höhe

32

34 35 6

Vgl. Kirch HOFF-Kestel, S./Klandt, H. (Existenzgründungsfördening 1996), S. 138. „Um ... Fremdkapital zu erhalten, ist Eigenkapital in der Regel unabdingbar.“ GRUHLER, W. (Existenzgründer 1996), S. 12. Vgl. EBELING, R.M. (Beteiligungsfinanzierung 1988), S. 91. Vgl. Bretz, M. (Eigenkapitalausstattung 1998), S. 266f. Vgl. BlEG, H. (Finanzierung 1991), S. 28.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

123

aufgezehrt ist bzw. die Verluste das Eigenkapital übersteigen37. Je größer das Eigenkapital als Differenz zwischen dem vorhandenen Vermögen und den Fremdkapitalansprüchen ist, desto höher muß folglich der Verlust ausfallen, damit Fremdkapitalfinanziers teilweise oder vollständig leer ausgehen38. Da Fremdkapitalgeber somit durch das Eigenkapital vor einem Verlust geschützt werden sollen, wird auch von der sog. Voraushaftungsfunktion39 des Eigenkapi­ tals gesprochen40. Die bei Gründungen in aller Regel auftretenden Anlaufverluste zehren zunächst das Eigenkapital auf, im Konkursfall sind die Ansprüche der Fremdkapitalgeber vorrangig. In der noch relativ unbalancierten Situation der Existenzgründungen ist daher die Voraushaftungsfunktion wesentlich bedeutsa­ mer als bei bestehenden Unternehmen, denn im Gründungsfall ergeben sich aus der Neuartigkeit der gesamten Situation besondere Risiken, die von den Kapital­ gebern nur schwer abschätzbar sind. Des weiteren fehlen i.d.R. unternehmensin­ terne Vergangenheitsdaten. Diese spezifische Gründungssituation erfordert eine besondere Absicherung seitens der Fremdkapitalgeber, die eventuell höhere Zin­ sen, aber vor allem eine höhere Eigenkapitalbasis verlangen41. Grundsätzlich wird die Gläubigerposition als sicherer betrachtet und ein geringeres Kapitalge­ berrisiko unterstellt, wenn die kapitalsuchenden Unternehmen eine im Branchen­ vergleich hohe Eigenkapitalquote vorweisen können42. Somit gilt die Eigenkapi­ talausstattung eines Unternehmens potentiellen Kapitalgebern als ein äußeres Zeichen finanzieller Solidität, Wirtschaftskraft und Kreditwürdigkeit43. Ab einem gewissen Verschuldungsgrad vergeben Fremdkapitalgeber i.d.R. keine Kredite mehr (Kreditrationierungsstrategie), da ihnen die Verlustrisiken zu groß erschei­ nen. Laut einer Umfrage der Deutschen Ausgleichsbank (DtA) unter 630 Firmen­ kundenberatern westdeutscher Kreditinstitute stellte eine zu geringe Eigenkapi­ talbasis den weitaus häufigsten Ablehnungsgrund bei Kreditanfragen von Exi­ stenzgründern dar44. Folglich geht die Voraushaftungsfunktion in die bereits beschriebene Fremdkapitalakquisitionsfunktion über.

37 38 39

40

41 42

43 44

Vgl. KÜTING, K.-H./KESSLER, H. (Eigenkapitalähnliche 1994), S. 2105. Vgl. Höflacher, S. (Einlagen 1992), S. 71. In diesem Zusammenhang findet sich auch der Terminus Verlustpufferfunktion. Vgl. SCHNEIDER, D. (Eigenkapitallücke 1986), S. 2298. An anderer Stelle erfolgt auch die Bezeich­ nung Protektionsfunktion. Vgl. MATSCHKE, M.J. (Finanzierung 1991), S. 71. Vgl. z.B. Arnim, B. VON (Eigenkapital 1976), S. 286; VORMBAUM, H. (Finanzierung 1995), S. 36; Klandt, H. u.a. (Existenzgründungspolitik 1994), S. 20. Vgl. KlRCHHOFF-KESTEL, S./Klandt, H. (Existenzgründungsförderung 1996), S. 139. Vgl. SÜCHTING, J. (Finanzmanagement 1995), S. 81; FEDDERSEN, D. (Genußschein 1988), S. 616. Vgl. SCHALEK, E. (Eigenkapitalbeschaffung 1987), S. 30. Vgl. DtA (Jahresbericht 1993), S. 42. Fehlendes Eigenkapital als Ablehnungsgrund von Banken bei Gründungsfinanzierungen nennt auch BÜHRENS, J. (Existenzgründung 1997), S. 205.

124

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Neben der Fremdkapitalbeschaffung leitet sich aus der Haftungsfunktion des Eigenkapitals auch eine Vertrauensfunktion ab. Diese spiegelt sich im Verhalten der Geschäftspartner und der Öffentlichkeit wider, d.h. das Eigenkapital determi­ niert die Entscheidung, ob einem Unternehmen, mit dem bisher keine Geschäfts­ verbindungen bestanden, Aufträge erteilt werden45. Vergleichbar den Kreditsi­ cherheiten dient das Eigenkapital somit potentiellen Marktpartnern des Unter­ nehmens als Grundlage für die Beurteilung bzw. als Sicherheit für eine eventuelle künftige Zusammenarbeit. Diese Funktion der Eigenmittel ist für Existenzgrün­ dungen insbesondere in den Frühentwicklungsphasen von Bedeutung, wenn sich das Unternehmen am Markt etablieren muß und über den Aufbau vielfältiger Geschaftsbeziehungen in einen Wachstumsprozeß eintritt. Ebenfalls eng verknüpft mit der Haftungs- und Garantiefunktion ist die sog. Risi­ kopufferfunktion. Verfügt ein Unternehmen über eine geringe Eigenkapitalquote, d.h. liegt ein hoher Verschuldungsgrad (Verhältnis Fremdkapital zu Eigenkapital) vor, wird die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens in verschiedener Hinsicht beeinträchtigt46. Der hohe Anteil an Fremdmitteln verursacht unabhängig von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens Zins- und Tilgungsverpflichtungen, die zu einer Belastung der Ertrags- und Liquiditätssituation führen. Sinken bei­ spielsweise aufgrund unvorhersehbarer Umstände47 die Einnahmen des Unter­ nehmens, können Liquiditätsprobleme auftreten, die ohne die fixen Zins- und Tilgungsverpflichtungen für das Fremdkapital leichter aufzufangen wären. Zu­ sätzlich können wegen eines eventuellen Eigenkapitalmangels unterlassene Inno­ vations- und Wachstumsinvestitionen48 die Wettbewerbsfähigkeit und damit auch die Existenz des Unternehmens gefährden49. Vor dem Hintergrund dieser eher langfristigen und strategischen Auswirkungen der Eigenmittel findet sich aus Sicht des Unternehmens auch analog der Begriff der Existenzsicherungsfunktion des Eigenkapitals50.

Die Risikopufferfunktion des Eigenkapitals ist bei Existenzgründungen aber auch deshalb von besonderer Bedeutung, da in der Frühentwicklungsphase typischer­

46 47

48 49 50

Vgl. Arnim, B. von (Eigenkapital 1976), S. 286. Vgl. Struck, J. (Engpaß 1996), S. 4. Zu solchen unvorhersehbaren und nicht beeinflußbaren Risiken können das Auftreten einer Rezession, Forderungsausfälle, unplanmäßiges Wachstum oder ein geändertes Zahlungsverhal­ ten der Marktpartner zählen. Vgl. hierzu auch 1. Teil, Kapitel B.II.2. Vgl. Kokau, L. (Eigenkapital 1996), S. 1. Vgl. Ebeling, R.M. (Beteiligungsfinanzierung 1988), S. 88.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

125

weise Anlaufverluste51 und Liquiditätsengpässe auftreten, die z.B. durch FuEAufwendungen, Vorfinanzierung von Aufträgen, Einnahmeausfälle und/oder geändertes Zahlungsverhalten bzw. geringe Umsätze in der Marktein­ führungsphase hervorgerufen werden. Diese kritischen Gründungssituationen können jedoch durch eine ausreichend dimensionierte Eigenmittelausstattung entschärft werden52. Somit ermöglicht das Eigenkapital einem Gründungsunter­ nehmen, für einen begrenzten Zeitraum ohne drohende Insolvenzgefahr verlust­ bringend zu arbeiten, da die Eigenmittel die Verluste auffangen und das Unter­ nehmen dadurch Zeit zur Ergreifung geeigneter Gegenmaßnahmen zur Überwin­ dung der Krise gewinnt53.

In diesem Zusammenhang wirkt sich auch das Konjunkturrisiko aus, das häufig von großen Unternehmen auf kleine und mittelständische Betriebe abgewälzt wird. In konjunkturellen Hochphasen werden oftmals Teile der Produktion nach außen vergeben (Outsourcing), die dann in konjunkturellen Abschwüngen von den Unternehmen zur Auslastung der eigenen Kapazitäten bzw. zur Entlastung der eigenen Produktionssituation wieder zurückgeholt werden54. Gleichzeitig arbeiten Existenzgründungen häufig in Marktsegmenten mit stark konjunkturab­ hängiger Nachfrage und erleiden im Rahmen konjunktureller Schwankungen entsprechende Absatzeinbußen55. Diese Konjunkturzyklen führen bei Existenz­ gründungen und kleinen Unternehmen im Vergleich zu Großunternehmen zu einer stärkeren Belastung der Finanzstruktur, die mit einem höheren Eigenkapi­ talbestand leichter abgefangen werden kann. Die Konjunkturpufferfunktion des Eigenkapitals führt somit zu einem Ausgleich des abgewälzten Konjunkturrisi­ kos, das ansonsten unter Inanspruchnahme zusätzlicher Fremdmittel mit entspre­ chender Erhöhung der Fremdkapitalaufwendungen und einer Verschlechterung der Liquiditätssituation des Unternehmens auszugleichen wäre56. Auswirkungen der Risikopufferfunktion ergeben sich weiterhin auf den bei Exi­ stenzgründungen im Vergleich zum Umfang der Unternehmenstätigkeit erhöhten Kapitalbedarf, der auch im Laufe der Frühentwicklungsphase mit den typischen

51

52 53

54 55 56

Vgl. ALB ACH, H./MAY-STROBL, E. (Erfolgsfaktoren 1986), S. 85. Nach einer empirischen Erhebung des bifego in Zusammenarbeit mit dem ifo aus dem Jahr 1985 schlossen 42,8% der Untemehmensgründer das Gründungsjahr mit einem Verlust ab. Im ersten Geschäftsjahr lag die Quote ebenfalls deutlich über 30% und schwächte sich erst nach mehreren Jahren ab. Vgl. Struck, J. (Engpaß 1996), S. 8. Vgl. BÜHRENS, J. (Existenzgründung 1997), S. 205. Vgl. KUßMAUL, H. (Aspekte I 1996), S. 439, der in diesem Zusammenhang von einer Ver­ lustausgleichsfunktion spricht. Vgl. o.V. (Outsourcing 1995), S. 22. Vgl. Deutsche Bundesbank (Abschwungphase 1995), S. 63f. Vgl. Seiler, K. (Kapitalbeschaffung 1997), S. B10.

126

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Sprunginvestitionen weiter besteht. Eine entsprechende Eigenkapitalstruktur und die damit verbundene geringere Belastung an Zins- und Tilgungsverpflichtungen durch den höheren Eigenkapitalanteil wirkt sich folglich insbesondere in den ersten Jahren einer Existenzgründung liquiditätsentlastend aus57 und kann somit ebenfalls zu einer Minderung der Risikosituation beitragen. Diese Kontinuitäts­ funktion des Eigenkapitals beruht auf einer langfristigen Kapitalüberlassungsdau­ er und trägt einerseits zur Sicherung des Unternehmensfortbestandes bei und ermöglicht darüber hinaus auch die Nutzung risikobehafteter Investitionen, wäh­ rend eine Fremdkapitalaufnahme für solche Projekte i.d.R. große Schwierigkeiten bereitet58.

III.

Die Eigenkapitalbeschaffung bei Existenzgrün­ dungen

1.

Charakteristische Problemsituation

Die bisherigen Ausführungen haben verdeutlicht, daß das Eigenkapital durch seine spezifischen Funktionen bei Existenzgründungen einen erheblichen Stel­ lenwert einnimmt und der ausreichenden Eigenkapitalausstattung eine Schlüssel­ funktion in der Gründungsfinanzierung zukommt59. Probleme bei der Bereitstel­ lung eines ausreichenden Eigenkapitalanteils wirken sich bei Existenzgründungen ungleich negativer aus, als dies beispielsweise bei etablierten Unternehmen der Fall ist60. Die besondere Relevanz des Eigenkapitals wird dadurch verstärkt, daß die einzelnen Eigenkapitalfunktionen die während einer Gründung auftretenden Probleme im Finanzierungsbereich auffangen und mindern können. Eine ange­ messene Eigenkapitalbasis ist für Existenzgründungen im Vergleich zu bestehen­ den Unternehmen insbesondere deshalb von Bedeutung, weil61





58 59 60

Existenzgründungen einen im Vergleich zu ihrer Geschäftstätigkeit relativ hohen Kapitalbedarf, u.a. auch zur Vorfinanzierung von Betriebsmitteln, auf­ weisen, Unternehmensgründungen einen ausreichenden Risikopuffer benötigen, um typische Anlaufschwierigkeiten und Anfangsverluste ausgleichen zu können, und Vgl. KIRCHHOFF-KESTEL, S./Klandt, H. (Existenzgründungsforderung 1996), S. 140. Vgl. KUßMAUL, H. (Aspekte I 1996), S. 440. Vgl. Wartenberg, L. von (Eigenkapital 1992), S. 44. Vgl. Struck, J. (Engpaß 1996), S. 9. Vgl. KIRCHHOFF-KESTEL, S./Klandt, H. (Existenzgründungsförderung 1996), S. 140f.; GROLL, M./CURTI, F. (Gründungsfinanzierung 1998), S. 279.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

127

• Existenzgründungen aufgrund ihres spezifischen Risikos und aufgrund feh­ lender Vergangenheitsdaten zur Akquirierung von Fremdfinanziers einen hö­ heren Bedarf an Sicherheiten aufweisen müssen.

Bevor auf größenbedingte und nichtgrößenbedingte Problemfelder der Eigenka­ pitalbeschaffung vertiefend eingegangen wird, stellt Abb. 25 den Zusammenhang zwischen der spezifischen Finanzierungssituation einer Existenzgründung und deren Beziehung zu den einzelnen Funktionen des Eigenkapitals zunächst gra­ phisch dar.

2.

Größenspezifische Probleme bei der Eigenkapitalbe­ schaffung

Existenzgründungen zählen zum Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Die größenbedingten Probleme von Unternehmensgründern bei der Eigenkapitalbeschaffung leiten sich somit aus der generellen Wettbewerbssitutation bei der Generierung von Eigenmitteln bei KMUs ab63. Diese Nachteile ergeben sich für Existenzgründungen insbesondere deshalb, weil zwischen potentiellen Kapitalgebern und den Unter-nehmensgründern eine i.d.R. überdurchschnittliche Informationsasymmetrie bezüglich der Bonität des 62 63

In Anlehnung an KLANDT, H. U.a. (Existenzgründungspolitik 1994), S. 21. Vgl. z.B. Kaufmann, F. (Besonderheiten 1997), S. 141; STRUCK, J. (Engpaß 1996), S. 10.

128

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Unternehmens besteht und somit die Aufnahme der Finanzierungsbeziehungen erschwert wird64. Dies resultiert vor allem aus Qualitätsunsicherheiten über die Eigenschaften und Fähigkeiten des Gründungsunternehmens bzw. des Unter­ nehmensgründers65. Die Gründe hierfür liegen in erster Linie darin, daß



zum einen bewertungsrelevante und glaubwürdige Informationen nicht oder nur schwer beschaffbar sind, da veröffentlichte Unternehmensbilanzen sowie Unternehmensanalysen bzw. Klassifizierungen von Ratingagenturen fehlen66 und • zum anderen Kontrollen und Prognosen der Unternehmensentwicklung problembehaftet und subjektiver Natur sind67. Ein Abbau der Informationsdefizite ist vergleichsweise kostspielig, denn Exi­ stenzgründer müssen über Informationsinvestitionen versuchen, eine Reputation bei den Kapitalanlegern zu erreichen, die eine Basis für das Vertrauen in die Gründung und in ein Kapitalengagement darstellt. Auf Seiten des Anlegers wer­ den erhöhte Kontrollkosten auftreten, da er die unternehmerischen Fähigkeiten des Gründers noch nicht einschätzen kann. Vor diesem Hintergrund hat ein Exi­ stenzgründer nur dann Chancen, Eigenkapital zu erhalten, wenn er auch unter Berücksichtigung der zusätzlichen Informations- und Kontrollkosten dem Eigen­ kapitalgeber glaubhaft eine hohe Rendite avisieren kann68. Folglich wird der Finanzier für eine (eventuelle) Kapitalüberlassung eine Entlohnung fordern, die sich generell in zwei Teilkomponenten aufsplitten läßt. Zum einen wird er über einen Zeitpräferenzsatz eine Entschädigung für seinen Konsumverzicht verlan­ gen, zum anderen muß eine Risikoprämie die Kompensation der übernommenen Risiken gewährleisten69. Im Gegensatz zu den Kreditmärkten, die Existenzgrün­ dungen i.d.R. wesentlich ungünstigere Finanzierungskonditionen als größeren Unternehmen bereitstellen, an denen jedoch der scharfe Wettbewerb dafür sorgt, bei ausreichender Bonität Zugang zu Fremdkapital zu finden, fallen die Wettbe­ werbschancen der Existenzgründer am Eigenkapitalmarkt wesentlich schlechter

04 65 66 67 68

Vgl. Gerke, W. u.a. (Probleme 1995), S. 17. Vgl. Kaufmann, F. (Besonderheiten 1997), S. 143. Vgl. Gerke, W. u.a. (Probleme 1995), S. 17. Vgl. Kaufmann, F. (Besonderheiten 1997), S. 143. Vgl. BMWi (Risikokapital 1996), S. 6. Die Risikoprämie kann zusätzlich in vier weitere Komponenten zerlegt werden, die die Über­ nahme verschiedener Risikoarten durch den Kapitalgeber kompensieren. Hierzu zählen zunächst das systematische und das unsystematische Risiko, die das normale Geschäftsrisiko in Form von Unsicherheiten über zukünftige Angebots- und Nachfragebedingungen beinhalten. Die beiden anderen Risikokomponenten resultieren direkt aus der Informationsasymmetrie zwischen Kapi­ talgeber und -nehmet und können als Qualitäts- und Verhaltensrisiken bezeichnet werden. Zur genaueren Beschreibung der einzelnen Risiken vgl. GERKE, W. U.A. (Probleme 1995), S. 18ff.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

129

aus. Im Vergleich zu etablierten Unternehmen müssen Unternehmensgründer ihren Eigenkapitalgebern - wie bereits erwähnt - eine deutlich höhere Rendite als eventuelle Alternativanlagen bieten, um attraktiv zu bleiben70. Hinzu kommt, daß Existenzgründungen im Unterschied zu Großunternehmen eine geringere Verhandlungsmacht besitzen, die sie bei der Beschaffung von Eigenkapital ein­ setzen können71.

Neben den Kostengesichtspunkten entstehen für Existenzgründungen im Rahmen der Eigenfinanzierung aber auch Wettbewerbsnachteile gegenüber größeren Unternehmen, da ihnen diverse Finanzierungsformen aufgrund größenbedingter Zugangskriterien vorenthalten werden72. Da Existenzgründungen typischerweise in der Rechtsform der Personengesellschaft durchgeführt werden73, ist ihnen der direkte Zugang zu organisierten Kapitalmärkten versperrt. Dadurch haben sie keine Möglichkeit, ohne Einschaltung von Kreditinstituten direkt an (inter)nationalen Finanzmärkten aktiv zu werden74 und dort benötigtes Eigenkapital zu beschaffen. Ebenso bereitet es Existenzgründungen Schwierigkeiten, Finanzie­ rungstitel zu emittieren, die einen organisierten Markt als Handelsplatz bedingen. Hierzu zählt z.B. die Ausgabe von Aktien, die neben bestimmten Größenanforde­ rungen auch an bestimmte Gesellschaftsformen gekoppelt ist. Zusammenfassend bleibt zu konstatieren, daß Existenzgründungen als Teilgruppe der KMUs aufgrund größenspezifischer Charakteristika im Gegensatz zu größeren und etablierten Unternehmen bei der Eigenkapitalbeschaffung gewisse Nachteile aufweisen. Zum einen erhöhen sich in Folge nicht vorhandener Vergangenheitsdaten die Kosten zum Abbau von Informationsasymmetrien, zum anderen fehlt der direkte Zugang zu organisierten Kapitalmärkten, die eine weitere Eigenkapitalbeschaffung ermöglichen würden. Um diese Nachteile auszugleichen, ist die Implementierung spezieller Private-Equity-Märkte notwendig, um Existenzgründern die Möglichkeit zu bieten, erforderliche Eigenmittel direkt über den Kapitalmarkt zu generieren. Auf mögliche Ausgestaltungsvarianten wird an späterer Stelle dieser Arbeit vertiefend • 75 . eingegangen

70 71 72 73

74 75

Vgl. Gerke, W. (Informationsasymmetrien 1993), S. 621. Vgl. STRUCK, J. (Engpaß 1996), S. 10. Vgl. GERKE, W. (Informationsasymmetrien 1993), S. 620. Vgl. BÜHRENS, J. (Existenzgründung 1997), S. 204, der jedoch gleichzeitig darauf hinweist, daß nach Auskunft von Hausbanken in jüngster Vergangenheit bei Gründungen vermehrt auf die Rechtsform der GmbH zurückgegriffen wird. Vgl. STRUCK, J. (Engpaß 1996), S. 10. Vgl. 3. Teil, Abschnitt A.

130

3.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Nichtgrößenspezifische Probleme bei der Beschaffung von Eigenkapital

In erster Linie resultieren die Finanzierungsprobleme von Existenzgründungen im Rahmen der Eigenkapitalbeschaffung aus größenbedingten Finanzierungsun­ terschieden. Neben dem Größeneffekt tritt bei der Eigenkapitalbeschaffung von Existenzgründungen allerdings mit dem Innovationseffekt ein weiteres Problem­ potential auf76. Der Innovationseffekt, der sich aus der Neuheit des Gründungs­ projektes und dem geringen Marktüberblick ergibt, beinhaltet die Tatsache, daß Existenzgründungen eine deutlich höhere Gefahr aufweisen, einen Fehlschlag am Markt zu erleiden77. Die in diesem Zusammenhang prozeß- oder lebenszyklusbe­ dingt auftretenden Anlaufverluste in den Frühentwicklungsphasen bewirken, daß potentielle Kapitalgeber nur dann Eigenkapital zur Verfügung stellen, wenn sie eine den Risiken adäquate Rendite erzielen können. Erfolgreiche Gründer haben zwar aufgrund ihrer Pionierstellung die Chance, Überrenditen zu erwirtschaften, insgesamt ist aber die Sterbewahrscheinlichkeit des Gründungsunternehmens und somit das Risiko eines Totalverlustes des eingesetzten Kapitals deutlich höher als bei etablierten Unternehmen78. Die Widerstandsfähigkeit in Krisenzeiten ist bei Existenzgründungen geringer und die Gefahr unternehmerischer Fehleinschät­ zungen größer79. Dies führt ebenfalls dazu, daß Existenzgründungen potentiellen Beteiligungspartnern eine höhere Eigenkapitalverzinsung anbieten müssen, um das erhöhte Anlagerisiko mit der Gefahr eines Totalverlustes gegenüber anderen Anlageobjekten zu kompensieren.

Aus dieser speziellen Problemlage der Existenzgründungen (größenspezifische und nichtgrößenspezifische Problemfelder) sowie der bereits im vorherigen Ab­ schnitt beschriebenen Notwendigkeit des Eigenkapitals für Unternehmensgründer ergibt sich ein Antagonismus zwischen Eigenkapitalbedarf und der Möglichkeit, Eigenkapital zu akquirieren. Aufgrund der Informationsasymmetrien, der hohen Risiken, der zu erwartenden Anfangsverluste sowie der mangelnden Sicherheiten ist es Existenzgründungen oftmals nicht oder nur schwer möglich, Eigenkapital in ausreichendem Maße zu beschaffen. Diese Schwierigkeiten stehen im Wider­ spruch zu dem erhöhten Kapitalbedarf der Existenzgründungen. Wie bereits im Rahmen der Fremdkapitalakquisitionsfunktion des Eigenkapitals beschrieben, erhalten Existenzgründer oftmals keine Fremdmittel, da die Risiken zu hoch sind 76 77 7R

Vgl. STRUCK, J. (Engpaß 1996), S. 10. Vgl. BÜHRENS, J. (Existenzgründung 1997), S. 204; Thiele, A. (Existenzgründungen 1986), S. 43. Vgl. DAHREMÖLLER, A. (Existenzgründungsstatistik 1987), S. 79. Dieser Zusammenhang wurde im Rahmen der Ausführungen zur Risikopufferfunktion des Eigenkapitals ausführlich erläutert. Vgl. 2. Teil, Abschnitt A.IL3.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

131

und entsprechende Sicherheiten - z.B. in Form von Eigenkapital - fehlen. Gleichzeitig bestehen aber auch Schwierigkeiten aufgrund der aus den beschrie­ benen größenspezifischen und nichtgrößenspezifischen Problemen resultierenden Wettbewerbsnachteile, Eigenkapital zu akquirieren, um anschließend aufgrund einer angemessenen Eigenkapitalbasis entsprechendes Fremdkapital zu erhal­ ten80. Die nachfolgende Abb. 26 verdeutlicht diesen Antagonismus zwischen dem Eigenkapitalbedarf einer Existenzgründung und der Möglichkeit, Eigenkapital in erforderlichem Maße zu akquirieren.

80 81

Vgl. KLANDT, H. U.a. (Existenzgründungspolitik 1994), S. 22. In Anlehnung an Kirchhoff-Kestel, S ./Klandt, H. (Existenzgründungsforderung 1996), S. 142.

132

B.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

DIREKTE BETEILIGUNGSFINANZIERUNG

Die bisherigen Ausführungen haben verdeutlicht, daß für Unternehmensgründun­ gen aufgrund ihrer spezifischen Situation Eigenkapital einen zentralen Baustein der Finanzierungsstruktur darstellt, bzw. daß für junge Unternehmen ein ausrei­ chender Anteil an Eigenmitteln von geradezu existentieller Bedeutung ist. Nach­ dem bislang die Fragen beantwortet wurden, durch welche charakteristischen Merkmale sich Eigenkapital auszeichnet bzw. welche Eigenkapitalfunktionen für Existenzgründungen im Hinblick auf die spezielle Finanzierungssituation dieser Unternehmensgruppe von Relevanz sind, sollen im folgenden unterschiedliche Möglichkeiten der Eigenkapitalakquisition analysiert werden. Hierzu stellt Abb. 27 zunächst eine grundsätzliche Systematisierung der Eigenkapitalbeschaf­ fungsalternativen dar.

Alternativen der Eigenkapitalbeschaffung

„funktionsorientierte“ Eigenkapital­ surrogate über öffentl. Förderprogramme

indirekt

direkt

staatliche Eigeukapilalangeböte, vB. • EK-Hilfeprogramm • EK-Ergänzungsprogramm

|

„echtes“ Eigenkapital

Venture Captial

Beteiligungs­ finanzierung

institutionelle Kapitalanleger

private Kapitalanleger • Kleinanleger • Business Angels

• • • •

Unternehmen Kreditinstitute Versicherungen Beteiligungsgesellschaftcn

Abb. 27: Alternativen der Eigenkapitalbeschaffung und Eigenkapitalgeber

Als Eigenkapitalgeber kommen dabei insbesondere die in Abb. 27 aufgeführten Parteien in Betracht. Hierzu zählen private und institutionelle Kapitalanleger sowie die Unterstützung von staatlicher Seite, auf die zunächst eingegangen wer­ den soll.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

I.

Die Eigenkapitalbeschaffung über öffentliche Förderprogramme

1.

Instrumente der Gründungsforderung zur Stärkung der Eigenkapitalbasis

133

Grundsätzlich besteht für Existenzgründer die Möglichkeit, im Rahmen der öf­ fentlichen Gründungsförderung Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Mittel zu erhalten. Dabei können mit den bereits an früherer Stelle erwähnten Finanz- und Real transfers zwei wesentliche Bausteine der Gründungsförderung unterschieden werden. Finanztransfers haben eine direkte finanzielle Unterstützung des Grün­ dungsunternehmens zum Ziel und beinhalten im Hinblick auf die Zielsetzung der Arbeit folglich diejenigen Fördermaßnahmen, die eine unmittelbare Stärkung der Eigenkapitalbasis verfolgen. Demgegenüber umfassen Realtransfers indirekte finanzielle Unterstützungsmaßnahmen, beispielsweise über Beratungshilfen oder die Schaffung einer geeigneten Infrastruktur, und zielen somit ebenfalls auf eine Entspannung der finanziellen Situation des Gründungsunternehmens ab. Die nachfolgende Abb. 28 systematisiert zunächst unterschiedliche Möglichkeiten der Gründungsförderung.

Abb. 28: Instrumente der Gründungsförderung zur Stärkung der Eigenkapitalbasis

Zunächst existiert ein umfangreiches Angebot an Realtransfers, die effektiv zu keinem Kapitalzufluß, sondern in ihrer Konsequenz vielmehr zu einer Entspan­ nung der Liquiditätssituation des Gründungsunternehmen führen. Zu diesen indi­ rekten finanziellen Unterstützungsmaßnahmen zählt zunächst die Schaffung ge­ eigneter Infrastrukturen, beispielsweise in Form von Innovations- und Gründer­ zentren. In diesen Standortgemeinschaften können junge oder neugegründete

134

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Unternehmen einerseits auf ein umfangreiches Angebot an Gemeinschaftsein­ richtungen zurückgreifen und andererseits oftmals zu bevorzugten Preisen ent­ sprechende Büro- und Produktionsräume anmieten82, was mit Kostendegressionseffekten und einer Entspannung der finanziellen Situation des Gründers verbun­ den ist. Durch Beratungsleistungen als zweitem wesentlichem Realtransfer sollen Entscheidungshilfen zur Vorbereitung und Durchführung einer selbständigen gewerblichen oder wirtschaftsnahen freiberuflichen Existenz gegeben werden. Im Mittelpunkt der Existenzgründungsberatung steht dabei die Klärung der Frage, ob und in welcher Weise die Gründung in wirtschaftlicher und technischer Hin­ sicht zu einer tragfähigen Vollexistenz führen kann. Der Beratungszuschuß aus Bundesmitteln beträgt dabei 60% der in Rechnung gestellten Beratungskosten, bei Existenzgründungsberatungen max. 3.000 DM83. Dieser Zuschuß führt somit - wie die Übernahme von Bürgschaften - nicht unmittelbar zum Zufluß finan­ zieller Mittel, allerdings kommt es zu Einsparpotentialen bei den Gründern bzw. werden deren Ausgaben vermindert, was gleichzeitig mit einer Entspannung der finanziellen Situation des Gründungsunternehmens und somit mit einer Reduzie­ rung der Liquiditätsbelastung verbunden ist. Finanztransfers als direkte finanzielle Fördermaßnahmen erreichen im Unter­ schied zu den Realtransfers einen effektiven Mittelzufluß bei den Entrepreneur­ firmen. Da - wie bereits an anderer Stelle erwähnt - Existenzgründer oftmals nicht in der Lage sind, die für die Finanzierung ihres Vorhabens erforderlichen banküblichen Sicherheiten zu erbringen, bieten hierbei spezielle Programme die Übernahme von Bürgschaften an, um erfolgversprechende Ideen nicht an Siche­ rungsfragen scheitern zu lassen84. Diese Förderung, die im wesentlichen für die neuen Bundesländer gilt, führt zwar nicht zu einem direkten Zufluß von Eigenka­ pital, allerdings übernehmen die Bürgschaften85 eigenkapitalähnliche Funktionen. Die Bürgschaften erhöhen die Sicherheiten der Existenzgründer und erleichtern dadurch die Beschaffung von Fremdmitteln, was einer Erfüllung der Fremdkapi­ talakquisitionsfunktion des Eigenkapitals entspricht.

Des weiteren existieren im Rahmen der Finanztransfers sog. Eigenkapitalpro­ gramme. Diese sind zwar i.d.R. an eine Zins- und Tilgungsverpflichtung gekop­ pelt, was bei enger Auslegung der Definition des Eigenkapitals eigentlich wider­ spricht. Allerdings weisen die Fördermittel eigenkapitalähnliche Konditionen auf, da die Tilgungsverpflichtungen zum einen erst nach einer langen tilgungsfreien

83 84

Vgl. STEINKÜHLER, R.-H. (Technologiezentren 1993), S. 7. Vgl. z.B. Handelskammer Hamburg (Tips 1997), S. 21. Vgl. Hofmann, M. (Existenzgründung 1996), S. 81. Zu den einzelnen Bürgschaftsprogrammen vgl. z.B. Winkler-Otto, A. (Finanzierungshilfen 1997).

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

135

Zeit einsetzen und zum anderen die Gelder unbeschränkt haften. Aus diesen Gründen ist eine Zurechnung der öffentlichen Gelder zu den Eigenmitteln ge­ rechtfertigt, allerdings sollen sie zur Unterscheidung als „funktionsorientierte“ Eigenkapitalsurrogate bezeichnet werden. Die Förderung von Unternehmensgründungen durch Finanzierungs- und Bera­ tungshilfen gewinnt seit Ende der 70er Jahre zunehmend an Bedeutung. Ausge­ hend von der Erkenntnis, daß für viele potentielle Existenzgründer eine Umset­ zung ihres Gründungsvorhabens infolge fehlender finanzieller Möglichkeiten ausgeschlossen bleibt, stellt der Staat über spezielle Programme Eigen- bzw. Risikokapital zur Verfügung. Hierdurch werden einerseits kapitalmarktbedingte Markteintrittsbarrieren gesenkt, andererseits wird aber auch die Überlebenswahr­ scheinlichkeit der Gründungsunternehmen erhöht86. Auf die wesentlichen Cha­ rakteristika der Finanztransfers soll daher in den folgenden Abschnitten weiter eingegangen werden.

2.

Förderprogramme auf Bundesebene

Den Eckpfeiler der bundesweiten Gründungsförderung stellt das im Sommer 1979 von der Bundesregierung initiierte und aus ERP-Mitteln87 gespeiste Eigen­ kapitalhilfeprogramm (EKH) dar, das von der Deutschen Ausgleichsbank (DtA), dem bundeseigenen Kreditinstitut mit dem Aufgabenschwerpunkt der Wirt­ schaftsförderung88, betreut wird. Ziel des Eigenkapitalhilfeprogramms ist die Verbesserung der Eigenkapitalposition von Existenzgründern im Falle nicht genügend vorhandener Eigenmittel. Dabei werden die Mittel als „Hilfe zur Selbsthilfe“ nur dann gewährt, wenn ohne sie die Durchführung des Vorhabens wegen einer nicht angemessenen Basis an haftendem Eigenkapital wesentlich erschwert würde. Das EKH wird hierzu zwar in Darlehensform begeben, weist allerdings die Besonderheit auf, daß es mit Ausnahme der persönlichen Haftung des Existenzgründers nicht banküblich abzusichern89 ist und eine Rückzahlung erst dann zu erfolgen hat, wenn sämtliche Gläubiger befriedigt sind. Die Nachrangigkeit des Eigenkapitalhilfeprogramms sowie die unbeschränkte Haf­ tung der Fördermittel unterstreichen dabei den Eigenkapitalcharakter des EKHs, wobei insbesondere die Kriterien der Arbeits- bzw. Einsatzfunktion, der Finan­ zierungsfunktion sowie der Risikofunktion des Eigenkapitals vom EKH erfüllt 86 87 88 89

Vgl. Kayser, G. (Mittelstandsförderung 1996), S. 67. ERP = European Recovery Program, dessen Ursprung im sog. Marshall-Plan als Aufbauhilfe der USA für Europa nach dem zweiten Weltkrieg liegt. Vgl. Hammer, K. (Deutsche Ausgleichsbank 1986), S. 247. Die Absicherung der EKH-Mittel erfolgt über eine Garantie des Bundes. Vgl. WlNKLER-OTTO, A. (Finanzierungshilfen 1997), S. 12.

136

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

werden90. Die eigenkapitalähnlichen Konditionen des EKH hinsichtlich Laufzeit bzw. Tilgung erhöhen zudem die Bestandsfestigkeit des Gründungsunternehmens und schonen dessen Liquidität91. So besteht für den Gründer zehn Jahre lang keinerlei Rückzahlungsverpflichtung. Der Zinsanspruch kann als quasi­ ertragsabhängig gelten, da er sich am erwarteten Ertragsverlauf des Gründungs­ unternehmens orientiert92. Zusätzlich zu der Finanzierungshilfe des Bundes können Unternehmensgründer über das Eigenkapitalergänzungsprogramm (EKE) der DtA weitere risikotragen­ de Mittel zur Stärkung der Eigenkapitalbasis bei Gründung in den neuen Bun­ desländern und in Berlin (Ost) beantragen. Diese Fördermittel werden ebenfalls als Hilfe zur Selbsthilfe gewährt und erfüllen durch ihre unbeschränkte Haftung sowie die mit dem EKH korrespondierenden Tilgungs- und Zinsmodalitäten gleichfalls Eigenkapitalfunktionen.

Bevor die beiden nachfolgenden Abbildungen die wesentlichen Inhalte des Ei­ genkapitalhilfe- bzw. des Eigenkapitalergänzungsprogramms in tabellarischer Form darstellen, sei bereits eine potentielle Modifizierungsalternative der beiden Bundesprogramme angesprochen. Durch die Änderung der Zinsvereinbarungen in eine echte ertragsabhängige und somit variabel verzinsliche Form würden die Förderprogramme in ihrer Effizienz noch deutlich erhöht, da so eine verbesserte Berücksichtigung der spezifischen Situation der Existenzgründer mit den cha­ rakteristischen Anlaufverlusten erreicht würde93.

90

91 9

Zu einer ausführlichen Diskussion des Eigenkapitalcharakters des Eigenkapitalhilfeprogramms hinsichtlich der Arbeits- und Einsatzfunktion, der Haftungs- und Garantiefunktion sowie der Ri­ sikofunktion des Eigenkapitals vgl. z.B. HüNSDIEK, D./MAY-STROBL, E. (Gründungsfinanzie­ rung 1987), S. 47ff. Eine genaue Beschreibung der genannten Eigenkapitalfunktionen findet sich im 2. Teil, Abschnitt A.II. Vgl. SCHILLER, R. (Fördermittel 1993), S. 92. Vgl. HüNSDIEK, D./MAY-STROBL, E. (Gründungsfinanzierung 1987), S. 49. Zur stärkeren Betonung des Risikokapitalcharakters in Form einer ertragsabhängigen Verzin­ sung vgl. BDB (Eigenkapitalausstattung 1996), S. 25.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

137

Eigenkapitalhilfeprogramm (EKH)94 Verwendungszweck

A ntragsberechtigte

Voraussetzung für die Gewährung der EKH Bem essungsgrundlage (BG)

Umfang der Forde­ rung

Konditionen • Zinssatz

• Garantieentgelt • Auszahlung • Laufzeit • Tilgung

• Sicherheiten A ntragsverfahren

Schließung der Eigenkapital-Lücke bei -Gründung einer selbständigen gewerblichen oder freiberufli­ chen Existenz, auch durch tätige Beteiligung mit hinreichen­ dem unternehmerischem Einfluß oder Übernahme; -Festigung einer selbständigen gewerblichen oder freiberufli­ chen Existenz bis 2 Jahre (alte Bundesländer) bzw. 4 Jahre (neue Bundesländer) nach der Gründung. Natürliche Personen, die über erforderliche fachliche und kaufmännische Qualifikationen für das Vorhaben verfügen. -Fachliche Beratung des Antragstellers bez. des Vorhabens. -Dem Antrag muß eine Stellungnahme einer unabhängigen und fachlich kompetenten Stelle beigefügt werden. -Betriebsnotwendige Investitionen / zu zahlender Kaufpreis. -Beschaffung bzw. Aufstockung des Waren-, Material- und ErsatzteiHagers (neue Bundesländer). -Markterschließungsaufwendungen mit längerfristiger Kapi­ talbindung bis zu 10% der Bemessungsgrundlage. -Einsatz eigener Mittel mind. 15% der BG. -Aufstockung der eigenen Mittel auf max. 40% der BG. -Höchstbetrag 500.000 Euro oder 1 Mio. Euro (neue Bundes­ länder).

1. + 2. Jahr: Ö% / 3. Jahr: 3% / 4. Jahr: 4%7 5. Jahr: 5% 6.-10. Jahr: 5,5% resp. 6% (neue Bundesländer) 0,7% der jeweils valutierten Eigenkapitalhilfe. 96% Max. 20 Jahre; Rückzahlung bis spätestens zur Vollendung des 70. Lebensjahres des Antragsstellers. 10 tilgungsfreie Jahre, anschließend 20 gleiche Halbjahresra­ ten; vorzeitige Tilgung möglich. Persönliche Haftung des Antragstellers; Mithaftung des Ehepartners . Durch Kreditinstitute über Weiterleitung an die DtA.

Abb. 29: Wesensmerkmale des Eigenkapitalhilfeprogramms (Stand Februar 1999)

94 95

Zu den einzelnen Konditionen vgl. WlNKLER-OTTO, A. (Finanzierungshilfen 1997), S. 12; DtA (Finanzierungsbausteine 1997), S. 6ff.; DtA (Existenzgründungen 1999), S. 3 ff. Die Mithaftung der Ehepartner verstößt zwar laut BGH-Urteil XI ZR 50/96 vom 11.3.1997 gegen die guten Sitten, da es unvertretbar ist, einen nicht leistungsfähigen Ehepartner in eine Garantenstellung für den wirtschaftlichen Erfolg des anderen Ehepartners zu drängen. Trotzdem ist die Mithaftung des Ehepartners des Antragstellers nach wie vor in den öffentlichen Richtlini­ en vorgesehen und aufgeführt.

138

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Eigenkapitalergänzungsprogramm (EKE)96 Verwendungszweck

Antragsberechtigte

Voraussetzung für die Gewährung der EKE

Bem essungsgrundläge (BG)

Umfang der Förde­ rung

Konditionen ♦ Zinssatz • Gebühr • Auszahlung • Laufzeit • Tilgung • Sicherheiten A ntrags verfahren

-Zurverfügungstellung zusätzlicher risikotragender Mittel zur Verstärkung der Haftkapitalbasis. -Finanzierung eines tragfähigen Untemehmenskonzeptes zur nachhaltigen Steigerung der Wettbewerbs- und Leistungsfä­ higkeit. -Die Fördermittel sind als haftende Mittel ausschließlich und unmittelbar für diese Vorhaben einzusetzen. Existenzgründer / Gewerbliche Unternehmen mit einem Jah­ resumsatz bis zu 250 Mio. DM -Ohne die Mittel wäre die Durchführung des Vorhabens er­ heblich erschwert (Subsidaritätsprinzip = Hilfe zur Selbst­ hilfe). -40%-ige Mindestbeteiligung der Hausbank an der Finanzie­ rung in Form eines langfristig, nachrangig besicherten Darle­ hens. Absicherung kann über Bürgschaften oder Haftungs­ entlastungen des Bundes oder der Länder erfolgen. -Dem Antrag muß ein Untemehmenskonzept, ein Kosten- und Finanzierungsplan sowie eine Stellungnahme einer unabhän­ gigen, fachlich kompetenten Stelle beigefugt werden. Summe der immateriellen Investitionen, z.B. Markterschlie­ ßungskosten mit längerfristiger Kapitalbindung, Produktent­ wicklungskosten, Kosten einer zeitlich befristeten Manage­ mentunterstützung, Aufwendungen für FuE. -Gewährung bis zu 60% der BG, keinesfalls jedoch mehr als 40% des Betriebsvermögens nach Verwirklichung des Unter­ nehmenskonzeptes und unter Anrechnung anderer öffentli­ cher Mittel mit Haftkapitalcharakter. -Mindestbetrag/Höchstbetrag: 30.000 DM/5 Mio. DM Zinssatz liegt am unteren Rande des Kapitalmarktniveaus. Einmalig in Höhe von 2% der gewährten Eigenkapitalhilfe. 100% 20 Jahre 10 tilgungsfreie Jahre, anschließend 20 gleiche Halbjahresra­ ten; vorzeitige Tilgung möglich (Kündigungsfristen!). Keine dinglichen Sicherheiten erforderlich. Durch Kreditinstitute über Weiterleitung an die DtA.

Abb. 30: Wesensmerkmale des Eigenkapitalergänzungsprogramms (Stand Februar 1999)

96

Zu den einzelnen Konditionen vgl. DtA (Finanzierungsbausteine 1997), S. 6ff.; DtA (Existenz­ gründungen 1999), S. 17ff.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

139

Bei der Vergabe der Mittel arbeitet die Deutsche Ausgleichsbank wettbewerbs­ neutral mit allen Kreditinstituten in Deutschland, die als Hausbanken grundsätz­ lich in den Antragsweg einzuschalten sind, zusammen97. Den gesamten Ablauf bei der Beantragung der beschriebenen Förderprogramme stellt zunächst Abb. 31 graphisch dar.

Abb. 31: Antragsweg für öffentliche Förderprogramme98

97 98

Vgl. Schiller, R. (Fördermittel 1993), S. 88. In Anlehnung an RASNER, C./FÜSER, K./FAIX, W. (Existenzgründerbuch 1997), S. 243.

140

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Die Beantragung der Finanzierungshilfen, auf die selbst bei Erfüllung sämtlicher in den Programmrichtlinien genannten Förderungsvoraussetzungen kein Rechts­ anspruch besteht, ist an die Vergabebedingungen der öffentlichen Hand gebun­ den. Im einzelnen bedeutet dies":

Die Anträge sind über die Hausbank einzureichen, die diese nach eigener Prüfung an die DtA weiterleitet. Die Weiterleitung der Anträge liegt dabei im Ermessen des Kreditinstituts, denn es verpflichtet sich seinerseits, die (even­ tuell) gewährten ERP-Mittel fristgerecht zu verzinsen und zu tilgen, trägt so­ mit das Ausfallrisiko. • Die Anträge müssen vor Beginn des Gründungs- resp. Investitionsvorhabens gestellt werden, wobei als rechtzeitige Antragstellung das erste aktenkundig gemachte Gespräch des potentiellen Antragstellers mit seiner Hausbank gilt, in dem dieser den Wunsch nach einer finanziellen Unterstützung äußert. Mit dem Gründungsvorhaben darf erst dann begonnen werden, wenn die Finan­ zierung mit der Hausbank besprochen wurde. • Die Gesamtfinanzierung des Gründungsvorhabens muß gesichert sein, Nach­ finanzierungen und Umschuldungen werden normalerweise nicht gefördert. •

Aus dem komplexen Hausbankverfahren resultiert insbesondere das Problem, daß die Entscheidungs- und Bewilligungsverfahren oftmals intransparent und langwierig sind100. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die Anträge sowohl vom Kreditinstitut als auch von der DtA überprüft und begutachtet werden. Eine Ver­ kürzung des gesamten Bewilligungsverfahrens könnte beispielsweise dadurch erreicht werden, daß Anträge, die von der Hausbank bereits positiv beurteilt wurden, keiner weiteren Prüfung durch die DtA mehr bedürfen, sondern die För­ dermittel vielmehr direkt an den Antragsteller weitergeleitet werden. Lediglich im Falle einer negativen Beurteilung durch die Hausbank sollte über die DtA eine weitere Prüfung vorgenommen werden. Kommt auch diese „Zusatzprüfung“ zu einem negativen Ergebnis, wäre es z.B. denkbar, daß weiterführende Lösungsan­ sätze zur Realisierung des Gründungsvorhabens oder alternative Fördermöglich­ keiten zur Umsetzung der Gründungsfinanzierung bereits in einer Art Bewilli­ gungsprotokoll aufgezeigt werden.

"

Vgl. RÖDEL, S./WlTTEMER, B./GESMANN, K. (Existenzgründung 1998), S. 100f.; WOLF, K.-H. (Existenzgründung 1997), S. 132; SCHWABE, H. (Deutsche Ausgleichsbank 1995), S. 579. 100 Vgl. Zarth, M. (Existenzgründungshilfen 1989), S. 108f.; zu einer empirischen Analyse der Beurteilung der Gründungsförderung vgl. HÜFNER, P./MAY-STROBL, E./PAULINI, M. (Mittel­ stand 1992), S. 94ff.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

3.

141

Förderprogramme auf Landesebene

Neben den beschriebenen Förderprogrammen zur Stärkung der Eigenkapitalbasis auf Bundesebene existiert eine Vielzahl spezieller Landesfördermittel. Dabei ist neben dem Hausbankprinzip ein weiterer für die Fördermaßnahmen geltender Grundsatz von Bedeutung, das sog. Prinzip „Bundesmittel vor Landesmittel“. Dies heißt, daß vor einer Antragstellung auf Fördergelder eines Bundeslandes zunächst zu prüfen ist, ob für das Existenzgründungsvorhaben auch Fördermittel des Bundes beantragt werden können. Werden eventuell zustehende Förderpro­ gramme des Bundes nicht in Anspruch genommen, obwohl die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, werden diese entgangenen Förderbeträge bei der Landesförderung in Abzug gebracht. Aus der Vielzahl der diversen landesspezifischen Fördermöglichkeiten haben allerdings nur eine geringe Anzahl die Stärkung der Eigenkapitalbasis zum Ziel und erhöhen durch die Inanspruchnahme die Eigenmittel der Existenzgründer. Zu den wesentlichen Fördermöglichkeiten gehören dabei insbesondere die im fol­ genden mit ihren wesentlichen Inhalten kurz skizzierten Programme101.



Arbeitsämter gewähren vor der Gründung arbeitslosen Entrepreneuren für 26 Wochen ein Überbrückungsgeld in Höhe der zuletzt bezogenen Beträge aus Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe (§ 55 AFG). • Der Start eines neuen Unternehmens wird in manchen Bundesländern durch ein sog. Markteinführungsprogramm unterstützt. Beispielsweise werden in Baden-Württemberg bis zu 20% der notwendigen Investitions- bzw. Markteinführungskosten für Recyclingprodukte bezuschußt. Ähnliche Zu­ schußprogramme existieren auch in Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Rheinland-Pfalz. • Mehrere Bundesländer gewähren Existenzgründern innerhalb einer Frist von drei Jahren nach Ablegung der Meisterprüfung in Form einer sog. Meister­ gründungsprämie einen Gründungszuschuß, so z.B. das Land Berlin in Höhe von 20.000 DM.

Eine weitere landestypische Fördermaßnahme zur Finanzierung resp. zur Verbes­ serung der Eigenkapitalausstattung von Existenzgründungen stellt das Programm „Institutsunterstützte Unternehmensgründungen (IUG)“ dar, das seit 1997 in Rheinland-Pfalz innovativen Unternehmensgründern angeboten wird und dessen 101 Vgl. RÖDEL, S./Wittemer, B./Gesmann, K. (Existenzgründung 1998), S. 109f. Für eine aus­ führliche Beschreibung sei auf die Informationsmaterialien der jeweiligen Landesförderinstitute sowie das Informationsangebot der entsprechenden IHKn und Handwerkskammern verwiesen. Umfangreiche Beschreibungen der einzelnen Programme finden sich bei WlNKLER-OTTO, A. (Finanzierungshilfen 1997).

142

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Refinanzierung durch das Bundesministerium für Wirtschaft sowie das Ministeri­ um für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes RheinlandPfalz erfolgt. Im Rahmen des IUG haben sich mehrere anwendungsorientierte Forschungsinstitute102 zusammengeschlossen, die über einen personenorientierten Technologietransfer Spin-offs aus den jeweiligen Forschungseinrichtungen inten­ sivieren. Das Projekt richtet sich dabei grundsätzlich an alle Personen mit einer innovativen Unternehmensidee, die bei der Gründung und Führung ihres eigenen Unternehmen ergänzend zur infrastruktureilen Unterstützung durch die ausge­ wählten Forschungseinrichtungen eine finanzielle Förderung erfahren.

Die finanzielle Unterstützung des IUG-Programms basiert dabei auf insgesamt drei Säulen und umfaßt zunächst eine personenorientierte Förderung des Grün­ ders, über die der Entrepreneur während der gründungsvorbereitenden Phasen ein an den BAT VIb-Tarif angelehntes Gehalt erhält. Zur Begleichung der für die Markteinführung innovativer Produkte bzw. Dienstleistungen erforderlichen Gutachten und Zulassungs(vor-)prüfungen anfallenden Aufwendungen steht dem Gründer des weiteren ein Zuschuß in Höhe von 30.000 DM zu. Ergänzt wird die finanzielle Unterstützung durch ein zinsloses Darlehen von 150.000 DM, das nach fünf Jahren zurückgezahlt werden muß und analog zu den bereits beschrie­ benen EKH- bzw. EKE-Mitteln haftende Eigenkapitalfunktionen erfüllt103. Bislang wurden über das IUG-Programm insgesamt neun innovative Gründungs­ projekte gefördert; eine detaillierte Evaluation soll im Sommer 1999 von Profes­ sor Müller-Merbach durchgeführt werden.

102 Zu den Projektpartnem des IUG zählen das Forschungsinstitut für mineralische und metallische Werkstoffe-Edelsteine/Edelmetalle (FEE) in Idar-Oberstein, das Forschungsinstitut für anorga­ nische Werkstoffe-Glas/Keramik (FGK) in Idar-Oberstein, das Institut für Oberflächen- und Schichtanalytik (IFOS) in Kaiserslautern, das Institut für Mikrotechnik (IMM) in Mainz, das In­ stitut für Verbundwerkstoffe (IVW) in Kaiserslautern, das Prüf- und Forschungsinstitut für die Schuhherstellung (PFI) in Pirmasens, die Transferstellen für Kältetechnik, für Produktion­ stechnik (CCK), für Innovative Niedertemperatur-Fügetechnik, für Hartstoff und Verschleiß­ schutzschichten, für Mikroelektronik (ZMK) der Universität Kaiserslautern, die Fraunhofer Ein­ richtung Experimentelles Software Engineering (IESE) in Kaiserslautem sowie das Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik in Kaiserslautem. Vgl. BIC KAISERSLAUTERN (IUG o.J.). 10 Vgl. BIC Kaiserslautern (Projektantrag 1997), S. 16ff.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

II.

143

Die Beteiligungsfinanzierung unter Berücksich­ tigung der Rechtsform des gegründeten Unter­ nehmens

Die beschriebenen öffentlichen Förderprogramme führen zwar zu einem Zufluß von eigenkapitalähnlichen Mitteln, allerdings sind diese Eigenkapitalsurrogate eher funktionsorientiert. Sie erfüllen zwar einige der beschriebenen charakteristi­ schen Funktionen des Eigenkapitals und werden somit auch den Eigenmitteln des Gründungsunternehmens zugerechnet, stellen jedoch aufgrund der mit ihnen verbundenen Rückzahlungsverpflichtung kein Eigenkapital im echten Sinne dar. Auf die Möglichkeiten der rechtsformspezifischen Beschaffung von „echtem“ Eigenkapital soll daher im folgenden Abschnitt vertiefend eingegangen werden.

