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German, English Pages 318 [320] Year 2015
Studien und Texte zu Antike und Christentum Studies and Texts in Antiquity and Christianity Herausgeber/Editors Christoph Markschies (Berlin) · Martin Wallraff (Basel) Christian Wildberg (Princeton) Beirat/Advisory Board Peter Brown (Princeton) · Susanna Elm (Berkeley) Johannes Hahn (Münster) · Emanuela Prinzivalli (Rom) Jörg Rüpke (Erfurt)
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Die Wurzel allen Übels Vorstellungen über die Herkunft des Bösen und Schlechten in der Philosophie und Religion des 1.–4. Jahrhunderts. Ratio Religionis Studien III Herausgegeben von
Fabienne Jourdan und Rainer Hirsch-Luipold
Mohr Siebeck
Fabienne Jourdan, geboren 1978; 2001 Agregation in Altphilologie; 2007 Promotion in Philosophie der Antike; 2007–08 Humboldtstipendiatin; seit 2008 Wissenschaftlerin am CNRS in Paris. Rainer Hirsch-Luipold, geboren 1967; Studium der Ev. Theologie und Griechischen Philologie; 2001 Promotion; 2010 Habilitation; seit 2011 Ordentlicher Professor für Neues Testament an der Universität Bern.
e-ISBN PDF 978-3-16-152909-2 ISBN 978-3-16-152908-5 ISSN 1436-3003 (Studien und Texte zu Antike und Christentum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2014 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Laupp & Göbel in Nehren auf alterungbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Inhalt FABIENNE JOURDAN & RAINER HIRSCH-LUIPOLD Vorwort .................................................................................................................. VII
I. Einführung KARIN ALT Zum Phänomen des Bösen in der späteren Antike. Generelle Fragen, Voraussetzungen und ein Ausblick auf zwei Philosophen des 3. Jahrhunderts n.Chr. ....................................................... 3
II. Hintergründe LUC BRISSON Whence Comes Evil in Plato ................................................................................. 21 TROELS ENGBERG-PEDERSEN Is the Stoic Account of the Origin of Evil Good Enough? On Seneca’s De Providentia and Hercules Furens ............................................. 41 THOMAS RÖMER The Origin and the Status of Evil According to the Hebrew Bible .................. 53
III. Die Herkunft des Bösen und Schlechten in der Literatur des 1.–3. Jahrhunderts n.Chr. FOLKER SIEGERT Die theoretische Bewältigung des Bösen bei Philon .......................................... 69 DAVID T. RUNIA Clement of Alexandria and the Origin of Evil .................................................... 87
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Inhalt
ZLATKO PLEŠE Evil and Its Sources in Gnostic Traditions......................................................... 101 FABIENNE JOURDAN Materie und Seele in Numenios’ Lehre vom Übel und Bösen ....................... 133 DENIS O’ BRIEN Plotinus on Matter, Non-Being and Evil ........................................................... 211
IV. Ausblicke MARIE HÉLÈNE CONGOURDEAU Ursprung des Bösen und körperliche Existenz ................................................ 245 BERNHARD NEUSCHÄFER Der menschliche Wille als Wurzel des Bösen Augustins willenstheoretischer Lösungsversuch des unde malum-Problems ................................................................................. 261 DOROTHEE PIELOW Vorstellungen über „das Böse“ im Koran ......................................................... 279 Register ................................................................................................................... 293
Vorwort Das Böse und Schlechte hat Konjunktur in der wissenschaftlichen Diskussion.1 Unde malum? Wo immer die Erfahrung des Ausgeliefertseins an Gewalt und Zerstörung, Krankheit und Tod, aber auch die Erfahrung der Abgründigkeit der Seele Menschen erschüttern, drängt sich die Frage nach Ursache und Verantwortlichkeit auf. Die fortgesetzte Suche nach Antworten, durch mythisches Erzählen, durch philosophische Reflexion, durch psychologische, soziale und politische Rationalisierung oder durch naturwissenschaftliche Hypothesenbildung wird im Folgenden insbesondere in der Literatur des 1.–4. Jahrhunderts n.Chr. nachgezeichnet. Die Texte spiegeln ein die Geistes-, Philosophie- und Religionsgeschichte durchziehendes Verlangen, die Existenzbedingungen des Menschen zu verstehen und seiner Leiderfahrung auf den Grund zu gehen, getrieben von der Hoffnung, sich am Ende des Übels entheben oder es doch zumindest intellektuell domestizieren zu können. Im Deutschen werden seit Immanuel Kants Kritik der praktischen Vernunft physisches Übel und moralische Verwerflichkeit, „das Böse“ als ein sittlicher Begriff und „das Übel“ als eine Kategorie, die vom Willen und von sittlichen Entscheidungen unabhängig den subjektiven Zustand des Leidens bezeichnet, voneinander unterschieden, während im Lateinischen und im Griechischen (malum, κακόν) ebenso wie im Französischen (mal) beide Aspekte unter einem Begriff zusammengefasst sind.2 Noch am ehesJ. N ABERT, Essai sur le mal, Paris 1997; H. H ÄRING, Das Böse in der Welt. Gottes Macht oder Ohnmacht? Darmstadt 1999; S. N EIMAN, Das Böse denken. Eine andere Geschichte der Philosophie (aus dem Amerikanischen von C. Goldmann), Frankfurt 2006; P. R ICŒUR, Das Böse. Eine Herausforderung für die Philosophie und Theologie (aus dem Französischen von L. Karels), Zürich 2006; I.U. D ALFERTH, Leiden und Böses. Vom schwierigen Umgang mit Widersinnigem, Leipzig 2006; ders., Das Böse. Essay über die Denkform des Unbegreiflichen, Tübingen 2006; ders., Malum. Theologische Hermeneutik des Bösen, Tübingen 2008; K. BERGER (Hg.), Das Böse und die Sprachlosigkeit der Theologie 2007; Y.-M. BLANCHARD/B. POUDERON/M. SCOPELLO (Hgg.), Les Forces du bien et du mal dans les premiers siècles de l’Église, Paris 2010; J.-C. W OLF, Das Böse, Berlin/New York 2011. 2 Zur Entwicklung des Begriffs vgl. z.B. den Artikel „Übel“ im Historischen Wörterbuch der Philosophie 11 (2001), 1–4, mit Bibliographie. Zu den verschiedenen 1
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ten kann der für den Titel des Bandes aus Luthers Übersetzung von 1Tim 6,10 entlehnte Begriff des Übels als Oberbegriff des Phänomens dienen, das in der ganzen Breite der griechischen Bedeutung betrachtet werden soll. Neben der bereits angedeuteten Problematik der Terminologie, die in verschiedenen Beiträgen zum Thema wird, bildet die metaphysisch oder theologisch ausformulierte Frage nach der Existenz eines Prinzips des Übels einen Schwerpunkt. In theologischer Perspektive umkreisen alle Antwortversuche das Problem der Theodizee: Muss dem allmächtigen Göttlichen die Verantwortung für die Übel in der Welt zugewiesen werden? Oder existiert neben Gott ein zweites, zerstörerisches Prinzip, so dass sich im Rahmen einer dualistischen Konzeption eine aktiv dem Göttlichen widerstreitenden Macht als Ursache alles Negativen bestimmen lässt, ein böser Daimon oder eine mit Eigenaktivität ausgestattete und so die kosmische Ordnung störende Weltseele? Monistischen Entwürfen bleibt diese Lösung verwehrt. Sie verweisen entsprechend auf die dem Menschen unzugängliche Ratio des guten und allmächtigen Gottes, dessen Eingreifen im Sinne von Strafe oder Heilung durchaus schmerzhaft erfahren werden kann. Oder sie verstehen das Übel insgesamt als eine menschlich-subjektive Deutungskategorie der Wirklichkeit. In kosmologischer Perspektive kann der der göttlich-intelligiblen Sphäre des Seins gegenüberstehende Bereich von Werden und Vergehen, die Materie, aufgrund der notwendigen Schwäche und Anfälligkeit, Unvollkommenheit und Vergänglichkeit alles Körperlichen als Einfallstor allen Übels, ja selbst des moralisch Verwerflichen, gedeutet werden. Das Übel wäre dann als etwas lediglich Passives in der Verfasstheit der Welt zu suchen. Insbesondere empfindet der Mensch sich selbst als eingekerkert in einen der Vergänglichkeit, dem Leiden und den Leidenschaften unterworfenen Körper. Im Körper ist das Individuum Leid und Schmerz ebenso ausgesetzt wie Lustempfindungen, die Vernunftentscheidungen aus den Bahnen zu drängen vermögen. Das moralisch Böse ruft in diesem Zusammenhang die Frage nach den Motiven des unmoralisch handelnden Subjekts hervor. Handelt es aus Unkenntnis des wahrhaft Guten, ausgeliefert an seine inneren Triebe, so wäre solches Handeln wohl kaum als frei zu qualifizieren. Vielmehr harrte der so Handelnde erst der Befreiung aus seiner körperlichen Verfangenheit durch die auf Belehrung basierende Einsicht in das wahrhaft Gute und Zuträgliche. Verkehrtes Handeln mag aber auch durch den Einfluss äußerer, dämonischer Mächte determiniert sein oder sich gar einer ererbten Sündenverfallenheit verdanken. Während die stoische Tradition davon ausgeht, Bedeutungen von κακόν, s. zudem H. G ÖRGEMANNS, Woher kommt das Übel in der Welt? Ein Vergleich einiger antiker und moderner Konzepte, in: F. SIEGERT/J.U. K ALMS (Hgg.), Internationales Josephus-Kolloquium, Münster 1997, Münster 1998, 196–209.
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dass zwar nicht das Erleiden des Menschen, wohl aber sein Handeln seiner eigenen Verfügung untersteht, führt gerade die Erfahrung des Ausgeliefertseins an unkontrollierbare Leidenschaften und an die Macht der Sünde zum Gefühl grundsätzlicher Erlösungsbedürftigkeit des Menschen, der auf das Eingreifen einer hilfreichen Gottheit angewiesen ist.
Zum Aufbau des Bandes KARIN ALT eröffnet den Band mit einem einführenden geschichtlichen Überblick zur Auseinandersetzung mit dem Problem des Übels im griechischen Denken, insbesondere in der platonischen Tradition. Neben Platon und Plutarch treten insbesondere Porphyrios und Jamblich hervor, die – unüblich in der platonischen Tradition – mit der Existenz von bösen Dämonen als Quelle des Übels rechnen; nach Jamblich lassen sich deren schädliche Wirkungen nur mit Hilfe theurgischer Praktiken neutralisieren. Die folgenden drei Beiträge des Bandes beleuchten das philosophische und religiöse Umfeld. Platon bildet den entscheidenden philosophischen Bezugspunkt, mit dem sich nicht nur Entwürfe der verschiedenen philosophischen Schulrichtungen, sondern auch religiös-philosophische Texte aus dem Bereich des hellenistischen Judentums und des frühen Christentums, von Gnosis und Hermetik auseinandersetzen. LUC BRISSON entwickelt bei seiner Darstellung Platons die Unterscheidung dreier Ursachen des Bösen bei Harold Cherniss fort. Diese Ursachen sind nach Brisson: Als „negative“ Übel (1) sind solche Übel zu bezeichnen, die sich aus der notwendigen Differenz der körperlichen Abbilder vom intelligiblen Urbild ergeben, als „positive“ Übel (2) dagegen solche, die durch den Einfluss der Seelenbewegung zustande kommen. Als relative positive Übel (2.1) sind solche Übel zu bezeichnen, die auf der minderwertigen Kraft der Weltseele beruhen; sie ist Ursache schädlicher Bewegungen, aber nur insofern, als die regelmäßige Bewegung, die sie unter den Himmelskörpern bewirkt, mit zunehmendem Abstand, d.h. je näher sie der Erde kommt, an Unregelmäßigkeit zunimmt; absolut (2.2) sind dagegen die durch die menschlichen Einzelseelen verursachten Übel, die auf einem Fehlurteil beruhen; für ihre Entfernung vom ursprünglich Guten sind die Einzelseelen absolut verantwortlich zu machen. Brisson entwickelt diese platonische Unterscheidung anhand von Einzelstudien ausgewählter Textpassagen. TROELS ENGBERG-PEDERSEN setzt sich in einem Seitenblick mit der eigenständigen Deutung des Bösen im monistischen System eines Stoikers auseinander, nämlich bei Seneca, den er als Tragödiendichter ins Auge fasst. Ausgehend von kritischen Einwänden gegen die stoische Position zeigt Engberg-Pedersen auf, wie Seneca angesichts solcher Kritik die
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Stringenz des stoischen Gedankengebäudes sowohl theoretisch (in De Providentia) als auch dramatisch (im Hercules furens) darzustellen versucht. Nur das moralisch Böse, d.h. die aktive sittliche Verfehlung, die ungezügelten Leidenschaften, so betont Seneca im Hercules furens, kann demnach als etwas Schlechtes begriffen werden, für das der Mensch die volle Verantwortung zu tragen hat. Gemäß der Lehre Senecas vom Schicksal erweist sich dagegen äußerliches Übel als für den Weisen belanglos, ja als im Eigentlichen gar nicht existent. THOMAS RÖMER schreibt eine kurze Geschichte der Rede vom Übel und dem Bösen in der hebräischen Bibel. Während der erste Schöpfungsbericht der Genesis voraussetzt, dass es etwas gibt, nämlich Dunkelheit und die Chaosmächte des tehom, die nicht von Gott geschaffen sind, sondern Gottes ordnendem Schöpfungshandeln vorausliegen, wodurch die Quelle des Übels außerhalb von Gott lokalisisert wird, wählt Deuterojesaja eine radikal monistische Lösung. Um die rettende Allmacht Gottes angesichts der katastrophalen Erfahrung des Exils unterstreichen zu können, macht ihn der Prophet explizit auch zum Urheber und damit Herrn des Übels. In späterer Zeit erscheint insbesondere im Rahmen des Hiobbuches das Böse als eigenes Prinzip, das unabhängig von Gott Übel hervorbringt. Die Vorstellung eines echten Dualismus, also einer Gleichmächtigkeit von dem bösen Prinzip und von Gott, wird dabei allerdings vermieden. Den nächsten Abschnitt des Buches bilden Studien zur platonischen und platonisch inspirierten Literatur des 1.–4. Jahrhunderts n.Chr. FOLKER SIEGERT arbeitet den Einfluss der platonischen Kosmologie auf die Lehre des Übels bei Philon von Alexandrien und insbesondere die ambivalente Rolle des Logos in seinem System heraus (er spricht von einer „Theodizee des ‚Seienden‘ auf Kosten seines Logos“). Diese Ambivalenz spiegelt sich bei Philon in seiner anthropologischen Deutung der Entstehung der Sünde wider. Von seinen Antrieben und Begierden zum Bösen verführt, besitzt der Mensch dennoch die Vernunft als Gabe Gottes — und ist eben deshalb für seine sündigen Taten verantwortlich. Wie sein alexandrinischer Vorgänger Philon weiß Clemens in seiner Lehre vom Bösen die griechische Tradition, insbesondere das Erbe Platons, mit der biblischen Überlieferung zu verbinden. DAVID RUNIA bietet eine Interpretation der wichtigsten Platonstellen vom 2. Buch der Politeia bis zu den Leges für das Verständnis des Übels, die Clemens in einer mittelplatonischen Lesart rezipiert. In der Erklärung des Übels kann er Philon, von dem er sonst in manchem abhängig ist, freilich nicht folgen, ist doch für ihn ganz im Sinne der johanneischen Christologie der Logos in Christus inkarniert und so eben der Weg aus allem Übel zum Heil. Auch gnostische Traditionen, mit denen sich der Kirchenvater auseinandersetzt, bleiben nicht völlig ohne Einfluss. Die zentrale Rolle der menschlichen
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Freiheit in der Entstehung des Bösen im Sinne der Theodizee (gerne zitiert Clemens Pl. R. 617e: αἰτία δὲ ἑλομένου, ὁ θεὸς ἀναίτιος) führt bei Clemens nicht zu einer ausgeprägten Willenslehre wie bei Augustin, denn Clemens bleibt der sokratischen Ansicht treu, dass die eigentlichen Ursachen in Unwissenheit und Willensschwäche zu suchen seien. Freilich liegt es am Menschen, sich davon zu befreien, nämlich durch die Bekehrung zum Logos und die Annahme der geschenkten Gnade. Damit ebnet Clemens Augustin den Weg, obgleich er weniger pessimistisch ist als sein Nachfolger: Der freie Willen ist bei Clemens nicht von Natur aus Gott entgegengesetzt; vielmehr kann der Mensch durch die Hinwendung den Weg zum Heil selbst einschlagen. ZLATKO PLEŠE analysiert die sowohl mythische als auch metaphysische Interpretation des Übels bei den Gnostikern. Sie identifizieren die Materie als Hauptschuldige am Übel. Dies findet nicht nur darin Ausdruck, dass die Materie der untersten Stufe der ontologischen Hierarchie zugeordnet wird, sondern auch in der kategorialen Trennung zwischen materiellem und geistigem Bereich. Grund dieser Trennung war das von der vernünftigen Weltseele (der personifizierten Sophia) verspürte Verlangen nach dem diskursiven Denken. Die mythischen Darlegungen der unterschiedlichen gnostischen Systeme werden von PLEŠE für die ihnen zugrundeliegenden metaphysischen Prinzipien durchsichtig gemacht. Indem Numenios das Böse allein der Materie zuschreibt und eine zweite, böse Seele annimmt, könnte er zum Vorläufer gnostischer Gedanken geworden sein, wie wir sie etwa bei Basilides und seinem Sohn finden. FABIENNE JOURDAN zeigt jedoch, dass die Lehre des Mittelplatonikers nicht unmittelbar auf diejenige der beiden Gnostiker zuläuft. Wenn Numenios behauptet, das Böse wachse der Seele von außen schon vor deren Einkörperung zu, so handelt es sich dabei nicht notwendigerweise um die von Basilides erwähnten „Appendices“, sondern es wird lediglich gesagt, dass das Böse der vernünftigen bzw. rationalen Seele wesenhaft fremd ist. Jourdan erläutert die Hintergründe der erstaunlichen Gleichsetzung der Materie mit einer schlechten bzw. irrationalen Seele bei Numenios. Plotin unterlag dem Vorwurf, Numenios zu plagiieren, und dies offenbar nicht völlig zu Unrecht. Denn auch Plotin bezeichnet die Materie als Ursprung des Übels, ja er setzt sie sogar mit ihm gleich. Es zeigt sich allerdings ein fundamentaler Unterschied zu den Überlegungen des Numenios: Die Materie ist bei Plotin kein eigenständiges, dem Seienden gegenüberstehendes Prinzip. Sie entsteht als das letzte Ergebnis der ausstrahlenden Emanation des Einen und ist dabei trotz ihrer Entfernung vom Göttlichen nicht gänzlich von ihm abgeschnitten. Als bloßem Schatten des Göttlichen ermangelt es ihr indes des wahren Seins. DENIS O’BRIEN wehrt in seinem Beitrag indes das Missverständnis ab, Plotins Bestimmung der
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Materie als Nichtseiendes betrachte die Materie und mit ihr das Böse als nicht existent. Vielmehr ist Plotins Bezeichnung im Sinne der Beraubung (στέρησις, privatio) jeglicher Gestalt zu verstehen. Hintergrund ist die doppelte Bedeutung des Verbs „sein“ (εἶναι) einerseits als einfache Kopula und andererseits – insbesondere seit Platon – als Bezeichnung eigentlichen Seins. Platonisches Nichtsein verbindet sich hier mit aristotelischer Entbehrung. O’Brien legt die Konsequenzen für das Verständnis des Bösen dar. Das Böse entsteht in der Seele aufgrund von deren Schwäche, wenn sie in Kontakt mit der Materie gerät. Von Fehlern, von Unwissenheit oder sogar (bösem) Willen der Seele ist dabei nicht die Rede. Die drei letzten Beiträge des Bandes weiten den Blick. MARIE-HÉLÈNE CONGOURDEAU bietet einen Überblick über die verschiedenen Formen, in denen im Denken der ersten Jahrhunderte (insbesondere bei Plotin und Mani) Materie und Körper für die Entstehung des Bösen verantwortlich gemacht wurden. Im Unterschied zu hermetischen und gnostischen Vorstellungen, die in je eigener Weise Materie und Körper als etwas Schlechtes betrachten, sei es als Ursprung oder als Folge des Bösen, verbindet die christliche Tradition das Böse nicht unmittelbar mit Materiellem. Im Gegenteil: Schon im Johannesevangelium ist die Fleischwerdung des göttlichen Logos notwendige Voraussetzung des Heils, und die Auferstehung wird im Gegensatz zur griechischen Seelenwanderungslehre gerade als Auferstehung des Körpers gedacht. BERNHARD NEUSCHÄFER legt die willenstheoretische Lösung bei Augustin dar. Während Augustin in jungen Jahren noch der dualistischen Lehre Manis zuneigte, weist er diese nach seiner Begegnung mit Ambrosius und einer intensiven Lektüre platonischer Denker zurück und entwickelt in De libero arbitrio eine ausgefeilte Lehre von der Freiheit und Eigenständigkeit des Willens. Die Verantwortung für das Böse ist allein dem souveränen menschlichen Willen zuzuweisen; Gott ist von jeglicher Schuld loszusprechen. Der Konflikt mit Pelagius und dem Pelagianismus indes zwingt Augustin dazu, seine Perspektive zu überdenken und nun – im Anschluss an Paulus – zwischen der Situation vor und nach dem Sündenfall zu unterscheiden. Nach dem Sündenfall kann der Mensch das Gute zwar wollen, kann es aber nicht aus sich heraus vollbringen. Hierzu bedarf es der Gnade, die ihn zuallererst dazu bringt, das wahrhaft Gute überhaupt zu wollen. Mit diesen Modifikationen seiner Lehre wendet sich Augustin von einer voluntaristischen Position und einer neuplatonischen Auffassung des Bösen als privatio boni einem Gnadenmonismus zu. Abschließend bietet DOROTHEE PIELOW einen Ausblick auf koranische Vorstellungen zum Thema anhand eines Streifzugs durch die Geschichten von Iblis, von Adam und seiner Frau sowie ihren Kindern (Habil und Kabil), von Josef und seinen Brüdern und schließlich von Hiob. Der Koran
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betont die Verantwortung der menschlichen Willensfreiheit, wobei das Böse als Übertretung des göttlichen Gesetzes und das Übel als „Prüfung“ des Glaubens aufgefasst werden. Am Tag des Jüngsten Gerichts wird sich der Mensch für seine Taten verantworten müssen. Dann werden Gut und Böse getrennt, und das Böse wird vernichtet. Der Vielfalt der vorgestellten Perspektiven entspricht die Vielfalt der Quellen, der Methode, der Argumentation, des Stils und des Umfangs der einzelnen Beiträge. Teils wird eine präzise und knappe Synthese von Forschungsergebnissen, teils ein längerer hermeneutischer Weg gewählt; teils werden die Gedanken eines Autors diachron, teils synchron dargestellt; mal wird eine Auffassung anhand illustrierender Beispiele erklärt, mal in Auseinandersetzung mit der Sekundärliteratur. Die jeweilige Wahl hängt davon ab, zu welcher Schule oder wissenschaftlicher Tradition die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehören, aus welchem Fach und auch aus welchem Land sie bzw. er kommt. Diese durch den interdisziplinären und internationalen Charakter der beteiligten Wissenschaftler entstandene Vielfalt bereichert den Band und wir bedanken uns dafür herzlich bei ihnen. Die von den Herausgebern dieses Sammelbandes als Fellows des Göttinger Lichtenberg-Kollegs organisierte Tagung, deren Ertrag hier vorgestellt wird, stand im Rahmen einer zehnmonatigen Forschungsaufenthalts von Fabienne Jourdan am Kolleg, der insbesondere ihren Forschungen zur Entstehung des Bösen in der Philosophie und Religion der ersten drei Jahrhunderte und der Zusammenarbeit mit der von Rainer Hirsch-Luipold geleiteten DFG-Emmy-Noether-Gruppe Ratio Religionis dienen sollte. Dem Lichtenberg-Kolleg und seinem Personal sei für die großzügige und effiziente Unterstützung der Tagung und der anschließenden Vorbereitung des Sammelbandes herzlich gedankt. Ebenfalls ist der DFG zu danken für die nicht unerheblichen Ressourcen, die aus der Emmy-Noether-Gruppe in die Fertigstellung des Bandes geflossen sind, sowie beim CNRS (UMR 8167, „Orient et Méditerranée“, Paris) für einen finanziellen Zuschuss und beim Verlag Mohr Siebeck und insbesondere bei Dr. HENNING ZIEBRITZKI für die wie immer ausgezeichnete verlegerische und herstellerische Betreuung. Schließlich schulden wir SONJA FROESEBROCKMANN, JANNA KROH, Dr. SOHAM AL-SUADI und vor allem THOMAS KUHN Dank für ihren großartigen Einsatz bei der Fertigstellung des Bandes, die aufgrund verschiedener Entwicklungen an unterschiedlichen Orten zu bewerkstelligen war. Paris/Bern im November 2013
Fabienne Jourdan/Rainer Hirsch-Luipold
I. Einführung
Zum Phänomen des Bösen in der späteren Antike Generelle Fragen, Voraussetzungen und ein Ausblick auf zwei Philosophen des 3. Jahrhunderts n.Chr. KARIN ALT Unser Leben in dieser Welt hat bei allem Schönen, das uns umgibt und uns erfreut, immer wieder auch Bedrohliches und Dunkles, Gefahren, denen wir ausgesetzt sind, und gegen die wir uns wappnen und wehren müssen. Daher haben seit jeher die Menschen gefragt, woher das Schlimme, Üble, Böse denn komme und wie man sich seiner erwehren könne. Um das Negative geht es dabei in zweierlei Hinsicht: einmal zeigen sich unbegreifbare, unheilvolle Geschehnisse auf Erden, wie Überschwemmungen, Erdbeben, Dürreperioden, dazu auch Krankheiten und Seuchen, die die Menschen schwer schädigen; zum anderen aber handelt es sich um das Böse, das der Mensch selber verursacht, unabsichtlich oder willentlich, Ungerechtes und Zerstörendes. Alle diese Aspekte werden im griechischen Begriff des κακόν umschlossen, das Missliche, Defiziente, Üble in dieser Welt wie das vom Menschen begangene Böse, und sie alle sind in die Betrachtung einzubeziehen. Bei den vielfältigen Versuchen, das Böse, seine Herkunft, vielleicht seinen Sinn zu erklären, lautet die Grundfrage, wie die Welt und wie der Mensch verstanden wird. Ist die Welt insgesamt gut, existiert ein göttlicher Lenker, der über allem waltet, alles mit seiner Übersicht und Voraussicht – griechisch πρόνοια – erfüllt und durchdringt? Wenn dies angenommen wird, woher aber resultiert dann das Böse? Oder gibt es neben diesem Gott, dem Urheber alles Guten, eine kontrastierende Instanz, eine Macht des Bösen oder auch verschiedene negative Kräfte? Gilt also ein reiner Monotheismus – oder erscheint dieser in gewisser Weise eingeschränkt durch feindliche Gegenkräfte, die das Schlechte hervorrufen? Wie aber wären derartige Kräfte dem positiv zu denkenden Ganzen einzuordnen? Und wie ist andererseits der Mensch aufzufassen: Ist er in seinem Wesen gut, oder besitzt er in sich die Anlage, die Neigung zum Bösen? Ist er in seinem Denken wie Handeln höheren Mächten unterworfen, oder hat er die Freiheit der Entscheidung und also volle Verantwortung für sein Tun? Wenn er nun frei ist und dabei fähig zum Bösen:
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Karin Alt
Warum wendet er sich ab vom Guten? Sind es seine inneren Triebe, die ihn in jene Richtung führen, oder werden äußere Kräfte, etwa böse Wesenheiten, angenommen, die ihn beeinflussen, ihn verführen? Und welches sind die Konsequenzen des bösen Tuns, gibt es etwas wie einen gerechten Ausgleich? Werden vielleicht schlimme Folgen befürchtet, die vom bösen Handeln abschrecken könnten? Und wie kann man sich wappnen gegen das Böse, gegen die Tendenzen im eigenen Inneren wie das von außen her andringende Böse, gegen Versuchung und Verführung? Reicht schließlich dazu die eigene Kraft des Menschen aus, oder benötigt er die Hilfe einer höheren Instanz? Im Folgenden soll zu diesen Fragen und Stellungnahmen vor der späteren Antike einiges gesagt werden, zunächst im Sinne unserer christlichen religiösen Vorstellungen, danach vom Standpunkt der griechischen, zumal der platonischen Philosophie. Schauen wir also auf die jüdisch-christliche Tradition. Bei einem Einwirken von außen her, bei der Verführung wird man an die Anfänge, welche die Genesis berichtet, denken, an die Schlange, die im Paradies Eva etwas anderes verspricht, als zuvor Gott verheißen hatte: Ihr werdet nicht sterben; ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist (Gen 3,1–5). Die bekannte Folge ist die Vertreibung aus dem Paradies. Wichtig scheinen mir dabei mehrere Momente: Eva und Adam unterliegen wohl der Verführung, doch haben sie die Freiheit, dem Wort Gottes oder dem der Schlange zu vertrauen. Dabei handelt es sich um geistige Ziele, um Erkenntnis und Wissen und damit um die Erhebung zum Gleichsein mit Gott. Schließlich: Hier agiert gegen Gott keine an sich böse Macht, kein Satan, sondern die Schlange, von der nur gesagt wird, sie sei „listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der Herr gemacht hatte“. Über ihre Motive verlautet nichts. Erst viele Jahrhunderte später, in Apokryphen zur hebräischen Bibel, wird dazu Genaueres erklärt,1 besonders in der Schrift Das Leben Adams und Evas; da gibt ein gefallener Engel Auskunft über sein Agieren: Er habe sich der Aufforderung des Erzengels Michael widersetzt, den Adam als Ebenbild Gottes anzubeten, habe sich statt dessen gebrüstet, er werde seinen Sitz über die Sterne des Himmels erheben und Gott dem Höchsten gleich sein. Er empfand es als Erniedrigung, dass er den später erschaffenen Menschen verehren solle. Gott habe ihn danach aus seiner Herrlichkeit verbannt, und darum habe er Eva betört, damit auch sie und Adam aus ihrem freudevollen Dasein vertrieben wür-
1 Zur Vorstellung der Existenz des Satan vgl. E. PAGELS, Satans Ursprung. Deutsche Übersetzung, Berlin 1995; L. K UCHENBUCH, Art. „Satan“, DNP 11 (2001), 99f. E. W IEDINGER , Die Apokryphen. Verborgene Bücher der Bibel, Augsburg 1990. Texte (vgl. S. 591) aus E. K AUTZSCH, Die Apokryphen und Pseudoepigraphen zum Alten Testament, 2 Bde., Hildesheim/New York 41975.
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den (Vita Adae et Evae 12–16). Nach einer anderen Darstellung „fuhr Satan in die Schlange“, und diese wirkte also in dessen Sinn (Schatzhöhle 4). Zu weiteren Berichten der Bibel über das Böse ist zu sagen, dass Kain seinen Bruder Abel aus eigenem Willen, nicht infolge teuflischen Einflusses tötet, und zwar weil er sich von Gott gering geachtet erkennt, da dieser das Tieropfer Abels annahm, Kains Opfer der Ackerfrucht aber „nicht ansah“. Wie sollte er dies verstehen? Die Erfahrung, nicht akzeptiert zu sein von Gott, treibt ihn zum Brudermord. Danach spricht Gott zu ihm von der Sünde (Gen 4,3–7). Bei der Geschichte Hiobs erscheint Satan zum ersten Mal, aber als einer, der mit Genehmigung Gottes Hiob auf die Probe stellt, ihm sehr schadet, ihn aber nicht völlig vernichtet (Hi 1,6ff.). Als Gegeninstanz zu Gott tritt Satan erst in den Apokryphen auf, als ein von Gott abgefallener Engel. Zu nennen ist dafür das äthiopische Buch Henoch und das Buch der Jubiläen sowie die erwähnte Vita Adae et Evae. Deutlich findet sich die Vorstellung zweier konträrer Mächte bei den Essenern;2 sie glaubten an einen ständigen Krieg Gottes gegen Satan und die Mächte des Bösen, einen Kampf des Fürsten des Lichtes gegen den Herrn der Finsternis, und sie erkannten unter den Menschen bei Ihresgleichen die Söhne des Lichtes und auf der Gegenseite, der Menge der Menschen, die Söhne der Finsternis. Dieser in jener Zeit (einige Jahrhunderte vor sowie nach Christus) im Judentum aufkommende Dualismus zwischen Gott und Gegenmächten wird in den Evangelien übernommen. Zwar ist durch Jesus Christus der Sieg bereits gewonnen, sind der Tod und die Kräfte des Bösen überwunden, aber dennoch, so war man überzeugt, blieb Satan mit seinem Gefolge auf Erden wirksam, um die Menschen, besonders die Gläubigen, zu bedrängen. Er ist, wie Luther schreibt, der „Fürst dieser Welt“, ὁ ἄρχων τοῦ κόσμου (Joh 12,31; 14,30; 16,11; vgl. Offb 12,3). Satan ist der Versucher Jesu, und er inspiriert Judas zum Verrat (Luk 22,3), oder er „fuhr in Judas“ (Joh 13,27). Viele Menschen sind von bösen Dämonen befallen, und etliche Male wird im Neuen Testament berichtet, wie Jesus diese Dämonen austreibt. Gefährlich werden die bösen Wesen besonders durch ihre Fähigkeit, sich zu verstellen; so schreibt Paulus, dass Satan sich in einen „Engel des Lichtes“ verwandle (2Kor 11,14f.); auch in der Vita Adae 9 heißt es, Satan zeige sich in der Lichtgestalt der Engel. Man muss demnach sehr wachsam sein, um klar zu unterscheiden. Die Situation des Menschen in dieser Welt ist also geprägt von vielerlei Gefahren, von der Neigung zum Bösen – sei es, dass man dies individuell oder auch generell als Menschengeschick im Sinne der Erbsünde versteht – wie durch das Wirken gottesfeindlicher Mächte, von Satan samt seinem 2
Vgl. A. LANGE, Art. „Essener“, DNP 4 (1998), 141–146.
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Gefolge von Dämonen, die uns versuchen, verführen, bedrohen. Als Konsequenz bleibt die schlimme Aussicht auf Strafen am Weltende, nie endende Qualen der Hölle. Ins Paradies werden nur die Frommen und Reinen eingehen. Die Hilfe und Rettung gegenüber dem Bösen bringt, vereint mit einem gottgefälligen Leben, allein der Glaube an Jesus Christus. Viele Christen meinten, dass allen Ungläubigen die Verdammnis drohe. Bei dem bisher Referierten handelt es sich für die Frage des Bösen um Geistiges; die Schlange verspricht Erkenntnis, ein Engel, ein Geistwesen, will voller Hochmut sein wie Gott, er wird gestürzt und wird zum bösen Gegenspieler Gottes; es verbreitet sich die Vorstellung eines geistig-kosmischen Kampfes zwischen Gott und Satan, zwischen Licht und Finsternis. Es ist nun von den Philosophen zu sprechen3 und zwar von den Platonikern; auf andere philosophische Richtungen, die Peripatetiker und Stoiker, soll hier zum Problem des Bösen nur kurz hingewiesen werden. Die menschliche Freiheit und Verantwortung wird von allen Philosophen vorausgesetzt, doch bleibt bei Aristoteles und den Stoikern dabei das Wichtigste die Mahnung, alle Emotionen, die zum Bösen tendieren, einzuschränken oder gar – so die Stoiker – zu eliminieren; ihr Ideal ist die innere Unberührbarkeit, die ἀπάθεια. Für Platon und alle seine Nachfolger ist entscheidend die Überzeugung, dass Gott und jedes Göttliche und somit alles Geistige gut ist und nur gut sein kann. Etwas Geistig-Böses (wie etwa den Satan) kann es demnach gar nicht geben. In der Politeia werden alle Mythen und Dichtungen, die von ungutem Verhalten von Göttern berichten, aus dem zu gründenden Staat verbannt. In der Kosmologie des Timaios wird auf die Frage, weshalb der Gott die Welt aus einem ungeordneten Vorzustand zu einem Kosmos erschaffen habe, einfach geantwortet: „Er war gut“, ἀγαθὸς ἦν (Ti. 29e). Das Defizitäre in der Welt rührt daher, dass das absolut existente Geistige sich im Materiellen, dem Bereich des Werdens, nicht rein verwirklichen kann; dieses Vorhandene, Vorgegebene wird vom göttlichen Geist, dem νοῦς, geprägt und durchdrungen, zugleich aber grenzt es ihn auch ein. Platon bezeichnet diese primäre Eigenkraft als das „Notwendige“, die ἀνάγκη, welche der Geist nicht durch Gewalt überwindet, sondern sie durch „Überredung“, πείθειν, in den bestmöglichen Zustand überführt (Ti. 48a). Ferner wird die Existenz einer Weltseele angesetzt, die der Gott erschafft, da das Geistige ohne sie sich mit dem Materiellen nicht verbinden könne (Ti. 30b; 34b–36d). Im Spätwerk der Nomoi wird die Frage erörtert, ob außer dem Guten auch das Üble, Schändliche, Ungerechte von dieser einen Weltseele her zu erklären sei oder ob man doch eine zweite als Bewirkerin des Konträren annehmen 3 Vgl. dazu K. A LT, Die Wendung zum Bösen. Aussagen griechischer Autoren des 1.– 4. Jahrhunderts n.Chr. zum Ursprung bösen Tuns, Philologia antiqua 1 (2008), 9–66.
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müsse. Die längere Argumentation endet mit dem Ergebnis, dass es nur die eine Seele von höchster Vollkommenheit geben könne, πᾶσαν ἀρετὴν ἔχουσαν ψυχήν (Lg. X 996d–998c). Ob die Materie – seit Aristoteles, noch nicht bei Platon wird sie ὕλη genannt – als der Ursprung des Bösen zu gelten habe, wurde viel diskutiert und unterschiedlich beantwortet. Für Platon ist sie nicht das Böse; später, in der Konzeption Plotins, liegt sie an der äußersten Grenze der vom höchsten Einen, Guten her erfolgenden geistigen Ausstrahlung, doch kann Plotin in ihr zugleich das primäre Böse, das κακὸν πρῶτον, erkennen.4 Insgesamt ist für die Platoniker unsere Welt, da materiell bedingt, unvollkommen, aber dennoch ist sie unbedingt gut. Ein „Fürst dieser Welt“, der Böses will und bewirkt, wäre unvorstellbar, es wäre widersinnig, ja frevelhaft, derlei zu denken. So tadelt der Platoniker Kelsos (um 170 n.Chr.) die Christen für ihr Abweichen vom Monotheismus, da sie in Satan einen Gegner des einen Gottes gelten lassen (Origenes Cels. VI 42, vgl. VIII 11). Bei Platon wird der Kosmos am Ende des Timaios (92c) gepriesen als „ein sichtbarer Gott, Abbild des Geistigen“, εἰκὼν τοῦ νοητοῦ θεὸς αἰσθητός. Da jegliches Geistige gut ist, gilt dies auch für die geistigen Kräfte im Menschen, den νοῦς, λογισμός. Für Platon besitzt der Mensch Freiheit und volle Verantwortung für sein Tun. Im Mythos der Politeia wird berichtet, wie die Seelen im Jenseits vor der erneuten Inkarnation ihr künftiges Lebensmodell zugleich mit einem persönlichen Schutzgeist selber wählen, mit dem δαίμων, der als der Vollstrecker des Gewählten, ἀποπληρωθής, benannt wird (R. 617a; 620de). Man mag fragen, ob damit alles im Voraus festgelegt ist. Vermutlich gilt dies nicht, doch sind mit dem gewählten Leben bestimmte Implikationen verbunden. Platon zeigt dies drastisch am Beispiel dessen, der im Mythos als erster die Wahl trifft und sich für ein Tyrannendasein entscheidet, ohne zu bedenken, dass darin Verwandtenmorde und andere Gräuel eingeschlossen sind (R. 619bc). Ein einziges Mal, in einem juristischen Kontext der Nomoi, erwähnt Platon, dass der persönliche Daimon mildernd eingreift: Er bewirkt, dass anstelle eines geplanten Mordes nur eine Verwundung geschieht, zum Wohle des Opfers wie des danach geringer bestraften Täters (Lg. IX 877a). Es ist selten, dass in philosophischen Texten bei bösen Taten an die Opfer gedacht wird; in der Regel handelt es sich nur um das individuelle Geschick des Täters, um die Konsequenzen, die sich für ihn ergeben. Zu fragen ist nun nach der Ursache der Entscheidung. Diese ist für Platon nicht von außen her bedingt, sondern liegt im Menschen begründet; da jedoch der Geist nie etwas Böses will oder tut, sind auch die erstrebten irrigen Ziele nicht geistiger Art, und fehlgehende Entschlüsse beruhen auf 4
Plot. I 8 [51] 3,1ff.,30ff.; 10,1ff.; II 3 [52] 18,1ff. und weitere Stellen.
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anderen Kräften der Seele. Diese besteht nach Platons seit der Politeia vertretenen Seelenlehre aus drei Bereichen: aus der Vernunft, dem Geistigen, λογιστικόν, νοῦς, sowie zwei emotionalen Strebungen, der rein positiven des Mutes, θυμός, und der ambivalenten der Begierden, ἐπιθυμία, ἐπιθυμητικόν. Das Geistige soll herrschen, es hat den Auftrag, die vernunftlosen Triebe zu bändigen, in Schranken zu halten, das Machtstreben, die Rachsucht, Gier, den Eigennutz und dergleichen. Platon ist realistisch genug, um nicht deren Austilgung zu fordern, wie es die Stoiker wollen mit ihrem Ziel der ἀπάθεια, Unberührbarkeit. Werden diese Strebungen und Begierden zu mächtig, so muss dies an einer mangelnden Kraft der Vernunft liegen, die selber bei Platon (und weitgehend bei seinen Nachfolgern) nie böse, nur schwach sein kann. Der Mensch kann sehr wohl aus Unvernunft, ἀφροσύνη, handeln (wie jener, der im Mythos das Tyrannenleben wählt R. 619b). Im Timaios heißt es, dass die Geisteskraft, die einem jeden Lebewesen innewohnt, sich vermindern sowie stärken lässt: Je nach dem Verhalten im Leben, infolge von „Verlust oder Zugewinn an Vernunft wie Unvernunft“, νοῦ καὶ ἀνοίας ἀποβολῇ καὶ κτήσει (Ti. 92c), ergibt sich die Art der neuen Inkarnation. Die Aufgabe jedes Menschen ist es also, in ständigem Bemühen das geistige Vermögen in sich zu stärken, wie es besonders durch intensives Philosophieren geschieht. Man soll versuchen, so weit möglich sich von der „Fessel“ des Körpers zu befreien, die das Aufstreben behindert. Dass es einen inneren Widerstreit im Menschen geben kann, hat man längst vor der philosophischen Analyse erkannt; in einem Handbuch der platonischen Lehren, verfasst von Alkinoos im 2. Jahrhundert n.Chr., werden zum Beleg für die platonische Seelenauffassung Euripides-Verse zitiert, so Medeas Worte bei ihrem Entschluss zum Kindermord: „Ich weiß wohl, welch Schlimmes ich zu tun plane, aber mein Rachedrang (θυμός) ist stärker als meine Überlegung.“5 Platon und seine Nachfolger waren überzeugt vom Gesetz der Reinkarnation und davon, dass sich nach dem Tod die Konsequenzen des irdischen Lebens zeigen. In seinen Mythen greift Platon ältere Vorstellungen auf und wandelt sie ab; wiederholt wird ein Jenseitsgericht beschrieben, das den Seelen zu Strafe oder Lohn grausame Qualen oder einen wundersamen Aufenthalt vor der Rückkehr ins Erdendasein zuordnet, doch findet sich auch (in Phaidon und Timaios) die auf frühen pythagoreischen Lehren basierende Annahme eines unmittelbar auf den Tod folgenden Eingehens der Seele in einen anderen Körper, wobei je nach Art des vergangenen Lebens eine geringere oder höhere Lebensstufe erreicht werde.6 Hier sei Alcin. Did. 24,177,4ff.; E. Med. 1078f., auch Chrysipp. stoic. Fr. 891 N. Mythen mit Jenseitsgericht: Grg. 523a ff.; Phd. 106c ff.; R. 614b ff.; Phdr. 246a ff.; sofortige Neuinkarnation: Phd. 81b–82a.; Ti. 42c; 90e–92c. 5 6
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noch auf ein spezielles Problem bei den schlimmsten Strafen hingewiesen, von denen die Mythen berichten. Platon versteht jegliche Strafe als eine Heilung, die sich als seelische Wandlung und Besserung bekundet; jedoch nimmt er bei den durch übelste Frevel belasteten Seelen einen hoffnungslosen, unwandelbaren Zustand an. So spricht er von „Unheilbaren“, ἀνίατοι,7 deren Strafe nie endet; sie müssen für immer gequält in der Tiefe des Tartaros verbleiben. Jede Seele ist unsterblich, kann also nicht vergehen; in ihr sind Geistiges und Emotionales verbunden, wobei das Geistige nicht leidensfähig ist, doch gekoppelt (mit Bewusstsein) bleibt an die hier auf ewig leidenden Seelenbereiche. Es dürfte ein nicht endender entsetzlicher Zustand sein! Vermutlich wollte Platon nicht nur durch die Aussicht auf derlei Qualen potentielle Täter abschrecken, sondern auch vermeiden, dass hoffnungslos böse Existenzen erneut auf Erden Schaden anrichten – jedenfalls in der Version dieser Mythen. Für alles Tun sind bei Platon die Menschen/ihre Seelen selber verantwortlich; der Drang zu Bösem kann in ihnen liegen, möglicherweise als missliche Folge des vorigen Lebens, und dessen Realisierung beruht auf Schwäche und Versagen der geistigen Seelenkraft. Eine Verführung mag durch Lebensumstände gegeben sein, aber auf keinen Fall erfolgt sie bei Platon durch andere Wesenheiten, etwa Dämonen. Die Existenz von Daimones, δαίμονες, wird bei den Griechen seit alter Zeit angenommen; bei Homer ist Daimon nur eine andere Bezeichnung für Gott, θεός, erstmals werden bei Hesiod Daimones klar von Göttern unterschieden: sie sind die nach ihrem Leben verwandelten Menschen des „Goldenen Geschlechts“, die als „edle, dem Irdischen verbundene Daimones“, δαίμονες ἐσθλοὶ ἐπιχθόνιοι, auf Recht und Unrecht der Menschen achten (Hes. Op. 121ff.). Platon gebraucht den Begriff Daimon in unterschiedlicher Weise, doch handelt es sich nur um gute Wesen. Deutlich abgesondert von den Göttern werden sie in der Epinomis, der von Platons Schüler Philipp von Opus als Anhang zu den Nomoi verfassten Schrift; im Unterschied zu den Göttern haben hier die Daimones in ihrer Hinwendung zu den Menschen Anteil an deren Freude und Schmerz (Ps.-Pl. Epin. 984d– 985a). Von Xenokrates, der ebenfalls Schüler Platons war und 339–312 die Akademie leitete, ist überliefert, dass er auch böse Daimones annahm, doch ist Detailliertes nicht bekannt.8 In der späteren Antike ist dann der Glaube an die Existenz und das Wirken von Daimones weithin verbreitet. Sie werden in einem philosophischen Handbuch des 2. Jahrhunderts n.Chr., bei Aëtios, definiert als „seelenartige Wesen“, ὑπάρχειν οὐσίας Grg. 525c; Phd. 113e; R. 615e f. M. ISNARDI-PATENTE (ed.), Senocrate-Ermodoro. Frammenti, Napoli 1982. Zu bösen Daimones Fr. 226–230. 7 8
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ψυχικάς.9 Gelegentlich findet sich auch die Annahme, dass Menschenseelen sich nach dem Tod zu Daimones als höhere Wesen wandeln können, so bei Plutarch (ca. 45–125 n.Chr.) besonders in den Jenseitsmythen der Schriften Das Gesicht im Mond und Das Daimonion des Sokrates.10 Für die Christen waren alle tradierten heidnischen Götter und sonstige derartige Wesen böse Dämonen; in der paganen Welt nahm man gute wie böse Daimones an, die einerseits ihre Funktion im Bereich des Kosmos hatten (positiv für jegliches Gediehen, negativ bei Erdbeben, Dürrephasen und dergleichen), zum anderen aber auch auf Menschen einwirken, sie zum Guten oder Bösen treiben konnten. Für Platoniker war es ein schwieriger Schritt, Wesen geistiger Natur – auch wenn sie nicht absolut geistig wie die Götter seien – als bösartig anzusetzen, da für Platon und seit Platon alles Geistige als gut galt. Insofern gibt es zunächst nur behutsame Versuche, Geistig-Böses in die Deutung des Geschehens einzubeziehen. Wichtig ist dafür Plutarch, der als platonischer Philosoph auch Dialoge schreibt und darin viele Themen von verschiedenen Positionen aus diskutiert, ohne geradezu ein Dogma zu vertreten. Auch hat er einigen Dialogen Mythen im Sinne der platonischen JenseitsAusblicke eingefügt, die freiere Entwürfe ermöglichten. In seiner Schrift Über Isis und Osiris referiert er diesen ägyptischen Mythos und interpretiert ihn danach von unterschiedlichen Ansätzen her. Dabei ist besonders interessant seine dualistische Deutung, bei der er ausgeht von dem Kontrast der Gestalten des Osiris und Seth, der griechisch Typhon genannt wird, welche das Gute und das Verderbende repräsentieren. So spricht er von Osiris als „das Gute bewirkend“, ἀγαθοποιός, der alles in der Welt ordnet, während Typhon jegliches Ungeordnete, Zerstörende auf der Erde wie im Meer und generell alles Schädliche darstellt; doch werden auch die Seelenkräfte diesen beiden Mächten zugeordnet: Das Geistige und Vernünftige, νοῦς καὶ λόγος, gehören zu Osiris, das Emotionale, Titanische, Vernunftlose, παθητικόν, τιτανικόν, ἄλογον, zu Typhon.11 Plutarch behauptet hier sogar, man dürfe generell nicht nur die eine herrschende Vernunft, λόγος, und eine Vorsehung, πρόνοια, annehmen, denn sofern der Gott die Ursache von allem ist, könne es nichts Schlechtes geben. Darum hätten von alters her die „Weisesten“ bei den Griechen wie bei anderen Völkern gelehrt, dass zwei konträre Prinzipien, ἀρχαί, und zwei rivalisierende Götter, θεοὶ ἀντίτεχνοι, existieren, der eine als Bewirker des Aët. I 8,2, dies verzeichnet als Lehre von Thales, Pythagoras, Platon, den Stoikern. Plut. De fac. 28–30 (943A–945C); De gen. 24 (593D–594A); De def. orac. 10 (415BC) wird die Wandlung der Seelen zu Heroen, weiter zu Daimones und schließlich zur Teilhabe an der Göttlichkeit erwähnt. Vgl. auch Max. Tyr. Or. 9,6. 11 Plut. Is. 27 (361D); 42 (368B); 45 (369A); 49 (371AB). 9
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Guten, der andere des Schlechten. Etliche aber hätten den Besseren als Gott, den Schlechteren als Daimon bezeichnet.12 Er illustriert diese Konzeption zunächst – mit Recht – an der iranischen Religion, die vom Gegensatz zweier Götter bestimmt ist, von Oromazdes, der dem Licht gleicht, und von Ahriman, der zu Finsternis und Unwissenheit gehört.13 Anschließend versucht Plutarch, diese dualistische Sicht auch bei den Griechen nachzuweisen, was ihm aber – mit der Ausnahme des Empedokles – bei den Philosophen schwerlich gelingt. Für die Pythagoreer nennt er das Eine und die Zweiheit, für Aristoteles die Form und die Negation, εἶδος, στέρησις, für Platon das Identische und Verschiedene, ταὐτόν, θάτερον (nach Ti. 35a, dort die Weltseele betreffend). Doch ergänzt er, im Alter habe Platon sich nicht mehr nur in Symbolen, sondern in klaren Worten geäußert und zwei Weltseelen als Ursachen für das Gute wie Schlechte angenommen (nach Lg. 896d ff.).14 – Wie oben dargelegt, hat Platon die Frage zweier Weltseelen zwar erörtert, aber sein Ergebnis lautet, es könne nur die eine Seele von höchster Vollkommenheit existieren. Plutarch ist nicht der einzige, der bei der Suche nach dualistischen Ansätzen bei Platon allein den Anfang jener Passage der Nomoi betrachtet; ähnlich urteilt im 2. Jahrhundert n.Chr. auch Numenios.15 Außer in der Behandlung des ägyptischen Mythos und der Gestalt des Seth/Typhon hat Plutarch kaum etwas über böse Dämonen gesagt und gar nichts über deren Einwirkung auf die Menschen. Lediglich in der Schrift Die eingegangenen Orakel lässt er in der Debatte die These vertreten, es gebe böse Dämonen, φαῦλοι δαίμονες, die durch bestimmte kultische Handlungen besänftigt und abgewehrt werden müssten; ein Kontrahent aber nennt diese Annahme „barbarisch“.16 Offenbar hat jedoch das Problem des Geistig-Bösen Plutarch sehr beschäftigt. In einem seiner Mythen, in der Schrift Die späte Vergeltung durch die Gottheit, berichtet er von den Jenseitsstrafen frevelhafter Seelen; dabei schildert er, wie jene Seelen, deren Schändlichkeit im höchsten, geistigen Seelenbereich liege, ἐν τῷ λογιστικῷ καὶ κυρίῳ τὴν μοχθηρίαν ἔχοντας, die grauenvollsten Martern erleiden müssen. Aber mehr noch: Seelen, die sich dabei als unheilbar, ἀνίατοι, erweisen, werden, so sehr sie zu fliehen versuchen, von der Erinys auf jam-
Plut. Is. 45–46 (369A–D). Plut. Is. 46–47 (369E–370A). 14 Plut. Is. 48 (370 D–F). 15 Numen. Fr. 52,64ff. des Places. 16 Plut. De def. orac. 14–16 (417C–418CD); ein weiterer Unterredner äußert, nicht nur Empedokles, auch Platon und Xenokrates hätten derlei angenommen: 17 (419A). 12 13
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mervolle, schreckliche Weise vernichtet und ins „Unsagbare, Unsichtbare“, ἄρρητον, ἀόρατον, hinabgestürzt.17 Plutarch dürfte hier eine Lösung gesucht haben für Platons problematische These von den Unheilbaren, die auf ewig im Tartaros leiden. Aber es bleibt innerhalb des Platonismus eine sehr kühne Aussage, wonach Seelen in ihrem geistigen Kern böse sein und schließlich vernichtet werden können. Es ist die bisher größte Abweichung von der platonischen Überzeugung, dass alles Geistige unbedingt gut und jede Seele unsterblich ist – freilich nicht als Lehre vorgetragen, sondern quasi als Denkmodell in einem Mythos. Allgemein war in jenen Jahrhunderten die Annahme böser Dämonen weit verbreitet. Es soll nun ein kurzer Ausblick auf Positionen zweier Neuplatoniker folgen. Die Vorstellung derlei böser Wesen wie übler Intentionen des menschlichen Geistes blieb für Plotin völlig undenkbar. Sein Schüler Porphyrios aber war von dem Phänomen und der Frage des Bösen offenbar tief beunruhigt; wiederholt hat er in seinen Schriften sich dazu geäußert und geradezu eine Dämonologie, eine Erklärung zum Wesen und Wirken der bösen Dämonen dargelegt. – Hier einige biographische Daten: Porphyrios lebte von 234–303/5, er stammte aus Tyros (zuerst hieß er Malchos), studierte an der platonischen Akademie zu Athen bei Longin, ging dann knapp 30jährig zu Plotin nach Rom. Dort wurde er, nach der Klärung anfänglicher philosophischer Differenzen, einer der wichtigsten Schüler Plotins, dem dieser seine Schriften zur Durchsicht und Korrektur übergab; insofern verdanken wir ihm den Erhalt und die Edition sämtlicher Werke Plotins (alle diese Angaben sind der Vita Plotini des Porphyrios entnommen18). Nach etwa sechs Jahren seines Aufenthalts bei Plotin geriet Porphyrios in eine Depression und seelische Krise; Plotin, der dies erkannte, riet ihm wegzureisen, und Porphyrios ließ sich in Lilybaion/Sizilien nieder, wohin Plotin ihm weiterhin seine Schriften sandte.19 Da Plotin etwa ein Jahr danach erkrankte und starb, war es eine endgültige Trennung. Vermutlich blieb Porphyrios längere Zeit in Lilybaion und verfasste dort verschiedene Schriften; Genaueres über das weitere Leben des Porphyrios wissen wir nicht, auch nicht ob und wann er nach Rom zurückkehrte und ob die „Schule“ Plotins nach dessen Tod fortbestand (vermutlich nicht). Mit der Frage des Bösen hat Porphyrios sich seit früher Zeit in mehreren Schriften befasst, besonders wichtig aber ist dafür die umfangreiche Abhandlung Die Enthaltung vom Fleischgenuss wie auch der spät entstandene Brief an Markella. Die Schrift über die fleischlose Ernährung enthält Plut. De sera 30 (567B); 25 (564F f.); vgl. 6 (551DE). Porph. Plot. 18,9ff.; 7,50ff.; 24,12ff. 19 Porph. Plot. 11,11ff.; 6,1–25. 17 18
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wichtige theologische Darlegungen zur Frage der richtigen Gottesverehrung; Porphyrios vertritt die radikale Ablehnung der traditionellen blutigen Tieropfer für Götter.20 Er betont, die höchste Gottheit dürfe man nur rein geistig verehren, schweigend in reinen Gedanken, wodurch wir unser Heil, σωτηρία, erlangen. Porphyrios spricht von „heiligem“ und „geistigem“ Opfer, ἱερά, νοερὰ θυσία (erstmals wird hier bei Philosophen die geistige Erhebung zu Gott als Opfer bezeichnet). Den geistigen Göttern, die dem höchsten Gott nachfolgen, gebühren auch Worte und hymnische Preislieder.21 Die Götter innerhalb des Himmels, Sonne, Mond und Gestirne, werden mit Weizenkörnern, Früchten, Honig und Blumen verehrt, aber keinesfalls durch das Opfer lebender Wesen; jeder, der sich auf die Frömmigkeit versteht, wisse, dass für keinen der Götter Tiere geopfert werden.22 Als niederste Gruppe der übermenschlichen Wesen werden die Dämonen genannt; es existieren gute wie böse, von denen man annimmt, dass sie wohltun wie schaden können. Allein den bösen Dämonen werden die blutigen Opfer – die Tieropfer der griechischen Tradition – dargebracht, und wie die homerischen Götter erfreuen sie sich am Opferdunst des Fleisches.23 Porphyrios erklärt auch ihre Herkunft: Sie sind Seelen (aber andere als die sich inkarnierenden Menschenseelen), die der Allseele entstammen, den Bereich unter dem Mond durchwalten und mit Pneuma (etwas Hinderlichem) verbunden sind. Wenn sie das Pneuma mit der Vernunft, λόγος, beherrschen, sind sie positiv wirkende Wesen, im konträren Fall aber Übelstes verursachende Dämonen, κακοεργοὶ δαίμονες. Dabei sind sie unveränderlich als gute oder aber als böse Wesen.24 Der Charakter der Bösen ist gewaltsam und trügerisch, und sie bewirken Böses, soviel sie nur können. Allerdings gibt es die Aufsicht eines höheren Wesens, das manches (wenn auch langsam) korrigiert. Ferner werden von guten Dämonen warnende Zeichen an Menschen gegeben, die aber leider nicht jeder versteht. Generell suchen die bösen Dämonen den Menschen vielerlei Übles anzutun und besonders, sie von der wahren Götterverehrung abzuwenden. Dabei sind sie voller Trug, sie stellen sich als Götter dar (wie schon in christlichen Texten der Satan sich als Lichtgestalt zeigt), und ihre oberste Vgl. K. A LT, Opferkult und Vegetarismus in der Auffassung griechischer Philosophen vom 4. Jh. v. Chr. bis 4. Jh. n. Chr., Hyperboreus 14 (2008), 87–116. 21 J. BOUFFARTIGUE/M. PATILLON (edd.), Porphyre de l’abstinence, Tome I, II, Paris 1977/1979. Porph. Plot. II 34,1–5; 37,3; 45,4. In Texten des Corpus Hermeticum wird von λογικὴ θυσία gesprochen (Corp. Herm. I 31; XIII 19.21). 22 Abst. II 36,3–5; 37,3; vgl. 32,3. 23 Abst. II 36,5; 42,3; 59,1. 24 Abst. II 38,1–4; 39,1–2. 20
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Instanz, die προεστῶσα δύναμις, will als der höchste Gott erscheinen.25 Jeder besonnene Mensch, so betont Porphyrios, wird nicht an den blutigen Opfern teilnehmen, da diese die bösen Dämonen herbeiziehen. Wenn nun die Städte meinen, durch solche Opfer diese Wesen besänftigen und gewinnen zu sollen, so betrifft das die Philosophen nicht. Sofern aber doch Tiere geopfert werden müssen, so darf man auf keinen Fall vom Opferfleisch essen, denn dieses lockt die Dämonen an und belastet mit fremden Säften anderer Wesen Körper und Seele. Leider gibt es, klagt Porphyrios, auch Philosophen, die sich irrig verhalten.26 Wir aber wissen, dass es bei der Hinwendung zum Gott vor allem um die Reinheit, ἁγνεία, geht, die uns vor den Dämonen schützt; zu ihr gehört das Gerechtsein gegenüber Menschen wie Tieren, denn auch diese besitzen Rechte.27 Die Götter aber bedürfen keiner Opfergaben, sie schauen auf unsere Wesensart, ἦθος, und das beste Opfer ist ein reiner Geist und eine ungetrübte Seele, νοῦς καθαρὸς καὶ ψυχὴ ἀπαθής.28 Der Brief an Markella, der eine Art Protreptikos zur Philosophie, zur geistigen Orientierung des Menschen ist, handelt auch von bösen Dämonen, doch sind Tieropfer und Fleischessen hier kein Thema. Im Zentrum steht das Innere des Menschen, der die volle Verantwortung für jegliches Tun besitzt, auch für die freie Wahl des Bösen. Er soll seine Seele dazu bereiten, dass sie den Gott in sich aufnehmen, ihn als „Mitbewohner“, σύνοικος, haben kann, nicht aber eine Wohnstätte des Dämons werde, was auch geschehen könne. Ist der Gott in uns präsent, so wirken wir Gutes in Wort und Tat, doch wohnt der Dämon in uns, ist alles schändlich, was wir tun.29 Dabei liegt die Entscheidung zum Bösen rein bei uns; Pophyrios formuliert es deutlich: „Ursache des Bösen ist für den Menschen nicht der Gott, sondern der Geist, der dies für sich gewählt hat“, νοῦς ἑαυτῷ ὁ ἑλόμενος.30 Dies ist eindeutiger als die mythische Angabe bei Plutarch; Porphyrios stellt sich hier klar gegen die platonische Tradition, indem er ebenso böse Dämonen wie bewusst böses Entscheiden des menschlichen Geistes voraussetzt, als Möglichkeit. Freilich soll der Mensch das Richtige wählen und sich ganz dem Gott zuwenden: sein Geist soll ein Tempel des Abst. II 39,3–4; 40,1–4; 41,3–4; 42,2. Abst. II 43,1–4; 44,1–3; 45,4; zum falschen Verhalten der Philosophen 35,1; 40,5. 27 Abst. II 44,3; zum Unrecht gegenüber Tieren 60,3; generell III 26,3–4; 27,1–2. Vgl. auch I 3–6. 28 Abst. II 60,4; 61,1. 29 É. DES PLACES (ed.), Porphyre. Vie de Pythagore, Lettre à Marcella, Paris 1982. Marc. 11 (121,8ff.); 12 (112,14ff.); 16 (115,12ff.); 20 (118,3f.); 21 (118,9ff.). 30 Marc. 24 (119,23ff.). Auch in der Schrift An Nemertios fr. 276 u. 277 spricht er von der freiwilligen Wahl der Schlechtigkeit, κακία. 25 26
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Gottes sein, νεὼς μὲν ἔστω τοῦ θεοῦ ὁ ἐν σοὶ νοῦς.31 Ziel ist in den beiden behandelten Schriften die seit Platon erstrebte „Angleichung an Gott“, ὁμοίωσις θεῷ. Man hat gefragt nach dem Ursprung der Dämonologie des Porphyrios;32 zu denken ist an iranische wie auch christliche Einflüsse. Weitgehend aber dürfte diese Konzeption, die auch die Herkunft, die Verbindung mit dem Pneuma und spezielle Eigenheiten der Dämonen betont, eine eigene Leistung des Porphyrios sein. Offenbar hat er das Böse als bedrohliche Gefahr stärker empfunden als andere Philosophen jener Zeit und eine Erklärung gesucht. Die Annahme böser Dämonen findet sich auch in einem Werk des Jamblich, der eine Zeitlang Schüler des Porphyrios gewesen ist (vermutlich in Sizilien). Er lebte ca. 240/245–325/29, stammte aus Chalkis in Syrien und gründete schließlich auch seine Schule in Syrien (in Apamea oder Daphne bei Antiocheia). Von Porphyrios hat er sich später deutlich distanziert, indem er auf dessen frühe Schrift, den Brief an Anebo, einen fiktiven ägyptischen Priester, eine umfangreiche sehr kritische Gegenschrift anonym verfasste unter dem Titel Antwort des Lehrers Abammon auf den Brief des Porphyrios an Anebo und Lösung der darin enthaltenen Probleme. In der Überlieferung erhielt sie den Titel Die Mysterien der Ägypter;33 die Autorschaft von Jamblich ist durch Proklos bezeugt und heute nicht mehr umstritten. Zur Frage des Bösen und der Möglichkeit, sich seiner zu erwehren, sich davor zu bewahren, zeigen sich in den erhaltenen Werken Jamblichs zwei unterschiedliche Positionen, die schwerlich vereinbar erscheinen; man wird sie verschiedenen Phasen seines Philosophierens zuordnen. Die Datierung seiner Schriften ist ungewiss. – Einerseits vertritt er, so in seinem Protreptikos, die platonisch und pythagoreisch geprägte Lehre, nach der die verantwortliche Entscheidung, προαίρεσις, maßgebend ist, die zum philosophischen Streben und zur Erkenntnis der Götter, γνῶσις θεῶν, führt. Das Böse soll der Mensch fliehen; die üblen Bestrebungen rühren vom Körper her, der geradezu als das Böse gilt und die Seele mit Begierden erfüllt, sie in einen ungeordneten Zustand, ἀταξία, versetzt und sie schänd-
Marc. 19 (117,14ff.); vgl. 11 (111,22ff.). Erinnert sei hier an Paulus 1 Kor 3,16 „Wisst ihr nicht, dass ihr der Tempel Gottes seid?“, vgl. 1 Kor 6,19; 2 Kor 6,16. 32 Vgl. M.P. N ILSSON, Geschichte der griechischen Religion II, München 21961, 446. BOUFFARTIGUE, Tome I (Anm. 21), Introduction XLff. 33 Th. G ALE, der die Schrift mit lateinischer Übersetzung 1678 publiziert hat, beruft sich auf diesen in einer Handschrift angegebenen Titel, der sich seitdem durchgesetzt hat. 31
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lich, πονηρά, werden lässt. Glückselig kann nur werden, wer vom Vernünftigen und Göttlichen geleitet wird.34 In seinem Kommentar zu Platons Timaios stellt er die Frage, was es ist, das in uns die Verfehlung begeht, τί γὰρ τὸ ἁμαρτάνον ἐν ἡμῖν. Er betont, dass die Vernunft uns zur Vollkommenheit führen soll, und erwägt, ob der Geist, νοῦς, ein Teil der Seele sei und ob er sich immer gleich verhalte oder sich auch verfehlen könne. Mit Hinweis auf den Mythos des Phaidros werde deutlich, dass das Geistige auch versagen kann, da es den Sturz der Seele bedingt.35 Jedoch gilt für den Menschen, er soll seine geistigen Kräfte stärken und soweit möglich die Vollkommenheit erreichen. Von Dämonen, welcher Art auch immer, verlautet nichts. Andere Überzeugungen werden in der Schrift Die Mysterien der Ägypter dargelegt. Danach haben zwar alle Menschen einen unmittelbaren Kontakt zum Göttlichen,36 aber um ihn zu aktivieren, um zu einem höheren geistigen Dasein, möglichst zur Vereinigung mit Göttern zu gelangen, reicht das rationale Denken, das Bemühen der „theoretischen Philosophen“, θεωρητικῶς φιλοσοφοῦντας, nicht aus. Für Jamblich ist hier die Philosophie nur die – freilich nötige – erste Stufe des Aufstiegs; hinzutreten muss aber die Theurgie.37 Diese ist eine um 170 n.Chr. entstandene und in den Chaldäischen Orakeln vorgelegte Lehre, eine religiös-philosophische Richtung, deren Zentrum eine Kooperation zwischen Menschen und Göttern darstellt.38 Sie wird durch gewisse Riten und „Symbole“, nicht näher erklärte Zeichen, bewirkt und setzt bei den Theurgen (ihren Priestern) ein spezielles theologisches Wissen voraus, das anscheinend durch Inspiration oder nach Art einer Initiation erlangt wird. Bei den theurgischen Riten müssen bestimmte Opfer gemäß der Rangordnung der Götter erfolgen, wobei mit den materiebezogenen Göttern zu beginnen ist; ihnen gebühren materielle
34 É. DES PLACES (ed.), Jamblique Protreptique, Texte établi et traduit par É. des Places, Paris 1989. Protr. 3.13.18. 35 J.M. D ILLON, Jamblichi Chalcidensis in Platonis dialogos commentariorum fragmenta, ed. with commentary, Leiden 1973, Fr. 87,12ff. – Bei Platon ist in Ti. (anders als in Phdr.) allein der Geist unsterblich, die emotionalen Seelenteile sind sterblich. 36 É. DES PLACES (ed.), Jamblique Les Mystères d’Égypte, Paris 1966. Myst. I 3 (7,12– 8,13). 37 Myst. I 8 (28, 6ff.); II 11 (96,2–98, 15); III 31 (176,5ff.); V 14 (21,7ff.); X 5 (291,11– 292,4) und an vielen weiteren Stellen. 38 Diese Lehre war von großer Bedeutung für den späteren Neuplatonismus. Bei Plotin findet sich kein Hinweis, aber Porphyrios und Jamblich haben (verlorene) Schriften über sie verfasst. Als Autoren werden genannt Julian der Chaldäer und sein Sohn Julian der Theurge. Ausgabe der Fragmente: É. DES PLACES (ed.), Oracles Chaldaiques avec un choix de commentaires anciens, Paris 1971.
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und auch Tieropfer, die das Essen des Fleisches einschließen.39 Es ist ein denkbar großer Kontrast zu Porphyrios! Danach folgen geistige Opfer für die transzendenten Götter. Die Existenz böser Dämonen, die von Natur aus böse sind, φύσει πονηροὶ δαίμονες, wird vorausgesetzt, doch haben sie mit den Opfern nichts zu tun.40 Bei der Frage nach der Ursache des Bösen, der αἰτία κακῶν, kommt die Materie hier gar nicht in Betracht,41 sondern als Wichtigstes werden die bösen Dämonen genannt; sie geben sich als Götter aus (wie bei Porphyrios), erwarten Hörigkeit von ihren Anhängern, führen diese zu ungerechtem Tun. Frevelnde Menschen verbinden sich mit den bösen Dämonen, werden ihnen ähnlich und verschmelzen mit ihnen.42 Versuchen schlechte oder unfähige Menschen, sich der Theurgie zuzuwenden, so besteht die Gefahr, dass anstelle eines zitierten Gottes andere Götter oder sogar böse Dämonen sich zeigen, die Schlimmes anrichten.43 Die wahren Theurgen aber, die ein höheres Wissen besitzen, sind immun gegenüber dem Einwirken von Dämonen. Die Gefahr des Bösen ist bedrohlich, und das rein philosophische Bemühen reicht zur Hilfe nicht aus. Durch die Theurgie aber wird alles Niedere und Dämonische vertrieben; sie allein führt zum Aufstieg in ein höheres Leben, erhebt zur geistigen und göttlichen Natur, ἐπὶ τὴν νοητὴν καὶ θεῖαν φύσιν.44 – Die Folgen des bösen Tuns für die Menschen etwa nach dem Tod werden von Porphyrios und Jamblich in den hier behandelten Schriften nicht einbezogen. Zusammenfassend ist zu sagen: Seit je wissen die Menschen, dass sie dem Bösen ausgesetzt sind, dass es in ihnen selber begründet sein oder, nach anderer Auffassung, separat von bösen Wesen in sie dringen, sie verführen kann. Eine wichtige Frage ist, ob Geistiges als Ursache des Bösen anzusehen sei, sowohl im Inneren des Menschen wie seitens dämonischer Wesen. Innerhalb der platonischen Philosophie wird weitgehend alles Geistige als etwas rein Gutes verstanden. Zuerst bei Plutarch wird in einem 39 Iamb. Myst. V 14 (217,17–218,17). Jamblich erklärt, dass Tiere keinen Anteil am „göttlicheren Leben“ haben VI 1 (241,16ff.). Dagegen wendet er sich gegen Tieropfer VP 106. 40 In den Büchern Myst. I u. II erscheinen die Daimones unter den vier „höheren Klassen“, κρείττονα γένη, neben Göttern, Heroen und Seelen als positiv wirkende Wesen, die dem Werden zugeordnet sind. Erstmals werden in II 7 (83,16ff.) böse Dämonen erwähnt. Ausführlich wird über sie berichtet in den Büchern III u. IV. Jamblich erklärt generell die Herkunft von Daimones VI 1 (67,3ff.), sagt aber nichts über die der bösen Dämonen und deren Einfügung in den Kosmos. 41 Die Materie kann sogar als „rein“ und „göttlich“ bezeichnet werden Myst. V 23 (232,16–233,10); zur Entstehung der ὑλότης aus der οὐσιότης VIII 3 (265,6–10). 42 Myst. IV 7 (190,4–191,5); III 31 (176,13–177,6). 43 Myst. III 31 (177,12–178,1). 44 Myst. III 31 (176,3ff.; 178,6ff.); X 1 (286,1ff.); 5 (291,11ff.); 7 (293,10ff.).
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Mythos der höchste, geistige Seelenbereich als Quelle bösen Tuns genannt; von Porphyrios wird klar philosophisch formuliert, dass der menschliche Geist, νοῦς, als Ursache des Bösen möglich ist. Die Vorstellung böser Dämonen war in jenen Jahrhunderten verbreitet; unter den Philosophen sehen Porphyrios und Jamblich in ihnen eine ernste Gefahr, vor der man sich hüten muss. Die entscheidende Hilfe gegen das Böse ist für die Christen ihr Glaube, für die Philosophen die Intensität des geistigen Strebens. Für Jamblich freilich bedarf es der Mitwirkung des Göttlichen durch die Theurgie. Der Gedanke an einen Erlöser liegt allen Philosophen fern.
II. Hintergründe
Whence Comes Evil in Plato LUC BRISSON Like Harold Cherniss1, whose reflexions I would like to pursue here, I believe that one cannot speak of only one cause of evil in Plato. In the case of evil, it is appropriate to distinguish between several causes: the deficiency of the sensible with regard to the intelligible, and the relative impotence of the soul, both the soul of the world and of individuals. In other words, the question of evil in Plato is complex, for it presents aspects that are not only ethical, but also, and above all, cosmological. Before reading this paper on evil in Plato, it may be useful to mention six methodological and interpretative presuppositions to which I adhere in my research on Plato. 1) I am interested here in many dialogues, which differ in their theme and their date of composition, in opposition to some contemporary interpreters. 2) In addition, I believe that Plato always expresses his own views through the dialogues, even if he does so through the intermediary of a variety of characters: Socrates, the Eleatic Visitor, Timaeus, and the Athenian Visitor in the Laws. Even if we accept that Plato is not a philosophical author in the sense of Descartes, Kant, and Hegel, but first and foremost a literary author, in the absence of explicit indications to the contrary, we may attribute to him the doctrines that these characters set forth. 3) I read the dialogues as the expression of a series of doctrinal positions which may have been modified in the course of Plato’s life, but which exhibit a very great stability. This way of reading Plato, which was, it seems, that of the Old Academy and therefore of Aristotle, continues to be widely practiced. 4) Considered from a general perspective, 1 H. C HERNISS, The sources of evil according to Plato, Proceedings of the American Philosophical Society 98 (1954), 23–30; reprinted in: L. T ARÁN (ed.), Selected Papers (of H.C.), Leiden 1977, 253–260. Although following the broad outline of the exposition of H. Cherniss on the sources of evil, I have tried to be much more explicit, and above all to present texts that justify such an approach. I have wished to insist on the need to situate the ethical dimension of the problem within a much broader context, that of Plato’s cosmology and metaphysics.
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in Plato’s works the soul is regarded as a reality intermediate between the sensible and the intelligible. It is not therefore perceptible either by the Intellect (νοῦς), since it is not a Form, or by any sense organ, since it is not a sensible particular thing. From this perspective, the type of discourse available for it cannot be verified and hence is very often mythical. 5) According to the interpretation I defend, a particular soul cannot be reduced to a process or an activity; it is a distinct entity that has a personality and a history, at least for a certain period of time. In order for a retributive system like the one proposed by Plato to work, it is necessary that an autonomous entity exist when death intervenes, and that this entity be transported from one body to another. 6) As distinct entities, souls have parts; but since soul is incorporeal, these parts are to be understood neither as pieces of matter nor as homunculi. Soul is to be considered as a sort of self-moving source of energy devoted either to knowledge, spirit or appetite. The more this energy is devoted to knowledge, the better the soul is; and it is the philosophical way of life that allows one to devote one’s existence completely to knowledge. It is, moreover, at the end of the apology of the philosophical life that we find this text from the Theaetetus that may be considered the starting point for any investigation on evil in Plato: Plato, Theaetetus 176a3–b82 T HEODORUS Socrates, if your words convinced everyone as they do me, there would be more peace and less evil on earth. SOCRATES But it is not possible, Theodorus, that evils (τὰ κακά) should be destroyed (οὔτ’ ἀπολέσθαι δυνατόν) − for they must always be something opposed to the good (ὑπεναντίον γάρ τι τῷ ἀγαθῷ); nor it is possible that it should have its seat in heaven. But it must inevitably haunt human live, and prowl about this earth. That is why a man should make all haste to escape from earth to heaven; and escape means becoming as like a god as possible; and a man becomes like a god when he becomes just and pure, with understanding. But it is not at all an easy matter, my good friend, to persuade men that it is not for the reasons commonly alleged that one should try to escape from wickedness and pursue virtue. It is not in order to avoid a bad reputation and obtain a good one that virtue should be practiced and not vice; that, it seems to me, is only what men call “old wives’ talk”. Let us try to put the truth in this way.
2 Plato, Theatetus, Ed. with introduction, translated by M.J. LEVETT, revised by M. BURNYEAT, Indianapolis/Cambridge 1992, with minor changes.
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I list the important points referred to in this passage. 1) Evils can never be suppressed. 2) But what is evil? The answer: “evils” are “something opposed to the good”. In my opinion, this passage from the plural to the singular indicates that, whereas there is a Form of the good (R. VI 505a2), there is no Form of evil;3 there are only particular instances of evil, as seems to be confirmed by what follows. 3) The term ὑπεναντίον, which appears only two other times in the entire Platonic corpus,4 must be translated in a weak sense: evil cannot be qualified as good and conversely. In a Platonic context, the good is considered as the Intelligible or as contemplation of the Intelligible. Consequently, evils may be defined as a deviation with regard to the Intelligible or the contemplation of the Intelligible.5 4) Evils therefore have no place among the gods, simply because the gods are good by definition; and if they are good,6 it is because they have the Intelligible as their nourishment. 5) Evils are therefore to be found in this place, that is, in the sensible world, endowed as it is with a body and a soul, which is merely an image of the intelligible and will always be lacking as compared to its model.7 6) Evils are thus to be found in man, who is also endowed with a body and soul, and who lives in this sensible world. 7) As a result, evils are encountered only in this world, that is, in this universe (which is a mere copy of a model) where they manifest themselves as catastrophes, monsters, and defects, and in mortals, that is, in man, where they are equivalent to moral faults or vice. This brief analysis leads me, following the old but still luminous article by H. Cherniss on evil, to recall what I wrote in my systematic commentary For the position of the Platonists and of Proclus on this point, see P. D’H OINE, Les arguments de Proclus contre les Idées des maux, in press. For a different interpretation, see M. D IXSAUT, Platon et la question du mal, Cahiers d’Études Lévinassiennes 8 (2009), 171–189. For the two interpretations concerning the term τὰ κακά, see p. 174–176; she favors singularity. This is why, after criticizing the thesis of H. Cherniss and myself on the plurality of the sources of evil, she maintains, basing herself on a passage from book 5 of the Republic (476a4–7), that there is a Form of evil, which would be the πλεονεξία described in Book 10 of the Laws (906c), considered as “the desire to increase nonsense indefinitely” (p. 188). The analysis is brilliant, but it has the drawback of not taking into account evil in its brute reality. Paper reprinted in: Platon et la question de l’âme. Études platoniciennes II, Paris, 2013, 201-216. 4 Plt. 306e3; Lg. VII 810d6. 5 See the myth in the Phaedrus (246a–250c) cited infra. 6 Republic, books II and III. 7 R. 379c4–5; Lg. 906a2–b3. 3
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on Plato’s Timaeus.8 In Plato, we must distinguish between negative evils, which result from the inherent distortion of images, that is, of bodies, as compared to their model, that is, of intelligible reality; and positive evils, whose ultimate cause is the soul. In the case of the soul of the world, one must speak of relative positive evils that are the consequence of its degraded power, and in the case of man, of absolute positive evils, which are the consequence of error.
1. Negative evils For Plato, a cosmology must be able to answer the following three questions. On what conditions can the sensible world become knowable? How can one succeed in describing it? How is it possible to act on it effectively? Such questions are raised by the conviction, universally shared in the ancient Greek world, that what is subject to incessant change cannot be considered as true reality.9 To become an object of discourse and knowledge, the sensible world must feature, in the midst of its change, something that does not change, something that features a genuine permanence, and is therefore found to be identical in every case.10 Plato accounts for this demand by making this hypothesis, disconcerting for contemporary philosophers: there exists a world of Forms, immutable and universal realities that only the intellect can know, which engender true discourse, and in which sensible things, as mere copies thereof, participate. And it is this participation, working by means of mathematics, that ensures the sensible world enough permanence and regularity so that one may talk about it, know it, and act effectively upon it. The hypothesis of the existence of intelligible forms nevertheless implies two formidable problems: that of the mutual participation of intelligible forms, and that of the participation of sensible things in these intelligible forms.11 These problems are formulated in the Parmenides. To solve the former, a solution is proposed in the Sophist; while to answer the latter, Plato, in the Timaeus, has recourse to two fictions: that of a demiurge, an L. Brisson, Le Même et l’Autre dans la structure ontologique du Timée de Platon, Paris 1975, International Plato Studies 2, Sankt Augustin 21995, 31998. 9 Cra. 432c–d; Sph. 240a–b; R. 597a4–7. 10 This is considered as true reality: Ti. 52a–c; Plt. 285d9–286b2; Phdr. 250a–c; Phd. 74d–75d. 11 L. BRISSON, Come rendere conto della partecipazione del sensibile all’intelligibile in Platone?, in: F. FRONTEROTTA/W. LESZL (edd.), Eidos-Idea, Platone, Aristotele e la tradizione Platonica, International Plato Studies 21, Sankt Augustin 2005, 25–36. 8
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intellect that fashions the world or rather sets it in order, and that of the χώρα on which the demiurge intervenes, and which was, beginning with Aristotle, to be called «matter».12 The absolute indeterminacy of this third entity, the χώρα, never ceases raising problems, for if χώρα, that is, that “in which” the sensible particulars are present and that “of which” they are made, is completely indeterminate, it must be utterly docile. Yet this is not the case, because as soon as this indeterminate entity is determined by the elements (fire, air, water, and earth), a purely mechanical motion is initiated, called “necessity” (ἀνάγκη), which only the demiurgic intellect (νοῦς) is able to master: Plato, Timaeus 52d2–53b713 Let this, then, be a summary of the account I would offer, as computed by my “vote”. There are being, 14 spatial medium,15 and becoming, 16 three distinct things which existed even before the universe came to be. Now as the wet nurse17 of becoming turns watery and fiery and receives the character of earth and air, 18 and as it acquires all the properties that come with these characters, it takes on a variety of visible aspects, but because it is filled with powers that are neither similar nor evenly balanced, no part of it is in balance.19 It sways irregularly in every direction as it is shaken by those things, and being set in motion it in turn shakes them. And as they are moved, they drift continually, some in one direction and others in others, separating from one another. They are winnowed out, as it were, like grain that is sifted by winnowing sieves or other such implements. They are carried off and settle down, the dense and heavy ones in one direction, and the rare and light ones to another place. That is how at that time the four kinds were being shaken by the receiver, which was itself agitating like a shaking machine, separating the kinds most unlike each other furthest apart and pushing those most like each other closest together into the same region. This, of course, explains how these different kinds came to occupy different regions of space,20 even before the universe was set in order and constituted from them at its coming to be. Indeed, it is a fact that before this took place the four kinds all lacked pro-
Ibid. D.J. Z EYL, Plato, Timaeus, Translated with introduction, Indianapolis 2000, with minor changes. 14 The Forms. 15 That is, the χώρα. 16 The sensible particulars. 17 Τιθήνη, an image for χώρα. 18 The four elements: fire, air, water and earth. 19 The regular polyhedra are not homogeneous; see L. BRISSON, How and why do the building blocks of the universe change constantly in Plato’s Timaeus (51a–61c)?, in: C. N ATALI/S. M ASO (edd.), Plato Physicus. Cosmologia e antropologia nel Timeo, Amsterdam 2003, 189–204 + figures. 20 Probably the four layers, as discussed in the Timaeus (58a–c). 12 13
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portion and measure, 21 and at the time the ordering of the universe was undertaken, fire, water, earth and air initially possessed certain traces22 of what they are now. They were indeed in the condition one would expect thoroughly god-forsaken things to be in. So, finding them in this natural condition, the first thing the god then did was to give them their distinctive shapes, using forms and numbers. Here is a proposition we shall always affirm above all else. The god fashioned these four kinds to be as perfect and excellent as possible, when they were not so before. It will now be my task to explain to you what structure each of them acquired, and how each came to be. My account will be an unusual one, but since you are well schooled in the fields of learning in terms of which I must of necessity proceed with my exposition, I’m sure you’ll follow me.
How can we explain this passage? Several interpreters, particularly Aristotle, providing a literal interpretation, have wished to consider that the intervention of the Demiurge takes place within time. Such an interpretation seems unavoidable at first glance: “There are … three distinct things which existed even before the universe came to be” (52d4); “They were indeed in the condition one would expect thoroughly god-forsaken things to be in. So, finding them in this natural condition, the first thing the god then did was to give them their distinctive shapes, using forms and numbers” (53b4–5); “The god fashioned these four kinds to be as perfect and excellent as possible, when they were not so before” (53b5–6). When one takes a closer look, however, this becomes harder to maintain. How, indeed, can one consider a state prior to the fashioning of the world, when time itself is linked to the fashioning of the celestial bodies that imply the existence of bodies and souls? This is why it can be maintained, as Xenocrates already did, that these remarks were made “with a view toward teaching”,23 in the understanding that we have to do here with a thought experiment.24 The idea is as follows: the world would be delivered over to complete randomness if the intellect, which assumes the features of the demiurge, had not intervened to provide a mathematical structure for the elements of which, otherwise, only traces would be found. A world in which the intellect known as the demiurge did not intervene would be given over to a mechanical motion that would be
21 What characterizes randomness is the fact of moving ἀλόγως καὶ ἀμέτρως (53a8). On this subject, see L. BRISSON, La misura nel Timeo di Platone, Atti dell’Accademia di Scienze Morali e Politiche di Napoli 105 (1994), 219–259. 22 We find ἴχνη in Greek, in the sense of incompleteness. 23 Fr. 154,8; διδασκαλίας χάριν. See Arist. Cael. I 10, 279b33–280a2. 24 M. BALTES, «Γέγονεν» (Tim. 28b7). Ist die Welt real enstanden oder nicht?, in: K.A. A LGRA/P. W. VAN DER H ORST/D. T. R UNIA (edd.), Polyhistor. Studies in the history and historiography of ancient philosophy Philosophia Antiqua 72, Leiden 1996, 76–96. D.M. SEDLEY, Creationism and its critics in Antiquity, Berkeley et. al. 2007, 98–107.
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completely disorderly. Here, Plato seems to have wished to submit the cosmogonies of his predecessors to a radical critique, describing a world given over to a purely mechanical, random agitation. But all that is a mere “thought experiment”;1 and even after the demiurge’s intervention, necessity continues to exert its action. Considering this state of the world as a “thought experiment” that takes the form of a critique of the cosmological systems of his predecessors, particularly the Atomists, allows us to escape the solution proposed by several Middle Platonists: that of an evil World Soul, set in order by a demiurgic intellect. The role of the demiurge, who keeps his eyes fixed on the intelligible forms, is to introduce mathematical order into the χώρα. The demiurge fashions the χώρα by introducing into it four geometrical figures, the four regular polyhedra, with which the four elements are associated. Paradoxically, in the Timaeus the χώρα on which the demiurge works never exhibits the indeterminacy required by its definition. For it is in χώρα that “necessity” (ἀνάγκη) manifests itself, that purely mechanical concatenation of motions that drives the four elements and is transmitted to the χώρα, which is therefore assimilated to a winnowing basket or a sieve. At the limit, then, necessity (ἀνάγκη), far from being opposed to randomness, as is the case today, tends, in such a context, to be identified with it, as the “errant cause” (Ti. 48a6-7). As result, one can understand why the demiurge’s action is limited,2 and can be realized only “insofar as is possible”.3 In fact, it emerges from this that the sensible image of an intelligible form presents certain irreducible aspects that involve randomness in the transformations affecting bodies. This is true for two reasons of a physical nature. 1) Bodies are located in space, which implies that they are separated from one another, insofar as two bodies cannot occupy the one and same place. 2) Since there is no notion of “force” in Plato, every motion implies a contact. 3) Above all, although they are fashioned out of the same material, the χώρα, bodies are organized according to four geometrical figures. Yet these four regular polyhedra are bereft of uniformity. Their external faces (equilateral triangles and squares) are different, because they are composed of two different right-angled triangles (scalene and isosceles), which enables these elements to fit inside of one another. Enveloped This, then, is why the article published by Richard D. M OHR, The sources of evil problem and the principle of motion doctrine in the Phaedrus and Laws X, Apeiron 14 (1980), later taken up in The Platonic cosmology, Leiden 1985, 158–170, does not seem to me to be relevant. The author examines the question of whether a reconciliation is possible between the Timaeus, the tenth book of the Laws, and the doctrine of the Phaedrus that the soul is the principle of motion. 2 Ti. 45e3–6, 47e–48a, 56c3–7. 3 Ti. 30b5, 32b5, 37d2, 38c1, 42e2, 53b5, 65c3, 71d7, 89d6. 1
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by the sphere in which the body of the world consists, their motion, into which the world soul introduces permanence and regularity, cannot help being more or less erratic.4 Despite these criticisms, Plato does not reject a mechanistic explanation of the kind said to have been developed by Leucippus and Democritus in particular.5 At the end of the dialogue, Timaeus even recommends that men take necessity as a model to exercise their bodies in order to realize their goals (Ti. 88c). Yet he subordinates this necessity to a higher order of causes, in which the intellect and therefore finality intervene, albeit within limits. For the demiurge will try to absorb this disorder, by “persuading” necessity (Ti. 48a.c.51e), insofar as is possible. In an enigmatic passage (Ti. 56c), Timaeus seems to imply that necessity is not systematically opposed to the demiurge’s action. Most often, however, the demiurge and his assistants must comply with the constraints imposed by necessity, particularly in the constitution of the human body (Ti. 79b). This implies that necessity continues to manifest itself in a universe where the world soul perpetuates the order inaugurated by the demiurge. In short, it is the subsistence of necessity, which the soul must take into account, that is the necessary but not sufficient condition for the evils of the world; that necessity that is explained by the limits of the sensible particulars’ participation in the intelligible. In fact, negative evils derive from the errant cause, which may be considered as the accessory cause6 of our universe, with the first cause being, of course, the demiurgic intellect. Already at this level, the presence of evil in this world in unavoidable in Platonic metaphysics, for negative evil resides in the inevitable distance between image and model.
2. Positive evils In our world, negative evils, which depend on necessity, that is, on the “errant cause”, can be brought into effect only through the intermediary of the soul, whether it is the soul of the world or of man, for the soul is the 4 On all this, see L. BRISSON, How and why do the building blocks of the universe change constantly in Plato’s Timaeus (51a–61c)?, in: C. N ATALI/S. M ASO (edd.), Plato Physicus, 189–204; and Plato’s natural philosophy and metaphysics, M.L. G ILL/P. PELLEGRIN (edd.), A Companion to ancient Philosophy, Oxford 2006, 212–231. 5 L. BRISSON, How and why do the building blocks of the universe change constantly in Plato’s Timaeus (51a–61c)?, 189–204. 6 P. M OREL, Le Timée. Démocrite et la nécessité, in: Platon. Source des Présocratiques, Histoire de la philosophie Nouvelle Série, textes réunis par Monique Dixsaut et Aldo Brancacci, Paris 2002, 129–150.
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principle of all motion. This is why one must speak of positive evils in regard to them. It follows that defective participation is not a sufficient condition for evil in this world: the soul must also play a role. Relative positive evils correspond to the catastrophes that strike the world: drought, storms, earthquakes, etc., whereas absolute positive evils correspond to the bad actions committed by men or animals. From an ethical point of view, the former are neutral, while the latter are reprehensible. 2.1 Relative positive evils We must ultimately imagine the Platonic universe as a vast sphere filled with a homogeneous fluid, bereft of all characteristics; that is, χώρα. Yet the majority of χώρα is enclosed within envelopes that delimit the outer surface of each of the four regular polyhedra: tetrahedron, octahedron, icosahedron, and hexahedron. These elementary components tend to be distributed in four concentric layers; but this tendency runs counter to the movement of rotation which carries along the whole of the sphere. The result of this movement is the displacement of the regular polyhedra, or a modification of nature, with fire becoming air, air becoming water, and vice versa. This representation introduces a contradiction: in the Platonic universe, we must take into consideration both the continuity that must characterize χώρα, and the discontinuity inevitably established by the regular polyhedra. Platonic physics is thus neither atomistic like that proposed by Leucippus and Democritus, nor a physics of continuity, like that proposed by Parmenides, Zeno, and Melissos; it is intermediary between the two. This sphere is set in motion by the world soul, whose action must be good, that is, in conformity with the intellect that guides it. Yet this fails to take necessity as a secondary cause into account. The motion of the celestial bodies is permanent and regular, but beneath the moon, when this motion is transmitted to the concentric layers of the elements, things get complicated.7 Uncontrollable secondary effects, which can be explained by the influence of necessity, cause a certain number of evils. This is why Plato distinguishes two kinds of cause: the genuine cause, which derives from the intellect and is expressed in the soul, and auxiliary causes, which are found in the vicinity of bodies and pertain to necessity, qualified as an “errant cause”. Necessity is neither bad nor good in itself, which is why the intellect may seek to persuade it. Relative positive evil is the necessary but secondary consequence of the motion inaugurated by the soul. The world soul gives rise to a cosmic motion whose effects become uncontrollable and may provoke catastrophes, thereby causing specific 7
This position is taken up by Aristotle’s physics, with the sublunary region.
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evils. The problem is brought up at the end of Book 10 of the Laws, which is a long preamble to the law against atheists, who seek to explain everything by means of the four elements. The argument presents itself as follows: everything that moves is set in motion by another being. But there must be a being capable of setting itself in motion without having been set in motion by something else, on pain of an infinite regress. This being, which is none other than the soul, is the self-moving principle of all motion.8 Whereas atheists believe that the cause of motion is to be found in the heterogeneity of the four elements, Plato establishes that it is located in the soul. Thus, by demonstrating the priority of motion with regard to the body, it is established that the soul is precisely the first cause that was sought, at least in the universe. Plato, Laws X 896d5–897d69 A THENIAN And the next unavoidable admission, seeing that we are going to posit soul as the cause of all things, will be that it is the cause of good and evil, beauty and ugliness, justice and injustice and all the opposites. C LINIAS Of course. A THENIAN And it’s necessary to assert that as soul resides and keeps control anywhere where anything is moved, it controls the heavens as well. C LINIAS Naturally. A THENIAN One soul, or more than one? I’ll answer for you both: more than one. At any rate, we must not assume fewer than two: that which does good, and that which has the opposite capacity. C LINIAS That’s absolutely right. A THENIAN Very well, then. So soul, by virtue of its own motions, stirs into movement everything in the heavens and on earth and in the sea. The names of the motions of soul are wish, reflection, diligence, counsel, opinion true and false, joy and grief, cheerfulness and fear, As is the case in the Phaedrus. T.J. SAUNDERS, Plato, The laws, Translated with an introduction, Harmondsworth 1970 with minor changes. 8 9
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love and hate. Soul also uses all related or initiating motions, which take over the secondary movements of bodies and stimulate everything to increase or diminish, separate or combine, with the accompanying heat and cold, heaviness and lightness, roughness and smoothness, white and black, bitter and sweet. These are the instruments soul uses, whether it cleaves to divine reason (soul itself being, if the truth were told, a divinity), and guides everything to an appropriate and successful conclusion, or allies itself with unreason and produces completely opposite results. Shall we agree this is the case, or do we still suspect that the truth may be different? C LINIAS By no means. A THENIAN Well then, what kind of soul may we say has gained control of the heavens and earth and their entire cycle of movement? Is it the rational and supremely virtuous kind, or that which has neither advantage? Would you like our reply to run like this? C LINIAS How? A THENIAN If, my fine fellow (we should say) the whole course and movement of the heavens and all that is in them reflect the motion and revolution and calculation of reason, and operate in a corresponding fashion, then clearly we have to admit that it is the best kind of soul that cares for the entire universe, and directs it along the best path. C LINIAS True. A THENIAN If however these things move in an unbalanced and disorganized way, we must say the evil kind of soul is in charge of them. C LINIAS That too is true. A THENIAN So what is the nature of rational motion? Now this, my friend, is a question to which it is difficult to give an answer that will make sense, so you’re justified here in calling me in the help with your reply.
The soul, as the source of all motions, is not the supreme principle Plato has in mind when he thinks of the divinity. As the source of motion, the soul is neutral, and it is therefore liable to be good or bad according to circumstances, whereas the divinity must, by definition (R. II 379b), be good in all circumstances. It must therefore be discovered what faculty will ensure the soul’s goodness. This faculty is the intellect (νοῦς), which is the
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soul’s highest power, the one that sets in order the motions it produces; but when man’s soul is no longer under the domination of the intellect, it becomes evil. It can therefore be said that his soul is good or bad. Yet what is the situation when it comes to the world soul? 1) Some have understood that there are two world souls, or two parts of the world soul, one good, which produces good, the other bad, which produces effects that are contrary to good effects. In the course of history, this solution was adopted and defended in the context of Middle Platonism.10 Yet this position is immediately rejected: “Well then, what kind of soul may we say has gained control of the heavens and earth and their entire cycle of movement? Is it the rational and supremely virtuous kind, or that which has neither advantage?”. 2) Nor can one understand that one and the same soul, according to whether it sometimes acts under the guidance of the intellect, and sometimes out of its control, can be good or evil, for in this case, it would be hard to understand the following sentence: “If, my fine fellow (we should say) the whole course and movement of the heavens and all that is in them reflect the motion and revolution and calculation of reason, and operate in a corresponding fashion, then clearly we have to admit that it is the best kind of soul that cares for the entire universe, and directs it along the best path.” 3) Only one solution remains: the world soul can only be good, but it can indirectly produce effects it does not wish, and these are the relative positive evils.11 The reversal of the course of the world in the myth of the Statesman is to be explained in the same way.12 According to this myth, an age in which the world is guided by god and is on the side of good is followed by an age in which the world is left to its own devices, goes in the contrary direction, See L. BRISSON, Le Même et l’Autre, 295–303. See also G.R. C ARONE, Teleology and evil in Laws 10, Review of Metaphysics 48 (1994–1995), 275–298. 12 L. BRISSON, Interprétation du mythe du Politique, in: Ch.J. R OWE (ed.), Reading the Statesman. Proceedings of the III Symposium Platonicum, International Plato Studies 4, Sankt Augustin 1995, 349–363. Pro: G.R. C ARONE, Reversing the myth of the Politicus, Classical Quarterly 2004 N. S. 54, 88–108; Contra: D. EL M URR, The telos of our muthos. A note on Plato Plt. 277b6–7, Mnemosyne 64 (2011), 271–280; N.-L. C ORDERO, La funzione etica del mito in Plato (A proposito del mito del Politico). Il Dibattito etico e politico in Grecia tra il V e il IV secolo, Napoli 2000, 161–180; C H.H. K AHN, The myth of the Statesman, in: C. PARTENIE (ed.), Plato’s Myths, Cambridge/New York 2009, 148– 166; D. EL M URR, Hesiod, Plato, and the Golden age. Hesiodic motifs in the myth of the Politicus, Plato and Hesiod, in: G.R. BOYS-STONES/J.H. H AUBOLD, Plato and Hesiod, Oxford 2010, 276–297. 10 11
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and falls “into the indeterminate sea of dissimilitude” (Plt. 273d6-e1). Asked what provokes this retrograde motion, the Visitor from Elea replies: Plato, Statesman 269d5–270a8 13 Remaining permanently in the same state and condition, and being permanently the same, belongs only to the most divine things of all, and by its nature body is not of this order. Now the thing to which we have given the name of “heaven” and “cosmos” certainly has a portion of many blessed things from its progenitor, but on the other hand it also has its share of body. In consequence it is impossible for it to be altogether exempt from change, although as far as is possible, given its capacities, it moves in the same place, in the same way, with a single motion; and this is why it has reverse rotation as its lot, which is the smallest possible variation of its movement. To turn itself by itself forever is, I dare say, impossible for anything except the one who guides all the things which, unlike him, are in movement; and for him to cause movement now in one way, now in the opposite way is not permitted. From all these considerations, it follows that one must neither say that the cosmos is always itself responsible for its own turning, nor say at all that it is turned by some pair of gods whose thoughts are opposed to each other; it is rather what was said just now, which is the sole remaining possibility, that at times it is helped by the guidance of another, divine, cause, acquiring life once more and receiving a restored immortality from its craftsman, while at other times, when it is let go, it goes on its own way under its own power, having been let go at such a time as to travel backwards for may tens of thousands of revolutions because of the very fact that its movement combines the effects of its huge size, perfect balance, and its resting on the smallest base.
This passage seems clear to me. 1) The inversion of the rotational motion cannot be due to “some pair of gods whose thoughts are opposed to each other”. All dualism is thus excluded.14 2) In this myth, the inversion is explained by the fact that the world, which which has a body and a soul, sometimes follows its own impulse (it is then dominated by necessity), and sometimes is guided by a god (when it is dominated by the intellect). This oscillation seems to be excluded in the Timaeus, where the intellect persuades necessity insofar as is possible, even if we find in the dialogue the opposition between intellect and necessity.15 In short, positive relative evils are the consequence of the motion that the world soul, guided by the intellect, exerts upon the world of bodies, where necessity imposes limits upon the action of the intellect. These evils are the collateral damage produced by the action of the world soul on sensible particulars whose complexity is too great. This kind of evils is ethically neutral. 13 Ch.J. R OWE, Plato. Statesman. Ed. with an introduction, translation and commentary, Warminster 1995, with minor changes. 14 Pro: R. R EITZENSTEIN, J. BIDEZ and H. G EFFCKEN; contra: E.R. D ODDS, A.-J. FESTUGIÈRE , W.J.W. K OSTER . 15 See L. BRISSON, Le Même et l’Autre, chap. 7.
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2.2 Absolute positive evils Finally, absolute positive evils have as their cause the direct action of a particular soul that distances itself from the intelligible or is no longer dominated by the intellect. This kind of evils is ethically significant. It is worth noting that, from the viewpoint of their relation with the intelligible and the intellect, particular souls are not equal at the outset. They suffer from a weakness that is not the same for all, and does not depend on them. This problem is quite clear in the central myth of the Phaedrus: Plato, Phaedrus 248a1–d4 16 Now that is the life of the gods. As for the other souls,17 one that follows a god most closely, making itself most like that god, raises the head of its charioteer up to the place outside and is carried around in the circular motion with the others. Although distracted by the horses, this soul does have a view of reality, just barely. Another soul rises at one time and falls at another, and because its horses pull it violently in different directions, it sees some real things and misses others. The remaining souls are all eagerly straining to keep up, but are unable to rise; they are carried around below the surface, trampling and striking one another as each tries to get ahead of the others. The result is terribly noisy, very sweaty, and disorderly. Many souls are crippled by the incompetence of the drivers, and many wings break much of their plumage.18 After so much trouble, they all leave the sight of reality unsatisfied, and when they have gone they will depend on what they think is nourishment − their own opinions. The reason there is so much eagerness to see the plain where truth stands is that this pasture has the grass that is the right food for the best part of the soul, and it is the nature of the wings that lift up the soul to be nourished by it. Besides, the law 19 of Destiny20 is this: if any soul becomes a companion to a god and catches sight of any true thing, it will be unharmed until the next circuit; and if it is able to do this every time, it will always be safe. If, on the other hand, it does not see anything true because it could not keep up, and by some accident,21 takes on a burden of forgetfulness and wrongdoing, then it is weighed down,22 sheds its wings23 and falls to earth. At that point, according to the law, the soul is not born into a wild animal in its first incarnation; but a soul that has seen the most will A. N EHAMAS/P. W OODRUFF, Plato, Phaedrus. Translated with introduction and notes, Indianapolis/Cambridgde 1995. 17 The gods have a body and a soul. 18 The soul is likened to a bird covered with feathers. 19 The Greek term is θεσμός, or the divine law. 20 This may be a reminiscence of Empedocles (DK 31 B 115). Its name means “the Inevitable One”, an epithet of Nemesis qua representing fate. In the Platonic corpus, this name is mentioned only in Book 5 of the Republic (451a). 21 This is the only occurrence of συντυχία in the Platonic corpus; in contrast, συντυχεῖν occurs a few times, but always with the meaning of a fortunate or unfortunate encounter. 22 Note the association of λήθη and κακία. 23 The soul is associated with birds and feathers, as seen supra. 16
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be planted in the seed of a man who will become a lover of wisdom or of beauty, or who will be cultivated in the arts and prone to erotic love.
Souls are subject to cycles of 10,000 years. 1) After the initial millennium of each cycle, the souls that were following a god fall to earth, because their vision of the intelligible reality was not perfect. 2) In other words, for particular souls, evil always consists in ignorance, considered as a deficient contemplation of the Forms. 3) Moreover, if a soul has had an imperfect vision of the intelligible, it is not because that is what it wished, but because it has been damaged as a result of the blows it has received from the other souls who, like it, strive to get a glimpse of the intelligible, and because of the weakness of its charioteer (the intellect). It is an unfortunate accident (συντυχία), a stroke of bad luck sanctioned by Necessity (ἀδράστεια). 4) In addition, the fact that the souls have opinion as their food (τροφῇ δοξαστῇ χρῶνται) once they have distanced themselves from the intelligible, must be related to the εἴδωλον that constitutes the body. In short, for a particular soul, (absolute and positive) evil is ultimately to be explained by ignorance, defined as becoming distant from the Intelligible.24 From the very outset of this second millennium, then, a hierarchy is established that depends on the quality of one’s contemplation of the Forms during the preceding millennium. Nine types of man are taken into account, and they can be considered from the angle of functional tripartition. The first three types of man mentioned pertain to the first function. The soul that has had the richest vision will be implanted in the seed of a man who aspires to knowledge (φιλόσοφος) or to beauty (φιλόκαλος), someone inspired by the Muses or by Eros. He who holds the second rank will be implanted in a seed that will produce a king obedient to the law, gifted in war and in command. He who holds the third rank will be implanted in a seed that will give birth to a politician (πολιτικός), that is, someone concerned, in one way or another, with the affairs of the city, or a man who manages his property (οἰκονομικός), or who tries to make money (χρημαστιστικός). All these types of man may be associated with the first function, that of command, in the field of knowledge, of political action, or of the economy. Then, from the first function of command, we move on to the second function, referred to only as “he who loves physical effort” (φιλόπονος), that is, someone who exercises his body, a gymnast, or someone who cares for it, viz. a doctor. Finally men of the fifth rank (diviners 24
See Lg. 896e8–897b5; Phdr. 246b6–c6.
