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German Pages 418 Year 2020
Helmut C. Jacobs Schönheit und Geschmack
Helmut C. Jacobs
Schönheit und Geschmack Die Theorie der Künste in der spanischen Literatur des 18. Jahrhunderts
Vervuert Verlag • Frankfurt 1996
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Jacobs, Helmut C. : Schönheit und Geschmack : die Theorie der Künste in der spanischen Literatur des 18. Jahrhunderts / Helmut C. Jacobs.Frankfurt am Main : Vervuert, 1996 Zugl.: Bonn, Univ., Habil.-Schr., 1995 ISBN 3-89354-078-4
© Vervuert Verlag, Frankfurt / Main 1996 Alle Rechte vorbehalten Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier Umschlaggestaltung: Michael Ackermann unter Verwendung einer Proportionszeichnung aus Garcia Hidalgos Principios para estudiar el nobilísimo y real arte de la pintura (Madrid 1693). Das Blatt bezieht sich auf die Schönheit des Menschen und trägt die Überschrift: "Cierta y clara demostraron déla simetría del Rostro mas hermoso para hembra q.e hombre"
Printed in Germany
INHALT EINLEITUNG
9
I.
DAS SYSTEM DER KÜNSTE UND WISSENSCHAFTEN
17
1.
Die Herausbildung und Kanonisierung der artes liberales und artes mechanicae in Antike und Mittelalter
17
2.
Die spanischen Klassifikationen der Künste und Wissenschaften im Mittelalter
18
3.
Die spanischen Klassifikationen der Künste und Wissenschaften im Siglo de Oro
22
4.
Bildliche Darstellungen der artes liberales im Mittelalter und im Siglo de Oro
24
5.
Die Neuordnung und Systematisierung der Künste und Wissenschaften im 18. Jahrhundert 5.1 Die Herausbildung der Beaux Arts in Frankreich 5.2 Spanische Klassifikationen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts . . 5.2.1 Antonio Acisclo Palomino 5.2.2 Der Diccionario de Autoridades 5.2.3 Die novatores 5.2.4 Die literarische Utopie Sinapia 5.2.5 Fray Martin Sarmientos Bildprogramm des Palacio Real 5.2.6 Ignacio de Luzän 5.2.7 Fray Benito Jerönimo Feijoo y Montenegro 5.3 Spanische Klassifikationen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts 5.3.1 Kombinationen traditioneller und innovatorischer Klassifikationen . . . 5.3.2 Die Konsolidierung der schönen Künste 5.3.3 Die Diskussion über Natur und Wirkung der Musik und die Bemühungen um ihre Aufwertung 5.4 Die Diskussion über den Rang der artes mechanicae in Spanien 5.5 Die Unterscheidung von Künstler und Handwerker - Neues Selbstwertgefühl der bildenden Künstler
6.
Das Zusammenwirken verschiedener Künste 6.1 Malerei und Dichtung 6.2 Bildende Künste und Musik 6.3 Die Korrespondenz aller schönen Künste 6.4 Oper und Theater als Vereinigung aller Künste
26 26 31 31 35 37 39 45 51 54 60 60 65 72 80 93 96 96 98 100 102
II. DIE THEORIE DER SCHÖNHEIT
105
1.
Der Schönheitsbegriff in Antike, Mittelalter und italienischer Renaissance
105
2.
Der Schönheitsbegriff in Spanien vor 1700
108
3.
Die spanischen Theorien über das Wesen der Schönheit in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts 3.1 Pedro Verdugo Ursúa, zweiter Conde de Torrepalma 3.2 Der Diccionario de Autoridades 3.3 Ignacio de Luzán 3.3.1 Die Begriffe belleza und dulzura 3.3.2 Die Rezeption von Luzáns Theorie 3.4 Andrés Piquer y Arrufat Die spanischen Theorien über das Wesen der Schönheit in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts 4.1 Begriffsbestimmungen der Schönheit 4.2 Die Theorien der sechziger und siebziger Jahre 4.3 Antonio Raphael Mengs 4.3.1 Die Reflexiones de Don Antonio Rafael Mengs sobre la belleza y gusto en la pintura 4.3.2 Mengs' Carta an Antonio Ponz 4.4 José Nicolás de Azara y Perera 4.5 Gaspar de Molina y Saldivar, Marqués de Ureña 4.6 Antonio Xavier Pérez y López 4.7 Die Diskussion über die belleza ideal in den achtziger und neunziger Jahren 4.8 Esteban de Arteaga 4.9 Pedro José Márquez
4.
110 110 113 114 114 118 120 122 122 124 128 130 133 136 138 142 144 152 157
5.
Unterschiedliche Schönheitskategorien für Mann und Frau
161
6.
Ausblick - der Schönheitsbegriff in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts
164
III. DER NO SÉ QUÉ ALS ÄSTHETISCHES KONZEPT
171
1.
Die europäische Tradition des nescio quid und der gratia
172
2.
Das Konzept des no sé qué in Spanien vor 1700
173
3.
Die Begriffe no sé qué und gracia in den Theorien über das Wesen der Schönheit im 18. Jahrhundert 3.1 Antonio Acisclo Palomino 3.2 Fray Benito Jerónimo Feijoo y Montenegro 3.3 Blas Antonio Nasarre y Férriz und Thomás Erauso y Zavaleta 3.4 Antonio Ponz 3.5 Antonio Raphael Mengs 3.6 Gregorio Mayáns y Sisear
175 177 184 199 202 202 206
3.7 3.8 3.9 4.
Die Verbindung des no sé qué mit dem Sublimen - Antonio de Capmany Suris y de Montpalau und Vicente de los Ríos Francisco Martínez Esteban de Arteaga
Ausblick - der no sé qué im 19. Jahrhundert
206 208 210 211
IV. DIE THEORIE DES GESCHMACKS
213
1.
Physiologie und Rangordnung der Sinne in Antike und Mittelalter
213
2.
Die Entwicklung des Geschmacksbegriffs in Spanien vor 1700 2.1 Mittelalter 2.2 16. Jahrhundert 2.2.1 Profane Texte 2.2.2 Theologische und mystische Texte 2.3 17. Jahrhundert 2.3.1 Der Geschmacksbegriff im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts 2.3.2 Die Malereitraktate 2.3.3 Baltasar Gracián
215 215 218 220 223 226 226 230 231
3.
Die europäische Geschmacksdiskussion im 17. Jahrhundert und zu Beginn des 18. Jahrhunderts
236
4.
Der Geschmacksbegriff in Spanien in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts . 4.1 Der Diccionario de Autoridades 4.2 Fray Benito Jerónimo Feijoo y Montenegro 4.3 Fray Martín Sarmientos Invektive gegen den bello gusto
238 238 241 249
5.
Der Geschmacksbegriff in der um die Jahrhundertmitte geführten Auseinandersetzung über das Theater des Siglo de Oro im Umkreis der Academia del Buen Gusto 5.1 Blas Antonio Nasarre y Férriz 5.2 Thomás Erauso y Zavaleta 5.3 Fray Alexandra Aguado 5.4 Alonso Verdugo Castilla, dritter Conde de Torrepalma, und José Antonio Porcel y Salablanca 5.5 Ignacio de Luzán 5.6 Agustín de Montiano y Luyando und Luis José Velázquez de Velasco, Marqués de Valdeflores
251 252 253 257 259 261 264
6.
Der Geschmacksbegriff in den sechziger und siebziger Jahren 6.1 Francisco Mariano Nipho 6.2 Conde de Peüaflorida 6.3 Antonio de Capmany Suris y de Montpalau
267 267 272 277
7.
Der Geschmacksbegriff in den achtziger und neunziger Jahren 7.1 Der Diccionario castellano von Esteban de Terreros y Pando 7.2 Der Geschmack als Mittel zur Erkenntnis der Schönheit und des Wahren, Guten und Schönen 7.3 Das Theater als Gradmesser des nationalen Geschmacks
282 282
Der Geschmacksbegriff in den Wissenschaften und Künsten 8.1 Der Geschmacksbegriff in den Wissenschaften
292 292
8.
283 290
8.2 8.3 8.3.1 8.3.2 8.4 8.5
Der Geschmacksbegriff in den bildenden Künsten Der Geschmacksbegriff in der Musik Die Musiktraktate der fünfziger und sechziger Jahre Antonio Eximeno y Pujades Die Historisierung des Geschmacksbegriffs Die Legitimation der schönen Künste mittels des Geschmacksbegriffs
299 306 306 308 315 321
9. Der hombre de buen gusto als gesellschaftliches Ideal
331
10. Ausblick - der Geschmacksbegriff im 19. Jahrhundert
337
ZUSAMMENFASSUNG
339
ABKÜRZUNGEN
365
Allgemeine Abkürzungen Bibliographische Abkürzungen
365 366
BIBLIOGRAPHIE
367
Primärliteratur vor 1700 Primärliteratur nach 1700 Sekundärliteratur
367 370 377
PERSONENVERZEICHNIS
405
EINLEITUNG Noch Mitte des 20. Jahrhunderts war man im allgemeinen der Meinung, daß es im 18. Jahrhundert in Spanien keine Aufklärung gegeben habe und daß die spanische Literatur dieser Zeit unbedeutend gewesen sei, gemessen an der ihr vorangegangenen Literatur des Siglo de Oro oder der auf sie folgenden der Romantik. Diese Meinung wurde von der Romanistik des 19. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unkritisch vertreten. Als Folge dieser Fehleinschätzung wurde die Erforschung einer ganzen Epoche spanischer Literatur- und Geistesgeschichte vernachlässigt. Erst 1954 konnte der französische Historiker Jean Sarrailh mit seinem Buch L'Espagne éclairée de la seconde moitié du XVIIIe siècle erstmals die wissenschaftliche Welt davon überzeugen, daß es in Spanien tatsächlich aufklärerische Tendenzen gegeben hat, die es lohnen, daß man sich ernsthaft damit auseinandersetzt. Die romanistische Forschung der letzten vier Jahrzehnte hat ein völlig neues Bild der Literatur der spanischen Aufklärung erarbeitet. Viele bisher unbekannte Texte, die entweder in kleinen Auflagen erschienen waren oder damals bloß als Manuskripte unter der Hand kursierten, wurden neu entdeckt und ediert, andere sind erst durch ihre bibliographische Erfassung bzw. ihre Auswertung in der Forschungsliteratur wiederentdeckt worden. Daß der Roman in Spanien auch im 18. Jahrhundert ein lebendiges Genre war und daß es überhaupt die Gattung der literarischen Utopie gab, ist erst durch die neuere Forschung nachgewiesen worden. Die Theorie der Künste und Wissenschaften und die ästhetischen Reflexionen der spanischen Aufklärung fanden bisher, abgesehen von einigen wenigen monographischen Arbeiten und Untersuchungen zu speziellen Themen und einzelnen Autoren, weit weniger Beachtung als andere Aspekte dieser Epoche. In den allgemeinen Darstellungen zur Geschichte der Ästhetik wird Spanien meist immer noch übergangen. Die Auseinandersetzung mit der Systematik der Künste und Wissenschaften und die Diskussion ästhetischer Fragen stellen zentrale Anliegen der spanischen Autoren des 18. Jahrhunderts dar. Hierin stellt Spanien im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern keine Ausnahme dar. Überraschend sind allerdings einige typische Charakteristika des ästheti-
10 sehen Diskurses in Spanien: die enge Verknüpfung von ästhetischer Reflexion und Praxis, wobei sich viele Autoren darum bemühten, theoretische Konzepte im Sinne der Aufklärung zur Verbesserung der aktuellen Lebensverhältnisse zu funktionalisieren, des weiteren die Tendenz, dem Gefühl einen geringeren Wert zuzubilligen als der Vernunft, oder die Tendenz zum Idealen, das als motivierende Zielvorgabe für die Vervollkommnung des Menschen verstanden wurde. Sehr früh wurde die Vorstellung vom Genie des besonders begabten Künstlers ausgeprägt, der über allen Regeln steht bzw. selbst neue Regeln ersinnt. Das Kriterium des guten Geschmacks erlangte in Spanien im Ideal des hombre de buen gusto eine gesellschaftliche Relevanz in der Herausbildung des bürgerlichen Selbstverständnisses wie in keinem anderen europäischen Land. Auch wenn Spanien im 18. Jahrhundert keinen Theoretiker vom Format eines Diderot, eines Baumgarten oder Kant hervorgebracht hat, haben einige seiner Autoren im Bereich der Theorie der Künste und der Ästhetik respektable und beachtenswerte Leistungen aufzuweisen. Während spanische Autoren im 18. Jahrhundert für die ästhetische Reflexion in Italien, Frankreich und England sehr aufnahmebereit waren, hatten die ästhetischen Theorien der Spanier selbst kaum Einfluß auf die Diskussion in diesen Ländern, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Dennoch ist der spanische Beitrag zur Ästhetik eine integrale Komponente der europäischen Ästhetik der Aufklärungsepoche, deren Vernachlässigung durch die Forschung weder methodisch noch inhaltlich gerechtfertigt werden kann. Die Kenntnis der ästhetischen Reflexion der spanischen Aufklärung ist in Anbetracht ihrer Relevanz und ihrer spezifischen Charakteristika ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis dieser Zeit. Dieser Untersuchung liegt methodisch ein interdisziplinärer, komparatistischer Forschungsansatz zugrunde, der auch kulturgeschichtliche Zusammenhänge einbezieht. Terminologisch unterschieden werden Theorie der Künste und Kunsttheorie bzw. Ästhetik der Künste und Kunstästhetik. Mit dem Begriff Theorie der Künste werden die theoretischen Äußerungen über alle Künste bezeichnet, die also die Dichtung, die Musik, die bildenden Künste und gegebenenfalls auch andere Künste betreffen. Die Theorie der Künste bezieht sich auch auf die Definition der einzelnen Kunst und das System der Künste, also das Verhältnis, in dem sie nach Meinung des jeweiligen Autors zueinander stehen, und die hierarchische Ordnung, in der man ihre jeweilige Wertigkeit als einzelne Kunst und ihr Verhältnis zu den anderen Künsten bestimmt. Der Begriff Theorie der
11
Künste fungiert als Oberbegriff für Kunsttheorie, die sich nicht auf alle Künste, sondern ausschließlich auf die bildenden Künste - Malerei, Bildhauerei, Architektur - bezieht. Der Begriff Ästhetik der Künste meint das philosophische Denken über das Schöne in Anwendung auf alle Künste, und der Begriff Kunstästhetik das philosophische Denken über das Schöne in Anwendung auf die bildenden Künste. Der Begriff Ästhetik wird nicht nur verstanden als philosophische Wissenschaft vom Schönen', wie er von Alexander Gottlieb Baumgarten (1714-1762) in seinem Werk Aesthetica von 1750/58 geprägt worden ist, sondern im weiteren Sinne bezogen auf die mehr oder weniger systematische theoretische Erörterung der Schönheit und des Geschmacks. Bei der Verwendung des erst Mitte des 18. Jahrhunderts entstandenen Begriffs Ästhetik sollte man stets bedenken, daß er, wendet man ihn auf vor dieser Zeit verfaßte Texte an, deren Autoren noch unbekannt war 2 . In der spanischen Literatur des 18. Jahrhunderts fand sich bisher kein einziger Beleg für eine Rezeption der Schriften Baumgartens, und der Begriff estética läßt sich erst im 19. Jahrhundert belegen. Der Literaturbegriff, der der Untersuchung zugrunde liegt, ist weitgefaßt, beinhaltet also nicht nur die fiktionale Literatur im engeren Sinne, sondern prinzipiell alle Textsorten. Hinsichtlich des Korpus der ausgewerteten Texte ist demnach keine Beschränkung auf ein bestimmtes Genre erfolgt oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Disziplin ausschlaggebend gewesen, vielmehr soll die Auswertung einer möglichst umfassenden Materialbasis repräsentative Einsichten und Erkenntnisse gewährleisten. Berücksichtigt wurden diejenigen Texte spanischer Autoren des 18. Jahrhunderts und der ersten Jahre des 19. Jahrhunderts, in denen Äußerungen über die Theorie der Künste und Wissenschaften sowie über die Theorie der Schönheit und des Geschmacks enthalten sind 3 . Oft finden sich solche Themen in Texten behandelt, in denen man sie nicht unbedingt erwarten würde. Der ästhetische Diskurs der spanischen Aufklärung wird nicht isoliert betrachtet, sondern stets in Beziehung gesetzt zur genuin spanischen 1
Zur Unterscheidung der Termini Ästhetik und Kunsttheorie Antike Ästhetik, Freiburg/München 2 1988, S. 2, 7-9.
vgl. Perpeet, Wilhelm:
2
Zur Problematik der Anwendung des Begriffs Ästhetik auf die Zeit vor Baumgarten vgl. Beierwaltes, Werner: Marsilio Ficinos Theorie des Schönen im Kontext des Piatonismus, Heidelberg 1980, S. 7-8; Assunto, Rosario: Die Theorie des Schönen im Mittelalter, Köln 2 1987, S. 17-20; Eco, Umberto: Kunst und Schönheit im Mittelalter, München 1993, S. 10-11.
3
Die italienischen Texte der seit 1767 im Exil in Italien lebenden spanischen Jesuiten (Arteaga, Eximeno u.a.) wurden ebenfalls ausgewertet.
12 Tradition und eingeordnet in und verglichen mit der europäischen Tradition. Die Untersuchung ist systematisch angelegt, ohne daß dabei die chronologische Ordnung und historische Abfolge der einzelnen Schritte eines geistigen und kulturellen Entwicklungsprozesses außer acht gelassen werden. Diese systematische Vorgehensweise unterscheidet sich prinzipiell von der vorwiegend monographisch ausgerichteten Methode, wie sie seit Marcelino Menéndez Pelayo vor allem in der spanischen Forschung vorherrscht. Die Untersuchung gliedert sich in vier Teile. Diese sind zwar in sich abgeschlossen, bauen aber in ihrer Abfolge aufeinander auf und stehen in enger Relation zueinander, denn jeder Teil eröffnet eine andere Perspektive der wissenschaftlichen Erfassung und Beschreibung der Künste und ihrer Ästhetik in ihren spezifischen Ausprägungen im Spanien des 18. Jahrhunderts, doch erst die progressive Aufeinanderfolge der vier Teile ermöglicht es, den ihnen allen gemeinsamen, überaus komplexen Untersuchungsgegenstand in einigen seiner wesentlichen Komponenten adäquat zu erfassen. Der erste Teil betrifft die Systematik der Künste und Wissenschaften. Untersucht wird die Neuordnung der Künste und Wissenschaften im 18. Jahrhundert, insbesondere die Trennung in Geistes- und Naturwissenschaften und die Herausbildung der schönen Künste. Bei der Betrachtung der schönen Künste wird ihr komplementäres oder kontrastives Verhältnis zu den Naturwissenschaften berücksichtigt. Einbezogen werden die Diskussion über den Rang der artes mechanicae und die Herausbildung der Unterscheidung zwischen Künstler und Handwerker. Theorien über das Zusammenwirken verschiedener Künste werden ebenso vorgestellt wie solche über die Korrespondenz aller schönen Künste in Oper und Theater. Die Betrachtung der theoretischen Organisation der Künste ebnet den Weg für die drei folgenden Teile, die zentralen Themen des ästhetischen Diskurses gewidmet sind: der zweite Teil der Theorie des Schönen, der dritte dem no sé qué und der gracia als speziellen Aspekten der Reflexion über die Schönheit, der vierte der Theorie des Geschmacks. Der Gegenstand des zweiten Teils ist die spanische Diskussion über die grundlegende ästhetische Fragestellung, was Schönheit ist. Kritisch untersucht und miteinander verglichen werden die verschiedenen Begriffsbestimmungen von Schönheit, die im 18. Jahrhundert in Spanien vorgenommen wurden. Meist hat der Begriff Schönheit nicht nur eine ästhetische
13 Bedeutung, sondern auch ethische, moralische und christlich-theologische Konnotationen. Auch die Kategorie des Häßlichen, um deren Bestimmung und Beurteilung sich einige Autoren bemüht haben, wird berücksichtigt. Getrennt von der Theorie über das Wesen Schönheit im allgemeinen werden im dritten Teil no sé qué und gracia im Sinne einer rational nicht erfaßbaren Schönheit untersucht. Durch die Einbettung in einen größeren Zusammenhang wird eine Neuinterpretation von Feijoos Abhandlung El no sé qué von 1734 möglich. Im vierten Teil werden die spanischen Theorien über den Geschmack im allgemeinen dargestellt. Im besonderen wird die Funktion des Geschmacks als Erkenntnismittel von Schönheit untersucht, des weiteren seine Rolle in den Wissenschaften und Künsten. Der Historisierung des Geschmacksbegriffs ist ein eigenes Kapitel gewidmet, ebenso dem gesellschaftlichen Ideal des hombre de buen gusto. Ein Rückbezug zum ersten Teil wird im Kapitel über die Legitimation der schönen Künste mittels des Geschmacksbegriffs hergestellt. In dem Falle, daß ein Autor in seiner ästhetischen Theorie sowohl die Schönheit im allgemeinen als auch no sé qué bzw. gracia berücksichtigt, werden die einzelnen Komponenten entsprechend der Systematik der Untersuchung gewöhnlich jeweils separat im zweiten bzw. dritten Teil behandelt. Auch wenn in einer ästhetischen Theorie Schönheit und Geschmack gemeinsam behandelt werden, werden diese in den jeweiligen Teilen der Untersuchung separat erörtert. Im Falle von Palomino läßt sich die Theorie der allgemeinen Schönheit, der gracia und des Geschmacks nur mit Einschränkungen in ihre Komponenten zergliedern, da die Grenzen zwischen den drei Bereichen verwischt sind. Deswegen wird Palominos Theorie zusammenhängend im dritten Teil behandelt, weil gracia und no sé qué ihre wichtigsten Konstituenten sind. Durch Verweise mit Seitenangaben wird es dem Leser ermöglicht, sich über die verschiedenen Komponenten der ästhetischen Theorie eines bestimmten Autors zusammenhängend zu informieren. Im ersten und zweiten Teil dient die Mitte des 18. Jahrhunderts als Kriterium zur Zweiteilung des untersuchten Zeitraums. Diese Unterteilung ist keineswegs willkürlich gewählt, sondern läßt sich inhaltlich rechtfertigen. Wie in Frankreich stellten auch in Spanien die Jahre um die Mitte des 18. Jahrhunderts in mehrerer Hinsicht einen wichtigen Wendepunkt dar. Ab diesem Zeitpunkt orientierten sich die spanischen Autoren hinsichtlich der Systematik der Künste und der ästhetischen Reflexion zunehmend fast aus-
14
schließlich am französischen Vorbild. Das Erscheinen der Encyclopédie seit 1751 war für die spanischen Aufklärer ein ebenso bedeutsames Ereignis wie für die französischen, und trotz des Verbots der Encyclopédie in Spanien läßt sich ihr Einfluß auf die Theorie der Künste und Wissenschaften und auf das ästhetische Denken seit den sechziger Jahren anhand zahlreicher Belege nachweisen. Auch für den vierten Teil der Untersuchung markiert die Jahrhundertmitte einen Einschnitt, da der Zeitraum von 1749 bis etwa 1754 als wichtige Phase in der Herausbildung des auf die Dichtung bezogenen Geschmacksbegriffs der spanischen Aufklärungsepoche angesehen werden muß, der von den Kontrahenten in der Auseinandersetzung über die comedia des Siglo de Oro sehr unterschiedlich verwendet wurde. Jeder der vier Teile der Untersuchung wird eingeleitet mit einem kurzen Rückblick auf die jeweilige historische Entwicklung vor 1700, die in den Grundzügen nachgezeichnet wird. Daß der historische Rückblick in methodischer Hinsicht unabdingbar ist, läßt sich inhaltlich durch den Untersuchungsgegenstand selbst begründen. Die spanische Aufklärungsepoche stand im Spannungsfeld von traditionellen und innovatorischen Anschauungen, die einerseits aus der Rückbesinnung auf die nationale Tradition und Geschichte Spaniens resultierten, andererseits von den neuen aufklärerischen Gedanken des europäischen Auslands inspiriert waren. Nur unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung vor 1700 und mit Blick auf die zeitgenössischen Diskussionen des Auslands ist es möglich, die Charakteristika des ästhetischen Diskurses in Spanien richtig einzuschätzen und traditionelle Anschauungen von innovatorischen zu unterscheiden. Die Kenntnis der Literatur über die artes liberales und die artes mechanicae der vergangenen Jahrhunderte, die einen Teilbereich der sogenannten Artesliteratur darstellen, ist die Voraussetzung für das Verständnis der Diskussion des 18. Jahrhunderts, die sich immer wieder auf die nationale Tradition bezieht. Der Schönheitsbegriff und der Geschmacksbegriff dieser Zeit sind ohne die Kenntnis seiner jeweiligen Ausprägung im Siglo de Oro nicht verständlich. In den Ausblicken am Ende der einzelnen Teile der Untersuchung wird die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert in ihren Grundzügen berücksichtigt. Der umfassende Zusammenhang, in den die spanischen Theorien des 18. Jahrhunderts eingebettet werden, erlaubt durch die Rückblicke auf die Entwicklung vor 1700 und den Vergleich mit anderen europäischen Län-
15
dern diachrone und synchrone Einblicke in die komplexen Zusammenhänge geistiger Beeinflussung und des Austauschs neuer Ideen und ästhetischer Konzeptionen. Erst so wird der Beitrag Spaniens zur europäischen Ästhetik erkennbar. Im Bereich der Künste und Wissenschaften gingen von Spanien viele Anregungen für die anderen europäischen Länder aus, im Mittelalter insbesondere durch die Vermittlung arabischen Gedankenguts, im Siglo de Oro vorzugsweise durch Huartes Theorien, die die Wissenschaftsklassifikationen Bacons und der Encyclopédie beeinflußten. Im 18. Jahrhundert waren viele spanische Autoren offen für die neuen Erkenntnisse der anderen europäischen Länder. Die spanischen Theorien über das Wesen der Schönheit weisen durchaus eigenständige Züge auf, sind aber vorwiegend am Vorbild der italienischen Renaissance orientiert. Dagegen sind in Spanien zu no sé qué und gracia sehr originelle Theorien entwickelt worden, die im Falle von Gracián von europäischer Wirkung waren. Auch wenn nicht eindeutig festgestellt werden kann, ob der metaphorisch verwendete Geschmacksbegriff tatsächlich in Spanien seinen Ursprung hat, da entsprechende Forschungen für Italien noch ausstehen, gingen von Spanien, insbesondere von Graciáns Theorie des Geschmacks, bedeutende Anregungen für die europäische Geschmacksdiskussion aus. In den im 18. Jahrhundert entstandenen spanischen Theorien zum Geschmacksbegriff lassen sich wiederum zahlreiche Einflüsse des Auslands nachweisen. In der Zusammenfassung am Ende der Untersuchung werden die wichtigsten Ergebnisse resümiert und die Entwicklungen im 18. Jahrhundert in ihren Grundzügen skizziert. Zitate werden stets unverändert wiedergegeben, unter genauer Wahrung von Orthographie und Interpunktion der Originale. Im Hauptteil der Untersuchung werden die Buchtitel meist verkürzt aufgeführt, ohne Angaben von Unter- und Reihentitel. Reihentitel werden nur ausnahmsweise im Hauptteil berücksichtigt, wenn sie - wie im Falle der BAE - zur besseren Orientierung beitragen. Die vollständigen Angaben finden sich in der Bibliographie am Ende der Untersuchung. Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersemester 1994/95 von der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Habilitationsschrift angenommen. Ein einjähriges Habilitandenstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) vom 1. Oktober 1992 bis 30. September 1993 ermöglichte mir die Abfassung der Arbeit. Meinem akademischen Lehrer Professor Dr. Wolf-Dieter Lange gilt mein besonders herzlicher Dank für viele anregende Gespräche und seine
16 unermüdliche Unterstützung. Darüber hinaus danke ich auch den übrigen Direktoren des Romanischen Seminars, den Profs. Drs. Willi Hirdt, Wolfgang Matzat, Christian Schmitt, Heinz Jürgen Wolf, für ihre freundliche Unterstützung.
I. DAS SYSTEM DER KÜNSTE UND WISSENSCHAFTEN 1.
Die Herausbildung und Kanonisierung der artes liberales und artes mechanicae in Antike und Mittelalter
Die Kanonisierung der sieben freien Künste (artes liberales) in Trivium (sprachliche Disziplinen Grammatik, Rhetorik, Dialektik) und Quadrivium (mathematisch-naturwissenschaftliche Disziplinen Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie) fand im Zeitraum von der Antike bis zum 6. Jahrhundert statt1. Das Frühmittelalter nahm die Tradition der artes liberales unter dem Primat der Theologie wieder auf. Die artes liberales stellten zunächst eine eigenständige Wissenschaftsklassifikation dar, die später erweitert wurde. Ihre Disziplinen wurden auch in umfassendere Klassifikationen (divisiones philosophiae) integriert, von denen sich zwei Haupttypen herausbildeten, die man variierte oder miteinander kombinierte. Im platonischen Einteilungstyp wird das Wissen in Logik, Ethik, Physik gegliedert. Das Trivium wird der Logik, die vier Kardinaltugenden der Ethik, das Quadri1
Vgl. Curtius, Ernst Robert: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, Bern/München [U948] 9 1978, S. 46-55, 71-88; Kristeller, Paul Oskar: "The Modern System of the Arts: A Study in the History of Aesthetics", in: JHI, 12 (1951), S. 496-527; 13 (1952), S. 17-46; u.d.T. "Das moderne System der Künste" übers, und wiederaufg. in: id.: Humanismus und Renaissance II, hrsg. von Eckhard Keßler, München o.J., S. 164-206, 287-312; Dolch, Josef: Lehrplan des Abendlandes, Ratingen 1959; Koch, Josef (Hrsg.): Artes liberales von der antiken Bildung zur Wissenschaft des Mittelalters, Leiden/Köln 1959; Mette, Hans Joachim: "Enkyklios Paideia", in: Gymnasium, 67 (1960), S. 300-307; Weisheipl, James A.: "Classification of the Sciences in Medieval Thought", in: Mediaeval Studies, 27 (1965), S. 54-90; Arts libéraux et philosophie au Moyen Age. Actes du Quatrième Congrès International de Philosophie Médiévale, Montréal/Paris 1969; Klinkenberg, Hans Martin: "Artes liberales/artes mechanicae", in: Ritter, Joachim (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, 1. Bd., Darmstadt 1971, Sp. 531-535; Marrou, HenriIrénée: Geschichte der Erziehung im klassischen Altertum, hrsg. von Richard Harder, Freiburg/München 1957; Wagner, David L. (Hrsg.): The Seven Liberal Arts in the Middle Ages, Bloomington 1983; Hadot, Ilsetraut: Arts libéraux et philosophie dans la pensée antique, Paris 1984; Hammerstein, Reinhold: "Musik und bildende Kunst. Zur Theorie und Geschichte ihrer Beziehungen", in: Imago Musicae, 1 (1984), S. 1-28.
18 vium der Physik zugeteilt. Der aristotelische Einteilungstyp geht von einer Zweiteilung in Theorie und Praxis aus. Der Theorie entsprechen Physik, Mathematik, Theologie bzw. Metaphysik, der Praxis entsprechen Ethik, Ökonomik, Politik2. Die handwerklichen Künste (artes mechanicae), die erst im Mittelalter unter, systematischen Gesichtspunkten geordnet wurden, verfestigten sich im Gegensatz zu den artes liberales nie zu einem allgemein anerkannten Fächerkanon und umfaßten im Wandel der Zeiten unterschiedliche Disziplinen. Während die artes liberales im 12. Jahrhundert zu Unterrichtsfächern der neugegründeten Universitäten avancierten, wurden die artes mechanicae zu keiner Zeit als Gesamtheit in einer institutionalisierten Ausbildungsstätte gelehrt.
2.
Die spanischen Klassifikationen der Künste und Wissenschaften im Mittelalter
In Spanien blieb das Bildungs- und Wissenschaftssystem der artes liberales, die der Theologie untergeordnet waren, ungewöhnlich lange maßgeblich und bildete die Grundlage für den praktischen Lehrbetrieb bis ins 16. Jahrhundert hinein 3 . Die ältesten auf der Iberischen Halbinsel entstandenen Klassifikationen der Künste und Wissenschaften sind in lateinischer Sprache abgefaßt. Die spätantike Konzeption der artes liberales wurde im 7. Jahrhundert von Isidor von Sevilla (um 560-636) aufgenommen und allgemein verbreitet 4 . Neue Impulse von europäischer Wirkung gingen im 12. Jahrhundert von 2
Augustinus und Isidor von Sevilla verbreiteten den platonischen Einteilungstyp, Boethius führte den aristotelischen in die abendländische Literatur ein. Vgl. Dominicus Gundissalinus: De divisione philosophiae, hrsg. von Ludwig Baur, Münster 1903, S. 194-202; Grabmann, Martin: Die Geschichte der scholastischen Methode, 2. Bd., Freiburg 1911, Nachdruck Berlin 1956, S. 30; Sternagel, Peter: Die artes mechanicae im Mittelalter. Begriffs- und Bedeutungsgeschichte bis zum Ende des 13. Jahrhunderts, Kallmütz 1966, S. 17-18.
3
Vgl. Kohut, Karl: "La posición de la literatura en los sistemas científicos del siglo XV", in: IR, 1 (1978), S. 67-87, hier S. 69; wiederaufg. in Deutsch, allerdings ohne Anmerkungsapparat, u.d.T. "Der Platz der Literatur in den Wissenschaftssystemen des XV. Jahrhunderts. Ein Abriß der Entwicklung in Spanien", in: Kloepfer, Rolf u.a. (Hrsg.): Bildung und Ausbildung in der Romanía. Akten des Romanistentages in Gießen 1977, 3. Bd., München 1979, S. 32-49.
4
Vgl. Isidori Hispalensis Episcopi Etymologiarum William M. Lindsay, 2 Bde., Oxford 1911.
sive Originum libri XX, hrsg. von
19
Dominicus Gundissalinus (um 1110-nach 1181) aus, der in seinen eigenen Schriften und lateinischen Übersetzungen aus dem Arabischen die Gelehrten mit arabischen Klassifikationen bekannt machte5. Volkssprachliche Klassifikationen gab es in Spanien seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, in Kastilisch von König Alfons X. dem Weisen (1221-1284) und in Katalanisch von Ramon Llull (1232/33-1315/16). König Alfons vertritt in zwei verschiedenen Klassifikationen ein durch mehrere Disziplinen erweitertes Konzept der artes liberales, das er als Grundlage der Bildung ansieht6. Ramon Llull berücksichtigt außer den artes liberales auch die artes mechanicae, die er nicht nur in die Wissenschaftsklassifikation integriert, sondern als notwendige Disziplinen von hohem Wert einschätzt7. Während König Alfons das Quadrivium höher bewertet als das 5
Vgl. Dominicus Gundissalinus, ed. cit. 1903; Alfarabi: Catálogo de las ciencias, hrsg. von Angel González Palencia, Madrid 2 1953 (Die Ausgabe enthält die spanische Übersetzung des Herausgebers, die beiden lateinischen Fassungen von Dominicus Gundissalinus und Gerard von Cremona sowie den arabischen Text); id.: Über den Ursprung der Wissenschaften (De ortu scientiarum). Eine mittelalterliche Einleitungsschrift in die philosophischen Wissenschaften, hrsg. von Clemens Baeumker, Münster 1916. - Alonso, Manuel: "Notas sobre los traductores toledanos Domingo Gundisalvo y Juan Hispano", in: Al-Andalus, 8 (1943), S. 155-188, wiederaufg. in: id.: Temas filosóficos medievales (Ibn Dâwûd y Gundisalvo), Comillas 1959, S. 15-60; id.: "Las fuentes literarias de Domingo Gundisalvo", in: AlAndalus, 11 (1946), S. 159-173; id.: "Hugo de San Víctor, refutado por Domingo Gundisalvo hacia el 1170", in: Estudios Eclesiásticos, 21 (1947), S. 209-216; Weisheipl, art. cit. 1965, S. 68-70; Lomba Fuentes, Joaquín: "Sentido y alcance del Catálogo de las ciencias de al-Fârâbî", in: Arts libéraux et philosophie au Moyen Age, op. cit. 1969, S. 509-516.
6
Vgl. Alfonso X el Sabio: General estoria. Primera parte, hrsg. von Antonio G. Solalinde, Madrid 1930, S. 193-197 (VII. Buch, Kap. XXXV-XXXIX); id.: Setenario, hrsg. von Kenneth H. Vanderford, Buenos Aires 1945, S. 29-39. - Zevallos Ortega, Noe: "Alfonso X y las artes liberales", in: Arts libéraux et philosophie au Moyen Age, op. cit. 1969, S. 627-629.
7
Vgl. Llull, Ramon: Libre de Doctrina Pueril, hrsg. von Mateo Obrador y Bennassar, Barcelona 1907, S. 183-211 (73.-79. Kap.); id.: Obres essencials, 1. Bd., Barcelona 1957, S. 111-307, hier S. 126-127 (Libre de Evast e Blanquerna, 1. Buch, 2. Kap.); ibid., S. 547-1046, hier S. 629-633 (Arbre de ciència). - Gandillac, Maurice de: "Place et signification de la technique dans le monde médiéval", in: Archivio di Philosofia, 1/2 [Técnica e casistica] (1964), S. 265-275, hier S. 265-266; Colomer, Eusebio: "Las artes liberales en la concepción científica y pedagógica de Ramón Llull", in: Arts libéraux et philosophie au Moyen Age, op. cit. 1969, S. 683-690; Cruz Hernández, Miguel: El pensamiento de Ramon Llull, Valencia 1977, S. 224230; Llinarès, Armand: "Le système des sciences de Ramon Llull, d'après l'Arbre de ciència", in: Actas del IV Seminario de historia de la filosofía española, Salamanca, 24-28 de septiembre de 1984, Salamanca 1986, S. 535-545; id.: "Le travail
20 Trivium, erscheint Llull nur das Trivium für die Erziehung notwendig, wohingegen er das Quadrivium mit Ausnahme der Musik ablehnt. Im 14. Jahrhundert lassen sich keine weiteren Bemühungen um die Ordnung der Wissenschaften feststellen. Erst wieder im 15. Jahrhundert beschäftigten sich spanische Autoren mit der Einteilung des Wissens, wobei konservative und innovatorische Tendenzen miteinander konkurrierten, oft in ein und demselben Text. Einige Schriftsteller bemühten sich um die Bewahrung der Konzeption der artes liberales oder propagierten scholastische Klassifikationen, in denen alle Wissenschaften dem Primat der Theologie untergeordnet sind, andere erweiterten traditionelle Ordnungen durch die Integration neuer Disziplinen, wobei insbesondere die Dichtung aufgewertet wurde. In den zwanziger Jahren des 15. Jahrhunderts entwarf Enrique de Villena (1384-1434), inspiriert von lateinischen Vorbildern, zwei Klassifikationen mit verschiedenen Einteilungsstufen und einer Vielzahl von Disziplinen, zu denen auch die artes liberales gehören 8 . Mit diesem kumulativen Verfahren, das sich auch in dem Ende der dreißiger Jahre entstandenen anonymen Tratado de astrologia findet 9 , sollte das gesamte Wissensspektrum erfaßt werden. Enrique de Villena steht in der Tradition derjenigen, die die artes mechanicae hochschätzen. Als erster bemühte er sich um die Aufwertung der Dichtung und der okkulten Disziplinen durch manuel et les arts mécaniques chez Raymond Lulle", in: Raymond Lulle et le Pays d'Oc, Toulouse 1987, S. 169-189. 8
Vgl. Brown, Russell Vernon: Enrique de Villena's Arte cisoria. A Criticai Edition and Study (University of Wisconsin 1974), Ann Arbor 1975, S. 101-102, 106-107; La Vida de Virgilio de Enrique de Villena en su traducción de la Eneida, hrsg. von Feliciano Delgado, Córdoba 1979, S. 28-29; The Text and Concordance of Escorial Manuscript f.iv.l. Arte Cisoria. Enrique de Villena, hrsg. von John O'Neill, Madison 1987, S. 4-5. - De Nigris, Carla: "La classificazione delle scienze nella Eneida romançada di Enrique de Villena", in: Annali della Facoltà di Lettere e Filosofia dell'Università di Napoli, 21 (1978/79), S. 169-198; id.: "La classificazione delle arti magiche di Enrique de Villena", in: Quaderni Ibero-Americani, 53/54 (1979/80), S. 289-298; Torres-Alcalá, Antonio: Don Enrique de Villena: un mago al dintel del Renacimiento, Madrid 1983, S. 94-106; Russell, Peter: Traducciones y traductores en la Península Ibérica (1400-1550), Barcelona 1985, S. 45-50; Santiago Lacuesta, Ramón: "De los comentarios de E. de Villena a la Eneida y la transmisión del Tema de Troya en España", in: Philologica Hispaniensia in honorem Manuel Alvar, 3. Bd., Madrid 1986, S. 517-531; Gómez Moreno, Angel: El "Prohemio e carta" del Marqués de Santillana y la teoría literaria del s. XV, Barcelona 1990, S. 103; Weiss, Julian: The Poet's Art. Literary Theory in Costile c. 1400-60, Oxford 1990, S. 73-106.
9
Vgl. Tratado de Astrologia atribuido a Enrique de Villena, hrsg. von Pedro M. Cátedra, Barcelona 1983, S. 105 und 118.
21
ihre Integration in die divisio
philosophiae
und skizzierte e i n e E n t w i c k -
l u n g s g e s c h i c h t e der Künste und W i s s e n s c h a f t e n . W ä h r e n d sich A l o n s o de Cartagena ( 1 3 8 4 - 1 4 5 6 ) in d e n dreißiger Jahren dafür einsetzte, daß das allg e m e i n e B i l d u n g s n i v e a u der Jugendlichen dadurch g e h o b e n wird, daß alle unabhängig v o m s o z i a l e n Stand in den artes
liberales
u n t e r w i e s e n wer-
den 1 0 , erstrebte A l f o n s o d e la Torre ( 1 4 1 7 - u m 1 4 6 0 ) zur g l e i c h e n Zeit eine nur w e n i g e n A u s e r w ä h l t e n vorbehaltene U n t e r w e i s u n g in den artes
libera-
les und ordnete e i n z e l n e D i s z i p l i n e n g a n z b e s t i m m t e n g e s e l l s c h a f t l i c h e n Ständen z u " . Seit den vierziger Jahren wurde die D i c h t u n g i n f o l g e v o n ersten A n s ä t z e n einer frühhumanistischen B e w e g u n g v o n e i n i g e n Autoren aufgewertet u n d als e i g e n s t ä n d i g e , v o n der Rhetorik u n a b h ä n g i g e D i s z i p l i n propagiert (Juan A l f o n s o de B a e n a 1 2 , Marqués de Santillana 1 3 , Pero Guillén de S e g o v i a 1 4 ) . D i e s e B e m ü h u n g e n u m die Emanzipation der Dichtung, die bereits in den z w a n z i g e r Jahren Enrique de V i l l e n a verfolgt hatte, wurde v o n e i n i g e n Klerikern bekämpft, die die D i c h t u n g als niedrige D i s z i -
10 Vgl. Blüher, Karl Alfred: Seneca in Spanien. Untersuchungen zur Geschichte der Seneca-Rezeption in Spanien vom 13. bis 17. Jahrhundert, München 1969, S. 99111; Di Camillo, Ottavio: El humanismo castellano del siglo XV, Valencia 1976, S. 128-193; Kohut, Karl: "Der Beitrag der Theologie zum Literaturbegriff in der Zeit Juans II. von Kastilien. Alonso de Cartagena (1384-1456) und Alonso de Madrigal, genannt El Tostado (14007-1455)", in: RF, 89 (1977), S. 183-226, hier S. 194; id., art. cit. 1978, S. 67 und 69; Lawrance, Jeremy N.W.: Un tratado de Alonso de Cartagena sobre la educación y los estudios literarios, Barcelona 1979. 11 Vgl. Alfonso de la Torre: "Visión delectable de la filosofía y artes liberales, metafísico y filosofía moral", in: Curiosidades bibliográficas, hrsg. von Adolfo de Castro, Madrid 1926 (= BAE, 36), S. 339-401; Morsello, Casper Joseph: An Edition of the "Visión delectable de la vida bienaventurada" of Alfonso de la Torre, University of Wisconsin/Ann Arbor 1965. - Wickersham Crawford, J.P.: "The Seven Liberal Arts in the Visión delectable of Alfonso de la Torre", in: TRR, 4 (1913), S. 58-75; id.: "The Visión delectable of Alfonso de la Torre and Maimonides's Guide of the Perplexed", in: PMLA, 28 (1913), S. 188-212; Kohut, art. cit. 1978, S. 68-71; ScholzHänsel, Michael: Eine spanische Wissenschaftsutopie am Ende des 16. Jahrhunderts. Die Bibliotheksfresken von Pellegrino Pellegrini im Escorial, Münster 1987, S. 72-73. 12 Vgl. Weiss, op. cit. 1990, S. 25-54. 13 Vgl. Gómez Moreno, op. cit. 1990, S. 52-53. 14 Vgl. Pero Guillén: Obra poética, hrsg. von Carlos Moreno Hernández, Madrid 1989, S. 345-402. - Lang, Henry Roseman: "The So-Called Cancionero de Pero Guillén de Segovia", in: RH, 19 (1908), S. 51-81, hier S. 57, 76-77; Cummins, John G.: "Pero Guillén de Segovia y el MS. 4.114", in: HR, 41 (1973), S. 6-32; Kohut, art. cit. 1978, S. 82-83; Moreno Hernández, Carlos: "Algunas enmiendas a una edición de Pero Guillén de Segovia", in: CILH, 12 (1990), S. 99-104, hier S. 102.
22 plin bewerteten (Alonso de Madrigal 15 , Rodrigo Sánchez de Arévalo 16 ). Bemerkenswert ist der bedeutende Beitrag der conversos zur Pflege der spanischen Bildungstradition im 15. Jahrhundert, besonders ihre Vermittlung arabisch-jüdischen Gedankenguts, das ihre Darstellung der Künste und Wissenschaften in charakteristischer Weise prägte (Alfonso de la Torre, Pero Guillén de Segovia, Alonso de Cartagena). Alle mittelalterlichen Klassifikationen sind geschlossene Systeme, in denen das Wissen als statische, unveränderliche Gegebenheit durch eine unterschiedlich hohe Zahl von Disziplinen erfaßt und meist nach Kriterien der Zahlensymbolik hierarchisch geordnet wird. Auf die Einbindung des Wissens in einen theologischen Rahmen wurde von einigen Autoren großer Wert gelegt.
3.
Die spanischen Klassifikationen der Künste und Wissenschaften im Siglo de Oro
Unter dem Einfluß der italienischen Frührenaissance setzten sich im 16. Jahrhundert in Spanien die studia humanitatis (letras humanas) durch, die aus dem durch die Disziplinen Poetik bzw. Dichtung, Moralphilosophie, Geschichte erweiterten Trivium der artes liberales hervorgegangen sind 17 . Von den Fächern des Quadriviums, das dem Trivium untergeordnet wurde, traten insbesondere Arithmetik und Geometrie in den Vordergrund. Die studia humanitatis beeinflußten zwar die Konzeption der artes liberales und traten mitunter an ihre Stelle, dennoch behielt das System der artes liberales noch bis zum Ende des 16. Jahrhunderts vielfach seine Gültigkeit. Auch im 17. Jahrhundert findet sich noch häufig die Bezeichnung artes liberales, aber ihre genaue Bedeutung war vielen Autoren nicht mehr klar, 15 Vgl. Kohut, art. cit. 1977, S. 203-205; id., art. cit. 1978, S. 71-73; Belloso Martin, Nuria: Politica y humanismo en el siglo XV: el maestro Alonso de Madrigal, el Tostado, Valencia 1989. 16 Vgl. Kohut, art. cit. 1978, S. 75-77. 17 Vgl. Buck, August: "Die studia humanitatis und ihre Methode", in: id.: Die humanistische Tradition in der Romania, Bad Homburg u.a. 1968, S. 133-150; Garin, Eugenio: Educazione umanistica in Italia, Bari 7 1970; Böhme, Günther: Bildungsgeschichte des frühen Humanismus, Darmstadt 1984; Buck, August: "Die studia humanitatis im italienischen Humanismus", in: Reinhard, Wolfgang (Hrsg.): Humanismus im Bildungswesen des 15. und 16. Jahrhunderts, Weinheim 1984, S. 1124; Buck, August: Humanismus. Seine europäische Entwicklung in Dokumenten und Darstellungen, Freiburg/München 1987, S. 154-176.
23 und man subsumierte unter artes liberales auch Disziplinen, die ihnen traditionellerweise nie zugeordnet worden waren. Nach italienischem Vorbild setzten sich die bildenden Künstler, insbesondere die Maler, seit dem zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts und noch das ganze 17. Jahrhundert hindurch dafür ein, daß die Malerei, die zu den artes mechanicae gehörte, zur ars liberalis aufgewertet werden sollte18. Indem die bildenden Künstler die Integration der Malerei in den Kanon der artes liberales forderten, um das Ansehen ihrer beruflichen Tätigkeit zu verbessern und ihren eigenen gesellschaftlichen Status zu heben, beschleunigten sie die inhaltliche Umgestaltung und allmähliche Auflösung dieser damals längst antiquierten Wissenschaftsklassifikation. Die Abgrenzung der Maler von den artes mechanicae zeigt deutlich, wie gering die handwerklichen Tätigkeiten im 16. und 17. Jahrhundert eingeschätzt wurden. Nur sehr wenige Autoren schenkten der manuellen Arbeit überhaupt Beachtung, und die Forderung von Gaspar Gutiérrez de los Ríos in seiner Noticia general para la estimación de las artes (Madrid 1600), alle Stände sollten für das allgemeine Wohl arbeiten, blieb eine Ausnahme 19 . Ein grundlegender Wandel in der Anschauung der Künste und Wissenschaften erfolgte im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts durch Juan Huarte de San Juan (1529-1588/89), der die übliche Klassifizierung nach objektiven, auf die Disziplinen selbst und ihre Inhalte bezogenen Gesichtspunkten aufgab, stattdessen vom Menschen ausging und die Wissenschaften nach 18 Zur spanischen Diskussion im 16. und 17. Jahrhundert vgl. Justi, Carl: Diego Velázquez und sein Jahrhundert, Zürich 1933, S. 230-237; Lafuente Ferrari, Enrique: "Borrascas de la pintura y triunfo de su excelencia. Nuevos datos para la historia del pleito de la ingenuidad del arte de la pintura", in: AEA, 17 (1944), S. 77-103; Bauer, Helga: Der Index Pictoríus Calderóns. Untersuchungen zu seiner Malermetaphorik, Hamburg 1969, S. 116-123; Gállego, Julián: El pintor de artesano a artista, Granada 1976, S. 29-51; Marías, Fernando: El largo siglo XVI. Los usos artísticos del Renacimiento español, Madrid 1989, S. 453-494; Hellwig, Karin: "Kunstliteratur in Spanien 1600-1700", in: Hansel, Sylvaine/Karge, Henrik (Hrsg.): Spanische Kunstgeschichte. Eine Einführung, 2. Bd., Berlin 1992, S. 79-103, hier S. 89-91. 19 Auszüge in: Sánchez Cantón, Francisco Javier (Hrsg.): Fuentes literarias para la historia del arte español, 1. Bd., Madrid 1923, S. 305-318; Calvo Serraller, Francisco: La teoría de la pintura en el Siglo de Oro, Madrid 1981, S. 59-84. - Vgl. Gaya Ñuño, Juan Antonio: Historia de la crítica de arte en España, Madrid 1975, S. 26-27; Gállego, op. cit. 1976, S. 63-72, 305-318; Volk, Mary Crawford: Vicencio Carducho and Seventeenth-Century Castilian Painting, New York/London 1977, S. 92-94; Strosetzki, Christoph: Literatur als Beruf. Zum Selbstverständnis gelehrter und schriftstellerischer Existenz im spanischen Siglo de Oro, Düsseldorf 1987, S. 93-99 und passim.
24 den geistigen Fähigkeiten (Gedächtnis, Verstand, Einbildungskraft) anordnete20. Den Wissenschaften wird eine grundsätzlich neue Funktion zuerkannt: Sie sind nicht mehr nur vom Menschen weitgehend unabhängige Objekte, sondern die Betätigungsfelder des individuellen menschlichen Geistes. In Spanien wurden die innovatorischen Züge von Huartes System nur bedingt erkannt. In England legte Francis Bacon (1561-1626) Huartes Prinzipien seiner eigenen Wissenschaftsklassifikation zugrunde, die sich rezeptionsgeschichtlich durchsetzte, wohingegen Huartes System weitgehend in Vergessenheit geriet 21 .
4.
Bildliche Darstellungen der artes liberales im Mittelalter und im Siglo de Oro
Außer den literarischen Zeugnissen zu den artes liberales sind auch ihre bildlichen Darstellungen aufschlußreich, da die Bildprogramme die Auffassung der jeweiligen Autoren von den Wissenschaften widerspiegeln. Die europäische Bildtradition der artes liberales ging im 12. Jahrhundert von Frankreich aus 22 und wurde in Spanien in der zweiten Hälfte des 13. 20 Vgl. Huarte de San Juan, Juan: Examen de ingenios para las ciencias, hrsg. von Esteban Torre, Madrid 1976. - Klein, Anton: Juan Huarte und die Psychognosis der Renaissance, Bonn 1913; Iriarte, Mauricio de: Dr. Juan Huarte de San Juan und sein Examen de Ingenios. Ein Beitrag zur Geschichte der differentiellen Psychologie, Münster 1938; Mehnert, Henning: "Der Begriff ingenio bei Juan Huarte und Baltasar Gracián. Ein Differenzierungskriterium zwischen Renaissance und Barock", in: RF, 91 (1979), S. 270-280; Torre, Esteban: Sobre lengua y literatura en el pensamiento científico español de la segunda mitad del siglo XVI. Las aportaciones de G. Pereira, J. Huarte de San Juan y F. Sánchez el Escéptico, Sevilla 1984, S. 26-35,43-46. 21 Vgl. Bacon, Francis: The Works, hrsg. von James Spedding u.a., 1. Bd., London 1864, S. 413-837, hier S. 494-495 (De dignitate et augmentis scientiarum, libri IX) \ ibid., 3. Bd., 1859, S. 253-491 (The Advancement ofLearning). - Zu Bacons Wissenschaftsklassifikation vgl. Dangelmayr, Siegfried: Methode und System. Wissenschaftsklassifikation bei Bacon, Hobbes und Locke, Meisenheim am Glan 1974, S. 6-34; Jardine, Lisa: Francis Bacon. Discovery and the Art of Discourse, Cambridge 1974, S. 96-108. - Zum Verhältnis Bacons zu Huarte vgl. Iriarte, op. cit. 1938, S. 161, 164, 193-194; Franzbach, Martin: Lessings Huarte-Übersetzung (1752). Die Rezeption und Wirkungsgeschichte des "Examen de Ingenios para las Ciencias" (1575) in Deutschland, Hamburg 1965, S. 170. 22 Vgl. Marie, Raimond van: Iconographie de l'art profane au Moyen Age et à la Renaissance et la décoration des demeures, 2. Bd., Den Haag 1932, S. 203-279; Verdier, Philippe: "L'iconographie des arts libéraux dans l'art du moyen âge jusqu'à la fin du quinzième siècle", in: Arts libéraux et philosophie au Moyen Age, op. cit.
