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German Pages 114 [140] Year 1960
SAMMLUNG
GÖSCHEN
BAND
850
GESCHICHTE DER P H I L O S O P H I E XI DIE PHILOSOPHIE DES
IM E R S T E N
ZWANZIGSTEN
DRITTEL
JAHRHUNDERTS
ZWEITER
TEIL
von
GERHARD
LEHMANN
WALTER DE GRUYTER & CO. vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung • J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J. T r ü b n e r • Veit & Comp
BERLIN
1960
Die Gesamtdarstellung der „ G E S C H I C H T E DER P H I L O S O P H I E " in der Sammlung Göschen umfaßt folgende Bände: I — IV: Die griechische Philosophie von W. Capelle (Bd. 857—859, 863) V: Geschichte der patristischen und scholastischen Philosophie von / . Koch (Bd. 826) VI: Von der Renaissance bis Kant von K. Schilling (Bd. 394/394a) VII: Immanuel Kant von G. Lehmann (Bd. 536) VIII + I X : Die Philosophie des 19. Jahrhunderts von G. Lehmann (Bd. 571, 709) X + X I : Die Philosophie im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts von G. Lehmann (Bd. 845, 850)
© Copyright 1960 by Walter de Gruyter & Co. — Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, v o n der Verlagshandlung vorbehalten. — Archiv-Nr. 11 08 50 — Satz und Druck: Paul Funk, Berlin W 35. — Printed in Germany.
Inhaltsübersicht IV. Phänomenologie und Ontologie
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Einleitung
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Franz Brentano
8
Johannes
Rehmke
12
Hans Driesch
. . . .
19
Edmund Husserl I
24
Akos v. Pauler
30
Edmund Husserl II
31
Max Scheler
36
Alexius v. Meinong
45
Hans Pichler
50
Otto Janssen Nicolai
55
Hartmann
. . .
Günther Jacoby
56 .
Literatur . . .
Einleitung William
82 82
Canning Scott Schiller James
86
. . .
John
Dewey
. . .
John
Watson
.
Bertrand
68 76
V. Vom Pragmatismus zum Neurealismus Ferdinand
.
Russell
.
88 92 . . .
100 101
Literatur
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Namenverzeichnis
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IV. Phänomenologie und Ontologie Einleitung Im Oktober 1907 hielt der Berliner Psychologe Karl Stumpf (1848—1936) bei der Übernahme des Rektorats eine Rede über die W i e d e r g e b u r t d e r P h i l o s o p h i e . Es waren nicht die neuidealistischen Tendenzen in der damaligen Philosophie, an die er anknüpfte. Die idealistisch-konstruktiven Systeme mit ihrer „mystisch erhöhten Denktemperatur" und ihrer von den übrigen Wissenschaften abweichenden Geistesverfassung sind nach Stumpf unwiderruflich dahin. An Stelle der „versunkenen Atlantis" hat sich ein „neuer Kontinent" erhoben. „Sehr langsam ist sein Emporsteigen, doch scheint er an Größe und fester Gestaltung Jahrzehnt für Jahrzehnt zu gewinnen". Zwar sind es allgemeine Vorstellungen von wissenschaftlicher Philosophie, Zusammenarbeit, Verbindung der N a t u r - und Geisteswissenschaften, A n k n ü p f u n g an die durch den Idealismus unterbrochene Tradition, mit denen Stumpf den „neuen Kontinent" zu beschreiben sucht. Genauer aber ist es die Wiedergeburt der Philosophie aus dem Geiste der ö s t e r r e i c h i s c h e n S c h u l e , die er fordert. Dieser Schule gehörte Stumpf an. Er war Schüler von Franz Brentano (1838—1917), von dem auch Alexius Meinong (1853—1920) und Edmund Husserl (1859—1938) ausgegangen sind. Husserls „Phänomenologie" sollte bald Meinongs „Gegenstandstheorie" überflügeln und die Herrschaft über den „neuen Kontinent" erlangen. Man braucht den Begriff österreichische Schule nicht auf Brentano und seine Fortsetzer zu beschränken. Seit Husserls Hinweis auf Bernard Bolzano als seinen Vorgänger, ist auch dieser Denker (1781—1848) und seine Anhänger (Frihonsky, Fesl, R. Zimmermann, der allerdings später zu Herbart überging) in den Zusammenhang der österreichischen Schule aufgenommen, obwohl er mit Brentano
Einleitung
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wenig gemeinsam hat und die orthodoxen „ B r e n t a n i s t e n " von dieser ganzen Genealogie nichts wissen wollen. Bolzano — Logiker, Mathematiker, Religionsphilosoph und Sozialethiker, mit seiner „Wissenschaftslehre" (1837) der Antipode lichtes — vertritt gleichsam das p l a t o n i s c h e , Brentano das a r i s t o t e l i s t i s c h e Element der österreichischen Schule: zu Leibniz stehen sie in verschiedenen, aber gleichstarken Beziehungen, wie überhaupt der L e i b n i z i a n i s m u s einen durchgreifenden Zug aller hierher gehörigen Denker bildet. Gemeinsam ist ihnen auch — abgesehen vielleicht von Meinong, und abgesehen natürlich von Husserls letzter Phase — der Gegensatz zu Kant und den Neukantianern. Prihonskys „Antikant" ist zwar erst nach Bolzanos T o d e erschienen (1850), aber von Bolzanos Kantkritik bestimmt; Brentano ist ein unermüdlicher Bekämpfer Kantischer „Irrlehren" — Kant gehört, nach seiner Lehre von den vier Phasen der Philosophie (1895), an das Ende der vorletzten und den Beginn der letzten Verfallsperiode; er bildet den Übergang von der Skepsis {Humes) zur mystischen Spekulation (des deutschen Idealismus). Von hier aus versteht es sich, daß die österreichische Schule eine G e g e n b e w e g u n g zu aller von Kant beeinflußten idealistisch-metaphysischen und erkenntniskritischen Philosophie im 19. Jahrhundert darstellt, daß sie, was insbesondere ihr Verhältnis zum Neukantianismus betrifft, die Gegenbewegung zur s u b j e k t i v i s t i s c h e n bzw. phänomenalistischen „Erkenntnistheorie" ist, und daß sie, in der Zeit der Kantnachfolge und des Neuidealismus, nicht recht zur Geltung kommen konnte. Die Österreicher stellen dem Subjektivismus einen O b j e k t i v i s m u s , dem Immanenzprinzip 1 ) das I n t e n t i o n a l i t ä t s p r i n z i p , dem vorherrschenden oder doch mindestens überall nachweisbaren Irrationalismus einen R a t i o n a l i s m u s bzw. Intellektualismus gegen1) Vgl. hierzu Philosophie im 19. J a h r h u n d e r t Bd. II, S. 109 f.
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Phänomenologie und Ontologie
über; sie sind R e a l i s t e n in einem Herbart verwandten Sinne. In ihnen meldet zwar ein vom K a t h o l i z i s m u s beeinflußtes, an Aristoteles und der Scholastik geschultes Denken seine Forderungen an; aber die österreichische Schule ist keine kirchliche Philosophie und kein Neothomismus. Bolzano war Priester, geriet aber mit der Kirche in Konflikt; Brentano trat (1873) aus der Kirche aus; auch Stumpf gab (1870) seine kirchliche Laufbahn auf. Die Österreicher wollen durchaus nicht unzeitgemäßer sein als die Norddeutschen, oder gar reaktionär. Brentano jedenfalls, zu dessen Habilitationsthesen (1866) die Behauptung gehört, daß die wahre Methode der Philosophie die naturwissenschaftliche ist, zeigt vielfache Anklänge an den damaligen Empirismus (Mill) und Positivismus (Comte). Sein H a u p t w e r k (1874) nennt er „Psychologie vom empirischen Standpunkt", und betont, die Erfahrung allein sei ihm Lehrmeisterin. Meinongs Habilitationsschrift (1877) behandelt Fragen der Hume-Forschung; von Hume aus ist er auch zu seiner eigenen „Relationstheorie" (1882) gelangt. Selbst Husserl ist in seiner Frühzeit von positivistischen Einflüssen nicht frei. Was nun den Objektivismus selbst in seiner Beziehung zum I n t e n t i o n a l i t ä t s p r i n z i p betrifft, so hat er bei Brentano die Form, daß alle psychischen „Phänomene" (nicht Erscheinungen im Kantlsd\tn Sinn, sondern ganz unverbindlich: Bewußtseinszustände) im Unterschied zu physischen Phänomenen (d. i. Farben, Tönen und anderen Sinnesqualitäten) o b j e k t g e r i c h t e t sind. „In der Vorstellung ist etwas vorgestellt, in dem Urteile ist etwas anerkannt oder verworfen, in der Liebe geliebt, in dem Hasse gehaßt, in dem Begehren begehrt usw." Jedes psychische Phänomen hat also „immanente Gegenständlichkeit", scholastisch: intentionale oder mentale „Inexistenz" eines Gegenstandes. Bewußtsein ist überhaupt „intentionale Beziehung zu etwas, was vielleicht nicht wirklich, aber doch innerlich gegenständlich gegeben ist. Kein Hören ohne Gehörtes, kein Glauben ohne Geglaubtes, kein
Einleitung
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Hoffen ohne Gehofites, kein Streben ohne Erstrebtes, keine Freude ohne etwas worüber man sich freut". Das Intentionalitätsprinzip, das umso anfechtbarer wird, je mehr man in die Gebiete der Gefühle, Stimmungen, Erlebnisse und der sogen. Tiefenpsychologie hinabsteigt, ist also bei Brentano k e i n reiner Gegensatz zum Immanenzprinzip. Es liegt nicht in ihm, daß alles Bewußtsein Beziehung zu etwas T r a n s s u b j e k t i v e m ist. Natürlich kann der mental inexistierende Gegenstand auf einen existierenden äußeren Gegenstand bezogen sein — f ü r den erkenntnistheoretischen Realismus der Scholastik ist das selbstverständlich. Aber nicht diese Beziehung auf den äußeren Gegenstand, sondern die Beziehung auf etwas, das „innerlich gegeben ist", macht die Intentionalität aus. Man konnte also sagen: das Intentionalitätsprinzip würde einen radikalen Subjektivismus (Solipsismus) keineswegs aufheben; es ist „widerspruchsfrei denkbar, daß gar nichts wäre außer mir, dem Etwas-Vorstellenden" {Kraus). Am Intentionalitätsprinzip bzw. -problem ließe sich die ganze Geschichte der österreichischen Schule, der Phänomenologie, der phänomenologischen und nicht-phänomenologischen Ontologie darstellen. Brentano selbst hat die phänomenologischen und gegenstandstheoretischen Weiterbildungen seiner Lehre (bei Husserl, Meinong, Marty) energisch bekämpft. Er hat in der sogen, „neuen Lehre" eine andere Fassung des Intentionalitätsprinzips gegeben, die mit der Umbildung seiner Lehre vom R e a l e n zusammenhängt. Er hat (1911) behauptet, daß „nichts anderes als Dinge, welche sämtlich unter denselben Begriff des Realen fallen, für psychische Beziehungen ein Objekt" abgeben, und daß alle nichtdinglichen, nichtrealen, allgemeinbegrifflichen, idealen „Objekte", alle sogen. „Sachverhalte", „Objektive" {Meinong), „Ideen" {Husserl) etc. samt und sonders fiktiv sind. Wir r e d e n zwar von irrealen Gegenständen des Bewußtseins: immer aber handelt es sich dabei um sprachliche Wendungen, als deren Kern sich in entprechender Umformung leicht Aussagen über Reales nachweisen ließen.
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Phänomenologie und Ontologie
Franz Brentano Franz Brentano, Neffe der Bettina, Bruder des Nationalökonomen Lujo Brentano, 1838 in Marienburg bei Boppard geboren, nach Studien in München, Würzburg und Berlin Privatdozent (1866) und Extraordinarius in W ü r z burg (1872), von 1874 bis 1895 in W i e n lehrend, ist durch sein wechselvolles Schicksal, die Energie und Schärfe seines Denkens, den Mut, f ü r seine Überzeugungen einzutreten, eine der fesselndsten Persönlichkeiten der Philosophiegeschichte. Er hat nicht viel veröffentlicht, aber umso mehr hinterlassen. Über diesen N a c h l a ß , der (ab 1922) von O. Kraus und A. Kastil mit Unterstützung der Prager Brentano-Gesellschaft herausgegeben wurde, waltete ein Unstern. Seit 1933 wurde er unterbrochen; am 100. Geburtstag Brentanos (1938) gab es kaum eine Stimme, die des Philosophen in Deutschland gedachte. Die zu Lebzeiten Brentanos erschienenen Schriften beginnen und enden mit Arbeiten über Aristoteles (über dessen Interpretation Brentano 1883 in einen Streit mit E. Zeller geriet; wie Zeller von Hegel, so hängt Brentano von Trendelenburg, den er in Berlin gehört hatte, ab). Nächst den Aristotelesarbeiten und dem H a u p t w e r k , das als erster Band 1874 erschien, und von dem die zweite Abteilung (Von, der Klassifikation der psychischen Phänomene) 1911 mit Nachträgen neu herausgegeben wurde, sind es nur kleinere Schriften, Vorträge, Gelegenheitsarbeiten, die Brentano veröffentlichte, unter ihnen allerdings ein Vortrag „ V o m U r s p r u n g sittlicher E r k e n n t n i s " (1889), der f ü r die Gegenwartsphilosophie hochbedeutsam wurde. In diesem Vortrag — er ist gegen den ethischen Relativismus Rudolf v. Iherings (1818—1892) gerichtet, dessen großes Werk über den „Zweck im Recht" (1879 bis 1885) damals die Gemüter bewegte — soll die Allgemeingültigkeit ethischer Sätze auf eine sittliche E v i d e n z zurückgeführt werden; es soll gezeigt werden, daß es im Bereich der „Phänomene der Liebe und des Hasses", der Gemütsbewegungen, Interessen, des Gefallens oder Miß-
Fanz Brentano
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fallens, etwas der logischen Evidenz Vergleichbares gibt, also ein r i c h t i g e s Vorziehen, Lieben, Gefallen etc., dessen „Richtigkeit" unmittelbar einleuchtet. Und daß es A x i o m e des Vorziehens bzw. Wertens gibt — Vorzugsgesetze, die sich von selbst verstehen (z. B. daß die gleiche Freude, die eine Stunde lang währt, besser ist als die sogleich wieder erlöschende, oder daß die Existenz eines als gut Erkannten seiner Nichtexistenz vorzuziehen ist). Auch Herbart hatte von „unmittelbarem und willkürlosem Vorziehen und Verwerfen" gesprochen; aber er hatte „Musterbegriffe" (Ideen) des sittlichen Gefallens und Mißfallens gesucht — ein Piatonismus, den Brentano, so sehr er seine Verwandtschaft mit Herbart betont, entschieden ablehnt, der aber in neuer Form in der von Brentano ausgehenden W e r t e t h i k d e r Gegenwart (Scheler, N. Hartmann u. a.) wiederkehrt. So werden bei Scheler aus Brentanos Axiomen „formale Wesenszusammenhänge", und aus seiner Lehre von der sittlichen Evidenz wird eine „materiale Wertethik". Indem wir das noch dahingestellt lassen, heben wir sogleich den anderen Punkt hervor: in welchem Zusammenhang dieser Vortrag, und damit die Ethik Brentanos, mit seiner P s y c h o l o g i e steht. Die Frage nämlich, ob eine Bestimmung des „richtigen" Fühlens und Wollens „psychologisch" genannt werden kann, führt, wenn sie bejaht wird, offenbar auf die Alternative, daß dann entweder die sittliche „Evidenz" nur scheinbar, d. h. nur Ausdruck für irgendwelche faktischen Uberzeugungen, oder daß die hier als „Psychologie" bezeichnete Wissenschaft keine T a t sachenwissenschaft mehr ist. Dies war es ja, was Windelband und Richert — wie ja auch Kant selbst — zu einer gänzlichen Loslösung der Ethik bzw. der Normwissenschaften von der Psychologie (als „Naturwissenschaft") nötigte. Auch pflegt das Gespenst des „Psychologismus" immer hier zu erscheinen. Bei Brentano gibt es eigentlich nicht eine, sondern zwei Psychologien: eine g e n e t i s c h e (erklärende, kausale) und eine d e s k r i p t i v e , ähnlich wie Dilthey später
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Phänomenologie und Ontologie
unterscheidet. In dem Werke von 1874 ist diese Unterscheidung thematisch noch nicht durchgebildet. Es ist aber klar, daß die Sache schon vorliegt, und d a ß die Untersuchung vornehmlich von den Aufgaben „deskriptiver" Psychologie beherrscht wird. (Wobei immer im Auge zu behalten ist, daß Brentanos „Psychologie" ein Torso ist: von 6 Büchern sind nur 2 zustandegekommen; erst das letzte Buch sollte die Psychophysik, die „Verbindung unseres psychischen mit (unserem physischen Organismus" behandeln.) Die deskriptive Psychologie beschreibt psychische P h ä n o m e n e , sie ist „phänomenale Psychologie" (im Unterschied zur naturwissenschaftlichen und zur Metaphysik der Seele). Aber ihre Beschreibung unterscheidet sich sehr wesentlich von aller Beschreibung äußerer Erfahrungsgegenstände: sie ist ein unmittelbares Erfassen, kein um den Gegenstand Herumgehen, kein Durchlaufen seiner Bestimmungen, kein Umschreiben. Die deskriptive Psychologie ist eine „Beschreibung" dessen, was sich in i n n e r e r W a h r n e h m u n g zeigt. Was wüßten wir von Vorstellung, Urteil, Freude, Begierde, H o f f n u n g etc., „wenn nicht die innere Wahrnehmung in den eigenen Phänomenen es uns vorführte?" Die innere Wahrnehmung ist ein Wahr-nehmen im strengen Sinne: sie ist e v i d e n t — eine unmittelbare Gewißheit, in der das Phänomen als das e r k a n n t wird, was es wirklich ist. Die deskriptive Psychologie ist also nicht bloß Lehre vom Psychischen, sondern auch Lehre von der S e l b s t e r k e n n t n i s des Psychischen, nicht bloß phänomenale Psychologie, sondern auch Psychognosie bzw. p h ä n o m e n o g n o s t i s c h e Psychologie (Kraus). U n d ist als solche Ausgangspunkt der, nun überhaupt von aller „Psychologie" (als Tatsachenwissenschaft) sich lossagenden P h ä n o m e n o l o g i e Husserls. Dabei ist innere Wahrnehmung nicht mit S e l b s t b e o b a c h t u n g zu verwechseln, deren Möglichkeit Brentano mit ähnlichen Argumenten wie Wundt bestreitet. „Es ist ein allgemein gültiges psychologisches Gesetz, d a ß wir
Brentanos deskriptive Psychologie
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niemals dem Gegenstande der inneren "Wahrnehmung unsere A u f m e r k s a m k e i t zuzuwenden vermögen". Ebenso wie von der Selbstbeobachtung ist die innere Wahrnehmung auch von der äußeren Wahrnehmung zu unterscheiden: es besteht hier nicht etwa eine Parallelität (Locke, Kant); es g i b t i n W a h r h e i t ü b e r h a u p t k e i n e „ ä u ß e r e " W a h r n e h m u n g . Denn die Gegenstände sogen, äußerer Wahrnehmung (optische, akustische und andere Sinnesqualitäten) sind nicht das, als was sie erscheinen, sie haben nur intentionale, nicht auch wirkliche Existenz: die Phänomene des Lichtes, des Schalles, der Wärme, des Ortes und der örtlichen Bewegung . . . sind nicht Dinge, die wahrhaft und wirklich bestehen. Sie sind Zeichen von etwas Wirklichem . . . Die Wahrheit der physischen Phänomene ist . . . eine bloß relative Wahrheit." Die Phänomene der inneren Wahrnehmung dagegen sind „wahr in sich selbst". Wie sie wahrgenommen werden, so sind sie in Wirklichkeit. Es hat nach Brentano keinen Sinn, (mit Kant) zu sagen, daß wir es in der inneren Wahrnehmung auch ¡nur mit Erscheinungen (des inneren Sinnes) zu tun haben. Die innere Wahrnehmung ist e v i d e n t ; sie gilt schlechthin und unmittelbar. Wir können nicht fragen, worauf diese Geltung beruht. Wir können nur sagen, was sie i s t : die Gewißheit des B e w u ß t s e i n s s e l b e r , das für Brentano gleichbedeutend mit psychischem Phänomen oder psychischem Akt ist, und unter dessen E i n h e i t er nicht die Reflexion des Ich auf sich versteht, sondern die „einheitliche Realität", zu der alle psychischen Phänomene als Teilphänomene gehören. Brentanos deskriptive Psychologie ist A k t p s y c h o l o g i e , insofern auch seelische Zustände zu den Akten gerechnet werden. Sie ist B e w u ß t s e i n s p s y c h o l o g i e in vollem Gegensatz zur Psychologie und Metaphysik des Unbewußten von E. v. Hartmann. Und sie ist i n t e n t i o n a l e Psychologie, eben weil sie davon ausgeht, daß „jeder psychische Akt von einem darauf bezüglichen Bewußtsein begleitet ist."
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Phänomenologie und Ontologie
Weiter als bis zu dieser Stelle brauchen wir die Darstellung der Philosophie Brentanos nicht fortzuführen. Die Umbildung zur Gegenstandstheorie und Phänomenologie setzt hier ein. Brentanos Schriften sind reich an Einzelthesen, die mit großem Scharfsinn begründet und verteil digt werden (wohin z. B. innerhalb der Logik: die Zurückführung aller kategorischen Urteile auf Existenzialurteile, innerhalb der Psychologie die Einteilung der Seelentätigkeiten in Vorstellungen, Urteile, Phänomene der Liebe und des Hasses, innerhalb der Metaphysik die Anwendung der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf den Gottesbeweis gehört). Aber Brentano ist nicht Systematiker in dem Sinne, daß ihm daran läge, das Ganze dieser Thesen im Zusammenhang darzulegen. Ein „System" als sozusagen individuelle Schöpfung ist ihm überhaupt sinnwidrig. Die großen Systematiker des deutschen Idealismus sind ihm „taumelnde Heroen"; er will nicht goldene Berge versprechen, sondern nur Hoffnung auf „das eine oder andere Goldkörnlein" machen. Besteht trotzdem kein Zweifel daran, daß Brentano — der keiner weltanschaulichen Entscheidung ausweicht — Systematiker auf seine Art, und daß die „neue Lehre" eine systematische Fortbildung seiner Philosophie ist, so sind doch eben die Materialien hierfür noch nicht beisammen. Selbst wenn sie es wären, würde Brentano nicht zur Gegenwartsphilosophie im engeren Sinne rechnen, sondern dem 19. Jahrhundert angehören.
Johannes Rehmke Sind die eigentliche Phänomenologie und die aus ihr hervorgegangene Ontologie direkt oder indirekt zur österreichischen Schule zu rechnen, so gibt es doch aber auch Denker, die zwar gewisse Ähnlichkeiten mit ihr besitzen, aber doch nicht aus ihr hervorgegangen sind — Denker wie z . B . Johannes Rehmke (1848—1930) und Hans Driesch (1867—1941). Auch Hermann Schwarz (1864 bis 1951), lange Zeit in Greifswald der Antipode Rehmkes, wäre vielleicht zu nennen, wenn er sich nicht im Ganzen
Rehmke und Driesch
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zu weit vom Objektivismus der Österreicher entfernt und in seiner Metaphysik bzw. Religionsphilosophie des „Ungegebenen" (1921) einen Irrationalismus erstrebt hätte, der uns, in ähnlicher Form, in Max Schelers letzter Philosophie begegnen wird. Bleiben wir also bei den ersten beiden. Rehmke hat in den Jahren seiner Greifswalder Lehrtätigkeit (1885—1921) eine Schule gegründet, die auch im Ausland Anhänger fand; Driesch, der nicht in diesem Sinne schulbildend war, gehört zu den wenigen deutschen Denkern von Weltruf: sein naturphilosophisches H a u p t w e r k ist zuerst englisch erschienen; 1922/23 hat er in Peking gelehrt. Vor allem sind beide Denker an der Ursprungsproblematik der Phänomenologie (und Ontologie) so sehr beteiligt, daß man Rehmkes „Grundwissenschaft" (1910) und Drieschs „Ordnungslehre" (1912) geradezu als Parallelerscheinungen zu Husserls Phänomenologie (1913) betrachten kann. Wir haben es als Thema der von der österreichischen Schule getragenen Bewegung bezeichnet, den erkenntnistheoretischen Subjektivismus und Phänomenalismus zu überwinden. Aber es ist uns schon bei Brentano klargeworden, daß sich die Lehre von der Immanenz des Seienden im Bewußtsein nicht einfach durch eine Antithese „überwinden" läßt — daß jedenfalls die Intentionalität, die Richtung des Bewußtseins auf „etwas", noch keine Aufhebung des Immanenzprinzips bedeutet. Diese Schwierigkeit finden wir nun auch bei Rehmke und bei Driesch, wenn auch ihre Lösungsversuche sehr verschieden sind. T r i t t bei Rehmke, dem Älteren, der durch Schuppe und als dessen Nachfolger nach Greifswald kam, der, historische Ursprung des Objektivismus deutlicher hervor, so ist bei Driesch, dem Jüngeren, der zudem erst 1905 „beschloß", Philosoph zu werden (vorher hatte er sich ausschließlich mit Biologie beschäftigt und — in Freiburg bei Riehl — ein einziges philosophisches Kolleg gehört), die Sachproblematik selbst viel gründlicher durchgearbeitet, bis zu dem Maße, daß er, der letzten Phase Husserls (s. u.) vorgreifend, die „Ordnungslehre" streng solipsistisch ver-
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Phänomenologie und Ontologìe
fahren läßt, um sie, und diesen Solipsismus, erst in dem zweiten Teil seiner Philosophie, der „Wirklichkeitslehre" oder Metaphysik (1917), „aufzuheben". Zweifellos ist Driesch von beiden der interessantere. Schon weil er aus seiner Fachwissenschaft eine Fülle neuer Gesichtspunkte mitbringt, während Rehmke, der als Theologe begann — er promovierte bei dem Hegelianer A. E. Biedermann (1819—1885) in Zürich (1873) und war bis zu seiner Berliner Habilitation (1884) Religionslehrer — zu den Realwissenschaften keine Beziehung besitzt. D a f ü r ist Rehmke ein Systematiker von großer K r a f t und Zähigkeit. Seine suggestive Wirkung beruht wesentlich auf Einengung des Gesichtsfeldes, auf gewissen elementaren Distinktionen, die unerbittlich festgehalten und durchgeführt werden. In der deutschen Gegenwartsphilosophie versucht / . E. Hey de (geb. 1892, zuerst Professor in Rostock, jetzt in Berlin) die Grundwissenschaft zur Geltung zu bringen; in Bulgarien hatte D. Michaltschew, dessen umfangreiche „Philosophische Studien" (1909) noch vor der Veröffentlichung von Rehmkes H a u p t w e r k erschienen und allerlei Abweichungen vom Text des Meisters enthalten, eine Rehmkeschule gegründet; seit 1918 gibt es eine J o h a n n e s - R e h m k e - G e s e l l s c h a f t und eine Zeitschrift „Grundwissenschaft". Die drei Systemschriften Rehmkes sind das Lehrbuch der allgemeinen Psychologie (1894), die Philosophie als Grundwissenchaft (1910), die Logik oder Philosophie als Wesenslehre (1918) — wobei aber die beiden ersten nur in ihren zweiten Auflagen als gültig anerkannt werden. Für Rehmkes Entwicklung ist am wichtigsten seine Arbeit: „Die Welt als Wahrnehmung und Begriff" (1880), und f ü r das spätere Verhältnis zur Bewußtseinsphilosophie die Schrift über das Bewußtsein (1910). Von philosophischen Einzeldisziplinen hat er außer der P s y c h o l o g i e und L o g i k noch die E t h i k behandelt (Grundlegung der Ethik als Wissenschaft, 1925). Alles andere sind Erläuterungs- und Einführungsschriften.
Rehmkes Objektivismus
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In der frühen Arbeit vertritt Rehmke einen „erkenntnistheoretischen M o n i s m u s " , indem er lehrt, daß ein und dasselbe Seiende uns primär als „Wahrnehmung", sekundär als „Begriff" bewußt wird, und daß das Erkennen überhaupt der Prozeß ist, „welcher das Seiende zum Bewußtseienden macht". Er vertritt einen erkenntnistheoretischen O b j e k t i v i s m u s , insofern er unter Ablehnung aller „schöpferischen" Tätigkeit des Ich das „Seiende" als Objekt des „Wissens" bestimmt. Und er vertritt jene Form des n a i v e n R e a l i s m u s , die bei Schuppe schon hervortrat: alles bestimmte Bewußtseiende ist Ding, das als Anschauung im Raum, als Wahrnehmung und Vorstellung in der Zeit ist. In der späteren Grundwissenschaft sind die Verbindungsfäden mit Erkenntnistheorie und Immanenzphilosophie — scheinbar wenigstens — zerschnitten. Die E r k e n n t n i s t h e o r i e ist nicht, wie es die Philosophie als Grundwissenschaft sein muß, „voraussetzungslos". Sie lebt von dem Gegensatz Subjekt/Objekt, Bewußtsein/Gegebenes. Sie ist d u a l i s t i s c h belastet. Die I m m a n e n z p h i l o s o p h i e setzt den Gegensatz Immanenz/ Transzendenz, Innen/Außen voraus. Sie ist die letzte Konsequenz eines von Grund auf irrigen Vorurteils: daß nämlich das Bewußtsein in „mir", d. h. in meinem Körper sein soll, daß es als „ortsbestimmtes Einzelwesen" gefaßt wird. Dergleichen gibt es nur bei körperlichen Dingen. Rehmke verwirft so, wie Avenarius vor ihm, die „Introjektion", die Hineinlegung des Bewußtseins (der Seele) in einen Körper. Die Meinung, daß der Mensch leibseelische Einheit und als s o l c h e „Einzelwesen" sei, gilt ihm als die „philosophische Erbsünde". Das „ortlose Einzelwesen", wie er das Bewußtsein nennt, in das „Innere" eines Leibes zu verlegen, ist ihm purer M a t e r i a l i s m u s , und die Immanenzphilosophie ein diesem Materialismus „aufgepfropftes Reis, das verdorren muß, wenn der Stamm zu Grunde geht." „Grundlegende Wissenschaft" kann also die Erkenntnistheorie nicht sein, und das Immanenzprinzip, wonach alles
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Phänomenologie und Ontologie
Gegebene „im" Bewußtsein (Bewußtseinsinhalt) sei, ist abzulehnen. Fragt man, womit sich die „grundlegende Wissenschaft" nun eigentlich beschäftigt, so gibt Rehmke die Antwort: mit dem „Allgemeinsten des Gegebenen überhaupt". Er verwendet also den e r k e n n t n i s t h e o r e t i s c h e n Ausdruck „gegeben" für Gegenständliches, das ebensogut gedacht, fingiert, nicht-gegeben sein kann. Aus dem früheren erkenntnistheoretischen Monismus wird eine Gegenstandstheorie, die ihre „Gegenstände" nach vier Gegensatzpaaren: Einziges-Allgemeines, EinheitEinfaches, Veränderliches-Unveränderliches, WirklichesUnwirkliches, ordnet. Und die im Rahmen einer W i s s e n s c h a f t s k l a s s i f i k a t i o n auftritt, in welcher Geschichtswissenschaften, als Wissenschaften von Einzelwesen bzw. Wirkenseinheiten, A l l g e m e i n w i s s e n s c h a f t e n , als Wissenschaften von Allgemeinem (Mathematik, Physik, Logik, Ethik, Physiologie, Psychologie, Chemie, Sprachwissenschaft, Zoologie, Botanik), Grundwissenschaft, als Wissenschaft vom Allgemeinsten, unterschieden werden. (Das Verhältnis der Logik zur Grundwissenschaft hat sich später modifiziert.) Das Gegebene ist zwar nicht Bewußtseinsinhalt, aber es ist B e w u ß t s e i n s b e s i t z 1 ' ) , „Gewußtes". Und die Aufgabe ist es, dieses Gegeben-Gewußte „ f r a g l o s k l a r " zu bestimmen, wobei man fragen kann, warum ich etwas, das ich „weiß", erst noch klar bestimmen muß: in der Tat verwendet Rehmke den Terminus „Wissen" ebenso mißbräuchlich — nämlich als Bezeichnung für bloß Gekanntes oder gar Gemeintes — wie den des „Gegebenen". W ü t i g e r ist jedoch, daß das Gewußte oder „Gehabte" eben dasjenige ist, was ein B e w u ß t s e i n „hat", so daß wir aus der Bewußtseinsphilosophie nicht heraus-, sondern vielmehr erst in sie hineinkommen. Die Schüler Rehmkes sind stolz auf des Meisters Leistungen in der B e w u ß t s e i n s l e h r e . Wie Brentano und — In d e r z w e i t e n A u f l a g e d e r „ G r u n d w i s s e n s c h a f t " f i n d e t sich T e r m i n u s nicht m e h r .