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and those who practice initiations), sixth rank (poets and imitators), and the seventh rank (tradesmen and farmers), pertain to the third function, that of production. Beginning with the eighth rank, the classification is reversed and returns to its starting point, but in a negative mode. In the eighth place come the sophist and the demagogue, opposed respectively to the philosopher and the king who obeys the law. In ninth place comes the tyrant, who is opposed to the politician. The φιλόσοφος or the φιλόκαλος who has chosen an upright life for three millennia will be able to escape the cycle of reincarnations and rise back up to the heavens. The others will move from one to another, beginning with the third millennium. Here is the description of this process found at the end of the Timaeus (90e–92c). The first category of bodies to be evoked is that of women (γυνή): the man who enters into the body of a woman is he who has displayed cowardice, since virility is attached to war in ancient Greece. Then come incarnations of what we call “animals”, which are classified as a function of elements (beginning with the air, since fire is reserved for the gods), according to a vertical order. At the very top, birds fly through the air. Next come the living beings that inhabit the surface of the earth: quadrupeds, insects, and reptiles. Last come the aquatic animals, such as fish, shellfish, and others. They are the most stupid. Let us consider the consequences of these two discontinuities, one by one. 1) In this hierarchical system, only souls endowed with an intellect are subject to a retributive system, which makes them rise or fall along the scale of incarnate souls, as a function of the quality of the exercise of their Intellect. Gods and demons are situated beyond this class, and plants fall short of it. Gods and plants therefore always remain at their level, at the highest or the lowest extremity. 2) Consequently, human beings, situated at the upper limit of the class of incarnate souls, must have the goal of assimilating themselves to the gods and demons, seeking a contemplation of the Forms that is as immediate and as lengthy as possible, by ensuring the separation of their soul from the body. Hence the theme of the philosopher’s assimilation to the divinity, as he tends toward the knowledge that allows him to accede to the contemplation of the Forms. 3) The hierarchy between human beings and animals, as a function of the exercise of intellectual activity, is materialized by the body. The body in which a soul is located illustrates the quality of that soul’s intellectual activity. In short, the body is a “state of the soul”, in the fine expression by
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Monique Labrune.25 Here we re-encounter the famous pun σῶμα – σῆμα, of which Plato evokes three interpretations in the Cratylus. Plato, Cratylus 400c1-926 Thus some people say that the body (σῶμα) is the tomb (σῆμα) of the soul, on the grounds that it is entombed in its present life, while others say that it is correctly called a sign (σῆμα) in the present life, because the soul signifies whatever it wants to signify by means of the body. I think it is most likely the followers of Orpheus who gave the body its name, with the idea that the soul is being punished for something, and that the body is an enclosure or prison in which the soul is securely kept (σώζεται) – as the name itself suggests – until the penalty is paid; for, on this view, not even a single letter of the word need to be changed.
The interpretation of the body as a “tomb” results from an overdetermination that is easy to understand. A tomb is a “sign” indicating that a cadaver, or what is left of it, is situated underground. The body, for its part, is a “sign” indicating that it is animated by a certain kind of soul, a soul which, because it is located in a body, is dead to certain extent, insofar as it does not live completely by and for its intellect. And it is as a function of the quality of its previous existence that the soul is located in such-andsuch a body, in which, so to speak, it serves a sentence. In this perspective, all human beings and the animals that live in the air, on earth, and in water constitute a vast system of signs: signs from the viewpoint of appearance, but also from the viewpoint of behavior, which justifies recourse to certain comparisons, images, and metaphors involving animals.27 In the Timaeus, these signs refer to various types of souls, whose moral quality is ultimately determined by their contemplation of the intelligible, according to certain details that may seem ironic or ridiculous, but that can only be interpreted in this sense: birds are naive astronomers who believe that the senses are the ultimate source of knowledge; quadrupeds need four feet to support their skull, which has been elongated by the deformations of the revolutions of the circles of the irrational part; the stupidest earthly animals crawl, and the lowest ignorance is that of shellfish. We thus find ourselves in the following configuration: 1) A particular soul falls into a body owing to its distance from the intelligible. This distance is not the same for all souls. 25 M. LABRUNE, États d’âme. Le corps dans la philosophie de Plato, in: Le corps, sous la direction de J.-Ch. G ODDARD et M. LABRUNE, Paris 1992, 27–47. 26 C.D.C. R EEVE, Plato, Cratylus, Translated with introduction and notes, Indianapolis 1998. 27 We recall, without giving the details that would make the choice obvious, the description of the spectacle of the souls that accord their preference to such-and-such a body at the end of the Myth of Er.
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2) The cause of this fall is certainly a fault, in the sense of a defect. Yet this defect is not the cause of a decision, but of a confusion for which no soul in particular is responsible. 3) This particular soul moves from one body to another as a function of its use of the quality of its previous existence, and therefore, primarily, of the submission of its soul to what is best within it, that is, the intellect.28 4) The human or animal body in which this soul is located is the sign of the quality of each particular soul. 5) In this perspective, it is evil that individualizes a soul. 6) This, it seems, is the reason why particular souls find themselves returned to a universal reservoir at the end of a cycle of ten thousand years. Absolute positive evil, which is the defective behavior of the human soul, can be explained by a weakness, a deficiency, or a lack that manifests itself from the origin of a cycle of 10,000 years, and for which the particular soul is not responsible. One cannot, therefore, speak of an “original fault”, or an “original sin”, for the soul’s original distance from the good is not the result of a previous choice, but of a misfortune sanctioned by Necessity. In fact, this weakness, this fatigue, does not pre-exist the soul, but is attached to it qua such-and-such a soul. One may therefore think not of original sin, but of the “tragic fault” as is described by S. Saïd in a book29 that has been successful in France. The hero who commits a fault is the vic28 On this subject, see Tr.J. SAUNDERS, Penology and eschatology in Plato’s Timaeus and Laws, Classical Quarterly 23 (1973), 232–244 and L. BRISSON, Justifying vegetarianism in Plato’s Timaeus (76e–77c), in: L. R OSSETTI (ed.), Greek Philosophy in the New millennium. Essays in honour of Thomas M. Robinson, coll. Studies in Ancient philosophy, Sankt Augustin 2004, 313–319. In this regard, one should note the appearance of an article by A.D. C ARPENTER, Embodied Intelligent (?) Souls. Plants in Plato’s Timaeus, Phronesis 55 (2010), 281–303. In this article, the author wonders whether plants, which have the sort of soul capable of perception and desires, are also endowed with intelligence in the Timaeus. She answers that they have their perception and desires by virtue not of an individual intelligence but of the intelligence ordering the cosmos as a whole (see the abstract, p. 281). At the limit, the cosmic intellect concerns itself with everything present in the world, including plants but also stones. One must, moreover, be very careful with the term “perception”. In Plato, as I tried to show in Plato’s theory of sense perception in the Timaeus. How it works and what it means, Boston Area Colloquium in Ancient Philosophy 13 (1999), 147–176, sensation initially consists in a mechanical transmission of motions from an object to the body of the perceiving subject. Yet there is genuine sensation only when this information is communicated to the φρόνιμον, the highest part of the soul, which enables genuine knowledge that can become the object of speech. In addition, one must be very careful with the term “desires”: plants feel pleasure and pain, and therefore must have desires. Yet these desires can only concern nourishment and growth, and at a very primitive level, since plants cannot move in order to satisfy these desires. 29 S. SAÏD, La faute tragique, Paris 1978.
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tim of a situation whose causes he does not know, and whose consequences escape him: Oedipus kills his father and marries his mother without knowing what he is doing, following a chain of events triggered by an oracle given to his father Laios, who had been cursed by Pelops, son of Tantalus and father of Atreus and Thyestes, because he had carried off Chrysippus, another of Pelops’ sons. Tantalus himself, considered as a son of Zeus, was supposed to have been punished for revealing the secrets of the gods. One might even associate with this kind of “tragic fault”, which depends on an “inherited conglomerate”, to use Dodds’ phrase, the famous Socratic saying: “No one does wrong intentionally”. The human soul is responsible not for its state of original weakness, which it must nevertheless assume in all necessity, but for the insufficiency of the effort it puts into detaching itself from bodily affections, in order to make use of its intellect, which guides it toward the good. I believe it is precisely this opposition between “tragic fault” and “original sin” that, for instance, fundamentally justifies Plotinus’ opposition to the Gnostics. The notion of “original sin” has meaning only in the context of a religion in which everything depends on an all-powerful god whom a human soul chooses to oppose. Moreover, original sin pre-exists each particular soul, insofar as it was committed by the first couple of human beings. Plotinus, who could not accept this religious context, remained faithful to the Greek tradition and to its approach – much more complex – to faults, conceived as an original weakness that must be assumed in order to free oneself from it. This original weakness, which amounts to distancing oneself from the Intelligible, explains why human souls can commit evil acts during their earthly existence, during which their soul inhabits a human body. In this perspective, positive evil is equivalent to ignorance, and is therefore never committed in a fully voluntary way. The well-known Socratic thesis is thus never abandoned. This pluralistic explanation of the sources of evil, which takes into account not only ethics, but also cosmology, is, it seems to me, the only one that can account for Plato’s position on evil, although it collides with the current tendency that consists in reducing the question of evil to the field of ethics.
Is the Stoic Account of the Origin of Evil Good Enough? On Seneca’s De Providentia and Hercules Furens1 TROELS ENGBERG-PEDERSEN
The problem Is the Stoic account of evil good enough? Two features about it that suggest that it is not: – First, if the world is providentially ordered by God, then why do ‘evil things’ happen to good people? And why do people become bad so as to do ‘evil things’? The Stoic answers to these two questions seem less than satisfactory: ‘Evil things’ happen to good people partly out of ‘necessity’ (but why then did God allow this form of necessity in a providentially ordered world?), partly out of God’s wish to educate people (but again, why should such education be necessary if God has providentially ordered the world?). And people become bad so as to do ‘evil things’ because of a more or less superficial ‘persuasiveness of impressions’ and a genuinely superficial ‘conversation’ among people who are dumb (but why did God not make human beings able to do better than that in a providentially ordered world?). – Second, the Stoics did not even allow that most of the things we consider ‘evil’ are at all either evil or bad; they are just indifferent. But is that not just counterintuitive? It might of course be – and we shall see that it in fact holds – that these two issues hang together in some way. Still, it is difficult to get rid of the feeling that the Stoics did not really take evil very seriously. It seems that they were rather concerned to explain it away. 1 This essay is printed, on the kind suggestion of the editor, basically in the form it was given at the Göttingen conference. I had hoped to rewrite it for publication by incorporating scholarship on (1) the Stoicism of Senecan drama, (2) the Stoic understanding of human freedom and (3) the Stoic account of passion. Unfortunately, illness prevented that plan.
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Definitions We need some initial definitions. The Stoics basically operated with only one term, where we might feel the need for two. The Stoic term to kakon or malum renders both our ‘bad’ or ‘badness’ and our ‘evil’ (both as an adjective and a noun; in German the distinction would be between ‘schlecht’ and ‘böse’.) Here I will suggest the following definitions. The basic term will be that of ‘bad’ and ‘badness’. It refers to things or events either happening to a person or being done by her to others that do not fit with their nature. These things are, we might say, objectively bad for those to whom they occur. (I am presupposing here a kind of naturalism of values that is in fact quite close to the Stoic one.) Within that group, there are two types of badness of which we will also use the term ‘evil’. What I shall call ‘passive evil’ consists of bad things or events happening to a person undeservedly. By contrast, ‘active evil’ consists of things or events being done by one person to another person undeservedly. Both types of evil give expression to a kind of badness that we might call ‘moral badness’. Passive evil is morally bad. Active evil is morally bad. These definitions should be of independent help for us in thinking about bad and evil. They are also pretty close to what the Stoics wanted to say, but they are not identical with it. For as we shall see, the Stoics wanted to be rather more restrictive in the use of ‘bad’ and ‘evil’. For them, socalled ‘passive evil’ was in fact neither evil nor even bad. Only moral, active evil was in fact bad. To a large extent the answer to our initial question whether the Stoic philosophy of evil is good enough will consist in an explication of what they were after when they decided to restrict the proper use of ‘bad’ in this way: only active, moral evil is genuinely bad.
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The Stoic understanding of ‘passive evil’ – On Providence Let us begin from considering the Stoic account of what we called ‘passive evil’. This is the main topic of Seneca’s little treatise On Providence. It begins with the following question: “why, if a Providence rules the world, it still happens that many evils befall good men”2 (1,1: quid ita, si providentia mundus regeretur, multa bonis viris mala acciderent). In reply Seneca aims to show (ostendam), “how the things that seem to be evils are not really so” (3,1: quam non sint quae videntur mala). This is in accordance with the relationship that holds between God (nature or the gods) and human beings: “For Nature never permits good to be injured by good; between good men and the gods there exists a friendship brought about by virtue” (1,5: Neque enim rerum natura patitur ut umquam bona bonis noceant; inter bonos viros ac deos amicitia est conciliante virtute). In fact, when apparently bad things happen to good people, the situation is rather that God is being directly active on the part of those good people: “It is God’s purpose, and the wise man’s as well, to show that those things which the ordinary man desires and those which he dreads are really neither goods nor evils” (5,1: Hoc est propositum deo quod sapienti viro, ostendere haec quae vulgus appetit, quae reformidat, nec bona esse nec mala). Instead, they are ‘indifferent’ and the wise man (the sapiens vir) will react to them like that. It appears, however, that Seneca’s interlocutor is not satisfied: “‘But why,’ you ask, ‘does God sometimes allow evil to befall good men?’” (6,1: Quare tamen bonis viris patitur aliquid mali deus fieri?). Still, Seneca replies: “Assuredly he does not. Evil of every sort he keeps far from them – sin and crime, evil counsel and schemes for greed, blind lust and avarice intent upon another’s goods” (6,1: Ille vero non patitur. Omnia mala ab illis removit, [namely, as defined by the following list:] scelera et flagitia et cogitationes improbas et avida consilia et libidinem caecam et alieno imminentem avaritiam). So, things happening to good people are not bad, nor (by implication) are they at all evil. The fact that good people do not ‘deserve’ them is neither here nor there. The only thing that is really bad is the vices and vicious actions listed, that is, what we called the ‘active evil’. Thus far Seneca in On Providence. Seneca also provides the usual Stoic explanations for those non-bad things happening even to the good: the necessity of the way the world is put together (5,8–9; 6,6) and God’s educative
2 Here as elsewhere: Seneca, On Providence, in: Seneca, Moral essays 1, with an English translation by J.W.BASORE, Loeb Classical Library 214, London 1928.
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purpose in bringing those things along (6,2–3). Do we know already by now that both the Stoic legislation on what is genuinely bad and those explanations for the non-bad things’ occurring even to good people are ‘good enough’? No.
The Stoic understanding of ‘active evil’ – the Hercules Furens (Acts 1–3): the sane hero Let us move on, then, and look at what we called the ‘active evil’. We already know that this alone belongs under what is genuinely bad (malum). And we know what Seneca included under the term: scelera et flagitia et cogitationes improbas et avida consilia et libidinem caecam et alieno imminentem avaritiam. In order to give a proper account of evil in Stoicism – both what it is and its origin – we must spend some time on trying to understand why this ‘active evil’ is the only thing that is genuinely bad. To illuminate this I turn to another text by Seneca, namely one of his tragedies: the Hercules Furens. Unfortunately, we have no time to discuss the relationship between Seneca’s prose and his poetry. I shall take it here (and we shall see that the presupposition is well-founded) that Seneca has not in the least forgotten his Stoic views when he turned to the writing of tragedies. I shall also suggest that the tragedy studied here extends the range of the Stoic position on evil (at least vis-à-vis On Providence) quite substantially by spelling out what it means in concrete detail in the case of a single (albeit mythological) case: the fate of Hercules. For this purpose I need to go into some detail on the play. Juno is Hercules’s great enemy. The play begins with her expressing her anger and hatred (ira and odium) towards Hercules and her desire to destroy him after he has fulfilled all the tasks she has set him. But how should she go about doing that? There is only one way: “There is none [sc. who can match him] but himself. Now he must war with himself”3 (85). We know already that Hercules has even conquered the underworld. So Juno continues: “Go ahead, proud man (superbe), aspire to the gods’ abodes, despise human status!” (89–90). And that is just what happens. Already here Seneca sets up the philosophical plot: it is Hercules himself who will make him do the evil acts that will eventually destroy him. 3 Here as elsewhere: Seneca, Hercules Furens, in: Seneca, Hercules, Trojan women, Phoenician women, Medea, Phaedra, edited and translated by J.G. FITCH, Loeb Classical Library 62, Cambridge/Massachusetts 2002.
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Before that, however, – in Acts 2 and 3 – we meet Hercules’s stepfather, Amphitryon (his real father, of course, was Jupiter, which accounts for Juno’s hatred), and his wife, Megara, who both long for his return to avenge the fact that a certain Lycus has usurped the throne in Thebes, where the play takes place. Lycus wishes to gain legitimacy by trying to persuade, and later threaten, Megara to marry him (Act 2). Fortunately, Hercules turns up from the underworld together with Theseus, who has accompanied him there. When Hercules hears about the situation, he rushes off to kill Lycus while Theseus describes to Amphitryon what he and Hercules have experienced in the underworld (Act 3).
The Hercules Furens (Act 4): the passion of insanity Then things become really interesting. In Act 4 Hercules returns from having justly killed Lycus. He is first described as being utterly pious. Amphitryon suggests that he should ask his (real) father, Jupiter, to end his toils so that “peace and rest may be granted at last to our weary spirits” (924–926). Hercules agrees and pronounces the appropriate prayer: “May heaven stand in its place, and earth and sea. May the eternal stars pursue their courses unhindered. May deep peace nurture nations, may iron be used only in the harmless toil of the countryside, and may swords be hidden away” (927–931) etc. In short, Hercules is utterly pious. (And Seneca is a great poet.) Suddenly, however, there is a change: “But what is this? Midday is shrouded in darkness. Phoebus’ face is obscured, though not by clouds. Who chases the daylight back and drives it to its dawning? Why is this strange night rearing its black head? Why are so many stars filling the heavens in daytime” (939–944) etc. But not only that: “Earth is subdued, the swollen seas have yielded, the infernal realm has felt my onslaught: heaven is untouched, a labour worthy of Alcides [that is, himself]. I must travel on high to the lofty expanses of the cosmos, and make for the sky: the stars are my father’s promise. What if he should now refuse? (955–960) … I shall strip off Saturn’s chains, and against my unnatural [that is, impious] father’s unbridled rule I shall loose my grandfather. Let the Titans in rage prepare war under my leadership” (965–968) etc. (Again, it is splendid.) Amphitryon appropriately responds: “Banish these monstrous notions! Restrain the crazy impulses of your mind, which is great to be sure, but scarcely sane” (973–975): pectoris sani parum, magni tamen compesce dementem impetum. It is clear what this is all about. Hercules is falling prey to the passion of fury or rage (furor). We know, of course, that this has been engineered by Juno, who invoked all the deadly gods and goddesses of the underworld
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against poor Hercules: the Eumenides, the goddess Discord, hateful Crime (Scelus), savage Impiety (Impietas), Error and mad Rage (Furor), the latter being significantly described as being always armed against itself (86–99). But at the same time the furor is also very much Hercules’s own. It is an expression of his superbia (cf. 89, his ‘vaulting ambition’?), and it is in his own mind that he cannot restrain his mind’s (literally) “mind-less impulse”, the de-mens impetus. What Seneca is describing here – and in quite technical, Stoic terms – is the onset of passion, the moment when a certain proper understanding (here of the great feats that Hercules has actually performed) literally runs out of control in such a way that a new understanding (here in the form of Hercules’s superbia) eventually takes over and (again literally) clouds the mind, which becomes utterly blind. The result is the occurrence of evil: Hercules kills his own sons (strikingly described by Seneca), in the belief that they are Lycus’ sons, and also his own wife, Megara, whom he considers to be his own stepmother, that is Juno herself (1018–1019), in both cases, of course, acts that reflect a striking state of mis-understanding. Moreover, when Hercules returns from having killed Megara, he even declares that the flock he has just slaughtered was consecrated to Juno (1036–1037)! Here Seneca uses irony to show the magnitude of Hercules’s delusion. And that is the point: Seneca is describing Hercules’s passion as a case of total delusion, but still one for which he is himself responsible. Although at the end Hercules is almost babbling, at the onset of his passion his mind was not yet totally insane. Instead, he explicitly articulated the true perception of his own valour that eventually leads him astray, resulting in his bout of superbia: “Earth is subdued, the swollen seas have yielded, the infernal realm has felt my onslaught [all of this is true enough]: heaven is untouched, a labour worthy of Alcides [wrong!]”. What we see in this whole description of Hercules’s state of mind, I suggest, is the Stoic understanding of passion as an example of akrasia (‘weakness of the will’), where the person moves (quite rapidly) from the proper state of mind to a bad one, as the mind’s focus on something that is actually true (or at least half-true) gradually runs completely out of control. In Hercules’s case the move goes from “May heaven stand in its place” via his perception of his own valour to “heaven is untouched, a labour worthy of Alcides”. This is in complete agreement with Chrysippus’s definition of passion as an hormê pleonazousa (‘an impulse that runs out of control’).
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The Hercules Furens (end of Act 4): the way back to sanity Then, however, something different happens. When Hercules has come back from killing Megara, Amphitryon – his stepfather – offers his own neck as the next one to be killed. Fortunately, this does not happen. For Hercules now falls asleep and “collapses on the ground” (1046). Amphitryon comments: “He must have time for rest, so that deep sleep can overcome the violent sickness (vis … morbi) and relieve his burdened mind” (1051–1052). Following on that, the chorus gives an intense description of Hercules’s sleep. They first invoke sleep itself: “Free his spirit from such monstrosities, free him, you gods; guide and turn his mind to a better state. And you, o Sleep, subduer of troubles, rest for the spirit, sweeter part of human life …: calmly and gently soothe his exhaustion, hold him bound in a deep coma” (1064–1067 + 1077–1078). Next they describe Hercules’s actual sleep: “Look, as he lies on the ground violent dreams are whirling in his fierce heart; not yet is the powerful illness’ poison overcome … He has not yet expelled all the surging madness … Drive the waves of madness from your spirit, may the hero’s goodness and heroism return” (1082–1084 + 1088 + 1092–1093). Suddenly, however, the chorus changes track: “Or rather may your mind still race with insanity; may blind error continue as it began: the only thing now that can offer you innocence is madness; after pure hands, the next best fate is ignorance of the evil” (1094–1099).
The Hercules Furens (Act 5): responsibility for the passion This last comment sets the scene for Act 5 of the play, in which Hercules recovers his senses and must seek a way of living (or dying) with his deed. A central issue here is whether he is himself responsible for what he has done. But first he must realize the facts. This is movingly described by Seneca. Hercules first becomes aware of the death of Megara and the boys, next asks who did it and finally realizes that only one hand could have handled his blood-stained weapons that are lying on the ground: “Now I see my weapons. I need not ask about the hand. Who could have bent that bow, what hand flexed the string that barely yields to me? I turn to both of you again, father: is this crime mine? They are silent: it is mine” (1196– 1200: ad vos revertor, genitor: hoc nostrum est scelus? / tacuere: nostrum est).
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Clearly, Hercules here acknowledges that he is himself responsible for the scelus, which as we have already seen is the best imaginable example of something evil: the active, moral evil. When Amphitryon goes immediately on to claim that the ‘grief’ (luctus) is truly Hercules’s, but the ‘crime’ (crimen) is Juno’s since “Misfortune such as this carries no guilt” (1200– 1201), Hercules brushes this aside. Instead, acknowledging his own responsibility he aims to kill himself. However, Amphitryon insists: “Whoever gave mistaken action the name of crime?” (1237). But Hercules is adamant – and the philosophical point is of great importance: “A great mistaken action often has the standing of a crime” (1238: Saepe error ingens sceleris obtinuit locum). Here Hercules is a better Stoic than Amphitryon. But Amphitryon is no bad Stoic either. He immediately responds as follows: “Now there is call for a Hercules: bear this weight of disaster” (1239). And he eventually manages to dissuade Hercules from killing himself since Hercules’s killing himself will also be his killing Amphitryon, his father. Says Amphitryon: “See, now you will commit a crime intentionally and knowingly (volens sciensque)” (1300–1301). Then Hercules gives in: “Give way, my valour (virtus), endure my father’s command. This labour must be added to the Herculean labours: to live” (1315–1316). But how should he live? Eventually, Theseus promises to take him back with himself to Athens: “That land summons you, Alcides, which customarily restores gods to innocence” (1343–1344). And that’s the end.
The character and origin of evil Here is the point of it all. What Seneca is spelling out in the Hercules Furens is the precise character and origin of what I have called ‘active evil’. That evil consists in human passion – and the acts that follow from that. On the one hand, such passion is quite literally ‘in-sane’ (cf. 1095), it constitutes an onset of insanity. It is an ‘error’ in the sense that it diverges from the proper way of seeing, but it is not just a small mistake, but a ‘blind error’ (cf. 1096) or an ‘error ingens’ (1238) that comes about through an occlusion of the mind – compare Hercules’s description of the darkness and night that he experiences during his ‘furor’. The ‘scelus’ to which it may give rise is not, therefore, a crime that is itself done fully “intentionally and knowingly (volens sciensque)” (cf. 1301). On the other hand, this active evil, this passion is not just something for which the perpetrator may decline responsibility, by referring it back to something outside him- or herself, e.g. a goddess like Juno. As Hercules movingly insists against Amphitryon, he, the perpetrator, is fully responsible. It is his own mind that was occluded. And even though the passion may not be stopped once
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it has begun to run its course, in the kinds of cases the Stoics and Seneca are analysing the perpetrator does know better or rather did know better to begin with – just as Hercules is presented to begin with as being duly moderate in relation to heaven, whereas later he explicitly articulates his new superbia. Thus, as to its precise character the ‘active evil’ belongs with human beings themselves and nowhere else and it is a matter of literally ‘mis-taking’ or ‘mis-understanding’ the world. And as to its origin, it is also to be found in human beings themselves. It is an intrinsic feature of the ability of human beings to get the world right: the possibility of error. Then we may go back to the classic, Stoic account of the origin of ‘vice’ or ‘evil’ (kakia) to be found in “the persuasiveness of impressions” and “conversation” (D.L. 7.89). These two phenomena come together as accounting for what one might call ‘childishness’ in adult human beings. Like children, adult human beings may think that things in the world, including those we called ‘evil things’ (namely, those that may happen undeservedly to a good person), are themselves straightforwardly either good or bad. Such an evaluation reflects a failure to grasp where true value (true goodness and badness) is to be found, namely, in the understanding itself, or mis-understanding, of what ‘fits’ a human being. (This is all from the Stoic theory of oikeiôsis, which I must unfortunately leave aside here.) This evaluation – to be found both in children and in ‘childish’ adults – is quite understandable in itself: appearances of things in the world as being either directly good or bad are in fact persuasive to begin with, that is, to the child; and ‘conversation’ (say, of nannies, actually mentioned by the Stoics) may contribute distinctly to keeping that impression alive. Still, and that is the point, when a human being grows up, he or she gets a chance to see better what it is that has true value: not some immediate object in the world, but instead the proper grasp or understanding within the human being itself of the world. It is the fact that human beings do get this chance that places the origin of vice or evil squarely within themselves.
A powerful conception of the origin of evil By now the Stoic account of the ‘origin of evil’ should – in the light of the way it is spelled out by Seneca in the Hercules Furens – appear considerably subtler and deeper than it seemed to begin with. What it does is to put exclusive and total emphasis on human beings themselves, on our own ability to get the world right – or wrong. I have employed the Hercules Furens to bring out the power of this conception. This text focuses on spelling out the character and origin of what I called ‘active evil’, which as we can now both see and understand, is the only form of real badness and evil to be
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found in the world. By contrast, Seneca’s On Providence was almost exclusively concerned with what I called ‘passive evil’. We can now see that it does make sense for the Stoics to claim that what is referred to by the phrase ‘passive evil’ does not in fact belong under things that are genuinely bad (or a fortiori evil). For these things are not in themselves a matter of the understanding. The proper reaction to such things is to take them along in one’s stride, ‘stoically’. It is interesting to notice that this way of looking at ‘external’ bad things is not at all touched upon in the Hercules Furens – or at least just very briefly in Amphitryon’s remark that “Now there is call for a Hercules: bear this weight of disaster” (1239). The reason why this theme is not further developed – after all Seneca might have spelled out how Hercules as a genuine Stoic hero might accept not just that he has himself killed his family (this he does accept), but also the loss itself – is, I suggest, that in this tragedy Seneca aimed to focus precisely and exclusively on active evil and to show how and why this phenomenon is terrifyingly something for which human beings are themselves completely responsible. The latter point is brought out well in an excellent, very small article (12 extremely well-written pages) by Norman T. Pratt, Jr. on “The Stoic Base of Senecan Drama”4 that goes back to just after World War II. Pratt here compares Senecan drama with the classical drama of 5th century Athens. On Seneca Pratt says the following: The concept which explains much in Seneca’s treatment of tragic themes may be expressed as follows: in his plays, evil is either externalized as the workings of fate or fortune [this is my ‘passive evil’] which can be nullified by reason or endurance [the theme of On Providence] or is thought to be caused by the deterioration of character which results when passion destroys reason [the theme of the Hercules Furens]. 5
Classical drama, by contrast – in particular Euripides’ Troiades and Medea, which have their counterparts in Seneca – Pratt claims (rightly, I think) to be based upon the characteristically Greek view that evil is a real and pervasive aspect of nature which cannot be discounted by explaining it solely in terms of human actions or attitudes.6 In both these Greek plays, evil is a natural part of the order of things.7
One may bring out this difference (in a way Pratt does not) by comparing Sophocles’ Oedipus Coloneus with the Hercules Furens, a comparison that N.T. PRATT, The Stoic Base of Senecan Drama, TaPhA 79 (1948), 1–11. Ibid., 3. 6 Ibid., 2. 7 Ibid., 3. 4 5
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is almost called for by the way Seneca’s play ends (with Theseus leading Hercules away to Athens). Where the proper reaction to Sophocles’ play would certainly be the Aristotelian ‘fear and pity’, fear at what may happen to us all and pity towards the person to whom it does happen entirely undeservedly (but of course there just is the ‘tragic flaw’), the proper reaction to Seneca’s play is, I think, a different one. It is horror at the fact that while human beings do know, they nevertheless err in ways that may have disastrous consequences; or horror at the fact that human beings are themselves responsible for all evil. This is the true stuff of tragedy. It is a profound perspective on evil that is unfortunately also horrifyingly relevant to our own time.
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“Evil” within a Polytheistic Worldview Within the framework of a polytheistic worldview, where the fate of the universe hinges on the actions of a multitude of deities, evil and suffering can easily be attributed to malicious deities or demons. Man has to try to appease them, or he seeks to protect himself from them by means of talismans or other objects. In a polytheistic worldview, it is perfectly acceptable that the gods are unpredictable and that their actions towards humans can be calamitous, even if they are not guilty of any wrongdoing before the gods. In the different Mesopotamian versions of the Flood story, for instance, the Flood is brought about by the assembly of gods, either completely at random or for very minor reasons (noise caused by humans). Before the outbreak of the Flood, a “good” god appears, Ea/Enki, who is a friend of mankind and manages to save the human race. The reconciliation between the gods who had caused evil and man is reached through a sacrifice. The biblical narration of the Flood (or rather, the biblical narrations, given that Gen 6–9 constitutes a compilation of two different versions) exhibits some interesting modifications.1 To begin with, the authors give an ethical reason for the coming of the Flood: YHWH realizes that the “wickedness” (evil) of humankind had become “great on the earth” ( ָאָר ץ ֶ כִּי ַר ָבּ ָה רעַת הָאָ ָד ם בּ, Gen 6:5), or that, according to the second version: “all flesh had corrupted its ways upon the earth” (Gen 6:12). The second See for instance E. N OORT, The Stories of the Great Flood. Notes on Gen 6:5–9:17 in its Context of the Ancient Near East, in: F.G. M ARTINEZ/G.P. LUTTIKHUIZEN (edd.), Interpretations of the Flood, Leiden et al. 1998, 1–38; M. W ITTE, Die biblische Urgeschichte. Redaktions- und theologiegeschichtliche Beobachtungen zu Genesis 1,1–11,26, BZAW 265, Berlin/New York 1998; T. R ÖMER, Au commencement, la Mésopotamie?, Notre Histoire 192 (2001), 22–26. 1
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major modification consists in the fact that in the biblical versions, YHWH plays both roles: he is the God who decides to destroy humankind, and he is the God who helps Noah to save humankind from destruction, together with his family. These changes illustrate very well the problem of evil within a religious conception which, from the Persian period, has sought to affirm the uniqueness and exclusiveness of the biblical God, who is no longer only the God of Israel, but the (only) God of all humankind and who thus has to be interrelated somehow with evil. Before we start looking at the different ways of dealing with the problem of evil within a “monotheistic” discourse, let us note that the Hebrew Bible has, in fact, conserved certain traces of the traditional polytheistic perspective. Some ancient psalms seem to affirm that YHWH has, indeed, no power over Sheol (hell).2 In the Bible, the word she’ol is used as a proper name and might denote a deity or a personification of hell – similar to the term môt, which in Hebrew means “death” and in Ugarit designated the god who reigns over the kingdom of the dead.3 The god of the kingdom of the dead was imagined to be powerful and terrifying and capable of preventing the other gods from interfering in his reign. In Ugarit, Baal, the weather god, is for some time defeated by Mot, the god of death, who puts him in his prison. Baal dies during the drought period and manages to free himself from Death (Mot) when the rains start to fall, thanks to the joint intervention of Anat, his mistress, and the goddess of the sun.4 The author of Ps 30 draws on the idea that YHWH cannot intervene in the kingdom of the dead, begging him for recovery from an illness, and insisting that when dead, he will no longer be able to praise God. Here, the illness is perceived as an antechamber of death. The author of Ps 6 makes use of a similar argument: “For in death there is no remembrance of you; in Sheol who can give you praise?” (Ps 6:5). Clearly, in these texts Sheol appears as an 2 The etymology of the term “sheol” is unclear. It is attested for the first time outside the corpus of biblical writings, in a text from Elephantine dating from the 1st millennium BCE (“your bones will not go down to she’ol,” CIS II, 145). It is often associated with the root sha’al (demand) and thought to be the place where one can interrogate the dead. Another thesis suggests that it carries a Semitic root designating the desert. 3 G.D. EBERHARDT, Die Gottesferne der Unterwelt in der JHWH-Religion, in: A.-J. BERLEJUNG/B. JANOWSKI (edd.), Tod und Jenseits im alten Israel und in seiner Umwelt. Theologische, religionsgeschichtliche, archäologische und ikonographische Aspekte, Tübingen 2009, 373–395; J.-D. M ACCHI, Perspectives sur l’au-delà et sur la mort dans le monde judéo-israélite ancien, BCPE(G) 62 (2010), 5–30. 4 For an English translation see J.C. D E M OOR, An Anthology of Religious Texts from Ugarit, Nisaba 16, Leiden et al. 1987, for an interpretation Idem., The Seasonal Pattern in the Ugaritic myth of Ba’lu According to the Version of Ilimilku, AOAT 16, Kevelaer, Neukirchen-Vluyn 1971.
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autonomous reality that is not the creation of YHWH and stands beyond his powers. Isaiah 285 speaks of the members of the aristocracy of Jerusalem who are tempted to form an alliance with Sheol, a deity they consider to be more powerful than the God of Israel: “We have made a covenant with death, and with Sheol we have an agreement; when the overwhelming scourge passes through it will not come to us” (v. 15). More recent texts, however, state that it is YHWH who makes people descend into the pit, but he also has the power to save them from it (1 Sam 2:6). Consequently, it is YHWH who sends illnesses and other kinds of suffering upon humankind. It is then necessary to explain the reasons for such evil.
The Theory of Retribution The Book of Psalms opens with a description of the “ideal man”: “Happy are those who do not follow the advice of the wicked, or take the path that sinners tread … They are like trees planted by streams of water … In all that they do, they prosper. The wicked are not so, but are like chaff that the wind drives away … for YHWH watches over the way of the righteous, but the way of the wicked will perish” (Ps 1:1,3,4,6). This description brings into play two sorts of human beings: those who succeed in everything because they comply with the divine will (Ps 1:2), and the “others,” the sinners and the wicked. This opposition between the “righteous” and the “wicked” or evil ( שׁ עִים ָ ) ְרcan be found in various psalms which insist that God is with the righteous while he punishes the wicked: “Do not let the slanderer be established in the land; let evil speedily hunt down the violent! … Surely the righteous shall give thanks to your name; the upright shall live in your presence” (Ps 140:12–14). This separation of human beings into two categories allows to deal rationally with evil, as it stems from man’s irresponsible conduct. This concept has its roots in the wisdom tradition of Israel as it is reflected, above all, in the Book of Proverbs. The Book of Proverbs speaks in favor of a worldview and conviction that was shared by all wise men of the ancient Near East, namely that the universe is not the battlefield of hazard, but the creation of God, and that it is ruled by a cosmic order established by God.6 The wise man is regarded as a responsible man whose conduct respects and reflects the order of the universe. Such conduct guarantees a life full of harmony and prosperity. T. R ÖMER, Jugement et salut en Esaïe 28, Positions luthériennes 43 (1995), 55–62. H.H. SCHMID, Wesen und Geschichte der Weisheit, BZAW 101, Berlin 1966; A. D E PURY, Sagesse et révélation dans l’Ancien Testament, RThPh 27 (1977), 1–50. 5 6
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Whoever acts unreasonably and irresponsibly, on the other hand, brings about an imbalance of the creational order and will have to face disastrous consequences. This cosmic order which the wise man tries to adapt himself to is called ma’at in Egypt, and it is comparable to the concept of tsedeqah in Israel. The tsadik is a person who wishes to live in harmony with the order of the world and of society, and with God who guarantees this order. The sapiential worldview is highly optimistic, as it is based on the idea that by observing and learning, the wise man can understand the rules of the universe. Some texts pertaining to the wisdom tradition have generalized these observations to form a type of doctrine. In Proverbs 10–15, for instance, which undoubtedly constituted primitively an independent collection, this dogmatization is clearly reflected. In these chapters, we find several sentences which contrast two types of humans and the fate which awaits them: the wise are contrasted with the unreasonable, the righteous with the wicked. Thus, a clear dualism is developed. God gives happiness and a good life to the righteous, while the wicked will have to face misfortune and suffering. The dogma of retribution grew so strong that some did not hesitate to re-write history. According to the Book of Kings, Manasseh was the worst of all monarchs (2 Kgs 21:2–9) who ruled over Judah, and his reign was the longest of all, lasting 55 years (2 Kgs 21:1). To the author of the book of Chronicles, this idea seems to have been unbearable, as Manasseh should have been punished by God for all his evil actions. In order to explain the 55 years of his reign, the author tells us that, when he first came to power, Manasseh converted to YHWH, and that because of this conversion God prolonged his reign (2 Chr 33:11–13). For the author of Chronicles, this explanation must have been absolutely necessary for the understanding of Manasseh’s long reign, because in his worldview, any king who could reign for so long had to belong to the side of the “righteous”. The idea of retribution seems to make God and the world comprehensible. This concept is by no means limited to the Old Testament period, but it is clearly reflected in the New Testament as well. According to the gospel of John, the disciples ask Jesus, when seeing a blind man, “Rabbi, who sinned, this man or his parents, that he was born blind?” (John 9:2). Nevertheless, the two concepts of the origin of evil that we have mentioned so far (caused by hostile gods; punishment for wrong behavior) both have their limits. Particularly from the 6th century BCE, the different political and economical upheavals, which hit Judah, provoked a new kind of reflection on evil, which can be observed in numerous texts stemming from the Persian era. This is true particularly in contexts where the God of Israel is characterized as being the only God, creator of heaven and earth.
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Can the only, almighty God be the origin of evil? And if so, how can he be the God who wants well-being and prosperity for all of his creation? Or possibly God did not want evil, but in that case, how can he be the sovereign, almighty God?
The Priestly Attitude to the Question of Evil The first chapter of the Bible contains a creation story which was written by a group of priests (P) at the beginning of the Persian era (late 6th/early 5th centuries BCE): “In the beginning when God created the heavens and the earth, the earth was a formless void (tohu wa bohu) and darkness covered the face of the deep (tehom) …” (Gen 1:1–2). This text does not narrate a creatio ex nihilo, as it can later be found in Judaism and Christianity. Quite the contrary, it emphasizes the fact that God did not create the darkness, symbol of evil, nor the tehom, i.e., the waters symbolizing chaos and darkness (that may allude to the sea serpent Tiamat who Marduk, according to the epic Enuma Elish, has to kill before creating the world and humankind). In Genesis 1, elohim integrates these things in his creation by transforming them (pushing back the waters and brightening up the darkness), but darkness and chaos are not “good” (on the first day of creation, only the light is characterized as “good”; Gen 1:4).7 The first chapter of Genesis thus shows a tendency to separate evil from the creation of God. This idea is intensified in the priestly version of the Flood story. P effectively distinguishes between an ideal creation (which is “very good”, as God’s final appreciation in Gen 1:31 confirms) and the present, post-Flood creation which in some way constitutes a “compromise”, taking into account the violence of man. According to Genesis 1, man and the animals are created as vegetarians (1:29–30), while in the new order God allows the consumption of animal meat and thus installs the legitimization of a sacrificial cult (9:3–4). At the end of the Flood story, we find a twofold reflection on evil. Firstly, God states that “the inclination of the human heart is evil (ra’) from youth” (8:21). This remark clearly raises the question of whether and to what extent man is responsible for evil. According to biblical anthropology, man is created “free” and thus has the possibility to turn to evil; hence the exhortation at the end of the Pentateuch (in Deut 30:15ff.) to choose the good and life and not the evil and death. 7 A. DE PURY, Le chant de la creation. L’homme et l’univers selon le récit de Genèse 1, Aubonne 1986.
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After the Flood, YHWH establishes a covenant with humanity and the whole of creation, symbolized by the rainbow: “I have set my bow in the clouds” (Gen 9:13). The iconography of the ancient Near East reveals the meaning of this declaration, which picks up on the traditional motifs of a threatening God and of water monsters representing the chaos, which menaces the world.8 When the Flood subsides, YHWH engages himself to constantly repel evil which, should it erupt, would threaten the entire creation. Thus, what the priestly authors integrate here is the polytheistic heritage of the fight between the “good gods” and those deities symbolizing or provoking evil. What the first chapters of Genesis present is not an abstract theory on the origin of evil. According to Genesis 1, elohim has transformed evil by partially integrating it in his creation. The Flood story emphasizes the fragility of this creation and God’s steady commitment to fight evil.
The “Autonomy” of Evil in the Book of Job The priestly authors of the beginning of Genesis undoubtedly lived at the same time as the author who wrote the first version of the Book of Job in the Persian era.9 This text does not cease to pose the question of the origin of evil and suffering. The poetic core10 of the book confronts Job with the thinking of his friends who believe that God is responsible for all evil. In their opinion, all forms of evil can be explained, as being either divine punishment or a means of probation. Job’s friends represent international wisdom, and they are convinced that Job’s suffering is the result of divine sanction for a hidden sin. Thus, they exhort Job to recognize his wrong-
8 E. Z ENGER, Gottes Bogen in den Wolken. Untersuchungen zu Komposition und Theologie der priesterschriftlichen Urgeschichte, SBS 112, Stuttgart 1983. 9 Cf. E.A. K NAUF, Hiobs Heimat, WdO 19 (1988), 65–83. 10 For theories on the formation of the book, see, among others, J. VAN O ORSCHOT, Gott als Grenze. Eine literar- und redaktionsgeschichtliche Studie zu den Gottesreden des Hiobbuches, BZAW 170, Berlin/New York 1987; H.-P. M ÜLLER, Das Hiobproblem, EdF 84, Darmstadt 21988; W.A.M. BEUKEN (ed.), The Book of Job, BETL 114, Leuven 1994; W.-D. SYRIG, Hiob und sein Anwalt. Die Prosatexte des Hiobbuches und ihre Rolle in seiner Redaktions- und Rezeptionsgeschichte, BZAW 336, Berlin/New York 2004. Traditionally scholars have attributed the prose narration and the poetic core of the book to two different authors. But it may well be the case that the author of Job 3–40* already framed his text by the narrative about Job’s suffering and rehabilitation, see also T. R ÖMER , Le livre de Job dans la recherche exegétique actuelle, in: S. T ERRIEN (Hg.), Job, CAT XIII, Genève 22005, 7–11.
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doing, to dedicate himself to God’s benevolence, and to repent. In their view, Job’s task is to accept his suffering as something he deserves. It is difficult to detect a development in the discussion between Job and his friends, with the exception of one aspect pertaining to Job’s position. His friends speak in favor of a comprehensible, “logical” world, which he can no longer accept. It is important to emphasize one aspect, which is often neglected by commentators. Initially, Job shares with his friends the idea of divine retribution. For this reason, he cries out to his friends: “Teach me, and I will be silent; make me understand how I have gone wrong” (6:24). He considers himself to be innocent and righteous and is thus not ready to accept his destiny as something he has deserved. Like his friends, Job aims to understand the reasons for his situation. But differently from them, he is convinced that God’s aggressiveness and malignity cause his suffering. Therefore he does not hesitate to accuse God of unrighteous behavior: “You have turned cruel to me; with the might of your hand you persecute me” (30:21). And by revolting against God, Job realizes that there is no divinely guaranteed connection between cause and effect: “The wicked are spared in the day of calamity, and are rescued in the day of wrath” (21:30). Seeing no other possibility to understand the evil that is happening to him, Job challenges God and virtually aims to put him on trial. In the version in which the Book of Job has been transmitted to us, God’s response is long in coming. A later redactor inserted the speeches of a certain Elihu between Job’s last speech and YHWH’s theophany (Job 32– 37). Elihu is characterized as belonging to a generation younger than the one of Job and his friends. In his speeches, he criticizes both Job’s position and the one put forward by his friends. Elihu does not speak to Job directly but refers to him in the third person. What is presented to us here is no longer a dialogue, but a literary polemic aimed to explain the suffering of a righteous person as a pedagogical means used by God who “delivers the afflicted by their affliction, and opens their ear by adversity” (cf. 36:15). This insertion shows that the later redactor must have wanted to clarify the message and lay the ground for God’s response yet to come. He possibly did that because the divine response itself may seem rather obscure and has, in fact, caused numerous exegetical difficulties. For once, God seems to quite blatantly disregard the question, which he does not reply to directly. Instead, he asks Job questions in return, contenting himself with self-praise as we find it, e.g., in the hymnal psalms which praise the glory of God the Creator. We can also observe that this “response” is undertaken in two separate speeches (38:1–40:2; 40:6–41:26), and this structure is quite likely the result of an intervention by one or more redactors.
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In the first divine speech, the ironic questions addressed to Job make him seem too ignorant to be able to judge God and his world (“Where were you when I laid the foundation of the earth?” 38:4; “Have you entered into the springs of the sea …?” 38:16, etc.). The second part of the first speech (38:39–39:30) contains a form of bestiary in which God characterizes himself as being the master of all animals. In his outstanding study, O. Keel11 has suggested an interpretation of Job 39 based on Ancient Near East iconography. As he points out, the author of Job uses the very common motif of the “master of animals” – a motif that has at its center the figure of a hero, a god or a king, taming two or more animals. The majority of the animals mentioned in the divine speech here commonly feature in such representations: mountain goats, deer, oxen, ostriches, etc. The image of the domination of wild animals serves to express the universal supremacy of a king or of the God whom the king serves.12 By taking up this motif in Job 39, the author underlines, first of all, the supremacy of God who does not have to answer to man. At the same time, the animals tamed by the “master of animals” may symbolize evil forces hostile to man as well as a chaotic world. After God’s first speech, Job declares that in the future he will keep silent. Still, God intervenes a second time. The second divine speech introduces two beasts named Behemoth and Leviathan. These names have often been translated as “hippopotamus” and “crocodile,” which has obliterated their mythological connotations. Some exegetes believe that the two beasts represent Seth, the Egyptian god of evil,13 who, according to the myths, is defeated by Horus.14 A Canaanite connotation, however, seems to be more persuasive, given that Leviathan is mentioned in the texts of Ugarit (Lotan), where he appears as one of several manifestations of aquatic chaos which Baal must fight against. In the Book of Job, Leviathan (who becomes the “dragon” in the Greek translation) is the primordial monster par excellence. Thus, the second divine speech confronts Job with a God who has to constantly fight against forces of chaos. Certainly, God has created the world (as the first speech reaffirms), and he is almighty, but the victory over chaos is never definite, and God constantly has to defy it. The second divine speech concedes a 11 O. K EEL, Dieu répond à Job. Job 38–41, translated from German by F. SMYTH, LD Commentaires 2, Paris 1993. 12 Jer 27:6 uses the motif of the domination of wild animals to characterize the absolute power that YHWH will give to the Babylonian king: “Now I have given all these lands into the hand of King Nebuchadnezzar of Babylon, my servant, and I have given him even the wild animals of the field to serve him.” 13 Seth is however a more ambiguous god, since he himself defeats the serpent Anubis in order to guarantee the daily course of the Sun. 14 Especially O. K EEL, Job (see below).
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certain status to the forces of chaos and gives evil some form of independence in relation to God. But is Job convinced after hearing this second speech? His response to the second divine intervention (42:1–6) poses numerous philological and exegetical questions. The NRSV translates the last part of his answer as follows: “Therefore I despise myself, and repent in dust and ashes,” while a more literal translation might say “I have lost all interest and I regret (or: I have changed my mind about) the dust and the ashes.”15 This might mean that Job has given up the quest of a comprehensible God and that he regrets the signs of his mourning. In a certain sense, the author of the Book of Qoheleth (Ecclesiastes; probably written at the end of the 3rd century BCE) radicalizes this position by stating that man cannot understand the actions of God: “then I saw all the work of God, that no one can find out what is happening under the sun. However much they may toil in seeking, they will not find it out; even though those who are wise claim to know, they cannot find it out” (8:17). Despite arguing from a monotheistic perspective, Qoheleth, when insisting on God’s arbitrariness, takes up a concept of polytheistic religions that easily accept deities who act arbitrarily. But let us look at the Book of Job again. Differently from the divine speeches analyzed above, which concede evil a certain amount of autonomy, the narrative frame of the book presents a different solution to the problem of evil and suffering.
Towards a Dualist worldview The author of the dialogues (or a later redactor) has framed the narrative core with a (traditional?) story in which Job appears as the prototype of a righteous man who endures the tests that his God puts him to, even if these are completely incomprehensible to him (Job 1–2; 42:7–17). Job resembles Abraham in the narration of the sacrifice of Isaac (Gen 22). In a first version of this narrative frame, however, there was not yet any mention of “Satan”. Evil was sent directly from God. In fact, it is quite obvious that the verses bringing God and Satan face to face were added at a later stage. One can easily read the narrative frame without the scenes about the heavenly court, and even more so because the suffix pronouns of 1:13 (“his sons and daughters”) cannot possibly refer to the Satan or YHWH mentioned in the preceding verse (1:12: “Satan went out from the presence of YHWH”); they 15 See for such a translation F. C RÜSEMANN, Hiob und Kohelet, in: R. A LBERTZ (ed.), Werden und Wirken des Alten Testaments. FS C. Westermann, Göttingen 1980, 373–393.
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instead correlate with 1:5 (“This is what Job always did”), and this shows that the scene of the heavenly court in 1:6–12 is a an insert that was added later to the original story. It is also important to note that the epilogue does not contain any mention of a bet between God and Satan, while it proceeds directly to settling the score between YHWH and Job’s friends. The later integration of the figure of Satan in the narrative of Job can thus be understood as an attempt to detach evil from God and “personify” it.
Satan and Evil in the Hebrew Bible The autonomy of evil in relation to God is affirmed in several approaches of postexilic Judaism, particularly in the character of Satan.16 The noun Satan can be translated as “aggressor” or “opponent.” The term primarily denotes a human opponent, but from the 6th century BCE, “Satan” becomes the name given to the provocative agent of the heavenly court. In order to illustrate the power and supremacy of God, the biblical authors drew on royal imagery, presenting God as the great (Persian) king surrounded by his ministers and advisors. Adding Satan to this court permits naming something or someone “responsible” for evil. In the prologue to the Book of Job, as we read it today, Job’s suffering is described as resulting from a bet between God and the Satan. The latter, despite being the one who incites God to send evil to Job, is clearly inferior to God, given that he is unable to do anything without divine permission. However, God is no longer the direct cause for Job’s calamities. The same tendency to autonomize evil can be noticed in the version proposed in the Book of Chronicles of a narrative stemming from the Book of Samuel in which a census conducted by David provokes divine punishment. The first narrative of 2 Samuel 24 opens as follows: “Again the anger of the YHWH was kindled against Israel, and he incited David against them.” Here, it is God himself whose influences David to undertake a census; and this action causes the deaths of thousands of people. The author of Chronicles, however, who retells this story, has significantly changed the opening. The story opens in 1 Chronicles 21:1: “Satan stood up against Israel, and incited David to count the people of Israel.” It is difficult to determine whether Satan is understood as being God’s negative opponent or some kind of hypostasy of
P.L. D AY, An Adversary in Heaven. Satan in the Hebrew Bible, HSM 42, Atlanta/Ga 1988; M. G ÖRG, Der „Satan“ – der „Vollstrecker“ Gottes, BN 82 (1996), 9–12; D.E. G ERSHENSON , The Name Satan, ZAW 114 (2002), 443–445; F. K REUZER , Der Antagonist. Der Satan in der Hebräischen Bibel – eine bekannte Größe?, Bib. 86 (2005), 536–544. 16
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divine anger.17 The emphasis on Satan as the protagonist of evil introduces, nevertheless, a tendency towards a dualism where evil appears to be virtually as powerful as God the Creator of good. This vision does not, however, exist in the Hebrew Bible. It makes itself felt more and more in certain tendencies of Judaism in Hellenistic and Roman times and becomes very popular in Christianity.18
YHWH, Creator of Evil? We have seen that the Hebrew Bible concedes a certain amount of autonomy to evil, yet it does not develop a fully dualist theological system. However, in the Persian era, such systems did exist, namely in Mazdaism which seems to have been, at least after Darius, the favorite religion of the Achaemenid emperors. Today, our knowledge of Mazdaism and its “reformer” Zoroaster remains extremely fragmentary.19 It is rather clear, though, that in this religion, the great god Ahura Mazda, who is exclusively the god of good, is in conflict with Ahura Mainyu, the spirit of evil, who acts, in a certain sense, as the master of the daeva, “demons”. Even if we have no direct evidence for the influence of zoroastrism on the nascent Judaism, one can easily imagine that to some Jewish intellectuals, a dualistic concept seemed highly attractive, as it avoids establishing any connection between YHWH and evil.20 On the other hand, it entails the downside of having to admit, beside the god of good, a god who represents the evil side. On the other hand, a text in the collection Isa 40–55, the so-called Second Isaiah21, asserts that YHWH is responsible for the good and the bad things: 17 For a discussion of the different explanations given for this text see R.E. STOKES, The Devil Made David Do It… Or Did He? The Nature, Identity, and Literary Origins of the Satan in 1 Chronicles 21:1, JBL 128 (2009), 91–106. 18 See for instance the dualism affirmed by the community of Qumran, which expected an eschatological fight between the “sons of light” and the “sons of darkness.” Similarly, the “popular religion” at the time of Jesus knew a complex demonology. 19 M. STAUSBERG, On the State and Prospects of the Study of Zoroastrianism, Numen 55 (2008), 561–600. 20 T. R ÖMER, Tendances dualistes dans quelques écrits bibliques de l’époque perse, Trans 23 (2002), 45–58. 21 The first edition of Isa 40–55 was done in the early Persian period. The book was then added to Isa 1–39 and underwent further redactions, see R.G. K RATZ, Kyros im Deuterosaja-Buch. Redaktionsgeschichtliche Untersuchungen zu Entstehung und Theologie von Jes 40–55, FAT 1, Tübingen 1991; J. VAN O ORSCHOT, Von Babel zum Zion. Eine
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“I am YHWH, and there is no other; besides me no god. I arm you, though you do not know me, so that they may know, from the rising of the sun and from the west, that there is no one besides me; I am YHWH, and there is no other. I form light ( )יוֹצֵר אוֹרand I create darkness ( ! שׁ ֶ ֹ וּבוֹר א ח ֵ ), I do peace (שׁ לוֹם ָ שׂה ֶ ֹ )עand I create evil (וּבוֹר א ָר ע ֵ ), I am YHWH and I do all these things” (45:5–7). This oracle is linked with the institution of Cyrus as YHWH’s messiah through whom he will make known to the whole world that he is the “only” god. There is some discussion about the meaning of שׁ לוֹם ָ and ר ע.ָ Does it refer to the fact that YHWH is responsible not only for peace but also for war and defeats? This would be a continuation of a common (“deuteronomistic”) ideology according to which YHWH provokes cataclysms in order to punish his people.22 The mention of Cyrus, who is presented as the tool through which YHWH will bring peace and restoration to Israel, would fit with such a historical understanding of ra’ and shalom. On the other hand, the parallel with the creation of “light” and “darkness” suggests a more general meaning: YHWH is responsible also for the evil, or the chaos in the world. “Shalom” would then mean something like ma’at the order of the world, and ra’, the chaos. The Isaiah manuscript from Qumran has replaced shalom by tov, making YHWH the creator of good and evil. A similar affirmation also occurs in the prologue to Job, where Job responds to his wife: “Should we receive what is good ( )הַטּוֹבfrom the deity (הִים% ) ָה ֱא, and not also receive what is evil (( ”?)ה ָָר עJob 2:10; see also Thr 3,38). Isa 45:5–7 and Job 2 would then reflect an attempt to make YHWH also responsible for the chaos and the evil. Qoheleth, two centuries later, follows the same line of thought when advising his readers: “In the day of prosperity be joyful, and in the day of adversity consider; God has made the one as well as the other, so that mortals may not find out anything that will come after them” (7:14). Thus, Qoheleth underlines the absolute transcendence of a God who becomes inaccessible and incomprehensible to man, as we have seen above. The statements in Second Isaiah and Ecclesiastes constitute two extreme affirmations within the biblical corpus. It is difficult to decide whether Isa 45 is a reaction towards the priestly creation
literarkritische und redaktionsgeschichtliche Untersuchung, BZAW 206, Berlin/New York 1993; R. A LBERTZ, Darius in Place of Cyrus. The First Edition of Deutero-Isaiah (Isaiah 40:1–52:12) in 521 BCE, JSOT 27 (2003), 371–383. 22 The deuteronomistic redactors of the book of Kings explain the collapse of Samaria in 722 BCE and the fall of Judah in 587 BCE as YHWH’s punishment for the disobedience of the kings and the people.
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account in Gen 1, which affirms that darkness and chaos are not created, or whether Gen 1 is a statement against Isa 45.23 The position of Isa 45 and related texts radicalize a concept, which is expressed in certain psalms, namely that God is the cause for the suffering of the pious and righteous.
The Question of Evil in the Psalms of Lament Psalm 88 is a typical example of biblical lament: “For my soul is full of troubles, and my life draws near to Sheol. I am counted among those who go down to the Pit; I am like those who have no help, like those forsaken among the dead, like the slain that lie in the grave, like those whom you remember no more, for they are cut off from your hand. You have put me in the depths of the Pit, in the regions dark and deep. Your wrath lies heavy upon me, and you overwhelm me with all your waves … Your wrath has swept over me; your dread assaults destroy me” (vv. 4–8, 17). This psalm introduces an individual who is “finished”, feeling abandoned and close to death. The Psalmist has no other explanation for his calamities (he might be stricken with an illness due to which he has been rejected by his community) than to assume that they must come from God24. But at the same time, he expresses his hope that the God who has caused all those troubles will be capable of changing the situation: “Do you work wonders for the dead? Do the shades rise up to praise you?” (v. 11). Several psalms of lament invoke similarly god against god, thus laying the basis for Martin Luther’s theory on the deus absconditus, the mysterious and remote God who the believer still must turn to in his distress.25
23 For this option see M. A LBANI, Der eine Gott und die himmlischen Heerscharen. Zur Begründung des Monotheismus bei Deuterojesaja im Horizont der Astralisierung des Gottesverständnisses im Alten Orient, Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 1, Leipzig 2000 and M. LEUENBERGER, Ich bin Jhwh und keiner sonst. Der exklusive Monotheismus des Kyros-Orakels Jes 45,1–7, SBS 224, Stuttgart 2010. 24 W. G ROSS, Gott als Feind des einzelnen? Psalm 88, Studien zur Priesterschrift und zu alttestamentlichen Gottesbildern, SBAB.AT 30, Stuttgart 1999, 159–171; C. Z IEGERT, „Mein Auge verschmachtet vor Elend“. Zu Kontext und Struktur von Psalm 88, BZ 54 (2010), 73–82. 25 C. DE V OS, Klage als Gotteslob aus der Tiefe. Der Mensch vor Gott in den individuellen Klagepsalmen, FAT II/11, Tübingen 2005.
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Short Conclusion The Hebrew Bible has never systematized its discourse on evil. Roughly speaking, three major concepts can be distinguished: (1) the priestly concept and that of the authors who wrote the dialogues in the Book of Job, which attributes a certain form of autonomy to evil without explaining its origins; (2) the concept brought forward by the redactor of the narrative frame in the Book of Job, the author of the Book of Chronicles, and in some other texts, which all sketch a tendency towards a dualist vision even if “Satan” is never an equipollent enemy of God in the Hebrew Bible; (3) the affirmation that YHWH is the cause of evil, as expressed in the oracle in Deutero-Isaiah (45:5–7), which clearly states that YHWH created evil. The idea that YHWH is the cause of evil draws on the doctrine of retribution according to which, however, every form of evil sent by YHWH can be “logically” explained. Contrary to that, Qoheleth affirms that evil does indeed from God, but that man cannot understand the reasons for it. These different biblical approaches laid the groundwork for attitudes and positions, which have, in different forms and different ways, accompanied the history of theology and philosophy until today.
III. Die Herkunft des Bösen und Schlechten in der Literatur des 1.–3. Jahrhunderts n.Chr.
Die theoretische Bewältigung des Bösen bei Philon FOLKER SIEGERT Nach einer kurzen Orientierung in Philons Weltbild – dieses ist von seiner Theologie nicht zu trennen, sondern mit ihr identisch – und einer Überprüfung der biblischen Vorgaben, die er nutzt und die er nicht nutzt, wird seiner platonischen Lehre vom Guten die stoische Lehre vom Nicht-Guten entgegengesetzt, die auf der Vereinzelung der Dinge gründet, einem Werk (immerhin) des Logos, ebenso zu denken wie bei Leibniz das „metaphysische Übel“. Das „moralische Übel“ hingegen, das eigentlich Böse, wird auf menschlicher Seite auf die Begierde zurückgeführt, ganz wie bei Paulus. Wenig vermittelt sind leider Kosmologie und Geschichtstheologie. Gegenüber Israel, meint Philon, werde das Übel nie überhand nehmen, da ihm Gottes besondere Vorsorge gelte. Diese Pronoia-Lehre ist aber kaum aus ihren kosmologischen Vorgaben abzuleiten. Eher ist Philons gesamte Theologie eine Flucht aus der Zeit.
1. Einleitung 1.1 Philon in seiner Welt Nachdem die Frage nach dem Übel und dem Leiden in der Welt sowie die Frage nach dem Bösen unter den Menschen in mehreren Anläufen konkret gestellt und mit diversen, noch eher globalen Antworten versehen wurde, soll nun etwas Spezielleres, nämlich Philons Antwort1 zur Sprache kommen – ehe dann, bald nach ihm, diejenigen zu erwähnen sein werden, die ihre Antwort auf diese Vexierfrage so gut fanden, dass sie sie sogar zur 1 Zur Orientierung über seine Person und Lehre dienen v.a. E. BRÉHIER, Les idées philosophiques et religieuses de Philon d’Alexandrie, 1908 (u.ö.); H. A. W OLFSON, Philo. Foundations of Religious Philosophy in Judaism, Christianity, and Islam, 2 Bde., Cambridge (1947) 1948 (u.ö.); A. K AMESAR (Hg.), The Cambridge Companion to Philo, Cambridge 2009. Im Register haben diese Bände le mal bzw. evil ausgewiesen.
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Grundlage ihres Lehrsystems machten; ich meine die Gnostiker. Das, was Philon offen ließ, wird dort aufgefüllt mit dem Prinzip einer Weltablehnung, zu der Philon nur halb bereit war. Man kann sagen, Philons Halbheiten werden dann ganz, wie überhaupt die Gnosis in mancher Hinsicht ein enttäuschtes und dann eben in sein Gegenteil verkehrtes Judentum ist.2 Freilich, im Niveau seiner Reflexion steht er über allem, was wir über die esoterische Lehre der Gnostiker wissen: Diese verlegt mythisch in die Aeonen, was rational im Menschen auch nicht besser zu fassen ist. An philosophischer Höhe ist mit Philon höchstens die exoterische Lehre der Epistola ad Floram des Gnostikers Ptolemaios vergleichbar, bei den Kirchenvätern dann Clemens von Alexandrien und weitere. Doch noch ist die große Katastrophe von 70 n.Chr. nicht geschehen, auch nicht jener alexandrinische Bürgerkrieg, in dessen Ergebnis das dortige Judentum physisch ausgelöscht wurde (117 n.Chr.).3 Philon lebte und wirkte in Zeiten, wo es dem alexandrinischen und auch dem judäischen Judentum noch recht gut ging. Wir wissen leider wenig Konkretes über sein Leben, außer dass er einmal (38/39 n.Chr.), nach ersten heftigen Unruhen zwischen Juden und Nichtjuden in seiner Stadt, als Abgesandter der jüdischen Bevölkerung Alexandriens nach Rom zu gehen hatte, wo seine Eloquenz freilich einen Caligula nicht zu rühren vermochte. Er war damals nicht darauf gefasst, dass der Kaiser ihm gar nicht erst zuhören würde. Das Debakel der alexandrinischen Juden unter dem Präfekten Flaccus hat er miterlebt, als sie, nach einem Konflikt am Trauertag für Caligulas Schwester Drusilla, mit einem Schlag rechtlos wurden. Er hat uns das Davor und das Danach wortreich geschildert, den Konflikt selbst aber nicht, an welchem seine Glaubensgenossen offenbar nicht ganz unschuldig waren.4 Mit Genuss schildert er am Ende seines In Flaccum das gewaltsame Ende des Gouverneurs, den seine politische Fortune verlassen hatte und der im Exil totgeschlagen wurde – was Philon Zu dieser von Jean Daniélou aufgebrachten These s. K.-W. T RÖGER, Gnosis und Judentum, in: ders. (Hg.): Altes Testament – Frühjudentum – Gnosis. Neue Studien zu „Gnosis und Bibel“, Berlin 1980, 155–168, auch H. W EDER, Abschied von der Welt und Ausdehnung des Ichs. Die Allegorese bei Philo von Alexandrien und die Schriftauslegung der Gnosis, in: P. M ICHEL/ders. (Hgg.), Sinnvermittlung. Studien zur Geschichte von Exegese und Hermeneutik 1, Zürich 2000, 93–113. Die Gnosisforschung als solche versucht lieber, die Gnosis als eigenständig aufzufassen. 3 G. SCHIMANOWSKI, Juden und Nichtjuden in Alexandrien. Koexistenz und Konflikte bis zum Pogrom unter Trajan (117 n. Chr.), MJSt 18, Berlin 2006; D. SCHWARTZ, Philo, His Family, and His Times, in: A. K AMESAR (Hg.), Cambridge Companion to Philo, 10– 31. 4 A. K ERKESLAGER, Agrippa and the mourning rites for Drusilla in Alexandria, JSJ 37 (2006), 367–400. 2
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als einen Akt der Gerechtigkeit Gottes mit hohen Worten preist (Flacc. 169ff.). Auch der Tod des Gaius Caligula, den sein Verstand verlassen hatte und den seine eigenen Leibwachen erschlugen, unterliegt bei ihm derselben Deutung. Ähnlich hat selbst nach der Zerstörung Jerusalems sein jüngerer Zeitgenosse Josephus das deuteronomistische Tun-Ergehens-Schema unbeirrt zu handhaben gewusst – allerdings um den Preis, die Schuld immer bei den anderen zu sehen und nicht bei der eigenen Interessengruppe. Vom Volk bis hoch zu den Intellektuellen wird geglaubt: Gott hält von seinem Volk das Böse ab, wenn auch manchmal mit Verzögerung. Und vor allem darf man nicht vergessen, ihm den gebührenden Kult zu erweisen: Dass Jerusalem erobert werden konnte, liegt nach Josephus ja nur daran, dass die Zeloten den legitimen Hohepriester töteten und durch irgendeinen ersetzten: nicht den Würdigsten, sondern einen, auf den das Los fiel (BJ 4,147–157). Dann haben sie auch das Heiligtum mit menschlichem Blut verunreinigt (ebd. 6,124–128 u.ö.).5 Das religiöse Weltbild des Josephus – jener von der israelitischen Geschichtsschreibung behauptete, zur Not auch postulierte Tun-Ergehens-Zusammenhang6 – bleibt dabei völlig intakt. 1.2 Philons philosophische Grundlagen Fragen wir nun von hier aus nach dem religiösen Weltbild Philons. Denn soviel kann schon hier vorausgeschickt werden: Es handelt sich bei Philon nicht um eine Theologie im heutigen Sinne, sondern um ein religiöses Weltbild, wo alles und jedes räumlich, wenn nicht gar raum-zeitlich, eingeordnet ist, in engster Verquickung mit den wissenschaftlichen Thesen der Zeit. Philons Begriffe ordnen sich im Raum. Er entwirft einen platonischen Ideenhimmel, wo alles seinen Platz hat, und Gott selber ist der Raum (Conf. 136), bei den Rabbinen dann: māqom, in welchem seine Kräfte sich an seiner Schöpfung betätigen. Oder genauer: Er spannt mittels seiner
5 Dort in einer Rede des Titus. Vgl. 1,28; 5,444; 6,165.178ff.251f. über das Nichtbeachten der bis dahin gültigen sakralen Regeln als Ursache der Verunreinigung und damit des Verlustes des Tempels. In 6,110 steigert sich Josephus zu der Spitzenaussage, Gott und die Römer hätten dem Tempel ein „reinigendes Feuer“ (καθάρσιον πῦρ) bestimmt; er gibt dem Ereignis also einen geradezu kultischen Rang. 6 Ein Postulat ist in den Augen der historisch-kritischen Forschung die Buße des Königs Manasse in 2Chr 33,12, von der 2Kön 21 (die Vorlage) noch nichts wusste. Sie muss erklären, wie ein so götzendienerischer König länger regieren konnte als jeder andere in Israel, nämlich 55 Jahre.
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Kräfte diesen Raum auf, worin die Welt ruht und, sofern sie vergänglich ist, sich auch bewegt und verändert. Das Heiligtum in Jerusalem ist ihm eine Abbildung dieses Raumes – das umso mehr, als das dortige Allerheiligste, worin einst die Cherubim mit ihren ausgebreiteten Flügeln aufgestellt waren, wie jeder damals wusste, leer war. Nicht nur dass kein gewöhnlicher Jude, von den Heiden zu schweigen, diesen Raum, den hinter dem zweiten Vorhang, jemals zu sehen bekommen hätte; es war eben auch nichts drin, und man erfuhr alles, was es zu wissen gab, aus den Büchern des Mose. Einmal wenigstens in seinem Leben, so erfahren wir, ist Philon nach Jerusalem gepilgert εὐξόμενός τε καί θύσων, „um dort zu beten und zu opfern“ (Prov. 2,107; man bemerke die Reihenfolge der Verben), und hat damit der Materialität des Gesagten seine Reverenz erwiesen. Im Übrigen aber ist der Tempel Gottes für ihn der Kosmos (Spec. 1,66–78; Mos. 2,77f.),7 und das Gesetz des Mose ist für ihn die Verfassung für diesen Kosmos (QE 2,42). Eigentlich müsste jeder Mensch, der vollkommen lebt, demnach auch Jude sein bzw. werden. So denkt auch Josephus bei seiner – unter römischen Umständen natürlich sehr vorsichtigen – Proselytenwerbung (Ap. 2,209f.278– 286). Wir sprachen von Philons Platonismus und auch schon von seinem Denken im Raum und der „kosmischen Religion“ seiner Art von Stoizismus. Bei Philon ist die Menschenwelt, und viel mehr noch die ganze Kreatur, in sich geordnet und abgestuft. Der Logos, der sie durchwaltet, ist es, der die Unterschiede schafft, der Vereinzelungen herstellt und damit das weniger Vollkommene: Er schafft τό τε εὖ καὶ τὸ μή – hier haben wir schon Philons Antwort auf unsere Frage (Cher. 35).8 Sie fällt mit dem zusammen, was Leibniz später (ohne Philon zu nennen) das mal métaphysique genannt hat: die Vereinzelung und damit die Unvollkommenheit.9 Das Partikulare ist das weniger Vollkommene, so wie schon die Zahl 2 nach Pythagoras weniger vollkommen ist als die Eins. Die Zwei, die
7 Vgl. Hebr 9,1. Antike Menschen verstanden das als Symbolbeziehung nach beiden Richtungen: Auch der konkrete Tempel gilt dem Hebräerbrief als „kosmisches Heiligtum“, und umgekehrt ist der Kosmos selbst ein Heiligtum. 8 Mehr dazu bei BRÉHIER, Les idées, 98–101; W OLFSON, Philo I, 272–282. 9 G.W. LEIBNIZ, Essais de Théodicée (1710), § 207ff.; Die hier benutzte Ausgabe: J. BRUNSCHWIG, Garnier Flammarion, Paris 1969, dort auch Leibniz’ Kurzfassung: La cause de Dieu, plaidée par sa justice (lateinisch 1710, franzözisch 1842 u.ö.), § 29ff. – Das mal physique, also Schmerz und Krankheit, und v.a. das mal moral, die böse Absicht, muss Leibniz noch extra erklären und geht auch da ähnliche Wege wie Philon, nämlich über ein ausgeklügeltes System sich begrenzender Gotteseigenschaften.
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„unbestimmte Mehrzahl“ (es kann dann auch mehr sein, eine unbestimmte Quantität) ist schon die Wurzel allen Übels.10 Man kann sich fragen, wie es dann sein kann, dass es mehrere Ideen gibt, wo die Ideen doch als gut gelten;11 aber diese Frage müsste man schon an Platon stellen. Was Philon betrifft, so ist für ein Denken in Gegensätzen ihm auch durch die Vorsokratiker zugeflossen, insbesondere durch Empedokles: Diesen nennt er zwar in seinen erhaltenen Schriften nicht, aber dessen Lehre von den vier bzw. sechs „Wurzeln“ (ῥιζώματα) des Kosmos, den vier materiellen Elementen nämlich und dem Gegensatz von Anziehung und Abstoßung – φιλία und νεῖκος – kommen bei ihm wörtlich vor, assoziiert mit seiner Lehre von den beiden „Kräften“, bes. in De Deo 10.12 1.3 Biblische Vorgaben Dieser Abschnitt ist mit einer Einschränkung zu beginnen: Relevant sind für Philon nur die fünf Bücher des Mosegesetzes. Anderes, wovon Kollege Römer vorhin sprach, kennt er zwar; es ist aber nicht Teil seines Kanons, der strikt nur die Mosebücher umfasst. Die Psalmen, die Schriftpropheten und was sonst so bleibt kann höchstens illustrativ hinzutreten und tut es selten. Prüfen wir die Belege! Verstockung ist die Benützung menschlicher Bosheit zu göttlichen Zwecken. Philon kennt aus seiner Bibel das Beispiel des Pharao, Ex 9,16, sagt aber nichts dazu.13 Selbst seine Quaestiones in Exodum beginnen, so wie auch die Mechilta, erst mit Ex 12. Worin aber bestünde eine Versuchung? Schon 1Chr 21,1 hatte 2Sam 24,1 dahingehend korrigiert, dass es Satan ist – und nicht JHWH – der 10 Philon kennt Pythagoras, nennt ihn freilich nicht in diesem Zusammenhang. Er erwähnt ihn in QG 1,17 (Topos der Freundschaft – da ist nun freilich das Gegenüber hoch gewertet) und in 3,16 und nennt auch sonst die Pythagoreer durchaus häufig (z.B. QG 1,99 mit dem αὐτὸς ἔφα). So liegt denn die Annahme nahe, dass er den Begriff der ἀόριστος δυάς hier im Sinn hat, wenngleich dieser wörtlich in seinen Schriften nicht zu belegen ist. 11 Jedenfalls gibt es bei ihm Ideen der guten Dinge (Conf. 73), schwerlich jedoch des Schlechten oder Bösen. 12 Details hierzu bei F. SIEGERT, Philon von Alexandrien. Über die Gottesbezeichnung „wohltätig verzehrendes Feuer“ . Rückübersetzung des Fragments aus dem Armenischen, deutsche Übersetzung und Kommentar, WUNT 46, Tübingen 1988, 129f. 13 Geprüft bei J. A LLENBACH/A. BENOÎT u.a. (Hgg.), Biblia patristica, Supplément: Philon d’Alexandrie, Paris 1982. Der gleiche Befund ergibt sich aus anderen Registern: Philon benützt weder πωροῦν noch σκληρύνειν. Die atl. Metapher παχύνεσθαι (Luther übersetzte „halsstarrig werden“) ist als Bezug auf materielle Bequemlichkeit in Post. 120f. eher verharmlost. Vgl. noch seine andere Auslegung von Dtn 32,15 in Congr. 160.
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David zu einer Sünde (das Volk zu zählen) auffordert. Ähnlich Jubiläen 17–18, bes. 17,16. In Sir 15,11–20, einer Ermahnung zur Beständigkeit, liest man: „Sage nicht: des HERRn wegen habe ich geirrt! Was er verabscheut, das tut er nicht.“14 All das liegt außerhalb von Philons Bibel, und er braucht sich nicht darum zu kümmern. Πειρασμός als Substantiv begegnet bei ihm nicht. Die Bitte, nicht versucht zu werden, ist ihm immerhin bekannt als Teil des Sabbatgottesdienstes (Spec. 2,209). Ja, ein „Versucher zur Ungerechtigkeit” (πειρατὴς τῆς ἀδικίας) findet sich genannt in Conf. 130 mit einem Seitenblick auf Ri 8,9. Getadelt wird die Eigenliebe Kains im Gegensatz zu Abel. Wir werden auf Menschen als Erfinder des Bösen noch zu sprechen kommen. – Von Bewährung in notwendiger Versuchung spricht Sacrif. 123 mit Bezug auf die vielleicht noch zehn Guten in Sodom. Auch da aber sind wir bereits auf moralischer Ebene angelangt, fragen zuvor aber noch nach der metaphysischen. Um hier nochmals bei der Hebräischen Bibel einzusetzen: Es gibt dort ja Versuche einer Rechtfertigung des Übels als „Erziehung“ von Seiten Gottes (klassisch: Spr 3,11f) oder als „Läuterung“ derer, denen es widerfährt; so Hi 23,10: „Er prüfte mich; wie Gold ging ich hervor“ (LXX nur: „Er prüfte mich wie Gold“).15 Für Philon, der diese Stellen nicht zu kommentieren hat, ist der „Seiende“ niemals Ursache eines Übels (Agr. 128–130 u.ö.). Denn selbst wo er straft durch die eine seiner „Kräfte“, bezweckt er ja Gutes.16 Was man so aus der Gotteslehre herausgehalten hat, wird stattdessen die Kosmologie liefern. Insbesondere den Übergang von der Gotteslehre in die Kosmologie, jenes Typischste bei Philon überhaupt, werden wir zu prüfen haben, um die ihm eigene Antwort zu erhalten.
Vgl. Jak 1,13: Gott sei ἀπείραστος κακῶν, frei von jedem Verdacht zu verführen. – Die Versuchung nicht nur zur Übeltat, sondern zum Unglauben musste wohl Paulus erst entdecken (Röm 9,18ff.; 11,25ff.), wie auch die Evangelisten im Aufgreifen der jesajanischen Verstockungsaussage (Mk 4,10–12 parr.). 15 Stelle nicht bei Philon. – Die Septuaginta-Übersetzung nimmt mehrfach durch behutsame Änderungen (3.3.5: theologische Korrektheit) Gott aus dem Verdacht, Ursache oder Mitursache von Übeln zu sein, heraus (s.o. 4.2). In 2(4)Kön 6,33 hat man freilich stehen lassen ἰδοὺ αὕτη ἡ κακία Κυρίου (es handelt sich um die Belagerung der Hauptstadt des Nordreiches durch Hadar); und Am 3,6 lautet: εἰ ἔσται κακία ἐν πόλει ἣν Κύριος οὐκ ἐποίησεν; Das alles ist bei Philon nicht zu finden. 16 So auch schon Sir 39,28–31, wo die schöpfungsmäßigen Werkzeuge des Gotteszorns – Winde, Feuer, Hagel, Hunger, Pest, Schädlinge – im Kontext eines Lobes der Schöpfung benannt werden. 14
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2. Philons Ätiologie des Bösen an der Schaltstelle zwischen Schöpfer und Schöpfung 2.1 Der „Seiende“ selbst ist gut Für Philon ist der „Seiende“ niemals Ursache eines Übels (Agr. 128–130 u.ö.). Die Ambivalenz beginnt bei ihm, so früh sie kann, nämlich eine Stufe tiefer; es ist die des Logos. Dieser bewirkt, so hörten wir schon, τό τε εὖ καὶ τὸ μή. Ebenso die „Kräfte“ (Fug. 66 usw.), die sich in ihrer Zweiheit zur Abbildung dieser Polarität geradezu anbieten. Die Zweizahl, so wissen wir seit Pythagoras, ist gefährlich. Und siehe da: Die eine von diesen Kräften, Κύριος, hat bei ihm auch das Epitheton κολαστήριος „strafend“. Selbst wenn diese tötet, geschieht es zu einem guten Zweck für das Volk Gottes: so Philons Bemerkung über die Sintflut in Deus 73 und die über die Tötung des Er (Gen 38,7) in LA 3,73. Ebendort liest man auch eine ganz philosophische Rechtfertigung des Bösen: … Um das Bessere sichtbar werden zu lassen, war nötig, dass auch weniger Gutes entstünde (ἔδει γὰρ εἰς τὴν τῶν βελτιόνων δήλωσιν γένεσιν ὑποστῆναι καὶ τῶν χειρόνων) durch die Macht derselben Güte der Ursache, welche [sc. die Güte] Gott ist. 17
So sagt Philon im Sinne seiner Etymologie von θεός, wonach dieser Name an die Güte des „Seienden“ erinnert. Die Güte des „Seienden“ bringt auch das Böse hervor, damit das Gute überhaupt gut sein kann. Das Übel ist nämlich nur das „weniger Gute“; so auch in Spec. 2,209 usw. Dieses – uns vielleicht etwas läppisch erscheinende – Argument hat er, ohne dass er uns das sagen müsste, von Chrysipp (v. Arnim, SVF II Nr. 1169). Soweit diese Antwort, was die notwendige Unvollkommenheit der Schöpfung betrifft: So wahr sie differenziert ist, kann sie nicht so vollkommen sein wie das oder der Eine. Soviel zum mal métaphysique. Ein Verdacht, ehe wir zum nächsten Schritt übergehen, ist noch zu beantworten: 2.2 Die Materie als Ursache metaphysischen Übels? Seit Platon liegt ein Verdacht auf der Materie, Ursache von Störungen der Schöpfung zu sein, also von Übeln, welche dann auch das (moralische) Böse nach sich ziehen: Man lese nur, was Philon in Spec. 4,187 und an anderen Stellen über die χείρων οὐσία (das ist bei ihm die Materie) schreibt.18 Nun ist aber nicht die Materie, sondern der Logos der Partner
Übersetzung durch den Verfasser, ebenso bei den folgenden Zitaten. H.-F. W EISS, Untersuchungen zur Kosmologie des hellenistischen und palästinischen Judentums, TU 97 (1966), 62–70, mit Parallelen. 17 18
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des Schöpfers bei diesem Geschehen. Die Materie, wenngleich auch sie nach stoischer Terminologie als οὐσία bezeichnet werden kann (aber mit Qualifikationen, darunter auch ἄποιος oder ἄμορφος),1 ist doch bei ihm in platonischer Terminologie das μὴ ὄν, das noch nicht Geformte oder Geprägte, und damit inaktiv. Der Logos hingegen ist aktiv bei der Schöpfung (eine Vorstellung, die Josephus durchaus tadelt: Ap. 2,197), und zwar insbesondere als λόγος τομεύς, als die Schneide, die die Vereinzelungen hervorruft.2 Das bringt bereits den Logos, das „Verhältnis“, den „Bruchstrich“, in die Ambivalenz. Der Materie werden wir erst bei populäreren Erklärungen, die Philon auch hat, wiederbegegnen; da ist es dann die Versuchlichkeit des „Fleisches“.
3. Die doppelte Schöpfung 3.1 Eine platonische Vorgabe Ganz platonisch ist bei Philon die Verdoppelung der Welt in ein immaterielles, eigentlich Seiendes und ein materielles, nur abgeleitet (partizipierend) Seiendes, das im Vergleich zu jenem auch als Nichtseiendes bezeichnet werden kann (Akosmismus!). In De opificio mundi (§ 16; 71ff.) wird selbst der Mensch aufgespalten in den eigentlichen Menschen, eine singuläre, ewige Idee (Prototyp des Gottes „Mensch“ in der Gnosis), und die historische, vorfindliche Menschheit. Die Konsequenz des Akosmismus wird nur dadurch vermieden, dass für Philon – wiederum in platonischer Weise – zwischen Sein und Nichtsein kein absoluter (kontradiktorischer), sondern nur ein relativer (polarkonträrer) Gegensatz herrscht – so sehr auch immer das heutigem Sprachgefühl widerstreben mag. Will man das Problem mit heutigen Mitteln logisch fassen, muss man sagen: Der platonische Gebrauch von „sein“ leitet sich nicht von dem die Existenz einer Sache behauptenden ἔστιν ab (wenngleich Philon, wie auch der traditionelle Platonismus, ihn so missversteht), sondern von der Copula (ἐστίν), dem prädikativen „sein“, das in der Tat einer abstufenden Verwendung fähig ist, da es mehr oder weniger zutreffende Prädikate mit einem Subjekt verbinden kann. Nur von diesem, dem prädikativen ἐστίν, handelt, genau besehen, die sogenannte Ontologie.
Etwa in De Deo 3. F. SIEGERT, Über die Gottesbezeichnung, bes. 57–59. Ein Nachklang dieser Lehre, auf Entscheidungen des Weltgerichts bezogen, findet sich in Hebr 4,12, auf Christus bezogen. 1 2
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Die Ontologie spricht von Formen und Qualitäten, aber nicht von der Materie. (Bis heute entzieht sich diese unseren Definitionen.) So ist also die Materie „nicht-seiend“, brauchte deswegen auch nicht geschaffen zu werden; die gestaltete Materie aber ist – dank der in sie investierten Ideen – eingeschränkt „seiend“. Philons Bewältigung des Bösen besteht in dem platonischen Gedanken, die von der ungestalteten Materie herrührende Unordnung müsse die Ursache aller weiteren Übel sein. Ein förmlicher Dualismus (wie in der Gnosis) wird hierbei nicht zugelassen, und der Optimismus des platonischen Timaeus wird erneuert, wonach die geschaffene Welt die beste aller möglichen sei.3 Auch diese These finden wir wieder bei Leibniz. Zwischen dem Geistigen und dem Materiellen besteht für Platon und seine Schüler ein radikaler Gegensatz (radikaler als zwischen Sein und Nichtsein), jedoch ist dies kein Dualismus im Sinne zweier auch nur annähernd gleich mächtiger Gegenpole. 3.2 Philons Exegese von Gen 1,26 Philon macht seine Zwei-Welten-Theorie an mehreren Doppelungen fest, die just der einschlägige Satz in der Genesis, nämlich 1,26, bietet. Da wird der Mensch nach dem Bilde (εἰκών) und nach der Gleichheit (ὁμοίωσις) des Schöpfers geschaffen, und selbst für dieses Schaffen stellt der weitere Kontext den Unterschied zwischen den Verben ποιεῖν „herstellen“ und πλάσσειν „formen“ zur Verfügung: Für Philon, der, wie die Rabbinen, nichts Überflüssiges in der Schrift zulässt, ist das der klare Hinweis darauf, dass der Erschaffung des sinnlich wahrnehmbaren Kosmos, den wir um uns haben, die Erschaffung eines ideellen und immateriellen Kosmos vorausgegangen sein muss (und ewig vorausgeht).4 Eine andere Doppelung des Ausdrucks ist ihm im selben Vers Gen 1,26 auch wichtig: das ‚wir‘ in „lasst uns Menschen machen“. Hier wird nicht etwa die Einheit des Schöpfers in Frage gestellt, lehrt Philon, sondern ein 3 So Tim. 29a als Postulat. Bei Philon vgl. Plant. 130f.; QG 1, 6 u.ö.; s. D. R UNIA, Philo of Alexandria and the Timaeus of Plato, Philosophia Antiqua 44 (1986), 114–118. 4 Dass diese Verdoppelung bei Philon schon traditionell ist, erweisen nicht nur vage Andeutungen Philons selbst, sondern auch eine Ungereimtheit innerhalb der hier zitierten Passagen (J. M ANSFELD, Philosophy in the service of Scripture. Philo’s exegetical strategies, in: J.M. D ILLON/A.A. LONG [Hgg.], The Question of «Eclecticism». Studies in Later Greek Philosophy, Hellenistic Culture and Society 3, Berkeley, Los Angeles, London 1988, 70–102; hier 87–89): Die Zuordnung des intelligiblen Adam zum Verbum ποιεῖν und die des irdischen Menschen zum Verbum πλάσσειν/πλάττειν, wie Philon sie vornehmen möchte, geht nicht auf. Er muss von Gen 5,1ff. absehen, wo eben jener „geschaffene“ Adam derjenige ist, der Kinder zeugt. Philon verlässt hier seinen Grundsatz, wonach der Nomos nicht auswahlweise interpretiert werden dürfe (QG 3,3).
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Hinzukommen sekundärer Ursachen zugegeben, die für die Unvollkommenheit und somit das Böse im Menschen verantwortlich sind.5 Dies ist eine Theodizee des „Seienden“ auf Kosten seines Logos bzw. der zwei „Kräfte“. So Opif. 72–75; vgl. Fug. 68–72 (auch zu Gen 1,26); ferner Conf. 168–183; Mut. 30–32.6 In QG 2,56 erhält Noah, Anfang einer zweiten Schöpfung, den Rang des immateriellen Menschen, weil er zum Herrschen über die Schöpfung berufen wird (Gen 9,1f in Wiederaufnahme von 1,28; vgl. unten: Mensch und Tier). Während also Adam für die Idee des Menschen steht, steht erst Noah für körperlich-natürliche Menschen. Bemerkung im Vorgriff: Die Gnostiker machten sich diese (mittel-)platonische Verdoppelung des Menschen zunutze, wenn sie von einem Gott „Anthropos“ lehrten, er sei sogar dem Demiurgen (und Gott der Juden) überlegen: Als ihm überlegener Gott sagt er sich von ihm und von der Schöpfung los.
4. Anthropologie des Bösen In einem nur bei Stobaios (1,1,12) überlieferten Gedicht des frühen Stoikers Kleanthes, den Philon kannte und einige Male zitiert (allerdings nicht mit dem jetzt interessierenden Text),7 wird vom Walten des Zeus gesagt, es geschehe alles nach seinem Logos, außer all dem, was die Schlechten in eigener Torheit begehen (πλὴν ὁπόσα ῥέζουσιν κακοὶ σφετέρῃσιν ἀνοίαις).
Das Böse in der Welt ist da also der böse Entschluss von Menschen, erklärlich – aber nicht entschuldbar – aus Mangel an Nachdenken.8 Wir werden etwas ganz Ähnliches bei Philon finden.
5 D. W INSTON, Theodicy and the Creation of Man in Philo of Alexandria, in: C. C AQUOT/M. H ADAS-LEBEL/J. R IAUD (Hgg.), Hellenica et Judaica. Hommage à Valentin Nikiprowetzky, Leuven/Paris 1986, 105–111. 6 Mehr zu diesem Lehrstück findet sich in jeder der eingangs genannten Philon-Darstellungen, zuletzt bei R. R ADICE, Philo’s Theology and Theory of Creation, in: A. K AMESAR (Hg.), Cambridge Companion to Philo, 124–145 (144). 7 Es ist der Zeus-Hymnus, wiedergegeben bei v. Arnim, SVF I Nr. 537, hier Z. 17 (= S. 122, Z. 14). 8 Hier ist ἄνοια also Gegenbegriff zur Pronoia des Zeus. Der Ausdruck ist ungewöhnlich und ist vielleicht das – metrisch benötigte – Pendant zu dem in ethischen Kontexten eher belegbaren ἄγνοια „Unkenntnis“ (für diesen Hinweis aus der Diskussion des Referats danke ich v.a. Herrn O’Brien).
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4.1 Das Problem der Begierde Vom Übel, das auch in der besten aller Welten seinen notwendigen Platz findet, kommen wir jetzt also zum Bösen, worunter das beabsichtigte Übel zu verstehen ist. Philosophisch gesehen, ist es ein noch größeres Problem als das Übel; denn für Letzteres lassen sich meist leichter die Ursachen angeben. Auf die Zwischenstufe, nämlich das nicht beabsichtigte, aber doch verschuldete Übel soll hier nicht eigens eingegangen werden; dieses lässt sich mit Kombinationen aus dem hier zu Sagenden vermutlich bewältigen. Also, wie kommen Menschen – oder soll man, wie Kant es noch tat, ausweiten: vernünftige Wesen? – dazu, wissentlich ein Übel herbeizuführen? Philon kennt den anthropologischen Dualismus der nachmaligen hebräischen Tradition, der dem Menschen zwei Triebe zuschreibt, aber noch nicht unter dieser Bezeichnung.9 Die hier einschlägigen Texte (Opif. 73 usw.)10 sprechen traditionell griechisch von der Wahl zwischen Tugend und Laster. Diese Ausdrucksweise objektiviert beides, Tugend wie Laster, gegenüber dem Menschen. Was aber diesen selbst betrifft, so sagt Philon (Det. 82): „Jeder von uns ist zweifach …, ein Tier und ein Mensch.“ Ebenso kann er auch sagen, jeder sei ein Kind und werde ein Erwachsener, eine Frau und werde dann erst ein Mann (s.u. 4.2). Das Schlüsselwort im Weiteren ist dasselbe wie dann bei Paulus im Römerbrief (1,24; 6,12; 7,7f.; 13,14): ἐπιθυμία „Begierde“. Aus dem wiederholten „du sollst nicht begehren“ im Dekalog und sonst wird auch bei Philon schon gefolgert, dass die Grundsünde das Begehren sei, das Habenwollen.11 Der Mensch kennt diesen Antrieb ebenso sehr wie den Gebrauch seiner Vernunft, seines Urteilsvermögens. Darin liegt seine Ambivalenz. Die Zurechenbarkeit von Sünde beruht auf der Gottesgabe des Verstandes (Gen 2,7). Von der Sündenfallgeschichte hat Philon dementsprechend eine ganz unmythische Auslegung anzubieten: Die Schlange von Gen 3,1 ist kein Tier; sie ist Symbol der Lust (ἡδονή, Agr. 97ff.).12 Dies ist freilich kein so W OLFSON, Philo II, 279–303. G.H. C OHEN STUART, The Struggle in Man Between Good and Evil. An Inquiry Into the Origin of the Rabbinic Concept of Yeser Hara’, Kampen 1984, 101–114. 11 C. LÉVY, Philo’s Ethics, in: A. K AMESAR (Hg.), Cambridge Companion to Philo 146– 171, hier: 158f. – In der Begierde liegt gerade bei Paulus nicht nur die ratio cognoscendi dieses Sachverhalts, sondern möglicherweise auch die ratio essendi: Die Tora bringt Sünde (mit) zustande. Paulus ist hier wie anderwärts in diesem Punkt nicht ganz klar, belässt es vielmehr bei einem – zweifellos sehr unjüdischen – Verdacht. 12 Zu der ausdrücklichen Entmythisierung in diesem Kontext s. A. K AMESAR, Biblical Interpretation in Philo, in: ders. (Hg.), Cambridge Companion to Philo, 65–91 (78f.). 9
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spezifischer Terminus wie der vorige; er war Philon als Lehre wohl vorgegeben. Diese besagt dann aber: Es ist der dem (unreifen) Menschen eigene Gedanke, der ihn verführt, das Spiel mit den Möglichkeiten, die zweifelnde Frage. In Quaestiones in Exodum 1,23 gibt Philon eine Anwendung der ZweiKräfte-Lehre auf den Menschen: Bei jeder Geburt träten in die Seele des Individuums zwei Kräfte ein, eine heilsame und eine zerstörerische.13 Das ist schon eine Hälfte dessen, was wir noch als Erbsündenlehre in statu nascendi kennenlernen werden (4.2). Ein platonischer Impuls, der das eben Gesagte keineswegs aufhebt, sondern bestätigt, liegt in der These, Böses Wollen sei eine Krankheit (QG 2,33). Da ist dann das Verhältnis dieser beiden Seiten aus dem Gleichgewicht geraten, oder besser gesagt: Das Übergewicht, das die Vernunft haben sollte, ist zum untergeordneten Antrieb geworden. Um soviel mehr ähnelt der Mensch dann dem Tier. Das Grundböse wird in Cher. 75–77 darin gesehen, dass ein Mensch aus Hochmut (διὰ μεγαλαυχίας) „das, was Gott eigen ist, sich selbst zuteilt: Gottes Eigentum ist schließlich das Wirken …; dem Geschaffenen eigen ist jedoch das Bewirktwerden (πάσχειν)“. In Auslegung von Ex 15,9 besteht der Irrtum des „Feindes“ Gottes in der Meinung, etwas zu beherrschen (κρατεῖν), wo er doch beherrscht wird.14 Der Mensch ist aber nicht Schöpfer, sondern nur Nutznießer.15 So lautet die Rationalisierung desselben Sachverhalts: Das Böse beruht auf einem Irrtum menschlicherseits. So hatte schon Platon gelehrt, und so ist auch Philons Erklärung dessen, was die Bibel „Sünde“ nennt.16 Im Ergebnis übernimmt Philon aus seiner Bibel eine ungelöste Spannung zwischen dem Monismus einer guten Schöpfung und dem Dualismus eines zu Gut wie auch Böse neigenden Menschen – womit die Frage der Gnostiker schon abzusehen ist, ob die Schöpfung nicht ganz oder teilweise das Werk subalterner Mächte (Astralmächte) ist, die es nicht eben 13 Zu dieser eigentümlichen Stelle, die mit der gesamtkosmischen Zwei-Kräfte-Lehre durchaus zusammenstimmt (gegen R. Marcus’ Anmerkung z.St. in der LCL-Ausgabe) vgl. J. D ILLON, The Middle Platonists, London 1977, 173. Sie gehört in den Rahmen mittelplatonischer Dämonologie und imitiert mindestens deren Sprache. 14 Im Christentum einschließlich Judenchristentum wurde Gen 3,5 „Ihr werdet sein wie Gott“ gern herangezogen (ApokAbr 21,3; Leben Adams und Evas 15,3). Bei Philon, der von der Septuaginta ausgeht („Ihr werdet sein wie Götter“), besteht die Verführung in dem Gedanken, es könne mehrere Götter geben (QG 1,36). 15 Dass es damals im Judentum nur wenige Erfinder gab (wie Josephus, Ap. 2,182f. zugibt), mag auf dieser Auffassung beruhen. 16 W. K NUTH, Der Begriff der Sünde bei Philon von Alexandria, Würzburg 1934; W OLFSON, Philo II, 225–237.
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gut meinten. Lt. QE 1,23 ist göttliche Gnade nötig, damit die destruktiven Kräfte der Seele gebannt werden. Selbstliebe, das Laster aller Laster, ist ererbt (Sacr. 55–59).17 4.2 Ansätze zur Lehre von der Erbsünde Gibt es bei Philon eine Lehre von der Erbsünde?18 – Die Weitergabe erblicher Makel moralischer Art ist für Philon an die Zeugung gebunden, jene wiederum aufgefasst als Bindung einer Seele an die Materie, und weniger (wie wir es sehen würden) als die Chance oder das Geschenk neuen Lebens. So resultiert bei Philon denn auch dieselbe negative Bewertung der Sexualität daraus wie nachmals im Christentum, gesteigert dann im Gnostizismus und auch in gewissen Arten von Christentum bis hin zum Enkratismus als Heilslehre. Schriften wie Philons De vita contemplativa haben hierbei, auch als vermeintliche Ursprungslegende des Mönchtums, keine geringe Rolle darin gespielt. Nun mag es einem Philon zu denken gegeben haben, dass in jedem menschlichen Individuum die Vernunft sich erst herausbildet, wohingegen die Triebe (fast alle) schon da sind. (Den Geschlechtstrieb und vielleicht auch den Geltungstrieb würde man in nach-freudscher Reflexion eigens behandeln.) Dem Philosophen, zumal dem selbst kinderlosen (ob Philon je Vater war, kann man bezweifeln), mag es so scheinen, als müssten Menschen aus einer Art von Tier erst gebildet werden. Was dabei freilich übersehen wird, weil es vielleicht auch gar nicht erlebt wurde, ist das Urvertrauen, das Kinder zu ihren Eltern haben, und zwar wenigstens zu den Eltern, die sich normal und „natürlich“ zu ihnen verhalten. Aber in dieser Hinsicht war die Psychologie der Antike und auch die der Folgezeit lange noch in einem embryonalen Zustand. Die einfachste aller Erklärungen, die je gefunden wurde und die auch bei Philo gilt, lautet: Die Frau ist schuld (Opif. 151–156).19 Bei Philon steht Eva – als Gegensatz zu Adam – in ihrer Verführbarkeit für die sinnliche
17 Erst die Naturrechtslehren der Neuzeit (Pufendorf, Wolff, daraus auch noch Kant) differenzieren zwischen einer berechtigten Selbsterhaltung und dem Laster der Selbstsucht. 18 G.-H. BAUDRY, Le péché originel chez Philon d’Alexandrie, in: Melanges de Science Religieuse 50 (1993), 99–116; Ders., Le péché dit original, ThH 113, Paris 2000. – Die entgegengesetzte These – ein Sich-Selbst-Rechtfertigen vor Gott – wäre Gnosis (wie ja im Nag-Hammadi-Codex VII 62,34–64,29 refrainartig wiederholt wird: „Wir haben nicht gesündigt“). 19 Näheres bei C. T ERMINI, Philo’s thought within the context of Middle Judaism, in: A. K AMESAR (Hg.), Cambridge Companion to Philo, 95–123, hier 104f.
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Wahrnehmung (αἴσθησις);20 Adam hingegen verkörpert den Verstand (νοῦς).21 Zur dieser Spitze gegen Eva (und damit gegen jede Frau) vgl. im Neuen Testament 1Tim 2,13–15.22 Philon hat über kaum eine Frau Gutes zu sagen. Die einzigen mir bekannten Ausnahmen sind Sara, Abrahams immerhin ebenbürtige Gemahlin, und die Kaiserin Livia, von deren in Alexandrien getätigten Geldanlagen die Familie Philons üppig leben konnte – aber das rühmt er nicht, sondern ihre hohen Tugenden: Legat. 319f.23 In seiner Theologie aber ist es so: Frauen und Kinder veranschaulichen die angestammte Gebundenheit des Menschen an seine Leidenschaften,24 aus welcher man (Mann) sich in lebenslanger Anstrengung sich mühsam herauswindet. Dies ist in meinen Augen durchaus eine Vorform der Erbsündenlehre, nur dass die Erlösung dann ganz anders beschaffen ist als im Christentum.
5. Andere Antworten bzw. Nicht-Antworten Einen Teufel oder Satan kennt Philon nicht, und δαίμων gebraucht er für die – für ihn ja unschädlichen – Gottheiten des Heidentums. In welcher Form seine Dämonologie (genauer: seine Lehre von den unkörperlichen Seelen im Luftelement) zur Erklärung menschlicher Schlechtigkeit mit beiträgt, haben wir oben schon gesehen (vgl. Somn. 1,134ff. usw.). Sie hat im übrigen mehr kosmologische Bedeutung – Füllung von Leerräumen – und wird nicht für den Ursprung böser Taten herangezogen. Eine eigentümliche, vom oben (4.1) Gesagten abweichende Deutung kann Philon der Schlange in Gen 3 geben. Dem Vorgang von Weish 16,5– 14 folgend sowie einer Lesart, die in Weish 16,6 ein σύμβολον σωτηρίας zur σύμβουλον σωτηρίας macht, lässt er die Schlange – wie später die Gnostiker – zunächst eine sehr positive Rolle spielen.25 Worauf er sich 20 Cher. 57. Zu dieser Namens- und Personensymbolik s. F. SIEGERT, Early Jewish Interpretation in a Hellenistic Style, in: M. SÆBØ (Hg.): HBOT. Hebrew Bible/Old Testament. The History of its Interpretation, Bd. I/1, 1996, 130–198, hier 185f. 21 LA 1,92 nach einer Kapriole, die von der Etymologie „Erde, irdisch“ völlig abführt. 22 Ähnliches steht auch in der Apokalypse Abrahams 9,2; 11; 14,2; 21,2.6, verbunden mit einer Beschuldigung Evas; ebenso im Leben Adams und Evas 18,1; 26,2; 35,2. Das sind aber alles meines Erachtens judenchristliche Texte. 23 Er nennt sie unter ihrem späteren offiziellen Namen Julia Augusta. 24 C. LÉVY, Philo’s Ethics, in: A. K AMESAR (Hg.), Cambridge Companion to Philo, 148–171 (158). 25 J. FREY, „Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat…“. Zur frühjüdischen Deutung der ‚ehernen Schlange‘ und ihrer christologischen Rezeption in Johannes 3,14f.,
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hingegen nicht einlässt, ist der Gegenmythos zu Gen 3, nämlich Gen 6,1–4, der Fall der Engel (vgl. 1Hen 9–10). Den erklärt er in Gig. 1–18 zum Aberglauben.26 Engel des Bösen27 kennt Philon nicht. Im Gegensatz zu den Engeln, Lieblingsobjekten des Volksglaubens, sind jedoch die Dämonen auch für Philosophen ein Gegenstand des Nachdenkens gewesen; sie haben einen gewissen Platz im Weltaufbau inne. So ist es auch bei Philon,28 wobei aus systematischer Sicht zu bemerken wäre, dass, um den Raum zwischen Gott und den Geschöpfen auszufüllen, die „Kräfte“ seiner Kosmologie eigentlich gereicht hätten. So weit aber gibt er dem Volksglauben nach, und nicht nur ihm, sondern dem allgemeinen Animismus der Spätantike. Was nämlich zu Philons Zeiten jeder glaubte, vom Philosophen bis zum Magier, war, dass der Luftraum voll von Dämonen sei – worunter man sich die Seelen ungeborener oder bereits gestorbener, dann v.a. gewaltsam gestorbener, Menschen vorstellte. Während Philon diese Auffassung voll akzeptiert, verwehrt er sich jedoch als Jude jeden Umgang mit Dämonen (Spec. 3,93– 103). Man hat sie weder zu fürchten, noch soll man sich ihrer bedienen.29 Als positiver Schluss sei noch erwähnt, dass Philon die Überzeugung hegt, das Übel im Kosmos werde in Bezug auf das Volk Israel nie zerstörerisch wirken, da dieses Volk Gottes besonderem Schutz unterstehe. An dieser Stelle seines Denkgebäudes – die allerdings nicht sehr ausgeprägt ist – wäre eine genauere Vermittlung von Kosmologie und Geschichtstheologie nötig, zu der Philon aber nicht in der Lage ist. Hier kann man z.B. den Schluss des Fragments De Deo heranziehen, der geradezu seelsorgerlich klingt, sogar von einem „Senden“ des Logos spricht in Notlagen, dabei aber theoretisch isoliert ist. Denn wie der Seiende, der Schöpfer, auch Retter sein könne – eine seiner „Kräfte“ immerhin trägt das Adjektiv σωτήριος –, das wird gerade in denjenigen Traktaten nicht gesagt, die auf in: M. H ENGEL/H. LÖHR (Hgg.): Schriftauslegung im antiken Judentum und im Urchristentum, WUNT 73, Tübingen 1994, 153–205 (hier: 164f). 26 C. T ERMINI, Philo’s thought within the context of Middle Judaism, in: A. K AMESAR (Hg.), Cambridge Companion to Philo, 95–123 (102). 27 In 1Sam 16,14.23 schlagen sie Ägypten. Ebd. 18,10 u.ö. wird vom Wirken eines „bösen Geistes von JHWH“ gesprochen, der Saul verwirrt. Vgl. den Beitrag Römer im vorliegenden Band. 28 W OLFSON, Philo I 368–373 u.ö.; vgl. oben Anm. 30. Ferner V. N IKIPROWETZKY, Sur une lecture démonologique de Philon d’Alexandrie. De gigantibus, 6–18 (1980), in: Ders., Etudes philoniennes, Paris 1996, 217–242. 29 Nichtsdestoweniger erkennt Philon (ebd. § 100) eine ἀληθὴς μαγική an, die in der genauen Naturkenntnis gerade der Perser besteht. Derlei reklamiert Josephus dann für Salomo, den Vater der jüdischen Magie, in BJ 7,178–189. Damit sind wir wieder im common sense der Antike, auch der späten.