1.

Die Eigenkapitalbeschaffung bei Kapitalgesellschaften

Als Kapitalgesellschaften gelten die Aktiengesellschaft (AG), die Kommanditge­ sellschaft auf Aktien (KGaA) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Diese Gesellschaftsformen sind Körperschaften und als solche grund­ sätzlich auf einen größeren und wechselnden Personenkreis angelegt104. Normalerweise firmieren neu gegründete Unternehmen allerdings nicht in der Rechtsform der AG oder KGaA. Dies liegt zum einen darin begründet, daß für die Errichtung einer AG ein Startkapital von 100.000 DM erforderlich ist und zum anderen mindestens 5 Gründer benötigt werden, die das Grundkapital über­ nehmen. Da Existenzgründungen jedoch vornehmlich von einer Person durchge­ führt werden105 bzw. die erforderlichen Gründungsmittel oftmals die finanziellen Kapazitäten des Gründers überschreiten, scheidet diese Rechtsform als Grün­ dungsalternative i.d.R. aus106. Um jedoch auch Existenzgründern den Zugang zu Eigenkapital in Form von Aktien zu gewährleisten, besteht für diese Unterneh­ mensgruppe die Möglichkeit, eine kleine AG zu gründen. Die relevanten Vor­ schriften beinhalten dabei unterschiedliche Erleichterungen für den Gründer. So ist beispielsweise die Einpersonengründung zulässig, es bestehen geringere An­ forderungen bei der Einberufung und der Durchführung der Hauptversammlung

1(14 Vgl. Matschke, M.J. (Finanzierung 1991), S. 69. 105 Untersuchungen zufolge vollzieht in den alten Bundesländern jeder vierte Existenzgründer seinen Start in die Selbständigkeit gemeinsam mit einem Partner. Im Umkehrschluß bedeutet dies, daß drei von vier Existenzgründungen von dem Entrepreneur alleine durchgeführt werden. Vgl. O.V. (Team-Management 1994), S. 22. 11)6 Vgl. BACH, W./KILIAN, U. (Selbständigkeit 1997), S. 31.

144

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

sowie bei der Gewinnverwendung107. Die Akquirierung von Eigenkapital der kleinen AG erfolgt dabei analog der Eigenkapitalbeschaffung von Aktiengesell­ schaften, allerdings soll an dieser Stelle aufgrund der geringen Verbreitung der kleinen AG unter Existenzgründern nicht weiterführend auf die diversen Mög­ lichkeiten der Eigenmittelbeschaffung eingegangen werden.

Die KGaA, die Elemente der Aktiengesellschaft (hinsichtlich der Kapitalstruktur) und der Kommanditgesellschaft (hinsichtlich der Führungsstruktur) miteinander verbindet, weist eine außerordentlich geringe Verbreitung auf. Im Jahr 1990 firmierten beispielsweise lediglich 30 Unternehmen in dieser Rechtsform108. Dies läßt die Schlußfolgerung zu, daß Existenzgründungen die KGaA als Gesell­ schaftsform nicht auswählen. Daher soll auf eine Beschreibung der spezifischen Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten der KGaA an dieser Stelle ebenfalls verzichtet werden. Demgegenüber erfreut sich im Rahmen der Existenzgründung insbesondere die GmbH schon seit langem großer Beliebtheit109, was vor allem durch die Be­ schränkung des Kapitalverlustrisikos auf die Kapitaleinlagen zu begründen ist. Bei der Gründung einer GmbH wird bereits über das Stammkapital eine gewisse Mindestgröße an Eigenkapital benötigt. Dieser im Gesellschaftsvertrag nominell fixierte und in das Handelsregister eingetragene Betrag verteilt sich dabei auf die einzelnen Gesellschafter entsprechend ihrer Geschäftsanteile, die als Miteigen­ tumstitel zu betrachten sind110. Die Mindesthöhe des Stammkapitals beträgt 50.000 DM111, wobei jeder Gesellschafter eine Mindeststammeinlage von 500 DM zu leisten hat. Die Einlagen der Gesellschafter müssen jedoch nicht gleich hoch sein, allerdings haben sie auf einen runden und durch 100 DM teilbaren Betrag zu lauten. Vor Eintragung der GmbH in das Handelsregister ist es erfor­ derlich, daß jeder Gesellschafter seine Bareinlagen mindestens zu einem Viertel leistet, Sacheinlagen hingegen sind in voller Höhe zu erbringen. Insgesamt muß bei der Gründung einer GmbH auf das Stammkapital mindestens soviel einge­ zahlt sein, daß der Gesamtbetrag der eingezahlten Geldeinlagen zuzüglich des Gesamtbetrages der Stammeinlagen, für die Sacheinlagen zu leisten sind, 25.000 DM erreicht112. Bei der seit der Änderung des GmbH-Gesetzes von 1980 mit Wirkung vom 1.1.1981 zulässigen Gründung der Einmann-GmbH113 ist darüber

108 109 110 111

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

WILHELM, E. (Existenzgriindung 1998), S. 158f. KußMAUL, H. (Familienuntemehmen 1990), S. 356. o.V. (Team-Management 1994), S. 22; MEHRMANN, E. (Handbuch 1996), S. 83. SCHNEIDER, J. (Gründungsfinanzierung 1989), S. 114. § 5 Abs. 1 GmbHG.

, Vgl. §7 GmbHG. 113 Vgl. § 1 GmbHG.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

145

hinaus für den restlichen Teil der Geldeinlage eine Sicherung, z.B. über eine Bankbürgschaft, zu bestellen.

Das zentrale Element aller Gesellschafterrechte und -pflichten ist somit der Ge­ schäftsanteil, dessen Betrag sich nach der Höhe der übernommenen Stamm­ einlage richtet. Aus der Höhe des Geschäftsanteils leiten sich weiterhin das Ge­ winnrecht (§ 29 Abs. 2 GmbHG), das Stimmrecht (§ 47 Abs. 2 GmbHG) sowie der Anteil am Liquidationserlös (§ 72 GmbHG) der Unternehmung ab, sofern der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen trifft. Als externe Möglichkeiten der Eigenkapitalzufuhr kommen rechtsformspezifisch bei der GmbH insbesondere die Erhöhung der Kapitaleinlage der AltGesellschafter oder die Aufnahme neuer Gesellschafter durch die Ausgabe weite­ rer GmbH-Anteile in Betracht (§ 55 GmbHG). Da diese Anteile zwar notariell beurkundet, jedoch nicht in Wertpapieren verbrieft sind, ist die Fungibilität der GmbH-Anteile stark eingeschränkt114. Dies erschwert es der GmbH zwar einer­ seits, die Eigenkapitalbasis durch eine Erhöhung des Stammkapitals auf dem Wege der Gewinnung neuer Gesellschafter auszuweiten. Andererseits erleichtert allerdings die beschränkte Haftung der GmbH-Gesellschafter, Eigenkapitalgeber zu akquirieren, da sich diese nicht mit ihrem gesamten Vermögen engagieren müssen115.

Neben dem Stammkapital kann eine GmbH weiteres Eigenkapital in Form von offenen Rücklagen generieren, die im Zuge von Kapitalerhöhungen durch Agio­ zahlungen (Kapitalrücklagen) oder im Zuge der Thesaurierung von Gewinnen (Gewinnrücklagen) entstehen können. Da sich diese Tatbestände im Rahmen einer Existenzgründung allerdings aufgrund der spezifischen Situation der Grün­ dungsunternehmen und der bereits erwähnten Anlaufverluste in aller Regel nicht realisieren lassen, beschränkt sich die Eigenkapitalbeschaffung für Existenzgrün­ dungen bei der Rechtsform der GmbH somit auf die Ausgabe neuer Geschäfts­ anteile resp. die Gewinnung neuer Gesellschafter.

2.

Die Akquisition von Eigenkapital bei Personengesell­ schaften

Zu den Personenunternehmen zählen die Einzelunternehmung, die BGB-Ge­ sellschaft, die offene Handelsgesellschaft (OHG) und die Kommanditgesellschaft (KG), die sich im Gegensatz zu den Kapitalgesellschaften auf einen kleinen

114 Vgl. Matschke, M.J. (Finanzierung 1991), S. 71. 115 Vgl. BEG, H. (Eigenkapitalbeschaffung 1997), S. 66.

146

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Personenkreis beschränken und deren Existenz von der dauernden Zugehörigkeit der Mitglieder abhängt116.

Bei der keine rechtliche Selbständigkeit besitzenden Einzelunternehmun^xl handelt es sich um einen ausgegliederten und bestimmten wirtschaftlichen Zwecken dienenden Teil des Gesamtvermögens des Eigentümers, der sämtliche Geschäftsführungs- und Vertretungsaufgaben allein und ungeschränkt übernimmt und zusätzlich für die Verbindlichkeiten des Unternehmens persönlich und unbeschränkt mit seinem Gesamtvermögen haftet. Hinsichtlich des Eigenkapitals bestehen bei der Gründung einer Einzelunternehmung im Unterschied zu den bereits beschriebenen Kapitalgesellschaften keine Mindestvorschriften über die Eigenkapitalhöhe. Die Eigenkapitalbasis ist vielmehr durch das Vermögen, das der Eigentümer zur Verfügung stellen will oder kann, begrenzt. Daraus folgt, daß auch die Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten dieser Gesellschaftsform durch das Gesamtvermögen des Einzelunternehmers sowie zukünftige und nicht für Konsumzwecke benötigte Gewinne beschränkt sind118. Dies bedeutet, daß dem Unternehmen Eigenkapital zugeführt werden kann, indem

• •

der Einzelunternehmer weitere Teile seines Privatvermögens in das Unter­ nehmen überführt oder eine Gewinnthesaurierung durchgeführt wird.

Im erstgenannten Fall begrenzt dabei zunächst die Höhe des Privatvermögens die Summe des zuführbaren Eigenkapitals. In Folge der unbeschränkten Haftung ist die Trennung in Betriebs- und Privatsphäre jedoch wenig bedeutsam, da sich auch durch Einbringung des Privatvermögens das Gesamtvermögen nicht erhöht und somit unter Bonitätsaspekten resp. Haftungsgesichtspunkten keine Änderun­ gen eintreten119. Die Gewinnthesaurierung stellt bei Existenzgründungen zumin­ dest in den ersten Jahren keine Eigenkapitalbeschaffungsalternative dar, da nor­ malerweise in den Anfangsjahren mit Verlusten kalkuliert werden muß. Auch zu späteren Zeitpunkten, wenn regelmäßig Gewinne erwirtschaftet werden, kann über eine Thesaurierung lediglich begrenzt Eigenkapital beschafft werden, denn der Unternehmer wird normalerweise seinen Lebensunterhalt durch entsprechen­ de Gewinnentnahmen finanzieren120. Trotz der genannten eingeschränkten Eigen­ finanzierungsmöglichkeiten handelt es sich bei der Einzelunternehmung jedoch um die Rechtsform, die von vielen Existenzgründern, die ihr Gewerbe alleine

117 118 119 120

Vgl. Matschke, MJ. (Finanzierung 1991), S. 64. Zu den gesetzlichen Regelungen dieser Gesellschaftsform vgl. §§ 1-104 HGB. Vgl. Müller-Merbach, H. (Einführung 1976), S. 94; Bieg, H. (Finanzierung 1991), S. 33. Vgl. Bieg, H. (Eigenkapitalbeschaffung 1997), S. 65. Vgl. WöHE, G./BlLSTEIN, J. (Grundzüge 1994), S. 36.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

147

führen möchten, aufgrund der einfachen praktischen Umsetzung (Firmengrün­ dung, Buchhaltung, Entscheidungsprozesse, Gewinnverteilung, Verlustübernah­ me, etc.) als Gesellschaftsform gewählt wird121. Die BGB-Gesellschafti22 als eine auf einem Vertrag beruhende Personenvereini­ gung zeichnet sich durch eine gemeinschaftliche Geschäftsführung und Vertre­ tungsmacht der Gesellschafter aus. Die Haftung erfolgt gesamtschuldnerisch und erstreckt sich ebenfalls auf das Gesamtvermögen der Gesellschafter, kann aller­ dings durch Vereinbarungen mit den Gläubigern auf das Gesellschaftsvermögen begrenzt werden. Folglich wird auch die Eigenkapitalbasis der BGB-Gesellschaft durch die Vermögenslage der Gesellschafter determiniert123. Somit entsprechen die Möglichkeiten und Probleme der Eigenkapitalbeschaffung der BGB-Gesell­ schaft im wesentlichen denen der Einzelunternehmung. Bei Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen ergibt sich allerdings im Unterschied zum Einzelunternehmen bei Einbringung von Privatvermögen eine Bonitätsver­ besserung124. Eine weitere Alternative der Eigenkapitalbeschaffung, die aller­ dings nicht als rechtsformimmanent bezeichnet werden kann, besteht in der Möglichkeit, Gesellschafter aufzunehmen. Diese Maßnahme wird allerdings erst nach Ausschöpfung sämtlicher anderer Möglichkeiten eingesetzt, denn die Auf­ nahme neuer Gesellschafter führt i.d.R. zu Machteinbußen und Kompetenzbe­ schränkungen. Eine Ausnahme besteht jedoch im Eingehen einer stillen Gesell­ schaft, auf die an späterer Stelle ausführlicher eingegangen wird. Bei der zum Zweck des Betriebs eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gegründeten Offenen Handelsgesellschaft (OHG)'25 haften alle Gesell­ schafter (mindestens zwei) den Gläubigern ebenfalls als Gesamtschuldner per­ sönlich und unbeschränkt mit ihrem jeweiligen Gesamtvermögen. Die Eigenka­ pitalbeschaffungsmöglichkeiten der OHG sind zwar breiter als die der Einzelun­ ternehmung126, allerdings gilt die grundsätzliche Problematik in entsprechender Weise. Eine der OHG vergleichbare Personengesellschaft stellt seit Inkrafttreten des Partnerschaftsgesetzes (PartG) zum 1.7.1995 die sog. Partnerschaftsgesell­ schaft (PartG) dar. Unter dieser Rechtsform haben Freiberufler die Möglichkeit,

122 123 124 125

126

Vgl. Merhmann, E. (Handbuch 1996), S. 74; KUßMAUL, H. (Betriebswirtschaftslehre 1998), S. 345. Zu den gesetzlichen Regelungen der auch als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bezeich­ neten Untemehmensform vgl. §§ 705-740 BGB. Vgl. SÜCHTING, J. (Finanzmanagement 1995), S. 36. Vgl. BEG, H. (Eigenkapitalbeschaffung 1997), S. 65. Zu den gesetzlichen Vorschriften dieser Gesellschaftsform vgl. §§ 105-160 HGB in Ergänzung zu den Vorschriften der BGB-Gesellschaft. Vgl. Matschke, M.J. (Finanzierung 1991), S. 66.

148

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

sich mit Partnern der gleichen Disziplin oder anderer Fachgruppen zu einer Ge­ sellschaft zusammenzuschließen127.

Im Unterschied zu den bisher beschriebenen Personengesellschaften besteht die Kommanditgesellschaft (KG)m aus zwei Gesellschaftergruppen. Während min­ destens ein Gesellschafter als Komplementär unbeschränkt für die Schulden der Gesellschaft haftet, ist bei den übrigen Gesellschaftern, den Kommanditisten, die Haftung auf die Höhe ihrer Kapitaleinlage beschränkt129. Die Stellung der Kom­ plementäre einer KG ist dabei mit derjenigen der Gesellschafter einer OHG ver­ gleichbar, Geschäftsführung und Vertretung der KG obliegen grundsätzlich ih­ nen. Kommanditisten können den Handlungen der Komplementäre nur wider­ sprechen, wenn diese über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes hin­ ausgehen. Gleichzeitig stehen ihnen - allerdings nicht sehr ausgeprägte - Kon­ trollrechte zu130. Für den Kommanditisten wird ein separates Kapitalkonto ge­ führt, das seine Einlage ausweist. Anspruch auf Auszahlung einer entsprechenden Gewinnbeteiligung hat der Kommanditist allerdings nur, wenn die Einlage in voller Höhe geleistet bzw. aufgefüllt ist131. Bezüglich der Eigenkapitalbeschaf­ fung durch alte oder neue Komplementäre entsprechen die Möglichkeiten denen der OHG. Erleichtert wird die Beteiligungsfinanzierung jedoch durch die Zufüh­ rung weiteren Kommanditkapitals durch alte oder neue Kommanditisten. Da Kommanditisten keine Geschäftsführungsbefugnisse besitzen, ergeben sich folg­ lich durch die Aufnahme weiterer Teilhafter keine diesbezüglichen Auswirkun­ gen. Durch die fehlende gesetzliche Regelung über die Anzahl an Kommanditi­ sten kann der Kreis der Kommanditisten recht groß werden (Publikums-KG)132, was gleichzeitig ein entsprechendes Eigenkapitalpotential bewirkt. Allerdings ist die Kommanditisteneinlage als Eigenfinanzierungsinstrument nur bedingt geeig­ net, da sich diese Beteiligung durch eine sehr geringe Fungibilität auszeichnet und nur bei Zustimmung aller Gesellschafter veräußert werden kann133. Für den Fall einer Publikums-KG haben die Kommanditisteneinlagen somit den Charak­ ter vinkulierter Namensaktien und komplizieren folglich die Exitmöglichkeiten.

127 Vgl. Wilhelm, E. (Existenzgründung 1998), S. 136. 128 Zu den gesetzlichen Vorschriften dieser Gesellschaftsform vgl. §§ 161 - 177a HGB in Ergänzung zu den Vorschriften der OHG. 129 Eine Sonderform der KG ist die GmbH & Co. KG, bei der die GmbH als Komplementär die Vollhaftung übernimmt, die folglich auf die Höhe des Stammkapitals der GmbH beschränkt ist. 130 Vgl. BIEG, H. (Finanzierung 1991), S. 35. 131 Vgl. SCHNEIDER, J. (Gründungsfinanzierung 1989), S. 118. 132 Vgl. Matschke, M.J. (Finanzierung 1991), S. 67. 133 Vgl. Schneider, J. (Gründungsfinanzierung 1989), S. 118.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

3.

149

Die Eignung der Rechtsformen unter Berücksichtigung der Eigenfinanzierungspotentiale

Zusammenfassend sollen die erläuterten Rechtsformen hinsichtlich ihrer Eignung für ein Gründungsvorhaben unter dem Aspekt der Eigenfinanzierung miteinander verglichen werden.

Einzelunternehmung

BGB-Gesell­ schaft

OHG

Partnerschaft

KG

GmbH

GmbH&Co. KG

Einfachste Rechtsform, die sich für jede Rechtsformspezifische EK-Beschaffung möglich natürliche Person eignet, die ein Gewer­ be alleine führen möchte. über Einlagen des Ge­ sellschafters aus dem Privatvermögen. Eignet sich für gleichberechtigte Partner. Erfordert ein hohes Maß an gegenseiti­ gem Vertrauen; genießt hohe Kreditwür­ digkeit. Muß auf den Betrieb eines Handelsge­ werbes ausgerichtet sein. Die Ausfüh­ rungen der BGB-Gesellschaft gelten ansonsten analog. Schließt die gesellschaftsrechtliche Lücke für die freien Berufe, die kein Rechtsformspezifische EK-Beschaffung möglich Gewerbe i.S.d. HGB ausüben. Annähe­ rung an OHG. über -Erhöhung der Kapital­ Bietet sich an, wenn einzelne Gesell­ einlagen der Altgesell­ schafter nicht die volle Haftung über­ schafter nehmen wollen, sondern nur kapitalmä­ -Aufnahme neuer Gesell­ ßige Beteiligung und keine aktive Tätig­ schafter keit anstreben. Einfachste Form der Kapitalgesellschaft, die sich für Unternehmen eignet, wenn kein Gesellschafter die volle persönliche Haftung übernehmen will. Sonderform der KG, bei der die volle persönliche Haftung der beteiligten natürlichen Personen durch die Auf­ nahme einer GmbH als Komplementär ausgeschlossen wird.

Abb. 32: Eigenfinanzierungspotentiale der Rechtsformen für Existenzgründungen134

134

In Anlehnung an Hebig, M. (Existenzgründungsberatung 1994), S. 156ff. und Kubmaul, H. (Betriebswirtschaftslehre 1998), S. 345ff.

150

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Aus Abb. 32 wird dabei nochmals deutlich, daß den behandelten Gesellschafts­ formen rechtsformspezifische Beteiligungsfinanzierungsmöglichkeiten über eine Erhöhung der Einlagen der Altgesellschafter und die Aufnahme von neuen Ge­ sellschaftern lediglich zwei Möglichkeiten der Eigenkapitalbeschaffung zur Ver­ fügung stehen. Bei der erstgenannten Alternative ist allerdings das Problem zu berücksichtigen, daß die Gesellschaft zusätzlich zu den bereits im Unternehmen befindlichen Finanzmitteln weitere Eigenmittel benötigt, die durch die Vermö­ genssituation des Gesellschafters determiniert werden. Ausgehend von der Tatsa­ che, daß die Gründer i.d.R. sämtliche verfügbaren finanziellen Ressourcen be­ reits ausgeschöpft resp. die zur Verfügung stehenden Eigenmittel bereits in das Gründungsunternehmen eingebracht haben, besteht hierin kein zusätzliches Fi­ nanzierungspotential. Somit bleibt als zweite rechtsformspezifische Alternative der Eigenkapitalbeschaffung die Aufnahme neuer Gesellschafter in das Unter­ nehmen. Dies ist jedoch i.d.R. mit einer Einschränkung der Geschäftsführungsbe ­ fugnisse bzw. mit der Gewährung weiterführender Mitsprache- und Kontroll­ rechte verbunden und führt somit zu einem Verlust der unternehmerischen Selb­ ständigkeit. Außerdem kann eine zu große Anzahl an Gesellschaftern ein großes Konfliktpotential in sich bergen, das ggf. den Vorteil einer breiten Eigenkapital­ basis überkompensieren kann. Aus den genannten Gründen treten verstärkt solche Finanzierungsinstrumente in den Vordergrund, die zum einem zwar die Generierung von Eigenkapital oder Eigenkapitalsurrogaten ermöglichen, an die jedoch keine Mitspracherechte ge­ koppelt sind. Zur Erfüllung dieser Forderungen kann der Entrepreneur auf diver­ se Finanzierungsalternativen zurückgreifen, die unabhängig von der zugrundelie­ genden Rechtsform des gegründeten Unternehmens zum Einsatz kommen kön­ nen. Auf die Möglichkeiten der rechtsformunabhängigen Beteiligungsfinanzie ­ rung soll daher im nächsten Abschnitt eingegangen werden.

III.

Die rechtsformunabhängige MezzanineFinanzierung

Neben den rechtsformspezifischen Beteiligungsformen stehen dem kapitalsu­ chenden Existenzgründer rechtsformunabhängige Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung, mit denen bei entsprechender Ausgestaltung ebenfalls Eigenka­ pital akquiriert werden kann. Eine besondere Ausprägungsform stellt hierbei die sog. Mezzanine-Finanzierung dar. Die Wesensmerkmale und mögliche Ausge­ staltungen dieser Finanzierungsform stehen im Mittelpunkt der folgenden Aus­ führungen.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

1.

151

Das Wesen einer Mezzanine-Finanzierung

Unter einer Mezzanine-Finanzierung135 ist allgemein eine meist langfristige Fi­ nanzierung zu verstehen, die alle rechtlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten zwi­ schen Eigen- und Fremdkapital aufweisen kann136, also ein Hybrid zwischen Eigen- und Fremdfinanzierung darstellt. Die durch den Einsatz einer MezzanineFinanzierung zugeführten Mittel besitzen als sog. nachrangiges Kapital haftende Eigenkapitalfunktionen, werden steuerlich jedoch teilweise als Fremdkapital qualifiziert137. Die Nachrangigkeit bedeutet, daß im Konkursfall die MezzanineFinanziers mit ihren Ansprüchen hinter normale und nicht bevorrechtigte Fremd­ kapitalgeber zurücktreten, gegenüber echten Eigenkapitalgebern jedoch bevor­ zugt befriedigt werden138. Insbesondere in den USA hat sich als weiteres charak­ teristisches Merkmal des Mezzanine-Kapitals herausgebildet, daß es von den Gläubigern unbesichert zur Verfügung gestellt wird. Somit bilden diese Mittel einen Puffer zwischen „reinrassigem“ Fremdkapital, beispielsweise in Form kon­ ventioneller Bankkredite, und risikobelastetem Eigenkapital139. Aus diesem Grund wird auch von einer sog. „Sandwichposition“ 140 des Mezzanine-Kapitals gesprochen.

Durch die Aufnahme von Mezzanine-Kapital kommt es folglich zu einer Verbes­ serung der Käpitalstruktur und aufgrund der erweiterten Haftungsfähigkeit auch zu einer höheren Bonität des Gründungsunternehmens141, was vor allem im Hin­ blick auf die bereits beschriebene Fremdkapitalakquisitionsfunktion des Eigen­ kapitals positive Effekte induziert. Zu den Charakteristika der Mezzanine-Finanzierungsinstrumenten gehören neben der angesprochenen Nachrangigkeit und der steuerlichen Behandlung insbeson­ dere die Flexibilität des Mezzanine-Kapitals142, denn sowohl Kapitalgeber als auch Kapitalnehmer können ihre individuellen Interessen bei der konkreten Aus­ gestaltung des Mezzanine Moneys einfließen lassen. Die Flexibilität kommt da­ bei insbesondere in der Entlohnung der Finanziers zum Ausdruck und kann über die Stellgrößen current yield (fester und vom Unternehmenserfolg unabhängiger 135 Der aus dem englischen stammende Begriff „mezzanine“ bedeutet wörtlich übersetzt soviel wie „Zwischenstock“ oder „Zwischenetage“. 136 Vgl. BÜSCHGEN, H.E. (Banklexikon 1997), S. 901. 137 Vgl. Knobbe-Keuck, B. (Gewinnausschüttungen 1987), S. 341; VEST, P. (Desinvestition 1994), S. 256. 138 Vgl. FORST, M. (Management-Buy-out 1992), S. 13; HERFORT, C. (Besteuerung 1991), S. 100. 139 Vgl. HONERT, J. (Management buy-out 1995), S. 38; SCHMID, H. (Leveraged management buy­ out 1994), S. 134. 140 CAYTAS, I.G./Mahari, J.I. (Investment Banking 1988), S. 392. 141 Vgl. HONERT, C. (Besteuerung 1991), S. 101. 142 Vgl. TORPEY W.J./Viscoine, J.A. (Mezzanine money 1987), S. 117.

152

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Anspruch) bzw. capital gain (variabler Anteil am Wertzuwachs) den spezifischen situativen Erfordernissen angepaßt werden143. Die Beteiligung am Wertzuwachs erfolgt dabei insbesondere durch sog. equitiy kicker. Hierdurch wird Fremdkapi­ talgebern die Möglichkeit eingeräumt, zu einem späteren Zeitpunkt zu Sonder­ konditionen Anteile an der zu finanzierenden Gesellschaft zu erwerben144. Diese Ausgestaltungsvariante bietet für die Kapitalgeber zwei Vorteile. Zum einen können zu einem zukünftigen Zeitpunkt die Kapitalanteile in Gesellschafteran­ teile umgewandelt und somit zusätzliche Rechte in Anspruch genommen werden, zum anderen besteht die Möglichkeit der Partizipation am Wertzuwachs des Unternehmens. Für den Existenzgründer als Kapitalnehmer beinhaltet das Wandlungsrecht demgegenüber die Chance, zum Zeitpunkt der Akquirierung des Mezzanine-Kapitals eine geringere Ausschüttung bzw. eine niedrigere Beteili­ gung am Unternehmenserfolg zu vereinbaren, da diese durch die Option auf eine spätere Beteiligung am Unternehmen kompensiert werden.

Die in Deutschland zum Einsatz kommenden Mezzanine-Instrumente wurden nicht eigens entwickelt, vielmehr stellen sie bekannte und operationalisierte Kon­ struktionen bei der Finanzierung eines Buy-Outs dar145. Dabei muß jedoch ange­ merkt werden, daß Mezzanine-Kapital nicht nur für diese spezielle Unterneh­ mensgründung in Frage kommt, sondern für sämtliche beschriebenen Gründungs­ formen eine interessante Form der Beteiligungsfinanzierung darstellen kann. Zu den wesentlichen Ausprägungsformen einer Mezzanine-Finanzierung zählen insbesondere nachrangig unbesichertes Fremdkapital sowie nachrangige Fremd­ mittel mit eigenkapitalähnlichem Charakter. Die erstgenannten Instrumente um­ fassen vor allem nachrangig unbesicherte Kredite, junk bonds („high yield pa­ pers“) sowie ggf. Zerobonds. Diese auch als subordinated debentures bezeichne­ ten und kapitalmarktorientierten Mischformen sind mit einer gewinn­ unabhängigen Verzinsung ausgestaltet und besitzen keine Möglichkeiten zur Wandlung in Eigenkapital146, so daß auf eine weitere Problematisierung dieser Finanzierungskonstrukte verzichtet werden soll. Zu den Mezzanine-Instrumenten, die unter Einbindung eigenkapitalähnlicher Mittel für Existenzgründungen und bei Berücksichtigung der spezifischen Eigen­

143 Vgl. GERETH, BESCHULTE, K.-W. (Mezzanine 1992), S. 15. 144 Vgl. Krieger, I. (Management Buy-outs 1994), S. 29; BVK (Venture Capital 1993), S. 4; GRAEBNER, U. (Leveraged Buyouts 1991), S. 30. 145 Vgl. GERETH, B./Schulte, K.-W. (Mezzanine 1992), S. 59. Aus diesem Grund entsprechen die Kriterien für einen idealen Mezzanine-Kandidaten auch den bereits im ersten Teil dieser Arbeit dargestellten Anforderungen an ein MBO-Untemehmen (vgl. Abbildung 5). 146 Vgl. Kessel, B. (Management buy-out 1991), S. 50.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

153

kapitalfunktionen zur Akquirierung von nachrangigen Eigenmitteln zur Verfü­ gung stehen147, zählen in erster Linie

• •

stille Beteiligungen (typisch still / atypisch still) als privat plazierte Misch­ formen sowie Genußscheine bzw. Genußrechtskapital als kapitalmarktorientierte Mischfor­ men.

Unter dem Aspekt der fehlenden Mitspracherechte der stillen Gesellschafter ist das Eingehen einer stillen Beteiligung für Existenzgründer ein äußerst interes­ santes Instrument, Eigenkapital zu erhalten, aber keine Geschäftsführungsbefug­ nisse abtreten zu müssen. Obwohl Genußscheine in jüngster Vergangenheit so­ wohl in der Industrie als auch bei Kreditinstituten stetig an Bedeutung gewonnen haben148, stellt dieses Finanzierungsinstrument für kleine und mittlere Unterneh­ men resp. Existenzgründungen eine noch sehr wenig verbreitete Möglichkeit der Quasi-Eigenkapitalbeschaffung dar149. Aus diesen Gründen sollen in den näch­ sten Abschnitten diese beiden speziellen Formen der Mezzanine-Finanzierung eingehender erläutert und auf ihre Eignung für die Eigenkapitalakquirierung von Existenzgründungen untersucht werden.

2.

Stille Beteiligungen als Mezzanine Money

Als ein sehr gebräuchliches Instrument der Mezzanine-Finanzierung zur Schaf­ fung von nachrangigem Haftkapital kann zunächst das Eingehen einer stillen Beteiligung genannt werden. Bei der stillen Gesellschaft150 handelt es sich im Gegensatz zu den bereits erläuterten Gesellschaftsformen um keine eigene Rechtsform. Vielmehr ist der Eintritt stiller Gesellschafter zu jeder der beschrie­ benen Rechtsformen möglich und führt zu einer Verbreiterung der Eigenkapital­ basis der aufnehmenden Unternehmung151. Gem. § 230 Abs. 1 HGB geht die Einlage des stillen Gesellschafters in das Vermögen des Inhabers der Handelsge­ sellschaft über und erscheint nicht als gesonderte Bilanzposition, sondern als Teil des Eigenkapitals des Inhabers und erhöht somit die Haftungsmasse gegenüber den Gläubigern152. Es entsteht folglich kein gemeinschaftliches Vermögen, son­ dern eine auf schuldrechtlichen Beziehungen basierende, aber gesellschaftsrecht­ 147 Vgl. Fanselow, K.-H./Stedler, H.R. (Mezzanine Money 1992), S. 396. 148 Vgl. Angerer, H.-P. (Genußrechte 1994), S. 41; Gerdes, H.-J. (Genußscheinfinanzierung 1991), S. 840. 149 Vgl. Benner, W. (Genußscheine 1985), S. 446. 150 Zu den gesetzlichen Regelungen dieser Beteiligungsform vgl. §§ 230-237 HGB. 151 Vgl. BEG, H. (Eigenkapitalbeschaffung 1997), S. 67. 152 Vgl. WOLKING, B./Baumeister, G. (Kapitalbeschaffung 1997), S. 16; SCHNEIDER, J. (Grün­ dungsfinanzierung 1989), S. 116.

154

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

lieh ausgestaltete Beteiligung des stillen Gesellschafters am Ergebnis des Unter­ nehmens153. In dieser durch Vertrag gebildeten Innengesellschaft erhält der stille Gesellschafter, der nach außen hin nicht in Erscheinung tritt, als Gegenleistung für seine Kapitalüberlassung einen angemessenen Anteil am Gewinn der Unter­ nehmung154. Lediglich Art und Höhe der Gewinnbeteiligung müssen aufgrund der fehlenden gesetzlichen Regelung vertraglich fixiert werden.

Hinsichtlich der Verwaltungsrechte ist die Stellung des stillen Gesellschafters regelmäßig auf die Inanspruchnahme des gesetzlichen Kontrollrechts beschränkt. Geschäftsführungsbefugnisse, Vertretungsmacht oder andere Mitwirkungsrechte stehen dem stillen Gesellschafter grundsätzlich nicht zu, können allerdings über entsprechende Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag zugestanden werden155. Da der Unternehmensgründer durch die Aufnahme stiller Gesellschafter somit i.d.R. keine Geschäftsführungsbefugnisse abtreten muß und keine Machteinbußen erleidet, bietet sich die stille Beteiligung als ein durchaus praktikables Instrument zur Eigenfinanzierung von Existenzgründungen an. Durch die Möglichkeit der individuellen und situativen Ausgestaltung der stillen Beteiligung kann der Entrepreneur einerseits entsprechende Eigenmittel beschaffen, allerdings bleiben geschäftspolitische Entscheidungen nach wie vor ihm vorbehalten156. Die Auf­ nahme eines stillen Gesellschafters kann für Gründer insbesondere dann interes­ sant sein, wenn sie nicht über ausreichende betriebswirtschaftliche Kenntnisse verfügen, keinen mitbestimmenden Partner aufnehmen möchten, aber gleichzeitig einem kompetenten kaufmännischen Gesellschafter auf diesen Weg eine Mög­ lichkeit der Beteiligung anbieten.

In Abhängigkeit des Anspruchs der stillen Gesellschafter bei Auflösung des Ver­ tragsverhältnisses resp. der Rechte des Stillen bei der Substanzbeteiligung wer­ den zwei Grundtypen unterschieden157:



Bei der typischen stillen Gesellschaft hat der stille Gesellschafter lediglich Anspruch auf eine Rückzahlung der geleisteten Einlage sowie auf eventuell noch nicht geleistete Gewinnausschüttungen.

153 Vgl. SAUER, R. (Eigenkapitalbeschaffung 1992), S. 114. 154 Vgl. BIEG, H. (Finanzierung 1991), S. 33. 155 Vgl. SCHNEIDER, J. (Gründungsfinanzierung 1989), S. 116. Allerdings ist die Gewährung sol­ cher Verwaltungsrechte eher unüblich und wirft bei einer zu extensiven Ausgestaltung die Frage auf, ob es sich nicht eher um einen auf Geschäftsbesorgung ausgerichteten Dienstvertrag han­ delt. Aus diesem Grund wird die stille Beteiligung auch als „Vorzugsaktie“ des kleinen Unterneh­ mens bezeichnet. Vgl. Werner, H. (Untemehmensbeteiligung 1990), S. 1. 5 Vgl. z.B. Zacharias, E. U.a. (Gesellschaft 1996), S. 33; MATSCHKE, M.J. (Finanzierung 1991), S. 66; SAUER, R. (Eigenkapitalbeschaffung 1992), S. 14; DÖLLERER, G. (Gesellschaft 1985), S. 295.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten



155

Demgegenüber verbrieft die atypische stille Gesellschaft dem stillen Gesell­ schafter zusätzlich zu seiner Gewinnbeteiligung einen Anspruch auf Anteile am Unternehmensvermögen und somit auch an den stillen Rücklagen der Ge­ sellschaft bzw. am Firmenwert. Diese Form der Beteiligung ermöglicht es au­ ßerdem, dem stillen Gesellschafter Verluste in der Höhe seiner Einlage zuzu­ weisen bzw. die Einlage übersteigende Verluste mit späteren Gewinnanteilen steuerlich zu verrechnen. Dadurch wird die Gewinnung von stillen Beteili­ gungspartnern erheblich erleichtert158.

Mit der Unterbeteiligung und dem partiarischen Darlehen existieren noch zwei ähnliche und von der stillen Beteiligung kaum zu unterscheidende Finanzie­ rungskonstrukte159. Eine Unterbeteiligung liegt dann vor, wenn sich eine oder mehrere Personen nicht unmittelbar an einer Gesellschaft, sondern mittelbar an einem Gesellschaftsanteil beteiligen (Beteiligung an einer Beteiligung). Von Bedeutung ist die Unterbeteiligung in solchen Fällen, in denen keine direkte Beteiligung an der Hauptgesellschaft möglich ist160. Sie kann beispielsweise seitens eines Gesellschafters eingesetzt werden, um seine Gesellschaftsanteile aufzustocken, obwohl er nicht über die erforderlichen Mittel verfügt. Diese Fi­ nanzierung der Hauptbeteiligung tritt insbesondere dann auf, wenn entsprechend dem Gesellschaftsvertrag eine bestimmte Beteiligungsquote oder -höhe nicht unterschritten werden darf, die Selbstfinanzierung in vollem Umfang jedoch nicht möglich ist161. Im Gegensatz zur stillen Gesellschaft ist eine Unterbeteiligung gesetzlich nicht im HGB geregelt, zivilrechtlich wird sie meist in der Rechtsform der BGB-Gesellschaft vereinbart, die die Beziehungen zwischen dem beteiligten Gesellschafter und dem oder den Unterbeteiligten regelt. Beim partiarischen Darlehen, bei dem im Unterschied zur stillen Gesellschaft keine Innengesellschaft gebildet wird, erhält der Gläubiger anstelle oder zusätz­ lich zu einer festen Verzinsung einen Gewinnanteil oder eine Umsatzbeteili­ gung162. Als Darlehensgeber kommen insbesondere solche Personen in Betracht, die mit dem Unternehmen in enger Verbindung stehen und von seinem wirt­ schaftlichen Erfolg nachhaltig überzeugt sind. Dabei übernimmt das partiarische Darlehen gewöhnlich keine Verlustausgleichsfunktion im laufenden Geschäfts­ betrieb oder im Konkursfall, kann aber als nachrangiges Haftkapital ausgestaltet

158 159 160 161 162

Vgl. Wolking, B./Baumeister, G. (Kapitalbeschaffung 1997), S. 17. Vgl. BIEG, H. (Eigenkapitalbeschaffung 1997), S. 68. Vgl. PAULICK, H. (Handbuch 1998), S. 661. Vgl. SCHNEIDER, J. (Gründungsfinanzierung 1989), S. 119. Dies kommt bereits durch den Namen zum Ausdruck (pars = Teil). Vgl. JESTÄDT, G. (Partiarisches 1993), S. 389.

156

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

werden163. Aufgrund dieser Option, der erfolgsabhängigen Verzinsung sowie der bei endfälliger Tilgung enstehenden langen Laufzeit erfüllt das partiarische Dar­ lehen die Finanzierungsfunktion des Eigenkapitals und kann somit als eigenka­ pitalähnlicher Finanzierungsbaustein angesehen werden. Im eigentlichen Sinne entsprechen partiarische Darlehen also einer stillen Beteiligung, bei der eine Verlustbeteiligung ausgeschlossen wurde164. Im Vergleich zu stillen Einlagen zeichnet sich das partiarische Darlehen allerdings durch zwei Vorteile aus165:



Die mit dem Darlehen verbundenen Entgelte müssen bei der Ermittlung der Gewerbesteuer nur zur Hälfte wieder hinzugerechnet werden (§ 8 Nr. 1 GewStG), wohingegen Gewinnanteile eines stillen Gesellschafters gern. § 8 Nr. 3 GewStG einer vollen Hinzurechnung unterliegen. Die Aufnahme eines partiarischen Darlehens kann somit für Existenzgründer zu Steuervorteilen führen, die zum einen die Zahlungsverpflichtungen reduzieren und zum ande­ ren die Liquiditätssituation des Gründungsunternehmens verbessern. • Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Beteiligungsformen ergibt sich aus der Tatsache, daß die Weiterveräußerung eines partiarischen Darlehens autonom durch den Darlehensgeber und ohne Zustimmung des Darlehens­ nehmers möglich ist166. Die erhöhte Fungibilität der partiarischen Darlehen im Vergleich zu den stillen Einlagen kann für Existenzgründungen insbesondere dann vorteilhaft sein, wenn beispielsweise der Darlehensgeber sein Kapita­ lengagement vorzeitig beenden möchte. Die deutlich einfachere Handelbar­ keit ermöglicht es ihm, schneller einen Nachfolger für das Kapitalengagement zu finden, als dies bei einer stillen Beteiligung der Fall wäre.

3.

Die Mezzanine-Finanzierung durch Emission von Ge­ nußscheinen

Im Gegensatz zu den bisher behandelten Möglichkeiten der Eigenkapitalbeschaf ­ fung existiert für den Genußschein keine gesetzliche Legaldefinition. In einigen Rechtsnormen wird das Genußrechtskapital zwar erwähnt167, allerdings lassen sich daraus keine abschließenden normativen Anforderungen bezüglich Wesen

Vgl. SCHRAMM, B. (Finanzierung 1988), S. 571. 164 Vgl. Harbich, A. (Stille Gesellschaft 1989), S. 36. Zu weiteren Unterschieden vgl. beispielsweise JESTÄDT, G. (Partiarisches 1993), S. 389. 166 Vgl. KESSEL, B (Management buy-out 1991, S. 55f.; BIEG, H. (Eigenkapitalbeschaffung 1997), S.68. 167 Der Begriff des Genußscheins wird erwähnt in §§ 160 Abs. 1, 221, 347a AktG, §§ 17, 19a, 43 EStG, § 8 Abs. 3 KStG.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

157

und inhaltlicher Ausgestaltung ableiten168. Die fehlende gesetzliche Regelung der Genußscheine ermöglicht dem Emittenten somit eine weitgehend freie Gestaltbarkeit169. Dabei stellen Genußscheine eine Mischform zwischen Gläubigerpapie­ ren und reinen Teilhaberpapieren dar. Gemeinsam ist jedoch allen Genußschei­ nen, daß sie einerseits keine Mitgliedsrechte beinhalten170, also ähnlich der be­ reits beschriebenen stillen Beteiligung keine gesellschaftsrechtlichen Stimm­ rechte gewähren. Andererseits verbriefen Genußscheine jedoch vermögensrecht­ liche Ansprüche, wie sie üblicherweise Aktionären zustehen171. Allerdings ver­ briefen Genußscheine niemals solche Verwaltungsrechte, die die körperschaftli­ che Autonomie der Gesellschaft berühren172. In Abhängigkeit von diesen Ausge­ staltungsmöglichkeiten können eigenkapitalähnliche und fremdkapitalähnliche Genußscheine differenziert werden (vgl. Abb. 33).

Genußscheine werden zwar eher selten unentgeltlich im Zusammenhang mit der Gründung eines Unternehmens begeben173, allerdings könnte die Emission sol­ cher Wertpapiere durch die Möglichkeit der Anpassung der Ausgestaltungsmo­ dalitäten an die jeweiligen situativen und individuellen Bedürfnisse des Existenz­ gründers ein interessantes Instrument der Eigenkapitalbeschaffung im Rahmen der Gründungsfinanzierung darstellen. Aus den diversen Ausstattungsprofilen kann sich ein spezieller „Existenzgründungs-Genußschein^ ergeben, der sich beispielsweise aus einer Kombination der grauschattierten Kriterien (Abb. 33) zusammensetzt, fremd- und eigenkapitalähnliche Merkmale vermischt und somit zwar nicht alle, aber doch wesentliche Definitionsbestandteile des Eigenkapitals beinhaltet:



Damit Genußscheine als Eigenkapital qualifiziert werden, müssen die Mittel hinreichend lange im Unternehmen gebunden sein, um von den Gläubigern als Haftungskapital anerkannt zu werden. Um diesen Eigenkapitalcharakter zu gewährleisten, sollte das Genußrechtskapital in Anlehnung an die Vorschrif­ ten des § 10 Abs. 5 KWG dem Gründungsunternehmen mindestens 5 Jahre zur Verfügung stehen, um das Merkmal der Dauerhaftigkeit des Eigenkapitals zu erfüllen174.

168 Durch die fehlenden gesetzlichen und inhaltlichen Gestaltungsrichtlinien wird der Genußschein teilweise auch als „Chamäleon“ bezeichnet. Vgl. ANGERER, H.-P. (Genußrechte 1994), S. 41. 169 Vgl. KÜTING, K.-H./Kessler, H./HARTH, H.-J. (Genußrechtskapital 1996), S. 2*. 170 Vgl. Matschke, M.J. (Finanzierung 1991), S. 346. 171 Vgl. ANGERER, H.-P. (Genußrechte 1994), S. 41; SCHIERENBECK, H./HöLSCHER, R. (BankAssurance 1998), S. 590. 172 Vgl. EBELING, H.M. (Beteiligungsfinanzierung 1988), S. 159. 173 Vgl. KÜTING, K.-H./KESSLER, H./Harth, H.-J. (Genußrechtskapital 1996), S. 2*. 174 Zu Begründung der fünfjährigen Mindestanlagezeit des KWG vgl. z.B. GERDES, H.-J. (Genuß­ scheinfinanzierung 1991), S. 841.

158

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Abb. 33: Ausstattungsprofile von Genußscheinen175

Da insbesondere in der First-Stage-Phase Erträge aus dem Geschäftsbetrieb reinvestiert werden, sollte der Genußschein mit einer gewinnabhängigen Ver­ zinsung versehen werden, die zusätzlich über einen Nachzahlungsanspruch abgesichert werden kann. Die Orientierung am Erfolg des Unternehmens un­ termauert zusätzlich den Eigenkapitalcharakter des Genußscheins. • Des weiteren kann über den Ausschluß der Verlustbeteiligung in den Wachs­ tumsphasen des Gründungsunternehmens das Risiko der Kapitalgeber gemin­ dert werden, so daß die Finanziers nicht an den bereits mehrfach angespro­ chenen Anfangsverlusten partizipieren. • Um eigenkapitalähnliche Genußscheine zu konstruieren, müßte zusätzlich eine Nachrangigkeit des Genußrechtskapitals vereinbart werden, d.h. nur bei zur Befriedigung aller Gläubigeransprüche ausreichendem Liquidationserlös werden die Genußscheininhaber am verbleibenden Liquidationsanteil betei­ ligt. •

175

In Anlehnung an Nowak, Th./Hartmann, B. (Bewertung 1995), S. 413.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

159

Einen für Existenzgründer weiteren interessanten Aspekt der Eigenfinanzierung über Genußscheine stellt dessen steuerliche Behandlung dar. Wird die Beteili­ gung am Liquidationserlös ausgeschlossen, können Ausschüttungen jeder Art an Genußscheininhaber gern. § 8 Abs. 3 KStG steuermindernd als Betriebsausgaben geltend gemacht werden. Somit wird das Genußrechtskapital steuerlich wie Fremdkapital behandelt. Um mögliche Schwierigkeiten bei der steuerlichen An­ erkennung zu vermeiden, sollten bereits bei der Ausgestaltung der Genußscheine Kriterien mit Eigenkapitalcharakter eingebaut werden. Der Eigenkapitalcharakter von Genußscheinen ist insbesondere dann gegeben, wenn sie eine unbegrenzte oder äußerst lange Laufzeit aufweisen, nicht rückzahlbar sind und vom Inhaber nicht gekündigt werden können176. Probleme bei der Finanzierung von Existenzgründungen über Genußscheine dürften sich allerdings aus den bereits erwähnten Wettbewerbsnachteilen bezüg­ lich Kapitalmarktzugang und Informationsasymmetrie ergeben. Hierzu wäre es insbesondere erforderlich, ein entsprechendes Marktsegment zu institutionalisie­ ren, das Genußscheinemittenten und Kapitalgeber zusammenbringt und einen Ausgleich der beiderseitigen Interessen ermöglicht. Denkbar wäre hierbei als Nebenkapitalmarkt z.B. eine Art Genußscheinbörse, über die Existenzgründer, die zur Emission von Genußscheinen bereit sind, und Eigenkapitalgeber, die auf diese Art und Weise in das betreffende Unternehmen investieren wollen, in Kontakt treten können. Gleichzeitig könnten Informationsdefizite zwischen Exi­ stenzgründern und Kapitalgebern abgebaut werden, in dem z.B. über ein Rating eine Bewertung der Gründungsunternehmen durch einen neutralen Dritten vorge­ nommen wird177.

176 Vgl. SCHNEIDER, J. (Gründungsfinanzierung 1989), S. 115. 177 Vgl. Gerke, M. (Informationsbörse 1991), S. 16.

160

C.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

INDIREKTE BETEILIGUNGSFINANZIE­ RUNG ÜBER VENTURE CAPITAL

Die bisherigen Ausführungen haben verdeutlicht, daß mit den traditionellen For­ men der Beteiligungsfinanzierung für den Existenzgründer bei der Eigenkapital­ beschaffung wesentliche Probleme verbunden sind. Diese äußern sich bei den rechtsformspezifischen Alternativen insbesondere in Einbußen der unternehmeri­ schen Selbständigkeit und bei den rechtsformunabhängigen Eigenkapitalbeschaf­ fungsmöglichkeiten in einer mangelnden Fungibilität der Unternehmensanteile infolge fehlender organisierter Märkte. Vor diesem Hintergrund besteht für Exi­ stenzgründer zusätzlich die Möglichkeit, benötigtes Eigenkapital als Venture Capital zu akquirieren, auf dessen wesentliche Inhalte sowie die damit verbunde­ nen Probleme in den folgenden Abschnitten eingegangen werden soll.

I.

Begriffliche Bestimmungen der Finanzierungs­ alternative Venture Capital

1.

Das Wesen einer Venture-Capital-Finanzierung

Zusätzlich zu den bisher beschriebenen Möglichkeiten der direkten Eigenkapital­ beschaffung, bei der einzelne oder mehrere Kapitalgeber unmittelbar (allenfalls unter Einschaltung von Finanzmaklern) in ein Beteiligungsverhältnis mit dem gegründeten Unternehmen eintreten, können Eigenmittel auch indirekt beschafft werden. Hierbei treten Beteiligungsgesellschaften als spezifischer Finanzinter­ mediär zwischen das Gründungsunternehmen und den potentiellen Eigenkapital­ geber als Endfinanziers178. Neben der Bereitstellung von Eigenkapital verfolgen die Gesellschaften auch das Ziel, das betreffende Unternehmen in seiner wirt­ schaftlichen Entwicklung zu unterstützen179. In Abhängigkeit von der zugrunde­ liegenden Unternehmensphilosophie können dabei zwei Arten von Beteiligungs­ gesellschaften unterschieden werden.

1/0 Vgl. Benner. W. (Genußscheine 1985), S. 439f. 179 Vgl. KAUHSEN, H. (Existenzgründung 1997), S. B4.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

161

• Staatliche Beteiligungsgesellschaften: Diese gemeinwirtschaftlichen Kapitalbeteiligungsgesellschaften180 verstehen sich als Instrument der staatlichen Wirtschafts- und Strukturpolitik, werden vor allem von Bundesländern, Verbänden und Kammern getragen181 und üben ihre Geschäfte nur innerhalb der Grenzen des jeweiligen Bundeslandes aus182. Die Gesellschaften orientieren sich in ihrer Tätigkeit nicht an der Gewinner­ wirtschaftung, sondern vielmehr an einer kostendeckenden Eigenkapitalver­ sorgung der zu finanzierenden Unternehmen. Eventuell aus der Beteiligung resultierende Gewinne dürfen dabei nicht ausgeschüttet werden, sondern sind in die Rücklagen des Finanziers einzustellen183. Um das Ziel der Versorgung kleiner und mittlerer Betriebe mit zusätzlichem Eigenkapital zu erreichen, ge­ hen die staatlichen Beteiligungsgesellschaften Eigentümerpositionen in Form einer stillen Gesellschaft ein, meist jedoch in wesentlich geringerer Beteili­ gungshöhe als die im folgenden näher betrachteten erwerbswirtschaftlich aus­ gerichteten Gesellschaften. Ein weiteres Aufgabenfeld staatlicher Beteili­ gungsgesellschaften liegt darin, potentiellen Eigenkapitalgebern eine günstige Refinanzierung ihrer Beteiligungen anzubieten und/oder diese durch eine Übernahme der Haftung vom Beteiligungsrisiko bzw. Kapitalverlustrisiko teilweise zu befreien resp. durch staatlich rückverbürgte Garantien abzusi­ chern184. • Erwerbswirtschaftliche Beteiligungsgesellschaften: Vor dem Hintergrund der schwierigen Eigenkapitalsituation wurden in den siebziger Jahren zur Unterstützung der Eigenkapitalbeschaffung mittelständi­ scher sowie kleinerer Unternehmen Kapitalbeteiligungsgesellschaften als Töchter von Banken, Versicherungen oder sonstigen Kapitalsammelstellen gegründet185. Diese Kapitalbeteiligungsgesellschaften sind in ihren Engage­ ments in erster Linie an einer maximalen Rendite interessiert186. Hierzu gehen die Gesellschaften normalerweise Minderheitsbeteiligungen von unter 50% an dem zu finanzierenden Unternehmen ein bzw. beteiligen sich als stiller Ge­ sellschafter oder über eine Kommanditeinlage187. Mitte der 80er Jahre setzte 180 Beispiele für solche staatlichen Beteiligungen sind der KJW-Beteiligungsfonds, das MBGBeteiligungsprogramm des Landes Baden-Württemberg, der Sächsische Beteiligungsfonds oder die Thüringer Industrie-Beteiligungs GmbH & Co. KG (TIB). Vgl. GERSTNER, F. (Eigenkapital 1996), S. 33ff. 1 R1 Vgl. Jahrmann, F.-U. (Finanzierung 1996), S. 263. 182 Vgl. Frommann, H. (Venture Capital 1995), S. 374. 183 Vgl. BRUHNS, K. (Kapitalbeteiligungsgesellschaften 1992), S. 28. 184 Vgl. SCHRAMM, B. (Finanzierung 1988), S. 574. 185 Vgl. Schramm, B. (Finanzierung 1988), S. 573. 186 Vgl. BRUHNS, K. (Kapitalbeteiligungsgesellschaften 1992), S. 25. 187 Vgl. Jahrmann, F.-U. (Finanzierung 1996), S. 264.