25
Jahrhunderts wirksam. Die Disziplinen der artes liberales wurden dort in ikonographische Programme der gotischen Kathedralen von Burgos und León integriert, deren Erbauung König Alfons X. der Weise förderte23. Die bildliche Manifestation weltlichen Wissens durch die artes liberales in den beiden Sakralbauten drückt den hohen Stellenwert aus, den der König der Bildung zumaß, und deutet auf sein Bemühen hin, die Wissenschaften in einen theologischen Rahmen einzubinden. Erst wieder seit Anfang des 16. Jahrhunderts entstanden in Spanien, angeregt durch Kunstimporte aus dem Ausland, im Auftrag von Klerikern und Aristokraten Darstellungen von artes liberales, denen berühmte Repräsentanten (Uomini illustri) beigesellt wurden24. Die Bildprogramme dienten vorwiegend der Verehrung ihrer Auftraggeber, deren exzellente Bildung sie demonstrierten25. Die Kombination der artes liberales mit der Theologie in sakralen Räumen symbolisierte die Verbindung von weltlichem Wissen und theologischer Gelehrsamkeit und manifestierte vor allem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts den zunehmenden Anspruch der Kirche auf Einfluß in Bildungsfragen. Den unübertroffenen Höhepunkt der Abbildungen der artes 1969, S. 305-355; Tezmen-Siegel, Jutta: Die Darstellungen der Septem artes liberales in der Bildenden Kunst als Rezeption der Lehrplangeschichte, München 1985. 23 Zum Programm der Kathedrale von Burgos vgl. Deknatel, Frederick B.: "The Thirteenth Century Gothic Sculpture of the Cathedrals of Burgos and León", in: TAB, 17 (1935), S. 243-389, hier S. 255-273; Karge, Henrik: Die Kathedrale von Burgos und die spanische Architektur des 13. Jahrhunderts, Berlin 1989, S. 74, 84, 154, Abb. 46-51 und 155; Franco Mata, Angela: "Gotische Skulptur in Kastilien und León (13.-14. Jahrhundert)", in: Hänsel/Karge, op. cit., l . B d . , 1992, S. 133-154, hier S. 134-135 und Abb. 2. - Zum Programm der Kathedrale von León vgl. Ríos y Serrano, Demetrio de los: La Catedral de León, 1. Bd., Madrid 1895, Nachdruck León 1989, S. 162-163; Gómez-Moreno, Manuel: Catálogo monumental de España. Provincia de León, l . B d . , Madrid 1925, Nachdruck León 1979, S. 261269; Berrueta, Mariano D.: La Catedral de León, Madrid 1951, S. 51 und 58; Fernández Arenas, José/Fernández Espino, Cayo Jesús: Las vidrieras de la Catedral de León, León 1982, S. 79-80, 244; Abb. S. 52, 81, 174-175, 245. 24 Zur Tradition der Uomini illustri vgl. Kronjäger, Jochen: Berühmte Griechen und Römer als Begleiter der Musen und der Artes Liberales in Bildzyklen des 2. bis 14. Jahrhunderts (mit einer vorangestellten Untersuchung exemplarischer Musen-, Artes Liberales- und Philosophen-Zyklen), Marburg 1973. 25 Vgl. Checa, Fernando: Pintura y escultura del Renacimiento en España, 14501600, Madrid 1983, S. 127-128 (Abb. 102), 215-216 (Abb. 173 bis), 342; ScholzHänsel, op. cit. 1987, S. 46-52; Serrera, Juan Miguel: "Un precedente del programa iconográfico de la biblioteca de El Escorial: el de la Biblioteca Capitular y Colombina de la Catedral de Sevilla", in: Real Monasterio-Palacio de El Escorial. Estudios inéditos en conmemoración del IV Centenario de la terminación de las obras, Madrid 1987, S. 157-166.
26 liberales in Spanien stellen die Deckenfresken in der Bibliothek des Escorial dar, deren Bildprogramm eine umfassende Wissenschaftskonzeption beinhaltet, in dem traditionelle Elemente mit innovatorischen verbunden sind 26 . Im 17. Jahrhundert bestand kein Interesse mehr an Abbildungen der artes liberales.
5.
Die Neuordnung und Systematisierung der Künste und Wissenschaften im 18. Jahrhundert
5.1 Die Herausbildung der Beaux Arts in Frankreich
In Frankreich lassen sich Ende des 17. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hinsichtlich der Ordnung der Künste und Wissenschaften zwei grundlegende Tendenzen beobachten. Erstens werden als Folge der enormen Fortschritte und der Emanzipation der Naturwissenschaften im 17. Jahrhundert naturwissenschaftliche Disziplinen in die Wissenschaftsklassifikationen integriert. Zweitens erfolgt eine Trennung der Disziplinen in schöne Künste (Beaux Arts) und Wissenschaften (Sciences) in unserem heutigen Sinne 27 . Gleichzeitig setzt sich allmählich innerhalb der Gruppe der Wissenschaften die Differenzierung in Natur- und Geisteswissenschaften durch. Im systematischen Vergleich der Leistungen der Alten mit denen der Modernen in der sogenannten Querelle des Anciens et des Modernes entsteht das Bewußtsein von zwei unterschiedlichen Bereichen: erstens dem mathematisch-naturwissenschaftlichen, in dem sich die Überlegenheit der Modernen relativ problemlos demonstrieren läßt, und zweitens dem künstlerischen, wo dieser Nachweis nicht ohne weiteres erbracht werden kann. Die fünf Disziplinen Dichtung, Musik, Malerei, Bildhauerei, Architektur werden zu einer eigenständigen Gruppe zusammengefaßt, die wir noch heute als Einheit empfinden und als Kernbestand dessen ansehen, was wir als Künste bezeichnen. Infolge der Trennung von 26 Zum Bildprogramm in der Bibliothek des Escoriai vgl. Taylor, René: "Architecture and Magic. Considerations on the Idea of the Escoriai", in: Fräser, Douglas u.a. (Hrsg.): Essays in the History of Architecture Presented to Rudolf Wittkower, 1. Bd., London 1967, S. 81-109, hier S. 96, 106-109; Checa, op. cit. 1983, S. 366371; Scholz-Hänsel, op. cit. 1987; Hänsel, Sylvaine: Der spanische Humanist Benito Arias Montano (1527-1598) und die Kunst, Münster 1991, S. 153-157; ScholzHänsel, Michael: "Zur spanischen Malerei des 17. Jahrhunderts I", in: Hänsel/Karge, op. cit., 2. Bd., 1992, S. 31-45, hier S. 41. 27 Vgl. Kristeller, art. cit. 1952, S. 17-24.
27
Sciences und Arts stellt sich die Frage nach dem gesellschaftlichen Nutzen der Beaux Arts, die eines der Hauptthemen der ästhetischen Diskussion der Aufkärung wird. Charles Perrault (1628-1703) behandelt in seiner vierbändigen, von 1688 bis 1697 erschienenen Parallèle des Anciens et des Modernes nacheinander die Entwicklung der drei bildenden Künste, der Rhetorik, der Dichtung und der Wissenschaften 2 8 . Abgesehen davon, daß er die Musik noch als Wissenschaft qualifiziert, ist hier die Trennung zwischen Künsten und Wissenschaften grundsätzlich vollzogen. In Perraults Le Cabinet des Beaux Arts von 1690 wird das traditionelle System der artes liberales durch das der Beaux Arts abgelöst, zu denen er auch zwei exakte Wissenschaften zählt. Es werden folgende acht Disziplinen als allegorische Gemälde beschrieben: Rhetorik, Dichtung, Musik, Architektur, Malerei, Bildhauerei, Optik, Mechanik 2 9 . In der in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstandenen französischen Traktatliteratur, in der die Künste miteinander verglichen werden, gewinnen die Beaux Arts klarere Konturen und verfestigen sich allmählich. Jean-Pierre de Crousaz (1663-1750) wendet in seinem Traité du beau von 1715 den Begriff der Schönheit auf die verschiedensten Bereiche an - auf Architektur und Dichtung ebenso wie auf die Naturwissenschaften, den menschlichen Körper oder sittliche Charaktereigenschaften 30 . Der Musik widmet er sogar die gesamte zweite Hälfte seines Traktats. Abbé Jean-Baptiste Du Bos (1670-1742) erörtert in seinen Réflexions critiques sur la poésie et sur la peinture von 1719 Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Dichtung und Malerei als Beaux Arts und grenzt sie durch das Charakteristikum des génie, das in ihnen wirke, von einigen Wissenschaften ab 31 . Der Jesuit Yves-Marie André (1675-1764) behandelt 28 Als Wissenschaften werden im fünften Dialog folgende Disziplinen erörtert: Astronomie, Astrologie, Geographie, Nautik, Mathematik, Kriegskunst, Philosophie, Medizin, Musik, Gartenbaukunst, Kochkunst, Fahrzeugwesen, Druckkunst, Artillerie, Kupferstich, Feuerwerke. Vgl. Perrault, Charles: Parallèle des Anciens et des Modernes en ce qui regarde les Arts et les Sciences, Paris 1688/97, Nachdruck [hrsg. von Hans Robert Jauss] München 1964. 29 Vgl. Kristeller, art. cit. 1951, S. 527. 30 Vgl. Crousaz, Jean-Pierre de: Traité du beau. Où l'on montre en quoi consiste ce que l'on nomme ainsi, par des exemples tirés de la plupart des arts et des sciences, Amsterdam 1715, Nachdruck Genf 1970. 31 Vgl. Du Bos, Jean-Baptiste: Réflexions critiques sur la poésie et sur la peinture, Paris 1770, Nachdruck Genf 1967, S. 286-288. - Teuber, Eugen: "Die Kunstphilosophie des Abbé Dubos", in: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft, 17 (1924), S. 361-410; Migliorini, Ermanno: Studi sul pensiero estetico del
28 in seinem Essai sur le Beau (Amsterdam 1741) das Schöne in verschiedenen Künsten, aber auch im moralischen Bereich. Von den "arts utiles"32, zu denen er auch die Architektur zählt, unterscheidet er die "[...] arts qui servent aux agréments de la vie, la peinture, la musique, la poésie même, dont il semble que l'unique but soit de plaire, mais que les bons esprits savent toujours rapporter à l'utilité publique, selon l'intention du Créateur" 33 .
Mit vorsichtiger Zurückhaltung formuliert André die Hypothese, das Ziel der schönen Künste sei allein das Vergnügen. Eventuellen moralphilosophischen und theologischen Bedenken tritt er dadurch entgegen, daß er verlangt, die schönen Künste für die Gesellschaft nutzbar zu machen. Seine Einschränkung des reinen Vergnügens durch den Nutzen fungiert als Legitimation der schönen Künste. Erst Charles Batteux (1713-1780) entwickelt in seinem einflußreichen Werk Les Beaux Arts réduits à un même principe von 1746 als erster eine systematische Klassifikation der Künste und Wissenschaften, in der die Beaux Arts eine autonome Gruppe sind34. Entsprechend der Ziele, nach denen die einzelnen Disziplinen ausgerichtet sind, unterscheidet Batteux drei Klassen: erstens die zur Befriedigung der Grundbedürfnisse des Menschen zuständigen Arts mécaniques, zweitens die dem Vergnügen des Menschen dienenden Beaux Arts bzw. Arts de goût Musik, Dichtung, Malerei, Bildhauerei, Tanz 35 , drittens Rhetorik und Architektur, die Freude und Nützlichkeit in sich vereinen. Die dritte Klasse, der Batteux keinen eigenen Namen gibt, nimmt eine Mittelstellung zwischen der ersten und zweiten Klasse ein. Die Nachahmung der Natur ist das allen Künsten gemeinsame Prinzip. Das Theater betrachtet Batteux als Vereinigung aller Künste 36 .
Settecento. Crousaz, Du Bos, André, Batteux, Diderot, Florenz 1966, S. 149-232; Tavernier, Ludwig: "Apropos Illusion. Jean Baptiste Dubos' Einführung eines B e griffs in die französische Kunstkritik des 18. Jahrhunderts", in: Pantheon, 42 (1984), S. 158-160. 32
OEuvres philosophiques du Père André, hrsg. von Victor Cousin, Paris 1843, S. 1190, hier S. 174. - Vgl. Migliorini, op. cit. 1966, S. 2 3 3 - 2 7 9 .
33 André, ed. cit. 1843, S. 174. 3 4 Vgl. Batteux, Charles: Les Beaux
Arts
réduits
à un même
principe,
Paris 1773,
Nachdruck Genf 1969, S. 26-28. - Migliorini, op. cit. 1966, S. 281-310. 35
Hierunter versteht er im weitesten Sinne "l'Art du geste ou la Danse" (Batteux, ed. cit. 1773/1969, S. 27). Vgl. ibid., S. 3 7 3 , Anm. (a).
36 Als Komponenten des Theaters werden Dichtung, Musik, Tanz, Architektur, Malerei, Bildhauerei genannt. Vgl. ibid., S. 3 7 1 - 3 7 8 .
29 Endgültig ausgeprägt wird die Konzeption der Beaux Arts von den Autoren der Encyclopédie, in der der Begriff Beaux Arts jedoch keinen eigenen Eintrag erhält 37 . Denis Diderot (1713-1784) stellt in seinem im Oktober 1750 veröffentlichten Prospectus zur Encyclopédie fest, daß die Ordnung von Wissen nach verschiedenen Kriterien erfolgen könne und letztlich willkürlich sei 38 . Er selbst präsentiert zwei Wissenschaftsklassifikationen, die unvermittelt aufeinanderfolgen. Die erste, die nur skizziert wird, umfaßt drei Klassen: sciences, arts libéraux, arts mécaniques. Diese werden weder klar definiert noch voneinander abgegrenzt. Die Dreiteilung entspricht dem Untertitel der Encyclopédie. Mit arts libéraux meint Diderot Beaux Arts39. Die Gleichwertigkeit von arts libéraux und arts mécaniques wird vorausgesetzt. Diderots zweite Klassifikation ist derjenigen Bacons ähnlich, auf den er sich ausdrücklich beruft, doch verändert er die Reihenfolge der drei menschlichen Grundkräfte und stellt die raison der imagination voran. Der mémoire entspricht die Geschichte, der raison die Philosophie - mit der die Wissenschaften gemeint sind - , der imagination die Dichtung, der er - im Unterschied zu Bacon - Musik, Malerei, Bildhauerei, Gravierkunst hinzufügt und dies mit der simplen Argumentation des ut pictura poesis begründet 40 . Daß man dieser Gruppe auch die Architektur zuordnen könne, räumt Diderot als Möglichkeit ein 41 . In diesem Zusammenhang wird der Begriff Beaux Arts nicht verwendet. Auch Jean Le Rond d'Alembert (1717-1783) konfrontiert in seinem Discours préliminaire zur Encyclopédie von 1751 zwei Klassifikationen, die denen in Diderots Prospectus gleichen und ebenfalls nicht miteinander in Verbindung gebracht werden. Im Gegensatz zum Prospectus werden erstens die einzelnen Klassen und verschiedenen Einteilungsstufen klar defi-
37 Vgl. Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, 35 Bde., Paris 1751/80. - Schalk, Fritz: Einleitung in die Encyclopädie der französischen Aufklärung, München 1936; Steinwachs, Burkhart: "Epistemologie und Kunsthistorie. Zum Verhältnis von arts et sciences im aufklärerischen und positivistischen Enzyklopädismus", in: Gumbrecht, Hans Ulrich/Cerquiglini, Bernard (Hrsg.): Der Diskurs der Literatur- und Sprachhistorie. Wissenschaftsgeschichte als Innovationsvorgabe, Frankfurt a.M. 1983, S. 73-110. 38 Diderot, Denis: "Prospectus", in: id.: OEuvres complètes, 320.
2. Bd., Paris 1969, S. 275-
39 Der Begriff "beaux-arts" wird an einer einzigen Stelle des Prospectus zu arts libéraux verwendet. Vgl. ibid., S. 293. 40 Vgl. ibid., S. 311. 41 Vgl. ibid., S. 312.
als Synonym
30 niert und wird zweitens die Konzeption der Beaux Arts deutlicher konturiert42. In beide Klassifikationen integriert d'Alembert Grundzüge von Batteux1 System. In der ersten unterscheidet er die Sciences als Theorie (spéculation) von den Arts als Praxis (pratique). Die Arts, die er als beliebiges System von auf festen Regeln beruhenden Kenntnissen definiert, unterteilt er in arts libéraux, denen die geistige Arbeit, und arts mécaniques, denen die manuelle Arbeit obliegt. Die soziale Höherbewertung der arts libéraux bezeichnet er als ungerechtfertigtes Vorurteil, das sich historisch erklären läßt. Unter dem Aspekt des gesellschaftlichen Nutzens sind die arts mécaniques den arts libéraux sogar überlegen. Als Unterabteilung der arts libéraux betrachtet er die Beaux Arts, die die Natur nachahmen und dem agrément dienen. Er grenzt sie gegenüber notwendigen arts libéraux wie Grammatik, Logik, Moral ab. In der zweiten, von Bacon prinzipiell vorgegebenen Klassifikation folgt d'Alembert in der Reihenfolge der menschlichen Grundkräfte dem Prospectus. Der imagination ordnet er Malerei, Bildhauerei, Architektur, Dichtung, Musik zu, die ausdrücklich als Beaux Arts bezeichnet werden. Im Unterschied zu Diderot wird die Architektur hier fest integriert, die Gravierkunst nicht mehr genannt. Diderot rekurriert in seinem Artikel Arts ausschließlich auf die traditionelle Klassifikation der artes mechanicae und artes liberales und erwähnt die Beaux Arts nicht einmal 43 . In der Einteilung der Arts folgt er nicht seinem Prospectus, sondern d'Alemberts Discours préliminaire. In seiner Lettre sur les sourds et muets von 1751 wendet sich Diderot gegen Batteux' Versuch, alle Künste allein auf die Nachahmung der schönen Natur zurückzuführen, und kritisiert, daß Batteux den Begriff belle nature nicht definiert hat 44 . Obwohl Diderot Batteux' Analogien dadurch in Frage stellt, daß er im Rückgriff auf die konkrete Erfahrung gerade auf spezifische Unterschiede zwischen Dichtung, Malerei und Musik aufmerksam macht, die sich aus ihren unterschiedlichen Ausdrucksmitteln ergeben, bezweifelt er dennoch keineswegs, daß diese drei Künste als Beaux Arts zusammengehören. 42 Vgl. "Discours préliminaire né des sciences, des arts et Jean Le Rond d': Discours zur Enzyklopädie von 1751,
des éditeurs", in: Encyclopédie ou Dictionnaire raisondes métiers, I. Bd., Paris 1751, S. I-XLV. - Alembert, Préliminaire de l'Encyclopédie (1751). Die Einleitung hrsg. von Erich Köhler, Hamburg 1955.
43 Vgl. Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, 1. Bd., Paris 1751, S. 713-717. 44 Vgl. Diderot, Denis: "Lettre sur les sourds et muets à l'usage de ceux qui entendent et qui parlent", in: id., ed. cit., 2. Bd., 1969, S. 513-602.
31 Charles de Secondât, Baron de La Brede et de Montesquieu (16891755) nennt in seinem postum in der Encyclopédie erschienenen Essai sur le goût dans les choses de la nature & de l'art entsprechend Batteux' System ganz selbstverständlich Dichtung, Malerei, Bildhauerei, Architektur, Musik, Tanz als Beaux Arts45.
5.2 Spanische Klassifikationen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts In Spanien konkurrierten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hinsichtlich der Ordnung der Künste und Wissenschaften zwei konträre Tendenzen miteinander: eine konservative, deren Vertreter grundsätzlich noch an den traditionellen, freilich modifizierten Klassifikationen der artes liberales und artes mechanicae festhielten, und eine innovatorische, in der einerseits die Integration der neuen mathematisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen in die divisio philosophiae propagiert wurde und andererseits ansatzweise, unter französischem Einfluß, der Prozeß der Emanzipation der schönen Künste und deren Trennung von den Wissenschaften begann. In der ersten Jahrhunderthälfte entstanden zwei umfassende, systematisch ausgearbeitete Wissenschaftsklassifikationen, die beide den Zeitgenossen unbekannt geblieben sind und erst in unserem Jahrhundert veröffentlicht wurden: die Klassifikationen in der literarischen Utopie Sinapia und in Fray Martín Sarmientos Bildprogramm des Palacio Real.
5.2.1
Antonio Acisclo Palomino
Eine konservative Ordnung der Künste und Wissenschaften enthält der umfangreiche dreibändige Malereitraktat El museo pictórico o Escala óptica (Madrid 1715/24) von Antonio Acisclo Palomino de Castro y Velasco (1653-1726) 46 , seit 1688 Pintor Real am Madrider Hof und als solcher "das 45 Vgl. Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, 7. Bd., Paris 1757, S. 762-767, hier S. 762. 46 Der erste Band erschien 1715, der zweite und dritte 1724. Vgl. Palomino de Castro y Velasco, Antonio: El Museo pictórico o Escala óptica. Prólogo de Juan A. Ceán Bermúdez, Madrid 1947. - Menéndez Pelayo, Marcelino: Historia de las ideas estéticas en España, 3. Bd. (Siglo XVIII), hrsg. von Enrique Sánchez Reyes, Madrid ['1883] M962, S. 515-524; Aparicio Olmos, Emilio María: Palomino. Su arte y su tiempo, Valencia 1966; Gaya Ñuño, op. cit. 1975, S. 91-110; León Tello, Francisco José/Sanz Sanz, María Merced Virginia: La teoría española en la pintura en el
32
Musterbild eines höfischen und christlichen Malers" 47 . Palomino ist "der letzte große Monumentalmaler am Ende der großen Blütezeit der spanischen Kultur" 48 , und seine Gemälde und Fresken lassen sich noch durchaus dem Barock zuordnen. Palomino faßt das Wissen über die Malerei in einer enzyklopädischen Weise zusammen und sammelt als erster in Spanien systematisch Informationen über die Biographien und Werke der spanischen Maler, die er nach dem Vorbild von Vasari in Form von Künstlerbiographien zusammenfaßt. Sein Traktat, dessen geistige Wurzeln im 17. Jahrhundert liegen, ist eines der bedeutendsten Werke der wissenschaftlichen Literatur Spaniens im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts. Im Rückblick auf die Schriften und juristischen Zeugnisse des Siglo de Oro, in denen der Rang der Malerei als ars liberalis gefordert wird, rekapituliert er die diesbezügliche Diskussion in historischer Perspektive und bemüht sich, unter Berücksichtigung der italienischen und französischen Traktatliteratur, antiker Schriften und der Bibel die nobilitas der Malerei zu beweisen 49 . Palomino unterscheidet zwischen Ciencia und Arte. Unter Ciencia versteht er eine rein geistige Tätigkeit ohne Praxis 50 , unter Arte eine geistige Tätigkeit samt der Praxis, bezogen auf die nach bestimmten Regeln ausgerichtete Herstellung eines Werkes 51 . Die Artes unterteilt er in die drei Klassen artes liberales, artes mecánicas, artes sórdidas. In den artes liberales ist der Anteil der geistigen Tätigkeit größer als der der körperlichen. Unter artes liberales versteht Palomino einen gegenüber den traditionellen sieben artes liberales erweiterten Fächerkanon, zu dem auch Jurisprudenz, Philosophie, Medizin, Dichtung gehören. Die sieben artes liberales bilden die Voraussetzung für die übrigen: die Rhetorik für die Jurisprudenz, Rhetorik und Grammatik für die Dichtung, die Dialektik für die Philosophie, und diese wiederum dient als Grundlage für die Medizin 52 . In den artes siglo XVIII: El Tratado de Palomino, Madrid 1979; Gross, Sally: "A Second Look: Nationalism in Art Treatises from the Golden Age in Spain", in: Rutgers Art Review, 5 (1984), S. 9-27, hier S. 18-27; Aullón de Haro, Pedro: Los géneros ensayísticos en el siglo XVIII, Madrid 1987, S. 64-67. 47 Starbatty, Sieglinde: Die Fresken des Palomino,
München 1980, S. 25.
48 Ibid., S. 30. 49 Der Frage, ob die Malerei eine ars liberalis sei, widmet Palomino die ausführlichste spanische Stellungnahme überhaupt zu diesem Thema. Vgl. Palomino, ed. cit. 1947, S. 126-205. 50 Vgl. ibid., S. 129: "un hábito del entendimiento, adquirido por demostración". 51 Vgl. ibid.: "una segura, y recta razón de las obras factibles". 52 Vgl. ibid., S. 170.
33 mecánicas überwiegt die körperliche Tätigkeit vor der geistigen. Die Einteilung der sieben artes mecánicas folgt im wesentlichen Hugo von St. Victor, allerdings in anderer Reihenfolge und mit geringfügigen Änderungen der Disziplinen 53 . Die artes sórdidas sind charakterisiert durch die unbewußte, gewohnheitsmäßige Wiederholung einer einfachen praktischen Verrichtung ohne Mitwirkung des Geistes. Die Bewertung der drei Klassen wird von der in Spanien tief verwurzelten Geringschätzung der manuellen Arbeit bestimmt. Nur die artes liberales schätzt Palomino positiv ein, was in dem Synonym "las buenas artes"54 offensichtlich wird. Die artes mecánicas betrachtet er als minderwertig, die artes sórdidas wegen ihres noch geringeren Ranges, der sich auch in der despektierlichen Bezeichnung "oficio vil"55 manifestiert, als kaum erwähnenswert56. Die Frage, ob die Malerei eine ars liberalis sei, spitzt Palomino zu, indem er behauptet, daß man die Berechtigung der artes liberales insgesamt in Frage stellen müsse, wenn man der Malerei den Status als ars liberalis abspreche57. Um Senecas Meinung, die Malerei sei keine ars liberalis, zu 53 Vgl. ibid., S. 171. - Der Frühscholastiker Hugo von St. Victor (Ende des 11. Jahrhunderts-1141) leistete die erste inhaltliche Bestimmung der artes mechanicae in seinem kurzen Dialogtraktat Epitome Dindimi in philosophiam und in seiner vor 1137 verfaßten Enzyklopädie Didascalicon. Nach lógica, ethica, theorica integriert er mechanica als vierten Teilbereich der Philosophie in das System der Wissenschaften. Die artes mechanicae bzw. adulterinae sind wie die artes liberales in sieben Disziplinen aufgeteilt: lanificium, die Handwerke, die organisches Material außer Bauholz bearbeiten, armatura, neben Waffenherstellung auch Architektur, Malerei, Bildhauerei, navigatio als Handel im weitesten Sinne, agricultura als Landwirtschaft, Viehzucht, Weinbau, Gartenbaukunst, venatio als Jagd und Fischfang, medicina als Heilkunst, theatrica als Theaterwesen. Er unterscheidet zwischen Praxis (administratio) und Theorie (ratio) der jeweiligen ars. Vgl. Hugonis de Sancto Victore Opera propaedeutica, hrsg. von Roger Baron, Notre Dame (Indiana) 1966, S. 165-247; id.: Didascalicon de studio legendi, hrsg. von Charles Henry Buttimer, Washington 1939, S. 38-44 (2. Buch, Kap. 20-27). - Palomino nennt die Chirurgie anstelle der Medizin, die "arte de fabricar" anstelle der theatrica. 54 Palomino, ed. cit. 1947, S. 126. 55 Vgl. ibid., S. 129. 56 Die Geringschätzung, die Palomino den artes mecánicas entgegenbringt, zeigt sich nicht zuletzt in der Nachlässigkeit, mit der er sie präsentiert: ohne Referenz auf Autoritäten, auf die er ansonsten nicht verzichtet. Die artes sórdidas werden nicht einmal spezifiziert. 57 Vgl. ibid., S. 126: "Disputar si la Pintura es arte liberal, y noble, es poner en cuestión la nobleza de un héroe esclarecido, descendiente de ilustres progenitores, de grandes príncipes, y valientes capitanes: o es dudar, si hay artes liberales; porque si las hay, lo es la Pintura, y si la Pintura no lo es, no las hay".
34 entkräften, bedient sich Palomino unterschiedlicher Argumentationsstrategien58. Palomino will nicht nur beweisen, daß die Malerei eine ars liberalis ist, sondern daß sie sogar einen höheren Rang als die artes liberales besitzt, da sie diese als "un compendio de todas"59 in sich vereinige. Die Malerei sei auch die höchste Wissenschaft als "ciencia demostrativa, que es lo sublime de las ciencias"60. Palomino faßt die Hauptthesen von Calderóns Verteidigung der Malerei zusammen, aus der er die Passage über den Anteil, den die einzelnen Disziplinen an der Malerei haben, zitiert61. Er folgt Calderóns Auffassung, daß die Malerei alle Künste und Wissenschaften in sich birgt, indem er die Malerei definiert als "compendio, cifra, y epilogo de todas las artes, y ciencias, como propio esencial, e inseparable de su naturaleza; pues sin ello no puede subsistir" 62 .
Palomino übertrifft Calderón dadurch, daß er den Kanon der Künste und Wissenschaften, die der Malerei dienen, durch weitere Disziplinen wie 58 Vgl. ibid., S. 171-178. Palomino reklamiert Seneca sogar für das Christentum, indem er behauptet, dieser sei "ocultamente católico" (ibid., S. 174) gewesen. 59 Ibid., S. 168. 60 Ibid., S. 29. 61 Vgl. ibid., S. 194-197. - Am 8. Juli 1677 trug Pedro Calderón de la Barca (16001681) in Madrid ein gerichtliches Zeugengutachten zugunsten der Steuerbefreiung der Maler vor, das als Protokoll schriftlich fixiert wurde. Calderón postuliert den Primat der Malerei, denn sie sei - entsprechend der Vorstellung des Deus pictor als älteste Kunst überhaupt die höchstrangige, in der alle übrigen vereinigt sind: Die Grammatik gibt die Konkordanzen, die die harmonische Farbabstimmung hervorbringen, die Dialektik die Argumentation für die Malerei als ars liberalis, die Arithmetik die Zahlenlehre, Geometrie und Symmetrie ermöglichen die Perspektive, die Astronomie stellt Bilderwelt und Kenntnis des Sternenhimmels zur Verfügung, die Musik ermöglicht durch die Harmonielehre ihr Gelingen, die Dichtung als Teil der Rhetorik verleiht ihr Erfindung, Überzeugung, Wirkung. Vgl. Nipho, Francisco Mariano: Cajón de sastre literato, 4. Bd., Madrid 2 1781, S. 25-43 (erstmalige Veröffentlichung von Calderóns Gutachten); Curtius, Ernst Robert: "Calderón und die Malerei", in: RF, 50 (1936), S. 89-136 (Edition des von Nipho gedruckten Textes unter Berücksichtigung des in der BNM aufbewahrten Manuskripts S. 90-97), ohne Edition des Textes wiederaufg. in: id., op. cit. 1948/78, S. 541-551; Spitzer, Leo: "Eine Stelle in Calderóns Traktat über die Malerei", in: Neuphilologische Mitteilungen, 39 (1938), S. 361-370; Calvo Serraller, op. cit. 1981, S. 535-346 (mit Edition des Textes); Gállego, Julián: "Calderón de la Barca y la integración de las artes", in: Goya, 161/162 (März/Juni 1981), S. 274-281; Paterson, Alan K.G.: "Calderón's Deposición en favor de los profesores de la pintura. Comment and Text", in: Davis, Charles/Smith, Paul Julian (Hrsg.): Art and Literature in Spain: 1600-1800. Studies in Honour of Nigel Glendinning, London 1993, S. 153-166 (mit Edition des Textes). 62 Palomino, ed. cit. 1947, S. 200.
35 Philosophie, Geographie, Militärwesen, Nautik, Medizin, Jurisprudenz, Theologie vermehrt 63 . Außer Optik und Perspektive fügt er noch Architektur und Bildhauerei hinzu und ordnet sie damit der Malerei unter. Palominos Traktat stellt den Höhepunkt und zugleich den Endpunkt der Verteidigungsschriften der Malerei als ars liberalis dar. 5.2.2
Der Diccionario de
Autoridades
Auch im zwischen 1726 und 1739 in sechs Bänden erschienenen Diccionario de Autoridades wird eine konservative Auffassung der Künste und Wissenschaften vertreten, die derjenigen Palominos ähnlich ist. Die Einteilung in Artes und Ciencias ist, bedingt durch die verschiedenen Mitarbeiter, die für die Abfassung der Artikel zuständig waren, nicht frei von Widersprüchen. Arte wird als Oberbegriff aller artes liberales und artes mechanicae bezeichnet und definiert als "La facultád que prescribe reglas y preceptos para hacer rectamente las cosas" 64 . Der Begriff Arte ist des weiteren ein Synonym für die "oficios de manos" 65 . Das Schwergewicht liegt auf der nach Regeln ausgeübten Praxis, ohne Anteil einer geistigen Tätigkeit, den Palomino seinerseits hervorhebt. Der Begriff Ciencia wird wie von Palomino als eine rein geistige Tätigkeit ohne Praxis angesehen und definiert als "Conocimiento cierto de alguna cosa por sus cáusas, y principios" 66 . Im Gegensatz zur Unterscheidung von Theorie und Praxis in den Artikeln Ciencia und Arte steht der Eintrag für Arte liberal - er findet sich unter dem Lemma Liberal demgemäß sich Arte liberal eben nicht auf die Praxis, sondern ausschließlich auf die geistige Tätigkeit bezieht. "La que se exerce con solo el ingénio, sin ministerio de las manos: como son la Gramática, Dialéctica, Geometría, y otras semejantes" 6 7 .
Von den die artes liberales konstituierenden Disziplinen werden nur drei aufgezählt. Überprüft man die Artikel der einzelnen Künste und Wis63 Vgl. ibid., S. 198-199. 64 Diccionario de la lengua castellana, en que se explica el verdadero sentido de las voces, su naturaleza y calidad, con las phrases o modos de hablar, los proverbios o refranes, y otras cosas convenientes al uso de la lengua, 1. Bd., Madrid 1726, Nachdruck ibid. 1963, S. 422. - Vgl. Lázaro Carreter, Fernando: Crónica del Diccionario de Autoridades (1713-1740), Madrid 1972. 65 Diccionario
de la lengua castellana,
66 Ibid.,2. Bd., 1729, S. 345. 67 Vgl. ibid., 4. Bd., 1734, S. 396.
1. Bd., 1726, S. 422.
36 senschaften hinsichtlich ihrer Differenzierung in Art es und Ciencias, ergibt sich, daß die Fächer des Triviums 68 (Grammatik69, Rhetorik 70 , Dialektik 71 ) sowie die Bildhauerei 72 als Artes bezeichnet werden. Die Malerei wird als einzige Disziplin ausdrücklich als Arte liberal definiert 73 , was direkt auf Palomino zurückgeht, der als Mitarbeiter des Diccionario de Autoridades für die Wörter aus Malerei und Bildhauerei zuständig war 74 . Die Fächer des Quadriviums (Arithmetik75, Musik 76 , Geometrie 77 , Astronomie 78 ) werden als Ciencias definiert, ebenso Architektur79 und Dichtung 80 . Der Begriff Quadrivio wird außer in seiner wörtlichen Bedeutung als "El lugär, sitio ò paräge donde concurren quatro sendas ò caminos" auch als Fachterminus der artes liberales aufgeführt, wobei die Disziplinen des Quadriviums nicht als Ciencias, sondern als Artes bezeichnet werden 81 . Zum Begriff Mediànico gibt es insgesamt drei Einträge. Im ersten wird er ohne Wertung als Handarbeit erklärt82. Im zweiten Eintrag erfolgt die Zweiteilung in artes liberales und artes mechanicae, wobei die übliche Ge-
68 Der Begriff Trivio wird ausschließlich als "La division de tres caminos" (ibid., 6. Bd., 1739, S. 362) definiert, nicht als Teilbereich der artes liberales. 69 Vgl. ibid., 4. Bd., 1734, S. 70: "El arte de bien hablar y escribir". 70 Vgl. ibid., 5. Bd., 1737, S. 618: "El arte de bien hablar". Die Definition überschneidet sich teilweise mit derjenigen der Grammatik. 71 Vgl. ibid., 3. Bd., 1732, S. 261 : "Arte de disputar [...]". Der Begriff Lógica wird als Synonym zu Dialéctica definiert. Vgl. ibid., 4. Bd., 1734, S. 429. 72 Vgl. ibid., 3. Bd., 1732, S. 580. 73 Vgl. ibid., 5. Bd., 1737, S. 278: "Arte liberal, imitadora de las proporciones de la naturaleza". Im Artikel Academia wird die Malerei zusammen mit Bildhauerei und Musik unter den artes liberales subsumiert. 74 Vgl. Lázaro Carreter, op. cit. 1972, S. 54. 75 Vgl. Diccionario de la lengua castellana, 1. Bd., 1726, S. 390. 76 Vgl. ibid., 4. Bd., 1734, S. 636. 77 Vgl. ibid., S. 46. 78 Vgl. ibid., 1. Bd., 1726, S. 452. 79 Vgl. ibid., S. 378. 80 Vgl. ibid., 5. Bd., 1737, S. 310. 81 Vgl. ibid., S. 448: "Quadrivio se llaman las quatro artes Mathemáticas, Astrologia, Musica, Geometria, Arithmética". Statt der Astronomie wird die Astrologie angegeben. Die Reihenfolge der Disziplinen ist unüblich. 82 Vgl. ibid., 4. Bd., 1734, S. 523: "Lo que se executa con las manos".
37 ringschätzung der manuellen Arbeit deutlich wird 83 . Im dritten Eintrag wird die Verachtung der artes mechanicae auf Objekte übertragen84. Der Diccionario de Autoridades ermöglicht also wegen widersprüchlicher Angaben keine eindeutige Zuordnung der Künste und Wissenschaften zu Artes oder Ciencias, deren begriffliche Grenzen verwischt sind. Die Unterscheidung in artes liberales und artes mechanicae wird zwar noch formell beibehalten, doch es bleibt unklar, aus welchen Disziplinen sie im einzelnen bestehen, da ihre inhaltliche Bestimmung nicht mehr dem jahrhundertelang gültigen Fächerkanon entspricht und unvollständig, teilweise sogar unkorrekt ist 85 .
5.2.3
Die novatores
Die innovatorische Tendenz, die neuen mathematisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen in den traditionellen Fächerkanon zu integrieren, wurde von der frühaufklärerischen Bewegung der sogenannten novatores getragen, die sich zwischen 1680 und den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts außerhalb der Universitäten im privaten Kreis formierte 86 . Noch 83 Vgl. ibid.: "Se aplica regularmente à los oficios baxos de la República: como Zapatéro, Herrero, y otros: y assi se diferencian los oficios en mechánicos y Artes liberales". 84 Vgl. ibid: "Se toma también por cosa baxa, soéz è indecorosa". - Auch das Lemma Mechanichez reflektiert die soziale Geringschätzung der artes mechanicae: "La vileza ù desdoro que resulta de ocuparse en cosas mechánicas" (ibid.). 85 Ein weiterer Beleg dafür, daß die Konzeption der artes liberales in den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts immer noch als gültig angesehen wurde, findet sich in den an den Politiker José Patino (1666-1736) gerichteten Pensamientos literarios (Madrid 1734) von Gregorio Mayáns y Sisear (1699-1781), in denen dieser sich für den muttersprachlichen Unterricht in den artes liberales ausspricht. Vgl. Mayáns y Sisear, Gregorio: Obras completas, hrsg. von Antonio Mestre Sanchis, 1. Bd., Valencia 1983, S. 237-260, hier S. 244: "Pero qué hombre de juicio puede negar que enseñar en lengua vulgar, a lo menos las artes liberales, tiene grandes ventajas?". Vgl. ibid., S. 249 ("estas artes liberales"). - In der Arte de pintar von 1776 schreibt Mayáns über Benito Arias Montano, er sei "mui instruido en todo género de literatura, como lo es el conocimiento de las ciencias, i de las artes liberales i mecánicas, i de la antigüedad" (Mayáns y Sisear, ed. cit., 5. Bd., 1986, S. 141-260, hier S. 179; vgl. ibid., S. 252). 86 Vgl. Lopez, François: Juan Pablo Forner et la crise de la conscience espagnole au XVIIIe siècle, Bordeaux 1976, S. 41-54; Zavala, Iris M.: Clandestinidad y libertinaje erudito en los albores del siglo XVIII, Barcelona u.a. 1978, S. 83-167; López Piñero, José María: Ciencia y técnica en la sociedad española de los siglos XVI y XVII, Barcelona 1979, S. 16-18; Abellán, José Luis: Historia crítica del pensamiento español, 3. Bd., Madrid 1981, S. 281-296, 342-394; Stiffoni, Giovanni: "In-
38 unter dem letzten spanischen Habsburgerkönig Karl II. (1665-1700) führte der allmähliche ökonomische Aufschwung in der Peripherie Spaniens, vor allem in Valencia und in den Hafenstädten Kataloniens und des Baskenlandes zur Intensivierung der Auslandskontakte und zum verstärkten Interesse an den naturwissenschaftlichen Forschungen der anderen europäischen Länder. Im Bereich der Künste und Wissenschaften wirkte insbesondere der französische Einfluß stark auf Spanien, daneben aber auch der englische und italienische. Im Bewußtsein des intellektuellen Niedergangs ihres Landes setzten sich Mediziner wie Diego Mateo Zapata (1664-1745), Martín Martínez (1684-1734), Andrés Piquer y Arrufat (1711-1772), Gelehrte wie Gregorio Mayáns y Sisear in ihren wissenschaftlichen Publikationen für dessen Überwindung ein. Sie waren bemüht, in der Philosophie und den Naturwissenschaften sowie Mathematik und Medizin den Anschluß an den wissenschaftlichen Standard in Europa zu finden. Sie berücksichtigten hingegen kaum die genuin spanische wissenschaftliche Tradition. Die novatores richteten sich gegen die Scholastik, von deren Wissenschaftshabitus sie sich sprachlich dadurch abhoben, daß sie ihre Schriften nicht in Latein, sondern in der Volkssprache abfaßten, und inhaltlich und methodisch an die Stelle des tradierten, auf Autoritäten begründeten Wissens die aus eigenen Erfahrungen und durch naturwissenschaftliche Experimente gewonnenen Erkenntnisse setzten. Der valenzianische novator Tomás Vicente Tosca (1651-1723) teilt in seinem Compendio matemático, en que se contienen todas las materias más principales de las ciencias que tratan de la cantidad (Valencia 1712) die mathematischen Wissenschaften in zwei Klassen ein 87 . Zur ersten Klasse, den matemáticas puras, zählt er lediglich Arithmetik und Geometrie. Die zweite Klasse, die matemáticas no puras, bilden alle Wissenschaften,
telectuales, sociedad y estado", in: Jover Zamora, José María (Hrsg.): La época de los primeros Borbones, 2. Bd., Madrid 1985, S. 3-148, hier S. 5-55; SánchezBlanco, Francisco: La prosa del Siglo XVIII, Madrid 1992, S. 21-26. 87 Vgl. León Tello, Francisco José: La teoría española de la música en los siglos XVII y XVIII, Madrid 1974, S. 47-73, hier S. 49-50. - Zu Tosca vgl. Navarro Brotóns, Víctor: "El Compendium Philosophicum (1721) de Tosca y la introducción en España de la ciencia y la filosofía modernas", in: Alberola, Armando/La Parra, Emilio (Hrsg.): La Ilustración española. Actas del Coloquio Internacional celebrado en Alicante, 1-4 octubre 1985, Alicante 1986, S. 51-70.
39 "[...] que consideran la cantidad vestida y acompañada con algún accidente o afección sensible y porque las afecciones sensibles son propias de la filosofía natural o física se llaman físico-matemáticas" 8 8 .
Zu ihnen gehören zahlreiche Disziplinen: Musik, Mechanik, Statik, Hydrostatik, Militärarchitektur, Artillerie, Optik, Perspektive, Katoptrik89, Dioptrik90, Geographie, Astronomie, Gnomonik 91 , Chronologie. Tosca erweitert das traditionelle Quadrivium um eine Vielzahl neuer mathematischnaturwissenschaftlicher Disziplinen, wobei insbesondere die experimentellen Wissenschaften berücksichtigt werden. 5.2.4
Die literarische Utopie Sinapia
Erst kürzlich wurde im Nachlaß von Pedro Rodríguez, Conde de Campomanes (1723-1803), das Manuskript einer spanischen Staats- und Gesellschaftsutopie mit dem Titel Descripción de la Sinapia, Península en la Tierra Austral entdeckt und veröffentlicht, die eine Wissenschaftsklassifikation enthält92. Der Text, der von Thomas Morus' (1478-1535) Utopia 88 Zit. n. León Tello, op. cit. 1974, S. 49. 89 Lehre von der Lichtreflexion. 90 Lehre von der Brechung des Lichts. 91 Die gnomonische Projektion dient zur graphischen Darstellung von Kugeln, insbesondere der Erdkugel. Die Kugelfläche wird von ihrem Mittelpunkt aus auf eine Tangentialebene projiziert. 92 Es gibt drei Ausgaben des Textes: Descripción de la Sinapia, península de la terra austral. A Classical Utopia of Spain, hrsg. von Stelio Cro, Hamilton 1975 (Diese Ausgabe war mir nicht zugänglich); Sinapia. Una utopía española del Siglo de las Luces, hrsg. von Miguel Avilés Fernández, Madrid 1976 (hier zitierte Ausgabe); Cro, Stelio: The American Foundations of the Hispanic Utopia (1492-1793). Volume I: The Literary Utopia. Sinapia, A Classical Utopia of Spain and the Discurso de la educación. Newly Revised Edition of the Original Spanish Text With an English Translation by Ann Cro. New Introduction and Notes by Stelio Cro, Tallahassee (Florida) 1994. - Cro edierte noch drei weitere Manuskripte, die von derselben Schreiberhand stammen wie Sinapia: ein Discurso de la educación in seinen Editionen von 1975 und 1994, des weiteren Anmerkungen zum Journal des Sçavans und ein Bücherverzeichnis Libros que faltan en la librería, in: id.: A Forerunner of the Enlightenment in Spain, Hamilton 1976. - Vgl. Guinard, Paul-Jacques: "Les utopies en Espagne au XVIII e siècle", in: Recherches sur le roman historique en Europe - XVIU'-XIX' siècles, 1. Bd., Paris 1977, S. 171-202, hier S. 186-189; Cro, Stelio: "La utopía en España: Sinapia", in: CILH, 2/3 (1980), S. 27-40; Abellán, op. cit., 3. Bd., 1981, S. 612-614; Laffranque, Marie: "La Descripción de la Sinapia, Península en la Tierra Austral", in: La contestation de la société dans la littérature espagnole du Siècle d'Or, Toulouse 1981, S. 193-204; Lopez, François: "Considérations sur la Sinapia", in: ibid., S. 205-211; id.: "Une autre approche de Sinapia", in:
40 (Löwen 1516) inspiriert ist 93 , entstand zur Zeit der novatores, also zwischen 1680 und 1720 94 . Nach Lopez war der Autor mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit ein valenzianischer novator war, vermutlich Manuel Martí y Zaragoza (1663-1737), der auf Gregorio Mayáns y Sisear, mit dem er einen intensiven Briefwechsel unterhielt, einen großen Einfluß ausübte95. Der Name Sinapia ist ein Anagramm von Hispania, die beschriebene Halbinsel geographisch ein um die Horizontalachse gespiegeltes, antipodisches Spanien. Entsprechend diesem für den Text konstitutiven Prinzip der Umkehrung und Vertauschung stellt der Anonymus sein utopisches Konzept einer idealen Gesellschaft ausdrücklich als Gegenentwurf zu den politischen Theorien von Machiavelli 96 und Tacitus 97 und zur Praxis der euroEtienvre, Jean-Pierre (Hrsg.): Las utopías en el mundo hispánico, Madrid 1990, S. 9-18; Alvarez de Miranda, Pedro: Palabras e ideas: el léxico de la Ilustración temprana en España (1680-1760), Madrid 1992, S. 98-99 und passim. 93 Zur Morus-Rezeption in Spanien vgl. López Estrada, Francisco: Tomás Moro y España: sus relaciones hasta el siglo XVIII, Madrid 1980 (über Sinapia S. 101107); id.: "Una temprana traducción española de la Utopía de Tomás Moro", in: Mackenzie, Ann L./Severin, Dorothy S. (Hrsg.): Hispanic Studies in Honour of Geoffrey Ribbans, Liverpool 1992, S. 43-45. 94 Die These von Avilés Fernández, der Text stamme aus dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts und sei vermutlich von Campomanes selbst verfaßt worden, entbehrt jeder Grundlage (vgl. Avilés Fernández, ed. cit. 1976, S. 64-65). Der Meinung von Cro, der die Zeit von 1682 bis zum Ende des 17. Jahrhunderts annimmt, schließt sich Lopez grundsätzlich an (vgl. Lopez, art. cit. 1982). In einer weiteren Arbeit engt Lopez die Entstehungszeit wegen einer Anspielung auf den spanischen Erbfolgekrieg auf die Jahre 1707 bis 1712 ein (vgl. Lopez, art. cit. 1990). 95 Vgl. Lopez, art. cit. 1990. - Zu Marti vgl. Mestre, Antonio: "Muratori y la cultura española", in: La fortuna di LA. Muratori, 3. Bd., Florenz 1975, S. 173-220, hier S. 174-177; Gil Fernández, Luis: "Los apuntes autobiográficos del deán Martí", in: BRAE, 58 (1978), S. 47-101; id.: "La España de Felipe V vista por el deán Martí", in: Homenaje a Pedro Sáinz Rodríguez, 3. Bd., Madrid 1986, S. 279-303; Aguilar Piñal, Francisco: Bibliografía de autores españoles del siglo XVIII, 5. Bd., Madrid 1989, S. 441-445. 96 Zum spanischen Antimachiavellismus vgl. Bleznick, Donald W.: "Spanish Reaction to Machiavelli in the Sixteenth and Seventeenth Centuries", in: JHI, 19 (1958), S. 542-550; Maravall, José Antonio: "Maquiavelo y maquiavelismo en España", in: Atti del Convegno Intemazionale su II pensiero politico di Machiavelli e la sua fortuna nel mondo, Sancasciano - Firenze, 28-29 settembre 1969, Florenz 1972, S. 67-99; Puigdomènech Forcada, Helena: Maquiavelo en España. Presencia de sus obras en los siglos XVI y XVII, Madrid 1988. 97 Zum spanischen Tacitismus vgl. Sanmarti Boncompte, Francisco: Tácito en España, Barcelona 1951; Etter, Else-Lilly: Tacitus in der Geistesgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts, Basel/Stuttgart 1966, S. 100-115; Maravall, José Antonio: "La corriente doctrinal del tacitismo político en España", in: Cuadernos Hispano
41 päischen Politik seiner Gegenwart dar. Eine Besonderheit von Sinapia ist die Verbindung von antimachiavellistischen Elementen mit einer theologischen Auffassung, die sich eindeutig dem in Spanien unterdrückten Erasmismus 98 zuordnen läßt und nicht zuletzt die Brisanz des Textes ausmachte, den weder der Autor selbst noch sein späterer Besitzer Campomanes zu veröffentlichen wagten. Hinter dem idealen Sinapia verbirgt sich ein umgekehrtes Spanien, nicht nur in geographischer, sondern auch in politischer, sozialer und religiöser Hinsicht". Doch weisen das reale Spanien und Sinapia auch Gemeinsamkeiten auf wie das Christentum als Staatsreligion oder die Symbiose verschiedener Kulturen. In Sinapia ist alles nach vernunftmäßigen Prinzipien geordnet. Die patriarchalisch strukturierte Familie bildet die Grundlage einer hierarchisch gegliederten konstitutionellen Monarchie mit demokratischen Zügen. Die Erziehung der Menschen nimmt in Sinapia einen vorrangigen Stellenwert ein 100 . Jeder sinapiense ist bemüht, seine individuelle Begabung zum Nutzen der ganzen Gesellschaft auszubilden. Die in Sinapia vorgestellte Wissenschaftsklassifikation 101 wird in einen christlichen Rahmen eingebunden, indem alle Wissenschaften als Betrachtung der Werke Gottes angesehen werden. Die Wissenschaften werden in der ersten Einteilungsstufe in die drei gleichberechtigten Klassen ciencia natural, ciencia moral, ciencia divina gegliedert. In der zweiten Einteilungsstufe wird jede der drei Klassen in drei Disziplinen aufgespalten, die mit einer Doppelbenennung charakterisiert werden, in der außer dem Fachterminus auch ihr jeweiliges Hauptanwendungsgebiet angegeben wird. Die einzelnen Disziplinen werden inhaltlich nicht weiter präzisiert, weswegen bei einigen nicht klar ist, welche Wissensbereiche durch sie abgedeckt werden. Die erste Klasse der ciencia natural besteht aus Metaphysik (metafísica o espiritual), Physik (física o corporal), Dialektik (dialéctica o humana). Die zweite Klasse der ciencia moral wird von Ethik americanos, 238/240 (Oktober/Dezember 1969), S. 645-667; Tierno Galván, Enrique: "El Tacitismo en las doctrinas políticas del Siglo de Oro español", in: id.: Escritos (1950-1960), Madrid 1971, S. 11-93. 98
Vgl. Bataillon, Marcel: Erasmo y España. Estudios sobre la historia espiritual siglo XVI, México/Buenos Aires 2 1966.
del
99
Vgl. Avilés Fernández, ed. cit. 1976, S. 134: "[...] en el sitio como en todo lo demás, es esta península perfectísimo antípode de nuestra Hispaña"; Cro, ed. cit. 1994, S. 170.
100 Im Discurso de la educación bezeichnet der Autor die Erziehung als "el mayor beneficio que se puede hacer a un hombre" (Cro, ed. cit. 1994, S. 209). 101 Vgl. Avilés Fernández, ed. cit. 1976, S. 124-134; Cro, ed. cit. 1994, S. 156-164.
42 (ética o buena crianza), Ökonomik (económica o casera), Politik (política o gobierno) konstituiert, die dritte Klasse der ciencia divina von Exegese (revelación o escritura), Dogmatik (fe o dogmática), Kirchenrecht (cánones o disciplina). In der dritten Einteilungsstufe werden alle Disziplinen in zwei Bereiche aufgegliedert, in ihre Geschichte (historia) und ihre eigentliche Lehre (doctrina). Während der Autor von Sinopia mit Ciencias die theoretischen Disziplinen bezeichnet, meint er mit Artes die praktischen. Die "artes científicas y provechosas" 102 dienen der praktischen Anwendung der durch die Ciencias theoretisch gewonnenen Erkenntnisse. Sie werden in einer einzigen Einteilungsstufe in Logik (lógica o racional), Medizin (medicina), Mechanik (mecánica) gegliedert und im Gegensatz zu den Ciencias inhaltlich näher bestimmt. Die Logik dient der Vermeidung von Irrtümern, insbesondere hinsichtlich der Sinne, der Leidenschaften und der Erziehung, und ermöglicht die Wahrheitsfindung. Sie folgt den Regeln von René Descartes (1596-1650). Mittels der Medizin werden nicht nur Krankheiten geheilt, sie erfüllt auch eine prophylaktische Funktion, da sie die Menschen lehrt, wie sie ihr Leben erhalten und verlängern können 103 . Die Mechanik dient dazu, sich die Körper in Ruhe und in Bewegung nutzbar zu machen. Auf dem Gebiet der Mechanik haben die sinapienses erstaunliche Fortschritte gemacht, da sie die Sinneswahrnehmung, die körperlichen Kräfte und die Beweglichkeit des Menschen verbessert haben und beliebige Materialien beund verarbeiten oder neu herstellen und unfruchtbare Böden Urbarmachen können. Die Einteilung der Artes ist inspiriert von Descartes' Baum der Philosophie, den dieser in einem Brief an Abbé Claude Picot darstellt. Dieser Brief erschien als Vorwort von Picots 1647 in Paris veröffentlichter französischer Übersetzung von Descartes' Principia Philosophiae (Amsterdam 1644). Descartes vergleicht die Philosophie mit einem Baum, dessen Wurzeln die Metaphysik, dessen Stamm die Physik, dessen Äste die drei Disziplinen Medizin, Mechanik, Moral sind 104 . Der Autor von Sinapia hat
102 Avilés Fernández, ed. cit. 1976, S. 127; Cro, ed. cit. 1994, S. 160. 103 Im Zusammenhang mit der Medizin wird auch die Chemie genannt, die zur Zubereitung von Arzneien dient. 104 Vgl. "Lettre de l'Autheur à celuy qui a traduit le Liure, laquelle peut icy seruir de Préfacé", in: Descartes, René: OEuvres, hrsg. von Charles Adam/Paul Tannery, 9. Bd., Paris 1904, S. 14: "Ainsi toute la Philosophie est c o m m e vn arbre, dont les racines sont la Métaphysique, le tronc est la Physique, & les branches qui sortent
43 die Moral durch die Logik ersetzt, da er die Moral zu den ciencias zählt. Tatsächlich hatte er anstelle der Logik ursprünglich "moral práctica" geschrieben, dies aber durchgestrichen 105 . In Sinapia wird eine Akademie-Utopie dargestellt, die Ergänzungen zur Klassifikation enthält 106 . In der Hauptstadt von Sinapia gibt es eine Akademie und ein Colegio. Die Akademie ist das höchste Lehrinstitut des Landes, in der folgende Wissenschaftler arbeiten: "traductores de todos géneros de lenguas, historiadores, poetas, filósofos, mecánicos, médicos, músicos, pintores, escultores, arquitectos" 107 .