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Konkretes in Philons Zeitgeschichte eingehen, In Flaccum und Legatio ad Gaium. So klar der Pronoia-Begriff bei Philon kosmologisch verortet ist, als wohlgefügte Struktur und als Funktionieren der Weltmaschine, so wenig besagt er es im Zusammenhang mit dem Historisch-Zeitlichen. Dem zu entfliehen, ist ja ohnehin das Ziel der Denkanstrengungen Philons.30 Seine beiden Schriften De providentia sind dementsprechend inhaltlich erstaunlich mager: Sie geben nichts her als die Allgemeinheiten damaliger Politik und Zivilreligion, wonach dieser Begriff, wo er denn Zeitliches meint, auf nichts anderes geht als auf das Walten der Herrscher und ihrer Agenten.31 Heil ist Ordnung; kaum je kann auch ein Geschehen als σωτηρία qualifiziert werden. Seltsam klingt in diesem Zusammenhang der Schluss des Fragments De Deo, das leider gerade hier (§ 12) abbricht. Gerade hatte Philon die Pronoia gelobt, die die Weltstruktur trägt, und zu den vier Elementen auch die beiden „Kräfte“ wieder erwähnt, deren andere, φθόνος (das ist natürlich ein Synonym zu Empedokles’ νεῖκος), vom Schöpfer dissoziiert wird in einer „seelsorgerlich“ klingenden Wendung, deren Fortsetzung wir aber, wie gesagt, nicht kennen. Sie lautet:32 Den Neid aber, wie ich schon so oft gesagt habe, hält er weit von sich fern und ist in seiner Großzügigkeit der Allerfreigebigste. Sein Abbild und das der Kräfte hat er zu uns gesandt als Helfer in Schmerzen und Übeln, an denen jeder teilhat, der aus der sterblichen Natur entstanden ist.
Nach meiner Auffassung ist das hier gemeinte „Abbild“33 des Schöpfers, zwischen diesem und den „Kräften“ gelegen, der Logos. Dessen „Sendung“ zu den leidbeladenen Menschen, an Heilsaussagen der Psalmen erinnernd, 30 C. LÉVY, Philo’s Ethics, 165: „… because evils can never pass away from the earthly sphere, one must become like God as far as it is possible, so as to fly to the heavenly realm.“ 31 Der Adressat dieser Schrift, Philons Neffe Tiberius Julius Alexander, wird damit ermuntert, sich in die politische Karriere zu begeben. Dass er Apostat geworden sei, ist ein Gerücht, ausgelöst von der Nachricht des Josephus, AJ 20,100, er habe sich, in hohen und höchsten römischen Posten angelangt, nicht mehr nach den Vorschriften der Tora verhalten. Dass das auf dieser Ebene nicht möglich war, musste schon Philon wissen, der ihn dennoch dazu ermutigt. – Eine monumentale Inschrift d.J. 68 n. Chr., wo dieser Alexander seine Pronoia für die Bevölkerung preist bzw. preisen lässt, ist wiedergegeben bei Schimanowski, Juden und Nichtjuden 252f. Das genau war der „Sitz im Leben“ dieses Begriffs. 32 Zitiert nach meiner Übersetzung (oben Anm. 12), 37. 33 Der einzig erhaltene armenische Text hat kerparan, was nach den Wörterbüchern auch für μορφή, ἰδέα, εἶδος, σχῆμα, ὁμοίωμα und πρόσωπον stehen kann. In den armenischen Philon-Texten steht es vornehmlich für εἰκών. Dazu vgl. Christus als „Ikone“ Gottes in 2 Kor 4,4 und Kol 1,15. Theologisch liegt hier die Berechtigung von Bildern im Christentum. Dieses beerbt jüdische Logos-Theologie.
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bes. an Ps 107 (106),20 (ἀπέστειλεν τὸν λόγον αὐτοῦ), wird bei Philon als Hilfe Gottes durch geschenkte Einsichten expliziert34 – welche ja doch wohl in der Mose-Tora zu finden sind. Deren narrativer Gehalt geht auf im präskriptiven, der für Philon auch ein kosmologisch-deskriptiver ist. Man vermisst jedoch jede Verbindung zwischen dem Pronoia-Begriff und dem eben benannten Logos oder den „Kräften“ in den zeitgeschichtlichen Ausführungen von In Flaccum und Legatio.35 Was Philon aber gelingt, solange er kosmologisch reden kann, ist die Einkapselung des Übels. Da ist es dann – auf seine Art – „in Ordnung“.
34 Belege in meiner De Deo-Ausgabe, 139. Hinzugefügt werden kann LA 3,177. Sprachlich vorgearbeitet hat Aristobul, Frg. 2 § 7f (bei Euseb, PE 8,10,7f, wo der Ptolemäer seine „Kräfte“ (hier: Streitkräfte) zur Kontrolle der Lage einsetzt (Verb: ἐξαποστέλλειν). 35 A.M. M AZZANTI, σωτήρ e σωτηρία nell’ exegesi di Filone di Alessandria, Annali di Storia dell’esegesi 10 (1993), 355–366; K. H AACKER, Die Geschichtstheologie von Röm 9– 11 im Lichte philonischer Schriftauslegung, NTS 43 (1997), 209–222. – Dass seinerzeit in Alexandrien im Endeffekt alles „noch mal gut ging“ und Gajus Caligula ums Leben kam, ehe es den Juden ans Leben ging (ähnlich ist ja auch die Lehre des In Flaccum), das macht Philon blind für die Faktoren des Judenhasses, die er um sich herum hätte beobachten können.
Clement of Alexandria on the origin of evil1 DAVID T. RUNIA Clement of Alexandria represents a new stage in the development of ancient views on the origin of evil in our world. He is not the first to combine Greek and biblical answers to the problem. That honour must be granted to Philo. He is certainly not the first Christian to reflect on the problem. That honour should probably go to the apostle Paul, whose writings he so assiduously studied. By the end of my paper I hope to make clear what Clement’s decisive new contribution was and will not anticipate on it at the outset. Clement is one of the four great thinkers of the second century (the others are Justin, Irenaeus and Tertullian) who first gave shape to Christian theology, long before the outlines of orthodox dogma were formulated.2 Making a start often exerts decisive influence on what follows. For that reason Clement’s views on the nature and origin of evil have been extensively studied. There are two very competent monographs, by William Floyd and Peter Karavites, which give synoptic accounts of Clement’s views on the subject.3 My method in the present paper will differ from theirs. I will adopt a genetic approach and try to show how Clement came to hold the mature views that he reveals in his corpus of writings. Reflection on this subject always has an existential component. Because we know so little about Clement’s own life, this element will have to be more speculative than I would like. But by showing how Clement reached his views, I hope to demonstrate why he made such a decisive contribution to the discussion on the subject. I would like to thank Fabienne Jourdan and Rainer Hirsch-Luipold most warmly for inviting me to the Symposium and Annewies van den Hoek and David Gormley-O’Brien for making comments on a draft version. 2 As demonstrated by E.F. O SBORN in a series of monographs climaxing in his final study, Clement of Alexandria, Cambridge 2005. 3 W.E.G. FLOYD, Clement of Alexandria’s Treatment of the Problem of Evil, Oxford Theological Monographs, Oxford 1971; P.P. K ARAVITES, Evil, Freedom, and the Road to Perfection in Clement of Alexandria, VCS 43, Leiden 1999. 1
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Clement grew up in a pagan household in the mid-second century C.E. during the reign of the emperor Antoninus Pius, a period of great political stability and economic prosperity. It was not a time when the forces of evil were triumphant. And no doubt his superior social status, as indicated by the excellent education that he received, will have shielded him from the evils of poverty and violence. Yet we may surmise that there were plenty of occasions when he noted bad things happening, for example natural disasters such as earthquakes and epidemics, people perpetrating wicked actions, human suffering of all kinds. He will have observed the death of children, which in later life he described as among the worst of evils,4 prevalent to an extent that we in the modern world can hardly imagine. In literature too – particularly in the myths explored in the great works of Greek tragedy which he read at school – the evils that befall human beings would have been vividly brought home to him. In reflecting on these subjects, Clement turned to the answers provided by philosophy. We cannot be sure that he grew up in Athens, the home of the philosophical schools, but it is very likely that he studied there. Philosophy was the form of intellectual activity that enjoyed the highest prestige in his time. There were a number of αἱρέσεις, schools of thought, that competed for the allegiance of students. Clement will have joined the most popular school of his day, the school devoted to the study of Plato.5 Membership entailed reading and studying the writings of the founder under the supervision of a teacher. Clement cites Plato more than 600 times in his writings.6 It is plain that he knew substantial parts of his œuvre virtually by heart. This is where he first sought a theoretical answer to the question of the origin of evil. What then were the writings of Plato that were important for Clement on this question? To judge from his quotations and allusions, we may especially point to the following five works.7 (1) In Book 2 of the Republic he studied the so-called τύποι περὶ θεολογίας and read that it was crucial for the philosopher to have the right conceptions about God. God, Plato affirms, is the source of good things only and never the cause of evil, unlike the depictions in the myths of HoStr. II 142,2. For a discussion on what can be deduced about Clement’s formal philosophical training see D. W YRWA, Die christliche Platonaneignung in den Stromateis des Clemens von Alexandrien, AKG 53, Berlin 1983, 8–14. No concrete details are given in his works and we can only make deductions from his usage of the Platonic corpus and the interpretation he gives of Platonic texts and doctrines. 6 Full lists of quotations and allusions in O. STÄHLIN/U. T REU (edd.), Clemens Alexandrinus. Vierter Band, Register Erster Teil (GCS), Berlin 1980, 50–53. 7 See the thorough analyses of W YRWA, Platonaneignung, esp. chapters V and VI. 4 5
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mer and other writers. In Book 10 the fate of the human soul is described. Human beings – and not God – are always responsible for their choices and the actions that result from them. In the afterlife they will receive the rewards and the punishments they deserve.8 (2) In the Phaedo Clement read about the nature of the soul, how it was immortal but imprisoned in the body. The body exerted a negative influence on the soul, from which it had to be liberated, ultimately through death. (3) In the famous excursus in the Theaetetus Clement read that in the world of physical reality it was not possible to escape evil, since there always has to be something opposite to the good. Evil is to some degree inherent in the nature of physical reality, but one should try to escape this reality to the extent possible, and the way to do this is to practise ὁμοίωσις θεῷ, i.e. to become similar to God. (4) The Platonic work that Clement read which was most important for the problem of evil was undoubtedly the cosmological dialogue, the Timaeus. Here he found the answer to the origin of the cosmos. It was created by the demiurgic god, when he imposed order on the unruly nature of matter. God and his helpers also created the human soul and the human body in all their complexity. The soul had a rational and two irrational parts and it was given the task by the demiurge of leading a rational life, in which the forces of irrationality were countered, and thus attaining the state of well-being (εὐδαιμονία) enjoyed by beings who were divine. (5) The final work that was important for Clement was the Laws. Here he read that God was the beginning and middle and end and also the measure of all reality, and that he is just. When the human being is pure he is good and the friend of God, when impure he is evil. Later in the work Clement found Plato’s key text on providence. All things in the cosmos are ruled by divine providence, even if it might often appear that evil holds sway. The philosopher will recognize, however, that what seems to be evil for the human being in fact contributes to the good of the whole. These seminal texts which Clement studied and memorized gave him the answers that he sought on the problem of the origin of evil. Plato gave him a threefold answer (and here I recognize that I am going over familiar ground).9 Firstly, the entire physical realm perceived by the senses is
8 In addition Clement makes various references to the myths of the Phaedo and the Gorgias. 9 See the famous analysis by H. C HERNISS, The Sources of Evil according to Plato, Proceedings of the American Philosophical Society 98 (1954), 23–30 (reprinted in Selected Papers, Leiden 1977, 253–260), followed by L. BRISSON, Le même et l’autre dans la struc-
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marked by imperfection in comparison with the perfect realm of intelligible reality. The philosopher should attempt to flee from this realm whenever he can. Secondly, the body with its needs and desires forms an impediment. If the soul listens to its demands, it will go astray and bad actions will be the result. But thirdly, the greatest source of evil for human beings are the decisions made by the soul itself. The soul has the choice of practising ἀρετή and becoming like God, or giving in to irrational impulses and becoming wicked (κακός). In Plato’s philosophy the highest goal is to know and understand the good. If the philosopher can proceed along this path, he can avoid doing evil, and the residual evils that cannot be avoided in human life he will be able to shrug off. Such is a summary of what Clement learnt when studying Plato’s writings. It is important to recognize, however, that he did this in a scholastic context. Half a millennium had elapsed since Plato wrote his works and they had been intensively studied and interpreted during that time. Clement is well aware of this interpretative context. Broadly speaking his reading of Plato follows the lead of what modern scholarship has called the Middle Platonist school. The selection of texts noted above, and particularly the importance given to the Timaeus, is very typical of Middle Platonism. It gave a highly theocentric reading of Plato’s philosophy, emphasizing the importance of creation and the responsibility given to the individual soul. The Middle Platonists did not all interpret Plato’s writings in a uniform manner. For example, in a well-known text Clement states that Plato (and also Pythagoras and Aristotle) included matter among the first principles.10 But, he adds, Plato may have audaciously equated matter with non-being. This is an intriguing text. Clement relates the conventional view that Plato recognizes matter as ‘among the principles’, i.e. in addition to God as the source of good. But he adds that he may be hinting that matter is not a principle at all, i.e. that matter and evil have no substantial reality on their own. Here he is surely showing awareness of discussions in the Middle Platonist school as to the number and nature of the metaphysical principles and whether Plato should be read as an outright dualist with God and matture ontologique du Timée de Platon, International Plato Studies 2, Sankt Augustin 3 1998, 449–457. 10 Str. V 89,5–7: ναί, φασίν, ἀλλὰ ὕλην ὑποτίθενται οἱ φιλόσοφοι ἐν ταῖς ἀρχαῖς, οἵ τε Στωϊκοὶ καὶ Πλάτων καὶ Πυθαγόρας, ἀλλὰ καὶ Ἀριστοτέλης ὁ Περιπατητικός, οὐχὶ δὲ μίαν ἀρχήν. ἴστωσαν οὖν τὴν καλουμένην ὕλην ἄποιον καὶ ἀσχημάτιστον λεγομένην πρὸς αὐτῶν, καὶ τολμηρότερον ἤδη μὴ ὂν πρὸς τοῦ Πλάτωνος εἰρῆσθαι. καὶ μή τι μυστικώτατα μίαν τὴν ὄντως οὖσαν ἀρχὴν εἰδὼς ἐν τῷ Τιμαίῳ αὐταῖς φησι λέξεσιν (followed by the quotation of Ti. 48c2–6).
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ter in direct opposition to each other.11 Most Platonists recognized two or more principles, but played down the aspect of dualism.12 The exception here was the Neopythagorean Numenius, who explicitly describes matter as the ‘principle and cause of evil to the soul’.13 Of course we need to bear in mind that Clement wrote this text later when he was a Christian. His suggestion that in hinting at a single principle, Plato was in fact showing his debt to scripture, may have a revisionist element. Nevertheless I would argue that it points to an awareness of contemporary interpretative controversies in the Platonic school. In addition we should note that the Platonist school did not operate in a scholastic vacuum. In the course of its history it had constantly been engaged in discussions and controversies with other schools. From Aristotle it took over important terminology in ethics. From the Stoics it had taken over the strong emphasis on the doctrine of providence and even in some cases interpreted the pervasive nature of the cosmic soul in terms of the activity of the divine logos.14 It also agreed with the Stoics on the important role played by the human will (προαίρεσις), which was free to make its own choice, but disagreed on whether that will was subject to the iron determinism of fate. Both questions were of vital importance for Clement. He also agreed with his school in its strong opposition to Epicurean materialism. The occurrence of evil could not be explained through the random activity of material factors.15 At some stage during his younger years, but we do not know when, Clement became a Christian. Unfortunately he does not follow his older contemporary Justin in giving an (admittedly stylized) account of how he converted from philosophy to Christianity.16 But in the famous passage at the beginning of the Stromateis he mentions the ‘blessed men’ who were his teachers.17 We must assume that all of these were Christians, who aided 11 See the magisterial overview in H. D ÖRRIE/M. BALTES, Die philosophische Lehre des Platonismus. Einige grundlegende Axiome, Platonische Physik (im antiken Verständnis) I, Der Platonismus in der Antike 4, Stuttgart 1996, Bausteine 111–122. 12 On the controversy of whether matter is a principle see D ÖRRIE/BALTES, Die philosophische Lehre, Bausteine 123–124 (including Clement’s text). 13 Fr. 43,52 des Places (= Calcidius 296): deum quippe esse … initium et causam bonorum, silvam malorum. For Plotinus and Celsus too matter was the principle of evil; see W YRWA, Platonaneignung, 217. 14 For example in Atticus; see J. D ILLON, The Middle Platonists. A Study of Platonism 80 B. C. to A.D. 220, London 21996, 252. 15 On Clement’s views on the two schools in relation to the issue of free will see K ARAVITES , Evil, 111–115. 16 Dial. 2,1–8,4. 17 Str. I 11,1–2.
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him in one way or another in his intellectual quest after his conversion. It is unfortunate that we do not know the circumstances of his conversion. Was he impressed by the ethical doctrines and way of life of the early Christians? Did he admire their fortitude in martyrdom? Or was his conversion primarily intellectual, brought about by the appeal of Christian doctrines? We will most likely never know. But of one thing we can be certain. As in the case of Augustine centuries later, the act of conversion may have been sudden, but it was certainly accompanied by extensive reading of the Christian scriptures. What then were the key biblical passages and concepts that altered Clement’s thinking on the nature and origin of evil? I am persuaded that a key role was played by the pronouncements on sin (ἁμαρτία) and unrighteousness (ἀδικία) that were so pervasive in the New Testament, both in the gospels and in Paul’s epistles. Human beings reveal a pervasive inclination to evil that ruins their life and from which they need conversion and salvation. These concepts were familiar to Clement from his philosophical studies. In an important passage ἁμαρτία is defined as involuntary ἀδικία, while ἀδικία itself is defined as voluntary κακία (evil).18 But we should note that this analysis is directly followed by the citation of Romans 6:14 with its contrast between being under the law and under grace.19 It was because of human wrongdoing revealed through disobedience to God’s law and the grace of God’s dispensation for the world (οἰκονομία) that God’s son, the Logos, was sent into the world and became flesh, becoming just like us but without sin and without unrighteousness. But how did human beings fall so spectacularly into error, so that this drastic rescue operation was required? Here, to judge by various quotations and references,20 Clement was certainly attracted to Paul’s connection between humanity’s present state and the events following creation, when Adam fell into a sinful state. Following Philo,21 he reads the Genesis creation story as a compact account of the origin of the world and of humanity’s place within it, astonishingly parallel to Plato’s attempt in the Timaeus. God as the single first-principle (ἀρχή) of all being is wholly good. He created the corporeal world and the souls within it out of sheer beneficence and his creation was perfect in every respect. It is not right to postulate a principle of evil such as matter alongside God. The Greek philosophers Str. II 64,3: ἀτύχημα μὲν οὖν παράλογός ἐστιν ἁμαρτία, ἡ δὲ ἁμαρτία ἀκούσιος ἀδικία, ἀδικία δὲ ἑκούσιος κακία. Clement links the various terms, rather than have one of them, i.e. κακία, as the genus. 19 Str. II 64,4. 20 See Str. III 64.101,3–4, Exc. Theod. 55–56, etc. 21 On Philo and Clement see further below at n. 37. 18
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have to be corrected in this respect, but perhaps not Plato, as we noted earlier.22 Moreover, there is no question of God being blamed for humanity’s fall.23 Human beings were created good, perfect and complete (τέλειος), with all the knowledge that they needed for the good life of perfect felicity (εὐδαιμονία).24 But they were given the gift of freedom to choose and determine their actions and this is where they went astray, as the events in paradise recount. So free choice led to sin, and without divine intervention sin would become eternal death.25 But God in no way abandoned the creatures that he had created. Again in the footsteps of Philo Clement sees the doctrine of divine providence (πρόνοια) as the pendant to God’s beneficence in creation. God watches over what he has made. Nothing escapes his knowledge, not even the number of hairs on our heads.26 He did not, however, directly intervene when human beings took the wrong path. Indeed in his omniscience he will have foreseen it but did not prevent it out of respect for the freedom that he had granted to his creatures. However, because he is not only a good but also a righteous God, he punishes us for our wrongdoing. We cannot claim ignorance as an excuse, because God also gave human beings his law. It teaches us to fear God and his justice, but it also intimates that he is a loving God. His supreme act of love was, as the apostle John teaches, that he sent his only son, the Logos, to save us from our sins.27 God’s providence is revealed in his οἰκονομία for the cosmos and for humanity, a theological conception first developed by Irenaeus and quite foreign to philosophical thinking.28 Central in Clement’s new biblical thinking was the role of the Logos. The Logos was no longer just a logical or a cosmological concept, as in the Stoa and to a lesser degree in Platonism. Clement follows the apostle John
See our discussion above at n. 10. Clement loves to cite or allude to Pl. R. 617e, αἰτία δὲ ἑλομένου, ὁ θεὸς ἀναίτιος; see Paed. I 69,1, Str. V 136,4, and further references in STÄHLIN/T REU, Clemens Alexandrinus IV (above n. 6), 52. 24 See Str. IV 150,3, VI 96,2. In the latter text Clement qualifies Adam’s perfection by stating that it consisted not in terms of his constitution but in his being equipped for the acquisition of excellence. 25 Protr. 115,2–5: sin is eternal death, but the light of Christ can shine in human hearts. 26 Str. VI 153.2, cited by E.F. O SBORN, Clement (above, n. 2), 50. 27 John 3:16 is cited in Str. V 85,1. 28 The doctrine differs substantially from the cycle of the logos in Stoic thought, since its course is predetermined but not determined, and there are no endless cycles in Christian eschatology. 22 23
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closely.29 The Logos is both the God within God and a human person like us, except that he was without sin. The Logos came into the world to save sinners. Through the Logos God’s dispensation for the world could be carried out. But how did the Logos carry out his salvific role? Here again Clement’s philosophical background makes its presence felt. In both the exhortation of the Protrepticus and the pedagogy of the Paedogogus the Logos is above all the teacher and educator. Pronoia and paideia go hand in hand. Like Philo, Clement regards the punishment that God visits on his creatures as educational rather than retributive. When human thinking undergoes conversion through the Logos, it comes to understand that God is like a human parent and that such punishment is an act of love. Clement thus places the responsibility for evil fairly and squarely on humanity itself. God should not be held responsible nor should the chief blame be ascribed to any part of his creation, which was created as the best possible world that could be made when physical reality was involved. The key to Clement’s understanding of the origin of evil is the freedom of the human will. Adam and Eve did not have to fall into sin. It was their own free choice, even if as we saw it was foreseen by God. Sin in their case and in ours is committed through false judgment based on ignorance and the misuse of our rational faculties. These faculties are the servants of our will (τὸ βούλεσθαι) which takes the lead.30 But despite appearances (and unlike Augustine), Clement does not wish to subordinate knowledge to the will. For the true gnostic, he writes, will and judgment and practice are the same.31 I believe that the influence of the Platonic Socrates shines through here. In spite of his emphasis on the will, Clement is more an intellectualistic thinker than a voluntarist. Hence also his emphasis on the role of the Logos as teacher. When giving his account in Stromateis VII of the perfect gnostic who represents the perfection attainable for human beings in this life he states that there are two principles that account for virtually every sin or failure (ἁμαρτία), ignorance (ἄγνοια) and weakness (ἀσθένεια). But both of these are in our power (ἐφ᾿ ἡμῖν), i.e. the result of our free choice,
29 See E.F. O SBORN, Clement, chap. 5 and 6. But on the importance of Stoic ideas for Clement’s arguments on providence and theodicy see F. JOURDAN, La théodicée développée sur le thème du larcin des Grecs. Origine du mal, liberté et Providence chez Clément d’Alexandrie (Stromates I 17, 81-87), Semitica et classica 4 (2011), 114-36. 30 Str. II 77,5: προηγεῖται τοίνυν πάντων τὸ βούλεσθαι· αἱ γὰρ λογικαὶ δυνάμεις τοῦ βούλεσθαι διάκονοι πεφύκασι. 31 Str. II 77,6: τοῦ γνωστικοῦ δὲ καὶ ἡ βούλησις καὶ ἡ κρίσις καὶ ἡ ἄσκησις ἡ αὐτή. εἰ γὰρ αἱ αὐταὶ προθέσεις, τὰ αὐτὰ καὶ τὰ δόγματα καὶ αἱ κρίσεις, ἵνα δὴ ὦσιν αὐτῷ καὶ οἱ λόγοι καὶ ὁ βίος καὶ ὁ τρόπος ἀκόλουθοι τῇ ἐνστάσει.
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occurring when we refuse to learn or are dominated by desire (ἐπιθυμία).32 We note the use of the technical philosophical term τὸ ἐφ᾿ ἡμῖν, ‘what is in our power, under our control’, going back to Aristotle, but particularly prominent in Stoic authors such as Epictetus.33 It is not found in the Bible but Clement uses it to explain and systematize what he takes the Bible to mean. The emphasis on human responsibility, however, does not mean that human beings do not have powerful adversaries. One of the features of scripture and the Christian culture based on it that would have struck Clement when he came into contact with it was the heavy emphasis on Satan the devil and his minions, the maleficent demons. A connection could be made with the demonology with which he was familiar in Platonism. He suggests that Plato’s notorious evil world-soul in Laws X may be identified with ‘the devil much talked about in barbarian philosophy’.34 But the Christian preoccupation with demons goes beyond Greek philosophy. Conversion to Christianity seems to have heightened Clement’s experience of the wiles of demons. His vivid descriptions may be based on painful personal experience.35 Resistance involves unrelenting struggle. But there are limits to demonic power. Satan and his minions do not represent a dualistic force equal and opposed to God, for they are too are his creatures, but they fell in their striving for equality. God and the salvific Logos will provide aid against the might of the devil and he can be overcome. These, then, were the main developments in Clement’s thinking on the origin of evil in the world when he began to read the scriptures and became a Christian theologian. He was not alone in this enterprise. He worked together with others in the context of the Alexandrian Church. There he also came into contact with the work of the Jewish exegete and philosopher, Philo, with whom he clearly felt a great affinity, to such an extent that he quotes him at length throughout his writings.36 In his reflection on the naStr. VII 101,6: μυρίων γοῦν ὄντων κατ’ ἀριθμὸν ἃ πράσσουσιν ἄνθρωποι, σχεδὸν δύο εἰσὶν ἀρχαὶ πάσης ἁμαρτίας, ἄγνοια καὶ ἀσθένεια (ἄμφω δὲ ἐφ’ ἡμῖν, τῶν μήτε ἐθελόντων μανθάνειν μήτε αὖ τῆς ἐπιθυμίας κρατεῖν), τούτων δὲ δι’ ἣν μὲν οὐ καλῶς κρίνουσι, δι’ ἣν δὲ οὐκ ἰσχύουσι τοῖς ὀρθῶς κριθεῖσιν . Cf. II 62,3, VII 16,2 (but on this text see below). 33 Arist. EN 3.5 1113a11, Epict. Ench. 1 and passim. 34 Str. V 92.5. 35 FLOYD, Clement of Alexandria’s Treatment, 69. 36 Much research has been done on the relationship between Philo and Clement; see A. VAN DEN H OEK, Clement of Alexandria and his Use of Philo in the Stromateis. An Early Christian Reshaping of a Jewish Model, VCS 3, Leiden 1988; D.T. R UNIA, Philo in Early Christian Literature. A Survey, CRINT III 3, Assen 1993; E.F. OSBORN, Clement, 81– 105. Clement was the first extant Christian author to make specific reference to Philo. 32
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ture and origin of evil, Philo was an important influence, and the following three areas of this influence may be singled out. Firstly his example encouraged Clement to use his knowledge of Greek philosophy, and of Platonism in particular, when expounding scripture. This applied in particular to Philo’s reading of the creation account, which when viewed in a philosophical light, showed remarkable parallels with Plato’s Timaeus.37 Secondly themes in Philo’s theology were illuminating, notably his views on the goodness of God, the divine Logos (although the incarnation was missing), his treatment of the question of providence, and the distinction he made between serving God in fear and in love. We may fear God because He is just and will punish us for our wrongdoings, with death as the greatest penalty, but we can also recognize that his punishment is educational and that He wishes nothing more than that we become like Him and act through love for Him.38 Thirdly Clement was strongly attracted to Philo’s view that the chief cause of humanity’s inclination to evil was through desire and in particular sexual passion.39 This is the symbolism represented by the serpent in the Garden of Eden.40 Desire and passion, the story tells us, were the proximate causes of humanity’s fall. Clement also follows Philo in countering the strength of sexual passion by allowing conjugal love for the purposes of procreation. The whole of Stromateis III is devoted to the theme of marital relations. Clement emphasizes strongly that sex is not a sin in itself and that continence can be practised for the wrong motives.41 The background to this emphasis leads us to the final important component in his thinking on the nature and origin of evil. We do not know when Clement first came into contact with groups of Christian theologians who followed a line of thinking which in retrospect has come to be seen as heretical and now are generally designated as Gnostics. Certainly they were well established in Alexandria by the time that he arrived there and had significant groups of followers. These thinkers had views on the origin of evil and its relation to God to which Clement was strongly opposed and in his writings he frequently polemicizes against 37 See further D.T. R UNIA, ‘Plato’s Timaeus, First Principle(s) and Creation in Philo and Early Christian Thought, in: G. R EYDAMS-SCHILS (ed.), Plato’s Timaeus as Cultural Icon, Notre Dame 2003, 133–51. 38 Str. VI 125,6. 39 The continuity is emphasized by K.L. G ACA, The Making of Fornication. Eros, Ethics and Political Reform in Greek Philosophy and Early Christianity, Berkeley 2003, 190–217 and 247–272. She argues that Clement adopts a stricter line than Philo. 40 Protr. 111,1 and often elsewhere. 41 Str. III 67,1. This is not to deny that asceticism has the upper hand in this thinking; see the judicious remarks in J.E.L. O ULTON/H. C HADWICK, Alexandrian Christianity, The Library of Christian Classics 2, London 1954, 33–38.
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them. It seems clear, paradoxically enough that the contact that Clement had with them helped him to sharpen his thinking and come to a position which was much more balanced and so all the more important for the development of Christian theology. His first shafts are direct at Marcion and his followers. They are attacked for regarding matter as evil in itself, a doctrine which, he says, they probably derived from followers of Plato.42 In their view our world was made from such a material base by a righteous but unloving creator, who is not the same as the good God wholly disconnected from the material world. Birth itself is an evil imposed on souls as punishment for earlier deeds. They should wish to leave this world behind and seek refuge with the good God, practising sexual abstinence so as not to prolong human existence on this evil earth and out of hatred for its creator. Against these thinkers and others such as the followers of Basilides and Valentinus who also postulate a subordinate and maleficent creator, Clement affirms in the strongest terms the unequivocal goodness of God and the essential goodness of his creation.43 Neither matter nor the body are evil in themselves. Indeed there is much beauty in the material world. It is part of God’s gift. But they can very easily be an impediment to good living, as Plato rightly saw. Similarly, marriage and chaste sexual relations for the purpose of procreation are vigorously defended as right and good. Other groups of Gnostics go to the other extreme. Claiming to be by nature sons of the highest God, they raise themselves above the law and misuse their freedom of action to indulge in immoral behaviour, erring in their view that they have no responsibility for their actions in this bodily realm.44 For Clement the arena of life is precisely where human beings have freedom of action and must show their obedience to the law and to righteous living prescribed by a good God. Finally we should note a discussion that Clement has about the fate of martyrs with Basilides.45 Martyrs suffered terribly in testifying to their faith. How could a good God allow such suffering to happen? The Gnostic is convinced that, since God does not prevent it from taking place and He Str. III 12–21. On this text see W YRWA, Platonaneignung, 205–209. On the theme of divine goodness in Clement see the fine essay by E.F. O SBORN, The Sovereignty of Good in Clement of Alexandria, in M. SOETARDI (ed.), Valeurs dans le Stoïcisme du Portique à nos jours. Mélanges en l’honneur de M. le Doyen Spanneut, Lille 1993, 89–104. 44 Str. III 25–39. Prominent among these groups are the so-called Antitactae, i.e. ‘Opponents’ who opposed the evil subordinate being who caused evils to originate (III 34). 45 Str. IV 81–88. On this text see S.-P. BERGJAN, Der fürsorgende Gott. Der Begriff der Pronoia Gottes in der apologetischen Literatur der Alten Kirche, AKG 81, Berlin 2002, 123–154. 42 43
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is a good and a just God, the punishment and suffering involved must be regarded as beneficial and the martyrs must have committed crimes of which we are ignorant. Clement agrees with the first conclusion. The suffering is an opportunity to witness one’s faith. Nothing takes place contrary to the will of God, but He also does not prevent it from happening. This alone, Clement claims, saves both providence and the goodness of God. But it is not necessary to suppose that martyrdom can only be seen as punishment for concealed wrong-doing. As we have seen, providence has a paedeutic and therapeutic role and for Clement that is a sufficient answer, at least on the logical plane. Nevertheless, as Eric Osborn has pointed out, the problem of evil was intensified for Clement by Christian martyrdom.46 He felt it existentially here perhaps more than anywhere else. The essential moderation of his approach to things is revealed here too. Martyrdom is not be feared if it occurs on one’s path, but it is not to be courted either. To conclude, just as Clement was perhaps fortunate in his opponents, so the Christian Church was fortunate in having this theologian as the one of the first to think through the problem of the nature and origin of evil. When through his reading of the scriptures he converted to the Judaeo-Christian tradition, his knowledge of Greek philosophy allowed him to see very clearly what the logical options were. By and large, the line of thinking he initiated has been followed in Christian theology ever since. God’s goodness and his omnipotence are not to be questioned. Providence exists and has a primarily paedeutic role. Sin and the evil it represents is not a created substance, but comes into existence through action.47 The key concept in grappling with the problem of the nature and origin of evil is the freedom of the human will, exercised from paradise onwards.48 As we saw, this is Clement’s central insight. Admittedly his philosophical background also shines through. Socrates remains a model beside Christ. Sin and bad choices occur more through ignorance and false desire than in a conscious desire to rebel against God and his law. Augustine’s darker reading of the paradise story will offer a persuasive alternative. But Clement had led the way. We should note too that this emphasis led him to revise what he learnt in the Platonic tradition, E.F. O SBORN, Clement, 50. Stated aphoristically in IV 93,3. The entire passage is worth quoting: τὸ δὲ ἀγαπᾶν τοὺς ἐχθροὺς οὐκ ἀγαπᾶν τὸ κακὸν λέγει οὐδὲ ἀσέβειαν ἢ μοιχείαν ἢ κλοπήν, ἀλλὰ τὸν κλέπτην καὶ τὸν ἀσεβῆ καὶ τὸν μοιχόν, οὐ καθὸ ἁμαρτάνει καὶ τῇ ποιᾷ ἐνεργείᾳ μολύνει τὴν ἀνθρώπου προσηγορίαν, καθὸ δὲ ἄνθρωπός ἐστι καὶ ἔργον θεοῦ. ἀμέλει τὸ ἁμαρτάνειν ἐνεργείᾳ κεῖται, οὐκ οὐσίᾳ· διὸ οὐδὲ ἔργον θεοῦ. 48 Rightly emphasized by K ARAVITES, Evil, Freedom, and the Road to Perfection (above n. 3). 46 47
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playing down the contribution of matter and body to the human experience of evil through his conviction of the goodness of God’s creation. Let me end with a final evaluative comment: Clement’s emphasis on the moral and spiritual responsibility of the human soul is both his strength and his weakness. In the larger context of modern cosmological and evolutionary thinking there is much suffering and a host of bad events and developments that cannot be reduced to bad choices. An example that comes to mind is the seemingly ineradicable scourge of malaria. But even here, Clement might reply, if we humans really pooled our mental and material resources, could this evil and all the suffering it causes not be eliminated? Clement’s emphasis on the centrality of the human will remains a key doctrine for all Christians who confront the problem of the nature and origin of evil in the world.
Evil and its Sources in Gnostic Traditions ZLATKO PLEŠE But if they had known the scriptures and had been taught the truth, they would know that God is not like men and that his thoughts are not like human thoughts. Irenaeus, Against Heresies 2.13.3
A great deal of recent scholarship on Gnosticism has been concerned with dismantling this modern typological coinage1 – a misleading label, so we are told, that reifies a wide array of diverging theological positions, ethical orientations, and ritual practices. The present study, as indicated by its title, does not follow such a radical deconstructionist program. While acknowledging numerous doctrinal divergences in the available primary sources, it still argues that multiple Gnostic traditions share a distinctive world-hypothesis and a unified set of presuppositions concerning the sources and nature of evil. Evidence for this claim comes not only from original Gnostic works, mostly preserved in Coptic translation, but also from a number of ancient anti-Gnostic treatises penned by Christian heresiologists and philosophically-minded pagan intellectuals. The first part of this study deals with various authors engaged in anti-Gnostic polemics and with their surprisingly uniform account of the “errors” of Gnostic theodicy. In the second part, this account will be tested against the selection of passages excerpted from genuine Gnostic texts. Comparison of these two bodies of evidence reveals a coherent doctrine of evil as derivative from a spiritual source and permeating all domains of a multiple-layered reality. Underlying this doctrine is the systematic application of a principle of transitivity and homologation, which postulates The term ‘Gnosticism’ was coined by the Cambridge Platonist Henry More (1614– 1687) in the context of anti-Christian polemic, and was applied as a generic label for idolatrous heresy, both old (ancient Christian non-orthodox movements) and modern (Catholicism). 1
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“the same structure in the universe and in each living creature” (Plot. Enn. II.9.7.25–27).
Evidence from Hostile Sources: Anthropomorphic Fallacies of Gnostic Theodicy The way in which various Gnostic traditions approached the problem of evil was harshly criticized by their proto-orthodox Christian contemporaries. On Tertullian’s account, all heretics “morbidly brood over the question of the origin of evil” (Marc. 2.2) and share the same “unhealthy” conviction that the whole physical world is irreparably flawed and affected by evil. Some drew the origin of evil from the chaotic state of matter (Hermogenes),2 some again blamed it on the conflicting propensities of the 2 Tert. Herm. 2.4: “All good and excellent things should have been made by him (sc. God) according to his very condition; but evil things, too, have been found as made by him, yet certainly not by his decision and his will – for on those conditions he would not have made anything unfitting or unworthy of himself. Therefore, whatever he has not made by his decision must be understood to have become from the faultiness of something – which means, no doubt, from matter”. Hermogenes considers both principles, viz. God and matter, as non-generated and eternal (ibid. 5.1; 7.1–2), but while God has a unique substance and is unchangeable and indivisible (39.1), matter is portrayed in a typical Middle Platonist fashion as infinite in its everlastingness (38.2), as divisible and malleable (39.1), as moving in a disorderly and turbulent fashion (41.1), and as neither corporeal nor incorporeal (35.2) – probably in the Aristotelian sense of being potentially body (Arist. GC 2.1.329a32–33; cf. e.g. Alcin. Did. 8.163.7–8). Matter is devoid of qualities and therefore neither good nor evil (37.1): “for if it were good, it would not require to be set in order by god; and if it were evil by nature, it would not have admitted of improvement”. Hermogenes explains this neutral condition of matter as the result of its opposite drives – viz. its turbulent motion resisting God’s ordering activity and its simultaneous desire to be set in order by God (42.1 desiderare componi a deo; cf. 43.1). The closest analogue to this interesting assertion is Aristotle’s concept of “unruly” matter resisting the mastery of form yet “yearning like a mother for what is divine and good” (Arist. Ph. 1.9.192a13–18), which probably reached Hermogenes filtered through the Platonist grid. An interesting parallel can be found in Plutarch’s treatment of Egyptian religion in On Isis and Osiris, where he interprets the goddess Isis as typifying “matter in a homonymous sense” (Is. 58.374E–375A), that is, matter in its focal meaning of an unformed substrate striving for form and purpose. Back to Hermogenes’ explanation of evil, he laid both of its principal forms, viz. physical and moral, to the charge of matter – with regard to physical evil, to its random disorder which is only partly made subservient to God’s rational causation, and in the case of moral evil, to its giving birth to man’s “material soul” which is naturally prone to sin (Tert. Marc. 2.9.1–2; An. 1.1, 3.4, 11.2). But in neither case is matter itself viewed as positively or deliberately evil. For Hermogenes, see a recent edition of his fragments and their detailed analysis by F. C HAPOT, L’hérésie d’Hermogène. Fragments et commentaire, RecAug 30 (1977) 3–111.
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“just” god of Jewish scripture (Marcion).3 But the Gnostics, says Tertullian, went a step further by laying the ultimate responsibility for evil to the charge of a higher divine power and its presumptuous reasoning.4 They agreed with other heretics that matter and the biblical creator-god are the immediate and necessary causes of evil in the physical world, but they made both of them derivative of a higher cause – of a “miscarried calculation” (Praescr. 7.5: de enthymesi et ectromate) attempted by a power residing in the spiritual realm. The existential problem unde malum et qua re (ibid.), which Tertullian sees as the main concern of all heretics, acquires among the Gnostics an ontological dimension and becomes virtually synonymous with a more profound metaphysical question: Whence then is matter, and whence the creator god? Unde materia atque deus creator? Like other heresiologists, Tertullian ascribes such “morbid” preoccupations with evil to uncritical appropriation of contemporary philosophy, “that rash interpreter of the divine nature and order (7.1)”. Following the standard anti-heretical topos of assigning each heresy to a 3 Tert. Marc. 1.2.2: “Like many in our days, and heretics in particular, Marcion had an unhealthy interest in the problem of evil and its origin … So when he found the Creator declaring, ‘It is I who create evil’ (Isa 45:7) … he interpreted with reference to this Creator ‘the evil tree that bears evil fruits’ (Luke 6:43), namely evil things in general, and assumed that there had to be another god for ‘the good tree bearing good fruits.’” On this account, Marcion exposed the God of the Jews as the sole cause of evil by juxtaposing seemingly analogous statements from Jewish scripture and from his abridged version of the Gospel of Luke. But this simple dualist distinction between a good God and an evil creator God is complicated by Tertullian’s claim (ibid. 1.15.5) that Marcion imputed physical evil, ineradicable from the created world, to “unbegotten, uncreated, and eternal matter”. Marcion’s radical dualism is further made problematic by his alleged designation of the creator God as Lawgiver and as a cruel but just Judge (Tert. Marc. 2.11–19). This would imply that the Old Testament God is not solely responsible for the imperfection of the world and the fallen state of carnal humanity, and that his retributive justice, however cruel and condescending, is in fact an attempt to mitigate the malefic influence exerted by evil matter. The problem was recently explained away by positing various stages in the development of Marcionite theology, from Marcion’s original doctrine of two gods to a gradual elaboration on the part of his followers of a more complex, tripartite scheme, in the form of either ‘good God – just God – evil matter’ or ‘good God – just God – evil God; cf. S. M OLL, The Arch-Heretic Marcion, WUNT 250, Tübingen 2010. 4 Strictly speaking, the main target of Tertullian’s invectives is Valentinus and the cohort of his followers. But unlike many modern scholars, Tertullian is not concerned with drawing clear typological distinctions between the “Valentinians” and other Gnostic groups; in his view, they all share the same distinctive world-hypothesis. Cf. Scorp. 1.1: “When, therefore, faith is greatly agitated and the Church burning, as represented by the bush (Ex 3:2), then the Gnostics break out, then the Valentinians creep forth, then all the opponents of martyrdom bubble up, being themselves also hot to strike, penetrate, kill”; Val. 39: “As a result the Valentinian doctrines, which budded in the manner described above, have attained their full growth as a forest of Gnostic doctrines”.
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specific philosophical school,5 he classes Gnostic speculative theology and theodicy with Platonism. This is not an arbitrary claim, for contemporary Platonists indeed criticized the Gnostics for their misuse of Plato’s genuine teachings. In a spirited polemic Against the Gnostics (Enn. II.9 [33]), Plotinus disparages his opponents as pretentious innovators “pulling to pieces” and “degrading” Plato’s opinions “as if they had understood the intelligible nature but he and other philosophers had not” (II.9.6.24–28). Underlying the Gnostic solemn claim to novelty are the genuine teachings of Plato – for instance, the distinction between the intelligible and the perceptible realm, the immortality of the soul, and the dualism of soul and body – but each and every one of them distorted, devoid of argumentative rigor, and replete with extravagant jargon (6.1–10; 10.1–17). The outcome of this intentional misreading of Plato is a corrective amalgam of nonPlatonic deductions concerning the nature of god, soul, the cosmos, and the underlying material substrate: On the points on which they wish to oppose the ancient teachings, they introduce all sorts of coming into being and passing away, and disapprove of this universe, and blame the soul for its association with the body, and censure the organizer of this universe, and identify the demiurge with the soul, and attribute to this universal soul the same affections as those given to the individual souls (6.57–62).
All these instances of Gnostic misprision of Plato stem from a perspectival shift that did not pass unnoticed by Plotinus – a shift toward the homologation of various dimensions of reality (intelligible and senseperceptible, macro-and micro-cosmic, divine and human), which Platonism considered mutually dependent yet ontologically distinct from one another. Plotinus refers to this fallacy of transitivity when censuring the Gnostic proliferation of intelligible realities as an unfounded attempt to “bring the intelligible nature into the likeness of the inferior senseperceptible world” (6.29–31). He raises the same objection against the Gnostic equation of the world soul and individual human souls, which Plato explicitly denied in the Timaeus: But to assume, starting from our soul, homology with the Soul of the All is as if somebody were to take the class of potters and smiths in a well-ordered city and make them a reason for blaming the whole. But one must consider the differences between the universal soul and ours, in its management of body; for it does govern it in the same manner and is not bound to it. … The Soul of the All could not be bound by the things it binds itself because it dominates them. Therefore it is unaffected by them while we, in turn, are not their masters (7.4–15).
5 See esp. A. LE BOULLUEC, La notion d’hérésie dans la littérature grecque IIe–IIIe siècles, Paris 1985, 119–135.
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According to Plotinus, no serious follower of Plato would relinquish the superordination of intelligible over sense-perceptible or argue for “the same structure in the all and in each living creature (7.25–27)”.6 To claim otherwise would entail the erosion of the whole Platonic schema of ordering built upon dissimilarity, subordination, and limited participation. The obliteration of every distinction between the cosmic soul and its human counterpart, as advocated by the Gnostics, not only exposes the former to “the same (bodily) affections as those given to the individual souls (6.62)”, but also splits it from within into the rational and the irrational domain,7 makes its rational kind prey to misguided deliberation,8 and even compromises the status of the world it governs – no longer a well-founded Platonist copy of the preordered ideal pattern, but a distant simulacrum of an already imperfect rational representation of the intelligible model.9 To this scenario Plotinus opposes his view of the cosmic soul as partly transcendent and partly bound to body, free of deliberation and irrational impulses, which eternally contemplates the intelligible forms and communicates them, in the guise of normative 6 Some Middle Platonists, however, did not always maintain this distinction; compare, for instance, Plato’s pronouncement about the human soul as “no longer so pure” as the world-soul, “but second or third in degree of purity” (Ti. 41d4–7), with Alcinous’s statement that “both the soul of the universe and that of man would be of this kind (viz. non-generated and indestructible) insofar as partaking of the same mixture” (Did. 25.178.18–21). 7 Enn. II.9 [33] 4.1–2: “But if they are going to say that the soul has made the world when it had, so to speak, ‘shed its wings’ (Phdr. 246c), this does not happen to the Soul of the All”; 5.8–16: “(They even say) that their soul, and the soul of the meanest of men, is immortal and divine, but that the whole heaven and the stars there have no share in the immortal soul, even though they are made of much better and purer material … as if the immortal soul had taken care to choose the worse place and opted to retire from the better in favor of the mortal (sc. material) soul!” 8 Enn. II.9 [33] 4.15–17: “For if it (sc. the world soul) made the world by discursive thinking (διανοίᾳ) and the making was not in its nature and its power was not a productive one, how could it have made this universe?”; 6.1–5: “And what should one say of the other hypostases they introduce – exiles, antitypes, repentances? For … they say that these are affections of the soul when in repentance and antitypes when it contemplates some sort of images of realities but not the realities themselves”. 9 Enn. II.9 [33] 8.18–22: “But it is false to say that the copy does not resemble (sc. the intelligible); for nothing has been left out which a fine natural image could have; for the copy (μίμημα) has to exist necessarily, and not as a result of discursive thinking and contrivance; and indeed, the intelligible could not be the last, having as it were a double activity: one in itself and one directed to something else”; 11.8–11: “But if it was by forming a rational conception of the world that it (sc. the world soul) was able to illumine as a result of its reasoning (λογισμός), why did it not make the world while illumining but rather waited for the generation of the semblances (εἴδωλα)”?
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rational standards (logoi), to its inferior power of growth and generation.10 As he states at the outset of his anti-Gnostic polemic (2.10–18), The soul that is not a part (the Soul of All) and of which we, too, are not a part remains in the most beautiful. It has granted to the whole of body the possession of whatever it can hold from it yet remains itself untroubled, not governing by deliberation nor setting anything right, but rather ordering it all with a wonderful power, by contemplating that which precedes it. The more it is directed to that contemplation, the fairer and more powerful it is; and receiving from there it gives to what comes thereafter, and is always illuminated as it illuminates.
A radical anthropomorphic reconfiguration of Platonic hierarchies affects even the way in which Gnostics conceived of their supreme deity. The Gnostic god is neither the Platonic-Aristotelian all-perfect and undivided intellect, “the best of the ever-being intelligibles” (Ti. 36e6–37a2), nor the Plotinian One eternally producing without deliberation and self-alteration, but a self-searching absolute, a mind in potentiality which, in the process of its gradual self-actualization, experiences the same changing dispositions and affections as the mind of the developing human. The inappropriateness of such psychologizing analogies was exposed by yet another anti-Gnostic polemicist, the proto-orthodox theologian Irenaeus (Adv. haer. 2.13.3): Indeed, they (sc. the Valentinians) apply to the Father of All things that occur in humans and they declare him to be unknown to all, denying even that he himself made the world out of fear that he might look weak, yet still endowing him with human dispositions and passions. But if they had known the scriptures and had been taught by the truth, they would know that God is not like men (Num 23:19) and that his thoughts are not like human thoughts (Isa 55:8–9). For the Father of All is at a vast distance from mental dispositions and passions befalling human beings. He is simple, non-composite, and without diverse parts, entirely alike and equal to himself, since he is all intellect, all spirit, all intellection, all conception, all reason, all hearing and all seeing, all light and entirely the source of all good things.
Such a systematic application of anthropological categories to the physical and metaphysical domains has important repercussions for the Gnostic understanding of evil. If the cosmic soul has the same constitution as its human counterpart, then it must be endowed with an irrational aspect that brings disorder into corporeality and acts as a positive source of evil in all domains of phenol10 See, for instance, Enn. II.3[52]17.1–9: “That which makes naturally is not intellection or vision, but a power capable of modifying matter, which does not know but only acts … while something else, different from what is called the power of growth and generation, supplies it with what is required for this making. If this is so, the ruling principle of the soul will make by modifying the generative soul in matter”.
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menal reality, including human beings.11 If the rational aspect of the cosmic soul undergoes the same cognitive development as human rationality, then its initial contact with transcendent forms faces the risk of “generating a phantom or falsehood” (Pl. Tht. 150b9–c3) rather than their accurate rational presentation.12 And if God is no longer a perfect unitary intellect that cannot tolerate change and internal differentiation, but rather a developing mind that moves from its initial indetermination and the primal state of involution toward self-exteriorization and self-knowledge, then evil is to be blamed on God’s abortive desire to comprehend his incomprehensible nature. In conclusion, we may say that ancient polemicists stand in substantial agreement about the central presuppositions and salient features of Gnostic theodicy. Evil is the product of an erroneous judgment originating in the intelligible realm, a figment of thought that manifests itself as an active force in all segments of reality. This central presupposition gives rise to the following set of propositions, each concerned with a distinct ontological level and each arising from a conscious misprision of Plato and the Platonic tradition: (i)
Evils, as Plato said, “have no place in the divine (intelligible) realm” (Tht. 176a7–8), but their origin can still be traced all the way back to that realm.
11 A similar analogy between the cosmic and the individual soul seems to have guided Plutarch’s speculations about the pre-cosmic soul, viz. the “soul in itself” (An. procr. 6.1014B) or “soul in the simple sense” (23.1024A), as a “disorderly and indeterminate but self-moved and motive principle” (6.1014B) that is “from the beginning intimate with body and sensitive to it” (28.1026E) and “has in herself the portion of evil” (28.1027A). 12 Plutarch attributes to his pre-cosmic soul (cf. n. 11) “inarticulate opinions and disorderly motions, most of them dreamlike, deranged, and disturbing corporeality save in so far as it would by chance encounter what is better (sc. the intelligible) – for it was intermediate between the two and had a nature sensitive and akin to both, with its perceptive faculty laying hold on matter and with its discerning faculty on the intelligible” (An. procr. 23.1024B; cf. 24.1024E). Only when “a superior principle”, or divine “intellect” (27.1026E), gets into this simple soul and “makes her turn towards himself” (24.1024D–E) will such an ordered world-soul obtain “a (circular) motion which is intellective and results in knowledge” (23.1024A). For the discerning faculty of the “simple soul” which allows her to have “chance encounters” with the intelligible realm cf. M. BALTES, La dottrina dell’anima in Plutarco, Elenchos 21 (2000), 245–270. For the controversy among modern scholars over the simple soul’s access to the superordinate forms see J. O PSOMER, Plutarch’s De animae procreatione in Timaeo. Manipulation or Search for Consistency?, in: P. A DAMSON/H. BALTUSSEN/M.W.F. STONE (edd.), Philosophy, Science and Exegesis in Greek, Arabic and Latin Commentaries, vol. 1, London 2004, 137–162.
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The cosmic soul is not “the best of the things generated” (Ti. 37a1– 3) leading “a ceaseless and intelligent life” (ibid. 36e4–5), but an imperfect communicator of misconceived forms onto the corporeal substrate. Evil in the sensible realm is not to be imputed to the necessity of material causes (Ti. 47e–48a, 68e–69a) but to an irrational aspect of the world-soul, or else to a separate evil soul-principle13. Inasmuch as this irrational principle is inherent in corporeality, human proneness to evil cannot be explained by “an ill disposition of the body and bad education” (ibid. 86e1–2).14
Evidence from Primary Sources: Gnostic Taxonomies of Evil A complex theodicy that emerges from the anti-Gnostic polemical treatises must now be tested against the first-hand Gnostic accounts. Due to a significant amount of relevant sources,15 the ensuing discussion provides only a sample of illustrative passages taken from multiple Gnostic traditions, which modern scholars often schematize under two rubrics, ‘Sethian’ and ‘Valentinian’. The argument in this section closely follows a derivational model of Gnostic semiosis – a hierarchy of multiple levels of reality unfolding from a distant and unfathomable first principle down to its entropic stage – and discusses Gnostic approaches to evil at the four distinct levels specified in the previous section: metaphysical, psychological, physical and ethical. 13 According to a standard partition of Gnostic treatises into ‘Sethian’ vs. ‘Valentinian’, the first solution belongs to the latter group while the second reflects the dualistic psychology of various ‘Sethian’ traditions. 14 These four postulates correspond to the arguments which Plotinus sets out to refute in his late treatise On What and Whence are Evils (Enn. I.8 [51]). For Plotinus, who posits matter as absolute evil, or “evil itself”, and as source of evil in the soul, (i) no evil exists among things intelligible (I.8.2); (ii) the perfect (intelligent) soul is completely defined by intellect and never approaches evil (8.4); nor can evil be imputed to its innate weakness, and to its giving way to precipitous assent, confused imagination, and erroneous judgment (8.14); (iii) there is no evil soul, but soul can only become evil by coming into contact with matter (8.4); (iv) evil in humans can be mastered by that power in them which is not in matter, viz. intellect (8.5): one must fly from wickedness (8.6) and win virtue by separating oneself from the body (8.7). 15 Sources include not only genuine Gnostic treatises but also verbatim citations and summaries in ancient heresiologists. For an overview see, e.g., Z. P LEŠE, Gnostic Literature, in: R. H IRSCH-LUIPOLD/H. G ÖRGEMANNS/M. VON A LBRECHT (edd.), Religiöse Philosophie und philosophische Religion der frühen Kaiserzeit: Literaturgeschichtliche Perspektiven, Tübingen 2009, 163–198, esp. 168–174.
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1. Malum Metaphysicum Irrespective of their numerous doctrinal divergences, multiple Gnostic traditions articulate reality as a multi-layered construction derivative of a single transcendent principle beyond being and intellection. This apophatic view of the first principle is deduced from two Platonic postulates: first, that unity is not identical with anything and thus cannot imply many; and second, that every attempt at determining this unity amounts to its negation.16 The principal problem facing such a strong monistic claim is how to account for the transition from unity to a finite multitude of subordinate layers of reality. Since the Gnostic first principle is superior to both being and intellect, this problem cannot be resolved by a typical Middle Platonist formula, also appropriated by many protoorthodox theologians, of a self-thinking Intellect endowed with impregnable stability of its thoughts and acting, often through intermediaries, as the final cause of the universal order. In Gnostic systems, dialectical deduction gives way to a symbolic narrative and the use of dynamic analogies borrowed from physical, biological, linguistic, and psychological domains. The passage from the original unity to plurality is thus variously portrayed in terms of irradiation, emanation, elemental expansion, sexual differentiation, sound articulation, and mental development. The following excerpt from the Apocryphon of John, a fully narrated version of the classic (‘Sethian’) Gnostic myth, illustrates this amalgamation of heterogeneous metaphors and analogies (BG 2, p. 25,9–27,15; NHC III,1, p. 6,2–7,19) conveying the inner life of the absolute first principle: It searches (αἰτεῖν) for its own self in the fullness of the light. It shall conceive (νοεῖν) the unmixed life, the immeasurable greatness … It conceives (νοεῖν) its own self in its own (ἴδιον) light that surrounds it, the fountain (πηγή) of the living water, the light full of purity. The fountain (πηγή) of the spirit (πνεῦμα) streamed from the living water of the light. And it was supplying (χορηγεῖν) all aeons (αἰών) and worlds (κόσμος). In every way it conceived (νοεῖν) its own image (εἰκών) by seeing it in the pure luminous water that surrounds it. And its conception (ἔννοια) became actual and was shown forth, and she stood firm in his presence, in the brilliance (λαμπηδών) of the light – that is, the power prior to the entirety, which was shown forth; the perfect forethought (πρόνοια) of the entirety; the light, the likeness of the light, the image (εἰκών) of the invisible one; the perfect (τελεία) power, Barbelo, the perfect aeon (αἰών) of the glory.
Two kinds of analogies dominate this passage: one that emphasizes God’s superabundance and the excess of creative power (“the fountain of the spirit streaming from the living water of the light) and the other expressing the inner tension of antagonistic drives – the duality of involution and expansion, 16 These two postulates are clearly articulated in Plato’s first deduction about the “one” in Parmenides, 137c–142a.
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or of self-preservation and self-differentiation – which will be resolved through a gradual externalization of God’s infinite potential. The text describes the very first moment in this process, a transition from “searching itself” to “seeing itself” as an “image” and to forming the primal “self-conception”. This self-transforming event entails a series of subsequent movements, similar to the acquisition of self-knowledge in the developing human being, by which the God gradually actualizes his inner dispositions and generates reality as his own symbolic representation. According to a heavily mythologized version of this process in the Apocryphon of John, God and his first Conception, Ennoia-Barbelo, give birth to Christ the Self-Originate who, by acquiring Intellect and Reason as his “coworkers”, fills out a vague preconception of God with a set of stable predicates, or “aeons”, epitomized in the figure of Sophia as a feminine personification of God’s discursive selfknowledge. The idea of a self-differentiating God appears to have been a common Gnostic solution to the problem of how plurality arose from primal unity, cutting across the modern scholarly divide of ‘Sethian’ and ‘Valentinian’ traditions. We have already seen how Irenaeus criticized the Valentinians for “endowing God with human dispositions and passions” (Adv. haer. 2.13.3). To this charge of anthropomorphic fallacy Irenaeus also adds that of “an improper use of emissions”, which perverts the proper sequence of mental process by depriving intellect of its “chief ruling rank” (2.13.1) and by relegating its activities to later stages of cognitive development. As summarized by Irenaeus, this perverted sequence unfolds in the same way as in the Apocryphon of John: But those (sc. Valentinians) who say that Conception (Ennoea) was emitted from God, and Intellect (Nus) from Conception, and from these Reason (Logos), are in the first place to be refuted for their improper use of emission (viz. placing Conception before Intellect) and, in the next place, for describing dispositions, passions, and intentions of the human mind (mens), while knowing nothing about God.
Just like the account of God’s internal development in the Apocryphon of John, the Valentinian “order of emissions" (God-Conception-IntellectReason) also highlights the pre-conceptual and pre-perceptual nature of God’s initial state of involution and absolute indetermination. Selfperception, intellectual introspection, and rational apprehension play a role only at the subsequent stages of God’s acquisition of self-knowledge.17 17 This common tendency among the Gnostics to describe God in terms of human psychology not only bears witness to the essential unity and continuity of their theology but also indicates a serious engagement with contemporary epistemological and ethical theories. A cognitive model likely to have informed this peculiar developmental theology is a Platonizing revision of the Stoic theory of “self-conciliation” (oikeiôsis), of a kind
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The problem, of course, is that the Gnostic first principle is beyond intellect and reason, so that its attempt at self-determination ends up, on one hand, in the manifestation of its positive characteristics, symbolically represented as the spiritual realm (plêrôma), and, on the other, in the discovery of the unfathomable kernel that cannot be rationally articulated. This dark side of God’s nature, variously described in Gnostic accounts as deficiency, darkness, ignorance, miscarriage, shadow, or non-being, will be “cut off” from the spiritual realm and serve as the material substrate of the visible world. We are now in the position to propose the first postulate of Gnostic theodicy, as evidenced in both ‘Sethian’ and ‘Valentinian’ sources: attested in the work of Antiochus of Ascalon. Knowledge acquisition in human beings, according to Antiochus, is a long lasting process of stepwise affiliation to reason and virtue, which very much resembles the sequence of God’s mental development in Gnostic speculations. In Antiochus’ account, mental faculties emerge only gradually, triggered by their respective objects – the faculty of sense-perception by sensible objects, the faculty of intellection by primal conceptions of these objects, and the faculty of discursive reasoning by the need to sort out and systematize the accumulated conceptions. The final stage of cognitive development is the impregnable knowledge of the world and oneself – a stable condition described as “perfected reason” or “wisdom” (sapientia). See esp. Cic. Luc. 30: “For the intellect itself (mens; νοῦς), which is the source of the senses and is even itself a sense, has a natural power that it directs (intendit) at the things by which it is moved. Thus it seizes on some visual impressions (visa) so as to use them at once, while storing away (recondit; ἐναποκεῖσθαι) others as the source of memory. The rest, again, it constructs by means of resemblances, and from these are formed the conceptions of things that the Greeks sometimes call ennoiai and sometimes prolêpseis. With the addition of reason (ratio; λόγος) and logical proof and a wealth of countless facts, there comes apprehension (perceptio, κατάληψις) of all these facts, and this same reason, having been perfected (perfecta) by these stages (his gradibus), achieves wisdom (sapientia)”. Antiochus’ version of oikeiosis would be equally at home in the Stoic (and Peripatetic) tradition save for the initial stage, which the Stoics describe as that of selfperception and self-awareness and Antiochus as the natural drive of self-love and selfpreservation independent of perception and conscious participation. Cf. Cic. Fin. 5.41: “Suppose that at the moment of our birth each of us were able to recognize and evaluate our nature both as a whole and in its individual parts: in that case we would immediately see what we are searching for, the ultimate goal of our objects of desire, and we would be unable to go wrong in any point. But as it is our nature is strangely hidden from us at first, and cannot be perceived or understood. But as we gradually mature, little by little, or else quite slowly, we come to know ourselves as it were. Hence the initial affection that we naturally feel for ourselves is vague and obscure, and the first impulse of our soul acts only to keep us safe and preserved. But when we begin to discern and become aware of what we are and how we differ from the other animals, at this point we start to pursue the ends for which we are born”. This primal state of involution and self-affection (commendatio), which Antiochus characterizes as non-reflected and instinctive, is precisely the original condition of the Gnostic first principle.
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The ontological roots of evil lie in the miscarried attempt on the part of the transcendent One to comprehend and explicate its incomeprehensible ground of existence. This necessary move towards selfrealization and selfknowledge yields not only a positive thought-content (the spiritual realm or “fullness”) attained by intellection but also the entropic residue (prime matter or “deficiency”), which resists rational identification and is consequently secluded from the spiritual realm. 2. Malum Ratiocinativum Now it appears that the Gnostics were generally aware of the dangerous consequences of presenting God as a developing human and the reality he creates as a sequence of cognitive dispositions and qualities. Pursuing this analogy would make God the sole cause of an ever-increasing disorder in his spiritual edifice. For this reason, many Gnostic authors turned God’s mental faculties – intellect, reason, discursive thinking, wisdom – into independent entities (hypostases) responsible for all negative aspects involved in the dissolution of God’s unity into plurality. Tertullian explains this turn from introspective theology to mythological genealogy as a doctrinal development within the Valentinian “school of thought”. As we read in his brief historical survey of Valentinianism (Tert. Val. 4.1–4), Valentinus had originally “included the aeons in the totality of the godhead as mental states (sensus), dispositions (affectus), and movements (motus)”, but then his student Ptolemy took a different turn and “segregated the aeons by names and number” (Tert. Val. 4.2).18 This projection of personified “aeons” apart from their divine source, characteristic not only for the protology of Ptolemy and his followers but also for contemporary ‘Sethian’ accounts, delivers a system of rational mythology in which individual hypostases act as fully autonomous agents guided by their specific purposes and their increasingly problematic impulses. Among these multiple agents, it is the ones positioned near the lower limits of the spiritual realm that play a subversive role of disclosing its fragile equilibrium and its dark, unruly ground. This brings us to the second postulate of Gnostic theodicy: The immediate responsibility for the generation and the subsequent illumination of a dark residue, or prime matter, is laid to the charge of God’s rational faculty hypostasized as wisdom (Sophia) or discursive reason
18 A thorough analysis of the two types of “Valentinian protology” can be found in E. T HOMASSEN, The Spiritual Seed. The Church of the ‘Valentinians’ (NHMS 60), Leiden/Boston 2006, 263–268.
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(Logos) – more specifically, to its presumptuous will to mediate and externalize the unfathomable ground of God’s existence. As shown in the first part of this study, ancient polemicists identified precisely this failure of reasoning to give an adequate account of God’s inexpressible nature as a salient feature of Gnostic theodicy. In the Gnostic narratives, the error of miscarried calculation is blamed on the rational agent in the spiritual realm who is set at the farthest distance from God. The ‘Valentinian’ Tripartite Tractate, for example, portrays a free-willed Logos engaged in a vain effort to “inquire into the hidden order” and grasp the unfathomable totality of the Father. Failing to “produce something perfect from a union in which he did not share”, the Logos experiences a “division and a turning away” from the spiritual realm and gives birth to the shadow of the Real – a terrifying primeval chaos of “phantoms, shadows, and imitations” of “the things he wished to attain and grasp” (NHC I,5, p. 75,27–77,20): For this aeon was from among those to whom wisdom was given … He received a natural wisdom in order to inquire into the hidden order, being as it were a fruit of wisdom. For the autonomous will (piouwye n+aute{u}xousios) which had been born along with the entireties was a cause for this one to do what he wanted, with no one holding him back. Now the intention (προαίρεσις) of this Logos was good inasmuch as he rushed to glorify the Father, even though undertook a task beyond his power and desired to produce something perfect from a union in which he did not share … He acted with a presumptuous thought out of an excessive love and rushed toward him who surrounds the perfect glory … But the things he had wished to attain and grasp he begot as shadows, semblances (εἴδωλον), and imitations, for he could not bear to look toward the light but looked instead at the deep (βάθος), and he repented.
In most other Gnostic narratives, this misguided attempt at attaining God by rational means is linked to the feminine figure of Sophia, the youngest aeon in the spiritual domain who will later assume the role of a rational cosmic soul. Sophia’s motives and actions closely resemble those given to the Logos in the Tripartite Tractate, but, as befits a female character, bear stronger sexual connotations. Thus, in the Apocryphon of John, Sophia’s motivation is conveyed in images belonging to the sphere of biological reproduction as well as that of human psychology – both as her wanton desire to “bring forth” an image without the consent of her “consort” and as her autonomous will to “conceive a thought” of her divine source by means of “rational consideration” (NHC II,1, p. 9,25–10,14; cf. BG 2, p. 36,16–38,6; NHC III,1, p. 14,9–15,16): And the Wisdom (σοφία) of afterthought (ἐπίνοια), being an aeon, conceived a thought from herself and her rational consideration (ἐνθύμησις) of the Invisible Spirit and Foreknowledge. She wanted to show forth a likeness (eine) out of herself without the Spirit’s will – for he had not approved (εὐδοκεῖν) – and without her consort and without his consent … And although she had not discovered her partner, she assented
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(κατανεύειν) without the Spirit’s will and without the acquaintance (sooun, γνῶσις) with her partner, and she brought forth. And because of the invincible power in her, her rational consideration (meeue, ἐνθύμησις) did not remain unrealized. And out of her was shown forth an imperfect product that was different from her form (smot), because she had made it without her consort; and compared to the likeness of its mother it was misshapen, having another form (μορφή). And when she saw that her will had changed into a shape (τύπος) of a lion-faced serpent … she cast it away from her, outside those places, so that none of the immortals might see it; for she had made it in ignorance.
The line of causation leading to Sophia’s “miscarriage” combines the biological model of spontaneous generation, in which the female factor assumes the unlikely role of an active cause, with the intellectualist account of human action as a voluntary assent given to an impulse to act in accordance with a rational impression.19 Sophia’s fatal mistake lies in her impulse to “show forth a likeness” without gaining consent from God, or “the Invisible Spirit”. The “likeness” she wishes to externalize is “a thought she conceived from herself and her rational consideration” (ἐνθύμησις) – a rational construct of the first principle and all of its previously manifested dispositions or “aeons”. But Sophia’s discursive thought fails to “discover her partner” inasmuch as it cannot give a rational account of the obscure ground of his existence. Her rash and precipitate assent (κατανεύειν) to this uncertified “likeness” of God is accompanied by a spontaneous miscarriage of the dark kernel of God’s being which Sophia could not comprehend. The product of this self-induced generation is later described as “dark miscarriage” (BG 2, p. 46, 10) or “the garment of darkness” (NHC II,1, p. 13,33) which gives out a distorted reflection of Sophia’s “likeness”. For its blending of epistemology and sexual metaphors, the description of Sophia’s situation leading to her fatal miscarriage closely resembles the Platonic image of the soul’s “travails of birth” in Plato’s Theaetetus (147c–151d) and the situation of Socrates’ disreputable students after abandoning their teacher, a sort of “spiritual midwife”, and “giving birth to a phantom and falsehood”. Cf. Socrates’ words in 150b9–c3: “The highest point of our art (of midwifery) is the power to test, by any means, whether the though (διάνοια) of a young man gives birth to a phantom and falsehood (εἴδωλον καὶ ψεῦδος) or something fertile and true”. The same theme of the individual soul’s passage from the fixed state of unity with God to the unbalanced and alienated state of a thinking subject producing false value-judgments about God is scattered throughout the work of Philo of Alexandria. Here is the passage that illustrates Philo’s distinction between the virginal soul living in the organic unity with god and the soul living in the state of an impious “self-love” and self-conceit, constantly asserting its epistemological autonomy (LA 1.52): “One has to think of God as without qualities and one and incorruptible and unchangeable. Whoever does not conceive in this way fills his soul with a false and godless opinion. Did you not see that, even if He brings us into virtue and even if, when brought in, we plant no fruitless thing but ‘every tree good for food’, He yet bids us ‘thoroughly to cleanse its uncleanness’ (Lev 19:23)? Indeed, he demands the cutting away of self-conceit (ἀποτεμεῖν οἴησιν); and self-conceit is in its nature unclean”. 19
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Just as God’s prior attempt at attaining self-knowledge by his intellect revealed the duality of his positive thought-content, hypostasized as the eternal realm of “aeons”, and his dark unruly ground, so does Sophia’s desire to form a rational account of a transcendent divine source gives rise to yet another, ontologically inferior duality: on one hand, her rational “likeness” of the eternal realm and, on the other, a dark residue in which this “likeness” is reflected as a terrifying theriomorphic (“a lion-faced serpent”) apparition. Other ‘Sethian’ narratives convey this duality in spatial categories, distinguishing between a “heavenly likeness” conceived by Sophia, which served as a “veil” separating the superior reality, and a “shadow”, also called “darkness” and “limitless chaos”, which is projected from that veil to the inferior space. The Hypostasis of the Archons describes this differentiation as follows (NHC II,4, p. 94,2–19): Within limitless aeons exists incorruptibility. Sophia, who is called Pistis, wanted to create something, alone without her consort, and her product became a heavenly likeness. A veil (καταπέτασμα) exists between the superior realm and the inferior aeons. And shadow came into being beneath the veil, and that shadow became matter (ὕλη), and that shadow was cast apart (ἐν μέρει). And what she (sc. Sophia) created (i.e., the heavenly likeness) came to be a product in matter, like a miscarriage (houhe, ἔκτρωμα). And it received shape (τύπος) from the shadow, and it became a self-willed (αὐθάδης) beast resembling a lion; it was androgynous … because it came forth from matter.
Compared with the account of Sophia’s fault in the Apocryphon of John, the passage outlines more clearly a three-level ontological hierarchy dependent on the transcendent first principle. The highest level is the “incorruptible” realm of “limitless aeons”; the intermediate soul-level is “a heavenly likeness” of these aeons, such as conceived by Sophia; the lowest level is a “shadow” resulting from the blockage of divine light by the opaque “heavenly likeness” interposed as a “veil”. Secluded or “cast apart” from the superior levels, this “shadow” becomes “matter”, taking on impressions from Sophia’s “heavenly likeness” and reflecting them as a distorted or “miscarried” semblance.20 What thus emerges from the “shadow” is yet an20 This ontological hierarchy, ultimately grounded in Plato’s onto-cosmological distinction between the ideal model, its well-founded resemblance (the world-soul), and its false semblance or simulacrum (the pre-cosmic chaos), corresponds rather closely to a monistic reinterpretation of the Timaeus in the light of Plato’s discussion of the One and the Other in the second part of the Parmenides (135d–166c), of a kind advanced in contemporary Neopythagorean circles. Particularly interesting for comparative purposes is Simplicus’ summary of the metaphysical system of Moderatus of Gades (Simpl. In Ph. 230,34–231,24 Diels): “He (sc. Moderatus) declares that … the first One is above Being and all essence; the second One, which is truly real and intelligible, is on his account the forms; and the third, which is the level of soul, participates in the One and in the forms; following this, the last nature, which is that of sensible things, does not even partake (of
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other duality, the last in a series of internal cleavages defining the Gnostic model of procession, which distinguishes between a pre-cosmic corporeal substrate and a “self-willed lion-like beast” reminiscent of Plato’s “multiform beast” as a metaphor for the irrational soul (R. 9.590a8).21 It is only at this lowest level and at the stage immediately preceding the formation of phenomenal reality that the principle of evil, conceived as a positive irrational force, comes into being, creates the sense-perceptible world, and bears ultimate responsibility for its malfunctioning and imperfection. As the Hypostasis of the Archons goes on to explain (NHC II,4, p. 94,19–95,5): the higher levels) but is ordered according to their reflection (κατ’ ἔμφασιν ἐκείνων); and matter in them is a shadow (σκίασμα) of Not-Being, whose primary form is Quantity, but this matter has descended still further even from that (sc. Quantity)”. Simplicius next adduces a passage from Porphyry’s On Matter, which clarifies Moderatus’ distinction between Quantity as the formal expression of Not-Being and the derivative “matter” as its “shadow”. The former stands for the intelligible or prime matter, bears the characteristics of Plato’s “receptacle of becoming” from the Timaeus, and is “conceived by privation of the unitary Logos (κατὰ στέρησιν τοῦ ἑνιαίου λόγου) which comprises in itself all rational principles (λόγοι) of beings”. The latter, in turn, is “the matter of bodies, also called quantity … yet not as a form but rather by privation and dissolution and extension and dispersion and on account of deviation from Being”, so that it “also seems evil since it flees from the Good”. Structural similarities between Moderatus’ system and the Gnostic derivational model are indeed striking, and so are those between their respective accounts of the derivation of the intelligible matter from the ordering rational principle (Moderatus’ “unitary Logos” and Sophia or Logos in Gnostic texts). Similar, too, is their “morally” loaded view of the material substrate of bodies as somewhat responsible for evil in the sensible reality; but whereas Moderatus blames this evil on matter’s not partaking of forms (contrary to its intelligible counterpart), on its dyadic propensity to “dissolution, extension, and dispersion”, and on its “deviation from Being and fleeing from the Good”, Gnostic theodicies conceive matter as evil insofar as it is dominated by the irrational soul as a positive evil force. 21 Compare the way in which the treatise On the Origin of the World (II,5 p. 98,23– 99,22) describes the emergence of the same duality out of the projected shadow: “Now the eternal realm has no shadow it, for the immeasurable light is everywhere within it; but its exterior is a shadow, which has been called darkness. From it there appeared a power set over the darkness, and the powers that came afterward called the shadow limitless chaos. … Then shadow perceived that there was something stronger than it and so became jealous. And when it became pregnant of its own accord, suddenly it gave birth to Envy. Since then the principle of Envy has appeared among all the aeons and their worlds. And that Envy was found to be an abortion without any spirit in it: it came to be as a shadow in a vast watery substance. Then that had come into being out of shadow was cast into a part of chaos. Since that day, watery substance has become visible; and what sank in it flowed out, being visible in chaos. Just as a woman gives birth to a child and her residues flow out, so matter came to be out of shadow and was cast out. Matter, however, did not depart from chaos; rather, it was in chaos, being in a part (ἐν μέρει) of chaos”. Cf. Iren. Adv. haer. 1.4.5.
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It (sc. the lion-like miscarriage) opened its eyes and saw a vast limitless matter (ὕλη). And it became arrogant, saying, “It is I who am God, and there is none but me (Isa 45:5–6, 46:9)”. When it said this, it sinned against the (spiritual) entirety. And a voice came forth from above the tyrannical realm (αὐθεντία), saying: “You are mistaken (πλανᾶσθαι), Samael” – which means ‘blind god.’ And it said, “If anything exists before me, let it be shown forth to me!” And immediately Sophia stretched out her finger and brought light into matter; and she pursued it down to the region of chaos (χάος). And she returned up to her light … This ruler, being androgynous, fabricated a vast aeon for itself, an expanse (μέγεθος) without limit. And it considered fabricating for itself offspring, and it fabricated for itself seven offspring, androgynous like their parent. And it said to its offspring, “It is I who am the god of the entirety”.
3. Malum physicum The establishment of an arrogant impostor intimately related to materiality brings us to a third postulate of Gnostic theodicy: Physical or cosmic evil (malum physicum) is not identified with the deficiency of matter but rather lies in the egotism of an active evil cause which, insofar as it resides in the secluded substance of matter, exercises its propensity for absolute domination while remaining ignorant of the higher reaches of reality. Despite their general agreement about the presence of an autonomous evil force in matter, multiple Gnostic traditions offer diverging accounts of its nature, activity, and sphere of influence. As shown in the preceding sections, the ‘Sethian’ accounts personify this evil force as a monstrous impostor, variously called Ialdabaoth, Saklas, Samael, or Nebro, who combines the negative characteristics of the biblical creator god (jealousy, envy, self-proclaimed unity) with the faculties of the Platonic non-rational or “mortal” soul (ignorance of forms, reliance on sense impressions, carnal desire, disorderly motion). Driven by the undifferentiated pulsation of his blind drives, this ugly mutant is initially incapable of any creative activity. Only upon receiving (or “stealing”) a portion of Sophia’s spiritual power, he is moved to action and fabricates the visible world as a third-rank semblance, a simulacrum, of Sophia’s rational conception of the spiritual realm. The imperfection of phenomenal reality is thus attributed not to material or mechanical causes (negative evil) but to the inadequacy of its creator (positive evil). Separated from the eternal model and completely devoid of rationality, the ‘Sethian’ demiurge must settle for ordering a distant and chaotic “likeness” of this model, as reflected in the mirror of dark matter, and operate within the confines of his unfounded imagina-
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tion.22 As stated in the longer redaction of the Apocryphon of John (II,1 p. 12,33–13,5), He (i.e. Ialdabaoth) ordered (tseno) all things according to the likeness of the original aeons (kata pine n+n+y or_p[n+]aiwn) which had come into being, with the intention to create them (i.e. all things) in the incorruptible manner. Not that he had seen the incorruptible ones, but it was the power within him, which he had taken from his mother, that produced in him the semblance of the ordered world (pine m+ptseno). 23
Whereas the ‘Sethian’ accounts tend to portray the demiurge as an autonomous semblance-maker stirred by the irrational impulses of his appetitive soul, various ‘Valentinian’ cosmogonies consider the cosmic craftsman to be an imperfect yet reliable mediator between the superior world and the realm of matter – ignorant of the ideal forms, yet obediently following the rational principles of world-creation conceived by a higher power (Logos or Sophia). In the Tripartite Tractate, for instance, he acts “like a hand” of the superior Logos “ordering and working on the things below” (Tri. Trac. NHC I,5, p. 100,30–33), and presides over a multitude of powers or “archons” in charge of the celestial sphere. The Valentinian demiurge cannot thus be viewed as either good or bad. He is the “just” god of the Old Testament, both merciful and severe, embodying the salient traits of the Platonist “mettlesome” soul – “not purely affective but frequently has a mental image of what is fair, though one commingled with the irrational yearning for retribution” (Plu. Qu. Plat. 9.1.1008C–D). Pure evil cannot be found in his intermediate or “psychic” domain but only below that order, in the realm of matter derived from the Logos’ abortive conception of the spiritual fullness and populated by the powers born out of his “illusory imitation” (Tri. Trac. NHC I,5, p. 82,19–20 ouPantasia n+t e outant_n). Following the general plan of salvation designed by the Logos, these “simulacra (eidwlon), shadows (haibes), and illusions 22 In the ‘Sethian’ tract Zostrianos (NHC VIII,1, p. 10,1–7), the demiurge’s inferior status of an incompetent semblance-maker is described in the following fashion: “He saw a reflection (εἴδωλον), and with reference to the reflection (εἴδωλον) that he saw in himself, he fabricated the world (κόσμος). With a reflection (εἴδωλον) of a reflection (εἴδωλον) he worked upon the world, and then even the reflection (εἴδωλον) of what had appeared was taken away from him”. 23 This Platonic distinction between accurate resemblance (εἰκών) and perverted semblance (φάντασμα or εἴδωλον), such as outlined in the Sophist (235a–236c, 239b– 242c), is rendered in Coptic as a hierarchy of two kinds of “likenesses” (ine): the “likeness” of Sophia’s rational conception to its superior model vs. the remote “likeness” of Ialdabaoth’s ordered world, which is two degrees removed from the original. Ialdabaoth is virtually identified with Plato’s “painter” (R. 10.597b–598d), the producer of deceiving simulacra, and with the “sophist” engaged in “the craft of semblancemaking” (Sph. 239c–242b).
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(Pantasia) deprived of reason (logos) and light (p. 78,33–35)” will subsequently be arranged by the Demiurge and the devil, his obedient “servant” or “hand”,24 into three different regions that together constitute the sublunary realm (p. 103,13–104,3): Now the whole constitution of matter is tripartite. The [first] powers, which the spiritual Logos (πνευματικός λόγος) brought forth according to imagination (φαντασία) and presumption, he (sc. the demiurge with the devil as his “hand”) placed in the first spiritual order (τάξις πνευματική). The ones that these next brought forth in their desire for dominion he placed in the middle space (χώρα) as powers of desire for dominion, so that they might govern and command the constitution below them with necessity (ἀνάγκη) and compulsion. And those that had come to be from envy (φθόνος) and jealousy, and all the progeny from this sort of condition, he placed as a servant order (τάξις) in charge of the lowest ones and commanding all that exists and all generation. From them arise the diseases, for they are, as it were, quick to destroy, eager to procreate but having no permanence in the place from which they slip away and to which they will again dissolve. And for this reason he placed over them commanding powers that continuously work on matter (ὕλη), so that the offspring of those coming into being may also continuously come into existence. For this is their glory.
The purpose of the demiurge’s organization of matter is not to annul the evil inherent in it but to bring its chaotic “powers” in conformity with a tripartite division of reality into the spiritual, animate, and material domains. The order imposed on matter creates an effect of resemblance to this overarching structure, but such an effect is delusional and conceals what is, in fact, the relationship of dissimilitude and difference. The highest “spiritual order” (τάξις) in this “pit of ignorance” (p. 89,25) is nothing but a fraudulent imitation of the spiritual realm, contrived by the Logos’ presumptuous thought and presided over by the devil.25 The “middle space” is assigned to “powers of desire for dominion”, which are the inferior replicas of the demiurge’s host of celestial (psychic) powers. Finally, The demiurge uses the devil as his “hand” and “mouth”, which is exactly the way in which he himself is used by the superior Logos. The interaction between the members in each couple is defined by recourse to the Middle Platonist theory of πρόσχρησις and to its basic principle that, in a multi-layered universe, a superior cause remains active in the next subordinate layer by “making use” of its presiding power. Numenius of Apamea applies the same principle to resolve the paradox of the transcendent first god who, albeit “inactive”, can still be viewed as productive in the sense of “using” the creative capacity of the second god (Fr. 12 des Places). Philo of Alexandria also speaks of the divine Logos as the cause ᾧ καθάπερ ὀργάνῳ προσχρησάμενος (θεὸς) ἐκοσμοποιεῖ (Deus 57). 25 The devil, also called the “world-ruler” (κοσμοκράτωρ), is a mixture of two substances, spiritual and material, and in this way both inferior and superior to the demiurge – inferior in rank and substance because his superordinate creator is made of a more refined soul-substance, but also superior inasmuch as endowed with the spiritual element issued from the Logos’ presumptuous thought and thus not as completely ignorant as the demiurge of “the superior (spiritual) things”; cf. Iren. Adv. haer. 1.5.4. 24
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the lowest order consists of the powers of “envy and jealousy” that constantly labor on a “fluent matter” (p. 104,4), perpetuating the change of its elemental constituents and maintaining the continuity of their generation and passing away.26 The passage contains a number of overt references to the world-model outlined in the Timaeus and thus provides an excellent case in point for assessing the key divergences between the Platonic and Gnostic views of the sublunary world. The “spiritual Logos” acts very much like the Platonic craftsman, ordering the material realm and informing it with a specific finality (οἰκονομία); the irrational powers “commanding the constitution below them with necessity” (ἀνάγκη) personify the mechanical processes which Plato attributes to an unintelligent “errant” cause (Ti. 47e–48b); and the lowest or “servant” powers are subject to the same continuous process of generation and destruction as Plato’s shifting images of elemental bodies that appear in and slip away from the cosmic receptacle (49d–52c). The idea that the sublunary realm is filled with various “orders” of powers has no explicit correlate in Plato, but it could easily have been derived from the later Platonist dogma that “no part of the world is without a share in soul or in a living being superior to mortal nature” (Alcin. Did. 15, 171.18–19). What is profoundly non-Platonic, however, is a morbid condition that permeates the Valentinian physical universe, instigated by the cosmocrator and his “spiritual order”. Confusion and indetermination that characterize only the initial condition of Plato’s phenomenal world, prior to the demiurge’s imposition of geometrical configurations on the pre-cosmic flux of elemental vestiges, continue to dominate the Valentinian realm below the heaven until its final dissolution into nothingness. In this radical reconfiguration of Platonic hierarchies, the physical world retains, for as long as it lasts, the status of a simulacrum, filled with “phantoms, shadows, and illusions … whose end will be like their beginning: coming from what was not, they will return to what will not be “ (Tri. Trac. NHC I,5, p. 78,32– 79,3). The imperfection of this perverted semblance of perfect reality cannot be identified with negative evil, in the Platonic sense of a necessary defect in the spatial realization of the ideal pattern. We are dealing here 26 For a very similar description of the three domains within the sublunary realm, see Clement of Alexandria’s Excerpts from Theodotus 48.2–3: “And of the material elements he (sc. the demiurge) made one out of grief, creating according to substance “the spiritual forces of wickedness with whom is our contest” (Eph 6,12) … And another he made from fear, the wild beasts, and yet another from consternation and perplexity, the elements of the (physical) world”. Cf. also Iren. Adv. haer. 1.5.4. For the figure of the devil in Gnosticism and in various other currents of second-century Christianity see esp. A. O RBE, En torno al Diablo, in: id., Estudios sobre la teología cristiana primitiva, Madrid 1994, 187–235.
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with an irreparable deficiency stemming from the Logos’ misconstruing of the spiritual “fullness” – a mental construct (ἐννόημα)27 conjured up and sustained by the disorderly movements and irrational impulses of his presumptuous thought (p. 80,30–81,1): For since the Logos was in such an unstable condition, he no longer attempted to bring forth in the manner of emissions (προβολαί), which are fullnesses (πληρώματα) of glory originated for the glory of the Father; rather, he brought forth weak and small creatures, infected with the same sicknesses with [which] he himself had been infected.
4. Malum morale In addressing the problem of human evil and its etiology, multiple Gnostic traditions looked for solutions that could simultaneously resonate with Platonist psychological doctrines and with Judeo-Christian conceptions of the origin, nature, and destiny of the human being. This ambitious intertextual enterprise had an important precedent in the Alexandrian tradition of biblical interpretation, best evidenced in the monumental exegetical work of Philo of Alexandria, where the Genesis account of the creation of Adam and his threefold makeup (God-inbreathed spirit – soul – flesh) was accommodated and partly integrated to Plato’s tripartite anthropology (intellect – soul – body). The adoption of this hybrid blend of two structurally analogous but conceptually diverging positions permitted Gnostic authors a considerable degree of latitude in their explanations of human condition and its evil inclinations. By constantly shifting between Jewish and Platonist traditions of theodicy, Gnostic narratives of incarnate humanity produce a parallax effect in which evil is alternately blamed on the recalcitrant substrate (corporeal matter or flesh), on exter27 Cf. Plot. Enn. 2.9 [33] 11.24–27: “But if it (sc. the “image of Soul”, or the reflectionin-matter of Sophia’s rational conception of the universe) is a concept (ἐννόημα), first of all they must explain the meaning of this name, and then how it exists, unless one will give the thought power to make; but how can the making be attributed to a figment of thought (πλάσμα)?” The Gnostics probably borrowed the term ἐννόημα from Stoic epistemology, where it designates the product of empty imagination (τὸ φανταστικόν), a class of universal concepts (e.g. universal Man) or fictitious entities (e.g. the Giants) that have no reality outside the mind. The physical world as the solidified construct of an illicit deliberation by the Logos (or by Sophia in other ‘Valentinian’ accounts) is an ontological chimaera (ἐννόημα) which, similarly to the Stoic concept of the “all” (a fictitious combination of the corporeal universe and the incorporeal void that surrounds it), transgresses both physical and conceptual boundaries between bodies and incorporeals. See, for instance, Exc. Theod. 46, where the Savior is said to “have drawn these (sc. Sophia’s passions) and changed them from incorporeal and accidental passion into matter as yet incorporeal, and next, in the same fashion, into compounds and bodies”.
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nal agency (celestial rulers, the devil, demonic powers), and on human choices (the lower or irrational soul, the spirit of wickedness). The revisionist interpretation of the biblical story of Adam in the ‘Sethian’ Apocryphon of John provides an illustrative example for this constant shifting of exegetical viewpoints. Two accounts of the creation of Adam in the opening chapters of Genesis, first of “the man after image” (Gen 1,26–27) and then of the “molded man” (2,7), are interpreted not as complementary versions of the same event, but rather as consecutive moments in a gradual formation of a tripartite human being. The underlying exegetical framework for this curious cut-and-paste approach to the biblical text is made up of heterogeneous textual segments borrowed from Plato’s narrative of the creation of man in the Timaeus (69c–d; 73b–76e), Philo of Alexandria’s philosophically-driven interpretations of the same biblical verses (e.g. Opif. 134; LA 1.31–42; Det. 82–83), and various versions of the astrological doctrine of planetary melothesia. Filtered through this intertextual grid, the creation of Adam is turned into a threestage process which unfolds in the following fashion (BG 2, p. 47,14–55,18; NHC III,1, p. 21,16–27,4; NHC II,1, p. 14,13–21,16): (i)
(ii)
(iii)
the molding of Adam’s “psychic body” and its sevenfold framework by the irrational demiurge and his seven celestial archons after the image of a spiritual prototype (“Geradamas”), which is then projected onto the primeval water (Gen 1,26–27); the correction of the resulting incongruity between the spiritual prototype and its psychic replica, unable to stand up and move, by the demiurge’s inadvertent infusion of his spiritual “power”, previously taken from Sophia, into the psychic Adam (Gen 2,7); the relegation of the spirit-endowed psychic Adam to the realm of matter on the part of the demiurge and his planetary rulers and the subsequent formation of Adam’s material body (Gen 2,7).28
28 The distinction between the archetypal Adam (“Geradamas”) and his molded copy is Philonic (cf. Opif. 134), and so is the correction of the gap between the two by the act of divine “inbreathing”; cf. Det. 82–83 and esp. LA 1.36–38: “Now the expression ‘breathed into’ is equivalent to ‘inspired’ or ‘be-souled’ that which is inanimate … The expression reveals some more physical rationale; for there must be three things, that which breathes in, that which receives, and that which is inbreathed. Now that which breathes in is God, that which receives is the (inactive) intellect, and that which is inbreathed is the spirit. What then is to be inferred from these premises? A union of the three comes about, as God extends the power that proceeds from him through the spirit, which is the intermediary, until it reaches the subject. And for what purpose save that we may obtain a conception of him? For how would the soul have conceived of God if he had not breathed into it and touched it according to his power?” The order of composition of
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The end product of this complicated duel of wits between the cosmic and spiritual powers is a composite being that internalizes all levels of the Gnostic ontological hierarchy: the spiritual (pneumatic) level of the transcendent One and its aeons; the intermediary animate (psychic) realm of the demiurge and his minions in charge of the celestial sphere; and the material (hylic) world below the moon. Among these constitutive aspects of the protoplast human, the psychic body stands out as his original and distinctive nature, a sort of receptacle for the other two substances, spiritual and material, which will be acquired in the next two formative stages. By its median position and its mediating function, Adam’s soul-element closely corresponds to a “mortal kind of soul” of the Timaeus, deliberately “built on” by the lesser cosmic gods (69c–d) to ensure the intellect’s control over the body; and it also corresponds, to the extent allowed by the counter-pressure of the Genesis narrative, to the Middle Platonist construct of a “simple” soul – an entity intermediate between the intelligible and the material domains, laying hold on both and serving as a locus of their struggle for mastery.29 Adam’s body (animate body – spiritual power – material body) reflects the sequence that Plato’s postulated for the framing of the visible world (Ti. 30b–c): (i) creation of soul; (ii) intellect fashioned within soul; (iii) soul fitted within body. The creation of the seven parts of Adam’s psychic body and its subsequent incarnation is based on Plato’s account of how the lesser gods “built on the mortal kind of soul” for a newly incarnated “immortal principle of soul” (Ti. 69c–d) and then encompassed these two kinds of soul within a sevenfold bodily frame (73b–76e). In the Apocryphon of John, as well as in Philo, the exigencies of exegesis led to the suppression of any reference to Plato’s doctrine of the pre-incarnate individual soul and its descent into the body. (Interestingly, this classical Platonic doctrine of the pre-existent intellectual souls entering the physical body will be introduced in the later sections of the Apocryphon of John to explain the formation and composite makeup of the post-Adamic lineage; cf. II,1 p. 24,26–25,9). In both instances, the archetypal Adam figures as the model for the creation of its imperfect copy, but this spiritual prototype does not get dragged down into a disorderly material substrate. Finally, the fashioning of each of Adam’s seven psychic bodily elements by a different heavenly ruler reflects the astrological rule whereby the individual constituents of the human physique belong to a separate celestial power. For various forms of planetary melothesia, see for instance Ptol. Tetr. 3.11; Hermippus 1.13 and 2.3 (18–20, 37–39 Kroll); Herm. Iatromath. 1.1–6 (Phys. med. gr. min. 1, 387); Procl. In Ti. 42e (3, 354–355 Diehl). A more detailed account of various traditions that contributed to this creative misprision of two Genesis accounts of the creation of Adam in the Apocryphon of John, see Z. PLEŠE, Poetics of the Gnostic Universe. Narrative and Cosmology in the Apocryphon of John, Leiden/Boston 2006, 200–210. 29 For the “simple soul” in Plutarch, see the passages cited supra n. 11; for Atticus, cf. Fr. 11 and 15 des Places. It is true that, in contrast to Adam’s psychic body, this simple soul is “from the beginning intimate with body” (Plut. An. procr. 28.1026E) and thus, as Atticus put it, “irrational and disorderly” (Fr. 11). As already suggested, the neutral status
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The imprisonment of Adam into the material body, or his “second modeling” (ἀνάπλασις), is provoked by the archons’ bitter realization that their own product has been granted the spiritual power and thus made intellectually superior to them. Cast into a disorderly mélange of primal elements, Adam’s soul falls prey to violent affections which threaten to sever its newly acquired fellowship with the inbreathed spiritual power. The disruption of this fragile communion with the spiritual agency is prevented by the providential visitation of a feminine power (“luminous afterthought” or “the thought of the first light”) from the higher realm (BG 2, p. 55,2–17; NHC III,1, p. 26,13–27,4): They (sc. the seven archons) saw the human being: he was superior to them. They made a plan with all the host of angels belonging to the archons and with the rest of their powers. Then they mixed fire and earth with water and flame. They seized them together with the four winds blowing with fire, joining them with one another and [causing a great] turmoil. They brought him into the shadow of death. They performed once more yet another act of modeling (πλάσις) from earth, water, fire, and spirit (πνεῦμα) – that is, from matter (ὕλη) and darkness and desire (ἐπιθυμία) and the adversary spirit (ἀντικείμενον πνεῦμα; NHC III,1: their counterfeit spirit, ἀντίμιμον πνεῦμα). This is the bond, this is the cave (m+haou; NHC III,1: σπηλαῖον) of the modeled form (πλάσμα) of the body (σῶμα) in which they clothed the human being for (his) bondage to matter (NHC III,1: the bond of forgetfulness λήθη). This is the first one who descended and the first to separate. But in him was the thought (ἔννοια) of the first light, raising his thinking.
The passage is filled with the Platonist and biblical clichés for the physical body and the material world (“the shadow of death”, “cave”, “the bond of forgetfulness”), suggesting that the deficiency of the earthly Adam and his progeny results from the accretion of material elements. But the elemental mélange is not the only ingredient used in Adam’s “second modeling”, and certainly not the principal cause of irrational affections (“desire”) that give rise to disorderliness, vice, and the loss of superior knowledge (“forgetfulness”). Matter is the locus of evil in the earthly Adam as well as its necessary precondition, but the true cause of evil lies in the “adversary” or “counterfeit” spirit which takes up residence in the material body to counteract the beneficent work of Adam’s spiritual helper and to prevent his deliverance from the inexorable laws of physical fate. The same counterfeit spirit exerts its nefarious influence in the subsequent history of earthly humanity and constitutes an inextricable part of its material condition. Interestingly, the formation of individual members of the human race does not reflect the pattern applied to the creation of of Adam’s soul-substance (neither rational nor irrational but capable of moving in either direction) probably results from a mutual readjustment of the base biblical text and the superimposed Platonist model.
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Adam (“psychic body” or the mortal soul – spiritual element – material body), but follows instead the Platonic scenario of pre-existent immortal souls descending into physical bodies. Originally the residents of the spiritual domain, where they were already grouped according to the duration of their future incarnate existence (“the souls of the saints” which will be saved at once and the “repentant souls” caught in the cycles of reincarnation), these immortal souls are sent down to the material realm, “made to drink water of forgetfulness by the first ruler so that they might not know where they had come from” (NHC III,1, p. 25,7–9), and subjected to the chain of natural causality (“fate”) and the counterfeit spirit as its principal agency. Created by the archons “in imitation of the spirit which has descended” (BG 74,6ff; NHC III,1, p. 38,17ff), this “counterfeit” spirit “befouls the souls” by ruse and subversion, and replaces their spiritual yearning for truth with sexual desire (ἐπιθυμία). Just as the demiurge and his archons govern the physical world by the rule of fate (εἱμαρμένη), so does the imitative spirit act on every embodied soul, “steers (it) into temptation” (BG 2, p. 75,1; NHC III,1, p. 39,3: “distraction”), and makes it an accomplice in its own imprisonment “down to the present time” (BG 2, p. 75,10; NHC III,1, p. 39,10–11). As in the case of Adam, the negative influence of the counterfeit spirit is countered by a providential activity of a spiritual emissary (“the afterthought of light”), who imparts “the spirit of life” to every incarnate soul in order to “rectify the posterity and heal it of the deficiency” (NHC II,1, p. 25,13–14). As a result, the human soul, even though confined within the sphere of physical fate and exposed to constant assaults of bodily affecttions, is granted autonomy in the choice of its sublunary existence: either a complete divestment of the affections and the striving for immortality or a willful enslavement to appetite and vice.30 Since the rule of physical fate is 30 The Apocryphon of John appears to follow the Middle Platonist formula of conditional fate whereby, in the realm of human rational decision, the chain of causation becomes ineluctable only upon being triggered by acts of free will. The general laws of consequence in the physical realm are firmly established, including the insertion of the pre-existent souls into bodies, but thanks to the activity of a higher providence, it is “in our power” (τὸ ἐφ’ ἡμῖν) to choose between these two causal patterns – “one of divine happiness and the other of godless misery” (Plato, Tht. 176d–e; cf. Ti. 42a–b). Cf. Alcin. Did. 26,179.3–13: “For fate occupies the status of a law: it does not say, as it were, that this person will do this and the other will suffer that, for that would entail an infinity of possibilities … and then what is in our power would also vanish as well as praise and blame and everything like that; but (fate rather says) that if a soul chooses this or that kind of life and performs such-and-such deeds, such-and-such consequences will follow for it”; Ps.-Plutarch, De fato 6.571D: “Of these (species of contingency) what is in our power is the more general; for it has two kinds, the one arising from passion and anger
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subordinate to “providential care” (BG 2, p. 68,10 ἐπισκοπή), the majority of embodied souls will be healed of their deficiency and ascend to their spiritual abode – some at once (“the souls of the saints”, or “the seed of Seth”) and others (“the repentant souls”) after a long process of purification in the cycles of reincarnation.31 Indeed, the power (δύναμις) will descent unto everyone, for without it no one is able to stand up. And after they are begotten, then, if the spirit (πνεῦμα) of life increases, the power comes and strengthens that soul (ψυχή), and nothing can mislead it into the works of wickedness (πονηρία). But those upon whom the counterfeit spirit (πνεῦμα) descends are drawn by it and led astray. … In the case of those others (who have not known to whom they belong), the despicable spirit (πνεῦμα) has increased within them while they were going astray; and it weighs down (βαρεῖν) the soul (ψυχή) and beguiles it into the work of wickedness (πονηρία), and it casts it into forgetfulness. And after it has come out (of the body), it is handed over to the authorities (ἐξουσία) that came into being through the ruler (ἄρχων), and they bind it with bonds and cast it (again) into the prison. And they go around with it until it awakens out of forgetfulness and takes knowledge unto itself. (NHC II,1, p. 26,12–27,10; cf. BG 2, p. 68,4–69,12)32
and desire, and the other from rational calculation or mind; of these we can speak as a matter of choice (κατὰ προαίρεσιν)”. 31 Eternal punishment is reserved solely for the apostates, or those who “have gained knowledge” but thereupon, on their own will, “turned away from it” (NHC II,1, p. 27,21– 30). 32 Striking similarities between the opposite spirits in the Apocryphon of John and the Qumran Instruction on the Two Spirits, the spirit of truth and the spirit of wickedness (1QS 3:13–4:26) have not passed unnoticed by scholars; cf. e.g. A. BÖHLIG, Zum antimimon Pneuma in den koptisch-gnostischen Texten, in: Id., Mysterion und Wahrheit, Leiden 1968, 162–174, esp. 173–174. Affinities are striking indeed, and so are divergences – thus, in the Qumran text, the dualism of the opposite spirits is instituted and enforced by a single divinity; cf. J.J. C OLLLINS, The Origin of Evil in Apocalyptic Literature and the Dead Sea Scrolls, in: Id., Seers, Sybils, and Sages in Hellenistic-Roman Judaism, Leiden 1997, 287–299, esp. 292–296. The hypothesis of a direct borrowing does not seem as plausible as that of a common source. In all likelihood, this source is Jewish wisdom tradition, which also posits a radical antagonism of the opposite forces at all levels of creation: ethical and physical, cosmological and psychological. As stated by Ben Sira, “All things are twofold, one opposite to the other, and he has made nothing deficient” (Sir 33:9); see J. FREY, Different Patterns of Dualistic Thought in the Qumran Library, in: M. BERNSTEIN/F. G ARCÍA M ARTÍNEZ/J. K AMPEN (eds.), Legal Texts and Legal Issues, Leiden 1997, 275–335. In the case of the Apocryphon of John, this multidimensional pattern of dualism is incorporated into a Platonist cosmological framework and its distinction between physical fate and metaphysical providence. An important intermediary in this process of the creative fusion of heterogeneous traditions might have been Philo of Alexandria, whose exegesis of Exodus 12,23 (“The Lord will pass over that door and will not let the destroyer enter your houses to strike”), preserved only in Armenian translation, offers an attractive intertextual link between Platonist philosophy, Wisdom literature, the Instruction on the Two Spirits from Qumran, and the Apocryphon
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Other ‘Sethian’ narratives do not appear to share such an inclusive view of salvation as the matter of individual choice. The Hypostasis of Archons, for instance, draws a sharp dichotomy between the fallen “spiritual” race of Seth, whose true “abode is in incorruptibility” (II,4 p. 93,29), and the rest of “mortal humanity” (96,26–27), which is further divided into two historical lineages: one born of Cain, “carnal” and fully enslaved to the dominance of physical fate, and the other derived from Abel, or “psychic”, which is capable of deliberately choosing virtue over vice. In spite of their capacity for moral improvement, the members of the “psychic” race can never “ascend into the limitless light where the posterity (of Seth) belongs” (97,7–9). Their souls are of a mortal kind, fashioned by the cosmic rulers, so that, after leaving their bodies at death, they can only be elevated to the outer surface of heaven.33 The “spiritual” humans, in contrast, possess the souls that “are come from above, out of the incorruptible light” (96,21–22). Imprisoned in the cosmos, but never fully dominated by its rulers, they will be awakened into clear perception by angelic visitations and return to their supra-celestial abode. As the great angel Eleleth explains it to Norea, the sister of Seth and the member of the superior “spiritual” generation, Do you think that these (cosmic) archons (ἄρχων) have any power over you? None of them can prevail against the root of truth; for on its account he (the Savior) has appeared of John: “But as for the deeper meaning (of Ex 12,23), this must be said. Into every soul at its very birth there enter two powers, the salutary and the destructive. If the salutary one is victorious and prevails, the opposite one is too weak to see. And if the latter prevails, no profit at all or little is obtained from the salutary one. Through these powers the world too was created. People call them by other names: the salutary one they call powerful and beneficent, and the opposite one unbounded and destructive. … But the nation is a mixture of both, from which the heavens and the entire world as a whole have received this mixture. Now, sometimes the evil becomes greater in this mixture, and hence (all creatures) live in torment, harm, ignominy, contention, battle and bodily illness. … And this mixture is in both the wicked man and the wise man, but not in the same way. For the souls of foolish men have the unbounded and destructive rather than the powerful and salutary (power), and it is full of misery when it dwells with earthly creatures. But the prudent and noble (soul) rather receives the powerful and salutary (power) and, on the contrary, possesses in itself good fortune and happiness, being carried around with the heaven because of kinship with it” (Quaest. Ex. 1.23 Marcus). 33 The intermediate or “psychic” kind of human beings has its cosmic counterpart in Sabaoth, the son of the supreme cosmic ruler (Ialdabaoth). According to Eleleth’s revelatory account, Sabaoth came to understand the limitations of his father’s animate nature. Upon “condemning his father and his mother matter”, he was appointed by Sophia “in charge of the seventh heaven, below the veil between above and below”, and was even instructed about the things that exist in the “eight haven” (95,13–96,3). Sabaoth thus attains the status of an intermediary “between the cosmic and spiritual realms, but because of his inferior nature (the son of Ialdabaoth and matter) he is unable to ascend to “the limitless light” and join the “spiritual” race.
