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German Pages 149 [160] Year 1953
SAMMLUNG
GÖSCHEN
B A N D 571
Geschichte der Philosophie VIII Die Philosophie des neunzehnten Jahrhunderts I Von Gerhard L e h m a n n
Walter de Gruyter & Co. vormals G . J . Göschen'sche Verlagshandlung • J. Guttentag, Verlagsbudihandlung • Georg Reimer > K a r l J . T r ü b n e r > Veit & C o m p .
B e r l i n 1953
Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, von der Verlagshandlung vorbehalten
Copyright 1953 by
Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung, J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J . Trübner, Veit & Comp., Berlin W 35, Genthiner Str. 13
Druck von $
Archiv-Nr. 110 571 Saladruck, Berlin N 65, Friedr.-Krause-Ufer 24 Printed in Germany
Inhaltsübersicht Einleitung
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Literatur
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Erster Teil: Die deutsche Philosophie im ersten Drittel des 19 Jahrhunderts I. Die philosophiegeschichtlichen Voraussetzungen . . Literatur
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"II. Grundsatzphilosophie und Wissenschaftslehre Karl Leonhard Reinhold Gottlob Ernst Schulze Salomon Maimon Johann Gottlieb Fichte (I) Literatur
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III. Romantische Philosophie Friedrich Schlegel Daniel Friedrich Schleiermacher (I) Friedrich Leopold von Hardenberg Karl Wilhelm Ferdinand Solger Karl Christian Friedrich Krause Literatur VI. Der absolute Idealismus Friedrich Wilhelm Joseph Schelling . . . . . . Daniel Friedrich Schleiermacher (II) Johann Gottlieb Fichte (II) Georg Friedrich Wilhelm Hegel Literatur V. Die Gegner Jakob Friedrich Fries Johann Friedrich Herbart Arthur Schopenhauer . Literatur Zeittafel I: Fichtes Wissenschaftslehren Zeittafel II Namenverzeichnis
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46 50 52 58 62 67 72 74 77 88 90 94 117 119 125 131 138 145 147 148 150
EINLEITUNG Die Philosophie des 19. Jahrhunderts läßt sich, nid« als ein Neben- oder Nacheinander zufällig im gleichen Zeitraum entstandener Lehrmeinungen darstellen. AI; Einheit, d. h. eigener Sinn- und Wirkenszusammenhang, läßt sie sich nur geschichtlich darstellen. Wozu spräche man auch sonst von Philosophiegeschichte? Nur ist die Bedeutung dieses Begriffs im 19. Jahrhundert eine andere als in früheren Jahrhunderten. Erst seit Herder und der deutschen historischen Schule gibt es „Geschichte" (Historie) in unserem Sinne, und erst seit Hegel „Philosophiegeschichte". Das 19. Jahrhundert entdeckt geschichtliche Maßstäbe, die früheren Zeiten unbekannt waren; das geschichtliche Bewußtsein vertieft sich, es dringt in alle Sadi- und Lebensgebiete ein. Sie alle werden historisiert und relativiert. Beides nun: die Entwicklung des historischen Denkens und die dadurch bewirkte Relativierung des Erkennens — jenen steten Bezug des Denkens auf seine „Geschichtlichkeit", der Endgültigkeit und Überzeitlichkeit philosophischer „Wahrheit" in Frage stellt — bezeichnet man" als H i s t o r i s m u s des 19. Jahrhunderts. Und Historismusproblem ist dann das Problem, ob und wie es möglich ist, diese Gebundenheit zu „überwinden". Doch ist das Problem des Historismus nur ein Teilproblem. Sind doch, wie die Geschichte, so auch die anderen Wissenschaften: Mathematik und Naturwissenschaften vor allen, aber auch Sprach- und Religionswissenschaft, Psychologie und Sozialwissenschaft, im 19. Jahrhundert zu ungeahnter Höhe emporgestiegen. Und wie sich das neue Verhältnis der Geschichte zur Philosophie nicht nur darin ausspricht, daß neues Material neue Bearbeitung
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erfordert, sondern auch darin, daß das philosophische £>enken von geschichtlichen Kategorien bestimmt wird, so kann sich die Philosophie des 19. Jahrhunderts auch zu den anderen Wissenschaften nicht bloß teilnehmend verhalten: sie wird von ihnen umgeformt; die philosophische Begriffsbildung verbindet sich mit der einzelwissenschaftlichen und löst sich in ihr auf. Damit aber ist die Überlegenheit der Philosophie über die (weltlichen) Wissenschaften, wie sie seit alten Zeiten bestand, erschüttert. Wenn alle Erkenntnisgegenstände zu „Objekten" von Fachwissenschaften geworden sind, bleibt für die Philosophie kein Raum. Und auch die Metaphysik muß verdorren, wenn die Philosophie keinen eigenen Zugang zur Wirklichkeit besitzt. Bezeichnen wir den Verzicht auf jede „Deutung" der Welt, die über die einzelwissenschaftliche Erkenntnis hinausgeht, als P o s i t i v i s m u s , und den Zustand einer selbst zur Einzelwissenschaft gewordenen bzw. nach den Methoden und Ergebnissen der Einzelwissenschaften allein sich richtenden Philosophie als S z i e n t i s m u s , so ist klar, daß dies nicht besondere „Strömungen" im Denken des 19. Jahrhunderts sind, sondern unvermeidliche Begleiterscheinungen der Auseinandersetzung zwischen Philosophie und Wissenschaft. Die Philosophie wird positivistisch, wenn der Szientismus in ihr Fuß faßt. Der Positivismus der Philosophie aber hat zur Folge, daß die Einzelwissenschaften „letzte" Fragen des Erkennens und der Weltanschauung von sich aus zu lösen versuchen. • Das geschah im „Zeitalter der Fachwissenschaften" fortwährend, und geschieht auch heute noch. Im 19. Jahrhundert gibt es — und das ist ein wesentlicher Unterschied zu früheren Jahrhunderten — neben der Schulphilosophie eine „Philosophie" der Einzelwissenschaften. Man denkt dabei zumeist an dilettantische Versuche (Büchner, Häckel, Ostwald u. a.). Es ist aber in dem sehr viel ernsteren Sinne zu nehmen, daß große und weltverändernde Begriffe, Lehren, die unstreitig
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philosophischen Ursprungs und von philosophischer Tragweite sind, gar nicht mehr auf den Traditionsbestand „Philosophie" bezogen und sogar heute noch in Philosophiegeschichten weggelassen werden 1 ). Daraus ergibt sich, daß die Schulphilosophie des 19. Jahrhunderts den Anspruch, Repräsentant des „Kulturbewußtseins" zu sein, verliert. Wenn sich das ungleich spannungsärmere 18. Jahrhundert mit Stolz als „philosophisches Jahrhundert" bezeichnet, so ist im 19. Jahrhundert dieser Stolz vergangen. Die Philosophie ist nicht mehr Lebensform; philosophierend zu „existieren" wird ein Anachronismus. Die Lebensideale der Klassik werden zu „Bildungsidealen", entleert durch die um sich greifende realistische Bildungsbewegung. Die schnelle Industrialisierung, Bevölkerungszunahme und Vermassung, die immer schärfer werdenden Gegensätze zwischen den Parteien und Klassen, die revolutionären Erschütterungen und Wirtschaftskrisen, — alle diese aus der Geschichte des 19. Jahrhunderts wohlbekannten Erscheinungen greifen zusammen, um die für die Stellung der Philosophie im Geistesleben gefährlichste Lage herbeizuführen: ihre Verdrängung durch eine Fülle miteinander konkurrierender, geistiger Legitimierung überhaupt unbedürftiger I d e o l o g i e n . Wir verstehen unter der Ideologisierung des Denkens im 19. Jahrhundert, die mit der Autonomie der Einzelwissenschaften und der Strukturveränderung der Philosophie aufs engste zusammenhängt, nicht die faktische Abhängigkeit des Denkens von „Interessen" irgendwelcher Gruppen, Klassen, Schichten oder Machtträger, und nicht das Wissen darum, sondern die Anerkennung Die Verselbständigung der Einzel wissen schaf ten ist schon im 18. J a h r h u n d e r t vorbereitet und durch das Übergewicht des spekulativen Denkens im ersten Drittel des 19. J a h r h u n d e r t s nur aufgehalten. Audi eine „Philosophie" der Einzelwissenschaften im Gegensatz zur »Schulphilosophie" kennt bereits das 18. J a h r h u n d e r t (Newtonismus — W o l f lianismus). M a n k a n n dies natürlich nodt weiter zurüdtverfolgeil bis zu den Anfängen der modernen Wissenschaft in der Scholastik (Nominalismus der Pariser A r t i s t e n f a k u l t ä t gegenüber dem Aristotelismus der Sdiule). D o d i ist die Lage im 19. J a h r h u n d e r t t r o t z d e m eine wesentlidi andere.
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dieser determinierenden Faktoren als letzter G e 1 t u n g s grundlage. Ideologisch sind Aussagen, die zwar auf rationale Form gebracht, begründet und verallgemeinert werden, aber nur zum Schein, bzw. nur im Hinblick auf die dadurch im Kampf um die Macht, Herrschaftssicherung usw. zu erlangenden Vorteile. Ideologien bilden sich im Denken, wenn es sich durch seine „Gebundenheit" zugleich bedingt und l e g i t i m i e r t weiß. Nichtideologisch sind Aussagen, in denen der Einfluß von „Interessen", die Abhängigkeit von Machtfaktoren usw. als E i n s c h r ä n k u n g bzw. Aufhebung der Geltung zum Ausdruck kommt. Da keine Wissenschaft ideologische Aussagen (im angegebenen Sinne) enthält, kann die Autonomie der Einzelwissenschaften im 19. Jahrhundert nicht unmittelbar zur Ideologisierung führen. Wohl aber mittelbar. Die Wissenschafft erkennt keine „höhere" Instanz an, weiß aber auch, daß sie Werturteile nicht fällen kann („Wertfreiheit der Wissenschaft"). Für den einzelwissenschaftlichen Positivismus, bzw. Szientismus in der Philosophie, gibt es keine übergreifenden Deutungen, die vielmehr „subjektiv" sind und das Gegebene „verfälschen". Wo also im individuellen und sozialen Leben ideelle Aspekte auftreten, sind sie nach Herkunft, Lage und Häufigkeit zu beschreiben, und in solcher Form — aber n u r in solcher — als „Realitäten" hinzunehmen. Da sich ideelle Aspekte ihrem S i n n e nach wissenschaftlich nicht rechtfertigen oder widerlegen, sondern nur nach ihrer tatsächlichen Beschaffenheit beschreiben und auf ihre realen Voraussetzungen und Bedingungen zurückführen lassen, leistet das wissenschaftliche Denken der Ideologisierung Vorschub. Es suggeriert die Vorstellung, daß „Sinnaussagen", die auf alle Fälle unbeweisbar sind, ihre Legitimation durch die reale Lage der an ihnen Interessierten erhalten. Der Tatsachenkult und „Realismus" des 19. Jahrhunderts, die Relativierung aller „Maßstäbe", die Entwertung der Philosophie sind die Quellen der Ideologisierung.
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Diese Betrachtung wäre unvollständig, wenn sie nicht als letztes Merkmal den I r r a t i o n a l i s m u s des 19. Jahrhunderts einbeziehen würde. „Irrational" ist das Wider-, Unter- und Ubervernünftige, wofern es solches „gibt". Der Irrationalismus ist in der Philosophie so alt wie der Rationalismus, an dessen Aporieen er sich stets von neuem entzündet. Das 19. Jahrhundert, vitaler, leidenschaftlicher, maskuliner (Nietzsche) als das 18. Jahrhundert, ist auch irrationalistischer als dieses. Aber seine Energien, nach außen gerichtet, machen es wertblind gegen das Irrationalitätsproblem. Schloß der klassische Rationalismus mit der Formel von der „Macht des Geistes" (Hegel), so stützt sich'der Irrationalismus, der ihn ablöst, auf die Ohnmacht des Geistes und die Ungeistigkeit der Macht. Freilich gibt es „Gesetze" der Macht, die ihr ein Minimum von Rationalität sichern, und die, wenn sie erkennbar sind, als Grundsätze politischen Handelns dienen können. Doch gibt es keinen, diese technische Rationalität übersteigenden Sinn der Macht, — vielmehr ist umgekehrt aller „Sinn", wo immer er auftritt, Funktion der Macht, wie alles Seelische Funktion des Körpers, alles Lebendige Funktion der Materie ist. Nimmt man dies zusammen, so ergibt sich, daß die Ideologisierung im Denken des 19. Jahrhunderts seiner philosophischen Situation durchaus entspricht. Ernsthaft zu prüfen wäre dabei, wieweit sich die Schulphilosophie, indem sie dieser Situation, zu entrinnen sucht, selber in Ideologien bewegt. Nicht so freilich, als ob sie Machtund Klasseninteressen verträte. Aber doch so, daß sie „komplementär" zur Wirklichkeit ein eigenes „Reich" der Normen, Werte und Geltungen postuliert, — eine eigene „Unwirklichkeitssphäre" als „Zufluchtstätte der aus dem Bereich des Wirklichen vertriebenen idealistischen und am Geist orientierten Gedankenmotive" (E. Jaensch). Der Szientismus ist hier, am Ende des Jahrhunderts, noch ungebrochen, die Schulphilosophie hat sich als Fachwissenschaft etabliert, aber der Positi-
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vismus, dessen man sich erwehrt, ist überbaut durch Konstruktionen, die leer und unwirksam und von jener eigentümlichen Unechtheit sind, die das Merkmal aller Ideologien ist. Mißmutig wird man sagen, daß die angegebenen Momente, wofern sie zutreffen, bestenfalls von der Philosophie des zweiten und letzten Jahrhundertdrittels gelten, nicht dagegen von der des g a n z e n Jahrhunderts. Und daß sie nur als Gegensatz zur Philosophie im ersten Drittel: zur Philosophie des klassischen deutschen Idealismus, jener „letzten Glanzzeit der Metaphysikgeschichte" (H. Heimsoeth), .verstanden werden können. Soll man nur darum vom verkehrten Ende anfangen, weil sich die Gegenwartsphilosophie an dieses Ende anschließt? Indessen ist die Frage nicht abzuweisen, ob die große Zeit der spekulativen Philosophie überhaupt dem 19. Jahrhundert angehört. Natürlich decken sich die Perioden der Geistesgeschichte nicht mit der Chronologie, und die Auffassung, daß das 19. Jahrhundert nicht um 1800, sondern erst später beginnt, ist schon deshalb naheliegend, weil die Goethezeit (1780—1830) mit ihren Epochen (Sturm und Drang, Klassizismus, Romantik) eine innere Einheit bildet, und ihr Gepräge unstreitig vom 18. Jahrhundert erhält. Freilich wird sidi -nicht leugnen lassen, daß eine Kontinuität zwischen ihr und der nachfolgenden Zeit besteht, und daß die Struktur des 19. Jahrhunderts ohne Beziehung auf sie nicht zu bestimmen ist. Es scheint sich also die Alternative zu ergeben, daß entweder das 18. Jahrhundert weit in das 19. eingreift, oder das 19. Jahrhundert in den Jahren der französischen Revolution, des Sturmes und Dranges, der Kantischen Philosophie beginnt. Legen wir die erste Auffassung zugrunde, so stehen wir allerdings vor der Notwendigkeit, die Goethezeit gleichsam zu durchschneiden. Denn wenn sie auch ein Ganzes ist, — daß z. B. die Romantik (wenigstens in ihrer späteren Phase) oder die
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Hegelsdie Philosophie aus dem 19. Jahrhundert nicht herauszulösen ist, unterliegt keinem Zweifel. Für die Philosophiegeschichte im engeren Sinne käme noch hinzu: 1. die Fortsetzung der klassischen idealistischen Spekulation im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts (Spätidealismus), 2. die Wiederanknüpfung an den Idealismus der Goethezeit im letzten Drittel des Jahrhunderts (Neuidealismus), 3. der durchgehende Bezug auf die Philosophie Kants (idealistische Kantnachfolge — szientifischer bzw. erkenntnistheoretisdier Neukantianismus), '4. die unmittelbare Fortwirkung des klassischen Idealismus in der außerdeutschen Philosophie während des ganzen Jahrhunderts. Schwerlich läßt sich die Frage nach dem Beginn des 19. Jahrhunderts eindeutig beantworten („Eindeutigkeit" im Sinne der exakten Wissenschaften besitzen geistesgeschichtliche Begriffe, die wesentlich idealtypisch und perspektivisch sind, überhaupt nicht). Aber es ist doch mit Sicherheit zu sagen, daß die Philosophie im zweiten und letzten Drittel des Jahrhunderts, bzw. der „Verfall" der Philosophie um 1850 nicht allein nach kulturpsychologischen Kriterien (Kontrast, Erschlaffung, Desintegration) zu bestimmen ist, und nicht allein danach, daß sie niederreißt, was die Metaphysik aufgebaut hat, sondern auch als F o r t w i r k u n g und W e i t e r b i l d u n g der in der Philosophie des ersten Drittels enthaltenen Tendenzen. ' Selten decken sich die wirklichen Zusammenhänge einer Zeit mit den Vorstellungen ihrer Wortführer. Philosophische „Gegenwartsgeschichte" bzw. „Gegenwartsphilosophie" — wie sie in größerem Umfange auch erst das 19. Jahrhundert hervorgebracht hat — ist z w a r Abdruck des „Zeitgeistes", aber doch voller Polemik, Ressentiment und Mißverständnis. Um die Jahrhundertmitte war die Opposition gegen die ältere Naturphilosophie und den Hegelianismus, die Bewunderung der exakten Wissenschaften mit ihrer angeblich rein „induktiven" Logik, die Vorliebe für allerlei überholte und in
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ihrer Heimat (England) gerade von der deutschen Metaphysik verdrängte Denkweisen (Bacon, Mill) so groß, daß vieles übersehen werden mußte, was aus weiterer Entfernung leicht erkennbar ist: wie z. B. die deutsche historische Schule einen eigenen Positivismus vertritt, und sich kaum weniger kritisch gegen Hegel und die Spekulation verhält als die späteren naturwissenschaftlichen „Positivisten", wie der Vulgärmaterialismus von Moleschott bis Häckel ein direkter Nachkömmling der „Naturphilosophie" (Ritters, Okens und der Schellingianer) ist, wie die Vorgeschichte der Entdeckung des Energieprinzips durch Robert Mayer ebenfalls in diese „dunkle" Zeit fällt, wie der Evolutionismus der Spencer, Darwin und Häckel trotz aller Mechanistik doch wesens verwandt mit Hegels Entwicklungslogik ist, wie überhaupt ein einziger Strom von „Monismus" dieses monistische Jahrhundert durchzieht. Das sind nur Beispiele, die ihr volles Gewicht erst erhalten, wenn die Betrachtung sich von dem zweifellos höchsten Punkt, den die Philosophie im 19. Jahrhundert erreicht: von der Philosophie Hegels, nach vor- und rückwärts erstreckt. Von hier aus würde jedenfalls auch die Aufgliederung des 19. Jahrhunderts in E i n z e l e p o c h e n , dieses für die Philosophiegeschichte kaum minder schwierige Problem, zu behandeln sein. Vom ersten, zweiten und letzten Drittel des Jahrhunderts zu sprechen, ist ja nur ein Notbehelf; die ebenso äußerliche Einteilung nach Jahrzehnten ist vielleicht in der Literaturgeschichte, aber kaum in der Philosophiegeschichte durchführbar. Das Schlagwort vom „Zusammenbruch des Hegelianismus" täuscht einen Sachverhalt vor, der so in der Philosophiegeschichte nicht besteht. Die Spaltung der Hegeischen Schule (Rechtshegelianer und Links- oder Junghegelianer), insbesondere die Radikalisierung und Umwertung der Hegeischen Philosophie im Denken des Vormärz, ist kein „Zusammenbruch", sondern eine Weiterbildung bestimmter Tendenzen der Hegeischen Philo-
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sophie. Die Substitution der Geistmetaphysik durch eine neue Aufklärung und „Kritik" (Bibel-, Gesellschafts-, Wertkritik, „reine" Kritik) ist zwar eine Sinnänderung, aber ganz und gar keine Vernichtung der Hegeischen Philosophie. Die Gegensätze zwischen Hegel und der Spätphilosophie Schellings andererseits lassen das Wesen der Spekulation intakt. Um die Jahrhundertmitte tritt dann allerdings die große Zäsur ein. Was hier von der Spekulation noch fortlebt (als spekulativer Theismus, Spätidealismus) ist gegenwartsfremd; das Scheitern der Revolution von 1848, der deutschen Einheitsbewegung, läßt die ideellen Motive in der Politik zurücktreten: realistische Parteiideologien ersetzen die idealistischen Geschichtskonzeptionen. Vor allem aber: um die Jahrhundertmitte beginnt sich die Scheidung der Schulphilosophie von der „Philosophie der Einzelwissenschaften", auf die wir hingewiesen hatten, auszuwirken. Darwins Entstehung der Arten (1859), Fechners Elemente der Psychophysik (1860), Marx' Kapital (1867) und andere grundlegende Werke dieser Jahre, sind Werke der Fachwissenschaft, so bedeutend auch ihr philosophischer Gehalt ist. Die Schulphilosophie selbst kontrahiert sich zur „Erkenntnistheorie" als Fachwissenschaft und stößt alles andere als Dilettantismus ab. Und Dilettantismus ist in der Tat das meiste, was sich in dieser Zeit als Weltansdiauungsphilosophie, „neuer Glaube" (Strauß) „Ersatz der Religion durch Vollkommneres" (Dühring), pessimistische Erlösungslehre (E. v. Hartmann) anbietet. Daß in den Jahren der Reichsgründung gerade der Pe.ssimusmus zur Modesache wurde, dürfte heut schwerlich „am verwunderlichsten" (Windelband) erscheinen. Es ist ja auch nicht v. Hartmanns Philosophie des Unbewußten (1869) allein, die dieser Stimmung Ausdruck gibt, sondern eine sehr viel ernster zu nehmende Kulturkritik (Burckhardt, der junge Nietzsche), die auf die Schwächen nationalistischer Realpolitik hinweist. Man pflegt die 80er und 90er Jahre als den Beginn
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des „Wiederaufstiegs der Philosophie" zu , bezeichnen. Eine Welle von Neuidealismus beginnt sich auszubreiten; der Irrationalismus der Schopenhauerschule weicht einer milderen „Lebensphilosophie"; in der Kantbewegung kommt es zu neuen Systembildungen, und die Entwicklung der eigenen Probleme weist auf den Weg Fichtes, Schellings und Hegels, vor deren spekulativ-dialektischer Methode man freilich zurückschrickt. Fragen der Weltanschauung und (christlichen) Religion werden wieder ernstgenommen, wobei jene freilich, dem Szientismus gemäß, sogleich in einer besonderen Disziplin (Weltanschauungslehre) U n t e r k u n f t finden. Aus den Fachwissenschaften, deren Gebietsgrenzen fließend sind, gehen Bestrebungen hervor, die in der Philosophie zur W i s s e n s c h a f t s s y n t h e s e führen, d. i. zu einer Personalunion von Einzelwissenschaft und Philosophie, die es ermöglicht, Querverbindungen herzustellen und überhaupt größere Zusammenhänge zu erarbeiten — nicht als bloß abstrakt-klassifikatorische und enzyklopädische, sondern von den wissenschaftlichen Grundfragen ausgehend und im Besitz jenes ungeheuren Wissensstoffes, den das 19. J a h r h u n d e r t heraufgefördert hatte. (Das System W. Wundts, dessen „Völkerpsychologie" im Jahre 1900 zu erscheinen beginnt, ist d a f ü r ein Beispiel). — N u n wird m a n die leidige Frage auch noch stellen müssen, wann denn das 19. Jahrhundert e n d e ? Endet es mit dem ersten Weltkrieg (1914) oder noch später, in den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts? Ist der „Wiederaufstieg" der Philosophie seit 1880 die Morgenröte eines neuen Zeitalters oder der reaktionäre Abschluß einer ihrer progressiven Tendenzen untreu gewordenen Epoche? Man sieht, daß es auch hier auf Blickpunkt und Maßstab ankommt, und natürlich auf den Sinn dessen, was als Philosophie der Gegenwart gilt. Der Abstand der „Gegenwart" vom 19. Jahrhundert drückt sich jedenfalls in einer gewissen f e i n d l i c h e n E i n s t e l l u n g zur Philosophie unserer Väter und
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Großväter aus. Traditionslosigkeit, Kategorienschwund, Problemenge, Übergewicht der Erkenntnistheorie und Bewußtseinsanalyse über die Sach- und Wesensforschung, und dabei wieder Verwechslung von Erkenntnisgegenstand und Erkenntnismittel, Wirklichkeitserkenntnis und Wirklichkeitserzeugung, sowie Methodologismus als Verwechslung des Weges mit dem Ziel, oder Verabsolutierung besonderer einzelwissenschaftlicher Perspektiven (Psychologie: Psychologismus, Soziologie: Soziologismus usw.), — diese und andere Einwände, die sich zum Teil auch in unserer Darstellung fanden, zeigen wohl, daß die Philosophie der Gegenwart das beglückende Bewußtsein hat, es „besser" machen zu können. Sie zeigen aber nicht, daß die Auseinandersetzung mit dem 19. Jahrhundert aus einer S e l b s t k r i t i k entspringt, die noch lange nicht abgeschlossen ist und in manchem auf jene „überwundenen" Positionen zurückführen dürfte. Blieb der klassische deutsche Idealismus zunächst von solchen Angriffen verschont, so ergab sich doch bald, wie eng er im Grunde mit der späteren Entwicklung oder „Entartung" der Philosophie zusammenhängt. Hier war es die p r o t e s t a n t i s c h e T h e o l o g i e , in welcher Lutherrenaissance und neuer Glaubensrealismus zur Preisgabe der „humanistischen" Grundbegriffe des 19. Jahrhunderts, der Glaubenslehre von Schleiermacher bis Ritsehl, und damit zum „Kampf gegen den Idealismus" führten. Kierkegaard wurde gegen Hegel, Luther (und in der Philosophie: Leibniz) gegen Kant ausgespielt. Wie es sich damit auch verhält, — an einem Punkte scheint unser Band mit dem 19. Jahrhundert zerrissen. Wissenschaftliche Leistungen, wie sie das Zeitalter der Wissenschaftsautonomie hervorbrachte, und wie sie nur möglich waren auf dem durch die idealistische Metaphysik vorbereiteten Boden, scheinen der Gegenwart und wohl auch ferneren Zukunft versagt. Wisenschaftsideologie, Zweckwissen und Kollektivarbeit haben den Sinn der „autonomen" Wissenschaft zerstört. Auch dies
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freilich — und das ist die Dialektik der Sache — als „Ergebnis" des 19. Jahrhunderts. Literatur I. Grundfragen und Gesamtverlauf der Philosophie des 19. Jahrhunderts 1. Neuere Literatur E. v. ASTER, Geschichte der neueren Erkenntnistheorie, Berlin 1921. — E. BERGMANN, Der Geist des 19. Jahrhunderts, Breslau 1922. — E. CASSIRER, Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit I I I : Die Nachkantische Philosophie, Berlin 1923. — H. HEIMSOETH, Metaphysik der Neuzeit, Handbuch der Philosophie, herausgegeben von Baeumler und Schröter, München und Berlin 1929. — E. JAENSCH, "Wirklichkeit und Wert in der Philosophie und Kultur der Neuzeit, Berlin 1929. — K. JOEL, Wandlungen der Weltanschauung II, Tübingen 1928. — G. LEHMANN, Geschichte der Nachkantischen Philosophie, Berlin 1931. — F. MEINECKE, Die Entstehung des Historismus I I : Die deutsche Bewegung, München und Berlin 1936. — E. ROTHACKER, Einleitung in die Geisteswissenschaften, Tübingen 1920; Logik und Systematik der Geisteswissenschaften, Handbuch der Philosophie, München und Berlin 1927. — E. TROELTSCH, Gesammelte Schriften I I I : Der Historismus und seine Probleme, Tübingen 1922; Der Historismus und seine Überwindung, Berlin 1924. — F. ÜBERWEG, Grundriß der Geschichte der Philosophie, I V : Die Deutsche Philosophie des 19. Jahrhunderts und der Gegenwart, 12. Auflage (K. Oesterreich), Berlin 1923. — J . WACH, Das Verstehen. Grundzüge einer Geschichte der hermeneutischen Theorie im 19. Jahrhundert, Bd. I — I I I , Tübingen 1926 ff. — W. WINDELBAND, Die Philosophie im deutschen Geistesleben des 19. Jahrhunderts, Tübingen 1909; Lehrbuch der Geschichte der Philosophie, herausgegeben von Heimsoeth, Tübingen 1935; Geschichte der neueren Philosophie, II, 7. u. 8. Auflage, Tübingen 1922. 2. Aus der älteren Literatur J . BERGMANN, Geschichte der Philosophie II, 1893. — H. M. CHALYBEUS, Historische Entwicklung der spekulativen Philosophie von Kant bis Hegel, 1837. — A. DREWS, Die deutsche Spekulation seit Kant, 1893. — J. E. ERDMANN, Grundriß der Geschichte der Philosophie II, 1866; Versuch
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einer wissenschaftlichen Darstellung der Gesdiichte der neueren Philosophie 1834 ff. — I. H . F I C H T E , System der- Ethik, 1850 ff. — K. F I S C H E R , Geschichte der neueren Philosophie, 1852 ff. — C. F O R T L A G E , Genetische Geschichte der Philosophie seit Kant, 1852. — E. v. H A R T M A N N , Geschichte der Metaphysik I I , 1900. — E. R E I N H O L D , Gesdiichte der Philosophie nach den Hauptmomenten ihrer Entwicklung, 3. Auflage, 1845. — E. Z E L L E R , Geschichte der deutschen Philosophie seit Leibniz, 2. Auflage, 1875. II. Die Philosophie im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts (Besondere Literatur nach den einzelnen Abschnitten) H . G R O O S , Der deutsche Idealismus und das Christentum, München 1927. — N . H A R T M A N N , Philosophie des deutschen Idealismus I, Berlin 1923, II 1929. — H . A. K O R F F , Geist der Goethezeit I — I I I , Leipzig 1923 ff. — R. K R O N E R , Von Kant bis Hegel I—II, Tübingen 1921. — W. L Ü T G E R T , Die Religion des deutschen Idealismus I—II, 1923. — H . M A I E R , Die Anfänge der Philosophie des deutschen Idealismus, Pr. Akademie der Wissenschaften 1930. — F . M E I N E C K E , Weltbürgertum und Nationalstaat, 7. Auflage, München 1928. — E. SPRANGER, Der Kampf gegen den Idealismus. Akademieabhandlung, Berlin 1931.
ERSTER
TEIL
Die deutsche Philosophie im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts i.
Die philosophiegeschichtlichen Voraussetzungen Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts erreicht die deutsche Philosophie den bisher höchsten Stand ihrer Entwicklung. Das bedeutet an sich schon, daß das Studium der Denker dieser Zeit mit großen (sachlichen und formalen) Schwierigkeiten verbunden und an eine Reihe von V o r a u s s e t z u n g e n geknüpft ist. Diese erstrecken sich auf die Kenntnis der g a n z e n Tradition, insbesondere auf die Schulphilosophie des 18. Jahrhunderts. Sie erstrecken sich ferner auf den Zusammenhang der Philosophie der Goethezeit mit der a l l g e m e i n e n G e i s t e s g e s c h i c h t e — denn die Spekulation .trennt nicht Philosophie und Leben, sondern vereinigt sie aufs engste. Und nicht zuletzt beziehen sie sich auch auf die philologische A n e i g n u n g der Werke dieser Denker. Denn wenn es hierzu auch keiner besonderen fremdsprachlichen Kenntnisse bedarf, so doch alles dessen, was nötig ist, um philosophische Gedankentexte zu interpretieren. Dies ist der Gegenstand der H e r m e n e u t i k , wie sie zu . Beginn des 19. Jahrhunderts als besondere Wissenschaft entstand (Schleiermacher, Boeckh, W. v. Humboldt u. a.) un'l bis zu W. Dilthey und seinen Schülern weitergebildet wurde. Zwar sind die meisten größeren Darstellungen der Philosophiegeschichte des 19. Jahrhunderts (]. E. Erdmann, Kuno Fischer, "Wilhelm Windelband u. a.) nicht aus der „hermeneutischen Bewegung" hervorgegangen, sondern aus der Hegelschen Philosophie; erst in Diltheys Arbeiten (Leben Schleiermachers, Jugendgeschichte Hegels) kommt es zu einer fruchtbaren Verbindung. Aber die Eigenart der spekulativen Lehmann, Philosophie V I I I
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Philosophiegeschichtliche Voraussetzungen
Systeme zwang zu immer neuer Interpretation, insbesondere im letzten Drittel des Jahrhunderts, als man in veränderter Zeitlage wieder an sie anzuknüpfen suchte. Dabei gerade trat — und tritt auch in der Gegenwart, die viel Quellenmaterial erschloß — die „Lebendigkeit" dieser Denker hervor: die Möglichkeit, durch tieferes Eindringen in ihre Werke zu völlig neuen Gesichtspunkten und Erkenntnissen zu gelangen. So daß im Ganzen die während des Jahrhunderts „festgestellten" Auffassungen heute überholt sind. Diese Auffassungen zu kennen, gehört freilich zu den Voraussetzungen jeder neuen Interpretation.
Wir können hier nur auf den wichtigsten Punkt, den Zusammenhang der Philosophie der Goethezeit mit dem 18. J a h r h u n d e r t , hinweisen. Eine verbreitete, aber unhaltbare Auffassung nimmt die idealistische Philosophie als geradlinige Fortbildung der Philosophie Kants, den man vielfach, auf Grund seiner Metaphysik, selbst dem deutschen Idealismus zurechnet. Als mitbestimmend werden dabei immerhin anerkannt: die Neubelebung der Philosophie Spinozas in den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts, die sich an den sogen. Pantheismus - Streit zwischen Mendelssohn und Jacobi knüpft, der Einfluß der „Glaubensrealisten" (Hamann, Jacobi), die der Gegenströmung zur eigentlichen Aufklärung den schärfsten Ausdruck gaben und das Lebensgefühl des Sturmes und Dranges befruchteten. Ferner der Einfluß ausländischer Denker wie Shaftesbury (1671 bis 1713) und Hemsterhuis (1721—1790), von denen jener durch seinen ästhetischen Moralismus die "Weltanschauung der Klassik beeinflußte, während dieser als eigentlicher Vorläufer der Romantik gilt (s. u.). Daß der Übergang von Kant zur idealistischen Philosophie wesentlich in einer Verstärkung der platonischen Elemente Kants besteht, unterliegt keinem Zweifel. Strittig ist dagegen, wie weit Kants „bloße Idee" der Idee Piatons angenähert werden kann (in der Marburger Schule wurden Kant und Piaton — auf Kosten des spekulativen Idealismus — nahezu zur Deckung gebracht). Strittig ist auch der Anteil Plotins am Weltbild
Kant und der deutsche Idealismus
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der Goethezeit; daß er sehr bedeutend ist, zeigt die heutige Literaturwissenschaft. D a ß überall eine Beziehung der Nachkantischen Denker zu Kant besteht, versteht sich von selbst. Sie ist aber nicht eindeutig. Schon deshalb nicht, weil K a n t noch mitten in der Produktion ist, als ihn seine Nachfolger bereits zu „überflügeln" suchen (s. Zeittafel II). U n d weil sich nicht nur die idealistischen Metaphysiker, sondern auch ihre Gegner (Fries, Herbart, Schopenhauer) auf Kant beziehen. Die Formel „von Kant bis Hegel", die bedeuten soll, daß man gleichsam in e i n e m Gedankenzuge aus dem kritischen Idealismus Kants den subjektiven (Fichte), objektiven (Schelling) und absoluten Idealismus (Hegel) entwickeln kann, ist konstruktiv und neuhegelisch. Kant, Fichte und Schelling werden zu bloßen „Momenten", die in der Hegeischen Philosophie „aufgehoben" sind. So sah es zwar Hegel, aber so ist es nicht richtig. Heute ist zudem klar, daß sich Schelling und Hegel ganz anders zu Kant verhalten als Fichte, und daß gewisse Gesmeinsamkeiten ihrer Kantkritik nur oberflächlich sind. Was Schelling, Hegel (und auch Hölderlin) verbindet, ist die schwäbische Tradition, in der sie aufgewachsen sind (insbesondere die schwäbische Theosophie des 18. Jahrhunderts: Bengel, Oetinger, Hahn u. a.). Ungleich wichtiger für das Verständnis der großen Systematiker der Goethezeit als die „Rekonstruktion" ihrer Kantherkunft ist der Sachverhalt, daß sie sich gerade in ihren D i f f e r e n z e n (Schellings Trennung von Fichte, Hegels Kritik an Schelling, aber auch Schellings Übergang von der „negativen" zur „positiven" Philosophie, s. u.) auf Kant berufen. Allerdings ist es e i n Kantisches W e r k , das wie in einem Brennpunkt die Interessen und Gedankenansätze des metaphysischen Idealismus vereinigt: die K r i t i k d e r U r t e i l s k r a f t ( 1 7 9 0 ) , der sich Schiller und Fichte ebenso verpflichtet fühlen, wie Schelling, Goethe und Hegel. Diese philosophiegeschichtliche Bedeutung verdankt die Kritik der Urteilskraft nicht nur ihrer T h e m a t i k (Lehre vom Schönen und Erhabenen — von der inneren Zweckmäßigkeit der Organismen und der Weltorganisation — vom 2»
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Philosophiegeschichtliche Voraussetzungen
Endzweck des Menschen oder der Ethikotheologie), sondern auch ihrer T e n d e n z . Den sogen. „Dualismus" Kants: die Gegensätze von N a t u r und Freiheit, Verstand und Vernunft, Sinnlichem und Übersinnlichem, zu überbrücken, und den „Ubergang" von der Kritik der reinen zur Kritik der praktischen Vernunft herzustellen, ist ja die ausdrückliche Absicht der Schrift. Eine „monistische" Tendenz ist das also, die freilich insofern f ü r Kant eine n u r „systematische" (d. h. auf den System b e g r i f f gerichtete ist), als er nicht daran denkt, eine monistische Metaphysik selber aufzustellen. Aber auch in dieser Form, und auf Grund ihrer metaphysischen „Wegweiser", mußte die Kritik der Urteilskraft dem Einheitsdrange d e r jungen Generation entgegenkommen. Von den hierher gehörenden Begriffen Kants ist am wichtigsten der des i n t u i t i v e n V e r s t a n d e s , d . i . eines Verstandes, der nicht wie der unsrige „diskursiv" durch Begriffe vom Allgemeinen zum Besonderen und Einzelnen gelangt, sondern in der Anschauung eines Ganzen den notwendigen Zusammenhang der Teile unmittelbar erfaßt. U n d der dies vermag, weil er nicht nur „ganzschauend", sondern zugleich „ganzmachend" ist (der intuitus originarius der Tradition, auf welchen der Begriff zurückgeht, ist ja „urbildlich", insofern Gottes Anschauen kein „Abbilden", sondern ein Produzieren ist). Z w a r hatte Kant den urbildlichen Verstand auch sonst als „Grenzbegriff" gebraucht, zwar ist er ihm auch in der Kritik der Urteilskraft nur ein Standpunkt, den wir denken, aber nicht selber einnehmen können, — trotzdem verwendet er ihn als I d e e der reflektierenden Urteilskraft, was Goethe (1817) so zusammenzieht, daß er von „anschauender Urteilskraft" spricht, und damit den Sinn verbindet, daß wir uns „durch das Anschauen einer immer schaffenden N a t u r zur geistigen Teilnahme an ihren Produkten würdig" machen. Diese Beziehung z u Kants letzter Kritik (und natürlich auch zu seiner „idealistischen" Erkenntnislehre) ist jedoch nur auf dem H i n t e r g r u n d e einer A u s e i n a n d e r s e t z u n g mit K a n t und tiefgreifender G e g e n s ä t z e z u ihm aufzufassen. U n d d a z u bedarf es eines H i n w e i s e s auf das Verhältnis, in welchem s o w o h l Kant als auch der spekulative Idealismus zur S c h u l p h i l o s o p h i e d e s 18. J a h r h u n d e r t s stehen.
Der Spätrationalismus
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Der systematische H ö h e p u n k t der Schulphilosophie des 18. Jahrhunderts ist die Philosophie von Chr. Wolff (1679—1754). Wolfis" „Rationalismus" wird jedoch weitergebildet im S p ä t r a t i o n a l i s m u s (Baumgarten, Meier, Eberhard). Die Weiterbildung liegt in der Linie einer tieferen Lez^nizauffassung, insbesondere der Monadenlehre, und einer Entwicklung der Leibnlzschen Lehre von der sinnlichen Erkenntnis zur Ästhetik. In vielem f ü g t sich Kants „Transzendentalphilosophie" dieser Entwicklung ein, in vielem liegt sie quer dazu. Davon jedenfalls, daß K a n t den Spätrationalismüs „vernichtet" hätte, kann keine Rede sein. Seine Angriffe auf die Schulphilosophie werden von dieser erwidert, und nicht nur Herders „metakritische Invasion" (Metakritik 1799, Kalligone 1800), sondern auch Reinholds Elementarphilosophie, Maimons „Skeptizismus" (s. u.), und dann eben die Systeme Fichtes, Schellings und Hegels, hängen mit der Leibnizbewegung des Spätrationalismus zusammen. Einer verbreiteten Auffassung zufolge war „mit Kant einerseits, dem Spinozismus andererseits die Welt verwandelt und Leibniz entschieden abgewandt" (H. Schmalenbach). Dieses war jedoch so wenig der Fall, daß sich ohne Leibniz weder das Weltbild unserer Klassiker noch die Philosophie Fichtes und Schellings (mit Hegel verhält es sich etwas anders) noch der sogen. Neospinozismus (der sowohl bei Herder als auch bei Maimon eine Verbindung von Leibniz und Spinoza ist) verstehen lassen. Und vor allem gibt es im 19. Jahrhundert, wenn auch weit weniger deutlich als im 18., eine L e i b n i z b e w e g u n g , die teils von Leibniz' pluralistischer Metaphysik (Herbart, Personalismus der Spätidealisten u n d ihrer Gegner), teils von Leibniz' Logik (Bolzano bis zur Logistik der Gegenwart) bestimmt ist.
Ist auch die „ V e r n u n f t " f ü r den deutschen Idealismus etwas ganz anderes als das „Vermögen, den Zusammenhang der Wahrheiten einzusehen", wie Wolff sie definiert, und läßt auch die Höhenlage dieser Metaphysik einen Vergleich mit der Schulphilosophie des 18. Jahrhunderts überhaupt nicht zu, so bleibt doch das Grundthema des Rationalismus erhalten: die Vernünftigkeit
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Grundsatzphilosophie und Wissenschaft
des Daseins, seinen „Sinn" zu erkennen. Nur eben, daß diese „Vernunft" die Last der Unvernunft, des Irrationalen in seiner ganzen Mächtigkeit, im "Widerspruch, Schmerz und Leiden, wird aufnehmen müssen. Insofern — aber auch n u r insofern— ist die Philosophie im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts (abgesehen von einigen scharf antirationalistischen Ansätzen in der Romantik, s. u.) „Rationalismus". Insofern ist sie eine „Fortsetzung" der spätrationalistischen Schulphilosophie und gehört zum 18. Jahrhundert. Literatur A. BAEUMLER, Kants Kritik der Urteilskraft I, Halle 1923. — F. BULLE, F. Hemsterhuis und der deutsche Irrationalismus des 18. Jahrhunderts, Jena 1911. — K.P.HASSE, Von Plotin zu Goethe. 2. Aufl., Meerane 1912. — F. KOCH, Schillers philosophische Schriften und Plotin, Leipzig 1926; Goethe und Plotin, Leipzig 1925. — D. MAHNKE, Leibniz und Goethe, Erfurt 1924. — H.' PICHLEK, Die Entwicklung des Rationalismus von Descartes bis Kant, in: Kantstudien X V I I I , 1913. — H . SCHMALENBACH, L e i b n i z , M ü n c h e n 1921. — R . SCHNEIDER,
Schellings und Hegels schwäbische Geistesahneri, Würzburg 1938. — K. VORLÄNDER, Kant, Schiller, Goethe, 2. Aufl., Leipzig 1922. — Chr. F. WEISER, Shaftesbury und das deutsche Geistesleben, Leipzig 1916. — M. WUNDT, Kant als Metaphysiker, Stuttgart 1924; Die deutsche Schulphilosophie im Zeitalter der Aufklärung, Tübingen 1945.