Die Akademie ist, mit Ausnahme der Fächer Medizin und Mechanik, vorwiegend geisteswissenschaftlich ausgerichtet. Die Wissenschaften, deren Repräsentanten hier aufgezählt werden, stimmen mit der vorher dargestellten Wissenschaftsklassifikation nur teilweise überein, so im Falle von Medizin, Mechanik, Geschichte, Philosophie. Die übrigen Disziplinen Übersetzung, Dichtung, Musik, die drei bildenden Künste - lassen sich dagegen nicht ohne weiteres in dieses Schema einordnen. Das Colegio ist das nationale naturwissenschaftliche Forschungs- und Wissenschaftszentrum von Sinapia, dessen Wissenschaftler damit beauftragt sind, die "ciencia natural" 108 weiterzuentwickeln. Sie sind in sieben Gruppen eingeteilt, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Die mercaderes de luz bereisen das Ausland und besorgen von dort Bücher, neue Erkenntnisse und sonstige Materialen. Die recogedores werten das Gesammelte aus und filtern das heraus, was dem Fortschritt der Wissenschaften dienlich ist. Die repartidores ordnen das Material. Danach wird es von den mineros definiert und beschrieben. Die distiladores erstellen Lehrsätze auf der Basis dieser Definitionen, und die bienhechores wenden diese Lehrsätze praktisch an, indem sie mit ihnen Probleme lösen. Die aumentadores bringen die Wissenschaften auf eine höhere Stufe, indem sie aus allen bisher gewonnenen Erkenntnissen "nuevas experiencias de luz superior" 109 gewinnen. Die Organisation des Colegio wird also nicht von den Erforderde ce tronc sont toutes les autres sciences, qui se reduisent à trois principales, à sçauoir la Medecine, la Mechanique & la Morale [...]". 105 Vgl. Avilés Fernández, ed. cit. 1976, S. 125, Anm. 143. 106 Vgl. ibid., S. 125-127; Cro, ed. cit. 1994, S. 158-160. 107 Avilés Fernández, ed. cit. 1976, S. 125; Cro, ed. cit. 1994, S. 158. 108 Avilés Fernández, ed. cit. 1976, S. 126; Cro, ed. cit. 1994, S. 160. 109 Ibid. - Zum Begriff luz und zur Lichtmetaphorik im 18. Jahrhundert vgl. Alvarez de Miranda, op. cit. 1992, S. 167-210.
44 nissen einzelner Disziplinen bestimmt, sondern entspricht einer Abfolge von sieben verschiedenen Arbeitsschritten im Sinne einer nach sachlichen Gesichtspunkten ausgerichteten funktionalen Arbeitsteilung, mit der das gesamte zur Verfügung stehende Wissen geprüft, geordnet und praktisch nutzbar gemacht wird. An der Darstellung des Colegio läßt sich der Einfluß der 1623 entstandenen und vier Jahre später veröffentlichten fragmentarischen Utopie New Atlantis von Francis Bacon auf Sinapia eindeutig nachweisen und spezifizieren 110 . Die Institution des Colegio weist wesentliche Gemeinsamkeiten mit Salomons Haus auf der Insel Bensalem auf, einem Forschungsund Wissenschaftszentrum, das in New Atlantis dargestellt wird. Der Name des Colegio ist abgeleitet von der Bezeichnung College of the Six Days Works für Salomons Haus. Der Autor von Sinapia verzichtet auf die Beschreibung der zahlreichen Forschungslabors in New Atlantis und reduziert die Anzahl der verschiedenen Arbeitsgruppen von neun auf sieben. Ihr Arbeitsfeld ist nicht auf die Durchführung von naturwissenschaftlichen Experimenten eingeschränkt wie bei Bacon, sondern umfaßt die Erforschung aller Wissenschaften. Die Bezeichnung der Gelehrten entspricht teilweise genau derjenigen Bacons, die mercaderes de luz in Sinapia den Merchants of Light in New Atlantis, die repartidores den Compilers, die mineros den Miners, die bienhechores den Benefactors. Der Name aumentadores ist hingegen dem Autor von Sinapia eigen 11 Wie in Bacons New Atlantis sind auch in Sinapia Wissenschaft und Politik aufs engste miteinander verwoben, denn die wissenschaftlichen Erkenntnisse beeinflussen die politischen Entscheidungen. Die wissenschaftliche Forschung dient pragmatischen nationalen Zielen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse des Auslands sollen durch die Forschungsinstitutionen von Sinapia dem eigenen Land in einer Art splendid isolation nutzbar gemacht werden, gleichzeitig alles, was dem nach außen hin abgeschotteten Sinapia schaden kann, abgeschirmt werden. Dennoch ist die wissenschaftliche Forschung nicht autonom, da sie der politischen Zentralgewalt untersteht. 110 Vgl. Bacon, ed. cit., 3. Bd., 1859, S. 119-166. - Mittelstraß, Jürgen: Neuzeit und Aufklärung. Studien zur Entstehung der neuzeitlichen Wissenschaft und Philosophie, Berlin/New York 1970, S. 366-369; Kanthak, Gerhard: Der Akademiegedanke zwischen utopischem Entwurf und barocker Projektmacherei, Berlin 1987, S. 26-32; Krohn, Wolfgang: Francis Bacon, München 1987, S. 158-172. 111 Vgl. Avilés Fernández, ed. cit. 1976, S. 126, bzw. Cro, ed. cit. 1994, S. 158-160, mit Bacon, ed. cit., 3. Bd., 1859, S. 164-165.
45
Der Autor von Sinapia bindet zwar das Wissen grundsätzlich in einen christlichen Rahmen ein, vertritt aber dennoch eine gegen die Scholastik gerichtete Haltung, die für die neuen experimentellen Naturwissenschaften aufnahmebereit ist. Insofern setzt er sich für die Säkularisierung des Wissens ein, als die Theologie keineswegs die höchstrangige Wissenschaft ist, sondern den übrigen Disziplinen gleichberechtigt zugeordnet wird. Die Wissenschaftsklassifikation ist in manchen Punkten widersprüchlich und unklar und stimmt nicht mit den in der Akademie vertretenen Disziplinen überein. Widersprüchlich ist beispielsweise die Einordnung der Dialektik in die Ciencias und der Logik in die Artes, denn beide Disziplinen sind traditionsgemäß identisch. Der Aspekt des praktischen Nutzens von Wissen wird in Sinapia deutlich hervorgehoben. Die wissenschaftliche Arbeit ist auf das Gemeinwohl ausgerichtet und dient zur Verbesserung der Lebensqualität. Trotz aller Widersprüche und offenen Fragen ist die Klassifikation in Sinapia ein beachtenswerter Versuch eines spanischen novator, die traditionellen Schemata der artes liberales oder artes mechanicae zu überwinden und durch eine neue progressive Ordnung zu ersetzen. Der Autor von Sinapia nimmt wesentliche Themen vorweg, die in den folgenden Jahrzehnten in Spanien zum Gegenstand intensiver Diskussionen wurden. 5.2.5
Fray Martín Sarmientos Bildprogramm des Palacio Real
Am Weihnachtsabend 1734 wurde die Madrider Königsresidenz (Viejo Alcázar de los Austrias) durch eine plötzlich ausgebrochene Feuersbrunst fast völlig zerstört. König Philipp V. befahl, an der Stelle des abgebrannten Palastes einen neuen zu errichten. Anfang der vierziger Jahre stellte sich die Frage, mit welchen Statuen und Reliefs man den neuen Palacio Real ausschmücken sollte. Der König wünschte eine einzigartige skulpturale Ausstattung, durch die die Nation und die von ihm begründete spanische Dynastie der Bourbonen auf unverwechselbare Weise repräsentiert würden. Nachdem er verschiedene Entwürfe abgelehnt hatte, ließ er am 16. Mai 1743 den Benediktiner Fray Martín Sarmiento (1695-1771) bitten, einen eigenen Vorschlag zur Ausschmückung des Königspalastes auszuarbeiten 112 . Schon am 14. Juni 1743 beendete Sarmiento ein Sistema de adornos 112 Zu Sarmientos Plänen für den Palacio Real vgl. Varón Vallejo, Endosio: "Los proyectos del Padre Sarmiento sobre la decoración escultórica del Real Palacio Nuevo de Madrid y estatuas de la balaustrada exterior", in: RABM, 52 (1931), S. 101-119; Lorente Junquera, Manuel: "Los relieves marmóreos del Palacio Real de Madrid", in: Arte Español, 20 (1954), S. 58-71; Sánchez Cantón, Francisco Ja-
46 de escultura interiores y exteriores para el Nuevo Real Palacio de Madrid113, doch auch dieser Plan hat den König vermutlich nicht zufriedenstellen können, denn das ganze Vorhaben ruhte einige Jahre. König Ferdinand VI., der nach dem Tod seines Vaters 1746 die Regierungsgeschäfte übernahm, ließ am 29. Juni 1747 Sarmiento den Auftrag erteilen, auf der Basis seines Planes von 1743 eine neuerliche Ausarbeitung vorzunehmen. Am 30. August 1747 schloß Sarmiento sein zweites Projekt ab 114 , in dem er "un sistema de adornos" 115 vorschlägt, dessen Elemente eine in sich geschlossene Gesamtkonzeption ergeben. Während Sarmiento in seinem ersten Projekt von 1743 die Ausschmückung mit Themen der Künste und Wissenschaften bewußt ausgeschlossen hatte, berücksichtigt er sie dagegen im Projekt von 1747 in einem eigenen Bildprogramm, das er als Adornos del lado científico bezeichnet 116 . Es ist konzipiert als einer von vier Teilen eines umfassenderen Programms von Reliefs und Statuen, das zur Ausschmückung der Wände der Galerie des Hauptgeschosses im Innenhof des Palastes bestimmt war und folgende Themenbereiche zur Darstellung brachte: einen religiösen (Lado religioso), einen wissenschaftlichen (Lado científico), einen militärischen (Lado militar), einen politischen (Lado político). Die Reliefs sollen als Tympana in den elf Nischen über den Türen, die Statuen vor den Mauerstücken zwischen den Türen angebracht werden. Die Wissenschaften sollen in traditioneller Weise als weibliche Allegorien dargestellt werden, auf beiden Seiten flankiert von je einem Uomo illustre. Im folgenden wird das in Sarmientos Projekt von 1747 enthaltene Wissenschaftsprogramm des Lado científico unter der Fragestellung untersucht, welche Systematik der Künste und Wissenschaften ihm zugrunde vier (Hrsg.): Opúsculos gallegos sobre Bellas Artes de los siglos XVII y XVIII, Santiago de Compostela 1956, S. 149-252; Bottineau, Yves: L'Art de Cour dans l'Espagne de Philippe V, ¡700-1746, Bordeaux 1962, S. 534-541; Monterero, Conrado: "Documentos del Padre Sarmiento para el adorno exterior del Palacio Real de Madrid", in: Reales Sitios, 9. Jg., Nr. 31 (1972), S. 57-68; Plaza Santiago, Francisco Javier de la: Investigaciones sobre el Palacio Real Nuevo de Madrid, Valladolid 1975, passim; Morán Turina, José Miguel: "El Padre Sarmiento y su Sistema de adornos de escultura interiores y exteriores para el Nuevo Real Palacio de Madrid", in: RIE, 37 (1979), S. 265-283. 113 Vgl. Sarmiento/Sánchez Cantón, ed. cit. 1956, S. 155-197. 114 Vgl. "Continuación al discurso antecedente sobre el sistema de adornos del Nuevo Real Palacio de Madrid", in: ibid., S. 199-250. 115 Ibid., S. 199. 116 Vgl. ibid., S. 220-221.
47 liegt. Von den elf Reliefs sind die beiden äußeren je einem theologischphilologischen Thema gewidmet, von denen neun Wissenschaften und Künste eingerahmt w e r d e n " 7 . Sarmiento beginnt seine Beschreibung der elf Reliefs mit dem mittleren Relief und geht danach abwechselnd über auf das in der Außenrichtung auf dieses nächstfolgende jeweils rechte, dann linke. Nicht nur aus Gründen der leichteren Übersicht werden hier entgegen Sarmientos Vorgehensweise die einzelnen Reliefs von rechts nach links numeriert und in dieser Abfolge dargestellt. Die Systematik des ikonographischen Programms läßt sich am leichtesten entschlüsseln, wenn die Reliefs in ihrer Abfolge von rechts nach links betrachtet werden, also nicht in der gewohnten Leserichtung von links nach rechts, sondern in der umgekehrten, die man bei einem semitischen Text praktiziert. Auf die hier verwendete Numerierung der Reliefs in ihrer Abfolge von rechts nach links folgen in eckigen Klammern Sarmientos Zählung, das jeweilige Thema und die ihm zugeordneten beiden Uomini illustri sowie die jeweilige Institution. Dargestellt werden auf Relief Nr. 1 [10] die Drucklegung der Biblia regia mit König Philipp II., der Benito Arias Montano hierzu den Auftrag erteilt 118 , ohne Institution, auf Nr. 2 [8] Grammatik mit Marcus Terentius Varro und Elio Antonio de Nebrija, als Institution die Real Academia de la Lengua Española119, auf Nr. 3 [6] Rhetorik oder Dichtung bzw. Poetik]20 mit Homer und Vergil, als Institution "la Academia que creo hay de esa Literatura; [...] Si no hay Academia de Rhetórica se podrá suplir con el Real Colegio y Seminario de Niños Nobles" 121 , auf Nr. 4 [4] Dialektik oder Metaphysik mit Piaton und Aristoteles, als Institution die Real Academia Española de la Historia^22, auf Nr. 5 [2] Mathematik mit Euklid und Ar-
117 Für die gegenüberliegende Wand sind Reliefs mit den für die jeweilige Disziplin typischen Attributen und Gerätschaften bestimmt, auf deren Darstellung hier verzichtet wird. 118 Die Antwerpener Polyglotte (Biblia regia bzw. Plantiana) wurde auf Kosten Philipps II. unter Leitung von Arias Montano bei Plantin in Antwerpen 1569/72 in acht Bänden gedruckt. Vgl. Rekers, B.: Benito Arias Montano (1527-1598), London/Leiden 1972, S. 45-69; Hänsel, op. cit. 1991, S. 24-53. 119 Sie wurde 1713 nach dem Vorbild der Académie française della Crusca gegründet.
und der Accademia
120 Sarmiento differenziert nicht zwischen Dichtung und Poetik. 121 Sarmiento/Sánchez Cantón, ed. cit. 1956, S. 244. Sarmiento glaubt irrtümlich, es gäbe eine Rhetorik- oder Poetikakademie. 122 Die 1738 von Philipp V. gegründete Institution entstand aus einem privaten Zirkel, der sich seit Februar 1735 im Haus des Advokaten Julián de Hermosilla traf. Vgl.
48 chimedes, als Institution die Real Academia de San Fernando123,, auf Nr. 6 [1] Astronomie mit Ptolemäus und König Alfons X. dem Weisen 124 mit den astronomischen Tablas Alfonsíes125, als Institution der Instituto de los Guardamarinas126, auf Nr. 7 [3] Musik mit Pythagoras und Boethius, als Institution der Colegio de Músicos, auf Nr. 8 [5] Philosophie oder Physik mit Theophrast und Plinius, als Institution die Academia Médica Matritense127, auf Nr. 9 [7] Medizin mit Hippokrates und Galenus, als Institution die Regia Sociedad de Medicina y demás Ciencias de Sevilla, auf Nr. 10 [9] Theologie mit dem Heiligen Augustinus und Heiligen Thomas, als Institution die Universität von Cervera 128 , auf Relief Nr. 11 [11], ohne Attribute, die Ausgabe der Biblia complutense mit Francisco Jiménez de Cisneros (1436-1517) und Juan de Vergara (1492-1557) und, nur umrißhaft skizziert, die Trauer über den Oficio mozárabe, den Cisneros wieder einrichtete'».
Kaufmann, Gisela: Die Akademiebewegung München 1981, S. 95-261.
in Spanien im 18. Jahrhundert,
1. Bd.,
123 Sie befand sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Gründungsphase. Vgl. Bédat, Claude: L'Académie des Beaux-Arts de Madrid ¡744-1808, Toulouse 1973; Tárraga Baldó, María Luisa: "Primer proyecto de Giovan Domenico Olivieri para fundar una Academia de Bellas Artes en Madrid", in: El Arte en las Cortes Europeas del siglo XVIII, Madrid 1989, S. 733-739. 124 Zu Sarmientos Verhältnis zu Alfons X. vgl. Buck, Donald C.: "Alfonso X as Role Model for the Eighteenth-Century Ilustrados", in: RQ, 33 (1986), S. 263-268, hier S. 264-265. 125 In den 1272 entstandenen Tablas Alfonsíes werden die Bahnen der Sonne, des Mondes, der Planeten und großer Sterne beschrieben. Alfons ließ sich in seinem Castillo de San Servando in Toledo eigens ein Observatorium einrichten. Vgl. Procter, Evelyn S.: Alfonso X of Castile, Patron of Lite rature and Learning, Oxford 1951, S. 9; Sayvetz, Aaron: "On the Alfonsine Astronomical Tables", in: RQ, 33 (1986), S. 343-347. 126 Gemeint ist vermutlich die 1717 von José Patino in Cádiz gegründete Escuela Guardias Marinas.
de
127 Nach dem Vorbild der 1700 gegründeten Regia Sociedad de Medicina y demás Ciencias de Sevilla, der ersten spanischen Medizinakademie, entstand 1733 die Academia Médica Matritense als private tertulia, die 1738 durch eine Real Cédula offiziell anerkannt wurde. 128 Die 1717 von Philipp V. gegründete Universität von Cervera wurde von Jesuiten geleitet. Vgl. Abellán, op. cit., 3. Bd., 1981, S. 439-448. 129 Mit Oficio mozarabe ist die mozarabische Liturgie gemeint, der einzige nicht-lateinische Ritus der Westkirche. Sie ist westgotischen Ursprungs und wurde von den Christen unter moslimischer Herrschaft praktiziert.
49 Die zum Wissenschaftsprogramm gehörenden zehn Statuen für die Mauerstücke zwischen den Türen gibt Sarmiento paarweise an: Seneca und Quintilian, Hyginus und Columella, Lukan und Martial, Averroes und Moses Maimonides, El Tostado und Arias Montano. Die ersten sechs Weisen sind allesamt antike lateinische Schriftsteller, deren Herkunftsland Spanien war und die traditionsgemäß von den Spaniern als Landsleute reklamiert wurden. Daß Sarmiento mit dem Araber Averroes und dem Juden Moses Maimonides zwei Andersgläubige berücksichtigt, die beide als Gelehrte, Philosophen und Ärzte im 12. Jahrhundert in Spanien lebten, rechtfertigt er mit ihrer Weisheit und damit, daß sein Programm nicht einseitig, sondern repräsentativ sein soll 130 . El Tostado 131 vertritt die Gelehrsamkeit des 15. Jahrhunderts und Arias Montano die des 16. Jahrhunderts. Die von den beiden äußeren Reliefs eingerahmten neun Disziplinen lassen sich in ihrer Abfolge von rechts nach links in drei Blöcke von jeweils drei Reliefs einteilen. Grammatik (Nr. 2 [8]), Rhetorik (Nr. 3 [6]), Dialektik (Nr. 4 [4]) bilden den ersten Block. Er entspricht grundsätzlich dem Trivium der sieben artes liberales132, doch in erweiterter Form. Indem Sarmiento die Rhetorik mit der Dichtung bzw. Poetik verbindet und der Dialektik außer der Metaphysik auch die Geschichte, repräsentiert durch die Real Academia Española de la Historia, zuordnet, knüpft er an die Tradition der studia humanitatis an. Den zweiten Block bilden Mathematik (Nr. 5 [2]), Astronomie (Nr. 6 [1]), Musik (Nr. 7 [3]). Inhaltlich entspricht er dem Quadrivium der artes liberales, wobei Sarmiento allerdings dessen vier Disziplinen Arithmetik, 130 Vgl. Sarmiento/Sánchez Cantón, ed. cit. 1956, S. 221. 131 El Tostado, der Erzbischof von Avila Alfonso de Madrigal ( 1400?-1455), verfügte über ein sprichwörtliches Wissen. Er verfaßte lateinische und volkssprachliche philosophisch-juristische, politische und theologische Schriften. Als aufschlußreiches Dokument zur Rezeption von El Tostado im 18. Jahrhundert vgl. Viera y Clavijo, Joseph de: "Elogio de don Alonso Tostado, obispo de Avila, premiado por la Real Academia Española, en junta que celebró el día 15 de octubre de 1782", in: Memorias de la Academia Española, 1. Jg., 2. Bd. ( 1870), S. 602-628. 132 Daß die Tradition der artes liberales Sarmiento vertraut war, ergibt sich aus einem in seinem Erziehungstraktat von 1768 verzeichneten Merkspruch, in dem sie zusammen mit Attributen genannt werden. Vgl. La educación de la juventud de Fray Martín Sarmiento, hrsg. von José Luis Pensado, Salamanca 1984, S. 110: "Las artes liberales, que se comprehenden en el verso siguiente: Lingua: Tropus: Ratio: Numerus: Tonus: Angulus: Astra; que son las siete Artes Liberales, comenzando por la Grammàtica; Rhetórica; Dialéctica: Arithmética; Música; Geometría y Astronomía". Derselbe Merkspruch findet sich auch in Palominos Malereitraktat. Vgl. Palomino, ed. cit. 1947, S. 168, Anm. 17.
50 Geometrie, Musik, Astronomie auf drei reduziert, indem er Arithmetik und Geometrie in der Mathematik zusammenfaßt. Die Astronomie ist, gemäß den ergänzenden Angaben zu der ihr zugeordneten Institution, nicht nur um Kosmographie und Geographie erweitert, Sarmiento hat auch die übliche Reihenfolge von Musik und Astronomie umgedreht, damit die Astronomie die zentrale und damit exponierteste Stelle in der Mitte der Adornos del lado científico einnimmt. Durch die Zuordnung der Real Academia de San Fernando zur Mathematik, für die es damals noch keine repräsentative Institution in Spanien gab, werden Malerei und Bildhauerei zumindest indirekt in das Wissenschaftssystem integriert. Damit erkennt Sarmiento die Bemühungen derjenigen spanischen Künstler an, die sich dafür einsetzten, daß die bildenden Künste zu artes liberales aufgewertet werden sollten. Der dritte Block - konstituiert von Philosophie bzw. Physik (Nr. 8 [5]), Medizin (Nr. 9 [7]), Theologie (Nr. 10 [9]) - entspricht den traditionellen höheren Wissenschaften, hinsichtlich derer die artes liberales als Propädeutikum angesehen werden. Sarmientos Bildprogramm wurde nicht realisiert. Zwar wurden seit dem Frühjahr 1753 Bildhauer mit der Ausführung beauftragt, so daß sogar einige Reliefs fertiggestellt wurden, doch Anfang 1760 wurden alle noch laufenden Arbeiten von König Karl III., dem Nachfolger Ferdinands VI., gestoppt. Sarmientos historische Sichtweise impliziert die Rückbesinnung auf die spanische Gelehrsamkeit von der Antike bis zur unmittelbaren Gegenwart. Dadurch daß die großen Philosophen der griechischen Antike einbezogen werden, wird die spanische Gelehrsamkeit in den Gesamtzusammenhang der abendländischen Bildungstradition eingebunden. Repräsentiert durch Uomini illustri, finden sowohl die lateinische Antike in Spanien als auch Mittelalter und Siglo de Oro Berücksichtigung. Die Errungenschaften der Gegenwart finden ihren Ausdruck in unter der Regierung Philipps V. gegründeten Akademien und Lehrinstituten. Sarmiento verbindet in seinem ikonographischen Programm nicht nur die intellektuellen, aufklärerischen Bestrebungen seiner Zeit mit den kulturellen und wissenschaftlichen Höhepunkten der spanischen Vergangenheit. Gleichzeitig macht er den Anspruch der Kirche im Bereich des Wissens deutlich. Die sieben artes liberales und die höheren Wissenschaften bilden zwar grundsätzlich noch den Kern von Sarmientos Wissenschaftsprogramm, aber erweitert durch eine Vielzahl neuer Disziplinen. Zu den innovatorischen Zügen des Programms gehört die Integration von Medizin, Mathematik, Physik u.a. in die
51
divisio philosophiae. Sarmientos Bildprogramm ist ein Versuch, die traditionellen kulturellen Errungenschaften mit den neuen Disziplinen und ihrem auf der Basis von konkreter Erfahrung und Experimenten gewonnenem Wissen in Einklang zu bringen. Insofern steht er in der Tradition der novatores. Im Hinblick auf den intellektuellen Anspruch und die inhaltliche Aussage ist Sarmientos Bildprogramm vergleichbar dem der artes liberales in der Bibliothek des Escorial. 5.2.6
Ignacio de Luzán
Innovatorische Ansätze zur Emanzipation der schönen Künste finden sich im Werk des durch seinen langjährigen Aufenthalt in Italien geprägten Ignacio de Luzán Claramunt de Suelves y Guerra (1702-1754). Das System der artes liberales, das für Palomino noch Gültigkeit besitzt, ist für Luzán, der ohne Zweifel von den frühen französischen Traktaten, die den Beaux Arts gewidmet sind, beeinflußt ist, bedeutungslos. In seiner Arte de hablar, o sea, Retórica de las conversaciones, einer 1729 in Italien entstandenen Rhetorik des kultivierten Gesprächs ("el bien hablar"), bezeichnet er die Regeln als das allen Artes gemeinsame Charakteristikum 133 . Als Beispiel führt Luzán das Regelwerk der Malerei an. Die Vorstellung von der idea in der Malerei überträgt er auf die sprachliche Kommunikation 134 . Luzáns Anwendung von Parametern der Malerei auf die Kunst des bien hablar ist beeinflußt von den Thesen der italienischen Malereitraktate der Renaissance, insbesondere die des späten Manierismus. In La poética o reglas de la poesía en general y de sus principales especies (Zaragoza 1737) bemüht sich Luzán um eine eindeutige Definition der Dichtung und bestimmt ihre Funktion 135 . Er grenzt die Dichtung ab von 133 Vgl. Luzán, Ignacio de: Arte de hablar, o sea, Retórica de las conversaciones. Se añaden los Avisos de Isócrates a Demònico, traducidos del griego, hrsg. von Manuel Béjar Hurtado, Madrid 1991, S. 76: "Todos los artes consisten en aquellas reglas y medios que enseñan para conseguir su fin y para dar en el blanco al cual miran". - Béjar Hurtado, Manuel: "Un manuscrito de Don Ignacio Luzán: La Retórica de las conversaciones", in: MLN, 92 (1977), S. 227-245. 134 Vgl. Luzán, ed. cit. 1991, S. 78: "Es, finalmente, muy semejable la habla a la pintura [...]. Un diestro pintor forma en su imaginación una perfecta idea del objeto, según su intento y su fin, antes de trasladarlo en la tabla con los colores. Así, antes de hablar se ha de pensar: el pensamiento es la idea; las palabras son los colores". 135 Vgl. Luzán, Ignacio de: La poética o reglas de la poesía en general y de sus principales especies (Ediciones de 1737y ¡789). Con "Las memorias de la vida de don Ignacio de Luzán", escritas por su hijo, hrsg. von Isabel M. Cid de Sirgado, Madrid 1974. - Fernández González, Francisco: Historia de la crítica literaria en
52 den anderen Artes Malerei, Bildhauerei, Tanz, Musik und weiteren, nicht namentlich genannten nachahmenden Künsten 136 . Die Trennung zwischen Wissenschaften und Künsten ist insofern vollzogen, als er die Wissenschaften hier gar nicht mehr nennt und die Künste ganz selbstverständlich als zusammengehörige Gruppe präsentiert, auch wenn er sie nicht als schöne Künste bezeichnet, sondern bloß als Artes. Die schönen Künste stehen für ihn nicht im Mittelpunkt der Betrachtung, sie dienen ihm lediglich dazu, die Position der Dichtung klarer zu bestimmen. Luzán betrachtet die Nachahmung nicht als das Wesen der Dichtung, da diese auch den anderen Künsten eignete, aber gerade die Nachahmung dient ihm als das Prinzip, unter dem er alle schönen Künste einschließlich der Dichtung als "artes imitadoras" 137 subsumiert - fast ein ganzes Jahrzehnt, bevor Batteux dies in Les Beaux Arts réduits à un même principe von 1746 für die Beaux Arts ebenso tut. Luzán definiert die Dichtung als "imitación de la naturaleza en lo universal o en lo particular, hecha con versos, para utilidad o para deleite de los hombres, o para uno y otro juntamente" 1 3 8 .
Die schönen Künste sind nicht untereinander gleichberechtigt, sondern werden von Luzán in ihrem Verhältnis zur Dichtung in einer Rangfolge angeordnet. Dichtung und Malerei hält Luzán, entsprechend dem Allgemein-
Espana desde Luzdn hasta nuestros dias, con exclusiön de los autores que aün viven, Madrid 1867, S. 12-22; Menendez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 115-124; Borghini, Vittorio: Problemi d'estetica e di cultura nel Settecento spagnolo (Feijöo - Luzdn - Arteaga), Genua 1958, S. 137-178; Cook, John A.: Neoclassic Drama in Spain. Theory and Practice, Dallas 1959, S. 19-64; Puppo, Mario: "Fonti italiane settecentesche della Poetica di Luzän", in: Lettere Italiane, 14 (1962), S. 265-284; Neriich, Michael: Untersuchungen zur Theorie des klassizistischen Epos in Spanien (1700-1850), Genf/Paris 1964, S. 19-29; Krömer, Wolfram: Zur Weltanschauung, Ästhetik und Poetik des Neoklassizismus und der Romantik in Spanien, Münster 1968, S. 66-67, 106-110; Makowiecka, Gabriela: Luzän y su Poetica, Barcelona 1973; Michel, Karin: Ignacio de Luzdn: La Poetica (1737). Untersuchungen zur Frage ihrer Einordnung im Hinblick auf antike und italienische Vorbilder, Köln 1984; Wentzlaff-Eggebert, Christian: "Luzäns Stiltheorie und die Aufklärung in Spanien", in: Roloff, Volker (Hrsg.): Tradition und Modernität. Aspekte der Auseinandersetzung zwischen "Anciens" und "Modernes", Essen 1989, S. 45-57; Baader, Renate: "Ignacio de Luzän und die poetologische 'Unehre' des spanischen Theaters", in: Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte, 18(1994), S. 190-201. 136 Vgl. Luzän, ed. cit. 1974, S. 93-94. 137 Ibid., S. 95. 138 Ibid.
53 platz des ut pictura poesis, für gleichwertig 139 . Musik und Tanz sind der Dichtung untergeordnet, denn sie sind nur "adornos advenedizos de la poesia" 140 . Wie weit Luzän noch von der Auffassung der schönen Künste als ästhetischem Gegenstand entfernt ist, wird offensichtlich in seiner Unterordnung der Dichtung und der übrigen Artes unter Politik und Moral, die er als Einheit auffaßt. Luzän postuliert, daß alle Artes ausschließlich dem provecho dienten, außer der Dichtung, die in sich provecho und deleite vereinige 141 . Je nach Absicht des Dichters erfüllt die Dichtung drei Ziele, nämlich erstens utilidad, zweitens deleite oder drittens sowohl utilidad als auch deleite142. Die Kombination von deleite und provecho verleiht der Dichtung ihre politisch-moralische Effizienz, die sie vor allen anderen Artes auszeichnet. Da Luzän in seiner Poetica die unterschiedlichsten Traditionsstränge bündelt, ist es ihm nicht immer gelungen, aus dem heterogenen Quellenmaterial ein einheitliches Gedankengebäude zu errichten. Die innovatorischen Ansätze zur Autonomie der schönen Künste und ihre Trennung von den Wissenschaften, die er ansatzweise entwickelt, konkurrieren in der Poetica mit der traditionellen Auffassung von der Einheit der "artes y ciencias" 143 , denn in ihnen - so führt Luzän in einem längeren Abschnitt, in dem er die Dichtung unter dem Aspekt der Nützlichkeit (utilidad) betrachtet 144 , aus - diene die Dichtung als Lehrmeisterin, zur Belehrung in Moral, Politik, Kriegskunst, Ökonomie oder Geographie.
139 Vgl. ibid., S. 101: "[...] llámase la poesía pintura de los oídos y la pintura poesía de los ojos". 140 Ibid., S. 94. 141 Vgl. ibid., S. 106. - In seinem Jugendwerk Arte de hablar beschreibt Luzán das Ziel der Dichtung schon genauso. Vgl. Luzán, ed. cit. 1991, S. 143: "Todo lo que es obra de la sola fantasía pertenece de derecho a la poesía, y alguna vez se concede a la oratoria. Los poetas son gente fantástica, muy dominada de esta potencia. Su fin principal es deleitar y enseñar, o enseñar deleitando". 142 Vgl. Luzán, ed. cit. 1974, S. 95 und 97. 143 Ibid., S. 126. 144 Vgl. ibid., S. 117-129.
54 5.2.7
Fray Benito Jerónimo Feijoo y Montenegro
Der Benediktiner Fray Benito Jerónimo Feijoo y Montenegro (1676-1764) entwickelt keine systematische Klassifizierung der Künste und Wissenschaften, was durchaus dem essayistisch-assoziativen Charakter seiner Texte entspricht 145 . In der Themenfiille des Teatro crítico universal und der Cartas eruditas y curiosas, die von 1726 bis 1760, also in einem Zeitraum von dreieinhalb Jahrzehnten, erschienen, sind einige Abhandlungen bestimmten Disziplinen gewidmet, in anderen einzelne Gedanken und Bemerkungen zu den Künsten und Wissenschaften enthalten, oft an Stellen, wo man sie nicht unbedingt erwarten würde. Bemerkenswert ist nicht nur der grundlegende Wandel einiger diesbezüglicher Anschauungen Feijoos im Laufe der Jahre, sondern auch die Vielfalt an Begriffen, die er verwendet. Den wechselnden Benennungen entspricht eine variable Zahl an Ordnungskriterien. In Música de los templos im ersten Band des Teatro crítico von 1726 schreibt Feijoo:
universal
"Todas las artes intelectuales, de cuyos primores son con igual autoridad jueces el entendimiento y el gusto, tienen un punto de perfección, en llegando al cual, el que las quiere adelantar, comunmente las echa á perder" l 4 6 .
Die Musik gehört zu den artes intelectuales, und aus weiteren Beispielen, die Feijoo anführt, ergibt sich, daß er auch Rhetorik und Dichtung dazuzählt 147 . Es ist nicht klar, ob er mit artes intelectuales nur die schönen Künste meint oder noch die Konzeption der artes liberales mit erweitertem Fächerkanon. Als Hauptkonstituente der artes intelectuales bezeichnet er die Schönheit, die vom Rezipienten gleichermaßen von Vernunft und Geschmack erfaßt und beurteilt wird, eine andere Eigenschaft ihre Historizität, denn die artes intelectuales unterliegen dem Wandel der Zeiten, mit Höheund Tiefpunkten ihrer Entwicklung. In Honra y provecho de la agricultura im achten Band des Teatro crítico universal von 1739 bewertet er die Artes nach ihrer Nützlichkeit. Demnach rangiert die Landwirtschaft vor den übrigen Artes, da sie lebensnotwendig sei, wohingegen die Gesellschaft, wie Feijoo in Berufung auf 145 Der Klassifikation der Künste und Wissenschaften im Werk Feijoos ist bisher nur ansatzweise erörtert worden. Vgl. Martín Moreno, Antonio: El padre Feijoo y las ideologías musicales del XVIII en España, Orense 1976, S. 76-80. 146 Feijoo y Montenegro, Fray Benito Jerónimo: Obras escogidas, l.Bd., hrsg. von Vicente de la Fuente, Madrid 1924 (= BAE, 56), S. 37-44, hier S. 40. 147 Vgl. ibid.: "la latinidad, oratoria y poesía".
55
Columella ausführt, auf die "artes, que sirven meramente á la diversión", zu denen Tanz sowie Instrumental- und Vokalmusik gehören, ebenso verzichten könne wie auf die juristischen Disziplinen ("las causídicas" 148 ). Wenige Jahre später ändert Feijoo seine negative Bewertung der Musik grundlegend in seinem Essay Maravillas de la Música y cotejo de la Antigua con la Moderna im ersten Band der Cartas eruditas y curiosas von 1745. Er nennt die Musik hinsichtlich der künstlerischen Leistungen der antiken Griechen im Zusammenhang mit "todas las demás Artes"149, nämlich Malerei, Bildhauerei, Dichtung. Hier sind erstmals eindeutig im Werk Feijoos vier der schönen Künste gruppiert, ohne daß sie als solche explizit bezeichnet werden. In La Eloquencia es Naturaleza, y no Arte im zweiten Band von 1745 vergleicht Feijoo die Rhetorik mit "las artes factivas" 150 , insbesondere mit der Malerei 151 . Mit "artes factivas" bezeichnet Feijoo hier ausschließlich die bildenden Künste 152 , wobei auffällig ist, daß diese im Gegensatz zu Dichtung und Musik in seinem Werk nur an wenigen Stellen erwähnt werden 1 «. 148 Ibid., S. 456-467, hier S. 461. 149 Feijoo: Cartas eruditas, y curiosas, en que, por mayor parte, se continúa signio del Theatro Crítico Universal, impugnando, ó reduciendo a dudosas, opiniones comunes, 1. Bd., Madrid 1765, S. 402-410, hier S. 408.
el devarías
150 Ibid., 2. Bd., 1765, S. 51-64, hier S. 56. 151 Während für die Beherrschung der Rhetorik seiner Meinung nach keine Regeln notwendig sind, könne in der Malerei ohne das Studium der Regeln nicht einmal eine mittelmäßige Leistung erbracht werden. 152 In der Widmung an den König im dritten Band von 1750 zählt Feijoo Malerei, Bildhauerei, Architektur auf und unterteilt die Architektur in zivile, militärische, nautische. Dieselbe Binnengliederung der Architektur vertritt Francisco Martínez in seinem Lexikon der bildenden Künste. Vgl. Feijoo: "Dedicatoria que hizo el Autor al Rey Nuestro Señor Don Fernando el Justo", in: ibid., 3. Bd., 1765, unpag.; Martínez, Francisco: Introducción al conocimiento de las Bellas Artes, ó Diccionario manual de Pintura, Escultura, Arquitectura, Grabado, &c., Madrid 1788, S. 31. 153 Montero Díaz hat dieses Manko zu erklären versucht und im wesentlichen drei Gründe angeführt: erstens Feijoos zurückgezogene Lebensweise, die ihm wenig Gelegenheit zu Reisen gegeben hat, zweitens seine innere Disposition und seine persönlichen Interessen, für die Musik und Literatur adäquatere künstlerische Medien waren, drittens die Dekadenz der bildenden Künste in Spanien während seiner Lebenszeit. - Zu Feijoos Verhältnis zu den bildenden Künsten vgl. Montero Díaz, Santiago: Las ideas estéticas del padre Feijoo, Santiago 1932, S. 63-67; Cobo Barquera, Juan José: "Feijoo y las artes del diseño", in: BBMP, 4 0 (1964), S. 167181; Seoane, Luis: "El Padre Feijoo y las artes visuales", in: Fray Benito Jerónimo
56 Im dritten und vierten Band der Cartas eruditas y curiosas von 1750 bzw. 1753 findet sich eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffe und Ordnungssysteme für die Künste und Wissenschaften 154 . In El deleyte de la Música, acompañado de la virtud, hace en la tierra el noviciado del Cielo verwendet Feijoo die Begriffe "Artes recreativas"155 bzw. "Artes delectables" 156 , unter denen die Musik den höchsten Rang einnimmt. Außer der Musik nennt Feijoo an einer anderen Stelle des Textes noch Malerei, Bildhauerei, Architektur, Rhetorik 157 . Abgesehen davon, daß statt der Dichtung die Rhetorik genannt wird, handelt es sich hier um die Konzeption der schönen Künste. Ohne dies als Widerspruch zu empfinden, rekurriert Feijoo im selben Text auch auf das traditionelle System der sieben artes liberales, indem er die Musik mit den übrigen sechs Disziplinen dieser Klassifikation vergleicht und zu dem Ergebnis kommt, daß ihr allenfalls die Rhetorik ebenbürtig sei 158 . Hier stellen einerseits die "Artes recreativas" bzw. "Artes delectables", andererseits die sieben artes liberales zwei nebeneinander existierende, gleichermaßen gültige Ordnungsprinzipien dar, denen beiden die Musik angehört 159 . joo y Montenegro. Estudios reunidos en conmemoración del II" centenario de su muerte (1764-1964), La Plata 1965, S. 211-221; Otero Pedrayo, Ramón: El Padre Feijoo, Orense 1972, S. 444-451. 154 In Paralelo de Luis XIV. Rey de Francia, y Pedro el Primero, Czar, o Emperador de la Rusia wählt Feijoo die Formel Ciencias y Artes als Oberbegriff für eine Reihe von ohne Systematik aufzählten Disziplinen, die von Peter dem Großen praktiziert werden: "[...] sin embargo de los máximos negocios que siempre le ocuparon se instruyó en varias Ciencias, y Artes, de modo, que fue Matemático, Filosofo, excelente General de las Tropas de Tierra, habilísimo Almirante para las de Mar, Político insigne, Historiador, Piloto, Arquitecto Naval, &c. Raro genio! Portentosa capacidad!" (Feijoo, ed. cit., 3. Bd., 1965, S. 235-253, hier S. 253). In Sobre el adelantamiento de Ciencias, y Artes en España. Y apología de los Escritos del Autor subsumiert er einzelne Disziplinen unter den Begriffen artes liberales und mechanicae: "La Agricultura, la Nautica, el Arte Militar, la Arquitectura: en una palabra, todas las Artes Liberales, y Mecanicas [...]" (ibid., S. 412-455, hier S. 442-443). 155 Ibid., 4. Bd., 1765, S. 1-37, hier S. 2. 156 Ibid., S. 12 und 13. 157 Vgl. ibid., S. 30-31. 158 Vgl. ibid., S. 6: "Todo el mundo debe confesar, que de las otras seis Artes liberales, la única que puede entrar en concurrencia con la Música, ó pretender la ventaja, es la Rhetorica, ú Oratoria". 159 Vgl. ibid., S. 13: "Añado que de la Historia Sagrada no solo consta esta grande antigüedad absoluta de la Música, mas también su anterioridad de existencia, ó, digámoslo asi, su decanato respecto de las demás Artes liberales; y aun de todas
57
In Responde el Autor á un Tertulio que deseaba saber su dictamen en la question de si en la prenda de el Ingenio exceden unas Naciones á otras verwendet Feijoo erstmals den Begriff "buenas Artes"160 zur Bezeichnung der Künste und Wissenschaften, ohne zu spezifizieren, welche Disziplinen er meint. Auch hier benutzt er im selben Text die traditionellen Begriffe artes liberales und mecánicas, denen er vier andere Disziplinen voranstellt161. In seiner Widerlegung von Rousseaus erstem, von der Académie de Dijon preisgekrönten Discours sur les Sciences et les Arts verwendet Feijoo zur Bezeichnung der Künste und Wissenschaften außer "las buenas letras"162 die Begriffe "Ciencias humanas"163, "Letras Humanas"164, "las Ciencias, ó Letras Humanas"165. In der Widmung an König Karl III. im fünften Band von 1760 nennt Feijoo als einige der "Ciencias, o Artes", in denen sich der Herrscher besondere Verdienste erworben habe, "la Tactica, la Nautica, y la Fortificación, ö Arquitectura Militar", schließlich die Politik als "Arte de las Artes, y Ciencia de las Ciencias, Ars Artium, & Scientia Scientiarum hominem regere"166.
aquellas que sirven al deleyte, sin exigirlas la necesidad [...] de todas las Artes liberales, y aun de todas las delectables la mas conatural á nuestra racional naturaleza es la Música". 160 Ibid., 4. Bd., 1765, S. 164-177, hier S. 169. 161 Feijoo schreibt über die Bewohner von Moskau: "Oy florece entre ellos el estudio de la Filosofía, Mathematica, Política, Arte Militar, las Liberales, y Mecanicas, sin que las qualidades de el terreno, ó la atmosfera sean otras de lo que eran antes" (ibid., S. 169-170). 162 "Impúgnase un temerario, que á la question propuesta por la Academia de Dijón, con premio al que la resolviese con mas acierto; si la ciencia conduce, ó se opone á la práctica de la virtud', en una Disertación pretendió probar ser mas favorable á la virtud la ignorancia que la ciencia", in: ibid., S. 241-276, hier S. 253 und 256. Feijoos vom 20. Oktober 1752 datierte Ausführungen basieren lediglich auf einer Besprechung von Rousseaus Discours im Journal de Trévoux. Rousseau wird zwar nicht namentlich genannt, doch wurden hier erstmals in Spanien seine Ideen vorgestellt. Vgl. Spell, Jefferson Rea: "Rousseau's 1750 Discours in Spain", in: HR, 2 (1934), S. 334-344; id.: Rousseau in the Spanish World befare 1833, New York 1969, S. 20-27; Bermúdez-Cañete, Federico: "Notas sobre la influencia de Rousseau en España", in: Argente del Castillo, Concepción (Hrsg.): Homenaje al profesor Antonio Gallego Morell, 1. Bd., Granada 1989, S. 209-221. 163 Feijoo, ed. cit., 4. Bd., 1765, S. 268. 164 Ibid. 165 Ibid., S. 269. 166 "Dedicatoria que hizo el Autor al Rey Nuestro Señor Don Carlos III", in: ibid., 5. Bd., 1765, unpag.
58 Im selben Band legt Feijoo in Disuade a un amigo suyo el Autor el Estudio de la Lengua Griega; y le persuade el de la Francesa von 1760167 seine Theorie der Translatio artiumi6S dar, die er bereits im vierten Band der Cartas eruditas y curiosas von 1753 kurz skizziert hat169. Er entwickelt eine diachrone und synchrone Einteilung der Künste und Wissenschaften nach den verschiedenen Nationalsprachen. Feijoo will die Meinung widerlegen, das Griechische sei die Quelle jeglicher Bildung170. "[...] todas Ciencias, y Artes Liberales 1 7 1 , pues todas se comprehenden debaxo del nombre de Doctrina: voz que significa lo mismo, que E r u d i c i ó n " , 7 2 .
Der Begriff Erudición hat nach Feijoo zwei Bedeutungen. In seiner ersten Bedeutung als Bildung ist er synonym mit den Begriffen "Humani-
167 Vgl. ibid., S. 407-433. 168 Zum Begriff Translatio artium vgl. Worstbrock, Franz Josef: "Translatio artium. Über die Herkunft und Entwicklung einer kulturhistorischen Theorie", in: Archiv für Kulturgeschichte, 47 (1965), S. 1 -22. 169 Vgl. "Responde el Autor á un Tertulio que deseaba saber su dictamen en la question de si en la prenda de el Ingenio exceden unas Naciones á otras", in: Feijoo, ed. cit., 4. Bd., 1765, S. 164-177, hier S. 169: "Los Griegos, tan orgullosos un tiempo con su saber, que trataban de barbaros á todos los demás habitadores de el mundo, oy pueden ser tratados de barbaros de aquellas mismas Naciones, ä quienes llamaban bárbaros ellos. Transmigraron las escuelas, y las ocasiones de su uso, de la Grecia á otros Reynos; y con ellas transmigró de aquella gente á otras la reputación de hábiles para las Ciencias, y las Artes". 170 Vgl. ibid., 5. Bd., 1765, S. 409. - Manuel Lanz de Casafonda (1721-1785) wendet sich in seinen im Oktober 1761 entstandenen Diálogos de Chindulza entschieden gegen Feijoos abschätzige Bewertung des Griechischen und vertritt die Meinung, die Kenntnis des Griechischen sei notwendig und die antiken Texte müßten im Original gelesen werden. Vgl. Lanz de Casafonda, Manuel: Diálogos de Chindulza:, hrsg. von Franciso Aguilar Piñal, Oviedo 1972, S. 38-48. - Sempere y Guarinos, Juan: Ensayo de una biblioteca española de los mejores escritores del reynado de Carlos III, 2. Bd., Madrid 1785, Nachdruck ibid. 1969, S. 144-151; Bertini, Giovanni Maria: "Conversazioni di due italiani dopo un viaggio in Ispagna (sec. XVIII)", in: Convivium, 4 (1932), S. 740-749; Aguilar Piñal, Francisco: Bibliografía de autores españoles del siglo XVIII, 5. Bd., Madrid 1989, S. 37-38. 171 Die Wendung "Ciencias, y Artes liberales" läßt sich bereits in Erauso y Zavaletas ein Jahrzehnt zuvor erschienenem Discurso Critico belegen. Vgl. Erauso y Zavaleta, Thomás de: Discurso Critico sobre el origen, calidad, y estado presente de las Comedias de España, contra el Dictamen, que las supone corrompidas, y en favor de sus mas famosos Escritores el Doctor Frey Lope Felix de Vega Carpió, y Don Pedro Calderón de la Barca. Escrito por un Ingenio de esta Corte, Madrid 1750, S. 256. 172 Feijoo, ed. cit., 5. Bd., 1765, S. 409.
59 dades, ö Letras Humanas, ö Buenas Letras, o Bella Literatura" 173 . Seine zweite Bedeutung entspricht den "Observaciones Gramaticales"' 7 4 . Wie sich im Laufe der Zeit die Sprachen verändern, so ändert sich die Funktion, die sie für die Völker erfüllen. In der Antike war das Griechische von Nutzen und umfaßte das gesamte Gebiet der Künste und Wissenschaften. Seine Funktion hat das Lateinische übernommen. In der Neuzeit dient das Lateinische nur mehr als theologische Sprache ("la Lengua del Santuario" 175 ). Seine übrigen Funktionen sind auf die drei Sprachen Italienisch, Spanisch und Französisch aufgeteilt worden. Das Französische ist unabdingbar für die Wissenschaften und die artes mechanicae ("todas las Ciencias, y Artes útiles" 176 ), das Italienische für die vier schönen Künste Dichtung, Musik, Malerei, Bildhauerei ("las Artes de gusto, y deleyte, quales son la Poesía, la Música, la Pintura, y la Estatuaria" 177 ). Dem Spanischen weist er kein spezielles Anwendungsgebiet zu. Vor allen anderen modernen Sprachen besitzt das Französische den Vorrang als führende Bildungssprache. In der Bewertung der Disziplinen hat das Kriterium der "utilidad" 178 den Vorrang vor "deleyte" bzw. "delectabilidad" 179 . Feijoo rekurriert einerseits auf traditionelle Wissenschaftssysteme, die aber nur mehr Leerformeln darstellen, übernimmt und entwickelt andererseits neue Ordnungen und vermischt Altes und Neues miteinander. Feijoos Wandel in seinem Verhältnis zu den Künsten und Wissenschaften vollzieht sich im wesentlichen in drei Entwicklungsschritten. In seinen vor der Jahrhundertmitte erschienenen Schriften läßt sich die Herausbildung der Konzeption der schönen Künste beobachten, unter denen er unterschiedliche Disziplinen subsumiert. Anfang der fünfziger Jahre haben für ihn die artes liberales und die schönen Künste noch gleichermaßen Geltung, wobei letztere die fünf Disziplinen Musik, Malerei, Bildhauerei, Architektur, Rhetorik umfassen. Anfang der sechziger Jahre wird die Ordnung der artes liberales von der der schönen Künste mit den vier Disziplinen Dichtung, Musik, Malerei, Bildhauerei abgelöst. In seiner Theorie der
173 Ibid., S. 410. 174 Ibid. 175 Ibid., S. 424. 176 Ibid. 177 Ibid. 178 Ibid., S. 412 und 422. 179 Ibid., S. 412.
60 Translatio artium favorisiert Feijoo die drei romanischen Sprachen Italienisch, Spanisch und Französisch als Bildungssprachen der Neuzeit. Die Veränderungen in der Terminologie und Wertung der Disziplinen und die Integration neuer Wissenschaften in die divisio philosophiae, die sich hier im Werk eines einzigen Autors nachweisen lassen, indizieren die allmähliche Loslösung vom traditionellen System der artes liberales und artes mechanicae und das Bemühen um eine neue Systematik der Künste und Wissenschaften, mit der sich eine Realität, die mit herkömmlichen Beschreibungsmustern nicht mehr ausreichend wiedergegeben werden kann, adäquat erfassen läßt. Hinsichtlich der Systematik der Künste und Wissenschaften manifestiert sich in Feijoos Texten eine Phase der Orientierungslosigkeit voller Unsicherheiten und tastender Suche nach neuen Ordnungskriterien. 5.3
Spanische Klassifikationen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde der Prozeß der Emanzipation der schönen Künste von den Wissenschaften fortgesetzt. Mitte der achtziger Jahren war er endgültig abgeschlossen. Die schönen Künste wurden als autonome Gruppe unter Oberbegriffen wie Artes bellas, Artes de gusto etc. subsumiert. 5.3.1 Kombinationen traditioneller und innovatorischer Klassifikationen Wie ein Anachronismus mutet es an, wenn Fray Celedonio Nicolás de Arce y Cacho (1739-1795) in einem Kapitel seiner 1782 beendeten Conversaciones sobre la escultura (Pamplona 1786) ganz im Sinne der spanischen Malereitraktate den Nachweis erbringen will, daß die bildenden Künste (beilas Artes) zu den artes liberales gehören, einem Ordnungssystem, das zu diesem Zeitpunkt längst seine Gültigkeit verloren hat 180 . Doch gerade in 180 Der vollständige Titel lautet Conversaciones sobre la escultura. Compendio histórico, teórico y práctico de ella, para la mayor ilustración de los jóvenes dedicados a las bellas Artes de Escultura, Pintura y Arquitectura; luz a los aficionados y demás individuos del dibujo. Obra útil, instructiva y moral. Es ist ein Dialog zwischen Vater und Sohn, bestehend aus insgesamt zweiundzwanzig Unterhaltungen. Die Conversación XIII trägt die Überschrift Explicación sobre las bellas Artes, por qué son liberales. Vgl. Pardo Canalís, Enrique: "Las Conversaciones sobre la escultura de D. Celedonio Nicolás de Arce y Cacho", in: RIE, 5 (1947), S. 337-352;
61
den bildenden Künsten läßt sich feststellen, daß die Bezeichnung artes liberales noch lange beibehalten wird - nicht zuletzt, weil gerade den Malern der lange Kampf um die Anerkennung ihrer Disziplin als ars liberalis bewußt ist. Daß es noch in den siebziger Jahren als Neuheit empfunden wird, daß die Malerei bella arte genannt wird, läßt sich mit einer Passage aus Mengs' an Ponz gerichtete Carta von 1776 belegen. Mengs bezeichnet die Malerei zunächst als arte liberal, wie sie schon von den antiken Griechen genannt worden sei - dies ist allerdings ein historischer Irrtum - , und schreibt, daß neuerdings statt arte liberal auch die Bezeichnung "bella arte" 181 für die Malerei benutzt werde. Der neue Begriff erscheint ihm gerechtfertigt, da jedes Gemälde schön sein müsse: "[...] toda pintura debe tener belleza, sin la cual será siempre defectuosa" 182 . Er begründet den Begriff bella arte also mit einem Axiom seiner ästhetischen Theorie. Die achtziger Jahre sind eine Zeit des Übergangs, in der sich die neue Konzeption der schönen Künste im heutigen Sinne noch nicht endgültig durchgesetzt hat und man sie mit dem traditionellen Schema der artes liberales in Einklang zu bringen versucht. Aus diesem Bemühen resultieren Klassifikationen, in denen traditionelle Elemente mit innovatorischen kombiniert sind. Antonio Xavier Pérez y López hält in seinem Discurso sobre la honra y deshonra legal (Madrid 1781)183 die Einteilung in artes liberales und artes mechanicae zwar bei, meint aber mit ersteren, die er auch als artes nobles bezeichnet, nicht die sieben traditionellen Disziplinen, sondern einen erweiterten Fächerkanon, den er in die zwei Klassen der schönen Künste und der Wissenschaften aufteilt 184 . Die erste Klasse umfaßt die fünf Disziplinen Malerei, Bildhauerei, Architektur, Musik, Rhetorik. Den bildenden Künsten wird ohne weiteres der Rang von artes liberales zugesprochen, die Dichtung bleibt unerwähnt. Die zweite Klasse wird von Logik, id.: "Don Celedonio Nicolás de Arce y Cacho", in: Goya, 69 (1965), S. 224-227; León Tello, Francisco José/Sanz Sanz, María Merced Virginia: Tratados neoclásicos españoles de pintura y escultura, Madrid 1980, S. 369-390, 394-445, 509-515, 540-541. 181 "Carta de don Antonio Rafael Mengs [...] al autor de esta obra", in: Ponz, Antonio: Viaje de España, seguido de los dos tomos del Viaje fuera de España, hrsg. von Casto María del Rivero, Madrid 1947, S. 565-582, hier S. 566. 182 Ibid.,S. 566. 183 Vgl. Elorza, Antonio: "La polémica sobre los oficios viles en la España del siglo XVIII", in: RT, 22 (1968), S. 69-283, hier S. 93-136. 184 Vgl. ibid., S. 115-116.