162

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

eine weitere Gründungswelle solcher Beteiligungsgesellschaften ein, deren Entwicklung u.a. durch das im Dezember 1986 in Kraft getretene Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (UBGG) begünstigt wurde. Das UBGG befreit unter gewissen Voraussetzungen Beteiligungsgesellschaften von der Gewerbesteuer (zusätzlich war bis zu ihrer Abschaffung 1997 eine Freistellung von der Vermögensteuer gegeben), wenn sie sich ausschließlich an nicht börsengängigen Unternehmen beteiligen188.

Eine Sonderform der erwerbswirtschaftlich tätigen Beteiligungsgesellschaften stellen die sog. Venture Capital Companies oder Wagnisfinanzierungsgesell ­ schaften dar, bei denen als Kapitalgeber Industrieunternehmen (Corporate Ventu­ re), Banken, Versicherungen sowie Privathaushalte aus dem In- und Ausland auftreten. Die nach anglo-amerikanischem Vorbild aufgebauten Gesellschaften spezialisieren sich insbesondere auf risikoreiche, aber aufgrund prognostizierter überdurchschnittlicher Umsatz- und Ertragsentwicklungen des zu finanzierenden Unternehmens gleichzeitig chancenreiche Beteiligungen. Bei Venture Capital189 handelt es sich folglich um eine Form der Beteiligungsfinanzierung, bei der jun­ gen Unternehmen oder Existenzgründungen über eine Minderheitsbeteiligung auf dem Wege der Außenfinanzierung Kapital zugeführt wird. Des weiteren ist Ven­ ture Capital (VC) durch folgende Charakteristika gekennzeichnet:



1 RR

VC stellt Eigenkapital dar und wird aus diesem Grund ohne die üblichen Kreditsicherheiten vergeben190. Als Ersatzsicherheiten für die Investitionstä­ tigkeit der VC-Company dienen vielmehr die Managementkompetenzen des potentiellen Venture-Capital-Nehmers, die Produktidee und ihr Marktpotenti­ al sowie die zu erwartende Rendite aus dem Kapitaleinsatz191. Durch die Aus­ stattung mit Eigenkapitalfunktionen zeichnet sich diese Beteiligungsform ei­ nerseits durch die uneingeschränkte Übernahme der vollen Haftung bzw. des unternehmerischen Risikos aus, andererseits ist die Verzinsung von der Ge­ winnsituation und der Wertsteigerung des Unternehmens abhängig. Unter­ nehmensgewinne werden dabei i.d.R. zur Unterstützung des Unternehmens­

Vgl. Schramm, B. (Finanzierung 1988), S. 573f. Eine ausführlichere Beschreibung sowohl der rechtlichen als auch der steuerlichen Gegebenheiten erfolgt in den Abschnitten C.III.2. und C.III.3. dieses Teils. 189 Der Begriff „Venture“ stammt vom lateinischen „venturus“ („das Kommende“) ab. Ins Deutsche übertragen bedeutet der englische Begriff „Venture“ am ehesten „Geschäftsprojekt“. Vgl. Wyss, H.F. (Venture Capital 1985), S. 292. Für den originär aus den USA stammenden Begriff „Ven­ ture Capital“ existieren mit Risiko-, Chancen-, Zukunfts- oder Innovationskapital die unter­ schiedlichsten Übersetzungen. 190 Vgl. Fischer, L. (Venture Capital 1987), S. 10. 9 Vgl. Brunning, S. (Venture Capital 1988), S. 6; O.V. (Risikokapital 1998), S. 25; OPITZ, M. (Venture Capital 1990), S. 134.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

163

Wachstums direkt reinvestiert192. Dadurch bietet das Venture Capital dem Unternehmen einen Sicherungseffekt, da üblicherweise keine Liquidität durch Zins- und Tilgungszahlungen oder durch Dividendenausschüttungen bzw. Gewinnentnahmen entzogen wird193. • Bei der VC-Finanzierung handelt es sich um eine längerfristige, allerdings zeitlich begrenzte Beteiligung, die i.d.R. einen Zeitraum von 5 bis 10 Jahren umfaßt194. Die Realisierung der in diesem Zeitraum angefallenen Gewinne er­ reicht der Investor über den Verkauf der einzelnen Anteile am Ende seines Kapitalengagements. Als sog. Exitkanäle stehen der VC-Company dabei die Selbstübernahme der Anteile durch die Altgesellschafter (buy back), die Ver­ äußerung der Unternehmensanteile an industrielle Investoren (trade sale), die Übertragung der Anteile an eine andere VC-Gesellschaft (secondary purcha­ se) sowie die Börseneinführung des finanzierten Unternehmens (going public) zur Verfügung195. • Als Venture-Capital-Nehmer kommen insbesondere junge innovative, nicht emissionsfähige Unternehmen in Betracht196. Diese i.d.R. kleinen oder mittle­ ren Unternehmen sind vornehmlich auf dem Gebiet der Spitzentechnologie tätig und zeichnen sich einerseits durch erhebliche Wachstumschancen und andererseits durch ein hohes Ausfallrisiko des haftenden Kapitals aus197. • Mit der Bereitstellung von Venture Capital ist zusätzlich eine intensive unter­ nehmerische Betreuung und Beratung in strategischen Fragen seitens des Ka­ pitalgebers verbunden, der allerdings nicht in die laufende Geschäftsführung eingreift198. Erwerbswirtschaftliche Wagnisfinanzierungsgesellschaften, die sich insbesondere bei eigenkapitalschwachen jungen Unternehmungen und Existenzgründern enga­ gieren, verfolgen mit der Bereitstellung von Risiko- resp. Eigenkapital vornehm­ lich drei Ziele:



Durch das finanzielle Engagement soll die Einführung technischer Innovatio­ nen am Markt zur besseren Bedarfsdeckung ermöglicht werden. Dabei kann der Investor außerdem sein eigenes Wachstum forcieren, in dem er beispiels­ weise den Existenzgründer mit Produkten aus seinem eigenen Sortiment be­

192 Vgl. Schwartz, Th. (Venture Capital 1991), S. 42. 193 Vgl. BÜSCHGEN, H.E. (Venture Capital 1985), S. 222; BREUER, R.-E. (Venture Capital 1997), S. 325. 194 Vgl. GEILINGER, U.W. (Venture-Capital 1989), S. 313. 195 Zur genauen Beschreibung der Exitaltemativen vgl. Abschnitt A.IIL 1. dieses Teils. 196 Vgl. KußMAUL, H. (Beratungsüberlegungen 1991), S. 211. 197 Vgl. FISCHER, L. (Venture Capital 1987), S. 10. 198 Vgl. MERKLE, E. (Finanzierung 1984), S. 245.

164

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

stückt oder Entwicklungsaufträge vergibt und somit eigene Marktanteile aus­ baut bzw. neue Märkte erschließt199. • Durch die Beteiligung an jungen und wachstumsstarken Unternehmen strebt der Investor gegebenenfalls eine Stärkung des Unternehmertums an200. Dabei ist zum einen die Unterstützung innovativer Geschäftsideen von Mitarbeitern aus eigenen Reihen im Rahmen von Spin-offs zu erwähnen, zum anderen soll sich die Kreativität der jungen Gründer aber auch generell auf das eigene Unternehmen übertragen. Gleichzeitig versuchen diese Corporate Ventures über das sog. window-on-technology als Ergänzung zu eigenen FuEAktivitäten Zugang zu technologischen Neuerungen zu erhalten201. • Neben diesen strategischen bzw. nichtmonetären Zielen beinhalten VCAktivitäten aber auch finanzielle Interessen der Investoren, die ihr Engage­ ment in Erwartung einer angemessenen Kapitalverzinsung eingehen (Rendite­ ziel)202.

Aus Sicht der Existenzgründer sind mit einer Venture-Capital-Finanzierung im wesentlichen zwei Ziele verbunden203:

Das Hauptziel resultiert aus dem Finanzierungsbedarf und besteht zunächst in der Sicherstellung des erforderlichen Eigenkapitals zur Verwirklichung der Gründungsidee. Die höhere Eigenkapitalquote und die Reputation des Inve­ stors verbreitern die Haftbasis des Gründungsunternehmens und verbessern somit gleichzeitig dessen Kreditwürdigkeit. Die Folge hiervon ist eine Steige­ rung weiterer Kapitalakquisitionsmöglichkeiten, die dem VC-Nehmer einen besseren Zugang zu weiteren Finanzierungsalternativen, z.B. in Form von Bankkrediten, eröffnen. Gleichzeitig beinhaltet die VC-Finanzierung im Ge­ gensatz zur Fremdfinanzierung keine Zins- und Tilgungsverpflichtungen, was für das Gründungsunternehmen liquiditätsentlastende Effekte impliziert. • Neben diesem finanziell motivierten Aspekt verfolgen Existenzgründer aber auch das Ziel, durch die Aufnahme von Venture Capital vom unternehmeri­ schen und betriebswirtschaftlichen Know-how des Finanziers zu profitieren. So können sich aus der intensiven Prüfung des Geschäftskonzeptes durch die VC-Gesellschaft allgemeine Anregungen zur Senkung der mit dem Grün­ dungsvorhaben verbundenen Risiken ergeben. Die Beratungsaktivitäten der Beteiligungsgesellschaft erstrecken sich hierbei häufig auf strategische Berei-



1QQ

Vgl. 441. Vgl. 201 Vgl. Vgl. 0 Vgl.

JAHRMANN, F.-U. (Finanzierung 1996), S. 260; FISCHER, B. (Venture Capital 1988), S. Schaerf AG (Existenzgründung o.J.), S. 73. Haase, R. (Strategische Partnerschaft 1990), S. 73. SCHWILLING, W. (Venture Capital 1989), S. 36. KÜHR, TH. (Venture Capital 1990), S. 607; SCHAERF AG (Existenzgründung o.J.), S. 74f.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

165

ehe. Zu nennen sind beispielsweise die Personalbeschaffung, die Forschung und Entwicklung oder das Controlling, die bei jungen Unternehmen bzw. Existenzgründungen oftmals Defizite aufweisen. Neben der Beratung in be­ stimmten Managementfragen kann die VC-Company aber auch im Bereich des Marketings unterstützenden Funktionen ausüben, indem sie beispielswei­ se Verbindungen zu Marktpartnern zur Verfügung stellt204. Trotz dieser ge­ nannten Hilfestellungen darf die Venture-Capital-Finanzierung die unterneh­ merische Unabhängigkeit allerdings nicht untergraben. Dieser Aspekt, auf den im Rahmen der nationalen Gegebenheiten an späterer Stelle ausführlicher eingegangen wird205, führte bislang zu einer oftmals ablehnenden Haltung von Existenzgründern gegenüber Venture-Capital-Finanzierungen.

Die gesamte VC-Finanzierung ist entsprechend der genannten Merkmale sowie der verfolgten Ziele auf die einzelnen Entwicklungsstufen des Gründungsunter­ nehmens abgestimmt. Der charakteristische phasenkongruente Verlauf einer Venture-Capital-Finanzierung steht im Mittelpunkt des folgenden Abschnitts.

2.

Idealtypischer Verlauf einer Venture-CapitalFinanzierung

Eine VC-Finanzierung stellt einen komplexen Prozeß mit fließenden Übergängen dar, wobei sich die einzelnen Phasen am Lebenszyklus des Venture-CapitalUnternehmens orientieren, unternehmensindividuell gestaltbar und nicht eindeu­ tig abgrenzbar sind206. Daher kann lediglich ein idealtypischer Verlauf zur Veran­ schaulichung des gesamten Prozesses aufgezeigt werden. Eine Venture-Capital-Finanzierung beinhaltet zunächst das Seed-, das Start-upund das First-Stage-Financing, die zusammenfassend mit dem Begriff des EarlyStage umschrieben werden. Die sich anschließenden Second- und Third-StageFinanzierungen werden unter dem Terminus Expansion-Stage subsumiert. Abb. 34 stellt den idealtypischen Verlauf einer VC-Finanzierung graphisch dar.

In der ersten Phase, dem sog. Seed-Financing, befindet sich das Gründungspro­ jekt noch in einem Stadium der Entwicklung und ist lediglich durch eine Idee

204 Vgl. SCHRAMM, B. (Finanzierung 1988), S. 574. Neben der finanziellen Unterstützung fuhrt insbesondere die Übernahme der Consultingaufgaben dazu, daß Existenzgriinder, die ihre Ge­ schäftsideen mit Venture Capital finanzieren, erfolgreicher sind als privat oder industriell finan­ zierte Entrepreneurs. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie der C&L Deutsche Revision AG. Vgl. Mai, J. (Wagniskapital 1998), S. 174. 205 Vgl. 2. Teil, Abschnitt C.I1I. 206 Vgl. ZEMKE, I. (Beteiligungskapital-Gesellschaften 1995), S. 28.

166

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

oder ein Verfahren bzw. eine Produktkonzeption gekennzeichnet207. Die in die­ sem Zeitraum anfallenden Ausgaben für die Erarbeitung einer Unternehmenskon­ zeption sowie die Durchführung erster Markt- resp. Standortanalysen werden primär vom Unternehmensgründer selbst übernommen. Hinzu kommen gegebe­ nenfalls öffentliche Fördermittel sowie persönliche Kredite des Gründers. Eine Finanzierung über Venture Capital ist zu diesem frühen Zeitpunkt eher selten, da zum einen der Kapitalbedarf noch relativ gering ist208. Zum anderen liegen weder retrospektive Daten vor, noch sind die Erfolgsaussichten und Marktchancen des Gründungsprojekts aufgrund der Neuartigkeit genau abschätzbar209.

In der darauffolgenden Errichtungsphase (Start-up), die durch den Gründungsakt, die Ausarbeitung eines detaillierten Marketingkonzepts sowie in Produktionsbe­ trieben durch die Fortentwicklung des Produktes bzw. die Aufnahme der Pro­ duktionstätigkeit gekennzeichnet ist, ergeben sich über das Start-up-Financing erste Venture-Capital-Aktivitäten. Als Resultat der genannten Aufgaben steigt der Kapitalbedarf in dieser Entwicklungsphase des Gründungsunternehmens rasch und z.T. sprunghaft an, gleichzeitig stehen den hohen Ausgaben noch keine äquivalenten Einnahmen gegenüber. Zur Deckung dieses Finanzierungsbedarfs reichen die Eigenmittel des jungen Unternehmens i.d.R. nicht aus bzw. scheiden normale Fremdfinanzierungsinstrumente, z.B. Bankkredite, wegen fehlender dinglicher Sicherheiten üblicherweise aus210. Diese Bonitäts- und Finanzierungs­ lücke führt zu einer steigenden Bedeutung von VC-Companies, die dem Grün­ dungsunternehmen in dieser Wachstumsphase risikotragendes Beteiligungskapi­ tal langfristig und kostengünstig bereitstellen211.

Vgl. 208 Vgl. Vgl. 210 Vgl. 11 Vgl.

Kaminski, R. (Venture capital 1988), S. 10. Merkle, E. (Finanzierung 1984), S. 245. PlCHOTTA, A. (Beteiligungswürdigkeit 1990), S. 30. BREUEL, B. (Venture Capital 1988), S. 583. Kaminski, R. (Venture capital 1988), S. 10; Brunswig, R. (Fondsgeld 1984), S. 22.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

167

Abb. 34: Typische Phasen einer Venture-Capital-Finanzierung212

Im sich anschließenden Stadium des First-Stage-Financing steht die Finanzie­ rung der Markteinführung der neuen Produkte bzw. Dienstleistungen sowie der 212 In Anlehnung an KAMINSKI, R. (Venture capital 1988), S. 9; MERKLE, E. (Finanzierung 1984), S. 247; O.V. (Venture Capital 1985), S. 65.

168

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Ausbau der Produktionsanlagen im Mittelpunkt der Aktivitäten. Dabei befindet sich der VC-Nehmer weiterhin in der Verlustzone, da den hohen Ausgaben nur langsam ansteigende Erträge aus den ersten Verkaufserlösen gegenüberstehen. Allerdings steigt der Bedarf an Venture Capital nun stark an, da persönliche Ersparnisse des Gründers i.d.R. aufgezehrt sind, laufende Zahlungsüberschüsse als Finanzierungsquelle noch nicht in Frage kommen und Bankkredite nur zu­ rückhaltend gewährt werden213. Insgesamt betrachtet umfaßt das First-StageFinancing somit den höchsten Kapitalzuführungsbedarf seitens des VentureCapital-Nehmers214. Nach erfolgreicher Markteinführung beinhaltet das Second-Stage-Financing die Wachstumsfinanzierung zur Durchdringung des Marktes und den Ausbau der Vertriebskanäle. In dieser Phase ist der Bedarf an Venture Capital bereits leicht rückläufig, denn mit steigendem Absatz und dem Erreichen des break-evenpoints erlaubt es die Ertragslage und die damit verbundene zunehmende Rentabi­ lität bzw. Bonität des Unternehmens zur Finanzierung des Kapitalbedarfs auf Instrumente der Selbstfinanzierung bzw. auf den herkömmlichen Kreditmarkt zurückzugreifen. Das Third-Stage-Financing forciert den Ausbau des Produktions- und Vertriebs­ systems zur weiteren Ausnutzung des Marktpotentials. Diese Phase stellt i.d.R. den Abschluß des Venture-Capital-Engagements dar, denn das Erreichen der Produktreife veranlaßt den Venture Capitalist, die Rendite der Beteiligung durch den Verkauf seiner Anteile zu realisieren215. Das Desinvestment, mit dessen Vor­ bereitung z.T. bereits zum Ende der Second-Stage-Phase begonnen wird, erfolgt dabei über die bereits erläuterten Exitvarianten.

Die beschriebenen fünf Phasen stellen den Kernbereich einer Venture-CapitalFinanzierung dar, auf den auch die weitaus größte Anzahl der Beteiligungen entfällt216. Üblicherweise werden noch das Bridge-Financing und die Finanzie­ rung von MBOs/MBIs dem Venture-Capital-Bereich zugeordnet. Unter BridgeFinancing ist dabei die Vorfinanzierung einer Kapitalerhöhung zur Verbesserung

213 214 215 216

Vgl. SCHAERF AG (Existenzgründung o.J.), S. 75f. Vgl. BREUEL, B. (Venture Capital 1988), S. 584. Vgl. PlCHOTTA, A. (Beteiligungswürdigkeit 1990), S. 32. Nach Angaben des BVK entfielen 1996 ca. 60% aller Venture-Capital-Aktivitäten auf den Bereich der Expansionsfinanzierung (Second-Stage- und Third-Stage-Finanzierungen), 7% auf das Start-up-Financing und 3% auf das Seed-Financing. Der Anteil der MBO/MBIFinanzierungen betrug 17% und das Bridge-Financing lediglich 5% des Gesamtportfolios der Beteiligungen. Vgl. BVK (Jahrbuch 1997), S. 63.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

169

der Eigenkapitalquote als Vorbereitung der Börseneinführung zu verstehen217, auf das MBO/MBI wurde an früherer Stelle bereits ausführlich eingegangen218.

Diese Finanzierungsphasen verdeutlichen dabei den idealtypischen Bedarf an Venture Capital, da die Eigenmittel der Unternehmensgründer - wie bereits er­ wähnt - den Finanzierungsbedarf häufig lediglich bis zur späten Seed-Phase decken können und die Verfügbarkeit öffentlicher Fördermittel in dieser Phase ebenfalls abnimmt. Eine Fremdfinanzierung durch Kreditinstitute wird in hinrei­ chendem Umfang aber erst in der Expansion-Phase verfügbar, wenn Gewinne erzielt werden oder unmittelbar bevorstehen. Die Aufbringung von Eigenkapital über Wertpapierbörsen ist erst wesentlich später möglich, so daß beginnend mit dem Ende der Seed-Phase Venture Capital zum Einsatz kommen kann. Die ge­ strichelt dargestellten Blockpfeile sollen dabei die Vorbereitungen der eigentli­ chen Venture-Capital-Finanzierung bzw. des durchzuführenden Desinvestments symbolisieren. Aus den ebenfalls in der Abb. 34 aufgeführten phasenspezifischen Aktivitäten des Gründers resultieren unterschiedliche Problempotentiale, aus denen sich ein Bedarf für eine Managementunterstützung seitens des Venture Capitalists ablei­ ten läßt. In der Seed-Phase mangelt es dem Unternehmensgründer oftmals an einer wirtschaftlich tragfähigen Einschätzung der Produktidee und des Marktes sowie an kaufmännischer Professionalität. Beim Start-up stehen die Gründer dem Mißtrauen potentieller Kapitalgeber gegenüber und suchen nach weiteren Füh­ rungskräften sowie nach operativem Personal. In der Expansionsphase stellen die Beschaffung von Fremdkapital und der Aufbau einer Marktposition die typischen Gründungsprobleme dar. Hinzu kommen ein steigender Wettbewerbsdruck durch Konkurrenten und organisatorische Probleme bei der Bewältigung des Unter­ nehmenswachstums219. Durch die bei einer VC-Finanzierung zusätzlich zur Be­ reitstellung von Eigenkapital gewährte Zurverfügungstellung von betriebswirt­ schaftlichen Know-how durch den Venture Capitalist kann dabei eine Verringe­ rung dieser Probleme erzielt werden.

Die im Rahmen einer Venture-Capital-Finanzierung zum Einsatz kommenden Kapitalbeteiligungsgesellschaften können ihre Mittel dem Venture-CapitalNehmer auf unterschiedliche Art und Weise zur Verfügung stellen. Die diversen Ausprägungsformen der Venture-Capital-Geschäfte stehen daher im Mittelpunkt der nachfolgenden Ausführungen.

217 Vgl. MERKLE, E. (Finanzierung 1984), S. 246. 218 Zur Beschreibung des MBOs/MBIs vgl. 1. Teil, Abschnitt A.II.l. 219 Vgl. SCHEFCZYK, M. (Erfolgsstrategien 1998), S. 36f.

170

3.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Beteiligungsformen von Venture Capital

Im Rahmen einer VC-Finanzierung können grundsätzlich drei mitwirkende Par­ teien unterschieden werden220:

der Kapitalnehmer (Venture-Capital-Nehmer) bzw. das Portfoliounterneh­ men, • der Kapitalgeber (Venture Capitalist), d.h. die Gesellschaft, die dem Kapital­ nehmer eigene Mittel oder Mittel von Anlegern zur Verfügung stellt, • der Kapitalanleger (Venture-Capital-Investor), d.h. diejenige Person oder Institution, aus deren Vermögen die dem Kapitalnehmer zur Verfügung ge­ stellten Mittel stammen. •

Nach der Art der Mittelbereitstellung können dabei die in Abb. 35 dargestellten Arten des Venture-Capital-Geschäfts differenziert werden.

miluntemehmerische Beteiligungen

kapitalmäßige Beteiligungen

kapitalmäßige Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen

mituntemchmerische und kapitalmäßige Beteiligungen

Venture-Capital-Nehmer

Abb. 35: Erscheinungsformen der Venture-Capital-Finanzierung221

220

Vgl. Ebert, E. (Startfinanzierung 1998), S. 25; Nevermann, H./Falk, D. (Venture Capital 1986), S. 21. In Anlehnung an FISCHER, L. (Venture Capital 1987), S. 12.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

171

Bei der organisatorischen Gestaltung von VC-Finanzierungen ist zunächst zwi­ schen direkten und indirekten Beteiligungen zu unterscheiden. Im Falle direkter Beteiligungen erwerben die Investoren ohne Zwischenschaltung eines Venture Capitalists gesellschaftsrechtliche Anteile an den Ventures222, d.h. Kapitalgeber und Kapitalanleger sind identisch. Dabei kann es sich um eigenständige Beteili­ gungen sog. Business Angels223 oder durch von Banken, Beratern oder Maklern organisierte „Quasi-Fonds“ handeln, bei denen Dritte als Kapitalvermittler und Treuhänder auftreten, ohne selbst wirtschaftlich zwischen Venture-CapitalNehmer und Kapitalgeber zu stehen224. Durch das unmittelbare Investment tragen die Kapitalgeber allerdings ein überproportionales Risiko, da eine Streuung des bereitgestellten Kapitals auf mehrere Unternehmen und Branchen unterbleibt bzw. die qualifizierte strategische Managementberatung direkt von den Investo­ ren zu leisten ist225. Die Risikostreuung der Quasi-Fonds ist zwar durch eine entsprechende Portfoliobildung und die Beteiligung an mehreren Unternehmen grundsätzlich realisierbar, allerdings ist dies entweder mit einem hohen Kapi­ talbedarf oder mit einem relativ geringen Eigenkapitalanteil an dem einzelnen VC-Nehmer und damit einem begrenzten Einfluß auf dessen Entwicklung ver­ bunden226. Die eingeschränkten Möglichkeiten der Risikodiversifikation, die oftmals fehlende persönliche und fachliche Kompetenz der Kapitalanleger zur Erfüllung anfallender Consultingaufgaben sowie die z.T. komplizierte rechtliche Ausgestaltung der Quasi-Fonds haben dazu geführt, daß die direkte VCFinanzierung in Deutschland bislang wenig Verbreitung gefunden hat227. Demgegenüber basiert das institutionalisierte Venture-Capital-Geschäft in Deutschland zum größten Teil auf der indirekten Beteiligung™. Hierbei werden zwischen Kapitalgeber und Kapitalanleger spezielle Institutionen geschaltet, die die Beteiligungsgeschäfte (Akquisition, Prüfung, Betreuung, etc.) übernehmen und den Kapitalpool bzw. das VC-Portfolio verwalten229. Dabei lassen sich im Rahmen der indirekten VC-Finanzierung weiterhin projekt- und fondsorientierte Ansätze differenzieren. Projektorientierte Finanzierungen zeichnen sich dadurch 222 Vgl. Wrede, Th. (Venture Capital 1987), S. 103. 223 Mit diesem Begriff werden vermögende Privatpersonen bezeichnet, die Existenzgründungen bzw. Forschungen oder Erfindungen finanzieren. Insbesondere im angloamerikanischen Raum stellen Gelder von Business Angels eine verbreitete Form des Seed-Financing dar. Vgl. BVK (Venture Capital 1993), S. 2. 224 Vgl. SCHEFCZYK, M. (Erfolgsstrategien 1998), S. 21. 225 Vgl. Kaminski, R. (Venture capital 1988), S. 12. 226 Vgl. SCHEFCZYK, M. (Erfolgsstrategien 1998), S. 21. 227 Vgl. Fischer, L. (Venture Capital 1987), S. 11; BREUEL, B. (Venture Capital 1988), S. 589. 228 Vgl. Zemke, I. (Beteiligungskapital-Gesellschaften 1995), S. 107. 229 Vgl. IfM der Universität Mannheim (Eigenkapitalversorgung II 1992), S.4; Eilenberger, G. (Notwendigkeit 1984), S. 188.

172

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

aus, daß für ein individuelles unternehmerisches Projekt eine gesonderte Beteili­ gungsgesellschaft gebildet wird, die ihre Beteiligungszusage vor der Kapitalak­ quisition trifft und somit das gesamte Plazierungsrisiko übernimmt230. Die sich bei den projektorientierten Ansätzen aus der Orientierung an Einzelprojekten und der damit verbundenen mangelnden Risikodiversifizierung sowie den i.d.R. ho­ hen Transaktionskosten (gesonderte Akquisition von Kapitalanlegern für jedes Projekt) ergebenden Nachteile231, werden durch fondsorientierte Finanzierungen eliminiert. Bei dieser Variante des Venture Capital investieren die Kapitalanleger in einen Fonds, aus dem anschließend nach dem Prinzip der Risikostreuung un­ terschiedliche Minderheitsbeteiligungen in mehreren Unternehmen mit unter­ schiedlichen Entwicklungsstadien in verschiedenen Branchen eingegangen wer­ den und ein strategisches Consulting, das sog. Venture-Capital-Management, gewährt wird. Dabei sind insgesamt vier Grundformen fondsorientierter Ansätze zu differenzieren232:

Beim geschlossenen Mitunternehmensfonds beteiligt sich der Venture Capi­ talist an Mitunternehmerschaften. Diese Gestaltungsvariante erlaubt steuerli­ che Verlustzuweisungen an den Kapitalgeber und ist deshalb insbesondere bei Beteiligungen an jungen VC-Unternehmen bzw. bei Existenzgründern erwäh­ nenswert. Das gesamte Fondsvolumen wird dabei von vornherein festgelegt und der Fonds nach Zeichnung des gesamten Kapitals geschlossen. • Der geschlossene Kapitalgesellschaftsfonds ist mit dem geschlossenen Mit­ unternehmerfonds identisch, investiert jedoch ausschließlich in Kapitalgesell­ schaften. • Beim offenen Investmentfonds, der sich durch vereinfachte Ein- und Aus­ trittsmöglichkeiten der Investoren auszeichnet, ist das Kapitalengagement auf börsenfähige Unternehmen beschränkt und daher für die VC-Finanzierung von Existenzgründern eher ungeeignet. • Unternehmensbeteiligungsgesellschaften erfüllen die im Gesetz über Unter­ nehmensbeteiligungsgesellschaften (UBGG) genannten Voraussetzungen, auf die an späterer Stelle ausführlicher eingegangen wird233.



Bei den fondsorientierten Ansätzen realisieren die Kapitalanleger somit im Un­ terschied zu den projektorientierten Finanzierungen eine Risikodiversifizierung, allerdings stehen zum Zeitpunkt ihres Kapitalengagements die aufzunehmenden Portfoliounternehmen noch nicht fest. Die Funktionsweise der aus diesem Grund Vgl. SCHEFCZYK, M. (Erfolgsstrategien 1998), S. 22. 231 Vgl. ZEMKE, I. (Beteiligungskapital-Gesellschaften 1995), S. 107. 232 Vgl. FISCHER, L. (Venture Capital 1987), S. Hf.; LAUB, U. (Venture-Capital-Markt 1985), S. 13. 233 Vgl. 2. Teil, Abschnitt C.III.2.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

173

auch als „blind pools“234 bezeichneten Fonds stellt exemplarisch die nachfolgen­ de Abb. 36 dar.

Beteiligung

Desinvestment

(pÜT) ^PU2^ ^PU3^ (pU4^ (pÜT)

Auswahl, Beratung

....

(^PUn)

VC-Portfolio mit n Portfoliounternehmen (PU)

Abb. 36: Funktionsweise einerfondsorientierten Venture-Capital-Finanzierung235

Ansatzpunkt für die Umsetzung der fondsorientierten Konzepte in der Praxis ist zunächst die Aufteilung der VC-Company in eine Managementgesellschaft und einen Fonds als zwei rechtlich selbständige Einheiten. Dabei hält die Fondsge­ sellschaft die einzelnen Kapitalbeteiligungen, während sämtliche Tätigkeiten, z.B. Auswahl und Betreuung der Portfoliounternehmen, von der Managementge­ sellschaft gegen Entrichtung einer management fee durchgeführt werden. Die beiden Gesellschaften sind i.d.R. durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag gern. § 675 HGB verbunden, wobei nach außen die Managementgesellschaft als Kapi­ talbeteiligungsgesellschaft in Erscheinung tritt, während die Fondsgesellschaft

234 Zu diesem Begriff vgl. beispielsweise Mann, A. (Venture Capital 1986), S. 13; SCHMIDTKE, A. (Praxis 1985), S. 112. 235 In Anlehnung an FISCHER, B. (Venture Capital 1988), S. 440; Baumgärtner, C. (Venture Capital 1 1998), S. 53.

174

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

den Rahmen für die Kapitalverwaltung stellt236. Die gesamte Fondslaufzeit be­ trägt normalerweise zehn Jahre und kann durch eine vertraglich fixierte Verlän­ gerungsoption um bis zu zwei Jahre ausgeweitet werden, um Desinvestitions­ zwänge abzumildern237. Der gesamte Prozeß der fondsorientierten Beteiligung untergliedert sich dabei idealtypisch in vier aufeinanderfolgende Phasen238:

1. Während der Kapitalsammelphase wird durch den Fonds auf dem Wege des sog. fund raising im Laufe der Zeichnungsfrist von den Investoren das erfor­ derliche Kapital attrahiert. 2. Während der ca. dreijährigen Investitionsphase des Fonds erfolgt die Prüfung potentieller Portfoliounternehmen und die Durchführung der Kapitalengage­ ments durch die VC-Company. 3. In der sich anschließenden Wachstumsphase, die weitere fünf Jahre umfaßt, erbringt die Managementgesellschaft insbesondere die zugesicherten Consul­ tingaufgaben gegenüber den finanzierten Unternehmen und erfüllt somit ihre Betreuungsaufgaben. Zusätzlich erfolgt eine ständige Bewertung der einzel­ nen Portfoliounternehmen zur Beurteilung der Wertentwicklung und zur Er­ mittlung der Desinvestitionsreife. 4. Der gesamte Prozeß der fondsorientierten VC-Finanzierung wird durch eine Desinvestitionsphase abgeschlossen, in der die aus dem Verkauf der einzel­ nen Portfoliounternehmen realisierten Gewinne zwischen den Investoren und dem Venture Capitalist aufgeteilt werden.

II.

Der deutsche Venture-Capital-Markt im internationalen Vergleich

Nachdem in den bisherigen Abschnitten grundlegende Begriffe der Finanzie­ rungsalternative Venture Capital erläutert wurden, unterziehen die folgenden Abschnitte den deutschen Venture-Capital-Markt einem internationalen Ver­ gleich. Dabei konzentrieren sich die Ausführungen zunächst auf die Untersu­ chung der Struktur und der Entwicklung des deutschen Marktes, anschließend erfolgt ein Überblick über europäische VC-Aktivitäten und abschließend wird die deutsche Situation mit der auf dem US-amerikanischen Venture-Capital-Markt als Ursprung der Risikokapitalfinanzierung verglichen.

236 Vgl. Zemke, 1. (Beteiligungskapital-Gesellschaften 1995), S. 114f. 237 Vgl. Baumgärtner, C. (Venture Capital 1 1988), S. 53. Zur ausführlichen Beschreibung der einzelnen Phasen sowie der jeweils auftretenden Aktivitäten vgl. SCHWILLING, W. (Venture Capital 1989), S. 6Iff.; BAUMGÄRTNER, C. (Venture Capital II 1998), S. 59ff.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

1.

175

Entwicklung und Struktur des deutschen VentureCapital-Marktes

Die ersten Venture-Capital-Aktivitäten in Deutschland lassen sich auf den An­ fang der sechziger Jahre datieren, als kleine Kapitalbeteiligungsgesellschaften privater Investoren initiiert wurden. Zwischen 1965 und 1969 erfolgte die Grün­ dung weiterer, vergleichsweise großer Kapitalbeteiligungsgesellschaften durch private Kreditinstitute, die in erster Linie stille Beteiligungen bei etablierten mittelständischen Unternehmen mit dem Ziel der Verbesserung der Eigenkapital­ basis eingingen239. Ende der sechziger Jahre engagierten sich zusätzlich Landes­ banken und Sparkassen im Venture-Capital-Geschäft, in den siebziger Jahren begann die Gründung öffentlich geförderter Kapitalbeteiligungsgesellschaften mit dem Schwerpunkt bei den mittelständischen Beteiligungsgesellschaften der Länder. Ende der siebziger Jahre belief sich das gesamte deutsche VC-Portfolio auf ca. 500 Mio. DM, wobei ca. ein Fünftel des Volumens von öffentlich geför­ derten Gesellschaften stammte240. Daneben agieren auf dem deutschen VC-Markt241 in seiner aktuellen Struktur zusätzlich Beteiligungsgesellschaften von Industrieunternehmen (Corporate Ventures) sowie in geringem Umfang informelle Venture Capitalists, so daß sich unter Berücksichtigung der Kapitalgeber vier wesentliche Marktsegmente erge­ ben (vgl. Abb. 37).



239

Unternehmensbeteiligungsgesellschaften: Dieses Marktsegment weist den höchsten Organisationsgrad auf, da die durch das UBGG regulierten VC-Companies bis 1998 als Aktiengesellschaft fir­ miert sein mußten242. Durch die Verpflichtung zum öffentlichen Angebot der Aktien bzw. durch die Anlagegrundsätze ist hierbei sichergestellt, daß die Unternehmensbeteiligungsgesellschaften mittelfristig als echte Intermediäre

Einen umfassenden Überblick über die historische Entwicklung der Venture-CapitalGesellschaften mit Gründungsjahr, Gründungskonsortium sowie Geschäftsverlauf dieser „Pionier“-Gesellschaften geben LEOPOLD, G./FROMMANN, H. (Eigenkapital 1998), S. 43ff. 240 Vgl. SCHEFCZYK, M. (Erfolgsstrategien 1998), S. 89. 241 Die in Deutschland tätigen VC-Gesellschaften sind im Bundesverband deutscher Kapitalbetei­ ligungsgesellschaften - German Venture Capital Association e.V. (BVK) organisiert, der zum 31.12.1997 101 ordentliche und 27 assoziierte Mitglieder umfaßte. Als assoziierte Mitglieder werden dabei solche Gesellschaften bezeichnet, die in ihrer Tätigkeit die Eigenkapitalausstat­ tung mittelständischer Unternehmen fordern wollen. Vgl. Coopers&Lybrand (Venture Capital 1998), S. 16; BVK (Wissenswertes 1998). 242 Änderungen ergaben sich jedoch durch das Dritte Finanzmarktforderungsgesetz vom 24. März 1998, durch das Untemehmensbeteiligungsgesellschaften die Möglichkeit eingeräumt wird, auch als GmbH, als KG oder als KGaA zu firmieren.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

176

auftreten, die zumindest nicht vollständig einem einzelnen Investor zuzurech­ nen sind.

Marktsegmente

Markt der Untemehmensbeteiligungsgcscllschaftcn

Inter­ mediäre

Beteiligte Investoren

UntemehmensbeteiJigungsgesellschaftcn

|

Markt der übrigen VC-Gesellschaften

Markt für Corporate Venture

• Universalbeteiligungsgcscllsc haften • öffenüich geförderte Kapitalbeteiligungs­ gesellschaften

• I.d.R. keine Inter­ mediäre • ggf. spezialisierte Corporate VenturingGesellschaften

Investorenmehrheit oder Einzelinvestoren

Informeller VC-Markt

• I.d.R. keine Inter­ mediäre • ggf. Kapitalvermittler und Treuhänder

I.d.R. Einzelinvestoren

Abb. 37: Segmente des deutschen Venture-Capital-Marktes243



Übrige VC-Gesellschaften: In diesem Teilmarkt sind Universalbeteiligungsgesellschaften sowie öffent­ lich geförderte Kapitalbeteiligungsgesellschaften aktiv, die in ihren Tätigkei­ ten durch keine spezifischen Rechtsvorschriften reguliert sind. Die Kapitalge­ ber treten entweder als echte Intermediäre, die aktiv von mehreren Investoren Kapital einwerben, oder als unechte Intermediäre auf. Solche unechten Inter­ mediäre sind als Tochtergesellschaften eines Investors von einem einzelnen Kapitalanbieter abhängig. Als Beispiele hierfür können Tochtergesellschaften von Banken oder Versicherungen, die lediglich das Kapital ihres fixierten Ei­ gentümerkreises investieren oder im Staatsbesitz befindliche Gesellschaften, z.B. die mittelständischen Beteiligungsgesellschaften der Bundesländer, auf­ geführt werden. • Corporate Venture Capital: Bei dieser Form des Venture Capital investieren Industrieunternehmen aktiv Risikokapital in junge Unternehmen, wobei insbesondere die an früherer Stelle erläuterten strategischen (window-on-technology) und finanziellen Ziele Auslöser für das Kapitalengagement sind. Dabei kommen normalerwei­ 243

In Anlehnung an SCHEFCZYK, M. (Erfolgsstrategien 1998), S. 56. Zur folgenden Beschreibung der einzelnen Marktsegmente vgl. ebenda, S. 57; Kaufmann, F./KOKAU, L. (Risikokapital­ märkte 1996), S. 52f.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

177

se sog. Corporate-Venturing-Tochtergesellschaften als unechte Intermediäre zum Einsatz. • Informelles Venture Capital: Bei dieser nicht organisierten Form der Risikofinanzierung vergeben (Einzel)Investoren, die sog. Business Angels, außerhalb der standardisierten VCMärkte Kapital direkt an den VC-Nehmer, i.d.R. ohne Intermediäre hinzuzu­ ziehen. Eine Ausnahme stellen lediglich die Quasi-Fonds dar, bei denen nor­ malerweise Banken als Kapitalvermittler und Treuhänder für Einzelpersonen oder kleinere Gruppen von Investoren auftreten.

Da für die letztgenannte Gruppe der informellen Investoren keine statistischen Daten, sondern lediglich Schätzungen über das Potential möglicher Investments existieren, müssen sich die folgenden Ausführungen zu der Entwicklung deut­ scher VC-Aktivitäten auf den organisierten Marktbereich konzentrieren. Insge­ samt hat der deutsche VC-Markt in den letzten Jahren einen ständigen Zuwachs zu verzeichnen, wie der nachfolgenden Abb. 38 zu entnehmen ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Zahlen den Gesamtmarkt repräsentieren, d.h. auch euro­ päisches bzw. außereuropäisches Venture Capital beinhalten.

Das gesamte Fondsvolumen wird dabei von ca. 130 Beteiligungsgesellschaften aufgebracht. Von diesen Gesellschaften sind 56% als Universalbeteiligungsge­ sellschaften primär im privaten Sektor, 21% als Beteiligungsgesellschaften von Sparkassen und Landesbankgesellschaften, 10% als Unternehmensbeteiligungs­ gesellschaften sowie 16% als mittelständische Beteiligungsgesellschaften klassi­ fizierbar. Das insgesamt verfügbare Kapital, das sog. comitted capital, stammt von Kreditinstituten (58%), von Pensionsfonds (11%), von der Industrie (8%), von Versicherungen (11%), vom Staat (7%) sowie von Privatanlegern (5%)244. Bei den einzelnen Kapitalgebern handelt es sich dabei in Abhängigkeit von der Trägerschaft insbesondere um Captive-Gesellschaften, d.h. die Beteiligungsge­ sellschaften sind als Tochtergesellschaften in eine übergeordnete Organisations­ oder Konzernstruktur eingebunden und verwalten ausschließlich das von der Muttergesellschaft bereitgestellte Kapital245.

244 Zu den Zahlen vgl. BVK (Jahrbuch 1998), S. 86 und 95ff. 245 Vgl. Zemke, I. (Beteiligungskapital-Gesellschaften 1995), S. 84. Daneben können noch unge­ bundene (independent) und semi-gebundene (Semi-Captive) Gesellschaften unterschieden wer­ den. Im erstgenannten Fall haben die Investoren keinerlei dominierende Eigentümerstellung, die Gesellschaft ist unabhängig von übergeordneten Organisationsstrukturen. Bei Semi-Captives steht die Gesellschaft nicht im Eigentum eines einzelnen Kapitalgebers, sondern gehört mehre­ ren Kapitalgebern im Verhältnis ihrer Kapitalanteile, wobei i.d.R. ein Kapitalgeber das Mana­ gement der Gesellschaft übernimmt.

178

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Von diesen Investitionsvolumina entfallen auf die einzelnen Teilphasen des VCZyklusses die in Abb. 39 dargestellten Teilbeträge. Die riskanten Frühphasenfi­ nanzierungen besitzen hierbei einen sehr geringen prozentualen Volumensanteil. Diese Verhältnisse relativieren sich jedoch bei Betrachtung der jeweiligen Stück­ zahlen. Von insgesamt 3.723 Beteiligungen des Gesamtportfolios im Jahre 1997 entfielen 1.390 Engagements auf den Early-Stage-Bereich (37%) und 1.952 Be­ teiligungen auf den Expansion-Bereich (52%). Allerdings handelt es sich auch bei den Expansionsfinanzierungen um Engagements in noch junge Firmen, die bereits eine größere Klarheit hinsichtlich der Ertragsentwicklung vorweisen kön­ nen.

246

Zu den einzelnen Zahlen vgl. die jeweiligen Jahrbücher (1991-1998) des BVK mit den enthalte­ nen Gesamtmarktstatistiken; eigene Berechnungen.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

179

mseed

□ Start-up □ Expansion &MBO/MBI

■ Sonstige (Bridge/Tum-around)

Anteile in Mrd. DM

Abb. 39: Aufteilung des invested capital (1991-1997)247

Wie bereits erwähnt, sind in den genannten Daten lediglich die auf dem organi­ sierten VC-Markt tätigen Gesellschaften erfaßt. Zusätzlich ergibt sich allerdings für die Gruppe der privaten Beteiligungskapitalgeber in Deutschland nach Schät­ zungen über das Volumen des sog. „grauen“ Kapitalmarktes ein Investitionspo­ tential von rund 35 Mrd. DM248. Allerdings fließt ein Großteil dieses Betrages in steueroptimierende Anlagen, so z.B. in Schiffsfonds (ca. 6 Mrd. DM) und ge­ schlossene Immobilienfonds (ca. 11 Mrd. DM). Durch Engagements in unseriöse Geschäfte auf dem „grauen“ Kapitalmarkt belief sich nach Schätzungen der An­ legerschaden 1996 insgesamt auf eine Summe von 40 bis 60 Mrd. DM249, was in etwa dem vierundvierzigfachen des von deutschen Kapitalbeteiligungsgesell­ schaften investierten Kapitals und 150% des Eigenkapitalflusses amerikanischer 247 Zahlenmaterial entnommen aus den jeweiligen Jahrbüchern (1992-1998) des BVK mit den enthaltenen Gesamtmarktstatistiken. Das Jahr 1990 konnte aufgrund fehlender Differenzierun­ gen der Anteile in den Gesamtmarkt und BVK-Markt nicht berücksichtigt werden. Die Zahlen für 1991 wurden auf Basis der BVK-Investitionssumme für den Gesamtmarkt hochgerechnet. 248 Die Schätzung bezieht sich auf das Jahr 1996. 249 Vgl. O.V. (Kapitalanlagen 1997), S. 15; O.V. (Grauer Kapitalmarkt 1997), S. 25.

180

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

VC-Gesellschaften resp. Business Angels entspricht250. Vor diesem Hintergrund bleibt zu konstatieren, daß es in Deutschland nicht an privaten Kapitalanlegern für entsprechende Seed- und Start-up-Beteiligungen fehlt, vielmehr mangelt es an geeigneten Rahmenbedingungen, auf die an späterer Stelle ausführlich eingegan­ gen.

2.

Der europäische Venture-Capital-Markt

Die historischen Anfänge von Venture Capital in Europa können auf das Jahr 1945 datiert werden, als in Großbritannien die „Industrial and Commercial Finance Corp. Ltd. (ICFC)“ gegründet wurde, die heute unter dem Namen „3i“ firmiert. Bereits im Jahr 1948 etablierte sich mit der „Nederlandse Participatie Maatschappij“ die erste Beteiligungsgesellschaft in den Niederlanden. Der Er­ folg der einzelnen Beteiligungsgesellschaften in den verschiedenen europäischen Ländern blieb jedoch bescheiden, so daß 1964 der Versuch unternommen wurde, mit der European Enterprises Development Company (EED) eine nach amerika­ nischem Vorbild agierende Beteiligungsgesellschaft einzurichten. Da allerdings die vorherrschenden Bedingungen, die europäische Kultur sowie die Mentalität die Tragfähigkeit des Beteiligungskonzeptes nicht gewährleisteten, wurde die EED bereits wenige Jahre später liquidiert251. Dennoch war mit diesen ersten Gründungen die Basis für eine zukünftige Entfaltung des Beteiligungsgeschäftes gelegt. Mit der intensiven Propagierung des amerikanischen VC-Modells in den achtziger Jahren entwickelte sich der europäische Markt in den letzten Jahren zunehmend (vgl. Abb. 40)252.

Bei einem Vergleich der deutschen VC-Aktivitäten mit dem europäischen Ventu­ re-Capital-Markt wird deutlich, daß auf Basis der aktuellsten Zahlen von 1997 Großbritannien mit einem kumulierten Fondsvolumen von insgesamt 42,375 Mrd. ECU (51,3%) den größten Anteil am gesamten europäischen VCAufkommen (82,591 Mrd. ECU) einnimmt. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß z.B. ein Teil des von deutschen VC-Companies vergebenen Kapitals letztlich aus britischen Quellen stammt, so daß eine hohe nationale Marktgröße nicht direkt auf ein gleichermaßen hohes inländisches Anlagevolumen hindeutet253. An zweiter Stelle folgt Frankreich mit 12,556 Mrd. ECU (15,2%), erst an dritter Stelle mit einem Anteil von 7,594 Mrd. ECU (9,2%) rangiert der deutsche Markt. Für die deutschen Zahlen ist allerdings anzumerken, daß sich das Fondsvolumen ™ Vgl. o.V. (Wagniskapital 1997), S. 9; Hake, B. (Firmengründer 1998), S. 227. 251 Vgl. Hamke, F. (Venture Capital 1983), S. 92. 2 Vgl. Frommann, H. (Venture Capital 1993), S. 117; EDMONDSON, G. (Startups 1998), S. 26. Vgl. SCHEFCZYK, M. (Erfolgsstrategien 1998), S. 95.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

181

als Folge verfügbaren Datenmaterials lediglich auf die im BVK organisierten und durch den Verband erfaßten Beteiligungsgesellschaften beschränkt, die insgesamt ungefähr 90%254 der inländischen VC-Aktivitäten abdecken.

Abb. 40: Die Entwicklung des europäischen VC-Marktes (1990-1997)255

Untersucht man korrespondierend zu der Analyse des deutschen Marktes die Struktur des europäischen Marktes anhand der Verteilung der gesamten Bruttoin­ vestitionen auf die einzelnen Finanzierungsphasen, so wird deutlich, daß der deutsche Markt in sämtlichen Finanzierungsphasen tendenziell die gleiche Ver­ teilung aufweist. Mit Ausnahme der MBO/MBI-Finanzierungen fallen die einzel­ nen Anteile an den Bruttoinvestitionen im Unterschied zum europäischen VCMarkt jedoch deutlich höher aus (vgl. Abb. 41). Die Frühphasenfinanzierung übersteigt mit 10,3% zwar die entsprechende Summe des europäischen Gesamt­ marktes um fast 4%-Punkte. Die Aufsplittung dieses Anteils ergibt jedoch, daß der durchschnittliche jährliche Anteil des Seed-Financings lediglich 2,7% be­ trägt, die Start-up-Finanzierungen hingegen mit 7,6% den wesentlich größeren Anteil einnehmen.

254 Vgl. o.V. (Märkte 1998), S. 206. 255 Zu den einzelnen Zahlen vgl. die jeweiligen BVK-NACHRICHTEN Special „Venture Capital in Europa“ (1990-1997); eigene Berechnungen auf Basis der jeweils gültigen DM- bzw. ECUUmrechnungskurse.

182

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Abb. 41: Anteile der Finanzierungsphasen im europäischen Vergleich (1991-1997)256

Deutliche Unterschiede zwischen dem nationalen und dem europäischen VCMarkt ergeben sich allerdings bei der Analyse der jeweiligen Fondsvolumina anhand der Kapitalherkunft nach einzelnen Sektoren (Abb. 42). Während in Deutschland im Jahre 1997 ca. 58% der gesamten Fondsmittel von Kreditinsti­ tuten aufgebracht wurden, stellte diese Gruppe der Kapitalgeber dem europäi­ schen Venture-Capital-Geschäft lediglich knapp 26% der gesamten Mittel zur Verfügung. Kreditinstitute stellen zwar auch im europäischen Markt den bedeu­ tendsten Kapitalgeber dar, allerdings nicht in dem Umfang, wie dies in Deutsch­ land der Fall ist. Erhebliche Differenzen treten auch beim Engagement der Pensi­ onsfonds auf, die im europäischen Markt als zweitgrößte Gruppe 25% des ge­ samten Fondsvolumens aufbringen, während in Deutschland das Engagement dieser Kapitalgeber mit ca. 11% deutlich geringer ausfällt.

256 Zahlenmaterial für den europäischen Markt entnommen aus BVK-NACHRICHTEN SPECIAL „Venture Capital in Europa 1997“ vom 25.6.1998, S. 83; BVK-Nachrichten Special „Ventu­ re Capital in Europa 1996“ vom 24.6.1997, S. 93; BVK-NACHRICHTEN SPECIAL „Venture Ca­ pital in Europa 1994“ vom 7.7.1995, S. 71. Für das Zahlenmaterial des deutschen Marktes vgl. Jahrbücher (1992-1998) des BVK mit den enthaltenen Statistiken.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

183

Abb. 42: Kapitalherkunft deutscher und europäischer Fondsvolumina257

3.

Der US-amerikanische Venture-Capital-Markt

Im Unterschied zu Europa gehen die Anfänge des US-amerikanischen VCGeschäftes bereits auf das Ende des 19. und den Beginn des 20. Jahrhunderts zurück, als die Stahlindustrie und die Eisenbahngesellschaften entstanden258. Die im Rahmen der industriellen Entwicklung in nicht institutionalisierter Form ver­ gebenen Gelder stammten insbesondere von reichen Privatpersonen, die Investi­ tionen in Innovationen ihrer Zeit tätigten und sich damit profitable Geschäftsfel­ der erschlossen. Eine Institutionalisierung des VC-Geschäftes setzte erst nach dem Zweiten Welt­ krieg ein, als im Jahre 1946 in Boston die American Research and Development Corp. (ARD) gegründet wurde, die zum ersten Mal einem breiten Publikum die Möglichkeit der Anlage in Venture Capital eröffnete und gleichzeitig die Inno­

257 Zahlenmaterial entnommen aus BVK-Nachrichten Special „Venture Capital in Europa 1997“ vom 25.6.1998, S. 88; BVK (Jahrbuch 1998), S. 86. Für den Anteil der sonstigen Kapitalgeber ist beim europäischen Markt anzumerken, daß 0,7% des Fondsvolumens über sog. „academic institutions“ aufgebracht werden, ein vergleichbarer Kapitalgeber existiert am deutschen Markt nicht. 258 Vgl. STEDLER, H./PETERS, H.H. (Venture Capital 1983), S. 988.

