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German Pages 186 [187] Year 2006
CHRISTIAN W I T T M A N N
Wissenszurechnung im Strafrecht
Schriften zum Strafrecht Heft 180
Wissenszurechnung im Strafrecht Ein Beitrag zur Anwendung der Lehre von den Verantwortungsbereichen im Rahmen der §§ 263 und 297 StGB
Von
Christian Wittmann
Duncker & Humblot • Berlin
Die Juristische Fakultät der Eberhard-Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Wintersemester 2004/2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D 21 Alle Rechte vorbehalten © 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 3-428-11988-6 978-3-428-11988-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706© Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Angeregt wurde die vorliegende Untersuchung von meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Fritjof Haft, dem es gelang, mich für das neue und noch nahezu völlig unbearbeitete Thema zu begeistern. Ihm gilt mein besonders herzlicher Dank, auch für die gelegentlich notwendig werdende Motivation, die mit einem solchen Thema verbundenen Schwierigkeiten zu überwinden. Für ihre stete Bereitschaft zu fachlichen Diskussionen danke ich Herrn Prof. Dr. Jörg Eisele und Herrn Dr. Mario Noll, mit denen ich über den Rahmen dieser Arbeit hinaus weitere Forschungsschwerpunkte geteilt habe. Herrn Prof. Dr. Joachim Vogel danke ich für die äußerst zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Ein ganz liebes Dankeschön möchte ich Frau Tina Balzer aussprechen, ohne deren Hilfe ich das Layout dieser Arbeit nicht hätte erstellen können. Die Arbeit wurde im Sommersemester 2003 abgeschlossen. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten Rechtsprechung und Literatur berücksichtigt werden.
Stuttgart, im März 2006
Christian Wittmann
Inhaltsverzeichnis Einleitung
15
1. Kapitel Bisherige Ansätze in der strafrechtlichen Literatur
I.
Die Arbeiten Tiedemanns
lg
18
I I . Der Ansatz von Gössel
20
I I I . Der Ansatz von Kindhäuser
21
IV. Der Ansatz von Rengier
23
2. Kapitel Dogmatische Vorüberlegungen
24
I. Einleitung, Lösungsansatz und Gang der Untersuchung
24
II. Eigenverantwortlichkeitsprinzip und Betrugsdogmatik
26
1. Das Eigenverantwortlichkeitsprinzip als Rechtsprinzip - eine Grundlagenbestimmung
26
a) Die verfassungsrechtliche Verankerung des Eigenverantwortlichkeitsprinzips
26
b) Der Begriff der „Selbstverantwortung des Opfers" nach Zaczyk
27
c) Eigene Bewertung
28
2. Das Eigenverantwortlichkeitsprinzip bei den Fremdschädigungsdelikten
29
a) Einleitende Überlegungen und Fallbeispiele
29
b) Behandlung der Fallbeispiele in Literatur und Rechtsprechung
31
3. Das Eigenverantwortlichkeitsprinzip im Rahmen des Betrugstatbestandes a) Der Betrug als Selbstschädigungsdelikt
32 33
b) Einschränkung des Irrtumsmerkmals bei konkreten Zweifeln an der Wahrheit? 34
8
Inhaltsverzeichnis aa) Der viktimodogmatische Ansatz
35
bb) Kritik des viktimodogmatischen Ansatzes
38
(1) Einzelkritik an der Lehre Amelungs und R. Hassemers
39
(2) Stellungnahme
40
cc) Bedeutung dieses Ergebnisses für die Thematik dieser Arbeit
41
c) Zulässigkeit der Argumentation mit Verantwortungsbereichen respektive dem Eigenverantwortlichkeitsprinzip zur Begrenzung der Betrugsstrafbarkeit
41
d) Stellungnahme
44
4. Keine Widersprüche zwischen der Irrtumskonzeption der herrschenden Meinung und den Voraussetzungen einer eigenverantwortlichen Selbstschädigung bei den Fremdschädigungsdelikten I I I . Exkurs: Prüfung des Zurechnungszusammenhangs beim Betrug 1. Der Kausalverlauf und die „Zwischenerfolge" des Betrugstatbestands
45 47 47
a) Die Beziehung zwischen Täuschung und Irrtum sowie Täuschung und Vermögensverfügung
49
b) Die Beziehung zwischen Irrtum und Vermögensverfügung
49
c) Die Beziehung zwischen Vermögensverfügung und Vermögensschaden
50
2. Prüfung der objektiven Zurechnung beim Betrug IV. Zusammenfassung der Vorüberlegungen
50 51
3. Kapitel Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
53
I. Einleitende Bemerkungen und Gang der Untersuchung
53
II. Mögliche Anwendungsfälle des Eigenverantwortlichkeitsprinzips
54
1. Weisung des Rechtsgutsinhabers an den Dritten, eine Vermögensverschiebung vorzunehmen 54 a) Die Weisung erfüllt die Voraussetzungen einer Vermögensverfugung
55
b) Die Weisung erfüllt nicht die Voraussetzungen einer Vermögensverfügung
58
aa) Die irrtumsfreie Weisung
58
bb) Kenntnis der Täuschung nach Erteilung der Weisung
59
Inhaltsverzeichnis 2. Kenntnis der Täuschung und der bevorstehenden Vermögensverfugung, aber keine aktive Beeinflussung der Vermögensverfugung
60
3. Kenntnis der Täuschung, aber fehlende Kenntnis der bevorstehenden Vermögensverfugung
61
4. Kenntnis der Täuschung und Kennenmüssen der bevorstehenden Vermögens Verfügung
61
5. Rechtfertigende Einwilligung in die Vermögensschädigung
62
6. Ergebnis
62
I I I . Eigenverantwortliche Selbstschädigung der natürlichen Person
62
1. Vergleich der Betrugskonstellation mit anerkannten Anwendungsfällen des Eigenverantwortlichkeitsprinzips 2. Vorrangigkeit der Organisationsentscheidung des Rechtsgutsinhabers
63 65
a) Zum Begriff der Rechtsguts Verletzung; der Bestand der Handlungsobjekte als Organisationskreis des Rechtsgutsinhabers
65
b) Die Inhaberschaft eines Rechtsguts als originäre Organisationszuständigkeit
66
c) Die Organisationsbefugnis des Dritten als abgeleitete Organisationszuständigkeit
67
d) Vorrangigkeit der Organisationsentscheidung des Rechtsgutsinhabers als Folge der herausgearbeiteten Beziehungsstruktur; Bezüge zur Wertung des §166 II BGB
68
e) Ergebnis
72
3. Grund und Voraussetzungen des Zurechnungsausschlusses
73
a) Kurzes Resümee der bisherigen Ergebnisse; weiterer Gang der Untersuchung
73
b) Grund und Voraussetzungen des Zurechnungsausschlusses bei einem aktiven Tun (Weisung) des Rechtsgutsinhabers
73
c) Grund und Voraussetzungen des Zurechnungsausschlusses bei einem Unterlassen des Rechtsgutsinhabers
75
aa) Möglichkeit und Zumutbarkeit selbstschützenden Verhaltens als Grundvoraussetzungen des Zurechnungsausschlusses bb) Erwartung selbstschützenden Verhaltens
76 77
(1) Erwartung vernünftigen Opferverhaltens
77
(2) Legitimation der Erwartung selbstschützenden Verhaltens
78
10
Inhaltsverzeichnis cc) Warum wirkt sich die Enttäuschung der Erwartung auf die Zurechnung des Erfolgs zum Täter aus?
79
(1) Dominanz des Opferverhaltens
80
(2) Risikoübernahme
81
(3) Erwartungsenttäuschung und Strafzwecke
81
(a) Die Bedeutung des Erfolgseintritts im strafrechtlichen Unrechtsbegriff
82
(b) Die Enttäuschung der Selbstschutzerwartung im Lichte dieses Erfolgsverständnisses
83
dd) Exkurs: Typisierte Situationen der Erwartungserfüllung durch den Geschäftsherrn
84
(1) Wahl einer ungeeigneten Selbstschutzmaßnahme
85
(2) Fehler bei der Ausfuhrung des Selbstschutzes durch einen Dritten
85
4. Ergebnis IV. Die Problematik bei juristischen Personen, dargestellt am Beispiel der GmbH 1. Einleitung und Begrenzung der Untersuchung
86 87 87
2. Eigenverantwortliche Selbstschädigung der GmbH durch Gesellschafterbeschlüsse
88
a) Bedeutung von Rechtsgutsinhaberschaft und Dispositionsbefugnis bei der GmbH für die Frage der eigenverantwortlichen Selbstschädigung durch Gesellschafterbeschlüsse
88
aa) Zivilrechtsakzessorische Vermögenszuordnung
89
bb) Originär strafrechtliche Vermögenszuordnung
90
cc) Irrelevanz der Vermögenszuordnung
90
b) Voraussetzungen der Verantwortungszuweisung
93
aa) Bildung des freiverantwortlichen Willens
93
bb) Fehlende Freiverantwortlichkeit der Willensbildung einzelner Gesellschafter
95
cc) Verhinderungsmöglichkeit
96
d) Zusammenfassung und Ergebnis
97
3. Eigenverantwortliche Selbstschädigung „der juristischen Person" durch Handlungen des Geschäftsführers?
98
a) Einleitung und Problemstellung
98
Inhaltsverzeichnis b) Eigenverantwortliche Selbstschädigung „der juristischen Person" bei gleichzeitiger Untreuestrafbarkeit der fraglichen Handlung des Geschäftsführers? 99 aa) Unrechtshandlung und eigenverantwortliche Selbstschädigung
99
bb) Untreuestrafbarkeit des Geschäftsführers bei gesellschaflsschädigendem Verhalten 100 c) Schädigende Handlungen im Unternehmensinteresse als eigenverantwortliche Selbstschädigung „der juristischen Person"
101
aa) Schädigungen im Unternehmensinteresse als verbleibende Fallgruppe
101
bb) Behandlung dieser Fallgruppe in Anlehnung an die Voraussetzungen der wirksamen Stellvertretung bei der Einwilligung
102
d) Ergebnis; Konkretisierung der Voraussetzungen, unter denen die schädigende Handlung eines Geschäftsführers „der juristischen Person" als eigenverantwortliche Selbstschädigung zurechenbar ist
104
4. Kapitel „Zurechnung des Wissens" von Wissensvertretern (Hilfspersonen)?
106 I. Einleitung und Problemstellung; Gang der Untersuchung
106
I I . Fälle der Täuschung durch aktives Tun
107
1. Grundsätzliche Anerkennung eines erweiterten Verantwortungsbereichs des Rechtsgutsinhabers
108
a) Bestandsaufnahme zur Lehre von den Verantwortungsbereichen
108
b) Nicht-handlungsgebundene Verantwortungszuweisung auf Opferseite
109
aa) Grundlegende Überlegungen
109
bb) Weitere Überlegungen bezüglich juristischer Personen
110
cc) Ergebnis
111
2. Eigenverantwortlichkeit des Rechtsgutsinhabers aufgrund des Handelns von Hilfspersonen? a) Anforderungen an die Stellung der Hilfsperson
111 112
aa) Die zivilrechtlichen Anforderungen an die Stellung der Hilfsperson
112
bb) Beurteilung der Anforderungen aus strafrechtlicher Sicht
113
b) Grundwertungen des Betrugstatbestands und Verantwortungszuweisung
114
c) Zivilrechtliche Wertungen als Legitimation strafrechtlicher Verantwortungszuweisung auf Opferseite? 116
12
Inhaltsverzeichnis aa) Einleitung und Grundlegung
116
bb) Grundsätzliche Möglichkeit strafrechtlicher Verantwortungszuweisung mittels zivilrechtlicher Wertungsgründe 117 cc) Legitimationskraft der einzelnen Wertungen
118
(1) Wissenszurechnung als logische Folge der Repräsentationstheorie?
118
(2) Schutz des Rechtsverkehrs und Gedanke des Vertrauensschutzes
119
(3) Risikoverteilungsgesichtspunkte
122
(4) Selbstschutzgedanke
125
(5) Gleichstellungsargument
130
d) Weitere Wertungsüberlegungen
133
aa) Strafrechtliche Auswirkungen angenommener Eigenverantwortlichkeit des Rechtsgutsinhabers fiir die Strafbarkeit der wissenden Hilfsperson
133
bb) Strafzweckbetrachtungen
136
e) Zusammenfassung und Ergebnis
137
I I I . Fälle der Täuschung durch Unterlassen
138
1. Einleitung und Problemstellung
138
2. Möglichkeit eines Betrugs durch Unterlassen; Anerkennung einer Aufklärungspflicht aus Treu und Glauben
140
3. Bedeutung des Bestehens bzw. Nichtbestehens einer zivilrechtlichen Aufklärungspflicht für die strafrechtliche Garantenstellung
141
4. Rechtsgrund und Voraussetzungen einer (zivilrechtlichen) Aufklärungspflicht
142
5. Kann das Wissensdefizit des Aufklärungsberechtigten durch Wissenszurechnung entfallen?
143
a) Grundsätzliche Möglichkeit von Wissenszurechnung bei Aufklärungspflichten
143
b) Wertungsbedingter Ausschluss der Wissenszurechnung bei der „Erfüllung" von Aufklärungspflichten
144
aa) Sinn und Zweck der Aufklärungspflicht
144
bb) Normatives Fehlen des Informationsbedarfs aufgrund von Wissenszurechnung?
145
(1) Schutz der Dispositionsfreiheit des Aufklärungsberechtigten
146
(2) Risikozuweisungs- und Selbstschutzgedanke
146
(3) Gleichstellungsargument
147
Inhaltsverzeichnis (4) Gedanke des Vertrauensschutzes
148
(5) Entscheidung der Wertungsfrage
150
c) Ergebnis
151
6. Ergebnis zu III. und Bezugnahme auf das Ergebnis II
151
5. Kapitel Übertragung der zu § 263 StGB entwickelten Grundsätze auf die Wissenszurechnung bei § 297 StGB
153
I. Der Schutzzweck des § 297 StGB
154
II. Das Tatbestandsmerkmal „Wissen des Reeders oder Schiffsführers"
154
1. Bisherige Stellungnahmen zu diesem Merkmal
154
a) Gesetzgeberische Motive
154
b) Literarische Stellungnahmen
155
2. Eigene Analyse des Tatbestandsmerkmals „Wissen des Reeders" a) Der Charakter des Tatbestandsmerkmals „Wissen des Reeders"
155 155
aa) Das Tatbestandsmerkmal „Wissen"
155
bb) Das Tatbestandsmerkmal „Wissen des Reeders"
156
b) Dogmatische Bedeutung des Merkmals aa) Das Tatbestandsmerkmal „ohne Wissen" als Normierung der Figur des tatbestandsausschließenden Einverständnisses?
157 157
bb) Das Tatbestandsmerkmal „ohne Wissen" als Bezugnahme auf die Eigenverantwortlichkeit des jeweiligen Schutzadressaten
159
(1) Historische Analyse des Begriffs „Vorwissen"
159
(2) Eigene Überlegungen
159
3. Konsequenzen für die Auslegung der Tatbestandsmerkmale „Wissen des Reeders" und „Wissen des Schiffsfiihrers"
161
a) Unhaltbarkeit der vom Gesetzgeber intendierten wechselseitigen Wissenszurechnung zwischen Reeder und Schiffsftihrer
161
b) Möglichkeit einer zivilrechtlichen Wissenszurechnung innerhalb des Reeders als Konsequenz der Normativität des Tatbestandsmerkmals „Wissen des Reeders"?
163
aa) Wissensgefälle innerhalb eines mehrköpfigen Vertretungsorgans
163
Inhaltsverzeichnis
14 (1) Gesamtvertretung
164
(2) Einzelvertretung
165
(3) Zusammenfassende Überlegungen
166
bb) Zurechnung des Wissens von Wissensvertretern? I I I . Zusammenfassung und Ergebnis
Zusammenfassung der Ergebnisse
166 167
168
Literaturverzeichnis
171
Stichwortverzeichnis
187
Einleitung In der strafrechtlichen Literatur wird jüngst vermehrt die Frage aufgeworfen, ob nicht bei § 263 StGB eine der zivilrechtlichen Regelung entsprechende Wissenszurechnung möglich sei.1 Auch in zwei höchstrichterlichen Entscheidungen aus neuester Zeit wurde diese Problematik ausdrücklich angesprochen, allerdings als nicht entscheidungserheblich offengelassen. 2 Es handelt sich also um ein hochaktuelles Thema der Strafrechtsdogmatik. Dass eine tiefergehende dogmatische Untersuchung dieser Frage bisher noch nicht stattgefunden hat, gibt Anlass, sich näher mit ihr zu beschäftigen. Sie hängt zusammen mit der Ausdifferenzierung, Anonymität und Arbeitsteiligkeit der heutigen Gesellschaft. Handelt es sich um eine Täuschung gegenüber Körperschaften oder anderen Personenmehrheiten, so stellt sich die Frage, ob es für die Bewertung des Geschehens als vollendeter Betrug allein auf den Wissenshorizont des verfugenden Täuschungsadressaten ankommen kann.3 Gerade beim Betrug muss häufig arbeitsteiliges Handeln auf Opferseite rechtlich erfasst werden. Verwiesen sei hier nur auf die Fälle des sogenannten Dreiecksbetrugs. Sind Verfügender und Vermögensinhaber nicht identisch, so muss begründet werden, warum die Verfügung des Dritten dem Vermögensinhaber als Selbstschädigung zugerechnet werden kann.4 Der Ansatz dieser Arbeit ist jedoch ein anderer. Es geht nicht um die Zurechnung der Vermögensverfügung, sondern um die Frage, ob auch das Wissen bzw. Verhalten des Vermögensinhabers selbst oder einer auf seiner Seite stehenden Person, die nicht unmittelbar an der betrugsrelevanten Interaktion beteiligt ist, die Strafbarkeit des Täters wegen eines vollendeten Betrugs beeinflussen kann. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich nicht um die Frage einer „Wissenszurechnung" auf Täterseite handelt, der das Schuldprinzip entgegenstehen würde. 5 1
Vergl. Tiedemann , Klug-FS, S. 405, 413 f.; LK-Tiedemann, § 263 Rn. 82; Rengier , Roxin-FS, S. 811, 823 f. 2 BGH NJW 2003, 1198; BayObLG, wistra 2001, 473 m. Anm. Kriminalistik 2002, 255. 3 Vergl. L K -Tiedemann, § 263 Rn. 82. 4 Siehe dazu Haft , BT, S. 208 f.; Wessels/Hillenkamp , BT/2, Rn. 637; Arzt, in: Arzt/Weber, BT, § 20 Rn. 81 ff. 5 So bereits L K -Tiedemann, § 263 Rn. 82.
Einleitung
16
Die Opfersphäre stellt innerhalb des Unrechtsgefüges des § 263 StGB ein wesentliches Element dar. Der Betrug ist ein Delikt der notwendigen Teilnahme. Notwendige Bedingung für die Verwirklichung des Tatbestands ist ein Tatbeitrag aus der Sphäre des Vermögensinhabers. 6 Eine gewisse Mitverantwortung des Vermögensinhabers oder einer für diesen handelnden Person ist beim Betrug empirisch die Regel.7 Daher stellt sich hier in besonderer Schärfe die Frage, wo die Grenze zwischen strafwürdigem und nicht strafwürdigem Geschehen verläuft. Eine Antwort wird nur eine komplexe, Täter und Opfer einbeziehende Betrachtungsweise liefern können.8 Die bisherigen Versuche, der Beteiligung des Opfers an seiner eigenen Schädigung in bestimmten Fällen durch eine Einschränkung der Strafbarkeit des Täters gerecht zu werden, werden unter den Stichworten „Opfermitverantwortung" und „Viktimodogmatik" diskutiert. Die Opfermitverantwortung ist ein den gesamten Betrugstatbestand beherrschendes Problem, dem man mit einer lediglich punktuellen Aufmerksamkeit nicht gerecht werden kann.9 Auch heute noch handelt es sich dabei um das zentrale kriminalpolitische und dogmatische Problem des Betruges. 10 Die Versuche, die Opferverantwortung „gewissermaßen als Instrument für eine Grobsteuerung des § 263 StGB einzusetzen", werden allerdings weitgehend als gescheitert angesehen.11 Für erreichbar gehalten wird nur eine „Feinsteuerung", die bei allen Tatbestandsmerkmalen und ihren Unterbegriffen die Opfermitverantwortung innerhalb des dogmatischen Systems bewusst macht und zur Problemlösung heranzieht. 12 Auch der Ansatz, entsprechend der zivilrechtlichen Rechtslage im Rahmen des § 263 StGB Wissen auf Opferseite zuzurechen, kann als eine „Feinsteuerung" des Betrugstatbestandes angesehen werden. 13 Die Arbeit steht damit auch im Zusammenhang mit dem von Schünemann so genannten „viktimologischen Prinzip". Die Verhängung von Strafe als ultima ratio des Staates zur Verhütung von Sozialschäden ist dann nicht am Platze, wenn das Opfer - d. h. der Vermögensinhaber - keinen Schutz verdient oder keines Schutzes bedarf. 14 Bei der Bearbeitung des Themas gilt es aus strafrechtlicher Sicht, zwei Fallgruppen auseinander zu halten; sie stellen gleichsam die Grundkonstella6
Vergl. Gössel, wistra 1985, 125 ff. Arzt, in: Arzt/Weber, BT, § 20 Rn. 4. 8 So schon Ellmer , Betrug, S. 20. 9 Vergl. auch Naucke , Peters-FS, S. 109, 112 f.; zustimmend Ellmer , Betrug, S. 166. 10 Dazu bereits Arzt , Verhandlungen des 51. DJT, Bd. II, N 43, N 57; Arzt , in: Arzt/Weber, L H 3, Rn. 379 ff., 381; dersin: Arzt/Weber, BT, § 20 Rn. 5; in diesem Sinne auch Vogler , ZStW 90 (1978), 132, 147 f. 11 Arzt , in: Arzt/Weber, BT, § 20 Rn. 6. 12 Arzt, in: Arzt/Weber, BT, § 20 Rn. 6. 13 In diesem Sinne auch LK-Tiedemann , § 263 Rn. 82. 14 Schünemann, NStZ 1986, 439. 7
Einleitung
tionen der Wissenszurechnung dar und liegen auch den beiden jüngst ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen zugrunde: Bei der ersten Fallgruppe täuscht der Täter eine auf Seiten des Vermögensinhabers tätige Person, die sodann irrtumsbedingt eine schädigende Vermögensverfügung vornimmt. Der Vermögensinhaber selbst (bzw. dessen Repräsentant) kennt dabei das Verhalten des Täters und durchschaut die Täuschung, unternimmt aber nichts, um die Vermögensverfügung zu unterbinden. 15 Bei der zweiten Fallgruppe täuscht der Täter den Vermögensinhaber selbst (bzw. dessen Repräsentant), der auch die schädigende Vermögensverfügung vornimmt. Eine mit der Vorbereitung des Vertrags befasste Person (ein sogenannter „Wissensvertreter") hat dabei Kenntnis von der Täuschung des Täters, teilt dieses Wissen dem Verfügenden jedoch nicht mit. 16 Nach der bisherigen Betrugsdogmatik müsste man in beiden Fallgruppen allein auf die Person des irrtümlich Verfügenden abstellen. In beiden Konstellationen käme man so zu einem vollendeten Betrug. Die vorliegende Arbeit untersucht diese Fallgruppen aus dem Blickwinkel des strafrechtlichen Verantwortungsprinzips. Der Schwerpunkt liegt darauf, die Verantwortung des Rechtsgutsinhabers für den Vermögensschaden herauszuarbeiten. Stellt sich heraus, dass ihm die Verantwortung zuzuweisen ist, bedeutet dies, dass die objektive Zurechnung des Schadens zum Täter ausgeschlossen ist. Er kann dann - entsprechenden Tatentschluss vorausgesetzt - nur wegen versuchten Betrugs bestraft werden. Die Untersuchung beginnt mit der Darstellung und Kritik der wenigen literarischen Stellungnahmen zum Thema der „Wissenszurechnung" im Strafrecht. Sodann ist auf die Grundzüge des Verantwortungsprinzips einzugehen. Nachdem solchermaßen die dogmatische Vorarbeit geleistet ist, ist zu einer spezifisch strafrechtlichen Lösung der Wissenszurechnungsproblematik unter Verantwortungsgesichtspunkten voranzuschreiten. Dabei werden sich für die Fallgruppen verschiedene Ansatzpunkte ergeben, die aber dadurch verbunden sind, dass es jeweils um die Frage der Eigenverantwortung des Rechtsgutsinhabers für den Betrugsschaden geht. Letztendlich ist noch auf § 297 StGB einzugehen. Die Norm setzt ein Wissen des Rechtsgutsinhabers voraus. Anders als beim Betrug, bei dem man ein Wissen des Rechtsgutsinhabers oder seines Repräsentanten eventuell auch für unerheblich erklären könnte, ist man bei diesem Tatbestand gezwungen, zur Frage der Wissenszurechnung Stellung zu nehmen.
15
Siehe zu dieser Konstellation BGH NJW 2003, 1198. Siehe zu dieser Konstellation BayObLG, wistra 2001, 473; sie liegt auch den Überlegungen Tiedemanns zugrunde, vergl. L K zu § 263 Rn. 82. 16
1. Kapitel
Bisherige Ansätze in der strafrechtlichen Literatur Bei dem Gedanken, auch beim Betrug das Wissen Dritter nicht unmittelbar an der betrügerischen Interaktion beteiligter Personen zuzurechnen, handelt es sich um eine relativ neue Idee. Es finden sich bisher nur wenige literarische Stellungnahmen. Eine ausfuhrliche Erörterung der Thematik hat diese Arbeiten zunächst aufzugreifen und zu bewerten, was im Folgenden geschehen soll.
I. Die Arbeiten Tiedemanns17 Nach Ansicht Tiedemanns kommt der Frage der Zurechnung des Wissens von Vertretern und Hilfspersonen vor allem für diejenigen Fälle erhebliche Bedeutung zu, in denen Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer usw. an den Vertragsverhandlungen teilnehmen. Die Bejahung der Zurechnung würde die Betrugsrelevanz von Irrtümern des so beratenen Rechtsgutsinhabers erheblich einschränken und für die Fälle der Täuschung durch konkludentes Tun sowie durch Unterlassen weitgehend oder ganz entfallen lassen.18 Tiedemann führt aus, das Strafrecht erörtere das Problem der Wissenszurechnung bisher nur bei der Abgrenzung von Betrug und Diebstahl im Dreiecksverhältnis. Dort werde hervorgehoben, dass derjenige, der eine Entscheidung auf einen Substituten abwälze, auch das Risiko einer Fehlentscheidung tragen und sich den Irrtum des Substituten zurechnen lassen müsse.19 Da jedoch den für die Fälle der Wissenszurechnung in Frage kommenden Hilfspersonen (Wissensvertretern) keine Verfügungsbefugnis eingeräumt sei, könne an diese Lehre nicht ohne weiteres angeknüpft werden. Aus diesem Grund sei es auch nicht möglich, direkt auf § 166 BGB Bezug zu nehmen. Ob eine Wissenszurechnung erfolgen könne, ergebe sich vielmehr erst aus dem normativen Gedanken, dass derjenige, der einen anderen mit Entscheidungsgewalt betraue, um sich besser am Rechtsverkehr beteiligen zu können, auch dessen Kenntnisse und Willensmängel gegen sich gelten
17
Siehe Klug-FS, S. 405, 413 f.; L K zu § 263 Rn. 82. Tiedemann , Klug-FS, S. 405, 413; LK-Tiedemann , § 263 Rn. 82. 19 Tiedemann , Klug-FS, S. 405, 413 unter Bezugnahme auf Backmann , Abgrenzung des Betrugs, S. 152. 18
I. Die Arbeiten Tiedemanns
19
lassen müsse.20 Angesichts der Arbeitsteiligkeit des Wirtschaftsverkehrs müsse es beim Betrug durch Unterlassen genügen, wenn der Täter etwaigen Aufklärungspflichten gegenüber dem die Vertragsverhandlungen führenden Vertreter seines Vertragspartners nachkomme. Man könne dem Täter nicht aufbürden, seine Aufklärungspflicht auch gegenüber allen Organen einer juristischen Person oder gegenüber dem Firmeninhaber zu erfüllen. 21 Daher sei „in vorsichtiger Verallgemeinerung" auch im Strafrecht die Zurechnung des Wissens eines Repräsentanten als ein allgemeines Prinzip zu bezeichnen. Ob der Rechtsgutsinhaber die Wissenszurechnung wolle, sei irrelevant. Im Einzelnen will Tiedemann aber Differenzierungen vornehmen. Bei Kollusion zwischen dem Täter und dem den verfügenden Rechtsgutsinhaber pflichtwidrig nicht aufklärenden Repräsentanten werde eine Wissenszurechnung durch die Handlungszurechnung nach § 25 II StGB überspielt und es liege ein mittäterschaftlicher Betrug vor. 22 Durchschaue der Repräsentant eine aktive (ausdrückliche oder konkludente) Täuschung und kläre den Rechtsgutsinhaber pflichtwidrig und vorsätzlich nicht auf, ohne mit dem Täter zu kolludieren, so fehle es am Zurechnungszusammenhang zwischen Täuschung und Irrtum des Verfügenden. Der Irrtumserfolg sei hier - ähnlich wie in den Retterfallen - dem Verantwortungsbereich des wissenden Repräsentanten zuzuordnen. 23 Eine ausführliche dogmatische Begründung für die Wissenszurechnung liefert Tiedemann nicht. Die Kritik muss sich daher auf die Bewertung seiner Begründungsansätze beschränken. Angreifbar ist zunächst die Bezugnahme auf die Lehre vom Dreiecksbetrug, insbesondere auf die Ausführungen Backmanns. Dieser ist der Ansicht, dass dem Vermögensinhaber mit den Handlungen des Dritten auch dessen Irrtümer zuzurechnen seien.24 Auf die Zurechnung des Irrtums des verfügenden Dritten kommt es jedoch beim Betrug im Dreiecksverhältnis nicht an. Der Lehre vom Dreiecksbetrug geht es darum, den Charakter des § 263 StGB als Selbstschädigungsdelikt zu wahren. Verfügt ein Dritter über fremdes Vermögen, so muss begründet werden, warum dieses Handeln dem Rechtsgutsinhaber als Selbstschädigung zugerechnet werden kann.25 Die Zurechnung des Irrtums spielt hierbei keine Rolle. Im Gegenteil: Nach der Tatbestandsfassung des § 263 StGB ist entscheidend die Einheit von Getäuschtem und Verfügendem. Verfügender ist in den Dreiecksfällen der Dritte. Bei ihm muss der Irrtum vorliegen. Eine Zurechnung des Irrtums zum Rechtsgutsinhaber ist aus dem Blickwinkel 20
Tiedemann, Klug-FS, S. 405, 414. Tiedemann, Klug-FS, S. 405, 414; differenzierter LK-Tiedemann, § 263 Rn. 82 a. E. Siehe dazu unten, 4. Kapitel, III. 22 So auch BayObLG, wistra 2001, 473 m. Anm. Kriminalistik 2002, 255. 23 Vergl. LK-Tiedemann, § 263 Rn. 82;dazu unten 4. Kapitel, I I 2 d aa. 24 Vergl. Backmann, Abgrenzung des Betrugs, S. 152 f. 25 Vergl. dazu Sch-Sch-Cramer, § 263 Rn. 65 ff. 21
20
1. Kapitel: Bisherige Ansätze in der strafrechtlichen Literatur
des Dreiecksbetrugs sinnlos. Zugerechnet wird nur die Handlung des Dritten. Als Ansatzpunkt für die Begründung der Wissenszurechnung taugt die Lehre vom Dreiecksbetrug nicht. Einen vielversprechenden Ausgangspunkt für die Untersuchung stellt die Bezugnahme Tiedemanns auf die hinter der zivilrechtlichen Wissenszurechnung stehenden Wertungsgedanken dar. Diesen Ansatz wird die Arbeit aufnehmen und ausarbeiten.26 Insbesondere in den Fällen, in denen der „Täter" seinen zivilrechtlichen Aufklärungspflichten bei den Vertragsverhandlungen gegenüber einem Wissensvertreter nachgekommen ist, scheint eine „Wissenszurechnung" auf den ersten Blick gerechtfertigt. 27
I I . Der Ansatz von Gössel28 In seinem Beitrag zur notwendigen Teilnahme beim Betrug setzt sich Gössel mit der Frage auseinander, welche natürlichen Personen innerhalb einer juristischen Person oder sonstigen Personenvereinigung getäuscht werden müssen und auf wessen Kenntnis des wahren Sachverhalts es in solchen Fällen ankommt. 29 Er versucht, dem Problem Herr zu werden, dass in diesen Fällen die faktisch nicht (verantwortlich) handelnde Vereinigung von den für sie handelnden Personen verschieden ist. Dies berge die Gefahr einer zu weit geratenen Strafbarkeitshaftung in sich. 30 Zur Lösung schlägt er die rechtsanaloge Anwendung der §§ 14, 75 StGB, 9, 30 OWiG vor. 31 Werde eine Täuschung gegenüber einer im natürlichen Sinn irrtums- und handlungsunfähigen Vereinigung vorgenommen, komme es nicht auf die Kenntnis eines beliebigen Mitglieds oder Organs der Vereinigung an. Betrug könne nur dann bejaht werden, wenn das persönliche Merkmal des Irrtums bei derjenigen natürlichen Person erregt werde, die nach Maßgabe des § 14 StGB für die Vereinigung zu handeln, insbesondere über deren Vermögen zu verfügen berechtigt sei.32 Gössel erblickt in den §§ 14, 75 StGB, 9, 30 OWiG also ein allgemeines Prinzip bei Vertreterhandeln, das er auch zur Begrenzung einer weiten Täterhaftung für anwendbar hält. 33 Für die Frage der Wissenszurechnung ist damit aber nichts gewonnen. Denn bei genauerer Betrachtung entwirft Gössel nur ein 26 27 28 29 30 31 32 33
Siehe dazu unten 4. Kapitel, II 2 c. Siehe dazu unten 4. Kapitel, III. wistra 1985, 125 ff. Vergl. Gössel, wistra 1985, 125, 126 f. Vergl. Gössel, wistra 1985, 125, 126. Vergl. Gössel, wistra 1985, 125, 127. Gössel, wistra 1985, 125, 128. Kritisch zu dieser Gesamtanalogie Eisele, Wissenszurechnung, III 3 b.
III. Der Ansatz von Kindhäuser
21
weiteres Erklärungsmodell für das beim Dreiecksbetrug erforderliche besondere „Näheverhältnis" zwischen Verfügendem und Rechtsgutsinhaber. Dass er selbst mit seinem Ansatz nicht die Lösung der Wissenszurechnungsfrage im Sinn hatte, zeigt der von ihm gewählte Beispielsfall. 34 Dort geht es um den Abschluss eines Versicherungsvertrags, bei dem ein Außendienstmitarbeiter von der Unwahrheit der Täterangaben Kenntnis hatte, ohne dies dem zuständigen Sachbearbeiter zu offenbaren. 35 Nach Ansicht Gössels kommt es hier allein auf die Kenntnis des zuständigen Sachbearbeiters an, nicht dagegen auf die des Außendienstmitarbeiters. Die Frage der „Wissenszurechnung" müsste dagegen bei der Kenntnis des Außendienstmitarbeiters ansetzen.
I I I . Der Ansatz von Kindhäuser 36 Ausdrückliche Zustimmung hat die Idee der Wissenszurechnung bei Kindhäuser gefunden. Tiedemann spreche zu Recht von der Wissenszurechnung bei Repräsentanten des Geschäftsherrn als einem allgemeinen Prinzip. 37 Zu dieser Einsicht gelangt Kindhäuser allerdings aufgrund eines fundamental anderen Verständnisses des Betrugs. Er betrachtet den Betrug als „vermögensverletzendes Freiheitsdelikt". Nur solche Täuschungen seien betrugsrelevant, mit denen der Täter einen „Wahrheitsanspruch" (Recht auf Wahrheit) gerade des Geschädigten verletze. 38 Diese Ansicht ist mit der herrschenden Meinung abzulehnen.39 Die Täuschungshandlung, an der der Rechtsgutscharakter des „Rechts auf Wahrheit" tatbestandlich festgemacht werden könnte, bildet bei § 263 StGB (im Gegensatz etwa zu § 253 StGB) nur das tatbestandsmäßige Angriffsmittel. 40 Zudem bleibt im Dunkeln, wo das Wahrheitsrecht verankert sein soll, wie es erkennbar und abgrenzbar ist. 41 Indes muss hier nicht vertieft auf die Kritik der Grundlagen dieser Lehre eingegangen werden. Entscheidend ist, dass sie keine stichhaltige Begründung der „Wissenszurechnung" in den Fällen des Dreiecksbetrugs 42 liefert.
34
Vergl. Gössel, wistra 1985, 125, 128. Vergl. zu dieser Sachverhaltskonstellation neuerdings auch BayObLG wistra 2001, 473 (= NStZ 2002, 91 f.) sowie unten 4. Kap. II. 36 ZStW 103 (1991), 398, 423 (Fn. 70); vergl. auch Kindhäuser, Bemmann-FS (1997), S. 339,361. 37 Kindhäuser, ZStW 103 (1991), 398, 423 (Fn. 70). 38 Kindhäuser, ZStW 103 (1991), 398, 402. 39 Vergl. nur Sch-Sch-Cramer, § 263 Rn. 1 m. w. N.; Arzt, in: Arzt/Weber, BT, § 20 Rn. 26 f.; ausführlich LK-Tiedemann, Vor § 263 Rn. 21 ff. 40 LK-Tiedemann, Vor § 263 Rn. 24. 41 LK-Tiedemann, Vor § 263 Rn. 25. Kritisch auch Jänicke, Vermögensverfügung, S. 281 ff. 42 Vergl. zu diesen Konstellationen Kindhäuser, ZStW 103 (1991), 398, 415 ff. 35
22
1. Kapitel: Bisherige Ansätze in der strafrechtlichen Literatur
Nach Kindhäuser ist die Täuschung des Dritten grundsätzlich nur dann betrugsrelevant, wenn sie auch unter der Voraussetzung betrugserheblich wäre, dass der Geschädigte selbst Adressat der Erklärung des Täters ist. Nach dieser Konzeption stellt es keinen Betrug dar, wenn sich der Täter zufällige Wissensdefizite des für den zutreffend informierten Geschäftsherrn handelnden Dritten zunutze macht.43 Verletze die Ausnutzung eines innerorganisatorischen Informationsgefälles nicht die Dispositionsfreiheit, so sei nicht nur dann Betrug zu verneinen, wenn der Vermögensinhaber den relevanten Wissensvorsprung vor dem für ihn Handelnden habe, sondern auch dann, wenn der Vermögensinhaber das relevante Wissensdefizit gegenüber dem für ihm Handenden habe. Wer sich also bei Vertragsverhandlungen sachkundiger Hilfspersonen bediene, dessen Recht auf Wahrheit sei nicht verletzt, wenn diese wussten oder erkannten, was ihm verborgen blieb. 44 Diese Ansicht wird den notwendigen Folgewirkungen arbeitsteilig organisierter Vermögensverwaltung nicht voll gerecht. Der Arbeitseilung ist das Risiko immanent, dass der Repräsentant in bestimmten Fällen weniger weiß als der Rechts-gutsinhaber selbst. Der Umstand, dass dieses Minderwissen ausgenutzt wird, kann den Dritten im Verhältnis zum Vermögensinhaber nicht bereits zum Extraneus stempeln. Zudem würde die Sichtweise Kindhäusers zu einer starken Zurückdrängung der Betrugsfalle gegenüber dem Diebstahl in mittelbarer Täterschaft führen. 45 Auch bezieht der von dem Dritten geltend gemachte Wahrheitsanspruch des Geschädigten den Anspruch ein, dass unwahre Behauptungen über ihn selbst mit vermögensschädigenden Folgen unterbleiben. Ob eine Vermögensverfügung des Dritten vorliegt, hängt außerdem nicht vom Inhalt der Täuschung ab, sondern von der Beziehung des Dritten zur Vermögenssphäre des Geschädigten. 46 Hier lässt sich noch folgendes ergänzen: Kindhäuser geht davon aus, dass § 263 StGB die Dispositionsfreiheit des Geschädigten schützt.47 Selbst wenn dies zutreffen würde, könnte man dennoch nicht auf den Wissenshorizont der Vertretenen (Geschädigten) abstellen. In den einschlägigen Fällen hat der Geschädigte dem Dritten Dispositionsmacht eingeräumt. Die Macht zur Disposition ist dann zwar vom Geschädigten abgeleitet. Die Ausübung der Disposition mitsamt der erforderlichen Willensbildung bleibt jedoch höchstpersönliche Angelegenheit des Dritten. Die Einräumung der Dispositionsmacht stellt den erforderlichen Bezug des Dritten zum Vermögen des Rechtsgutsinhabers her, der es ermöglicht, die Verfügung dem Rechtsgutsinhaber als Selbstschädigung zuzurechnen. Die
43
Vergl. Kindhäuser , ZStW 103 (1991), 398, 420; ders., Bemmann-FS (1997), S. 339,
361. 44
Kindhäuser , ZStW 103 (1991), 398, 422 f.
45
Pawlik, Betrug, S. 217 m. w. N.
46
SK-Samson/Günther, § 263 Rn. 92a. Kindhäuser , ZStW 103 (1991), 398, 421.
47
IV. Der Ansatz von Rengier
23
Frage der Verletzung der Dispositionsfreiheit muss sich allerdings nach dem Bewusstseinsinhalt des verfügenden Dritten richten, der an Stelle des Geschädigten disponiert. Die geschützte Dispositionsmacht ist hier gewissermaßen vom Rechtsgutsinhaber auf den Dritten ausgelagert. Der Ansatz der Wissenszurechnung bzw. die Anwendung des Verantwortungsprinzips unterscheidet sich von der Ansicht Kindhäusers dadurch, dass neben dem bloßen Wissen um den betrugserheblichen Umstand noch eine in Kenntnis der konkreten Tatsituation getroffene Organisationsentscheidung des Rechtsgutsinhabers vorliegen muss.48
IV. Der Ansatz von Rengier 49 In seinem Beitrag zur objektiven Zurechnung im Besonderen Teil des Strafrechts greift Rengier die Idee der Wissenszurechnung auf. Nähmen der Geschäftsherr und sein Repräsentant an Vertragsverhandlungen persönlich teil und durchschaue nur der Repräsentant die Täuschung des Täters, so dränge sich die Frage der Wissenszurechnung auf. Es sei die Frage zu stellen, ob sich der Geschäftsherr und sein Repräsentant als „Irrtumseinheit" behandeln lassen müssen, die im ganzen nicht mehr irrt, sobald ein Repräsentant die Täuschung durchschaut. Rengier meint, dass die Gedanken der objektiven Zurechnung in Verbindung mit der Lehre von den Verantwortungsbereichen die Richtung weisen, in der die Lösung der Wissenszurechnungsfrage zu suchen sei.50 Diesen Ansatz wird die Arbeit weiterverfolgen. Er bietet sich deshalb an, weil auch die zivilrechtliche Wissenszurechnung methodisch gesehen eine Zuweisung von Verantwortung für fremdes bzw. eigenes Wissen darstellt. 51 Zudem handelt es sich bei der Deliktsstufe der objektiven Zurechnung um diejenige Kategorie im Tatbestandsaufbau, die aus systematischer Sicht am besten dazu geeignet ist, die erforderlichen Wertungs- und Strafzwecküberlegungen in sich aufzunehmen.
48
Dazu unten 3. Kapitel, III. Roxin-FS, S. 811, 823 f. 50 Rengier, Roxin-FS, S. 811, 824. 51 Vergl. Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16, 17 mit Fn. 3. Taupitz leitet diese Erkenntnis in erster Linie aus dem Zurechnungsbegriff selbst her. In der zivilrechtlichenLiteraturwirddagegenteilweisevoneinerWissensfiktiongesprochen, vergl. etwa Medicus, Karlsruher Forum 1994,4, 6; Baum, Wissenszurechnung, S. 195: „Das Ergebnis einer Zurechnung ist das Bestehen eines fiktiven, normativen Wissens beim Zurechnungsobjekt". Der Geschäftsherr gelte wegen der Wissenszurechnung als wissend. Gegen das Vorliegen einer Fiktion spricht aber, dass das BGB an den Stellen, an denen es eine Fiktion anordnen will, dies meist mit dem Wortlaut unzweifelhaft ausdrückt, z. B. bei § 169 BGB („als fortbestehend gilt). 49
2. Kapitel
Dogmatische Vorüberlegungen I. Einleitung, Lösungsansatz und Gang der Untersuchung In der neueren Lehre wurden Ansätze entwickelt, die Zurechnung zum objektiven Tatbestand mittels eines Verantwortungsprinzips zu erklären. 52 Dieses Prinzip der Eigenverantwortlichkeit hat sich zu einem selbstständigen Prinzip der Lehre von der objektiven Zurechnung entwickelt, das auch von der Rechtsprechung anerkannt wird. 53 Es ist eine notwendige Ergänzung der Grundformel (Gefahrschaffung und Gefahrrealisierung) im Bereich der „erst durch ein Dritt- bzw. Opferverhalten vermittelten Kausalität." 54 Die Verantwortungsbereichslehre vereint dabei Elemente der Regressverbotslehre und der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme. Der Verantwortungsbereich des Rechtsgutsinhabers erscheint mal mehr als Funktion seiner positiv festzustellenden Handlungsverantwortlichkeit (Quasi-Regressverbot), mal mehr als Funktion einer normativen Entscheidung über dessen Zuständigkeit für den eingetretenen Erfolg (Quasi-Täterschaft des Rechtsgutsinhabers).55 Angestrebt wird also „eine Art Zuständigkeitsregelung [...], durch welche die Verantwortungsbereiche verschiedener kausal in ein Geschehen verstrickter Personen abgegrenzt werden sollen." 56 Die Lehre von den Verantwortungsbereichen bietet damit ein dogmatisches Instrument, mittels dessen Wertungsüberlegungen aus anderen Rechtsgebieten in die strafrechtliche Verantwortungsbegründung eingestellt werden können.57 In neueren Abhandlungen zum Betrug wird die Bedeutung des Kriteriums der Abgrenzung nach Verantwortungsbereichen für eine differenzierte Lösung der Betrugsfalle durchweg 52 Vergl. Sch-Sch-Lenckner , Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 100 m. w. N.; Lenckner, Engisch-FS, S. 490, 506; Neumann, JA 1987, 244, 247 ff.; Schumann, Selbstverantwortung, passim; W. Frisch , Tatbestandsmäßiges Verhalten, passim. 53 Vergl. BGHSt 32, 262 ff.; dazu auch Roxin , AT, § 11 Rn. 89 f.; Arzt , MSchrKrim 1984, 105, 112; Otto , Jura 1992, 90, 98. Weitere Nachweise bei Kühl , AT, § 4 Rn. 87 (Fn. 230). Siehe auch die Bestandsaufnahme zur neueren Lehre von der objektiven Zurechnung bei Schünemann, GA 1999, 207 ff. 54 Sch-Sch-Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 100. 55 Walther , Eigenverantwortlichkeit, S. 53 f. 56 Kühl, Kl, § 4 R n . 83. 57 Vergl. Roxin, AT I § 11 Rn. 105; U. Weber, Spendel-FS, S. 371, 374 f., 378. So im Ansatz auch Rengier, Roxin-FS. S. 811, 824, der von der Zuständigkeit des Geschäftsherrn für seine „Irrtumsseite" spricht.
I. Einleitung, Lösungsansatz und Gang der Untersuchung
25
betont.58 Die besondere Bedeutung der Abschichtung der Verantwortungsbereiche gerade beim Tatbestand des Betrugs erhellt daraus, dass es sich bei diesem um ein Selbstschädigungsdelikt, genauer um ein sog. Beziehungsdelikt59 handelt. Der strafrechtlich relevante Erfolg kann ohne die Mitwirkung des Opfers nicht verwirklicht werden. Weil das Opfer somit in die Tatbestandsverwirklichung notwendig integriert ist (notwendige Teilnahme60), stellt sich zwangsläufig die Frage, inwieweit der sich selbst Schädigende für die Erhaltung seiner Rechtsgüter selbst verantwortlich ist, wie also die Sphäre seiner Verantwortlichkeit gegen die (strafrechtliche) Verantwortlichkeit Dritter abzugrenzen ist. 61 Dabei sind zwei Fallgruppen auseinander zu halten: Zum einen diejenigen Situationen, in denen der Rechtsgutsinhaber selbst das rechtserhebliche (irrtumsausschließende) Wissen hat, sein für ihn verfügender Vertreter jedoch gutgläubig ist (Fallgruppe l). 6 2 Und zum anderen diejenigen Situationen, bei denen der Rechtsgutsinhaber selbst irrtumsbedingt verfügt, sein auf noch näher zu bestimmende Weise mit dem Rechtsgeschäft befasster „Wissensvertreter" jedoch die irrtumsausschließende Kenntnis hat (Fallgruppe 2). 63 Diese Unterscheidung erweist sich für die strafrechtliche Betrachtung bereits deshalb als maßgeblich, weil unter dem Aspekt des eigenverantwortlichen Handelns meist nur Fälle diskutiert werden, bei denen die Person des Handelnden mit der Person, bei der die subjektiven Merkmale der Eigenverantwortlichkeit vorliegen, identisch ist. Jedenfalls bei den Fällen der Fallgruppe 2 ist das anders. Das rechtlich relevante Wissen (bzw. der Umstand der unterlassenen Übermittlung dieses Wissens) liegt hier bei der Hilfsperson des Geschäftsherrn, die für eine rechtsgutsorientierte Betrachtung zunächst irrelevant erscheint. Man kann also in diesen Fällen nicht mit den Aussagen der herkömmlichen Eigenverantwortlichkeitsdogmatik operieren, da die insoweit maßgebliche Person „Rechtsgutsinhaber" die Selbstschädigungshandlung gerade nicht eigenverantwortlich vornimmt. Es käme hier nur in Betracht, den „Eigenverantwortlichkeitsbereich" des Geschäftsherrn normativ zu erweitern zu einem „Zuständigkeitsbereich" 64, in den man auch das Wissen der Hilfsperson oder deren Unterlassung der Wissensmitteilung einbeziehen könnte. Ob eine solche, von der Person des selbst handelnden Geschädigten gelöste Betrachtung zulässig ist, ist zu untersuchen. Dabei muss es vermieden werden, die Begriffe „Eigenverantwortlichkeit", „Verantwortungsbereich", „Zuständigkeits58 Vergl. etwa Schmoller , JZ 1991,117, 127; Graul, Brandner-FS, S. 801, 819; Jänicke , Gerichtliche Entscheidungen, S. 246 ff.; Merz , „Bewusste Selbstschädigung", S. 138 ff. 59 Vergl. zu diesem Begriff näher R. Hassemer , Schutzbedürftigkeit, S. 114 f f 60 Vergl. dazu Gössel, wistra 1985, 125 ff. 61 Merz , „Bewusste Selbstschädigung", S. 139. 62 Dazu im 3. Kapitel. 63 Dazu im 4. Kapitel. 64 Im Ansatz ebenso Rengier , Roxin-FS. S. 811, 824. Mit dem Begriff der Zuständigkeit arbeitet insbesondere Jakobs , AT, 7/56 ff. („Organisationszuständigkeit").
2. Kapitel: Dogmatische Vorüberlegungen
26
bereich" bloß schlagwortartig zu verwenden. Es ist eine exakte Bestimmung des materiellen Gehalts dieser Prinzipien erforderlich. Im Folgenden ist daher zunächst der materielle Gehalt des Eigenverantwortlichkeitsprinzips als Rechtsprinzip herauszuarbeiten. Danach wird dargestellt, wie das Eigenverantwortlichkeitsprinzip in Literatur und Rechtsprechung allgemein verwendet wird und welchen Bezug es zum Tatbestand des Betrugs hat.
II. Eigenverantwortlichkeitsprinzip und Betrugsdogmatik 1. Das Eigenverantwortlichkeitsprinzip als Rechtsprinzip eine Grundlagenbestimmung65 a) Die verfassungsrechtliche
Verankerung des Eigenverantwortlichkeitsprinzips
Bei dem Gedanken der Eigenverantwortlichkeit des Rechtsgutsinhabers für den Schutz seiner Rechtsgüter handelt es sich um ein allgemeines, das ganze Strafrecht durchziehendes Prinzip. 66 Es ist verfassungsrechtlich in der Präambel und den Art. 1 I, 2 I, 20, 28 GG verankert. Das personale Verantwortungsprinzip, d. h. das Prinzip der Verantwortlichkeit der Person für ihr eigenes Handeln, ist ein immanenter Bestandteil der Grundentscheidungen der Verfassung. 67 Bei der Untersuchung, in welchem Umfang ein Rechtsgutsinhaber für die Verletzung allein-zuständig ist, weil ihn ein „Mitverschulden" trifft, muss dieses allgemeine personale Verantwortungsprinzip in strafrechtliche Zurechnungsprinzipien „übersetzt" werden. 68 Zwei kollidierende Wertungen sind dabei zu beachten: Einerseits die Selbstverantwortlichkeit des Rechtsgutsinhabers, andererseits das Prinzip des angemessenen und erforderlichen staatlichen Schutzes, welches in den strafrechtlichen Tatbeständen verkörpert ist. Diese Prinzipien sind in praktische Konkordanz zu bringen, d. h., es muss beiden Prinzipien zu optimaler Wirksamkeit verholfen werden. 69 65
Im Folgenden werden - wie auch sonst in der Literatur - die Begriffe der „Eigenverantwortlichkeit" und der „Selbstverantwortung" synonym verwendet. 66 Vergl. Arzt , MSchrKrim 1984, 105, 112; BGHSt 37, 179 ff., wo ausdrücklich von einem „Prinzip" gesprochen wird (Leitsatz). Vergl. auch Merz , „Bewußte Selbstschädigung", S. 148 ff. 67 Walther , Eigenverantwortlichkeit, S. 79 f. m. w. N. So wohl auch Fiedler , Einverständliche Fremdgefährdung, S. 119, der auf das „Menschenbild des Grundgesetzes" hinweist. 68 Walther , Eigenverantwortlichkeit, S. 73. Für Verfassungsprinzipien gilt allgemein die Aussage, dass sie „für die konkrete Rechtsanwendung nicht fertige Größe, sondern nur konkretisierungsbedürftiger Leitgedanke allgemeinster Art [sind], deren spezifischer Bedeutungsgehalt erst im Einzelproblem deutlich wird", vergl. Göldner , Verfassungsprinzip und Privatrechtsnorm, 1969, S. 87. 69 Vergl. Walther , Eigenverantwortlichkeit, S. 83. Walther greift dafür auf ein „Feinraster" von Zurechnungskriterien zurück, das sie im Strafgesetz und der Strafrechtsdog-
II. Eigenverantwortlichkeitsprinzip und Betrugsdogmatik
b) Der Begriff der „Selbstverantwortung
27
des Opfers " nach Zaczyk
Eine eingehende Analyse des Begriffs der „Selbstverantwortung des Opfers" als Rechtsprinzip hat Zaczyk 70 unternommen, der es aus dem Autonomieprinzip heraus zu erklären versucht. 71 Seinen Überlegungen soll hier weitgehend gefolgt werden. Er untersucht und entwickelt das Prinzip anhand der vorsätzlichen und fahrlässigen Verletzungsdelikte, wobei hiermit in erster Linie die Tötungs- und Körperverletzungsdelikte gemeint sind. Der Übertragbarkeit von Gedanken aus diesem Bereich auf den Spezialfall des Betrugs steht er skeptisch gegenüber.72 Jedenfalls hinsichtlich der Grundlagen der Selbstverantwortung kann aber bei § 263 StGB (und allen sonstigen Erfolgsdelikten) nichts anderes gelten, so dass insoweit an die Überlegungen Zaczyks angeknüpft werden kann. Sie sollen daher nachfolgend in der gebotenen Kürze dargestellt werden. Der Begriff „Selbstverantwortung" setzt ganz unabhängig von der Existenz einer Rechtsnorm unmittelbar an der Person des Verantwortlichen an 73 und steht in unmittelbarer Verbindung mit der Freiheit des Einzelnen.74 Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Autonomie und Selbstverantwortung. Autonomie heißt Selbstbestimmung und über die Selbstbestimmung erfährt der Mensch Freiheit. 75 Da die Handlung des Menschen prinzipiell seiner eigenen Vernunftbestimmung unterliegt, kann er sie auch „verantworten". 76 Bei einem solchen Verständnis von Freiheit als Grundlage der Selbstverantwortung kann es nicht der Entscheidung der Rechtsordnung überlassen sein, diese Grundbestimmung der Person anzuerkennen oder zu verneinen. 77 Vielmehr muss die Rechtsordnung von diesem Punkt aus begriffen und aufgebaut werden. Zusammenfassend bezeichnet Zaczyk mit dem Begriff „Selbstverantwortung" das Vermögen des Menschen zu vernünftiger
matik findet. Insbesondere die Einwilligungsdogmatik und die Lehre der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme könne hier fruchtbar sein. Die einzelnen Konkretisierungen Walthers sind für die hier zu lösende Frage weitgehend irrelevant, da es ihr v. a. um die Zusammenwirkung von Täter und Opfer bei der Risikoschaffung geht, in den Wissenszurechnungsfällen jedoch eine einseitige Gefahrschaffung durch den Täter außer Zweifel steht. 70 Strafrechtliches Unrecht und die Selbstverantwortung des Verletzten, 1993. 71 Siehe insbes. Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 18 ff. 72 Vergl. Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 46 (Fn. 158). 73 Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 18. 74 Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 19. 75 Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 20 m. w. N. 76 Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 21 f. 77 Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 22; so auch Schumann, Selbstverantwortung, S. 1,4 f.
28
2. Kapitel: Dogmatische Vorüberlegungen
Selbstbestimmung78 und damit seine Freiheit. 19 An dieser Stelle kann noch nicht auf die konkreten strafrechtlichen Folgen einer solchen Selbstverantwortung des Opfers eingegangen werden. Es sollte nur gezeigt werden, dass es bei selbstverantwortlichem Handeln des Opfers um die von der Rechtsordnung grundsätzlich zu respektierende Ausübung der persönlichen Freiheit geht. c) Eigene Bewertung Bei der Frage nach der Selbstverantwortung knüpft man immer an einer weiteren Handlung neben der Handlung des Täters an. 80 Es müssen zwei „Handlungszentren" 81 gegeben sein und beide müssen für den Erfolg kausal geworden sein. Bei dem so verstandenen Eigenverantwortlichkeitsprinzip geht es um Verantwortung aufgrund eigenen Handelns. Andere möglicherweise verantwortungsbegründende Umstände werden nicht in Betracht gezogen. Dies überrascht nicht, wenn man sich die Delikte betrachtet, die als Entwicklungsgrundlage dieses Verantwortungsprinzips dienen. Zu nennen sind hier vor allem die Tötungs- und Körperverletzungsdelikte, zum Teil auch Bestimmungen des BtMG 8 2 , wobei es auch in diesen Fällen letztlich um die Zurechnung eines Todeserfolgs geht. Bei diesen Delikten kommt es nicht vor, dass auf Opferseite eine arbeitsteilige Organisation erfasst werden muss; betrachtet werden muss allein das Handeln des Verletzten selbst. In diesen Fällen muss die Erfolgsverantwortung denknotwendig entweder an die Täterhandlung oder an die Opferhandlung anknüpfen. Dies ist bei § 263 StGB anders. Dort sind Drei-Personen-Konstellationen möglich und auch häufig anzutreffen (Dreiecksbetrug). Das zweite Handlungszentrum muss dann nicht notwendigerweise die Person des Rechtsgutsinhabers selbst sein. Die Eigenverantwortlichkeit des Rechtsgutsinhabers lässt sich in diesen Fällen nicht erfassen, wenn man nur die Person desjenigen betrachtet, der die Vermögensverfugung als letztkausale Selbstschädigungshandlung vornimmt. Und in den Fällen, in denen der Rechtsgutsinhaber selbst getäuscht wird und irrtumsbedingt verfugt, müsste die Betrachtung auf das Wissen seines nicht handelnden „Wissensvertreters" ausgedehnt werden. Diese Fragen sollen später ausfuhrlich untersucht werden.
78 Selbstbestimmung tritt hier also in ihrer positiven (aktiven) Gestalt auf, vergl. dazu Zaczyk , Selbstverantwortung, S. 18 ff., 24. 79 Zaczyk , Selbstverantwortung, S. 21 f. Zum Rechtsprinzip wird das Prinzip der Selbstverantwortung nach Zaczyk durch seinen auch interpersonalen Bezug. Diese Thematik muss hier nicht weiter vertieft werden. Vergl. dazu Zaczyk , Selbstverantwortung, S. 10 f., 23 f. m. w. N 80 Vergl. auch Schmoller , Triffterer-FS, S. 223, 252. 81 So die Terminologie von Zaczyk , Selbstverantwortung, S. 28. 82 Vergl. BGHSt 37, 179 ff.
II. Eigenverantwortlichkeitsprinzip und Betrugsdogmatik
29
2. Das Eigenverantwortlichkeitsprinzip bei den Fremdschädigungsdelikten Angewandt wird das Eigenverantwortlichkeitsprinzip heute vornehmlich bei den Fremdschädigungsdelikten. Es wird dort im Rahmen der objektiven Zurechnung diskutiert. Die Analyse dieser Lehre verspricht Erkenntnisse für die vorliegende Problematik. Denn auch bei § 263 StGB handelt es sich um ein Erfolgsdelikt, so dass die bei den Fremdschädigungsdelikten angestellten Zurechnungsüberlegungen im Grundsatz auch hier gelten müssen. a) Einleitende Überlegungen und Fallbeispiele Diskutiert wird das Eigenverantwortlichkeitsprinzip v. a. anhand der Tatbestände der §§ 211 ff., 223 ff. StGB 83 und den Fällen der Beteiligung am Suizid. 84 Doch nicht nur in diesem Bereich spielt es eine Rolle. Es ist immer dann zu berücksichtigen, wenn ein eigenes Verhalten des Verletzten zum Erfolg beigetragen hat, z. B. wenn das Opfer trotz gegebener Möglichkeit den Erfolg nicht abgewendet hat.85 Es handelt sich dabei beispielsweise um Sachverhalte, bei denen das im Sinne der §§ 223,224 StGB verletzte Opfer eine mögliche und zumutbare Behandlung der Verletzung unterlässt und letztlich aufgrund dieses Versäumnisses bei ihm selbst eine schwere Folge im Sinne der § 226 StGB oder gar der Tod eintritt. Dann stellt sich die Frage, ob diese Folge noch dem Täter zugerechnet und dieser somit wegen schwerer Körperverletzung bzw. Totschlag bestraft werden kann. Das sei anhand zweier Beispielsfälle verdeutlicht: Bsp. 1: A hat dem O einen Messerstich in die Brust zugefugt. O stirbt nur deshalb, weil er die Vornahme einer risikolosen Operation im Bewusstsein des sicheren Todes aus ganz unvernünftigen Gründen verweigert. 86 Bsp. 2: X fugt Y bei einer Wirtshausschlägerei eine Wunde unmittelbar über dem rechten Auge zu. Dem Y wird von ärztlicher Seite gesagt, dass eine stationäre Krankenhausbehandlung notwendig sei, sonst werde er das Auge verlieren. Y verweigert sich der risikolosen Behandlung. Das Auge muss wenig später entfernt werden. 87
83
Siehe nur die Darstellung von Roxin, AT I, § 11 Rn. 39 ff. m. w. N. Vergl. hierzu und zu weiteren Fällen W. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 148 ff. und passim; Jescheck/Weigend, AT, § 28 IV 4; Walther, Eigenverantwortlichkeit, S. 144 f f , insbesondere S. 158 ff.; Kühl, AT, § 4 Rn. 84 a. E.; Roxin, Gallas-FS, S. 241, 243 ff. 85 Ausfuhrlich dazu W Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 446 ff. 86 Beispiel nach Rengier, Jura 1986, 143, 144. 87 Beispiel nach Burgstaller, Jescheck-FS, S. 357, 359 (vereinfacht und leicht abgewandelt). 84
2. Kapitel: Dogmatische Vorüberlegungen
30
Wie lassen sich diese Beispielsfälle mit den dieser Arbeit zugrunde liegenden Betrugsfällen vergleichen? Es handelt sich um Fälle des nachträglichen Fehlverhaltens des Verletzten, bei denen der Täter bereits einen Ersterfolg verursacht hat. Davon zu unterscheiden sind die Sachverhalte, bei denen das Verhalten des Verletzten bereits bei der Herbeiführung des Ersterfolgs mitwirkt. 88 Diese Unterscheidung lässt sich nicht ohne weiteres auf den Betrugstatbestand übertragen. Verstünde man unter Ersterfolg beim Betrug den Taterfolg „Vermögensschaden", dann würde es sich um die Mitwirkung des Verletzen beim Ersterfolg handeln. Damit bliebe jedoch die besondere Tatbestandsstruktur des § 263 I StGB außer Betracht. Denn die Norm zeichnet den Weg vor, auf dem das Geschehen zum Schaden (Taterfolg) führen muss. Erster „Erfolg" auf diesem Weg ist der Irrtum, auch wenn es sich dabei nicht um einen Taterfolg im eigentlichen Sinne handelt.89 Dieser Irrtum wird aber regelmäßig unmittelbar durch die Täuschung entstehen.90 Wendet der Verletzte dann die irrtumsbedingte Vermögensverfügung des Getäuschten nicht ab, so kann man von einem nachträglichen Fehlverhalten des Verletzen sprechen. Entscheidend ist, dass der Täuschende mit der Verursachung des Irrtums bereits eine Gefahr für das Rechtsgut Vermögen geschaffen hat, so wie er im obigen Bsp. 1 mit der Körperverletzung bereits eine Gefahr für das Rechtsgut Leben geschaffen hat. Dieser Gefahrschaffung des Täters folgt das Fehlverhalten des Verletzten nach. Die in den Beispielen bezeichneten Konstellationen gleichen daher den Fällen, bei denen der Inhaber des Rechtsguts „Vermögen" den auf einen Schaden zusteuernden Kausalverlauf erkennt und die Möglichkeit hat, den Verlauf zu stoppen, dies aber nicht tut. Die Analyse der Anwendung des Eigenverantwortlichkeitsprinzips bei den Fremdschädigungsdelikten verspricht daher Erkenntnisse für die im 3. Kapitel behandelte Fallgruppe des „wissenden Rechtsgutsinhabers". Dass es sich beim Betrug um ein Selbstschädigungsdelikt handelt, steht einem Vergleich nicht grundsätzlich entgegen. Die Bedeutung der Ergebnisse für die Thematik dieser Arbeit wird an späterer Stelle genauer dargestellt. 91
88
Vergl. Burgstaller , Jescheck-FS, S. 357, 363 f. (Fn. 14). Bei dieser Konstellation gelten andere Regeln, Burgstaller , Fahrlässigkeitsdelikt, S. 118 (Fn. 111), 119 (Fn. 120), 123. 89 Siehe dazu unten 2. Kap. III. 90 Etwas anderes behaupten könnte man nur in dem psychologisch sehr konstruierten Fall, dass der Getäuschte seine innere Stellungnahme zur Wahrheitsfrage von einer Konsultation des Verletzten oder eines Dritten abhängig macht. 91 Siehe 3. Kapitel, III 1.