62 Geometrie, Arithmetik, Astronomie konstituiert, zu denen Pérez y López bemerkt, daß man sie eher als Ciencias denn als Artes bezeichnen müsse, da sie auf festen, nachweisbaren Prinzipien beruhten. In seinen Principios del orden esencial de la naturaleza (Madrid 1785) unterscheidet Pérez y López "artes prácticas" 185 und "artes de gusto" 186 . Obwohl er nicht weiter ausführt, aus welchen Disziplinen sie im einzelnen bestehen, sind ohne Zweifel mit ersteren die artes mechanicae, mit letzteren die schönen Künste gemeint. Wie Pérez y López versucht Esteban de Terreros y Pando in seinem von 1786 bis 1788 in drei Bänden erschienenen Diccionario castellano, traditionelle und neue Konzeptionen miteinander zu vereinbaren. In seiner Definition des Begriffs Arte finden außer dem Charakteristikum der Regeln auch Kriterien wie Erfindungsgabe und eigene Erfahrungen Berücksichtigung 187 . Die Begriffe artes liberales und artes mecánicas werden jeweils zweimal erläutert, an unterschiedlichen Stellen des Lexikons. Die erste Definition der artes liberales und beide Definitionen der artes mecánicas entsprechen der Tradition 188 , wohingegen sich in der zweiten Definition der artes liberales neue Elemente finden. Der Begriff artes liberales erscheint unter dem Lemma liberal mit einem Verweis auf den Begriff Buenas artesl&9, der definiert wird als "las artes liberales [...] tales son la Poesía, Música, Pintúra, Arquitectúra, Arte Militär, Marinería, &c. Todos los grandes Principes han favorecido las artes liberales, y su decadencia es señal segura de la ruina de un estado" 1 9 0 .
185 Pérez y López, Antonio Xavier: Principios del orden esencial de la naturaleza, establecidos por fundamento de la moral y política, y por prueba de la religión. Nuevo sistema filosófico, Madrid 1785, S. 211. 186 Ibid., S. 213. 187 Vgl. Terreros y Pando, Esteban de: Diccionario castellano con las voces de ciencias y artes y sus correspondientes en las tres lenguas francesa, latina é italiana, 1. Bd., Madrid 1786, S. 162: "ARTE, un conjunto de preceptos, y reglas, de invención, y experiencias, que habiéndose observado, hacen que se consiga el instrumento, ó fin que se desea". 188 Er definiert die artes liberales ais "las que son nobles, honestas, y en que trabaja mas el entendimiento que las manos" (ibid., S. 162), die artes mechanicae ais "aquellas en que trabaja mas el cuerpo que el alma, ó las manos que la razón" (ibid.) bzw. ais "las que se gobiernan por la mecánica, á distinción de las liberales" (ibid., 2. Bd., 1787, S. 550). 189 Ibid., 2. Bd., S. 447. 190 Ibid., l . B d . , S. 282.
63 Die Buenas artes sind auf keine bestimmte Anzahl festgelegt, und die genannten Disziplinen gehören außer der Musik allesamt nicht zum traditionellen Kanon der artes liberales. Dichtung, Musik, Malerei, Architektur entsprechen den schönen Künsten, wohingegen Militärwesen und Nautik traditionellerweise zu den artes mechanicae gezählt werden und hier deswegen aus dem Rahmen fallen. Terreros y Pando macht durch seinen Verweis deutlich, daß der Begriff Buenas artes die Bezeichnung artes liberales ersetzt im Sinne der schönen Künste, deren inhaltliche. Bestimmung jedoch noch heterogen ist. In den beiden Lemmata zu Buenas Letras erfaßt Terreros y Pando beide Bedeutungen dieses Begriffs, die sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts feststellen lassen 191 . Im ersten Lemma gibt er die übliche Bedeutung von Buenas Letras als Synonym für den Begriff Ciencias im Sinne von enzyklopädischer Bildung an 192 , im zweiten hat die Bezeichnung Buenas Letras bzw. der Gallizismus Bellas letras die neue spezielle Bedeutung der durch Literatur vermittelten Bildung im Sinne von philologischen und historischen Kenntnissen 193 . Leandro Fernández de Moratín (1760-1828) entwirft in seiner in den achtziger Jahren entstandenen, 1789 in Madrid erschienenen satirischen Jugendschrift La derrota de los pedantes ein fiktionales Bildprogramm zum Thema der Wissenschaften und Künste 194 , in dem sich Einflüsse der Bibliotheksfresken des Escorial und von Saavedra Fajardos República literaria erkennen lassen 195 . Der Text steht in der literarischen Tradition der Jen-
191 Vgl. Alvarez de Miranda, op. cit. 1992, S. 448-454. 192 Vgl. Terreros y Pando, op. cit., 1. Bd., 1786, S. 282: "en general se dice de todas las ciencias, que pueden hacer sabio". 193 Vgl. ibid.: "se dice comunmente de las letras humanas. Fr. Belies lettres. Lat. Lítterae, artes, erudítio. It. Lettere, scienza, erudizione. Algunos dicen en Castellano Bellas letras". 194 Vgl. Fernández de Moratín, Leandro: La derrota de los pedantes. Lección hrsg. von John Dowling, Barcelona 1973, S. 47-95, hier S. 63-65.
poética,
195 Diego Saavedra Fajardos (1584-1648) República literaria (Alcalá 1670) ist eine als allegorisches Traumbild gestaltete Satire über den Mißbrauch der Wissenschaften. Es werden verschiedene Wissenschaften aufgezählt und deren Fachvertreter kritisiert. Vgl. Saavedra Fajardo, Diego: Obras completas, hrsg. von Angel González Palencia, Madrid 1946, S. 1129-1191. - Sánchez Moreno, José: "Estimación del arte en la obra de Saavedra Fajardo", in: Monteagudo, 7 (1954), S. 1017; Checa Cremades, Fernando/Morán Turina, José Miguel: "Las ideas artísticas de Diego de Saavedra Fajardo", in: Goya, 161/162 (März/Juni 1981), S. 324-331;
64 seitsreisen zum Parnaß, die in Spanien durch Cervantes' El Viaje del Parnaso von 1614 präsent ist 196 . Ein pedantischer Dichter wird von Merkur zum Palast des Apoll geführt, und sie betreten eine kostbar ausgestattete Halle, in der sie von Apoll, an der Stirnseite thronend und umgeben von den sieben Musen und den berühmtesten spanischen Schriftstellern, erwartet werden. Auf dem großflächigen Gewölbe des repräsentativen Raumes befinden sich prächtige Gemälde, auf denen die Ursprünge und Fortschritte der Wissenschaften und Künste gezeigt werden. Fernández de Moratin betont die intensive Wirkkraft der Darstellungen auf den Betrachter, in dessen Seele sie eine kontemplative Betrachtung über die Artes197 als die erhabensten Gegenstände überhaupt auslösen. Das kombinierte Bildverfahren von allegorischer Darstellung, Uomini illustri und historias, wie es in den Bibliotheksfresken des Escorial zu sehen ist, wird zwar von Fernández de Moratin noch grundsätzlich benutzt, aber in freier, unsystematischer Weise. Er legt das Schwergewicht auf die historias, in denen die Artes zwar als allegorische Gestalten, aber nicht in statischer Haltung, sondern als aktive Protagonisten in signifikanten, historisch einmaligen Handlungen gezeigt werden. Meist wird nur eine charakteristische historia vorgestellt, anhand derer es dem Leser überlassen bleibt, die jeweilige ars zu identifizieren. Die Protagonisten der historias der ersten fünf Artes sind Gruppen anonymer Menschen, die der folgenden Uomini illustri, allesamt Repräsentanten der griechischen Antike. Fernández de Moratin versinnbildlicht folgende Disziplinen: Architektur, Geometrie, Malerei, Schiffahrt, Astronomie, Bildhauerei, Jurisprudenz mit Charakteristika der Moral und der Politik, des weiteren Dichtung, Ethik, Theater unter Mitwirkung der Musik, Philosophie, Rhetorik. Ihre disparate, ungeordnete Abfolge indiziert die endgültige Auflösung der traditionellen Klassifikationsmuster. Im Mittelpunkt von Fernández de Moratins Darstellung stehen nicht die Wissenschaften und Künste, sondern die handelnden Menschen. Die Forderung nach Freiheit ist die wesentliche Aussage seines Bildprogramms 198 . An einem idealisierten antiken Griechenland macht er deutlich, daß die Freiheit Blecua, Alberto: "Las Repúblicas literarias y Saavedra Fajardo", in: El 1 (1984), S. 67-97; Scholz-Hansel, op. cit. 1987, S. 73-75. 196 Vgl. Cervantes Saavedra, Miguel de: Obras completas, Prat, Madrid 1956, S. 65-108.
Crotalón,
hrsg. von Angel Valbuena
197 Fernández de Moratin verwendet eingangs nur den Begriff Artes, im weiteren Verlauf der Bildbeschreibung auch die Wendung las ciencias y las artes. 198 Zum Begriff libertad S. 319-348.
im 18. Jahrhundert vgl. Alvarez de Miranda, op. cit. 1992,
65 des tätigen Menschen die entscheidende Voraussetzung für den Fortschritt der Wissenschaften und Künste ist199. Fernández de Moratin rekurriert in seinem Bildprogramm auf traditionelle Elemente, verzichtet aber auf deren Systematisierung. Indem er seine Forderung nach Freiheit in Künsten und Wissenschaften in der Tradition verankert, legitimiert er sie durch die Fiktion einer historischen Perspektive. 5.3.2
Die Konsolidierung der schönen Künste
Ein früher Beleg für die von Batteux und der Encyclopédie beeinflußte Konzeption der schönen Künste in Spanien findet sich in dem am 20. Januar 1766 vor der Real Sociedad Vascongada de los Amigos del País gehaltenen Vortrag Del buen gusto en la literatura des Conde de Peñaflorida200. Er behandelt den buen gusto in den fünf schönen Künsten ("Bellas Letras y Artes" 201 ) Beredsamkeit, Dichtung, Architektur, Bildhauerei, Malerei. Unter Bellas Letras subsumiert er Beredsamkeit und Dichtung, unter Bellas Artes die bildenden Künste202. Von ihnen grenzt er die Ciencias ab, denen die Wahrheit obliege 203 . Auf die Musik kommt er am Schluß des Vortrags zu sprechen, aber nicht im Zusammenhang mit der Erörterung des Geschmacks, sondern unter dem Aspekt ihrer Nützlichkeit für die Sozietät204. Er zählt auch die Musik zu den Bellas Artes. Conde de Peñaflorida ist bestrebt, den schönen Künsten, die an sich bloß angenehm sind, nützliche Seiten abzugewinnen 205 . Tomás de Iriarte (1750-1791) verbindet in seinem Lehrgedicht La música (Madrid 1779) zwar noch Wissenschaften und Künste in der Wen199 Vgl. Fernández de Moratin, ed. cit. 1973, S. 64: "[...] a más distancia se veían florecer las ciencias y las artes a la sombra de la libertad". 200 Vgl. Areta Armentia, Luis María: Obra literaria de la Real Sociedad Vascongada de los Amigos del País, Vitoria 1976, S. 73-122, 371-408 (Edition des Textes). Zum Vortrag des Conde de Peñaflorida vgl. infra, S. 2 7 2 - 2 7 6 . 201 Ibid., S. 375. 202 Vgl. die Bezeichnung "estas Artes" (ibid., S. 377) für die bildenden Künste. 203 Vgl. ibid., S. 375: "[...] las Ciencias que tienen por objeto la verdad [...]". - Vgl. Batteux, op. cit. 1773/1969, S. 79: "Le vrai est l'objet des Sciences. Celui des Arts est le bon & le beau [...]". 204 Vgl. Areta Armentia, ed. cit. 1976, S. 405. 205 Vgl. ibid.: "No sólo mezcla vuestro instituto, según el precepto de Horacio, lo agradable con lo útil, juntando lo abstracto de las Ciencias matemáticas con lo ameno de las Bellas Artes, sino que aun pasa a hacer útil lo que por sí es meramente agradable".
66 dung "las ciencias y las artes bellas" 206 miteinander, hebt gleichzeitig aber durch das Adjektiv beilas ihren Unterschied hervor. Die von Iriarte dargestellte Versammlung von sieben Künsten in der Real Academia de San Fernando entspricht der neuen Auffassung von den schönen Künsten. Es sind die vier bildenden Künste Architektur, Malerei, Bildhauerei, Gravierkunst sowie Dichtung, Rhetorik, Musik. Der Jesuit Juan Andrés (1740-1817), der seit dem Verbot seines Ordens im Jahre 1767 in Italien lebte, vertritt im ersten Band seines Werks Dell'origine, progressi e stato attuale d'ogni letteratura von 1782 die Zweiteilung in schöne Künste (belle lettere) und Wissenschaften (scienze) und gliedert letztere in Naturwissenschaften (scienze naturali) und theologische Wissenschaften (scienze ecclesiastiche)201. Die Wissenschaftsklassifikation in d'Alemberts Discours préliminaire lehnt er ab, da sie nur bedingt gültig sei in bezug auf das Verhältnis einzelner Disziplinen zu bestimmten geistigen Fähigkeiten des Menschen, ungeeignet jedoch zur systematischen Darstellung der Wissenschaften und ihrer historischen Entwicklung. Auch für Gaspar de Molina y Saldívar, Marqués de Ureña (1741-1806), ist die Trennung zwischen Wissenschaften und schönen Künsten selbstverständlich, denn in seinen Reflexiones sobre la arquitectura, ornato, y música del templo (Madrid 1785) erwähnt er nur noch die schönen Künste, unter denen er die fünf Disziplinen Dichtung, Musik, Malerei, Bildhauerei, Architektur subsumiert 208 . Gelegentlich nennt er im Zusammenhang mit 206 Vgl. "La música, Poema", in: Colección de obras en verso y prosa de D. Tomás de Yriarte, l . B d . , Madrid 1787, S. 137-298, hier S. 290-298. - Cotarelo y Mori, Emilio: Iriarte y su época, Madrid 1897, S. 195-211; Subirá, José: El compositor lriarte (1750-1791), 1. Bd., Barcelona 1949, S. 63-87; Cox, Ralph Merritt: Tomás de lriarte, New York 1972, S. 73-78; Martin Moreno, Antonio: Historia de la mùsica española, 4. Bd. (Siglo XVIII), Madrid 1985, S. 283-288; Zavala, Iris M.: "Textual Pluralities: Readings and Readers of Eighteenth-Century Discourse", in: Godzich, Wlad/Spadaccini, Nicholas (Hrsg.): The Institutionalization of Literature in Spain, Minneapolis 1987, S. 245-265, hier S. 253-254. 207 Vgl. Andrés, Giovanni: Dell'origine, 1. Bd., Parma 1782, S. III-IV, 1-2.
progressi
e stato attuale d'ogni
letteratura,
208 Vgl. Molina y Saldívar, Marqués de Ureña, Gaspar de: Reflexiones sobre la arquitectura, ornato, y música del templo: contra los procedimientos arbitrarios sin consulta de la Escritura Santa, de la disciplina rigorosa, y de la crítica facultativa, Madrid 1785, S. 23. - Cambiaso y Verdes, Nicolás María de: Memorias para la biografía y para la bibliografía de la isla de Cádiz. Reedición de los dos primeros volúmenes, impresos en Madrid en 1829 y primera edición del tercer volumen inédito, hrsg. von Ramón Corzo Sánchez/Margarita Toscano San Gil, Cádiz 1986, S. 127-132; Anglés, Higinio/Subirá, José: Catálogo musical de la Biblioteca
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der Dichtung auch die Rhetorik, aber beide Disziplinen sind eigenständig. Entsprechend ihrer Wirkung auf die inneren oder äußeren Sinne nimmt er eine Zweiteilung der Künste vor: Mit den inneren Sinnen (sentidos internos) werden Rhetorik und Dichtung aufgenommen, mit den äußeren Sinnen (sentidos externos) "los objetos visibles, oibles, ö palpables" 209 , die von den drei bildenden Künsten und der Musik dargeboten werden 210 . In dem am 23. März 1786 erschienenen Faszikel der Zeitschrift El Censor2u, dessen anonymer Autor sich gegen einige seiner Meinung nach negative Entwicklungen in der Musik richtet212, wird die Musik den Künsten Dichtung, Rhetorik 213 , Architektur, Malerei, Bildhauerei zugeordnet.
Nacional de Madrid, 3. Bd., Barcelona 1951, Nr. 312, S. 332-334; León Tello, op. cit. 1974, S. 399-405; Sanz Sanz, Maria Merced Virginia: "El marqués de Ureña y el neoclasicismo gaditano", in: Goya, 151 (Juli/August 1979), S. 19-23; id.: "La teoría de la belleza y de la creación artística del marqués de Ureña", in: RIE, 37 (1979), S. 209-220; Demerson, Paula de: "El viaje por Europa del marqués de Ureña (1787-1788)", in: Homenaje a José Antonio Maravall, 1. Bd., Madrid 1985, S. 457-472; Sanz Sanz, María Merced Virginia: "La teoría del arte en el reinado de Carlos III: mimesis, Einfühlung y Semiótica en la estética del marqués de Ureña", in: El Arte en las Cortes Europeas del siglo XVU1, Madrid 1989, S. 687-693; id.: "La teoría española de la creación artística en tiempos de Carlos III", in: El Arte en tiempo de Carlos III, Madrid 1989, S. 457-466, hier S. 463-465; Pemán Medina, María (Hrsg.): El viaje europeo del marqués de Ureña (1787-1788), Madrid 1992. 209 Marqués de Ureña, op. cit. 1785, S. 26. 210 Vgl. ibid., S. 32-33. 211 Vgl. El Censor. Obra periódica, comenzada a publicar en 1781 y terminada en 1787, hrsg. von José Miguel Caso González, Oviedo 1989, hier 5. Bd., Discurso XCVII, S. 525-548. Der Artikel ist mit "Q.S.M.B." signiert. Zur Datierung vgl. ibid., S. 786. - Krauss, Werner: "Motivrepertoire einer spanischen Zeitschrift des 18. Jahrhunderts", in: IR, 1 (1969), S. 73-80; El Censor (1781-1787), hrsg. von Elsa Garcia-Pandavenes, Barcelona 1972 [Anthologie mit Introducción der Herausgeberin, S. 19-56]; Caso González, José Miguel: "La crítica religiosa de El Censor y el grupo ilustrado de la condesa de Montijo", in: Mate, Reyes/Niewöhner, Friedrich (Hrsg.): La Ilustración en España y Alemania, Barcelona 1989, S. 175-188; Sánchez-Blanco, op. cit. 1992, S. 182-193. 212 Er verlangt den Vorrang der Melodie vor der Harmonie, die Einfachheit des Gesangs und die Bewahrung der Verständlichkeit des vertonten Textes durch Beachtung von dessen Rhythmus und Prosodie seitens der Komponisten und durch eine deutliche Artikulation seitens der Sänger, und er wendet sich gegen die Neigung vieler Instrumentalisten zu übertriebenen Verzierungen und exzessiver manueller Akrobatik. 213 Die Rhetorik wird als "Eloqüencia" (El Censor, ed. cit. 1989, S. 526) bzw. "Oratoria" (ibid., S. 531) bezeichnet. Vermieden wird offensichtlich der traditionelle Name Retórica.
68 Alle sechs Künste werden unter dem Oberbegriff "bellas Letras, y Artes"214 bzw. "Artes bellas" 215 zusammengefaßt. Das Charakteristikum aller Künste ist die Schönheit (belleza), die ihnen allerdings in dem Maße verloren geht, in dem sie an Einfachheit einbüßen 216 . Die allen Künsten gemeinsame Aufgabe ist es, im Rezipienten auf angenehme Weise die Wirkung der Rührung hervorzurufen, und zwar mittels des von ihnen dargestellten Objekts, nicht aber durch die Zurschaustellung der Geschicklichkeit des Künstlers217. Eher beiläufig wird die "imitación de la naturaleza"218 als gemeinsames Prinzip aller Künste erwähnt 219 . Juan Pablo Forner zählt in seinem Discurso sobre el modo de escribir y mejorar la historia de España von 1788 als "todas las artes de imitación" 220 folgende sechs Disziplinen auf: Dichtung, Rhetorik, Malerei, Bildhauerei, Musik, Geschichte 221 . Esteban de Arteaga (1747-1799) widmet seine Investigaciones filosóficas sobre la Belleza ideal, considerada como objeto de todas las artes de imitación von 1789 ausschließlich den schönen Künsten 222 . Bereits im Titel des Werks bringt er zum Ausdruck, daß er die Nachahmung der Natur als 214 Ibid., S. 526. Im Gegensatz zu Terreros y Pando werden die "bellas Letras" inhaltlich nicht als literarische Bildung, sondern als schöne Künste bestimmt. 215 Ibid., S. 546. 216 Vgl. ibid., S. 526-527. 217 Vgl. ibid., S. 528: "El objeto de un Poeta, y de un Orador, el de un Arquitecto, un Pintor, y Estatuario es el de mover agradablemente nuestro corazon ácia el objeto que nos representan, no ácia la mano que lo ofrece. Deben olvidarse de sí mismos para mover únicamente nuestras pasiones". 218 Ibid., S. 545. 219 Der Anonymus hebt die verwandtschaftliche Nähe der Musik zu Dichtung und Rhetorik hervor, da sie vom selben "numen" (ibid., S. 531) beseelt würden und Wort und Musik in ihrem Zusammenwirken ihre jeweilige Intensität steigerten. 220 Fomer, Juan Pablo: Discurso sobre el modo de escribir y mejorar la historia España. Informe fiscal, hrsg. von François Lopez, Barcelona 1973, S. 114.
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221 Die Geschichte bezeichnet er als "una pintura escrita" (ibid.). - Zur Aufwertung der Geschichte vgl. Jüttner, Siegfried: "Der Aufklärer als Historiker. Ein politischer Mythos im Zeichen des aufgeklärten Absolutismus", in: id. (Hrsg.): Spanien und Europa im Zeichen der Aufklärung. Internationales Kolloquium an der Universität-GH-Duisburg vom 8.-11. Oktober 1986, Frankfurt a.M. u.a. 1991, S. 109-126. 222 Vgl. Arteaga, Esteban de: La belleza ideal, hrsg. von Miguel Batllori, Madrid 1943 (Rez. in: Memorial Literario, November 1789, S. 333-341). - Sempere y Guarinos, op. cit., 1. Bd., 1785, S. 126-128; Batllori, Miguel: "Filosofía, ciencia y arte, según Esteban de Arteaga", in: RIE, 3 (1945), S. 387-393.
69 Ziel 223 und die Schönheit als Charakteristikum aller Künste betrachtet. Arteaga setzt als selbstverständlich voraus, daß die Künste ein autonomer, von den Wissenschaften unabhängiger Bereich sind, und faßt sie meist unter den Oberbegriffen "artes imitativas" oder "artes representativas" zusammen 224 . In der zweiten Einteilungsstufe gliedert Arteaga sie in beilas artes und bellas letras entsprechend der in ihnen vorrangig angewendeten Ausdrucksmittel 225 . In den bellas artes kommen die natürlichen Ausdrucksmittel (medios naturales) zur Anwendung, die mittels Gesichts- und Gehörsinn wahrgenommen werden. Die medios naturales definiert er als "las señales de que la naturaleza se sirve para expresar externamente las sensaciones, fantasías o afectos interiores del ánimo" 226 , also beispielsweise Weinen, Lachen, unartikulierte Laute und Bewegungen aller Art. In den bellas letras werden die vom Menschen geschaffenen, konventionalisierten Ausdrucksmittel (medios de convención) wie Sprache, Zahlen oder Symbole angewendet. In der dritten Einteilungsstufe ordnet Arteaga den bellas artes die beiden bildenden Künste Malerei und Bildhauerei - die Architektur wird nicht erwähnt 227 - , Musik 228 , Tanz, Pantomime zu. Zu den bellas letras gehören Dichtung, Rhetorik, Geschichte. Der aus Valencia gebürtige Jesuit Antonio Eximeno y Pujades (17291808), der sich nach der Ausweisung seines Ordens seit 1767 in Rom niedergelassen hatte, veröffentlichte dort 1774 sein in italienischer Sprache verfaßtes Werk Dell'origine e delle rególe della música, colla storia del suo progresso, decadenza e rinnovazione, das den Anlaß gab für eine mit Heftigkeit geführte Polemik über die Kirchenmusik zwischen dem Verfas-
223 Vgl. Arteaga, ed. cit. 1943, S. 11. 224 Als Synonyme verwendet Arteaga auch die Begriffe "artes pertenecientes al gusto" (ibid., S. 11), "artes imitadoras" (ibid., S. 34), "artes de imitación" (ibid., S. 52). Mayáns y Sisear hingegen bezeichnet in seiner Arte de pintura von 1776 nur die bildenden Künste als "artes representativas de la naturaleza" (Mayáns y Sisear, ed. cit., 5. Bd., 1986, S. 143-144; vgl. ibid., S. 189-195). 225 Vgl. Arteaga, ed. cit. 1943, S. 21-23. 226 Ibid., S. 21. 227 Arteaga schreibt an einer anderen Stelle über die Architektur, sie gehöre nicht zur "esfera" (ibid., S. 106) der artes de imitación. 228 Arteaga beachtet nicht "la importancia de la notación musical" (León Tello, Francisco José/Sanz Sanz, María Merced Virginia: Tratadistas españoles del Arte en Italia en el siglo XVIII, Valencia 21981, S. 96).
70 ser und Padre Giambattista Martini (1706-1784) 229 . Es erschien in der spanischen Übersetzung von Francisco Antonio Gutiérrez unter dem Titel Del origen y reglas de la música 1796 in Madrid230. Eximenos aus drei Klassen bestehende Einteilung der "artes humanas" nach den Funktionen, die sie für den Menschen erfüllen, entspricht im wesentlichen derjenigen Batteux'231. Die erste Klasse konstituieren diejenigen Artes, die auf die Bequemlichkeit und die Grundbedürfnisse des Menschen zielen, nämlich Maschinenbau ("maquinaria"), Botanik, Medizin. Die zweite Klasse bilden die "artes de ingenio"232, die Eximeno auch als "artes de gusto"233 bezeichnet: Malerei, Dichtung, Musik234. An anderer Stelle nennt er noch die Rhetorik (elocuencia)235. Die dritte Klasse wird von den artes mixtas, nämlich Architektur und artes mechanicae, gebildet, deren Aufgabe darin besteht, die zur Bequemlichkeit des Menschen bestimmten Werke mit dem buen gusto zu schmücken. Die artes mixtas vereinigen also in sich Charakteristika der ersten und zweiten Klasse. Von den artes de gusto unterscheidet Eximeno die ciencias, von denen er lediglich Physik und Metaphysik
229 Vgl. Wiechens, Bernward: Die Kompositionstheorie und das kirchenmusikalische Schaffen Padre Martinis, Regensburg 1968, S. 1-2 und passim; Stefani, Gino: "Padre Martini e l'Eximeno: bilancio di una celebre polemica sulla musica di chiesa", in: Nuova Rivista Musicale Italiana, 4 (1970), S. 463-481; León Tello/ Sanz Sanz, op. cit. 1981, S. 329-333. 230 Vgl. Eximeno, Antonio: Del origen y reglas de la música, con la historia de sus progresos, decadencia y restauración. Obra escrita en italiano por el abate Don Antonio Eximeno y Pujades. Y traducida al castellano por Don Francisco Antonio Gutiérrez, capellán de S.M. y maestro de capilla del Real convento de religiosas de la Encarnación de Madrid, 3 Bde., Madrid 1796. Edition des ersten Buches und von Teilen des dritten Buches: Eximeno, Antonio: Del origen y reglas de la mùsica, hrsg. von Francisco Otero, Madrid 1978. - Sempere y Guarinos, op. cit., 3. Bd., 1786, S. 5-11; Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 135-137; Pedrell, Felipe: P. Antonio Eximeno, Valencia 1920; Pollin, Alice M.: "Toward an Understanding of Antonio Eximeno", in: Journal of the American Musicological Society, 10 (1957), S. 86-96; León Tello, Francisco José: La estética musical de Eximeno, Valencia 1969; id., op. cit. 1974, S. 266-347; Stevenson, Robert: "Eximeno (y Pujades), Antonio", in: NGDMM, 6. Bd., London 1980, S. 323; León Tello/Sanz Sanz, op. cit. 1981, S. 285-333, 369-372. 231 Vgl. Eximeno, ed. cit. 1978, S. 180. 232 Vgl. ibid., S. 182 und 184. 233 Vgl. ibid., S. 59, 237, 285. 234 Batteux nennt außerdem Bildhauerei und Tanz. 235 Vgl. ibid., S. 182.
71
nennt 236 . Während die artes de gusto die "objetos puramente ideales" betreffen, widmen sich die ciencias den "objetos reales" 237 . Eximenos zwischen 1798 und 1802 entstandener Roman Don Lazarillo Vizcardi enthält keine explizit dargestellte Klassifikation, eine solche ist dennoch implizit im Text enthalten. Es lassen sich grundlegende Unterschiede zu Del origen y reglas de la música erkennen, die zeigen, daß sich Eximenos Auffassungen im Laufe der Jahre gewandelt haben. In Don Lazarillo Vizcardi benutzt er die Bezeichnung "artes de genio" 238 für Musik, Dichtung, bildende Künste. Zu den bildenden Künsten ("artes del diseño" 239 ) zählt er Malerei, Bildhauerei, Architektur. Die Musik unterteilt Eximeno in Instrumental-, Opern-, und Kirchenmusik 240 . Die Rangfolge der Künste ergibt sich aus ihrer spezifischen Wirkung. Demnach sind Dichtung und Musik die beiden höchstrangigen Künste, da sie gleichermaßen Körper und Seele ansprechen. Weniger Wirkung üben dagegen die bildenden Künste aus, denn sie tangieren nur den Körper. Eximeno begründet dies damit, daß die Kunstfertigkeit (arte) nur auf den Körper wirke, die Natürlichkeit (naturaleza) aber auf Körper und Seele gleichzeitig 241 . Da Malerei und Bildhauerei die Kunstfertigkeit nie verhehlen können, berühren sie nur den Körper, nicht aber die Seele 242 , weswegen sie unter dem Aspekt ihrer Wirkung Musik und Theater unterlegen sind. Eximeno räumt allerdings ein, daß zwischen Theorie und realer Praxis eine große Diskrepanz besteht, da sich die bildenden Künste im Gegensatz zur Musik so vorteilhaft entwickelt hätten, daß sie als Leitbilder für die Musik fungieren,
236 Vgl. ibid., S. 237. 237 Ibid. - Die Trennung der Künste und Wissenschaften ist für Eximeno also offensichtlich selbstverständlich, selbst wenn er, was nicht ganz klar ist, unter ciencias auch Disziplinen der ersten und dritten Klasse seiner Wissenschaftseinteilung verstehen sollte. 238 Eximeno, Antonio: Don Lazarillo Vizcardi. Sus investigaciones músicas con ocasión del concurso a un magisterio de capilla vacante, recogidas y ordenadas por el P. Antonio Eximeno y Pujades, 2 Bde., hrsg. von Francisco Asenjo Barbieri, Madrid 1872/73, hier l.Bd., S. 3, 11, 12, 126, 222 und passim. - Zu Eximenos Roman vgl. infra, S. 309-315. 239 Ibid., l.Bd., S. 37. 240 Vgl. ibid., S. 3: "tres principales ramos, instrumental, teatral y de Iglesia". 241 Dies bedeutet keineswegs, daß die Kunstfertigkeit in Dichtung und Musik nicht vorhanden sei, sie muß jedoch so verborgen bleiben, daß sie als solche nicht auf Anhieb wahrgenommen werden kann. 242 Vgl. ibid.
72 die noch der Vervollkommnung bedürfe 243 . Eximeno rekurriert also auf die potentiellen Möglichkeiten der Musik, deren praktische Realisierung er durch seine Kritik fördern will. Pedro José Márquez legt seinem Vortrag Sobre lo Bello en general von 1801 eine Einteilung der Künste in zwei Klassen zugrunde. Unter dem Oberbegriff Artes subsumiert er erstens die bellas letras Dichtung, Rhetorik ("oratoria"244), Musik, zweitens die bellas artes Malerei, Bildhauerei, Architektur. Márquez' Klassifikation entspricht keineswegs derjenigen Arteagas, der auch die Begriffe bellas letras und bellas artes verwendet, denn beide Autoren definieren die Kategorien in unterschiedlicher Weise, und dementsprechend variieren die Disziplinen, die sie ihnen jeweils zuordnen. Für Márquez sind "las voces artificialmente concertadas"245 der Gegenstand der bellas letras, die durch das Gehör rezipiert werden, und "las formas acabadas según arte"246 der Gegenstand der bellas artes, die den Gesichtssinn ansprechen. Generell spielt die Nachahmung der Natur für Márquez keine Rolle mehr, er geht von autonomen Gesetzen aus, die vorbildliche Künstler ihren Disziplinen gegeben haben247. 5.3.3
Die Diskussion über Natur und Wirkung der Musik und die Bemühungen um ihre Aufwertung
In den musikologischen Schriften spanischer Autoren wird die Musik noch bis weit in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts hinein als Wissenschaft definiert. Tomás Vicente Tosca betrachtet die Musik in seinem Tratado de la mùsica especulativa y práctica von 1710 unter dem Einfluß der exakten Wissenschaften Physik und Mathematik als "ciencia físico-matemática que trata de los sones armónicos"248. Die gleiche Auffassung vertreten auch 243 Vgl. ibid., S. 37. 244 Márquez, Pedro José: Sobre lo Bello en general. Discurso,
Madrid 1801, S. 25.
245 Ibid., S. 16. 246 Ibid. 247 In dem der italienischen Fassung des Textes von 1808 beigefügten Corollario sopra il bello dell'architettura wird der Architektur ausdrücklich ihr Status als "arte d'imitazione" abgesprochen, denn sie sei "una continuata invenzione" (Márquez, Pedro José: Sobre lo bello en general y Dos monumentos de arquitectura mexicana Tajín y Xochicalco, hrsg. von Justino Fernández, México 1972, unpag. [S. 144 des Faksimiles]). 248 Zit. n. León Tello, op. cit. 1974, S. 50. - Der Text ist im zweiten Band seines Compendio matemático, en que se contienen todas las materias más principales de las ciencias que tratan de la cantidad (Valencia 1712, 2 1727, 3 1757) enthalten.
73 Pablo Nassarre (1664-1730) in Fragmentos músicos (Zaragoza 1683, Madrid 2 1700) und Escuela música según la práctica moderna (Zaragoza 1723/24) 249 und der Jesuit Pedro de Ulloa (1663-1721) in seinem Traktat Música universal o Principios universales de la música (Madrid 1717) 250 . In der zweiten Jahrhunderthälfte bemühten sich die Musiktheoretiker und Komponisten in verstärktem Maße, ihre Disziplin aufzuwerten. Der entscheidende Anstoß hierzu ging sogar von einem musikalischen Laien aus, nämlich Feijoo, dessen ausgeprägtes Interesse für die Musik 251 sicherlich auch darauf zurückzuführen ist, daß die Kathedrale San Salvador in Oviedo im 18. Jahrhundert eines der bedeutendsten musikalischen Zentren Spaniens mit einer traditionell gepflegten Kirchenmusik war 252 . Die Vgl. León Tello, Francisco José: "La teoría musical del Padre Tosca", in: de Arte Valenciano, 41 (1970), S. 50-55; id., op. cit. 1974, S. 47-73.
Archivo
249 Vgl. Nassarre, Pablo: Escuela música según la práctica moderna, 2 Bde., Zaragoza 1723/24, Nachdruck ibid. 1980. - Anglés/Subirá, op. cit., 2. Bd., 1949, Nr. 265, S. 240-242; Nr. 270, S. 246-248; Forrester, Donald William: Pablo Nasarre's "Fragmentos músicos". Translation and Commentary, Ann Arbor 1969; Howell, Almonte C., Jr.: "Pablo Nasarre's Escuela Música: A Reappraisal", in: Pruett, James W. (Hrsg.): Studies in Musicology. Essays in the History, Style and Bibliography of Music in Memory of Glen Haydon, Chapel Hill 1969, S. 80-108; Forrester, Donald William: "An Introduction to Seventeenth-Century Spanish Music Theory Books", in: Journal of Research in Music Education, 21 (1973), S. 61-67, hier S. 64-67; León Tello, op. cit. 1974, S. 89-161; Howell, Almonte: "Nassarre, Pablo", in: NGDMM, 13. Bd., London 1980, S. 43-44. 250 Er beschreibt die Musik mittels der Disziplinen Mathematik, Logik, Rhetorik. Vgl. Hamilton, Mary Neal: Music in Eighteenth-Century Spain, Urbana 1937, S. 217218; Anglés/Subirá, op. cit., 2. Bd., 1949, Nr. 269, S. 245-246; León Tello, op. cit. 1974, S. 74-88; Howell, Almonte: "Ulloa, Pedro de", in: NGDMM, 19. Bd., London 1980, S. 327. 251 Zu Feijoos Verhältnis zur Musik vgl. Montero Díaz, op. cit. 1932, S. 67-76; Borghini, op. cit. 1958, S. 44-53; San Emeterio y Cobo, Modesto: "La estética musical del P. Feijoo", in: BBMP, 40 (1964), S. 99-116; Yelo Templado, Antonio: "Feijoo y la música sagrada", in: Yermo, 2 (1964), S. 267-279; Marchisone, Delia A.: Observaciones del Padre Feijoo sobre la música sagrada, in: Fray Benito Jerónimo Feijoo y Montenegro, La Plata 1965, S. 223-234; Martín Moreno, Antonio: "El padre Feijoo (1676-1764) y los músicos españoles del siglo XVIII", in: AM, 28/29 (1973/74), S. 221-242; León Tello, op. cit. 1974, S. 162-190; Martín Moreno, op. cit. 1976; Bourligueux, Guy: "Feijoo y Montenegro, Benito Jerónimo", in: MGG, 16. Bd., Kassel u.a. 1979, Sp. 192-193; Howell, Almonte: "Feijoo y Montenegro, Benito Jerónimo", in: NGDMM, 6. Bd., London 1980, S. 451; Martin Moreno, Antonio: "El P. Feijoo y la estética musical del siglo XVIII", in: II Simposio sobre el padre Feijoo y su siglo, 1. Bd., Oviedo 1981, S. 423-441. 252 Vgl. Bourligueux, Guy: "Recherches sur la musique à la Cathédrale d'Oviedo (Des origines au début du XIX e siècle)", in: Melanges de la Casa de Velázquez, 3
74 dortige Kapellmeisterstelle galt als eine der renommiertesten des Landes 253 . Feijoo postuliert in El deleyte de la Musica, acompañado de la virtud, hace en la tierra el noviciado del Cielo von 1753 eine für seine Zeit außergewöhnliche Rangfolge der schönen Künste, indem er der Musik vor allen übrigen Disziplinen den höchsten Rang zubilligt 254 . In Frankreich vertritt über ein Jahrzehnt vor Feijoo André in seinem Essai sur le Beau von 1741 die Auffassung, daß die musikalische Schönheit (le beau musical) allen anderen Künsten überlegen sei 255 . Feijoo führt drei Hauptargumente an, um deren Beweisführung er sich bemüht: Erstens sei die Musik von allen schönen Künsten die edelste und ausgezeichnetste, zweitens entspreche sie dem menschlichen Wesen am meisten, da sie auf Seele und Körper gleichermaßen wirke, drittens sei sie von höchstem moralischen Nutzen, weil sie die Seele durch ihre paralysierende Wirkung, die sie auf Leidenschaften und lasterhafte Neigungen ausübt, zur Tugend disponiere 256 . Obwohl Feijoo seine Ausführungen ausdrücklich nicht mittels Autoritäten, sondern ausschließlich durch die Vernunft ("la razón" 257 ) begründen will, vermag er diese methodische Vorgabe nicht zu erfüllen, da er sich tatsächlich nicht von den jahrhundertelang tradierten Theorien und Ideologien der Musiktheorie und -geschichte löst. Seine an spekulativen Deutungen orientierte Sicht der Musik trägt mehr rückwärtsgewandte als innovatorische Züge. Feijoo vertritt die von den Pythagoräern stammende Lehre von der Sphärenmusik, nach der sich die Harmonie der Himmelskörper und der Erde in
(1967), S. 115-146; id.: "Apuntes sobre los maestros de capilla de la Catedral de Oviedo (1724-1823)", in: BIEA, 25. Jg., Nr. 74 (Dezember 1971), S. 659-712; Casares Rodicio, Emilio: "Catálogo del archivo de música de la catedral de Oviedo", in: AM, 30 (1975), S. 181-208; Quintanal, Inmaculada: La música en la Catedral de Oviedo en el siglo XVIII, Oviedo 1983. 253 Ob Feijoo mit dem damaligen Kapellmeister Enrique Villaverde (1702-1774) musikalische Fragen erörterte, konnte bislang nicht nachgewiesen werden. 254 Vgl. Feijoo, ed. cit., 4. Bd., 1765, S. 1-37. 255 Vgl. André, ed. cit. 1843, S. 95. 256 In Música de los templos von 1726 beschreibt er die ekstatische Wirkung der Musik, mittels derer sie zur mystischen Versenkung und religiösen Kontemplation dient. Vgl. Feijoo, ed. cit., 1. Bd., 1924, S. 37-44, hier S. 40: "[...] la música más alegre y deliciosa de todas es aquella que induce una tranquilidad dulce en la alma, recogiéndola en sí misma y elevándola, digámoslo así, con un género de rapto extático sobre su proprio cuerpo, para que pueda tomar vuelo el pensamiento hácia las cosas divinas". 257 Feijoo, ed. cit., 4. Bd., 1765, S. 10.
75 der Musik wiederfindet 258 . Auch Feijoos Ordensbruder Fray Martín Sarmiento beschreibt in seinen zwischen 1741 und 1745 entstandenen Memorias para la historia de la poesía y poetas españoles die pythagoräische Theorie, ohne sie in Zweifel zu ziehen 259 . Feijoo seinerseits unterscheidet zwischen der "música real, y verdadera", die vom Gehör wahrgenommen wird, und der höherrangigen, für die Vernunft bestimmte Sphärenmusik ("música filosófica" 260 ). Der Tradition verpflichtet ist auch Feijoos Überzeugung von der medizinischen Heilwirkung der Musik 261 . Sein unmittelbares Interesse gilt nicht der Struktur der Musik, sondern ihrer Funktion im Sinne ihrer therapeutischen, ethischen oder theologischen Wirkung. Ein innovatorischer Zug in Feijoos Musikauffassung ist die Bedeutung, die er der musikalischen Interpretation zubilligt. Sie sei ebenso wichtig für Erfolg und Wirkung der Musik wie die Qualität der Komposition, häufig sogar ausschlaggebender als diese 262 . Wie Feijoo ist auch der Komponist Antonio Rodríguez de Hita (17241787) bestrebt, das Ansehen der Musik zu verbessern. In seinem Werk Diapasón instructivo (Madrid 1757) betrachtet er die Musik wie die anderen spanischen Musiktheoretiker vor ihm zwar als mathematische Wissenschaft, aber in der Beschreibung ihrer Wirkung ist er von der Affektenlehre beeinflußt 263 : "La Música es para deleytar el ánimo, y persuadir los afec258 Vgl. Borinski, Karl: Die Antike in Poetik und Kunsttheorie, 1. Bd., Leipzig 1914, S. 53; Schräder, Ludwig: Sinne und Sinnesverknüpfungen. Studien und Materialien zur Vorgeschichte der Synästhesie und zur Bewertung der Sinne in der italienischen, spanischen und französischen Literatur, Heidelberg 1969, S. 190-194. 259 Vgl. Sarmiento, Fray Martín: Memorias para la historia de la poesía y poetas españoles, Madrid 1775, S. 10-11. Zu Sarmientos Memorias vgl. Bihler, Heinrich: Spanische Versdichtung des Mittelalters im Lichte der spanischen Kritik der Aufklärung und Vorromantik, Münster 1957, S. 24-47 und passim. 260 Feijoo, ed. cit., 4. Bd., 1765, S. 5. - In Sobre el libro intitulado: El Académico antiguo contra el Scéptico moderno von 1750 schreibt Feijoo über die Sphärenmusik, man könne sie nicht mit dem Gehör, aber mit dem Geist wahrnehmen. Vgl. ibid., 3. Bd., 1765, S. 31-77, hier S. 40. In El todo, y la nada; ésto es, el Criador, y la criatura, Dios, y el hombre von 1760 interpretiert er die Sphärenmusik als Stimme Gottes. Vgl. ibid., 5. Bd., 1765, S. 29-72, hier S. 54-55. 261 Vgl. ibid., S. 28-30; id.: "Maravillas de la Música y cotejo de la Antigua con la Moderna", in: ibid., 1. Bd., 1765, S. 402-410. 262 Vgl. ibid., 4. Bd., 1765, S. 26. 263 Der vollständige Titel lautet Diapasón instructivo. Consonancias músicas y morales. Documentos a los profesores de música, carta a sus discípulos [...] sobre un breve, y fácil méthodo de estudiar la composición, y nuevo modo de contrapunto para el nuevo estilo. Vgl. Hamilton, op. cit. 1937, S. 241-242; León Tello, op. cit.
76 tos" 264 . Drei Aspekte der Musik - Rodríguez de Hita folgt hier im wesentlichen Feijoos Argumentation - zeigen ihren hohen Rang: ihr Alter, ihre Verbindung mit der Religion und ihr pädagogischer Nutzen. Die Entstehung der Musik erklärt er ganz im Sinne der traditionellen biblischen Ursprungstheorien. Die Unschuld der Musik, die niemandem Schaden zufügt 265 , ist nicht nur die Voraussetzung dafür, daß die Musik als Ausdrucksmedium religiöser Empfindungen dienen kann, sondern Rodríguez de Hita stellt sie auch über andere Disziplinen wie Jurisprudenz, Medizin, Kriegskunst, sogar Theologie, die allesamt den Menschen zum Schaden gereichen können. Er geht hier weiter als Feijoo, der die Musik lediglich zur höchsten Disziplin der schönen Künste erklärt 266 . Der galicische Komponist und Kapellmeister Antonio Ventura Roel del Río definiert die Musik in seinem unveröffentlichten Kompositionstraktat von 1766 wie Tosca als mathematisch-naturwissenschaftliche Wissenschaft mit festen Kompositionsregeln und wehrt sich im Bemühen um ihre Aufwertung dagegen, daß man sie den artes mechanicae zuordnet 267 . Grundsätzlich unterscheidet sich die Musikauffassung von Roel del Río von derjenigen seines Landmanns Feijoo bezüglich der Frage, ob bei der Wahrnehmung von Musik das Gehör oder der Verstand die ausschlaggebende Urteilsinstanz ist. Feijoo äußert sich in El no sé qué im sechsten Band seines Teatro crítico universal von 1734 zugunsten des Gehörs als "el 1974, S. 212-225; Bonastre, Francisco: "Estudio de la obra teórica y práctica del compositor Antonio Rodríguez de Hita", in: Revista de Musicología, 2 (1979), S. 47-86; Howell, Almonte: "Rodríguez de Hita, Antonio", in: NGDMM, 16. Bd., London 1980, S. 94. 264 Zit. n. Bonastre, art. cit. 1979, S. 59. 265 Die These von der Harmlosigkeit der Musik vertritt auch Lorenzo Hervás y Panduro (1735-1809). Er bezeichnet die Musik als "diversión inocente, y genial al Hombre" (Hervás y Panduro, Lorenzo: Historia de la vida del hombre, 1. Bd., Madrid 1789, S. 361). 266 Vgl. Bonastre, art. cit. 1979, S. 52: "Pero la Música, ä quien ha quebrado brazo ni pierna? A quien quitó la justicia? A quien metió en errores? A quien causó la muerte? A nadie, porque toda su operación es en el alma: todo su ser es inocente". 267 Vgl. Martín Moreno, Antonio: "Un tratado de composición manuscrito (1766) de Antonio V. Roel del Río (siglo XVIII)", in: AM, 30 (1975), S. 109-122, hier S. 115: "La Música es ciencia physico matemática, no arte mecánica o servil expuesta a desatinados antojos; assí, debe practicarse según su natural sistema de reglas evitando cuanto las contradiga". - León Tello, op. cit. 1974, S. 191-211; Martín Moreno, op. cit. 1976, S. 300-307, 319-329; Bonastre, art. cit. 1979, S. 72-76; Howell, Almonte: "Roel del Río, Antonio Ventura", in: NGDMM, 16. Bd., London 1980, S. 96-97.
77
juez supremo y ú n i c o de la música" 2 6 8 in Anbetracht der Unzulänglichkeit der Regeln. "Si la música agrada al oido y agrada mucho, es buena y bonísima, y siendo bonísima, no puede ser absolutamente contra las reglas, sino contra unas reglas limitadas y mal entendidas" 269 . R o e l del R í o sieht i m Vorrang des Gehörs die Gefahr völliger Freiheit gegenüber den R e g e l n , die er als Grundlage der M u s i k ansieht. D e s h a l b ergänzt er die A u s s a g e Feijoos, i n d e m er argumentiert, die R e g e l n der Musik beträfen z u m einen den W o h l k l a n g (harmonía), lichkeit (propiedad).
D i e harmonía
z u m anderen die Schick-
wird v o m Gehör, die propiedad
vom
Verstand rezipiert und beurteilt 2 7 0 . N a c h R o e l del R í o b e z i e h e n sich Feijoos Ausführungen nur auf die harmonía,
nicht aber auf die propiedad
und die
Wahrnehmung durch den Verstand 2 7 1 . Feijoo beschreibe bloß die R e g e l n der harmonía,
d o c h müßten auch die R e g e l n der propiedad
gelten, damit
die Musik perfekt ist. Roel del R í o betrachtet es als unzureichend, w e n n die Musik zwar d e m Ohr gefällt, aber die R e g e l n der propiedad
nicht erfüllt 2 7 2 ,
denn sie m u ß d e m Gehör und d e m Verstand gleichermaßen gefallen. A u c h der K o m p o n i s t und Musiktheoretiker A n t o n i o Soler ( 1 7 2 9 - 1 7 8 3 ) vertritt in s e i n e m Traktat Llave
de la modulación
y antigüedades
de
la
268 Feijoo, ed. cit., l.Bd., 1924, S. 349-353, hier S. 353. 269 Ibid. - Ein Jahrzehnt vor Feijoo bezeichnet Palomino im zweiten Band seines Traktats El museo pictórico von 1724 als oberste Urteilsinstanz für den Musiker das Hören, für den Maler das Sehen. Ende des 18. Jahrhunderts vertritt Eximeno in seinem Roman Don Lazarillo Vizcardi den Vorrang des Gehörs. Vgl. Palomino, ed. cit. 1947, S. 494 und 567; Eximeno, ed. cit., 1. Bd., 1872, S. 18. 270 Vgl. Martín Moreno, art. cit. 1975, S. 115: "Las reglas que hay para componer con perfección las obras músicas, unas miran a la harmonía y otras a la propiedad; fundadas las de harmonía en la experiencia de que el oído, juez supremo de las consonancias y disonancias, admite gustoso las composiciones hechas en virtud de dichas reglas; y las de propiedad en que asociado con el oído el entendimiento, aprueba esas mismas composiciones como razonablemente adecuadas al asunto para que se hacen o disponen". 271 Vgl. ibid., S. 116: "[...] por tanto, lo de Juez único el oído de la música, etc., quiere decir que de la sensación grata o ingrata que puede recibir de las consonancias etc., es preciso dé primero su voto; quedando a salvo del entendimiento formar las reglas de la misma Música y dar de todo razón en ella, y aún juzgar sobre la admisión o gusto del oído en cuanto a lo que es propio o impropio, según los asuntos que no es capaz de conocer". 272 Vgl. ibid.: "[...] puede darse que la Música agrade mucho al oído [...] y sea impropia del asunto a que se dedica y entonces no será buena para el entendimiento, sino mala, por opuesta a las reglas de propiedad que él sólo conoce y son tan precisas como las de harmonía para el oído".
78 müsica die Auffassung, daß der Komponist gleichermaßen Gehör und Verstand zur Beurteilung von Musik benötigt273. Er betont die Relativität der Regeln, die dem Musiker genügend Freiheit gäben, wenn er die Möglichkeiten, die sie bieten, voll ausschöpfte. Nicht die korrekte Befolgung der Regeln, sondern die Wirkung der Musik ist für Soler das entscheidende Qualitätskriterium274. Eximeno ist der erste spanische Musiktheoretiker, der seit den siebziger Jahren vehement der Meinung widerspricht, die Musik sei eine mathematische Wissenschaft. Er bezeichnet die seit Pythagoras jahrhundertelang vertretene Auffassung von den mathematischen Grundlagen der Musik schlichtweg als Irrtum. Daß die Mathematik mit der musikalischen Praxis überhaupt nichts zu tun habe, begründet er mit seiner eigenen Erfahrung, die für ihn - ein wesentlicher Zug der Aufklärung - letztlich ausschlaggebend ist275. Eximeno ordnet die Musik in seinem Traktat Del origen y reglas de la müsica explizit den schönen Künsten zu und definiert sie als Prosodie ("una pura prosodia"276), der insbesondere diejenigen Elemente der Sprache eignen, die dem Ohr Wohlgefallen bereiten und die Seelen rühren
273 Vgl. Soler, Antonio: Llave de la modulación y antigüedades de la música, en que se trata del fundamento necessario para saber modular: Theórica, y Práctica para el mas claro conocimiento de qualquier especie de Figuras, desde el tiempo de Juan de Muris, hasta hoy, con algunos Cánones Enigmáticos, y sus Resoluciones, Madrid 1762, Nachdruck New York 1967, S. 37: "Muchas veces consiste el no salir de un común uso, en la falta de especular las Reglas. Otras veces se juzga, que algunas cosas son malas, no porque lo sean, sino porque salen de la práctica común: otras cosas son tenidas por buenas, que en la realidad son malas: otras son tenidas por malas, que en la realidad son buenas; todo lo que, para ser perfectamente juzgado, se requiere que concurran dos sugetos, que son el objeto, y la razón: el uno para proponer, como es el Oido, objeto de esta Arte; y el otro el Entendimiento, Juez de todas las Potencias". - León Tello, op. cit. 1974, S. 241256. 274 Vgl. Soler, op. cit. 1762, S. 43: "De qué servirá, pues, que la composicion esté bien escrita, si no produce buen efecto?". Den großen Komponisten nachfolgender Generationen gesteht Soler zu, daß sie die Ausdrucksmöglichkeiten der Musik erweitern und neue Schönheiten erschließen können, indem sie neue Regeln schaffen. 275 Das Schlüsselerlebnis, das ihm die sprachlichen Qualitäten der Musik offenbart hat, war die Motette Veni Sancte Spiritus von Niccolö Jommelli (1714-1774), die er an einem Pfingstmorgen in der Peterskirche in Rom gehört hat. 276 Eximeno, ed. cit. 1978, S. 54.