II. Grundsatzphilosophie und Wissenschaftslehre Der Same der Vernunftkritik war nicht auf jungfräulichen Boden gefallen. Kant hatte auf Anerkennung oder ernsthafte Auseinandersetzung gerechnet. Er stieß auf Übelwollen und Mißverständnis. Nun gab es zwei Wege, den Kritizismus anzusiedeln: ihn entweder mit der Schulphilosophie zu verbinden .und ihr das Neue langsam beizubringen, oder eine eigene Schule zu begründen und die Katheder zu erobern. Kant beschritt
Erste Weiterbildung Kants
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den zweiten Weg und hatte Erfolg. Mit „elektrischer Geschwindigkeit" (Rosenkranz) verbreitete sich in Deutschland eine K a n t o r t h o d o x i e , die naturgemäß ein Zerrbild dessen gab, was K a n t erstrebte. Bald versuchte man, K a n t fortzubilden. Und es trat ein, was unvermeidlich w a r : die Fortbildungen wurden in bestimmter Hinsicht Rückbildungen. Denn die Aufgabe, die K a n t unberücksichtigt gelassen hatte, mußte ja erst noch gelöst werden. Man mußte die Vernunftkritik mit der Schulphilosophie verknüpfen. Nicht historisch, sondern systematisch. Verglichen mit Wolfis- und Baumgartens Lehrgebäuden erschien die Vernunftkritik fragmentarisch. Diese umfaßten alle Gebiete der Philosophie. Kant hatte ein „System" der Metaphysik erst in Aussicht gestellt (die Kritik der Urteilskraft war noch nicht erschienen), und von der Kritik hatte er das unglückliche Wort geprägt, sie sei nur „Propädeutik". Bei Wo/jff war alles auf einen „Grund" gebracht, die Philosophie war Grundwissenschaft1), insofern sie die Gründe (bzw. Ursachen) aller Dinge untersucht, und der Satz vom zureichenden Grunde (den Wolf} aus dem Satz des Widerspruchs beweist) war insofern selbst der höchste Grundsatz. Durch eine Kette von Determinationen waren alle Wahrheiten, von den notwendigen zu den zufälligen, verbunden. Und ohne der Erfahrung das Recht zu schmälern, hatte Wolff alles, in einem der Mathematik ähnlichen Verfahren, streng „erwiesen". Noch eines kam hinzu. Wolff, der Descartes mit Leibniz verband, beginnt seine „Vernünftigen Gedanken" mit der Zweifelsbetrachtung Descartes'; er beginnt die Metaphysik (und Logik) mit der Analyse des B e w u ß t s e i n s , und hat auch den Namen (Bewußt Sein) geprägt. Daß wir uns selbst und anderer Dinge bewußt sind, ist „unwidersprechlich" und die erste unmittelbare Erfahrung. Nach ihrem Erscheinen ( 1 7 8 1 ) war die Vernunftkritik in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen ( 1 7 8 2 ) rezensiert und als Subjektivismus (in der A r t Berkeleys) aufgefaßt worden. Kant hatte in den Prolegomena ( 1 7 8 3 ) die realistischen Momente seiner Philosophie hervor1 ) „Grund-Wissenschaft" i. e. S . nennt Wolff die Ontologie, die ihm der erste T e i l der Metaphysik oder „Haupt-Wissenschaft" ist.
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Grundsatzphilosophie und Wissenschaft
gekehrt; er hatte der 2. Auflage der Vernunftkritik (1787) eine förmliche „Widerlegung des Idealismus" eingefügt. An der Überzeugung der Zeitgenossen änderte er damit nicht viel. Seine ersten Fortbildner setzen jedenfalls einen „subjektivistischen" Kant voraus. Zweifelhaft, ja unmöglich erscheint es ihnen, die Realität der Dinge an sich, die den Erscheinungen zugrunde liegen und unsere Sinne „affizieren" sollen, zu retten. J a c o b i war es, der (1787) das Argument vorbrachte: o h n e die Dinge an sich sei in das System nicht hineinzukommen, m i t ihnen aber nicht darin zu bleiben. In diesem Zeichen steht die erste Weiterbildung Kanis durch Reinhold (1789), Maimon (1790), Fichte (1794) und Beck (1796). Diese Denker — und mehrere andere — gehören zur Zeit ihrer Anfänge jener Bewegung an, die wir G r u n d s a t z p h i l o s o p h i e nennen, weil es ihr Bestreben ist, den höchsten Grundsatz zu finden, von dem aus die Kritik zu systematisieren (bzw. wie bei Beck, den „einzig möglichen Standpunkt", aus dem sie zu „beurteilen"), und die Philosophie selbst als wissenschaftliches System zu „deduzieren" ist. Die Grundsatzphilosophie ist Bewußtseinsphilosophie, Grundwissenschaft, Systemphilosophie. Sie ist der durch die Vernunftkritik hindurchgegangene, „geläuterte" Wolffianismus bzw. Leibnizianismus. "Wie die anfänglidie Kantbegeisterung, wurde auch die Grundsatzphilosophie bald zur Mode. Zum „Satz des Bewußtseins" (Reinbold), „Satz der Bestimmbarkeit" (Maimon), Satz des „Ich" (Fichte) gesellen sich andere Grundsätze: Abichts „Grundsatz der Beseelung", Berneburgs Grundsatz der „Allwissenschaftslehre" („Ich bin nicht Du, weil und insofern Du nicht bist Ich") usw. Reinhold, der „Pilger des deutschen Idealisums", ist der Initiator der Grundsatzphilosophie. Er nennt seine „Philosophie ohne Beinamen" Fundamentaloder E l e m e n t a r p h i l o s o p h i e , weil es noch jeder Philosophie, selbst der Kantischen, wenn man sie als Wissenschaft betrachte, an einem Fundament fehle (1791). Fichte, der „Messias der Vernunft", der die Ära der Grundsatzphilosophie abschließt, und die Bewußtseinsphilosophie in einen
Charakter der Grundsatzphilosophie
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ethischen Idealismus überführt, nennt die seinige bis zuletzt W i s s e n s c h a f t s l e h r e . Maimon, dessen „neue Logik" (1794) die erste formallogische Weiterbildung von Kants transzendentaler Logik ist, nimmt eine eigentümliche Mittel-, aber auch Abseitsstellung ein. In den Umkreis der Grundsatzphilosphie gehört auch Schellings Jugendarbeit über die Form der Philosophie (1794) und (in weiterem Sinne) Bouterweks Apodiktik (1799), Krugs Fundamentalphilosophie (1818), sowie Schopenhauers Dissertation über den „Satz vom Grunde" (1813). — Durch Maimon gelangt Fichte über Reinhold hinaus; durch Fichte wird Reinhold von der Unzulänglichkeit seines eigenen „Fundamentes" überzeugt. Unter den Genannten ist Fichte der mächtigste, im 19. Jahrhundert und auch in der Gegenwartsphilosophie fortwirkende Denker (auf ihn gehen in Deutschland Windelband, Richert, Münsterberg, in Italien Gentile, zurück). Es wäre lächerlich, die „Wissenschaftslehre", als Inbegriff von Fichtes g a n z e r Philosophie, in den Rahmen der Grundsatzphilosophie einzuspannen. Aber Fichte ist von ihr ausgegangen, und die Wissenschäftslehre ist aus ethisch-metaphysischen Antrieben allein nicht zu verstehen. Sondern zunächst aus der, die Grundsatzphilosophie beherrschenden Problematik, die bei Kant unter dem Titel der „transzendentalen Deduktion der Kategorien" und dem Grundbegriff der „transzendentalen Apperzeption" auftritt. Diese Apperzeption ist das „ursprüngliche" Selbstbewußtsein als Bedingung des empirischen. Inwiefern kann es als „Fundament" des Wissens dienen, und welches ist sein „Sinn"? Das ist die Frage Reinholds, die Fichte verschärft. Karl Leonhard Reinhold, 1758 in Wien geboren, mit 14 Jahren Novize im Jesuitenkollegium St. Anna, kam nach Aufhebung des Jesuitenordens 1774 ans Barnabitenkollegium und wurde 1780 als Lehrer der Philosophie im Kloster angestellt. Doch war die Aufklärung in Österreich eingedrungen, Reinholds religiöse Anschauungen waren erschüttert, ein Mädchen kam hinzu, Mönch wollte er nicht werden, — so entflieht er 1783 im Wagen eines Leipziger Professors. In
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Leipzig hört er Vorlesungen bei Platner. Als er keinen Dispens erhält, reist er ins liberalere „Ausland" nach Weimar (1784). Zum Protestantismus übergetreten, an W ieland empfohlen, lernt er Wielands älteste Tochter Sophie kennen, mit der er sich 1785 verheiratet. Er arbeitet am Deutschen Merkur, an der „Allgemeinen Damenbibliothek", und neigt Herder zu. Im Herbst 1785 wird er auf Kants Kritik aufmerksam, liest sie fünfmal vergebens, bis endlich der Funke zündet. Durch seine „Briefe über die Kantische Philosophie" (1786/87 im Deutschen Merkur) erregt er Kants Wohlgefallen, und sein Ruhm ist begründet. Minister Voigt, damals Universitätskurator, verschafft ihm 1787 die Professur in Jena. Er hat über 400, zuletzt gegen 600 Zuhörer, und läßt 1789 seine Vorlesungen über die Kritik, umgearbeitet, als „Neue Theorie des Vorstellungsvermögens" erscheinen. 1793 wird er als Nachfolger von Tetens nach Kiel berufen, wo er von 1794 bis zur Emeritierung lehrt. Seit seiner Bekehrung zu Bardiiis „realistischer Logik" war die Zeit über ihn hinweggegangen („ich vermag nichts mehr in der Welt, als eben noch ein bißchen zu lernen"). Er stirbt im Jahre 1823. Reinhold ist kein Titan wie Fichte, sondern von großer Empfänglichkeit, und jederzeit bereit, seine Irrtümer zu bekennen. Schiller urteilt hart von ihm, wenn er ihn einen „fast vertrockneten, ausgesogenen K o p f " nennt, der mit Gefühlen ermüde, „die er suchen und zusammenscharren muß". Fichte vermißt an ihm die Überzeugung. Schelling allein hat ihm ein besseres Denkmal gesetzt (1795). Reinholds innere Entwicklung wird immer durch äußere Einflüsse durchkreuzt; er sucht mit anderen zu denken, „Mißverständnisse" zu berichtigen, die „Selbstdenker" über ihre. „Prinzipien" zu vereinigen. Popularisator ist er keineswegs, sondern bei aller Breite oft von klarer Einsicht und scharfem Verstände. Manches Lob, das Fichte geerntet, gebührt Reinhold. Und die Akten über seine Philosophie sind noch nicht geschlossen. Von den sechs Stadien seiner Entwicklung: Kantianismus der „Briefe", Elementarphilosophie, Fichteanismus (1797), Obergang zu Jacobi (1799). Übergang zu Bardiii (1802), Versuch, eine eigene Sprachphilosophie zu begründen (1812 ff.), kann uns nur das zweite beschäftigen, und auch da nur der Einsatz. Philosophie ist als Wissenschaft nur möglich, wenn es einen ersten Grundsatz gibt, aus dem alle Erkenntnisse abgeleitet werden können. Der Satz vom Widerspruch
Karl Leonhard Reinhold
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kann dieser Grundsatz nicht sein, weil er formal ist und zu seiner Anwendung eines von ihm verschiedenen „Grundes" bedarf. Der erste Grundsatz muß formal u n d material sein, d. h. einen Inhalt haben, eine Tatsache ausdrücken. Er muß unmittelbar gewiß, evident, unbestreitbar und allgemeingültig sein: er muß sich auf alles beziehen, was überhaupt „ist". Reinhold nennt ihn den S a t z d e s B e w u ß t s e i n s , und zergliedert ihn nach drei Momenten: Vorstellung, Subjekt und Objekt. „Im Bewußtsein wird die Vorstellung durch das Subjekt vom Subjekt und Objekt unterschieden und auf beide bezogen." U n m i t t e l b a r geht das Bewußtsein auf die „Tatsache", die jedem bekannt ist, der von sich selber spricht. M i t t e l b a r geht es auf die „Begriffe" Vorstellung, Objekt, Subjekt, „inwiefern sie durch jene Tatsache bestimmt werden." V o r s t e l l u n g ist dabei nicht eine besondere Klasse von psychisdien Phänomenen (wie Anschauung, Wahrnehmung, Empfindung etc.), sondern dasjenige, „wodurch" man sich bewußt ist 1 ), also das Medium aller psychisdien Inhalte, ohne welche sie nicht „bewußt" wären. „Wir kennen die Objekte außer uns, und selbst das Vorstellende in uns, nur durch die Vorstellungen, die wir von ihnen haben, und die wir von ihnen selbst unterscheiden müssen." Denn allerdings: unterscheiden müssen wir Vorstellung und G e g e n s t a n d (Objekt). Der Gegenstand wird vorgestellt. Die Vorstellung „hat" einen Gegenstand, d. h. das Bewußtsein ist auf Gegenstände, nicht auf Vorstellungen gerichtet. Aber indem es Gegenstände meint, „hat" esfclochwiederum nur Vorstellungen, nicht die Gegenstände selbst (oder gar die Dinge „an sich"). Auch der „Egoist" (theoretischer Solipsist), für den alle Gegenstände „an sich" nichts weiter als Vorstellungen sind, müßte zwischen Vorstellung und Gegenstand unterscheiden. l
) Hier wird Reinholds Beziehung zu Wolff spürbar !
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Grundsatzphilosophie und Wissenschaftslehre
Wie vom Gegenstand oder Objekt, wird die Vorstellung vom S u b j e k t unterschieden. Ich, der Vorstellende, bin nicht meine Vorstellung, sondern „beziehe" nur meine Vorstellung auf mich. „Mein" ist die V o r stellung, indem sie nicht auf den Gegenstand, sondern auf das Subjekt bezogen ist. Andererseits wird die V o r stellung i m B e w u ß t s e i n vom Objekt und Subjekt unterschieden: „Ich" bin „mir" bewußt, „etwas" vorzustellen. Das die Relation stiftende Subjekt ist nicht ohne weiteres das in ihr auftretende, vom Objekt unterschiedene Subjekt. W a s Reinhold da betreibt, ist nicht Psychologie, sondern (modern ausgedrückt) Bewußtseinsphän o m e n o l o g i e . Und wohin er gerät — der „ W a l d " , in den er führt, anstatt herauszuhelfen (Herbart) — , ist B e w u ß t s e i n s d i a l e k t i k . Gerade in der Schlichtheit der Formulierung ist Reinholds „Fundamentalbetrachtung", so unvollkommen sie auch ist, und so wenig sie die tiefere Fragestellung Kants erreicht, vorbildlich. Von dem ausgeführten System der Elementarphilosophie läßt sich das nicht mehr behaupten. Die Entwicklung des Bewußtseinseinsatzes vollzieht sich in mehreren Etappen. Die Vorstellung wird auf das „Vorstellungsvermögen" und dieses auf die „vorstellende Kraft" zurückgeführt, womit der Anschluß an Leibniz hergestellt ist. An der Vorstellung wird Stoff und Form (Materiale und Formale) unterschieden; der Stoff ist gegeben, die Form hervorgebracht; der Stoff ist Mannigfaltigkeit, die Form ist Einheit. So kommt Kants Unterscheidung von Rezeptivität und Spontaneität zur Geltung (wobei jedoch auch Verstand und Vernunft einen — selbsterzeugten — „Stoff" haben sollen). Auf diese „Stofftheorie", die hernach in der „Theorie des Begehrungsvermögens" Fortsetzung findet, und von hier aus („Stofftrieb" — „Formtrieb") Schiller beeinflußte, ist nicht einzugehen. Eine gewisse Schwierigkeit ergab sich dadurch, daß der „objektive Stoff", durch den der Gegenstand in der bloßen Vorstellung bestimmt sein soll, auf das Ding an sich „bezogen" werden muß, während doch „durch keine Vorstellung . . . . ein Ding an sich erkenn-
Sdiulzes „ S k e p t i z i s m u s "
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bar ist." H i e r f a n d Reinhold, besonders unter dem Eindruck von Fichtes Wissenschaftslehre, eine „Lücke i m S y s t e m " .
Schon vorher aber war Reinhold ein Widersacher entstanden, der diese Schwierigkeiten hervorgehoben und das Ding an sich-Problem aufgerührt hatte: Gottlob Ernst Schulze (1761—1833), dessen „Änesidemus" (1792) den Generalangriff des „Skeptizismus" gegen Elementarphilosophie und Vernunftkritik markiert. Der „Stoff" der sinnlichen Erkenntnis läßt sich nicht von objektiven Dingen an sich ableiten. Denn wenn das Ding an sich bloß eine Idee der Vernunft oder ein „logisches Ding" ist, kann es nicht Ursache unserer sinnlichen Affektionen sein, nicht Ursache „von dem Stoffe unserer sinnlichen Vorstellungen." Das ist im wesentlichen das Argument Jacobis (s. o.), mit dem Schulze befreundet war, und dessen Glaubensrealismus sich auch bei ihm findet. Überhaupt kann von Skeptizismus im Ernst bei Schulze nicht die Rede sein; das Buch ist zumeist — und so auch von den Zeitgenossen — verkannt und überschätzt worden. Fichte hat sich an ihm die Sporen verdient (1794). Als „skeptisch" hatte D. Hume seine Untersuchungen über den menschlichen Verstand bezeichnet, und Kant hatte die Bezeichnung aufgenommen. Daß Kant in der Vernunftkritik Hume nicht „widerlegt" hätte, sucht Schulze zu beweisen: der Schluß von der Denknotwendigkeit auf die Seinsnotwendigkeit, der nach Hume ein Fehlschluß ist, finde sich auch bei Kant, wenn er auf ein Subjekt an sich und ein Ding an sich „schließt". Den N e r v der Humeschen „Skepsis" habe also Kant nicht erreicht; er sei bei Berkeley stehengeblieben. Das war die Behauptung der Göttinger Rezension der Vernunftkritik, die Garve und Feder verfaßt hatten (s. o.). Und auch mit Feder war Schulze befreundet. Ungleich wichtiger ist der „Skeptizismus" von Salomon Maimón. Er unterbietet nicht die Vernunftkritik, sondern überbietet sie. Sein Scharfsinn ist nicht oberflächlich, sondern in die Tiefe gehend. Sein „Koalitions-
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Grundsatzphilosophie und Wissenschaftslehre
system", das K a n t mit Leibniz. und Hume verbindet, ist eine neue Gestalt der Grundsatzphilosophie. E r geht nicht wie Reinhold von einer phänomenologischen Bewußtseinanalyse, sondern vom „reellen Denken", d. i. Erkennen aus. Auch Maimon ist jedoch nicht wirklich Skeptiker und ganz und gar nicht, wie Hume selber, Positivist, sondern seine Grundsatzphilosophie ist ein kritischer Rationalimus eigener Prägung. Salomon ben ]osua, später Maimon (von: Maimonides) zubenannt, hat sein Leben selbst beschrieben (1792 u. 1793, von Moritz herausgegeben). Nicht in der Art der pietistischen Selbstbekenner (wie Jung Stilling), sondern mit größtem Realismus. 1754 in Litauen geboren, wird er mit 11 Jahren verheiratet, mit 14 Vater. Mit 28 Jahren entflieht er nach Deutschland: seine Bildung ist der Talmud, die Philosophie des Maimonides und eine oberflächliche Kenntnis der deutschen Sprache. Nach vielen Irr- und Bettelfahrten erhält er in Posen eine Hofmeisterstelle. Er gibt sie auf, um in Berlin Mendelssohns Protektion zu erhalten. Sein Versuch, Apotheker zu werden, scheitert. Nach abermaligen Kreuz- und Querfahrten gibt ihm ein Gönner die Möglichkeit, in Altona auf dem Gymnasium zwei Jahre lang Sprachen zu lernen. Wieder zieht es ihn nach Berlin. In einer Dachstube studiert er kommentierend die Vernunftkritik und schreibt seinen „Versuch über die Transzendentalphilosophie" (1790). Das Manuskript schickt er (1789) durch Marcus Herz an Kant, der, „schon halb entschlossen, es zurückzuschicken", einen Blick darauf warf, und bald die „Vorzüglichkeit desselben zu erkennen" begann. Nicht allein niemand von seinen Gegnern hätte ihn und die „Hauptfrage" so wohl verstanden, sondern nur wenige besäßen zu dergleichen Untersuchungen so viel Scharfsinn „als Herr Maymon", schreibt Kant an Herz (26. V. 1789). Dieses günstige Urteil gab ihm Ansehen in Berlin, aber keinen Lebensunterhalt. Unermüdlich produzierend und an Zeitschriften mitarbeitend, sucht er sich durchzuschlagen. Doch erst die Freundschaft des Grafen Kalchreuth verschafft ihm Zuflucht und Ruhe. Er stirbt 1800 auf einem Gute des Grafen in der Nähe von Glogau. Trotz der umfangreichen Arbeit von Fr. Kuntze (1912) steht die Maimon-Forschung noch in den Anfängen. Sein philosophisches Gesamtbild ist umrissen. Wenig geklärt sind Maimons Beziehungen zur „Erfahrungsseelenkunde" (Moritz,
Maimons Satz der Bestimmbarkeit
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Pockels) und Psychiatrie der damaligen Zeit —, ein nicht unwichtiger Punkt in der Geschichte der Wissenschaftsbewegung des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Auch eine genauere Analyse der sachlichen Zusammenhänge zwischen Maimon und dem „logisdien" Neukantianismus H. Cohens steht noch aus.
Alle Wissenschaften sind der Philosophie untergeordnet. Wie die Gottheit zur Welt, so verhält sich die Philosophie zu den Wissenschaften: sie macht die Wissenschaften allererst „möglich", weil sie die „Form einer Wissenschaft überhaupt a priori bestimmt". Insofern ist die Philosophie Grundwissenschaft. Sie gibt dem Zerstreuten und Zufälligen in unserer Erkenntnis „systematischen Zusammenhang". Fragen wir aber nun nach ihrem ersten Grundsatz, so stoßen wir sogleich auf ein P r o b l e m : wie sich nämlich die Philosophie zur Logik, oder wie sich das Bewußtsein zum Denken verhält. Für Reinhold wird die „Vorstellung" im Bewußtsein „unterschieden" und „bezogen". Sind das nicht Akte des Denkens? Für Reinbold soll der Satz vom Widerspruch nur formal sein. Aber welchen Sinn hat es, daß das formale Denken dem Erkennen, die Urteilsform der Kategorie, die Logik der Transzendentalphilosophie „voraufgeht"? Sind nicht die Gesetze des formalen, bloß logischen Denkens erst von dem „reellen", d. h. objektiv gültigen, Objekte bestimmenden Denken aus zu gewinnen? So stellt Maimon von vornherein andere Forderungen an den ersten Grundsatz als Reinhold: logische und erkenntnistheoretische Forderungen. Er verlangt einen „Grundsatz" des erkennenden Denkens, — nicht des willkürlich verknüpfenden, nicht des bloß beziehenden, sondern des bestimmenden, d. h. ein bestimmtes Objekt erkennenden Denkens. Und dies ist der G r u n d s a t z d e r B e s t i m m b a r k e i t : „Ein jedes durchs Denken zu bestimmende reale Objekt muß aus zwei Bestandteilen bestehen. Der eine ist das an sich Darstellbare (in der Anschauung Bestimmte), durchs Denken oder
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Grundsatzphilosophie und Wissenschaftsichre
Verbinden in einer Einheit des Bewußtseins mit dem anderen Teile aufs neue zu bestimmende. Der andere ist das nicht an sich, sondern in Verbindung mit jenem (als dessen Bestimmung) Darstellbare." Um den Satz zu verstehen, ist b e s t i m m e n in mathematischem Sinne zu nehmen: zwei Seiten und der eingeschlossene Winkel bestimmen die dritte Seite eines Dreiecks (bestimmen ist also nicht „hervorbringen"). R e a l e s O b j e k t ist nicht empirischer Gegenstand; die Unterscheidung von reellem und formellem Denken geht vielmehr auf Leibniz' Real- und Nominaldefinition. Ferner ist „Bestimmung" so viel wie P rä d i k a t , „bestimmbar" so viel wie S u b j e k t : Das Subjekt ist das Bestimmbare, das Prädikat seine Bestimmung. Schließlich ist der Satz der Bestimmbarkeit nicht bloß ein Grundsatz, sondern selber (Erkenntnis-) G r u n d : er ist der Grund dafür, daß man nicht jede willkürliche Verknüpfung oder Begriffsbeziehung (z. B. dreieckige Tugend) als reelles Objekt denken kann. (Daß er in dieser Hinsicht nur ein andere Ausdrude für den Satz des Grundes bei Wolff ist, hat schon Zeller hervorgehoben). . Ein „reales Objekt" durch Denken bestimmen, ist erkennen. Der Erkenntnisgegenstand ist zweigliedrig (denn jede „Erkenntnis" ist ein Urteil von der Form S ist P). Der eine Teil ist die Anschauung, der andere das dem Anschauungsinhalt zu Prädizierende; der eine — das Subjekt — ist auch „an sich", der andere — das Prädikat — ist nicht an sich, sondern nur „in Verbindung mit jenem" Gegenstand des Bewußtseins (gerade sein kann nur eine Linie, recht sein nur ein Winkel). Daß das „an sich" Darstellbare in der Anschauung bereits bestimmt i s t , bedeutet zunächst nur, daß der Anschauungsinhalt (z. B. die Linie) eine Raumbestimmung ist. Der Raum ist das Bestimmbare (Subjekt), insofern er auch unabhängig von seiner jeweiligen Bestimmung „Gegenstand des Bewußtseins an sich" sein kann. Aber es bedeutet allerdings auch, daß die Raumbestimmung als Bestimmung unserem erkennenden Bestimmen vorhergeht, daß es also ein über unser Bestimmen hinausgehendes ursprüngliches „Bestimmen" geben muß. Damit hat das Denken einen Vorrang vor der Anschauung, und unser (endliches, menschliches) Denken Teil an einem umgreifenden i n f i n i t e n D e n k e n (Spinozas intellectus infinitus). Ist dies ein bloß spekulativer Gedanke, so zeigt sich doch auf der anderen Seite eine analoge Konsequenz.
Maimons „Skeptizismus"
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Diese andere Seite ist die Sinnlichkeit, Empfindung, das G e g e b e n e . Auf empirische O b j e k t e ist der Satz der Bestimmbarkeit nicht a n w e n d b a r , da wir ihre Merkmale (z. B. gelbe Farbe, spezifisches Gewicht des Goldes) nur auf „ G r u n d " der E r f a h r u n g , d. h. Gewohnheit verbinden, aber die N o t w e n d i g keit der Verbindung nicht einsehen (wie bei mathematischen Objekten). Das ist nur der sogenannte S k e p t i z i s m u s Maimons. W i r haben z w a r reine Erkenntnisse (synthetische Grundsätze im Sinne Kants), die sich aber nicht a priori auf empirische O b j e k t e beziehen (Maimon erkennt von der Kritik nur die mathematischen Grundsätze als konstitutiv an, nicht die sogen, dynamischen). Die E r f a h r u n g ist allerdings, wie Kant will, n u r durch die Vorstejlung einer notwendigen V e r k n ü p f u n g der Wahrnehmungen als objektive Erkenntnis möglich. Aber dieser Begriff hat keine „objektive Realität" u n d sein Gebrauch beruht auf einer „Täuschung" (der Einbildungskraft durch Gewohnheit). Doch ist dieser Skeptizismus selber nur scheinbar. Das empirisch Gegebene, H i n z u n e h m e n d e , hat nämlich gar nichts mit „Dingen an sich" zu tun. Die Idealisten, f ü r welche die äußeren Gegenstände nur „Bestimmungen des Erkenntnisvermögens" sind, sind nach Maimon „trotz aller lächerlichen Einwendungen, die man ihnen gemacht hat, Unwiderleglich." Das D i n g an sich im außerbewußten Sinne „enthält einen offenbaren Widerspruch." Dagegen läßt sich in immanenter Bedeutung, d. h. im Bereich unseres (endlichen) Erkennens, sehr wohl von Dingen an sich reden. U n d zwar als Ausdruck f ü r die I r r a t i o n a l i t ä t (logische Undurchdringlichkeit) eines Teils unseres Bewußtseinsinhaltes. Dieser Teil, das „Gegebene", soll bestimmt werden (ist a u f gegeben), u n d w i r d auch in fortschreitender Erkenntnis immer weiter bestimmt. Aber nie ganz. Es bleibt immer ein Rest (Differential der Sinnlichkeit bzw. des Bewußtseins). Das Ding an sich in diesem Sinne ist also einerseits Grenzbegriff, andererseits I d e e . (Ideen sind Vorstellungen, die nie völlig dargestellt werden, deren völliger D a r stellung „wir uns immer nur nähern können bis ins U n e n d liche"). Setzen wir wiederum den unendlichen Verstand ein, so ist klar, d a ß es f ü r diesen einen irrationalen Erkenntnisstoff nicht mehr gibt. U n d in gewissem Sinne auch f ü r uns nicht, insofern wir an ihm teilhaben. Erkenntnisproblem und Gottesproblem hängen so f ü r Maimon aufs engste zusamLehmann, Philosophie V I I I
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Grundsatzphilosophie und Wissenschaftslehre
men: nur durdi die Vorstellung Gottes „und unsere Vereinigung mit demselben" ist objektive und zugleich allgemeingültige Erkenntnis möglich.
Reinhold analysierte das vorstellende, gegenstandsgeriditete Bewußtsein, Maimon das erkennende, gegenstandsbestimmende. Keine dieser Analysen dringt jedoch bis zu dem Punkt vor, an dem sich das Bewußtsein erst eigentlich als Selbstbewußtsein erweist: bis zu dem Punkte des sich mit sich I d e n t i f i z i e r e n s , sich als „Ich" A n e r k e n n e n s . Im Ich liegt etwas, das durch die Richtung des Bewußtseins auf Objekte, oder auf sich selbst als Objekt, gar nicht getroffen wird. Oder vielmehr: dieses „etwas" liegt nicht „im" Ich, sondern es ist ein dem Bewußtsein gleichsam vorhergehendes, f r e i e s Sichbejahen, und nur dieses Moment der „Freiheit" ist es, das aus einem Vorstellungs- oder Denkapparat „mein" Selbstbewußtsein macht. Falsch wäre es, das vorgehende Sichanerkennen als Funktion einer ursprünglich tätigen S e e l e n s u b s t a n z (im Sinne von Leibniz) aufzufassen. Falsch, nicht weil es auf einen metaphysischen Begriff führt, sondern weil wir die Tätigkeit einer „Seele" e r s c h l i e ß e n , während das ursprüngliche Sichselbstbejahen im A k t des Selbstbewußtseins unmittelbar enthalten ist. Das ursprüngliche Selbstbewußtsein ist das sich selbst als ursprünglich „setzende" Ich. So drückt es Fichte aus, auf dessen „Wissenschaftslehre" wir nunmehr einzugehen haben. Johann Gottlieb Fichtes Leben (1762—1814) ist aus der Geschichte der deutschen Literatur bekannt. Wir fassen daher nur die für seine Philosophie wichtigen Daten zusammen. Zuerst sein Studium in J e n a (1780, Theologie) und L e i p z i g (1781—1788), das durch Geldsorgen behindert, durch Hauslehrerstellungen unterbrochen wird, und nicht zur Promotion führt („In meinen akademischen Jahren drückte mich der herbste Mangel zu Boden"). Möglich, daß er wie Reinhold in
Fichtes Leben
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Leipzig Vorlesungen Platners (1744—1818) gehört hat. Als er von einer solchen Unterbrechung in W i t t e n b e r g , wo er „Hofmeister" war, nach Leipzig zurückkehrt, gerät er in größte Not: sein 26. Geburtstag wird sein letzter sein. Da erreicht ihn das Angebot einer Hauslehrerstelle beim Gasthofbesitzer Anton. Ott in Zürich, wohin er im August 1788 zu Fuß reist. Die ersten Z ü r i c h e r Jahre (1788—1790) bringen ihn durch seinen späteren Schwiegervater Hartmann Rahn mil Männern in Beziehung, die (wie Lavater) eine Rolle im deutschen Geistesleben spielen; Rahns Tochter Johanna, mit der er sich verlobt, hatte Klopstocks Schwester zur Mutter. Der Versuch, schon jetzt die Früchte solcher Beziehungen zu ernten, scheitert jedoch (Reise nach Weimar: Herder ist krank, Goethe abwesend). So kommt er wieder nach Leipzig, und wird, durch das Verlangen eines Studenten, ihn in Kants Philosophie zu unterrichten, zum Studium Kants gezwungen. „Ich lebe in einer neuen W e l t , seitdem ich die K r i t i k der praktischen V e r n u n f t gelesen habe." Welches w a r die alte W e l t ? Mit Lessing, Hume und Platners „Stimmungsskeptizism u s " hatte sich ihm eine A r t „geläuterter Spinozismus" v e r bunden: ein ewiges, notwendiges Wesen, ein universeller K a u salzusammenhang, der alle menschlichen H a n d l u n g e n determiniert, Sünde als notwendige Einschränkung endlicher W e sen, — solche Vorstellungen mußten seiner eigenen N a t u r , seinem T ä t i g k e i t s d r a n g e , abträglich sein (und w a n d e l n sich ihm praktisch in einen naiven Vorsehungsglauben um). K a n t bewirkt in ihm eine R e v o l u t i o n ; K a n t s System w i r d ihm eine Quelle der K r a f t . — Doch w ä r e es irrig zu glauben, d a ß K a n t die alten Vorstellungen vertilgt hätte. Sie sind in Fichte nur „aufgehoben". U n d Fichte w i r d später v o n der Wissenschaftslehre sagen, d a ß sie in ihrem „theoretischen T e i l " w i r k lich der „systematische Spinozismus" sei.
Es folgt die (Fuß-) Reise nach W a r s c h a u (1791) und der mißglückte Hauslehrerversuch beim Grafen von Plater, — ein Umweg nur nach K ö n i g s b e r g , das er am 1. Juli 1791 erreicht. Sein erster Besuch bei Kant (4. Juli), die eilige Ausarbeitung der „Kritik aller Offen3*
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Grundsatzphilosophie und Wissenschaftslehre
barung" (13. Juli—18. August), die ihm einen persönlicheren Kontakt mit Kant verschafft; der leidige Geldmangel, der ihn verleitet, Kant um ein Darlehen zu bitten (2. September), Ablehnung, Verlagsvermittlung, und abermalige — nun zum ersten Male erfolgreiche — Hauslehrerstellung (beim Grafen von Krockow), — dies alles, und der nun wirklich rettende Glücksfall, daß die „Kritik der Offenbarung" versehentlich anonym erscheint und in der Jenaer Literatur Zeitung für ein Werk Kants gehalten wird, ist so oft beschrieben, daß wir nichts hinzuzusetzen brauchen. Wir finden ihn wieder in Z ü r i c h , wo er im Oktober 1793 heiratet, seinen Fürstenspiegel, die „Zurück forderung der Denkfreiheit", sowie die umfangreichen „Beiträge zur Berichtigung des Publikums über die Französische Revolution" schreibt. In dieses Jahr fällt die Konzeption der Wissenschaftslehre: am warmen Winterofen stehend, sei er von dem Gedanken des Ich ergriffen worden. Wahrscheinlich im Anschluß an die Lektüre des Aenesidemus, der Reinhold bei ihm „stürzte", Kant ihm „verdächtig machte". Er promoviert nun auch — als „pfalzgräflich schweizer Doktor" —, und es gehört zu den kleineren Tragikomödien seines Lebens, daß dieser Titel nicht anerkannt wird. Anfang 1794 trifft ihn, wohlvorbereitet, der Ruf nach J e n a (als Nachfolger Reinholds). Das größte Auditorium ist zu eng, auf Tischen, Bänken, im Hausflur und Hof stehen die Studenten. Er hält sich selbst für den „geliebtesten unter allen hiesigen Professoren." Er strotzt vor Gesundheit (Hufeland redet von Hypersthenie). Aber das Unheil nimmt schon seinen Lauf. Es ist ein Drama (eine Tragikomödie?) in drei Akten: 1. Akt: die Sonntagsvorlesungen über Moral (die ihm eine Beschwerde des Konsistoriums einbringen), 2. Akt: der Streit mit den Studenten über die geheimen Verbindungen (der ihn zur Flucht nach O s m a n n s t ä d t zwingt, 1795), 3. Akt: der sogen. „Atheismusstreit" im Anschluß
Fichtes Leben
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an Forbergs Aufsatz im Philosophischen Journal (VIII 1798), dem Fichte einen Aufsatz „über den Grund unseres Glaubens an eine göttliche Weltregierung" vorangestellt hatte. Dieser Konflikt endet mit Fichtes Entlassung. Am 3. Juli 1799 trifft Fichte in B e r l i n ein, dieser „ungeheuren, staubigten, ermüdenden Stadt", und damit beginnt die zweite Hälfte seiner philosophischen "Wirksamkeit. Der Moralist tritt unter die Romantiker, der Rigorist unter die Genußmenschen. Und schnell lassen — nach einer Statistik von Groos — Fichtes moralische Verdammungsurteile nach. Hinzu kommt Kants Erklärung gegen die Wissenschaftslehre (7. August 1799) und etwas später Fichtes Bruch mit Schelling. Die ausgedehnte schriftstellerische und rednerische Tätigkeit Fichtes in Berlin, der Stadt ohne Universität, deren Akademie es ablehnt, ihn zum Mitglied zu machen, findet eine Unterbrechung durch seine Berufung nach dem damals preußischen E r l a n g e n (1805). Der Krieg mit Frankreich macht diesem (ohnedies unerquicklichen) Aufenthalt ein Ende. Mit der Regierung flieht er nach K ö n i g s b e r g (wo er 1806—7 eine Professur bekleidet) und, nach dem Tilsiter Frieden, nach K o p e n h a g e n . Doch da von einem Abzüge der Franzosen keine Rede ist, trifft er im August 1807 wieder in Berlin ein. Auch die weiteren Daten: die „Reden an die Deutsche Nation" (Dezember 1807 begonnen), sein Anteil an der Berliner Universitätsgründung (1810), seine Rekrutierung als Landsturmmann (1813), und sein Tod am Lazarettfieber (29. Januar 1814), gehören so sehr der deutschen Geschichte an, daß auf sie nicht einzugehen ist. Einer Darstellung v o n Fichtes Philosophie standen und stehen (trotz der lichtvollen Arbeiten v o n Max Wandt) außerordentliche Schwierigkeiten entgegen. Teils formaler, teils sachlicher A r t . Jenes, insofern Fichtes Denken, v o n hoher Abstraktion, Präzision u n d eigentlich mathematisierender Methodik, ein Prozeß ständiger Neuformulierung ist. Dieses,
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Grundsatzphilosophie und Wissenschaftslehre
insofern die „Sache" Fichtes: das Ergreifen der letzten Gewißheit in unserem Bewußtsein, Dasein, Leben, Sein, zwar immer „dieselbe", aber entsprechend den „Schichten", die dabei durchstoßen werden, doch immer wieder eine andere ist. Wozu noch kommt, daß nicht nur die Wissenschaftslehre i. e. Sinne, sondern auch ihre „Anwendungen" viel stärker zeitgeschichtlich bedingt sind, und auch Fichte selbst den Einflüssen anderer viel zugänglicher ist, als sich seiner abstrakten Formulierung und schneidenden Polemik entnehmen läßt (dies gilt besonders von seinem Verhältnis zu Schelling). Nahezu hoffnungslos ist die Frage einer G e s a m t i n t e r p r e t a t i o n . Weder besitzen wir eine kritische Ausgabe der Werke Fichtes noch sind die im handschriftlichen Nachlaß enthaltenen späteren Wissenschaftslehren alle veröffentlicht. Fichte ist Federdenker wie Kant, und pflegte Tag für Tag an der Gestaltung der jeweiligen Fassung seiner Wissenschaftslehre zu arbeiten. Seine Philosophie ist ein Prozeß, dessen Stadien sich zwar ungefähr angeben (s. Zeittafel I), dessen Inhalt skh aber, auf Grund der fehlenden Zwischenglieder nicht kontinuierlich entwickeln läßt. Die Wissenschaftslehre ist hier nur so weit aufzunehmen, wie sie in den Rahmen der G r u n d s a t z p h i l o s o p h i e gehört. Also bis ca. 1800. Von da an wird sie zu einer, mit Schelling konkurrierenden, aber doch kritischen I d e n t i t ä t s p h i l o s o p h i e . Leider hat Fichte die Wissenschaftslehren von 1801 und 1804 nicht veröffentlicht, sondern auf die (1802 in zweiter Auflage erschienene) Wissenschaftslehre von 1794 als authentische Darstellung seines „Systems" verwiesen. Das hat zu falschen Beurteilungen geführt, um so mehr, als auch das vollendetste Werk der Jenenser Zeit: das „System der Sittenlehre" (1798), nicht eigentlich auf die Wissenschaftslehre 1794, sondern auf die ebenfalls nicht veröffentlichte (sondern nur in zwei „Einleitungen" und einem Bruchstück bekanntgemachte) Wissenschaftslehre 1797 zurückgeht. Fichtes Zugehörigkeit zur Grundsatzphilosophie bedeutet, daß deren Motive bei ihm voll zur Auswirkung kommen, die Systemforderungen noch weiter getrieben werden als z. B. bei Reinhold, daß Fichte die Bewegung von Reinhold zu Maimon — vor dessen Talent er „grenzenlose" Achtung hat — nachvollzieht, daß er aber auch die Grundsatzphilosophie zu einem gewissen A b -
Der Ansatz der Wissenschaftslehre
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S c h l u ß bringt, insofern er den Ubergang (Kants) von der „theoretischen" zur „praktischen" Vernunft nicht erst hinterher (wie Reinhold beim Fortgange von Vorstellungs- zum Begehrungsvermögen) zur Geltung bringt, sondern schon in den Ansatz aufnimmt. Dies zu verstehen, wäre Aufgabe einer Interpretation der Wissenschaftslehre von 1794. Fichte verlangt, daß die Philosophie Wissenschaft im strengen (axiomatisch-deduktiven) Sinne ist, daß sie auf Grundsätze, bzw. einen letzten Grundsatz, der „schlechthin gewiß" ist und seine Gewißheit den anderen (Grundsätzen) „mitteilt", zurückgeht. Er verlangt von der „Wissenschaft der Wissenschaften", daß ihr Grundsatz nicht formal, sondern material ist, d. h. dasjenige „bestimmt", „von" dem man etwas weiß; daß sie ihren Grundsatz nicht außer sich hat, sondern ihn in der Reflexion auf das Denken selbst erzeugt, daß sie als System vollendbar, in sich zurückkehrend ist, d. h. daß als Ergebnis ihrer Begriffsentwicklungen der Grundsatz, von dem ausgegangen wurde, wiederkehrt.
Reinhold war vom Bewußtsein als „Tatsache" ausgegangen, und auch Fichte geht natürlich von den „Tatsachen des Bewußtseins" aus. Dies ist ihm aber bloß Vorbereitung (Propädeutik), — es kommt darauf an, die „Vorstellung" selber zu „deduzieren". Aenesidemus hatte gesagt, daß das Subjekt und Objekt der Vorstellung „empirisch" ist, daß Subjekt und Objekt „eher gedacht" werden müssen. Allerdings nicht im Bewußtsein (d. h. nicht als empirische Bestimmungen des Bewußtseins), sondern als Voraussetzungen (Setzungen a priori) des Bewußtseins. Nun ist der Sachverhalt des auf Gegenstände gerichteten und des erkennenden Bewußtseins der einer A b h ä n g i g k e i t vom „Nicht-Ich": das Bewußtsein weiß sich abhängig von etwas, das es nicht selbst erzeugt hat, sondern hinnehmen muß; es weiß sich als beschränkt (begrenzt, affiziert, leidend).* Diese Abhängigkeit muß also aus den Voraussetzungen des empirischen Bewußtseins abgeleitet, sie muß selber „gesetzt" sein (setzen = ponere, bejahen, anerkennen).