dieser
Rehmkes Bewußtseinslehrc
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in anderer Weise — Rickert, ist auch Rehmke eifrig bemüht, alle Bewußtseinsdialektik (Herbart, Bergmann) zu vernichten. Bewußtsein, entweder „Wissendes" oder „Wissen" oder „Wissensgegenstand", soll sich in der ersten H i n sicht aufgrund der Tatsache des Selbstbewußtseins eindeutig als E i n z e l w e s e n erweisen, als Einziges (Unicum). Und zwar als nichtdingliches, unräumliches, ortloses, einfaches, unvergängliches Einzelwesen. Wie Brentano, aber ohne dessen Begriff der inneren Wahrnehmung anzuerkennen, vertritt auch Rehmke eine reine B e w u ß t s e i n s p s y c h o l o g i e mit heftiger Kritik an den Lehren vom Unbewußten. Zwar liebt es Rehmke, seine „Ontologie", als welche er die Grundwissenschaft öfter bezeichnet, wie eine T a t s a c h e n w i s s e n s c h a f t aufzuziehen. Kein Ausdruck tritt aber doch — besonders später — so häufig bei ihm auf wie der des „Wesens". U n d als Wesenseinsichten gibt er seine Allgemeinheiten aus. So ist das „Wesen" des Bewußtseienden (Seele) das Bewußtsein als Wissen, und das Allgemeine (Mehrmaliggegebene) ist „Wesen" als „Bestimmtheit schlechtweg". So spricht er von Wesensverschiedenheit( z. B. des Leibes und der Seele), Wesensfragen und -antworten, vom Wesen des Geistes und der Wesensbestimmung des Körpers etc. Das Einzelwesen (Individuum) ist allerdings kein „Wesen", sondern das gerade Gegenteil. Aber seine Eigenschaften sind alle „Wesen": „wir e m p f i n d e n , w a h r n e h m e n , a n s c h a u e n . . . niemals Einziges, sondern a u s n a h m s l o s n u r A l l g e m e i n e s . " Hierin stimmt Rehmke mit Brentano überein, für den weder die Empfindung bzw. innere Wahrnehmung noch die äußere Anschauung etwas Individualisiertes enthält, der aber trotzdem mit „Entschiedenheit" behauptet, daß alles individuell ist, und der im Sinne von Leibniz die Individuation logisch als totale Determination fassen zu können glaubt. Während Rehmke durch seine Gleichsetzung des Allgemeinen mit dem Mehrmaliggegebenen natürlich gehindert wird, so etwas wie einen Individualbegriff anzuerkennen. 2
L e h m a n n , Geschichte d e r P h i l o s o p h i e XI
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Phänomenologie und Ontologie
Was nun das „Haben" des Bewußtseins betrifft, so setzt es keine Tätigkeit, keine Leistung des Bewußtseins voraus; es bedeutet auch keine Abhängigkeit des Gehabten vom Bewußtsein. Was als „gewußt" dem Bewußtsein g e h ö r t , ist darum nicht ein zum Bewußtsein Gehöriges. Was das Bewußtsein „hat", hat es b e z i e h u n g s l o s . Und dafür, daß zwischen Wissendem und Gewußtem keine Beziehung zu bestehen braucht, verweist Rehmke auf das — S e l b s t b e w u ß t s e i n , in welchem ja Wissendes und Gewußtes identisch sind. Um diesen Hinweis zu verstehen, und die Lehre vom beziehungslosen Haben nicht als platten Realismus aufzufassen, ist Rehmkes frühere Position heranzuziehen. Diese nämlich erweist sich nicht nur als erkenntnistheoretischer „Monismus" und Objektivismus, sondern zugleich als o b j e k t i v e r I d e a l i s m u s : das Gegebene ist hier Bewußtseiendes, insofern es einer „Bewußtseinswelt" angehört, die die Welt des Seienden oder die Wirklichkeit an sich ist. Das uns Gegebene ist zwar unabhängig von unserem Bewußtsein. Aber seine E i n h e i t , bzw. das gegebene Ding als Einheit eines Mannigfaltigen, ist nur als E i n h e i t e i n e s B e w u ß t s e i n s möglich. Und nur darum kann das Gegebene überhaupt gewußt und begriffen werden. Nur darum kann unser Bewußtsein etwas „haben", was von ihm weder geschaffen noch abhängig ist. Es besteht eben Identität unseres Bewußtseins mit dem „Bewußtein" des Seienden an sich, das uns als Ding (Dingwelt), als das „Andere", gegeben ist. Diese noch von Lotze beeinflußte Metaphysik ist in der späteren Grundwissenschaft nur überdeckt. Sie ist in der grundwissenschaftlichen S e e l e n l e h r e ebenso spürbar wie in der grundwissenschaftlichen E t h i k . In jener,, insofern für Rehmke die „einheitsstiftende Bestimmtheit" oder das Subjekt der Seele „einfaches Allgemeines" (also kein besonderes Einzelwesen), und für alle Seelen ein und d a s s e l b e ist. In dieser, insofern das „selbstlose Willenshandeln" als „stellvertretendes Handeln" bezeichnet und
Hans Driesch
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die Liebe (Nächstenliebe) auf Wesensidentität gegründet wird.
Hans Driesch
Im Unterschiede von Rehmke, dessen Grundwissenschaft das Fundament der g a n z e n wissenschaftlichen Philosophie enthalten soll, gehört Driesch als Philosoph — mit seinen Arbeiten zur theoretischen Biologie haben wir es hier nicht zu tun — dem Typus jener Denker an, deren Systematik eine Problem e n t w i c k l u n g abbildet, und zwar so, daß nicht nuf überhaupt die Gedankenbewegung in der Gliederung des Systems ihren Ausdruck findet, sondern daß auch die „Teile" des Systems einen selbständigen Bestand haben und in gewissem Sinne unabhängig von einander sind. Das P r o b l e m ist der Übergang von der Ordnungs- zur Wirklichkeitslehre; die „Teile" sind 1. die Lehre vom „U r s a c h v e r h a 11", 2. die O r d n u n g s l e h r e — als Lehre von der Ordnung des Gegenstandes überhaupt, von der Ordnung des Naturwirklichen, von der Eigenerlebtheit (Psychologie), und von den Ordnungsformen des Geistigen (Kulturphilosophie) — und 3. die W i r k l i c h k e i t s l e h r e oder Metaphysik. Die Lehre vom U r s a c h v e r h a l t behandelt den Ausgangspunkt der Philosophie, das Unbezweifelbare als „Sachverhalt, . . . der alle anderen überhaupt möglichen Sachverhalte gleichsam, trägt." So mancherlei Unbezweifelbares es geben mag, „tragend" ist doch nur das (Kartesianische) Cogito in der Form: Ich habe bewußt etwas, bzw. I c h h a b e b e w u ß t g e o r d n e t e s E t w a s . Dieser Ursachverhalt trägt alles, und auch sich selbst; d. h. ich „schaue" mit E v i d e n z (mit „Endgültigkeitston"), daß ich etwas „weiß". Brentanos Intentionalitätsbegriff, Rehmkes beziehungsloses Haben und der Satz der Immanenz treten also bei Driesch im Rahmen einer S e l b s t b e s i n n u n g s l e h r e auf, die sich von derjenigen Diltheys dadurch unterscheidet, daß sie nicht auf den Zusammenhang des Seelenlebens, auf ein, Wert und Wirklichkeit verbindendes, „Erleben" zurückgeht. Derartiges gibt es nach Driesch am Anfang über2*
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haupt nicht; das Ich, das „etwas" hat, ist nicht Seele, nicht konkretes Ich oder Selbst, nicht eines oder vieles, sondern eben „Ich" in einfacher Bedeutung. „Wer die reine Bedeutung dieses Wortes nicht versteht, dem k a n n nicht geholfen werden." Vor allem ist weder der Ursachverhalt noch das aus ihm Ableitbare „ E r k e n n t n i s " . Die Frage der Erkenntnis tritt nicht am Anfang, und nicht in der Ordnungslehre, sondern erst beim Abschluß der Ordnungslehre auf: sie gerade ist es, die von der Ordnungs- zur W i r k l i c h k e i t s l e h r e treibt. Die Ordnungslehre ist m e t h o d i s c h e r S o l i p s i s m u s , insofern sie es mit puren Ichexplikationen (Setzungen) bzw. ichgehabten Bedeutungen zu tun hat, deren Allgemeingültigkeit gar nicht in Frage kommt — insofern sie nur „Für-mich" zum Gegenstande hat, kein „An-sich", dessen Begriff es in der Ordnungs lehre nicht gibt. Wenn Driesch wie Rehmke vom Wissen bzw. G e w u ß t e n ausgeht, und vom „G e h a b t e n" spricht, so ist doch stets einfaches Bewußtsein gemeint, und das Gehabte nicht beziehunglos, sondern „ichgehabtes Etwas": der Ausgangspunkt ist die Subjekt-Objekt - R e l a t i o n . „Gegeben" aber hat bei Driesch — der auf seine Verwandtschaft mit Rehmke selbst hinweist — einen eingeschränkteren und mehr auf den kritischen Idealismus, wie ihn Driesch ursprünglich unter dem Einfluß Otto Liebmanns vertrat, zugeschnittenen Sinn: „gegeben" ist dasjenige am Gegenstand, was sich nicht mehr „rational", d . h . „in Ordnung", schauen läßt. Am besten läßt sich Drieschs Unternehmen als solipsistisch verfahrender O b j e k t i v i s m u s kennzeichnen, als eine Gegenstandslehre, für die es ein n i c h t auf „etwas" gerichtetes Ich gar nicht gibt, als P h ä n o m e n o l o g i e im Sinne einer Lehre von den reinen Bedeutungen und Bedeutungszusammenhängen, die aber insgesamt „meine" d. h. nur ichgültige, nicht allgemeingültige sind bzw. nur als solche „geschaut" werden. Wie auch sollten sie anders
Drieschs Ordnungslehre
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geschaut werden? Ist nicht jede Schau als bewußte m e i n e Schau? Indessen ist Drieschs Phänomenologie eine primitive und gleichsam positivistische Mosaikphänomenologie, die lauter unmittelbare „Bedeutungen" nach ihren Ordnungszeichen oder -tönen befragt. Was bei Rehmke die Augenblickseinheit (d. i. Einheit von Größe, Gestalt und Ort eines Einzelwesens), das ist bei Driesch die Gehabtheit in der Form J e t z t - H i e r - S o , d. h. ein Zusammen von U r bedeutungen, die als „Data" des „Wissens" um „ N a t u r " dienen. In der Psychologie, als Zweig der Ordnungslehre, sind es Daten von der Form J e t z t - I c h - S o ; denn die Psychologie beschäftigt sich nicht mit dem Gehabten seiner objektiven Bedeutung nach, sondern mit den subjektiven Erlebnissen, und sie kennt zwar Raumdaten, aber kein seelisches Geschehen im Raum. Wie Driesch von den „Urbedeutungen" (allgemeine O r d nungslehre) zur Ordnungslehre der „empirischen Wirklichkeit" gelangt, kann uns hier nicht beschäftigen. Das System der Ordnungslehre ist sehr reich an Inhalt und umfaßt (in der Lehre von der Kausalität) auch die „vitalistische" Philosophie des O r g a n i s c h e n . Wenigstens systematisch. Genetisch ist die Ordnungslehre ein Zweig der früheren N a t u r philosophie: versuchte doch Driesch, die Autonomie des Lebendigen bzw. den Begriff der Entelechie (Vitalagens) aus der Analyse der „unmittelbaren Gegebenheiten" zu „beweisen", und zu zeigen, daß die „Reihe der körperlichen Kausalität in Bezug auf meinen Körper, während ich handele, eine Lücke aufweist." Wichtig ist dagegen der, auch schon in, der „Philosophie des Organischen" vollzogene, Übergang von der Ordnungszur W i r k l i c h k e i t s l e h r e und das Verhältnis der beiden Disziplinen zu einander. Nach Driesch hebt sich die Ordnungslehre aus „Ordnungsgründen" auf: „wir schauen, daß mehr an Ordnung da ist, wenn die Ordnungslehre . . . zu mehr als einer Lehre von bloßer Ordnung wird", wenn wir nicht bloß Gehabtes „erfassen", sondern W i r k l i c h e s erken-
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Phänomenologie und Ontologie
n e n. Eine solche Erkenntnis ist nach Driesch auf alle Fälle metaphysisch; aus der Ordnungslehre heraustreten und den Solipsismus aufgeben, heißt in die Metaphysik als Lehre vom A b s o l u t e n eintreten. So hatte Driesch schon in der „Philosophie des Organischen", als er noch vom kritischen subjektiven Idealismus bzw. Phänomenalismus sprach, drei F e n s t e r i n s A b s o l u t e angegeben: Die Moralität oder das D u ; das I c h als Grundlage des Gedächtnisses; das E s als Grund der unmittelbaren, nicht vom bewußten Ich geschaffenen Gegebenheit. Bloßen Phänomenen gegenüber moralische Gefühle zu hegen, wäre absurd; das Ich als Augenblickseinheit genügt nicht, um das Gedächtnis zu begreifen; und die unmittelbaren Gegebenheiten sind sicherlich nicht „meine" Schöpfungen. Sie müssen also einen „Grund" haben; allgemein: die „Erfahrung" bzw. der Inbegriff des Gehabten der O r d nungslehre wird als „Folge" aufgefaßt, deren Grund zu suchen ist. Indem sich die Wirklichkeitslehre diese A u f gabe stellt, ist sie hypothetische oder i n d u k t i v e M e t a p h y s i k , und Driesch wechselt vom phänomenologischen Felde mit seinen evidenten „Erfassungen" auf das ganz andere Feld „vermutungshafter" Deutungen der Objektwelt hinüber. Hier findet er sich Denkern verwandt, die wie Külpe, Messer, Becher, Wenzl einen kritischen Realismus vertreten, oder wie Wundt und E. v. Hartmann der Meinung sind, durch kluge Hypothesenbildung die letzten metaphysischen Fragen lösen zu können. Nach der Maxime, daß das Wirkliche als Grund (der Erscheinung) nicht „mannigfaltigkeitsärmer" und nicht von „anderer Relationsstruktur" als der Erfahrungsinhalt gedacht werden kann, und daß es erlaubt ist, alle „Urordnungsbedeutungen" in das Wirkliche hinüberzunehmen, — beides zusammen macht den Rationalismus der Wirklichkeitslehre aus —, behandelt Driesch die Naturwirklichkeit, das Freiheitsproblem, die Metaphysik des Wissens, und die letzten Probleme der Metaphysik: T o d , Entwicklung, Gottheit. Wobei er, abweichend von anderen Gegenwartsdenkern — Bergson und James ausgenommen — den
Drieschs Wirklichkeitslehre
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sogenannten o k k u l t e n Phänomenen besondere Aufmerksamkeit schenkt. 1 ) Das Verhältnis der Wirklichkeits- zur Ordnungslehre ist also das der E r g ä n z u n g , obzwar sich der Ubergang von dieser zu jener nicht erzwingen läßt, sogar ein bloßer „Wunsch" ist. Auf dem Standpunkt der Ordnungslehre erscheint die Wirklichkeitslehre als eine Art Anhängsel; im Rahmen der Wirklichkeitslehre ist die Ordnungslehre nur eine Vorbereitung, „Vorarbeit". Einigermaßen verwikkelt wird die Sache dadurch, daß der Begriff Wirklichkeit nicht erst in der Wirklichkeitslehre auftritt, sondern als „ e m p i r i s c h e W i r k l i c h k e i t " in der Ordnungslehre behandelt wird: meine Seele und N a t u r sind „Reiche" eines „ g e m e i n t e n gleichsam selbständigen mittelbar erfaßten Seins". Es ist klar, daß die Ordnungslehre o h n e die „Ordnung" dieser gemeinten „Reiche" bei den U r bedeutungen (Ursetzungen) stehen bleiben müßte, daß sie also in der Durchführung schon eine „Wirklichkeitslehre" ist. .Hiermit hängt der andere Punkt zusammen: die Behauptung, daß es auf dem Standpunkt der Ordnungslehre noch keine „ E r k e n n t n i s " gibt. Aber Driesch spricht innerhalb der Ordnungslehre selbst von „Quasi-Erkenntnis", und gesteht damit, daß er das Erkenntnisproblem verfehlt hat. Er lehnt Kants phänomenalistischen Erkenntnisbegriff ab, behält aber den Gegensatz von Erscheinung und Ding an sich im Kantischen Sinne bei. Anstatt zu sagen, daß alle Erkenntnis dann eben Erkenntnis der Wirklichkeit an sich ist, statuiert er das Unding eines „vermutungshaften Wissens", und läßt die Wirklichkeitslehre auf hypothetischen Füßen gehen; strenggenommen ist ja die ganze Wirklichkeitslehre bei ihm G l a u b e n s l e h r e . Driesch wurde 1929 Präsident der Society for Psydlical Research; 1932 veröffentlichte er eine „Parapsychologie", nachdem er schon in den Grundproblemen der Psychologie (1925) als „gesicherte" Phänomene die der Telepathie, des Gedankenlesens, Hellsehens, der Telekinese und Materialisation bezeichnet und zu erklären versucht h a t t e ; die H a n s - D r i e s c h - G e s e l l s c h a f t nennt sich demgemäß Gesellschaft für Philosophie und Parapsychologie.
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Noch anderes, insbesondere seine Stellung zum Positivismus m ü ß t e hinzugenommen werden, um zu zeigen, d a ß es Driesch nicht gelungen ist, eine phänomenologisch begründete Wirklichkeitsphilosophie durchzuführen (später, 1933, übte er scharfe Kritik an der Phänomenologie Husserls u n d Schelers, ohne zu merken, d a ß er damit auch seine eigene „Ordnungsschau" entwertet). T r o t z d e m ist seine Philosophie eines der interessantesten Experimente; seine Fragestellungen sind immer fesselnd wie seine Darstellung, die ohne Prätention, k n a p p , u n d von eigenartiger Eindringlichkeit ist, dabei stets die Beziehungen zu anderen D e n k e r n hervorhebend. Für einige Seiten der Wirklichkeit fehlt ihm freilich das O r g a n (z. B. Geschichte, K u l t u r wissenschaft, Politik); er ist da ganz Naturwissenschaftler. U n d sein Rationalismus — zuletzt spricht er von „echtem rationalen Positivismus" — zeigt sich nicht nur darin, d a ß seine Metaphysik von der Forderung ausgeht, d a ß die Wirklichkeit „rational" ist, sondern auch darin, d a ß ihm der Sinn des Lebens das „Wissen" ist: die „gesamte lebendige N a t u r " ist „Ausdruck des Wissens des Wirklichen".
Edmund Husserl I Zur eigentlichen Phänomenologie E. Husserls (1859 bis 1938) übergehend, ist wiederum die N o t w e n d i g k e i t einer V e r k ü r z u n g des M a ß s t a b e s hervorzuheben. Z w a r sind die Schüler eigene Wege gegangen; die meisten haben Husserls W e n d u n g v o n der „eidetischen" Phänomenologie zur „transzendentalen" nicht mitgemacht. (Über sein „ J a h r buch f ü r Philosophie und Phänomenologische Forschung" schreibt Husserl 1934 in einem Briefe, es werde nicht mehr f o r t g e f ü h r t , da es zu einer Veranstaltung geworden sei, die den Grundsinn seiner Lebensarbeit zunichte mache). Aber fast überall im Denken des I n - u n d Auslands: in der O n tologie, Existenzialontologie, Existenzphilosophie, sind doch die phänomenologischen Voraussetzungen u n v e r k e n n bar, und das zur Phänomenologie im weiteren Sinne gehörende Schrifttum läßt sich k a u m übersehen. Auch ist die phänomenologische Methode — ob richtig oder falsch ver-
Die phänomenologische Bewegung
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standen — in die E i n z e l w i s s e n s c h a f t e n eingedrungen: in die Soziologie ( T h . Litt, A. Vierkandt), Staatsund Rechtswissenschaft (G. Walther, E. Stein, G. Husserl, A. Reinach, F. Kaufmann), Religionswissenschaft (R. Winkler), Kunstwissenschaft und Ästhetik (H. Lützeler, M. Geiger), Psychologie und Charakter künde (A. Pfänder), mathematische Logik (O. Becker, H. Lipps), um nur einige Beispiele zu nennen. U n d haben doch, außer den schon behandelten Halbphänomenologen, eine Reihe von Denkern ( / . Volkelt noch in hohem Alter, K. Oesterreich, dessen „Phänomenologie des Ich", 1910, ein großartiger Versuch ist, die Pathologie des Selbstbewußtseins philosophisch aufzuarbeiten, Th. Lipps, W. Dilthey, mit welchen beiden Husserl selbst in schwer zu durchschauendem Wechselverhältnis steht, u. a.) Ähnlichkeiten mit Husserl entwickelt, die sich eben nur nach Kenntnis von dessen System angeben lassen. Das gilt natürlich auch von den getreuen und ungetreuen Schülern, die, wie F. P. Linke, M. Scheler, M. Heidegger, N. Hartmann u. a. die Husserlsche Phänomenologie vereinfachen oder ins Metaphysische wenden oder sonstwie verändern. Die Kenntnis der Husserlschen Philosophie im Ganzen ist hier überall Voraussetzung. Aber freilich, was heißt hier „im Ganzen", und inwiefern kommt überhaupt dieses Ganze im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zur Geltung? Diese Frage würde die Geschichte der Husserlschen Philosophie betreffen, und da wäre zu unterscheiden: die G e s c h i c h t e d e r phän o m e n o l o g i s c h e n B e w e g u n g , die E n t w i c k l u n g s g e s c h i c h t e des H u s s e r l s c h e n Denk e n s und die N a c h g e s c h i c h t e — nämlich W i r kung und Interpretation Husserls in der Gegenwart, insbesondere nach 1945. Was die Geschichte der phänomenologischen Bewegung betrifft, so ist von den mannigfaltigen historischen und gegenwartsgeschichtlichen Beziehungen der Phänomenologie: zur österreichischen Schule überhaupt, zu Brentanos älterer und neuer Lehre, zur Gegenstandstheorie und MeinongsdnxAt, zu K. Stumpfs „Phänomenologie", zu der, von Meinong und Stumpf ausgegangenen
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Gestalttheorie (v. Ehrenfels, Wertheimer, Köhler, Koffka u. a.), sowie zur phänomenologisch verfahrenden Ontologie und Existenzialontologie, die Weiterbildung der Phänomenologie zur phänomenologischen Metaphysik zu unterscheiden — sie, die sich vornehmlich an die Person M. Schelers knüpft, ist gewissermaßen die Geschichte in der Geschichte, und das Ereignis, das es besonders herauszuheben gilt. Die Entwicklungsgeschichte des Hiisserlsdncn Denkens ist zwar durch seine zu Lebzeiten im Druck erschienenen Werke einigermaßen festzulegen (man gelangt da auf fünf Perioden: die Anfänge, wie sie in der Philosophie der Arithmetik 1891 1 ) vorliegen; die um 1890 beginnende, in Berichten über die damalige Logikliteratur vorbereitete Wendung zur reinen Logik bzw. Eidetik und Aktphänomenologie der Logischen Untersuchungen von 1900/1; die etwa um 1904/5 beginnende, entscheidende Um- und Weiterbildung der Phänomenologie zur „transzendentalen" Phänomenologie in den Ideen zu einer reinen Phänomenologie 1913; die Radikalisierung der reinen Logik zur Kritik der logischen Vernunft mit ihrer „solipsistischen Egologie" in der Schrift über Formale und transzendentale Logik 1929, sowie den Méditations cartésiennes 1932; die mit dem Aufsatz über die Krisis der europäischen Wissenschaften — in Lieberts Emigrantenzeitschrift Philosophia 1936 — einsetzende letzte „lebensphilosophische" Phase, in welcher die „Lebenswelt" als prinzipiell anschaubar und als „Reich ursprünglicher Evidenzen" behauptet wird). Über diese fünf Perioden Husserls liegt nun eine reiche Literatur vor — eine viel reichere als im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Zu Lebzeiten Husserls jedenfalls ist sein umfangreiches Schrifttum erst zum Teil gedruckt; der zweite Teil der Ideen z. B. ist nicht veröffentlicht, sondern nur Eingeweihten zugänglich. Und Husserls riesenhafter Nachlaß gehört so sehr der Gegenwartsphilosophie an, d a ß wir uns mit ') Der erste Teil wurde 1887 veröffentlicht.
Husserls Entwicklung
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wenigen Bemerkungen begnügen können und ihn keineswegs zur Grundlage unserer Darstellung zu machen braudien. Denn das alles gab es eben bis 1933 noch nicht. Husserl hatte nach zehnjähriger Professur in Göttingen (1896—1906) bis 1928 in Freiburg i. Br. gelehrt, w o er, zehn Jahre nach seiner Emeritierung 1938 gestorben ist. Die von seiner Frau 1939 nach Löwen gebrachten H a n d schriften sind im Besitz des dortigen Husserl-Archivs und werden als Gesammelte Werke (Husserliana) mit Unterstützung der Unesco von H. L. van Breda und einem Stab von Mitarbeitern herausgebracht. Sie umfassen ca. 30 000 Oktavblätter (in Gabelsberger Stenographie mit eigenen Kürzungen). Nach dem Krisis-Aufsatz hatte Husserl noch Untersuchungen über Genetische Logik aus Vorlesungsmanuskripten von seinem Schüler Landgrebe besorgen lassen, die 1939 in wenigen Exemplaren in England und erst 1948 in Deutschland erschienen. Von den Gesammelten Werken selbst sind bisher V I I Bände (mit je ca. 500 Seiten) erschienen und weitere in Vorbereitung. Man kann vielleicht sagen, daß sich mit jeder solchen Neuveröffentlichung das Bild der Husserlschen Philosophie ändert. Außer diesen Schwierigkeiten heutiger Interpretation gibt es noch eine Menge das Studium der früher gedruckten Schriften angehender: Husserl ist einer der scharfsinnigsten und am weitesten ausholenden Logiker (Tiefsinn verachtet er, und so sehr er intuitive Momente hervorhebt, so wenig ist er doch reiner Intuitionsphilosoph; seine nervös flatternde Reflexion gibt ihm — und dein Leser — keine Ruhe). Er ist einer der durchdringendsten Bewußtseinsphilosophen, und auch hier ist das Verblüffende, wie er, gleichsam vom Rande eben aufgezeigter Strukturen her neue und immer neue heranzuholen vermag. Beide, Logik und Bewußtseinsphilosophie, verbindend ist er Erkenntnistheoretiker in einer Kant vergleichbaren Weise: seine verdeckten Beziehungen zu Kant sind ein besonderes Kreuz der Husserl-Interpretation (W. Ehrlich 1923, H. Folwart 1936). Zwar schmäht er Kant als „unwissenschaftlich", hat weder für Kants prinzipielle Wen-
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Phänomenologie und Ontologie
dung zur praktischen Philosophie noch für seine (oder gar f ü r Hegels) Dialektik Verständnis, richtet aber seine T e r minologie kantisch ein, und hält — je länger, je mehr — „trotz erheblicher Differenzen in den Grundauffassungen" eine „innere Verwandtschaft" nicht für ausgeschlossen. Über diesen Punkt ist es zu mancherlei Streitigkeiten zwischen Phänomenologen und Neukantianern gekommen (D. Baumgardt 1920, F. Kreis 1930, R. Zocher 1932, E. Fink 1933 u. a.). Seinem Bekenntnis zur Philosophie als „exakter Wissenschaft" (1913) entspricht der herrscherliche Ton, das Fehlen aller Aporetik (im Sinne Lotzes oder N. Hartmanns), die Selbstsicherheit, der Intellektualismus, und die Geschichtsfremdheit seines Denkens. Dabei wachsen seine Ansprüche von Stufe zu Stufe, und zuletzt will er von der transzendentalen Egologie über die intersubjektive Phänomenologie (d. i. Lehre von der Konstitution des anderen Ich bzw. des Zwischenmenschlichen) zur Philosophie des absoluten Lebens, die aber beileibe nicht Metaphysik sein soll, gelangen. Erst von hier aus wäre das System der Husserlsáicn Philosophie zu überblicken. Von den Editoren und jüngeren Forschern (Biemel, Boehm, Diemer, Zeltner u. a.) ist das schon versucht worden. Wir brauchen darauf nicht einzugehen, sondern können uns mit derh mehr oder minder Elementaren begnügen. Die Logischen Untersuchungen (I. Prolegomena zur reinen Logik 1900, II. Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis 1901) sind, sehr unähnlich dem gleichnamigen Werke Trendelenburgs, eine Sammlung von Einzelarbeiten, zwar systematisch zusammenhängend, aber nach ihren Grundbegriffen noch durchaus im Flusse. Die Prolegomena polemisieren gegen den Psychologismus (Begründung der Logik auf Psychologie) bzw. gegen die empiristisch-relativistischen und denkökonomischen Richtungen der damaligen Philosophie. Sie geben außerdem eine Entwicklung der „Idee" der reinen Logik. Der zweite, umfangreiche Band enthält Untersuchungen zur Bedeutungslehre, Abstraktionstheorie, zum Ganzheits-
Husserls Logische Untersuchungen
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begriff, zur Idee der reinen Grammatik, zum Begriff der Intentionalität und — im zweiten Teil — eine Darstellung der „Elemente einer phänomenologischen Aufklärung der Erkenntnis". Husserls Psychologismuskritik hat durch die Gründlichkeit der Auseinandersetzung und Bündigkeit der Argumentation Aufsehen erregt. Doch bleibt der f ü r Husserls Entwicklung entscheidende Punkt: seine Beziehung zur Psychologie Brentanos, im Dunkeln. Brentanos deskriptive Psychologie ist ¡a nicht Tatsachen- bzw. Naturwissenschaft in dem, von Husserl als zur Begründung der Logik ungeeignet verworfenen Sinne. Ebendeshalb nannte Husserl seine eigene Phänomenologie zuerst s e l b s t „deskriptive Psychologie". Verstand man aber darunter eine bloße Beschreibung empirisch gegebener psychischer „Phänomene", so mußte der Anschein entstehen, als ob der mit so viel Energie unternommene Angriff auf den Psychologismus damit endete, der reinen Logik wiederum ein „psychologisches" Fundament zu geben. Die Bezeichnung „deskriptive Psychologie" wurde daher von Husserl (in der Vorrede zur 2. Aufl. 1913) als „irreführend" zurückgenommen. Aber es wurde nicht gesagt, daß Brentanos deskriptive Psychologie k e i n e „Beschreibung" psychischer Phänomene im üblichen Sinne ist. Allerdings weicht Husserl — und das erschwert die Sache — auch von Brentanos „Psychognosie" (als Lehre von der Selbsterkenntnis des Psychischen, s. o.) darin ab, daß alle seine „phänomenologischen" Feststellungen eben „Wesensfeststellungen" sein wollen. Reine Logik ist reine Theorie, wie die reine Mathematik, ihre „Schwesterwissenschaft", von der sie sich dadurch unterscheidet, daß sie besitzt, was jener fehlt: die „letzte Einsicht in das Wesen von Theorie überhaupt und in das Wesen ihrer sie bedingenden Begriffe und Gesetze". Reine Logik ist also „Theorie der Theorien", Konstituierung, dessen, was wir die „Idee der Wissenschaft" nennen, Wahrheitslehre, Bedeutungswissenschaft. Ihr Einsatz liegt darin, daß dem Z u s a m m e n h a n g d e r S a c h e n ,
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Phänomenologie und Ontologie
auf den wir denkend und Wissenschaft treibend „gerichtet'* sind, ein Z u s a m m e n h a n g d e r Wahrheiten entspricht. Reine Logik ist nicht, was traditionell der a n g e w a n d t e n Logik vorausgeschickt und unter diesem Titel bei Kantianern und Herbartianern, zuletzt bei / . Bergmann (1879), behandelt wurde, sondern sie ist eher Lehre von den „Wahrheiten an sich", wie sie Bolzano an die Spitze seiner Wissenschaftslehre gestellt hat. (Auf Bolzanos Werk muß sich nach Husserl die „Logik als Wissenschaft aufbauen", obwohl sich Husserl Lotze nicht minder stark verpflichtet fühlt, und im Ganzen die Beziehungen zu Lotzes Geltungstheorie in den „Logischen Untersuchungen" deutlicher hervortreten als die Beziehungen zu Bolzano).