79 können 277 . Musik und Sprache leitet Eximeno beide aus dem "instinto humano"278 ab, den er vom Instinkt des Tieres abgrenzt. Die Musik sei dem Menschen angeboren, die Neigung zum Singen in ihm ebenso natürlich angelegt wie die zum Sprechen 279 . Exímenos Anspruch, er habe als erster den sprachlichen Charakter der Musik erkannt, erweist sich als unbegründet. In Spanien hat schon Anfang der vierziger Jahre Fray Martín Sarmiento in seinen Memorias para la historia de la poesía y poetas españoles ausdrücklich die enge Verbindung von Sprechen und Singen als dem Menschen natürliche Tätigkeiten hervorgehoben - fast ein Jahrzehnt vor JeanJacques Rousseau, der die Ursprache als Gemisch aus Gesang und Sprache erklärt280. Die Entstehung von Musik und Dichtung deutet Sarmiento als anthropologisches Grundbedürfnis281. Seit den vierziger Jahren des 18. Jahrhunderts wird in Spanien eine spezielle medizinische Funktion der Musik thematisiert, der sogenannte tarantismo. Der Begriff tarantismo ist mehrdeutig, denn er bezeichnet erstens die Wirkung des dem Menschen durch den Biß der Tarantel applizierten Giftes, zweitens den Tanz - meist die Tarantella282 - , den die Opfer tanzen, um die Wirkung des Giftes zu paralysieren. Das Thema der therapeutischen Maßnahmen Musik und Tanz, die angeblich den Biß der
277 Vgl. ibid., S. 122: "[...] la mùsica es un lenguaje puro que tiene sus fundamentos casi comunes con los del habla", und ibid., S. 166: "La música es un verdadero lenguaje". 278 Ibid., S. 170. 279 Vgl. ibid., S. 165. - Juan Andrés erwähnt in Dell'origine, progressi e stato attuale d'ogni letteratura zwar Eximenos Theorie von der Musik als Sprache, verhält sich ihr gegenüber aber weder ablehnend noch zustimmend und bleibt in seinem Werk der Zuordnung der Musik zu den mathematischen Disziplinen angesichts der jahrhundertelangen Tradition bewußt verpflichtet. Vgl. Andrés, op. cit., 4. Bd., 1790, S. 247-248, 283-284. 280 Vgl. Chouillet, Jacques: L'esthétique
des Lumières,
Paris 1974, S. 84-86.
281 Vgl. Sarmiento, op. cit. 1775, S. 8 und 10: "Estoy en el dictamen de que es tan connatural al hombre algún género de Música, y de Poesía, como la misma loquela. Es claro; pues al hablar es consiguiente el cantar: á este el cantar con algún compás, y medida; y á uno, y á otro el proporcionar las palabras ó con tiempo, ó con rhythmo, ó con alguna harmonía. [...] Tan connatural es al hombre el canto, como á las aves. Y por eso afirmo, que así la Música, como la Poesía, ó cada hombre la inventó en su país, ó que solo la hemos heredado del mismo Dios, por medio de Adán, y de los demás Patriarcas, hasta Noé". 282 Schneller, ursprünglich süditalienischer Volkstanz im Sechsachteltakt.
80 Tarantel unschädlich machen, war nicht neu 283 , fand aber offensichtlich im 18. Jahrhundert zunehmend wieder Beachtung 284 . In den achtziger Jahren entstanden mehrere Traktate über den tarantismo, in denen medizinische Fälle vorgestellt und diskutiert werden 285 .
5.4 Die Diskussion über den Rang der artes mechanicae in Spanien Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wurde in Spanien eine intensive Diskussion über den Rang der artes mechanicae geführt 286 . Die Bemühun283 Schon Mexia behandelt in seiner Silva de varia leción [sic] von 1540 den tarantismo. Vgl. Mexia, Pedro: "De la admirable propiedad de un animalico, cuya mordedura mata o sana con música. Y de cómo algunas enfermedades sanan con música", in: Silva de varia leción, 2. Bd., Madrid 1934, S. 69-71. 284 Sarmiento erwähnt die heilende Wirkung der Musik beim Tarantelbiß in seinen Memorias para la historia de la poesía y poetas españoles (vgl. Sarmiento, op. cit. 1775, S. 170). Roel del Río schreibt in seinem Traktat Institución armónica o Doctrina musical, theórica y práctica, que trata del Canto llano y del órgano (Madrid 1748) über die Heilwirkung der Musik: "Es el único remedio de la enfermedad del tarantismo que se produce en la Apulia y casi el único de la ira y la tristeza" (zit. n. León Tello, op. cit. 1974, S. 196). Auch Feijoo widmet 1750 dem tarantismo einige Zeilen in Como trata el demonio a los suyos von 1750: "De arbitrio semejante á este podian usar los Encantadores. Los que saben la maravillosa curación de los mordidos de la Tarantula, por la Musica, y otros prodigios de este Divino Arte podrán discurrir que los Encantadores tenian algunas cantinelas, cuya melodía suspendía, y embelesaba los áspides" (Feijoo, ed. cit., 3. Bd., 1765, S. 199-219, hier S. 215). 285 Vgl. Tratado del tarantismo, o enfermedad originada del veneno de la Tarántula, según las observaciones que hizo en los Reales Hospitales del Quartel General de San Roque D. Manuel ¡raneta y Jáuregui, Madrid 1785; Cid, Xavier Francisco: Tarantismo observado en España con que se prueba el de la Pulla, dudado de algunos, y tratado de otros de fabuloso, y Memorias para escribir la Historia del insecto llamada Tarántula, efectos de su veneno en el cuerpo humano, y curación por la música con el modo de obrar de esta, y su aplicación como remedio a varias enfermedades, Madrid 1787; Piñera y Siles, Bartolomé: Descripción de una nueva especie de correa, o baile de San Vito, originada de la picadura de un insecto, que por los fenómenos seguidos a ella se ha creído ser la tarántula, Madrid 1787. - Anglés/Subirá, op. cit., 3. Bd., 1951, Nr. 323-324, S. 340-343; Iglesias, Nieves/Mañá, Ana María: Correo de Madrid o de los Ciegos. Madrid 1786-1791, Madrid 1968, S. 52 und 54; León Tello, op. cit. 1974, S. 10, 423-440. 286 Vgl. Domínguez Ortiz, Antonio: "Notas sobre la consideración social del trabajo manual y el comercio en el antiguo régimen", in: RT, 1 (1945), S. 673-681; id.: "Notas sobre la consideración social de las profesiones liberales en el Antiguo Régimen", in: RT, 8 (1946), S. 721-725; Sánchez Agesta, Luis: El pensamiento po-
81
gen spanischer Autoren um die Aufwertung der artes mechanicae waren von der entsprechenden Diskussion über Arts et Sciences in Frankreich geprägt. Der französische Einfluß läßt sich im wesentlichen auf drei Faktoren zurückführen. Zum einen wurde die unter Diderots Leitung herausgegebene Encyclopédie, die die systematische Beschreibung der artes mechanicae in einer bisher nicht gekannten Genauigkeit betrieb, seit ihrem Erscheinen im Jahr 1751 von den gebildeten Kreisen in Spanien gelesen, obwohl sie dort seit 1759 offiziell verboten war, ebenso die Texte der französischen Aufklärer im Umkreis der Encyclopédie287. Des weiteren lenkten die französischen Physiokraten seit Mitte der fünfziger Jahre die Aufmerksamkeit auf die ökonomische Bedeutung der landwirtschaftlichen Produktivität, und schließlich erschien - gewissermaßen als Konkurrenzunternehmen zur Encyclopédie - von 1761 bis 1788 in Paris unter Leitung von Henri-Louis Duhamel du Monceau (1700-1782) das technologische Werk Descriptions des Arts et Métiers, herausgegeben von der Académie Royale des Sciences, in dem die artes mechanicae, die verwendeten Materialien, die einzelnen Fertigungsschritte, die in den Manufakturbetrieben eingesetzten Maschinen sowie die Werkstätten beschrieben bzw. abgebildet wurden 288 . Utico del despotismo ilustrado, Madrid 1953; Baader, Horst: "Menschheitsdenken und Aufklärung in Spanien", in: Studium Generale, 14. Jg., Heft 12 (1961), S. 750766, hier S. 763; Callahan, William J.: "Crown, Nobility and Industry in Eighteenth-Century Spain", in: International Review of Social History, 11 (1966), S. 444-464; Elorza, art. cit., in: RT, 22 (1968) [Anthologie]; Domínguez Ortiz, Antonio: La sociedad española en el siglo XVIII, Barcelona u.a. 2 1976, S . 4 8 6 487. 287 Verbreitet war die Encyclopédie vor allem in Kreisen der Real Sociedad Vascongada de los Amigos del País. Conde de Peñaflorida beantragte 1770 die Erlaubnis zur Anschaffung der Encyclopédie, die ihm am 7. Februar 1772 gewährt wurde. Unter der Aufsicht des Vikars der Gemeinde von Vergara durfte sie gelesen werden (Vgl. Sarrailh, Jean: LEspagne éclairée de la seconde moitié du XVIII' siècle, Paris 2 1964, S. 235-236). Félix María Samaniego kaufte die Encyclopédie für sich und wurde deswegen von der Inquisition belangt (Vgl. Domínguez Ortiz, op. cit. 1976, S. 493-494; Spell, op. cit. 1969, S. 48). Marqués de Narros, ein anderes Mitglied der baskischen Sozietät, mußte sich wegen seiner Lektüre der Philosophes vor der Inquisition verantworten (Vgl. Sarrailh, op. cit. 1964, S. 241-242, 302. Die von 1750 bis 1799 erschienenen Bücher, die sich in der Bibliothek des Marqués de Narros befanden, verzeichnet Areta Armentia. Die Encyclopédie wird in dieser Bücherliste nicht aufgeführt. Vgl. Areta Armentia, op. cit. 1976, S. 473-496). Auch Jovellanos besaß die Encyclopédie (Vgl. Aguilar Piñal: La biblioteca de Jovellanos (1778), Madrid 1984, S. 176, Nr. 837). 288 Vgl. Cole, Arthur H./Watts, George B.: The Handicrafts of France as Recorded in the "Descriptions des Arts et Métiers" 1761-1788, Boston (Massachusetts) 1952; Healey, F.G.: "The Enlightenment View of homo faber", in: Studies on Voltaire
82 Daß insbesondere Diderots Encyclopédie-Artikel Arts in Spanien nicht ohne Wirkung blieb und sich spanische Autoren die darin propagierten Wertvorstellungen hinsichtlich der artes mechanicae zueigen machten, läßt sich anhand mehrerer Beispiele belegen. Wesentliche Gedanken des Artikels Arts finden sich in dem anonymen Artikel Industria, y Artes wieder, der im Oktober 1787 in drei Faszikeln des Correo de Madrid erschienen ist 289 . In Anbetracht des offiziellen Verbots der Vorlage ist dies nicht auf den ersten Blick erkennbar, und in einigen Details ist der Artikel den spanischen Verhältnissen angepaßt. Der Anonymus vertritt insofern einen konservativen Standpunkt, als er die "Division de las artes en liberales, y mecánicas" 290 ebenso wie Diderot nach wie vor für gerechtfertigt hält, doch wettert er, indem er sich auf Autoritäten wie Bacon, Colbert, Macanaz oder Marqués de la Ensenada beruft, entschieden gegen das Vorurteil, die artes mechanicae gering zu schätzen, da sich Theorie und Praxis einander bedingten. Wie Diderot fordert er die Repräsentanten der artes liberales auf, das Ansehen der artes mechanicae zu heben 291 . Die Ode A la invención de la imprenta von Manuel José Quintana (1772-1857), 1800 entstanden und 1802 erschienen, ist eines der bekanntesten Beispiele für den Einfluß der Encyclopédie in Spanien 292 . Quintana schreibt in einer Fußnote in der Ausgabe seiner Poesías von 1802, ihn habe der im Artikel Arts der Encyclopédie enthaltene Appell zur Aufwertung der artes mechanicae zu seinem Gedicht angeregt 293 . Quintana gab mit seiner Ode Anlaß zu heftiger and the Eighteenth Century, 25 (1963), S. 837-859; Gillispie, Charles Coulston: Science and Polity in France at the End of the Old Regime, Princeton (New Jersey) 1980, S. 337-356. 289 Vgl. Anonymus: "Industria, y Artes", in: Correo de Madrid, 2. Bd., Nr. 102 (23. Oktober 1787), S. 469-471; Nr. 105 (26. Oktober), S. 495-496; Nr. 109 (30. Oktober), S. 524-526. 290 Ibid., S. 470. 291 Vgl. ibid., S. 525. 292 Vgl. Quintana, Manuel José: Poesías completas, hrsg. von Albert Dérozier, Madrid 1969, S. 253-267. - Dérozier, Albert: Manuel Josef Quintana et la naissance du libéralisme en Espagne, Paris 1968, S. 163-167, 186, 216-217. - Quintanas A la invención de la imprenta wurde 1840 von Friedrich Engels ins Deutsche übersetzt. Vgl. Koch, Herbert: "Die Ode auf die Erfindung der Buchdruckerkunst von José Manuel [sie] Quintana und Friedrich Engels", in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2 (1952/53), S. 19-23. 293 Außer den artes mechanicae stellten die Wissenschaften eine wichtige Inspirationsquelle für eine bestimmte Art von Lyrik dar, die im 18. Jahrhundert in Spanien beliebt war und von Sebold charakterisiert wird als "la poesía de la ciencia" (Sebold, Russell P.: Descubrimiento y fronteras del neoclasicismo español. Ma-
83 Polemik, nicht jedoch wegen des exaltierten Lobes einer ars mechanica, durch die das menschliche Wissen verbreitet wird, sondern wegen der antiklerikalen Anspielungen und aufklärerischen Inhalte wie die implizite Forderung der Pressefreiheit und die egalitären Bestrebungen 294 . Unberücksichtigt blieb im Zusammenhang mit Quintanas A la invención de la imprenta bislang ein anderer Text, in dem einige seiner Gedanken vorwegnommen werden. Schon Francisco de Cabarrús (1752-1810) weist in seinen 1792 verfaßten Cartas sobre los obstáculos que la naturaleza, la opinión y las leyes oponen a la felicidad pública auf die Bedeutung des Buchdrucks als Voraussetzung für die Verbreitung der fortschrittlichen Gedanken der Aufklärung hin, da durch ihn die räumliche und zeitliche Distanz überwunden werde 295 . Wie Quintana verlangt auch Cabarrús, abgesehen von der persönlichen Sicherheit und Besitzstandswahrung, die dem Individuum garantiert werden sollen, die Meinungsfreiheit ("la libertad de las opiniones" 296 ). Die Geringschätzung der artes mechanicae in Spanien war tief verwurzelt. Die spanische Gesetzgebung seit dem 15. Jahrhundert benachteiligte die sogenannten oficios bajos y viles erheblich, da die Handwerker keine öffentlichen Ämter bekleiden durften und nicht geadelt werden konnten. Soziales Prestige war an Adelstitel, Landbesitz, Waffendienst und Ehrenämter gebunden, und vereinzelte Versuche spanischer Autoren des 16. und 17. Jahrhunderts, die Handwerksberufe aufzuwerten, blieben ohne Wirkung. Daß ein Ehrenkodex, nach dem die aktive Beteiligung an Handel und Industrie als erniedrigend und entehrend angesehen wurde, für die ökonomische Entwicklung des Landes äußerst hinderlich war, wurde vor allem in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, einer Zeit des wirtschaftlichen Niedergangs Spaniens, in schmerzlicher Weise spürbar. Ein großes
drid 1985, S. 25). Zur entsprechenden französischen Tradition vgl. Schmidt, Albert-Marie: La poésie scientifique en France au seizième siècle, Paris 1938. 294 Vgl. Dérozier, Albert: "Polémiques sur un passage de Quintana", in: Les Néo-Latines, 168 (1964), S. 31-45.
Langues
295 Vgl. Cabarrús, Francisco de: Cartas sobre los obstáculos que la naturaleza, la opinion y las leyes oponen a la felicidad pública, hrsg. von Eduardo Ovejero y Maury, Madrid 1938, S. 74: "Pero desde que el descubrimiento de la imprenta reunió estos esfuerzos, antes dislocados por la distancia de los países y de los siglos: desde que les dió una continuidad é impulso que nunca tuvieron, nació una luz inmensa, que iluminando poco á poco todas las naciones, ha de disipar infaliblemente las tinieblas del error". 296 Ibid., S. 75.
84 soziales und wirtschaftliches Problem stellte insbesondere die anhaltende Fluchtbewegung aus den Handwerksberufen dar, die die Weitergabe von Kenntnissen an die nachfolgende Generation verhinderte und den Fortbestand der Gewerbe zerstörte 297 . Der letzte Habsburgerkönig Karl II. versuchte eine Verbesserung der Situation durch Änderung der juristischen Rahmenbedingungen und erließ am 13. Dezember 1682 eine Pragmática, die den Adeligen ihren sozialen Status zusicherte, wenn sie im Handel oder in Manufakturbetrieben tätig waren, doch durften sie selbst keine Handarbeiten verrichten 298 . König Philipp V. bestätigte den Erlaß 1705, und unter seinen Nachfolgern Ferdinand VI. und Karl III. spielten tatsächlich einige Adelige eine Rolle im spanischen Wirtschaftsleben als Leiter von Manufakturen. Seit Mitte der siebziger Jahre, also in der Regierungszeit von Karl III., erschien eine Vielzahl von Texten, deren Autoren sich mit der Förderung und Höherbewertung der artes mechanicae auseinandersetzten. Die Schriften entstanden vorwiegend in Zaragoza, im Kreise der Mitglieder der dortigen Sociedad Económica de Amigos del País, und in Sevilla, damals das größte Handwerkerzentrum Spaniens. Der König selbst gab mit seiner Real Cédula von 1783 juristische Direktiven zur Aufwertung der Handwerksberufe. Im Bewußtsein einer notwendigen Aufgabe, die von allen gemeinsam bewältigt werden mußte, wurde erstmals im 18. Jahrhundert in Spanien der Versuch unternommen, die politischen, ökonomischen und intellektuellen Kräfte zu koordinieren, um gemeinsam das Vorurteil zu bekämpfen, die manuelle Arbeit beeinträchtige die Ehre. Die spanischen Aufklärer beabsichtigten nicht in erster Linie, die individuellen Lebensbedingungen der Handwerker zu verbessern, sondern ihre vorrangigen Ziele waren die Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität und die Erlangung der Konkurrenzfähigkeit gegenüber den anderen europäischen Ländern. Das feudalistische, hierarchisch strukturierte Gesellschaftssystem blieb weitgehend unangetastet. Es stellte sich die Frage, welchen Nutzen
297 Dies bezeichnet José Cadalso y Vázquez (1741-1782) in seinem Briefroman Cartas marruecas, zwischen 1768 und 1774 entstanden und postum 1789 in mehreren Faszikeln im Correo de Madrid veröffentlicht, als einen Hauptgrund für den Niedergang der Artes in Spanien. Vgl. Cadalso, José: Cartas marruecas, hrsg. von Lud e n Dupuis/Nigel Glendinning, London 2 1971, S. 65: "Uno de los motivos de la decadencia de las artes en España es, sin duda, la repugnancia que tiene todo hijo a seguir la carrera de sus padres". - Vgl. Lope, Hans-Joachim: Die "Cartas marruecas" von José Cadalso. Eine Untersuchung zur spanischen Literatur des XVIII. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 1973, S. 128-130. 298 Vgl. Callahan, art. cit. 1966, S. 448.
85 diejenigen Staatsbürger für das Gemeinwohl erfüllten, die nicht arbeiteten. Man kritisierte die ociosidad - gemeint war im weitesten Sinne die Nichtnutzung produktiver Kräfte in der man das Grundübel der sozialen und ökonomischen Mißstände erkannte, vor allem die ociosidad der reichen Bürger und des Geburtsadels, dessen gesellschaftliche Berechtigung grundsätzlich in Frage gestellt wurde. Nicht mehr der ererbte Adel, sondern persönliches Verdienst und Können des einzelnen sollten ausschlaggebend sein. Damit trotzdem die Ständeordnung bewahrt blieb, appellierte man an den Adel, sich durch Arbeit und Tugend zu erneuern. In zweifacher Weise wollte man den Adel aktiv in den ökonomischen Prozeß einbinden. Die reichen Adeligen sollten in Handwerksbetriebe und Manufakturen investieren, die mittellosen hidalgos sollten ihre Vorurteile gegen die Handwerksberufe aufgeben und selbige praktizieren, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen 299 . Pedro Rodríguez, Conde de Campomanes (1723-1803), behandelt das Problem der artes mechanicae in seinem Discurso sobre el fomento de la industria popular, der 1774 anonym in einer Auflage von 30.000 Stück im ganzen Land verteilt wurde 300 . Campomanes hatte wesentliche Gedanken und ganze Passagen wörtlich aus einem kurz vorher erschienenen Text von Manuel Rubin de Celis entnommen, nach seinen Vorstellungen verändert und erheblich erweitert 301 . Campomanes übt Kritik an den Zünften und verlangt die fundierte Ausbildung der Handwerker, denen die ihnen gebührende Ehre zugebilligt werden sollte. In seinem im folgenden Jahr erschienenen Discurso sobre la educación popular de los artesanos y su fomento (Madrid 1775) kritisiert Campomanes den Artikel Mechánico des Diccionario de Autoridades wegen der darin deutlich ausgesprochenen Geringschätzung der Artes, die viele Handwerker veranlaßt habe, ihren
299 Vgl. ibid., S. 447. 300 Vgl. Campomanes, Pedro Rodríguez, Conde de: Discurso sobre el fomento de la industria popular, Hamburg 1795. Auszüge in: Elorza, art. cit., in: RT, 22 (1968), S. 85-88. 301 Campomanes 1 Vorlage von Rubín de Celis war unter dem ähnlichen Titel Discurso sobre el modo de fomentar la industria popular zusammen mit der spanischen Übersetzung eines französischen Traktats 1774 in Madrid erschienen, aber wenig beachtet worden. Vgl. Urzainqui, Inmaculada/Ruiz de la Peña, Alvaro: Periodismo e Ilustración en Manuel Rubín de Celis, Oviedo 1983, S. 51-94 (Faksimileausgabe des Textes von Rubín de Celis, ibid., S. 201-266); Fuentes, Juan Francisco: "Seis españoles en la Revolución francesa", in: Aymes, Jean-René (Hrsg.): España y la Revolución francesa, Barcelona 1989, S. 286-294.
86 angestammten Beruf aufzugeben 302 . Die Unterscheidung in artes liberales als hochstehende Disziplinen und artes mechanicae als geringe betrachtet er als willkürlich und schädigend. Campomanes übertrifft die Encyclopédie an Konsequenz, Während in dieser artes liberales und mechanicae zwar für gleichwertig gehalten werden, aber die Unterscheidung zwischen beiden beibehalten wird, erklärt Campomanes diese für hinfällig. Stattdessen unterscheidet er entsprechend der menschlichen Grundkräfte des Verstandes und der Sinne drei Klassen: Ciencias, Artes, Oficios. Die Ciencias resultieren als theoretische Wissenschaften aus dem Verstand. Im Unterschied zu den Wissenschaften führt er die Artes und Oficios sensualistisch auf die Sinne des Menschen zurück 303 . Die Artes verfügen über Regeln, deren Kenntnis in einer Ausbildung vermittelt wird, in der der Fertigkeit des Zeichnens (dibujo) eine vorrangige Rolle zufällt 304 . Die Oficios hingegen sind als einfache Verrichtungen nicht durch Regeln festgelegt und können ohne Ausbildung durch simple Nachahmung und den Einsatz körperlicher Kraft ausgeführt werden 305 . Ein neuer Aspekt in Campomanes' Text ist die historische Darstellung der Diskussion über den Rang der artes mechanicae, die auf der genauen Kenntnis der spanischen Autoren basiert. Innovativ ist des weiteren die kritische Auseinandersetzung mit diesen Autoren und das Bemühen, einerseits aus der nationalen Problematisierung der vergangenen Jahrhunderte die aktuelle Situation zu verstehen, andererseits aus ihr zu lernen, um die Gegenwart zu meistern. Campomanes kennt die spanischen Malereitraktate des Siglo de Oro. Das Anliegen ihrer Autoren, die Malerei aufzuwerten, weitet Campomanes auf die gesamten artes mechanicae aus und wendet einige der Argumentationsstrategien, die dort für die Malerei geltend gemacht werden, für alle artes mechanicae an. Er widerspricht den Autoren der Traktate, wenn sie die artes mechanicae despektierlich behandeln, um von ihnen die Malerei als ars liberalis abzusetzen. Sehr fort302 Vgl. Campomanes, Pedro Rodríguez, Conde de: "Discurso sobre la educación popular de los artesanos y su fomento", hrsg. von Antonio Elorza, in: RT, 24 (1968), S. 281-485. 303 Vgl. ibid., S. 338: "Las artes prácticas u oficios traen su inmediato origen de los sentidos, y cada uno obra o influye en ellas respectivamente, según las mayores facultades y energía de los de cada artista". 304 Vgl. ibid., S. 352: "Por artes sólo entiendo a las que necesitan de reglas y aprendizaje, y en éstas voy a proponer la utilidad y necesidad del dibujo". 305 Vgl. ibid.: "[...] los oficios no necesitan de reglas y les basta la pura imitación, disposición natural y fuerzas".
87
schrittlich ist C a m p o m a n e s in der Frage der Frauenarbeit, denn er verlangt die Gleichstellung der Frau i m Arbeitsprozeß, da sie über dieselben Fähigkeiten w i e der M a n n verfüge, diese aber w e g e n einer mangelhaften Ausbildung nicht i m erforderlichen M a ß e entwickeln k ö n n e 3 0 6 .
Campomanes 1
Schriften wirkten auf die spanische D i s k u s s i o n über die artes
mechanicae
w i e ein Katalysator. A n t o n i o Arteta de M o n t e s e g u r o ( 1 7 4 5 - 1 8 1 3 ) , Kanoniker in Zaragoza und als Gründungsmitglied der dort 1776 konstituierten Real Económica
Aragonesa
de
Amigos
del
País
einer
der
Sociedad
bedeutendsten
aragonesischen Aufklärer, erweist sich in seiner z w i s c h e n 1778 und März 1779 entstandenen Disertación hacer ligencia
de las artes y aplicación
prácticas
sobre
el aprecio
y estimación
y de los que las ejercen
que se
con honradez,
debe inte-
(Zaragoza 1781) als einer der radikalsten Kritiker der
spanischen G e s e l l s c h a f t 3 0 7 . Arteta führt Campomanes' Gedanken weiter, von dessen Discurso
sobre
el fomento
de la industria
popular
ist 3 0 8 . Arteta weitet die D i s k u s s i o n über die artes mechanicae
er geprägt
aus, i n d e m er
die Frage stellt, w i e das politische und soziale L e b e n eines aufgeklärten 306 Vgl. ibid., S. 447: "La mujer tiene el mismo uso de razón que el hombre; sólo el descuido que padece en su enseñanza la diferencia, sin culpa suya". 307 Ediert in: Elorza, art. cit., in: RT, 22 (1968), S. 137-223. - Zu Arteta de Monteseguro vgl. Pérez Sarrión, Guillermo: "Reformismo e ilustración en la obra de Antonio Arteta (1745-1813)", in: id. (Hrsg.): Arteta de Monteseguro, Antonio: Discurso instructivo sobre las ventajas que puede conseguir la industria de Aragón con la nueva amplicación de puertos concedida por S.M. para el comercio de América en que se proponen los géneros y frutos de este Reino más útiles a este fin, y los medios de extraerlos y negociarlos con mayor economía y beneficio, Zaragoza 1985, S. V-LIV; Albiac, María-Dolores: "Las luces y las sombras. El elogio a la muerte de Carlos III de Antonio Arteta", in: Actas del I Symposium del Seminario de Ilustración Aragonesa, Zaragoza 1987, S. 195-214. 308 Wie Campomanes überträgt er die Argumentation der spanischen Malereitraktate auf die artes mechanicae, um die "nobleza de las Artes prácticas" (zit. n. Elorza, art. cit., in: RT, 22 [1968], S. 196) nachzuweisen. Wie Campomanes sieht er in der Arbeit die Basis der Gesellschaft und die Voraussetzung für den nationalen Reichtum und kritisiert die unproduktiven Staatsbürger, die nur von ihrer Rente leben, die ihnen aus ihrem Besitz zufließt. Auch Arteta hält die Unterscheidung in artes liberales und artes mechanicae für schädigend und kritisiert den Artikel Mechánico des Diccionario de Autoridades. Artetas Hauptargument gegen die Unterscheidung in artes mechanicae und artes liberales ist die Überlegung, daß sich keine ars nur mit dem Körper, ohne die Vernunft (entendimiento) ausüben läßt. In allen Artes werden vielmehr die Hände von der Vernunft geleitet. Für Arteta ist nicht mehr der ererbte Adel allein ausreichend legitimiert, sondern persönliches Verdienst und Können des einzelnen müssen hinzutreten, damit der Adelige im Staatswesen seine Berechtigung findet.
88 Staates beschaffen sein muß. Er verlangt, daß er auf Gemeinwohl und Nützlichkeit ausgerichtet ist 309 . Ungewöhnlich für seine Zeit sind Artetas ökonomisch begründete pazifistische Forderungen des Abbaus des Militärstandes. Die Soldaten sollten sich anstelle des unnützen Waffendienstes als Handwerker nützlich machen. In der von König Karl III. erlassenen Real Cédula vom 18. März 1783 werden die handwerklichen Berufe vom König rehabilitiert, für ehrenhaft und vereinbar mit der Bekleidung öffentlicher Ämter erklärt. "[...] declaro, que no sólo el oficio de curtidor, sino también los demás Artes y oficios de herrero, sastre, zapatero, carpintero y otros a este modo, son honestos y honrados; que el uso de ellos no envilece la familia, ni la persona del que los ejerce, ni la inhabilita para obtener los empleos municipales de la República en que estén avecindados los artesanos o menestrales que los ejerciten; y que tampoco han de perjudicar los Artes y oficios para el goce, y prerrogativas de la hidalguía [...]" 31 °.
Die Flucht aus den Handwerksberufen sollte nicht nur dadurch unterbunden werden, daß man die Gewerbetreibenden dazu motivierte, ihre für ehrbar erklärten Berufe weiterhin auszuüben, sondern durch die in der Real Cédula ausgesprochene Drohung, daß diejenigen ihre Ehre verlören, die ihren angestammten Beruf verließen. Die Ständeordnung blieb in der Real Cédula unangetastet. Angestrebt wurde nicht die prinzipielle Gleichheit aller Staatsbürger, sondern ausschließlich ihre Gleichheit bezüglich der Ehre in den vorgegebenen Grenzen der sozialen Hierarchie. Die Umsetzung der Real Cédula von 1783 in die Praxis war wenig erfolgreich, so daß das Problem der Geringschätzung der artes mechanicae mit seinen negativen sozialen und ökonomischen Auswirkungen nichts von seiner Aktualität verlor. Ein außergewöhnlicher Vorschlag zur Verbesserung der aktuellen Situation durch Schaffung einer neuen hierarchischen Gesellschaftsordnung, in der persönliches Verdienst und ererbter Adel zum Nutzen des Staates miteinander vereinbart werden, findet sich in der Utopie über das Land der Ayparchontes, die 1784 und 1785 in der Zeitschrift El Censor erschien 311 . 309 Vgl. ibid., S. 185: "[...] la regia fundamental que debe regir a un Estado para la estimación de sus miembros no son sus especulaciones abstractas ni ingeniosas sutilezas, sino el bien y utilidad que recibe de ellos [...]". 310 Zit. n. Elorza, art. cit., in: RT, 22 (1968), S. 263-266, hier S. 265. 311 Vgl. El Censor, ed. cit. 1989, 3. Bd., Discurso LXI, S. 225-239, und Discurso LXIII, S. 257-270; 4. Bd., Discurso LXXV, S. 131-150. Der erste Teil der Utopie erschien am 19. Februar 1784, der zweite am 4. März 1784, der dritte wegen eines
89 Es handelt sich angeblich um ein Manuskript eines Reiseberichts, das zufällig bei einem Buchhändler aufgefunden wurde ("una descripción moral y politica de las tierras australes incógnitas" 312 ). Der erste Teil der Utopie betrifft die Frage nach der Legitimation des Adels, im zweiten wird das Idealbild eines vorbildlichen Klerus ohne Besitz und Regierungsfunktionen entworfen. Die Ayparchontes sind in drei soziale Klassen unterteilt: die nobles, die plebeyos, zu denen die Handwerker, Bauern und Händler gehören, und die infames, die Kriminellen, die die Ehre verloren haben 313 . Die dreistufige Ständepyramide ist durchlässig und erlaubt dem Individuum entsprechend seinem Verhalten außer der Wahrung seines Standes auch den sozialen Auf- oder Abstieg. Ein Ehrverlust kann durch Handlungen zum Wohl der Gemeinschaft wieder aufgehoben werden, so daß die infames prinzipiell wieder plebeyos werden können. Es besteht die Möglichkeit, daß die plebeyos als Belohnung für außergewöhnliche Leistungen geadelt werden. Innerhalb des Adelsstandes werden sechs Ranghöhen unterschieden. Ein Adeliger kann an seine direkten Nachkommen immer nur die jeweils nächstniedrige Rangstufe vererben. Jemand, der dem höchsten Rang angehört, kann an seinen Sohn nur noch den zweiten Rang übertragen, seinem Enkel den dritten usw., so daß die Familie nach mehreren Generationen der Klasse der plebeyos angehört, falls keines ihrer Mitglieder aufgrund besonderer Leistungen innerhalb der sechs Rangstufen des Adels wieder aufsteigt. Auch die Töchter erben den Status unterhalb dem des Vaters, sie nehmen aber im Palle einer Heirat denjenigen des Ehemanns an. Der mit Olavide, Campomanes und Jovellanos befreundete Cándido María Trigueros (1736-1798) gewann mit seiner Komödie in Elfsilbern Los menestrales den 1784 vom Ayuntamiento de Madrid ausgeschriebenen Theaterwettbewerb 314 . Es ist die erste bürgerliche Komödie in Spanien, in längeren Verbots der Zeitschrift erst am 20. Oktober 1785. Zur Datierung vgl. ibid., S. 786. - Zur Utopie der Ayparchontes vgl. Elorza, Antonio: La ideología liberal en la Ilustración española, Madrid 1970, S. 222-224; Hafter, Monroe Z.: "Toward a History of Spanish Imaginary Voyages", in: Eighteenth-Century Studies, 8 (1974/75), S. 265-282, hier S. 273-274; Krauss, art. cit. 1969, S. 79; Guinard, art. cit. 1977, S. 177-180; Abellán, op. cit., 3. Bd., 1981, S. 609-611; Alvarez de Miranda, Pedro: "Sobre utopías y viajes imaginarios en ei siglo XVIII español", in: Homenaje a Gonzalo Torrente Ballester, Salamanca 1981, S. 351382, hier S. 359. 312 El Censor, ed. cit. 1989, 3. Bd., S. 225. 313 Vgl. ibid., S. 226. 314 Vgl. Trigueros, Cándido María: Los menestrales. Comedia premiada por la villa de Madrid, para representarse en el Teatro del Príncipe con motivo de los festejos
90 der ein sozialer Konflikt thematisiert wird. Der Schneidermeister Cortines verläßt zum Leidwesen seiner Familie sein angestammtes Handwerk und erstrebt den Adelsstand 315 , wobei er dem angeblich adeligen Hochstapler Rafa auf den Leim geht, der ihn weidlich ausnutzt. Am Ende wird Rafa entlarvt, und Cortines übt wieder seinen Beruf aus. Die Schlußszene enthält die Grundgedanken der Real Cédula vom 18. März 1783 und propagiert gemäß der feudalistischen Konzeption der Gesellschaft den Verbleib der Handwerker im angestammten Stand zum Wohl des Staates und zum Nutzen seiner Bürger 316 . Ein weiteres zentrales Thema in der Diskussion über die artes mechanicae war die libertad, womit die Loslösung der Artes aus der Fremdbestimmung des einzelnen Handwerkers durch die Zünfte (gremios) gemeint ist. Das Zunftwesen war im 18. Jahrhundert in Spanien zwar noch wirksam, aber ebenso erstarrt wie die Universitäten. Die starren Zunftgesetze (ordenanzas), in denen die Organisation der Werkstätten geregelt war, behinderte den technischen Fortschritt der Artes und die Eigeninitiative der Handwerker, so daß ihnen eine rasche Anpassung an die sich ständig verändernden ökonomischen Gegebenheiten nicht möglich war. Antonio de Capmany Suris y de Montpalau (1742-1813) befürwortet in seinem unter dem Pseudonym Ramón Miguel Palacio 1778 in Madrid erschienenen Discurso económico-político en defensa del trabajo mecánico de los menestrales, y de la influencia de sus gremios en las costumbres populares, conservación de las artes, y honor de los artesanos zwar die Aufwertung des Handwerks, billigt den Arbeitern aber grundsätzlich keine individuelle Freiheit zu, sondern plädiert dafür, daß sie in funktionsfähigen Zünften eingebunden bleiben, in denen sie sozial abgesichert sind 317 . Dagegen fordert Jovellanos in seinem Informe dado a la Junta General de Comercio y Moneda sobre el libre ejercicio de las artes vom 9. November 1785 die Abschaffung der públicos que executa por el feliz nacimiento de los Serenísimos Infantes Carlos y Felipe, y ajuste definitivo de la paz, Madrid 1784. - Vgl. Krauss, Werner: Die Aufklärung in Spanien, Portugal und Lateinamerika, München 1973, S. 83 und 150; Aguilar Piñal, Francisco: Un escritor ilustrado: Cándido María Trigueros, Madrid 1987, S. 20, 214-225. 315 Vgl. Trigueros, op. cit. 1784, S. 19: "El ser noble, es el único quilate / que puede dar ä un hombre eterno brillo". 316 Vgl. ibid.: "Vivamos donde el Cielo nos ha puesto, / único medio de que bien vivamos". 317 Vgl. Sánchez Agesta, op. cit. 1953, S. 145, 151-154. Capmanys Text erschien in: Semanario erudito, 10. Bd., Madrid 1788, S. 172-224.
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Zünfte 318 . Er vertritt die Ansicht, daß jeder Mensch ein Recht auf Arbeit hat und dieses nicht durch die Zünfte eingeschränkt werden darf. Indem die Zünfte bestimmte Artes für sich reklamieren und andere ausschließen, verfahren sie seiner Auffassung nach rechtswidrig. Sie verhindern die Bildung neuer Artes und die Anpassung bereits existierender an die Erfordernisse des Marktes. Jovellanos geht nicht mehr von einem geschlossenen, von einem von einer feststehenden Anzahl Disziplinen konstituierten System der Artes aus, sondern von einem offenen, dessen Disziplinen sich je nach den Bedürfnissen der Konsumenten verändern. Entsprechend der ökonomischen Entwicklung muß es dem Arbeiter freistehen, ein anderes Handwerk auszuüben, wenn ihm sein bisheriges nicht mehr so viel Profit einbringt, daß er davon leben kann. Jovellanos verlangt eine freie Marktwirtschaft, die von einer auf drei Prinzipien beruhenden Gesetzgebung garantiert wird: die Gewährleistung der öffentlichen Ordnung, der Schutz der Arbeiter und der Verbraucherschutz 319 . Für Arteta de Monteseguro stellt sich die Frage nach der Freiheit des Handwerkers als prinzipielles Problem, losgelöst von der Auseinandersetzung über Reform bzw. Abschaffung der Zünfte, und er beansprucht sie als Recht des Handwerkers im Sinne des Naturrechtsgedankens und entsprechend Rousseaus Auffassung vom Gesellschaftsvertrag 320 . Die Diskussion über die artes mechanicae nahm zwar Ende der achtziger Jahre mit dem Tod von König Karl III. 1788 und der Französischen Revolution von 1789, die auch in Spanien nachhaltige Auswirkungen hatte321, an Intensität ab, wurde aber dennoch in vorsichtigerer Weise weitergeführt. Die politischen Veränderungen im Nachbarland wirkten auf die aufklärerischen Kräfte in der spanischen Regierung und in Kreisen des Adels und des reichen Bürgertums lähmend und führten zur Reformun318 Vgl. Jovellanos, Gaspar Melchor de: Obras von Cándido Nocedal, Madrid 1926 (= BAE, Gaspar Melchor de Jovellanos (1744-1811). in der Geschichte der spanischen Auflclärung,
publicadas e inéditas, 2. Bd., hrsg. 50), S. 33-45. - Vgl. Ritter, Manfred: Seine Persönlichkeit und sein Werk Mannheim 1965, S. 234-245.
319 Vgl. Jovellanos, ed. cit., 2. Bd., 1926 (= BAE, 50), S. 41: "En efecto, tres deberán ser los objetos de esta legislación: primero, buen orden público; segundo, protección de los que trabajan; tercero, seguridad de los que consumen". 320 Vgl. Elorza, art. cit., in: RT, 22 (1968), S. 220: "El artesano es un ciudadano que ha depositado parte de su libertad en el depósito común como todos los demás: contribuye como cualquier otro a la defensa y custodia del Reino y al bienestar general de la nación, sufriendo igualmente que los demás las cargas e imposiciones, contribuyendo con la parte que le toca". 321 Vgl. Aymes, op. cit. 1989.
92 Willigkeit. Man mied aus Furcht vor revolutionären Entwicklungen alles, was auch nur den Anschein bot, eine Veränderung des sozialen Systems bewirken zu können. Betrachtet man die praktischen Konsequenzen aus den Bemühungen der staatlichen Gesetzgebung und der Aufklärer, die artes mechanicae aufzuwerten, so läßt sich feststellen, daß sie weitgehend wirkungslos blieben. Im Sprachgebrauch hat die Diskussion über die artes mechanicae nachhaltige Spuren hinterlassen. Die Handwerker und Händler selbst waren bemüht, durch Umbenennung ihrer Tätigkeiten diese aufzuwerten und ihnen das Odium der Geringschätzigkeit zu nehmen 322 . Der mit negativen Konnotationen behaftete Begriff artes mecánicas wurde weitgehend zugunsten neutraler Benennungen aufgegeben 323 , und Campomanes und Arteta plädierten sogar dafür, die Bezeichnung artes mecánicas durch artes prácticas zu ersetzen 324 . 322 Capmany weist in seinem Werk Memorias históricas sobre la marina, comercio y artes de la antigua ciudad de Barcelona (Madrid 1792) darauf hin, daß in Katalonien die Handwerker noch in einer stabilen hierarchischen Ordnung eingebunden sind und ihre Berufe in traditioneller Weise benannt werden, wohingegen anderswo die Handwerker, sobald die festen gesellschaftlichen Bindungen brüchig geworden sind, nach Höherem streben und die Bezeichnungen ihrer Tätigkeiten zugunsten modischer, vermeintlich besser klingender Namen aufgeben. Vgl. Elorza, art. cit., in: RT, 22 (1968), S. 275-282, hier S. 278: "[...] el mercader se llama comerciante; el albañil, arquitecto; el zapatero, maestro de obra prima; el carnicero, tablajero; el herrero, oficial de grueso, etc.; a la tienda se da el nombre de lonja o de almacén; al despacho, el de oficina; al oficio, el de facultad, etc.; haciéndose una especie de ilusión con usurpar nombres de significación más noble, según la opinión moderna, para huir del concepto bajo que atribuye el injusto público en semejantes pueblos a toda profesión que pide trabajo manual o personal ministerio". 323 Schon Feijoo verwendet in Resurrección de las artes y apología de los antiguos im vierten Band des Teatro crítico universal von 1730 die Bezeichnung "artes factivas, útiles o necesarias a la vida humana" (Feijoo: Obras escogidas, 3. Bd., hrsg. von Agustín Millares Cario, Madrid 1961 [= BAE, 142], S. 109-132, hier S. 130. Vgl. id., ed. cit., 4. Bd., 1765, S. 13), und Mayáns y Sisear schreibt in seiner Rhetorica (Valencia 1757) "las artes útiles" (Mayáns y Sisear, ed. cit., 3. Bd., 1984, S. 109). Mayáns y Sisear, dem der Begriff artes mecánicas noch geläufig ist, schreibt stattdessen auch "las artes necessarias a la vida humana" (Mayáns, ed. cit., 5. Bd., 1986, S. 232). Asso bezeichnet die Berufe des Schuhmachers, Schneiders und Zimmermanns als "artes de primera necesidad" (Asso, Ignacio de: Historia de la economía política de Aragón, hrsg. von José Manuel Casas Torres, Zaragoza 1947, S. 123) oder "artes necesarias" (ibid., S. 216) und hebt so den Nutzen und die unbedingte Notwendigkeit dieser Tätigkeiten hervor. 324 Zu Campomanes vgl. infra, S. 86, Anm. 303; zu Arteta vgl. Elorza, art. cit., in: RT, 22 (1968), S. 168. - Auch Pérez y López verwendet den Begriff artes prácticas.
5.5 Die Unterscheidung von Künstler und Handwerker Neues Selbstwertgefühl der bildenden Künstler In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden in Spanien die Begriffe Artesano, Artista, Artifice weitgehend synonym gebraucht 325 . In der zweiten Jahrhunderthälfte bemühten sich die bildenden Künstler im Umkreis der Real Academia de San Fernando darum, ihr soziales Ansehen zu erhöhen, indem sie sich von den in den Zünften organisierten Handwerkern abgrenzten. Dadurch daß sie für sich die Bezeichnung Artista bzw. Artifice reklamierten und den Zunfthandwerkern die Bezeichnung Artesano zuwiesen, vollzogen sie grundsätzlich die uns heute vertraute Unterscheidung von Künstler und Handwerker, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht üblich war. Ein entscheidender Anstoß dürfte für die spanischen Autoren, die sich um die Unterscheidung von Artista und Artesano bemühten, die Encyclopédie gewesen sein. Im ersten Band von 1751 werden die Begriffe Artisan und Artiste unterschiedlich definiert, wenn auch die Trennung in Handwerker und Künstler in unserem heutigen Sinne noch nicht vollzogen ist 326 .
Vgl. Pérez y López: "Discurso sobre la honra y deshonra legal", in: Elorza, art. cit., in: RT, 22 (1968), S. 134; id.: op. cit. 1785, S. 211, vgl. infra, S. 62. 325 Melchor de Macanaz (1670-1760) bezeichnet in seinen Auxilios para bien gobernar una Monarquía Católica von 1722 die Absolventen der von ihm vorgeschlagenen Akademien als "artesanos" (zit. n. Semanario erudito, hrsg. von Antonio Valladares de Sotomayor, 5. Bd., Madrid 1787, S. 217-303, hier S. 293). Im ersten Band des Diccionario de Autoridades von 1726 wird kaum zwischen den Begriffen Artesano und Artista differenziert (vgl. Diccionario de la lengua castellana,, op. cit., 1. Bd., 1726, S. 424 und 427). Beide sind Synonyme des Begriffs menestral und werden den artes mechanicae zugeordnet. Das Wort Artista, das wohl seltener verwendet wurde als Artesano, bezeichnet gewöhnlich den Studenten der Artesfakultät. Für den Begriff Artífice werden zwei Eintragungen verzeichnet. Die erste bezieht sich auf den Maler oder Bildhauer (Vgl. ibid., S. 426). Die zweite Eintragung bezeichnet die metaphorische Verwendung des Begriffs, bezogen auf einen einfallsreichen Erfinder von Dingen, die nicht zu den Artes gehören. Der Bildhauer (Escultor) wird an anderer Stelle ebenfalls Artífice genannt (vgl. ibid., 3. Bd., 1732, S. 580). 326 In den Definitionen der Begriffe Artisan und Artiste wird eine Differenzierung der in den artes mechanicae Tätigen vorgenommen in solche, die zur Ausübung ihrer Arbeit keine geistige Anstrengung aufbringen müssen, und in solche, f ü r die bei ihrer Ausübung die Vernunft erforderlich ist. Der Begriff Artiste beinhaltet j e nach Anwendung auch negative Konnotationen. Wird der in einer ars mechanica Tätige so genannt, ist es für ihn ein Lob, doch wird der Ausübende einer derjenigen Wissenschaften, in denen Theorie und Praxis gleichermaßen erforderlich sind, als solcher bezeichnet, wird dies als Tadel aufgefaßt. Der Begriff Artiste wird nicht auf
94 Für die in der Real A.cademia de San Fernando organisierten bildenden Künstler manifestierten sich in den Begriffen Artista und Artífice ein neues Selbstwertgefühl und das Bewußtsein, zu einer künstlerischen Elite zu gehören. Tatsächlich garantierte das Reglement der Akademie den Akademikern die freie Ausübung ihrer Kunst, und sie verloren sogar ihre Privilegien, sobald sie sich einer Zunft anschlössen, so daß der Status des Akademikers also den des zunftmäßig organisierten Handwerkers ausschloß. Die hohe Selbsteinschätzung der bildenden Künstler wird in mehreren Texten von Diego Antonio Rejón de Silva (1740-1796) deutlich. Im Prolog seiner spanischen Übersetzung der Malereitraktate von Leonardo da Vinci und Leon Battista Alberti lehnt er die reinen Praktiker ab, die sich ohne Berücksichtigung von Regeln allein von ihrer Einbildungskraft leiten lassen, da sie der Malerei schadeten, und er schätzt nur diejenigen Künstler, die sich um die theoretische Begründung ihrer praktischen Arbeit bemühen 327 . Im Prolog zu seinem Diccionario de las Nobles Artes von 1788 erwähnt Rejón de Silva die Artesanos, die es sich anmaßen, sich Artífices zu nennen 328 . Wie Rejón de Silva nimmt Francisco Martínez (1736-1794) das Lemma Artesano nicht in sein im selben Jahr erschienenes Lexikon Diccionario manual de Pintura, Escultura, Arquitectura, Grabado auf, sondern verzeichnet nur einen Eintrag zum Begriff Artista, den er ausschließlich als die schönen Künste angewendet. Vgl. Encyclopédie ou Dictionnaire sciences, des arts et des métiers, 1. Bd., Paris 1751, S. 745.
raisonné des
327 Vgl. El Tratado de la Pintura por Leonardo de Vinci, y los tres libros que sobre el mismo arte escribió León Bautista Alberti, traducidos e ilustrados con algunas notas por Don Diego Antonio Rejón de Silva, Madrid 1784, unpag. (Prólogo del traductor): "En todas las artes hay profesores que se contentan con ser meros prácticos, sin mas estudio que lo que comunmente ven hacer á los demás, ni mas reglas que las que les subministra su imaginación; pero también hay otros que uniendo la práctica al estudio y aplicación, emplean su entendimiento en buscar y aprender los preceptos sublimes que dieron los hombres eminentes de su profesión, y reflexionar profundamente sobre ellos y sobre las máximas que establecieron; [...] Tal vez la Pintura será el arte que mas abunde de la una de estas dos especies, aunque no sé con qué razón se llamarán los de la primera profesores de Pintura, sino corruptores de ella". 328 Vgl. Rejón de Silva, Diego Antonio: Diccionario de las Nobles Artes para instrucción de los Aficionados, y uso de los Profesores, Segovia 1788, Nachdruck Murcia 1985, unpag.: "[...] unos Artesanos que querían usurpar el nombre de Artífices". Den Begriff Artífice definiert er folgendermaßen: "Comunmente solo se llama así al Profesor de un Arte liberal y noble como la Pintura, Escultura y Arquitectura; y al que trabaja cosas de mucho primor" (ibid., S. 29). Das Lemma Artesano verzeichnet er bezeichnenderweise überhaupt nicht.
95 Bezeichnung für die bildenden Künstler verwendet 329 . Tatsächlich entspricht die begriffliche Unterscheidung zwischen Artesano und Artista bzw. Artífice eher dem Wunschdenken der Akademiker als der Realität, da beide Begriffe meist nach wie vor synonym verwendet wurden 330 . Eine völlig neue Dimension erreicht das künstlerische Selbstwertgefühl zu Beginn der neunziger Jahre innerhalb der Real Academia de San Fernando durch die von Francisco José de Goya y Lucientes (1746-1828) vorgebrachte selbstbewußte Forderung nach einer so weitreichenden Autonomie des Künstlers, daß sie sogar die Abwendung von den inhaltlichen Vorgaben der Akademie implizierte. In einem vom 14. Oktober 1792 datierten Schreiben, in dem er Vorschläge zur Reform der akademischen Studien macht, plädiert Goya für die individuelle künstlerische Freiheit und die Loslösung vom Zwang der Regeln des Klassizismus 331 . In ungewöhnlicher Offenheit widerspricht er der akademischen Lehrmeinung, daß ein bestimmter Stil, nämlich der klassizistische, mit Regeln gelehrt werden müsse, und bestreitet, daß es in der Malerei überhaupt Regeln gibt 332 . Er 329 Vgl. Martínez, Francisco: Introducción al conocimiento de las Bellas Artes, 6 Diccionario manual de Pintura, Escultura, Arquitectura, Grabado, &c. Dispuesto y recogido de varios Autores, asi Nacionales como Estrangeros, para uso de la Juventud Española, Madrid 1788, S. 39: "Este nombre dán á las personas que exercen alguna de las Artes liberales y particularmente á los Pintores, Escultores, y Grabadores. Por lo regular suelen añadir algún epíteto á la palabra Artista para caracterizar los talentos de la persona de quien se habla". 330 Zum synonymen Gebrauch von Artista und Artesano vgl. Anonymus: "Industria, y Artes", in: Correo de Madrid, art. cit. 1787, S. 470 ("Artistas"), 495 ("artista"), 525 ("artesanos" und "artistas"). - Noch ganz im Sinne des Diccionario de Autoridades bezeichnet Cándido María Trigueros in seiner Komödie Los menestrales von 1784 mit Artistas die Handwerker. Vgl. Trigueros, op. cit. 1784, El autor al que leyere, unpag. Artista und Artesano verwendet Trigueros synonym. Vgl. ibid., S. 1 1 . - Asso verwendet die Begriffe Artífice und Artesano synonym als Bezeichnung von Handwerkern. Vgl. Asso, ed. cit. 1947, S. 168 ("artesanos, y jornaleros"), 171 ("artifices"), 172 ("artesanos"). 331 Der Brief ist eines von mehreren Gutachten, die dort vom 28. Oktober bis 2. Dezember 1792 vorgetragen wurden. Im Gegensatz zu seinen Kollegen verzichtet Goya auf die Aufzählung praktischer Verbesserungsvorschläge und gibt stattdessen eine grundsätzliche Stellungnahme zur Malerei und zur künstlerischen Ausbildung ab. 332 Zit. n. Held, Jutta: "Goyas Akademiekritik", in: Münchner Jahrbuch der Bildenden Kunst, 17 (1966), S. 214-224, hier S. 214: "Daré una prueva para demostrar con hechos, que no hay reglas en la Pintura, y que la opresion, ú obligación servil de hacer estudiar ö seguir á todos por un mismo camino, es un grande impedimiento ä los Jóvenes que profesan este arte tan difícil, que toca mas en lo Divino que ningún otro, por significar quanto Dios há criado".
96 stellt dadurch die Legitimation der Akademie als Vermittlerin bestimmter Regeln prinzipiell in Frage und bestimmt ihre Funktion als Hilfestellung im Sinne eines Angebots, das die Schüler nach ihrem eigenen Ermessen, je nach Neigung und Begabung, für sich nutzen können. Goya orientiert sich ausschließlich an der Natur, nicht jedoch an der schönen Natur, sondern an der Natur als konkreter vorgegebener Realität, deren präzise, ungeschönte Nachahmung der Künstler intuitiv realisieren soll. Die Schönheit eines Bildes ist nicht durch Regeln objektiv bestimmbar, sondern bemißt sich nach dem Grad, in dem das Werk der Realität entspricht. Gerade in dieser Hinsicht kann Goya als der erste moderne Künstler in Spanien angesehen werden. Seine Bilderzyklen Caprichos und Desastres de la Guerra sind beredte Zeugnisse für die Umsetzung seiner Theorie der Malerei in die künstlerische Praxis.
6.