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Grundsatzphilosophie und Wissenschaftslehre
Der Satz: „Das Ich setzt sich als durch das Nicht/Ich beschränkt", bildet die Grundlage der t h e o r e t i s c h e n W i s s e n s c h a f t s l e h r e . Die Bedeutung des „Nicht/Ich" ist dabei eine durchaus r e a listische. N u r nicht in dem Sinne, als wäre „Nicht/Ich" ein inbegriff von „Dingen an sich". Kraft, Ursächlichkeit, Tätigkeit lassen sich den „Dingen an sich" nur auf Kosten des Ich zuschreiben. Erfahren läßt sich derartiges nicht. Erfahren lassen sich nur Bewußtseinszustände. „Der Gedanke eines Dinges an sich ist durch die Empfindung begründet, und die Empfindung wollen sie wieder durch den Gedanken eines Dinges an sich begründen." Sehen wir also von dem „großen Elefanten", auf dem der Erdball ruhen soll — ein Bild, das Fichte von Maimon übernimmt — ab, und fragen wir nach dem Sinn der anerkannten Begrenzung, so liegt er zuletzt darin, daß das Ich gezwungen ist, sich ein Nicht/Ich e n t g e g e n z u s e t z e n . Dieser Zwang kann dem Bewußtsein nicht äußerlich sein, — das Ich hat seine Begrenzung, seine Schranke in sich selbst. Es ist e n d l i c h e s Ich. Seine Sphäre ist durch sich selbst, eingeschränkt. Dann muß es sich auch selbst einschränken k ö n n e n : das Ich, das auf den Gegenstand bezogen ist, muß als „teilbar" (einschränkbar) vorausgesetzt werden. Andererseits ist die Welt nicht bloß „Erkenntnisphänomen". Die Gegenstände sind durch unser Handeln zu beeinflussen. Es gibt eine „Kausalität des Begriffs" (Kant: Kausalität der Vorstellung), ein „Wirken in der Sinnenwelt." Und dafür ist Voraussetzung, daß das Nicht/Ich vom Ich bestimmt werden kann, daß das Nicht/Ich bestimmbar ist, bzw. daß das Ich gesetzt ist „als bestimmend das Nicht/Ich". Dies ist Grundlage der W i s s e n s c h a f t des P r a k t i s c h e n . Fragen wir nun nach dem Grundsatz, der theoretischer und praktischer Wissenschaftslehre gemeinsam ist, so wird er die Form haben:
Der Satz der Teilbarkeit
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I c h s e t z e im I c h d e m t e i l b a r e n I c h e i n teilbares Nicht/Ich entgegen. „Teilbar" ist die Sphäre des Ich, insofern es vom Nicht/Ich eingeschränkt wird. „Teilbar" ist die Sphäre des Nicht/Ich, insofern es vom Ich bestimmt wird. Beides muß im Ich vorausgesetzt sein, insofern es als vorstellendes sich vom Gegenstande, als wollendes den Gegenstand von sich abhängig macht. Es muß also „gesetzt" sein: I. daß das Ich s i c h s e l b s t s e t z t , II. daß es sich „schlechthin" e i n N i c h t / I c h e n t g e g e n s e t z t . Leicht zu sehen, daß beide Sätze, absolut genommen, einander widersprechen. Denn das Ich, das sich ein Nicht/Ich entgegensetzt, setzt sich damit s e l b s t als Nicht/Ich. Aber das Ich, das sich selbst setzt, kann sich nicht als Nicht/Ich setzen. Zwar ist das Selbstbewußtsein phänomenologisch Subjekt—Objektivität, d. h. Beziehung des Ich als Subjekt auf sich als Objekt, und darin besteht die „Identität" des Selbstbewußtseins. Logisch aber schließen sich Subjekt und Objekt aus: das Ich als Subjekt kann nicht mit dem Ich als Objekt identisch sein. Dieser Widerspruch muß aufgelöst werden, und seine Auflösung ist eben der Satz der Teilbarkeit, der die Gegenglieder: Ich und Nicht/Ich, durch die Mittelglieder: teilbares Ich und teilbares Nicht/Ich verbindet. Darum ist der Satz der Teilbarkeit der e i g e n t l i c h e „Grundsatz" der Wissenschaftslehre. Der Aufbau der Wissenschaftslehre 1794 ist s y n t h e t i s c h , d. h. Fichte beginnt mit dem obersten Grundsatz Ich = Ich, den er aus dem formallogischen Grundsatz der I d e n t i t ä t als dessen Voraussetzung entwickelt (denn wie Maimon ist ihm die transzendentale Logik, das „reelle Denken", Voraussetzung der formalen, nicht umgekehrt). Der zweite Grundsatz (des Entgegensetzens) wird als Voraussetzung des formallogischen Satzes vom W i d e r s p r u c h (A ist nicht Nicht A in Leibn'tz' Fassung) entwickelt. Die den beiden logischen Sätzen als vermeintlichen Urteilen (Fichte geht nicht vom zweigliedrigen, sondern vom eingliedrigen, „thetischen" Urteil aus) entsprechenden transzen-
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Grundsatzphilosophie und Wissenschaftslehre
dentallogischen Begriffe (Kategorien) sind R e a l i t ä t und N e g a t i o n , wobei Realität nicht „"Wirklichkeit" bedeutet. (Für Wolff, Kant, Maimon und Fichte ist Realität im traditionellen Sinne Inbegriff der einem „Ding" — ens — zukommenden positiven Prädikate, also soviel wie „Wesen"). D e r dritte Grundsatz (der Teilbarkeit) soll sich in analoger Weise als Voraussetzung des logisdien Satzes v o m G r u n d e , und seine Kategorie als die (Kan tische) der L i m i t a t i o n erweisen. Aber diese Ableitungen sind erkünstelt, und die ganze Darstellung ist schon in der Wissenschaftslehre 1797 preisgegeben, insbesondere auch die Einteilung in theoretische und praktische Philosophie („er trägt Philosophie überhaupt vor, theoretische und praktische vereinigt, fängt nach einem weit natürlicheren Gange v o m Praktischen an . . ."). D a ß der Satz der Teilbarkeit der eigentliche „Grundsatz" der Wissenschaftslehre ist, zeigt schon ein Vergleich mit Reinhold. Daß ihn Fichte zur Voraussetzung des Prinzips v o m zureichenden Grunde macht, bezeugt seinen Zusammenhang mit Wolff. '
Natürlich ist die Wissenschaftslehere kein Formelgerippe. Fichte ist zwar Systematiker, aber doch auch Problemdenker (wenn auch nicht in dem Maße wie Kant). Und der große Unterschied des Fichte sehen „Grundsatzes" von demjenigen Reinholds ist eben dieser Problemgehalt. Wir deuten nur weniges an. Die theoretische "Wissenschaftslehre soll von der Bestimmung des teilbaren Ich durch das Nicht/Ich, die praktische von der Bestimmung des teilbaren Nicht/Ich durch das Ich ausgehen. Aber die "Wirksamkeit des Nicht/Ich ist vom Ich erborgt; es läßt sich kein Ding an sich setzen. "Was uns begrenzt, kann nur das als Ding „erscheinende" Ich selbst sein. Das Ich hat sich als Nicht/Ich gesetzt und bringt als solches im Ich Erscheinungen hervor. Aber ich weiß (im unmittelbaren Bewußtsein) nichts von derartigen Hervorbringungen. Sie sind mir nicht bewußt. Dies ist das Problem der u n b e w u ß t e n Produktion. Das Ich wird vom Nicht/Ich bestimmt. Es nimmt den Eindruck auf, produziert — unbewußt — all die subjektiven Erkenntnisgebilde (Vorstellung, "Wahrnehmung, Anschauung etc.), durch welche die Grenze zwischen dem
Unbewußte Produktion und „Anstoß"
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„teilbaren" Idi und dem „teilbaren" Nicht/Ich ständig verschoben wird. Aber das bestimmende Nicht/Ich ist das sich als Nicht/Ich setzende Ich; die ursprüngliche Begrenzung ist Selbstbegrenzung, die ursprüngliche Affektion Selbstaffektion. Was gibt den Anlaß zur Selbstbegrenzung? Was gibt dem Ich die „Aufgabe, sich zu begrenzen"? Dies ist das Problem des A n s t o ß e s , von dessen Lösung es abhängt, ob die Wissenschaftslehre dem „Realitätsphänomen" gerecht wird, oder nicht. (Anstoß ist nicht impetus, sondern Betroffenheit, Widerfahrnis). Würde das Ich an sich selber „stoßen", so gäbe es keine Wirklichkeit und die Erscheinung wäre bloßer Schein. Im Satz der Teilbarkeit wird das Ich relativiert, seine Sphäre beschränkt und vom Nicht/Ich abhängig gesetzt. Das Ich wird „in einen niederen Begriff, den der Teilbarkeit, herabgesetzt, damit es dem Nicht/Ich gleichgesetzt werden könne." Was bedeutet diese Herabsetzung? Ist sie Abfall, Sündenfall, Einkerkerung (der Seele in den Körper nach Piatons Bilde)? Muß man einen „Mythus" erzählen (E. Spranger), um Fichte zu verstehen? Aber wir haben noch weiter zu gehen: das Ich soll ja nicht aufhören, absolut (d. h. als absolut gesetzt) zu sein; es ist „absolutes" und zugleich „relatives" Ich. Es ist dasselbe und nicht dasselbe, bzw. es ist nur, w e n n es dasselbe und nicht dasselbe ist, — dasselbe. Dies ist das Problem der d i a l e k t i s c h e n I d e n t i t ä t des Ich, das bei Reinhold aufleuchtet, bei Fichte entwickelt, bei Hegel bis zu seinen letzten Konsequenzen verfolgt wird. Wenn aber die Identität eine dialektische ist, was bedeutet der „oberste" Grundsatz Ich = Ich? „Dasjenige, dessen Sein (Wesen) bloß darin besteht, daß es sich selbst als seiend setzt, ist das Ich, als absolutes Subjekt." Ich = Ich soll die „ T a t h a n d l u n g " bedeuten, die allem Bewußtsein zugrunde liegt. Aber die Entwicklung des Grundsatzes hebt den Grundsatz auf: das „Sein" des Ich besteht nicht „bloß" darin, daß es sich als seiend setzt.
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Grundsatzphilosophie und Wissenschaftslehre
Das Ich kann sich nicht setzen, ohne sich als beschränkt, abhängig, strebend, sehnend etc. zu setzen. Und ist nicht eben das „Handeln" der „Tathandlung" der Inbegriff aller theoretischen und praktischen „Handlungen", zu denen die Entwicklung des Grundsatzes führt? Dies ist der. Kardinalpunkt a l l e r Probleme der Wissenschaftslehre. Und es ist trotzdem ein genau umgrenzbares Einzelproblem. Es erweist sich, daß die „Tathandlung" eine Aufgabe bedeutet: das Ich so 11 alle Realität in sich fassen. Im obersten Grundsatz, sagt Fichte, ist „gar nicht die Rede von dem im wirklichen Bewußtsein gegebenen Ich; denn dieses Ich ist nie schlechthin , sondern von einer Idee des Ich, die seiner praktischen unendlichen Forderung notwendig zu Grunde gelegt werden muß." Das Selbstbewußtsein steht unter der Idee einer unendlichen Forderung. Diese ist freilich von der praktischen Philosophie auszubilden, aber sie greift in die theoretische, sie greift in die „Grundlage" der theoretischen und praktischen Philosophie ein. Ohne die Idee der unendlichen Aufgabe ist das Ich nicht „absolut" zu setzen. Das wäre Konstruktion, wenn es nicht eine Basis im „empirischen" Bewußtsein hätte. Aber die h a t es eben. Hier auch liegt das umgrenzbare Einzelproblem: wie das Bewußtsein meiner Selbständigkeit mit dem Identitätsbewußtsein zusammenhängt? Ob es allen Bewußtseinsakten innewohnt oder auf einem besonderen Akte beruht, durch welchen ich mir meine Identität „zurechne"? Für Fichte jedenfalls gibt es ohne Bewußtsein meiner Wirksamkeit kein Selbstbewußtsein, ohne „Kausalität des Begriffs" (Tätigkeit) kein Wissen, ohne „praktisches Vermögen des Ich" keine Realität, ohne Streben kein Objekt: die Vernunft kann nicht theoretisch sein, wenn sie nicht praktisch, ist. Und dies hat, auf das Problem des „Anstoßes" bezogen, die Bedeutung, daß auch die ursprüngliche Begrenzung vom Praktischen her zu verstehen ist. Sollen sich — wie wir sagten — nur
Täthandlung und Ichidee
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Bewußtseinszustände „erfahren" lassen, so hat der R e alist allerdings recht, einzuwenden, daß damit dem Bewußtsein nichts „widerfährt". Aber auch Ficbtes „höherer Realismus" hat recht, wenn er den „Anstoß" als einen ursprünglichen Widerstand beschreibt, den der Wille „erfährt", und zwar nicht als ein in Bewußtseinszustände aufzulösender, sondern als ein das Bewußtsein selbst t r a n s z e n d i e r e n d e r . Alle weitere Entwicklung der Wissenschaftslehre setzt an diesem Punkte ein. Literatur I. Ausgaben und Neuausgaben (vgl. Zeittafel I) a) Reinhold: Neuausgabe der Briefe über die Kantische Philosophie (2 Aufl.), Leipzig 1923 (ed. R. SCHMIDT). b) Schulze:
Neuausgabe:
c)' Maimon:
Neuausgabe: Versuch einer neuen Logik, Ber-
LIEBERT).
lin 1912
(ed.
Aenesidemus,
Berlin
1911
(ed.
ENGEL).
d) Fichte: Sämtliche Werke I — V I I I , 1845—1846; Nachgelassene Werke I — I I I , 1834—1835; Neuausgaben: Werke
(ed.
MEDICUS)
I—VI,
Leipzig
SIRECKER),
Leipzig
1925
Ergänzungsband: SCHULZ u n d
Staatsphilosophische
1908—1912.
Schriften
(ed.
(Sammelband);
Nachgelassene Schriften II (1790—1800), Berlin 1937 ( e d . JACOB). B r i e f w e c h s e l I — I I
( e d . SCHULZ), 2 .
Aufl.
(mit Nachtrag), Leipzig 1930. Dazu: H. SCHULZ, Fichte in vertraulichen Briefen seiner Zeitgenossen, Leipzig 1923.
II. Monographien (vgl. Literatur zur Einleitung) a) Reinhold: H. ADAM, C. L. Reinholds philosophischer Systemwechsel, Heidelberg 1930. — P. OLIVIER, Zum Willensproblem bei Kant und Reinhold, Berlin 1941. — M. SELLING, Studien zur Geschichte der Transzendentalphilosophie I, Uppsala 1938. b) Schulze: H. WIEGERSHAUSEN, Aenesidemus Schulze, der Gegner Kants und seine Bedeutung im Neuakntianismus, Berlin 1910.
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Romantische Philosophie
c) Maimon: F. KUNTZE, Die Philosophie Salonion Maimons, Heidelberg 1912; S. Maimons theoretische Philosophie, in: Logos III, 1912. — A. ZUBERSKY, S. Maimon und der kritische Idealismus, Leipzig 1925. d) Fichte: S. BERGER, Über eine unveröffentlichte Wissenschaftslehre Fichtes (Diss.), Marburg 1918. — E. v. BRACKEN, Meister Eckhart und Fichte, Würzburg 1943. — O . DÖRING, Fichte, H a m b u r g 1947. — H . FREYER,
Das Material der Pflicht, in: Kantstudien X X V 2—3, 1920. — E. GELPCKE, Fichte und die Gedankenwelt des Sturm und Drang, Leipzig 1928. — F. GOGARTEN, Fichte als religiöser Denker, Jena 1914. — G. GURWITSCH, Fichtes System der konkreten Ethik, Tübingen 1924. — H. HEIMSOETH, Fichte, München 1923. — E. HIRSCH, Christentum und Geschichte in Fichtes Philosophie, Tübingen 1920. — B. JAKOWENKO, Die Grundidee der theoretischen Philosophie Fichtes, Prag 1944 (Bibliographie). — W. RABITZ, Studien zur Entwicklungsgeschichte der Fichteschen Wissenschaftslehre aus der Kantischen Philosophie, Berlin 1902. — E. LASK, Fichtes Idealismus und die Geschichte, in: Gesammelte Schriften I, Tübingen 1923. — X. LEON, Fichte et son temps I—II (in 3 Teilen), Paris 1922 bis 1927. — H. LÖWE, Die Philosophie Fichtes nach den Gesamtergebnissen ihrer Entwicklung, Stuttgart 1862. — A.MENZEL, Die Grundlagen der Fichteschen "Wissenschaftslehre in ihrem Verhältnis zum Kantischen Kritizismus (Diss. Kiel), Leipzig 1909. — F. MEYER, Eine Fichte-Sammlung, Leipzig 1921 (Bibliogr.). — E. SPRANGER, Geleitwort zu: Bestimmung des Menschen, Leipzig 1944. — W. WEISCHEDEL, Der Aufbruch der Freiheit zur Gemeinschaft, Studien zur Philosophie des jungen Fichte, Leipzig 1939. — M. WUNDT, Fichte, Stuttgart 1927; Fichte-Forschungen, Stuttgart 1929. III.
Romantische Philosophie Romantische Philosophie ist nicht Philosophie „ d e r " Romantik. Es gibt eine Philosophie der Romantik, d. i. der Romantiker oder der romantischen Schule. Sie hat für die philosophische Tradition geringe Bedeutung. Es
Romantische Philosophie
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gibt dagegen große Denker und Systematiker: Schelling, Schleiermacher, Hegel, Schopenhauer, oder weniger große: Krause, Solger, Baader, deren Philosophie im Ganzen oder im Ursprung „romantisch" ist. Sie sind ohne die Romantik nicht zu begreifen, aber aus ihr allein auch nicht. Es müssen andere, z. T . sehr unromantische Voraussetzungen hinzugedacht werden, um den Sinn ihrer Fragestellungen zu treffen. Gerade auch bei Schelling, dessen Philosophie als Prototyp romantischer Metaphysik und Naturphilosophie gilt. Ein anderes freilich ist es, nach dem philosophischen Gehalt romantischer Dichtwerke zu fragen. Hier wird die Philosophie, die dafür zuständig ist — oder es wenigstens sein sollte —, weit überflügelt durch die L i t e r a t u r w i s s e n s c h a f t . Seit Scherer, Haym, Walzel, Huch hat die Romantikforschung immer größeren Umfang angenommen: die heutige Literaturgeschichte, sagt J. Petersen (1926) kann „beinah mit Romantikforschung gleichgesetzt werden." Durch Nadlers stammeskundliche Untersuchungen ist der Begriff der Romantik noch mehr verändert (mit dem der „Renaissance" verbunden) und zu einem rein kulturgeschichtlichen geworden. Diese Tendenz zur Ausweitung begegnet sich mit einer berechtigten Skepsis an der geistesgeschichtlichen E i n h e i t der Romantik. Zwischen J e n e n s e r Romantik als der fin de siecle-Bewegung des 18. Jahrhunderts und der späteren H e i d e l b e r g e r Romantik klafft (nach A. Baeumler) ein Abgrund. Jene, die Euthanasie der Aufklärung, ist zersetzend, diese ist Träger eines neuen Wirklichkeitsbewußtseins und ganz dem 19. Jahrhundert zugehörig. "Wie die Grenzen zu legen und die doch nicht abzuleugnenden Verbindungen herzustellen sind, ist freilich eine Frage f ü r sich. Auch ist nicht Heidelberg, sondern R o m die Endstation der romantischen Bewegung. Lebt im jungen Deutschland und im Denken des Vormärz frühromantische „Kritik" wieder auf, so daß wir abermals ins 18. Jahrhundert zurück-
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kämen, — ist dann die Restaurationsphilosophie und reaktionäre „politische Romantik" Fortsetzung der Heidelberger Romantik? Nach der älteren, aber auch heute noch (z. B. von Korff) vertretenen Auffassung ist die Romantik dem K l a s s i z i s m u s bzw. klassischen Humanismus zugeordnet. Wie dieser sich zum Sturm und Drang, soll die Romantik sich zur Klassik verhalten, — gegensätzlich also, aber auch wieder ergänzend. Zu jedem H u manismus soll eine Romantik gehören. Beide sollen den „natürlichen Kreislauf einer Kultur" (Korff) von der Weltzugekehrtheit zur Gotteszugekehrtheit ausdrücken. Die Weitmaschigkeit solcher Formeln (zu denen auch Strichs Antithetik von klassischer „Ruhe" und romantischer „Bewegung" gehört) macht sie für die Philosophiegeschichte unverwertbar. Das gilt nicht von aller Typisierung. Und am wenigsten von der, auf die sich die Romantiker in ihrem Programm selbst beziehen: von Schillers „klassischer" Unterscheidung zwischen n a i v e r und s e n t i m e n t a l i s c h e r D i c h t u n g . W i e nämlich die romantische Theorie vom „Universalroman" auf Goethes Wilhelm Meister, so bezieht sich die Selbstauslegung frühromantischer Wesensart auf Schillers Abhandlung, die 1795—96 in den Hören erschien. „Schiller hat mir wirklich Aufschlüsse gegeben" (Fr. Schlegel 15. I. 1796 an August Wilhelm). Welches waren diese Aufschlüsse? W i r unterscheiden den G e g e n s a t z , den Schiller aufstellt, seine A u s w e r t u n g , und die E i n s t e l l u n g Schillers zu beiden Typen. Naiv steht im Gegensatz zu künstlich, erkünstelt, ist also „natürlich". Naiv ist ferner kindlich und „genial". Kindlich in Beziehung auf uns, die wir nicht mehr Kinder sind. Es überrascht (belustigt) und rührt (als Gesinnung). Nach Kant (Kritik der Urteilskraft) ist das Genie „bloß von der Natur geleitet." So ist auch für Schiller alle Genialität naiv; das Genie ist schamhaft, verständig, bescheiden. Naiv sind die Griechen; sie hängen nicht mit „Gefühl" an der Natur. — Demgegenüber ist das Sentimen-
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talische reflektiert („das Gegenteil der naiven Empfindung ist nämlich der reflektierende Verstand"): der Sentimentalisdie reflektiert über den Eindruck der Gegenstände; der sentimentalische Dichter (z. B. Haller, Klopstock) bezieht den Gegenstand auf eine „Idee". Was dem naiven Dichter — als Beispiele gibt Schiller: Shakespeare, Moliere — selbstverständlich, gegeben, ist dem sentimentalischen Ziel seiner Sehnsucht, aufgegeben. Die A u s w e r t u n g des Gegensatzes erstreckt sich auf das Fundament, d. h. auf dasjenige, was übrigbleibt, wenn man vom Poetischen absieht. Dies ist der Gegensatz Realist — Idealist. Der Realist hat nüchterne Beobachtungsgabe, ist an das Zeugnis der Sinne gebunden, unterwirft sich der Notwendigkeit. Der Idealist dringt aufs Unbedingte, ist moralischer Rigorist, wird nur durch Einsichten befriedigt, die alles Bedingte auf ein Unbedingtes, alles Empirische auf ein Notwendiges zurückführen; der Idealist unterwirft die Dinge dem Denken. • Schillers E i n s t e l l u n g zu dem Gegensatz besteht zwar darin, zwischen beiden Typen zu vermitteln. Aber sein Standpunkt ist klar: „Uns ist die Natur der Menschheit verschwunden, wir können sie nur außerhalb dieser wieder antreffen." Das macht der „Sündenfall der Kultur" (Rousseau). Die Kultur ist soweit „ausgeartet", daß die Natur darüber vergessen wurde. Der sentimentalische Standpunkt ist also g e s c h i c h t l i c h n o t w e n d i g . Wo die sinnliche Harmonie im Menschen aufgehoben ist, kann er sich nur noch als „moralische Einheit", d. i. im „Streben" nach Einheit, äußern. In dieser geistreichen Abhandlung, die Nietzsche befruchtete, und noch bis zu C. G. Jung und M. Wieser fortwirkt, ist Schillers eigne philosophische Aufgabe: den Menschen als sinnlich-übersinnliche Einheit durch Harmonisierung seiner „Triebe" (das Wort und seine Abwandlungen: Sachtrieb, Formtrieb, Spieltrieb, Bildungstrieb, noch nicht im modernen Sinne) zu bestimmen, leicht erkennbar. Für die Romant i k e r ist Schillers Analyse ebenso aufschlußreich wie anfechtbar: das Moment der Reflexion bzw. der Idee des Unendlichen ist der „romantischen" Poesie als „progressiver Universalpoesie" (Fr. Schlegel) wesentLehmann, Philosophie V I I I
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lieh.: die Reflexion immer wieder zu „ p o t e n z i e r e n " und sie „in einer endlosen Reihe v o n Spiegeln" z u vervielfältigen, — was natürlich eine „ V o l l e n d u n g " ausschließt — , ist A u f g a b e des romantischen Dichters. A b e r die „ I d e e " der R o m a n t i k e r ist nicht die Idee des ethischen Idealismus. Z w a r gibt es in der F r i i h r o m a n t i k bis z u Schleiermachers „ K r i t i k der bisherigen Sittenlehre" ( 1 8 0 3 ) keine ernsthafte ethische T h e o r i e , und Schlegels Bemerkungen haben noch durchaus das G e p r ä g e der „ M o r a l i s t e n " 1 ) des 18. J a h r h u n d e r t s . Indessen trifft die romantische K r i t i k des ethischen Idealismus einen entscheidenden P u n k t : den Glauben a n die Vernunftperson als den T r ä g e r der „Sittlichkeit", und a n die Wesenseinheit v o n R a t i o n a l i t ä t und M o r a 1 i t ä t. Friedrich Schlegel (1772—1829), Inspirator seines älteren und arbeitsameren Bruders August Wilhelm (1767—1845), dessen Erscheinung Heine im zweiten Buch der „Romantischen Schule" (1833) so ergötzlich schildert, beginnt als Hellenist im Stile Winckelmanns (1. Periode, bis zur Stiftung der romantischen Schule), wird durch Fichte, den „unsterblichen Grundleger" begeistert, dessen Transzendentalphilosophie er in „Transzendentalpoesie" übersetzen möchte (2. Periode, „romantische Synthese" bis zu den Kölner Vorlesungen» 1804 bis 1805), und gelangt schließlich, nach seinem Übertritt zum Katholizismus (1808) auf den Weg einer eigenen „Lebensphilosophie", die für die Philosophiegeschichte bedeutungslos ist (3. Periode, bis zu seinem Tode). B. Constant beschreibt ihn als kleinen dicken Mann mit spitzer Nase und schönen Augen, mit Gesichtszügen, „die ein eisiges Aussehen annehmen, wenn er zuhört", und bemerkt lakonisch: seine Prinzipien seien „ebenso ungereimt wie die seines Bruders." Er hat eine Fülle philosophischer Antriebe, Ideen und — im Gegensatz zu August Wilhelm — den Wunsch, als Philosoph aufzutreten. Aber es gelingt ihm nicht. Seine Philosophie erschöpft sich in Aphorismen, die ihren Niederschlag im „A t h e n ä u m" fanden, einer Zeitschrift der Romantiker, deren erstes Stück 1798 erschien und an der auch Hardenberg, 1 ) D i e französidien, englischen und deutsdien „Moralisten" des 17. und 18. Jahrhunderts sind nicht Tugendprediger, sondern E r f o r s d i e r der „Sitten" bzw. des mensdilidien Verhaltens überhaupt.
Friedrich Schlegel
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Schleiermacher, Hülsen, Caroline und Sophie Bernbardi mitarbeiteten. Seine eigene wissenschaftliche Leistung, die Begründung der Sanskrit-Forschung, kann er nicht auswerten. Schlegel ist ebenso bestimmt vom S o k r a t i s m u s des 18. Jahrhunderts (aus dem auch der Ironie-Begriff stammt), und geht in dieser Hinsicht vom konkreten Menschen aus, wie von der neuplatonisch-idealistischen Strömung (Hemsterhuis). Die Definition, die er in einem Athenäums-Aphorismus von der Philosophie gibt, daß sie eine „Ellipse" ist, deren eines Zentrum das „Selbstgesetz der Vernunft" (Fichte), deren anderes die Idee des Universums (Schleiermacher) sei, ist insofern unzutreffend, als für Schlegel eine rationalistische E r f ü l l u n g des idealistischen Ansatzes von vornherein unmöglich ist. Durch diese Skepsis vertieft sich die „Ironie" zur Einsicht in den notwendigen „Widerstreit des Unbedingten und Bedingten, der Unmöglichkeit und Notwendigkeit einer vollständigen Mitteilung", also zu einem Sachbewußtsein, auf das wir bei Solger, dem eigentlichen Theoretiker romantischer „Ironie", eingehen werden. Alles andere bei Seite gesetzt, sind es zwei Momente, die als wesentlich gelten können: die Kritik an der V e r n u n f t p e r s o n des ethischen Idealismus, also Schlegels „Individualismus" und „Immoralismus"; und die durchgehende Beziehung zum Problem des M y t h u s . Die im ganzen Neuhumanismus von Herder bis Schiller, und darüber hinaus bis zur Gegenwart, geforderte Uberordnung der „Person" über die „Individualität", wird bei Schlegel umgekehrt: die Vernunftperson ist eine in allen, die Individualität allein ist „originell", Originalität aber ist der eigentliche Wert des Menschen, nicht seine „Tugend". Daraus folgt jedenfalls (ähnlich wie bei Kierkegaard hinsichtlich der Stufen des Religiösen), daß es ein „paradox-Moralisches" gibt, eine „immoralistische Moral". Das andere, damit zusammenhängende, Motiv ist das m y t h o l o g i s c h e . Die antike Dichtung erwächst aus dem Mythos. Unsere Zeit hat keine Mythologie mehr. Aber Poesie und Mythologie sind unzertrennlich. Soll unsere Zeit wieder eine echte Dichtung erhalten, so muß sie eine neue Mythologie erhalten. Diese muß aus der „Tiefe des Geistes" entstehen. Das heißt, daß der Idealismus aus sich herausgehen, und zum mythenstiftenden Realismus werden muß. Sicherlich ist das eine Wendung zum „mythologischen Irrationalismus", aber eben noch auf idealistischer Basis, und 4»
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darin von der Heidelberger Romantik verschieden. Schwankend und unsicher wird Schlegel beim Problem der R e l i g i o n . Das Göttliche sucht er im Menschen, „in der Tiefe eines lebendigen Menschenwirkens", im „Enthusiasmus". Gott als Begriff ist leer, Gott als Idee die „Idee aller Ideen". Steht Schlegel darin zunächst noch unter Hemsterhuis' Einfluß, (der im Aristee, 1779, die Erkenntnis Gottes von der Selbsterkenntnis, d. h. von der Harmonie unserer Seelenkräfte und dem moralischen Prinzip in uns, abhängig macht), so verbindet sich doch sogleich damit der Einfluß Schleiermachers. Schleiermacher wird ihm für die „Menschheit", was Goethe und Fichte ihm für die Poesie und Philosophie waren (so ,1798; später allerdings — 1805 — beklagt er sich, daß Schleiermacher „viel vom Charakter der Spinne" habe, und fortfahre, sich seine — Schlegels — Gedanken anzueignen). Jedenfalls sind Schleiermachers „Reden über die Religion" (1799) das erste Werk der Frühromantik, das durch seinen systematischen Gehalt auf den Namen eines philosophischen Anspruch erheben kann.
Dieses „Bekenntnisbuch" der Romantik (aber es ist viel mehr als ein Bekenntnisbuch) ist auch heute noch das Hauptziel aller theologischen und philosophischen Angriffe gegen den „Idealismus". Sein Inhalt ist daher kurz zu verdeutlichen. Die Reden über die Religion „an die Gebildeten unter ihren Verächtern" behandeln in 5 Teilen (Apologie; Wesen der Religion; Bildung der Religion; Kirche und Priestertum; Religionen) die Fragen: warum es einer „Verteidigung" der Religion bedarf, worin das Wesen der Religion besteht, welches die Quellen der Religiosität sind, wie sich die Religion zur Kirche, und die wahre Kirche zu dem bestehenden „Kirchenwesen" verhält, was Individualisierung der Religion bedeutet, und worin das Besondere des Christentums als Religion besteht. Einer A p o l o g i e der Religion bedarf es, weil im Aufklärungsdenken die Religion als überwunden galt, ohne daß überhaupt die Wesensfrage gestellt, die Religion als Urphänomen erkannt, ihre „eigene Provinz im Gemüte" bestimmt wurde; weil die Selbständigkeit der Religion durch die (philosophischen) Systeme der
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Theologie verdeckt ist; weil die Frömmigkeit in ein Dienst-, Zweck-, Nützlichkeitsgefüge hineingestellt wurde, das sie erniedrigt. Schon hieraus ist zu sehen, was die Frage nach dem W e s e n der Religion meint. Religion ist nicht Moral, nicht Metaphysik, nicht' Denken (Philosophie) oder H a n deln (Ethik). Sondern „Anschauen" und „Gefühl". „Anschauen des Universums ist die allgemeinste und höchste Formel der Religion." Das Universum (das Unendliche, ununterbrochen Tätige, sich uns in jedem Augenblick Offenbarende) wird in der Religion „angeschaut", nicht im Sinne des Idealismus, sondern im Sinne eines „höheren Realismus" (Jacobi), der dem Idealismus „das Gegengewicht hält". Die Spekulation ist Wissenschaft (Wissenschaftslehre), die Praxis ist Kunst (Poesie = Poiesis), die Religion ist „Sinn und Geschmack fürs Unendliche." Aber die Anschauung ist einzeln, unmittelbar, abgesondert, — „jeder Sehende ist ein neuer Priester, ein neuer Mittler, ein neues Organ." Ein „System" der Anschauungen (Theologie) ist ein Widerspruch in sich. Das unendliche Chaos, in dem jeder Punkt eine „Welt" vorstellt, ist das „Sinnbild der Religion". Die Anschauung ist ferner nicht ohne G e f ü h l (d. i. Verhältnis zum Gemüt, zum subjektiven Zustand): dieselben „Handlungen des Universums", durch welche es sich im Endlichen offenbart, affizieren und verändern das „innere Bewußtsein". Endlich ist die Anschauung bereits O b j e k t i v i e r u n g , — das eigentlich Unmittelbare liegt noch vor der Trennung in Gefühl und Anschauung, es ist ein ekstatisches Aufgehen in der unendlichen W e l t : ich „umfange sie nicht wie einen Schatten, sondern wie das heilige Wesen selbst." Erst die „Erschütterung" dieser unmittelbaren Gewißheit bringt die Anschauung zur „abgesonderten Gestalt". Und erst dieser Moment ist die G e b u r t der Religion aus dem mystischen Erlebnis.
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Z w a r ist die Anschauung einzeln und abgesondert, aber darum nicht isoliert und gemeinschaftslos. Vielmehr ist G e m e i n s c h a f t Grundbedingung aller Religion. Erst muß der Mensch die Menschheit gefunden haben; sie ist der „ S t o f f " der Religion. Menschheit und Universum sind Wechselbegriffe; nur das gehört zum Universum, was mit der Menschheit „in Beziehung kommt." Wie (nach den „Monologen", die aber zur Ergänzung der „ R e d e n " immer heranzuziehen sind) die „großen und schweren Massen des körperlichen Stoffes . . . nur der große und gemeinschaftliche Leib der Menschheit" sind, so ist überhaupt das Universum Sinnbild und Ausdruck der „ewigen Menschheit". Jedes Individuum ist Komplement (Ergänzung) des anderen, aber auch „Kompendium der Menschheit", d. h. die ganze menschliche N a t u r in besonderer Darstellung. Von dieser „Religion" trennt Schleiermacher, was sonst zum Religionsbegriff gerechnet w i r d : Wunder, Eingebungen, Offenbarung, übernatürliche Empfindungen einerseits, Gottheit und Unsterblichkeit andererseits. Dies alles sind gleichsam C h i f f r e n , die erst von der Religion aus gelesen werden können. Eine „atheistische M y s t i k " ist es darum noch nicht, was Schleiermacher vertritt. Denn dem Universum wird „ H a n d l u n g " zugeschrieben, — freilich soll das handelnde Universum kein „seiender und gebietender G o t t " sein. Auch die Unsterblichkeit wird rein innerlich, als Teilnahme am „ewigen Leben" des Universums aufgefaßt, wie von Fichte in der „Anweisung zum seligen Leben" (1806). D a s Kernproblem ist natürlich, wie sich die reine Religion zur p o s i t i v e n verhält (5. Rede). Nichts hat die reine Religion mit der theologia naturalis der Aufklärung („natürliche Religion") zu tun. Diese ist Abstraktion, während jene die „unendliche" Religion ist, deren Darstellung im Endlichen eben die positive Religion bildet. D a s Problem der positiven Religion ist also das der I n d i v i d u a l i s i e r u n g der Religion.
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U n d Schleiermacher sieht die Individualisierung darin, daß jeweils eine einzelne Anschauung zum „Zentralp u n k t " der ganzen Religion gemacht wird. D e r Religionsbegriff der „ R e d e n " , der auf eine Phänomenologie, d. i. Wesenserfassung der Religion zielt, schließt also mehrere Momente ein: das m y s t i s c h e , von der persönlichen Erfahrung zu unterscheidende Grunderlebnis, das t r a n s z e n d e n t a l e Moment des sogen, „religiösen Apriori", und darüber hinaus noch die Idee einer U n i v e r s a l r e l i g i o n im Sinne romantischer „Universalpoesie". ( „ N u r in der T o t a l i t ä t aller . . . möglichen Formen kann die ganze Religion wirklich gegeben werden.") H i e r f ü r versucht Schleiermacher das C h r i s t e n t u m einzusetzen, dessen „Absolutheit" eben in seiner Universalität liegen würde: das Christentum ist die „Religion der Religionen." D a ß es dabei zu jener „Knochenerweichung der D o g m a t i k " kommt, die Schleiermacher unter anderen Voraussetzungen in seiner späteren „Glaubenslehre" (zuerst 1821) zu heilen sucht, ist freilich nicht zu leugnen. Daniel Friedrich Schleiermacher, der „Kirchenvater des 19. Jahrhunderts", dessen erste Veröffentlichung die Reden über die Religion sind, wurde 1768 in Breslau geboren, kam mit 15 Jahren nach Gnadenfrei zu den Herrenhutern, trat mit 20 Jahren aus dem Brüderseminar in Barby aus, studierte ab 1787 in Halle bei Eberhard, machte 1790 sein Predigerexamen in Berlin, wohin er 1795 — nach einer Hauslehrerzeit in Schlobitten (1790—93) und einer Stellung als Predigeradjunkt in Landsberg a. d. Warthe (1794—95) — zurückkehrte. 27jährig wird er Prediger an der Charite. Damit beginnt seine „romantische" Zeit; er wohnt mit Fr. Schlegel zusammen, schreibt „Vertraute Briefe über Friedrich Schlegels Lucinde" (1800) und beteiligt sich am Athenäum. Über seine Jugendentwicklung sind wir durch Diltheys Veröffentlichungen unterrichtet. Das Jahrzehnt 1786—1796 steht im Zeichen eines intensiven Kantstudiums (1787 liest er die Vernunftkritik). Obwohl er hier wie auch später Kant bekämpft, bleibt doch seine Philosophie bis zuletzt eine kritische. Seit 1788 mit Jacohi, seit ca. 1799 mit Spinoza
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genauer bekannt (doch stammt schon aus den Jahren 1793—94 eine „kurze Darstellung des spinozistischen Systems"), ist ihm Leibniz am fremdesten. Die entscheidende Differenz, die natürlich nicht den Individualitätsbegriff als solchen betrifft, dürfte darin liegen, daß Leibniz das Seelenleben in Perzeptionen auflöst und die Imagination (Einbildungskraft) zurücktreten läßt. Niemand aber hat auf ihn so gewirkt und „in das Allerheiligste nicht nur der Philosophie, sondern auch des Menschen überhaupt eingeweiht" wie Piaton, „dieser göttliche Mann". Das Denkmal dieser Liebe ist Schleiermachers berühmte, und durch ihre konstruktiven „Einleitungen" berüchtigte, unvollendet gebliebene Piatonübersetzung (1804 bis 1828). 1802 wird er nach Stolp in Pommern als „Hofprediger" strafversetzt, 1804 erhält er ein Extraordinariat in Halle. Nach der Auflösung der Universität durch Napoleon kehrt er nach Berlin zurück, um (ab 1809) als Prediger an der Dreifaltigkeitskirche zu wirken. An der Universitätsgründung maßgebend beteiligt, liest er schon im Wintersemester 1809 bis 1810 Theologie, und wird zu gleicher Zeit Mitglied der Akademie (deren ständiger Sekretär er seit 1814 ist). 1815 gerät er in Konflikt mit der Regierung: seine Predigten werden bespitzelt, und im Anschluß an den „Agendenstreit" wird ein Diszplinarverfahren gegen ihn eröffnet. Hegel, der 1818 nach Berlin kommt, ist sein erbitterter Gegner. Ein erneuter Streit mit der Krone wird nur durch Eingreifen des Kronpinzen geschlichtet. Nach einem Aufenthalt in Kopenhagen (1833), stirbt er 1834 an Lungenentzündung. Er war von kleiner Gestalt; in seinen späteren Jahren „verlieh ihm das weiße Haupt- und Barthaar, welches das ernst gefaltete Antlitz umwallte, das Aussehen eines homerischen Meergreises oder eines Sehers aus grauer Vorzeit." Das zweite Werk der romantischen Zeit sind die „ M o n o l o g e n , e i n e N e u j a h r s g a b e " (1800, ebenso wie die Reden anonym), — ein „lyrischer Extrakt aus einem permanenten Tagebuch", das ethische „Bekenntnisbuch" der Frühromantik. Die ältere, durch Schleiermachers Vbrrede zur 3. Auflage (1821) genährte Auffassung, daß es die Reden mit der Anschauung des Universums, die Monologen mit der „Selbstanschauung" (ohne das „im engeren Sinne Religiöse") zu tun haben, ist nicht ganz richtig. Auch in den Monologen geht es
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um das Thema M e n s c h u n d W e l t (Universum). Auch in ihnen fließen Mensch und Welt ineinander. Audi die „Selbstanschauung" ist im Grunde religiöse Anschauung: der Mensch soll sich im „Augenblick" (dem ewigen Nun der Mystik) der Beziehungen mit dem Ewigen bewußt werden; die Selbstanschauung hebt mich über das Endliche hinaus. Im übrigen sind die Reden von den Monologen aus zu interpretieren, nicht umgekehrt. Die Monologen sind das „Ziel der jugendlichen Entwicklung Schleiermachers" (Eck). Gegenüber dem Abhängigkeitsgefühl der Reden tritt in den Monologen allerdings der Spontaneitätsgedanke (Kants und Ficht es), der in den Reden durch den „höheren Realismus" (Jacobis) verdeckt ist, stark hervor. Das wichtigste Problem ist der Gegensatz von Freiheit und Notwendigkeit, dessen Lösung auf Fichtes Wissenschaftslehre zurückweist. Nur in Freiheit kann ich mich „anschauen". Notwendigkeit ist nicht mein (freies) Tun, sondern sein „Widerschein". Freiheit wohnt in mir. Notwendigkeit ist „außer uns gesetzt." Das zweite Problem ist der Zusammenhang von Selbstanschauung und E i g e n t ü m l i c h k e i t . Hier nimmt Schleiermacher sogleich in den Ansatz auf, was Fichte erst im „Naturrecht" deduziert: die ursprüngliche Individualisation, jenes Moment der „Eigenheit", das aber — als subjektives — von bloßer (gegenständlicher) „Individualität" zu unterscheiden ist. Individualität ist gegeben; sie ist es, die meine „Stelle im Universum" bestimmt. Eigentümlichkeit ist aufgegeben; sie schließt die Forderung ein, die „Menschheit" in mir zu bilden. Eigentümlichkeit ist „freie T a t " (Tathandlung). Schleiermacher, der den erst später gebräuchlichen Ausdruck „Personalismus" prägte, und in der Ethik als Entdecker des „individuellen Gesetzes" (Simmel), d. h. des nur für midi gültigen Bildungsgesetzes gilt (im Unterschiede zum allgemein gültigen kategorischen Imperativ Kants), hat dennoch die bei Schlegel schon angebahnte Kritik der „Vernunftperson" nicht zu Ende geführt. Er hat den Grundansatz einer rationalistischen Ethik nicht preisgegeben. Seine spätere Ethik
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(zuerst vorgetragen Halle 1804—05), mit der die Monologen viel enger zusammenhängen als die Glaubenslehre mit den Reden, faßt das sittliche Leben als „Naturwerden der Vernunft" bzw. als Handeln der Vernunft auf die Natur oder als Darstellung des endlichen Seins unter der „Potenz" der Vernunft. Diese „Vernunft" ist zwar lebendige Vernunft (Geist), und die Ethik Wissenschaft von der G e s c h i c h t e , bleibt aber ihrem „Sein" nach Erkennen, und ist als solche in den letzten Gegensatz: des Idealen und Realen, eingespannt. Schleiermacher ist als Systematiker Vertreter einer (kritischen) Identitätsphilosophie; im Zusammenhang mit Schelling wird noch einmal auf ihn einzugehen sein. Seine „romantischen" Schriften sind zwar nicht von hier aus zu interpretieren, enthalten aber doch eine Reihe konstruktivsystematischer Voraussetzungen, die in die spätere Richtung weisen. Unter ähnlich pietistischen Jugendeinflüssen wie Schleiermacher stand Friedrich Leopold von Hardenberg (Novalis), im gleichen J a h r e wie Schlegel ( 1 7 7 2 ) geboren und nach kurzem Leben 29jährig ( 1 8 0 1 ) in Schlegels Armen verschieden. E r freilich gehört zu den großen Dichterpersönlichkeiten der Romantik, die wie Jean Paul, Hölderlin, Kleist wesentlich aus ihrem dichterischen W e r k zu verstehen sind. "Was ihn mit der Philosophie verbindet, ist weniger seine nur zeitbedingte Beziehung zu Fichte, als sein Zusammenhang mit dem Neuplatonismus und der deutschen Barockmystik, der bei ihm reiner hervortritt als bei anderen Vertretern romantischer Philosophie. Auf Gut Wiederstädt bei Mansfeld herangewachsen, studiert er Philosophie in Jena bei Reinhold (1790—91), dann Rechtswissenschaft in Leipzig (1791—93) und Wittenberg (1793 bis 1794). In Leipzig lernt er Schlegel kennen. Er liest Hemsterhuis und Piaton, und studiert (von 1794—97) Fichtes Wissenschaftslehre. Das Ereignis jedoch, das Leben und Werk bestimmt, ist der T o d seiner 15jährigen Braut Sophie von Kühn im Jahre 1797. Das ist das Jahr seiner Erweckung; Liebesund Todessehnsucht verschmelzen im mystischen Akt. (»Eine einfache, mächtige Kraft ist in mir zur Besinnung gekommen. Meine Liebe ist zur Flamme geworden, die alles Irdische aufzehrt"). Das weitere ist kaum von Belang: daß er in Freiberg
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die Bergakademie besucht und bei Werner Geologie hört, 1799 — nach nochmaliger Verlobung — Assessor in Weißenfels wird, und kurz nach seiner Ernennung zum Amtshauptmann stirbt. Seine philosophischen Fragmente sind nicht Aphorismen, sondern wirkliche Bruchstücke, Materialien, Notizen, Vorarbeiten zu einem umfassenden Werk, einer „Enzyklopädie" barocken Stils, die von der Logik und Mathematik bis zur Physik, Chemie, Kosmologie alles enthalten sollte, was zur inneren und äußern Welt gehört. „Mein Buch soll eine szientifische Bibel werden." Vom Barock aus (Jakob Böhme) geht denn auch die Linie, die über Swedenborg, Hamann, Hemsterhuis und Baader zu Novalis führt. — Doch ist auf eine abgeschlossenere Arbeit zuvor noch hinzuweisen.