184

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

vatoren finanziell und beratend unterstützte. In den darauffolgenden Jahren agierte allerdings lediglich eine kleine Gruppe von Kapitalgebern auf dem neuen und sich langsam entwickelnden Markt. Von besonderer Bedeutung für den Auf­ schwung des amerikanischen VC-Marktes war der Small Business Investment Act aus dem Jahr 1958, auf dessen Basis sog. Small Business Investment Com­ panies (SBICs) Eigenkapitalhilfe für kleine Unternehmen leisteten259. Die in überwiegendem Umfang staatlich lizenzierten und subventionierten Gesellschaf­ ten verfügten zwar über relativ kleine Fonds mit der Folge mangelnder Risiko­ streuung und unausgewogener Anlagepolitik, spielten jedoch beim Aufbau des VC-Geschäftes und der Unterstützung der kleinen und mittelständischen ameri­ kanischen Industrie eine bedeutende Rolle260. In den 60er und 70er Jahren traten neue Akteure in den Markt ein, durch die der Venture Branche einerseits immer mehr Kapital zufloß und sich andererseits die Investmentaktivitäten erheblich beschleunigten261. Dabei handelte es sich insbesondere um zwei Gruppen von Beteiligungsgesellschaften, die sog. Private Venture Capital Firms (PVCF) und die Corporate Subsidiaries (CS). Die PVCFs stellen partnerschaftlich organisierte Privatfirmen dar, die keinen staatlichen Restriktionen unterliegen und sich im allgemeinen in einem frühen Stadium des Unternehmens beteiligen bzw. bereits an der Vorbereitung der Gründung mitwirken. Das fund raising betreiben diese Companies i.d.R. über Pensionskassen, Großunternehmen sowie Privatpersonen, die ihnen das Kapital mittel- bis langfristig zur Verfügung stellen. Bei den CSs handelt es sich um Tochtergesellschaften von Großunternehmen (Banken, Versi­ cherungen und Industrieunternehmen), die im Unterschied zu den PVCFs als institutioneile Gesellschaften ihre Engagements erst dann durchführen, wenn die von ihnen ausgewählten Unternehmen die Markteinführungsphase erfolgreich absolviert und sich einzelne Produkte bereits am Markt etabliert haben262.

Einen weiteren Aufschwung, der bis in die heutige Zeit anhält, erhielt das ameri­ kanische Venture-Geschäft in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre. Neben der 259 Zur genauen Beschreibung der Charakteristika der SBICs vgl. z.B. Brewer, E./Genay, H. (Small business investment companies 1995), S. 38ff.; PFIRRMANN, O ./WUPPERFELD, U./Lerner, J. (Venture Capital 1997), S. 22 u. 38; Nevermann, H./Falk, D. (Venture Capital 1986), S. 56ff. 260 Vgl. Nevermann, H./Falk, D. (Venture Capital 1986), S. 23; Frommann, H. (Venture Capital 1993), S. 97. 261 Ein Auslöser für das verstärkte Engagement im Venture Business in dieser Dekade ist u.a. in der von der ARD durchgeführten Veräußerung ihrer Beteiligung an der Firma Digital Equipment Corp, zu sehen. Nach einem Kapitaleinsatz von ca. 70.000 US-$ im Jahre 1957 erzielte die ARD 1972 durch den Exit einen Verkaufswert von rund 500 Mio. US-$. 262 Vgl. Walter, H. (Venture Capital 1983), S. 561; Stedler, H./Peters, H.H. (Venture Capital 1983), S. 990. Eine ausführliche Beschreibung der PVCFs und der CSs liefern Nevermann, H./Falk, D. (Venture Capital 1986), S. 59ff.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

185

raschen Entwicklung der Hochtechnologien und einer intensiven Ausbreitung ihrer Anwendungsmöglichkeiten tragen vor allem die förderlichen Rahmenbe­ dingungen zu dieser Entwicklung bei, wobei insbesondere die folgenden Cha­ rakteristika zu nennen sind263:



Im Rahmen des Revenue Act von 1978 wurde die Besteuerung von Kapital­ gewinnen bei natürlichen Personen von 49% auf 20% gesenkt und dadurch steuerliche Anreize für langfristige Eigenkapitalengagements geschaffen. • Durch flexible Regelungen der Security Exchange Commission, z.B. beim going public, kommt es zu Erleichterungen der Mittelbeschaffung für Unter­ nehmen. • Der große Binnenmarkt, ein ausgereiftes VC-Netz mit Renditen von bis zu 50% sowie der gut organisierte Kapitalmarkt für den Handel mit nicht bör­ sennotierten Unternehmensanteilen (Over-the-Counter-Geschäfte = OTC) stellen günstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen für Venture-CapitalGeschäfte dar. • Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen (unternehmerische Mentalität mit hoher Risikobereitschaft; positive Einstellung der Anleger zur Beteiligungsfi­ nanzierung; Kooperation zwischen Forschern, Universitäten und VCCompanies) forcieren die Venture-Aktivitäten. Aktuell setzt sich der formelle Venture-Capital-Markt in den USA derzeit aus etwa 500 VC-Companies zusammen, die einen Kapitalstock von ca. 35 Mrd. US$ verwalten und pro Jahr ungefähr 2 Mrd. US-$ in ca. 2.500 Unternehmen inve­ stieren264. Ergänzend hierzu engagieren sich jährlich schätzungsweise 250.000 Business Angels mit knapp 20 Mrd. US-$ bei 30.000 Neugründungen und betei­ ligen sich während der riskanten Early-Stage-Phase, während Beteiligungsgesell­ schaften vornehmlich erst in der weniger riskanten, aber ebenfalls durch Kapi­ talmangel gekennzeichneten First-Stage-Phase tätig werden265.

Der Vergleich des amerikanischen VC-Marktes mit dem Europas bzw. Deutsch­ lands führt zu dem Ergebnis, daß das amerikanische Fondsvolumen mit einem

263 Vgl. Leopold, G. /Frommann, H. (Eigenkapital 1998), S. 228; OECD (Venture Capital 1996), S. 18; HOFSTÄTTER, K. (Rahmenbedingungen 1991), S. 6; FROMMANN, H. (Venture Capital 1993), S. 97. 264 Vgl. FIneberg, S. (Venture Capital 1998), S. 37. 265 Zur Gruppe der Business Angels zählen in den USA in erster Linie „Selfmademen“ mit einem Privatvermögen von über 1 Million Dollar, die als Gründer der ersten Generation über entspre­ chende eigene Gründungs- und Geschäftserfahrungen verfügen und dieses Know-how den Existenzgründem in Verbindung mit einer finanziellen Unterstützung anbieten. Vgl. Hake, B. (Exi­ stenzgründer 1997), S. 9.

186

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Gesamtwert von 45,6 Mrd. US-$266 (knapp 42 Mrd. ECU) ungefähr dem Volu­ men des britischen Marktes entspricht. Der Marktgrößenvergleich zeigt daher, daß der US-amerikanische VC-Markt keineswegs mehr den bestimmenden Maß­ stab für internationale Venture-Capital-Fondsvolumina darstellt. Allerdings errei­ chen die vier großen europäischen Märkte (Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien) Märkte mit Bruttoinvestitionen in Höhe von 5,1 Mrd. ECU im Jahre 1996 nicht das US-amerikanische Volumen von 8,34 Mrd. ECU267.

■ Sonstige (Bridge + Tum-around)

— Early-Stage-Finanzierungen (Seed + Start-up)

□ Expansion

□ MBO/MBI

in % der Bruttoinvestitionen 1991-1997

Deutschland

Europa

USA

Abb. 43: Anteile der Finanzierungsphasen im internationalen Vergleich (1991-1997)268

Im Unterschied zu den europäischen und den deutschen Anteilen zeigt die Ver­ teilung der Finanzierungsphasen jedoch deutliche Differenzen (vgl. Abb. 43). Dies betrifft insbesondere den Bereich der Early-stage-Finanzierungen, d.h. Ka­ pitalengagements während der Seed- und der Start-up-Phase, die in den USA mit im Schnitt 30,6% der Investments im Vergleich zu den europäischen Anteilen sehr stark dominieren. Als untypisch gelten in den USA MBO/MBI-Finanzierungen in den späteren VC-Phasen, die im Gegensatz zu den europäischen Engagements eher gering ausfallen. Die größte Kapitalgebergruppe stellen in den 266 Telefonat am 18.9.1998 mit Mr. JOHN S. TAYLOR, Director of Research der NVCA (National Venture Capital Association), dem Verband US-amerikanischer Venture-Capital-Gesellschaften. 267 Vgl. SCHEFCZYK, M. (Erfolgsstrategien 1998), S. 98; FINEBERG, S. (US Venture Capital 1997), S. 29. Zu den europäischen und deutschen Zahlen vgl. Abbildung 41; US-amerikanisches Zahlenmate­ rial entnommen aus NVCA (Annual Report 1997), S. 21; eigene Berechnungen.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

187

USA mit 44% die Pensionsfonds dar, Investment Banks spielen im Unterschied zum europäischen bzw. deutschen Markt als Kapitalgeber keine Rolle269.

Abb. 44: Internationaler Vergleich der Bruttoinvestitionen nach Branchen270

Unterschiede zwischen den einzelnen VC-Märkten ergeben sich ebenfalls bei einer Strukturanalyse des invested capitals (vgl. Abb. 44). Dabei wird deutlich, daß in den USA die Engagements deutlich hightech-lästiger271 sind als im euro­ päischen oder im deutschen Venture Capital Business. Während USamerikanische VC-Companies in den EDV-Bereich, bestehend aus Hard- und Software sowie Support, ungefähr ein Drittel der gesamten Bruttoinvestitionen tätigen, fallen Investments in diesen Sektor in Europa (11,2%) bzw. Deutschland (7,4%) noch eher gering aus. Vergleichbar gestaltet sich auch das Aufkommen im Bereich der Kommunikation und Nachrichtentechnik, der in den USA den zweit­ größten Finanzierungsblock mit knapp 20% darstellt. In Europa (5,7%) und Deutschland (6,5%) hingegen sind die Engagements in diesen Technologiesektor ebenfalls zurückhaltend. Ähnlich zeigt sich die Situation im Gesundheitswesen, das in Deutschland keine VC-Unterstützung erfährt, während in den USA ca. 15% der Investitionen in diesen Bereich einfließen. Umgekehrt stellt sich das Verhältnis im produzierenden Gewerbe dar, unter der die Einzelbranchen Ma­

269 Vgl. Breuer, R.-E. (Venture Capital 1997), S. 325. 270 Zahlenmaterial entnommen aus Fineberg, S. (Venture Capital 1998), S. 39; BVKNachrichten Special „Venture Capital in Europa 1997“ vom 25.6.1998, S. 94 und 99; BVK (Jahrbuch 1998), S. 88; eigene Berechnungen. 271 Vgl. Bergmann, H. (Venture Capital 1998), S. 15.

188

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

schinenbau, Elektrotechnik sowie die Stahlindustrie zusammengefaßt sind. Euro­ paweit flossen im Jahr 1997 ungefähr 15%, in Deutschland knapp 27% der Bruttoinvestitionen in diese Branche, wohingegen in den USA lediglich ca. 3,3% der Investments eine finanzielle Unterstützung dieser Sektoren zum Ziel hatte. Für die restlichen Branchen ergeben sich keine gravierenden Unterschiede. Die Ausführungen der vorhergehenden Abschnitte haben verdeutlicht, daß der deutsche Venture-Capital-Markt sowohl hinsichtlich der Finanzierungsphasen als auch in Bezug auf die Kapitalgeber und die Brancheninvestitionen deutlich ge­ genüber dem gesamteuropäischen und dem amerikanischen Markt differiert. Zwar verzeichnet das Venture-Capital-Geschäft in Deutschland während der letzten Jahre einen kräftigen Anstieg272, allerdings fällt dieser im Gegensatz zu den USA oder dem europäischen Ausland noch vergleichsweise gering aus. Die Antwort auf die Frage, wodurch Venture Capital in Deutschland behindert wird, fällt differenziert aus und läßt sich insbesondere auf gesellschaftliche, rechtliche sowie steuerliche Besonderheiten fokussieren. Eine Analyse dieser Rahmenbe­ dingungen steht daher im Mittelpunkt des folgenden Kapitels.

III.

Analyse der nationalen Rahmenbedingungen für Venture Capital

1.

Gesellschaftliche Einflußfaktoren

Unter den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen soll an dieser Stelle in erster Linie die Akzeptanz von Venture Capital bei potentiellen Kapitalanlegern und -nehmern verstanden werden273. In Deutschland dominiert eine risikoaverse Hal­ tung, die zu einer zurückhaltenden Einstellung gegenüber Venture Capital sowohl bei Investoren als auch bei den zu finanzierenden Unternehmen führt274. Seitens der Investoren äußert sich dies insbesondere darin, daß sie im allgemeinen weni­ ger spekulativen Mittelbindungen den Vorzug geben, so daß das Eigenkapitalan­ gebot im Gegensatz zu den USA vorwiegend sicherheitsorientiert ist. Kapital fließt dabei vor allem in bestimmte Sicherheiten bietende Anlagen, z.B. Immobi­ lien. Um eine Mentalitätsveränderung in diesem Bereich zu erhalten, ist es erfor­ 272

Diese Tendenz wird nach Schätzungen des BVK auch in 1998 anhalten. Vgl. O.V. (Risikokapi­ talgeschäft 1998), S. 21. Eine Beschreibung weiterer Mentalitäts- sowie kultureller Unterschiede, die sich auf die Ak­ zeptanz von Venture Capital auswirken, findet sich z.B. bei KRÄMER, H.-P. (Wagniskapital 1998), S. 222.; Evans, D.M. (Neugründungen 1998), S. 229; Quillmann, W. (Venture Capital 1987), S. 673. 274 Vgl. BREUER, R.-E. (Venture Capital 1997), S. 326.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

189

derlich, einen präventiven Anlegerschutz aufzubauen275, über den der Investor in vollem Umfang über die mit seinem Kapitalengagement verbundenen Risiken aufgeklärt wird und gleichzeitig bestimmte Informationsrechte erhält.

Auf Seite der Kapitalnehmer hatten bislang viele Gründer und Unternehmen beim Eingehen einer VC-Beziehung die Sorge, daß sie ihre „Herr-im-Haus“Stellung verlieren bzw. durch die Aufnahme externer Kapitalgeber in den Gesell­ schafterkreis die unternehmerische Selbständigkeit und den Einfluß sowie die Entscheidungsfreiheit einbüßen würden und verhielten sich gegenüber einem VCEngagement eher zurückhaltend. Mittlerweile überwiegen jedoch die positiven Meinungen, denn das Investment stellt quasi ein Gütesiegel für das zu finanzie­ rende Gründungsunternehmen dar, da die Kapitalgeber von der Geschäftsidee und ihren Entwicklungschancen überzeugt sind276. Gleichzeitig können Unter­ nehmensgründer durch den Rückgriff auf das Consulting-Know-how des Finan­ ziers potentielle Gefahren und Probleme während der Gründungs- resp. Wachs­ tumsphase eher erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen rechtzeitig ein­ leiten. In den Bereich der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gehören neben dem beschriebenen Mentalitätsproblem auch die Möglichkeiten zur Beendigung eines Venture-Capital-Engagements. Diese Exitkanäle, die für den Investor die we­ sentliche Ertragsquelle in Form der Partizipation am capital gain der finanzierten Unternehmung darstellen, bestimmen insofern Art und Höhe, in dem Gewinne realisiert werden können277. Für die Desinvestition der Beteiligung stehen dem Kapitalgeber prinzipiell fünf Alternativen zur Verfügung278:







275 276 277 278

Im Rahmen des buy back erfolgt der Rückkauf der Beteiligung durch den bzw. die Altgesellschafter. Problematisch hierbei ist allerdings der bei den Erwerbern entstehende Finanzierungsbedarf, so daß dieser Exitkanal insbe­ sondere für solche Unternehmen in Frage kommt, die sich bereits im Endsta­ dium der Expansionsphase befinden und Aussichten auf weitere Geschäftser­ folge vorweisen können. Ein weiterer Weg des Desinvestments stellt der trade sale dar, bei dem die Beteiligung mit dem Einverständnis des Venture-Capital-Nehmers an ein an­ deres Unternehmen bzw. einen industriellen Investor veräußert wird. Beim secondary purchase wird die Beteiligung an einen Finanzinvestor bzw. eine andere Venture-Capital-Gesellschaft weiterveräußert. Dieser Weg ist Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. 43.

WALTER, H. (Venture Capital 1983), S. 564. KOSCHE, G. (Venture Capital Special 1997), S. 74. BREUER, R.-E. (Venture Capital 1997), S. 327. Massenberg, H.-J. (Bedeutung 1996), S. 24; SCHEFCZYK, M. (Erfolgsstrategien 1998), S.

190

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

dann erfolgversprechend, wenn das zu veräußernde Portfoliounternehmen noch über ein Wertzuwachspotential verfügt, das es für den Erwerber interes­ sant erscheinen läßt. • Als vierter Exitkanal steht das going public, d.h. die Einführung des finan­ zierten Unternehmens an der Börse, zur Verfügung. Diese Desinvestitionsal­ ternative, die dem Unternehmen im Unterschied zum buy back keine Liqui­ dität entzieht und zu einer Interessenharmonisierung bez. der Marktwertma­ ximierung zwischen Kapitalgeber und Kapitalnehmer führt279, nimmt in Deutschland (trotz der Einführung des Neuen Marktes an der Frankfurter Wertpapierbörse) allerdings noch einen sehr geringen Umfang ein. • Durch Liquidation des VC-Unternehmens bzw. Kündigung des Gesell­ schaftsvertrages kann ein VC-Engagement ebenfalls beendet werden, aller­ dings handelt es sich hierbei - abgesehen von der vereinzelten Kündigung stiller Beteiligungen oder Kommanditanteile - normalerweise um Totalverlu­ ste, Bei Betrachtung der vier erstgenannten Desinvestitionsalternativen, bei denen der Venture-Capital-Gesellschaft liquide Mittel zufließen, erfolgt der Exit im deut­ schen Markt in erster Linie über trade sales und buy backs, wobei der Rückkauf deutlich dominiert. Die größten Veräußerungsvolumina lassen sich zwar über das Verfahren des going public realisieren, allerdings umfaßt dieser Exitkanal in Deutschland noch eher einen kleinen Teil des gesamten Veräußerungsvolumens. Von untergeordneter Bedeutung ist der secondary purchase, ebenfalls sehr selten treten Totalverluste auf. Die Aufteilung der in Deutschland durchgeführten Desinvestitionen verdeutlicht die nachfolgende Abb. 45, die die Aktivitäten von insgesamt 64 Gesellschaften aus dem Jahr 1997 erfaßt.

279

VgL Breuer, R.-E. (Venture Capital 1997), S. 327.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

191

Abb. 45: Exitkanäle zur Beendigung des VC-Engagements in Deutschland280

Der relativ geringe Anteil des going public, der zum einen über die geringe Po­ pularität der Aktie als Anlageinstrument in Deutschland und zum anderen über die restriktiven deutschen Börsenzulassungsbeschränkungen sowie die dominie­ rende Rolle der Banken bei der Begleitung von Emissionen erklärt werden kann281, stellte bislang einen Haupthinderungsgrund für die Venture-CapitalBranche dar. Während die individuelle Einstellung deutscher Kapitalanleger zur Aktie nur sehr eingeschränkt beeinflußt werden kann - in diesem Zusammenhang ist nochmals auf die bereits angesprochene Risikoaversion hinzuweisen -, wurde der Exitkanal „Börse“ mit der Schaffung des Neuen Marktes im Jahr 1997 ver­ bessert. Ein Ansatz zur Forcierung der Veräußerung von VC-Beteiligungen über eine Börsenkapitalisierung bzw. eine verstärkte Einbindung privater Risikokapi­ talgeber für die Versorgung von Existenzgründungen mit Eigenkapital könnte über die zusätzliche Implementierung eines speziellen „ExistenzgründungsBörsensegmentes“ erfolgen, dessen Ausgestaltung im dritten Teil dieser Arbeit dargestellt wird.

280 Zahlenmaterial entnommen aus BVK (Jahrbuch 1998), S. 87. 281 Vgl. Fredrich-Ebert-Stetung (Risikokapital 1995), S. 12.

192

2.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Rechtliche Restriktionen

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Venture Capital in Deutschland werden in erster Linie durch das am 12. Dezember 1986 verabschiedete Gesetz über Unternehmensbeteiligunsgesellschaften (UBGG) gelegt, das zwar in erster Linie den Rahmen für eine spezielle Gruppe von VC-Companies, die sog. Unterneh­ mensbeteiligungsgesellschaften 282 (vgl. hierzu auch Abb. 37), bildet, gleichzeitig allerdings für die formal kaum regulierten Teilmärkte eine Signalwirkung bein­ haltet283. Nach dem UBGG handelt es sich bei Unternehmensbeteiligungsgesell­ schaften um Institutionen, deren satzungsmäßiger oder gesellschaftsvertraglich festgelegter Geschäftszweck ausschließlich dem Erwerb, dem Halten, der Ver­ waltung und der Veräußerung von Wagniskapitalbeteiligungen dient (§ 2 Abs. 2 UBGG). Die primäre Zielsetzung des Gesetzeswerkes ist es folglich, nicht bör­ sennotierten jungen Unternehmen bei der Eigenkapitalfinanzierung über die Zwischenschaltung bestimmter Intermediäre einen indirekten Zugang zum orga­ nisierten Kapitalmarkt zu eröffnen und ihnen ein breites Anlegerpublikum zu erschließen284. Dies sollte insbesondere dadurch erreicht werden, daß für Unter­ nehmensbeteiligungsgesellschaften bislang die Rechtsform der Aktiengesellschaft vorgeschrieben war285.

Um den Privatanleger bei Investitionen in Unternehmensbeteiligungsgesell­ schaften gegenüber einer direkten Beteiligung steuerlich nicht zu diskriminie­ ren286, wurden die Gesellschaften zunächst von der Vermögensteuer (bis zu deren Wegfall 1997) und von der Gewerbesteuer befreit (§ 3 Nr. 23 GewStG). Ebenso sind Eigentümer, die mindestens 10% der Anteile an einer Unternehmensbeteili­ gungsgesellschaft halten, von der anteiligen Gewerbesteuer befreit (§ 9 Nr. 2a und § 12 Abs. 3 Nr. 2a GewStG). Damit wird sichergestellt, daß das Schach­ telprivileg der Gewerbesteuer faktisch gewährt wird, obwohl es sich bei der Un­ ternehmensbeteiligungsgesellschaft um eine steuerbefreite Kapitalgesellschaft handelt287.

Trotz dieser statusspezifischen Steuervorteile gegenüber „konventionellen“ Ka­ pitalbeteiligungsgesellschaften oder VC-Companies288 blieb dem UBGG bisher 282

Die Bezeichnung „Unternehmensbeteiligungsgesellschaft“ ist geschützt. Unternehmen, die diese Bezeichnung tragen wollen, bedürfen einer Anerkennung durch das Bundesministerium der Fi­ nanzen. Vgl. ALBACH, H./Hunsdiek, D./KOKAU, L. (Finanzierung 1986), S. 228. Vgl. SCHEFCZYK, M. (Erfolgsstrategien 1998), S. 58. 284 Vgl. Damisch, H.E. (Venture Capital 1997), S. B21. Vgl. SCHWEEN, K. (Coporate Venture Capital 1996), S. 52. 286 Vgl. Kaminski, R. (Venture Capital 1988), S. 37. 2gg Vgl. SCHEFCZYK, M. (Erfolgsstrategien 1998), S. 63. Zu den steuerlichen Rahmenbedingungen dieser Gesellschaften vgl. 2. Teil, Abschnitt C.III.3.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

193

die Akzeptanz versagt, was insbesondere auf die z.T. restriktiven Vorschriften über die Gestaltung der Geschäfte zurückzuführen war289. Zu diesen Auflagen, die entweder sofort oder innerhalb bestimmter Zeiträume nach der Gründung der Unternehmensbeteiligungsgesellschaft zu erfüllen sind, zählten beispielsweise die im folgenden dargestellten Verpflichtungen:



Das UBGG ermöglichte lediglich den Erwerb von Aktien nicht börsennotier­ ter Unternehmen, von GmbH- und KG-Geschäftsanteilen sowie die Beteili­ gung als stiller Gesellschafter bei nicht börsennotierten Unternehmen inner­ halb Deutschlands290 (sofort zu erfüllen). • Die Gesellschaft durfte mit Ausnahme öffentlicher Fördermittel Kredite nur in einer Höhe bis max. 50% ihres Eigenkapitals aufnehmen und vergeben (so­ fort zu erfüllen). • Eine Reihe von Anlagegrenzen mußten die Unternehmensbeteiligungsgesell­ schaften innerhalb von sechs Jahren erfüllen, durch die der Aufbau des Port­ folios erleichtert werden sollte. Hierzu gehörte zunächst ein Mindestbestand von 10 Portfoliounternehmen sowie die Beschränkung der Anschaffungsko­ sten der Beteiligungen auf maximal 20% der Bilanzsumme der Unterneh­ mensbeteiligungsgesellschaft. Weiterhin durften Darlehen an die Portfo­ liounternehmen jeweils nur noch bis zur dreifachen Höhe der Anschaffungs­ kosten der Beteiligung bzw. bis zu einer Gesamtsumme aller Darlehen von 20% der Bilanzsumme der Unternehmensbeteiligungsgesellschaft vergeben werden. • Innerhalb von 10 Jahren nach Anerkennung der Unternehmensbeteiligungsge­ sellschaft waren des weiteren 70% der Aktien der Gesellschaft durch Einfüh­ rung in den Amtlichen Handel oder den Geregelten Markt öffentlich zum Er­ werb anzubieten. Die genannten Einschränkungen führten vermehrt zu der Aufforderung, das UBGG in entsprechendem Maße zu reformieren. Im Rahmen des Dritten Fi­ nanzmarktförderungsgesetzes vom 24. März 1998 wurde diesem Novellierungs­ bedarf über eine konzeptionelle Neuausrichtung des UBGG Rechnung getragen. Zu den ab dem 1. April 1998 gültigen Maßnahmen, die eine Risikokapitalversor­ gung mittelständischer und junger innovativer Wachstumsunternehmen verbes­

289 Vgl. Raab, W. (3. Finanzmarktförderungsgesetz 1997), S. 33. 290 Durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz vom 5. Oktober 1994 wurden allerdings in begrenztem Umfang Ausländsbeteiligungen über den Anteilserwerb von Unternehmen mit Sitz innerhalb des EWR zugelassen.

194

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

sern und die Attraktivität des Instruments der Unternehmensbeteiligungsgesell ­ schaft erhöhen sollen, zählen insbesondere291:

Durch einen Verzicht auf den Zwang zum öffentlichen Angebot von Aktien der Unternehmensbeteiligungsgesellschaft und durch die Zulassung der Rechtsformen GmbH, KG und KGaA (§ 2 Abs. 1 UBGG) erhalten die Marktteilnehmer eine größere Flexibilität bei der Wahl der Rechtsform, was die Attraktivität von Unternehmensbeteiligungsgesellschaften erhöht. • Durch eine Erweiterung der Anlage- und Refinanzierungsregeln sollen die Handlungsspielräume der Unternehmensbeteiligungsgesellschaften ausgebaut werden. Die neuen Regelungen umfassen u.a. die Möglichkeit der Beteiligung an Unternehmen mit Sitz außerhalb des EWR (§ 3 UBGG), die Zulassung von Genußscheinen für das Beteiligungsengagement und als Refmanzierungsinstrument (§ 3 Abs. 4 UBGG), die Erhöhung der Beschränkung der Anschaffungskosten von bislang 20% auf 30% (§ 4 Abs. 1 und 2 UBGG) so­ wie die Aufhebung der Grenze für die Höchst-Kreditaufnahme durch eine Unternehmensbeteiligungsgesellschaft. •

In seiner neuesten Fassung unterscheidet das UBGG des weiteren zwischen offe­ nen und integrierten Gesellschaften. Während an offenen Gesellschaften nach einer Anlaufphase von 5 Jahren keine maßgeblichen Beteiligungen mehr beste­ hen dürfen (vgl. § 7 Abs. 1 UBGG), unterliegen integrierte Gesellschaften dieser Beschränkung nicht, haben allerdings strengere Anlage Vorschriften zu erfüllen. Diese kommen darin zum Ausdruck, daß integrierte Beteiligungsgesellschaften zum einen nur Anteile an solchen Unternehmen erwerben dürfen, bei denen min­ destens eine natürliche Person mit wenigstens 10% an den Stimmrechten beteiligt ist. Zum anderen müssen Mehrheitsbeteiligungen integrierter Unternehmensbe­ teiligungsgesellschaften vor Ablauf eines Jahres zurückgezahlt werden, so daß anschließend nicht mehr als 49% der Stimmrechte gehalten werden (§ 4 Abs. 4 UBGG). Durch diese Regelungen soll insbesondere der Mißbrauch des Gesetzes­ rahmens durch Holdinggesellschaften verhindert werden292. Neben dem UBGG definiert das Beteiligungs-Sonderverniögen im Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) eine zweite Gruppe von Venture-CapitalGesellschaften. Diese Intermediäre wurden als eine Form von Investmentfonds 1986 durch das Zweite Vermögensbildungsgesetz mit dem Ziel der Verbesserung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer und der Mitarbeiterbeteiligung in das KAGG aufgenommen. Beteiligungs-Sondervermögen, die entsprechend den Investmentfonds von einer Kapitalanlagegesellschaft unter Hinzuziehung einer Vgl. KÖNDGEN, J. (Regierungsentwurf 1997), S. 288f. Vgl. KÖNDGEN, J. (Regierungsentwurf 1997), S. 288.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

195

Depotbank verwaltet werden, dürfen das eingelegte Geld in Wertpapieren, Schuldscheindarlehen und Beteiligungen als typischer stiller Gesellschafter anle­ gen (§§ 25a und b Abs. 1 Nr.l KAGG). Stille Beteiligungen sind jedoch nur dann erlaubt, wenn das entsprechende Unternehmen seinen Sitz und seine Ge­ schäftsleitung im Inland hat, keine im Inland börsennotierten oder in einen orga­ nisierten Markt einbezogenen Aktien ausgegeben hat und einer besonderen Ab­ schlußprüfung293 unterzogen wurde (§ 25b Abs. 1 Nr. 2 KAGG). Als wesentliche Anlagegrenzen für das Beteiligungs-Sondervermögen definiert das KAGG die Höhe einzelner stiller Beteiligungen mit 5% sowie den gesamten Umfang der stillen Beteiligungen mit 30% (§ 25b Abs. 2 und 3 KAGG). Obwohl die Beteiligungs-Sondervermögen mit einer Steuerfreiheit der Veräuße­ rungsgewinne ausgestattet sind (§ 43a KAGG), haben sich auch 10 Jahre nach Schaffung der ersten gesetzlichen Grundlagen noch keine entsprechenden Gesell­ schaften gebildet. Dies kann aus Sicht der Kapitalgeber zum einen durch die Begrenzung der einzelnen Beteiligungen auf einen Gesamtwert von 30% des Sondervermögens und zum anderen durch fehlende Vorteile gegenüber Unter­ nehmensbeteiligungsgesellschaften erklärt werden. Auf Seiten der Kapitalnehmer ist zusätzlich zu der Einengung der Anlagemöglichkeiten auf die typisch stille Beteiligung der Nachteil verbunden, daß kein echtes Eigenkapital, sondern eher ein Eigenkapitalsurrogat bereitgestellt wird, das nur begrenzt an Gewinn und Verlust teilnimmt294. Darüber hinaus gestalten sich die laufende Bewertung der stillen Beteiligungen, die Durchführung der Abschlußprüfung sowie der mit den Überwachungspflichten durch die Depotbank verbundene hohe Aufwand für das Beteiligungs-Sondervermögen problematisch. Um die Weiterentwicklung und den vermehrten Einsatz solcher Beteiligungs-Sondervermögen im Rahmen der Risikokapitalfinanzierung zu ermöglichen, ergeben sich hieraus ähnlich den For­ derungen für die Novellierung des UBGG zwei Handlungsempfehlungen für den Gesetzgeber295:





Aus Vereinfachungsgründen sollten die bestehenden Regelungen zum Betei­ ligungs-Sondervermögen aus dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften entfernt werden, da diese von der Praxis keine Akzeptanz fanden und auch in der Zukunft wohl nicht angenommen werden. In Anlehnung an die Regelungen zum Grundstücks-Sondervermögen könnte als neuer Intermediär eine Art von Investmentfonds aufgelegt werden, der

293 Die Abschlußprüfung bezieht sich hierbei auf die Angemessenheit der Einlagen des Fonds sowie die Gegenleistung des Portfoliountemehmens, wobei auf einen Renditevergleich mit börsenno­ tierten Bundeswertpapieren abzustellen ist. Vgl. SCHEURLE, F. (Investmentfonds 1998), S. 1102. 294 Vgl. GERKE, W./SCHöNER, M.A. (Auswirkungen 1988), S. 204. 295 Vgl. Schefczyk, M. (Erfolgsstrategien 1998), S. 67.

196

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

sein Portfolio fast vollständig in Beteiligungen an nicht börsennotierten Venture-Capital-Gesellschaften anlegen kann. Somit könnte für breite Anleger­ kreise die Möglichkeit zur Teilnahme am VC-Markt erleichtert werden und dabei analog der Geschäftstätigkeit herkömmlicher Investmentfonds die Aus­ wahl der einzelnen Finanzierungstitel und die risikomindernde Diversifizie­ rung an das Fondsmanagement delegiert werden.

Zusätzlich könnte die Aufhebung der strikten Beschränkung der einzelnen Betei­ ligungen in Form der stillen Beteiligung etwa in Anlehnung an die neuen Vor­ schriften des UBGG auf 30% zu einer Belebung des Risikokapitalgeschäftes durch Privatvermögen im Rahmen der Vermögensbildung von Arbeitnehmern und Mitarbeitern führen.

3.

Besonderheiten bei der steuerlichen Behandlung

Neben den bereits beschriebenen gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbe­ dingungen stellt insbesondere die steuerliche Behandlung von Venture Capital aus Sicht der Kapitalgeber einen wichtigen Einflußfaktor für das Einsatzpotential dieser Form des Beteiligungskapitals dar. Für die Kapitalgeber von Bedeutung ist zunächst die Besteuerung von Kapital­ gewinnen, die bei der Veräußerung der Beteiligungen entstehen. Für natürliche Personen, die sich nicht gewerblich an Unternehmen beteiligen296, bleiben Kapi­ talgewinne aber auch Kapitalverluste unter Berücksichtigung der Spekulationsfri­ sten gern. § 23 EStG steuerlich außer Betracht. Eine wesentliche Voraussetzung ist hierbei eine Haltedauer der Beteiligung von seit 1999 mehr als 12 Monaten, was bei VC-Finanzierungen jedoch i.d.R. der Fall ist. Solche nicht gewerblichen Beteiligungen sind allerdings für VC-Engagements eher untypisch und am ehe­ sten im Bereich des informellen Venture Capitals anzusiedeln, das in Beteiligun­ gen an Kapitalgesellschaften unterhalb von 25% angelegt wird. Wird eine Betei­ ligung dagegen gewerblich gehalten, wie dies bei Venture Capital Companies und Direktinvestitionen bei gewerbetreibenden Personengesellschaften sowie wesentlichen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften der Fall ist, unterliegen eventuelle Veräußerungsgewinne bzw. -Verluste grundsätzlich der Einkommenresp. Körperschaftsteuer (§§ 16 und 17 EStG). Für natürliche Personen ergibt sich jedoch nach § 34 EStG ein ermäßigter Steuersatz für diese außerordentlichen

296

Hierunter ist die Beteiligung von weniger als 25% bei Kapitalgesellschaften oder an ausschließ­ lich vermögensverwaltenden Personengesellschaften zu verstehen.

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

197

Einkünfte297. Unternehmensbeteiligungsgesellschaften sind hingegen gänzlich von der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Beteiligungen an Kapital­ gesellschaften befreit, sofern sie diese Veräußerungserlöse direkt auf Reinvesti­ tionen übertragen und eine Haltefrist von nunmehr einem Jahr aufweisen298. Ver­ gleicht man die steuerliche Behandlung der Veräußerungsgewinne hingegen mit dem Ausland, so zeigt sich, daß beispielsweise in den USA solche Erlöse gene­ rell von der Steuer befreit werden. Des weiteren wird die Besteuerung von Ver­ äußerungsgewinnen im europäischen Ausland unterschiedlich gehandhabt und damit zunehmend zu einem Wettbewerbsvorteil bzw. einer Standortentscheidung für die jeweiligen VC-Gesellschaften resp. privaten Risikokapitalgeber. Eine generelle Freistellung der Veräußerungsgewinne deutscher VC-Companies könnte somit sowohl der Stärkung der Venture-Capital-Aktivitäten als auch der volkswirtschaftlich gewünschten Entwicklung im Existenzgründungssektor die­ nen299.

Ebenfalls von steuerlicher Relevanz für die Finanziers ist die steuerliche Be­ handlung eventuell auftretender Verluste aus dem Kapitalengagement. Wie be­ reits mehrfach erwähnt, erwirtschaften Existenzgründer in den Frühphasen ihrer Tätigkeit i.d.R. erhebliche Anlaufverluste, die eine entsprechende Berücksichti­ gung bei der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer erfahren sollten. Grundsätz­ lich können anfallende Gewinne zwar mit Überschüssen anderer Einkunftsarten verrechnet oder auf andere Veranlagungszeiträume zurück- oder vorgetragen werden (§ lOd EStG, § 8 Abs. 4 KStG). Allerdings ermöglicht das deutsche Steuersystem die Zuweisung von Verlusten aus den Portfoliounternehmen nur solchen Anlegern, die unbeschränkt bzw. in eingeschränkter Form mit Komman­ diteinlagen haften (§ 15 EStG). Sind diese Voraussetzungen zur Verlustzuwei­ sung an Kapitalgeber hingegen nicht gegeben, so kann der VC-Nehmer entste­ hende Verluste lediglich selbst auf andere Veranlagungszeiträume zurück- oder vortragen. Für den Fall der künftigen Gewinnerzielung ergibt sich hieraus zu­ nächst eine zeitliche Verzögerung der Verlustverrechnung mit entsprechenden Zinsnachteilen im Vergleich zur sofortigen Verlustverrechnung sowie ein eventu­ elles Risiko des Untergangs des Verlustvortrags für den Fall der Liquidation des Unternehmens bzw. des späten Eintretens eventueller Gewinne. Diese Konstella­ tion hemmt somit die Risikobereitschaft und die Anlageinteressen potentieller 297

Der Entwurf des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2001 sieht jedoch vor, diese Steuerbe­ günstigung zu streichen. An Stelle des halben Durchschnittssteuersatzes sollen außerordentliche Einkünfte vielmehr mit dem 5-fachen der auf 1/5 der außerordentlichen Einkünfte entfallenden Steuer besteuert werden. Vgl. BT-DRUCKSACHE 14/23 vom 9.11.1998. 298 Die Spekulationsfrist von bislang sechs Jahren wurde durch das Dritte Finanzmarktforderungs­ gesetz reduziert. Vgl. KÖNDGEN, J. (Regierungsentwurf 1997), S. 288. 299 Vgl. Hertz-Eichenrode, A. (Venture Capital 1998), S. 206.

198

2. Teil: Relevanz des Eigenkapitals und Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten

Kapitalgeber300. Um eine bessere Verlustzuweisung an die Kapitalgeber unab­ hängig von ihrer Beteiligungsform zu erreichen, könnte in Anlehnung an vorhan­ dene „Steuersparmodelle“ eine direkte Verrechnung zugewiesener negativer Einkünfte an die Investoren und eine entsprechende steuerliche Behandlung beim Kapitalgeber ermöglicht werden. Auf die Ausgestaltung eines solchen Tatbestan­ des soll daher im dritten Teil dieser Arbeit vertiefend eingegangen werden.

300

Vgl. SCHEFCZYK, M. (Erfolgsstrategien 1998), S. 73.

199

Dritter Teil

Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital Nachdem im ersten Teil dieser Arbeit die Finanzmittelbeschaffung von Existenz­ gründungen als ein zentrales Element der Gründungsproblematik identifiziert wurde, fokussierten sich die Ausführungen des zweiten Teils auf die Relevanz der Eigenmittel für junge Unternehmen und auf die generellen Möglichkeiten zur Deckung des Eigenkapitalbedarfs dieses Unternehmenssektors. Dabei wurde deutlich, daß sich die Möglichkeiten der rechtsformspezifischen Eigenmittelbe­ schaffung lediglich auf die Aufnahme neuer Gesellschafter resp. die Erhöhung der Einlagen der „Altgesellschafter“ beschränken. Vor diesem Hintergrund ge­ winnen die rechtsformunabhängige Mezzanine-Finanzierung mit der Zuführung von Eigenkapitalsurrogaten sowie die Risikokapitalfinanzierung als indirekte Form der Beteiligungsfinanzierung bei der Eigenfinanzierung von Existenzgrün­ dungsprojekten an Bedeutung. In beiden Fällen hemmen jedoch existierende Rahmenbedingungen bzw. unzureichende Marktstrukturen den effizienten Ein­ satz der Instrumente. Hierzu gehören insbesondere Informationsmängel infolge fehlender organisierter Märkte, die unzureichende Einbindung finanzkräftiger Kapitalgeber in den Prozeß der Gründungsfinanzierung sowie eine geringe Risi­ ko- und Anlagebereitschaft potentieller Investoren aufgrund steuerlicher Be­ nachteiligungen.

Die folgenden Abschnitte versuchen daher Ansatzpunkte aufzuzeigen, über die eine Reduzierung der nachteiligen Umfeldbedingungen erreicht werden kann. Hierzu soll in einem ersten Kapitel zunächst die Implemetierung organisierter Eigenkapitalmärkte für private Kapitalanleger diskutiert werden. Ansatzpunkte bieten Business-Angels-Märkte, über die informelle Kapitalgeber mit Unterneh­ mensgründern in Kontakt treten und diesen bei Gründungsfinanzierung hilfreich zur Seite stehen können, sowie spezielle Gründungs-Börsensegmente, die bereits frühzeitig die Gelegenheit des going public eröffnen. Das zweite Kapitel unter­ sucht die Möglichkeiten einer verstärkten Einbindung von Pensionsfonds in die externe Beteiligungsfinanzierung von Existenzgründungen. Im abschließenden dritten Kapitel wird schließlich mit der Übertragung steuersparender Kapitalan­ lagen auf die Frühphasenfinanzierung von Existenzgründungen ein Ansatzpunkt erarbeitet, über steuerliche Sonderstatuten Anreize zur privaten Risikokapitalfinanzierung von Entrepreneurfirmen zu schaffen.

200

A.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

DIE IMPLEMENTIERUNG ORGANISIERTER PRIVATE-EQUITY-MÄRKTE FÜR INFOR­ MELLE EIGENKAPITALGEBER

Im Gegensatz zu den Märkten für Fremdkapital zeichnen sich Eigenkapitalmärk­ te1 aufgrund der bereits an früherer Stelle erläuterten Eigenschaften dieser Kapi­ talart2 durch spezielle Charakteristika aus3. In ganz allgemeiner Form reduzieren Eigenkapitalmärkte dabei Vertragsabschlußhemmnisse zwischen Kapitalanbie­ tern und -nachfragern, indem sie heterogene Präferenzen der Marktteilnehmer überbrücken4. Die Installation solcher Eigenkapitalmärkte führt folglich zu einer Reduzierung der langwierigen gegenseitigen Suche nach Marktteilnehmern und ermöglicht oftmals erst die Durchführung potentieller Investitionsvorhaben. Vor diesem Hintergrund sollen in den nachfolgenden Abschnitte zwei Möglichkeiten vorgestellt werden, die die wesentlichen Aufgaben von Eigenkapitalmärkten erfüllen und die gleichzeitig zu einer Verbesserung der Eigenkapitalausstattung von Entrepreneurfirmen führen können.

I.

Informal Venture Network zur effizienteren Einbindung privater Kapitalanleger in die Gründungsfinanzierung

1.

Besondere Bedeutung von Business Angels für Existenzgründungen

Im Rahmen der Risikokapitalfinanzierung stellen insbesondere zwei Investoren­ gruppen Existenzgründern bzw. kleinen und mittleren Unternehmen Kapital zur Verfügung. Hierzu zählen zunächst institutioneile Eigenkapitalgeber in Form der bereits ausführlich erläuterten Venture-Capital-Gesellschaften5. Während dieser Kreis von Finanziers statistisch erfaßt und in aller Regel bei den kapitalnachfra­ genden Unternehmen bekannt ist, sind die informellen Eigenkapitalgeber als

4 5

Synonym wird auch der Begriff private equity market verwendet, wobei private equity eine Beteiligung auf Zeit an nicht börsennotierten Unternehmen definiert. Vgl. O.V. (Private Equity 1998), S. 107. Zur genauen Beschreibung der Eigenschaften des Eigenkapitals vgl. 2. Teil, Abschnitt A.I. Zu einer ausführlichen Beschreibung dieser Charakteristika vgl. DORN, H. (Erfahrungen 1997), S. 53. Vgl. Gerke, W./van Rüth, V./Schöner, M.A. (Informationsbörse 1992), S. 2. Zur genauen Beschreibung der Venture-Capital-Gesellschaften vgl. 2. Teil, Abschnitt C.I.3.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

201

zweite Investorengruppe weitgehend unbekannt, obwohl sie hinsichtlich ihrer Finanzierungsvolumina beachtliche Dimensionen erreichen. So beläuft sich in Großbritannien das Investitionsvolumen informeller Eigenkapitalgeber auf unge­ fähr das Doppelte gegenüber dem Volumen institutioneller Anleger, in den USA tätigen diese Finanziers bezogen auf die Anzahl der Finanzierungen ca. zwan­ zigmal soviele Investments wie institutioneile VC-Companies und bezogen auf das Finanzierungsvolumen ungefähr vier- bis fünfmal soviel6. Schätzungen für Deutschland beziffern den informellen Beteiligungsmarkt auf ungefähr 219.000 potentielle Business Angels, die ein Investitionsvolumen zwischen 9 und 13 Mrd. DM pro Jahr bereitstellen könnten. Aktiv betätigen sich im Moment ca. 27.000 informelle Eigenkapitalgeber, die Risikokapital im Umfang von etwa 1,4 Mrd. DM investieren7. Unter den informellen Eigenkapitalgebern sollen im weiteren Verlauf insbeson­ dere Privatpersonen verstanden werden, die direkt in neue und aufstrebende Un­ ternehmen ohne Börsennotierung investieren und dafür i.d.R. Beteiligungsrechte am Unternehmen erwerben, aber auch andere langfristige Finanzierungsmöglich­ keiten anbieten8. Wesentliche Charakteristika9 der auch als Business Angels bezeichneten Finanziers sind außerdem ihre weitverzweigten Beziehungen zu Industrie und Wirtschaft sowie eigene unternehmerische Managementerfahrun­ gen10, durch die sie die Gründungsunternehmen auch außerhalb der finanziellen Belange unterstützen können11. Dieses Know-how, das die informellen Risikoka­ pitalgeber in ein Gründungsprojekt einbringen, ist dabei ein wesentliches Cha­ rakteristikum dieser Finanziers, denn viele junge Unternehmen scheitern an feh­ lenden Praxisinformationen, die ihnen durch die Unterstützung marktnaher Mentoren hätten vermittelt werden können, bzw. an unzureichenden Manage­ mentqualifikationen12. Dieser mangelnde Fundus an unternehmerischer Erfahrung kann dabei auch zu einem bedeutenden Handicap für eine weitere erfolgreiche Finanzierung werden, denn potentielle Darlehensgeber zögern bei der finanziel­ len Unterstützung innovativer Gründer, wenn beispielsweise lückenhafte Ge­ schäftspläne, unzureichende Marktanalysen oder ein unerfahrenes Management­ team die Risiken eines Finanzengagements zu groß erscheinen lassen. In solchen

6 7 8 9

10 11 12

Vgl. Harrison, R./Mason, C. (Informal 1996), S. 8. Vgl. BMBF (Pressemitteilung 1998), S. 2. Zu dieser Definition vgl. EUROPÄISCHE KOMISSION (Risikokapital 1998), S. 32. Zu einer umfassenden empirischen Untersuchung über die soziologischen und demographischen Charakteristika von Business Angels in den USA vgl. Gaston, R.J. (Private Venture Capital 1989), S. 14ff. Vgl. Harrison, R./Mason, C. (Growing Business 1993), S. 17. Vgl. Sedler, S. (Risikokapital-Finanzierung 1996), S. 25. Zu diesen beiden Insolvenzursachen vgl. auch Abbildung 15.

202

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

Fällen können erfahrene Unternehmer, Senior Managers oder Finanzfachleute junge Unternehmen mit ihrem Management-Know-how unterstützen und sich mit eigenem Kapital an dem Gründungsprojekt beteiligen. Das durch Business An­ gels zur Verfügung gestellte Risikokapital kann daher eine sinnvolle Ergänzung zum Venture Capital darstellen, denn im Unterschied zu den institutioneilen VCGesellschaften zeichnen sich informelle Eigenkapitalgeber in ihrem Investitions­ verhalten durch folgende Besonderheiten aus:



Während institutioneile Eigenkapitalgeber ihre Finanzengagements vornehm­ lich bei bereits etablierten Betrieben tätigen, investieren Business Angels be­ reits in den sehr frühen Lebensphasen eines Unternehmens, d.h. schon in der Seed-Phase, und sorgen damit für eine deutliche Kapitalaufbesserung der Entrepreneurfirmen13. • Business Angels tätigen ihre Investments normalerweise über kleinere Beträ­ ge, die für professionelle Kapitalbeteiligungsgesellschaften unrentabel sind14. Allerdings syndizieren die privaten Investoren auch mit anderen Angels resp. VC-Gesellschaften, so daß durchaus große Finanzierungsvolumina zustande kommen können. Des weiteren sind informelle Kapitalgeber risikofreudiger und in ihrer Tätigkeit eher langfristiger orientiert, d.h. sie planen den Exit nicht kurzfristig15. • Business Angels weisen häufig geringere Renditeerwartungen auf und ver­ zichten im Gegensatz zu den klassischen Venture-Capital-Gesellschaften auf die Einräumung umfangreicher Kontrollrechte16.

Aus den genannten Charakteristika wird deutlich, daß das Engagement von Busi­ ness Angels für Existenzgründungen i.d.R. mit einem „value added“ verbunden ist, der in erster Linie aus dem aktiven Coaching sowie dem fachlichen Knowhow und der praktischen Erfahrung der (ehemaligen) Manager und Unternehmer resultiert. Durch diese Effekte kommt es zusätzlich zu einer positiven Hebelwir­ kung, denn das Kapital der Business Angels zieht weitere Finanzmittel an, die somit ebenfalls zur Schließung der Finanzierungslücke der jungen Unternehmen beitragen.

11

14 15 16

Vgl. ness Vgl. Vgl. Vgl.

HARRISON, R./Mason, C. (Informal Investment Networks 1991), S. 278; Woste, R. (Busi­ Angels 1998), S. 43. Harrison, R./Mason, C. (UK clearing banks 1996), S. 8. DORN, H. (Erfahrungen 1997), S. 55. STICKEL, E. (Finanzierungsformen 1997), S. 30.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

2.

203

Anforderungen an das zu institutionalisierende Netzwerk

Die vorhergehenden Ausführungen haben verdeutlicht, daß informelle Kapitalge­ ber zwar einen wesentlichen Faktor im Rahmen einer umfassenden Gründungsfi­ nanzierung darstellen können, allerdings agieren Business Angels mit ihrem Kapital und ihrem Know-how vornehmlich auf regionalen Märkten, auf denen sie sich selbst auskennen. Sie weisen bei ihren Engagements selten einen Aktionsra­ dius von mehr als 50 bis 100 km auf17. Des weiteren bevorzugen Business Angels oftmals die Anonymität, so daß sie relativ schwer zu identifizieren und zu mobili­ sieren sind. Aus diesen Gründen ist es erforderlich, in Deutschland ein Netzwerk für private Kapitalgeber zu schaffen, das die Investoren bei der Suche nach geeigenten Anlagealternativen unterstützt18. Dabei sollte ein zu implemetierendes Business-Angels-Netz werk insbesondere folgende Aufgaben erfüllen:





17 18

Die wesentliche Aufgabe des gesamten Netzwerkes liegt in der Informations­ versorgung der jeweiligen Netzwerkgruppen anhand umfangreicher Daten­ sammlungen über potentielle Beteiligte, um zu einem Abbau der angespro­ chenen Informationsdefizite beizutragen. Für die Gruppe der Kapitalgeber umfaßt dies insbesondere die Daten über die Höhe und Art der gewünschten Beteiligung, aus denen sich dann in Frage kommende Investitionsmöglich­ keiten bei Gründungsunternehmen ableiten lassen. Dabei ist zu beachten, daß die Beteiligungsmöglichkeiten desto genauer selektiert werden können, je spezifischer die Informationen bezüglich des angebotenen Risikokapitals hin­ sichtlich Qualität und Quantität ausfallen. Seitens der Kapitalnehmer müssen vor allem Daten über die Branche, den Standort, das benötigte Kapital sowie die wahrscheinliche Umsatz- und Geschäftsentwicklung eruiert werden. Hier­ zu ist der Aufbau einer umfassenden Datenbank erforderlich, über die an­ schließend ein Abgleich der jeweiligen Interessen erfolgen und ein persönli­ cher Kontakt hergestellt werden kann. Neben der genannten Informationsversorgung der Netzwerkgruppen muß der Kapitalfluß zwischen Investoren und Unternehmen koordiniert werden, um eine möglichst reibungslose und aufwandsneutrale Versorgung der Kapital­ nachfrager zu gewährleisten. Dabei sollte das Netzwerk unter Kostenaspekten vornehmlich direkt zwischen den beteiligten Gruppen vermitteln und lediglich Vgl. Mai, J. (Engel 1998), S. 85. Zu diesem Ergebnis gelangt auch die Ressortarbeitsgruppe „Risikokapital für Exi­ stenzgründer und MITTELSTÄNDISCHE UNTERNEHMEN“ DES BMWi, die ihrem Bericht vom 30. Januar 1996 eine „neu zu schaffende Informationsbörse für Untemehmensbeteiligungen un­ terhalb der Schwelle der organisierten Kapitalmärkte“ fordert, um dadurch die institutioneilen Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen zu verbessern.

204

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

in Ausnahmefällen als Fonds agieren, der Kapital sammelt und anschließend nach eigenem Ermessen die Verteilung der Finanzmittel auf die kapitalsu­ chenden Unternehmen vornimmt.

Aus diesen Aufgaben lassen sich für ein zu institutionalisierendes Netzwerk ge­ wisse grundlegende Anforderungen ableiten. Hierzu zählen insbesondere die Seriosität und Vertraulichkeit der involvierten Netzwerkgruppen, ihre Freiwillig­ keit und Flexibilität sowie die Überschaubarkeit des gesamten Netzwerkes.