Das Zusammenwirken verschiedener Künste
Unter dem Einfluß Frankreichs (Du Bos, Andre, Batteux), aber auch in Anknüpfung an ihre eigene nationale Tradition beschäftigten sich in Spanien einige Autoren mit dem Verhältnis verschiedener Künste zueinander. In mehrfacher Hinsicht wurden die Grenzen zwischen den einzelnen Künsten überschritten. Auch die Terminologie, die in einer der Künste Anwendung findet, wurde zur Beschreibung und Charakterisierung einer anderen Kunst verwendet. Viele Traktate über eine einzelne Kunst bezogen die Reflexion über die anderen Künste mit ein, so daß es eine die Grenzen der Einzeldisziplinen überschreitende, umfassende Auseinandersetzung mit ästhetischen Problemen gab, die sich durch Bezugnahmen der Autoren auf vorher erschienene Traktate und auf Stellungnahmen zeitgenössischer Autoren als komplex erweist. Entwickelt wurden erste Ansätze zur Konzeption eines Gesamtkunstwerks im Genre der Oper, die als synästhetisches Zusammenwirken verschiedener Einzelkünste aufgefaßt wurde. Auch das Theater wurde unter dem Aspekt des Zusammenwirkens verschiedener Künste betrachtet. 6.1 Malerei und Dichtung Die Tradition der Gedichte über Künstler, insbesondere die Enkomien zu Ehren herausragender Maler, besteht in Spanien seit dem Siglo de Oro, und die Identifikation der Dichtung mit der Malerei, die auf die Passage ut pic-
97 tura poesis aus der Poetik des Horaz zurückgeht 333 , ist geradezu ein Charakteristikum der spanischen Barocklyrik 334 . Die Reflexion über die Beziehungen der beiden Künste ist ein fester Bestandteil der spanischen Poetiken des 16. und 17. Jahrhunderts335. Der Topos ut pictura poesis hat auch im 18. Jahrhundert keineswegs seine Wirkung verloren. Luzán nennt die Metapher "la poesía pintura de los oídos y la pintura poesía de los ojos" 336 in seiner Poética von 1737. Erauso y Zavaleta hebt in seinem Discurso Critico von 1750 die Verwandtschaft von Dichtung und Malerei hervor 337 , und der Basilianermönch Fray Alexandra Aguado (*1702) 338 , Theologieprofessor an der Universität von Alcalá, schreibt in seinem vom 2. November 1750 von dort datierten Dictamen zu Erauso y Zavaletas Traktat, daß Dichtung und Malerei denselben Gesetzmäßigkeiten unterliegen, da beide auf die möglichst getreue Nachahmung der Natur zielen 339 . Feijoo widmet der Gleichsetzung von Malerei und Dichtung unter dem Aspekt des ut pictura poesis einen längeren Abschnitt im fünften Band seiner Cartas eruditas y curiosas von 1760 340 . Wie 333 Vgl. Lee, Rensselaer W.: "Ut Pictura Poesis. The Humanistic Theory of Painting", in: TAB, 22 (1940), S. 197-269; Buch, Hans Christoph: Ut pictura poesis. Die Beschreibungsliteratur und ihre Kritiker von Lessing bis Lukács. München 1972; Floeck, Wilfried: Die Literarästhetik des französischen Barock, Berlin 1979, S. 76-78. 334 Vgl. Orozco Díaz, Emilio: "La muda poesía y la elocuente pintura. Nota a unas décimas de Bocángel", in: id.: Temas del Barroco. De poesía y pintura, Granada 1947, Nachdruck ibid. 1989, S. 37-52. 335 Vgl. Mañero Sorolla, María Pilar: "El precepto horaciano de la relación 'fraterna' entre pintura y poesía y las poéticas italo-españolas durante los siglos XVI, XVII y XVIII", in: BBM, 64 (1988), S. 171-191. 336 Luzán, ed. cit. 1974, S. 101; vgl. ibid., S. 175-177. 337 Vgl. Erauso y Zavaleta, op. cit. 1750, S. 234: "[...] el pincel de la Poesía (con semejanza ä la Pintura, su hermana) [...]". 338 Zu Aguado vgl. Aguilar Piñal, Francisco: Bibliografía de autores españoles del siglo XVIII, 1. Bd., Madrid 1981, S. 62-64; ibid., 3. Bd., 1986, S. 785; Benito y Durán, Angel: "El P. Alejandro Aguado, Abad General de la Orden de San Basilio Magno, madrileño ecumenista", in: Anales del Instituto de Estudios Madrileños, 18(1981), S. 501-519. 339 Vgl. Aguado, Alexandra: "Dictamen", in: Erauso y Zavaleta, op. cit. 1750, unpag.: "Las mismas leyes se prescriben para la Pintura, que para la Poesía: y si la Pintura, y Poesía verdadera es imitadora de la Naturaleza; siendo la pluma émula del pincel, y éste de la pluma, en lo essencial deberá ser siempre similitud de lo natural". 340 Vgl. "Reforma el Autor una cita, que hizo en el 4. Tomo del Theatro Critico; y despues tuvo motivo para dudar de su legalidad: Con cuya ocasion entra en la disputa de qual sea el Constitutivo esencial de la Poesía", in: Feijoo, op. cit., 5. Bd.,
98 Feijoo setzt auch Fomer in seiner Oración apologética por la España y su mérito literario von 1786 Dichter und Maler gleich 341 . Mengs rekurriert auf das horazische prodesse et delectare und schreibt in seiner an Antonio Ponz gerichteten Carta von 1776, die Malerei sei der Dichtung von allen Künsten am ähnlichsten, da beide ein gemeinsames Ziel hätten: "instruir deleitando"342. 6.2 Bildende Künste und Musik Architektur und Musik vergleicht Ponz im 1774 erschienenen dritten Band seiner Viage de España miteinander. Sein tertium comparationis ist der Begriff der Harmonie. Wenn die Kirchenmusik als "la musical armonía" dem Gotteshaus würdig sei, wie wichtig sei dann erst die Sakralarchitektur als "la armonía arquitectónica"343, zumal der Gesichtssinn als der höherrangige Sinn die Seele des Rezipienten direkter anspreche. Ponz will keine Korrespondenz zwischen den beiden Künsten herstellen, sondern er konfrontiert sie als voneinander getrennte Bereiche 344 . In der Tradition Leon Battista Albertis fanden vor allem die Korrespondenzen zwischen Malerei und Musik immer wieder Beachtung. Palomino weist in El museo pictórico o Escala óptica von 1715/24 auf die Analogie zwischen Malerei und Musik hin und wendet sogar die spezifi-
1765, S. 357-368, hier S. 362: "Finalmente añado, que siendo la Poesía un Arte perfectamente analogo ä la de la Pintura, como saben todos los que saben algo, y apenas hay quien ignore lo de Horacio, ut Pictura Poesis erit; igualmente podran ser objetos proprios del Poeta, como lo son del Pintor, los hechos, ö Personages verdaderos, y reales, y no solo los fabulosos. Realmente, también el Poeta representa, como el Pintor; y el Pintor describe, como el Poeta. En la mano de aquel es pincel la pluma; y es pluma el pincel, en la mano de éste. La Poesía es una pintura parlante, y la Pintura una Poesía muda". 341 Vgl. Forner, Juan Pablo: Oración apologética por la España y su mérito Madrid 1956, S. 106: "El poeta es un pintor".
literario,
342 "Carta de don Antonio Rafael Mengs [...] al autor de esta obra", in: Ponz, ed. cit. 1947, S. 565-582, hier S. 566. 343 Ibid., S. 237. Die Augen bezeichnet Ponz im Vergleich mit dem Gehör als "sentido más noble y que más vivamente toca el ánimo" (ibid.). 344 Sein Gedankengang dient ihm als Mittel zum Zweck, nämlich als Plädoyer für eine höher dotierte finanzielle Förderung der Sakralarchitektur angesichts des Etats, der für die Kirchenmusik zur Verfügung steht.
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sehe Wahrnehmungsweise der einen Kunst auf die andere an, indem er die Musik als Malerei, die Malerei als Musik bezeichnet 345 . Azara berichtet in seinen vom 10. November 1779 aus Rom datierten Noticias de la vida y obras de Don Antonio Rafael Mengs, er habe zusammen mit dem irischen Bildhauer Hewetson 346 Mengs in seinem Atelier angetroffen, als dieser gerade an seinem letzten, unvollendet gebliebenen Gemälde, einer für die Kapelle des Königspalastes in Aranjuez bestimmten Verkündigung, gearbeitet habe, wobei er vor sich hinpfiff und sang 347 . Auf Anfrage seiner beiden Besucher antwortete Mengs ihnen, er sänge eine Sonate von Arcangelo Corelli (1635-1713), da er das Bild ganz im Stil dieser Musik malen wollte. Weder die Griechen noch die Maler der Renaissance, sondern die Musik bezeichnet Mengs hier als seine Inspirationsquelle 348 .
345 Er schreibt über eine Gruppe mehrerer Sänger: "[...] forman aquella tan sonora pintura del oído; así como la nuestra debe componer una silenciosa música de la vista" (Palomino, ed. cit. 1947, S. 383). Palomino empfiehlt dem Maler, er solle sich am vollkommenen Musiker, Redner und Schauspieler orientieren. Vgl. ibid., S. 637. 346 Christopher Hewetson (um 1739-1798) lebte seit 1765 in Rom und gehörte dem Kreis um Azara und Mengs an. Vgl. Anton Rafael Mengs, ¡728-1779. Museo del Prado, Junio-Julio 1980, hrsg. von Ministerio de Cultura. Dirección General del Patrimonio Artístico, Archivos, Museos, Madrid 1980, S. 94-95. 347 Vgl. Azara, José Nicolás de: "Noticias de la vida y obras de Don Antonio Rafael Mengs, Primer Pintor de Cámara del Rey", in: Mengs, Antonio Rafael: Obras, hrsg. von José Nicolás de Azara y Perera, Madrid 2 1797, S. XIII-XLV, hier S. XXVII-XXXI; Bianconi, Lodovico: "Elogio Storico del cavaliere Anton Raffaele Mengs", in: id.: Opere, 2. Bd., Mailand 1802, S. 143-226, hier S. 214-216. Die unvollendete Verkündigung, an der Mengs kurz vor seinem Tode in Rom arbeitete, hängt heute als Seitenaltarbild in der Kapelle des Madrider Königspalastes. Aus der Datierung von Azaras Text ergibt sich, daß er seine Eindrücke von dem Besuch bei Mengs kurze Zeit später, noch im selben Jahr niedergeschrieben hat. Vgl. Hönisch, Dieter: Anton Raphael Mengs und die Bildform des Friihklassizismus, Recklinghausen 1965, S. 99, Nr. 127; Pelzel, Thomas O.: Anton Raphael Mengs and Neoclassicism, New York/London 1979, S. 166-168. 348 Mengs interessierte sich für das Verhältnis zwischen den Modi der Musik und der bildenden Künste. Vgl. Prange, C.F. (Hrsg.): Des Ritters Anton Raphael Mengs, ersten Mahlers Karl III. Königs von Spanien hinterlaßne Werke, l . B d . , Halle 1786, S. 220, Anm.: "Mengs war ein sehr großer Liebhaber der Musik [...]. Besonders schätzte er die Oper des Corelli [...]. Der Ritter Derizet, ein berühmter Architekt und Professor der Akademie von St. Lucas, hatte lange über die Harmonie der Glieder der Baukunst, die mit den verschiedenen Accorden der Musik eine Aehnlichkeit haben, gearbeitet und unterhielt sich daher mit ihm sehr oft von der genauen Aehnlichkeit, die die Künste unter sich hätten, worüber er ein eignes Werk herauszugeben gedachte".
100 Azara hebt den Ernst von Mengs' Antwort hervor und konstatiert die große Ähnlichkeit, die zwischen Malerei und Musik bestehe 349 . Auch Tomás de Iriarte vergleicht in La música von 1779 die Musik mit der Malerei auf der Ebene des von beiden Künsten verwendeten Materials. Demnach entsprechen die sieben Töne in der Musik den sieben Farben in der Malerei 350 . Konsonanz und Dissonanz in der Musik vergleicht er mit Hell und Dunkel in der Malerei 351 . Iriartes Thesen sind typisch für seine Zeit, wenn auch unter objektiven Gesichtspunkten anfechtbar, da die Parallelen auf willkürlichen Kriterien basieren 352 . 6.3 Die Korrespondenz aller schönen Künste Für Tomás de Iriarte war die tägliche Beschäftigung mit Dichtung, Malerei und Musik zur Lebensform geworden, die er in seiner vom 8. Januar 1776 datierten Epístola VII. Describe el poeta á un amigo su vida semifilosófica beschreibt. "Así pues, Fabio, el tiempo distribuyo (Dando á la obligación primero el suyo) Entre la poesía y la pintura, La música y lectura" 3 5 3 .
Horaz, Mengs und Haydn sind für Iriarte die vorzüglichsten Repräsentanten ihrer Disziplinen. Ihnen widmet er die vom 20. Mai 1776 datierte Epístola IX. A una dama que preguntó al autor qué amigos tenía. Iriartes Beschreibung der Musik Joseph Haydns, die er aus eigener Erfahrung als Violinist und Bratschist kannte und sehr schätzte 354 , tendiert zur Ver349 Vgl. Azara, in: Mengs, op. cit. 1797, S. XXVIII: "No hay cosa mas parecida ä la Pintura que la Musica: una y otra son artes de imitacion: tienen por objeto la belleza, y necesitan de la armonia". 350 Vgl. Iriarte, ed. cit., 1. Bd., 1787, S. 173-174. - Der Gedanke ist nicht originell. André äußert ihn in seinem Essai sur le Beau von 1741 und verweist auf Sir Isaac Newtons (1642-1727) Opticks of a Treatise of the Reflexions, Refractions, Inflexions and Colours of Light (London 1704). Vgl. André, ed. cit. 1843, S. 66. 351 Vgl. Iriarte, ed. cit., 1. Bd., 1787, S. 177. 352 Es wäre beispielsweise einsichtiger, entsprechend der chromatischen Skala die Anzahl der Töne mit zwölf anzugeben statt mit sieben wie in der diatonischen Skala. Die Festlegung der Anzahl der Farben auf sieben ist ebenfalls willkürlich. 353 Zit. n. Poetas liricos del siglo XVIII, 2. Bd., hrsg. von Leopoldo Augusto de Cueto, Madrid 1925 (= BAE, 63), S. 32-34, hier S. 34. 354 Im Auftrag der Condesa Duquesa de Benavente, Maria Josefa de la Soledad Alonso Pimentel (1752-1834), die in ihrem Haus musikalische Akademien
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mischung der verschiedenen Künste. Er bedient sich verschiedener Oxymora, indem er die Musik als Pantomime ohne Gestik, Dichtung ohne Worte, Rhetorik ohne Rhythmus beschreibt und der Musik Eigenschaften der anderen Künste zuspricht355. Die Vorstellung von der Korrespondenz der Künste hat am weitesten Marqués de Ureña ausgeprägt, der wie Iriarte mehrere Künste praktizierte356. In seinen Reflexiones sobre la arquitectura, ornato, y música del templo von 1785 äußert Marqués de Ureña die Auffassung, daß prinzipiell alle schönen Künste durch Analogie miteinander korrespondieren. Er vertritt die These von der Analogie zwischen Farben und Tönen und erwähnt veranstaltete, hatte Iriarte über einen Mittelsmann, Carlos Alejandro de Lelis, in Wien Haydn 1783 sogar vertraglich verpflichtet, seine neuen kammermusikalischen Werke nach Madrid zu schicken. Aus Spanien erhielt Haydn seine ersten ausländischen Kompositionsaufträge. Zur Haydn-Rezeption in Spanien vgl. Kraus, Hedwig: "Joseph Haydn und Spanien", in: Österreichische Kunst, 3 (März/April 1932), S. 29-30; Solar-Quintes, Nicolás A.: "Las relaciones de Haydn con la Casa de Benavente", in: AM, 2 (1947), S. 81-88; Subirá, José: "La música de cámara en la Corte madrileña durante el siglo XVIII y principios del XIX", in: AM, 1 (1946), S. 181-194; id., op. cit., l . B d . , 1949, S. 59-61; Moreno, Salvador: "Haydn y España", in: Cuadernos Hispanoamericanos, 120 (Dezember 1956), S. 199-204; Feder, Georg: "Die Überlieferung und Verbreitung der handschriftlichen Quellen zu Haydns Werken (Erste Folge)", in: Haydn-Studien, 1. Bd., Heft 1 (Juni 1965), S. 3-42, hier S. 40-42; Fisher, Stephen C : "A Group of Haydn Copies for the Court of Spain: Fresh Sources, Rediscovered Works, and New Riddles", in: Haydn-Studien, 4. Bd., Heft 2 (Mai 1978), S. 65-84; Robbins Landon, H.C.: Haydn, 2. Bd., London 1978, S. 421-422, 453, 490, 567, 588-590, 624-625; Stevenson, Robert: "Haydn's Iberian World Connections", in: Inter-American Music Review, 4 (1982), S. 3-30; Martín Moreno, op. cit., 4. Bd., 1985, S. 276-284 und passim. Zu ergänzen sind folgende Hinweise: Samaniego bezeichnet im Pròlogo zu seinen Fabeln den Komponisten als "divino Haydn" (Samaniego, Félix María: Fábulas, hrsg. von Ernesto Jareño, Madrid 3 1987, S. 55). Antonio Eximeno erwähnt in seinem Roman Don Lazarillo Vizcardi Haydns Schöpfung. Vgl. Eximeno, op. cit., 1. Bd., 1872, S. 221; 2. Bd., 1873, S. 211. 355 Vgl. Poetas líricos del siglo XVIII, ed. cit., 2. Bd., 1925, S. 35-36, hier S. 35: "Háyden, músico aleman, / Compositor peregrino, / Con dulces ecos se lleva / Gran parte de mi cariño. / Su música, aunque le falte / De voz humana el auxilio, / Habla, expresa las pasiones, / Mueve el ánimo á su arbitrio. / Es pantomima sin gestos, / Pintura sin colorido, / Poesía sin palabras / Y retórica con ritmo; / Que el instrumento á quien Háyden / Comunica su artificio, / Declama, recita, pinta, / Tiene alma, idea y sentido". 356 Marqués de Ureña interessierte sich für die Malerei und malte selbst, komponierte und spielte mehrere Instrumente, war sehr belesen, vor allem in den Werken der antiken Autoren. Darüber hinaus beschäftigte er sich intensiv mit mehreren naturwissenschaftlichen Disziplinen. Vgl. Cambiaso y Verdes, op. cit. 1829/1986, S. 127-132.
102 das Farbenklavier des Jesuitenpaters Louis-Bertrand Castel (1688-1757) 357 , durch das Töne kolorimetrisch transkribiert werden, also zu einem auditiven Eindruck ein entsprechender visueller hinzutritt358. Durch die Vermischung der Sinnesbereiche werden prinzipiell die Grenzen zwischen allen schönen Künsten fließend359. Marqués de Ureña entwickelt eine regelrechte Grammatik der Musik, indem er grammatisch-rhetorische Termini auf die Musik anwendet und zu ihrer Beschreibung und Einteilung benutzt360. Er fordert nicht nur, daß die Sakralmusik nach den Gesetzen der Rhetorik ausgerichtet sein soll 361 , sondern daß die Poetik des Horaz auf alle schönen Künste angewendet wird362.
6.4 Oper und Theater als Vereinigung aller Künste Im Zusammenhang mit Oper und Theater sahen sich einige spanische Autoren veranlaßt, über das Phänomen der Vereinigung aller Künste zu reflektieren. Ignacio de Luzán beobachtet den Aufschwung der Oper mit Skepsis und schreibt in seiner Arie de hablar, o sea, Retórica de las conversaciones von 1729, die Dichtung werde, indem die Librettisten sie für die Oper ver357 Dieses Instrument war seinerzeit Gegenstand heftiger Diskussionen. Vgl. Wellek, Albert: "Castel, Louis-Bertrand", in: MGG, 2. Bd., Kassel/Basel 1952, Sp. 898899; Schräder, op. cit. 1969, S. 19-20; Würtenberger, Franzsepp: Malerei und Musik, Frankfurt a.M. u.a. 1979, S. 193-194; Cohen, Albert: "Castel, Louis-Bertrand", in: NGDMM, 3. Bd., London 1980, S. 865; Hurte, Michael: Musik, Bild, Bewegung. Theorie und Praxis auditiv-visueller Konvergenzen, Bonn 1982, S. 6465. 358 Vgl. Marqués de Ureña, op. cit. 1785, S. 72. 359 Vgl. ibid., S. 86-87: "Finalmente hallaremos, que la Arquitectura, Pintura y Escultura, son Música de los ojos, como la Oratoria, Poética y Música, pintura de los oidos". 360 Vgl. ibid., S. 374-386, 406-414. Zum Verhältnis von Musik und Rhetorik vgl. Unger, Hans-Heinrich: Die Beziehungen zwischen Musik und Rhetorik im 16.-18. Jahrhundert, Würzburg 1941; Bartel, Dietrich: Handbuch der musikalischen Figurenlehre, Laaber 1985, S. 19-20; Liebert, Andreas: Die Bedeutung des Wertesystems der Rhetorik für das deutsche Musikdenken im 18. und 19. Jahrhundert, Frankfurt a.M. u.a. 1993. 361 Vgl. Marqués de Ureña, op. cit. 1785, S. 413: "Concluyo de todo, que el medio mas seguro (y creo que el único) de hacer una Música religiosa, característica del Templo, útil y conducente á su fin, es sujetarla á las leyes de la eloqüencia". 362 Vgl. ibid.: "Creo que si se erigieran Cátedras en que se cursara la aplicación de la Poética de Horacio á todas las bellas Artes, quedarían ociosos algunos críticos".
103 wendeten, mißbraucht 363 . Wie sehr Luzán die Rezeption der Dichtung als rationalen Akt versteht, zeigen seine Ansichten über die Rolle der Musik. Die Oper betrachtet er nicht als eigenständige Gattung, sondern als ein durch Musik ergänztes Theater. Die Musik empfindet er als störend, denn sie zerstöre den durch die Dichtung hervorgerufenen deleite racional durch einen ihm höchst unwillkommenen deleite de sentido364. In den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts gab es solche Vorbehalte gegen die Oper kaum noch. Tomás de Iriarte ist in La música von 1779 bemüht, die Musik mit den übrigen Künsten in Verbindung zu bringen. Seiner Meinung nach verbinden sich Dichtung, Architektur, Malerei 365 , Tanz und Musik im Musiktheater und in der Oper zu einer Harmonie der Künste, in der ihre Wirkung gesteigert wird zu einem "espectáculo ingenioso" 366 . Auch Esteban de Arteaga definiert die Oper in Le rivoluzioni del teatro musicale italiano dalla sua origine fino al presente (Bologna 1783) als "[...] un aggregato di poesía, di música, di decorazione, e di pantomima, le quali, ma principalmente le tre prime, sono fra loro cosí strettamente unite, che non puö considerarsene una senza considérame le altre, nè comprendersi bene la natura del melodramma senza l'unione di tutte" 3 6 7 .
Zwar sieht Arteaga die Gemeinsamkeit aller Künste darin, daß sie die schöne Natur nachahmen 368 , aber er befürwortet auch die genaue Unterscheidung der Disziplinen. In seinen Investigaciones filosóficas sobre la Belleza ideal von 1789 räumt er zwar durchaus die Möglichkeit ein, daß ein Künstler auf seine Kunst Ausdrucksmittel einer anderen Kunst übertragen kann 369 , doch weist er auch mit besonderem Nachdruck auf die Grenzen der Künste hin. Eine jede Kunst bietet seiner Meinung nach spezifische Möglichkeiten des künstlerischen Ausdrucks, die von einer anderen Kunst nur bedingt oder gar nicht realisiert werden können. Arteaga erwähnt zwar Castels Farbenklavier, allerdings nicht, wie Marqués de Ureña, als Beispiel
363 Vgl. Luzän, ed. cit. 1991, S. 138. 364 Vgl. id., ed. cit. 1974, S. 394. 365 Architektur und Malerei hinsichtlich der Gestaltung der Kulissen. 366 Iriarte, ed. cit., 1. Bd., 1787, S. 243. 367 Arteaga, Esteban de: Le rivoluzioni del teatro musicale fino al presente, 1. Bd., V e n e z i a 2 1 7 8 5 , S. 1-2.
italiano
dalla sua
origine
368 Vgl. ibid., 3. Bd., S. 30: "Lo s c o p o delle arti imitative non è di rappresentar la natura semplicemente qual è, ma di rappresentarla abbellita". 369 Vgl. Arteaga, ed. cit. 1943, S. 23-32.
104 für die Korrespondenz der Künste und die Verwischung ihrer Grenzen, sondern als negatives Beispiel für die unzulässige, weil inadäquate Ubertragung der Ausdrucksmittel einer bestimmten Kunst auf eine andere 370 . Die Oper als Vereinigung der artes imitativas Musik, Dichtung, Tanz, Perspektive 371 besitzt für Arteaga eine höherrangige Qualität als die sie konstituierenden einzelnen Künste 372 . Wie für die Oper lassen sich auch für das Theater ähnliche Theorien zur Vereinigung aller Künste nachweisen. Feijoo äußert in Música de los Templos von 1726 den Gedanken, daß sich in der comedia verschiedene Artes vereinigen: "[...] se confeccionaron la retórica y la poesía con la música" 373 . Melchor Gaspar de Jovellanos' Theorie über das Zusammenwirken verschiedener Künste im Theater ähnelt Iriartes und Arteagas Gedanken über die Oper. In seiner Memoria para el arreglo de la policía de los espectáculos y diversiones públicas y sobre su origen en España, vom 29. Dezember 1790 aus Gijón datiert, schreibt Jovellanos, im Theater wirkten alle Künste zusammen 374 . Die Kulissenausstattung sowie Musik und Tanz seien nicht nur Akzidentien, sondern integrale Bestandteile des Theaters.
370 Vgl. ibid., S. 51. 371 Gemeint ist die Malerei. 372 Vgl. ibid., S. 104. Er bezeichnet die Oper als "último esfuerzo del ingenio humano y complemento de perfección en las artes imitativas" (ibid.). 373 Feijoo, ed. cit., 1. Bd., 1924 (= BAE, 56), S. 37-44, hier S. 37. 374 Vgl. "Memoria para el arreglo de la policía de los espectáculos y diversiones públicas y sobre su origen en España", in: Jovellanos, Gaspar Melchor de: Obras publicadas e inéditas, 1. Bd., hrsg. von Cándido Nocedal, Madrid 1924 (= BAE, 46), S. 480-500, hier S. 498: "El teatro es el domicilio propio de todas las artes". Zur Datierung vgl. Jovellanos, ed. cit., 5. Bd., 1956 (= BAE, 87), S. 455; Polt, John H.R.: Gaspar Melchor de Jovellanos, New York 1971, S. 75.
li. DIE THEORIE DER SCHÖNHEIT 1.
Der Schönheitsbegriff in Antike, Mittelalter und italienischer Renaissance
In der Antike wurden die sichtbare Schönheit und das sittlich Gute nicht voneinander getrennt, sondern beide bildeten in der Konzeption der Kalokagathia eine untrennbare Einheit1. Für Piaton und Aristoteles gehörten das Schöne, Wahre und Gute zusammen 2 . Für Plotin konstituiert nicht die Symmetrie der äußeren Teile die Schönheit, sondern das Licht der Schönheit muß sich über der symmetrischen Gestalt gleichsam ergießen, damit sie Schönheit erlangt3. Cicero und Augustinus bestimmen die körperliche Schönheit als Harmonie der Proportionen und Farben4. Im Frühmittelalter läßt sich zunächst eine unkritische Übernahme antiker Vorstellungen feststellen, die dem christlichen Weltbild angepaßt wurden, indem man sie mit dem Gedankengut der biblischen und patristischen Tradition vermischte 5 . Erst im 13. Jahrhundert erfolgte eine systematische 1
Vgl. Borinski, op. cit. 1914/24; Grassi, Ernesto: Die Theorie des Schönen Antike, Köln 2 1980; Perpeet, op. cit. 1988.
in der
2
Vgl. Quattrocchi, Luigi: L'idea di bello nel pensiero di Platone. Studio storico e bibliografico, Rom 1953; Tatarkiewicz, Wladyslaw: Geschichte der Ästhetik, 1. Bd., Basel/Stuttgart 1979, S. 139-149, 184-191.
3
Vgl. Bourbon di Petrella, Fiammetta: Il problema dell'arte e della bellezza in Plotino, Florenz 1956; Schöndorf, Hildegard: Plotins Umformung der platonischen Lehre vom Schönen, Bonn 1974; Grassi, op. cit. 1980, S. 216-218; Perpeet, op. cit. 1988, S. 68-96.
4
Vgl. Cicero, Marcus Tullius: Opera philosophica III. Tusculanarum disputationum libri V, hrsg. von Francesco Semi, Padua 1967, S. 136 (IV, XIII, 31): "[...] corporis est quaedam apta figura membrorum cum coloris quadam suavitate eaque dicitur pulcritudo [...]"; Augustinus, Aurelius: "Epistola III", in: S. Aureli Augustini Hipponiensis Episcopi Epistulae, Pars I, hrsg. von Alois Goldbacher, Prag u.a. 1895, S. 49, hier S. 8: "quid est corporis pulchritudo? congruentia partium cum quadam coloris suauitate". - Beierwaltes, Werner: "Aequalitas numerosa. Zu Augustins Begriff des Schönen", in: Wissenschaft und Weisheit, 38 (1975), S. 140-157.
5
Vgl. De Bruyne, Edgar: Etudes d'esthétique médiévale, 3 Bde., Brügge 1946; Pouillon, D o m Henri: "La Beauté, propriété transcendentale chez les Scolastiques
106 theoretische Auseinandersetzung mit dem Begriff der Schönheit im Zusammenhang mit der Frage, ob die Schönheit ein allgemeines, festes Attribut alles Seienden ist und somit zu den Transzendentalien gehört. Gott als Inbegriff des Guten wurde mit dem Schönen identifiziert. Charakteristisch für den mittelalterlichen Schönheitsbegriff ist die Unterscheidung von äußerer und innerer Schönheit, wobei durch die äußere Schönheit das Bewußtsein von der Vergänglichkeit des Seins hervorgerufen, durch die innere Schönheit hingegen das Gefühl von Beständigkeit und Sicherheit vermittelt wird. Die Schönheit ist dem Objekt inhärent als Attribut des kostbaren Materials, aus dem es gefertigt ist, oder der auf einen bestimmten Zweck hin ausgerichteten Bearbeitungsweise durch den Künstler, und dem Betrachter offenbart sich eine metaphysische, unsichtbare Realität im schönen Gegenstand 6 . In der Renaissance rückte die Reflexion über die Schönheit in einem Maße ins Zentrum des Interesses sowohl der Philosophen als auch der Künstler, daß sie geradezu als Charakteristikum dieser Epoche angesehen werden kann 7 . Im Zuge der Rückbesinnung auf die Antike wurden vor allem die Theorien von Piaton und Plotin durch Übersetzungen und Kommentare verbreitet. Der Schönheitsbegriff der Renaissance stand im Spannungsfeld zweier grundsätzlich verschiedener Auffassungen, die von den einzelnen Autoren in unterschiedlicher Gewichtung dargestellt wurden: einerseits einem körperlich-materiellen, durch Zahl und Proportion festgelegten quantitativen Schönheitsbegriff, andererseits einem geistig-metaphysischen qualitativen Schönheitsbegriff. Der quantitative Schönheitsbegriff wurde von Leon Battista Alberti (1404-1472) ausgeprägt 8 , der qualitative (1220-1270)", in: AHDL, 21 (1946), S. 263-329; Halcour, Dieter: Die Lehre vom Schönen im Rahmen der Transzendentalien-Lehre der Metaphysik der frühen Franziskanerschule von Paris, Freiburg 1957; Tatarkiewicz, op. cit., 2. Bd., 1980; Assunto, op. cit. 1987; Eco, op. cit. 1993. 6
Vgl. Assunto, op. cit. 1987, S. 29.
7
Vgl. Klaniczay, Tibor: "La théorie esthétique du maniérisme", in: Balachov, Nicolai' Ivanovitch u.a. (Hrsg.): Littérature de la Renaissance à la lumière des recherches soviétiques et hongroises, Budapest 1978, S. 327-384; Perpeet, Wilhelm: Das Kunstschöne. Sein Ursprung in der italienischen Renaissance, Freiburg/München 1987; Jäger, Michael: Die Theorie des Schönen in der italienischen Renaissance, Köln 1990.
8
Die Schönheit eines Gegenstandes resultiert nach Albertis Auffassung aus dem harmonischen Zusammenklang der Zahl als Proportion der Teile (numerus), ihrer Dimensionierung in der vollendeten Gestalt (finitio) und ihrer Anordnung in einer bestimmten Umgebung (collocatiö). Dieses Ebenmaß bezeichnet er mit dem von
107 von Marsilio Ficino (1433-1499) als Repräsentant des Neuplatonismus 9 . Beide Auffassungen von Schönheit bewirkten eine Aufwertung der schöpferischen Tätigkeit des individuellen Künstlers, wobei mit ersterer seine mathematisch-naturwissenschaftliche Kompetenz im Sinne einer wissenschaftlichen Tätigkeit hervorgehoben, mit letzterer ihm eine besondere Teilhabe an der göttlichen Schönheit und Vollkommenheit (Juror poeticus) zugesprochen wurde. Viele Autoren bemühten sich darum, beide Positionen miteinander zu vermitteln und die Schönheit ebenso als quantitatives wie als qualitatives Phänomen zu bestimmen. Ein neuer Zug der Renaissance war der Versuch, die Theorie der Schönheit für die künstlerische Praxis nutzbar zu machen, was vor allem für die bildenden Künste galt, die durch die Verbesserung der künstlerischen Techniken, die Einbeziehung naturwissenschaftlich-mathematischer Erkenntnisse und die Entwicklung der Perspektivlehre besonders in Italien ein sehr hohes qualitatives Niveau erlangten. Einige Autoren schenkten dem einzelnen, von einem bestimmten Künstler geschaffenen Kunstwerk als solchem zunehmend Beachtung, was zu einem grundsätzlichen Wandel des Schönheitsbegriffs gegenüber der mittelalterlichen Auffassung führte, in der nicht das Objekt selbst, sondern sein metaphysischer Bezug und seine Verweisfunktion auf Gott ausschlaggebend waren. Erstmals in der Renaissance findet sich die Unterscheidung in Natur- und Kunstschönheit, wobei letztere oft höher bewertet wurde. Der Künstler soll das kontingente Schönste aus der Natur
Cicero entlehnten Begriff concinnitas. Vgl. Schädlich, Christian: "L.B. Albertis Schönheitsdefinition und ihre Bedeutung für die Architekturtheorie", in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar, 5 (1957/58), S. 277-284; Poeschke, Joachim: "Zum Begriff der concinnitas bei Leon Battista Alberti", in: Büttner, Frank/Lenz, Christian (Hrsg.): Intuition und Darstellung, München 1985, S. 45-50; Tatarkiewicz, 3. Bd., 1987, S. 99-113; Jäger, op. cit. 1990, S. 44-47. 9
Ficino vertrat eine theozentrische Auffassung der Schönheit. Der Begriff der Schönheit wird eng verknüpft mit dem Eros als Begehren nach Schönheit. Die körperliche Schönheit wird zwar von der Proportion bestimmt, sie läßt sich aber letztlich auf einen geistigen Ursprung zurückführen. Sie wird niedriger bewertet als die geistige Schönheit, zu der sie eine Vorstufe darstellt. Der Mensch strebt durch Vergeistigung nach der Erkenntnis der göttlichen Schönheit, von der er selbst ein Teil ist, indem er die drei geistigen Stufen Ausgang, Wandlung, Rückkehr, denen Schönheit (pulchritudo), Liebe (amor), Genuß (voluptas) entsprechen, transzendiert. Vgl. Ficino, Marsilio: Commentaire sur le banquet de Platon. Texte du manuscrit autographe présenté et traduit par Raymond Marcel, Paris 1956, S. 182190; Beierwaltes, op. cit. 1980; Tatarkiewicz, op. cit., 3. Bd., 1987, S. 120-122; Jäger, op. cit. 1990, S. 48-53, 75-78.
108
auswählen und im Kunstwerk zu einer neuen, vollkommenen Schönheit umgestalten, die die Natur übertrifft. Exemplifiziert wurde das Verhältnis von Natur und Kunst immer wieder an der von Plinius berichteten Anekdote von Zeuxis, der von fünf schönen Jungfrauen, die ihm Modell standen, die schönsten Partien auswählte, um sie in einem einzigen Bild zusammenzufügen, dessen Schönheit die jeder einzelnen der Frauen übertrifft 10 .
2.
Der Schönheitsbegriff in Spanien vor 1700
Im Spanischen gibt es im Unterschied zu den anderen romanischen Sprachen eine Vielzahl verschiedener Benennungen für die Schönheit: beldad, belleza, dulzura, gentileza, gracia, hermosura u.a. Im Laufe der Zeit-wurden sie in unterschiedlicher Weise benutzt. Zeitweise konnten sie synonym gebraucht werden, zeitweise traten sie in Konkurrenz zueinander und wurden voneinander unterschieden als Bezeichnungen für verschiedene Arten von Schönheit. Im 16. und 17. Jahrhundert bestand in Spanien im Vergleich zum Mittelalter ein ungleich größeres Interesse an der Reflexion über die Schönheit. Von einer Vielzahl unterschiedlicher Benennungen setzten sich belleza, gentileza, hermosura durch. Der Begriff hermosura hatte zunächst eine eingeschränkte Bedeutung, denn er wurde vorzugsweise auf die Schönheit des weiblichen Gesichts angewendet 11 . Im Gegensatz zu hermosura umfaßte belleza ein größeres Bedeutungsspektrum. Erst allmählich, im 17. Jahrhundert und noch in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts, wurde die Bedeutung von hermosura erweitert, zunächst bezogen auf die Gesamterscheinung der Frau, dann auch auf den Mann, schließlich auf alle schönen Gegenstände. Zur Bezeichnung der Schönheit des menschlichen Körpers war zunächst der Begriff gentileza üblich 12 , der im Laufe des 17. Jahrhunderts weitgehend durch belleza ersetzt wurde. Die im 16. und 17. Jahrhundert entstandenen spanischen Theorien über das Wesen der Schönheit sind eklektisch und verschiedenen Traditionen verpflichtet, doch enthalten sie auch beachtenswerte originelle Gedanken 10 Vgl. ibid., S. 40-41, 181-182. 11 Vgl. Obras completas castellanas de Fray Luis de León, hrsg. von Félix García, Madrid 2 1951, S. 292; López Pinciano, Alonso: Philosophia antigua poética, hrsg. von Alfredo Carballo Picazo, 1. Bd., Madrid 1973, S. 98-99. 12 Vgl. ibid., S. 100.
109 und eigenständige neue Ansätze. Die spanischen Autoren waren in großem Maße von den Liebes- und Malereitraktaten der italienischen Renaissance beeinflußt, aus denen sie sowohl die Auffassung von einer quantitativen, durch Maße und Proportionen konstituierten Schönheit als auch die neuplatonischen Liebes- und Schönheitstheorien übernahmen, die in Spanien in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vorzugsweise durch die intensive Rezeption der 1535 in Rom erschienenen Dialoghi d'amore des Leone Hebreo (um 1465-um 1535) bekannt wurden13. Die neuplatonische Bestimmung des Schönen findet sich in Spanien in einigen weltlichen Texten14, wurde vor allem aber von den Autoren mystischer und theologischer Schriften aufgegriffen und - im Sinne der christlichen Heilslehre umgedeutet - selbständig weiterentwickelt15. In den frühen spanischen Kunst13 Unabhängig voneinander entstanden drei spanische Übersetzungen. Die erste Übersetzung des Rabbiners Guedella Yahia (1515-1587) erschien 1568 und 1598 in Venedig, die zweite von Carlos Montesa 1582, 1593 und 1602 in Zaragoza. Die dritte Übersetzung von Garcilaso de la Vega, el Inca (1539-1616), 1586 beendet, wurde 1590 in Madrid veröffentlicht. Vgl. Mackehenie, C.A.: "Apuntes sobre las traducciones castellanas de León Hebreo", in: Mercurio Peruano, 163 (1940), S. 679-697; Jákfalvi-Leiva, Susana: Traducción, escritura y violencia colonizadora: un estudio de la obra del Inca Garcilaso, Syracuse/New York 1984, S. 10-32; Soria Olmedo, Andrés: Los "Dialoghi d'amore" de León Hebreo: Aspectos literarios y culturales, Granada 1984, S. 37-46; Diálogos de amor de León Hebreo. Traducción de Garcilaso de la Vega, el Inca. Introducción y notas por Miguel de Burgos Núñez, Sevilla 1989. 14 Weitgehend Leone Hebreo verpflichtet ist der Lombarde Massimiliano Calvi, der in spanischer Sprache einen Tractado de la hermosura y del amor (Mailand 1576) verfaßte, in dem er ganze Passagen seiner Vorlage plagiierte. Vgl. Menéndez Pelayo, op. cit., 2. Bd., 1883/1962, S. 53-56. - Auch die Theorie der Schönheit, die Fernando de Herrera (1534-1597) in seinen Anotaciones (Sevilla 1580) zu den Gedichten von Garcilaso de la Vega (1501-1536) entwickelt, weist neuplatonische Züge auf. Vgl. Garcilaso de la Vega y sus comentaristas. Obras completas del poeta acompañadas de los textos íntegros de los comentarios de el Brócense, Femando de Herrera, Tamayo de Vargas y Azara, hrsg. von Antonio Gallego Morell, Granada 1966, S. 34-57, 279-580 (Edition u.d.T. Comentarios de Fernando de Herrera), hier S. 345 und 423. Zur platonischen Liebesauffassung vgl. ibid., S. 304-307, 312313. 15 Vgl. Fray Luis de León, ed. cit. 1951, S. 122, 292, 320, 335; Santa Teresa de Jesús: Obras completas, hrsg. von Fray Efrén de la Madre de Dios, 2. Bd., Madrid 1954, S. 181, 957; Malón de Chaide, Pedro: "La conversión de la Madalena, en que se ponen los tres estados que tuvo, de pecadora, de penitente y de gracia", in: Escritores del siglo XVI, Madrid 1926 (= BAE, 27), S. 275-417, hier S. 389-390; Nieremberg, Juan Eusebio: "De la hermosura de Dios y su amabilidad por las infinitas perfecciones del ser divino", in: id.: Obras escogidas, 2. Bd., hrsg. von Eduardo Zepeda-Henríquez, Madrid 1957 (= BAE, 104), S. 293-480.
110 traktaten wurde die Schönheit zunächst kaum berücksichtigt, im Laufe des 17. Jahrhunderts jedoch zunehmend intensiver erörtert, wobei das Hauptinteresse der Autoren zwar der durch Proportionen bestimmten Schönheit in der Tradition Vitruvs und Albertis galt, aber auch neuplatonische Gedanken Beachtung fanden16. Die seit dem Mittelalter in Spanien allgemein übliche Unterscheidung von innerer und äußerer Schönheit wurde auch im Siglo de Oro weitgehend beibehalten. Ästhetische und ethisch-moralische Kategorien waren im Schönheitsbegriff noch eng miteinander vereinigt, doch gelegentlich wurde auch die Ansicht vertreten, die Schönheit solle um ihrer selbst willen betrachtet werden17.
3.
Die spanischen Theorien über das Wesen der Schönheit in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
3.1 Pedro Verdugo Ursúa, zweiter Conde de Torrepalma Die Gründungsmitglieder der Real Academia de la Lengua Española waren seit Bestehen ihrer Institution bestrebt, außer dem Wörterbuch auch eine Poetik herauszugeben - ein Vorhaben, das im Laufe des 18. Jahrhunderts mehrmals vergebens wiederaufgegriffen wurde. Von der Akademie mit den Vorarbeiten zur Poetik betraut, verfaßte Pedro Verdugo Ursúa, zweiter Conde de Torrepalma (1657-1720), eine Disertación sobre el numen poético, die im Juli 1716 den Akademikern vorgetragen wurde18. Das Frag16 Vgl. Arphe y Villafañe, loan de: De varia commensuración para la esculptura y architectura, Sevilla 1585/87, Nachdruck [mit Vorwort von Francisco Iñiguez] Valencia 1979, S. 38; Pacheco, Francisco: Arte de la pintura, hrsg. von Bonaventura Bassegoda i Hugas, Madrid 1990, S. 369-370. 17 Conde Bemardino de Rebolledo (1597-1676) vertritt in seinem 1652 in Kopenhagen entstandenen Discurso de la hermosura y el amor eine neuplatonisch ausgerichtete Schönheitstheorie, in der das Kriterium des Nutzens keine Rolle spielt. Vgl. Menéndez Pelayo, op. cit., 2. Bd., 1883/1962, S. 56-62; Casado Lobato, Maria Concepción: "Un poeta y diplomático leonés del siglo XVIII. Bernardino de Rebolledo", in: Archivos Leoneses, 29 (1975), S. 21-57, hier S. 43. 18 In Abwesenheit des Autors, der sich zu diesem Zeitpunkt aus politischen Gründen in Torrepalma aufhielt. Der Text ist der erste Teil einer Poetik, die insgesamt vier Teile umfassen sollte. Die übrigen drei Teile wurden nicht ausgeführt. Erhalten ist eine Abschrift in der BNM (Sign.: Ms. 20.419). Vgl. Marín, Nicolás: Poesía y poetas del Setecientos. Torrepalma y la Academia del Trípode, Granada 1971, S. 2831, 35-39; id.: "La Disertación sobre el numen poético de Don Pedro Verdugo (Texto inédito de 1716)", in: BOCES, 10/11 (1983), S. 69-84 (Edition des Textes); id.: "Poesía y ciencia moderna en un texto de 1715 [sie, recte: 1716]", in: Serta Phi-
111
ment, dessen kürzliche Entdeckung die vermeintliche Singularität von Luzáns Poetik in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Lügen straft, enthält aufschlußreiche Aussagen über Schönheit und Geschmack. Die Voraussetzung für die Theorien des Conde de Torrepalma ist der aristotelische Mimesisbegriff. Conde de Torrepalma unterteilt die menschliche Sprache (locución) in zwei Bereiche. Der erste umfaßt die Alltagssprache (prosa), der zweite die künstlerische Sprache, die er in Sprache der Geschichte (historia), Beredsamkeit (oratoria), Dichtung (poesía) aufgliedert. Die Dichtung definiert er als "una gracia innata del entendimiento humano" 19 . Sie ist weder durch Kunstfertigkeit noch durch Studium erlernbar, sondern dem Dichter als besondere physiologische Disposition angeboren, die Conde de Torrepalma ebenso wie Juan Huarte de San Juan medizinisch-naturwissenschaftlich erklärt 20 . Der numen oder entusiasmo ist nicht nur in der künstlerischen Sprache wirksam, sondern auch in den bildenden Künsten. Conde de Torrepalma definiert numen als "un genio particular que D i o s repartió en la fantasía de algunos hombres destinados a que conociesen vivamente la hermosura de las cosas, esto es, el último punto a que llega su perfección en su línea [...]" 2 1 .
Der numen ist also kein irrationales Phänomen wie die göttliche Inspiration im platonischen Sinne, sondern ein höchst rationales Mittel, um Schönheit zu erkennen. Die Schönheit (hermosura) definiert Conde de Torrepalma als Vollkommenheit. Bewußt erweitert er den Schönheitsbegriff in Anbetracht der landläufigen Verwendung von hermosura, denn die künstlerische hermosura umfaßt nicht nur schöne Dinge, sondern durchaus auch schreckliche und häßliche, vorausgesetzt, daß diese in ihrer Art vollkommen sind 22 . Conde de Torrepalma unterscheidet das Häßliche als Teil der Schönheit vom Häßlichen als Gegenteil der Schönheit. Im Gegensatz zur Schönheit, in der alle Teile des Objekts aufeinander abgestimmt sind,
lologica F. Lázaro Carreter Madrid 1983, S. 3 1 7 - 3 2 7 .
natalem
19 Zit. n. Marín, art. cit., in: BOCES,
diem sexagesimum
celebranti
dicata,
2. Bd.,
10/11 (1983), S. 71.
20
Vgl. ibid., S. 72: "[...] hay en los órganos de los poetas alguna disposición específica y proporcionada que falta en los que no lo son".
21
Ibid., S. 73.
22 Die hermosura impliziert "[...] todo lo que es necesario para que una cosa según su naturaleza sea excelente y admirable: lo hermoso, lo feo, lo terrible, para ser verdaderamente hermoso, terrible y feo; y así de las demás diferencias, que todas las puede sujetar la palabra hermosura, significando perfección [...]" (ibid.).
112 resultiert das Häßliche als Gegenteil der Schönheit aus dem Zuwenig oder Zuviel der das Objekt konstituierenden Teile 23 . Der Dichter wählt mittels seines numen aus der Natur die schönsten Dinge aus und fügt sie in seiner Dichtung zusammen. Conde de Torrepalma überträgt hier das in den Malereitraktaten vertretene Prinzip der Auswahl des Schönsten aus der Natur auf die Dichtung 24 . Er behauptet, daß sich der numen unter den bildenden Künsten deutlicher in der Malerei als in Bildhauerei und Architektur, unter den sprachlichen Künsten deutlicher in der Dichtung als in Geschichte und Beredsamkeit auswirkt 25 . Conde de Torrepalma berücksichtigt den Rezipienten schöner Kunstwerke, deren Wahrnehmung er als rationale Tätigkeit betrachtet 26 . Der Rezipient empfindet desto mehr gusto, je besser dem Künstler in seinem Werk die Nachahmung der Natur gelungen sei. Die Wahrheit ist letztlich die Quelle der Schönheit. Nur die Vernunft kann die Wahrheit eines Kunstwerks beurteilen. Der gusto ist für Conde de Torrepalma kein Erkenntnismittel, sondern eine Empfindung, die sich nach der Vernunft richtet. Sowohl die Produktion eines schönen Kunstwerks als auch seine Rezeption betrachtet er als primär rationale Tätigkeiten. Obwohl die Theorie des Conde de Torrepalma stellenweise wegen der Polysemie einiger Begriffe Mängel an sprachlicher Klarheit aufweist, zeichnet sie sich durch bemerkenswerte rationale Züge aus, aufgrund derer sie sich ohne weiteres der spanischen Frühaufklärung zuordnen läßt. Seine Erklärung des numen als vernunftmäßiges Erkenntnismittel der Schönheit zeigt sein Bemühen um die rationale Erfassung künstlerischer Entstehungs23 Vgl. ibid., S. 79: "[...] la hermosura de los cuerpos resulta del concurso debido de sus partes, y la deformidad, de la falta o sobra de alguna de ellas [...]". 24 Vermutlich ist er direkt von Palominos Malereitraktat beeinflußt, dessen erster Band 1715 erschienen ist. Zur von Conde de Torrepalma vertretenen Auffassung der gracia und zum Einfluß von Palomino vgl. infra, S. 182. 25 Seine Begründungen hierfür bleiben recht vage: Das Material, in dem sich der numen manifestiert, sei bei Malerei und Dichtung formbarer, umfassender und resultiere eher aus der genauen Naturbeobachtung als bei den anderen Disziplinen. Malerei und Dichtung seien eher der Wahrscheinlichkeit als der Wahrheit verpflichtet. Vgl. ibid., S. 75. 26 Vgl. ibid., S. 79: "[...] el gusto o el disgusto que nos ocasionan los objetos sensibles y mentales proviene de representársenos ajustados o no ajustados a su naturaleza, y que siendo la causa de que agrade un objeto la conveniencia que observa con su naturaleza, se infiere que la verdad es la fuente de donde deriva la hermosura y la falsedad el origen de lo deforme, y lo que agrada o disgusta al entendimiento arreglado, como previne".
113
und Rezeptionsbedingungen. Gut zwei Jahrzehnte vor Luzáns Poética steht für Conde de Torrepalma die Reflexion über die Schönheit in engem Zusammenhang mit poetologischen Fragen. Sein Schönheitsbegriff impliziert nicht nur die Trennung in Natur- und Kunstschönheit, sondern enthält insofern eine beachtenswerte, geradezu modern anmutende Eigenschaft der Kunstschönheit, als diese unter bestimmten Bedingungen durch die Kategorie des Häßlichen erweitert wird. 3.2 Der Diccionario de Autoridades Zum Lemma Hermosura verzeichnet der Diccionario de Autoridades drei Einträge: erstens die Vollkommenheit eines durch den Gesichtssinn wahrgenommenen Objekts, die aus der Proportion und Symmetrie seiner Teile resultiert27, zweitens die Schönheit des weiblichen Gesichts, die ebenfalls in der Proportion besteht28, drittens die angenehme Wirkung, die von einem Objekt ausgeht, das, wie die Beispiele eines Platzes mit Baumbestand oder eines Sturzbaches zeigen, zur Naturschönheit gehört, die nicht durch Proportionen begründet wird29. Im Gegensatz zu Hermosura bezeichnet Belleza die Schönheit des menschlichen Körpers insgesamt, kann aber auch wie Hermosura nur auf das Gesicht bezogen werden. Zur Proportion tritt als weiteres, nicht genau bestimmbares konstitutives Element die gracia hinzu, die dem Subjekt eine angenehme Wirkung verleiht30. Die Belleza hat also nicht nur einen größeren Geltungsbereich als die Hermosura, sie besitzt außer den Proportionen 27 Vgl. Diccionario de la lengua castellana, 4. Bd., 1734, S. 145: "La perfección que resulta de la proporcion y symetría de las partes, con que se hace agradable ä la vista alguna cosa. Sale del Latino Formositas". - Zum Schönheitsbegriff des Diccionario de Autoridades vgl. Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 199-200. 28 Vgl. Diccionario de la lengua castellana, 4. Bd., 1734, S. 145: "Se toma regularmente por la proporcion del rostro de las mugeres. Lat. Pulchritudo. Gratia". 29 Vgl. ibid.: "Por extensión se dice de lo agradable de una cosa, que recréa por su amenidad ü otra causa: como un sitio lleno de árboles, un raudál de agua que se despeña. Lat. Pulchritudo. Decor. Amoenitas". 30 Vgl. ibid., 1. Bd., 1726, S. 590: "Es una proporción justa de las partes del cuerpo, y especialmente del rostro, acompañada de cierta gracia y donáire, que la hace agradable y respetosa. Dícese también Beldád. Lat. Pulchritudo. Forma. Venustas". Von den insgesamt vierundzwanzig Einträgen zum Lemma gracia entsprechen zwei annäherungsweise dem hier gemeinten subjektiven Element. Vgl. ibid., 4. Bd., 1734, S. 66: "La debida correspondencia de las partes del cuerpo humano, que le hacen grato y agradable. En voz latina Gratia" bzw. "Vale también gallardía, donáire, hermosura ö perfección. Lat. Elegantia. Pulchritudo. Splendor".
114
noch subjektive Eigenschaften, die nicht erläutert werden. Belleza kann außer Lebewesen auch Objekte auszeichnen, die vom Menschen hergestellt worden sind 31 . Der Begriff Beldad wird als Synonym zu Belleza und Hermosura verwendet und kann sich, als Bezeichnung für die Schönheit der Frau, sowohl auf ihr Gesicht als auch auf ihre gesamte körperliche Erscheinung beziehen 32 . Beldad besitzen auch leblose Objekte 33 . Der Begriff Lindeza, der für die Diskussion über die Schönheit im 18. Jahrhundert keine Rolle spielt, meint eine materielle oder intellektuelle Schönheit, die durch Porportionen konstituiert wird 34 . Der im Diccionario de Autoridades vertretene Schönheitsbegriff ist vorwiegend traditionell ausgerichtet, orientiert an den im Siglo de Oro vertretenen Vorstellungen. Auffällig ist das Gewicht, das auf Charakteristika des Geheimnisvollen, Subjektiven der nicht durch Proportionen bestimmbaren Schönheit gelegt wird. 3.3
Ignacio de Luzán
3.3.1
Die Begriffe belleza und dulzura
Wie der zweite Conde de Torrepalma erörtert Ignacio de Luzán die Schönheit in seiner Poética von 1737 unter poetologischen Aspekten 35 . Zunächst definiert er das Vergnügen, das die Dichtung im Rezipienten hervorruft. 31 Vgl. ibid., 1. Bd., 1726, S. 590: "Se suele también tomar por cosa excelente, bien executada, y que tiene en sí grande primor y perfección. Lat. Ad aspectum praeclarus. Ad aspectu [sie] decorus. Res jucundissimi aspectus". Der Begriff Primor bezieht sich sowohl auf die geschickte, erfolgreiche Hervorbringung eines Gegenstandes oder eines Sprechaktes bzw. auf das Objekt als Ergebnis dieser Tätigkeit. Vgl. ibid., 5. Bd., 1737, S. 380: "Destreza, habilidád, esméro ö excelencia en hacer ü decir alguna cosa. Lat. Operis elegantia. Artificij concinnitas" bzw. "Se toma por el mismo artificio y hermosura de la obra executada con él. Lat. Artificium. Concinnitas. Politura". 32 Vgl. ibid., compuesto propriedád Muliebris
1. Bd., 1726, S. 588: "Lo mismo que Belleza y hermosura, ö un todo de hermosas partes que le hacen parecer agradable a la vista. Dícese con del rostro y conjunto de las mugéres. Sale del Latino Bellus, a, um. Lat. venustas".