II. Eigenverantwortlichkeitsprinzip und Betrugsdogmatik
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b) Behandlung der Fallbeispiele in Literatur und Rechtsprechung Bezüglich der angeführten Beispielfälle besteht weitgehende Einigkeit, dass der Erfolg dem Täter dann nicht mehr zugerechnet werden darf, wenn das Opfer bewusst, in voller Selbstverantwortung und ohne sachlich begründeten Anlass Rettungsmaßnahmen vereitelt 92 , das nachträgliche Fehlverhalten des Verletzten in Bezug auf den Erfolg also vorsätzlich erfolgt. 93 Dies gilt nicht nur im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte, sondern auch bei Vorsatzdelikten. 94 Zur Begründung wird angeführt, dass das Opfer bei einem in diesem Sinne vorsätzlichen Verhalten gestaltet die Situation in erheblichem Maße durch die eigene Obliegenheitsverletzung gestalte. Dadurch bekomme das Opferverhalten ein so großes erlebnismäßiges Gewicht 95, dass es den Zusammenhang zwischen Enderfolg und Täterverhalten ganz in den Hintergrund treten lasse.96 In diesen Fällen gehe die Verantwortung für Folgewirkungen vom Täter auf den Verletzten über. Dies gilt nach herrschender Literaturauffassung auch wenn das freiverantwortliche Opfer in grob fahrlässiger Unkenntnis des tödlichen oder verletzungserweiternden Folgerisikos und damit „unvertretbar" 97 bzw. „unvernünftig" Maßnahmen ablehnt oder nicht einleitet, die angezeigt wären, um das Folgerisiko auszuschließen.98 Hier beherrsche der Verletzte den an die Primärverletzung 92
Vergl. etwa Sch-Sch-Lenckner, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 102 a. E.; NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 231; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 72a; Jescheck, AT, § 28 IV 4, S. 288; Kühl, AT, § 4 Rn. 84 a. E.; Rengier, Jura 1986, 143, 144 m. w. N. Der Täter kann nur gem. §§ 212, (211), 22, 223, 224, 52 StGB bestraft werden. Auch der BGH anerkennt die Möglichkeit eines Zurechnungsausschlusses durch fehlerhaftes nachträgliches Fehlverhalten des Opfers zumindest im Grundsatz, vergl. BGH NStZ 1994, 394. Der Zurechnungsausschluss wird dort jedoch mit ungenauen Argumenten abgelehnt. Statt auf einen „nicht außerhalb aller Lebenserfahrung" liegenden Kausalverlauf abzustellen, hätte der BGH richtigerweise mit der fehlenden Eigenverantwortlichkeit des konkreten Opfers (Alkoholiker) argumentieren müssen. 93 Burgstaller, Jescheck-FS, S. 357, 365 f.; ders., Fahrlässigkeitsdelikt, S. 121 f. Zu beachten ist allerdings, dass Burgstaller dabei Fälle im Auge hat, bei denen der Täter hinsichtlich des Erfolgs bloß fahrlässig handelt, so dass sich Täterfahrlässigkeit und Opfervorsatz gegenüberstehen. 94 Otto, Maurach-FS, S. 91, 99. 95 Diese Voraussetzung der Haftungsunterbrechung ist auch dem Zivilrecht geläufig. Der „Haftungszusammenhang" wird dort verneint, wenn ein „überragendes Ereignis interveniert hat, das die Haftung auf sich zieht", vergl. Deutsch, Haftungsrecht, S. 158. 96 Burgstaller, Jescheck-FS, S. 357, 365; vergl. auch ders., Pallin-FS, S. 42 f.; ähnlich Otto, Wolff-FS, S. 395, 410; Roxin, AT I, § 11 Rn. 111 (grob sachwidriges Verhalten des Opfers); i. E. ebenso W. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 448, der sich jedoch gegen den Begriff des „erlebnismäßigen Gewichts" ausspricht („normativ nicht maßgebender Gesichtspunkt"), S. 453 f. 97 Einzelheiten dazu Ulsenheimer, JZ 1973, 64, 67 f.; Burgstaller, Jescheck-FS, S. 357, 371 ff., 372. 98 Vergl. Rengier, Jura 1986, 143, 144; ders., Roxin-FS, S. 811, 815; Burgstaller, Jescheck-FS, S. 357, 364 ff. A. A. insoweit W. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 452 ff. Zur Kritik siehe unten 2. Kap. II 4.
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2. Kapitel: Dogmatische Vorüberlegungen
anknüpfenden Kausalverlauf. 99 Wegen dieser Dominanz der Opferbeteiligung sei eine Zurechnung des Erfolgs zum Täter von den Zwecken des Strafrechts her nicht mehr geboten.100 Der Täter sei für selbstschädigendes und selbstgefährdendes Verhalten des Opfers nämlich nur dann verantwortlich, wenn dem Opfer die freie Selbstbestimmung fehlte. 101 Hillenkamp spricht insofern von einer „Pflicht [des Opfers], sich selbst vor Schaden zu bewahren [,..]." 102 Als Kriterien der Freiverantwortlichkeit werden genannt die Einsichtsfahigkeit des Verletzten und seine Fähigkeit zur richtigen Folgenabschätzung.103 Im Ergebnis wird damit in diesem Zusammenhang von einem verletzten Opfer erwartet , dass es sich einer zur Erfolgsabwendung notwendigen und zumutbaren ärztlichen Behandlung unterzieht. 104
3. Das Eigenverantwortlichkeitsprinzip im Rahmen des Betrugstatbestandes Auch bei den bisherigen Bemühungen um eine Restriktion des Betrugstatbestands wird vielfach - wenn auch zum Teil nur unterschwellig - mit dem Eigenverantwortlichkeitsprinzip operiert. So stellt man etwa bei konkludenten Täuschungen darauf ab, welcher Erklärungswert dem fraglichen Verhalten zukommt. Maßgebliches Kriterium ist dabei die dem jeweiligen Geschäftstyp zugrundeliegende Risikoverteilung. Von dieser hängt es ab, wieweit der Geschäftspartner im Einzelfall gehalten ist, sich auf eigene Gefahr ein Bild von den tatsächlichen Bedingungen seines Geschäfts zu machen.105 Damit ist die Eigenverantwortlichkeit des Verletzten angesprochen, denn die Verteilung des Irrtumsrisikos ist nichts anderes als die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche der betreffenden Personen. 106 Andere Autoren setzen bei der Restriktion unmittelbar bei der objektiven Zurechnung an. Insbesondere Kurth betont als Vorteil dieser Konstruktion, dass 99
Rengier , Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 169. Die Strafzweckbeurteilung soll dabei den Ausschlag geben, Roxin , AT I, § 11 Rn. 117 a. E., 118; Burgstaller , Jescheck-FS, S. 357, 365; vergl. auch Tiedemann , Baumann-FS, S. 7, 17. I. E. auch Otto , Wolff-FS, S. 395, 410; vergl. auch Hillenkamp , Vorsatztat, S. 181 f.; nach seiner Ansicht hat das Opfer in diesen Fällen nolens volens in die Folge „eingewilligt". 101 Rengier , Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 207; Jescheck , AT, § 28 IV 4, S. 288; vergl. auch Merz , „Bewußte Selbstschädigung", S. 141. 102 Hillenkamp , Vorsatztat, S. 181. 103 Otto, Wolff-FS, S. 395,410. 104 Schmoller , Triffterer-FS, S. 223, 253 (Fn. 128). 105 Merz , „Bewußte Selbstschädigung", S. 143. 106 Merz , „Bewußte Selbstschädigung", S. 144, der allerdings beanstandet, dass die Eigenverantwortlichkeit schlicht an die zivilrechtliche Risikoverteilung anknüpfe, ohne dass der Grund für diese Anknüpfung benannt werde. Vergl. in diesem Zusammenhang auch Schmoller , JZ 1991, 117, 126 f. (Abgrenzung der Verantwortungsbereiche). 100
II. Eigenverantwortlichkeitsprinzip und Betrugsdogmatik
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auf der Ebene der objektiven Zurechnung normative Erwägungen angestellt werden können. 107 Bei seinen Überlegungen zum Schutzbereich des Betrugs geht er vom fragmentarischen und subsidiären Charakter des Strafrechts aus. Er versteht diese Prinzipien so, dass das Opfer in bestimmten Fällen auf zivilrechtlichen Schutz zu verweisen sei. Dies gelte insbesondere, wenn das Betrugsopfer über genügend prophylaktische und zumutbare Möglichkeiten verfuge, den Vermögensverlust zu vermeiden. Hier müsse das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit zu einer Verneinung des strafrechtlichen Schutzes führen. 108 Vorteil dieser Ansicht sei, dass sich so ein erhöhtes Selbstschutzinteresse bei den potentiellen Betrugsopfern erzeugen lasse.109 Im Gegensatz zu den Fremdschädigungsdelikten sei dies bei den Selbstschädigungsdelikten, wie etwa dem Betrug, auch legitim. 110 Sämtliche wissenschaftlichen Ansätze hier darzustellen, würde allerdings den Rahmen der Arbeit bei weitem sprengen und ist zudem nicht erforderlich. Es sollen daher nur einige Bereiche exemplarisch gewürdigt und einige Zweifel ausgeräumt werden. 111 a) Der Betrug als Selbstschädigungsdelikt Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass bereits die besondere Tatbestandsstruktur des Betrugs das Ergebnis der Berücksichtigung des Eigenverantwortlichkeitsprinzips ist. 112 Wegen des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals der Vermögensverfügung handelt es sich beim Betrug um ein Selbstschädigungsdelikt. 113 Selbstschädigungsdelikte unterscheiden sich von den Fremdschädigungsdelikten durch die spezifische Situation der Schädigung des Rechtsguts durch opfereigenes Verhalten.114 Die Verletzung des Vermögens kann dem Täter nur dann zugerechnet werden, wenn er das Opfer durch Täuschung, also durch Willensbeeinflussung zu der Selbstschädigung veranlasst hat. In diesem Fall erfolgt die Selbstschädigung unfrei, ein Sachverhalt, den das Gesetz mit dem Merkmal „Irrtum" erfasst. Diese Wertung des Gesetzes ist Ausdruck des Eigenverantwortlichkeitsprinzips, nach
107
Kurth, Mitverschulden, S. 165, 167 f., 171. Kurth, Mitverschulden, S. 177 f f , 179 (Hervorh. v. Verf.). Er bestimmt seine Ansicht näher, indem er bestimmte Fallgruppen bildet, in denen die objektive Zurechenbarkeit fehlen soll, S. 183 ff. Diese sind jedoch hier nicht weiter von Interesse. 109 Kurth, Mitverschulden, S. 179. 110 Vergl. Kurth, Mitverschulden, S. 180 ff. 111 Eine umfassendere Darstellung findet sich beispielsweise bei Elimer, Betrug, S. 89 ff., 144 ff. und Jänicke, Vermögensverfügung, S. 246 ff., 286 ff.; Döpfner, Restaurationsbetrug, S. 157 ff., 176 ff. 112 So auch Merz, „Bewußte Selbstschädigung", S. 163. 113 Statt aller LK-Tiedemann, § 263 Rn. 5 m. w. N.; SK-Samson/Günther, § 263 Rn. 69. 114 Vergl. auch Merz, „Bewußte Selbstschädigung", S. 160. 108
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2. Kapitel: Dogmatische Vorüberlegungen
dem derjenige eigenverantwortlich handelt, der selbstbestimmt handelt.115 Man kann daher sagen, dass bereits die Aufnahme des Tatbestandsmerkmals „Irrtum" in § 263 StGB durch das rechtliche Grundprinzip der Eigenverantwortlichkeit bedingt ist. 116 b) Einschränkung des Irrtumsmerkmals an der Wahrheit?
bei konkreten Zweifeln
Eine Rolle spielt das Eigenverantwortlichkeitsprinzip auch bei der Frage, ob ein betrugsrelevanter Irrtum gegeben ist, wenn der Getäuschte an den Angaben des Täters (konkret) zweifelt. 117 Es handelt sich dabei um einen Ausschnitt der Diskussion um das sogenannte viktimodogmatische Prinzip. 118 Die These lautet, dass strafrechtlicher Schutz dann nicht erforderlich sei, wenn das Opfer über zureichende individuelle Selbstschutzmöglichkeiten verfüge. 119 Das Irrtumsmerkmal in § 263 StGB erfasse eine Situation mangelnder Selbstschutzmöglichkeiten und damit erhöhter Gefahrintensität. Diese erhöhte Gefahrintensität sei Voraussetzung für die Erforderlichkeit strafrechtlichen Schutzes. Das Irrtumsmerkmal diene daher mittelbar dazu, dem Subsidiaritätsprinzip zur Geltung zu verhelfen. 120 Und bei der Bestimmung der Realisierungsmöglichkeiten des Selbstschutzes spiele der Aspekt der Eigenverantwortlichkeit eine Rolle. 121 Die Eigenverantwortlichkeit weise dem Individuum über das Recht am Gebrauch der ihm zugeordneten Rechtsgüter hinaus auch die Pflicht zu, diese im Rahmen des Möglichen allein und ohne staatliche Unterstützung zu bewahren. 122 115
Merz , „Bewußte Selbstschädigung", S. 161. Nach Amelung , GA 1977, 1, 6 hat der Irrtum die Funktion, dem Prinzip der Subsidiarität des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes zur Geltung zu verhelfen; ebenso R. Hassemer , Schutzbedürfligkeit, S. 118. Diese Sichtweise ist nicht ohne Kritik geblieben, vergl. Hillenkamp , Vorsatztat, S. 175 ff. Die Einordnung von Merz erscheint dagegen unbestreitbar. Eine in vollem Bewusstsein und frei von Willensmängeln durchgeführte Selbstschädigung kann nicht einem Dritten als strafbare Handlung zugerechnet werden. Insofern konnte der Gesetzgeber bei der Schaffung des Betrugstatbestandes nicht umhin, diesem Verantwortungsprinzip seinen Platz im Tatbestand des § 263 StGB zu verschaffen. 117 Vergl. dazu Amelung , GA 1977, 1 ff.; R. Hassemer , Schutzbedürftigkeit, S. 99 ff.; kritisch Hillenkamp , Vorsatztat, S. 18 ff., 138 ff.; Pawlik , Betrug, S. 54 f. Siehe auch Elimer , Betrug, S. 281 ff., 287 der das Problem bei der Täuschungshandlung loziert. 1,8 Zu den Zusammenhängen zwischen Victimodogmatik und Selbstverantwortungsprinzip zuletzt Schünemann, in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 51, 72 ff. 119 Vergl. etwa R. Hassemer , Schutzbedürftigkeit, S. 32 ff. u. passim; Schünemann, Faller-FS, 357, 363. 120 R. Hassemer , Schutzbedürftigkeit, S. 121, 35; vergl. auch Schünemann, NStZ 1986, 439; Amelung , GA 1977, 1, 6; kritisch Hillenkamp , Vorsatztat, S. 175 ff. 121 R. Hassemer , Schutzbedürftigkeit, S. 129. 122 R. Hassemer , Schutzbedürftigkeit, S. 35. 1,6
II. Eigenverantwortlichkeitsprinzip und Betrugsdogmatik
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Umstritten ist allerdings, welcher Bewusstseinszustand für die Annahme eines betrugsrelevanten Irrtums zu fordern ist. Die Beantwortung dieser Frage für das Zweipersonenverhältnis hat Auswirkungen auf die Frage der Eigenverantwortlichkeit im Dreipersonenverhältnis. Dem Irrtumsmerkmal kommt im Zweipersonenverhältnis die Funktion zu, denjenigen Bewusstseinszustand zu kennzeichnen, bei dem der getäuschte Rechtsgutsinhaber die Verantwortung für den Vermögensschaden trägt. Auch wenn der Rechtsgutsinhaber im Dreipersonenverhältnis nicht selbst Verfügender ist, dürfen für die Frage seiner Eigenverantwortlichkeit die Wertungen des Irrtumsmerkmals nicht außer Acht gelassen werden. Ein Bewusstseinszustand, der im Zweipersonenverhältnis keine Eigenverantwortlichkeit begründet, kann dies auch nicht im Dreipersonenverhältnis. Es ist daher im Folgenden eine etwas ausführlichere Stellungnahme zur viktimodogmatischen Konzeption des Irrtumsmerkmals und der hieran geäußerten Kritik erforderlich. aa) Der viktimodogmatische Ansatz Die Frage, ob ein Irrtum im Sinne des § 263 StGB auch dann anzunehmen ist, wenn der Getäuschte an der Wahrheit der Täterbehauptungen zweifelt und, wenn ja, von welcher Intensität diese Zweifel sein dürfen, ist bis heute nicht abschließend geklärt. 123 In der Literatur wurde alsbald versucht, das Prinzip als eine den gesamten Besonderen Teil des Strafrechts beherrschende Auslegungsmaxime nachzuweisen.124 Ihren Ausgangspunkt nahm die Diskussion mit einem Aufsatz Gieherings. 125 Er vertritt die Ansicht, dass ein Irrtum nur dann anzunehmen sei, wenn der Getäuschte die Richtigkeit seiner Vorstellung für wahrscheinlicher halte, als ihre Unrichtigkeit („überwiegende Wahrscheinlichkeit"). 126 Ein nur „leiser" Zweifel an den Angaben des Täters schade nicht, wohingegen erhebliche Zweifel den Irrtum ausschließen sollten. Diese Auslegung sei schon wegen der Bindung des Strafrechts an den Wortsinn des gesetzlichen Tatbestandes geboten.127 Darüber hinaus stelle die Einbeziehung des erheblichen Zweifels in den Irrtumsbegriff eine Überdehnung des Schutzbereichs des § 263 StGB dar. Die Norm bezwecke Schutz nur gegen listiges Vorgehen, dem eine größere Gefährlichkeit innewohne.
123 Vergl. dazu SK-Samson/Günther, § 263 Rn. 52 ff., insbesondere Rn. 54 ff.; Günther, Lenckner-FS, S. 69 ff. Siehe auch den geschichtlichen Überblick bei R. Hassemer, Schutzbedürftigkeit, S. 101 ff. 124 Siehe dazu Schünemann, Bockelmann-FS, S. 117, 130. 125 Giehering,, GA 1973, 6 ff. 126 Giehering, GA 1973, 6, 21, 22. Grundsätzlich zustimmend, jedoch in der Konsequenz weitergehend (keine überwiegende Wahrscheinlichkeit erforderlich) Krey, Strafrecht BT 2, Rn. 372 ff. 127 Giehering, GA 1973, 6, 17, 22 („normaler Sprachgebrauch").
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2. Kapitel: Dogmatische Vorüberlegungen
Diese Gefährlichkeit sei aber bei überwiegenden Zweifeln des Opfers vermindert. Auch vermindere sich dessen Schutzwürdigkeit, wenn das mit der zweifelhaften Tatsachengrundlage verbundene Risiko bewusst eingegangen werde. 128 Daran anknüpfend hat Amelung 129 den Versuch unternommen, dogmatisch genauer zu begründen, welche Art des Zweifels einen Irrtum ausschließen soll und welche nicht. Er unterscheidet zwischen allgemeinen und konkret begründeten Zweifeln. Letztere sollen vorliegen, wenn für den Getäuschten konkrete Anhaltspunkte bestehen, an der Wahrheit der Angaben des Täters zu zweifeln, etwa bei Widersprüchlichkeiten oder dubiosen äußeren Umständen des Geschäfts. Sei dies der Fall, habe das Opfer Anlass und Möglichkeit, sich selbst zu schützen, ein Irrtum scheide dann aus.130 Er meint, dieses Ergebnis durch eine teleologische Interpretation des Irrtumsmerkmals begründen zu können. Der Irrtum habe die Funktion, der Subsidiarität des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes im Betrug zur Geltung zu verhelfen. Das Subsidiaritätsprinzip sei hier so zu verstehen, dass der Schutz mit den Mitteln des Strafrechts auch gegenüber dem möglichen und zumutbaren Selbstschutz subsidiär sei. 131 Der konkret Zweifelnde bedürfe nicht des Schutzes, er könne seinen Zweifeln nachgehen und sei daher in einer günstigeren psychologischen Lage als der Irrende. 132 Einen ähnlichen Ansatz verfolgt R. Hassemer. In der dogmatischen Fundierung seiner Ansicht geht er im Wesentlichen konform mit Amelung. Die Funktion des Irrtumsmerkmals sei es, Handlungssituationen mit mangelnder Gefahrintensität aus dem Strafbarkeitsbereich des § 263 StGB auszugliedern und damit letztlich dem Prinzip der Subsidiarität des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes zur Geltung zu verhelfen. 133 Die Tatbestandsmerkmale „Täuschung" und „Irrtum" stellen nach Ansicht R. Hassemers eine in betrugsspezifischer Weise gefährliche Handlungssituation dar, wobei dem Merkmal der Täuschung die Funktion zufallen soll, die „Gefährdungswurzel" zu repräsentieren, das Irrtumsmerkmal dagegen die Selbstschutzseite des Handlungskontexts betreffe. 134 Eine Analyse der möglichen kognitiven Situationen des getäuschten Verfügenden führt R. Hassemer dann zu einer Differenzierung zwischen dem „diffusen Zweifel", der dem Irrtumsmerkmal zu subsumieren sei und dem „konkreten Zweifel", der keinen Irrtum darstelle. 135 Die Ausscheidung des konkreten Zweifels aus dem Irrtums128
Giehering , GA 1973, 6, 18. GA 1977, 1. 130 Vergl. Amelung , GA 1977, 1, 7. 131 Amelung, GA 1977, 1,6. 132 Amelung, GA 1977, 1, 6 u. 10. 133 R. Hassemer, Schutzbedürftigkeit, S. 118. 134 R. Hassemer, Schutzbedürftigkeit, S. 117. 135 Vergl. dazu R. Hassemer, Schutzbedürftigkeit, S. 131 ff. Definitionen dort auf S. 132 u. 135. 129
II. Eigenverantwortlichkeitsprinzip und Betrugsdogmatik
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begriff sei eine normative Entscheidung. Im Gegensatz zur Situation des diffusen Zweifels, bei dem der Verfugende mangels konkreter Anhaltspunkte und aufgrund gesellschaftlicher Zwänge nicht in der Lage sei, den Zweifeln nachzugehen136, könne der konkret Zweifelnde seinen Zweifel durch Nachforschungen beheben oder andernfalls von der Verfügung absehen; insofern seien seine Selbstschutzmöglichkeiten theoretisch total. 137 Der konkret Zweifelnde habe einen konkreten Bezugspunkt der Unsicherheit und unterlasse die Beschaffung weiterer Informationen, obwohl er sich über die Notwendigkeit und die Richtung diesbezüglicher Aktivitäten im Klaren sei. 138 Normativer Grund für die unterschiedliche Behandlung von diffusen und konkreten Zweifeln ist für R. Hassemer, dass der konkret Zweifelnde sich bewusst in die Gefahr begebe. Der auf der Täuschung beruhende Einfluss des Täters auf das Verhalten des Rechtsgutsträgers werde gebrochen. 139 Der Anteil des konkret Zweifelnden am Erfolg sei wesentlich größer als der Anteil des diffus Zweifelnden. 140 Ergreife der Rechtsgutsträger bei konkreten Zweifeln keine der geschilderten Selbstschutzmöglichkeiten, obwohl ihm dies möglich und zumutbar sei, so entfalle seine Schutzbedürftigkeit und damit die Anwendbarkeit des Irrtumsmerkmals. 141 Diesen Ansichten ist also gemeinsam, dass sie eine bestimmte Bewusstseinslage des Opfers aus dem Irrtumsbegriff ausklammern wollen. Immer dann, wenn das Opfer aufgrund konkreter Umstände Anlass hatte, die Wahrheit der Täterangaben zu überprüfen oder von der Verfügung Abstand zu nehmen, soll es an der Herbeiführung eines Irrtums fehlen.
136
Siehe auch die entscheidungstheoretische Herleitung dieses Befundes bei R. Hassemer, Schutzbedürftigkeit, S. 129 f. sowie S. 136. 137 R. Hassemer, Schutzbedürftigkeit, S. 128. Allerdings könne dieser Selbstschutz durch Totalverweigerung nicht praktiziert werden, da soziale Kontakte eine gesellschaftliche Notwendigkeit seien. In diesem Sinne argumentiert auch BGH NJW 2003, 1198, 1199. 138 R. Hassemer, Schutzbedürftigkeit, S. 135 f f , 137. 139 R. Hassemer, Schutzbedürftigkeit, S. 141. 140 R. Hassemer, Schutzbedürftigkeit, S. 142. In diesen Überlegungen steckt der Gedanke der Risikoübernahme, der später noch aufgegriffen werden soll, siehe unten S. 139 ff. 141 R. Hassemer, Schutzbedürftigkeit, S. 167.
2. Kapitel: Dogmatische Vorüberlegungen
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bb) Kritik des viktimodogmatischen Ansatzes Die eben dargestellte Meinungsrichtung hat erhebliche Kritik erfahren und wird auch heute von Literatur 142 und Rechtsprechung 143 überwiegend abgelehnt. Die viktimologisch motivierten Einschränkungen des Betrugstatbestandes wegen geringerer Schutzwürdigkeit des zweifelnden Tatopfers fänden im Wortlaut des § 263 StGB keine Stütze und nähmen des strafrechtlichen Schutz vor Angriffen auf das Vermögen unangemessen weit zurück. 144 Die Differenzierung nach unterschiedlichen Graden von Möglichkeitsvorstellungen sei im Prozess unpraktikabel. Es bestehe kein wertungsmäßiger Unterschied zwischen dem zweifelnden und dem leichtfertigen Opfer, das Zweifel erst gar nicht aufkommen lasse, so dass eine Ungleichbehandlung insoweit nicht möglich sei. Schließlich sei auch das unter Zweifeln verfugende Opfer überlistet worden, die besondere Gefährlichkeit des Angriffs habe sich also realisiert. 145 Ihre bisher gründlichste Untersuchung hat die viktimodogmatische Lehre bei Hillenkamp gefunden. 146 Er baut seine Einwände gegen einzelne derartige Einschränkungsversuche 147 aus zu einer Kritik der Gesamtkonzeption viktimodogmatischer Ansätze 148 . Dabei bemängelt er sowohl methodische als auch materiell-dogmatische und kriminalpolitische Unstimmigkeiten. Entsprechend dem durch die hiesige Thematik vorgegebenen Rahmen soll im Folgenden in erster Linie auf die Kritik an der Einschränkung des Betrugstatbestandes mittels viktimodogmatischer Argumentation eingegangen werden. Es wird sich im Ergebnis zeigen, dass die teilweise befürwortete Ausscheidung des Zweifels aus dem Irrtumsbegriff nicht haltbar ist.
142
Vergl. aus neuerer Zeit Vogel , Legitimationsprobleme, S. 746 ff.; Günther , Lenckner-FS, S. 69 ff.; ^K-Samson/Günther , § 263 Rn. 53 ff., 58; Sch-Sch-Cramer, § 263 Rn. 40 u. Vorbem §§ 13 ff. Rn. 70 b; TröndldFischer, § 263 Rn. 18; LK-Tiedemann, Vor § 263 Rn. 34 ff., 38, § 263 Rn. 86 m. w. N.; Krack, List, S. 38 f., 63 ff.; Pawlik, Betrug, S. 55. Siehe auch Elimer, Betrug, S. 69 ff., 165.; Hennings , Mitverantwortung, S. 130 ff., 168. 143 BGH NJW 2003, 1198 f.; BGHSt 34, 199, 201 f.; BGH wistra 1990, 305; BGH wistra 1992, 95, 97. 144 BGH NJW 2003, 1198. 145 Vergl. L K -Lackner, 10. Aufl., § 263 Rn. 80; ebenso die Neuauflage, L K -Tiedemann, § 263 Rn. 86; BGH NJW 2003, 1198, 1199. 146 Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten (1981). Siehe auch die Gegenkritik von Schünemann, Faller-FS, S. 357 ff. 147 Siehe dazu Hillenkamp, Vorsatztat, S. 17 ff., insbesondere S. 1 8 - 3 5 . 148 Siehe dazu Hillenkamp, Vorsatztat, S. 133 ff.
II. Eigenverantwortlichkeitsprinzip und Betrugsdogmatik
(1) Einzelkritik
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an der Lehre Amelungs 149 und R. Hassemers 150
Hillenkamp schließt sich bei seiner Kritik der von Amelung (und R. Hassemer) praktizierten Ausscheidung des Zweifels aus dem Irrtumsbegriff zunächst der Bewertung W. Frischs an. 151 Es sei methodisch unzulässig, ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal so eng an ein allgemeines Prinzip, an eine Auslegungsmaxime zu binden, dass im Ergebnis das Prinzip den Tatbestand inhaltlich konstituiere. 152 Dies führe zu einer Begriffsbildung, die den Wortlaut nicht interpretiere, sondern den Begriff durch eine individuell für richtig gehaltene kriminalpolitische Entscheidung ersetze. Die gesetzgeberische Entscheidung werde korrigiert und das Mitverschulden des Opfers zum Tatbestandskorrektiv aufgewertet. Der Begriff des Irrtums lasse sich nicht wegen verbleibender Unsicherheiten des Getäuschten verneinen. 153 Auch die Bewusstseinslage des Zweifelnden sei als Irrtum aufzufassen, denn wer eine Tatsache nur für möglich oder auch wahrscheinlich halte, wem also noch gewisse Zweifel blieben, der irre schon deshalb, weil Tatsachen real seien. Die im Zweifel implizierte Möglichkeit, es könne eine andere als die wirklich gegebene Tatsache vorliegen, sei falsch. Eine Verfügung erfolge bei dieser Bewusstseinslage, weil der Verfügende die Zweifel hintanstelle. Ihre Grundlage sei also die irrtümliche Vorstellung, die Angaben des Täters könnten doch der Wahrheit entsprechen. Amelung hätte die Aussage, dass nicht irre, wer zweifele, präziser formulieren müssen, nämlich so, dass vor einem (tatsächlich gegebenen) Irrtum im Sinne des § 263 StGB nicht geschützt werde, wer den Irrtum hätte vermeiden können. Dies sei eine denkbare gesetzgeberische Entscheidung, Gesetz sei sie jedoch nicht. 154 Entgegen der Prognose Amelungs, wonach es bei Einzelfällen bleiben solle, in denen hemmende Selbstschutzmaßnahmen zu fordern seien 155 , ist Hillenkamp der Ansicht, dass es wegen der Dehnbarkeit dessen, was unter „konkreten Anhaltspunkten" zu verstehen sei, für den Richter in nahezu jedem Fall möglich wäre, eine Mitverantwortung des Opfers zu bejahen. Mitverantwortung des Opfers sei beim Betrug empirisch die Regel. 156 Bei einer spezifisch viktimodogmatischen Auslegung und Anwendung des Betrugstatbestandes werde fraglich, ob dieser seine Funktion, auch unter den Bedingungen einer anonymen Gesell149
GA 1977, 1 ff. Schutzbedürftigkeit, 1981. 151 Hillenkamp, Vorsatztat, S. 22 f.; W. Frisch, Bockelmann-FS, S. 647, 655. Dagegen R. Hassemer, Schutzbedürftigkeit, S. 120 f.; Schünemann, Faller-FS, S. 357, 364 ff. 152 Hillenkamp, Vorsatztat, S. 23. 153 So bereits Arzt, in: Arzt/Weber, L H 3, Rn. 416 („Wer zweifelt, irrt."); vergl. auch Sch-Sch-Cramer, § 263 Rn. 40. 154 Hillenkamp, Vorsatztat, S. 23; kritisch auch Herzberg, GA 1977, 289, 295 ff. 155 Amelung, GA 1977, 1,8. 156 Arzt, in: Arzt/Weber, BT, § 20 Rn. 4; ders., in Arzt/Weber, L H 3, Rn. 380. 150
2. Kapitel: Dogmatische Vorüberlegungen
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schafts- und Wirtschaftsordnung die relativ gefahrlose Investition von Vertrauen in die Behauptungen anderer zu gewährleisten, noch erfüllen könnte. 157 Auch das Argument, dass in den Fällen des Zweifels immer noch die Versuchsstrafbarkeit bleibe, sei nicht überzeugend. Oftmals sei es so, dass der Täter die Gewissheit des Opfers (also dessen Irrtum) gar nicht wolle, ihm vielmehr der Zweifel genüge, wenn er nur zur erstrebten Verfügung führe. Dann würde es am Tatentschluss fehlen, die Versuchsstrafbarkeit käme nicht in Betracht. Und selbst bei objektiv vollendetem Betrug, wenn also das Opfer doch auf eine objektiv unglaubwürdige Täuschung hereingefallen sei, könne der Täter sich immer noch darauf berufen, er habe nicht damit gerechnet, man werde ihm seine Täuschung ohne Zweifel abnehmen. Hier fehle es dann am Vorsatz hinsichtlich der Irrtumserregung. 158 (2) Stellungnahme Der Kritik Hillenkamps ist im Ergebnis zu folgen. Wenn auch die von ihm vorgebrachten methodischen und dogmatischen Bedenken teilweise nicht voll durchgreifend sein mögen 159 , so bleiben doch die kriminalpolitischen Bedenken unvermindert bestehen. Das Strafrecht hat die Funktion, die wirtschaftliche Betätigung der Menschen flankierend zu schützen. Eine wesentliche Voraussetzung einer funktionierenden Wirtschaftsordnung ist die Möglichkeit, zu vertrauen. Im wirtschaftlichen Verkehr ist es oftmals erforderlich, rechtsgeschäftliche Entscheidungen ad hoc zu treffen, gegebenenfalls auch unter Zweifeln. Dies kann das Strafrecht, insbesondere das Vermögensstrafrecht, nicht außer Acht lassen. Auch wenn das Opfer einen konkreten, in Selbstschutzmaßnahmen umsetzbaren Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit der Behauptungen des Täters hat, so muss es sich dennoch für ein Vertrauen auf die Redlichkeit des Gegenübers entscheiden können, ohne strafrechtlichen Schutz einzubüßen.160 Die Vorstellung, dass sich das Tatopfer bei konkreten Zweifeln vergewissern und von der schädigenden Vermögensverfügung Abstand nehmen könne, begegnet in ihren tatsächlichen Prämissen Bedenken. Insbesondere in Fällen, in denen das Tatopfer über das Vorliegen eines gesetzlichen oder vertraglichen Anspruchs getäuscht wird, ist seine 157
Hillenkamp , Vorsatztat, S. 28; vergl. auch Herzberg , GA 1977, 289, 293. Hillenkamp , Vorsatztat, S. 29. Dagegen lässt sich jedoch m. E. einwenden, dass zumindest dolus eventualis hinsichtlich des Irrtums vorliegen wird. Wegen der Unkalkulierbarkeit des mit der Täuschung beim Getäuschten in Gang gesetzten Motivationsprozesses geht der Täter von vornherein davon aus, dass ihm das Opfer tatsächlich glaubt, also irrt. Der Vorsatz, Zweifel hervorzurufen, beinhaltet also auch den Vorsatz, das Opfer von der Wahrheit der behaupteten Tatsache zu überzeugen. Es besteht keine Notwendigkeit, den Täter mit der Behauptung zu hören, er habe nur und ausschließlich Zweifel verursachen wollen. Vergl. auch Günther , Lenckner-FS, S. 69, 74; Arzt , in: Arzt/Weber, LH 3 Rn. 418. 159 Siehe dazu insbesondere Schünemann, Faller-FS, S. 357, 364 ff. 160 Achenberg, Jura 1984, 602, 603. 158
II. Eigenverantwortlichkeitsprinzip und Betrugsdogmatik
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Freiheit, die Erfüllung wegen Zweifeln an der Begründetheit des behaupteten Anspruchs zu verweigern, faktisch schon durch das mit der Weigerung verbundene Prozessrisiko begrenzt. 161 Erst die positive Kenntnis der Täuschung lässt jedes schutzwürdige Vertrauen des Opfers entfallen. Hinzu kommt aus dogmatischer Sicht der nicht von der Hand zu weisende Einwand, dass es geradezu betrugstypisch ist, dass sich der Täter besonders leichtgläubige oder „wagemutige" Opfer aussucht, um sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Gerade in solchen Konstellationen eine Einschränkung der Strafbarkeit vorzunehmen, ist mit Sinn und Zweck des § 263 StGB nicht zu vereinbaren. 162 Es ist daher der herrschenden Meinung darin beizupflichten, dass der Zweifel - auch der konkrete Zweifel - ein Irrtum im Sinne des Betrugstatbestandes ist. 163 cc) Bedeutung dieses Ergebnisses für die Thematik dieser Arbeit Aus diesem Ergebnis folgt für § 263 StGB eine erste Eingrenzung der Möglichkeit einer Verantwortungszuweisung. Wenn der Einzelperson auf Opferseite ein Wissenmüssen um die Täuschung des Täters - d. h. die fahrlässige Unkenntnis derselben - nicht schadet, weil der Vermögensschutz des Strafrechts auch dem Leichtgläubigen zugute kommt, so kann für den Betrug gegenüber einer arbeitsteiligen Organisation nichts anderes gelten. Das bedeutet, dass die Zuweisung von Eigenverantwortung für den Betrugsschaden bei bloßem Wissenmüssen nicht in Betracht kommt. Dies gilt sowohl beim Wissenmüssen des Rechtsgutsinhabers selbst als auch beim Wissenmüssen einer seiner Hilfspersonen. c) Zulässigkeit der Argumentation mit Verantwortungsbereichen respektive dem Eigenverantwortlichkeitsprinzip zur Begrenzung der Betrugsstrafbarkeit aa) Die Zulässigkeit der Argumentation mit Verantwortungsbereichen zur Begrenzung der Betrugsstrafbarkeit wurde bereits von Jänicke aufgezeigt. 164 Die beim Betrug zu beantwortende Zurechnungsfrage erfordert eine Berücksichtigung von Schutzzweckerwägungen und Opferselbstverantwortung, mithin von normativ zu bestimmenden Verantwortungssphären. 165 Allein das Vorliegen einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung des Verletzten oder einer dessen Hilfspersonen bedeutet dabei noch nicht die Verantwortung des Täters für den Ver-
161
Vergl. BGH NJW 2003, 1198, 1199; Eisele, Wissenszurechnung, III 1. Reitemeier, Täuschungen, S. 107 m. w. N. 163 So im Ergebnis auch Kindhäuser, Bemmann-FS (1997), S. 339, 358. 164 Vergl. Jänicke, Vermögens verfugung, S. 250 ff., 252. 165 Vergl. Jänicke, Vermögensverfügung, S. 251; vergl. bereits Mohrbotter, GA 1975, 41, 52 (Fn. 44); allgemein zur Lehre von den Verantwortungsbereichen Sch-SchLenckner, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 100 ff. m. w. N. 162
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2. Kapitel: Dogmatische Vorüberlegungen
mögensschaden.166 Es ist ein allgemeines Prinzip der Zurechnung, dass immer dann, wenn der Täter für einen Defekt verantwortlich gemacht werden soll, der originär in den Verantwortungsbereich einer anderen Person fällt, allein die Veranlassung dieses Defekts nicht ausreicht, die Verantwortung auf den Veranlasser überzuwälzen. 167 Bei der Selbstverletzung, wenn also die Kausalität durch eine Opferhandlung vermittelt werde, liegt die Verantwortung grundsätzlich beim Opfer. 168 Und beim Irrtum fällt die Verantwortung für die Richtigkeit der Vorstellung in den Verantwortungsbereich des Vorstellungsinhabers. Jakobs spricht ausdrücklich von einer „Zuständigkeit für Wissen". 169 Er fragt danach, wer „für den Kenntnisdefekt zuständig ist", und warnt davor, das psychische Faktum (Wer weiß?) mit der normativen Regelung (Wer ist zuständig?) zu verwechseln. 170 bb) Generell spricht nichts dagegen, Institute des Allgemeinen Teils beim Betrug zur Berücksichtigung von Umständen aus der Sphäre des Verletzten heranzuziehen. Darin liegt auch keine teleologische Reduktion des Tatbestandes. Der teilweise gegenteiligen Auffassung in der Literatur 171 ist entgegenzuhalten, dass das Erfordernis einer objektiven Zurechenbarkeit des Taterfolgs heute als konstitutives Merkmal der Tatbestandsmäßigkeit weithin anerkannt ist. Es ist Grundlage der strafrechtlichen Haftung und keineswegs eine Haftungsbeschränkung. 172 Es handelt sich um ein allgemeines, für alle Erfolgsdelikte geltendes Zurechnungsprinzip. 173 Als solches ist es bei jedem Erfolgsdelikt zu prüfen. 174 Kommt man dabei zu dem Ergebnis, dass die Zurechnung aufgrund spezifischer Zurechnungskriterien zu verneinen ist, so handelt es sich weder um eine teleologische Reduktion 175 noch um die Anwendung eines Instituts des Allgemeinen Teil zur Lösung eines „tatbestandsspezifischen Problems des Besonderen Teils". 176 Es handelt sich vielmehr um dasselbe, als wenn bestimmte Abläufe als nicht äqui166
Vergl. Jänicke , Vermögensverfügung, S. 250 ff., 252. Krack , List, S. 54 f. 168 Krack , List, S. 55 mit Fn. 159. 169 Jakobs , AT, 21/78, 78a mit Fn. 142c. Diese Äußerungen sind zwar unmittelbar nur auf die mittelbare Täterschaft bezogen. Da Jakobs den Betrug aber als Vertypung der mittelbaren Täterschaft auffasst, vergl. AT, 21/80, gelten sie auch für diesen. 170 Jakobs , AT, 21/78a mit Fn. 142 h. 171 Vergl. Amelung , GA 1977, 1, 12; Elimer , Betrug, S. 161 a. E.; Krack , List, S. 67; Tröndle/Fischer , § 263 Rn. 19; SK-Samson/Günther , § 263 Rn. 62; LK-Tiedemann, Vor § 263 Rn. 36, § 263 Rn. 8; siehe aber auch LK-Tiedemann , § 263 Rn. 82, wo die Anwendung der Lehre von der objektiven Zurechnung bejaht wird. 172 So bereits Honig. , v. Frank-FG I (1969), S. 174, 196. 173 Vergl. Wolter , in: Grundfragen, S. 103, 117; Jänicke , Vermögensverfügung, S. 260; Roxin, § 11 Rn. 1, 36 ff.; Kahlo, in: Die Rechtsgutstheorie, S. 26, 38 m. w. N. 174 Zur objektiven Zurechnung beim Betrug jüngst Rengier , Roxin-FS, S. 811, 819 ff.; Pérez Manzano , Madrid-Symposium, S. 213 ff. 175 So aber Hillenkamp, Vorsatztat, S. 140 f., 155 f. 176 So aber Amelung, GA 1977, 1, 12; Elimer, Betrug, S. 161 a. E. 167
II. Eigenverantwortlichkeitsprinzip und Betrugsdogmatik
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valent kausal betrachtet werden. 177 Der Tatbestand ist dann nicht erfüllt, so dass die Feststellung, der Tatbestand sei „eigentlich erfüllt" und werde nun reduziert, nicht richtig sein kann. 178 Als Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass Institute des Allgemeinen Teils zur Berücksichtigung des Opfermitverschuldens nicht nur herangezogen werden dürfen, sondern sogar müssen. Es bedürfte einer Begründung, die Lehre von der objektiven Zurechnung gerade auf das Erfolgsdelikt Betrug nicht anzuwenden.179 cc) Durch diese Anwendung des Eigenverantwortlichkeitsprinzips wird die Mitverantwortung des Opfers auch nicht unzulässigerweise zu dessen alleiniger Verantwortung stilisiert. 180 Dass die Opfermitverantwortung generell nicht geeignet sein soll, ab einem gewissen Grad die Zurechnung zum Täter zu „unterbrechen", konnte von den Kritikern dieses Ansatzes bisher nicht deutlich gemacht werden. 181 Vielmehr ist es im Hinblick auf die Strafzwecke ab einem gewissen Grad der Mitverantwortlichkeit des Opfers nicht mehr erforderlich und angemessen, dem Täter den Erfolg als sein Werk zuzurechnen. 182 dd) Einem Ausschluss der objektiven Zurechenbarkeit steht in diesen Fällen nicht entgegen, dass sich die vom Täter mit der Täuschung geschaffene rechtlich missbilligte Gefahr im Falle einer irrtumsbedingten schädigenden Vermögensverfügung realisiert hat. 183 Denn damit ist nur der Risikozusammenhang angesprochen. Bei der Frage nach den Verantwortungsbereichen handelt es sich dagegen um ein Problem der Reichweite des Tatbestandes bzw. um eine Frage des Schutzbereichs der Strafnorm. 184 Jänicke betont zu Recht, dass es sich dabei um zwei strikt zu unterscheidende Stufen des Zurechnungsurteils handelt. Die Erwägungen zum Schutzbereich der Norm und zur Abschichtung von Verantwortungsbereichen sind rein normativ und gehen über den Risikozusammenhang hinaus.185 Die Frage nach dem Schutzbereich der Norm stellt sich erst dann, 177
Vergl. Jänicke, Vermögensverfugung, S. 259. Ähnlich Jänicke, Vermögensverfugung, S. 256. A. A. Roxin, Klug-FS, S. 303, 312 f.; Küpper, Zusammenhang, S. 72. Allerdings sind auch die methodischen Bedenken gegen eine teleologische Reduktion „kein unüberwindliches Hindernis", vergl. Jänicke, Vermögensverfugung, S. 258. 179 Die Anwendung befürworten auch Rengier, Roxin-FS, S. 811, 813, 819 ff.; Kurth, Mitverschulden, S. 169 ff., 195 u. passim; Pawlik, Betrug, S. 243 ff.; Pérez Manzano , Madrid-Symposium, S. 213; vergl. auch Suárez González , in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 115 ff. 180 Jänicke, Vermögensverfugung, S. 254 f. (Hervorh. v. Verf.); a. A. Hillenkamp, Vorsatztat, S. 44, 55; Ellmer, Betrug, S. 164. 181 Jänicke, Vermögensverfügung, S. 254 m. w. N. (Hervorh. v. Verf.). 182 Vergl. zu diesen Überlegungen auch W. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 77f, 142 ff. und passim. 183 A. A. Krack,, List, S. 67 f.; Ellmer, Betrug, S. 162. 184 Siehe Roxin, AT I, § 11 Rn. 85 ff., insbesondere Rn. 104 ff. 185 Jänicke, Vermögensverfügung, S. 261. 178
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2. Kapitel: Dogmatische Vorüberlegungen
wenn man den Risikozusammenhang bejaht hat. 186 Es ist durchaus möglich, einen Verlauf, bei dem sich das vom Täter geschaffene unerlaubte Risiko realisiert hat, normativ - über Schutzbereichserwägungen, zu denen auch Überlegungen zur Eigenverantwortlichkeit gehören - dem Verantwortungsbereich des Opfers zuzuschreiben. 187 Bei der anzustellenden normativen Betrachtung geht es nicht nur um die Gewichtung der Beiträge von Täter und Opfer. Vielmehr werden auch normative Einschläge ganz anderer Art relevant. 188 Ausdrücklich erwähnt Jänicke nur Einflüsse aus dem öffentlichen Recht. Wenn es sich allerdings um die vom ihm postulierte „umfassende und offene normative Gesamtwertung unter Einbeziehung aller denkbaren Einflüsse aus der Rechtsordnung " handelt 189 , dann müssen grundsätzlich auch zivilrechtliche Vorwertungen des Sachverhalts Einfluss auf das Urteil über die Eigenverantwortlichkeit gewinnen können. 190 d) Stellungnahme Das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit spielte also bei den Restriktionsbemühungen im Rahmen des Betrugstatbestands schon immer eine wichtige Rolle. Bereits die besondere Struktur des Betrugstatbestandes stellt eine konsequente Durchführung dieses Prinzips dar. Dass es nur bei wenigen Arbeiten eine zentrale Stellung als Restriktionsfaktor eingeräumt bekommen hat, mag damit zusammenhängen, dass das Eigenverantwortlichkeitsprinzip in seiner umfassenden Bedeutung als Rechtsprinzip erst zu späterer Zeit erkannt und ausgearbeitet wurde. 191 Es liegt daher nahe, die Lösung aktueller Probleme der Betrugsdogmatik im unmittelbaren Rückgriff auf das Eigenverantwortlichkeitsprinzip zu suchen. Aus dogmatischer Sicht ist damit die Ebene der objektiven Zurechnung angesprochen. Dieses Vorgehen hat gegenüber dem Herangehen an einzelne Tatbestandsmerkmale den Vorteil der größeren dogmatischen Klarheit. Als Vorteil dieser dogmatischen Lozierung des Problems wird betont, dass hier normative Betrachtungen angestellt werden können. 192 186
Jänicke, Vermögens Verfügung, S. 262. Jänicke , Vermögensverfügung, S. 267, 317 und passim. Jänicke geht aber offensichtlich von einer Verschiedenheit von Schutzbereichs- und Eigenverantwortlichkeitserwägungen aus, wenn er formuliert, man könne diese „vermischen". Das ist ungenau. Es ist nämlich zu beachten, dass die Eigenverantwortlichkeit ein Kriterium ist, bei dessen Vorliegen der Erfolg nicht mehr in den Schutzbereich der Strafnorm fällt. Die Eigenverantwortlichkeitserwägungen sind daher dem Schutzbereichsurteil vorgelagert, vergl. dazu Roxin , AT I, § 11 Rn. 85 ff.; in diesem Sinne auch Ellmer , Betrug, S. 122 vor i). 188 Jänicke , Vermögensverfügung, S. 268. 189 Vergl. Jänicke , Vermögensverfügung, S. 268. 190 Dazu auch Pawlik , Betrug, S. 160 ff. 191 Beginnend mit der Arbeit Schumanns, Strafrechtliches Handlungsunrecht, 1986. Siehe auch Walther , Eigenverantwortlichkeit, 1991 und insbesondere Zaczyk , Selbstverantwortung, 1993. 192 So bereits Kurth, Mitverschulden, S. 165, 167, 168, 171. 187
II. Eigenverantwortlichkeitsprinzip und Betrugsdogmatik
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4. Keine Widersprüche zwischen der Irrtumskonzeption der herrschenden Meinung und den Voraussetzungen einer eigenverantwortlichen Selbstschädigung bei den Fremdschädigungsdelikten Betrachtet man die von der herrschenden Meinung aufgestellten Voraussetzungen der Anwendung des Eigenverantwortlichkeitsprinzips bei den Fremdschädigungsdelikten, so scheint sich ein Widerspruch zum herrschenden Verständnis des Irrtumsbegriffs im Rahmen des § 263 StGB zu ergeben. Bei den Fremdschädigungsdelikten soll bereits ein nachträgliches grob fahrlässiges Fehlverhalten des Opfers genügen, um die objektive Zurechnung des tatbestandlichen Erfolges auszuschließen.193 Dagegen soll beim Betrug der konkrete Zweifel bzw. das grob fahrlässige Vertrauen in die Angaben des Täters nicht genügen, um einen Irrtum verneinen zu können. 194 Da es auch bei der Diskussion um die Bedeutung des Irrtumsmerkmals letztlich darum geht, welches Maß an Eigenverantwortung vom Verletzten gefordert werden kann, handelt es sich bei beiden Problembereichen um dieselbe Grundfrage. Es erscheint aber zweifelhaft, ob die Verantwortungszuweisung im einen Zusammenhang andere Voraussetzungen haben kann als im anderen. Diese Zweifel werden noch dadurch verstärkt, dass bei den Selbstschädigungsdelikten tendenziell höhere Anforderungen an den Opferselbstschutz zu stellen sind als bei den Fremdschädigungsdelikten. 195 Konsequent weitergedacht bedeutet dies, dass ein eigenverantwortlichkeitsbegründendes Verhalten des Opfers bei den Selbstschädigungsdelikten an einer niedrigeren Schwelle beginnen müsste als bei den Fremdschädigungsdelikten. Wenn man für die Verneinung des Irrtums bzw. den Ausschluss der Erfolgszurechnung beim Betrug Selbstverletzungsvorsatz, d.h. positive Kenntnis der Täuschung fordern würde, bei Fremdschädigungsdelikten dagegen bereits grobe Fahrlässigkeit 196 des Opfers genügen ließe, dann kehrte man dieses Verhältnis um. Denn dann läge die Schwelle zur Eigenverantwortung beim Betrug höher als bei den Fremdschädigungsdelikten. Indes gilt es zu beachten, was bei der Diskussion um den Ausschluss der objektiven Zurechnung bei den Fremdschädigungsdelikten unter einem grob fahr193
Roxin, AT I, § 11 Rn. 118, 103; Rengier, Roxin-FS, S. 811, 815; ders., Jura 1986, 143, 144; Burgstaller, Jescheck-FS, S. 357, 364 f.; a. A. W. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 452 ff.; vergl. dazu bereits oben 2. Kap. II 2 b. 194 Siehe dazu oben 2. Kap. II 3 b bb. 195 Siehe unten 3. Kap. III 2 d cc; Kratzsch, Oehler-FS, S. 65, 73. 196 Grobe Fahrlässigkeit soll hier einen auffallenden und ungewöhnlichen Sorgfaltsverstoß meinen, der den eingetretenen Erfolg nicht bloß als entfernt möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich erwarten lässt. Fehlverhalten, wie es jedermann hin und wieder unterlaufen kann, sei aus dem Begriff der groben Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Für den Zurechnungsausschluss soll es dabei bereits ausreichen, wenn das nachträgliche Fehlverhalten als objektiv grob fahrlässig zu bewerten ist, Burgstaller, Jescheck-FS, S. 357, 265 f.
2. Kapitel: Dogmatische Vorüberlegungen
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lässigen Opferverhalten zu verstehen ist. Roxin fuhrt aus, dass der Ausschluss der Zurechnung in den Fällen nachträglichen grob fahrlässigen Fehlverhaltens des Verletzten nicht mit der Figur der eigenverantwortlichen Selbstschädigung begründet werden könne. Denn dafür sei erforderlich, dass dem Verletzten das mit seinem Verhalten verbundene Risiko bewusst sei, woran es bei grober Fahrlässigkeit gerade fehle. 197 Dennoch sei die Zurechnung in diesen Fällen ausgeschlossen, da der Erfolg wegen der erlebnismäßigen Dominanz des Opferverhaltens in den Verantwortungsbereich des Verletzten falle. 198 Das Kriterium der „erlebnismäßigen Dominanz" des Opferverhaltens stellt allerdings einen normativ nicht relevanten Gesichtspunkt dar. Allein damit lässt sich die Verantwortungszuweisung also nicht begründen. 199 Nach der hier vertretenen Konzeption des Eigenverantwortlichkeitsprinzips kann eine eigenverantwortliche Selbstschädigung vielmehr nur bei der Herstellung einer Einheit von Wille, Handlung und Erfolg vorliegen. 200 Der Rechtsgutsinhaber muss eine Disposition über sein Rechtsgut treffen. Eine Disposition als bewusste Entscheidung, die geeignet ist, dem Verletzten die Tatherrschaft über das Verletzungsgeschehen zuzuweisen201, bedarf eines aktuellen Wissenssubstrats. In der Erscheinungsform der unbewussten Fahrlässigkeit ist die grobe Fahrlässigkeit aber gerade durch die Außerachtlassung desjenigen gekennzeichnet, was in der gegebenen Situation jedem einleuchten musste.202 Sie knüpft nicht an ein aktuelles Wissen an, sondern an ein nach objektiven Maßstäben zu bestimmendes Wissenmüssen. Wegen des zwingenden Erfordernisses einer Wissensgrundlage für die Rechtsgutsdisposition kann daher mit der groben Fahrlässigkeit des Opferverhaltens jedenfalls nicht die grob fahrlässige Unkenntnis der drohenden Rechtsgutsverletzung gemeint sein. Vielmehr muss Gefahrbewusstsein, d.h. positive Kenntnis des Gefahr gegeben sein. Es kommen daher nur Fälle der bewussten groben Fahrlässigkeit in Betracht, bei denen sich die Fahrlässigkeit auf die Gefahrrealisierung bezieht. Es ist im
197
/ t o w i , A T I , § 11 Rn. 103. Roxin, ATI, § 11 Rn. 118. 199 W. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 453 f. mit Fn. 307; siehe auch unten, 3. Kap. III 3 c cc (1). 200 Siehe unten 3. Kap. III 3 b. 201 Zu diesem Kriterium der Verantwortungszuweisung siehe Kühl, AT, § 4 Rn. 89 m. w. N.; Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 41, 45. Tatherrschaft hat, wer über das „Ob" und „Wie" der Tat maßgeblich entscheidet und mithin als „Zentralgestalt des Geschehens" bei der Tatbestandsverwirklichung fungiert, Sch-Sch-Cramer, Vorbem §§25 ff. Rn. 62 m. w. N. 202 Vergl. Palandt-Heinrichs, § 277 Rn. 2 m. w. N. m
III. Exkurs: Prüfung des Zurechnungszusammenhangs beim Betrug
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sozialen Zusammenleben zwangsläufig erforderlich, gewisse Gefahren bewusst einzugehen und darauf zu vertrauen, dass sie sich nicht realisieren. 203 Leichte Fahrlässigkeit genügt dann nicht, um den eintretenden Erfolg in den Verantwortungsbereich des Verletzten zu verweisen. Ist der Verletzte sich hingegen der Gefahr bewusst und vertraut grob fahrlässig auf die Nichtrealisierung der Gefahr, so mag man dies als ausreichend ansehen, ihm die Eigenverantwortung zuzuweisen.204 Daraufkommt es freilich im hiesigen Zusammenhang nicht entscheidend an. Maßgeblich ist vielmehr, dass der angesprochene Widerspruch zwischen der Irrtumskonzeption der herrschenden Meinung und den Voraussetzungen einer eigenverantwortlichen Selbstschädigung nicht besteht. Es ist zu differenzieren zwischen dem Wissen um die Gefahr und dem Wollen der Gefahrrealisierung. Die Diskussion um das Irrtumsmerkmal betrifft nur die Wissensseite. Und auf der Wissensseite unterscheidet sich die Irrtumskonzeption nicht von den Voraussetzungen der eigenverantwortlichen Selbstschädigung. In beiden Fällen reicht die grob fahrlässige Unkenntnis (Wissenmüssen, konkreter Zweifel) nicht aus, um die Verantwortung für die Verletzungsfolgen dem Opfer zuzuweisen. Auch für eine eigenverantwortliche Selbstschädigung ist die positive Kenntnis des Risikos zu fordern.
I I I . Exkurs: Prüfung des Zurechnungszusammenhangs beim Betrug In der einschlägigen Kommentar- und Lehrbuchliteratur findet sich kaum ein Hinweis auf die Bewertung des Kausalverlaufs des Betruges unter Zurechnungsgesichtspunkten. Es ist daher an dieser Stelle angebracht, etwas detailliertere Überlegungen zu diesem Problemkreis anzustellen. Dass die Lehre von der objektiven Zurechnung bei § 263 StGB Anwendung findet, wurde bereits gezeigt. 205
1. Der Kausalverlauf und die „Zwischenerfolge" des Betrugstatbestands Bei Körperverletzung und Totschlag hat sich der Gesetzgeber damit begnügt, die gleich auf welche Weise geschehende Herbeiführung des jeweiligen Erfolges zu untersagen. Der objektive Tatbestand des Betrugs gliedert sich dagegen in die drei Tatbestandselemente Täuschungshandlung, Irrtum, Vermögensscha-
203 yergl. 204
auc
h ^ Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 452.
So die herrschende Meinung, vergl. dazu die Nachw. oben 2. Kap. I I 2 b. A. A. W. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 452 ff. m. w. N. 205 Siehe oben 2. Kap. II 3 c dd.
2. Kapitel: Dogmatische Vorüberlegungen
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den. 206 Hinzu kommt noch die von der allgemeinen Meinung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal verlangte Vermögensverfügung des Opfers, deren Sinn es ist, sicherzustellen, dass der Charakter des Betrugs als Selbstschädigungsdelikt gewahrt bleibt. 207 Diese Struktur beschreibt den Kausalverlauf des Betrugs in seinen wesentlichen Zügen. 208 Mit dem Merkmal der Täuschungshandlung wird die Art der Ingangsetzung des Kausalverlaufs genau spezifiziert. 209 Und mit dem Merkmal des Irrtums wird das Opfer in die Tatbestandsverwirklichung integriert. Die Tatbestandsmerkmale Irrtum und Vermögensverfügung können als „Zwischenerfolge" des Betrugstatbestands bezeichnet werden. 210 Pérez Manzano zufolge bedinge es diese besondere Struktur des Betrugs, dass zwei Risikozusammenhänge zu untersuchen seien, nämlich der zwischen Täuschungshandlung und Vermögensverfügung und jener zwischen Vermögensverfügung und Vermögensschaden.211 Andere Autoren sehen die Stufe zwischen Täuschung und Irrtum als richtigen Bezugspunkt der objektiven Zurechnung an. Sie fragen also danach, ob der „Zwischenerfolg" Irrtum das Werk der Täuschungshandlung des Täters und diesem somit zuzurechnen ist. 212 Wieder andere wollen einen Zurechnungszusammenhang zwischen Irrtum und Vermögensverfügung prüfen. 213 Sämtliche Ansichten sind dogmatisch zweifelhaft. Würde man nur den Zusammenhang zwischen Täuschung und Verfügung beachten, ließe man das - immerhin geschriebene - Tatbestandsmerkmal des Irrtums außer Acht. Zudem fragt sich sowohl in Bezug auf den Irrtum als auch hinsichtlich der Vermögensverfügung, ob diese Merkmale überhaupt Anknüpfungspunkt für die objektive Zurechnung sein können. Und würde man einen Zurechnungszusammenhang zwischen Irrtum und Vermögensverfügung oder zwischen Vermögensverfügung und Vermögensschaden prüfen, so behandelte man genau genommen nur die Opferseite, da die Vermögensverfügung Handlung des Opfers und nicht des Täters ist. 206
Vergl. Sch-Sch-Cramer, § 263 Rn. 5; Arzt , in: Arzt/Weber, BT, § 20 Rn. 28. Arzt , in: Arzt/Weber, L H 3, Rn. 421. Anders jedoch insofern Pérez Manzano , Madrid-Symposium, S. 213, 216 (Fn. 7), die der Ansicht ist, dass der Irrtum als implizites Merkmal der Verfügungshandlung anzusehen sei. Dieser Sichtweise kann für die deutsche Rechtslage nicht zugestimmt werden, da es nicht möglich ist, ein geschriebenes Tatbestandsmerkmal zum Element eines ungeschriebenen zu machen. Die Ansicht von Pérez Manzano könnte allenfalls für eine Betrugsnorm zutreffend sein, die grammatikalisch und strukturell dem § 123 BGB entspricht. 208 p¿re z Manzano , Madrid-Symposium, S. 213, 215. 207
209
Pérez Manzano , Madrid-Symposium, S. 213, 215. Vergl. Tiedemann , BGH-FG, S. 551, 565; W. Frisch , Bockelmann-FS, S. 647, 650 (Fn. 13). Dazu auch LK-Lackner, 10. Aufl., § 263 Rn. 73 ff.; Amelung , GA 1977, 1 ff.; Herzberg , GA 1977, 289 ff. 211 Pérez Manzano , Madrid-Symposium, S. 213, 216. 212 So etwa Kurth , Mitverschulden, S. 169; Schmidhäuser , BT, 11/7, nach dessen Meinung der Erfolgsunwert des Betrugs in der Verfügung liegt. 213 Z. B. Jänicke , Vermögensverfügung, S. 293. 210
III. Exkurs: Prüfung des Zurechnungszusammenhangs beim Betrug
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a) Die Beziehung zwischen Täuschung und Irrtum sowie Täuschung und Vermögensverfügung Für das Verständnis dieser Tatbestandsmerkmale und die Frage, ob zwischen ihnen ein eigenständiger Zurechnungszusammenhang bestehen muss oder überhaupt bestehen kann, ist ihre Funktion im Betrugstatbestand von entscheidender Bedeutung. Auszugehen ist von der Prämisse, dass es auf die objektive Zurechenbarkeit überall dort ankommt, wo dem Täter ein Unrechtserfolg als „sein Werk" zugerechnet werden muss. 214 Oben wurde bereits angedeutet, dass man Irrtum und Vermögensverfügung als einen ,yZwischenerfolg" des Betrugstatbestandes bezeichnen kann. Das Erfolgsunrecht im eigentlichen Sinne liegt allerdings in der Verletzung oder Gefährdung des geschützten Handlungsobjekts215, in der Herbeiführung eines rechtlich missbilligten Zustandes.216 Bei § 263 StGB ist dieser Erfolgsunwert nach herrschender Meinung nur in der Verletzung des Vermögens und nicht etwa im „Hervorrufen eines Irrtums" bzw. der Verletzung der Dispositionsfreiheit zu sehen.217 Da als Bezugspunkt des Erfolgsunrechts und damit als Taterfolg nur die Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsguts in Betracht kommt 218 , scheidet der Irrtum als Taterfolg des § 263 StGB aus. Da der Irrtum nicht Teil des Taterfolgs (Erfolgsunrechts) des Betrugs ist, kann er auch nicht Anknüpfungspunkt für die Lehre von der objektiven Zurechnung sein. Zwischen Täuschung und Irrtum kann daher kein Zurechnungszusammenhang geprüft werden. Dieselben Argumente sprechen auch gegen den von Pérez Manzano untersuchten Zurechnungszusammenhang zwischen Täuschung und Vermögensverfügung. Abgesehen davon, dass ihre Ansicht für die deutsche Rechtslage schon deswegen nicht überzeugt, weil sie das geschriebene Irrtumsmerkmal übergeht und an das ungeschriebene Verfügungsmerkmal anknüpft, kann auch hier die Lehre von der objektiven Zurechnung nicht angewandt werden, weil die Verfügung als solche nicht das zuzurechnende Erfolgsunrecht darstellt. b) Die Beziehung zwischen Irrtum und Vermögensverfügung Nach Jänicke ist danach zu fragen, wer das Risiko zu tragen hat, dass es zu einer irrtumsbedingten Verfügung kommt, wem mit anderen Worten die Verfügung in ihrer Irrtumsbedingtheit zuzurechnen ist. 219 Von diesen - insoweit zutreffenden 214
Vergl. Sch-Sch-Lenckner, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 71/72. Jescheck/Weigend, AT, S. 240. 216 Vergl. Roxin, AT I, § 10 Rn. 88, 97 f. 217 Vergl. nur Arzt, in: Arzt/Weber, BT, § 20 Rn. 15 ff. m. w. N.; Sch-Sch-Cramer, § 263 Rn. 1. 218 Vergl. Maurach/Zipf AT 1, § 17 Rn. 26. 219 Jänicke, Vermögensverfugung, S. 292. 215
2. Kapitel: Dogmatische Vorüberlegungen
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- Feststellungen ausgehend kommt Jänicke zu dem Ergebnis, dass die „Zurechnungsstufe zwischen Irrtum und Verfugung" maßgeblich sei. 220 Dies kann nicht richtig sein. Der Zurechnungszusammenhang muss zwischen einer Handlung und einem von dieser gedanklich trennbaren Erfolg bestehen.221 Der Irrtum ist aber ein bloßer Bewusstseinszustand und bereits als solcher kein geeigneter Anknüpfungspunkt für eine objektive Zurechnung. Es fehlt am Verhältnis von Handlung und Folge. Zudem handelt es sich um einen Umstand in der Person des Opfers (oder einer für das Opfer tätigen Person), so dass mit einer „Zurechnung zum Irrtum" eine Zurechnung zum Opfer, aber nicht (unmittelbar) zum Täter gegeben wäre. Außerdem muss der Zurechnungszusammenhang zwischen der Dimension des Erfolgsunrechts und der Handlung des Täters bestehen. Die Vermögensverfügung kennzeichnet aber nicht das Erfolgsunrecht des Betrugs. c) Die Beziehung zwischen Vermögensverfügung
und Vermögensschaden
Pérez Manzano ist der Ansicht, man müsse den Zurechnungszusammenhang zwischen Vermögensverfügung und Vermögensschaden gesondert untersuchen. Dagegen spricht bereits, dass nur zwischen Tathandlung und Taterfolg ein Zurechnungszusammenhang im Sinne der Lehre von der objektiven Zurechnung bestehen kann. Die Vermögensverfügung ist aber nicht die Tathandlung des Täters, sondern die Beteiligungshandlung des Opfers. Man würde also nicht die Zurechnung zum Täter, sondern einen Zurechnungszusammenhang zwischen Opferhandlung und Erfolg („Zurechnung zum Opfer") prüfen. Aber: Welchen Sinn hat die Frage, ob der Vermögensschaden dem Verfügenden zuzurechnen ist? Beantwortet man diese Frage bejahend, so weiß man damit noch nichts über die Verantwortlichkeit des Täters. Gerade darum geht es aber. Es führt daher nicht weiter, nach einem Zurechnungszusammenhang zwischen Verfügung und Schaden zu fragen.