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in the final ages (καιρός), and these authorities (ἐξουσία) will be dominated. And these authorities cannot defile you or that race (γενεά); for your abode (μονή) is in incorruptibility, where the virgin spirit (πνεῦμα παρθενικόν) dwells, which is superior to the authorities of chaos (χάος) and to their world (κόσμος). (93,22–32)
The same division of humankind into three kinds or races – “pneumatic”, “psychic”, and “hylic” – is a trademark of ‘Valentinian’ anthropology and soteriology. The principle underlying this classification follows the pattern of asymmetrical division which governs the Stoic scale of nature, and whereby each higher class of beings possesses in addition to its own distinctive characteristic all the properties of the inferior classes.34 In the ‘Valentinian’ version of this theory, the lowest position in the scale is assigned to the hylic race, with materiality, irrationality (the “material soul”), and propensity for evil as their defining traits.35 The psychic or animate race is a mixed molding of the material body and a mortal soul confected by the demiurge,36 and so it is simultaneously inclined toward evil and capable of discerning and striving for what is good.37 Members of the pneumatic race are in addition endowed with a superior spiritual element, also called a “living” (immortal) soul, which enables them to eradicate harmful passions, move beyond their putative beliefs, and attain the impregnable knowledge of spiritual “fullness”.38 According to the For the Stoic scale of nature and the logic of asymmetric dichotomy see D. H AHM, Self-Motion from Aristotle to Newton, Princeton 1994, 175–225; various Gnostic appropriations of this classification are discussed in A. O RBE, La definición del hombre en la teología del s. II., Gregorianum 48 (1967) 522–576. 35 For the concept of the “material soul” see Exc. Theod. 50.1: “’Taking dust from the earth’ (Gen 2,7) – not of the dry land but a portion of manifold and variegated matter – he fashioned a soul, earthly and material, irrational and consubstantial with that of the beasts. This is the man ‘according to the image’ (Gen 1,26)”; ibid. 50.2: “the material soul which is the body of the divine soul”; cf. also Plotinus’s critique of this Gnostic construct in Enn. II.9 [33] 5.16–22: “Foolish, too, is their introduction of this other soul, which they compose of the elements; for how could the compound of the elements have any sort of life? … And how can the soul be what holds the four elements together if it has come to be out of them? And what can one say when they attribute to that soul apprehension and deliberation and countless other things as well?” 36 For the Platonist background of this “mortal kind of soul” cf. supra, pp. 122–123. 37 Cf. e.g. Tri. Trac. (NHC I,5) p. 106,9–14: “Regarding the substance (οὐσία) of these psychic ones, its condition is twofold, for it has an understanding and acknowledgment (ὁμολογία) of what is superior, but it also inclines toward evil because of the inclination of the (erroneous) thought”. 38 Many scholars maintain that the differences between the three races are not genetic but rather behavioral. But this non-deterministic reading of the extant evidence can hardly explain the following account of a threefold Adamic lineage from Exc. Theod. 55.2–56.3: “Therefore Adam sows neither from the spirit nor from that which was breathed into him (the soul); for both are divine and both are put forth through him and 34
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author of the Tripartite Tractate, the substantial differences between the three classes of human beings can best be discerned in their specific reactions to the Savior’s redemptive advent to the world (NHC I,5, p. 118,14– 119,16): Now humanity came to exist as three kinds according to substance (οὐσία) – spiritual, animate, and material – reproducing the pattern (τύπος) of a threefold disposition (διάθεσις) of the Logos, from which there came forth material, animate, and spiritual beings. Each substance of the three races (γένος) is known from its fruit. And they were not known at first, but (became so) only through the advent of the Savior, who enlightened the saints and revealed what each one was. The spiritual race is like light from light and like spirit from spirit. … It received knowledge (saune, γνῶσις) at once from the (Savior’s) revelation. The animate race, again, being like light from fire, tarried before receiving the knowledge of him who had appeared to it, and still more before rushing to him in faith (nahte, πίστις). … As for the material race, it is alien in every way, like darkness that avoids the irradiation of light because it is dissolved (καταλύειν) by its appearance; for it did not accept his … and is hateful towards the Lord because he appeared.
The passage provides a handy summary of the ‘Valentinian’ dialectic of human predestination and freedom. The hylic race is “hateful” toward the incarnate Savior because it is “alien in every way”: not only is it deprived of the Savior’s spiritual and animate components but it also cannot match the impassible and sinless condition of his material body. The psychic race is granted the autonomy of choice and so can transcend its material condition, but, inasmuch as lacking the spiritual element, it will not ascend to the spiritual fullness.39 The pneumatic humans are predestined to attain full salvation on account of their spiritual element. The other two components of their natural constitution are nothing but temporary limitations, not by him. But his material element is active toward seed and generation, as though mixed with seed and unable to separate from this linkage in physical life. In this sense Adam is our father, ‘the first man from the earth, a man of dust’ (1Cor 15,47). Now if it had sown from the animate element and the spiritual in the same way as from the material, they (his offspring) would all have become equal and righteous and the teaching would have been in all. For this reason, many are material, but not many are animate, and only few are spiritual. Now the spiritual is saved by nature, but the animate is free-willed and has the capacity for faith and incorruptibility as well as for unbelief and corruption according to its own choice; but the material perishes by nature”. 39 See Tri. Trac. (NHC I,5) p. 122,12–27: “Now the Election (viz. the pneumatics) is of the same body (σῶμα) and substance (οὐσία) with the Savior, being like a bridal chamber on account of its oneness and unity with him; for more than anything else it was for its sake that Christ came. The Calling (viz. the psychics), in its turn, occupies the region (χώρα) of those who rejoice at the bridal chamber, and who are content and happy about the union of the bridegroom and the bride. Thus, the place (τόπος) that the Calling will come to possess is the aeon (αἰών) of the images (εἰκών), where the Logos has not yet been united with the fullness (πλήρωμα)”.
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already neutralized by “the knowledge (they) received from the Savior’s revelation”, and then completely overcome in their final reintegration (ἀποκατάστασις) with the spiritual fullness. For the pneumatic race, in short, evil is a transient disposition; for psychics, the matter of rational choice; for material humans, an enduring and irreversible condition. The above passage is remarkable, too, for its strong affirmation of the Gnostic rule of transitivity and homologation. A tripartite division of humanity, as we are told, “reproduces the pattern (τύπος) of a threefold disposition (διάθεσις) of the Logos” – a sequence of three mental affections of the self-willed Logos consequent of his misguided attempt to comprehend the unfathomable Father.40 The first is erroneous judgment, or “presumptuous thought”, which leads to ignorance and various emotional disturbances. The second is repentance (μετάνοια), the acknowledgement of the evil condition and a turning away from it, which brings up the Logos’ remembrance of the spiritual realm. The final affection is joy, a positive emotion felt toward the heavenly Savior and his disclosure of the spiritual world. Out of the three races of humans, only the pneumatics are predestined to reenact in full this pattern and joyfully respond to the advent of the Savior. The problem, however, is whether the analogy with the threefold “pattern” of the Logos can be extended all the way back to the initial state, prior to the pneumatics’ entry into matter and oblivion, so as to make them guilty of the same willful transgression and of the same erroneous judgment as the Logos, their divine archetype. The Tripartite Tractate remains non-committal on this point, and so is the case with other ‘Valentinian’ (and ‘Sethian’) accounts, including those which resort to the Platonist imagery of the pre-existent intellectual soul descending into the body. Thus, in the probably ‘Valentinian’ Exegesis on the Soul, the immortal soul, originally “a virgin” and “alone with the Father,” is portrayed as “entering this (bodily) life” and “falling into the hands of numerous robbers” (NHC II,6, p. 126,22–27), but no hint is given that her embodiment is the consequence of a mistaken judgment, of some sort of mental derangement or deviation.41 What is emphasized instead, here as well as in other Gnostic narratives, is a providential dimension of the descent. The immortal spiritual race (pre-existent souls) is sent to the physical world on the same redemptive mission as its divine counterparts Cf. supra, pp. 112–114, 118–121. In Iamblichus’s survey of previous theories of the soul’s descent, “the Gnostics” are presented as laying blame precisely on mental derangement and deviation from normality (An. 24: κατὰ δὲ τοῦς Γνωστικοὺς παρανοίας ἢ παρεκβάσεως; but it may well be that Iamblichus summarizes here the myth of Sophia and her wrongful motivation, and not the motivation of individual human souls). 40 41
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(the heavenly Seth, Jesus the Savior, etc.): to enter the contest with the cosmic rulers and their demonic powers; to experience evil and imperfection in order to re-assert its own perfection; to renounce the illusory nature of the material world as a complete perversion of the true ideal order;42 and, finally, to receive the gift of knowledge, through divine revelation and the mystery of baptism, and thereby to exchange this material deficiency, to sublate it so to speak, for spiritual incorruptibility.43 By entering this burdensome “ministry of exchange” (cf. 2Cor 5,18: διακονία τῆς καταλλαγῆς), immortal humanity becomes an indispensable agency in the universal design of salvation (οἰκονομία); the fate of this world and the final restoration of spiritual unity depend on its actions. Human wickedness (malum morale) results from the malignant activity of a deceptive irrational force inherent in matter, which perpetuates the imprisonment of humanity in the material body through the rule of physical fate. Those humans who possess an immortal soul (or spiritual power, or intellect) are capable of choosing between good and evil, but only upon being “awakened” to salvation through a redemptive visitation from the spiritual realm. They are the agents of universal salvation (“reintegration with the fullness”) and their renunciation of the physical world contributes to its ultimate perdition.
42 See, for instance, the following section from the ‘Valentinian’ Authoritative Teaching (NHC VI,3, p. 31,24–32,15): “But the (immortal) soul who has tasted these things (viz., fleshly desires induced by the Adversary) has come to understand that sweet passions (πάθος) are transient. She had learned about evil (κακία), forsaken these passions, and adopted a new conduct (πολιτεία). Following this, she disdains this life because it is transient, and she seeks the kinds of food (τροφή) that will bring her life; she leaves behind the food of falsehood and learns about her light; she walks about stripped off this world (κόσμος) and her true garment clothes her within … and she learns about the deep (βάθος) and runs into her sheepfold as the shepherd stands at the door. For all the shame and scorn that she has received in this world (κόσμος) she received ten thousand times as much grace (χάρις) and glory”. 43 Cf. e.g. the ‘Sethian’ Gospel of the Egyptians, NHC III,2, p. 63,4–18: “He (the great Seth) passed through the three advents (παρουσία) … to save that (race) which went astray (πλανᾶσθαι), by way of the exchange (hwtp, καταλλαγή) of the world (κόσμος) and baptism (βάπτισμα) through a Logos-born (λογογενής) body (σῶμα) that the great Seth prepared for himself, secretly through the virgin (παρθένος), in order that the holy ones may be born (again) through the holy spirit, by invisible (ἀόρατον) secret symbols (σύμβολον), through the exchange of one world (κόσμος) for the other world (κόσμος), and by renunciation (ἀποτάσσεσθαι) of the world and the god of the thirteen aeons (αἰών)”. The passage seems indebted to Paul’s dialectic of redemptive participation and exchange (sublation, reconciliation); cf. 2Cor 5,17–21.
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Conclusion There is one recurrent theme, a Leitmotiv, that characterizes the Gnostic accounts of evil – the theme of ignorance (ἄγνοια) as the symptom of an internal split, of a divided self. This ignorance manifests itself already at the level of the absolute One, in the impossibility of closing the irreducible gap between its unlimited potency that lacks ontological consistency and its inadequate symbolic (“aeonic”) representation. At the level of the rational cosmic agency (Sophia, Logos), ignorance arises from an impetuous attempt at articulating the transcendent One – an attempt which collapses back into itself and ends up in the cleavage between a flawed idealized projection (rational “likeness”) of the One and its unaccountable remainder (“dark matter”). Finally, ignorance defines the situation of the immortal souls sent down to the world on a salvific mission, but soon finding their true spiritual ‘selves’ disoriented and divided, seduced by the cunning power of their bodily prison. Ignorance, in short, is a state of disjuncture, the sickness of mind accompanied with emotional disturbances and with a wrongful desire, the ultimate sign of sickness, to cover the gap and to reconcile the contradiction. This is the reason why the absolute One proliferates its thought-content (“aeons”), in its futile attempt to reach the ultimate ground of its existence; this is why Sophia illuminates the darkness of matter, only to discover that her corrective act has given life to an aggressive impostor, a positive force of evil, and thus come to serve the consuming fire of his irrational and brutal impulses; and this is also why the captive souls are ready to accept their own bodily imprisonment and become, so to speak, their own tormentors. Evil, thus, is not a mere privation of good, but rather a misguided attempt to reconcile spirit with matter, soul with body, intellect with irrational passion. This theosophical answer to the problem of evil is nowhere more clearly and masterfully expressed than in the following passage from the Gospel of Truth (NHC I,3, p. 17,4–20): Inasmuch as the entirety has searched for the one from whom they had come forth – and the entirety was inside of him, the inconceivable uncontained, who is superior to all thought – ignorance of the father caused agitation and fear. And the agitation grew dense like fog, so that no one could see. For this reason error (πλάνη) found strength and labored at her matter (ὕλη) in emptiness. Without having learned to know the truth, it came to dwell in in a molded form (πλάσμα), preparing by means of the power, in beauty, a substitute for truth.44
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Translated by B. LAYTON, The Gnostic Scriptures, New York 1987, 253.
Materie und Seele in Numenios’ Lehre vom Übel und Bösen1 FABIENNE JOURDAN
Einführung Wie aus den verschiedenen Zeugnissen über seine Lehre hervorgeht, betrachtet Numenios die Materie als Ursprung des Übels und des Bösen.2 Als guter Ausleger Platons bestimmt er das Übel vor allem als Unordnung, deren Urzustand Platon im Timaios als das vorkosmische Chaos darstellt. Das kosmische Übel gilt als Überbleibsel dieses Chaos. Für diesen zerstörungbringenden Zustand nennt jedoch Platon keinen anderen Grund als die Abwesenheit des Gottes.3 Wie andere Platonnachfolger und insIch möchte mich bei Denis O’Brien (Paris) und Zlatko Pleše (Chapel Hill) für ihre hilfreichen Anregungen nach meinem Tagungsvortrag über Plutarchs und Numenios’ Lehren vom Bösen bedanken. Im Rahmen seines Aufenthaltes im Lichtenberg-Kolleg (Januar-Mai 2011) hat zudem Zlatko Pleše Numenios’ und Calcidius’ Texte mit mir gelesen. Daraus ergaben sich viele Gedanken und bibliographische Hinweise, für welche ich ihm besonders dankbar bin. Ich bedanke mich auch bei Hermann Krapoth (Göttingen) für seine Hilfe bei den deutschen Formulierungen. – Der Umfang dieses Aufsatzes ist mit dem gewählten hermeneutischen Weg verbunden (s. die Vorbemerkungen). Am Ende eines jeden der drei Textteile wird der Leser eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse finden. 2 Zur Verwendung der Wörter „das Übel“ und „das Böse“ s. die Bemerkungen in der Einführung des Bandes. – In diesem Aufsatz verwenden wir die Edition der numenianischen Fragmente von É. DES PLACES (ed.), Numénius, Collection des Universités de France, Paris 1973. Unsere Einführung beruht auf den Aussagen des Fr. 52. Wir nehmen an, dass dieses Numenios von Calcidius (Comm. 295–299) zugeschriebene Referat über die Prinzipienlehre des Pythagoras Numenios’ eigene Ansichten weitgehend wiedergibt (s. dazu J.H. W ASZINK, Timaeus a Calcidio translatus commentarioque instructus, Plato Latinus 4, London 1962, XXXVIII mit Verweis auf die Editionen von F. T HEDINGA (ed.), De Numenio philosopho platonico, Bonn 1875 und E.A. LEEMANS (ed.), Studie over den wijsgeer Numenius van Apamea met uitgave der fragmenten, Bruxelles 1937). 3 Pl. Ti. 53b. – In diesem Aufsatz verwenden wir das Wort „Gott“ mit dem bestimmten Artikel, um den Gott, von dem Platon, Numenios und die Mittelplatoniker 1
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besondere wie Plutarch will aber Numenios die Frage nach der eigentlichen, positiven Ursache dieses ursprünglichen Chaos beantworten, unter anderem weil er sich nicht der Ausweglosigkeit der Stoiker aussetzen will, welche keine Ursache des Übels zu nennen wüssten, denn ihr Gott sei nur Ursache des Guten und ihre Materie eigenschaftslos und daher passiv. Zu diesem Zweck greift Numenios auf die in der platonischen Schule übliche Methode zurück, eine Stelle in einem Dialog durch Stellen aus anderen Dialogen zu erklären.4 Die Unordnung erweist sich als eine unordentliche Bewegung. Nun nennt Platon im Phaidros5 die Seele als Prinzip der Bewegung. Deswegen liege die Ursache des vorkosmischen Chaos in einer Seele.6 Da in den Gesetzen7 eine zweite als übeltäterisch geschilderte Weltseele erwähnt werde, müsse diese für das Übel verantwortlich sein.8 Das ist zumindest die Schlussfolgerung Plutarchs,9 der diese Schlechtes verursachende Seele als vorkosmische Seele deutet.10 Trotz seiner insgesamt sprechen, von dem alleinigen Gott der monotheistischen Religionen zu unterscheiden, an welchen das Substantiv ohne Artikel im Deutschen sofort denken lässt. 4 Zu dieser Methode (vor allem bei Plutarch) s. z.B. P.L. D ONINI, Plutarco e i metodi dell’esegesi filosofica, in: I. G ALLO, R. LAURENTI (edd.), I ‘Moralia’ di Plutarco tra filologia e filosofia, Strumenti per la ricerca plutarchea 1, Napoli 1992, 82, 84; ders., Testi e commenti, manuali et insegnamento. La forma sistematica e i metodi della filosofia in età postellenistica, ANRW II 36, 7 (1994), 5069; F. FERRARI, La letteratura filosofica di carattere esegetico in Plutarco, in: I. G ALLO/C. M ORESCHINI (edd.), I generi letterari di Plutarco, Atti del VIII Convegno Plutarcheo, Napoli 2000, 172; F. FERRARI/L. BALDI (edd.), La Generazione dell’anima nel Timeo. Introduzione, testo critico, traduzione e commento, Napoli 2002, 302, A. 181. 5 245c–d. Vgl. Numen. Fr. 52, Z. 67–70. 6 Numen. Fr. 52, Z. 67–70; Plut. An. procr. 7,1015E. 7 X 896e–898d. Platon nimmt jedoch die Hypothese einer übeltäterischen Weltseele schließlich nicht an. S. dazu z.B. A.-J. FESTUGIÈRE, La Révélation d’Hermès trismégiste II. Le Dieu cosmique, Paris [1949] 1981, 125; M. M ELDRUM, Plato and the ARCHE KAKÔN, JHS 70 (1950), 71; L. BRISSON, Le Même et l’Autre dans la structure ontologique du Timée de Platon, Sankt Augustin [1974] 1998, 501; K. A LT, Weltflucht und Weltbejahung. Zur Frage des Dualismus bei Plutarch, Numenios, Plotin, Abhandlung der Geistesund Sozialwissenschaftlichen Klasse 8, Mainz/Stuttgart 1993, 11; G.R. C ARAONE, Teleology and evil in Laws X, Review of Metaphysics 48 (1994), 283–286. 8 Numen. Fr. 52, Z. 65. 9 Plut. An. procr. 7,1015E. Für einen Vergleich zwischen Numenios’ und Plutarchs Lehre, auf den wir andernorts eingehen zu können hoffen, s. z.B. R. M ILLER JONES, The Platonism of Plutarch, Menasha 1916, 87–88; B.R. BEUTLER, Numenios, PW Suppl. VII (1940), 672; W ASZINK, Timaeus, L–LIII; M. BALTES, Numenios von Apamea und der platonische Timaios, VChr 29 (1975), 245–256; W. D EUSE, Untersuchungen zur mittelplatonischen und neuplatonischen Seelenlehre, Wiesbaden 1983, 79–80; M. FREDE, Numenius, ANRW II, 36. 2 (1987), 1070–1071. 10 Dazu verweisen wir auf unseren Aufsatz: Woher kommt das Übel? Platonische Psychogonie bei Plutarch, erscheint in: A. G RÜNSCHLOSS/R. H IRSCH-LUIPOLD/F. H EINRICH
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Anknüpfung an dieselbe hermeneutische Methode hält jedoch Numenios an der gegenteiligen Überzeugung fest, dass die Materie Quelle des Übels sein müsse. Daher bezeichnet er die Materie als Seele oder genauer als schlechte Seele, um in ihr ein Schlechtes verursachendes Bewegungsprinzip sehen zu können. Auf der menschlichen Ebene spiegle sich diese Auffassung wider, insofern als eine zweite, von der Materie untrennbare Seele für das Böse verantwortlich sei. Aber wie genau stellt sich Numenios diese Beziehung zwischen Materie und Seele in der Entstehung des Übels und des Bösen vor? In diesem Aufsatz wird auf diese Frage sowohl auf der kosmischen als auch auf der menschlichen Ebene eingegangen. Das Ziel ist, drei Annahmen des Numenios über das Übel und das Böse zu erörtern. Bei der Lektüre der überlieferten Texte treten nämlich drei Probleme in den Vordergrund: Wie ist Numenios’ Gleichsetzung von Materie und schlechter Seele auf der kosmischen Ebene zu verstehen? Was bedeutet seine Überzeugung, nach welcher das Böse keineswegs der menschlichen Seele eingeboren ist, sondern von außen zuwächst? Warum kann ihm zufolge das Böse die Seele schon vor ihrer Einkörperung infizieren? Der Behandlung dieser drei Fragen sollen einige Vorbemerkungen vorangehen, in denen die Schwierigkeiten erläutert werden, die mit der Untersuchung der Lehre von Numenios verbunden sind. Daraus wird sich unsere Interpretations-Methode entwickeln lassen.
Vorbemerkungen: Schwierigkeiten und Methode bei der Untersuchung von Numenios’ Lehre Bei der Untersuchung von Numenios’ Lehre stößt man auf drei Typen von Schwierigkeiten: die Quellenlage, die Vielschichtigkeit von Numenios’ Darstellungsweise und unsere modernen Ansprüche bei einer philosophischen Untersuchung hinsichtlich der Distinktionen und systematischen Kohärenz, welche dem antiken Diskurs nicht unbedingt entsprechen. Für die Rekonstruktion11 der Lehre von Numenios hängen wir von zwei Hauptquellenarten ab: einmal von direkten Zitaten, die wir fast ausschließlich Eusebius von Caesarea verdanken, wobei zu bedenken ist, dass dieser
(edd.), Kosmologie, Kosmogonie, Schöpfung, Ratio Religionis Studien 4, Tübingen 2014 (mit Bibliographie). 11 Zum Problem des lückenhaften Charakters der numenianischen Überlieferung, welches das Bedürfnis einer solchen Rekonstruktion verursacht, s. z.B. J.H. W ASZINK, Porphyrios und Numenios, Entretiens sur l’Antiquité classique VII (1966), 42–43.
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eine Auswahl trifft, die seiner eigenen Argumentation dient;12 und vor allem aber von indirekten Zeugnissen, welche Numenios’ Gedanken umschreiben.13 Was die Lehre vom Übel und vom Bösen betrifft, sind diese indirekten Zeugnisse aufschlussreicher. Sie sind jedoch mit großer Vorsicht zu behandeln, da sie nicht nur eine den Ansichten des Zeugen entsprechende Wahl innerhalb der Rede des Numenios darstellen, sondern diese Lehre auch in Zusammenhänge stellen, die von dem ursprünglichen Kontext abweichen können, und diese Lehre manchmal auch vereinfachen oder in ihrer eigenen Terminologie ausdrücken. Dazu kommen einige Texte, welche die moderne Forschung als Zeugnisse betrachtet, die aber Numenios nicht nennen.14 Es sind Texte, die mit umso größerer Vorsicht zu behandeln sind, als sie manchmal die Mischung von verschiedenen Lehren aufweisen können. Die zweite Schwierigkeit liegt in den verschiedenen Schichten des Diskurses von Numenios. Zuerst sei bemerkt, dass Numenios als Platoniker oder genauer als „pythagoreisierender Platoniker“ bezeichnet werden könnte, welcher den Namen des Pythagoras als Vorwand verwendet, um Platon dogmatisch auslegen zu können, und dabei auch die Lehre des Pythagoras anhand der Lehre Platons rekonstruiert.15 Bei diesem Vorgang eignet er sich die Begriffe von beiden Schulen, der pythagoreischen16 wie der platonischen an, von welchen die letztere schon eine Reihe von aristo12 Zur Rezeption des Numenios bei Eusebius s. z.B. É. DES PLACES, Les fragments de Numénius dans la Préparation évangélique d’Eusèbe de Césarée, CRAI 1971, 455–462; ders., Numénius et Eusèbe de Césarée, Studia Patristica XIII (1975), 19–28; D. SAFFREY, Un lecteur antique des œuvres de Numénius. Eusèbe de Césarée, in: Forma futuri. Studi in onore del cardinale Michele Pellegrino, Turin 1975, 145–153; ders., Les extraits du Περὶ τἀγαθοῦ de Numénius dans le livre XI de la Préparation évangélique d’Eusèbe de Césarée, Studia Patristica XIII (1975), 46–51; M. Z AMBON, Porphyre et le moyenplatonisme, Histoire des doctrines de l’Antiquité classique 27, Paris 2002, 200–201; F. JOURDAN, Eusèbe de Césarée et les extraits de Numénius dans La Préparation évangélique, Paris 2014. 13 Man hätte sich eine Unterscheidung zwischen direkten Fragmenten und indirekten Zeugnissen bei des Places gewünscht. 14 Wie z.B. die Kap. 29, 31, 53–55 im Timaioskommentar des Calcidius oder Macrobius’ Stelle, In Somnium Scipionis I 11.10–12.18, welche Leemans in seiner Edition als Testimonium zitiert (T. 47, S. 104–110), während des Places sie nur teilweise aufnimmt (Fr. 34 = Somn. I 12,1–4). 15 Zu diesem Punkt s. z.B. W ASZINK, Porphyrios, 37–40; FREDE, Numenius, 1045– 1047; B. C ENTRONE, Cosa significa essere pitagorico, in: A. BRANCACCI (ed.), La Filosofia in età imperiale, Atti del Colloquio Roma, 17–19 giugno 1999, Napoli 2000, 149, 157–158; Z. PLEŠE, Platonist Orientalism, in: A. PÉREZ JIMÉNEZ/F. T ITCHENER (edd.), Historical and Biographical Values of Plutarch’s Works, Utah 2005, 362, A. 13. 16 Die eigentlich eine vor allem von Platonikern wie Xenokrates und Speusippos unternommene Rekonstruktion darstellt.
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telischen Begriffen17 übernommen hat. Außerdem setzt sich Numenios mit anderen philosophischen Schulen auseinander18– was unser Thema betrifft, vor allem mit den Stoikern, deren Terminologie er manchmal auch benutzt, um sie zu widerlegen. Daraus entwickelt er eine vielfältige philosophische Sprache, bei welcher nicht immer leicht zu erkennen ist, welche Begriffe die verschiedenen Termini genau bezeichnen. Je nach Zusammenhang können nämlich dieselben Begriffe mit verschiedenen Termini bezeichnet werden, ohne dass wir sicher sein können, ob die auf verschiedene Weise bezeichneten Begriffe sich wirklich entsprechen,19 oder ob dieselben Termini in verschiedenen Kontexten wirklich denselben Begriff meinen.20 Zu dieser schon komplexen philosophischen Sprache kommt die Vielschichtigkeit der Rede von Numenios hinzu. Der Philosoph versucht nämlich verschiedene Quellen in Einklang zu bringen,21 um seine Lehre oder genauer die von ihm ausgelegte Lehre Platons zu erläutern. Da er der Überzeugung ist, Platon, wie Pythagoras vor ihm, habe sich auf eine verschleierte Weise ausgedrückt,22 unternimmt er es, seine Lehre durch Allegorien und Analogien zu verdeutlichen. Diese Methode wird insbesondere für Fragen verwendet, die nicht rational anhand einer logischen Argumentation beantwortet werden können, wie z.B. die Frage nach dem Ursprung der Welt oder nach der Unsterblichkeit der Seele. Für solche Fragen hat Platon einen anderen Weg gewählt, nämlich den Rückgriff auf den Mythos. Numenios beruft sich seinerseits auf die Weisheit der alten berühmten Völker. Ihm zufolge haben sie nämlich auf ihre Weise ähnliche 17 Trotz seiner Ablehnung der aristotelischen Lehre (Fr. 24; 68) übernimmt Numenios als Erbe der Altakademie und der Anfänge des Mittelplatonismus die aristotelische Terminologie. 18 S. dazu die Fr. 24–28 der Schrift Über den Abfall der Akademiker mit dem Kommentar von G. M ARTANO, Numenio d’Apamea, Napoli [1947] 21960, 69–83, und z.B. W ASZINK, Porphyrios, 38, A. 2; FREDE, Numenius, 1040–1050). Die Auseinandersetzung mit den Stoikern erscheint in Fr. 3, 4b, 24, 45, 52. In Fr. 52, Z. 15–24 ist sogar der Niederschlag einer Auseinandersetzung mit einer Strömung des Pythagoreismus zu finden. 19 Dies gilt z.B. für Fr. 45, wo es nicht klar ist, was Numenios unter dem stoischen Zustimmungsvermögen (der συγκαταθετικὴ δύναμις) versteht oder, genauer, auf welche geistige oder psychische Fähigkeit im Rahmen der platonischen Lehre er mit dem stoischen Terminus verweisen will. 20 Eine solche Frage könnte bezüglich der Dyas gestellt werden, insofern als der Terminus nicht unbedingt immer auf dieselbe Entität verweisen dürfte. H.J. K RÄMER, Der Ursprung der Geistmetaphysik, Amsterdam 1964, 80–81, spricht z.B. von einer begrenzten Dyas bei Numenios. S. dazu auch BALTES, Numenios, 248. In den erhaltenen Fragmenten wird u.E. jedoch nur die unbegrenzte Dyas genannt. 21 S. vor allem Fr. 1. Vgl. Fr. 6; 9; 10; 30; 31–36; 55–58. 22 Fr. 23; 24, Z. 57–66.
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Ansichten wie sein Lehrer vertreten.23 Und gerade über den Rückgriff auf diese Methode liefert er Antworten auf die uns interessierende Frage nach den Gründen für die Einkörperung der Seele.24 Dieses Vorgehen führt Numenios dazu, sich unterschiedlicher religiöser Vorstellungen (wie z.B. sowohl aus den Mysterien25 als aus der Bibel26 stammender), poetischer Texte (wie homerischer Stellen27) und astrologischer Auffassungen zu bedienen,28 in welchen er Entsprechungen zur Lehre Platons ausmachen will. Daraus entsteht ein bildhafter Diskurs mit verschiedenen Schichten, deren jede die gleiche Lehre auf verschiedenen Ebenen (philosophisch, religiös, astrologisch, poetisch)29 ausdrücken soll, wobei30 diese Reihe von Entsprechungen eher metaphorisch und analogisch als streng systematisch zu verstehen ist.31 Dabei kann eine einzige Frage, wie die nach dem Ursprung des Übels, auf verschiedene Weisen gemäß nicht nur den verschiedenen Kontexten (seien sie ontologisch, kosmisch, moralisch, religiös), sondern auch gemäß diesen jeweils von ihrem eigenen Bilderbestand geprägten verschiedenen Schichten beantwortet werden. Was unsere Unter23 Dieses Verfahren wird deutlich erklärt bei der Erörterung des Fr. 1 bei PLEŠE, Platonist orientalism, 359–364. 24 S. PLEŠE, Platonist orientalism, 361. 25 Fr. 1; 30. 26 Fr. 32; 34; 35; 55. 27 Fr. 6; 9; 10; 30; 56. S. auch Calcidius, In Ti. 55 und 300. 28 Fr. 30–35. Zu dieser synkretistischen Methode und allgemeiner zur Beziehung des Numenios zur Weisheit des alten Orient, worauf wir hier nicht eingehen, verweisen wir allgemein auf K RÄMER, Ursprung, 65, und auf den Lexikonartikel von P.F. G ONZALES, Art. „Nouménios d’Apamée“, DPhA IV, Paris 2005, 736, welche die verschiedenen Aussagen und Stellungnahmen in der Debatte zusammenfassen und die einschlägige Bibliographie bieten. Unter anderen mit E.R. D ODDS, Numenius and Ammonius, Entretiens sur l’Antiquité classique V, 4–5, Ph. M ERLAN, Numenius, in: A. H. A RMSTRONG (ed.), The Cambridge History of later Greek and early medieval philosophy, Cambridge [1967] 1980, 103, DES PLACES, Numénius, 22, BALTES, Numenios, 245 und A LT, Weltflucht, 106, 146–147, 205, 209–210 sind wir der Meinung, dass Numenios’ Hauptquelle die griechische Philosophie (Platon, Aristoteles, die Altakademie, die Stoiker, der Neupythagorismus) ist. Die ihm begegnenden orientalischen Lehren hat er sich (wegen seiner syrischen Herkunft und allgemeiner wegen seiner Neugierde, vgl. Fr. 55) angeeignet, um die platonische Lehre auszulegen. 29 Hierbei weist zudem jede Schicht in sich unterschiedliche Schichten innerhalb eines Diskurses auf, wenn verschiedene religiöse Quellen einbezogen werden, wie z.B. ägyptische und hebräische im Fr. 30, unterschiedliche philosophische Einflüsse, wie z.B. platonische und hebräische, im Fr. 6. 30 Fr. 31–35. 31 S. zu Numenios’ Stil z.B. BEUTLER, Numenios, 672; B.P. A THANASSIADI, Numénius d’Apamée. Colères et enthousiasmes d’un esprit oecuménique, in: dies. (ed.), La lutte pour l’orthodoxie dans le platonisme tardif de Numénius à Damascius, L’Âne d’or 25, Paris 2006, 71.
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suchung angeht, hat dies zur Folge, dass wir darauf verzichten müssen, ein im Ganzen streng kohärentes, numenianisches System zu rekonstruieren, und dass wir vielmehr diese verschiedenen ungenauen Entsprechungen hinnehmen müssen, ohne versuchen zu wollen, die sich daraus anscheinend ergebenden Widersprüche aufzulösen.32 Es handelt sich nämlich weniger um Widersprüche als um verschiedene in der Behandlung einer Frage angesprochene Gedankenbereiche, deren Begriffe und Bilder nicht unbedingt Übereinstimmungen aufweisen müssen.33 Deshalb werden notwendigerweise unsere Erklärungsversuche auch vielschichtig sein. Die dritte Schwierigkeit, die unser Thema betrifft, liegt in der Überlagerung der philosophischen Bereiche bei der Wiedergabe der Lehre von Numenios in den Zeugnissen. Insbesondere geht es um die Überlagerung der kosmischen und menschlichen Ebene in den Ausführungen über die Seele. Dieses im mittelplatonischen Denken übliche Verfahren erscheint deutlich in Calcidius’ Referat und Zusammenfassung der numenianischen Lehre, wo von der Beziehung zwischen Weltseelen und Materie Schlüsse über die menschliche(n) Seele(n)34 gezogen werden. Dennoch birgt solch eine Schlussfolgerung in sich die Gefahr, vorschnelle Analogien anzunehmen, die dem Denken des Numenios nicht unbedingt entsprechen. Deshalb können die Feststellungen in einem Bereich nicht ohne weiteres auf den anderen übertragen werden.35 Zwei Gründe erklären diese Unmöglichkeit: Einmal hat Platon selbst, dessen Gedanken Numenios erläutern will, die Lehre einer strengen Entsprechung zwischen Makro- und Mikrokosmos nicht vertreten. Was die Seele betrifft, ist der Unterschied zwischen Weltund Menschenseele im Timaios sehr deutlich. Während die eine von dem Demiurgen allein mit vollkommenen Bestandteilen als unsterbliche und vernünftige Entität geschaffen wird, ist die zweite das Produkt von Bestandteilen mit geringerer Vollkommenheit. Sie bekommt außerdem einen Auf die Unmöglichkeit, eine völlig koordinierte Lehre des Numenios zu rekonstruiren, weist schon Amelios hin, der Numenios als jemanden beschreibt, der sich über dieselben Fragen jeweils anders äußere (s. Porphyrios, VP 17,38–39). 33 Übrigens kann auch eine auffallende Inkonsequenz durch die Lückenhaftigkeit der Überlieferung erklärt werden. 34 Fr. 52, Z. 65–75 (Calcidius, Commentarius in Platonis Timaeum 297) und Calc. Comm. 300. Vgl. Calc. Comm. 31; 54–55. Die zuletzt genannten Kapitel geben nicht unbedingt die Lehre des Numenios wieder, zeigen aber sehr deutlich Calcidius’ Neigung, aus den Ausführungen über den kosmischen Bereich auf den menschlichen Bereich zu schließen. 35 S. dazu den Bruch in Calcidius’ Aussagen in Kap. 54: Dort handelt es sich um zwei Teile der Weltseele, welche Calcidius auch im Menschen sehen will. Jedoch muss er bei dem Menschen von zwei Seelen sprechen, einer rationalen und einer physischen, und von ihrem Zusammenleben (contubernio), während die Weltseele in seiner Rede eine rationale Einheit darstellt. Darauf wird im zweiten Teil dieses Aufsatzes eingegangen. 32
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Zusatz, der sterblich ist. Er ist von den dem Demiurgen untergeordneten Göttern geschaffen und enthält vernunftlose Affekte.36 Diese Ungleichheit von Welt- und Menschenseele bei Platon wird wahrscheinlich in Numenios’ Lehre reflektiert. Zum andern unterscheidet Numenios zwischen Materie und Körper37 (wie Platon zwischen der von ihm genannten χώρα38 und den einzelnen Körpern), wobei mit Körper wahrnehmbare, geformte Materie gemeint ist. Diese beiden Unterscheidungen sollen uns dazu führen, jeden der beiden Bereiche, den kosmischen und den menschlichen, für sich zu behandeln. Zumindest sollten wir vorsichtig damit umgehen, direkte Parallelen zwischen ihnen zu ziehen, obwohl uns die Zeugen manchmal dazu verführen könnten. Hier könnte uns die deutsche Terminologie insofern helfen, als wir das Wort „Übel“ für die Unordnung im kosmischen Bereich und „Böse“ für das moralisch Schlechte verwenden. Jedoch wird diese moderne Terminologie natürlich nicht immer der antiken Anschauung entsprechen, da in einigen Fällen die Zeugnisse die Materie mit moralischen Termini qualifizieren,39 oder sich in anderen Fällen das moralisch Schlechte als Ergebnis eines kosmischen Vorganges oder eines ontologischen Prinzips zu erweisen scheint. Aus diesem Grund werden wir oft das neutralere Wort „schlecht“ benutzen. Eine letzte Bemerkung betrifft die Methode unserer Untersuchung. Anstelle systematischer Ausführungen über das Thema bei Numenios schlagen wir einen hermeneutischen Weg ein, der in dem Versuch besteht, drei Fragen zu beantworten, die sich bei der Lektüre der Fragmente stellen, nämlich: Wie versteht Numenios die Beziehung zwischen Seele und Materie auf der kosmischen und auf der menschlichen Ebene? Was meint er, wenn er von dem von außen zuwachsenden Bösen spricht? Was verbirgt sich hinter der ihm zugeschriebenen Behauptung, die Seele werde schon vor der Inkarnation vom Bösen infiziert? Auf diese Fragen werden wir keine unumstößlichen Antworten geben können, sondern wir werden nur Hypothesen zum Verständnis der Zeugnisse vorschlagen.
Pl. Ti. 69c–d. S. z.B. Fr. 43. 38 Die χώρα ist zwar nicht die ὕλη, aber seit Aristoteles ist es in der platonischen Schule üblich geworden, sie mit dem Wort ὕλη zu bezeichnen. Platon selbst verwendet das Wort ὕλη nicht im Sinne von Materie (s. dazu Calc. Comm. 309, Z. 5 Waszink). 39 S. z.B die im Fr. 52 für die Bestimmung der Materie verwendeten Wörter praesumptio (Z. 87), vires (Z. 95), temeritas (Z. 97), welche eine moralische Bedeutung haben, während piaculum (Z. 121) eine religiöse Konnotation besitzt. Die Verwendung dieses semantischen Feldes wird wahrscheinlich durch die Gleichsetzung der Materie mit einer Seele (in dem Fall der schlechten Seele) ermöglicht (s. dazu J.C.M. VAN W INDEN, Calcidius on matter. His doctrine and sources, Philosophia antiqua 9, Leiden [1956] 1965, 117). 36 37
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I. Materie und Seele in der Entstehung des Übels Numenios äußert sich über die Materie unter anderem40 im Zusammenhang seiner Suche nach dem eigentlichen Sein oder genauer „Seienden“ (τὸ ὄν), welches er als völlig frei von jeder Beziehung zur Materie bestimmt und mit dem Guten, d.h. mit dem ersten Gott, gleichsetzt.41 Daher trage die Materie die genau gegensätzlichen Züge, was erwarten lässt, dass sie folglich als Ursprung des Übels erklärt wird. Dennoch wird ihr diese Rolle erst auf einem zweiten Niveau zugeschrieben, nämlich auf der kosmischen Ebene, wenn die Weltentstehung erläutert wird. Denn vom Übel kann erst auf dieser Ebene die Rede sein.42 In diesem Zusammenhang erweist sich die Materie als Ursprung des Übels, indem sie sich dem Gott widersetzt, welcher auf dieser Ebene den zweiten Gott, d.h. den Demiurgen,43 darstellt. Die Verantwortung der Materie für die Entstehung des Übels wird deshalb in ihrer doppelten Bestimmung auf der Prinzipienebene und auf der kosmischen Ebene begründet. Nach einer Beschreibung dieser Bestimmung wird die Frage nach ihrer Beziehung zur schlechten Seele auf der kosmischen Ebene erörtert werden – eine Frage, die schließlich durch einen Rückgriff auf die Prinzipienlehre eine mögliche Antwort finden könnte.
Er könnte sich außerdem in seiner Abhandlung über die Unsterblichkeit der Seele darüber geäußert haben. J. D ILLON (The middle Platonists, Bristol [1977] 21996, 365) stellt die Hypothese auf, dass Fr. 52 aus einem Traktat über die Materie kommen könnte, dessen Existenz aber nicht belegt ist. 41 Fr. 2; 3; 4a; 11; 12; 16. 42 Bei Platon gibt es das Übel bzw. das Böse nur auf der kosmischen und menschlichen Ebene (s. z.B. Tht. 176a–b; Lg. X 905e5). 43 S. über Numenios’ Dreigötterlehre z.B. M ARTANO, 33–50; BEUTLER, Numenios, 669–672; FESTUGIÈRE, La Révélation d’Hermès Trismégiste IV, Paris 1954, 123–132; P. M ERLAN, Drei Anmerkungen zu Numenius, Philologus 106 (1962), 137–145; K RÄMER, Ursprung, 69–75; D ODDS, Numenius, 12–16; W ASZINK, Porphyrios, 40–41; BALTES, Numenios, 257–269; D ILLON, Middle Platonists, 366–372; FREDE, Numenius, 1054–1070; F.P. H AGER, Gott und das Böse im antiken Platonismus, Elementa, Schriften zur Philosophie und ihrer Problemgeschichte 39, Würzburg/Amsterdam, 132–133; G ONZALES, Nouménios, 731–732 mit Bibliographie. 40
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A. Die Bestimmung der Materie 1. Auf der Ebene der Prinzipien Numenios’ Bestimmung der Materie auf der Prinzipienebene44 verdanken wir den direkten Zitaten von Eusebius, was uns eine Grundlage für das Verständnis dieser Lehre gibt.45 In den auf diese Weise erhaltenen Fragmenten seines Buches Περὶ τἀγαθοῦ verwendet Numenios, um die Bedeutung des „Seienden“ und dabei die Bestimmung des ersten Gottes zu gewinnen, die übliche negative Methode, welche zunächst darin besteht, das „Seiende“ von allem Wahrnehmbaren und Körperlichen zu unterscheiden, bis es sich als das „Unkörperliche“ überhaupt erweist.46 In diesem Verfahren wird deshalb die Materie als Gegensatz zum Seienden dargestellt. Sie erhält dabei die folgenden Züge: Sie sei unbestimmt (ἀόριστος) und unbegrenzt (ἀνήνυτος), d.h. form- und eigenschaftslos, unfähig sich in einem Zustand zu erhalten (ἀρρωστίᾳ τοῦ μένειν, Fr. 3) und unbeständig (οὐχ ἕστηκεν, Fr. 4a), deswegen könne sie kein zusammenstellendes Prinzip darstellen. Diese Beschreibung führt Numenios dazu, die Materie mit einem Fluss, der sich in ständigem Abfließen befindet, zu vergleichen (ποταμὸς ῥοώδης καὶ ὀξύρροπος, Fr. 3) – ein Bild, das sich in den Zeugnissen aus Porphyrios47 wiederfindet, und uns anzunehmen erlaubt, dass Numenios tatsächlich die Materie mit dem Meer,48 allgemein mit Flüssigkeit und dabei auch im weiteren Sinne mit Feuchtigkeit verglichen hat, was sich in seinen astrologischen und religiösen Äußerungen über das Schicksal der menschlichen Seele widerspiegelt und dort eine neue Bedeutung gewinnt. In ihrer Gegenüberstellung zum „Seienden“ wird die Materie dazu als sich
44 Wir vermeiden die Wörter „Metaphysik“ und „metaphysich“, die zu dieser Zeit für den Bereich der Seinsprinzipien nicht verwendet werden. Das Wort „Metaphysik“, das mit Andronikos von Rhodos und seiner Edition der Werke von Aristoteles erscheint, wird erst ab Simplicius [535] als Bezeichnung einer philosophischen Disziplin verwendet. Im mittelplatonischen Zusammenhang (im Anschluss an Aristoteles selbst) wird dieser Bereich eher „Theologie“ genannt (s. z.B. von Alcin. Did. VII 160,42; VIII 162,25). 45 Obwohl unser Zugang zu dieser Lehre wegen der von Eusebius getroffenen Auswahl mit Mängeln behaftet ist. 46 Fr. 2–4a; 5–8. 47 Fr. 30; 33. 48 Fr. 33. Der Vergleich steht zwar in der Rede des Porphyrios, aber da Numenios im vorherigen Satz zitiert wird, kann das Bild von ihm stammen. Es entspricht ohnehin dem numenianischen Bild des Flusses, dessen Ursprung auf Heraklit (s. Fr. 30, Z. 10–14) zurückgehen kann.
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in Unordnung befindend dargestellt. Dies habe zusätzlich zur Folge, dass sie vernunftlos (ἄλογος) und unerkennbar (ἄγνωστος, Fr. 4a) sei.49 Eine positive Bezeichnung als Prinzip bekommt die Materie erst, wenn sie im kosmischen Bereich erwähnt wird und dort in Kontakt mit dem göttlichen Demiurgen tritt. Sie wird nämlich dabei in den für uns als sicher bewerteten Fragmenten an zwei Stellen „Dyas“ genannt,50 einmal wenn sie die Spaltung des zweiten Gottes in den zweiten und dritten Gott dadurch verursacht, dass jener sich zu ihr wendet, zum anderen dort, wo sie dem als Monas bestimmten Gott gegenübergestellt wird, wenn es darum geht, die Entstehung der Welt zu erklären.51 In dem letzteren Zusammenhang wird sie genauer „unbestimmte Dyas“ genannt und deutlich als Ursprung des Übels bezeichnet. Diese Lehre entspricht Aristoteles’ Referat über Platons angebliche Gegenüberstellung des Einen und der Dyas als jeweils formeller und materieller Ursache des Guten und des Übels.52 Diese Gegenüberstellung geht eher auf den alten Pythagoreismus zurück und wurde schon im frühen Schülerkreis Platons dem letzteren zugeschrieben. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass Numenios diese Lehre Pythagoras zuschreibt, und zwar genau in dem Zusammenhang, in welchem er auch eine Deutung des Timaios vorstellt.53 Bemerkenswert ist, dass die Dyas, zumindest in den erhaltenen Fragmenten und Testimonien, erst dann genannt wird, wenn es um die Wirkung der Materie auf der kosmischen Ebene geht, was heißen kann, dass sie Numenios zufolge erst dann eine Funktion erhält.54 Demnach wäre Numenios’ tatsächlicher Dualismus folgendermaßen zu verstehen: Eine Gegenüberstellung zweier Prinzipien würde in seiner Lehre erst auf der Ebene auftauchen, auf welcher der zweite Gott als dritter Gott entsteht, aber nicht vorher.55 Es sei zumindest angemerkt, dass die Materie S. vor allem Fr. 3 und 4a. Diese Bestimmung der Materie ist bei Platon und Aristoteles vorgebildet und hat sich dann weiter verbreitet, s. dazu z.B. BEUTLER, Numenios, 659. 50 Fr. 11, Z. 15; Fr. 52, Z. 6. 51 Fr. 52, Z. 1–14. 52 Arist. Metaph. A 6, 988a9–10, 14–15. S. dazu z.B. F.P. H AGER, Die Materie und das Böse im antiken Platonismus, Museum Helveticum 19 (2) (1962), 75; É. DES PLACES, La matière dans le Platonisme moyen, in: Zetesis. Album amicorum, Antwerpen 1973, 215. 53 In Fr. 52, Z. 88 deutet der Ausdruck in Timaeo loquitur Plato an, dass Numenios auch einen Erklärungsversuch für die Entstehung der Welt gemäß der Darstellung im Timaios unternimmt. 54 Eine ähnliche Sicht ist bei Xenokrates zu finden, bei welchem die Dyas erst in der Welt in Erscheinung tritt. S. dazu H. H APP, Hyle. Studien zum Aristotelischen MaterieBegriff, Berlin/New York 1971, 249. 55 Die beiden ersten Götter der numenianischen Theologie entsprechen nicht den beiden Prinzipien Monas und Dyas. Die Dyas spielt keine Rolle auf der eigentlichen göttlichen Ebene. S. dazu auch z.B. H AGER, Gott und das Böse, 142, der bemerkt, dass 49
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erst dann als Dyas und dabei auch als Ursprung des Übels bezeichnet wird. Ihre sich aus der Gegenüberstellung zum Seienden ergebende Beschreibung erklärt dennoch die Züge, die der Materie diese Rolle übertragen, nämlich ihre Unbestimmtheit, Unbeständigkeit (d.h. unordentliche Bewegung, ständiger Wechsel) und Vernunftlosigkeit. 2. Auf der kosmischen Ebene Diese Züge erweisen sich also erst auf der kosmischen Ebene als übeltäterisch. Aufschlüsse über dieses Thema sind Calcidius’ schon erwähntem Referat über Numenios’ Bericht von Pythagoras’ Lehre zu entnehmen. In diesem Zusammenhang unterscheidet Numenios zwischen zwei Aspekten der Materie, ihrem Nicht-Gewordensein und ihrem Gewordensein. Der zweite entspricht der vom Gott in Ordnung gebrachten Materie,56 während der erste die unbestimmte Dyas darstellt, welche dem Gott gleichursprünglich und gleichewig und deswegen wie er Prinzip dieser Welt ist.57 Sie trägt die schon erwähnten Züge, aber trotz ihrer Eigenschaftslosigkeit erweist sie sich, im Gegensatz zur Auffassung der Stoiker, als gar nicht neutral: Durch den Widerstand,58 den sie gegen den Gott leistet, wird sie zur Ursache des Übels, und wegen ihres Status als Prinzip auf der kosmischen Ebene59 ist dort das Übel notwendig und unzerstörbar.60 Allerdings wird auf dieser Ebene dem Übel durch die ordnungbringende Tätigkeit des Gottes Einhalt geboten. Die noch bestehenden Übel können als Überbleibsel der Wirkung aufgefasst werden, die von der Materie ausgeht und zum größten Teil eingedämmt wird. Hier spiegelt sich die im Timaios beschriebene Beziehung zwischen dem Demiurgen und der ihm gehorchenden Notwendigkeit wider, was Numenios’ Gleichsetzung zwischen der letzteren und der Materie bestätigt. Wenn der Widerstand der Materie gegen den Gott das Übel verursacht, muss die Materie in Bewegung sein. Aufgrund des im Phaidon ausgedrückten Grundsatzes, gemäß welchem nur eine Seele Prinzip der Bewegung sein kann, und der (angeblichen) Annahme zweier Seelen in den Gesetzen, versich der Prinzipiendualismus bei Numenios nur in der sichtbaren und nicht in der intelligiblen Welt manifestiere. 56 Mit diesen zwei Aspekten wird die Materie genau durch die Merkmale gekennzeichnet, die Plutarch der „Seele an sich“ zuweist. – Außerdem wird die Materie durch die ordnungbringende Tätigkeit des Gottes zur Mutter der himmlischen Körper (Fr. 52, Z. 101–102). 57 Fr. 52, Z. 6–14. 58 Fr. 52, Z. 13–14; 91–96; vgl. Z. 76–77. 59 Fr. 52, Z. 5–14; 74–75. 60 Fr. 52, Z. 56–64; 104–107.
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bindet Numenios die Materie mit der dort erwähnten schlechten Seele, um die Schwierigkeit aufzulösen.61 Dennoch ist diese Schwierigkeit nicht völlig verschwunden. Numenios vertritt nämlich nicht die Ansicht Plutarchs, eine Seele stelle letzten Endes die tatsächliche Ursache des Übels dar. Er sagt nicht, dass die Materie eine Seele besitze – im Sinne von Theilers Konjektur62 des handschriftlichen Textes von Calcidius. Νach dessen Formulierung sei bei Numenios die Materie selbst die schlechte Seele.63 Und obgleich eine Seele der Materie (silvae anima, Z. 92) im selben Text genannt wird, übt sie nur als Seele der Materie und nicht als Seele „an sich“ ihre Schlechtigkeit aus. Zudem scheint es so, dass Numenios die Materie als die in der nächsten Zeile erwähnte substantia (auf Griechisch οὐσία) dieser Seele ansieht.64 Um zu verstehen, wie die Materie selbst das Übel hervorbringt, muss deshalb ihre Beziehung zu dieser schlechten Seele erläutert werden. Was meint Numenios mit seiner kühnen Gleichsetzung von der Übles bewirkenden Seele mit der Materie?
B. Die Beziehung zwischen Materie und schlechter Seele Um diese Frage zu beantworten, scheint die Beziehung zwischen beiden Entitäten anders als ein Besitzverhältnis verstanden werden zu müssen. Matthias Baltes65 schlägt die folgende Erklärung vor: Die schlechte Seele sei ein Aspekt der ursprünglichen Materie, nämlich der Aspekt der Belebtheit, des Begehrlichen und der widersetzlichen Bewegung. Dabei sei trotzdem Fr. 52, Z. 64–70. W. T HEILER, Gott und Seele im kaiserzeitlichen Denken, Entretiens sur l’Antiquité classique III (1957), 74. 63 Duas mundi animas autumnet, unam beneficentissimam, malignam alteram, scilicet silvam, Fr. 52, Z. 64–65. J.H. W ASZINK (Porphyrios, 69) merkt außerdem an, dass sich im Kap. 175 des Timaioskommentars von Calcidius dieselbe Gleichsetzung von Materie und böser Seele befinde, was die Gültigkeit der handschriftlichen Lesart bestätige. Dort heißt es nämlich von den bösen Dämonen: habentque nimiam cum silva communionem, quam malignam animam veteres vocabant, wo die veteres auf Numenios verweisen können. Zu dieser Gleichsetzung s. auch z.B. M ILLER JONES, The Platonism of Plutarch, 87–88; VAN W INDEN, Calcidius on matter, 113–114. 64 Fr. 52, Z. 93 (ergo iuxta Pythagoram silvae anima neque sine ulla est substantia, ut plerique arbitrantur). Zu dieser Stelle s. BALTES, Numenios, 251; DES PLACES, Numénius, 124, A. 17. Es scheint uns, dass Numenios die aristotelische Auffassung der Materie als einer Art von Substanz dazu verwendet, dieser Seele einen materiellen Grund zuzusprechen, im Gegensatz zu Platonikern wie z.B. Plutarch. S. dazu A LT, Weltflucht, 32, A. 10. 65 Numenios, 247–9. 61 62
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die Materie und nicht die Seele letzten Endes Ursprung des Übels, insofern als sie zwei Aspekte eines einzigen Prinzips seien, wobei die Materie das dominierende Element darstelle.66 Dieser Erklärungsversuch kann jedoch vertieft werden, indem das gesamte Zeugnis des Calcidius in Anspruch genommen wird.67 Dort scheint sich die zu erläuternde Beziehung als eine der Herleitung zu erweisen – eine Erläuterung, die allerdings noch zu prüfen ist. 1. Die aus der Materie entstehende schlechte Seele: Anima ex silva (Fr. 52; vgl. Calcidius, Kap. 300) Im Anschluss an seine Wiedergabe von Pythagoras’ Lehre über die Entstehung der Welt nach Numenios will Calcidius Platons Ansichten über die Materie darstellen.68 Dabei führt er zwei Interpretationen an, wobei sich die zweite als eine Zusammenfassung der Lehre, die vorher Pythagoras von Numenios zugeschrieben wurde, erweist.69 Calcidius schreibt nämlich folgendes: „Wir müssen noch Platons Lehre von der Materie untersuchen, die die Schüler Platons unterschiedlich zu deuten scheinen. Die einen,70 eher wortgetreu als sinngetreu, meinten, er habe gesagt, sie sei geschaffen, die anderen, sie sei ungeschaffen, aber mit einer Seele ausgestattet, denn vor ihrer Ausschmückung, habe er gesagt, sei sie von einer unsteten und ungeordneten Bewegung getrieben worden, während die innere und natürliche BeEine ähnliche Auslegung findet sich bei W ASZINK, Porphyrios, 69; A LT, Weltflucht, 32. Aus ihrer Deutung, die Materie als Seele werde nur eingeführt, um das Bewegtsein und Lebendigsein der Materie zu erklären, kommt K. Alt zu dem Schluss, dass es sich eigentlich nicht um zwei Seelen bei Numenios handle, sondern um Gott und die Materie (Weltflucht, 32–33, 37). 67 Über die Kap. 295–299 (= Fr. 52 von Numenios) und 300 des Timaioskommentars von Calcidius s. z.B. W ASZINK, Timaeus, XXXVIII–XLIII; VAN W INDEN, Calcidius on matter, Leiden [1959] 21965, 103–123; BALTES, Numenios, 241–252; F. JOURDAN, La matière à l’origine du mal chez Numénius (fr. 52 des Places, Calcidius ; cf. fr. 43 des Places, Jamblique), Philosophie antique 14 (2014). 68 Schon die Darstellung der Lehre Platons im Anschluss an Pythagoras weist auf die numenianische Betrachtung der Geschichte der Philosophie hin, s. dazu W ASZINK, Porphyrios, 55. 69 Das Kap. 300 gilt als Rekapitulation der Kap. 295–299. S. dazu z.B. VAN W INDEN, Calcidus on matter, 122–123; W ASZINK, Porphyrios, 61. S. dagegen A LT, Weltflucht, 36– 37. Sicherlich schreibt Calcidius Numenios’ Lehre für seine Zusammenfassung um. Jedoch stellt offensichtlich der betreffende Satz eine kosmische Deutung der Z. 70–74 in Anspielung auf die Z. 65–67 im Fr. 52 dar. Seine Zusammenfassung, obwohl sie nicht ohne Vorsicht gelesen werden darf, liefert allerdings wertvolle Indizien für das Verständnis von Numenios’ Lehre. 70 Es handelt sich hier wahrscheinlich um die im Kap. 295 von Numenios erwähnten und widerlegten Pythagoreer. 66
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wegung den lebendigen Wesen eigen sei. Und es gebe auch, habe er oft gesagt, zwei verschiedene 71 Weltseelen (alias duas esse mundi animas dixerit), die eine bösartig mit ihrem Ursprung in der Materie, die andere wohltätig mit ihrem Ursprung im Gott (unam malignam ex silua, alteram beneficam ex deo). Weil das Gute und das Schlechte vorhanden seien, sei so der Welt das Gute durch die wohltätige Seele, das Schlechte sodann durch die materielle und bösartige Seele verliehen worden, während die göttliche Weisheit (cum diuina sapientia) und die Einsicht des Demiurgen auf strenge und wirkungsvolle Weise die Materie überzeugt hätten, sich schmücken und verschönern zu lassen; die Überredung sei aber nur bei beseelten und des Lebens teilhaftigen Wesen möglich.72“73
Da Numenios selbst Platon durch einen Rückgriff auf Pythagoras auslegen wollte und da die zweite hier dargestellte Lehre so ähnlich ist wie die zuvor Pythagoras zugeschriebene und von Numenios übernommene, können wir annehmen, dass sie aus derselben Quelle stammt. Da es sich jedoch hier eher um eine Zusammenfassung handelt, müssen wir sie als Calcidius’ eigene Umschreibung behandeln. Calcidius versteht so die von Numenios beschriebene Beziehung zwischen schlechter Seele und Materie als eine der Herleitung. Täuschen wir uns jedoch nicht über die grammatikalische Parallele: Die Materie wird wahrscheinlich nicht wie der Gott als Demiurg der betreffenden Seele angesehen. Höchstens würden beide als Prinzip jeweils der guten und der schlechten Seele aufgefasst. Um die Bedeutung dieses Status der Materie gegenüber der schlechten Seele zu verstehen, könnte auf Numenios’ Lehre, nach welcher die Seele mit den ihr vorgeordneten Prinzipien identisch ist und sie ihrem Wesen nach in sich enthält,74 zurückgegriffen werden. Bei Jamblichos, der Numenios diese Lehre zuschreibt, betrifft zwar die Aussage die intelligible Seele. M. Baltes schlägt jedoch die Anwendung dieser Lehre auf die irrationale bzw. vernunftlose, Für die Übersetzung von alias folgen wir C. M ORESCHINI/M. BERTOLINI/L. N ICOR AMELLI, Calcidio, Commentario al „Timaeo“ di Platone, Il Pensiero occidentale, Milano 2003, 603. 72 Der Text scheint zu sagen, dass die Materie eine Seele besitzen (oder im übertragennen Sinne, sein) müsse, um überzeugt werden zu können. Der vorherige Bericht von Numenios enthält diese Auffassung nicht. Calcidius oder seine Quelle könnten zwar diese Auffassung als Kommentar hinzugefügt haben. Jedoch kann sie trotzdem aus Numenios stammen, denn dieser weist der Materie nicht nur eine Seele zu, sondern setzt sie mit einer Seele gleich (s. dazu auch mit einer anderen Argumentation VAN W INDEN, Calcidius on matter, 122–123). Außerdem ist die nach K. Alt (Weltflucht, 36) mit cum eingeführte absurde Wende (cum diuina sapientia …) nicht zu erkennen, da cum eine adversative Bedeutung haben kann, so dass der Text u.E. bedeutet, dass trotz der Verantwortung der Materie für das Übel die letztere sich von der ordnenden Tätigkeit des Gottes überzeugen läßt, was den Aussagen im Fr. 52 entspricht. 73 Calcidius, Kap. 300, S. 301, Z. 21–302, Z. 11 Waszink. Ich bedanke mich bei Hermann Krapoth (Göttingen) für seine Hilfe bei der deutschen Übersetzung der Calcidius-Stellen in diesem Aufsatz. 74 Fr. 41 und 42. 71
LINI/I.
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d.h. schlechte, Seele vor,75 und man könnte noch weiter gehen, indem Materie und schlechte Seele nicht als zwei Aspekte einer einzigen Entität angesehen würden, sondern die Materie wirklich als Prinzip der schlechten Seele betrachtet würde, welche ihr Prinzip oder dessen Merkmale in sich hätte. Das würde Calcidius’ Referat andeuten, wenn es heißt, dass der leidensfähige Teil der Seele sterblich und ähnlich wie der Körper sei. Nach dieser Deutung würde es sich nicht um eine doppelte Wesenheit handeln, sondern um die Tatsache, dass die schlechte Seele die Materie als grundsätzliches Prinzip hätte, was den einzigen Grund für ihre Schlechtigkeit ausmachen würde – daher die Gleichsetzung von Materie und schlechter Seele (und nicht mit der Seele überhaupt). Diese Deutung bringt jedoch zwei Schwierigkeiten mit sich: Es ist ungewöhnlich, dass eine untergeordnete Entität (die Materie) als Prinzip einer übergeordneten (einer Seele) fungiert. Außerdem ist es kaum zu verstehen, wie die Materie das Prinzip ihrer eigenen Bewegung hervorbringen könnte. Um dieses hylische Prinzip der Materie schlüssig zu machen, müssten deshalb noch die einem solchen Prinzip zuzuschreibende Funktion und dessen genauer Status erörtert werden.76 Um Calcidius’ Text zu erklären, besteht eine weitere Lösung in der Annahme, dass die Parallele zwischen dem Gott und der Materie durch dieselbe Präposition ex herbeigezwungen wird.77 Während der Gott als Wirkursache (wie im Timaios) der guten Seele betrachtet werden kann (was im Griechischen mit der Präposition ὑπό ausgedrückt würde78), wäre die Materie nur materielle Ursache oder Ort der Entstehung der schlechten Seele (worauf die Präposition ex hinweist, die wahrscheinlich das griech. ἐκ oder ἀπό wiedergeben soll). Diese Auslegung könnte folglich zwei Bedeutungen haben. Wenn die Materie als Ort der Entstehung der schlechten Seele betrachtet werden sollte, könnte das bedeuten, dass diese Seele erst erscheint, wenn eine Begegnung (des Demiurgen oder der rationalen bzw. vernünftigen Seele) mit der Materie stattfinden soll, um diese Begegnung zu ermöglichen. Dieser Prozess kann durch das Prinzip begründet werden, dass nur Ähnliches mit Ähnlichem in Kontakt treten kann. (In diesem Verfahren würde auf der BALTES, Numenios, 249–250. S. diese Erörterung am Ende dieses Kapitels. 77 Genauso wie bei Tertullian mit der Präposition de, wenn er Hermogenes’ Lehre wiedergibt, um ihn zu widerlegen (Adv. Hermog. II 1: dominum de semetipso fecisse cuncta aut de nihilo aut de aliquo). Zu Tertullians Verwendung der Präpositionen de und ex s. F. C HAPOT, Tertullien, Contre Hermogène, SC 439, Paris 1999, 216–217. 78 Zur philosophischen Bedeutung der Präpositionen und zu der besonderen Verwendung von ὑπό s. z.B. W. T HEILER, Die Vorbereitung des Neuplatonismus, Berlin 1930, 32–34. 75 76
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kosmischen Ebene die Weltseele als rational und unkörperlich das Göttliche vertreten). Calcidius’ Zusammenfassung gibt vielleicht einen Hinweis auf eine solche Auffassung, wenn die persuasio der Materie durch den Demiurgen als nur bei den beseelten Wesen für möglich erklärt wird, was heißt, dass die Materie eine eigene Seele braucht, um überredet werden zu können. Auf der menschlichen Ebene würde es bedeuten, dass die irrationale Seele als Prinzip der Bewegung und dabei des Lebens erst entsteht, wenn die rationale Seele in den Leib eingeht. Im Timaios wird die sterbliche Seele eben in dieser Absicht erschaffen. Zudem würde diese „Erscheinung“ das Leben auf der kosmischen Ebene ermöglichen, was erklären würde, dass diese Seele als der Materie inhärent bestimmt wird. Wenn aber der Ausdruck ex silva auf die Materie als materielle Ursache hinweist, würde dies bedeuten, dass die schlechte Seele aus der Materie als „Stoff“ entsteht. Nemesius’ Bericht über Numenios’ Betonung der Unkörperlichkeit der Seele lässt jedoch diese Vorstellung widersprüchlich erscheinen. Das Paradox könnte zwar aufgelöst werden, wenn an den Kontext der Polemik gegen die Stoiker und ihre pneumatische und deshalb materielle Auffassung der Seele erinnert und dabei in Betracht gezogen wird, dass in diesem Rahmen Numenios wahrscheinlich nur an die intelligible Seele gedacht hat.79 Aber wie wäre es zu verstehen, wenn die Materie trotzdem als grundsätzlicher Bestandteil der schlechten Seele zu betrachten wäre? Eine Auflösung dieser Frage wird vielleicht noch einmal im Calcidius’ Referat selbst angedeutet. 2. Die Materie als materielle Ursache der schlechten Seele? a. Die Materie als auctrix der schlechten Seele a. 1. Die Materie als auctrix in Calcidius’ Text (Fr. 52) Nach der Erwähnung zweier Seelen und der Gleichsetzung der schlechten mit der Materie wird in dem Numenios zugeschriebenen Referat von Pythagoras` Lehre hinzugefügt, dass der Gott und die Vernunft Urheber (auctor) des vernünftigen Seelenteiles seien, während die Materie (als schlechte Seele) „Urheberin (auctrix) und Schutzherrin (patrona) des leidensfähigen Seelenteils, in dem es etwas Körperhaftes, Sterbliches und Körperähnliches gibt“,80 sei:
Fr. 4b. Fr. 52, Z. 70–74 (Calc. Comm. 297). Deutsche Übersetzung von H. D ÖRRIE/M. BALTES , Der Platonismus in der Antike IV, Stuttgart/Bad Cannstatt 1996, 169. 79 80
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Quae quidem etiam patibilis animae partis, in qua est aliquid corpulentum mortaleque et corporis simile, auctrix est et patrona, sicut rationabilis animae pars auctore utitur ratione ac deo.
Dieser Satz betrifft vielleicht eher die menschliche Seele, wie z.B. die Erwähnung einer Verwandtschaft der leidensfähigen Seele mit dem Körper oder die Tatsache nahelegen, dass ihn Calcidius in seiner wahrscheinlich auf Numenios zurückgehenden Rekapitulation durch eine Erklärung über die menschlichen Seelen zu umschreiben scheint.81 Dazu kommt, dass die Erwähnung von zwei Teilen der Seele anstelle von zwei Seelen Calcidius’ eigene Änderung des Wortlauts seiner Vorlage gemäß seiner platonischen Auffassungen darstellen könnte.82 Wie aus den Zeugnissen hervorgeht, hat nämlich Numenios von zwei Seelen gesprochen (im selben Fr. 52 ist zwei Zeilen vorher von zwei Seelen im kosmischen Bereich die Rede), und Calcidius würde es bestätigen, wenn er selbst in seiner eben erwähnten Zusammenfassung im Kap. 300 zwei menschliche Seelen beschreibt (wobei er seine eigene Änderung im vorherigen Text zu erkennen geben würde). Diese Darstellung mag wegen ihrer Anlehnung an die hebräische Lehre von Numenios (durch Porphyrios)83 selbst herrühren.84
81 S. Kap. 300, Z. 11–16 Waszink (Quibus Hebraei … inlaqueaverit); s. A 190. – K. A LT (Weltflucht, 40) ist auch der Meinung, dass diese Zeilen eher die Einzelseele betreffen. 82 Dabei neigen wir dazu, VAN W INDEN, Calcidius on matter, 114, zuzustimmen. In seiner Einführung zur Edition des Timaioskommentars von Calcidius vertritt auch W ASZINK (Timaeus, LVII–LVIII) mit überzeugenden Argumenten die Ansicht, Calcidius füge selbst das Wort partes hinzu. Jedoch widerruft er seine Meinung in Porphyrios, 76– 77, wo er den Widerspruch Numenios selbst zuschreibt. Insofern als Calcidius ein Referat übersetzt, ist es möglich, dass er nichts ändert (BEUTLER, Numenios, 672, bemerkt, dass Calcidius’ Referat die Eigentümlichkeit des numenianischen Stils z.B. mit seiner Häufung von Synonyma aufweist). Zudem bezieht Baltes (Numenios, 249) die Stelle, sowohl auf die Weltseele als auch auf die Einzelseelen. Er betrachtet nämlich „das Schwanken im Ausdruck (ähnlich wie im Fr. 43)“, das er Numenios zuschreibt, als Hinweis auf die Auffassung, dass die beiden Seelen in der Welt- und Einzelseele zur Einheit verbunden seien, so dass man sie als zwei Teile der jeweiligen Seele verstehen könne (eine Auslegung, die jedoch für die Ansichten des Numenios zumindest hinsichtlich der menschlichen Seelen nicht zutreffend zu sein scheint). Aus diesen Gründen untersuchen wir auch die Annahme, dass dieser Satz in seinem Wortlaut Numenios zuzuschreiben ist und eine Bedeutung auf der kosmischen Ebene hat. 83 Zu dieser Vermittlung s. VAN W INDEN, Calcidius on matter, 247, und Supplementary notes to the photographic reprint, 1965, 249–254; W ASZINK, Porphyrios, 45–61 (In diesem Aufsatz, 58–62, widerruft Waszink seine Ansichten von 1962, Timaeus, XLIII, A. 2, LXIX, CV, und nimmt an, dass Porphyrios tatsächlich den Verweis auf die hebräische Lehre von Numenios übernommen haben kann und ihm sogar seine Kenntnisse der jüdischen Philosophie verdankt. Hier sei schon gesagt, dass wir der Ansicht zustimmen, dass Porphyrios die Quelle des Calcidius für den Numenios zugeschriebenen Bericht
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Trotz dieser beiden Einschränkungen können wir jedoch vorläufig annehmen, dass die Aussage eine Bedeutung auch auf der kosmischen Ebene haben kann, weil der menschliche Bereich nicht explizit eingeführt wird. So verstanden, könnte die Beschreibung der Materie als auctrix85 des leidensfähigen Teils der Seele auf eine Herleitung dieses Teils86 aus der Materie hinweisen. Das Wort wird zumindest in diesem Sinne bei Tertullian unter Bezug auf die Materie verwendet. Nach einer Erörterung der Bedeutung des Worts in diesem Zusammenhang können wir fragen, inwiefern Numenios selbst gedacht haben könnte, dass die Materie als materielle Ursache bzw. Bestandteil des irrationalen Teils der Seele auf der kosmischen Ebene betrachtet werden könne. a. 2. Die Materie als auctrix oder als materielle Ursache bei Hermogenes Eine ähnliche Bezeichnung der Materie als auctrix taucht nur bei Tertullian auf, wenn er Hermogenes’ Lehre wiedergeben will. Nach Tertullian hat Hermogenes in seiner Kosmogonie die Ansicht vertreten, Gott habe die Welt mithilfe einer schon vorhandenen Materie geschaffen. Diese Vorstellung entspricht sowohl der platonischen als auch der philonischen Auffassung und dient dazu, Gott von jeder Verantwortung für das Übel zu befreien, indem diese Verantwortung der Materie auferlegt wird.87 Um diese Sicht seines Gegners zu verurteilen, legt sie Tertullian, der seinerseits die Lehre der creatio ex nihilo vertritt und sogar entwickelt, so dar, dass er Hermogenes die Lehre zuschreibt, Gott und Materie seien nicht nur gleichursprüngliche und gleichewige Prinzipien, sondern sogar gleichwertige. In dieser Absicht bezeichnet er in seiner Wiedergabe der von ihm als häretisch angesehenen Lehre Gott und die Materie als auctores der Welt, um Hermogenes des Ditheismus anzuklagen.88 Dieser von Tertullian herausgestellte Parallelismus dient jedoch nur der Polemik.89 In Wahrheit hat Hermogenes nicht angenommen, dass sich beide Entitäten auf der gleichen (Fr. 52 des Places = Calc. Comm. 295–299+300) darstellt (s. dazu z.B. W ASZINK, Timaeus, LXXX–LXXXI, CIV–CV; ders., Porphyrios, 61 A. 1; D EUSE, Untersuchungen, 62). 84 Dieser Text wird im zweiten Teil des Aufsatzes behandelt. 85 In diesem Aufsatz gehen wir nicht näher auf das Wort patrona ein, welches auf die Rolle der Materie als Schützerin und Herrscherin dieser Seele hinweist. 86 Oder der schlechten Seele selbst. Die Bedeutung des Wortlauts von Calcidius’ Referat bleibt zu prüfen. 87 Tert. Adv. Hermog. X 1–2; XI 1. 88 Tert. Adv. Hermog. V 1; VI 2; VII 4. Es sei angemerkt, dass alle diese Ausdrücke die Interpretation der Lehre von Hermogenes durch Tertullian und keine direkten Zitate darstellen. S. dazu C HAPOT, Tertullien, 240 und 243. 89 Genau wie mit der schon erwähnten polemischen Verwendung der Präposition de. S. A. 76.
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Ebene befinden, als wären sie beide Demiurgen der Welt. Eine nähere Lektüre der Wiedergabe seiner Lehre lässt hingegen vermuten, dass die Materie eigentlich von Hermogenes als materielle Ursache der Welt verstanden wird, die ihr ihre konstitutiven Bestandteile liefert und damit dem Gott den Urstoff für seine Schöpfung bereitstellt.90 Ob Hermogenes selbst in lateinischer Sprache geschrieben hat, ist umstritten.91 Wenn es tatsächlich der Fall wäre, könnte entweder das Wort auctrix von Tertullian aus polemischen Gründen in seine Lehre eingefügt oder von ihm selbst tatsächlich verwendet worden sein. Zwar sollten vielleicht damit zwei Prinzipien jeweils in Gott und in der Materie bezeichnet werden, aber sicherlich nicht in der Absicht, beiden eine gleiche Rolle zuzuschreiben. Während auctor den einen als Vater und dabei als Demiurgen darstellen sollte, könnte auctrix die andere als Mutter (wie im mittelplatonischen Denken) bezeichnen, und dabei das griechische Wort τιθήνη (Amme), das Platon auf die χώρα anwendet, unter Rückgriff auf die etymologische Bedeutung von auctrix („die, die aufwachsen oder sich mehren lässt“), übersetzen. Wenn Hermogenes doch auf Griechisch geschrieben hat, könnte er tatsächlich die Wörter μήτηρ oder τιθήνη für die Materie verwendet haben. Tertullian hätte dann absichtlich griechische Wörter wie πατήρ oder δημιουργός und μήτηρ oder τιθήνη mit einem einzigen lateinischen Worte übersetzt, dessen Genus er dementsprechend nur adaptiert hätte (mal als Maskulinum, mal als Femininum), um diese irreführende Parallele zwischen Gott und Materie zu erzeugen und damit Hermogenes’ Lehre bloßzustellen. Wie dem auch sei, Hermogenes hat eigentlich nicht die Auffassung vertreten, die Materie sei eine Art von Demiurg der Welt neben Gott. Bei ihm bedeutet auctrix oder dessen griechische Entsprechung nur, dass die Materie als materielle Ursache der Welt fungiert. Eine ähnliche Bedeutung des Wortes ist deshalb wahrscheinlich bei Calcidius zu finden, der den Parallelismus von Gott und Materie, ebenfalls durch dieselben Wörter auctor und auctrix ausgedrückt, die er aus lateinischen Abhandlungen über die Entstehung der Welt (im Anschluss an die griechischen Philosophen oder an die von ihnen beeinflussten Christen) oder sogar von Tertullian selbst übernommen haben könnte.92 90 V 1 (s. Zitat in der A. 87). Der Ausdruck de qua universitas consistit gibt wahrscheinlich die Auffassung des Hermogenes wieder, während die Bezeichnung der Materie als auctrix omnium Tertullians Interpretation darstellt. Im Spätlatein bezeichnet de mit dem Ablativ u.a. den Stoff, aus dem etwas gemacht wird. S. dazu C HAPOT, Tertullien, 216. 91 S. dazu z.B. E. H EINTZEL, Hermogenes, der Hauptvertreter des philosophischen Dualismus in der alten Kirche, Berlin, 1902, 18, A. 56; F. C HAPOT, L’hérésie d’Hermogène. Fragments et commentaire, RechAug 30 (1997), 9; C HAPOT, Tertullien, 420, 423. 92 Diese Verwendung der beiden Wörter auctor und auctrix kann sich in der lateinischen Tradition über die Kosmogonie bzw. die Schöpfung eingebürgert haben, ohne dass
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Aus diesen Überlegungen kann man darauf schließen, dass das Wort auctrix im Numenios zugeschriebenen Referat, wenn es die Materie doch als Prinzip des leidensfähigen Seelenteils bezeichnen soll, diese nicht als Demiurgen oder Wirkursache, sondern wahrscheinlich eher wie bei Hermogenes als materielle Ursache bezeichnet. Jedoch handelt es sich bei Hermogenes um die Materie als Ursache der Welt. Im Fr. 52 wird das Wort verwendet, um die Materie als Prinzip eines Seelenteils zu bezeichnen. Nach der eben vorgeschlagenen Auslegung würde es bedeuten, dass die Materie den fundamentalen Bestandteil dieses Teils (seine substantia) darstellt. Die Bedeutung dieser Auffassung muss jetzt näher erörtert werden. b. Die Materie als Bestandteil der Weltseele und teilbare Substanz? (Fr. 39; vgl. Calcidius, Kap. 29–31; 54–55) Wenn wir vorläufig die Erwähnung von zwei Teilen der Seele anstelle von zwei Seelen als numenianisch betrachten, könnte diese einschlägige Auffassung als Anspielung auf Numenios’ Auslegung der Bildung der Weltseele verstanden werden. Diese Auslegung kann dennoch unter der Bedingung in Betracht gezogen werden, dass an die Gleichsetzung von Materie und Dyas erinnert wird. Nach dieser Interpretation sollten wir erkennen, dass die Materie, verstanden als Dyas und genauer als unbestimmte Dyas, wie es im Fr. 52 steht, der teilbaren Wesenheit der Mischung entspricht, aus welcher nach dem Timaios die Weltseele entsteht.93 Zwei Quellen lassen zumindest vermuten, dass Numenios die schöpferische Mischung der Weltseele auf eine solche Weise ausgelegt hat. Zuerst ist der Bericht des Proklos (Fr. 39) zu nennen,94 nach welchem Numenios die Interpretation vertreten habe, die Seele sei eine Zahl, die aus der Monas als dem Unteilbaren und der unbestimmten Dyas als dem Teilbaren zusammengesetzt sei. Dann würde sich diese Auslegung in zwei weiteren Stellen des Calcidius (In Ti. 29 und 31; 53–54) widerspiegeln, die sich an Numenios, jedoch ohne ihn zu nennen, anlehnen würden.95 Dort wird erklärt, dass die Weltseele aus zwei substantiae, der unteilbaren und der teilbaren (29,31; 53) gebildet werde, welche jeweils der Monas (auf Latein: singulaman unbedingt einen Einfluss von Tertullian auf Calcidius annehmen muss. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass Calcidius Tertullian (oder Hermogenes) gekannt hat. 93 Zu dieser Mischung, die wir hier nicht erörtern, s. JOURDAN, Woher kommt das Übel? (mit Bibliographie). 94 Fr. 39 = Procl. In Ti. ΙΙ 153,17–25 Diehl. 95 S. dazu z.B. W ASZINK, Timaeus, XLIV–XLVIII; VAN W INDEN, Supplementary notes, 255–257; H. DE LEY, Macrobius and Numenius, Latomus 125, Bruxelles 1972, 31; J. PHILIPPS, Numenian Psychology in Calcidius? Phronesis 48 (2003), 132–151.
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ritas) und der Dyas (53) entsprechen. Dazu kommt, dass die teilbare Wesenheit bei Calcidius als corporum comes und stirpea (anima) (31) und als Lebensprinzip (54) betrachtet wird, was ihre Beziehung zu der im Fragment 52 genannten Materie als Seele bestätigen würde. Nach der hier vorgeschlagenen Interpretation dieser Testimonien könnte Numenios’ Lehre mit der von Timaios von Lokroi verglichen werden, welcher der Materie genau die gleichen Eigenschaften wie die der teilbaren Wesenheit in der Struktur der Weltseele zuspricht.96 Die zwei genannten Quellen sind jedoch mit Vorsicht zu behandeln. Zunächst wird Proklos’ Bericht in eine vereinfachende Zusammenfassung über die Auslegung der beiden Bestandteile (des unteilbaren und des teilbaren) der Weltseele bei seinen Vorgängern eingefügt, wo sich Aristandros und Numenios eigentlich als Verteidiger einer pythagoreischen Sicht97 erweisen. Proklos schreibt ihnen nämlich eine Lehre zu, die Plutarch teilweise auf Zaratas, den angeblichen Lehrer von Pythagoras,98 zurückgehen lässt. Denn Zaratas habe Monas und Dyas als Eltern der Zahlen verstanden und Xenokrates habe diese Lehre auf die Komponente der Weltseele angewendet, um die Seele als Zahl zu bezeichnen, aber hinzugefügt, dass die Seele S. Timaios von Lokroi, 206a,3–5 Marg, wo die Materie als nicht unbewegt (οὐ μὰν ἀκίνατον), jede Gestalt annehmend (δεχομέναν δὲ πᾶσαν μορφάν), teilbar hinsichtlich ihres Auftretens bei den Körpern (τὰν δὲ περὶ τὰ σώματα μεριστὰν εἶμεν) und von der Natur der Anderen (τᾶς θατέρω φύσιος) dargestellt wird. Das entspricht der Charakterisierung der teilbaren Wesenheit bei Plutarch. Die Tatsache, dass sie nicht unbewegt ist, legt nahe, sie mit einer Seele zu verbinden (das ist genau der Grund, warum Plutarch die teilbare Wesenheit für eine Art von Seele hält). Deshalb hat H.-R. SCHWYZER (RhM LXXIV [1935], 363, s. dazu H. C HERNISS, Plutarch, Moralia XIII 1, London, 1976, 213, A. d) anhand zweier weiterer Stellen von Timaios von Lokroi (208,14–15 Marg und 215,13–15) vorgeschlagen, in diesem einen Vertreter der Auffassung zu sehen, dass die teilbare Wesenheit die Materie selbst sei. Plutarch legt diese Auffassung dar und widerlegt sie (An. procr. 21,1022E–1023A), ohne jedoch ihre Vertreter zu nennen. Außer Timaios von Lokroi sei auch Eratosthenes dieser Ansicht gewesen (nach Procl. In Ti. II 152,25–26). S.P. T HEVENAZ, L’âme du monde, le devenir et la matière chez Plutarque, Études anciennes, Paris, 1938, 62–63; C HERNISS, Plutarch, Moralia XIII 1,215, A. e; FERRARI/BALDI, La Generazione dell’anima nel Timeo. 275, A. 143. Es ist jedoch anzumerken, dass die von Schwyzer herangezogenen Stellen nicht relevant sind, weil die erste (206a,3–5 Marg) die Materie und nicht die teilbare Wesenheit, die zweite (208,14– 15 Marg) nicht die Materie und die dritte (215,13–15 Marg) nicht die Seelenmischung betreffen. Deshalb würden wir nicht ohne weiteres die Gleichsetzung der Materie mit der teilbaren Wesenheit Timaios von Lokroi zuschreiben. 97 Es ist jedoch anzumerken, dass Proklos selbst die dargestellte Sicht nicht als pythagoreisch bezeichnet und dass er im Gegensatz zu den Kirchenvätern Numenios nicht als Pythagoreer vorstellt. S. dazu FREDE, Numenius, 1047. 98 Eine Information, die Plutarch wahrscheinlich Eudoros verdankt (s. C HERNISS, Plutarch, Moralia XIII 1,164–165, A. c). 96
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nicht nur Zahl, sondern bewegende Zahl sei.99 Proklos hat vielleicht lieber Numenios als Xenokrates genannt,100 weil Xenokrates dieses zweite Merkmal in seiner Deutung der Seele hinzugefügt hat.101 Obwohl Numenios diese Lehre wirklich vertreten haben kann, lassen uns der zusammenfassende Charakter des Berichtes, seine vereinfachende Darstellung und die Tatsache, dass dieselbe Auslegung auch vielen anderen Exegeten zugeschrieben wird (ἄλλοι πλεῖστοι τῶν ἐξηγητῶν), vermuten, dass wir daraus nicht unbedingt die eigentliche numenianische Auffassung entnehmen können. Wie dem auch sei, einen Hinweis auf die Materie als die hier erwähnte unbestimmte Dyas finden wir in diesem proklinischen Text nicht.102
Plut. An. procr. 2, 1012E. S. A.-J. FESTUGIÈRE, Proclus, Commentaire sur le Timée, Paris 1967, 196, A. 1, der auch anmerkt, dass Proklos (gegen unsere Erwartungen) weder Xenokrates als Vertreter der Sicht, dass die Seele eine mathematische Entität sei, noch Speusippos und Posidonios als Vertreter der Auffassung von der Seele als geometrischer Entität zitiert. Unsere enttäuschten Erwartungen hängen wahrscheinlich damit zusammen, dass wir Plutarchs Kommentar über die Bildung der Weltseele im Timaios als exemplarisch für dieses Thema ansehen. Aber das galt so wohl nicht in der neuplatonischen Schule, zumal Plutarch dort nicht geschätzt wurde. S. dazu J. O PSOMER, Neoplatonist criticisms of Plutarch, in: Estudios sobre Plutarco misticismo y religiones mistéricas en la obra de Plutarco, hrsg. von A. PÉREZ JIMÉNEZ, F. C ASADESÚS BORDOY, Madrid 2001, 187–199; ders., Plutarch’s De Animae Procreatione in Timaeo: Manipulation or search for consistency?, in: P. A DAMSON/H. BALTUSSEN/M.W.F. STONE (edd.), Philosophy, science and exegesis in Greek, arabic and latin commentaries I, London 2004, 137–162. 101 Wir stimmen K RÄMER, Ursprung, 76, nicht zu, wenn er behauptet, dieser Bewegungscharakter finde sich doch bei Numenios, insofern als der Apamäer dem zweiten Gott die Bewegung zuweise (Fr. 15), weil wir Krämers Gleichsetzung von Demiurgem und Weltseele nicht zustimmen. Jedoch ist natürlich für Numenios die Seele ein Bewegungsprinzip (Fr. 52, Z. 67–70). 102 Wir würden jedoch nicht so kategorisch wie K. A LT (Weltflucht, 38–39; vgl. 104, A. 68) die Annahme ablehnen, dass Numenios Materie und teilbare Wesenheit durch die Gleichsetzung beider mit der unbestimmten Dyas verbinde. Proklos erwähnt zwar schon vor der Stelle, wo das Fr. 39 (I 152, 18–25) exzerpiert wird, diese von ihm abgelehnte Lehre, die er Erastosthenes zuschreibt (s. In Ti. 152,24–27). Jedoch nennt er kurz nachher Severos (I 152,28), den er ein zweites Mal (I 153,25) in unserem Fr. 39 als Vertreter der mathematischen Auffassung der Weltseele bezeichnet. Es ist deshalb durchaus denkbar, dass sich Numenios auch auf seine Weise als Vertreter von zwei von Proklos ausdrücklich abgelehnten Auffassungen erweist. Wir wollen dabei nicht sagen, dass er etwas „Materielles“ in die Bildung der Weltseele einfügt (hier in Übereinstimmung mit Alt, Weltflucht, 40). Jedoch ist es nicht ausgeschlossen, dass er die Materie als Bestandteil dieser Seele ansieht, aber wohl unter der Bedingung, dass der Begriff „Materie“ nicht unbedingt als auf etwas Materielles hinweisend verstanden wird. Vielmehr soll er relativiert werden, genauso wie derjenige der Dyas. 99
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Aus diesem Grund wären Calcidius’ Texte über die Bildung der Weltseele im Timaios aufschlussreicher, weil sie eine Verbindung zwischen Dyas103 (53) und stirpea anima (31) vorzuschlagen scheinen, von welchen letztere als vegetative Seele104 der mit der schlechten Seele gleichgesetzten Materie oder der Seele der Materie im Fr. 52 entsprechen würde.105 Hier ist nicht der Ort, ausführlich in die Debatte einzutreten, ob diese Stellen wirklich Numenios zuzuschreiben sind.106 Aber einige Hinweise sind unerlässlich. Zuerst sei bemerkt, dass die oben vorgeschlagene Entsprechung von stirpea anima und dyas auf der Verbindung von zwei verschiedenen Stellen beruht, die nicht unbedingt auf dieselben Quellen oder dasselbe Gedankengut zurückgehen.107 Diese Hypothese kann durch ein Beispiel erhärtet werden. Während in Kap. 31 die Natur des Selben und die des Anderen jeweils mit dem Intelligiblen und der wahrnehmbaren Welt verknüpft zu werden scheinen,108 werden sie in Kap. 53 mit der unteilbaren und der teilbaren Wesenheit109 assoziiert.110 Diese Entsprechungen sind na103 Hier ist jedoch zu bemerken, dass es sich nicht mehr um die unbestimmte Dyas, sondern um die Dyas als Prinzip der Zahlen handelt, welche ein anderes Prinzip darstellt. S. dazu M.A. ELFERINK, La descente de l’âme d’après Macrobe, Philosophia Antiqua 16, Leiden 1968, 47, A. 57; DE LEY, Macrobius, 30. 104 Stirpea ist die lateinische Übersetzung des griechischen φυτική, s. dazu W ASZINK, Timaeus, XLVII. Aber Calcidius könnte damit auch an eine ursprüngliche Seele denken, denn stirps weist auf den Ursprung hin, was an die plutarchische „Seele an sich“ denken lässt. 105 Die Tatsache, dass sie nicht als schlecht betrachtet wird, ist kein akzeptabler Grund, diese Interpretation von vornherein abzulehnen. Der Kontext kann nämlich das Schweigen über dieses Merkmal erklären (s. dazu W ASZINK, Timaeus, XLIX und LVI; VAN W INDEN , Supplementary notes, 255; P HILIPPS, Numenian Psychology, 140–144). 106 Wir sind im Grunde der Meinung, dass die Kap. 29–31 nicht auf Numenios zurückgehen, während das Ende des Kap. 54 und das Kap. 55 aber durch die Vermittlung von Porphyrios von ihm herrühren (möglicherweise auch die Kap. 53–54, was wir noch untersuchen möchten). Zu dieser Debatte s. W ASZINK, Timaeus, XLIV–XLIX; ders., Porphyrios, 58–62; VAN W INDEN, Supplementary notes, 254–259; DE LEY, Macrobius, 29–31; PHILIPPS, Numenian Psychology, 132–151, welche die Zuschreibung an Numenios annehmen, gegen BALTES, Numenios, 246, A. 27 (über die Kap. 29–31); D EUSE, Untersuchungen, 73–77. Obwohl sie den Inhalt des Kap. 300 nicht als numenianisch ansieht, behandelt K. A LT (Weltflucht, 38–41) erstaunlicherweise diese Kapitel des Calcidius, als würden sie tatsächlich die Lehre des Numenios widergeben, ohne sie weiter zu untersuchen. Das Problem wird nur kurz (S. 40) erwähnt und bleibt offen. 107 Beide Stelle werden oft sehr schnell als sich entsprechend betrachtet und dabei zusammen behandelt (s. z.B. VAN W INDEN, Supplementary notes, 255–256 und die anderen in der vorherigen Anmerkung genannten Studien. 108 … modo eiusdem naturae contemplaretur diuinitatem adtollens aciem ad sublimia, modo ad ima sedemque diuersae naturae uergens. 109 Ex quo perspicuum est, cum sint antiquissima initia rerum essentia siue substantia et haec duplex, altera indiuidua, diuidua altera, naturaeque gemina diuersitas longe uetustis-
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türlich nicht inkompatibel, und man könnte erwidern, dass jede Stelle ein anderes Problem behandelt, nämlich die eine (29–31) die Natur der Seelenkomponenten und die andere (53–55) die mathematische Struktur der Weltseele. Aber einerseits taucht die für die zu verteidigende Interpretation wesentliche Verbindung zwischen dyas und stirpea anima111 in keiner der beiden Stellen als solche auf. Das macht ihre gemeinsame Auswertung für die Verteidigung dieser Interpretation nicht sehr hilfreich. Andererseits können tatsächlich beide Stellen auf verschiedene ursprüngliche Quellen zurückgehen. Während in Kap. 54–55 der Vergleich mit der hebräischen Lehre, die Erwähnung zweier menschlicher Seelen (rationabilis und naturalis) und die Ähnlichkeiten mit der Terminologie des Fr. 52 (auxiliatrix et patrona)112 es sehr wahrscheinlich machen, dass Numenios die Kap. 53–55 (direkt oder eher indirekt über Porphyrios) beeinflusst hat,113 scheinen hingegen die Kap. 29 und 31 eine Lehre darzustellen, die andere Einflüsse aufweist. Man denke z.B. im Kap. 31 an die Beschreibung einer Seele, die gar keinen Kontakt zum Körperlichen hat. Anklänge an Plotins’ Lehre sind nicht zu überhören.114 Es wäre außersima, conflatam animam ex utraque substantia, eademque et item diuersa natura, constare ex omnibus originibus. 110 Zudem haben wir keinen Beweis dafür, dass Numenios die Natur des Selben und des Anderen als Bestandteile der Bildung der Weltseele in Betracht gezogen hat, sogar das Fr. 39 bietet keinen Hinweis darauf. 111 W ASZINK, Porphyrios, 74, A. 3, merkt an, dass die anima stirpea eigentlich Porphyrios’ unterer Weltseele entsprechen kann. Außerdem wird die anima stirpea als von den Körpern nicht trennbar geschildert (inseparabilis corporum comes, Calc. Comm. 31), während Numenios’ irrationale Seele (Fr. 57) von den Körpern trennbar ist (s. Fr. 47). S. dazu D EUSE, Untersuchungen, 76. 112 Zu diesen Ähnlichkeiten, s. z.B. W ASZINK, Timaeus, XLVI. 113 Oder zumindest das Ende des Kap. 54 und das Kap. 55. S. dazu A. 34 und 105. 114 Die Bestimmung der teilbaren Wesenheit im Kap. 31 als eine Seele, die von jeder Einkörperung frei und mit dem Intellekt gleichzusetzen sei, erinnert nämlich an die plotinische Auffassung der menschlichen Seele mit ihrem höchsten Teil, d.h. dem Intellekt, der die intelligible Welt nie verlässt (s. z.B. Enn. IV 3 [27] 12. 30–35). J. PHILIPPS (Numenian Psychology, 144–145) führt außerdem andere überzeugende Vergleiche zwischen der Auslegung der Weltseelenbildung im Kap. 31 und der plotinischen Seelenlehre an. Er kommt jedoch zu dem erstaunlichen Schluss, die Stelle weise eigentlich keinen plotinischen oder porphyrianischen Einfluss auf, sondern müsse allein aus Numenios stammen, weil unter anderem die Bestimmung der dort erwähnten anima stirpea der plotinischen Auffassung widerspreche, das Böse könne auf keinen Fall aus einer Seele, sei es auch einer irrationalen, kommen (Numenian Psychology, 147–150. Zu diesem Unterschied zwischen Numenios’ und Plotins Lehre s. auch z.B. H AGER, Gott und das Böse, 139). Jedoch wird die anima stirpea im Kap. 31 nicht als böse bezeichnet. Das Problem seiner Interpretation besteht darin, dass er voraussetzt, dass die Kap. 29 und 31 die numenianische Lehre wiedergeben, und dass er sie daher mit Hilfe der Kap. 295–300 (Fr. 52) auslegt. Das führt
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dem darauf hinzuweisen, dass Calcidius am Anfang des Kap. 29 und im Kap. 30 die Auffassung, die teilbare Wesenheit sei die Materie,115 gegensätzlich zu der Auffassung vorstellt, die im Kap. 31 dargelegt wird. Nun wäre es unserer Ansicht nach nicht auszuschließen, dass Numenios, wenn er tatsächlich die Mischung der Weltseele im Timaios ausgelegt hätte, die Materie (mitsamt ihrer Seele) durch ihre Gleichsetzung mit der Dyas als teilbare Substanz angesehen hat.116 ihn dazu, die anima stirpea des Kap. 31 mit der anima silvae des Fr. 52 ohne weiteres gleichzusetzen. Das aber erlaubt der Wortlaut der Texte nicht, weil z.B. von der Materie im Kap. 31 nicht die Rede ist. Zudem würden wir mit W. D EUSE (Untersuchungen, 76) anmerken, dass die Bezeichnung einer von der Einkörperung völlig freien Seele keine Entsprechung in Numenios’ erhaltenen Schriften hat, und hinzufügen, dass einige Fragmente sogar im Gegenteil zeigen, dass Numenios den Abstieg der rationalen Seele vertreten hat (s. dazu den dritten Teil dieses Aufsatzes). Dasselbe gilt für die plotinische Lehre von der Einheit der Seele, die J. Philipps Numenios zuschreiben will, während die meisten Zeugnisse hingegen auf die Gegenüberstellung zweier Seelen sowohl auf der kosmischen als auch auf der menschlichen Ebene bei Numenios hinweisen (Zu diesem Unterschied zwischen beiden Lehren, s. z.B. D ODDS, Numenius, 21–22). Wenn wir annehmen, dass Porphyrios die Hauptquelle des Calcidius darstellt, ist es leichter zu verstehen, dass plotinische und numenianische Züge in der dargelegten Lehre verschmelzen. Es ist schließlich anzumerken, dass Plotin und Porphyrios eine Zweiteilung der Weltseele (aber nicht zwei Weltseelen) annehmen (W ASZINK, Porphyrios, 74). Ihr Einfluss auf diese Stelle ist somit eher denkbar als derjenige des Numenios. – Hinsichtlich der Quellen der in Kap. 29 und 31 dargestellten Lehre könnten auch Vergleiche mit Plutarch angestellt werden. S. dazu z.B. BEUTLER, Numenios, 675; B.W. SWITALSKI, Des Chalcidius Kommentar zu Plato’s Timaeus, Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters 3,6, Münster 1902, 41, 49–50, 90; W ASZINK, Timaeus, L–LI (welcher jedoch diesen Vergleich schließlich ablehnt, s. LII–LIII). 115 Kap. 29: „Ist es die Gattung der intelligiblen Welt, (nach der er die Formen bestimmt hat, welche er auf die Körper übertrug), die er „unteilbare Wesenheit“ genannt hat, während die „teilbare Wesenheit“ die Materie wäre, die gleichsam Beginn und Ursprung der Körper ist?; Kap. 30: „… da deshalb diejenigen, die meinten, dass die Gattung der intelligiblen Welt, weil sie immer dieselbe bleibt und sich niemals ändert, von Platon „unteilbare Wesenheit“, die Materie dagegen „teilbare Wesenheit“ genannt worden sei …“. 116 In der hier erörteten Stelle aus Fr. 52, Z. 71–72 könnten die den leidensfähigen Seelenteil beschreibenden Wörter in qua est aliquid corpulentum mortaleque et corporis simile darauf hinweisen. Der Vergleich mit dem Körper durch aliquid und simile könnte auf die Beziehung zwischen Materie und Körper deuten. Dabei hätte Numenios die Sicht vertreten, die Calcidius in Kap. 29–31 ablehnt und die außerdem die unteilbare Wesenheit mit der Form (species) verbindet. Diese Gegenüberstellung von species und silva als die zwei Wesenheiten innerhalb der Weltseele kann nämlich an die gleiche Gegenüberstellung im Fr. 52 von Gott bzw. species und Materie als Prinzipien der zwei verschiedenen Weltseelen denken lassen. Jedoch handelt es sich im Fr. 52 nicht um die Bildung der Weltseele, sondern wirklich um zwei Seelen. Außerdem sind die weiteren Einzeilheiten der von Calcidius abgelehnten Lehre (zumindest wie Calcidius sie darstellt) nicht mit Nu-
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Deswegen neigen wir zu der Annahme, dass Calcidius, der seine Quelle nicht namentlich zitiert,117 entweder aus verschiedenen Quellen schöpft, um seine Doxographie in den Kap. 29–31 und seine eigene Auslegung in den Kap. 53–55 zu verfassen, oder das Ganze aus Porphyrios übernimmt, der selbst die verschiedenen Quellen miteinander verbunden hätte.118 Aus diesem Grund scheint es nicht besonders relevant zu sein, sich auf diese beiden Stellen, die ohnehin Numenios nicht nennen, zu beziehen, um Numenios’ Lehre zu rekonstruieren. Wenn wir jedoch auf Proklos’ Testimonium nicht verzichten wollen, da Numenios als Anhänger der platonischen Schule die Bildung der Weltseele im Timaios tatsächlich auf der Grundlage der pythagoreischen Prinzipen ausgelegt haben kann, könnten wir folgende Interpretation vorschlagen: Entsprechend dem Kontext seiner Werke hätte Numenios die jeweiligen Manifestationen der Dyas auf den verschiedenen Weltebenen behandelt. Dabei kann er ohne Widerspruch die Dyas als teilbare Wesenheit in der Struktur der Weltseele und als Materie in der Struktur der Weltkörper betrachtet haben.119 Um diese Annahme besser zu erklären, muss der Begriff „Dyas“ näher bestimmt werden. Vorher sind jedoch noch einige Bemerkungen hinzuzufügen. Die hermeneutische Methode, Numenium ex Numenio zu erklären, ist mit Vorsicht anzuwenden, zumal hier ein wahrscheinlich mit Recht als Fragment anzusehender Text (Fr. 52) mit einer Passage verglichen wird, die höchstens den Status des Testimoniums (Fr. 39120) beanspruchen kann. Diese Methode setzt voraus, dass Numenios eine systematische Lehre entwickelt hat, was offensichtlich nicht der Fall ist. Es erscheint deshalb aufschlussreicher, die im Fr. 52 erwähnte Beziehung zwischen Materie und schlechter Seele innerhalb der Äußerungen dieses Fragmentes zu erörtern.
menios’ Lehre vereinbar. Deswegen ist es schwierig, ihm diese Lehre in der von Calcidius dargestellten Form zuzuschreiben. W ASZINK, Timaeus, LIII, will diese Lehre Plutarch zuschreiben, was uns unmöglich scheint, weil Plutarch die Gleichsetzung von teilbarer Wesenheit und Materie deutlich ablehnt (An. procr. 1021,1022E–1023A). S. dazu auch VAN W INDEN , Supplementary notes, 259. 117 Das Fr. 52 ist in dieser Hinsicht eine Ausnahme (s. W ASZINK, Timaeus, LXXX; VAN W INDEN, Supplementary notes, 254) und es wäre nicht auszuschließen, dass er den Text auch von Porphyrios übernimmt. 118 Porphyrios kann selbstverständlich von Numenios beeinflusst sein (s. dazu z.B. W ASZINK, Porphyrios, 35–83; Z AMBON, Porphyre, 171–250), aber er hat wahrscheinlich Numenios’ Lehre nicht unverändert wiedergegeben. 119 S. dazu BALTES, Numenios, 244; A LT, Weltflucht, 39 mit Verweis auf Arist. Metaph. A 988a20ff. 120 Als Testimonium behandelt bei LEEMANS, Studie (T 31).