33 Vgl. ibid.: "Vale también por ampliación ornamento, perfección, hermosúra de otras cosas, aunque sean inanimadas. Lat. Pulchritudo. Splendor, oris". 34 Vgl. ibid., 4. Bd., 1734, S. 411: "La proporcion natural que tienen en sí las cosas para parecer hermosas y bellas. Dícese tanto de las cosas materiales, como de las intelectuáles. Lat. Elegantia. Pulchritudo". 35 Vgl. Luzán, ed. cit. 1974, S. 130-137, 142-145.
115
"El deleite poético no es otra cosa sino aquel placer y gusto que recibe nuestra alma de la belleza y dulzura de la poesía" 3 6 .
Luzán hebt ausdrücklich hervor, daß entgegen der landläufigen Meinung belleza und dulzura keineswegs identisch seien, sondern daß es sich um zwei verschiedene Phänomene handelt, die sich sowohl in ihren Eigenschaften als auch in ihrer Wirkungsweise voneinander unterscheiden. Luzán nennt Horaz als Gewährsmann für seine Unterscheidung von belleza und dulzura37. Aus Deila perfetta poesía italiana von Lodovico Antonio Muratori (1672-1750), auf den er sich ausdrücklich beruft, übernimmt Luzán die These von der engen Verbindung des Schönen, Guten und Wahren38. Von Muratori stammt Luzáns erste Definition der belleza. "[...] la belleza consiste en aquella luz con que brilla y se adorna la verdad, luz que, como enseña el citado Muratori, no es otra cosa sino la brevedad o claridad, evidencia, energía, utilidad y demás circunstancias y calidades que pueden acompañar y embellecer la verdad" 3 9 .
Wie Muratori setzt Luzán Schönheit und Wahrheit gleich, drückt die Wirkungsweise der Schönheit durch die traditionelle Lichtmetaphorik aus und faßt die Schönheit als Resultat bestimmter, dem Objekt inhärenter Eigenschaften auf. Die belleza für sich genommen wirkt nur auf den Verstand (•entendimiento). Sie kann nicht das Herz bzw. die Seele rühren. Dies vermag hingegen die dulzura, die die Affekte beeinflußt. Luzán verbindet die
36 Ibid., S. 130. 37 Vgl. Horatius Flaccus, Quintus: Ars poetica. Die Dichtkunst. Lateinisch und Deutsch, hrsg./übers. von Eckart Schäfer, Stuttgart 1972, S. 10, V. 99: "non satis est pulchra esse poemata: dulcia sunto". 38 Vgl. Muratori, Lodovico Antonio: Deila perfetta poesia italiana, hrsg. von Ada Ruschioni, 1. Bd., Mailand 1971, S. 96-104. - Krömer, Wolfram: Zur Weltanschauung, Ästhetik und Poetik des Neoklassizismus und der Romantik in Spanien, Münster 1968, S. 67: "Der Begriff Wahrheit ist bei Luzän nicht ganz einheitlich, denn er schwankt zwischen dem objektiv und absolut Wahren und dem nur wahr Geglaubten, d.h. dem Glaubhaften; doch hatte auch das Glaubhafte noch etwas vom Werte des absolut Wahren. So ist die Wahrheit die Grundlage seiner Ästhetik [...]". Zu Luzäns Auffassung von Wahrheit und Schönheit vgl. Michel, op. cit. 1984, S. 34-56. 39 Luzän, ed. cit. 1974, S. 131. Vgl. Muratori, ed. cit., 1. Bd., 1971, S. 100: "Consiste poi questo Lume nella Brevità, o Chiarezza, o Evidenza, o Energia, o Novità, Onestà, Utilità, Magnificenza, Proporzione, Disponibilità, Probabilità, e in altre Virtù, che possono accompagnare il Vero, e colle quali esso è rappresentato all'Intelletto nostro".
116
dulzura mit der pseudoaristotelischen Nachahmungstheorie 40 . Er unterscheidet zwischen den afectos verdaderos der Realität, bei deren Anblick der Betrachter traurig und trübsinnig wird, und den afectos imitados der poetischen Fiktion, die ihm Vergnügen bereiten 41 . Das Vergnügen des Rezipienten entsteht gerade dadurch, daß er die Artifizialität der Nachahmung erkennt, denn die Seele "[...] recibe placer y gusto de descubrir y advertir el engaño de la imitación y la perfección con que se imita aquel objeto" 42 . Die dulzura hat nicht nur einen größeren Anteil am deleite als die belleza, sie vermag auch gewisse Defizite der belleza auszugleichen 43 . Die dulzura bereitet stets allen Menschen Vergnügen. Sie ist also eine unveränderliche Kategorie, unabhängig vom Subjekt und von den Umständen. Sie basiert auf dem natürlichen Prinzip des Mitleids, denn Nachahmung und Darstellung von Leidenschaften und Affekten bewirken nach Luzáns Auffassung in allen Rezipienten, bedingt durch deren "natural simpatía", gleichermaßen "una suave conmoción de semejantes afectos" 44 . Die belleza ist, im Gegensatz zur dulzura, eine variable Kategorie, die nicht unbedingt allen Menschen Vergnügen bereitet, denn sie wirkt ausschließlich auf den Verstand, und das verstandesmäßige Urteil kann von Subjekt zu Subjekt erheblich variieren wegen der "diversidad de gustos" 45 und unterschiedlichen Dispositionen, entsprechend den Anlagen, der Ausbildung und Erziehung des jeweiligen Subjekts. Übernimmt Luzán in seiner ersten Definition der belleza Muratoris Auffassung der Schönheit, die er durch die eigenständige, auf Horaz zurückgeführte Kategorie der dulzura erweitert und mit der Nachahmungstheorie verknüpft, so ist seine zweite Definition der belleza ganz Crousaz' Traité du Beau von 1715 verpflichtet, den er ausdrücklich als Quelle angibt. Luzán unterscheidet den allgemeinen Schönheitsbegriff (belleza en general) von der speziellen Schönheit in der Dichtung (belleza de la poe-
4 0 Zu Luzáns Nachahmungstheorie vgl. Jurado, José: "La imitación en la Poética de Luzán", in: La Torre, 17. Jg„ Nr. 63 (1969), S. 113-124; Michel, op. cit. 1984, S. 56-103; zu Luzáns Begriff dulzura vgl. ibid., S. 104-115. 41
Vgl. Luzán, ed. cit. 1974, S. 133.
42 Ibid., S. 134. 43
Vgl. ibid., S. 132: "Solamente quiero decir que el poeta que hiciere dulces sus versos con la moción de afectos, habrá dado en el blanco y en el punto principal del deleite poético, y que la dulzura de los versos encubrirá muchas faltas a la belleza".
4 4 Ibid., S. 135. 45
Ibid.
117 sía)46 und beschreibt in seiner zweiten Definition die belleza en general als Kombination der fünf Eigenschaften variedad, unidad, regularidad, orden, proporción47. Diese lassen sich seiner Meinung nach ohne weiteres auf die belleza de la poesía übertragen, die konstituiert wird von "[...] la verdad acompañada y hermoseada con esas cinco circunstancias o calidades" 48 . Die Wahrheit bezeichnet er ausdrücklich als "fundamento de la belleza poética" 49 . Genau wie Crousaz bestimmt Luzán die Schönheit als eine reale Eigenschaft des Objekts, die unabhängig von Empfindung und Willen des Menschen ist. Die Schönheit kann durch drei weitere Eigenschaften des jeweiligen Objekts gemindert oder gesteigert werden, nämlich grandeza, novedad, diversidad50. Auch der Gedanke der idealen Schönheit findet sich in Luzáns Poética, ausgedrückt als "la más cabal y perfecta belleza de que es capaz la poesía" 51 , ohne daß sie jedoch näher bestimmt wird. Luzán vertritt die Theorie einer objektiven Schönheit, die von der Vernunft wahrgenommen wird 52 . Er wählt aus Muratoris und Crousaz' Theorien wesentliche Gedanken aus, die er miteinander verknüpft, eigenständig erweitert und anhand von Beispielen der lateinischen und spanischen Literatur exemplifiziert. Die die Schönheit konstituierenden Eigenschaften seiner ersten, auf Muratori basierenden Definition der Schönheit stimmen nicht mit denjenigen seiner zweiten, auf Crousaz basierenden überein. Luzáns Theorie der Schönheit bleibt insofern unausgewogen, als er diesen Widerspruch nicht ausräumt, sondern beiden Definitionen, unvermittelt, dieselbe Geltung einräumt.
46 Die Begriffe belleza und hermosura
verwendet Luzân synonym. Vgl. ibid., S. 143.
47 Sie entsprechen Crousaz' Kategorien variété, uniformité, régularité, ordre, proportion. Vgl. Crousaz, op. cit. 1715, S. 12-16. - Zu Crousaz' Theorie der Schönheit vgl. Migliorini, op. cit. 1966, S. 15-147; Knabe, Peter-Eckhard: Schlüsselbegriffe des kunsttheoretischen Denkens in Frankreich von der Spätklassik bis zum Ende der Aufklärung, Düsseldorf 1972, S. 59-66. 48 Luzân, ed. cit. 1974, S. 144. 49 Ibid. 50 Sie entsprechen Crousaz' Kategorien grandeur, op. cit. 1715, S. 74.
nouveauté,
diversité.
Vgl. Crousaz,
51 Luzân, ed. cit. 1974, S. 158. 52 Vgl. Krömer, op. cit. 1968, S. 111 : "Die von Luzân vorgetragene Theorie des Schönen war rationalistisch. Das Gefühl hatte an der von ihr bestimmten Schönheit wenig Anteil [...]".
118
3.3.2
Die Rezeption von Luzáns Theorie
Luzán machte durch seine Poetik nicht nur die Theorien von Muratori und Crousaz in Spanien bekannt, seine Theorie der Schönheit wurde, wie sich anhand zahlreicher Belege nachweisen läßt, bis in die achtziger Jahre des 18. Jahrhunderts immer wieder rezipiert und als gültig angesehen. Der Jesuit Antonio Burriel übernimmt in seiner Poetik Compendio del Arte Poética (Madrid 1757) im wesentlichen Luzáns Konzeption der dulzura und belleza, ohne Luzáns Poética als Quelle anzugeben 53 . Burriel definiert "deleyte en la Poesía" als "aquel gusto, y placer, y aquella satisfacción que recibe nuestra alma con la belleza, y dulzura de la Poesía" 54 . Er definiert dulzura als "commocion de los afectos proprios, los quales se ponen en movimiento con la representación de los afectos ágenos. Si estos ágenos son verdaderos, y fuertes, lastiman, y entristecen; y si son imitados, por muy fuertes que sean, deleytan, y no lastiman" 55 . Auch Burriel unterscheidet die allgemeine Schönheit ("la belleza en general" 56 ) von der Schönheit in der Dichtung ("la belleza Poética" 57 ) und übernimmt von Luzán die ursprünglich von Crousaz stammenden Konstituenten der Schönheit. Die Schönheit in der Dichtung unterteilt Burriel in "belleza universal, ö total" 58 , die er auf das literarische Werk in seiner Gesamtheit bezieht, und "otra parcial, ö particular" 59 , die für einen einzelnen Gedanken oder für einen aus mehreren Gedanken konstituierten Zusammenhang gilt. Die belleza universal besteht aus der Wahrheit (verdad), die keine einzige, unteilbare ist, sondern sich aus vielen verschiedenen Teilen zusammensetzt, deren Anordnung und Qualität aus denselben Konstituenten besteht wie die Schönheit. Am Beispiel des Epos, das er als ranghöchste Gattung einschätzt, legt Burriel dar, daß belleza und verdad synonym sind 60 . Die Aufgabe des Dichters ist die permanente Suche nach 53 Der vollständige Titel lautet Compendio del Arte Poética, sacado de los autores más clássicos, para el uso, e instrucción de los Cavalleros Seminaristas del Real Seminario de Nobles de Madrid. - Vgl. Neriich, op. cit. 1964, S. 25-29 und passim. 54 Burriel, op. cit. 1757, S. 39. 55 Ibid., S. 40. 56 Ibid., S. 49. 57 Ibid. 58 Ibid., S. 50. 59 Ibid. 60 Vgl. ibid., S. 53: "[...] es la belleza aquella clarissima luz con que la verdad, iluminando el entendimiento, lo llena de placer, y suavidad".
119
der Schönheit, die ausschließlich auf die Vernunft, nicht aber auf Gesichtssinn und Gehör wirkt 61 . Conde de Peñaflorida beruft sich in seinem Vortrag Del buen gusto en la literatura von 1766 explizit auf den Schönheitsbegriff in Luzáns Poética und verweist in einer Anmerkung auf die Aussage Luzáns, die Schönheit sei kein imaginäres, sondern ein reales Phänomen 62 . Forner nennt in seinem Cotejo de las églogas que ha premiado la Real Academia de la Lengua von 1780 als Voraussetzung zur Beurteilung eines Gedichtes die Kenntnis des Schönen im allgemeinen und der Schönheit der Dichtung im besonderen, allerdings ohne beide Kategorien zu definieren 63 . Eine Reaktualisierung von Luzáns Theorien findet in der Diskussion über das spanische Theater der achtziger Jahre des 18. Jahrhunderts statt. Mehrere Jahre vor dem Erscheinen der zweiten Auflage der Poética im Jahre 1789 erschien in der Zeitschrift El Censor am 13. September 1781 ein satirischer Artikel zur Verteidigung der wahren Dichter, gerichtet gegen unfähige Verseschmiede 64 . Der anonyme Verfasser, der sich hinter dem Pseudonym Don Apolinar Solano verbirgt, plädiert als Anhänger klassizistischer Anschauungen für die Erneuerung der Literatur, vor allem für eine Reform des Theaters, gegen das er in seinem aktuellen Zustand moralische Bedenken vorbringt. Als Gewährsleute nennt er antike Klassiker (Homer, Aristoteles, Vergil, Horaz), englische (Milton, Pope, Addison) und französische Autoren (Corneille, Racine, Fénelon, Boileau-Despréaux) 65 . Der Anonymus schätzt Luzán als Erneuerer der Poetik, wirft ihm aber die Vernachlässigung der moralischen Aspekte der Literatur vor 66 .
61 Vgl. ibid., S. 74: "[...] el Poeta ha de buscar siempre la belleza [...], la qual, ni se oye, ni se vé, sino que el entendimiento solo la percibe [...]". 62 Vgl. Areta Armentia, op. cit. 1976, S. 407, Anm. 7, und Luzán, ed. cit. 1974, S. 142: "La belleza no es cosa imaginaria, sino real, porque se compone de calidades reales y verdaderas". 63 Vgl. Forner, Juan Pablo: Cotejo de las églogas que ha premiado la Real Academia de la Lengua, Madrid 1780, hrsg. von Fernando Lázaro-Carreter, Salamanca 1951, S. 17-18: "[...] descubrir los vicios y virtudes de un poema, obra es ésta que requiere un grande conocimiento del bello, en general, y del bello poético en particular, y una diligente lectura de los mejores poetas, hecha con mucha observación". 64 Vgl. El Censor, 2. Bd., ed. cit. 1989, Discurso XXXII, S. 491-514. Zur Datierung vgl. ibid., S. 786. 65 Vgl. ibid., S. 499. 66 Vgl. ibid., S. 509: "¿Qué Poética mas exacta, mas completa, mas methodica[,] mas razonada que la suya? Es cierto, que es algo laxo en punto á la Moral de la Poesía,
120
Wie Luzán unterscheidet er zwischen dulzura und belleza. Die dulzura ist eine Kategorie, die auf alle Rezipienten gleichermaßen wirkt, und die Affekte aller Menschen anspricht, unabhängig von ihrer jeweiligen Sprache und dem jeweiligen Niveau ihrer Bildung. Die belleza bzw. hermosura beide Begriffe gebraucht der Anonymus synonym - ist hingegen nur von relativer Wirkkraft, abhängig von den Voraussetzungen des jeweiligen Rezipienten. Sie zielt auf die Vernunft der Menschen und ist abhängig vom jeweiligen sprachlichen Ausdruck 67 . Indem der Anonymus schreibt: "lo bello no es igualmente bello para todos" 68 , postuliert er einerseits die Objektivität der Schönheit, andererseits ihre subjektiven Aspekte aufgrund der verschiedenen Voraussetzungen der Rezipienten, aufgrund derer sie unterschiedliche Meinungen darüber haben, was schön ist. 3.4 Andrés Piquer y Arrufat
Der valenzianische Arzt und novator Andrés Piquer y Arrufat (1711-1772) behandelt die Schönheit in seiner Lógica moderna, o Arte de hallar la verdad, y perficionar la razón (Valencia 1747)69. Er erörtert die Frage, warum sich die Menschen in ihren Vorlieben im Bereich der imaginación so sehr voneinander unterscheiden und exemplifiziert die verschiedenen Vorlieben an der Musik 70 . Einige schätzen die Musik, andere verabscheuen sie. Diejenigen, die sie mögen, unterscheiden sich voneinander in ihren Vorlieben für bestimmte musikalische Stile und Instrumente. Ein Objekt, das einer für mas esto debe atribuirse al zelo de atraer ä nuestro gremio por medio de esta dulzura la multitud extraviada [...]". 67 Vgl. ibid., S. 501: "Esta dulzura que consiste en esta mocion, y que por tanto, ni depende casi, ni está addicta al idioma en que se escribe el poema, es la que lo hace agradable ä toda suerte de gentes, sean sábios, sean ignorantes; porque asi el ignorante, como el sábio tiene un corazon, con quien se entiende el Poeta". 68 Ibid., S. 502. 69 Die zweite Auflage erschien 1771 in Madrid, die dritte postum 1781 ebendort. Vgl. Sempere y Guarinos, op. cit., 4. Bd., 1787, S. 198-205; Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 130-133; Sanvisens Marfull, Alejandro: Un médico-filósofo español del siglo XVIII: el doctor Andrés Piquer, Barcelona 1953; Gay Molins, Luis Francisco: "El método en las ediciones de la Lógica de Piquer: aproximación a una metodología científica", in: Cuadernos de Investigación Filológica, 15 (1989), S. 99-106; Guy, Alain: "Andrés Piquer, filósofo de la Ilustración", in: Historia, literatura, pensamiento. Estudios en homenaje a María Dolores Gómez Molleda, 2. Bd., Salamanca 1990, S. 23-34. 70 Vgl. Piquer, op. cit. 1747, S. 20.
121
schön (hermoso) hält, wirkt auf einen anderen häßlich (feo). Piquer sieht den Grund für die verschiedenen Vorlieben der Menschen ausschließlich in ihrer unterschiedlichen körperlichen Konstitution, wohingegen die Seele der Menschen stets gleich beschaffen sei, da sich hier keine qualitativen Unterschiede feststellen ließen. Die Sinneseindrücke betrachtet er unter dem Aspekt der Lebenserhaltung. Demnach signalisiert der Schmerz dem Menschen einen Schaden, dagegen das Vergnügen ein Wohlergehen. Hieraus resultiere die negative Bewertung von Schmerz und die positive von Vergnügen 71 . Die Sinne für sich genommen hält er für ein unzureichendes Erkenntnismittel. Nur durch die ständige Kontrolle der Sinne durch die Vernunft (razón) kann der Mensch Sinnestäuschungen erkennen und korrigieren 72 . A m meisten ist seiner Meinung nach die Sinnes Wahrnehmung des Schönen (bello bzw. hermoso)
für Täuschungen anfällig. Die Begriffe
"hermosura, y belleza" 73 - Piquer gebraucht sie synonym, verwendet aber hermosura häufiger - definiert er in der traditionellen Weise als Ordnung und Proportion der Teile untereinander74. Seine Erklärung für den Umstand, daß dasselbe Objekte dem einen als schön, dem anderen als häßlich erscheinen kann, erklärt Piquer erstens durch den physikalischen Vorgang unterschiedlicher Lichtverhältnisse, zweitens durch den Wandel schönen Objekts bzw. Subjekts im Laufe der Zeit -
eines
also die Ver-
gänglichkeit der Schönheit - , drittens durch die Sinnestäuschungen bei denjenigen Menschen, die ihre Vernunft (razón)
nicht als Kontrolle der
Sinnes Wahrnehmung einsetzen. Im Widerspruch zu seiner Definition der durch Proportionen konstituierten objektiven Schönheit steht eine zweite Definition der Schönheit als irreale Erscheinung. Die "hermosura sensible" ist eine bloße "apariencia" 75 , die nur auf die Sinne wirkt, den Menschen täuscht und "los desordenados afectos" 76 verursacht, wenn sie nicht von der Vernunft kontrolliert wird. Im Gegensatz zur "hermosura sensible" sind zwei andere Arten von Schönheit verläßlich: erstens die Schönheit der
71
V g l . ibid., S. 82: "[...] el dolor advierte al alma el daño que el cuerpo padece, y el placer muestra su buena constitución. Por esto solemos tener por males los dolores, y por bienes los gustos, y
72
deleytes".
V g l . ibid., S. 86.
73
Ibid., S. 95.
74
V g l . ibid., S. 96: " Y o pienso, que lo que llamamos hermosura en las cosas sensibles es el orden, y proporcion que tienen entre si las partes que las componen".
75
Ibid.
76
Ibid., S. 97.
122
Wahrheit, die auf die Vernunft wirkt, zweitens die Schönheit des Guten, die auf den Willen wirkt 77 . Piquers Menschenbild ist im christlichen Sinne eschatologisch ausgerichtet. Er behauptet, das Diesseits werde durch die Sinne erkannt, das Jenseits durch den Verstand 78 . Die Schönheit bleibt dem Diesseits verhaftet und birgt viele Gefahren für das Seelenheil des Menschen in sich. Piquers Theorie der Schönheit ist eklektizistisch und widersprüchlich. Befangen in christlich-moralischen Postulaten, die er mit sensualistischnaturwissenschaftlichen Elementen vermischt, vermag er nicht die ästhetischen Aspekte der Schönheit zu erkennen.
4.
Die spanischen Theorien über das Wesen der Schönheit in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
4.1 Begriffsbestimmungen der Schönheit Terreros y Pando behandelt in seinem Diccionario castellano von 1786/88 die Begriffe beldad, belleza, hermosura als Synonyme 79 . Zu hermosura verzeichnet er insgesamt fünf Einträge: erstens eine durch die Proportion der Teile konstituierte Schönheit, die auf die Sinne, vorzugsweise den Gesichtssinn, die Seele und die Vernunft angenehm wirkt 80 , zweitens etwas an einer Person oder an einer Sache, das so proportioniert ist, daß es Gefallen hervorruft 81 , drittens die schöne Person selbst 82 , viertens die Bezeichnung eines geistigen Phänomens, vorzugsweise die Schönheit Gottes 83 , fünftens 77 Vgl. ibid., S. 96: "La verdad tiene una hermosura, que puede satisfacer al entendimiento; la bondad lleva consigo una belleza capaz de atraer ä la voluntad". 78 Vgl. ibid., S. 98: "Todos los Christianos, y todo hombre que hace uso de la razón, conoce la eternidad, y sabe que no somos criados para este mundo, sino para el Cielo [...] conocemos este mundo por los sentidos, y al Cielo con la razón". 79 Unter den Einträgen beldad und belleza findet sich keine Definition, sondern nur der Verweis auf das Lemma hermosura. Vgl. Terreros y Pando, op. cit., 1. Bd., 1786, S. 236 und 237. 80 Vgl. ibid., 2. Bd., 1787, S. 278: "proporcion de partes, ó constitutivos, que hai, ó se conciben distintos, y como componiendo, ó constituyendo un todo, que afecta agradablemente los sentidos, en especial la vista, ó el alma, y la razón". 81 Vgl. ibid.: "se dice de todo aquello, que tiene proporcion para agradar en una persona, ó cosa". 82 Vgl. ibid.: "se llama también la misma persona hermosa". 83 Vgl. ibid.: "se dice también de las cosas espirituales: la hermosura gracia, &c.".
de Dios, de la
123 Zierde oder Schmuck 84 . Ähnlich wie hermosura definiert er die gracia von Personen, Gemälden oder Skulpturen als angenehme Proportion 85 . Terreros y Pando vertritt einen objektiven, quantitativen Schönheitsbegriff. Was die erste und zweite Definition voneinander unterscheidet, ist nicht ganz eindeutig, da doch die eine die andere impliziert. Bemerkenswert ist, daß er hinsichtlich der Sinne, die die Schönheit rezipieren, zwar den Vorrang des Gesichtssinns hervorhebt, aber die niedrigeren Sinne keineswegs von der Wahrnehmung der Schönheit ausschließt. Diego Antonio Rejón de Silva verzeichnet in seinem Diccionario de las Nobles Artes von 1788 zwei Einträge zu belleza. Der erste Eintrag betrifft die Schönheit in Malerei und Bildhauerei. "El conjunto de formas bellas y nobles, con perfecta proporcion en una figura, adequadas á su edad, sexo, caracter y situación" 8 6 .
Außer der vollkommenen Proportion nennt er als weitere Konstituente der Schönheit die Angemessenheit. Der zweite Eintrag ist auf die Schönheit in der Architektur bezogen. "Parte de la Arquitectura que enseña á hacer los edificios agradables á la vista por la justa proporcion de sus partes. Otros la llaman Decoración, Ornato. [...] La belleza pide que su forma sea elegante y vistosa, por la justa proporcion de sus partes" 8 7 .
Zur architektonischen Schönheit müssen zur vollkommenen Proportion also Eleganz und Pracht hinzutreten. Den Begriff hermosura läßt Rejón de Silva unberücksichtigt. Obwohl Terreros y Pando und andere Autoren belleza und hermosura als Synonyme bezeichnen, läßt sich noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts ihre unterschiedliche semantische Verwendung belegen. In Vicente Martínez Colomers (1762-1820) Roman El Valdemaro (Valencia 1792) wird Felisindas prächtiger Palast beschrieben. An den Wänden ihres Wohngemachs hängen neun Gemälde, auf denen die Musen abgebildet sind. Über Eratos Schönheit heißt es: 84 Vgl. ibid.: "se toma también por ornato, adorno". 85
Vgl. ibid., S. 229: "en las personas, pinturas, estatuas, &c. aquella proporcion agradable, que dicen entre sí las partes de cualquiera cosa, ú objeto".
86 Rejón de Silva, D i e g o Antonio: Diccionario de las Nobles Artes para instrucción de los Aficionados, y uso de los Profesores, S e g o v i a 1788, Nachdruck Murcia 1985, S. 36. Im Anschluß an die Definition der belleza in Malerei und Bildhauerei definiert er den Begriff belleza ideal. Vgl. infra, S. 148-149. 87
Ibid.
124 "Era su hermosura delicada y mostraba en el rostro un amoroso desmayo que aumentaba su belleza" 8 8 .
Wie im Siglo de Oro wird hermosura hier auf das Gesicht bezogen, belleza hingegen auf die Gesamterscheinung der Muse. Die Schönheit wird oft mit anderen Kategorien in Zusammenhang gebracht, beispielsweise moralischen oder utilitaristischen. Der Journalist Francisco Mariano Nipho (1719-1803) verbindet die Schönheit mit der Tugend, indem er diese als vollkommene Schönheit definiert89. Félix María Samaniego setzt in einer seiner Fábulas von 1781 Nützliches und Schönes gleich 90 . Auch Juan Pablo Forner verbindet die Schönheit mit dem Nützlichen in seinem Discurso sobre el modo de escribir y mejorar la historia de España von 1788 91 . Nach Forner besteht das Schöne aus vier Konstituenten: erstens das Angenehme (agradable), das auf den Rezipienten bezogen ist, zweitens das Nützliche (útil), drittens die Proportionen, viertens ein wie auch immer geartetes belebendes Element, das auf die drei ersten Konstituenten wirkt und das eigentliche Zentrum der Schönen darstellt92. 4.2 Die Theorien der sechziger und siebziger Jahre In den sechziger und siebziger Jahren äußern sich verschiedene Autoren über das Wesen der Schönheit. In allen in diesem Zeitraum veröffentlichten 88 Martínez Colomer, Vicente: El Valdemaro (1792), hrsg. von Guillermo Carnero, Alicante 1985, S. 182. - Vgl. Hinterhäuser, Hans: "Ein spanischer Roman an der Schwelle zur Neuzeit: El Valdemaro von V. Martínez Colomer (1972)", in: Jüttner, op. cit. 1991, S. 95-108. 89 Er schreibt 1760 in der Wochenzeitung Cajón de sastre literato: "La virtud es una hermosura absolutamente perfecta; de modo, que no puede ser ella, si la falta una parte no mas de las que la forman; y aun es tan rígida su exactitud, que también rehusa las sobras; porque tanto la destruyen los excesos, como las escaseces" (Nipho, Francisco Mariano: Cajón de sastre literato, l . B d . , ed. cit. 1781, S. 138). Vgl. ibid., S. 200: "La virtud es toda la hermosura, y perfección de la Naturaleza Humana". 90 Der letzte Vers des Epimythions der Fabel El ciervo en la fuente es la mejor belleza" (Samaniego, ed. cit. 1987, S. 70).
lautet: "El útil bien
91 Er schreibt über die antiken Historiker: "Supieron hallar y prescribir los medios para construir un todo agradable, útil, proporcionado, en una palabra, bello. Pero como en este todo debe residir un alma, un espíritu, un móvil que anime todas sus partes y que sea como el centro o punto de apoyo que sostenga todo su mecanismo, al señalar este espíritu, móvil, punto, centro (o como quiera llamarse) procedieron con tal incertidumbre y perplejidad que apenas han sabido decirnos cuál es el fin de la historia" (Forner, ed. cit. 1973, S. 114). 92 Gemeint ist vermutlich der no sé qué oder die geheimnisvolle
gracia.
125 Theorien wird eine objektive Schönheit vertreten. Die Proportionen sind das wichtigste Kriterium zur Bestimmung der Schönheit. Alle theoretischen Ausführungen bleiben den allgemein üblichen Auffassungen über die Schönheit verpflichtet, und es finden sich in ihnen keine originellen neuen Gedanken. Gegen Ende der sechziger Jahre legte der Kapitänleutnant Luis de Lorenzana der Real Academia de San Fernando unter dem Titel Orden español de la arquitectura einen ausgearbeiteten Vorschlag zur Einführung einer neuen, spezifisch spanischen Säulenordnung vor, die die verschiedenen antiken Ordnungen, an denen man sich orientierte, ersetzen sollte93. Die Ornamente des Säulenschmucks sollten Entdeckung, Eroberung, Christianisierung des südamerikanischen Kontinents durch Spanien symbolisieren. Nicht Lorenzanas Projekt, das im übrigen keine positive Aufnahme fand und Anfang der siebziger Jahre von der Real Academia de San Fernando abgewiesen wurde, sondern der Schönheitsbegriff, den er seinen Ausführungen zugrunde legt, soll hier betrachtet werden als Beispiel für einen objektiven Schönheitsbegriff, der ausschließlich auf Proportionen beruht. Die fünf Zahlenverhältnisse 1 zu 1, 1 zu 2, 2 zu 3, 3 zu 4, 4 zu 5 entsprechen fünf Graden von Schönheit, die in ihrer Abfolge von abnehmender Intensität sind. Die Schönheit oder das Häßliche bemessen sich danach, in welchem Maße der jeweilige Gegenstand diesen Proportionen, die Lorenzana mit musikalischen Intervallen gleichsetzt, entspricht 94 . Über den Rezipienten stellt Lorenzana normativ fest: "[...] lo ermoso agrada a todos" 95 . Die Ursache dafür, daß der Rezipient ein Objekt als schön empfin93 Vgl. Sambricio, Carlos: "La tentativa del orden español de arquitectura que inventó Don Luis de Lorenzana en la segunda mitad del siglo XVIII", in: Academia, 60 (1985), S. 263-285 (Edition des Textes S. 270-285). - Aguilar Piñal, Francisco: Bibliografía de autores españoles del siglo XVIII, 5. Bd., Madrid 1989, S. 231. - Zu den Maßverhältnissen der traditionellen Säulenordnungen vgl. Naredi-Rainer, Paul von: Architektur und Harmonie. Zahl, Maß und Proportion in der abendländischen Baukunst, Köln 1982, S. 26-27, 96-97, 100, 130-131. 94 Vgl. Lorenzana, in: Sambricio, art. cit. 1985, S. 274-275: "[...] es evidente que estas cinco proporciones son las mas ermosas. Las flores mas vellas, las Aves mas lindas, los Brutos mas gallardos, y el Cuerpo humano colmo de gentileza, y ermosura, están cuajados en sus figuras de solo estas simetrías. [...] En la mayor o menor exactitud de estas proporciones, consiste la respectiva ermosura, o fealdad de los individuos de una especie. Puede sin extrabagancia llamarse armonia la hermosura del Universo, por que asi como regalan al oido las combinaciones de sones producidos por cuerdas divididas con estas simetrias, asi también deleitan a la vista los objetos figurados según ellas". 95 Ibid., S. 275.
126 det, liegt seiner Meinung nach in der Leichtigkeit, mit der er in seinem Innern die Proportionen erfaßt, wohingegen das Häßliche in ihm Ekel hervorruft aufgrund der Mühen, die ihm Objekte bereiten, die der Proportionen ermangeln96. Fray Fernando Cevallos y Mier (1732-1802) steht in der Tradition der scholastischen Theorien über das Wesen der Schönheit. Er postuliert im fünften Band seines Werks La falsa filosofía, o el ateísmo, materialismo y demás nuevas sectas convencidas de crimen de Estado (Madrid 1775) eine unveränderliche, objektive Schönheit, die er wie die moralischen Kategorien, das Gute und das Gerechte, mit Gott gleichsetzt, als "un Pulcro o Bello esencial, necesario e independiente de nuestro gusto, que es Dios, así como hay un Bueno y Justo, esencial e invariable, que es el mismo Dios. Todo lo que nos agrada en el Universo y en cada una de sus partes ..., es más o menos bello y agradable, según su mayor o menor conformidad con el Bello esencial y perfectísimo, que es el original e idea primitiva de cuanto nos agrada" 97 .
Er unterteilt die vom Menschen wahrnehmbare Schönheit in Schönheit des Rhythmus ("bello aritmético o musical") und Schönheit der Proportionen und Maße ("bello geométrico"98). Gregorio Mayáns y Sisear vertritt in seiner Arte de pintar von 1776 die traditionelle Konzeption einer objektiven, durch Proportionen konstituierten Schönheit99. 96 Vgl. ibid.: "[...] el delicioso descanso que gozan nuestros ánimos en la facilidad de comprehenderlas, es la oculta causa del hechizo de la ermosura, y la fatiga o dificultad de discernir la relación de las partes que carecen de estas claras proporciones, es el secreto origen del tedio que inspira la fealdad". 97 Zit. n. Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 133. - Vgl. Aguilar Piñal, Francisco: Bibliografía de autores españoles del siglo XVIII, 2. Bd., Madrid 1983, S. 401-406. 98 Zit. n. Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 133. 99 Mayáns, seit 1774 Académico de Honor der Academia de Bellas Artes de San Carlos in Valencia, hatte den Auftrag erhalten, am 4. August 1776 anläßlich der öffentlichen Preisverleihung den üblichen Festvortrag zu halten, doch er verfaßte statt einer Gelegenheitsarbeit einen Malereitraktat in der Tradition von Carducho, Pacheco, Palomino, in dem die anderen bildenden Künste unberücksichtigt blieben. Vergebens forderten die Akademiker Mayáns auf, seinen Text zu kürzen und auch die anderen bildenden Künste zu behandeln, und so blieb die Schrift entgegen den Gepflogenheiten unveröffentlicht und erschien erst 1854 postum in Valencia, vermutlich herausgegeben von Conde de Trígona, einem der Nachfahren von Mayáns. - Vgl. Mayáns y Sisear, Gregorio: "Arte de pintar", in: id., ed. cit., 5. Bd., 1986, S. 141-260. - Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 539-540; León Tello/Sanz Sanz, op. cit. 1980, S. 9-14, 141-195, 532-535; Bérchez Gómez,
127 "Entre los obgetos visibles, el hombre es el que tiene mayor hermosura, por averie criado Dios a imagen i semejanza suya; i para expressar la hermosura de la naturaleza humana, es necessario considerar las proporciones del hombre i de la muger [...]" 1 0 0
Die rechte Proportion begründet die Schönheit, der Mangel an Proportion hingegen das Häßliche. Die Schönheit besteht aber auch in der Farbgebung 101 . Mayáns unterscheidet hermosura von donosura bzw. belleza, ohne die Begriffe im einzelnen definitorisch genau voneinander abzugrenzen. "Si en el hacimiento 102 de la obra se guarda simetría o proporción, nace la hermosura, i de la hermosura la donosura o belleza"103.
de ésta
Die hermosura setzt er mit der Vollkommenheit gleich, die aus der rechten Proportion der Teile resultiert 104 . Der Begriff belleza wird auf die Gemälde angewendet 105 , der Begriff hermosura auf den Körper 106 . Die vollkommene Schönheit wird von variedad, unidad, disposición, composición konstituiert 107 . Auch Antonio de Capmany Suris y de Montpalau geht in seiner Rhetorik Filosofía de la eloquencia (Madrid 1777) von einer feststehenden Kunstschönheit aus, die aus der Nachahmung und Vervollkommnung der Natur resultiert und durch Proportionen konstituiert wird 108 . Sie variiert allein hinsichtlich der verschiedenen Stile der Künstler. Joaquín: "Origen y censura del Arte de pintar de Mayáns", in: Academia, 53 (1981), S. 150-169; Pedraza, Pilar: "La estética en el pensamiento de Mayáns: el Arte de pintar", in: Mayáns y la Ilustración. Simposio Internacional en el Bicentenario de la muerte de Gregorio Mayáns y Sisear, 1. Bd., Valencia 1981, S. 237-245. 100 Mayáns, ed. cit., 5. Bd., 1986, S. 165. 101 Vgl. ibid., S. 217: "La principal hermosura consiste en la figura i en el color. La simetría o proporción de las cosas visibles es la causa de la hermosura, i al contrario la falta de la proporción es causa de la fealdad". 102 In der Ausgabe von 1854: "el egecución". Vgl. ibid., S. 234, Anm. 724. 103 Ibid., S. 234. 104 Vgl. ibid., S. 236. 105 Vgl. ibid., S. 237: "Modernamente, Antonio Corregio tuvo en sus pinturas gran belleza i dulzura". 106 Vgl. ibid., S. 166: "la hermosura del cuerpo humano". 107 Vgl. ibid., S. 255: "una hermosura total, en que en la misma variedad de las ideas, se venga a los ojos la unidad, que por medio de la disposición i composición, resulta de ellas en cada assunto que se emprenda sin dissonancia de las partes, aunque tal vez entre sí opuestas, como lo son los espadachines en un juego de esgrima". 108 Capmany, Antonio de: Filosofía de la eloquencia, Madrid 1777, S. XIV: "Todas las naciones han tenido sus pintores, mas solo los de la antigua Grecia siguieron la
128 4.3 Anton Raphael Mengs Die Kunsttheorie des Malers Anton Raphael Mengs (1728-1779) beeinflußte die ästhetische Reflexion über Schönheit in Spanien in überaus intensiver Weise. Hier bestimmte ein Deutscher in so hohem Maße die Diskussion ästhetischer Fragen, vor allem in den siebziger und achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts, wie dies im folgenden Jahrhundert nur noch einmal dem Werk von Karl Christian Friedrich Krause (1781-1832) auf dem Gebiet der spanischen Philosophie gelang. In den römischen Jahren von 1752 bis 1761 stand Mengs unter dem Einfluß von Johann Joachim Winckelmann (1717-1768), mit dem er befreundet war 109 . Vor seiner Abreise nach Madrid, wohin ihn König Karl III. zum Hofmaler berufen hatte, vollendete Mengs von 1760 bis Mitte 1761 das Deckengemälde Parnaß in der Villa Albani, mit dem er sich dem Klassizismus nach griechischem Vorbild zuwandte110. Sein erster Aufenthalt in Spanien dauerte vom September 1761 bis Ende 1769, sein zweiter von 1774 bis 1777111. Die letzten Lebensjahre verbrachte er wieder in Rom. Durch seine langjährige Präsenz in Madrid als Mitglied der Real Academia de San Fernando genoß Mengs in dieser Institution hohes Ansehen112. Dem akademischen Nachwuchs vermittelte er seine theoretischen Anschauungen, wenn auch seine Bemühungen um die Reform des Lehrnaturaleza, y si es posible, la perfeccionaron haciéndola bella. De la harmonía de las proporciones compusieron la hermosura constante del arte, aunque sin poder uniformar los pinceles [...]". - Zu Capmanys Schönheitsbegriff in der zweiten Auflage der Filosofía de la eloquencia von 1812 vgl. infla, S. 165-166. 109 Vgl. Sutter, Monika: Die kunsttheoretischen Begriffe des Malerphilosophen Raphael Mengs, München 1968, S. 216-240.
Anton
110 Vgl. Hönisch, op. cit. 1965, S. 65-66, Nr. 2; Roettgen, Steffi: "Mengs, Alessandro Albani und Winckelmann - Idee und Gestalt des Parnass in der Villa Albani", in: Storia dell'Arte, 30/31 (1977), S. 87-156; Pelzel, op. cit. 1979, S. 107-116, 120126. 111 Vgl. Sánchez Cantón, Francisco Javier: Mengs en España, Madrid 1927; Kehrer, Hugo: Deutschland in Spanien. Beziehung, Einfluß und Abhängigkeit, München 1953, S. 193-199; Pelzel, op. cit. 1979, S. 127-147, 157-159; León Tello/Sanz Sanz, op. cit. 1980, S. 203-224. Aufschlußreiche Zeugnisse über Mengs' ersten Aufenthalt in Spanien sind die zwischen 1766 und 1768 entstandenen Briefe an zwei römische Freunde. Vgl. Mengs, Anton Raphael: Briefe an Raimondo Ghelli und Anton Maron, hrsg. von Herbert von Einem, Göttingen 1973, S. 39-57, Nr. 117. 112 Vgl. Bédat, op. cit. 1973, S. 124-128; Agueda Villar, Mercedes: "Mengs y la Academia de S. Fernando", in: II Simposio sobre el padre Feijoo y su siglo, 2. Bd., Oviedo 1983, S. 445-476.
129 plans und die Stärkung der Professoren gegenüber den Consiliarios weitgehend scheiterten 113 . Den zeitgenössischen spanischen Malern, unter ihnen Francisco Bayeu (1734-1795), Mariano Salvador Maella (1739-1819) oder Goya, gab er entscheidende Anstöße für ihre künstlerische Arbeit 114 . Mengs' theoretische Schriften wurden als Leitfaden für den Klassizismus in Spanien angesehen. Das große Interesse der Spanier an Mengs liegt sicherlich zum Teil darin begründet, daß sein Gedankengebäude auf einem theozentrischen Fundament ruht und sich ohne weiteres in die spanische Tradition einfügen ließ. Sein Eklektizismus ist aus denselben Quellen gespeist wie die Theorien der spanischen Autoren, und Mengs rekurriert auf dieselben Autoritäten wie die Spanier. Kurz nach seinem Tod erschienen 1780 in Madrid die Obras de D. Antonio Rafael Mengs, Primer Pintor de Cámara del Rey, die der mit ihm befreundete Diplomat und Kunstsammler José Nicolás de Azara y Perera (1730-1803) herausgab 115 . Der Band, der zur selben Zeit in Rom, wo Azara als spanischer Botschafter tätig war, in italienischer Sprache veröffentlicht wurde, enthielt zum Teil bereits erschienene Texte, zum Teil Schriften aus dem Nachlaß des Malers. Inwieweit Azara Mengs' Originale für seine Ausgabe bearbeitet hat, läßt sich nicht mehr überprüfen, da diese verlorengegangen sind 116 . Während Mengs' Theorien in Spanien vorbehaltlos als Richtschnur akzeptiert wurden, sind sie vereinzelt heftig kritisiert worden. Giacomo Girolamo Casanova (1725-1798), der während seines Spanienaufenthalts 1767 Mengs des öfteren besuchte, zeichnet in seinen Memoiren ein negatives Bild des Malers, den er als "ambitieux, orgueilleux et soupçonneux à 113 Mengs wandte sich dagegen, daß die Adeligen die Akademie regierten, obwohl sie weder die Werke noch die Künstler kompetent beurteilen konnten. Die adeligen Consiliarios sollten nicht mehr wie bisher die Versammlungen leiten, sondern die Künstler selbst. Vgl. Bédat, op. cit. 1973, S. 124-128; Mengs, ed. cit. 1973, S. 1011, 24-25; Haibach, Helene Waltraud: Antonio Ponz. und sein "Viage fuera de España", Frankfurt a.M. u.a. 1983, S. 15-16; Ubeda de los Cobos, Andrés: "Propuestas de reforma y planes de estudio: la influencia de Mengs en la Real Academia de Bellas Artes de San Fernando", in: AEA, 60 (1987), S. 447-461. 114 Vgl. Anton Rafael Mengs, 1728-1779. Museo del Prado, Junio-Julio 1980, hrsg. von Ministerio de Cultura. Dirección General del Patrimonio Artístico, Archivos, Museos, Madrid 1980, S. 159-188; Agueda Villar, Mercedes: "El ideal de belleza en Mengs - Bayeu - Goya", in: AEA, 55 (1982), S. 30-37; id., art. cit. 1983, S. 457. 115 Die zweite Auflage, die hier benutzt wird, erschien 1797 ebendort. - Vgl. Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 143-147. 116 Vgl. Sutter, op. cit. 1968, S. X.
130 l'excès" 117 charakterisiert und dem er Mangel an "invention"118 vorwirft. Mengs' Theorien über die Schönheit beurteilt Casanova in respektlos-herablassender Weise 119 . 4.3.1
Die Reflexiones de Don Antonio Rafael Mengs sobre la belleza y gusto en la pintura
Im folgenden wird Mengs' Schönheitsbegriff wegen seiner eminenten Bedeutung für die spanischen Autoren in den Grundzügen dargestellt 120 . Azaras Ausgabe der Werke Mengs' enthält eine spanische Übersetzung der Reflexiones de Don Antonio Rafael Mengs sobre la belleza y gusto en la pintura121, in denen Mengs seine Theorie über Schönheit und Geschmack darlegt. Sie sind vermutlich in der Zeit vollendet worden, als Mengs am Deckenfresko der Villa Albani arbeitete 122 . Wie Winckelmann vertritt Mengs in seinen Reflexiones zwei unterschiedliche Schönheitsbegriffe: erstens einen metaphysischen Schönheitsbegriff, nach dem die vollkommene Schönheit nur in Gott liegt, zweitens einen physischen 123 . Der metaphysische Schönheitsbegriff impliziert den apriorischen Begriff einer im Künstler präfigurierten Idee, der physische 117 Casanova: Mémoires, 3. Bd., hrsg. von Robert Abirached, Paris 1960, S. 639. Vgl. Markus, S.: "Anton Raphael Mengs und der Abenteurer Casanova. Ein Beitrag zur Mengsschen Charakteristik", in: Monatshefte für Kunstwissenschaft, 6. Jg., Heft 6 (Juni 1913), S. 236-244. 118 Casanova, ed. cit., 3. Bd., 1960, S. 663. 119 Vgl. ibid., S. 664: "II avait aussi la manie d'agiter des questions de haute métaphysique, et il n'y entendait rien; sa marotte était de raisonner sur la beauté et de la définir, et les sottises qu'il débitait à ce sujet faisaient hausser les épaules". 120 Vgl. Christoffel, Ulrich: Der schriftliche Nachlaß des Anton Raphael Mengs, Basel 1918, S. 10-30; Hönisch, op. cit. 1965, S. 11-15; Sutter, op. cit. 1968, S. 56-75; Pelzel, op. cit. 1979, S. 116-120; León Tello/Sanz Sanz, op. cit. 1980, S. 14-19, 225-319, 535-538; Rehfus-Dechêne, Birgit: Farbengebung und Farbenlehre in der deutschen Malerei um 1800, München 1982, S. 12-17 und passim. 121 Mengs, ed. cit. 1797, S. 1-57. 122 Ohne Angabe des Verfassernamens waren die Reflexiones schon 1762 in deutscher Sprache mit dem Titel Gedanken über die Schönheit und über den Geschmack in der Malerei von dem Maler und Kunstschriftsteller Johann Caspar Füssli (17061782) in Zürich veröffentlicht worden und drei Jahre später in einer zweiten Auflage erschienen. Erst ab der dritten Auflage von 1771 wurde Mengs' Name angegeben. Vgl. Lüdecke, Winfried: "Einzelausgaben und Entstehung von A.R. Mengs Erstlingswerk", in: Zeitschrift für Bücherfreunde. Neue Folge, 5 (1914), S. 328332. 123 Vgl. Hönisch, op. cit. 1965, S. 11-12; Rehfus-Dechêne, op. cit. 1982, S. 12.
131
einen aposteriorischen Ideenbegriff, dem das Prinzip der vom Künstler vorgenommenen Auswahl des Schönsten aus Natur und Kunst und seine Zusammenfügung zu einem Kunstwerk, das die Natur übertrifft, zugrundeliegt. Beide Schönheits- bzw. Ideenbegriffe werden weder von Mengs noch von Winckelmann miteinander in Einklang gebracht, obwohl sie im Widerspruch zueinander stehen. In beiden wird nicht zwischen Kunst- und Naturschönem unterschieden. Mengs' metaphysischer Schönheitsbegriff ist geprägt vom platonischen Gedanken einer göttlichen Idee und ihrer unvollkommenen materiellen Erscheinung. Den Menschen läßt Gott seiner Vollkommenheit teilhaftig werden durch die Schönheit, die er durch die Augen als Sichtbares wahrnehmen und mit dem Verstand begreifen kann. Die Schönheit ist ein sinnlich wahrnehmbarer Abglanz der göttlichen Vollkommenheit. Mengs bezeichnet die belleza als "nocion intelectual de la perfección" 124 , sie ist "la perfección de la materia" 125 . Statt die Schönheit eindeutig zu definieren, versucht er, sie mit Vergleichen zu erfassen. Die Vollkommenheit sei ebenso unfaßbar wie die ideale Vorstellung des unzerteilbaren Punktes, die Schönheit als sichtbare, materielle Vollkommenheit sei vergleichbar einem tatsächlich auf Papier geschriebenen Punkt in seiner Körperlichkeit 126 . Die reale Schönheit, die der Mensch mit den Augen sinnlich erfaßt, impliziert also immer eine ideale Vollkommenheit. Mengs' Schönheitsbegriff ist in zweierlei Hinsicht anthropozentrisch, erstens indem er den Menschen als das schönste Geschöpf überhaupt ansieht, zweitens weil im Mittelpunkt seiner Kunstbetrachtung der Mensch steht, als Objekt der künstlerischen Darstellung und als rezipierendes Subjekt. Die wirkliche Welt ist von unvollkommenen Erscheinungen erfüllt. In der Schönheit soll deswegen die ideale Schönheit eines Körpers trotz aller realen Widrigkeiten erkennbar gemacht werden. "Damit fand Mengs den Übergang vom philosophischen ins künstlerische Denken, wenn er der Schönheit - er substituiert ihr dann den konkreten Be-
124 Mengs, ed. cit. 1797, S. 4. 125 Ibid. 126 Mengs' Reflexion über die Immaterialität des Punktes geht zurück auf Aurelius Augustinus' De quantitate animae von 388. Augustinus führt aus, daß die Seele, die den unkörperlichen Punkt zu erkennen vermag, selbst immateriell ist. Vgl. Augustinus, Aurelius: De quantitate animae. De magistro, hrsg./übers. von KarlHeinrich Lütcke/Günther Weigel, Zürich/München 1973, S. 88-91, 116-117.
132 griff der Kunst - die Aufgabe der klärenden Vereinfachung des Naturbildes zuerteilt"' 2 7 .
Der Künstler reinigt die verwickelte Natur von allem Unwesentlichen, entsprechend der Idee, die er dem Betrachter vermitteln will. Dem Künstler obliegt die Aufgabe, das Besondere und Wesentliche einer Erscheinung vom Unwesentlichen zu unterscheiden. Mengs geht von unterschiedlichen Schönheitsgraden ("diferentes grados de Belleza" 128 ) aus. Je höher die Grade sind, um so mehr strebt die Schönheit weg vom Materiellen, hin zur Vergeistigung, denn je geistiger etwas ist, um so schöner ist es 129 . Die Vollkommenheit des Geistigen kann auf das Materielle übergehen, so daß es vergeistigt wird. Mengs verabsolutiert die Schönheit, indem er sie als eigenständiges Phänomen losgelöst von der Materie auffaßt. Die Schönheit als Idee und das schöne Objekt sind zwei voneinander getrennte Bereiche. Indem Mengs den Begriff der Schönheit nicht auf moralische Sachverhalte anwendet, tut er implizit einen wichtigen Schritt hin zur Autonomie der Kunst. Wegen der Vermischung von Natur- und Kunstschönheit erreicht er sie nicht ganz. Die Betrachtung der Schönheit übt auf den Menschen eine belebende Wirkung aus. "La Belleza tiene una fuerza que arrebata y encanta: y como es cosa que se percibe por el espíritu, mueve mas nuestras almas, aumenta, por decirlo así, sus fuerzas, y hace de suerte que se olviden por un instante de que están encerradas en el estrecho ámbito de los cuerpos" ' 3 0 .
Der Begriff alma ist insofern nicht ganz eindeutig, als nicht erkennbar ist, ob damit nur das Gefühl oder der Mensch als gefühls- und verstandesmäßiges Wesen gemeint ist. Welchen Anteil Gefühl und Verstand an der Wahrnehmung der Schönheit haben, bleibt ambivalent. In dem ebenfalls 1780 in Azaras Mengs-Ausgabe erschienenen Fragmento de un discurso sobre los medios para hacer florecer las bellas artes en España ist eine Definition der Schönheit enthalten, in der das Verhältnis von Gefühl und Verstand wesentlich klarer wird. Als notwendige Voraussetzung für Fortschritte in den bildenden Künsten bezeichnet Mengs die Fähigkeit, die
127 Christoffel, op. cit. 1918, S. 12. 128 Mengs, ed. cit. 1797, S. 6. 129 Ibid., S. 14. 130 Ibid., S. 9.
133 Schönheit zu erkennen 131 . Er definiert die Schönheit als objektive Qualität, die unabhängig vom Menschen im schönen Gegenstand vorhanden ist. Sie wird zunächst mittels der Sinne vom Verstand wahrgenommen. Aus diesem rationalen Erkenntnisprozeß resultiert das Vergnügen, das die Seele empfindet. An erster Stelle steht also die ratio, ihr ist die Empfindung nachgeordnet. Begriffliche Unklarheiten und nicht genau geklärte Sachverhalte machen Mengs' Reflexiones vieldeutig und gaben Anlaß zu unterschiedlichen Auslegungen. Problematisch an seiner Definition der Schönheit ist der Umstand, daß er den Begriff der Vollkommenheit nicht definiert, sondern lediglich einzelne Elemente des Vollkommenen angibt. 4.3.2
Mengs' Carta an Antonio Ponz
Von Mengs' theoretischen Schriften wurde in Spanien zu seinen Lebzeiten nur seine in Spanisch geschriebene, an Antonio Ponz (1725-1782) 132 gerichtete Carta bekannt, die dieser im sechsten Band seiner Viaje de España 1776 veröffentlichte 133 , wohingegen die übrigen Texte erst postum in spanischer Übersetzung in der Ausgabe von Azara erschienen. In der Carta an Ponz definiert Mengs den Stil in der Malerei als das eigentliche Wesen eines Gemäldes. Die Anzahl der Stile ist zwar unendlich, doch gibt es insgesamt nur fünf Hauptstile, von denen sich alle übrigen ableiten lassen. Diese sind, vom höchstrangigen zum niedrigsten hierarchisch angeordnet, 131 Vgl. ibid., S. 183-197, hier S. 184 "[...] y esto no se logra sin tener los sentidos muy delicados, y una alma muy despejada: porque siendo la Belleza una propiedad de la cosa, que por medio de los sentidos da al entendimiento una idea clara de sus buenas y agradables propiedades, el que no tenga los sentidos tan delicados, como he dicho, no podrá recibir de los objetos esta impresión, ni su razón acudirá tan presto como es menester para participar al alma el deleyte de la Belleza". Eine verkürzte Fassung dieser Definition findet sich in der Carta de Don Antonio Rafael Mengs á un amigo, sobre el principio, progresos y decadencia de las artes del diseño. Vgl. ibid., S. 241-274, hier S. 243: "La Belleza en particular no es otra cosa mas que un modo de ser de las cosas que por los medios mas sencillos nos da una idea clara de sus buenas y esenciales qualidades". 132 Ponz, der acht Jahre lang - von 1751 bis 1759 - in Rom lebte, stand dort mit Mengs und seinem Kreis in freundschaftlicher Verbindung. Vgl. Haibach, op. cit. 1983, S. 30-34. 133 Vgl. "Carta de don Antonio Rafael Mengs [...] al autor de esta obra", in: Ponz, ed. cit. 1947, S. 565-582; wiederaufg. in: Mengs, ed. cit. 1797, S. 199-240. Die Carta erschien 1777 in Turin in italienischer Übersetzung. - Pelzel, op. cit. 1979, S. 142147; Tejerina, Belén: "Las reseñas de libros españoles en las Effemeridi Letterarie di Roma (1772-1798)", in: NRFH, 33 (1984), S. 311-326, hier S. 315.