Sie betrifft sein Verhältnis zum C h r i s t e n t u m , das er wie Schleiermacher als Universalreligion auffaßt: „es gibt keine Religion, die nicht Christentum wäre." Der ganze Unterschied tritt jedoch hervor in eben jener Arbeit, die als Athenäumsfragment erscheinen sollte, aber auf Goethes Einspruch weggelassen wurde: „Die Christenheit oder Europa" (1799). D a ß das Christentum zum Kreuzweg der Romantik wurde, findet seinen ersten Ausdruck bei Novalis. Aber nicht allein um die Wendung der Frühromantik zum K a t h o l i z i s m u s handelt es sich, sondern auch um ihre Entwicklung zur Restaurationsphilosophie. Denn wenn in dieser kleinen Arbeit das Mittelalter als die „glänzende Zeit" des Friedens und der Liebe gepriesen, wenn in ihr der Protestantismus als Zerstörung des „allgemeinen christlichen Vereins", als Einbruch der Philosophie in die Religionsangelegenheiten getadelt, oder der Jesuitenorden als „Muster aller Gesellschaften, die eine organische Sehnsucht nach unendlicher Verbreitung und ewiger Dauer fühlen", hingestellt wird, so paart sich doch diese Sehnsucht nach der Vergangeheit mit politischen Kategorien, und erweckt eine Vorstellung von der „politischen Romantik" (C. Schmitt) späterer Zeit. Die Beziehungen zwischen Religion und Politik, Pro-
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testantismus und Revolution, werden ebenso scharf herausgestellt wie der wesentlich irreligiöse Charakter moderner Philosophie. Ohne geistliche Macht kann es keinen Ausgleich der politischen K r ä f t e geben; das sogen. Gleichgewicht der K r ä f t e führt nur zur Verewigung des Krieges. D a ß die „Spuren einer neuen W e l t " sich in Deutschland zeigen sollen, bedeutet, daß „Europas Versöhnung" von hier ausgehen werde. Und wie später ( 1 8 1 4 ) K. Chr. Krause, fordert bereits Novalis einen europäischen Staatenbund, einen „Staat der Staaten", eine „politische Wissenschaftslehre." Novalis' Stellung zu Fichte ist eindeutig so wenig wie seine Stellung zu irgendwelchen Einzelproblemen bestimmten Fragmenten zu entnehmen. Gewiß ist er von Fichte beeinflußt. Und zu seiner „Wissenschaftskunde" gehört eine „Wissenschaftslehre", bei der er immer zuerst an Fichte denkt. Die Auffassung jedoch, er habe Fichtes Idealismus in Traumidealismus verwandelt, die bei Fichte überall im Auge behaltene Realitätsbeziehung des Erkennens (Fichtes „Anstoß") preisgegeben, den Gesichtspunkt der unbewußten Produktion (der Erscheinungen durch die produktive Einbildungskraft) in den einer bewußten Erzeugung der Welt durch das „Ich" übersetzt, das weltdichtende Subjekt in analoger Weise zum Schöpfer seiner 'Welt gemacht, wie der Künstler im dichterischen Akt seine „Wirklichkeit" hervorbringt, — diese Auffassung vom „poetischen Fichteanismus" ist in doppelter Hinsicht anfechtbar: von Seiten Fichtes, aus dessen Wissenschaftslehre sich dergleichen nicht ableiten läßt, und von Seiten Novalis' selbst. Denn offenbar ist der Begriff von Philosophie, wie er bei Novalis auftritt, ein g r u n d s ä t z l i c h anderer als der Philosophiebegriff Kants, Fichtes, Schellings, Schleiermachers und Hegels. Novalis' Idealismus „liegt eine unmittelbarere und universellere Art des Poiesis zugrunde, als sie dem Philosophen zu Gebote steht." (Knittermeyer). Das ist positiv ausgedrückt. Man kann es auch negativ ausdrücken. Die Differenz bleibt jedenfalls. Die „Philosophie" bei Novalis ist Theosophie bzw. Anthroposophie, und nicht ohne Grund bezieht sich R. Steiner auf Novalis (eine andere Beziehung auf ihn liegt vor im „magischen Idealismus", den ]. Evola in der italienischen Philosophie der Gegenwart seit 1925 vertritt).
Magischer Idealismus
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Novalis spricht selbst Von magischem Idealismus magischer Denklehre, Geistlehre, Kosmologie, Wissenschaftslehre, von magischer Naturphilosophie, Lebenslehre und Zukunftslehre. Er trennt freilich auch magischen I d e a l i s m u s und magischen R e a l i s m u s (Okkultismus, Spiritismus), und entscheidet sich gegen den zweiten. Die Gedanken zu äußeren Dingen, oder die äußeren Dinge zu Gedanken machen, beides sind idealistische „Operationen"; sie beide beherrschen, ist „Magie". Ganz deutlich ist, daß der Wille, als tätiger Gebrauch der Organe, ein „magisches" Denkvermögen darstellt. Desgleichen, daß die Phantasie eine „außermechanische" „magische" K r a f t ist. „Zauberei" ist dieses wie jenes, und der „größte Zauberer würde der sein, der sich zugleich so bezaubern könnte, daß ihm seine Zaubereien wie fremde, selbstmächtige Erscheinungen vorkämen." Magischer Idealismus in diesem Sinne bedeutet zweierlei, eine Absage an alle vermeintlich rationale Erkenntnis der Wirklichkeit, die vielmehr als das Wunderbare schlechthin erscheint, und eine Erweiterung Unserer Erkenntnis durch ein tieferes Verstehen und „Selbstbewußtsein". „Ganz begreifen werden wir uns nie, aber wir werden und können uns weit mehr als begreifen." Daß in jener Hinsicht Irrationalismus und S k e p s i s H a n d in H a n d gehen, zeigt sich wie bei Nietzsche, so bei Novalis: „Irrtum ist das notwendige Instrument der Wahrheit", „alle Illusion ist zur Wahrheit so wesentlich wie der Körper der Seele", „der Unterschied zwischen Wahn und Wahrheit liegt in der Differenz ihrer Lebensfunktionen", — das sind Sätze, die sich auch bei Nietzsche finden können. Daß in der anderen Hinsicht magischer Idealismus — als Idealismus — mystischen Ursprungs ist, braucht nicht erst hervorgehoben zu werden. Bei Novalis ist Philosophie „eine mystische, höchstwirksame, d u r c h d r i n g e n d e Idee . . .", intellektuelle Anschauung ist Ekstase oder „inneres Lichtphänomen", alle unsere Erfahrungen sind Offenbarungen des Geistes, Hieroglyphen, und Besonnenheit, Sichselbstfindung, „der Stoß auf uns selbst zu", ist als „Entschluß zu philosophieren, eine „Erregung des wirklichen Ich durch das idealische Ich." Auch hier klingen Fichtesdie Gedanken an, wie ja auch umgekehrt Fichte mehr und mehr reiner Mystik sich zuneigte. Aber die Wissenschaftslehre ist in keiner ihrer Darstellungen Erkenntnismystik allein, sondern auch Philosophie im tra-
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Romantische Philosophie
ditionellen Sinne. Während Novalis höchstens die Formeln dieser Philosophie zu verwenden und umzudeuten vermag.
Aus der reichen Fülle romantischer Individualitäten ist hier nur noch zweier zu gedenken, die beide weit eher „Klassiker" als „Romantiker" sind: des Ästhetikers K. F. Solger (1780—1819) und des Systematikers K. Chr. Fr. Krause (1781—1832). Beide gehen über den Gedankenkreis der Frühromantik so weit hinaus wie Schleiermacher in seiner späteren Zeit. Beide sind Schelling und Hegel verwandt als Vertreter einer Philosophie des Absoluten; Solgers eigentümlich dialektische Philosophie ist in mancher Hinsicht wie eine Miniaturausgabe der Hege/sehen. Beide sind aber auch in ihren früheren Schriften der Romantik eng verbunden: Solger, indem er die romantische Ironie zur „ironischen Dialektik" entwickelt, Krause, indem er die Lebenslehre, den Totalitätsbegriff der Romantik, wie er bei Schleiermacher und Novalis auftrat, zu einer Lehre vom „Wesen" und „Wesengliedbau" ausbildet, die für die sogen, organische Rechts- und Staatstheorie von Bedeutung geworden ist. Krause allein hat eine Schule, die auch. im Ausland wirkte, gestiftet; sein Einfluß erstreckt sich auf das ganze 19. Jahrhundert, ist aber — durch die Wunderlichkeiten seiner Sprachbildung — in der Philosophiegeschichte nur wenig beachtet. Solger hat einen festen Platz in der Geschichte der Ästhetik; er sollte einen ebenso festen Platz in der Geschichte des N i h i l i s m u s von Jacobi bis Nietzsche erhalten. Solger stammt aus Schwedt an Karl Wilhelm Ferdinand der Oder. In Halle studiert er Jurisprudenz und (bei F. A. Wolf) Philologie, in Jena (bei Schelling) Philosophie. 1803 wird er — nach einer Reise nach Frankreich 1802 — in Berlin an der Kriegs- und Domänenkammer angestellt. Einen Urlaub benutzt er, um 1804 in Berlin Fichtes Wissenschaftslehre zu hören, „mit unendlichem Vergnügen und Vorteil" (daß die Wissenschaftslehre 1804 eine ganz andere Gestalt als die von 1794 hat, wird bei Erörterungen der Abhängigkeit Solgers von Fichte meist übersehen). Seltsam paart sich schon im jungen Solger romantische Genialität mit nüch-
Solgers Leben
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ternem Pflichtbewußtsein und preußischer Beamtentreue. Nach der Niederlage von 1806 quittiert er den Dienst, um in Berlin zu privatisieren. Der Zwiespalt seines Wesens führt zu einer gefährlichen Krise (1807), und auch später treten Anfälle von Nervenfieber auf. Nachdem er sein Doktorexamen gemacht, wird er 1808 Extraordinarius in Frankfurt an der Oder. Von hier aus erhält er einen Ruf an die neugegründete Berliner Universität. Im ersten Kriegsjahr (1813) verheiratet er sich. Aber die Zeit ist ihm nicht günstig. („Ich lebe in dieser großen Stadt fast wie auf einer wüsten Insel"); mehr und mehr verfällt er in Melancholie, und kurz vor seinem 40. Lebensjahr stirbt er (1819) an Halsentzündung. Ein Unstern waltet über seiner Produktion. Der wissenschaftliche Nachlaß (1826 und 1829) ist umfangreich genug, aber zu Lebzeiten hat er nur wenig veröffentlicht: das Hauptwerk (Erwin 1815) und die Philosophischen Gespräche (1817). Jenes erste Werk, das Piaton nachahmt, sollte in kunstvoller Gedankenbildung und klassischer Dialogführung die möglichen Auffassungen vom Wesen des Schönen und der Kunst entwickeln; aber ihm selbst erscheinen hernadi die „Sachen zusammengekünstelt", und nur wenige finden sich, die sich um ein Verständnis bemühen. — Hegel, für dessen Berufung er sich einsetzte, hat seinen Nachlaß rezensiert und sich auch in der Rechtsphilosophie achtungsvoll mit seinem „verstorbenen Kollegen" beschäftigt; nur ist es eben Hegel, in dessen Schatten der lebende Solger nicht gedeihen konnte. Auch Kierkegaard befaßt sich mit Solger in seiner theologischen Promotionsschrift über den Begriff der Ironie. Solgers „ E r w i n " besteht aus vier Gesprächen. Die beiden ersten handeln vom Schönen, die anderen beiden von der Kunst bzw. dem Kunstschaffen. Von den vier Mitunterrednern (Adelbert, Bernhard, Anselm. Erwin) vertritt Adelbert Solgers eigene Philosophie, Bernhard die Philosophie lichtes, Anselm die Philosophie Scbellings. Erwin selbst, der „stille Jüngling", aber auch der „ewige Frager", mit dem „Götterfunken des Genies", verkörpert die junge Generation, an die sich Solger wendet. Ist für die Romantik Philosophie wesentlich Zusammenphilosophieren („Symphilosophie"), so ist auch für Solger das philosophische Gespräch keine beliebige Darstellungsform. Es soll allerdings das System
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Romantische Philosophie
nicht ersetzen oder entbehrlich machen. Aber es soll darstellen, wie das System „individuell und selbsterfahren" wird. Der Neuplatonismus, die Lichtmystik des Novalis, der Zusamenhang des „Schönen" mit dem „Göttlichen", tritt in Solgers Ideenlehre so rein hervor, daß Ästhetik und Religionsphilosophie von vornherein zusammenfallen. Dies um so mehr, als Solger — im Gegensatz zu Schellings „Bruno" (1802) — „schön" nicht die Abbildung „gewisser göttlicher Muster" nennt, sondern unter Schönheit unmittelbare Gegenwart des göttlichen Wesens selbst („Offenbarung Gottes in der wesentlichen Erscheinung der Dinge") versteht. Dies führt zugleich zu Konsequenzen, die das R e a l i t ä t s p r o b l e m betreifen. Gott nämlich, als schöpferische Tätigkeit, muß das E r schaffene ursprünglich in sich enthalten; die Gottheit muß sich in wirkliches, gegenwärtiges Dasein „verwandeln", und das Schöne als „so ganz wirkliches D i n g " , muß „mitten unter ganz gemeinen Erscheinungen sein." Nach der Seite der Religionsphilosophie scheint dies auf einen Pantheismus — oder wie Krause sagt: P a n e n t h e i s m u s — zu führen, und in der T a t hat man Solger auch öfter so verstanden. Nach der Seite der W i r k lichkeitslehre führt es ganz auf die Unterscheidung von Wesen und Erscheinung, bzw. auf einen doppelten E r scheinungsbegriff: die mit dem Wesen zusammenfallende (schöne) Erscheinung muß von der nicht mit ihm zusammenfallenden (gemeinen) Erscheinung unterschieden werden. Wichtig ist dabei, daß Solger den Gegensatz von W e s e n u n d E r s c h e i n u n g demjenigen von Sein und Erkennen überordnet. Es ist ein Irrtum, daß das „Wesen" bfloß im Erkennen, die „Erscheinung" bloß im Sein zu suchen sei. Vielmehr ist Erscheinung das, „worin Erkennen und Sein beständig wechseln" — was natürlich von Fichte aus zu verstehen ist — , Wesen aber das, „worin sie einander ausfüllen." Das bedeutet, daß zum Wesen Ganzheit bzw. Harmonie von Sein und Erken-
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Solgers Dialektik
nen, zur Erscheinung Unganzheit bzw. Nichtübereinstimmung von Sein und Erkennen gehört. Es bedeutet für das Schöne, daß es „mitten unter ganz gemeinen Erscheinungen" eben auch an beidem Anteil hat, eine D i a l e k t i k in sich schließt, ein „Schweben" ist. „In dieser Welt schwebt uns ja das Schöne zwischen Erscheinung und Wesen, und als eben dasselbe Ding und nach denselben Bestandteilen betrachtet, fiel es uns durch innere Widersprüche auf der einen Seite in das Gebiet der vorherrenschenden Erscheinung", auf der anderen Seite steht es in einem (unmittelbaren) Verhältnis zur Gottheit. Noch schärfer faßt Solger diese Konsequenz. Das Schöne, im „Gewühl" der anderen Gegenstände zum Wesen „erhöht", kann sich doch nicht aus der Verkettung der Dinge befreien; es versinkt „vor Gott mit der ganzen übrigen Erscheinung in Nichtigkeit." Die Idee" — das im Künstler schaffende Leben, objektiv: die konkrete Einheit des Allgemeinen und Besonderen — wird durch „Betrachtung" in die Verhältnisse der Wirklichkeit „aufgelöst"; sie verliert sich in „Gegensatz" und Zweideutigkeit und geht in das „Nichts der Wirklichkeit" auf. Diese N i c h t i g k e i t d e s D a s e i n s — Thema nicht erst der aus der Romantik hervorgegangenen Schopenhauerschen Metaphysik, sondern bereits der Solgerschen Ästhetik, — bedeutet nicht, daß Solger, wie Kierkegaard im Anschluß an Hegel sagt, „sich ganz im Negativen verirrt habe", daß er die „Nichtigkeit in allem sieht." Sondern es bedeutet genau auch das Umgekehrte: daß das Nichts im Wesen „aufgehoben" wird, daß das Wesen durch alles Sterbliche (Nichtige) „hindurchrinnen muß." Das durch das nichtige Dasein „hindurchrinnende" Wesen „ist ja die Kunst, und das vergehende und entstehende Irdische selbst muß die lebendige und gegenwärtige Idée sein." Damit ist der Punkt jener i r o n i s c h e n D i a l e k t i k erreicht, in der sich die „romantische Idee" vollendet. Lehmann, Philosophie V I I I
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Romantische Philosophie
Ironie tritt als Begriff in der Frühromantik bei Schlegel, Tieck, Brentano u. a. auf; sie ist nach Hegel der „Standpunkt der Eitelkeit alles Substanziellen, Wahren, der Nichtigkeit alles wahrhaft Objektiven", der Standpunkt also einer übergreifenden Subjektivität, die alles Feste auflöst, und sich insbesondere f ü r das Kunstwerk darin geltend macht, daß der Künstler nicht im "Werk verschwindet, sondern als Schöpfer und Betrachter hervortritt. Als „unernste, spielerische Geisteshaltung", als „Resignation" und „Flucht" (Korff) hat die Literaturgeschichte diese Form der romantischen Ironie bezeichnet. Wir haben es hier nicht mit den Dichtwerken der Romantik zu tun. Was aber den B e g r i f f der Ironie betrifft, so zeigt Solgers Philosophie, wie unzureichend solche Kennzeichnungen sind. Solger trennt Ironie und S c h ' e i n i r o n i e , die darin bestehe, „daß man dem Nichtigen ein scheinbares Dasein leiht, um es desto leichter wieder zu vernichten, entweder wissentlich, und dann ist es ein gewöhnlicher Scherz, oder unbewußt, indem man das Wahre anzugreifen glaubt, und dann kann es allerdings zum Rudilosen führen." Nach Kant (Kritik der ästhetischen Urteilskraft) ist das Gefühl des Erhabenen ein Gefühl der Unlust, insofern das Erhabene jeden Maßstab der Sinne übertrifft, und „eine dabei zugleich erweckte Lust", insofern es „das Gefühl unserer übersinnlichen Bestimmung in uns rege macht." Einbildungskraft und Vernunft sind hier im „Widerstreit". Eben in diesem Widerspruch, so hatte Schiller (1801) Kants Bestimmung erläutert, „liegt der Zauber, womit es (das Erhabene) unser Gemüt ergreift." Solger, der ja von Baumgartens und Kants Ästhetik ausgeht, und z. B. den Kantischen Begriff der reflektierenden Urteilskraft, die das Allgemeine im Besonderen „findet", zum Grunde legt — es sei dieses „Finden" der Idee im Besonderen ein „Witz", der „aus der Sache selbst hervorgeht" bzw. ein „Blitz", der in das Besondere „einschlägt" — ist auch hinsichtlich des Begriffs der Ironie von Kants D i a l e k t i k des E r h a b e n e n aus zu verstehen. Die Ironie ist der „Mittelpunkt der Kunst." Dieser Mittelpunkt ist als dialektischer ein „Schweben" und „Schwingen" zwischen zwei Richtungen: die Kunst „bildet" das Dasein, und löst es zugleich in Idee auf. Uns muß Trauer ergreifen „wenn wir das Herrlichste durch sein notwendiges
Solgers Dialektik
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irdisches Dasein in das Nichts zerstieben sehen." Aber die Ironie ist darum nicht die „Stimmung" der Trauer über die Nichtigkeit des Endlichen. Sie ist keine b l o ß e „Stimmung", sondern ein alles überschauender „Blick" des Künstlers und insofern mit dem schöpferischen A k t bzw. der Intuition verbunden. Sie ist, wie Solger in den Vorlesungen über Ästhetik (aus dem Nachlaß 1829) ausführt, nicht von der B e g e i s t e r u n g (Enthusiasmus) zu trennen. Nur in der Einheit von Ironie und Begeisterung besteht die „überirdische Gewalt" klassischer, welthistorischer Kunstwerke.
Läßt sich von Solger mit Recht sagen, daß ihm „die metaphysische und ästhetische Grundlegung der romantischen Ironie gelungen ist" (Odebrecht), so scheint z w i schen Krause und der Romantik gar keine innere Beziehung zu bestehen. Sein System, meist als Ableger des Schellingsehen bezeichnet (wogegen sich Krause selbst gewehrt hat), ähnelt in Inhalt und Aufbau der Wissenschaftslehre Fichtes und ist wie diese Grundsatzphilosophie. (An Stelle des „höchsten" Grundsatzes: Ich = Ich tritt bei Krause der noch höhere: Wesen = Wesen bzw. Gott = Gott). Es hat daher auch viel mit Wolff und dem Leibnizianismus des 18. Jahrhunderts gemeinsam. Krauses „Wesenlehre" ist „Grundwissenschaft" w i e Wolff s Ontologie. Sein Dualismus von N a t u r und Geist enthält die gleichen kartesianischen Elemente. Krauses immer theologisierendes, harmonisierendes, unkritisches Denken ist optimistisch, vernunftgläubig, und nicht nur in der Kategorialanalyse, in der seine Stärke liegt, sondern auch in der Verdeutschung so vieler Begriffe, durch welche er das Verständnis seiner Schriften erschwert, folgt er Wolffs Spuren. Auch das würde hierher gehören, daß Krause in den lateinischen Ländern (Spanien, Portugal, aber auch Belgien) zu hohem Ansehen gelangte, weil sich sein Idealismus am besten mit der katholisch-scholastischen Tradition vertrug. Viele Sonderbarkeiten drängen sich freilich sogleich auf. Es sind nicht die sprachlichen allein. (Krause w i l l eine rein deutsche Terminologie; er w i l l aber noch mehr:
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Romantische Philosophie
den „Gliedbau des ganzen menschlichen Grundlauttums" auffinden und — im Sinne von Leibniz — das „Alphabet aller menschlichen Grundgedanken versuchsweise verwirklichen"). Eine von der Mathematik und „Logologie" bis zur Theosophie ausstrahlende, an Swedenborg, dessen Lehre er in einer seiner letzten Schriften (1832) behandelt, erinnernde Phantastik, führt schon in die Zaubergärten der Romantik; wenn auch Krause nicht in Chiffren zu denken vermag und für Ironie oder gar Selbstironie kein Verständnis hat. Unzweifelhaft aber ist, daß sich in seinen früheren Schriften (bis etwa 1811; von da an nimmt seine Lebensphilosophie eine mehr theistische Wendung) romantischer Universalismus so deutlich verkörpert wie in Schleiermachers „Reden". Krause ist ein Fanatiker des Ganzheitsbegriffs und der wohl konsequenteste Vertreter „organologischen" Denkens. Zwar hängt die „organische" Staats- und Gesellschaftslehre des 19. Jahrhunderts nur in einer ihrer Formen (Ahrens, Röder u. a.) mit Krause zusammen. Und die ihm eigentümliche Verknüpfung von „Organismus" (dessen Begriff er aus der Kritik der Urteilskraft entwickelt) und „Bund", ist dem 18. Jahrhundert so wenig fremd wie die F r e i m a u r e r i d e o l o g i e , zu deren Apostel er sich macht. Aber die Zusammenschau von Wesen (Gott), Leben und Menschheit, wie sie sich in Krauses Philosophie findet, ist nicht nur auf dem Boden der Romantik entstanden, sondern selbst Ausdruck romantischer Weltanschauung. A m 6. Mai 1781 ist Karl Christian Friedrich Krause in Eisenberg (Sachsen-Altenburg) geboren (100 Jahre später wurde ihm hier ein Denkmal errichtet, und Eucken hielt die Gedächtnisrede). E r studierte in Jena bei Fichte — „ich bewundere Fichtes Verstand alle Tage mehr" (1798) — und bei Schelling. Von 1 8 0 2 — 1 8 0 4 war er Privatdozent in J e n a ; da die Mittel nicht ausreichten, wurde er 1805 Lehrer an der Dresdner Ingenieurakademie. Nach Fichtes T o d e habilitierte er sich abermals in Berlin, mit dem gleichen Mißerfolg. 1815 kehrte er nach Dresden zurück, um sich und seine zahlreiche
Krauses Leben
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Familie durch Schriftstellerei zu ernähren. 1823 habilitierte er sich zum dritten Male in Göttingen; diesmal scheiterte seine Laufbahn an einem Prozeß, den man gegen ihn eingeleitet hatte. Als er 1831 zum vierten Male in München ein Lehramt erstrebte, stieß er auf Schellings Widerstand, und starb kurz danach (27. September 1832) am Sdilaganfall. So war sein Leben eine Folge von Enttäuschungen und Konflikten: er verdarb es mit den Freimaurern, mit der (Berliner) Gesellschaft für deutsche Sprache, mit der Regierung, mit den Kollegen. Alles das empfand er schwer, und sagte doch mit Stolz von sich: „Ich bin reicher als die Reichen und glücklicher als die Glücklichen." Seine Begabung war ebenso groß wie seine Produktivität; er war bedeutend als Marthematiker und Musiker (1811 veröffentlichte er das System einer neuen Notenschrift), und wenn auch seine Bücher viele Wiederholungen enthalten, so behandeln sie doch alle Zweige der Philosophie. Wir haben es hier nur mit jener Arbeit zu tun, die den Abschluß der früheren Periode bildet: mit dem „ U r b i l d d e r M e n s c h h e i t " (1811). Diese Schrift — sie sollte fortgesetzt werden und im zweiten Bande das Napoleonische Imperium darstellen — enthält eine Sozialphilosophie mit schon deutlich erkennbarem „soziologischen" Einschlag; Krauses Rechts- und Geschichtsphilosophie werden aus ihr ebenso ersichtlich wie die Grundgedanken seiner Gottes-, Wissenschafts- und Kunstlehre. Auszugehen ist dabei von Schiller und Schleiermacher, weil Krause ihnen am meisten verwandt ist. In seinen Briefen an den Herzog von Augustenburg über die ä s t h e t i s c h e E r z i e h u n g d e s M e n schen ( 1 7 9 5 ) haue Schiller dem „dynamischen" (Macht-)Staat den „ethischen" (Vernunft-)Staat entgegengesetzt, und beiden den „ästhetischen" Staat übergeordnet. N u r der ästhetische Staat kann die „Gesellschaft" verwirklichen. N u r er kann „Harmonie" in die Gesellschaft bringen. Das war keine Staatskonzeption. Nicht einmal eine liberalistische. Aber es war das Idealbild einer Gesellschaft, die den Staat entbehrlich macht und uns die Menschheit in einer „Reinheit und Integrit ä t " zeigt, „als hätte sie von der Einwirkung äußerer K r ä f t e noch keinen Abbruch erfahren."
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Romantische Philosophie
Wie mit der Arbeit über naive und sentimentalische Dichtung gehört Schiller auch mit den Briefen über die ästhetische Erziehung zu den Wegbereitern der Romantik. Es ist ganz in seinem Sinne, wenn Schleiermacher in den Monologen den „Staat" das „schönste Kunstwerk des Menschen" nennt, „wodurch er auf die höchste Stufe sein Wesen stellen soll." Und es ist im Sinne beider, wenn Krause die „Gesellschaft" als „Kunstwerk aller ihrer Glieder" bezeichnet. Aber Schleiermacher ist beim Staat als Kunstwerk nicht stehen geblieben. Er hat bald den Weg zum N a t i o n a l s t a a t — zu dem „durch Nationaleinheit bedingt gesetzten" Staate —, und zwar zum nationalen M a c h t s t a a t gefunden. Allerdings hat er immer Kirche und „freie Geselligkeit" vom Staate getrennt und sie in gewissem Sinne dem Staate übergeordnet. Und er hat immer die Differenz von Staatstheorie und Gesellschaftslehre betont. Krause kennt diese Differenz nicht. Er kennt nicht einmal das P r o b l e m des nationalen Machtstaates. Er kennt nur „Gesellschaften" (Grundgesellschaften, d. i. Gruppen) niederer und höherer Ordnung, „Bünde" und „Vereine" aller Arten: Stamm vereine, Völkervereine, Menschenvereine bis zu der „Einen Menschheit des Weltalls" unseres „Sonnenbaues". Und den Staat kennt er nur als „Rechtsbund", wobei er den Rechtszwang der jeweils „höchsten Rechtsperson ihrer Sphäre", und folgerichtig zuletzt der „Person der Menschheit" zueignet. Trotzdem ist sein Prinzip nicht eigentlich föderalistisch. Weder im naturrechtlich-kontraktuellen Sinne des 18., noch im ständisch-konservativen des 19, Jahrhunderts. Das eigentlich Romantische der Krauseschen Sozialphilosophie liegt vielmehr darin, daß ausgliedernde Ganzheit und freie Wechselwirkung (Schleiermacbers „freie Geselligkeit") immer zusammengedacht werden: „Jedes freie und selbständige Wesen ist mit jedem a n d e r e n . . . in mittelbarer oder unmittelbarer Durchdringung des Lebens; und in dieser allseitigen Gemeinschaft und innigen Geselligkeit bewähren sich alle Wesen als göttliche Organe, nur in ihr besteht das Eine organische Leben Gottes."
Ästhetischer Staat und Menschheitsbund
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Gewiß ist die Idee des Ganzen „eher als die Teile, und die Teile können nur in, mit und durch das Ganze vollendet werden." Aber das Ganze ist nicht ohne innere Vielfalt. Selbst Gott, das Urwesen, in dem „alle Wesen sind und leben", hat eine „Lebensphäre" in sich; er ist, wie Krause später (1828) sagt, „Wesen in Bezugheit zu sich selbst als Wesengliedbau." Auf das Besondere dieses Krauseschen P a n e n t h e i s m u s braucht dabei so wenig eingegangen zu werden, wie auf seine Ideenlehre. Nur darauf kommt es an, daß Universalismus und Individualismus, die sich nach O. Spann grundsätzlich ausschließen, in Krauses Philosophie ebenso grundsätzlich vereinigt werden: „Ein jedes Wesen in Gott lebt mit der ewig ihm angestammten Kraft frei und selbständig", — daß dieser „vertiefte Individualismus" (I. H. Fichte) r o m a n t i s c h ist, und daß er sich, weniger durchgebildet, auch schon in Schleiermachers romantischen Schriften findet. Von hier aus ist dann auch Krauses M e n s c h h e i t s b e g r i f f zu verstehen. Daß die Menschen „an sich" Ein Wesen sind bzw. „nach vollendetem Wachstum des ganzen Geschlechts ein . . . Individuum auf Erden" sein werden, daß das Menschsein als „ewige und allgemeine Bestimmung" völlige Gleichheit der Menschen bedeutet, — solche und ähnliche Formulierungen sdieinen zwar Comte und Feuerbach vorzugreifen, sind aber doch nicht von hier aus zu interpretieren. Für Krause ist das Individuum nicht wie f ü r Comte eine Abstraktion. Für ihn ist die Menschheit nicht wie f ü r Feuerbach die menschliche Gattung. Menschheit ist eine r e l i g i ö s e Bestimmung. Aber nicht in dem Sinne, als müßte an Stelle des Gotteskults ein Menschheitskult treten, oder als wäre Gott die Vergegenständlichung des Mensdien. Gott ist die „Mitte des Lebens." Das Ineinandersein aller Wesen in Gott, — diese Innerlichkeit Gottes nennt Krause G o t t i n n i g k e i t , und versteht darunter Religion, die also bei ihm nidit als Abhängigkeitsgefühl, sondern rein mystisch aufgefaßt wird. „Der Mensch ist seinem Wesen nach religiös, es ist das gottinnigste Wesen der Welt; in ihm neigen sich aus allen Welten Strahlen des göttlichen Lebens zusammen." Allerdings verbinden sich damit auch spekulative Gedanken: Natur (organische Gattung) und Vernunft (Geisterreich), von Gott in „Eine allstimmige Harmonie vereinigt", sind in der Menschheit als dem Ebenbild Gottes zu selbst „urwesentlicher Einheit" gebracht, so daß der Mensch
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Romantische Philosophie
also in gewissem Sinne den „Dualismus" von N a t u r und Vernunft aufhebt. Dieses würde einerseits auf Schellings Identätsphilosophie, andererseits auf die spekulative Theologie A. Günthers verweisen; aber der rein religiöse Gehalt ist doch bei Krause weitaus stärker als seine spekulativen Ansätze. Literatur I. Romantik (allgemein) A. BAEUMLER, Einleitung zu: Bachofen, der Mythos von Orient und Occident, München 1926. — K. BORRIES, Die Romantik und die Geschichte, Berlin 1925. — H . BRINKMANN, Die Idee des Lebens in der deutschen Romantik, Augsburg 1926. — R. HUCH, Blütezeit der Romantik - Ausbreitung der Romantik (1899, 1902), in einem Bande, Leipzig 1931. — M. JOACHIMI, Die "Weltanschauung der Romantik, 1905. — P. KLUCKHOHN, Die deutsche Romantik, Bielefeld 1924. — H . KNITTERMEYER, Schelling und die romantische Schule, München 1929 (grundlegend). — H . A. KORFF, Humanismus und Romantik, Leipzig 1924. Dazu: Geist der Goethezeit, III, Leipzig 1949. — F. LION, Romantik als deutsches Schicksal, Stuttgart/Hamburg 1945. — G. MEHLIS, Die deutsche Romantik, München 1922. — J. NIADLER, Die Berliner Romantik, Berlin 1921. — J. PETERSEN, Die Wesensbestimmung der deutschen Romantik, Leipzig 1926. — C. SCHMITT, Politische Romantik, 2. Aufl., München 1925. — F . STRICH, Deutsche Klassik und Romantik, 2. Aufl., München 1929. — O. WALZEL, Deutsche Romantik, Leipzig 1908, ab 1918 zweibändig. II. Ausgaben und Neuausgaben a) Fr. Schlegel: Prosaische Jugendschriften (ed. J. M I N O R ) I—II, Wien 1882; Über das Studium der griechischen Poesie, Neudruck (ed. P. HANKAMER), Godesberg 1947; Athenaeum, Neudruck in Auswahl (ed. F. BAADER), Berlin 1 9 0 5 . Briefe an A. W . Schlegel (ed. W A L Z E L ) , Berlin 1890; J.KÖRNER, Krisen jähre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis, Brünn 1938. b) Schleiermacher: Werke, Berlin 1834—1864; Ausgewählte Werke in vier Bänden (ed. O. BRAUN), Leipzig 1910 ff.; Reden über die Religion (ed. R. O T T O ) , 5 . Aufl., Göttingen 1926; Monologen nebst Vorarbeiten, kritische Ausgabe von Fr. SCHIELE, 2 . Aufl. (ed. H . M U L E R T ) ,
Literatur
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Leipzig 1914; Grundriß der philosophischen Ethik (ed. SCHIELE,
Leipzig
1911;
Ästhetik
(ed.
ODEBRECHT),
Berlin 1931; Briefwechsel: Aus Schleiermadiers Leben (ed.
JONAS U. DILTHEY)
2. A u f l . ,
1860—63;
Brief-
wechsel, Auswahl in zwei Bänden (ed. H. MEISNER), Gotha
1922—23.
c) Novalis: Handschriftlicher Nachlaß, kritische Ausgabe von E. HEILBORN, 3 Bände, Berlin 1900 (Erg. Bd. Bruno WILLE); Schriften hrsg. von J . MINOR, 4 Bände, Jena 1907; Fragmente, Neuausgabe von E. KAMNITZER, Dresden 1929. d) Solger: Nachgelassene Schriften und Briefwechsel, hrsg. von TIECK u. RAUMER, 2 Bände, 1926; Vorlesungen über Ästhetik (ed. K. HEYSE), 1829; Erwin, Neuausgabe v o n R . KURTZ, B e r l i n 1 9 0 7 .
e) Krause: Von den Frühschriften: Entwurf des Systems der Philosophie I, 1804; System der Sittenlehre, 1810, 2. Aufl., 1887; Das Urbild der Menschheit, 1811, 3. A u f l . (ed. HOHLFELD u n d WÜNSCHE), 1 9 0 3 ; E n t w u r f
eines europäischen Staatenbundes, 1814, Neuausgabe (ed. H. REICHEL), Leipzig 1920; Briefwechsel (ed. A. PROKSCH), Leipzig 1880. Vgl. ferner: Vorlesungen über das System der Philosophie, 1828. III. Monographien a) Schlegel: K. ENDERS, F. Schlegel, Leipzig 1913. — O. MANN, Der junge Fr. Schlegel, Berlin 1932. b) Schleiermacher: W. DILTHEY, Leben Schleiermadiers, 1870, 2. Aufl. (ed. Mulert), Berlin 1922; Gesammelte Schriften IV, Leipzig 1921; X I I , Leipzig 1936. — G. HOLSTEIN, Die Staatsphilosophie Schleiermadiers, Bonn und Leipzig 1922. — O. KIRN, Schleiermacher und die Romantik, Basel 1895. — W. SCHULTE, Schleiermadiers Monologen in ihrem Verhältnis zu Kants Ethik, Langensalza 1920. — A. v. UNGERN-STERNBERG, Freiheit und Wirklichkeit, Sdileiermachers philosophischer Reifeweg durch den deutschen Idealismus, Gotha 1931. — G. WEHRUNG, Schleiermacher in der Zeit seines Werdens, Gütersloh 1927. c) Novalis: A. CARLSSON, Die Fragmente des. Novalis, Basel 1939. — W. DILTHEY, Das Erlebnis und die Dichtung, 9. Aufl., Leipzig 1925. — H. SIMON, Der magische Idealismus, Heidelberg 1906.
Der absolute Idealismus
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d) Solger: H. HELLER, Solgers Philosophie der ironischen Dialektik, Berlin 1928. — R. ODEBRECHT, K. W. F. Solger und die romantische Idee, in: Geisteskultur 34,5—6, (1925).
e) Krause:
F. CONRADI, Krauses Rechtsphilosophie, Leipzig
1938. —
R . EUCKEN, Z u r
Erinnerung
an
K.
Ch.
F.
Krause, Leipzig 1881. — P. HOHLFELD, Die Krausesche Philosophie, Jena 1879. — H. v. LEONHARDI, K. Ch. F. Krauses Leben und Lehre (ed. HOHLFELD U. WÜNSCHE),
1902.
IV.
Der absolute Idealismus Die idealistische Philosophie der Goethezeit, der „klassische" Idealismus im Unterschiede v o m Spät- und Neuidealismus, tritt in verschiedenen Formen auf. M a n hat sie typenbegrifflich zu bestimmen versucht: als „Idealismus der Freiheit" und „objektiven Idealismus" (Dilthey) als subjektiven, objektiven, absoluten Idealismus, als kritischen, ethischen, ästhetischen, religiösen Idealismus. Der Philosophiegeschichte ist mit solchen Bestimmungen wenig gedient. Die Systeme, die durch sie erfaßt werden sollen, stehen nicht fest. Sie verändern sich; die Denker entwickeln sich, und ihre Entwicklung ist nicht so sehr eine standpunktliche, grundsätzliche, als eine problembedingte. Auf die Probleme idealistischer Philosophie kommt es aber viel mehr an als auf die Formen idealistischer „Weltanschauung". V o n entscheidender Bedeutung ist d a f ü r der Ansatz dessen, was man a b s o l u t e n I d e a l i s m u s nennt. Die Philosophie Hegels allein hierunter zu verstehen, weil Hegel dem subjektiven oder „formellen" Idealismus den seinigen als „absoluten" überordnet, ist nicht angängig. Bevor Hegel sein System zum Abschluß brachte, haben Schelling und Fichte eine Philosophie des Absoluten entwickelt, beide im Gegensatz zu ihren früheren Auffassungen, beide aber auch im Gegensatz zu einander.
Begriff des Absoluten
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Die Fragen, die sich dabei aufdrängen: was eine Philosophie des Absoluten dem Sinne nach ist, und was es bedeutet, daß sie „Idealismus" ist, sind vorgängig nicht zu beantworten. Sie sind nur aus der Kenntnis dessen zu beantworten, was Fichte (in Abwandlung der Wissenschaftslehre von 1794) und Scbelling (in der Weiterbildung des Systems des transzendentalen Idealismus von 1800) leisteten. N u r soviel ist zu sagen, daß das „Absolute" des absoluten Idealismus nicht aus der heutigen, sinnleeren Gegenüberstellung von absolut und relativ aufgefaßt werden kann, (das Absolute der Tradition ist nicht bloß das „Abgelöste", Nicht-Relative, sondern zugleich das Vollkommene, die höchste Steigerung des Relativen bis zur Aufhebung seiner Einschränkungen; so spricht z. B. N. v. Kues vom „absoluten" Können als dem „Können jedes Könnens"), daß es aber ebensowenig zusammenfällt mit der Bedeutung, die Kant, die Grundsatzphilosophie und die Wissenschaftslehre in ihrer ersten Phase dem Worte geben (so daß also z. B. das „absolute" Ich, von welchem Fichte zunächst spricht, eine andere Bedeutung von „absolut" enthält, als das „absolute" Wissen der Wissenschaftslehre 1801). Kant unterscheidet Kategorien (Verstandesbegriffe) und Ideen (Vernunftbegriffe). Die Ideen sind bis zum Unbedingten „erweiterte" Verstandesbegriffe. Unbedingt (absolut) ist also hier über die Grenzen des Empirischen hinausgehend. D a aber die Vernunft keinen eigenen Gegenstand hat, ihr „Gegenstand" vielmehr der Verstand selbst ist, so ist die Aufgabe, zum „bedingten Erkenntnisse des Verstandes das Unbedingte zu finden", unlösbar. Sie führt auf Trugschlüsse (Paralogismen), auf eine „Dialektik des Scheins" (Antinomienlehre), auf die Unmöglichkeit, das „transzendentale Ideal" (Gott als ens realissimum im Sinne der Tradition) zu beweisen. Die Ideen sind also nicht konstitutiv. Sie sind „nur" regulativ, d. h. sie bestimmen (regulieren) den Verstandesgebrauch „im Ganzen der Erfahrung nach Prinzipien." Sie sind Schemata, heuristische Fiktionen, Maximen. Ist die einheitsstiftende, systematische Funktion der Ideen schon von positiver Bedeutung — nach Kant sollen die Ideen
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überhaupt nicht „in sich selbst" dialektisch sein, sondern der dialektische Schein soll nur aus „Mißbrauch" entstehen —, so zeigt vollends die praktische Philosophie ein entschiedenes Obergewicht der Vernunft- über die Verstandesbegriffe. Sind doch die Ideen nicht nur „wirkende Ursachen im Sittlichen", sondern auch „objektive Gründe" sittlicher Handlungen, d. h. allgemeingültig. Die Vernunft ist schlechthin (absolut) gesetzgebend f ü r den Willen, und die Freiheit ist „absolute" Spontaneität. Für die G r u n d s a t z p h i l o s o p h i e kommt es vor allem darauf an, den „höchsten", allgemeingültigen oder „absoluten" Grundsatz unseres Wissens aufzufinden. Zugleich aber auch darauf, die beiden Aspekte Kantischer Ideenlehre, d. h. die Grundlagen der theoretischen und der praktischen Philosophie, zu verbinden. „Alle bisherigen philosophischen Systeme sind Versuche, das große Rätsel des A b s o l u t e n , das die Vernunft zum Behufe der Erfahrung fordert, und das in der Erfahrung vergebens aufgesucht wird, zu lösen" (Reinhold 1789). In diesem Sinne will Reinhold zeigen, daß das Subjekt des „Vorstellungsvermögens" nicht durch den Verstand, sondern nur durch die Vernunft „unmittelbar vorstellbar" ist, daß es nur als absolutes Subjekt gedacht werden kann, und daß es als solches „handelnd" gedacht werden muß: die Vernunft ist als „ungebunden-handelnde Spontaneität" absolute Tätigkeit. Dennoch ist weder Reinholds Fundamentalphilosophie noch Fichtes Wissenschaftslehre 1794 eine „Philosophie des Absoluten." Reinholds über Raum und Zeit liegendes „absolutes" Subjekt, seine ungezwungen und ungebunden handelnde Spontaneität, sind ja „absolut" eben nur als absolut gedachte bzw. vorgestellte. Fichtes absolutes Ich ist allerdings das, dessen „Sein" bloß darin besteht, daß es sich selbst als seiend „setzt"; von einem Denken- oder Vorstellenmüssen ist dabei keine Rede. Im Gegenteil: das sich selbst setzen ist absolut freier Akt, Tathandlung. Aber es zeigte sich (s. o.), daß das absolute Ich Fichtes nur die „Idee" jenes Ich ist, das als unendliche Forderung (Ichideal) der Reflexion zum Grunde gelegt werden muß. Stellt man der Rede vom absoluten Ich den Satz Fichtes au» der transzendentalen Logik von 1812 entgegen: „Wer noch im Ich ist, dem täuschenden Bilde, erscheint sich als frei mit Willkür: aber er irrt sich, er ist auch Produkt, nur nicht eines Gesetzes, sondern einer absoluten Gesetzlosigkeit des
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Ungefährs, des, das im Grund und Boden gar nichts ist als die Sphäre des leeren Bildes des Ich", — so ist der ganze Abstand '¿wischen der früheren Ichphilosophie und der späteren Lehre vom „absoluten" Wissen und Sein spürbar, und es bedarf gar nicht erst der Frage, ob Fichte seine Wissenschaftslehre „verändert" hat. Natürlich hat er sie verändert. Aber er ist nicht bloß von einem „ethischen" Idealismus zu einem „religiösen" übergegangen. Sondern die „Änderung" betrifft eben den B e g r i f f d e s A b s o l u t e n selbst.