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Nun handelt es sich hier nicht um die Auslegung der Bildung der Weltseele, und wir haben gezeigt, dass die dortige Erwähnung von zwei Teilen einer Seele problematisch ist, da sie eher die menschliche Seele zu betreffen scheint und zudem eine von Calcidius vorgenommene Ausdeutung darstellen kann. Auch wenn sie tatsächlich die Weltseele beschreiben sollte, wäre sie schwer mit der vorherigen Erwähnung von zwei Weltseelen zu verbinden:121 Eine Gleichsetzung der zwei Teile mit den beiden Seelen müsste nämlich angenommen werden. Darauf gibt jedoch der Text keinen deutlichen Hinweis. Deshalb ist zu folgern: Wenn Proklos’ Bericht eventuell verwendet werden könnte, um den Satz über die zwei Teile der Seele zu erläutern, so gilt das nicht mehr für die Erörterung der zwei Weltseelen, es sei denn die letzteren selbst würden wie bei Plutarch jeweils als die teilbare und die unteilbare Wesenheit gedeutet.122 Auf eine solche Auslegung fehlt jedoch im Fr. 52 jeder Hinweis. Es könnte auch daran gedacht werden, dass Numenios beide Stellen (Z. 65–67 und Z. 70–74) unkoordiniert gelassen hat,123 so dass man vergeblich nach einer Verbindung suchen würde. Aus diesem Grund möchten wir uns nun wieder auf die erste Stelle konzentrieren, d.h. auf die Erwähnung zweier Weltseelen und die dabei vorgeschlagene Gleichsetzung der zweiten mit der Materie. Es sei nämlich daran erinnert, dass diese zwei Seelen als die in den Gesetzen erwähnten zwei Weltseelen dargestellt werden, von denen die eine, die beneficientissima anima, dem Gott124 entsprechen mag. Diese Gleichsetzung erfolgt jedoch nicht ausdrücklich, und Numenios vermeidet sie wahrscheinlich absichtlich, weil es sich ihm zufolge bei Gott und Seele um zwei ganz verschiedene Arten von Wesenheiten handelt. Die andere Seele wird 121 In diesem Fall müssten wir nämlich denken, dass das Referat auf eine besonders knappe Weise auf die Mischung der Weltseele anspielt. 122 In diesem Fall müsste man das Kap. 31 von Calcidius, das die unteilbare und teilbare Wesenheit als zwei Seelen beschreibt, als aus Numenios stammend ansehen. 123 S. dazu W ASZINK, Porphyrios, 76–77; A LT, Weltflucht, 102. 124 Die beneficentissima anima ist nicht unbedingt als Weltseele zu verstehen. Der Superlativ könnte nämlich darauf hinweisen, dass es sich nicht um diese handelt, welche nur benefica wäre, sondern um eine höhere Entität, nämlich der Gott (zu dieser Gleichsetzung s. z.B. VAN W INDEN, Calcidius on matter, 113; DE LEY, Macrobius, 31; BALTES, Numenios, 244 und 267). Diese Auslegung ist jedoch mit Vorsicht zu betrachten, weil es kein Zeugnis gibt, dass Numenios den Demiurgen mit einer Seele gleichgesetzt hat. Zudem macht Calcidius in seiner Zusammenfassung im Kap. 300 keinen Unterschied zwischen beneficentissima und benefica, denn er gibt die Erwähnung der beneficentissima anima mit dem zweiten Ausdruck wieder. Es gibt zumindest kein Zeugnis, dass Numenios den Demiurgen mit der Weltseele identifiziert hat. Sogar im Fr. 18 handelt es sich um den Demiurgen, und obgleich dieser eine Tätigkeit ausübt, die üblicherweise der Weltseele zugeschrieben wird, wird er dort nicht als solche bezeichnet. S. dazu auch die Bemerkungen über die Spaltung des Demiurgen im dritten Teil des Aufsatzes.
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dagegen deutlich mit der Materie gleichgesetzt. Die Beziehung beider Entitäten (des Gottes und der Materie) zu einander wird nicht als eine Mischung,125 sondern eher als eine Begegnung geschildert. Diese führt zu einer Gegenüberstellung, wobei die schlechte durch die gute oder genauer durch den als Vorsehung geschilderten Gott besiegt und dabei, wenn auch nie gänzlich, geordnet wird. Wenn wir auf die Interpretation der These verzichten müssen, dass die hier erwähnte und mit der Materie und folglich mit der Dyas gleichgesetzte schlechte Seele mit der teilbaren Wesenheit in der Struktur der Weltseele zu identifizieren sei,126 benötigen wir aber immer noch eine Erklärung für die Gleichsetzung von Materie und schlechter Seele. Das Fragment gibt vielleicht einen letzten Hinweis, wenn dort die Materie nicht nur mit der unbestimmten Dyas, sondern auch mit der Notwendigkeit gleichgesetzt wird. 3. Die Materie als unbestimmte Dyas und als Notwendigkeit Gegen Ende seines von Calcidius wiedergegebenen Berichts über Pythagoras’ Lehre verwendet Numenios, um den Begriff „Materie“ bestimmen zu können,127 die Methode der ἀφαίρεσις. Sie besteht darin, jeden Körper von der Materie zu entfernen, bis sie allein mit der Vernunft betrachtet werden kann.128 Durch dieses Verfahren erweise sich die Materie als Notwendigkeit. Diese erstaunliche Gleichsetzung steht zwar in Beziehung zu dem Bemühen der Mittelplatoniker, die verschiedenen Entitäten des Timaios (das Seiende, das Werden, die χώρα,129 aber auch den Demiurgen und die Notwendigkeit) mit den von der alten Akademie eingeführten und angeblich von Pythagoras übernommenen zwei gegensätzlichen Prinzipien (d.h. der Dyas und der Monas) in Übereinstimmung zu bringen. In dem Fall werden χώρα und Notwendigkeit als Entsprechung zur Dyas zusammen betrachtet, beide als Gegnerinnen des Demiurgen wie die Dyas als Gegensatz zu dem Monas-Gott. Jedoch enthält die hier vorgeschlagene Gleichsetzung jenseits des Suchens nach Entsprechungen und Analogien 125 S. dazu D EUSE, Untersuchungen, 71. Wir folgen jedoch W. D EUSE (Untersuchungen, 72–73) nicht, wenn er den Bildungsprozess der Weltseele als Entfaltung des Intellekts durch den Kontakt mit der Materie interpretiert. 126 Anstelle des Verzichts auf diese Auslegung kann auch auf den unkoordinierten Charakter der numenianischen Lehre verwiesen werden, s. dazu z.B. W ASZINK, Porphyrios, 76. 127 Fr. 52, Z. 121–129. 128 Die Verwendung der ἀφαίρεσις, um die Kenntniss der Materie zu gewinnen, wird schon bei Platon (Ti. 52b über die χώρα) und Aristoteles skizziert. S. dazu z.B. BEUTLER, Numenios, 674; W ASZINK, Timaeus, LXXVIII; VAN W INDEN, Calcidius on matter, 120. Vgl. Alcin. Did. X 165,17–18. 129 Ti. 52d2.
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eine wesentliche Bedeutung für unsere Untersuchung. Sie weist einmal darauf hin, dass die numenianische Materie nicht als konkretes Material oder fester Stoff (oder nicht nur so)130 zu verstehen ist, sondern dass sie auch etwas „Unkörperliches“ an sich zu sein scheint, was vielleicht die Tatsache beleuchtet, dass das eigentliche Seiende eher als „unkörperlich“ (ἀσώματον) denn als „unmateriell“ (ἄϋλον) bezeichnet wird.131 Dies bedeutet, dass die einzelnen Körper unter anderem den materiellen Aspekt der Materie darstellen würden.132 Eine unkörperliche Materie im Sinne von „nicht materiell“ ist nach dem Verständnis der Mittelplatoniker wohlbekannt. Um die Züge von Platons χώρα als formloses Gefäß der Formen zu erläutern, erwähnt Alkinoos einen solchen Begriff, jedoch um diesen unkörperlichen Aspekt der Materie als mögliches Körpersein zu bezeichnen.133 Das scheint aber Numenios’ Lehre nicht zu entsprechen.134 An Numenios’ Gleichsetzung der Materie mit der Notwendigkeit und mit der schlechten Seele als Prinzip der ungeordneten Bewegung erinnert eher Hermogenes’ Bestimmung der Materie als sowohl körperlich als auch unkörperlich,135 d.h. dass sie als körperliche Ursprung der Körper und als unkörperliche Ursprung der ungeordneten Bewegung sei. Da Hermogenes’ weitere Lehre von einer aus der Materie kommenden Seele136 den Einfluss von Numenios erkennen zu lassen scheint, wäre es nicht auszuschließen, dass der „Häretiker“ auch diese Unterscheidung Numenios verdankt oder wenigstens, dass er durch die Lektüre des Numenios zu dieser Auffassung
130 Das war schon der Fall bei Platons χώρα, aber in dem Sinne, dass sie auch Raum ist, s. Ti. 52bc. 131 Fr. 1b, Z. 5; 4a, Z. 28, 32; 4b Z. 13; Fr. 6, Z. 3, 7, 15; 7, Z. 2; 41, Z. 1. Das Adjektiv ἄϋλον erscheint nur im Fr. 4b (Z. 23, 25bis, Testimonium von Nemesius), und zwar nur in einer logischen Argumentation, wo es nicht auf den Gott angewendet wird. 132 Ein Unterschied kann nämlich zwischen der Materie und dem Materiellen, d.h. den Körpern, gemacht werden (s. dazu auch z.B. M ARTANO, Numenio, 51). 133 Did. VIII 163,7–8. Vgl. Apul. Plat. I 5,192; Arius Did. fr. phys. 2; Calc. Comm. 319, S. 314, Z. 18 und 320, S. 316, Z. 9–10 Waszink. Diese Autoren suchen nach einem Kompromiss in der Debatte mit den Stoikern. S. dazu F. C HAPOT, L’hérésie, 55–56; ders., Tertullien, 388–389. 134 S. seine Verwendung des Wortes substantia, wahrscheinlich zur Bezeichnung der Materie als Substanz der schlechten Seele (Fr. 52, Z. 93). 135 XXXVI 2; vgl. XXXV 2. 136 S. Tert. anim. I 1; III 4; XI 2; XXII 1, wo der Kirchenvater auf seine Schrift (De censu animae) gegen diese Lehre des Hermogenes verweist. Vgl. Tert. Adv. Marc. II 9. S. dazu J.H. W ASZINK, Quinti Septimi Florentis Tertulliani De Anima, Supplements to Vigiliae Christianae 100 (2010), Leiden/Boston, 9–14.
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gelangt ist.137 Allerdings ist sie als deutlich ausgedrückte Auffassung in den erhaltenen Fragmenten und Testimonien des Apamäers nicht zu finden. Die zweite Information, die aus der Beschreibung der negativen Methode entnommen werden kann, nämlich die Gleichsetzung selbst der Materie mit der Notwendigkeit ist deshalb aufschlussreicher. Im Timaios stellt die Notwendigkeit die Naturgesetze dar, d.h. den Komplex der Ursachen und ihrer Folgen, der Geschehnisse und ihrer automatischen Auswirkungen, anders gesagt, alle die Mechanismen, welche die Abläufe in der Welt regieren. Durch diese Bestimmung wird die Notwendigkeit unmittelbar mit der Bewegung verbunden, insofern als ihre Gesetze Bewegungen verursachen,138 wie z.B. die Annährung des Ähnlichen an das Ähnliche oder die Entfernung des Unähnlichen vom Unähnlichen. Die auf diese Weise von der so verstandenen Notwendigkeit hervorgebrachte Regelmäßigkeit ist jedoch nicht mit Harmonie und guter Ordnung gleichzusetzen.139 Im Timaios erweisen sich nämlich letzten Endes ihre Gesetze, entsprechend denen sich die Spuren von Elementen gemäß ihren Eigenschaften verbinden oder trennen, die χώρα erschüttern und von ihr erschüttert werden,140 als verantwortlich für das vorkosmische Chaos. Der genannte Grund für diese Tatsache liegt in der Vernunftlosigkeit der Notwendigkeit. Deshalb wird sie im Timaios als „umherirrende Ursache“141 bezeichnet, während der Demiurg als Intellekt und dabei als göttliche (und rationale) Ursache betrachtet wird, der die Notwendigkeit „überredet“, um den Welturzustand in Ordnung zu bringen und dabei die Welt zu schaffen.142 Die letzten Zeilen des Fr. 52 verweisen genau auf diesen Vorgang.143 Deswegen setzt Numenios die Materie mit der Notwendigkeit als vernunftloser Gegnerin des Gottes gleich. Diese Gleichsetzung findet jedoch tatsächlich einen Anhaltspunkt im Timaios, insofern als dort die von den Naturgesetzen verursachten Bewegungen der Spuren von Elementen im vorkosmischen Chaos nicht nur in der χώρα stattfinden, sondern von ihr verursacht In diesem Fall wäre der Ursprung dieser Sicht, der unkörperliche Aspekt der Materie sei Ursache der unordentlichen Bewegung, nicht mehr „mystérieuse“, wie ihn C HAPOT (Tertullien, 391) qualifiziert. 138 S. z.B. Ti. 57c1–2 und 7–8, wo die Bewegungen der Spuren von Elementen, welche zu ihrer Bildung beitragen, sich als Ergebnis der Hilfsursachen (d.h. der Abläufe der Notwendigkeit) erweisen. 139 Ein geregelter Prozess kann ein unordentliches Ergebnis hervorbringen. S. dazu z.B. Th. Kj. JOHANSEN, Plato’s natural philosophy, Cambridge [2004] 2006, 94. 140 Ti. 52e–53a. 141 48a. 142 48a; 68e–69a. 143 ex qua et deo mundi machinam constitisse deo persuadente, necessitate obsecundante. 137
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zu werden scheinen, da Platon die wechselseitige Wirkung der letzteren und der Spuren von Elementen beschreibt.144 Eine ähnliche Assoziation zwischen Notwendigkeit, Materie und Bewegung ist bei Aristoteles zu finden. In seiner Ablehnung der materialistischen Lehre, nach welcher die Welt durch Naturmechanismen, d.h. nach Aristoteles’ Wiedergabe dieser Lehre durch die Notwendigkeit, entstanden ist, bezeichnet Aristoteles diese Mechanismen als eine Art von Materie, indem er sagt : „Es ist also offenbar, dass das Notwendige in den Naturgegenständen das ist, was wir gleichsam als ihre Materie (ὡς ὕλη λεγόμενον) bezeichnen und deren Bewegungen.“145
Mit dem Ausdruck ὡς ὕλη verweist Aristoteles auf die materielle Ursache, die nur eine Vorbedingung für die Herstellung künstlicher Gegenstände (wie die eines Hauses oder einer Säge z.B.146) darstelle, während die Zweckursache für diese Herstellung als einziger zureichender Grund gelte.147 Mit diesem Vergleich will er also sagen, dass die Notwendigkeit in der Natur keine größere Rolle spiele, als die unerlässliche Bedingung für die Entstehung der Naturprozesse zu sein. In diesem Zusammenhang wird zwar das Wort „Materie“ im übertragenen Sinne verwendet, aber der Vergleich der Materie mitsamt ihren Bewegungen mit der Notwendigkeit ist bemerkenswert, und es ist nicht auszuschließen, dass sich dies bei Numenios widerspiegelt, wo diese Entität auch einem höheren Prinzip gegenübergestellt wird. Plutarch berichtet von einer Sicht, die der des Numenios ähnlich ist. Sie wurde von einem von ihm nicht näher bestimmten Schülerkreis vertreten und besagen, dass sich Ungleichheit, Unbestimmtheit, Notwendigkeit und Materie in ihrer Gegnerschaft zu dem Gott und dabei als Ursprung des Übels148 entsprächen.149 Auch wenn dieser Schülerkreis pythagoreisch Ti. 52e–53a. φανερὸν δὴ ὅτι τὸ ἀναγκαῖον ἐν τοῖς φυσικοῖς τὸ ὡς ὕλη λεγόμενον καὶ αἱ κινήσεις αἱ ταύτης, Ph. II 9,200a31–33. 146 Ph. ΙΙ 9,200a24–30. 147 S. dazu z.B. die Bemerkung ad loc. von H. W AGNER, Aristoteles, Physikvorlesung, Aristoteles Werke in deutscher Übersetzung 11, Darmstadt [1967] 1983, 485. Ich bedanke mich bei Christoph Helmig (Berlin) für das Gespräch über diese Stelle des Aristoteles. 148 Bei Platon selbst ist jedoch die Notwendigkeit weder Quelle der Unordnung noch Ursache des Übels an sich, sondern nur Voraussetzung für dessen Entstehen, indem sie für die vernunftlosen Naturmechanismen verantwortlich ist. Der Grund dieser Funktion liegt in ihrer Vernunftlosigkeit und in ihrer „Gottlosigkeit” – was bei Platon zumindest im Timaios die wirkliche (aber negative) Ursache der Unordnung ausmacht (53b3–4). 149 An. proc. 6,1014EF. 144 145
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war,150 ist doch hervorzuheben, dass Eudemos, der Schüler des Aristoteles, dieser Sicht zugestimmt hätte.151 Trotz seiner ausdrücklichen Ablehnung der aristotelischen Lehre152 übernimmt offensichtlich Numenios als Erbe der alten Akademie, diese vielleicht teilweise von dem Stagiriten inspirierte Auffassung. Diese scheint eigentlich der Darstellung im Timaios ziemlich gut zu entsprechen, da dort im vorkosmischen Zustand nie von einer für die Bewegung verantwortlichen Urseele die Rede ist. Da Numenios eine systematische Auslegung Platons verfolgt und deshalb nur eine Seele als Ursache der Bewegung annehmen will, setzt er zusätzlich diese als Notwendigkeit verstandene Materie mit einer Seele gleich. Da er schließlich im Timaios die Notwendigkeit als Gegnerin des Demiurgen ansieht,153 der die Welt aufgrund seiner Güte154 erschafft, kann er letzten Endes durch den Rückgriff auf die angebliche Lehre der Gesetze diese Seele als schlechte darstellen. Die Gleichsetzung der Materie mit der Notwendigkeit ist deshalb nicht eine oberflächliche Analogie, die nur dazu dient, platonische und akademische Lehre in Übereinstimmung zu bringen, sondern sie spiegelt grundsätzlich Numenios’ Auffassung der Materie als eines aktiven, gegnerischen Prinzipes gegenüber dem Gott wider und erklärt vollständig die Gleichsetzung der Materie mit der schlechten Seele (ohne dass Calcidius’ Text korrigiert werden muss). Als Bedingung gilt, dass die Materie nicht mehr als körperlicher Urstoff angesehen wird. Und diese Sicht kann tatsächlich Hermogenes’ Lehre beeinflusst haben. Diese Auslegung kann jedoch vertieft werden, indem an Numenios’ Gleichsetzung der Materie mit der (unbestimmten) Dyas erinnert wird.155 150 Timaios von Lokroi (205,5 Marg) macht aus dem Intellekt und der Notwendigkeit die zwei Ursachen der gesamten Dinge. Dann nennt er die Materie und die Form als Ursprung bzw. Prinzipien alles Gewordenen (215,15 Marg). Das kann an die bei Calcidius im Fr. 52 dargestellte numenianische Auffassung von species-deus und materianecessitas erinnern. 151 An. procr. 7,1015D. S. dazu C HERNISS, Plutarch, Moralia XIII 1,195, A. e. 152 Fr. 24, Z. 68. 153 Was eigentlich nicht genau Platons Dartstellung entspricht. Im Timaios erweist sich nämlich die Notwendigkeit nicht als Gegnerin, sondern eher als Dienerin, die der Demiurg überredet, um die bestmögliche Welt zu erschaffen (Ti. 68c–69a). Jedoch will Numenios (wie Plutarch z. B.) eine Ursache des Übels im Timaios finden, wo Platon keine eigentliche Ursache vorschlägt (mit Ausnahme, wie schon erwähnt, der Abwesenheit des Gottes). 154 Ti. 29e. 155 Die Frage nach einem Unterschied zwischen der Dyas als Prinzip der Zahlen oder einer begrenzten Dyas und der unbestimmten Dyas bei Numenios wird hier nicht behandelt. S. dazu K RÄMER, Ursprung, 80–81; ELFERINK, La descente, 47 A. 57; DE LEY, Macrobius, 30; BALTES, Numenios, 248 (welcher die im Fr. 52 genannte Dyas-Materie von der
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Dies könnte sogar eine weitere Erklärung für die Verbindung der Materie mit einer Seele und auch für die Schlechtigkeit dieser Seele ergeben. Gemäß dem altakademischen Verständnis156 ist die Dyas eine mit zwei Aspekten versehene Entität: Einerseits wird sie als passives, empfangendes Prinzip betrachtet; andererseits ist sie eine aktive (und auch gegnerische) Kraft.157 Dabei wird sie unter anderem sowohl mit der Materie (als Substrat des Werdens) als auch mit der Bewegung prinzipiell verbunden158. Numenios’ Materie trägt ebendiese beiden Züge:159 Einerseits ist sie eine eigenschafts- und formlose Wesenheit, welche der χώρα des Timaios als Amme oder Mutter und Gefäß des Werdens entspricht; andererseits widersetzt sie sich der ordnenden und begrenzenden Tätigkeit der Monas als des Einen und des Gottes. Als solche wird sie zudem auf der kosmischen Ebene als Seele im Sinne von Bewegungsprinzip und genauer als schlechte Seele wegen dieses Widerstands angesehen. Schließlich kann ihre Identifikation mit der Notwendigkeit in diesem Zusammenhang verstanden werden: Als im Fr. 39 erwähnten unbestimmten Dyas unterscheidet). Wir haben jedoch schon angemerkt, dass in den erhaltenen Fragmenten Numenios nur die unbestimmte Dyas erwähnt zu haben scheint. 156 Zur Beziehung des Numenios zur Altakademie s. vor allem K RÄMER, Ursprung, 65– 92. 157 S. für diese Bestimmung der Dyas z.B. Plut. De def. orac. 35,429A–D. Dort wird die als das Unbegrenzte verstandene Dyas mit einer Art von Materie verglichen (429A3), während sie auch als zerstörerische Kraft dargestellt wird (429A6–7, C3–4). Diese doppelte Rolle spiegelt sich teilweise bei Xenokrates wider, wenn er die Dyas einerseits mit der Mutter der Götter und andererseits mit der Weltseele indentifiziert (Aët. Plac. I 7,30, p. 304 Diels = Fr. 213 Isnardi-Parente = 15 Heinze. Zu diesem Fr. s. z.B. H AGER, Gott und das Böse, 73–77). Dabei kann die weibliche, mütterliche Rolle der Dyas ihre Verbindung mit Platons χώρα suggeriert haben. Zumindest schreibt Numenios Pythagoras die Lehre zu, die geordnete Materie sei die Mutter der geborenen Götter, d.h. der Gestirne und Planeten (Fr. 52, Z. 101–102). Ob Xenokrates dabei wirklich an die Materie denkt, ist zwar unsicher (s. dazu H APP, Hyle, 248), aber die zwei Funktionen, nämlich die empfangende und die aktive, scheinen in der ihm von Aetius zugeschriebenen Aussage angedeutet zu werden. Außerdem hat Xenokrates die Gleichsetzung von Dyas und Materie insofern vorbereitet, als er die erste als Prinzip der materiellen Vielheit angesehen und der sichtbaren Welt angenähert hat (Aët. I 7, 18; Gal. Phil. hist. 35. S. dazu H APP, Hyle, 249). Bei Numenios wird nicht nur die geordnete Materie als Mutter der himmlischen Körper, sondern die Materie allgemein als Mutter angesehen (Fr. 52 Z. 13), wie es in der platonischen Schule üblich ist (s. z.B. Alcin. Did. VIII 162,30), um Platons χώρα zu beschreiben. 158 Vgl. Theo Sm. Expos. rer. math. 100,9–10 Hiller : καθ’ ἣν (δυάδα) ὕλη καὶ πᾶν τὸ αἰσθητὸν καὶ ἡ γένεσις καὶ ἡ κίνησις …. S. dazu W. T HEILER, Einheit und unbegrenzte Zweiheit von Plato bis Plotin, Isonomia, hrsg. von J. M AU/E.-G. SCHMIDT, Institut für Griechisch-römische Altertumskunde 9, Berlin 1964, 104. 159 Diese Bemerkung unterstützt und vertieft Baltes schon erwähnte Auslegung.
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weibliches Prinzip wird die Dyas als Hilfsursache konzipiert, was Platons Bestimmung der Notwendigkeit im Timaios entspricht.160 Diese doppelte Bestimmung des dyadischen Prinzips als Materie könnte Numenios teilweise der aristotelischen Lehre161 verdanken. In der Physik ist die Materie einerseits wie eine Mutter Substrat des Werdens,162 andererseits στέρησις (privatio, Beraubung), d.h. auch das nicht Seiende an sich und der tatsächliche Gegensatz zur Form.163 Mit dieser doppelten Bestimmung der Materie versucht Aristoteles das altakademische Prinzip der Dyas zu umschreiben, obwohl er gegen einige von ihm erwähnte, aber nicht genannte Philosophen164 die Sicht nicht vertritt, dass die στέρησις als Ursache des Übels zu betrachten sei.165 Wie die Beschreibung der Materie bei Numenios gezeigt hat, scheint die numenianische Materie beide Aspekte des aristotelischen Begriffes zu übernehmen. Aber es bleibt ein wesentlicher Unterschied: Numenios stimmt der Bezichtigung der Materie als Ursprung des Übels zu.166 Während für Aristoteles die Materie insgesamt axiologisch neutral ist und nur akzidentell schlecht sein kann,167 während ihm zufolge die στέρησις verschwindet, sobald die Form in das Substrat eintritt, ist für Numenios die Materie in sich schlecht,168 was zur Folge hat, dass das Schlechte nie ganz zerstört werden kann, sogar dann, wenn die Materie
S. dazu T HEILER, Einheit, 95. Die Akademiker verwenden verschiedene Bezeichnungen für ihr zweites Prinzip (wie Dyas, Groß und Klein, Vielheit), aber nennen es nicht ὕλη. S. dazu H APP, Hyle, 257. Insofern hat die aristotelische Lehre eine wesentliche Rolle für diese Bezeichnung gespielt. 162 Ph. I 192a13 163 Ph. I 191a. 164 Dabei ist wahrscheinlich an pythagoreisierende Schüler Platons zu denken (s. dazu H AGER, Materie, 80), d.h. Altakademiker (Xenokrates kann z.B. als pythagoreisierend bezeichnet werden). 165 Ph. I 192a15. Zu diesen Stellen s. z.B. H APP, Hyle, 294–296. 166 Dabei steht Numenios’ Lehre im Wesentlichen zu derjenigen des Aristoteles im Gegensatz, da der Stagirit jede Ansetzung zweier entgegengesetzter Prinzipien ablehnt (s. dazu z.B. H AGER, Gott und das Böse, 78–95). Bei ihm ist nämlich die στέρησις auf keinen Fall Prinzip des Übels, dazu z. s. z.B. H AGER, Materie, 78. 167 Ph. I 192a24–25. Nur in diesem Sinne kann man mit BEUTLER, Numenios, 672, sagen, dass die aristotelische Kritik an Numenios ohne Wirkung geblieben ist. 168 In diesem Sinne entspricht der in Numenios’ Lehre manchmal gesehene Widerspruch, die Materie werde einerseits als nicht seiend und andererseits als schlecht definiert, der altakamischen Lehre (s. dazu M ARTANO, Numenio, 89,108–112; H AGER, Materie, 84; W ASZINK, Porphyrios, 42–43, 67–68). Dieser angebliche Widerspruch könnte durch die Gleichsetzung der Materie mit der Dyas als zweideutiger Entität aufgelöst werden. 160 161
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durch die Form begrenzt und durch den Gott geordnet wird.169 In diesem Sinne hat Numenios den aristotelischen Begriff nur übernommen, um die Materie als Gegensatz zum Seienden zu bestimmen, aber ist mit den altakademischen Gegnern des Stagiriten in Übereinstimmung geblieben170 – aber mit zumindest einer Einschränkung: Die von Aristoteles erwähnten Vertreter dieser Sicht sind der Meinung, die στέρησις bestehe eigentlich nicht, weil sie ansonsten als Verursacherin des Übels ihre eigene Vernichtung erstreben müsste.171 Hingegen greift Numenios auf den aristotelischen Begriff der Substanz (substantia)172 zurück, um diesem von ihm Seele als Materie genannten Prinzip ein tatsächliches und nicht nur gedankliches Bestehen zuzusprechen. Diese Substanz kann als Materie im Sinne von Substrat verstanden werden. Dabei hat sich Numenios die aristotelische Auffassung der Materie angeeignet,173 kehrt jedoch auf die Pythagoras zugeschriebene Lehre über die Dyas zurück.174 169 Das Wort species im Fr. 52, Z. 41 steht für die Idee, d.h. hier für den Gott bzw. den Intellekt (zu dieser Gleichsetzung s. W ASZINK, Timaeus, XLI; VAN W INDEN, Calcidius on matter, 110–111; BALTES, Numenios, 257; D EUSE, Untersuchungen, 63, A. 4). Darunter ist wahrscheinlich zu verstehen, dass die Idee, nach welcher und mit welcher der Demiurg die Welt formt und anordnet, den ersten Gott als Prinzip hat und dabei ihrem Wesen nach mit ihm identisch ist (Fr. 16 und 41) (aus diesem Grund assoziert Baltes die Idee mit dem ersten Gott). Zwar ist es im Fr. 52 eher der zweite Gott als der erste, der als Vorsehung auftritt. Hinzu kommt, dass die Ideen bei Numenios wahrscheinlich als Gedanken des Demiurgen und außerdem wie bei Attikos als nicht getrennt vom Demiurgen aufgefasst werden könnten (zu dieser Lehre des Attikos, s. M. BALTES, Zur Philosophie des Platonikers Attikos, JbAC 10, 49). Jedoch ist nicht zu vergessen, dass der Demiurg als Vertreter des ersten Gottes im Werden fungiert, was ermöglicht, dass darüber hinaus die auf den Demiurgen im Fr. 52 verweisende Bezeichnung species auf den ersten Gott als Ursprung des von der Vorsehung gespendeten Guten hinweist. 170 Numenios stimmt jedoch nicht völlig den von Aristoteles erwähnten Denkern zu, insofern als sie der Meinung sind, die στέρησις bestehe nicht, da sie sich selbst vernichte, während Numenios der (schlechten) Seele der Materie eine Substanz (substantia) zuweist, nämlich offensichtlich die Materie selbst. Fr. 52, Z. 93 spielt vielleicht auf eine solche Auseinandersetzung an. 171 Diese Argumentation ist zumindest die, welche Aristoteles selbst rekonstruiert, wobei er in die Lehre seiner Gegner die Voraussetzungen und Implikationen seiner eigenen Auffassungen einfügt (s. dazu H AGER, Materie, 78–79; ders. Gott und das Böse, 93–95, 97). 172 Fr. 52, Z. 93. Numenios spielt mit dem aristotelischen Begriff der Substanz, da Aristoteles eigentlich dem entgegengesetzten Prinzip jede Substanz abspricht (s. dazu H AGER, Gott und das Böse, 84). 173 Wir wollen nicht sagen, dass Numenios Aristoteles folgt. Er verwendet nur seinen Begriff der Materie, den er sich aneignet. Gegen Aristoteles spricht er aber dem entgegengesetzten Prinzip eine Substanz zu und betrachtet es sogar als eine Bewegungsursache, in-
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4. Zusammenfassung Die zweifache Assoziation der Materie mit der Notwendigkeit und mit der Dyas scheint die befriedigendste Erklärung der Gleichsetzung der Materie mit der schlechten Seele im Fr. 52 darzustellen. Dies schließt nicht aus, dass im Kontext der Auslegung über die Weltseelenbildung Numenios die teilbare Wesenheit mit der Materie (mitsamt ihrer Seele) identifiziert haben könnte. Aber in diesem Zusammenhang spielt auch die Assoziation der Materie mit der Dyas, in dem Fall als teilender Kraft, die wesentliche Rolle für das Verständnis dieser Auslegung. Diese Beobachtung hat zwei Folgen für Numenios’ Lehre. Einerseits ist die Dyas als Entität zu verstehen, die sich je nach Ebene, unter Wahrung derselben Züge, anders ausdrückt. Die Tatsache jedoch, dass sie nur im kosmischen Bereich wirksam und vielleicht auch anwesend zu sein scheint, würde den Numenios zugeschriebenen Dualismus mildern.175 Andererseits erweist sich die numenianische Materie als eine zumindest zweideutige Entität, die bald passiver Stoff, bald aktive Bewegungskraft dieses Stoffes ist, was den grundsätzlichen Zügen der Dyas entspricht. Diese Lehre nimmt wahrscheinlich die aristotelische genaue Bestimmung des Begriffes der Materie auf, um die pythagoreische Ansicht wiederzugeben, und kann dann die Auffassung eines Hermogenes beeinflusst haben. Vielleicht kann sogar ein weiterer Schluss gezogen werden: Wenn die Materie der Dyas entspricht, scheint es nicht mehr auszuschließen zu sein, dass sie Numenios zufolge wirklich als Prinzip und genauer als Prinzip der schlechten Seele gilt. Als solche könnte sie in die verschiedenen Stufen des kosmischen Seins hineinwirken,176 d.h. des seelischen und körperlichen. Solch eine Auslegung würde zumindest am besten Calcidius’ Verständnis der pythagoreisch-numenianischen Lehre gerecht werden, die diese Seele aus der Materie (ex silva) kommen lässt. Sie könnte sogar zur Klärung beitragen, warum nach Numenios auf der menschlichen Ebene das Böse in die Seele schon vor der Einkörperung eintritt. Bevor auf diese Frage eingegansofern als er es auch als Seele ansieht (Fr. 52, Z. 99 und 67–70) (zu Aristoteles’ Ablehnung dieser beiden Ansichten s. H AGER, Gott und das Böse, 84). 174 Fr. 52, Z. 92–93. 175 Bei Numenios (Fr. 52) sind zwar Gott-Monas und Materie-Dyas gleich ursprünglich, aber die zweite scheint erst auf der kosmischen Ebene zu erscheinen oder zumindest zu wirken, wie es auch der Fall bei Xenokrates ist. S. dazu A. 53 und 54. Dabei bleibt Numenios mehr in der platonischen Linie, anders, als man manchmal behauptet. Auch bei Plutarch erscheint das für das Böse verantwortliche zweite Prinzip erst auf der kosmischen Ebene. S. z.B. die Aussagen über Typhon in Is. 54,373A10–12, welcher aus den Regionen in der Höhe in die diesseitige Welt verbannt wird, wo er gegen Horus kämpft. 176 S. dazu H APP, Hylè, 257–258 über das Materie-Prinzip der alten Akademie.
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gen werden kann, muss jedoch die Beziehung zwischen Materie und Seele auf dieser menschlichen Ebene erörtert werden. Die Numenios zugeschriebene Lehre eines aus der Materie entstehenden Seelenteils bzw. einer irrationalen Seele scheint sich innerhalb des Fr. 52 selbst (Z. 70–75) eher auf die menschliche als auf die kosmische Ebene zu beziehen. Nun gewinnt dort diese Ansicht eine ganz andere Bedeutung.
II. Materie und Seele in der Entstehung des Bösen Wenn die Entstehung des Übels auf der kosmischen Ebene von der Beziehung zwischen Materie und Seele abhängt, würde man erwarten, dass dementsprechend die Entstehung des Bösen von der Beziehung des Körpers und der Seele auf der menschlichen Ebene abhängt. Doch wird diese Erwartung nicht völlig erfüllt: Auf dieser Ebene spielt noch die Materie selbst die wichtigste Rolle. 1. Körper und Seelen Numenios beschreibt den Körper genauso wie die Materie als Gegensatz zum Seienden und zwar mit noch größerem Nachdruck, denn er bezeichnet das Seiende, verstanden als der erste Gott, als das Unkörperliche par excellence. Dabei werden die Körper als wechselhaft (τρεπτά), unbeständig (μηδενὸς ἐν αὐτοῖς ἀμεταβλήτου ὑπολειπομένου), verteilbar (διόλου εἰς ἄπειρον τμητά), zerstreubar (σκεδαστά, Fr. 4b, σκιδνάμενα, Fr. 4a), auflösbar (παραλυόμενα), in ständiger Bewegung (πεφορημένα) und nie am selben Ort sich befindend (οὐδ’ ἐν ταὐτῷ μένοντα), und insgesamt als tot (τεθνηκότα) und als Leichen νεκρά, Fr. 4a177) geschildert. Dementsprechend hätte Numenios die Lust (den Affekt, der die Seele am stärksten an den Körper bindet, wie Platon im Phaidon erklärt178) als Gefängnis der Seele angesehen.179 Dies erinnert an die Erwähnung des ἐπιθυμητικὸν ἦθος der Materie im Fr. 11, welches dazu beiträgt, den zweiten Gott zu spalten, so
Fr. 4a und 4b. 83d. 179 Fr. 38 (= Olymp. In Phd. 84,21–85, 3 Norvin). K. A LT (Weltflucht, 133) zieht die Übersetzung von ἡδονή mit „Freude“ gegenüber der mit „Lust“ vor. Jedoch ist ihre Deutung mit ihrer allgemeineren Absicht verbunden, Numenios’ Lehre von den pessimistischen Ansichten der Gnostiker fernzuhalten. Diese Auffassung scheint uns zwar berechtigt, aber sie kann nicht dazu führen, eine Verurteilung der Lust bei Numenios in Fr. 38 wie in Fr. 32 zu übersehen, welche den Aussagen im Timaios (69d) selbst entspricht. 177 178
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dass er sich auf die Materie einlässt. Demnach hätte Numenios jede Einkörperung als etwas Schlechtes angesehen.180 Wenn es sich darum handelt, das Böse auf der menschlichen Ebene zu erörtern, wird jedoch in den erhaltenen Zeugnissen nicht ein Kampf zwischen Körper und Seele erwähnt, sondern der zwischen zwei Seelen.181 Wenn wir die Testimonien von Jamblichos (Fr. 43),182 Proklos (Fr. 37)183 und Porphyrios (Fr. 44)184 nebeneinander stellen, kommen wir zu dem Schluss, dass offensichtlich Numenios zwei Arten von Seelen unterschieden hat. Die eine wird mit Athena (als Vertreterin der Vernunft), die andere mit dem Werden (bzw. der Entstehung, γένεσις) und dabei wahrscheinlich mit dem Meeresgott Poseidon185 (d.h. auch im übertragenen Sinne mit der Materie186) verbunden. Numenios hat diese beiden Seelen als rationale und irrationale Seelen angesehen187 und ihre Gegenüberstellung im Menschen selbst beschrieben. Um die irrationale Seele näher zu bestimmen und ihre Rolle in der Entstehung des Bösen zu verstehen, muss erneut der Numenios zugeschriebene Bericht der pythagoreischen Lehre bei Calcidius herangezogen werden. Dieser legt nahe, dass die gewünschte Erklärung eher in der Erörterung der Beziehung dieser Seele zur Materie als in der zum Körper liegt. Auf der menschlichen Ebene ist nämlich auch zu erörtern, was Numenios unter der Herleitung der in diesem Falle bösen188 Seele aus der Materie versteht. Fr. 48 (Iamb. Περὶ ψυχῆς ap. Stob. I 49,40; 380,6–19 Wachsmuth), Z. 10–14. Diese Lehre ist nicht selten. Platon beschreibt schon den irrationalen Teil der Seele als eine andere Art von Seele (ἄλλο εἶδος ψυχῆς, Ti. 69c) und Alkinoos folgt ihm in dieser Hinsicht (Did. XXV 178,30–32). S. dazu BEUTLER, Numenios, 674; J. W HITTAKER, Alcinoos, Enseignement des doctrines de Platon, Collection des Universités de France, Paris [1990] 2002, 130, A. 404. S. auch Attikos, dazu BALTES, Zur Philosophie des Platonikers Attikos, 47–48). Jedoch hat in ihrer Radikalität die von Numenios vertretene Trennung beider Seelen keine Entsprechung bei den Platonikern. S. dazu D ODDS, Numenius, 7. 182 Fr. 43, Z. 1–7 (Iamb. Περὶ ψυχῆς ap. Stob. I 49,37; 374,21–375,1 Wachsmuth). 183 Fr. 37 (Procl. In Ti. I 76, 30–77, 23 Diehl), Z. 4–8. 184 Fr. 44 (Porph. Περὶ τῶν τῆς ψυχῆς δυνάμεων ap. Stob. I 49, 25a). 185 Vgl. Procl. In Ti. I 173,14–15. S. DES PLACES, Numénius, 88, A. 3. 186 Vgl. Fr. 33 (Porphyrios, De antro nymph. 34), Z. 8–9: Πόντος δὲ καὶ θάλασσα καὶ κλύδων καὶ παρὰ Πλάτωνι ἡ ὑλικὴ σύστασις (wenn die Gleichsetzung wirklich auf Numenios zurückgeht). 187 Die Erwähnung einer dritten Seele, nämlich der vegetativen, bei Numenios im Fr. 47 gehört u. E. zu Philoponos’ eigener Aneignung der numenianischen Lehre, die wahrscheinlich dazu dient, Numenios’ Lehre an die aristotelische Terminologie anzupassen, zumal das Zeugnis des Philoponos aus seinem Kommentar über Aristoteles’ De anima stammt. 188 Dieser Unterschied zwischen „schlechter“ und „böser“ Seele entspricht unserer modernen Sichtweise und dient nur dazu, beide Ebenen, kosmische und menschliche, zu 180 181
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2. Die aus der Materie entstehende böse Seele a. Die hebräische Lehre bei Calcidius (Kap. 55 und 300) In Calcidius’ Referat wird die Materie als auctrix des leidensfähigen Seelenteils bezeichnet, der als irrationaler Teil zu verstehen ist, während sich der Gott und die Vernunft als auctor des rationalen Teiles erweisen. Es wurde schon gesagt, dass dies vielleicht eher die menschliche Seele als die kosmische betrifft und dass bei Numenios selbst wahrscheinlich eher von zwei Seelen als von zwei Teilen einer einzigen Seele die Rede ist.189 In diesem neuen Zusammenhang stellt sich erneut die Frage nach der Bedeutung des Wortes auctrix und dabei die Frage nach der Beziehung zwischen Materie und Seele auf der menschlichen Ebene. Darauf gibt Calcidius in seiner Darstellung dieser Lehre neue Hinweise. In seiner Zusammenfassung der von Numenios als pythagoreisch dargestellten Lehre behauptet Calcidius nämlich, dass die Hebräer mit den diese Lehre vertretenden Philosophen in Übereinstimmung seien, wenn sie zwei Seelen annehmen. Dabei werde die eine allein dem Menschen von Gott selbst als Vernunft eingehaucht, während die andere zwar auf Geheiß Gottes allen Lebewesen gewährt werde, aber der Vernunft beraubt sei und aus der Materie komme. Die Bezeichnung dieser Seele als charakteristisch für die Tiere dient dann als Anhaltspunkt, um durch die Erwähnung der biblischen Schlange den Ursprung des Bösen bei den Menschen dieser Seele zuzuordnen: „Mit ihnen stimmen die Hebräer überein, wenn sie sagen, dass dem Menschen ja von Gott eine Seele aus himmlischer Inspiration gegeben sei, die sie Vernunft und vernünftige Seele nennen, den sprachlosen und auf den Feldern lebenden Tieren (mutis uero et agrestibus) aber eine vernunftlose, aus der Materie stammende Seele, als auf Geheiß Gottes die lebendigen und beseelten Tiere aus dem Schoß der Erde hervorgekommen sind (uiuis et animantibus bestiis terrae gremio profusis) 190. Unter ihnen war auch jene Schlange, die die Erstlinge des Menschengeschlechts mit ihren schlechten Ratschlägen verführt hat.“ 191
Diese Zeilen legen Gen 1,24 aus, wo im grieschischen Text der Septuaginta geschrieben steht: Καὶ εἶπεν ὁ θεός Ἐξαγαγέτω ἡ γῆ ψυχὴν ζῶσαν κατὰ
trennen, wobei, wie schon erwähnt (s. A. 38), in Calcidius’ Referat (Fr. 52) die Materie (mitsamt ihrer schlechten Seele) auf der kosmischen Ebene mit Termini beschrieben wird, die eher zur menschlichen Seele passen würden, denn sie lassen eine moralische Konnotation erkennen. 189 Vgl. Fr. 44. S. A. 183. 190 S. für diese Übersetzung A. 216. 191 Calc. Comm. 300, S. 302, Z. 11–16 Waszink.
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γένος, τετράποδα καὶ ἑρπετὰ καὶ θηρία τῆς γῆς κατὰ γένος.192 Der biblische Text wird in der Calcidiusstelle so ausgelegt, dass in γῆ die Materie gesehen wird. In Übereinstimmung mit der dargestellten numenianischen Lehre wird sie also als Verursacherin der „lebendigen Seele“ (ψυχὴν ζῶσαν), d.h. der Leben fördernden Seele, angesehen, die jedoch nur auf Geheiß Gottes (jussu dei) ihre Leben hervorbringende Funktion ausübt. Die bei Calcidius ausgedrückte Verbindung zwischen dieser Seele und den Tieren geht auf den biblischen Text zurück. Die lateinischen Wörter mutis und agrestibus geben offenbar θηρία τῆς γῆς wieder, während die Anspielung auf die Schlange am Ende der Auslegung sogar von diesem Vers inspiriert sein kann, denn er enthält den Verweis auf die ἑρπετά. Es ist durchaus denkbar, dass Numenios selbst diese Auslegung vorgenommen hat, um die Übereinstimmung seiner Lehre mit der der Hebräer zu zeigen. Ein ähnliches Verfahren ist nämlich im Fr. 30 zu finden. Dass die hier erwähnte zweite, irrationale Seele den Menschen auch als Quelle ihres Lebens wie bei den anderen Lebewesen angehört, ist selbstverständlich und entspricht teilweise der stoischen193 und der aristotelischen194 Lehre. Diese Vermutung wird durch eine zweite Stelle bestätigt, wo Calcidius diese den Hebräern zugeschriebene Lehre wieder erwähnt. Auch hier stützt er eine philosophische Lehre von zwei menschlichen Seelen, die der des Numenios so ähnlich ist, dass sie zumindest teilweise auf ihn (wahrscheinlich indirekt über Porphyrios) zurückgehen muss: „… Und so wird das Leben der Menschen durch das Miteinander der natürlichen und der vernunftbegabten Seele geregelt. (55) Dass dies wahr ist, bezeugt die bemerkenswerte Lehre einer gewissen besonders heiligen und im Verständnis des Göttlichen kundigen Sekte, die besagt, dass Gott, nachdem die sinnliche Welt vollendet und ins Licht getaucht war, das Menschengeschlecht geschaffen und den Körper des Menschen aus einem Erdklumpen nach seinem Ebenbild gebildet und geformt habe, dass er zu ihm aus den „Und Gott sprach: Die Erde bringe lebendiges Getier, ein jedes nach seiner Art: Vieh, Gewürm und Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art“. Übersetzung: revidierte Fassung der Übersetzung LUTHERS 1984. 193 Bei den beseelten Wesen unterscheiden die Stoiker zwischen den Menschen, die über die Vernunft verfügen, und den Tieren, die vernunflos (ἄλογα) sind. Sie sind der Meinung, jedes höhere Wesen enthalte die unteren in sich, was bedeutet, dass die tierische Seele mit ihren Funktionen im Menschen wirkt. Vgl. Clem. Alex. Str. II 20, 110. 4– 111. 2 (s. zu diesem Text A. O RBE, Los ‘apendices’ de Basilídes, Gregorianum 57 (1), 1976, 83–84). S. dazu z.B. B. INWOOD, Ethics and Human Action in Early Stoicism, Oxford 1985, 18–27. Es sei jedoch bemerkt, dass die Stoiker den Pflanzen keine Seele zusprechen. 194 Bei Aristoteles gilt das vegetative Prinzip als Lebensprinzip für alle Lebewesen. Die Ähnlichkeiten zwischen der stoischen und der aristotelischen Lehre von der Hierarchie der Lebewesen erklären sich dadurch, dass die Stoiker Aristoteles folgen und seine Auffassungen systematisch weiterentwickeln. S. dazu z.B. INWOOD, Ethics and Human Action, 19–23. 192
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himmlischen Gewölben (ex convexis caelestibus) das Leben (vitam) habe herabkommen lassen und dann mit seinem eigenen Atem (proprio flatu) dessen Innerstes mit seinem Hauch erfüllt habe, der die Weisheit Gottes und die Vernunft der Seele bedeute.“ 195
Hier wird die Leben fördernde Seele, die der vernunftlosen des Kap. 300 entspricht, vita genannt und als aus den convexis caelestibus (den himmlischen Gewölben) kommend betrachtet, während die Vernunft als Gottes’ eigener Hauch geschildert wird, welche den Menschen als echtes Bild Gottes (hanc effigiem) ausmacht.196 Beide Stellen erweisen sich daher auch als Auslegung von Gen 2,7, wo geschrieben steht, dass Gott dem Menschen den Odem (πνοή im griechischen Text, flatum oder adflatum im lateinischen) des Lebens in seine Nase blies. Beide könnten außerdem denselben (polemischen) Hintergrund haben: die Unterscheidung zwischen dem von Gott eingehauchten Lebensprinzip, das als Vernunft verstanden wird und deshalb mit dem Guten verbunden ist, und dem seelischen Lebensprinzip im eigentlichen Sinne, welches das Leben mit dem Körper fördert, dabei fehlbar ist, und deshalb nicht von Gott kommen soll. b. Vergleich mit Hermogenes’ Lehre Das ist zumindest die Auslegung von Gen 2,7, die Hermogenes vertritt, um Gott von der Verantwortung für die menschliche Sünde zu befreien.197 Dafür habe er den griechischen Text (πνοὴν ζωῆς)198 entweder geändert, Calc. Comm. 54–55. Wir setzen also im Kap. 55 eine Unterscheidung zwischen ex convexis caelestibus und inspirationem proprio flatu voraus. Nur dieses letztere bringen wir mit dem Ausdruck ex inspiratione caelesti im Kap. 300 in Verbindung, der auf die von Gott stammende Vernunft verweist. B. W. SWITALSKI (Des Chalcidius Kommentar, 43) verbindet seinerseits alle drei Ausdrücke, um einen Vergleich mit Philons Sicht über das vom Gott eingehauchte vom Himmel stammende πνεῦμα (Her. 184) anzustellen. Er ist jedoch der Meinung, es handle sich hier bei Calcidius um ein Missverständnis der philonischen Aussagen. Zumindest könnten wir vermuten, dass bei Calcidius der Ausdruck ex convexis caelestibus, wenn er tatsächlich auf Philons ἀπ᾽ οὐρανοῦ in der genannten Stelle zurückgehen soll, absichtlich auf eine andere Quelle als Gott selbst verweist: Der Unterschied zwischen ex convexis caelestibus und inspirationem proprio flatu wird nämlich dadurch verdeutlicht, dass es sich einerseits um das Heranziehen (accersisse) der vita durch Gott aus den himmlischen Gewölben handelt, während andererseits der göttliche Ursprung der Vernunft durch das Adjektiv proprio betont wird. Wenn eine philonische Quelle im Hintergrund steht, wäre sie zu Gunsten der numenianischen Auffassung umgedeutet. 197 Tert. Anim. XI 2; Adv. Marc. II 9. S. dazu z.B. W ASZINK, Tertulliani De Anima, 12; C HAPOT, Tertullien, 13–14. 198 In der Septuaginta lautet der Text folgendermaßen: καὶ ἔπλασεν ὁ θεὸς τὸν ἄνθρωπον χοῦν ἀπὸ τῆς γῆς καὶ ἐνεφύσησεν εἰς τὸ πρόσωπον αὐτοῦ πνοὴν ζωῆς, καὶ ἐγένετο ὁ ἄνθρωπος εἰς ψυχὴν ζῶσαν. 195 196
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indem er πνεῦμα anstelle von πνοή gelesen (bzw. πνοή mit spiritus anstelle von flatum/adflatum übersetzt) habe, wie Tertullian behauptet, oder er hat auf eine griechische (oder lateinische) Übersetzung oder Auslegung199 zurückgegriffen, die πνεῦμα (oder spiritus) anstelle von πνοή (flatum/adflatum) enthielt. Wie dem auch sei, Hermogenes hätte diese Auslegung verwendet, um die Materie (und nicht Gott) als Ursprung der Seele200 anzunehmen und um behaupten zu können, dass nur die Vernunft (πνεῦμα verstanden als ratio) auf Gott als Schöpfer zurückgehe.201 Diese Schlussfolgerung könnte wie die des Calcidius zwei verschiedene Quellen haben: die Hebräer oder Numenios, oder aber auch, was nicht auszuschließen ist, die Hebräer, vermittelt durch Numenios, denn Numenios hat bekanntlich die Heranziehung der hebräischen Lehre empfohlen, um sie mit Platons und Pythagoras’ Lehre zu vergleichen.202 Es bleibt jetzt zu bestimmen, woher diese hebräische Lehre kommen kann und was sie bedeutet, bevor auf die Bedeutung der Herleitung der irrationalen Seele aus der Materie bei Numenios näher eingegangen werden kann. c. Vergleich mit Philons Lehre Numenios kann selbst die Ausdeutung beider biblischer Stellen (Gen 1,24 und 2,7) vorgenommen haben. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass er zudem Philons Lehre zu diesem Thema kennt.203 Eine Unterscheidung zwischen zwei Seelen204 taucht nämlich bei Philon in einem besonderen Da Philon selbst im biblischen Text (Gen 2,7) in der griechischen Übersetzung manchmal πνοή in πνεῦμα ändert (s. z.B. Spec. IV 23; Her. 55; Opif. I 135; LA I 33, Z. 1–2; I 37) und sogar zitiert (Det. 80), ist es nicht ausgeschlossen, dass sich Hermogenes an eine solche Modifikation anlehnt, zumal seine Deutung (direkt oder nicht) an Philons Deutung anknüpfen kann (s. dazu A. 211). Es ist außerdem bemerkenswert, dass in der Porphyrios zugeschriebenen Schrift Ad Gaurum (11,1, P. 48,15–17) der dort zitierte biblische Text Gen 2,7 auch πνεῦμα anstelle von πνοή enthält. 200 Der Titel von Tertullians Abhandlung gegen diese Lehre, De censu animae (Über den Ursprung der Seele), deutet schon das Thema an. 201 Tertullian erwähnt diese Lehre, wenn er auf seine Abhandlung De censu animae und auf seine Widerlegung des Hermogenes verweist, nämlich in Anim. I 1; III 4; XI 2; XXII 1. S. auch Adv. Marc. II 9. 202 Fr. 1. S. die Vorbemerkungen. 203 S. dazu als erste Untersuchung SWITALSKI, Des Chalcidius Kommentar, 42–43. 204 S. dazu z.B. R. G OULET, La philosophie de Moïse, Histoire des doctrines de l’antiquité classique 11, Paris 1987, 100–105; J. D ILLON, Philo of Alexandria and Platonist Psychology, in: The Afterlife of the Platonic Soul, hrsg. von M. ELKAISY-FRIEMUTH und J. D ILLON, Ancient Mediterranean and Medieval Texts and Contexts 9, Leiden/Boston 2009, 20–24; G. VAN K OOTEN, St. Paul on Soul, Spirit and the Inner Man, in: The 199
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Zusammenhang auf. Es ist der Versuch, die Aussagen von Gen 4,10 und Lev 17,11,205 die das Blut als οὐσία der Seele zu bezeichnen scheinen,206 mit der von Gen 2,7, welche im Gegenteil der πνοή oder nach Philons Verständnis dem πνεῦμα207 diese Rolle zukommen lässt, in Übereinstimmung zu bringen. Um diesen scheinbaren Widerspruch aufzulösen, unterscheidet Philon zwischen der Seele als Lebens- und Wahrnehmungsprinzip, das den Tieren und den Menschen gemeinsam ist und dessen οὐσία das Blut ist, und der Seele als rationalem Prinzip (d.h. als Intellekt), dessen Ursprung Gott, genauer das πνεῦμα Gottes (Gen 2,7) ist, das den Menschen zum Ebenbild Gottes macht.208 Ohne den genauen Kontext der Auslegung zu berücksichtigen, ergibt sich bei Philon eine Unterscheidung zwischen einer Seele als Lebensprinzip aufgrund ihres „materiellen“209 Ursprungs und einer Vernunftfähigkeit bzw. Intellekt. Diese Unterscheidung dient dazu, Gen 2,7 so zu interpretieren, dass der Hauch Gottes als Prinzip der Vernunft und nicht der Seele im Sinne von Lebensprinzip betrachtet wird. Diese Lehre spiegelt sich in den Aussagen des Calcidius und des Hermogenes wider. Man darf nicht vergessen, dass Calcidius den genauen Zusammenhang der Auslegung Philons kennt: Er erwähnt sie nämlich im Kap. 219 seines Timaioskommentars und könnte sie, wenn nicht von Philon selbst, eventuell von Origenes,210 aber vielleicht auch von Numenios durch die Vermittlung des Porphyrios211 übernommen haben.212 Afterlife, 31–34. Der Vergleich dieser philonischen Lehre mit der des Numenios wurde schon von BEUTLER, Numenios, 675, vorgenommen. 205 Gen 4,10: καὶ εἶπεν ὁ θεός. Τί ἐποίησας; φωνὴ αἵματος τοῦ ἀδελφοῦ σου βοᾷ πρός με ἐκ τῆς γῆς. Lev 17,11: ἡ γὰρ ψυχὴ πάσης σαρκὸς αἷμά. Vgl. Lev 17,14 und Dtn 12,23. 206 S. Philons Auslegung von Lev 17, 11 in Det. 80: πολλαχοῦ μὲν γὰρ τῆς νομοθεσίας οὐσίαν τῆς ψυχῆς ἀποφαίνεται τὸ αἷμα λέγων ἄντικρυς· „ἡ γὰρ ψυχὴ πάσης σαρκὸς αἷμά ἐστιν“. 207 Es springt nämlich sofort ins Auge, dass in diesem Zusammenhang Philon von πνεῦμα und nicht von πνοή spricht, obwohl er den griechischen Text mit πνοή kennt und sogar mit diesem Wortlaut in einem anderen Kontext (LA I 33, Z. 5–7; I 42) auslegt. Vgl. Joseph. Ant. I 34, der auch im griechischen Text von Gen 2,7 das Wort πνεῦμα lesen will. 208 Det. 79–84; Spec. IV 123; Her. 55–57. Vgl. QG II 59. 209 Obwohl Philon nicht sagt, dass das Blut als Materie zu betrachten sei, kann zumindest Numenios seine Aussagen so interpretiert haben. 210 Da im Kap. 278 Calcidius Philon nach Origenes (Kap. 276) zitiert, kann es sein, dass er Philon durch Origenes kennt. 211 Natürlich kann diese Stelle auch aus Philon durch die Vermittlung von Origenes stammen. Jedoch ist nicht auszuschließen, dass Porphyrios als Vermittler zwischen Philon und Calcidius fungiert. Porphyrios kann nämlich Philon gelesen haben und dabei unter dem Einfluss von Numenios gestanden haben. 212 Philon hat vielleicht sogar (ohne es zu wollen) einem Hermogenes einen Grund dafür geliefert, das Wort πνοή als Bezeichnung für eine materielle Art von Seele zu ver-
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d. Numenios’ Lehre Aus diesen Vergleichen könnten wir folgende Hypothese über Numenios’ Lehre und insbesondere über seine Vorstellung von der menschlichen Seele und ihrer Beziehung zur Materie aufstellen. Es ist zunächst sehr wahrscheinlich, dass die Heranziehung des Zeugnisses der Hebräer von Numenios (immer über Porphyrios213) stammt, der Gen 1,24 und 2,7 zusammengestellt und ausgelegt hat, wobei er auch Philons erwähnte Lehre gekannt haben kann.214 Im Kap. 55 lehnt sich Calcidius an diese Quelle an,215 Bei Philon und in den hier untersuchten Texten von Calcidius stellt also die irrationale Seele ein eigenständiges Lebensprinzip dar, das vita genannt wird, denn seine Rolle besteht darin, die elementaren Lebensfunktionen zu gewährleisten.216 Deshalb heißt es von dieser Seele, sie sei der Materie innewohnend. Obwohl diese Seele an die
wenden und dabei dieses Wort als Bezeichnung für den von Gott eingehauchten Odem zu vermeiden. In seinem Versuch, in LA I 42 den biblischen Wortlaut von Gen 2,7 zu erläutern und die dortige Verwendung von πνοή anstelle von πνεῦμα zu erklären, beschreibt Philon die πνοή als eine Art von leichtem Lufthauch (αὔρα), und fährt fort mit einer Unterscheidung zwischen dem vollkommenen Intellekt als Ebenbild Gottes, der aus dem πνεῦμα kommt, und dem unfertigen (irdischen und körperliebenden) Intellekt, der aus der Materie, d.h. auch aus diesem Lufthauch entsteht (Zu dieser Stelle s. G. R EALE/ R. R ADICE, La Genesi et la Natura della „Filosofia mosaica“, Milano 1987, 343 mit einer Erklärung zur hier von dem exegetischen Ziel bedingten Unterscheidung zwischen πνοή und πνεῦμα). Die Idee, dass die Seele mit dem Wort πνοή bezeichnet werden könnte und deshalb der Materie zuzuordnen sei, mag darauf zurückgehen. Da aber Philon nicht oder nicht ausdrücklich die Seele aus der Materie kommen lässt (Blut ist nicht Synonym von Materie), kann tatsächlich Hermogenes’ Auffassung von Numenios oder von Numenios’ Aneignung der philonischen Lehre beeinflusst sein. Wenn auch Hermogenes diese Auslegung nicht kannte, verwendet jedoch Tertullian das philonische Bild vom Lufthauch (aura, aurula) gegen ihn, um das Wort adflatus anstelle von spiritus im biblischen Text zu verteidigen. S. dazu W ASZINK, Tertulliani De Anima, 14. 213 Entgegen den Aussagen W ASZINKS, Timaeus, XLIII, A. 2, LXIX, CV, ist es nicht ausgeschlossen, dass Porphyrios auch die von Numenios zustimmend zitierte hebräische Weisheit in seiner Wiedergabe der numenianischen Lehre angeführt hat. Dieser Meinung ist jedoch auch W ASZINK 1966 (Porphyrios, 45–61). S. A. 81. 214 S. zu Numenios’ Anlehnung an Philon W ASZINK, Porphyrios, 50–51, A. 4 mit einschlägiger Bibliographie. 215 Was Hermogenes betrifft, von welchem Tertullian behauptet, er eigne sich die altakademische, aristotelische und stoische Lehre an (De an. I 4), kann er eigentlich seine Argumentation auch im Anschluss an Philon entwickelt haben, der selbst einige stoische und platonische Ansichten für seine biblische Auslegung einsetzt. Es ist aber nicht auszuschließen, dass Hermogenes sogar an Numenios’ Lehre anknüpft. 216 Vgl. Calc. Comm. 54.
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stoische irrationale Seele erinnern mag,217 scheint diese Lehre insgesamt eher eine mittelplatonische Verbindung zwischen stoischen218 und aristotelisch-platonischen Ansichten darzustellen. Diese Annahme wird durch die Bestimmung der rationalen Seele bestätigt, welche göttlichen, d.h. nicht materiellen219 und sogar überweltlichen220 Ursprungs ist, denn für Philon (wie für Hermogenes) ist im Gegensatz zu den Stoikern das πνεῦμα θεοῦ
Ein Unterschied kann darin bestehen, dass für Numenios (wie für Aristoteles) diese Seele auch den Pflanzen angehören könnte, während die Stoiker eine Seele der Pflanzen ablehnen (A.A. LONG/D.N. SEDLEY, Die hellenistischen Philosophen, Stuttgart/Weimar 2000, 380). Im Kap. 54 des Calcidius (s. die vorherige A.) befindet sich nämlich eine Hinzufügung in den Zeilen über die als Lebensprinzip geltende kosmische Seele, nämlich die Wörter stirpibus etiam, die dazu dienen, diese Seele auch den Pflanzen zuzuschreiben, wobei Calcidius selbst jedoch diese Hinzufügung als Anpassung an seine eigene Sicht vorgenommen haben kann. Eine ähnliche Bedeutung scheint in Calcidius’ Zusammenfassung der numenianischen Lehre im Kap. 300 angedeutet zu werden, wenn Calcidius schreibt: persuasio uero non nisi animantibus uitaque fruentibus adhibeatur. In diesem Ausdruck scheinen animantibus und vita fruentibus Synonyme zu sein, was bedeutet, dass vita und anima in diesen Zeilen als Synonyme angesehen werden. Im selben Kap. 300 ist jedoch bei der Wiedergabe der hebräischen Lehre der Ausdruck im Ablativus absolutus vivis et animantibus bestiis terrae gremio profusis schwieriger zu deuten. Man könnte das Wort vivis so verstehen, als wäre es nicht ein qualifikatives Adjektiv, das mit bestiis zu verbinden wäre, sondern ein substantiviertes Adjektiv. Dabei würde es auf eigenständige Lebewesen, z.B. die Pflanzen, verweisen, während animantibus bestiis die Tiere bezeichnete. Jedoch scheinen hier die Wörter vivis et animantibus sich eher zu ergänzen (s. dazu die Übersetzungen von VAN W INDEN, Calcidius on matter, 123; M ORESCHINI/B ERTOLINI/N ICOLINI/R AMELLI, Calcidio, 603; B. B AKHOUCHE, Calcidius, Commentaire au Timée de Platon, Histoire des doctrines de l’Antiquité classique 42, Paris 2011, 529). Diese Stelle im Ablativus absolutus ist nämlich in Verbindung mit Gen 1,24 als dessen Auslegung zu verstehen (s. A. 191). Es scheint möglich, dass Numenios, wenn er die biblischen Texte heranzieht, sie ohne wesentliche Änderung wiedergibt, wenn er aber seine eigene Lehre formuliert, den Pflanzen auch eine Seele zuspricht, was seiner allgemeinen Auffassung von einer Seele der Materie entspricht (s. dazu auch A. 245). Insgesamt scheint es uns deswegen möglich, dass Numenios nur zwei Seelen angenommen, die rationale und die irrationale, und nicht zwischen Pflanzen- und Tierseele unterschieden hat (s. dagegen BALTES, Numenios, 246). Daher denken wir, dass im Fr. 47 Philoponos die Aussagen des Apamäers selbst ergänzt (s. A. 224 und 246). Wir neigen außerdem dazu, mit BEUTLER, Numenios, 675, die irrationale Seele bei Numenios als das ζωτικόν (oder die vita) anzusehen. 218 Eine Verbindung dieser Seele mit dem Blut erscheint auch bei den Stoikern (s. dazu SVF II 782 = Long/Sedley 53E = Gal. Hipp. epid. V 270,26–28). 219 Außerdem ist die stoische ψυχή etwas Materielles, denn in jeder ihrer Formen entspricht sie einer gewissen Spannung innerhalb des πνεῦμα (Numenios hat diese Ansicht widerlegt, zumindest was die intelligible Seele betrifft. S. dazu Fr. 4b). 220 S. zu diesen Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen der stoischen und der numenianischen Seelenlehre FREDE, Numenius, 1071. 217
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nicht materiell,221 und Calcidius macht einen deutlichen Unterschied zwischen der inspiratio caelestis, welche die Quelle der ratio sei, und der Materie als Quelle der irrationalen Seele. Dieser Unterschied entspricht genau der Unterscheidung zwischen dem Seienden und der Materie bei Numenios. Numenios kann also diese gesamte Sicht teilweise übernommen haben, wobei er, vergleichbar mit Philon und gegen die Stoiker,222 die Gegensätzlichkeit223 beider Seelen betont, was seine eigene Auslegung der beiden erwähnten Bibelstellen ausdrückt. In diesem Punkt könnte Hermogenes ihm gefolgt sein. Diese Auffassung könnte zudem die Verwendung des Schlangenmotivs inspiriert haben, um die Verbindung zwischen den irrationalen und dabei „tierischen“ Seelen und dem Ursprung des Bösen deutlich zu machen. Numenios könnte sogar diese Sicht in sein Verständnis der hebräischen Lehre bzw. Philons eingefügt haben,224 um seine Deutung Platons zu stützen. Zumindest hätte er in diesem Zusammenhang eine der beiden menschlichen Seelen eindeutig dem materiellen Aspekt des Lebens (Zeugung, Wachstum, und auch Wahrnehmung und Begehren225) zugeordnet. Das könnte seine Auffassung der Materie als auctrix und patrona, d.h. vielleicht als Prinzip dieser aus der Materie entstehenden Seele erklären. Ein weiterer Unterschied zwischen Numenios und Philon wäre zudem, dass Numenios die rationale Seele nicht mit dem Intellekt (νοῦς) im eigentlichen Sinne gleichsetzt, sondern immer von zwei Seelen spricht.226 Sogar dann, wenn er das πνεῦμα θεοῦ mit dem Äther zu verbinden scheint, macht Philon eine Einschränkung, indem er sagt, dass das von Gott dem Menschen eingehauchte πνεῦμα einem ätherischen πνεῦμα überlegen sei (s. Spec. IV 123). Er erhebt zudem selbst Einwände gegen die Theorie der ätherischen Seele (Plant. 18–19). S. dazu z.B. G OULET , La philosophie de Moïse, 102. 222 Welche die Einheit der Seele vertreten. 223 Die Tatsache, dass hier die irrationale Seele nicht als schlecht bezeichnet wird, kann aus dem biblischen oder dem philonischen Ursprung der Stelle erklärt werden, denn weder die Bibel noch Philon nehmen eine böse Seele an. 224 Die Motivation zur Hinzufügung des Schlangenmotivs kann Numenios durch die Auslegung von Gen 1,24 gegeben worden sein. S. dazu A. 191. 225 Die beiden ersten Eigenschaften dürften eher der vegetativen Seele angehören, die beiden anderen der sensitiven, aber Numenios scheint diese Eigenschaften in einer einzigen Seele verbunden zu haben. Es ist nicht sicher, ob er selbst eine eigenständige vegetative Seele annimmt. Im Fr. 47 kann sie vom Zeugen selbst (Philoponos) in seine Lehre eingefügt worden sein. Selbst bei Aristoteles, der diesen Unterschied zwischen vegetativer und sensitiver Seele mit ihren jeweiligen Eigenschaften einführt, sind beide Aspekte im irrationalen Seelenteil des Menschen verbunden (EN I 1102b16–1103a3). Diese Lehre geht eigentlich auf Platons Timaios und auf die dortige Beschreibung der sterblichen Seele zurück. 226 Bei Numenios ist die rationale Seele zwar ihrem Wesen nach prinzipiell dem Intellekt als dem ihr vorgeordneten Prinzip bzw. Ursprung (Fr. 41 und 42) gleich, aber sie ist 221
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Allerdings dient die Heranziehung der hebräischen Lehre nur dem Vergleich mit der Lehre, die Pythagoras und Platon zugeschrieben wird. Das bedeutet, dass im Hintergrund dieses Vergleichs Numenios’ eigene Deutung stehen kann, wie Platons Sicht der menschliche(n) Seele(n) zu verstehen ist. Es ist deshalb unerlässlich zu fragen, ob Numenios meint, es sei im Timaios selbst eine Entsprechung zur Vorstellung von einer aus der Materie entstehenden irrationalen Seele zu finden, die im Fr. 52 erwähnt wird. 3. Eine Auslegung des Timaios? Calcidius legt zumindest nahe, diese Spur zu verfolgen.227 In seinem Vergleich der philosophischen Lehre über die zwei menschlichen Seelen mit der hebräischen Lehre im Kap. 55, das wir als Paraphrase des Kap. 300 und deshalb als numenianischen Ursprungs ansehen, schreibt er, dass die vita, die der irrationalen Seele entspricht, ex convexis caelestibus herabgeholt worden sei.228 Dieser Ausdruck ist zwar rätselhaft, wird aber verständlicher, wenn man weiß, dass Calcidius ihn in seiner lateinischen Übersetzung des Timaios verwendet, um auf die dem Demiurgen untergeordneten Götter hinzuweisen. Wenn Platon einige von ihnen mit den Wörtern πάντες ὅσοι τε περιπολοῦσιν φανερῶς229 bezeichnet und sie damit als himmlische Körper bestimmt, gibt Calcidius das mit qui … videntur in convexis caelestibus flammanti corpore wieder. Im Kap. 55 stellt deshalb ex convexis caelestibus eine Anspielung auf die Episode des Timaios dar, wo der Demiurg den untergeordneten Göttern befiehlt,230 die sterblichen Gattungen der Lebewesen, genauer, den sterblichen Teil dieser Wesen zu schaffen, während er selbst ihnen den unsterblichen Teil (d.h. den unsterblichen Teil der Seele oder den Intellekt) gewährt.231 Folglich erschaffen diese Götter den an sich kein Intellekt. (Diese Unterscheidung wird auch von A.E. C HAIGNET, Histoire de la psychologie des Grecs III, Paris, 1890, 325, hervorgehoben). Der Unterschied beider Seelen ist deswegen nicht mit dem Unterschied zwischen Intellekt und Seele (wie bei Plutarch, De fac. 943A) zu vergleichen (s. dazu BEUTLER, Numenios, 675; gegen A LT, Weltflucht, 101). 227 Zwar braucht man sich nicht darüber zu wundern, dass Calcidius das hebräische Zeugnis heranzieht, um den Timaios auszulegen, denn er verfasst einen Kommentar zu diesem Dialog. Da er dieses Zeugnis wahrscheinlich Numenios (über Porphyrios) entnimmt, ist es jedoch denkbar, dass Numenios selbst auf gleiche Weise verfahren ist. 228 Kap. 55, Z. 5-6, s. A. 194. 229 Ti. 41a3. 230 Der Ausdruck jussu dei im Kap. 300 könnte auf diese Aufforderung anspielen. Dabei wird zudem ausgedrückt, dass letzten Endes alles auf den Willen Gottes zurückgeht. Diese Lehre entspricht den Aussagen im Fr. 12 (Z. 18–19), wo der Demiurg selbst als der dargestellt wird, der die Körper belebt. 231 Ti. 41a–d; 69d.
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menschlichen Körper und den sterblichen Teil der menschlichen Seele, der die Lebensfunktionen (Wachstum, Werden, und auch Wahrnehmungen) erfüllt und dabei selbst zwei Teile enthält, einen muthaften und einen begehrenden, die jeweils an einem verschiedenen Ort des Körpers angesiedelt werden, nämlich in der Brust und in der Lebergegend.232 Der ganze Ausdruck vitam ex convexis accersisse caelestibus bei Calcidius kann auf diesen Abschnitt anspielen.233 Wenn er tatsächlich auf Numenios zurückgeht, könnte dieser die irrationale Seele als eine verselbstständigte Entsprechung zu der im Timaios so gebildeten sterblichen Seele verstanden haben. Dabei stünde jedoch auch seine Auffassung in Übereinstimmung einerseits mit der stoischen Sicht der irrationalen Seele als Seele der Tiere und andererseits mit seiner eigenen Auffassung des biblischen Begriffs vom Leben (næfæš ḥajjā, נ ֶפֶשׁ ַח יּ ָה, Gen 1,24), den die Septuaginta mit ψυχή wiedergibt.234 Diese Annahme könnte durch Alkinoos bestätigt werden, der im Zusammenhang seiner Timaioserklärung aus den Unterschieden zwischen rationaler und irrationaler Seele darauf schließt, dass beide Seelen wohl nicht selber Essenz seien,235 was bedeuten könnte, dass auch er, zumindest Ti. 69d–71a. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass darüber hinaus der Ausdruck auf eine andere Lehre hinweist, wie z.B. die von Jamblichos (Myst. VIII 6,269. 11 Parth.) erwähnte hermetische Lehre von einer Unterscheidung zwischen einer Seele, die ἀπὸ τοῦ πρώτου νοητοῦ komme, und einer, die ἐκ τῆς τῶν οὐρανίων περιφορᾶς stamme. Nach BEUTLER, Numenios, 674, würde Timaios von Lokroi (99df = 217,23–218,1 Marg) einen früheren Beleg dafür bieten, was für uns jedoch nicht ersichtlich ist. Deswegen würden wir nicht, wie Beutler, diesen von W. BOUSSET (Rezension von J. Kroll, Die Lehre von Hermes Trismegistos, GGA 1914, 705, 1; s. auch D ODDS, Numenius, 8; D ILLON, Middle Platonists, 377) vorgeschlagenen Vergleich sofort ablehnen. Wie es in den numenianischen Schriften üblich ist, kann der Ausdruck ex convexis caelestibus eine Bedeutung auf verschiedenen Ebenen haben, und Numenios (wenn er tatsächlich die griechische Quelle dieses Ausdruckes ist) kann auch an diese Lehre gedacht haben, was nicht bedeutet, dass er sie völlig vertritt: Er kann sich nämlich von diesem hermetischen Bild für die Bestimmung der beiden Seelen haben beeinflussen lassen, ohne die damit verbundene Auffassung eines astralischen Körpers zu übernehmen. S. dazu den dritten Teil des Aufsatzes mit der A. 274. 234 S. dazu A. 191. Numenios’ Gleichsetzung von vita und anima bei Calcidius geht wahrscheinlich auf die griechische Übersetzung der biblischen Verse zurück. 235 Did. XXV (s. A. 244). Auch ein Vergleich mit Attikos’ Lehre könnte angestellt werden, s. z.B. BALTES, Numenios, 247, A. 29. (S. zu Attikos’ Seelenlehre hinsichtlich dieser Frage ders., Zur Philosophie des Platonikers Attikos, 47–48). Deshalb ist es nicht nötig, voreilig auf einen orientalischen oder gnostischen Einfluss auf Numenios zu schließen. Isidoros, der Sohn des Basilides, hat zwar die Lehre von zwei Seelen und sogar von einer „hinzuwachsenden Seele“ (προσφυὴς ψυχή) vertreten, hat aber dabei selbst vielleicht an Numenios angeknüpft (s. Clem. Alex. Strom. II 20,114.2, der Isodoros’ Lehre mit der der 232 233
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in diesem Kapitel, sie eher für zwei Seelen als für zwei Seelenteile hält.236 Auf die Unterschiede zwischen dieser und der numenianischen Lehre wird noch eingegangen. Aber der Rückgriff auf die Timaiosstelle kann den wesentlichen Unterschied zwischen kosmischer und menschlicher Seele beleuchten. Während die erste eine rationale Einheit darstellt, weil sie nur aus dem Gott kommt, ist die zweite nicht nur geteilt, sondern hat einen doppelten Ursprung, und dies bedeutet, dass sie aus der Zusammenfügung (aber nicht als Einheit) zweier verschiedener Seelen besteht. Daher ist der Versuch einer strengen Parallelsetzung mit der kosmischen Seele zum Scheitern verurteilt. Diese Tatsache spiegelt sich in Calcidius’ Bericht im Kap. 54 wider. Indem Calcidius versucht, diese Parallele herzustellen und auf zwei Teile in der kosmischen wie in der menschlichen Seele hinzuweisen, entsteht ein Bruch in seiner Rede. Er spricht von der rationabilis mundi anima237 muss aber bei den Menschen eine naturalis und eine rationabilis anima benennen und erwähnt daher ihre contubernio.238 Deshalb wäre zu fragen, ob Calcidius’ Anlehnung an Numenios nicht erst mit der Erwähnung dieser zwei menschlichen Seelen am Ende des Kap. 54 anfängt und mit der Erwähnung der hebräischen Lehre im Kap. 55 endet, denn der folgende abschließende Vergleich mit der kosmischen Seele erscheint erneut forciert. Aber wenn Numenios selbst, was nicht auszuschließen ist, die Parallele gezogen hätte, bliebe bei ihm der Unterschied zwischen kosmischer und menschlicher Ebene in diesem Punkt sehr deutlich. Der Versuch, die Auffassungen über beide Bereiche in Übereinstimmung zu bringen, bliebe notwendigerweise unvollkommen und bestätigte so den oft bemerkte Mangel an Koordination in Numenios’ Lehre.239 Wie dem auch sei, der wesentliche Unterschied zwischen der Sicht des Timaios und der im Kap. 55 von Calcidius dargestellten liegt in der Tatsache, dass es sich bei Calcidius gar nicht mehr um Götter als Schöpfer der sterblichen Seele, sondern um himmlische Körper als Quelle oder eher als Urstoff dieser Seele handelt. Diese Vorstellung kann tatsächlich Numenios’ Auffassung entsprechen, denn er sieht die vom Gott geordnete Materie als
Pythagoreer in Verbindung bringt. S. dazu W ASZINK, Timaeus, LV; BALTES, Numenios, 245; O RBE, Los ‘apendices’, 100–103; FREDE, Numenius, 1073). 236 Wobei beide Ansichten bei ihm nebeneinander stehen (s. Did. V 156,35ff und XXV 178,24ff). Dieses Schwanken in den Aussagen beruht auf der Tatsache, dass die von Platon angenommenen zwei irrationalen Seelenteile manchmal im ἄλογον zusammengefasst werden. S. dazu z.B. A LT, Weltflucht, 89. 237 Kap. 54, Z. 9 Waszink. 238 Kap. 54, Z. 19–20 Waszink. 239 S. z.B. W ASZINK, Porphyrios, 43, 63.
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Mutter der himmlischen Körper an.240 Deshalb kann Numenios selbst diese Ausdeutung der Timaiosepisode veranlasst oder sogar vorgenommen haben. Daraus könnten wir schließen, dass die numenianische irrationale Seele der platonischen sterblichen Seele entspricht. Das würde bedeuten, dass sie dieselben Züge und Funktionen wie diese hat. Jedoch ist ihr „subgöttlicher“ Ursprung durch einen rein „materiellen“ ersetzt worden. Dabei handelte es sich jedoch weniger um eine Entmythologisierung der platonischen Stelle als um die Absicht, das Göttliche insgesamt von jedem Kontakt mit den vom Übel berührten Wesenheiten zu trennen. Es ist nämlich bemerkenswert, dass bei Numenios zumindest in den erhaltenen Fragmenten und Testimonien im Gegensatz zu den Chaldäischen Orakeln,241 die mit seiner Lehre wichtige Ähnlichkeiten aufweisen, keine deutliche Beziehung zwischen Materie und Dämonen erwähnt wird.242 Nun gilt bei Platon diese sterbliche Seele als Ort, an dem die Böses verursachenden Affekte angesiedelt sind.243 Während Platon die untergeordneten Götter so charakterisiert, dass sie sich bei ihrer Erschaffung der Notwendigkeit (ἀναγκαίως) unterwerfen müssen, hätte Numenios daraus ableiten wollen, dass die Notwendigkeit als eigentliche Leiterin der Tätigkeit der untergeordneten Götter gegolten habe, und hätte die Notwendigkeit selbst in die Rolle dieser Götter versetzt. Da er zusätzlich Materie und Fr. 52, Z. 101–102: matrem esse factam corporeorum et nativorum deorum, wobei wir mit J. D ILLON (Middle Platonists, 375) dazu neigen, corporeorum und nativorum deorum auf zwei verschiedene Wesenheiten zu beziehen. Dieser Ansicht nach würden corporeorum die körperlichen Dinge und nativorum deorum die himmlischen Götter, d.h. die Gestirne und Planeten, bezeichnen. – Es ist außerdem anzumerken, dass Numenios im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit den Stoikern die Tatsache betont, dass die Materie sogar in den himmlischen Regionen ihre negativen Auswirkungen ausübe (Fr. 52, Z. 83–86). 241 Auch im Gegensatz zu Xenokrates, der die Dyas mit den Dämonen verbindet (s. dazu z.B. H APP, Hyle, 249). – S. zur Beziehung von Numenios zu den Chaldäischen Orakeln z.B. FESTUGIÈRE, Révélation III, 53–57; D ODDS, Numenius, 10–11; A THANASSIADI, Numénius, 84. 242 Die Erwähnung der Dämonen im Fr. 37 (Procl. In Ti. I 76,30–77,23 Diehl) scheint nicht die Lehre des Numenios, sondern die des Origenes zu betreffen, welchem Longin (bei Porph. Plot. 20) eine Abhandlung über die Dämonen zuschreibt. Im Fr. 30 findet sich zwar beim Vergleich mit der ägyptischen Lehre die Erwähnung der ägyptischen Dämonen bzw. Götter (Z. 7; vgl. Fr. 35,29–30). Jedoch sind diese mit den absteigenden Seelen identifiziert (Z. 9-10). Im übrigen werden Dämonen nicht genannt. S. dazu K. A LT, Die Wendung zum Bösen. Aussagen griechischer Autoren des 1.–4. Jahrhunderts. n. Chr. Zum Ursprung des bösen Tuns, Philologia Antiqua 1, 2008, 24; gegen W ASZINK, Timaeus, LXII und D ILLON, Middle Platonists, 378, welche die Existenz einer Dämonologie bei Numenios beweisen möchten. Die erhaltenen Fragmente und Testimonien liefern keinen deutlichen Hinweis dazu. 243 Ti. 69c5–d5. 240
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Notwendigkeit gleichsetzt, ist schließlich bei ihm die Materie (oder ihre Vertreter, d.h. die himmlischen Körper) zu Prinzip oder auctrix dieser Seele geworden. So wird das Göttliche insgesamt von jeder Beziehung zu dieser Böses verursachenden Wesenheit befreit.244 Die Annahme, dass sich Numenios darauf beschränkt, die Aussage des Timaios wiederzugeben, stößt jedoch auf zwei wesentlichen Schwierigkeiten: Erstens ist bei ihm die irrationale Seele gar nicht sterblich. Das erschwert einen strengen Vergleich mit Alkinoos’ Sicht der zwei Seelen im Timaios, da bei Alkinoos der Grund der Unterscheidung von zwei Essenzen für diese beiden Seelen in der Sterblichkeit der irrationalen liegt. 245 In den Testimonien von Olympiodoros und Philoponos heißt es nämlich, dass Numenios einerseits die Unsterblichkeit der rationalen Seele und des „psychischen Zustandes“ (ἔμψυχος ἕξις) vertrete (ein Ausdruck, der auf die von Numenios angenommene Seele der Materie hinweist246), und dass er andererseits beide Seelen, die rationale und die irrationale,247 als trennbar vom Körper ansehe. Zweitens taucht bei Platon zumindest im Timaios248 Wenn der Gott trotzdem eine Rolle bei dieser Erschaffung spielen sollte, wie der Ausdruck jussu dei bei Calcidius im Kap. 300 andeutet, kann diese Rolle darin bestehen, die Notwendigkeit zu überzeugen, damit die vernunftlose Seele das Leben fördert, so wie er auf der kosmischen Ebene die Notwendigkeit überzeugt, um die möglichst gute Ordnung hervorbringen zu können. Die als Mutter der himmlischen Götter wirkende Materie ist nämlich die geordnete Materie, welche der necessitas obsecundans entspricht. 245 Did. XXV 178,24–31. 246 Fr. 46a (= Olymp. In Phd. 123,13–18 Norvin, s. dazu M ARTANO, Numenio, 55–57). Das ganze Fragment kann nämlich so verstanden werden, als stellte es eine fortschreitende Einschränkung dar: Während Numenios die Unsterblichkeit allen Wesenheiten zupricht, die er wegen seiner Gleichsetzung der irrationalen Seele mit der Materie als alle auf eine bestimmte Weise beseelt ansieht, spricht Plotin diese Unsterblichkeit nur den rationalen bis zu den vegetativen Seelen zu, sprechen Xenokrates, Speusippos, Jamblichos und Plutarch sie nur den rationalen bis zu den irrationalen Seelen (d.h. den tierischen), und schließlich Proklos und Porphyrios nur den rationalen Seelen zu. 247 Fr. 47, Z. 1–3 (= Phlp. In de an., 9,35–37 Hayduck). Philoponos fügt wahrscheinlich die φυτικὴ ψυχή hinzu (s. dazu A. 224). Wenn Numenios diese tatsächlich genannt hätte, da die anderen Testimonien bei ihm nur zwei Seelen anführen, wäre anzunehmen, dass er sie als Teil der irrationalen Seele betrachtet. Allerdings ist es wahrscheinlicher, dass Philoponos selbst diese dritte Seele in Numenios’ Lehre einfügt, da die Dreiteiligkeit der Seele der aristotelischen Auffassung entspricht, die Philoponos gerade auslegt. Er könnte deswegen selbst in Numenios’ irrationaler Seele zwei Seelen (eine sensitive und eine vegetative) sehen. Deshalb würden wir auch nicht das Testimonium von Philoponos verwenden, um zu behaupten, dass im Kap. 54 seines Timaioskommentars Calcidius zu Unrecht von der naturalis anima spreche, indem er φυσική anstelle von φυτική schreibe (das ist die Auslegung W ASZINKS, Timaeus, XLVII und LIII). 248 Ti. 86b–e. 244
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das Böse erst von der Inkarnation an in der sterblichen Seele auf, während Numenios die Lehre vertreten hat, das Böse infiziere die Seele schon davor.249 Die sterbliche Seele des Timaios gewinnt in diesem Zusammenhang eine neue Bestimmung, und zwar deshalb, weil sie weniger mit dem Körper, der Numenios zufolge nicht nur sterblich, sondern sogar tot ist, als mit der Materie selbst verbunden wird, welche gleichewig wie der (demiurgische) Gott ist und die wahre Verursacherin dieser Seele darstellt. Diese Betrachtung muss vertieft werden, indem wir fragen, inwiefern bei Numenios die Materie als verantwortlich für die Entstehung der menschlichen irrationalen Seele angesehen wird. Vorher kann diese Betrachtung dazu dienen, die Numenios zugeschriebene Aussage zu verstehen, dass das Böse der Seele von außen aus der Materie zuwachse. 4. Das der Seele von außen zuwachsende Böse (Fr. 43) In seiner Abhandlung über die Seele, ihre Teile und Fähigkeiten, schreibt Jamblichos den in der Sekundärliteratur über Numenios berühmt gewordenen folgenden Bericht: Einige Philosophen haben der Seele das Böse als etwas sozusagen Zusätzliches zugeschrieben (προστιθέντων ὁπωσοῦν), das ihr aus einem von außen Zuwachsenden zukommt (ἀπὸ τῶν ἔξωθεν προσφυομένων). Dieser Meinung seien einerseits Numenios und Kronios, welche das Böse aus der Materie (ἀπὸ τῆς ὕλης) kommen lassen, andererseits Harpokration, der den gesuchten Ursprung in die diesseitigen Körper selbst (ἀπὸ τῶν σωμάτων αὐτῶν τούτων) lege, und schließlich auch Plotin und Porphyrios mit ihrer Annahme des vegetativen und irrationalen Lebens als Quelle des Bösen (ἀπὸ τῆς φύσεως καὶ τῆς ἀλόγου ζωῆς).250 249 Gegen die Annahme zweier unsterblicher selbständiger Seelen bei Numenios könnte der Einwand erhoben werden, es handele sich in Calcidius’ Referat um einen Seelenteil (den wir mit der irrationalen Seele gleichsetzen möchten), der in sich etwas Körperliches und Sterbliches hat und der dem Körper ähnlich ist (in qua est aliquid corpulentum mortaleque et corporis simile, Fr. 52, Z. 72–73). Allerdings besagt der Text nicht, dass dieser seelische Teil an sich körperlich und sterblich sei, sondern dass er in sich diese Eigenschaften habe. Dabei könnte auf die besonderen Eigenschaften hingewiesen sein, die dazu bestimmt werden, diesen Seelenteil bzw. diese Seele mit dem Körper zu verbinden, und die mit dem Körper sterben, was sie dem Körper ähnlich macht. Außerdem könnte diese Ähnlichkeit mit dem Körper einen übertragenen Sinn haben, welcher an die Aussagen im Phaidon erinnert, wo erklärt wird, dass die Seele, die sich zu eng mit dem Körper verquicke, letzten Endes durch die Affekte an ihn „festgenagelt“ werde und sogar eine körperähnliche Gestalt bekomme (83d5–11). Die Aussage im Referat von Calcidius schließt deshalb nicht aus, dass die schlechte Seele bei Numenios unsterblich und vom Körper trennbar sein kann. 250 Fr. 43, Z. 7–12 (Iamb. Περὶ ψυχῆς ap. Stob. I 49,37; 375,12–18 Wachsmuth).
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Die Lektüre dieser ganzen Stelle251 zeigt sofort, dass es nicht gerechtfertigt ist, Numenios eine besondere eigene Lehre über die von außen kommenden Appendices zuzuschreiben, denn die drei Philosophengruppen teilen die gleiche Sicht. Der gesamte Kontext zeigt, dass Jamblichos die Frage beantworten will, welche Tätigkeit der Seele den Abstieg ins Werden erklären kann (… αἰτίας γιγνομένης τῶν καταγωγῶν ἐνεργημάτων). Dafür unterscheidet er zwischen zwei Erklärungstypen: Nach dem einen liegt die Ursache in der Seele selbst (d.h. eigentlich der rationalen Seele), weil diese sich geändert hat (πρώτης ἑτερότητος, Plotin), sich vom Gott entfernt hat (τῆς [πρώτης] ἀπὸ τοῦ θεοῦ φυγῆς, Empedokles), das Ausruhen im Wechsel gewählt hat (τῆς ἐν τῷ μεταβάλλεσθαι ἀναπαύλης, Heraklit), sich unvernünftig verhalten hat oder vom rechten Weg abgewichen ist (παρανοίας ἢ παρεκβάσεως, Gnostiker), oder schließlich weil sie aus freiem Entschluss eine fehlerhafte Entscheidung getroffen hat (τῆς τοῦ αὐτεξουσίου διημαρτημένης κρίσεως, Albinos).252 Der zweite Erklärungsversuch, welcher Numenios, Kronios, Harpokration, Plotin und Porphyrios zugeschrieben wird, besteht in der erwähnten Bezichtigung von etwas, das der rationalen Seele von außen zukommt. In diesem Zusammenhang kann Numenios’ Lehre angemessener verstanden werden. Erstens muss ein vorschneller Vergleich mit den basilidischen Appendices vermieden werden,253 weil der Ausdruck „ἀπὸ τῶν ἔξωθεν προσφυομένων“ bei Numenios nicht auf böse Geister oder Leidenschaften, nicht einmal auf eine böse Seele verweist, sondern nur die Tatsache beschreibt, dass das Böse seine Ursache nicht in einer Tätigkeit der rationalen Seele, sondern in etwas habe, das außerhalb ihrer selbst liege und ihr hinzugefügt werde. Diese Festellung ist sowohl für Numenios’ Materie als auch für Harpokrations Körper und für Plotins und Porphyrios’ vegetative Seele gültig. Hier finden wir erneut Numenios’ strenge Trennung zwischen der rationalen Seele und dem Bösen. Zweitens muss angemerkt werden, dass Numenios im Gegensatz zu Harpokration den Ursprung des Bösen in die Materie und nicht in den Körper legt. Dabei erweist sich der oft vorgeschlagene Vergleich mit Alkinoos’ Aussage, dass (der Seele) die Leiden251 Das Fr. 43 bei des Places enthält den vorangehenden Abschnitt nicht. S. die folgende A. 252 Iamb. Περὶ ψυχῆς ap. Stob. I 49,37, Z. 86–93; 375,2–12 Wachsmuth. S. zu diesem Text z.B. A.J. FESTUGIÈRE, La Révélation d’Hermès Trismégiste III. Les doctrines de l’âme, Études bibliques, Paris 1953, 69–70, 209–210; A LT, Weltflucht, 144–147; J.F. FINAMORE , J.M. D ILLON , Jamblichus De Anima, Philosophia Antiqua 92, Atlanta [2002] 2010, (§ 23) 48–49 und 135–137; F. JOURDAN, Le fragment 43 (des Places) de Numénius. Problèmes de présentation, essais d’interprétation, Études platoniciennes 2014. 253 S. zur Basilides von Clemens zugeschriebenen Lehre O RBE, Los ‘apendices’, 81–107, 351–284. S. auch hier A. 234.
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schaften aus dem Körper zuwachsen, nicht als ganz schlüssig.254 Drittens bezeichnet Numenios im Gegensatz zu Plotin und Porphyrios nicht das irrationale Leben selbst selbst als Quelle des Bösen, sondern die Materie, welche letzten Endes bei ihm Ursprung oder Prinzip dieses Lebens ist. So werden erneut die Verbindung zwischen der Materie und dem Bösen sowie die Überzeugung betont, dass die Ursache des Bösen nicht in einer Seele, sondern nur in der Materie liegen muss.255 Diese Überzeugung trennt Numenios nicht nur von Plutarch, sondern auch unser Ansicht nach von Platon selbst.256 5. Zusammenfassung Zusammenfassend können wir feststellen, dass bei Numenios das Böse der (menschlichen) rationalen Seele von außen zukommt, und zwar nicht aus dem Körper, sondern aus der Materie selbst. Da die Materie gleichewig wie der Gott ist, trägt diese Vorstellung zur Erklärung der Annahme einer Affizierung der menschlichen Seele durch das Böse vor der Einkörperung bei. Die Materie bringt nämlich offensichtlich das Erscheinen einer zweiten, irrationalen Seele mit sich, welche sich der rationalen Seele widersetzt. Diese zweite Seele gilt außerdem als Lebensprinzip. Um diese Sicht zu stüt254 Alkinoos verwendet zwar einen ähnlichen Ausdruck, wenn er die Leidenschaften als προσφύντα (Z. 19) beschreibt (s. Did. XVI 172,10 und 19). Deswegen verweisen unter anderen W ASZINK (Porphyrios, 41), DES PLACES (Numénius, 122, A. 3 zu Fr. 43) und BALTES (Numenios, 250) auf seinen Wortgebrauch, um Numenios’ Lehre zu interpretieren. Jedoch lässt Alkinoos die Leidenschaften aus dem Körper (ἀπὸ σώματος) kommen, und seine Verwendung des Verbs προσφύω erinnert an Pl. Ti. 42c4–5 und R. 519b2 (προσφυεῖς) (s. dazu BALTES, Numenios, 250; W HITTAKER, Alcinoos, 121), wo es sich auch um den Körper und die der Seele wegen des Lebens mit dem Körper sich einfügenden Leidenschaften handelt. Zu diesem Thema s. JOURDAN, Le fragment 43. 255 S. dazu auch z.B. W ASZINK, Porphyrios, 69. 256 Die Bezichtigung der Materie, für das Übel verantwortlich zu sein, wurde zwar Platon von seinen Nachfolgern zugeschrieben (s. schon Arist. Metaph. A 988a9–15). Jedoch entsteht z.B. im Timaios das Böse erst beim Eingehen der Seele in den Körper (s. z.B. 42a; 69cd), und, obwohl der Körper die Seele zu denken hindern kann oder als Gefängnis derselben bezeichnet wird (im Phaidon), erweist sich letzten Endes die Seele selbst dafür verantwortlich, dass sie sich dem Körper angleicht und sich mit ihm verquickt oder nicht (Phd. 83d–84b). Die Mitverantwortung sogar des rationalen Teils der Seele beim menschlichen Versagen spiegelt sich z.B. in der des Wagenlenkers im Phaidros (248b2: κακίᾳ ἡνιόχων) wider. (Mit dieser letzten Bemerkung stimmen wir K. A LT, Die Wendung, 14–15, darin zu, dass bei Platon die rationale Kraft versagen kann.). Außerdem spielt bei Platon die Materie selbst (oder eher die χώρα) keine Rolle in der Entstehung des Übels, geschweige denn des Bösen. Unsere Deutung der Lehre Platons in diesem Punkt, die wir andernorts darstellen zu können hoffen, widerspricht unter anderem z.B. der von H ÄGER, Die Materie, 76 (s. auch 73–76 für eine Zusammenfassung der Debatte [1962]); und von W ASZINK, Porphyrios, 69.
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zen, lehnt sich Numenios wahrscheinlich an zwei Bibelstellen an. Einerseits deutet er die von Gott befohlene und von der Erde verwirklichte Erschaffung und dabei Beseelung der Tiere in Gen 1,24, so, dass er die irrationalen Seelen, die allen Lebewesen zugehörig sind, aus der Materie herleitet. Andererseits sieht er in den dem Menschen von Gott eingehauchten Odem (Gen 2,7) die vernunftbegabte Seele. Mit einer Anspielung auf das Schlangenmotiv verdeutlicht er die Beziehung zwischen der aus der Materie entstehenden Seele und dem Bösen, das der vernunftbegabten menschlichen Seele von außen zukommt. Wenn diese Aussagen wieder in einen philosophischen Zusammenhang übertragen werden, könnte die so verstandene irrationale Seele derjenigen entsprechen, die Aristoteles und die Stoiker den Tieren sowie den Menschen zuschreiben.257 Zudem scheint diese Seele auf Platons sterbliche Seele zu verweisen, welche im Timaios von den untergeordneten Göttern erschaffen wird. Jedoch ist Numenios’ irrationale Seele im Gegensatz zur stoischen Sicht von der rationalen Seele streng getrennt und bildet mit ihr keine Einheit. Denn die rationale Seele ist göttlichen Ursprungs, was für den Platoniker im Gegensatz zu den Stoikern bedeutet, dass sie unkörperlichen Ursprungs ist. Zudem entspricht Numenios’ irrationale Seele auch nicht Platons Vorstellung von der unteren Seele, insofern als sie unsterblich und vom Körper trennbar ist und schließlich nur die Materie und auf keinen Fall eine göttliche Wesenheit als Urheberin hat. Diese Gegenüberstellung zweier Seelen, die eine mit göttlichem Ursprung, die andere mit „materiellem“ Ursprung, mag eine Parallelsetzung mit den im Fr. 52 erwähnten beiden kosmischen Seelen ermöglichen, denn Numenios unterscheidet dort zwischen der anima beneficientissima, die dem Gott zu entsprechen scheint und nur gut ist, und der mit der Materie gleichgesetzten schlechten Seele, welche nach Calcidius aus der Materie entsteht. Eine Parallele zwischen der menschlichen Seele und der Weltseele als zwei Einheiten, die aus der Mischung von rationaler und irrationaler Seele gebildet wären, ist aber nicht zu finden, weil diese Einheit beim Menschen nicht besteht und weil die Weltseele bei Numenios letzten Endes nur rational zu sein scheint.258 Dabei ist der Ausdruck τοῖς ἀλόγοις ἐξεικάζεσθαι im Fr. 49 wörtlich zu verstehen. Wenn die Weltseele wirklich mit der beneficentissima anima im Fr. 52 gleichzusetzen wäre (s. A. 123), legten die Aussagen dieses Fragments nahe, dass die Weltseele nur gut sein soll, dass sie als rationales Wesen aus dem Gott stammt, und dass die als Materie verstandene schlechte Seele mir ihr nicht gemischt wird (s. dazu z.B. D EUSE, Untersuchungen, 67–73 gegen BALTES, Numenios, 265). Vgl. Calcidius, Kap. 54 (rationabilis mundi anima). Jedoch mangelt es an Koordination zwischen dieser Lehre und den Aussagen des Proklos im Fr. 39 über die Bildung der Weltseele bei Numenios. S. darüber die Ausführungen im ersten Teil des Aufsatzes. 257 258
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Wir haben gesagt, dass Numenios’ Lehre nicht mit der des Basilides oder des Isodoros zu vergleichen ist, weil Numenios keine eigene besondere Appendices-Lehre vertritt. Das schließt jedoch nicht aus, dass sich beide Gnostiker an seine Auffassung einer zweiten, aus der Materie kommenden irrationalen Seele angelehnt haben. Es stellt sich deshalb jetzt die Frage, in welcher Weise bei Numenios diese zweite Seele erscheint oder, anders gesagt, wie sie der rationalen Seele begegnet, welche Rolle dabei die Materie spielt und inwiefern die rationale Seele selbst an diesem Prozess beteiligt ist.