Akos v. Pauler Enger als Husserl schließt sich der ungarische Philosoph Akos v. Pauler (1876—1933), dessen Logik zwar erst 1925 (deutsch 1929) erschien, aber weit früher (ab 1902) erarbeitet wurde, an Bolzano an. Anders als Husserl ist v. Pauler wirklich reiner Platoniker und der wohl überhaupt radikalste Objektivist. Das „selige Erlebnis", etwas als richtig, d. i. logisch, zu erkennen, ist die Leidenschaft dieses Denkers, die zuletzt religiöse Färbung annimmt. Die Wahrheit u m f a ß t die Wirklichkeit, sie ist kein Reflexionsprodukt, sie enthält den Gegenstand wirklich in sich. Sie hat Form, Inhalt, Gültigkeit, Gegenständlichkeit. Sie tritt in drei F o r m e n : Logisma (Begriff), Satz, Syllogismus, in drei I n h a l t e n : als hyletische (sich auf einen existierenden Gegenstand beziehende), schematische (Beziehungen wiedergebende), kategoriale (eine „Klasse" oder Kategorie bezeichnende), in drei G e l t u n g s a r t e n : Subsistenz, „Objektiv" (im Sinne Meinongs, s. u.), Sinn (innere Einheit aller Wahrheitsfaktoren), und in drei G e g e n s t ä n d l i c h k e i t e n (der wirklichen Dinge, der Beziehungen und der Klassen) auf. Man sieht, daß v. Pauler, dessen System wie mit dem Lineal gezogen scheint, ungleich architektonischer ist als Husserl, d a f ü r aber auch
Akos v. Pauler
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ärmer an Problemen. Was er P h ä n o m e n o l o g i e nennt, und in Wesens- und Bestehenslehre einteilt, ist eine Unterabteilung der a l l g e m e i n e n G e g e n s t a n d s t h e o r i e , bei ihm I d e o l o g i e genannt (neben Relationstheorie, Kategorienlehre und Werttheorie, den anderen Abteilungen). Was er an Husserls Phänomenologie kritisiert: die Wesensschau als vermeintlich widerspruchsvolle, unmittelbar intuitive Erkenntnis, ist gerade das f ü r die phänomenologische Methode und ihre Anwendung Entscheidende. Im übrigen ist v. Paulers logischer Absolutismus Piatonismus im m y s t i s c h e n Sinne — Dasein ist Sehnsucht nach dem Absoluten, und die Logik das Mittel, unsere Liebe zum Absoluten über die Stufe bloßen Erlebens hinauszuführen. Doch kehren wir zu Husserls Lehre von den „Wahrheiten an sich" zurück.
Edmund Husserl II Sachen (Sachverhalte) sind gegeben und werden als so oder so bestimmt erkannt: dieses ihr Bestimmtsein ist ihre Wahrheit „an sich". Werden sie (nicht bloß gemeint oder geglaubt, sondern) erkannt, wie sie sind, so werden sie in e v i d e n t e n U r t e i l e n erkannt. Dabei ist Evidenz nicht Gewißheitsgefühl, sondern „Bewußtsein originärer Gegebenheit", — eine Auffassung, die auf D. Humes Lehre von den „impressions" zurückweist (Sauer 1930). Im evidenten Urteil ist die „Wahrheit" des Sachverhaltes „aktuell geworden". Wir können nun von dem gegenständlichen Inhalt des Sachverhaltes absehen und seine Wahrheit allein erfassen: dies ist i d e i e r e n d e A b s t r a k t i o n (Ideation), die an Stelle des Gegenstandes die W a h r h e i t des Gegenstandes setzt. Wir können ferner die, Eigenschaft der Gegenstände, in der evidenten Erkenntnis „Wahrheiten" zu werden, ihr E r s c h e i n e n nennen, und gelangen dabei zu einer Wesenslehre der Erscheinungen: E i d e t i k. Diese Wissenschaft ist noch nicht Phänomenologie im engeren Sinne, aber ihre Vorstufe und Voraussetzung.
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Phänomenologie und Ontologie
U n t e r Phänomenologie b z w . deskriptiver Psychologie ( s . o.) versteht Husserl in den Logisdien Untersuchungen die Erforschung der Q u e l l e n , „aus denen die G r u n d begriffe u n d die idealen Gesetze der reinen Logik »entspringen«, u n d bis zu welchen sie wieder zurückverfolgt w e r d e n müssen", die Erforschung der „ D e n k - u n d E r k e n n t niserlebnisse", deren die W a h r h e i t s t h e o r i e bedarf („Erlebnis" soviel wie Bewußtsein o d e r A k t — „ A k t " nicht im Sinne v o n agere, sondern als auf Gegenstände gerichtetes oder intentionales Erlebnis). D o c h w e r d e n diese „Erlebnisse" nicht als wirkliche o d e r psychische erforscht, sondern hinsichtlich ihres „Wesens": die P h ä n o m e n o l o g i e (Aktphänomenologie) unterscheidet sich also v o n der P s y c h o l o g i e d a d u r c h , d a ß sie die Erlebnisse zur „Wesensallgemeinheit" bringt, in ihren „apriorischen" K e r n eindringt. Es ist nicht einfach ein Abbiegen in die „ E r k e n n t n i s theorie", das den W e g v o n der reinen Logik zur P h ä n o menologie kennzeichnet. Allerdings sollen die p h ä n o m e n o logischen Untersuchungen der „erkenntniskritischen V o r bereitung u n d K l ä r u n g der reinen Logik" dienen; die p h ä nomenologische Analyse der „ k o n k r e t e n Denkerlebnisse" gehört nicht zu der „ureigenen D o m ä n e " der reinen Logik. Aber das Logische selbst ist uns n u r in einer „unvollk o m m e n e n Gestalt" gegeben, — „feste Bedeutungen" k ö n nen die logischen F u n d a m e n t a l b e g r i f f e n u r im Rückgang auf den „Sinn" der A k t e erhalten. Die reine Logik ist also, als Wissenschaft, auf die P h ä n o m e n o l o g i e a n gewiesen, wie u m g e k e h r t die Phänomenologie als T h e o r i e auf die L o g i k als T h e o r i e der T h e o r i e n angewiesen ist. Diese Entsprechung ä n d e r t sich im Fortgange v o n den Logischen Untersuchungen zu den „I d e e n " . D e n n in der „ F u n d a m e n t a l b e t r a c h t u n g " , die den zweiten Abschnitt der „ I d e e n " bildet, w i r d mit der „natürlichen Einstellung" auf die W e l t b z w . Wirklichkeit a u c h d i e r e i n e L o g i k „ a u s g e s c h a l t e t " . D a s heißt, d a ß f ü r die M e t h o d e der reinen (transzendentalen) Phänomenologie, auf die sogleich einzugehen ist, eine B e g r ü n d u n g durch die reine L o -
Husserls Ontologie
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gik nicht in Frage k o m m t . U n d noch r a d i k a l e r ist d a n n die W e n d u n g v o n den „ I d e e n " zur „ K r i t i k d e r l o g i s c h e n V e r n u n f t " (Formale u n d transzendentale L o gik); denn hier w i r d ausdrücklich die Frage nach einer „subjektiven" Logik gestellt — nach einer solipsistischen Logik als intentionaler E x p l i k a t i o n des e i g e n t l i c h e n S i n n e s der f o r m a l e n b z w . reinen Logik. D a m i t ist der anfängliche Objektivismus Husserls in sein Gegenteil v e r kehrt. Die g a n z e P h ä n o m e n o l o g i e erweist sich als „wissenschaftliche Selbstbesinnung der transzendentalen Subjektivität". W i e die Logischen Untersuchungen, gehen auch die Ideen v o n dem Gegensatz v o n W e s e n und T a t s a c h e aus. D a s Tatsächliche b z w . Reale ist individuell u n d zufällig, das Wesentliche ist allgemein u n d n o t w e n d i g ; T a t sache u n d Wesen sind aber „ u n t r e n n b a r " , insofern es zum „Sinn jedes Zufälligen gehört, . . . ein Wesen . . . zu h a b e n " . Es m u ß also möglich sein, jede „ e r f a h r e n d e oder individuelle Anschauung" in Wesensschauung umzuw a n d e l n , zu jedem Individuellen sein Eidos zu finden. Diese U m w a n d l u n g (Reduktion) ist schon aus den L o gischen Untersuchungen b e k a n n t . Sie f ü h r t , abgesehen v o n Inhaltlichem, zu einer Reihe interessanter wissenschaftstheoretischer Sätze, z. B. hinsichtlich der R e d u k t i o n jeder „Tatsachenwissenschaft" auf die ihr zugehörige e i d e t i s c h e O n t o l o g i e (Ontologie im Sinne v o n Gegenstandstheorie, s. u.). Aber die eigentliche p h ä n o m e n o l o g i s c h e R e d u k t i o n besteht in einer R i c h t u n g s u m w e n d u n g : die Richtung auf den Gegenstand soll aufgegeben, die geradlinige Einstellung, die uns im Leben u n d in der Wissenschaft „natürlich" ist, soll reflektiert u n d in eine Einstellung auf das B e w u ß t s e i n u m g e w a n d e l t werden. Auch dieser Schritt ist aus den Logischen Untersuchungen b e k a n n t : die A k t p h ä n o m e n o l o g i e w a r ja nichts anderes als Selbstbesinnung, u n d verlangt wurde, das beobachtete psychische Erlebnis z u m „reinen" Erlebnis zu läutern. N e u 3
Lehmann, Geschichte der Philosophie XI
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Phänomenologie und Ontologie
ist, wie es scheint, nur die F o r m , die Husserl dieser Richtungsumkehr jetzt gibt, indem er sie an die Zweifelsbetrachtung Descartes' anknüpft. Er fordert uns auf, die „General thesis der natürlichen Einstellung" auszuschalten, auf jedes Urteil über räumlich-zeitliches Dasein zu verzichten, die natürliche Welt und alle auf sie gerichteten Wissenschaften „einzuklammern" — ohne irgendetwas wirklich preiszugeben oder an unseren Überzeugungen zu ändern, ohne etwas zu verneinen oder e r n s t h a f t zu bezweifeln, und gar nicht, um aus der unmittelbaren Gewißheit unserer „eigenen" Existenz auf die Wirklichkeit des von mit Gedachten zu „schließen". Fragt man nach dem S i n n dieser Urteilsenthaltung (Epoche), so liegt er natürlich in der Hoffnung, daß sich die Mühe lohnt, und daß etwas Unreduzierbares übrig bleibt, wodurch es uns am Ende möglich ist, m e h r von der Welt auszusagen als vorher. Dieses Übrigbleibende (phänomenologisches Residuum) ist das B e w u ß t s e i n in seinem „absoluten Eigenwesen", als eine „prinzipiell eigenartige Seinsregion", als eine neue „Welt", von der aus die Welt der natürlichen Einstellung durchsichtig und ihr „Ursprung" erkennbar wird. Die Reduktion befreit uns von unseren weltlichen Banden — allerdings nur, insofern sie uns auf den Punkt einer „reinen Betrachtung" (der Welt) stellt. Sie verschafft uns eine a p o d i k t i s c h e Evidenz; eine schlechthin zweifellose Notwendigkeit kommt der „Thesis meines reinen Ich und Ichlebens" gegenüber der Thesis der „Welt" zu. Denken wir uns die Dingwelt vernichtet, so wird davon das Sein des Bewußtseins bzw. des Erlebnisstromes in seiner E x i s t e n z gar nicht „berührt". Es gähnt ein „Abgrund des Sinnes" zwischen Bewußtsein und Realität, immanentem und transzendentem Sein. Dieses ist auf jenes angewiesen, aber nicht umgekehrt. Das Sein des Bewußtseins ist a b s o l u t e s Sein: jeder „trägt die Bürgschaft seines absoluten Daseins in sich selbst." Das Sein der Realität (reales Sein) ist nicht etwa dem Bewußtsein gleichgeordnet; es gibt nicht zwei „Seinsarten" nebeneinander. Das
Die phänomenologische Reduktion
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Sein der Realität ist in absolutem Sinne ü b e r h a u p t n i c h t — es ist kein unserem Bewußtsein verschlossenes Ansichsein, sondern gerade ein „an sich" wesenloses Sein. Das alles sind i d e a l i s t i s c h e Thesen. Thesen eines sowohl erkenntnistheoretischen als auch metaphysischen Idealismus. Thesen, die den anfänglichen Sinn der „Reduktion" weit übersteigen. Einen subjektiven Idealismus will freilich Husserl nicht vertreten; er will dem „vollgültigen Sein der Welt, als dem All der Realitäten", nichts abziehen; er will die reale Wirklichkeit weder leugnen noch umdeuten. Er will nur sagen, daß der S i n n der Welt aus dem absoluten Bewußtsein entspringt, und daß das absolute Bewußtsein „schauender Forschung zugänglich ist". Alle weiteren Schritte, soweit sie über die Beschreibung der Strukturen des reinen Bewußtseins hinausführen, sind von der hierin enthaltenen P r o b l e m a t i k bestimmt. Zuerst also das Verhältnis „meines" Bewußtseins zum „reinen" Bewußtsein, und der Entwurf der „reinen Egologie". Sodann die Weiterbildung des transzendentalen Solipsismus zur M o n a d o l o g i e . Denn natürlich will Husserl den „Schein" des Solipsismus aufheben; aber er will ihn aufheben, indem er ihn „auslegt". Ist es nicht T a t sache, daß ich mir a n d e r e bewußte Wesen gegenüberstelle, und daß erst daraus die „Konstitution einer objektiven Welt des alltäglichen Sinnes möglich" wird? Aber das „andere" Ich ist nicht apodiktisch evident, es ist mir nicht originär gegeben; ich habe es -immer nur „mittelbar". Diese, besonders in den Kartesianischen Meditationen behandelte Problematik, die bei Husserl unter dem Stichwort A p p r ä s e n t a t i o n (Gegensatz zu Präsentation) auftritt, führt — ähnlich wie bei Driesch — zur Konstituierung des anderen Ich in meinem eigenen Ich, und von hier aus zur M o n a d e n g e m e i n s c h a f t der „transzendentalen Intersubjektivität". Darüber ist nicht mehr zu berichten. N u r auf die allgemeine Frage nach dem Verhältnis der Phänomenologie zum I n t u i t i o n i s m u s ist noch einzugehen. Die P h ä 3*
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nomenologie stellt das Schauen in den Dienst der Erkenntnis. Sie behauptet, daß es außer der sinnlichen eine nichtsinnliche (noëtische, kategoriale) Anschauung gibt. Das Allgemeine soll nicht bloß „bezeichnet", es soll gegeben, von uns erschaut, erfaßt, wahrgenommen werden: in der ideierenden Abstraktion soll das „Wesen" eines Objekts angeschaut werden. Diese Wesensschau nennt Husserl auch Intuition. Er sagt: alles sich in der „Intuition" Darbietende sei als das hinzunehmen, „als was es sich gibt". Insofern ist die Phänomenologie ohne Zweifel Intuitionsphilosophie. In anderer Hinsicht ist sie es jedoch nicht. Das Wesen ist die zum Gegenstand gemachte W a h r h e i t des „Sachverhalts"; die intuitive Erkenntnis dieser Wahrheit ist logische Evidenz; die Phänomenologie ist als Intuitionsphilosophie zugleich „Evidenzphilosophie". Das trifft auf den Intuitionismus, mit dem wir es früher zu tun hatten, ganz und gar nicht zu. Für Bergson z. B. ist Intuition Einfühlung (Sympathie), nicht „evidente" Verstandeseinsicht. Und wenn Losskij auch eine dem „idealen" Sein zugewandte Intuition kennt bzw. eine Lehre vom „Weltlogos" entwickelt, so ist doch dieses ideale Sein nur die ideale „Seite" des realen Seins (der Welt). Auf W i r k l i c h e s erstreckt sich die Gewißheit dieser Intuitionsphilosophie, und zwar u n m i t t e l b a r auf Wirkliches, nicht mittelbar, wie für die Phänomenologie Husserls. Das ist im Auge zu behalten, wenn wir uns dem Denker zuwenden, der nur den Objektivismus Husserls anerkennt, nicht seine subjektivistische Begründung, nur die eidetische Phänomenologie, nicht die transzendentale, nur die Wesensschau bzw. ideierende Abstraktion, nicht die phänomenologische Reduktion im engeren Sinne, und der — wie Losskij — anstelle der Bewußtseinsphilosophie eine Metaphysik der Person setzt: Max Scbeler (1874—1928).
Max Scheler Scheler ist gleichsam der Schelling unter den Phänomenologen; er verhält sich zu Husserl wie Schelling zu Fichte. Das heißt, er ist weit- und lebensbejahend, vollblütig,
Max Scheler
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Realist, eine kämpferische, mitreißende N a t u r , Prophet und Erotiker von großer Beweglichkeit und Wandlungsfähigkeit. E r denkt für die Gegenwart, ist immer aktuell, behauptet stets, ins Schwarze getroffen zu haben, und verkündet nur absolute Wahrheiten, auch wenn er sie im nächsten Buche widerruft. „Aber was er zu einer bestimmten Zeit vertrat, w a r stets seine ehrliche Überzeugung" {Driesch). Sein ungeschminkter, o f t nachlässiger Stil hat das Pathos der Rede. Aber er will nicht überreden, sondern überzeugen, und durch eine Fülle von Argumenten, D i stinktionen, Klassifikationen in die „Wesenseinsichten" hineinzwingen, die seiner kognitiven Phantasie vorschweben. Scheler ist in München geboren und hat in J e n a bei Eucken und Liebmann studiert. Nach seiner Habilitation ( 1 9 0 0 ) machte er 1901 auf einer T a g u n g der Kantgesellschaft die Bekanntschaft Husserls. „Unbefriedigt von der Kantischen Philosophie, der er bis dahin nahe stand — sagt er von sich selbst — , w a r er zur Überzeugung gekommen, daß der Gehalt des unserer Anschauung Gegebenen ursprünglich weit reicher sei als das, was durch sinnliche Bestände, ihre genetischen Derivate und logische Einheitsformen an diesem Gehalt deckbar sei". D a r i n stimmt er mit Husserl überein. I n München, w o er sich 1 9 0 7 neu habilitierte, lernte er Th. Lipps und den M ü n chener Phänomenologenkreis ( G e i g e r , Pfänder, Reinach) kennen. Indessen gab er ( 1 9 1 0 ) seine Dozentur auf, um als P r i vatgelehrter in Göttingen und Berlin zu leben, befreundet mit Rathenau und Sombart. H i e r wird seine Beziehung zur Phänomenologie literarisch fruchtbar; in dem Aufsatz über Ressentiment und moralisches Werturteil ( 1 9 1 2 ) , der mit Geschick eine These Nietzsches ins Christliche wendet, und mehr noch in dem umfangreichen W e r k e „Der Formalismus in der E t h i k und die materiale W e r t e t h i k " (I 1 9 1 3 , I I 1 9 1 6 ) — einem Versuch, für die E t h i k zu leisten, was Husserl für die Logik geleistet hatte. D i e schneidige A t -
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tacke, die er gegen Kant ritt, indem er nachzuweisen suchte, daß Kant das „Apriorische" mit dem „Formalen" unrichtig identifiziert, und daß es, wie eine Welt der V e t t e a n s i c h , s o auch einen A p r i o r i s m u s des E m o t i a 1 e n gebe, dieser auf Brentanos Kantkritik und W e r t axiomatik zurückgehende Angriff wurde f ü r die moderne Wertphilosophie von großer Bedeutung. Die dritte der in diesen Umkreis gehörenden Arbeiten (ebenfalls 1913), die „Phänomenologie der Sympathiegefühle" (später: Wesen und Form der Sympathie), entwickelt im Anschluß an Lot7.es Mikrokosmus und Pascals „ordre du coeur" die Idee einer L o g i k d e s Herz e n s , d. i. eine Lehre von den Phänomenen und Fundierungsgesetzen des Mitgefühls, und eine Theorie des F r e m d s e e l i s c h e n , die in der gewiß radikalen Behauptung besteht, daß wir das „fremde Erleben genau so unmittelbar erfassen" können wie das eigene („Wahrnehmungstheorie des fremden Ich"). Es folgt die Kriegszeit mit den drei Büchern: Genius des Krieges (1915), Krieg und Aufbau (1916), Ursachen des Deutschenhasses (1917), deren Überschwang heutigen Schelerverehrern und -interpreten ersichtlich auf die N e r ven fällt, die aber zum Verständnis der späteren Arbeiten unentbehrlich sind. Scbeler war inzwischen unter die Politiker gegangen; 1917 war er mit besonderen Aufträgen in Genf, 1918 im H a a g . 1919 erhielt er wieder ein Lehramt als Ordinarius in Köln. In die Kölner Zeit fällt die Weiterbildung seiner Wertphilosophie zur R e l i g i o n s p h i l o s o p h i e (Vom Ewigen im Menschen 1921). Scheler, der Konvertit, gibt hier eine „Wesensphänomenologie der Religion" augustischen Zuschnitts, die heftigen Widerspruch der Neuthomisten hervorrief: eine „Wesensontik" des Göttlichen, Offenbarungslehre und Lehre vom religiösen Akt, gipfelnd in dem Satze, daß alles Wissen von Gott ein Wissen durch Gott ist. Kurz danach bricht,diese Linie ab, und scheinbar unvermittelt wendet er sich von der Religionsphilosophie der Soziologie bzw. W i s s e n s s o z i o l o g i e zu (Sozio-
Schülers Leben
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logie des Wissens 1924, Die Wissensformen und die Gesellschaft 1926). Zwar verbanden schon die Kriegsbücher religiös-metaphysische Gedanken mit kultur- und sozialphilosophischen, und von Eucken her mußte ihm das geläufig sein, so sehr er inzwischen diesen Einfluß hinter sich gelassen und mit der zeitgenössischen Soziologie (F. Tönnies, M. Weber, W. Sombart, die ja keine Sozialmetaphysiker sein wollten) Bekanntschaft gemacht hatte. Aber ein Umschlag liegt hier doch vor: der Absolutismus schlägt in Relativismus um, oder vielmehr: es werden jetzt innerhalb des Absolutismus die relativistischen Belange energisch zur Geltung gebracht. Dabei mußte schließlich das religionsphilosophische Gerüst zusammenbrechen und durch ein anderes ersetzt werden. Schelers Verwandtschaft mit Scbelling tritt jetzt als wirkliche Abhängigkeit hervor: Schellings Lehre vom U n grund in Gott, die auf J. Böhme zurückweist, in der Philosophie des Unbewußten (E.v.Hartmann) mit Schopenhauer verbunden, in der Lebensphilosophie Bergsons modernisiert worden war, dient als Folie f ü r die kleine Schrift, „Die Stellung des Menschen im Kosmos" (1928), die letzte, die Scheler geschrieben und in der er den Umriß seiner P h i l o s o p h i s c h e n A n t h r o p o l o g i e angegeben hat. Es wird nämlich in dieser Schrift die N a t u r Gottes von der G o t t h e i t (Geistigkeit Gottes, deitas) unterschieden, jener die Wirklichkeit, dieser die „Ideen- und Wertfülle" des göttlichen Wesens zugeordnet, und der Weltprozeß als V e r w i r k l i c h u n g G o t t e s , und zwar als Verwirklichung in und durch den M e n s c h e n aufgefaßt — eine Absage an allen Theismus, und eine Bekenntnis zu jenem Pantheismus, den Scheler zuvor als „grundfalsch in jeder seiner Formen" bezeichnet hatte. Am 28. Mai 1928 starb er in F r a n k f u r t a. M., wohin er kurz zuvor als Ordinarius berufen worden war. Die beiden in Aussicht gestellten Werke: Die Philosophische Anthropologie und die Metaphysik, sind nicht geschrieben
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worden. D e r Nachlaß, v o n dem 1933 der erste Band mit Stücken aus den Jahren 1 9 1 1 — 1 9 1 6 erschien, soll v o n der 1948 in T ü b i n g e n gegründeten M a x - S c h e l e r - G e s e l l s c h a f t der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Es liegt aber in der N a t u r der Sache, d. h. der Persönlichkeit Schelers, daß — anders als bei Husserl — ein neues Bild seiner Philosophie d a v o n k a u m zu erwarten ist. W i e Dilthey ist Scheler ein Ferment der Gegenwartsphilosophie, ein Denker, dessen W i r k u n g e n überall spürbar sind (wobei er allerdings s e 1 b s t in wesentlichen Punkten, z. B. in der Übernahme des „voluntativen Realismus", in dem Sinne, daß alles Realsein „Widerstandsein", „Erfahrung des ungeistigen, triebhaften Prinzips in uns" ist, v o n Diltbey abhängt). D i e Philosophische Anthropologie (Plessner, Gehlen), Lebensphilosophie (Ortega y Gasset), die Wertphilosophie N. Hartmanns, die Ontologie M. Heideggers, die Kulturanthropologie und Schichtenlehre E. Rothackers sind v o n Scheler beeinflußt, und mit Recht hat man in ihm einen Wegbereiter der E x i s t e n z p h i l o s o p h i e erblickt. Sein Verhältnis zur ö s t e r r e i c h i s c h e n Schule ist jedoch zweideutig. Er wurzelt in Kant und im N e u idealismus. Er findet sich v o n Husserls Piatonismus angesprochen, dessen Verwandtschaft mit der augustinischen Philosophie er hervorhebt; und da ihn — abgesehen v o n der W e r t a x i o m a t i k — nichts mit Brentano verbindet, muß ihm Husserls W e n d u n g zur transzendentalen P h ä n o m e n o logie als „Haupthindernis für den A u f b a u einer Metaphysik auf wesenstheoretischer Basis" erscheinen. Eine solche Metaphysik ist sein eigentliches Ziel. Mit Husserl hat er sich öfter auseinandergesetzt. Feind alles „Ichidealismus, aller Icharroganz", sieht er in Husserls Lehre v o m absoluten Bewußtsein eine N e u a u f l a g e des erkenntnistheoretischen Idealismus, u n d findet besonders darin einen Fehler, daß Husserl die kategoriale Anschauung durch s i n n l i c h e Anschauung fundiert. Doch liegt der eigentliche Unterschied weniger hier, als darin, d a ß Scheler alles „Wesen" als „Sosein" versteht, und den Sinn
Schelers Lehre von der Person
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der phänomenologischen Reduktion im Absehen vom Dasein der Gegenstände (bzw. im Ablösen der Akte vom realen Lebenszusammenhang) erblickt, u n d i n n i c h t s w e i t e r . Während f ü r Husserl die phänomenologische Reduktion auch alle Soseinsaussagen „einklammert", um zum Sein des Bewußtseins als absolutem S e i n zu gelangen, das nicht Dasein und nicht Sosein, sondern S e i n d e s S e i e n d e n s c h l e c h t h i n ist — eine Problematik, die von Husserl aus erst Heidegger weiterentwickelt. Indessen greift hier Schelers Lehre von der P e r s o n ein, die an Stelle der Bewußtseinsphilosophie tritt, alle W a n d lungen seines Denkens überdauert, den tragenden Grund seiner Metaphysik bildet, und auch seine Sozialphilosophie beherrscht. Person, die „wesensnotwendige und einzige Existenzform des Geistes", ist nicht die „Vernunftperson" Kants, nicht „Ich" und nicht „Seele", sie ist nicht „Gegenstand", nicht Ausgangspunkt und auch nicht „Zusammenhang" von Akten. Sondern sie ist „konkretes Sein", und zwar dasjenige Sein, das alle meine wesenhaft verschiedenen Akte f u n d i e r t . Sie ist nicht psychisch und nicht physisch, sondern — wie Scheler übereinstimmend mit W. Stern sagt — „psychophysisch indifferent". Die Person kann ihr (psychisches) Ich wahrnehmen, sie kann ihren Leib und die Außenwelt wahrnehmen, aber sie kann nicht Gegenstand ihrer eigenen Vorstellung oder Wahrnehmung sein. Sie „lebt" und „existiert" im V o l l z u g intentionaler, auf Gegenstände gerichteter Akte. Als Existenz f o r m des Geistes ist Person ein echtes „Wesen" bzw. ein „urprüngliches Sosein". Aber sie ist ein i n d i v i d u e l l e s Wesen, sie ist sogar — und hier wird die Sache problematisch — individuelle „Substanz". Das letzte Individuationsprinzip, sagt Scheler, liegt in der „Geistseele", d. h. dem „realen Substrat" des Personzentrums. Es ist klar, daß hier der Ü b e r g a n g v o n d e r P h ä n o m e n o l o g i e z u r M e t a p h y s i k erfolgt: Metaphysik ist nicht die Wissenschaft „von den Seinsweisen und der Wesensstruktur alles dessen, was ist" (dies
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Phänomenologie und Ontologie
ist Ontologie oder „erste" Philosophie"), sondern ein A n w e n d u n g s g e b i e t der Wesenserkenntnisse, und zwar die Anwendung der (phänomenologischen) Ontologie auf das „reale" Dasein der Welt. Sieht man auf das Wesen der Person bzw. die Person als „Wesen", so gehört sie einem W e s e n s r e i c h an. Die Geistseele, das „Substrat" der Person, stellt „ihrem Was und Wesen nach eine ewige Idee Gottes d a r " : sie ist nicht nur Abbild Gottes, sondern „ewig in Gott". Das ist Thema der theistischen, ein personales Subjekt des Wesensreiches der Personen verlangenden R e l i g i o n s p h i l o s o p h i e Schelers. Sieht man aber auf dasjenige des Personzentrums, das nicht „Wesen" sondern r e a l e s Substrat ist, so gelangt man zur M e t a p h y s i k d e r P e r s o n im engeren Sinne: zu jener Metaphysik, die Scheler (in seiner letzten Phase) als M e t a n t h r o p o l o g i e und A k t m e t a p h y s i k von der alten Kosmologie und Gegenstandsmetaphysik unterscheidet. Denn da die Person geistig, nicht materiell, und der Geist ein außerhalb des Lebens stehendes, ja allem Leben e n t g e g e n g e s e t z t e s „Prinzip" sein soll, so ist Realität der Person gleichbedeutend mit R e a l i s i e r u n g : die Person ist Realisierungszentrum des Geistes in der Welt, aber sie ist kein „Teil" der Welt; sie verwirklicht, indem sie die uns vorgegebene Wirklichkeit, die Umwelt, in der wir leben, e n t w i r k l i c h t , d. h. indem sie das „Gefühlsdrangszentrum", auf das aller „Widerstand" der Außenwelt bezogen ist, i n a k t u a l i s i e r t , und sich zum „Leben" asketisch, neinsagend, protestierend verhält. In dieser Dialektik verbindet sich Husserls Motiv der Epoche als des „Weltdurchbruches" mit Klages' Motiv des „Widersachers". Aber noch etwas anderes kommt hinzu: die bereits in den wissenssoziologischen Schriften entwickelte Lehre vom Unterschied der R e a l - und I d e a l f a k t o r e n bzw. der Machtlosigkeit (Ohnmacht) des Geistes, und die ihre Voraussetzung bildende Lehre von den Stufen der Seinsformen. Der Geist hat von H a u s aus keine K r a f t (Macht, Energie); jede „höhere" Seinsform
Schelers Lehre vom Geist
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„ist im Verhältnis zu der niedrigeren relativ kraftlos, und sie v e r w i r k l i c h t sich nicht durch ihre e i g e n e n Kräfte, sondern durch die K r ä f t e der niedrigeren." Die Person kann also den Geist nicht positiv in der Welt verwirklichen, sondern nur n e g a t i v : durch „Verdrängung" und „Sublimierung" der individuellen Triebenergie (womit Scheler auch ein Motiv aus der Psychoanalyse S. Freuds verwendet). Immer noch aber bleibt die Frage, was denn der eigentliche „Stoff" ist, an welchem die Person diese Leistung vollbringt. Verdrängt wird der Drang, L e b e n s d r a n g (Bergsons élan vital), dem die Welt als Widerstand erscheint, und der zugleich Bedingung aller sinnlichen W a h r nehmung ist. Aus ihm wird der durch Ideen und Werte geleitete „Wille". Aber woher nimmt die Person die K r a f t zu solcher Ver-drängung? Auch wieder aus dem Drang, als „dem Realität schaffenden . . . Prinzip". Scheler spricht hier von Lenkung, Leitung, Hemmung, Enthemmung der Triebe durch den Geist und bedient sich dabei ähnlicher Vorstellungen wie Driesch, Reinke und andere Neovitalisten, mit denen er ohnedies übereinstimmt. Aber wie diese, gerät auch er in eine Sackgasse. Ist der Geist kraftlos, so hat er auch keine K r a f t der Verdrängung und kann nicht aus dem blinden D r a n g einen sehenden „Willen" machen. Ist der Geist unschöpferisch und machtlos, so kann er nicht in „Spannung" zum Drange stehen. N u r wenn sich Geist und Drang gleichsam in die Realität teilen, kann es zu einem Kampfe zwischen ihnen und zu einem metaphysischen Prozeß kommen. Es ist nicht erforderlich, weiter in die letzten Gedanken Schelers einzudringen. Gewiß wäre er bei ihnen nicht stehen geblieben. Gewiß ist aber auch, daß die phänomenologische Metaphysik dem Typus nach eine p e r s o n a l i s t i s c h e L e b e n s p h i l o s o p h i e ist, und daß sie als solche eher einen Extrakt aus den zeitgenössischen Weltanschauungsansätzen als eine selbständige Leistung darstellt. Demgegenüber liegt Schelers bleibende Bedeutung in der philosophischen Durchdringung der E m o t i o -
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n a 1 i t ä t , des Wert-, Gefühls- und Trieblebens. U n d zwar nicht so sehr in der phänomenologischen Deskription, als in den Perspektiven, die sich ihm dabei auftun. Ob Ehrfurcht, Reue, Scham, Ekel, Ressentiment, Sympathie, Verantwortung usw., — immer ist es nicht die Beschreibung des „Phänomens" selber, sondern die Fülle der damit verbundenen Gedanken und gerade die K o n s t r u k t i o n , in der sie auftreten (dadurch unterscheidet sich Scheler wesentlich von Simmel), immer aber auch die lebens- und wertbejahende, an alle guten Instinkte sich wendende H a l t u n g des E t h i k e r s Scheler, die uns in seinen Werken anspricht. U n d die sehr verschieden ist von den zersetzenden, entwertenden Analysen seiner existenzialistischen Nachfolger. — Sicherlich hat Scheler die O n t o l o g i e d e r G e g e n w a r t , mit der wir es nunmehr zu tun haben, beeinflußt. Aber doch nicht in der Weise, daß man eine gerade Linie von der Phänomenologie über die phänomenologische Metaphysik zur Ontologie ziehen kann. Wir müssen vielmehr, um die Grundgestalten der Ontologie zu erkennen, noch einmal auf die ö s t e r r e i c h i s c h e S c h u l e zurückblicken. Ist doch Husserls Phänomenologie nur die eine Umbildung der deskriptiven Psychologie Brentanos. Die andere ist die Gegenstandstheorie Meinongs, die sich — wie Scheler nicht ganz zutreffend, aber einprägsam sagt — von der Phänomenologie dadurch unterscheidet, daß ihr der „intuitive Charakter" fehlt, die also daseinsfreie apriorische Gegenstandserkenntnis ohne „Wesensschau" sein will. U n d der Einfluß Meinongs auf die Ontologie der Gegenwart ist keineswegs geringer als der Einfluß Husserls. Er ist sogar — sieht man ab von Heideggers Ontologie, die nicht in diesen Zusammenhang gehört — g r ö ß e r . Auch dort, w o man sich Husserlscbier Wendungen bedient, ist das Verfahren der Ontologie eher ein gegenstandstheoretisches als ein phänomenologisches. Auf den N a m e n Ontologie kommt es bei ihrer Erneuerung im 20. Jahrhundert nicht so an wie auf die in
Ontologie der Gegenwart
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der Tradition damit verbundene Sache: die rationalistische Ontologie von Clauberg bis Baumgarten, die den N e r v der Schulphilosophie des 18. Jahrhunderts bildet. U n d gerade auf sie. Denn wenn es auch in der Tradition Seinslehren ganz anderen Gepräges gibt, so sollte doch Kant den Ruin eben d i e s e r Ontologie herbeigeführt, und der Neukantianismus wollte sie endgültig durch die E r kenntnistheorie als Grundwissenschaft ersetzt haben. Das aber war es, was in der Bewegung der österreichischen Schule als Unwahrheit hervortrat — so sehr, daß heute nicht nur bedenkenlos von den ontologischen Voraussetzungen Kants, sondern auch allgemein von der Ontologie der Erkenntnis als Voraussetzung jeder Erkenntnistheorie geredet wird. Nachdem schon G. Class (1896) und H. Gomperz (1905 ff.) den Ausdruck Ontologie verwendet hatten — man wird ihn gelegentlich auch etwas früher, z. B. in W. Wundts System der Philosophie (1889) finden — war es II. Pichler, der 1910 in einer Arbeit über Chr. Wolff die Verwandtschaft der Gegenstandstheorie mit dieser Wolffschen Ontologie hervorhob. Meinong sah darin einen „dankenswerten Beitrag" zur Geschichte der — Gegenstandstheorie. Er selbst hatte vordem (1904) die alte Ontologie als Ontologie des Wirklichen aufgefaßt, und ihr die Gegenstandstheorie übergeordnet, weil sie es nicht nur mit wirklichen, sondern auch mit unwirklichen, mit möglichen, ja sogar mit unmöglichen, kurzum mit allen „Gegenständen" zu tun hat.