2. Prüfung der objektiven Zurechnung beim Betrug Es ist damit festzuhalten, dass nicht - wie Pérez Manzano 222 meint - zwei Zurechnungszusammenhänge zu untersuchen sind, und auch nicht etwa drei (zwischen der Täuschung und jedem der einzelnen objektiven Betrugsmerkmale), wie man bei einer unbefangenen Betrachtung der tatbestandlichen Struktur des § 263 StGB glauben könnte, sondern nur einer 222, nämlich der zwischen Täu220
Jänicke, Vermögensverfügung, S. 293. Vergl. Schünemann, GA 1999, 207, 218. 222 Pérez Manzano, Madrid-Symposium, S. 213, 216. 223 In diesem Sinne lassen sich auch die Ausführungen Roxins verstehen, der sagt, dass „der Vermögensschaden der Täuschung nachfolgt", Roxin , AT I, § 10 Rn. 102; vergl. auch Rengier, Roxin-FS, S. 811, 813. 221
IV. Zusammenfassung der Vorüberlegungen
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schung (Tathandlung) und Vermögensschaden (Taterfolg). Für die Zurechnung kommt es dabei auf das gesamte Geschehen an, vom Akt des Täuschenden bis zum Erfolgseintritt. 224 Dabei hat man unter anderem zu fragen, ob sich aufgrund eines tatbestandsadäquaten Kausalverlaufs gerade diejenige Gefahr verwirklicht hat, die der Täter geschaffen hat und die nach dem Schutzzweck der Norm vermieden werden sollte. 225 Es geht dabei nicht nur um die Frage, ob der am Ende stehende Erfolg in den Verantwortungsbereich des Täters fällt, sondern um die Verantwortlichkeit für den Kausalverlauf, d. h. für jedes einzelne Glied des Kausalverlaufs. Den Tatbestandsmerkmalen „Irrtum" und „Vermögensverfügung" kommt in diesem Zusammenhang die Bedeutung eines „Korsetts" für den adäquaten Kausalverlauf zu. Ein im Sinne des § 263 StGB adäquater Kausalverlauf zwischen Tathandlung und Taterfolg kann eben nur über die Verwirklichung von Irrtum und Vermögensverfügung verlaufen. Über diesen bloß strukturellen Aspekt hinaus kann im Rahmen des Zurechnungszusammenhangs aber auch danach gefragt werden, ob die Art und Weise , wie es in concreto zur Verwirklichung der einzelnen Tatbestandmerkmale und damit letztlich zum Taterfolg des Betrugs gekommen ist, etwas an dessen Zurechenbarkeit ändert. Die dezidierte Beschreibung des Kausalverlaufs in § 263 StGB erfüllt daher die Aufgabe, Kriterien der objektiven Zurechnung näher zu beschreiben. Die Gefahr, die der Täter mit seiner Täuschung für das Rechtsgut „Vermögen" schafft, muss sich wie ein „roter Faden" durch den Ursachenverlauf ziehen und sowohl im Irrtum als auch in der Vermögensverfügung zu finden sein. 226
IV. Zusammenfassung der Vorüberlegungen Die Lehre von den Verantwortungsbereichen bietet damit ein dogmatisches Instrument, mittels dessen Wertungsüberlegungen aus anderen Rechtsgebieten in die strafrechtliche Verantwortungsbegründung eingestellt werden können. Die Abschichtung der Verantwortungsbereiche von Täter und Rechtsgutsinhaber hat gerade beim Selbstschädigungsdelikt Betrug besondere Bedeutung. Denn hier ist der Vermögensinhaber oder eine für ihn tätige Hilfsperson notwendig in die Tatbestandsverwirklichung integriert. Das Eigenverantwortlichkeitsprinzip ist ein Rechtsprinzip, das auf das allgemeine personale Verantwortungsprinzip der Art. 1 I, 2 I GG zurückgeht. Es geht darum, die Selbstverantwortung einerseits und das Prinzip des erforderlichen und angemessenen strafrechtlichen Schutzes andererseits in praktische Konkordanz zu bringen und so die Autonomie des Rechtsgutsinhabers bei der Organisation seiner Rechtsgüter zu berücksichtigen. 224 Vergl. Renzikowski , Restriktiver Täterbegriff, S. 73 f., der dies für die mittelbare Täterschaft feststellt. Da aber die Struktur des § 263 StGB jener der mittelbaren Täterschaft gleicht, kann man dieses Argument auch hier zugrundelegen. 225 Wessels, AT, 26. Aufl., Rn. 180; vergl. jetzt Wessels/Beulke , AT, Rn. 179. 226 y e r g i ähnlich und im Ergebnis übereinstimmend Rengier , Roxin-FS, S. 811, 820.
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2. Kapitel: Dogmatische Vorüberlegungen
Die Frage nach der Eigenverantwortung setzt üblicherweise bei der Handlung des Rechtsgutsinhabers als zweitem Handlungszentrum an. Beim Betrug ist das zweite Handlungszentrum aber häufig nicht der Vermögensinhaber, sondern ein verfugungsbefugter Dritter. Bei den Fremdschädigungsdelikten wird vom verletzten Opfer erwartet, dass es die zur Erfolgsabwendung notwendigen und zumutbaren Handlungen vornimmt. Durch das unvernünftige Unterlassen solcher Selbstschutzmaßnahmen gestaltet das Opfer die Situation in so erheblichem Maße selbst, dass der Erfolg nicht der Verantwortung des Täters zugewiesen werden kann. Es liegt nahe, dieses Ergebnis auch bei § 263 StGB anzunehmen. Einzuordnen sind diese Überlegungen in den Rahmen der objektiven Zurechnung, die auch bei § 263 StGB Voraussetzung der Tatbestandsmäßigkeit ist. Für die im 4. Kapitel behandelten Fälle der Beteiligung eines Wissensvertreters konnten hier noch keine Erkenntnisse gewonnen werden. Übergreifende Bedeutung hat aber das Ergebnis der viktimodogmatischen Diskussion. Es hat sich herausgestellt, dass beim Betrug im Zwei-Personen-Verhältnis ein bloßes Erkennenmüssen der Täuschung nicht zur Verneinung eines Irrtums genügt. Dann kann im Drei-Personen-Verhältnis nichts anderes gelten.
3. Kapitel
Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers I. Einleitende Bemerkungen und Gang der Untersuchung Im Folgenden geht es um die Frage, ob im Falle der Täuschung und Vermögensverfügung eines Vertreters die Möglichkeit besteht, das Wissen bzw. Handeln des Rechtsgutsinhabers oder das Wissen bzw. Handeln von dessen Repräsentanten zu berücksichtigen und daher trotz Eintritt des Vermögensschadens einen vollendeten Betrug abzulehnen. Es handelt sich also um die Frage, ob der von ihm bewusst unterlassene Selbstschutz die Zurechnung des Erfolgs zum Täter ausschließt. Auszugehen hat man von den Fällen der handelnden Einzelperson, etwa eines Einzelkaufmanns. Wie ist zu entscheiden, wenn der Verletzte selbst das irrtumsausschließende Wissen hat und die Vermögensverfügung seines Vertreters nicht verhindert? Zum anderen geht es um die Frage, wie zu entscheiden ist, wenn bei einem körperschaftlich organisierten Unternehmen ein Organmitglied diese Kenntnis hat und die Vermögensverfügung eines anderen Vertreters nicht verhindert. Zur Verdeutlichung mag folgender Beispielsfall dienen: Bsp.: Z betreibt eine Zahnarztpraxis. Um Leistungen an Kassenpatienten abrechnen zu können, stellt er einen als Kassenarzt zugelassenen „Strohmann" ein, behandelt jedoch 90 % aller Kassenpatienten selbst. Der „Strohmann" rechnet gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung die von dem Angeklagten durchgeführten Behandlungen als eigene ab und leitet die so vereinnahmten Beträge an den Z weiter. In der Folgezeit wird die kassenärztliche Vereinigung durch die Staatsanwaltschaft, die durch eine anonyme Anzeige von diesem Sachverhalt Kenntnis erhalten hatte, unterrichtet; dabei wird auch der Name des „Strohmanns" mitgeteilt. Dennoch fasst der Vorstand der kassenärztlichen Vereinigung den Beschluss, einen Teilbetrag des beantragten Geldes weiter auszubezahlen.227 Die Formulierung des BGH, dass sich in diesen Fällen „die Beurteilung der Irrtumsfrage" als problematisch erweise 228, legt die Vermutung nahe, das Gericht wolle beim Irrtumsmerkmal ansetzen und die Kenntnis des Rechtsgutsinhabers 227 Diese Sachverhalt lag einer Entscheidung des 3. Strafsenats des BGH zugrunde, vergl. BGH NJW 2003, 1198. 228 BGH NJW 2003, 1198, 1200.
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
auch dann für maßgeblich erachten, wenn eine Hilfsperson die Vermögensverfügung trifft. Dieser Ansatz missachtet das Erfordernis der Einheit von Irrendem und Verfügendem. Die mit einer solchen Sichtweise verbundene Normativierung des Irrtumsbegriffs ist abzulehnen. Der Irrtum ist ein deskriptives (psychologisches) Tatbestandsmerkmal, das normativen Überlegungen nicht zugänglich ist. 229 Diese Sachverhaltskonstellationen sind vielmehr im Hinblick auf das Eigenverantwortlichkeitsprinzip zu untersuchen. Dafür sind zunächst die möglichen Anwendungsfälle des Eigenverantwortlichkeitsprinzips herauszuarbeiten. Um die Relevanz des Wissens bzw. des Verhaltens des Rechtsgutsinhabers dogmatisch fundiert erklären zu können, ist sodann Bezug zu nehmen auf das Verhältnis zwischen dem Rechtsgutsinhaber und seinem Vertreter. Da letzterer die Vermögensverfügung irrtumsbedingt und damit unfrei trifft, ist zu erklären, warum deren Ergebnis (der Schaden) dennoch nicht dem Täter zurechenbar sein soll. Diese Erklärung kann nur in der Beziehung der auf der Seite des verletzen Rechtsguts stehenden Akteure zu diesem Rechtsgut zu finden sein. Mit anderen Worten: Es geht um die Frage, warum hinsichtlich der Zurechnung des Erfolgs auf die freiverantwortliche Handlung des Rechtsgutsinhabers und nicht auf die unfreie Handlung seines Vertreters abzustellen ist.
II. Mögliche Anwendungsfalle des Eigenverantwortlichkeitsprinzips Der folgende Abschnitt dient dazu, diejenigen Sachverhaltkonstellationen auszuscheiden, in denen die Grundsätze des Eigenverantwortlichkeitsprinzips nicht zur Anwendung kommen können.
1. Weisung des Rechtsgutsinhabers an den Dritten, eine Vermögensverschiebung vorzunehmen Man kann sich den Fall vorstellen, dass der Täter den auf Seiten des Rechtsguts- inhabers tätigen Dritten täuscht und dieser die Angaben des Täters an den Rechtsgutsinhaber weiterleitet um, dessen Zustimmung zu der Vermögensverfügung einzuholen. Wenn der Rechtsgutsinhaber den Dritten zu der Verfügung anweist, so stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen in der Weisung eine eigene Vermögensverfügung des Rechtsgutsinhabers zu sehen sein kann. 230 Stellt die Weisung keine Vermögensverfügung des Rechtsgutsinhabers
229 Vergl. LK-Tiedemann , § 263 Rn. 80; Sch-Sch-Cramer, § 263 Rn. 36; Eisele, Wissenszurechnung, III 3 a; a. A. Pawlik , Betrug, S. 227 ff. 230 Im Ansatz auch BGH NJW 2003, 1198, 1199.
II. Mögliche Anwendungsfälle des Eigenverantwortlichkeitsprinzips
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dar, sondern liegt diese erst im Handeln des Dritten, muss man sich fragen, ob die Weisung in anderem Zusammenhang von Bedeutung sein kann, beispielsweise dem Eigenverantwortlichkeitsprinzip.
a) Die Weisung erfüllt die Voraussetzungen einer Vermögensverfügung Würde bereits die Weisung des Rechtsgutsinhabers eine Vermögensverfügung darstellen, so müsste ein vollendeter Betrug mangels Irrtums ausscheiden, wenn der Rechtsgutsinhaber die Täuschung des Täters bei der Weisung kannte; kannte er sie nicht, so läge ein vollendeter Betrug vor. Diese Sichtweise ist jedoch nicht unproblematisch. Um das Geschehen überhaupt als Betrug erfassen zu können, müssen Getäuschter und Verfügender identisch sein. 231 Zunächst müsste man also in dieser Konstellation auch den Rechtsgutsinhaber als Getäuschten auffassen können, was durchaus möglich ist. Der Dritte fungiert als Übermittler der täuschenden Angaben des Täters. Man kann von einer „Täuschung in mittelbarer Täterschaft" sprechen. Das Erfordernis der Einheit von Getäuschtem und Verfügendem ist daher in diesen Fällen kein Hindernis. Umstritten ist allerdings, ob und unter welchen Voraussetzungen bereits eine Weisung des Rechtsgutsinhabers eine Vermögensverfügung darstellen kann. Vermögensverfügung im Sinne des Betrugstatbestandes ist jedes Verhalten (Tun, Dulden oder Unterlassen), das unmittelbar zu einer Vermögensminderung fuhrt. 232 Eben dieses Unmittelbarkeitskriterium bereitet hier Schwierigkeiten. 233 In der Literatur wird die Problematik unter dem Begriff der „mehraktigen Verfügungen" diskutiert. Cramer ist der Ansicht, dass die bloße Anweisung, einen Vermögenswert „herzugeben", nur dann als Vermögensverfügung aufgefasst werden könne, wenn sie bereits zu einer dem Schaden gleichkommenden Vermögensgefährdung führe. Hierfür sei entscheidend, ob der Rechtsgutsinhaber die Ausführung seiner Anweisung noch verhindern könne. 234 Dafür lässt sich anführen, dass es nur dann gerechtfertigt ist, von einer schadensgleichen Vermögensgefahrdung zu sprechen, wenn es rechtlich oder tatsächlich nicht mehr möglich ist, die Ausführung der Weisung zu verhindern. Es ist dann nur noch eine Frage der Zeit, bis die tatsächliche Vermögensverschiebung stattfindet. Bei 231
Einhellige Meinung, vergl. nur LK-Tiedemann, § 263 Rn. 111 a. E. Ganz herrschende Meinung, vergl. LK-Tiedemann, § 263 Rn. 97; Sch-Sch-Cramer, § 263 Rn. 55. 233 Das Unmittelbarkeitserfordernis gilt auch für den Forderungsbetrug, vergl. Lackner/Kühl, § 263 Rn. 27. 234 Sch-Sch-Cramer, § 263 Rn. 62; LK-Tiedemann, § 263 Rn. 111. Weitergehend OLG Schleswig, SchlHA 1971, 214: Es sei derjenige als der Verfügende anzusehen, der materiell durch sein Handeln den entscheidenden Einfluss auf den Eintritt der Vermögensminderung habe. Soweit ersichtlich, ist dieses Urteil von der Wissenschaft nie eingehend 232
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
dieser Sachlage entspricht die Gefährdung bereits dem Vollendungsunrecht. Nur dann ist die mit dieser Sichtweise verbundene Vorverlagerung des Vollendungszeitpunkts235 zu rechtfertigen. Kann der Verletzte den Verlust noch verhindern, dann liegt nur eine dem Versuchsunrecht vergleichbare Gefährdung vor, so dass es nicht gerechtfertigt ist, mit der Vollendungsstrafe zu reagieren. Gleiches gilt, wenn weitere Handlungen auf Seiten des Getäuschten erforderlich sind, um den Verlust herbeizufuhren. 236 Dies wird der Annahme eines Gefährdungsschadens meist entgegenstehen.237 Demgegenüber argumentiert das OLG Köln, dass jedenfalls bei Unternehmen und Behörden bereits die Weisung des Getäuschten, einen bestimmten Vermögenswert „wegzugeben", als Vermögensverfiigung angesehen werden müsse, und zwar unabhängig davon, ob die faktische Weggabe im weiteren Verlauf noch zu verhindern gewesen wäre. Die Angewiesenen machten sich in der Regel keine Gedanken über die Wahrheit der Täteraussagen238, handelten also im Bewusstseinszustand der ignoratia facti. Stelle man bei dieser Sachlage auf die letzte, den Schaden tatsächlich herbeiführende Handlung ab, käme gegenüber Unternehmen und Behörden regelmäßig nur versuchter Betrug in Betracht. 239 Es sei daher allein sinnvoll, auf dasjenige Verhalten abzustellen, das alle weiteren Vorgänge bis zum tatsächlichen Schädigungsakt auslöse.240 Das Unmittelbarkeitserfordernis bereitet hier keine Probleme. Es hat nur die Funktion, den Charakter des Betrugs als Selbstschädigungsdelikt zu wahren. Daher darf zur Schädigung keinesfalls eine weitere Handlung des Täters erforderlich sein.241 Eine weitere Handlung auf
rezipiert worden. Es dürfte auch zu gewissen Beweisschwierigkeiten führen, feststellen zu müssen, welche von mehreren Handlungen den „entscheidenden Einfluss" auf den Eintritt der Vermögensminderung hatte. 235 Kritisch dazu Schröder , JZ 1965, 513, 516; Amelung, NJW 1975, 624, 625; Meyer , MDR 1971,718. 236 Vergl. Schröder , JZ 1965, 513, 516. Eine exakte Grenzziehung dürfte in diesem Bereich unmöglich sein, was auch die seit Jahrzehnten andauernde Diskussion um die Figur der schadensgleichen Vermögensgefährdung und den Vermögensbegriff selbst zeigt, vergl. dazu LK-Lackner, 10. Aufl., § 263 Rn. 153; LK-Tiedemann , § 263 Rn. 168 ff. 237 LK-Tiedemann, § 263 Rn. 172 a. E. 238 Meist werden sie diese überhaupt nicht kennen, sondern nur aufgrund einer bezüglich der tatsächlichen Hintergründe unspezifizierten Handlungsanweisung ihres Vorgesetzten oder der zuständigen Entscheidungsinstanz verfügen. 239 Getäuschter und Verfügender müssen identisch und die Verfügung muss durch den Irrtum motiviert sein. Betrachtet man denjenigen, der den Vermögenswert letztendlich weggibt als Verfügenden, muss daher sein Tun durch seinen Irrtum motiviert sein. Daran fehlt es bei der ignoratia facti, also wenn er sich über die relevanten Tatsachen überhaupt keine Gedanken macht, siehe LK-Tiedemann, § 263 Rn. 78 m. w. N. 240 OLG Köln, JMB1. NRW 1962, 176 f. 241 Vergl. Kindhäuser, Bemmann-FS (1997), S. 339, 352 f.
II. Mögliche Anwendungsfälle des Eigenverantwortlichkeitsprinzips
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Seiten des Verletzten steht der Unmittelbarkeit jedoch nicht zwingend entgegen, wenn die Kette der Verfügungen zwingende oder wirtschaftliche Folge der ersten Anweisung ist. 242 Man wird in einer Anweisung zu einem vermögensschädigenden Verhalten daher dann eine Vermögensverfügung sehen können, wenn in die damit in Gang gesetzte Handlungskette keine weitere Prüf- bzw. Entscheidungsinstanz eingeschaltet ist. Dann ist die Entscheidung perfekt, der Vermögensverlust wird sich bei regelgerechtem Ablauf gemäß dieser Entscheidung vollziehen, so dass bereits mit der Entscheidung eine konkrete Vermögensgefahrdung vorliegt. Der tatsächliche Vermögensschaden tritt dabei erst durch die faktische Übertragung des Vermögenswerts auf den Täter ein. 243 Ist allerdings eine weitere Instanz in den Handlungsablauf eingeschaltet, die die Richtigkeit der Anweisung zu überprüfen und daraufhin die endgültige Freigabe für den Vermögenstransfer zu erteilen hat, dann kann die erste Anweisung noch nicht als Vermögensverfügung angesehen werden. In diesem Fall kann nicht davon gesprochen werden, dass sich der Vermögensverlust bei regelgerechtem Ablauf gemäß der ersten Entscheidung vollziehen wird. Sieht man sich die vorgetragenen Argumente genauer an, erkennt man, dass die Unterschiede nicht allzu gravierend sind. Beide Meinungen gehen davon aus, dass von einer Vermögensverfügung nur gesprochen werden kann, wenn das Vermögen durch das fragliche Handeln in seinem realen Bestand konkret gefährdet ist. Die zuerst angeführte herrschende Meinung sieht diese Gefahr gegeben, wenn der Schaden vom weisungsgebenden Rechtsgutsinhaber nicht mehr zu verhindern ist, weil das Geschehen seinen Herrschaftsbereich verlassen hat. Dies soll in der Regel nicht der Fall sein, solange zur Verwirklichung des Vermögenstransfers von seiner Seite noch weitere Handlungen erforderlich sind. Die vor allem von den genannten Obergerichten, aber auch in der Literatur vertretene Gegenansicht stellt darauf ab, dass der zum realen Vermögenstransfer hinführende Geschehensverlauf bereits mit der Anweisung determiniert sein muss.
242 Vergl. LK-Tiedemann, § 263 Rn. 111; OLG Köln, JMB1. NRW 1962, 176; wohl auch BGHR § 263 Abs. 1, Vermögensverfügung 29, S. 2. 243 Vermögensverfügung und Vermögensschaden müssen nicht stets zusammenfallen. So verhält es sich etwa in BGHSt, BB 1991,713: Dort ging es um den Erwerb von GmbHAnteilen (Vermögensverfügung) und die daraus folgende gesellschaftsrechtliche Haftung des Erwerbers aus § 31 III oder § 19 i. V. m. § 16 III GmbHG. Da zum Eintritt der Haftung (Schaden) nach dem Erwerb noch die Anmeldung erforderlich ist (§ 16 III GmbHG), fallen Schaden und Verfügung hier nicht zusammen. Vergl. auch Tröndle/Fischer, § 263 Rn. 24 („[...] (wenn auch erst in der Zukunft) vermögensmindernd auswirkt."); Lackner/Kühl § 263 Rn. 25; Kindhäuser, Bemmann-FS (1997), S. 339, 352 f. Die für die Vermögensverfügung entscheidende Vermögensgefährdung stellt in diesen Fällen also noch nicht den Vermögensschaden dar. Dies ist v. a. für die Völlendung von Bedeutung. Es zeigt sich nämlich, dass es für die Strafbarkeit des Täters keinen Unterschied darstellt, ob man die Anweisung bereits als Vermögensverfügung sieht oder nicht. Bis zur Auszahlung liegt nur ein versuchter Betrug vor, der bereits mit der Täuschungshandlung beendet ist.
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
Davon kann wohl nur gesprochen werden, wenn keine weitere Prüf- bzw. Entscheidungsinstanz eingeschaltet ist. Ist das der Fall, so mag sich das Geschehen zwar noch im Herrschaftsbereich des Rechtsgutsinhabers abspielen, ein schadensverhindernder Herrschaftsakt (Weisung, die Verfügung zu unterlassen) ist allerdings unrealistisch. Diese Meinung verzichtet also auf das Kriterium des „Verlassens des Herrschaftsbereichs" und setzt an dessen Stelle das Zwingende des Kausalverlaufs. Ob aber der Zwang daraus resultiert, dass das Geschehen der Beherrschung äußerlich entzogen ist (Herrschaftsbereich verlassen) oder ob die Beherrschung aus einem anderen Grund ausgeschlossen ist (zwingende oder wirtschaftliche Folge der Anweisung), kann kein relevanter Unterschied sein. Es kommt nach beiden Ansichten letztlich darauf an, ob der Schadenseintritt durch die als Vermögensverfügung in Frage kommende Anweisung bereits determiniert ist. Erfüllt die Weisung des Rechtsgutsinhabers die herausgearbeiteten Voraussetzungen, so stellt sie die tatbestandliche Vermögensverfügung dar. Entscheidend ist dann der Vorstellungsinhalt des Rechtsgutsinhabers bei Erteilung der Weisung. Irrt er sich, dann liegt vollendeter Betrug vor, irrt er sich nicht, kann nur wegen versuchten Betrugs bestraft werden. Bei dieser Fallgestaltung kommt es auf das Eigenverantwortlichkeitsprinzip nicht an. b) Die Weisung erfüllt nicht die Voraussetzungen einer Vermögensverfügung Erfüllt die Weisung des Rechtsgutsinhabers nicht die Voraussetzungen einer Vermögensverfügung, sondern ist diese in dem die Weisung vollziehenden Verhalten des Dritten zu sehen, so ergeben sich je nach dem Bewusstseinsinhalt des Vermögensinhabers bei Abgabe der Weisung zwei Problemfalle. Zum einen ist es denkbar, dass er die Weisung irrtumsfrei, d. h. in Kenntnis der Täuschung des Täters und mit Selbstschädigungsbewusstsein abgegeben hat. Und zum anderen ist es vorstellbar, dass er die Weisung irrtumsbedingt abgegeben hat, vor deren Vollzug durch den Dritten seinen Irrtum erkennt, die Weisung aber trotz bestehender Möglichkeit nicht zurücknimmt. aa) Die irrtumsfreie Weisung Es kann sich die Konstellation ergeben, dass die Vermögensverfügung des Dritten 244 der Vollzug der Weisung und damit des irrtumsfrei gebildeten Willens des Rechtsgutsinhabers ist. Es drängt sich dann die Frage auf, ob nicht dieser 244 Es ist also davon auszugehen, dass der Dritte über den Wahrheitsgehalt der Angaben des Täters reflektiert. Dies ist Grundvoraussetzung für die Annahme einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung, da sonst bloße ignorantia facti vorliegen würde. Vergl. zu den damit zusammenhängenden Problemen LK-Tiedemann , § 263 Rn 111 a. E.
II. Mögliche Anwendungsflle des Eigenverantwortlichkeitsprinzips
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Wille des Rechtsgutsinhabers zur Selbstschädigung bei der Strafbarkeit des Täters Berücksichtigung finden muss. Zu denken ist hier in erster Linie an eine eigenverantwortliche Selbstschädigung. Tut der Angewiesene wie ihm geheißen, so vollzieht er den freiverantwortlichen Selbstschädigungsentschluss des Rechtsgutsinhabers. Der Geschäftsherr erscheint in dieser Konstellation materiell als Verfugender. 245 Diese Konzeption beinhaltet auch der § 166 II BGB. 2 4 6 bb) Kenntnis der Täuschung nach Erteilung der Weisung Irrt sich der Rechtsgutsinhaber bei Erteilung seiner Weisung, kann diese mangels Freiverantwortlichkeit keine eigenverantwortliche Selbstschädigung sein. Erkennt er im weiteren Verlauf noch vor der Vermögensverfügung des Dritten seinen Irrtum und unterlässt eine mögliche „Gegenweisung", so stellt sich die Frage, ob dieses Unterlassen eine - dann irrtumsfreie - Vermögensverfügung des Vermögensinhabers selbst ist. In der Literatur wird dies teilweise so vertreten. 247 Eine Vermögensverfügung kann grundsätzlich auch in einem Unterlassen bestehen. 248 Es ist aber fraglich, auf welchen Zeitpunkt man für die unmittelbare Vermögensminderung abstellen soll. Beim Unterlassen der Geltendmachung einer Forderung muss es durch das Unterlassen zu einer wirtschaftlichen Entwertung des Anspruchs kommen. 249 Im erstmöglichen Verhinderungszeitpunkt kann man diese noch nicht erblicken, da der Entschluss zur Untätigkeit weiter revidierbar bleibt; der Rechtsgutsinhaber muss nur verhindernd tätig werden. Dies kann er so lange, bis der Vermögenstransfer endgültig stattgefunden hat. Stellt man auf diesen Zeitpunkt ab, würde die Vermögensverfügung des Rechtsgutsinhabers mit dem Handeln des Dritten zusammenfallen, ja sie läge gerade im Geschehenlassen dieses Handelns. Man würde dann den Vermögensinhaber als Verfügenden behandeln, obwohl nach außen nur der Dritte auftritt. Dies wäre zwar grundsätzlich möglich, das Erfordernis der Einheit von Getäuschtem und Verfügendem stünde nicht entgegen. Es ist damit aber eine erhebliche Normativierung des Verfügungsbegriffs verbunden, unter dem man eher eine direkte Einwirkung auf den Verfügungsgegenstand zu verstehen hat. Dies wird einsichtig, wenn man sich 245 Vergl. OLG Schleswig, SchlHA 1971, 214. Aus den bereits genannten Gründen kann seine Weisung aber nicht als Verfügung i. S. d. § 263 StGB erfasst werden. 246 Näher dazu unten 3. Kap. I I I 2 d ee. Vergl. auch MK-Schramm, § 166 Rn. 53. 247 LK-Tiedemann, § 263 Rn. 111. Dass Tiedemann hier diese Ansicht vertritt, an anderer Stelle (Rn. 82) jedoch eine „Wissenszurechnung" befürwortet, zeigt, wie wenig die gesamte Problematik bisher wissenschaftlich durchdacht ist. Denn es ist offensichtlich, dass man bei einem Großteil der für die „Wissenszurechnung" in Frage kommenden Fälle dieses Instrument gar nicht braucht, wenn man im bewussten Unterlassen der Verhinderung einer Vermögensverschiebung bereits eine tatbestandlich relevante Vermögensver-fügung des Rechtsgutsinhabers sieht. 248 Siehe L K -Tiedemann, § 263 Rn. 97; Sch-Sch-Cramer, § 263 Rn. 55. 249 LK-Lackner, 10. Aufl., § 263 Rn. 107 a. E.
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
die Tatsituation eines Sachbetrugs im Dreiecksverhältnis vor Augen hält, bei der der Sacheigentümer untätig beobachtet, wie der Dritte dem Täter die Sache täuschungsbedingt herausgibt. Würde man hier das Geschehenlassen der Weggabe als Vermögensverfügung auffassen oder doch eher die Weggabe selbst? In der Literatur finden sich nur Äußerungen zur Duldung der durch den Täter erfolgenden Wegnahme : Wer die Wegnahme einer Sache nur duldet, verfugt nicht. 250 Daraus lassen sich allerdings für die Duldung der Weggabe keine unmittelbaren Schlussfolgerungen ziehen. Denn anders als beim Handeln des Täters ist bei der Weggabe durch den Dritten der Selbstschädigungscharakter des § 263 StGB nicht gefährdet. Bei einer faktischen Betrachtungsweise erscheint es dennoch eher plausibel, den Dritten als Verfugenden anzusehen und dessen irrtumsbedingte Verfügung wegen der Verhinderungsmöglichkeit in den Verantwortungsbereich des Rechtsgutsinhabers zu verweisen. 251 Für eine Verortung im Rahmen der objektiven Zurechnung lässt sich auch anführen, dass dieses Tatbestandselement seinem Wesen nach für die Aufnahme von Wertungsaspekten offen ist. Diese lassen sich dort zwangloser einfügen als bei einem einzelnen Tatbestandsmerkmal des Besonderen Teils.
2. Kenntnis der Täuschung und der bevorstehenden Vermögensverfügung, aber keine aktive Beeinflussung der Vermögensverfügung Es kann auch vorkommen, dass der Rechtsgutsinhaber sowohl um die bevorstehende Vermögensverfügung als auch um den täuschungsbedingten Irrtum seines Vertreters weiß, die Vermögensverfügung aber dennoch nicht verhindert. Aus zivilrechtlicher Sicht stellt sich hier die Frage der analogen Anwendung des § 166 II BGB, die von der herrschenden Lehre wie dem Schrifttum weitgehend bejaht wird. 252 Aus strafrechtlicher Sicht kann man das Unterlassen des Selbstschutzes - wenn man mit dem oben zu 1. b) Gesagten eine Vermögensverfügung ablehnt - nur mittels des Eigenverantwortlichkeitsprinzips erfassen.
250
101. 251
Lackner/Kühl,
§ 263 Rn. 26 m. w. N.; vergl. auch LK-Lackner, 10. Aufl., § 263 Rn.
Vergl. aus zivilrechtlicher Sicht Staudinger-Schilken, § 166 Rn. 26 m. w. N. 252 yergl. Schilken , Wissenszurechnung, S. 66 ff. m. w. N.; Staudinger-Schilken, § 166 Rn. 26 ff.
II. Mögliche Anwendungsfälle des E i g e n v e r a n t w o r t l i c h k e i t s p r i n z i p s 6 1
3. Kenntnis der Täuschung, aber fehlende Kenntnis der bevorstehenden Vermögensverfügung In den Fällen, in denen der Rechtsgutsinhaber um den täuschungsrelevanten Umstand, nicht aber um die bevorstehende Vermögensverfügung weiß, fehlt es an der tatsächlichen Möglichkeit, aus der Kenntnis auf die Notwendigkeit selbstschützender, das Vertretergeschäft verhindernder Maßnahmen zu schließen. Aus zivilrechtlicher Sicht verbietet sich in diesem Fall die (analoge) Anwendung von § 166 II BGB. 2 5 3 Es liegt ein im Hinblick auf die Erfolgsverhinderung nutzloses Teilwissen vor, das einen Wegfall des Vorteilsschutzes nicht rechtfertigen kann. 254 Nach dem Eigenverantwortlichkeitsprinzip kommt es dagegen darauf an, ob der Geschäftsherr auch in diesem Fall eine relevante Organisationsentscheidung trifft. 255 Das Unterlassen des Selbstschutzes bei fehlender positiver Kenntnis eines Schutzanlasses stellt jedoch keine Organisationsentscheidung dar. Es findet gerade kein Willensbildungsprozess statt. Der zum Schaden fuhrende Kausalverlauf geht vielmehr „ungesehen" am Rechtsgutsinhaber vorbei. Er kann sich diesen nicht zu Eigen machen. Wer die Möglichkeit eines aus dem Nichtstun resultierenden Erfolgs nicht erkennt, der stellt durch dieses Nichtstun keine „Einheit von Wille, Handlung und Erfolg" her, dem kann also keine eigene Verantwortung zugewiesen werden. 256
4. Kenntnis der Täuschung und Kennenmüssen der bevorstehenden Vermögensverfügung Denkbar ist auch der Fall, dass der Rechtsgutsinhaber den täuschungsrelevanten Umstand kennt und um die bevorstehende Vermögensverfügung des Dritten hätte wissen müssen. Gemeint ist also die fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich der bevorstehenden Vermögensverfugung. In diesen Fällen findet im Zivilrecht keine Wissenszurechnung statt. 257 Nach dem Eigenverantwortlichkeitsprinzip kommt es wie bei der zuvor behandelten Fallgruppe auf das Vorliegen einer Organisationsentscheidung des Geschäftsherrn an. Bei bloßem Wissenmüssen um die bevorstehende Vermögensverfugung kann man jedoch nicht davon sprechen, der Rechtsgutsinhaber entscheide sich für die Preisgabe des Vermögensgegenstandes. Bei fehlender positiver Kenntnis eines Schutzanlasses fehlt die Entscheidungsgrundlage für eine Entscheidung zum Selbstschutz.258 253
Vergl. Schilken, Wissenszurechnung, S. 75. Schilken, Wissenszurechnung, S. 75. 255 Siehe dazu 3. Kapitel III. 256 Genauer dazu 3. Kapitel, III 3 b; anders Kindhäuser, siehe dazu 1. Kapitel, III. 257 y e r g i Schilken, Wissenszurechnung, S. 77. 258 Vergl. a u c h Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 62. 254
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
5. Rechtfertigende Einwilligung in die Vermögensschädigung Abschließend ist noch eine weitere, allerdings seltene Sonderkonstellation auszuscheiden. Liegt eine wirksame rechtfertigende Einwilligung des Geschäftsherrn vor, so scheidet eine Strafbarkeit auch dann aus, wenn die Hilfsperson aufgrund einer Täuschung irrtumsbedingt zu Lasten des Vermögens des Geschäftsherrn verfugt. Daran ist zu denken, wenn die Hilfsperson das geplante Geschäft entgegen dem Willen des Vermögensinhabers nicht durchführen möchte und daher der Vertragspartner mit Einwilligung des Vermögensinhabers lediglich die Hilfsperson täuscht.259 Die Einwilligung muss sich dabei auf die Täuschungshandlung und den Erfolg (Vermögensschädigung) beziehen260 und schon vor der Tat nach außen kundbar geworden sein.261
6. Ergebnis Es hat sich gezeigt, dass nur Fälle in Betracht kommen, in denen der Geschäftsherr sowohl Kenntnis der täuschungsrelevanten Tatsachen als auch Kenntnis von den konkreten Tatumständen hat. Er darf sich also selbst nicht im Irrtum befinden und muss um die bevorstehende Vermögensverfügung seiner Hilfsperson wissen. Der Grund dafür ist darin zu sehen, dass das Unterlassen des Selbstschutzes nur bei einer solch umfassenden Kenntnis der gesamten Betrugssituation eine relevante Organisationsentscheidung des Rechtsgutsinhabers sein kann. Fehlt es an der Kenntnis der bevorstehenden Vermögensverfügung, dann liegt dem Nichtstun kein Entschluss zum Geschehenlassen der Vermögensschädigung zugrunde. Die zivilrechtliche Literatur stellt bei § 166 II BGB im Wesentlichen dieselben Überlegungen an, ohne jedoch ausdrücklich auf den Gedanken des unterlassenen Selbstschutzes abzustellen.
I I I . Eigenverantwortliche Selbstschädigung der natürlichen Person Im Folgenden wird die Frage aufgeworfen, ob und unter welchen Voraussetzungen das Verhalten des Rechtsgutsinhabers (aktive Weisung oder Unterlassen) als eigenverantwortliche Selbstschädigung erfasst werden kann, wenn der Rechtsgutsinhaber eine natürliche Person ist. In den einschlägigen Fällen liegt immer eine vom Täter verursachte irrtumsbedingte Vermögensverfügung des Dritten und damit ein Sachverhalt vor, der zur Bejahung eines vollendeten Betrugs grundsätzlich ausreicht. Es muss daher herausgearbeitet werden, warum trotzdem auf das irrtumsfreie Verhalten des Rechtsgutsinhabers und damit auf dessen Wissen abzustellen ist. 259 Vergl. Eisele , Wissenszurechnung, III 2. 260 Sch-Sch-Lenckner, Vorbem §§ 32 ff. Rn. 34 m. w. N. 261 Sch-Sch-Lenckner, Vorbem §§ 32 ff. Rn. 43 f.
III. Eigenverantwortliche Selbstschädigung der natürlichen Person
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1. Vergleich der Betrugskonstellation mit anerkannten Anwendungsfallen des Eigenverantwortlichkeitsprinzips Bei der Darstellung der Anwendung des Eigenverantwortlichkeitsprinzips bei den Fremdschädigungsdelikten 262 wurde herausgearbeitet, dass es sich um Situationen handelt, bei denen der Täter eine Gefahr für das Rechtsgut geschaffen hat. Der Verletzte erkennt den auf einen Schaden zusteuernden Kausalverlauf und hat die Möglichkeit, den Verlauf zu stoppen. Aufgrund seiner freien Entscheidung unternimmt er dennoch nichts gegen den Eintritt des Erfolgs. Der Kausalverlauf entwickelt sich dann aufgrund naturgesetzlicher Gegebenheiten zum Schaden weiter. Das strafrechtlich relevante Geschehen findet dabei nur zwischen Täter und Rechtsgutsinhaber statt. Der Täter greift auf das Rechtsgut zu (Zugriffsdelikte), und der Rechtsgutsinhaber trifft persönlich die Entscheidung, den Zugriff bzw. die aus diesem folgenden Weiterungen zuzulassen.263 - Bei den hier zu diskutierenden Drei-Personen-Konstellationen des Betrugs bewirkt der Täter einen Irrtum des Dritten. Er schafft damit eine Gefahr für das Vermögen des Rechtsgutsinhabers. Diese Gefahr erkennt der Vermögensinhaber und trifft dennoch keine Maßnahmen zur Gegensteuerung. Der Erfolg tritt allerdings erst durch die Handlung (Vermögensverfügung) des Dritten ein. Trotz dieses Erfordernisses einer weiteren schadenskausalen Handlung des Dritten (nach der Handlung des Täters) handelt es sich um dieselbe Problematik. Denn die Vermögensverfügung des Dritten ist Teil des Kausalverlaufs, den der Rechtsgutsinhaber auf sich zukommen sieht und nicht abwendet. Die Konstellationen der Fremdschädigungsdelikte gleichen daher den hier behandelten Fällen. Dennoch stellt gerade die Beteiligung des Dritten auf der Opferseite einen unleugbaren Unterschied zu den Fällen der Fremdschädigungsdelikte dar. Sie macht das Geschehen zu einem Dreiecksbetrug. 264 Die das Beziehungsdelikt Be262
Siehe dazu 2. Kapitel II 2. Betrachtet man das Geschehen beim Betrug genauer, so zeigt sich, dass auf Seiten des Rechtsgutsinhabers bei der Selbstschädigung gewissermaßen eine „mittelbare Täterschaft durch Unterlassen" vorliegt. Der verfügende Dritte ist das Werkzeug der Selbstschädigung des Vermögensinhabers. Zugleich liegt auch von Täterseite strukturell eine mittelbare Täterschaft vor. Geht man von diesem Befund aus, müsste man bei den Fremdschädigungsdelikten als Vergleichsfall ebenfalls eine solche Sachlage zugrunde legen. Es müsste also durch den Täter die Verursachung beispielsweise eines Tatbestandsirrtums beim Dritten und beim Rechtsgutsinhaber die Kenntnis dieser Umstände sowie ein Unterlassen des Einschreitens gegen die Rechtsgutsverletzung gegeben sein. Es scheint aber zweifelhaft, ob mit einem solchen Vergleich viel gewonnen wäre. Denn bereits die Rede von einer „mittelbaren Täterschaft" des Rechtsgutsinhabers gegen sich selbst führt inhaltlich nicht weiter, da die Regeln von Täterschaft und Teilnahme für Fremdverletzungen konzipiert sind. Aus einem Vergleich zur Beteiligungslehre lassen sich daher keine Erkenntnisse für solche Selbstschädigungsakte gewinnen. 263
264 Die Möglichkeit eines Dreiecksbetrugs, also eines Betrugs, bei dem der getäuschte Verfügende nicht zugleich auch der Geschädigte ist, ergibt sich bereits aus Wortlaut des § 263 StGB, vergl. dazu Sch-Sch-Cramer, § 263 Rn. 65 f f ; LK-Tiedemann, § 263 Rn. 2, 112 ff.
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
trug ausmachende Interaktion - der intellektuelle Kontakt - findet statt zwischen dem Täter und dem Dritten. Beim Dreiecksbetrug betrachtet man bisher nur dieses Interaktionsverhältnis. Der Täter regt den Dritten durch die Hervorrufung des Irrtums an, das Vermögen des Rechtsgutsinhabers zu schädigen. Um das Geschehen mit dem Selbstschädigungsdelikt265 „Betrug" strafrechtlich erfassen zu können, muss die Vermögensverfügung des Dritten dem Rechtsgutsinhaber zuzurechnen sein. Voraussetzung der Zurechenbarkeit der Vermögensverfugung ist eine bestimmte Stellung des Dritten zum geschädigten Vermögen. 266 Der Dritte hat die Stellung eines „Hüters" des Rechtsguts.267 Als solcher trifft er eine unfreie Entscheidung. In dem nach der Dogmatik des Dreiecksbetrugs entscheidenden Interaktionsverhältnis Täter - Dritter sind daher in den hier zugrunde liegenden Fällen alle Voraussetzungen eines vollendeten Betrugs gegeben. Die Person des Rechtsgutsinhabers wird zur Erfassung des Geschehens als Betrug insoweit nicht benötigt. Die Frage ist aber, ob die Person des Rechtsgutsinhabers in dieser Konstellation ohne jede Bedeutung sein kann. Kann es wertungsmäßig ein Unterschied sein, ob der Rechtsgutsinhaber - bei den Fremdschädigungsdelikten - eine vom Täter geschaffene Gefahr sich ungestört naturgesetzlich weiterentwickeln oder ob er - beim Selbstschädigungsdelikt Betrug - irrtumsfrei die durch seine Hilfsperson erfolgende Schädigung geschehen lässt? Entspricht nicht vielmehr das bewusste Geschehenlassen einer vom Dritten bewirkten Vermögensschädigung wertungsmäßig der eigenen aktiven Selbstschädigung, also dem Fall einer irrtumsfreien Vermögensverfugung des Rechtsgutsinhabers selbst? Die Antwort auf diese Fragen wird man im Innenverhältnis von Rechtsgutsinhaber und Drittem und deren Beziehung zum geschützten Rechtsguts zu suchen haben. Jedenfalls ist die herkömmliche Betrachtung des Dreiecksbetrugs, also der alleinige Blick auf den Täter und den Dritten, für eine sachgerechte Lösung der hier zu behandelnden Fälle um die Perspektive des Rechtsgutsträgers zu erweitern.
265
Vergl. dazu LK-Tiedemann , § 263 Rn. 113; Sch-Sch-Cramer, § 263 Rn. 66. Zu den unterschiedlichen Ansichten vergl. LK-Tiedemann , § 263 Rn. 115 ff. Die Stellung des Dritten zum Vermögen muss für die Thematik dieser Arbeit nicht weiter problematisiert werden. Das Vorliegen der Voraussetzungen des Dreiecksbetrugs wird vorausgesetzt. Insofern ist es dann unerheblich, welcher Meinung man folgt. 267 Vergl. Schröder , ZStW 60 (1941), 33, 71; ähnlich Lenckner , JZ 1966, 320, 321. 266
III. Eigenverantwortliche Selbstschädigung der natürlichen Person
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2. Vorrangigkeit der Organisationsentscheidung des Rechtsgutsinhabers a) Zum Begriff der Rechtsgutsverletzung; der Bestand der Handlungsobjekte als Organisationskreis des Rechtsgutsinhabers Eine der Hauptfunktionen des Strafrechts besteht im Schutz von Rechtsgütern. 268 Zunächst gilt es, das Rechtsgut vom Handlungs- oder Tatobjekt zu unterscheiden. 269 Handlungs- bzw. Tatobjekt ist der Gegenstand, an dem die strafrechtlich relevante Handlung begangen wird. Was unter dem Begriff Rechtsgut zu verstehen ist, ist umstritten. 270 Es handelt sich jedenfalls um ein rechtlich geschütztes Gut. 271 Heute sieht man das Rechtsgut als Lebensinteresse an, das durch die Zuerkennung rechtlichen Schutzes zum Rechtsgut wird. 272 Mit dem Begriff des Interesses erfasst man dabei eine Beziehung zwischen einer Person und einem Sachverhalt. Rechtsgut ist danach die einer Person zugeordnete, auf sie bezogene Möglichkeit der Nutzung und des Genusses eines positiv bewerteten Sachverhalts. 273 Es handelt sich damit um ein ideelles Gut, dass sich in dem Angriffsgegenstand verkörpert. Durch die Einbeziehung der individuellen Interessenverletzung in den Rechtsgutsbegriff lässt sich verständlich machen, warum und inwieweit eigene Mitverantwortlichkeit des Opfers zu Unrechtsminderung oder -ausschluss fuhren kann. 274 Ist auch den Willen des Rechtsgutsinhabers geschützt, sich an den ihm gehörenden Gütern zu verwirklichen, sich an und mit ihnen frei zu entfalten 275, dann stellt die Verletzung des Tatobjekts grundsätzlich auch eine Beeinträchtigung des Willens des Rechtsgutsinhabers dar. 276 Daher kommt bei einem entsprechenden Willen des Rechtsgutsinhabers ein Rechtsgutsverlust ohne strafrechtliche Sanktion in Betracht. 277 268 Siehe etwa Roxin, AT I, § 2 Rn. 1; Chatzikostas, Disponibilität des Rechtsguts Leben, S. 130 m. w. N. 269 AK-Hassemer, vor § 1 Rn. 264; Sch-Sch-Lenckner, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 9; Haft, AT, S. 75; Vitens, Scheinbare Rechtsgutsverletzung, S. 32 m. w. N. 270 Zum materialen Gehalt des Rechtsgutsbegriffs siehe Vitens, Scheinbare Rechtsgutsverletzung, S. 31 m. w. N. 271 Vitens, Scheinbare Rechtsgutsverletzung, S. 31 m. w. N.; Jakobs, AT, 2/12. 272 Vergl. Jakobs, AT, 2/\3. 273 Jakobs, AT, 2/14. Anders Schmidhäuser, Engisch-FS, S. 433, 445 und AT, 8/111: Rechtsgutsverletzung sei die Missachtung des vom Rechtsgut ausgehenden Achtungsanspruchs. 274 Eser, Mestmäcker-FS, S. 1005, 1023 (Hervorh. v. Verf.). 275 Vergl. etwa Roxin, AT I, § 2 Rn. 9, § 13 Rn. 12; Weigend, ZStW 98 (1986), 44, 61; Rudolphi, ZStW 86 (1974), 82, 87; Marx, Rechtsgut, S. 62 ff., 67 f.; Ensthaler, Einwilligung, S. 10 f., 17. A. A. LK-Hirsch, Vor § 32 Rn. 104 ff. m. w. N.; dagegen Roxin, A T I , § 13 Rn. 14 m. w. N. 276 Vergl. auch Stratenwerth, ZStW 68 (1956), 41, 42 f., 70. Allerdings erschöpft sich die Rechtsgutsverletzung nicht in dem Handeln gegen den Willen des Rechtsgutsträgers, doch ist dies eine ihrer Voraussetzungen, Roxin, AT I, § 13 Rn. 14 a. E. 277 Vergl. Weigend, ZStW 98 (1986), 44, 61; Ensthaler, Einwilligung, S. 14, 16.
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers Die Verletzung eines Rechtsguts kann nur durch Beeinträchtigung individuel-
ler Handlungsobjekte erfolgen. 2 7 8 Diese Handlungsobjekte gehören dem Rechtskreis j e einzelner Rechtssubjekte an. Grundlage dieser Zugehörigkeit kann eine zivilrechtliche (oder öffentlich-rechtliche) Rechtsstellung sein (z. B. das Eigentum). Für den strafrechtlichen Schutz ist dies aber nicht zwingend erforderlich, was sich insbesondere am betrugsrechtlichen Vermögensbegriff zeigt. Nach dem in der Literatur vertretenen juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff ist es ausreichend, wenn eine wirtschaftlich wertvolle, aber noch nicht als subjektives Recht ausgestattete Position ohne Missbilligung der Gesamtrechtsordnung realisiert werden kann. 2 7 9 Inhaber
eines Guts ist danach, wer die faktische Macht
über dieses Gut ohne Missbilligung der Rechtsordnung ausüben darf und dabei einen gewissen rechtlichen Schutz genießt. 2 8 0 M a n kann die Inhaberschaft eines Rechtsguts also als rechtlich geschützte Organisationsbefugnis , den Bestand der geschützten Handlungsobjekte als Organisationskreis
b) Die Inhaberschaft
eines Rechtsguts als originäre
ihres Inhabers bezeich-
Organisationszuständigkeit
Aus der Zuerkennung eines Guts als , ^ e i n " Rechtsgut folgt für den Inhaber die Organisationsbefugnis (Dispositionsbefugnis) über das Rechtsgut. 2 8 2 Dies lässt 278 Roxin , AT I, § 2 Rn. 34. Aus dem Grundgesetz, das die Funktionen eines sich auf die Freiheit des Individuums stützenden Rechtsstaats regelt, ergibt sich dabei ein individueller (personaler) Rechtsgutsbegriff, vergl. Roxin , AT I, § 2 Rn. 9. Wenn die Rechtsordnung als solche die Basis menschlicher Freiheit schafft, dann muss das staatliche Recht mit konkreten Lösungen zur Sicherung der freien Entfaltung von Individuen beitragen. Der Rechtsgüterschutz soll also direkt der freien Entfaltung des Individuums dienen, vergl. Sternberg-Lieben , Einwilligung , S. 368 ff., 370 f., 377 f.; Kühl , AT, § 3 Rn. 6 m. w. N. Die freie Entfaltung des Individuums kann aus strafrechtlicher Sicht unter anderem durch eine Einwilligung stattfinden. Zur Unterscheidung von Einverständnis sowie tatbestandsausschließender und rechtfertigender Einwilligung siehe Jakobs , AT, 7/104 ff. Selbstverständlich findet aber die freie Entfaltung des Individuums nicht nur durch die Einwilligung statt. Prototyp der Ausübung autonomer Herrschaft über die eigenen (Rechts)Güter ist die eigenverantwortliche Selbstverletzung. Siehe zum ganzen auch Schmidhäuser , AT, 8/131 f.; Schmidhäuser , Engisch-FS, S. 433, 443 ff. 279 Vergl. Sch-Sch-Cramer, § 263 Rn. 82 m. w. N.; LK-Tiedemann, § 263 Rn. 132. Noch weitergehend, weil maßgeblich an faktischen Gegebenheiten orientiert, ist der rein wirtschaftliche Vermögensbegriff der Rechtsprechung, vergl. BGHSt 1, 262, 264; 3, 99, 102 f.; 16, 220, 221f.; 16, 321, 325; 26, 346, 347. 280 yergi. LK-Lackner , 10. Aufl., § 263 Rn. 123. Gemeint sein kann hier nur dasjenige Rechtssubjekt, dem das Gut als „seines" zugewiesen wird. Stattet derjenige einen anderen mit Verfügungsgewalt aus, so ist dieser trotz faktischer Verftigungsmacht kein Inhaber des Guts, da seine Macht nicht originär ist. 281 Im Ansatz ebenso Kratzsch , Oehler-FS, S. 65, 73. Vergl. auch Jakobs , AT, 29/29 (Hervorh. v. Verf.): Der Organisationskreis kann außer über Handlungen auch über sämtliche Entfaltungsmittel definiert werden. 282 Dies gilt auch dort, wo es dem Rechtsgutsinhaber an der erforderlichen Einsichtsfähigkeit (dazu Roxin , AT I, § 13 Rn. 51 ff.; Zipf Einwilligung, S. 37 ff.) fehlt. Auch hier
III. Eigenverantwortliche Selbstschädigung der natürlichen Person
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sich auch verfassungsrechtlich abstützen, da allen Grundrechten das Selbstbestimmungsrecht über das jeweils geschützte Gut immanent ist. 283 Als autonomes Rechtssubjekt darf der Grundrechtsträger das Gut im Rahmen des Rechts nach seinem freien Willen für seine Zwecke einsetzen. Er kann das Rechtsgut persönlich organisieren (verwalten), wozu in der Regel auch die eigentätige Vernichtung des betreffenden Tatobjekts gehört, und er kann die Organisation des Rechtsguts einem Dritten übertragen. Die Befugnis zu diesen Organisationsmaßnahmen fließt aus der Inhaberschaft (des Rechtsguts) selbst. Bei einem personalen Rechtsgutsverständnis 284 ist diese Macht zu Organisationsentscheidungen bei dem Inhaber des Rechtsguts eine originäre. c) Die Organisationsbefugnis des Dritten als abgeleitete Organisationszuständigkeit Der Rechtsgutsinhaber kann einen Dritten mit der Organisation seines Rechtsguts betrauen. 285 Dies gilt nicht für alle Rechtsgüter gleichermaßen, jedenfalls aber für das Rechtsgut Vermögen. 286 Mit der Betrauung des Dritten verliert der Rechtsgutsinhaber aber keinesfalls seine eigene Organisationsbefugnis über das jeweilige Gut. Es ist dem Rechtsgutsinhaber daher grundsätzlich möglich, eigene Organisationsentscheidungen neben denen des Dritten zu treffen. Da der Dritte seine Organisationsbefugnis durch einen Übertragungsakt des originär zuständigen Rechtsgutsinhabers erlangt, ist seine Entscheidungsmacht immer nur eine abgeleitete. 2* 1 Sie leitet sich aus dem Willen des Rechtsgutsinhabers ab, der Dritte möge für ihn das Rechtsgut organisieren. 288 Im Rahmen dieser abgeleiteten Organisationsbefugnis fällt dem Dritten die Aufgabe zu, die Aussagen des Täters auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Die Stellung des Dritten zum Vermögen folgt auch der Inhaberschaft des Rechtsguts die originäre Zuständigkeit für dieses Gut. Da der Inhaber seine Zuständigkeit von Rechts wegen nicht wahrnehmen kann, wird ihm eine Person zur Seite gestellt, die das Rechtsgut in seinem Interesse für ihn organisiert. Zu den Grenzen siehe Roxin, AT I, § 13 Rn. 63 ff. 283 y e r g i d a z u Sternberg-Lieben, Einwilligung, S. 19 f. m. w. N., 57 f. 284 y e r g i d a z u Vitens, Scheinbare Rechtsgutsverletzung, S. 26 f. 285 Welche Befugnisse der Dritte im einzelnen hat, wird sich in der Regel nach den zivilrechtlichen Vereinbarungen zwischen dem Geschäftsherrn (Rechtsgutsinhaber) und dem Dritten richten. Für den Betrug kommen aber auch Fälle in Betracht, bei denen es an einer näheren zivilrechtlichen Ausgestaltung des Innenverhältnisses fehlt, der Dritte aber dennoch im „Lager" des Vermögensinhabers steht. Es ist daher nicht angängig, für den Akt der Betrauung in jedem Fall eine privatrechtliche Vereinbarung zu verlangen, vergl. Rengier, BT I, § 13 Rn. 47 m. w. N. 286 Vergl. dazu Roxin, AT I, § 13 Rn. 63 f. 287 y e r g i z u diesem Gedanken aus zivilrechtlicher Sicht Schilken, Wissenszurechnung, S. 59 ff. passim. 288 Zur Erforderlichkeit eines normativ relevanten Selbstbindungsakts des Rechtsgutsinhabers vergl. Pawlik, Betrug, S. 213.
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
stellt sich als eine bloße „Diener- oder Hüterstellung" dar. 289 Es besteht ein Über-/ Unterordnungsverhältnis, in dessen Rahmen des Dritte den Weisungen des Vermögensinhabers unterworfen ist. d) Vorrangigkeit der Organisationsentscheidung des Rechtsgutsinhabers als Folge der herausgearbeiteten Beziehungsstruktur; Bezüge zur Wertung des § 166 II BGB Die im hiesigen Abschnitt zu behandelnden Fälle zeichnen sich dadurch aus, dass zwei rechtsgutsbezogene Organisationsentscheidungen vorliegen, die sich hinsichtlich ihres Selbstschädigungsbewusstseins widersprechen. 290 Zum einen verfugt der Dritte irrtumsbedingt unmittelbar über das Vermögen des Rechtsgutsinhabers. Zum anderen trifft der Rechtsgutsinhaber in vollem Bewusstsein der eintretenden Vermögensschädigung die Entscheidung, diese Verfugung und damit den betrugsspezifischen Kausal verlauf geschehen zu lassen. Es ergibt sich damit das Problem, welche Organisationsentscheidung die Rechtsordnung für die Frage, ob der Erfolgseintritt dem Täter als strafrechtliches Unrecht zuzurechnen ist, vorrangig zu berücksichtigen hat. Ist die eigenverantwortliche Unterlassung des Selbstschutzes durch den Rechtsgutsinhabers trotz der irrtumsbedingten Verfügung des Dritten geeignet, dem Täter die Verantwortung für den Schaden abzunehmen? Dabei gilt es die oben erkannte Beziehungsstruktur zu berücksichtigen. Für eine vorrangige Berücksichtigung der Organisationsentscheidung des Rechtsgutsinhabers 291 sprechen hier mehrere Gründe. Entscheidend ist dabei nicht in erster Linie die Unterscheidung zwischen originärer und abgeleiteter Organisationszuständigkeit. 292 Das in dieser begrifflichen Differenzierung zum Ausdruck kommende Über-/Unterordnungsverhältnis ist nur ein erster Anhaltspunkt für die Maßgeblichkeit des Verhaltens des Rechtsgutsinhabers. Wesentlich daran ist, dass der Rechtsgutsinhaber nur aufgrund dieses Weisungsverhältnisses die zum Selbstschutz notwendige Regelungskapazität hat. 293 Könnte er keine Weisungen erteilen, so würde ihm jeder potentielle Einfluss auf das betrugsrelevante Geschehen von vornherein fehlen. Mangels Verhinderungsmöglichkeit
289
Vergl. Schröder, ZStW 60 (1941), 33, 71; Lenckner, JZ 1966, 320, 321. Zum Erfordernis einer unbewussten Selbstschädigung vergl. Haft, BT, S. 207; Sch-Sch-Cramer, § 263 Rn. 41; a. A. Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rn. 524 ff. m. w. N.; Schmoller, JZ 199i, 117, 119. 291 Vergl. dazu (aus einem etwas anderen Blickwinkel ) auch Elimer, Betrug, S. 291 f. sowie Meliä, ZStW 111 (1999), 357, 373 f.; Neumann, JA 1987, 247 f.; NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 175. 292 Vergl. auch Meliä, ZStW 111 (1999), 357, 372 f. 293 Vergl. zu diesem Gedanken Kratzsch, Oehler-FS, S. 65, 74. 290
III. Eigenverantwortliche Selbstschädigung der natürlichen Person
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(potentielle Tatherrschaft über den Kausalverlauf) könnte ihm dann keine Verantwortung für den Schaden zugewiesen werden. aa) Aus der Weisungsgebundenheit des Dritten folgt aber noch ein weiterer Aspekt. Würde er, bevor er die Vermögensverfügung trifft, zunächst beim Rechtsgutsinhaber um die Zustimmung zu dieser Verfügung ersuchen und würde dieser die (keine eigene Vermögensverfügung darstellende 294) Zustimmung in Kenntnis der Täuschung erteilen, so müsste man dies als vom Vermögensinhaber zu verantwortende Selbstschädigung ansehen. Hier beruht die Vermögensverfügung des Dritten auf dem Entschluss des Rechtsgutsinhabers, der sie auch aktiv veranlasst. Der Dritte ist wegen seiner Weisungsgebundenheit nur dessen Werkzeug zur Selbstschädigung. Aufgrund der internen Anweisung zur Vermögensverfügung, erscheint der Rechtsgutsträger bei wertender Betrachtung als der eigentlich Verfügende. 295 Der Fall des Unterlassens einer Weisung steht diesem Sachverhalt in seinem sozialen Sinngehalt gleich. 296 Es besteht kein relevanter normativer Unterschied zwischen der unvernünftigen aktiven Weisung, eine erkanntermaßen schädigende Vermögensverfügung vorzunehmen, und dem unvernünftigen Unterlassen der Weisung, eine erkanntermaßen schädigende Vermögensverfügung nicht vorzunehmen. bb) Nach der Lehre vom Dreiecksbetrug bilden - bei Vorliegen der von der jeweiligen Theorie geforderten Voraussetzungen - der Rechtsgutsinhaber und der Dritte eine „Zurechungseinheit\ 297 Dieser Gedanke kann auf die vorliegende Problematik nicht ohne weites übertragen werden. Denn die nach der Lehre vom Dreiecksbetrug erfolgende Zurechnung der Vermögensverfügung dient der Wahrung des § 263 als Selbstschädigungsdelikt und der Strafbegründung. Demgegenüber führt die Berücksichtigung des Wissens des Rechtsgutsinhabers zum Ausschluss der objektiven Zurechnung und damit zur Versuchsstrafbarkeit und gegebenenfalls zur Straflosigkeit. Voraussetzung ist in den für die Wissenszurechnung in Frage kommenden Fällen jedoch immer ein Verhältnis zwischen Rechtsgutsinhaber und Drittem, das grundsätzlich geeignet ist, eine Strafbarkeit wegen Dreiecksbetrugs auszulösen. Die rechtlichen Voraussetzungen der angesprochenen „Zurechnungseinheit" müssen also vorliegen. Zur Betrachtung der Verantwortungsstrukturen dieser „Einheit" bietet sich ein Vergleich mit den Verantwortungsstrukturen der mittelbaren Täterschaft an. 298 Der Dritte erscheint 294
Siehe zu dieser Problematik 3. Kapitel, II. Vergl. OLG Schleswig, SchlHA 1971, 214. 2% y e r g i a u s zivilrechtlicher Sicht Schilken, Wissenszurechnung, S. 61: Der Vertretene stehe dem wissenden Selbsthandelnden gleich, da er sich aufgrund seiner Kenntnis auf die drohenden Rechtsfolgen einrichten könne und deshalb des sonst vorgesehenen Schutzes nicht bedürfe. 297 Pawlik, Betrug, S. 212, 213; Rengier, BT I, § 13 Rn. 41. 298 Mehr als ein Vergleich kann dies allerdings nicht sein. Denn der Begriff der Täterschaft enthält das Element einer gegen einen anderen gerichteten Tat, hier geht es aber 295
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
wegen des überlegenen Wissens und Willens des Rechtsgutsinhabers als dessen Werkzeug der Selbstschädigung.299 Bei einer Gesamtbetrachtung der Zurechnungseinheit Vermögensinhaber - Dritter liegt eine vom Dritten nur tätig ausgeführte, vom Vermögensinhaber aber aufgrund seiner überlegenen Sachkenntnis zu verantwortende Vermögensverfügung vor. cc) Weiterhin ist zu beachten, dass die Nichtberücksichtigung des Verhaltens des Rechtsgutsträgers faktisch dessen Dispositionsmöglichkeit über die Strafbarkeit des Täters bedeuten würde. Während im Zweipersonenverhältnis das Nichtvorliegen eines Irrtums unbestreitbar wäre und die Vollendungsstrafe daher ausscheiden müsste, könnte hier der Geschäftsherr darüber disponieren, ob er es zur Vollendung gelangen lässt oder diese durch sein Einschreiten verhindert. Diese Disposition gesteht man dem Rechtsgutsinhaber schon bei den Fremdschädigungsdelikten nicht zu. 300 Es wird angeführt, dass im Einzelfall eine quasi „schikanöse" („rechtsmissbräuchliche") Ausübung des Selbstbestimmungsrechts vorliegen könne, die sich nicht zu Ungunsten des Täters auswirken dürfe. 301 Umso weniger kann man dem Verletzten eine solche Dispositionsmöglichkeit bei den Selbstschädigungsdelikten zugestehen, da bei diesen ohnehin ein erhöhter Grad an Aufmerksamkeit zu fordern ist und ein größeres Arsenal an Selbstschutzmöglichkeiten besteht.302 dd) Für eine vorrangige Berücksichtigung der Kenntnis des Geschädigten lässt sich auch anführen, dass seine Kenntnis im Zweipersonenverhältnis, wenn er zugleich Gegner der Täuschungshandlung ist, einer Strafbarkeit entgegensteht. Der Dreiecksbetrug stellt eine Erweiterung der Strafbarkeit dar. Aus diesem Grund ist er - wie die Diskussion um das Erfordernis eines Näheverhältnisses zeigt - restriktiv zu handhaben. Daher wird man beim Dreiecksbetrug die Kenntnis des Vermögensinhabers von der Täuschung (erst recht) zu berücksichtigen haben. Denn dieser ist hinsichtlich des Individualrechtsguts Vermögen dispositionsbefugt und kann daher die vermögensschädigende Handlung einer zusätzlich eingeschalteten Person dulden.
gerade um ein gegen sich selbst gerichtetes Verhalten. So in anderem Zusammenhang auch Zaczyk , Selbstverantwortung, S. 41. 299 Zu Lehre von der mittelbaren Täterschaft Sch-Sch-Cramer/Heine, § 25 Rn. 6 ff. m. w. N. 300 Vergl. Ulsenheimer , JZ 1973, 64, 67 f. 301 Ulsenheimer , JZ 1973, 64, 67 f. 302 y e r g L dazu Kratzsch , Oehler-FS, S. 65, 73. Beispielsweise kann sich das Betrugsopfer vor der Vermögensverfügung zunächst informieren, ob den Angaben des Täters glauben geschenkt werden kann. Notfalls kann es von der Vermögensverfügung Abstand nehmen, wobei dem in bestimmten Konstellationen auch Grenzen gesetzt sind, vergl. 2. Kap. II 3 b bb (2) sowie BGH NJW 2003, 1198, 1199.