Um hier klarer zu sehen, ist zuerst auf den Mann einzugehen, der mit Fichte eng verbunden, aber doch auch sehr verschieden von ihm ist, und sich ihm bald entfremdete, der die Romantik aufs tiefste beeinflußte, Hegels. Philosophie — trotz aller Einwände der heutigen Forschung — wenigstens mitbestimmte, die Weiterbildung des absoluten Idealismus zum Spätidealismus einleitete und, noch lange nach Hegels Tode, dessen vermeintlich rein rationaler („negativer") Philosophie eine „positive" Philosophie (der Mythologie und Offenbarung) entgegensetzte: auf Fr. W. Joseph Schelling. Schelling gilt als Proteus des deutschen Idealismus (W. Windelband), als der ewig sich Wandelnde, von Standpunkt zu Standpunkt Eilende, und ist doch der eigentlich klassische Denker der Goethezeit. Mit ihm allein hat Goethe in fruchtbarem geistigen Austausch gestanden. Er besitzt nicht die scharfe Begrifflichkeit Fichtes und die dialektische Konzentration Hegels, aber er ist überreich an gedanklichen Motiven und produktiv auch in der Aneignung vergangener Denker: Spinozas, den er zuerst systematisch verarbeitet, Piatons und Plotins, Brunos und Böhmes. Einheitlich wie seine Gesamterscheinung, ist auch die Wirkung, die er im 19. Jahrhundert und in der Gegenwart ausgeübt hat (z. B. auf E. v. Hartmann in Deutschland, Bergson in Frankreich). Daß Schelling eine „Metaphysik" alten Gepräges vertreten hätte, die nur zufällig in die Zeit nach Kant fällt (P. Deußen), ist unrichtig. Kaum jemand unter den Philosophen im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts hat
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sich so deutlich auf Kant und auf so viele Motive der Kantischen Philosophie bezogen: Kants Dynamik der bewegenden K r ä f t e und sein Organismusbegriff sind der Ausgangspunkt von Schellings Naturphilosphie; Kants Verbindung von Teleologie und Ästhetik und seine Idee vom urbildlichen Verstände (s. o.) sind die Grundlage von Schellings System des transzendentalen Idealismus; mit der Berufung auf Kants Freiheitslehre beginnt Schellings Übergang zur „positiven" Philosophie, und noch die Philosophie der Offenbarung bezieht sich auf Kants Lehre vom „transzendentalen Ideal". Kants K a t e gorienlehre hat Schelling treuer bewahrt als Fichte und Hegel. Aus Schellings L e b e n , das mehrere Generationen deutscher Geistesgeschichte umfaßt, sind nur die wichtigsten Daten anzugeben. Am 27. Januar 1775 in Keplers Vaterstadt Leonberg (Württemberg) geboren, mit Glücksgütern gesegnet und von erstaunlicher Frühreife (mit 15 Jahren kommt er nadi Tübingen zur Universität, 1794 publiziert er seine erste philosophische Schrift), beginnt er zwar auch mit einer Hofmeisterstelle, die aber nur kurz ist (1795—96) und wesentlich in einer Reisebegleitung besteht. Er kommt nach Jena, wo er Schiller kennenlernt, und nach Leipzig. Hier stürzt er sich in die Naturphilosophie, studiert Mathematik und Physik, und läßt Schriften erscheinen — die „Ideen zu einer Philosophie der Natur" 1797, und die „'Weltseele" 1798 —, die ihm schnell einen Namen verschaffen. Goethe, dessen Interesse er erregt, und Fichte, als dessen Schüler er gilt, veranlassen seine Berufung nach J e n a . Sie erfolgt im August 1798. Da die Vorlesungen erst im Oktober beginnen, hält er sich in der Zwischenzeit in D r e s d e n auf. Und diese kurze Zeit wird für den 23jährigen entscheidend. Er tritt in den Kreis der Romantiker (Novalis, Schlegel, Gries waren damals in Dresden, vorübergehend auch Fichte). Hier beginnt auch der Roman seines Lebens, seine Bekanntschaft mit Caroline Schlegel, die ein abenteuerliches Schicksal hinter sich hatte, mit August Wilhelm verheiratet war, aber sogleich ihre Wahlverwandtschaft mit Schelling, dem Manne aus „echtem Granit", entdeckt. Die J e n a e r Z e i t (1798—1803), die Zeit des Aufbaues der Naturphilosophie als Zweig der Wissenschaftslehre
Schellings Leben
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— die früheren naturphilosophischen Arbeiten hatten einen mehr empiristischen Charakter — bis zum ersten Identitätssystem, ist die Zeit der engsten Zusammenarbeit mit Fichte, die Zeit der großen Leidenschaft (1803 wird Caroline von Schlegel geschieden und verheiratet sich im gleichen Jahre mit Schelling) und des ersten Lehrerfolges. Als Fichte durch den Atheismusstreit (s. o.) zu Fall kommt, bleibt Schelling in Jena. Hegel, Sdiellings älterer Jugendfreund, war 1801 nach. Jena berufen und hatte ihm in seiner ersten Druckschrift die „Differenz des Fichteschen und Schellingsdien Systems der Philosophie" ad oculos demonstriert. Hierdurch, und auch aus anderen Gründen (s. u.) kommt es zum B r u c h m i t F i c h t e . Andere unerquickliche Ereignisse (für ihn am widerwärtigsten die persönlichen Angriffe, die er nach dem Tode von Carolines Tochter Auguste Böhmer erfuhr: er wurde der fahrlässigen Tötung durch Kurpfuscherei bezichtigt) machen den streitbaren, lebensfrohen, selbstbewußten Mann unsicher und mißmutig, („es ging ein finsterer Geist durch dieses Haus" — Caroline), und er empfindet es als Erlösung, daß ihn 1803 ein Ruf nach W ü r z b u r g trifft. Die W ü r z b u r g e r Z e i t (1803—1806) ist der Höhepunkt seiner Lehrtätigkeit, aber einer Schon nachlassenden Produktion. Mit der kleinen Schrift über das Verhältnis des Idealen und Realen in der Natur (1806) klingt seine Naturphilosophie aus; vorher schon (1804) hat er sich religionsphilosophischen Spekulationen zugewandt. Am wichtigsten sind die in Würzburg gehaltenen, aber nicht veröffentlichten Vorlesungen über die Philosophie der Kunst. — Diesmal gerät er mit dem K a t h o l i z i s m u s in Streitigkeiten, will (1804) die ganze „intellektuelle Kultur in Bayern" anprangern, worauf ihm der Kurfürst einen Verweis erteilt (es wird Schelling „höchstdero Mißfallen über die von ihm bewiesene Arroganz" ausgesprochen, die „einen überzeugenden Beweis liefere, wie wenig die spekulative Philosophie den Menschen vernünftiger und sittlicher mache"). Anders als Fichte, gibt er klein bei, ist aber froh, daß er Würzburg verlassen kann, als es nach dem Frieden von Preßburg an Österreich fällt. Am 17. April 1806 geht er nach M ü n c h e n . Die M ü n c h e n er Z e i t (1806—1841), nur unterbrochen durch eine Professur in E r l a n g e n (1820—1827), ist die Zeit einer wesentlichen Veränderung seines Lebensgefühls, des Niedergangs, und neuen Wachstums. Die meisten Lebensjahre
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hat Sdhelling in München verbracht. Aber nur noch drei davon zusammen mit Caroline. Ihr T o d (1809) bedeutet die tiefste Erschütterung seines Lebens. Seine Schaffenskraft scheint gebrochen. E r veröffentlicht nur noch wenig. Sein „Lieblingskind", die „Weltalter" (das sind die Aeonen oder Perioden der göttlichen Selbstoffenbarung), zieht er immer wieder vom Drude zurück. Im Fragment „Clara", seiner „romantischsten" Schrift, durch Carolines T o d veranlaßt, berührt er zuerst das Unsterblichkeitsproblem. Schon vorher (1809) hatte er in den „Philosophischen Untersuchungen über das Wesen der Freiheit" von der „ N a t u r " in Gott gesprodien, die den „Eigenwillen der Kreatur" erregt, vom Bösen als dem „Urgrund zur Existenz", und hatte damit den Obergang zur späteren Potenzenlehre und Willensmetaphysik vollzogen. 1812 verheiratet er sich mit Pauline Gotter, durch deren Gegenwart sich Goethe um „zwanzig Jahre verjüngt" fühlte, und die das nachlassende Band zwisdien ihm und Schelling noch einmal verstärkt. Die Ehe ist glücklich, kinderreich. Aber Schelling kränkelt, seine T a t k r a f t ist erlahmt, sein Wirkungskreis verengt sich. Seine Eifersucht auf Hegels R u h m paart sich mit der Angst, bestohlen zu sein (oder zu werden). Die Münchener Vorlesungstätigkeit (seit 1827) läßt das A l t e r s w e r k reifen, von dessen mythologischem Teile die noch zum Gedankenkreise der „Weltalter" gehörenden „Gottheiten von Samothrake" (1815) einen Vorgeschmack geben mochten, — einen schlechten, wie Goethe meinte, der die drei Kabiren und ihren Diener in den zweiten Teil des Faust aufnimmt und verspottet. (Wobei doch aber im tieferen Sinne Schellings Alterswerk die geistesgeschichtliche Parallele zum zweiten Teil des Faust bildet). In den dreißiger Jahren begann in München ein reaktionärer Kurs, der Schelling mißfiel. Als der preußische Kronprinz, mit Schelling befreundet, 1840 König wurde, konnte er den lang-gehegten Plan, ihn als Nachfolger Hegels nach Berlin zu rufen, verwirklichen. Diese letzten Berliner Jahre (1840—1854) bringen den 65jährigen noch einmal in den Brennpunkt des Interesses. Er soll die „Drachensaat des H e gelianismus" vernichten. Sein Sendungsbewußtsein ist aufs höchste gesteigert. Aber er lebt in einer anderen Welt als seine Zeitgenossen. Widerhall kann er nicht finden, und sein Berliner Auftreten ist eine Kette teils komischer, teils tragischer Verwicklungen. Bis er resigniert und sich wieder in sich selbst zurückzieht. Auf einer Reise stirbt er am 20. August
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Sdiellings Leben 1854 in Ragaz.
Schelling, Meister aller Darstellungsformen, der wissenschaftlichen und dichterischen, wahrhaft universalen Geistes, erscheint im Wandel seines Denkens wie ein Schauspieler, der sich immer neu kostümiert: die Sachbedingtheit seiner Philosophie tritt zurück, wenn er als „Dichterphilosoph", „Romantiker", „Metaphysiker" aufgefaßt, und über dem Wohlgefallen — oder Mißfallen — an seiner Erscheinung die Interpretation seiner Werke vernachlässigt wird. (Es gibt keine kritische Ausgabe der Werke, und der Nachlaß ist — abgesehen vom Manuskript der „Weltalter" — im letzten Kriege nun auch vernichtet). Die Überbetonung des j u n g e n Schelling, der sich vor dem Publikum häutete, erschwert die Gesamtinterpretation; erst in den letzten Jahren ist das Alterswerk stärker herangezogen worden. Es ist aber keine Frage, daß Schelling nur von hier aus „verstanden" werden kann, daß nur vom Alterswerk her die Linien gezogen werden können, die alle „Perioden" verbinden. Gewiß gibt es viele Umkippungen und Ableakungen, aber daß Schelling selbst eine S y n t h e s e seines Lebens im Sinne hatte, als er seine frühere Philosophie als „negative" oder „rationale" (weil die Vernunft vom Seienden nur einen negativen Begriff hat und das „absolut" außer dem Denken befindliche Sein nicht erfassen kann) von der späteren „positiven" unterschied und beibehielt — was allerdings den Vorteil hatte, auch die Philosophie seines alten Widersachers Hegel in seinem System beizusetzen —, liegt auf der Hand. Wir können hier auf die Altersphilosophie noch nicht eingehen (siehe Band II). Es ist nur zu sehen, daß der absolute Idealismus Schellings auf sie führen mußte. Ist doch das P r o b l e m dieses Idealismus von Anfang an und durch alle „Perioden" hindurch (also von der Wissenschaftslehre bis zur Naturphilosophie als Gegenglied zur „Transzendentalphilosophie"; vom ersten Identitätssystem (1800) zum zweiten (1801); von der Lehmann, Philosophie V I I I
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Der absolute Idealismus
Identitätsphilosophie zur Ideenlehre; von der Ideenlehre zur Freiheitslehre; von dieser zum „höheren" Empirismus und zur positiven Philosophie 1 ), das schon 1795 von ihm als Problem „aller Philosophie" bezeichnete: den „ Ü b e r g a n g vom Unendlichen z u m E n d l i c h e n " zu vollziehen. Dieses Problem des „Obergangs" oder der T r a n s z e n d e n z (von transcendere = übersteigen) ist in gewissem Sinne der Gegensatz dessen, was bei Kant als Transzendenzproblematik auftritt: nicht von der „Erscheinung" zum Absoluten, sondern vom Absoluten zur Erscheinung überzugehen (man könnte von D e s z e n d e n z sprechen). Natürlich ist dies historisch der Gegensatz von Kant und Spinoza; aber Schell'tng hat keinen Zweifel daran gelassen, daß er bei Spinoza eine „Lösung" seiner Frage nicht findet. Kant will vom Bedingten zum Unbedingten, von der Erscheinung zu ihrem „übersinnlichen Substrat" gelangen. Der spekulative Weg ist durch die Dialektik versperrt; das Erkennen des Absoluten scheitert an seinen Widersprüchen. Die dogmatische Metaphysik führt nicht zum Absoluten. Noch weniger dazu, die Erscheinung aus dem Absoluten „abzuleiten". Doch bleibt im P r o b l e m des Absoluten die Gewißheit, daß das Bedingte das Unbedingte, das Endliche das Unendliche, die Erscheinung das übersinnliche Substrat voraussetzt. Und aus der Gewißheit dieser Voraussetzung unternimmt Kant die berühmte „transzendentale Deduktion der Kategorien", die „Ableitung" der reinen VerstandesbegrifFe aus der „transzendentalen Apperzeption", als der aller Erfahrung vorhergehenden Bewußtseinseinheit, dem „höchsten Punkt, an dem man allen Verstandesgebrauch heften muß." Aber die Deduktion soll nur von E r s c h e i n u n g e n gelten bzw. nur von Gegenständen unserer Erfahrung. Damit ist — wir argumentieren im Sinne des absoluten Idealismus — die Ableitung entwertet. Offenbar kann nur der unendliche (absolute) Verstand Naturgesetze „geben". Und offenbar sind die Dinge an sich „nichts als die Idee eines übersinnlichen Grundes der Vorstellungen" (Schelling 1796); eine zweite Dinggarnitur „hinter" der empirischen Dingwelt (ErscheiDies ist nur eine grobe. Einteilung. Metzger unterscheidet (1911) in Schellings Jugendent wicklung (bis 1802) bereits 4 „Epochen". — Mindestens ebensoviele w ü r d e die spätere Zeit umfassen.
Schelling und die Romantik
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nungswelt) würde das Problem des Ursprungs nur verdoppeln. Die ursprüngliche Einheit ist a b s o l u t , insofern sie der Subjekt-Objekt-Relation vorausgeht. Sie ist das „absolute" Ich, „reines Ich in intellektualer Anschauung als absoluter Realität", „Urform des reinen, ewigen Seins", wie Schelling 1795 in der Schrift vom Ich sagt. Absolutes Ich und intellektuelle Anschauung sind Ausdrücke, die Schelling von Fichte übernimmt. Aber der Sinn ist ein anderer. Zwar ist für beide das Selbstbewußtsein Ausgangspunkt und Ziel. Aber der Ausgangspunkt Schellings ist dasjenige „im" Bewußtsein, was zugleich „jenseits" des Bewußtseins liegt (das Unbewußte), und das Ziel ist die Darstellung des Unendlichen im Endlichen, die Deszendenz des Absoluten. Organ der Philosophie ist f ü r beide die i n t e l l e k t u e l l e A n s c h a u u n g . Aber Schelling verbindet sie mit der ä s t h e t i s c h e n Anschauung und kommt zu der These, daß die Philosophie der Kunst das „wahre Organon der Philosophie" sei. Solange Schelling in dieser Formulierung verbleibt, ist seine Philosophie eine romantische, und die Philosophie des Absoluten r o m a n t i s c h e r Universalismus. Ist Schelling den Romantikern wesensverwandt? Ja und nein. Aus der Jenenser Zeit stammt Steffens' bekannte Schilderung: „er hatte in der Art, wie er erschien, etwas sehr Bestimmtes, ja Trotziges, breite Backenknochen, die Schläfen traten stark auseinander, die Stirn war hoch, das Gesicht energisch zusammengefaßt, die Nase etwas aufgeworfen; in den großen, klaren Augen lag eine geistig gebietende K r a f t . . ." Energie, Tatkraft, Stolz bis zur Überheblichkeit, nichts von Sehnsucht, schwärmerischem Unendlichkeitsdrang; eine derbe Sinnlichkeit, der doch jede Versenkung in das eigene Triebleben fremd ist, völliger Mangel an romantischer „Ironie" und Abneigung gegen alles „Zusammenphilosophieren", — das mag sein negatives Verhalten zu den Romantikern (besonders zu- Novalis, dessen „ F r i v o l i t ä t . . . , an allem herumzuriechen", er „nicht gut vertragen" kann) erklären. Aber es besagt natürlich nichts über seine Beziehungen zur „romantischen Philosophie". Diese hat Knittermeyer auf den Ausdruck gebracht, Schelling habe in systematischer Form die romantischen „Keime" zu einem „Sinnganzen" entwickelt. Vielleicht läßt sich sagen, daß Schellings Beziehung zur Romantik keine „romantische", 6»
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sondern eine s a c h l i c h e ist. Die Frühromantik folgte wesentlich Fichtes erster Wissenschaftslehre. Waren die aus Fichte gezogenen Folgerungen Mißverständnisse (s. o.), so hatte also in "Wirklichkeit die Romantik, indem sie sich auf Fichte berief, kein systematisches Fundament. Schelling konnte es ihr geben. Er trat zwar als Anhänger Fichtes auf, hatte aber von vornherein Motive aufgenommen, die die romantische Weltanschauung bestimmten (während sich Fichte umgekehrt, nach 1800, von romantischen Vorstellungen bestimmen ließ, also in gewissem Sinne „nachholte", was Schelling vorgedacht hatte). An drei Punkten zeigt sich Schellings Affinität zur Romantik: die objektive Wirklichkeit wird in vollem, d. h. naturphilosophisch ausgeführtem Sinne als u n b e w u ß t e P r o d u k t i o n , als „noch bewußtlose Poesie des Geistes" verstanden; das romantische Denken in Gegensätzen wird durch Schellings p o l a r i s t i s c h e D i a l e k t i k (im Gegensatz zur reflexiven Dialektik Fichtes) sachlich gerechtfertigt und methodisch befruchtet; der Ä s t h e t i z i s m u s der Romantik wird durch Schellings Verbindung von intellektueller und ästhetischer Anschauung systematisch begründet. Was ist nun unter der Verbindung intellektueller und ästhetischer Anschauung zu verstehen? Intuition im Sinne von metaphysischem „Erlebnis", Wesenschau bzw. An'amnesis im platonischen Sinne, Akterfassung im Vollzug von Bewußtseinsakten, — das alles spricht bei der intellektuellen Anschauung mit. Aber es genügt nicht. Für Schelling (der darin Fichte folgt) ist intellektuelle Anschauung Analogon zur räumlichen Anschauungsform. Wie diese Bedingung geometrischer Konstruktionen, so ist intellektuelle Anschauung Bedingung von „Ichkonstruktionen", d. h. des Entwerfens jener Handlungen (Akte), durch die das Ich sich objektiv wird. Dabei kann sich aber — und das ist das Paradox — die intellektuelle Anschauung selbst nicht objektiv werden, so wenig wie wir uns in der geometrischen Konstruktion des Raumes als subjektiver Anschauungsform, d. h. als a p r i o rischer Bedingung räumlicher Anschauungen, bewußt werden. Und hier greift die ästhetische Anschauung ein. Sie ist die „objektiv gewordene intellektuelle." Denn das schlechthin Innerliche, das „Bewußtlose im Handeln und Produzieren und seine ursprüngliche Identität mit dem Bewußten", das die Philosophie schon am Punkte seiner Entzweiung, Spal-
Die intellektuelle Anschauung
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tung, Trennung — nämlich in der Reflexion — aufnimmt, wird uns im Kunstwerk als Ganzes und Ungetrenntes vorgestellt. Diese Beiordnung soll sich aus der Subjekt-Objektivität insofern ergeben, als einmal das O b j e k t i v e zum „Ersten gemacht" werden könne (Naturphilosophie), wobei dann zu fragen ist, wie „ein Subjektives zu ihm hinzukomme", das andere- mal das S u b j e k t i v e , wobei die umgekehrte Frage zu stellen ist, „wie ein Objektives hinzukomme, das mit ihm übereinstimmt" (Transzendentalphilosophie'). Aber es ist keine Natur „an sich" im Sinne des Substanzendualismus oder des Materialismus, sondern eine bereits vergeistigte Natur, die Schelling in der Naturphilosophie zu „konstruieren" sucht. Die Natur ist „eine mit allen ihren Empfindungen und Anschauungen gleichsam erstarrte Intelligenz." Und die Gegenüberstellung von Natur- und Transzendentalphilosophie hat nicht den Sinn einer Annahme z w e i e r „Grundwissenschaften" der Philosophie, den Schelling ihr geben möchte. „Grundwissenschaft" ist vielmehr die Transzendentalphilosophie, weswegen Fichte in dem überaus lehrreichen, vom Oktober 1800 bis Januar 1802 reichenden Briefwechsel beider mit Recht geltend macht, daß das Subjektive in der Natur doch nur das „von uns in sie hineingetragene Analogon unserer Selbstbestimmung" ist bzw. daß man das Ich nicht aus dem erklären kann, was man aus ihm selbst erklärt hat. Der absolute Idealismus Schellings ist im ersten Identitässystem ( 1 8 0 0 ) noch maskiert. Denn es liegt im W e sen transzendentaler Betrachtungsweise, das höchste Prinzip des Wissens „innerhalb des Wissens", d. h. im B e w u ß t s e i n aufzusuchen. U n d wenn auch mit der Möglichkeit gerechnet wird, das Selbstbewußtsein als Modifikation eines „höheren Seins" darzustellen — was aber den Transzendentalphilosophen „nichts angeht" — , so ist doch die auf jener Möglichkeit ruhende „Naturphilosophie" selbst ein verkappter Idealismus. Diese Unklarheit im Prinzipiellen beseitigt Schelling im zweiten Identitätssystem, der „D a r s t e l l u n g m e i n e s S y s t e m s d e r P h i 1 o s o p h i e" (1801), dem wichtigsten Dokument der Philosophie des Absoluten vor Hegels Phänomenologie. Hier scheint nun
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wirklich das Wagnis vollbracht, vom A b s o l u t e n auszugehen, von der „totalen Indifferenz des Subjektiven und Objektiven", von der „absoluten Identität" und „absoluten Totalität." Der romantische Univeralismus („Universum nenne ich die absolute Totalität") erhält erst jetzt seine systematische Form. Zugleich aber scheint Schelling das Grundproblem: den Übergang vom Unendlichen zum Endlichen zu finden, aufgegeben zu haben. Denn mit aller Entschiedenheit erklärt er nunmehr, es sei der „Grundirrtum" aller Philosophie, das „Heraustreten" der absoluten Identität aus sich begreiflich machen zu wollen. Alles was ist, ist das Absolute, — nicht einmal „Erscheinung" des Absoluten, sondern das Absolute selbst. Der P a n t h e i s m u s der Frühromantik hat hier seinen Höhepunkt, und Schelling beruft sich auf Spinoza als den einzigen, der die „wahre Philosophie" erkannte. Ohne nach dem Wege zum Absoluten zu fragen, wird dieses vorausgesetzt in der „absoluten Vernunft": die Vernunft ist das Absolute; sie ist schlechthin Eine und schlechthin sich selbst gleich. Die Identitätsphilosophie scheint sich damit als strenger R a t i o n a l i s m u s zu präsentieren. Vom „Standpunkt" der Vernunft aus gibt es keine Endlichkeit; die Dinge als endlich betrachten, heißt sie nicht betrachten, wie sie „an sich" sind. Ja, die „ursprüngliche" Erkenntnis der absoluten Identität wird als zur „Form ihres Seins" gehörig bestimmt, so daß der Rationalismus als rationalistische O n t o l o g i e erscheint. Doch ist der Sinn der „Darstellung" ein von diesen Formulierungen recht verschiedener. Die Vernunft ist das Absolute, nicht insofern das Absolute, sondern insofern die Vernunft „gedacht" wird: Vom D e n k e n der Vernunft geht Schelling aus. Und die Vernunft ist Indifferenz des Subjektiven und Objektiven, nicht insofern das Subjektive und Objektive Attribute einer absoluten Substanz, sondern insofern sie Momente der absoluten Erkenntnis sind: vom S e l b s t e r k e n n e n ,
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Schellings Identitätsphilosophie
Selbstbewußtsein geht also Schelling auch hier aus. U n d natürlich ist es auch jetzt sein Problem, den „Ubergang" vom Unendlichen zum Endlichen begreiflich zu machen. Die absolute Identität muß sich als Subjekt und O b j e k t „setzen". Aber es gibt zwischen Subjekt und O b j e k t keine qualitative, sondern nur eine q u a n t i t a t i v e Differenz (siehe Fichtes Satz der Teilbarkeit). Das heißt: das Eine und gleiche Identische ist entweder mit einem „Übergewicht" des Subjektiven oder mit einem „Ubergewicht" des Objektiven gesetzt. Subjekt und O b j e k t sind dem W e s e n nach dasselbe; ihre „Spaltung" bedeutet nur, daß die absolute Identität einmal unter der „Potenz" des Subjektiven, das andere mal unter der des Objektiven gesetzt ist. D a m i t betritt Schelling den W e g seiner P o t e n z e n l e h r e , der ihn bis zur Philosophie der M y t h o logie und Offenbarung (als Lehre von der Realdeszendenz Gottes) führen wird. Z w a r findet sich der Begriff der Potenz auch schon früher. I n den naturphilosophischen Schriften vor 1800 sind Potenzen die Stufen, welche die Produktion der N a t u r durchläuft, z. B . als anorganische und organische. Die Transzendentalphilosophie wird ebenfalls als Potenzierungsprozeß beschrieben, nämlich als Erheben des Ich „von einer Stufe zur anderen." J e t z t aber werden die Potenzen im Absoluten verankert: die absolute Identität „ist" nur unter der „ F o r m " aller ihrer Potenzen. Auf die Schwierigkeiten der Konstruktion dieser „Seinsarten" des Absoluten (denn das sind die Potenzen) ist nicht einzugehen. Schelling verwendet für das ursprüngliche „Selbsterkennen" der absoluten Identität das Symbol A = A, für die Identität in der Differenz von Subjekt und Objekt das Symbol A = B; das „Überwiegen" entweder der Subjektivität oder der Objektivität wird durch Pluszeichen verdeutlicht, die dem A oder B hinzugesetzt sind, und am Ende ergibt, sich die „Linie"
+
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A = B
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E r g e b n i s der Potenzenlehre von 1801 ist jedenfalls dieses: daß die Stufen der Differenzierung des Absoluten, die natürlich, bezogen auf das Endliche, zugleich Stufen der Indifferenzierung (der Wiederherstellung der ursprünglichen Identität) sind, auf der Objektseite von der M a t e r i e (1. Potenz) über das L i c h t — in welchem die „absolute identität sich selbst in der Wirklichkeit aufgeht", das also gewissermaßen die Selbstanschauung der Natur ist (2. Potenz) — zum O r g a n i s m u s , dem „Produkt aus Licht und Materie (3. Potenz) verlaufen; auf der Subjektseite dagegen vom W i s s e n oder dem Wahren (1. Potenz) über das H a n d e l n oder das Gute (2. Potenz) zum Organismus der V e r n u n f t oder dem Schönen (3. Potenz). In der Darstellung selbst, die Fragment blieb, wird jedoch nur die Objektseite behandelt.
Zwei Denker haben Schellings Philosophie des Absoluten mit beißender Kritik bedacht: Hegel in der Vorrede zur Phänomenologie (1807), die seinen Bruch mit Schelling zur Folge hatte und berühmt geworden ist, Fichte im „Bericht über den Begriff der Wissenschaftslehre und die bisherigen Schicksale derselben" (1806, aber erst 1835 erschienen). Ein Dritter: Schleiermacher, ging still seines Weges, auf dem er Schelling so nahe kam, daß man ihn wohl als seinen Schüler bezeichnete. — Schleiermachers System sei, in Ergänzung der früheren Ausführungen (s. o.), zuerst berücksichtigt. Man kommt freilich beim Übergang von Schelling zu Schleiermacher vom Hochgebirge in die Ebene. Seine D i a l e k t i k — zuerst vorgetragen 1811, aus dem Nachlaß in schlechter Redaktion veröffentlicht 1839 — ist nicht eigentlich Metaphysik, sondern eine selbständige Wissenschaft, die die Metaphysik voraussetzt und sich kritisch darauf bezieht. Denn wir können nur das Wissen, wie es ist, mit der höchsten Idee des Wissens „vergleichen"; wir können nur vom „Einzelwissen" ausgehen und nach dessen Merkmalen fragen. Dazu gehört allerdings als wichtigstes Merkmal die I d e n t i t ä t von Denken und Sein, — „Sein" im doppelten Sinne dessen, wovon Eindrücke auf uns, und dessen, worauf Einwir-
Schleiermadiers Dialektik
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kungen von uns ausgehen. Dieser Identität sind wir versichert im S e l b s t b e w u ß t s e i n . Zwar nicht im Selbstbewußtsein als bloßem „Ich denke" (cogito), sondern im Selbstbewußtsein als der Identität von Denken und Handeln. Nennen wir alles auf das Denken „beziehbare" Sein das Reale, alles auf das Sein „beziehbare" Denken das Ideale, so gehört Identität des I d e a l e n und R e a l e n zur Voraussetzung alles Wissens. Aber es gehört auch noch eine andere „Identität" dazu: die „Gleichheit des Selbstbewußtseins in Allen." Nur das ist Wissen, was von allen „Denkfähigen" in derselben "Weise erzeugt wird. „Gibt es ein Wissen: so muß das System aller das Wissen konstituierenden Begriffe in der allen einwohnenden Einen Vernunft auf eine zeitlose Weise gegeben sein." Das ist Sdileiermachers R a t i o n a l i s m u s (der so wenig „Intellektualismus" ist wie der Schellingsche). Gibt es außer dem universalen noch ein individuelles Denken — und freilich gibt es das, ist doch die Dialektik als „Kunst der Gesprächsführung" (Plato) an die Voraussetzung der individuellen Differenzen im Denken gebunden; von ihnen aus will sie zu „streitfreiem Denken", d. h. Wissen, gelangen — so gilt es, die Individualisierung als solche aufzunehmen. Wie jeder einzelne nur „in der Identität und Differenz zu den andern" ist, so ist auch in jedem das a l l g e m e i n e Denken als „Ausdruck des gemeinsamen menschlichen Seins" vom i n d i v i d u e l l e n zu unterscheiden. Persönlichkeit ist Ausdruck des gemeinsamen Menschlichen, Eigentümlichkeit dagegen dasjenige, was eines jeden Besonderes ausdrückt (s. o.). Von diesem Punkte aus wird sich Schleiermacher dem Schellingscben „Standpunkt der Vernunft", für den es keine Endlichkeit gibt, am meisten widersetzen. Und natürlich hängt er mit jenem anderen Punkte zusammen, an dem Schleiermacher als Theologe am stärksten interessiert ist, mit dem Verhältnis G o t t e s (der ja in der
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Besonderheit des Einzelnen, im religiösen Gefühl, seine Stätte hat) zum A b s o l u t e n . Die Dialektik steht so im Kreuzfeuer zwischen Theologie und Metaphysik. Man kann auch sagen: es ist ihre Aufgabe, den „Streit" zwischen beiden zu schlichten. Dieses geschieht durch eine A r t Verklammerung: Ideales und Reales treten einmal ohne Gegensatz in G o t t , das andere Mal mit Gegensatz in der W e l t auf, wobei die "Welt weder von Gott absolut getrennt (denn sie ist eben Gott in seiner Gegensätzlichkeit), noch in Gott hineinverlegt ist (wie im sog. Pantheismus Spinozas); die Verklammerung besteht darin, daß die Identitätsphilosophie mit ihren Seinspolen und Potenzen gleichsam als Weltsystematik oder Weltschematik durchgeführt und gegen Gott abgeklammert wird. Man muß mit Einzelbelegen aus Schleiermachers Dialektik über den Begriff des Absoluten vorsichtig seinj denn in der Zeit, in der er über Dialektik las, hat sich seine Auffassung nicht unbeträchtlich verändert. Das eigentlich Dialektische im Begriff des Absoluten stellt sich so dar: daß das Absolute notwendige Voraussetzung ist, die wir aber nicht vollziehen können, daß das Absolute als das Höchste nichts anderes als Gott bedeutet, daß wir aber die „Formel" oder das „Schema" des Absoluten nicht für Gott einsetzen können. (Das hieße, in das „absolute Nichts gehen"; jeder Versuch, unser Wissen zu erweitern, wäre hier nur Beschränkung). Andererseits ist es anfechtbar, in Schleiermachers Dialektik bloße „Erkenntnistheorie" zu erblicken, und ihn von der Identitätsphilosophie ganz abzurücken (N. Hartmann). Er nimmt nicht nur die Schellingschen „Formeln" auf, sondern arbeitet mit ihnen in dem Maße, daß sein System, die Entwicklung der Begriffswelt bis zur Vernunfttätigkeit, der Kräftewelt bis zur organischen Tätigkeit, und die Vereinigung beider Tätigkeiten in dem, nach innen und außen „geöffneten", doppelpoligen Selbstbewußtsein, eben nichts anderes ist als — „eingeklammerte" Identitätsphilosophie. In ganz anderer Weise hatte Fichte gang zur Philosophie des Absoluten Wissenschaftslehre 1801, zum größten Schellings „Darstellung" verfaßt, aber
selbst den Übervollzogen. Die Teile noch vor erst 1845 in un-
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zulänglicher Ausgabe v o n Fichtes Sohn veröffentlicht, kreuzt sich gewissermaßen mit Schellings Weiterbildung seines Identitätssystems u n d zeigt eine Reihe gemeinsamer Motive. D e n Zeitgenossen w a r d a v o n nichts bek a n n t . Sicherlich w ü r d e die Wissenschaftslehre 1801, w e n n sie zur Zeit ihrer Entstehung veröffentlicht w o r den wäre, „als der tiefste Ausdruck v o n Fichtes Lehre erschienen sein" (M. Wundt). Aber die Geschichte h a t es nicht gewollt. Fichte, gewohnt den Stier bei den H ö r n e r n zu packen, n i m m t das Absolute als a b s o l u t e s W i s s e n auf, als das in sich selbst gewisse u n d sich selbst durchdringende „Wissen" der intellektuellen Anschauung, das kein Wissen „ v o n " , kein Wissen in Relationen „ z u " etwas, kein H a b e n , sondern ein Wissen-sein, z w a r mit dem A k t der Reflexion verbunden, aber nicht selber A k t ist. D a s absolute Wissen „habe" ich nicht, sondern es hat mich; Ichheit, Selbstbewußtsein ist das Sichwissen des Wissens, das Wissen in seinem „Fürsich". D a s absolute Wissen ist nicht Gegenstand der Wissenschaftslehre, sondern es ist die Wissenschaftslehre selbst, zus a m m e n g e f a ß t in einem einzigen „Blick". Das Wissen des absoluten Wissens ist die V e r n u n f t , — w o gegen das „bloße einfache Wissen", das sich nicht wiederum als Wissen f a ß t , der V e r s t a n d ist. Für die Verstandesphilosophen ist die V e r n u n f t äußerlich, in der N a t u r , in G o t t ; die Verstandesgewißheit „setzt ins Unendliche ein anderes Gewisses Voraus" (alles dieses sind G e d a n k e n , die bei Hegel wiederkehren). Aber das absolute Wissen ist nicht das Absolute. W o h l ist es ein mit dem Absoluten „zusammenhängendes u n d dasselbe ausdrückendes Wissen." Aber es k a n n seinen U r s p r u n g nicht erblicken, ohne seine „Grenze" zu erblicken. U n d w e n n das Wissen „ E n t p r i n g e n " ist, so setzt es doch ebensosehr ein Nichtentspringen, ein S e i n , voraus. M i t der bloßen „ T a t h a n d l u n g " — deren Begriff in der Wissensdiaftslehre 1801 so wenig a u f t r i t t wie der des absoluten Ich, obwohl dasjenige,
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was man (in Anlehnung an Husserl) Fichtes „transzendentalen Solipsismus" nennen kann, nach wie vor gewahrt ist — kommt Fichte also jetzt nicht mehr aus: Sein und Freiheit sind gleichsam „jenseits" alles Wissens zusammengetreten, und „komponieren" das Wissen aus einem Nichtwissen. Ruhendes Sein und von selbst seiendes Werden (Freiheit) sind die „Glieder" des absoluten Wissens; ihre Durchdringung ist das „Auge" des Absoluten, — die I c h h e i t. So ist der „höchste Punkt" der Wissenschaftslehre die „nicht weiter ergreifbare, erklärbare, subjektivierbare Einheit des absoluten Seins und Fürsichseins im Wissen." Die Wissenschaftslehre ist E i n h e i t s l e h r e („Unitismus"). Aber nur in „idealer" Hinsicht: sie weiß, „daß schlechthin allem Wissen das (bestimmende) ewige Eine — jenseits alles Wissens nämlich — zugrunde liegt." In „realer" Hinsicht ist sie D u a l i s m u s ; da hat sie zwei Prinzipien: die absolute Freiheit und das absolute Sein. (Sie ist in dieser Hinsicht auch K r i t i z i s m u s ; denn sie weiß, „daß das absolute Eine in keinem wirklichen (faktischen) Wissen je zu erreichen ist, nur rein denkend"). Ihr Dualismus bedingt ihr Verhältnis zur D i a 1 e k t i k. Der Sinn dessen, was uns bei Hegel als Realdialektik begegnet, ist bei Fichte bereits auf eine Höhe getrieben, die auch durch Hegel nicht überboten wird. Von der frommen Rede nämlich, daß die Welt in Gott bzw. im Absoluten enthalten und dadurch „verklärt" sei, wendet sich Fichte mit Entschiedenheit ab. Die Welt ist das Reich des Veränderlichen. Sie ist die „Sphäre der Quantitabilität" (d. h. der Anschauung bzw. Begrenzung des „zerfließenden Mannigfaltigen"). Sie ist nicht absolut „im" Wissen, oder gar das Absolute selbst. Sie „ist" nur im Vollzug, — nur „bei Gelegenheit" der Vollziehung des absoluten Wissens. Die Welt des Veränderlichen „ist" nur, indem sie nicht ist; sie ist das „reine Nichts". Sie ist nicht Spiegel, Ausdruck, Symbol des Ewigen, sondern Ausdrudk der
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„formalen Freiheit" (d. h. der vom Sein getrennten Freiheit). U n d als solche ist sie „Kampf des Seins und Nichtseins, der absolute innere Widerspruch." Die Sinnenwelt ist auch insofern Widerspruch, als sie nicht „ W e l t " , d. h. Universum, Totalität ist, sondern die „schwimmende, unbestimmte Unendlichkeit, die nie gefaßt wird." Hinter die sittliche Bedeutung der Natur, meint Fichte, könne man wohl kommen, aber nidit „hinter eine andere und noch höhere Naturbedeutung." E r lehnt denn auch die Naturphilosophie Schellings mit der Wendung ab, daß eine Philosophie der N a t u r nur darin bestehe, die „Experimentalphysik" zu leiten, und sich weiter nichts „herauszunehmen" habe. Trotzdem besitzt die Wissenschaftsichre 1801 mit Schellings „Darstellung" viele Gemeinsamkeiten, was sich nicht nur in der Terminologie (auch Fichte spricht von „Potenzen", vom absoluten Ursprung als dem „Licht" bzw. der „Lichtquelle" usw.), sondern vor allem in der Grundproblematik des „Ubergangs" zeigt: das Absolute tritt nach Fichte „durch Vollziehung der Freiheit" in die „Form des Lichtes" ein; das absolut Objektive und das absolut Subjektive „fallen zusammen im unmittelbaren Fürsich der Absolutheit", als dem letzten „Band" zwischen Subjekt und Objekt. Diese Problematik hat dann Fichte, durch den Bruch mit Schelling erneut auf Kant gewiesen, in der Wissenschaftslehre von 1804 weiter verfolgt; das Absolute, das göttliche Leben oder Licht (Urlicht), „spaltet" sich in Denken und Sein und weiter in die Mannigfaltigkeit der Erscheinung, — die Erscheinung ist die „innerlich genetische Konstruktion" des Absoluten. Und er hat nunmehr — das ist alles, was wir hier von dieser viel verständlicheren, umfangreicheren, wenn auch nicht tieferen Wissenschaftslehre angeben können — die neue Einteilung in V e r n u n f t l e h r e und E r s c h e i n u n g s l e h r e („Phänomenologie") vorgenommen. Die Vernunftoder Wahrheitslehre besteht in der Einsicht, daß das Sein ein „in sich geschlossenes Singulum des Lebens und Seins ist, das nie aus sich heraus kann", und daß es eben darum ein in sich geschlossenes „Ich" (das „Auge" der Wissenschaftslehre 1801) ist. Die Erscheinungs- oder Scheinlehre muß, will sie wahr sein, von der Selbstkonstruktion des Seins ausgehen, aber — wie Fichte es ausdruckt — p e r h i a t u m i r r a -
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t i o n a l e m , d. h. von ihrer Projektion in die „äußere Existenzialform" („hiatus" ist der Schlund des absolut Unbegreiflichen und Unerklärlichen, der Rachen des Todes, das „Abbrechen des Intelligierens"). Der Hiatus soll aufgehoben werden, aber er läßt sich nicht aufheben. W i r können zwar die „lebendige Durchhcit", das göttliche Leben, s p ü r e n , und wir s o l l e n das Faktische als „Bild" eben dieses Lebens erkennen, aber der Begriff „findet seine Grenze, begreift sich selbst als begrenzt, und sein vollendetes Sichbegreifen ist eben das Begreifen dieser Grenze." So sind es zwei Momente, die von Fichte unmittelbar zu Hegel führen (was natürlich nicht bedeutet, daß Hegel sie von Fichte übernommen hat): der Begriff der P h ä n o m e n o l o g i e als Erscheinungslehre des Absoluten, den Fichte zuerst aufstellt, und der Begriff der reinen N e g a t i v i t ä t , wie er sich in Fichtes Lehre vom Hiatus darstellt.