Alexius v. Meinong Alexius v. Meinong (1853—1920) studierte und promovierte in Wien. Allerdings in Geschichte, was seinen Büchern nicht gerade anzumerken ist. Mit Hume-Studien habilitierte er sich 1878 in Wien, wo er bis zum Sommer 1882 las. D a n n kam er als Extraordinarius nach Graz; hier wuchs sein Lebenswerk und seine Schule; hier wurde er 1889 Ordinarius und gründete 1894 das erste psychologische Institut in Österreich; hier starb er nach erfolgreicher
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Lehr- und Forschungstätigkeit:. Brentano hatte sich von ihm losgesagt, Husserl ihn des Plagiats beschuldigt. Aber seine Werke sprechen f ü r ihn. Frei von Manieriertheit und Rechthaberei, mit einer gewissen behaglichen Umständlichkeit, veranschaulicht er durch Beispiele, begründet und reflektiert, weil er nicht nur aufweisen, sondern beweisen will. Im Ganzen unkompliziert, wenn nicht naiv, überrascht er zuweilen durch weitreichende Konsequenzen. Seine Neigung zur Klassifikation täuscht eine Systematik vor, die er nicht besitzt. Schon vor Ausbildung der Gegenstandstheorie, deren Konzeption um die Jahrhundertwende erfolgte, wenn auch die Programmschrift erst 1904 erschien, hatte Meinong eine Psychologenschule begründet, zu deren Vertretern A. Höfler (1853—1922), St.Witasek (1870—1915), Chr. v. Ehrenfels (1859—1932) u. a. gehören, v. Ehrenfels' Abhandlung über Gestaltqualitäten (1890) gilt als A u f takt moderner G e s t a l t p s y c h o l o g i e , weil in ihr die „Gestalt" als ein die Summe ihrer Bestandteile übersteigendes, transponierbares Neues, als fundierter Inhalt bzw. Gegenstand (Meinong) aufgefaßt wird (z. B. Melodie gegenüber den Einzeltönen) — was die radikalere Berliner Schule später als Halbheit ablehnte. Meinongs eigene Arbeiten aus dieser Zeit beschäftigen sich mit zahlreichen Einzelproblemen der Psychologie und Psydiophysik, von denen f ü r die Entwicklung der Gegenstandstheorie am wichtigsten die Fragen der R e l a t i o n s t h e o r i e (1882, 1891) sind: die Auseinandersetzung mit Hume, in deren Rahmen sie zuerst auftreten, bedeutet ja die Auseinandersetzung mit der sensualistisch-empiristischen Assoziationspsychologie. U n d wenn sich auch Meinong stets als Empirist oder „doch wenigstens Empiriker in ausreichend weitem Wortsinne" bekannt hat — der p h ä n o m e n a l i s t i s c h e Empirismus bzw. Positivismus seiner Zeitgenossen ist ihm ebenso fremd wie der subjektive erkenntnistheoretische Idealismus, So sehr ihm also die Relationen (Ähnlichkeit, Gleichheit, Verschiedenheit etc.) als psychische „Phänomene" gelten,
Meinongs Gegenstandstheorie
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so sehr geht es ihm doch hier schon um dasjenige, was man das „objektive Sein der Beziehungen" genannt hat. U n d dieser Zug zum Objektivismus führt ihn über die Unterscheidung von I n h a l t und G e g e n s t a n d (der V o r stellung bzw. des Bewußtseins) zur Lehre von den G e g e n s t ä n d e n h ö h e r e r O r d n u n g (1899), worunter er insbesondere die zwar nicht „existierenden", aber doch objektiv „bestehenden" Relationen versteht. Aus der Relationstheorie ist die „Gegenstandstheorie" hervorgegangen — was in den programmatischen Schriften (1904, 1907) mit ihren allgemeinen Betrachtungen über die „neue philosophische Disziplin" nicht ganz durchsichtig wird. Hinzu kommen Arbeiten zur U r t e i l s l e h r e (Über Annahmen 1902) und E r k e n n t n i s t h e o r i e (Über die Erfahrungsgrundlagen unseres Wissens 1906), in deren erster Meinong nicht nur das Gebiet der Fiktionen (Phantasieurteile, Urteile ohne Überzeugung) als Zwischengebiet zwischen Vorstellungen und Urteilen untersucht, sondern auch die für ihn grundlegende Unterscheidung von O b j e k t u n d O b j e k t i v (Objektität und Objektivität) entwickelt, während er in der zweiten seinen erkenntnistheoretischen Realismus und seine Wahrnehmungstheorie darstellt. Eine Ergänzung und Weiterführung dieser Untersuchungen bildet die für die spätere Modalanalyse (A. Faust 1931 f., N. Hartmann 1938) wichtige Arbeit über Möglichkeit und Wirklichkeit (1915), die dem Evidenz-(Erlebnis-)begriff der Wahrheit den Begriff der e v i d e n t e n V e r m u t u n g zuordnet, und die Arbeit über emotiale Präsentation (1917) d.i. Werterfassung, die das Kernstück der W e r t p h i l o s o p h i e Meinongs bildet. Wie vordem Husserl, so findet sich jetzt Scheler benachteiligt. Indessen zeigt die Endgestalt der Wertphilosophie, die von E. Mally aus Meinongs Nachlaß herausgegebene „Grundlegung der allgemeinen Werttheorie" (1923), daß Meinong eher einen I m p e r s o n a l i s m u s der Werte vertritt, insofern ihm der „persönliche W e r t " von vornherein in der Sphäre der Relativität liegt, der „unpersönliche" da-
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gegen — als „Wert für jedes Wertsubjekt" — absoluter Wert ist, und insofern die von Meinong so genannten „Werthaltungen" (d. i. auf ein Objekt gerichteten Wertgefühle) nur hinsichtlich des unpersönlichen, nicht hinsichtlich des persönlichen Wertes „Erfassungsmittel" sein sollen. Die Gegenstandstheorie ist einerseits U n i v e r s a l w i s s e n s c h a f t , weil sie die Gegenstände aller Wissenschaften, und auch die in den Einzelwissenschaften noch „heimatlosen", behandelt; sie ist andererseits a p r i o r i s c h e W i s s e n s c h a f t , weil sie die Gegentändlichkeit selbst, d. h. die Gegenstände ohne Rücksicht auf ihre Existenz betrachtet. Sie ist aber auch — das ist die Nabelschnur, die sie mit Brentanos Psychologie verbindet — die Wissenschaft von der Gegenstands e r f a s s u n g . Es gibt so viele Gegenstandsklassen wie es „erfassende Erlebnisse" gibt. Als Wissenschaft von der Erfassung („Erfassungstheorie") ist sie E r k e n n t n i s t h e o r i e im weiteren Sinne (Erkenntnistheorie i. e. Sinne ist „Theorie der evidenten Urteile"). Eindeutig ist die Sache damit keineswegs. Man kann die ganze Gegenstandstheorie als Erkenntnistheorie im objektivistischen Sinne bezeichnen. Man kann aber den grundwissenschaftlichen Anspruch der Gegenstands- gegenüber der Erkenntnistheorie so hervorheben, daß die Lehre vom Erfassen bzw. Erkennen eine bloße „Ergänzung zur Gegenstandstheorie" ist. So sieht es Meinong selbst. Wenn er von Erfassung anstatt von Intentionalität oder beziehungslosem Haben (Rehmke) spricht, so scheint darin eine Vorentscheidung für den erkenntnistheoretischen R e a l i s m u s zu liegen. Das ist auch der Fall: im „normalen Urteil äußerer Wahrnehmung" liegt „eine der besten Vermutungsevidenzen, die wir überhaupt besitzen", und wie Külpe u. a. nimmt Meinong an, daß d :n „Erscheinungen noumenale Bestimmungen" gegenüberstehen, die ihnen entsprechen. Aber die Gegenstandstheorie handelt ja nicht nur, und gar nicht in erster Linie, von wirklichen Gegenständen, sondern von daseinsfreien „reinen" Gegen-
Meinongs
Erlebnisklassen
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ständen, also z. B. von den gegenständlichen logischen Axiomen oder von mathematischen oder von „möglichen" Gegenständen. Gerade von s o l c h e n „Gegenständen" (die ja erdacht, fingiert sein könnten) gilt nun der Satz der Erfassung: „den Gegenständen ist es nicht wesentlich, erfaßt zu werden, wohl aber erfaßt werden zu können". Das heißt, es gilt von ihnen, daß ihr „Sein" — wenn nicht „Bestandsein", so doch wenigstens „Außersein" — dem Bewußtsein v o r g e o r d n e t ist, daß alles Erkennen als Gegenstandserfassung das Bewußtsein t r a n s z e n d i e r t . Und zwar gilt das in Strenge von den beiden Bestandteilen der Erfassung: P r ä s e n t a t i o n und M e i n e n . Präsentation heißt, daß der G e g e n s t a n d sich erlebnismäßig darbietet oder zeigt (oder — nach N. Hartmann — „objiziert"). Meinen heißt, daß wir Gegenständliches außerhalb des Bewußtseins bewußthaben (mit ihm — nach G. Jacoby — in „gnoseologischer Relation" stehen). Den vier Erlebnisklassen entsprechend gibt es vier Gegenstandsklassen: O b j e k t e (Vorstellen), O b j e k t i v e (Urteilen), D i g n i t a t i v e (Fühlen), D e s i d e r a t i v e (Begehren). Am wichtigsten ist dabei die Unterscheidung von Objekten und Objektiven, weil sie den Punkt der Abkehr von Brentanos Urteilstheorie und der Rückkehr zu Bolzano bezeichnet. Nicht Objekte (Vorstellungsobjekte) hat das Urteil zum Gegenstand, sondern es hat seinen eigenen Gegenstand, der ein „idealer Gegenstand höherer Ordnung" ist. Nehmen wir das Beispiel vom Sonnenschein, so ist es natürlich richtig, daß „über" das Objekt Sonnenschein geurteilt wird (die Sonne scheint, sie scheint nicht). Aber „dasjenige, w o r ü b e r geurteilt wird, ist ein anderes als dasjenige, w a s geurteilt wird". Was geurteilt wird: daß die Sonne scheint bzw. nicht scheint, ist eine „Wahrheit", — es bleibt wahr „in alle Ewigkeit", daß die Sonne jetzt scheint. Und n u r dieses „Objektartige", dieses Objektiv, ist es, das im Urteil e r f a ß t wird. Wie Bolzano, Husserl, v. Pauler und die anderen platonisierenden Urteilstheoretiker, zieht also Meinong die im Urteil als 4
Lehmann, Geschichte der Philosophie XI
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sprachlichem Gebilde ausgedrückte Stellungnahme, das Bejahen oder Verneinen, in den „objektiven Urteilsinhalt" (A. Marty) hinein.
Hans Pichler
Wenden wir uns jetzt der Philosophie H. Pichlers zu, so ändert sich das Bild beträchtlich. Nicht, daß Pichler (geb. 1882 in Leipzig, 1913 Privatdozent und 1921 Extraordinarius in Graz, im gleichen Jahr Ordinarius in Greifswald, 1958 auf Rügen gestorben) die gegenstandstheoretische Betrachtung aufgegeben, die österreichische Tradition verlassen hätte. Keineswegs. Auch besteht seine Bedeutung f ü r die Gegenwartsontologie nicht bloß darin, ihren historischen Ursprung aufgezeigt und sie zum Bewußtsein ihrer selbst gebracht zu haben. Er beteiligt sich an ihr als Systematiker. Er bemüht sich (1930, 1937) um die Klärung des Verhältnisses von Ontologie und Kategorienlehre. Aber die neue Welt tritt uns sogleich an dem für seine historischen und systematischen Arbeiten wichtigsten Punkt entgegen: an seiner Stellung zur Leibnizsdien Philosophie. Alle Österreicher inklinieren zu Leihniz und wenden sich ab von Kant. Wichtiger jedoch als dieser Leibnizianismus ist die um die Jahrhundertwende einsetzende L e i b n i z r e n a i s s a n c e , wie sie sich in den Werken von B. Russell (The philosophy of Leibniz 1900), L. Couturat (La Logique de Leibniz 1901), E. Cassirer (Leibniz' System 1902) u. a. ausspricht. Diese, nicht aus der österreichischen Schule hervorgegangenen Werke enthalten im Gegensatz zur früheren Leibnizbewegung eine prinzipiell u n m e t a p h y s i s c h e Leibnizinterpretation. An der durch sie in Fluß gekommenen Untersuchung der Logik und universalen Charakteristik, der Begriffsbildung und Systematik Leibniz' beteiligt sich auch Pichler in mehreren Arbeiten (1914, 1919, 1929). U n d es gelingt ihm, durch den Begriff des i n d i v i d u e l l e n Bildungsgesetzes das Eigentümliche des Leibnizsäien Rationalismus sichtbar zu machen. Dieser Begriff entstammt der Mathematik, nicht der Biologie. Wie in der Reihe der natürlichen Zahlen das
Pichlers Logik der Gemeinschaft
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Gesetz besteht, daß sich jede höhere Zahl durch H i n z u fügung von eins aus der nächstniederen bildet, so „sind alle Gattungen, deren Individuen durch ein Bildungsgesetz bestimmt sind, ihrer N a t u r nach geordnete Mannigfaltigkeiten". U n d es ist — nimmt man das Leibnizsdne Gesetz der Stetigkeit hinzu — zuletzt alles Seiende ein U n i v e r s a l s y s t e m , dessen Begriff . das „Bildungsgesetz aller möglichen Gegenstände enthält". Dieses Universalsystem ist nichts anderes als die L o g i k s e 1 b s t , — die logische Gesetzlichkeit, insofern sie „die letzten Gründe alles Seienden darstellt". Bekanntlich hat Leibniz die sogenannte formale Logik um den S a t z v o m G r u n d e bereichert, unter dem man zumeist die Forderung versteht, daß jedes (nicht in sich evidente) Urteil zureichend begründet bzw. logisch notwendig sein muß. Pichler hebt die echte g e g e n s t ä n d l i c h e Bedeutung dieses Prinzips hervor. Der Satz vom Grunde sagt, „daß alles, was ist, eine ratio hat." Er geht über den Satz vom Widerspruch hinaus. Er ist die „Definition eines vollkommenen Zusammenhanges". Er erweitert die formale Logik zur L o g i k d e r G e m e i n schaft. Pichler hat die Leibnizsche Philosophie nicht nur in besonderen Arbeiten behandelt. Er ist so von ihr durchdrungen, daß eigentlich alle seine Schriften von Leibniz handeln. U n d es hängt mit der Entwicklung seiner eigenen Philosophie zusammen, daß die ursprünglich unmetaphysische Leibnizinterpretation mehr und mehr zu einer m e t a p h y s i s c h e n wird, zur „Metaphysik der Gemeinschaft". Darin folgte ihm D. Mahnke (1884—1939), dessen Leibnizarbeiten (vornehmlich: Leibnizens Synthese von Universalmathematik und Individualmetaphysik 1925) den Abstand von der Jahrhundertwende sehr fühlbar machen, und der zuletzt, über Pichler hinaus, in das Unergründliche mathematischer Mystik vorstieß. (Unendliche Sphäre und Allmittelpunkt 1937). 4T
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D a ß Pichler nicht der „wissenschaftlichen Weltauffassung" des „Wiener Kreises" (Mach- und Brentanozn\ii.nger; Endstadium der österreichischen Schule) verfiel, und von Leibniz nicht zur Logistik, sondern zur Gemeinschaftslogik gelangte, ist wenigstens mitbedingt durch den Einfluß seines Lehrers W. Windelband}) Zwar erstreckt sich dieser Einfluß nicht auf die gegenstandstheoretische Grundkonzeption. Wohl aber auf Wertphilosophie, Kategorienlehre, Geschichtsphilosophie. H a t doch Windelbands (und Rickerts) Wertphilosophie zuletzt auch bei Meinong Anerkennung gefunden. U n d der A n t i n o m i s m u s Windelbands, d. h. seine Erarbeitung letzter Gegensätze, insbesondere von Wert und Wirklichkeit, Sollen und Sein, ist in Pichlers Begriffsbildung überall nachweisbar. Er hat für ihn eine ähnliche Bedeutung wie f ü r die ihm verwandte Philosophie B. Bauchs (1877—1942; Wahrheit, Wert und Wirklichkeit 1923, Die Idee 1926) — nur daß Bauch den erkenntnistheoretischen Subjektivismus zu überwinden suchte, als Pichler schon am anderen „Ufer" stand, und daß er in einen dialektischen Formalismus hineingeriet, von dem sich Pichler freizuhalten wußte. Jedenfalls unterscheiden sich Pichlers spätere Schriften (etwa seit 1921) von denen der Grazer Zeit nicht nur durch ihre künstlerische, fast epigrammatische Form und ihren weltanschaulichen Gehalt, sondern auch durch. Einbeziehung der dem Objektivismus und Rationalismus e n t g e g e n g e s e t z t e n Positionen, und durch die ganze Spannung, die mit solchem Versuche verbunden ist. Sie ist am spürbarsten in den drei zusammenhängenden Arbeiten: Logik der Gemeinschaft (1924), Wesen der Erkenntnis (1926), Logik der Seele (1927), die ebensosehr als eigener Systemversuch wie als Darstellung eines geschlossenen Gedankenganges betrachtet werden können. Die Logik der Gemeinschaft entwickelt den universalen (idealen) B e g r i f f der Gemeinschaft als Deutungsmittel aller Objektivität im Bereich des Denkens, Fühlens und 1) S i e h e Phil. d. 19. J a h r h u n d e r t s II. S. 78 ff.
Pichlers
Erkenntnislehre
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Handelns, also im Bereich der von Meinong sogenannten Gegenstandsklassen. Aber sie geht nicht von den Gegenständen als solchen aus, sondern von den N o r m e n , um durch den Begriff der Gemeinschaft zum „Sachlichen des Wertvollen" zu gelangen: die Gemeinschaft der Gedanken, Zwecke, Formen ist das verbindend Verbindliche. Soll sie erst erreicht bzw. realisiert werden, so tritt der Logik der idealen Gemeinschaft die Lehre von der Gemeinschafts b i 1 d u n g zur Seite: die formale Logik wird zur induktiven. Auch der Begriff des E r k e n n e n s ist gemeinschaftslogisch zu bestimmen. Erkennen heißt „begründete Gewißheit gewinnen", setzt also u n begründete Gewißheit, Anschauung, apriorische Einsicht, Kenntnisnahme von „Gegebenem" voraus. Erkenntnis ist Wesens- und Erfahrungserkenntnis; in beiden Fällen hat sie es mit Gemeinschaft zu tun: Gemeinschaft der „Möglichkeiten" und Daseinsgemeinschaft. Allerdings sagt Pichler im Sinne von Leibniz (und auch im Sinne der Phänomenologie): „Das Wesen aller Erkenntnis ist: Erkenntnis des Wesenhaften zu sein." Aber er übt doch Kritik am Rationalismus. Die Logik kann nicht die Bürgschaft f ü r die vollkommene Rationalität der Welt übernehmen. Sie kann nicht die „Dynamik" von Sinn und Widersinn, sondern nur die „Statik" von Gemeinsinn und Eigensinn zur Geltung bringen. Hier bricht der Antinomismus durch. Natürlich ist Erkennen Sache des erkennenden S u b jekts; Erkenntnistheorie und Erkenntnispsychologie greifen ineinander. Umso charakteristischer ist es, daß Pichler auch die Erkenntnispsychologie bzw. die Psychologie überhaupt gemeinschafts l o g i s c h behandelt. Das geschieht in der „Logik der Seele", seiner konstruktivsten und schwierigsten Schrift. Ihr Grundbegriff ist die T e i l n a h m e (Anerkennung und Ablehnung, „Gegenteilnahme"), die sich als beschauliche (Vorstellung, Gefühl, U r teil), tätige (Begehren, Streben, Wollen) und plastische (schöpferische Gestaltung, Intuition) entfaltet. Von Schelers „Seinsteilnahme" im „Urakt" der Liebe unterscheidet sich
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Phänomenologie und Ontologie
Pichlers Begriff der Teilnahme dadurch, daß er nicht von einer aparten „Logik des Herzens" ausgeht, sondern von o b j e k t i v logischen „Verhältnissen"^ denen das seelische „Verhalten" subsumiert wird. Gewiß kann man auch seinen Piatonismus der Teilhabe metaphysisch auffassen. Aber im Zuge des Gedankenganges dieser drei Schriften liegt das nicht. Die „Logik der Seele" bescheidet sich, „psycho-logische Konformitäten" in idealisierender Konstruktion darzustellen; sie will nicht in die Wirklichkeit der Seele eindringen. Sie bescheidet sich, essentielle Kategorienlehre zu sein. U n d damit stehen wir am letzten Punkt, der das systematische Verhältnis von O n t o l o g i e u n d K a t e g o r i e n l e h r e betrifft. W o es um die „Grundbegriffe des Seins und Daseins geht", will Pichler von Kategorien sprechen; die „Wissenschaft, welche die N a t u r der verschiedenen Gegenstandsbereiche erforscht", will er Ontologie nennen. Das stimmt noch mit Meinong und Husserl („regionale Ontologie") überein. Dennoch wird das Problem einer „existenziellen" (nicht etwa „existenzialistischen") Ontologie schon aufgeworfen, — wiederum aus Gründen jenes Antinomismus oder jener Dialektik (von Wesen und Dasein, Wert und Wirklichkeit, Theorie und Praxis), die Pichler vor allem als w e l t a n s c h a u l i c h e (Weisheit und T a t 1923, die Trilogie der Weltanschauung 1927) verfolgt hat. Die essentiellen Kategorien sind die Grundbegriffe der Logik; die existenziellen Kategorien oder „Grundbegriffe des Daseins" stehen denen des Wesens „nahe", sie „entsprechen" ihnen, und können als ihre „Abwandlung" betrachtet werden. Aber sie sind nicht „festgestellt"; es ist nicht möglich, mit Wesensbegriffen die Wirklichkeit „ausreichend zu fassen". Bei Pichler ist das nicht als Resignation gemeint. Stellen wir uns auf den Standpunkt der Erfahrung, des Erkennenwollens, der Wirklichkeit und des Werdens, so wird der Ausblick auf das Wesentliche zu einem i d e a l i s t i s c h e n Aspekt.
Pichler und Janssen
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Es liegt in Pichlers "Wesensart, sich vor allem für das „Logische in der Ontologie" zu erwärmen, und in diesem Sinne hat er noch in einer seiner späten Arbeiten (1952) ihre „Wiedergeburt" behandelt. Es ist aber leicht zu sehen, daß die r e a l i s t i s c h e O n t o l o g i e , der wir uns nunmehr zuwenden, keine „Wiedergeburt" der rationalistischen Ontologie, sondern ihrem Ansatz nach viel eher i r r a t i o n a l i s t i s c h ist. D a ß hier die Ontologie der Kategorienlehre vorhergeht, daß die Kategorien nur „an und in den Dingen" bestehen. Diese „neue" Ontologie braucht hier nicht nach ihrer realistischen Vergangenheit befragt zu werden. Sie wird vor allem die (transzendentale) Phänomenologie Husserls zurückweisen, in weniger scharfer Form auch Meinongs Gegenstandstheorie. Ist jenes bei N. Hartmann nicht so deutlich, weil er die (eidetische) Phänomenologie stets als Mittel verwendet, so wird es um so deutlicher bei G. Jacoby. U n d bei einem Denker, dessen bohrender Scharfsinn seiner D a r stellbarkeit leider so abträglich ist, daß wir ihn hier nicht eingehender behandeln können, bei Otto Janssen (geb. 1883).