III. Eigenverantwortliche Selbstschädigung der natürlichen Person
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ee) Diese Möglichkeit, die Vermögensschädigung zu dulden, stellt das entscheidende Argument dar. Der tiefere Grund für die Maßgeblichkeit der Organisationsentscheidung des Rechtsgutsinhabers liegt darin, dass ihm der Schutz des § 263 StGB gilt. Da das Ergebnis der Vermögensverfügung des Dritten eine Schädigung des Rechtsgutsinhabers ist, erscheint es angemessen, gerade von diesem die erforderlichen Maßnahmen des Selbstschutzes zu verlangen, die sein Vertreter mangels Kenntnis nicht ergreifen kann. Insofern gilt für die strafrechtliche Beurteilung nichts anderes, als für die zivilrechtliche. 303 Dem § 166 II BGB liegt der Gedanke zugrunde, dass der Vertretene bei möglichem und zumutbarem Selbstschutz die sonst gesetzlich vorgesehenen Vorteile auch bei arbeitsteiligem Einsatz eines Stellvertreters nicht beanspruchen kann. 304 Für den Bereich des Zivilrechts lässt sich der Norm damit der Grundsatz entnehmen, dass die autonome Entscheidung desjenigen, um dessen Rechtsstellung es geht, bei der rechtlichen Bewertung des Sachverhalts Vorrang haben muss vor der unfreien Entscheidung einer für ihn handelnden Person; die Autonomie seiner Entscheidung begründet die Verantwortung für deren Folgen. Dies ist nichts anderes als das Eigenverantwortlichkeitsprinzip in „vertragsrechtlichem Gewand". § 166 II BGB sagt, dass, wenn sich der Geschäftsherr selbst schützen kann, er dies auch tun muss, selbst dann, wenn er den Selbstschutz auf einen im konkreten Fall irrenden Dritten verlagert hat. Da es letztlich um sein eigenes Rechtsgeschäft geht, müssen auch die in der Person des Geschäftsherrn vorliegenden Umstände entscheidend sein. Verzichtet er auf den Selbstschutz, so weist ihm § 166 II BGB die Verantwortung für die Folgen zu. Dieser zivilrechtliche Gedanke fugt sich nahtlos in den strafrechtlichen Gedanken der Eigenverantwortlichkeit des Rechtsgutsinhabers für den Bestand seiner Güter ein. Allerdings entfaltet er hier seine Wirkung im Rahmen des Unrechtsbegriffs. Das Unrecht des Täterverhaltens besteht materiell zunächst in der Verletzung des Rechtsguts eines anderen 305, d. h. in dem Übergriff in die dessen rechtlich geschützte Freiheitssphäre. 306 Mit seiner Organisationsbefugnis besitzt der Rechtsgutsinhaber auch die Verantwortung für das Rechtsgut.307 Daher muss es für die Frage der Erfolgszurechnung vorrangig auf die Organisationsentscheidung des Geschützten ankommen.308 Die in Kenntnis 303 Vergi. dazu Schilken, Wissenszurechnung, S. 68 f. Maßgeblicher Grund für die Berücksichtigung der Bewusstseinsumstände des Geschäftsherrn ist aus zivilrechtlicher Sicht die tatsächliche Beeinflussung der Willensentscheidung des Vertreters, Schilken, Wissenszurechnung, S. 65 f. 304 Schilken, Wissenszurechnung, S. 72 f. 305 Genauer: in der körperlichen Verletzung eines dem Organisationskreis eines anderen zugehörigen Handlungsobjekts und der damit einhergehenden geistigen Missachtung des Rechtsguts. Vergl. zur Struktur des Rechtsgutsbegriffs Haft, AT, S. 75. 306 Kühl, AT, § 3 Rn. 3; vergl. auch Mosbacher, Selbstschädigung, S. 109 f. 307 Vergl. Arzt, Willensmängel bei der Einwilligung, S. 33. 308
Von einer Vorrangigkeit der Opferzuständigkeit geht auch Meliä aus, vergl. ZStW 111 (1999), 357, 373 f., 375 und passim; vergl. in einem anderen Zusammenhang auch Nelles, Untreue, S. 458 f.
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
der sicheren Schädigung erfolgende Entscheidung des Vermögensinhabers gegen ein Einschreiten stellt eine Entscheidung für die Preisgabe des Schutzobjekts dar. Eine Vermögensverfügung, die der Rechtsgutsinhaber auf diese Weise durch bewussten Verzicht auf die Weisung, von der Vermögensverfügung abstand zu nehmen, konsentiert, fällt in seine Zuständigkeit. Wenn der Vermögensinhaber will, dass der Dritte die irrtumsbedingte Vermögensverfügung trifft, er damit letztlich den eigenen Schaden will, so verwirklicht sich in der Vermögensverfügung und im Eintritt des Schadens gerade sein Wille. Die Schädigung ist in diesem Fall kein Eingriff in seine Freiheitssphäre, sondern geradezu die Verwirklichung seiner Freiheit. 309 Die den Schaden herbeiführende Vermögensverfügung des Dritten kann dann nicht als vom Täter zu verantwortender Schädigungsakt aufgefasst werden. e) Ergebnis Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass auch bei einem Dreipersonenverhältnis die Organisationsentscheidung des Rechtsgutsinhabers vorrangig zu berücksichtigen ist. Täuscht der Täter einen auf Seiten des Verletzten stehenden Dritten und trifft dieser eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung, so ist die Verantwortung des Täters für den Vermögensschaden dennoch nach dem Verhalten des Rechtsgutsinhabers zu beurteilen. Zusammenfassend lässt sich dies folgendermaßen begründen: Rechtsgüterschutz bedeutet auch den Schutz des Willens, sich mit den geschützten Handlungsobjekten frei zu entfalten. Der Bestand dieser Handlungsobjekte stellt den Organisationskreis des Rechtsgutsinhabers dar. Aus der Inhaberschaft der Handlungsobjekte folgt die originäre Zuständigkeit des Inhabers, den Bestand zu organisieren. Die Stellung des mit Verwaltungsaufgaben betrauten Dritten ist demgegenüber eine untergeordnete. Bereits dieses Unterordnungsverhältnis spricht dafür, vorrangig auf den Rechtsgutsinhaber abzustellen. Er erscheint materiell als Verfügender. Der Dritte ist nur sein Werkzeug der Selbstschädigung, dass er durch überlegendes Wissen und Wollen beherrscht. Die Entscheidung des Rechtsgutsinhabers außer Betracht zu lassen würde auch bedeuten, ihm eine Dispositionsmöglichkeit über die Strafbarkeit des Täters zuzuerkennen, was nicht legitim ist. Entscheidend ist letztlich, dass der Schutz des § 263 StGB nicht dem Dritten, sondern dem Vermögensinhaber gilt. Er könnte im Zweipersonenverhältnis sein Vermögen irrtumsfrei preisgeben. Der Täter wäre dann nicht wegen vollendeten Betrugs zu bestrafen. Dann kann im Dreipersonenverhältnis nichts anderes gelten.
309 Vergl. z
u m
Willensbezug der Rechtsgüter Mosbacher , Selbstschädigung, S. 110.
III. Eigenverantwortliche Selbstschädigung der natürlichen Person
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3. Grund und Voraussetzungen des Zurechnungsausschlusses
a) Kurzes Resümee der bisherigen Ergebnisse; weiterer Gang der Untersuchung Bisher wurde festgestellt, dass Konstellationen des Geschehenlassens einer Schädigung bei den Fremdschädigungsdelikten und den Selbstschädigungsdelikten grundsätzlich vergleichbar sind. Ein Unterschied liegt nur in der Beteiligung des verfugenden Dritten beim Betrug. Grundsätzlich reicht dessen Beteiligung (irrtumsbedingte Vermögensverfügung) zur Bejahung eines vollendeten Betrugs aus. Es ist aber vorrangig auf die Person des Rechtsgutsinhabers abzustellen. Der Unterschied ist also nicht wesentlich. Das fuhrt zu folgendem Zwischenergebnis: Erfüllt das Verhalten des Rechtsgutsinhabers die Voraussetzungen einer eigenverantwortlichen Selbstschädigung, dann ist die Zurechnung des Schadens zum Täter ausgeschlossen. Im weiteren Verlauf der Untersuchung ist daher herauszuarbeiten, unter welchen Voraussetzungen eine eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers angenommen werden kann und welche Gründe es sind, die den Zurechnungsausschluss legitimieren. Bei dem zu bewertenden Verhalten des Geschäftsherrn kann es sich um ein Tun oder um ein Unterlassen handeln.310 Auf jede dieser Verhaltensformen ist gesondert einzugehen.
b) Grund und Voraussetzungen des Zurechnungsausschlusses bei einem aktiven Tun (Weisung) des Rechtsgutsinhabers Es bietet sich an, die Darstellung des Zurechnungsausschlusses bei aktiver Selbstverletzung mit einem Beispiel aus dem Bereich der Fremdschädigungsdelikte zu beginnen. Zu denken ist etwa an den Sachverhalt, bei dem der eine (der „Täter") vorsätzlich das Gift bereitstellt, das der andere (das „Opfer") dann in vollem Bewusstsein der Gefahr einnimmt und an dem er verstirbt. 311 Der „Täter" schafft hier eine Gefahr für das Rechtsgut Leben, die das „Opfer" zur Selbstschädigung ausnutzt. Den letztkausalen Selbstschädigungsakt begeht das „Opfer" freiverantwortlich selbst. In diesen Fällen existieren zwei erfolgskausale Handlungszentren. Die Unrechtsqualität der Täterhandlung muss vor dem Hintergrund des zweiten Handlungszentrums (der Opferbeteiligung) gewürdigt werden. 312 Es ist allgemein anerkannt, dass ein freiverantwortliches Handeln des Letztverursachers die rechtliche Verantwortung des Erstverursachers ausschließt. Wird ein 310 311 312
Siehe zu den möglichen Fallgestaltungen 3. Kapitel, I und III. Siehe zu diesem Beispiel Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 29. Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 29.
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
vom „Täter" angestoßener Kausalverlauf durch den Verletzten selbst zum Erfolg vermittelt, fällt sein Verhalten und dessen Konsequenzen prinzipiell in seine Verantwortung und nicht in die des Ersthandelnden. 313 Die Verantwortung des „Opfers" sperrt die Verantwortung des „Täters". 314 Die Opferverantwortung ist gegeben, wenn der Verletzte eine besondere Einheit zwischen Wille, Handlung und Erfolg hergestellt hat. Er muss den Willen zur Verletzung selbst gebildet und die zur Verletzung fuhrende Handlung selbst begangen haben, so dass der Erfolg als sein ins Werk gesetzter Wille erscheint. 315 Der Selbstverletzer muss also die Herrschaft über das Verletzungsgeschehen (Tatherrschaft) haben.316 Wird die Herrschaft von „Täter" und „Opfer" quasi-mittäterschaftlich ausgeübt, so liegt für den Täter nur die Mitwirkung an einer fremden Selbstverletzung vor. 317 In den hier zur Diskussion stehenden Betrugsfällen ruft der Täter bei dem Dritten einen Irrtum hervor. Auf Nachfrage weist der Vermögensinhaber den Dritten in vollem Bewusstsein der Täuschung und des drohenden Vermögensschadens an, die Vermögensverfügung zu tätigen. Die Situation ist damit derjenigen der Fremdschädigungsdelikte im Wesentlichen gleich. Der Täter schafft mit seiner Täuschung einen konkreten Selbstschädigungsanlass (eine Gefahr), den der Verletzte mit seiner an den Dritten gerichteten Weisung zur Selbstschädigung ausnutzt. Der einzige Unterschied liegt darin, dass bei faktischer Betrachtung nicht die Weisung des Rechtsgutsinhabers letztkausal ist, sondern die Vermögensverfügung des Dritten. Es bestehen daher drei erfolgskausale Handlungszentren. Für die Frage der Tatherrschaft des Rechtsgutsinhabers ist entscheidend, ob er das letztkausale Handeln des Dritten beherrscht. Das ist in der Regel zu bejahen. Es besteht ein Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Rechtsgutsinhaber und Drittem in dem ersterer das Handeln des letzteren kraft überlegenen Sachwissens beherrscht. Auch bei den Betrugsfällen stellt der Rechtsgutsinhaber mit seiner Weisung eine Einheit von Verletzungswille, -handlung und Erfolg her und übt die Tatherrschaft über das Geschehen aus. Unter diesen Voraussetzungen ist er für den Eintritt des Vermögensschadens verantwortlich. Seine Eigenverantwortung sperrt dann die Verantwortung des Täters.
313 Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 1. Vergl. auch Mosbacher , Selbstschädigung, S. 121, 125, 130. 314 Zaczyk , Selbstverantwortung, S. 40. 315 Zaczyk , Selbstverantwortung, S. 33. Zum Unrechtsbegriff Zaczyks , siehe a. a. O., S. 30 f.: Unrecht sei die Verletzung des rechtlich konstituierten Basisvertauens und setzte voraus, dass ein anderer oder der Staat in einer Weise verletzt werde, auf die er sich nicht aus eigener Kraft einstellen könne. 316 Zaczyk , Selbstverantwortung, S. 41, 45. Tatherrschaft hat, wer über das „Ob" und „Wie" der Tat maßgeblich entscheidet und mithin als „Zentralgestalt des Geschehens" bei der Tatbestandsverwirklichung fungiert, Sch-Sch-Cramer, Vorbem §§25 ff. Rn. 62 m. w. N. 317 Vergl. Sch-Sch-Lenckner, Vorbem §§ 32 ff. Rn. 52a.
III. Eigenverantwortliche Selbstschädigung der natürlichen Person
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Eine fremde rechtliche Verantwortung für dieses Geschehen kann nur dann gedacht werden, wenn im Einzelfall der Zusammenhang von Wille, Handlung und Erfolg aufgelöst ist. 318 Dann fehlt es an der notwendigen Bedingung der Freiverantwortlichkeit. Die Freiverantwortlichkeit bezeichnet die Anforderungen an den Selbstverletzungsentschluss des Verletzten. Sie entfällt dann, wenn der Entschluss defizitären Charakter aufweist. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf konstitutionelle Mängel, für die die §§ 19, 20 StGB, 3 JGG einen Anhaltspunkt liefern, und auf Willensmängel wie Irrtum oder Zwang. 319 c) Grund und Voraussetzungen des Zurechnungsausschlusses bei einem Unterlassen des Rechtsgutsinhabers In den nun behandelten Fällen erkennt der Rechtsgutsinhaber den Irrtum des Dritten und den drohenden Vermögensschaden, schreitet aber nicht verhindernd ein. Es geht also darum, ein Unterlassen des Vermögensinhabers zu beurteilen. Soll ein solches Unterlassen die Zurechnung des Vermögensschadens zum Täter ausschließen, müssen im Ausgangspunkt dieselben Voraussetzungen gelten, wie bei aktiver Selbstverletzung. Das bedeutet hier, dass der Verletzte die potentielle (Mit-)Tatherrschaft haben muss. 320 Entscheidend ist damit, ob er die schädigende Vermögens Verfügung des Dritten verhindern konnte. Zaczyk hat zwar ausgeführt, dass die Verantwortung des Täters für vorsätzliches Verhalten nur durch Aktivität, nicht aber durch Passivität des „Opfers" begrenzt werden könne. 321 Jedoch ist dies zu einseitig auf die Tötungsdelikte bezogen, wie bereits der Hinweis Zaczyks auf § 216 StGB zeigt. Zudem ist sogar im Bereich dieser Delikte anerkannt, dass das Unterlassen einer rettenden Operation die Zurechnung des daraufhin eintretenden Todes zum Täter ausschließen kann. 322 Die Gründe dafür müssen dieselben sein wie bei aktivem Opferverhalten. Derjenige, der in vollem Bewusstsein des eintretenden Erfolgs den ihm möglichen Selbstschutz unterlässt, stellt eine Einheit von Verletzungswille, -handlung und -erfolg her. Voraussetzung des Zurechnungsausschlusses ist auch hier selbstverständlich die Freiverantwortlichkeit des Unterlassungsentschlusses. Das Unterlassen des Selbstschutzes kann die Verantwortung des Rechtsgutsinhabers aber nur dann begründen, wenn ihm
318 319
Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 35. Vergl. Hohmann/König, NStZ 1989, 304, 308; Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 36
ff. 320 Kritisch zum Begriff der potentiellen Tatherrschaft beim Unterlassen Roxin, TuT, S. 462 ff. Die Tatherrschaft des Unterlassenden erschöpfe sich in der Möglichkeit der erfolgsverhindernden Handlung. Letztere sei aber bereits Voraussetzung der Verhaltensform „Unterlassen", eine Täterbestimmung mittels dieses Merkmals sei daher nicht möglich. 321 Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 43. 322 Siehe dazu bereits im 2. Kap. II 2.
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
das gebotene Tun möglich 323 und zumutbar 324 ist. Und da ein Unterlassen den weiteren Kausalverlauf nicht faktisch gestaltet, tritt als weitere Voraussetzung des Zurechnungsausschlusses die Erwartung einer solchen Gestaltung hinzu. 325 Diese besonderen Voraussetzungen sind im Folgenden abzuhandeln.
aa) Möglichkeit und Zumutbarkeit selbstschützenden Verhaltens als Grundvoraussetzungen des Zurechnungsausschlusses Grundvoraussetzungen des Zurechnungsausschlusses sind die Möglichkeit und die Zumutbarkeit der im Einzelfall notwendigen Selbstschutzmaßnahme. 326 Es handelt sich dabei um Grenzen des Selbstverantwortungsprinzips. 327 Das Kriterium der Möglichkeit folgt dabei bereits aus allgemeinen Grundregeln der Verantwortungszuweisung. Die Handlungsmöglichkeit stellte eine logische Voraussetzung jeder rechtlichen Verantwortungszuweisung dar. 328 Die inhaltliche Bestimmung des Möglichkeitskriteriums ist einzelfallabhängig. Es ist ein objektiver Maßstab anzulegen und danach zu fragen, was dem Rechtsgutsinhaber objektive möglich gewesen wäre. 329 Das Kriterium der Zumutbarkeit ist ein allgemeines „regulatives Rechtsprinzip" 330 , dem immer dann, wenn von einem Rechtsunterworfenen ein bestimmtes Verhalten erwartet wird, eine begrenzende Funktion zukommt. 331 Es stellt einen Wertungsmaßstab dar, der es ermöglicht, den Sachverhalt daraufhin zu beurteilen, ob das von einer Person Erwartete von ihr auch konkret verlangt werden kann oder nicht. 332 Zur inhaltlichen Ausfüllung 323
Aus Sicht der strafrechtlichen Unterlassungsdogmatik siehe Sch-Sch-Siree, Vorbem §§ 13 f f Rn. 139, 141 f. m. w. N.; Weber , in: Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 13 Rn. 44. 324 Siehe dazu Sch-Sch-S/ree, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 155 f. 325 Vergl fü r ¿ a s täterschaftliche Unterlassen Sch-Sch-S/ree, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 139; Haft , AT, S. 173 („Unterlassen ist enttäuschte Erwartung"); Kühl , AT, § 18 Rn. 5. Im Rahmen von § 13 StGB ist damit die Garantenpflicht angesprochen. 326 Vergl. auch R. Hassemer , Schutzbedürftigkeit, S. 159 f.; Schmoller , Triffterer-FS, S. 223, 252, 253 (Fn. 128); Hennings , Mitverantwortung des Opfers, S. 185 f.; Ellmer , Betrug, S. 285 f. Aus zivilrechtlicher Sicht Schilken , Wissenszurechnung, S. 64. 327 Kratzsch, Oehler-FS, S. 65, 75. 328 Vergl. Sch-Sch-Stree, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 141; dazu aus philosophischer Sicht Schubert , Das „Prinzip Verantwortung", S. 78 f f ; Ladwig , Gerechtigkeit und Verantwortung, S. 40 f.; Jonas, Verantwortung, S. 163 f f , 165 f.: Jonas lässt für die Verantwortungsbegründung die bloße Möglichkeit („Macht") genügen. Für die rechtliche Verantwortung muss allerdings zur Möglichkeit des Tuns (oder Unterlassens) grundsätzlich noch eine gesondert zu begründende Handlungspflicht hinzukommen. 329
Vergl. Sch-Sch-^ree, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 143. Sch-Sch-Lenckner, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 116 m. w. N. 331 Lücke , (Un-)Zumutbarkeit, S. 38. 332 Lücke , (Un-)Zumutbarkeit, S. 40 m. w. N. Die Pflichtengrenze der Unzumutbarkeit folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip, Lücke , (Un-)Zumutbarkeit, S. 87. 330
III. Eigenverantwortliche Selbstschädigung der natürlichen Person
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des Zumutbarkeitskriteriums kann auf die Konturierung dieses Merkmals im Rahmen der unechten Unterlassungsdelikte Bezug genommen werden. 333 bb) Erwartung selbstschützenden Verhaltens Bei der Darstellung der Anwendung des Eigenverantwortlichkeitsprinzips bei den Fremdschädigungsdelikten ist deutlich geworden, dass sowohl Literatur als auch Rechtsprechung davon ausgehen, dass die Rechtsordnung von einem Opfer erwartet, dass es einen drohenden Schaden nicht wider alle Vernunft eintreten lässt.334 Teilweise wird sogar von einer Schadensabwendungspflicht des Opfers gesprochen. 335 Der Ausdruck „Pflicht" ist in diesem Zusammenhang aber missverständlich. Eine Pflicht im eigentlichen Sinne liegt nämlich nicht vor. Zur Eigenverantwortlichkeit gehört grundsätzlich auch das Recht, eigene Rechtsgüter zu verletzen. In der Regel kann daher vom Opfer weder verbindlich verlangt werden, zum Schutz seiner Güter in bestimmter Weise tätig zu werden, noch kann ein selbstverletzendes Verhalten dem Opfer gegenüber sanktioniert werden. Für das Strafrecht - also mit Blick auf die Strafbarkeit des Täters - kann es nur darum gehen, aus der Enttäuschung der Erwartung seitens des Opfers rechtliche Folgerungen für die Bewertung des Unrechtssachverhalts zu ziehen. (1) Erwartung vernünftigen
Opferverhaltens
Erwartet wird vom Opfer ein vernünftiges Verhalten, d. h. die Ausrichtung an objektiv sachlichen Motiven? 26 Das Opfer soll sich also sozialtypisch verhalten, jedenfalls kein Verhalten an den Tag legen, dass von den sozialen Standards er-
333 So auch R. Hassemer, Schutzbedürftigkeit, S. 160, 94 jeweils m. w. N. Zur Zumutbarkeit bei den unechten Unterlassungsdelikten siehe Sch-Sch-Stree, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 155; Maurach/Gössei/Zipf AT 2, § 46 Rn. 130 ff. Im zivilrechtlichen Zusammenhang ist Schilken der Ansicht, dass die Zumutbarkeit zu verneinen sei, wenn der Vollmachtgeber berechtigterweise davon ausgehen durfte, sein Vertreter werde die fehlende Verlässlichkeit der Wissensumstände erkennen und die gebotenen Maßnahmen des Selbstschutzes ergreifen, Schilken, Wissenszurechnung, S. 64. 334 Schmoller, Triffterer-FS, S. 223, 253 (Fn. 128). Siehe dazu bereits 2. Kapitel, II 2. 335 Vergl. Hillenkamp, Vorsatztat, S. 181. 336 Vergl. Ulsenheimer, JZ 1973, 64, 67; W. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 448, der dies mit der ultima-ratio-Funktion des strafrechtlichen Schutzes begründet. Kritisch zum Beurteilungsmaßstab der Vernünftigkeit Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 34. Gegen dessen Kritik lässt sich allerdings einwenden, dass es im Hinblick auf die Ausrichtung der Zurechnung an den Strafzwecken eines objektiven Urteilsmaßstabs bedarf. Unabhängig von den eventuell einsichtigen Motiven des Selbstverletzers muss dessen Verhalten für die Frage der Strafbarkeit des Täters aus der Sicht eines objektiven Betrachters bewertet werden.
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
heblich abweicht. 337 Eine „unvernünftige" Selbstschutzhandlung wird vom Opfer nicht erwartet. Wenn der Selbstschutz nur durch eine unvernünftige Handlung möglich ist, dann hat der Täter das Opfer in eine Lage gebracht, in der dieses bei der Verwirklichung des Selbstschutzes gegen andere eigene Interessen handeln müsste. Dies kann nicht verlangt werden.
(2) Legitimation der Erwartung selbstschützenden Verhaltens Schmoller sieht für die Erwartung des selbstschützenden Opferverhaltens einen gewissen Legitimationsbedarf. Er rechtfertigt sie damit, dass die mit der Erwartung verbundene Freiheitsbeschränkung des Opfers durch die Bestrafung wegen eines mitverwirklichten Tatbestands mitabgegolten, also gewissermaßen „ausgeglichen" werde. 338 Die „mittelbare" - über die Erwartung gewisser Selbstschutzmaßnahmen vermittelte - Nötigung des Opfers zu Selbstschutzmaßnahmen müsse dann nicht mehr eigenständig bestraft werden. Beim Fehlen einer „ausgleichenden" Deliktsstrafbarkeit müsste man dann konsequenter Weise die Selbstschutzerwartung negieren. Es ist indes fraglich, ob ein solcher „Ausgleich" überhaupt möglich und erforderlich ist. Die Legitimation der „Erwartung des Selbstschutzes" kann wohl nicht in der ohnehin erfolgenden Bestrafung des Täters wegen irgendeines anderen Delikts liegen. Hierauf muss allerdings nicht näher eingegangen werden, da die Suche nach einer Legitimation - wie Schmoller die betreibt - bereits im Ansatz verfehlt ist. Denn eine Nötigung des Opfers zu Selbstschutzmaßnahmen liegt gerade nicht vor. Das Opfer muss sich nicht selbst schützen. Dies wäre mit dem Eigenverantwortlichkeitsprinzip nicht zu vereinbaren, wonach das Opfer sich eben auch selbst verletzen darf? 39 Es fehlt darüber hinaus an jeglichem Drohungselement, da das Opfer, wenn es auf Selbstschutzmaßnahmen verzichtet, keine weiteren Nachteile erleidet als den Taterfolg, der wegen des gewollten Selbstschutzverzichts eintritt. Demnach ist bisher in der Literatur unbeantwortet geblieben, worin die Erwartung des Selbstschutzes gründet. Es wird schlicht behauptet, dass die Rechtsord337 Vergl. auch P. Frisch , Fahrlässigkeitsdelikt, S. 120. Das Kriterium des „vernünftigen" bzw. „besonnenen" Verhaltens spielt auch in anderen Anwendungsbereichen des Selbstverantwortungsprinzips eine Rolle. So hatte etwa der BGH den Fall einer Nötigung zu beurteilen (BGH JR 1983, 331, 333) und hat entschieden, dass keine Drohung mit einem empfindlichen Obel vorliege, „wenn diesem Bedrohten in seiner Lage erwartet werden kann, dass er der Bedrohung in besonnener Selbstbehauptung standhält." Es handelt sich dabei der Sache nach um die Anwendung des Eigenverantwortlichkeitsprinzips, vergl. Roxin , JR 1983, 333, 334. Vergl. dazu auch Arzt , Welzel-FS, S. 823, 826 mit Anm. 40 und 42, der ebenfalls auf das Eigenverantwortlichkeitsprinzip abstellt. 338 Vergl. Schmoller , Triffterer-FS, S. 223, 253 (Fn. 128). 339 Vergl. a u c h Sternberg-Lieben , Einwilligung, S. 19 m. w. N.; Zaczyk , Selbstverantwortung, S. 28.
III. Eigenverantwortliche Selbstschädigung der natürlichen Person
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nung ein solches Verhalten eben erwarte. Für eine dogmatische Fundierung der Erwartung kann an die Überlegungen von Kratzsch 340 angeknüpft werden. Er hat erkannt, dass das Gesetz die Aufgabe „Erhaltung des Rechtsguts" in einzelne Teilaufgaben und -ziele zerlegt und - einschließlich der jeweils entstehenden Risiken - so auf die „verantwortlichen Stellen" verteilt, dass insgesamt eine optimale Form des Rechtsgüterschutzes sichergestellt ist. Der Kreis der Verantwortlichen erfasst alle Personen und Einrichtungen, die in normrelevanter Weise an der Verhinderung von Rechtsgutsverletzungen mitbeteiligt sind, z. B. auch das Opfer. 341 Es ist ein allgemeines Prinzip des Strafrechts, dass es seine Ziele optimal, d. h. möglichst effektiv und unter möglichst weitgehender Wahrung des Prinzips des Verhältnismäßigkeit zu verwirklichen hat. Dabei bezieht das Strafrecht in seine Regelungen planmäßig auch das Gefahrvermeidungsverhalten aller genannten Verantwortlichen ein, sofern sie das Ergebnis der Zielverwirklichung mit beeinflussen. 342 Unrecht und objektive Zurechnung sind Elemente einer sozialen Organisation von Handlungen und als solche in deren Struktur- und Wirkungszusammenhänge eingebunden.343 Hierin liegt der Grund für die von der Rechtsordnung an das Opfer gerichtete Erwartung eines vernünftigen selbstschützenden Verhaltens. Der Rechtsgutsinhaber als eine der verantwortlichen Stellen hat an der Erhaltung des Rechtsguts mitzuwirken. cc) Warum wirkt sich die Enttäuschung der Erwartung auf die Zurechnung des Erfolgs zum Täter aus? Nachdem klargestellt ist, dass die Rechtsordnung vom Verletzten grundsätzlich eine Mitwirkung am Schutz seiner Güter erwartet und worin diese Erwartung gründet, muss man sich nun noch Gedanken darüber machen, warum die dem Verletzten gegenüber sanktionslose Enttäuschung dieser Erwartung 344 Auswirkungen auf die Erfolgszurechnung zum Täter hat. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass die Erwartungsenttäuschung des Opfers den Eintritt des strafrechtlich relevanten Erfolgs ermöglicht. Bereits oben wurde die Parallele der 340
Oehler-FS, S. 65 ff. Kratzsch, Oehler-FS, S. 65, 67 f.; zur Verantwortlichkeit des Opfers vergl. auch Küper, GA 1980, 201, 215 ff.; Schünemann, Grundfragen, 1984, S. 129 ff.; Arzt, MSchrKrim 1984, 105 ff. passim. 342 Kratzsch, Oehler-FS, S. 65, 68. 343 Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 344 ff., insbesondere S. 360 f f , 368 ff. 344 Es handelt sich hier noch nicht um eine soziale Norm. Denn das Vorliegen einer sozialen Norm setzt voraus, dass auf Abweichungen von der Norm mit (sozialen oder anderen) Sanktionen reagiert wird, vergl. Röhl, Rechtssoziologie, S. 201. Eine Reaktion ist aber nur dann als Sanktion anzusehen, wenn der Normbrecher sie zu spüren bekommt, Röhl, Rechtssoziologie, S. 204. Man wird kaum sagen können, dass der Vorwurf „Hier ist der Verletzte selbst verantwortlich" sich für diesen als spürbare Reaktion auswirkt. Unmittelbare rechtliche Nachteile entstehen ihm dadurch jedenfalls nicht. 341
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
hiesigen Betrugskonstellation zu den anerkannten Anwendungsfällen des Eigenverantwortlichkeitsprinzips bei den Fremdschädigungsdelikten dargestellt. An die für die Fremdschädigungsdelikte entwickelte Dogmatik ist daher zunächst anzuknüpfen. Des weiteren lässt sich der Zurechnungsausschluss auch mit Blick auf die Strafzwecke rechtfertigen. (1) Dominanz des Opferverhaltens Ein wesentliches Argument dafür, bei versäumtem Selbstschutz die Zurechnung des Taterfolgs zum Täter abzulehnen, ist die in diesen Fällen festzustellende „Dominanz" des Opferverhaltens. 345 So ist etwa Jakobs der Ansicht, dass dann, wenn das Opfer nicht die Obliegenheiten zum Selbstschutz erfüllt, zur Festlegung der Haftung für Vollendung bestimmt werden müsse, ob sich das vom Täter zu verantwortende oder ein anderes Risiko verwirklicht habe. Je stärker sich andere Erklärungen als die Verwirklichung des vom Täter gesetzten Risikos aufdrängten, desto weniger bestehe Anlass, dem Täter zuzurechnen. 346 Fraglich ist allerdings, ob man den Zurechnungsausschluss allein mit diesem nur gefühlsmäßig erschließbaren Kriterium begründen kann. 347 Auch bleibt im Dunkeln, in welcher Weise sich die „Dominanz", das „erlebnismäßige Übergewicht" der Opferbeteiligung dogmatisch auswirken soll. M. a. W.: Warum ist dem Täter ein von ihm verursachter Erfolg nicht zuzurechnen, wenn die - wie auch immer geartete - Opferbeteiligung „dominiert"? W Frisch sieht die „Dominanz" des Opferverhaltens daher als einen „normativ nicht maßgebenden Gesichtspunkt" an. Es gehe vielmehr um die Frage der Schutzbedürftigkeit des Opfers und der Angemessenheit der Strafreaktion in Fällen, in denen die Beeinträchtigung des Opfers durch dessen eigenes Verhalten mitbedingt ist. 348 In ihrer Absolutheit trifft diese Kritik allerdings nicht zu. Die „Dominanz" des Opferbeitrags im Kausalverlauf spielt vielmehr dort eine Rolle, wo es um die Bewertung der Tat durch die Allgemeinheit und das Ausmaß der Rechtsfriedensstörung geht, mithin bei der Begründung der Erfolgszurechnung mit Strafzweckgesichtspunkten. 349 Als eigenständiges Kriterium kann die „Dominanz" des Opferverhaltens dagegen nicht fungieren.
345 346 347 348 349
Siehe dazu bereits 2. Kapitel, II 2. Jakobs, AT, 7/72 f. In diesem Sinne kritisch W. Frisch , Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 453 f. W. Frisch , Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 453 f. mit Fn. 307. Näher dazu unten 3. Kap. III 3 c (3).
III. Eigenverantwortliche Selbstschädigung der natürlichen Person
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(2) Risikoübernahme Plausibler lässt sich der Zurechnungsausschluss mit dem Gedanken der Risikoübernahme begründen. Im Rahmen der Fremdschädigungsdelikte ist anerkannt, dass das Opfer dem Täter das Risiko des Erfolgseintritts abnimmt, wenn es sich „vorsätzlich" gegen die Abwendung der Rechtsgutsverletzung sperrt oder eigene Abwendungsmaßnahmen unterlässt. 350 Voraussetzung einer derartigen Risikoübernahme ist, dass das Opfer das Risiko voll erfasst hat und trotzdem nichts gegen die Realisierung des Risikos unternimmt. Die Verantwortung für die Risikoentwicklung fällt dann ganz in den Bereich des Opfers. 351 Für eine Zurechnungslimitierung lässt sich ins Feld führen, dass eine Zurechnung des Erfolgs -jedenfalls soweit das ermöglichte oder geförderte selbstschädigende Verhalten disponible Rechtsgüter betrifft - geradezu auf eine Aushöhlung der Dispositionsfreiheit des Opfers hinauslaufen würde. 352 Solange man eine Person als vollverantwortliches und zu einer verantwortlichen Entscheidung fähiges Individuum ansieht, kann man nicht zugleich Programme zum Schutz dieser Person vor sich selbst entwerfen. 353 Es bleibt dabei allerdings etwas unklar, was genau mit der „Übernahme des Risikos" gemeint sein soll. Richtigerweise ist die Risikoübernahme als eine Voraussetzung der eigenverantwortliche Selbstschädigung einzuordnen. Mit den Worten Zaczyks kann man die Übernahme des Risikos wohl als die Herstellung der Einheit von Wille, Handlung (hier: Unterlassung) und Erfolg bezeichnen. Die Risikoübernahme ist damit kein eigenständiger Gesichtspunkt neben der eigenverantwortliche Selbstschädigung, sondern eines von deren Kriterien. (3) Erwartungsenttäuschung
und Strafzwecke
Die plausibelste Begründung des Zurechnungsausschlusses liefert ein Blick auf die Strafzwecke. Es ist dafür zu untersuchen, welche Bedeutung der Erfolgseintritt im strafrechtlichen Unrechtsbegriff hat. Die Zurechnung dieses Erfolgs dient der Begründung der Strafe. Die Strafzwecke spielen daher für die Zurechnungslehre eine entscheidende Rolle. 354 350 V e r g l Wolter, ZStW 89 (1977), 649, 654 (Fn. 22) m. w. N.; ders., Zurechnung, S. 68, 346. 351 Vergl. W. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 454. 352 yy Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 157, dort freilich als Problem des tatbestandsmäßigen Verhaltens (Missbilligung des Drittverhaltens) aufgefasst. 353 w F r i s c h ^ Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 158. 354 Roxin, AT I, § 11 Rn. 110 a. E; Tiedemann, Baumann-FS, S. 7, 17; Vogel, Norm und Pflicht, S. 63; Rudolphi, in: Grundfragen, S. 69 ff.; Jakobs, AT, 7/4b, nach dem der Zweck des Strafrechts, Erwartungssicherheit zu leisten, eine der Wurzeln der objektiven Zurechnung ist.
82
3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
(a) Die Bedeutung des Erfolgseintritts im strafrechtlichen Unrechtsbegriff Die Ratio des Erfolgserfordernisses bildet den Schlüssel für die Lehre von der Erfolgszurechnung. Problemlösungen in diesem Bereich müssen dieser Ratio gerecht werden. 355 Welche Bedeutung der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs im strafrechtlichen Unrechtsbegriff hat, ist allerdings seit langem umstritten. 356 Es stehen sich die sog. „monistisch-subjektiven" und die „dualistischen" Standpunkte gegenüber. Für eine subjektiv-personalen Unrechtskonzeption hat der Erfolgseintritt keine unrechtskonstitutive oder unrechtserhöhende Bedeutung. Bezugspunkt dieser Konzeption ist nicht der gesetzliche Tatbestand (mitsamt dem dort festgeschriebenen Erfolg), sondern das dem Tatbestand logisch vorgelagerte Normengefüge. Unrechtskonstitutiv ist nur der Widerspruch zwischen Normappell und vollständig betätigtem Tatentschluss.357 Der Erfolg fungiert danach als objektive Bedingung der Strafbarkeit. 358 In der Literatur herrschend ist dagegen ein komplexes, dualistisches Unrechtsverständnis. Hiernach kommt dem Erfolg (Erfolgsunwert) neben dem Handlungsunwert eine unrechtsprägende Bedeutung zu. 359 Eine Vernachlässigung des Erfolgs widerspreche den das Sozialleben beherrschenden Wertvorstellungen, nach denen gute wie böse Taten auch an ihrem Gelingen oder Misslingen zu messen seien.360 Wesentliches Argument dieser Unrechtslehre ist die „soziale Bedeutung von Straftat und Strafreaktion". Das Ausmaß der sozialen Störung, die Erschütterung des Rechtsfriedens sei vom Eindruck der Tat auf das Opfer und die Allgemeinheit abhängig und falle bei erfolgreicher Tat zwingend höher aus, ebenso das Befriedigungsbedürfnis des Opfers. 361 Hieraus erwachse ein Genugtuungsbedürfnis des Opfers sowie ein Bedürfnis der Rechtsgemeinschaft nach Demonstration der Normgeltung. 362 Dieses Befriedigungsbedürfnis verlange nach einer Strafreaktion, die die Stärke des sozialen Konflikts zum Ausdruck 355 JY F r i S c h , Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 511. Eine umfassende Darstellung findet sich bei Degener , ZStW 103 (1991), 357, 364 ff. Siehe auch W. Frisch , Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 509 ff. 357 Vergl. Struensee, Armin Kaufmann-GS, S. 523, 537 f. mit Fn. 68; Armin Kaufmann , Bindings Normentheorie, S. 72 f. 358 Degener , ZStW 103 (1991), 357, 366. 359 Vergl. Gallas, Bockelmann-FS, S. 155, 161 ff.; Stratenwerth , Schaffstein-FS, S. 177, 182 ff., 192; Krauß, ZStW 76 (1964), 19, 65 ff. 360 Gallas , Bockelmann-FS, S. 155, 165; vergl. auch Hirsch , ZStW 94 (1982), 239, 245. 361 Vergl. Dencker , Armin Kaufmann-GS, S. 441, 451; W. Frisch , Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 514, 517; Degener , ZStW 103 (1991), 357, 369 f.; Stratenwerth , SchaffsteinFS, S. 177, 185; Krauß , ZStW 76 (1964), 19, 63; Jakobs , AT, 6/73. 356
362
Kritisch zum Ganzen Degener , ZStW 103 (1991), 357, 370 ff.
III. Eigenverantwortliche Selbstschädigung der natürlichen Person
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bringe und den durch das Verbrechen verletzten Wert in das allgemeine Bewusstsein hebe. Degener spricht hier von einer Reiz-Reaktions-Kette.363 Letztlich wirken sich die Differenzen dieser Meinungsrichtungen im hiesigen Zusammenhang nicht aus. Denn auch für eine finale Unrechtslehre, die im Handlungsunwert den alleinigen Inhalt des Unrechts sieht, ist der Erfolgseintritt nicht ohne jegliche Bedeutung. Erblickt man - was heute unstreitig ist - eine Grund des staatlichen Strafens auch in der „Bewährung" bzw. „Verteidigung der Rechtsordnung", dann ist diese Verteidigung umso angebrachter, je größer die Breitenwirkung des Rechtsbruchs war. 364 Dem Erfolg kommt daher eine Vermittlungsfunktion zwischen der Unrechtshandlung und der Rechtsgemeinschaft zu. Erst die Manifestation des Unrechts löst das Strafbedürfnis aus.365 Das Ausmaß der Erschütterung des Rechtsfriedens ist in hohem Maße von den Folgen der Tat abhängig.366 (b) Die Enttäuschung des Selbstschutzerwartung im Lichte dieses Erfolgsverständnisses Es stellt sich die Frage, ob der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs die eben genannten sozio-psychologischen Auswirkungen auch dann hat, wenn er wesentlich durch das als Enttäuschung einer gesellschaftlichen Erwartung charakterisierte Opferverhalten mitbedingt ist. Die Zurechnungslehre hat sich an den Strafzwecken auszurichten. 367 Die Legitimation des in der Strafe liegenden einschneidenden Staatseingriffs kann nur in ihrer Geeignetheit und Erforderlichkeit zur Erfüllung staatlicher Aufgaben (konkret: einer sicherheitsgewährenden Kriminalitätskontrolle) bestehen.368 Aufgabe der Strafe ist nach heutigem Verständnis die Bekräftigung des durch den Rechtsbruch in Frage gestellten Geltungsanspruchs der verletzten Norm und die Aufhebung der durch die Tat bewirkten Rechtsfriedensstörung. 369 Zudem wird auf die Rechtsgüterschutzaufgabe der Strafe verwiesen. 370 Der ent363 Degener, ZStW 103 (1991), 357, 376 f., allerdings kritisch gegenüber den genannten Argumenten, S. 377 ff. 364 Zielinski, Unrechtsbegriff, S. 209 m. w. N.; vergl. auch Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 101 f. 365 Zielinski, Unrechtsbegriff, S. 212. 366 JY Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 516 f. 367
So etwa Vogel, Norm und Pflicht, S. 63; Roxin, AT I, § 11 Rn. 110 a. E; Tiedemann, Baumann-FS, S. 7, 17. 368 Roxin, Müller-Dietz-FS, S. 701, 702 f. 369 ff Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 515; vergl. auch Jakobs, AT, 1/10 f.; Jescheck/Weigend, AT, S. 4, 8; Welzel, Strafrecht, S. 2 f.; Sch-Sch-S/ree, Vorbem §§ 38 ff. Rn. 2. 370 SK-Rudolphe Vor § 1 Rn. 2 ff. m. w. N.
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
scheidende Ansatzpunkt liegt bei der mit dem Eintritt des Erfolgs normalerweise einhergehenden Rechtsfriedensstörung. Der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs stört bei einem dem Individualschutz dienenden Delikt (wie etwa dem Betrug) zunächst den Rechtsfrieden des Opfers. Die Rechtsfriedensstörung der Allgemeinheit kann nur über die Rechtsfriedensstörung beim konkret Verletzten vermittelt werden. An der Unversehrtheit des Handlungsobjekts „Vermögen des (konkreten) Opfers" hat die Allgemeinheit kein unmittelbares Interesse, weil dies nicht ihr Schutzgut ist. Ihr Interesse beschränkt sich auf das (ideelle) Rechtsgut „Vermögen", d. h. auf den davon ausgehenden Achtungsanspruch. Die Rechtsfriedensstörung der Allgemeinheit liegt daher auf der Ebene des Verhaltensnormverstoßes, der im beendeten Versuch liegenden Missachtung der Verhaltensnorm. Durch den Eintritt des Erfolgs wird die Rechtsfriedensstörung der Allgemeinheit nur dann noch qualifiziert, wenn der Verletzte als Teil der Rechtsgemeinschaft eine eigene Rechtsfriedensstörung erleidet. Eben dies ist jedoch nicht der Fall, wenn er die an ihn gerichtete Selbstschutzerwartung enttäuscht und den schadensträchtigen Kausalverlauf trotz Möglichkeit und Zumutbarkeit nicht abwendet. Auch wenn das Opfer den Erfolg nicht eigentätig verursacht, sondern den vom Täter in Gang gesetzten Kausalverlauf geschehen lässt, handelt es sich um eine Preisgabe des Schutzobjekts. In diesem Fall geschieht das, was der Verletzte will. Der eingetretene Erfolg kann dann keine Störung seines Rechtsfriedens sein und daher auch keine Rechtsfriedensstörung der Allgemeinheit vermitteln. Der gestörte Rechtsfrieden der Allgemeinheit wäre also schon mit der Bestrafung des Versuchs wiederhergestellt. Ihr Bedürfnis nach einer Demonstration der Normgeltung richtet sich nur auf den Verhaltensnormverstoß. Eine Versuchsstrafe bringt den tatsächlichen sozialen Konflikt dann angemessener zum Ausdruck, als die Vollendungsstrafe und ist daher gerechter. 371
dd) Exkurs: Typisierte Situationen der Erwartungserfüllung durch den Geschäftsherrn Abschließend stellt sich die Frage, wann von einer Erfüllung der Erwartung durch den Rechtsgutsträger ausgegangen werden kann. Dieselbe Frage stellt sich auch für die zivilrechtliche Literatur, die sich gezwungen sieht, die Anforderungen näher zu konkretisieren, die an die „gebotenen" Selbstschutzmaßnahmen des wissenden Geschäftsherrn zu stellen sind. Fehler können sowohl bei der Auswahl der Maßnahme, als auch bei ihrer Ausführung gemacht werden. 372 Da der strafrechtlichen wie der zivilrechtlichen Beurteilung derselbe tatsächliche Sachverhalt zugrunde liegt, kann an dieser Stelle an die zivilrechtlichen Überlegungen angeknüpft werden. Es bleibt dann nur zu untersuchen, ob sich aufgrund der 371 372
Zum Erfordernis gerechter Bestrafung Vogel , Norm und Pflicht, S. 66. Vergl. dazu Schilken , Wissenszurechnung, S. 73 ff.
III. Eigenverantwortliche Selbstschädigung der natürlichen Person
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Verschiedenheit der Aufgaben der Rechtsgebiete Unterschiede ergeben. Als geeignete Maßnahme, die Erwartung zu erfüllen, kommt - wie im Zivilrecht, so auch im Strafrecht - in erster Linie die Unterrichtung des getäuschten Dritten in Betracht". (1) Wahl einer ungeeigneten Selbstschutzmaßnahme Nach Ansicht Schilkens muss auf der privatrechtlichen Seite eine Wissenszurechnung stattfinden, wenn der Geschäftsherr eine ungeeignete Selbstschutzmaßnahme wählt. Auch wenn in diesem Fall der Geschäftsherr im Ansatz die Notwendigkeit des Selbstschutzes erkannt und darauf reagiert habe, sei es dennoch angemessen, für die Frage der richtigen Auswahl einer geeigneten Selbstschutzmaßnahme auf das von einem Durchschnittbürger im Rechtsverkehr zu erwartende Verhalten abzustellen. Der Vorteilsschutz müsse entfallen, wenn der Geschäftsherr unsorgfältig handle.373 - Für die strafrechtliche Beurteilung unter dem Gesichtspunkt der eigenverantwortlichen Selbstschädigung kommt es dagegen entscheidend darauf an, ob der Rechtsgutsinhaber die ungeeignete Maßnahme im Bewusstsein ihrer Ungeeignetheit gewählt hat oder nicht. Ersteren Falles schädigt er sich bewusst selbst, letzteren Falles hat er die Absicht, die eigene Schädigung zu verhindern. Wenn in Selbstschutzabsicht „fahrlässig" eine zum Schutz ungeeignete Maßnahme gewählt wird, kann eine eigenverantwortliche Selbstschädigung nicht angenommen werden. (2) Fehler bei der Ausführung des Selbstschutzes durch einen Dritten Es ist auch denkbar, dass der Rechtsgutsinhaber einen Dritten mit der Ausführung des Selbstschutzes betraut. Aus zivilrechtlicher Sicht geht es in solchen Fällen zwar immer noch um die Berücksichtigung des Wissens des Geschäftsherrn, zugleich aber auch um die Zurechnung des Fehlverhaltens von Hilfspersonen bei der Verwirklichung der aufgrund der Kenntnis gebotenen Selbstschutzmaßnahmen. Schilken spricht sich dafür aus, das Wissen des Geschäftsherrn auch in diesen Fällen zuzurechnen. Dafür spreche, dass der Fehler in dessen durch Arbeitsteilung differenzieren Geschäftsbereich auftrete. Das Wissen des Geschäftsherrn sei sogar zu berücksichtigen, wenn er auf die Zuverlässigkeit der Hilfsperson vertrauen könne. Auch dann bleibe die Tatsache bestehen, dass ihm aufgrund seiner Kenntnis die Möglichkeit des Selbstschutzes zustand.374 - Für die strafrechtliche Betrachtung müssen dagegen dieselben Überlegungen maßgeblich sein, wie bei der Wahl einer ungeeigneten Maßnahme durch den Rechtsgutsinhaber. Entscheidend ist der Wille des Rechtsgutsinhabers zur Selbstverletzung. Wenn er eine 373 374
Schilken, Wissenszurechnung, S. 73. Schilken, Wissenszurechnung, S. 74.
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
Hilfsperson einsetzt, von der er weiß, dass sie zur erfolgreichen Durchführung der Maßnahme ungeeignet ist, oder wenn er der Hilfsperson Anweisungen gibt, die den Erfolg der Selbstschutzmaßnahme von vornherein unwahrscheinlich machen, so handelt es sich bereits um die Wahl einer ungeeigneten Maßnahme. Will er dagegen durch den Einsatz der Hilfsperson die eigene Schädigung verhindern und versagt die Hilfsperson bei der Durchführung der Maßnahme, so kann dies nicht als eigenverantwortliche Selbstverletzung gesehen werden.
4. Ergebnis Sowohl im Fall einer irrtumsfreien Weisung des Rechtsgutsinhabers, als auch bei einem Unterlassen des Selbstschutzes handelt es sich bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen um eine eigenverantwortliche Selbstschädigung. Im Fall einer Weisung ist dies offensichtlich. Der Rechtsgutsinhaber verletzt sein Gut durch aktives Tun. Aber auch im Fall des Unterlassens ist nicht anders zu entscheiden. Weiß der Rechtsgutsinhaber um die bevorstehende Vermögensverfügung des für ihn handelnden Dritten und erkennt er zugleich die fehlerhafte Tatsachengrundlage der Verfügung und den drohenden Schaden, dann erwartet die Rechtsordnung von ihm, dass er zum Schutz seines Rechtsguts einschreitet und die Vermögensverfügung des Dritten verhindert. Unterlässt er selbstschützende Maßnahmen, obwohl sie ihm möglich und zumutbar sind, so ist dies als eigenverantwortliche Selbstschädigung aufzufassen. Die Zurechnung des Schadens zum Verantwortungsbereich des Täters ist dann ausgeschlossen. Das Verhalten des Rechtsgutsinhabers wird also unter diesen Voraussetzungen zurechnungslimitierend berücksichtigt. Nichts anderes geschieht aus zivilrechtlicher Sicht bei der analogen Anwendung des § 166 II BGB. Auch dort ist Voraussetzung der Wissenszurechnung, dass der wissende Geschäftsherr die Möglichkeit hatte, das Rechtsgeschäfts zu verhindern. 375 Es ist also selbst im Zivilrecht nicht das bloße Wissen, sondern ein mit diesem Wissen verbundenes rechtlich relevantes Verhalten des Geschäftsherrn, das die Wissenszurechnung auslöst. Hierin stimmen die strafrechtliche und die zivilrechtliche Verantwortungszuweisung überein. (Ein Unterschied besteht allerdings darin, dass im Zivilrecht anders als im Strafrecht bereits das bloße Kennenmüssen genügen kann, sowohl hinsichtlich des relevanten Wissens als auch hinsichtlich des bevorstehenden Rechtsgeschäfts.)
375
Siehe Schilken , Wissenszurechnung, S. 62 f.
IV. Die Problematik bei juristischen Personen
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IV. Die Problematik bei juristischen Personen, dargestellt am Beispiel der GmbH 1. Einleitung und Begrenzung der Untersuchung Bei juristischen Personen treten besondere Probleme auf. Umstritten ist bereits, wer bei juristischen Personen als Vermögensinhaber anzusehen ist. Aus zivilrechtlicher Sicht ist diese Frage schnell und eindeutig beantwortet: Da die juristische Person als solche rechtsfähig ist (vergl. etwa §§ 13 I GmbHG, 1 I AktG, 17 I GenG), ist sie Vermögensinhaber. Diese Sichtweise ist jedoch für das mehr an faktisch-wirtschaftlichen Gegebenheiten orientierte Strafrecht nicht zwingend. Problematisch ist weiter, dass die juristische Person als solche nicht willens- und handlungsfähig ist. Bei der eigenverantwortlichen Selbstschädigung geht es aber gerade um die Herstellung einer Einheit von Wille, Handlung und Erfolg. Es muss daher herausgearbeitet werden, ob und unter welchen Voraussetzungen man bei juristischen Personen von einer eigenverantwortliche Selbstschädigung sprechen kann. Weitere Schwierigkeiten folgen aus der körperschaftlichen Struktur juristischer Personen. Zu unterscheiden sind bei allen juristischen Person Willensbildungs- und Vertretungsorgane. 376 Das Willensbildungsorgan ist dabei das Organ der Anteilseigner. Umstritten ist, ob Entscheidungen dieses Organs eigenes oder fremdes Vermögen verletzen. Für die Vertretungsorgane ist dagegen unzweifelhaft, dass sie fremdes Vermögen verletzen. Hier stellt sich die Frage, ob sich die Gesellschaft auch schädigende Vermögensdispositionen des Vertretungsorgans zurechnen lassen muss. Zwischen den verschiedenen juristischen Person bestehen Unterschiede hinsichtlich der Kompetenzen der Willensbildungs- und Vertretungsorgane. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, den Auswirkungen dieser Unterschiede auf die strafrechtliche Verantwortungszuweisung im Einzelnen nachzugehen. Um die Übersichtlichkeit zu wahren, ist es sinnvoll, sich bei der Ausarbeitung zunächst auf die GmbH als „dominierende Figur des deutschen Wirtschaftslebens" 377 zu beschränken. 378
376
Allgemein: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 II 1. Für die GmbH: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 I I 1, III 1; ders., in: Scholz, GmbH-Gesetz, § 45 Rn. 6. 377 LK-Schünemann, § 266 Rn. 125. 378 In Baden-Württemberg haben derzeit nur 8 - 9 % der eingetragenen Gesellschaften mehr als 3 Gesellschafter, in mehr als 80 % der Fälle sind alle Geschäftsführer zugleich Gesellschafter. Bei 26 - 40 % handelt es sich um Ein-Mann-Gesellschaflen, Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Vörbem. vor § 35 Rn. 5.
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
Aufgrund der komplexen Struktur der GmbH können sich verschiedene Fallgestaltungen ergeben, die unterschiedlich zu behandeln sein könnten. Zum einen ist es denkbar, dass die Gesellschaftergesamtheit um das Bevorstehen einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung des Geschäftsführers oder einer anderen Hilfsperson weiß und nicht einschreitet. Zum anderen ist es denkbar, dass ein Geschäftsführer um die bevorstehende Vermögensverfügung eines anderen Vertreters weiß und nicht einschreitet. Den aufgeworfenen Fragen ist im Folgenden auf den Grund zu gehen.
2. Eigenverantwortliche Selbstschädigung der GmbH durch Gesellschafterbeschlüsse a) Bedeutung von Rechtsguts inhaberschaft und Dispositionsbefugnis bei der GmbHfür die Frage der eigenverantwortlichen Selbstschädigung durch Gesellschafterbeschlüsse Von einer eigenverantwortlichen Selbstschädigung wird gesprochen, wenn der Inhaber des geschützten Rechtsguts das geschützte Handlungsobjekt eigentätig verletzt. 379 Ausgangspunkt aller Überlegungen muss daher grundsätzlich die Frage sein, wer bei der GmbH als Vermögensinhaber anzusehen ist. Die einschlägigen Stellungnahmen zum Betrug vermitteln hierzu den Eindruck völliger Zweifellosigkeit: Träger des geschädigten Vermögens könne eine natürliche oder juristische Person sein. 380 Ein Blick auf die ebenfalls im 22. Abschnitt des StGB und damit im gleichen systematischen Zusammenhang stehende Untreuevorschrift zeigt indes ein anderes Bild. Im Rahmen des Untreuetatbestands ist die Vermögensinhaberschaft bei juristischen Personen umstritten. Ausführlich behandelt wird das Problem bei der Frage, ob sich der Geschäftsführer durch gesellschaftsschädigende Handlungen, denen die Gesellschafter zugestimmt haben, nach § 266 StGB strafbar macht, oder ob die Zustimmung nicht vielmehr als tatbestandsausschließendes Einverständnis anzusehen ist. Vertreten werden eine originär strafrechtliche, an wirtschaftlichen Erwägungen ausgerichtete Betrachtung von Vermögensinhaberschaft und Dispositionsbefügnis und eine zivilrechtsakzessorische, an der gesellschaftsrechtlichen Vermögenszuordnung orientierte Auffassung. 381 Der gleiche systematische Zusammenhang und das bei beiden Vorschriften gleiche Schutzgut (Vermögen) haben zur Folge, dass man die Frage der Vermögensinhaberschaft für beide Vorschriften nur einheitlich be-
379 380 381
Ausfuhrlich dazu bereits 2. Kapitel, II 1 b, c, 2 und 3. Kapitel, III 3 b. Statt aller LK-Tiedemann, § 263 Rn. 6. Vergl. Radtke, GmbHR 1998, 311, 312.
IV. Die Problematik bei juristischen Personen
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antworten kann. 382 Es kann hier daher auf die Diskussion zu § 266 StGB bezug genommen werden. aa) Zivilrechtsakzessorische Vermögenszuordnung Herrschend in Literatur und Rechtsprechung ist die Ansicht, dass die GmbH selbst Vermögensinhaber sei. 383 Diese Ansicht will also die zivilrechtliche Vorwertung des § 13 GmbHG für die Frage der Vermögensinhaberschaft berücksichtigen. 384 Hiernach würde die Entscheidung der Gesellschaftergesamtheit, eine Schädigung des Gesellschaftsvermögens geschehen zu lassen, die Verletzung fremden Vermögens bedeuten. Für die Frage einer eigenverantwortlichen Selbstschädigung der GmbH wären die Grenzen entscheidend, die der Gesellschaftergesamtheit als dem für die Vermögensverwendung zuständigen Organ bei Dispositionen über das Gesellschaftsvermögen gezogen sind. Nach der herrschenden Meinung dürfen solche Dispositionen nicht gegen § 30 I GmbHG verstoßen und es kann keine wirksame Zustimmung zu Maßnahmen gegeben werden, welche die Existenz der Gesellschaft gefährden. 385 Der BGH vertrat lange Zeit die Ansicht, dass sogar die Zustimmung zu einer bloß willkürlichen Vermögensverschiebung des Gesellschafters strafrechtlich ohne Bedeutung und wirkungslos sei, und zwar selbst dann, wenn es sich um den geschäftsfuhrenden Alleingesellschafter einer GmbH handelt. 386 Neuerdings gesteht der BGH den Gesellschaftern aber die Freiheit zu, über das Gesellschaftsvermögen zu verfügen, solange das durch § 30 GmbHG geschützte Stammkapital nicht berührt wird. 387
382 Für § 263 StGB ist die Frage der Vermögensinhaberschaft freilich i. d. R. weniger wichtig. Es kann sogar auf die namentliche Feststellung des Geschädigten verzichtet werden, vergl. LK-Tiedemann, § 263 Rn. 6. 383 Aus der Rspr.: BGHSt 3, 24, 25; 3, 32, 39 f.; 9, 203, 216; 34, 379, 385; BGH, NJW 2000, 154, 155; NJW 1988, 1397, 1398 m. w. N. (st. Rspr.). Aus der Literatur: MüllerChristmann/Schnauder, JuS 1998, 1080, 1082. Die zivilrechtsakzessorische Sichtweise wird auch gebilligt von Sch-Sch-Lenckner/Perron, § 266 Rn. 6; Lackner/Kühl, § 266 Rn. 3; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 45 Rn. 43; Schäfer, GmbHR 1993, 780, 789; Kohlmann, Rn. 171, 180; Radtke, GmbHR 1998, 361, 362 u. 363 f.; Brammsen, DB 1989, 1609, 1610. 384 In diesem Sinne auch Eisele, GA 2001, 377 f., der daraus allerdings nicht die Konsequenz zieht, die juristische Person selbst als Vermögensinhaber anzusehen, vergl. a. a. O., S. 392 f. 385 Vergl. Radtke, GmbHR 1998, 361, 364 f. m. w. N. zur Rspr. des BGH; Otto, JZ 1985, 69, 74. 386 Vergl. BGH, NJW 1988, 1397, 1398 m. w. N. 387 BGH, NJW 1997, 66, 69 m. Anm. Geerds, JR 1997, 340, 341; BGH, NJW 2000, 154, 155. Dies ist eine endgültige Abkehr von der früher vertretenen Position, wonach sogar der Verstoß gegen die „Grundsätze eines ordentlichen Kaufmanns" die Wirksamkeit der Zustimmung ausschließen sollte, vergl. Müller-Christmann/Schnauder, JuS 1998, 1080, 1083 f.; siehe dazu auch Sch-Sch-Lenckner/Perron, § 266 Rn. 21.
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
bb) Originär strafrechtliche Vermögenszuordnung Eine literarische Mindermeinung vertritt demgegenüber die Auffassung, dass bei einer GmbH das Vermögen den Gesellschaftern zuzuordnen sei. 388 Inhaber des Gesellschaftsvermögens sei die Gesamtheit der Mitglieder in ihrer organisationsrechtlichen, durch die Satzung definierten Verbundenheit, d. h. als Gesamthandsgemeinschaft. 389 Grund dafür sei, dass der Gesellschaftergesamtheit die Zwecksetzungsbefugnis zukomme, d. h. die Kompetenz, innerhalb der gesetzlich gestatteten Gesellschaftszwecke die Verwendung des Gesellschaftsvermögens bindend festzulegen. 390 Die gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung der GmbH zu einem Gebilde mit „eigener Rechtspersönlichkeit" sei lediglich eine haftungstechnische Konstruktion im Interesse der Gesellschaftsgläubiger. 391 Die zentrale Schranke für die Berücksichtigungsfähigkeit von Einverständniserklärungen der Gesellschafter besteht bei dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Vermögensinhaberschaft nicht in § 30 I GmbHG. Es kommt nur darauf an, ob der den Geschäftsführer deckende Gesellschafterbeschluss „unter Wahrung der satzungsmäßigen Rechte aller Mitglieder zustande gekommen ist." 392 Legte man diese Auffassung zugrunde, so würde die Entscheidung der Gesellschaftergesamtheit, eine Schädigung des Gesellschaftsvermögens geschehen zu lassen, die Verletzung eigenen Vermögens bedeuten. cc) Irrelevanz der Vermögenszuordnung Bevor man sich näher mit der Bedeutung der Rechtsgutspreisgabe durch die Gesellschaftergesamtheit befasst, sollte man sich eines klar machen: Die Wirksamkeitsschranken, die der BGH für die Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit heute noch aufstellt, betreffen sämtlich krasse Extremfälle. Verfügungen des „täglichen Wirtschaftslebens" werden selten das Stammkapital der GmbH (§ 30 I GmbHG) oder gar ihre gesamte Existenz gefährden. Bezüglich relativ geringfügiger Schädigungen der Gesellschaft ist daher unstreitig, dass die Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit im Zusammenhang mit § 266 StGB ein
388 Vergi außer den im Folgenden angeführten Stellungnahmen noch SK-Samson/ Günther , § 266 Rn. 47 f.; Arloth, NStZ 1990, 570, 574 f. (der allerdings undeutlich von einer mittelbaren Schädigung der Gesellschafter spricht); Labsch, wistra 1985, 1, 7 f. 389 Nelles, Untreue, S. 492, 546. 390 Nelles , Untreue, S. 488 f., 491; ebenso Eisele, GA 2001, 377, 392 (Willensbildung der Mitgliederversammlung ist Willensbildung der juristischen Person). 391 Vergl. Labsch, JuS 1985, 602, 604; Eisele, GA 2001, 377, 391 f., demzufolge dies auch für die Mitglieder von Idealvereinen gelten soll. Weniger deutlich Reiß , wistra 1989, 81, 83, nach dessen Ansicht die GmbH ein eigenes Vermögen hat, das aber über die Mitgliedschaft mittelbar den Gesellschaftern zugeordnet sei. 392 Nelles, Untreue, S. 547. Beachte aber auch Eisele, GA 2001, 377 ff.