Hegels Philosophie, der w i r uns nunmehr zuzuwenden haben, erfordert in philosophiegeschichtlicher Hinsicht einen anderen M a ß s t a b als die Philosophie Schellings, Schleiermachers oder Fichtes. Nicht bloß, weil ihre W i r k u n g eine unvergleichlich größere w a r . Oder weil sie, ein Gebäude mit hundert Toren und immer neuen Perspektiven, so entgegengesetzte Interpretationen erfuhr, daß von einem einheitlichen Hegelbild in der Philosophie des 19. und 20. Jahrhunderts überhaupt nicht die Rede sein kann. Sondern auch, weil wir. bei Hegel zuerst — nach Kant — wieder auf den festen Bestand einer P h i l o l o g i e treffen, die dazu zwingt, jedes W o r t über ihn auf die Goldwaage zu legen. Der j a m mervolle Zustand, in dem sich die Druck- und H a n d schriften der anderen Vertreter des absoluten Idealismus befinden, ist hinsichtlich Hegels überwunden. Z w a r ist die (von Lasson begonnene) textkritische Ausgabe noch unvollendet. Aber der ausstehende Rest ist gering. Generationen von Forschern aller Kulturländer haben sich um Hegels Buchstaben bemüht. Seit Diltheys A k a demieabhandlung (1905) und Nohls Ausgabe der theologischen Jugendschriften (1907) ist Hegels Früh- und Werdezeit erschlossen; völlig neue Konsequenzen für die
Übergang zu Hegel
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in seinem Gesamtinterpretation Hegels hat Haering großen Werk (1928, 1938) von hier aus gezogen. Auf Fragen der Hegelforschung und Probleme der Hegeischen Philosophie näher einzugehen, ist hier nicht gut möglich. Bloß die zum Thema unseres Kapitels gehörenden Ansätze können angegeben werden: Hegels Begriff des A b s o l u t e n und seine Stellung im absoluten Idealismus. Es ist dies allerdings kaum eine Einschränkung; denn für Hegel ist das Absolute, das er als a b s o l u t e n Geist „definiert", Voraussetzung, Resultat und auch der Weg, der zum Resultat führt. Das Wahre ist das Ganze. Das Ganze aber ist nur das durch seine Entwicklung sich vollendende W e sen." Das Absolute ist kein abstrakt Allgemeines: eben das sei der Fehler seiner Vorgänger, daß sie sich in Abstraktionen bewegt hätten. Man braucht diesem Vorwurfe Hegels nicht beizupflichten, ohne zu verkennen, daß seine Philosophie unendlich stoffreicher, und viel stärker systematisiert ist, daß die Spekulation die „Last des Begriffes" wirklich trägt, während Schelling und Fichte in der T a t oft das „Ziel ohne die Mittel" erreichen wollen. Der Charakter der Hegeischen Philosophie ist also ein anderer. Hinsichtlich des Inhaltlichen heißt dies, daß ihr Verhältnis zu den E i n z e l w i s s e n s c h a f t e n ein anderes ist. („Wissenschaft" selbst bedeutet auch bei Hegel immer Philosophie). Natürlich ist Hegel ein Gegner der beginnenden Emanzipationsbestrebungen der Einzel Wissenschaften (seine Polemik gegen Niebuhr z. B. beruht darauf, daß Niebuhrs „kritische" Geschichtsforschung den spekulativen Gesichtspunkt nicht anerkennt). Aber er stellt seine Philosophie nicht als „Grundwissenschaft" den Einzelwissenschaften für „letzte" Fragen zur Verfügung. Die Philosophie ist nicht bloß Grundwissenschaft, sondern auch A l l w i s s e n s c h a f t , Enzyklopädie. Das liegt gewiß in der Linie des romantischen Universalismus. Auch Scbelling faßt (in den Vorlesungen über die Methode des akademischen
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Studiums 1803) jede Einzelwissenschaft als "organisches Glied", als Bestandteil des Wissenchaftsorganismus. Aber Schelling bleibt bei dieser Forderung. E r hat gar nicht die „Mittel", sie zu realisieren. Audi seine N a t u r philosophie, in der sich Spekulation und Empirie noch am ehesten durchdringen, wird fortwährend durch den Wechsel der spekulativen Gesichtspunkte verändert. Indem Hegel mit der ganzen Zähigkeit und Schwerfälligkeit seiner N a t u r darangeht, die Idee des Wissenschaftsorganismus zu realisieren, Spekulation und E m pirie zu vereinigen, beginnt sich jener S t r u k t u r w a n d e l anzubahnen, dessen wir eingangs gedachten: der Umschlag vom absoluten Idealismus in einen ideenlosen, des Absoluten unbedürftigen, P o s i t i v i s m u s der Einzelwissenschaften. Schelling bemerkt einmal, Ungerechtes mit Ungerechtem vergeltend, gegen Hegel: es geschehe oft, „daß Köpfe, die mit großer Übung und Geschicklichkeit, aber ohne eigentliche Erfindungskraft, an mechanische Aufgaben sich machen, z. B. eine Flachsspinnmaschine zu erfinden", auch wohl eine zusammenbringen, „aber der Medianismus ist so schwierig, verkünstelt, oder die Räder knarren dermaßen, daß man lieber auf die alte Art den Fladis mit der Hand spinnt." Bringt man die Künstelei und das Räderknarren in Abzug, so bleibt doch richtig, daß es Hegels Intention ist, das „Spinnen mit der Hand" überflüssig zu machen. Daß die reinen Gedanken sich von selbst bewegen, daß alle Entwicklung in Natur und Geschichte auf der „Natur" der reinen logisdien Wesenheiten (d. i. der Begriffe) beruht, daß man der „Sache selbst" nur „zuzusehen" habe, dies bedeutet allerdings bei Hegel keinen bloßen O b j e k t i v i s m u s — etwa im Sinne moderner Phänomenologie — aber es bedeutet doch einen Ersatz der Handarbeit der Spekulation durch die Maschienenarbeit der „Wissenschaft". Und es zeigt sich nicht von ungefähr, daß Hegel zwar den B e g r i f f des Absoluten viel feiner durchgearbeitet hat als Fichte oder Schelling, daß aber das P r o b l e m des Absoluten sozusagen als Spezialthema nicht mehr so scharf hervortritt. Mithin auch nicht diejenige Problematik, die die restlose Verwissenschaftlichung des Absoluten inhibiert (und die für Schelling das Motiv zur Weiterbildung seiner Philosophie wurde).
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Hegels Systematik
Noch eines ist vorauszuschicken. Es betrifft den anderen P u n k t : die S y s t e m a t i k der Hegeischen Philosophie. Hegels System ist das erste wirklich durchgeführte seit Wolff und vielleicht das bedeutendste aller Zeiten; freilich auch das letzte, und nicht mehr überholbare. W e n n die heutige Forschung betont, es komme nicht so sehr auf Hegels „System" als auf die eingelagerten
echten
Problembestände
an
(N.
Hartmann1),
nicht auf die Dialektik als Universalmethode, sondern auf den von dieser Methode jeweils erfaßten „realdialektischen" Gehalt, so ist hinsichtlich des S y s t e m s ebenso zu betonen, daß es in erster Linie auf die wirklichen Systemansätze, und erst in zweiter Linie auf die „Systematisation" (die systematische Verbindung dieser Ansätze) ankommt. Allerdings ist das Hegeische „System" das umfassendste und gegliedertste aller Zeiten. Aber — so kann man sagen —, dieses System s t e h t n u r a u f d e m P a p i e r ; die „Einheit" des Hegeischen Systems ist f ü r Hegel eine Idee, die er nicht verwirklicht hat. Wir wollen das verdeutlichen, da es auch f ü r die Systematik des Absoluten von Bedeutung ist. Als Hegel nach Jena kam, brachte er eine Philosophie durchaus systematischen Gepräges mit, die er in den Jugendschriften erarbeitet und im F r a n k f u r t e r Systemf r a g m e n t (mit dem D a t u m des 14. September 1800) abgeschlossen hatte. Dieses bildet auch noch die Voraussetzung der ersten Druckschriften und eine, unausgesprochene, D i f ferenz zu Schelling, mit dem er sich damals äußerlich in Übereinstimmung befindet. Nachholend und neu a u f b a u e n d sind die Vorlesungsgrundlagen von 1801/2, 1803/4 und 1805/6 (Jenenser Logik, Metaphysik u n d Naturphilosophie, Jenenser Realphilosophie I und II). Von der ersten dieser H a n d schriften sprach H. Ehrenberg (der sie 1915 herausgab) mißverständlich als Hegels „erstem System". Demgegenüber ist nun das erste im D r u c k erschienene System das „System der Wissenschaft, erster Teil: die P h ä N i c h t zu y e r w e d i s e l n m i t der ä l t e r e n (1909) U n t e r s c h e i d u n g B. Croces zwischen d e m angeblich „ T o t e n " u n d „Lebendige!," in H e g e l s P h i l o s o p h i e . Lehmann, Philosophie V I I I
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Der absolute Idealismus
nomenologie des Geistes" vom Jahre 1807. Das z w e i t e große Systemwerk ist die „Wissenschaft der Logik" (I 1812, II 1813, III 1816), — keine „Logik" im herkömmlichen Sinne, sondern eine vollständige, auch die Naturphilosophie umfassende Kategorienlehre und Metaphysik. 1817 erschien die „Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, zum Gebrauch seiner Vorlesungen" (sogen. Heidelberger Enzyklopädie), 1827 umgearbeitet in zweiter und 1830 in dritter Auflage. Diese Umarbeitungen fallen in die Berliner Zeit. Und in Berlin ist das l e t z t e große Druckwerk Hegels erschienen: „Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse: Grundlinien der Philosophie des Rechts", 1821.
Wichtiger als die Daten ist die Tatsache, daß Phänomenologie, Logik und Rechtsphilosophie nicht nur drei Entwicklungsphasen Hegels bedeuten, sondern auch d r e i v e r s c h i e d e n e S y s t e m a n s ä t z e . Daß dagegen die Enzyklopädie der S y s t e m a t i s a t i o n dient und daher einen mehr künstlichen Charakter hat. Der Zugang zu Hegel wird erschwert, wenn man, anstatt von der Phänomenologie oder von der Logik oder von der Rechtsphilosophie auszugehen, den scheinbar leichteren Weg der Enzyklopädie wählt (und erst recht, wenn man die sogen, „große Enzyklopädie", die nach Hegels Tode in der Gesamtausgabe erschienene, durch Zusätze aus Vorlesungen und früheren Aufzeichnungen vermehrte Enzyklopädie — dieses „Machwerk der Schüler" (Hoffmeister) — zugrunde legt). Worin der U n t e r s c h i e d der drei Systemansätze Hegels besteht, läßt sich ohne Kenntnis der forttreibenden Problematik nicht sagen. Als Gegenstand der P h ä n o m e n o l o g i e bezeichnet Hegel jedenfalls das „Werden der Wissenschaft überhaupt oder des Wissens" bzw. das Wissen von der „Erfahrung" des Bewußtseins, während es die L o g i k mit der Entfaltung des Logos oder der absoluten Vernunft selbst zu tun hat. Der Gegenstand der R e c h t s p h i l o s o p h i e ist natürlich ein begrenzter«-. Aber er ist trotzdem umfassender, als der Obertitel („Naturrecht und Staatswissenschaft") ingibt. Er ist etwa dasjenige, was in der „Philosophischen
Die drei Systemansätze Hegels
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P r o p ä d e u t i k " ( v e r f a ß t 1 8 0 9 ff.) der „praktische Geist" hieß, — der „sich aus sich selbst bestimmende und seinen Bestimmungen äußerliche R e a l i t ä t gebende Geist." Die Ursprünglidikeit des Systemansatzes der Rechtsphilosophie, der geschichtlich wichtigsten, weil wirksamsten Schrift Hegels, wird verkannt, wenn man sie thematisch als einen Ausschnitt aus Hegels Lehre vom o b j e k t i v e n Geist nimmt (und den „objektiven Geist" dann noch im modernen Sinne, etwa Diltheys oder N. Hartmanns, versteht). Der Begriff objektiver Geist tritt in der Rechtsphilosophie überhaupt nicht auf. Er findet sich in der Enzyklopädie. Es ist aber gerade die Frage, ob sich der Systemansatz der Rechtsphilosophie dem der Enzyklopädie einfügen läßt. Faßt man die drei Ansätze so: a) Weg sum Absoluten (Phänomenologie), b) Darstellung bzw. Sinnerhellung des Absoluten (Logik), c) Verwirklichung des Absoluten (Rechtsphilosophie), dann greifen sie gewiß organisch ineinander, und es ist keine Frage, daß dies die Systemintention Hegels ist. Sie findet aber in der Enzyklopädie, die mit eine Repetition der „Logik" beginnt (sogen, „kleine Logik"), die Naturphilosophie anschließt, und im dritten Teil die Philosophie des Geistes entwickelt (in der dann die frühere „Phänomenologie" einen Platz zwischen Anthropologie und Psychologie bzw. in der Lehre vom subjektiven Geiste enthält), nicht ihre Erfüllung. Dies zu begründen, ist hier nicht möglich 1 ). Es ist nur davor zu warnen, die Enzyklopädie, die den Darstellungen Hegelscher Philosophie zugrunde gelegt zu werden pflegt, und von der auch die meisten Kritiker Hegels im 19. J a h r hundert ausgingen, als Ausdruck dessen zu betrachten, was Hegel als Systematiker beabsichtigt und geleistet hat. Georg Wilhelm Friedrich Hegel ist a m 2 7 . August 1 7 7 0 in S t u t t g a r t geboren. Seine A h n e n w a r e n teils H a n d w e r k e r , teils P f a r r e r , sein V a t e r herzoglicher E x peditionsrat. 1 7 8 8 ' k a m er auf das T ü b i n g e r Stift, studierte Philologie, Philosophie und M a t h e m a t i k , p r o m o v i e r t e 1 7 9 0 z u m Magister, um nach dreijährigem theologischen Studium P r e d i g e r k a n d i d a t zu werden. („Ich h a t t e den Stand des P r e d i g t a m t s nach dem Wunsche Dazu m e i n e
Geschichte der Nadikantisdien Philosophie, Berlin 1931.
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meiner Eltern ergriffen, u n d w a r dem Studium der T h e o logie aus Neigung treu geblieben um seiner V e r b i n d u n g willen mit der klassischen Literatur u n d Philosophie"). Hegels theologische Vergangenheit ist v o n größter Bedeutung f ü r das Verständnis seiner W e r k e u n d w i r k t noch ungemindert bis in die letzten Berliner J a h r e ( V o r lesungen über die Beweise v o m Dasein Gottes). D e r Boden seiner ursprünglichen G e d a n k e n b i l d u n g ist der schwäbische P i e t i s m u s , v o m Pietismus der Brüdergemeinde, in welchem Schleiermacher u n d Fries wurzeln, durch seine Sozialform wesentlich unterschied e n : ist der Pietismus in W ü r t t e m b e r g Volkskirche, so ist er in der Brüdergemeinde eine „Gemeinde schöner Seelen" (Lasson). Dieser kleinbürgerlich-pietistische Zug, den wir ä h n lich auch bei Kant finden, k r e u z t sich allerdings f r ü h mit n e u h u m a n i s t i s c h e n Einflüssen u n d einer, ebenfalls bis zuletzt bewahrten, u n d noch den Staatsgedanken der Rechtsphilosophie bestimmenden Begeisterung f ü r die Antike, — das befruchtende M o m e n t seine Freundschaft mit Hölderlin. D a m i t kontrastiert Hegels scharfer Blick f ü r die k o n kreten gesellschaftlichen u n d politischen Verhältnisse seiner U m w e l t , ein illusionsfreier p o 1 i t i s c h er Realismus. W a s er durchlebt u n d e r f ä h r t , beschreibt er aufs gewissenhafteste. Schon in der G y m nasialzeit an fleißiges Exzerpieren gewöhnt, n i m m t er riesige Stoff- u n d Tatsachenmassen auf, u n d gerade auch solche, die sich auf die vergänglichsten Zeitereignisse beziehen. Aber nicht allein die Sachlichkeit des Betrachters, sondern die Einschätzung der jeweiligen Machtlage, die Fähigkeit, lebendige, wirksame K r ä f t e von toten, Echtes v o n Unechtem zu unterscheiden, ist f ü r den Politiker Hegel kennzeichnend. Hegel hat sich — um das gleich anzumerken — zeitlebens als p o l i t i s c h e r P u b l i z i s t betätigt. Er hat mit Annotationen zu einer Schrift von Card über die Berner Regierung begonnen und mit einer sehr offiziösen Arbeit über
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die englische Reformbill (2 Jahre vor seinem Tode) geendet. Er hat über die Verfassungskämpfe in Württemberg geschrieben. Er hat vor allem jene einzigartige K r i t i k d e r Reichsverfassung geschrieben (1801—2), die erst 1893 bekanntgeworden ist („Die Verfassung Deutschlands"). In ihr erweitert sich die Erkenntnis, daß Deutschland „kein Staat mehr ist", zur Kritik des „Gedankenstaates" überhaupt, d. i. des „Staates", bei dem „Formalität" und „Realität" getrennt und die Verfassung kraftlos geworden ist. Eine „Reaktion gegen die zeitgenössischen deutschen Weltbürgerträume und unpolitischen Radikalismen" (H. Heller), die in der Tat nur Macbiavellis Buch vom Fürsten vergleichbar ist.
Hegels Leben nach dem Abgange vom Tübinger Stift wird eingeteilt: in die B e r n e r Hauslehrerjahre (1793 bis 1796), die F r a n k f u r t e r Hauslehrerjahre (1797 bis 1801), eigentlich nur bis 1799, dem Todesjahre seines Vaters — die Mutter hatte er schon mit 14 Jahren verloren —, denn Anfang 1799 ging er nach Stuttgart, kehrte aber noch einmal nach Frankfurt zurück), die e r s t e J e n a e r Zeit, (1801—1803 bis zum Weggang Schellings), die z w e i t e J e n a e r Zeit (1803—1807), die B a m b e r g e r Zeit (1807—1808), in der er sieh als Redakteur der Bamberger Zeitung durchschlug, die N ü r n b e r g e r Zeit (1808—1816) seiner Tätigkeit als Gymnasialdirektor, die H e i d e l b e r g e r Zeit (1816 bis 1818), in der er den Lehrstuhl von Fries bekleidete, und die B e r l i n e r Jahre von 1818 bis zu seinem Tode am 13. November 1831 (Erkrankung an der Cholera). In Jena verfaßt er die P h ä n o m e n o l o g i e , in Nürnberg die L o g i k , in Heidelberg die E n z y k l o p ä d i e , in Berlin die R e c h t s p h i l o s o p h i e . Die zweimalige Berührung mit der romantischen Schule (in Jena und Heidelberg) legt die Frage nach seinem V e r h ä l t n i s z u r R o m a n t i k nahe. Daß es dabei nicht auf den romantischen „Typus" ankommt, dem Hegels Sachlichkeit und Nüchternheit aufs stärkste widerstrebt, ist klar. Wenn Hegel o f t gegen romantischen Gefühlsüberschwang und romantische Genialität polemisiert und das berühmte Wort prägt: wer sich auf
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das Gefühl als inwendiges Orakel berufe, „tritt die Wurzel der H u m a n i t ä t mit Füßen", so ist das nicht entscheidend; denn die romantische Philosophie ist keine Pectoralphilosophie. Im Gegenteil wird es niemand, der je einen Blick in die „Phänomenologie des Geistes" tat, zweifelhaft sein, daß dieses Wunderwerk zur J e n e n s e r R o m a n t i k gehört, und daß man zum vollen Begriff romantischer Philosophie ohne seine Kenntnis gar nicht gelangt 1 ). Wie im Märchenlande scheint es hier zuzugehen:: die Welt des „sinnlichen Diesen", der Wahrnehmung und der dinglichen Wirklichkeit, diese Welt des „gesunden Menschenverstandes", des „in der. Wahrheit sich zu bewegen meinenden Bewußtseins", verliert ihre Konsistenz, Vertrautheit und Sicherheit. Vom Zauberstabe (Novalis) der Dialektik berührt, beginnt alles zu kreisen, sich fortzubewegen, in sein Gegenteil umzuschlagen. Die Dinge verändern und die Begriffe verflüssigen sich; die Überzeugungen verlieren ihre Gewißheit, die Definitionen ihre Begrenzungen. Das Positive wird negativ, das Gleiche ungleich, das „ W a h r e " unwahr, und alles tritt in das Licht jener r o m a n t i s c h e n I r o n i e , von der Hegel als Instrument genialer Willkür nichts wissen will, die aber nun aus der Sache selbst — der Beziehung des Bewußtseins auf das absolute Wesen — aufleuchtet. D a ß die Phänomenologie — die natürlich keine „Einf ü h r u n g " in Hegels Philosophie ist, sondern der erste Band seines S y s t e m s , zu dem die Logik (bzw. Logik und „Realphilosophie", s. u.) den zweiten Band bilden sollte, aber nicht bildet — von großer Planmäßigkeit I n seinen (Berliner) Vorlesungen über Ästhetik untersdieidet Hegel symbolische, klassische und romantische K u n s t f o r m . I n der klassisdien Kunst besteht Einheit zwischen Stoff und Form, Realität und Idee, in der romantischen wird diese Einheit aufgelöst. Die Synthese scheint also in der Klassik zu liegen. In Wirklichkeit liegt sie aber in der R o m a n t i k ; denn in ihr kommt zum Ausdrude, was die Phänomenologie als Bewegung v o n der Substanz zum Subjekt bezeichnet: der D u r d i b r u d i des Geistigen.
Hegel und die Romantik
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und s t r e n g « Methodik ist, beeinträchtigt ihren „romantischen" Charakter durchaus nicht, macht ihn nur deutlicher. Denn Plan, Methode, Formulierung können den Inhalt nicht decken, die Sprache selbst — die nach Hegel die „göttliche N a t u r hat, die Meinung unmittelbar zu verkehren" — kann ihn nicht wiedergeben. Die Phänomenologie ist „Wissenschaft der E r f a h r u n g , die das Bewußtsein macht", und Erfahrung hat hier nicht nur gegenständliche Bedeutung (wie bei Kant), sondern auch die zuständliche der „Befriedigung" des Bewußtseins in seinen Begierden, bzw. die Bedeutung, Zuständliches zu vergegenständlichen und Gegenständliches zu verinnerlichen. „Element und Inhalt" der Philosophie ist überhaupt das Wirkliche als das sich selbst Setzende und „in sich Lebende". Dieses nennt Hegel das „Dasein in seinem Begriffe", ja der „Begriff" ist das Belebende, Lebendige schlechthin; und die Unterstellung Schellings, daß Hegel bei toten Begriffen geblieben, das Positive der Wirklichkeit gar nicht erreicht hätte, ist in dieser Hinsicht jedenfalls unzutreffend. Doch sehen wir ab von Hegels Beziehungen zur Romantik und dem romantischen Charakter der Phänomenologie, um uns der Problematik des Absoluten und absoluten Idealismus selber zuzuwenden. Hegel bezieht sich polemisch auf Schellings Identitätsphilosophie von 1801; er tadelt den einförmigen Formalismus, der das Absolute für die „Nacht" ausgibt, das Wahre als Substanz, nicht als Subjekt faßt, die Reflexion aus dem Wahren ausschließt; er kritisiert die „einfarbige absolute Malerei", in der die Identität das „formlose Weiße" ist, und nur zwei Farben (etwa rot und grün) für die Inhalte benötigt werden, — das Schematisieren, das „jede Bestimmung oder Gestalt bei der andern wieder als Form oder Moment" gebraucht. Er wendet sich gegen die intellektuelle Anschauung, nicht insofern es verkehrt wäre, Denken und Anschauen unmittelbar zu verbinden, sondern insofern das intellektuelle Anschauen in die „träge Einfachheit zurückfällt und die Wirklichkeit selbst auf eine unwirkliche Weise darstellt." Aus dieser Kritik wird meist die Forderung, das Absolute -von der Substanz zum Subjekt zu bringen, d. h. nicht wie
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Spinoza und Schelling bei der bloßen Substanz als Begriff des Absoluten stehen zu bleiben, herausgehoben. „Die lebendige Substanz ist das Sein, welches in Wahrheit Subjekt, oder was dasselbe heißt, welches in Wahrheit wirklich ist, nur insofern sie die Bewegung des Sichselbstsetzens, oder die Vermittlung des Sidianderswerdens mit sich selbst ist." Nicht eine „ursprüngliche Einheit als solche, oder unmittelbare als solche ist das Wahre." Sondern die „sich wiederherstellende Gleichheit", der „Kreis, der sein Ende als seinen Zweck voraussetzt und zum Anfange hat." Da Schelling jedoch vom Denken des Absoluten ausging (s. o.), und das „Sein" -der absoluten Identität in der Form des Selbsterkennens, also in der des (absoluten) Subjekts erblickte, ist Hegels Vorwurf unberechtigt. Wenn auch die Identitätsphilosophie, so konnte Schelling später sagen, des Wortes „Geist" sich nicht bediene, sei doch auch in ihr Gott (das Absolute) als das „Seiende, bleibende Selbstobjekt (SubjektObjekt) bestimmt", mithin dem Wesen nach „Geist" und „in diesem Sinne nicht Substanz, wenn Substanz eben das blind Seiende bedeuten soll." Sieht man von Hegels Angriffen auf die Naturphilosophie Schellings, die in gewisseen Sinne auch Hegels eigene Naturphilosophie (insbesondere in der Fassung der Enzyklopädie) treffen würden, und auch von den Einwänden gegen die Potenzenlehre ab (daß Hegel dem T y p u s einer polaristischen Dialektik — Schelling, Schleiermacher — abgeneigt ist, bliebe eine bloße Konstatierung, wenn sich nicht eben dahinter das Problem des „Letztunterschiedlichen", d. h. des D u a l i s m u s , erheben würde), so bleibt vor allem das eine: daß Hegel den „Weg der Wissenschaft" in die Wissenschaft einbezieht, den A u f s t i e g zum Absoluten in den Begriff des absoluten Wissens hineinnimmt, während Schelling in der intellektuellen Anschauung diese „Leiter" hinter sich lassen zu können glaubte. Und hier liegt allerdings die für beide entscheidende Differenz. Der „ W e g der Wissenschaft" ist der W e g des „natürlichen Bewußtseins, das zum wahren Wissen dringt." E r ist aber auch das „Verhalten der Wissenschaft zu dem erscheinenden Wissen." Jenes ist gleichbedeutend mit der „Bildungsgeschichte" des Bewußtseins: das Bewußtsein durchläuft eine Reihe von „Gestalten" ( v o r -
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stellendes Bewußtsein, Selbstbewußtsein, Vernunft), bis es sich als vernünftiges Selbstbewußtsein verwirklicht oder, wie Hegel es ausdrückt, aus der „ E n t z w e i u n g " zur „ V e r s ö h n u n g " gelangt. — Dieses (das „Verhalten der Wissenschaft") setzt voraus, daß die Gestalten der Erscheinungen des Bewußtseins eben als solche Erscheinungen des A b s o l u t e n sind, daß das Bewußtsein im Durchlaufen seiner Gestalten nicht bloß zu sich selbst kommt, sondern eben damit auch absolutes Wissen, und zwar e r s c h e i n e n d e s absolutes Wissen ist. Nur so kann die Wissenschaft, die über das Absolute verfügt — und zwar anders als das Bewußtsein darüber zu verfügen glaubt —, den Weg des Bewußtseins erhellen. Mit anderen Worten: „Erscheinung" hat den Doppelsinn, daß das Bewußtsein „sich" erscheint, und daß das Absolute dem Bewußtsein „erscheint", d. h. zum Bewußtsein gelangt. Nur indem beides zusammenfällt, ist der „Weg zur Wissenschaft selbst schon Wissenschaft." Wieso aber kann die „Wissenschaft" anders über das Absolute verfügen als das Bewußtsein? Sie kann es, indem sie das Absolute d e n k t , es nicht bloß erlebt oder erfährt. Mit diesem „Denken" des Absoluten, das nicht etwa Denken „über" das Absolute, sondern das sidi-denkende Absolute selber ist, hat es die L o g i k zu tun. Und die Logik gehört insofern zur Phänomenologie,1 als die Phänomenologie (in und mit den Erscheinungen des Bewußtseins) den Logos der E r s c h e i n u n g des Absoluten begreift. H e g e l verdeckt den systematischen Z u s a m m e n h a n g , wenn er sagt, in der P h ä n o m e n o l o g i e sei das Bewußtsein „in seiner F o r t b e w e g u n g . . . . bis z u m absoluten W i s s e n " dargestellt, u n d der Begriff der „ W i s s e n s c h a f t " sei das Resultat dieses Weges. D e r Begriff der Wissenschaft habe seine R e c h t f e r t i g u n g ( D e d u k t i o n ) in der P h ä n o m e n o l o g i e erhalten. (Er setzt allerdings hinzu: „abgesehen d a v o n , d a ß er innerhalb der L o g i k h e r v o r g e h t " ) . E r sagt aber auch, die P h ä n o m e n o l o g i e gebe ein Beispiel von der dialektischen (der logisch-spekulativen) M e t h o d e an einem „konkreteren G e g e n s t a n d e " (als der
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philosophischen "Wissenschaft überhaupt), nämlich am „Bewußtsein". Diesem „konkreteren" Gegenstande werden sogar die „anderen konkreten Gegenstände" (der Realwissenschaften: Natur und Geist) beigeordnet. Gehört das letztere in den Systemansatz der Enzyklopädie, so gehört die „Rechtfertigung" des Begriffs der Wissenschaft (d. h. des Absoluten als des absoluten Wissens) in dem Systemansatz der Phänomenologie. Die Logik, als Lehre vom absoluten Logos, kann von dem absoluten Wissen als Resultat der „Fortbewegung" des Bewußteins gar keinen Gebrauch machen, und tut es auch nicht. Sie fängt nicht mit dem Bewußtsein an, sondern mit dem r e i n e n S e i n , das als a n f a n g e n d e s zugleich Nichtsein (Nichts) ist, und sie zeigt, daß das Sein und Nichtsein des „Anfangs" Einheit von Unterschieden- und Nichtunterschiedensein („Identität der Identität und Nichtidentität", s. o.) ist. Dies, sagt sie, könne „als die erste, reinste, d. i. abstrakteste Definition des Absoluten angesehen werden." (In der Enzyklopädie selbst wird dieser Ansatz verändert, und verschlechtert. Hier wird das „reine Sein", mit dem die Logik einsetzt, als das „Nichts" bezeichnet, und die „Wahrheit" des Seins und Nichts in das Werden gesetzt). Die Logik ist o b j e k t i v e und subjektive. Die objektive L o g i k ist L e h r e v o m S e i n ( O n t o l o g i e ) und v o m W e s e n (als der „ W a h r h e i t " oder „ R e flexion-in-sich" des Seins, des z u m „Insichsein übergehenden Seins"; Ausgangspunkt ist hier Kants Lehre v o n den „Reflexionsbegriffen"). Die subjektive L o g i k ist L e h r e v o m B e g r i f f (als „Einheit des Seins und des W e s e n s " ) und z w a r : f o r m a l e Begrifflichkeit ( S u b jektivität), inhaltliche oder gegenständliche B e grifflichkeit ( O b j e k t i v i t ä t ) , und I d e e oder E i n heit v o n Begriff und R e a l i t ä t . V o n diesen Distinktionen, die m a n a n den Fingern abzählen kann, gilt, was Hegel sagt: daß sie „nicht z u m I n h a l t e und K ö r p e r der W i s senschaft" gehören, sondern „Zusammenstellungen der äußeren R e f l e x i o n " sind, welche „das G a n z e der A u s führung schon durchlaufen h a t " . V o n dem Reichtum des Inhalts geben sie keine Vorstellung. E r s t recht nicht d a v o n , w i e das D e n k e n hier seines „Stoffes" H e r r wird.
Hegels Logik
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Die Logik ist objektive und subjektive Logik, indem sie a b s o l u t e Logik ist. Ihr Reich, so drückt es Hegel aus, ist „die Wahrheit, wie sie ohne Hülle an und f ü r sich selbst ist." Der Begriff des Absoluten tritt denn auch an allen entscheidenden Stellen auf: am Schlüsse der Ontologie als a b s o l u t e I n d i f f e r e n z , am Schlüsse der Wesenlehre als a b s o l u t e s V e r h ä l t n i s , am Schlüsse der subjektiven Logik als a b s o lute Idee. Das Absolute ist Indifferenz als gegen alle Differenzen gleidigiltiges Sein. Das Absolute ist notwendiges Verhältnis von Sein und Wesen; es ist „sich selbst setzen", — „Bestimungen setzende und von sich unterscheidende Macht." Das Absolute ist Idee als Subjekt, „freier subjektiver Begriff, der f ü r sich ist und daher Persönlichkeit hat." Dieses (Sein, Macht, Persönlichkeit) ist die „Darstellung Gottes, wie er in seinems ewigen Wesen vor der Erschaffung der N a t u r und eines endlichen Geistes ist", und die Logik ist insofern Theologie. Aber nicht als Preisgabe oder Auslieferung an eine bestimmte Dogmatik. Ist doch die Theologie selbst nur „Wissenschaft", wenn sie den religiösen Inhalt zu b e g r e i f e n vermag. U n d das kann sie nur als Religions p h i l o s o p h i e . Die Philosophie „ist die höchste Weise, die absolute Idee zu erfassen, weil ihre Weise die höchste, der Begriff, ist." Die Erfassungsweise der Religion ist dagegen nicht der Begriff, sondern die V o r s t e l l u n g . Religionsphilosophie hat also f ü r Hegel den Doppelsinn, die Religion ebenso zu begreifen, d. h. ihre Wahrheit zu erkennen, wie aufzuheben, d. h. ihre Vorstellung durch den Begriff zu ersetzen. Audi auf ihrer höchsten geschichtlichen Stufe, der a b s o l u t e n (offenbaren) Religion — der Hegel die Stufen der Religion der g e i s t i g e n Individualit ä t (jüdische, griechische, römischen Religion) und der N a t u r r e l i g i o n verordnet — ist die Religion der Philosophie inadäquat. Denn nur die Philosophie erkennt den Inhalt der absoluten Religion (das Mysterium
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der Dreieinigkeit) als das, was er ist, — als den spekulativen Gedanken der Selbsterkenntnis des absoluten Geistes. Dies freilich setzt schon ein Verständnis jenes „dritten" Systemansatzes voraus, — der P h i l o s o p h i e d e s G e i s t e s , wie sie in Hegels Alterswerk, der Rechtsphilosophie, und in den großen Berliner Vorlesungen (besonders in denen über Philosophie der Geschichte und der Religion, deren Handschriften aus der Berliner Zeit stammen) enthalten ist. Systematisch schließt sich die Philosophie des Geistes nicht unmittelbar an die Logik, sondern an die Naturphilosophie an. Denn der Geist hat „die N a t u r zu seiner Voraussetzung." Allerdings nicht so, als ob er ein N a t u r p r o d u k t wäre. E r hat „für uns" die N a t u r zur Voraussetzung, ist aber an sich die „ W a h r h e i t " bzw. das „absolut E r s t e " der N a t u r . Schon diese Sätze der E n z y k l o p ä d i e , der einzigen Druckschrift, in der sich Hegels Naturphilosophie dargestellt findet, zeigen nicht nur die Problematik des Naturbegriifs, sondern auch die Fragwürdigkeit der systematischen Aneinanderreihung Logik-Naturphilosophie-Philosophie des Geistes. (Allgemein ist es die Frage der Ü b e r g ä n g e : von der Logik zur Natur, von der Natur zum Geiste, die in der Enzyklopädie, d. h. bei der Systematisation der Hege/sehen Philosophie, künstliche Schwierigkeiten bereitet, weil sich eben die wirkliche Systematik, Hegels in dieser linearen Form nicht darstellen läßt). Was den N a t u r b e g r i f f betrifft, so ist die Natur „die Idee in der Form des Andersseins", das „Negative" der Idee, das Ä u ß e r l i c h s e i n der Idee („die Äußerlichkeit"). Da dieses Äußerlichsein dem Begriff der Idee, nämlich der absoluten Idee als Subjekt (s. o.), w i d e r s p r i c h t , so ist die Natur „der unaufgelöste Widerspruch", — der Widerspruch zwischen dem begrifflichen G e h a l t und der „gleichgültigen Z u f ä l l i g k e i t und unbestimmten Regellosigkeit" der Naturgebilde (in der Äußerlichkeit, d. h. in Raum und Zeit). Die Natur kann „den Begriffsbestimmungen nicht getreu bleiben." Das ist ihre „Ohnmacht". Sie setzt der Philosophie „Grenzen". Die Philosophie darf sich nicht auf Konstruktionen des Empirischen einlassen.
Hegels Naturphilosphie
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Andererseits ist Naturphilosophie als Wissenschaft möglich, weil die N a t u r a n s i c h Idee ist; die Idee ist hier zwar „in der Form der Entäußerung", aber sie geht aus dieser Äußerlichkeit „in sich", und diese Bewegung des Insichgehens der entäußerten Idee ist der N a t u r p r o z e ß . Die N a t u r erweist sich als ein System von Stufen (Mechanik, Physik, Organik). U n d es gibt eine E n t w i c k l u n g in ihr, die jedoch nicht naturalistisch („evolutionistisch" im Sinne der späteren naturwissenschaftlichen Entwicklungstheorien) zu verstehen ist: „die M e t a m o r p h o s e kommt nur dem Begriffe als solchem zu*; der Begriff ist es, „der die S t u f e n fortleitet", und das Innere derselben bildet. (Ausdrücklich lehnt Hegel hier den, damals von Oken (1779—1851) vertretenen Gedanken des „ H e r v o r g e h e n s der entwickelteren Tierorganisationen aus den niedrigeren" ab). Was den U b e r g a n g von der Logik zur Naturphilosophie betrifft, so ist er kein Ubergang im Sinne eines „Gewordenseins". Die N a t u r entsteht nicht aus der absoluten Idee (sondern i s t die Idee). Aber es heißt doch (am Schlüsse der großen Logik), daß „die Idee sich selbst f r e i e n t 1 ä ß t." U n d dies wird (in der Enzyklopädie) noch dahin verschärft, daß die Idee sich selbst „entschließt, das Moment ihrer Besonderheit . . . frei a u s s i c h z u e n t l a s s e n." Dazu gehört freilich die andere Bestimmung, daß die N a t u r „ A b f a l l der Idee von sich selbst" sein soll. Diese trübe Mischung gnostisch-christlicher Vorstellungen verdeckt leicht den Blick f ü r das systematisch Wesentliche: daß nicht die N a t u r dem Geiste, sondern der G e i s t d e r Natur vorangeht. Ist doch, wie es die Jenenser Naturphilosophie (s. o.) sogleich klar ausspricht, die „ N a t u r der sich auf sich selbst beziehende absolute Geist." „In der T a t gehen ja auch die Ausdrücke des sich Entschließens und frei Entlassens auf das Absolute als absolutes S u b j e k t . U n d in diesem Sinne ist die N a t u r Realisierung des Geistes, genau der Thematik der Propädeutik (s. o.) entsprechend, als „seinen Bestimmungen äußerliche Realität gebender Geist." Was „Äußerlichkeit" dabei bedeutet, zeigt die bisher nicht erwähnte Bestimmung der N a t u r , daß sie „ a n s c h a u e n d e I d e e " ist. Der „Übergang" von der Logik des Absoluten zur Naturphilosophie ist also der vom reinen Denken zur s i n n l i c h e n A n s c h a u u n g ; daher denn auch die Naturphilosophie (als Mechanik) mit R a u m u n d Z e i t beginnt.
H a t Hegels Naturphilosophie heftigere Angriffe er-
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fahren als sie es verdient — allerdings w a r sein N a t u r gefühl gering, aber seine ganze Philosophie und Dialektik wurzelt schließlich in einer ursprünglichen Anschauung vom L e b e n , die er mit Herder gemeinsam hat, und die im Ansatz durchaus biologisch ist; die Naturphilosophie gipfelt denn auch in der O r g a n i k, u n d die N a t u r selbst erweist sich als „an sich lebendiges Ganzes" —, so ist doch keine Frage, daß die unmittelbare historische Wirkung Hegels von der Philosophie des G e i s t e s , und nur von ihr, ausgeht. Hegel gilt im 19. Jahrhundert als Begründer geisteswissenschaftlicher Philosophie, als Rechts-, Staats-, Geschichts- und Kulturphilosoph. Er gilt es auch dort, wo n:an seine Religionsphilosophie und Metaphysik ablehnt, d. h. er gilt es als u n a b h ä n g i g von seiner Philosophie des Absoluten. U n d daß diese Trennung möglich ist — wenn auch in einer der Metaphysik entfremdeten Zeit —, daß man die Philosophie des Geistes, die thematisch und durchgehend Philosophie des a b s o l u t e n Geistes ist, wesentlich als Philosophie des o b j e k t i v e n Geistes, d. h. als Kulturphilosophie, auffassen konnte, daran ist Hegel nicht bloß insofern mitschuldig, als er überhaupt solche Trennungen aufstellt, sondern noch aus einem anderen Grunde. Es ist ja unschwer zu sehen, daß die Philosophie des Geistes, als Realisierung der absoluten Logik im Bereich menschlichen Geisteslebens, nicht nur dieses Geistesleben „verklärt", es in das Licht des Absoluten und Vernünftigen erhebt, sondern daß sie ebendamit das A b s o l u t e s e l b s t in einer Weise festlegt, die es v e r m e n s c h l i c h t . W i r d der Schauplatz menschlichen Wirkens, Schaffens und Erkennens: Recht, Staat, Kunst, Religion, Philosophie, zur Stätte letzter Oifenbarung und Verwirklichung des Absoluten, so tritt das Absolute aus der Distanz, in der es als P r o b l e m der „Wissenschaft" steht, in die Gemütlichkeit, Fadheit, und Verständlichkeit des Erreichten und Aufgelösten. Die „Religionsphilosophie der Kultur", wie man diese Ver-
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klärung des objektiven Geistes genannt hat, ist also bei Hegel selbst schon eine G e f a h r f ü r seine Metaphysik. In der Geisteswissenschaft des 19. Jahrhunderts sah man freilich nur das Umgekehrte: d a ß die Metaphysik oder das „System" Hegels seine geisteswissenschaftlichen Leistungen korrumpiert. M a n sah die „Willkür" der Hege/sehen „Konstruktionen", die „Keckheit", mit Weltplänen zu arbeiten, w o wir doch „in die Zwecke der ewigen Weisheit nicht eingeweiht" sind (J. Burckhardt). Im G r u n d e k o m m t dies auf dasselbe hinaus: d a ß die Metaphysik des Absoluten mit der menschlichen Welt und dem menschlichen Selbstbewußtsein a b s c h l i e ß t . Aber hat sich Hegel der G e f a h r des Anthropologismus nicht selber zu erwehren vermocht? H a t die T r e n n u n g von objektivem und absolutem Geist f ü r ihn nicht einen anderen Sinn als f ü r seine geisteswissenschaftlichen Nachfolger? Es ist also auf die Darstellung der Philosophie des Geistes bei Hegel wenigstens kurz einzugehen, wobei allerdings von der Fülle des verarbeiteten Materials und der Einzelprobleme keine Vorstellung gegeben werden kann. Die Q u e l l e n s c h r i f t e n f ü r die Philosophie des Geistes sind recht verschiedenartig. Die einzige Gesamtdarstellung enthält die Enzyklopädie. Aber ihre drei Fassungen (1817, 1827, 1830) weichen nicht nur-begrifflich voneinander ab, sondern sie steht auch in einem gewissen Gegensatz zur zweiten Quelle: der R e c h t s p h i l o s o p h i e (1821). In der Rechtsphilosophie w i r d die Philosophie des Geistes eindeutig als W i l l e n s p h i l o s o p h i e entwickelt; diese Eindeutigkeit ist in der Enzyklopädie verloren. Doch gibt die Rechtsphilosophie eben nur einen Ausschnitt. Die Ergänzung zu ihr bilden die vier Vorlesungen über Philosophie der Religion, Ästhetik, Geschichtsphilosophie und Geschichte der Philosophie, die jedoch nur in den handschriftlichen Fassungen, nicht in der Form, die sie von den Herausgebern der Hegelschen Werke erhalten haben, zuverlässig sind.
Nach der Enzyklopädie bildet die Philosophie des Geistes den dritten Teil des Systems und schließt sich (unmittelbar) an die Naturphilosophie an (auf die O r ganik folgt die Anthropologie). Der Geist ist in der Form der „Beziehung auf sich selbst" s u b j e k t i v e r , in der Form einer ihm gegenüberstehenden, „von ihm hervorzubringenden und hervorgebrachten Welt" o b j e k t i v e r , in der „Einheit" des objektiven und subjek-
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tiven Geistes, d. h. in seiner absoluten Wahrheit, a b s o l u t e r Geist. Gebietsmäßig umfaßt die Lehre vom subjektiven Geist A n t h r o p o l o g i e , P h ä n o m e n o l o g i e und P s y c h o l o g i e , — eine wenig glückliche Kennzeichnung, da die „Seele" als Gegenstand der A n t h r o p o l o g i e , und gerade nicht der Psychologie auftritt, während es die P s y c h o l o g i e mit der Seele als G e i s t , nach den Merkmalen der theoretischen und praktischen Intelligenz, zu tun hat. Und erst recht unglücklich darin, daß Hegel unter „ P h ä n o m e n o l o g i e " eine kurze Wiederholung der Entwicklung des Bewußtseins vom sinnlichen Bewußtsein zur Vernunft gibt, die den Inhalt der Phänomenologie des Geistes bildete (s. o.). Die Lehre vom objektiven Geist umfaßt, äußerlich mit der Rechtsphilosophie übereinstimmend, R e c h t , M o r a l i t ä t und S i t t l i c h k e i t , als die Entwicklung des freien Willens vom an sich freien Willen (Person Recht) über den für sich freien Willen (subjektive Moralität) zum an und für sich freien Willen (Sittlichkeit = substanzielle Freiheit). Der letzte Teil der Philosophie des Geistes soll die drei Bereiche des absoluten Geistes: K u n s t , geoffenbarte R e l i g i o n und P h i l o s o p h i e umfassen. Davon kann nun freilich keine Rede sein; er ist in Wirklichkeit nur ein „möglichst knapper Auszug aus den letzten Abschnitten der Phänomenologie von 1807" (K. Rosenkranz). Ob die dunkelen Begriffsbestimmungen, die Hegel in diesem Teile gibt, das P r o b l e m des absoluten Geistes, insbesondere sein Verhältnis zum „objektiven", erhellen können, ist eine Frage der Interpretation. Jedenfalls übermitteln sie kein Bild von Hegels Ä s t h e t i k , R e l i g i o n s p h i l o s o p h i e und „ P h i l o s o p h i e d e r P h i l o s o p h i e " , und können es auch nicht, da das Material dieser Geisteswissenschaften als g e s c h i c h t l i c h e s dem „objektiven" Geiste angehört. Sehen wir jedoch von den Schwierigkeiten der syste-
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matischen Einordnung ab, um uns dem Inhalt Rechtsphilosophie selber zuzuwenden.