Durch die Vermittlungstätigkeit muß das gesamte Netzwerk eine gewisse Seriosität und Vertraulichkeit aufweisen, d.h. die beteiligten Netzwerkgrup­ pen müssen bei ihrem Engagement die Gewißheit haben, daß ihre Daten ver­ traulich behandelt und nicht mißbraucht werden. • Trotz der genannten vielfältigen Anforderungen muß das Netzwerk dem Kri­ terium der Überschaubarkeit Rechnung tragen. Durch einen möglichst einfa­ chen strukturellen und organisatorischen Aufbau des gesamten Netzwerkes soll erreicht werden, daß potentielle Beteiligte in ihrem Engagement nicht durch unübersichtliche Strukturen oder vielschichtige Beziehungsgeflechte gehemmt werden. • Um das Kriterium der Überschaubarkeit erfüllen zu können, ist es zum einen erforderlich, in das Netzwerk nur die direkt an dem gesamten Prozeß unmit­ telbar beteiligten Parteien zu integrieren. Zum anderen muß jedoch auch ein ständiger Informationsaustausch zwischen den Netzwerkpartnern vorhanden sein, um eventuelle Synergieeffekte erzielen zu können. Hierzu gehört zum einen der Austausch von Informationen und Erfahrungen auf Seiten der Ka­ pitalgeber, zum anderen aber auch ein Feedback der Kapitalnehmer, die mit ihren Erfahrungen zukünftige Aktionen der einzelnen Netzwerkgruppen er­ leichtern können. • Eine weitere wesentliche Grundlage des Netzwerkes ist die Freiwilligkeit und Flexibilität der Netzwerkpartner, die ihr Wissen und ihre Erfahrungen den einzelnen Kooperationspartnern zur Lösung der auftretenden Probleme zur Verfügung stellen sollen. Durch diese gegenseitige Hilfestellung können die einzelnen Netzwerkpartner ihre Ziele wesentlich schneller realisieren, als dies ohne entsprechende Unterstützung möglich wäre19. Aus Sicht der Kapitalge­ ber betrifft dies insbesondere das rasche Wachstum der zu finanzierenden Unternehmen sowie eine Reduzierung der Betreuungskosten. Für die Kapital­ nachfrager sind mit der Einbindung in das Netzwerk neben der finanziellen Unterstützung die Reduzierung zu bewältigender Probleme und das eventuell schnellere Erreichen der Gewinnzone verbunden. 19

Vgl. IfM

der

Universität Mannheim (Eigenkapitalversorgung II 1992), S. 60.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

205

Im Ausland sind bereits mehrere solcher Netzwerke im Einsatz. In Großbritanni­ en existieren ca. 40 Netzwerke und Agenturen, die zwischen Gründern und pri­ vaten Investoren vermitteln20. In Frankreich und Österreich sind in der Vergan­ genheit ebenfalls drei solcher Informationsnetzwerke entstanden, die Existenz­ gründern die Suche nach Kapitalgebern erleichtern21. In den USA verfügt fast jede größere Auskunftei über eine Fülle statistischer Daten von jungen Unter­ nehmen, durchgeführten Kontrakten und Anlagemöglichkeiten. Ein konkretes Beispiel für eine solche Vermittlungsstelle stellt das Private Investors Network (PIN) in South Carolina dar, das Anlagewünsche und Beteiligungsangebote klei­ ner und mittlerer Unternehmen aufnimmt und zusammenpassende Anbieter und Nachfrager über ein Computer-Matching vermittelt22. Demgegenüber existieren in Deutschland bislang nur wenige vergleichbare Ein­ richtungen. Einen Ansatzpunkt zur Umsetzung bietet die Implementierung eines Informal Venture Network, über das Investoren mit der Bereitschaft, Risikoka­ pital einzusetzen, mit an solchem Kapital interessierten Gründungsunternehmen auf professionelle Weise in Verbindung gebracht werden können. Auf Spezifika der organisatorischen sowie strukturellen Umsetzung eines solchen Netzwerkes soll daher im folgenden Abschnitt vertiefend eingegangen werden.

Organisatorische und strukturelle Umsetzung eines Informal Venture Network

3.

Um der besonderen Bedeutung informeller Kapitalanleger gerecht zu werden, bietet sich die Einrichtung zentraler Informations- und Auskunftsstellen an, die eine effiziente Einbindung von Business Angels in den gesamten Prozeß der Gründungsfinanzierung ermöglicht. Durch dieses „Informal Venture Network“ werden zum einen die Business Angels präsentiert bzw. werden ihnen lukrative Investitionsprojekte bekannt gemacht, zum anderen werden die hohen Such- und Transaktionskosten der Beteiligungsanbahnung gesenkt23. Das gesamte Netzwerk kann sich dabei gemäß der in Abb. 46 dargestellten Form präsentieren und setzt sich aus insgesamt drei beteiligten Netzwerkgruppen zusammen.

20 21 22 23

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

BVCA (Sources 1997). MAI. J. (Engel 1998), S. 86; STADLER, W. (Österreich 1998), S. 24. Gerke, W./van Rüth, V./Schöner, M.A. (Informationsbörse 1992), S. 3. Kaufmann, F./Kokau, L. (Risikokapitalmärkte 1996), S. 84.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

206

private Investoren (Business Angels)

Gründungsunternehmen (GU) als Kapital- und Consultingnachfrager

>

Finanzmittelfluß

-------- Informations-und Consultingfluß

Abb. 46: Informal Venture Network für Business Angels

Die privaten Kapitalanleger stellen dabei Finanzmittel für die Gründungsfinan­ zierung zur Verfügung. Da es im Bereich der Existenzgründungen zumeist an aussagefähigen Expertisen und verläßlichen Marktinformationen fehlt, ist diese Netzwerkgruppe neben der Weiterleitung des Kapitals insbesondere an einer guten Versorgung mit Informationen über kapitalsuchende Gründungsunterneh­ men sowie über den Gesamtmarkt interessiert. Als zweite Gruppe im gesamten Netzwerk sind die Unternehmensgrander zu nennen, die neben der finanziellen Unterstützung auch einen Bedarf an Consul­ tingleistungen durch die Business Angels aufweisen. Die Existenzgründer treten dabei in das gesamte Netzwerk ein, indem sie bestimmte Basisdaten ihres Vorha­ bens in das Netzwerk einspeisen und den Wunsch resp. das Bedürfnis nach fi­ nanzieller und betriebswirtschaftlicher Unterstützung äußern.

Die Koordination zwischen kapitalnachfragenden und -anbietenden Interessenten übernimmt als zentrales Element des Informal Venture Networks die „ Vermitt­ lungsinstitution“. Hierunter sollen organisierte Treffpunkte verstanden werden, die einen systematischen Informationsaustausch zwischen Business Angels und Gründungsunternehmen ermöglichen und somit zum Abbau der Informati­

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

207

onsasymmetrien beitragen. Zu den Hauptaufgaben24 dieser auch als Informati­ onsbörsen bezeichneten Institutionen gehören: das Sammeln von Basisdaten über beteiligungssuchende Unternehmen und Kapitalanbieter, wobei hinsichtlich Qualität und Quantität auf die bereits angesprochene möglichst genaue Datensammlung abzuzielen ist, • die Weitergabe der Informationen über die Gründungsunternehmen sowie die anschließende Vermittlung von Beteiligungen, wenn Kongruenz zwischen den Interessen von Kapitalanbietern und Kapitalnachfragern festgestellt wur­ de, • die Vorbereitung der Beteiligung über die Abstimmung ihrer Eckpunkte und des Finanzierungskonzeptes bzw. die Unterstützung bei Vertragsabschluß sowie • optional das Sammeln von Kapital in einem capital pool, wobei die Weiter­ leitung der Finanzmittel in erster Linie jedoch direkt durch die Kapitalgeber erfolgen sollte, um zeitliche Verzögerungen und zusätzliche Transaktionsko­ sten zu vermeiden.



Die Informationssammlung und -Verdichtung sollte dabei im Rahmen einer um­ fassenden due diligence erfolgen. Hierunter ist eine umfassende Unterneh­ mensanalyse zu verstehen, bei der die Chancen und Risiken eines Unternehmens sowie die Plausibilität der geplanten Erträge und Aufwendungen untersucht wer­ den. Inhalte sind die wirtschaftliche, technische, organisatorische, rechtliche und steuerliche, aber auch die psychologische due diligence, wobei der letztgenannte Aspekt insbesondere die sog. soft skills, d.h. die innere Kraft des Unternehmens, berücksichtigt25.

Bei der Durchführung einer solchen umfassenden Analyse kann sich die Ver­ mittlungsinstitution beispielsweise eines Ratingsystems bedienen, das als Rating­ kriterien zunächst die Art des Gründungsvorhabens, die Innovation des Grün­ dungsprojektes sowie die Branche und das darin enthaltene Branchenrisiko be­ rücksichtigt. Für die einzelnen Kriterien werden dabei definierte Punktzahlen (5 = hohes Risiko; 1 = geringes Risiko) vergeben und anschließend im Sinne eines Scoring-Modells zu einer Gesamtpunktzahl verdichtet, die dementspre­ chend die Zuordnung zu einer Risikoklasse ermöglicht. Dabei könnte das RatingSchema exemplarisch das in Abb. 47 dargestellte Aussehen haben, wobei die

24

25

Zu den Aufgaben solcher Informationsbörsen vgl. GERKE, W./VAN RÜTH, V ./SCHÖNER, M.A. (Informationsbörse 1992), S. 84ff. Vgl. Wegmann, J. (Abschlußplenum 1998), S. 84ff.; WEGMANN, J./KOCH, W. (Diligence 1999), S 12ff.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

208

vergebene Punktzahl mit dem Risiko des Gründungsvorhabens positiv korre­ liert26.

Sc oringpunide

5

4

3

2

1

Gründungsvariante

Z

’b Start-up

z

'b Kauf MBO Spin-off Franchising

Z Z

z

Innovationsgrad innovativ

Z z

'b imitierend

Branche, z.B. EDV/Kommunikationstechnik

z z z

Handwerk

Dienstleistung Elektrotechnik/Maschinenbau

Gesamtpunktzahl:

Z

15-11

Engagement mit hohem Risiko

10-7

Engagement mit mittlerem Risiko

6-3

Engagement mit geringem Risiko

+ Zuschlag als Ergebnis der soft-skill-Bewertung

Abb. 47: Ratingbogen zur Informationsverdichtung im Informal Venture Network

Ergänzend hierzu müssen jedoch auch die erwähnten soft skills in die Bewertung des Gründungsprojektes einfließen. Hierzu bietet sich eine Profilanalyse an, über die beispielsweise eine Beurteilung der fachlichen und persönlichen Eigenschaf­ ten des Gründers vorgenommen wird. In den Mittelpunkt einer solchen Beurtei­ lung ist das Verhältnis des Unternehmers zur Gewinnorientierung zu stellen, die um fachliche Qualifikationen und Führungseigenschaften des Entrepreneurs er­ gänzt werden. Diese Aspekte sind von Bedeutung, da jede zweite Insolvenz von jungen Unternehmen im wesentlichen auf mangelnde betriebswirtschaftliche Kenntnisse oder fehlende Führungsqualitäten zurückzuführen ist27. Die Grund-

26

27

Je höher die vergebenen Punktzahlen, desto größer ist das mit dem Gründungsprojekt verbunde­ ne Risiko. Die Punktzuweisung für die Gründungsvarianten erfolgte dabei auf Basis der im 1. Teil dieser Arbeit erläuterten Chancen und Risiken der einzelnen Gründungsaltemativen. Für die Branchenpunkte wurden subjektive Scores vergeben. Zur Quantifizierung dieser Aussage vgl. Abbildung 15.

209

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

Struktur einer solchen Profilanalyse kann dabei das in der nachfolgenden Abb. 48 dargestellte Aussehen haben.

I. Grundverhalten positiv

1

2

3

4

5

II. Gewinnorientierung positiv

lemunfhäig

1

2

3

4

5

negativ

_ nicht_vorhanden __ _ kc[n_e_Kostensens_ibi_lität_ __ _ _ nichjvojhanden __ nicht vorhanden

. jgutes jgu te.Kostenko n frolle _ _ jdcfinierteErtrajisz iele Break-Even-Beobachtung

III.Fachliche Qualifikationen positiv 1

2

3

4

5

negativ

_ n£cht_vorhanden __ _ pichjjorhanden __ _ nicht vorhanden nicht vorhanden

.brane he nnah_e_Ausbijdu ng _ _akad. Abschluß (kaufrn. j__ akäd. Abschuß t^chn j___ Berufserfahrung IV. Führungseigenschaften positiv

negativ _ antnebsjos,____ _ ideenarm___ orientierungslos

eigeninitiativ ideenreich zielstrebig .„belastbar __ lernfähig

1

2

3

4

5

_Motivpüonsfähi gkei t Organisationstalent strategisches Denken Delegationsfähigkeit

negativ

_ nicht vojha nden nicht vorhanden_ nicht vorhanden nicht vorhanden

Abb. 48: Profilanalyse zur Erfassung der soft skills eines Gründungsprojektes28

Liegt der anhand dieser Profilanalyse ermittelte Wert unter dem Durchschnittser­ gebnis vergleichbarer Gründungsprojekte, so sollte dem Unternehmensgründer selbst bei Vorlage eines überzeugenden Konzeptes von der Selbständigkeit abge­ raten werden. Alternativ hierzu kann jedoch auch eine Integration der über die Profilanalyse ermittelten soft-skill-Bewertung in das gesamte Ratingsystem erfol­ gen, wobei in Abhängigkeit vom ermittelten Ergebnis ein Risikozuschlag (bei hohem Ergebniswert) bzw. ein Risikoabschlag (bei geringem Ergebniswert) vor­ genommen werden kann. Die anschließende Informationsversorgung der Netzwerkgruppen durch die Ver­ mittlungsinstitution kann auf unterschiedlichen Wegen erfolgen. Grundlegendes Kommunikationsmedium stellen Investment-Bulletins oder VC-Magazine dar, 28

In Anlehnung an MÜLLER, B. (Existenzgründer 1999), S. 66.

210

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

die die Investmentchancen sowohl für die Existenzgründer als auch die Business Angels präsentieren. Ergänzend bzw. alternativ hierzu kann bei entsprechender technischer Infrastruktur eine IKT-gestützte Kontaktvermittlung erfolgen29. Über beide Medien können Kapitalnachfrager und Kapitalanbieter bereits im Vorfeld der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen grundlegende Informationen und Daten über potentielle Geschäftspartner in Erfahrung bringen. Neben diesen unpersön­ lichen Vermittlungsaktivitäten sollte die Vermittlungsinstitution jedoch auch persönliche Kontakte zwischen den Netzwerkgruppen anbahnen. Hierbei bieten sich Investorenforen an, auf denen Existenzgründer ihre Projekte interessierten Kapitalgebern unmittelbar präsentieren können30. Diese auch als „matching“ bezeichnete Vorgehensweise der Kontaktaufnahme bietet den Vorteil, daß nor­ malerweise keine Informationsdefizite auftreten können, da Existenzgründer und Business Angels in direkten Kontakt treten und somit ihre jeweiligen Interessen in Gesprächen erörtern können.

Mit der Erfüllung dieser Aufgaben endet die originäre Arbeit der Vermittlungsin­ stitution. Sie kann allerdings auch zu späteren Zeitpunkten aktiv werden, indem sie beispielsweise bei weiteren Verhandlungen oder bei Unstimmigkeiten zwi­ schen den Kooperationspartnern als Vermittlungsstelle fungiert oder bei der Realisierung des zwischen Gründungsunternehmen und Kapitalgeber abge­ stimmten Desinvestitionskonzeptes behilflich ist. Um jedoch weder nur als formloses Kommunikationsobjekt eingesetzt zu werden noch durch die Tätigkeiten zu großen finanzielle Belastungen in Form von Vermittlungs- oder Bearbeitungsgebühren entstehen zu lassen, könnten die Aufgaben der Vermittlungsinstitution von den bereits zahlreich vorhanden Business and Innovation Centers (BIC) oder Technologie- und Gründerzentren (TGZ) über­ nommen werden. Diese z.T. staatlich unterstützten Einrichtungen zeichnen sich einerseits durch ein spezifisches Know-how im Unternehmensgründungssektor aus, weisen dadurch Kenntnisse über den Markt für Unternehmensgründungen auf und können durch ihre Tätigkeit auf einen reichen Erfahrungsschatz bezüg­ lich der Probleme und der Bedürfnisse von Entrepreneurs zurückgreifen. Somit kommt es zu reichhaltigen Synergien, von denen sowohl die Kapitalanleger als 29

0

Eine Form der computerisierten Kontaktvermittlung stellt das Deutsche Eigenkapitalforum dar, das seit Herbst 1997 von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gemeinsam mit der Deut­ schen Börse AG angeboten wird. In diesem Internet-Service (http://www.exchange.de/ekforum) können in einer Art elektronischem Katalog eigenkapitalsuchende Unternehmen ihre Firmen­ portraits präsentieren und somit weltweit um Beteiligungskapital werben. Gleichzeitig besteht für Investoren die Möglichkeit, schnell und gezielt Informationen über verschiedene Branchen abzurufen und sich ihrerseits selbst als Interessenten vorzustellen. Zu einer ausführlichen Dar­ stellung vgl. Leinberger, D. (Risikokapital 1998), S. 218. Vgl. Kaufmann, F./Kokau, L. (Risikokapitalmärkte 1996), S. 85.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

211

auch die Kapitalnachfrager profitieren können. Andererseits erfüllen diese Ein­ richtungen aber das Kriterium der Seriosität und der Vertraulichkeit. Eine weitere Alternative für die Institutionalisierung der Vermittlungsstelle stellen die Indu­ strie- und Handelskammern (IHKn) dar, die vereinzelt bereits sog. Risikokapital­ börsen anbieten. In einem organisierten Verbund könnten die insgesamt 83 IHKn in Deutschland allerdings effizienter agieren, sowohl regional als auch überregio­ nal Kapitalangebot und -nachfrage sondieren und einen Abgleich der jeweiligen Interessen vornehmen. Basis hierfür wäre eine bundesweite Datenbank, in der die einzelnen IHKn die bei ihnen eintreffenden Kapitalangebote und -nachfragen einspeisen. Auf diese Datenbank könnten dann bei Bedarf die einzelnen zustän­ digen IHK-Mitarbeiter zugreifen und entsprechende Angebote abfragen. Die Grundlage einer in Zusammenarbeit mit den deutschen IHKn agierenden Ver­ mittlungsinstitution könnte dabei das kürzlich initiierte Business Angels Netzwerk Deutschland (BAND) bilden, dessen Grundstruktur im Rahmen der nationalen Bemühungen zur Errichtung privater Venture-Capital-Märkte skizziert wird.

Um möglichst geringe Reibungsverluste aufzuweisen, sollte das gesamte Netz­ werk durch zahlreiche Kommunikationskanäle angereichert werden, die einer­ seits ein Feedback von den Gründungsunternehmen an die Vermittlungsinstituti­ on, gleichzeitig aber auch den Informationsfluß vom Gründungsunternehmen an die einzelnen Kapitalgeber gewährleisten. Ebenfalls in engem Kontakt zueinan­ der und in einem regen Informationsaustausch untereinander sollten die Business Angels stehen, die durch diese Kommunikation ebenfalls gegenseitige Syner­ gieeffekte erzielen könnten, beispielsweise durch einen Erfahrungsaustausch bei den jeweiligen Finanzengagements, aber auch hinsichtlich der durchzuführenden Consultingaufgaben.

4.

Nationale Ansätze für Business-Angels-Netzwerke

Die vorhergehenden Abschnitte haben zum einen die Bedeutung von informellem Risikokapital für die Early-Stage-Finanzierung verdeutlicht und zum anderen mit dem Informal Venture Network einen Ansatzpunkt zur Integration von privatem Venture Capital in die Gründungsfinanzierung aufgezeigt. In abgewandelter Form wurden solche Netzwerke in jüngster Vergangenheit durch verschiedene Stellen bereits zur Akquirierung von Business Angels eingesetzt. Diese z.T. noch sehr jungen Aktivitäten sowohl privater Initiativen als auch organisierter Verbän­ de sollen daher im folgenden kurz skizziert werden.



In eher formloser Atmosphäre agieren mit den sog. Venture-Capital-Clubs Vermittlungsinstitutionen auf privater Ebene, die als Kommunikationsforum jedoch lediglich einen Informationsaustausch zwischen den Beteiligten ge­

212









31

32

34 35

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

währleisten und weder auf Kapitalvergabe- noch auf Kapitalbeschaffungsseite direkt weiterführende Aktivitäten durchführen31. An der Universität zu Köln setzt die Initiative „Gründerzeit“ auf die Förde­ rung von Unternehmensgründungen durch Studenten. Die Vereinigung sieht sich dabei als Hilfe zur Selbsthilfe, indem gründungserfahrene Studenten ihr Wissen bündeln und Gründungsprojekte von Kommilitonen von der Finanzie­ rung bis zur Akquisition der ersten Kunden begleiten und unterstützen32. Ebenfalls Vermittlungsaufgaben übernimmt das 1997 von der Beratungsge­ sellschaft CSK Ploenzke AG initiierte „Forum Kiedrich“, das auf jährlichen Konferenzen, dem Innovationstag deutscher Gründungsinitiativen, Ansätze der privaten Förderung von Unternehmensgründungen in Deutschland prä­ sentiert. Auf diesem Forum erhalten förderungswürdige Unternehmensgrün­ der33 die Gelegenheit, sich auf dem sog. Gründermarkt vorzustellen. Gleich­ zeitig werden die Gründer mit Mentoren, i.d.R. erfahrenen Unternehmern, zu­ sammengebracht, die sich allerdings in erster Linie der immateriellen Unter­ stützung der Gründer widmen, indem sie diese beispielsweise bei Bankver­ handlungen begleiten, Kontakte zu potentiellen Kunden herstellen oder beim weiteren Unternehmensaufbau beratend zur Seite stehen34. Ein weiteres Beispiel für eine Vermittlungsinstitution stellt die Kapitalver­ mittlungstelle (KVS) der IHK Bodensee-Oberschwaben dar, die von Exi­ stenzgründern und sonstigen kapitalsuchenden Unternehmen sowie kapitalan­ bietenden Interessenten Daten aufnimmt und sammelt. Bei Interessengleich­ heit erfolgt die Zusammenführung der Beteiligten, wobei die KVS neben dem finanziellen Engagement der Kapitalanleger besonderen Wert auf die Weiter­ gabe von Know-how an die Unternehmen legt35. Auf Initiative des damaligen Bundesministers Rüttgers wurde am 25. August 1998 mit Unterstützung des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT) der Verein „Business Angels Netzwerk Deutschland e.V. (BAND)“36 gegrünZu einem der bedeutendsten Clubs zählt der Venture-Capital-Club München, der regelmäßige Treffen für Wagnisfinanzierer, Business Angels und Gründer organisiert. Vgl. Mai, J. (Risiko­ kapital 1998), S. 11 Off. Vgl. O.V. (Privatleute 1998), S. 1. Die förderungswürdigen Gründer haben dabei bereits einen strengen Filterprozeß durchlaufen, d.h. das Forum Kiedrich übernimmt die beschriebenen Ratingaufgaben der Vermittlungsinstitu­ tion. Vgl. O.V. (Gründermarkt 1998), S. 148. Vgl. IfM der Universität Mannheim (Eigenkapitalversorgung II1992), S. 66. Zu den Sponsoren des BAND zählen das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, For­ schung und Technologie, die Technologie-Beteiligungs-Gesellschaft mbH der DtA, die Investi­ tionsbank Berlin, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband e.V., die KfW, die Deutsche Börse AG, die Wirtschaftsjunioren Deutschland e.V., die „w.i.r. “-Wirtschaftsinitiativen für Deutsch­ land e.V. sowie die Peter Jungen Management Holding GmbH.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

213

det. Ziel des BAND ist die Förderung einer Kultur der privaten Gründerunter­ stützung durch Errichtung eines Systems von Patenschaften, über das Pri­ vatinvestoren und technologieorientierte Jungunternehmer in Kontakt treten können. Der Service des BAND umfaßt dabei insbesondere die Vermittlung von Business Angels, die als Mentoren ihre Erfahrungen an innovative Grün­ der weitergeben bzw. sich mit eigenem Kapital engagieren, aber auch die Verbreitung erfolgreicher Kooperationsmodelle zwischen Gründern und in­ formellen Risikokapitalgebern. Für das sich aktuell im Aufbau befindliche Netzwerk werden z.Zt. Musterverträge erarbeitet und die Informationsver­ breitung über das Internet forciert37. • Eine weitere Maßnahme zur Gewinnung privater Investoren ist die DtAPartnerschaftskapital-Agentur, die auf eine Verbesserung der Funktionsfä­ higkeit des Eigenkapitalmarktes durch die Erhöhung der Transparenz abzielt. An diesen Eigenkapitalbörsen können sich Gründungsunternehmen und po­ tentielle Investoren unmittelbar präsentieren und Kontakt aufnehmen. Die Partnerschaftskapital-Agentur betreut zur Zeit rund 150 Risikokapitalanbieter und rund 300 beteiligungssuchende Unternehmen, wobei bis März 1998 ins­ gesamt 109 Partnerschaften vermittelt werden konnten38. • Ebenfalls Vermittlungsaufgaben übernimmt die von der RheinischWestfälischen Börse zu Düsseldorf initiierte „win Wagniskapital für Innova­ tionen NRW GmbH“. Die Gesellschaft stellt eine landesweit zentrale Anlauf­ stelle für Kapitalgeber und Kapitalnehmer dar, die insbesondere den Kapital­ suchern mit einer neutralen, honorarfreien Beratung und Begleitung aktiv hilft und somit den Versuch unternimmt, Geldgeber und Entrepreneur zusammen­ zubringen39. • Ebenfalls auf Initiative einer Regionalbörse entstand Anfang 1998 die SBS Wagniskapital GmbH & Co. als 100%-ige Tochter der Baden-Württem­ bergischen Wertpapierbörse zu Stuttgart. Dieser „Marktplatz für Wagniska­ pital“40 ist als Vorstufe zum Börsengang konzipiert und verbindet interessierte Anleger mit kapitalsuchenden Unternehmensgründern41. Innerhalb dieser Vermittlungsaufgabe übernimmt die Wagniskapital GmbH & Co. mit der technischen und kaufmännischen Plausibilitätsprüfung des Gründungsvorha­

37

38 39 40

41

Vgl. LlNDSTAEDT, W. (Eingangsreferat 1998), S. 22; WOSTE, R. (Business Angels 1998), S. 44. Informationen über das BAND können unter http://www.businessangels.de abgerufen werden. Vgl. BdB (Eigenkapitalausstattung 1999), S. 34. Vgl. ELBERSKIRCH, D. (Wagniskapital 1998), S. 31; WIN (Informationsbroschüre o.J.) S. Iff. Zu diesem Begriff vgl. o.V. (Venture Capital 1998), S. 29; Baden-Württembergische Wertpapierbörse (Marktplatz o.J.), S. 1; Baden-Württembergische Wertpapierbörse (Börse 1998), S. 2. Vgl. VERSTL, A. (Markt 1998), S. 7.

214

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

bens, der Vorbereitung der Kapitalakquisition, der Einführung bei den Inve­ storen sowie der Unterstützung bei den Investor Relations einen insgesamt vierstufigen Service. Die Möglichkeiten der Eigenkapitalakquisition reichen dabei von der Vermittlung von Einzelinvestoren über Privatplazierungen bis hin zum going public, wobei risikobewußte Business Angels allerdings den Schwerpunkt bilden42 und durch eine geringe Beteiligungshöhe zum Anteils­ kauf angeregt werden sollen. Die drei letztgenannten Beispiele stellen dabei Ausgestaltungsvarianten des In­ formal Venture Network dar, bei denen die Aufgaben der Vermittlungsinstitution von Wertpapierbörsen übernommen werden. Neben den originären Vermitt­ lungstätigkeiten können die Börsen aber auch weiterführend spezielle Marktseg­ mente für Existenzgründer implementieren und dadurch zusätzlich eine Versor­ gung von Unternehmensgründern mit Risikokapital ermöglichen. Die Errichtung solcher Gründungsbörsensegmente steht daher im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen.

II.

Spezielle Aktienmärkte für Existenzgründungen zur Eigenkapitalbeschaffung über ein going public

1.

Der Status Quo und Problemfelder der deutschen Akti­ enbörsen

Aufgrund des heterogenen Angebots an Wertpapieren wurden sowohl auf natio­ naler als auch auf internationaler Ebene diverse Börsensegmente implementiert, die unterschiedlich restriktive Mindestanforderungen an Größe, Qualität, Publi­ zität und Plazierungsvolumen der Emittenten stellen. Auf Basis dieser Abstufun­ gen kann der deutsche Aktienhandel entsprechend Abb. 49 systematisiert werden.

42

Vgl. GLOISTEIN, C. (Katalysator 1998), S. 3; O.V. (Nachfrage 1998), S. 30.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

215

Abb. 49: Teilmärkte des Aktienhandels Der außerbörsliche Handel erfolgt außerhalb der Börsenzeit und außerhalb der Räume der Börse, wobei als Marktobjekte sowohl börsennotierte als auch unno­ tierte Werte in Betracht kommen. Marktteilnehmer sind in erster Linie Banken, freie Makler und institutionelle Anleger, die die Preise für die einzelnen Papiere frei untereinander aushandeln. Demgegenüber erfolgt beim börslichen Handel die Ermittlung der Kurse nach den Regeln der amtlichen Kursfeststellung unter Auf­ sicht des Börsen Vorstandes innerhalb fixierter Zeiten und in den Räumen der Börse. Der börsliche Handel zerfällt dabei in den Kassa- und den Terminmarkt. Während Termingeschäfte erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgeführt werden, sind Kassageschäfte sofort, d.h. bis zum zweiten Börsentag nach Geschäftsab­ schluß zu erfüllen43. Die Segmente des Kassamarktes stellen dabei der Amtliche Handel, der Geregelte Markt, der Neue Markt sowie der Freiverkehr dar, die sich durch diverse Unterscheidungskriterien voneinander abgrenzen lassen. Die we­ sentlichen Segmentierungscharakteristika sind aus Abb. 50 ersichtlich. Unter diesen Marktsegmenten weisen der Amtliche Handel und der Geregelte Markt sehr restriktive Zulassungsvoraussetzungen auf, die in der Praxis de facto sogar noch deutlich über den in Abb. 50 dargestellten Regelungen der Börsen­ zulassungsverordnung liegen44. Für den Amtlichen Handel bleibt insbesondere vor dem Hintergrund der erfor­ derlichen Mindestlebenszeit des zu notierenden Unternehmens zu konstatieren, daß die hinsichtlich des Anlegerschutzes in diesem Bereich bewußt hoch ange­ siedelten Zulassungsanforderungen eine Eigenkapitalbeschaffung von Existenz­ gründungen über dieses Marktsegment nicht ermöglichen. 43 44

Vgl. Schierenbeck, H./Hölscher, R. (BankAssurance 1998), S. 547 und 553. Vgl. BOEHM-BEZING, PH. VON (Eigenkapital 1998), S. 117.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

216

bisherige Lebens­ dauer des notierten Unternehmens

Streuungsvorschriften Mindestnennbetrag der Aktien bei Er­ stemission (DM)

Amtlicher Handel

Geregelter Markt

Neuer Markt

mindestens 3 Jahre

mindestens 1 Jahr

mindestens 1 Jahr

25%



mindestens 15%

2,5 Mio.

0,5 Mio.

0,5 Mio. und Kurswert 10 Mio.

Freiverkehr

keine formalen Zulassungs­ voraus­ setzungen

Abb. 50: Segmente des Kassamarktes und ihre wesentlichen Charakteristika45

Der Geregelte Markt weist gegenüber dem Amtlichen Handel deutlich geringere Emissionsvoraussetzungen auf, die gern. § 72 Abs. 1 BörsG durch die Börsen­ ordnung der einzelnen Regionalbörsen geregelt werden. Von den Zulassungsvor­ aussetzungen führen jedoch insbesondere die gelockerten Publizitätspflichten in Verbindung mit niedrigen Umsatzaktivitäten zu erheblichen Informationskosten sowohl für die Anleger als auch für die kapitalsuchenden Unternehmen. Hieraus resultiert in der Folge eine eingeschränkte Marktliquidität46. Aus diesen Gründen erscheint der Geregelte Markt aufgrund seiner hohen Informations- und Transak­ tionskosten für junge Unternehmen mit stark wachsendem Kapitalbedarf nicht geeignet.

Demgegenüber beinhaltet der Freiverkehr aufgrund seiner deregulierten Zutritts­ bestimmungen eher als der Amtliche Handel oder der Geregelte Markt die Mög­ lichkeit, als Börsensegment zur Eigenkapitalbeschaffung für Existenzgründungen zu dienen. Allerdings hat sich der Freiverkehr in der Praxis bislang nicht als Marktsegment zur Beschaffung von Risikokapital bewährt, wobei der geringe Erfolg in erster Linie auf die mangelnde Markttransparenz, auf negative Anle­ gererfahrungen sowie auf die starke Zurückhaltung der Kreditinstitute zurückzu­ führen ist47. Ein weiterer Grund für die eher geringe Akzeptanz des Freiverkehrs ist wohl auch in der Art der gehandelten Wertpapiere zu sehen. Neben einigen deutschen Aktien überwiegen im Freiverkehr nämlich ausländische Aktien sowie Optionsscheine, die durch hohe Risiken gekennzeichnet sind und somit dem Risikoverhalten deutscher Kapitalanleger eher zuwiderlaufen.

45

46 7

Zu den einzelnen Kriterien vgl. DEUTSCHE BÖRSE AG (Wertpapierbörse 1998), S. lOf. Vgl. BÜSCHGEN, H.E. (Aktienkultur 1997), S. 17. Vgl. BOEHM-BEZING, PH. VON (Eigenkapital 1998), S. 124.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

217

Zusätzlich zu diesen drei „traditionellen“ Börsensegmenten wurde durch die Deutsche Börse AG in Frankfurt am Main im März 1997 mit dem Neuen Markt ein eigenständiges Handelssegment speziell für junge, zukunftsweisende Unter­ nehmen aus innovativen und stark wachsenden Branchen implementiert. Über die Aufnahme eines Wertpapiers in den Neuen Markt entscheidet die Deutsche Börse AG. Neben den Zulassungsvoraussetzungen für den geregelten Markt haben die zu notierenden Wertpapiere in diesem Handelssegment zusätzliche Vorausset­ zungen und Transparenzkriterien zu erfüllen, z.B. Mindestanforderungen hin­ sichtlich des Emissionsvolumens (10 Mio. DM) und des Streubesitzes (minde­ stens 15, möglichst 25%) sowie die Erstellung eines Emissionsprospektes nach internationalen Standards. Darüber hinaus ist ausschließlich die Emission von Stammaktien zulässig, die weiterhin zu möglichst über 50% aus einer Kapitaler­ höhung erfolgen soll. Mit diesen Anforderungen sind somit auch für dieses Marktsegment Eintrittsbarrieren geschaffen worden, die nur wenige junge Unter­ nehmen überspringen können,, denn insbesondere Gründungsunternehmen kön­ nen den hohen Anforderungen an die Rechnungslegung und Berichterstattung in der Anfangszeit nicht gerecht werden48. Der Neue Markt avancierte mittlerweile zwar zum liquidesten europäischen Wachstumsmarkt49, wird aber das Problem nicht lösen, Start-up-Unternehmen eine Börseneinführung in einem im Vergleich zum Amtlichen Handel attraktiven, leicht zugänglichen Markt zu ermöglichen50. Um jedoch auch Existenzgründern bereits in den frühen Lebensphasen ihres Unternehmens den Börsengang als Eigenkapitalquelle zu eröffnen, wird verstärkt die Implementierung eines speziellen Börsensegmentes zur Finanzierung von Existenzgründungen im High-tech-Bereich gefordert51, das das Spektrum der börsenfähigen Unternehmen um eine Stufe nach unten erweitert. Neben dem finanziellen Aspekt könnte dieses neu zu schaffende Börsensegment zusätzlich die bereits im Rahmen des Business-Angels-Netzwerks erläuterten Vermittlungsund Informationsfunktionen zwischen Kapitalnachfragern und -anlegern über­ nehmen und somit ebenfalls zur Abbau der zwischen diesen Parteien bestehenden Informationsasymmetrien und -defizite beitragen. Auf die generellen Anforde­ rungen an ein solches Existenzgründungsbörsensegment soll daher im nächsten Abschnitt eingegangen werden.

48 49 50 51

Vgl. Baumann, A. (Mittelständler 1998), S. 412. Vgl. Deutsche Börse AG (Wertpapierbörse 1998), S. 11. Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim BMWi (Gutachten 1997), S. 18. So z.B. ALB ACH, H. (Untemehmensgründungen 1998), S. 13f.; BURY, H.M. (Existenzgründun­ gen 1998); Betz, R.M. (Wachstumsuntemehmen 1998), S. 34.

218

2.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

Die Ableitung relevanter Anforderungen an einen nationalen Start-up-Markt auf Basis internationaler Börsensegmente

Als Vorbild bei der Errichtung eines nationalen Start-up-Marktes kann der „Al­ ternative Investment Market (AIM)“ in Großbritannien dienen, der im Juni 1995 von der London Stock Exchange mit der Zielrichtung auf kleine Unternehmen eingerichtet wurde und das frühere zweite Marktsegment der Londoner Börse für Nebenwerte, den sog. „Unlisted Securities Market (USM)“ ablöste. Dabei stieg innerhalb nur eines Jahres die Anzahl der am AIM notierten Unternehmen von 10 auf 16652, im Oktober 1997 waren bereits 298 Unternehmen gelistet53. Der Erfolg dieses Marktsegmentes ist dabei insbesondere auf das Mindestmaß an Anforde­ rungen an die Unternehmen zurückzuführen54, denn es bestehen keine Listungsbedingungen, die an die Größe bezüglich Grundkapital und Umsatz, die Aktio­ närsstruktur oder die vergangene Berichterstattung anknüpfen. Zusätzlich sind keine Vorschriften bezüglich des Mindestalters der Unternehmen zu erfüllen, d.h. auch Neugründungen können am AIM notiert werden55. In Anbetracht dieser fehlenden formalen Zulassungsbeschränkungen kann der AIM als echte Finanzie­ rungsmöglichkeit für junge innovative Unternehmen angesehen werden, was durch die gute Marktliquidität sowie zusätzliche flankierende Maßnahmen unter­ stützt wird56. Bestätigt wird dies auch durch die am AIM notierten Unternehmen, von denen Ende 1996 insgesamt 50 Unternehmen weniger als 10 Mio. DM und 18 Unternehmen sogar weniger als 5 Mio. DM Grundkapital bilanzierten57.

Ein weiteres Charakteristikum stellt das „Betreuersystem“ des AIM dar. Jedes in diesem Marktsegment gelistete Unternehmen benötigt einen von der Börse zu­ gelassenen Finanzberater, der das emittierende Unternehmen während der ge­ samten Dauer der Notierung beratend zu begleiten sowie die Compliance-Regeln einzuhalten hat. Bei diesen sog. „nominated advisers“ handelt es sich vornehm­ lich um Broker bzw. Rechtsanwälte, die sich neben der Unterstützung des Unter­ 52

53 54 55

56

57

Von diesen 166 notierten Unternehmen wechselten 88 aus dem 1995 geschlossenen „Unlisted Securities Market (USM)“ der London Stock Exchange. Die restlichen 78 Unternehmen stellten jedoch echte Neueinführungen des AIM dar. Vgl. Hallmann, E. (Institutionelle 1998), S. 25. Vgl. Kainz, M. (Beteiligungsfinanzierungen 1997), S. 27. Vgl. O.V. (Neue Märkte 1997), S. 1; LONDON STOCK EXCHANGE (AIM-Changes 1995), Chapter 16. Der monatliche Umsatz des AIM liegt bei rund 170 Mio. £, als unterstützende flankierende Maßnahme ist insbesondere die für Inhaber von am AIM gehandelten Wertpapieren bevorzugte Regelung hinsichtlich der Erbschaftsteuer zu nennen. Vgl. Boehm-Bezing, Ph. VON (Eigenka­ pital 1998), S. 135. Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim BMWi (Gutachten 1997), S. 17.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

219

nehmens auch für die notwendige Liquidität des Wertes und für die regelmäßige und ausreichende Information der Marktteilnehmer verantwortlich zeigen58. Aus dem dargestellten Segment der London Stock Exchange für junge Unter­ nehmen ergeben sich somit folgende Anforderungen, die eine in Deutschland zu implementierende Start-up-Börse erfüllen sollte:



Um möglichst vielen Gründungsunternehmen die Chance einer Börsenkapita­ lisierung zu bieten, sollte keine restriktive Regelung bezüglich des Mindest­ alters der kapitalnachfragenden Unternehmung zum Einsatz kommen. Viel­ mehr sollte Existenzgründern mit positiven Wachstumschancen die generelle Chance einer Notierung am Start-up-Markt eingeräumt werden, um deren Entwicklung nicht in Folge einer fehlenden Börsenkapitalisierung zu beein­ trächtigen. • Ebenfalls keine Mindestanforderungen sollten hinsichtlich Grundkapital und Umsatz an das zu notierende Unternehmen gestellt werden, um der oftmals geringen Kapitalausstattung sowie den i.d.R. auftretenden Anfangsverlusten Rechnung zu tragen. • Zur Gewährleistung der umfassenden Eigenkapitalbeschaffung über eine Börsenkapitalisierung für Existenzgründungen sollten keine Streuungsvor­ schriften vorgegeben werden, um die Notierung nicht an einer bestimmten Aktionärsstruktur scheitern zu lassen. • Um die Marktliquidität zu garantieren, sollten den zu notierenden Unterneh­ men gewisse Publizitätspflichten auferlegt werden, die sich neben der Ver­ wendung international üblicher Publizitätsstandards beispielsweise in quar­ talsweisen Aktionärsbriefen niederschlagen können. Dadurch kann zum einen das Anlagerisiko gesenkt sowie vermehrt Eigenkapital beschafft werden. Zum anderen ist es dadurch möglich, unverhältnismäßig hohe Kosten der Unter­ nehmensbeobachtung und -diagnose durch die Kapitalgeber zu vermeiden. • Zur Erfüllung der Publizitätsstandards sollte dem Gründungsunternehmen während des gesamten Prozesses der Börsennotierung ein Betreuer zur Seite gestellt werden, der vor, während aber auch für eine bestimmte Zeit nach der Notierung eine beratende und unterstützende Begleitungsfunktion übernimmt. Diese Aufgaben können durch die Börse selbst bzw. durch zugelassene Rechtsanwälte oder Steuerberater, aber auch durch Mitarbeiter von IHKn oder Business and Innovations Centers erfüllt werden.

58

Vgl. Kainz, M. (Beteiligungsfinanzierungen 1997), S. 27.

220

3.

3, Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

Nationale Bemühungen zur Institutionalisierung regionaler Start-up-Märkte

Auf Basis der im vorhergehenden Abschnitt definierten Anforderungen wurden in Deutschland bereits einige regionale Start-up-Börsen ins Leben gerufen, die ausnahmslos im Freiverkehr angesiedelt sind. Diese Marktsegmente weisen we­ niger hohe Eintrittsbarrieren hinsichtlich des Emissionsvolumens und der Rech­ nungslegung auf, richten sich vorwiegend an kleinere, eher regional ausgerichtete Unternehmen und bieten umfassende Emittentenservicedienstleistungen an59. Zu diesen Start-up-Initiativen zählen in erster Linie Aktivitäten der Bremer Wertpa­ pierbörse, der Hanseatischen Börse in Hamburg sowie der Bayerischen Börse in München, deren Spezifika im folgenden analysiert werden sollen.

• Der Mittelstandsmarkt der Bremer Wertpapierbörse: Alternativ zu den Wachstumsmärkten diverser Börsenplätze bietet die Bremer Wertpapierbörse seit 1994 den Mittelstandsmarkt Bremen (MMB)60 an. Der MBB ermöglicht einen kostengünstigen und leichten Zugang, denn im Unter­ schied zum Amtlichen Handel, Geregelten oder Neuen Markt ist für den Bör­ sengang kein formales behördliches Zulassungsverfahren erforderlich. Viel­ mehr wird nach Vorliegen der im folgenden beschriebenen Zugangs Voraus­ setzungen ein privatrechtlicher Einbeziehungsvertrag geschlossen. Im Unter­ schied zu sonstigen Wachstumsmärkten fordert der MMB keine bestimmte Unternehmensdauer, wodurch auch jungen Unternehmen der Börsengang er­ möglicht wird, und ist für alle Branchen zugänglich. Allerdings muß der Emittent klare und positive Strategien und Perspektiven aufzeigen und dem Anleger zumindest mittelfristig die Ausschüttungsfähigkeit vermitteln kön­ nen. Dabei sind zur Deckung des Informationsbedarfs der Investoren vom Unternehmen nach Einbeziehung in den MMB regelmäßig InvestorRelations-Maßnahmen durchzuführen sowie quartalsweise Unternehmensbe­ richte mit Bilanz- und GuV-Eckdaten zu veröffentlichen, die wenigstens den Anforderungen eines Zwischenberichtes entsprechen müssen. Neben den Pu­ blizitätserfordernissen muß der Emittent eine Million DM Nominalkapital aufweisen, mindestens 100.000 Aktien plazieren, wenigstens einen testieren Jahresabschluß vorlegen können, mindestens 20 Mio. DM Jahresumsatz er­ wirtschaften sowie wenigstens 25% des Nominalkapitals breit streuen. Des weiteren sollen der/die Altgesellschafter nach der Emission wenigstens für zwei Jahre verantwortlich im Unternehmen tätig bleiben und müssen eine 59 60

Vgl. Baumann, A. (Mittelständler 1998), S. 410. Zu den allgemeinen Regelungen des MMB vgl. SCHUBERT, A.H. (Leistungsangebot 1998), S. 31.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

221

einjährige Haltefrist ihrer Anteile garantieren. Die genannten Anforderungen sind allerdings nicht in jedem Punkt zwingend zu erfüllen, vielmehr kann die Unterschreitung einzelner Grenzen durch eine Gesamtbetrachtung kompen­ siert werden. In der Vorbereitungsphase des going public begleitet eine spezi­ elle Emissionsberatungsgesellschaft die börsenwilligen Unternehmen61. Die Gesellschaft versteht sich dabei als Ergänzung und nicht als Konkurrent der Banken bei der Börseneinführung. Wesentlicher Unterschied gegenüber den Kreditinstituten ist jedoch die Ermittlung der Emissionskosten, die von der Gesellschaft nicht nach dem Emissionswert, sondern aufgrund der tatsächlich angefallenen Kosten berechnet werden62.

Durch die geringeren Emissionsanforderungen erhöht der MMB zwar gene­ rell die Eigenkapitalbeschaffungsalternativen für Jungunternehmer, kommt durch die Zulassungsvoraussetzungen allerdings nur für spezielle Formen der Existenzgründung in Frage, z.B. für Spin-offs, MBOs oder Unternehmens­ käufe, die i.d.R. entsprechende Jahresabschlüsse bzw. Umsatzzahlen nach­ weisen können.

• Der Prädikatsmarkt der Bayerischen Börse in München: Ebenfalls geringe Anforderungen an die Emission eines Unternehmens stellt der Prädikatsmarkt in München63, der im Unterschied zum Neuen Markt in Frankfurt für die Börsennotiz keine Zugehörigkeit zu einer Wachstumsbran­ che voraussetzt64. Die dem Zugang zum MMB äquivalente geringe Emissi­ onshöhe von 500.000 DM - aufgesplittet in 100.000 Aktien ä 5 DM - ist vom Börsenneuling allerdings durch eine verstärkte Publizitätspflicht zu kompensieren, um das erhöhte Risiko der Anleger auszugleichen. So sind vierteljährliche Aktionärsbriefe ebenso wie Ad-hoc-Meldungen vorgeschrie­ ben, was ansonsten im Freiverkehr entfallt. Allerdings ist für eine Aufnahme an den Prädikatsmarkt weiterhin Voraussetzung, daß das Unternehmen ein Grundkapital von 2 Mio. DM aufweist und grundsätzlich eine testierte Jah­ resbilanz als Aktiengesellschaft vorlegen kann, die nach deutschen Rech­ nungslegungsvorschriften erstellt wurde65.

61 62 63

64 65

Vgl. LUCKE, H.-G. (Wertpapier-Emissionsberatung GmbH 1997), S. 90f. Vgl. Albach, H./Köster, D. (Risikokapital 1997), S. 33. Zu den allgemeinen Regelungen des Prädikatsmarkts München vgl. Bayerische Börse (Über­ blick o.J.), S. 10f.; Bayerische Börse (Prädikatsmarkt o.J.), S. Iff.; Schmitt, H.W. (Prädi­ katsmarkt 1998), S. 27f. Vgl. O.V. (Stille Wasser 1998), S. 18. Im Unterschied zum Neuen Markt in Frankfurt ist somit eine Bilanzierung nach IAS (Internatio­ nal Accounting Standards) oder US-GAAP (US - Generally Accepted Accounting Principals) nicht erforderlich, wodurch auch nicht international ausgerichtete Unternehmen eine Emission ermöglicht wird. Vgl. O.V. (Alpenwasser 1998), S. 25.

222

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

Somit kommt der Prädikatsmarkt lediglich für solche Eigenkapitalnachfrager in Betracht, deren Unternehmen über ein entsprechendes Grundkapital ver­ fügt bzw. entweder bereits ein Jahr als Aktiengesellschaft firmierte oder für Existenzgründer, die ihr Unternehmen in der Rechtsform der AG gegründet haben und bereits eine einjährige Geschäftstätigkeit vorweisen können. Kor­ respondierend zur MMB müssen die geschäftsführenden Mehrheitsaktionäre ebenfalls eine 12-monatige Haltefrist ihrer Anteile beachten, die der sog. „Herr-im-Hause“-Mentalität und der Kontinuität der Geschäftsabwicklung Rechnung tragen soll. Durch die Unterstützung des Prädikatsmarktes seitens der Bayerischen Staatsregierung sowie der Landeszentralbank des Freistaates Bayern sind vornehmlich regionale Unternehmen bzw. Unternehmensgründer sowie Anleger als Zielgruppen des Marktsegmentes zu identifizieren.

• Der Start-up-Market der Hanseatischen Börse in Hamburg: Ein weiteres Beispiel für ein regionales Existenzgründungs-Börsensegment stellt der 1997 von der Hanseatischen Börse in Hamburg eingerichtete Startup-Market dar66. Zielgruppe dieses Marktsegmentes sind korrespondierend zu den beschriebenen regionalen Risikokapitalmärkten in München und Bremen junge Wachstumsunternehmen, die ihre Eigenkapitalausstattung zur Finanzie­ rung von Innovationen bzw. ihres Wachstums durch einen Börsengang ver­ bessern wollen. Allerdings sind die Zulassungsvoraussetzungen in Hamburg generell deutlich geringer. Während die Streuungsvorschriften von minde­ stens 25% denen des MMB entsprechen, benötigt ein Unternehmen zur Notie­ rung am Start-up-Market analog zum Münchener Prädikatsmarkt bzw. MMB ein Emissionsvolumen von 500.000 DM, wobei im Unterschied zu den beiden anderen beschriebenen Märkten jedoch kein Mindestgrundkapital erforderlich ist. Um den Interessen der Investoren gerecht zu werden, hat der Emittent bei Antragstellung ein Emissionsexpose einzureichen, das unter anderem über die Vermögens- und Ertragsverhältnisse des Unternehmens Auskunft geben muß. Die beschriebenen regionalen Risikokapitalmärkte verdeutlichen, daß in Deutschland vermehrt der Versuch unternommen wird, kleinen und insbesondere jungen Unternehmen die Möglichkeit einzuräumen, die Eigenkapitalausstattung zur Finanzierung erforderlicher Innovationen und Investitionen über einen Bör­ sengang zu verbessern. Gleichzeitig bieten diese Marktsegmente chancen- und risikobewußten Anlegern eine interessante Alternative der Kapitalanlage. Aller­ dings weisen die bestehenden Börsensegmente bislang zumindest noch eine lang66

Zu den Ausführungen zum Hamburger Start-up-Market vgl. HANSEATISCHE WERTPAPIERBÖRSE Hamburg (Jahresbericht 1997), S. 13; Ledermann, Th./Marxsen, S. (Start-up-Market 1998), S. 28f.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

223

same Entwicklung auf. Die Ursache hierfür ist zunächst darin zu sehen, daß die Marktsegmente noch nicht lange bestehen. Da Unternehmen den Schritt an die Börse nur einmal vollziehen und dies i.d.R. mit einer langen Vorbereitungszeit verbunden ist, konnten somit innerhalb der kurzen Zeit des Existierens der Grün­ dungssegmente noch relativ wenige Unternehmen die erforderlichen Vorberei­ tungen abschließen67.

Neben dem zeitlichen Aspekt läßt sich die bisherige Entwicklungsgeschichte der beschriebenen Märkte teilweise aber auch über die allgemeine Verhaltensweise deutscher Kapitalanleger begründen. Im Gegensatz zum angelsächsischen Raum bereitet es - begründet durch die deutsche Mentalität der Risikoaversion Schwierigkeiten, in ausreichendem Maße potentielle Anleger für ein Risikokapi­ talengagement zu akquirieren, was durch eine Publizitätsscheu der Unternehmen noch verstärkt wird. Der Angst vor einer Offenlegung unternehmensinterner Daten könnte jedoch begegnet werden, wenn emissionswillige Unternehmen den bereits für die Erlangung anderer Finanzmittel zu erstellenden Businessplan in eventuell modifizierter Form als Expose einreichen könnten68. Dadurch würden zum einen die Informationskosten der jungen Unternehmen gering gehalten und zum anderen der Anlegerschutz nicht untergraben. Ein weiterer Grund für die langsame Entwicklung der neuen Börsensegmente ist wohl auch in der Einbindung in den Freiverkehr zu sehen, die zur Übertragung der allgemeinen Probleme dieses Marktsegments auf die Start-up-Märkte geführt hat. Hierbei kommen insbesondere die bereits erwähnte mangelnde Markttrans­ parenz sowie die negativen Anlegererfahrungen zum Tragen. Gleichzeitig führen die geringen Emissionsvolumina bzw. die geringen gehandelten Stückzahlen zu einer Marktenge, die viele Anleger von einem Engagement abhält. Allerdings zeichnet sich der Freiverkehr generell durch die geringsten Zulassungsvorausset­ zungen aus, was die Eingliederung der „Gründungsmärkte“ in dieses Börsenseg­ ment trotz der genannten Nachteile rechtfertigt und eventuell zur Ausweitung des bei den Anlegern noch eher unbeliebten Marktsegmentes beitragen könnte. Ein weiterer Nachteil der Gründungssegmente ist zusätzlich in der allgemeinen Zurückhaltung der Kreditinstitute gegenüber dem Freiverkehr zu sehen. Diese „Aversion“ verstärkt sich zusätzlich dadurch, daß die Börseneinführung kleiner Unternehmen resp. Existenzgründer für die emissionsbegleitenden Kreditinstitute aufgrund des geringen Emissionswertes nicht lohnend erscheint, da die Abrech­ 67

Am Münchener Prädikatsmarkt wurde mit der Allgäuer Alpenwasser AG erst am 14.7.1998, also rund eineinhalb Jahre nach seiner Öffnung, das erste Unternehmen gelistet, bei dem es sich zu­ dem um kein Gründungsuntemehmen handelt. Vgl. O.V. (Start 1998), S. 35. Diese Vorgehens weise wird z.B. am Hamburger Start-up-Market in Form des zu veröffentli­ chenden Emissionsprospekts praktiziert.