IV. Die Problematik bei juristischen Personen
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strafrechtlich wirksames tatbestandsausschließendes Einverständnis ist. 393 Die meisten Betrugsfälle werden sich wohl als solche relativ geringfügigen Schädigungen darstellen. Es lässt sich daher schon jetzt sagen, dass es sich bei den Entscheidung der Gesellschafter in den meisten Betrugsfällen um beachtliche Organisationsentscheidungen handeln wird. Im Hinblick auf § 263 StGB sind nur die Fälle problematisch, bei denen die betrügerische Schädigung eine der genannten Wirksamkeitsschranken erfüllt. Diesbezüglich wird sich zeigen, dass es für die Bewertung der Disposition der Gesellschaftergesamtheit als eigenverantwortliche Selbstschädigung überhaupt nicht auf die Streitfrage der Vermögenszuordnung ankommt. (1) Betrachtet man die Gesellschafter gemäß der strafrechtsspezifischen Vermögenszuordnung in ihrer Gesamtheit als Inhaber des Rechtsguts „Vermögen", so muss für ihr selbstschädigendes Verhalten grundsätzlich das gleiche gelten, wie für das entsprechende Verhalten der natürlichen Einzelperson. 394 Die Selbstschädigung nimmt bei Vorliegen der oben herausgearbeiteten Voraussetzungen dem Täter die Verantwortung für den Betrugsschaden ab. 395 Dies gilt sowohl dann, wenn der getäuschte Verfügende der Geschäftsführer ist, als auch dann, wenn eine sonstige unterorganschaftliche Hilfsperson Verfügender ist. (2) Und dasselbe gilt selbst unter der Prämisse des BGH, der von der Rechtsgutsträgerschaft der juristischen Person als solcher und einer beschränkten Dispositionsbefugnis der Gesellschafter ausgeht (zivilrechtsakzessorische Vermögenszuordnung). Dies wird deutlich, wenn man den kriminalpolitischen Hintergrund der Rechtsprechung des Gerichts zur GmbH-Untreue betrachtet. Die zivilrechtsakzessorische Sichtweise ist von dem Bestreben geleitet, mittels des § 266 StGB die Gesellschaftsgläubiger zu schützen.396 In den einschlägigen Fällen scheidet wegen der vom BGH zu § 14 StGB vertretenen „Interessenformel" eine Strafbarkeit des Geschäftsführers nach § 283 ff. StGB aus.397 Würde man der wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Vermögensinhaberschaft folgen, so müsste bei einer Zustimmung der Gesellschafter zu einer vermögensschädigenden Handlung des Geschäftsführers auch dessen Strafbarkeit nach § 266 StGB ausscheiden. Das Geschehen bliebe gänzlich straflos, obwohl es im Hinblick auf die Verletzung der Interessen der Gesellschaftsgläubiger strafwürdig und strafbedürftig ist. Die Gläubiger haben ein schutzwürdiges Interesse an einem gesellschaftsrechtlich rechtmäßigen Verhalten „innerhalb" der juristischen Person, ihres Schuldners. Dieses „Innenverhältnis" der juristischen Person wird strafrecht393 394 395
Vergl. Radtke, GmbHR 1998, 311,316. Siehe dazu bereits oben III. Die Frage nach etwaigen Dispositionsschranken stellt sich dann konsequenterweise
nicht. 396 397
Arloth, NStZ 1990, 570, 573. Siehe dazu die instruktive Darstellung von Labsch, wistra 1985, 1, 4 ff.
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
lieh von § 266 StGB erfasst. Weil der BGH aus den genannten Gründen nicht nach den dem Gläubigerschutz dienenden Insolvenzdelikten bestrafen kann, betreibt er den Gläubigerschutz mittels der Untreuevorschrift. 398 Erforderlich ist dafür jedoch nur, diejenigen Personen innerhalb der juristischen Person mit Strafe zu bedrohen, deren Verhalten die spezifischen Gläubigerinteressen verletzt. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, etwaigen Zustimmungen der Gesellschaftergesamtheit zu gesellschaftsschädigenden Handlungen des Geschäftsführers die Wirksamkeit als tatbestandsausschließendes Einverständnis im Sinne des § 266 StGB abzusprechen. Die Frage ist aber, ob man ebenso entscheiden muss, wenn man dieselbe Organisationsentscheidung im Hinblick auf § 263 StGB zu würdigen hat. Dem § 263 StGB geht es um die Unterbindung von Schädigungen, die der Gesellschaft von dritter Seite drohen. Es geht um die Strafbarkeit des Betrügers, die mit den Interessen der Gesellschaftsgläubiger in der Regel in keinem Zusammenhang steht. Würde man selbstschädigende Organisationsentscheidungen der Gesellschaftergesamtheit auch im Rahmen des Betrugstatbestandes für strafrechtlich wirkungslos erachten, so entzöge man dem Betrüger ein allgemein anerkanntes, zurechnungsbegrenzendes Rechtsinstitut, nur weil man im Rahmen des § 266 StGB - wider den Normzweck - Gläubigerschutz betreibt. Für den Gläubigerschutz wäre damit nichts gewonnen. Man kann die Unwirksamkeit der gesellschaftsschädigenden Organisationsentscheidungen insofern als „untreuespezifische Unwirksamkeit" bezeichnen. Für die Beurteilung der Strafbarkeit des Betrügers muss man dagegen von der Berücksichtigung der Gläubigerinteressen absehen. Ein eigenes Existenzinteresse jenseits der Gläubiger- und Gesellschafterinteressen konnte die Literatur bisher noch nicht aufzeigen. 399 Daher spricht nichts dagegen, Entscheidungen der Gesellschaftergesamtheit, auch wenn sie gegen § 30 I GmbHG verstoßen oder die Existenz der Gesellschaft gefährden, im Rahmen des § 263 StGB als wirksame und zurechungsausschließende Organisationsentscheidungen der GmbH, handelnd durch die Gesellschaftergesamtheit, anzusehen.400 Betrachtet man nämlich das Geschehen frei von 398
Kritisch Labsch, wistra 1985, 1, 7 f. Vergl. LK-Schünemann , § 266 Rn. 125 untere) bb) m. w. N.; Radtke, GmbHR 1998, 361, 362 f. 400 Anders entscheiden könnte man allenfalls bei kollusivem Zusammenwirken von Betrüger und Gesellschaftergesamtheit. Schalten die Gesellschafter den Betrüger ein, um sich mittelbar über den Vorteil des Betrügers zum Nachteil der Gesellschaftsgläubiger einen eigenen Vorteil zu sichern, liegt dieselbe Wertungslage vor, die auch die Untreuestrafbarkeit des Geschäftsführers in diesen Fällen trägt. Handelt der Betrüger auf Wunsch der Gesellschafter, so unterscheidet er sich nicht von dem Geschäftsführer, der eine rechtswidrige Weisung ausführt. Ist dem Betrüger die Schädigung der Gläubiger bewusst, so könnte man daran denken, ihm den Schaden trotz der Zustimmung der Gesellschafter zuzurechnen. Nur so kann verhindert werden, dass die Gesellschafter außerhalb der juristischen Person stehende Dritte in die Gläubigerschädigung einbinden. Dann ist allerdings zu prüfen, ob eine wirksame rechtfertigende Einwilligung zugunsten des Betrügers vorliegt. Nach herrschender Meinung dürfte dies zu bejahen sein, da die Sittenwidrigkeit der Gläubigerschädigung die Einwilligung in die Vermögensschädigung nicht unwirksam macht, vergl. Sch-Sch-Lenckner, Vörbem §§32 ff. Rn. 37 f. 399
IV. Die Problematik bei juristischen Personen
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gläubigerschützenden Dispositionsbeschränkungen, so ist jeder Selbstschädigungswille der Gesellschaftergesamtheit ein solcher der GmbH. Die Zurechnung als eigenverantwortliche Selbstschädigung könnte nur daran scheitern, dass die Willensbildung und der Willensvollzug inhaltlich gegen Gesellschaftsinteressen verstoßen und der Gesellschaftergesamtheit eine entsprechender Willensvollzug für die Gesellschaft daher verwehrt ist. Die Gesellschaftsinteressen werden aber von der Gesellschaftergesamtheit definiert. Der satzungsgemäß gebildete Wille der Gesellschaftergesamtheit stellt, da diese „oberstes Willensbildungsorgan der GmbH" mit grundsätzlich allumfassender Zuständigkeit ist 401 , zwingend den Willen des Rechtsgutsinhabers „GmbH" dar. (3) Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass unabhängig davon, welcher Vermögenszuordnung (zivilrechtsakzessorisch oder originär strafrechtlich) man folgt, die Entscheidung der Gesellschaftergesamtheit, eine betrügerische Vermögensschädigung geschehen zu lassen, im Rahmen von § 263 StGB als eigenverantwortliche Selbstschädigung angesehen werden kann.
b) Voraussetzungen der Verantwortungszuweisung
aa) Bildung des freiverantwortlichen Willens Betrachtet man den zur Schädigung „der juristischen Person" führenden Beschluss der Gesellschaftergesamtheit, den irrenden Geschäftsführer oder eine andere irrende Hilfsperson in einer das Gesellschaftsvermögen schädigenden Weise tätig sein zu lassen, als eigenverantwortliche Selbstschädigung, so ist die erste Voraussetzung für seine Beachtlichkeit, dass der Wille dazu freiverantwortlich gebildet wurde. Bei natürlichen Personen liegt die Freiverantwortlichkeit immer dann vor, wenn die Entscheidung zur Selbstverletzung keinen defizitären Charakter hat. 402 Unter dem Gesichtspunkt der Handlungsfreiheit des Betroffenen ist allein entscheidend, ob dasjenige, was ihm geschieht, mit seinem Willen übereinstimmt. 403 Die Selbstschädigung durch die Gesellschaftergesamtheit wirft in diesem Zusammenhang spezifische Probleme auf, die mit der körperschaftlichen Struktur der GmbH zusammenhängen. 401 Vergl. Sch-Sch-Lenckner/Perron, § 266 Rn. 21 m. w. N.; Nelles, Untreue, S. 546; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 45 Rn. 5; etwas anders Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 45 Rn. 3, der die Gesellschafterversammlung als oberstes Organ ansieht. Dies ist allerdings unzutreffend, was sich insbesondere an § 48 II GmbHG zeigt. Es bedarf nicht zwingend einer Gesellschafterversammlung, entscheidend ist der übereinstimmende Wille der Gesellschaftergesamtheit, dazu K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 45 Rn. 5. 402 Siehe dazu bereits 3. Kapitel, III 3 b. 403 Mosbacher, Selbstschädigung, S. 121.
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
Die Willensbildung der Gesellschaftergesamtheit findet entweder in Form einer Beschlussfassung statt, § 47 GmbHG 404 , oder nach § 48 II GmbHG durch schriftliche Stimmabgabe. Der Beschluss kann einstimmig oder als Mehrheitsentscheidung ausfallen. 405 Handelt es sich um einen einstimmigen Beschluss unter Beteiligung aller Gesellschafter, stimmen also alle materiell Berechtigten in dem Willen überein, die Schädigung geschehen zu lassen, so besteht kein Zweifel daran, dass ein solcher Beschluss als eigenverantwortliche Selbstschädigung der Gesellschaftergesamtheit angesehen werden kann. Fraglich ist aber, ob auch Mehrheitsentscheidungen die Verantwortung der Gesellschaftergesamtheit für den Schaden begründen und damit die des Täters ausschließen können. In der Literatur zur strafrechtlichen Wirksamkeit eines den Tatbestand des § 266 StGB ausschließenden Einverständnisses wird zwischen gesellschaftsrechtlich rechtmäßigen und rechtswidrigen Beschlüssen differenziert: Handelt es sich um einen rechtswidrigen Beschluss, soll die Zustimmung aller Mitglieder erforderlich sein. 406 Ein rechtswidriger Mehrheitsbeschluss vermag den Willen der Mitglieder in ihrer Gesamtheit nicht zu repräsentieren. Ansonsten könnten die Rechte der Minderheit unterlaufen werden. 407 In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, was aus strafrechtlicher Perspektive zu gelten hat, wenn ein Gesellschafterbeschluss formal überhaupt nicht gefasst wird. So etwa, wenn sämtliche Gesellschafter rein faktisch darin übereinstimmen, die Vermögensschädigung geschehen zu lassen. Betrachtet man mit der hier vertretenen Auffassung die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit als „wirtschaftliche Eigentümer" des Gesellschaftsvermögens, so kann es für die mehr an faktischen Gegebenheiten orientierte Betrachtung des Strafrechts nicht auf einen formellen Beschluss ankommen. Ausreichend muss sein, dass alle Gesellschafter darin einig sind, die Vermögensschädigung geschehen zu lassen und somit alle Dispositionsbefugten das Rechtsgut freiverantwortlich preisgegeben haben.408 Bei einem rechtmäßigen Beschluss soll zur Repräsentation des Willens der Mitglieder ein Mehrheitsbeschluss genügen.409 Es stellt sich aber die Frage, ob nicht auch für diesen Bereich das zu den rechtswidrigen Beschlüssen gesagte zu gelten hat. Auch hier repräsentiert die Mehrheitsentscheidung bei natürlicher Be404
Vergl. Zöllner , in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 2. Im Falle des § 48 II GmbHG ist zwischen der 1. Alt. und der 2. Alt. zu unterscheiden. Für den Fall, dass sich alle Gesellschafter mit der schriftlichen Stimmabgabe einverstanden erklärt haben (2. Alt.), kann auch hier eine Mehrheitsentscheidung erfolgen, vergl. dazu Zöllner , in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 48 Rn. 20 f. 406 y e r g i Eisele, GA 2001, 377, 392. Anders aber die wohl vereinzelt gebliebene Entscheidung des OLG Hamm, NJW 1982, 190, 192, wonach ein Mehrheitsbeschluss genügen soll. 405
407
Eisele , GA 2001, 377, 392 f. 408 y e r g i d a z u a u c h Eisele , Wissenszurechnung, I I I 3 b. 409 Vergl. Eisele , GA2001, 377, 392.
IV. Die Problematik bei juristischen Personen
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trachtung nicht den Willen der Minderheit. Diese Fälle sind zum einen denkbar, wenn zwar alle Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung (§ 48 GmbHG) anwesend sind, aber nicht einheitlich abstimmen, und zum anderen, wenn zwar einheitlich abgestimmt wird, dabei aber nicht alle Gesellschafter anwesend sind. In beiden Fällen haben Teile der Gesellschaftergesamtheit keinen bzw. einen der Rechtsgutspreisgabe entgegenstehenden Willen gebildet. Wie sind diese Fälle zu behandeln? In der GmbH gilt das Mehrheitsprinzip, § 47 I GmbHG. 410 Es reicht die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, so dass es grundsätzlich unerheblich ist, wenn nicht alle Gesellschafter bei der Abstimmung anwesend sind. 411 Im Rahmen der Gesellschafterversammlung erfolgt die Zwecksetzung des Gesellschaftsvermögens also durch Mehrheitsentscheidung. 412 Die einzelnen Anteile am Gesellschaftsvermögen lassen sich zwar als solche einzelnen Personen zuordnen, sind aber hinsichtlich der Zwecksetzung an die Mehrheitsentscheidung gebunden. Es kann nur einen einheitlichen, alle Anteile gleichermaßen erfassenden Gesellschaftswillen geben, der durch Abstimmung in der Gesellschafterversammlung hergestellt wird. Eine Vermögensverletzung des einzelnen Anteils ist nur über die Verletzung der Gesamtheit möglich. Wer sich als Gesellschafter an einer GmbH beteiligt, unterstellt sich dem ordnungsgemäß gebildeten Willen der Gesellschaftermehrheit. Solange der Beschluss der Mitgliederversammlung rechtmäßig zustande kommt, liegt demnach eine Willensbildung vor, die auch für die Minderheit bindend ist. Als Ergebnis lässt sich festhalten: Ist der Beschluss rechtswidrig zustande gekommen oder inhaltlich rechtswidrig, bedarf es der Zustimmung aller Gesellschafter. Ist der Beschluss in diesem Sinne rechtmäßig, so reicht die Mehrheit der anwesenden Stimmen. bb) Fehlende Freiverantwortlichkeit der Willensbildung einzelner Gesellschafter Wegen der Erfordernisses der Freiverantwortlichkeit der Selbstschädigung kann sich die Frage stellen, wie solche Fälle zu behandeln sind, bei denen die Willensbildung für eine oder mehrere, nicht aber die Mehrheit der Stimmen nicht freiverantwortlich erfolgt ist. Dies kann zum einen der Fall sein, wenn den betreffenden Mitgliedern ein konstitutionelles Defizit eigen ist, zum anderen dann, wenn sich die betreffenden Mitglieder im Irrtum befinden. Reicht die fehlende Freiverantwortlichkeit einer einzigen Stimme aus, um den hinsichtlich aller anderen Stimmen freiverantwortlich zustande gekommenen Gesellschafterbeschluss im ganzen defizitär zu machen?413 Hier muss wieder zwischen rechtswidrigen und rechtmäßigen Beschlüssen differenziert werden. Für rechtswidrige 410
Vergl. dazu Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 13 ff. Dazu Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 2. 412 Dazu Nelles, Untreue, S. 488 f., 491; Eisele, GA2001, 377, 392. 413 Gesellschaftsrechtlich handelt es sich bei der Stimmabgabe um eine Willenserklärung des einzelnen Gesellschafters, gerichtet auf Herbeiführung des Beschlusses des 4,1
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
Beschlüsse wurde festgestellt, dass zur strafrechtlichen Wirksamkeit eines solchen Beschlusses alle Gesellschafter einheitlich abstimmen müssen. Dann muss auch die Willensbildung für jede einzelne Stimme freiverantwortlich sei. Da hier ein Quorum von 100 % erforderlich ist, hat bereits eine unwirksame Stimme Auswirkungen auf die erforderliche Mehrheit. Auf eine besondere Geltendmachung, die im Gesellschaftsrecht für notwendig gehalten wird 4 1 4 , kann es aus strafrechtlicher Sicht nicht ankommen. Bei rechtmäßigen Beschlüssen reicht eine Mehrheitsentscheidung. Durch die Beteiligung an der Gesellschaft unterwerfen die Gesellschafter ihren Gesellschaftsanteil dem Diktat der Mehrheit. 415 Wenn solchermaßen die Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheidend ist, dann ist es konsequent, nicht freiverantwortlich gebildete, zur Mehrheit zählende Stimmen von der Mehrheit abzuziehen. Bleibt danach noch eine Mehrheit, so ist trotz der unfreien Stimmen von einer im ganzen freien Beschlussfassung auszugehen. Als Ergebnis lässt sich festhalten: Handelt es sich um einen rechtswidrigen Beschluss, muss allen Stimmen eine freiverantwortliche Willensbildung zugrunde liegen. Handelt es sich um einen rechtmäßigen Beschluss, sind die unfreien Stimmen zu den Gegenstimmen zu zählen; es entscheidet das Mehrheitsprinzip. cc) Verhinderungsmöglichkeit In den Fällen des unterlassenen Selbstschutzes besteht eine wesentliche Voraussetzung der Verantwortungszuweisung in der Möglichkeit der Schadensverhinderung. Nur wenn es der Gesellschaftergesamtheit überhaupt auch rechtlich möglich ist, Geschäftsführungsmaßnahmen zu beeinflussen, kann das Unterlassen entsprechender Maßnahmen ihre Verantwortung für den Betrugsschaden begründen. 416 Die gesellschaftsrechtliche Literatur geht von einer „Allzuständigkeit" der Gesellschafterversammlung aus. Die Gesellschafterversammlung kann nahezu jede Angelegenheit an sich ziehen und für andere Organe im Innenverhältnis bindend entscheiden.417 Ist der Gesellschaftergesamtheit ein schaGesellschafterversammlung als Rechtsfolge. Nach allgemeiner Meinung der gesellschaftsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung haben Mängel der Stimmabgabe nur insoweit Auswirkungen auf den Beschluss, als durch sie die erforderliche Mehrheit beeinflusst wird. Vergl. dazu Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 4; BGHZ 14, 264, 267 f. 4,4 Zöllner , in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 4. 415 Siehe aber die Minderheitenrechte in §§50, 51a GmbHG sowie Zöllner , in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh § 47. 416 Hinsichtlich der rein faktischen Verhinderungsmöglichkeit gilt hier selbstverständlich nichts anders, als bei natürlichen Personen. 417 Zöllner , in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 46 Rn. 60. Dies gilt vorbehaltlich abweichender Satzungsbestimmungen und verschiedener zwingender Kompetenzen andere Organe, näher dazu a. a. O. Es sei eine Entscheidung mit einfacher Mehrheit ausreichend, Zöllner , in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 46 Rn. 60 b.
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densträchtiger Kausalverlauf bekannt, so hat sie also die rechtliche Möglichkeit, diesen zu verhindern. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht ist dabei fraglich, ob die Gesellschafter nur für die Willensbildung oder auch für die Ausführung etwa beschlossener Maßnahmen zuständig sind. 418 Dies spielt für die strafrechtliche Beurteilung keine Rolle. Denn die Gesellschaftergesamtheit kann ihre Verhinderungsmöglichkeit durch entsprechende Weisung an den Geschäftsführer wahrnehmen, unabhängig davon, ob dieser selbst oder eine unterorganschaftliche Hilfsperson der Getäuschte ist. d) Zusammenfassung und Ergebnis Der Beschluss der Gesellschaftergesamtheit, einen Betrugsschaden in Kauf zu nehmen, kann eine eigenverantwortliche Selbstschädigung sein, unabhängig davon, ob man der zivilrechtsakzessorischen Vermögenszuordnung des BGH oder der in der Literatur teilweise vertretenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Rechtsgutsträgerschaft folgt. Die im Rahmen des § 266 StGB geltenden Dispositionsschranken gelten für § 263 StGB nicht. Auch das Geschehenlassen einer existenzgefährdenden Vermögensschädigung ist daher als eigenverantwortliche Selbstschädigung beachtlich. Voraussetzung dafür ist zunächst die Bildung eines freiverantwortlichen Willens der Gesellschaftergesamtheit. Es gelten die Grundsätze der gesellschaftsrechtlichen Willensbildung, also §§ 47, 48 II GmbHG, wobei es jedoch nicht auf eine formelle Beschlussfassung ankommt. Hinsichtlich der erforderlichen Mehrheitsverhältnisse ist zu differenzieren: Rechtswidrige Beschlüsse sind nur dann als für die eigenverantwortliche Selbstschädigung ausreichende Willensbildung anzusehen, wenn sie unter Beteiligung aller Gesellschafter einstimmig ergehen. Rechtmäßige Beschlüsse unterliegen dem Mehrheitsprinzip. Fehlt es einer abgegebenen Stimme an der erforderlichen Freiverantwortlichkeit, so ist diese Stimme nicht zu werten. Da die Gesellschafterversammlung nahezu jede Angelegenheit an sich ziehen und für andere Organe im Innenverhältnis bindend entscheiden kann, ist die für eine Verantwortungszuweisung erforderliche Möglichkeit, den Kausalverlauf zu verhindern, grundsätzlich gegeben.
418
K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 46 Rn. 1.
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
3. Eigenverantwortliche Selbstschädigung „der juristischen Person" durch Handlungen des Geschäftsführers?
a) Einleitung und Problemstellung Die Frage, ob ein die Rechtsgüter der juristischen Person schädigendes Verhalten eines Geschäftsleitungsorgans als eigenverantwortliche Selbstschädigung „der juristischen Person" aufgefasst werden kann, wurde - soweit ersichtlich - bisher noch nicht thematisiert. Ihr ist im Folgenden nachzugehen. Die Fälle, in denen der Geschäftsführer einer GmbH die rechtserhebliche Kenntnis hat, bilden für die zivilrechtliche Diskussion des Wissenszurechnung eines der Hauptprobleme. Dabei ist im Grundsatz unbestritten, dass das Wissen des Gesellschaftsorgans „Geschäftsführer" der Gesellschaft zuzurechnen ist. Umstritten sind allerdings die dogmatischen Grundlagen der Wissenszurechnung und die Reichweite der Zurechnung im einzelnen.419 Bei einer strafrechtlichen Behandlung des gesamten Problemkomplexes unter Eigenverantwortlichkeitsgesichtspunkten ist die Lösung allerdings komplizierter. Denn das Organ „Geschäftsführer" und der Rechtsgutsinhaber - sei er die Gesellschaftergesamtheit, sei er die GmbH als solche - sind personenverschieden. Der Geschäftsführer steht zu dem Rechtsgutsinhaber in einer organschaftlichen und daneben in der Regel noch in einer vertraglichen Beziehung 420 , er schädigt nicht eigenes Vermögen, sondern fremdes. Der Schaden könnte nur dann in den Verantwortungsbereich der juristischen Person bzw. der Gesellschaftergesamtheit fallen, wenn das Verhalten des Geschäftsführers dem Rechtsgutsinhaber gleich einer eigenverantwortlichen Selbstschädigung zugerechnet würde. In diesem Zusammenhang ist aber zu beachten, dass gerade dieses Verhalten eventuell eine Untreuestrafbarkeit des Geschäftsführers begründet. Daraus ergibt sich der weitere Gang der Untersuchung. Zunächst muss geklärt werden, wie sich eine Untreuestrafbarkeit der Handlung des Geschäftsführers auf die Bewertung dieser Handlung als eigenverantwortliche Selbstschädigung der GmbH auswirkt. Daraus wird sich eine erste und praktisch wohl recht umfangreiche Eingrenzung ergeben. Sodann sind die Grundsätze und Voraussetzungen der Zurechnung für die ebenfalls zahlreichen noch verbleibenden Fälle darzustellen.
419 420
Vergl. dazu 4. Kapitel II 2 c. Vergl. Afeiles, Untreue, S. 550.
IV. Die Problematik bei juristischen Personen
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b) Eigenverantwortliche Selbstschädigung „der juristischen Person " bei gleichzeitiger Untreues trafbarkeit der fraglichen Handlung des Geschäftsführers?
aa) Unrechtshandlung und eigenverantwortliche Selbstschädigung Im Gegensatz zum Rechtsgutsinhaber selbst sind dem Organ des Rechtsgutsinhabers Willensbildung und -Vollzug in Bezug auf das Rechtsgut durch Zweck und Interessen der juristischen Person vorgegeben. Die Aufgabenteilung zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern besteht im Grundsatz darin, dass die Gesellschafter Willensbildungsorgan, die Geschäftsführer dagegen Leitungsund Vertretungsorgan sind. 421 K. Schmidt bezeichnet die Zuständigkeit der Gesellschaftergesamtheit als „Erstzuständigkeit". Denn auch wo die Geschäftsführer zuständig seien, unterlägen sie doch den Weisungen und der Kontrolle der jederzeit beschlussfähigen Gesellschafter. 422 Daraus folgt die Möglichkeit des Geschäftsführers, durch zweck- bzw. interessenwidrige Verfügungen täterschaftliches Unrecht gegenüber dem Dispositionsobjekt zu begehen. In Betracht kommt hier in erster Linie der Tatbestand des § 266 StGB. Teilweise wird die Meinung vertreten, dass ein und dieselbe Handlung nicht einerseits ein gegen den Vermögensträger gerichtetes Delikt sein und andererseits als „Geschäft" des Vermögensträgers erscheinen könne. Es geht dabei um das Verhältnis von Untreue (§ 266 StGB) und Bankrottdelikten (§§ 283 ff. StGB). Zwischen diesen Tatbeständen besteht insofern Exklusivität, als die Bankrottdelikte ein Handeln des Gemeinschuldners als Vermögensträger verlangen, während die Untreue ein gegen den Vermögensträger gerichtetes Delikt ist. 423 Dieselbe Problematik besteht auch bei der eigenverantwortlichen Selbstschädigung. Auch dort ist ein und dieselbe Handlung des Organs auf der einen Seite daraufhin zu untersuchen, ob sie als Untreue strafbar ist, und auf der anderen Seite daraufhin, ob sie der juristischen Person als eigenverantwortliche Selbstschädigung zugerechnet werden kann. Die Lösung muss am Wesen der zwei Kategorien ansetzen. Erfüllt die Handlung die Voraussetzungen des § 266 StGB, so steht fest, dass sie in Bezug auf das Vermögen der juristischen Person Unrecht ist. Die Wertung „Unrecht" bezieht sich auf das rechtswidrige Verhalten selbst.424 Mit ihr ist der durch die Tat verwirklichte und vom Recht negativ bewertete Unwert gemeint. 425 Dieser Unwert 421 422 423 424 425
K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 45 Rn. 6. K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 46 Rn. 1. Reiß, wistra 1989, 81, 85 (Fn. 34). Welzel, Strafrecht, S. 52; Jescheck/Weigend, AT, S. 233. Sch-Sch-Lenckner, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 51 m. w. N.
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
liegt auch in einem Angriff auf die Personalität des Einzelnen, in einer Minderung seiner wirklichen Freiheit. 426 Unrecht ist also die vom Täter bewusst ins Werk gesetzte Unterdrückung konkretisierter fremder Freiheit. 427 Demgegenüber ist mit dem Begriff „eigenverantwortliche Selbstschädigung" etwas völlig Konträres angesprochen. Selbstverantwortung bedeutet das Vermögen des Menschen zu vernünftiger Selbstbestimmung und damit seine Freiheit. 428 Eine Selbstverletzung als solche ist kein Unrecht gegenüber dem verletzten Gut, sondern Verwirklichung der persönlichen Freiheit des Selbstverletzers. 429 Bei der GmbH ist die Gesamtheit der Gesellschafter Vermögensinhaber. Deren Freiheit ist es, die der Geschäftsführer mit der Untreue verletzt und ihnen müsste die Handlung als Verwirklichung ihrer Freiheit zugerechnet werden können. Nur ein satzungs- oder beschlussgemäßes Handeln oder ein Verhalten, dem die Gesellschaftergesamtheit zugestimmt hätte, hätte man sie vorher befragt, kann als Verwirklichung ihrer Freiheit angesehen werden. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so verletzt der Geschäftsführer die Freiheitsinteressen der Gesellschaftergesamtheit (bzw. der juristischen Person). Dann kann dasselbe Verhalten nicht zugleich Verwirklichung ihrer Freiheit sein.
bb) Untreuestrafbarkeit des Geschäftsführers bei gesellschaftsschädigendem Verhalten Es stellt sich dann nur noch die Frage, ob der Geschäftsführer mit jeder schädigenden Weisung oder jeder unterlassenen Schadensabwendung eine Untreue gegenüber der GmbH begeht. Die für beide Alternativen des § 266 I StGB erforderliche Vermögensbetreuungspflicht 430 erfordert das Bestehen eines Verhältnisses, das seinem Inhalt nach wesentlich durch die Besorgung fremder Vermögensangelegenheiten bestimmt wird. 431 Dass die Stellung als Geschäftsführers ein derartiges Verhältnis mit sich bringt, steht außer Zweifel. 432 Die Organe der 426
Zaczyk , Selbstverantwortung, S. 26, 31. Ein weiteres Element des Unrechts ist der Widerspruch gegen die Allgemeinheit der Norm. 427 Zaczyk , Selbstverantwortung, S. 63. 428 Zaczyk , Selbstverantwortung, S. 22. 429 Vergl Zaczyk , Selbstverantwortung, S. 26. 430 So die h. M., vergl. BGHSt 24, 386, 387; 33, 244, 250; OLG Karlsruhe, NStZ 1991, 239; Weber , in: Arzt/Weber, L H IV, Rn. 179; Tröndle/Fischer , § 266 Rn. la; Lackner/ Kühl , § 266 Rn. 4; SK-Samson/Günther, § 266 Rn. 5; Wessels/Hillenkamp , BT/2, Rn. 750, 752; Ignor/Rixen , wistra 2000, 448, 449; a. A. Sch-Sch-Lenckner/Perron, § 266 Rn. 2 m. w. N. 431 Sch-Sch-Lenckner/Perron, § 266 Rn. 23a; SK-Samson/Günther, § 266 Rn. 27 („Garantenpflicht für fremdes Vermögen"). 432 Vergl. aus der Rspr. etwa BGHSt 13, 315, 318; BGH wistra 1993, 146 f.; BGH, GA 1977, 18, 19; BGH NStZ 1989, 72, 73 m. Anm. Otto, JR 1989, 208; OLG Koblenz, NStZ 1995, 50, 51; OLG Hamm, NStZ 1986, 119 m. Anm. Molketin , NStZ 1987, 369; aus der
IV. Die Problematik bei juristischen Personen
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juristischen Personen sind verpflichtet, einerseits das Unternehmen nicht durch aktives Verhalten zu schädigen und den Vorteil der Gesellschaft zu wahren, andererseits aber auch von dritter Seite drohende Schädigungen zu verhindern. 433 Daher kann jede schädigende Weisung und jede unterlassene Schadensabwendung den Tatbestand der Untreue erfüllen, sofern der Schaden nicht im Unternehmensinteresse liegt. 434 Davon ist in der Regel auszugehen. Die betrügerisch veranlasste Schädigungen als Grundstein eines späteren Gewinns wird eher die Ausnahme sein. 435 c) Schädigende Handlungen im Unternehmensinteresse als eigenverantwortliche Selbstschädigung „ der juristischen Person "
aa) Schädigungen im Unternehmensinteresse als verbleibende Fallgruppe Die Organe der juristischen Personen sind verpflichtet, einerseits das Unternehmen nicht durch aktives Verhalten zu schädigen und den Vorteil der Gesellschaft zu wahren, andererseits aber auch von dritter Seite drohende Schädigungen zu verhindern. 436 Allerdings muss im Hinblick auf Art. 103 II GG bei der Bestimmung der Treupflichtverletzung jedes wirtschaftlich irgendwie sinnvolle oder vertretbare Ziel einer vermögensmindernden Maßnahme als legitim und damit nicht pflichtwidrig hingenommen werden. Entscheidend ist damit, ob ein unternehmensfremdes Ziel verfolgt wird oder ein Handeln innerhalb des Unternehmensinteresses vorliegt. 437 Für die Entscheidung, was im Unternehmensinteresse liegt, hat der Geschäftsführer einen weiten Ermessensspielraum. 438 Seitens der Gerichte besteht insofern nur eine eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeit, da hier die unternehmerische Handlungsfreiheit betroffen ist. Zu fragen ist, ob die vordergründig schädigende Handlung im Endergebnis eher Schaden vom Treugeber abwendet oder ihm anderweitige Vermögensvorteile einbringt. 439
Literatur Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rn. 771; Bockelmann, BT/1, S. 141 f.; SK-Samson/ Günther, § 266 Rn. 27 ff., 32 m. w. N. Tröndle/Fischer, § 266 Rn. 8 f.; Lackner/Kühl, § 266 Rn. 9; Sch-Sch-Lenckner/Perron, § 266 Rn. 25 m. w. N.; Heinitz, H. Mayer-FS, S. 433, 436 f. Dasselbe gilt für den Vorstands einer AG oder eines Vereins. 433 Vergl. Molketin, NStZ 1987, 369; für die AG: Hopt, in: AktG, § 93 Rn. 72, 80 m. w. N.; K Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 II 4. 434 Siehe dazu unten 3. Kap. IV 3 c. 435 Vergl. zu solchen Konstellationen Taschke, Lüderssen-FS, S. 663, 670 f. 436 Siehe bereits oben 3. Kap. IV 3 b bb. 437 Tiedemann, Tröndle-FS, S. 319, 328 f. 438 Ähnlich Molketin, NStZ 1987, 369; vergl. für die AG Ingnor/Rixen, wistra 2000, 448, 450 m. w. N.; Hopt, in: AktG, § 93 Rn. 81. 439 Ingnor/Rixen, wistra 2000, 448, 450; Kapp, NJW 1992, 2796, 2797 m. w. N.
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3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
Solche Fälle sind in der Unternehmenspraxis recht zahlreich. 440 Auch Betrugsfälle, also „von außen" erfolgende Angriffe auf die juristische Person, lassen sich mit den entsprechenden Merkmalen durchaus realistisch bilden. Man kann sich etwa den Fall eines Fußballvereins vorstellen, der auf die ehrenamtliche Tätigkeit seiner Mitglieder angewiesen ist. Schreitet der Vorstand hier gegen Täuschungshandlungen eines solchermaßen tätigen Mitglieds ein, und beendet das Mitglied daraufhin seine Tätigkeit, so kann dies finanzielle Mehraufwendungen des Vereins erforderlich machen, etwa wenn der Verein hauptamtliche Mitarbeiter einstellen müsste. Damit wären zweifellos höhere Kosten verbunden, die den Betrugsschaden bei weitem übersteigen können. In diesen Fällen kann man die unterlassene Schadens Verhinderung des Vereins Vorstands - entsprechendes gilt für den Geschäftsführer einer GmbH und andere Organe, für die sich solche Fälle ebenfalls bilden lassen - nicht als Untreue gegenüber der juristischen Person auffassen. Hier wird durch die Inkaufnahme eines geringeren Übels einen größeres vom Verein abwendet.441 Da die Handlung des Geschäftsleitungsorgans in diesen Fällen kein Unrecht gegenüber der juristischen Person darstellt, erscheint es insoweit möglich, sie „der juristischen Person" als eigenverantwortliche Selbstschädigung zuzurechnen. Dem ist im Folgenden nachzugehen. bb) Behandlung dieser Fallgruppe in Anlehnung an die Voraussetzungen der wirksamen Stellvertretung bei der Einwilligung Zu klären ist, ob das Handeln des Geschäftsleitungsorgans einer juristischen Person als eigenverantwortliche Selbstschädigung zugerechnet werden kann, wenn die schädigende Vermögensverfügung im Interesse des Unternehmens liegt. Diese Frage ist soweit ersichtlich bisher noch nicht thematisiert worden. Zur ihrer Beantwortung soll von folgender These ausgegangen werden: Wenn dem gesetzlichen Vertrter eine pflichtwidrige Einwilligung in Rechtsgutsverletzungen verwehrt , d. h. die entsprchende Einwilligung unwirksam ist , kann sein Handeln unter denselben Voraussetzungen „der juristischen Person " auch nicht aiseigenverantwortliche Selbstschädigung zugerechnet werden. In der Einwilligungslehre ist anerkannt, dass in den Fällen, in denen dem Rechtsgutsinhaber die erforderliche Einsichtsfähigkeit fehlt, der gesetzliche 440 Diskutiert werden in diesem Zusammenhang die Zusage des Aufsichtsrats einer AG, die Zahlung von gegen die Vorstandsmitglieder verhängten Geldauflagen zu übernehmen (Ingnor/Rixen, wistra 2000, 448 ff.), die Begehung von Straftaten im Interesse des Unternehmens, die Sanktionen gegen das Unternehmen nach sich ziehen (Taschke , Lüderssen-FS, S. 663 ff.) sowie generell die Untreue bei Interessenkonflikten (Tiedemann , Tröndle-FS, S. 319 ff., insbesondere S. 330 ff.). 441 Vergl. Taschke , Lüderssen-FS, S. 663, 670; Ignor/Rixen , wistra 2000, 448, 452; Kapp , NJW 1992, 2796, 2797.
IV. Die Problematik bei juristischen Personen
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Vertreter die Einwilligung in dem durch das Gesetz und die Pflicht zur Vermögenssorge gesteckten Rahmen für ihn erteilen kann. 442 Vor allem im Hinblick auf Vermögenswerte ist auch eine gewillkürte Stellvertretung bei der Einwilligung prinzipiell möglich. 443 Überschreitet oder missbraucht der gesetzliche Vertreter seine Befugnisse, was auch bei einem entgegenstehenden Willen des Vertretenen der Fall sein kann, so ist die Einwilligung unwirksam. 444 Akut geworden sind diese Fragen bisher in erster Linie bei der Vertretung von Kindern und Minderjährigen durch ihre Erziehungsberechtigten. Dasselbe Problem stellt sich aber auch bei juristischen Personen. 445 Obige These beinhaltet die Aussage, dass die Zurechnung einer Handlung als eigenverantwortliche Selbstschädigung denselben Voraussetzungen unterliegt, die auch für die Wirksamkeit einer in Stellvertretung erklärten Einwilligung gelten. Diese Aussage ist plausibel, wenn Einwilligung und eigenverantwortliche Selbstschädigung dasselbe materielle Problem betreffen und dieselben normativen Grundlagen haben. Das Wesen der Einwilligung, der Grund ihrer (tatbestandsausschließenden oder rechtfertigenden 446) Wirkung ist umstritten. Die herrschende Meinung sieht in der Einwilligung den Verzicht auf Rechtsschutz.447 Nach dem hier vertretenen RechtsgutsbegrifF 48 folgt die Wirkung der Einwilligung unmittelbar aus der in Art. 2 I GG verfassungsrechtlich garantierten Handlungsfreiheit, deren Ausübung durch den Einwilligenden die gleichzeitige Verletzung eines ihm zustehenden Rechtsguts und damit eine Tatbestandserfüllung unmög442 Roxin, AT I, § 13 Rn. 61; LK-Hirsch, Vor § 32 Rn. 117; Jescheck/Weigend, AT, S. 382; Lenckner, ZStW 72 (1960), 446,458 ff.; aus der Rspr. z. B. BGHSt 12, 379, 382. 443 Roxin, AT I, § 13 Rn. 63; Sch-Sch-Lenckner, Vorbem §§ 32 ff. Rn. 35, 41; LKHirsch, Vor § 32 Rn. 117; Schmidhäuser, AT, 8/143; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 102; Noll, Uebergesetzliche Rechtfertigungsgründe, S. 124 ff.; Kientzy, Einwilligung, S. 111 ff. 444 Lenckner, ZStW 72 (1969), 446, 462; vergl. auch Kuhlmann, Einwilligung, S. 209 f f ; Sch-Sch-Lenckner, Vorbem §§ 32 ff. Rn. 41. Zu einer dem Zivilrecht entsprechende Unterscheidung zwischen dem rechtlichen Einwilligenkönnen im Außenverhältnis und dem rechtlichen Einwilligendürfen im Innenverhältnis besteht keine Veranlassung; a. A. Eisele, Wissenszurechnung, III 3 b („innerhalb der ihm nach außen eingeräumten Befugnisse"). Eine Einwilligung, die nicht den rechtsgutsbezogenen Dispositionswillen des Rechtsgutsinhabers vollzieht, ist auch im Außenverhältnis zum Täter unwirksam. Vertraut der Täter aber auf ihre Wirksamkeit, d. h. darauf, dass die Einwilligung inhaltlich dem Willen des Rechtsgutsinhabers entspricht, so handelt er im Erlaubnistatbestandsirrtum. A u f diese Weise kann auch im Strafrecht Vertrauensschutz bewirkt werden, vergl. SchSch-Lenckner, Vorbem §§32 ff. Rn. 50. 445 So auch Sch-Sch -Lenckner, Vorbem §§ 32 ff. Rn. 35. 446 A u f diesen Streitpunkt muss hier nicht weiter eingegangen werden. Vergl. dazu instruktiv Roxin, AT I, § 13 Rn. 2 ff. 447 LK-Hirsch, Vor § 32 Rn. 104 m. w. N.; Sch-Sch-Lenckner, Vorbem §§ 32 ff. Rn. 33 f. 448 Siehe bereits oben 3. Kapitel, III 2 a. 449 Vergl. Roxin, AT I, § 13 Rn. 14 m. w. N.
104
3. Kapitel: Eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers
lieh macht. 449 Durch die Einwilligung verliert die Täterhandlung ihren rechtsgutsverletzenden Charakter und wird zur Unterstützung bei der Organisation des Rechtsguts.450 Die rechtlich anerkannte Möglichkeit, anderen die Verletzung eigener Rechtsgüter zu gestatten, ist damit Ausfluss der persönlichen Freiheit in Bezug auf die Organisation eigener Rechtsgüter, mithin des Selbstbestimmungsrechts. 451 Dies erkennt auch die herrschende Meinung an. 452 Das Wesen der eigenverantwortlichen Selbstschädigung ist die verantwortliche Selbstorganisation der eigenen Rechtsgüter. Das strafrechtliche Selbstverantwortungsprinzip ist ein Unterfall des allgemeinen personalen Verantwortungsprinzips. 453 Die Selbstschädigung ist die unmittelbare und eigentätige Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG. Das Individuum verwirklicht mit der Selbstverletzung seine persönlichen Freiheit. 454 Eigenverantwortliche Selbstschädigung und Einwilligung stellen wegen dieser Übereinstimmungen nur zwei dogmatische Ausformungen des allgemeinen personalen Verantwortungsprinzips dar. Beide Institute betreffen dasselbe materielle Problem und wurzeln in denselben normativen Grundlagen. Dieser Bezug zwischen Eigenverantwortlichkeitsprinzip und Einwilligungsdogmatik wurde in der Literatur bereits betont. 455 Die erkannte Übereinstimmung in den Grundlagen und der Zielrichtung von Einwilligung und eigenverantwortlicher Selbstschädigung gebieten es, beide hinsichtlich ihrer Wirksamkeitsvoraussetzungen gleich zu behandeln.456 Dabei stellt sich die Frage der Wirksamkeitsvoraussetzungen selbstverständlich nur dort, wo es um die Zurechnung der Handlung eines Dritten als eigenverantwortliche Selbstschädigung des Rechtsgutsinhabers geht. Bei der Selbstverletzung der natürlichen Person stellt sich die Wirksamkeitsfrage nicht; insofern reicht die Freiverantwortlichkeit des Selbstschädigungsentschlusses. d) Ergebnis; Konkretisierung der Voraussetzungen , unter denen die schädigende Handlung eines Geschäftsführers „ der juristischen Person " als eigenverantwortliche Selbstschädigung zurechenbar ist Als Ergebnis lässt sich festhalten: Wenn dem gesetzlichen Vertreter eine Einwilligung in Rechtsgutsverletzungen verwehrt, d. h. die entsprechende Ein450
Vergl. Roxin, AT I, § 13 Rn. 13. Göbel, Einwilligung, S. 21 ff., 23, 99 f. 452 Vergl. Sch-Sch-Lenckner, Vorbem §§ 32 ff. Rn. 33. 453 Walther , Eigenverantwortlichkeit, S. 80. Vergl. aber auch die Kritik von Zaczyk , Selbstverantwortung, S. 10 f., der eine unmittelbare Ableitung aus dem Grundgesetz ablehnt. 454 Zum Eigenverantwortlichkeitsprinzip siehe bereits 2. Kapitel, I I 1. 455 y e r g i e t w a Walther , Eigenverantwortlichkeit, S. 83; Göbel, Einwilligung, S. 99 f. 456 So schon Göbel, Einwilligung, S. 100. 451
IV. Die Problematik bei juristischen Personen
105
willigung unwirksam ist, kann sein Handeln unter denselben Voraussetzungen „der juristischen Person" auch nicht als eigenverantwortliche Selbstschädigung zugerechnet werden. Wie gesehen ist die Einwilligung in die Rechtsgutsverletzung unwirksam, wenn der Vertreter seine Befugnisse überschreitet oder missbraucht. Das Strafrecht selbst gibt keine Befugnisordnung vor. Anzusetzen ist hier also an den zivilrechtlich vorgegeben Befugnissen. Nach den bisherigen Ergebnissen steht fest, dass die betrügerische Schädigung jedenfalls im Interesse der Gesellschaft liegen muss.457 Da die im Innenverhältnis gegebenen Befugnisse des Geschäftsführers der Regelung durch die jeweilige Satzung unterliegen, lassen sich hierzu keine generellen Aussagen machen. Eine Überschreitung der Befugnisse wird aber anzunehmen sein, wenn das Handeln des Geschäftsführers zu einer außergewöhnlich großen Schädigung fuhrt, mag diese auch im zukünftigen Unternehmensinteresse liegen. Da sich die zukünftige Entwicklung nie mit voller Gewissheit voraussagen lässt, ist eine solche Prognose immer mit Risiken behaftet. In der gesellschaftsrechtlichen Literatur herrscht die Meinung vor, dass der Geschäftsführer bei ungewöhnlichen Maßnahmen die Entscheidung der Gesellschaftergesamtheit einzuholen hat. 458 Der Gesellschaftergesamtheit vorgelegt werden müssen Entscheidungen, bei denen mit Widerspruch der Gesellschafter zu rechnen wäre, wenn sie davon Kenntnis hätten.459 Dementsprechend ist die Inkaufnahme eines im Unternehmensinteresse liegenden außergewöhnlich großen Schadens als Überschreitung der Befugnisse des Geschäftsführers anzusehen. Solches Handeln kann daher „der juristischen Person" nicht als eigenverantwortliche Selbstschädigung zugerechnet werden.
457 Dieses Handeln im Interesse der Gesellschaft und im Rahmen der Befugnisse rechtfertigt zugleich den Geschäftsführer, für den ein Untreuevorwurf im Raum steht. Es liegt eine (zumindest mutmaßliche) Einwilligung der Gesellschaftergesamtheit als Vermögensträger vor. Das Handeln des Geschäftsführers verwirklicht daher kein Unrecht gegenüber des Gesellschaft. Wäre es anders, so könnte dieselbe Handlung nicht als eigenverantwortliche Selbstschädigung der Gesellschaft angesehen werden. Näher zur mutmaßlichen Einwilligung Roxin, AT I, § 18 Rn. 3 ff., insbesondere Rn. 20: Bei sachgebundenen Entscheidungen kann sich auf mutmaßliche Einwilligung berufen, wer dem bei objektiver Abwägung eindeutig überwiegenden Interesse des Rechtsgutsträgers Rechnung trägt, es sei denn, dass der Handelnde von Umständen Kenntnis hat, die für eine entgegengesetzte Meinung des Rechtsgutsträgers sprechen. 458 Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 37 Rn. 12 ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 10 f. Die Frage ist im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum umstritten, vergl. die Nachweise bei Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 6a, dort auch zur praktischen Bedeutung der Meinungsdifferenzen. 459 Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §37 Rn. 6d; BGH NJW 1984, 1461, 1462.
4. Kapitel
„Zurechnung des Wissens" von Wissensvertretern (Hilfspersonen)? I. Einleitung und Problemstellung; Gang der Untersuchung Im Folgenden geht es um die Frage, ob die objektive Zurechnung des Betrugsschadens zum Täter unter dem Gesichtspunkt der Eigenverantwortlichkeit des Rechtsgutsinhabers auch in den Fällen entfallen kann, in denen das irrtumsausschließende Wissen bei einem in der zivilrechtlichen Terminologie sogenannten Wissensvertreter 460 vorliegt. Es handelt sich dabei um die Fallgruppe, die Tiedemann unter Anwendung der zivilrechtlichen Wissenszurechnungsvorschriften entscheiden möchte. 461 Die „Zurechnung" des Wissens von Wissensvertretern lässt sich nicht wie das Wissen des Rechtsgutsinhabers mit der Figur der eigenverantwortliche Selbstschädigung in den Griff bekommen. Während es in den im 3. Kapitel behandelten Fällen die eigene Handlung des Rechtsgutsinhabers oder seines Repräsentanten war, die den Erfolg in den Verantwortungsbereich des ersteren verwies, muss man sich hier von der Figur der eigenverantwortliche Selbstschädigung lösen. Die Handlung des Rechtsgutsinhabers ist unfrei (irrtumsbedingt) und kann seine Verantwortung für den Schaden nicht begründen. Es geht nicht um eine mit der bewussten Herbeiführung des Erfolgs durch eigenes Handeln gleichsam faktisch begründete Eigenverantwortlichkeit, sondern - normativierend - um die Begründung einer Zuständigkeit für fremdes Wissen. Es ist zu fragen, ob die Gefahr des Versagens seiner Hilfspersonen in den Zuständigkeitsbereich des Rechtsgutsinhabers fällt. Zudem gilt es, die Fälle der Täuschung durch aktives Tun und der Täuschung durch Unterlassen auseinander zu halten. Die Tatbestandsmäßigkeit einer Täuschung durch Unterlassen setzt gemäß § 13 I StGB eine Aufklärungspflicht (Garantenstellung) voraus. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, die Wissenszurechnung als zivilrechtliche Vorfrage zu thematisieren. Die weitere Untersuchung gliedert sich dem gemäß in zwei Abschnitte. Im ersten Abschnitt (II.) ist die Konstellation der Täuschung durch aktives Tun zu untersuchen. Dabei stellt sich zunächst die grundsätzliche Frage, ob es möglich 460 461
Richardis AcP 169 (1969), 385, 386 m. w. N.; Buch, Wissen, S. 155 ff. Siehe LK-Tiedemann, § 263 Rn. 82.
II. Fälle der Täuschung durch
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ist, die Verantwortungszuweisung auf Opferseite an das Handeln von Hilfspersonen des Rechtsgutsinhabers zu knüpfen. Sodann ist auf die mögliche Legitimation einer solchen Verantwortungszuweisung einzugehen. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Wertungsgrundlagen, die der Wissenszurechnung im Zivilrecht zugrunde liegen, auf ihre strafrechtliche Gültigkeit hin zu untersuchen. Des weiteren ist die Verantwortungszuweisung dahingehend zu beleuchten, ob sich das Ergebnis wertungsmäßig in den strafrechtlichen Gesamtzusammenhang einfugt. Die grundlegenden Ausfuhrungen dieses Abschnitts gelten auch für den zweiten Abschnitt. Im diesem zweiten Abschnitt (III.) ist die Konstellation der Täuschung durch Unterlassen zu erörtern. Die Zweiteilung ist geboten, weil sich die Frage der Wissenszurechnung bei dieser Konstellation in anderem Zusammenhang stellt. Es ist zu untersuchen, ob sich die Aufklärung der Hilfsperson (des Wissensvertreters) als ausreichende „Erfüllung" der Aufklärungspflicht darstellt. Sollte dies der Fall sein, so wäre der Täter in dem für seine Betrugsstrafbarkeit relevanten Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht (mehr) Garant im Sinne des § 13 I StGB.
II. Fälle der Täuschung durch aktives Tun Bei den Fällen der Täuschung durch aktives Tun kommt es nicht darauf an, ob der Täter bereits die Hilfsperson aktiv täuscht oder erst den Rechtsgutsinhaber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Durchschauen weder der Rechtsgutsinhaber noch seine Hilfsperson die Täuschung, so liegt vollendeter Betrug vor. Problematisch ist die Konstellation, dass der Rechtsgutsinhaber sich aufgrund der Täuschung irrt, seine Hilfsperson jedoch nicht. Hierzu ein Beispiel aus der neueren Rechtsprechung: T gibt gegenüber dem Versicherungsagenten seiner Versicherung eine Schadensanzeige ab, in der er wahrheitswidrig Angaben über einen Verkehrsunfall macht. Die geschädigte Versicherung leistet irrtumsbedingt. Dar Versicherungsagent als Hilfsperson der Versicherung besaß jedoch Kenntnis von den wahren Umständen.462 Da es sich um eine Täuschung durch aktives Tun handelt, kann die Wissenszurechnung hier nicht als zivilrechtliche Vorfrage behandelt werden. Beim aktiven Tun kommt es nicht auf das Bestehen einer Aufklärungspflicht an, die aufgrund der Wissenszurechnung „erlöschen" könnte. Das Wissen der Hilfsperson muss hier auf spezifisch strafrechtliche Weise erfasst werden - mittels der Lehre von den Verantwortungsbereichen. 463
462
Beispiel nach BayObLG wistra 2001,473 (= NStZ 2002, 91 f.)(leicht abgewandelt). So im Ansatz bereits Rengier, Roxin-FS (2002), S. 811, 823 f.; siehe dazu auch 1. Kapitel, IV. 463
108
4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissensertretern (Hilfspersonen)?
1. Grundsätzliche Anerkennung eines erweiterten Verantwortungsbereichs des Rechtsgutsinhabers Als erstes ist die Frage zu klären, ob die Zuweisung von Eigenverantwortung an die eigene Handlung des Rechtsgutsinhabers gebunden ist oder ob man den Blick nicht auch auf weitere Umstände im Verantwortungsbereich des Rechtsgutsinhabers richten kann. Wie einleitend bereits dargelegt, erfasst die Lehre mittels des Eigenverantwortlichkeitsprinzips die eigentätige Selbstverletzung des Rechtsgutsträgers. Auch die den Rechtsgutsträger verletzende Handlung eines Organs einer juristischen Person lässt sich wie gezeigt mit dem Eigenverantwortlichkeitsprinzip erfassen. Hier geht es dagegen um eine normative Erweiterung des Eigenverantwortlichkeitsprinzips. Dafür ist zunächst zu klären, ob ein solcher von der unmittelbar selbstverletzenden „Opferhandlung" gelöster Verantwortungsbereich überhaupt denkbar ist. a) Bestandsaufnahme zur Lehre von den Verantwortungsbereichen Ausgangspunkt aller Überlegungen muss die Frage sein, was genau mit dem Begriff „Verantwortungsbereich" bezeichnet wird. Die strafrechtliche Literatur gibt hierauf keine eindeutige Antwort. 464 Roxin sieht die „Zuordnung zum fremden Verantwortungsbereich" zwar als eigenständigen Unterfall der Reichweite des Tatbestandes (Schutzzweck der Strafnorm) an. 465 Unklar bleibt dabei allerdings, wie dieser Verantwortungsbereich konstituiert wird. Deutlich wird nur, dass sowohl rationes leges anderer Strafnormen als auch Wertungen aus anderen Rechtsgebieten die strafrechtlichen Verantwortungszuweisung beeinflussen. 466 Allerdings wird die Verantwortungszuweisung nur unter dem Handlungsaspekt diskutiert. In den einschlägigen Beispielen ist es immer ein den Erfolg unmittelbar herbeiführendes Tun oder ein den Erfolg nicht abwendendes Unterlassen, welches die Verantwortungszuweisung trägt. 467 Dabei sind zwei Konstellationen zu unterscheiden. Zum einen Fallgestaltungen, die nach dem Muster Täterhandlung - Dritthandlung - Opferverletzung aufgebaut sind. Hier geht es um die Frage, wem die Verletzung des Opfers zuzurechnen ist, dem Ersthandelnden oder dem Dritthandelnden und mithin um die Frage, welche dieser Personen
464
112. 465
Vergl. Sch-Sch-Lenckner, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 100 m. w. N.; Roxin , AT I, § 11 Rn.
Vergl. Roxin, AT I, § 11 Rn. 90, 111 ff. m. w. N. Vergl. Roxin, AT I, § 11 Rn. 111 ff., insb. 112; U. Weber, Spendel-FS, S. 371, 374 f., 378; Pawlik, Betrug, S. 162. Nach Roxin steht den Trägern bestimmter Berufsgruppen ein Kompetenzbereich zu, der sie für die Schadensvermeidung in einer Weise zuständig mache, dass Außenstehende (als auch der Täter) ihnen nicht hineinzureden hätten. 467 Vergl. Roxin, AT I, § 11 Rn. 111 ff.; U. Weber, Spendel-FS, S. 371, 374 f. 466
II. Fälle der Täuschung durch
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109
als Täter der jeweiligen Straftat in Betracht kommt. Für diese erste Konstellation ist die Anknüpfung an Handlungen zwingend. Denn um täterschaftliche Verantwortung zu begründen, muss eine Handlung des Zurechnungsadressaten gegeben sein. 468 Zweifelhaft ist aber, ob dies auch für die zweite Konstellation gilt, die nach dem Muster Täterhandlung - Opferhandlung - Opferverletzung aufgebaut ist. Bei dieser Fallgruppe geht es um die Verweisung des Taterfolgs in den Verantwortungsbereich des Verletzten. Auch diese wird bisher nur unter dem Handlungsaspekt diskutiert. 469 b) Nicht-handlungsgebundene
Verantwortungszuweisung
auf Opferseite
aa) Grundlegende Überlegungen Insbesondere die Ausführungen Roxins zeigen, dass die Lehre von den Verantwortungsbereichen ein gewisses Erweiterungspotential in sich birgt. Die Verantwortung des Vermögensinhabers für den Erfolg ist beim Betrug grundsätzlich auch dann denkbar, wenn nicht bei ihm selbst, sondern bei einer in seinem Machtbereich tätigen Hilfsperson die eigenverantwortlichkeitsbegründenden Umstände vorliegen. Für die Betrachtung der Opferseite kann man den Gedanken formulieren: Wer seinen Machtbereich (Selbstschutzbereich) arbeitsteilig erweitert, der erweitert seinen Verantwortungsbereich in dem Sinne, dass er auch den von Hilfspersonen unterlassenen Selbstschutz wie eigenes Unterlassen zu verantworten hat. 470 Diese Methodik der Verantwortungszuweisung auf Opferseite lässt sich folgendermaßen begründen: Das Strafrecht betrachtet die Handlung des Täters. 471 Es interessiert sich allein dafür, ob der vom Täter verursachte Erfolg von ihm auch normativ zu verantworten ist (objektive und subjektive Zurechnung). Die Fixierung auf die Täterhandlung wird bereits vom Schuldprinzip vorgegeben. Die erfolgskausale Handlung ist auf ihre Schuldhaftigkeit, d. h. auf ihre persönli-
468 Zur Handlung als erster Stufe der strafrechtlichen Folgenzurechnung vergl. Jakobs, AT, 6/1 f f ; Koriath, Zurechnung, S. 330 ff. 469 Vergl. Roxin, AT I, § 11 Rn. 118. 470 Ähnlich argumentiert man im Zivilrecht: Mit der Erweiterung des eigenen wirtschaftlichen Wirkungskreises gehe auch eine entsprechend umfangreichere Verantwortungs- und Haftungslast einher, weil der Gehilfe eine Aufgabe übernehme, die seinem Geschäftsherrn im Verhältnis zum Gläubiger selbst obliege, vergl. BGHZ 62, 119, 124; Hoffmann, JR 1969, 372, 374; Lüderitz, NJW 1975, 1, 4. Allerdings obliegt dem Verletzten im Strafrecht keine Schutzaufgabe gegenüber dem Täter. 471 Sch-Sch-Lenckner, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 105/106, 3; vergl. auch Roxin, AT I, § 8 Rn. 1 ff.
110
4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissensertretern (Hilfspersonen)?
che Vorwerfbarkeit hin zu untersuchen. 472 Es ist nicht vorstellbar, beispielsweise das Unterlassen eines Dritten einem anderen persönlich vorzuwerfen und ihn zu bestrafen, ohne dass er eine Bedingung für den Erfolg gesetzt hat. Schon deshalb ist es unmöglich, die im Rahmen der objektiven Zurechnung zu bestimmende objektive Verantwortung für einen Erfolg von einer Handlung des Täters zu lösen. Auf Täterseite muss das Strafrecht also die Verantwortungsbeurteilung an eine eigene Handlung des Täters knüpfen. Die Beurteilung der objektiven Verantwortung des Täters kann dabei von bestimmten Handlungen des Verletzten beeinflusst werden. Diese Handlungen können - wie oben gesehen - die Eigenverantwortung des Rechtsgutsinhabers für den Erfolg (Schaden) begründen. Doch wird der Blickwinkel auf Opferseite nicht vom Schuldprinzip eingeengt. Eine eigene Handlung des Verletzten ist daher nicht denknotwendig der einzige Umstand, der auf die Verantwortungszuweisung (an den Verletzten) Einfluss gewinnen kann. Es ist vielmehr ebenso denkbar, den Bereich der eigenen Herrschaftssphäre des Rechtsgutsinhabers mit in die Verantwortungsbegründung einzustellen und ihm für das Verhalten von Hilfspersonen (Eigen-)Verantwortung zuzuweisen. Auch die Ausführungen Pawliks deuten daraufhin, dass es nicht ausschließlich Handlungen des Verletzten sind, die dessen Verantwortung begründen können. Im Rahmen des Betrugstatbestandes kann sich die Eigenverantwortlichkeit des Opfers nach seiner Ansicht auch aus zivilrechtlichen Vorwertungen ergeben. 473 Das Privatrecht kennt neben der Verantwortung für eigenes Verhalten auch die Verantwortung für den eigenen Geschäftskreis. 474 Insbesondere der kaufmännische Betrieb mit seinen spezifischen Organisationsrisiken lässt sich hiermit erfassen. Dem Betriebsinhaber die Risiken seines Bereich zuzurechen ist dadurch gerechtfertigt, dass er die Möglichkeit der Auswahl und der Überwachung hat und die Gefahr abstrakt beherrscht. 475 Jedenfalls das Privatrecht trifft also die Wertung, dass der wirtschaftliche Machtbereich grundsätzlich ein Verantwortungsbereich seines Inhabers ist. Es wird zu untersuchen sein, ob sich auch für strafrechtliche Zusammenhänge Wertungsgründe finden lassen, die eine solche Verantwortungsverteilung rechtfertigen. bb) Weitere Überlegungen bezüglich juristischer Personen Fraglich ist zunächst, ob auch juristische Personen einen eigenen Verantwortungsbereich haben können. Für die Anerkennung eines Verantwortungsbereichs
472 Vergl. Maurach/Zipf AT 1, § 30 Rn. 1; Sch-Sch-Lenckner, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 103/104; BGHSt 2, 194, 200; 10, 259, 262; BVerfGE 9, 167, 169; 20, 325, 331 („Rang eines Verfassungsrechtssatzes"); 23, 127, 132; 28, 386, 391. 473 Vergl. Pawlik, Betrug, S. 160 ff. 474 Vergl. Canaris , Vertrauenshaftung, S. 70, 468, S. 479 ff. 475 Vergl. Canaris , Vertrauenshaftung, S. 487.
II. Fälle der Täuschung durch
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111
juristischer Personen spricht, dass dann, wenn sich juristische Personen wie natürliche Personen am Rechtsverkehr beteiligen, sie auch grundsätzlich gleich behandelt werden müssen wie diese; dies besagt das im Zivilrecht häufig herangezogene Gleichstellungsargument. Und auch aus strafrechtlicher Perspektive ist es nicht angängig, bei Taten gegenüber einer juristischen Person einzelne Voraussetzungen der Tatbestandsmäßigkeit außer Acht zu lassen. Für einen solchen Bereich der Opferselbstverantwortung juristischer Personen spricht überdies auch ein argumentum a fortiori. Wenn selbst eine Verantwortlichkeit juristischer Personen als Sanktionsadressaten des Strafrechts in § 75 StGB gesetzlich vorgesehen ist 476 , dann gibt es auch einen Bereich eigener Verantwortung der juristischen Person als Tatopfer. Daher kann auch bei Taten gegenüber juristischen Personen die objektive Zurechnung des Taterfolgs daran scheitern, dass dieser Erfolg in den eigenen Verantwortungsbereich der juristischen Person fällt. Fraglich ist dann, wie dieser konstituiert wird. Wie bereits ausgeführt, begründet ein Handeln der Organe, das im Unternehmensinteresse liegt, eine Verantwortung des geschädigten Unternehmens für die Handlungsfolgen (eigenverantwortliche Selbstschädigung der juristischen Person). Das Handeln der Organe verkörpert insoweit eigenes Handeln der nicht im natürlichen Sinne handlungsfähigen juristischen Person und war dem gemäß im 3. Kapitel zu erörtern. Der erweiterte Verantwortungsbereich der GmbH kann sich nicht auf alle irgendwie für die Gesellschaft tätigen Personen erstrecken, sondern nur auf solche Personen, die in einer bestimmten Beziehung zum Vermögen der Gesellschaft stehen.477 cc) Ergebnis Als Ergebnis ist festzuhalten: Es ist grundsätzlich denkbar, dem verletzten Rechtsgutsinhaber aufgrund des Verhaltens der in seinem Verantwortungsbereich für ihn tätigen organschaftlichen Repräsentanten oder sonstigen Hilfspersonen eigene Verantwortung für den Taterfolg (Schaden) zuzuweisen.