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der
Wie die L o g i k das Seitenstück zur Kritik der reinen V e r n u n f t , so ist die R e c h t s p h i l o s o p h i e das Seitenstück zu Fichtes „Naturrecht". Wie Fichte von der These ausgeht, d a ß „das praktische Ich das Ich des ursprünglichen Selbstbewußtseins" und das „Wollen der eigentliche wesentliche C h a r a k t e r der V e r n u n f t " ist, so ist auch f ü r Hegel der Wille nicht nur „Ausgangspunkt" des Rechts, sondern die ganze Entwicklung des Selbstbewußtseins (von der reinen Reflexion-in-sich bis zur A u f h e b u n g des Widerspruchs der Subjekt/Objektivität) ist „Tätigkeit" des Willens. U n d wie f ü r Fichte das „Freisein meinen wesentlichen C h a r a k t e r ausmacht", so ist auch f ü r Hegel das große T h e m a der Rechtsphilosophie die V e r w i r k l i c h u n g der Freiheit. „Das Rechtssystem ist das Reich der verwirklichten Freiheit". Die Stufen der Entwicklung des Willens, die - mit den Stufen der Entwicklung des Bewußteins zusammenfallen, sind die Stufen der Entwicklung der I d e e d e r F r e i h e i t . Dies durchsichtig zu machen, ist freilich nicht leicht, wenn man, wie bei Fichte an den „Geschlossenen Handelsstaat", so bei Hegel an den „in der Mitte seiner Reformen stehen gebliebenen preußischen Staat" (R. Haym) denkt. Indessen brauchen wir hier nicht daran zu denken; das T h e m a der p o l i t i s c h e n Staatskonzeption Hegels verweist so unmittelbar auf die Geschichte der deutschen Philosophie im 2. Drittel des 19. Jahrhunderts, daß es in dieser behandelt werden k a n n 1 ) . Soviel jedenfalls ist klar, u n d aus der Geschichte des deutschen Idealismus, der bei Kant, Fichte und Hegel ein e t h i s c h e r I d e a l i s m u s ist (wenn auch diese Bezeichnung f ü r Hegels Philosophie im Ganzen nicht ausreicht), einleuchtend, d a ß Freiheit ebensoviel mit Sittlichkeit wie mit G e m e i n s c h a f t , d. i. Willensverbindung, zu tun hat. Die „Freiheit der Leere", die Hegel Verstandesfreiheit nennt, die „absolute Möglichkeit, von jeder Bestimmung, in der Ich mich finde, oder die Ich in mich gesetzt habe, abstrahieren _ zu können", diese Freiheit der Abstraktion, oder die Freiheit als „Abstraktum", ist keine „wahre" Freiheit; sie hat nur erst die F o r m der Freiheit („formelle Freiheit"), noch keinen I n h a l t . Auf den Inhalt der Freiheit aber k o m m t es 1
Siehe hierzu das 2. Kapitel des nadifolgenden Bändchens.
Lehmann, Philosophie V I I I
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an, und darauf, daß dieser Inhalt ein frei erzeugter („Werk der Freiheit") ist. Wir nennen den Menschen, sagt Hegel einmal erläuternd, ein vernünftiges Wesen; er hat aber viel zu tun und sich hindurchzuarbeiten, bis er wirklich ein vernünftiges Wesen ist. So ist der Mensch auch ein freies Wesen a n s i c h , aber noch lange nicht f ü r s i c h . Und daß die Entwicklung dieser Freiheit über unsere Beziehungen zu a n d e r e n Menschen und deren Freiheit, daß sie über die Selbstbestimmung unserer H a n d l u n g e n , über den „Widerspruch, welcher die Willkür ist" (insofern die Willkür nicht durch die „Natur meines Willens", sondern durch Zufälligkeit bestimmt ist,¡ich mithin von einem zufälligen Inhalt a b h ä n g i g bin), daß sie über alles dasjenige hinausgeht, was wir recht und unrecht, gut und böse, sittlich und unsittlich nennen, — dies versteht sich aus der Natur der Sache. Die S c h w i e r i g k e i t e.n beginnen erst mit der Beziehung des N a t u r r e c h t s (abstraktes Recht) zum S t a a t s r e c h t , mit der prinzipiellen Unterscheidung von M o r a 1 i t ä t und S i t t l i c h k e i t , und mit der Behauptung, daß der S t a a t „Endzweck der Freiheit", daß er die „Wirklichkeit der sittlichen Idee" sei. D e r ' moralische „ S t a n d p u n k t " , die M o r a 1 i t ä t , bildet f ü r Hegel die Mitte zwischen dem formellen oder abstrakten R e c h t u n d der S i t t l i c h k e i t . Aber diese Mitte ist eine d i a l e k t i s c h e , d. h. die M o r ralität ist ebenso Antithese z u m formellen Recht wie Umschlagspunkt v o m Recht zur Sittlichkeit. Insofern gibt Hegel in dem Abschnitt M o r a l i t ä t wesentlich eine Kritik der, von der objektiven Sittlichkeit unterschiedenen, subjektiven „ M o r a l " . Allerdings ist f ü r Heget~ wie f ü r Kant u n d Fichte die Ethik a u t o n o m , — die Sittlichkeit ist das „lebendige Gute, das in dem Selbstbewußtsein sein Wissen, Wollen u n d durch dessen H a n d e l n seine W i r k l i c h k e i t . . . h a t " . Aber die Sittlichkeit ist d a r u m nicht „subjektive" Moral. O d e r besser: sie ist mehr als b l o ß subjektive Moral. D e r Anspruch des subjektiven Willens, selbst einzusehen, was er anerkennen soll, ist berechtigt, u n d auch das Gewissen drückt diese „absolute Berechtigung des subjektiven Selbstbewußtseins aus". Aber das Gewissen ist zweideutig. Es h a t „feste
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Grundsätze" ohne einen „objektiven Inhalt", und seine „Berufung auf sich selbst" kann ebenso sehr die Berufung auf eine subjektive M e i n u n g sein. Hegels Abneigung gegen allen Subjektivismus schärft seinen Bliqk f ü r die Schwächen der reinen Gewissensethik und der „Rednerei von der Pflicht um der Pflicht willen", f ü r die Widersprüche des „perennierenden Sollens, in welchem sich der bloß moralische S t a n d p u n k t . . . nur herumtreibt, ohne sie lösen und über das Sollen hinauskommen zu können", f ü r die „gemeinschaftliche Wurzel" von Moralität und B ö s a r t i g k e i t , f ü r die „Sophistik der Moralität", Heudielei, Verstellung, romantische Selbstüberheblichkeit. Trotzdem ist Sittlichkeit nicht etwa Moral o h n e Subjektivität oder überhaupt das ganze Andere der Moralität; sie ist und bleibt „subjektive Gesinnung". Aber sie hat das „An sich" des Willens: die R e c h t s b e s t i m m u n g e n und die R e c h t s o r d n u n g , voll in sich aufgenommen; sie hat an den „sittlichen Mächten, welche das Leben der Individuen regieren", ihren Rückhalt. Sie ist darum nicht heteronom, ihren Sinn von außen empfangend. Vielmehr ist dieses Außen ein I n n e n ; die Welt der Sittlichkeit ist die W i l l e n s w e l t , in der sich das „ f ü r sich seiende Selbstbewußtsein mit seinem Begriffe eint", und in diesem Sinne ist sie G e i s t . Die Welt der Sittlichkeit umfaßt F a m i l i e , b ü r g e r l i c h e G e s e l l s c h a f t und S t a a t . Damit scheint Hegel etwas Fremdes, nämlich besondere Formen des Zusammenlebens der Menschen, der Vergemeinschaftung (Familie) und Vergesellschaftung (bürgerliche Gesellschaft), sowie der Herrschaftsordnung (Staat) in die Sittlichkeit einzubeziehen. Denn wohl sind derartige Gebilde, denen wir angehören, für das sittliche Handeln relevant, aber wie können sie ihrem Wesen nach sittlich s e i n ? Die Abschnitte, in denen Hegel Familie, Gesellschaft und Staat behandelt, sind berühmt geworden und gehören zu den klassischen Texten der Soziologie und Staatstheorie des 19. Jahrhunderts. Dennoch sind sie durchaus nicht „soziologisch" oder „staatstheoretisch". Hegel hat so wenig eine „Theorie" der bürgerlichen Gesellschaft oder des Staates wie eine „Theorie" des objektiven Geistes aufgestellt. Es sind auch keine feststehenden Sozialformen, die er unterscheidet:
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D e r absolute Idealismus
seine „bürgerliche Gesellschaft" ist nicht dasjenige, was man in der Soziologie „Gesellschaft" nennt, sondern sie ist S t a a t („Verstandesstaat", d. h. der Staat W. v. Humboldts, der Staat der Rechtspflege, der Polizei u n d der Korporationen). N u r ist dieser Staat noch nicht „wahrer" Staat ( V e r n u n f t staat'), in welchem sich das Einzelne und Allgemeine durchdringen. U n d dieser „wahre", vom Geist ( V o l k s g e i s t ) beseelte, lebendige (organische) Staat, die „absolute Macht auf Erden", ist wieder kein „Sozialorganismus", keine „Machtorganisation" im modernen Sinne, — er ist als solcher überhaupt nicht real. Sondern das ist er erst als g e s c h i c h t l i c h e s Gebilde. In der Geschichte (Weltgeschichte) aber sind die „Penaten" (Familie), „die bürgerliche Gesellschaft und die Völkergeister" (Staaten) „in ihrer bunten Wirklichkeit nur als I d e e l l e s". — Nicht der Staat, sondern erst die g a n z e W e l t g e s c h i c h t e ist die Verwirklichung des Geistes und die Entwicklung des Begriffs der Freiheit. N u r als geschichtliche sind die „Völkergeister" (Staaten) k o n k r e t e Ideen; aber das, was sich in ihnen konkresziert, ihnen „Wahrheit und Bestimmung" gibt, ist der Weltg e i s t , — Gott in der Geschichte. E r macht uns f r e i ; die Weltgeschichte ist nichts anderes als der „Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit". D e r W e l t g e i s t ist der Geist als absolutes Subjekt, der a b s o l u t e Geist; die „ E l e m e n t e seines D a s e i n s " sind K u n s t (Anschauung u n d Bild), R e l i g i o n ( G e f ü h l u n d V o r s t e l l u n g ) u n d P h i l o s o p h i e (freier G e d a n k e ) . U n d hier ist d e n n die Stelle, an der die S y s t e m a t i k der Rechtsphilosophie m i t derjenigen der E n z y k l o p ä d i e zusammenhängt. Fragen w i r noch einmal, w a s es bedeutet, d a ß das A b s o l u t e in der P h i l o s o p h i e des Geistes „vermenschlicht" w i r d , so w e i ß uns Hegel selbst die A n t w o r t z u geben: d a ß allerdings das „Geistliche" z u m „irdischen Diesseits u n d zur g e m e i n e n W e l t l i c h k e i t . . . degradiert" w e r d e , d a ß aber d a f ü r das Weltliche sein „abstraktes Fürsichsein z u m G e d a n k e n u n d z u m P r i n z i p v e r n ü n f t i g e n Seins u n d W i s s e n s . . . h i n a u f b i l d e t " , so d a ß es zur „ w a h r h a f t e n V e r s ö h n u n g " beider k o m m e . Es ist dies der G e d a n k e der e r f ü l l t e n G e g e n w a r t , der mystische G e -
Hegels Rechtsphilosophie
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danke des ewigen Nun. U n d zu dieser Mystik gelangen wir bei Hegel von allen Seiten.
a)
b) c) d)
Literatur I. Ausgaben und Neuausgaben Schelling: Sämtliche "Werke, 1. Abteilung Bd. I—X, 2. Abteilung Bd. I—IV, 1856—1861; Werke. Nach der Originalausgabe in neuer Anordnung herausgegeben, München 1927 ff. 6 Hauptbände und 6 Ergänzungsbände (ed. M. SCHRÖTER); Werke. Auswahl in 3 Bänden (ed. WEISS), Leipzig 1907; Briefwechsel. Aus Schellings Leben. In Briefen (ed. PLITT) Bd. I—III, 1869 f.; Briefwechsel mit Goethe (ed. HILDEBRANDT), Leipzig, o. J. Reclam; Schellings Philosophie, Auswahl v. BRAUN. Deutsche Bibiliothek (1918); Briefe über Dogmatismus und Kritizismus (ed. BRAUN), Leipzig 1914; Bruno (ed. Chr. HERRMANN), Leipzig 1928; Das Wesen der menschlichen Freiheit (ed. HERRMANN), Leipzig 1925; Clara (ed. EHRENBERG), Stuttgart 1922; Clara (ed. KUHLENBECK), Leipzig o. J. Reclam; Die Weltalter (ed. KUHLENBECK), Leipzig o. J. Reclam; Die Weltalter. In den Urfassungen von 1811 und 1813 (ed. SCHRÖTER), München 1946; Münchener Vorlesungen: Zur Geschichte der neueren Philosophie und Darstellung des philosophischen Empirismus (ed. DREWS), Leipzig 1902 Schleiermacher: (s. Seite 73). Dialektik (ed. J. HALPERN), Berlin 1903. Fichte: (s. Seite 45). Hegel: Werke. Vollständige Ausgabe durch einen Verein von Freunden des Verewigten 1832—1845 (bzw. 1887) darin der Briefwechsel als 19. Band; Sämtliche Werke. Jubiläumsausgabe in 20 Bänden, 2 Erg.-Bänden und Hegel-Lexikon in 4 Bänden (ed. GLOCKNER), 1927 ff. Sämtliche Werke. Kritische Ausgabe (ed. LASSON und HOFFMEISTER), Leipzig 1905 ff. (unabgeschlossen); Theologische Jugendschriften (ed. H . NOHL), Tübingen 1907; Vorreden. Mit Kommentar zur Einführung von E. METZKE, Heidelberg 1949; Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte (ed. BRUNSTÄD), Leipzig o. J. Reclam; Die Verfassung Deutschlands (ed. H. HELLER), Leipzig (1919) (Reclam).
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Der absolute Idealismus
II Monographien a) Schelling: K. DEKKER, Die Rücksendung zum Mythos. Schellings letzte Wandlung, München 1930. — H. FUHRMANS, Schellings letzte Philosophie, Berlin 1940. — O. KEIN, Die Universalität des Geistes im Lebenswerk Goethes und Schellings, Berlin 1934; Das Apollinische und Dionysische bei Nietzsche und Schelling, Berlin 1935; Schellings Kategorienlehre, Berlin 1939. — W. METZGER, Die Epochen der Schillingschen Philosophie von 1775—1802, Heidelberg 1911. — K. SCHILLING, Natur und Wahrheit. Untersuchung über Entstehung und Entwicklung des Schellingsdien Systems bis 1800, München 1934. — M. SCHRÖTER, Der Ausgangspunkt der Metaphysik Schellings. Diss., Jena 1908; Ubersicht über die Schelling-Literatur, in: Idealismus Bd. I, Zürich 1934, S. 219—227. — G. STEFANSKY, Das hellenistisch-deutsche Weltbild-, Einleitung in die Lebensgeschichte Schellings, Bonn 1925. b) Schleiermacher: Th. CAMERER, Spinoza und Schleiermacher 1903. — G. MANN, Das Verhältnis der Schleiermacherschen Dialektik zur Schellingschen Philosophie, Stuttgart 1914. — W. SCHULTZ, Das Verhältnis von Ich und Wirklichkeit in der religiösen Anthropologie Schleiermachers, 1935. — H. SÜSKIND, Der Einfluß Schellings auf die Entwicklung von Schleiermachers System, Tübingen 1909. c) Fichte: M. HORNEFFER, Die Identitätslehre Fichtes in den Jahren 1801—1806 in ihren Beziehungen zu der Philosophie Schellings, Leipzig 1925. d) Hegel: Außer den im Text Seite 95 und Seite 97 angeführten Monographien siehe noch: J . COHN, Theorie der Dialektik, Leipzig 1923. — G. GÜNTHER, Grundzüge einer neuen Theorie des Denkens in Hegels Logik, Leipzig 1933. — B. HEIMANN, System und Methode in Hegels Philosophie, Leipzig 1927. — H. HELLER, Hegel und der nationale Machtstaatgedanke in Deutschland, Leipzig 1921. — H. MARCUSE, Hegels Ontologie, Frankfurt a. M. 1932. — W. MOOG, Hegel und die Hegeische Schule, München 1926. — G. SCHILLING* WOLLNY, Hegels Wissenschaft von der Wirklichkeit und ihre Quellen I, München 1929. — J . SCHWARZ, Hegels philosophische Entwicklung, Frankfurt a. M.
Literatur 1938.
—
Th.
STEINBÜCHEL,
119 Das
Grundproblem
der
Hegeischen Philosophie I, 1933. — H. WENKE, Hegels
Theorie des objektiven Geistes, Halle 1926.
V.
Die Gegner Im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts verhält sich die Philosophie zum absoluten Idealismus wesentlich ablehnend. Für die Radikalen ist das Absolute ein Bastard aus Theologie und Philosophie, und seine Problematik sinnlos. Aber auch die Fortführer des Idealismus sind zumeist Gegner der Philosophie des Absoluten. An drei Punkten, so formuliert es I. H. Fichte (Fichtes Sohn) einmal; hat die Kritik einzusetzen: bei der Identität von Denken und Sein, beim „Pantheismus" Hegels, und beim Begriff des Absoluten, der nicht die absolute Persönlichkeit, sondern nur das „unendliche Personwerden" Gottes im Menschen bedeute. Im ersten Drittel des Jahrhunderts ist der absolute Idealismus führend, und Ausdruck des Zeitgeistes. D a aber jede Zeit den Gegensatz der in ihr herrschenden Denkweise wenigstens im Keime enthält, so ist zu erwarten, daß ähnliche Argumente auch früher auftraten. Im Grunde stammte die These, daß das „Absolute" mit dem wirklichen Gott nichts zu tun habe, aus der Philosophie Jacobis; und Jacobi bekämpfte Kant, Fichte, Sdyelling gleichermaßen. Audi die anderen Argumente I. H. Fichtes finden sich bei den Zeitgenossen Schellings und Hegels. D a s wichtigste ist das gegen die Identität von Denken und Sein gerichtete. Diese wird allerdings vom spekulativen Idealismus auf Kant bezogen. Aber mit dem Ansprüche, Kants „Reflexionsphilosophie der Subjektivität" überwunden und „aufgehoben" zu haben. Z w a r kannte K a n t , sagt Hegel (1802), die absolute Identität des Denkens und Sein. Aber nicht in der theoretischen Philosophie. Hier ist sein „Idealismus" formal und dualistisch.
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Die Gegner
Seine „Deduktion" ist eine „Analyse der Erfahrung und das Setzen einer absoluten Antithesis." Um so eher konnten sich die G e g n e r der Identitätsphilosophie auf Kant berufen. Sie konnten geltend machen, daß die Idee der absoluten Identität von Denken und Sein unrealierbar und daß in der theoretischen Philosophie nur der „kritische" Weg Kants, nicht der „spekulative" seiner Nachfolger, gangbar ist. Für die eigentlichen Kantianer, deren es damals noch eine Menge gab, war das selbstverständlich. Geschichtliche Bedeutung hat es nur für diejenigen Anhänger Kants, die den Sinn der Kritik neu zu erarbeiten suchten. Der wichtigste unter ihnen ist / . Fr. Fries. Das Pantheismusargument versteht I. H. Fichte in dem Sinne, daß Hegel dem Einzelwesen (Person) eine selbständige metaphysische Bedeutung nicht zugesteht. Daß er „Antiindividualist" ist. Leibniz' Metaphysik ist ihm verschlossen. Das gilt zwar nicht von Schelling und Schleiermacher. Aber eine Vielheit von Monaden an die Stelle des Absoluten zu setzen, wäre auch ihnen nicht eingefallen. Schon der Zusammenhang des Absoluten mit dem Gottesbegriff mußte das unmögliche machen. (Aus diesem Grunde ist ja Leibniz' Metaphysik selbst kein reiner Substanzenpluralismus). Nur wo der Zusammenhang zwischen Metaphysik und Religionslehre preisgegeben bzw. auf den ^«fischen „Dualismus" theoretischer und moralisch-praktischer Vernunft zurückgegangen wurde, konnte das Leibnizsche Motiv des „ l e t z t e n V i e l e n " dem Monismus der Identitätsphilosophie gegenüber geltend gemacht werden. Dann freilich in der Form, daß die Philosophie überhaupt keine „Weltansicht" zu geben hat, daß Wirklichkeitserkenntnis und Wirklichkeitsbewertung („Ergänzung der Begriffe durch Wertbestimmungen") zweierlei sind. Das geschah in der Philosophie ]. Fr. Herbarts. Jacobi, Fries, Herbart wurzeln im 18. Jahrhundert. Auch der absolute Idealismus hat hier seine Wurzeln. Aber er ist
Kritik am absoluten Idealismus
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durch die R o m a n t i k mitbestimmt, und die Romantik ist die Grenzscheide zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert. Eine Formel für das sachliche Verhältnis zwischen romantischer Philosophie und Philosophie des Absoluten haben wir nicht erstrebt; es ist auch ohnedies klar, daß Schelling und Hegel das „poietische" Denken der Romantik hinter sich lassen. Aber in verschiedener Weise. Schellings Spätphilosophie nimmt Motive der „mythologischen", d. h. der Heidelberger Romantik (s. o.) auf. Und man kann sagen, daß sich sein späteres System zur Heidelberger Romantik verhält, wie Hegels System zur Jenenser Romantik. So wird Schelling, der vor Hegel die Philosophie des Absoluten begründet, zum G e g n e r des „absoluten" Idealismus. Aber auch die Frühform romantischer Philosophie zeigt Abweichungen vom Idealismus. Wir sahen es an Novalis' Verhältnis zu Fichte. Die Differenz zwischen Schelling und Fichte liegt in der gleichen Richtung. Wird hier gewöhnlich zwischen objektivem und subjektivem Idealismus unterschieden, so trifft das nicht den entscheidenden Punkt: beide sind, sachlich und problemgeschichtlich, Momente des absoluten Idealismus. Daß die Gleichsetzung von Natur und Geist in Schellings „Idealrealismus" — den Begriff hat Fichte zuerst gebraucht — die Präponderanz des Geistes als des schlechthin (absolut) Sinnvollen voraussetzt, versteht sich von selbst. Eben hier aber war der Absprung möglich. Diese metaphysische Voraussetzung konnte geleugnet; das Ireationale konnte dem Rationalen, die Natur dem Geiste, der „Wille" der Vernunft übergeordnet werden. Oft genug steht Schelling vor dieser Konsequenz. Aber wirklich gezogen wird sie erst von Schopenhauer, über dessen Zusammenhang mit Schelling kein Zweifel besteht. Schopenhauers K a m p f gegen den absoluten Idealismus, der sich dann zu seinem massiven Angriff gegen die „Universitätsphilosophie", gegen die „drei Sophisten" (Fichte, Schelling, Hegel) auswächst, hat von vornherein eine andere Bedeutung als die Angriffe Herbarts und Fries'. Die seit Kuno Fischer beliebte Formel eines Schopenhauer mit Fries und Herhart gemeinsamen „Zurückgehens auf K a n t " ist dafür völlig nichtssagend. Vielmehr: Schopenhauer bekämpft den absoluten Idealismus vom Boden der R o m a n t i k aus (und z w a r
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Die Gegner
der Jenenser Romantik). Und ferner: Schopenhauer bekämpft den absoluten Idealismus dadurch, daß er nicht bloß (wie Jacobi und Fries), die Gleichsetzung Gottes mit dem „Absoluten" leugnet, sondern den G o t t e s b e g r i f f s e l b s t . Er ist Gegner aller „Religionsphilosophie", insbesondere der christlichen. Er bekämpft die christlich-theologische Tradition in der Philosophie. Damit gehört er ganz der A u f k l ä r u n g an. Aber nicht der deutschen, für die vielmehr (von Leibniz bis Kant) die Beziehung zur Theologie wesentlich ist. Sondern der französischen und englischen. Jedoch ist Schopenhauer auch als Aufklärer Romantiker: die christliche „Nächstenliebe", der christliche Sündenbegriff, die christliche Mystik erhalten in seiner Philosophie ihren Platz und ihre, wie er glaubt, metaphysische Rechtfertigung. Es ist natürlich mißlich, Denker so verschiedenen Gepräges, wie Fries, Herbart und Schopenhauer als „Gegner" der herrschenden Denkweise unter einen H u t zu bringen. Ganz abgesehen davon, daß sie durch den „Zeitgeist" mit dem, was sie bekämpfen, viel enger verbunden sind als ihnen bewußt ist. Schopenhauers Monismus, seine Ideenlehre und Naturphilosophie, das alles finden wir auch bei Schelling. Selbst Hegels Grundthema der „Entzweiung und Versöhnung" (des Bewußtseins) kehrt in Schopenhauers Willenslehre wieder. Hegels Dialektik des „sinnlichen Diesen" (s. o.) ist genau das Thema von Herbarts Einleitung in die Metaphysik. Fries' „religiös-ästhetische Weltansicht" ist Schellings Philosophie schon durch die beideji gemeinsame Anknüpfung an Kants Kritik der Urteilskraft verwandt. Erst recht ist es mißlich, diese Denker in g e schichtlicher Hinsicht, nach der tatsächlichen Wirkung, die sie in ihrer Zeit hatten, gleichzustellen. Fries und Herbart allein sind im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts wirksam gewesen; Herbart (dessen Hauptwerk freilich erst 1828 erschien) jedoch nur in
Kritik am absoluten Idealismus
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geringem Maße. V o n Schopenhauer wußte kaum jemand etwas. U n d Fries' Wirkung auf die Zeitgenossen beruhte weniger auf seinen theoretischen Schriften als auf seiner politischen Tätigkeit: seinem Zusammenhang mit der Burschenschaftsbewegung, seiner nationalen und demokratischen Gesinnung. (So schmäht ihn Hegel als den „Heerführer der Seichtigkeit", und glossiert seine Wartburgrede ( 1 8 1 7 ) : es sei der „Hauptsinn der Seichtigkeit", den Staat, „die Architektonik seiner Vernünftigkeit", in den Brei des Herzens, der Freundschaft und Begeisterung zusammenfließen zu lassen). Ganz anders ist das Bild, wenn man auf die N a c h u n d F o r t w i r k u n g e n der Gegner des absoluten Idealismus im 19. Jahrhundert sieht. Hier steht Schopenhauer an der ersten, Fries an der letzten Stelle. Man muß allerdings die bildungsgeschichtliche Wirkung von der im engeren Sinne philosophiegeschichtlichen unterscheiden. In der Bildungsgeschi,chte des 19. Jahrhunderts hat Schopenhauer nicht nur Hegel, sondern überhaupt alle anderen deutschen Philosophen verdrängt. Noch heute kann man bei den meisten „Gebildeten" — wofern es deren noch gibt — eine leidliche Kenntnis der Schopenhauerschen Philosophie voraussetzen. Die philosophiegeschichtliche Wirkung Schopenhauers, die erst um die Jahrhundertmitte beginnt, ist gewiß nicht gering; es gibt eine verzweigte, an originellen Köpfen reiche Schopenhauerschule (Frauenstädt, Bahnsen, Mainländer, Peters, Bilharz u. a.). Aber, von E. v. Hartmann und Nietzsche abgesehen, deren Beziehungen zu Schopenhauer zu verwickelt sind, um sie hier schon zur Sprache zu bringen (s. Bd. II), hat die Schopenhauerschule auf die Weiterentwicklung der Philosophie keinen Einfluß gehabt. (Leider auch J. Bahnsen nicht, der für die Charakterologie der Gegenwart ebenso bedeutsam ist, wie dadurch, daß. er Schopenhauer, Hegel und auch Herbart verbindend, eine „Realdialektik" zu begründen suchte). In einer, der Metaphysik abgewandten Zeit des einzelwissenschaftlichen Positivismus haben diese Männer, die zum Teil wirklich Dilettanten waren, auf verlorenem Posten gekämpft, wenn sie nicht gar (wie v. Hellenbach und Du Prel) dem Okkultismus und Spiritismus verfielen. Man kann auch bei Herbart bildungs- und philosophiegeschichtliche Fortwirkungen unterscheiden. Wenn auch in
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Die Gegner
anderem Sinne. Herbart würde genau so wie Schopenhauer zu den Klassikern der deutschen Literatur gehören (seine Sprache ist weniger leicht verständlich, aber von großer Musikalität und Gedankentiefe), wenn man ihn ebenso gelesen hätte. Aber er wurde nur von den P ä d a g o g e n gelesen, die seiner Didaktik jener monströse Form der Formal- und Kulturstufen des Unterrichts gaben, die lange Zeit als Zerrbild Herbartischer Pädagogik umging. In der Philosophie selbst hat Herbart als Metaphysiker wie als Psychologe gewirkt. In jener Hinsicht hat er die Leibnizbewegung des 19. Jahrhunderts (s. o.) mitbestimmt: in Österreich waren Exner und R Zimmermann (der von Bolzano herkam) seine Schüler; in Deutschland ist Lotzc, der bedeutendste Denker des Spätidealismus, jedenfalls von ihm beeinflußt (so sehr er sich auch dagegen sträubte), und daneben bestand (seit Drobischs Eintreten für Herbart) auch eine engere Herbartschule. In dieser Hinsicht, nämlich als Begründer einer exakten Psychologie, war Herbart von Einfluß auf Fechner und auf die „Völkerpsychologie" von Lazarus und Steinthal. In der Sozialphilosophie verband Th. Waitz Herbartische GeGedanken mit Schleiermacherschen. Sehr viel schwächer ist die philosophiegeschichtliche Wirkung von Fries im späteren 19. Jahrhundert gewesen. Da Fries einer der wenigen war, die in der Goethezeit an der strengen Form Newtonischer Physik festhielten (im Gegensatz sogar zu Herbart), brachte ihm die Naturwissenschaft nach dem „Zusammenbruch" einen gewissen Respekt entgegen (A. v. Humboldt, Gauß, Schleiden). Seine Metaphysik, von E. F. Apelt (1812—1859) fortgeführt, interessierte niemand, und erst in den Jahren des immer mehr um sich greifenden erkenntnistheoretischen Neukantianismus besann man sich auf seine „Neue Kritik der Vernunft". Es entstand ein N e u f r i e s i a n i s m u s (L. Nelson, Th. Elsenhans u.a.), der aber den Sektengeruch nicht los wurde und — abgesehen von R. Ottos Arbeiten zur Religionsphilosophie — an der Entwicklung der Gegenwartsproblematik keinen Anteil hat. Diese verschiedenen Schicksale spiegeln sich auch in der p h i l o l o g i s c h e n Arbeit. Es gibt eine Schopen/wwerphilologie und eine Her bar tph'üologie beträchtlichen Ausmaßes, während von Fries nur einzelne W e r k e in Neuausgaben erschienen sind. Mustergültig ist die v o n P. Deußen ( 1 9 1 1 ) begründete kritische Schopenhauer-
Ihre Wirkungen
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ausgabe, die vor allem durch die Veröffentlichung der (von Hochstetter besorgten) Jugendmanuskripte (vor 1 8 1 8 ) für ein gründlicheres Studium des Denkers unentbehrlich ist. Eine kritische Herbarta.usga.be ist bereits 1 8 8 3 (von Kehrbach und Flügel) begonnen und zu Ende geführt worden. Sie umfaßt auch den, in der älteren Gesamtausgabe (von Hartenstein 1 8 5 0 — 1 8 5 2 ) nicht enthaltenen Briefwechsel. Die Neuausgabe des H a u p t w e r kes von Fries ( 1 9 3 5 ) besteht leider in einem bloßen Nachdruck der zweiten Auflage ( 1 8 2 8 ) . W i r gehen zunächst auf Fries ein. Jakob Friedrich Fries ist am 25. August 1773 als Sohn eines Beamten der Brüdergemeinde in Barby a. d. Elbe geboren. In N i e s k y erzogen, wuchs er einsam auf, studierte dort am theologischen Seminar und (1796) in L e i p z i g als Jurist. 1797 ging er nach J e n a , wo er Fichte hörte (in Niesky hatte ihn Garve in die Philosophie eingeführt), und war von 1798—99 Hauslehrer in der Schweiz. 1800 wurde er Dozent in Jena. Seine Dissertation (über Richters Stöchiometrie) enthält die erste mathematische Formulierung der chemischen Verbindungsgesetze; seine Habilitationsschrift behandelt den Begriff der intellektuellen Anschauung; durch seine Streitschrift über Reinhold, Fichte, Schelling (1803) wurde er als Gegner der Identitätsphilosophie bekannt. 1805 erhielt er, zugleich mit Hegel, in Jena ein Extraordinariat, und im gleichen Jahre eine Berufung nach H e i d e l b e r g . Die H e i d e l b e r g e r J a h r e (1805—1816) sind die wissenschaftlich ertragreichsten. Hier erschien seine „Neue Kritik" (1807), das System der Logik (1811), die Physik (1813), der Bekenntnisroman „Julius und Evagoras oder die neue Republik" (1814) — im Stile Jacobis, mit dem er befreundet war, und den er (1812) gegen Schelling verteidigte. 1812 hatte er in Heidelberg eine Professur für Physik erhalten. 1816 berief ihn Karl August, in der Hoffnung, daß Fries die „Philosophie neu begründen werde", nach J e n a . Der „jünglingshafte" Mann und schlechte Redner erlangte bald großen Einfluß auf die Burschenschaftler, und ihm gelang, was Fichte mißglückt war, die studentischen Sitten zu bessern. Das W a r t b u r g f e s t (am 18. Oktober 1817) zeigt ihn auf der Höhe seiner politischen Wirksamkeit. Fries' Forde-
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Die Gegner
rung nach einer auf Volkswahlen beruhenden „VolksVerfassung", die er schon 1803 in seiner „Philosophischen Reditslehre" begründet und später (1816) mit der Forderung nach einer „sozialen Gesetzgebung" verbunden hat — er ist einer der ersten, der die Gefahren freier Fabrikarbeit und der „Übermacht der Reichen" erkannte — mußte ihn in Konflikt mit Metternich bringen. Konnte er sich zunächst der Anklagen erwehren, so wurde ihm Sands Tat (am 23. März 1819) zum Verhängnis (Sand, sein Schüler, hatte gestanden, daß er vor der Ermordung Kotzebues Fries noch sprechen wollte): im November 1819 wird er supendiert, erhält aber von Weimar weiter Gehalt und nach 5 Jahren wieder eine Professur (für Physik und Mathematik). 1838 darf er dann auch über Philosophie lesen. 1843 ist er, nach mehreren Schlaganfällen, in Jena gestorben.
Fries las schon in Niesky die (dort verbotenen) Xaniischen Schriften und hat sich immer als Schüler Kants bezeichnet. Seine Fragestellungen sind aber ebenso sehr durch die Grundsatzphilosophie (Reinholds und Uchtes), durch den Leibnizianismus (Platner) und durch die Philosophie Jacobis bestimmt. Wie dieser zwischen Verstand und Vernunft, mittelbarer und unmittelbarer Erkenntnis unterschied, so fragt Fries nach der, allen (bewußten) Erkenntnissen zugrundeliegenden (unbewußten) u n m i t t e l b a r e n Vernunfterkenntn i s , deren wir uns nur in der Reflexion (im Urteil) versichern bzw. „wieder bewußt" werden können. „In unserer Vernunft l i e g t . . . . über allen Irrtum erhaben eine unmittelbare Erkenntnis, die aber für sich unaussprechlich bleibt, welche nicht zur Anschauung erhoben werden kann, deren wir uns nie im Ganzen, sondern nur in zerstreuten Einzelheiten oder allgemeinen Formen durch Reflexion bei Gelegenheit sinnlicher Anschauungen bewußt werden." In dieser unmittelbaren Erkenntnis liegt das „Geheimnis der Philosophie verborgen". Was ist das für ein Geheimnis? Es ist kein anderes als das „Geheimnis" aller idealistischen Metaphysik: daß wir den Schlüssel zu den metaphysischen Problemen in uns selbst tragen. In
Fries' Leben
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diesem Sinne verweist Fries auf Piaton: das „Lernen in Philosophie und reiner Mathematik trägt gar nichts neues in unseren Geist hinein, sondern es ist bloße Ausbildung der Selbsterkenntnis . . ." In diesem Sinne verweist er auf Kant, aber auf den v o r k r i t i s c h e n Kant, der die Metaphysik damit begründen wollte, daß er in der „inneren Erfahrung" die Merkmale suchte, die „im Begriffe irgendeiner allgemeinen Beschaffenheit liegen." Reflexion, Begriff, Urteil, Schluß, Beweis haben für die Erkenntnis nur i n s t r u m e n t a l e Bedeutung. Z w a r wird uns jede „gedachte Erkenntnis" in Urteilen bewußt, aber das Erkenntnisurteil ist nicht die (unmittelbare) Erkenntnis selbst, sondern die bloße „Formel", uns der ursprünglichen Erkenntnis „wiederbewußt" zu werden. Fries gehört so wie Schelling und Hegel zu den Gegnern jeder „Reflexionsphilosophie". Aber er gehört auch zu den Gegnern jeder Philosophie des „Absoluten", die sich auf i n t e l l e k t u e l l e A n s c h a u u n g beruft. Es ist das „Vorurteil des Rationalismus", alles Vertrauen dem Beweis und der systematischen Ableitung zu schenken. Ebendies war es, was Reinhold und Fichte forderten, als sie Kant „ergänzen" wollten: daß es die Aufgabe der Philosophie sei, alles Wissen aus einem höchsten Prinzip abzuleiten. „Dieses Prinzip sollte anfangs logisch ein Grundsatz sein, wandte sich aber bald metaphysisch herum, und wurde zur Idee des Universums oder der Gottheit." Die Philosophie sollte schließlich bei Schelling „das Wesen der Dinge aus der ewigen Einheit erkennen." Aber das logische System unseres Wissens ist „kein aus seiner Spitze entspringender Lichtkegel", es hat „manche von einander unabhängige Anfangspunkte", und aus e i n e m Grundsatz kann überhaupt keine Wissenschaft entstehen. Schellings „Einheit" des Absoluten ist nichts als das Resultat einer „mystischen Abstraktion". Was die i n t e l l e k t u e l l e A n s c h a u u n g betrifft, so könnte man versucht sein, die „ursprüngliche Erkenntnis der Vernunft" selbst als intellektuelle Ansdiauung zu bezeichnen. Aber wir „haben" eben die unmittelbare Erkenntnis nicht in der Weise, daß es uns möglich wäre, sie anzu-
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D i e Gegner
schauen. Unsere Vernunft ist nicht frei v o n Sinnlichkeit. Unsere ganze Erkenntnis wäre „vernichtet", w e n n wir die Sinnlichkeit wegnähmen (hier, wie in seiner philosophischen Anthropologie überhaupt, weist Fries schon in die Richtung Feuerbachs). „In dieselbe Organisation einer Vernunft, in welche Sinn und Vernunft einritt, kann keine intellektuelle Anschauung kommen." Unsere innere Anschauung (d. i. die Anschauung des „inneren Sinnes") verwechselt schon Fichte mit dem Phantasiegebilde einer intellektuellen Anschauung, bloß weil sie n i c h t v o m äußeren Sinn gegeben, n i c h t „sinnliche" Anschauung ist. Wir kommen, — das ist der immer wiederkehrende Refrain dieser Kritik — ohne R e f l e x i o n nicht aus: die „unmittelbare Erkenntnis" (die allen synthetischen Urteilen a priori zugrundeliegt) ist nicht unmittelbar aufzufassen, sie ist an unseren (d. i. menschlichen) „inneren Sinn" gebunden, an den die Reflexion anknüpfen muß.
Hier nun ist der Punkt, an dem das Besondere dei Friesschen „Vernunftkritik" als einer „ a n t h r o p o l o g i s c h e n " zu klären wäre. Nach der üblichen Auffassung gehört Fries zu den „Psychologisten" und hat versucht, die Resultate Kants „psychologisch" zu begründen. Diese Auffassung ist nicht einmal falsch. In der Tat sagt Fries, Kant habe mit seiner „transzendentalen" Erkenntnis eigentlich die psychologische gemeint; er habe ihre „empirische psychologische Natur verkannt". Man lobt es wohl, daß Fries einsah, die apriorischen Denkund Anschauungsformen, die nach Kant die Erfahrung konstituieren, ließen sich nicht selbst a priori erkennen, sondern nur a posteriori, d. h. empirisch. Aber man hat es dann mit der Verurteilung Fries' um so leichter: Fries sei von Kant in die Common-sense Philosophie der Engländer (Th. Reid, auf den er sich in der T a t bezieht) ausgewichen, und habe auf diesem seichten Boden das „Erkenntnisproblem" ganz verloren. Daß dies n i c h t der Sinn von Fries' Metaphysik und Kritik sein kann, ergibt sich sogleich aus der Lehre von der unmittelbaren Vernunfterkenntnis, aus seiner Ablehnung des Empirismus, und aus seiner immer wieder eingeschärften Unterscheidung von „Deduktion"
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Die Neue Kritik
und „Beweis". Da wir die (in synthetischen Urteilen a priori enthaltene) Apriorität nicht als solche gleichsam „neben" die Urteile stellen können, müssen wir sie deduzieren (rechtfertigen): wir müssen die unmittelbare Erkenntnis aufweisen, die solche Urteile trägt. "Wir müssen uns dabei auf innere Erfahrung berufen, „aber nicht um diese (die apriorischen Grundsätze) zu beweisen, sondern nur um sie als unerweisliche Grundsätze in der Vernunft a u f z u w e i s e n." Die Sache bleibt freilich noch zweideutig genug. Aber jedenfalls hat Fries den „Aufweis" von Apriorität nicht als Begründung durch psychische „Tatsachen" verstanden. Eher kann man sagen, daß seine „unmittelbare Vernunfterkenntnis" bereits metaphysisch (metapsychisch) ist. Aber wenn wir den Ansatz idealistischer Metaphysik, daß wir die Wahrheit, die wir suchen, i n u n s besitzen, ernstnehmen, können wir mit einem reinen, absoluten Bewußtsein oder Subjekt nicht auskommen: unsere e m p i r i s c h e Subjektivität muß immer mit dabei sein. Wir müssen uns auf die „innere Selbstbeobachtung berufen"; keine Phänomenologie des Erkennens kann davon suspendiren.