Otto Janssen Für Janssen — soviel wenigstens ist anzudeuten — liegt der Fehler schon im Intentionalitätsbeg r i f f . „Echte, von ichzugehörigen Beständen oder von Haltungen des Ich ausgehende' Intentionalitäten kennt einzig nur und ausschließlich das emotionale Leben". Überhaupt sollte man die realen Voraussetzungen der ideellen Intentionalität erforschen, nicht die Intentionen des Bewußtseins „in die Wirklichkeit hinein" verlegen, man sollte die Bewußtseinspathologie heranziehen (Das erlebende Ich und sein Dasein 1932), um die das Bewußtsein tragenden tieferen „Daseinsfelder" zu erreichen. Es kommt ja doch immer und vor allem darauf an, das (tatsächliche) D a s e i n eines Bewußten bzw. des im Bewußtsein Erfaßten von der (erfassenden) Intentionalität, d. h. dem Bewußtsein „von" etwas, zu unterscheiden. (Dasein
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Phänomenologie und Ontologie
und Bewußtsein 1933). Einen ähnlichen Ansatz finden wir in Jacobys Behandlung des Bewußtseins, nur mit dem Unterschiede, daß das von Janssen noch beibehaltene deskriptiv-phänomenologische Verfahren durch den Anspruch einer beweisbaren (begriffsanalytischen) Darstellung ersetzt wird. Nicolai Hartmann Nicolai Hartmann (1882 in Riga geboren, nach Studien in Dorpat, Petersburg, Marburg 1909 Privatdozent in Marburg, 1922 Ordinarius in Marburg, 1925 in Köln, 1931 in Berlin, 1945 in Göttingen, wo er 1950 starb), hat seine Philosophie dreimal selbst dargestellt (1931, 1942, 1949): zuerst unter dem Gesichtspunkt des Antisystematikers und „forschenden Problemdenkers", der er sein wollte, dann unter dem Titel „Neue Ontologie", zuletzt in Form eines umfangreichen Lexikonartikels, worin auch die noch unaufgearbeiteten Punkte seiner Systematik zur Sprache kommen. Diese Darstellungen sind ein gutes, wenn auch nicht bequemes Mittel zur Einführung in seine Werke. Doch fehlt ihnen der g e n e t i s c h e Gesichtspunkt, der Aufweis der Verbindungslinien seiner Philosophie mit der seiner Zeitgenossen und unmittelbaren Vorgänger. Daran lag ihm umso weniger, als er — aus der N o t eine Tugend machend — Philosophiegeschichte und Geistesgeschichte (bzw. Philosophie als „Gang des philosophischen Gedankens" und eigentliche Geschichte) aufs schärfste s y s t e m a t i s c h trennt (Der philosophische Gedanke und seine Geschichte 1936). Dabei ist seine eigene Entwicklungsgeschichte nicht nur von großem sachlichen Interesse, insofern sie die „Stufen" des logischen Idealismus der Marburger Schule, der Husjer/schen Phänomenologie, der Metaphysik Max Schelers und der Meinongschen Gegenstandstheorie durchläuft, sondern auch unentbehrlich zum Verständnis dessen, was er seit 1935 als seine O n t o l o g i e vertritt (Grundlegung 1935, Möglichkeit und Wirklichkeit 1938, Aufbau der realen Welt 1940, Philosophie der N a t u r 1950). Denn diese Ontologie, auf die er alles bezieht, erweist sich ent-
H a r t m a n n s Entwicklungsgeschichte
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wicklungsgeschichtlich als Systématisation, und zwar als n a c h t r ä g l i c h e Systematisation sehr verschiedenartiger, z. T. schon in den ersten Jahren seiner Dozentur konzipierter Gedanken, unter denen zwar der Gegensatz von L o g i k u n d O n t o l o g i e bzw. die Überführung der „logischen Frage" in die „ontologische" eine große Rolle spielt (Logische und ontologische Wirklichkeit 1915), keineswegs aber das Übergewicht besitzt, das der ontologischen Thematik später zukommt. Vergleicht man die Endgestalt seines „Systems" (Ontologie — Naturphilosophie — Philosophie des Geistes — Ästhetik — Erkenntnistheorie — Logik) mit der Entstehung seiner Werke, so zeigt sich, daß die zeitliche Reihenfolge eine andere ist als die systematische: das Werk, dem er seinen Ruhm verdankt, ist die M e t a p h y s i k d e r E r k e n n t n i s (1921); es folgt (1925) die inhaltreiche W e r t p h i l o s o p h i e unter dem Titel: Ethik; daran schließt sich in den ersten Berliner Jahren die P h i l o s o p h i e d e s G e i s t e s (Das Problem des geistigen Seins 1933); und dann erst kommt es zum Aufbau der Ontologie als M o d a l i t ä t s l e h r e und (allgemeine und spezielle) K a t e g o r i e n l e h r e . Zu wünschen, daß seine Bücher in systemgerechterer Reihenfolge geschrieben worden wären, wäre naiv, und eine Überschätzung des systematischen Anspruches seiner Ontologie. Diese tritt zwar als Grundwissenschaft auf, ist aber wesentlich die Klammer für eine Fülle von Einzeluntersuchungen und Problemperspektiven, denen dadurch, daß sie als ontologische bezeichnet werden, nichts Neues hinzugesetzt wird. Parallel zu den systematischen Werken laufen von Anfang an solche zur G e s c h i c h t e d e r P h i l o s o p h i e . Am wichtigsten ist die Darstellung Hegels (1929) im zweiten Bande einer „Philosophie des deutschen Idealismus" (deren erster, 1923, Fichte, Schelling und die Romantik behandelt) und ein Jubiläumsaufsatz über Kant (1924), der freilich durch die zahlreichen Auseinandersetzungen mit Kant in den systematischen Werken ergänzt werden muß. Oftmals hat sich Hartmann auch mit der antiken
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Phänomenologie und Ontologìe
Philosophie beschäftigt: mit Piaton schon in seiner ersten, noch ganz unter Cohens Einfluß stehenden Arbeit (Piatos Logik des Seins 1909), mit Proklos (1909), mit Aristoteles vornehmlich in mehreren Akademieabhandlungen (1937, 1939, 1941, 1944). Seine letzte philosophiegeschichtliche Abhandlung galt der Metaphysik von Leibniz (1946). Hartmann ist nicht nur ein Meister des Gedankens, sondern auch ein Meister der Darstellung. Seit der „Metaphysik der Erkenntnis" sind seine systematischen Werke, deren Umfang abschrecken könnte, so gegliedert und aufgelockert, daß sie sich leicht lesen lassen, und ihr Lehrgehalt deutlich hervortritt. "Was er als seine M e t h o d e beschreibt: Phänomenanalyse („Phänomenologie") und Aporetik (Klärung des „Unverstandenen" in den Problemen), als Durchgang zur Theorienbildung, ist wesentlich Darstellungsmittel. Denn schon Husserls eidetische Phänomenologie gilt ihm als unzureichend, weil sie beim Allgemeinen stehenbleibt, das „Wesen" verabsolutiert, und erst recht natürlich die transzendentale Phänomenologie mit ihrem „Rückfall" in den Subjektivismus. Phänomenologe im strengen Sinne ist also Hartmann nicht. Und auch Aporetiker ist er nur insoweit, als er einen „irrationalen Rest" in den Problemen, ein letztes Unerkennbares, anerkennt und zu umgrenzen sucht. Hinsichtlich dieser Abgrenzungen spricht er mit Recht von seiner Methode als k r i t i s c h e r . N u r daß eben dieser „Kritizismus", obwohl er sachlich an Kant anknüpft, dem Kritizismus der Neukantianer entgegengesetzt ist. Bedenkt man, daß er auf allen Gebieten der Philosophie (abgesehen von Psychologie und Religionsphilosophie) gearbeitet und eine fast unübersehbare Menge von Einzelfragen nicht einmal, sondern mehrmals behandelt hat, daß er seinen Stolz darin setzt, auch wirklich T h e o r e t i k e r zu sein, d. h. zu „Gesetzen" zu gelangen, deren er eine große Anzahl aufstellt — Wesensgesetze, Seinsgesetze, Strukturgesetze, modale Gesetze, kategoriale Gesetze, Determinations-, Dependenz-, Schichtengesetze etc. —, und von denen ein Bruchteil genügen würde, der Philosophie
Hartmanns Methode
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den Rang einer exakten Wissenschaft zu geben, so ist es ganz unmöglich, den Inhalt seiner Ontologie auch nur in Stichworten zu umreißen. Es ist nur möglich, den Grundcharakter, den Einsatz und die f ü r den Aufbau wichtigsten Fragen anzugeben. Hartmann ist Objektivist, Realist, Individualist in entschiedener Weise; auch was er vom (logischen) Idealismus übernimmt, bzw. beibehält, z. B. das Faktum als Fieri, wird schnell realistisch umgebildet. Die „Wucht" des „natürlichen" Wirklichkeitsbewußtseins, die Härte, Enge, das Gewicht der Wirklichkeit, die „Realitätsgegebenheit" gerade als emotionales „Betroffensein" und Widerfahrnis, dieses Grunderlebnis oder „Phänomen" tritt — anders als bei Dilthey und Klages — stets in Verbindung mit einer nach a u ß e n gerichteten, extravertierten, alles verräumlichenden Anschauung auf. Seine ausgesprochene Diesseitseinstellung, Ablehnung jeder Sinntranszendenz, jeder Metaphysik „von oben" und theologischen „Weltdichtung", hat ihm den Vorwurf des P o s i t i v i s m u s und A t h e i s m u s eingetragen. Positivist im Sinne des Klebens am Gegebenen ist er nun freilich nicht. U n d sein Atheismus steht auf einem anderen Blatt: Atheist ist er, wie D. H. Kerler (1882—1921; Weltwille und Wertwille, posthum 1925), aus Gründen der Freiheitslehre und Handlungsautonomie. Aber es gehört zu den Schwächen seiner Philosophie, daß er die religiösen Phänomene unberücksichtigt läßt, obwohl er doch sonst allen „Phänomenen" gewissenhaft nachzugehen behauptet. Seine Forderung, von der Philosophie die „standpunktlichen" Vorentscheidungen, die Gemütsbedürfnisse und „spekulativ-metaphysischen Tendenzen" fernzuhalten, und die „Probleme" ohne Rücksicht auf ihre systematische Vereinbarkeit zu bearbeiten, findet ihr Korrektiv in dem Anspruch, nichts weniger als das W e l t s y s t e m , die Wirklichkeit in ihrem Ansich und ihrer „Totalität" zu erfassen. Natürlich ist die Welt ein „System". U n d natürlich ist der Realismus f ü r ihn kein „Standpunkt". Fragt man aber, wie er es macht, sich in den Besitz eines solchen Welt-
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wissens zu setzen, so gibt er darauf auch keine andere Antwort als die kritischen Realisten vor ihm: vom Gegebenen, von einem so breit wie möglich angelegten Umfang des „Gegebenen", ausgehend und die Resultate der Einzelwissenschaften verwertend, den darin enthaltenen Bestand an „Voraussetzungen" zu entwickeln. Er stimmt darin mit W. Wundt, E. v. Hartmann, A. Riehl, Külpe, Meinong und anderen überein. Der Einsatz seiner Philosophie ist in den „Grundzügen der Metaphysik der Erkenntnis" enthalten, insofern hier die These der A b h ä n g i g k e i t d e r E r k e n n t n i s t h e o r i e v o n d e r O n t o l o g i e — nicht von der „Metaphysik", wie es im Titel heißt — ausführlich behandelt und kritisch zur Geltung gebracht wird. Die geschichtliche Bedeutung dieses ersten Systemwerkes besteht darin, daß Hartmann in einer Zeit, als Alles die „Wiedergeburt der Metaphysik" erwartete, den danach strebenden neuidealistischen und neuromantischen Philosophen aufs entschiedenste entgegentrat und die "Wendung zur „neuen Sachlichkeit" vollzog. Freilich war ihm Husserl und überhaupt die österreichische Schule vorangegangen. Aber Husserl hatte den grundwissenschaftlichen Anspruch der Erkenntnistheorie übernommen und war zu einem „phänomenologischen Idealismus" gelangt, der den Gegenstand der Erkenntnis als „immanentes Gebilde" bestimmt, und damit das Erkenntnisproblem „verfehlt". Trotzdem bezeichnet Hartmann seine Analyse des Erkenntnisbegriffes als Analyse des „Erkenntnis p h ä n o m e n s" bzw. als „Phänomenologie der Erkenntnis". An diesem „Erkenntnisphänomen" — das im Sinne Husserls kein Phänomen ist — unterscheidet er: die Subjekt-ObjektR e l a t i o n , in der jedoch das „Objekt" von vornherein „transzendentales" Objekt ist, das E r f a s s e n des Objekts, die U n a n t a s t b a r k e i t des Objekts, die „Bestimmung des Subjekts durch das Objekt (Öbjektion), also die R e z e p t i v i t ä t oder Passivität des Subjekts, die A b b i l d u n g (Repräsentation) des Objekts durch das „Erkenntnisgebilde", und vor allem die U n a b h ä n g i g -
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k e i t des zu Erkennenden von der Erkenntnis, später auch „Gesetz der Übergegenständlichkeit des Erkenntnisgegenstandes" genannt. Erkenntnis ist „nicht ein Erschaffen, Erzeugen oder Hervorbringen des Gegenstandes . . . sondern ein Erfassen von etwas, das auch vor aller Erkenntnis und unabhängig von ihr vorhanden ist." Es ist klar, daß damit dem Erkennen bzw. der Erkenntnistheorie etwas zugeordnet ist: das Seiende bzw. die Wissenschaft v o m „Seienden als Seienden" oder die O n t o 1 o g i e. Diese behandelt die Seins m o m e n t e (Dasein, Sosein), Seins w e i s e n (Realität, Idealität), Seins m o d i (Möglichkeit, Wirklichkeit), Seins p r i n z i p i e n (Kategorien), Seins s c h i c h t e n (physisches, organisches, seelisches, geistiges Sein) und den A u f b a u der wirklichen Welt selbst. Hinsichtlich der Seinsmomente lehrt Hartmann die Relativität, Verschiebbarkeit, Unvollständigkeit von Dasein und Sosein; hinsichtlich der Seins weisen lehnt er jedoch eine solche Relativität ab: das ideale Sein (Wesenheiten, mathematische Gebilde, Werte) ist unvollständiges Sein und im Realen „enthalten", womit der realistische Charakter der Ontologie unterstrichen ist. Hinsichtlich der Seinsmodi behauptet er im Anschluß an die alte m e g a r i s c h e These (Der Megarische und der Aristotelische Möglichkeitsbegriff 1937), daß im „ G e f ü g e des Realgeschehens" nicht möglich ist, was nicht wirklich ist, insofern realmöglich (im Unterschiede von denkmöglich) nur das ist „ w o f ü r die Totalität der Bedingungen in der jeweiligen Realsituation beisammen ist". Er nennt dies das R e a l g e s e t z d e r M ö g l i c h k e i t und behauptet, die (Aristotelischen) Möglichkeitsgespenster aus dem „Weltbilde des Menschen" endgültig vertrieben zu haben. D i e Modalanalyse ist das „Kernstück" der Ontologie: der Charakter der Ontologie bestimmt sich, da der Seinsbegriff selbst undefinierbar und inhaltlos ist, nach dem Verhältnis des wirklichen Seins zum „möglichen". D a aber die „Modalitätsstufen" die „allgemeinsten und fundamentalsten Kategorien sowohl des Seienden als auch der Erkenntnis des Seienden" sind, so ist die Lehre von den
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„Seinsmodi" bereits K a t e g o r i e n l e h r e , und die U n terscheidung von Seinsmodi und Seinsprinzipien ist selbst keine prinzipielle. Sieht man darauf, daß die „neue" Ontologie den Schritt von der alten Ontologie (des Rationalismus) zur Kategorienlehre (Kants) insofern rückgängig macht, als sie die Kategorien wieder „ontologisch" fassen will, so hängt alles ab von dem „neuen" Begriff der Kategorie. Der aber ist schwer und dunkel. Historisch läßt er sich am ehesten von der Kategorienlehre E. v. Hartmanns her — dem letzten großen Versuch, ein universales Kategoriensystem aufzubauen (1896) — verstehen. Definiert E. v. Hartmann die Kategorie als „unbewußte logische Determination, die eine bestimmte Beziehung setzt", so streicht N. Hartmann das Moment des Unbewußten und auch wohl des Logischen. Übrig bleibt die Determination als solche, von der es fraglich ist, wieweit sie logisch bzw. rational ist. Übrig bleiben also determinierende „Seinsprinzipien" — das Sein der Kategorien ist „Prinzipsein", und dieses ist Sein „ f ü r " etwas, nämlich f ü r ein „Konkretum". Auch als „innere" Prinzipien, sowohl des Seienden als auch der Erkenntnis des Seienden, bezeichnet N. Hartmann die Kategorien (wie er das Gefüge der Seinsmodi als den „ontologischen Innenaspekt des Realseins als solchen" bezeichnet). Das hängt zusammen mit der von ihm behaupteten „Äußerlichkeit" der P h ä n o m e n e . Wir müssen gleichsam die äußeren Gegenstandsphänomene durchstoßen, um auf ihr Inneres, die Kategorien, zu gelangen. Es hängt aber auch zusammen mit seiner Tendenz, die „Innerlichkeit", wie sie uns in der Subjektivität, dem seelischen Sein, „am schärfsten ausgeprägt" entgegentritt, ontologisch zu unterbauen bzw. zu erweitern — letzter Rest idealistischer Metaphysik. Im übrigen sollen wir die Kategorien nur auf gegenstandsanalytischem Wege erfassen, nicht etwa auf apriorischem. Wir „erfassen" sie in und am Gegenstande, wie er uns im Leben und in der Wissenschaft gegeben und wie er natürlich auch schon vor uns — in der fortschreitenden
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Wissenschaft — bearbeitet worden ist. Wir erfassen sie gradlinig immer als „Seinskategorien"; die Erkenntniskategorien werden erst „rückwärts" aus den erfaßten Seinskategorien „erschlossen". Was nun die Seins s c h i c h t e n betrifft, so gehören sie ebenfalls in die Kategorienlehre : (Kategoriale Gesetze 1926). U n d zwar als Gesetze der kategorialen Schichtung, d. h. der ontologischen Überordnung, des „Höhenverhältnisses" der Kategorien. Dieses nämlich besagt, daß es überhaupt „niedere" und „höhere" Kategorien gibt, von „unten" nach „oben" durchgehende, oder aber auf einer bestimmten Stufe „abbrechende" bzw. neu auftretende, einander voraussetzende, tragende und getragene etc. Die Sache erscheint noch komplizierter, wenn zwischen Kategorienschichten und S c h i c h t e n d e s R e a l e n unterschieden, und gesagt wird, daß bereits das „Konkretum" der realen Welt, also der Stoff der Kategorien, dasjenige, „zu" dem sie „Prinzipien" sind, einen Schichtenbau bildet. Man kann aber diese Schwierigkeit beiseite lassen, und den „Schichtungsgedanken" bloß von der Seite der Wirklichkeitss c h a u her fassen, als Übertragung räumlich-stofflicher Anschauung auf Unräumliches. In dieser Form ist er uralt und findet sich bereits im mythischen Denken. Das Schichten p r o b 1 e m dagegen, d. h. die Beziehung der Realitätsstufen oder -schichten zu den Kategorien, ist versteckter. In der Gegenwartsphilosophie tritt es an mehreren Stellen auf, z. B. bei Boutroux in der Umbildung der Comtesehen Wissenschaftsklassifikation, bei Croce in der Bestimmung dessen, was f ü r Hegel „Unterschiede" (Stufen) und was für ihn „Gegensätze" sind, oder im Evolutionismus L.Morgans (1852—1936) als Lehre von den E m e r g e n z e n , d. i. neu „emporsteigenden" Wesenszügen und Qualitäten. Man kann auch auf die Psychoanalyse verweisen (Freud, Jung), auf die Anthropologie H. Pleßners (1928) oder auf die „Schichtenpsychologie" E. Rothackers mit ihrer Unterscheidung von vitaler, vegetativer, emotionaler und personaler Schicht (1938). In allen diesen Fällen erweist sich das Schichten-
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problem als Problem der S y s t e m k o n t i n g e n z d. h. der Unableitbarkeit und „Zufälligkeit" von Systemcharakteren. (Bei Freud ist z. B. das Seelenleben geschichtet in der Weise, daß das „Es" dem Gattungssystem, das „Ich" dem Wahrnehmungssystem, das „Uber-Ich" dem System der Moralität zugeordnet sein soll). Seine „Gesamtanschauung vom Weltbau" hat N. Hartmann zuerst im „Problem des geistigen Seins" (1933) entwickelt. Hier nämlich, wo er im Anschluß an Dilthey und Scheler den personalen, objektiven und objektivierten Geist unterscheidet, zeigt er, daß es sich in der Welt „um ein mannigfaltig gegliedertes Stufenreich der Seinsschichten" handelt, „in dem es von Schicht zu Schicht ein sehr eigentümliches Ineinander von Abhängigkeit u n d Eigenständigkeit gibt", daß das Reich des Geistes eine „eigene Welt über dem seelischen Sein" ist, daß aber nur der personale und objektive Geist „realer" Geist sind, während der objektivierte Geist, d. h. der geschaffene, im Werke dargestellte, der Geist, der seinen Schöpfer überdauert, „irreal" und nur in einer Materie fixiert ist. Er zeigt auch, daß die Stufen des Seelischen und Geistigen gegenüber denen des Organischen und Anorganischen nicht Ü b e r f o r m u n g e n , sondern U b e r b a u u n g e n sind, d. h. daß oberhalb des Organischen etwas Neues einsetzt. Das Seelische besteht nicht aus Vitalprozessen, enthält keine körperlichen Elemente. „Die niederen Kategorien dringen in der höheren Schicht nicht alle durch, sie bleiben zurück, ihre Wiederkehr bricht ab." So gibt es also — wie im „Aufbau der realen Welt" genauer ausgeführt wird — d r e i Einschnitte in der Stufenfolge der realen Welt: die mitten durch den Menschen hindurchgehende psychophysische „Grenzscheide", die unterhalb ihrer liegende Grenze zwischen dem A n o r g a n i s c h e n und O r g a n i s c h e n , sowie die oberhalb ihrer liegende Grenze zwischen B e w u ß t s e i n (psychischen Akten) und g e i s t i g e m Sein. Materielle und organische Welt werden nun in dem Teile der speziellen Kategorienlehre behandelt, den Hart-
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mann Naturphilosophie nennt und in seinem letzten, zu Lebzeiten veröffentlichen "Werke (1950) darstellt. Diese Naturphilosophie ist nicht eigentlich eine Auseinandersetzung mit der theoretischen Physik und Biologie, so wenig wie das „Problem des geistigen Seins" eine Auseinandersetzung mit der Geschichts- und Sozialwissenschaft ist. Sie ist vielmehr eine Systematik der N a t u r unter den Voraussetzungen realistischer Ontologie und in der Eindringlichkeit ihrer Analysen eine unvergleichliche Leistung. Die in ihr vorkommenden Kategorien werden unterschieden als d i m e n s i o n a l e (Raum, Zeit), t o s m o l o g i s c h e (Werden, Kausalität, Wechselwirkung), o r g a n o l o g i s c h e (organisches Gefüge, Artleben, Lebensprozeß), wobei als Wirklichkeitsstufen das R a u m Z e i t - S y s t e m der N a t u r , die d y n a m i s c h e n G e f ü g e , die L e b e n s g e f ü g e hervortreten. Die subtile Analyse von Raum und Zeit, deren Schwierigkeit vor allem darin liegt, daß Hartmann nicht nur Realraum und Realzeit, sondern auch alle Abwandlungen des Raum- und Zeitbegriffes (also auch geometrischen Raum und Anschauungsraum, Anschauungs-, Wahrnehmungs-, Erlebnis-, Vorstellungszeit) behandelt, k a n n nicht darüber täuschen, daß Raum und Zeit ontologich unselbständig sind, „für sich" nicht vorkommen, und sich zu den Dingen und Geschehnissen „nur wie eine allgemeine Vorbedingung" verhalten. Das Raum-Zeit-System ist nur ein „Dimensionssystem, in das sich die Realverhältnisse einzeichnen". U n d der Schwerpunkt liegt nicht in ihm, sondern in der Substanzialität bzw. in dem, an Stelle der alten Substanzkategorie tretenden, beharrenden Realprozeß. Hartmanns Naturphilosophie ist — im Gegensatz zu Jacobys Transzendenzontologie — durch und durch d y n a m i s c h . U n d zwar nicht erst in ihrem biologischen Teil, sondern gerade in der Behandlung der „kosmologischen Kategorien." Ein „absolut Beharrendes" gibt es nicht. Der Zeitfluß ist ein „Grundgesetz des realen Seins": relativiert man die Zeit, so taucht hinter ihr „unverändert die absolute Zeit auf", und da nicht alles Realzeitliche 5
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auch „realräumlich" ist, wird die Lehre vom vierdimensionalen Raumzeitsystem zu einem „Spiel der Gedanken". Dieser Dynamismus widerspricht freilich der Schichtentheorie — wenigstens innerhalb der „Naturphilosophie". In ihm zeigt sich der durchgreifende m o n i s t i s c h e Zug der Hartmannschen Weltauffassung. Erwies sich schon die erste „Stufe", das Raum-Zeit-System, als unvollständig, so erweisen sich die beiden anderen: Kosmologie, Biologie, als Abwandlungen der Kategorie des dynamischen Gefüges. Zwar sollen sich die organischen Gefüge von den anorganischen wesentlich unterscheiden. Das Leben soll sich „dynamisch nicht verstehen lassen". Da es eine, nur den Lebewesen eigentümliche Determinationsform, den V i t a l n e x u s , gibt, wäre die vitalistische Konsequenz unvermeidlich, und die Grenze zum Anorganischen würde ähnlich wie bei Driesch verlaufen. Gerade hiergegen aber wendet sich HaYtmann. Der Vitalismus ist t e l e o l o g i s c h in dem Sinne, daß er die organischen Prozesse „nach Analogie menschlicher Zweckmäßigkeit" beurteilt; sein Determinationstyp ist zu hoch, und „der Sphäre menschlichen Handelns entlehnt". Trotzdem sollen sich organische Regulation und Reproduktion mit den „Kategorien der unbelebten Natur" nicht erklären lassen. Da der Neovitalismus aus der Kritik am D a r w i n i s m u s bzw. Neodarwinismus hervorgegangen ist, wirkt es anachronistisch, wenn sich Hartmann auf die S e l e k t i o n s t h e o r i e beruft und scheint nur erklärlich aus Reminiszenzen an eine frühere Arbeit (1912), in welcher der Begriff: dynamisches Gefüge zuerst eingeführt wird. Allerdings nicht im späteren Sinne als Kategorie des Anorganischen, sondern gerade des Organischen: als „Gefüge von ineinandergreifenden und sich gegenseitig beeinflussenden, dennoch aber relativ selbständigen Selektionsprozessen." Es zeigt sich gerade auch an dieser Stelle, wie sehr die Hartmahnsche Ontologie im ersten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts beheimatet ist, auch wenn sie sich systematisch erst später entfaltet.
Hartmanns Naturphilosophie
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D a ß Hartmann zu dieser „Lösung" des Vitalismusproblems greift — hierfür, und f ü r den A u f b a u des ganzen Stufensystems, ist wenigstens mitentscheidend der Ausfall der P s y c h o l o g i e . Die Psychologie ist gleichsam der blinde Fleck der Ontologie, u n d auch die Stelle ihrer Abhängigkeit v o m Marburger Idealismus. Zwischen P h y siologie (Biologie) u n d Psychologie (Bewußtseinslehre im Sinne Natorps) bestehe eine „Problemsdieide" (1912), eine nicht relative, sondern absolute „Problemgrenze": völlig unerklärlich ist es, wie es auf dem Boden der Physiologie zur Entstehung einer eigenen „Innenwelt", „Innensphäre", kommen k a n n . D a n n fällt natürlich der Begriff des U n b e w u ß t e n , insofern er beansprucht, den Übergang z u m Bewußt-Seelischen zu erklären. Aber zu „erklären" gibt es hier nichts: alle Psychologie u n d Philosophie des U n b e w u ß t e n ist pure Spekulation. 1 ) D a ß der „törichte" Streit zwischen Vitalismus und Mechanismus mit der E i n f ü h r u n g der organischen Determination als neuer Kategorie nicht erledigt ist, zeigt diejenige Richtung realistischer Metaphysik, die durch E. Becher, Bavink, A. Wenzl u. a. vertreten wird. W i r verweisen hier nur auf die W e r k e von Wenzl (Wissenschaft u n d W e l t anschauung 1936, Philosophie der Freiheit 1947), in denen ein engerer Zusammenhang mit den Fragen theoretischer Physik u n d Biologie besteht als bei Hartmann. Wenzls „dynamistisch-psychistische Auffassung" zeigt nicht nur die Haltlosigkeit der Ersatztheorien des Vitalismus (v. Bertalanffy, E. Bleuler, K. Sapper u. a.), sondern auch die Notwendigkeit, den V i t a l f a k t o r als „psychophysische Realität" zu verstehen, d. h. als selbst realen, unbewußten 1) W i e man von der Phänomenologie nicht nur zu einer Psychologie des Unbewußten, sondern eben damit auch zu einer realistischen M e t a p h y s i k des Unbewußten •— wie sie freilich schon E. v. H a r t m a n n aufgestellt hat •— gelangen kann, zeigt das lehrreiche Beispiel des Psychologen und Ästhetikers M o r i t z G e i g e r (1880—1937). (Fragment über den Begriff des Unbewußten und die psychische Realität 1921): psychische Realität und Erleben w e r d e n hier getrennt! in der psychischen Realität liegt eine „Seinsart" vor, die „keineswegs dauernd an das Erleben geschmiedet ist." Das bedeutet z. B., daß das wollende Verhalten, die Willenseinstellung, auch „existierte, wenn es nicht erlebt wurde." 5'
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psychischen Regulator u n d Organisator physikochemischen Geschehens, der zur Bildung „virtueller" (Becher) Gestalten f ü h r t , d. h. solcher, die von den physikochemisch zu erwartenden Zuständen u n d Vorgängen abweichen. W i e es sich damit auch verhält — f ü r Hartmann gehört nun einmal diese ganze Erklärungsart in das Kapitel: T e l e o l o g i e . U n d derTeleologie, wenigstens der unteru n d übermenschlichen, gilt sein K a m p f . In seinem ersten 1 ) nachgelassenen W e r k : T e l e o l o g i s c h e s Denken (1951), das 1944 beendet w u r d e u n d in durchsichtigen Beziehungen zur „Naturphilosophie" steht, gibt er eine A n a lyse der Finalität, die Zwecksetzung, W a h l der Mittel und Verwirklichung als spezifisch menschliche Bewußtseinsleistung aufweist, u n d die Möglichkeit, d a ß auch im O r ganischen Finalprozesse bestehen, ausschließt. „Es k a n n überhaupt keine N a t u r f i n a l i t ä t geben, es sei denn, d a ß eine W e l t v e r n u n f t dahinter stehe . . . " W i r d dies verneint, d a n n ist auch die traditionelle M e t a p h y s i k verloren. D e n n sie ist im wesentlichen eine „Kette von Teleologismen". „Ihre Schöpfer kamen von jeher vorwiegend aus der Theologie her." Ihr treibendes Motiv ist der „unwiderstehliches Z u g " zur Teleologie. Sie ist das „Weltbild der Schwachen u n d Rückgebundenen". Sie ist ein Anthropologismus. U n d nicht nur sie, sondern alles, was sich heute noch in metaphysischen Bahnen bewegt. D a ß diese Kritik auch Hartmanns Ontologie treffen müßte, bleibt freilich unerkannt. Bis zuletzt w i r d an der Fiktion festgehalten, es gäbe Ontologie o h n e Metaphysik.
Günther Jacoby D i e Ontologie G. Jacobys, mit der wir diese Entwicklung abschließen, hat z w a r mit Hartmann den gegenstandstheoretisdi-realistischen Ansatz gemeinsam, die A b w e n d u n g von der Erkenntnistheorie, die Stufenlehre, vielleicht auch die Lehre v o m objektiven Geist. Aber die Das zweite (1953).
nachgelassene
Werk
ist
die u n v o l l e n d e t e
Aesthetik
Günther Jacoby
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Form des Systems ist eine andere, und es fällt — innerhalb gewisser Bereiche — der Ontologismus, womit auch der M o n i s m u s , der f ü r Hartmann so charakteristisch ist, wegfällt. Günther Jacoby (geb. 1881 in Königsberg, seit 1928 Ordinarius in Greifswald) studierte Theologie und Philosophie (bei Paulsen und Stumpf in Berlin), promovierte 1906 mit einer Arbeit über Herders und Kants Ästhetik (1907), der er 1911 sein umfangreiches Werk Herder als Faust folgen ließ. Dieses umstrittene Werk will zeigen, daß Herder Urbild des Faust ist; doch bezieht sich die These nicht auf den ganzen Faust — insofern ist der Titel mißverständlich —, sondern nur auf den Faust des ersten Teiles bis zur Szene in Auerbachs Keller. — Inzwischen hatte sich Jacoby (1909) in Greifswald habilitiert und seine Antrittsvorlesung über den Pragmatismus veröffentlicht. Diese kleine Schrift, die ihm eine Einladung an die Harvard-Universität brachte (1910), ist noch keine Vorarbeit f ü r die spätere Ontologie. Aber das Jahr 1910 ist das Geburtsjahr des amerikanischen „neuen Realismus", was für Jacobys spätere These von der „subjektfreien Objektivität" nicht ohne Bedeutung gewesen sein dürfte. Die Pragmatismusschrift will jedenfalls den Pragmatismus gegen die Einwände der Logiker, gegen den Vorwurf der Wahrheitsverfälschung und des Relativismus verteidigen; sie ist ja auch noch vor 1910 geschrieben. Immerhin soll die Wirklichkeit den Wahrheitsanspruch kontrollieren; Wahrheit ist und bleibt „Übereinstimmung mit dem Behaupteten", und die Wirklichkeitsbeziehung wahrer Aussagen gilt unbedingt. Wenn die Abbildtheorie vom Pragmatismus bekämpft wird — wir werden im nächsten K a pitel darauf eingehen —, so nur deshalb, weil es ihm nicht auf die Vergangenheit, sondern auf die Z u k u n f t ankomme: die Verifikation nach der Z u k u n f t „ist die eigentlich pragmatistische". Mehr noch als bei der Philosophie Hartmanns möchte es bei derjenigen Jacobys scheinen, daß sie ganz der Gegen-
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w a r t i.e.S. angehört. Ist doch die „Allgemeine Ontologie der Wirklichkeit" vollständig erst 1955 erschienen. T a t sächlich aber w u r d e der erste Band 1925, der zweite (bis zur 4. Lieferung) 1932 veröffentlicht, und w e n n auch das später Gelieferte mehr als eine bloß äußerliche Vervollständigung ist — sind doch darin völlig neue G e d a n k e n gänge, wie z. B. die Theologische Ontologie, enthalten — , so fallen natürlich die grundsätzlichen Entscheidungen in die Zeit vor 1933. Die Ontologie der Wirklichkeit grenzt sich als e x i s t e n t i e l l e v o n der älteren essentiellen (Kategorienlehre, Gegenstandstheorie i. w. Sinne, Husserls regionale Ontologie) ab. Sie will die Strukturverhältnisse, F o r m beziehungen der Wirklichkeit bzw. dessen, was f ü r das Wirklichsein von Gegenstände^ konstitutiv ist, u n t e r suchen. Sie ist b e g r i f f s a n a l y t i s c h , indem sie den „Bedeutungsgehalt des Begriffs der Wirklichkeit" a n a l y siert. Freilich nicht bloß, um zu prüfen, was wir Wirklichkeit nennen, sondern um zu erkennen, was Wirklichkeit a n sich „ist". Sie ist damit von vornherein r e a l i s t i s c h . Aber nicht im Sinne eines kritischen Realismus oder einer „Philosophie der Wirklichkeit", d. h. nicht so, d a ß die Wirklichkeit an sich die Verlängerung der Wirklichkeit f ü r uns ist. Sondern in dem radikaleren Sinne, d a ß die t r a n szendente Wirklichkeit g r u n d s ä t z l i c h anders beschaffen ist als die „immanente": d a ß beide eine verschiedene o n t o l o g i s c h e Struktur haben. Zu diesem Dualismus v o n I m m a n e n z - u n d T r a n s z e n denzontologie treten weitere Gegensätze. Jacoby unterscheidet Wirklichkeits- u n d I d e e n o n t o l o g i e , innerweltliche u n d ü b e r w e l t l i c h e (theologische) O n t o logie. Er unterscheidet vor allem Ontologie und G n o s e o l o g i e (d. i. Meinungslehre im Sinne Meinongs, nicht nur Erkenntnistheorie wie bei Hartmann). D a er nicht d a r a n denkt, diese Gegensätze einem einzigen oder einer monistischen Systemkonstruktion zu o p f e r n , nähert er sich in vielem der Philosophie Herbarts.