2. Eigenverantwortlichkeit des Rechtsgutsinhabers aufgrund des Handelns von Hilfspersonen? Bisher ist klar geworden, dass es grundsätzlich denkbar ist, dem Rechtsgutsträger Eigenverantwortung auch aufgrund des Verhaltens seiner Hilfspersonen zuzuweisen. Damit ist aber nur gesagt, dass die Verantwortungszuweisung auf Opferseite nicht an die eigene Handlung des Verletzten gebunden ist. Ob es tat476 Vergl. dazu Sch-Sch-Eser, § 75 Rn. 1; LK-Schmidt, § 75 Rn. 3; SK-Horn, § 75 Rn. 2; NK-Herzog, § 75 Rn. 1. 477 Siehe dazu unten 4. Kap. II 2 a bb.
112
4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissensertretern (Hilfspersonen)?
sächlich Wertungsgründe gibt, die es legitimieren, ihm auch dann die Verantwortung zuweisen, wenn er selbst unfrei gehandelt hat, muss noch untersucht werden. Dafür sind erstens die Anforderungen herauszuarbeiten, die an die Stellung der Hilfsperson zu richten sind. Zweitens ist zu untersuchen, ob die Verantwortungszuweisung sich mit den Grundwertungen (Sinn und Zweck) des Betrugstatbestands vereinbaren lässt. Drittens gilt es zu klären, ob die Wertungsgedanken, welche die Wissenszurechnung und damit die Verantwortungszuweisung im Zivilrecht legitimieren, auch im strafrechtlichen Zusammenhang Legitimationskraft haben.
a) Anforderungen
an die Stellung der Hilfsperson
An erster Stelle muss die Frage stehen, welche Anforderungen an die Stellung der wissenden Hilfsperson zu stellen sind. Dass der Vermögensinhaber nicht das Verhalten aller irgendwie für ihn tätigen Personen zu verantworten haben kann, liegt auf der Hand.
aa) Die zivilrechtlichen Anforderungen an die Stellung der Hilfsperson Nach der zivilrechtlichen Diktion muss die betreffende Hilfsperson „Wissensvertreter" sein. Unter einem Wissensvertreter versteht das Privatrecht eine Person, die vom Geschäftsherrn dazu bestellt ist, rechtserhebliche Tatsachen an seiner Stelle zur Kenntnis zu nehmen.478 Die Figur der Wissensvertretung wird teilweise als selbständiges Zurechnungsprinzip angesehen.479 Allerdings muss der Wissensvertreter kein Stellvertreter im Sinne der §§ 164 f f BGB sein. Die Zurechnung erfolgt unabhängig vom Willen des Geschäftsherrn allein aufgrund der betriebsinternen Organisation. 480 Nach der Rechtsprechung des BGH muss sich - unabhängig von einem VertretungsVerhältnis - derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen.481 In der zivilrechtlichen Literatur wurden verschiedene Voraussetzungen herausgearbeitet, die die betreffende Person erfüllen muss. Diese orientieren sich an den Voraussetzungen des § 164 BGB und sollen daher hier nur als Leitlinie angeführt werden. Die strafrechtliche Betrachtung ist daran nicht zwingend gebunden.
478
Vergl. Buch, Wissen, S. 155 f. m. w. N. So etwa Richardis AcP 169 (1969), 385, 395; ablehnend Schilken , Wissenszurechnung, S. 302. 480 Buch., Wissen, S. 156 m. w. N. 481 BGHZ 83, 293, 296; siehe auch BGH NJW 1992, 1099, 1100; BGH VersR 1985, 735; BGH VersR 1986, 917, 918; BGH VersR 1994, 491; BGH ZIP 1997, 685, 686. 479
II. Fälle der Täuschung durch
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Zunächst muss der Wissensvertreter mit einer Aufgabe betraut sein. 482 Der Geschäftsherr muss dem Wissensvertreter die Überprüfling der den Vorteilsschutz rechtfertigenden Tatsachen überlassen haben. Damit sind zugleich die Grenzen der Zurechnung festgelegt. Die Zurechnung ist begründet durch die mit der Betrauung eines Dritten mit der Wahrnehmung von Geschäften einhergehende Verlagerung des gebotenen Selbstschutzes. Wesentlich ist, dass der betreffende Sachbearbeiter mit der Vorbereitung oder Abwicklung des Rechtsgeschäfts so betraut ist, dass ihm dabei die Überprüfung rechtlich bedeutsamer Umstände zufällt. 483 Jenseits der eingeräumten Befugnisse findet keine Wissenszurechnung statt. 484 Des weiteren erfordert die zivilrechtliche Wissensvertreterstellung eine selbständige Entscheidungsgewalt der betreffenden Person. Die Hilfsperson muss eine gewisse Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit in Bezug auf den übertragenen Bereich haben, ihr darf nicht nur eine völlig untergeordnete Rolle zukommen. Der Geschäftsherr muss sich ihr wie eines Vertreters bedienen, was auch der Fall sein kann, wenn jemand bei der Vorbereitung des Rechtsgeschäfts eingesetzt wird oder bei Vorverhandlungen in Erscheinung tritt. 485 Allerdings wird das Kriterium der Eigenverantwortlichkeit von der zivilrechtlichen Literatur nicht allzu streng gehandhabt. Entscheidend ist lediglich, dass die Möglichkeit der Kenntniserlangung auf die Hilfsperson verlagert ist. 486 Auf einen Außenkontakt des Wissensvertreters kommt es nach überwiegender Meinung nicht an. 487 bb) Beurteilung der Anforderungen aus strafrechtlicher Sicht Die Voraussetzungen allein an der zivilrechtlichen Dogmatik auszurichten, ist aus strafrechtlicher Sicht nicht möglich. Es kann hier nicht primär um die Frage gehen, wie sehr die Stellung eines Wissensvertreters derjenigen eines Stellvertreters im Sinne der §§164 ff. BGB angenähert ist. Es geht vielmehr darum, welche Stellung die Hilfsperson gegenüber dem Vermögen des Rechtsgutsinhabers einnimmt. Entscheidend ist das spezifisch strafrechtliche Regelungsanliegen des Betrugstatbestands. Insofern ist es naheliegend, die Anforderungen an die Stellung der Hilfsperson an der Lehre vom Dreiecksbetrug auszurichten. Um dem Charakter des § 263 StGB als Selbstschädigungsdelikt gerecht zu werden, muss bei Personenverschiedenheit von Verfugendem und Vermögensinhaber eine besondere Beziehung des Verfugenden zu dem betreffenden Vermögen bestehen, die es ermöglicht, die Verfugung des Dritten als Selbstschädigung des Vermö-
482 483 484 485 486 487
Buch, Wissen, S. 160 ff. Schilken, Wissenszurechnung, S. 225; Buch, Wissen, S. 161 m. w. N. Waltermann, AcP 192 (1992), 181, 199. Vergl. Buch., Wissen, S. 162 m. w. N. Waltermann, NJW 1993, 889, 892; vergl. auch Bück, Wissen, S. 163 f. Etwa Schilken, Wissenszurechnung, 226 f., 301; Buck, Wissen, S. 165.
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4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissensertretern (Hilfspersonen)?
gensinhabers aufzufassen. 488 Welche Voraussetzungen diese besondere Beziehung hat, ist im Einzelnen umstritten. Auf die Meinungsdifferenzen muss hier allerdings nicht näher eingegangen werden. Ob man die Zugehörigkeit des Verfugenden zum Machtkreis des Geschädigten (Lagertheorie) oder eine rechtliche Befugnis zu Vermögensverfügungen (Befugnistheorie) fordert, ist im Hinblick auf die Verantwortungsfrage nicht entscheidend. Das Bestehen eines besonderen Verhältnisses dieser Art ist nur die notwendige Bedingung , um das Verhalten des Wissenden berücksichtigen zu können. Um eine Verantwortungszuweisung zu legitimieren, müssen noch weitere Voraussetzungen hinzutreten, unabhängig davon, welcher Theorie man folgt. Es geht um die Verantwortung für den Schaden und damit letztlich um die Zuständigkeit für den Selbstschutz. Insofern besteht eine originäre Zuständigkeit des Rechtsgutsinhabers. Da es um den Schutz des Vermögens geht, wird man voraussetzen müssen, dass die Hilfsperson Aufgaben des Vermögensschutzes für den Rechtsgutsinhaber wahrzunehmen hat und dass ihr dies konkret auch möglich und zumutbar ist. Ähnliche Überlegungen klingen bei Pawlik an, der das für den Dreiecksbetrug erforderliche Verhältnis des Dritten zum Vermögen des Rechtsgutsinhabers dann annimmt, wenn der faktisch Irregeführte die Kompetenz besessen hat, die dem Täter zurechenbaren Informationen entgegenzunehmen und sie daraufhin zu beurteilen , ob ihnen jene betrugsspezifische Bedeutung der (vermeintlichen) Erfüllung der Wahrheitsrechte des Vermögensinhabers zukommt oder nicht. 489 Diese Gedanken stimmen auch mit den zivilrechtlichen Überlegungen überein. Auch dort ist es die Verlagerung des Selbstschutzes auf die Hilfsperson, die zur Legitimation der Wissenszurechnung angeführt wird. 4 9 0 Als Ergebnis lässt sich damit festhalten: Ob das Verhalten der Hilfsperson bei der Verantwortungszuweisung berücksichtigungsfahig ist, bestimmt sich nach ihrer abgeleiteten Zuständigkeit für den Vermögensschutz , sowie der konkreten Möglichkeit und Zumutbarkeit, schützend tätig zu werden. b) Grundwertungen
des Betrugstatbestands und Verantwortungszuweisung
§ 263 StGB bestraft die Veranlassung zur Selbstschädigung durch Neutralisierung der Selbstschutzmöglichkeiten.491 Der Unwertgehalt der Betrugs besteht auch darin, dass die kognitive Situation des Verfügenden auf eine Weise konditioniert wird, dass Überlegungen zum Selbstschutz nicht aufkommen oder jedenfalls nicht die Oberhand gewinnen. Neutralisierungstechnik ist die Täuschung.
488 489 490 491
Vergl. nur Sch-Sch-Cramer, § 263 Rn. 65 ff. m. w. N. Vergl. Pawlik , Betrug, S. 206. Siehe dazu, S. 139 ff. Vergl. R. Hassemer , Schutzbedürftigkeit, S. 115.
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Neutralisiert sind die Selbstschutzmöglichkeiten, wenn die Täuschung beim Verfugenden einen Irrtum im Sinne des § 263 StGB bewirkt. 492 Wenn man in der vorliegenden Konstellation nur das Verhältnis von Täter und Rechtsgutsinhaber betrachtet, muss man das Vorliegen dieser Voraussetzungen bejahen. Anerkennt man einen im obigen Sinne erweiterten normativen Verantwortungsbereich (des Rechtsgutsinhabers), dann kann man die Frage stellen, ob dem Geschehen ein Teil des spezifischen Unwertgehalts des Betrugs fehlt, wenn eine im Verantwortungsbereich des Rechtsgutsinhabers tätige und zum Vermögensschutz zuständige Hilfsperson ihre Aufgabe des Vermögensschutzes trotz Möglichkeit nicht wahrnimmt? 493 Zunächst scheinen hiergegen bereits die im 3. Kapitel herausgearbeiteten Argumentation zu sprechen. Dort wurde festgestellt, dass bei parallelem Vorliegen einer unfreien (irrtumsbedingten) Verfügung der Hilfsperson und einer freiverantwortlichen Organisationsentscheidung des Rechtsgutsinhabers letzterer bei der Beurteilung der Opferverantwortung der Vorrang gebührt. Es spricht viel dafür, dass dieser Satz auch im hiesigen Zusammenhang gilt: Wenn der Rechtsgutsinhaber unfrei disponiert und die Bedingungen der Freiverantwortlichkeit nur bei einer Hilfsperson vorliegen, so wäre demnach die unfreie Organisationsentscheidung des Vermögensinhabers allein entscheidend. Damit würde man aber den Versuch einer normativen Erweiterung des Verantwortungsbereichs des Rechtsgutsträgers bereits im Keim ersticken. Die Frage muss daher sein, ob es trotz dieser unfreien Disposition des Rechtsgutsinhabers angemessen ist, ihm die Eigenverantwortung zuzuweisen und damit den Täter von der Verantwortung für die Erfolgsherbeiführung freizusprechen. Dafür ist von der Prämisse auszugehen, dass die Disposition des Rechtsgutsinhabers in diesen Fällen nicht per se vorrangig zu berücksichtigen ist. Klar ist aber auch, dass sich die Verantwortung des Verletzten nicht allein aus der Tatsache begründen lässt, dass eine Hilfsperson für die Verhinderung des Schadens hätte sorgen können. Rechtsgutsinhaber und Hilfsperson sind zwei verschiedene Personen. Sie stehen dem Täter nicht dergestalt als Einheit gegenüber, dass das Wissen der Hilfsperson zwingend als Wissen des Rechtsgutsinhabers anzusehen wäre. Letztlich müssen daher Wertungs- und Strafzwecküberlegungen den Ausschlag geben. Bereits nach der Grundwertung des § 263 StGB spricht daher vieles gegen eine Verantwortungszuweisung aufgrund des Wissens von Hilfspersonen. Der Betrug erfasst die Veranlassung zu einer Selbstschädigung durch Neutralisierung der Selbstschutzmöglichkeiten. Bezogen auf den Rechtsgutsinhaber liegt dieser Sachverhalt in den hier relevanten Fällen eindeutig vor. Allein die Tatsache, dass eine für den Vermögensschutz zuständige Hilfsperson das irrtumsausschließende 492
Zur Frage des konkreten Zweifels siehe bereits 2. Kapitel, II 3 b. 493 yergl. a u c h R Hassemer, Schutzbedürftigkeit, S. 115, der auf den Grundsatz der Erforderlichkeit strafrechtlichen Schutzes und das Schutzbedürftigkeitsprinzip abstellt.
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4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissensertretern (Hilfspersonen)?
Wissen hat, kann nicht als fehlende Neutralisierung der Selbstschutzmöglichkeiten angesehen werden. Denn die Selbstschutzmöglichkeiten des verfugenden Rechtsgutsinhabers waren neutralisiert und Rechtsgutsinhaber und Hilfsperson bilden keine Einheit, die dazu zwingen würde, das Wissen der Hilfsperson auf den Rechtsgutsinhaber zu projizieren. c) Zivilrechtliche Wertungen als Legitimation strafrechtlicher Verantwortungszuweisung auf Opferseite?
aa) Einleitung und Grundlegung In BGHZ 83, 293 hat der BGH erstmalig festgestellt, dass § 166 I BGB den von einem VertretungsVerhältnis unabhängigen allgemeinen Rechtsgedanken enthalte, dass derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, sich das in diesem Zusammenhang erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen muss. 494 Diese Rechtsprechung hat er in der Folgezeit wiederholt bestätigt, so dass inzwischen von einer ständigen Rechtsprechung ausgegangen werden kann. 495 Die Literatur befürwortet weitgehend die vom BGH vorgenommene Ableitung eines allgemeinen Rechtsgedankens aus § 166 I BGB. 4 9 6 Teilweise wird die Herleitung dieses allgemeinen Rechtsgedankens aus § 1661 BGB als falsch bezeichnet.497 Damit wird aber nicht die sachliche Berechtigung des Rechtsgrundsatzes als solchen, sondern nur dessen Begründung angezweifelt. 498 Für den Bereich des Zivilrechts lässt sich daher sagen, dass die Zurechnung des Wissens von „Wissensvertretern" ein allgemeiner Rechtsgedanke ist. 499 Wissenszurechnung bedeutet im Zivilrecht die Zuweisung von Verantwortung für das jeweilige Wissen und damit für das zustande gekommene Rechtsgeschäft. 494
BGHZ 83, 293, 296. Vergl. BGH L M § 166 BGB Nr. 35 (= NJW 1996, 1205 f. = BB 1996, 606); BGHZ 117, 104, 106 f. (= NJW 1992, 1099, 1100); BGH NJW 1985, 2583; NJW 1992, 899, 900. Siehe auch die ausführliche Erörterung der Rechtsprechung bei Baum, Wissenszurechnung, S. 94 ff. Dieser ist der Ansicht, es könne nicht von einer gefestigten Rechtsprechung gesprochen werden, S. 115. Dies mag für die einzelnen Voraussetzungen der Zurechnung zutreffen; insoweit passt der BGH seine Entscheidungen der jeweiligen Sachlage an. Da er aber in allen Entscheidungen den allgemeinen Rechtsgedanken einer handlungsunabhängigen Wissenszurechnung aus BGHZ 83, 293 weiterführt, ist zumindest diesbezüglich von einer ständigen Rechtsprechung auszugehen. 496 Vergl. Baum, Wissenszurechnung, S. 55 ff., 57 f. m. w. N. 495
497 Vergl. Baum, Wissenszurechnung, S. 156; anders aber für die von ihm sog. handlungsabhängige Wissenszurechnung, siehe a. a. O. S. 91. 498 Vergl. Baum, Wissenszurechnung, S. 124. 499 So bereits Richardi , AcP 169 (1969), 385, 395 ff., 397.
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Die Wertungsgedanken der zivilrechtlichen Wissenszurechnung sind nichts anderes als die Gründe, warum der Geschäftsherr für das eigene oder fremde Wissen verantwortlich ist. Es handelt sich also um Zurechnungsgründe. Wie bereits mehrfach angemerkt orientiert sich die Zuweisung von Verantwortung an den Zwecken, denen sie im jeweiligen rechtlichen Zusammenhang dient. 500 Die Wertungsgedanken, welche die zivilrechtliche Literatur und Rechtsprechung als die Wissenszurechnung tragend herausgearbeitet haben, sind daher die in normative Aussagen gefassten Zwecke, die man mittels der Wissenszurechnung im Privatrecht erreichen will. Die Fragestellung lautet daher, ob diese Zwecke auch vom Strafrecht verfolgt werden können und sollen. Das ist für jeden Zurechnungsgrund gesondert zu untersuchen. Es geht dem gemäß im Folgenden darum, die zivilrechtlichen Wertungsgründe im einzelnen darzustellen und auf ihre strafrechtsspezifische Legitimationskraft hin zu untersuchen. Die Wertungsgedanken der zivilrechtlichen Wissenszurechnung lassen sich dabei zwei Kategorien zuordnen. Auf der einen Seite sind dies diejenigen Gedanken, die an den Verkehrs- bzw. Vertrauensschutz anknüpfen. 501 Auf der anderen Seite stehen solche Lösungsansätze, die an bestimmte Verantwortungsbereiche bei arbeitsteiligem Handeln und Risikoverteilungsgesichts-, Selbstschutz- und Gleichstellungsgesichtspunkte anknüpfen. 502 Gelten dieselben Überlegungen auch im Strafrecht, so spricht viel dafür, dass man auch hier die „Zurechnung des Wissens" einer Hilfsperson als ein allgemeines Prinzip bezeichnen kann. bb) Grundsätzliche Möglichkeit strafrechtlicher Verantwortungszuweisung mittels zivilrechtlicher Wertungsgründe Es erstes stellt sich die Frage, ob zivilrechtliche Wertungen bei der Strafbegründung überhaupt eine Rolle spielen können. Jedenfalls für den Bereich der Vermögensdelikte (§§ 263 ff. StGB) ist anerkannt, dass die Vorwertungen des Zivilrechts in weiterem Umfang zu berücksichtigen sind, als dies in anderen Bereichen des Strafrechts der Fall sein mag. Bei den Körperverletzungs- und Tötungsdelikten gilt der Schutz des Strafrechts einem realen und sinnlich wahrnehmbaren, bei den Vermögensdelikten dagegen einem erst von den Normen des Zivilrechts geschaffenen Schutzobjekt. Die Tatbestände des Vermögensstrafrechts lassen sich daher ohne Beachtung der privatrechtlichen Vörwertungen nicht verstehen und handhaben.503 Die Aussage, dass das Zivilrecht bei der
500
Diese Aussage gilt in allen Rechtsgebieten gleichermaßen. Siehe dazu unten 4. Kap. II 2 c cc (2). Auch die Gesetzesbegründung zu § 1661 BGB knüpft an den Vertrauensschutz an, vergl. Protokolle I, S. 293; vergl. dazu auch BGHZ 109, 327, 332; Goldschmidt, Wissenszurechnung, S. 26 ff. 502 Siehe dazu unten 4. Kap. II 2 c cc (3) - (5). Vergl. dazu etwa Baum, Wissenszurechnung, S. 68 f. 501
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4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissensertretern (Hilfspersonen)?
Auslegung der Begriffe der Vermögensdelikte zu berücksichtigen ist, bedeutet, dass dessen Wertungen auch das strafrechtliche Begriffsverständnis beeinflussen. Dieser Einfluss macht sich nicht nur bei der Auslegung der einzelnen gesetzlichen Tatbestandsmerkmale bemerkbar, sondern ist gerade auch dort festzustellen, wo es um die normative Bewertung des Tatgeschehens geht - auf der Ebene der objektiven Zurechnung. Es spricht daher im Grundsatz nichts dagegen, Wertungen des Zivilrechts daraufhin zu untersuchen, ob sie auch die strafrechtliche Erfolgszurechnung im Rahmen des Betrugstatbestandes beeinflussen können. 504 cc) Legitimationskraft der einzelnen Wertungen Im Folgenden ist auf die einzelnen Wertungsgedanken einzugehen, die die Wissenszurechnung aus zivilrechtlicher Perspektive legitimieren. Dabei lassen sich drei wesentliche Grundgedanken unterscheiden: der Gedanke des Vertrauensschutzes, das Selbstschutzprinzip und der Gleichstellungsgedanke. (1) Wissenszurechnung als logische Folge der Repräsentationstheorie? Bei den Gesetzesberatungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch war umstritten, wie die Stellvertretung dogmatisch in die von der Willenstheorie beherrschte Rechtsgeschäftslehre einzugliedern sei. 505 Vertreten wurden im wesentlichen zwei Ansichten: die Geschäftsheimtheorie von Savigny 506 und die damals herrschenden Repräsentationstheorie 507. Auf diese rechtshistorische Diskussion kann und muss hier nicht näher eingegangen werden. Es reicht die Feststellung aus, dass sich der Gesetzgeber für die Repräsentationstheorie entschieden hat. 508 Es ist die Frage zu stellen, ob die mit dem Bekenntnis zur Repräsentationstheorie verbundene dogmatische Erfassung der Stellvertretung auch eine Stellungnahme zu den die Wissenszurechnung tragenden Wertungsgedanken enthält. Die Vertreter der Repräsentationstheorie gehen davon aus, dass die in § 166 I BGB geregelte Zurechnung des Stellvertreterwissens eine logische Folge ihrer Theorie sei. Die Wissenszurechnung sei nur eine zur Stellvertretung gehörende Begleiterscheinung (akzessorische Wissenszurechnung). 509 Dem folgt die herrschende 503
Vergl. Pawlik , Betrug, S. 148 ff., 160 (zu § 263 StGB); Eisele, GA 2001, 377 m. w. N. (zu § 266 StGB); aus allgemeinerer Perspektive Haft/Eisele , Meurer-GS, S. 245, 253 ff. 504 So wohl auch Jänicke, Vermögensverfugung, S. 268. Ausdrücklich erwähnt Jänicke zwar nur Einflüsse aus dem öffentlichen Recht. Wenn es sich allerdings um die vom ihm postulierte „umfassende und offene normative Gesamtwertung unter Einbeziehung aller denkbaren Einflüsse aus der Rechtsordnung " handelt, dann müssen grundsätzlich auch zivilrechtliche Vorwertungen des Sachverhalts Einfluss auf das Urteil über die Eigenverantwortlichkeit gewinnen können. 505 Vergl. MK-Schramm, Vor § 164 Rn. 60. 506 v. Savigny , Obligationenrecht II, § 54 ff. 507 y e r g i Enneccerus/Nipperdey , AT, S. 1115. 508 MK-Schramm, Vor § 164 Rn. 62 m. w. N.; Buck, Wissenszurechnung, S. 120.
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Meinung nicht. Dass es auf das Wissen desjenigen ankommt, der das Rechtsgeschäft als Stellvertreter abschließt, sei nur eine mögliche Variante. Es sei nicht denknotwendig ausgeschlossen, nur das Wissen des Vertretenen für berücksichtigungsfähig zu erklären. Die Zurechnung der eine Willenserklärung begleitenden Umstände müsse nicht logisch zwingend nach demselben Prinzip erfolgen, wie die Zurechnung der Willenserklärung selbst.510 Da das Abstellen auf den Vertreter eine Frage der Zweckmäßigkeit gewesen sei, müsse die Wissenszurechnung aus einem anderen Rechtsgedanken entschieden werden. 511 Müller-Freienfels will die Frage, auf wessen Wissen es ankommen soll, in Abwägung der verschiedenen beteiligten Interessen jeweils nach Sinn und Zweck der einzelnen gesetzlichen Bestimmungen vornehmen. 512 Damit verzichtet er auf einen „gemeinsamen Obersatz", die Benennung eines die Wissenszurechnung generell legitimierenden Rechtsgedankens. Wegen der dadurch drohenden Rechtsunsicherheit wird eine offene Abwägung, wie die Müller-Freienfels verschlägt, im Zivilrecht weitgehend abgelehnt.513 Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die zivilrechtliche Wissenszurechnung keine logische Folge der Repräsentationstheorie ist. 514 Es wäre daher unergiebig, sich mit der Bedeutung der Repräsentationstheorie für die Erfassung der Wissensaufspaltung auf Opferseite auseinander zu setzen.
(2) Schutz des Rechtsverkehrs
und Gedanke des Vertrauensschutzes
Zur Begründung der Wissenszurechnung wird oft das Argument des Vertrauensschutzes herangezogen. 515 Der andere Teil, der es mit der Hilfsperson zu tun hat, verlasse sich darauf, dass die Rechtsfolgen einer Handlung so eintreten, wie sie sich aus der Person der Hilfsperson ergeben. 516 In einem engen Zusammen509 Motive I, S. 226 f. = Mugdan I, S. 477; Buch, Wissenszurechnung, S. 125 m. w. N. Anders Wilhelm, AcP 183 (1983), 1 ff., insbesondere S. 19. Er sieht § 166 BGB nicht als Anknüpfungspunkt für eine Wissenszurechnung. Nicht das Wissen des Vertreters, sondern das Rechtsgeschäft des Vertreters werde dem Geschäftsherrn zugerechnet. Nur weil das Wissen des Vertreters das Rechtsgeschäft bestimme und das Rechtsgeschäft als ein so und nicht anders abgeschlossenes Geschäft gegen des Vertretenen wirke, wirke das Wissen des Vertreters gegen des Vertretenen. Dagegen Buch, Wissenszurechnung, S. 121 f., die § 166 als Erweiterung der Zurechnung ansieht; zu der nach § 164 BGB zugerechneten bloßen Willenserklärung erfolgt nach § 166 BGB die Zurechnung der Umstände, die die Wirksamkeit dieser Willenserklärung beeinflussen. 5,0 Müller-Freienfels, Vertretung, S. 392; vergl. auch Richardi, AcP 169 (1969), 385, 395 f f ; Schilken, Wissenszurechnung, S. 11 f.; Waltermann, AcP 192 (1992), 181, 197. 511 Richardi, AcP 169 (1969), 385, 396; Schilken, Wissenszurechnung, S. 11 f.; Buck, Wissenszurechnung, S. 126; vergl. auch Flume, § 52, 5a. 512 Müller-Freienfels, Vertretung, S. 392. 5,3 Siehe dazu Buck, Wissenszurechnung, S. 126. 514 Buck, Wissenszurechnung, S. 127; Baum, Wissenszurechnung, S. 64. 5,5 Buck, Wissenszurechnung, S. 316.
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hang mit dem Vertrauensschutzprinzip steht der Gedanke des Verkehrsschutzes. So formuliert etwa der BGH im Hinblick auf die Wissenszurechnung bei juristischen Personen: „Die Nutzung des Aktenwissens steht nicht im Belieben der juristischen Person, sondern unterliegt normativen Verkehrsschutzanforderungen." 517 Es bestehe eine Rechtspflicht, die Verfügbarkeit des Wissens zu organisieren. Die Verletzung dieser Pflicht habe zur Folge, dass sich die juristische Person so behandeln lassen müsse, als ob sie die fragliche Kenntnis gehabt hätte. Die Zurechnung komme aber nur in Betracht, wenn ein Informationsaustausch möglich und naheliegend gewesen sei. Sonst stehe derjenige, der es mit einer juristischen Person zu tun hat besser als derjenige, welcher es mit einer Einzelperson zu tun hat (Gleichstellungsargument). Für den V. Zivilsenat gründet die Wissenszurechnung bei juristischen Personen danach nicht in der Organstellung, sondern im Gedanken des Verkehrsschutzes und der daran angeknüpften Pflicht zu ordnungsgemäßer Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation. 518 Einen weiteren die Wissenszurechnung im Zivilrecht tragenden Wertungsaspekt sieht man im Erfordernis einer positiven Korrelation von Vorteil und Nachteil, 519 Auch dieses Argument erweist sich bei näherem Hinsehen als Vertrauensschutzargument. Es wird argumentiert, dass, wer die Vorteile der Arbeitsteilung genieße, weil er seine Aktionsfähigkeit durch Indienstnahme anderer Personen erweitere, auch deren Nachteile in Kauf nehmen bzw. für die Vermeidung dieser Nachteile verantwortlich sein müsse. Mit der Erweiterung des eigenen wirtschaftlichen Wirkungskreises gehe auch eine entsprechend umfangreichere Verantwortungs- und Haftungslast einher, weil der Gehilfe eine Aufgabe übernehme, die seinem Geschäftsherrn im Verhältnis zum Gläubiger selbst obliege. 520 Der Vertretene müsse es im schutzwürdigen Interesse des Adressaten hinnehmen, dass ihm die Kenntnis des Vertreters als eigene zugerechnet werde, weil er sich der Möglichkeit begebe, selbst von Umständen Kenntnis nehmen zu können. 521 516 Baum, Wissenszurechnung, S. 67 f., 210 f f ; Buch, Wissenszurechnung, S. 316; Grunewald , Beusch-FS, S. 301, 303, insbesondere S. 304; BGHZ 55, 307, 311. Vergl. bereits die Gesetzesberatungen, Mugdan I, S. 740 = Protokolle I, S. 293. 517 BGH JZ 1996, 731, 733; BGHZ 109, 327, 332. Ausführlich hierzu Bohrer, DNotZ 1991, 124 ff., der hieraus das von ihm sog. Prinzip der Wissensverantwortung entwickelt, das auf dem Gedanken des Verkehrsschutzes beruhe. Kritisch dazu Buck , Wissen, S. 404, 406; Adler , Wissenszurechnung, S. 86 ff. 5,8 BGH JZ 1996, 731, 733 m. Anm. Taupitz. 519 Dazu Buck , Wissenszurechnung, S. 130 ff.; Bott , Wissenszurechnung, S. 46 m. w. N.; Schultz , NJW 1990, 477, 480 bezeichnet dies als den Leitgedanken der Wissenszurechnung überhaupt; Faßbender, Wissen, S. 120 ff. Vergl. auch Richardi , AcP 169 (1969), 385, 397; Canaris , Bankvertragsrecht I, Rn. 800 a. Dagegen Goldschmidt , Wissenszurechnung, S. 31 f. Kritisch auch Baum, Wissenszurechnung, S. 65 f. 520 BGHZ 62, 119, 124; vergl. auch Hoffmann , JR 1969, 372, 374; Lüderitz , NJW 1975, 1,4. 521 Buck , Wissenszurechnung, S. 131 m. w. N.; ähnlich Schilken , Wissenszurechnung, S. 224. Es müsse jedoch ein sich aus der Arbeitsteilung ergebender konkreter Vorteil fest-
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Die Wissenszurechnung wird damit letztlich als billiger Ausgleich für den arbeitsteiligen Einsatz einer Hilfsperson betrachtet. 522 Mit dem Argument des Vertrauensschutzes kann die Wissenszurechnung zugunsten eines Täuschenden jedoch nicht legitimiert werden. Dies ist bereits für den Bereich des Zivilrechts anerkannt. So hat der BGH hinsichtlich eines auf § 826 BGB gestützten Schadensersatzanspruchs entschieden, dass sich der geschädigte Kläger das leichtfertige Verhalten einer Hilfsperson weder anspruchsausschließend noch anspruchsmindernd zurechnen lassen müsse.523 Wer einen anderen vorsätzlich und sittenwidrig schädige, könne sich grundsätzlich nicht darauf berufen, jener habe sich nicht ausreichend gesichert, sondern vielmehr ihm - dem Schädiger - zu sehr vertraut. 524 Und bei der arglistigen Täuschung einer Versicherung durch den Versicherungsnehmer bei Abschluss des Versicherungsvertrags entfalle der Irrtum im Sinne des § 123 I BGB nicht, wenn eine Hilfsperson der Versicherung das irrtumsausschließende Wissen habe. Denn die Zurechnung des Wissens von Hilfspersonen beruhe nicht zuletzt auf der Schutzwürdigkeit des redlichen Antragstellers. Wissenszurechnung könne deshalb nicht erfolgen, wenn der Antragstellen diesen Schutz nicht verdiene. 525 Die Schutzunwürdigkeit des vorsätzlich Täuschenden ist ein Prinzip, dass für alle Rechtsbereiche gleichermaßen gültig ist. Dies zeigt beispielhaft ein Blick auf § 48 II 3 Nr. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz. Dort ist ausdrücklich geregelt, dass sich der von einem rechtswidrigen Verwaltungsakt begünstigte gegen die Rücknahme des Verwaltungsakts nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, wenn er den Verwaltungsakt durch arglistige (d. h. vorsätzliche 526) Täuschung erwirkt hat. Auch im Strafrecht können Überlegungen des Vertrauensschutzes die Wissenszurechnung zugunsten des Täuschenden nicht legitimieren. Als Initiator des kriminellen Geschehens ist der Täuschende nicht schutzwürdig. Man kann nicht sagen, dass der Betrüger darauf vertrauen darf oder überhaupt vertraut, dass die
stellbar sein, den die bloße Stellvertreterstellung allein noch nicht zu begründen vermöge. Wenn der wissende Mitarbeiter nichts mit dem fraglichen Rechtsgeschäft zu tun habe, greife das Argument, der Vertretene müsse zusammen mit den Vorteilen auch die Nachteile tragen, nicht. Dazu Buch, Wissenszurechnung, S. 131; MK-Reuter, § 28 Rn. 6. 522 Baum, Wissenszurechnung, S. 64. Allerdings ist zu beachten, dass die Arbeitsteilung dem außenstehenden Dritten nicht nur Lasten sondern auch Vorteile bringt, vergl. dazu Buch, Wissenszurechnung, S. 131 f. 523 BGH NJW 1992,310,311. 524 BGH NJW 1992, 310, 311; BGH NJW 1984, 921, 922; vergl. auch BGH W M 1970, 633, 637. 525 BGH NJW-RR 2001, 889 890; vergl. ferner RGZ 162, 202, 208; BGHZ 76, 216, 218; BGHZ 102, 194, 198. 526 Vergl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 48 Rn. 157 m. w. N.
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Wissensorganisation seines Opfers so beschaffen ist, dass seine Täuschung nicht zu einem Irrtum fuhren kann. Die Täuschung selbst ist normwidrig und schließt damit den Vertrauensschutz des Täuschenden aus. (3) Risikoverteilungsgesichtspunkte Einen den § 166 I BGB wesentlich tragenden Wertungsgedanken sieht die zivilrechtliche Literatur im Prinzip der Gefahrbeherrschung. 527 Das Prinzip der Gefahrbeherrschung kommt nach Müller-Erzbach überall dort zum tragen, wo jemand ein bestimmtes Interesse einer gewissen Gefahr aussetzt.528 Es sei in solchen Fällen zu prüfen, wer von mehreren Beteiligten den größeren Einfluss auf das Risiko hatte. 529 Ergebe sich für den einen Teil ein „entschiedenes Übergewicht" an Einflussmöglichkeiten, so lasse das Recht ihn die Gefahr tragen. 530 Gefahrtragung gehe demnach mit Gefahrbeherrschung Hand in Hand. 531 Im Falle der Stellvertretung lägen die Möglichkeiten der Beherrschung der aus der Stellvertretung folgenden Risiken ausschließlich in der Hand des Vertretenen; dieser habe das Stellvertretungsrisiko zu tragen. 532 Er dürfe die Folgen des Versagens seines Vertreters nicht auf Dritte abwälzen.533 Die Literatur sieht in § 166 I BGB also eine Risikozuweisung an den Geschäftsherrn. 534 Die Norm sei Ausdruck eines auf den Gedanken der Risikozuweisung zurückgehenden Zurechnungsprinzips, das auch in anderen Bereichen, d. h. über den direkten Anwendungsbereich des § 166 I BGB hinaus Geltung beanspruche. 535 Dies ist dasselbe Prinzip, das auch zur Begründung der zivilrechtlichen Verkehrspflichten dient: Wer Risiken schafft, muss Dritte mit angemessenem, zumutbarem Aufwand vor deren Realisierung schützen.536 527
Buck , Wissenszurechnung, S. 127, 314 ff. m. w. N. Müller-Erzbach , AcP 106 (1910), 309, 409 ff., 411. 529 y e r g i . auch Erman , JZ 1965,657: Es sei derjenige zu belasten, der der Gefahr „sphärenmäßig" näher steht. 530 Müller-Erzbach , AcP 106 (1910), 309, 414 f. 531 Müller-Erzbach , AcP 106 (1910), 309, 415. 532 Müller-Erzbach , AcP 106 (1910), 309, 439. Zur Problematik bei der gesetzlichen Stellvertretung siehe Buck , Wissenszurechnung, S. 127 m. w. N. 533 Buck , Wissenszurechnung, S. 127; vergl. auch Hoffmann , JR 1969, 372, 374; Schultz , NJW 1990, 477, 478. 534 Siehe Waltermann , AcP 192 (1992), 181, 197 m. w. N. vergl. auch Buck , Wissenszurechnung, S. 127 f., die allerdings nicht sauber zwischen der Risikozuweisung und dem wertenden Argument der Vorteils-Nachteils-Korrelation - ein von ihr selbst eingeführter Begriff - differenziert. Vergl. auch Baum, Wissenszurechnung, S. 69, der weitere Differenzierungen vornimmt. Aus der zivilrechtlichen Kommentarliteratur siehe Staudinger-Z)//cher , 12. Aufl., § 166 Rn. 2 („Sache des Vertretenen"); Staudinger-Sc/zzfe«, § 166 Rn. 2. 535 Vergl. Waltermann, AcP 192 (1992), 181, 198. 536 Vergl. z u dieser Parallele Baum, Wissenszurechnung, S. 249 ff, 253, 254 ff. Baum weist auch nach, dass die Situation der Wissensaufspaltung durch Arbeitsteilung sämtliche Entstehungsgründe der zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflichten aufweist. Gege528
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Umstritten ist, ob der maßgebliche Zurechnungsgrund im Innenverhältnis zwischen Geschäftsherr und Vertreter oder im Außenverhältnis des Geschäftsherrn zum Dritten zu suchen ist. Diejenigen, welche das Außenverhältnis für maßgeblich erachten, argumentieren, dass sich die Zurechnung daraus rechtfertige, dass der Vertretene durch das Handeln des Vertreters zum Dritten zu seinem eigenen Vorteil Rechtsbeziehungen anknüpfe. 537 Hierin liege die „spezielle Beziehung zum Dritten", deren Notwendigkeit für die Legitimation der Zurechnung auch § 278 BGB zeige. 538 Andererseits wird von einigen dieser Autoren auch eingeräumt, dass es eben nicht nur das Außenverhältnis sei, das die Zurechnung legitimiere, sondern auch das Innenverhältnis. 539 Es sei der Gedanke entscheidend, dass sich nicht auf die eigene Gutgläubigkeit berufen könne, wer einen anderen rechtsgeschäftlich mit der Folge für sich handeln lasse, dass das daraus resultierende Rechtsgeschäft als für ihn selbst berechtigende und verpflichtende Regelung anzusehen ist. 540 Die Wissenszurechnung rechtfertige sich auch durch den in der Bevollmächtigung liegenden privatautonomen Akt des Geschäftsherrn. 541 In dieser Pauschalität kann dem jedoch nicht gefolgt werden. Das zeigen auch die enormen Bemühungen der Literatur um die Benennung der Legitimationsgrundlagen des Wissenszurechnung, deren es nicht bedürfte, könnte man die Zurechnung lapidar mit dem Willensakt des Vertretenen rechtfertigen. Wer einem anderen rechtsgeschäftliche Vollmacht erteilt, der will, dass dieser für ihn rechtsgeschäftlich handelt um so seinen wirtschaftlichen Wirkungskreis zu erweitern. Im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Vertreters will er auch dessen für ihn günstiges Wissen für sich gelten lassen. Dies gilt jedoch nicht für das ungünstige Wissen. Ein entsprechender Wille des Vertretenen widerspräche jedenfalls der wirtschaftlichen Vernunft. Wenn somit in der Regel kein realer Wille des Geschäftsherrn vorliegt, sich auch ungünstiges Wissen zurechnen zu lassen, dann kann auch der Willensakt des Vertretenen - die Bevollmächtigung - die Zurechnung dieses Wissens nicht legitimieren. 542 Es bedarf daher einer darüber hinausgehenden normativen Überlegung, ob das Wissen trotz des (vernünftigerweise) ben seien also die Gerechtigkeitskriterien der Gefahrschaffung, der Gefahrbeherrschung, der Gedanke der Zusammengehörigkeit von Vorteilsziehung und Risikotragung und das schutzwürdige Vertrauen des Rechtsverkehrs, Baum, Wissenszurechnung, S. 256. 537 Rabe, Bösgläubigkeit, S. 81. 538 Schilken, Wissenszurechnung, S. 50. 539 So insbesondere Schilken, Wissenszurechnung, S. 50. 540 Schilken, Wissenszurechnung, S. 50; Richardis AcP 169 (1969), 385, 397. 541 Schilken, Wissenszurechnung, S. 50 unter Berufung auf Richardi, AcP 169 (1969), 385, 397. Der Verweis auf Richardi geht allerdings m. E. fehl. Richardi sagt vielmehr, dass sich aus dem Grundsatz der Privatautonomie nicht ergebe, auf wessen Wissen es ankomme, vergl. dort S. 396 f. 542 Vergl. dazu Zaczyk, Selbstverantwortung, S. 51: Man kann nicht so argumentieren, dass derjenige, der sehenden Auges ein Risiko für sich selbst eingeht, auch bereit ist, den daraus realisierenden Erfolg hinzunehmen. Die Behauptung einer Zustimmung auch zu dem sich aus dem Risiko realisierenden Erfolg ist eine „Fiktion". Die von außen an
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4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissensertretern (Hilfspersonen)?
entgegenstehenden Willens des Vertretenen zuzurechnen ist. 543 Eben darum geht es der zivilrechtlichen Literatur bei der Suche nach den Wertungsgedanken des § 1661 BGB. Inwiefern kann nun dieses Risikoprinzip für die Verantwortungsbegründung im strafrechtlichen Zusammenhang herangezogen werden? Die Kernaussage des Risikoprinzips lautet, dass der Vertretene das Stellvertretungsrisiko zu tragen hat, wenn und soweit die Möglichkeiten der Beherrschung des Risikos mit einen „entschiedenen Übergewicht" 544 in seiner Hand liegen. Das sogenannte Risikoprinzip ist insoweit nichts anderes als ein Verantwortungsprinzip , dem schon die faktische Möglichkeit der „Schadensverhinderung" zur Begründung der Verantwortung genügt. Mit den Worten Jakobs ': „Wer Gefahren zuordnet, formuliert Zuständigkeiten."545 Das angesprochene Stellvertretungsrisiko liegt im Versagen des Vertreters. Die konkreten Einflussmöglichkeiten des Vertretenen auf diesen Umstand können aber im Einzelfall sehr zweifelhaft sein. Allein mit den Beherrschungsmöglichkeiten ist die Verantwortung des Vertretenen daher unzureichend begründet. Daher greift die zivilrechtliche Literatur auf ergänzende Wertungskriterien zurück. 546 Da ist zunächst der Vergleich mit der Lehre von den Verkehrsschutzpflichten. 547 Es handele sich um dasselbe Prinzip. Auch beim Risikoprinzip gehe es darum, dass derjenige, der Risiken schaffe, Dritte mit angemessenem und zumutbarem Aufwand vor deren Realisierung schützen müsse. Mit der Lehre von den Verkehrsschutzpflichten ist eine Theorie angesprochen, deren Entwicklung - wie schon die Bezeichnung lehrt - durch Bedürfnisse des Verkehrschutzes veranlasst war. Die Gleichstellung mit dieser Lehre weist daher das Risikoprinzip ebenfalls das Opfer herangetragene Konsequenz („Wer A sagt, muss auch B sagen") hat nichts mit dessen Willensbeschaffenheit zu tun. Ebenso Stoll , Handeln auf eigene Gefahr, S. 94; Zipf \ Einwilligung, S. 74 ff. Dieser Gedanke liegt auch den Überlegungen Baums zur Wissenszurechnung aufgrund Risikoschaffung zugrunde, siehe Baum, Wissenszurechnung, S. 225 ff. Eventuell muss man Schilken hier etwas anders interpretieren. Er geht davon aus, dass mit der Bevollmächtigung auch die Obliegenheit zum Selbstschutz auf den Vertreter übertragen wird. 543 Man könnte dem Vertretenen die Berufung auf seinen entgegenstehenden Willen als venire contra factum proprium verwehren, vergl. zu der ähnlichen Konstellation des Empfangsvertreters Richardis AcP 169 (1969), 385, 402. 544 Vergl. die ähnliche Argumentation im Strafrecht, bei der Unterbrechung der Zurechnung durch unvernünftiges Opferverhalten, 2. Kapitel, II 2. 545 Jakobs , AT, 13/22 mit Fn. 44. 546 Dies erklärt sich wohl daraus, dass die Frage gestellt wird, wem das Risiko zuzuweisen, d. h. zuzurechnen ist. Das lässt sich nur durch die Heranziehung weiterer Zurechnungskriterien beantworten. Da mit der Zuweisung des Risikos aber die Wissenszurechnung feststeht, handelt es sich der Sache nach um die Beantwortung der Frage nach der Wissenszurechnung selbst. 547 Zu den Bezügen zwischen Risikoprinzip und Verkehrsschutzgedanken vergl. Buck , Wissenszurechnung, S. 127 ff., 314 f.
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als einen Verkehrs- bzw. Vertrauensschutzgedanken aus. Der Rechtsverkehr wird aber im Zusammenhang des § 263 StGB vom nicht schutzwürdigen Täter repräsentiert. Ein Wertungskriterium, dessen Zweck im Schutz des Täters besteht, ist im Strafrecht unbrauchbar. Ähnlich verhält es sich mit den anderen Kriterien, die zur Konkretisierung des Schlagworts „Risikoprinzip" herangezogen werden. 548 Dass Vertrauens- und Verkehrsschutzgedanken im Strafrecht keine Rolle spielen können, wurde bereits gesagt. Und der Grundsatz, dass jeder für die zu seinem Gefahrenkreis gehörenden Personen verantwortlich sein soll, bedarf seinerseits einer Begründung. Als Letztbegründung der Risikotragung, d. h. der Verantwortungszuweisung, ist er daher nicht geeignet. Brauchbar erscheint allein der Ansatz Schilkens. Er geht davon aus, dass sich die Risikotragung auch durch den in der Bevollmächtigung liegenden privatautonomen Akt des Geschäftsherrn rechtfertige. 549 Dem Wissensvertreter werde die Aufgabe des Vermögensschutzes übertragen und an dieser Übertragung müsse sich der Geschäftsherr festhalten lassen. Diesen Überlegungen liegt der auch dem Strafrecht bekannte Gedanke der Risikoübernahme zugrunde. 550 Der Geschäftsherr nimmt das Stellvertretungsrisiko bewusst in Kauf. Wer einen anderen mit Aufgaben der Vermögensverwaltung betraut, muss bei objektiver und vernünftiger Betrachtung damit rechnen, dass diesem auch Fehler unterlaufen, so wie sie dem Geschäftsherrn selbst unterlaufen könnten. Die Verwirklichung dieses bewusst eingegangenen Risikos ist daher der Verantwortung des Geschäftsherrn zuzuweisen. Es ist aber zu beachten, dass der privatautonome Akt der Übertragung des Vermögensschutzes die Verantwortung des Rechtsgutsinhabers nur insoweit begründen kann, als dessen Wille zur Übernahme des Risikos reicht. Es muss daher ganz genau ermittelt werden, welches Risiko der Übertragende tatsächlich übernehmen will. Risiken, die er nicht übernehmen will, können ihm nicht aufgrund seines Willensakts sondern nur aufgrund äußerer Kriterien auferlegt werden. Diese Frage hängt eng zusammen mit dem Selbstschutzprinzip und ist daher systematisch korrekt dort zu klären.
(4) Selbstschutzgedanke Schilken hat überzeugend herausgearbeitet, dass allen Normen des Zivilrechts, die an Kenntnis anknüpfen, der gemeinsame Aspekt möglichen Selbstschutzen zugrunde liegt. 551 Zwar verfolge das Gesetz in den Wissensnormen im Einzelnen unterschiedliche Ziele, so dass je nach Anwendungsfall der Schutz des Geschäftspartners oder Dritter, teilweise auch die Interessen der Allgemeinheit 548
Buch, Wissenszurechnung, S. 315. Schilken, Wissenszurechnung, S. 50. 550 Vergl. d a z u a u s strafrechtlicher Sicht bereits 3. Kap. III 3 c cc (2). 549
551
Schilken, Wissenszurechnung, S. 51 ff.
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4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissens Vertretern (Hilfspersonen)?
im Vordergrund stünden. Der Berücksichtigung von Wissen liege jedoch in allen Fällen die Überlegung zugrunde, dass es der Wissende in der Hand habe, sein jeweiliges Verhalten der Kenntnis entsprechend einzurichten. Da er sich somit vor den nachteiligen Folgen seines Handelns schützen könne, verdiene er nicht den Schutz, den das Gesetz einem Gutgläubigen zubillige. 552 Dieser Aspekt des möglichen Selbstschutzes sei ein allgemeingültiger Grund dafür, bei entsprechender Kenntnis einen ansonsten eintretenden Rechtsvorteil auszuschließen bzw. bestimmte Rechtsnachteile eintreten zu lassen.553 Bei der gewillkürten Stellvertretung führe die Tatsache, dass bei der Stellvertretung Handelnder und von der Rechtsfolge Betroffener auseinanderfallen, zu der Frage, auf welche Person es für den Selbstschutz ankomme. 554 Da rechtliche Wertungen grundsätzlich auf die Person bezogen seien, die auch die Rechtsfolgen treffen, müsste auch die Frage des Selbstschutzes „eigentlich" aus der Person des Vertretenen beurteilt werden. 555 Es könne andererseits auch nicht unbeachtet bleiben, dass dieser mit der rechtsgeschäftlichen Handlung einen Stellvertreter betraut hat. Für den direkten Anwendungsbereich des § 166 I BGB (ein handelnder Stellvertreter hat das rechtlich relevante Wissen) entspreche die gesetzliche Regelung der ratio der Berücksichtigung von Kenntnis beim Eigengeschäft. 556 Dieselben Grundgedanken liegen nach seiner Ansicht aber auch der Wissenszurechnung bei sonstigen Hilfspersonen ( Geschäftsgehilfen ) zugrunde. 557 Die Bestimmung des § 166 I BGB gehe davon aus, dass die Selbstschutzmaßnahmen bei Betrauung eines Stellvertreters mit rechtsgeschäftlichem Handeln für den Vertretenen beim Vertreter lägen, nach dessen Kenntnis die Verlässlichkeit der jeweils den Vörteilsschutz begründenden Tatsachen zu beurteilen sei. 558 Die Zurechnung des Wissens sei begründet durch die mit seiner Betrauung einhergehende Verlagerung des gebotenen Selbstschutzes.559 Nach dem Grundgedanken des § 1661 BGB komme 552
Schilken , Wissenszurechnung, S. 52 ff. m. w. N. Schilken , Wissenszurechnung, S. 53; zustimmend Baum, Wissenszurechnung, S. 56 (Fn. 38). 554 Schilken , Wissenszurechnung, S. 59 ff. 555 Schilken , Wissenszurechnung, S. 59. 556 Schilken , Wissenszurechnung, S. 60 (Hervorh. v. Verf.). 557 Schilken , Wissenszurechnung, S. 225 (Hervorh. v. Verf.). Geschäftsgehilfen i. d. S. sind solche Personen, die der Geschäftsherr nicht bei der Erklärung oder dem Empfang der Willenserklärung selbst, wohl aber bei deren Vorbereitung oder Abwicklung einsetzt, Schilken , Wissenszurechnung, S. 223 m. w. N. 558 Schilken , Wissenszurechnung, S. 225. Ansatzweise wurde dies bereits bei den Gesetzesberatungen erkannt: „Wer den Auftrag und die Vollmacht habe, eine [...] Sache zu kaufen, könne bei den Verahandlungen mit dem Verkäufer Wahrnehmungen machen, die ihn als getreuen Machthaber veranlassen müssten, vorerst von der Vertragsschließung Umgang zu nehmen, den Auftrag- und Vollmachtgeber vom Sachverhalte in Kenntnis zu setzen und dessen Entscheidung abzuwarten; [...].", Mugdan I, S. 739. 553
559
Schilken ist der Meinung, dass mit dem privatautonomen Akt der Bevollmächtigung auch die Wahrnehmung des Selbstschutzes auf dem Vertreter übertragen wird. Daher müsse sich der Vertretene auch die selbstschutzrelevante Kenntnis des Vertreters zurech-
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es bei Vornahme eines Rechtsgeschäfts also auf die Person an, welcher der Geschäftsherr die Überprüfung der den Vorteilsschutz rechtfertigenden Tatsachen und deren Verlässlichkeit überlassen habe. Bei vergleichbarer Übertragung des Selbstschutzes könne eine solche Situation auch außerhalb der rechtsgeschäftlichen Stellvertretung auftreten, also eben beim Handeln von Geschäftsgehilfen. Wesentlich sei, dass der jeweilige Sachbearbeiter mit der Vorbereitung oder Abwicklung des fraglichen Rechtsgeschäfts(bereichs) in der Weise betraut sei, dass ihm dabei die Überprüfung rechtlich bedeutsamer Umstände zufalle. 560 Dabei sieht Schilken den gebotenen Selbstschutz nicht als Pflicht oder Obliegenheit (des Geschäftsherrn) gegenüber dem Geschäftspartner an. Deshalb sei es auch irrelevant, ob der Geschäftsgehilfe gegenüber dem Geschäftspartner - d. h. nach außen - aufgetreten sei. Auch das Wissen eines den Geschäftsherrn lediglich intern beratenden Mitarbeiters könne zugerechnet werden. 561 Es wird hier also auf die Offenkundigkeit der Prüfungskompetenz verzichtet. 562 Voraussetzung der zurechnungsrechtfertigenden Geschäftsgehilfenschaft sei die Betrauung der Hilfsperson mit selbständiger Entscheidungsgewalt im rechtsgeschäftlichen Bereich. Gemeint ist damit nicht die für die aktive Stellvertretung erforderliche Rechtsmacht zum Abschluss eines Rechtsgeschäfts, sondern die vom Geschäftsherrn zu eigenständiger Prüfung übertragene Vorbereitung oder auch Ausführung eines Rechtsgeschäfts ohne Stellvertretung. Es müsse festgestellt werden, ob der Geschäftsgehilfe seine auch für den Vörteilsschutz erhebliche Entscheidung ansatzweise anstelle des Geschäftsherrn treffen soll. Der Geschäftsgehilfe müsse dabei gerade für den Bereich zuständig sein, für den es auf die Kenntnis bestimmter Umstände ankommt. 563 Zusammenfassend führt Schilken aus, das BGB habe in § 166 I BGB „eine grundlegende Wertung für sämtliche Fälle getroffen, in denen vorgesehener Vorteilsschutz vom Wissen(müssen) bestimmter Personen abhängt, wo auch der arbeitsteilige Einsatz einer eigenverantwortlich handelnden Hilfsperson in Betracht kommt." 564 nen lassen. Allerdings kann man die Rechtsfolge der Wissenszurechnung auch bei dieser Argumentation nicht unmittelbar auf den Willen des Vertretenen zurückftihren. Denn der Wille, dass ein anderer den Selbstschutz wahrnimmt, beinhaltet nicht den tatsächlichen Willen, dass bei mangelhafter Wahrnehmung des Selbstschutzes Wissen zugerechnet werden soll. Die Zurechnung muss auch hier durch zusätzliche Erwägungen legitimiert werden. Vergl. dazu bereits oben. 560 Schilken, Wissenszurechnung, S. 225. Damit habe derjenige auszuscheiden, der lediglich technische Vertragsgrundlagen zu bearbeiten oder sonst Umstände zu überprüfen habe, die den Bereich des rechtlichen Vorteilsschutzes nicht tangieren. 561 Schilken, Wissenszurechnung, S. 226. A. A. Erman-Z?/m, § 166 Rn. 5; MK-Thiele, § 166 Rn. 25; RGRK-Steffen, § 166 Rn. 11; Richardi, AcP 169 (1969), 385, 401; weitere Nachw. bei Schilken, Wissenszurechnung, S. 224 Fn. 37. 562 Vergl. Schilken, Wissenszurechnung, S. 301. 563 Schilken, Wissenszurechnung, S. 227; kritisch hierzu Goldschmidt, Wissenszurechnung, S. 45. 564 Schilken, Wissenszurechnung, S. 302; vergl. auch Baum, Wissenszurechnung, S. 56 (Fn. 38); kritisch für die Wissenszurechnung bei juristischen Personen Goldschmidt, Wissenszurechnung, S. 224 ff.
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4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissensertretern (Hilfspersonen)?
Dass das Selbstschutzprinzip auch dem § 263 StGB zugrunde liegt, wurde bereits aufgezeigt. 565 Insofern findet die Ansicht Schilkens auch im Strafrecht einen Anknüpfungspunkt. Sie unterscheidet sich von den bisher untersuchten Wertungsgesichtspunkten v. a. darin, dass sie ohne wesentlichen Bezug zur Schutzwürdigkeit Täters (Geschäftspartners) bzw. zum Schutz des Rechtsverkehrs auskommt. Aufgrund dessen erscheint es möglich, die Zuweisung von Eigenverantwortung auf das Selbstschutzprinzip, d. h. den Gedanken, dass bei einer Übertragung des Vermögensschutzes auf eine Hilfsperson auch deren Wissen relevant sein muss, zu stützen. An einen Willensakt des Rechtsgutsinhaber anzuknüpfen, ist aus strafrechtlicher Sicht schon deshalb geboten, weil strafbares Unrecht in der Verletzung fremder Freiheit besteht.566 Dann muss die Beurteilung der Eigenverantwortlichkeit zumindest im Kern an einen diese Freiheit ausübenden Akt des Geschäftsherrn gebunden sein. Es wurde bereits angedeutet, dass die Betrauung mit Aufgaben des Vermögensschutzes als Risikoübernahme des Rechtsgutsinhabers gedeutet werden kann. 567 Da die Rechtweite einer solchen Risikoübernahme vom Willen des Übertragenden abhängig ist, muss sehr genau ermittelt werden, welches Risiko der Übertragende tatsächlich übernehmen will. Risiken, die er nicht übernehmen will, können ihm nicht aufgrund seines Willensakts sondern nur aufgrund äußerer Kriterien auferlegt werden. Für das Strafrecht ist die Frage zu stellen, ob dieser Übertragungsakt die Eigenverantwortung des Rechtsgutsinhabers beeinflussen kann. Das wird man nur sagen können, wenn er die fehlerhafte Wahrnehmung des Vermögensschutzes bei objektiver Betrachtung zumindest in Kauf genommen hat. Daraus folgt: Verletzt die Hilfsperson ihre Pflichten leicht fahrlässig , könnte man die Eigenverantwortung mit dem Übertragungsakt rechtfertigen. Denn von leicht fahrlässigem Verhalten muss ausgegangen werden. Es kann jedem unterlaufen, auch dem Rechtsgutsinhaber selbst. Legt man einen objektiven und vernünftigen Maßstabs an, wird mit der Übertragung in Kauf genommen, dass solche Fehler passieren können. Dies stellt eine strafrechtlich relevante Risikoübernahme dar. Das fuhrt aber nur dazu, dass der Rechtsgutsinhaber das Versagen seines Gehilfen wie eigenes Versagen gegen sich gelten lassen muss. Ob das fahrlässige Verhalten der Hilfsperson die Eigenverantwortung des Vermögensinhabers begründet, hängt damit davon ab, ob eine entsprechende eigene Fahrlässigkeit des Vermögensinhabers seine Eigenverantwortung begründen würde. Auszugehen ist von der Konstellation, dass der Vermögensinhaber nur deshalb irrt, weil er im Zeitpunkt der Täuschung ein bestimmtes, zur Verhinderung des Irrtums geeignetes Wissen vergessen hat oder fahrlässig seine das Wissen enthaltenden Unterlagen nicht ausreichend sichtet. In diesen Fällen würde die ganz herrschende Meinung einen Irrtum und damit einen vollendeten 565 566 567
2. Kapitel, II 2. Vergl. auch Kratzsch , Oehler-FS, S. 65, 73. Siehe dazu 3. Kapitel, IV 2 a. Oben 4. Kap. II 2 c cc (3).
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Betrug bejahen.568 Dies beinhaltet die Aussage, dass die fahrlässige Vernachlässigung des Vermögensschutzes durch den Verfugenden die Verantwortung des Täters für den Schaden nicht beeinflussen kann. Der typische Unwertgehalt des Betrugs ist nur dann nicht gegeben, wenn der Verfugenden im Bewusstsein der Selbstschutzanlasses auf Selbstschutz verzichtet. Es ist kein Grund ersichtlich, warum diese Wertung im Falle der Beteiligung einer wissenden Hilfsperson nicht ebenso gelten sollte. Man muss sogar sagen, dass die Fahrlässigkeit einer Hilfsperson die Verantwortung des Rechtsgutsinhaber für den Schaden noch weniger begründen kann, als dessen eigene Fahrlässigkeit. Anders als im Zivilrecht, wo jeder Teil in der Regel ein schutzwürdiges Vertäuen auf die Wissensorganisation seines Vertragspartners hat 569 , besteht ein solches Vertrauen des Straftäters nicht. Eine bloß fahrlässige Nichtweitergabe des Wissens durch die Hilfsperson nimmt dem Geschehen daher nicht den typischen Unwertgehalt des Betrugs. Eine Risikoübernahme auch für vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten der Hilfsperson lässt sich dagegen in der Regel nicht annehmen. Der Verletzte will keine vorsätzliche oder grob fahrlässige Schädigung seines Vermögens. 570 Und man kann bei objektiver und vernünftiger Betrachtung auch nicht davon ausgehen, dass er eine solche bei der Übertragung des Vermögensschutzes bewusst in Kauf nimmt. Nur wenn er auch solches Fehlverhalten des Gehilfen in diesem Sinne gegen sich gelten lassen wollte, könnte man davon ausgehen, dass es die Eigenverantwortlichkeit des Rechtsgutsinhabers begründet. 571 Anders als in den obigen Konstellationen der eigenverantwortliche Selbstschädigung juristischer Personen wird man hier auch nicht mit dem objektiven Interesse des Rechtsgutsinhabers argumentieren können. 572 Denn im Gegensatz zu einem Organ einer juristischen Person hat ein bloßer Wissensvertreter keine Dispositionsbefugnis über das Rechtsgut, sondern nur eine Schutzaufgabe. Es steht dem Wissensvertreter nicht zu, eigenständig über die zukünftige Nützlichkeit eines aktuell drohenden Schadens des Rechtsgutsinhabers zu urteilen und die Wissensmitteilung daran 568
Vergl. bereits 2. Kapitel, II 3 a. 569 Vergl. dazu d i e Darstellung von Buch, Wissen, S. 400 ff. 570 Vergl. auch die im anglo-amerikanischen Rechtskreis intensiver als hierzulande geführte Diskussion über die Frage der Wissenszurechnung bei böswilligem Verhalten des „Wissensvertreters", angerissen bei Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16, 22 f.; Ertel, Wissenszurechnung, S. 163 ff., 180 f. Diese Problematik ist für das deutsche Zivilrecht bisher kaum ausgearbeitet. Ertel bezieht sich auf die Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht bei der Abschlussvertretung (§ 164 BGB). Sei der Missbrauch nicht sichtbar, werde der Vertragspartner im deutschen wie im anglo-amerikanischen Rechtskreis geschützt. Grund für den Gleichklang der Entscheidungen sei, dass der Wissenszurechnung in Deutschland, England und den USA dieselben Wertungsgesichtspunkte zugrunde lägen, Ertel, Wissenszurechnung, S. 181. 571 Vergl. auch Jakobs, AT, 7/129 a. E., der von einer Zuständigkeit kraft Wollens spricht, die als Obergruppe u. a. die tatbestandsausschließende Einwilligung (Einverständnis) erfassen soll. 572 Vergl. dazu 3. Kapitel, IV 3 c.
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4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissensertretern (Hilfspersonen)?
auszurichten. A l s Ergebnis ist festzuhalten: A u c h die Übertragung von Aufgaben des Vermögensschutzes auf die Hilfsperson kann die „Zurechnung des Wissens" dieser Hilfsperson i m Strafrecht nicht legitimieren.
(5)
Gleichstellungsargument Ein für die zivilrechtliche Rechtsprechung leitender Wertungsgedanke der
Wissenszurechnung ist das Argument, dass arbeitsteilige Organisationen und Alleinunternehmer grundsätzlich gleich behandelt werden müssen. 5 7 3 Insbesondere Canaris hebt diesen Gedanken hervor: Es sei ein Gebot der Gerechtigkeit, das arbeitsteilige Unternehmen nicht gegenüber dem Alleinunternehmer zu privilegieren. 5 7 4 Es gehe nicht an, dass Unternehmen in Fragen gutgläubig blieben, in denen Einzelpersonen m i t Selbstverständlichkeit nach dem normalen Verlauf der Dinge bösgläubig wären. 5 7 5 Die juristische Person (oder eine andere arbeitsteilige Organisation) dürfe nicht schlechter aber auch nicht besser gestellt sein, als eine natürliche Person. Vor allem u m letzteren Aspekt geht es der Rechtsprechung, wenn sie auf die Gleichstellung von natürlichen und juristischen Personen abhebt. 5 7 6 Aus dem Gleichstellungsargument folge, dass der Vertragspartner einer juristischen Person nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt sein 573
Vergl. BGHZ 109, 327,332; BGH JZ 1992,1019; vergl. aus neuerer Zeit auch BGH JZ 1996,731,733, wo der aus dem Gleichstellungsgebot folgende Gedanke der ordnungsgemäß organisierten Kommunikation zum tragenden Grund der Entscheidung gemacht wurde. Aus der Literatur vergl. Canaris , Bankvertragsrecht I, Rn. 106; Medicus , Karlsruher Forum 1994, 4, 11 ff. Dagegen Messer , Einleitende Bemerkungen, in: Bankrechtstag 1992, S. 73, 84 f.; ausfuhrlich Koller , JZ 1998, 75, 77 ff. 57 4 Canaris , Bankvertragsrecht I, Rn. 106. Speziell für juristische Personen will Canaris die Gleichstellung aus der von ihm postulierten rechtlichen Einheit der juristischen Person folgern, vergl. Canaris , Bankvertragsrecht I, Rn. 106, 800a. Kritisch dazu Buch, Wissenszurechnung, S. 324; dort auch zur besonderen Problematik bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts. 57 5 Canaris , Bankvertragsrecht I, Rn. 800a. Die Geltung dieser Aussagen sieht er allerdings auf Unternehmen beschränkt. Sie könnten nicht auf alle Arten der Stellvertretung ausgedehnt werden. Anders Medicus , Karlsruher Forum 1994, 1, 12, der diese Idee auf alle Organisationsformen, die zu einer Wissensaufsplitterung fuhren können, anwenden möchte, also auch auf eine Privatperson mit mehreren Hilfspersonen. 57 6 Buch, Wissenszurechnung, S. 319. Sie ist allerdings der Ansicht, dass das Gleichstellungsargument letztlich kein überzeugendes Kriterium für die Legitimation der Wissenszurechnung darstellt, S. 323. Buch fuhrt weiter aus, dass in der Literatur und Rechtsprechung Uneinigkeit bestehe, worin das Gleichstellungsargument wurzele. Die einen gehen davon aus, dass dieser Gedanke das ohnehin gültige Argument des Verkehrsschutzes trägt und ergänzt, während die anderen die Forderung nach Gleichstellung in der Rechtsordnung selbst verwurzelt sehen. Zur ersten Ansicht ist zu sagen, dass sie mit ihrer Formulierung nicht den Verkehrsschutz zum Grund der Gleichstellung, sondern die Gleichstellung zum Grund des Verkehrsschutzes macht. Damit bleibt sie aber eine Antwort auf die Frage des Herkommens der Gleichstellungsforderung gerade schuldig. Richtig ist daher die zweite Ansicht: Die Gleichstellung folgt „aus der Rechtsordnung selbst", denn die Forderung, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, ist ein elementares Grundprinzip unserer Rechtsordnung, vergl. für das Privatrecht Raiser, ZHR 111 (1946), 75, 84, 90.