Fries' Zusammenhang mit dem spekulativen Idealismus tritt noch deutlicher hervor, wenn wir auf das Ganze seiner Philosophie blicken. In dieser wird L o g i k (System der analytischen Urteile) und M e t a p h y s i k (System der synthetischen Urteile, „deren wir uns nur durch Denken bewtfßt werden") unterschieden. Die Metaphysik ist theoretische (spekulative) und praktische (teleologische). Jene ist Lehre vom W i s s e n (Naturphilosophie, Physik), diese Ideenlehre oder „höhere Metaphysik" als Lehre vom G l a u b e n und von der A h n d u n g . Glaube ist dabei Uberzeugung aus bloßer Vernunft (Vernunftglaube), Ahndung notwendige Überzeugung aus bloßem Gefühl, d. i. R e l i g i o s i t ä t („Ahndung des Ewigen im Endlichen"). Freiheit, Ewigkeit, Reich der Zwecke sind Ideen, — ihre religiöse Erfüllung erwächst ihnen aber erst aus der Ahndung. Durch sie wird uns die Sinnenwelt, deren Erkenntnis „nur die endliche Wahrheit einer beschränkLehmann, Philosophie V I I I
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ten menschlichen Vorstellungsweise von den Dingen" ist, zur E r s c h e i n u n g der Ideen. Erscheinung hat also f ü r Fries nicht eigentlich einen erkenntnistheoretischen, sondern einen religionsphilosophischen Sinn. Zweifellos sucht Fries Kants Dualismus von theoretischer und moralisch-praktischer V e r n u n f t im Sinne der Kritik der Urteilskraft auszugleichen. Absolutes Wissen als Wissen „vom" Absoluten gibt es f ü r Fries nicht: »alle Versuche zu reinen Einheits-, Alleinheits- oder Gotteslehren enthalten nur ein bedeutungsloses Spiel leerer Abstraktionen". Andererseits läßt sich nicht verkennen, daß in der Lehre von der unmittelbaren Erkenntnis — oder wie Herbart spottet, von den „wissenden Erkenntnisvermögen" — der Ansatz zu einer m o n i s t i s c h e n M e t a p h y s i k enthalten ist, der zur Philosophie des Absoluten führt. Soll doch das Wissen eine „beschränkte Erkenntnis der ewigen Wahrheit" sein, die im Glauben entschränkt wird, und in der Ahndung gleichsam zur Verifikation kommt. Infolgedessen ist auch der B e g r i f f des Absoluten f ü r Fries durchaus legitim. „Das Wesen der Dinge selbst ist unbeschränkt (absolut) und hat vollendete Einheit"; alles, was ist, „ist die vollendete Einheit eines erschaffenen Weltganzen, welches durch Gott als die einige Ursach derselben besteht." Dies ist „der höchste objektive, von nichts anderem abzuleitende Grundgedanke unseres Glaubens an ewige Wahrheit, gegen den wir kein Sein der Dinge an sich selbst zu denken vermögen." So ist f ü r Fries der Glaube nicht gegensätzlich oder komplementär zum Wissen, sondern seine Erfüllung, wenn auch nicht in Form eines höheren Wissens. Ästhetik und Teleologie, bei Kant noch deutlich geschieden, verschmelzen bei Fries zur ästhetisch-teleologischen Weltanschauung. Diese entspricht dem ästhetischen Denken der Romantik, wie Fries' Religionsauffassung dem religiösen Subjektivismus der Romantik entspricht. Aber unter dieser Hülle verbirgt sich der Ansatz zu einer neuen Disziplin: der W e r t p h i l o s o p h i e als Lehre
Glaube und Ahndung
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von den Bewertungen und „Wertgesetzgebungen". Dieser Ansatz findet sich auch bei Herbart, der in dieser Hinsicht Fries am nächsten kommt, ihm dagegen in der Wirklichkeitslehre und Methodologie am fernsten steht. Johann Friedrich Herbart war der Sohn eines schweigsamen und trockenen Kanzleirates und einer Mutter mit männlichem Charakter und ohne Spur von Schönheit. Er wurde am 4. Mai 1776 in Oldenburg geboren und zog sich sdion in früher Jugend (durch Verbrühung) ein Augenleiden zu. Der begabte Jüngling schrieb mit 14 Jahren philosophische Aufsätze und las als Sechszehnjähriger Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Auch zeigte er früh seine musikalischen Anlagen. (1808 erschien eine Klaviersonate von ihm). 1794 verließ er das Gymnasium in Oldenburg, um in J e n a Rechtswissenschaft und Philosophie zu studieren. Von seiner Mutter begleitet, die ihn mit Schiller bekanntmachte, hörte er bei Fichte und wurde bald sein persönlicher Schüler. Doch schreibt er schon am 1. Juli 1796, er sei im Begriffe, sich selbst eine Wissenschaftslehre zu machen. Im Jahre 1797 ging er nach B e r n als Hauslehrer zum Landvogt v. Steiger, dessen drei älteste Söhne (Ludwig, Karl, Rudolf) von ihm erzogen wurden. Bis Anfang 1800 verweilte er in der Familie; aus seiner pädagogischen Praxis erwuchsen ihm die Grundgedanken seiner Erziehungslehre. Aber auch Pestalozzi lernte er kennen, und als Pestalozzis Anhänger trat er in seinen ersten Schriften auf. Nach einem Aufenthalt in Jena, Oldenburg und Bremen (die Eltern hatten sich getrennt, und auch zwischen Mutter und Sohn kam es zum Bruche), siedelte er 1802 nach G ö t t i n g e n über. Hier promovierte und habilitierte er sich zugleich, und wirkte bis 1809 als Dozent (seit 1805 als Extraordinarius) in Göttingen: die tiefsinnigen und dunklen Werke der Frühzeit (die Allgemeine Pädagogik 1806; die Hauptpunkte der Metaphysik 1808; die allgemeine praktische Philosophie 1808) sind hier erschienen. 1809 erhielt er einen Ruf nach K ö n i g s b e r g , verheiratete sich mit der 18jährigen Tochter eines englischen K a u f mannes (1811) und errichtete, nach einem mit W. v. Humboldt entworfenen Plane das erste pädagogische Seminar in Deutschland, das jedoch nicht von Bestand war. In die Königsberger Zeit fällt der Ausbau seines Systems: die zweibändige Psycho9*
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logie (1824/5); das Hauptwerk, die ebenfalls zweibändige Allgemeine Metaphysik (1828/9); und — schon vorher — das klassische „Lehrbuch zur Einleitung in die Philosophie" (1812). Aber er fühlte sich in seinem Königsberger »Exil" nicht wohl. 1833 finden wir ihn wieder in G ö 11 i n g e n. Als hier 1837 der bekannte V e r f a s s u n g s s t r e i t ausbrach — Herbart war gerade Dekan — , nahm er die vom König aufgezwungene Verfassung an, beteiligte sich nicht an der Weigerung der „Göttinger Sieben". Das hat ihm viele Vorwürfe eingetragen. Aber Herbart hätte nicht anders handeln können. Wohl besaß er Interesse an politischen Fragen, aber keine politische Aktivität. Von großer Zurückhaltung, Spröde und Empfindlichkeit, gilt ihm die Ruhe, die Freiheit von „Störungen", als höchstes Gut. Gerade auch der Staat, die durch Macht geschützte Gesellschaft, darf nicht gestört werden. „Diejenigen beginnen schon in ihrem Innern die Störung des Staats, welche irgendetwas vorzunehmen gedenken, das in die Sphäre der Machthandlungen fällt". Er starb am 14. August 1841 in Göttingen am Schlaganfall. Herbart erscheint — w e n n m a n nicht genau hinsieht — wie ein D e n k e r unserer Zeit. Seine Philosophie will nicht e r w ä r m e n , erleuchten, begeistern; sie will B e griffe bearbeiten und P r o b l e m e lösen, die die E r f a h r u n g aufgibt. „ D e r Philosoph ist nicht, wie der Künstler, Schöpfer der F o r m und H e r r des Stoffes, sondern in seiner H a n d f o r m t der Gegenstand sich selbst; und w a n n derselbe fertig ist, m u ß m a n ihn lassen, wie er sich d a r stellt." D a s G e g e b e n e ist der Ausgangspunkt; das R e a l e , das dem Gegebenen zugrunde liegt, soll erk a n n t w e r d e n : die M e t a p h y s i k beschreibt „gleichsam einen Bogen, der v o n der Oberfläche des Gegebenen in die T i e f e hinabsteigend sich dem R e a l e n erst nähert, dann wieder aus derjenigen T i e f e , die m a n h a t t e erreichen können, sich erhebt, und beim Gegebenen mit den E r k l ä r u n g e n desselben, insofern sie uns möglich sind, endigt." Objektivismus, Realismus, Ablehnung „ w e l t anschaulicher" Entscheidungen, e x a k t e und möglichst mathematische Formulierung sind die auffälligsten M e r k m a l e seiner Philosophie.
Herbarts Leben
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Den a b s o l u t e n I d e a l i s m u s bekämpft er mit Erbitterung, mit H o h n , mit schlagenden Bildern und kräftigen Argumenten. „Es bewundert jemand die harmonienreiche Orgel; er begehrt, einmal recht voll zu werden von der Fülle ihrer Akkorde. Lege er sich denn mit beiden Armen auf die T a s t e n ; in dem einen Mißlaut stecken alle möglichen Akkorde. — Solche Strafe ist demjenigen recht, der nicht versteht, sich zu mäßigen in seiner Einheits-Begierde!" Natürlich strebt die Philosophie nach Einheit; sie will nicht beim Gegebenen stehen bleiben. Töricht aber wäre es, die Formen unseres A u f f a s s e n s mit den Formen des G e g e b e n e n zu verwechseln, und die Erfahrung aus dem Erkenntnisvermögen abzuleiten. Das wäre so, als wollte man „demjenigen, der seine Schulden nicht bezahlen k a n n " , den R a t erteilen, „er solle sich vor den Spiegel stellen und darin sein Angesicht betrachten. D e r Schuldner muß arbeiten, er muß erwerben; er darf nicht in müßiger Selbstbeschauung die Zeit verlieren". Nicht minder töricht ist die Meinung, ein „ P r i n z i p " genüge, um das Einzelne zu erkennen. „Im Gegenteil: alles Einzelne will Stück für Stück von neuem, mit einer ihm b e s o n d e r s angepaßten Geschmeidigkeit des Denkens untersucht sein; oder man umarmt die W o l k e statt der J u n o " . M e t h o d e n p l u r a l i s m u s , A b s o n d e r u n g der Ä s t h e t i k ( L e h r e v o m Schönen u n d v o r den M u s t e r b i l d e r n des W i l lens) v o n der M e t a p h y s i k , der Gemütsbedürfnisse v o n den E r k e n n t n i s f o r d e r u n g e n , des Selbstbewußtseins v o n d e r E r f a h r u n g , — das sind die P u n k t e ) die H e r b a r t der dichtenden Philosophie entgegensetzt, jener P h i l o sophie, die durch Schelling in den R a n g des „ b e r ü h m t e n G o e t h e s d i e n M ä r c h e n s v o n den goldschüttenden Irrlicht e r n u n d d e m mächtigen Schatten des R i e s e n " erhoben w o r d e n sei. D i e M e t a p h y s i k ist eine „eisigte I n s e l " . W e r ihr K l i m a m i t B l u m e n u n d edlen F r ü c h t e n verbessern m ö c h t e , v e r r ä t n u r seine U n k u n d e in d e r G e o g r a p h i e . „ E i s i g t " ist die M e t a p h y s i k hinsichtlich ihrer Ergebnisse, w i e nach i h r e m Z u g a n g . Dieser ist die S k e p s i s , in den beiden F o r m e n „ n i e d e r e r " u n d „ h ö h e r e r " Skepsis, d . h. d e r Skepsis „ u n t e r V o r a u s s e t z u n g der gemeinen W e l t a n s i c h t " (sind die D i n g e so beschaffen, w i e sie e r -
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scheinen?), und der Skepsis, die daran zweifelt, überhaupt „feste Anfangspunkte unseres "Wissens" zu finden: Solidität, Entfernung, leere Zeiten, Ursache, Zweckmäßigkeit, Ich, alles dies ist „hinzugedacht"; die Induktion ist Erschleichung, synthetische Urteile a priori sind unmöglich usf. Nach ihren E r g e b n i s s e n ist die Metaphysik klimatisch so unzuträglich, weil Herbart zwar zu einer letzten Vielheit von „Realen" gelangt, diesen aber nicht die Eigenschaften der Leibnizsehen Monaden gibt, sondern sie für qualitativ unerkennbar hält. Die S k e p s i s hat recht, weil sie uns vor die W i d e r s p r ü c h e führt, in denen wir das Gegebene denken. Die Probleme der Metaphysik, gerade als Probleme, die uns die Erfahrung aufgibt, sind d i a l e k t i s c h e . Das eben hat Hegel auch behauptet. „Nur eines scheint der berühmte Mann zu vergessen: des Columbus Ei muß geknickt werden, wenn es stehen soll." Die Widersprüche der Erfahrung hat- Hegel erkannt, aber er „besitzt eine, nicht eben beneidenswerte, Übung sie zu ertragen." D. h. Hegels Methode, die Widersprüche immer weiter fortzuschiebeen, diese dialektische Methode, muß durch eine andere ersetzt werden: Herbart nennt sie die M e t h o d e d e r B e z i e h u n g e n , und ihren .Kunstgriff die zu f ä l l i g e n A n s i c h t e n . Wie man nämlich in der Mathematik Gleichungen, die sich nicht auflösen lassen, umformt, so muß man in der Metaphysik widerspruchsvolle Begriffe so durch andere Begriffe e r g ä n z e n , daß sich der Widerspruch im Ganzen aufhebt. „Wenn ein Gegebenes nicht kann gedacht werden, so ist es deshalb nicht verurteilt, weggeworfen zu werden: sondern es muß im Denken anders gefaßt werden." Es sind im wesentlichen vier „Widersprüche des Gegebenen", die Herbart in der Metaphysik untersucht und auf die drei Grunddisziplinen: O n t o l o g i e (Seinslehre), S y n e c h o 1 o g i e (Lehre vom Zusammenhang) und E i d o 1 o 1 o g i e (Lehre vom Trugbild des Ich bezw. vom Idealismus) verteilt. Der erste Widerspruch steckt im Begriff der S u b -
Dialektik bei Herbart
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s t a n z , als des einen Dinges mit vielen Merkmalen (Akzidenzen), die ihm inhärieren sollen (Inhärenzproblem). Der zweite im Begriff der V e r ä n d e r u n g bezw. des wirklichen Geschehens (Kausalität und Kraft). Der dritte, mit dem es die Synechologie zu tun hat, ist der Widerspruch des K o n t i n u u m s , des gegebenen Stetigen, wie wir es im Raumoder Zeitbegriff denken. Der vierte ist die sogenannte Identität von Subjekt und Objekt im I c h b e w u ß t s e i n . Dieser im Idibegriff enthaltene 'Widerspruch ist der genetisch und systematisch wichtigste. Denn Herbarts Metaphysik ist aus Ficbtes (erster) Wissenschaftslehre entstanden. Und die „Lösung" der Ichdialektik ergibt die neue P s y c h o l o g i e oder Metaphysik der Seele, die wiederum den Schlüssel zur Metaphysik des Seins bezw. der „Realen" bildet. „Das Ich ist die ärgste aller Einbildungen, ein Objekt, das sich aufs Subjekt, ein Subjekt, das sich aufs Objekt beruft, keins, das auf die Frage: Wer? nicht verstummte; vorgeblicher Zusammenhang ohne alles Zusammenhängende". Wie Kant fügt Herbart seiner Metaphysik eine „Widerlegung des Idealismus" ein; und Fichte gegenüber sagt er: „das Ich scharf denken, heißt, den Idealismus widerlegen. Hiermit beschuldigen wir Fichten, das Ich nicht scharf gedacht zu haben". Daß Herbarts Seelenlehre, die dem Spuk des „Ich" ein Ende bereiten soll, der Schlüssel zur Metaphysik ist, ergibt sich aus folgendem. Erstens ist die Psychologie „realistischer" als die Naturwissenschaft. Unsere einfachen Vorstellungen, der „Grundstoff unseres Bewußtseins", sind „wirkliches Geschehen in unserer Seele". In der N a t u r w i s s e n s c h a f t aber hängt alles am Begriff der B e w e g u n g , die nicht wirklich geschieht, sondern nur f ü r den „Zuschauer". Die materielle "Welt „ist eine Scheinwelt; sie gehorcht der Mathematik und lebt wie diese von Widersprüchen; als ein wahres Reales kann Materie eben so wenig gedacht werden, wie die Bewegung als wirkliches Geschehen; aber die Gesetzmäßigkeit des Scheins aus dem Realen zu erklären, das läßt sich leisten." Zweitens ist auch die O n t o 1 o g i e auf die Psychologie angewiesen. „Eigentliche Ontologie ist keine selbständige Wissenschaft, und obgleich sie vom Sein redet,
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so geschieht dies doch in höchst allgemeinen Begriffen, die nur den W e r t von Abstraktionen haben." Das hat für Herbart den bestimmten Sinn, daß von der Empfindung abstrahiert wird. Denn „seiend" heißt, etwas so zu „setzen", wie ursprünglich das Empfundene gesetzt wurde. „Das Reale hängt an der Empfindung wie die Empfindung an der Seele als realer." Soll das kein Zirkel sein, so muß eben die „Seele als reale" Grundlage und Modell aller nichtseelisdien „Realität" sein. Zwar ist Psychologie für Herbart schon „Fachwissenschaft". Aber doch nicht ganz. Und gewiß nicht im Sinne späterer „Psychologie ohne Seele". Ob wir zwischen analytischer und synthetischer, empirischer und rationaler Psychologie unterscheiden, — in j e d e r Hinsicht ist die Psychologie „angewandte Metaphysik". Ergänzt die Metaphysik die widerspruchsvollen Erfahrungsbegriffe durch „Beziehungen", so ergänzt die Psychologie die „innerlich wahrgenommenen Tatsachen". Dabei steht der i d e a l i s t i s c h e A u s g a n g s p u n k t für Herbart (wie für Fichte und Schopenhauer) außer Frage. „Wir haben gar keinen Gegenstand des Wissens als unsere Vorstellungen und uns selbst", — „wir sind in unseren Begriffen völlig eingeschlossen . . . Wer dies für Idealismus hält (wovon es ganz verschieden ist), der muß wissen, daß nach seinem Sprachgebrauch es gar kein anderes System gibt als Idealismus". Kurz gefaßt: sind unsere Vorstellungen der „Grundstoff unseres Bewußtseins", so erweist die metaphysische Psychologie die „Vorstellungen" als dasjenige, wodurch die Seele „ihr Wesen aufrecht hält", als S e l b s t e r h a l t u n g e n des vorstellenden Subjekts. Das Subjekt — nicht das Ich, sondern die Seele als einfaches, der Qualität nach unbekanntes Wesen — ist vorstellend, indem es S t ö r u n g e n widersteht. Vorstellungen sind so gleichsam Reaktionen, und setzen ein Verhältnis zwischen Mehreren, ein „Zusammen" voraus. Sie bilden nicht eine besondere Klasse seelischer Inhalte, sondern sind die elementaren Zustände der Seele selbst (allerdings verwendet Herbart den Vorstellungsbegrilff auch in komplexerem Sinne). Das Weitere: die Auffassung der Vorstellungen als Kräfte, ihrer „Verdunkelung" als Bewegung, die Berechnung ihres „Gleichgewichts", diese ganze S t a t i k und M e c h a n i k
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der Vorstellungen, die Herbart entwickelt, gehört nicht mehr hierher. Seinem Ausspruch, daß die Gesetzmäßigkeit im menschlichen Geist vollkommen der am Sternenhimmel gleicht, mag man zustimmen oder nicht, — seine mathematische Psychologie hat ihn nicht verifizieren können, und ist in Vergessenheit geraten.
Selbst die kürzeste Behandlung von Herbarts „System", das weniger einem Organismus als einem Drahtgeflecht mit abstehenden Spitzen gleicht, dürfte nicht unerwähnt lassen, daß der entscheidende Punkt der am wenigsten geklärte ist. Herbart trennt Metaphysik als Wirklichkeitslehre und Ästhetik als Wertlehre. Das Reale ist kein Gegenstand der Ästhetik, es hat keinen Wert; es gibt kein „Zusammen" von Wert und Realität. Die Qualitäten des Realen sind unerkennbar; die (praktischen) Ideen (als wichtigster Gegenstand der Ästhetik) sind „absolute Qualitäten". Diese werden in Herbarts dunkelster Schrift, der „Allgemeinen praktischen Philosophie", als Musterbilder des Willens aufgestellt: Idee der inneren Freiheit, der Vollkommenheit, des Wohlwollens, des Rechts, der Billigkeit oder Vergeltung (und daraus die „gesellschaftlichen" Ideen abgeleitet: Rechtsgesellschaft, Lohnsystem, Verwaltungssystem, Kultursystem, beseelte Gesellschaft). Kann aus dem Realen kein Wert, aus dem Sein kein Sollen folgen, und umgekehrt, — wie ist ethische Verwirklichung im Einzelnen (Tugend) und in der Gemeinschaft überhaupt möglich? Die Frage ist nicht peripher. Denn sie ist die Grundfrage der P ä d a g o g i k , die Herbart auf Psychologie und praktische Philosophie bezieht. Erziehung ist Charakterbildung; Bildung und Bildsamkeit sind die Grundbegriffe der Pädagogik. Aber der Begriff der Bildung gehört auch in die Psychologie. Er gehört auch in die Naturphilosophie. Er gehört mithin in die Metaphysik selbst. Die Seele ist ein System von Selbsterhaltungen; aus Störung und Selbsterhaltung ergibt sich eine Vielfalt innerer Zustände, die Vorstellungen „verwändein" sich in Streben,
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Begehren, Trieb. Dies ist es, was Herbart die i n n e r e B i l d u n g (der Seele als einfachen Wesens) nennt, und zum „Typus" jedes anderen „auch unter den nicht vorstellenden Wesen" macht. Wie die Psychologie der Schlüssel zur Naturphilosophie, so ist die „innere Bildung" der Schlüssel zur Bildung (Organisation) der Lebewesen, der Materie überhaupt. Lebenskraft ist Bildungskraft, und die Lehre von der Bildung mündet in die T e l e o l o g i e . Die Teleologie aber ist das Kreuz der Herbartischen Metaphysik. Es gibt keinen Ort im System für sie; Zweckmäßigkeit ist kein metaphysisches Problem. Zweckmäßigkeit ist das „unberührte Geheimnis". Hier grenzt Wissen an Glaube, Metaphysik an Religionsphilosophie. Eine Ausführung der Religionsphilosophie selbst hat Herbart seinen Schülern überlassen (Taute, Drobisch, Schoel, Flügel), die sie in plumper und Herbarts Denken unwürdiger Weise vorgenommen haben. Schopenhauers Stellung zum absoluten Idealismus bestimmt sich durch seine eigene idealistische Auffassung, durch seinen Irrationalismus des „blinden" Willens, und durch seine Weigerung, den Gottesbegriff unter der Maske des „Absoluten" in die Metaphysik einzulassen. In der ersten Hinsicht vertritt Schopenhauer, unter Berufung auf Kant, als dessen „größtes Verdienst" er die Unterscheidung von Ding an sich und Erscheinung preist, einen subjektiven Vorstellungsidealismus, und unter Berufung auf Piaton, eine Lehre von der Idee als Objekt der Kunst (Ästhetik), die durch Schelling jedenfalls mitbestimmt ist. In der zweiten Hinsicht verbindet er den romantischen Pessimismus und Nihilismus mit einer Philosophie am „Leitfaden des Leibes": die eigene Leiblichkeit und Triebwelt (für die er eben das Wort: Wille einsetzt) erschließt das Verständnis a l l e r „Willensob jekti vationen ". In der dritten Hinsicht ist ihm das Absolute, „dieses fast alleinige Thema der seit Kant versuchten Philoso-
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phien", nichts anderes als der (von Kant widerlegte) kosmologische Gottesbeweis incognito, eine zugedeckte leere Schlüssel. Von allem theistischen Inhalt abgesehen (der aber für Schopenhauer eben nur ein scheinbarer Inhalt und wesentlich Anthropomorphismus ist), ist das „Absolute" eine völlig unrechtmäßige Erhöhung des Prinzips der mittelbaren Erkenntnis: der Vernunft. Dies allein ist es, was Schopenhauer zum Verächter der i n t e l l e k t u e l l e n A n s c h a u u n g macht. Denn sowohl die Anschauung selbst, von der räumlichgeometrischen bis zur Anschauung der „Objektivationsstufen" (Potenzen) des Willens und der eigentlich ästhetischen Anschauung, als auch die Intuition, unmittelbare Erkenntnis des „inneren Wesens der Welt", sind für Schopenhauer von größter Bedeutung. N u r nicht die Vernunftanschauung. Sie ist ein hölzernes Eisen. Und die Philosophie Hegels, die er freilich auch aus sehr persönlichen Gründen angreift, gilt ihm besonders deswegen als Monstrosität, weil in ihr die Allgemeinbegriffe „welche wir aus der empirischen Anschauung abstrahieren", zum „wahrhaft Realen" gemacht werden, — das „Absurdeste", welches die Welt je gesehen. (Daß Schopenhauer in der Erkenntnislehre von „intellektualer Anschauung" spricht, bzw. die empirische Anschauung als von den apriorischen Anschauungsformen bedingt erweist, hat natürlich mit seiner Polemik gegen die intellektuelle Anschauung des absoluten Idealismus nichts zu tun). Aber noch viel näher steht Schopenhauer in Wirklichkeit dem „absoluten" Idealismus. Das ergibt sich aus der Entstehung seiner Philosophie, auf die im Zusammenhange mit den Lebensdaten kurz einzugehen ist. Schopenhauers L e b e n (1788—1860) ist so gewissenhaft durchforscht, und auch die kleinsten Züge seines persönlichen Verhaltens, Umgangs und Handelns sind uns durch seine Biographen (Grisebach, Gwinner, Damm, Hübscher u. a.) so genau überliefert, daß es genügt, sich auf die wichtigsten
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Daten, zu beschränken. Sein Bildungsgang unterscheidet sich von dem seiner großen Zeitgenossen wesentlich: der Vater, Heinrich Floris, Danziger Patrizier und Handelsherr, läßt ihm eine weltmännische Bildung angedeihen; der Knabe verbringt zwei Jahre in Frankreich und reist als Fünfzehnjähriger mit den Eltern nach Holland, England, Südfrankreidi. Dann freilich muß er — widerstrebend — zu einem Hamburger Kaufmann in die Lehre. Als der jähzornige und gemütskranke Vater 1805 stirbt, und die Mutter, zwanzig Jahre jünger, lebenslustig, klug, und von nicht geringer Intelligenz, nach Auflösung des Haushaltes in W e i m a r eine neue Heimat findet, wendet sich das Blatt. Mit 19 Jahren erhält Schopenhauer zuerst in Gotha, dann in Weimar Privatunterricht, und am 9. Oktober 1809 wird er in G ö t t i n g e n immatrikuliert. Er beginnt als Mediziner, studiert dann bei G. E. Schulze (s. o.), der ihm rät, Piaton und Kant zu lesen, Aristoteles und Spinoza vorerst zu meiden. Da es ihn drängt, einen wirklichen Philosophen zu hören, geht er 1811 nach B e r l i n zu Fichte. Doch weder dieser nodi Schleiermacher kann ihn befriedigen. D a f ü r entschädigt er sich an Philologie und Naturwissenschaften. Durch die Kriegsereignisse behindert, zieht er sich nach R u d o l s t a d t zurück, wo er seine Dissertation vollendet, und sie dann in J e n a einreicht. Die nächsten Jahre stehen im Zeichen seiner Bekanntschaft mit Goethe (der häufig im Hause der Mutter zu Gast war) und seiner Mitarbeit an Goethes Farbenlehre. (1816 erschien seine Schrift über das Sehen und die Farben). Aber der Bruch mit Johanna Schopenhauer, deren Privatleben dem Sohne mißfiel, und die, inzwischen zur gefeierten Tagesschriftstellerin geworden, nicht gewillt war, seine fortdauernde Kritik zu ertragen, treibt ihn aus Weimar (1814). Der nun folgende Aufenthalt in D r e s d e n ist die Zeit der Konzeption des Hauptwerkes, das nicht zufällig aus Aphorismen hervorging, und in dieser wie in vielen anderen Hinsichten romantischen Charakter besitzt. Im März 1818 vollendet, erhält es der Verlag Brockhaus, bei dem es im Dezember 1818 (mit der Jahreszahl 1819) erscheint. Das Werk des Dreißigjährigen ist ein Jugendwerk, vergleichbar Kants „Naturgeschichte des Himmels". Obzwar Schopenhauers Entwicklung damit nicht abgeschlossen ist, hat er doch zeitlebens an den früheren Formulierungen festgehalten und gleichsam sich selbst kanonisiert. Als er später (1843) unter vielen
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Schwierigkeiten eine zweite Auflage durchsetzte, ergänzte er das Werk durch einen zweiten Band, anstatt diesen unter neuem Titel erscheinen zu lassen. Und die Schriftensammlung von 1850, die endlich den heißersehnten Ruhm herbeiführt, nennt er „Parerga und Paralipomena", —• immer die Fiktion bewahrend, daß er die „Wahrheit" einmal entdeckt und sie nie verlassen habe. Im September 1818 reist er nach I t a l i e n , muß aber im Juni 1819 von Mailand zurückkehren, da das Danziger Handlungshaus, bei dem er einen Teil seines Vermögens angelegt hatte, in Konkurs geraten ist. Jetzt erst entschließt er sich, die Universitätslaufbahn zu ergreifen. Ein unglücklicher Stern führt ihn nach B e r l i n , wo er sich im März 1820 habilitiert. Alle weiteren Daten: der fruchtlose Wettbewerb mit Hegel, der Verzicht, die Flucht vor der Cholera (1833), die immer wieder scheiternden Bemühungen um die Gunst des Publikums, — dies, und die Gestalt des alternden Schopenhauer mit seinem vom Ressentiment zerfressenen Sendungsbewußtsein, ist so bekannt, daß darüber nichts berichtet zu werden braucht. Als er am 20. September 1860 in Frankfurt stirbt, hat er sein irdisches Ziel erreicht, — in einer der Metaphysik entfremdeten Zeit, die für den „einzigen Gedanken" seines Lebens kein Verständnis mehr aufbringt. Schopenhauer, der das treffende Wort prägte, die Systeme seien „so ungeselliger Natur wie die Spinnen, deren jede allein in ihrem Netze sitzt, und nun zusieht, wie viele Fliegen sich werden darin fangen lassen, aber einer anderen Spinne nur, um mit ihr zu kämpfen, sich nähert", ist in dieser Hinsicht selbst eine wahre Giftspinne. Nicht allein seine Urteile über die zeitgenössischen Denker sind voller Bosheit und Ungerechtigkeit, auch sein eigenes System hat er von allen Spuren unliebsamer Beeinflussung gereinigt, und die Entwicklung seines Denkens vor 1818 unkenntlich gemacht. Nachdem E. v. Hartmann zuerst die Abhängigkeit Schopenhauers von Schelling, Fichte, Bouterwek, Solger nachgewiesen, und Grisebach den von Frauenstädt verzettelten Nachlaß gesammelt hatte, konnte die Schopenhauerforschung ein immer deutlicheres Bild von dem jungen Schopenhauer und seinen Beziehungen zum absoluten Idealismus gewinnen. Darüber ist hier nur anzudeuten, daß Schopenhauer, der schon in Hamburg romantischer Dichtung (Tieckj zugetan war, zu Beginn seines Göttinger Studiums mit der Lektüre von Schelling beginnt (Weltseele), dann Piaton liest (immer
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in Verbindung mit weiterer Schelling-Lektüre) und sich am 16. Oktober 1810 Kants Prolegomena entleiht; sein gründlicheres Jfanistudium fällt jedoch in die Berliner Studienzeit. Auch mit Aristoteles und natürlich mit Schutzes „Kritik der theoretischen Philosophie" befaßt er sich in Göttingen, während er Spinoza erst 1813 in "Weimar kennen lernt. Daß der Einfluß Fichtes nicht negativ gewesen sein kann, wie aus Schopenhauers Randbemerkungen hervorgeht, zeigte schon Herbart (1820), der auf Obereinstimmungen mit Fichtes Sittenlehre hinwies. Bouterwek war Professor in Göttingen: sein „Virtualismus", der von der Selbsterfassung des Menschen im „Willen" ausgeht, daraus die Interpretation aller Dinge als „Kräfte" fordert und hierfür eine das bloße „Denken" übersteigende unmittelbare Erkenntnis (Jacobi) zu Hilfe nimmt, mußte für Schopenhauers „Voluntarismus" ebenso aufschlußreich sein wie die (ebenfalls von Jacobi bestimmte) Unterscheidung zwischen unmittelbarer Seinserkenntnis durch Anschauung und mittelbarer durch Begriffe bei Schulze selbst. Wichtig ist jedenfalls die Aufschichtung: Schelling — Piaton — Kant, das Übergewicht der Ideenlehre (die im System selber nur in rudimentärer Form auftritt), die Herkunft auch des Schopenhauerschen Vorstellungsidealismus aus Piaton, die Wendung des Jahres 1811 (Berlin), dem „Ding an sich" Kants einen positiven Inhalt zu geben, und die schließliche Verdrängung des „besseren Bewußtseins" durch den „Willen". Dieses „ b e s s e r e B e w u ß t s e i n " ist der Grundbegriff von Schopenhauers Jugendphilosophie. Es steht dem empirischen, zeitverhafteten Bewußtsein gegenüber. Es ist das Licht, die Tugend, der „heilige Geist". Es kann sich entweder von innen, von selbst und frei erheben. Das ist der eine Weg. Oder aus dem Drang und der Qual des Weltseins, aus immer tieferer V e r strickung in „Laster und Sünde, in T o d und Nichtigkeit" hervorgehen. Das ist der andere Weg, den Schopenhauer hernach als Umkehr des Willens zum Leben durch Askese und Mortifikation beschreibt. Das bessere Bewußtsein, der „Friede Gottes", bedeutet, daß wir uns nicht mehr als endliche, hinfällige Wesen, sondern „als etwas ganz anderes" bewußt werden. Es steht der Welt entgegen, „will sie n i c h t". „Mit dem Eintritt des
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besseren Bewußtseins verschwindet jene ganze Welt wie ein leichter Morgentraum, wie ein optisches Blendwerk", —• hier ist die „Freiheit, die Möglichkeit selbst theoretisch die Welt zu vernichten." Daß diese Auffassung nicht nur romantischer Idealismus, sondern auch eine P h i l o s o p h i e d e s A b s o l u t e n ist, liegt auf der Hand. Das bessere Bewußtsein, heißt es in einer Randbemerkung zu Kants „Prolegomena", ist die „absolute Erkenntnisweise" gegenüber der bedingten des Verstandes. Und in einer Aufzeichnung zu Schelling bemerkt Schopenhauer: „Insofern der Mesch dem Absoluten sich unbedingt nähert (wie er kann und soll) w e i ß er nicht vom Absoluten, sondern i s t das Absolute selbst." Hält man daneben den späteren Satz (Parerga I I ) : das Absolute, als dasjenige, „was nie entstanden sein, noch jemals vergehen kann, woraus hingegen alles, was existiert, besteht und geworden ist", sei nicht in imaginären Räumen zu suchen, „sondern es ist ganz klar, daß jenen Anforderungen die M a t e r i e gänzlich entspricht", so hat man Anfang und Ende der Philosophie Schopenhauers beisammen. In der Tat bewegt diese sich vom a b s o l u t e n I d e a l i s m u s zum M a t e r i a l i s m u s , und die wichtigsten Stationen sind dabei: die Identifikation der platonischen Idee mit Kants Ding an sich; des Dinges an sidi mit dem „Willen"; des „Willens" mit dem Leibe; der „Vorstellung" mit der Gehirnfunktion, und die dadurch mögliche „Übersetzung" des Vorstellungsidealismus in Materialismus (wobei neben dieser Bewegung noch eine weniger deutliche vom reinen M o n i s m u s zum I n d i v i d u a l i s m u s einhergeht). Das System von 1818 selbst gliedert sich bekanntlich in vier Teile, von denen zwei die Welt als Vorstellung, und zwei die Welt als Wille behandeln. Die „ V o r s t e l l u n g " tritt im ersten Buch auf als „Objekt der Erfahrung und Wissenschaft", und in diesen Teil hat Schopenhauer die Ergebnisse seiner Dissertation über die
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Die Gegner,
„vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde" ( 1 8 1 3 ; zur Identifikation des Willens mit dem Ding an sich kommt es erst 1814) hineingearbeitet. Sie tritt ferner im dritten Buch auf als vom Satz des Grundes unabhängiges „Objekt der Kunst". Der „Wille" wird im 2. Buch in seiner „Objektivation" betrachtet, im 4. Buch dagegen in seiner ethischen Qualifikation: sich selbst „verneinen" zu können. Dieses ist die eigentliche Erlösungslehre Schopenhauers; das dritte Buch enthält die Ideenlehre bzw. Ästhetik; das erste die Erkenntnislehre (Dianoiologie); das zweite den Zugang zur Metaphysik und die Naturphilosophie. Die P r o b l e m k r e i s e , die Schopenhauer bearbeitet, fügen sich dieser Gliederung nicht ganz. Es sind jeweils bestimmte Schauweisen, die nach und auch nebeneinander zur Geltung gelangen; von einer begrifflichen Entwicklung im Sinne Fichtes, Schellings oder gar Hegels kann bei Schopenhauer keine Rede sein. Die d i a n o e t i s c h e Schau ordnet die 4 Objektklassen (Andiauungsgegenstände, Begriffe, mathematische Gegenstände, innere Gegenständlichkeit) den verschiedenen Formen des „Satzes vom Grunde", d. h. der apriorischen Verstandesfunktion zu. Die m o r p h o l o g i s c h e Schau erstreckt sich auf die „Ideen" als Urtypen der Natur, wobei die Natur selbst als Stufenreich im Sinne Schellings gedacht wird. Die ä s t h e t i s c h e Schau betrifft ebendiese „Ideen" als Objekte der Kunst bezw. künstlerischen Darstellung. Systematisch heimatlos ist dagegen die anthropologische Schau oder das Bild vom Menschen in seiner Triebhaftigkeit, Intelligenz, Durchschnittlichkeit und „Übermenschlichkeit" (Genie), mit dem es Schopenhauer eigentlich ständig zu tun hat, und auf dessen Schilderung der Reiz seiner Darstellung vornehmlich beruht. Eng damit verbunden ist die a x i o l o g i s c h - p e s s i m i s t i s c h e Schau, die meist als Kennzeichen von Schopenhauers I r r a t i o n a l i s m u s gilt, aber doch eben nur, weil sie nicht bloß anthropologisch ist, sondern das Leben selbst, die Willenswelt überhaupt betrifft. Der „blinde" Wille ist nicht wertindifferent, sondern böse: der Lebensdrang führt zum Kampf ums Dasein, insofern jedes Individuum das andere zu unterdrücken und zu zerfleischen sucht (dies die R e a l d i a l e k t i k Schopenhauers); Lust und Unlust lassen sich nicht gegeneinander aufrechnen, weil der einzige positive
Schopenhauers System
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Zustand die Unlust bezw. der Schmerz, und die Lust (das Glück) nur Mangel an Unlust, mithin negativ ist; Schmerz und Langeweile sind die Pole, zwischen denen das (menschlidie) Leben spielt. Daß dieser Strukturzusammenhang, der auch auf die menschliche G e s c h i c h t e übertragen und zur Kritik aller historischen „Entwicklung" verwendet wird, nicht ausreicht, um das menschliche „Dasein" zu beschreiben, ist klar. Er betrifft eben nur den Menschen in seiner Endlichkeit, Hinfälligkeit, nicht jenes „bessere Bewußtsein", das in der ästhetischen Kontemplation zur partiellen, in der Akese zur totalen Verneinung des triebhaften „Willens" führt, und m dieser Form im System selbst beibehalten ist. Wenn wir diese letzte Schau — unter Absehen von der eigentlich m o r a l i s c h e n , die den Sinn alles sittlichen Handelns in der Nächstenliebe bzw. im Mitleid erblickt — als die r e l i g i ö s e bezeichnen, so ist dafür entscheidend, daß die „Verneinung" des Willens zum Leben nicht nur aktmäßig von religiöser Bedeutung ist, sondern auch auf einen religiösen Inhalt verweist: das Nichts, in das der durch Selbsterkenntnis und Heiligung verneinte bezw. geläuterte Wille zurückkehrt, ist eben ein positives Nichts, das Nichts der Mystik, das nicht mehr im Bereiche möglicher Erkenntnis liegt. Daß dies genau der Punkt ist, zu dem nicht nur Eckchard gelangte, den Schopenhauer preist, sondern auch Fichte, den er herabsetzt, ist ein Beweis mehr dafür, wie auch Schopenhauer, der Gegner des absoluten Idealismus, die letzte Intention der „Philosophie des Absoluten" auf seinem Wege erreichte. Literatur I. Ausgaben und Neuausgaben a) Fries: Siehe Seite 126; Neuausgaben: Neue oder anthropologische Kritik der Vernunft I — I I , Berlin 1935; Julius und Evagoras, Göttingen 1910 (ed. BOUSSET); System der Logik, Leipzig 1914; Philosophische Rechtslehre, Leipzig 1914; Wissen Glaube und Ahndung, 2. Aufl., Berlin 1931 (ed. L. NELSON). b) Herbart: Siehe Seite 132; Neuausgaben: Lehrbuch zur Einleitung in die Philosophie, Leipzig 1912 (ed. HÄNTSCH); Philosophische Hauptschriften, hrsg. von FLÜGEL und FRITZSCH I — I I I , Leipzig 1914; Pädagogische Schriften, h r s g . v o n WILLMANN u n d FRITSCH I — I I I ,
(Harz)
1913 ff.;
Pädagogische
BARTHOLOMÄI I — I I , L a n g e n s a l z a Lehmann, Philosophie V I I I
Schriften, 1883.
Osterwieck
hrsg.
von
10
146
Die Gegner
c) Schopenhauer: Außer den im Text angegebenen Ausgaben noch die bei Reclam erschienene (ed. E. G R I S E B A C H ) , die auch den handschriftlichen Nachlaß umfaßt, allerdings nicht vollständig, sowie die Ausgabe von FRISCHEISEN-KÖHLER in 8 Bänden (Berlin o. J . ) . Ferner die Jubiläumsausgabe bei Brockhaus, Leipzig 1 9 3 7 / 3 8 ; Gespräche und Selbstgespräche (ed. G R I S E B A C H ) , Berlin 1 8 9 8 ; Briefe (ed. G R I S E B A C H ) bei Reclam, ebenfalls unvollständig. a) Fries:
Th.
II. Monographien
ELSENHANS, Fries und Kant I—II, Gießen 1 9 0 8 . — J . HASENFUSS, Die Religionsphilosophie bei J . Fr. Fries, (Diss.), München 1 9 3 4 . — M. H A S S E L BLATT, J . Fr. Fries, München 1 9 2 2 . — E. L. Th. H E N K E , J . Fr. Fries, Leipzig 1 8 6 7 . — W . MECHLER,
Die Erkenntnislehre bei Fries, Halle 1911. — R. NELSON, Die kritische Ethik bei Kant, Schiller und Fries, Göttingen 1 9 1 4 . — R. O T T O , Die Kantisch-Friesische Religionsphilosophie, Tübingen 1911. b) Herbart, H. LANGENBECK, Die theoretische Philosophie Herbarts und seiner Schule, Berlin 1 8 6 7 . — G . W E I S S , Herbart und seine Schule, München 1928. — H. ZIMMER, Führer durch die deutsche Herbart-Literatur, Langensalza 1910. c) Schopenhauer: E. BERGMANN, Die Erlösungslehre Schopenhauers, München 1 9 2 1 . — L. F R O S T , Johanna Schopenhauer, Berlin 1 9 0 5 . — E. G R I S E B A C H , Schopenhauer, Berlin 1897; Schopenhauer, Neue Beiträge, Berlin 1 9 0 5 . — W . G W I N N E R , A. Schopenhauer aus persönlichem Umgang dargestellt. Neu herausgegeben von Ch. v. Gwinner, Leipzig 1 9 2 2 . — H . H A S S E , Arthur Schopenhauer, München 1 9 2 6 . — A. H Ü B S C H E R , Arthur Schopenhauer. Ein Lebensbild, Leipzig 1938. — W . OEHLKE, Schopenhauers Ideenlehre, München 1 9 2 1 . — K. PFEIFFER, Das Bild des Menschen in Schopenhauers Philosophie, Berlin 1 9 3 2 . — G. SIMMEL, Schopenhauer und Nietzsche, Leipzig 1 9 0 7 . — J. V O L K E L T , A. Schopenhauer, 5 . Aufl., Jena 1 9 2 3 . — H . Z I N T , Schopenhauers Philosophie des doppelten Bewußtseins, in: Jahrbuch der Schopenhauergesellschaft, 1921; Gedächtnisschrift für A. Schopenhauer, hrsg. von C. A. EMGE und O . SCHWEINICHEN, Berlin 1 9 3 8 .
1810 (Teilstück)
Berlin
Berlin
Erlangen
Königsberg
Berlin
1802/3
1804
1805
1807
1810
Berlin
Fehlt
Berlin
1801
1812/13
Zwei „Einleitungen" und Bruchstück 1797 (s. S. 38)
Jena
1797
Fehlt
Fehlt
1794 (2. Aufl. 1802) Dazu : Grundriß des Eigentümlichen der Wissenschaftslehre 1795
Erstveröffentlichung
Jena
N
1794
E
in :
fi
Verfaßt:
1834
1834
1845
1937
Vorlesungsnadischrift
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10»
Kritik der praktisch. Vernunft
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1
Os 00
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Über das Fundament d. philos. Wissen
Beiträge zur Berichtigung bisherigerMißverständnisse der Philosophen I.
Aenesidemus (anonym)
Maimón
Versuch über die Transcendental philosophie
HH 1—I
Die Religion innerhalb der Grenzen der; bloßen Vernunft
i
Briefe etc. II
Kritik der r. Vern. 2. Aufl.
"S 3
Kritik der Urteilskraft
Briefe über die Kantische Philosophie I
Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft
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1 Versuch einer neuen Theorie d. menschl. Über den höchst Zweck des Studiu Vorstellungsder Philosoph! vermögens
Reinhold
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