Jacobys Ontologie
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Wie Herbart, geht Jacoby von den "Widersprüchen im Begriff der Wirklichkeit, bzw. dessen, was wir zunächst und zumeist Wirklichkeit nennen, aus. Wie dieser, will er die Widersprüche nicht dialektisch, sondern durch Begriffsergänzung („Identitätsergänzung") lösen. Der alltägliche, praktische, „volkstümliche" Wirklichkeitsbegriff soll geklärt werden, dagegen nicht die Problematik des „natürlichen Weltbegriffs" (von Avenarius bis Heidegger). Wirklichkeit, deren Widersprüche aufgewiesen werden, ist schon ein wesentlich theoretisches, o n t o l o g i s c h e s Gebilde: die immanente Außenwirklichkeit als „Raumsystem des naturgesetzlich Gegebenen" zuzüglich der, von der Außen Wirklichkeit unterschiedenen, je eigenen Bewußtseinswirklichkeit. Fragt man also, was die Immanenzontologie unter Immanenz versteht, so ist nicht Bewußtseinsimmanenz — im Sinne der „immanenten Philosophie" —, sondern E r f a h r u n g s i m m a n e n z gemeint. Und fragt man nach den in der Immanenzontologie (der Außenwirklichkeit und des Bewußtseins) waltenden W i d e r sprüchen,
so beziehen sie sich hauptsächlich auf das-
jenige, was Jacoby Ü b e r s c h n e i d u n g nennt: auf die (für die Immanenzontologie entscheidende) Voraussetzung, daß das Wahrgenommene in der Außenwirklichkeit und im Bewußtsein identisch dasselbe sein soll. (Jenseits des „Überschneidungsbezirks" liegen die nicht wahrgenommenen Außenwirklichkeitsbestände, diesseits die nicht außenwirklichen Bewußtseinsgebilde: Vorstellungen, Akte, Träume usw.). Diese Überschneidung steht im Gegensatz zur p s y c h o p h y s i s c h e n R e l a t i o n . Kann doch das psychophysische Problem überhaupt nur gestellt werden, wenn nicht das wahrgenommene Außenwirkliche, sondern sein A b b i l d ins Bewußtsein tritt, bzw. wenn Außenwirkliches und Wahrgenommenes nicht identisch, sondern durch das Gehirn vermittelt sind. „Das von der Überschneidungslehre vorausgesetzte Prinzip der Identität außenwirklicher und bewußtseinswirklicher Bestände und das von der psychophysischen Problemstellung vorausgesetzte
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Prinzip ihrer Verschiedenheit, d. h. ihrer Nichtidentität, stehen miteinander in Widerspruch." An diesem Widerspruch bricht die — hier nicht näher darzustellende — Immanenzontologie zusammen; sie erweist sich als f a l s c h e Ontologie. Aber sie läßt sich nicht einfach wie eine falsche Rechnung streichen. Sie bleibt f ü r uns, die wir uns immanenzontologisch orientieren, weiterhin gültig. N u r nicht als theoretische Wahrheit, sondern als Deutungsgebilde bzw. als unhemmbare E r s c h e i n u n g , deren Realgrund die transzendente Wirklichkeit ist. Die Transzendenzontologie u m f a ß t wie die Immanenzontologie eine Lehre von der (transzendenten) Außenwirklichkeit, von der (transzendenten) Bewußtseinswirklichkeit und von dem Verhältnisse beider. Ihre wichtige und neue Thematik ist jedoch die Transzendenzontologie der Z e i t bzw. der „Weltsubstanz" als vierdimensionaler Raumzeit. Sie trifft damit auf eine von der Relativitätstheorie (Raumzeitunion, Minkowskiwelt), aber auch schon früher (von Czolbe, Fechner, Paldgyi) gestellte Problematik. U n d sie berührt sich an diesem Punkte — allerdings nur an diesem — mit der aus dem englischen Neurealismus hervorgegangenen Ontologie S.Alexanders (1859—1938; Space, Time and Deity 1920). Da für die Transzendenzontologie die Überschneidung im immanenzontologischen Sinne wegfällt, so ist f ü r sie Außen Wirklichkeit nicht mehr der (naturgesetzliche) Zusammenhang des Gegebenen, sondern der Zusammenhang jener „nicht gegebenen Bestände, zu denen unser Bewußtsein als ein außenkausaler Faktor gehört", d. h. es gibt n u r die transzendente Außenwirklichkeit und die zu ihr gehörende transzendente Großhirnrinde, die mit ihrer U m gebung in kausalen Abhängigkeitsbeziehungen steht. Die Frage, was dann noch unter Bewußtsein zu verstehen ist, findet ihre Antwort zunächst in materialistischem Sinne: die Transzendenzontologie behauptet nicht nur, daß Bewußtsein und Außenwirklichkeit „ontologisch zu einer und derselben Sphäre gehören", sondern auch, daß „die unserem Bewußtsein zugrundeliegenden Gehirnvorgänge das
Jacobys Lehre von der Raumzeit
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einzige uns unmittelbar transzendente Ding an sich sind." U n d sie behauptet ganz konsequent die R ä u m l i c h k e i t des Bewußtseins: der ontologische Bestand des Bewußtseins hat „seinen Ort in der transzendenten Wirklichkeit unseres Schädels." Das gilt n ic h t von dem Bewußtsein, wie wir es kennen und erleben. Dessen Systematik ist „überphysisch"; es steht in g n o s e o l o g i s c h e r R e l a t i o n zu Ansichbeständen, d. h. es erfaßt sie „meinend"; es ist der Schöpfer einer Welt, setzt i d e e l l e s Sein (ideisierende Gnoseologie) und hat im Anschauungsraum keinen Ort. Die Behauptung der Räumlichkeit des Bewußtseins gilt nur von der „uns verborgenen ontologischen Eigenwirklichkeit des Bewußtseins". Man könnte sagen, daß sie dann eben nur von dem realontologischen F u n d a m e n t des Bewußtseins gilt. Aber das ist doch nicht das Gemeinte. Vielmehr soll sich die „Wirklichkeit des Bewußtseins" in der „Sphäre unserer Erfassung" nicht e r s c h ö p f e n — das Bewußtsein soll in „Tiefen" hinabragen, die gnoseologisch unzugänglich sind. U n d gerade deshalb soll es sich so verhalten, weil unser gnoseologisches Bewußtsein das transzendenzontologische, vierdimensionale v e r d r ä n g t . Diese Konsequenz ist unüberbietbar. Aber sie gibt keine Antwort auf die Frage, wie Bewußtsein überhaupt möglich ist. Denn aus dem transzendenten Bewußtsein bzw. aus der transzendenten Wirklichkeit läßt sich das gnoseologische bzw. die Erscheinungswirklichkeit nicht ableiten. Keine „Staffelung" des Zustandes der Weltsubstanz läßt sich aus der systematisch früheren ableiten. N u r das reduktive Verfahren ist möglich; man muß das systematische Feld ändern (von der Transzendenzontologie zur Gnoseologie übergehen), um konstruktiv verfahren zu können. Das gilt auch von der diffizilen, scharf durchdachten Z e i t l e h r e Jacobys. In ihr wird das für die Immanenzontologie wichtigste Moment der Zeit, das Nacheinander, f ü r unwirklich erklärt. N u r in der Froschperspektive, d. h. f ü r ein Wesen, das in einer n-dimensionalen Wirklichkeit lebt, aber auf n-1 Dimensionen beschränkt ist, gibt es ein
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Phänomenologie und Ontologie
Nacheinander; in der Vogelperspektive sind dagegen Hinter-, Neben-, Über- und Nacheinander zusammen „ein einheitliches Koordinatensystem für die vierdimensionale Welt". Da alles Wirkliche, „und also auch dessen Raum", in der Zeit ist, folgert Jacoby — mit Paldgyi —, daß „die Zeit eine vierdimensionale Mannigfaltigkeit ist und in ihr der Raum der jeweiligen Gegenwart eine dreidimensionale Phase bildet." Es kommt also in der Lehre von der Zeit wiederum der Unterschied von Immanenz- und Transzendenzontologie zur Sprache: das Nacheinander ist immanent, die nacheinanderlose Zeitwelt ist transzendent. Und wiederum ist die Frage unlösbar, wie auf dem Boden der nacheinanderlosen Zeit — und aus ihm — ein Nacheinander bzw. eine Abspaltung der Zeit als eindimensionaler vom dreidimensionalen, immanenten Raum entstehen kann. Gehört die transzendente Welt nicht zu unserem erfahrungsimmanenten Wirklichkeitsbegriffe, und ist sie insofern ein „absolutes Nichts", soll sich umgekehrt aber dieses Nichts transzendenzontologisch als das W i r k l i c h e (und nun das immanent Wirkliche als „Nichts") erweisen — so ist offenbar die Frage nach der Entstehung der immanenten Wirklichkeit transzendenzontologisch ebenso sinnlos wie die Frage nach der Entstehung der transzendenten Wirklichkeit aus der immanenten. Also setzt Jacobys Philosophie, um ihre Probleme überhaupt aufstellen zu können, die Geltung zweier Systeme voraus, deren jedes, vom Standpunkt des anderen aus, ungültig ist. Sie kann sich aber damit nicht begnügen. Sie muß auch — wenn wir vom Systemproblem der Ideenontologie ganz absehen — den Gegensatz von m u n d a n e r und s u p r a m u n d a n e r Ontologie systematisch einbeziehen. Die supramundane (theologische) Ontologie geht von der o n t i s c h e n Frage nach der Bedeutung der transzendenten Wirklichkeit bzw. der Welt als Raumzeit aus. Sie geht von der Zufälligkeit (Kontingenz) der Welt aus, von der Grund- und Sinnlosigkeit, ontischen Ohnmächtigkeit des Weltseins. Sie fragt, ob die Welt „an sich" ist oder
Jacobys theologische Ontologie
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von einem Anderen abhängt (abalietas), ob sie — wie die Theologie lehrt — von Gott geschaffen ist. Sie erläutert die Abhängigkeit der Welt durch das Bild ideeller Schöpfungen: wie die Gestalten einer erdichteten "Welt vom (menschlichen) Dichter, so könnten die Gestalten der wirklichen "Welt von Gott abhängen. Sie beschreibt die in der christlichen Theologie gezogenen systematischen Konsequenzen dieser These. Zunächst ohne Parteinahme. Mehr und mehr aber erweist es sich, d a ß die theologische Ontologie — obzwar nicht die ganze christliche Dogmatik — die Sinnwidrigkeiten der mundanen Ontologie in ähnlicher Weise „ergänzt" wie die Transzendenzontologie die Widersprüche der Immanenzontologie. D a ß erst damit der Materialismus der Transzendenzontologie sein Korrektiv gefunden hat, wird zwar nicht ausdrücklich gesagt, liegt aber auf der H a n d . In Jacobys Ontologie hat die objektivistisch-realistische Ontologie ihren letzten Punkt erreicht. Natürlich würde zur Beschreibung des Weges von der Phänomenologie zur Ontologie auch die Fundamentalontologie Martin Heideggers, und zur Darstellung der Philosophie im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts die, als „Periechontologie" nachträglich fundamentierte, Weltanschauungspsychologie und Existenzphilosophie von Karl Jaspers gehören. Ist doch Heideggers „Sein und Zeit" 1927, Jaspers' „Psychologie der Weltanschauungen" bereits 1919 erschienen. Aber die Voraussetzungen dieser beiden Denker sind in einer Geschichte der E x i s t e n z p h i l o s o p h ie u n d des „E x i s t e n z i a 1 i s m u s" enthalten, die hier nicht gegeben werden kann. U n d die ersichtlich weiter in die unmittelbare Gegenwart hineinführt als das bei den bisherigen Denkern der Fall war. Im übrigen kommt es uns nicht so sehr darauf an, historisch zu werten, als darauf, eine Darstellung dieser komplizierten Sachverhalte, wie es die Philosophie im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts und die in der Gegenwart selbst sind, überhaupt zu ermöglichen. Wir gehen also an dieser Stelle auf die Existenzphilosophie und Existenzialontologie noch nicht ein.
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Phänomenologie und Ontologie
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Phänomenologie und Ontologie
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V. Vom Pragmatismus zum Neurealismus Einleitung Was wir im Folgenden beschreiben möchten, ist ein ähnlicher Wandel des Denkens, wie er uns in der Wendung von der neuidealistisch-irrationalistischen Philosophie zur objektivistischen Phänomenologie und Ontologie begegnete. Diesmal aber unter vorwiegend nichtdeutschen Voraussetzungen, ausgehend von einer geistigen Erscheinung, die noch heute im englisch-amerikanischen Denken — besonders im amerikanischen — wirksam ist: dem P r a g m a t i s m u s . Dessen Umschlag in eine n e u r e a l i s t i s c h e Philosophie läßt sich zwar in Amerika deutlich aufzeigen, besser aber in England, weil hier die pragmatistische Phase kürzer ist. Die Frage nach dem Sinn dieses neuen Realismus greift auf eine weitere Thematik, die des l o g i s c h e n P o s i t i v i s m u s , über. Sind doch Russell und Whitehead, zwei wichtige Verteter des englischen Neurealismus, zugleich Begründer der mathematischen Logik (Principia mathematica 1910—1915). U n d war es doch Russell, der Wittgensteins Tractatus Logico-Philosophicus (1922) in England einführte. Darauf wird einzugehen sein. Worauf es zunächst ankommt, ist dieses: im Pragmatismus zwar die Beziehung zum Amerikanismus zu sehen, ihn aber nicht als den Ausdruck amerikanischer „Weltanschauung" aufzufassen. Nicht in dem törichten Sinne einer den Amerikanern adäquaten „Philosophie des Geldes". Aber auch nicht in dem Sinne, daß man (wie Baumgarten) die Linie von Franklin über Emerson und Dewey durchzieht, und alles das Pragmatismus nennt.
Der Name Pragmatismus
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Zwar ist der Name Pragmatismus amerikanischen Ursprungs. Er stammt von Charles S. Peirce ("1839—1914), der ihn bis 1902 (mündlich) gebrauchte, dann aber ablehnte: „Da der Autor sein Baby „Pragmatismus" dermaßen fortentwickelt sieht, fühlt er die Zeit gekommen, dem Kind Lebewohl zu sagen und es seinem Geschick zu überlassen. Gleichzeitig zeigt er hiermit die Geburt des Wortes „Pragmatizismus" an, welches häßlich genug ist, um vor allen Kindesentführern sicher zu sein und nun dazu dienen soll, die ursprüngliche Definition des Pragmatismus auszudrükken." Was war das für eine Fortentwicklung? William James (1842—1910) hatte den Namen für seinen „radikalen Empirismus" verwendet1) und in zahlreichen Arbeiten, vor allem der „Pragmatism" betitelten (1907), um Anerkennung geworben, Ferdinand C.S. Schiller (1864 bis 1937), ein Deutscher aus Altona, in England aufgewachsen und Mitarbeiter an dem Oxforder Manifest „Personal Idealism" (1902), später an die Cornell-Universität in Ithaca berufen, hatte den Namen adoptiert, ihn dann aber durch H u m a n i s m u s ersetzt (1903). J. Dewey (1859 bis 1952) bildete ihn in I n s t r u m e n t a l i s m u s um. Wobei es durchaus nicht sicher ist, daß die verschiedenen Namen dieselbe Sache bezeichnen. Geht man von der Sache aus, so ergeben sich weit über den Namen und seine englisch-amerikanische Bedeutung hinausreichende Zusammenhänge. Insbesondere mit der deutschen Philosophie. Nicht nur mit dem sogenannten F i k t i o n a l i s m u s H. Vaihingers (1852—1933; Die Philosophie des Als-Ob 1911) oder der Urteilstheorie W. Jerusalems (1854—1923; Die Urteilsfunktion 1895). Nicht nur mit gewissen Inhalten und Motiven der Philosophie Nietzsches — dessen Beziehung zu Emerson E. Baumgarten (1939) untersucht hat: wir haben in der Tat bei Emerson so etwas wie eine Philosophie der Macht; 1) Er meint zwar einmal, zwischen radikalem Empirismus und Pragmatismus bestehe kein logischer Zusammenhang; man kann den radikalen Empirismus verwerfen und Pragmatist sein. Aber das ist nicht so wörtlich zu nehmen; vorläufig genügt uns auch der historische Zusammenhang. . 6*
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Vom Pragmatismus zum Neurealismus
was aber natürlich noch nicht Pragmatismus ist. Sondern vor allem mit Kant auf den sich ja auch Peirce und Schiller berufen. Peirce, der Kant als seinen Lehrer bezeichnet, setzt Kategorie und Idee gleich, was ihn in die N ä h e Hegels führt, jedenfalls zu einer metaphysischen Logik. Schiller, der viele Gemeinsamkeiten mit Kant angibt, geht besonders von dessen Postulatenmetaphysik aus. Lehnt Peirce den S u b j e k t i v i s m u s Kants ab, so wehrt sich James heftig gegen den A p r i o r i s m u s . D a ß dies nicht zwingend ist, d a f ü r das Beispiel eines deutschen Denkers der nächsten Generation, der zwar nicht im eigentlichen Sinne Pragmatist ist, aber dem Pragmatismus dodh sehr nahe kommt: Hugo Dingler (1881—1954; Der Zusammenbruch der Wissenschaft 1926, Das Experiment 1928). Dingler nennt seinen — von Mach aus gewonnenen — Standpunkt Voluntarismus, Dezisionismus, Operationismus u. ähnlich: er meint, daß es gewisse Elementargestalten, „Ideen", unbewußte ideelle Forderungen gibt, die wir realisieren müssen bzw. wollen, insofern der Wille „erste Entscheidungsinstanz f ü r die Wahl dieser Formen" ist. Auch der Neukantianer Hugo Münsterberg (1863—1916), Psychologe, Wertphilosoph und Begründer der Psychotechnik (1914), von James an die H a r v a r d Universität gerufen (1897) und Verfasser eines umfangreichen Werkes über die Amerikaner (1904), gehört in diesen Zusammenhang: ist doch die „Psychotechnik" — von der fichteanisierenden Willens- und Wertlehre Münsterbergs abgesehen und auch davon, daß er wie Calkins oder in Deutschland Dilthey und seine Schule, einen „doppelten Standpunkt" in der Psychologie vertritt — eine recht pragmatistische Wissenschaft von der „Benutzung" der Bewußtseinserscheinungen dort, w o wir „entscheiden" wollen, was wir „tun sollen" (nicht im ethischen Sinne, sondern im Sinne von Kants technisch-praktischer Vernunft). Noch ein W o r t zum Pragmatismus von Kant selbst aus. Man liebt es ja, wie den Pragmatismus, so auch jede in seine Richtung weisende Kantinterpretation ajs oberfläch-
Charles S. Peirce
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lieh abzulehnen. Aber es ist leicht zu sehen, d a ß im Mittelp u n k t der Kritik der Begriff der A n w e n d u n g steht und d a ß dieser Begriff im Fortgange von der ersten zur dritten Kritik gewisse Verschiebungen erleidet: erst ist „ A n w e n d u n g " Sache bloßer Subsumtion, dann ist sie Sache „reflektierender" Urteilskraft. U n d damit ist schon bei Kant das Problem erreicht, das sich erst Dewey mit vollem Bewußtsein — aber von Hegel aus — stellt: W i e es möglich ist, d a ß der Versuch der A n w e n d u n g eines Begriffes aus diesem selbst ein Neues macht? (Anwendung ist nach Dewey ein ebenso wesentlicher Bestandteil der Reflektion wie aktive Beobachtung u n d Überlegung.) W i e umfassend dieser Fragenkomplex ist, zeigt sich, wenn m a n ihn bis zu dem P u n k t e verfolgt, an dem bei Kant die „praktische" V e r n u n f t selbst die (einzige) A n w e n d u n g der V e r n u n f t ist — die sich eben spekulativ nicht anwenden läßt. Vielleicht k o m m t man v o n hier aus den ursprünglichen I n t e n tionen des Pragmatismus am nächsten. Aber welches sind diese ursprünglichen Intentionen? Ließen sich geistesgeschichtliche Begriffe definieren, so h ä t ten wir den Pragmatismus gleich eingangs wenigstens zu definieren versucht. Es geht aber nur so, d a ß wir seine Bedeutung ineins mit seiner Bedeutungsabwandlung v e r a n schaulichen. U n d dabei müssen wir nicht nur auf die einzelnen Denker in ihrer Besonderheit, sondern auch auf ihre unmittelbare geschichtliche W i r k u n g achten. Diese ist bei Peirce eine viel geringere als bei James, so sehr es z u t r e f fen mag, d a ß Peirce, der den „Gipfel der Ruhmlosigkeit" (Marcuse) erreichte, und dessen W e r k e (Collected papers) erst 1935 in sechs Bänden abgeschlossen vorlagen, der bedeutendste amerikanische Philosoph ist. So sehr sich James um ihn kümmerte, auf ihn hinwies, a n ihn a n k n ü p f t e — eine rechte Vorstellung v o n den G e d a n k e n des sonderbaren Mannes gewann man doch erst viel später; in Deutschland ist die erste grundlegende Arbeit über ihn (von / . v. Kempski) 1952 erschienen. Außerdem liegt zwischen Peirces A u f s a t z : H o w to m a k e our ideas clear (1878) u n d den Vorlesungen James' über Pragmatismus (1906 gehalten)
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mehr als ein Vierteljahrhundert. Es genügt also, ohne Rücksicht auf die verschiedenen Phasen in Peirces Denken, sein logisches Prinzip (Pe/rcesches Prinzip) hervorzuheben, wonach die Wahrheit von der Verifikation, die Geltung der Wahrheit von ihren Folgen bzw. von bestimmten H a n d l u n g e n abhängt. Dieses Prinzip wird nun bei Schiller und James umgeformt, trivialisiert und damit verfälscht. Das heißt, es wird nur durch die übliche Auffassung vom Pragmatismus verfälscht. Die kann sich aber auf Schiller und James berufen. Beide sagen nämlich in gewissen Zusammenhängen, daß Wahrheit N ü t z l i c h k e i t ist: „Das Nützlichkeitskriterium selektiert die individuellen Wahrheitswertungen und bildet dadurch die objektive Wahrheit, welche soziale Anerkennung findet. So muß Wahrheit im vollsten Sinne des Wortes das Nützliche, Wirksame, Leistungsfähige sein" (C.S. Schiller). Oder, wie sich James ausdrückt: W a h r ist der N a m e f ü r jede Vorstellung, die den Verifikationsprozeß auslöst, und nützlich der N a m e f ü r die in der Erfahrung sich bewährende Wirkung. Bei James wird das W a h r e auch mit dem Guten identifiziert: „wahr heißt alles, was sich auf dem Gebiete der intellektuellen Überzeugung aus bestimmt angebbaren Gründen als gut erweist."
Ferdinand Canning Scott Schüler Gehen wir, bevor wir uns mit James befassen, erst noch auf Schiller, den jüngeren, kurz ein. Wie James, mit dem er befreundet war, liebt er es, den Pragmatismus als M e t h o d e zu bezeichnen. Den Einsatz- bzw. natürlichen Ausgangspunkt dieser Methode möchte Schiller H u m a n i s m u s nennen, wobei nicht so sehr an den klassischen Humanismus und die Kenntnis der Antike, über die Schiller durchaus verfügt, als an die Anthropologie und den A n t h r o p o l o g i s m u s zu denken ist. Schiller bezieht sich gern auf den homo mensura Satz des Protagoras; er hat auch in einer eigenen Schrift (Plato or Protagoras 1908) den Relativismus dieses Sophisten gegen den Absolutismus Piatos verteidigt. Also der Mensch, die „mensch-
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liehe Erfahrungswelt", soll den Ausgang bilden. Leider wird dabei der gesunde Menschenverstand zuviel herangezogen, was den Büchern Schillers nicht sehr gut bekommt. Doch gibt es ein paar bedeutendere Arbeiten, unter ihnen die „Logik zum Gebrauch" (Logic for use, 1929), das Gegenteil zu seiner „Formalen Logik" (Formal logic) vom Jahre 1912. Die Gebrauchslogik (Teleologik) bekämpft die objektivistische Wahrheitsauffassung. Diese verfehle dreierlei: den psychologischen Charakter der Wahrheit, das Problem der Verifikation, den Begriff des Irrtums. Die „Ätherisierung und Entpersonalisierung" der Wahrheit entzieht der Logik den konkreten Boden, auf dem sie steht. Für die absolute Logik ist Irrtum undenkbar; abstrahiert man vom Aussagezweck, so kann die Aussage natürlich niemals ein Irrtum sein. Der Begriff der absoluten Wahrheit ist wertlos, schädlich, ein schlechtes Ideal, weil es schon als verwirklicht angesehen, mithin als Ideal aufgehoben ist. Die Gebrauchslogik beginnt als „voluntaristische Erkenntnistheorie" mit dem Menschen, d. h. mit der Reflexion auf ein „aktuell Denkendes". Sie beschreibt da« wirkliche Erkennen, betrachtet die Tatsachen als gewertete, untersucht die „Lebensfunktion der Meinung", stellt der Bedeutungsstabilität die Bedeutungsplastizität gegenüber, betrachtet Bedeutung und Bedeutungsrelevanz in ihrer Verbundenheit. Subjektivität, Auswahl (Selection of the relevant part), Risiko, Strittigkeit — das sind die vier Eckpfeiler einer „Logik des Abenteuers", wie sie Schiller vorschwebt. Daß sie dann, nachdem sie Wahrheit und Irrtum gebührend gekennzeichnet, an eine B i o l o g i e d e s U r t e i l s herangeht, versteht sich, wie für den ganzen Pragmatismus, so besonders für Schiller, der ja von Spencer herkommt (dazu sein Jugendwerk mit dem schönen Titel: Das Lächeln der Sphinx, von einem Troglodyten 1891). Sie untersucht als solche die Vorläufer des Urteils, die „Vorurteile", den Halt (stopping) unserer natürlichen Reaktionsimpulse, der die eigentliche^ Reflexion auslöst, die Situation, die experi-
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mentierenden Urteilshandlungen, die Wirkungen des Urteils. Sie geht dann weiter vom Urteil zur Folgerung (inference), zur Urteilsbeziehung, die sich pragmatistisch als Mediation (Vermittlung) darstellt. Man m u ß noch fragen, wie es sich dabei mit der R e a l i t ä t s e l b s t verhält. Zugegeben, daß die Realität plastisch ist — s o plastisch, wie wir sie uns wünschen, ist sie ja auch wieder nicht. Zugegeben, daß wir mit einigem Sinn von „Erzeugung" der Wahrheit sprechen können — können wir im gleichen Sinn von Erzeugung der W i r k l i c h k e i t sprechen? Schiller wird hier bedenklich. Er unterscheidet zwischen „erzeugter" und „vorgefundener" Wirklichkeit und versteht unter dieser ein solches „Verhalten" (der Dinge), das es praktisch untunlich oder unmöglich macht, seine Wirklichkeit „gänzlich unserer subjektiven Tätigkeit zuzuschreiben". Dennoch ist der Unterschied dieser Wirklichkeit von der erzeugten kein absoluter; der Umstand, daß eine von uns unabhängige Wirklichkeit besteht, beweist nicht, daß sie n i c h t „erzeugt", nicht einmal, daß sie nicht von u n s „erzeugt" ist. U n d da nicht zu bezweifeln ist, daß Erkenntnis Wirklichkeit verändert, „wenigstens sofern der eine an dieser Tätigkeit Beteiligte in Frage kommt", so ist auch nicht zu leugnen, daß beim Erkennen auch ein Teil dieser Wirklichkeit, nämlich der Erkennende als Existierender, verändert wird. U n d wenn es sicher ist, daß auch Erkenntnisobjekte, die um ihr Erkanntwerden w i s s e n , z. B. andere Menschen, durch die Erkenntnis verändert werden, w a r u m sollen wir das nicht verallgemeinern und uns mindestens einen A n t e i l an der Schöpfung und „schöpferischen Entwicklung", an dem ewig fortschreitenden Weltprozeß, zuschreiben?
William James Alles dies sind Gedanken, die sich in ähnlicher oder gleicher Form auch bei James finden. Bei der engen Zusammenarbeit beider ist es schwer, immer zu sagen, wer sie zuerst formuliert hat. Wenn dennoch das Bild der Jamesschen Philosophie ein ganz anderes ist, so deshalb, weil
James' Leben
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diese gleichsam „voluminöser" ist — ein Ausdruck der jamesschen Psychologie, in welcher das Voluminöse, Massive, ein Empfindungsmoment sein soll und als Ursprung der Raumwahrnehmung gilt. Man kann auch von einem größeren Reichtum an Motiven sprechen. Die Spannung zwischen Einzelwissenschaft und Weltanschauung ist bei James eine stärkere. Besonders die religiösen Antriebe werden in einer Weise hervorgehoben, die an Kierkegaard erinnert. Das ist nicht zufällig. James' Pragmatismus, genauer: sein Pluralismus, ist aus Opposition gegen den Idealismus, genauer: gegen den absoluten Idealismus, erwachsen. Daß es eine idealistische Opposition gegen den absoluten Idealismus (Hegels) gab, den S p ä t i d e a l i s m u s , ist ja historisch erst viel später erkannt.1) Außerdem liegen die Dinge in England und Amerika anders als bei uns: dort schlagen die landeigenen Philosophien unmittelbar in einen, stark kantisch gefärbten, N e u h e g e l i a n i s m u s um. Green, Caird, Bradley, besonders Josiah Royce — dieser als Kollege, der ihn bis 1916 überlebt und seinen Nachruf schreibt —, die „Durch- und Durch" Philosophie mit dem „Blockuniversum", sind James' Gegner. Zu ihnen verhält er sich wie Kierkegaard zu Hegel, in derselben leidenschaftlichen Opposition. Wenn wir ihn heute in die Philosophie des 20. Jahrhunderts einbeziehen, so müssen wir ihn als L e b e n s p h i l o s o p h e n bezeichnen: wie Dilthey, Simmel, Bergson. (Dilthey hat er in Berlin kennengelernt; auf Bergson hat er oft nachdrücklich hingewiesen.) Er sieht sich gezwungen, die „Logik aufzugeben, ehrlich ohne Umschweife und unwiderruflich", weil alles dies: Realität, Leben, Erfahrung, Konkretheit, Unmittelbarkeit, unsere Logik übersteigt. Dennoch kann man zweifeln,ob erder irrationalistischen Lebensphilosophie zuzurechnen ist. Es gibt nämlich noch einen anderen Denker, dem er sehr nahe steht: Gustav Theodor Techner. Und Fechner, der Spätidealist, ist kein „Lebensphilosoph", sondern in gewissem Sinne das Gegen1) Vgl. d i e s e
Geschichte der Philosophie IX. 2. S. 4 ff.