224

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

nung prozentual zum Emissionswert erfolgt. Aus diesem Grund sollten in die reine Emissionsbegleitung zusätzlich oder substituierend Wertpapierhandelshäu­ ser einbezogen bzw. die bereits angesprochenen Betreuer verstärkt in die Emissi­ on integriert werden.

Trotz dieser genannten Problemfelder beschreiten die implementierten Segmente einen richtigen Schritt in Richtung der Versorgung von Existenzgründungen resp. jungen Unternehmen mit Risikokapital, indem sie über eine Minimierung der Zulassungsvoraussetzungen den Entrepreneurfirmen bereits in der frühen Start­ up-Phase die Möglichkeit bieten, zusätzlich zu den im zweiten Teil beschriebe­ nen traditionellen Alternativen der Eigenkapitalbeschaffung über einen relativ frühen Gang an die Börse weitere Eigenmittel zu akquirieren und die mit einem going public verbundenen Vorteile auszunutzen. Es gilt jedoch zu beachten, daß vor dem Hintergrund des Anlegerschutzes eine derartige Börsenkapitalisierung vornehmlich für solche Gründungsunternehmen in Betracht kommt, die zumin­ dest die Seed-Phase abgeschlossen haben und im Rahmen der Start-up-Phase mit einem Kapitalbedarf konfrontiert werden, der über die herkömmlichen Eigenka­ pitalbeschaffungsalternativen nicht oder nur bedingt befriedigt werden kann. Da Existenzgründungen vornehmlich regionale Bindungen aufweisen, wäre es daher sinnvoll, an den Regionalbörsen in Deutschland solche speziellen Börsen­ segmente zu implementieren, die in ihren wesentlichen Grundzügen dem Beispiel des Hamburger Start-up-Markets folgen sollten, der durch die geringen Mindest­ anforderungen an die Unternehmenshistorie und das Emissionsvolumen der emittierenden Unternehmen den für Existenzgründungen relevanten Bedürfnissen gerecht wird. Gleichzeitig würde über die Implementierung regionaler Start-upMärkte nicht nur informellen Privatanlegern die Möglichkeit eingeräumt, Exi­ stenzgründungen mit entsprechenden Finanzmitteln zu unterstützen, vielmehr könnten auch institutionelle Anleger, beispielsweise in Form von Pensionskassen oder Pensionsfonds, ihre Anlageaktivitäten auf diese Unternehmensgruppe aus­ weiten, wenn die erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Auf die generellen Voraussetzungen zur verstärkten Einbindung dieser Investorengruppe in die Frühphasenfinanzierung von Existenzgründungen resp. die Modifikation der existenten Umfeldbedingungen soll daher im nächsten Abschnitt ausführli­ cher eingegangen werden.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

B.

225

DIE VERSTÄRKTE EINBINDUNG VON PENSIONSFONDS ANGELSÄCHSISCHER PRÄGUNG IN DIE GRÜNDUNGS­ FINANZIERUNG

Die im Rahmen der Venture-Capital-Finanzierung durchgeführte Analyse der einzelnen Investorengruppen zeigte in Deutschland eine im internationalen Ver­ gleich starke Dominanz der Venture-Capital-Aktivitäten durch das Bankgewerbe. Während das Engagement betrieblicher Pensionskassen in Deutschland noch sehr gering ausfällt, mobilisieren diese Finanziers auf dem US-amerikanischen und dem gesamteuropäischen VC-Markt Risikokapitalbeträge in z.T. erheblichem Umfang. Gleichzeitig stellen Pensionsfonds aufgrund ihrer langfristigen Orientie­ rung sowie der gleichmäßigen Kapitalakkumulation im Rahmen ihrer Portfolio­ politik ideale Venture-Capital-Geber dar. Aus diesem Grund sollen in den fol­ genden Abschnitten die wesentlichen Charakteristika von Pensionsfonds be­ schrieben sowie ein internationaler Vergleich der existenten Rahmenbedingungen durchgeführt werden, um daraus Ansatzpunkte für entsprechende institutioneile Veränderungen in diesem Bereich abzuleiten. Aus den entsprechenden Modifi­ kationen der vorhandenen Umfeldbedingungen könnte ein verstärkter Einsatz von Pensionsfonds in der betrieblichen Altersversorgung resultieren, was bei unter­ stellten bzw. als wahrscheinlich anzunehmenden forcierten Venture-CapitalInvestitionen somit indirekt auch eine Verbesserung der Frühphasenfinanzierung von Existenzgründungen impliziert.

I.

Pensionsfonds als externes Finanzierungs­ instrument der betrieblichen Altersversorgung

1.

Die betriebliche Altersversorgung im System der Alterssicherung

Die gesamte Altersversorgung in Deutschland basiert auf einem Zusammenspiel von insgesamt drei Teilinstrumenten, die auch als die drei Säulen der Altersver­ sorgung bezeichnet werden (vgl. Abb. 51).

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

226

• Rentenversicherung (RV) - für Arbeitnehmer - Angestellte • Knappschaftliche RV • Altershilfe für Landwirte

• Lebensversicherungen • Wertpapieranlagen • Immobilien

Einnahmen 1995 350.764 Mio. DM

Einnahmen 1995 82.227 Mio. DM

Einnahmen 1995 37.570 Mio. DM

Leistungen 1995 360.653 Mio. DM

Leistungen 1995 59.533 Mio. DM

Leistungen 1995 24.080 Mio. DM

• • • •

Direktzusage Unterstützungskasse Pensionskasse Direktversicherung

Abb. 51: Die drei Säulen der AltersSicherung und deren quantitative Bedeutung69

Den ersten Pfeiler der Alterssicherung bildet die kollektiv organisierte und aus Zwangsbeiträgen finanzierte gesetzliche Rentenversicherung (GRV), deren Lei­ stungen auf dem sog. Umlageverfahren beruhen. Es handelt sich somit um keinen Ansparvorgang, vielmehr erfolgt die Finanzierung der Rentenzahlungen aus den Beiträgen der Erwerbstätigen sowie teilweise - oder im Falle der Beamten voll­ ständig - aus dem laufenden Staatshaushalt70. Die GRV umfaßt dabei die Ren­ tenversicherung für Arbeiter, die Rentenversicherung für Angestellte, die knapp­ schaftliche Rentenversicherung für Bergleute und die Altershilfe für Landwirte. Als Träger fungieren insbesondere die Bundesversicherungsanstalt für Ange­ stellte (BfA), die Bundesknappschaft, Landesversicherungsanstalten und die landwirtschaftlichen Alterskassen71. Das zentrale Ziel der Rentenversicherung liegt dabei in der Zahlung von Renten an die Versicherten, wenn diese ein be­ stimmtes Lebensalter erreicht haben, berufs- oder erwerbsunfähig werden sowie in der Zahlung von Renten an Hinterbliebene. Zusätzlich hierzu übernimmt die 69 70 71

Zahlenmaterial entnommen aus GDV (Altem 1997), S. 181. Vgl. FtLS, G. (Säulen 1997), S. 8. Vgl. Schierenbeck, H./Hölscher, R. (BankAssurance 1998), S. 206.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

227

GVR Kosten für Gesundheitsmaßnahmen zur Wiederherstellung der Erwerbsfä­ higkeit der Versicherten (Rehabilitationsmaßnahmen) sowie die Zahlung von Beiträgen an die Krankenversicherung der Rentner72.

Vor dem Hintergrund der allgemeinen demographischen Entwicklung in Deutschland ist dabei insbesondere die zukünftige Finanzierbarkeit der staatli­ chen Altersversorgung sehr kritisch zu beurteilen. Die generelle Tendenz der Absenkung des Nettorentenniveaus und die damit verbundene Reduzierung auf die Grundversorgung durch die gesetzliche Rentenversicherung führt zu einer zunehmenden Bedeutung der betrieblichen (dritten Säule) bzw. der privaten (zweiten Säule) Altersversorgung, die sich im Unterschied zur GRV durch ihre Freiwilligkeit auszeichnen und auf dem Prinzip der Kapitaldeckung basieren. Hierbei werden die heute gezahlten Beträge nicht für heutige Renten verausgabt, vielmehr erfolgt der Aufbau eines Kapitalstocks, aus dem die Finanzierung der zukünftigen Altersversorgung getätigt werden kann. Für den Aufbau der privaten Altersversorgung (PAV) stehen z.B. Lebensversicherungen, Wertpapieranlagen oder der Immobilienerwerb zur Verfügung, also Formen der privaten Ersparnis. Im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung (BAV) gewähren private Unter­ nehmen zusätzliche, an den Arbeitsvertrag gekoppelte Sozialleistungen, wodurch die BAV ebenso wie die gesetzliche Rentenversicherung die Absicherung bio­ metrischer Risiken wie die Alters-, Hinterbliebenen- und Invaliditätsversorgung übernimmt. In die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung werden Be­ schäftigte i.d.R. nach einer gewissen Betriebszugehörigkeit einbezogen, wobei die erworbenen Ansprüche nach einer bestimmten Frist (bislang nach 10 Jahren) sowie ab einem bestimmten Alter (bislang 35 Jahre) unverfallbar werden. Die Verbreitung und die Höhe der BAV-Leistungen schwanken zudem stark zwi­ schen verschiedenen Branchen, Betriebsgrößen sowie dem Status der Arbeitneh­ mer73.

Wie aus Abb. 51 ersichtlich wird, können bei der betrieblichen Altersversorgung vier Grundformen klassifiziert werden, wobei als wesentliche Differenzierungs­ merkmale die Form der Finanzierung resp. die Art der Versorgungszusage zum Tragen kommen. Während bei der unmittelbaren Zusage der Arbeitgeber selbst die Deckungsmittel ansammelt und die Versorgungsleistungen erbringt, also eine interne Finanzierung erfolgt, geschieht dies bei den mittelbaren Versorgungszu­ sagen durch externe, rechtlich selbständige Einrichtungen (vgl. Abb. 52).

72 73

Vgl. Schewe, D. (Rentenversicherung 1988), S. 639. Vgl. FELS, G. (Säulen 1997), S. 19f.

228

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

Abb. 52: Varianten der betrieblichen Altersversorgung74

Bei der Direktzusage als unmittelbarer Versorgungszusage dotiert das Unterneh­ men gemäß versicherungsmathematischen Grundsätzen (gewinnmindernde) Pen­ sionsrückstellungen in der Unternehmensbilanz, um die zukünftige Zahlung der zugesagten Leistungen im Versorgungsfall intern vorzufinanzieren. Somit obliegt dem Arbeitgeber als Träger dieser Versorgung auch deren Finanzierung. Die vom Unternehmen getätigten Pensionszusagen sind dabei durch einen PensionsSicherungs-Verein auf Gegenseitigkeit (PSV) gesichert, der für den Fall der Insolvenz des Arbeitgebers die Zahlung der Renten übernimmt und sich nahezu ausschließlich durch eine Umlage der Unternehmen refinanziert.

Im Rahmen der Direktversicherung schließt das Unternehmen als Versicherungs­ nehmer zugunsten des Arbeitnehmers bei einer Lebensversicherung einen Einzel­ oder Gruppenvertrag ab und überträgt die Leistungen damit einer externen Ein­ richtung75. Die Beiträge zur Direktversicherung können dabei zwischen Arbeit­ geber und Arbeitnehmer aufgeteilt werden. Alternativ hierzu können die Unter­ nehmen ihre Beiträge aber auch an eine Pensionskasse als unternehmensexter­ nem Versorgungsträger entrichten oder eine ebenfalls externe Unterstützungskas­ se für ihre Pensionsverpflichtungen einrichten. Auf die wesentlichen Charakteri­ stika der beiden letztgenannten Versorgungseinrichtungen soll im nachfolgenden Abschnitt vertiefend eingegangen werden.

74 75

Zahlenmaterial entnommen aus RößLER, N ./DOETSCH, P. (Pensionsverpflichtungen 1998), S. 1773. Vgl. o.V. (Altersversorgung 1984), S. 31.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

2.

229

Begriff und Erscheinungsformen von Pensionsfonds

Der Begriff „Pensionsfonds“ bezeichnet den international üblichen Terminus für externe Träger zum Aufbau einer kapitalfundierten betrieblichen Altersversor­ gung, der je nach Interessenlage für inhaltlich sehr unterschiedliche Sachverhalte verwendet wird76. In diesem Sinne werden z.B. auch die deutschen Pensions- und Unterstützungskassen bei internationalen Vergleichen der betrieblichen Alters­ vorsorgesysteme als Pensionsfonds bezeichnet77. Die folgenden Ausführungen beschreiben daher die mit Pensions-, Unterstützungskassen sowie Pensionsfonds angelsächsischer Prägung wesentlichen Erscheinungsformen der externen be­ trieblichen Altersversorgung, wobei in Analogie zur internationalen Terminolo­ gie die Begriffe Pensionskasse und Pensionsfonds bezüglich der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland synonym verwendet werden.

Gemäß § 1 Abs. 3 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversor­ gung (BetrAVG) handelt es sich bei einer Pensionskasse um eine rechtlich selb­ ständige Versorgungseinrichtung, die dem Arbeitnehmer oder seinen Hinterblie­ benen auf ihre Leistungen einen Rechtsanspruch gewährt. Dieser Rechtsanspruch bewirkt, daß Pensionskassen als Versicherungsunternehmen der Aufsicht unter­ liegen, wobei insbesondere die Anlage Vorschriften der §§54 und 54a des Versi­ cherungsaufsichtsgesetzes zu berücksichtigen sind.

Demgegenüber stellt der Ausschluß des Rechtsanspruches des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen auf eine Versorgungsleistung das konstitutive Merkmal einer Unterstützungskasse dar (§ 1 Abs. 4 BetrAVG). Der (pro forma) fehlende Rechtsanspruch auf die Gewährung einer Versorgungsleistung bewirkt zudem, daß es sich bei Unterstützungskassen, im Unterschied zu den Pensions­ kassen nicht um aufsichtspflichtige Unternehmen i.S. des Versicherungsauf­ sichtsgesetzes (VAG) handelt und dementsprechend keine Anlagerestriktionen vorliegen78. Neben diesen Merkmalen unterscheiden sich Pensions- und Unter­ stützungskassen durch weitere Charakteristika (vgl. Abb. 53). Eine ausführliche Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen und der daraus resultierenden Problempotentiale soll jedoch erst an späterer Stelle vorgenommen werden79.

76 77 78 79

Vgl. Uebelhack, B. (Weiterentwicklung 1998), S. 133. Vgl. Arbeitskreis „Finanzierung“ der Schmalenbach-Gesellschaft (Betriebliche Alters­ versorgung 1998), S. 37. Vgl. GRIEBELING, G. (Altersversorgung 1996), S. 156. Vgl. Kapitel 1.3. dieses Abschnitts.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

230

Unterstützungskasse

Pensionskasse

Altersversorgungsleistungen werden durch externen Träger erbracht

Begriffsmerkmale

kein Rechtsanspruch des Begünstigten

Rechtsanspruch des Be­ günstigten

Zuwendungen an externen Träger

Finanzierung

Zeitpunkt der Finanzierungs­ zuweisungen

Arbeitnehmerbeteiligung

Regulierung

Besteuerung des Arbeitgebers

Zahlungszeitpunkte wer­ den vom Unternehmen selbst festgelegt und können daher bei ungün­ stiger Ertragssituation verringert werden oder gänzlich entfallen

vorab fest fixierte, regel­ mäßige Zahlungszeit­ punkte

nicht möglich

möglich

Insolvenzsicherung durch PSV

Anlage- und Solvabili­ tätsvorschriften des VAG

Zuwendungen während der Anwartschaftsphase nicht in voller Höhe des versicherungsmathema ­ tisch Erforderlichen ab­ zugsfähig

Zuwendungen/Prämien abzugsfähig

Zuführungen und Zuwen­

Besteuerung des Arbeitnehmers

; Anwartdungen an Unterstüt­ • schafts zungskasse nicht lohn­ ; P^se steuerpflichtig ;................ Besteuerung als Einkünfte ; Rentenaus nichtselbständiger • phase Tätigkeit

Besteuerung des Trägers

Pauschalbesteuerung der Zuwendungen

Besteuerung des Ertrags­ anteils80 (Kapital­ leistungen steuerfrei)

Träger unter bestimmten Bedingungen steuerbefreit

Abb. 53: Synopse wesentlicher Merkmale von Unterstützungs- und Pensionskassen81

80 81

Unter dem Ertragsanteil sind die Zinserträge auf das angelegte Kapital zu verstehen. In Anlehnung an Arbeitskreis „Finanzierung“ der Schmalenbach-Gesellschaft (Be­ triebliche Altersversorgung 1998), S. 41; NÜRK, B./SCHRADER, A. (Pensionsrückstellung 1995), S. 12.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

231

Aus Abb. 53 wird deutlich, daß Unterstützungskassen die grundlegenden Eigen­ schaften einer „echten“ externen Finanzierung nicht aufweisen, denn82



es kommt zu keinem vollständigen Liquiditätsentzug beim Unternehmen, d.h. die für die Altersversorgung bereitgestellten Deckungsmittel werden der Dis­ position des Unternehmens weder in vollem Umfang entzogen, noch über­ wiegend extern angelegt. • Zusätzlich werden die Zuweisungen an den Versorgungsträger nicht in regel­ mäßigen, vorab fixierten Zeitabständen und in vorgegebener Höhe geleistet, was für den Aufbau einer kontinuierlichen betrieblichen Altersversorgung er­ forderlich ist. Vielmehr bestimmt das Unternehmen selbst Zeitpunkt und Hö­ he der jeweiligen Zahlungen. Während Pensions- und Unterstützungskassen in Deutschland - wie bereits ver­ deutlicht - lediglich ungefähr ein Drittel am Gesamtaufkommen der betrieblichen Alterversorgung auf sich vereinigen, verkörpern Pensionsfonds das dominierende Instrument dieser Altersversorgungsgruppe in den angelsächsischen Ländern. Die Vorherrschaft und die Kapitalkraft der angelsächsischen Pensionsfonds beruhen dabei im wesentlichen auf zwei Gründen83:

• Zum einen ist die Versorgungslücke, d.h. die Diskrepanz zwischen der staatli­ chen Altersrente und dem letzten Arbeitseinkommen, in den USA und in Großbritannien deutlich höher als (bisher) in Deutschland. • Zum anderen legen es die in den angelsächsischen Ländern geltenden arbeitsund steuerrechtlichen Vorschriften nahe, die betriebliche Altersversorgung im Wege des Pensionsfonds durchzuführen. Der angelsächsische Pensionsfonds bezeichnet dabei einen sehr komplexen Ge­ samtzusammenhang (vgl. Abb. 54), in dem der Trust fund, d.h. das eigentliche Finanzierungsinstrument, lediglich ein Element darstellt. Das gesamte Modell basiert auf dem im kontinentaleuropäischen Rechtsraum unbekannten Rechtsin­ stitut des Trust, unter dem generell ein Treuhandverhältnis zu verstehen ist, wo­ bei eine Person oder Organisation (der Trustee) zwar Eigentümer einer Sache ist, aber die Pflicht hat, die Sache zum Nutzen einer anderen Person oder Personen­ mehrheit (dem Beneficiary), zu verwalten. Den rechtlichen Rahmen bildet das sog. Trust Law, dem am ehesten das Recht der deutschen Stiftung bzw. Treu­ handschaft entspricht. Die Gemeinsamkeit insbesondere hinsichtlich der Ein­ satzmöglichkeiten wird bereits dadurch angedeutet, daß - allerdings nur in selte-

82 83

Vgl. NÜRK, B./SCHRADER, A. (Pensionsrückstellung 1995), S. 18f. Vgl. Arbeitskreis „Finanzierung“ der Schmalenbach-Gesellschaft (Betriebliche Alters­ versorgung 1998), S. 39.

232

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

nen Fällen - auch in Deutschland die Rechtsform der Stiftung für die Unterstüt­ zungskasse gewählt wird84.

Abb. 54: Strukturmodell eines Pensionsfonds angelsächsischer Prägung85

Gemäß Abb. 54 ergibt sich somit für einen angelsächsischen Pensionsfonds fol­ gendes Ablaufschema86. Auf Basis einer entsprechenden Satzung, dem Trustdeed, etabliert der Arbeitgeber (Trustor) zunächst einen Trust Fund. Gegenstand der Satzung sind dabei alle wesentlichen Regelungen über Rechte und Pflichten des Arbeitgebers, die Aufgaben des Treuhänders (Trustee) sowie die Beschrei­ bung des eigentlichen Leistungsplans (Pension Scheme). In diesem Plan wird quantifiziert, wer, d.h. ob Arbeitgeber und/oder Arbeitnehmer, in welchem Um­ fang Beiträge leistet, wer als begünstigtes Mitglied anzusehen ist (Beneficiary) und welche Leistungen gewährt werden. Dabei stellt der Pensionsfonds keine Versicherung im eigentlichen Sinne dar und gewährt deshalb auch keine Absi­ cherung biometrischer Risiken. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine Institu­ tion der reinen Kapitalbildung. In der Leistungphase erfolgt unter Berücksichti­ 84 85

Vgl. KPMG (Altersversorgung 1991), S. 42. In Anlehnung an STIEFERMANN, K. (Pensionsfonds 1997), S. 210; ARBEITSKREIS „FINAN­ ZIERUNG“ der Schmalenbach-Gesellschaft (Betriebliche Altersversorgung 1998), S. 40. Zur Beschreibung eines Pensionsfonds angelsächsischer Prägung vgl. insbes. STIEFERMANN, K. (Pensionsfonds 1997), S. 210.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

233

gung der nachgelagerten Besteuerung der Abbau des angesammelten Kapitals entweder mittels laufender Leistungen in Form von Pensionen, deren Laufzeit durch den Umfang des Kapitalstocks determiniert ist, oder durch Einmalzahlun­ gen (Lump Sums).

Die Aufgaben des Trustees, die in erster Linie in der Durchführung der Vermö­ gensverwaltung unter Wahrung der Interessen der Beteiligten (Trustor, Benefici­ ary) liegen, werden dabei alternativ vom Unternehmer selbst bzw. vom Chairman des Unternehmens, von der Trust-Abteilung einer Bank oder einem Verwaltungs­ ausschuß (Board of Trustees) übernommen. Teilaufgaben der Treuhandverwal­ tung können auch an andere Personen oder Institutionen delegiert werden, wobei der Trustee in diesen Fällen eine Überwachungsfunktion wahrnimmt. Typischer­ weise vom Trustee übertragen werden dabei die Auslegung der Versorgungsord­ nung und die Bestimmung der Leistungshöhe im Einzelfall an einen Plan Admi­ nistrator sowie die Anlageentscheidungen an einen Investment Manager87. In diesen Entscheidungen ist der Investment Manager dabei soweit frei, als er sich im Rahmen der sog. „prudent-man-rule“ bewegt, die besagt, daß er mit der Acht­ samkeit, Umsicht, Fähigkeit und Sorgfalt verfahren muß, wie es ein einsichtig handelnder Fachmann in der gleichen Situation getan hätte, wobei Grundsätze der Streuung und der Diversifizierung zu beachten sind. Diese Regelungen wer­ den für US-amerikanische Pensionsfonds in den Fiduciary Duties (Verhaltens­ vorschriften für den Treuhänder) sowie den Diversification Rules fixiert, die durch die Prohibited Transactions (dem Teuhänder verbotene Geschäfte) sowie die Prohibiteds Acts (dem Treuhänder verbotene Handlungen) eine weitere Er­ gänzung erfahren88. In Großbritannien unterliegen die Fonds zusätzlich einer staatlichen Aufsicht durch die Occupational Pension Regulatory Authority (OPRA), gegenüber der seitens der Pensionsfonds bestimmte Berichts- und Of­ fenlegungspflichten bestehen. Während Pensionsfonds in den USA bzw. in Großbritannien wie bereits erwähnt den bedeutendsten Baustein der betrieblichen Altersversorgung darstellen, domi­ niert in Deutschland die Direktzusage und damit die Rückstellungsbildung die dritte Säule der Alterssicherung. Als Gründe für die geringe Bedeutung der Pen­ sionskassen werden dabei insbesondere die im Vergleich zum Ausland ungünsti­ gen Rahmenbedingungen angeführt. Aus diesem Grund analysiert der nachfol­ gende Abschnitt zunächst die nationalen Rahmenbedingungen sowie die ihnen

87 88

Vgl. DOETSCH, P. (Altersversorgung 1986), S. 174ff. Zu den genauen Inhalten dieser Verhaltensvorschriften vgl. auch die Ausführungen zum inter­ nationalen Vergleich der Rahmenbedingungen für Pensionsfonds in Abschnitt B.II.l.

234

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

immanenten Problempotentiale, um anschließend einen internationalen Vergleich der Umfeldbedingungen vorzunehmen.

3.

Nationale Rahmenbedingungen für Pensionsfonds und daraus resultierende Problempotentiale

Neben der Dominanz der gesetzlichen Rentenversicherung, die generell zu einer eher geringen Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung geführt hat, läßt sich die begrenzte Bedeutung außerbetrieblicher Versorgungsträger im Rahmen der BAV auf die Zulässigkeit von Pensionsrückstellungen, auf steuerliche und handelsrechtliche Rahmenbedingungen sowie auf restriktive Anlagevorschriften zurückzuführen. Diese Aspekte treffen dabei insbesondere für Pensionskassen zu, so daß sich die folgenden Ausführungen in erster Linie auf diese externe Form der betrieblichen Altersversorgung konzentrieren. Die Beschränkung auf die Pensionskassen läßt sich zudem durch die bereits an früherer Stelle erläuterten fehlenden Merkmale von Unterstützungskassen als „echter“ externer Finanzie­ rungsmöglichkeit der BAV sowie durch die sehr geringe Bedeutung der Unter­ stützungskassen im Rahmen der dritten Säule der Alterssicherung begründen (vgl. auch Abb. 52). Die Möglichkeit der Pensionsrückstellungen als Finanzierungsalternative der betrieblichen Altersversorgung grenzt zunächst die Verbreitung von Pensionskas­ sen erheblich ein. Im Unterschied zu den Pensionskassen, bei denen Zuweisun­ gen zu einem unmittelbaren und vollständigen Liquiditätsentzug beim Unterneh­ men führen, weisen die Pensionsrückstellungen nämlich erhebliche Finanzie­ rungsvorteile auf. Die Bildung von Pensionsrückstellungen versetzt das Unter­ nehmen in die Lage, Liquidität, die sonst an externe Versorgungsträger geflossen wäre, im Unternehmen zu behalten. Dieser Innenfinanzierungseffekt ergibt sich aus der zeitlichen Diskrepanz zwischen Aufwandsverrechnung (Bildung der Rückstellung) und der Auszahlung (Leistungen an den pensionierten Arbeitneh­ mer), aus der sich im Zeitablauf völlig unterschiedliche Auswirkungen auf die durch Ein- und Auszahlungen determinierte Liquiditätssituation und die durch Erträge und Aufwendungen bestimmte Gewinnsituation ergeben89. Zu einem Liquiditätsentzug beim Rückstellung bildenden Unternehmen kommt es erst, wenn die Auszahlung zur Bedienung der Versorgungsansprüche die Zuführung zu den Rückstellungen überschreitet. Neben diesem Finanzierungseffekt zeichnen sich Rückstellungen durch ihre steuerliche Anerkennung aus, da sie aufwands­ wirksam passiviert werden, um die künftige Leistungsverpflichtung bereits in der 89

Vgl. KußMAUL, H. (Betriebswirtschaftslehre 1998), S. 197.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

235

Abrechnungsperiode zu erfassen, da die Ursache für diese Verpflichtung in der Abrechnungsperiode liegt. Demgegenüber sind in Europa Pensionsrückstellungen außer in Deutschland nur in wenigen Ländern steuerrechtlich zulässig, in den USA sind zur Erreichung einer steuerlichen Anerkennung die Mittel für Pensi­ onsverpflichtungen aus dem Unternehmen auszulagern90.

Neben der Zulässigkeit von Pensionsrückstellungen mit dem ihnen immanenten Finanzierungspotential und deren steuerlicher Anerkennung ergeben sich für Pensionskassen aus ihrer generellen steuerlichen Behandlung weitere Diskrimi­ nierungen. Im Hinblick auf die Besteuerung der Leistungen aus den Zusagen der BAV gilt während der Anwartschaftsphase das Zuflußprinzip nach § 11 EStG. Besteht von Seiten des Arbeitnehmers bei der Ausgliederung der Kapitalbildung auf eine externe Institution ein Rechtsanspruch, dann ist die Leistungszusage prinzipiell vorgelagert zu besteuern. Beiträge des Arbeitgebers an die Pensions­ kasse gelten somit als lohnsteuerpflichtiger Gehaltsbestandteil und lösen daher beim begünstigten Arbeitnehmer eine Steuerpflicht aus. Diese Beiträge unterlie­ gen innerhalb eines Rahmens von z.Zt. 3.408 DM p.a. einer Pauschalbesteuerung von 20% zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer, darüber hinaus­ reichende Zuwendungen sind gemäß § 40b EStG dem individuellen Einkommen­ steuersatz des Begünstigten zu unterwerfen. Kommt es bei Eintritt des Versor­ gungsanspruchs zu einer Auszahlung der Rente, so sind die Leistungen bis auf den Ertragsanteil, d.h. bis auf die Zinserträge auf das angelegte Kapital, steuer­ frei. Ist jedoch der Rechtsanspruch wie bei der Unterstützungskasse gesetzlich ausgeschlossen, so liegt kein Zufluß vor und es erfolgt dementsprechend eine nachgelagerte Besteuerung. Die Bildung von Pensionsrückstellungen hingegen löst auch beim Arbeitnehmer keine Steuerpflicht in der Anwartschaftsphase aus. Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Zahlung der Einkommensteuer fällt ebenfalls erst dann an, wenn die Renten ausgezahlt werden. Diese unterliegen dann grundsätzlich einer vollen Besteuerung, wobei allerdings gern. § 19 Abs. 2 EStG ein Betrag von 40% der Bezüge, maximal jedoch ein Betrag von insgesamt 6.000 DM (Versorgungs-Freibetrag), steuerfrei bleibt. Abgesehen von der Tatsa­ che, daß für einen Großteil der Arbeitnehmer aufgrund weiterer Freibeträge (z.B. Grund- und Altersversorgungsfreibetrag) keine Steuerpflicht auf die Betriebs­ rente, die wie die gesetzliche Renten lediglich mit dem Ertragsanteil zu versteu­ ern ist, anfällt, ist zu berücksichtigen, daß im Falle einer internen Finanzierung für den Arbeitnehmer eine erhebliche Steuerstundung erzielt werden kann, denn zwischen dem Zeitpunkt der Zuführung zum Deckungskapital und der tatsächli­ chen Auszahlung der Rente kann ein Zeitraum von 30 Jahren und länger liegen91. 90 91

Vgl. NÜRK, B./SCHRADER, A. (Pensionsrückstellung 1995), S. 20. Vgl. NÜRK, B. (Pensionsfonds 1996), S. 2189.

236

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

Aus den genannten Gründen ist die Anwartschaftsbesteuerung bei der Finanzie­ rung über Pensionskassen somit i.d.R. aus Arbeitnehmersicht von Nachteil. Sie kann lediglich bei Arbeitnehmern mit einer sehr hohen Betriebsrente vorteilhaft sein, wenn nämlich der Pauschalsteuersatz von 20% deutlich unter dem individu­ ellen Einkommensteuersatz liegt.

Eine weitere steuerliche Benachteiligung der Pensionskassen ergibt sich bei ei­ nem Engagement der Versorgungsträger in Aktien. Da Pensionskassen i.d.R. von der Körperschaftsteuer befreit sind, besteht bei der Anlage der Finanzierungs­ mittel in Aktien das Problem, daß die auf Dividenden erhaltenen Körper­ schaftsteuergutschriften nicht mit einer Steuerschuld verrechnet werden können. Pensionskassen werden daher im Gegensatz zu anderen steuerpflichtigen inländi­ schen Aktienanlegern endgültig einer Körperschaftsteuerbelastung unterworfen. Verstärkt wird dies dadurch, daß steuerbefreite Pensionskassen die auf Kapital­ erträge anfallende Kapitalertragsteuer mit keiner anderen Steuerschuld verrech­ nen können. Da die Kapitalertragsteuer lediglich zur Hälfte zurückerstattet wird, ergibt sich auch hierbei eine endgültige Steuerbelastung. Die fehlende Möglich­ keit einer Körperschaftsteuergutschrift einerseits sowie die 50%-ige Belastung mit der Kapitalertragsteuer andererseits implizieren somit einen Renditenachteil für Pensionskassen gegenüber steuerpflichtigen Aktienanlegern92.

Ein weiteres Hemmnis für eine Investition durch Pensionskassen in Aktien ent­ steht aus den handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften,93 wonach ent­ sprechend dem Anschaffungswertprinzip die Anschaffungskosten gleichzeitig den Ausgangspunkt und die Obergrenze für die Bewertung bilden. Sofern der Kurs unter die Anschaffungskosten sinkt, müssen diese Verluste gemäß dem Imparitätsprinzip erfaßt werden, wenn es sich um Bestandteile des Umlaufver­ mögens handelt. Sind die Wertpapiere dem Finanzanlagevermögen zuzuordnen, besteht lediglich bei einer vorübergehenden Wertminderung ein Abwertungs­ wahlrecht. Bei einer dauerhaften Wertminderung ist ebenfalls zwingend abzu­ schreiben. Die zeitliche Erfassung von Kursgewinnen regelt dagegen das Reali­ sationsprinzip. Danach ist regelmäßig auf den Verkaufszeitpunkt abzustellen, weshalb latente Kursgewinne nicht ausgewiesen und auch nicht mit Wertverlu­ sten anderer Anlagen saldiert werden dürfen. Aus diesem Grund werden bereits kurzfristige Verluste bilanzwirksam, was oftmals negative Konsequenzen auf die

92 93

Vgl. NÜRK, B./Schrader, A. (Pensionsrückstellung 1995), S. 27. Vgl. SPENGEL, Chr./SCHMIDT, F. (Betriebliche Altersversorgung 1997), S. 184.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

237

Beurteilung des Erfolgs der Vermögensanlage nach sich zieht und ein übermäßi­ ges Engagement in Aktien begrenzt94. Neben den steuerlichen bzw. handelsrechtlichen Rahmenbedingungen führen die für Pensionskassen geltenden Anlagevorschriften zu einer geringen Verbreitung dieser externen Versorgungsträger. Der Rechtsanspruch auf die Leistungen von Pensionskassen sowie deren Klassifizierung als Versicherungsverein auf Gegen­ seitigkeit führen dazu, daß Pensionskassen bez. ihrer Kapitalausstattung und Vermögensanlage den Bestimmungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes unter­ liegen. Bei der Strukturierung der Mittelanlage sind dabei die folgenden allge­ meinen Anlagegrundsätze einzuhalten, die Art, Umfang und Qualität der Vermö­ gensanlage regeln95:



Sicherheitsgrundsatz Bei der Anlageentscheidung sind gegenwärtige und erkennbare Risiken so­ weit als möglich auszuschließen, wobei sich das Sicherheitserfordernis auch auf die einzelne Anlage erstreckt und aus Sicht der Aufsichtsbehörde (Bun­ desaufsichtsamt für das Versicherungswesen) gegenüber dem möglicherweise konkurrierenden Rentabilitätsgrundsatz Priorität besitzt. Durch die Befolgung des Postulats der Sicherheit soll eine fristgerechte und im Sinne der nominel­ len Werterhaltung vollständige Realisierung der Kapitalanlage gewährleistet werden.



Rentabilitätsgrundsatz Unter Berücksichtigung des Sicherheits- bzw. Liquiditätsziels hat die Anlage des Deckungskapitals nicht zu geringeren als den marktüblichen Konditionen zu erfolgen, wobei insbesondere der der Prämienkalkulation zugrundegelegte Rechnungszins96 zu erwirtschaften ist.



Liquidität Die Zusammensetzung des Gesamtbestandes der Vermögensanlagen hat die jederzeitige Mobilisierbarkeit eines betriebsnotwendigen Betrages an liquiden Mitteln zu gewährleisten. Da der Liquiditätsgrundsatz im Sinne einer ständi­ gen Zahlungsbereitschaft des Versicherers zu interpretieren ist, muß er für ei­ ne einzelne Anlageentscheidung kein Ausschlußgrund sein.

94

Vgl. NÜRK, B./SCHRADER, A. (Pensionsrückstellung 1995), S. 27. Diese Rechnungslegungsvor­ schriften gelten jedoch gleichermaßen für alle bilanzierende Unternehmen, so daß hierin keine ausschließliche Benachteiligung der Pensionskassen zu sehen ist. Vgl. AHREND, P./FOrster, W./RößLER, N (Altersversorgung 1995), 5. Teil, Rdnr. 70-75; Hühn, H./Galinat, W. (Altersversorgung 1 1995), S. 797; HUHN, H./Galinat, W. (Altersver­ sorgung II 1995), S. 889. Der Kalkulationszins beläuft sich seit der Novellierung des VAG vom 29.7.1994 auf maximal 4%.

95

96

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

238



Mischung und Streuung Mit der Vermeidung einer einseitigen Anlagepolitik sollen Risiken, die bei aller Sorgfalt nicht oder nur bedingt vorhersehbar sind, in Bezug auf die Ge­ samtheit der Kapitalanlagen vermieden werden. Aus diesem Grund hat das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen Höchstwerte für einzelne Anlagearten fixiert (vgl. Abb. 55).

Anlagegruppe Grundstücke u.ä.

maximaler Anteil am gebundenen Vermögen97 25%

Inhaberschuldverschreibungen

2,5%



nicht börsennotiert



börsennotiert (Ausstellung im EWR)



Ausstellung außerhalb des EWR

5%

Aktien98, Genußrechte, Beteiligungen, Wert­ papier-Sondervermögen (außer reinen EWRRentenfonds), Beteiligungs-Sondervermögen, nachrangige Verbindlichkeiten

30%

nicht börsennotierte Aktien einschließlich der Beteiligung an einer Kapitalbeteiligungsge­ sellschaft

7,5%

Gültigkeit der allgemeinen Anlagegrundsätze

Abb. 55: Wesentliche Anlagevorschriften für Pensionskassen gern. § 54a VAG

Bei diesen Regelungen ist allerdings zu beachten, daß ein Verstoß gegen den Grundsatz der Mischung und Streuung bereits dann vorliegt, wenn mehr als 10% der Mittel bei einem Emittenten angelegt werden, weniger als drei Anla­ gearten existieren oder eine Anlageart mehr als 50% des Gesamtvermögens ausmacht. Zusätzlichen Anlagespielraum erhalten die Pensionskassen jedoch 97

Gebundenes Vermögen = Deckungsstock + übriges gebundenes Vermögen (Rückstellungen für andere Leistungen, z.B. Beitragsrückerstattungen). Im Gesetzestext wird dabei das übrige ge­ bundene Vermögen, dem im Vergleich zum Deckungsstock jedoch eine geringe Bedeutung zu­ kommt, als „Vermögenswerte außerhalb des Deckungsstocks in Höhe der versicherungstechni­ schen Rückstellungen sowie der aus Versicherungsverhältnissen entstandenen Verbindlichkeiten und Rechnungsabgrenzungsposten“ definiert. Die Aktien müssen in voller Höhe eingezahlt und an einer Börse im EWR zum Amtlichen Handel zugelassen oder in einen organisierten Markt einbezogen sein. Aktien, die an einer Börse außerhalb des EWR zum Amtlichen Handel zugelassen sind, können als Anlage für das übrige gebundene Vermögen verwendet werden.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

239

durch die Öffnungsklausel des § 54a Abs. 2 Nr. 14 VAG, wonach weitere 5% des gebundenen Vermögens in Anlagen investiert werden können, die von den sonstigen Anlagevorschriften des VAG nicht berührt sind, wobei aller­ dings z.B. Konsumentenkredite oder Anlagen in immaterielle Werte nicht zulässig sind. Insbesondere der im internationalen Vergleich als restriktiv empfundene Anlagegrundsatz der Mischung und Streuung und die darin ent­ haltenen Anlagebestimmungen für Pensionskassen werden in der Praxis heftig kritisiert", wobei vor allem die Vorgabe des maximalen Aktienanteils am Portfolio einer Pensionskasse sowie die Beschränkung der Beteiligung an ei­ nem Einzelobjekt einer stärkeren Dotierung von Pensionskassen und somit einer Auslagerung von Versorgungskapital im Wege stehen.

Zusammenfassend können somit als wesentliche Ursachen für die vergleichswei­ se geringe Bedeutung von Pensionskassen als externe Durchführungsform der BAV



das verhältnismäßig hohe Versorgungsniveau der ersten Säule der Alterssi­ cherung, • die steuerliche Anerkennung von Direktzusagen über Pensionsrückstellungen, • die Besteuerung von Beitragszahlungen an Pensionskassen auf der Ebene der Arbeitnehmer sowie • die restriktiven Anlagevorschriften des VAG für Pensionskassen identifiziert werden. In anderen Ländern hingegen spielen Pensionsfonds im Rahmen der BAV eine erhebliche Rolle und beeinflussen zudem den VentureCapital-Sektor in z.T. erheblichem Umfang. Die verstärkte Integration von Pen­ sionskassen in die betriebliche Altersversorgung und die damit verbundene (eventuelle) Mobilisierung zusätzlichen Risikokapitals für die Finanzierung von Existenzgründungen erfordert daher Modifikationen der nationalen Gegebenhei­ ten. Ansatzpunkte hierfür kann ein internationaler Vergleich der Rahmenbedin­ gungen liefern, der im Mittelpunkt der folgenden Abschnitte steht.

"

Dies bestätigt auch eine empirische Untersuchung unter deutschen Großunternehmen aus dem Jahre 1995, wonach ca. 35% der befragten Betriebe in der Liberalisierung der Anlagevorschrif­ ten der Pensionskassen den vornehmlichen Reformbedarf im Rahmen der externen betrieblichen Altersversorgung sehen. Vgl. SPENGEL, CHR./SCHMIDT, F. (Pensionsrückstellungen 1997), S. 2100.

240

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

II.

Internationaler Vergleich der Rahmenbedingungen und Aktivitäten von Pensionsfonds

Die Ausführungen des vorhergehenden Abschnitts haben verdeutlicht, daß Pensi­ onskassen in Deutschland aufgrund steuerlicher sowie regulatorischer Vorschrif­ ten in ihrem Engagement deutliche Nachteile gegenüber anderen Formen der betrieblichen Altersversorgung aufweisen. Der folgende Abschnitt unterzieht daher die nationalen Gegebenheiten einem internationalen Vergleich und zeigt gleichzeitig das Engagement dieser „internationalen“ Pensionsfonds im Bereich der Frühphasenfinanzierung von Existenzgründungen auf.

1.

US-amerikanische Pensionsfonds

Korrespondierend zum deutschen System der Alterssicherung basiert die Alters­ versorgung in den USA ebenfalls auf dem Drei-Säulen-Konzept, wobei die Ge­ wichtung der einzelnen Säulen jedoch zugunsten der betrieblichen und der pri­ vaten Altersvorsorge verschoben ist. Der Versorgungsbeitrag der amerikanischen gesetzlichen Rentenversicherung (Old Age Survivors and Disability Insurance, OASDI), in der nahezu alle abhängig Beschäftigten sowie selbständig Erwerbs­ tätigen im Rahmen einer Zwangsmitgliedschaft versichert sind, fällt vergleichs­ weise gering aus100. Analog zur gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland leidet auch dieses amerikanische System zudem unter erheblichen Finanzierungs­ problemen, die im wesentlichen durch die demographische Entwicklung begrün­ det sind. Vor diesem Hintergrund kommt folglich der zweiten und dritten Säule der Alterssicherung eine verstärkte Bedeutung zu, die durch vorteilhafte Rah­ menbedingungen zusätzlich in ihrer Verbreitung begünstigt werden.

Zu diesen positiven Gegebenheiten zählen in den USA zunächst die steuerlichen Gegebenheiten, denn im Unterschied zum deutschen Steuerrecht werden in den USA Zuführungen zu Pensionsrückstellungen nicht als Betriebsausgaben aner­ kannt, weshalb unmittelbare Versorgungszusagen in der Praxis quasi bedeu­ tungslos sind101. Vielmehr werden in den USA mittelbare Zusagen steuerlich lediglich dann anerkannt, wenn diese über Pensionspläne durch rechtsfähige und von einem Treuhänder verwaltete Pensionsfonds abgewickelt werden. Die Pensi­ onspläne können dabei als beitrags- (defined contribution) oder als leistungsori­ entierte Zusage (defined benefit) des Arbeitgebers ausgestaltet sein. In beiden Fällen können die Leistungen des Arbeitgebers als steuerlich anerkannte Be­ 100

Vgl. SPENGEL, CHR./SCHMIDT, F. (Betriebliche Altersversorgung 1997), S. 147. 101 Vgl. DOETSCH, P. (Altersversorgung 1986), S. 30.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

241

triebsausgaben in Abzug gebracht werden, wobei die beitragsorientierten Versor­ gungszusagen bis max. 30.000 US-$ als Betriebsausgaben anerkannt werden102. Auf Seiten des begünstigten Arbeitnehmers basiert die steuerliche Behandlung insbesondere auf dem Grundsatz, daß Beitragszahlungen des Arbeitgebers an den Pensionsfonds nicht zum steuerpflichtigen Einkommen des Arbeitnehmers zäh­ len, da die betriebliche Altersversorgung als eine zeitlich hinausgeschobene Ent­ lohnung des Arbeitnehmers, eine sog. deferred compensation, betrachtet wird103. Vielmehr erfolgt eine Besteuerung der Arbeitnehmer erst bei Eintritt der Versor­ gungsleistungen, es existiert somit eine nachgelagerte Besteuerung. Neben den steuerlichen Rahmenbedingungen kann des weiteren die fehlende Beschränkung bei der Anlage der Pensionsfondsvermögen als positiv bezeichnet werden. Neben der prudent-man-rule, die Investitionen von mehr als 10% der Fondsmittel in das Trägerunternehmen untersagt und eine fein abgestimmte Di­ versifizierung der Anlageformen vorschreibt, bestehen für US-amerikanische Pensionsfonds im wesentlichen keine unmittelbaren Bestimmungen bezüglich ihrer Mittelverwendung. Generell orientiert sich die Anlagestrategie der USPensionsfonds neben der Zielsetzung, die maximale Sicherheit der gegenwärtigen und zukünftigen Ruhestandszahlungen zu gewährleisten, auch am Mandat der Aktionäre an die Unternehmensführung, den Wert des Unternehmens im Zeitab­ lauf und damit den Wohlstand der Aktionäre zu maximieren, also am Shareholder Value Konzept104. Grundsätzlich stehen die Versorgungszahlungen an die Pensi­ onsfonds nämlich weder für Ausschüttungen an die Aktionäre noch für Investi­ tionen zu Verfügung. Daher wird der Versuch unternommen, die Anlage der Fondsmittel so zu strukturieren, daß der höchstmögliche Ertrag erreicht wird. Eine solche Anlagepolitik wird dabei nicht durch die Vorschriften der Rech­ nungslegung beeinflußt, denn die Performance US-amerikanischer Pensionsfonds wird nicht zum jeweiligen Bilanzstichtag, sondern vielmehr im Rahmen einer Mehrperiodenbetrachtung gemessen, z.B. über eine rollierende Durchschnittsper­ formance der letzten zehn Jahre105.

Ein weiterer Grund für die starke Verbreitung von Pensionsfonds in den USA ist außerdem in den Haftungsregelungen des Unternehmens gegenüber den Versor­ gungsansprüchen der Arbeitnehmer zu sehen. Amerikanische Pensionskassen unterliegen generell der Aufsicht durch den Aufsichtsrat des Unternehmens,

102 Vgl. SPENGEL, CHR./SCHMIDT, F. (Betriebliche Altersversorgung 1997), S. 151. 103 Vgl. DOETSCH, P. (Altersversorgung 1986), S. 22If. 104 Vgl. SPENGEL, CHR./SCHMIDT, F. (Betriebliche Altersversorgung 1997), S. 204. Zu den grund­ legenden Merkmalen des Shareholder Value vgl. Rappaport, A. (Shareholder Value 1995); Hölscher, R. (Shareholder-Value 1997), S. 20f. 105 Vgl. NÜRK, B./Schrader, A. (Pensionsrückstellung 1995), S. 27.

242

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

dessen Pensionen sie verwalten. Dabei haften die Aufsichtsratsmitglieder per­ sönlich für die Erfüllung der Pensionskasse. Bei einer Anlage des Pensionsver­ mögens außerhalb des Unternehmens greift diese Haftung jedoch nur für den Fall einer Verletzung der Kontrollpflicht der Aufsichtsratsmitglieder. Demgegenüber besteht keine Haftung für das allgemeine Kapitalmarktrisiko, vielmehr haftet der Aufsichtsrat nur, wenn er sich nicht regelmäßig davon überzeugt, daß die Anla­ gepolitik der Pensionskasse den von ihm festgelegten Regeln entspricht. Erfolgt die Kapitalanlage allerdings intern im entsprechenden Unternehmen, so ist die Haftung unbeschränkt, da die Verhältnisse des Unternehmens dem Aufsichtsrat genauestens bekannt sind und eventuelle Kapitalverluste vorhersehbar sind. Aus diesem Haftungsaspekt heraus wird das Kapital von Pensionsfonds in den USA vornehmlich unternehmensextern angelegt106. Auf Basis der genannten Rahmenbedingungen begannen US-Pensionsfonds in den sechziger und siebziger Jahren mit dem Aufbau von Risikokapitalgesell­ schaften, denen sie Teile ihrer Mittel zum Investment in Gründungsunternehmen überließen107 und avancierten dadurch zu der mit Abstand bedeutendsten Quelle für Venture Capital in den USA. Mit dem Übergang zu den achtziger Jahren wurden durch Modifikationen des Employment Retirement Income Security Act die Investitionsregeln für US-amerikanische Pensionsfonds zusätzlich so gestal­ tet, daß seitdem bis zu 5% der Mittel in VC investiert werden dürfen. Unter Be­ rücksichtigung der von Pensionsfonds verwalteten Gesamtsumme von mehreren Billionen US-Dollar ergeben sich dadurch erhebliche Investitionspotentiale für Venture Capital und damit auch für Start-up-Finanzierungen108. Dies belegen auch die Zahlen aus den USA. Demnach stellten Ende 1996 Pensionsfonds 44% des Venture Capitals bei einem Gesamtvolumen von rund 45 Mrd. US-$ und investierten dabei lediglich 2 bis 5% ihres gesamten Kapitalvolumens in das VCGeschäft109.

Vgl. Mann, A. (Venture Capital 1985), S. 124. 107 Vgl. BOHNE, A. (Venture Capital 1998), S. 14. 108 Vgl. HERTZ-ElCHENRODE, A. (Reichtum 1998), S. B6; RUP, P. (Wachstumskatalysatoren 1998), S. 192. 109 Vgl. o.V. (Risikokapital 1999), S. 280.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

2.

243

Pensionsfonds im europäischen Ausland

Einen vergleichenden Überblick über das Vermögen der europäischen Pensions­ fonds in den Jahren 1992 und 1997 gibt Abb. 56. Dabei wird deutlich, daß Deutschland nach Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz mit einem absoluten Volumen von 118 Mrd. US-$ in 1997 lediglich auf dem vierten Platz rangiert und beim relativen Verhältnis der Pensionsfondsvermögen zum Brutto­ inlandsprodukt (BIP) sogar noch hinter Italien auf den fünften Rang zurückfällt.

Abb. 56: Vermögen europäischer Pensionsfonds (1992/1997f10

Die grundsätzliche Konzeption vieler europäischer Alterssicherungssysteme111 besteht in der Beschränkung auf eine relativ niedrige staatliche Rente als Grund­ versorgung. Daher weisen insbesondere die Versorgungsleistungen von Unter­ nehmen an ihre Arbeitnehmer einen deutlich höheren Stellenwert auf, als dies in Deutschland der Fall ist. Bei der Wahl des Durchführungsweges der betriebli­ chen Altersversorgung spielen dabei insbesondere steuerliche Aspekte eine ent­ scheidende Rolle.

Für Großbritannien'12 gilt hinsichtlich der steuerlichen Rahmenbedingungen, daß Beiträge einer britischen Unternehmung für die betriebliche Altersversorgung ihrer Arbeitnehmer grundsätzlich als Personalausgaben abzugsfähig sind, wobei

110 Zahlenmaterial entnommen aus Bräuninger, D./DeüTSCH, K.G. (Pensionsfonds 1998), S. 5. 111 Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf Großbritannien und auf die Niederlande. 112 Zu den steuerlichen Regelungen für britische Pensionsfonds vgl. Spengel, Chr./SCHMIDT, F. (Betriebliche Altersversorgung 1997), S. 123ff.

244

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

die Abwicklung der BAV alternativ direkt über das Trägerunternehmen (unfun­ ded scheme) oder durch die Einschaltung eines Pensionsfonds (funded scheme) erfolgen kann. Da die Bildung einer Pensionsrückstellung steuerlich nicht aner­ kannt wird und unmittelbare Versorgungszahlungen lediglich im Jahr der Zah­ lung abzugsfahig sind, dominieren in Großbritannien mittelbare Zusagen über unabhängige Pensionsfonds. Dabei können ebenfalls beitragsorientierte (defined contribution) und leistungsorientierte (defined benefit) Versorgungszusagen differenziert werden. Bei beiden Formen ergeben sich für den Pensionsberech ­ tigten hinsichtlich der steuerlichen Konsequenzen Unterschiede insbesondere in Abhängigkeit von der Qualifikation des Pensionsfonds. So bleiben lediglich Beitragszahlungen des Arbeitgebers an anerkannte Pensionsfonds beim Arbeit­ nehmer während der Anwartschaft steuerfrei. Steuerpflichtig werden analog zu den Regelungen der USA erst die Versorgungsleistungen. Bei nicht anerkannten Fonds hingegen zählen die Prämien des Arbeitgebers bereits während der An­ wartschaft zu den steuerpflichtigen Einkünften des Arbeitnehmers. Eine vergleichbare Situation bezüglich der steuerlichen Rahmenbedingungen für Pensionsfonds existiert in den Niederlanden"3, wo Aufwendungen eines Arbeit­ gebers für die betriebliche Altersversorgung ebenfalls grundsätzlich als Betriebs­ ausgaben abzugsfähig sind. Korrespondierend zu Großbritannien werden Pensi­ onsrückstellungen für unmittelbare Versorgungszusagen nur handelsrechtlich, nicht jedoch steuerrechtlich anerkannt. Aus diesem Grund stellen auch in den Niederlanden Pensionsfonds die Hauptfinanzierungsform der BAV dar. Ebenfalls vergleichbar mit der bereits beschriebenen Vorgehensweise in den USA bzw. Großbritannien gestaltet sich in den Niederlanden die steuerliche Behandlung der Zuwendungen an den Pensionsfonds beim Arbeitnehmer. So begründen Zuwen­ dungen an einen Pensionsfonds beim Begünstigten keinen Steuertatbestand, vielmehr lösen erst die Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung wäh­ rend der Versorgungszeit eine Steuerpflicht aus. Hinsichtlich der Anlagerestriktionen sind die Vorschriften in der Mehrzahl der europäischen Länder mit denen der USA vergleichbar. So unterliegen z.B. in Großbritannien, in Italien und in den Niederlanden die jeweiligen Pensionsfonds keinen quantitativen Vorgaben zur Aufteilung des Portfolios auf einzelne Anla­ gekategorien. Vielmehr gilt die bereits zitierte „prudent-man-rule“, wonach die externen Versorgungsträger die ihnen anvertrauten Vermögenswerte dem Grund­ satz der Vorsicht gemäß anzulegen haben und eine Diversifizierung der Ange­ botspalette vornehmen können, um hierdurch einerseits die Marktrisiken zu be­ 113 Zu den steuerlichen Regelungen für niederländische Pensionsfonds Chr./Schmidt, F. (Betriebliche Altersversorgung 1997), S. 158ff.

vgl.