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solle als derjenige einer natürlichen Person, ein Ergebnis, das sich nur durch Annahme bestimmter Organisationspflichten erreichen lasse.577 Andererseits habe die Gleichstellung ein begrenzendes Moment, da der Wissenszurechnung auch bei juristischen Personen persönliche und zeitliche Grenzen zu ziehen seien.578 Entscheidend für die große Gefolgschaft, die das Gleichstellungsargument in Rechtsprechung und Literatur gefunden hat, ist sein - wie es Canaris ausgedrückt hat 579 - „tieferer Gerechtigkeitsgehalt", ist die Tatsache, dass das dadurch gewonnene Ergebnis das Rechtsgefühl zufrieden zu stellen scheint.580 Das zivilrechtliche Meinungsbild bezüglich des Gleichstellungsarguments stellt sich sehr kontrovers dar. 581 An dieser Stelle soll mit dem BGH und der wohl herrschenden Meinung im Schrifttum von der wertungsmäßigen Legitimationskraft des Gedankens ausgegangen werden. Die Forderung nach einer möglichst effektiven wettbewerblichen Gleichbehandlung von arbeitsteiligen Organisationen und Einzelkaufleuten oder Privatpersonen hat einen unmittelbar einleuchtenden Gerechtigkeitsgehalt. Für die Frage der Übertragbarkeit dieses Gedankens auf strafrechtliche Sachverhalte lässt sich anführen, dass das Gleichstellungsargument kein Verkehrsschutzargument ist. Zwar wird das Gleichstellungsargument im Schrifttum teilweise im Zusammenhang mit dem Vertrauensschutz zugunsten des Dritten gesehen. Es sei notwendig, einen Ausgleich zwischen den Interessen eines arbeitsteiligen Unternehmens und denjenigen des außenstehenden Dritten zu schaffen. 582 Der Käufer stünde sonst schlechter, als wenn er von einer natürlichen Person gekauft hätte, was verkehrsfeindlich und ungerecht sei. 583 Das ist jedoch die falsche Perspektive. Es geht um den Vergleich von Einzelperson und Organisation und um die ungerechtfertigten Vorteile, die Letztere aus der 57 7 Medicus, WuB I V A . § 166 BGB 1.96, S. 726 (Hervorh. v. Verf.). Mit der Einbeziehung des Vertragspartners wird ein Fremdkörper in die Gleichbehandlungsargumentation einbezogen. Denn es geht ja nicht primär um die Gleichbehandlung der Geschäftspartner einer juristischen Person und einer natürlichen Person, sondern um die „andere Seite" der zivilrechtlichen Beziehung, auf der eine juristische Person oder eine natürliche Person stehen kann, welche untereinander gleich zu behandeln sind. Allerdings bedeuten die Ausführungen von Medicus letztlich, dass die Rechtsfolgen des wirtschaftlichen Handelns im Außenkontakt bei arbeitsteiliger Organisation und Einzelperson bezogen auf dieselbe tatsächliche Situation gleich sein sollen. Die Einbeziehung des anderen Teils in die Gleichstellungsargumentation ist daher nur als rhetorisches Stilmittel aufzufassen; dadurch wird die Gleichstellungsthese nicht zum Verkehrsschutzgedanken i. e. S., ein Gedanke, der ja im Strafrecht nicht greifen würde. 578 BGH JZ 1996, 731, 733; Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4, 12. 57 9 Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 800a. 580 Buck , Wissenszurechnung, S. 320. 581 Vergl. e t w a W i s s e n s z u r e c h n u n g , S. 323; Koller, JZ 1998,75,77 f.; Messer, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 73, 84 f.; Baum, Wissenszurechnung, S. 176 ff. passim, der aber immerhin zugibt, dass dieses Prinzip „einer Konkretisierung die Richtung weisen" kann, S. 208. 582 583
Scheuch, L M § 166 BGB Nr. 35. Medicus, WuB I V A . § 166 BGB 1.96, S. 726.
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4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissensertretern (Hilfspersonen)?
Arbeitsteilung ziehen könnte, würde man Wissen nicht zurechnen. Anders ausgedrückt: Es geht um die Herstellung gleichmäßiger Wettbewerbsbedingungen für Organisationen und Einzelpersonen. 584 Diesem Anliegen kann sich auch das Strafrecht nicht verschließen. Das Strafrecht, insbesondere das Vermögensstrafrecht schützt als ultima ratio den Wirtschaftsverkehr. Man kann die Überlegung anstellen, es könne nicht angehen, dass durch ungleiche Verteilung des Strafrechtsschutzes eine Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen stattfindet. Abstrakt betrachtet handelt es sich auch um eine ungleiche Verteilung des Strafrechtsschutzes, wenn der Täter bei einem Betrug gegenüber einer arbeitsteiligen Organisation mangels „Wissenszurechnung" wegen Völlendung bestraft, die Einzelperson in derselben Situation aber nur den Schutz des versuchten Betrugs genießen würde, obwohl die Selbstschutzmöglichkeiten in beiden Fällen meist identisch sein werden. Allerdings darf das Argument der ungleichen Wettbewerbsbedingungen in seiner praktischen Auswirkung nicht überschätz werden. Denn im Regelfall wird die wissende Einzelperson keine Vermögensverfügung vornehmen und daher keinen wirtschaftlichen Nachteil erleiden. Und die Befürchtung, dass sich potentielle Täter wegen der Ungleichheit des Schutzes eher auf Einzelpersonen konzentrieren würden, scheint irreal. Kaum ein Täter wird darauf hoffen, das Opfer werde seine Täuschung durchschauen und dennoch verfügen. Bestehen bleibt also nur eine abstrakte Ungleichbehandlung bei der Art der Strafdrohung - einmal Versuch, das andere Mal Vollendung. Man kann aber auch umgekehrt argumentieren: Bei der Einzelperson wird das Wissen des Getäuschten zugleich das Ausbleiben der erstrebten Vermögensverfügung bedeuten. Bei der arbeitsteiligen Organisation ist etwas anderes eher vorstellbar. Daher könnten sich der Täter denken, er habe bei einem Betrug gegenüber einer arbeitsteiligen Organisation in doppelter Hinsicht bessere Chancen. Zum einen ist die Wahrscheinlichkeit des Gelingens seiner Täuschung wegen der Wissensaufspaltung größer, so dass er sein Ziel - die Bereicherung - leichter erreichen kann. Und zum andern hat er wegen der Wissensaufspaltung auch noch bessere Chancen, glimpflich davon zu kommen, wenn man eine „Zurechnung" des Wissens bejaht. Das spricht gegen die Zurechnung aufgrund von Gleichstellungsüberlegungen. 584 Ebenso Voit, WuB IV A. § 852 BGB 1.97, S. 671, 673 f., der aus diesem Grund eine differenzierte Behandlung der Wissenszurechnung im rechtsgeschäftlichen Bereich und im Deliktsrecht ablehnt. Er sieht die dogmatische Begründung der Wissenszurechnung in der Wahrnehmung von Zuständigkeiten für eine Organisation, S. 674. Viel Klarheit ist mit diesem Gedanken aber nicht gewonnen. Dass die Zurechnung keine logische Folge der Repräsentationstheorie ist, wurde bereits dargestellt. Die Repräsentation allein kann damit nicht der Grund der Zurechnung sein. Der Begriff „Wahrnehmung von Zuständigkeiten" ist zu allgemein und kann keine Antwort geben auf die Frage, warum (!) diese Wahrnehmung zu einer Zurechnung führen soll.
II. Fälle der Täuschung durch
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Schlussendlich greift auch der wesentliche Zweck der Gleichstellungsforderung im Strafrecht nicht. Die Gleichstellung wird im zivilrechtlichen Zusammenhang gefordert, weil verhindert werden soll, dass sich arbeitsteilige Organisationen durch gezielte Desorganisation von Wissen Rechtsvorteile und damit Wettbewerbsvorteile verschaffen. Es geht damit um Verhaltenssteuerung. 585 Ob das Strafrecht auch auf die Seite der potentiellen Opfer verhaltenssteuernd einwirken soll, kann bereits bezweifelt werden. 586 Indes kann dies dahinstehen. Denn im Zusammenhang mit einem Betrug hätte die Desorganisation von Wissen eine Vermögensverfügung der daraufhin irrenden Hilfsperson und damit einen Vermögensschaden der Organisation zur Folge. Ist der Schaden aber erst einmal eingetreten, so ist die Rückführung der abgeflossenen Vermögenswerte zweifelhaft. Wenn der Täter gefasst wird, kann er seine Bereicherung bereits verbraucht oder geschickt versteckt haben. Eine gezielte Desorganisation von Wissen verschafft arbeitsteiligen Organisationen also aus strafrechtlicher Sicht keinen Wettbewerbsvorteil, sondern eher einen Wettbewerbsnachteil. Einer Verhaltenssteuerung durch Gleichstellung zum Zweck der Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen bedarf es daher im Strafrecht nicht. d) Weitere
Wertungsüberlegungen
aa) Strafrechtliche Auswirkungen angenommener Eigenverantwortlichkeit des Rechtsgutsinhabers für die Strafbarkeit der wissenden Hilfsperson Unterlässt es die Hilfsperson vorsätzlich, ihre Kenntnisse dem Rechtsgutsinhaber mitzuteilen, verletzt sie ihre dem Rechtsgutsinhaber gegenüber bestehende (vertragliche oder gesetzliche) Pflicht zum Vermögensschutz. Je nach Ausgestaltung der Pflicht kann hierin eine Untreue (§ 266 StGB), jedenfalls aber eine durch Unterlassen begangene Beihilfe zum Betrug (§§ 263, 27, 13 I StGB) liegen. 587 Die für die Beihilfe durch Unterlassen gem. § 13 I StGB erforderliche Garan585
Diese Pflicht geht zurück auf die sogenannte Gemeindeentscheidung des BGHZ, siehe JZ 1990, 548 f. Vergl. auch Buch, Wissen, S. 329, 322, 393 ff. m. w. N., die sich jedoch kritisch gegenüber diesem Begründungsansatz äußert, vergl. a. a. O., S. 445 f. 586 y e r g i z u dieser Problematik Maurach/Zipf, AT 1, § 3 Rn. 1 f f , 5, 8. Nach Zipf ist Gegenstand der unmittelbaren Einwirkung des Strafrechts der verantwortliche Urheber der Tat und nur dieser. Er spricht aber nur von der „unmittelbaren" Einwirkung. Es scheint nicht ausgeschlossen, auch die Opferseite als Adressat der Verhaltenssteuerung aufzufassen. Einen explizit auf Steuerung des Opferverhaltens gerichteten Ansatz verfolgt Naucke, Peters-FS, S. 109, 115 ff.; kritisch W. Hassemer, ZRP 1992, 378, 380. 587 Beihilfe zum Betrug ist auch nach Abschluss der Täuschungshandlung möglich (sukzessive Beihilfe), vergl. Sch-Sch-Cramer, § 263 Rn. 17; Kühl, AT, § 20 Rn. 233. Der Gehilfe muss nur zur Rechtsgutsverletzung seinen Beitrag geleistet haben, was auch nach dem Handeln des Haupttäters noch möglich ist.
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4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissens Vertretern (Hilfspersonen)?
tenstellung der Hilfsperson besteht, wenn sie aufgrund ihres Vertragsverhältnisses mit dem Rechtsgutsinhaber die Aufgabe des Vermögensschutzes tatsächlich übernommen hat. 5 8 8 Wegen ihrer besonderen Schutzbeziehung zum Vermögen des Geschäftsherrn, ist die Hilfsperson als Beschützergarant aufzufassen. 589 Tiedemann meint, diese Konstellation sei m i t den Retterfällen
vergleichbar. 5 9 0 M a n
könnte allerdings auch daran denken, einen Vergleich m i t dem in Literatur und Rechtsprechung sehr umstrittenen Problem der Beteiligung eines unterlassenden Garanten an der Begehungstat eines Dritten ( i m Folgenden:
Beteiligungsfälle )
anzustellen. 591 I m vorliegenden Begründungszusammenhang spielt es jedoch keine Rolle, ob man die Vergleichbarkeit m i t der einen oder der anderen Fallgruppe bejaht. 5 9 2 Entscheidend ist, dass sich die Hilfsperson - ihre Garantenstellung vorausgesetzt - gegenüber dem Rechtsgutsinhaber strafbar macht. Ebenso wenig kommt es bei Zugrundelegung eines Beteiligungsfalls darauf an, ob man den Garanten als Täter oder Teilnehmer ansieht. Ihrem Wesen nach ist die Teilnahme M i t w i r k u n g an fremder Rechtsgüterverletzung. Das Unrecht des Teilnehmers liegt zum einen darin, dass er selbst an der Normverletzung des Täters mitwirkt. 588
Vergl. dazu Kühl , AT, § 18 Rn. 68 ff. Vergl. dazu Haft , AT, S. 180 ff.; Kühl , AT, § 18 Rn. 46a ff., 68 ff.; Sch-Sch-Stree, § 13 Rn. 10. 590 Lit-Tiedemann, § 263 Rn. 82. Er will daraus folgern, dass das garantenpflichtwidrige Unterlassen der Hilfsperson die Zurechnung des Betrugsschadens zum Täter ausschließe. Ob dem gefolgt werden kann, ist zweifelhaft. Es ist zu bedenken, dass das Unterlassen der Hilfsperson das vom Täuschenden geschaffene Risiko nicht modifiziert oder verdrängt, vergl. dazu Roxin , AT I, § 11 Rn. 116. Zwar ist anerkannt, dass auch das bloße Unterlassen eines Garanten die Zurechnung ausschließen kann, vergl. Roxin , AT I, § 11 Rn. 117. Voraussetzung dafür ist, dass das Unterlassen ein wertungsmäßiges („erlebnismäßiges") Übergewicht bekommt. Diskutiert wird dies v. a. im Zusammenhang mit ärztlichem Fehlverhalten. Insofern wird man wohl die soziale Rolle des unterlassenden Garanten bei der Feststellung des wertungsmäßigen Übergewichts berücksichtigen müssen. Das Krankenhauswesen und die Ärzteschaft sind soziale Gegebenheiten, auf deren Existenz und Einsatz man sich allgemein verlässt und verlassen darf. Das pflichtwidrige Unterlassen solcher Rollenträger ist eher geeignet, ein Übergewicht gegenüber dem aktiven Tun des Täters zu begründen, als das Unterlassen von Personen, auf deren Existenz und Einsatz gemeinhin nicht vertraut wird. Eine tiefere Untersuchung dieser Problematik kann und muss an dieser Stelle nicht erfolgen, da es hier allein um die Frage geht, ob das Verhalten der Hilfsperson die Verantwortung des Verletzten für den Schaden begründen kann. Ansätze könne die Überlegungen Lenckners , Engisch-FS, S. 490, 507 und Roxins , Henkel-FS, 171, 183 liefern. 589
591
Ausführlich dazu Sowoda , Jura 1986, 399,401 ff.; Arzt , JA 1980, 553, 558 f., sowie dagegen Seier, JA 1990,382, 383 ff.; Otto, Jura 1987,246,251; dens., JuS 1982, 557, 564 f.; BGH JR 1993, 159, 160 = BGH NStZ 1992, 31; zusammenfassend Sch-Sch-Cramer, Vorbem §§ 25 ff. Rn. 101 ff. Bei dieser Konstellation ist umstritten, ob sich der Garant als Nebentäter oder als Gehilfe des Begehungstäters strafbar macht. Die wohl herrschende Meinung in der Literatur geht davon aus, dass sich ein Beschützergarant stets als Nebentäter strafbar macht. 592 Es dürfte weitgehend von der Fallgestaltung abhängig sein, zu welcher Fallgruppe die größere Nähe besteht.
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Es ist damit abhängig vom Unrecht der Haupttat. 593 Zum anderen verwirklicht der Teilnehmer auch eigenes Erfolgsunrecht, das in seinem Beitrag zur Haupttat liegt. 594 Das Verhalten des unterlassenden Garanten ist daher nach allen Ansichten gegenüber dem Rechtsgutsinhaber als vermögensbezogenes Unrecht zu werten. Irrelevant ist dabei, ob ein kollusives Zusammenwirken zwischen Täter und Hilfsperson vorliegt 595 oder ob dem Täter das Verhalten der Hilfsperson unbekannt ist. Es liegt in beiden Fällen ein doppelter Angriff auf den Rechtsgutsinhaber vor - zum einen durch den Täter und zum anderen durch seinen Gehilfen. Auch der Angriff der Hilfsperson ist strafwürdig. Insofern ergibt sich eine Ungereimtheit, wenn man dessen pflichtwidriges Verhalten zur Begründung der Verantwortung des Rechtsgutsinhabers heranzieht: Geht man von einer Beihilfe des Wissensträgers aus, läge wegen der Akzessorietät der Teilnahme für die Hilfsperson in objektiver Hinsicht nur Beihilfe zum Versuch vor, da für den Täter kein zurechenbares Erfolgsunrecht vorläge. Dabei ist es gerade die Pflichtverletzung des Gehilfen, die den Taterfolg ermöglicht. Er ist zur Verhinderung solcher Schädigungen „auf Posten gestellt". 596 Im Ergebnis würde daher sein Beitrag zur Unrechtsverwirklichung zu einem Unrechtsausschluss führen. Ein außenstehender Garant, der zum Betrug Beihilfe leistet, müsste dagegen für das Erfolgsunrecht einstehen, da sein Wissen die objektive Zurechnung nicht ausschließen könnte. Der Wissensvertreter stünde also trotz der in der Garantenstellung liegenden „engeren Beziehung" zum Rechtsgut besser, als ein außenstehender Dritter. An anderer Stelle betrachtet der Gesetzgeber solche „engeren Beziehungen" zum Rechtsguts als strafbarkeitsbegründend, etwa bei § 266 I StGB, oder jedenfalls als strafschärfend, beispielsweise bei § 246 StGB 597 und § 264 II 2 Nr. 3 StGB. Die Anerkennung einer Zurechnung und die damit verbundene Eigenverantwortung des Rechtsgutsinhabers würde folglich bereits in objektiver Hinsicht zu einer Ungleichbehandlung von im Unrechtsgehalt mindestens gleichwertigen Beihilfefällen führen, und zwar entgegen der Intention des Gesetzgebers, besondere Anvertrauungsverhältnisse unrechtserhöhend zu berücksichtigen. 598 Noch gravierender erscheint diese Ungleichbehandlung, wenn man die subjektive Tatseite in die Betrachtung mit einbezieht. Hier fehlt es nämlich am Vollendungsvorsatz der Hilfsperson 599, da sie gerade diejenigen Umstände kennt, die zum Ausschluss der objektiven Zurechnung führen. Im Ergebnis würde den Gehilfen also sein Wissen um die Verletzung seiner gegenüber dem Vermögen des Verletzten bestehenden Schutzpflicht straffrei stellen. 593 594 595 596 597 598 599
Sch-Sch-Cramer, Vorbem §§ 25 ff. Rn. 17. Sch-Sch-Cramer, Vorbem §§ 25 ff. Rn. 17a mit 41. Dazu LK-Tiedemann, § 263 Rn. 82. Vergl. Sch-Sch-S/ree, § 13 Rn. 10. Vergl. Sch-Sch-Eser, § 246 Rn. 29. Wie hier auch Eisele, Wissenszurechnung, IV 2. Vergl. Sch-Sch-Cramer, § 27 Rn. 19 m. w. N.
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4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissensertretern (Hilfspersonen)?
Noch deutlicher treten diese Widersprüche zutage, wenn man von einer Nebentäterschaft der Hilfsperson ausgeht. Diese wäre möglich. Aus der Garantenstellung folgt die Pflicht, den Rechtsgutsinhaber über die Täuschung des Täters aufzuklären. Das Unterlassen der Aufklärung stellt daher eine Täuschung durch Unterlassen dar. Irrtum und Vermögensverfugung des Rechtsgutsinhabers beruhen auch auf diesem Verhalten. Sieht man von der einzelfallabhängigen Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes des § 263 StGB ab, macht sich die Hilfsperson also nach § 263, 13 I StGB strafbar. Die Frage ist nur, ob wegen vollendeten oder wegen versuchten Betrugs. Ließe man die Begründung der Eigenverantwortung des Rechtsgutsinhabers durch das Verhalten der Hilfsperson zu, könnte der andere Betrüger nur wegen versuchten Betrugs bestraft werden. Der Schaden wäre ihm objektiv nicht zurechenbar. Es ist aber unmöglich, dass täterschaftliche Verhalten der Hilfsperson auch für ihre eigene Strafbarkeit als zurechnungslimitierend zu bewerten. Man käme daher zu dem Ergebnis, dass der eigentliche Initiator des betrügerischen Geschehens wegen versuchten Betrugs, der sich erst anschließende Wissensträger dagegen wegen vollendeten Betrugs zu bestrafen wäre. bb) Strafzweckbetrachtungen Im 3. Kapitel war das Ausmaß der Rechtsfriedensstörung und damit der Strafzweck der Wiederherstellung des Rechtsfriedens ein wichtiger Grund, dem Verletzten die Eigenverantwortung zuzuweisen. Ausgangspunkt war die Erkenntnis, dass die Zurechnung der Tatfolgen, d. h. die Zuweisung von Verantwortung für diese Folgen, sich an den Zwecken des Strafrechts auszurichten hat. Dieser Gedanke ist hier nochmals aufzugreifen. Es ist die Frage zu stellen, ob die Bestrafung des Täters wegen vollendeten Betrugs im Hinblick auf die im Vermögensschaden liegende Rechtsfriedensstörung und die Mitwirkung der Hilfsperson an dieser Schädigung zur Widerherstellung der Rechtsfriedens erforderlich und angemessen ist. 600 Vermittelt wird die Rechtsfriedensstörung der Allgemeinheit bei der Verletzung des Individualrechtsguts „Vermögen" über die Rechtsfriedensstörung des konkret Betroffenen. Anders als in den obigen Konstellationen601 liegt hier eine Rechtsfriedensstörung des Vermögensinhabers vor. Das Handeln seiner Hilfsperson stellt sich als Angriff auf das geschützte Rechtsgut dar. Der Hilfsperson fehlt die Dispositionsbefugnis über das Vermögen des Rechtsgutsinhabers, so dass von einer Preisgabe des Rechtsguts nicht gesprochen werden kann. Daher liegt auch von Seiten des Täters ein Angriff auf das Vermögen vor. Der Rechtsgutsinhaber sieht sich damit von zwei Seiten angegriffen. Sein Rechtsfrieden
600 Zu den Topoi „Erforderlichkeit" und „Angemessenheit" vergl. W. Frisch , Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 74 f., 127 f f , insbesondere S. 142 ff. 601 Siehe oben, S. 78 ff.
II. Fälle der Täuschung durch
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ist eher noch umfassender gestört als im Falle eines Betrugs im Zweipersonenverhältnis. Und auch eine objektive und vernünftige Betrachtung aus Sicht der Allgemeinheit wird nicht zu dem Ergebnis fuhren, dass das kriminelle Verhalten des Gehilfen dem Betrugsschaden seine rechtserschütternde Wirkung nimmt. Es widerstrebt aus strafrechtlicher Sicht dem Gerechtigkeitsempfinden, das Unrecht einer faktisch erfolgreichen Tat nur deshalb geringer anzusetzen, weil ein mit dem Schutz des Rechtsguts Betrauter seine Schutzpflichten verletzt hat. Auch unter Strafzweckgesichtspunkten ist es daher erforderlich und angemessen, dem Täter den Vermögensschaden zuzurechnen. e) Zusammenfassung und Ergebnis Das Wissen eines sog. Wissensvertreters kann dem Rechtsgutsinhaber im strafrechtlichen Zusammenhang nicht so zugerechnet werden, dass dadurch die Eigenverantwortung des Rechtsgutsinhabers für den Taterfolg begründet und die Zurechnung zum Täter ausgeschlossen wird. Ein maßgeblicher Grund der Wissenszurechnung im Zivilrecht besteht darin, den Geschäftspartner zu schützen. Aus strafrechtlicher Sicht ist der Täuschende Geschäftspartner des Vermögensträgers. Aufgrund des bereits in der Täuschung liegenden Normverstoßes ist der Täuschende aber nicht schutzwürdig. Die Vertrauensschutzüberlegungen des Zivilrechts können daher im Strafrecht keine Verantwortungszuweisung an den Rechtsgutsinhaber legitimieren. Als im Grundansatz brauchbar haben sich nur diejenigen Wertungen herausgestellt, die ohne einen wesentlichen Bezug zum Vertrauen des Geschäftspartners (Täters) auskommen. Dies sind - mit Abstrichen - zunächst das Risikoprinzip, sodann der Selbstschutzgedanke und das Gleichstellungsargument. Risikoprinzip und Selbstschutzgedanke hängen dabei insoweit zusammen, als in der Übertragung der Aufgabe des Vermögensschutzes eine Risikoübernahme des Rechtsgutsinhabers liegen kann. Für fahrlässige Pflichtverletzungen der Hilfsperson lässt sich eine solche Risikoübernahme auch grundsätzlich annehmen. Die Zuweisung der Verantwortung muss in diesen Fällen aber daran scheitern, dass die fahrlässige Unkenntnis auch im Zweipersonenverhältnis nicht zum Ausschluss der Betrugsstrafbarkeit - konkret: zur Verneinung eines Irrtums - führt. Dann kann nichts anderes gelten, wenn dieselbe Fahrlässigkeit von einer weiteren Person im Machtkreis des Geschädigten begangen wird. Bezüglich des vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verhaltens der Hilfsperson kann nicht ohne weiteres von einer Risikoübernahme ausgegangen werden. Sie ist hier abhängig von genauen Feststellungen zum Willen des Vermögensinhabers. Die Entscheidung, ob ein Schaden dem mutmaßlichen Willen des Rechtsgutsinhabers entspricht, steht dem Wissensvertreter nicht zu. Daher kann hier auch nicht auf einen mutmaßlichen Willen des Vermögensinhabers abgestellt werden. Auf Risikoprinzip und Selbstschutzgedanke kann die Verantwortungszuweisung daher nicht gestützt werden.
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4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissens Vertretern (Hilfspersonen)?
Auch das Gleichstellungsargument versagt im strafrechtlichen Zusammenhang. Zwar lässt sich eine Ungleichbehandlung von arbeitsteiligen Organisationen und Einzelpersonen hinsichtlich des strafrechtlichen Schutzes feststellen. Ziel der Gleichstellung ist es jedoch, gleichmäßige Wettbewerbsbedingungen für Organisationen und Einzelpersonen herzustellen. Die im Hinblick auf die Art der Strafe festzustellende Ungleichbehandlung - Vollendung bei Organisationen, Versuch bei der Einzelperson - ist nur abstrakter Natur. Denn die getäuschte Einzelperson wird in der Regel die Vermögensverfügung unterlassen und daher überhaupt keinen Schaden erleiden. Insofern ließe sich sogar argumentieren, dass die Zurechnung des Wissens die arbeitsteiligen Organisationen der Gefahr aussetzen würde, gehäuft Opfer von Betrügern zu werden. Denn nur bei arbeitsteiligen Organisationen hätte der Täter bei vernünftiger Betrachtung eine Chance, zugleich an die erstrebte Bereicherung zu kommen und - wegen der „Wissenszurechnung" - nur wegen Versuchs bestraft zu werden. Letztendlich würde also die vom Zivilrecht befürchtete und bekämpfte Desorganisation des Wissenstransfers innerhalb arbeitsteiliger Organisationen diesen Unternehmen im Strafrecht nur Nachteile bereiten. Die Gleichstellung ist daher im strafrechtlichen Zusammenhang nicht geboten. Zudem würde die Begründung von Eigenverantwortung in diesen Fällen auch außerhalb des Verhältnisses Täter-Rechtsgutsinhaber zu Verwerfungen führen. Betrachtet man das Handeln der Hilfsperson als Hilfeleistung im Sinne des § 27 StGB, so würde sie gerade wegen ihres Wissens um ihre Pflichtverletzung im Innenverhältnis zum Rechtsgutsinhaber mangels Vollendungsvorsatzes straffrei sein. Ein dem Opfer weniger nahestehender Dritter würde dagegen wegen Beihilfe zum vollendeten Betrug bestraft. Betrachte man das Handeln der Hilfsperson als nebentäterschafitlichen Betrug durch Unterlassen, wäre die Hilfsperson wegen vollendeten Betrugs, der Initiator des Geschehens dagegen nur wegen versuchten Betrugs zu betrafen. Zudem ist es auch unter Strafzweckgesichtspunkten nicht geboten, dem Täter die Verantwortung für den Schaden abzunehmen.
I I I . Fälle der Täuschung durch Unterlassen 1. Einleitung und Problemstellung Wie bereits eingangs dieses Kapitels angedeutet, muss die Konstellation der Täuschung durch Unterlassen einer gesonderten Untersuchung unterzogen werden. Hier stellt sich die Frage der Wissenszurechnung in einem anderen Zusammenhang. Die Problematik erschließt sich leichter, wenn man sie sich anhand eines Beispielsfalles verdeutlicht. T ist Geschäftsführer eines Tankstellenunternehmens. Das Unternehmen ist Eigentümer von mehreren Tankstellengrundstücken. Die Grundstücke sollen an
III. Fälle der Täuschung durch Unterlassen
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O veräußert werden. Die Verhandlungen für O fuhrt mit einer gewissen Eigenverantwortlichkeit der V. Im Zuge der monatelangen Verhandlungen klärt der T den V auf, dass mehrere genau bezeichnete Grundstücke mit Altlasten belastet und sanierungsbedürftig sind. V gibt dieses Wissen nicht an O weiter. Nach Abschluss der Verhandlungen wird der Vertrag, so wie er von V und T vorbereitet wurde, zwischen O persönlich und T geschlossen. T erkennt dabei, dass O keine Kenntnis von der Altlastenbelastung der bezeichneten Grundstücke hat. Für die Beurteilung der Strafbarkeit ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen. Es ergeben sich mehrere strafrechtliche Lösungsansätze. Klar ist zunächst: Geht der Täter davon aus, dass der Rechtsgutsinhaber von seinem Wissensvertreter pflichtgemäß unterrichtet wurde, fehlt ihm im Tatzeitpunkt der Täuschungsvorsatz. 602 Aber wie ist zu entscheiden, wenn der Täter weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass der Wissensvertreter (V) den Rechtsgutsinhaber (O) nicht ordnungsgemäß unterrichtet hat und diesem daher die relevante Kenntnis fehlt? Muss der Täter hier den Rechtsgutsinhaber persönlich aufklären, seine Aufklärungshandlung also wiederholen? Oder hat er die Aufklärungspflicht dadurch „erfüllt", dass er den Wissensvertreter des Rechtsgutsinhabers von den relevanten Tatsachen in Kenntnis gesetzt hat? Tiedemann ist der Ansicht, dass es angesichts der Arbeitsteiligkeit des Wirtschaftsverkehrs genügen muss, wenn der Täter etwaigen Aufklärungspflichten gegenüber dem die Vertragsverhandlungen fuhrenden Vertreter seines Vertragspartners nachkommt. Man könne dem Täter nicht aufbürden, seine Aufklärungspflicht auch gegenüber allen Organen einer juristischen Person oder gegenüber dem Firmeninhaber zu erfüllen. 603 Nach seiner Ansicht hängt die Strafbarkeit in solchen Fällen davon ab, ob dem Täter eine nochmalige Aufklärungshandlung zumutbar ist. 604 Indes muss man hier an anderer Stelle ansetzten. Auf die Frage der Zumutbarkeit kommt es nämlich nicht an, wenn es im Zeitpunkt der Tatbegehung (d. h. bei Vertragsschluss) bereits an der Garantenstellung fehlt. Die Garantenstellung resultiert hier aus der Pflicht, den Vertragspartner über die vertragswesentlichen Umstände des Rechtsgeschäfts aufzuklären. 605 Es stellt sich die Frage, ob diese Aufklärungspflicht trotz der bereits erfolgten Aufklärungshandlung gegenüber dem Wissensvertreter fortbesteht. Kann man dem Rechtsgutsinhaber (Geschäftsherrn) das Wissen der Wissensvertreters zurechnen und deshalb das Weiterbestehen der Aufklärungspflicht ablehnen? Es handelt sich dabei um eine von der zivilrechtlichen Literatur bisher - soweit ersichtlich - nicht thematisierte Frage, der im Folgenden nachzugehen ist. 602
So bereits LK-Tiedemann, § 263 Rn. 82. Tiedemann, Klug-FS, S. 405, 414. 604 ix-jiedemann, § 263 Rn. 82 a. E. Zum Kriterium der Zumutbarkeit bei unechten Unterlassungsdelikten siehe Sch-Sch-S/ree, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 155 f. 605 Siehe dazu sogleich. 603
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4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissensertretern (Hilfspersonen)?
2. Möglichkeit eines Betrugs durch Unterlassen; Anerkennung einer Aufklärungspflicht aus Treu und Glauben Von der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur wird die Möglichkeit eines Betrugs durch Unterlassen anerkannt. 606 Zu beachten ist allerdings, dass der Betrug nicht die Irrtumsherbeiführung oder -Unterhaltung, sondern die dadurch bewirkt Vermögensschädigung sanktioniert. Daher setzt die Unterlassenstrafbarkeit nicht die Verletzung einer Aufklärungspflicht um der Wahrheit willen voraus. Entscheidend ist vielmehr, dass der Täter dafür einzustehen hat, dass das Opfer sich nicht selbst schädigt.607 Eine betrugsspezifische Garantenstellung erfordert demnach eine besondere Pflichtenstellung des Täters zum Schutz des Opfers vor vermögensschädigenden Fehlvorstellungen, an welche erhöhte Anforderungen zu stellen sind. 608 Eine solche Pflichtenstellung kann sich nach überwiegender Ansicht auch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben. 609 Annerkannt wird dies jedenfalls in Vertragsverhältnissen, bei deren Abschluss sich der eine Teil besonders von dem anderen Teil beraten lässt, sich gewissermaßen dessen Sachverstand anvertraut. 610 Das hat die Rechtsprechung beispielsweise beim Gebrauchtwagenkauf angenommen.611 Die Voraussetzungen des Bestehens einer Aufklärungspflicht sind dabei im wesentlichen identisch. Dem liegt eine „Einheit der Wertungen" zugrunde. Die unterschiedliche Würdigung der Aufklärungspflicht im Strafrecht und im Zivilrecht würde aus Sicht der Betroffenen unverständlich und willkürlich erscheinen. 612 Allerdings ist anzumerken, dass hiermit keine Anknüpfung an die zivilrechtliche Aufklärungspflicht verbunden ist. Die strafrechtliche Garantenstellung resultiert nicht in dem Sinne aus der zivilrechtlichen Aufklärungspflicht, dass letztere die „Rechtsgrundlage" der ersteren wäre. 613 Die Begründung der Garantenstellung aus § 242 BGB findet vielmehr strafrechtsautonom statt, nur liegen der Pflicht eben im Wesentlichen dieselben Wertungen zugrunde und ist die Pflicht im Wesentlichen an dieselben Voraussetzungen gebunden.614 Damit stellt sich 606 Vergl. Haft, BT, S. 204 f.; Arzt, in: Arzt/Weber, BT, § 20 Rn. 41 f f ; Eser, Strafrecht IV, S. 116 f.; LK-Lackner, 10. Aufl., § 263 Rn. 62; Sch-Sch-Cramer, § 263 Rn. 18 mit Nachweisen auch zur Gegenauffassung. 607 Maaß, Betrug, S. 23 ff., 24, 44. 608 Sch-Sch-Cramer, § 263 Rn. 19 m. w. N. 609 Vergl. Sch-Sch-Cramer, § 263 Rn. 23; LK-Tiedemann, § 263 Rn. 66 m. w. N.; eingehend und kritisch zu dieser Problematik Maaß, Betrug, S. 94, 141 ff., insbesondere S. 145 ff. 610
Vergl. Maaß, Betrug, S. 107, 131 ff. BayObLG NJW 1994, 1078, 1079 m. Anm. Häuf MDR 1995,21 f.; OLG Nürnberg, MDR 1964, 693 f. 6.2 Häuf MDR 1995,21 f. 6.3 So bereits OLG Nürnberg, MDR 1964, 693 f. 614 Vergl. Häuf MDR 1995, 21 f. 611
III. Fälle der Täuschung durch Unterlassen
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allerdings die Frage, warum die Wissenszurechnung hier als zivilrechtliche Vorfrage eine Rolle spielen kann. Das soll im Folgenden Abschnitt kurz dargestellt werden.
3. Bedeutung des Bestehens bzw. Nichtbestehens einer zivilrechtlichen Aufklärungspflicht für die strafrechtliche Garantenstellung Für eine Abhängigkeit der strafrechtlichen (betrugsspezifischen) Garantenstellung vom Bestehen einer zivilrechtlichen Aufklärungspflicht spricht die ultima-ratio-Funktion des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes.615 Das Strafrecht entfaltet gegenüber anderen Sachgebieten des Rechts nur „sekundäre" Wirkung, kommt also nur zum Zug, wenn die den anderen Materien zur Verfügung stehenden Mittel des Rechtszwangs zu versagen drohen. 616 Zu diesen Mitteln des zivilrechtlichen „Rechtszwangs" gehört unter anderen die Täuschungsanfechtung. 617 Rechtspolitisch steht die Auswahl unter den vom Recht zur Verfügung gestellten Maßnahmen unter dem Leitsatz, dass eine schwerere Maßnahme nicht berechtigt ist, solange eine mildere den gleichen Erfolg erwarten lässt.618 Auch wenn es sich dabei nur um eine rechtspolitische Forderung an den Gesetzgeber handelt 619 , kann doch die Dogmatik diesen grundlegenden Gesichtspunkt nicht außer Acht lassen. Auf die vorliegende Problematik angewandt bedeutet dies: Würde man in Bezug auf denselben tatsächlichen Sachverhalt eine zivilrechtlichen Aufklärungspflicht verneinen 620, eine strafrechtliche aber bejahen, so würde das Strafrecht einen weitgreifenderen Schutz gewähren, als das Zivilrecht. Damit würde das ultima-ratio-Prinzip in sein Gegenteil verkehrt. Im Hinblick auf dieses Prinzip kann die Lösung nur so lauten, dass dann, wenn keine zivilrechtliche Aufklärungspflicht besteht, auch keine strafrechtliche Aufklärungspflicht besteht.621 Es kommt also für diese Arbeit nicht entscheidend darauf an, ob man in dem eingangs geschilderten Beispielsfall eine strafrechtliche Aufklärungspflicht auch aufgrund anderer, strafrechtsspezifischer Umstände verneinen könnte. Sie wäre jedenfalls wegen des eben dargelegten Verhältnisses von Strafrecht und Zivilrecht zu verneinen, wenn aus zivilrechtlicher Sicht nicht nochmals aufge615
Siehe dazu Maurach/Zipf,
AT 1, § 2 Rn. 8 f f , insbesondere Rn. 11 ff.; Roxin, AT I,
§ 2 Rn. 38 ff.; Weber, in: Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 3 Rn. 19. 616 6,7 618
Maurach/Zipf, Maurach/Zipf, Maurach/Zipf,
AT 1, § 2 Rn. 8. AT 1, § 2 Rn. 12. AT 1, § 2 Rn. 13; vergl. auch R. Hassemer, Schutzbedürftigkeit, S.
19 ff. 619 620
Maurach/Zipf, AT 1, § 2 Rn. 13. Und damit i. E. auch eine Täuschungsanfechtung (§ 123 I 1. Alt. BGB) ausschlie-
ßen. 621 So i. E. auch Maaß, Betrug, S. 17 f., 19; vergl. zudem Pawlik, Betrug, S. 162. Siehe auch die zutreffende Feststellung des BayObLG, wistra 2001,473: „Eine [...] Wissenszurechnung kann jedenfalls nicht weitergehen, als die zivilrechtliche Zurechnung."
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4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissensertretern (Hilfspersonen)?
klärt werden müsste. Dieser wertungsmäßige Zusammenhang rechtfertigt die folgenden Ausführungen zur zivilrechtlichen Aufklärungspflicht. Die Frage der Wissenszurechnung bei zivilrechtlichen Aufklärungspflichten kann also als normative Vorfrage einer strafrechtlichen Garantenstellung angesehen werden.
4. Rechtsgrund und Voraussetzungen einer (zivilrechtlichen) Aufklärungspflicht Eine Aufklärungspflicht ist die Pflicht, den anderen Teil unaufgefordert über entscheidungserhebliche Umstände zu informieren. 622 Rechtsgrundlage dieser Pflicht ist § 242 BGB. 6 2 3 Eine Aufklärungspflicht besteht, wenn eine Vertragspartei nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten darf. 624 Grundvoraussetzung einer Aufklärungspflicht ist ein Informationsdefizit (Wissensdefizit) des Berechtigten. Der Aufklärungspflichtige muss über Informationen verfügen, von denen er weiß oder annehmen muss, dass sie der anderen Partei unbekannt, aber für ihren Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind. 625 Es ist grundsätzlich legitim, sich bessere Marktkenntnisse oder einen sonstigen Informationsvorsprung zu verschaffen und dies auszunutzen. Ob das Unterlassen der Aufklärung treuwidrig ist, ist wertend zu ermitteln. Dabei wirken die Gesichtspunkte des schutzwürdigen Informationsbedürfnisses der einen Seite, der Informationsvorsprung der anderen Seite und die besondere Vertrauensprägung des Rechtsverhältnisses in einem beweglichen System zusammen.626 Keine Aufklärungspflicht besteht über Umstände, die der Vertragspartner ohne weiteres selbst feststellen kann, wenn er seine eigenen Interessen in der von ihm erwartbaren Weise selbst wahrt. Es ist also dem Wissen der einen Seite die Erkenntnismöglichkeit der anderen Seite gegenüberzustellen. 627 Positives Erkennen eines erheblichen Irrtums des anderen Teils und auch bereits die offensichtliche Unkenntnis der anderen Partei von wesentlichen Umständen sprechen für eine Aufklärungspflicht. 628
622 623 624 625 626 627 628
?a\mdt-Heinrichs, § 242 Rn. 37; MK-Roth, § 242 Rn. 260. Palandt-Heinrichs, § 123 Rn. 5; Breidenbach, Informationspflichten, S. 1 f. BGH NJW 1989, 763; BGH NJW-RR 1991, 439. UK-Roth, § 242 Rn. 269. MK-Roth, § 242 Rn. 271; Breidenbach, Informationspflichten, S. 61 ff. MK-Roth, § 242 Rn. 279. MK-Roth, § 242 Rn. 283.
III. Fälle der Täuschung durch Unterlassen
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5. Kann das Wissensdefizit des Aufklärungsberechtigten durch Wissenszurechnung entfallen? Die Frage, ob das Wissensdefizit des Aufklärungsberechtigten durch Wissenszurechnung im Rechtssinne entfallen kann, untersucht man sinnvollerweise in zwei Schritten: Erstens ist zu klären, ob im Rahmen der Erfüllung von Aufklärungspflichten Wissenszurechnung grundsätzlich in Frage kommt. Und zweitens ist zu untersuchen, ob bestimmte Wertungsüberlegungen gegen die Zurechnung von Wissen sprechen. a) Grundsätzliche Möglichkeit von Wissenszurechnung bei Aufklärungspflichten Grundvoraussetzung von Wissenszurechnung ist die Existenz einer Wissensnorm. 629 Nach dieser richten sich die Voraussetzungen, unter welchen Kenntnis und Kennenmüssen zuzurechen sind. 630 Wissensnormen sind Normen, die an Kenntnis oder Kennenmüssen bestimmte Rechtsfolgen knüpfen. 631 Solche Normen finden sich im BGB und auch in anderen Gebieten des Zivilrechts. Es muss sich aber nicht zwingend um gesetzliche Bestimmungen handeln. Wissen spielt beispielsweise auch beim Vorsatz, bei der Arglist, bei der Auslegung von Willenserklärungen und eben im Rahmen von Aufklärungspflichten eine Rolle. 632 Die zivilrechtliche Literatur beschränkt den Anwendungsrahmen der Wissenszurechnung also nicht auf Rechtsnormen im Sinne des Art. 2 EGBGB. Wissenszurechnung soll vielmehr - unabhängig von einer Norm - überall dort in Betracht kommen, wo von der Kenntnis einer Vertragspartei Rechtsfolgen abhängen. Das ist auch nachvollziehbar. Denn die Durchführung des Rechtsgedankens, dass demjenigen, der einen Wissensvertreter für sich handeln lässt, das Wissen dieser Hilfsperson zuzurechnen ist, kann nicht davon abhängen, ob das Wissen von einer Rechtsnorm oder in sonstigem Zusammenhang vorausgesetzt wird. Der Rechtsgedanke der Wissenszurechnung resultiert aus allgemeinen Wertungskriterien, die nicht an einzelne Rechtsnormen (Wissensnormen i. e. S.) gebunden sind. Dies ermöglicht es grundsätzlich, auch bei den einzelfallabhängigen und nicht rechtlich normierten Aufklärungspflichten Wissen zuzurechnen. Soweit ersichtlich, wurde die Frage der Wissenszurechnung bei Aufklärungspflichten aus Treu und Glauben bisher aber nur für die Seite des Aufklärungspflichtigen thematisiert. Da fast stets nur über das aufgeklärt werden müsse, was der Pflichtige selber (positiv) wisse, komme es vor allem bei juristischen Perso629
Vergl. dazu Buch,, Wissen, S. 16 ff. Buch, Wissen, S. 19; Waltermann, AcP 192 (1992), 181, 183 ff., 191; H. Köhler, Karlsruher Forum 1994, 38. 631 Waltermann, AcP 192 (1992), 181, 185. 632 Vergl. Buch, Wissen, S. 21 (Hervorh. v. Verf.). 630
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4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissensertretern (Hilfspersonen)?
nen darauf an, welches Wissen diesen zuzurechnen sei. 633 Die Frage stellt sich aber in gleichem Maße auch für die Seite des Aufklärungsberechtigten. Muss die Aufklärungshandlung des Pflichtigen zu einem positiven Wissen des Berechtigten selbst fuhren, oder reicht dass durch Wissenszurechnung vermittelte Wissen, d. h. die Verantwortung für fremdes Wissen aus? Mit anderen Worten: Gibt es bestimmte Wertungsüberlegungen, die die Wissenszurechnung bei Aufklärungspflichten einschränken oder gar ausschließen? Dem ist im Folgenden nachzugehen. b) Wertungsbedingter
Ausschluss der Wissenszurechnung bei der „ Erfüllung " von Aufklärungspflichten
Die Wissensnorm begründet nicht nur die Möglichkeit der Wissenszurechnung schlechthin, ihr Normzweck und ihr Regelungszusammenhang legen auch den Umfang fest, innerhalb dessen die Wissenszurechnung erfolgen kann. 634 Vom Sinn und Zweck der Wissensnorm ist abhängig, ob eine Zurechnung überhaupt möglich ist und welche Voraussetzungen dafür vorliegen müssen. Das resultiert daraus, dass die Zurechnung von Wissen die gesetzlichen Ziele der Wissensnorm absichern soll. 635 Diese auf Rechtsnormen i. e. S. bezogenen Aussagen müssen für den Bereich der Aufklärungspflichten entsprechend gelten. Es ist danach zu fragen, welchem Zweck solche Pflichten dienen und ob es Gründe gibt, die die Wissenszurechnung in diesem Bereich ausschließen. aa) Sinn und Zweck der Aufklärungspflicht Informationspflichten dienen dazu, eine selbstverantwortliche Entscheidung zu ermöglichen. Geschütz wird die Willensfreiheit des Adressaten. 636 Die Änderung der Informationslastverteilung durchbricht nicht das Prinzip der Privatautonomie, sondern schützt mit der Willensfreiheit eine ihrer wesentlichen Funktionsbedingungen.637 Nach Ansicht Breidenbachs geht es dabei nicht um die Umverteilung von Risiken, sondern schlicht um die Risikokenntnis. Es gehe auch nicht darum, dem Informationsberechtigten ein „gutes und faires Geschäft" zu sichern. 638 Information schütze nur die Selbstbestimmung, ohne vor ihren Risiken zu bewahren. 639 Dass keine Verlagerung des Informationsrisikos stattfindet, 633
Grunewald , WuB IV A § 852 BGB 2.94, S. 614; dies., Beusch-FS, S. 301; Buch, Wissen, S. 21. 634 Waltermann, AcP 192 (1992), 181, 186. 635 Vergl. Buch, Wissen, S. 116 m. w. N. 636 Breidenbach, Informationspflichten, S. 12. 637 Breidenbach, Informationspflichten, S. 12 m. w. N. 638 So auch Köndgen , Selbstbindung, S. 125. 639 Breidenbach, Informationspflichten, S. 12.
III. Fälle der Täuschung durch Unterlassen
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dürfte indes ungenau sein. Wenn man sagt, der Käufer kann keine Aufklärung erwarten, so bedeutet dies, dass er das Risiko des Nicht-Informiert-Seins bzw. der Informationserlangung (das Informationsrisiko) selbst zu tragen hat. Statuiert man dagegen eine Aufklärungspflicht des Verkäufers, so nimmt man dem Käufer dieses Informationsrisiko ab und weist es dem Verkäufer zu. Es geht damit auch um die Zuweisung des Informationsrisikos 640 bb) Normatives Fehlen des Informationsbedarfs aufgrund von Wissenszurechnung? Eine entscheidende Voraussetzung vertragsschlussbezogener Informationspflichten ist die Wesentlichkeit der Information, der Informationsbedarf 641 Die Ermittlung des Informationsbedarfs muss anhand des Schutzzwecks von Informationspflichten erfolgen. 642 Wenn das Wissensdefizit nicht oder nicht mehr existiert und somit der Informationsbedarf fehlt, so besteht keine Aufklärungspflicht. 643 Dies gilt unabhängig davon, ob das Wissensdefizit durch eine Aufklärungshandlung des Aufklärungspflichtigen oder auf sonstige Weise entfällt. Es fehlt dann eine Entstehungsvoraussetzung der Aufklärungspflicht. Entscheidend ist also, unter welchen Voraussetzungen das Wissensdefizit als behoben angesehen werden kann. Es ist sinnvoll, auch diese Frage am Kriterium von Treu und Glauben auszurichten, weil dieses das Bestehen der Pflicht maßgeblich beeinflusst. Aus diesem Blickwinkel heraus ist auch die Frage der Wissenszurechnung zu beantworten. Kann das zugerechnete Wissen dazu führen, dass nach Treu und Glauben kein Informationsbedarf mehr besteht? Auszugehen ist vom Bedeutungsgehalt des Kriteriums „Treu und Glauben". Die Formel „Treu und Glauben" ist als ein Ganzes zu verstehen. 644 Es geht um den Vertrauensschutz einerseits und die „billige" Rücksichtnahme auf die schutzwürdigen Interessen der Gegenpartei andererseits. „Treu und Glauben" normiert damit den Grundsatz der ausgleichenden Gerechtigkeit. 645 Es ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. In diese einzustellen sind einerseits die Interessen des Aufklärungsberechtigten an einer persönlich-faktischen Aufklärung und ande640
Vom Informationsrisiko ist das verbleibende Geschäftsrisiko zu unterscheiden, also das Risiko, dass der Erfolg des Geschäfts selbst bei vollständiger Information nicht den Erwartungen entspricht. Dieses wird dem Informationsberechtigten nicht abgenommen. Das bedeutet: Informationspflichten sichern dem Berechtigten zwar kein „gutes", wohl aber ein hinsichtlich der Entscheidungsbasis „faires" Geschäft. 641 Breidenbach, Informationspflichten, S. 62. 642 Breidenbach, Informationspflichten, S. 63. 643 Vergl. BGH NJW 1982, 573, 574 f.: Wenn der Berechtigte die erforderliche Kenntnis aufgrund vorheriger Verträge o. ä. hat, muss nicht nochmals aufgeklärt werden. 644 MK-Mayer-Maly/Busche, § 157 Rn. 4. 645 BGHZ 108, 179, 183 = ZIP 1989, 1044, 1045 (Hervorh. v. Verf.).
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4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissensertretern (Hilfspersonen)?
rerseits die der Wissenszurechnung generell zugrunde liegenden Interessen des Aufklärungspflichtigen wie etwa die Gedanken des Vertrauensschutzes und der Risikozuweisung, das Selbstschutzprinzip und das Gleichstellungsargument. (1) Schutz der Dispositionsfreiheit
des Aufklärungsberechtigten
Wie gesehen soll mit der Statuierung einer Aufklärungspflicht die Dispositionsfreiheit des Berechtigten geschützt und seine privatautonome Entscheidung ermöglicht werden. Da der Geschäftsherr in den einschlägigen Fällen der Beteiligung eines Wissensvertreters die rechtsgeschäftliche Entscheidung persönlich trifft, kommt es auf seine persönliche Willensbildung an. Diese kann nur dann als „frei" bezeichnet werden, wenn er faktische Kenntnis von den entscheidungserheblichen Umständen hat. Man könnte daher auf den Gedanken kommen, die Möglichkeit der Wissenszurechnung bereits wegen dieses Schutzzwecks - Schutz der Dispositionsfreiheit des Adressaten - mit dem Argument abzulehnen, dass die Willenbildungsfreiheit auch bei Zurechnung des Wissens faktisch fehle. Das wäre allerdings kurzschlüssig. Wo es um die Kenntnis der tatsächlichen Grundlagen einer rechtsgeschäftlichen Entscheidung geht, geht es immer um die freie Willensbildung und letztlich um die Privatautonomie. Dies ist etwa bei der Mangelkenntnis im Sinne des § 442 BGB n. F. (§ 460 BGB a. F.) oder der Gutgläubigkeit im Sinne des § 932 II BGB der Fall. Dennoch ist die Möglichkeit der Zurechnung von Wissen bei diesen Normen allgemein anerkannt. 646 Das Argument, dass mit der Aufklärungspflicht die Dispositionsfreiheit des Adressaten geschützt wird, lässt sich also nicht entscheidend gegen die Wissenszurechnung anführen.
(2) Risikozuweisungs- und Selbstschutzgedanke Weiter lässt sich überlegen, ob nicht das ursprüngliche Bestehen der Aufklärungspflicht zeigt, dass eine Situation vorliegt, in der das Informationsrisiko generell auf den Pflichtigen verlagert ist. So wird man aber nicht argumentieren können. Denn die Besonderheit der vorliegenden Situation besteht gerade darin, dass der Pflichtige seiner Aufklärungspflicht gegenüber dem Wissensvertreter des Berechtigten nachgekommen ist. Indem der Berechtigte den Wissensvertreter eingeschaltet hat, hat er ein Stellvertretungsrisiko geschaffen und damit sein Informationsrisiko erhöht. Dies könnte es rechtfertigen, mangelnde faktische Information des Berechtigten, die sich aus der Verwirklichung des Stellvertretungsrisikos ergibt, nicht dem Pflichtigen zuzurechnen. Ein wichtiger Wertungsgrund der Wissenszurechnung besagt, dass jeder das Risiko seiner Arbeitsteilung 646
Siehe etwa Buck , Wissen, S. 20 ff.
III. Fälle der Täuschung durch Unterlassen
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selbst zu tragen hat. 647 Wer sich zu arbeitsteiligem Handeln entschließt, darf die Folgen des Versagens seines Vertreters nicht auf Dritte abwälzen.648 Diese Risikozuweisungsüberlegung spricht auch im Rahmen der „Erfüllung" von Aufklärungspflichten für die Zurechnung des Wissens von Wissensvertretern. Dasselbe lässt sich vom Selbstschutzgedanken sagen.649 (3) Gleichstellungsargument Ein Grund für die Zurechnung des Wissen von Wissensvertretern im Rahmen der „Erfüllung" einer Aufklärungspflicht könnte sich aus dem Gleichstellungsargument ergeben. Ein wesentlicher Wertungsgedanke der Wissenszurechnung ist das Argument, dass arbeitsteilige Organisationen und Alleinunternehmer grundsätzlich gleich behandelt werden müssen.650 Eine Besserstellung der arbeitsteilige Organisation gegenüber der Einzelperson läge vor, wenn in dem Fall, dass die Einzelperson einen Fehler macht und beispielsweise das Wissen nach erfolgter Aufklärung wieder vergisst, nicht noch mal aufgeklärt werden müsste, in dem Fall, dass eine arbeitsteilig eingesetzte Hilfsperson einen Fehler macht, jedoch noch mal aufgeklärt werden müsste. Eine Gleichstellung von Einzelperson und arbeitsteiliger Organisation ließe sich durch Wissenszurechnung erreichen, will dann nicht noch mal aufgeklärt werden müsste. Wertungsmäßig entscheidend ist daher die Frage, wie es sich mit der Aufklärungspflicht verhält, wenn die Einzelperson Fehler macht. Muss der Pflichtige seine Aufklärungshandlung wiederholen, wenn der Adressat die ihm zur Kenntnis gebrachten Tatsachen wieder vergessen hat? Der BGH hat dies für den Fall der Aufklärungspflicht einer Bank im Rahmen eines Girokontovertrags bejaht. Die Bank müsse die Aufklärung sogar dann wiederholen - konkret: nochmals Kontoauszüge zuschicken - , wenn diese schuldhaft abhanden gekommen seien. Die Grenze bilde der Rechtsmissbrauch. 651 Das Informationsinteresse des Berechtigten gewichtet der BGH hier höher als das Interesse des Pflichtigen, nicht nochmals aufklären zu müssen. Allerdings handelt es sich bei der laufenden Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kontoinhaber um ein Rechtsverhältnis mit besonderer Vertrauensprägung. Durch die Vertrauensprägung ist der grundsätzlich bestehende Interessengegensatz zum Vorteil der Gegenpartei abgemildert. Der Vertrauensschuldner darf nicht mehr ungehindert sein Eigeninteresse 647 Vergl. Buch, Wissenszurechnung, S. 127 m. w. N., 314 ff. m. w. N.; Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309, 439. Dazu bereits oben, S. 134 ff. 648 Buch, Wissenszurechnung, S. 127; vergl. auch Hoffmann, JR 1969, 372, 374; Schultz, NJW 1990, 477, 478. 649 Siehe dazu oben 4. Kap. II 2 c cc (3). 650 Vergl. BGHZ 109, 327, 332; BGH JZ 1992, 1019. 651 Vergl. BGH NJW-RR 1988, 1072, 1073.
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4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissensertretern (Hilfspersonen)?
verfolgen. 652 Die Übertragung dieser Rechtsprechung auf Schuldverhältnisse ohne abgemilderten Interessengegensatz (z. B. Kaufverträge) ist daher nicht ohne weiteres möglich. 653 Allerdings lässt sich der Informationsbedarf bei Schuldverhältnissen mit ungemildertem Interessengegensatz auch nicht pauschal verneinen. Es kann im Einzelfall fraglich sein, ob noch mal aufgeklärt werden muss, etwa wenn die Aufklärungshandlung mit erheblichen Schwierigkeiten für den Pflichtigen verbunden wäre. Man sollte daher den Informationsbedarf und damit das Fortbestehen der Aufklärungspflicht bejahen und zur Feinsteuerung das Kriterium der Zumutbarkeit verwenden. Wenn bereits eine ausreichende Aufklärung stattgefunden hat, werden unter diesem Gesichtspunkt an das weiterbestehen der Pflicht nach Treu und Glauben höhere Anforderungen zu stellen sein. Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten: Jedenfalls für Schuldverhältnisse mit abgemildertem Interessengegensatz muss im Zweipersonenverhältnis nochmals aufgeklärt werden, wenn das Wissen vergessen wurde. Bei solchen Schuldverhältnissen besteht daher keine Ungleichbehandlung von Einzelperson und arbeitsteiliger Organisation, wenn keine Wissenszurechnung stattfindet. Wissenszurechnung ist hier zur Gleichstellung nicht geboten. Das spricht gegen die Wissenszurechnung bei der „Erfüllung" solcher Aufklärungspflichten. Bei Schuldverhältnissen mit ungemildertem Interessengegensatz ist die Entscheidung in hohem Maße einzelfallabhängig. (4) Gedanke des Vertrauensschutzes Ein weiterer wesentlicher Wertungsgrund, Wissen von Wissensvertretern zuzurechnen, ist der Gedanke des Vertrauensschutzes, 654 Der Dritte vertraue darauf, dass das Wissen der für die Organisation handelnden Hilfsperson jener zugerechnet werde. 655 Voraussetzung der Wissenszurechnung sei daher das Vorliegen schutzwürdigen Vertrauens, das grundsätzlich vermutet werde. 656 Der Argumentation mit Vertrauensschutzüberlegungen kann in der hier zur Diskussion stehenden Fallgruppe auch nicht etwa pauschal die mangelnde Schutzwürdigkeit des Täters entgegengehalten werden. 657 Denn hier steht die 652 653
MK-Roth, § 242 Rn. 280 f.
Zu der Unterscheidung zwischen Verträgen der Interessenwahrung und Verträgen des Interessengegensatzes siehe Soergel-Hefermehl, § 123 Rn. 6: Bei Verträgen der Interessenwahrung kann eine Aufklärungspflicht eher angenommen werden, als bei Verträgen des Interessengegensatzes, bei denen die Anforderungen nicht überspannt werden dürfen. 654 Siehe bereits oben S. 126. 655 Vergl. Grunewald, Beusch-FS, S. 301, 311,313; Buch, Wissen, S. 316 ff. 656 Vergi Baum, Wissenszurechnung, S. 218 f. m. w. N. 657 Anders oben 4. Kap. II 2 c cc (2).
III. Fälle der Täuschung durch Unterlassen
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normwidrige Täuschungshandlung des Täters nicht bereits fest, sondern soll erst ermittelt werden. Der Täter ist seiner Aufklärungspflicht gegenüber der Hilfsperson nachgekommen und es ist zu fragen, ob er nochmals aufklären muss, wenn er deren Versagen erkennt. Insofern unterscheidet sich hiesige Fallgestaltung auch vor derjenigen des Zivilurteils BGH NJW-RR 2001, 889. Dort wurde die Wissenszurechnung auf Seiten eines arglistig Getäuschten mit dem Argument abgelehnt, sie wirke zugunsten des Täuschenden, dieser sei aber nicht schutzwürdig. 658 Diese Argumentation ist hier nicht einschlägig. Ob die Wissenszurechnung zu entfallen hat, wenn der Aufklärungspflichtige weiß, dass in der arbeitsteiligen Organisation - seinem Vertragspartner - kein Informationsaustausch stattgefunden hat, wurde von der zivilrechtlichen Literatur soweit ersichtlich bisher nicht untersucht. 659 Auch im Rahmen dieser Arbeit kann keine ausführliche Stellungnahme erfolgen. Eine allgemeingültige Antwort wird wegen der Verschiedenartigkeit der Wissensnormen eventuell überhaupt nicht möglich sein. Anführen lässt sich allerdings ein Vergleich zu den Gedanken des Missbrauchs der Vertretungsmacht bei der Abschlussvertretung. Hier werden teilweise ähnliche Überlegungen angestellt, wie bei der Wissenszurechnung. So wird etwa gesagt, dass grundsätzlich der Vertretene das Risiko eines pflichtwidrigen Verhaltens seines Vertreters trage. 660 Mit den Regeln des Missbrauchs der Vertretungsmacht wird versucht, dieses Risiko im Rahmen einer Interessenabwägung gerecht zu verteilen. Kennt der Vertragspartner den Missbrauch der Vertretungsmacht positiv oder ist dieser sonst objektiv evident, so wirkt die Willenserklärung des Vertreters nicht unmittelbar für und gegen den Vertretenen. 661 Bei der Wissensvertretung handelt es sich um eine Rechtsfigur, die im wesentlichen analog den Vorschriften der §§ 164 ff. BGB, insbesondere analog § 166 I BGB entwickelt wurde. 662 Es ist daher sachgerecht, auch hier die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht entsprechend anzuwenden.663 Die Interessenlage ist vergleichbar. Sowohl mit der Wissenszurechnung als auch mit der Vorschriften der Stellvertretung wird der Schutz des Geschäftspartners erstrebt. Dieser hat es sowohl bei der Abschlussvertretung als auch bei der Wissensvertretung nur mit der Hilfsperson des Vertretenen zu tun. Die Beschränkungen der Vertretungsmacht im Innenverhältnis von Vertretenem und Vertreter kann und muss er in der Regel nicht kennen. Er muss auf das pflichtgemäße Verhalten des Vertreters vertrauen, und in diesem Vertrauen ist er grundsätzlich schutzwürdig. Wenn dem 658
Vergl. BGH NJW-RR 2001, 889, 890. 659 y e r g i n u r Baum, Wissenszurechnung, S. 218, der dies ausdrücklich offen lässt. 660 MK-Schramm, § 164 Rn. 106. Dies entspricht den Risikoverteilungsüberlegungen bei der Wissenszurechnung, vergl. oben S. 134 ff. 661 662 663
40.
Vergl. Palandt-Heinrichs, § 164 Rn. 13 ff. m. w. N. Vergl. Buch, Wissen, S. 119 ff., 158 ff. und passim. So in einem etwas anderen Zusammenhang auch OLG Karlsruhe RuS 1997, 38,
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4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissensertretern (Hilfspersonen)?