III. Das die Seele schon vor der Einkörperung infizierende Böse Dieser Fragenkomplex kann im Rahmen der Erörterung zweier Aussagen beantwortet werden: Numenios zufolge tritt das Böse in die Seele schon vor deren Einkörperung ein (Fr. 49), und stellt jede Einkörperung etwas Schlechtes dar (Fr. 48). Der Kontext dieser Aussagen ist die Beschreibung des Abstiegs der Seele ins Werden.259 Dabei tritt jene zweite Seele in Erscheinung. Das Thema der Einkörperung der Seele kann sich eigentlich auf zwei Bedeutungen beziehen: Einerseits betrifft es die Reinkarnation, andererseits den ursprünglichen Seelenabstieg.260 Im Fr. 49 wird die erste Bedeutung thematisiert. Dieser Zusammenhang ist besonders wichtig, da er Numenios dazu geführt haben kann, der irrationalen Seele die Unsterblichkeit zuzusprechen. Das Zeugnis besagt nämlich,261 dass nach Numenios (wie auch nach Plotin, Harpokration und Boethos) die Tiere bei der Reinkarnation Tiere bleiben, was folglich bedeutet, dass sich nach diesen Denkern die Seele schon vor der Einkörperung mit Bösem anfüllt (πρὸ τοῦ σώματος κακίας ἐμπίμπλασθαι τὴν ψυχὴν) und sich damit den irrationalen Wesen, d.h. den Tieren, angleicht (τοῖς ἀλόγοις ἐξεικάζεσθαι). Numenios kann sich daher die Frage gestellt haben, wie die Reinkarnation in Tieren möglich sei, wenn die irrationale (tierische) Seele sterblich ist und deswegen mit dem Körper stirbt. In diesem Fall wäre ja die rationale Seele frei von der irrationalen Seele und hinge nach dem Tod für ihre nächste Einkörperung nicht mehr von ihr ab, was heißt, dass sie keine Berührung mehr mit dem Bösen hätte. Auf diese Frage hat Platon in der Politeia teilS. zu diesem Thema z.B. FESTUGIÈRE, Révélation III, 63–96 und insbesondere 91– 92; J. D ILLON, 1980, The Descent of the Soul in Middle-Platonic and Gnostic Theory, in: The Rediscovery of Gnosticism I, hrsg. von B. LAYTON, Studies in the history of Religions 41, Leiden 1980, 357–364. 260 Vgl. Plot. Enn. IV 3 [27] 9.4–15. S. FESTUGIÈRE, Révélation III, 77. 261 Fr. 49 (Aen. Gaz. Thphr., 12 Boissonade; PG 85, 892B). 259
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weise geantwortet, indem er als Beweis für die Unsterblichkeit der Seele darauf hinweist, dass die Seele wegen des sie kennzeichnenden Bösen, d.h. wegen ihrer Ungerechtigkeit, nicht sterben könne,262 was folglich bedeuten würde, dass ihr diese Eigenschaft tatsächlich inhärent ist. Platon betrachtet dabei aber die Seele als eine Ganzheit.263 Die von ihm angenommene Synthese der drei Seelenteile dient wahrscheinlich unter anderem dazu, die Wahl des zukünftigen Lebens264 nicht allein der Verantwortung des rationalen Teils zu überlassen. Der manchmal unvernünftige Charakter dieser Wahl wie auch die in den jenseitigen Regionen bewahrte Leidensfähigkeit der Seele zeigen die Fortexistenz der unteren Teile.265 An eine derartige Sicht Platons könnte Numenios anknüpfen, um die Frage nach der Reinkarnation in Tieren zu lösen. Daher ist bei ihm die irrationale Seele auch unsterblich; sie kann vom Körper befreit werden, haftet auch der rationalen Seele schon vor der Einkörperung an und ist nach dem Tod zumindest noch eine Weile mit ihr verbunden, was die Reinkarnation ermöglicht. Proklos’ Zeugnis (Fr. 35) widerspricht dieser Hypothese nicht, wenn er sagt, dass nach dem Tod das im Diesseits verbrachte menschliche Leben (d.h. wahrscheinlich die irrationale Seele266) aufgelöst werde, während nur das unsterbliche göttliche Leben (d.h. die rationale Seele) zu den Göttern aufsteigen dürfe.267 Diese Auflösung kann auf die Trennung der beiden Seelen hinweisen und bedeuten, dass die Leben fördernde, d.h. die irrationale Seele, auf einer bestimmten kosmischen Ebene überdauert,268 während nur die rationale Seele auf die göttliche Ebene gelangt.269
R. X 609b–611c. R. X 611b5–6; 612a3–5. Diese Auffassung ist mit der der Sterblichkeit der zwei unteren Seelenteile im Timaios schwer in Einklang zu bringen. S. über die Uneinheitlichkeit der Auffassung von der Seele und von der Unsterblichkeit der Seele in Platons Dialogen z.B. K. A LT, Zur Auffassung von Seele und Geist bei Platon, Mittelplatonikern, Plotin, in Hyperboreus 11 (1) 2005, 32–36 und 43–50 mit Bibliographie. 264 X 617e4. 265 S. dazu A LT, Zur Auffassung, 46–47. 266 Wir nehmen hier an, dass in Proklos’ Bericht „das bei den Menschen verbrachte Leben der Seele“ (τὴν ἐν ἀνδράσι ζωήν) der irrationalen Seele bei Numenios entspricht. 267 Fr. 35, Z. 21–23: ὁ γὰρ αἰγόκερως ἀνάγων τὰς ψυχὰς λύει μὲν αὐτῶν τὴν ἐν ἀνδράσι ζωήν, μόνην δὲ τὴν ἀθάνατον εἰσδέχεται καὶ θείαν. 268 S. zu dieser Stelle auch A LT, Zur Auffassung, 54. Vgl. mit Plutarchs Mond-Mythos in De fac. 30,945AC (dazu A LT, Weltflucht, 105 und 107). 269 Das Adjektiv ἀθάνατον würde bei Proklos die rationale Seele bezeichnen, in dem Sinne, dass nur diese als göttlich und dabei als ewig zu verstehen wäre. Aber die irrationale Seele könnte bei Numenios eine andere Art von Unsterblichkeit besitzen, nämlich auf einer überirdischen, aber trotzdem kosmischen Ebene, die erklären würde, dass sie den Körper überdauern könnte, wie es im Fr. 46a und 47 steht. 262 263
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Wie dem auch sei, die Angleichung der Seele an die Tiere, die bei Platon zuerst eine metaphorische, moralische Bedeutung hat, aber in der Auffassung der Reinkarnation konkret wird, kann bei Numenios im Fr. 49 auch auf die Beziehung zwischen rationaler und irrationaler Seele vor der ersten Einkörperung anspielen. Die Hypothese, dass die Aussage dieses Fragments bei Numenios auch den ursprünglichen Abstieg der Seele ins Werden betrifft, ist nämlich nicht auszuschließen, denn Jamblichos sagt, dass Numenios zwischen den verschiedenen Einkörperungen nicht unterschieden habe, und diese Aussage steht in einem Kapitel, das gerade die erste Einkörperung behandelt.270 Im besonderen Zusammenhang mit dem Seelenabstieg ist darauf einzugehen, wie das Böse in die rationale Seele schon vor deren Einkörprung eintritt, und zwar von außen, d.h. aus der Materie. Dabei wird die Weise, wie die irrationale Seele aus der Materie entsteht, näher expliziert. Bei diesem Verfahren werden einige Hypothesen aufgestellt, die sich nicht unbedingt ausschließen, einfach weil Numenios selbst die Frage auf verschiedenen Ebenen beantwortet zu haben scheint. 1. Drei erste Erklärungsversuche Für diesen Fragenkomplex wurden unter anderen schon drei Erklärungen vorgeschlagen. Nach Matthias Baltes verweist Numenios mit dem der (rationalen) Seele von außen zukommenden Bösen auf die Affekte, die im Timaios die Seele beunruhigen, sobald sie in den Körper eintritt. Diese von außen anstürmenden Ursachen der Unordnung seien die Folge der Nahrungsaufnahme und der Sinnestätigkeit. Die Begegnung mit dem Körperlichen wäre also der Grund des Bösen, welches der rationalen Seele von außen zuwächst, und die irrationale Seele wäre nichts anders als die im Timaios beschriebene sterbliche Seele.271 Die Einwände gegen diese Erklärung wurden schon erwähnt. Numenios zufolge ist es nicht der Körper272 und sind es auch nicht die Affekte (bzw. die irrationale Seele an sich),273 sondern die Materie, die als Ursprung des Bösen gilt.
Fr. 48 (Iamb. Περὶ ψυχῆς ap. Stob. I 49,40; 380,6–19 Wachsmuth), Z. 10–11. S. FESRévélation III, 220–223; FINAMORE, D ILLON, Jamblichus De Anima, 57–59 und 156–163. 271 BALTES, Numenios, 250. 272 Im Timaios (86e) taucht nämlich das Böse erst dann auf, wenn die Seele in Kontakt mit dem Körper tritt, was aber nicht bedeutet, dass der Körper selbst dafür verantwortlich ist (s. dazu A. 247). 273 Hier auch im Gegensatz zu den Aussagen im Timaios, 69cd. 270
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Deswegen suchen z.B. John Dillon und Michael Frede eine Antwort auf einer anderen Ebene und verweisen auf Numenios’ astrologische Aussagen, wie sie sich bei Proklos (Fr. 35) (über Porphyrios) widerspiegeln. Dabei erwähnen sie die Lehre von der irrationalen Seele als Gefährt (ὄχημα) der rationalen Seele274 und verweisen daher auf die hermetische Auslegung dieser Lehre, die besagt, dass die Seele bei ihrem Abstieg durch die Planetensphären von diesen mit verschiedenen Fähigkeiten bekleidet werde.275 John Dillon schließt daraus, dass bei Numenios diese so erlangten Fähigkeiten der irrationalen Seele (oder dem irrationalen Seelenteil) entsprechen können. Das erkläre die Tatsache, dass sie der rationalen Seele von außen zuwachse.276 Jedoch befindet sich unter diesen Fähigkeiten, wie Michael Frede bemerkt,277 das λογιστικόν (diskursives Denken), während Numenios konsequent zwischen rationaler und irrationaler Seele unterscheidet. Deshalb zieht Michael Frede vor, die Astralmaterie selbst als Ursprung der irrationalen Seele anzusehen, insofern als die Astralmaterie die letztere enthalte. Diese Auslegung, wie die Dillons,278 scheint jedoch sehr von Macrobius’ Bericht (Somn. I 11.12), dessen Ursprung E.-A. Leemans Numenios 274 Die himmlischen Körper, auf welche der Demiurg im Timaios (41e) die Seelen aufsteigen lässt, als wären sie Gefährte (ὀχήματα), wurden später als die in den Leidenschaften bestehenden Hüllen der (rationalen) Seele gedeutet. S. dazu E.R. D ODDS, Proclus, The Elements of Theology, Oxford 1963, 313–321. S. auch H. D ÖRRIE, Porphyrios’ Symmikta Zetemata, Zetemata 20, München 1958, 168, A.1; D ILLON, Middle Platonists, 376. Auf diese Lehre verweisen schon W. BOUSSET (s. A. 232) und LEEMANS, Studie, 94, A. 12 (vgl. W ASZINK, Porphyrios, 77). 275 Diese Hypothese könnte sogar durch den Ausdruck ex convexis caelestibus bei Calcidius (Kap. 300) bestätigt werden, wie auch die Fredes. – LEEMANS, Studie, 94, A. 12, erwähnt seinerseits diese Bekleidung durch die himmlischen Planetensphären, um den körperlichen und sterblichen (corpulentum et mortale) Aspekt der irrationalen Seele bzw. des leidensfähigen Seelenteils im Fr. 52 zu erklären, indem er ihn mit dem πνεῦμα identifiziert, der die Seele bei ihrem Abstieg durch diese Sphären umhülle. 276 D ILLON, Middle Platonists, 376. 277 Numenius, 1073. S. für eine andere Ablehnung der Zuschreibung dieser Lehre an Numenios A LT, Weltflucht, 143–144 und 207. 278 Seine Deutung vermittelt nämlich den Eindruck, dass sie an Macrobius’ Darstellung (Somn. I 12.14) des Seelenabstiegs durch die Milchstrasse anknüpft, welche LEEMANS, Studie, 109–110, als Testimonium (T. 47) über Numenios’ Lehre ansieht. Dort erzählt nämlich Macrobius diesen Vorgang der „Umhüllung“ der Seele durch die sieben Sphären und nennt die dadurch der Seele erteilten sieben Fähigkeiten, nämlich das berechnende und theoretische Denken, die Handlungsfähigkeit, den Thymos, das Wahrnehmungs- und Vorstellungsvermögen, die Begierde, das Sprachvermögen und das vegetative Vermögen. Jedoch ist diese Lehre ziemlich verbreitet. S. z.B. Procl. In Ti. III 69, 14– 24. S. dazu A. K EHL, Gewand der Seele, in: RAC X (1978), 945–1025 und oben A. 273. S. über die Verwendung dieser Lehre im hermetischen Kontext z.B. Poimandres, I 14. 3; 16.5–6. S. dazu FESTUGIÈRE, Révélation III, 17, 24–25.
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zugeschreibt,279 und von dem dort erwähnten hermetischen Bild des astralen Körpers280 beeinflusst zu sein. Dieser Körper umgebe die rationale Seele mit sieben Hüllen, wenn sie durch die sieben Sphären absteige. Da diese Auslegung die Verbindung der schlechten Seele mit einem Körper impliziert, um das von außen kommende Böse zu erklären, kann sie nicht hinreichend sein.281 Wenn trotzdem angenommen wird, dass die Seele in ihrem Abstieg von der Materie selbst umhüllt wird, blieben jedoch immer die folgenden Fragen offen: Was bedeutet es, dass diese Materie die irrationale Seele „enthalte“, und wozu dient diese Seele auf dieser Ebene? Was ist zudem mit dieser Astralmaterie genau gemeint, wenn sie nicht körperlich sein soll? Deshalb muss der gedankliche Kontext, in dem der Seelenabstieg steht, noch untersucht werden, um auf diese Fragen antworten zu können. Zunächst aber ist eine Bemerkung zur Berücksichtigung von Macrobius erforderlich. Gewiss finden sich bei Numenios astrologische Äußerungen im Rahmen seiner Auslegung der Nymphengrotte in der Odyssee.282 Diese Auslegung ist durch Porphyrios’ Deutung derselben Stelle bekannt gewor-
LEEMANS, Studie, 105; M. FREDE (Numenius, 1071) stimmt Leemans’ Zuschreibung zu. Daher ist es nicht verwunderlich, dass seine Deutung an Macrobius’ Bericht denken lässt. 280 Dieser Vergleich mit der von Macrobius dargestellten Lehre führt M. M AZZA (Studi arnobiani I, La dottrina dei “viri novi” nel secondo libri dell’ “adversus nationes” di Arnobio, Helikon 3 [1963], 136) dazu, die προσφυόμενα im Fr. 43 mit den sideri corporis incrementa von Macr. Somn. I 11,12, zu assoziieren, d.h. mit dem dort erwähnten Anwachsen eines astralischen Körpers an die Seele. Aus diesem Grund schreibt er mit LEEMANS, Studie, T. 47, 104–110 und D ODDS, Numenius, 8–9, den ganzen Text Somn. I 10–12 Numenios zu. S. dagegen BEUTLER, Numenios, 677; FESTUGIÈRE, Révélation III, 42, A. 2; W ASZINK, Timaeus, LVII; ders., Porphyrios, 77; W. T HEILER, Ammonios und Porphyrios, in: Entretiens Fondation Hardt 12, 122. S. dazu auch DES PLACES, Numénius, 122, A. 3 zu Fr. 43. Wir haben schon eine Deutung des Fr. 43 vorgeschlagen, die vor einer vorschnellen Verwendung des Begriffes Appendices für die Beschreibung der numenianischen Lehre warnt (s. II, 4 und JOURDAN, Le Fragment 43). Dazu kommt, dass die betreffende Stelle bei Macrobius vielleicht eher den Einfluss von Porphyrios und des hermetischen Gedankenguts als den des Numenios aufweist. Sogar H. DE LEY (Le traité sur l’emplacement des enfers chez Macrobe, AC 36 (1970), 190–208; ders., Macrobius, 7,11–12) übernimmt die Zuschreibung der Kap. 10–11 von Macrobius’ Somn. an Numenios nicht. Siehe dazu F. JOURDAN, La matière à l’origine du mal chez Numénius. Un enseignement explicité chez Macrobe? RPhA 31.1 (2013), 41–98 und 31.2 (2013). 281 Zwar gibt es auch nach den Aussagen im Fr. 52 (Z. 83–87) Übel in den himmlischen Körpern. Aber der Grund liegt in der Materie und ihren Auswirkungen, denn, wenn sie geordnet worden ist, stellt die Materie die Mutter dieser Körper dar (Z. 101–102). 282 Fr. 30–35. 279
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den.283 Macrobius erwähnt sie (ohne seine direkten Quellen zu nennen) und knüpft dabei offensichtlich an Porphyrios an.284 Deswegen finden sich bei ihm zwar einige Auffassungen, die wahrscheinlich auf Numenios selbst zurückgehen müssen,285 aber die gesamten Ausführungen sind sicherlich nicht numenianischen Ursprungs. In sie strömen gewiss mehrere Quellen (unter anderem porphyrische und hermetische286)287 ein. Die Erwähnung der sieben Sphären (Somn. I 12,14) und der Astralmaterie in Verbindung mit dem astralen Körper (Somn. I 11,12) sind solche Bilder, die eher dem hermetischen Gedankengut zu entsprechen scheinen. Aus diesem Grund ist Macrobius’ Bericht, mag er auch einige numenianische Ansichten widerspiegeln, nicht ohne Vorsicht heranzuziehen. Es ist ein ähnliches Problem wie bei Calcidius’ angeblich numenianischen Textstellen.288 2. Fünf weitere Erklärungsversuche Numenios selbst führt uns auf fünf weitere Spuren, um die Frage nach den Gründen des Seelenabstiegs und die Frage danach zu beantworten, wie und an welchem Ort die zweite Seele zur rationalen Seele hinzutritt. Die Hinweise befinden sich auf vier verschiedenen Ebenen in seinen Schriften: erstens auf der Ebene der herangezogenen religiösen Lehren, d.h. der mit den Mysterien verbundenen kultischen Vorschriften und der biblischen Bilder; zweitens auf der Ebene seiner theologischen Lehre; drittens auf der seiner Prinzipienlehre; viertens auf der seiner kosmischen Lehre. Es muss aber im voraus gesagt werden, dass sich diese Ebenen gegenseitig nur teilweise ergänzen und dass sich auf keiner von ihnen eine völlig befriedigende Antwort auf unsere Fragen ergeben wird. Das liegt einerseits an der lückenhaften Überlieferung, so dass nicht alle logischen Implikationen der Numenios zugeschriebenen Aussagen verständlich sind; andererseits daran, dass Numenios selbst kein vollkommen kohärentes System zu entwickeln versucht, sondern den Entsprechungen zwischen diesen verschiedenen Ebenen vertraut. Fr. 30–33. S. dazu unter anderem M. A. ELFERINK, La descente de l’âme d’après Macrobe, Philosophia Antiqua 16, Leiden 1968, 41–42. 285 S. dazu Fr. 34 des Places. 286 Macrobius versucht nämlich, verschiedene, disparate Quellen (sogar orphische und dionysische) zusammenzufügen (s. dazu auch DE LEY, Le traité sur l’emplacement des enfers, 207–208; A LT, Weltflucht, 144). 287 Aus diesem Grund nimmt des Places in seine Edition nur die Stellen aus Macrobius auf, deren Inhalt durch Porphyrios’ und Proklos’ Testimonien bestätigt werden, nämlich Fr. 34 = Somn. I 12,1–4. 288 Hier denken wir vor allem an die Kap. 29 und 31 des Timaioskommentars. 283 284
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a. Die Anziehungskraft der Materie (Fr. 30–35, 37) Numenios’ Assoziation von Materie und Flüssigkeit289 unter Einbeziehung Poseidons290 wurde schon erwähnt. Das aus dem wahrnehmbaren Bereich entlehnte und für die Bestimmung der Materie auf der Prinzipienebene verwendete Bild wird hier eingesetzt, wo es dazu dient, den Seelenabstieg als Angezogenwerden der Seele hin zu der als Feuchtigkeit dargestellten Materie zu erklären.291 Feuchtigkeit und Flüssigkeit gelten in diesem Rahmen als untrennbare Qualitäten. Diese Auffassung vom Seelenabstieg wird unter anderem Numenios von Porphyrios in seiner Auslegung der homerischen Nymphengrotte zugeschrieben.292 Auch Proklos schreibt sie Numenios zu, indem er wahrscheinlich auf Porphyrios’ Zeugnis zurückgreift,293 während Macrobius sie übernimmt (wahrscheinlich auch von Porphyrios), ohne Numenios zu nennen.294 In diesem Kontext wird diese Auffassung mit einer Lehre verbunden, die (wahrscheinlich von Numenios) Pythagoras zugeschrieben worden ist. Nach dieser Lehre ist die Milchstrasse der Ort, wo sich die Seelen vor der Einkörperung sammeln. Daher werde sie nach der Milch genannt, die die erste Nahrung der Seelen darstellt, sobald sie ins Werden fallen. Deshalb beginne entweder unter ihr der Hades295 oder sie sei sogar mit dem Hades gleichzusetzen.296 Diese Sicht wird durch die Erwähnung bestimmter Kulte bestätigt, bei denen den Seelen der Verstorbenen (oder nach Proklos den die Seelen läuternden Göttern297) Milch (oder Milch mit Honig) als Trankopfer dargebracht wird, um sie wieder ins Diesseits zu holen. Porphyrios bringt dieses Verfahren mit der Lust (ἡδονή) in Verbindung. Durch diese seien die Seelen daran gewöhnt, ins Werden einzugehen oder, anders ausgedrückt, die Geburt zu erfahren (εἰς γένεσιν μεμελετηκυίαις ἔρχεσθαι).298 Dass dieser gesamte Bildkomplex auf die als Flüssigkeit und Feuchtigkeit dargestellte Materie anspielt, welche eine Anziehungskraft auf die Fr. 33. Fr. 37. 291 S. zu dieser Auffassung von den Gründen des Seelenabstiegs bei Numenios z.B. FESTUGIÈRE, Révélation III, 91–92. 292 Fr. 30, 31, 32. 293 Fr. 35. 294 Fr. 34 (was Macrobius erlaubt, verschiedene Quellen zu mischen; denn die Erwähung der orphischen und dionysischen Mysterien als Beispiel dieser Lehre findet sich nicht in der Auslegung der Nymphengrotte). 295 Fr. 34, Z. 18 (Pythagoras putat a lacteo circulo deorsum incipere Ditis imperium). 296 Fr. 35, Z. 26 (Ἅιδη τὸν γαλαξίαν), wobei K. A LT (Weltflucht, 132, A. 55) diese Aussage für einen Irrtum oder eine freie Wiedergabe des Proklos hält. 297 Fr. 35, Z. 26–30. 298 Fr. 32, Z. 9–12. 289 290
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Seelen ausübe, wird deutlich durch die von Numenios vorgeschlagenen metaphorischen Entsprechungen, aber auch durch das Auftauchen dieser Assoziationen bei anderen Philosophen wie z.B. den Nachfolgern Platons, wo sie üblich sind. Porphyrios’ Ausführungen wurden schon erwähnt. In seinem Referat über den Seelenabstieg schlägt auch Macrobius eine ähnliche Entsprechung (die auf Porphyrios zurückgehen kann) vor.299 Im Rahmen von diesmal dionysischen Bildern setzt er die Materie mit einem Getränk300 gleich (potus materialis), welches die Seele schwer und trunken macht und ins Werden absteigen lässt.301 Diese Szene mit ihrem dionysischen Bildbestand ist jedoch schon bei Plutarch zu lesen (De sera). Plutarch erläutert sogar die Etymologie des Wortes γένεσις, indem er es zu dem Ausdruck νεῦσις ἐπὶ γῆν (mit der Bedeutung „das Sinken [der durch Feuchtigkeit schwer gewordenen Seele] zur Erde“) in Beziehung setzt.302 Plutarchs Lehre könnte vielleicht mit der Lehre verglichen werden, wie sie Porphyrios Numenios zuschreibt. Plutarch schreibt folgendes: „dabei belehrte er [Thespesios’ Verwandter] ihn [Thespesios], das Denkvermögen werde von der Lust aufgeschmolzen und verflüssigt, während das Vernunftlose und Körperverhaftete bewässert werde, Fleisch ansetze und daher die Erinnerung an den Körper erwecke – eine Erinnerung, die dann Sehnsucht und Verlangen verursache, das zur Geburt treibe.“ 303
Wenn diese Schilderung bei Numenios zu lesen wäre, könnte unsere Frage nach den Gründen des Seelenabstiegs in Bezug auf die Beziehung zwischen Materie und Seele vor der Einkörperung und auf das Hinzuwachsen der irrationalen Seelen, vielleicht beantwortet werden. Die Begegnung mit der Materie verursachte einerseits die Verquickung der rationalen Seele mit der Materie und bewirkte dabei, dass die rationale Seele verflüssigt wird, als ob sie von der Materie mit einem Makel versehen würde, was ihren Abstieg ins Werden zur Folge hätte. Andererseits würde dadurch das „Fleischwerden“, d.h. die Belebung der irrationalen Seele, verursacht. Die Erwähnung der Lust als Grund dieses Prozesses erinnert sogar an Porphyrios’ Zeugnis über Numenios. Allerdings können wir leider nicht wissen, ob Numenios mit einer solchen Darstellung einverstanden gewesen wäre. Aus den genannten Zeugnissen können wir nur schließen, dass Numenios in diesem Zusammenhang den Seelenabstieg als Folge der von der Materie ausgehenden Anziehung begriffen hat, die dem Streben nach GeI 12,7–10. Ι 12,7 (s. den in der folgenden Anmerkung zitierten Text). Vgl. I 12,11. 301 I 12,7–8. 302 De sera 27,566A,8–10. 303 De sera 27,566A,6–8. 299 300
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burt entsprochen hätte. Das erfahrene Angezogenwerden wäre die Folge einer Lust auf Seiten der Seele durch die Feuchtigkeit der Materie. Es ist schwierig zu erklären, wie die rationale Seele Lust empfinden kann, da im Prinzip die Lust als Affekt der irrationalen Seele zugehören sollte.304 Im Kontext der Reinkarnation könnte man eine Erklärung finden, denn dort sind beide Seelen nicht getrennt wie vor der ersten Einkörperung. Plutarch aber erwähnt eine Lust der rationalen Seele bzw. des denkenden Seelenteils, was vermuten lässt, dass diese Lust im übertragenen Sinne zu verstehen ist.305 Aber was bedeutet sie? Plutarch und Porphyrios geben vielleicht einen Hinweis. Der eine spricht von der Verflüssigung,306 die von der Lust kommt, der andere bringt die Lust mit der Geburt und der bei ihr hervorgebrachten Milch in Verbindung.307 Eine Anspielung auf den geschlechtlichen Verkehr und auf die dabei auftretenden verschiedenen Flüssigkeiten oder auf die Feuchtigkeit308 ist nicht auszuschließen. Im übertragenen Sinne könnte das auf das Eingehen der rationalen Seele in die Gebärmutter als Beseelung des Embryos und genauer vielleicht der vegetativen Seele des Embryos verweisen. Unter „Lust“ wäre so die Anziehungskraft zu verstehen, welche das Ähnliche (eine Seele) dazu führt, sich mit etwas Ähnlichem (einer anderen Seele, ggf. der irrationalen Seele der Materie) zu vereinigen.309 Ein Verweis auf die Embryologie ist insofern gerechtfertigt, als Numenios Porphyrios zufolge dieses Thema ausgiebig behandelt hat.310 Diese Erklärung ist jedoch nur partiell und nicht völlig befriedigend. Die erwähnte Begegnung zwischen beiden Seelen fände nämlich erst im Körper statt. Außerdem wird in diesem Kontext ein Auftreten der irrationalen Seele durch die Begegnung mit der Materie und dabei eine Begegnung beider Seelen nicht deutlich erwähnt. Bei Plutarch gibt es vielleicht ein Bild dafür, wenn er an der schon erwähnten Stelle von einem sich aus den dionysischen Höhlen ausströmenden leichten und wohlriechenden FESTUGIÈRE, Révélation III, 91–92, verweist auch auf Macr. Somn. I 11,11, um Numenios’ Auffassung von den Gründen des Seelenabstiegs zu verdeutlichen. Jedoch handelt es sich hier um die Lust für den Körper. Diese Aussage kann deswegen zwar mit der des Numenios verglichen werden, ist aber wahrscheinlich nicht Numenios selbst zuzuschreiben. 305 Bei Numenios hat der Demiurg selbst ein solches Verlangen nach der Materie (Fr. 11, Z. 19–20: ἐπορεξάμενος τῆς ὕλης; Fr. 18, Z. 13 : Τὸ δ᾽ὁρμητικὸν ἀπὸ τῆς ἐφέσεως), das nicht mit einem irrationalen Affekt zu vergleichen ist (s. dazu D EUSE, Untersuchungen, 65–66). 306 De sera 566A6–7: ἀνυγραίνεται τὸ φρονοῦν ὑπὸ τῆς ἡδονῆς. S. A. 302. 307 Fr. 32, Z. 11–12: αἷς συγκυεῖσθαι τὸ γάλα πέφυκεν. S. A. 297. 308 Vgl. Tert. Anim. XXVII 6–7. 309 Dabei kann an Numenios’ Gleichsetzung der Materie mit der Notwendigkeit erinnert werden. 310 S. Fr. 36. 304
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Lufthauch spricht, den die Seelen vor der Einkörperung genießen.311 Dieser Lufthauch (αὔρα) könnte an die irrationale Seele denken lassen, welche bei Numenios aus der Materie entstehen soll.312 Aber solch ein Hinweis fehlt in der erhaltenen numenianischen Überlieferung. Man könnte sich nur vorstellen, dass sich in diesem Vorfeld der Inkarnation die irrationale Seele an die rationale bindet, und zwar durch die Begegnung mit der Materie, die hier schon wirksam wäre. Anhand des Rückgriffs auf die Aussagen im Fr. 52 (Z. 126–127) ist daran zu erinnern, dass die Materie auch die Notwendigkeit darstellt, welche als aktiver naturgesetzlicher Prozess die Anziehung durch die Materie verursachen und die Begegnung der beiden ähnlichen seelischen Wesenheiten erklären kann. Solch eine Deutung nimmt jedoch eine andere Schicht der numenianischen Rede in Anspruch, und wir können nicht völlig sicher sein, ob Numenios seine Aussagen über den Seelenabstieg tatsächlich als Illustration seiner Prinzipienlehre oder als Entsprechungen zu ihr verstanden hat. Zudem hat er seine Ansicht durch mehrere Bilder ausgedrückt, die aus verschiedenen Traditionen stammen und die noch untersucht werden müssen. b. Der im Wasser schwebende Hauch Gottes (Fr. 30, vgl. 12; 36) In derselben Auslegung der homerischen Nymphengrotte gibt Porphyrios einen weiteren Hinweis auf Numenios’ Auffassung vom Seelenabstieg und dem, was ihn begründet. Diesmal wird jedoch die biblische Lehre herangezogen. Porphyrios berichtet nämlich, dass die Pythagoreer den Ausdruck „Najaden“ verwendeten, um die ins Werden absteigenden Seelen zu bezeichnen (wieder mit der Verbindung zwischen Flüssigkeit und Materie). Er stützt seine Aussage durch ein Zitat von Numenios, in dem das Verweilen der Seele neben dem mit Gottes Hauch erfüllten Wasser (προσιζάνειν τῷ ὕδατι τὰς ψυχὰς θεοπνόῳ ὄντι) beschrieben und auf Gen 1,2 verwiesen wird.313 Bemerkenswert ist außerdem die Modifikation des Verses: Während der biblische Text in der griechischen Übersetzung der Septuaginta „der Geist/Hauch Gottes schwebte auf dem Wasser“ (ἐπεφέρετο ἐπάνω τοῦ ὕδατος) lautet, schreibt Numenios: „der Geist / Hauch Gottes schwebte (oder eher: bewegte sich) im Wasser“ (ἐμφέρεσθαι ἐπάνω τοῦ ὕδατος). De sera 27,565F,1–5. Dieser Lufthauch kann nämlich an die philonische πνοή erinnern, welche auch als αὔρα und als aus der Materie kommend beschrieben wird, im Gegensatz zum πνεῦμα, verstanden als vollkommenem Intellekt (Philon, LA I 42). Jedoch ist der Kontext völlig verschieden. 313 Fr. 30 (Porph. Antr. 21–24), Z. 1–6. 311 312
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Mit diesem modifizierten Zitat kann Numenios auf die Gründe des Seelenabstiegs angespielt haben. Drei Interpretationen scheinen uns möglich. Einmal könnte dieses „mit Gottes Hauch erfüllte Wasser“ auf die beseelte Materie deuten, welche die rationale Seele anzieht, denn sie enthält oder ist sogar eine (in dem Fall irrationale) Seele und weist dabei als Seele eine Ähnlichkeit mit der rationalen Seele auf. Die Schwäche dieser Erklärung liegt allerdings in der Tatsache, dass sich Numenios die irrationale Seele kaum als etwas Göttliches (θεοπνόος) vorgestellt haben kann. Jedoch würde eine zweite Erklärung diesen ersten Vorschlag ergänzen, indem die Modifikation des Verses in Betracht gezogen wird. Die Bewegung des göttlichen Hauchs im Wasser könnte für Numenios auf die demiurgische Tätigkeit hinweisen, die Materie in Ordnung zu bringen. Mit dieser Auslegung wäre das Angezogenwerden der rationalen Seele hin zur Materie verständlicher,314 denn es würde eigentlich von der Anwesenheit Gottes in der Materie veranlasst. Allerdings stellte sich dann die Frage, warum die Einkörperung als etwas Schlechtes gedacht wird, wenn die Anziehung von der göttlichen ordnenden Tätigkeit ausgeht. Man könnte antworten, dass es ja um die Verquickung mit der Materie als Schlechtem an sich geht. Das Vehikel wäre aber göttlichen Ursprungs. Letzten Endes könnten Seele und Materie trotzdem verantwortlich für das Schlechte gemacht werden, weil der Gott den ursprünglichen Zustand der Materie und die Entscheidungen der Seele nicht zu verantworten hat.315 Schließlich könnten diese beiden Erklärungen mit einer dritten verbunden werden, indem erneut auf die Embryologie zurückgegriffen wird.316 In der an die pneumatologische Schule anknüpfenden hermetischen Überlieferung317 wird beschrieben, wie der Hauch (πνεῦμα), wenn er in die Gebärmutter einfließt, wo es kein eigentliches Leben (d.h. intelligibles Leben bzw. keine intelligible Seele), sondern 314 Es würde sich hier um eine ὁρμή oder ἔφεσις der Seele handeln, die dem Kontakt mit der Materie vorausgehen und ihn voraussetzen würde und daher nicht irrational wäre. S. dazu D EUSE, Untersuchungen, 66, A. 17 über dieses aus dem Intellekt kommende Streben bei dem Demiurgen. 315 Ein Vergleich könnte mit dem Poimandres angestellt werden, wo der Abstieg bzw. der Fall des Menschen mit dessen Verlangen, den Demiurgen nachzuahmen, anfängt, und wo die Erfüllung dieses Verlangens vom höchsten Gott genehmigt wird (I 13). Dennoch liegt die Verantwortung bei der menschlichen Seele selbst und ihrer Wahl. S. dazu z.B. FESTUGIÈRE, Révélation III, 17, 85–92 mit einem Vergleich mit dem numenianischen Demiurgen und dessen Hinwendung zur Materie im Fr. 11. 316 Porphyrios zitiert den biblischen Vers (Gen 1,2) wieder in Ad gaurum (11,1, p. 48,15–17), um seine These der Beseelung des Embryos nach der Geburt zu stützen (was in Widerspruch zur Numenios zugeschriebenen Lehre steht, s. Fr. 36, Z. 5–10). 317 S. dazu A.J. FESTUGIÈRE, Hermès Trismegiste, Corpus Hermeticum III, Collection des Universités de France, Paris [1954] 2007, XCV–XCVII und 68, A. 20 über die betreffende Stelle (Fr. 15,5, ap. Stob. I 41,7; 289 Wachsmuth).
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nur das vegetative Leben (βλαστική, d.h. die vegetative Seele) gibt, dieses vegetative Leben zur Harmonie führt, so dass es zum Gefäß (ὑποδοχή) des dianoetischen Lebens (d.h. der intelligiblen Seele) wird.318 Numenios, der sich nach Porphyrios ausgiebig mit dem Thema der Beseelung des Embryos befasst und von einer von außen in den Fötus kommenden Seele gesprochen hat,319 könnte sich eine solche Lehre so angeeignet haben,320 indem dass er den betreffenden Hauch als göttlich angesehen hat. Zumindest bei Plotin scheint eine ähnliche Lehre Anklang gefunden zu haben.321 Wenn diese Interpretation des Fragments annehmbar ist, hätte Numenios mit dem veränderten biblischen Zitat auf die Vorbereitung der Materie bzw. der sich ordnungslos bewegenden irrationalen Seele (Fr. 52) durch den demiurgischen Gott angespielt, welche den Abstieg der rationalen Seele ermöglicht. Das würde deren Angezogenwerden hin zur geordneten Materie und daher ihren Abstieg erklären. Es stellt sich jetzt die Frage, ob diese Interpretation eine Bestätigung durch die anderen erhaltenen Fragmente findet. Eusebius’ Numenioszitat im Fr. 12 enthält zwar keine ähnliche Lehre, führt aber vielleicht in eine ähnliche Richtung. Dort wird gesagt, dass die „Reise“ des Menschen vom Demiurgen vorbereitet oder verursacht wird, wenn der Intellekt durch die Sphären (διεξόδῳ) geschickt wird.322 Dies könnte auf Abstieg und Aufstieg des menschlichen Intellekts (oder der rationalen Seele323) verweisen.324 AuCorpus Hermeticum, III (Festugière), Fr. 15,5 (ap. Stob. I 41,7; 289 Wachsmuth). Fr. 36, Z. 5–10. S. dazu FESTUGIÈRE, Révélation III, 267–268. 320 Archigenes, der letzte Vertreter der pneumatischen Schule, war unter Trajan tätig. 321 Im selben Kapitel (ap. Stob. I 49,40, Z. 19–20; 379,11 Wachsmuth), wo Jamblichos die Inkarnation der Seele bei Numenios (Fr. 43) und allgemeiner das Eintreten der Seele in den Körper erwähnt, schreibt er, dass nach Plotin die einzelnen Seelen erst in die Körper eingingen, wenn die universale Natur (d.h. die Weltseele) die Körper schon beherrscht habe. Bei Numenios handelt es sich jedoch nicht um die Weltseele, und eine vorschnelle Gleichsetzung der Weltseele mit dem Demiurgen ist in diesem Fall zu vermeiden. 322 Fr. 12, Z. 14–16. S. für diese Deutung von διεξόδῳ unten A. 323. 323 Numenios setzt zwar nicht Intellekt und rationale Seele gleich, jedoch vertritt er die Auffassung, der Intellekt sei Prinzip der rationalen Seele (s. Fr. 52, Z. 73–74; vgl. Calc., Kap. 300 und 55). Das hat zur Folge, wenn die Aussagen in Fr. 41 und Fr. 42 herangezogen werden, dass ihrem Wesen nach die Seele prinzipiell mit ihrem Ursprung, d.h. mit dem Intellekt, identisch sein soll. S. dazu auch D EUSE, Untersuchungen, 71–72 und hier A. 225 und 331. Es kann hinzugefügt werden, dass diese Verbindung unvermeidbar ist, da nach der Lehre Platons der Intellekt in der Seele angesiedelt ist. 324 Wir folgen hier teilweise der anthropologischen Deutung der Stelle von D EUSE, Untersuchungen, 66–67 und A LT, Weltflucht, 41, A. 45 und 103, A. 64, gegen die kosmologische Interpretation von DE LEY, Macrobius, 35; BALTES, Numenios, 261–262. S. auch D ILLON, Middle Platonists, 370–371, der zwischen beiden Interpretationen schwankt. Nach D EUSE ist daher διέξοδος als diskursives Denken zu verstehen. Jedoch scheint uns 318 319
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ßerdem entstehe das Leben in den Körper, wenn der Demiurg sich zu den Einzelnen hinwende und auf die Menschen schaue, und wenn sich die Körper mit seinen Strahlen vereinigten.325 Dieses Schauen des Demiurgen entspricht auf der kosmischen Ebene seinem Schauen auf die Materie (Fr. 11, βλέπειν), das ihn dazu führt, die Materie in Ordnung zu bringen.326 Schließlich besagt das Fr. 12, dass, wenn sich der Demiurg umwende und in seine „Warte“ zurückgehe, die Körper stürben und der (menschliche) Intellekt ein glückliches Leben genieße.327 Diese Beschreibung könnte als ganze auf den Abstieg der rationalen Seele in den Körpern und auf ihren Aufstieg in das göttliche Leben verweisen, sobald der Demiurg damit aufhört, sich um das körperliche Leben zu kümmern, was den Tod verursacht. Im Fr. 30 würde das Bild vom Hauch Gottes die Rolle des Demiurgen wiedergeben. In beiden Fällen wäre der Abstieg durch die ordnende und dabei geordnetes Leben schaffende göttliche Tätigkeit verursacht, und diese stellte dadurch die wahre Anziehungskraft dar. In diesem Zusammenhang könnten folgende Antworten auf unseren Fragenkomplex gegeben werden. Die Entstehung des Bösen wird dadurch erklärt, dass die rationale Seele bei diesem Abstieg mit der Materie in Berührung tritt. Die Materie trägt immer unzerstörbare schlechte Züge, obwohl sie zusammen mit der ihr verbundenen irrationalen Seele vom Gott geordnet wird. Dieses „Anhaften“ des Bösen an der Seele findet sogar schon vor der Einkörperung statt, weil die Anziehung schon davor wirkt und sie sogar die Einkörperung veranlasst. Auf den möglichen Einwand, dass es sich hier um die Belebung der Körper handle, könnte erwidert werden, dass das Böse nicht von den Körpern, sondern wirklich von der Materie verursacht wird, denn die Körper stellten die geordnete Materie dar, während das Böse aus dem Überbleibsel der nicht geordneten Materie kommt. Was schließlich die Frage nach dem Ort und der Zeit betrifft, wo die vom Körper trennbare und unsterbliche irrationale Seele der rationalen begegnet, bleibt als Möglichkeit nur die Vorstellung, dass die irrationale Seele der rationalen Seele anhaftet, sobald sich diese anziehen läßt, denn die irrationale Seele ist mit der Materie wesentlich verbunden und ermöglicht jede Verquickung mit ihr. Das würde bedeuten, dass die Anziehung selbst der Ort und die Zeit der Begegnung beider Seelen wäre. Die Materie die übliche Deutung des Wortes, dass es den Weg durch die Sphären bezeichnet, treffender. 325 Fr. 12, Z. 17–19. 326 Hermogenes könnte hier auch Numenios gefolgt sein, indem er die Auffassung vertritt, Gott erschaffe die Welt, indem er sich der Materie angenähert habe, zumal Tertullian betont, dass sich Hermogenes mit dieser Ansicht den Stoikern widersetze (Adv. Hermog. 44.1). 327 Fr. 12, Z. 19–22.
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wäre nicht mehr als etwas Materielles, sondern eher als diese Anziehungskraft selbst zu denken. Das erinnert an ihre Bestimmung als Dyas und Notwendigkeit im Sinne von aktivem Prinzip auf der kosmischen Ebene und deutet schon dabei die Beantwortung der gesamten Fragestellung auf der Prinzipienebene und auf der kosmischen Ebene an. Diese letzte Antwort ist jedoch insofern nicht ganz hinreichend, als sie den genauen Vorgang dieser Begegnung nicht erklären kann. Zudem wird sie von Numenios selbst nicht auf dieser religiös-astrologischen Bildebene ausgedrückt. Es bleibt deswegen zu untersuchen, ob der Apamäer vielleicht auf einer anderen Ebene einen Hinweis darauf gegeben hat, wie das Auftauchen des Nebeneinanders beider Seelen zu denken ist. c. Die Teilung der rationalen Seele? (vgl. Fr. 11) Die Frage kann erneut erörtert werden, indem diesmal die theologische Lehre von Numenios in Betracht gezogen wird. Der Ausgangspunkt der Untersuchung ist immer folgende Feststellung: Es gibt eine rationale, vom Gott kommende Seele und eine zweite, irrationale Seele, die sich ihr widersetzt und deren Ursprung in der Materie liegt. Daher stellt sich die Frage, wann genau ihre Begegnung auf der menschlichen Ebene stattfindet, worin ihre Beziehung besteht328 und wie sich die irrationale Seele der rationalen einfügt, falls sie sich ihr tatsächlich einfügt. Das Bild des Seelenabstiegs lässt nämlich vermuten, dass diese Verbindung vor der Einkörperung als Bedingung für ihre Möglichkeit stattfindet und dass sich bei diesem Prozess die irrationale Seele der rationalen einfügt. Aber handelt es sich wirklich um eine Einfügung? Wir verzichten darauf, Macrobius’ Bericht, die Monas wandle sich bei diesem Abstieg zur Dyas, Numenios zu zuschreiben. Der Widerspruch dazu, dass Numenios die Ableitung der Dyas aus der Monas ablehnt, wie einige Pythagoreer sie vertreten, wäre zu groß.329 Deshalb verzichten wir auch auf die Hypothese, dass aus der Beziehung zweier Seelen eine Verwandlung der einen in die andere werde. Wenn sich es also auch nicht um S. für eine andere Antwort auf diese Frage D EUSE, Untersuchungen, 77–78. Fr. 52, Z. 15–24. Dies betrifft die Lehre des Moderatus oder Eudoros. S. Sext. Emp. Adv. math. X 261; [Iamb.] Theol. ar. 5,4. S. dazu z.B. BEUTLER, Numenios, 673; D ILLON, Middle Platonists, 373; FREDE, Numenius, 1052; A LT, Weltflucht, 30, A. 3 (s. auch ELFERINK, La descente, 8–28, welcher sich jedoch auf das Argument der mathematischen Figur konzentriert), gegen DE LEY, Macrobius, 27–42, welcher die einschlägige Stelle von Macrobius (I 12,5) Numenios zuschreiben will, ohne den Widerspruch zu dieser Aussage im Fr. 52, Z. 15–24, zu erörtern. Dasselbe gilt für BALTES, Numenios, 252–255; D EUSE, Untersuchungen, 73. K. A LT, Weltflucht, 139 scheint die einzige zu sein, die auf diesen Widerspruch hinweist, um die Zuschreibung der Macrobiusstelle (Somn. I 12, 5–6) an Numenios abzulehnen. 328 329
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eine Einfügung, d.h. eine Addition, handeln sollte, könnte man noch an eine Teilung oder Spaltung denken, die aus einer Einheit eine Zweiheit entstehen lässt. Dieser Gedanke würde dazu führen, einen Vergleich des Schicksals der menschlichen rationalen Seele mit dem des Demiurgen anzustellen. Im Fr. 11 erklärt nämlich Numenios, wie der zweite Gott durch die Materie, die auch Dyas genannt wird, aufgespalten wird, indem er sich ihr zuwendet, und wie er sich dabei selbst vergisst.330 Wenn man den Demiurgen wegen seiner vorsorglichen Tätigkeit mit der Weltseele vergleichen will, weil diese Tätigkeit üblicherweise die Weltseele kennzeichnet,331 ist es verlockend, diesen Vergleich auf die menschliche Ebene zu übertragen und daher die Spaltung des zweiten Gottes als Vorbild für die Spaltung der rationalen Seele anzunehmen. Diese Interpretation stößt jedoch auf viele Einwände. Einmal geben die erhaltenen Fragmente und Zeugnisse keinen Hinweis auf eine solche Teilung der menschlichen Seele – es handelt sich dabei immer um zwei Seelen mit zwei verschiedenen Ursprüngen. Dann nimmt Numenios selbst in den erhaltenen Texten und Zeugnissen keine Gleichsetzung von Demiurg und Weltseele vor,332 und es ist nicht auszuschließen, dass er eine solche Gleichsetzung im Fr. 52 gerade deshalb aller Wahrscheinlichkeit nach vermeidet, weil Gott und Seele zwei verschiedenen Seinsstufen angehören sollen.333 Darüber hinaus ist die Teilung des zweiten Gottes eigentlich kaum mit dem Schicksal der menschlichen Seele vergleichbar. Einerseits betont Numenios, dass der zweite Gott im Prozess der Spaltung trotzdem eins bleibt, während es sich bei den Menschen wirklich um zwei Seelen handelt, ohne Fr. 11, Z. 14–20. S. z.B. Fr. 18, Z. 6–10, wo der Demiurg so dargestellt wird, dass er die Harmonie in die Materie bringt. Aus diesem Grund hat man mit der Weltseele entweder den dritten Gott, d.h. den der Materie sich zuwendenden zweiten Gott (wie z.B. D ODDS, Numenius, 13–14; DE LEY, Macrobius, 31–35; FREDE, Numenius, 1068), oder den zweiten Gott selbst (wie z.B. PUECH, Numenius d’Apamée et les théologies orientales au second siècle, Mélanges Bidez, Annuaire de l’Inst. de philologie et d’histoire orientales II, Paris 1934, 758; K RÄMER, Ursprung, 67–80) oder sogar auch beide Götter (D EUSE, Untersuchungen, 65–73) gleichgesetzt. BALTES, Numenios, 267, setzt seinerseits zwar die anima beneficentissima im Fr. 52 mit dem dritten Gott, d.h. dem der Materie sich zuwendenden zweiten Gott, gleich, sieht aber nicht die anima beneficentissima als die eigentliche Weltseele an (dazu Numenios, 265). S. für eine Kritik dieser Gleichsetzung z.B. W ASZINK, Porphyrios, 74 (der trotzdem dazu neigt, K RÄMERS Identifikation der Weltseele mit dem zweiten Gott zuzustimmen); A LT, Weltflucht, 33. 332 Eher als an eine Gleichsetzung könnte höchstens mit ziemlicher Sicherheit an eine prinzipielle Identität der Weltseele mit ihrem Ursprung, d.h. dem Intellekt bzw. dem Demiurgen, gedacht werden, wie es Fr. 41 und Fr. 42 über die (rationale) Seele erklärt wird. 333 S. dazu auch D ILLON, Middle Platonists, 374–375. 330 331
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dass an eine Vereinigung beider gedacht wird. Es könnte höchstens nur ein contubernium, wie Calcidius schreibt, in Frage kommen. Andererseits bleibt der zweite Gott, wenn er sich der Materie zuwendet und dabei zum dritten Gott wird, ein rationales Wesen,334 dazu bestimmt, die Materie in Ordnung zu bringen. Die zweite Seele ist beim Menschen dagegen eine irrationale Seele. Schließlich ist zu beachten, dass der Demiurg die Materie durch seine Vorsorge zu sich nach oben führt,335 während die menschliche Seele nach unten in die Materie hinabgeführt wird.336 Die Erklärung des Zweiseelenprinzips bei Numenios durch ein Teilungsverfahren und ein Vergleich mit der Spaltung des zweiten Gottes brauchen deswegen unseres Erachtens nicht wieder verfolgt zu werden. Es scheint mehr dafür zu sprechen, dass es sich bei dem Apamäer wirklich um ein Anhaften der irrationalen Seele an der rationalen vor der Einkörperung handelt, damit diese möglich wird. Die irrationale Seele wäre in sich nicht schlecht, weil sie dazu bestimmt ist, das physische Leben zu fördern. Ihre bösen Züge entnimmt sie der Materie, mit der sie untrennbar verbunden ist. Dabei widersetzt sie sich der rationalen Seele. Die Materie muss als „Urheberin“ (auctrix) der irrationalen Seele gelten, insofern als diese nur in Verbindung mit der Materie erscheint und ihr inhärent ist. Es bleibt jedoch zu fragen, warum die irrationale Seele unsterblich sein soll, wenn sie dazu bestimmt ist, das physische Leben zu ermöglichen. Zur Beantwortung dieser letzten Frage müssen wir uns einer anderen Ebene zuwenden. d. Dyas, Notwendigkeit und irrationale Seele im menschlichen Bereich Eine mögliche Antwort auf diese besondere Frage wie auch auf unsere gesamte Fragestellung kann in der im ersten Teil dieses Aufsatzes skizzierten Prinzipienlehre gefunden werden. Dabei geraten kosmische und menschliche Ebene in noch engere Verbindung zueinander, was letzten Endes auf eine Parallele hinausläuft. Auf der kosmischen Ebene wurde die Gleichsetzung der Materie mit der Dyas und der Notwendigkeit festgestellt. Diese Gleichsetzung hat aber auch Folgen für den menschlichen Bereich. Wir hatten bemerkt, dass die Dyas, obwohl sie als Prinzip dem Gott gegenüberS. dazu D EUSE, Untersuchungen, 66, A. 17. Gegen, K RÄMER, Ursprung, 69–92. Fr. 11, Z. 19–20: ἀνάγει τε ἔτι εἰς τὸ ἴδιον ἦθος. 336 Fr. 30, 32, 34, 35. – Dieser Unterschied entspricht dem von Jamblichos gemachten zwischen den universalen Seelen, welche die beherrschten Wesenheiten zu sich bekehren, und den einzelnen Seelen, welche sich hingegen selbst zu dem bekehren, worum sie sich kümmern müssen (s. Περὶ ψυχῆς ap. Stob. I 49,37; 374,5–10 Wachsmuth. S. zu dieser Stelle FESTUGIÈRE, Révélation III, 206 mit Verweis auf Porph. Sent. 30; FINAMORE/D ILLON , Jamblichus De Anima, 47 (§ 21) und 132). 334 335
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steht, erst im kosmischen Bereich erwähnt wird und erst dort zu wirken scheint. Sie gehört wesentlich zu den Prinzipien der Welt, was bedeutet, dass die rationale Seele unvermeidlich mit ihr in Berührung tritt, sobald sie in diese Welt eingeht, d.h., dass sie schon als Wesen, das dazu bestimmt ist, in diese Welt zu kommen,337 auch dazu bestimmt ist, in Beziehung zur Dyas bzw. zur Materie zu treten. Dabei hätte die Auffassung von einer Infizierung mit dem Bösen schon vor der Einkörperung weniger damit zu tun, dass die rationale Seele in konkreten Kontakt mit einer Astralmaterie tritt, als damit, dass das Prinzip wirksam wird, gemäß dem die rationale Seele ein weltliches Bestehen haben muss. So wäre auch die Anziehung durch die Materie zu verstehen. Sie wäre unvermeidbar und notwendig, weil die Dyas genauso wie die als der Gott verstandene Monas das Wesen der Welt bestimmt und weil sich die Seele notwendigerweise unter der Herrschaft beider Prinzipien befindet, deren eines, der Gott, sich letzten Endes durchsetzt. Die Gleichsetzung der als Dyas verstandenen Materie mit der Notwendigkeit auf der kosmischen Ebene würde eine ähnliche erklärende Rolle spielen. Sie ermöglicht nämlich einerseits, den Seelenabstieg und die Begegnung der Seele mit der Materie als ein unaufhebbares Naturgesetz zu verstehen. Andererseits erklärt diese Gleichsetzung die Anziehungskraft der Materie. Dadurch wird nämlich die Materie selbst als diese aktive Anziehungskraft verstanden, denn die Notwendigkeit setzt unvermeidliche Mechanismen in Gang, wie z.B. die Annäherung des Ähnlichen an das Ähnliche. Hinzu kommt, dass durch die Gleichsetzung der Materie mit der schlechten Seele, d.h. einem Bewegungsprinzip, diese Anziehungskraft als Bewegungsprinzip angesehen werden kann, das mit Notwendigkeit wirkt. Bei diesen drei Erklärungsversuchen spiegelt sich eigentlich die doppelte Bestimmung der Dyas wider, welche als empfangende Wesenheit und aktive gegensätzliche Kraft ihre Wirkungen ausübt. Insgesamt trägt also die Gleichsetzung der Materie mit der Dyas, mit der Notwendigkeit und mit der schlechten Seele dazu bei, den notwendigen Charakter des Abstiegs der Seele zu erklären. Ein letztes Element besiegelt diesen notwendigen Charakter, die andere Art von Notwendigkeit, die aus dem Göttlichen selbst kommt. Es sei nämlich daran erinnert, dass im Timaios die Erschaffung der Welt als natürliche Folge der Güte des Gottes dargestellt wird.338 Dabei ist Als Vermittlerin zwischen dem Intelligiblen und dem Wahrnehmbaren und als Prinzip der Bewegung, das nur im Werden wirken kann, ist die Seele, sei es die kosmische oder die menschliche, vom Wesen her zur Berührung mit der kosmischen Welt bestimmt. Darüber hinaus erweist sich im Timaios, dessen teilweiser Auslegung Numenios sich widmet, die Inkarnation der Seelen als eine für die Ordnung der Welt unerlässliche Notwendigkeit (s. dazu z.B. M ARTANO, Numenio, 61) und als unvermeidbare Konsequenz der Existenz der Welt (D ILLON, Descent, 364). 338 Ti. 29e–30a. 337
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die Einkörperung der Seelen einbegriffen. Wenn auch Numenios diese Auffassung nicht explizit äußert, lässt er dennoch den Demiurgen als Verursacher der Reise des menschlichen Intellekts (bzw. der menschlichen rationalen Seele339) in diese Welt hinab erscheinen.340 Allerdings gibt es eine Einschränkung, indem auf diejenigen hingewiesen wird, die dieses Schicksal zu teilen haben.341 Es kann deswegen wohl sein, dass Numenios zufolge nicht alle rationalen Seelen an dieser Reise teilhaben müssen.342 Die astrologisch-religiösen Texte deuten jedoch an, dass es wahrscheinlich für die meisten der Fall ist.343 Was sie betrifft, wäre so durch diese Prinzipienlehre die notwendige Spannung zwischen Gott und Materie erklärbar. Diese Spannung und daher das Angezogenwerden durch die Materie würden der Einkörperung vorangehen, weil sie zum Wesen selbst der rationalen Seele gehören, die zur Inkarnation bestimmt ist. Die Beziehung der rationalen Seele zur irrationalen kann in diesem Zusammenhang verstanden werden. Da die Funktion der irrationalen Seele darin besteht, das physische Leben, d.h. auch das Leben in Verbindung mit der Materie, zu ermöglichen, „erscheint“ die irrationale Seele mit der Materie, d.h. auf derselben kosmischen Ebene und verbindet sich notwendigerweise mit der rationalen Seele, sobald diese dazu bestimmt wird, in diese Welt zu kommen. Da die irrationale Seele in diesem Sinne aus der Materie kommt, übernimmt sie deren schlechte Züge, was im menschlichen Bereich Böses verursacht. Wie für die als Materie verstandene Dyas ist zwar ihr Bestehen auf die kosmische Welt beschränkt. Jedoch hebt diese Tatsache ihre Unsterblichkeit nicht auf, denn die kosmische Welt umfasst S. zu dieser Assoziation A. 331. S. auch das Fr. 13, welches das Aussäen der Seelensamen durch den höchsten Gott beschreibt und dabei auf Ti. 41e8 und 42d4 anspielt. 341 Fr. 12, Z. 16: πᾶσι τοῖς κοινωνῆσαι συντεταγμένοις. Diese Einschränkung scheint uns wesentlich. Sie kann darauf hinweisen, dass Numenios ein ewiges Dasein außerhalb der kosmischen Welt für einige bestimmte Seelen und dabei die Möglichkeit für sie annimmt, sich der Inkarnation zu entziehen. Vgl. Fr. 33. S. dagegen A LT, Weltflucht, 209– 210, welche diese Lehre ablehnt, weil sie Numenios um jeden Preis von den Gnostikern fernhalten will. Die Tatsache, dass die Fr. 30–35 den Prozess der Reinkarnation darstellen, bedeutet nicht, dass Numenios allen Seelen dieses Schicksal zuspricht. Da wir aber nur die Fr. 12, Z. 16 und 33 als Hinweise auf die Möglichkeit eines Freiseins vom irdischen Leben in Numenios’ Denken haben, kann die Zuschreibung dieser Lehre an Numenios nur als Hypothese in Betracht gezogen werden. 342 Es könnte z.B. an Seelen gedacht werden, welche von diesem Schicksal schon befreit sind. 343 Wenn Numenios tatsächlich die Möglichkeit des Freiseins vom Kreislauf der Wiedergeburten angenommen hat, sollte diese Möglichkeit nur für einige Seelen gültig sein. S. A. 340 und 341 oben. Die Fr. 30–35 schildern wahrscheinlich das allgemeine Schicksal. Vgl. Fr. 12, Z. 14–16. 339 340
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natürlich nicht nur das Leben des einzelnen Menschen, sondern auch das ganze Universum, in welchem die irrationale Seele nach dem Tod des Einzelnen verweilen kann.344 Allerdings hat diese Beschränkung zur Folge, dass auch sie genauso wie die als Materie verstandene Dyas das „göttliche Reich“ nicht erreichen kann.345 Darauf weist Proklos’ Zeugnis hin, wenn es heißt, dass nur die göttliche unsterbliche Seele in die göttliche Welt eintrete.346 Jedoch wäre jene Unsterblichkeit, genauso wie die Verbindung der rationalen Seele mit der Materie und dabei mit der irrationalen Seele, weniger als konkreter Prozess, in dem Fall als konkretes Überdauern, denn als ontologisches Merkmal zu verstehen, das mit der eben erklärten Funktion der Dyas als Prinzip der Welt verbunden ist. Es könnte hinzugefügt werden, dass die Unterscheidung zweier Seelen den wesentlichen Merkmalen der Dyas entspricht, welche als Prinzip der Vielheit und der Teilung wirkt,347 und dass diese Unterscheidung daher genauso notwendig wie die Anwesenheit der Dyas in dieser Welt ist. Außerdem könnte sich auch auf dieser menschlichen Ebene die zweifache, d.h. empfangende und aktive, Funktion der Dyas widerspiegeln, in dem Sinne, dass die Materie als Dyas zwar die rationale Seele aufnimmt, aber dabei eine widersetzliche Kraft, nämlich die irrationale Seele, entstehen lässt. Zumindest spiegelt sich im Kampf beider menschlicher Seelen der Gegensatz wider, der auf der kosmischen Ebene zwischen der als der Gott verstandenen Monas und der als Materie bzw. als schlechte Seele verstandenen Dyas besteht. e. Parallele zwischen menschlicher irrationaler, böser Seele und kosmischer schlechter Seele? (Fr. 52) In den Vorbemerkungen hatten wir vor dem Versuch gewarnt, strenge Parallelen zwischen kosmischer und menschlicher Ebene zu ziehen. Jedoch zeigt der Rückgriff auf die Prinzipienlehre, dass die Bestimmung des Wesens der irrationalen Seele nicht von den Eigenschaften des kosmischen Bereichs getrennt werden kann. Dies rechtfertigt also doch eine Parallelsetzung von menschlicher und kosmischer Ebene.348 Diese Parallele kann
S. dazu auch z.B. D ILLON, Middle Platonists, 377. Es ist zu bemerken, dass Numenios, obwohl er die zwei Prinzipien Monas und Dyas annimmt, aus ihnen nicht zwei Götter macht. Sein zweiter Gott entspricht gar nicht der Dyas, welche keinen Platz auf der göttlichen Ebene findet. 346 Fr. 35. S. A. 266 und 267. 347 Plut. De def. orac. 35,429A–D. 348 Unsere Deutung des Fragments 30 mit seinem biblischen Zitat beruht auch auf einer solchen Parellele. K. A LTS (Weltflucht, 101) strikte Ablehnung jeder Analogie zwi344 345
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sogar unseren letzten Erklärungsversuch begründen. Die Erläuterung des notwendigen Erscheinens der irrationalen Seele und ihrer Verbindung mit der rationalen durch die Einbeziehung des dyadischen Aspekts der Materie führt nämlich dazu, die menschliche irrationale Seele mit der kosmischen schlechten Seele zu vergleichen. Man könnte soweit gehen zu denken, dass die menschliche Seele eigentlich ihren Ursprung in der kosmischen habe349 oder deren Manifestation auf der menschlichen Ebene darstelle. Diese Annahme ist insofern gerechtfertigt, als die Materie, welche auf der kosmischen Ebene auch als schlechte Seele fungiert, als auctrix dieser menschlichen Seele betrachtet wird.350 Dabei würden die notwendige Anwesenheit dieser irrationalen Seele und sogar ihre Unsterblichkeit erklärt. Da sie aus der Materie, d.h. auch aus der schlechten Seele, kommt, wäre sie so unsterblich wie sie und würde nach ihrer Lösung vom menschlichen Körper zur Materie zurückkehren.351 Auf diese Parallele hätte so Numenios in Calcidius’ Referat (Fr. 52, Z. 70–75) tatsächlich hingedeutet. Abzulehnen ist unseres Erachtens jedoch die Parallele, die auf dem Vergleich zwischen dem kosmischen seelischen Zustand und dem menschlichen beruht. Während der Gott auf der kosmischen Ebene eine harmonisierende Tätigkeit ausübt und dabei die Ordnung hervorbringt,352 ist in den Zeugnissen auf der menschlichen Ebene nur vom Kampf beider Seelen die Rede.353 Das Gegenüber dieser beiden Seelen bildet unserer Ansicht nach einen Grundsatz der numenianischen Lehre. Vielleicht hat dies seinen schen den beiden menschlichen Seelen und den im Fr. 52 erwähnten beiden Weltseelen scheint uns übertrieben. 349 S. dazu z.B. M ARTANO, Numenio, 63; D EUSE, Untersuchungen, 77; G ONZALES, Nouménios, 735. 350 S. unsere Deutung des Fr. 52, Z. 70–74 anhand Calc. In Tim. 300, S. 302, Z. 11–16 Waszink in den Ausführungen des zweiten Kapitels mit der A. 190. 351 S. dazu M ARTANO, Numenio, 63; D ILLON, Middle Platonists, 377; F. G ARCÍA BAZÁN (ed.), Numenio de Apamea, Fragmentós y testimonios (Oráculos caldeos, con una selección de testimonios de Proclo, Pselo y M. Itálico), Madrid 1991, 211. 352 Diese endlich herrschende Ordnung könnte der Tatsache entsprechen, dass im Timaios die Weltseele nicht nur innerhalb des Weltkörpers angesiedelt ist, sondern ihn von außen umgibt, was zu seiner Ordnung und dabei vielleicht bei Numenios zu der der schlechten Seele führen soll. In diesem Sinne wären außerdem beide Weltseelen endlich als vereinigt anzusehen. Wenn diese Auffassung zur Annahme einer Einheit der Weltseele führen kann, bleibt jedoch die Trennung beider Seelen auf der menschlichen Ebene sehr deutlich. Darauf könnte der Wortlaut des Kap. 54 von Calcidius hinweisen, falls alle Aussagen dieses Kapitels Numenios wirklich zuzuschreiben sind. 353 Auf der kosmischen Ebene wirkt zwar immer der Widerstand der Materie bzw. der schlechten Seele. Er wird jedoch von der göttlichen Tätigkeit teilweise aufgehoben. Auf der Ebene der menschlichen Seele müsste diese ordnende Tätigkeit von der rationalen Seele ausgeübt werden. Jedoch verfügt diese nicht über die gleiche Kraft wie der Gott.
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Grund darin, dass die menschliche rationale Seele nicht über die gleiche Kraft wie der Gott verfügt,354 um die irrationale Seele zu überzeugen, d.h. sie zu beherrschen, so dass diese sich ihr unterwirft. 3. Zusammenfassung Man wird verstehen, dass wir zum Schluss nicht die Erwartung erfüllen können, die fünf vorgeschlagenen Antworten auf die gesamte Fragestellung völlig in Einklang miteinander zu bringen, denn sie gehören zu je verschiedenen Ebenen und Kontexten im Denken des Numenios. Er verwendet Bilder, die sich nicht ganz und gar entsprechen oder die zumindest nicht dazu dienen, dieselben Fragen zu beantworten. Das erklärt auch, dass keine dieser Äußerungen eine vollständige Antwort auf die ganze Fragestellung bieten kann. Wir möchten außerdem nicht selbst versuchen, diese Antworten in Übereinstimmung miteinander zu bringen, indem wir ein ganzes System rekonstruieren. Es würde Numenios’ Schreib- und Denkweise nicht entsprechen. Schließlich ist die hermeneutische Methode, die darin besteht, die in einem Bereich unbeantwortet gelassenen Fragen durch Erklärungen aufzulösen, die aus einem anderen Bereich herangezogen werden, sehr fragwürdig, denn jede Ebene ist geprägt durch ihre je eigenen Fragestellungen und die damit verbundenen Vorstellungen. Wir haben uns selbst zwar manchmal unvermeidlich dieser Gefahr ausgesetzt. Daraus darf aber nicht ein allgemein gültiges Interpretationsprinzip gemacht werden. Nichtsdestoweniger können auf jeder für sich genommenen Ebene Antworten auf die Fragen gefunden werden, die wir in diesem letzten Kapitel gestellt haben: die Frage nach der Rolle der Materie in der Entstehung des Bösen vor der Einkörperung, nach den Gründen des Abstiegs der rationalen Seele, die Frage nach der Begegnung und Beziehung zwischen beiden Seelen und die Frage nach deren Beziehung zur Materie. Wenn wir von dem dritten, zu verwerfenden Erklärungsversuch, dem Verweis auf die Spaltung des zweiten Gottes, absehen und auf die vier anderen blicken, d.h. die Beschreibung der Anziehungskraft der Materie durch das metaphorische, astrologische und kultische Bild der Lust für die Feuchtigkeit, den Hinweis auf die ordnende göttliche Tätigkeit anhand des modifizierten biblischen Zitats, den Verweis auf die Prinzipienlehre und die kosmische Lehre und dabei auf die Gleichsetzung der Materie mit der Dyas, mit der Notwendigkeit und mit der schlechten Seele und schließlich die Parallele zu den zwei kosmischen Seelen, stellen diese Erklärungsversuche sich teilweise ergänzende und jeweils auf der betreffenden Ebene annehmbare Antworten dar. Natürlich werden dabei nicht alle Widersprüche aufgehoben, 354
Vgl. Fr. 52, Z. 29–30.
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und es mangelt manchmal an Koordination. Aber diese Tatsache hat auch ihren Grund in der lückenhaften Überlieferung der numenianischen Lehre, und es dürfte zudem nicht unangemessen sein, darin eine Entsprechung zu Numenios’ Denkweise selbst zu sehen.
Plotinus on matter, non-being and evil DENIS O’BRIEN The following pages aim to provide a simple synthesis of the three related themes of matter, non-being and evil in the philosophy of the Enneads. As an economical way of setting out what I believe to have been Plotinus’ views on these troubled questions, I have listed and very briefly summarised the texts that seem to me to convey the kernel of Plotinus’ thinking, prefacing my list of passages from the Enneads with a selection of quotations from Plato’s Sophist. The tractates drawn on are primarily On matter (II 4 [12]), Various investigations (III 9 [13] 3), On the daimon who has taken charge of us (III 4 [15]) and On what evils and where they come from (I 8 [51]), with a brief glance, in the final sections, at Against the Gnostics (II 9 [33]). Prominence is given to passages where I adopt a text other than that printed in Henry and Schwyzer’s editio maior or a translation other than that adopted in Armstrong’s Loeb translation.1
1 P. H ENRY/H.-R. SCHWYZER (edd.), Plotini opera, 3 tomi, Paris et al. 1951–1973, conventionally labelled the editio maior, as opposed to Plotini opera, 3 tomi, Oxford 1964–1982, the editio minor. A.H. A RMSTRONG, Plotinus, with an English translation, 7 vols, London et al., 1966–1988. Contrary to the claim made by Cristina d’Ancona in her otherwise very useful article on ‘Plotinus’ in R. G OULET (ed.), Dictionnaire des philosophes antiques, tome Va, Paris 2012, 936, there has so far been no second edition of Armstrong’s Loeb translation. It hardly needs saying that my several would-be ‘corrections’ of Armstrong’s translation, in the pages that follow, do not in the least lessen my liking and my admiration for a great scholar. A personal friend (his library, including a pre-MacKenna unpublished translation of the Enneads into English, is now safely housed under my own roof, thanks to the generosity of his son Christopher), Hilary Armstrong was also a beacon of enlightenment in the Cambridge of my youth. He collaborated closely, over the years, with Henry and Schwyzer in the preparation of their edition, and would, I am sure, look with favour on any attempt at a more precise understanding of the text of the Enneads. Did I not think it presumptuous, I would happily dedicate this piece to his memory.
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If Plotinus’ theory of evil has proved impenetrable to most students of the Enneads, it is in large part because the texts currently available are defective, and conceal from the modern reader the origins of Plotinus’ theory and its originality. Plotinus’ identification of non-being with matter and with evil is largely derived from the definition of non-being in Plato’s Sophist, though with a crucial modification. In modern editions of the Sophist, including the most recent, published by the Oxford Clarendon Press, the modification has wormed its way into the text of the dialogue, with the result that Plato’s words already bear the imprint of Plotinus’ theory, making it impossible therefore, for the modern reader, if he relies on the Oxford edition (see § 1.3 below), to see where, and how, Plotinus has deliberately chosen to diverge from what he had found in Plato. Plotinus is also heavily dependent on Aristotle, but here the difficulty is, as it were, the reverse. The text of the Enneads which most clearly points to Plotinus’ borrowing from, and modification of, Aristotle’s conception of privation as non-being has been transmitted with an obvious lacuna, duly noted in Henry and Schwyzer’s edition, but marked by them with an obelus, to indicate a locus nondum sanatus. It is only if we are able to restore the text, by discovering the word or words missing from the manuscripts, that we are able to see where, and how, Plotinus has chosen to diverge from Aristotle’s theory (see § 6 below). Unless he has succeeded in disentangling Plotinus’ subtle, and complex, relation to the theories of both Plato and Aristotle, the modern reader will be unable to appreciate why, and how, ‘non-being’, contrary to what he might well suppose, should have been defined by Plotinus as both evil in itself and cause of evil in the soul.
I. The primary texts 1. ‘Being’ and ‘non-being’ in Plato’s Sophist 1.1 The opposition in the Stranger’s first definition of the form of nonbeing (258a11–b3) lies between ‘the nature of a part of otherness’ and ‘the nature of being’. The slightly abnormal order of words for the first term of the opposition (‘the nature of a part…’ and not ‘a part of the nature…’) is designed to allow the ellipse in the expression of the second term to be heard as ‘the nature of being’ (in the Greek text, a silent repetition of the final word in the first arm of the opposition) and not as ‘a part of the nature of being’. ‘Being’, unlike ‘otherness’, is not divided into ‘parts’.
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Objects that participate in the form are so many ‘beings’, not so many ‘parts’ of being.2 1.2 The opposition in the Stranger’s second definition of the form of non-being (258e2–3) lies between a ‘part of otherness’ and ‘the being of each thing’. The unanimous reading of the manuscripts gives the meaning required by Plato’s argument. The ‘part of otherness’ that constitutes the form of non-being is opposed both to ‘being’ as form (258a11–b3) and to ‘being’ as instantiated (258e2–3).3 1.3 The variant recorded by Simplicius (cf. 258e2: ‘each being’), and adopted in successive Oxford editions of the dialogue, is in all probability a Neoplatonic re-writing of the text, designed to bring Plato’s definition of a form of non-being into line with Plotinus’ adaptation of Plato’s theory (II 4 [12] 16.1–3), where a ‘part of otherness’ is opposed to ‘the beings properly so called, i.e. the logoi’ (see § 3.1 below), so providing support in the text of the Sophist for Plotinus’ definition of non-being as matter.4 2 The first definition (cf. Sph. 258a11–b3) is therefore to be understood as ἡ τῆς θατέρου μορίου φύσεως καὶ τῆς τοῦ ὄντος [sc. φύσεως] ἀντίθεσις, ‘the opposition between the nature of a part of otherness and the nature of being’. The final word in the first arm of the opposition (φύσεως) is easily supplied from the inner ear as the word needed to complete the repetition of the definite article (τῆς) in the second arm of the opposition. 3 The Stranger’s second definition of a form of non-being therefore runs as follows (Sph. 258e2–3): τὸ πρὸς τὸ ὂν ἑκάστου μόριον αὐτῆς [sc. τῆς θατέρου φύσεως] ἀντιτιθέμενον ἐτολμήσαμεν εἰπεῖν ὡς αὐτὸ τοῦτό ἐστιν ὄντως τὸ μὴ ὄν. Literally: ‘Of that part of the nature of the other (τὸ […] μόριον αὐτῆς [sc. τῆς θατέρου φύσεως]) that is opposed to the being of each thing (πρὸς τὸ ὂν ἑκάστου […] ἀντιτιθέμενον), we dared to say (ἐτολμήσαμεν εἰπεῖν) that just that (ὡς αὐτὸ τοῦτό) is really (ἐστιν ὄντως) what is not (τὸ μὴ ὄν).’ In writing of the form as ‘instantiated’, an expression commonly reserved for concepts or universals, I do no more than refer to the distinction drawn in the Phaedo (102a10–103c6) between the form ‘in nature’ (‘largeness itself’) and the form ‘in us’ (largeness ‘instantiated’ in Phaedo or in Cebes). 4 Simplicius quotes the passage twice in his commentary on the Physics. For his earlier quotation (In Ph. 135.26), the manuscripts have the reading recorded in the manuscripts of the Sophist, where the second term in the opposition is given unanimously as ‘the being of each thing’ (258e2: τὸ ὂν ἑκάστου). Simplicius’ later quotation (In Ph. 238.26) gives the second term in the opposition as ‘each being’ (258e2: τὸ ὂν ἕκαστον). (The Aldine edition of Simplicius’ commentary, Venice 1526, gives the two readings the other way round: ἕκαστον for the first quotation, ἑκάστου for the second.) The variant reading (ἕκαστον accusative) was adopted by J. BURNET (ed.), Platonis opera, tomus i, first edition Oxford 1900, second edition Oxford 1905, and has been retained by E.A. D UKE et alii (ed.), Platonis opera, tomus i, Oxford 1995. In defending Burnet’s choice of reading and his own, David Robinson, chiefly responsible for the text of the Sophist in the new edition, takes no account of Plotinus’ use of the passage (Ennead II 4 [12] 16.1–3 is a clear adaptation of Sophist 258d5–e3), and therefore gives no thought to the possibility of Neoplatonic influence on the transmission of the text. See D.B. R OBINSON, Textual notes on
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2. Plato’s paradox 2.1 The Stranger’s paradoxical definition of the form of non-being as a ‘form that there turns out to be, of what is not’ (258d6: τὸ εἶδος ὃ τυγχάνει ὂν τοῦ μὴ ὄντος) requires two different uses of the verb. (i) The ‘form that there turns out to be...’ is a ‘part’ of otherness that, like all the ‘parts’ of otherness, participates in being and therefore ‘is’ (cf. 258a7–10), an existential use of einai, a use neither implying nor requiring a complement to the verb. (ii) The form is a form ‘…of what is not’, because it is ‘other’ in relation to being (whether as form or as instantiated), by implication therefore a copulative use of the verb (‘is other than…’, ‘is not…’). 2.2 It is because the verb is used in these two different ways that the definition, however paradoxical, is not contradictory. (i) The verb that is asserted is an existential use of the verb. (ii) The verb that is denied is by implication a copulative use of the verb. 2.3 The negation of an existential use of the verb would imply the lack of any participation at all in being, and could apply therefore only to ‘what is not in anyway at all’ (cf. 237b7–8 : τὸ μηδαμῶς μὴ ὄν), the sheer nothingness that the Stranger refers to as an impossible ‘contrary’ of being (258e6–259a1). 2.4 ‘Otherness’ defines ‘negation’ (ἀπόφασις), not contrariety (257b1– c4). (i) The ‘form that is of what is not’, other than and therefore opposed to being, is a negation of being. (ii) But it is not the impossible ‘contrary’ of being that would be none other than a complete lack of being.5 3. Matter and non-being 3.1 In his treatise On matter, Plotinus takes over Plato’s definition of a form of non-being (258a11–b3 and 258e2–3) as the basis for his own definition of matter as ‘non-being’, replacing Plato’s opposition between a ‘part of otherness’ and ‘the being of each thing’ (258e2–3) by his own
Plato’s Sophist, CQ 49 (1999), 139–160 (on this passage, see pp. 157–158). Once the Neoplatonic affiliation of the variant has been recognised, there can be little doubt that the unanimous reading of Plato’s manuscripts (ἑκάστου in the place of ἕκαστον) is to be preferred. 5 Given the restricted form of this synopsis, I have had to content myself with a simplified outline of the distinction between copulative and ‘existential’ einai in the Sophist. What I have called an ‘existential’ use of the verb ‘neither implies nor requires a complement’ (§ 2.1 above), but may nonetheless, without abandoning its ‘existential’ meaning, occasionally be heard with a secondary implication, linking the verb to the expression that follows. I pursue the refinement in a forthcoming publication, not related to Plotinus (sub-titled ‘Existential einai in Plato’s Sophist’).
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opposition between a ‘part of otherness’ and ‘the beings properly so called, i.e. the logoi’ (II 4 [12] 16.1–3).6 3.2 The correct translation of the sentence that follows (II 4 [12] 16.3) is therefore: ‘That is exactly why it (sc. matter) is non-being (διὸ καὶ μὴ ὄν), being in this way something (οὕτω τι ὄν), and is the same as steresis (καὶ στερήσει ταὐτόν).’ Contrast Armstrong: ‘Therefore (διό), though it is nonexistent (καὶ μὴ ὄν), it has a certain sort of existence in this way (οὕτω τι ὄν), and is the same thing as privation (καὶ στερήσει ταὐτόν).’ The designation of matter as ‘non-being’ is not a concession, as it is in Armstrong’s translation. It is, on the contrary, the very nub of the conclusion that Plotinus seeks to draw from his appropriation and adaptation of the theory of ‘parts’ of otherness in the Sophist, clearly alluded to, for those who have ears to hear, in the two sentences preceding (16.1–3).7 3.3 ‘A form that is, of what is not’, in the treatise On evils (cf. I 8 [51] 3.4–5: οἷον εἶδός τι τοῦ μὴ ὄντος ὄν), is likewise Plotinus’ adaptation of Plato’s ‘form that there turns out to be, of what is not’ (258d6: τὸ εἶδος ὃ τυγχάνει ὂν τοῦ μὴ ὄντος). For Plotinus as for Plato (§§ 2.1 and 2 above), the paradox is possible only because there is a difference in the syntactical function of the two verbs. (i) The positive verb is existential in meaning. (ii) The verb governed by the negation is by implication a copula (‘is not…’, ‘is other than…’). 3.4 The allusion to ‘what is utterly non-being’ in the sentence following (I 8 [51] 3.6–7: τὸ παντελῶς μὴ ὄν) is Plotinus’ re-wording of Plato’s ‘what is not in any way at all’ (237b7–8: τὸ μηδαμῶς μὴ ὄν). For Plotinus as for Plato (§ 2.3 above), this is a negation of the existential use of the verb, designed to show up what has, and what has not, been denied in the definition of a ‘form’ of non-being. 3.5 Plotinus’ paradoxical description, in the lines following, of the ‘form’ of non-being as ‘formless’ (I 8 [51] 3.14 and 31: ἀνείδεον) is deliberate. The paradox is inherent in Plotinus’ adopting Plato’s definition of a ‘form’ of non-being as a definition of matter.
6 Pl. Sph. 258e2–3 (see § 1.2 above) is very clearly the inspiration for Plotinus, Enn. II 4 [12] 16.1–3: ἆρ᾿ οὖν καὶ ἑτερότητι ταὐτόν [sc. ἡ ὕλη ἐστί] ; ἢ οὔ, ἀλλὰ μορίῳ ἑτερότητος ἀντιταττομένῳ πρὸς τὰ ὄντα κυρίως, ἃ δὴ λόγοι. ‘Is matter then (ἆρ᾿ οὖν) also (καί) the same as otherness (ἑτερότητι ταὐτόν)? No, not really (ἢ οὔ). Instead it’s the same (ἀλλὰ sc. ταὐτόν ἐστι) as a part of otherness (μορίῳ ἑτερότητος) set in opposition (ἀντιταττομένῳ) to the beings properly so-called (πρὸς τὰ ὄντα κυρίως), that are none other than logoi (ἃ δὴ λόγοι).’ 7 Syntactically, the καί at the beginning of the sentence (διὸ καὶ μὴ ὄν) has therefore to be taken as reinforcing the word that precedes (διὸ καί, ‘that is exactly why’), and not as qualifying the expression that follows (καὶ μὴ ὄν, ‘even though non-being’).
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4. A crucial distinction 4.1 The distinction between a ‘form of non-being’ and ‘what is utterly nonbeing’ (I 8 [51] 3.4–7) is anticipated in the distinction (VI 9 [9] 11.35–38) between a ‘non-being’ (11.37: μὴ ὄν) that is ‘evil’ (see § 8.1 below) and ‘what is utterly non-being’ (11.36: τὸ πάντη μὴ ὄν) or ‘utter non-being’ (11.37–38: τὸ παντελὲς μὴ ὄν). Armstrong’s opposition between ‘nonexistence’ (11.37: μὴ ὄν) and ‘absolute non-existence’ (11.36: τὸ πάντη μὴ ὄν, 11.37–38: τὸ παντελὲς μὴ ὄν) is a distinction with no real difference. 4.2 When Plotinus asserts, in a third text (III 6 [26] 14.18–23), that a minimal participation in being is not the same as ‘what is utterly nonbeing’ (14.20: τὸ πάντη μὴ ὄν), the distinction he draws is again an adaptation of the distinction to be found in Plato (§§ 3.4 and 4.1 above). 4.3 The distinction calls for a change in the punctuation of the text in Henry and Schwyzer’s edition (III 6 [26] 14.18–23). The implication of the sentence is not, as it may seem to be with Armstrong’s translation and with Henry and Schwyzer’s punctuation, that matter is ‘altogether’ without existence.8 ‘What is utterly non-being’ (14.20: τὸ πάντη μὴ ὄν) has to be removed from the main body of the sentence and included with ‘the nature of being’ in an extended parenthesis, easily inserted before the opening of the main clause of the sentence (with the dash at line 20 in Henry and Schwyzer’s edition replaced by a comma, and the first comma of line 21 replaced by a dash).9 8 With Henry and Schwyzer’s punctuation and accentuation (ἐστιν, line 19, enclitic), and with Harder’s conjecture of < εἰς > τὰ ὄντα ποιεῖν (line 20), the sentence runs (III 6 [26] 14.18–23): (18) ἐπεὶ γὰρ οὐχ οἷόν τε τοῦ ὄντος πάντη μὴ (19) μετέχειν ὅ τι περ ὁπωσοῦν ἔξω ὂν αὐτοῦ ἐστιν – αὕτη γὰρ (20) ὄντος φύσις < εἰς > τὰ ὄντα ποιεῖν – τὸ δὲ πάντη μὴ ὂν ἄ(21)μικτον τῷ ὄντι, θαῦμα τὸ χρῆμα γίγνεται, πῶς μὴ μετέχον (22) μετέχει, καὶ πῶς οἷον παρὰ τῆς γειτνιάσεως ἔχει τι (23) καίπερ τῇ αὑτοῦ φύσει μὲν οἷον κολλᾶσθαι ἀδυνατοῦν. Armstrong translates (III 6 [26] 14.18–23): ‘For, since it is impossible for anything whatever, which in any sort of way exists outside it, to have altogether no share in being – for this is the nature of being, to work on beings – and since, on the other hand, the altogether non-existent (14.20: τὸ πάντη μὴ ὄν) cannot combine with being, what happens is a wonder: how does the non-participant participate, and how does it have something as if from being next door, although by its own nature it is incapable of being, so to speak, stuck on to it?’ Embedded in the body of the sentence, as it is with this text and translation, τὸ πάντη μὴ ὄν (14.20), Armstrong’s ‘the altogether non-existent’, is too easily taken as referring to the non-being that is matter. 9 With the revised punctuation, and with the single ἔστιν (line 19) printed orthotone, the sentence will read (III 6 [26] 14.18–23): (18) ἐπεὶ γὰρ οὐχ οἷόν τε τοῦ ὄντος πάντη μὴ (19) μετέχειν ὅ τι περ ὁπωσοῦν ἔξω ὂν αὐτοῦ ἔστιν – αὕτη γὰρ (20) ὄντος φύσις τὰ ὄντα ποιεῖν, τὸ δὲ πάντη μὴ ὂν ἄ(21)μικτον τῷ ὄντι – θαῦμα τὸ χρῆμα γίγνεται, πῶς μὴ μετέχον (22) μετέχει, καὶ πῶς οἷον παρὰ τῆς γειτνιάσεως ἔχει τι (23) καίπερ τῇ αὑτοῦ φύσει μὲν οἷον κολλᾶσθαι ἀδυνατοῦν. A word-for-word translation, keeping as close as
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4.4 The revised syntax avoids the unwanted implication that matter is ‘altogether non-existent’, and restores the meaning required by the context. At this point in his treatise (III 6 [26] 14), Plotinus’ aim is to explain how matter, indispensable if there is to be a world of space and time (see the opening lines of the chapter), is able to reflect the forms we see around us, while remaining totally impervious to their presence and while itself having only a minimal grasp on existence. 5. Matter and privation 5.1 Plotinus’ modification of the second term in Plato’s definition of nonbeing, so as to have a ‘part of otherness’ opposed, not to ‘the being of each thing’, but to ‘the beings properly so called, i.e. the logoi’ (II 4 [12] 16.3–4), enables him to identify non-being, so defined, with Aristotle’s definition of ‘privation’ as the absence of form (§§ 3.1 and 2 above). 5.2 The resulting assertion that matter ‘is the same as privation’ (II 4 [12] 16.3) is a deliberate contradiction of Aristotle’s assertion that ‘matter and privation are different’ (Ph. i 9, 192a3–4). 5.3 To achieve this volte-face, privation has to be made a permanent substrate of change (II 4 [12] 16.4–8), and not only, as it is in Aristotle, the terminus a quo of change. 6. Privation and ‘desire’ 6.1 The lacuna in the text at II 4 [12] 16.14 (marked as a locus desperatus by Henry and Schwyzer) should therefore be completed by a repetition of Aristotle’s ἐφίεσθαι (‘desire’), taken from the analysis of ‘desire’ as ‘privation’ in the Physics (i 9, 192a16–25), and adapted to the syntax of Plotinus’ sentence by being put in the subjunctive (16.14: ).10 possible to the order of words in Greek, will run as follows: ‘Since it isn’t possible (ἐπεὶ γὰρ οὐχ οἷόν τε) not to participate at all in being (τοῦ ὄντος πάντη μὴ μετέχειν) for whatever in some way or other (ὅ τι περ ὁπωσοῦν), although being outside being (ἔξω ὂν αὐτοῦ, i.e. τοῦ ὄντος), is (ἔστιν) – seeing that this is the nature of being (αὕτη γὰρ ὄντος φύσις), to make things that are (τὰ ὄντα ποιεῖν), whereas what is not in any way at all (τὸ δὲ πάντη μὴ ὄν) is without any admixture of being (ἄμικτον τῷ ὄντι) – the whole thing becomes a cause for wonder (θαῦμα τὸ χρῆμα γίγνεται), how such a thing participates without participating (πῶς μὴ μετέχον μετέχει), and how it is that (καὶ πῶς), as a result so to speak of its neighbouring on being (οἷον παρὰ τῆς γειτνιάσεως), it does possess something (ἔχει τι), for all that (καίπερ), with the nature that is peculiar to it (τῇ αὑτοῦ φύσει μέν), what you might call adhering (οἷον κολλᾶσθαι) is beyond its capability (ἀδυνατοῦν).’ 10 Enn. II 4 [12] 16.13–15: … ὅταν τὸ θῆλυ τοῦ ἄρρενος < ἐφίηται >, οὐκ ἀπόλλυται τὸ θῆλυ, ἀλλὰ μᾶλλον θηλύνεται. Literally: ‘When the female < desires > the male, the female is not destroyed; she becomes, on the contrary, more female still.’ The manu-
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6.2 For Plotinus (II 4 [12] 16.13–16) as for Aristotle (Ph. i 9, 192a16– 25), the ‘desire’ in question is the desire of the female for the male. Aristotle’s analysis of female desire, far from illustrating, as his context would require, the disappearance of privation and the advent of form, leaves itself open to the objection that, in the accomplishment of her desire, the female ‘becomes more female still’ (cf. II 4 [12] 16.15: μᾶλλον θηλύνεται). That objection, and the context in Aristotle to which it refers, leaves no doubt that ἐφίεσθαι (Ph. i 9, 192a18 and 20) is the verb required to link the two words, ‘the female’ (nominative) and ‘the male’ (genitive), in the text of the Enneads (II 4 [12] 16.14: < ἐφίηται >). 6.3 The restoration is essential to the argument. By exploiting the Achilles’ heel in Aristotle’s analysis of female ‘desire’, and by insisting that the female, ‘desirous’ of the male (cf. II 4 [12] 16.14: < ἐφίηται >), ‘becomes more female still’ in the accomplishment of her desire (see again 16.15: μᾶλλον θηλύνεται), Plotinus seeks to justify his conclusion that privation continues even in the presence of form, and that privation can therefore be identified with matter as a permanent substrate of change.11 7. Plotinus’ ‘creative borrowings’ 7.1 Plotinus’ conception of matter is therefore a fusion of Plato’s definition of a form of non-being, in the Sophist, and Aristotle’s definition of privation, in the Physics, but with a radical adaptation of the two terms that are fused. (i) Plato’s form of non-being has been made a part of otherness opposed, not to ‘the being of each thing’ (258e2–3, the unanimous reading of the manuscripts), but to ‘each being’ (the variant recorded by Simplicius), and therefore to all ‘the beings properly so called, i.e. the logoi’ (II 4 [12] 16.1–3). (ii) Privation has been made a permanent substrate of change (II 4 [12] 16.3–16), and is therefore no longer restricted, as it was for Aristotle, to a description of the terminus a quo of change. scripts have ὅταν τὸ θῆλυ τοῦ ἄρρενος καὶ οὐκ ἀπόλλυται τὸ θῆλυ, ἀλλὰ μᾶλλον θηλύνεται. Henry and Schwyzer mark a lacuna in their apparatus, ἄρρενος + lac. + καὶ, and print an obelus in the text. See also the footnote following. 11 To fill in the lacuna in the text and to restore the syntax, the simplest solution is to do as I have done (see the footnote preceding this), and replace the conjunction (καὶ) by the verb whose presence can be inferred, with reasonable certainty, from the parallel passage in Aristotle (ἐφίεσθαι). Whether a place can be found for the καὶ of the manuscripts, with the same verb and a different syntax, is a relatively minor point. The words that follow may well be a gloss, 16.15–16: τοῦτο δέ ἐστιν ὅ ἐστι μᾶλλον γίγνεται, literally: ‘That is: what it is, it becomes more so.’ Although there is no other occurrence of θηλύνεσθαι in the Enneads, the word hardly calls for comment. But someone at some time – possibly Plotinus himself, at the time of writing – has obviously thought otherwise.
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7.2 The fusion and the adaptation enable Plotinus to identify the form of non-being taken from the Sophist with the formless matter of the Timaeus. His treatise On matter (II 4 [12]) therefore begins with a reference to ‘matter’ in the Timaeus (1.1–4) and ends with ‘creative borrowings’ from the Sophist (16.1–4). 8. Matter and evil 8.1 Matter as ‘non-being’ and ‘privation’ is identified with what is ‘intrinsically evil’ (I 8 [51] 3.35–40), an adaptation and a reinforcement of Aristotle’s reference to ‘evil’ in his account of privation in the Physics (i 9, 192a14–16). 8.2 Matter as a permanent privation is not only ‘lacking in form’ (II 4 [12] 16.21–23) and therefore ‘formless’ (I 8 [51] 3.14 and 31: ἀνείδεον); it is also ‘resistant to form’ (cf. II 4 [12] 16.23: δυσειδές).12 8.3 Resistant to form, having therefore no trace and no possibility of ‘beauty’ (II 4 [12] 16.22), matter is ‘utterly ugly’ (16.23–24: πάντη αἰσχρόν). Having no trace and no possibility of goodness (16.16–21), it is not merely ‘evil’ (16.20: κακόν), but ‘utterly evil’ (16.24: πάντη κακόν). 9. The origin of matter as ‘non-being’ 9.1 Matter is nonetheless ‘made’ by soul (III 9 [13] 3.7–16). The ‘nonbeing’ that is specified as the object of the verb (3.9 and 10–11: ποιεῖ) looks back to the definition of matter as ‘non-being’ in the treatise immediately preceding in Porphyry’s chronological ordering of the corpus (II 4 [12] 16.1–4). 9.2 What the soul ‘makes’ (III 9 [13] 3.9) is therefore the ‘non-being’ adapted from Plato’s definition of the form of non-being as a part of ‘otherness’ opposed to being, by implication therefore a copulative use of the verb (‘is other than…’, ‘is not…’). 12 J.H. SLEEMAN/G. POLLET, Lexicon Plotinianum, Leiden 1980, s.v. δυσειδής (col. 279.21–22), give the meaning as ‘ugly’, and therefore ‘ill-formed’. My choosing a slightly different connotation for the prefix (δυσ-, ‘difficult’ to form, ‘resistant to’ form) is not inconsistent with the statement, several chapters earlier (8.19–25), that if matter were endowed with shape and size, it would be δύσεργος (8.23), ‘difficult to work’ (SLEEMAN/ POLLET, s.v., col. 279.23–24), with the implication, in the context, that since it has neither shape nor size, matter is ‘easy to work’. As so often, the seeming discrepancy is merely superficial. Matter is ‘easy to work’ in so far as it can be made to reflect any and every form, whatever shape or size the form may bring with it, and is the more easily able to do so in virtue of its ‘resisting’ penetration or transformation by any one of the forms. ‘Resistant’ to any one of the forms, it can with equal ease, at different times, be made to reflect them all.
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9.3 Armstrong’s translation ‘the non-existent’ (III 9 [13] 3.9) would require a negation of the existential use of the verb. The supposition that what the soul ‘makes’ simply does not exist at all is the nonsense that it appears to be. 9.4 The object of the soul’s ‘making’ (III 9 [13] 3.9) is not the ‘nonbeing’ that has been defined by both Plato and Plotinus (§ 3.4 above) as a total lack of any participation in being: ‘what is not in anyway at all’ in the Sophist (237b7–8), ‘what is utterly non-being’ in the Enneads (I 8 [51] 3.6– 7). Plotinus is not asking us believe that the soul performs the extraordinary feat of ‘making’ sheer nothingness (the implication of Armstrong’s ‘the non-existent’). 10. The origin of matter as ‘privation’ 10.1 The soul’s ‘making’ of ‘non-being’ (III 9 [13] 3.9) is parallel to the soul’s ‘giving birth’ to what is ‘utterly indefinite’ (III 4 [15] 1.6–14). 10.2 The object ‘utterly indefinite’ (III 4 [15] 1.13–14) looks back to the description of matter as a permanent privation (II 4 [12] 16.1–16), a total lack of form (16.21–23). 10.3 The object ‘utterly’ indefinite brought to birth by soul (III 4 [15] 1.6–14) is not therefore the same as what is ‘utterly’ non-being (I 8 [51] 3.6–7). Plotinus’ adverbs and adjectives (‘utterly’, ‘utter’) are not tossed in lightly. The object totally lacking in form is indeed ‘utterly’ ugly and ‘utterly’ evil (II 4 [12] 16.23–24, in both cases πάντη), but it is not therefore ‘utterly’ or ‘utter’ non-being (VI 9 [9] 11.35–38: πάντη and παντελές), an expression that is specifically opposed to what is ‘evil’ (see § 4.1 above). 10.4 If matter were ‘utterly non-being’, it would again (cf. §§ 9.3 and 4 above) be simply ‘non-existent’ (as it is in Armstrong’s translation of III 9 [13] 3.9). If that were so, if there were no matter, then the world we live in would not exist (cf. I 8 [51] 7.2–4), and Plotinus’ ‘solution’ to the problem of evil would be to say that there isn’t any. 11. Soul and body 11.1 But of course that isn’t so. The tale continues. The object that the soul ‘makes’ or ‘gives birth to’ is covered with form and occupied by soul (III 9 [13] 3 and III 4 [15] 1). 11.2 In the latter treatise (III 4 [15] 1.14–16), the form in question is specifically stated to be the form of body. The ‘soul’ that takes up her dwelling in ‘body’ is therefore ‘the last of things above’ in ‘the last of things below’ (1.16–17). 11.3 Armstrong has misunderstood the syntax of this crucial sentence (III 4 [15] 1.16–17). The demonstrative pronoun (1.16: τοῦτο), introducing
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‘the last of the things above’, has for antecedent ‘soul’ (not ‘body’, Armstrong). The sentence therefore describes the relationship of soul to body, not the relationship of body to matter (Armstrong).13 11.4 The relationship so described (III 4 [15] 1.16–17) matches the soul’s ‘joyful entry’ into the object that she has both ‘made’ and ‘covered with form’ in the earlier text (III 9 [13] 3.10–16). 11.5 The two passages (III 9 [13] 3.10–16 and III 4 [15] 1.6–17) describe essentially the same events: (i) soul’s making of matter, (ii) her covering the matter she has made with form, specifically the form of body, and (iii) her ‘joyful entry’ into that same body. 11.6 These (logically) successive events constitute the final moments in the derivation of everything that there is from the One, the final moments therefore in the drama of emanation. 12. Two ‘makings’ 12.1 The object that the soul ‘makes’ or ‘gives birth to’ in Plotinus’ two earlier treatises (III 9 [13] 3 and III 4 [15] 1) is not to be confused with the ‘offspring’ that physis is said to ‘make’ in III 8 [30] 2.27–34. 12.2 Confusion has again been caused by Armstrong’s translation of the syntax of the introductory words (III 8 [30] 2.28–30). The two participles describing a principle ‘giving something to the substrate, while itself remaining at rest’ (III 8 [30] 2.30), look back to physis, the logos that is a ‘maker’ of form, not to the ‘visible form’, the logos that is the object of her making. 13 The concluding sentences of the chapter (III 4 [15] 1.14–17) run as follows: (14) τελειούμενον δὲ γίνεται (15) σῶμα μορφὴν λαβὸν τὴν τῇ δυνάμει πρόσφορον, ὑποδοχὴν (16) τοῦ γεννήσαντος καὶ ἐκθρέψαντος· καὶ μόνον τοῦτο ἐν (17) σώματι ἔσχατον τῶν ἄνω ἐν ἐσχάτῳ τοῦ κάτω. A literal translation will be: ‘When completed (τελειούμενον δέ), it (sc. the object that the soul has given birth to) becomes body (γίνεται σῶμα), by having taken on form (μορφὴν λαβόν), the form that is suited to its capability (τὴν τῇ δυνάμει πρόσφορον), a receptacle (ὑποδοχήν) of (or ‘for’) the principle that gave it birth and that fed it (τοῦ γεννήσαντος καὶ ἐκθρέψαντος). And this alone (καὶ μόνον τοῦτο), in body (ἐν σώματι), is the last of things above (ἔσχατον τῶν ἄνω), in the last of what is below (ἐν ἐσχάτῳ τοῦ κάτω).’ Armstrong translates (with Kirkhhoff’s emendation, 1.15: ὑποδοχή): ‘When it is perfected it becomes a body, receiving the form appropriate to its potentiality, a receiver for the principle which produced it and brought it to maturity. And only this form in body is the last representative of the powers above in the last depth of the world below.’ With the revised translation, ‘this alone’ (1.16: μόνον τοῦτο) picks up from the two participles preceding (τοῦ γεννήσαντος καὶ ἐκθρέψαντος, ‘the principle that gave it birth and that fed it’), and refers therefore to soul itself, not, as in Armstrong’s translation, to the form of body with which soul has invested her offspring (matter).
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12.3 The description of physis ‘making’ visible form and ‘giving’ what is no doubt that same visible form ‘to the substrate’ clearly supposes that, in order to be able to receive such a ‘gift’, the ‘substrate’, ultimately matter, has to be already present. 12.4 The soul’s ‘making’ of ‘visible form’ (III 8 [30] 2.27–34) is therefore necessarily distinct from, and (logically) subsequent to, her ‘making’ of matter.14 13. The descent of soul 13.1 The individual souls (our own) that descend to the material world, once it has been duly endowed with ‘visible form’, do so ‘neither unwillingly, nor because they have been sent, nor because their willingness is such as to be the expression of a choice’ (IV 3 [27] 13.17–18). Theiler’s substitution of ‘unwilling’ for ‘willing’ (ἄκουσαι in the place of ἑκοῦσαι), a correction not adopted by Henry and Schwyzer, is essential to the meaning.15 13.2 Souls that descend, not ‘unwillingly’, but not because they have ‘chosen’ to descend, do so as the expression of a spontaneous impulse, like
The text in Henry and Schwyzer runs as follows, III 8 [30] 2.28–30: (28) … τὴν (29) φύσιν εἶναι λόγον, ὃς ποιεῖ λόγον ἄλλον γέννημα αὐτοῦ (30) δόντα μέν τι τῷ ὑποκειμένῳ, μένοντα δ’ αὐτόν. Armstrong translates: ‘… nature is a forming principle, which makes another principle, its own product, which gives something to the substrate, but stays unmoved itself.’ With the interpretation of the passage adopted above, the translation will run: ‘Physis is a logos, which makes another logos, its offspring, so giving something to the substrate, while itself remaining at rest.’ The change of syntax requires a change of punctuation. The comma marking the beginning of the relative clause (2.29: ὃς ποιεῖ) has to be matched by a second comma, marking the end of the clause, 2.28–30: (28) … φύσιν εἶναι λόγον, ὃς ποιεῖ λόγον ἄλλον γέννημα αὐτοῦ, (30) δόντα μέν τι τῷ ὑποκειμένῳ, μένοντα δ’ αὐτόν. There is no second comma in Henry and Schwyzer’s edition, with the result that, as in Armstrong’s translation, the two participles (δόντα and μένοντα) are heard as referring to the logos that is the object of the verb, and not, as in the revised translation, to the logos that is the antecedent of the relative pronoun that is the subject of the verb. 15 W. T HEILER, in: Plotins Schriften, übersetzt von R. H ARDER, Neubearbeitung mit griechischen Lesetext und Anmerkungen fortgeführt von R. BEUTLER und W. T HEILER, Band IIa, Hamburg 1962, ad loc. (p. 200). Theiler’s correction explains the careful qualification. The two terms of the opposition are ‘unwilling’ and ‘willing’. Plotinus rejects the first outright, and the second if it is taken to include ‘choice’. The souls have not ‘chosen’ to descend. But they are ‘not unwilling’ (IV 3 [27] 13.17: οὔτε ἄκουσαι). There is only a superficial discrepancy when, in a more circumstantial and laboured context (IV 8 [6] 4–6), Plotinus writes that whatever ‘goes towards what is worse’ does so ‘unwillingly’ (5.8: ἀκούσιον). 14
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the impulse to get married (IV 3 [27] 13.18–19, Plotinus’ example, not mine). 13.3 The implication is essentially the same when the descent of soul is attributed both to ‘necessity’ and ‘willingness’, ‘since necessity embraces willingness’ (IV 8 [6] 5.3–4). ‘Choice’ is incompatible with ‘necessity’. But we may do ‘willingly’, even though we cannot ‘choose’, what is imposed upon us by ‘necessity’. 13.4 Such is the narrow, but not impossible, path that Plotinus has to tread in describing the soul’s ‘willing’ acceptance of the ‘necessity’ of incarnation (see again IV 3 [27] 13.17–19).16 14. Soul and matter 14.1 In her subsequent engagement with the material world, the soul may be drawn into too close an association with matter and therefore become herself infected with evil (IV 8 [6] 7.1–14 and I 8 [51] 14.1–24). 14.2 But this is not an inevitable consequence of soul’s presence in the material world. The ‘perceptible gods’ (presumably the stars) and some ‘human beings’ (presumably including Plotinus himself), even in this world, succeed in keeping themselves free from evil (I 8 [51] 5.30–34). 14.3 Souls that do not succeed in keeping themselves free from evil, and that yield therefore to the evil influence of matter, do so as a result of their ‘weakness’, a ‘weakness’ induced by the presence of matter (I 8 [51] 14). 14.4 Matter is therefore ‘both cause of weakness in the soul and cause of evil’ (I 8 [51] 14.49–50). But it is not therefore a sufficient cause of weakness and of evil (moral evil). The soul cannot be ‘weak’, in the special sense that Plotinus gives to that word, except as a result of the presence of matter (see again I 8 [51] 14). But the presence of matter is not a sufficient cause of weakness and of evil, since souls immersed in matter are not invariably evil (see again I 8 [51] 5.30–34). 14.5 The presence of matter and a weakness of soul are part causes of evil in the soul, jointly, but not singly, a sufficient cause. 14.6 The weakness of soul, though not a sufficient cause, is nonetheless a sufficient condition of evil in the soul, in so far as matter, evil in itself (§ 8.1 above), is always evil, and will therefore always produce evil in the soul whenever the soul is weak enough to allow herself to be contaminated by matter.
16 Ducunt volentem fata, nolentem trahunt. Seneca’s verse (Epistula 107.11) more or less hits off the point, however different the background may be. The volens cannot choose his destiny, but he may acquiesce in what the Fates have sent him.
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15. Soul and evil 15.1 Souls that are not in matter are ‘pure’ (I 8 [51] 4.25–28 and 14.17–24): since they are not in matter, they cannot be ‘weakened’ by matter, nor therefore are they ‘evil’. The descent of soul cannot be therefore in itself an evil act, nor is the motivation of her descent to be counted as evil. Her spontaneous impulse, although it has not been imposed upon her against her will, and is not therefore ‘unwilling’, has nonetheless not been ‘chosen’ (§ 13 above). 15.2 The soul’s descent may be described as a hamartia (IV 8 [6] 5.16– 17). But this use of the word is carefully distinguished from the hamartia that finds expression in whatever ‘evil deeds’ the soul may be led to perpetrate once she finds herself in the world below (5.17–18), immersed in matter and ‘weakened’ by matter. 15.3 Pari passu the soul’s making of matter cannot be in itself an evil act, even though the product, ‘matter’, since it has no part in form, nor therefore any part in goodness, is of necessity ‘evil’ (cf. I 8 [51] 7.16–23). The product is evil, but not the act of production, for the simple reason that matter cannot exert its evil influence on the soul prior to the soul’s production of matter. 16. Plotinus and the Gnostics 16.1 The two distinctions are essential to Plotinus’ criticism of the Gnostics. (i) The descent of soul is not evil, though it may lead to evil. (ii) The production of matter is not evil, even though the object produced is evil. 16.2 Those two conditions enable Plotinus to avoid being caught himself in the criticism that he aims at the Gnostics. The Gnostics, so he claims, do think of ‘evils’ as having their origin in the intelligible world (II 9 [33] 12.30–44), and they do see the ‘making’ of this world as the work of a ‘fallen’ soul (II 9 [33] 4.1–7). 16.3 Plotinus is no less opposed to the Gnostic belief (i) that matter might one day disappear altogether (II 9 [33] 3.15–18), a possibility also raised in the so-called Gospel of Mary, or (ii) that it might survive, but be left without ‘illumination’ (3.18–21) because ‘stripped of form’ (5.33–35).17
17 Whether or not matter will one day ‘be destroyed’, literally ‘be broken (up)’, is the reading restored by the editors in the opening lines of the extant portion of the Gospel of Mary, preserved in Papyrus Berolinensis 8502,1. The Coptic text, written in Greek characters, accompanied by an English translation, is conveniently to be found in D.M. PARROTT (ed.), Nag Hammadi codices V, 2–5 and VI, with Papyrus Berolinensis
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16.4 Those two possibilities are excluded by Plotinus’ own theory of the ‘making’ of matter by soul, of her covering the object she has made with ‘form’, and finally by her taking up her abode in the object that has therefore been made ready to receive her (see § 11.5 above). These are all activities that are proper to a soul unaffected by evil, and that are inseparable therefore from the order of events determined ultimately by the One.