SPENGEL,

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

245

schränken und gleichzeitig eine ausreichende Rendite zu erzielen. Die Rech­ nungslegungsvorschriften sind flexibler ausgestattet und erlauben dadurch, einen großen Anteil des Portefeuilles in Aktien zu investieren114. Demgegenüber weisen die Schweiz, Frankreich und Spanien gewisse, gegenüber Deutschland jedoch weniger stringente Kapitalanlagevorschriften auf, wobei z.B. in Frankreich min­ destens 50% des Fondsvermögens in EU-Staatsanleihen und in Spanien 75% in Wertpapieren investiert werden müssen115. Vor dem Hintergrund dieser regulatorischen Rahmenbedingungen aber auch der steuerlichen Gegebenheiten weisen die Pensionsfonds im europäischen Ausland verstärkte Kapitalaktivitäten im Venture-Capital-Bereich auf, wie auch Abb. 57 graphisch verdeutlicht.

Dabei fallt auf, daß deutsche Pensionsfonds in den letzten Jahren zwar einen verstärkten Anstieg am jährlichen VC-Aufkommen zu verzeichnen haben, gegen­ über dem europäischen Durchschnitt jedoch klar zurückliegen. Gleichzeitig gilt zu beachten, daß bis einschließlich 1994 deutsche Pensionskassen nicht in Ventu­

114 Vgl. Davis. E.P. (Pensionskassen 1994), S. 160f. 115 Vgl. Bräuninger, D ./Deutsch, K.G. (Pensionsfonds 1998), S. 7. 116 Eigene Berechnungen auf Basis diverser BVK-NACHRICHTEN SPECIAL „Venture Capital in Europa“.

246

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

re Capital investierten, während sich beispielsweise in Großbritannien bereits in diesen Zeiträumen Pensionsfonds mit einem jährlichen Anteil von ca. 35% in der Risikokapialfmanzierung engagierten117.

3.

Zusammenfassende Analyse der nationalen Rahmenbedingungen

Pensionsfonds spielen in den meisten der betrachteten Ländern insofern eine besondere Rolle, als sie oftmals die einzige oder zumindest eine wesentliche Form der betrieblichen Altersvorsorge im jeweiligen Land darstellen. Wichtig ist zudem, daß diese Pensionsfonds in Umfeldern operieren, die sich z.T. sehr deut­ lich voneinander unterscheiden. Dies betrifft insbesondere die relative Bedeutung der staatlichen Altersabsicherung im jeweiligen Land und die Bedeutung, die den Pensionsfonds seitens der Wirtschaft und der Politik beigemessen wird. Wesent­ liche Unterschiede existieren aber auch in den Rechtssystemen der betrachteten Länder, vor allem im Arbeits- und Steuerrecht, so daß ein direkter Vergleich nur schwer möglich und eine Übertragung einer speziellen Ausgestaltung auf deut­ sche Verhältnisse kaum durchführbar ist118.

Trotz dieser länderspezifischen Rahmenbedingungen bleibt für die jeweilige Anlagestrategie des Vorsorgekapitals festzustellen, daß in den angelsächsischen Ländern Investitionen in Aktien dominieren, während in den übrigen Ländern Anlagen in festverzinsliche Wertpapiere überwiegen. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Zu den hohen Kapitalvolumina in Großbritannien und den USA kommen die vergleichsweise hohe Liquidität der dortigen Finanzmärkte und die ausgeprägtere Aktienmentalität institutioneller Anleger und vor allem privater Anleger hinzu, womit bereits eine bessere Grundvoraussetzung für Anlagen in Beteiligungstitel gegeben ist119. Das unterschiedliche Anlageverhalten wird dar­ über hinaus auch durch die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen sowie die han­ delsrechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen beeinflußt, denen die ex­ ternen Versorgungsträger in den jeweiligen Ländern ausgesetzt sind120. Bevor auf diese Einzelaspekte näher eingegangen wird, stellt die nachfolgende Abb. 58 die wesentlichen (beschriebenen) nationalen Rahmenbedingungen einander in tabel­ larischer Form gegenüber. 117 Zu diesen Zahlen vgl. diverse Ausgaben der BVK-Nachrichten Special „Venture Capital in 1 10 Europa * “. Vgl. BMF (Betriebliche Pensionsfonds 1998), S. 15. 120 Rosen, R. von (Was machen 1996), S. 18. Zu den Ausführungen bez. der Anlagevorschriften, der Rechnungslegungsvorschriften sowie der Besteuerungsmodalitäten vgl. SPENGEL, CHR./SCHMIDT, F. (Betriebliche Altersversorgung 1997), S. 21 If.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

Bezeichnung

247

Deutschland

USA

Groß­ britannien

Niederlande

Pensionskasse

pension fund

pension fund

Pensioensfonds

A nlagevorschriften • Allgemeine Vor­ schriften • Mindest-/ Höchstquoten

Sicherheit, Rentabilität, Liquidität, Mischung und Streuung

• Anlage in Trägeruntemehmen Besondere Rechnungs­ legungsvorschriften

ergeben sich aus dem Trust-law

keine

ja

prudent-man-rule keine

eingeschränkt möglich nein

nein

ja

Steuerliche Behandlung • der Arbeitgeberbei­ träge • der Beiträge beim Arbeitnehmer

• der Leistungen beim Arbeitnehmer

grundsätzlich als Betriebsausgaben absetzbar steuerpflichtig, Pauschalbesteue­ rung möglich

Ertragsanteil steuerpflichtig

begrenzt nicht steuerpflichtig

grundsätzlich steuerbefreit

steuerpflichtiges Einkommen

• des Versorgungs­ trägers

als soziale Einrichtung grundsätzlich von allen Steuern befreit

♦ der Kapitalanlage

Definitivbelastung von Dividendeneinnahmen bei Direktinvestition in Aktien

Abb. 58: Vergleich der Rahmenbedingungen von Pensionsfonds121

• Anlagevorschriften: Das in Großbritannien und den USA vorherrschende Prinzip der „prudentman-rule“ erweist sich gegenüber den Anlagevorschriften deutscher Pensi­ onskassen als deutlich liberaler. Zwar sind in den betrachteten Ländern die im Trägerunternehmen investierbaren Kapitalanteile limitiert, allerdings bestehen in Deutschland weitere Beschränkungen bezüglich der maximal zulässigen Aktienquote sowie des Anteils ausländischer Aktien und Währungen, in der die Anlagen vorzunehmen sind (vgl. hierzu auch Abb. 55).

121 Daten entnommen aus BMF (Betriebliche Pensionsfonds 1998), S. 56ff.

248



3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

Rechnungslegungsvorschriften: Handelsrechtliche Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften besitzen in den angelsächsischen Ländern zur Beurteilung des Anlageerfolgs eines Pensions­ fonds (performance measurement) lediglich eine untergeordnete Bedeutung. Vielmehr basiert die Erfolgsmessung in erster Linie auf einem Vergleich zwi­ schen den über mehrere Jahre hinweg erzielten Erträgen und einer Referenz­ größe, z.B. einem Aktienindex. Hierdurch können Ertragsschwankungen im Wege einer Durchschnittsbildung geglättet werden. Demgegenüber gelten in Deutschland die Rechnungslegungsvorschriften uneingeschränkt auch für Pensionsfonds, weshalb aufgrund des bereits angesprochenen Imparitätsprin­ zips unter den Buchwerten liegende Marktwerte schnell negative Auswirkun­ gen auf den Jahreserfolg der Pensionskassen haben.

• Besteuerungsvorschriften: Pensionskassen sind in allen betrachteten Ländern steuerbefreit, so daß Zins­ erträge unter der Voraussetzung der Abzugsfähigkeit der Zinszahlungen auf der Ebene des Schuldners ohne Zusatzbelastung vereinnahmt werden können. Dagegen sind Beteiligungserträge definitiv mit der Körperschaftsteuer bela­ stet, wodurch Aktieninvestments steuerlich benachteiligt werden. Lediglich in Großbritannien kommt es durch ein Teilanrechnungssystem zu einer ver­ gleichsweise geringeren Defmitivbelastung. Demgegenüber liegen die Defi­ nitivbelastungen von Dividenden in den USA und den Niederlanden aufgrund der höheren Steuersätze sogar über der in Deutschland, wo jedoch eine Bela­ stung mit der Kapitalertragsteuer zu berücksichtigen ist. Zusätzlich ist bei den Pensionsfonds angelsächsischer Prägung das Prinzip der nachgelagerten Besteuerung zu berücksichtigen. Demnach lösen die Lei­ stungen angelsächsischer Pensionsfonds erst zum Zeitpunkt der Auszahlung eine Steuerpflicht aus, während in Deutschland bereits Zuwendungen des Ar­ beitgebers während der Anwartschaftsphase Steuerzahlungen beim Arbeit­ nehmer nach sich ziehen.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

249

Zusammenfassend kann das verstärkte Engagement angelsächsischer Pensions­ fonds somit neben den hohen Kapitalvolumina und den allgemein günstigen Kapitalmarktbedingungen122 auf die liberalen Anlagevorschriften im Rahmen der prudent-man-rule, die eingeschränkte Geltung von Rechnungslegungsvorschriften sowie die steuerliche Behandlung der Zuwendungen zurückgeführt werden. Neben dem einzelwirtschaftlichen Vorteil für Unternehmen und Arbeitnehmer bieten Pensionsfonds jedoch auch erhebliche gesamtwirtschaftliche Vorteile durch eine Nutzung der Allokationsfunktion des Kapitalmarktes, die durch eine Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung über externe Versorgungsträger die Gefahr einer ineffizienten Mittelverwendung verringert123. Diese Effizienz der Kapitalallokation könnte beispielsweise im Rahmen der Gründungsfinanzierung genutzt werden, denn Pensionsfonds stellen wie bereits erwähnt aufgrund ihrer langfristigen sowie gleichmäßigen Kapitalakkumulation ideale Venture-CapitalGeber dar. Vor diesem Hintergrund könnten Veränderungen der Umfeldbedin­ gungen für Pensionskassen dazu führen, das (Kapital-)Potential von Pensions­ fonds für die Frühphasenfinanzierung von Existenzgründungen entsprechend zu mobilisieren. Hierzu gehören neben Modifikationen im Bereich der steuerlichen Behandlung insbesondere regulatorische und rechtliche Veränderungen, die ein „level playing field“ schaffen, das die Entscheidung der Unternehmen für externe Pensionsfonds nicht erschwert. Auf wesentliche notwendige Veränderungen der nationalen Rahmenbedingungen für Pensionsfonds soll daher in den folgenden Abschnitten vertiefend eingegangen werden.

122 Zu diesen Kapitalmarktbedingungen gehört u.a. die bedeutend höhere Bereitschaft der Anleger, finanzielle Mittel in Aktien zu investieren. So belief sich beispielsweise die Aktienquote am Portfolio britischer Pensionsfonds auf 79% (Stand 1992), die US-amerikanischer Pensionsfonds auf 46% (Stand 1991) und in den Niederlanden lag die Quote 1992 noch bei knapp 20%. Dem­ gegenüber wiesen deutsche Pensionskassen selbst 1994 noch einen Aktienanteil am Fondsvermögen von lediglich 8,7% auf, obwohl trotz der geltenden Anlagevorschriften ein Anteil von maximal 30% möglich gewesen wäre. Zu den Zahlen vgl. SPENGEL, CHR./SCHMIDT, F. (Be­ triebliche Altersversorgung 1997), S. 209f. 123 Vgl. DAI (Betriebliche Altersvorsorge 1996), S. 2.

250

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

III.

Erforderliche Modifikationen der nationalen Strukturen zur Mobilisierung des Kapital­ potentials von Pensionsfonds

1.

Veränderungen der steuerlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen

Um ein verstärktes Engagement von Pensionsfonds im Bereich der Gründungsfi­ nanzierung zu realisieren, ist es zunächst erforderlich, die bislang vorhandenen Anlagerestriktionen aufzuheben. Ansatzpunkte hierbei können die Anwendung der „prudent-man-rule“ sowie die Abschaffung von Mindest- und Höchstgrenzen im Rahmen der Kapitalanlage bieten. Bei Lockerung der gesetzlich fixierten Vorschriften führen Pensionskassen zu einer gesamtwirtschaftlich effizienteren Kapitalallokation, denn die Investments fließen dann nicht nur in Staatsanleihen, Immobilien oder Standardaktien. Vielmehr könnte sich als Folge der Aufhebung der Reglementierung der verstärkte Erwerb von Beteiligungen an wachstumsori­ entierten Unternehmen jeder Größenklasse ergeben. Im Rahmen der „prudentman-rule“ sind Pensionskassen jedoch ebenfalls zu einer breit diversifizierten Anlage ihrer Mittel verpflichtet und tragen somit dem bereits angesprochenen Postulat der Mischung und Streuung Rechnung. Durch die Aufhebung der Ober­ grenzen für einzelne Investments in Analogie zu den internationalen Regelungen ergibt sich für Pensionskassen zudem die Möglichkeit, neben einem ausgeprägte­ ren Aktienengagement verstärkt Beteiligungen an nicht börsennotierten Unter­ nehmen einzugehen. Vor dem Hintergrund der langfristigen Kapitalanlage kön­ nen aus der Veräußerung der Beteiligung erhebliche Kapitalgewinne erzielt wer­ den, die die Realisierung der Rentabilitätsvorstellungen der Pensionskassen be­ günstigen. Neben dem Renditevorteil und der damit verbundenen Sicherung der zu zahlenden Renten ermöglichen liberale Anlagevorschriften aber auch die Er­ füllung der Funktion der Risikotransformation durch die Pensionskassen. Hierzu sei nochmals auf die Bedeutung der Pensionsfonds auf dem Kapitalmarkt in den USA hingewiesen. Obwohl US-amerikanische Pensionsfonds normalerweise lediglich 1% ihrer Mittel für Venture-Capital-Beteiligungen zur Verfügung stel­ len, sind diese Investoren die bedeutendste Gruppe in diesem Marktsegment124. Neben den regulatorischen Veränderungen besteht des weiteren ein Handlungs­ bedarf im Bereich der steuerlichen Behandlung deutscher Pensionskassen. Um die hierfür notwendigen Modifikationen abzuleiten, soll zusammenfassend zu­ nächst der steuerliche Ablauf der betrieblichen Altersversorgung nochmals kurz 124

Vgl. WEICHERT, R. (Pensionskassen 1988), S. 508.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

251

skizziert werden. Die Beiträge des Arbeitgebers an eine Pensionskasse sind gene­ rell als Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn die Zuwendungen in der Höhe erfol­ gen, wie sie sich aus der von der Aufsichtsbehörde genehmigten Satzung resp. dem Geschäftsplan ergibt. Auf Seiten des Arbeitnehmers stellen die geleisteten Beiträge jedoch bereits während der Anwartschaftsphase einen lohnsteuerpflich­ tigen Anteil des Arbeitsentgeltes dar, der jedoch über eine Pauschalbesteuerung von derzeit 20% bis zu einem jährlichen Arbeitgeberbeitrag von max. 3.408 DM steuerlich begünstigt wird. Eigene Beiträge der Arbeitnehmer haben aus dem zu versteuernden Einkommen zu erfolgen, wobei allerdings der steuerlichen Ab­ zugsfähigkeit als Versorgungsaufwendungen wegen der steigenden Sozialabga­ benlast eine immer geringere Bedeutung zukommt. Während der Leistungsphase unterliegt lediglich der Ertragsanteil der über einen Pensionsfonds bezogenen Betriebsrente der persönlichen Steuerpflicht, die gern. § 22 EStG bei einem Rentenbeginn im Alter von 65 Jahren 27% beträgt125. Die beschriebene nationale Steuerpraxis steht jedoch im Gegensatz zum interna­ tionalen Usus, wonach in der Anwartschaftsphase Beiträge an die Pensionsfonds keinem Steuerzugriff unterliegen. Vor diesem Hintergrund erscheint es ratsam, auch in Deutschland die während der Anwartschaftsfinanzierung in die Pensions­ fonds eingezahlten Beiträge nicht der persönlichen Einkommensteuerpflicht des zu einem späteren Zeitpunkt begünstigten Arbeitnehmers zu unterwerfen, son­ dern diese Zahlungen vielmehr einer nachgelagerten Besteuerung zu unterzie­ hen126. Um die im internationalen Vergleich steuerlich bewirkte Verteuerung der Anwartschaftsfinanzierung bei Pensionskassen zu minimieren, wurde hierzu das Modell der rückgedeckten Unterstützungskasse entwickelt127. Hierbei kommt als externer Träger eine Unterstützungskasse zum Einsatz, die mit einer Pensions­ kasse einen Versicherungsvertrag abschließt, die Beiträge einbezahlt und die späteren Leistungszahlungen erhält. Die Zuwendungen an die Unterstützungskas­ se sind dabei in voller Höhe vom Arbeitgeber steuerlich als Betriebsausgaben absetzbar, unterliegen im Gegensatz zu den Pensionskassen jedoch keiner Lohn­ steuerpflicht beim Arbeitnehmer. Allerdings können private Zuwendungen durch den Arbeitnehmer wie bei der „einfachen“ Unterstützungskasse nicht erbracht werden, d.h. eine Einbindung des Arbeitnehmers in die Vorausfinanzierung ist nicht möglich. Die Konstruktion der rückgedeckten Unterstützungskasse ermög­ licht zwar die volle Ausfinanzierung der Rentenansprüche und gewährleistet zudem die Vermeidung einer Besteuerung während der Anwartschaftsphase, 125 Vgl. Hühn, H./Galinat, W. (Altersversorgung 1 1995), S. 800. 126 Zu einer ausführlichen Begründung dieser Gesetzesänderung vgl. GDV (Zukunftsmodell 1998), S. 30f. 127 Vgl. NÜRK, B./Schrader, A. (Pensionsrückstellung 1995), S. 21.

252

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

stellt jedoch lediglich eine Annäherung an die Pensionsfonds angelsächsischer Prägung dar. Zudem ist dieses Modell nur über eine komplizierte, indirekte Ver­ knüpfung von Unterstützungs- und Pensionskasse zu etablieren und bietet daher keine einfache bzw. transparente Lösung. Aus diesem Grund wurden weiterführende Modelle zur effizienten Umsetzung der betrieblichen Altersversorgung über Pensionsfonds erarbeitet, deren wesent­ liche Spezifika im nachfolgenden Abschnitt skizziert und analysiert werden sol­ len.

2.

Durchführungsalternativen auf Basis der geforderten Modifikationen

Insbesondere die Forderung nach einer steuerlichen Gleichbehandlung der diver­ sen Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung, dem sog. level playing field, führte in jüngster Vergangenheit vermehrt zu Vorschlägen, die die Umsetzung wesentlicher Merkmale von Pensionsfonds angelsächsischer Prägung beinhalten. Zu nennen sind hierbei vor allem Ansätze des Bundesverbands deut­ schen Banken sowie des Arbeitskreises „Betriebliche Pensionsfonds“ beim Bun­ desministerium der Finanzen. Auf Initiative des Bundesverbands deutscher Banken (BVB) entstanden mit dem leistungsbezogenen und dem beitragsbezogenen Betriebs-Pensions-Fonds zwei Varianten der betrieblichen Altersversorgung, die gegenüber den herkömmlichen Pensions- und Unterstützungskassen eine größere Flexibilität bei ihrer Anlage­ politik aufweisen, ohne jedoch den Sicherheitsaspekt der Kapitalanlage zu ver­ nachlässigen128. In beiden Fällen schließt der Arbeitgeber einen Grundvertrag mit einer Kapitalanlagegesellschaft ab, in der Form und Zusammensetzung der Ver­ mögensanlagen fixiert werden. Durch das integrierte professionelle FondsManagement können höhere Renditen erwirtschaftet werden, als dies dem Ar­ beitgeber bei Bildung einer Pensionsrückstellung und ihrer Verwendung für un­ ternehmensinterne Investitionen möglich wäre. Ein weiterer wesentlicher Vorteil der beiden Varianten besteht in ihrer generellen Einsatzmöglichkeit, d.h. auch kleinere Unternehmen können sich zusammenschließen, um gemeinsam einen solchen Fonds aufzulegen. Das Konzept des Betriebs-Pensions-Fonds als Son­ dervermögen nach dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften setzt dabei vor­ aus, daß die Begünstigten bis zum Eintritt des Versorgungsfalls auf die Inan­ spruchnahme ihrer Rechte verzichten. Für die begünstigten Arbeitnehmer wird Zur Beschreibung dieser beiden Typen vgl. Weber, M. (Betriebs-Pensions-Fonds 1998), S. 340ff.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

253

ein Treuhänder bestellt, der bestimmte Gläubigerrechte ausübt. Er verwaltet die mit den Einlagen des Arbeitgebers erworbenen Anteilscheine und stellt das hier­ zu erforderliche Know-how zur Verfügung. Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, empfiehlt der BVB als Treuhänder in erster Linie Kreditinstitute, Versi­ cherer oder andere Finanzdienstleistungsunternehmen. Grundmerkmal des leistungsbezogenen Fonds ist der defined benefit, d.h. die Zusage der späteren Leistungshöhe. Die Höhe der Beiträge hat sich daher an dem zugesagten Ergebnis zu orientieren. Die laufenden Beiträge des Arbeitgebers korrelieren dabei negativ mit den vom Fonds-Management erzielten Erträgen, d.h. je höher der erwirtschaftete Ertrag des Fonds ausfällt, desto geringer gestal­ ten sich die laufenden Beiträge des Arbeitgebers. Die Erträge und die Wertsteige­ rungen der Fondsanlagen gehen dabei in voller Höhe in das Versorgungskapital ein, wobei während der Ansparphase keine Steuern anfallen. Vielmehr tritt die Steuerpflicht erst in der Auszahlungsphase ein. Bei sämtlichen Auszahlungen (Einmal-, Raten- oder Rentenzahlung) wird zunächst ein Abschlag auf die Kapi­ talertragsteuer in Höhe von 25% einbehalten, die der Empfänger bei seiner indi­ viduellen Einkommensteuer im Rahmen der ermittelten Einkünfte aus Kapital­ vermögen in Abzug bringen kann. Als Alternative zum leistungsbezogenen Fonds kann der beitragsbezogene Be­ triebs-Pensions-Fonds zum Einsatz kommen, der auf dem Prinzip der defined contribution basiert. Hierbei sagt der Arbeitgeber nicht die Höhe der zu erbrin­ genden Leistungen zu, sondern fixiert die laufend zu entrichtenden Beiträge. Durch diese Konstruktion ergibt sich für den Arbeitgeber der Vorteil einer Kal­ kulationssicherheit bezüglich seiner Beiträge, allerdings kann keine verbindliche Zusage über die spätere Höhe der Versorgungsleistungen getroffen werden. Im Unterschied zum leistungsbezogenen Fonds ist es bei der beitragsbezogenen Gestaltungsvariante jedoch möglich, durch die Einzeldepots der Arbeitnehmer spezielle , auf ihre jeweiligen Risikopräferenzen zugeschnittene Fonds aufzule­ gen.

Die Vorschläge unterscheiden auf den ersten Blick zwar nicht von der aktuell möglichen Umsetzungsalternative der Unterstützungskasse. Allerdings zeigt deren geringe quantitative Bedeutung, daß diese Form der externen Alterssiche­ rung nur sehr eingeschränkt zum Einsatz kommt. Als Erklärung kann hierbei der Sachverhalt dienen, daß Zuwendungen an Unterstützungskassen vor Eintritt des Versorgungsfalles nur solange steuerlich anerkannt werden, bis ein Kassenver­ mögen von zwei Jahresrenten pro Leistungsanwärter erreicht ist. Die volle An­

254

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

Sammlung der im Leistungsfall notwendigen Mittel ist damit i.d.R. nicht zu errei­ chen129. Parallel zu den Vorschlägen des BVB entwickelte der Arbeitskreis „Betriebliche Pensionsfonds“ im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen einen sog. anlageorientierten Pensionsfonds130, dessen Aufgabe hinsichtlich der übertrage­ nen Mittel ausschließlich in der zweckgebundenen Verwaltung liegt. Dabei han­ delt es sich bei dem anlageorientierten Pensionsfonds um ein rein beitragsbezo­ genes System, d.h. die Verpflichtung des Arbeitgebers liegt in der Zahlung eines zugesagten Beitrages. Im Hinblick auf die konkreten Leistungen im Versorgungs­ fall übernimmt der Arbeitgeber keine Verpflichtungen, er haftet jedoch für die Absicherung biometrischer Risiken und für die Auszahlung einer Mindestgaran­ tie in Höhe der Nominalbeiträge im vertraglich vereinbarten Versorgungsfall. Die anlageorientierten Pensionsfonds weisen in ihren Strukturmerkmalen starke Ähnlichkeiten mit dem beitragsbezogenen Ansatz des BVB auf und werden als selbständige Versorgungseinrichtungen geführt. Dabei kann der anlageorientierte Pensionsfonds organisatorisch-technische Aufgaben outsourcen, wobei als An­ bieter solcher Dienstleistungen z.B. Banken, Versicherungen oder Kapitalanlage­ gesellschaften zum Einsatz kommen können. Die Kapitalanlage des Fonds richtet sich dabei ausschließlich nach den zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ge­ troffenen Vereinbarungen, wobei allerdings eine Streuung im Hinblick auf Emittent/Schuldner und eine internationale Diversifikation vorgesehen werden sollte. In Analogie zu den Regelungen der Unterstützungskasse können die Arbeitneh­ mer keinen Rechtsanspruch gegen den Fonds erwerben. Aus Sicht der Arbeit­ nehmer weisen diese anlageorientierten Fonds zunächst steuerliche Vorteile auf, da aufgrund des fehlenden direkten Mittelzuflusses an den Arbeitnehmer eine nachgelagerte Besteuerung erfolgt. Gleichzeitig ergeben sich die individuelle Vertragsgestaltung für den Arbeitnehmer attraktive Leistungen in Form hoher Renditechancen am Kapitalmarkt. Für den Arbeitgeber bietet der anlageorien­ tierte Fonds zudem den Vorteil, daß die geleisteten Beiträge in voller Höhe als Betriebsausgaben in Abzug gebracht werden können. Durch die Anlagemöglich­ keiten kommt es zudem zu einer Reduzierung des Anlagerisikos, da die Fonds eine breite Streuung ihrer Kapitalbeträge ermöglichen, wohingegen Pensions­ rückstellungen sich auf ein einzelnes Unternehmen konzentrieren.



Vgl. BMF (Betriebliche Pensionsfonds 1998), S. 14. Zu den Wesensmerkmalen und der Beurteilung anlageorientierter Pensionsfonds vgl. BMF (Betriebliche Pensionsfonds 1998), S. 34ff.; Birk, D./Wernsmann, R. (Altersversorgung 1999), S. 168ff.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

255

Trotz dieser allgemeinen Diskussion um die betriebliche Altersversorgung und die vielfältigen Reformvorschläge unterschiedlicher Gruppierungen bleibt für das System der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland zu konstatieren, daß die herkömmlichen Durchführungsalternativen nach wie vor den wesentlichen Anteil an der BAV auf sich vereinigen. Zwar hat die Deutsche Shell AG als eines der ersten Unternehmen in Deutschland 1997 einen betrieblichen Pensionsfonds gegründet, der die Anerkennung nach US-amerikanischen Bilanzierungsregeln findet, allerdings wurde hierdurch die deutsche handels- und steuerbilanzielle Behandlung der Pensionsverpflichtungen nicht verändert131.

3.

Auswirkungen der Einführung von Pensionsfonds auf die Gründungsfinanzierung

Nachdem bislang erforderliche Modifikationen der nationalen Rahmenbedingun­ gen für Pensionskassen dargestellt sowie unterschiedliche Gestaltungsvarianten für die Einführung von Pensionsfonds angelsächsischer Prägung beschrieben wurden, sollen in diesem Abschnitt zusammenfassend die wesentlichen Zusam­ menhänge zwischen der betrieblichen Altersversorgung, und hier im speziellen von Pensionsfonds, und der Finanzierung von Existenzgründungen dargestellt werden. Eine (weitreichende) Umstellung der betrieblichen Altersversorgung von der Direktzusage auf eine externe Kapitalansammlung in Pensionsfonds würde nicht nur dem deutschen Finanzplatz bedeutende Impulse verleihen, vielmehr könnten durch Pensionsfonds auch hohe Kapitalbeträge für Investitionen in Risikokapital aufgebracht werden, die zu einer Verbesserung der Eigenkapitalstruktur von kleinen und mittleren Unternehmen einschließlich Existenzgründern führen wür­ den132. Wenn es zur Zulassung von Pensionsfonds nach angelsächsischem Vor­ bild in Deutschland kommt und diese durch geringe Anlagerestriktionen die Möglichkeiten besitzen, in Venture-Capital-Gesellschaften zu investieren, dürften „davon vor allem jene High-Potentials profitieren, die zur Zeit noch vielfach in die USA abwandern“133. Zu dieser Einschätzung gelangt auch der Arbeitskreis „Betriebliche Pensionsfonds“, der durch die Einführung des anlageorientierten Pensionsfonds eine bedeutende Entwicklung des nationalen Venture-CapitalMarktes prognostiziert134. Legt man die Summe der 1996 über die Betriebliche Altersversorgung von rund 500 Mrd. DM einer Rechnung zugrunde und unter­ 131 132 133 134

Vgl. STÖHR, J.-P. (Betrieblicher Pensionsfonds 1998), S. 2233. Vgl. SPENGEL, CHR./SCHMIDT, F. (Betriebliche Altersversorgung 1997), S. 242. ROSEN, R. VON (Bündnis 1998), S. 24. Vgl. BMF (Betriebliche Pensionsfonds 1998), S. 44.

256

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

stellt man weiterhin, daß lediglich die Hälfte dieser Mittel in die neuen Fonds überführt würde, so stünde diesen ein Volumen von rund 250 Mrd. DM zur Ver­ fügung. Bei einer Anlage von - korrespondierend zur US-amerikanischen Quote des Fondsinvestitionen - lediglich 2% des Kapitals in Venture Capital würde sich somit ein Volumen von 5 Mrd. DM für die Wagniskapitalfinanzierung ergeben. Bei einem unterstellten konstanten Investitionsanteil im Early-Stage-Financing von knapp 10%135, könnte somit ein Betrag von 500 Mio. DM für die Wagnisfi­ nanzierung von Existenzgründungen mobilisiert werden und die Versorgung der Gründungsprojekte mit Eigenkapital erheblich verbessern. Gleichzeitig gilt allerdings zu berücksichtigen, daß bei der Finanzierung junger Technologieunternehmen vergleichsweise attraktive Ertragschancen136 mit z.T. erheblich höheren Verlustrisiken verbunden sind. Da die zu investierenden Be­ träge jedoch aus angesammelten Versorgungsmitteln für zukünftige Auszahlung­ verpflichtungen der Fonds an die Pensionäre stehen, wird ein rationaler Kapital­ geber bei risikobehafteten Investitionen deshalb stets darauf achten, daß der Anteil riskanter Engagements am Gesamtvolumen der investierten Mittel ein an seiner individuellen Risikopräferenz ausgerichtetes Maß nicht übersteigt. Aus diesem Grund wird der zur Finanzierung von Existenzgründungen verfügbare Kapitalbetrag umso größer sein, je höher das von jedem einzelnen Entschei­ dungsträger zu verwaltende Versorgungskapital ausfällt. Somit erhöhen sich die Chancen einer weitreichenden Kapitalversorgung von Entrepreneurfirmen, je mehr Einzelbeträge akquiriert werden können, was gleichzeitig im betrachteten Fall durch die Anzahl existenter Pensionsfonds determiniert wird.

Vorteilhaft erscheint auch der regelmäßig längerfristige Anlagehorizont eines Pensionsfonds, wodurch über viele Perioden auf das in einem solchen Fonds investierte Kapital nicht oder nur in geringerem Umfang zurückgegriffen werden muß. Aus diesem Grund ergeben sich für die finanzierten Unternehmen die Vor­ teile, daß sie i.d.R. mit einer anhaltenden Finanzierungssumme rechnen können, die zudem die Planungssicherheit sowie den Ausgleich von typischerweise bei Entrepreneurfirmen auftretenden Anfangsverlusten garantiert. Die zukünftig steigende Bedeutung institutioneller Anleger trägt auch wesentlich zum Abbau der Informationsasymmetrien zwischen Kapitalgeber und -nachfrager bei. Grundsätzlich ist die Überwachung kleinerer Unternehmen kost135

Zu diesem Anteil des Frühphasen-Financing an den Finanzierungsanlässen vgl. Abbildung 41 im zweiten Teil der Arbeit. Zu den z.T. exorbitanten Ertragschancen von Gründungsuntemehmen vgl. das bereits im 2. Teil Abschnitt C.III.3. angesprochene Beispiel der Digital Equipment Corp. Ähnliche Fälle lassen sich in jüngster Vergangenheit z.T. auch in Deutschland mit der neu eingeführten Exitaltemative des Neuen Marktes in Frankfurt am Main konstatieren.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

257

spielig und das Risiko durch fehlende interne Diversifikation hoch. Somit verlan­ gen die Anteilseigner höhere Renditen, d.h. die Eigenkapitalkosten kleinerer Unternehmen sind höher als die großer Unternehmen. Institutionelle Investoren können jedoch mit ihrem spezifischen Know-how eine kontinuierliche Unter­ nehmensbewertung und -analyse wesentlich kostengünstiger betreiben, als dies einzelnen Anlegern möglich ist. Somit können sich aus einem verstärkten Enga­ gement institutioneller Anleger sowohl für Privatanleger als auch für die Grün­ dungsunternehmen Synergieeffekte einstellen. Für die privaten Risikokapitalge­ ber ergeben sich diese Synergien aus der Möglichkeit, entsprechendes Resear­ chmaterial nutzen zu können. Für die Existenzgründer eröffnet sich durch das Engagement der Pensionsfonds die Chance, zusätzliche Kapitalgeber und somit weitere Finanzmittel zu akquirieren. Unterstützende Funktionen bei den Unter­ nehmensbewertungen bzw. Unternehmensanalysen können die bereits an früherer Stelle ausführlich erläuterten Netzwerke und Gründungsbörsensegmente über­ nehmen. Durch den Abbau auftretender Informationsasymmetrien erfüllen diese Institutionen eine ihrer originären Aufgaben und reduzieren gleichzeitig die auf­ tretenden Informations- und Suchkosten sowohl für Kapitalgeber, in diesem Falle die Pensionsfonds, als auch für die Kapitalnehmer, d.h. die Existenzgründer bzw. KMUs. Um die Wachstumsfinanzierung von Existenzgründern resp. KMUs durch die Bereitstellung von Risikokapital zu fördern, bietet sich neben der beschriebenen Integration der betrieblichen Altersversorgung über Pensionsfonds angelsächsi­ scher Prägung mit den erforderlichen Modifikationen der existierenden Rahmen­ bedingungen bzw. der Einbindung informeller Kapitalgeber, der sog. Business Angels, zusätzlich als dritte Alternative eine steuerliche Förderung privater Ka­ pitalengagements während der Frühphasenfinanzierung von Existenzgründungen an. Grundlage hierfür können verschiedene, bereits praktizierte „Steuersparmo­ delle“ liefern, deren Charakteristika zunächst in den nachfolgenden Abschnitten beschrieben werden sollen. Anschließend wird eine Übertragung auf den rele­ vanten Fall der Existenzgründungsfinanzierung für den Sektor des informellen Venture Capital abgeleitet.

258

C.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

DIE SCHAFFUNG STEUERLICHER VOR­ TEILE FÜR PRIVATE EIGENKAPITAL­ GEBER

Wie bereits an früherer Stelle erläutert137, besteht für private Kapitalgeber keine Möglichkeit, die aus der Finanzierung von Existenzgründungen resultierenden Aufwendungen steuerlich geltend zu machen. Allerdings können z.B. in Öster­ reich oder in Großbritannien private Venture-Capital-Geber ihr Finanzengage­ ment bis zu einer bestimmten Höchstgrenze bei der Einkommensermittlung in Abzug bringen und somit ihre individuelle Steuerbelastung vermindern 138. Unter Berücksichtigung der Kapitalvolumina, die in Deutschland in steuerspa­ rende Geldanlagen fließen139, stellt sich die Frage, ob auch die private Frühpha­ senfinanzierung von Existenzgründungen mit entsprechenden Steuervergünsti­ gungen ausgestattet werden sollte, um dadurch auf indirektem Weg Kapital für die Gründungsfinanzierung zu mobilisieren. Aus diesem Grund sollen diverse Steuersparmodelle mit der Strategie der Steuerersparnis durch die Erzielung negativer Einkünfte kurz skizziert und mit ihren wesentlichen Inhalten auf die private Gründungsfinanzierung übertragen werden.

137 Vgl. 2. Teil, Abschnitt C.III.3. dieser Arbeit. Vgl. GRISEBACH, R. (Innovationsfinanzierung 1989), S. 80. In ähnlicher Weise werden in Kana­ da für Kapitalanlagen in die hybriden staatlichen/privaten Labour-sponsored Venture Capital Corporations Steueranreize gewährt, indem Anleger für Investitionen auf Beträge bis maximal 3.500 CanD mit einer Laufzeit von 8 Jahren eine Steuermäßigung von 15% auf Bundessteuem erhalten. Zusätzlich wird von einigen Regionen eine Steuerermäßigung von weiteren 15% ge­ währt. Durch diese finanziellen Anreize soll die Investitionstätigkeit in Kleinuntemehmen resp. Venture-Capital-Fonds gefördert werden. Die Attraktivität dieses Programms spiegelt sich in der Größe der insgesamt 18 Fonds wider, die Ende 1995 mit einem Volumen von 6 Mrd. CanD knapp 49% des gesamten kanadischen Venture Capitals verwalteten. Vgl. O'Shea, M. (Unter­ stützung 1998), S. 231. 139 So flossen 1995 rund 28 Mrd. DM und 1996 sogar 41 Mrd. DM in Steuersparanlagen. Im Jahr 1997 betrug das Investitionsvolumen 44 Mrd. DM. Vgl. KAPFERER, H. (Steuersparmodelle 1998), S. 14.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

I.

Arten und Wirkungsweise bestehender Steuersparmodelle

1.

Bauherrenmodell

259

Die Anlageform „Bauherrenmodell“140 entstand als steuerbegünstigte Kapitalanläge im Immobiliensektor Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre als Folge der Entwicklung im Steuerrecht und der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, die nach der Überwindung der Rezession von 1966/1967 durch einen anschließenden Investmentboom gekennzeichnet war141. Durch das 2. Steueränderungsgesetz (StÄndG) von 1971 wurden die Möglichkeiten steuerlich geförderter Kapitalan­ lagen stark eingeschränkt, gleichzeitig führte eine wachsende Inflationsangst zu einer Flucht in Immobilien, die sich in ausgewählter Lage als wertbeständige Anlageform erwiesen142. Vor diesem Hintergrund boten diverse Gesellschaften den Erwerb von Eigentumswohnungen mit Verlustzuweisung über verschieden­ artige Konzeptionsmodelle mit unterschiedlichen Namen an, die sich allerdings einander anglichen und unter dem Namen „Kölner Modell“143 zusammengefaßt wurden. In ganz allgemeiner Form ist unter dem Bauherrenmodell ein Konzept zur steuerbegünstigten Erstellung von Immobilieneigentum durch die Schaffung einkommensmindernder Buchverluste zu verstehen. Dabei können die dem Bau­ herren zuzurechnenden Aufwendungen während der Bauphase teilweise sofort als Werbungskosten geltend gemacht werden, wodurch sich je nach persönlicher Einkommensteuerbelastung große Teile des Eigenkapitals durch Steuervorteile finanzieren lassen. Basierend auf diesem Grundgedanken können in Abhängig­ keit von der genauen Ausgestaltung des Immobilienobjektes bzw. der Stellung des Bauherren mit Erwerber-, Bauträger- und Altbausanierungsmodellen unter­ schiedliche Varianten differenziert werden144. Unabhängig von der genauen Ausgestaltung liegt das Ziel des Bauherrenmodells darin, dem einzelnen Investor als Bauherr ohne Beteiligung an einem gewerbli­ 140 Der Oberbegriff „Bauherrenmodell“ soll die Charakteristika dieser Anlageform zum Ausdruck bringen und subsumiert sämtliche Modellvarianten, die den Kapitalanleger zum ertragsteuerli­ chen Bauherren konstruieren. Der Begriff „Modell“ bringt dabei zum Ausdruck, daß kein ein­ heitlicher Erwerbsvertrag, sondern eine Mehrzahl von Verträgen, die ineinander verzahnt und aufeinander abgestimmt sind, abgeschlossen werden. Vgl. REITHMANN, Chr. (Bauherrenmodell 1984), S. 681; SCHMIDT-LIEBIG, A. (Bauherrenmodell 1984), S. 213 141 Vgl. PRESSLER, C.-M. (Bauherrenmodell 1990), S. 5. 142 Vgl. Angersbach, U. (Bauherrenmodell 1980), S. 6f. 143 Der Name geht auf eine Kölner Expertengruppe zurück, die diese steuerbegünstigte Anlageform in dem genannten Zeitraum entwickelte. 144 Zur Beschreibung der verschiedenen Ausgestaltungsvarianten vgl. beispielsweise CONRADS, M. (Bauherrenmodell 1984), S. 14.

260

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

chen Unternehmen jene Steuervorteile zu erschließen, wie sie im allgemeinen nur Großbauherren möglich sind145. Das Bauherrenmodell als steuerbegünstigte Ka­ pitalanlageform beruht dabei im wesentlichen auf einer systematischen Auftei­ lung der Gesamtkosten der Immobilienobjekte in Herstellkosten sowie sofort abzugsfähige Werbungskosten146 und führt im wesentlichen zu Steuervorteilen im Bereich der Einkommensteuer147.

Dazu werden im Bauherrenmodell die diversen Planungs- resp. Bauaufgaben unter der Wahrnehmung der steuerlichen Gestaltungsvorteile zur Entlastung des Bauherren auf unterschiedliche Leistungsträger aufgeteilt. Ausgangspunkt des gesamten Bauherrenmodells ist der sog. Initiator, der sich die Zugriffsmöglich­ keit auf ein baureifes Grundstück durch die Einräumung eines Benennungsrech­ tes beschafft148. Des weiteren führt der Initiator die als Bauherren interessierten Investoren zusammen, die sich zum Zwecke der Erlangung der Bauherreneigen­ schaft zu einer Bauherrengemeinschaft i.d.R. in Form einer BGB-Gesellschaft149, zusammenschließen. Als Fachmann für die Bewältigung der mit dem gesamten Bauprojekt verbundenen Tätigkeiten beauftragt die Bauherrengemeinschaft i.d.R. einen unabhängigen Treuhänder, der als primärer Vertragspartner der Bauherren in Erscheinung tritt150. Auf Basis einer von den Bauherren ausgestellten General­ vollmacht in Form eines GeschäftsbesorgungsVertrages mit Dienstleistungscha­ rakter im Sinne der §§ 675, 611 BGB151 vertritt der Treuhänder die Interessen

145 Vgl. FtHL, N. (Bauherrenmodell 1986), S. 117. 146 Vgl. DUFFNER, P./KECK, J. (Vorteilhaftigkeit 1979), S. 16. 147 Neben der Einkommensteuer lassen sich durch das Bauherrenmodell weitere Steuervorteile im Bereich der Grunderwerbsteuer (vgl. DESCHLER, U. (Bauherrenmodell II 1983), S. 2544ff.) so­ wie der Mehrwertsteuer erzielen. Da allerdings die Grunderwerbsteuer für die weiteren Ausfüh­ rungen und die Übertragung des Grundgedankens des Bauherrenmodells auf die steuerliche Be­ handlung privater Eigenkapitalengagements im Bereich der Existenzgründungen keine Relevanz besitzt und die Möglichkeit der Mehrwertsteueroption durch den Gesetzgeber zum 31.3.1985 abgeschafft wurde (vgl. ZlTZELSBERGER, H. (Bauherrenmodell 1985), S. 63), soll auf eine Be­ handlung der Auswirkungen des Bauherrenmodells im Rahmen dieser beiden Steuerarten ver­ zichtet werden. 148 Zur genauen Beschreibung der Initiatoren vgl. DESCHLER, U. (Bauherrenmodell I 1983), S. 2494. 149 Schließen sich die Bauherren zu einer Innengesellschaft in der Form der BGB-Gesellschaft zusammen, liegt die Gestaltungsvariante des bereits erwähnten „Kölner Modells“ vor. Gründen die Kapitalanleger demgegenüber eine Außengesellschaft in Form einer vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaft, so handelt es sich um das sog. „Hamburger Modell“. Vgl. GOLDBECK, W./UHDE, W. (Bauherrenmodell 1984), S. 21f.; STUHRMANN, G. (Bauherrengemeinschaften 1977), S. 359. 150 Vgl. Brych, F. (Bauherrenmodell 1981), S. 251. 151 Vgl. BRYCH, E/Pause, H.-E. (Bauträgerkauf 1996), S. 268.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

261

jedes einzelnen Bauherren und übernimmt somit sämtliche Geschäftsbesorgungen zur Realisierung des Bauvorhabens, die sonst dem Bauherren obliegen152. Um die mit der Herstellung von Wohneigentum verbundenen Steuervorteile in Anspruch nehmen zu können, ist es für den Investor allerdings notwendig, steuer­ rechtlich als Bauherr qualifiziert zu werden153. Grundvoraussetzung für die steu­ erliche Gestaltung einer Bauherreneigenschaft ist zunächst, daß das erstellte Wohnungseigentum nicht eigengenutzt, sondern fremdvermietet wird, und daß der Investor selbst Bauherr im Sinne des Steuerrechts ist154. Als Bauherr im Sinne der BFH-Rechtssprechung155 ist dabei derjenige anzusehen, der auf eigene Rech­ nung und Gefahr ein Gebäude baut oder bauen läßt und das Baugeschehen be­ herrscht. Dabei hat der Bauherr das umfassend zu verstehende Bauherrenwagnis, d.h. wirtschaftlich das für die Durchführung des Bauvorhabens auf seinem Grundstück typische Risiko, zu tragen156. Unter dem Bauherrenwagnis subsu­ miert das BMF dabei das eigentliche Baurisiko, z.B. die Gefahr des zufälligen Untergangs, das Baukostenrisiko, z.B. die Gefahr des Anstiegs der Baupreise, sowie das Finanzierungs- bzw. Zahlungsrisiko, das unmittelbare Rechtsbeziehun­ gen zu den bauausführenden Unternehmen voraussetzt157. Neben dem Bauherrenwagnis erfordert die steuerrechtliche Anerkennung der Bauherreneigenschaft als weiteres konstitutives Element die Möglichkeit der Entfaltung der Bauherreninitiative. Diese setzt voraus, daß der Investor die Pla­ nung und Ausführung des Bauvorhabens rechtlich (Vertragsgestaltung) und tat­ sächlich (Durchführung) in der Hand hat. Die Erlangung der Bauherreneigen­ schaft ist demnach nur bei sog. eigeninitiierten Bauherrenmodellen möglich, bei denen eine kleine Gruppe von Personen, die durch persönliche Beziehungen miteinander verbunden sind, von sich aus, also „eigeninitiativ“, tätig wird und ein Gebäude plant und errichtet. Dies ist nach Auffassung des BMF nicht der Fall, wenn eine Vielzahl von Wohnungen oder gleichgestalteten Wohngebäuden nach einem bereits bei Beitritt des einzelnen Anlegers ausgearbeiteten Vertragswerk errichtet wird und der einzelne Investor demzufolge weder die Vertragsgestaltung

152 Vgl. SCHREIBER, H. (Möglichkeiten 1980), S. lOf. Zu einer ausführlichen Beschreibung der Tätigkeiten der einzelnen Leistungsträger vgl. GOLDBECK, W./UHDE, W. (Bauherrenmodell 1984), S. 25ff. 153 Vgl. BMF-Schreiben IV B 3 - S 2253a-49/90 vom 31.8.1990, S. 366f. 154 Vgl. Böttcher-Beinert-Hennerkes (Eigentumswohnungen 1972), S. 550. 155 Zur BFH-Rechtsprechung vgl. BFH-Urteil VIII R 149/75 vom 22.4.1980 sowie BMF-Schreiben IV B 3 - S 2253a - 49/90 vom 31.8.1990 ( „Vierter Bauherrenerlaß“). 156 Zu einer weiterführenden Darstellung der Risiken bei der Beteiligung an Bauherrenmodellen vgl. Hein, R. (Kapitalanlagen 1980), S. 158f. 157 Vgl. DORNBUSCH, H.-L. (Vorsicht 1992), S. 717; GÖRLICH, W. (Bauherrenbegriff 1981), S. 1451.

262

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

noch die Vertragsdurchführung wesentlich beeinflussen kann. Vielmehr müssen beim Zusammenschluß mehrerer Bauherren zu einer Bauherrengemeinschaft die Beteiligten selbst im Wege der Arbeitsteilung oder durch unselbständige Arbeits­ kräfte das Baugeschehen beherrschen. Wenn allerdings der Initiator kein fertig geplantes Gebäude und zwingend in Anspruch zu nehmende Leistungen anbietet, sondern abwählbare Leistungen und korrespondierend zum „blind pool“ eine allgemeine Investition in Wohnimmobilien ermöglicht , dabei aber das konkrete Investitionsobjekt offenläßt, liegt ebenfalls ein Bauherrenmodell vor, bei dem die Investoren als Bauherren zu qualifizieren sind158. Zentrales Element des Bauherrenmodells ist die aus dem Investment resultieren­ de Verlustzuweisung an den Bauherren. Vereinfacht ausgedrückt ist unter diesem Terminus derjenige Betrag zu verstehen, der steuerlich gesehen den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gegenübersteht und von diesen in Abzug ge­ bracht werden kann. Da sich das Immobilienobjekt per Definition jedoch noch im Bau befindet, deswegen noch nicht beziehbar ist und somit noch keine Mietein­ nahmen fließen, entstehen vor Bezugsfertigkeit der Immobilie lediglich Aufwen­ dungen. Diesen stehen zwar (noch) keine Einkünfte aus Vermietung und Ver­ pachtung gegenüber, allerdings können die Verluste mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden159.

Die Verluste werden dadurch erreicht, daß ein Teil des mit dem Bauprojekt ver­ bundenen Aufwands als sofort abzugsfähige Werbungskosten wirksam wird160. Als Werbungskosten definiert in allgemeiner Form § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sämt­ liche Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen, die generell bei der Einkunftsart abzusetzen sind, bei der sie erwachsen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG) und somit Einnahmen aus einer Einkunftsart i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4-7 voraussetzen161. Allerdings können Aufwendungen auch als sog. vor­ weggenommene Werbungskosten anerkannt werden, bevor entsprechende Ein­ nahmen erzielt werden. Voraussetzung hierbei ist allein die Tatsache, daß zwi­ schen den Aufwendungen und den erwarteten späteren Einnahmen ein ausrei­

158 Vgl. Fleischmann, H.G. (Bauherrenmodell 1990), S. 110. 159 Vgl. Brych, F. (Bauherrenmodell 1981), S. 248. Zu den gesamten mit einem Bauherrenmodell verbundenen Aufwendungen vgl. DORNBUSCH, H.-L. (Vorsicht 1992), S. 719; DUFFNER, P./KECK, J. (Vorteilhaftigkeit 1979), S. 16. Zu den Überschußeinkunftsarten (vgl. auch Abbildung 62), bei denen Werbungskosten als abziehbare Aufwendungen in Betracht kommen, zählen die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 resp. § 19 EStG), Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 resp. § 20 EStG), Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 resp. § 21 EStG) sowie die sonstigen Einkünfte i.S.d. § 22 EStG (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG).

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

263

chend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang besteht162. Gleichzeitig müs­ sen Werbungskosten bei der Person entstanden sein, die sie steuerlich geltend machen will. Werbungskosten, die einem Dritten, also beispielsweise beim Im­ mobilienkauf dem Verkäufers oder Bauträger entstanden sind, sog. derivative Werbungskosten, lassen sich nicht steuerrechtlich wirksam auf den Investor, also beispielsweise den Käufer, verlagern. Sie sind diesem vielmehr als Anschaffungs- oder Herstellungskosten zuzurechnen163. Für eine Investition in ein Bau­ herrenmodell ergibt sich damit folgende Situation: Der Anleger möchte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen und kann hierfür bestimmte in der Bauphase entstandene Aufwendungen unter der Voraussetzung der steuerrechtli­ chen Qualifizierung als Bauherr gemäß den an früherer Stelle erläuterten Cha­ rakteristika sofort als Werbungskosten steuerlich berücksichtigen. Die Folge hiervon ist ein Verlust im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpach­ tung, die in der Einkommensteuererklärung mit anderen positiven Einkünften des Investors im entsprechenden Veranlagungszeitraum verrechnet werden können. Hierdurch kommt es zu einer Verminderung des zu versteuernden Einkommens und somit zu einer Senkung der persönlichen Steuerbelastung. Vor diesem Hin­ tergrund ist es also vornehmliches Ziel eines Bauherrenmodells, dem Anleger möglichst hohe und sofort abzugsfähige Werbungskosten zu erschließen, die zu Anfangsverlusten und damit zu einer Senkung der Einkommensteuerlast führen. Voraussetzung für den sofortigen Abzug ist es aber, daß bereits vor Zahlung klare Vereinbarungen über Grund und Höhe der Aufwendungen bestehen, die Vergütung nur bei Inanspruchnahme der Gegenleistung zu zahlen ist, Leistungen und das Entgelt für diese der Realität entsprechen, die Aufwendungen von den übrigen Anschaffungskosten klar abgrenzbar sind und kein Fall der willkürlichen Vorauszahlung gegeben ist164.