Geschäftspartner jedoch das pflichtwidrige Verhalten des Vertreters - einerlei ob Abschluss- oder Wissensvertreter - bekannt ist, fehlt es an einem Vertrauenstatbestand, an den der Schutz des Geschäftspartners anknüpfen könnte. Als Zwischenergebnis kann man festhalten: Entsprechend dem Gedanken des Missbrauchs der Vertretungsmacht bei der Abschlussvertretung (§ 164 BGB) findet bei der Wissensvertretung keine Wissenszurechnung statt, wenn der Geschäftspartner des Vertretenen das Versagen des Wissensvertreters positiv kennt oder das Versagen objektiv evident ist. Einschränkend ist aber hinzuzufügen, dass diese Aussage an dieser Stelle nur für die Situation der „Erfüllung" einer Aufklärungspflicht getroffen werden kann. (5) Entscheidung der Wertungsfrage Es zeigt sich damit, dass es sowohl Gründe gibt, die für die Wissenszurechnung bei der „Erfüllung" einer Aufklärungspflicht sprechen, als auch solche, die dagegen sprechen. Die Wertungsgedanken der Wissenszurechnung wirken im Rahmen eines beweglichen Systems zusammen.664 Die Rechtsgewinnung mittels eines beweglichen Systems findet in der Weise statt, dass alle für bzw. gegen eine bestimmte Rechtsfolge sprechenden Wertungen - unter Heranziehung der gesetzlichen Normen, aber auch des Richterrechts, der juristischen Literatur und der Rechtsvergleichung - erfasst werden. Aus deren Zusammen- und Gegeneinanderspiel ist die Rechtsfolge im konkreten Fall induktiv (abwägend) zu gewinnen. 665 Diese Methode wird auch dem entscheidenden Kriterium des Bestehens einer Aufklärungspflicht - dem Prinzip von „Treu und Glauben" - am besten gerecht. Es wurde festgestellt, dass die Aufklärungspflichten die Dispositionsfreiheit des Berechtigten schützen sollen. Zwar lässt sich die auch bei Annahme von Wissenszurechnung faktisch unfreie Disposition nicht entscheidend gegen die Wissenszurechnung ins Feld führen. Dennoch führt dies jedenfalls bei der „Erfüllung" von Aufklärungspflichten dazu, einen tendenziell kritischen Maßstab an die Wissenszurechnung anzulegen. Für die Wissenszurechnung sprechen die Gedanken der Zuweisung des Stellvertretungsrisikos an den Vertretenen und der Selbstschutzgedanke. Gegen die Wissenszurechnung sprechen Vertrauensschutzüberlegungen - jedenfalls bei den für die Betrugsstrafbarkeit relevanten Fällen der positiven Kenntnis und der billigenden Inkaufnahme des Versagens des Wissensvertreters. Zu Gleichstellungszwecken ist die Wissenszurechnung in der Regel ebenfalls nicht geboten. Das Gleichstellungsargument kann in diesem Fall als wertungsneutral betrachtet werden. Widerstreitend stehen sich damit Risikozuweisungs- und Selbstschutzgedanke einerseits und der fehlende Vertrauenstatbe664 665
Baum, Wissenszurechnung, S. 69 f. Bydlinski, Methodenlehre, S. 529 f f ; Westerhoff
Elemente, S. 17 f. und passim.
III. Fälle der Täuschung durch Unterlassen
151
stand des Geschäftspartners andererseits gegenüber. Zieht man in Betracht, dass die Risikozuweisung selbst abhängig ist von ergänzenden Wertungskriterien, und berücksichtigt man, dass eines dieser ergänzenden Wertungskriterien der Vertrauensgedanke ist 666 , so kann auch dem Risikozuweisungsgedanken hier nur ein sehr schwaches normatives Gewicht zukommen. Denn an einem Vertrauen des Aufklärungspflichtigen auf das pflichtgemäße Verhalten des Wissensvertreters fehlt es gerade. Im Ergebnis gewinnt daher genau diese Überlegung die Oberhand. c) Ergebnis Im Rahmen der „Erfüllung" von Aufklärungspflichten hat die Wissenszurechnung auszuscheiden, wenn der Aufklärungspflichtige erkennt, dass der Wissensvertreter das Wissen nicht pflichtgemäß weitergegeben hat und es somit an einem schutzwürdigen Vertrauen fehlt. In solchen Fällen ist daher das Wissensdefizit des Aufklärungsberechtigten auch dann zu bejahen, wenn ein eigens zu Kenntnisnahme der betreffenden Umstände eingeschalteter Wissensvertreter von den Umständen Kenntnis erlangt hat. Ein normatives Wissen des Aufklärungsberechtigten ist nicht anzuerkennen.
6. Ergebnis zu III. und Bezugnahme auf das Ergebnis II. Eingangs wurde die Frage gestellt, ob man dem Rechtsgutsinhaber (Geschäftsherrn) das Wissen der Wissensvertreters zurechnen und deshalb das Weiterbestehen der zivilrechtlichen Aufklärungspflicht ablehnen kann. Diese Frage kann nun für die im Rahmen dieser Arbeit relevanten Fälle verneinend beantwortet werden. Wenn der Täter das Versagen des Wissensvertreters, d. h. dessen pflichtwidrige Nichtweitergabe des Wissens kennt, findet keine Wissenszurechnung statt und besteht die Aufklärungspflicht fort. Damit ist zugleich ausgesagt, dass die strafrechtliche Garantenstellung fortbesteht. Aus diesem Blickwinkel heraus lässt sich die Betrugsstrafbarkeit daher nicht negieren. Obwohl man aus zivilrechtlicher Sicht die Wissenszurechnung abgelehnt hat, ist es denkbar, auch für die Täuschung durch Unterlassen die oben in Abschnitt II. gestellte Frage der strafrechtlichen Verantwortungsverteilung zu stellten. Nur weil das Privatrecht den Aufklärungsberechtigten trotz der Mitteilung an den Wissensvertreter weiter schützt, muss das Strafrecht nicht zwingend mit dem Mittel der Vollendungsstrafe schützen. Der Schutzumfang des Strafrechts kann hinter dem des Zivilrechts zurückbleiben - eine Überlegung, die aus der ultimaratio-Funktion des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes ergibt. Das Herangehen an die objektive Zurechenbarkeit des Schadens nach Ablehnung der zivilrechtli666
Siehe bereits oben 4. Kap. I I 2 c cc (3).
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4. Kapitel: „Zurechnung des Wissens" von Wissensertretern (Hilfspersonen)?
chen Wissenszurechnung stellt keinen Widerspruch dar. Dies zeigt ein Vergleich mit Fällen der aktiven Täuschung. Allein dass man eine aktive Täuschung unterlassen muss, reicht nicht zur Bejahung der objektiven Zurechnung aus. Dann reicht beim Unterlassen allein die Tatsache, dass man die Aufklärung vornehmen muss, ebenfalls nicht zur Bejahung der objektiven Zurechnung aus. Indes lassen sich für die Konstellation der Täuschung durch Unterlassen nur dieselben Überlegungen anstellen und daher nur dieselben Ergebnisse erzielen, wie sie oben zu II. dargestellt sind. Das bedeutet im Ergebnis, dass auch bei der Täuschung durch Unterlassen keine Verantwortungszuweisung zum Rechtsgutsinhaber stattfindet. Die objektive Zurechnung des Schadens zum Täter kann wegen des Wissens der Hilfsperson nicht verneint werden. Dieses Ergebnis gilt für arbeitsteilig handelnde natürliche Einzelpersonen und juristische Personen gleichermaßen. Denn die oben angestellten Wertungsüberlegungen können für juristische Personen zu keinem anderen Ergebnis führen. Aus der körperschaftlichen Struktur der juristischen Personen ergeben sich hier keine Besonderheiten.
. Kapitel
Übertragung der zu § 263 StGB entwickelten Grundsätze auf die Wissenszurechnung bei § 297 StGB
I m gesamten deutschen Strafrecht existiert nur eine gesetzliche Bestimmung, bei der sich der Begriff „Wissen" explizit i m Normtext findet: der bisher nicht besonders in Erscheinung getretene § 297 StGB (Gefährdung von Schiffen, Kraftund Luftfahrzeugen durch Bannware). 6 6 7 Dort heißt es, dass derjenige bestraft wird, der „ohne
Wissen des Reeders oder Schiffsführers oder als Schiffsführer
ohne Wissen des Reeders" sog. Bannware m i t an Bord nimmt. Die Formulierung des Gesetzes gibt Anlass, sich auch bezüglich § 297 StGB m i t der Frage der „Wissenszurechnung" auseinander zu setzen. Für das Verständnis des § 297 StGB stellt sich zunächst die Frage, u m welche A r t von Tatbestandsmerkmal es sich bei dem Begriff „Wissen des Reeders" handelt. Hier sind zunächst die gesetzgeberischen M o t i v e und die literarischen Stellungnahmen darzustellen, u m von dieser Basis aus eine eigene Analyse zu versuchen. Danach w i r d sich die Frage nach der Wissenszurechnung bei § 297 StGB beantworten lassen.
667 § 297 StGB wurde mit dem 6. StrRefG geändert. Der bisher auf die Beförderung durch Schiffe beschränkte Anwendungsbereich wurde auf Kraftfahrzeuge und Flugzeuge ausgedehnt. Dies führt zu einem enorm erweiterten Anwendungsbereich, v. a. im Hinblick auf den internationalen Drogen- und Waffenhandel, vergl. § 297 I Nr. 2, IV StGB, so auch Tröndle/Fischer , § 297 Rn. 3. Aufgrund des im Vergleich zu §§ 19 ff. KriegswaffG, 29 ff. BtMG relativ niedrigen Strafrahmens ist die praktische Bedeutung der Gesetzesänderung jedoch als gering einzustufen. Das Ob der Strafbarkeit hängt in nahezu keinem Fall von § 297 StGB ab. Wegen dessen im Vergleich zu den mitverwirklichten Taten geringen Strafrahmens wird die Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung regelmäßig gem. § 154a StPO beschränken, vergl. Krack , wistra 2002, 81, 82. Zudem könnte man auf materiellrechtlicher Ebene daran denken, den § 297 StGB als mitbestrafte Vortat zu behandeln, dazu Kühl , AT, § 21 Rn. 63 ff. Für die Vollendung reicht gegebenenfalls das Verbringen an Bord aus, LK-Schünemann, § 297 Rn. 14. Beispielsweise bezüglich der Einfuhr von Betäubungsmitteln (§§ 29 ff. BtMG) kommt man somit zu einer Handlungsmehrheit. Auch wenn § 297 StGB andere Rechtsgüter schützt als die Betäubungsmitteldelikte, kann man doch davon ausgehen, dass sein Unrechtsgehalt durch die Bestrafung dieser Delikte abgegolten wird, vergl. dazu BGHSt 38, 366, 369. Zu § 297 StGB siehe neben den bereits genannten Autoren noch Schweder , ZRP 1978, 12; Roth , Eigentumsschutz, S. 34 ff.
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5. Kapitel: Wissenszurechnung bei § 297 StGB
I. Der Schutzzweck des § 297 StGB Der Schutzzweck des § 297 StGB ist umstritten. Der Gesetzgeber wollte mit der Norm das Funktionieren des Transportwesens (den Verkehr) vor den Gefahren schützen, die aus der Beförderung von Bannware für das Beförderungsmittel, dessen Ladung und die für die Abwicklung des Verkehrs Verantwortlichen erwachsen. 668 Dem stimmt die Literatur teilweise zu. 669 Überwiegend geht man jedoch davon aus, dass § 297 StGB allein die Individualrechtsgüter Eigentum und persönliche Freiheit schützt.670 Dafür lässt sich in erster Linie die Abhängigkeit der Strafbarkeit von der Unkenntnis des Reeders oder SchifFsführers anführen. 671
II. Das Tatbestandsmerkmal „Wissen des Reeders oder Schiffsführers" 1. Bisherige Stellungnahmen zu diesem Merkmal a) Gesetzgeberische Motive Noch der Regierungsentwurf sah in § 297 I 3. Alt. und II StGB ein Handeln gegen den Willen des Reeders bzw. Schiffsführers vor. 672 Damit sollte die Strafbarkeit des Schiffsführers, der im Ausland eventuell keinen Kontakt zum Reeder herstellen kann, auch durch ein vermutetes Einverständnis des Reeders entfallen können. 673 Diese Einschränkung wurde später als bedenklich eingestuft, worauf man wieder zu dem Merkmal „ohne Wissen" zurückgekehrt ist. 674 Weitergehende Ausführungen zur dogmatischen Bedeutung des Merkmals „ohne Wissen" enthalten die Gesetzesmaterialien nicht. Hervorzuheben ist allerdings Folgendes: Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es bei einer Tat durch einen quivis ex populo zum Tatbestandsausschluss ausreiche, wenn entweder der Reeder oder der Schiffsführer um das An-Bord-Bringen der Bannware weiß. Reeder und Schiffsführer träten denen, die an der Ladung des Schiffes beteiligt sind, so sehr 668
BT-Drucks. 13/8587, S. 46. Siehe etwa Tröndle/Fischer, § 297 Rn. la. 670 Vergl. LK-Schünemann, § 297 Rn. 1; Sch-Sch-Eser/Heine, § 297 Rn. 1; NK-Wohlers, § 297 Rn. 8; SK-Hoyer, § 297 Rn. 2. 671 Vergl. LK-Schünemann, § 297 Rn. 1; N K -Wohlers, § 297 Rn. 8; Krack, wistra 2002, 81,84. 672 BT-Drucks. 13/8587, S. 11. 673 Vergl. BT-Drucks. 13/8587, S. 46. 674 Dazu BT-Drucks. 13/9064, S. 21; kritisch zur aktuellen Tatbestandsfassung LKSchünemann, § 297 Rn. 3. 669
II. Das Tatbestandsmerkmal „Wissen des Reeders oder Schiffsführers"
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als Einheit gegenüber, dass das Wissen jedes einzelnen von ihnen beiden zugerechnet werden müsse. Damit werde die Unbilligkeit beseitigt, dass jemand, der einen Frachtvertrag mit einem Reeder geschlossen hat, letztlich nur deshalb bestraft werde, weil dieser bei Abschluss des Vertrags die Interessen anderer außer Acht gelassen habe.675 b) Literarische Stellungnahmen Die Literatur lehnt eine wechselseitige Wissenszurechnung zwischen Reeder und Schiffsführer überwiegend ab. Nach Ansicht Schünemanns verlangt § 297 I StGB, dass ein Dritter als Täter ohne das Wissen zumindest eines der betroffenen Rechtsgutsinhaber handele.676 Die Strafbarkeit scheide nur dann aus, wenn sowohl der Reeder als auch der Schiffsführer eingeweiht seien.677 Die vom Gesetzgeber befürwortete Wissenszurechnung zwischen den auf Opferseite beteiligten Personen bezeichnet er als eine ungereimte und vom Gesetzeswortlaut nicht zwingende Einschränkung. Es liege für jedermann auf der Hand, dass der Schiffsführer keine Handlungen dulden dürfe, die zum Verlust des Schiffes oder der Ladung führen können. 678 Und - so muss man ergänzen - genauso liegt es für jedermann auf der Hand, dass der Reeder keine Handlung dulden kann, die für den Schiffsführer die Gefahr einer Bestrafung begründet.
2. Eigene Analyse des Tatbestandsmerkmals „Wissen des Reeders" a) Der Charakter des Tatbestandsmerkmals
„ Wissen des Reeders "
aa) Das Tatbestandsmerkmal „Wissen" Unter „Wissen" ist im Zusammenhang des § 297 StGB nur die positive Kenntnis zu verstehen. 679 Das erhellt daraus, dass mit diesem Merkmal Bezug genommen wird auf die Grundlagen der freien Disposition des jeweiligen Schutzadressaten über das jeweils geschützte Rechtsgut.680 Ein Wissenmüssen stellt aber keine hinreichende Grundlage einer freiverantwortlichen Entscheidung über die Preisgabe eines Rechtsguts dar. Auch wer von einem Umstand infolge von Fahr675
BT-Drucks. 13/8587, S. 46. LK-Schünemann, § 297 Rn. 15. 67 7 LK-Schünemann, § 297 Rn. 19; wohl ebenso Tröndle/Fischer, § 297 Rn. 9; weniger deutlich Sch-Sch-Eser/Heine, § 297 Rn. 7; SK-Hoyer, § 297 Rn. 5. 678 Damit spricht Schünemann dem Täter ein schutzwürdiges Vertrauen ab. 679 So bereits NK-Wohlers, § 297 Rn. 11. 680 Siehe unter 5. Kap. II 2 b bb. 67 6
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5. Kapitel: Wissenszurechnung bei § 297 StGB
lässigkeit keine Kenntnis hat, den Umstand also im zivilrechtlichen Sinne kennen muss, kennt ihn de facto nicht und kann durch ihn nicht zu seiner Entscheidung motiviert werden. In diesem Sinne verstanden handelt es sich bei dem Merkmal „Wissen" um ein deskriptives Tatbestandsmerkmal. Dafür spricht die Tatsache, dass mit diesem Begriff ein jedenfalls für den Wissenden grundsätzlich ohne weitere rechtliche Überlegungen erfassbarer Bewusstseinszustand, eine „innere Tatsache", beschrieben wird. 681 bb) Das Tatbestandsmerkmal „Wissen des Reeders" Allerdings bezieht sich der Begriff „Wissen" in der ersten Alternative des § 297 I StGB auf den Reeder als Subjekt des Wissens.682 Reeder kann auch eine juristische Person sein 683 , was in der heutigen Zeit der Regelfall sein dürfte. Aus haftungsrechtlichen Gründen wird es kaum noch vorkommen, dass eine Reederei von einer natürlichen Person betrieben wird. Eher wird die Form einer GmbH oder eine andere gesellschaftsrechtliche Form gewählt werden. Eine juristische Person kann aber im natürlichen Sinne kein Wissen haben. Würde man von einem deskriptiven Tatbestandsmerkmal ausgehen, liefe § 297 StGB in Bezug auf juristische Personen leer, da er einen Zustand beschriebe, der bei diesen Rechtsgutsinhabern nicht vorkommen kann. Wenn Reeder eine juristische Person ist, kann ihr Wissen nur unter der Voraussetzung einer Wissenszurechnung gedacht werden. 684 Tatbestandsmerkmale, die eine Bedeutungskomponente enthalten, die nur geistig verstehbar ist, da sie auf Gegebenheiten abzielt, „die nur unter der logischen Voraussetzung einer Norm vorgestellt und gedacht werden können ", bezeichnet man als normative Tatbestandsmerkmale. 685 Sie sind dadurch charakterisiert, dass sie sich auch unter Beachtung der Auslegungsregeln allein aus ihrer Stammnorm heraus nicht erfassen lassen. Sie lassen sich vielmehr erst unter Heranziehung einer außerhalb ihrer Stammnorm liegenden von Menschen gesetzten Norm interpretieren. Dabei hat man unter Norm in gleicher Weise einen 681
Zu dieser Definition der deskriptiven Tatbestandsmerkmale vergl. Roxin , AT I, § 10 Rn. 58; Tischler , Verbotsirrtum, S. 34. 682 Gem. § 484 HGB ist Reeder der Eigentümer eines ihm zum Erwerb durch die Seefahrt dienenden Schiffes. Gem. § 510 HGB kann Reeder auch der (gewerbliche) Mieter eines Schiffes sein, vergl. dazu auch Schaps/Abraham , Seerecht, § 484 Rn. 1. 683 Dies versteht sich eigentlich von selbst, vergl. dennoch Schaps/Abraham , Seerecht, § 484 Rn. 7. 684 Wissen der juristischen Person ist zugerechnetes Wissen, vergl. Buch, Wissen, S. 194 ff., 203 ff. 685 Engisch , Mezger-FS, 127, 147; Roxin , AT I, § 10 Rn. 60; Schlüchter , Irrtum, S. 21; Tischler , Verbotsirrtum, S. 34 f. m. w. N.; vergl. auch Welzel , Strafrecht, S. 75 („allein geistig verstehbar").
II. Das Tatbestandsmerkmal „Wissen des Reeders oder Schiffsfhrers"
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rechtlichen wie einen außerrechtlichen Maßstab zu verstehen. 686 Zu den in diesem Sinne normativen Tatbestandsmerkmalen zählt etwa das Merkmal „fremd" in § 242 StGB. Es verweist auf die Eigentumsordnung des bürgerlichen Rechts und des Rechts der öffentlichen Sachen und übernimmt damit einen anderweitig konstituierten rechtlichen Normbefehl ins Strafrecht. 687 Die Fragestellung, was eine juristische Person weiß bzw. welches Wissen ihr zuzurechnen ist, entspricht derjenigen, die bei den Tatbestandsmerkmalen „fremde Sache" in § 242 StGB oder bei der „Rechtswidrigkeit" der erstrebten Bereicherung in § 263 StGB auftritt. Sie kann nur anhand zivilrechtlicher Überlegungen zur Wissenszurechnung beantwortet werden. Die Gesetzesformulierung des § 297 StGB verweist damit auf die zivilrechtlichen Bestimmungen über die Wissenszurechnung. Jedenfalls wenn der Reeder eine juristische Person ist, muss man den Begriff „Wissen des Reeders" in § 297 StGB daher als normatives Tatbestandmerkmal auffassen, und zwar als einen „ Verweisungsbegriff' im Sinne Herzbergs. 68* b) Dogmatische Bedeutung des Merkmals
aa) Das Tatbestandsmerkmal „ohne Wissen" als Normierung der Figur des tatbestandsausschließenden Einverständnisses? In der Literatur wird zum Teil die Auffassung vertreten, der Gesetzgeber habe mit dem Merkmal „ohne Wissen" die Möglichkeit eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses geschaffen. 689 Ein tatbestandsausschließendes Einverständnis kommt nach herrschender Meinung dort in Betracht, wo die tatbestandliche Handlung ihren deliktischen Charakter gerade dadurch erhält, dass sie gegen oder ohne den Willen des Betroffenen erfolgt. 690 Dies ist überall dort der Fall, wo die Selbstbestimmung des Einzelnen das (einzige) Schutzobjekt bildet. 691 Ist der Betroffene mit der Handlung einverstanden, so ist die Handlung nicht tatbestandsmäßig. Ob ein solcher Fall vorliegt, kann sich aus der Formulierung des Gesetzes oder aus der besonderen Natur des Tatbestandes ergeben. Alle Delikte, die einen Angriff auf die Freiheit der Willensbildung oder -betätigung enthalten, 686 Schlüchter, Irrtum, S. 23. Sie spricht in diesem Zusammenhang auch vom „Normenuniversum", vergl. a. a. O., S. 21. 687 Vergl. Jakobs, AT, 8/55 f. (Hervorh. v. Verf); Schlüchter, Irrtum, S. 21; Herzberg, JuS 1980, 469, 472 f. 688 y e r g i dazu Herzberg, JuS 1980, 469, 472 f. Hingegen handelt es sich bei dem Tatbestandsmerkmal „Wissen des Schiffsfuhrers" um ein deskriptives Tatbestandsmerkmal, da Schiffsführer immer eine natürliche Person ist. 689 SK-Hoyer, § 297 Rn. 5. 690 Vergl. Roxin, AT I, § 13 Rn. 2. 691 Stratenwerth, AT, § 9 Rn. 8.
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5. Kapitel: Wissenszurechnung bei § 297 StGB
gehören hierher. 692 Dabei gilt es aber zu beachten, dass das Einverständnis mehr ist als ein bewusstes Dulden. 693 Der Verletzte muss entweder die Verhaltensfolgen ihrer Wirkungen wegen wollen („Absicht"). Oder er muss einen sozialen Kontakt wollen , der ohne ein folgenreiches Verhalten erkanntermaßen nicht zu haben ist (Wollen einer Situation, zu der die Gutspreisgabe notwendig dazugehört). 694 Gegen das Verständnis des Merkmals „ohne Wissen" als tatbestandsausschließendes Einverständnis spricht bereits die Gesetzesbegründung. Wie oben gesehen, hat der Reformgesetzgeber kurzzeitig erwogen, den Tatbestand mit dem Merkmal „gegen den Willen" zu formulieren, dann aber davon wieder Abstand genommen und es bei dem Merkmal „ohne Wissen" belassen.695 Wäre der Gesetzestext mit dem Merkmal „gegen den Willen" formuliert worden, hätte dies zweifelsfrei die Möglichkeit eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses eröffnet. Eben dies war aber nicht gewollt. 696 Dann kann man die aktuelle Fassung „ohne Wissen" auch nicht als Ermöglichung eines solchen Einverständnisses auffassen. Es kommt somit nicht darauf an, dass der Schutzadressat mit der Anbordnahme der Bannware einverstanden ist, die damit begründete Gefahr also will. Allerdings: Sowenig der Schutzadressat einerseits die Tathandlung und damit die Gefährdung seines Rechtsguts wollen muss, kann andererseits das bloße Wissen um die Tathandlung ausreichen. Dass letzteres vom Gesetzgeber nicht gemeint sein kann, bedarf keines tiefschürfenden dogmatischen Beweises. Man stelle sich dazu nur die Situation vor, dass der Täter den Reeder telefonisch informiert, er stehe gerade vor dessen Schiff und werde sich sogleich mit Konterbande an Bord begeben. Wenn der Reeder dies gern verhindern würde, ihm dazu aber wegen der Kürze der Zeit keine Möglichkeit mehr verbleibt, dann muss der Täter trotz des Wissens des Reeders nach § 297 StGB strafbar sein. 697 Ein anderes Ergebnis wäre eine Farce. Die Lösung muss also irgendwo zwischen den Polen „Wollen" und „bloßes Wissen" liegen. In diesem Zusammenhang ist anerkannt, dass 297 StGB auch dann zu verneinen ist, wenn der jeweilige Schutzadressat die Tathandlung widerstrebend d. h. gegen seinen Willen duldet: 698 Wie gesehen ist das Dulden aber weniger als ein Einverständnis. Es ist eine Unterart des Unterlassens, nämlich das Unterlassen von Gegenwehr gegen eine Handlung des Täters oder eines Dritten. 699 Dass ein Dulden auch vorliegen kann, wenn der Betroffene die fragliche Handlung des Täters gerade nicht will, zeigt das Beispiel 692
Sch-Sch-Lenckner, Vorbem §§ 32 ff. Rn. 31 f. Jakobs , AT, 7/109. 694 Vergl. Jakobs, AT, 7/109. 695 Siehe oben 5. Kap. II 1 a. 696 BT-Drucks. 13/9064, S. 21. 697 Zum Charakter des § 297 StGB als eines abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikts vergl. LK-Schünemann, § 297 Rn. 2. 698 So etwa LK-Schünemann, § 297 Rn. 15; Tröndle/Fischer, § 297 Rn. 9. 699 Sch-Sch-Eser, § 240 Rn. 12. 693
II. Das Tatbestandsmerkmal „Wissen des Reeders oder Schiffsführers"
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der Delikte mit Nötigungselement, wie etwa §§ 240, 253 StGB. 700 Bei dem Tatbestandsmerkmal „ohne Wissen" handelt es sich damit nicht um die Normierung der Möglichkeit eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses.
bb) Das Tatbestandsmerkmal „ohne Wissen" als Bezugnahme auf die Eigenverantwortlichkeit des jeweiligen Schutzadressaten
(1) Historische Analyse des Begriffs
„ Forwissen "
Bereits im Reichsstrafgesetzbuch von 1871 war der Tatbestand des § 297 mit dem Begriff „Vörwissen" formuliert. Zur Kommentierung dieses Merkmals wurde auf die in anderem Zusammenhang verwendete Begriffskombination „ohne Wissen oder Willen" verwiesen. 701 Ein „Vorwissen" wurde abgelehnt, wenn der Rechtsgutsinhaber zwar Kenntnis hatte, das An-Bord-Bringen aber nicht wollte. 702 Wenn der Reeder den Schiffsführer „ermächtigt oder gar beauftragt" habe, Konterbande zu fuhren, so handele der Schiffsfuhrer bei Befolgung dieser Direktive mit dem Vorwissen des Reeders, auch wenn diesem der Einzelfall (des An-Bord-Bringens) unbekannt sei. 703 Die historischen Kommentatoren hatten also bereits erkannt, dass es nicht allein auf ein Wissensmoment ankommen kann, sondern vielmehr die Willenskomponente entscheidend ist. Wenn darauf abgestellt wird, der Rechtsgutsinhaber müsse die mitzunehmende Ware auf ihre Unbedenklichkeit prüfen können 704 , so klingt damit deutlich an, dass es letztlich um eine Disposition über das geschützte Rechtsgut geht. Die Bezüge zur Eigenverantwortlichkeit des von § 297 StGB Geschützten waren also bereits zu einer Zeit im Ansatz erkannt, als die Dogmatik der Einwilligung und eigenverantwortlichen Selbstschädigung noch weitaus weniger ausgearbeitet waren, als dies heute der Fall ist. (2) Eigene Überlegungen In Fortführung dieser historischen Überlegungen muss die dogmatische Bedeutung des Merkmals „ohne Wissen" im Zusammenhang mit den von § 297 StGB geschützten Rechtsgütern gesehen werden. Wenn im Wissen um die dro700
Siehe dazu Sch-Sch-Eser, § 240 Rn. 12, Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rn. 708; Krey/ Hellmann, BT 2, Rn. 305. 701 Vergl. Olshausen, Strafgesetzbuch, § 297 Anm. 4; v. Schwarze, Strafgesetzbuch, § 297 Anm. 2a. 702
In diesem Sinne Olshausen, Strafgesetzbuch, § 297 Anm. 4 i. V. m. § 220 Anm. 2. Frank, Strafgesetzbuch, § 297 Anm. II. 704 y e r g i Olshausen, Strafgesetzbuch, § 297 Anm. 4; v. Schwarze, Strafgesetzbuch, § 297 Anm. 2a. 703
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5. Kapitel: Wissenszurechnung bei § 297 StGB
henden Gefahren eine Handlung geduldet wird, so spricht man heute üblicherweise von einer einverständlichen Fremdgefährdung. 705 Eine rechtfertigende Einwilligung kann hierin in der Regel nicht gesehen werden, weil auch derjenige, der sich einem Risiko aussetzt, auf einen glücklichen Ausgang zu vertrauen pflegt. 706 Dies ist zwar umstritten, die Meinungsunterschiede sind aber für § 297 StGB irrelevant. Denn das Merkmal „ohne Wissen" ist hier Tatbestandsmerkmal, so dass sich die Rechtfertigungslösung schon aus diesem Grund verbietet. Man kann den Überlegungen daher ohne weiteres die in der Literatur teilweise befürwortete Gleichstellung von einverständlicher Fremdgefährdung und eigenverantwortlicher Selbstgefährdung zugrunde legen. Wer eine Gefährdung duldet, der übernimmt auch die Verantwortung für die Gefährdungsdimension. 707 Mit dem Merkmal „ohne Wissen" berücksichtigt der Gesetzgeber das Eigenverantwortlichkeitsprinzip, die Autonomie bezüglich der Rechtsgüter Eigentum und Freiheit. Jede Person ist grundsätzlich für die Organisation ihrer Rechtsgüter selbst verantwortlich. Das Wissen ist die Grundlage einer freiverantwortlichen Organisation der eigenen Rechtsgüter. Bei entsprechender Gefahrenkenntnis stellt damit auch die widerwillige Duldung der Gefahr eine eigenverantwortliche Organisation des bedrohten Rechtsguts dar, sofern sie nicht in Drohung oder Zwang begründet ist. Das Rechtsgut wird der Gefahr bewusst preisgegeben (eigenverantwortliche Selbstgefährdung bzw. einverständliche Fremdgefährdung). Wegen dieses Bezugs zur Eigenverantwortlichkeit des jeweiligen Schutzadressaten muss der Ausschluss der Strafbarkeit aber von einem weiteren Faktor abhängig gemacht werden, nämlich der Möglichkeit, die Tathandlung zu verhindern. Dulden in diesem Sinne liegt nur vor, wenn der Berechtigte anders handeln könnte, also eine Abwendungsmöglichkeit hätte. Duldet er das An-Bord-Bringen nicht, sondern lässt er es in Ermangelung anderer Möglichkeiten geschehen, kann auch sein Wissen den Täter nicht entlasten. Das bloße Wissen ohne Hinzutreten eines Duldungsmoments beseitigt nicht die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des jeweils bedrohten Rechtsguts (Eigentum und/oder persönliche Freiheit). § 297 StGB bezieht sich also mit dem Tatbestandsmerkmal „ohne Wissen" auf eine vom jeweiligen Schutzadressaten zu treffende Organisationsentscheidung über das geschützte Rechtsgut. Zugleich wird man aber angesichts der gesetzlichen Formulierung auch nicht mehr als eine solche Duldung fordern können. Die gesetzliche Formulierung erfasst auch Fälle, bei denen der Berechtigte zwar um das Mitbringen weiß, aber kein Dulden - auch kein „widerstrebendes Dulden" - vorliegt, etwa weil der Berechtigte das Mitbringen gar nicht verhindern könnte. Indem man ein Dulden 705
Siehe dazu Roxin, AT I, § 11 Rn. 105 ff. Roxin, AT I, § 11 Rn. 105 mit Nachweisen zur Gegenauffassung. 707 Dazu Roxin, AT I, § 11 Rn. 109; Schünemann, JA 1975, 715, 722 f f ; Otto, Jura 1984, 536, 540. 706
II. Das Tatbestandsmerkmal „Wissen des Reeders oder Schiffsführers"
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und damit eine Abwendungsmöglichkeit fordert, nimmt man diese Fälle von der Straffreiheit aus, belastet also den Täter. Damit droht eine Verletzung des Analogieverbots (Art. 103 II GG). Man bewegt sich hier aber noch im Rahmen der zulässigen teleologischen Auslegung. Wie gesehen wäre der Tatbestand des § 297 I StGB weitgehend sinnlos, wollte man allein auf das bloße Wissen abstellen. Sinn und Zweck des Merkmals ist es, die Eigenverantwortlichkeit des Berechtigten für seine Rechtsgüter klarzustellen. Und eine eigenverantwortliche Disposition über die eigenen Güter setzt mindestens ein Dulden der Gefahr voraus. Einen entsprechenden Willen des Rechtsgutsinhabers zu fordern, wie es für ein tatbestandsausschließendes Einverständnis erforderlich wäre, ginge demgegenüber zu weit. Dies hätte der Gesetzgeber ausdrücklich normieren müssen.
3. Konsequenzen für die Auslegung der Tatbestandsmerkmale „Wissen des Reeders" und „Wissen des Schiffsführers" a) Unhaltbarkeit der vom Gesetzgeber intendierten wechselseitigen Wissenszurechnung zwischen Reeder und Schiffsführer Die Gesetzesbegründung geht von einer wechselseitigen Zurechnung von Wissen zwischen Schiffsführer und Reeder aus 708 : „Reeder und Schiffsführer treten denen, die an der Ladung des Schiffes beteiligt sind, so sehr als Einheit gegenüber, dass das Wissen jedes einzelnen von ihnen beiden zugerechnet werden muss." Leitend sind dafür Überlegungen des Vertrauensschutzes. Da derjenige, der die Ladung in Auftrag gibt, in der Regel nur mit einer Person - entweder dem Reeder oder dem Schiffsführer - unmittelbar zu tun hat, soll er sich darauf verlassen können, dass eine Duldung durch die ihm gegenüber handelnde Person auch für den anderen Schutzadressaten des § 297 StGB wirkt. Indes sind diese Gedanken des Gesetzgebers nicht zutreffend, was im Folgenden zu zeigen sein wird. Der Problematik nähert man sich sinnvollerweise, indem man sich die möglichen Konstellationen vor Augen führt: (1) Ein Dritter nimmt ohne Wissen des Reeders und Schiffsführers Bannware mit an Bord. Er ist nach § 297 StGB strafbar. (2) Ein Dritter nimmt ohne Wissen des Reeders, aber mit Wissen des Schiffsführers Bannware mit an Bord. Nach dem gesetzlichen Leitbild des Seehandelsrechts ist der Kapitän (Schiffsführer) Vertreter des Reeders am Aufenthaltsort des Schiffes. 709 Der Gesetzgeber will das Wissen des Schiffsführers dem Ree708 709 710
BT-Drucks. 13/8587, S. 46. Krack, wistra 2002,81,84. Krack., wistra 2002, 81, 84.
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5. Kapitel: Wissenszurechnung bei § 297 StGB
der zurechnen und damit zu einem Wissen beider Schutzadressaten kommen. 710 Gemeint ist hier wohl nicht eine Wissenszurechnung entsprechend der des Zivilrechts, da diese an das Vorliegen einer Wissensvertreterstellung gebunden wäre. Von dieser Rechtsfigur ist aber in den Gesetzesberatungen nie die Rede gewesen. Es könnte sich also nur um eine strafrechtsspezifische Wissenszurechnung handeln, die allein an strafrechtlichen Grundsätzen zu messen wäre. In dieser Konstellation geht es um den Schutz des Rechtsguts „Eigentum". Bei einer rechtsgutsbezogenen Betrachtung muss eine Dispositionsbefugnis des wissenden Schiffsführers gerade hinsichtlich dieses Rechtsguts gefordert werden. Der Wissende müsste dazu befugt sein, das Eigentum des Reeders den in § 297 I StGB genannten Gefahren auszusetzen. Diese Befugnis wird grundsätzlich fehlen. 711 Sie kann nur dann angenommen werden, wenn sie dem Schiffsführer vom Reeder ausdrücklich für den Einzelfall oder generell erteilt ist. 712 Nur unter diesen Voraussetzungen stellt eine Duldung des Schiffsführers die Verwirklichung der Autonomie des Rechtsgutsinhabers bezüglich seines Eigentums dar. Das Argument des Gesetzgebers, dass sich der Dritte auf das Wissen der ihm gegenüberstehenden Person verlassen können muss, ist auch weitungsmäßig nicht stichhaltig. Wer Konterbande transportieren will, ist nicht unangemessen beschwert, wenn ihm zugemutet wird, neben dem Schiffsführer auch den Reeder zu informieren, um die Strafbarkeit nach § 297 StGB auszuschließen. Immerhin ist der Transport und z. T. bereits der Besitz derartiger Bannware neben § 297 StGB zumeist mit noch wesentlich gravierenderen Strafen bedroht. 713 (3) Ein Dritter nimmt ohne Wissen des Schiffsfiihrers, aber mit Wissen des Reeders Bannware mit an Bord. Nimmt man den Gesetzgeber beim Wort, so müsste das Wissen des Reeders dem Schiffsführer zugerechnet werden. Dem Reeder käme damit für diesen Fall eine Dispositionsbefügnis über die Gefährdung des Rechtsguts der „persönlichen Freiheit" des Schiffsführers zu. Die Gefahr einer Freiheitsstrafe berührt aber den Persönlichkeitskern so nahe, dass der Entschluss, sich einer solchen Gefahr auszusetzen, eine unvertretbare Entscheidung darstellt. Es ist daher schlechterdings undenkbar, den Schutz der persönlichen Freiheit des Schiffsführers wegen des Wissens des Reeders abzuschneiden. Auch eine gewillkürte Stellvertretung bei der Einwilligung wäre in solchen Fällen nicht möglich. 714
711
WL-Schünemann , § 263 Rn. 19 a. E. In solchen Fällen hat man dann eine Konstellation, die der des Dreiecksbetrugs ähnlich ist. Der Schiffsführer rückt durch die erteilte Befugnis so nahe an den Reeder heran, dass sich dieser dessen Entschluss, die Gefährdung des Eigentums einzugehen, zurechnen lassen muss. 7.3 So etwa §§ 29 ff. BtMG, 16 II KWKG, 34 AWG. Siehe dazu auch Krack, wistra 712
2002,81,82. 7.4
Vergl. dazu Roxin, AT I, § 13 Rn. 66.
II. Das Tatbestandsmerkmal „Wissen des Reeders oder Schiffsführers"
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b) Möglichkeit einer zivilrechtlichen Wissenszurechnung innerhalb des Reeders als Konsequenz der Normativität des Tatbestandsmerkmals ,, Wissen des Reeders "? Wie eben gesehen, kommt man nur dann zu einem Ausschluss der Strafbarkeit, wenn Schiffsführer und Reeder das erforderliche Wissen haben. Ist der Reeder eine juristische Person, so stellt sich die Frage, auf wessen Wissen innerhalb der Organisation es für § 297 StGB ankommt. Denkbar sind drei Konstellationen: Erstens können bei einer GmbH 715 sämtliche Geschäftsführer die Kenntnis haben. Zweitens kann es vorkommen, dass bei einem mehrköpfigen Vertretungsorgan nur einer der Geschäftsführer die erforderliche Kenntnis hat. Und drittens ist es denkbar, dass keiner der Geschäftsführer etwas von der Bannware weiß, wohl aber eine für die Gesellschaft tätige Hilfsperson (Wissensvertreter). In all diesen Fällen hängt die Strafbarkeit des Täters davon ab, ob man innerhalb des Reeders eine Wissenszurechnung bejaht oder verneint. Oben wurde herausgearbeitet, dass es sich bei dem Tatbestandsmerkmal „Wissen des Reeders" jedenfalls in Bezug auf juristische Personen um ein normatives Tatbestandsmerkmal handelt. Der Begriff verweist auf die zivilrechtlichen Vorschriften über die Wissenszurechnung und damit auch auf die dortige Dogmatik. Es ist also darauf einzugehen, welche Antworten die zivilrechtliche Lehre für die einschlägigen Fälle parat hält. Unproblematisch ist zunächst der Fall, dass bei einer GmbH mit mehreren Geschäftsführern alle das für § 297 StGB erforderliche Wissen haben. Zwar braucht man auch in diesen Fällen die Figur der Wissenszurechnung, da auch das Wissen, das der juristischen Person durch ihre Organe vermittelt wird, ein zugerechnetes Wissen ist. 716 Diese Wissenszurechnung wird man aber ohne weiteres bejahen können. Andernfalls liefe § 297 StGB in derartigen Fällen leer. Schwieriger wird es allerdings, wenn von mehreren Geschäftsführern nur einer das erforderliche Wissen hat. Und vollends problematisch sind die Fälle, in denen kein Geschäftsführer von der Bannware Kenntnis hat, wohl aber eine für die Gesellschaft tätige Hilfsperson. Diese Problempunkte sollen im Folgenden behandelt werden.
aa) Wissensgefälle innerhalb eines mehrköpfigen Vertretungsorgans Man muss hier aus zivilrechtlicher Sicht danach differenzieren, ob für das betreffende Organ Gesamtvertretung oder Einzelvertretung gilt. 717 715
Es soll auch hier wieder von einer GmbH ausgegangen werden. Vergl. dazu Bück, Wissen, S. 194 ff., insb. S. 203 ff. 717 Siehe den Aufbau von Buck, Wissen, S. 376 ff., 382 ff. Gesamtvertretung ist bei der AG, der GmbH und der Genossenschaft der gesetzliche Regelfall, siehe §§ 78 II AktG, 35 II GmbHG, 25 I GenG. Sie ist jedoch abdingbar, Buck, Wissen, S. 377. 716
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5. Kapitel: Wissenszurechnung bei § 297 StGB
(1) Gesamtvertretung Im Zivilrecht werfen die Fälle der Gesamtvertretung bei Organmitgliedern hinsichtlich der Wissenszurechnung keine dogmatischen Schwierigkeiten auf Sowohl nach der Organtheorie 718 als auch auf der Grundlage des § 166 BGB ist das Wissen eines Gesamtvertreters stets ausreichend, um der juristischen Person Wissen zu vermitteln. 719 Dies hat auch die zivilrechtliche Rechtsprechung stets so gesehen.720 Diese Aussage gilt aber auch aus privatrechtlicher Sicht nur für das bloße Wissen. Kommt es wie im Fall der Duldungsvollmacht neben der Kenntnis noch auf ein Duldungsmoment an, ist bei der Gesamtvertretung die Kenntnis aller Vertreter erforderlich. 721 Diese Überlegungen lassen sich für § 297 StGB fruchtbar machen. Auch dort kommt es auf eine Duldung durch den Reeder an. Das bedeutet, dass bei Gesamtvertretung das Wissen eines Organmitglieds nicht ausreicht, um das „Wissen des Reeders" zu bejahen und die Strafbarkeit nach § 297 StGB abzulehnen. Dies lässt sich folgendermaßen stützen: Auch die durch ein normatives Tatbestandsmerkmal erfolgende Verweisung in einen anderen Normenkomplex führt nicht zur völligen Loslösung von den Zwecken der Stammnorm. Die Verweisung auf den anderen Normenkomplex soll letztlich dem Zweck der verweisenden Norm dienen. Es lässt sich daher nicht pauschal sagen, dass, weil es sich um einen Verweisungsbegriff handelt, in vollem Umfang zivilrechtliche Wissenszurechnung praktiziert wird. Es gilt vielmehr immer, die spezifisch strafrechtlichen Zwecke des § 297 StGB berücksichtigen. Hinsichtlich einer juristischen Person als Reeder besteht der Zweck in erster Linie im Schutz des Eigentums an dem Schiff. Damit kann das Wissen bzw. Dulden einer für den Reeder tätigen Person nur in dem Umfang berücksichtigt werden, wie der Betreffende über das Rechtsgut „Eigentum" dispositionsbefugt ist. Bei Gesamtvertretung sind die Vertreter nur in ihrer Gesamtheit dazu befügt, Rechtsgüterdispositionen für die juristische Person zu treffen. 722 Das Dulden eines Einzelnen von ihnen kann den Täter nicht entlasten.
718 Dazu Buck , Wissen, S. 216 ff.; K Schmidt , Verbandstheorie, S. 19. Die Organtheorie geht zurück auf v. Gierke , Genossenschaftstheorie, S. 5, 11, 603 ff., 615, 627 f. 719 Buck, Wissen, S. 382. 720 Siehe etwaRG JW 1911, 1012, 1013; BGHZ 41, 282, 287. 721 Vergl. Canaris , Vertrauenshaftung, S. 459; BGH DB 1988, 386 f. m. w. N.; a. A. Reinicke/Tiedtke, DB 1988, 1203. 722 Sofern die Disposition die juristische Person schädigt, kann sie nur dann die Eigenverantwortlichkeit der juristischen Person begründen, wenn trotz der Schädigung ein überwiegendes Unternehmensinteresse für die Disposition spricht, vergl. dazu bereits 3. Kapitel, IV 3 c.
II. Das Tatbestandsmerkmal „Wissen des Reeders oder Schiffsführers"
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(2) Einzelvertretung Bei Einzelvertretungsmacht ist im Zivilrecht anerkannt, dass das Wissen des an einem Rechtsakt beteiligten Organmitglieds der juristischen Person zugerechnet wird. 723 Umstritten sind die Fälle, in denen das wissende Organmitglied nicht am betreffenden Rechtsakt beteiligt ist bzw. von diesem gar nichts weiß. Auch bei § 297 StGB können sich solche Fälle ergeben. Bsp.: Eine Reederei-GmbH verschifft medizinische Geräte in ein Krisengebiet. Der Täter T sagt zum einen Geschäftsführer X, er nehme eine Kiste Medikamente mit an Bord. X glaubt dem T und gestattet die Mitnahme. Der andere Geschäftsführer Y dagegen weiß, dass es sich um biologische Kampfstoffe handelt. Auch er duldet das An-Bord-Bringen. Hat T „ohne Wissen des Reeders" gehandelt? Die Frage ist zu verneinen, wenn das Wissen des nicht am Abschluss des „Frachtvertrags" beteiligten Y dem Reeder (der GmbH) zugerechnet wird. In diesen Fällen liegt also die Fallgruppe „Kenntnis eines vom Abschluss des Rechtsgeschäfts wissenden, aber nicht beteiligten Organmitglieds" vor. 724 Ob das wissende Organmitglied am Rechtsgeschäft beteiligt gewesen sein muss, damit sein Wissen zugerechnet werden kann, ist in der zivilrechtlichen Literatur umstritten. 725 Zu unterscheiden sind zwei Fallgruppen. Nimmt das wissende Organmitglied am Rechtsgeschäft absichtlich nicht teil, wird also (treuwidrig) ein Gutgläubiger vorgeschoben, so ist man sich einig, dass das Wissen des im Hintergrund Stehenden zugerechnet werden muss. 726 Strittig sind nur die Fälle der Nichtteilnahme ohne treuwidrige Absicht. Hier stehen sich die Vertreter der Theorie der absoluten Wissenszurechnung und diejenigen gegenüber, die § 166 I BGB anwenden wollen. Erstere gehen davon aus, dass eine Wissenszurechnung auch dann zu erfolgen hat, wenn das Organmitglied an dem relevanten Rechtsgeschäft nicht mitgewirkt hat. 727 Letzteren genügt es nicht, wenn das die rechtserhebliche Kenntnis besitzende Organmitglied um das Rechtsgeschäft wusste, ohne daran beteiligt zu sein. 728 Buch selbst vertritt eine vermittelnde Ansicht, geht aber davon aus, dass es unerheblich ist, ob das einzelvertretungsberechtigte Organmitglied an dem konkreten Rechtsgeschäft beteiligt ist oder nicht. 729 723
Buch, Wissen, S. 383. Dazu aus zivilrechtlicher Sicht Buch, Wissen, S. 383. 725 Buck, Wissen, S. 383 m. w. N. zu beiden Meinungsgruppen. 726 Buck, Wissen, S. 384. 727 Vergl. MK-Reuter, § 26 Rn. 12, § 28 Rn. 8 ff., 10; ?z\imdt-Heinrichs, § 28 Rn. 2; BGHZ 109, 327, 331; Köln NJW-RR 2000, 470, 472. Weitere Nachweise bei Buck, Wissen, S. 384 (Fn. 248). 728 Vergl. Buck, Wissen, S. 384 f. 729 Buck, Wissen, S. 392. 724
166
5. Kapitel: Wissenszurechnung bei § 297 StGB
Folgt man dieser wohl herrschenden Meinung, ist das Wissen des Y der GmbH aus zivilrechtlicher Sicht grundsätzlich zuzurechnen. Zu fragen ist allerdings, ob dieses Ergebnis auch im Hinblick auf die spezifisch strafrechtlichen Zwecke des § 297 StGB Bestand haben kann. Insofern kommt es auf die Befugnis des einzelvertretungsberechtigten Organmitglieds zur Duldung der Eigentumsgefährdung an. Bei Einzelvertretung scheitert diese jedenfalls nicht an der fehlenden Vertretungsmacht. (3) Zusammenfassende Überlegungen Es zeigt sich damit, dass das Duldungsmoment bei § 297 StGB zu erheblichen Schwierigkeiten führt. Für die Duldung müssen, da sie zu einer Gefährdung des Eigentums der juristischen Person führt, im Ausgangspunkt dieselben Kriterien gelten, wie für das Geschehenlassen einer betrügerischen Schädigung der Gesellschaft. 730 Die Eigentumsgefährdung muss also immer im Unternehmensinteresse liegen. Bei diesem Verständnis des Tatbestandsmerkmals „ohne Wissen des Reeders" kommt man fast immer zur Unanwendbarkeit des § 297 StGB. 731 Denn die eben genannten Kriterien müssen genaugenommen auch in den Fällen gelten, in denen alle Mitglieder des Vertretungsorgans das relevante Wissen haben. Auch dann stellt sich die Frage, ob das Organ (als Gesamtheit) eine Gefahrdung des Eigentums der juristischen Person geschehen lassen darf Bei diesen Fällen kann man eventuell mit einem schutzwürdigen Vertrauen des Täters argumentieren, wenn er Wissen und Dulden aller Geschäftsführer kennt, und damit ein „Wissen des Reeders" bejahen. Jedenfalls werden hier, da es sich nur um die Duldung einer Gefährdung handelt, weniger strenge Kriterien an das Unternehmensinteresse anzulegen sein, als oben bei den Betrugsfällen, bei denen es um eine Rechtsguts Verletzung geht.
bb) Zurechnung des Wissens von Wissensvertretern? Auch was das Wissen von sonstigen Hilfspersonen (Wissensvertretern) angeht, kann der Ansatz kein anderer sein als bei Organmitgliedern. Entscheidend ist die Befugnis, die Eigentumsgefahrdung zu dulden. Sie muss der Hilfsperson vom Geschäftsleitungsorgan generell oder für den Einzelfall erteilt worden sein.
730
Siehe 3. Kap. IV 3. Insofern kann man sich durchaus Krack , wistra 2002, 81, 86 f. anschließen, der eine Abschaffung des § 297 StGB fordert. 731
III. Zusammenfassung und Ergebnis
167
III. Zusammenfassung und Ergebnis Die Ergebnisse dieses Kapitels lassen sich wie folgt zusammenfassen: Das Tatbestandsmerkmal „ohne Wissen" lässt sich nicht so verstehen, dass zum Tatbestandsausschluss bereits das bloße Wissen des Reeders genügt. Andererseits ist auch kein tatbestandsausschließendes Einverständnis im eigentlichen Sinne gefordert. Mit dem Merkmal „ohne Wissen" berücksichtigt der Gesetzgeber vielmehr das Eigenverantwortlichkeitsprinzip, die Autonomie des jeweiligen Schutzadressaten bezüglich der Rechtsgüter Eigentum und Freiheit. Daraus folgt, dass zur Kenntnis des An-Bord-Bringens der Bannware noch die gegebenenfalls widerwillige Duldung hinzutreten muss, was eine praktische Abwendungsmöglichkeit voraussetzt. Was die Wissenszurechnung betrifft, muss man die wechselseitige Zurechnung zwischen Reeder und Schiffsführer und die Zurechnung innerhalb des Reeders unterscheiden. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das Wissen von Reeder und Schiffsführer dem jeweils anderen zugerechnet werden. Diese Ansicht ist jedenfalls bezüglich der Zurechnung des Reederwissens zum Schiffsführer unhaltbar. Die Zurechnung des Schiffsführerwissens ist davon abhängig, ob der Schiffsführer hinsichtlich der Eigentumsgefährdung dispositionsbefugt ist. Auf die Wissenszurechnung innerhalb des Reeders kommt es an, wenn dieser eine juristische Person ist. Insofern handelt es sich bei der Merkmalskombination „Wissen des Reeders" um ein normatives Tatbestandsmerkmal. Der Begriff verweist auf die zivilrechtlichen Bestimmungen über die Wissenszurechnung. Auch insofern kann aber der Schutzzweck des § 297 StGB (Schutz des Eigentums des Reeders) nicht außer Acht bleiben. Die „Wissenszurechnung" innerhalb des Reeders ist daher von der Befugnis des Wissenden abhängig, die Eigentumsgefährdung zu dulden. Im Ergebnis gelten hier daher dieselben Wertungsüberlegungen, die auch für die übrigen Fallgruppen dieser Arbeit gelten.
Zusammenfassung der Ergebnisse Gegenstand dieser Untersuchung waren zwei Fragenkomplexe. Der hauptsächliche Untersuchungsgegenstand war, ob es beim Betrug (§ 263 StGB) möglich ist, entsprechend der zivilrechtlichen Rechtslage das Wissen von nicht unmittelbar an der betrügerischen Interaktion beteiligten Personen für die Strafbarkeit des Täters zu berücksichtigen. Darüber hinaus musste auch zu § 297 StGB Stellung genommen werden, da die Norm explizit auf ein Nichtwissen des Opfers abstellt. Die Problematik hat sich insbesondere für den Tatbestand des Betrugs als äußerst komplex erwiesen. Für ihre Lösung wurde ein Ansatz von Rengier aufgegriffen, der die Lehre von den Verantwortungsbereichen bzw. die Gedanken der objektiven Zurechnung insoweit als richtungweisend bezeichnet.732 Mit diesem Ansatz entfernt man sich auch nicht allzu weit vom Zivilrecht, denn auch bei der Wissenszurechnung des Zivilrechts handelt es sich um die Zuweisung von Verantwortung für (eigenes oder fremdes) Wissen. Für eine strukturierte Bearbeitung des Themas war es erforderlich, die möglichen Fallgruppen einzeln zu behandeln. Im Folgenden sollen die wesentlichen Ergebnisse nochmals kurz dargestellt werden. Die erste Fallgruppe umfasst diejenigen Sachverhalte, bei denen der Täter eine auf Seiten des Vermögensinhabers tätige Person täuscht, die sodann irrtumsbedingt eine schädigende Vermögensverfügung vornimmt. Der Vermögensinhaber selbst kennt dabei das Verhalten des Täters und durchschaut die Täuschung, unternimmt aber nichts, um die Vermögensverfügung zu unterbinden. 733 Diese Konstellation lässt sich mit dem strafrechtlichen Eigenverantwortlichkeitsprinzip erfassen. Ausgangspunkt war die Überlegung, dass der unvernünftige Verzicht auf zumutbare Selbstschutzhandlungen bei den Fremdschädigungsdelikten die objektive Zurechnung des Taterfolgs zum Täter ausschließt. Das gleiche muss auch beim Tatbestand des Selbstschädigungsdelikts Betrug gelten, da es sich auch hier um ein Erfolgsdelikt handelt. Ist es dem Rechtsgutsinhaber möglich und zumutbar, sein Wissen in Selbstschutzmaßnahmen umzusetzen, und unterlässt er dies oder gibt er gar eine die schädigende Vermögensverfügung veranlassende Weisung, so ist er für den Schaden selbst verantwortlich. Der Täter kann dann - entsprechenden Tatentschluss vorausgesetzt - nur wegen
732 733
Siehe dazu l.Kap. IV. Siehe zu dieser Konstellation auch BGH NJW 2003, 1198.
Zusammenfassung d
Ergebnis
169
versuchten Betrugs bestraft werden. 734 Dieses zunächst für die natürliche Person als Rechtsgutsinhaber herausgearbeitete Ergebnis musste sodann auf die juristische Person als Rechtsgutsinhaber übertragen werden. Dabei beschränkt sich die Arbeit auf eine Untersuchung der Zusammenhänge bei der GmbH. Es stellte sich zunächst die Frage, wie sich das Wissen der Gesellschafter um das Bevorstehen einer irrtumsbedingten schädigenden Vermögensverfügung eines Geschäftsführers oder eines sonstigen Vertreters auswirkt. Hier ergab sich, dass der Beschluss der Gesellschaftergesamtheit, einen Betrugsschaden in Kauf zu nehmen, eine eigenverantwortliche Selbstschädigung sein kann, unabhängig davon, ob man die Gesellschaftergesamtheit oder die Gesellschaft als Vermögensinhaber ansieht. Des Weiteren musste untersucht werden, wie zu entscheiden ist, wenn ein Geschäftsführer einer GmbH das relevante Wissen hat und die vermögensschützende Handlung unterlässt. Die Problematik besteht hier insbesondere darin, dass sich der Geschäftsführer, da er nicht selbst Vermögensinhaber ist, wegen Untreue zu Lasten der Gesellschaft strafbar machen kann. Es stellte sich daher die Frage, ob eine als Untreue gegenüber der GmbH strafbare Handlung zugleich der Gesellschaft als eigenverantwortliche Selbstschädigung zugerechnet werden kann. Dies wurde im Ergebnis davon abhängig gemacht, ob das Geschehenlassen der betrügerischen Schädigung im Interesse des Unternehmens liegt. Nur in diesem Fall kann im schädigenden Verhalten des Geschäftsführers eine eigenverantwortliche Selbstschädigung der Gesellschaft liegen, welche die objektive Zurechnung des Schadens zum Täter unterbricht. 735 Die zweite Fallgruppe umfasst diejenigen Sachverhalte, bei denen der Täter den Vermögensinhaber selbst täuscht, der auch die schädigende Vermögensverfügung vornimmt. Eine mit der Vorbereitung des Vertrags befasste Person (ein sogenannter Wissensvertreter) hat dabei Kenntnis von der Täuschung des Täters, teilt dieses Wissen dem Verfügenden jedoch nicht mit. 7 3 6 Diese Konstellation lässt sich nicht auf die gleiche Weise mit dem strafrechtlichen Eigenverantwortlichkeitsprinzip erfassen wie die erste Fallgruppe. Denn hier handelt der Rechtsgutsinhaber als derjenige, dem der Schutz des § 263 StGB gilt und auf den daher für die Frage der Eigenverantwortlichkeit abzustellen ist, gerade nicht freiverantwortlich; er befindet sich im Irrtum. Zu einem Zurechnungsausschluss kommt man nur, wenn man das Wissen des Wissensvertreters berücksichtigen kann. Es war daher die Frage zu stellen, ob auf Opferseite ein erweiterter, d. h. von der eigenen Handlung des Verletzten gelöster Verantwortungsbereich anzuerkennen ist. Dies konnte bejaht werden. Sodann waren die Wertungsüberlegungen, die der Wissenszurechnung im Zivilrecht zugrunde liegen, daraufhin zu untersu734
Siehe dazu 3. Kap. III. Siehe dazu 3. Kap. IV. 736 Siehe zu dieser Konstellation auch BayObLG wistra 2001, 473 (= NStZ 2002, 91 f.) sowie 4. Kap. II. 735
170
Zusammenfassung d
Ergebnis
chen, ob sie auch im Strafrecht eine Zuweisung von Wissensverantwortung an den Rechtsgutsinhaber legitimieren können. Es hat sich allerdings herausgestellt, dass die Wertungen und Zwecke der Wissenszurechnung des Zivilrechts für das Strafrecht nicht einschlägig sind. Aus diesem Grund war die Wissensverantwortung des Rechtsgutsinhabers in der zweiten Fallgruppe abzulehnen.737 Dies gilt selbst für die einer gesonderten Untersuchung unterzogenen Fälle der Täuschung durch Unterlassen bei Bestehen einer Aufklärungspflicht aus Treu und Glauben (§ 242 BGB). In dieser Sachverhaltskonstellation stellt sich die Frage der Wissenszurechnung als zivilrechtliche Vorfrage. Die strafrechtliche Garantenstellung des Täters müsste verneint werden, wenn es aus zivilrechtlicher Sicht im Zeitpunkt der Täuschung an einer Aufklärungspflicht fehlen würde. Doch selbst bei Zugrundelegung rein zivilrechtlicher Überlegungen musste die Wissenszurechnung abgelehnt werden. Wegen des Fortbestehens der Aufklärungspflicht (Garantenstellung) ist der Unterlassungstäter daher auch in diesen Fällen wegen vollendeten Betrugs zu bestrafen. 738 Im Hinblick auf § 297 StGB konnte zunächst die Meinung des Reformgesetzgebers, dass zwischen Reeder und Schiffsführer eine wechselseitige Wissenszurechnung stattzufinden habe, widerlegt werden. Eine solche Wissenszurechnung lässt sich hinsichtlich der Zurechnung des Wissens des Schiffsführers nicht ohne weiteres, hinsichtlich der Zurechnung des Wissens des Reeders überhaupt nicht vertreten. Von dieser Frage zu unterscheiden ist die Wissenszurechnung innerhalb des Reeders, wenn Reeder eine juristische Person ist. Bei der Merkmalskombination „Wissen des Reeders" handelt es sich um ein normatives Tatbestandsmerkmal. Der Begriff verweist auf die zivilrechtlichen Bestimmungen über die Wissenszurechnung. Auch insofern kann aber der Schutzzweck des § 297 StGB, Schutz des Eigentums des Reeders, nicht außer Acht bleiben. Die „Wissenszurechnung" innerhalb des Reeders ist daher von der Befugnis des Wissenden abhängig, die Eigentumsgefährdung zu dulden. Im Ergebnis gelten hier daher dieselben Wertungsüberlegungen, die auch für die übrigen Fallgruppen dieser Arbeit gelten. 739
737 738 739
Siehe 4. Kap. I I 2 e. s. 4. Kap. III 6. s. 5. Kap.
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trtverzeichnis Angemessenheit, der Strafreaktion 86
Interaktion 19, 69
Aufklärungspflichten 20 f., 114 ff., 151 ff.
Interessenverletzung 70 Irrtumskonzeption 48, 50
Dispositionsmacht 24
Irrtumsmerkmal 37, 50, 53, 58
Dreiecksbetrug 15,20 ff., 31, 68 ff., 74 f.,
122 Eigenverantwortlichkeit 26 ff., 35, 47, 82, 114, 119, 122, 138, 144, 149, 173, 183 Eigenverantwortlichkeitsprinzip 28, 31, 35,44,55,58, 65,76, 84, 111, 116, 174,181 Einwilligung, rechtfertigende 66, 109 ff., 173,176
Kausalverlauf 33 f., 50, 54 f., 62, 64, 67, 74, 79,81,86, 90, 103 Lagertheorie 122 Machtbereich 119, 122, 148 Mitverantwortung des Vermögensinhabers, 16, 42, 46
Erforderlichkeit, der Strafreaktion 37, 89
Opfermitverantwortung, siehe Mitverantwortung
Freiheit 30, 106, 111, 138, 167
Opferverantwortung, siehe Mitverantwortung
Freiheitsbeschränkung 83 Freiheitsdelikt 22 Freiheitssphäre 76
Organisationsbefugnis 71 ff. Organisationsentscheidung 24, 63, 65, 69 ff., 97 ff., 124, 174 Organisationskreis 69, 71, 77
Geeignetheit, der Strafreaktion 89
Organisationszuständigkeit 71 ff.
Geschäftsleitungsorgan 104, 109 Gesellschafter 94 ff.
Person juristische 93, 109, 119, 129, 140, 164, 169 ff., 177
Handlungsfreiheit, des Betroffenen 100,
Person, natürliche 67, 119, 140, 182
111 Handlungsfreiheit, unternehmerische 108
Recht auf Wahrheit 22
Handlungsobjekte 69 f., 77
Rechtsfriedensstörung 86, 89 f., 146 f. Rechtsgüterschutz 39, 77, 84, 89, 152, 164
Informationsdefizit 153
Repräsentant, 17, 20, 22 f., 57, 114, 120
186
trtverzeichnis
Risikoübernahme 86 f., 135, 138 f., 148 Sachkenntnis, überlegene 75 Selbstschädigung, eigenverantwortliche 15, 20, 24, 36,48 ff., 58 ff., 63, 67, 75 ff., 91, 93 ff., 100, 104, 110, 111,
182 Selbstschutzmaßnahmen 42 f., 55, 83 f., 90 f., 136
Vermögensgefahrdung 60 ff. Vermögensinhaberschaft bei juristischen Personen 94 ff. Vermögensschädigung 66, 73, 75, 99, 101, 104, 151 viktimodogmatisches Prinzip, 37 ff. Vorteils-Nachteils-Korrelation 129
Strafzwecke 46, 85, 87, 89
Vorteilsschutz 65, 91, 121, 136
Täterschaft, mittelbare 23, 59
Weisung des Rechtsgutsinhabers 59 f f , 74,107
Tatherrschaft 49, 74, 79 ff. Teilnahme, notwendige beim Betrug, 27
Wertungsgedanken, -Überlegungen 21, 27, 55, 120, 125 ff., 144, 154, 162 ff., 181 Willensbildungsorgan 94, 99, 105
Über-/Unterordnungsverhältnis 73, 80 ultima ratio, Strafe als, 17, 142 Unternehmensinteresse 108, 112, 119,
180 Verantwortung des Rechtsgutsinhabers, 16 f., 25, 30, 34,44 ff., 50, 55, 66, 73, 79, 86, 97, 100, 117 ff., 126, 134, 145, 155,174 Verantwortungsbereich 20, 26, 28, 44, 49, 54, 64, 92, 105, 114, 116 ff., 182
Wissenmüssen 44, 50, 66, 169 Wissensvertreter, 17, 19, 21, 27, 31, 56, 115 f., 121 ff., 135, 139, 145, 147 f., 150, 154, 158, 161 f., 164 ff., 178, 180, 184, 187 f. Zugriffsdelikte 68 Zurechnung, objektive 15, 18, 24, 26, 31, 34, 44, 58, 64, 74, 83, 99, 104, 110, 121, 145, 164, 182 Zurechnungseinheit 74
Verantwortungsprinzip, 17 f., 24, 26, 28, 31,55,81, 111, 134
Zuständigkeit 26, 45, 77, 99, 105, 114, 123
Vermögensbetreuungspflicht 107
Zwecksetzungsbefugnis der Gesellschafter 96