ΙΙ. Μodern misunderstandings The sections that follow are largely given over to a reply to my critics (R. = Respondeo dicendum). Over the years, reaction has been far from uniformly adverse. If I list here only expressions of dissent (more varied and more vociferous than I had ever imagined they would be), it is because disagreement that finds its way into print presumably points either to errors in my understanding of the texts or to deficiencies in the way I have presented my thesis. However wearisome, however time consuming, I can at least hope to make good the latter. The former I shall willingly own up to as soon as I am convinced that there are any.18 1. Noburu Notomi disagrees with my account of ‘what is not in any way at all’ in the Sophist (Part I, § 2.3), claiming that Plato leaves open the possibility that ‘what is not in any way at all’ might nonetheless somehow be said to ‘be’.19 R. Were that so, Plato would have succeeded in his critique of Parmenides only by flying in the face of the principle of contradiction (the same thing cannot be said both ‘to be’, existential, and ‘not to be’, existential).20 2. John Phillips insists, at great length, that I am mistaken in supposing that what the soul ‘makes’ is matter, since what the soul ‘makes’ in III 9 [13] 3 is none other, so he claims, than what physis ‘makes’ in III 8 [30] 2 8502, 1 and 4, Leiden 1979, reprinted as volume 3 of J.M. R OBINSON (ed.), The Coptic Gnostic library, Leiden et al. 2000, 456 (the opening lines). 18 I have not thought it necessary to clutter the discussion by referring seriatim to my own earlier publications. See the Bibliographical Note at the end of this chapter. 19 N. N OTOMI, Plato against Parmenides: Sophist 236d–242b, in: S. STERN-G ILLET/ K. C ORRIGAN (ed.), Reading ancient texts, vol. I, Presocratics and Plato, Leiden/Boston 2007, 167–187 (see esp. p. 184). 20 I should perhaps warn the reader that the multiple references to myself in Notomi’s article (quoted above) are more often than not wildly inaccurate. Notomi has created for himself, as the butt of his criticism, an Aunt Sally that he graces with my name, but whose opinions I have difficulty in understanding, let alone in recognising as my own.
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(Part I, § 12).21 R. The ‘visible form’, ‘made’ by physis in the later treatise (III 8 [30] 2.27–34), and specifically said to be a logos, cannot be the same as the object no less specifically said to be alogos in the earlier treatise (III 9 [13] 3.13). 3.1 Dominic O’Meara claims that I am wrong to speak of Plotinus’ ‘form’ of non-being (I 8 [51] 3.4–5), and argues that eidos should here be translated as ‘kind’ (‘espèce’).22 R. O’Meara’s preferred translation obliterates the paradox of a ‘form’ that is ‘formless’, a paradox inseparable from the use that Plotinus has made of Plato (see Part I, § 3). 3.2 The reference to ‘form’ (I 8 [51] 3.4: εἶδος) is already heavily qualified, both (i) by the word that precedes, οἷον, a maid-of-all-work regularly called upon when Plotinus wants to hold at arm’s length some expression that risks being misunderstood if taken too literally (οἷον εἶδος, ‘so to speak a form’), and no less (ii) by the depreciative use of the indefinite pronoun that follows (εἶδός τι, ‘a form of sorts’). Such heavy qualification would hardly have been called for if εἶδος had here any looser meaning (‘kind’, ‘espèce’). A meaning that, in any case, is pretty well excluded, in this context, given the instantly recognisable Platonic reminiscence (see again Part I, § 3). 3.3 It is true that what was a ‘form’ for Plato (Sph. 258d6: a ‘form that there turns out to be, of what is not’) is no longer so, in the same sense, for Plotinus. (i) For Plato, or for Plato’s Stranger, whatever participates in the form of being, and therefore ‘is’, participates also in the form of non-being, in so far as it is ‘other’ than being, and therefore ‘is not’, so giving a new and non-contradictory meaning to the words expressing the ‘opinions of mortals’ in Parmenides’ poem (fr. 7.1): ‘things that are not, are.’23 (ii) For Plotinus, forms that are reflected in the matter of the sensible world do not therefore ‘partake’ in the non-being that is matter. Plotinus’ ‘borrowing’ from Plato does have therefore, if you like, a soft underbelly, which Plotinus acknowledges by his heavy qualification: matter is ‘as it were a form of sorts’ (I 8 [51] 3.4: οἷον εἶδός τι). 3.4 The heavy qualification is the price Plotinus has to pay for grafting what will prove to be his own theory of matter (Enn. I 8 [51] 3.4–5) onto 21 J. PHILLIPS, Plotinus on the generation of matter, The international journal of the Platonic tradition 3 (2009), 103–137. 22 D. O’M EARA, Plotin, Traité 51, I, 8, Introduction, traduction, commentaires et notes, Paris 1999, ad loc. (translation: p. 59, commentary: p. 107). 23 The two verses (fr. 7.1–2) are quoted twice by Plato’s Stranger, the first time (237a– b) with the contradictory meaning that Parmenides, in his poem, had condemned as representative of the ‘opinions of mortals’, the second time (258d–e) with the new and non-contradictory meaning that has been made possible by the Stranger’s distinction between negation and contrariety.
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Plato’s definition of ‘a form that is of what is not’ (Sph. 258d6). Had the word ‘form’ not been included, the reference to the Stranger’s definition of non-being would not have been at all so easy to recognise. Once it has been recognised, the reminiscence conveys, without more ado, the crucial point that non-being defined as Plato’s Stranger has defined it, non-being as a ‘part’ of otherness, is not a total lack of being. In the context of Plato’s theory, and its adoption and adaptation by Plotinus, ‘non-being’ is not synonymous with ‘non-existent’ (see Part I, §§ 1–4). 4.1 Jean-Marc Narbonne struggles to grasp the logical framework outlined above (Part I, §§ 14.5 and 6), but has clearly not succeeded since he thinks that my talking of a ‘sufficient condition’ is not significantly different from Hager’s talking of a conditio sine qua non.24 R. The two logical modes are not at all the same. My having a hundred thousand pounds or so to spare may be a conditio sine qua non of my buying a RollsRoyce. But it is not a sufficient condition. I might decide to spend my money on something else.25 4.2 Narbonne also has difficulty in handling the distinction between a necessary cause and a sufficient cause (cf. § 14.4 above). Claiming to controvert my account of matter as a part cause of evil in the soul, and therefore as causally necessary, but not causally sufficient, he appeals to a passage where Plotinus describes matter ‘destroying’ whatever is ‘imaged in it’ by interposing ‘its own nature which is contrary to form’ (cf. I 8 [51] 8.18–20). The destructive power of matter in relation to the ‘images’ of forms that we perceive in the world around us Narbonne claims as ‘clear’ evidence that matter is ‘not only the necessary cause but the sufficient cause
J.-M. N ARBONNE, La controverse à propos de la génération de la matière chez Plotin. L’énigme résolue?, Quaestio 7 (2007), 123–163. See esp. pp. 125–126. Cf. F.P. H AGER, Die Materie und das Böse im antiken Platonismus, MH 19 (1962), 73–103 (for Hager’s ‘Condicio sine qua non’, see p. 89). 25 Narbonne repeats his point, in a rather more roundabout way, in what would otherwise appear to be a straightforward translation into English of the first part of the same article (Quaestio 7 [2007], 123–141), published a year earlier under a different title, ‘Plotinus and the Gnostics on the generation of matter (33 [II 9], 12 and 51 [I 8], 14)’, in Dionysius 24 (2006), 45–64 (see esp. pp. 47–48). (Neither article refers to the other.) There has been radical revision in what the author describes as a ‘reworked’ version of the original French article, once again translated into English, and included as ‘Study One’ in J.-M. N ARBONNE, Plotinus in dialogue with the Gnostics, Leiden/Boston 2011, 11–53 (see esp. pp. 13–14). Despite the successive formulations of his objection (2006, 2007, 2011), Narbonne never quite manages to struggle free from – he certainly never goes so far as to disown – his initial error, the mistaken belief (Quaestio 7 [2007], 125– 126) that a sufficient condition and a conditio sine qua non constitute what he calls the same ‘type’ of causality. 24
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of evil’.26 R. So it may well be, but not in relation to soul. Narbonne’s argument is an ignoratio elenchi. The explanation I had given of how evil arises in the soul Narbonne thinks to refute by appealing to what Plotinus has said of the presence of evil in the cosmos. 4.3 In the context of the sentence Narbonne refers to (I 8 [51] 8.11–28), Plotinus writes specifically of forms embedded in matter (8.13 and 15), and therefore of forms proper to material objects, with ‘fire’ and ‘heat’ as the examples quoted (8.16–18 and 20–21). Those same remarks, if taken out of their immediate context, as they have been by Narbonne, and applied directly to the influence of matter on the soul, lead to what for Plotinus would be an out-and-out absurdity. However ‘destructive’ it may be of the forms that soul seeks to impose upon matter, Plotinus would never allow, even in the most extreme case (cf. I 8 [51] 13.21–26), that matter could ‘destroy’ the soul itself, least of all that it might do so by its own unaided effort. To suppose that the ‘destructive’ power of matter applies equally to soul and to the cosmos, to the forms whose reflections we see in the world around us and to the soul that is unseen, is to betray a deep misunderstanding of the philosophy of the Enneads. 4.4 As well as (i) confusing the distinction between a sufficient condition and a necessary condition (§ 4.1 above) and (ii) mishandling the distinction between a necessary cause and a sufficient cause (§ 4.2 above), Narbonne seems also (iii) to have misunderstood the distinction between a sufficient cause and a necessary condition, apparently supposing that denial of the first entails denial of the second.27 R. It doesn’t. The inference is fallacious. In denying that matter is a sufficient cause of evil in the soul, I do not deny that it is a necessary condition of the same.28 J.-M. N ARBONNE, A doctrinal evolution in Plotinus? The weakness of the soul in its relation to evil, Dionysius 25 (2007), 77–91, see esp. p. 79 n. 3 (with the author’s own italics). ‘Reworked’ as ‘Study Three’ in Plotinus in dialogue with the Gnostics, 79–95, see esp. p. 81 n. 1 (the same words not in italics). 27 J.-M. N ARBONNE, Quaestio 7 (2007), 128. In asserting that matter is a necessary, but not a sufficient cause, nor a sufficient condition, of evil in the soul, I am rebuked for supposedly denying that matter is ‘une condition nécessaire’ of evil in the soul. The author of the rebuke appears to assume (but the sequence of thought is far from clear) that denial of a sufficient cause should entail denial of a necessary condition. 28 The inference is no less fallacious if Narbonne’s assumption (as well or instead) is that weakness of soul as a sufficient condition of (moral) evil excludes the role of matter as ‘une condition nécessaire’. Within the space of a few lines (Quaestio 7 [2007], 128), Narbonne appears to assume that the role of matter as a necessary condition of evil in the soul is excluded (i) by the denial that matter is a sufficient cause of the same, (ii) by the assertion that weakness of soul is a sufficient condition of the same. I leave the reader with time on his hands to work out whether Narbonne does intend to adopt both assumptions (both of them, as it happens, false), or only one, and if so, which. 26
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4.5 Despite Narbonne’s multiple misunderstandings, the distinctions I have relied on are relatively simple ones (see again Part I, § 14). (i) Matter and a weakness of the soul are jointly, but not singly, a sufficient cause of evil in the soul. (ii) Soul’s weakness, but not the evil of matter, is a sufficient condition of the same, in so far as matter invariably contaminates the soul whenever the soul is weak enough to allow herself to be contaminated by matter – in more human terms, matter always takes advantage of soul’s weakness whenever the soul is weak enough to allow herself to be taken advantage of. (iii) This causal nexus carries no implication, as Narbonne appears to think it does (§ 4.4 above), that the soul might become evil, even if matter were not already so. The weakness of soul is a sufficient condition of her becoming evil; it is not therefore causally sufficient. The soul would not be evil, were it not for the baneful presence of matter, evil in itself and part cause of evil in the soul. 5.1 Narbonne is no less confused when grappling with the status of matter as ‘non-being’. Although supposedly a ‘sufficient cause of evil’ (§ 4.2 above), matter, he claims, is nonetheless to be identified, in the text of the Enneads (III 6 [26] 14.18–23), as the referent of ‘ce qui n’existe absolument pas’.29 R. A ‘sufficient cause’ of evil that is ‘absolutely’ nonexistent is not a conjunction of ideas that Plotinus has sought to impose on his readers. The thesis Narbonne thinks to extract from the words he has quoted (III 6 [26] 14.18–23: matter as ‘absolutely’ non-existent) is a thesis that Plotinus has on more than one occasion (I 8 [51] 11.6–7 and 15.1–3) explicitly rejected (see § 11.3 below). The inconsistency, a thesis supposedly acknowledged in one place (III 6 [26] 14.18–23) only to be disowned in another (I 8 [51] 11.6–7 and 15.1–3), arises solely from a mis-reading of the text. The sentence Narbonne has quoted from the earlier treatise (III 6 [26] 14.18–23) carries no implication that matter is ‘absolutely’ nonexistent, once it has been construed correctly (see Part I, § 4.3), 5.2 The error has not sprung up overnight. In one of his earliest studies, published all of twenty years ago, Narbonne had already voiced his belief that, in the sentence quoted (III 6 [26] 14.18–23), matter is referred to as ‘non-être absolu, pur néant’, while nonetheless recognising that, twice elsewhere (VI 9 [9] 11.35–38 and I 8 [51] 3.6–7), matter is explicitly
29 The two assertions were published in the same year: the first (matter as ‘sufficient cause of evil’) in Dionysius 25 (2007), 79 n. 3, the second (matter as ‘ce qui n’existe absolument pas’) in Quaestio 7 (2007), 160. The two assertions are repeated in Plotinus in dialogue with the Gnostics, the first in ‘Study Three’, 81 n. 1, the second in ‘Study One’, 50 (matter is identified as ‘the altogether non-existent’).
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distinguished from an ‘absolu non-être’.30 Bonnet blanc, blanc bonnet. The inversion does nothing to lessen the contradiction. How can matter that is ‘non-être absolu’ in one place not be ‘absolu non-être’ elsewhere? When Narbonne writes, by way of conclusion: ‘Au sens strict, la matière dans la philosophie plotinienne n’est pas non-être, néant, en dépit de son appellation,’ I am at a loss to know whether his words are intended as an explanation of the text, or as his own confession of failure.31 5.3 I am none the wiser when, later in the same article, Narbonne appeals to Kant’s nihil negativum as ‘ce en direction de quoi pointe la réflexion de Plotin sans s’y arrêter’.32 The sibylline metaphor (‘pointer’, ‘sans s’y arrêter’) makes it no easier to understand the repeated contradiction in successive treatises, early, middle and late. (i) Matter is first said not to be ‘l’absolu non-être’ (VI 9 [9] 11.35–38).33 (ii) It is then supposedly identified as ‘non-être absolu, pur néant’ (III 6 [26] 14.18–23).34 (iii) It is then once again denied to be ‘absolu non-être’ (I 8 [51] 3.6–7).35 Why, if we keep to Narbonne’s reading of Plotinus, does the second text repudiate the first, and the third text repudiate the second? 5.4 To explain the enigma, there is no need to call on the skills of a Delian diver. The problem Narbonne fails to solve is a problem of his own making, the result of his running together what Plotinus has carefully kept apart. In all three treatises (see Part I, § 4), the distinction is the same. Matter is distinguished (i) from what is ‘utterly non-being’ or ‘utter nonbeing’ in an early treatise (VI 9 [9] 11.35–38) and (ii) from what is ‘utterly non-being’ in two later treatises (III 6 [26] 14.18–23 and I 8 [51] 3.6–7).
30 J.-M. N ARBONNE, Le non-être chez Plotin et dans la tradition grecque, Revue de philosophie ancienne 10 (1992), 115–133, see esp. pp. 116–117. For the reference to ‘nonbeing’ in the earlier text, VI 9 [9] 11.35–38, see Part I, § 4. For the later text, I 8 [51] 3.6– 7, see Part I, §§ 3.3 and 4. 31 For the quotation, see J.-M. N ARBONNE, Le non-être chez Plotin et dans la tradition grecque, 117. This is the conclusion to the first section of what will prove to have been the ‘first part’ of his article (Revue de philosophie ancienne 10 [1992], 115–133), since from p. 122 onwards the sections are numbered anew and preceded by a sub-heading ‘deuxième partie’. There is no heading to indicate that the preceding pages constitute, as presumably they are intended to do, a ‘première partie’. 32 J.-M. N ARBONNE, Le non-être chez Plotin et dans la tradition grecque, 122. This is the final section (section 4) of what the reader has to infer is the première partie of Narbonne’s article. 33 N ARBONNE, Revue de philosophie ancienne 10 (1992), 116 and 122. 34 N ARBONNE, Revue de philosophie ancienne 10 (1992), 116. See also Quaestio 7 (2007), 160 (matter is ‘ce qui n’existe absolument pas’), and Plotinus in dialogue with the Gnostics, 50 (matter is ‘the altogether non-existent’). 35 N ARBONNE, Revue de philosophie ancienne 10 (1992), 116–117 and 122.
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5.5 The very wording of the successive passages is hardly any different. (i) In the first treatise, the substantivised participle is qualified in turn by an adverb and an adjective (VI 9 [9] 11.35–38: πάντη followed by παντελές). (ii) In the two later treatises, the substantivised participle is qualified by the same adverb (III 6 [26] 14.18–23: πάντη) and by an adverbial form of the same adjective (I 8 [51] 3.6–7: παντελῶς). Over a span of some fifteen years, Plotinus says the same thing, in essentially the same way.36 5.6 Kant’s nihil negativum (see § 5.3 above), defined as ‘der Gegenstand eines Begriffs, der sich selbst widerspricht’, and therefore as ‘Nichts’, ‘das Unmögliche’37, if it were to be used at all as an exegetical tool for the study of Plotinus, could do so only in a context where its putative counterpart, ‘what is not in an way at all’, and therefore sheer nothingness, is distinguished, as it has been by Plato and as it will be by Plotinus, from ‘nonbeing’, defined as a ‘form that is of what is not’ (see again Part I, § 4). Without that distinction, or in a context where that distinction has been blurred, as it has been by Narbonne, Kant’s nihil negativum is likely to do more harm than good, since it can only encourage the unwary in the wholly mistaken belief that ‘properly speaking’, in the philosophy of the Enneads, the matter that is ‘non-being’ simply does not exist at all (cf. §§ 11.3 and 4 below). 6.1 Bernard Collette-Dučić charges me with carelessness in claiming that the soul’s making of matter is accompanied by movement. The texts in question, so he claims (III 9 [13] 3 and III 4 [15] 1), ‘restent muets’.38 R. My critic is mistaken. Of the two texts he has quoted, the first (III 9 [13] 3) is not ‘muet’ for anyone who knows how to read the Greek. The soul’s ‘making’ of the ‘non-being’ that both my critic and I believe is matter 36 In all three texts, the qualifying adjective or adverb (παντελές, πάντη, παντελῶς) is inserted between the article and the participle, as it also is in the Sophist, when Plato has the Stranger speak of ‘what is not in any way at all’ (237b7–8: τὸ μηδαμῶς μὴ ὄν). Later in his article, Narbonne does try to give meaning to his inversion (‘non-être absolu’, ‘l’absolu non-être’), by appealing to passages from Aristotle (Le non-être chez Plotin et dans la tradition grecque, 128). But since there is no inversion in the text of the Enneads or in the parallel passage from the Sophist (cf. Part I, § 3.4), the point seems hardly worth pursuing. 37 Kritik der reinen Vernunft, Riga ²1787, 348–349 (a couple of pages added at the end of Die Transzendentale Analytik). 38 B. C OLLETTE-D UČIĆ, Plotin et l’ordonnancement de l’être. Etude sur les fondements et les limites de la “détermination”, Paris 2007. See esp. chapter iii, pp. 98–123, of the section entitled ‘L’indétermination comme condition de la détermination’. See p. 95 for the charge of carelessness (‘Ce point me semble avoir été quelque peu négligé par D. O’Brien’), and p. 96 for the texts that ‘restent muets’ (the sentence is quoted in full below, n. 41).
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(cf. Part I, §§ 9 and 10) is specifically said to be accompanied by movement. The syntax, even of Plotinus’ highly syncopated Greek, undoubtedly requires the verb describing the soul’s being ‘borne to what is before her’ (III 9 [13] 3.8: φερομένη) to be silently repeated (‘understood’) in the continuation of the same sentence when, on the way to her making the non-being that is matter (3.9–11), soul is said to be borne ‘to what comes after her’ (3.8–9). 6.2 The same point is not made expressly in the companion text (III 4 [15] 1.6–14), when the soul ‘gives birth’ to what is ‘utterly indefinite’ (see again Part I, § 10), nor, despite Collette-Dučić’s insinuation to the contrary, have I ever claimed that it was.39 Given the close similarity between the two texts (III 9 [13] 3 and III 4 [15] 1), I am very willing to believe that what is said in the one text is implied in the other. But Collette-Dučić is wrong in claiming that I have crossed the boundary from implication to assertion. That error is not to be laid at my door. It is Collette-Dučić who has illegitimately run the two texts together, in supposing that where the one text (III 4 [15] 1.6–14) is ‘muet’, therefore the other (III 9 [13] 3.8–11) is also. It isn’t. 6.3 The ‘movement’ designated by the choice of verb in the earlier of the two texts (III 9 [13] 3.8: φερομένη) does not of course have to be understood as local movement, least of all in a context where, prior to the making of matter, there can be neither ‘space’ nor ‘place’.40 So too when we are told that soul’s movement ‘to what comes after her’ (III 9 [13] 3.8–9) is also a movement ‘towards herself’ or ‘into herself’ (3.8–11): such movement is not a movement from one place to another. 6.4 The specification of ‘movement’, at this point in the narrative (III 9 [13] 3.8–11), is nonetheless a highly significant feature in the history of a ‘partial’ soul (cf. 3.7), in so far as it differentiates (i) the generative activity of soul, manifested in her ‘making’ of matter, from (ii) the generative activity of Intellect in producing soul and of the One in producing Intellect (V 2 [11] 1–2). The two higher principles, even when described as ‘overflowing’ (1.8: the One) or as ‘pouring forth’ (1.14: Intellect), are specifically said to be at rest (1.16–19). 6.5 Collette-Dučić ends up recognising that ‘movement’ is a distinctive feature of soul’s action in producing the ‘non-being’ that is matter. He agrees therefore with my understanding of the texts, even while supposing (wrongly) that the texts themselves are silent on the point, and that I have 39
n. 6.
For the insinuation, see C OLLETTE-D UČIĆ, Plotin et l’ordonnancement de l’être, 95
40 Collette-Dučić has a useful account of Plotinus’ conception of ‘space’ and ‘place’ in relation to the ‘making’ of matter. See Plotin et l’ordonnancement de l’être, 91–94.
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therefore read into the text what is not to be found there. I would be the last to claim such clairvoyance for myself.41 7.1 Collette-Dučić gets into worse tangles when he claims that the account I have given of Plotinus’ use of ‘non-being’ in the Sophist, though ‘juste’, is ‘insuffisante’.42 Collette-Dučić’s improved version begins: ‘Si Plotin préfère, conformément au Sophiste, parler du non-être de la matière en termes d’opposition plutôt qu’en termes de contrariété, c’est parce que l’opposition lui permet de rendre compte de la matière sans en réifier la nature, c’est-à-dire sans en faire un être déterminé.’43 R. True, Plotinus did not want matter to be ‘un être déterminé’. But how can he have thought that such would have been the unhappy consequence, had he chosen to adopt Plato’s definition of contrariety as a definition of matter? 7.2 Collette-Dučić continues: ‘A la différence de la « contrariété » qui désigne un rapport entre deux termes déterminés, l’« opposition » renvoie au rapport d’un < terme > indéterminé à un terme déterminé.’44 R. Are ‘contrary’ terms ‘determinate’? They are if we keep to the examples Collette-Dučić has quoted: ‘large’ and ‘small’, ‘good’ and ‘bad’, ‘beautiful’ and ‘ugly’. But ‘being’ is a case apart. How could lack of any participation at all in being, the sheer nothingness that the Stranger refers to as ‘what is not in anyway at all’ (cf. 237b7–8), and that he will later categorise as an impossible ‘contrary’ of being (258e6–259a1), conceivably have been construed by Plotinus as a ‘terme déterminé’? 41 C OLLETTE-D UČIĆ, Plotin et l’ordonnancement de l’être, 96: ‘Bien que les textes restent muets quant à savoir si l’Ame engendre « ce qui est totalement autre » (i.e. la matière) en se mouvant ou d’une autre manière, il me semble toutefois que l’on peut effectivement affirmer que l’âme végétative engendre la matière en se mouvant, car l’acte génératif, dans ce cas, est similaire à celui par lequel l’Ame engendre ses parties inférieures.’ Let the author of those words read again, in Greek, the account of the soul’s making of the non-being that he agrees is matter in Enn. III 9 [13] 3.8–11, and he will discover that there is no need for surmise (‘il me semble…’): Plotinus does indeed think of soul’s ‘making’ of the non-being that is matter in terms of a ‘movement’ of soul (φερομένη), and has said so. 42 Collette-Dučić follows an attempted summary of my thesis with the comment: ‘Si cette explication est juste, elle me paraît toutefois encore insuffisante’ (Plotin et l’ordonnancement de l’être, 105). 43 C OLLETTE-D UČIĆ, Plotin et l’ordonnancement de l’être, 105. I reproduce the author’s own italics. Collette-Dučić’s ‘opposition’ I take to be Plato’s ἀντίθεσις (258b1, see also 258e6: ἀντιτιθέμενον). ‘Contrariété’ I take to be Plato’s ἐναντίον (Sph. 257b2–3, 258e8, et alibi). The Stranger’s thesis (Sph. 257b1–259b7) is that a ‘negation’ of being, and therefore ‘non-being’, is ‘opposed’ to being, but is not therefore a ‘contrary’ of being. See Part I, § 2.4 above. 44 C OLLETTE-D UČIĆ, Plotin et l’ordonnancement de l’être, 105, with the author’s own italics and angular brackets (the significance of which escapes me, unless perhaps designed to soften the contradiction of a terme that is indé-term-iné).
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7.3 Collette-Dučić has adopted an impossible solution to an unreal problem. The reason why Plotinus has avoided identifying matter with the Stranger’s ‘contrary’ of being, the puzzle Collette-Dučić has chosen to set himself, cannot be that, had he done so, he would have ‘reified’ matter by making it therefore ‘un être déterminé’. If matter had been identified with the Stranger’s ‘contrary’ of being, then it would not have participated in being at all. Far from becoming, as Collette-Dučić supposes, an ‘être determiné’, it would not have been an ‘être’ at all. 8.1 In putting forward his revised interpretation of the use Plotinus has made of non-being in the Sophist, Collette-Dučić seems not to have fully understood the implications of the Stranger’s distinction between negation and contrariety (257b1–c4).45 The immediate meaning of the passage can be summarised easily enough. Neither the equal nor the small participates in largeness. Both are therefore ‘not large’, but only the small is the contrary of large. ‘Equal’ therefore illustrates a negation that is not a contrary, and in so doing provides an analogue for the form of non-being, a form that is likewise a negation, but not a contrary. 8.2 The detail is more difficult, in so far as the negation exemplified by the two terms of the analogy (Sph. 257b1–c4) is not the same. (i) What is equal is ‘not large’ for the simple reason that it cannot participate in largeness: what is equal to x, cannot be larger than x.46 (ii) ‘Non-being’ (the form) does participate in being. It is therefore a negation of being only in so far as it is not identical to being.47 Despite the discrepancy, participation in the one case (non-being) and not in the other (non-large), the analogy does what it has been called upon to do, in providing a model for a negation that is not a contrary. (i) Equal, ‘non-large’, is a negation, but not the contrary, of large. (ii) ‘Non-being’ is likewise a negation, but not a contrary, of being.
C OLLETTE-D UČIĆ, Plotin et l’ordonnancement de l’être, 104–106. For the passage in question (257b1–c4), quoted by Collette-Dučić (p. 105) supposedly in support of his interpretation, see above Part I, § 2.4. 46 A pair of equal things can of course participate in largeness in relation to some third thing, but not in relation to one another. 47 It is true that, for ‘large’ no less than for ‘being’, the negation may indicate a lack of identity: whatever participates in largeness is not identical to largeness, and is in that sense ‘not large’ (for the principle, see 256a10–b5). But to make his point more cogently, the Stranger chooses to illustrate a negation that is not a contrary (257b1–c4) by something that is ‘not large’ in an everyday sense: ‘not large’ because it does not participate in largeness. ‘Equal’ exactly fits the bill. It excludes participation in largeness, and is therefore, in an everyday sense, ‘not large’. But it is not, for that reason, the contrary of large. See the continuation of my main text, above. 45
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8.3 Negation (257b9: ἀπόφασις) does not therefore exclude contrariety. The Stranger does not deny that we may ‘speak of ’ a contrary term by using a negation, as we so obviously do when we ‘speak of ’ the small as ‘not large’ (257b6: εἴπωμεν). The point he insists on is that that is not what negation ‘means’ (cf. 257b9: σημαίνειν). (i) Of two contrary terms, one is always the negation of the other. The contrary of x is ‘not x’: the large is ‘not small’, and the small is ‘not large’. (ii) But the converse is not true. Negation does not of itself express contrariety: what is equal is ‘not large’, but it is not therefore the contrary of large. We are free therefore to speak of ‘non-being’, without our use of the negation pointing to an impossible contrary of being. The distinction is essential to Plato’s definition of a ‘form that is of what is not’ (Part I, § 2.4), and no less essential to his critique of Parmenides (cf. § 3.3 above). 9.1 It does not at all follow that a contrary of being, if there were one, could participate in being, as it would have to do if it were be, as ColletteDučić seems to think it is (§ 7.1 above), an ‘être déterminé’. Contrariety, for Plato’s Stranger (cf. 250a8–10, 252d2–11), excludes participation. The exclusion applies with equal force to both terms of the analogy (cf. 257b1– c4). (i) The contrary of large cannot participate in largeness. (ii) The contrary of being, if there were one, could not participate in being. For Plato’s Stranger, there could no more be a contrary of being that participates in being than there could be a contrary of large that participates in largeness. 9.2 If Collette-Dučić’s contrary of being, defined as an ‘être déterminé’ (§ 7.1 above), and therefore as participating in being, were to have a place at all in the Sophist, it could be only as one of the many puzzles stemming from Theaetetus’ naïve assumption that we can indeed think of ‘what is not in anyway at all’ (237b7–9), puzzles that, in the course of the dialogue, will be cleared away by the Stranger’s analysis of the megista gene (254d4 sqq.). Once we have reached the haven of the Stranger’s own theory, there can be no foothold for a contrary of being that would be an ‘être déterminé’. Far from hovering in the wings as a potential rival for Plotinus’ definition of matter as non-being (more or less the implication that Collette-Dučić seems to have in mind, see again § 7.1 above), a contrary of being that would be an ‘être déterminé’, and therefore a contrary of being that participated in being, in the context of the Stranger’s theory would be quite simply meaningless, a contradictio in terminis. 9.3 I am very willing to believe that my ‘explication’ of the use Plotinus makes of Plato’s theory of non-being is, as Collette-Dučić tells me it is, ‘insuffisante’.48 But is Collette-Dučić’s interpretation an improvement? Is it 48
C OLLETTE-D UČIĆ, Plotin et l’ordonnancement de l’être, 105. See § 7.1 above.
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even a viable interpretation at all? The claim that, for being as for largeness or for beauty, there is, or could be, a contrary term that is an ‘être déterminé’, a term that Plotinus has therefore had to avoid in his adaptation of Plato’s theory, betrays a radical misunderstanding of the fundamentals of Plato’s theory of negation and contrariety.49 10.1 Christian Schäfer objects to my writing of the soul’s making of matter as both ‘necessary’ and ‘innocent’. Although the descent of soul is not the result of choice (see Part I, § 13), it is nonetheless a hamartia and cannot therefore, so Schäfer claims (quoting ‘IV 8 [6] 4.1 ff.’), be counted as ‘innocent’.50 R. Hamartia is a word with a wide range of meanings, from ‘sin’ in the New Testament to something as trivial and involuntary as a ‘slip of the pen’ in a later writer.51 With so wide a range of potential reference, it is hardly surprising that, in the continuation of the passage Schäfer has quoted, Plotinus carefully and explicitly distinguishes (IV 8 [6] 5.16–18) a pre-lapsarian and a post-lapsarian hamartia. (i) The first is an expression of soul’s response to her divine ‘mission’ to care for the world (cf. 5.10–16), and is the ‘cause’ of her descent. (ii) The second relates exclusively to soul’s behaviour when, as the result of her descent, she finds herself in the material world. Only the latter is associated with the ‘doing of evils’ (see Part I, § 15.2). A soul not engaged in ‘evil doings’, in current English, may properly be characterised as ‘innocent’. 10.2 Elsewhere Plotinus states specifically that souls that are not in matter are ‘pure’ (Part I, § 15.1). ‘Pure’ and ‘impure’, in French as also in 49 The argument of this section (§ 9) and of the section preceding (§ 8) will be fully meaningful only for the reader already familiar with the fragments of Parmenides’ poem and with the plot of Plato’s Sophist. Anyone not in that happy position will need to catch up on the two publications listed at the beginning of the Bibliographical Note. His more enlightened confrère, on reading that ‘the contrary of being, if there were one, could not participate in being’ (§ 9.1 above), will at once have understood: ‘and that is just why there isn’t one’. There is and there can be no contrary of being, precisely because a contrary of being could not ‘be’. Plotinus does at one point explore the possibility of contrariety in relation, not to ‘being’, but to ‘substance’ (I 8 [51] 6). The passage, not included in this synopsis, does not modify the opposition of being and non-being adopted in the earlier chapters of the same treatise (I 8 [51] 2–3, see Part I, §§ 3.3 and 4). 50 C. SCHÄFER, Das Dilemma der neuplatonischen Theodizee. Versuch einer Lösung, Archiv für Geschichte der Philosophie 82 (2000), 1–35 (see esp. p. 29). Repeated, not quite verbatim, in the same author’s monumental Unde malum. Die Frage nach dem Woher des Bösen bei Plotin, Augustinus und Dionysius, Würzburg 2002, 147. 51 G.W.H. LAMPE, A Patristic Greek lexicon, Oxford 1961, s.v. I, B, 1 (p. 81). The ambivalence explains the piquancy of the Platonic (possibly Socratic) aphorism (Protagoras 345e1–2) that may be translated either as ‘No-one makes a mistake willingly’ (if he does it willingly, it was not a ‘mistake’), or as ‘No-one does wrong willingly’ (the wrongdoer is the victim of circumstance or ignorance).
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English, in so far as those words are still used today in a moral context, almost invariably refer to sexual purity. That is not, I think, what Plotinus has primarily in mind (if at all). ‘Innocence’ seems to me as good a periphrasis as any for describing the state of a soul that is not implicated in matter and therefore ‘pure’. The soul cannot be ‘evil’ except as a result of the presence of matter (a necessary, though not a sufficient, cause of evil in the soul), nor therefore can the soul lose her innocence prior to, or even contemporaneously with, the making of matter. 10.3 ‘Zumindest sich selbst schadet die ,innocente‘ Seele.’52 R. So it may seem to us, but would Plotinus have agreed? Even the soul that enters this world, so he writes a few lines later (IV 8 [6] 5.27–28), ‘has come to no harm’ (οὐδὲν βέβλαπται), ‘if she makes haste to escape’. The soul, to be ‘evil’, has to be present in matter and has to let herself be contaminated by matter (see Part I, § 14). The soul that has not (yet) ‘made’ matter, cannot fulfil either condition (cf. Part I, § 15), and cannot therefore be counted as a soul that has already come to harm as a result of her association with matter. 10.4 The modern reader, preoccupied with questions of ‘right’ and ‘wrong’, may nonetheless still hope to cling to Schäfer’s assumption. The soul’s departure from the higher world, her ‘fall from grace’, so he may think, cannot but be seen as in some way a moral failing, and therefore as ‘harm’ that the soul has inflicted upon herself (cf. ‘sich selbst schadet’), even before her association with matter… R. However appealing, however obvious even, to a modern sensibility, this is not the picture painted in the Enneads. In his careful, even tortuous, balancing of the pro’s and con’s attaching to the descent of soul in the treatise that Plotinus has devoted almost exclusively to this question (Enn. IV 8 [6]), there is no indication that the soul’s action in embracing ‘voluntarily’, even though not ‘choosing’, the ‘necessity’ imposed upon her by the place she has been given in the scheme of emanation (cf. IV 8 [6] 6–7), and in therefore descending to this world, is to be seen as an action that is ‘harmful’ in itself, independently of whatever the outcome may be for the individual soul in her life on earth. 10.5 Did Plotinus ever change his mind? In the last words of his last treatise (Enn. I 7 [54] 3.19–22), written shortly before he died (Vita 6.15– 25), he does ask himself, sadly, whether life in the body is not, after all, ‘an evil of itself’ (3.19–20: κακὸν παρ’ αὐτῆς). When Plotinus wrote those words, he was in the throes of his final illness, separated from his friends, almost blind, his hands and feet covered with sores: Porphyry’s description of Plotinus’ final months and weeks (Vita 2.11–15) explains the pessimistic 52
SCHÄFER, Das Dilemma, 29 n. 64. Cf. Unde malum, 147 n. 287.
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turn his thoughts have taken. Does the undoubted pessimism, at such a time, point to a change in doctrine or belief? Read the rest of the sentence: if it is so, if life in the body is ‘an evil of itself’, then the virtuous soul must seek separation from the body (3.20–22), and therefore recognise that death is not an evil (cf. 3.16–19). In his last difficult days, Plotinus looks for comfort to the Phaedo. Any ancient Platonist would have done the same. 11.1 Zeke Mazur takes Schäfer’s objection a stage further, by claiming that a pair of passages where Plotinus writes of tolma in relation (i) to the descent of soul (V 1 [10] 1.1–19) and (ii) to the separation of Intellect from the One (VI 9 [9] 5.24–38) would convict Plotinus of ‘inconsistency’ and ‘hypocrisy’, if the theory of the Enneads were as I suppose it to be.53 R. (i) In the first passage quoted (V 1 [10] 1.1–19), Plotinus says only that tolma is ‘the beginning of evil’ (1.3–5), and before the chapter is out he is clearly addressing souls that have already entered the material world (1.22–23). The ‘audacity’ of soul’s descent is therefore in no way ‘inconsistent’, as Mazur appears to think it is, with the role of matter as a necessary, but not a sufficient, cause of evil in the soul, subsequent to her descent (see Part I, § 14).54 (ii) In the supposedly parallel passage (VI 9 [9] 5.24–38), there is no mention of ‘evil’ at all. The ‘audacity’ of Intellect in separating itself from the One (VI 9 [9] 5.24–38) implies no ‘hypocrisy’ in Plotinus’ criticism of the Gnostics, who did believe, as Plotinus himself very emphatically does not (cf. I 8 [51] 2.25–28), that evil is to be found even in the higher world (see Part I, § 16). 11.2 Plotinus does sometimes sail close to the wind when he takes over traditional themes and expressions, of which tolma is one. But there is no blurring of the boundary in the passages Mazur has quoted. Mazur’s two references to tolma give no indication that the soul is evil prior to her arrival in this world (in V 1 [10] 1.1–19), still less that evil is present at the level of Intellect (in VI 9 [9] 5.24–38). Neither passage gives ground for ascribing to Plotinus himself the belief that evil has a place in the higher realities, independently of the presence of matter. Exactly the thesis that 53 Z. M AZUR, Plotinus’ philosophical opposition to Gnosticism and the implicit axiom of continuous hierarchy, in: J.M. FINAMORE/R.M. BERCHMAN (ed.), History of Platonism, Plato redivivus, New Orleans 2005, 95–112 (see esp. pp. 100–102). 54 A ‘descent’ may be counted as a ‘beginning’ of evil in so far as, consequent upon her descent, the soul will find herself in a world where her powers are circumscribed by the presence of matter (I 8 [51] 14), a world therefore where undue weakness on her part will prove to be both a part cause and a sufficient condition of evil in the soul. It does not at all follow that ‘descent’ is therefore to be counted as in itself an evil act, an evil as it were already consummated. See again § 10.4 above.
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his account of matter and non-being, so one would have thought, has been designed to avoid. 11.3 The origin of error is to be found earlier in Mazur’s article, when he claims (i) that Plotinus’ scheme of emanation ‘certainly does not allow the possibility of any true primordial evil’ and (ii) that, ‘properly speaking’, Plotinian matter, what Mazur calls ‘evil-matter’, cannot ‘even be said to “exist”’.55 R. Both claims are manifestly false. (i) Plotinus asserts, as clearly and plainly as he knows how (I 8 [51] 3–4), that matter is both ‘primal evil’ (3.39: πρῶτον κακόν) and ‘intrinsically evil’ (3.39–40: καθ’ αὑτὸ κακόν). (ii) Mazur’s companion claim that, ‘properly speaking’, ‘evil-matter’ cannot ‘even be said to “exist”’, if it were true, really would make the theory of the Enneads ‘inconsistent’, since Plotinus explicitly refers to the thesis whereby matter would not exist at all, both as a thesis opposed to his own (I 8 [51] 11.6–7) and as one that has been sufficiently refuted by his own earlier logoi on the subject of matter (15.1–3, a transparent allusion to Enn. II 4 [12], esp. 12.20–37). If there were no matter, so he states explicitly (7.2–4), the world as we know it now would not exist. 11.4 The repeated disclaimer (I 8 [51] 7.2–4, 11.6–7 and 15.1–3) is hardly surprising. A denial of the very existence of matter would leave the elaborate ‘theodicy’ of the Enneads without point or purpose, in so far as the answer to the question ‘What are evils, and where do they come from?’ (cf. Enn. I 8 [51]) would then presumably have been simply that there aren’t any. That is not Plotinus’ answer to the problem of evil. Mazur’s bold assertion that, in describing matter, and therefore evil, as ‘non-being’, Plotinus denies the very existence of matter, and presumably therefore also of evil, betrays a widespread but radical misunderstanding of the philosophy of the Enneads, a misunderstanding that my oral contribution to the colloquium, not included in these Proceedings, aimed to correct.56 Bibliographical Note Essential background to my understanding of non-being in Plotinus is to be found in a monograph on Plato’s Sophist,57 and in an edition of the
M AZUR, Continuous hierarchy, 108 (the author’s own scare-quotes). I therefore leave here in abeyance exploration of the point that, in later writers (Proclus, Augustine, the author of the Divine names), a different understanding of the relation of matter and evil will lead to the claim that evil is αὐτὸ μηδαμῶς μηδαμῆ μηδὲν ὄν (De div. nom. iv 33), a claim that is made as part of an extended criticism of Plotinus (iv 28–35). 57 D. O’BRIEN, Le Non-Etre. Deux études sur le Sophiste de Platon, Sankt Augustin 1995. 55 56
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Denis O’Brien
fragments of Parmenides, complete with translation and commentary.58 Publications relating specifically to Plotinus may be found conveniently listed in Dufour’s Bibliography.59 Not included are a couple of items that have appeared since the publication of Dufour’s latest instalment,60 and more recently still an article in three parts, entitled ‘Plotinus on the making of matter’.61 Among the items that are included, one very pardonable error needs correction. Despite the similar sounding title, an essay in French, ‘Le nonêtre dans la philosophie grecque: Parménide, Platon, Plotin’, is not, as it is said to be in Dufour’s Bibliography (p. 115, no. 1002), the same as the text of a Keeling Memorial Lecture delivered at University College London in 1989, published as ‘Non-being in Parmenides, Plato and Plotinus: A prospectus for the study of ancient Greek philosophy’.62 I do also need to point out, since it has not been noted by Dufour, that there are two versions of my contribution to The Cambridge companion to Plotinus, published by the Cambridge University Press. The first is to be found in the original printing of the volume, in 1996, the second in a later
D. O’BRIEN, Etudes sur Parménide, publiées sous la direction de P. A UBENQUE, tome i, Le Poème de Parménide. Texte, traduction, essai critique, en collaboration avec J. FRÈRE pour la traduction française, Paris 1987. See also my two contributions to tome ii, Problèmes d’interpretation, 135–152: ‘L’être et l’éternité’, and 314–350: ‘Problèmes d’établissement du texte.’ For the faint-hearted, the first volume has a translation of the fragments into English, and a generous summary, in English, of the Essai critique. 59 R. D UFOUR, Plotinus. A Bibliography 1950–2000, Leiden/Boston 2002, 113–115 (nos. 983–1004). See also Bibliographie Plotinienne: 2000–2009, Etudes Platoniciennes 6 (2009), 295–365 (see p. 338, no. 492). 60 Plotin, La question du mal, Cahier d’études Lévinassiennes 8 (2009), 295–317, and Le non-être et l’altérité. Plotin et ses prédécesseurs, in: Aglaïa. Autour de Platon, Mélanges offerts à Monique Dixsaut, Paris 2010, 447–469. 61 Plotinus on the making of matter, The international journal of the Platonic tradition 5 (2011), 6–57: ‘Part I: The identity of darkness’, 209–261: ‘Part II: “A corpse adorned” (Enn. II 4 [12] 5.18)’, 6 (2012), 27–80: ‘Part III: The essential background.’ 62 Le non-être dans la philosophie grecque: Parménide, Platon, Plotin, is my contribution to Etudes sur le Sophiste de Platon, publiées sous la direction de P. A UBENQUE, Napoli 1991, 317–364. The essay is reprinted, with acknowledgment, in Le Non-Etre. Deux études sur le Sophiste de Platon, 1–39. The text of the Keeling Memorial Lecture, ‘Non-being in Parmenides, Plato and Plotinus. A prospectus for the study of ancient Greek philosophy’, after persistent but unsuccessful attempts at censorship, was included in R.W. SHARPLES (ed.), Modern thinkers and ancient thinkers, The Stanley Victor Keeling Memorial Lectures at University College London, 1981–1991, London 1993, 1–26. 58
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publication of the volume, ‘reprinted with corrections’ in 1999.63 The earlier version is deeply flawed. See the ‘Important Note’, added to p. 195 of the corrected reprint: ‘The original printing of this chapter (1996) contained numerous and significant errors for which I am in no way responsible.’
63 Plotinus on matter and evil, in L.P. G ERSON (ed.), The Cambridge companion to Plotinus, Cambridge 1996, reprinted with corrections 1999, 171–195 (the pagination is the same in the two printings).
IV. Ausblicke
Ursprung des Bösen und körperliche Existenz MARIE-HÉLÈNE CONGOURDEAU
(aus dem Französischen übersetzt von Hermann Krapoth, Göttingen) In den meisten antiken Denkschulen rund um das Mittelmeerbecken begegnet die Vorstellung, dass das Böse keine natürliche, sondern eine akzidentelle Gegebenheit ist. Die Welt sollte gut sein; sie war es ursprünglich, aber dann ist etwas passiert, was nicht hätte eintreten dürfen. Der Ursprung des Bösen ist ein Unglücksfall, eine Urkatastrophe, ein Bruch zu Anbeginn der Zeiten. Wie ist das Vorhandensein der Materie in diesen Grundzusammenhang einzuordnen, oder genauer: welche Stellung kommt dem Menschen (als einem aus einer Seele und einem materiellen Körper zusammengesetzten Wesen) in Bezug auf die Katastrophe zu, aus der das Böse hervorgegangen ist? Mit anderen Worten: ist die Materie, aus der der menschliche Körper gebildet ist, Ursache, Folge oder Opfer des Bösen? Der hier gewählte thematische Zugang zu diesem Problem schließt eine chronologische Darstellung der verschiedenen Denkströmungen aus. Unser Ausgangspunkt wird so das dritte nachchristliche Jahrhundert sein. Von dort gehen wir dann zurück in der Zeit. Der Weg führt uns von Plotin zu Platon, wobei uns natürlich völlig klar ist, dass jeder ursächliche Zusammenhang nur in umgekehrter Richtung erschließbar ist. 1. Die Materie als Ursache des Bösen Im dritten Jahrhundert begegnet eine Theorie, die die Materie zur Ursache für das Vorhandensein des Bösen erklärt. Wir beginnen mit dieser Theorie, weil wir sie dann umso leichter beiseite lassen können, denn sie bildet nicht den Angelpunkt unserer Überlegungen. Nach dieser Theorie ist die immaterielle, die intelligible oder geistige Welt vollkommen, und nur durch die Berührung mit der Materie tritt die Unvollkommenheit und folglich das Böse in diese Welt ein. Diese Theorie erscheint in doppelter
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und gegensätzlicher Gestalt, d.h. als philosophischer Gedanke und als Mythos. Die philosophische Reflexion: Plotin In Schrift 51 widmet sich Plotin1 dem Ursprung des Bösen (πόθεν τὰ κακά). Sein Ziel ist zu zeigen, dass das Böse „eine Art und Weise des Nichtseins“ ist, „etwas an sich Unbegrenztes und Formloses.“ Die „Wirklichkeit selbst des Bösen“, das „Böse an sich“ oder „erstes Böses“ ist die „zugrundeliegende Natur“ ohne Grenzen und ohne Form, mit anderen Worten, die materielle Natur (§ 3). In dem Maße, wie die Seele Anteil an dem aus Materie gebildeten Körper hat, kann von ihr selbst gesagt werden, sie sei schlecht. Plotin, Schrift 51,4 2 Nun erstlich ist eine Seele von solcher Beschaffenheit nicht außerhalb der Materie, noch rein für sich … denn sie ist einem Leibe eingegeben, und der hat Materie. Sodann wird aber auch das Denkvermögen, wenn es Schaden nimmt, am Gehen verhindert durch die Leidenschaften, durch Überdunkelung mit Materie, durch Neigung zur Materie hin, überhaupt dadurch, daß es nicht zum Sein, sondern zum Werden hinschaut, dessen Ursprung aber ist die Materie; und diese ist so böse, daß sie schon ein Ding, das gar nicht in ihr ist, sondern lediglich auf sie hinblickt, erfüllt mit der ihr eigenen Bosheit; denn schlechterdings des Guten bar, dessen Beraubung und völliger Mangel sie gerade ist, weiß sie sich anzugleichen jedes Wesen, das auch nur von ferne an sie rührt.
Die schlechte Seele besitzt ihr böses Wesen aufgrund der Mischung mit dem aus Materie gebildeten Körper. Sogar der immaterielle Teil der Seele zieht sich das Böse der Materie schon allein dadurch zu, dass er sie ansieht.3 Plot. 51 = Enn. I 8. R. H ARDER (Hg.), Plotins Schriften, Bd. V: Die Schriften 46–54 der chronologischen Reihenfolge, übersetzt von R. H ARDER, Neubearbeitung mit griechischem Lesetext und Anmerkungen fortgeführt von R. BEUTLER/W. T HEILER, Hamburg 1960, 207–208. Bei den Zitaten sind nach Möglichkeit die von der Verfasserin herangezogenen französischen Übersetzungen durch vorliegende deutsche Übersetzungen ersetzt worden. In Ergänzung wird aber auch auf die jeweilige französische Übersetzung verwiesen. Hier: L. LAVAUD, Plotin, Traités 51–54; Porphyre, Vie de Plotin, Traductions sous la direction de L. BRISSON/J.-F. PRADEAU, Paris 2010, 44 (Anm. des Übersetzers). 3 Das Motiv des Blicks, des Spiegels und der Spiegelung für die Darstellung des Seelensturzes findet sich bei verschiedenen philosophischen und gnostischen Schulen des Altertums. Bekannt ist der Mythos des in sein Spiegelbild im Wasser verliebten Narziss. Im orphischen Mythos wird Zagreus in dem Augenblick von den Titanen angegriffen, als er sein Bild in einem Spiegel betrachtet. In Schrift 53 von Plotin sehen die menschlichen Seelen ihr Bild im Spiegel des Dionysos und stürzen nach unten. Im hermetischen Traktat Poimandres verliebt sich Anthropos in sein Spiegelbild im Wasser. In einigen 1 2
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Die Materie ist nicht nur schlecht, sondern sie verleiht die Schlechtigkeit auch allem, was in Beziehung zu ihr tritt. Sie kann also als Ursache des Bösen angesehen werden. Der Mythos: Mani Zur selben Zeit entwickelt sich im mythischen Denken des Manichäismus eine sehr ähnliche Vorstellung. Hier besetzt eine mythische Erzählung den Platz der rationalen philosophischen Reflexion, aber die geistige Grundanschauung, die sich in diesen gegensätzlichen Zugangsweisen ausdrückt, ist gleich.4 Für den Mythos von Mani gehört, wie man skizzenhaft zusammenfassen kann, die Materie zum Reich der Finsternis, das von Ewigkeit her dem Reich des Lichts entgegengesetzt ist. Ursprünglich (erste Phase) waren die beiden Reiche getrennt. Die Welt, wie wir sie kennen, ist als Mischung von Geist und Materie (zweite Phase) das Ergebnis eines Angriffs des Reichs der Finsternis gegen das Reich des Lichts. Die dritte Phase wird eintreten, wenn die in der Materie gefangenen Lichtteile fortschreitend befreit werden und wieder in das Reich des Lichts gelangen, welches erneut unabhängig von der Materie geworden sein wird. Alexander von Lykopolis, ein platonischer Philosoph, Zeitgenosse der ersten manichäischen Missionare und einer ihrer ersten Gegner, stellt in folgender Weise die Erzählung der zweiten Zeitphase dar: Alexander von Lykopolis, Gegen die Lehren Manis 5 4,23–5,1: Als Prinzipien setzte er [Mani] Gott und Hyle an; Gott sei gut, die Hyle schlecht. 5,15–6,1. … Die Hyle habe einmal die Begierde erfaßt, an den oberen Ort zu gelangen, als sie aber (dorthin) gekommen war, habe sie den Glanz und das Licht, das bei Gott war, bewundert und habe durch die Verdrängung Gottes diese Herrschaft ergreifen wollen. Dieser habe sie zwar bestrafen wollen, sei aber nicht im Besitz von etwas Schlechtem, um damit zu bestrafen; denn im Hause Gottes gebe es nichts Schlechtes. Da habe er eine Kraft, die von uns Seele genannt wird, gegen die Hyle ausgesandt, die sich mit ihr gänzlich vermischen sollte. Denn die spätere Trennung von dieser Kraft würde für die Hyle der Tod sein. So sei also nach der Vorsehung Gottes die Seele mit der Hyle vermischt worden. gnostischen Texten (Apokryphon des Johannes, Hypostase der Archonten, Ägypterevangelium) bilden die Archonten den irdischen Adam nach dem Bild des ersten Menschen, wie es sich in den Wassern der unteren Welt spiegelt. 4 Wir übergehen die komplexe Frage der wechselseitigen Einflüsse. 5 Deutsche Übersetzung: A. BÖHLIG/J.P. A SMUSSEN, Die Gnosis, Bd. III: Der Manichäismus, Zürich/München 1980, 130–131. Französische Übersetzung: A. V ILLEY, Alexandre de Lycopolis, Contre la doctrine de Mani, Sources gnostiques et manichéennes 2, Paris 1985, 58–59.
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Dass wir diesen Text Alexanders von Lykopolis gewählt haben, obwohl wir manichäische Texte besitzen, hat rein praktische Gründe. In den manichäischen Quellen findet sich der Mythos verstreut in verschiedenen Texten, aber keiner von ihnen bietet eine synthetische Sicht, die mit Alexanders Text vergleichbar wäre.6 Alexander übersetzt den Mythos von Mani unter Rückgriff auf sein eigenes Vokabular. Dieser Mythos selbst war wiederum abhängig von den Bildern, die aus dem Mazdaismus stammten. So entspricht für Alexander das Reich des Lichtes „Gott“ und dem „Guten“, das Reich der Finsternis der „Materie“ und dem „Bösen“. Der Philosoph verstärkt so in radikaler Weise die Rolle der Materie in ihrer Verantwortlichkeit für die Katastrophe zu Beginn der Mischung von Seele und Körper.7 Man muss jedoch anmerken, dass in dieser Erzählung die Körperlichkeit des Menschen („die Mischung von Seele und Materie“) nicht gänzlich schlecht ist, denn sie ist in Wirklichkeit ein von Gott ersonnenes Mittel, um die Materie zu vernichten und die Lichtteile, die Gefangene der Finsternis sind, zu befreien.8 Man kann in dieser Vorstellung den Einfluss gewisser platonischer Schulen erkennen, die unter dem Einfluss des Timaios in der Vereinigung von Seele und Körper das Ergebnis eines göttlichen Plans im Hinblick auf eine Rückkehr zum Guten sehen. Man wird bei der Lektüre auch nicht den folgenden Satz übersehen haben: „… denn im Hause Gottes gebe es nichts Schlechtes.“9 Dadurch wird das Göttliche ganz und gar von der Verantwortung für das Böse entlastet. 6 Manichäische mythische Elemente sind insbesondere in den Kephalaia zugänglich, die für die Unterweisung der Adepten ausgearbeitet worden sind. Vgl. I. G ARDNER, The Kephalaia of the Teacher. The Edited Coptic Manichaean Texts in Translation with Commentary, Nag Hammadi and Manichaean Studies 37, Leiden 1995. 7 In diesem Mythos finden sich auch wie bei den Philosophen die Motive und Themen des Blicks, des Begehrens und der Mischung wieder. 8 Im Manichäismus entwickelt sich das Bild von der „an die Materie gekreuzigten Seele“ (ἐσταυρωμένη τῇ ὕλῃ). Nemesios von Emesa beschreibt in folgender Weise den Purifikationsprozess der Manichäer: „Sie wollen, dass die Seele im eigentlichen Sinne in den Elementen ist, dass sie sich von ihnen trennt bei der Erzeugung der Körper und dass sie sich erneut mit sich selbst vereinigt, wenn die Körper aufgelöst werden, so wie das Wasser, welches geteilt wird, erneut zusammenfließt und sich mischt. Die reinen Seelen gehen zum Licht, sie, die Licht sind, während diejenigen, die durch die Materie verunreinigt sind, zu den Elementen laufen und erneut von den Elementen zu den Pflanzen und den Tieren.“ (Nemes. Nat. hom. 2,33,5-10 Morani; PG 40,577). 9 Dieser der biblischen Tradition sehr nahestehenden manichäischen Sicht entspricht auffälligerweise ein Vers von Francis Jammes: „… car il n’y a pas d’enfer au pays du BonDieu“ („… denn im Land des gütigen Gottes gibt es keine Hölle“. F. JAMMES, Prière pour aller au Paradis avec les ânes, in: ders., Le Deuil des primevères 1898–1900, Paris 1967, 143). Vgl. auch J.-M. G ARRIGUES, Dieu sans idée du mal, Paris 1997.
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2. Die Körperlichkeit des Menschen als Folge des Bösen In einer zweiten geistigen Strömung wird die Perspektive umgekehrt. Die Materie ist nicht mehr die Ursache des Bösen, sondern in der Umkehrung gilt die Körperlichkeit des Menschen als Konsequenz eines Bösen, einer Katastrophe. Diese Strömung verteilt sich auf zwei Lehren. Für die eine besteht die Materie von Anfang an. Dass eine spirituelle Seele an diese Materie gebunden wird, ist das Ungewöhnliche. Für die zweite Lehre gilt die Existenz der Materie selbst als Folge eines Unglücksfalls. Für diese beiden Lehren erscheint die Körperlichkeit des Menschen als Ergebnis einer Katastrophe, die sich innerhalb der intelligiblen Welt ereignet hat. Die wichtigste Abweichung zwischen diesen beiden Lehren betrifft die Frage, worin die Katastrophe besteht. Das Versagen der Seele und ihr Fall: Platon Im fünften vorchristlichen Jahrhundert ist insbesondere von Platon das Thema des Falls der Seele entwickelt worden. Ich halte mich allein an diesen Aspekt in Platons Philosophie und übergehe die anderen Mythen und kosmogonischen Deutungen, insbesondere die mythische Vorstellung im Timaios, die den Gedanken der Katastrophe ausschließt. Der Fall der Seele ist im übrigen nicht eine Eigentümlichkeit bei Platon. Es handelt sich vielmehr um ein altes orientalisches Motiv,10 das Platon übernommen hat und im Menon in argumentativer Form (Wiedererinnerung als Beweis für die Präexistenz der Seele vor ihrem Eingang in den Körper), im Phaidros in mythischer Gestalt entwickelt. Platon, Phaidros 246a; 248c11 Es [das Wesen der Seele] gleiche daher der zusammengewachsenen Kraft eines gefiederten Gespannes und seines Führers … Wenn sie [die Seele] aber, unvermögend, es [das Gesetz der Adastreia. Es betrifft die Schau des Wahrhaften] zu erreichen, nichts sieht, sondern ihr ein Unfall begegnet, und sie dabei, von Vergessenheit und Trägheit angefüllt, niedergedrückt wird und so das Gefieder verliert und zur Erde fällt, [dann wird sie in einen Körper eingepflanzt].
Der Text ist hinreichend bekannt, so dass ich ihn im einzelnen nicht zu kommentieren brauche. Es reicht zu erkennen, dass ein Unglück (Verlust Vgl. die ältere, aber noch immer brauchbare Gesamtdarstellung von E. R OHDE, Psyche. Seelenkult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen, Tübingen 1907. 11 G. EIGLER (Hg.), Platon, Werke in acht Bänden, Griechisch und deutsch, Bd. V: Phaidros, Parmenides, Briefe, bearbeitet von D. K URZ, Deutsche Übersetzung von F. SCHLEIERMACHER/D. K URZ, Darmstadt 1990. Französische Übersetzung: L. BRISSON, Platon, Œuvres complètes, Paris 2008, 1262. 10
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der Flügel, durch Verfehlen der Schau) im Fall (die Seele fällt hinab) und im Eintreten in den Körper endet. Das materielle Körpersein des menschlichen Wesens ist das Ergebnis einer Hinfälligkeit der unkörperlichen Seele, eines Versagens, welches sich in der intelligiblen Welt vollzogen hat. So befindet sich die Seele zur Strafe für eine Verfehlung, die sie hat fallen lassen, im Körper wie in einem Gefängnis oder in einem Grab (σῶμα / σῆμα). Der Fall der Seelen in der Kore Kosmou Das Corpus Hermeticum, in dem Texte aus dem hellenistischen Ägypten gesammelt sind, bietet verschiedene Zugänge zum Thema des Heilsweges, auf dem die Seele wieder zu ihrem Ursprungsort aufsteigen kann.12 Einer dieser Zugänge ist der der Kore Kosmou mit einer besonderen Version des Falls der Seelen. In diesem Text erklärt Hermes (Trismegistos) seinem Sohn Horus, wie Gott die Seelen geschaffen habe, um die Welt zu beleben, und wie sich die Seelen seiner Aufsicht entzogen hätten. Kore Kosmou: Corpus Hermeticum, Fragmente 23,24–25.38–3913 (24) Und da sie [die Seelen] nun etwas Großes vollführt zu haben glaubten, so rüsteten sie sich auch schon zu einer maßlosen Verwegenheit: Sie handelten wider das Gebot, verließen ihre eigenen Bereiche und Wohnungen, sie wollten nicht länger an einem Ort bleiben, sondern trieben sich immer umher, und das Verweilen an einer Stätte scheuten sie wie den Tod. (25) Aber, mein Kind, wie mir Hermes sagte, konnte ihr Tun auch Gott, dem Herrn des Alls, nicht verborgen bleiben; er suchte nach einer Züchtigung für sie und nach einer Fessel, welche die Unseligen tragen sollten. Also beschloss der Führer und Herrscher des Alls, den Organismus des menschlichen Leibes zu bilden, damit in ihm das gesamte Geschlecht der Seelen seine Strafe erleide … (38) … denn der Monarch erschien, setzte sich auf den Thron der Wahrheit und sprach zu den Flehenden [den Seelen, die um das Ende oder die Begrenzung ihrer Qualen bitten]: … „Ihr aber, meine Seelen, die ihr meine nie alternde Herrschaft ehret, wisset, solange ihr unbefleckt bleibt, werdet ihr die Räume des Himmels bewohnen. 12 Vgl. zum Corpus hermeticum, abgesehen von den Arbeiten A.-J. FESTUGIÈRES, insbesondere seiner Edition des Corpus hermeticum in der CUF, J.-P. M AHE, Hermès en Haute-Égypte. Bd. I: Les textes hermétiques de Nag Hammadi et leurs parallèles grecs et latins, Bd. II: Le fragment du discours parfait et les définitions hermétiques arméniennes, Québec 1978–1982. 13 Deutsche Übersetzung: Die Hermetischen Schriften, Corpus Hermeticum, Deutsche Ausgabe mit Einleitungen und Kommentaren von M.M. M ILLER, Bearbeitet und herausgegeben von der Wiontzek-HERMETICA-Stiftung unter Mitarbeit von A. SCHMID, Hildesheim 2009. Französische Übersetzung: A.-J. FESTUGIÈRE, Corpus Hermeticum, Bd. IV, Paris 1972, 8–9.
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(39) Jenen aber unter euch, auf die ein Tadel fällt, soll das Schicksal zur Strafe einen Ort in sterblichen Organen zuweisen und dort sollen sie wohnen.“
Dieser Text drückt klar aus, was in dem oben zitierten Text Platons nur durchschien, nämlich die Einkörperung der Seelen als Strafe und als Gefängnis. Der Körper (bezeichnet als Organismus des Menschen) ist Instrument der Strafe. Die Körperlichkeit ist ausdrücklich die Folge eines Vergehens, dessen sich die noch unkörperliche Seele schuldig gemacht hat. Der Körper ist eindeutig die Folge, nicht die Ursache eines Übels oder Bösen. Die Katastrophe in der göttlichen Sphäre: die valentinianischen Gnostiker Bei Platon und in der Kore Kosmou ist die Seele verantwortlich für das Vergehen. Dagegen wird in anderen Denkschulen die menschliche Seele ganz und gar von der Schuld für den Absturz freigesprochen, der zu ihrer körperlichen Existenz führt. Hier liegt die Schuld bei der göttlichen Welt, bei einem Bruch innerhalb der Göttlichkeit. So ist es im zweiten nachchristlichen Jahrhundert bei den Anhängern von Valentinus. Zwar ist die valentinianische Lehre dank der in Nag Hammadi aufgefundenen Texte14 unmittelbar zugänglich, aber keiner dieser Texte bietet eine hinreichende Gesamtdarstellung, um diese Lehre klar vorstellen zu können. Irenäus, der genaueste unter den antiken Häresiologen, geht seinerseits zu sehr ins Detail.15 Deshalb übernehme ich Hippolyts zusammenfassende Darstellung. Er vertritt zwar eine polemische Position, bietet aber doch eine relativ getreue Zusammenschau der valentianischen Lehre. Hippolyt, Refutatio omnium haeresium (Philosophumena) VI 29–3016 (29) … Für sie ist das Prinzip des Alls die Monas, ungezeugt, unzerstörbar, unfaßbar, unbegreiflich, Erzeugerin und Daseinsursache aller existierenden Dinge; sie nennen diese Monas Vater. … der Vater existierte allein …, einsam, wie sie sagen, und einzig in sich selbst ruhend. Weil er aber zeugungsfähig war, so beschloß er einmal, das Schönste und Vollkommenste, was er in sich hatte, zu erzeugen und hervorzubringen. (Er zeugt und bringt Äonen hervor.) … 14 Eine französische Übersetzung der in Nag Hammadi aufgefundenen gnostischen Texte findet sich in J.-P. M AHE/P.-H. POIRIER et al. (edd.), Écrits gnostiques. La bibliothèque de Nag Hammadi, Bibliothèque de la Pléiade, Paris 2007. Deutsche Übers.: H.-M. SCHENKE (Hg.), Nag Hammadi Deutsch, 2. überarbeitete Aufl., Berlin 2010. 15 A. R OUSSEAU, Irénée de Lyon. Contre les hérésies, Texte et traduction, Sources chrétiennes 153, Paris 2006. 16 Deutsche Übersetzung: K. PREYSING, Des heiligen Hippolytus von Rom Widerlegung aller Häresien (Philosophumena), BKV 40, München 1922. Die nicht gedruckte Originalversion des vorliegenden Aufsatzes enthält eine von der Verfasserin angefertigte französische Übersetzung dieser Passage.
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(30) … Da der zwölfte von den zwölf und der jüngste der achtundzwanzig Äonen, ein weiblicher, Sophia genannt, überdachte, wie zahlreich und mächtig die Äonen seien, die gezeugt hatten, eilte sie hinauf in die Tiefe des Vaters und erkannte, daß die anderen Äonen alle, erzeugt, durch Paarung zeugen, daß der Vater allein ohne Verbindung erzeugt hat. Sie wollte es dem Vater nachtun und für sich ohne Gatten zeugen, auf daß sie ein Werk setze, das dem des Vaters nicht nachstehe; sie wußte eben nicht, daß der Unerzeugte, der da Prinzip und Wurzel und Tiefe und Höhe des Alls ist, allein imstande sei, zu zeugen, daß sie, die Sophia aber, da sie erzeugt und später als mehrere andere [Äonen] entstanden ist, die Kraft des Unerzeugten nicht haben könne. In dem Unerzeugten nämlich ist alles vereinigt, in den erzeugten Dingen ist das Weibliche das Substanzhervorbringende, das Männliche das, was der vom Weiblichen hervorgebrachten Substanz die Form gibt. Die Sophia vermochte also nur etwas ihrem Vermögen Entsprechendes hervorzubringen, eine formlose und ungeordnete Substanz. (Dieses Wesen ist der Demiurg, der dann die materielle Welt und den Menschen erschafft.)
Die Entstehung des Demiurgen, auf den der Ursprung der materiellen Welt zurückgeht, ist das Ergebnis der Verfehlung eines Äons, Sophias. Im Gnostizismus gehören die Äonen zur göttlichen Welt. Also ereignet sich die Katastrophe im Inneren des Göttlichen. Wie es auch darum bestellt sein mag, die materielle Welt, das Werk des Demiurgen, ist eindeutig die Konsequenz einer Katastrophe. In allen diesen Vorstellungen kann die Befreiung vom Bösen nur durch eine Befreiung vom körperlichen und materiellem Status, durch eine Rückkehr der Seele zu ihrer ursprünglichen Unkörperlichkeit ausgedrückt werden. Ganz anders verhält es sich im dritten Fall, dem wir uns jetzt zuwenden, der biblischen Tradition und ihren Erben, insbesondere dem Christentum.
3. Das körperliche Wesen als Opfer des Bösen: die biblische Tradition Auch die biblische Tradition sieht in der Existenz des Bösen die Folge einer originären Katastrophe (gewöhnlich „Sündenfall“ und seit Augustin „Erbsünde“ genannt). Die große Besonderheit dieser Tradition beruht auf der Bestimmung des Verhältnisses der materiellen Welt zur originären Katastrophe. Der biblische Bericht Der Bericht von dieser Katastrophe (deren Bezeichnung als „Fall“ – Sündenfall – ist die Folge einer Annäherung an den Fall der Seele im Platonismus und den darauf bezogenen Mythologien, denn im biblischen Bericht gibt es einen „Fall“ nur im metaphorischen Sinne) steht im 3. Kapitel der Genesis.
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Ich werde mich den Bibelversen nicht entsprechend ihrer im Text gegebenen Ordnung zuwenden, was aber nichts ausmacht, denn es steht fest, dass die Abfassung des ersten Kapitels der Genesis in jedem Falle nach der der Kapitel 2 und 3 liegt. LXX, Genesis 3,1–6; 21–24 17 Und die Schlange sagte zur Frau: Warum hat Gott gesagt: „Keineswegs esst ihr von irgendeinem Baum im Gartenpark!“ 2Und die Frau sagte zur Schlange: von der Baumfrucht des Gartenparks werden wir essen, 3von der Frucht des Baumes aber, der inmitten des Gartenparks ist, hat Gott gesagt, „ihr werdet nicht von ihm essen, und keineswegs berührt ihr ihn, damit ihr nicht sterbt“. 4Und die Schlange sagte zur Frau: Nicht werdet ihr des Todes sterben. 5Gott nämlich wusste, dass an dem Tag, da ihr von ihm esst, eure Augen geöffnet werden, und ihr werdet wie Götter sein, indem ihr Gut und Böse erkennt! 6 Und die Frau sah, dass der Baum gut als Nahrung und dass er für die Augen gefällig anzusehen und prächtig ist für das Verstehen und sie nahm und aß von seiner Frucht. Und sie gab auch ihrem Mann mit ihr und sie aßen … 21 Und Gott der Herr machte Adam und seiner Frau lederne Gewänder und bekleidete sie. Und Gott sagte: Siehe, Adam ist wie einer von uns geworden darin, Gut und Böse zu erkennen. Und nun, dass er nur nicht die Hand ausstrecke und nehme von dem Baum des Lebens und esse! Dann wird er auf ewig leben! 23Und Gott der Herr schickte ihn weg aus dem Gartenpark der Üppigkeit, um die Erde zu bearbeiten, aus der er genommen worden war! 24Und er warf Adam hinaus und siedelte ihn gegenüber dem Gartenpark der Üppigkeit an und er stellte die Cherubim und das flammende, sich hin und her wendende Schwert auf, um den Weg zum Baum des Lebens zu bewachen.
Der Fall des Menschen, der aus dem Paradies vertrieben und dem Leiden und dem Tod ausgesetzt ist, ist ganz klar die Folge eines Fehlverhaltens in Gestalt eines Ungehorsams. Ein katastrophales Unglück hat sich ereignet. Auf die von Gott nach dem Sündenfall als Bekleidung für Mann und Frau verliehenen „ledernen Gewänder“ werde ich noch zurückkommen. Einige Kommentatoren (unter ihnen an erster Stelle der jüdische Theologe Philon von Alexandrien) haben diese Gewänder als das körperliche Sein der Menschen gedeutet, welches somit erst nach dem Sündenfall in Er-
17 Deutsche Übersetzung: W. K RAUS/M. K ARRER (Hgg.), Septuaginta Deutsch. Das griechische Alte Testament in deutscher Übersetzung, Stuttgart 2009. Französische Übersetzung: M. H ARL et al. (edd.), La Bible d’Alexandrie, Paris 1986. Zwei Überlegungen waren für die bewusste Wahl der griechischen Bibel maßgebend: Die Nähe zu den übrigen zitierten Texten, die in der Mehrzahl im Original griechische Texte sind, und die Tatsache, dass die (jüdische) Übersetzung der Bibel vor der Entstehung des masoretischen hebräischen Textes liegt und uns näher in den Kontext der hier untersuchten Zeit versetzt. Für die hebräische Fassung können neuere Übersetzungen der Bibel herangezogen werden (z.B. Bible de Jérusalem; dt.: Neue Jerusalemer Bibel). Im übrigen differiert die Septuaginta, wenn nicht anders vermerkt, kaum von der hebräischen Version der hier betrachteten Textstellen.
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scheinung getreten wäre. Diese Deutung hat heftige Kontroversen ausgelöst. Ich möchte zunächst auf eine Besonderheit eingehen, nämlich die Rolle, die die Schlange spielt. Bevor der Mensch seinen Fehltritt tat, gab es im Garten schon einen Keim des Bösen. So ist das Fehlverhalten des Menschen eindeutig die Ursache seiner unglücklichen Lage, aber es ist nicht der Ursprung des Bösen oder des Übels im eigentlichen Sinne. In diesem Bericht des ersten Buches Mose (Genesis) bleibt die Rolle der Schlange ein Rätsel. Wo kommt sie her? Sie ist doch wohl von Gott zur selben Zeit wie die übrigen Tiere geschaffen worden, aber warum handelt sie so und treibt Adam und Eva zu ihrem Fehltritt? Das 3. Kapitel der Genesis ist tatsächlich später als andere biblische Texte entstanden, die seine Abfassung beeinflusst haben können. Das gilt für das Buch des Propheten Jesaja, der in bildhafter Sprache vom Sturz eines Engels berichtet (hier handelt es sich tatsächlich um einen Sturz, der auf altorientalischen Ursprung zurückgeht), einem Engelsturz, der dem des Menschen vorangeht und diesen hervorruft,18 oder gilt auch für einige Verse in Genesis 6, in denen der Fall geheimnisvoller Wesen erwähnt wird, die die Septuaginta als Engel deutet.19 Jesaja 14,12–15 Wie ist vom Himmel herabgefallen der Morgenstern, der früh aufgeht! Auf die Erde geschmettert wurde der, der zu allen Völkerschaften (seine Armeen) schickte! 13Du aber sagtest in deinem Sinn: In den Himmel werde ich hinaufsteigen, über die Sterne Gottes werde ich meinen Thron stellen, ich werde mich setzen auf einem hohen Berg, auf die hohen Berge gen Norden, 14ich werde hinaufsteigen über die Wolken, ich werde dem Höchsten gleich sein.“15 Nun aber wirst du in die Unterwelt hinabsteigen und in die Fundamente der Erde. 12
Genesis 6,1–2 Und es geschah, als die Menschen anfingen, zahlreich zu werden auf der Erde, dass ihnen Töchter geboren wurden. 2Als aber die Söhne Gottes sahen, dass die Töchter der Menschen schön sind, nahmen sie sich Frauen von allen, die sie sich auswählten.
Luzifer (der Morgenstern) ist ein Engel und gehört zur von Gott geschaffenen „unsichtbaren Welt“. In diesem Sinne deuten die jüdischen und christlichen Kommentatoren den ersten Vers des ersten Buchs Mose: 18 Das Buch Jesaja spricht hier mit dem Bild des Morgensterns von dem König Babylons, gegen den sich die prophetische Rede richtet. Dieser König wollte dem Himmel gleich sein, aber er ist tiefer gestürzt, als die Erde ist. Erst später wurden diese Verse als Beschreibung eines Engelsturzes gedeutet. 19 Vgl. zum Thema Engelsturz M. D ELCOR, Le mythe de la chute des anges et de l’origine des géants comme explication du mal dans le monde, dans l’apocalyptique juive, Histoire des traditions, RHR 190/1 (1976), 3–53.
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„Am Anfang machte Gott den Himmel und die Erde.“ Der Himmel sei die unsichtbare Welt, die Erde die sichtbare. Die „Söhne Gottes“ in Gen 6 sind andererseits sehr früh sowohl in den Targumim (aramäischen Deutungen des hebräischen Textes) als auch in der Septuaginta und der jüdischen apokalyptischen Literatur als gefallene Engel20 gedeutet worden. Jedoch bleibt die Beziehung dieser Mythen zur Rolle der Schlange in Gen 3 im Dunkeln. Wie es darum auch stehen mag, der Ursprung des Bösen liegt in der unsichtbaren, unkörperlichen Sphäre, wodurch die Gnostiker beeinflusst worden sein können. Luzifer aber, der zumindest hinter der Schlange des Gartens in 1. Mose 3 (Gen) steht, wenn er nicht sogar mit ihr identisch ist, ist Geschöpf. Die Verfehlung ereignet sich also nicht in der göttlichen Welt. Ebenso wie der Gott Manis trägt der biblische Gott keine Schuld am Bösen, aber im Gegensatz zum manichäichen Mythos ist auch die Materie unschuldig, denn die fehlbaren Engel sind körperlos. Die Griechen nennen sie ἀσώματοι. Hinsichtlich der Stellung der Materie hebt sich aber der biblische Mythos radikal von den übrigen Mythen über den Ursprung des Bösen ab. Hier kommt ein fundamentaler, den Zeitpunkt betreffender Unterschied ins Spiel, denn die Katastrophe tritt erst nach der Erschaffung der Körper ein, die Teil der göttlichen Schöpfertat ist („Am Anfang machte Gott den Himmel und die Erde“). Es gibt kein Anzeichen dafür, dass der Engelsturz vor der Erschaffung der sichtbaren Welt anzusetzen sein könnte, und, auch wenn dies der Fall wäre, kann keinerlei Zusammenhang zwischen diesem Engelsturz und der Erschaffung der Körper angenommen werden. Dies ist der Bericht von der Erschaffung des Menschen als körperliches und geistiges Wesen: Genesis 1,26–27.31; 2,7 Und Gott sprach: Wir wollen den Menschen machen nach unserem Bild und nach (der) Ähnlichkeit und sie sollen herrschen über die Fische des Meeres und die Flugtiere des Himmels und die Haustiere und über die ganze Erde und über alle Kriechtiere, die auf der Erde kriechen. 27Und Gott machte den Menschen. Nach dem Bild Gottes machte er ihn, männlich und weiblich machte er sie … 31Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, alles war sehr gut. 26
Die ursprüngliche griechische Übersetzung hatte von den „Engeln Gottes“ gesprochen, um jedem Verdacht, es handele sich um Polytheismus, zu entgehen. Der Ausdruck „Söhne Gottes“ in Entsprechung zum hebräischen Text ist eine spätere Korrektur. Vgl. M. H ARL et al. (edd.), La Bible d’Alexandrie, 1. La Genèse, 125, Anm. 6,2. 20
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Genesis 2,7 Und Gott formte den Menschen als Aufwurf von der Erde und blies in sein Angesicht Lebensatem, und der Mensch wurde eine lebende Seele.
In Gen 1 lesen wir also, dass die Schöpfung gut ist. Die Materie, der Körper, die Geschlechtlichkeit des Menschen sind in sich gut und als solche von Gott gewollt. Gen 2,7 gibt einen zweiten, archaischeren Bericht von der Erschaffung des Menschen (die jahwistische Tradition, von der das zweite Kapitel abhängig ist, weist in stärkerem Maße anthropomorphe Züge auf als die der „Priesterschrift“ des ersten Kapitels. Gott erschafft nicht allein durch das Wort, sondern mit den Händen). Der menschliche Körper wird unmittelbar von Gott gebildet. Darauf wird ihm die Seele eingehaucht, ohne dass dieser Vorgang auch nur im geringsten als „Fall“ der Seele erschiene. Vielmehr erscheint er als Belebung eines Körpers. Die körperliche, materielle Existenz des Menschen ist im biblischen Mythos nicht die Folge einer Katastrophe, denn das Körpersein geht dem Sündenfall voraus. Aber die Körperlichkeit ist auch nicht dessen Ursache. Die Materie macht nicht gemeinsame Sache mit dem Bösen. Patristische Deutungen Die Autoren der ersten nachchristlichen Jahrhunderte und vor allem die Griechen lebten in kulturellen Traditionen, die tief durch die Vorstellung geprägt waren, dass die Körperlichkeit die Folge einer Verfehlung sei. Es bestand die große Versuchung, die Erzählung vom Sündenfall aus platonischer Perspektive zu lesen. Origines, dem großen Bibelkommentator des dritten Jahrhunderts, ist vorgeworfen worden, dieser Versuchung erlegen zu sein. Sein Denken ist jedoch subtiler und nuancenreicher, als behauptet wurde. Aber das Problem des Bösen bei Origines würde eine eigene Untersuchung erfordern. Wir können uns darauf hier nicht einlassen und beschränken uns auf einen exegetischen Hauptpunkt.21 Die Deutung der dem Menschen nach dem Sündenfall von Gott verliehenen „ledernen Gewänder“ stellte in der Tat ein Problem dar. Einige Exegeten meinten, diese Gewänder bedeuteten die materiellen Körper. Vor dem Sündenfall habe der Mensch nur einen ätherischen, immateriellen Körper besessen. Für die meisten Kirchenväter aber, d.h. die Autoren, die der sogenannten „großen Kirche“ angehörten, stellen die „ledernen Gewänder“ nicht den materiellen Status als solchen dar, sondern die Hinfäl-
21 Ich habe die Frage nach dem Verhältnis zum Mythos vom Fall einer präexistenten Seele bei Origines untersucht in meinem Buch: L’embryon et son âme dans les sources grecques (6e s. av JC – 5e s. ap JC), Paris 2007, 100–109.
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ligkeit und die Sterblichkeit, die nach dem Sündenfall über die als Materie geschaffenen, aber bisher unsterblichen Körper gekommen sind. Ein Text von Methodios von Olympos (4. Jh.), der über Zitate bei Epiphanios von Salamis auf uns gekommen ist, veranschaulicht die Auseinandersetzungen über dieses Thema. Aglaophon (ein Philosoph, den Methodios bekämpft und der ein Vertreter der sogenannten „Origenisten“ ist, d.h. der Denker, die Origines folgten, ohne es allerdings seiner Vorsicht gleichzutun) behauptet, dass die ledernen Gewänder die materiellen Körper bezeichneten. Diese habe es nicht vor dem Sündenfall gegeben, ihre Erschaffung sei die Folge der Verfehlung, und diese Körper seien dazu bestimmt, bei der Auferstehung zu vergehen.22 Methodios stellt ihm die Absurdität seines Standpunkts dar, denn die Körper könnten nicht zugleich Ursache und Folge des Bösen sein. Methodios von Olympos, Aglaophon I 29, bei Epiphanius, Panarion, ed. K. H OLL, Bd. II, 434.23 Du hast eingeräumt [Aglaophon], dass die Seelen unkörperlich gesündigt hätten, indem sie vom Gebot abgewichen seien, und du hast erklärt, dass Gott ihnen dann wegen ihres Vergehens lederne Gewänder gegeben habe, damit sie bestraft würden und das trügen, was sterblich ist, und dass die Gewänder die Körper seien. Deine Rede fortsetzend, vergisst du, was du vorher behauptet hattest, und sagst, die Seele könne nicht von sich aus sündigen, denn ihre Natur mache sie dazu überhaupt nicht fähig, vielmehr sei der Körper mit ihr der Verursacher aller Arten von Übeln. Deshalb [sagst du] werde sie in der Ewigkeit ohne den Körper sein, damit sie nicht erneut zum Unrechten getrieben werde, wie es ihr vorher durch den Körper geschehen sei. Und du hattest doch zu Beginn gesagt, dass die Seele gesündigt habe, als sie sich im Paradies befand, bevor sie einen Körper besessen habe, obwohl sie noch glücklich und sorgenfrei war. Du vergisst, dass [deiner Meinung nach] ihr der Körper als Gefängnis und Strafe gegeben worden sei, als die Sünde schon durch die Einflüsterung der Schlange den Sieg davongetragen hatte. So hast du nicht recht, sei es am Anfang, sei es am Ende. So hat die Seele entweder gesündigt, bevor sie einen Körper besaß, und sie wird nicht weniger sündigen, selbst wenn sie keinen Körper hat, und deine Behauptungen darüber, dass der Körper nicht auferstehe, sind gegenstandslos, oder sie hat mit einem Körper [gesündigt], und man wird nicht denken können, die ledernen Gewänder bezeichneten den Körper. Das würde tatsächlich bedeuten, dass der Mensch vor der Erschaffung der Körper das göttliche Gebot übertreten hätte. Deshalb aber [muss man annehmen], dass die Gewänder angefertigt worden sind, um die Nacktheit zu bedecken, die wegen der Sünde [den Körpern] beigegeben worden ist.
Diese Vorstellung von einer völlig von der Materie abgelösten Auferstehung, die praktisch der reinen Unsterblichkeit der Seele gleichzusetzen ist, steigert aufs höchste die „spiritualistischen“ Tendenzen, die das ätherische und gleichsam der Fleischlichkeit enthobene Wesen der auferstandenen Körper betonen. 23 Deutsche Übersetzung in Anlehnung an die von der Verfasserin für diesen Aufsatz angefertigte französische Übersetzung. 22
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Nach dieser Zurückweisung der origenistischen Interpretation des biblischen Textes möchte ich als Kontrapunkt zwei patristische Texte zitieren. Sie stammen von zwei Autoren des vierten Jahrhunderts, die zu den „kappadozischen Vätern“ gehören. In sehr expliziter Weise bieten diese beiden Texte die Interpretation des biblischen Textes, die dann, im Gegensatz zu abweichenden Deutungen, die „gültige“ Interpretation werden sollte. Der erste Text, von Gregor von Nazianz, vermittelt in zusammenfassender Form die Heilsgeschichte, das Auftauchen des Bösen und das Verhältnis des Körpers zu diesem. Gregor von Nazianz, Oratio 38,9–12, SC 358,120–121; 124–12924 Weil es der göttlichen Güte nicht genügte, sich in der Kontemplation zu bewegen, und da sich das Gute verbreiten und mitteilen sollte, um die Zahl seiner Wohltaten zu vergrößern [so fordert es die höchste Güte], erdachte Gott zuerst engelhafte Mächte. … Angesichts des Beispiels von Luzifer, dem „Lichtbringer“, bin ich geneigt anzunehmen, dass diese nicht wirklich unverführbar gegenüber dem Bösen sind, aber doch nicht leicht zu verführen. Hochmut hat ihn in Finsternis verwandelt und er hat diesen Namen angenommen zusammen mit den rebellischen Mächten, seinen Untertanen, die das Gute fliehen, die Bosheit erfanden und unter uns verbreiteten. Das sind die Gründe, warum Gott die geistige Welt erschuf. … Und als er sah, dass sein erstes Werk schön war, erdachte er eine zweite, materielle und sichtbare Welt. Er formte und bildete den Himmel, die Erde und was darinnen ist … Die Güte Gottes hatte noch nicht alle ihre Schätze enthüllt, und als das schöpferische Wort sie schließlich hervorzubringen geruhte, schuf Gott ein lebendiges Wesen, das aus beiden Naturen gebildet war, der sichtbaren und der unsichtbaren, den Menschen. Er bildete dessen Körper aus der Erde, die er vorher geschaffen hatte, und blies ihm seinen eigenen Atem ein … Gott versetzte den Menschen ins Paradies … und verlieh ihm Freiheit, damit dieses Gut ebenso dem Empfänger des Samens wie dem Geber angehöre. Der Mensch sollte dort unsterbliche Pflanzen anbauen [vielleicht die göttlichen Gedanken] und nackt, bescheiden und unschuldig ohne Kleidung, Schmuck und Verstellung leben. So sollte der erste Mensch sein, und Gott gab ihm ein Gesetz als Probe auf seine Freiheit. Dieses Gesetz bestimmte die Bäume, die er nutzen durfte, und den Baum, der ihm verboten war, den Baum der Erkenntnis. Gott hatte ihn im Anfang nicht böswillig gepflanzt und er sprach das Verbot auch nicht aus Eifersucht aus. … Die Frucht des Baums war köstlich, wenn sie zur rechten Zeit gepflückt worden wäre. Denn der Baum war die Kontemplation, zu der man nur am Ende einer langen Askese gelangen kann. … So wie eine volle Ernährung den Säuglingen nicht bekommt, die nur mit Milch ernährt werden dürfen. Aber aus Eifersucht ging der Teufel die Frau an, die nicht widerstehen konnte, weil sie zu schwach war, und in ihrer verführerischen Art ihren Mann mitzog. … Des Baumes des Lebens beraubt, vertrieben aus dem Paradies und entfernt von Gott, bekleidete sich (der Mensch) mit Gewändern aus Leder (vielleicht eine Anspielung auf unser undurchsich24 Deutsche Übersetzung in Anlehnung an die von der Verfasserin zitierte französische Übersetzung: F. Q UÉRÉ-JAULMES, Grégoire de Nazianze, La Théophanie ou la Nativité = Sermon 38 (PG 36,311–334), L’année en fêtes, Bib 3, Paris 2000, 67–70.
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tiges, sterbliches, rebellisches Fleisch). Er empfand jetzt Scham und versteckte sich vor Gott. Aber selbst da zog er aus seinem Unglück Gewinn, denn der Tod, mit dem er geschlagen wurde, unterbrach seine Verfehlung und ließ ihn nicht ewig schuldig sein. Aus Strafe wird Liebe.
Die Grundlinie ist klar. Gott, das höchste, sich nach außen ergießende Gut, erschafft zuerst die körperlosen Engel (von denen einige, obwohl die Materie ihnen fremd ist, ihren Sturz erleben werden). Dann erschafft Gott eine materielle Welt und, um diese zu beherrschen, ein zugleich körperliches und unkörperliches Wesen, den Menschen. Verführt vom Teufel (der ein gefallener Engel ist), übertritt der Mensch das Gebot zu warten, bis er vorbereitet ist, bevor er die Frucht vom Baum der Erkenntnis isst. Der Mensch wird aus dem Paradies vertrieben und erhält lederne Kleider als Symbol seiner Schwäche und Sterblichkeit. Aber der Tod selbst erweist sich als eine Barmherzigkeit, denn er befreit den Menschen von seiner Schuld. Der zweite Text erzählt das Ende der Geschichte des Menschengeschlechts, erzählt von der Zeit nach der Wiederkunft des Gottessohns und von allem, was danach folgt. In dieser Geschichte kommt der Körperlichkeit des Menschen eine besondere Stellung zu. Im Christentum verfügt der menschliche Körper in der Tat über einen sehr besonderen Status. Er hat nicht nur nichts mit dem Ursprung des Bösen zu tun (er ist weder dessen Ursache noch seine Folge), sondern er wird in eigentümlicher Weise göttlich durch die Inkarnation des Gottessohns („das Wort ward Fleisch“: ὁ Λόγος σὰρξ ἐγένετο, Joh 1,14), stirbt, ersteht auf, fährt gen Himmel mit seinem Körper. Das bedeutet in aller Klarheit, dass, wie Gregor von Nyssa explizit in seiner Himmelfahrtspredigt sagt, der menschliche Körper Christi bei Gott ist. Das heißt mit anderen Worten, dass es nach dem Ereignis der Inkarnation im Kern der Trinität Körperliches gibt, nämlich den menschlichen Körper des Sohnes.25 Aber der folgende Text betrifft nicht den menschlichen Körper Christi (dem ein spezifischer Status eigen ist), sondern die Auferstehung der menschlichen Körper im ganz konkreten Sinne. Gregor von Nyssa, Osterhomilie 1, GNO IX 25226 Die Auferstehung wird sich in einem Augenblick vollziehen. … Aber du, wenn du darüber auf menschliche Weise, mit deinen eigenen Mitteln nachdenkst, wie viele Jahre und Jahre stellst du dir in deiner Seele vor, die es zunächst dauert, bis die verwesten und zu Staub zerfallenen Gebeine wieder ihre harte und glatte Form gewinnen und bis sich die zerbrochenen Knochen wieder zu einem harmonischen und natürlichen Ganzen zuVgl. Gr. Nyss. Res. 3, GNO IX 323–327. Deutsche Übersetzung in Anlehnung an die von der Verfasserin zitierte französische Übersetzung: Ch. BOUCHET/M. C ANEVET, Grégoire de Nysse, Le Christ pascal, Pères dans la foi 55, Paris 1994, 27–28. 25 26
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sammenfügen? Denke dann an das Fleisch, das sie umhüllt, an die gestreckten Sehnenstränge, an die engen Röhren der Venen und Arterien unter der Haut, an die unsagbar und unberechenbar große Menge der Seelen, die aus verborgenen Orten hervorkommen und von denen jede ihren eigenen Körper wie ein besonderes Kleidungsstück wiedererkennt und von neuem rasch in ihm wohnt, ohne sich in ihrer Wahl unter einer so großen Zahl von Geistern derselben Art zu täuschen. Denke einmal an die seit Adam erschienenen Seelen und an die seit diesem erschaffenen Körper, an alle die Häuser, die zerstört worden sind, und an alle diese Familienoberhäupter, die von einer langen Reise in der Fremde zurückkehren. Denke auch an alles, was sich auf wundersame Weise ereignet: Das Haus wird unverzüglich wieder aufgebaut, der Bewohner zieht nicht herum und verbringt seine Zeit mit der Suche nach seinem Besitz. Er strebt sofort zu seiner Wohnstatt wie eine Taube zu ihrem Turm, selbst wenn es davon mehrere in der Nähe, am selben Ort und äußerlich ähnliche gibt.
Der biblische Bericht vom Sündenfall stellt den einzigen Mythos dar, der die Existenz des materiellen menschlichen Körpers weder zu einer Ursache noch zu einer Folge der Gegebenheit des Bösen macht, denn nur in diesem Mythos findet die Erschaffung der Körper vor der Katastrophe des Sündenfalls statt. Die körperliche Natur gehört zum göttlichen Plan, der ein guter Plan ist („Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, alles war sehr gut: καλὰ λίαν“ Gen 1,31). Der Körper wird vom Bösen berührt, er ist Opfer des Bösen, und seine wahre, durch Schwäche und Sterblichkeit gekennzeichnete Lebenswirklichkeit muss als Folge des Sündenfalls angesehen werden. Aber er hat sein eigenes Daseinsprinzip, und die Rückkehr zum ursprünglichen Zustand, die eine Konstante in allen diesen Mythen darstellt (Origines sagte, dass das Ende dem Anfang gleichen müsse27) bedeutet für die aus der Bibel hervorgegangenen Traditionen nicht eine Rückkehr zum unkörperlichen Zustand vor dem Sündenfall, frei von Sterblichkeit und Schwäche. In Anlehnung an den letzten Satz von Jean Giraudoux’ Électre können wir sagen: Dies hat einen sehr schönen Namen, es wird die Morgenröte genannt.28
Or. Princ. I 6,2, SC 287,196–197. J. G IRAUDOUX, Électre, Paris 1937: „Cela a un très beau nom, Femme Narsès, cela s’appelle l’aurore.“ („Dies hat einen sehr schönen Namen, Frau Narsès, es wird die Morgenröte genannt.“). 27 28
Der menschliche Wille als Wurzel des Bösen – Augustins willenstheoretische Lösung des unde malum-Problems BERNHARD NEUSCHÄFER
I. Die Bedeutung des unde malum-Problems im Denken Augustins Wie die Menschen der späteren Antike war auch Augustin „von dem Dasein des Bösen beunruhigt“1. Doch zeichnet sich seine Auseinandersetzung mit diesem Problem durch drei Besonderheiten aus: 1. In Augustins geistiger Entwicklung bildet der Problemkreis des malum, der später bei ihm als Sündenproblem auftritt, den Focus für die wechselseitige Durchdringung der drei großen geistigen Strömungen, die vom 3. Jahrhundert ins 4. Jahrhundert hineinwirken und die sein Denken maßgeblich prägen: Manichäismus, Neuplatonismus, Christentum.2 2. Bei der Überwindung des manichäischen Dualismus durch die Übernahme der neuplatonisch-monistischen Ontologie sowie der katholischen Sündenlehre entdeckt der frühe Augustin den Willen und entwickelt eine Art Willenstheorie.3 Seine gesamte Gotteslehre und Anthropologie E. M ÜHLENBERG, Das Verständnis des Bösen in neuplatonischer und christlicher Sicht, in: ders., Gott in der Geschichte. Ausgewählte Aufsätze zur Kirchengeschichte, hg. von U. M ENNECKE/S. FROST, AKG 110, Berlin/New York 2008, 196–211. 2 Die von A. V. H ARNACK, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. 3, Tübingen 41910, 102 als „sehr reizvoll“ bezeichnete Aufgabe, „die augustinische Theologie zu centralisieren“, greift R. LORENZ, Das vierte bis sechste Jahrhundert (Westen), KIG Bd. 1, Lieferung C1, Göttingen 1970, 56–63 mit seinem in der Augustin-Forschung zu wenig rezipierten „Versuch einer Systematisierung des Augustinismus“ auf; zum historischen und systematischen Ort des unde malum-Problems im augustinischen Gedankengefüge vgl. bes. 58–61. 3 Dazu grundlegend A. D IHLE, Die Vorstellung vom Willen in der Antike, Göttingen 1985, 138–149 und bes. 162: „Augustin war ohne Zweifel der Erfinder des ‚modernen‘ Willensbegriffs, den er für die Zwecke seiner spezifischen Theologie konzipierte.“ Zur Auseinandersetzung mit Dihle vgl. Chr. H ORN, Augustinus und die Entstehung des philosophischen Willensbegriffs, ZPhF 50, 1996, 113–132, bes. 113f. In seiner Augustin1
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charakterisiert fortan jener ‚voluntaristische‘ Grundzug, der in der Geistesgeschichte des abendländischen Christentums von großer Nachwirkung gewesen ist.4 3. In Augustins willenstheoretischem Lösungsversuch des unde malumProblems verdichtet sich die zentrale Frage nach der Gesamtbeurteilung seines Denkens. Die Alternative lautet dabei, ob dieses Denken von einer einheitlich-systematischen Grundstruktur bestimmt oder durch einen massiven Bruch gespalten ist, der den frühen Augustin von dem späteren Verfechter der berühmt-berüchtigten Lehre von der Gnade, der Erbsünde und der Prädestination trennt.5 Ich möchte in meinem Beitrag so vorgehen, dass ich nach einer knappen Verortung des unde malum-Problems in Augustins intellektueller Frühgeschichte von seiner Hinwendung zum manichäischen Christentum bis zu seiner Begegnung mit Ambrosius und dem christlichen Neuplatonismus in Mailand (II) seine willenstheoretische Lösung dieses Problems anhand seines frühen Werkes De libero arbitrio analysiere (III), um zum Schluss (IV) noch einen kurzen Blick auf die Modifikationen und Kontinuitätslinien dieses Lösungsversuchs beim späten Augustin zu werfen.
Darstellung geht Chr. SCHÄFER, Unde malum. Die Frage nach dem Woher des Bösen bei Plotin, Augustinus und Dionysius, Würzburg 2002, 194–348 nur knapp (272–276) auf die Willensthematik ein – Augustins Willenstheorie ist Gegenstand einer im Entstehen befindlichen umfassenden Monographie von JENS R AKE, Berlin. 4 Die Charakterisierung der augustinischen Gotteslehre und Anthropologie als ‚Voluntarismus‘ wurde besonders von Reinhold Seeberg betont. Vgl. ders., Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. 3, Erlangen/Leipzig 41923 (Nachdruck Darmstadt 1974), 416– 434, bes. 433: „Um der Klarheit willen wird man also von einem Voluntarismus bei Augustin reden müssen.“ Im Repertoire des heutigen Lehrbuchwissens findet sich diese Charakterisierung etwa bei W.-D. H AUSCHILDT, Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte, Bd. 1, Gütersloh 1995, 225f. 5 Den Bruch zwischen der Frühphilosophie des jungen und der Gnaden-, Erbsündenund Prädestinationslehre des späten Augustin akzentuiert mit pointierter Schärfe bekanntlich Kurt Flasch. Vgl. ders., Augustin. Einführung in sein Denken, Stuttgart 1980 (32003), bes. 172–226 mit den Ausführungen des Epilogs der 3. Auflage, 492–497; ders. (Hg.), Logik des Schreckens. Augustinus von Hippo, Die Gnadenlehre von 397, excerpta classica 8, Mainz 1990 (21995), 270–297.
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II. Das unde malum-Problem in der frühen geistigen Entwicklung Augustins (373–386) 1. Im ersten Buch von De libero arbitrio (ca. 387/88)6 weist Augustin dem unde malum-Problem, genauer gesagt der Frage, unde male faciamus, einen zentralen Ort in seiner frühen geistigen Entwicklung zu: Diese Frage habe ihn als jungen Mann so heftig umgetrieben, dass er sich schließlich ‚ermattet‘ den ‚Häretikern‘ angeschlossen habe.7 Der Hinwendung zum Manichäismus in seinem 19. Lebensjahr war bekanntlich die Lektüre des ciceronischen Hortensius vorausgegangen, die Augustin im 3. Buch seiner Confessiones (III 4,7–8) als eine Art ‚Bekehrungserlebnis‘ schildert. Ciceros Dialog, der den Auftakt seines philosophischen Spätwerks bildete, verfolgte das Ziel, „zur Beschäftigung mit der Philosophie“ zu ermuntern.8 Aus diesem zur Gattung der προτρεπτικοὶ λόγοι gehörenden Werk eignete sich der junge Augustin offensichtlich eine in sich geschlossene Idealvorstellung von der sapientia an. In Ciceros sapientia-Ideal im Hortensius war (1) das Postulat einer Abkehr von allen irdischen Glücksverheißungen, wie etwa Reichtum und Ruhm, (2) die Mahnung zu einer Lebensorientierung am Ewig-Unvergänglichen sowie (3) die Aufforderung zu einem beständigen, rationalwissenschaftlich fundierten Wahrheitstreben zu einer Einheit zusammen-
Folgt man Retr. I 9(8),1 (CChr.SL 57, 23,2–11) sowie Perseu. 30 (PL 45, 1010,42f.), wurde Lib. arb. I während Augustins zweitem Romaufenthalt (Herbst 387 – Herbst 388) verfasst. Die Bücher Lib. arb. II und III entstanden nach Anfang 391 bis eventuell 395. Vgl. dazu A. M UTZENBECHER, CChr.SL 57, XVII, V. H. D RECOLL (Hg.), Augustin Handbuch, Tübingen 2007, 254; unklare Datierungsdiskussion bei N. C IPRIANI, Art. libero arbitrio (De-), AL 3 (2010), 961f. 7 Lib. arb. I 4 (CSEL 74, 5,24–27 Green): Euodius: Dic mihi unde male faciamus. – Augustinus: Eam quaestionem moues, quae me admodum adulescentem uehementer exercuit et fatigatum in haereticos impulit atque deiecit. – Für die Belege aus Lib. arb. lege ich hier und im Folgenden die Edition von W.M. G REEN (CSEL 74) zugrunde. Die römischen Ziffern bezeichnen dabei das Buch, die arabischen Ziffern die bei Green nicht fettgedruckte Paragraphenzählung am Seitenrand. Die römische Kapitelzählung sowie die bei Green im Text stehenden fettgedruckten Paragraphenangaben bleiben unberücksichtigt. 8 Die Stellenbelege aus dem Hortensius werden anhand folgender Editionen nachgewiesen: A. G RILLI (ed.), M. Tulli Ciceronis Hortensius, Milano 1962 und L. STRAUME-Z IMMERMANN (ed.), Ciceros Hortensius, Bern/Frankfurt a.M. 1976. – Cic. Div. II 1 = Hort. Test. 1, p. 19 Gr. = Fr. 5, p. 27,5–7 St.-Z.: nam et cohortati sumus ut maxime potuimus ad philosophiae studium eo libro qui est inscriptus Hortensius … 6
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geschlossen.9 Dass der junge Augustin in zeitlich dichtem Anschluss an seine Hortensius-Lektüre – eine enttäuschend verlaufende Beschäftigung mit der Bibel bedeutete lediglich ein kurzes Interludium – der manichäischen Gemeinde von Karthago beitrat,10 lässt sich überzeugend dadurch erklären, dass er in einem eigentümlichen Aneignungsprozess eine weitgehende Konvergenz zwischen dem ciceronischen sapientia-Ideal und der manichäischen scientia-Verheißung hergestellt hatte.11 Der diese Konvergenz übersteigende Überschuss, den Manis Erlösungsreligion dabei anbot und der für Augustins manichäische conuersio ausschlaggebend wurde, bestand vornehmlich zum einen darin, dass er, wie er in Conf. III 4,8 erklärt, im Hortensius das nomen Christi vermisste, zum andern darin, dass er, wie er in Conf. III 7,12 bekennt, in der Botschaft Manis eine Antwort auf die ihn in dieser Lebensphase existentiell bedrängende Frage unde male faciamus fand. Zwar entwirft Cicero in den überlieferten Fragmenten des Hortensius ein durchaus düster-pessimistisches Bild vom irdischen Leben, das voller „Sorgen und Irrtümer“12 resp. „Laster und Irrtümer“13 sei; darunter versteht Cicero das menschliche Streben nach Ruhm, Macht, Reichtum14 und insbesondere nach körperlicher Lust15. Doch über die eigentliche Ursache dieser Fehlorientierungen, die der junge Augustin auch an sich selber entdeckt hatte, scheint er im Hortensius keine Auskunft erhalten zu haben.16 9 Die immanente Einheit von Ciceros sapientia-Konzeption im Hortensius und deren geschlossene Aneignung durch den jungen Augustin finde ich nicht dargestellt von K. SCHLAPBACH, Art. Hortensius, AL 3 (2006), 425–436. 10 Conf. III 6,10; De duab. an. 1 (CSEL 25/1, 51,6–9). 11 Vgl. hierzu vor allem die Arbeiten von Erich Feldmann, insbesondere: Der Einfluss des Hortensius und des Manichäismus auf das Denken des jungen Augustin von 373, 2 Bde, Diss. masch. Münster 1975; Sinn-Suche in der Konkurrenz der Angebote von Philosophien und Religion, in: C. M AYER/K. H. C HELIUS (Hgg.), Homo Spiritalis. FS L. Verheijen, Cassiciacum 38, Würzburg 1987, 100–117; Der Übertritt Augustins zu den Manichäern, in: A. VAN T ONGERLOO/J. VAN O ORT (Hgg.), The Manichean ΝΟΥΣ. Proceedings of the International Symposium Organized in Louvain from 31 July to 3 August 1991, Louvain 1995, 103–125. Zu diesen und weiteren Konvergenz-Motiven für Augustins Hinwendung zum manichäischen Christentum vgl. V.H. D RECOLL/M. K UDELLA, Augustin und der Manichäismus, Tübingen 2011, 58–73. 12 Aug. Trin. XIV 12 = Hort. Fr. 110, p. 51 Gr. = Fr. 101, p. 217,23f. St.-Z.: … explicans (sc. Cicero) in hac tantum uita quam uidemus aerumnis et erroribus plenam … 13 Aug. Trin. XIV 26 = Hort. Fr. 115, p. 54 Gr. = Fr. 102, p. 221,38 St.-Z.: … uitiis et erroribus … 14 Cic. Tusc. III 3 = Hort. Fr. 4, p. 23,28–41 St.-Z., Aug. Sol. I 17 = Fr. 9 A 4, p. 42 St.Z. 15 Aug. C. Iul. IV 72 = Hort. Fr. 84, p. 43f. = Fr. 84, A 1, p. 181 St.-Z. 16 Doch vgl. immerhin Aug. Beata uit. 10 = Hort. Fr. 59a, p. 35 Gr. = Fr. 69 A 2, p. 154, 10–17 St.-Z., wo die prauitas uoluntatis als Ursache des malum angedeutet ist.