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teil davon, Bewußtseinsphilosoph. W e n n auch nicht im Sinne der Erkenntnistheorie. Fechners Kampf gegen die „Nachtansicht" der Welt, das ist ganz Jamei Kampf gegen den dürftigen „dünnen" Intellektualismus. Vornehmlich haben es ihm Fechners Gläubigkeit und sein Optimismus — er selbst spricht lieber von Meliorismus — angetan. H i e r zu kommen Ähnlichkeiten im Lebenslauf und natürlich die fachlichen Gemeinsamkeiten. Aber d a f ü r ist auf das Leben von William James kurz einzugehen. Man muß, wie bei Mill und Kierkegaard, so auch bei James, zuerst nach dem V a t e r fragen. Dieser, Henry James (1811—1882), Transzendentalist (d. i. Romantiker) und Swedenbor'¿anhänget, dessen Literary Remains der Sohn (1884) herausgab, muß von ähnlich labiler Gemütsverfassung gewesen sein wie William James. Wie Henry James, der schon mit 13 Jahren ein Bein verlor, 1844 eine schwere Nervenkrise durchmacht, so wird auch der Sohn (1869/70) von „Furcht und Zittern" überfallen, von der Angst, blödsinnig zu werden. Der „Wille zum. Glauben" hat bei Henry James (der mit Emerson befreundet war) die Form einer humanistischen Gefühlsreligion ohne Konflikt mit der Naturwissenschaft, weil es eine solche f ü r ihn noch nicht gibt. Das ist nun bei William James ganz anders. Er gehört dem Zeitalter der Naturwissenschaft an, studiert Chemie, Medizin, reist mit Agassiz an den Amazonas, lernt Helmholtz, Virchow, Wundt kennen, beginnt 1872 an der Harvard-Universität mit Physiologie und Anatomie, erst 1876 mit physiologischer Psychologie. 12 Jahre braucht er f ü r seine Principles of psychology (1890, 2 Bde.), sein H a u p t w e r k . Man hat sein Leben in zwei Phasen eingeteilt: die psychologische und die religionspsychologische bzw. philosophische (ab 1893). Jedenfalls fällt die Ausarbeitung des Pragmatismus in die spätere Zeit. Gegen 1900 überfällt ihn ein Herzleiden; 1907 gibt er seine Lehrtätigkeit auf, und 1910 stirbt er, nach einer Kur in Bad Nauheim, zu Haus. Seine Sympathien gelten /den naturwissenschaftlichen Philosophen, nächst Fechner vor allem Lotze. Aber was bei
James' Philosophie
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diesen Denkern ein Ganzes bildet, fällt bei ihm auseinander. E r kann, ohne im mindesten Materialist zu sein, sagen: „ W e r einmal in das Antlitz eines eben gestorbenen Kindes oder Vaters geblickt hat, f ü r den sollte die Materie immer etwas Heiliges sein, weil sie auf eine Zeit lang diese w u n dervolle Gestalt h a t annehmen können." Er kann, o h n e eigentlich an G o t t zu glauben, die Auffassung vertreten, d a ß wir „durch hartnäckigen Glauben an das Dasein der Götter . . . . dem Universum den tiefstmöglichen Dienst tun ." W a s aber am schwersten wiegt, er macht die W a h r heit von der Bewährung, Fruchtbarkeit im „Leben" a b h ä n gig, und k a n n doch sagen: „ F ü r uns Zwielichtnaturen, geboren f ü r den K a m p f , f ü r das moralische Rembrandtsche Helldunkel, f ü r das bewegte Widerspiel zwischen dem Sonnenstrahl u n d dem Dunkel, sind solche Bilder von Licht in Licht leer und ausdruckslos." Das heißt, m a n m u ß den Jamesschen Pragmatismus in der Weise von James interpretieren: als eine A r t tragisch-abenteuerlicher Philosophie des Konkreten, der Existenz. Das rückt ihn noch mehr an die Seite Kierkegaards. James ist der Meister der Psychologie, der Lehrer v o m „Strom des Bewußtseins", den „Fransen" der Gegenstände, dem „Sattel" der Gegenwart, der Entdecker der „ G e w o h n heitsneurose" und des „gehemmten Menschen" ( H . SchultzHencke, 1940), dann aber auch der Begründer der — z u m neurealistischen Behaviorismus der Watsonianer f ü h r e n d e n — James-Lange sehen Theorie, wonach wir traurig sind, weil wir weinen, zornig, weil wir zuschlagen, erschrokken, weil wir zittern: „ohne die körperlichen Zustände, die auf die W a h r n e h m u n g folgen, w ü r d e die letztere rein intellektuellen C h a r a k t e r besitzen, sie w ü r d e blaß, farblos und aller emotialen W ä r m e bar sein." Er ist, mit Flournoy (1854—1920), Begründer der modernen R e l i g i o n s p s y c h o l o g i e ( T h e Varieties of Religious Experience 1902; übrigens sollte dieser Sammlung eine entsprechende über Militärpsychologie folgen), und ist, wie Flournoy auch, und Bergson, Parapsychologe — ohne an die Existenz von Geistern zu glauben. Er ist, alles in allem, nicht bloß
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der Erforscher, sondern auch der D e n k e r des Emotionalen, der eben das tut, was H. Maier in seiner Psychologie des emotionalen Denkens (1908) so energisch bekämpft, emotionale Deutungen kognitiv zu unterbauen.1) John Dewey Von James den Übergang zu Dewey zu finden, ist schwierig. Vor allem, weil Dewey überhaupt nicht so, wie James, an Hand einzelner Themen zu charakterisieren ist. Dewey, der (1859 geboren, 1952 gestorben), wie W. Wundt noch mit 90 Jahren geschrieben hat, ist die fleischgewordene Methode; die Probleme, mit denen James ringt, gibt es hier gar nicht mehr. Das heißt nicht, daß es für Dewey keine Probleme und daß es für ihn kein System gibt. Man kann auch nicht sagen, daß es Trivialitäten sind, deren sich diese Methode oftmals bemächtigt; denn wenn Dewey sich mit ihnen beschäftigt, hören sie auf, Trivialitäten zu sein.2) Es fehlt seinen vielen und oft langatmigen Büchern nicht an prägnanten Themen. Diese entnimmt er der Soziologie, Logik, Anthropologie. Am liebsten ihrer im Konkreten aufgezeigten Verflechtung — in die er dann noch die Ethik einschmuggelt. Trotzdem er mit einer Psychologie (1887) beginnt, ist er nicht Psychologe in James' Sinne. Er ist auch nicht wie dieser Naturwissenschaftler, obwohl er über „Erfahrung und Natur" (1925) gechrieben hat. Aber ein Zug zur Biologie (The influence of Darwin on philosophy, 1910) ist überall bemerkbar, besonders natürlich in der Anthropologie. Er verbindet sich — und das unterscheidet ihn von anderen biologischen Denkern — mit einem entschiedenen Zug zur T e c h n i k . Vornehmlich aber ist er der Techniker des sozialen Lebens: als P o l i t i k e r und P ä d a g o g e . Glaube, sagt M a i e r , „ist Geltungsbewußtsein, aber ein solches, das sich nicht auf kognitive Daten, sondern auf affektive Autosuggestion gründet." 2 ) Allerdings nicht immer. Man lese einen Satz wie diesen: „In jedem Fall wird ein deutlicher Gegensatz in der Haltung sein zwischen dem Lehrer, der bloß gewisse Regeln über das öffnen von Fenstern, Herabsetzen der Temperatur usw. befolgt, und dem, der ähnliche Handlungen a u s persönlichem Beobachten und Verstehen heraus vornimmt."
Deweys Leben
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Er promoviert in John-Hopkins-University (Baltimore) über Kants Psychologie, beginnt in Michigan bei G. S. Morris (1840—1889), der bei Trendelenburg gehört und den Überweg übersetzt hatte; es ist die Luft Hegels, die er atmet: davon wird er sich abwenden, je mehr er zu sich selber findet — mit Umkippungen freilich und in Epochen, die hier nicht bezeichnet werden können, außerdem dauernd beeinflußt von Hegels Methode, seinem Prozeßdenken und seinem Begriff des Konkreten. James' Psychologie wird für ihn von größter Bedeutung: „Sicher wären Sie sehr befriedigt, wenn Sie sehen könnten, welch Stimulans zu geistiger Freiheit Ihr Buch für uns war . . .", schreibt er (1891) an James. 1894 kommt er nach Chicago und begründet hier die C h i c a g o S c h o o l : in diese Zeit fällt die Aufstellung des Instrumentalismus und der neuen Pädagogik — des „P r o j e k t p 1 a n e s" und der „democratizat i o n " . Seit 1905 bis zu seiner Emeritierung (1931) an der Columbia-Universität in New York als Professor für Philosophie und Pädagogik lehrend, entfaltet er eine immer umfangreichere literarische und praktische Tätigkeit. Wenn man bei der Fülle der Veröffentlichungen überhaupt von Hauptwerken sprechen kann, sind es diese beiden: Demokratie und Erziehung (1916), Die menschliche Natur (Human Nature andConduct, 1922). Reorganisator bzw. Organisator des Erziehungswesens vieler Länder, Sozialkritiker und zu den Tagesereignissen Stellung nehmender philosophischer Publizist von oft scharfer Polemik, macht er den (ersten Welt-) Krieg gegen Deutschland auf seine Weise (German Philosophy and Politics 1915) und gerät immer mehr in eine radikale Ablehnung der europäischen Tradition, von der Antike bis zum Deutschen Idealismus, indem er alles dies in die Stellung bloßer Kontemplation, dualistisch verhärteter Gegensätze, zweckfreier Erkenntnis rückt. Er soll mit 87 Jahren zum zweiten Mal geheiratet, mit 89 Jahren zwei Kinder adoptiert haben und bekennt von sich, mehr Yankee und weniger Philo-
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soph gewesen zu sein als es aussieht. Aber es sieht vielleicht gar nicht so aus. Wenn Dewey sagt, er habe aus James den Subjektivismus ausgeschieden, so ist das noch keine Wendung zu einem reinen Objektivismus. Subjektivismus und Indeterminimus oder Freiheitslehre haben etwas sehr Wesentliches gemeinsam. Und das steht, wie bei Hegel, so auch bei Dewey im Mittelpunkt. Seine Philosophie ist Freiheitslehre, „radikaler Liberalismus". Wenn sich die Befreiung, als Ergebnis der Philosophie, auf den Geist, das innere Bewußtsein, beschränkt, „gewährt sie tiefgehende persönliche Befriedigung,-leistet aber nichts und wird nur scheinbar. Ihre Wirkung ist nur im Tun zu finden." Das ist nicht mehr Hegel, aber auch nicht Renouvier (von dessen indeterministischem Personalismus James ausging1). Deweys Forderung, „die Wirkung im Tun zu finden", die Wahrheit in der Verwirklichung, die Theorie in der Praxis, das Ideal in der „Projektion", ist die ins naturalistische gewendete Hegels che Forderung ständiger Mediation, Vermittlung, gegen die sich Kierkegaard, auf den „Einzelnen" pochend, so leidenschaftlich wehrt. Setzt man James an Stelle von Kierkegaard, so wird der Gegensatz von Dewey und James greifbar. Nämlich vom Individualismus, Personalismus her, gegen den Dewey immer ein G e m e i n s c h a f t s d e n k e n ins Feld führt, einen Kollektivismus, für den z. B. individuelle Charakterzüge wie Ehrlichkeit, Bosheit, Mut usw. keine Eigenschaften als solche, sondern „wirksame Angleichungen persönlicher Fähigkeiten an Kräfte der Umgebung" sind. Vor allem ist es zwar nicht das „Blockuniversum", aber doch ein durchgreifender M o n i s m u s , der Deweys Form des Pragmatismus von derjenigen James' unterscheidet. Es ist zweckmäßig, hier noch einmal auf den Begriff Pluralismus bei James zurückzukommen. Dieser ist schwer zu fassen. Er deckt sich keineswegs mit dem traditionellen J a m e s hatte R e n o u v i e r 1868 {zugleich und w a r 1870 mit ihm in B r i e f w e c h s e l g e t r e t e n .
mit
Kant)
gelesen
James* Pluralismus und Dewey
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„Pluralismus" als einer Lehre von vielen letzten Substanzen, materiellen (Atomistik) oder spirituellen (Leibniz). Der Pluralismus bei James ist vielmehr in der Hauptsache religionsphilosophisch zu verstehen. Zwar hebt er auch hervor, daß das „pluralistische Universum" ein ruheloses sei, und kein „Standpunkt" einen Überblick über das Ganze gewähren kann. Und er fügt hinzu, ein einheitsbesessener Bekannter habe ihm gesagt: dieses Universum verursache ihm Übelkeit „wie der Anblick der abscheulichen Bewegung einer Masse von Maden in ihrem Aas" (was bekanntlich, mit etwas anderen Worten, Leibniz auch sdion gesagt hat). Aber entscheidend ist doch für James die Frage nach der Stellung Gottes zur Welt. Er lehnt eigentlich alle drei Auffassungen ab: den Theismus, Pantheismus und Atheismus. Gott ist endlich und einzeln wie wir — die „monistischen Vollkommenheiten" sind ihm kühlen Herzens von „professoralen Geistern" angehängt. Jedenfalls ist Gott ein besonderes Wesen, und das ist mit dem „pantheistischen Idealismus" unvereinbar. Die Welt läßt sich nicht restlos zur Einheit bringen, es bleibt immer etwas übrig; die Welt ist eher eine föderative Republik als ein Königreich: niemals erreichen die endlichen Elemente der Erfahrung die totale Einheit. Bei Dewey fallen diese metaphysisch-religionsphilosophisdien Erwägungen weg. Er hat sich früh die spekulativen Hörner abgestoßen. Aber die Beziehungen zur Religion gibt er nicht auf. Audi ihm ist das religiöse Erleben eine Realität. Aber eine solche, die in die Lehre vom Ideal gehört. Denn das religiöse Erleben tritt auf „mitten im tatenvollen Vorausnehmen und Ordnen künftiger Ziele, wenn sie schwach werden und versagen." „Friede im Handeln, nicht nach dem Handeln — darin besteht der Beitrag des Ideals zu unserer Lebensführung". Und das ist auch der Beitrag des religiösen Erlebens zur Erfahrung: wir fühlen uns gehoben durch die Ahnung eines allumfassenden Ganzen. Das ist es, was wir Deweys Monismus nannten.
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Die Methode selbst geht aus von der uneindeutigen, problematischen, instinkt- oder gewohnheitsmäßig nicht aufzuklärenden S i t u a t i o n , die einem Kreuzweg vergleichbar ist, ein Dilemma enthält, eine Entscheidung verlangt. U m eine solche Situation zu klären, bilden wir Ideen, Begriffe, bedingte Bedeutungen — als Instrument der Urteilsgewinnung. Wir reinigen die Bedeutung von ihren zufälligen Merkmalen. Das ist die Verallgemeinerung. Ist sie „richtig", so läßt sie sich aufs neue anwenden. Ist sie falsch, so läßt sie sich nidit weiter anwenden. „Anwendbarkeit ist das charakteristische Merkmal der Verallgemeinerung." Wahrheit kann also nur mit dem „Abenteuer des Experimentierens" e r k a u f t werden. Erkennen, ergänzen, einordnen, sind die drei Funktionen des Begriffs; Endpunkt ist dabei das „System" der „gesetzmäßig" verbundenen „Tatsachen". (Es ist somit unzutreffend, wenn Russell gegen Dewey einwendet, daß er „Fakten" nicht zulasse, weil sie kein „Manipulieren" dulden). Aber sehen wir von Einzelheiten ab und fragen wir nur nach dem Zusammenhang von Philosophie und P ä d a g o g i k , der so wichtig f ü r das Verständnis Deweys ist. Natürlich hat die Pädagogik f ü r eine Philosophie des H a n delns und der „Anwendung" einen anderen Sinn als f ü r eine Philosophie der Betrachtung und Erleuchtung. Für Dewey — hat man öfter gesagt — sind Philosophie und Pädagogik nicht bloß zusammenhängend, sondern i d e n t i s c h . (Dewey selbst formuliert es so, daß die Philosophie die Theorie der Erziehung „in ihrer allgemeinsten Phase" ist.) Die Kehrseite davon ist, daß es „keinen wesentlich als Inhalt der Erziehungswissenschaft ausgezeichneten, sozusagen mit einem Eigentumskennzeichen versehenen Stoff" gibt. Es gibt auch keine Autonomie der Erziehung. „Eine unabhängige Erziehungswissenschaft gibt es nicht mehr als eine des Brückenbaues." ( D e w e y spricht gern von der E r ziehung als einer Art „gesellschaftlicher Ingenieurkunst"). Vor allem gibt es, wenn man den Begriff der Erziehung als aktuelles Handeln voll entwickelt, keinen Unterschied
Deweys Pädagogik
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mehr zwischen Pädagogik und Politik, Erziehung und Demokratie. Dieses ist die bekannteste Seite der Deweyschen Erziehungsphilosophie. Weniger bekannt ist, was er und seine Schule sich unter dem „Erziehungsplan" (Projektplan) vorstellen und was das für eine besondere amerikanische Richtung der Pädagogik innerhalb der zahlreichen modernen Erziehungsreformen und Bildungsbewegungen Anfang des 20. Jahrhunderts ist. Wir in Deutschland denken dabei wohl zuerst an die „Arbeitsschule" von Georg Kerschensteiner (1854—1932; Begriff der Arbeitsschule 1912), der sich übrigens in späteren Jahren sehr f ü r Dewey eingesetzt hat. Wobei allerdings die Wert- und Kulturphilosophie Kerschensteiners ebenso von Deweys Sozialphilosophie absticht wie die Tatsache, daß Kerschenst einer den „Arbeitsunterricht" als besonderes Fach forderte, Dewey dagegen einen Gesamtunterricht nach der Methode des Projektplanes. W i r geben als Beispiel der Projektmethode ein von E. Collings dargestelltes, das sogen. Typhusprojekt. D a ß es in einer Versuchs- bzw. Landschule vorgenommen wurde, tut seiner grundsätzlichen Bedeutung keinen Abbruch. Man kann anstelle des Typhusprojekts jedes andere setzen, und man kann auch die primitiveren Arbeitsaufgaben Kerschensteiners (Baukasten, Waschkreuz, Raupenkästchen etc.), die zum eigentlichen „Handfertigkeitsunterricht" gehören, der Projektmethode einordnen. Auf dem Grundstück des H e r r n Smith ist Typhus ausgebrochen, wie auch schon früher. Die Schüler beraten über die Ursachen dieser Situation und über die Möglichkeiten, Herrn Smith wirksam zu helfen. Sie entscheiden zunächst rein theoretisch: Fliegen könnten Ursache des Typhus sein. Dann untersuchen sie die Verhältnisse an Ort und Stelle, finden ihren Verdacht bestätigt, setzen einen Bericht auf und übermitteln ihn H e r r n Smith. Dieser Bericht gibt nicht nur die Ursachen an, sondern auch Mittel, der Fliegenplage Herr zu werden (neues Projekt). H e r r Smith befolgt alle 7 Lehmann, Geschichte der Philosophie XI
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Vorschläge und wird den Typhus los. Die Schüler untersuchen, welche anderen Krankheiten in den letzten zwei Jahren aufgetreten sind (neues Projekt). Dieses Beispiel veranschaulicht aufs beste die Elemente der Deweysthen Philosophie und Pädagogik: den Zusammenhang von Theorie und Praxis, das Ausgehen von der Situation, die sozialen Aufgaben der pädagogischen Praxis, die Identität von Erkennen und Lernen unter dem Gesichtspunkt des Neuerwerbs von Erfahrungen (die auch den Lehrer betreffen), den Gegensatz zur alten Lernschule, zugleich auch den Intellektualismus und Optimismus der Deweyschen Lebensanschauung — eine „Situation" .gebiert die andere, ein Problem bzw. Projekt bringt ein neues hervor, und daraus baut sich die Erfahrung auf, immer in fortschreitender Bewegung. Ziele, die sich nicht verwirklichen lassen, sind nur dem Namen nach Ziele. „Ziele müssen in dem Lichte erhältlicher Mittel aufgestellt werden. Es kann sogar behauptet werden, daß Ziele nur Mittel sind, die zu voller Wechselwirkung und Einheit gebracht wurden." Man sieht auch hier den schwachen Abglanz Hege/scher Dialektik. Der Pragmatismus bekämpfte den Idealismus. Aber er besiegte ihn nicht. Auch war er nicht die volle Antithese zum Idealismus. Er hatte selbst idealistische Bestandteile. Man könnte sagen, daß die Entwicklung der amerikanischen Philosophie zum Realismus drängte. Wenn nicht — zum mindesten im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts — Deweys Philosophie noch die Vorherrschaft gehabt hätte. Und wenn nicht die neurealistische Bewegung in Amerika von England aus, wo der Neurealismus eine ganz andere Bedeutung hat, wenigstens mitbestimmt worden wäre. Dies sind die äußeren Daten: 1910 erschien im Journal of philosophy (VII) ein Programm von sechs Realisten (The Program and First Platform of Six realists). Diese Neo- oder Newrealists waren E. B. Holt, W. J. Marwin, W. P. Montague, R. B. Perry, W. B. Pitkin, G. E. Spaulding. Diese 6 Realisten veröffentlichten bald danach (1912) das Buch: Cooperative Studies in Philosophy. Spaulding
Amerikanischer Neurealismus
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allein ließ 1918 die Arbeit: Neuer Rationalismus erscheinen. Nachdem schon 1916 R.W. Seilars einen „kritischen Realismus" angezeigt hatte, gab es 1920 wieder eine Gemeinschaftsarbeit: die Essays in Critical Realism von A. O. Lovejoy, J.B. Pratt, A.K. Rogers, G. A. Strong, D.Drake, G. Santayana — Autoren, von denen nur George Santayana (1863—1952) als Dichterphilosoph und Romanschreiber (Der letzte Puritaner 1935) "Weltruf erlangte. Er gehört aber, seiner Substanz nach, nicht hierher. Als Bewegung war nur der radikalere Neurealismus einflußreich. Der Neurealismus — im Gegensatz zum alten Realismus der schottischen Schule — ist im ganzen schwer zu charakterisieren, weil die genannten Denker nicht übereinstimmen. In einigen Punkten: der Bekämpfung des Idealismus, der Metaphysik (Dinglogik), des Subjektivismus, der Erkenntnistheorie sind sie sich einig. Scharf akzentuiert ist die — uns bei N. Hartmann, G. Jacoby begegnende — These der Unabhängigkeit der Wirklichkeit bzw. Existenz von unserer Erkenntnis (die Beseitigung der „egozentrischen Verlegenheit", Perry). Willkommen ist diesen Denkern auch die Bundesgenossenschaft des P o s i t i v i s m u s sowie der L o g i s t i k . Das ergibt einen Doppelsinn der „Analyse" (analytische Philosophie): als Analyse der Empfindungen bzw. der neutralen „Elemente", und als mathematische Analyse. Zu einem neutralen Weltstoff kommen dann „neutrale „Denkatome", und das führt zu einer r e a l i s t i s c h e n Logik —, daß die Dinge quasi logisch erzeugt werden. Der Neurealismus hat also viel mit Mach und der Machschen Schule (Wiener Kreis) zu tun. Da aber die Entwicklung der Mach sehen Schule zum Neopositivismus (logischer Positivismus) — die uns erst im folgenden Bändchen beschäftigen wird — durchaus keine Entwicklung zum Realismus ist, genügt es, auf einige Probleme neurealistischer Logik anläßlich der Philosophie B. Russells hinzuweisen. Dagegen ist nach der Stellung des Neurealismus zur P s y c h o l o g i e sogleich besonders zu fragen. 7a
Lehmann, Geschichte der Philosophie XI
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Vom Pragmatismus zum Neurealismus
John Watson Hier nämlich kommt es, vorbereitet durch bahnbrechende Arbeiten zur T i e r p s y c h o l o g i e (C. L. Morgan, Animal Behaviour 1900, H. S. Jennings, Behaviour of the Lover Organisms 1906) und in einer gewissen Übereinstimmung mit Deweys psychologischem Objektivismus — er betrachtet den Menschen als handelndes, auf Umweltreize reagierendes Wesen — zu jener, im engeren Sinne B e h a v i o r i s m u s genannten Verhaltenspsychologie, die von / . B. Watson und seiner Schule vertreten wird. Nicht so sehr in seiner "Wurzel als nach seinen Auswüchsen ist dieser Watsonismus ein sonderbares Gewächs. Vor allem in pädagogischer Hinsicht. Denn wie Deweys Psychologie will auch diejenige Watsons pädagogisch zur Geltung gebracht werden. Sie kommt dabei zu Konsequenzen, die in der T a t auch Babbitt 1 ) gezogen haben könnte. Wenn sie z. B. die Menschen in künstlerischer und literarischer Hinsicht „vom Standpunkt des Erfolges", und das heißt nach dem steigenden Einkommen beurteilt. Oder wenn sie sich anheischig macht, die Kinder von überflüssigen emotialen Reaktionen, vom vielen Schreien etc., zu kurieren, und überhaupt die sozialen Reaktionen zu standardisieren. Ohne Psychoanalyse und ohne introspektive Psychologie. Die neurealistische Psychologie tendiert zum Materialismus (W. P. Montague, E. B. Holt). Keinswegs muß aber eine Verhaltenspsychologie materialistisch sein. Im Gegenteil: ohne Deutung gibt es keine Verhaltensanalyse. Die Behavioristen, die „im Jahre 1912 beschlossen . . . ., sich nicht mehr länger mit Unberührbarem und Unnahbarem zufrieden zu geben", fassen die Psychologie als N a t u r w i s s e n s c h a f t auf. Das tat W. James auch. Sie tilgen alle subjektiven Bezeichnungen: Empfindung, Wahrnehmung, Vorstellung etc. aus ihrem Wörterbuch. Das tat W. James nicht. (Es gibt allerdings materialistische und biologistische Stellen bei ihm, z. B. seine Definition der Ich m e ' n e natürlich das G a s c h ö p f S i n c l a i r
Lewis'
John Watson
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Instinkte als funktioneller Korrelate der Organstruktur, auf die Watson verweist.) Während James in der Anwendung der introspektiven Methode Außerordentliches leistet, werfen ihm die Behavioristen vor, er hätte „um ein H a a r die beste und interessanteste Seite der Psychologie vernichtet." Die Behavioristen erheben den Anspruch, das Verhalten „beobachten" zu können. Sie fragen, was der Organismus tut u n d sagt („sagen" ist „verbalisiertes Verhalten", Inbegriif von Sprachgewohnheiten, die wir, wenn sie sich „hinter den geschlossenen Toren der Lippen vollziehen", Denken nennen). Sie untersuchen, ob das Verhalten, das wir sehen, „Reiz" oder „Reaktion" (stimulus — reaction bzw. response) ist, und verstehen unter Reiz jedes „Objekt der Umwelt" oder jede Gewebsveränderung, die den physiologischen Bedingungen des Lebewesens entspricht, unter „Reaktion" dagegen alles, was ein Lebewesen tut. Sie führen alles emotionale Verhalten auf Umwelteinwirkungen zurück. Sie heben sich das „Mysteriöse" für Regentage auf und versprechen, Hospitäler einzurichten, in denen unsere Persönlichkeiten dereinst so leicht geändert werden können wie die Nasenformen.
Bertrand Russell Der e n g l i s c h e Neurealismus besitzt seine Programmschrift in der „Refutation of Idealism" des in Cambridge herangewachsenen und auch dort (1925) Professor gewordenen Philosophen George Edward Moore (geb. 1873). Das war im Jahre 1903. Wesentlich mehr f ü r seine Ausbreitung hat aber Bertrand Russell getan. Hernach hat sich der Neurealismus in einer Weise abgewandelt: metaphysisch, ontologisch (bei N. Whitehead, S. Alexander u. a.), die es unratsam erscheinen läßt, den ohnedies nicht sehr charakteristischen N a m e n f ü r diese Weiterbildung zu verwenden. Es ist schon bei Moore, erst recht sodann bei Russell zu sehen, daß die Argumente nicht überall antiidealistisch, u. d. h. gegen Berkeley gerichtet sind. Moore, zuerst und zuletzt Aporetiker, ist ebenso wie Russell ohne 7a'
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die skeptische Dialektik des Idealisten und Hegelianers Bradléy (1846—1924, Prof. in Oxford; Appearence and reality 1893) garnicht denkbar. Auch ist seine Widerlegung Berkeleys bzw. des Satzes esse-percipi, die darauf hinausläuft, daß der sogen. Empfindungsinhalt kein „Inhalt" (des Bewußtseins), sondern „Gegenstand", mithin extramental, und das Berkeleysdne Prinzip eine Verwechslung von Erkenntnisgegenstand und Erkenntnismittel ist, nicht von der Art, daß sie zum A b b i l d r e a l i s m u s führt, sondern eher zum Intuitivismus. Wie Moore sidi hier mit Loßkij berührt, so Russell mit Husserl. Aber gehen wir nun, gerade auch im Hinblick auf diese Analogien, etwas näher auf Russells Philosophie ein. Bertrand Russell (Enkel des englischen Ministerpräsidenten Lord John Russell und 1931 geadelt), der wohl bekannteste englische Denker seit Spencer, 1872 geboren, studierte Mathematik und Philosophie in Cambridge und wurde dort 1910 Dozent. Mit 18 Jahren las er Mill (der ihn, besonders hinsichtlich seiner Stellung zur Mathematik, enttäuschte), in Cambridge sodann Kant, Hegel und dessen Interpreten Bradley, der ihn stark beeinflußte. 1916 wurde er, auf Grund seiner pazifistischen Propaganda — auch James war Pazifist, aber nicht gerade im Kriege — seines Amtes enthoben und ins Gefängnis gesteckt. (Er benutzte diesen unfreiwilligen Aufenthalt zur Ausarbeitung seiner schönen Introduction to Mathematical Philosophy, 1919). 1927 wurde er Leiter einer privaten Versuchsschule; 1950 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Er kennt die Welt und ist zum vierten Male verheiratet. Seinem Ruhme, der sich allerdings zuerst auf seine Leistungen in der mathematischen Logik gründet, hat er immer kräftig nachgeholfen. Mindestens dadurch, daß er über alles populär und interessant zu schreiben weiß. Er ist witzig, geistreich, skeptisch, manchmal auch seicht und naiv. Tiefere philosophische Gedanken sucht man bei ihm vergebens; aber das hat ihm noch nicht geschadet: seine Philosophie geht immer noch weit über den Horizont des logischen Positivismus hinaus.