Die steuerrechtliche Behandlung der Aufwendungen des Bauherren hängt somit davon ab, durch welche Leistungen des Baubetreuers sie entstanden sind. Dabei ist es für die Anerkennung unerheblich, ob der Baubetreuer sie als Werbungsko­ sten tituliert. Entscheidend ist vielmehr der tatsächliche wirtschaftliche Gehalt der erbrachten Leistung165. In umfassender Form hat dabei der vierte Bauher­ renerlaß die als Werbungskosten anrechenbaren Aufwendungen abschließend aufgezählt. Im einzelnen umfassen diese Zinsen der Zwischen- und Endfinanzie­ rung, Vorauszahlungen für Schuldzinsen, freigestellte ZinszahlungsVerpflichtun­ gen, das Disagio, Notariats- und Grundbuchkosten für die Darlehenssicherung, 102 163 164 165

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

KlöRGMANN, B. (Ratgeber 1998), S. 322. FEHL, N. (Bauherrenmodell 1986), S. 122. BMF-Schreiben IV B 3 - S 2253a - 49/90 vom 31.8.1990, S. 368, Tz. 3.3. Tiedtke, K. (Einkommensteuerrecht 1995), S. 499.

264

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

Gebühren für die Übernahme von Garantien und Bürgschaften, Geldbeschaf­ fungskosten, Beiträge an Sach- und Haftpflichtversicherungen, Finanzierungs­ vermittlungsgebühren, Gebühren für die Leistungen des Treuhänders sowie wirt­ schaftliche Bestandteile der Baubetreuungskosten166. Durch die Anerkennung dieser Abzugspositionen erreicht der an einer Bauher­ rengemeinschaft Beteiligte i.d.R. Steuerersparnisse, die umso höher ausfallen, je niedriger das eingesetzte Eigenkapital im Verhältnis zu den für das eingebrachte Fremdkapital anfallenden Leistungen ist167.

2.

Mobilien-Leasingfonds

Bei dieser Form der steuerbegünstigen Kapitalanlage beteiligen sich Anleger an einer Fondsgesellschaft, die eine (Groß-)Mobilie erwirbt und diese über einen Leasingvertrag vermietet. Als Mobilienobjekte kommen dabei Schiffe, Fracht­ container, Güterwaggons, Züge, Straßenbahnen oder Flugzeuge in Betracht168. Die Finanzierung der Mobilien erfolgt durch das Eigenkapital der Anleger und die Forfaitierung der Leasingraten oder die Aufnahme eines Darlehens, das durch die Leasingraten ganz oder teilweise abgesichert ist. Am Ende der Vertragslauf­ zeit besitzt die Fondsgesellschaft i.d.R. ein Andienungsrecht, über das dem Fonds resp. dem Anleger ein Mindestverkaufserlös der Mobilie gesichert ist.

Aus der Vermietung der Mobilie resultieren zunächst grundsätzlich sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG. Sofern die Fondsgesellschaft keine steuerlichen Verluste erwirtschaftet, ist diese Einkunftsart für den Anleger vorteilhaft, da die Veräußerung des Fondsobjekts in diesem Fall nicht steuerrelevant wird. Fonds, die diese Anlagestrategie wählen, werden daher unter den sonstigen MobilienLeasingfonds subsumiert. Erzielt die Fondsgesellschaft hingegen in der Anfangs­ phase hohe steuerliche Verluste, kann der Anleger diese gern. § 22 Nr. 3 Satz 4 EStG nicht mit anderen Einkünften verrechnen. Aus diesem Grund basieren die meisten Mobilien-Leasingfonds auf einer ge­ werblich geprägten Gesellschaftsform und erzielen somit unabhängig von ihrer Tätigkeit Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die einem gewerblich geprägten Mobi­ lien-Leasingfonds zugrundeliegende Mobilie kann gern. § 7 Abs. 2 EStG degres­ siv abgeschrieben werden. Durch diese Abschreibungen und die sonstigen Be­ triebsausgaben erwirtschaftet die Fondsgesellschaft daher in der Anfangsphase

166 Zu den Inhalten der einzelnen Werbungskostenpositionen vgl. BMF-Schreiben IV B 3 - S 2253a - 49/90 vom 31.8.1990, S. 368, Tz. 3.3. und Tz. 4; DORNBUSCH, H.-L. (Vorsicht 1992), S. 718f. 167 Vgl. BRYCH, F. (Bauherrenmodell 1981), S. 248. 168 Vgl. Gondert, H.-G./Schimmelschmidt, U. (Mobilien-Leasingfonds 1996), S. 1743.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

265

hohe steuerliche Verluste, die dem Anleger zugewiesen werden und somit zu einer Steuerersparnis führen169. Zur Verdeutlichung dieser Sachverhalte sollen mit Schiffs- sowie Flugzeugbeteiligungen zwei ausgewählte Formen der Mobili­ en-Leasingfonds näher beschreiben werden. Im Rahmen einer Schiffsbeteiligung erwerben die Investoren i.d.R. Kommanditi­ stenanteile an einer KG, deren einziger Zweck der Bau oder Erwerb und nachfol­ gend der Betrieb oder die Vercharterung eines Handelsschiffes ist170. Gem. § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe w EStG bestand bei Schiffen die Möglichkeit, im Wirt­ schaftsjahr der Anschaffung eine Sonderabschreibung in Höhe von 40% der Anschaffungs- oder Herstellkosten vorzunehmen, wenn das Schiff innerhalb eines Zeitraumes von acht Jahren nach seiner Anschaffung oder Herstellung nicht veräußert wurde. Für die Sonderabschreibung und die sich anschließende lineare Abschreibung war des weiteren zu berücksichtigen, daß der Schiffbau- oder Schiffkaufvertrag vor dem 25.4.1996 abgeschlossen wurde bzw. die Gesell­ schafter der Schiffahrtgesellschaft vor dem 1.1.1999 beigetreten waren171. Die steuerliche Begünstigung von Schiffsbeteiligungen durch die Gewährung der Sonderabschreibungen lief jedoch Ende 1998 endgültig aus172. Allerdings hatte die Abschaffung der Sonder-Afa nur geringen Einfluß auf die Rentabilität von Schiffsfonds, da bereits in der Vergangenheit die Mehrzahl der Fonds auf die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung und die damit verbundenen Auflagen zugunsten einer degressiven Abschreibung gern. § 7 Abs. 2 EStG verzichtet. Diese degressive Abschreibung darf bei einer betriebsgewöhnlichen Nutzungs­ dauer der Schiffe von 12 Jahren derzeit in Höhe von 25% der Anschaffungsko­ sten bzw. des jeweiligen Restwert vorgenommen werden und ist mit keinerlei Auflagen verbunden, so daß das Schiff unter Berücksichtigung der Einkunftser­ zielungsabsicht jederzeit veräußert werden kann173.

Analog zu den Auswirkungen einer Schiffsbeteiligung auf die private Einkom­ mensteuer gestalten sich die Effekte bei der Beteiligung an einem FlugzeugLeasingsfonds, die mit de folgenden Beispiel verdeutlicht werden. Hierbei er­ wirbt ein Anleger einen Kommanditanteil an einem Flugzeugfonds in Höhe von 100.000 DM, der eine Anteilsfinanzierung in Höhe von 40% vorsieht. Der Fonds hat eine Laufzeit von 10 Jahren und die Fondsgesellschaft besitzt das Recht, dem Vgl. Schulz, H.-G. (Mobilien-Leasing 1998), S: 16. Vgl. Turnbull, P.E./Wilp, M. (Schiffsbeteiligungen 1997), S. 2147. Vgl. KlöRGMANN, B. (Ratgeber 1998), S. 802. Eine weitere, zeitgleich auslaufende Begünstigungsregelung ist das erhöhte Verlustausgleichs­ volumen von 125%. Während Kommanditisten gern. § 15a EStG grundsätzlich Verluste nur in Höhe von 100% ihrer Einlage direkt mit anderen Einkünften verrechnen dürfen, war für Schiffe unter bestimmten Voraussetzungen ein Verlustausgleich in Höhe von 125% zugelassen. 173 Vgl. Barth, K./BARTH, Th. (Steueroptimierungsstrategien 1998), S. 193.

169 170 171 172

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

266

Leasingnehmer die Mobilie im zehnten Jahr anzudienen. Aus dem Veräuße­ rungsgewinn werden dem Anleger anteilig 65.000 DM zugerechnet, die neben den laufenden Erträgen jedoch lediglich mit dem halben Steuersatz gern. § 34 EStG zu versteuern sind. Aus dem Veräußerungserlös erhält der Anleger nach der Darlehenstilgung 25.000 DM. Bei einem unterstellten Steuersatz von 53% sowie dem gem. § 1 Solidaritätszuschlagsgesetz (SolZG) anfallenden Solidari­ tätszuschlag von 5,5 % berechnet sich die effektive Steuerquote des Anlegers wie folgt:

Effektive Steuerquote = 53% + (53% • 0,055) = 55,915% Unter Berücksichtigung des Kapitaleinsatzes von 60.000 DM, den jährlichen Ausschüttungen (Zeile 2) sowie den (Verlust-)Zuweisungen des Fonds an den Anleger (Zeile 3) ergibt sich für den Investor somit das in Abb. 59 dargestellte Gesamtergebnis aus der Beteiligung an dem Flugzeugleasing-Fonds. Die Steue­ rersparnis (Zeile 4) errechnet sich dabei aus der Multiplikation des steuerlichen Ergebnisses mit der effektiven Steuerquote von 55,915%. Die Addition von Steuerersparnis und Ausschüttungen des Fonds führt schließlich zum Liquidi­ tätsergebnis des Anlegers (Zeile 5).

l.Jahr (1) Einzahlung

2.Jahr

3. Jahr

4. Jahr

5. Jahr

6. Jahr

7.Jahr

8.Jahr

9.Jahr

10. Jahr

-60.000 -

2.450

2.450

2.750

2.750

3.050

3.050

3.350

3.350

28.350

(3) Steuerliches Ergebnis

-34.590

-48.717

-12.302

-4.390

843

3.380

3.380

3.380

3.380

68.380

(4) Stcuererspamis bei einer Steuerquote von 55,915%

19.340

27.240

6.878

2.455

-471

-1.890

-1.890

-1.890

-1.890

-20.062

-40.660

29.690

9328

5.205

2.279

1.160

1.160

1.460

1.460

8.288

(2) Ausschüttung

(5) Liquiditätsergebnis beim Anleger

Abb. 59: Steuer- und Liquiditätsergebnis einer Flugzeugbeteiligung174

Aus dem Beispiel wird deutlich, daß der Anleger lediglich in den ersten vier Jahren eine Steuerersparnis realisieren kann, wenn die Abschreibungen das steu­ erliche Ergebnis negativ werden lassen. In den Jahren 5 bis 10 ergeben sich für 174 Zu diesen Zahlen, die auf den Ausschüttungszahlungen und Verkaufserlösen eines realen Flugzeugleasing-Fonds basieren vgl. Barth, K./BARTH, Th. (Steueroptimierungsstrategien 1998), S. 184.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

267

den Anleger keine Steuervorteile mehr, da dann die Ausschüttungen des Fonds das steuerliche Ergebnis übersteigen. Allerdings resultiert die Vorteilhaftigkeit einer Mobilieninvestition eben aus diesen Verlustzuweisungen und den damit verbundenen Steuereffekten. Wird für das betrachtete Beispiel der Vermögen­ sendwert der Investition lediglich auf Basis der Ausschüttungen des Fonds bzw. des Anteils am Veräußerungserlös ermittelt, so ergibt sich bei einem Kalkulati­ onszinssatz von 3,82%175 ein Kapitalwert von -21.750 DM, der eine interne Ren­ dite der Anlage von -1,84% ergibt.

Nach Berücksichtigung der Verlustzuweisungen und insbesondere der entspre­ chenden Steuereffekte ändert sich jedoch die Vorteilhaftigkeit der Anlage. Der Kapitalwert erhöht sich auf 10.517 DM, was einer Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals von 9,89% entspricht. Abb. 60 faßt die Vorteilhaftigkeitsberechnungen des Mobilieninvestments ohne resp. mit Berücksichtigung von Steueref­ fekten graphisch zusammen, wobei mit Ausnahme des Kapitalanlagebetrages, der in t = 0 investiert wird, sämtliche Zahlungen und Steuereffekte jeweils zum Jah­ resende anfallen sollen.

Somit wird deutlich, daß die Vorteilhaftigkeit der Mobilieninvestition aus­ schließlich auf die Verlustzuweisungen der Fondsgesellschaft und die hieraus resultierenden Steuerspareffekte zurückzuführen ist. Um diese Steuervorteile nutzen zu können, darf das Kapitalengagement jedoch nicht als Liebhaberei qua­ lifiziert werden. Werden nämlich über einen längeren Zeitraum lediglich Verluste und allenfalls vorübergehend Einkünfte in nur sehr geringem Umfang erzielt, bleiben die Investitionen in Mobilienfonds i.d.R. mangels Einkünfteerzielungsab­ sicht bei der Einkommensteuerermittlung unberücksichtigt. Als Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung ist es vielmehr notwendig, daß ein deutlicher Totalgewinn erzielt wird. Ein solcher Totalgewinn ist dann gegeben, wenn die Aktivitäten des Fonds ein positives, über den Eigenkapitaleinsatz hinausgehendes Gesamtergebnis erwirtschaften176.

175 Dieser Kalkulationszins basiert auf der 10-jährigen Bundesrendite vom 12.4.1999. Vgl. Handelsblatt vom 13.4.1999. 176 Vgl. o.V. (Steuersparmodelle 1998), S. 152.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

268

Abb. 60: Vorteilhaftigkeit der Flugzeugbeteiligung ohne resp. mit Berücksichtigung von Steuerejfekten

3.

Medienfonds

Eine weitere Alternative der steuersparenden Kapitalanlage bietet das Engage­ ment in Medien- oder Filmfonds, die in den vergangenen Jahren als Resultat der expansiven Entwicklung der Medienindustrie entstanden. Gegenstand der Medi­ enfonds, über die sich Privatanleger an der Investition in Film- und Fernsehpro­ duktionen beteiligen, ist die Herstellung von Spielfilmen und deren anschließen­

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

269

de Vermarktung im Wege der entgeltlichen Überlassung an eine Verleihfirma177. Schätzungen zufolge wurden 1996 ungefähr 500 Mio. DM aus privaten Mitteln in Filmfonds investiert, 1997 belief sich das Anlagevolumen bereits auf rund 750 Mio. DM. Neben dem Boom des Medien- und insbesondere des Filmmarktes kann als Grund für diese Entwicklung auch das Interesse der Kapitalanleger an den mit Filmfonds verbundenen steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten ange­ führt werden. Die steuerliche Konstruktion der Filmabschreibungsmodelle basiert auf der Rechtsvorschrift des § 248 HGB in Verbindung mit § 5 Abs. 2 EStG, wonach ein Aktivierungsverbot für immaterielle Wirtschaftsgüter gilt, sofern diese selbst geschaffen und nicht entgeltlich erworben werden. Die Ausgaben für die Her­ stellung eines Films dürfen folglich nicht auf der Aktivseite der Bilanz erschei­ nen, sondern sind im Jahr seiner Produktion als Verlust abzuschreiben. Diese Verluste kommen dabei dem Kapitalanleger zugute, der über seinen Anteil an dem Filmfonds und das hierfür eingezahlte Kapital im Jahr der Filmproduktion eine 100%-ige Verlustzuweisung erhält und diese bei seiner Einkommensermitt­ lung entsprechend absetzen kann178. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß der Fonds selbst der Filmhersteller ist, also den Status eines Produzenten oder Co-Produzenten besitzt und der Anleger als Mitunternehmer auftritt. Aus Gründen der Haftungsbegrenzung wird für den Fonds normalerweise die Rechtsform der GmbH & Co. KG gewählt, bei der die Anleger als Kommanditisten bis zur Höhe ihrer Einlage haften. Die Funktion des Komplementärs übernimmt die GmbH, die sich meist auch für die Geschäftsfüh­ rung verantwortlich zeigt. Mit dieser gesellschaftsrechtlichen Konstruktion ist die Voraussetzung dafür geschaffen, daß der Anleger selbst unternehmerisch tätig werden kann. Gewinn und Verlust werden so steuerrechtlich als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gern. § 15a EStG klassifiziert, wodurch das Kriterium des Mit­ unternehmerrisikos erfüllt wird. Um auch die Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen und damit den zweiten Aspekt einer Mitunternehmerschaft zu erfüllen, müssen über den Gesellschaftervertrag des Fonds den Kommanditisten ausdrücklich die gesetzlichen Informations- und Kontrollrechte zugestanden werden179.

177 Vgl. BERTSCH, J. (Wirtschaftlichkeit 1986), S. 20. 178 Vgl. BARTH, K./Barth, Th. (Steueroptimierungsstrategien 1998), S. 194. Mit der Einführung der Mindestbesteuerung ab 1999 ist jedoch zu beachten, daß Verluste aus Medienfonds nur noch eingeschränkt mit Einkünften aus aktiver Tätigkeit verrechnet werden können. 179 Vgl. BEHRING, H. (Filmfonds 1999), S. 33.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

270

Ein weiteres Kriterium für die Anerkennung der steuerlichen Abschreibungen ist die Gewinnerzielungsabsicht der Fondsgesellschaft180. Dabei kann auch eine risikoreiche Tätigkeit oder Investition wie die Beteiligung an einer Filmprodukti­ on durchaus von einer Gewinnabsicht getragen werden. Voraussetzung hierfür ist ebenfalls die Erzielung eines bereits im Rahmen der Mobilien-Leasingfonds angesprochenen Totalgewinns. Den für die Ermittlung des Totalgewinns im Fondsprospekt aufgeführten Prognoserechnungen müssen dabei realistische und branchenübliche Kalkulationen zugrunde liegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes ist bei der Gewinnerzielungsabsicht jedoch nicht allein auf die Fondsgesellschaft abzustellen, vielmehr ist das Engagement des steuer­ pflichtigen Anlegers kritisch zu prüfen. Dabei ist darauf zu achten, daß die Be­ teiligung nicht zu wesentlichen Teilen über Kredite finanziert wird, da ansonsten die steuerliche Anerkennung der Abschreibungsbeträge u.U. nicht gewährleistet ist181.

zu versteuerndes Einkommen (1)

Verlustzuweisung durch Fondsbeteiligung zu versteuerndes Einkommen (2) Einkommensteuerbelastung

Ermittlung der Einkommensteuer ohne Beteiligung

Ermittlung der Einkommensteuer mit Beteiligung

250.000 DM

250.000 DM

...

100.000 DM

250.000 DM

150.000 DM

139.787,50 DM

83.872,50 DM

Abb. 61: Einkommensteuerliche Auswirkungen der Beteiligung an Medienfonds

In einer Beispielrechnung ergeben sich für einen Anleger aus dem Engagement in einem Medienfonds folgende steuerliche Konsequenzen (vgl. Abb. 61): Aus­ gangspunkt sei ein Steuerpflichtiger mit einem individuellen Einkommensteuer­ satz von 53%. Unter Berücksichtigung des Solidaritätszuschlags von 5,5% ergibt sich folglich die effektive Steuerquote von 55,915%. Bei einer Beteiligung von 100.000 DM an einem Medien- oder Filmfonds kann der Steuerpflichtige sein zu versteuerndes Einkommen von 250.000 DM durch die 100%-ige Verlustzuwei­ sung in Höhe seiner Einlage in den Fonds entsprechend reduzieren. Hierdurch vermindert sich seine Einkommensteuer um 55.915 DM, was der auf die Beteili­ gung bezogenen Steuerquote entspricht. Effektiv hat der Steuerpflichtige somit für seine Beteiligung an dem Filmfonds statt der 100.000 DM lediglich 44.085 180 Vgl. Pellegrino, R. (Medienfonds 1998), S. 17. 181 Vgl. Behring, H. (Filmfonds 1999), S. 33.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

271

DM eingesetzt. Bei der Berechnung der Steuerzahlung wurde dabei lediglich das zu versteuernde Einkommen mit der effektiven Steuerquote multipliziert, weiter­ gehende Besonderheiten des Einkommensteuergesetzes wurden aus Vereinfa­ chungsgründen vernachlässigt. Da die Herstellung und Vermarktung von Filmproduktionen insbesondere durch die Mitunternehmereigenschaft des Kapitalanlegers das Ausmaß einer reinen Vermögensverwaltung übersteigt, erzielt der Anleger - wie bereits erwähnt gern. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG in späteren Perioden Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Diese Einkünfte unterliegen gern. § 32c EStG einer Tarifbegrenzung auf 47%, wenn der Anteil der gewerblichen Einkünfte am zu versteuernden Einkommen des Anlegers mindestens 100.278 DM bei Einzelveranlagung bzw. 200.556 DM bei Zusammenveranlagung beträgt182. Des weiteren unterliegt der Veräußerungs­ erlös aus den Filmrechten oder aus der Beteiligung nach der derzeitigen Gesetz­ gebung gern. § 34 EStG (bislang) dem halben Steuersatz. Vor dem Hintergrund der beschriebenen Steuersparmodelle und der darin ent­ haltenen Steuervergünstigungen erscheint es überlegenswert, die private Risiko­ kapitalfinanzierung von Existenzgründungen in ähnlicher Art und Weise mit steuerlichen Sonderstatuten zu versehen und dadurch vor dem Hintergrund der Steueroptimierung eine weitere Kapitalanlagealternative einzuführen. Somit kann für private Eigenkapitalgeber ein steuerlicher Anreiz für Investitionen in Grün­ dungsunternehmen gegeben werden, was gleichzeitig eine Reduzierung der mit einer Existenzgründung verbundenen Probleme beinhaltet und in der Folge zu den bereits an früherer Stelle ausführlich erläuterten gesamtwirtschaftlichen Ef­ fekten von Unternehmensgründungen führen kann. Aus diesen Gründen werden im folgenden Ansätze erarbeitet, die eine steuerliche Berücksichtigung privater Kapitalengagements in der Frühphasenfinanzierung von Existenzgründungen zum Ziel haben.

182 Diese Zahlen beziehen sich auf den Veranlagungszeitraum 1998. Durch das „Steuerentlastungs­ gesetz 1999/2000/2001“ soll die Tarifbegrenzung jedoch modifiziert werden. Nach dem Geset­ zesentwurf der Regierungskoalition beläuft sich die Tarifbegrenzung des § 32c EStG bei ge­ werblichen Einkünften für einzelveranlagte Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum 1999 auf 93.744 DM, in den Veranlagungszeiträumen 2000 und 2001 auf 84.434 DM und im Veranla­ gungszeitraum 2002 auf 88.290 DM. Für zusammenveranlagte Ehegatten kommen jeweils die doppelten Beträge zur Anwendung. Vgl. BT-DRUCKSACHE 14/23 vom 9.11.1998.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

272

II.

Inhaltliche Einbettung der Besteuerung priva­ ter Eigenkapitalgeber in das geltende Steuersy­ stem

1.

Die Zuordnung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen

Im deutschen Steuersystem werden nach § 2 Abs. 1 Nr. 1-7 EStG insgesamt sieben Einkunftsarten unterschieden, wobei eine weitere Differenzierung in Ge­ winn- und Überschußeinkunftsarten durchgeführt werden kann (vgl. Abb. 62).

Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft §§ 13. 13a, 14, 14a EStG Einkünfte aus Gewerbebetrieb §§ 15-17 EStG

r—> Gewinneinkunftsarten

Einkünfte aus selbständiger Arbeit §18 EStG

Einkunfts­ arten

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit §19 EStG

Einkunfte ausKapitalvermögen §20 EStG

Überschußeinkunftsarten

___

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung § 21 EStG

___

Sonstige Einkünfte § 22 EStG

Abb. 62: Systematisierung der Einkunftsarten

Während bei den Gewinneinkünften eine Gewinnermittlung nach den Vorschrif­ ten der §§ 4-7k EStG vorgenommen wird183, werden die Überschußeinkünfte gern. § 2 Abs. 2 EStG ermittelt, in dem die Summe der Einnahmen, die der Steu­ erpflichtige im Ermittlungszeitraum aus der betreffenden Einkunftsart erzielt hat, mit der Summe der im gleichen Zeitraum geleisteten Werbungskosten saldiert wird. Diese Vorgehens weise ist zwingend und führt zur Unzulässigkeit der Ein­ beziehung noch nicht vereinnahmter, aber bereits fälliger Beträge bzw. noch nicht geleisteter Aufwendungen bei der Ermittlung der Einkünfte184. Zu den Überschußeinkunftsarten zählen nach Abb. 62 auch die für die folgenden Ausführungen relevanten Einkünfte aus Kapitalvermögen, die gern. § 20 EStG 183 Für die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft kann jedoch eine Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gern. § 13a EStG zulässig sein. 1 4 Vgl. KUSSMANN, M. U.A. (Einkommensteuer 1997), S. 85.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

273

aus der Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung entstehen. Dabei ist das Kapital zwar Voraussetzung für die Anwendung des § 20 EStG, es beeinflußt allerdings die Höhe der Einkünfte nicht direkt. Wertsteigerungen bzw. Wertmin­ derungen sowie Gewinne oder Verluste aus der Veräußerung von Kapitalanlagen wirken sich demnach nicht auf die Höhe der Einkünfte aus. Die Vermögenssub­ stanz bleibt folglich bei der Einkommensbesteuerung unberücksichtigt, entschei­ dend für die Besteuerung sind lediglich die laufenden Erträge aus dem Kapital. Aus diesem Grund werden auch Veräußerungsgewinne, sofern sie nicht als Spe­ kulationsgewinne anfallen, nicht versteuert185. Ebenso wirkt sich die allgemeine Geldwertverschlechterung nicht auf die Höhe der Einkünfte aus, Inflationsverlu­ ste des Kapitals bleiben folglich unberücksichtigt186, vielmehr gilt das Nominal­ wertprinzip187.

Ausgangspunkt für die Besteuerung des Kapitalvermögens sind damit die laufen­ den Einnahmen aus einer Kapitalanlage, wobei das EStG keine umfassende Defi­ nition für den Begriff der Einkünfte aus Kapitalvermögen gibt. Vielmehr be­ schränkt sich der Gesetzgeber in § 20 Abs. 1 EStG auf eine nicht erschöpfende Aufzählung der wichtigsten Kapitalerträge188. Diese Kapitalerträge können um bestimmte Werbungskosten sowie einen Sparerfreibetrag189 vermindert werden. Für die Einkünfte aus Kapitalvermögen umfassen die Werbungskosten grund­ sätzlich alle Aufwendungen, die dem Erwerb, der Sicherung und der Erhaltung 185 Als Spekulationsgewinn wird nach § 23 Abs. 1 EStG der Unterschiedsbetrag zwischen dem erzielten Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungskosten und Werbungskosten ande­ rerseits qualifiziert, sofern die Veräußerung der Wertpapiere innerhalb von 6 Monaten nach de­ ren Erwerb erfolgte. Mit der Steuerreform der Regierungskoalition wurde diese Frist ab dem 1.1.1999 auf ein Jahr erhöht. Vgl. O.V. (Steuerreform 1998), S. 4. 186 Vgl. ENDRISS, H.W./Haas, H./Küpper, P. (Steuerkompendium 1995), S. 250. 187 Hierunter ist der Grundsatz „Mark = Mark“ zu verstehen, denn ein Ertrag entsteht nicht wegen des Wertverlustes des Kapitals, sondern als Ausgleich für dessen Überlassung. Der Wertverlust betrifft lediglich die Ebene der Vermögenssubstanz, die für die Einkommensbesteuerung unbe­ rücksichtigt bleiben muß. Vgl. Tiedtke, K. (Einkommensteuerrecht 1995), S. 166. 188 Zu den wichtigsten Kapitalerträgen zählen Einkünfte aus der Beteiligung an Kapitalgesellschaf­ ten, Genossenschaften und sonstigen Körperschaften (§ 20 Abs. 1 Nr. 1-3 EStG), Einkünfte aus der Beteiligung als stiller Gesellschafter und aus partiarischen Darlehen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG) sowie Einkünfte aus Kapitalforderungen ohne Beteiligungscharakter (§ 20 Abs. 1 Nr. 5-8 EStG). Neben den in Absatz 1 beschriebenen Einkünften werden in § 20 Abs. 2 Nr. 2 und 3 Einkünfte aus der Veräußerung von Dividenden- und Zinsscheinen zu den Einkünften aus Ka­ pitalvermögen gerechnet; § 20 Abs. 2 Nr. 4 definiert auch Kapitalerträge aus der Veräußerung auf- oder abgezinster Wertpapiere und Forderungen (z.B. Zerobonds) als steuerlich relevante Einkünfte, soweit sie rechnerisch auf die Besitzzeit des Inhabers der Kapitalforderung entfallen. Vgl. KußMAUL, H. (Steuerlehre 1998), S. 269. 189 Der Sparerfreibetrag betrug gern. § 20 Abs. 4 Nr. 4 EStG bei ledigen Steuerpflichtigen 6.000 DM und bei zusammenveranlagten Ehegatten 12.000 DM (gemeinsamer Sparerfreibetrag). Im Zuge der Steuerreform wurden diese Freibeträge zum 1.1.2000 jedoch auf 3.000 resp. 6.000 DM halbiert. Vgl. O.V. (Steuerreform 1998), S. 4.

274

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

der (steuerpflichtigen) Kapitaleinnahmen dienen190. Demgegenüber werden Auf­ wendungen zur (steuerfreien) Vermehrung des Kapitalvermögens steuerlich nicht anerkannt191. Entstehen dem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit der Erzie­ lung von Einnahmen aus Kapitalvermögen jedoch keine Aufwendungen bzw. sind die Aufwendungen sehr gering und ein Einzelnachweis nicht möglich, wird ein Werbungskosten-Pauschbetrag in Höhe von 100 DM bei Alleinstehenden und 200 DM bei zusammenveranlagten Ehegatten gewährt192. Für die Anerkennung von Werbungskosten ist es jedoch nicht erforderlich, daß der Steuerpflichtige bereits Einnahmen erzielt hat. Vielmehr ist es ausreichend, wenn die Einnahmeerzielung beabsichtigt ist, oder früher entsprechende Einnah­ men zugeflossen sind. Somit können Werbungskosten vorab oder nachträglich entstehen, in diesen Fällen handelt es sich um vorweggenommene oder nachträg­ liche Werbungskosten193. Hinsichtlich der Einordnung privater Eigenkapitalinvestitionen im Bereich der Early-Stage-Finanzierung von Existenzgründungen erscheint die Gruppe „Ein­ künfte aus Kapitalvermögen“ sinnvoll, da als Bezieher solcher Einnahmen derje­ nige zu klassifizieren ist, der Kapital gegen Entgelt zur Nutzung überläßt194. Die­ ser Tatbestand ist für die zugrundegelegte Situation gegeben, denn die privaten Investoren stellen Existenzgründern gegen eine Beteiligung am erwirtschafteten Gewinn des Unternehmens einen bestimmten Betrag an Eigenkapital zur Verfü­

190

Beispiele für solche Werbungskosten sind Depotgebühren, Gebühren für Erträgnis- und Jah­ ressteuerbescheinigungen, die Safemiete sowie Versicherungsbeiträge für ein Schließfach, Auf­ wendungen für spezielle Fachliteratur (z.B. Börseninformationsdienste), Aufwendungen eines Aktionärs für den Besuch von Hauptversammlungen (Fahrt- und Übemachtungskosten, Ver­ pflegungsmehraufwand), Beiträge zu Vereinigungen für Wertpapierbesitzer, Schuldzinsen für zum Kauf von Wertpapieren aufgenommener Kredite oder Kosten für die Vermögensverwaltung und -beratung sowie Prozeßkosten, die mit der Erlangung von Kapitalerträgen Zusammenhän­ gen. Vgl. Jakob, W. (Einkommensteuer 1996), S. 124; Kussmann, M. u.a. (Einkommensteuerl997), S. 600. 191 Beispiele für nicht anerkannte Aufwendungen sind Spesen für den An- und Verkauf von Wert­ papieren (z.B. Bankprovisionen, Maklercourtage, Auslagenersatz) und andere Nebenkosten, selbst wenn solche Aufwendungen für eine Depotumschichtung anfallen, die zu höheren Zins-/ Dividendeneinnahmen führt, Bankspesen anläßlich der Rückzahlung/Auslosung von Wertpapie­ ren, aus dem Verkauf von Wertpapieren unter ihrem Verkaufspreis resultierende Verluste oder Aufwendungen, die für ein Vermögen entfallen, das nicht der Erzielung von Kapitalerträgen dient, oder bei dem Kapitalerträge nicht zu erwarten sind. Vgl. SCHIERENBECK, H./HÖLSCHER, R. (BankAssurance 1998), S. 639. In vergleichbarer Form existieren Werbungskosten-Pauschbeträge bei Einkünften aus nichtselb­ ständiger Arbeit in Höhe von 2.000 DM sowie bei sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 1 und la in Höhe von 200 DM. Vgl. Kussmann, M. U.A. (Einkommensteuer 1997), S. 94. Zu einer genauen Beschreibung vorweggenommener und nachträglicher Werbungskosten mit Beispielen vgl. TIEDTKE, K. (Einkommensteuerrecht 1995), S. 469. 194 Vgl. KlöRGMANN, B. (Ratgeber 1998), S. 373.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

275

gung, mit dem die Geschäftstätigkeit des zu gründenden resp. gegründeten Un­ ternehmens aufgebaut bzw. erhalten und forciert werden kann. Eine Besonderheit bei den Einkünften aus Kapitalvermögen resp. der in dieser Einkunftsart zu berücksichtigenden Werbungskosten liegt darin, daß die Wer­ bungskosten bzw. der Werbungskosten-Pauschbetrag lediglich bis zur Höhe der Einnahmen aus Kapitalvermögen abgezogen werden dürfen, so daß keine negati­ ven Kapitaleinkünfte entstehen können. Allerdings zeigt das beschriebene Bau­ herrenmodell, daß es beispielsweise im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung möglich ist, auch ohne entsprechende Einnahmen einen Wer­ bungskostenabzug vorzunehmen, der (während der Bauphase) zu negativen Ein­ künften führt und in der Konsequenz eine Senkung der individuelle Einkommen­ steuerbelastung durch die Verrechnung mit anderen positiven Einkünften er­ reicht. Vor diesem Hintergrund wäre es auch im Bereich der Einkünfte aus Ka­ pitalvermögen möglich bzw. sinnvoll, Kapitalengagements privater Investoren im Bereich der frühphasenorientierten Existenzgründungsfinanzierung durch ent­ sprechende steuerliche Begünstigungen attraktiver zu gestalten. Die genaue Qua­ lifizierung der steuerlich relevanten Tatbestände der Existenzgründungsfinanzie­ rung steht daher im Mittelpunkt der folgenden Abschnitte.

2.

Definition des Steuertatbestandes

Bevor auf die genaue Ausgestaltung der Berücksichtigung privater Eigenkapita­ lengagements in der persönlichen Steuerpflicht resp. die Ausprägungen steuerlich relevanter Werbungskosten eingegangen wird, muß neben der Zuordnung des Risikokapitalinvestments zu den bereits systematisierten Einkunftsarten eine Definition des Steuertatbestandes erfolgen.

Um die bereits an früherer Stelle angesprochene Forderung einer möglichst ge­ ringen Gewährung von Mitspracherechten zu erfüllen195, sollen in den weiteren Ausführungen insbesondere die Mezzanine-Finanzierungsalternativen „typisch stille Beteiligung“ und „partiarisches Darlehen“ Berücksichtigung finden. Die Beschränkung auf den typischen stillen Gesellschafter ist vor dem Hintergrund zu erklären, daß private Eigenkapitalfinanziers dem Existenzgründer zwar mit be­ triebswirtschaftlichem Know-how und Beratung zur Seite stehen können196, aller­ dings ergreifen sie durch diese Consultingaufgaben i.d.R. keine Unternehmerin­ itiative und handeln im Unterschied zum atypischen stillen Gesellschafter nicht zusammen mit dem Existenzgründer auf gemeinsame Rechnung und Gefahr. 195 Zu diesem Kriterium beim Eingehen einer Kapitalbeteiligung vgl. 2. Teil, Abschnitt B.IL3. und Abschnitt B.IIL 196 Vgl. hierzu die Ausführungen zu den Business Angels in Abschnitt A.II.2. dieses Teils.

276

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

Wäre dieser Tatbestand der atypisch stillen Gesellschaft aufgrund einer schuld­ rechtlich vereinbarten Beteiligung an den stillen Reserven und am Geschäftswert der Gesellschaft bei Beendigung der Beteiligung gegeben, würde der Kapitalge­ ber keine Einkünfte aus Kapitalvermögen, sondern vielmehr Einkünfte aus Ge­ werbebetrieb gern. § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielen, die dann auch in negativem Umfang steuerlich mit anderen Einkunftsarten verrechnet werden könnten. Die Beschränkung auf die Beteiligungsform des typischen stillen Gesellschafters sowie auf das partiarische Darlehen untermauert somit die Einordnung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen.

Bei der Zuordnung zu den Einkunftsarten ist weiterhin zu differenzieren, aus welcher Vermögensmasse das Beteiligungskapital zur Verfügung gestellt wird. Handelt es sich nämlich hierbei um einen Bestandteil des Betriebsvermögens, bezieht der Kapitalgeber Einkünfte aus Gewerbebetrieb gern. § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Dieser Fall ist allerdings für die weiteren Ausführungen irrelevant, da gemäß der Zielsetzung kein Corporate Venture Capital, sondern lediglich priva­ tes Risikokapital in die Überlegungen einfließen soll. Da die betrachtete Kapital­ einlage somit von Privatpersonen kommt und die Beteiligung dementsprechend dem Privatvermögen des Investors zuzurechnen ist, liegen gern. § 20 Abs. 1 Nr. 4 Einkünfte aus Kapitalvermögen vor. Neben der Zuordnung der Aktivitäten zu einer bestimmten Einkunftsart ist wei­ terhin eine steuerrechtliche Definition des Steuertatbestandes von Relevanz. Der Steuertatbestand im weiteren Sinne bezeichnet dabei sämtliche Merkmale, die eine Steuerschuld auslösen, und kann in eine Vielzahl von Einzelmerkmalen aufgesplittet werden (vgl. Abb. 63). Von diesen Größen erfordern lediglich das Steuersubjekt sowie das Steuerobjekt als Steuertatbestand im engeren Sinne eine weitergehende Definition, da die restlichen Komponenten des Steuertatbestands im weiteren Sinne bereits durch die Zuordnung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen und somit durch die entsprechenden Vorschriften der Einkommensteuer geregelt werden.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

277

Steuertatbestand im weiteren Sinne

Rechtsperson, der eine Steuerschuld zugerechnet wird

Sleuerobjekt

Steuersatz

Tatbestand, an den die jeweilige Steuer­ pflicht anknüpft

Größe, aus der sich die Steuerbelastung errechnet

Inlands* Komponente

Bestimmt die Gren­ zen der Zugehörig­ keit zur inländischen Steuergewalt

Steuerbemessungs* grundlose quantifiziert das Steuerobjekt

Zurechnungs* Steuertatbestand im engeren Sinne___

Legt fest, welchem Steuerschuldner das Steuerobjekt zuzu­ ordnen ist

Abb. 63: Elemente des Steuertatbestandes im weiteren Sinne197

Als Steuersubjekt ist derjenige zu klassifizieren, dem eine Steuerschuld zuge­ rechnet wird. Für den Fall der Frühphasenfinanzierung von Existenzgründungen kann unter dem Steuersubjekt in Analogie zum beschriebenen Bauherrenmodell derjenige verstanden werden, der das wirtschaftliche Risiko trägt. Dies trifft auf einen Kapitalanleger zu, dem das volle Investitions- bzw. Kapitalverlustrisiko zuzurechnen ist.

Das Steuerobjekt definiert gern. Abb. 63 den Tatbestand, an den die jeweilige Steuerpflicht anknüpft, also die Merkmale, die dazu führen, daß ein bestimmter Umstand steuerlich als relevant anzusehen ist. Für den zu betrachtenden Fall der Frühphasenfinanzierung von Existenzgründungen durch private Eigenkapitalge­ ber müssen unter dem Steuerobjekt daher die folgenden Einzelaspekte subsumiert werden:

• Welche Merkmale charakterisieren eine Existenzgründung? • Was ist unter einer Frühphasenfinanzierung zu verstehen? • Wie lange muß das eingebrachte Kapital im gegründeten Unternehmen ver­ bleiben, um das Investment steuerlich zu berücksichtigen?

1

97 Vgl. WöHE, G. (Steuerlehre 1988), S. 60f.

278

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

Zur Beantwortung dieser Fragen können die bereits im ersten Teil dieser Arbeit vorgestellten Charakteristika einer Existenzgründung dienen, wobei die wesentli­ chen Merkmale nochmals kurz erwähnt werden sollen: Unter einer Existenzgründung können sämtliche gemäß Abb. 2 systemati­ sierten Gründungsvarianten subsumiert werden, die in Abhängigkeit vom In­ novationsgrad entweder imitierend oder innovativ und in Abhängigkeit der Unternehmensstruktur entweder originär oder derivativ ausgestaltet sein kön­ nen. • Die Frühphasenfinanzierung umfaßt in Anlehnung an den Phasenverlauf der Venture-Capital-Finanzierung198 die Early-Stage- sowie einen Teil der FirstStage-Phase. Sie beinhaltet dementsprechend das Seed-, das Start-up- sowie das First-Stage-Financing und ist insbesondere durch das bootstrap financing, d.h. durch Eigenkapital und persönliche Kredite der Gründer, charakterisiert. • Um eine möglichst optimale Verwendung des Kapitals zu gewährleisten, sollte das eingebrachte Risikokapital in Anlehnung an den idealtypischen Phasenverlauf einer Venture-Capital-Finanzierung zwischen fünf und 10 Jah­ re (mindestens jedoch für fünf Jahre) im Gründungsunternehmen gebunden sein. Bei einem solchen zeitlichen Horizont wird der Entrepreneur nicht mit frühzeitigen Liquiditätsbelastungen durch die Rückzahlung des Gesellschafts­ anteils konfrontiert, die eine Gefährdung des Geschäftsbetriebs induzieren würden. Vielmehr wird durch diesen Zeitrahmen gewährleistet, daß die Rück­ zahlung aus ersten Unternehmensgewinnen getätigt werden kann und somit die finanzielle Situation des Unternehmensgründers nicht zusätzlich ange­ spannt wird.



Sind diese Tatbestände in vollem Umfang erfüllt, kann das Risikokapitalinvest­ ment im Rahmen der persönlichen Einkomensteuerermittlung in Ansatz gebracht werden, wobei im nachfolgenden Abschnitt spezifische Ausgestaltungsvarianten erläutert und dargestellt werden sollen.

198

Vgl. Abbildung 34.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

279

III.

Umsetzungsalternativen der steuerlichen Behandlung privater Risikokapitalengagements

1.

Varianten privater Risikokapitalengagements

Für die steuerliche Behandlung privater Risikokapitalfinanzierungen sind insge­ samt zwei Fälle des Engagements zu differenzieren: Zum einen besteht die Möglichkeit, daß private Investoren ihr Kapital dem gegründeten Unternehmen direkt zur Verfügung stellen, d.h. der Kapitalgeber und der Unternehmensgründer sind die beiden einzigen an der Transaktion beteiligten Parteien. Dieser Fall soll mit dem Begriff „single investment1 um­ schrieben werden. • Demgegenüber können sich aber auch in Analogie zur Bauherrengemeinschaft des Bauherrenmodells mehrere Finanziers zu einer Investorengruppe zusammenschließen und in Form eines Fonds199 die eingesammelten Kapitali­ en in ausgewählte Gründungsunternehmen einlegen. Diese, im weiteren als „group investment' bezeichnete Vorgehensweise hat gegenüber dem single investment den Vorteil, daß größere Kapitalbeträge aufgebracht werden kön­ nen und eine Risikodiversifizierung durch Portfoliobildung erfolgen kann. Neben der Fondslösung kann diese mittelbare Anlegerbeteiligung auch in Form eines zusätzlichen Unternehmensanteils erfolgen, der von einem sog. Anlegerverein als Intermediär übernommen wird (vgl. Abb. 64). Dieser Grundgedanke basiert auf dem „Stuttgarter Modell“, das auf eine Initiative des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Baden-Württemberg aus dem Jahre 1989 zurückgeht und sich in seiner Grundkonzeption in erster Linie an kapitalmarktfähige und emissionswillige GmbHs und KGs richtet.



Durch diese Beteiligungsform bleibt die Gesellschaft in ihrer rechtlichen Grund­ struktur mit einem festen Mitgliederkreis unverändert, es kommt lediglich zu einer Anteilsübertragung zugunsten des Anlegervereins durch Aufnahme eines neuen Gesellschafter. Diese rechtlich unbedenkliche Konstruktion führt auf Seiten des Kapitalnehmers zu einer teilpublikumsoffenen Anlegergesellschaft200, ver­ meidet jedoch gleichzeitig die mitunternehmerische Einmischung des Anleger­

199 Bei der Beteiligung über einen Venture-Capital-Fonds ist allerdings zu beachten, daß die Rechtsform des Fonds eine wesentliche Rolle für die weitere steuerliche Behandlung spielt. So werden Fonds in Form der Personengesellschaft steuerlich als Gewerbebetrieb behandelt, so daß der Privatanleger (eventuell) Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt und folglich Veräußerungs­ gewinne zu versteuern hat. Vgl. Albach, H./KÖSTER, D. (Risikokapital 1997), S. 5. 200 Vgl. BOEHM-BEZING, PH. von (Eigenkapital 1998), S. 143.

280

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

Vereins und somit der einzelnen Anleger. Dieser Tatbestand ist weiterhin unter zwei Aspekten von Bedeutung: 1. Durch das fehlende Zugeständnis unternehmerischer Mitspracherechte wird der „Herr-im-Hause“-Mentalität von Existenzgründern Rechnung getragen, obwohl gleichzeitig wertvolles betriebswirtschaftliches Know-how als Zu­ satzleistung in die Gründungsunternehmen durch den Anlegerverein einge­ bracht werden kann. 2. Die fehlende Mitunternehmereigenschaft der einzelnen Anleger im Anleger­ verein ermöglicht die Einordnung des Engagements als stille Beteiligung, die somit eventuelle Einnahmen aus der Beteiligung als Einkünfte aus Kapital­ vermögen klassifiziert und dadurch den Grundgedanken dieses Abschnitts er­ füllt.

Abb. 64: Mittelbare Kapitalbeteiligung über einen Anlegerverein201

Sowohl für das single investment als auch für das group investment in Form eines Fonds oder eines Anlegervereines sollte dabei aufbauend auf den beschriebenen Steuersparmodellen eine steuerliche Berücksichtigung dahingehend erfolgen, daß den Kapitalgebern durch Abschreibungen sowie durch eine sofortige Abzugsfä­ higkeit bestimmter Aufwendungen entsprechende Anfangsverluste entstehen, die diese mit anderen positiven Einkünften verrechnen können und dadurch eine sofortige Steuerersparnis erzielen202. Auf die wesentlichen, steuerlich Berück­ sichtigung findenden Aufwendungen sowie deren Auswirkungen auf die indivi­

201

In Anlehnung an ARBEITSKREIS „ZWEITER BÖRSENMARKT“ (Börsenzugang 1989), S. 10. 202 Diese Eigenschaften sind sämtlichen steuerbegünstigten Kapitalanlagen immanent und fuhren zu einer Reduzierung des Kapitaleinsatzes bei gleichzeitiger Minimierung des Risikos. Vgl. Bartholl, H. (Steuerpolitische Behandlung 1998), S. 1236.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

281

duelle Einkommensteuer der Kapitalanleger wird im folgenden Abschnitt einge­ gangen.

2.

Steuerliche Berücksichtigung privater Eigenkapitalengagements

Die Berücksichtigung privater Eigenkapitalengagements im Rahmen der indivi­ duellen Einkommensteuer könnte zunächst die Gewährung einer Risikokapital­ prämie umfassen. Hierzu sollte ähnlich der Abschreibung für Abnutzung (AfA) bei Wirtschaftsgütern der Betrag des Beteiligungskapitals über den bereits im vorhergehenden Abschnitt definierten Zeitraum der Kapitalanlage (mindestens 5 Jahre) verteilt durch Abschreibungen berücksichtigt werden, wobei lineare oder degressive Abschreibungen zum Einsatz kommen können. In Anlehnung an die wirtschaftliche Praxis sollte es weiterhin zulässig sein, zwischen den Abschrei­ bungsformen zu wechseln, um die steuerlich günstigste Alternative zur Geltung kommen zu lassen. Der Abschreibungsbetrag könnte anschließend entweder in voller Höhe den Werbungskosten zugerechnet werden oder alternativ hierzu in Höhe eines zu definierenden Maximalbetrags von der Einkommensteuerschuld des Kapitalgebers in Abzug gebracht werden203.

Da allerdings mit der Abschreibung des Kapitalbetrags im Unterschied zur Ab­ schreibung für Abnutzung kein Vermögensverzehr verbunden ist, sollte die Ab­ schreibung als Risikokapitalprämie ausgestaltet sein und das Risiko berücksichti­ gen, das der Investor im Unterschied zu einer „sicheren“ Kapitalmarktanlage eingeht204. Dieses sichere Kapitalmarktengagement könnte sich beispielsweise aus der Verzinsung eines Bundeschatzbriefes ableiten, wobei in Analogie zur 203 Eine solche Steuerermäßigung existiert gern. § 34e EStG beispielsweise im Bereich der Ein­ künfte aus Land- und Forstwirtschaft. In diesem Fall kann die tarifliche Einkommensteuerschuld um einen Betrag von bis zu maximal 2.000 DM gemindert werden, wenn der Steuerpflichtige den Gewinn des Veranlagungszeitraumes weder geschätzt noch über Durchschnittssätze nach § 13a EStG ermittelt hat. 204 Der Grundgedanke dieser Überlegung basiert auf dem Prinzip der „marktorientierten“ Unter­ nehmensbesteuerung, die einen Schutzzins auf das Eigenkapital in Höhe des Kapitalmarktzinses fordert und somit eine Diskriminierung des Eigenkapitals gegenüber dem Fremdkapital in der Untemehmensfinanzierung und der bei fremdfinanzierten Untemehmensteilen bestehenden Möglichkeit der steuerlichen Berücksichtigung des Kapitaldienstes verringert. Vgl. BEISE, M./Tartler, J. (Betriebsteuer 1999), S. 4. Verfechter einer solchen markt- oder auch konsumo­ rientierten Untemehmensteuer ist ROSE, der das Grundprinzip dieses Reformansatzes in diver­ sen Publikationen erläutert hat. Grundlegende Überlegung ist dabei, daß der Unternehmer eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals als Betriebsausgaben absetzen darf. Vgl. Rose, M. (Strategisch 1990), S. 81ff.; ROSE, M. (Steuersystem 1994), S. 423ff.; ROSE, M. (Neuordnung 1994), S. 233ff.; ROSE, M. (Konsumorientierung 1996), S. 247ff.; ROSE, M. (Ausgestaltung 1998), S. 99ff.; ROSE, M./WAGNER, F.W./WENGER, E. (Vorschläge 1999), S. Iff.; ROSE, M. (Steuerfreiheit 1999), S. 35ff.

282

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

Definition des Steuertatbestandes ein Schatzbrief mit einer der Anlagedauer korrespondierenden Laufzeit angesetzt werden sollte. Auf Basis des aktuell gülti­ gen Zinssatzes für einen Zeitraum von fünf Jahren wäre demnach mit einer jährli­ chen Verzinsung von 3,25% zu kalkulieren. Investiert z.B. ein Anleger als stiller Gesellschafter 100.000 DM in ein Gründungsunternehmen, würden ihm aus die­ sem Engagement bei einer geforderten Mindestlaufzeit von fünf Jahren und einer linearen Berechnung als Abschreibungsbetrag zunächst 20.000 DM p.a. zustehen. Diese jedoch sind um die sicheren Kapitalerträge der fünfjährigen Bundesanleihe in Höhe von 3.250 DM pro Jahr zu kürzen, so daß sich ein „effektiver“ jährlicher Abschreibungsbetrag in Höhe von 16.750 DM ergibt. Diese marktorientierte Risikokapitalprämie führt bei Berücksichtigung innerhalb der Werbungskosten des Steuerpflichtigen in der Konsequenz zu einer jährlichen Steuerersparnis von 9.365,76 DM (vgl. Abb. 65). Aus dem gesamten Investment resultiert daher unter Berücksichtigung eines Kalkulationszinssatzes von 3,25% ein positiver Kapital­ wert in Höhe von 27.809 DM, der einer internen Rendite von 9,37% entspricht. Korrespondierend zu den Annahmen bei der Berechnung der Vorteilhaftigkeit von Mobilieninvestments (vgl. Abb. 60) wird der Anlagebetrag in t = 0 investiert, die Steuerzahlungen und die Kapitalrückzahlung fallen jeweils zum Jahresende an. Die Einkommensteuer errechnet sich durch Multiplikation des zu versteuern­ den Einkommens mit der effektiven Steuerquote ohne weitere Berücksichtigung einkommensteuergesetzlicher Besonderheiten. Durch die Gewährung dieser marktorientierten Risikokapitalprämie wird dem Finanzier die Möglichkeit eingeräumt, einen Teil seiner Investition bei der Ein­ kommensteuer abzusetzen. Durch diese Anreize könnten Mittel, die bislang in andere steueroptimierende Anlagen fließen, der Gründungsfinanzierung zuge­ führt werden und in der Konsequenz gesamtwirtschaftlich positive Effekte nach sich ziehen.

3. Teil: Neuere Ansätze zur Akquisition von Eigenkapital

283

1. Jahr

2. Jahr

3. Jahr

4. Jahr

5. Jahr

Zu versteuerndes Einkommen

200.000,00

200.000,00

250.000,00

250.000,00

300.000.00

Einkommensteuer ohne Kapitalengagement

111.830,00

111.830.00

139.78730

139.78730

167.745,00

Zu versteuerndes Einkommen (1)

200.000,00

200.000.00

250.000,00

250.000,00

300.000,00

Abschreibung der Investitions­ summe (linear)

20.000,00

20.000,00

20.000,00

20.000,00

20.000,00

Risikofreie Anlage (Bundes­ schatzbrief zu 3,25% p.a.)

3.250,00

3.250,00

3.250,00

3.250,00

3.250,00

Marktorientierte Risikokapitalprämie

16.750,00

16.750,00

16.750,00

16.750,00

16.750,00

Zu versteuerndes Einkommen (2)

183.250,00

183.250,00

233.250,00

233.250.00

283.250,00

Einkommensteuer mit Kapitalengagment

102.464,24

102.464,24

130.421.74

130.421.74

158.37934

9.365,76

9365,76

9365,76

9365,76

9365,76

Liquiditätsergebnis beim Anleger

Vorteilhaftigkeit des Engagements in der Frühphasenfinanzierung von Existenzgründungen durch die Gewährung der Risikokapitalprämie:

2. Jahr

JL

________ JL________

t=:2

t=:

1=4

t=5

9.365,76

9.365,76

9.365,76

9.365,76

109.365.76

• 1,0325-'

• 1.O325'2

• 1,03 25’

1.0325-*

t=0

t»l

-100.000

y.u /1

5. Jahr _______

4. Jahr

3. Jahr

l.Jahr

•1.0 325'5

*

8.785 8.509