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2. Demgegenüber schimmert durch die polemische Oberfläche zahlreicher späterer Zeugnisse Augustins deutlich hindurch, dass die explizite Thematisierung der unde malum-Frage einen bewusst gewählten, da nicht nur Erfolg versprechenden, sondern in der Tat auch erfolgreichen Kernbereich in den Missionsstrategien der nordafrikanischen Manichäer ausmachte.17 Für den Nachweis, dass das malum eine eigenständige Macht darstelle, die auf einen eigenen, von dem guten Gott unabhängigen Ursprung zurückzuführen sei, entwickelten die manichäischen Lehrer eine zielgruppenabhängige abgestufte Argumentationsweise. In der exoterischen Missionsverkündigung, also gegenüber einem dem Manichäismus noch ferne stehenden Adressatenkreis, argumentierten sie, sofern es sich dabei um katholische Christen handelte, gerne mit biblischen Belegen, d.h. im Wesentlichen mit dualistisch gefärbten Stellen aus dem NT.18 Im missionarischen Gespräch mit den pagan Geprägten scheinen sie eine quasi philosophisch anmutende Terminologie bevorzugt zu haben, indem sie das malum begrifflich als natura bzw. substantia oder auch als principium bestimmten und mit dem Terminus hyle bezeichneten.19 Die interne Unterweisung der manichäischen Auditoren erfolgte hingegen auf der Basis von Manis Grundlagenbrief, der so genannten Epistula fundamenti, die nach Auskunft Augustins den wesentlichen, wenn auch offensichtlich nicht vollständigen, Inhalt des manichäischen Mythos enthielt.20 Dieser esoterische Mythos21 verhieß den Mitgliedern der manichäischen Kirche im Rah17 Vgl. z.B. Aug. Mor. II 2 (CSEL 90, 89,5–7): saepe atque adeo paene semper, Manichaei, ab his quibus haeresim uestram persuadere molimini, requiritis unde sit malum. putate me nunc primitus in vos incidisse; Aug. Util. cred. 36 (CSEL 25/1, 46,17– 19): qui (sc. Manichaei) dum nimis quaerunt, unde sit malum, nihil reperiunt nisi malum. in qua quaestione saepe auditores erigunt ad quaerendum. Zur unde malumThematisierung im Rahmen der manichäischen Missionspropaganda vgl. H. C HADWICK, The Attraction of Mani, Comp. 34, 1989, 203–222, 213f; S.N.C. LIEU, Manichaeism in the Later Roman Empire and Medieval China, WUNT 63, Tübingen 21992, 187–190. 18 Als Beispiel verweise ich hier nur auf die mit Mt 7,18; 13,27f.; 25,31–34.41; Röm 8,7; 2 Kor 4,4; 2 Kor 12,7–9 belegten Ausführungen des Manichäers Felix bei Aug. C. Fel. II 2 (CSEL 25/2, 829,13–830,22). 19 Vgl. z.B. die Aussage des Manichäers Faustus bei Aug. C. Faust. XX 3 (CSEL 25/1, 537,12–14): his ego ualde contraria sentio, qui bonis omnibus principium fateor deum, contrariis uero hylen; sic enim mali principium ac naturam theologus noster appellat. 20 Aug. C. ep. Man. 5 (CSEL 25/1, 197,6–8) = Ep. fund. test. 13, p. 8,1–3 Stein (= Manichaica Latina, Bd. 2: Manichaei epistula fundamenti. Text, Übersetzung und Erläuterungen von M. STEIN, PapyCol 27/2, Paderborn et al. 2002. 21 Der manichäische Mythos ist immer wieder Gegenstand zusammenfassender Darstellungen geworden. Ich nenne hier nur: H.J. POLOTSKY, Art. Manichäismus, PRE.S 6 (1935), 249–262, R. M ERKELBACH, Mani und sein Religionssystem, RhWAW.G 281, 1986, 17–33, A. BÖHLIG, Art. Manichäismus, TRE XXII (1991 = 2000), 31–33, M. H UTTER, Art. Manichäismus, RAC 24 (2010), 16–19. Besonders aufschlussreich ist der mythologische
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men eines universalen Erlösungsprozesses individuelle Erlösung auf der Grundlage eines durch Mani geoffenbarten Wissens. Wer dieses Wissens teilhaftig wurde, wusste um die Herkunft der Seele aus ihrer göttlichen Lichtheimat – die Seelen sind Partikel der göttlichen Lichtsubstanz – ebenso wie um ihre materielle Gebundenheit in der Welt. Denn, so der Mythos, wie die animalische und vegetabilische Natur ist auch der Mensch, solange dieser Kosmos besteht, von der Vermischung der beiden Prinzipien des Lichtes und der Finsternis bestimmt. Diese Vermischung (commixtio) ist das Ergebnis des vorzeitlichen Urkampfes zwischen dem angreifenden Finsternisreich und dem Lichtreich des „Vaters der Größe“. Das Wissen (scientia) erschließt dem durch Mani Erleuchteten, dass seine Seele in der Gefangenschaft des Leibes – die Leiblichkeit ist von der Finsternismacht der hyle verursacht – unwillentlich der Sünde unterworfen ist, zu der sie der Körper treibt.22 Anderseits aber leitet dieses Wissen den Erleuchteten dazu an, durch rigoristisch-asketische Beherrschung des Leibes sowie durch eine streng rituelle Gebetspraxis an der Rückkehr seiner Lichtseele in ihre Heimat, das göttliche Lichtreich, maßgeblich mitzuwirken. Wie entscheidend diese Mitwirkung des Erleuchteten an seiner individuellen Erlösung ist, veranschaulicht ein Fragment aus der Epistula fundamenti: Darin wird „denen, die es hingenommen haben, vom Bösen überwunden zu werden“, angekündigt, sie würden nach dem Weltenbrand und dem Weltgericht am Ende der Zeit im globus horribilis (βῶλος) auf ewig eingekerkert.23 3. Die nachhaltige Plausibilität, die der manichäische Mythos für Augustin gerade bezüglich der unde malum-Frage besaß, zeigt sich an zwei Aspekten, einem theologischen und einem existentiellen, auf die Augustin im 5. Buch der Confessiones zu sprechen kommt: die Behauptung zweier eigenständiger Substanzen oder unbegrenzter Massen des Guten und Bösen leuchtete ihm zum einen deswegen so ein, weil sie „den guten Gott“
Abriss bei Hegemonius, Arch. VII–XIII,3 (GCS, 9,11–22,11 Beeson = Epiph. Haer. LXVI,25,3–31,8) mit dem Kommentar von LIEU, in: Hegemonius, Acta Archelai (The Acts of Archelaus), transl. by M. V ERMES. With introduction and commentary by S.N.C. LIEU, Manichaean Studies 4, Turnhout 2001, 44–58. 22 Vgl. die Darlegung des Manichäers Fortunatus bei Aug. C. Fort. 20 (CSEL 25/1, 99,18–23): si enim originem non haberet, quod cogitamus delicta facere, non cogeremur ad peccatum uenire vel ad delictum. nam quia inuiti peccamus et cogimur a contraria et inimica substantia, idcirco sequimur scientiam rerum. qua scientia admonita anima et memoriae pristinae reddita recognoscet, ex quo originem trahat, in quo malo uersetur … Dazu E. R UTZENHÖFER, Contra Fortunatum Disputatio. Die Debatte mit Fortunatus, Aug(L) 42, 1992, 5–72, 44–49. 23 Ep. fund. F. 8, 2–4, p. 38,6–14 Stein. Die oben zitierte deutsche Übersetzung ebd. 39.
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von dem Vorwurf freisprach, Schöpfer einer mala natura zu sein;24 zum andern deswegen, weil sie Augustin von einer persönlichen Schuld entlastete, für seine sittlichen Verfehlungen selber verantwortlich zu sein: „Noch immer erschien es mir so, dass nicht wir es sind, die sündigen, sondern dass irgendeine andere natura in uns sündige; und es befriedigte meine Vermessenheit, ohne Schuld zu sein, und, immer wenn ich irgendetwas Schlechtes getan hatte, nicht bekennen zu müssen, dass ich es getan hatte …“25 Wie nachhaltig beeindruckt der junge Augustin von diesen beiden Aspekten der manichäischen unde malum-Lösung gewesen ist, geht vor allem daraus hervor, dass er an ihnen noch während seines ersten RomAufenthalts 383/84 festhielt, als er sich bereits in einer geistigen Ablösephase vom Manichäismus befand und eine aus intellektueller Resignation geborene Neigung zum Skeptizismus der Neuen Akademie bekundete.26 Erst während seiner Mailänder Zeit (ab dem Herbst 384) empfing Augustin bekanntermaßen durch die Predigten des Bischofs Ambrosius und durch die Lektüre von „bestimmten Büchern der Platoniker“27 die entscheidenden Anstöße zu einem länger anhaltenden Revisionsprozess seiner noch immer manichäisch beeinflussten Überzeugungen auch hinsichtlich des unde malum-Problems. In einer Predigt des Ambrosius aus dem Jahre 386, die gedanklich von einer Predigt des Basilius von Caesarea beeinflusst ist,28 wendet sich Ambrosius dezidiert gegen den manichäischen Dualismus und kritisiert genau den Aspekt, der Augustin so einleuchtend erschienen war: dass die Behauptung einer mala substantia den Sünder von der Selbstverantwortung seiner Verfehlungen entlaste.29 Dagegen erklärt Ambrosius, dass der „Ursprung der Verirrung innen“, d.h. im Menschen selber liege. Terminlogisch noch präziser formuliert er an anderer Stelle: „Niemand wird zur Conf. V 10,23 (93,4–8 Sk.). Conf. V 10,18 (91,10–14 Sk.): adhuc enim mihi uidebatur non esse nos, qui peccamus, sed nescio quam aliam in nobis peccare naturam et delectabat superbiam meam extra culpam esse et, cum aliquid mali fecissem, non confiteri me fecisse … 26 Conf. V 10,19–20 (92,5–93,9 Sk.). 27 Conf. VII 9,13 (137,13f. Sk.). 28 PG 31, 329–354 (CPG 2853). 29 Ambr. Hex. I 8,31 (CSEL 32/1, 31,7–13): sed ex his quae iam diximus possumus colligere quia non est uiua substantia, sed mentis atque animi deprauatio a tramite uirtutis deuia, quae incuriosorum animis frequenter obrepit. non igitur ab extraneis est nobis quam a nobis ipsis maius periculum. intus est aduersarius, intus auctor erroris, intus inquam clausus in nobismet ipsis. Vgl. dazu E. M ÜHLENBERG, Von Augustin bis Anselm von Canterbury, in: HDThG 1,21999, 413f. 24 25
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Schuld geführt, es sei denn, er sei durch eigenen Willen (uoluntate propria) abgewichen. … Der Affekt also, nicht das Fleisch, ist Urheber der Schuld, das Fleisch ist vielmehr Diener des Willens …“30 Durch Ambrosius also lernte Augustin die wohl ebenfalls durch Basilius vermittelte, vor allem auf die αὐτεξούσιον-Lehre des Origenes (Princ. III 1) zurückgehende katholisch-kirchlich rezipierte Antwort kennen, dass das liberum uoluntatis arbitrium der Grund sei, ut male faceremus.31 4. Die Kenntnisnahme dieser Antwort bedeutete für den jungen Augustin nicht den Abschluss, sondern erst den Auftakt, eine eigenständige Lösung der unde malum-Frage zu entwickeln. Durch die Lektüre der Platonicorum libri – um welche es sich dabei im einzelnen handelt, ist eine in der Augustin-Forschung intensiv diskutierte Frage – war er auf die neuplatonisch-monistische Klärung des ontologischen Status des malum gestoßen, nämlich auf die plotinische Bestimmung des Bösen als priuatio boni32: in dieser Bestimmung gilt das malum nicht als ein selbständig Seiendes, sondern vielmehr als eine Wegnahme oder Einschränkung des Seins resp. des Guten mit der Tendenz zum Nichts. Grundsätzlich erschloss dieser Gedanke zwar die Möglichkeit, die faktische Realität der mala anzuerkennen, ohne – wie die Manichäer – die Grundannahme der Bonität bzw. des göttlichen Ursprung alles Seienden in Frage zu stellen. Doch im Blick auf die katholisch-kirchliche Lehre, dass Engel und Menschen mittels ihres liberum uoluntatis arbitrium der Ursprung des malum seien, war damit noch nicht viel gewonnen. Wenn nach neuplatonisch-christlicher Voraussetzung Gott die alles bedingende Substanz bzw. der Schöpfer sein sollte, drängte sich ja die Frage auf, wie es dann vermöge des liberum uoluntatis arbitrium überhaupt zu dem verkehrten Wollen kommen konnte. Die Allwirksamkeit und Bonität des Schöpfers im Sinne des Monismus zur Geltung zu bringen und zugleich den geschöpflichen Willen als Ursache des Bösen zu bestimmen, verlangte von Augustin eine große gedankliche Anstrengung. Von dieser Gedankenarbeit legt sein bereits erwähntes, drei Bücher umfassendes und in einem längeren Zeitraum entstandenes33 Werk De libero arbitrio ein erstes beeindruckendes Zeugnis ab. Man gewinnt dabei den Eindruck, als habe sich Augustin in dieser Schrift folgendem Grundproblem stellen wollen: Den manichäischen Dualismus hatte er zwar verworfen; doch das Ambr. Iac. I 3,10 (CSEL 32/2, 10,10f.; 11,9f.): nemo tenetur ad culpam, nisi uoluntate propria deflexerit. … affectus igitur, non caro auctor est culpae, caro autem uoluntatis ministra. 31 Conf. VII 3,5 (127,24–26 Sk.). 32 Enn. I 8 [51],5 (cf. Conf. III 7,12; VII 12,18). 33 S. oben Anm. 6. 30
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Anliegen dieses Dualismus nahm er sehr ernst: Gott durfte keinesfalls als auctor mali in Betracht kommen.34 Nun kam es also darauf an, eine genaue Prüfung vorzunehmen, ob und inwieweit der christlich-neuplatonische Monismus mitsamt der kirchlichen Lehre vom liberum uoluntatis arbitrium eine tragfähige Alternative bilden konnte, diesem manichäischdualistischen Anliegen auf überzeugendere Weise gerecht zu werden. Wie sich im Vollzug dieser Prüfung Augustins willenstheoretische Lösung der unde malum-Frage in dieser frühen Phase seines Denkens formiert, möchte ich an folgenden Problemauschnitten aus De libero arbitrio zu verdeutlichen versuchen.
III. Augustins willenstheoretische Lösung des unde malum-Problems in De libero arbitrio 1. Die Unterscheidung von sittlichem und physischem malum: der geschöpfliche Wille als Ursprung des male facere Am Beginn des ersten Buches steht zunächst eine begriffliche Unterscheidung zweier genera des malum:35 Augustin differenziert zwischen einem malum im sittlichen Sinne (malum facere = „Böses tun“) und einem malum im physischen Sinne (malum pati = „Übles erleiden“). Dass Gott als auctor des sittlichen malum in Frage komme, schließt Augustin vorderhand mit dem Verweis auf Gottes Bonität aus. Die physischen mala hingegen deutet er als Strafen Gottes, die dieser kraft seiner Gerechtigkeit verhänge. Insofern Gott damit durchaus als Urheber des malum im physischen Sinne in Betracht kommt, muss für die sittlichen mala ein alius auctor dingfest gemacht werden. Die Bestimmung dieses alius auctor leitet Augustin aus der Eigenart der physischen mala als gerechter Sündenstrafen Gottes ab. Gerecht sind Strafen nur dann, wenn sie für willentliche Taten verhängt werden. Also erweist sich als Urheber des sittlichen malum der geschöpfliche Wille. Die eingangs vorgenommene Unterscheidung zweier Arten des malum sowie zweier auctores des jeweiligen malum mündet nun in die Exposition 34 In Util. cred. 36 (CSEL 25/1, 46,24f) bekennt Augustin, dass ihn u.a. die ausdrücklich als manichäisch qualifizierte Aussage: nam neque deus mali auctor est bereits als manichäischen Auditor zutiefst beeindruckt habe. 35 Lib. arb. I 1 ( 3,3–8): Euodius: Dic mihi, quaeso te, utrum deus non sit auctor mali. – Augustinus: Dicam, si plane feceris, de quo malo quaeras. duobus enim modis appellare malum solemus: uno, cum male quemque fecisse dicimus, alio, cum mali aliquid esse perpessum – Eine ausführliche text- und problemorientierte Darstellung von Augustins Willensverständnis in De libero arbitrio wird die bereits genannte Monographie (s. oben Anm. 3) von JENS R AKE enthalten.
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der eigentlichen Problemstellung, um die die drei Bücher von De libero arbitrio in immer wieder neuen Gedankenanläufen kreisen: Wenn der Ursprung des sittlichen malum in den Engeln und Menschen liegt, Gott aber der Ursprung von allem und Schöpfer der Seelen der rationalen und freien Geschöpfe ist, so „versetzt es die Seele“, wie Augustin formuliert, „in Unruhe, inwiefern die Sünden, wenn sie ihren Ursprung in den von Gott geschaffenen Seelen haben, diese Seelen aber ihren Ursprung in Gott haben, vermittels eines großen Abstands (letztlich doch) auf Gott zurückgeführt werden müssen“36. Daraus ergibt sich: Der geschöpfliche Wille ist einerseits Teil von Gottes Schöpfung und dementsprechend von Gott als Seinsgrund abhängig; hinsichtlich seines verkehrten Wollens kann er als Ursprung des Bösen anderseits nicht auf Gott zurückgeführt werden. 2. Die Struktur des geschöpflichen Willens als Ursprung des Bösen: die Freiheit und eigenständige Willentlichkeit des Willens Das bedeutet nun zunächst: Die Freiheit und eigenständige Willentlichkeit des Willens muss so gesichert werden, dass dieser als ausschließlicher Grund für das verkehrte Wollen in Anspruch genommen werden kann. (a) Um dies zu erreichen, stellt Augustin in einem eigenen Gedankengang die Abwendung des Willens von dem seinsmäßig höher stehenden „unwandelbaren bonum“ zu den niederen wandelbaren bona als eine Bewegung (motus) dar und versucht zu zeigen, dass es sich dabei weder um eine ‚natürliche‘ noch um eine ‚notwendige‘ Willensbewegung handele. Dazu zieht er zum Vergleich – als Musterbeispiel eines natürlich-notwendigen motus – die Bewegung eines Steins heran, der zur Erde fällt. Der Stein bewegt sich notwendig, d.h. ohne Alternative, nach unten. Der Wille hat hingegen eine Alternative: er kann sich von den höheren zu den niederen Dingen bewegen oder nicht. Es hängt von ihm ab, ob er sich für das eine oder das andere entscheidet. Mit dieser Alternativmöglichkeit sieht Augustin die Freiheit des Willens im Sinne einer Wahlfreiheit gegeben. Zudem ist damit verdeutlicht: Als eine nicht „natürlichnotwendige“ Bewegung ist die Bewegung des Willens in der Tat als eine willentliche Bewegung (motus uoluntarius) erwiesen. Daraus zieht Augustin die Folgerung: „Wozu ist es also noch nötig, weiter zu fragen, woher diese Bewegung kommt, mit der sich der Wille vom unwandelbaren Gut zum wandelbaren Lib. arb. I 4 (6,8–12): Credimus autem ex uno deo esse omnia quae sunt et tamen non esse peccatorum auctorem deum. mouet autem animum si peccata ex his animabus sunt quas deus creauit, illae autem animae ex deo, quomodo non paruo interuallo peccata referantur in deum. 36
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Gut abwendet, wo wir doch zugeben, dass sie (die Bewegung) eine willlentliche Bewegung der Seele und daher auch schuldhaft ist?“37 (b) In einem weiteren Gedankengang versucht Augustin, diese eigenständige Willentlichkeit des geschöpflichen Willens als Konstituente seiner Willenstheorie noch schärfer zu profilieren und zugleich die Balance zwischen der Willentlichkeit des geschöpflichen Willens und der Allmacht und Schöpfergüte Gottes zu gewährleisten. Dies geschieht im Rahmen einer Konfrontation der sündigen Willensbewegung mit dem Vorauswissen (praescientia) Gottes. Die Frage lautet, ob nicht durch das Vorauswissen, das Gott von der auersio des Willens hat, die Willensbewegung der Sünde zu einem notwendig-kausalen Geschehen wird, so dass sie nicht mehr als freie, willentliche und damit schuldhafte Tat dem Menschen zugewiesen werden kann. Das Problem, um das es hier geht, hat Goethe in einem Gespräch mit Johann Peter Eckermann vom 15. Oktober 1825 denkbar klar und knapp auf folgende Weise formuliert: „Sobald wir dem Menschen die Freiheit zugestehen, ist es um die Allwissenheit Gottes getan; denn sobald die Gottheit weiß, was ich tun werde, bin ich gezwungen, so zu handeln, wie sie es weiß.“38 Um nun das Verhältnis von Freiheit des Menschen und Allwissenheit Gottes bzw. von Willentlichkeit und Notwendigkeit zu klären, fragt Augustin seinen Dialogpartner Evodius, ob die Seligkeit (beatitudo), die Gott in ihm als seinem Geschöpf wirke, ohne seinen Willen rein als Notwendigkeit geschehe. Evodius erwidert daraufhin, dass, wenn er die potestas besäße, selig zu sein, er es mit Sicherheit schon wäre. Augustin nimmt dies zum Anlass, die Formel esse in sua oder nostra potestate genauer zu fixieren: Dass etwas in der potestas des Menschen liegt, bedeutet grundsätzlich, dass sich dasjenige, was man will, auch realisieren lässt.39 Als konstitutives Strukturmerkmal des menschlichen Willens stellt Augustin heraus, dass nichts so sehr in der Verfügbarkeit (potestas) des Menschen liege als eben sein Wille. Denn nichts stelle sich, wenn es gewollt werde, schneller ein als der Wille selbst. Um die uneingeschränkte Verfüg37 Lib. arb. III 2 (91,31–92,3): Propterea quid opus est quaerere unde iste motus existat quo uoluntas auertitur ab incommutabili bono ad commutabile bonum, cum eum nonnisi animi et uoluntarium et ob hoc culpabilem esse fateamur … 38 J.P. ECKERMANN, Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, in: J.W. G OETHE, Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Gespräche, hg. von E. Beutler, Zürich/München 31976, 164. 39 Lib. arb. III 7 (96,12–16): Non enim posses aliud sentire esse in potestate nostra, nisi quod cum uolumus facimus. Quapropter nihil tam in nostra potestate quam ipsa uoluntas est. Ea enim prorsus nullo interuallo mox ut uolumus praesto est.
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barkeit des Willens für den Menschen zu erhärten, verweist Augustin abgrenzend auf existentielle Vorgänge, die nicht dem menschlichen Wollen, sondern einer vom Willen völlig unabhängigen Notwendigkeit (necessitas) unterliegen: Dass wir älter oder krank werden und sterben, geschieht nicht willentlich, sondern mit Notwendigkeit.40 Vom Willen kann dagegen nicht behauptet werden, er geschehe necessitate, also non uoluntate. Da es also keinen Willen geben kann, der sich non uoluntate ereignet, muss dies auch gelten, wenn Gott unser Wollen vorher weiß. Darum erfolgt auch die von Evodius gewollte beatitudo trotz Gottes Vorherwissen nicht unwillentlich: „Wenn also Gott Deine zukünftige Seligkeit vorausweiß …, so sind wir deswegen trotzdem nicht zu der Annahme gezwungen, … dass Du ohne Deinen Willen selig wirst.“41 Das Beispiel der gewollten beatitudo des Evodius verdeutlicht, dass sich Notwendigkeit und Willentlichkeit nicht ausschließen. Das menschliche Wollen ist für Augustin auf einzigartige Weise in nostra potestate. Eben deshalb kann selbst die Notwendigkeit, die mit Gottes praescientia unlöslich verbunden ist, die Willentlichkeit des Wollens und damit den menschlichen Willen als solchen nicht aufheben. Auf Grund dieser Voraussetzung vollzieht Augustin nun die Übertragung auf das Verhältnis von Willentlichkeit und Notwendigkeit im Falle der sündigen Willensbewegung: „Wie nun das Vorauswissen Gottes, das ja schon heute bezüglich Deiner zukünftigen Seligkeit feststeht, Dir nicht den Willen zur Seligkeit wegnimmt, sobald Du anfängst, selig zu sein, so gilt ebenso, dass auch der schuldhafte Wille, wenn er denn zukünftig in Dir entsteht, nicht deshalb kein Wille sein wird, weil Gott ihn als zukünftigen voraus gewusst hat.“42 Dem möglichen Einwand, dass Gottes Vorauswissen des sündigen Willens seine Bonität als Schöpfer in Frage stelle, begegnet Augustin mit dem eigenwilligen Argument, ein mit freiem Willen sündigendes Geschöpf
40 Lib. arb. III 7 (96,16–22): Et ideo recte possumus dicere: ‚non uoluntate senescimus, sed necessitate‘ aut: ‚non uoluntate infirmamur, sed necessitate‘ aut: ‚non uoluntate morimur, sed necessitate‘ et si quid aliud huiusmodi; ‚non uoluntate autem uolumus‘ quis uel delirus audeat dicere? Quam ob rem, quamuis praesciat deus nostras uoluntates futuras, non ex eo tamen conficitur, ut non uoluntate aliquid uelimus. 41 Lib. arb. III 7 (96,25–97,4): Cum igitur praescius sit deus futurae beatitudinis tuae …, non tamen ex eo cogimur sentire … non te uolentem beatum futurum. 42 Lib. arb. III 7 (97,4–8): Sicut autem uoluntatem beatitudinis, cum esse coeperis beatus, non tibi aufert praescientia dei, quae hodieque de tua futura beatitudine certa est, sic etiam uoluntas culpabilis, si qua in te futura est, non propterea uoluntas non erit, quoniam deus eam futuram esse praesciuit.
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sei höher stehend als eines, das nur darum nicht sündige, weil es keinen freien Willen habe.43 (c) Es wäre nun eine eigene Aufgabe, der ich mich hier aber nicht unterziehen kann, den philosophie- und theologiegeschichtlichen Hintergrund von Augustins Willenstheorie in De libero arbitrio genauer auszuleuchten. Hierzu wäre zunächst bei einer Untersuchung des griechischen Begriffs αὐτεξούσιον (= „in Besitz der freien Verfügung“, lateinisch liberum arbitrium) anzusetzen. Der Begriff αὐτεξούσιον setzt die aristotelische Bestimmung des Verfügbaren (ἐπ᾽ αὐτῷ bzw. ἐφ᾽ ἡμῖν) voraus und begegnet meines Wissens erstmals bei Chrysipp.44 Augustins Formel in nostra potestate zur Charakterisierung der uneingeschränkten Verfügbarkeit des Willens begegnet bezeichnenderweise in De civ. dei V 10, wo ausdrücklich auf die stoische Unterscheidung der Dinge in solche, die der necessitas unterworfen, und solche, die ihr nicht unterworfen sind, Bezug genommen wird, wobei die necessitas als das definiert wird, quae non est in nostra potestate. Von besonderem Interesse wäre es darüber hinaus, den Anfang von Plotins Traktat Enn. VI [39] 8 Über den freien Willen und das Wollen des Einen (Περὶ τοῦ ἑκουσίου καὶ θελήματος τοῦ ἑνός) heranzuziehen, wo das „in unserer Verfügung Stehende“ als dasjenige beschrieben wird, „was dem Befehl unseres Willens gehorcht und worüber wir die Entscheidung haben“45. Soweit ich vorderhand sehe, scheint mir die entscheidende Konstituente von Augustins Willenstheorie, nämlich dass nichts so sehr in der Verfügbarkeit des Menschen stehe wie sein Wille, eine von Augustin selber vorgenommene Zuspitzung zu sein. In den so gesteigerten Begriff des esse in potestate ist nun noch eingeschlossen, dass dem Wollen ein Können korreliert, so dass im frühaugustinischen Willensbegriff Wollen und Vollbringen geradezu identifiziert werden. Mit dieser Aufwertung des geschöpflichen Willens geht Augustin trotz aller sorgfältig ausbalancierten Argumentationsversuche meines Erachtens tendenziell an
43 Lib. arb. III 15 (103,9–13): Sicut enim melior est uel aberrans equus quam lapis propterea non oberrans quia proprio motu et sensu caret, ita est excellentior creatura quae libera uoluntate peccat quam quae propterea non peccat quia non habet liberam uoluntatem. 44 SVF 2, F. 975, p. 284,1–7 Arnim. Vgl. auch a.a.O., F. 990, p. 290,6. Zu Chrysipps nicht-libertarischen Verständnis von ‚Willensfreiheit’ im Rahmen seines ‚weichen’ Determinismus vgl. M. SCHALLENBERG, Freiheit und Determinismus. Ein philosophischer Kommentar zu Ciceros Schrift De fato, QSP 75, Berlin/New York 2008, 258-261. 45 Enn. VI 8 [39], 1: εἴη ἂν ἡ ἔννοια τοῦ ἐφ᾽ ἡμῖν, ὃ τῇ βουλήσει δουλεύει … ἐφ᾽ ἡμῖν δέ, ὃ καὶ κύριοι πρᾶξαι. Die oben zitierte deutsche Übersetzung aus: Plotins Schriften, übersetzt von R. H ARDER. Neubearbeitung mit griechischem Lesetext und Anmerkungen fortgeführt von R. BEUTLER und W. T HEILER, Bd. IVa, Hamburg 1967, 5,30f.34f.
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die Grenze dessen, was im Rahmen der neuplatonischen Ontologie des absolut Einen als des Seinsgrundes von Allem gedanklich möglich ist. 3. Die willenstheoretische Deutung des Sündenfalls des Teufels und des primus homo Erst am Ende seines Werkes De libero arbitrio (Lib. arb. III 71–76) widmet sich Augustin explizit dem Sündenfall des Teufels und des ersten Menschen. Es liegt auf der Hand, dass die willenstheoretische Lösung der unde malum-Frage hier vor ihrer letzten Bewährungsprobe steht, da die Lehre vom doppelten Sündenfall jetzt unter der Perspektive interpretiert werden muss, dass und wie das sittliche malum durch den geschöpflichen Willen erstmals Wirklichkeit geworden ist. In Umkehrung der Darlegungen Augustins wende ich mich zuerst seiner Erörterung des Sündenfalls des Teufels zu. (a) Der Sündenfall des Teufels Es versteht sich, dass der Teufel im antidualistisch-monistischen Kontext keine eigenständige, substantiale Macht darstellen darf. Dementsprechend hatte sich Augustin in seiner manichäischen Ablösephase dem überkommenen Gedanken angenähert, dass der Teufel ursprünglich gut geschaffen gewesen und durch die Verkehrung seines Willens böse geworden sei (Conf. V 3,5). Die Frage, wie der Teufel durch sein eigenes Wollen „aus einem guten Engel zum Teufel“ hat werden können, erörtert Augustin in Lib. arb. III 74 im übergeordneten Zusammenhang der Frage, ob nicht die Konfrontation mit den seinsmäßig niederen Dingen als Objekten, auf die der Wille sich beziehen kann, als Erklärung für die sündige Willensbewegung geltend gemacht werden könnte. Auf der Linie einer solchen Argumentation meldet sich sogleich wieder das Problem an, ob nicht Gott letztlich doch als auctor mali in Betracht kommt, insofern er diese Konfrontation mit den niederen Willensobjekten hätte vermeiden können, so dass es gar nicht erst zu einer sündigen Fixierung des Willens gekommen wäre. Bezüglich des Teufels verschärft sich diese Fragestellung geradezu dramatisch: Woher und durch wessen Vermittlung kommen in seinem Falle die niederen Willensgegenstände her, wenn nicht von und durch Gott selbst? Denn anders als beim ersten Menschen, wo die Konfrontation mit den niederen Willensobjekten auf die Verführung durch den Teufel zurückgeführt werden kann, gibt es für den Teufel selber keinen Verführer. Augustins Auflösung dieses verwickelten Problemknotens steht unter dem Vorzeichen einer bemerkenswerten spekulativen Komplexität: Der Teufel war im ursprünglichen Status eines guten Engels als gleichwohl geschaffenen endlichen Geistes in die Schau (contemplatio) der höchsten
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unwandelbaren Weisheit versenkt.46 In dieser Kontemplation betrachtet er nicht nur die unwandelbare Weisheit Gottes, sondern zugleich auch sich selber. Er hat also eine Vorstellung einerseits von der summa sapientia Gottes und anderseits von sich als eines endlichen Geistes, der nicht Gott, sondern allenfalls gottähnlich ist. Der Teufel steht mithin vor der Wahl, Gott zu wollen oder sich selber zu wollen. Damit sieht Augustin die Zweiheit von unwandelbaren und wandelbaren Dingen bereits in der ursprünglichen Verfasstheit des geschöpflichen Wesens verankert. Wenn also die Konfrontation mit den immutabilia und den mutabilia als zwei gegebenen Willensgegenständen zur ursprünglichen Verfasstheit des geschöpflichen Wesens gehört, dann verfügt der endliche Geist über zwei Weisen, sich zu diesen zu verhalten. Seiner Bestimmung konform verhält er sich, wenn er das Wollen seiner selbst dem Wollen Gottes unterordnet; seiner Bestimmung zuwider verhält er sich, wenn er sich selber genießen will und damit die Gottähnlichkeit des Geschöpflichen gegenüber dem Gottsein Gottes missbräuchlich bevorzugt.47 Der Sündenfall des Teufels beruht also auf dessen freiem Willen, sich gegen seine geschöpfliche Bestimmung zu entscheiden. (b) Der Sündenfall des primus homo Die Ausführungen Augustins über den Sündenfall des ersten Menschen in Lib. arb. III 71–74 nehmen zwar einen breiteren Raum ein, doch kann ich mich hier auf Grund des bisher Dargelegten auf den entscheidenden Punkt konzentrieren. Dass der Teufel, nachdem er als gefallener Engel der ewigen Verdammnis anheimgefallen war, den Menschen aus Neid verführt habe, ist für Augustin natürlich nur eine vordergründige Erklärung von Adams Fall. Der eigentliche Grund hierfür ist vielmehr, dass sich der freie und eigenständige Wille des primus homo von den höheren zu den niederen Dingen wandte. Doch begnügt sich Augustin bereits in diesem Zusammenhang, wie bei seiner späteren Erklärung des Sündenfalls des Teufels, nicht damit, einfach nur auf die Freiheit und Spontaneität des geschöpflichen Willens zu verweisen. Schon hier betont er, dass der Wille auf das Gegebensein von Lib. arb. III 76 (152,26–153,1): Ut autem in contemplatione summae sapientiae – quae utique animus non est, nam est incommutabilis –, etiam se ipsum qui est commutabilis animus intueatur et sibi ipse quodammodo ueniat in mentem, non fit nisi differentia qua non est quod deus et tamen aliquid est quod possit placere post deum. 47 Lib. arb. III 76 (153,1–5): Melior est autem cum obliuiscitur sui prae caritate incommutabilis dei uel se ipsum penitus in illius comparatione contemnit. Si autem tamquam obuius sibi placet sibi ad peruerse imitandum deum ut potestate sua frui uelit, tanto fit minor quanto se esse cupit maiorem. 46
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Objekten der Vorstellung (uisa) angewiesen ist, auf die er sich beziehen kann. Und so trifft Augustin folgende Unterscheidung: In der potestas des Willens liegt es, ob er das eine oder das andere will; nicht aber liegt es in seiner potestas, welche Dinge oder Vorstellungen ihm zur Wahl gestellt werden.48 Da der Wille jedoch frei ist, angesichts der Gegebenheit der Willensobjekte das eine oder das andere zu wollen, ist er es auch, der für das jeweilige Wollen verantwortlich ist. Das bedeutet im Blick auf die biblische Geschichte vom Sündenfall des ersten Menschen: Dem höheren Willensobjekt entspricht das Gebot Gottes, vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen nicht zu essen (Gen 2,17). Dem niederen Willensgegenstand entspricht die Verlockung der Schlange, Gottes Gebot zu ignorieren, um gefahrlos zur Erkenntnis des Guten und des Bösen zu gelangen (Gen 3,4f.). Keine Verantwortung trägt der Mensch dafür, dass die Schlange als Verführer an ihn herangetreten ist. Verantwortlich aber ist er dafür, dass er sich hat verführen lassen. Denn kraft seines geschöpflichen Willens war er vollkommen frei, der Versuchung zu widerstehen.49 Der Wille des primus homo hatte, so gesehen, die Möglichkeit, nicht zu sündigen.
IV. Modifikation und Kontinuität von Augustins Willenstheorie in seiner späteren Lehre von der Gnade, der Erbsünde und der Prädestination Es mangelt nicht an Selbstzeugnissen des späten Augustin, in denen er zum Ausdruck bringt, dass seine Auffassung vom liberum uoluntatis arbitrium in den Kontroversen mit Pelagius und den Pelagianern deutliche Veränderungen erfahren habe. Ob man hier einen markanten Bruch im Sinne der bereits eingangs angedeuteten Spaltung zwischen der Frühphilosophie des jungen und der Gnaden-, Erbsünden- und Prädestinationstheologie des späten Augustin wahrzunehmen oder nur mit einem durch innere und 48 Lib. arb. III 74 (151,17–21): Sed quia uoluntatem non allicit ad faciendum quodlibet nisi aliquod uisum, quid autem quisque uel sumat uel respuat est in potestate, sed quo uiso tangatur nulla potestas est, fatendum est ex superioribus et ex inferioribus uisis animum tangi ut rationalis substantia ex utroque sumat quod uoluerit et ex merito sumendi uel miseria uel beatitas subsequatur. 49 Lib. arb. III 74 (151,23–29): Velut in paradiso uisum est ex superioribus praeceptum dei, uisum ex inferioribus suggestio serpentis. Nam neque quid sibi praeciperetur a domino neque quid a serpente suggeretur fuit in hominis potestate. Quam sit autem liberum et ab omnibus difficultatis uinculis expeditum in ipsa sapientiae sanitate constituto non cedere uisis inferioris illecebrae, uel hinc intellegi potest, quod etiam stulti ea superant ad sapientiam transituri …
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äußere Entwicklungen bedingten Perspektivenwechsel zu rechnen hat, ist in der Augustin-Forschung umstritten. Unstrittig ist, dass Augustins Lehre von Gnade und Erbsünde erstmals in seiner Schrift De diuersis quaestionibus ad Simplicianum (396/Frühjahr 398) zutage tritt.50 Dem Werk geht ein intensives Studium der paulinischen Briefe voraus. 1. Gegenüber De libero arbitrio hat sich in der Tat die Perspektive verschoben: Hatte Augustin dort noch betont, dass die Frage nach der libera uoluntas recte faciendi angemessener im Zusammenhang des primus homo als anhand der nachfolgenden Menschengenerationen nach Adams Fall (post lapsum) zu klären sei,51 so rückt jetzt in der Gnaden- und Erbsündenlehre in Ad Simplicianum I der Zustand des Menschen unter der unausweichlichen Macht der Sünde Adams ins Zentrum. Für den Willensbegriff ergeben sich daraus folgende Modifikationen: (a) Ausgehend von Röm 7,18b: Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht, hält Augustin in Simpl. I 1,11 zwar immer noch daran fest, dass das Wollen in der Verfügbarkeit (in potestate) des Menschen stehe, löst aber das Vollbringen des Guten aus dem Willen heraus.52 Die uneingeschränkte Verfügbarkeit (potestas) des geschöpflichen Willens als Konstituente seiner Willenstheorie in Lib. arb. hatte er demgegenüber gerade dadurch erweisen wollen, dass er Wollen (uelle) und Können (posse), also Wollen und Realisieren des Gewollten, geradezu miteinander identifizierte. (b) Noch einen Schritt weiter geht er in Simpl. I 2,12. Diesmal liegt Röm 9,16 zugrunde: So liegt es nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen. Augustin nimmt jetzt sogar die Wahlfreiheit des Willens zwischen den höheren und niederen Willensgegenständen aus seiner früheren Willenstheorie heraus: Der geschöpfliche Wille vermag unter der Macht der Erbsünde nicht mehr von sich aus, das Höhere zu wollen, vielmehr bringt allein die göttliche Gnade das Wollen des Guten hervor – freilich nur bei denen, die Gott in seiner freien Gnadenwahl dazu berufen hat, dass ihr geschöpflicher Wille durch die Gnade vorbereitet werde.53 50 Zum Folgenden grundlegend E. M ÜHLENBERG, Von Augustin bis Anselm (wie Anm. 29), 452–463. 51 Lib. arb. III 71 (148,8–10). 52 Simpl. I 1,11 (CChr. SL 44, 15,188–16,193): V ELLE ENIM, inquit, ADIACET MIHI, PERFICERE AVTEM BONVM NON (Röm 7,18b) … Certe enim ipsum uelle in potestate, quoniam adiacet nobis; sed quod perficere bonum non est in potestate, ad meritum pertinet originalis peccati. 53 Simpl. I 2,12 (37,331–341): IGITVR NON VOLENTIS NEQVE CVRRENTIS SED MISERENTIS EST DEI (Röm 9,16) … At illud manifestum est, frustra nos uelle, nisi deus misereatur. Illud
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2. Diesen Modifikationen gegenüber der Willenstheorie des frühen Augustin steht gegenüber, dass er noch in seinen späten Werken gegen die Semipelagianer daran festhält, die Sünde des primus homo sei auf dessen freien und eigenständigen Willen angesichts der gegebenen Möglichkeit, die beatitudo zu wählen, zurückzuführen. Die Kontinuität von Augustins Willenstheorie liegt also in seiner willenstheoretisch fundierten Beantwortung der Frage, worin das sittliche malum, verstanden als Erbsünde Adams, seinen eigentlichen Ursprung hat. 3. Doch der Wille des Menschen post lapsum, der von der Erbsünde infiziert ist, kann sich in Augustins späterer Gnaden- und Erbsündenlehre nicht mehr eigenständig gegen diese Sünde entscheiden. Als Möglichkeit, nicht zu sündigen, scheidet der menschliche Wille somit aus. Er wird als Instanz eines eigenständigen und selbstbestimmten Wollens und Handels von der göttlichen Gnade gleichsam erdrückt. Man könnte auch sagen: Im Denken des späten Augustin, demzufolge nur Gott allein als der allwirksame absolut Eine die übermächtige Erbsünde durch sein Gnadenhandeln an den Prädestinierten aufzuheben vermag, löst sich die Bipolarität von psychologischem Voluntarismus und neuplatonischer Metaphysik, die in Lib. arb. so eindrucksvoll durchgehalten war, in einem problematischen Gnadenmonismus auf.
autem nescio, quomodo dicatur frustra deum misereri, nisi nos uelimus. Si enim deus miseretur, etiam uolumus. Ad eandem quippe misericordiam pertinet ut uelimus; DEVS ENIM EST QUI OPERATUR IN NOBIS ET VELLE ET OPERARI PRO BONA VOLUNTATE (Phil 2,13). Nam si quaeratur, utrum dei donum sit uoluntas bona, mirum si negare quisquam audeat. At enim quia non praecedit uoluntas bona uocationem sed uocatio bonam uoluntatem, propterea uocanti deo recte tribuitur quod bene uolumus, nobis uero tribui non potest quod uocamur.
Vorstellungen über „das Böse“ im Koran DOROTHEE PIELOW Dieser Beitrag richtet einen Blick auf die islamische Sichtweise „des Bösen“, konkret auf bestimmte aussagekräftige Stellen über das Böse im Koran, der Offenbarungsschrift der Muslime. Aus diesem Blickwinkel heraus werden die komplexen Fragen nach der Herkunft und Beschaffenheit des Bösen im Islam erörtert. Im Christen- oder Judentum ist das Problem des Bösen für die theologische und philosophische Diskussion von großer Bedeutung, während ihm in der islamischen Theologie und Philosophie, aber auch dem islamischen Recht, vergleichsweise wenig Raum zugemessen wurde. Der Grund hierfür ist vor allem die theologische Sichtweise, nach der das Böse nicht als autonome Kraft oder polarisierende Gegenmacht verstanden wird und es folglich niemals als eine eigenständige Macht betrachtet wurde. Ebenso ist es nicht mit einem existentiellen Seinsgrund des Menschen auf der Erde verknüpft, denn anders als Adam und Eva in der christlichen Tradition wird der Auszug der ersten Menschen aus dem Paradies in der islamischen Überlieferung nicht mit einer generellen Schuld der Menschheit verbunden. Das Fehlverhalten wird auch nicht auf nachfolgende Generationen vererbt, sondern als rein individuelle Schuld betrachtet. Die Sünde, die mit dem Bösen eng verknüpft ist, bleibt im islamischen Glauben somit immer die Tat eines Einzelnen. Insofern gibt es signifikant andere Voraussetzungen für das Verständnis des Bösen im Islam als etwa im Christentum, da sich hier keine zwingende Notwendigkeit ergab, das Problem des Bösen im Hinblick auf die Allmächtigkeit Gottes zu lösen. Das Böse ist aus Sichtweise der islamischen Theologen keine numinose, keine magische Kraft, und das Bekennen der absoluten Einheit des einen, transzendenten Gottes, dem keiner beigesellt werden darf, ist das oberste Glaubensprinzip. Demzufolge und konsequenter Weise wird in der islamischen Dogmatik das Böse nie-
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mals als eigene Macht gewertet, denn dies würde bedeuten, diesem Glaubensgrundsatz von dem Einen allmächtigen Gott zu widersprechen.1 Der Koran vermittelt in zahlreichen Passagen eine klare Vorstellung von den Herrlichkeiten und Freuden des Paradieses, auf die der Gläubige hoffen darf, wenn er auf Erden ein gottgefälliges Leben geführt hat. Auch im Hinblick auf das irdische Leben hat Gott die Menschen reich beschenkt, denn für dieses gilt: Und er hat euch allerlei gegeben, worum ihr ihn batet. (Sure 14,34)2
Doch ebenso zahlreich wie die wohlmeinenden Stellen für Diesseits und Jenseits sind jene Aussagen, in denen mit düsteren Worten und drastischen Beschreibungen von den Schrecken und Qualen der Hölle berichtet und eindringlich vor diesen gewarnt wird. Im Ort der Verdammnis werden dereinst die Ungläubigen im ewigen Höllenfeuer brennen, die für ihre Sünden, die Gott nicht vergibt, bestraft werden müssen. Sünde3 im Islam bedeutet, wie auch im Christen- oder Judentum, das Sich-Entfernen von Gott und dies geschieht durch die Übertretung von Gottes Geboten. Im Koran wird der Begriff Sünde in über vierzig Versen genannt. Gott ist gnädig und barmherzig und kann Fehltritte vergeben, doch die schwersten Sünden, nämlich Unglaube (kufr) und Vielgötterei (širk) vergibt Er nicht. Diese bewirken die ewige Verdammnis (Sure 4,48 und 4,116). Sünde resultiert insofern aus dem Ungehorsam gegen Gott, jedoch wird sie im islamischen Glauben nicht als grundlegende Rebellion des Menschen gegen Gott selbst und seine Ordnungen verstanden, sondern als Verfehlung, die sich vor allem gegen den Menschen selbst richtet und zu seinem eigenen Lasten geht (Sure 4,111). Nach islamischer Glaubenslehre ist der Mensch darüber hinaus ständig der Versuchung ausgesetzt, Sünden zu begehen. Sünden, so die Vorstellung, werden aus menschlicher Schwäche heraus begangen. Weil die Sünde jedoch unmittelbar mit einer moralischen, als böse gewerteten Abwendung von Gott verbunden ist, sind Fragen zum ethischen Verständnis von Gut und Böse für den Gläubigen von überaus großem Interesse. Nur mit einer klaren Vorstellung über das, was gut und erlaubt ist und dem, was als böse und verwerflich zu betrachten ist, ist es möglich, ein Dasein so zu führen, dass es am Ende mit dem ewigen Leben im Paradies belohnt wird. Vgl. zu diesem Absatz R. SCHULZE, Das Böse in der islamischen Tradition, in: J. LAUDas Böse in den Weltreligionen, Darmstadt 2003, 131–200. 2 Alle Koranzitate sind, wenn nicht anderes vermerkt, aus der R. PARET, Der Koran. Übersetzung, Stuttgart 1983. 3 Zu den Sünden im Islam s. A. W ENSINCK, Art. „Khati’a“, Handwörterbuch des Islam, Leiden 1976, 307–310. 1
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Wichtige Vorstellungen über das Böse sind im Koran verankert. Sie liefern bedeutungsvolle Passagen für die Sichtweise des Bösen und erlauben Einblicke in das Verständnis der islamischen Theodizee. Hier finden sich allgemein gehaltene Aussagen über das Gute und das Böse wie zum Beispiel solche Aussagen, wie in Sure 4,79: Was dich an Gutem trifft, kommt von Gott, was dich an Schlimmem trifft, von dir selber.
Zudem geben sie viele Hinweise auf Erlaubtes oder Verbotenes, die das ethische Verständnis widerspiegeln und aus denen man schließen kann, welche Handlungen als sündhaft und damit als böse zu bewerten sind. In diesem Zusammenhang findet sich auch die Sure 17 mit den Versen 22–39; eine Auflistung von Geboten und Verboten, die stark an den Dekalog des Alten Testaments erinnern.4 Der Koran selbst ist folglich die wichtigste Quelle für religiöse und sittliche Normen, die in der Scharia, dem islamischen Recht, verankert sind. In einer der frühesten koranischen Offenbarungen (und damit ältesten Suren des Korans), der Sure 1135, wird das Böse dreifach charakterisiert, einmal als „die Dunkelheit“, eine Metapher, die gleichsam für die Schutzlosigkeit steht. Weiterhin wird das Böse als das Gefühl des Neides beschrieben – wir kommen noch mehrfach auf diesen zu sprechen und schließlich begegnet es in der Gestalt der schwarzen Magie, konkret der Magie der Knotenanbläserinnen6: Sprich: Ich nehme meine Zuflucht beim Herrn des Frühlichts vor dem Übel dessen, was Er erschaffen hat, und vor dem Übel der Dunkelheit, wenn sie hereinbricht, und vor dem Übel der Knotenanbläserinnen und vor dem Übel eines (jeden) Neiders, wenn er neidet. (Sure 113)
Es sind jedoch vor allem aber die koranischen Erzählungen, die von den Geschöpfen Gottes, den Engeln, den Geistern (Ǧinn) und den Menschen und ihrer Beziehung zu Gott berichten, die für das Verständnis des Bösen Weitere Gebote u.a. in Sure 3,89; Sure 7,138; Sure 17,22; Sure 39,1–15; Sure 112,2–4. Zum Verbot, Gottes Namen zu missbrauchen Suren 11,18; 39,32 und 39,60; zur Achtung der Kinder gegenüber ihren Eltern Suren 6,151; 17,23; 29,8; 31,14 und 46,15; zum Verbot des Stehlens Suren 4,29; 5,38 oder zum Verbot des Lügens Suren 17,36; 24,4. Zu den Geboten im Koran s. auch S. G ÜNTHER, O People of the Scripture! Come to a word Common to You and Us (Q 3:64). The Ten Commandments and the Qur’an, Journal of Qur’anic Studies 9/1 (2007), 28–58. 5 Die Suren im Koran sind nicht chronologisch, sondern der Länge nach angeordnet. Sure 113 ist die vorletzte der insgesamt 114 Koransuren. 6 Gemeint waren hier die altarabischen Priesterinnen der Göttin al-Lāt. Diese Knotenanbläserinnen galten, indem sie aus Fäden Knoten knüpften und diese anschließend anhauchten, als Kennerinnen der schwarzen Magie, denn angeblich konnten sie mit dieser Technik Menschen verhexen. 4
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aufschlussreich sind, so dass sie im Folgenden näher geschildert werden sollen. In diesen Erzählungen findet sich, ebenso wie in den biblischen, das ganze Spektrum menschlicher Emotionen wider: auch sie erzählen von Liebe und Glück oder von Hass und Unglück und beschreiben die großen emotionalen Gefühle Hochmut, Neid, Missgunst, Angst, Vertrauen, Trauer, Liebe, Sehnsucht oder Verlangen. In diesen Erzählungen, stecken Lebensweisheiten, die den Gläubigen eine wichtige Orientierungshilfe auch im Hinblick auf die Beurteilung von Gut und Böse geben. Thematisiert werden im Koran u.a. die Erzählung von Iblīs, Adam und seiner Frau, deren Söhne (Hābīl und Qābīl), die Josephslegende und Hiob. Sie alle liefern wichtige Erkenntnisse zur Beurteilung des Bösen im Islam und im Folgenden soll ein Blick auf diese aussagekräftigen Passagen gerichtet werden.
1. Iblīs und die Verführer der Menschen Die Gestalt des Iblīs im Koran ist von zentraler Bedeutung, ist er doch das erste von Gottes Geschöpfen, das aus dem Himmel weichen musste und dessen Verhalten erstmals als „böse“ bewertet wurde. Islamische Theologen sind sich indes uneins über die Art und Zugehörigkeit von Iblīs, der laut der 15. Koransure, Vers 31, in der es heißt: Da warfen sich die Engel alle zusammen nieder, außer Iblīs,
ein Engel ist. An anderen Stellen des Korans wird er jedoch „Šaiṭan“ (der „böse Geist“, „Satan“) genannt, ein Begriff, mit dem auch ganz allgemein die ungläubigen Ǧinn beschrieben werden. Ǧinn gelten im Islam neben den Engeln und den Menschen als weitere Geschöpfe Gottes; ihnen wird im Koran eine ganze Sure (die Sure 72) gewidmet und sie werden als ebenso existent angesehen, wie die Menschen auch. Sie sagen über sich selbst aus: Unter uns gibt es solche, die rechtschaffen sind und solche, die es nicht sind. Wir haben unterschiedliche Wege eingeschlagen. (Sure 72,11)
(…) und Mit denjenigen aber, die vom rechten Weg abweichen, wird dereinst die Hölle geheizt (Sure 72,15).
Der Volksglaube sieht in den ungläubigen Ǧinn ähnlich gefährliche Verführer wie in der Gestalt des Iblīs. Die Engel wurden, so wird von den Religionsgelehrten tradiert, aus Licht geschaffen, doch Iblīs selbst bekundet, dass er aus Feuer (Sure 38,76) geschaffen wurde, was ihn von den Ǧinn unterscheidet, die lediglich „aus
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dem Feuer der sengenden Glut“ (Sure 15,27) hervorgebracht wurden. In dem Umstand seiner ihn formenden Substanz sieht Iblīs Grund genug für eine höhere Wertigkeit, denn der Mensch wurde doch „nur“ aus Lehm geschaffen. Sure 38,71–85 stellt diesen Vorgang ausführlich dar: Damals, als dein Herr zu den Engeln sagte: Ich werde einen Menschen aus Lehm schaffen. Und wenn ich ihn dann geformt und ihm Geist von mir eingeblasen habe, dann fallt vor ihm nieder, da warfen sich die Engel alle zusammen nieder außer Iblīs. Der war hochmütig und gehörte zu den Ungläubigen. Gott sagte: Iblīs! Was hindert dich daran, dich vor etwas niederzuwerfen, was ich aus meinen Händen geschaffen habe? Du bist wohl zu hochmütig dazu. Iblīs sagte: Ich bin besser als er, mich hast du aus Feuer geschaffen ihn nur aus Lehm. Gott sagte: dann geh aus ihm hinaus. Du bist ab jetzt verflucht. Mein Fluch wird auf dir liegen bis zum Tag des Gerichts. Iblīs sagte: Herr gewähre mir Aufschub bis zu dem Tag, da sie erweckt werden. Iblīs sagte: Bei deiner Allmacht! Ich werde sie allesamt abirren lassen mit Ausnahme deiner auserlesenen Diener, die es unter ihnen gibt. Gott sagte: Es wird wahrlich und wahrhaftig so sein, was ich sage ist wahr: Die Hölle werde ich mit dir und all denen von ihnen, die dir folgen, füllen! 7
Wesentlich für das Verständnis des Bösen, das hier zum ersten Mal im Islam am Beispiel einer Kreatur beschrieben wird, sind gleich mehrere Befunde: Das Handeln des Iblīs ist mit einer philosophischen und einer ethischen Frage verbunden. Die philosophische betrifft die Frage nach dem Vermögen, selbständig zu denken und den eigenen Verstand zu gebrauchen, denn Iblīs entscheidet sich willentlich, sich nicht vor einem anderen Wesen zu verbeugen. Nach seiner Erkenntnis gebührt einzig und allein Gott die besondere Anerkennung, sich vor ihm niederzuwerfen. Als erstes Geschöpf muss er jedoch erfahren, wie folgenreich es sein kann, den eigenen Verstand zu gebrauchen und dem eigenen Willen zu folgen, wenn die individuelle Entscheidung von den Erwartungen Gottes abweicht. Seine nicht-willenlose Handlung wird als Hochmut beschrieben, der mit einem starken emotionalen Empfinden, dem Neid auf ein anderes Wesen gepaart ist. Hochmut und Neid aber sind moralische Fehlverhalten, die zu den Sünden gezählt werden. Doch zum anderen spricht sich der nun Verfluchte selbst von dem Vorwurf einer Schuld frei und überantwortet seinen Fehltritt Gott, der ihn „abirren“ ließ, denn in Sure 7,16 erklärt er: Darum, dass du mich hast abirren lassen will ich ihnen auf deinem geraden Weg auflauern.
Iblīs überantwortet damit allein Gott den Umstand, dass er überhaupt zu einer falschen Handlung fähig war, was zu mannigfaltigen Diskussionen
7 Die „Iblīs-Erzählung“ wird in mehreren Koransuren tradiert, das sind – in chronologischer Reihenfolge – die Suren 2,30–34; 7,11–18; 15,26–44; 17,61–65; 18,50–53; 20,115– 116 und 28,71–85.
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der Religionsgelehrten führte.8 Diese konstatierten, dass Gott allmächtig ist und grundsätzlich alles weiß und entscheidet. Folglich kann auch nur Gott allein das Böse wollen und hervorbringen. Diese Feststellung führte in den theologischen Spekulationen9 zu ausgiebigen Diskussionen über die Willensfreiheit10 und die Frage einer Notwendigkeit des Bösen aus der Seinsbestimmung des Menschen, der, da er ja nicht göttlich und daher nicht vollkommen ist, notwendigerweise fehlerhaft sein muss. Dass Iblīs fortan alle (irrenden) Menschen,11 bis auf die auserlesenen Diener Gottes12 verführen darf, geschieht mithin mit Gottes Einverständnis. Iblīs setzt laut Koran hierfür folgende Mittel ein: Wein und Glücksspiel (Sure 5,90), er lässt Muslime aus dem Kampf fliehen (Sure 3,155), er ängstigt sie ständig (Sure 3,175), er macht trügerische Versprechungen (Sure 17,64), er lässt das Schlechte erscheinen (Suren 6,68; 12,42; 18,63; 58,19) und er führt die Menschen und besonders die Propheten in ständige Versuchung (Suren 7,27; 22,52; 47,25). Die Frage, ob Iblīs im Islam der personifizierte Böse ist, kann nach dem Dargestellten nicht positiv beantwortet werden. Im Christentum wird der Teufel als Gegenspieler Gottes verstanden und hier u.a. als „Fürst der Welt“ bezeichnet. Im Islam jedoch wird ihm keine numinose Kraft zugestanden. Seine Rolle ist keinesfalls die eines Gegenspielers Gottes und somit verkörpert seine Figur auch nicht das Böse selbst. Im islamischen Glauben ist Iblīs darüber hinaus nicht der alleinige Verführer der Menschen; auch die ungläubigen Ǧinn wollen verführen. Und sogar unter den Engeln, von denen es heißt, dass sie willenlos sind, gibt es solche, die in ihrem Wesen danach trachten, den Menschen vom Glauben abweichen zu lassen. Erzählt wird in diesem Zusammenhang die Geschichte von den beiden Engeln Hārūt und Mārūt, die im Koran namentlich erwähnt werden (Sure 2,102) und in dem es heißt, dass sie die Menschen darüber belehren, wie man Zwietracht zwischen Mann und Frau herbeiführt. Sie tun dies jedoch nicht, ohne die Menschen vorher zur warnen: Wir sind nur eine Versuchung, so werde nicht ungläubig! (Sure 2,102)
8 Zu den Diskussionen der Gelehrten zur Willensfreiheit s. T. N AGEL, Geschichte der islamischen Theologie, München 1994, 90, 92, 110 und 116f. 9 Allgemein s. T. N AGEL, Geschichte. 10 Siehe hierzu W. M ONTGOMERY, Free Will and Predestination in Early Islam, London 1948. 11 Sure 15,26 f.: „Über meine Knechte hast du keine Vollmacht, abgesehen von den Irrenden, die dir folgen.“ 12 Es gibt einige Menschen, die nicht zu verführen sind, das sind die diejenigen, die bereits auf Erden „sicheres Wissen“ besitzen. Zu diesen zählen die Propheten. Vgl. T. N AGEL , Geschichte, 30.
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In der literarischen Umsetzung des Motivs dieser Engel wird tradiert, wie es zu dem Fall dieser beiden Engel kam: Hārūt und Mārūt hatten sich unsterblich in das Mädchen Anahid13 verliebt und aufgrund ihrer großen Sehnsucht wird ihnen von Gott gewährt, auf die Erde zu gehen und das begehrte Mädchen aus der Nähe anzuschauen, ohne ihr indes zu nahe zu kommen. Ein Zauberwort wird ihnen mitgegeben, das sie aussprechen müssen, um zurück in den Himmel zu gelangen. Doch Anahid sehnt sich ihrerseits nach dem Himmel und entlockt den beiden Verliebten das Zauberwort. So fährt sie hinauf in den Himmel und die beiden Unglücklichen werden, so die Legende, zur Strafe mit dem Kopf nach unten in einen Brunnen in Babel gehängt, wo sie fortan die Menschen in die Kunst der schwarzen Magie unterweisen.
2. Adam und seine Frau, der Sündenfall und das Verlassen des Paradieses Als Gott den Menschen schuf und sagte: Ich werde auf der Erde einen Nachfolger einsetzen,
da warnten die Engel Gott und sagten: Willst du auf ihr jemand einsetzen, der auf ihr Unheil anrichtet und Blut vergießt, wo wir dir lobsingen und deine Heiligkeit preisen? (Sure 2,30)
Deutlich haben sie bereits jetzt vor Augen, dass mit dem Menschen das Unheil auf die Welt kommen wird. So werden schon, bevor der Mensch überhaupt zum ersten Mal die Erde bevölkerte, neben dem Zweifel von Iblīs an der aus Lehm geschöpften Kreatur auch ahnungsvolle Bedenken und eine deutliche Warnung der Engel vor Gott kund getan. Im Koran bleibt die Frau Adams namenlos, sie wurde erst später von den islamischen Theologen als „Hawwā“, Eva, identifiziert. Der Auszug aus dem Paradies schließt sich im Koran direkt an die Schöpfungsgeschichte an. Die Erzählung von Adam und Eva thematisiert auch hier die Sünde Vgl. W. V OLLMER, Wörterbuch der Mythologie, Stuttgart 1874, 42. „Anahid war ursprünglich keine Göttin, sondern eine Sterbliche; zwei gefallene Engel, Hārūt und Mārūt suchten sie zu verführen, doch die Jungfrau widerstand jeder Verlockung, und dafür ward sie der Ehre, eine Göttin zu sein, würdig befunden. Sie ward an den Himmel versetzt, wo nun ihre braunen, reichen Locken von Ambra und Moschus duften, und das ihre elfenbeinernen Glieder umschließende Gewand im Glanze des Morgensternes schimmert.“ Siehe außerdem zur literarischen Umsetzung D.S. M ARGOLIOUTH, Harut and Marut, The Muslim World 18 (1928), 73–79. 13
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und die Frage nach ihrer Ursache. Der Sündenfallmythos ist daher ein sehr wichtiger Aspekt in der Betrachtung und dem Verständnis des Bösen. Der Koran berichtet, wie dargestellt, an vielen Stellen von den Herrlichkeiten und der Glückseligkeit eines ewigen Lebens im Paradies. In Zusammenhang mit Adam und seiner Frau wird davon berichtet, dass sie im Paradies verweilen und uneingeschränkt von dessen Früchten essen dürfen. Einzig dem einen Baum jedoch dürfen sie sich nicht nähern. Eingedenk der Tatsache, dass Iblīs, der erklärte Verführer Menschen ist, warnt Gott die beiden Menschen fürsorglich und mit deutlichen Worten: Adam, der da ist dir und deiner Gattin feind. Dass er euch nur nicht aus dem Paradies vertreibt und dich unglücklich macht ! (Sure 20,117f)
Doch die Warnung wird nicht erhört, denn der Koran berichtet weiter: Da veranlasste sie der Satan, einen Fehltritt zu tun, wodurch sie des Paradieses verlustig gingen und brachte sie so aus dem paradiesischen Zustand hinaus, in dem sie sich befunden hatten. Und wir sagten: geht hinaus aus dem Paradies hinunter auf die Erde. Ihr Menschen und der Satan seid künftig einander feind. (Sure 2,36)
Anders als in der Bibel wird die Frau in der koranischen Botschaft ausdrücklich nicht mit dem Vorwurf stigmatisiert, Adam zur Sünde getrieben zu haben, denn beide sind gleichermaßen in die Handlung involviert. Die Botschaft, die der Koran hier vermittelt, erklärt weiterhin, dass das Übertreten der Gebote Gottes eine Strafe zur Folge hat. Das Böse erscheint in Form eines Übertritts, eines Nicht-Beachtens dieser göttlichen Gebote und als Konsequenz aus diesem Fehltritt ergibt sich nun zum zweiten Mal, dass eine weitere Schöpfung Gottes, der Mensch, das Paradies und damit seine unmittelbare Nähe verlassen muss. Die Bestraften werden auf die Erde geschickt und während Iblīs mit dem Verweis aus Gottes Nähe fortan bestrebt ist, in „die Irre zu treiben“, ist der Mensch nun für alle Zeiten anfällig für dessen Einflüsterungen und damit für das Böse. Dennoch, trotz seines Fehltritts gilt Adam im Islam als der erste Prophet der Menschheitsgeschichte; seine Missetat im Paradies wird ihm verziehen. Der Verweis aus dem Paradies ist überdies keine wirklich entsetzliche Strafe, aus der eine „ruinöse Wirkungsgeschichte menschlicher Schuld“ erwuchs,14 denn die Menschen kommen nun in eine Welt, die ohne Fehler ist (Sure 67,3). Gott verzeiht zudem Adam und seiner Frau (Sure 2,37). Die Schuld wurde bestraft und bleibt in der islamischen Sichtweise ein individuelles Vergehen. Der Gedanke der „Erbsünde“, die von Generation zu H. Z IRKER, „Er wird nicht befragt…“ (Sure 21,23). Theodizee und Theodizeeabwehr in Koran und Umgebung, in: U. T WORUSCHKA (Hg.), Gottes ist der Orient – Gottes ist der Okzident. Festschrift für A. Falaturi zum 65. Geburtstag, Köln/Wien 1991, 409–424, 418. 14
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Generation weiter getragen wird und sich durch die ganze Geschichte der Menschheit zieht, ist dem islamischen Glauben fremd, heißt es doch Und keine lasttragende (Seele) soll die Last einer anderen tragen. (Sure 35,18)
Somit wird nach islamischer Lehre jeder Mensch in einem sündenfreien Zustand geboren.
3. Die Kinder Adams, Hābīl und Qābīl und der erste Mord, der erste Tote und die ersten Tränen Während das Schicksal der sich bei den zuvor geschilderten Geschöpfen Gottes noch im Himmel seinen Lauf nahm, verlagert sich nun mit der weiteren Geschichte der Menschheit, die mit den Kindern von Adam und Eva fortgesetzt wird, die Frage nach dem Bösen direkt auf die Erde. Auch die Kinder Adams bleiben im Koran (Sure 5,27–32) ohne Namen, sie werden erst später von mittelalterlichen muslimischen Kommentatoren des Korans als Kain (arabisch Qābīl) und Abel (arabisch Hābīl) identifiziert. Die Erzählung von den Söhnen Adams ist in vielfacher Hinsicht bemerkenswert: Es sind die ersten Menschen, die auf der Erde geboren wurden und damit die ersten Geschöpfe, die hier der verhängnisvollen und von Iblīs angekündigten Anfeindung ausgesetzt sind. Ebenso wie es das treibende Motiv des Aufbegehrens bei Iblīs war, sind auch in dieser koranischen Erzählung die Empfindungen Neid und Missgunst die ursächlichen Beweggründe für eine Handlung, die als sündhaft und darum böse bewertet wird. Diese Gefühle veranlassen den ersten Mord in der Menschheitsgeschichte, der umso grausamer erscheint, weil er nicht nur ein Mord, sondern sogar ein Brudermord ist, der ohne die vermeintliche menschliche Nähe der brüderlichen Verbundenheit zu geschehen scheint. Damit verbunden ist der erste Todesfall in der Geschichte der Menschheit überhaupt und in der islamischen Tradition heißt es außerdem, dass Evas Tränen, die Tränen der trauernden Mutter, die ersten der Menschheit waren und dass mit diesen die Trauer Einzug in die Welt und die Geschichte der Menschheit nahm. Die koranische Wiedergabe der Erzählung von den Brüdern ist voll ausdrucksstarker Bilder und bietet die ganze Vielfalt menschlicher Emotionen auf, welche Enttäuschung, Trauer, Scham, Zorn, Schuld oder Neid beinhalten. Das Motiv der feindlichen Brüder findet daher in der literarischen Umsetzung vielfache Beachtung.15 Der Koran berichtet: 15
Siehe hierzu ausführlich S. G ÜNTHER, O People.
288
Dorothee Pielow
Und verlies ihnen die Wahrheit entsprechend die Geschichte von den beiden Söhnen Adams! Damals, als sie ein Opfer darbrachten. Vom einen von ihnen wurde es (bei Gott) angenommen, vom anderen nicht, Der sagte: „Totschlagen werde ich dich.“ Er (d.h. sein Bruder) sagte: Gott nimmt nur von den Gottesfürchtigen etwas an. Wenn du deine Hand nach mir ausstreckst, um mich zu töten, so werde ich meine Hand nicht nach dir ausstrecken, um dich zu töten. Ich fürchte den Herrn der Menschen in aller Welt. Ich möchte, daß du meine und deine Sünde auf dich lädst und so einer von den Insassen des Höllenfeuers sein wirst. Das ist der Sohn der Frevler. Da legte ihm seine Seele nahe, seinen Bruder zu töten. Und so tötete er ihn. Und er wurde (infolge dieser Untat) einer von denen, die den Schaden haben. Gott schickte nun einen Raben, der in der Erde scharrte, um ihm zu zeigen, wie er die Leiche seines Bruders verbergen könne. Er sagte: Wehe! War ich nicht imstande (so klug) zu sein wie dieser Rabe und die Leiche meines Bruders zu verbergen? Und er empfand nun Bedauern. (Sure 5,27–31)
In der koranischen Erzählung unterstellt Abel seinem Bruder, dass er nicht zu den Gottesfürchtigen gehört und darum sein Opfer nicht angenommen wird. Auch lässt er ihn deutlich wissen, dass er sich ausdrücklich nicht vor dessen Angriffen zu schützen gedenkt. Er will ihn überdies nicht vor den Folgen der schrecklichen Tat bewahren, sondern wünscht ihm geradezu, dass er ein Insasse der Hölle wird; ein Verlangen, das offenbar schwerer wiegt als das eigene Leben zu schützen, das er vollkommen Gott überantwortet. Mit der Feststellung, dass ihm seine Seele nahelegte, den Bruder zu töten, wird die treibende Kraft für die böse Tat im Inneren des Menschen, in der Seele, erkannt. Da Kain keinerlei Erfahrungswerte über den Tod hatte und auch nicht wissen konnte, wie man tötet (geschweige denn, wie man einen Toten bestattet), wurde von den islamischen Gelehrten festgehalten, dass es der Teufel gewesen sein muss, der ihm die Tat einflüsterte und sogar die Hand führte. Damit habe er seine Prophezeiung erstmals auf Erden wahr gemacht. Schon Iblīs sowie Adam und seiner Frau wurden durch die Konsequenzen, die ihre Handlungen bewirkten, die Augen in dem Sinne geöffnet, dass sie lernten, Recht von Unrecht zu unterscheiden. Nicht der Anblick des toten Bruders belehrt Kain nun darüber, was der Tod ist, sondern die Erfahrung, dass man den Leichnam, so wie es Rabe ihm gezeigt hat, zu bestatten hat. Mit der Einsicht einer endgültigen Trennung von dem Lebenden, die mit der Beisetzung unter die Erde verbunden ist, überkommt ihn endlich Trauer und Reue und damit auch ein tiefes Begreifen seiner furchtbaren Schuld. Das Motiv des ersten Mordes in der Geschichte der Menschheit ist wieder der Neid, der sich einmal mehr im Himmel wie auf Erden als ursächlich für eine böse, den Menschen versündigende, Tat erweist.
Vorstellungen über „das Böse“ im Koran
289
4. Die Josephslegende und die Aussage über das Böse „Der Stachel“ oder „der Trieb zum Bösen“ – so könnte man die Kernaussage bei Kain und Abel zusammenfassen – sitzt in einer menschlichen Empfindung und zwar als Ausdruck unerwünschter Begierden. Die negativen Wünsche werden von den Schriftgelehrten in einem Teil der Seele lokalisiert, nämlich in der „Seele, die zum Übel aneifert“, der „nafs al-ammāra“.16 Nafs bezeichnet in der arabischen Sprache ganz allgemein die Seele. Sie steht unter der eigenen Kontrolle des Menschen und ist der Inbegriff für alle Wünsche, Begierden, Empfindungen; sie ist aber auch die Grundlage für Triebe und Leidenschaften. Die Seele ist nach islamischem Verständnis unsterblich. Die Begriffen fiṭra und fitna sind in diesem Zusammenhang wichtig. Laut Sure 32,7–9 hat Gott den Menschen nicht nur geformt, sondern ihm auch Geist von seinem Geist eingeblasen und ihm Gehör, Gesicht und Verstand gegeben. Der Mensch besteht demnach aus zwei Komponenten, aus der materiellen Erde sowie aus dem Geist Gottes. Der Begriff fiṭra weist auf die ursprüngliche Kreatürlichkeit des Menschen hin, die „dem Menschen eigene, jedoch zerstörbare Bestimmtheit zu Gott“.17 Dieser Zustand verbindet den Menschen mit der Absolutheit Gottes, so dass er ein wesentlicher Bestandteil der menschlichen Seele (Sure 30,30) ist und der Mensch folglich in einem religiösen Zustand geschaffen wurde. Dank der fiṭra ist es ihm möglich, ein gottgefälliges Leben zu führen, so dass er dereinst auf das Paradies hoffen darf. Doch die zahlreichen Anfeindungen im Leben sind eine ständige „Herausforderung“ und „Prüfung“ (Singular fitna). Ist der Mensch zu schwach und versündigt sich, so drohen im deutlich die Qualen der ewigen Hölle. Das Motiv der Seele, die zum Bösen treibt, wird im Koran in der Sure 12, die mit 111 Versen als geschlossen erzählte Geschichte im Koran auffällt, thematisiert. Diese Sure heißt „Yusuf“ und erzählt die Geschichte von Joseph, dem Lieblingssohn Jakobs, und seinen Brüdern. Sie wurde und wird häufig von den islamischen Theologen aufgegriffen und diskutiert, weil sie das Problem der Verantwortlichkeit des Menschen für böses Tun beschreibt. Auch in dieser Erzählung ist der Neid die Wurzel des Bösen; er verleitet auch in der koranischen Darstellung die Brüder dazu, Joseph, den Lieb-
Insbesondere in der Mystik werden verschiedenen Formen, bzw. Stationen der Seele beschrieben, s. hierzu D. PIELOW, Der Stachel des Bösen. Vorstellungen über den Bösen und das Böse im Islam, Würzburg 2008, 71f. 17 T. N AGEL, Geschichte, 300. 16
290
Dorothee Pielow
lingssohn Jakobs, zu beseitigen. Im Koran aber weiß Jakob bereits vom Neid der Brüder und nennt explizit den Teufel als dessen Verursacher: Damals, als Joseph zu seinem Vater sagte: Vater! Ich habe im Traum elf Sterne und den Mond gesehen. Ich sah sie voller Ehrfurcht vor mir niederfallen. Sein Vater sagte: Mein Sohn! Erzähle dein Traumgesicht nicht deinen Brüdern, sonst werden sie eine List gegen dich anwenden! Der Satan ist dem Menschen ein ausgemachter Feind. (Sure 12,5)
In Vers 53 stellt daraufhin Joseph fest: Die menschliche Seele verlangt gebieterisch nach dem Bösen! (Sure 12,53)
Die Aussage, dass die menschliche Seele gebieterisch nach dem Bösen verlangt, ist von großer Tragweite, wird doch in ihrer Empfänglichkeit für moralisch verwerfliches Tun eine Hauptursache des Übels erkannt.
5. Hiob und die Frage nach dem Bösen Auch im islamischen Glauben ist mit der Erzählung von Hiob die Kernfrage, wie die Existenz Gottes im Angesicht des Leidens zu beantworten ist, verbunden und welchen Sinn das Übel in der Welt, das Böse, haben kann. Der Koran tradiert die Geschichte Hiobs (arabisch Aiyyūb), die wieder stark der biblischen Rahmenerzählung gleicht.18 Hiob, von mannigfaltigen Leiden ergriffen deutet selbst den Verursacher seiner Qualen: Mich hat der Satan mit Mühsal und Pein heimgesucht. (Sure 38,41)
Auch wenn in diesem Fall Satan als ursächlich für Hiobs Unglück ausgemacht wird, führt auch hier die Erzählung zu der Erkenntnis, dass kein Mensch die Schöpfungsordnung bis ins Letzte erfassen kann und dass das Leid zur erschaffenen Welt gehört. Die islamischen Theologen beantworten die Frage nach Sinn und Gerechtigkeit der Leiden damit, dass Gott der Gerechte ist. Er fügt seinen Geschöpfen kein Unrecht und kein Leid zu, ohne dass sie es selbst verursachen: Und nicht Gott hat ihnen Leid zugefügt, sondern sie fügen sich selbst Leid zu. (Sure 3,117)
Leiden infolge von Krankheiten und Tod bedeutet, dass Gott den Menschen prüft. Klagen über das Leid würde Misstrauen und Nicht-Akzeptieren von Gottes Führung bedeuten. Prüfungen können aber auch Anlass sein, um zum Bitten zurückgeführt zu werden. Die Fragen, ob das Böse schicksalhaft bzw. vorherbestimmt ist, die des Weiteren mit der Geschichte von Hiob verbunden ist, werden im Koran an 18
Die Suren 6,84; 21,83–84; 38,41–43.
Vorstellungen über „das Böse“ im Koran
291
mehreren Stellen positiv beantwortet. Hierin findet der Gedanke an die Prädestination und einem gewissen Fatalismus Nahrung, mit dem das Geschehen in Natur und Gesellschaft durch eine übergeordnete Macht, nämlich Gott, unabänderlich bestimmt zu sein scheint. Im Koran wird mehrfach explizit hervorgehoben, dass Gott selber es ist, der die Geschicke des Menschen lenkt und diese Aussage führt zu der Frage der Willensfreiheit und der Vorherbestimmung. Gott führt die Menschen und bestimmt ihren Weg, denn Er lenkt den Willen der Menschen (Sure 76,30) und er bringt in ihrem Herzen Glauben oder Unglauben hervor (Sure 6,125). Er leitet sie recht (auf den Weg des Islam) oder aber in die Irre (so dass sie als Ungläubige am Ende der Tage in die Hölle geworfen werden (Sure 2,26). Den Ungläubigen legt Gott daher eine „Hülle“ über ihr Herz und in ihre Ohren „Schwerhörigkeit“, so dass sie den Koran nicht verstehen können (Sure 17,46). So führt Gott in die Irre, wen er will und leitet recht, wen er will. (Sure 74,31)
Der Koran beantwortet nicht, wie einerseits mit der Verantwortung des Menschen für seine Taten und andererseits der Allmacht Gottes umzugehen ist. Einige Koranverse verbinden sogar beides miteinander: weil manche Menschen gesündigt haben, indem sie ihre eigenen Vorstellungen zu ihrem Gott erklärten, hat Gott sie mit Bedacht irregeführt (Sure 45,23).
Ähnlich benennt Sure 18,57 beide Seiten als Verantwortliche: der Mensch entscheidet sich für das Böse und wendet sich von der Botschaft des Islam ab. Zugleich macht Gott ihn unfähig, das Richtige zu hören, selbst wenn ihm weiter der Islam verkündigt wird (vgl. auch Sure 42,13)
Ausblick Wie hier dargestellt, liefert der Koran mehrere Hinweise über die Art und Beschaffenheit des Bösen, und wie es erfahren und wodurch es hervorgerufen wird. Es ist auch im Islam eng verbunden mit den Begriffen der Moral und Ethik. Eine Ursache für das Böse wird in der Willensfreiheit des Menschen gesehen, die die Gefahr in sich birgt, sich für einen Weg zu entscheiden, der von Gottes Geboten und Verboten abweicht. Moralisches, ethisch bedenkliches Fehlverhalten findet in menschlichen Empfindungen Nahrung. Neid und Missgunst treten dabei immer wieder in auffallender Weise als tragendes und treibendes Motiv in den Vordergrund. Diese Gefühle werden als ethisch verwerfbare Eigenschaften erkannt, die von Gott nicht akzeptiert werden können. Der Neid wird schon vor Beginn der Menschheit im Handeln von Iblīs erkennbar und bestraft. Die Erzählung von Kain
292
Dorothee Pielow
und seinem Bruder zeigt, dass ebenfalls der Neid gleich zu Beginn der Menschheitsgeschichte das menschliche Miteinander prägt. Die Erzählung von Joseph bekräftigt die moralische Bewertung von Neid und Missgunst als verwerfliches, sündhaftes und darum dem Guten entgegenwirkendes Gefühl. Neid ist, so die Botschaft der Koranpassagen, eine starke, durchweg negative Empfindung in der die Triebkraft zu feindseligem Handeln gelegt ist; er ist offenbar in allen Geschöpfen Gottes, gleichwohl ob Mensch, Engel oder Geist, veranlagt. Sie alle müssen sich der Frage einer selbstverantworteten Moral stellen. Leid, Krankheit, Tod, Naturkatastrophen, etc. sind Übel, und wer davon betroffen wird, der fragt, ebenso wie Hiob, nach dem Grund und dem Sinn des Unglücks. Das Übel in Gestalt solcher Schicksalsschläge beschreibt das Böse im Sinne von Anfechtungen, welche von außen kommen. Nach islamischer Auffassung werden sie als „Prüfungen“ im Hinblick auf den Glauben Gottes verstanden. In diesem Sinne haben sie auch eine sinnvolle Bestimmung, denn sie bewirken, diesen mit einem starken Glauben, frei von Zweifeln, zu begegnen und sich durch ihre Bürden gewissermaßen schon im Diesseits zu läutern. Schließlich steht das Böse im Spiegel der zahlreichen konkreten Gebote und Verbote im Koran und umfasst sowohl die verbotenen als auch die als verwerflich erachteten Handlungen. Das Übertreten der göttlichen Gesetze, das Ausüben der schwarzen Magie und alles, was im Widerspruch zum (aus religiöser Sicht) Erlaubten und daher Guten steht, gelten als böse. Der Koran betont explizit die Verantwortung jedes Menschen für seine Taten im Hinblick darauf, dass diese am Tag des Jüngsten Gerichts bewertet werden. Jeder Mensch wird sich dann im Jüngsten Gericht vor Gott verantworten müssen. Das Böse ist insofern eng mit dem Menschen und den Geschehnissen auf der Welt verbunden und somit ist es, wie die gesamte Schöpfung, endlich: am Tag des Weltgerichts, wenn sich Gut und Böse für immer voneinander trennen, wird mit dem Ende dieser Welt auch das Böse gänzlich bedeutungslos.
Stellenregister (in Auswahl) 1. Altes Testament (mit Septuaginta)
2. Könige 21,1–9
Genesis
1. Chronik
1,1f.4 1,2 1,24 1,26 1,26f. 1,29–31 1,31 2,7 3,1 3,1–5 3,1–6 3,4f. 3,21–24 4,3–7 4,10 6,1f. 6,1–4 6,5.12 8,21 9,3f. 9,13
57 198 172f., 181 77f. 255 57 255, 260 174–176, 256, 276 79 4 253 276 253 5 176 254 83 53 57 57 58
Leviticus 17,11
176
Deuteronomium 30,15ff.
57
1. Samuel 2,6
55
2. Samuel 24,1
62, 73
21,1
56, 716
61, 73
2. Chronik 33,11–13
56, 716
Jesaja 14,12–15 28,15 45,5–7
254 55 64
Psalmen 1,1–4.6 6,5 30 88,4–8.11.17 140,12–14
55 54 54 65 55
Hiob 1,5-12 1,6ff. 2,10 6,24 21,30 30,21 36,15 38,4.16 42,1–6
62 5 64 59 59 59 59 60 61
Kohelet 7,14 8,17
64 61
Jesus Sirach (LXX) 15,11–20
73
294
Stellenregister
2. Antike jüdische Literatur 2.1 Apokryphen und Pseudepigraphen Leben Adams und Evas 9 12–16
5 4f.
2.2 Hellenistisch-jüdische Literatur FLAVIUS JOSEPHUS
71 71
De agricultura 79 75
De Cherubim 35 75–77
72 80
De confusione linguarum 130
74
De Deo 12
84
76 76 78 81
De providentia 72
De sacrificiis Abelis et Caini 55–59 123
72
70f.
Legatio ad Gaium 319f.
82
Legum Allegoriae I 36–38 I 42 I 52 III 73
12228 177212 11419 75
Quaestiones in Exodum I 23 II 42
80f., 126f.32 72
Quaestiones in Genesim I 36 II 33 II 56
55–57
De opificio mundi
II 107
II 77f.
8032 80 78
Quis rerum divinarum heres sit
De gigantibus
16 71ff. 72–75 151–156
72 74 83 176 75
De vita Mosis
169ff.
PHILON VON A LEXANDRIA
97ff. 128–130
I 66–78 II 209 III 93–103 IV 123 IV 187
In Flaccum
Bellum Iudaicum IV 147–157 VI 124–128
De specialibus legibus
81 74
176
Quod deterius potiori insidiari soleat 1–18 79–84 82
83 176 79
3. Neues Testament Lukas 22,3
5
Johannes 1,14
259
295
Stellenregister 9,2 12,31 14,30 13,27 16,11
Contra Iulianum
56 5 5 5 5
IV 72 De beata vita 10
Römer 7,18b
I 1,11 I 2,12
5
1 VII
4.1 Kirchenväter A MBROSIUS Hexaemeron 267
II 2
268
Confessiones 263f. 264 264 274 267 268 267
Contra epistulam Manichaei 5
26520
Contra Faustum Manichaei XX 3
26519
Contra Fortunatum Manichaeum 20
266
269 263, 270 271 271f. 273 273 276, 274 275
26517
De Trinitate
A UGUSTINUS VON H IPPO
III 4,7–8 III 6,10 III 7,12 V 3,5 V 10,18–20.23 VII 3,5 VII 9,13
I1 I4 III 2 III 7 III 15 III 71 III 74 III 76 De moribus
De Iacob et vita beata I 3,10
264
De libero arbitrio
4. Antike christliche Literatur
I 8,31
273 273
De duabus animis
1. Timotheus 6,10
26416
De diversis quaestionibus ad Simplicianum
277
2. Korinther 11,14f.
264
22
XIV 12 XIV 26
264 264
De utilitate credendi 36
26517, 26934
C LEMENS VON A LEXANDRIA Excerpta ex Theodoto 48,2–3 50,1 55,2–56,3
12026 12835 128f.38
Protreptikos 115,2–5
9325
Stromateis I 11,1–2 II 64,3f. II 77,5
91 92 94
296 II 77,6 II 142,2 III 12–21 III 25–39 III 67,1 IV 81–88 IV 93,3 IV 150,3 V 85,1 V 89,5–7 V 92.5 VI 96,2 VI 125,6 VI 153,2 VII 101,6
Stellenregister 94 88 97 97 96 97 98 93 93 90 9532 93 96 93 95
G REGOR VON N AZIANZ
258f.
Osterhomilie 1 (GNO IX) 259f.
H EGEMONIOS Acta Archelai 7–13,3
266
Refutatio omnium haeresium 251f.
IRENAEUS VON LYON Adversus Haereses II 13,1 II 13,3
257
N EMESIOS VON EMESA De natura hominis 2 (PG 40,577) 2488 O RIGENES Contra Celsum VI 42
7
De Principiis 260 268
T ERTULLIAN
2,4 10,1–2 11,1 6,1f. 7,4
1022 151 151 151f. 151
Adversus Marcionem 21
H IPPOLYTOS VON R OM
VI 29–30
I 29
Adversus Hermogenem
G REGOR VON N YSSA
p. 252
Aglaophon
I 6,2 III 1
Orationes 38,9–12
M ETHODIOS VON O LYMPOS
110 101, 106, 110
I 2,2 II 2 II 9 II 9,1–2 II 11–19
1033 102 174 1022 1033
Adversus Valentinianos 4,1–4 39
112 1034
De anima
JUSTIN DER M ÄRTYRER
1,1 3,4 11,2
Dialogus cum Tryphone
De praescriptione haereticorum
2,1–8,4
7,1.5
91
1022 1022 174
103
297
Stellenregister Scorpiace 1,1
1034
4.2 Gnostisches und hermetisches Schrifttum (mit Apokryphen) Ägypterevangelium (NHC III,2) p. 63,4–18
13143
Apokryphon des Johannes (NHC II,1) p. 9,25–10,14 p. 12,33–13,5 p. 13,33 p. 25,13–14 p. 26,12–27,10
113f. 118 114 125 126
(NHC III,1) p. 6,2–7,19 p. 25,7–9 p. 26,13–27,4 p. 38,17ff. p. 39,3.10f. p. 17,4–20
109 125 124 125 125 132
(BG 2) p. 25,9–27,15 p. 36,16–38,6 p. 46,10 p. 47,14–55,18 p. 55,2–17 p. 68,4–69,12 p. 74,6ff. p. 75,1 p. 75,10
109 113f. 114 122 124 126 125 125 125
Corpus Hermeticum I 13
199315
p. 94,2–19 p. 94,19–95,5 p. 96,21f.26f. p. 97,7–9
115 116f. 127 127
Kore Kosmou Fr. 23,24–25.38–39 250f. M ANI Epistula fundamenti Test. 13 Stein Fr. 8,2–4 Stein
26520 266
Schatzhöhle 4
5
Tractatus tripartitus (NHC I,5) p. 75,27–77,20 p. 78,32–79,3 p. 78,33–35 p. 80,30–81,1 p. 82,19–20 p. 89,25 p. 100,30–33 p. 103,13–104,4 p. 118,14–119,16 p. 122,12–27
113 119 118f. 121 118 119 118 119 129 12939
Ursprüngliche Lehre (NHC VI,3) p. 31,24–32,15
13142
Vom Ursprung der Welt (NHC II,5) p. 98,23–99,22
116f.
Zostrianos (NHC VIII,1) p. 10,1–7
11822
Evangelium der Wahrheit (NHC I,3) p. 17,4–20 p. 31,24–32,15
132 13142
Exegese über die Seele (NHC II,6) p. 126,22–27
131
Hypostase des Archonten (NHC II,4) p. 93,22–32 p. 93,29
127f. 127
5. Pagane griechische Literatur A ËTIOS I 8,2
9f.
298
Stellenregister
A LEXANDER VON LYKOPOLIS
H ESIOD
Gegen die Lehren Manis
Werke und Tage 121ff.
4,23–5,1 5,15–6,1
247 247f.
A LKINOOS
182236 162 119 187254 85 182236, 184
De generatione et corruptione 1022
143
167 217 1022 219 167 217f. 218 167 164
C HRYSIPP (SVF II) Fr. 975
273
D IOGENES LAERTIOS 7,89
49
EURIPIDES Medea 1078f.
Protrepticus in philosophiam
8
15f.
K LEANTHES (SVF I) Fr. 537,17
Physik I 9 191a I 9 192a3f. I 9 192a13–18 I 9 192a14–16 I 9 192a15 I 9 192a16–25 I 9 192a18.20 I 9 192a24f. ΙΙ 9 200a24–33
16 17 17 17 17 17 17
p. 374,5–10 (Stob. I 49,37) 204 p. 375,2–12 (Stob. I 49,37) 186
3.13.18
Metaphysik I 6 988a9f.14f.
I3 III 31 IV 7 V 14 X1 X5 X7
De anima (ap. Stob., ed. Wachsmuth)
A RISTOTELES
II 1 329a32–33
JAMBLICH VON C HALKIS De mysteriis
Didaskalikos 5 156,35ff. 8 163,7f. 15 171,18f. 16 172,10.19 24 177,4ff. 25 178,24ff.
9
78
N UMENIOS Fragmente ed. des Places Fr. 1 Fr. 3 Fr. 4a Fr. 4b Fr. 11 Fr. 11,14–20 Fr. 11,19f. Fr. 12,16 Fr. 12,14–22 Fr. 12,18–19 Fr. 13 Fr. 16 Fr. 18 Fr. 18,6–10 Fr. 18,13 Fr. 24,68 Fr. 30 Fr. 30,1–6 Fr. 31 Fr. 32
175 142 142f., 170 149, 170 143, 201 203 197305, 204 206 200f. 180320 206340 168169 160124 203 197305 165 173, 183242, 195, 204 198 195 195, 204
299
Stellenregister Fr. 32,11f. Fr. 33 Fr. 34 Fr. 33,8f. Fr. 35 Fr. 37 Fr. 35 Fr. 35,21–23 Fr. 36 Fr. 36,5–10 Fr. 37 Fr. 37,4–8 Fr. 38 Fr. 39 Fr. 41 Fr. 42 Fr. 43,1–7 Fr. 43,7–12 Fr. 43,52 Fr. 44 Fr. 46a Fr. 47 Fr. 47,1–3 Fr. 48 Fr. 48,10f. Fr. 49 Fr. 52 Fr. 52,1–14 Fr. 52,5–14 Fr. 52,15–24 Fr. 52,54–64 Fr. 52,64ff. Fr. 52,65 Fr. 52,64–70 Fr. 52,67–70 Fr. 52,65–75 Fr. 52,67–70 Fr. 52,70–74 Fr. 52,70–75 Fr. 52,71f. Fr. 52,72–73 Fr. 52,74–77 Fr. 52,83–88 Fr. 52,91–96 Fr. 52,92f. Fr. 52,93 Fr. 52,101f. Fr. 52,104–107 Fr. 52,121–129 Fr. 52,126f.
197 195 195, 204 171186 195, 204, 207 195 190, 192 190 197 200 183242 171 170 153, 159 147, 168169 147, 200321 171 185 91 171 184 171187, 178217, 179225 184 171, 189 191 189 143–172 143 144 13718, 202 144 11 134 145 134 139 155 149f., 170 208 158 185249 144 193281 144f. 169 163134, 186 166157, 183, 193281 144 161 198
PARMENIDES Fr. 7,1f. Diels-Kranz 226 PLATON Gorgias 525c
97
Kratylos 400c1-9
37
Leges IX 877a X 896d5–897d6 X 896e–898d X 996d–998c
7 30f. 134 6
Phaidon 113e
97
Phaedros 245cd 246a 248a1–d4 248c
234 249 34f. 249
Politikos 269d5–270a8 273d6-e1
33 33
Protagoras 345e1f.
23651
Res publica VI 505a2 X 609b–611c X 612a3–5 X 617e4 X 615e f. X 617a–620e X 617e
23 190 190 190 97 7f. XI, 9323
Sophistes 237ab 237b7f. 237b7–9 250a8–10
22623 220, 233 235 235
300 252d2–11 254d4ff. 257b1–c4 258a7–10 258a11–b3 258de 258d6 258e2f. 258e6–259a1
Stellenregister 235 235 214f., 234f. 214 212f. 22623 214, 226f. 213, 218 214, 233
Theaitetos 150b9–c3 176a3–b8 176a7–8
107, 11419 22 107
Timaios 29e 29e–30a 30b 34b–36d 36e–37a 41a–d 47e–48a 48a 49d–52c 51e 52b2 52e–53a 52d2–53b7 56c 68e–69a 69c5–d5 69d 69d–71a 79b 86b–e 86e 88c 92c
6 205 6 6 108 180 108, 119 6, 27f., 163 119 28 161 163 25 28 108, 163 183 80 81 28 184 108, 191272 28 7f.
PS.-PLATON Epinomis 984d–985a
9
PLOTIN Enneaden I 7 [54] 3,19–22
237f.
I 8 [51] I 8 [51] 3,4f. I 8 [51] 3,4–7 I 8 [51] 3,6f. I 8 [51] 3,14.31 I 8 [51] 3,35–40 I 8 [51] 3,39f. I 8 [51] 4 I 8 [51] 4,25–28 I 8 [51] 5 I 8 [51] 5,30–34 I 8 [51] 7,2–4 I 8 [51] 7,16–23 I 8 [51] 8,11–28 I 8 [51] 8,18–20 I 8 [51] 11,6f. I 8 [51] 13,21–26 I 8 [51] 14,1–24 I 8 [51] 14,17–24 I 8 [51] 14,49f. I 8 [51] 15,1–3 II 3 [52] 17,1–9 II 4 [12] 16,1–3 II 4 [12] 16,3–8 II 4 [12] 16,13–16 II 4 [12] 16,16–24 II 9 [33] 2,10–18 II 9 [33] 3,15–21 II 9 [33] 4,1–2 II 9 [33] 4,1–7 II 9 [33] 4,15–17 II 9 [33] 5,8–16 II 9 [33] 5,33–35 II 9 [33] 6,1–5 II 9 [33] 6,24–31 II 9 [33] 6,57–62 II 9 [33] 6,62 II 9 [33] 7,4–15 II 9 [33] 7,25–27 II 9 [33] 8,18–22 II 9 [33] 11,8–11 II 9 [33] 11,24–27 II 9 [33] 12,30–44 III 4 [15] 1,6–14 III 4 [15] 1,14–17 III 6 [26] 14,18–23 III 8 [30] 2,27–34 III 9 [13] 3,7–16 III 9 [13] 3,8–11 III 9 [13] 3,10–16
10814 226 215f. 220, 230f. 219 219 238 246 224 268 223f. 224 224 227 226 227, 238 226 223 224 224 229, 238 10610 214f., 218 217 217f. 219f. 106 224 1057 224 1058 1057 224 1058 104 104 105 104 102, 105 1058 1058 12127 224 220f., 232 220f. 216f., 229–231 221f., 226 219f. 232, 23341 221
301
Stellenregister III 9 [13] 3,13 226 IV 3 [27] 13,17–19 222f. IV 8 [6] 5,3–4 223 IV 8 [6] 5,16–18 224, 226 IV 8 [6] 5,27f. 227 IV 8 [6] 7,1–14 223 V 1 [10] 1,1–19.22f. 238 V 2 [11] 1–2 232 VI 8 [39] 1 273 VI 9 [9] 5,24–38 238 VI 9 [9] 11,35–38 216, 220, 229–231 PLUTARCH De animae procreatione in Timaeo 2 1012E 6 1014EF 7 1015D 7 1015E 21 1022E–1023A 23f. 1024A–1024E
154f. 164 165 134 15496 10711
De defectu oraculorum 10 415BC 14–16 417C–418D 28–30 943A–945C 35 429A–D
10 11 10 166157, 207
De genio Socratis 24 593D–594A
10
De Iside et Osiride 27 361D 42 368B 45 369A 45–48 369A–370F 49 371AB 58 374E–375A
10 10 10 11 10 1022
De sera numinis vindicta 25 27 27 27 30
564F f. 565F1–5 566A6–8 566A8–10 567B
12 198 196f. 196 12
Quaestiones Platonicae 9 1008CD
118
PORPHYRIOS De abstinentia II 35,1 II 36,3–5 II 37,3 II 38,1–4 II 39,1–2 II 39,3–4 II 40,1–5 II 41,3–4 II 42,2 II 42,3 II 43,1–4 II 44,1–3 II 45,4 II 59,1 II 59,1 II 60,3f. II 61,1 III 26,3–4 III 27,1–2
14 13 13 13 13 14 14 14 14 13 14 14 14 13 13 14 14 14 14
Ad Marcellam 11 12 16 20 21 19 24
14 14 14 14 14 15 14
De vita Plotini 2,11–15 6,1–25 6,15–25 7,50ff. 11,11ff. 18,9ff. 24,12ff.
237 12 237 12 12 12 12
PROKLOS In Timaeum ΙΙ 153,17–25 Diehl 153
302
Stellenregister Fragmente ed. Straume-Zimmermann
SIMPLIKIOS In Physicam (ed. Diels) p. 135,26 p. 230,34–231,24 p. 238,26
2134 115f.20 2134
T IMAIOS VON LOKROI Fr. 206a,3–5 Marg 15496
26
Commentarius in Platonis Timaeum 153f., 156–159 153f., 156–159 173f., 182 173f., 177, 180, 182 176 14667.69 157114 146f., 150, 172, 178217, 180
C ICERO
263
8
De finibus 11117
Hortensius Fragmente ed. Grilli Test. 1 Fr. 59a Fr. 84 Fr. 110 Fr. 115
192–194, 196
SENECA De providentia 1,1 1,5 3,1 5,1 6,1
43 43 43 43 43
Epistulae morales ad Lucilium 107,11
22316
Hercules Furens
De divinatione
V 41
Commentarius in Ciceronis somnium Scipionis I 11–14
C ALCIDIUS
II 1
11117
M ACROBIUS
6. Pagane lateinische Autoren
29–31 53–55 54 55 219 295–299 295–300 300
264 2638 264 26416 264 264 264
Lucullus 30
X ENOKRATES Fr. 154,8 Parente
Fr. 4 Fr. 5 Fr. 9 A 4 Fr. 69 A 2 Fr. 84 A 1 Fr. 101 Fr. 102
2638 26416 264 264 264
85–90 86–99 924–975 1018–1037 1046–1099 1196–1200 1200f. 1237–1239 1239 1300f. 1315f. 1343f.
43 44 45 46 47 47 48 48 50 48 48 48
303
Stellenregister
7. Koran Sure 2,26 Sure 2,30 Sure 2,36 Sure 2,37 Sure 2,102 Sure 3,117 Sure 3,155.175 Sure 4,48 Sure 4,79 Sure 4,111.116 Sure 5,27–32 Sure 5,90 Sure 6,68 Sure 6,125 Sure 7,16 Sure 7,27 Sure 12,5 Sure 12,42 Sure 12,53 Sure 14,34 Sure 15,26f. Sure 15,27
291 285 286 286 284 290 284 280 281 280 287f. 284 284 291 283 284 290 284 290 280 28411 283
Sure 15,31 Sure 17,22–39 Sure 17,46 Sure 17,64 Sure 18,57 Sure 18,63 Sure 20,117f. Sure 22,52 Sure 30,30 Sure 32,7–9 Sure 35,18 Sure 38,41 Sure 38,76 Sure 38,71–85 Sure 42,13 Sure 45,23 Sure 47,25 Sure 58,19 Sure 67,3 Sure 72,11.15 Sure 74,31 Sure 76,30 Sure 113
282 281 291 284 291 284 286 284 289 289 287 290 282 283 291 291 284 284 286 282 291 291 281
Personenregister (ohne moderne Sekundärliteratur) Adam XII, 4, 77–82, 92–94, 121–125, 12838, 2463, 253f., 260, 275, 277–279, 282, 285–288 Albinos 186 Alexander von Lykopolis 247f. Alkinoos 9, 1056 Ambrosius XII, 262, 267f. Amphitryon 45, 48, 50 Aristoteles 6f., 11, 21, 25f., 51, 90f., 95, 143, 164–169, 188, 212, 217–219, Atreus 39 Augustin XIf., 92, 94, 98, 252, 261–278 Basilides XI, 97, 186, 189 Basilius 267f. Calcidius 139f., 144–162, 165, 169, 171– 185, 188, 194, 204, 208 Caligula 70f. Chrysipp 39, 46, 75, 273 Cicero 263f. Clemens von Alexandria Xf., 70, 87–99 Darius 63 Demokrit 28f. Empedokles 73, 84, 186, 11 Epiktet 95 Eudemos 165 Eudoros 202329 Eva 4f., 81f., 94, 254, 279, 285, 287, Evodius 271f. Flaccus (Präfekt) 70 Flavius Josephus 71f., 76 Harpokration 185f., 189 Hegemonios 26621 Heraklit 186 Herkules X, 44–51
Hermogenes 102, 151–153, 162, 165, 169, 174–179, 201326, Hiob X, XII, 5, 58–66, 282, 290, 292 Hippolytos von Rom 251 Irenaeus von Lyon 87, 93, 106, 110 Isodoros 181f.235, 189 Jakob 289f. Jamblich von Chalkis IX, 15–18, 13341, 147, 171, 184–186, 191 Jesus von Nazareth 5f., 56, 130, Johannes (Apostel) 56, 93f. Joseph 282, 289–292 Juno 44–46, 48 Jupiter (vgl. Zeus) 45 Justin der Märtyrer 87, 91 Kant, I. VII, 21, 79, 8135, 230f. Kronios 185f. Kyros 64 Leibniz, G.W. 69, 72, 77 Leukipp 28f. Livia 82 Lykos 45f. Mani XII, 247f., 255, 264–269 Markion 97, 103 Megara 45–47 Melissos 29 Methodios von Olympos 257 Moderatus von Gades 125f.20, 202329 Nemesios von Emesa 149, 2488 Noah 54, 78 Numenios XI, 11, 91, 133–210 Ödipus 39, 50 Origenes 7, 176, 256–258, 268
Personenregister Parmenides 28, 225f., 235, 240 Paulus XII, 5, 69, 79, 87, 92, 277 Pelagius XII, 276, Pelops 39 Philipp von Opus 9 Philon von Alexandria X, 69–85, 87, 92–96, 122128, 11419, 121f., 175–179, 253 Philoponos 171187, 178217, 179225, 184 Platon IX–XII, 6–17, 21–39, 69–73, 75– 80, 88–97, 104–109, 114–125, 133– 152, 162–171, 175, 179–191, 196, 211–220, 225–227, 231, 233, 235– 240, 246–252 Plotin XIf., 7, 12, 39, 104–106, 10814, 157, 185–187, 189, 200, 211–241, 245f., 268, 273 Plutarch IX, 10–12, 14, 17, 134, 145, 154–160, 164f., 187, 196f. Porphyrios IX, 12–18, 142, 150, 157– 160, 171–173, 176f., 184–187, 192– 200, 219, 237 Proklos 15, 153–155, 159f., 171, 190– 192, 195, 207
305
Ptolemaios (Gnostiker) 70, 112, Pythagoras 72f., 75, 90, 136f., 143f., 146–149, 154, 161, 168, 175, 180, 195 Seneca IXf., 41–51, 22316 Simplikios 14244, 213, 218 Sokrates 21f., 39, 94, 98 Tertullian 87, 102f., 112, 151f., 175, 177212.215 Thyestes 39, Tiberius Julius Alexander 8449 Tantalos 39 Valentinus 97, 103 4, 112, 251 Xenokrates 9, 26 Zeno 24 Zeus (vgl. Jupiter) 39, 78 Zoraster 63