Russells Leben
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Russell ist ein unermüdlicher Schreiber; die bedeutendsten Arbeiten, die Leibnizarbeit (1900), die mathematischen Arbeiten (1897, 1908, 1910—1915) gehören der f r ü heren Zeit an. Auch von den philosophischen Arbeiten sind die früheren die wertvolleren (1921: T h e Analysis of Mind; 1927: The Analysis of Matter). Er ist aber, von der Logik und Erkenntnistheorie bzw. Naturphilosophie abgesehen, auch noch S o z i a l p h i l o s o p h ; er nat eine Menge soziologischer, politischer, zeitkritischer Schriften verfaßt und, wie Dewey, bei allen möglichen Gelegenheiten öffentlich Stellung genommen — als Märtyrer, Fanatiker, Menschheitsbeglücker, als der Mann, der immer Recht hat. Abgeschwächt wird das alles durch seinen W i t z und H u m o r ; man kann ihn in dieser Hinsicht schon mit Shaw vergleichen und in ihm einen unerbittlichen Kritiker des englischen cant sehen. Was er (z. B. in seinen Principles of Social Reconstruction, 1916, oder — mehr noch — in Marriage and Morals 1929, seiner „Sozialethik") über Besitz, Erziehung, Religion sagt, ist shocking: so offen über die Sanktionen der Sitte, über den außerehelichen Verkehr, Probeehe und Geburtenverhütung zu sprechen, ist englischen Ohren verletzend. Seine sozialphilosophischen Schriften sind aber nicht bloß sozial- und zeitkritisch. Sie sind auch soziologisch in dem Sinne, daß sie eine Theorie der Gesellschaft bzw. den Entwurf einer M a c h t s o z i o l o g i e enthalten (The Prospects of Industrial Civilization, 1924; Power, 1938; Freedom and Organization, 1934). Die herrschenden Machtsysteme unserer Zeit sind I n d u s t r i a l i s m u s und N a t i o n a l i s m u s , jener als K a p i t a l i s m u s und S o z i a l i s m u s , dieser als Imperialismus und als „Versuch, den unterdrückten Völkern ihre Freiheit zu sichern". So realistisch seine Macht- und Gewaltanalyse erscheint — er beruft sich sogar auf Machiavelli — so idealistisch und utopisch ist seine Sozialphilosophie: er will die „Vorstellung der idealen Gesellschaft ans Licht bringen, die dem Urteil eines jeden zugrunde liegt". U n d er glaubt, wie die Behavioristen, innerhalb einiger Generationen „ließe sich
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die Welt so umwandeln, daß nur glückliche und gesunde Männer und Frauen darin leben." Er ist — im Gegensatz zu Moore — nicht Geistessondern Naturwissenschaftler. Die Idee, daß die Philosophie selbst eine Geisteswissenschaft ist, würde ihm im T r a u m nicht einfallen. Seine Argumentation hält sich da eher auf der Linie Wilhelm Ostwalds, und er bemerkt einmal, heute dürfe einer nur über Plato schreiben, „wenn er sich in seiner Jugend so viel mit Griechisch beschäftigt hat, daß ihm keine Zeit für die Dinge blieb, die Plato f ü r wichtig hielt." Infolgedessen neigt er nicht sehr zur Geschichte. Aber er hat doch geschichtliche Bücher geschrieben: Freedom and Organization, worin er den Wandel der Politik im 19. Jahrhundert (vom Wiener Kongreß bis zum ersten Weltkrieg) aufzeigt, History of Western Philosophy (1946), eine umfangreiche Philosophiegeschichte, die von den Vorsokratikern bis Dewey reicht (eine noch umfangreichere ist schon angekündigt). Was er Philosophiegeschichte nennt, ist eine Sammlung von Darstellungen einiger Philosophen unter Ausfüllung der dabei bleibenden Zwischenräume im Stile Leckys und Buckles, d. h. mit mehr oder minder interessanten kulturgeschichtlichen Reflexionen. Die deutsche Philosophie kommt dabei — abgesehen von Leibniz — schlecht weg. Sie wird nur wenig, und dann meist humoristisch, behandelt. Ergötzlich, aber nicht eben zutreffend, ist seine /fege/darstellung (das Absolute als Onkel, der zugleich Neffe und dann Bruder etc. sein muß). Uber Kant äußert er sich anderswo einmal: er stehe im Rufe, der größte Philosoph der Neuzeit zu sein, „aber nach meiner Meinung war er ein bloßes Mißgeschick." Was nun die übrigen Seiten Russellscher Philosophie betrifft, so ist die m a t h e m a t i s c h e L o g i k freilich eine Sache f ü r sich. Sie ist aber trotzdem f ü r die Philosophie von Bedeutung „wegen ihrer Anwendungsmöglichkeit auf noch ungelöste Probleme". Sie ist erst recht für die Logik von Bedeutung, behauptet sie doch, die an der natürlichen Sprache und Grammatik entwickelte, vom Substanzgedanken beherrschte, mithin von der Prädizierung eines
Russeis mathematische Logik
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Begriffs im Urteil ausgehende traditionelle Logik durch eine in mathematische Symbole gekleidete R e l a t i o n s l o g i k ersetzen zu können. Zwischen Mathematik und Logik, sagt Russell, kann man nicht trennen: „Die Logik ist die Jugend der Mathematik und die Mathematik ist das Mannesalter der Logik." Die Mathematik ist ja nicht bloß Wissenschaft von der Zahl. Sie hat es vielmehr, gleich der Logik, mit F o r m e n zu tun: mit Beziehungen, Ähnlichkeiten, Funktionen, Strukturen, f ü r welche die „Tatsachen", auf die sie angewendet werden, unwesentlich sind. Aber sie beschäftigt sich damit nicht — wie die traditionelle Logik noch größtenteils — in natürlicher Rede, sondern in einer Symbolsprache, die auch die Sprache der mathematischen Logik sein soll, und die sich von der natürlichen Rede dadurch unterscheidet, daß in ihr „alles Formale zur Syntax und nicht zum Wortschatz gehört." Philosophie und Mathematik haben nach Russell eine gewisse Verwandtschaft. Beide sind allgemein und a priori. „Keine von ihnen stellt Behauptungen auf, welche . . . von der konkreten Wirklichkeit und ihrer Besonderheit abhängig wären." Die mathematische Logik soll „in allen möglichen Welten wahr sein, nicht nur in dieser Hausierer- und Schieberwelt, in die das Mißgeschick uns verschlagen hat." So o f t Russell diesen, ja auch von Husserl Leibniz. gelehrten Apriorismus vertritt, verweist er auf U n d unterscheidet wie dieser zwei Arten von „Kenntnissen" : Kenntnisse von D i n g e n und von W a h r h e i t e n . Alle Wahrheitserkenntnis setzt Bekanntschaft mit Universalien voraus, d. h. mit Etwas, das die Eigenschaft hat, daß viele Konkreta an ihm „Anteil" haben können. Apriorische Erkenntnis hat es „ausschließlich mit den Beziehungen zwischen Universalien zu tun." Die mathematische Logik ist also nicht zufällig R e l a t i o n s l o g i k (Beziehungslehre). Glaubt man nicht, daß sie die traditionelle Logik überwunden hat, so ist doch unverkennbar, daß sie die Beziehungslehre einer streng wissenschaftlichen Behandlung allererst zugänglich gemacht
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hat. Es gibt, um Russells „Tafel der Beziehungen" wenigstens anzudeuten, r e f l e x i v e , s y m m e t r i s c h e und t r a n s i t i v e Beziehungen. Reflexiv ist jede Beziehung, insofern sie umkehrbar ist, symmetrisch, wenn die Beziehung, die ein Glied zu einem anderen hat, auch die Beziehung ist, die dieses andere Glied zum ersten besitzt (wenn A Bruder von B, ist auch B Bruder von A), transitiv, wenn sie in allen Fällen, wo sie zwischen A und B und gleichzeitig zwischen B und C gilt, auch zwischen A und C Geltung hat (wenn A größer als B und B größer als C , dann ist auch A größer als C). Kommen zu den symmetrischen noch die asymmetrischen und unsymmetrischen, zu den transitiven noch die intransitiven und nichttransitiven Beziehungen hinzu, dann läßt sich aus diesen Formen jedes Beziehungsurteil rein darstellen und ableiten. Was nun die Erkenntnis der D i n g e betrifft, so ist sie einerseits Kenntnis durch B e k a n n t s c h a f t (knowledge by acquaintance), andererseits Kenntnis durch B e s c h r e i b u n g (knowledge by description). Jene ist (logisch) unabhängig von der Wahrheitserkenntnis, diese setzt Wahrheitserkenntnis nicht bloß voraus, sondern g r ü n d e t sich darauf. Jene steht und fällt mit unserer (persönlichen) E r f a h r u n g , diese ermöglicht es, die Grenzen unserer Erfahrung zu überschreiten. „Persönliche Erfahrung" ist, wie bei Driesch, im s o l i p s i s t i s c h e n Sinne zu nehmen, und der Solipsismus ist nicht widerspruchsvoll. Aber wir haben keinen „Grund", ihn als Welttheorie f ü r wahr zu halten. Eine solipsistische Welt wäre selbst grundlos, insofern ihre Daten nicht mehr auf (physikalische) Gegenstände bezogen: werden könnten. Damit sind wir schon mitten in der Erkenntnistheorie. Man kann vielleicht allgemein sagen: Russells erkenntnistheoretisdier bzw. philosophischer Weg geht von dem skeptischen Rationalismus der „Problems" (1912), vermittelt durch die mathematische Logik, zur Begründung des N e u r e a l i s m u s , verbreitet sich dann zu einer Art Systematik (in den beiden Analysis-Büchern 1921 und 1927), um hernach (An Outline of Philosophy 1928) noch
Russells Neurealismus
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eine Wendung zum B e h a v i o r i s m u s zu nehmen, der aber nicht als „endgültige Philosophie" anerkannt, sondern mehr als Anregungsmittel und Arbeitshypothese verwendet wird. D a nach Russell die Schulung der „logischen Einbildungsk r a f t " dem Zwecke dient, „mehrere Hypothesen zur H a n d zu haben und nicht der Sklave der einen . . . zu sein", hat es wenig Sinn, eine seiner Perspektiven festzuhalten oder sich um genauere Unterscheidung seiner Gedankenwendungen zu bemühen. Entscheidend ist die G r u n d t e n d e n z : unter Abkehr vom bloßen Empirismus (auch der Welt der «Erfahrungstropfen" Whiteheads) die moderne Physik logisch-erkenntnistheoretisch zu begründen, den Phänomenalismus sowohl zu „widerlegen" als auch nach einigen Motiven zu „erhalten". Seine Wendung zum Neurealismus ist die Widerlegung des Phänomenalismus. Seine Wendung zum „neutralen Monismus", der Auffassung, daß die „Ereignisse" weder physisch noch psychisch, sondern „Rohstoff" beider Welten: der körperlichen und geistigen sind, ist die Erhaltung des Phänomenalismus. Der P h ä n o m e n a l i s m u s (Solipsismus) beschränkt unser Wissen von der Außenwelt auf unsere Wahrnehmungsinhalte. Er begrjügt sich mit der (persönlichen) Erfahrung und interpretiert alle Ereignisse als eigene oder fremde Erlebnisse bzw. Wahrnehmungsinhalte. Der R e a l i s m u s will zeigen, daß die Erscheinungen Zeichen einer Wirklichkeit sind, daß sich unsere „instinktiven Überzeugungen" von der Realität der Außenwelt nicht widersprechen, daß wir sehr wohl etwas über die Existenz einer Wirklichkeit wissen können, von der wir selbst keinen Teil ausmachen. Der n e u t r a l e M o n i s m u s will eine Art Ausgleich: an Stelle der realistischen Dinge und ihrer wechselnden Zustände setzt er Ereignisse bzw. Ereignisgruppen. An Stelle der Erlebnisse setzt er ebenfalls Ereignisse: Geist ist „diejenige Gruppe von psychischen Ereignissen, die zur Biographie eines bestimmten lebendigen Körpers gehören." Geschehnis und Erlebnis werden im Ereignis neutralisiert oder besser, aus ihm abgeschieden. Die
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psychischen Ereignisse fallen nicht aus der Raumzeitwelt heraus; die Wahrnehmungsinhalte gehören zur physischen Welt. Die Wirklichkeit übersteigt unsere Wahrnehmungsinhalte, aber andererseits sind diese doch die einzigen „Bestandteile der physischen Welt, die wir anders als in abstrakter Weise kennen." Russell bezeichnet die Ereignisse auch als E l e m e n t e , und zwar als metaphysisch-ursprüngliche im Gegensatz zu den m a t h e m a t i s c h - u r s p r ü n g l i e h e n Elementen, von denen die Physik handelt, wenn sie die Welt aus Elektronen, Protonen, „Weltpunkten" aufgebaut denkt. Diese physikalischen Gegenstände — sehr komplizierte logische Konstruktionen — als Ereignissysteme „darzustellen", ist die eigentlich philosophische Aufgabe. (Das ist eine letzte Erinnerung an die Aufgabe, die sich Leibniz in der Monadologie gestellt hatte.) Ein physikalischer Gegenstand besteht aus Gruppen von Ereignissen. Aber nichts spräche dagegen, daß jedes dieser Ereignisse ein „Glied enthält, das einem kleinen Teil eines visuellen Eindrucks mehr oder weniger ähnlich ist." Natürlich wird man fragen, wie es sich denn mit dem Subjekt verhält, das nötig ist, damit ein Ereignis einen solchen „eindrucksähnlichen" Bestandteil an sich haben kann? Sind die Ereignisse je schon kleine Subjekte (wie die Monaden)? Aber dem „neutralen Monismus" Russells sind solche Fragen gar nicht natürlich. Das Ich gehört nicht zu den Daten; das Subjekt ist eine logische Konstruktion. Andererseits sieht Russell sehr gut, daß der B e h a v i o r i s m u s , in dessen Sinne er hier argumentiert, Reaktionsbeschreibungen nur auf Grund von „Daten" liefern kann, die allein der Selbstbeobachtung zugänglich sind, und witzig bemerkt er einmal: „Descartes sagt, ich denke, also bin ich; Watson sagt, es gibt Ratten, in Irrgärten, also denke ich nicht." Physik ist Strukturtheorie. „Struktur" ist Relationszahl einer Beziehung. Haben zwei Beziehungen dieselbe Relationszahl, so stimmen sie in allen mathematisch ausdrück-
Russells Erkenntnistheorie
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baren Eigenschaften überein. Physikalische Erkenntnis ist ein Schließen von Wahrgenommenem auf Unwahrgenommenes, von Gegebenem auf Nichtgegebenes. Diese Schlüsse sind bündig, wenn sie gültige Aussagen über die Struktur und n u r über die Struktur des Erschlossenen ermöglichen. Wir wollen eine „Karte" der physischen Welt herstellen — das will auch Carnaps Konstitutionstheorie (1928) —, die „ K l u f t " zwischen Physik und Wahrnehmung soll so klein wie möglich gemacht werden, um zu verhindern, „daß der Wahrnehmungsinhalt sich in geheimnisvoller Weise am Ende einer Kausalkette einstellt, die aus Gliedern von völlig anderer 'Natur besteht." Das Mittel hierzu ist die Strukturgleichheit. In der (allgemeinen) Relativitätstheorie hat die Physik ein Weltbild erarbeitet, in welchem Raum und Zeit der Newtonischen Physik durch ein vierdimensionales Weltkontinuum ersetzt sind; sie ist dabei so abstrakt geworden, daß es schwer fällt, zwischen mathematischer Physik und Beobachtung überhaupt noch eine Brücke zu schlagen. U n d doch gehört ja der Wahrnehmungsinhalt k a u s a l zur Welt der physikalischen Gegenstände. Unsere Weltkarte muß also so gezeichnet werden, daß sie die Gleichungen der Physik erfüllt und doch der Wahrnehmungswelt viel ähnlicher ist als die „Welt", wie sie sich der Physiker gewöhnlich denkt. Russell bedient sich dabei des Begriffs der K o m p r ä s e n z von Wahrnehmungsinhalten und physikalischen Ereignissen. Kompräsenz ist Uberdeckung bzw. Überschneidung; alle „Ereignisse" liegen im Felde von Kompräsenzbeziehungen. Auf Grund der Kausaltheorie der Wahrnehmungen (d. h. der Verursachung unserer unmittelbar bekannten Wahrnehmungen durch physikalische Vorgänge) gelangen wir nun zu der Folgerung, daß die Inhalte der Wahrnehmung „in unserem Kopfe sind": die Wahrnehmung gibt uns das „konkreteste" Wissen vom Stoff der physikalischen Welt, „aber was wir wahrnehmen, ist ein Teil von dem Stoff unseres Gehirns, und nicht ein Teil des Stoffes von Tischen und Stühlen, Mond und Sternen". Natürlich ist „Stoff" im Sinne Russells (anders
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als in G. Jacobys Ontologie) selbst Bezeichnung für Ereignisgruppen: im Gehirn „ereignet" sich etwas, wenn wir wahrnehmen; ein Wahrnehmungsinhalt ist ein solches Ereignis, das zu einer der Ereignisgruppen gehört, „die die Elektronen im Gehirn ausmachen". Und nun die wahrhaft klassische Wendung zur Immanenz: „das ist, glaube ich, die konkreteste Aussage, die über Elektronen gemacht werden kann; alles was sonst noch darüber gesagt werden kann, ist mehr oder weniger abstrakt und mathematisch." Und noch eins. Wie James zum Spiritismus neigte, ohne Spiritist zu sein, so auch der Materialist und Behaviorist Russell. Es ist doch so, meint er, daß in der Physik heute die Materie als „Ding" verschwunden sei. „An ihre Stelle sind Emanationen aus einer örtlichkeit getreten; also etwas Ähnliches wie das, was in den Gespenstergeschichten Spukhäuser kennzeichnet." Man muß auch die Seßhaftigkeit (pushiness) der Materie aufgeben: ein Atom können wir uns nicht mehr als Billardkugel vorstellen — „wir würden besser tun, es uns wie ein Gespenst vorzustellen, das auch keine pushiness besitzt und uns doch in die Flucht jagen kann." Literatur
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Namenverzeichnis (ohne Literaturangabe) A g a s s i z 90 Alexander Aristoteles 61 Augustinus Avenarius
72, 101 5, 6, 8,
Drake
99
D r i e s c h 12, 13 f . ,
58.
40 15, 71
B a u d i 52 B a u m g a r d t 28 B a u m g a r t e n 82, 83 B a r i n k 67 B e d i e r 22, 67, 63 B e c k e r 25 B e r g m a n n 17, 30 B e r g s o n 22, 36, 39, 43. 89, 91 B e r k e l e y 101 v . B e r t a l a n f f y 67 B i e d e r m a n n 14 B i e m e l 28 B l e u l e r 67 B o e h m 28 B o e h m e 39 B o l z a n o 4 f., 6, 30. 49 B o u t r o u x 63 B r a d l e y 89, 102 v a n B r e d a 27 B r e n t a n o 4 f., 6 f., 8—12, 13, 16, 17, 19. 25, 29, 38, 40, 44, 43, 48, 49, 52 B u c k l e 104 C a i r d 89 C a l k i n s 84 C a r n a p 109 C a s s i r e r 50 C l a s s 45 C l a u b e r g 45 C o h e n 58 C o l l i n g s 97 C o m t e 6, 63 C o u t u r a t 50 C r o c e 63 C z o l b e 72 D a r w i n 92 D e s c a r t e s 34 D e w e y 82, 83, 85, 92—99, 100 D i e m e r 28 D i l t h e y 9 f., 19, 25, 40, 59, 64, 84, 89 D i n g l e r 84
35, 37, 43,
66,
19—24,
106
v . E h r e n f e l s 23, 46 E h r l i c h 27 E m e r s o n 82, 83, 90 E u c k e n 37, 39 F a u s t 47 F e c h n e r 72, 89 f. Fesl 4 F i d i t e 5, 36, 57 F i n k 28 F l o u r n o y 91 F o l w a r t 27 F r a n k l i n 82 F r e u d 43, 63, 64 G e h l e n 40 G e i g e r 25, 67 G o m p e r z 45 G r e e n 89 H a r t m a n n , E . V . 11, 22, 39, 60, 62, 67 H a r t m a n n , N . 9. 25, 28, 40,
47,
49,
55,
56—68,
69, 99 H e g e l 8, 28, 57, 63, 84, 85, 89, 93, 94, 98, 102, 104 H e i d e g g e r 25, 40, 41, 71, 75 H e l m h o l t z 90 H e r b a r t 4, 6, 9, 17, 70 f. H e r d e r 69 H e y d e 14 H ö f l e r 46 H o l t 98, 100 H u m e 5, 6, 31, 45, 46 H u s s e r l , E. 4, 5, 6, 7, 10,
13,
2 4 — 3 6 , 37,
40,
41, 42, 44, 46, 47, 49, 54, 55, 56, 58, 60, 70, 102, 105 H u s s e r l , G . 25 v. I h e r i n g
8
J a c o b y 49, 55, 56, 68—75, 99, 110
65,
J a m e s , H . 90 J a m e s , W . 22, 83, 8 4 , 85, 86, 88—92, 93, 94 f., 100 f., 102, 110 J a n s s e n 55—56 J a s p e r s 75 J e n n i n g s 100 J e r u s a l e m 83 J u n g 63 K a n t 5, 6, 9, 11, 27 f., 37, 38, 40, 50, 57, 58, 62, 84 f., 93, 94, 102, Kastil 8 K a u f m a n n 25 v . K e m p s k i 85 K e r l e r 59 K e r s c h e n s t e i n e r 97 K i e r k e g a a r d 89, 90, 94 K l a g e s 42, 59 K o f f k a 26 K r a u s 7, 8, 10 K r e i s 28 K ü l p e 22, 48, 60
23, 45, 69, 104
91,
L a n d g r e b e 27 L a n g e 91 L e c k y 104 L e i b n i z 5, 17, 50, 51, 52, 53, 58, 103, 104, 105, 108 L i e b e r t 26 L i e b m a n n 20, 37 L i n k e 25 L i p p s , H . 25 L i p p s , T h . 25, 37 Li t 25 L o c k e 11 L o s s k i j 36, 102 L o t z e 18, 28, 30, 38, 90 L o v e j o y 99 L ü t z e l e r 25 M a c h 52, 99 M a c h i a v e l l i 103 M a h n k e 51 M a i e r 92 M a l l y 47 M a r c u s e 85 M a r t y 7, 50 M a r w i n 98
Namenverzeichnis
114 Meinong, 4, 5, 6, 7, 30 , 44, 45—50,
52, 53
54, 56, 60, 70 Messer 22 Michaltsdiew 14 Mill 6, 90, 102 Montague 98, 100 Moore 101 f., 104 Morgan 63, 100 Morris 93 Münsterberg 84 Natorp 67 Nietzsche 37, 83 Oesterreich 25 Ortega 40 O s t w a l J 104
Palógyi 72, 74 Pascal 38 v. Pauler 30—31, 49 Paulsen 69 Peirce 83, 84, 85, 86 Perry 98, 99 Pfänder 25, 37 Pichler 45, 50—55 Pitkin 98 Plato 5, 9, 58 Plessner 40, 63 Pratt 99 Prihonsky 4, 5 Proklos 58 Protagoras 86
Rathenau 37 Spencer 87, 102 Rehmke 12—19, 20 21, Stein 25 48 Stern 41 Reinach 25, 37 Strong 99 Reinke 43 Stumpf 4, 6, 25, 69 Renouvier 94 Swedenborg 90 Rickert 9, 17, 52 Riehl 13, 60 Tönnies 39 Rogers 99 Trendelenburg 8, 28, 93 Rothacker 40, 63 Royce 89 Vaihinger 83 Russell, B. 50, 82, 96 V i e r k a n d t 25 99, 101—110 Virchow 90 Russell, J . 102 Volkelt 25 S a n t a y a n a 99 Sapper 67 Sauer 31 Scheler 9, 13, 24,
W a i t h e r 25 W a t s o n 91, 100—101 W e b e r 39 25, Wenzl 22, 67 26, 36—44, 47, 53, 56, W e r t h e i m e r 26 W h i t e h e a d 82, 101, 107 64 Windelband 9, 52 Schelling 36, 39, 57 W i n k l e r 25 Schiller, F. C. 83, 84, W i t a s e k 46 86-88 Wittgenstein 82 Schopenhauer 39 Wolff 45 Schultz-Hencke 91 Schuppe 13, 15 W u n d t 10, 22, 45, 60, Schwarz 12 f. 90, 92 Sellars 99 Shaw 103 Zeller 8 Simmel 44, 89 Zeltner 28 Sombart 37, 39 Zimmermann 4 Spaulding 98 f. Zocher 28
Philosophie in der SAMMLUNG GÖSCHEN Jeder Band DM 3,60. Doppelband DM 5,80 H. L e i s e g a n g f Einführung in die Philosophie 3. Auflage. 145 Seiten. 1957. (Sammlung Göschen Band
281)
G. S i m m e l f Hauptprobleme der Philosophie 7., unveränderte Auflage. 177 Seiten. 1950. (Sammlung Göschen Band 500)
K. J a s p e r s Die geistige Situation der Zeit (1931) 4., unveränderter Abdruck der 1932 bearbeiteten 5. Auflage. 211 Seiten. 1955. (Sammlung Göschen Band 1000)
G. K r o p p Erkenntnistheorie 1. Teil: Allgemeine Grundlegung. 143 Seiten. 1950. (Sammlung
' (Sammlung
Göschen Band
807)
P. L o r e n z e n Formale Logik 165 Seiten. 1958.
Göschen Band 1176 1 1176 a)
M. A p e l t Philosophisches Wörterbuch 5., völlig neubearbeitete Auflage von P. L u d z. 315 Seiten. 1958. (Sammlung
Göschen Band 103111031 a)
M. L a n d m a n n Philosophische Anthropologie Menschliche Selbstdeutung in Geschichte und Gegenwart. 266 Seiteri. 1955. (Sammlung
Göschen Band 1561156 a)
W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. / B E R L I N W 3 5
GESCHICHTE DER PHILOSOPHIE I: Die griechische Philosophie von W. C a p e l l e . 1. Teil. Von Thaies bis Leukippos. 2., erweiterte Auflage. 135 Seiten. 1953. (Sammlung
Göschen Band
857)
(Sammlung
Göschen Band
858)
(Sammlung
Göschen Band
859)
II: Die griechische Philosophie von W. C a p e l l e . 2. Teil. Von der Sophistik bis zum Tode Piatons. 2., stark erweiterte Auflage. 144 Seiten. 1953. III: Die griechische Philosophie von W. C a p e l l e . 3. Teil. Vom Tode Piatons bis zur Alten Stoa. 2., stark erweiterte Auflage. 132 Seiten. 1954. IV: Die griechische Philosophie von W. C a p e l l e . 4. Teil. Von der Alten Stoa bis zum Eklektizismus im 1. Jahrh. v. Chr. 2., stark erweiterte Auflage. 132 Seiten. 1954. (Sammlung
Göschen Band
863)
(Sammlung
Göschen Band
826)
(Sammlung
Göschen Band 394 1394 a)
(Sammlung
Göschen Band
536)
(Sammlung
Göschen Band
571)
(Sammlung
Göschen Band
709)
(Sammlung
Göschen Band
845)
(Sammlung
Göschen Band
850)
V: Die Philosophie des Mittelalters von J. K o c h . In Vorbereitung. VI: Von der Renaissance bis Kant von K. S c h i l l i n g . 234 Seiten. 1954. VII: Immanuel Kant von G. L e h m a n n . In Vorbereitung. VIII: Die Philosophie des 19. Jahrh. von G. L e h m a n n . 1. Teil. 151 Seiten. 1953. IX: Die Philosophie des 19. Jahrh. von G. L e h m a n n . 2. Teil. 168 Seiten. 1953. X: Die Philosophie im ersten Drittel des 20. Jahrh. I von G. L e h m a n n . 128 Seiten. 1957. XI: Die Philosophie im ersten Drittel des 20. Jahrh. II von G. L e h m a n n ' . 114 Seiten. 1960. W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. / B E R L I N W 3 5
GESAMTVERZEICHNIS der
SAMMLUNG GÖSCHEN Jeder Band DM 3,60 • Doppelband DM 5,80
Stand November 1959
WALTER DE GRUYTER & CO., BERLIN W35
Inhaltsübersicht Biologie Botanik Chemie Deutsche Sprache und Literatur Elektrotechnik Englisch E i d - und Länderkunde Geologie Germanisch Geschichte Griechisch Hebräisch Hoch- und Tiefbau Indogermanisch Kristallographie Kunst Land- und Forstwirtschaft Lateinisch Maschinenbau Mathematik Mineralogie Musik Pädagogik Philosophie Physik Psychologie Publizistik Religionswissenschaften Romanisch Russisch Sanskrit Soziologie Statistik Technik Technologie Volkswirtschaft Vermessungs wesen Wasserbau . Zoologie
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Seite 13 1 j 12 6 15 7 8 14 7 5 8 8 18 7 14 5 14 8 16 9 14 4 3 3 11 3 9 4 7 8 8 3 9 . 1 5 12 9 18 17 14,
Geisteswissenschaften Philosophie E i n f ü h r u n g in die Philosophie von H. Leisegang f . 3. Auflage. 145 Seiten. 1957. (2S1) Hauptprobleme der Philosophie von G. Simmel t- 7-, unveränderte Auflage. 177 Seiten* 1950. (joo) Geschichte der Philosophie 1 : D i e g r i e c h i s c h e P h i l o s o p h i e von IV.CaptlU. I . T e i l . Von Thaies bis Leukippos. 2., erweiterte Auflage. 135 Seiten. 1953. (J/7) II: D i e g r i e c h i s c h e P h i l o s o p h i e von W. Capelle. 2. T e i l . Von der Sophistik bis zum Tode Piatons. 2., stark erweiterte Auflage. 144 Seiten. 19j3. (9jS) III: D i e g r i e c h i s c h e P h i l o s o p h i e von W. Capelle. 3. T e i l . Vom Tode Piatons bis 2ur Alten Stoa. 2., stark erweiterte Auflage. 132 Seiten. 1954* (•?/?) I V : D i e g r i e c h i s c h e P h i l o s o p h i e von W. Capelle. 4. T e i l . Von der Alten Stoa bis'zum Eklektizismus im 1. Jahrh. v.Chr. 2., stark erweiterte Auflage. 132 Seiten. 1954. (iiß) V : D i e P h i l o s o p h i e des M i t t e l a l t e r s von J.Kotb. In Vorbereitung. (S26) V I : V o n d e r R e n a i s s a n c e b i s K a n t von K. Schilling. »34 Seiten. 1954. (j94Ü94a) V I I : I m m a n u e l K a n t von G. Lebmann. In Vorbereitung. VIII: D i e P h i l o s o p h i e des 19. J a h r h u n d e r t s von G. Lehmann. 1. T e i l . 151 Seiten. I9J3- 07*) I X : D i e P h i l o s o p h i e des 19. J a h r h u n d e r t s von G. Libman». 2. T e i l . 168 Seiten. 1933- (709) X : D i e P h i l o s o p h i e im e r s t e n D r i t t e l des 20. J a h r h u n d e r t s I von G. Lehmann. 128 Seiten. 1957. {S4J) Die geistige Situation der Zeit (1931) von K. Jaspers. 4., unveränderter Abdruck der 1932 bearbeiteten j. Auflage. 2 1 1 Seiten. 1935. (1000) Erkenntnistheorie von G. Kropp I . T e i l : A l l g e m e i n e G r u n d l e g u n g . 143 Seiten. 1950. {So2) Formale L o g i k von P. Lcrenken. 16 j Seiten. 19J8. (1176! 1 ij6a) Ehilosophisches Wörterbuch von M. Apei f . j . , völlig neubearbeitete Auflage von P.Ludz,. 315 Seiten. 1958. (lojijiojia) Philosophische Anthropologie. Menschliche Selbstdeutung in Geschichte und Gegenwart von M. Landmann. 266 Seiten. 1955. ( / j 6 j z j 6 a )
Pädagogik, Psychologie, Soziologie Geschichte der P ä d a g o g i k von Herrn. Weimer. 13., durchgesehene und vermehrte Auflage von Hein% Weimer. 178 Seiten. 1958. ( 1 4 J ) Therapeutische Psychologie. Ihr Weg durch die Psychoanalyse von W M. Kranefeldt. Mit einer Einführung von C. G.Jung. 3. Auflage. 152 Seiten. 195b. \ioj4) 3
GEISTESWISSENSCHAFTEN Allgemeine Psychologie von Tb. Erismantt. ; Binde. 2., neubearbeitete Auflage. I: G r u n d p r o b l e m e . 146 Seiten. 1958. ( S ) i , II: G r u n d a r t e n des p s y c h i s c h e n G e s c h e h e n s . 272 Seiten. 1959. (Sj2/S)2a) III: P s y c h o l o g i e d e r P e r s ö n l i c h k e i t . In Vorbereitung, (S)}) Soziologie. Geschichte und Hauptprobleme von L. von Wiese. 5. Auflage. 162 Seiten 1954. ( 1 0 1 ) Sozial Psychologie von P. R. Hofstätter. 181 Seiten, 15 Abbildungen, 22 Tabellen. 1956. (104(1040) Psychologie des Berufs- und Wirtschaftslebens von W. Motdt f . 190 Seiten, 48 Abbildungen. I9j8. ( S j i / S j i o ) Industrie- und Betriebssoziologie von R. Dahrendorf. 120 Seiten. 1956. (ioß)
Religionswissenschaften Jesus von M. Dtbelius f . 2. Auflage. Unveränderter Nachdruck. 141 Seiten. 1949. (1 i)ö) Paulus von M. Dtbelius f . Nach dem Tode des Verfassers herausgegeben und zu Ende geführt von W. G. Kümmel. 2., durchgesehene Auflage. 155 Seiten. 1956. {¡160) Luther von F. Lau. 151 Seiten. 19J9- (riS/) Geschichte Israels. Von den Anfängen bis zur Zerstörung des Tempels (70 n. Chr.) von E. L. Ehrlitb. 158 Seiten, 1 Tafel. 1958. (2fij 2}ia) Römische Religionsgeschichte von F. Altheim. 2 Bände. 2., umgearbeitete Auflage* I : G r u n d l a g e n u n d G r u n d b e g r i f f e . 1 1 6 Seiten. 1956. (lojj) II: D e r g e s c h i c h t l i c h e A b l a u f . 164 Seiten. 1956. (10/2)
Musik Musikästhetik von H.J.Moser. 180 Seiten. Mit zahlreichen Notcnbeispielen. 195). (J44) Systematische Modulation von R. Hernried. 1. Auflage. 136 Seiten. Mit zahlreichen Notenbeispielen. 1950. (1094) Der polyphone Satz von E. Pepping. 2 Bände. I : D e r c a n t u s - f i r m u s - S a t z . 2. Auflage. 223 Seiten. Mit zahlreichen Notenbeispielen. 1950. ( 1 1 4 8 ) II: Ü b u n g e n im d o p p e l t e n K o n t r a p u n k t u n d im K a n o n . 137 Seiten. Mit zahlreichen Notenbei. piclen. 1957. (1164/11640) Allgemeine Musiklehre von H. f . Moser. 2., durchgesehene Auflage. 1 5 ) Seiten. Mit zahlreichen Notenbeispielen. 1955. (220/2200) Harmonielehre von H.J. Moser. 2 Bände. I : 109 Seiten. Mit 120 Notenbeispielen. 1954. (&09) Die Musik des 19. Jahrhunderts von W. Oehlmann. 180 Seiten. 1953. (/70) Die Musik des 20. Jahrhunderts von JP. Oehlmann. 1959. In Vorbereitung. (171/1710) Technik der deutschen Gesangskunst von H.J. Moser. 3., durchgesehene und verbesserte Auflage. 144 Seiten, 5 Figuren sowie Tabellen und Notenbeispiele. 1954. (n6li7t*)
4
GEISTESWISSENSCHAFTEN D i e K u n s t d e s D i r i g i e r e n s v o n H.
W. von Waltershausen
1 3 8 Seiten. M i t 1 9 N o t c n b e i s p i e l e n . 1 9 5 4 .
f.
2., vermehrte
Auflage.
(1147)
D i e T e c h n i k d e s K l a v i e r s p i e l s aus d e m G e i s t e d e s m u s i k a l i s c h e n K u n s t w e r k e s K. Sebubtrt
f . 3< A u f l a g e . 1 1 0 Seiten. M i t N o t e n b e i s p i e l e n . 1 9 5 4 .
von
(104/)
Kunst S t i l k u n d e v o n H. Weigert. 2 B i n d e . 3 . , d u r c h g e s e h e n e u n d e r g ä n z t e A u f l a g e . I : V o r z e i t , A n t i k e , M i t t e l a l t e r . 1 3 6 Seiten, 94 A b b i l d u n g e n . 1 9 5 8 . (So) I I : S p ä t m i t t e l a l t e r u n d N e u z e i t . 1 5 0 Seiten, 88 A b b i l d u n g e n . 1 9 5 8 . (7S1) A r c h ä o l o g i e v o n A. Rumpf. 2 B ä n d e . I : E i n l e i t u n g , h i s t o r i s c h e r Ü b e r b l i c k . 143 Seiten, 6 A b b i l d u n g e n , 1 2 T a f e l n 1953- ( / ¿ 0 I I : D i e A r c h ä o l o g e n s p r a c h e . D i e antiken R e p r o d u k t i o n e n . 1 3 6 Seiten, 7 A b bildungen, 1 2 Tafeln. 1956. 0 ) 9 )
Geschichte E i n f ü h r u n g in d i e G e s c h i e h t * W i s s e n s c h a f t v o n P.Kirn. 3., durchgesehene A u f l a g e . 1 2 8 Seiten. 1 9 5 9 . ( 2 7 0 ) Z e i t r e c h n u n g der r ö m i s c h e n Kaiserzeit, des Mittelalters u n d der N e u z e i t für die J a h r e 1 — 2 0 0 0 n . C h r . v o n H. LUts-marui f . 3. A u f l a g e , d u r c h g e s e h e n v o n K. Aland. 1 3 0 Seiten. 1 9 5 6 . (loij) K u l t u r d e r U r z e i t v o n F. Btbn. 3 B i n d e . 4. A u f l a g e d e r K u l t u r d e r U r z e i t B d . 1 — 3 v o n M. Hoerntt. I:
D i e v o r m e t a l l i s c h e n K u l t u r e n . ( D i e Steinzeiten E u r o p a s . G l e i c h a r t i g e K u l t u r e n in a n d e r e n E r d t e i l e n . ) 1 7 2 S e i t e n , 48 A b b i l d u n g e n . 1 9 5 0 . ( 7 6 4 ) D i e i l t e r e n M e t a l l k u l t u r e n . ( D e r B e g i n n der Metallbenutzung. K u p f e r - und B r o n z e z e i t in E u r o p a , i m O r i e n t u n d in A m e r i k a . ) 1 6 0 Seiten, 67 A b b i l d u n g e n . 1 9 J 0 . (/