134 "el sublime, el bello, el gracioso, el significante y el natural" 134 . Mengs vermischt hier die Begriffe Stil und Schönheit, denn die Stile entsprechen in ihrer Rangfolge verschieden hohen Graden von Schönheit. Nicht der Stil, sondern die Schönheit ist der eigentliche Gegenstand der Carta, die - wie Ponz, der dies erkannt hat, schreibt - den "personas de gusto" zur Erkenntnis dessen verhelfen werde, was "la verdadera belleza de esta nobilísima arte de la pintura" 135 sei. Der estilo sublime136, der dem Betrachter die Vorstellung von "objetos de calidades superiores a nuestra naturaleza" 137 vermittelt, ist die höchste Kategorie. Er soll "simple, sencillo y austero; a lo menos, grande y grave" 138 sein. Mengs nennt als Beispiele nur einige wenige griechische Skulpturen, unter ihnen den Apoll vom Belvedere. Die zweite Kategorie, der estilo de la belleza, ist "sencillo"139 und auf das Wesentliche beschränkt. Mengs definiert die belleza als "la idea o imagen de la perfección posible" 140 und rekurriert für die Charakterisierung des estilo de la belleza auf einige der in seinen Reflexiones dargelegten Thesen über die Schönheit. Auch diesem Stil entsprechen nur griechische Skulpturen, unter ihnen die Laokoon-Gruppe. Die dritte Kategorie, der estilo gracioso, muß "fácil, variado, suave, pero sin menudencias" 141 sein. Entsprechend der traditionellen Überlieferung nennt Mengs den antiken Maler Apelles als Repräsentanten der gracia142. Der estilo gracioso findet sich ebenfalls nur in einigen griechischen Skulpturen der Alten. Die Modernen haben ihn nur eingeschränkt in Teilbereichen realisiert, nämlich Raffael im Ausdruck der Bewegung und Correggio in den Umrissen und im Hell-Dunkel. In der vierten Kategorie, dem estilo significante o expresivo, ist der Ausdruck das vorrangige Ziel der künstlerischen Darstellung. Nicht die 134 "Carta de don Antonio Rafael Mengs [...]", in: Ponz, ed. cit. 1947, S. 567. 135 Ibid., S. 524. 136 Mengs' estilo sublime hat nichts gemeinsam mit dem Begriff Sublime in Edmund Burkes (1729-1797) A Philosophical Inquiry into the Origine of Our Ideas on the Sublime and the Beautiful (London 1756). Vgl. Burke, Edmund: Vom Erhabenen und Schönen, übers, von Friedrich Bassenge, Berlin 1956. 137 "Carta de don Antonio Rafael Mengs [...]", in: Ponz, ed. cit. 1947, S. 567. 138 Ibid. 139 Ibid., S. 568. 140 Ibid. 141 Ibid. 142 Zu Mengs' Auffassung der gracia vgl. infra, S. 202-205.
135 Griechen, die der hermosura den Vorrang vor der expresión eingeräumt hätten, sondern ein einziger Moderner, Raffael, verkörpert für Mengs diesen Stil in idealer Weise. Auch die fünfte Kategorie, der estilo natural o de la naturaleza, ist charakteristisch für die Modernen. Es sind die "pintores naturalistas" 143 , die nicht das Schönste aus der Natur auswählen, sondern die ihre Objekte so abbilden, wie sie sich ihnen zufällig in ihrer alltäglichen Umgebung darbieten. Außer einigen niederländischen Malern, unter ihnen Rembrandt, nennt Mengs vor allem Velázquez als herausragenden Vertreter dieses Stils. Prinzipiell gelten die fünf Kategorien für die Kunst der Alten wie der Modernen, doch zeigt Mengs anhand der Kunstwerke, die er als Beispiele für die ver schiedenen Stile anführt, daß tatsächlich nur in den Werken der Griechen die drei höchsten Stile verwirklicht sind, wohingegen er für die beiden niedrigeren vornehmlich Werke der Modernen angibt. Nur die Griechen haben den höchsten Grad an Perfektion in der Kunst erreicht. Die höchsten Stile, die die Alten bereits realisiert haben, sind für die Modernen ein Ziel, das es zu erreichen gilt. Mengs benutzt die Begriffe hermosura und belleza synonym. Hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmung des Schönheitsbegriffs tritt Mengs' Mangel an Systematik und begrifflicher Klarheit in der Carta an Ponz noch weitaus offener zutage als in den Reflexiones. Es stellt eine methodische Schwäche dar, daß er den Begriff der Schönheit in der Malerei bestimmen will, aber in Ermangelung realer Beispiele aus der Antike auf Werke der Bildhauerei rekurriert. Die Stile, die Mengs beschreibt, entsprechen einerseits verschiedenen Graden von Schönheit, andererseits aber wird die Schönheit zum Charakteristikum des zweiten Stils erklärt und im Zusamr menhang mit diesem definiert. Problematisch ist die genaue Abgrenzung der einzelnen Stile voneinander. Die erste und zweite Stilkategorie werden beispielsweise mit derselben Eigenschaft (sencillo) charakterisiert. Widersprüchlich ist Mengs' Aussage, daß der Charakter der Schönheit einerseits je nach dem Thema der Skulptur wechselt, andererseits aber alle Kunstwerke mit der hermosura schlechthin ausgestattet sind 144 . Entgegen der 143 Ibid.,S. 569. 144 Vgl. ibid., S. 568: "La belleza parece mudar de carácter según el sujeto en que se halla; así, vemos acercarse al sublime en el Apolo del Vaticano; en el Meleagro se ve la hermosura humana o heroica; en las Niobes, la mujeril; en el Apolo y Venus de Médicis, la hermosura de sujetos graciosos. [...] pero, no obstante, se conoce
136 Behauptung von Ponz, Mengs' Carta diene der Klärung des Schönheitsbegriffs, läßt sich also feststellen, daß gerade dies Mengs nicht gelingt, da er Schönheit in viele Teilbereiche zergliedert, deren Über- und Unterordnung nicht nach logischen Gesichtspunkten erfolgt. Es entsteht ein Begriffswirrwarr ohne klare Unterscheidungskriterien, der das Phänomen der Schönheit unter dem Schleier von Vieldeutigkeiten verbirgt. Von den Zeitgenossen wurde Mengs' Carta an Ponz ungeachtet ihrer methodischen Schwächen sehr geschätzt 145 . 4.4 José Nicolás de Azara y Perera Seiner Ausgabe von Mengs' Werken fügte José Nicolás de Azara y Perera einen Comentario al Tratado de la Belleza de Mengs hinzu, in dem er jedoch nicht, wie es der Titel erwarten läßt, Mengs' Text kommentiert, sondern seine eigenen Theorien über Schönheit und Geschmack vorstellt, die sich, wie er selbst bemerkt, von denjenigen Mengs' unterscheiden 146 . Azara richtet sich im wesentlichen gegen die neuplatonischen Züge in Mengs' Schönheitsbegriff. Azara lehnt alle bisherigen Definitionsversuche der Schönheit ab und erwähnt in diesem Zusammenhang Piaton, Augustinus, Christian Freiherr von Wolff (1679-1754) und die Anhänger von Leibniz, Francis Hutcheson (1694-1747), Père André, Diderot. Er wendet sich auch que a cualquiera que fuese éste, nunca olvidaron sus autores de acompañarlo con la hermosura". 145 Arteaga erwähnt den Text zweimal in seinen Investigaciones filosóficas sobre la Belleza ideal von 1789. Er bezeichnet ihn als "docta carta" (Arteaga, ed. cit. 1943, S. 91) und schätzt Mengs' Lob der spanischen naturalistas (vgl. ibid., S. 152-153). Rejón de Silva zitiert Mengs' Enkomion der spanischen Maler in seinem didaktischen Gedicht La pintura (vgl. Rejón de Silva, Diego Antonio: La pintura. Poema didáctico en tres cantos, Segovia 1786, S. 96-98) und referiert seine Definitionen der verschiedenen Stile im Artikel Estilo seines Diccionario de las Nobles Artes (vgl. id., op. cit. 1788, S. 102-103). 146 Vgl. Mengs, ed. cit. 1797, S. 59-85. - Zu Azara y Perera vgl. Sempere y Guarinos, op. cit., 1. Bd., 1785, S. 176-179; Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 141-143, 147-150; Arco, Ricardo del: "Juicios estéticos de José Nicolás de Azara", in: RIE, 8 (1949), S. 273-292; León Tello/Sanz Sanz, op. cit. 1980, S. 1921; León Tello/Sanz Sanz, op. cit. 1981, S. 9-11, 27-79, 362-364; Nicolás Gómez, Salvadora: "José Nicolás de Azara, excelente representante en Italia del pensamiento ilustrado español de talante más europeísta", in: Boletín del Museo e Instituto Camón Aznar, 20 (1985), S. 123-135; Olaechea, Rafael: "José Nicolás de Azara: literato y mecenas", in: Actas del I Symposium del Seminario de Ilustración Aragonesa, Zaragoza 1987, S. 41-88.
137 gegen diejenigen, die behaupten, die Schönheit bestehe aus "variedad, unidad, regularidad, orden y proporcion" 147 , also Crousaz und Luzán, die diese Kriterien vertreten. Am adäquatesten erscheint ihm Ciceros Definition der Schönheit 148 . Azara selbst will sich auf die Schönheit in den bildenden Künsten ("la Belleza relativa á las artes del Diseño" 149 ) beschränken. Er definiert Schönheit (belleza) als Vereinigung von Vollkommenem (perfecto) und Angenehmem (agradable)150. Die Schönheit ist ein Abstraktum, das nur im Verstand (entendimiento) existiert und von Objekten hervorgerufen wird, die solche Eigenschaften enthalten, die sie als schön erscheinen lassen. Die Vollkommenheit (perfección) wirkt auf die Seele (alma), das Angenehme (agrado) auf die Sinne (sentidos), wohingegen der Verstand (entendimiento), der Seele und Sinne in sich vereinigt, die Schönheit insgesamt genießt. Das Häßliche (fealdad) definiert Azara als Vereinigung von Unvollkommenheit (imperfección) und Unangenehmem (desagradable). Die Schwächen von Azaras Definitionen und die Mehrdeutigkeit einiger Begriffe sind offenkundig. Die Vollkommenheit wird unzureichend definiert als das, an dem nichts zu viel ist und nichts fehlt. Das Angenehme (agradable) ist ein gemäßigter, mittlerer Eindruck auf die Sinne. Unklar ist die Trias Seele, Sinne, Verstand, da sich die Frage stellt, wie der Verstand Seele und Sinne zusammenfaßt und bestimmen kann. In der Frage, wie das Subjekt Schönheit zu beurteilen vermag, verstrickt er sich in Widersprüche: An einer Stelle behauptet er, daß nur die Vernunft (razón) die Schönheit zu beurteilen vermag 151 . An anderer Stelle schreibt er, nur Sinne (sentidos) und Verstand (entendimiento) zusammen könnten die Schönheit beurteilen 152 . Azara verwendet hier die Begriffe razón und entendimiento synonym. An anderer Stelle differenziert er zwischen beiden.
147 Azara, in: Mengs, ed. cit. 1797, S. 61. 148 Vgl. infra, S. 105. 149 Azara, in: Mengs, ed. cit. 1797, S. 62. 150 Vgl. ibid., S. 63. 151 Vgl. ibid.: "[...] pero de lo Bello solo es juez competente la razón". 152 Vgl. ibid., S. 66: "[...] para entender y juzgar de la Belleza es necesaria la unión de los sentidos y el entendimiento".
138 "Las artes sirven en parte á nuestros sentidos, y en parte á la razón. Los sentidos reciben sus impresiones: el entendimiento las distingue, y la razón las juzga" 1 5 3 .
Demnach fungiert entendimiento als Unterscheidungs-, razón als Beurteilungsinstanz. Azara trennt Nachahmung (imitación) und Schönheit voneinander. Das eine hat seiner Meinung nach mit dem andern nichts zu tun 154 . Wenn das Original nicht schön ist, kann es auch die Kopie des Malers nicht sein 155 . Azaras Schönheitsbegriff ist ambivalent. Er enthält objektive Kriterien, nämlich die Eigenschaften, die das Objekt schön wirken lassen, und subjektive Kriterien, nämlich die ausschließliche Existenz der Schönheit im Verstand des Menschen. Die hohen Ansprüche, die Azara an sich und seine Theorie stellt, vermag er nicht einzulösen.
4.5 Gaspar de Molina y Saldívar, Marqués de Ureña Mit seinen Reflexiones sobre la arquitectura, ornato, y música del templo von 1785 will Gaspar de Molina y Saldívar, Marqués de Ureña, einen Beitrag zur praktischen Verbesserung von Architektur und Musik in den spanischen Kirchen leisten 156 . Überzeugt von der Wirkkraft der Vernunft, vertritt er einen rationalistischen Ansatz und erachtet die theoretische Erkenntnis als notwendige Voraussetzung zur Verbesserung der Praxis 157 . Deswegen stellt er seinen praxisbezogenen Erwägungen einen ausführlichen theoretischen Teil als Grundlage voraus, in dem er, ausgehend von den Theorien von Mengs und Azara, seine eigenen Vorstellungen von Schönheit und Geschmack 158 darlegt. Marqués de Ureña beginnt seine Ausführungen über die Schönheit mit der Aufzählung genau derjenigen Autoren, die Azara zu Beginn seines Comentario al Tratado de la Belleza de Mengs nennt, und fügt ihnen noch Mengs und Azara ("su Comentador, de cuyas ideas creo diferir muy poco" 159 ) hinzu. Tatsächlich ist Marqués de Ureña wesentlich von Azaras 153 Ibid. 154 Vgl. ibid., S. 69: "[...] nada tiene que ver la Imitación con la Belleza". 155 Vgl. ibid.,S. 6 9 u n d 7 1 . 156 Vgl. infra, S. 66-67. 157 Vgl. Marqués de Ureña, op. cit. 1785, S. 33. 158 Zu seinem Geschmacksbegriff vgl. infra, S. 284. 159 Marqués de Ureña, op. cit. 1785, S. 25.
139 Theorien beeinflußt. Wie Mengs und Azara vertritt er einen objektiven Schönheitsbegriff. "Entiendo por belleza lo que resulta de un complexo de qualidades, que reunidas en una cosa deben hacerla capaz de aplacer á los sentidos, y satisfacer al entendimiento. Si la tal cosa no agrada, será por defecto del paciente, y este tendrá mal gusto" 1 6 0 .
Die Schönheit ist also eine Eigenschaft des Objekts, unabhängig vom Rezipienten. Wenn dieser sie nicht erkennt, so liegt es an ihm, nicht am schönen Objekt. Was für die Schönheit zutrifft, gilt prinzipiell auch für das Häßliche (deformidad). Die Schönheit wirkt sowohl auf die Sinne als auch auf die Vernunft, aber die Vernunft hat den absoluten Vorrang vor den Sinnen 161 . Die Frage, in welchem Verhältnis reale und ideale Schönheit zueinander stehen, erscheint ihm nicht einmal erwägenswert, entscheidend ist für ihn nur, daß die Vernunft die Schönheit als solche erkennt. Er schreibt über die belleza: "Que esta se dé absoluta fuera de Dios, que sea únicamente respectiva, me importa poco: basta que sea un ente posible, aunque solo tenga derecho á apellidarse belleza por una mayor ó menor distancia de la mas completa belleza que el entendimiento puede alcanzar" 1 6 2 .
Die theologische Einbindung des Schönheitsbegriffs spielt also eine untergeordnete Rolle für ihn. Ungeklärt bleibt, wie groß die Abweichung der realen Schönheit von der idealen sein darf, damit sie noch von der Vernunft als belleza wahrgenommen werden kann. Auf die Frage, was die Schönheit, die auf die Sinne und den Verstand wirkt, konstituiert, gibt Marqués de Ureña dieselbe Antwort wie Azara 163 . Der Verstand (entendimiento) wird von der Vollkommenheit (perfección) zufriedengestellt, die er wie Azara als Zusammenwirken einer Vielfalt in einem Ganzen, an dem weder etwas fehlt noch etwas zuviel ist, beschreibt. Die Vollkommenheit wird vom Verstand durch Unterscheidung (discernimiento) und Analyse (análisis) erkannt. Die Sinne werden zufriedengestellt durch:
160 Ibid., S. 27. 161 Vgl. ibid., S. 28: "Luego no hay belleza en lo que satisface á los sentidos, si no satisface á la razón". 162 Ibid., S. 26-27. 163 Vgl. ibid., S. 33-34.
140 "un cierto temperamento de aquellos accidentes sensibles, que han de acompañar al objeto, que lo haga capaz de gozarse con claridad, evidencia y facilidad, y sin que las fibras padezcan" 1 6 4 .
Marqués de Ureña beschreibt den die Sinne betreffenden Anteil der Schönheit in Anlehnung an Mengs und Azara als Deutlichkeit in der Darstellungsweise des schönen Objekts, die von den Sinnen mühelos erfaßt werden kann. An anderer Stelle ergibt es sich, daß mit dem hier umständlich umschriebenen temperamento nichts anderes als das Angenehme (iagradable) gemeint ist 165 . Stimmt er hier hinsichtlich der Konstituenten der Schönheit, nämlich perfección und agradable, mit Azara überein, so weicht er von ihm ab, indem er einräumt, daß auch häßliche Elemente im schönen Objekt vorhanden sein können, wohingegen Azara behauptet, die Schönheit könne nur aus der Nachahmung schöner Objekte resultieren. Alle Künste zielen auf "un todo bello en su género" 166 . Entscheidend ist nicht das einzelne Element für sich genommen, sondern die Kombination einzelner Elemente zu einem Ganzen. Marqués de Ureña exemplifiziert dies an der Musik. Grundsätzlich erlaubt sind demnach auch extreme Tonhöhen im Diskant und Baß, dissonante Intervalle wie der Tritonus und die verminderte Sept, alle Instrumente, die Flöte ebenso wie die Trompete. Alle diese Elemente sind der Schönheit keineswegs abträglich, sofern dem Künstler "su organización y reunion en un todo perfecto" 167 gelingt. Stimmt Marqués de Ureña mit Feijoo darin überein, daß nicht das einzelne Element, sondern die Gesamterscheinung der zusammengefügten Teile schön ist, so wendet er sich in der Frage der Instrumentierung ausdrücklich gegen Feijoo, der die Auffassung vertreten hat, daß am besten die Orgel, nicht aber Violinen zur instrumentalen Begleitung der Sakralmusik geeignet seien 168 .
164 Ibid., S. 34. 165 Vgl. ibid., S. 87: "[...] consistiendo el deleyte de los sentidos en lo agradable, y la satisfacción del entendimiento en lo perfecto; basta que el compuesto sea capaz de producir lo uno y lo otro, aunque haya partes que no sean por sí capaces de producirlo". 166 Marqués de Ureña, op. cit. 1785, S. 44. 167 Ibid., S. 46. 168 Ihm ist entgangen, daß Feijoo seine ablehnende Haltung später aufgegeben hat. Im Prolog zum vierten Band der Cartas eruditas y curiosas von 1753 erwähnt Feijoo einen Erlaß, in dem Papst Benedikt XIV. die Verwendung der Violinen in der Sakralmusik empfiehlt. Feijoo schreibt, daß er sich dem Willen des Papstes fügt, und er revidiert seine in Música de los Templos vertretene ablehnende Haltung. Vgl.
141
Marqués de Urena faßt Natur- und Kunstschönheit als voneinander getrennte Bereiche auf, ohne diese Unterscheidung explizit zu erläutern. Er beschreibt das Verhältnis der Kunst (arte) zu Sinnen und Vernunft, indem er die Kunst mit der Gesetzgebung vergleicht, denn wie diese zwischen öffentlichem und privatem Interesse vermittelt, so tut dies die Kunst zwischen den Interessen der Sinne und der Vernunft 169 . Vernunft und Sinne sind jedoch nicht gleichberechtigt. Die Sinne werden zwar nicht pejorativ bewertet, aber die Vernunft hat prinzipiell den Vorrang, denn ihr obliegt die Aufgabe, die Sinne zu lenken. Die Künste befinden sich in ihrer Mittlerposition zwischen Sinnen und Vernunft in einem dynamischen Zustand, da sie zwischen beiden Bereichen ausgleichend wirken müssen. Marqués de Urena behandelt nur kurz das Thema der absoluten Schönheit ("el ente que llamamos belleza considerada en sentido absoluto" 170 ) im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Schönheitsbegriffen der Völker. Aus ihren verschiedenen Sitten und Gebräuchen resultieren unterschiedliche Idealvorstellungen, da sie auf die Vorstellungswelt der Menschen normbildend wirken 171 . In guten Sitten erkennt Marqués de Urena die beste Voraussetzung für die richtige Erkenntnis der Schönheit 172 . Marqués de Urena bezeichnet sich zwar selbstbewußt als durch und durch rationales Wesen und reklamiert für sich Gedankenfreiheit 173 , aber er ist keineswegs ein so kritischer Geist, wie er vorgibt, sondern ein Eklektiker, der viele Thesen nicht ausreichend begründet und unkritisch als gegeben hinnimmt, ohne sie zu überprüfen. Er propagiert sie, indem er sie als vernünftig ausgibt. Die Grenzen seiner Rationalität werden besonders offensichtlich an seinem Harmoniebegriff 174 . Er postuliert a priori eine Harmonie des Universums. Zwar erkennt er Widersprüche in dieser HarMarqués de Urena, op. cit. 1785, S. 366-367, und Feijoo: "Música de los Templos", in: id., ed. cit., 1. B d „ 1924 (= BAE, 56), S. 37-44, hier S. 43. 169 Vgl. Marqués de Ureña, op. cit. 1785, S. 18-19. 170 Ibid., S. 91. 171 Vgl. ibid., S. 94: "[...] la costumbre que establece en nuestra fantasía una especie de ley á fuerza de ver, ó de oir una cosa misma, y repetidas veces aplicada á un mismo intento". 172 Vgl. ibid., S. 140: "Es la costumbre el mejor intérprete de la belleza. Es indubitable que si hay vicios en la imaginación, la belleza no es inteligible. Y así como los vicios proceden de la costumbre, así también el perfeccionar las ideas proviene de la costumbre misma". 173 Vgl. ibid., S. 26. 174 Vgl. ibid., S. 50-51.
142 monie, aber dies führt keineswegs dazu, daß er seine Position in Zweifel zieht. Vielmehr gibt er - wie Feijoo oder Mengs - dem mangelhaften Wahrnehmungsvermögen des Menschen die Schuld. Wie die Theorien von Mengs und Azara, von denen er entscheidend beeinflußt ist, weist seine eigene Theorie der Schönheit zahlreiche definitorische Unklarheiten und argumentative Schwächen auf. 4.6
Antonio Xavier Pérez y López
Der Schönheit widmet Antonio Xavier Pérez y López in seinen Principios del orden esencial de la naturaleza, establecidos por fundamento de la moral y política, y por prueba de la religión. Nuevo sistema filosófico (Madrid 1785) nur einen kurzen, aber prägnanten Abschnitt. Was im Untertitel des Buches als neues philosophisches System angekündigt wird, erweist sich bei näherer Betrachtung als Rückgriff auf tradierte, zum Teil durch die gesellschaftliche Realität längst überholte Ansichten, die zur Perpetuierung bestehender Zustände dienen sollten. Seine Theorie der Schönheit ähnelt grundsätzlich der scholastisch geprägten von Cevallos. "Lo que está bien ordenado es perfecto en su linea, porque no siendo otra cosa la perfección que el convénio y armonía de varias partes, ó atributos entre sí, que se dirigen á un fin y concuerdan en él, es incontrovertible que qualquiera cosa ordenada es perfecta: asi un relox, cuyas ruedas y demás partes están bien dispuestas, señala la hora puntualmente, en lo que todas convienen, y en lo que consiste su perfección. De esta nace la hermosura, que es el agrado que causa á la vista el conocimiento de una cosa perfecta" 175 .
Aus dem Begriff der Ordnung leitet Pérez y López den Begriff der Vollkommenheit ab. Die Vollkommenheit definiert er als harmonische Ausgewogenheit verschiedener Teile oder Eigenschaften, die auf ein Ziel, auf das sie zustreben und in dem sie zusammentreffen, ausgerichtet sind. Die Vollkommenheit ist eine objektive Qualität. Zur Exemplifizierung seiner Definition wählt er das Beispiel einer Uhr, die exakt die Zeit anzeigt. Aus der Vollkommenheit resultiert die Schönheit (hermosura), die Pérez y López als das Wohlgefallen definiert, das derjenige empfindet, der ein vollkommenes Objekt wahrnimmt. Die Schönheit ist also keine Qualität des Objekts, sondern eine Qualität des Subjekts, die aus dessen Konfrontation mit einem vollkommenen Objekt resultiert. Die Schwächen dieser Definition sind offensichtlich, denn er trennt Ordnung und Vollkommenheit nicht 175 Pérez y López, op. cit. 1785, S. 4. - Vgl. Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 134-135.
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klar voneinander, sondern setzt sie gleich. Die Definition der Vollkommenheit bleibt zu vage und setzt sich aus zwei heterogenen Elementen zusammen: einerseits aus einem statischen Zustand, nämlich die Harmonie verschiedener Teile, andererseits aus einem dynamischen Prozeß, nämlich die Ausrichtung der Teile auf ein gemeinsames Ziel hin. Das erste Element steht in der langen Tradition der Definition von Schönheit als Ausgewogenheit der Teile, das zweite gehört zum Bereich von Zweck und Nutzen. Das Beispiel der Uhr, das Pérez y López an anderer Stelle nochmals als Metapher für die gesamte Schöpfung aufgreift, gehört nicht zum künstlerischen, sondern zum funktional-technischen Bereich. Obwohl die Schönheit sich erst durch die Wahrnehmung eines betrachtenden Subjekts ergibt, erläutert Pérez y López den Akt der Wahrnehmung nicht weiter, sondern auch sein Funktionieren bleibt doppeldeutig: Deutet der Begriff á la vista auf ein sogleich erfolgendes, spontanes Erfassen, so impliziert conocimiento einen bewußten geistigen Vorgang. Die Definition des vollkommenen Objekts überträgt Pérez y López auf das Subjekt 176 . Ein Subjekt, das niedere und höhere Eigenschaften - Pérez y López erläutert nicht, was er genau darunter versteht - wohl geordnet hat und diese mit seinen Zielen in Einklang bringt, sei vollkommen und demnach glücklich. Resultiert aus der Vollkommenheit des Objekts die Schönheit für das wahrnehmende Subjekt, so entsteht aus der Vollkommenheit des Subjekts selbst sein Glück, und zwar nach Pérez y López' Meinung mit einer derartigen Zwangsläufigkeit, daß Vollkommenheit, Glück, Schönheit gleichermaßen nicht als relative, sondern als absolute Gegebenheiten erscheinen. "Estas definiciones reales prueban demostrativamente que hay perfección, felicidad y hermosura absolutas contra la opinion de algunos A A . 1 7 7 que juzgan que estas cosas, especialmente la hermosura, penden del capricho, equivocando ó el deleyte sensual, que causa v. g r . 1 7 8 la vista de una muger deshonesta y fea, con el agrado que excita la presencia de una matrona honesta y hermosa, ó con otros efectos de mal gusto" 1 7 9 .
176 Vgl. Pérez y López, op. cit. 1785, S. 4: "El ente perfecto, capáz de felicidad, la adquiere y goza solo en virtud de su propia perfección: luego que un hombre tiene todas sus facultades superiores é inferiores bien ordenadas y expeditas para el logro de sus fines, y luego que consigue estos, es feliz". 177 Abkürzung für: Autores. 178 Abkürzung für: verbigracia. 179 Ibid., S. 4-5.
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Klar erkennbar ist hier, daß hermosura nicht aus der sinnlichen Wahrnehmung ("deleyte sensual"), sondern aus einer eher geistigen ("agrado") resultiert. Außer der Verwechslung von deleyte und agrado ist der mal gusto ein weiteres Hindernis bei der Wahrnehmung von Schönheit. Aus dem Mangel an Vollkommenheit erklärt Pérez y López Häßlichkeit und Unglück 180 . Pérez y López bringt heterogene Bereiche miteinander in Zusammenhang, und letztlich fallen Ordnung, Vollkommenheit, Schönheit in eins zusammen. Alle Schönheit wird von Pérez y López auf Gott zurückgeführt und somit theologisch begründet 181 . 4.7 Die Diskussion über die belleza ideal in den achtziger und neunziger Jahren Seit den achtziger Jahren läßt sich ein verstärktes Interesse für die Frage, wie die Schönheit im allgemeinen zu bestimmen sei, feststellen. In vielen Schriften finden sich mehr oder weniger lange Bemerkungen über das Wesen der Schönheit, manchmal eingestreut in Kontexten, wo man sie kaum vermuten würde. Ausgehend von Mengs' und Azaras Theorien entspinnt sich eine kontrovers geführte Diskussion über die Bestimmung der idealen Schönheit (belleza ideal). Vor allem stritt man darüber, ob die belleza ideal in realen Kunstwerken existiert oder eine abstrakte, nicht konkretisierbare Vorstellung des menschlichen Geistes ist. Mengs selbst benutzt den Ausdruck belleza ideal nicht, sondern Begriffe wie "cumplida hermosura" 182 oder "hermosuras y perfecciones ideales" 183 . Er findet die ideale Schönheit nicht in der Natur, postuliert aber, daß jedes Bild einen Teil der Idealität besitzen müsse, die aus der Auswahl der schönen Teile der Natur resultiert 184 . Für Azara existiert die ideale 180 Vgl. ibid., S. 5: "Por el contrario, la imperfección es el desarreglo de los atributos, ó partes de una cosa entre sí, y con sus fines. De aqui procede la fealdad ó desagrado que causa lo imperfecto, y la infelicidad del sugeto capáz de ella". 181 Vgl. ibid.: "En un sentido rigoroso y profundo es cierto que la perfección y voluntad divina es el orden y última razón del Criador y de las criaturas". 182 "Carta de don Antonio Rafael Mengs [...] al autor de esta obra", in: Ponz, ed. cit. 1947, S. 566. 183 Ibid., S. 567. 184 Vgl. ibid.: "Comúnmente, se suelen llamar estas hermosuras y perfecciones ideales, por no hallarse tales en la simple Naturaleza, de donde nace que muchos creen que lo ideal no es verdadero y natural. La perfecta pintura siempre tiene y
145 Schönheit in der Realität. Mengs' letztes unvollendetes Gemälde der Verkündigung bezeichnet er als "una hermosura ideal" 185 . Mengs' Werke zeichnen sich nach Azaras Meinung durch die "belleza ideal y sublime" 186 aus. Die belleza ideal wird häufig in den Gedichten und Vorträgen der Festveranstaltungen der Real Academia de San Fernando thematisiert. Jovellanos erwähnt in seinem am 14. Juli 1781 dort gehaltenen Vortrag Elogio de las Bellas Artes die vergebliche Suche nach der belleza ideal und lobt in diesem Zusammenhang das einzigartige Talent des Velázquez, der in seinen Werken das realisiert habe, wonach andere vergebens streben 187 . In derselben Veranstaltung trug Juan Meléndez Valdés (1754-1817) seine Ode La gloria de las artes vor, in der die belleza ideal als Ziel und höchste Vollendung der bildenden Künste bestimmt wird 188 . In seinem Gedicht El deseo de gloria en los profesores de las artes, am 14. Juli 1787 vorgetragen, erinnert Meléndez Valdés an Mengs, dessen Tod ihn mit tiefer Trauer erfüllt. Im Zusammenhang mit Mengs' Malerei zählt er verschiedene Arten von Schönheit auf, die in ihr vorbildlich realisiert worden seien, unter anderem auch die belleza ideal. "[...] La hechicera gracia, la ideal belleza, la ingeniosa composición, la hermosa
debe tener de lo ideal; bien entendido que esto no ha de ser sino la elección de las cosas ya producidas por la Naturaleza que convienen a una misma idea, adaptadas de modo que formen unidad en la obra del arte [...]". 185 Ibid., S. XXX. 186 Ibid., S. XXXVIII. Wie Azara benutzt auch Juan Pablo Forner in Los Gramáticos von 1782 den auf die Malerei bezogenen Ausdruck "la belleza sublime" (Forner, ed. cit. 1970, S. 124). 187 Vgl. "Elogio de las Bellas Artes pronunciado en la Academia de San Femando", in: Jovellanos, Gaspar Melchor de: Obras escogidas, hrsg. von Eduardo Ovejero y Maury, Madrid 1930, S. 49-85, hier S. 64: "Alaben otros, en horabuena, las gracias de la belleza ideal, buscada casi siempre en vano por los correctores de la verdad y la naturaleza, mientras que aplaudiendo sus conatos, damos nosotros a Velázquez la gloria de haber sido singular en el talento de imitarlas". 188 Er schreibt über die bildenden Künste: "Ellas alegres en unión amiga / la frente levantaron con ardiente / afán, hasta encumbrarse / a la ideal belleza. [...]" (Meléndez Valdés, Juan: "La gloria de las artes", in: id.: Obras en verso, hrsg. von Juan H.R. Polt/Jorge Demerson, 2. Bd., Oviedo 1983, Nr. 428, S. 860-869, hier S. 862, V. 67-70).
146 verdad del colorido, la ligera expresión, el dibujo delicado ..." 189 .
Meléndez Valdés interessierte sich für ästhetische Fragen, insbesondere für das Thema der Schönheit 190 . Sein nach 1787 entstandener Discurso filosófico sobre la belleza y sus diferentes calidades ist leider verschollen, und über sein Inhalt ist nichts bekannt 191 . Auch Quintana thematisiert die belleza ideal in seiner Lyrik. In derselben Festveranstaltung, in der Meléndez Valdés El deseo de gloria en los profesores de las artes vortrug, rezitierte Quintana eine Ode, in der er die belleza ideal evoziert, die der Dichter erblickt 192 . Quintana beschreibt in seiner an einen Maler namens Valerio gerichteten, am 4. August 1790 vorgetragenen Epístola die belleza ideal als Schönheit, die die Natur unter einem Schleier verbirgt und die der Künstler enthüllen soll 193 . Cándido María Trigueros äußert sich über die belleza ideal im Vorwort zu seinem 1784 in Sevilla erschienenen epischen Gedicht in sechs Gesängen La Riada, das anläßlich der Ende 1783 und Anfang 1784 erfolgten Überschwemmung Sevillas durch den Guadalquivir entstanden ist.
189 "El deseo de gloria en los profesores de las artes", in: ibid., Nr. 440, S. 905-913, hier S. 909, V. 139-143. 190 In seiner Bibliothek befand sich Andrés Essai sur le Beau, und er kannte Arteagas Abhandlung Investigaciones filosóficas sobre la Belleza ideal. Die Réflexions critiques sur la poésie et sur la peinture von Du Bos las er 1779. Darüber schreibt er in einem vom 6. Februar 1779 aus Salamanca datierten Brief an Jovellanos: "Estoy también leyendo las Reflexiones críticas sobre la poesía y la pintura del abate Dubos, que me gustan muchísimo y juzgo escritas con gran juicio. A nosotros nos hace, a mi ver, mucha falta esta clase de escritos, que dan a un mismo tiempo las reglas del buen gusto, y forman el juicio con lo ajustado de sus reflexiones. Los franceses abundan en ellos, al paso que nosotros carecemos de todo" (Jovellanos: Obras completas, hrsg. von José Miguel Caso González, 2. Bd., Oviedo 1985, Nr. 73, S. 154-155, hier S. 154). Vgl. Demerson, Georges: Don Juan Meléndez Valdés, Une vie espagnole sous le signe de la France (1754-1817), Paris 1961, S. 455. 191 Vgl. ibid., S. 444, 455,461 -462. 192 Vgl. "Oda recitada en la Real Academia de San Fernando", in: Quintana, Manuel José: Poesías completas, hrsg. von Albert Dérozier, Madrid 1969, S. 51-54, hier S. 52-53, V. 61-66: "Pero ya la Pintura ante mi vista se presenta de lienzos rodeada, / y al contemplarlos veo / la belleza ideal, miróla y creo / los encantos del Arte, y animada / la tinta dulcemente me conquista". 193 Vgl. ibid., S. 91-98, hier S. 92, V. 19-22: "Levante pues el misterioso velo / con que Natura sus beldades cubre / tu gran genio, y sus ámbitos girando / la Belleza ideal beba en su fuente".
147 "Sabida verdad es, que un Poeta i un Poema no son otra cosa que un Pintor i una Pintura. Mas ?quien será tan poco inteligente que piense encontrar la perfecta Pintura donde no halle la belleza ideal, aquella belleza que se halla en la Naturaleza entera, pero no se encuentra en individuo ninguno suio? Esta misma belleza ideal se debe buscar en los Poemas: demuestrenme, pues, que una vez ha encontrado Pintor alguno, por completo que sea, esta perfecta belleza ideal en otra parte que en la Naturaleza observada con el telescopio de Homero; i entonces comenzaré a pensar que un Poeta que busque la misma belleza, no necesita ni debe usar del mismo telescopio" l 9 4 .
Diese änigmatische Passage, die Juan Pablo Forner in seiner vom 13. Juli 1784 datierten Carta de Don Antonio Varas al autor de la Riada, sobre la composición de este poema als zu vage kritisiert 195 , bedarf der Deutung. Trigueros setzt, infolge der mißverstandenen Horazstelle ut pictura poesis, Dichter und Maler gleich. Beide ahmen, entsprechend der aristotelischen Mimesistheorie, die Natur nach. Die belleza ideal befindet sich in der Natur als Ganzem, nicht aber in einem individuellen Lebewesen. Was für die Natur gilt, trifft auch für die Poemas zu, womit Trigueros die höchstrangige Gattung des "Poema épico" 196 meint, die er hier ausschließlich behandelt. Nur dasjenige Poema enthält die belleza ideal, dessen Dichter die Natur in einer besonderen Weise nachahmt, indem er sie nämlich durch "el telescopio de Homero" betrachtet. Die spezifische Naturbetrachtung des Dichters beschreibt Trigueros hier mit der Metapher eines optischen Instruments der naturwissenschaftlichen Forschung, das dem Betrachter entfernte, kaum sichtbare oder verborgene Teile der Natur vor Augen führt und erkennbar macht. Der Dichter ist also auch ein Forscher, der, nach dem Vorbild Homers, die Geheimnisse der Natur entdeckt und durch seine sprachliche Gestaltung die belleza ideal der Natur in sein Epos überträgt. 194 Trigueros, Cándido Maria: La Riada, Sevilla 1784, S. XIV-XV. - Vgl. Neriich, op. cit. 1964, S. 34, 36-37, 115, 160-162, 202; Aguilar Piñal, Francisco: Un escritor ilustrado: Cándido María Trigueros, Madrid 1987, S. 158-165, 272-273. 195 Vgl. Forner, Juan Pablo: Carta de Don Antonio Varas al autor de la Riada, sobre la composición de este poema, Madrid 1784, S. 10: "Las voces de quadro, sistema, naturaleza, belleza ideal, y otras como ellas que suelen tomarse en un sentido vago é indefinido, dan á las expresiones un ayre de misteriosidad, que no tienen en sí, y dexan atónito á qualquier pobre hombre, que no sabe el arte de desmenuzarlas". - Forners Schrift gegen Trigueros erschien unter Pseudonym. Jovellanos, der La Riada positiv aufnahm, teilt Trigueros in einem vom 9. November 1784 aus Madrid datierten Brief mit, daß Forner der Autor der Carta ist. Vgl. Jovellanos, ed. cit., 2. Bd., 1985, S. 292-293, Nr. 174; vgl. ibid., S. 279-281, Nr. 165. - Zur Polemik zwischen Forner und Trigueros vgl. Jiménez Salas, María: Vida y obras de D. Juan Pablo Fomer y Segarra, Madrid 1944, S. 385-406. 196 Forner, op. cit. 1784, S. V.
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Angesichts der Vorbilder Homer und Vergil diskutiert Trigueros die Frage der Originalität des Ependichters. "La invención que constituie original al escritor consiste en el todo de la composicion del quadro, en el sistema i correspondencia especial de sus partes unas con otras; no consiste ni puede consistir en estas mismas partes"197.
Die invención, die die Originalität des Dichters ausmacht, befindet sich nicht in den einzelnen Elementen, sondern im Ganzen des Textes, also in den Beziehungen, die der Dichter zwischen den einzelnen Elementen herstellt. Dies impliziert, daß diese durchaus traditionell sein können und die Originalität in ihrer jeweils neuartigen Verknüpfung besteht. Die Unzulänglichkeit von Trigueros' Definition der invención ist offenkundig, denn er umschreibt die invención mit einer der traditionellen Definitionen für den Begriff der Schönheit. Auch Forner ist die Konzeption einer idealen Schönheit vertraut. In Los Gramáticos von 1782 benutzt er in einer Aufzählung von Qualitätskriterien für die Malerei den Begriff "la belleza sublime" 198 . In seiner Carta de Don Antonio Varas al Autor de la Riada kritisiert Forner Trigueros' Definition der invención, indem er schreibt, Trigueros habe invención mit "la pura y neta disposición, constitución ó orden, como la llamó Horacio" 199 verwechselt. Unter invención müsse man stattdessen "estas ficciones verosímiles, que saca el Poeta del tesoro de su imaginación" 200 verstehen. Diego Antonio Rejón de Silva rekurriert in La pintura von 1786 im wesentlichen auf traditionelle Thesen und erweist sich als Anhänger der Theorien von Mengs und Azara 201 . Die Begriffe belleza ideal und belleza verdadera benutzt er synonym im Sinne von höchster, nicht mehr überbietbarer Schönheit 202 . Die belleza ideal ist ebenso in den Gemälden von Tizi197 Trigueros, op. cit. 1784, S. XVII. 198 Forner, Juan Pablo: Los Gramáticos. Historia chinesca, hrsg. von José Jurado, Madrid 1970, S. 124. 199 Vgl. Forner, op. cit. 1784, S. 10. 200 Ibid., S. 12. 201 Vgl. Sempere y Guarinos, op. cit., 5. Bd., 1789, S. 1-7; Martínez de la Rosa, Francisco: "Apéndice sobre la poesía didáctica española", in: id.: Obras, 3. Bd., hrsg. von Carlos Seco Serrano, Madrid 1962 (= BAE, 150), S. 57-72, hier S. 71; Peña Velasco, Concepción de la: Aspectos biográficos y literarios de Diego Antonio Rejón de Silva. Estudio introductorio a la reedición de "La pintura, Poema Didáctico en Tres Cantos" y del "Diccionario de las Nobles Artes para instrucción de los Aficionados, y uso de los Profesores", Murcia 1985. 202 Vgl. Rejón de Silva, op. cit. 1786, S. 17 und 90.
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an wie in denen von Mengs verwirklicht 203 . In seinem Diccionario de las Nobles Artes von 1788 definiert er die belleza ideal im Anschluß an seine Definition der Schönheit in Malerei und Bildhauerei 204 . "Quando la belleza llega á ser tan sublime, que no se puede hallar semejante en la Naturaleza, se llama belleza ideal, con la qual representaron los Antiguos á sus Dioses y Héroes solamente" 205 .
Demnach befindet sich die belleza ideal nicht in der Natur. Nur den antiken Künstlern sei es gelungen, sie tatsächlich in ihren Götter- und Heldendarstellungen zu realisieren. Räumt Rejón de Silva prinzipiell die Möglichkeit ein, daß die belleza ideal realisiert werden kann, so bestritt dies der anonyme Autor eines Leserbriefs, der am 26. Mai 1788 im Diario de Madrid veröffentlicht wurde. Als Replik auf diesen Leserbrief erschien in zwei Juni-Nummern derselben Zeitung ein mit "A.E." signierter Brief mit der Überschrift Bellas Artes206. Der Autor A.E. behauptet, indem er sich auf Mengs und Azara bezieht, deren Schriften er wesentliche Gedanken entlehnt, die belleza ideal existiere realiter. Er weist auf die Skulpturen der antiken Griechen hin, von denen nur wenige erhalten geblieben und durch Ausgrabungen wie zum Beispiel in Herkulaneum zum Vorschein gekommen seien. In diesen Helden- und Götterdarstellungen sei das Bemühen spürbar, sie mit einer übermenschlichen Natur darzustellen, indem die Griechen sie mit einer "belleza, que no existia sino en su imaginación" 207 gestaltet hätten. Nach Skulpturen wie dem Torso von Belvedere oder der Venus von Medici nennt der Anonymus die Laokoon-Gruppe als hervorragendes Beispiel einer wahrheitsgemäßen Darstellung der schmerzlichsten Leidenschaften unter Wahrung der "belleza de las formas" 208 . Die "excelencia de la belleza ideal" 209 definiert er als Auswahl des Besten aus der Natur. Er unterscheidet zwischen Malern, die die Natur exakt nachzuahmen verstehen, und solchen, die sich mittels der belleza ideal über die Natur erheben. Während erstere nur die 203 Vgl. ibid., S. 19, 107-108. Gerade für religiöse Darstellungen verlangt er den höchsten Grad an Schönheit. Vgl. ibid., S. 91. 204 Vgl. infra, S. 123. 205 Rejon de Silva, op. cit. 1788, S. 36. 206 Vgl. Anonymus: "Bellas Artes", in: Diario de Madrid, Nr. 173 (21. Juni 1788), S. 685-687; Nr. 174 (22. Juni 1788), S. 689-691. 207 Ibid., S. 686. 208 Ibid. 209 Ibid., S. 690.
150 Sinne, nämlich die Augen, ansprechen, malen letztere für entendimiento und razón. Der Anonymus stellt fest, es fehle eine überzeugende Definition der Schönheit, aber trotzdem könne man sie deutlich wahrnehmen 210 . Für Guillelmo Lameyra, über den nichts weiter bekannt ist, war diese kurze Abhandlung in Form eines Leserbriefs der Anlaß zur Abfassung seiner Disertación sobre la belleza ideal de la pintura, die 1790 in Madrid erschien 211 . Lameyra wendet sich mit seinem wortreichen, begrifflich unpräzisen Text gegen "algunos amigos de la novedad" 212 , die seiner Meinung nach die Theorien von Mengs, den er als Autorität ansieht, mißdeuten. Lameyra behauptet, wenn der Anonymus des Diario de Madrid die Schönheit in ihren Auswirkungen wahrnähme, müsse er sie auch definieren können. Wie Mengs vertritt Lameyra die Ansicht, die Schönheit existiere in den Geschöpfen Gottes und diejenigen, die diese nachahmten, könnten die Schönheit in gewissen Graden erlangen. Er wendet sich gegen die Ansicht, die belleza ideal existiere in der Realität, denn sie sei ein abstraktes Phänomen. Die belleza ideal gibt es nur im menschlichen Geist als "una nocion intelectual" 213 , nicht jedoch in einem konkreten Kunstwerk, denn weder sei sie verifizierbar, noch könne sie in Regeln gefaßt werden. Lameyra definiert die belleza ideal als Selektion perfekter Elemente aus der Natur, die der Künstler zu einem möglichst perfekten Kunstwerk zusammenfügt 214 . Die belleza ideal ist eine "belleza electiva" 215 , ideal in bezug auf den Verstand (entendimiento) des Malers, electiva in bezug auf die Form des Kunstwerks. Daß die Frage nach dem Wesen der Schönheit Anfang der neunziger Jahre von allgemeinem Interesse war, ergibt sich auch aus einer Artikelserie von über fünfzig Faszikeln, die unter dem Titel Rudimentos del Buen gusto en la Literatura in der Zeit vom 17. April bis zum 3. November 1790
210 Vgl. ibid., S. 691: "[...] nosotros distinguimos la belleza, y sentimos sus efectos; qué importará pues, que no sepámos qual es su verdadera esencia?". 211 Vgl. Lameyra, Guillelmo: Disertación sobre la belleza ideal de la pintura, Madrid 1790. - Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd„ 1883/1962, S. 176-178. 212 Lameyra, op. cit. 1790, S. II. 213 Ibid., S. XVII. 214 Vgl. ibid., S. XIV-XV: "[...] la belleza ideal no es otra cosa que la buena elección de partes en las varias que ofrece la naturaleza para formar una cosa, si no perfecta, que tenga menos imperfecciones de las que tienen generalmente el común de las obras de los artífices". 215 Ibid., S. XVII.
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in der Tageszeitung Correo de Madrid erschienen ist 216 . Der anonyme Autor entwickelt eine Theorie der Schönheit und des Geschmacks auf der Grundlage der poetologischen Texte von Quintilian, Muratori, BoileauDespréaux, André, Diderot. Seine Theorie der Schönheit ist, ohne daß er dies dem Leser zu erkennen gibt, identisch mit derjenigen in Andrés Essai sur le Beau, aus dem er einige Auszüge übersetzt217. Wie André unterscheidet er drei Arten von Schönheit: erstens bello esencial, der auf den Geist des Menschen zielt und unabhängig von jeglicher Institution ist 218 , zweitens bello natural, der, in der Natur begründet, auf Geist und Körper des Menschen zielt, unabhängig von seinen Meinungen und Vorlieben, aber abhängig von den Gesetzen des Schöpfers ist, drittens bello arbitrario bzw. artificial, der den Geist anspricht, aus vom Menschen festgesetzten Regeln besteht, die aus Vernunft und Erfahrung resultieren. Den bello natural unterteilt er in bello de las imágenes, bello de los sentimientos, bello de los movimientos219, wiederum genau wie André 220 . Das Schöne ist für den Anonymus eine objektive, unveränderliche Eigenschaft, die unabhängig vom Subjekt existiert. Das Subjekt rezipiert die Schönheit ausschließlich mit dem Verstand (razón bzw. reflexión221). Der anonyme Autor richtet sich ausdrücklich gegen diejenigen, die behaupten, das Schöne
216 Vgl. "Rudimentos del Buen gusto en la Literatura", in: Correo de Madrid, 1. Bd., Nr. 353-402; 8. Bd., Nr. 403-406 (1790). Zu den Angaben der einzelnen Nummern und Seiten vgl. Bibliographie Primärliteratur nach 1700. Zur Geschmackstheorie des Anonymus vgl. infra, S. 286-287. - Iglesias, Nieves/Mañá, Ana Maria: Correo de Madrid o de los Ciegos. Madrid 1786-1791, Madrid 1968, S. 50; Guinard, Paul-Jacques: La presse espagnole de 1737 à 1791. Formation et signification d'un genre, Paris 1973, S. 485. 217 Vgl. "Rudimentos del Buen gusto en la Literatura", art. cit. 1790, S. 73-74, und André, ed. cit. 1843, S. 20. Zu Andrés Schönheitsbegriff vgl. Knabe, op cit. 1972, S. 66-74; Stierle, Karlheinz: "Diderots Begriff des 'Interessanten'", in: Archiv für Begriffsgeschichte, 23 (1979), S. 55-76, hier S. 58-60. 218 Die Formulierung "un beau essentiel, que plaît à l'esprit pur, indépendamment de toute institution, même divine" (André, ed. cit. 1843, S. 45) geht dem spanischen Anonymus zu weit, und er läßt die ausdrückliche Einbeziehung der göttlichen Institution weg: "Uno esencial que agrada puramente al espíritu independientemente de toda institución" ("Rudimentos del Buen gusto en la Literatura", art. cit. 1790, S. 73-74). 219 Mit movimientos sind die Gefühlsregungen gemeint. 220 Vgl. "Rudimentos del Buen gusto en la Literatura", art. cit. 1790, S. 89, und André, ed. cit. 1843, S. 49. 221 Vgl. "Rudimentos del Buen gusto en la Literatura", art. cit. 1790, S. 73.
152 sei "una cosa puramente de gusto y de puro sentimiento"222. Während der Anonymus Diderots Ästhetik der rapports von Subjekt und Objekt nicht einmal erwähnt und im Sinne Andrés von vornherein ablehnt, referiert er Diderots Gedanken über das Interesse und weitere Hauptthesen aus dessen Schrift De la Poésie dramatique von 17 5 8 223 . 4.8 Esteban de Arteaga Die umfangreichste spanische Abhandlung über die Schönheit im 18. Jahrhundert stellen die Investigaciones filosóficas sobre la Belleza ideal, considerada como objeto de todas las artes de imitación (Madrid 1789) von Esteban de Arteaga dar224. Hatte Arteaga in Le rivoluzioni del teatro musicale italiano dalla sua origine fino al presente (Bologna 1783.) mit Bello intellettuale, Bello físico, Bello morale drei Klassen von Schönheit genannt225, so unterscheidet er in seinen sechs Jahre später erschienenen Investigaciones filosóficas sobre la Belleza ideal zwischen der Schönheit im allgemeinen (belleza en general) und der Kunstschönheit (belleza en las artes imitativas), wobei er nur letztere in seiner Schrift erörtern will 226 . Arteaga beabsichtigt nicht, die Ursachen der Schönheit zu ergründen, sondern er will anhand der einzelnen Künste die Wirkung untersuchen, die die Schönheit im Menschen hervorruft227. Tatsächlich aber verstößt Arteaga gegen diese methodische Vorgabe, indem er in erster Linie das schöne Ob222 Ibid. 223 Vgl. ibid., S. 313-314, und Diderot, Denis: OEuvres esthétiques, hrsg. von Paul Verniére, Paris 1968, S. 177-287. Vgl. Urzainqui, Inmaculada: "Notas para una poética del interés dramático en el siglo XVIII", in: Archivum, 37/38 (1990), S. 573-603, hier S. 575, 587-588. - Zu Diderots Auffassung des Interesses vgl. Knabe, op. cit. 1972, S. 335-338. 224 Vgl. Arteaga, ed. cit. 1943. - Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 150-171; Olguín, Manuel: "The Theory of Ideal Beauty in Arteaga and Winkkelmann", in: The Journal of Aesthetics & Art Criticism, 8 (September 1949/Juni 1950), S. 12-33; Borghini, op. cit. 1958, S. 181-296; Micó Buchón, José Luis: "Aproximación a la estética de Arteaga", in: RIE, 17 (1959), S. 29-50; Nerlich, op. cit. 1964, S. 4-5, 94-96, 222; Rudat, Eva Marja: Las ideas estéticas de Esteban de Arteaga. Orígenes, significado y actualidad, Madrid 1971; León Tello, op. cit. 1974, S. 348-373; León Tello/Sanz Sanz, op. cit., Madrid 1979, S. 9, 27-28; Stevenson, Robert: "Arteaga, Esteban de", in: NGDMM, 1. Bd., London 1980, S. 642643; León Tello/Sanz Sanz, op. cit. 1981, S. 11-14, 81-120, 365-366. 225 Vgl. Arteaga, op. cit., 1. Bd., 1785, S. 7. 226 Vgl. Arteaga, ed. cit. 1943, S. 34. 227 Vgl. ibid., S. 9-10, 35.
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jekt selbst betrachtet und nicht die Wirkung auf den Rezipienten. Arteaga ist insofern praxisorientiert, als er von realen Kunstwerken ausgeht. Ihn interessiert hauptsächlich der künstlerische Schöpfungsprozeß und das Kunstwerk an sich, nicht aber ein abstraktes Schönheitskonzept. Indem Arteaga zwischen Natur- und Kunstschönheit unterscheidet, geht er einen entscheidenden Schritt weiter als Mengs oder Azara hin zum autonomen Schönheitsbegriff der Künste. Die Nachahmung als Ziel der Künste bildet in Arteagas ästhetischem Denken die Voraussetzung für seine Auffassung von Kunstschönheit. Nachahmung und belleza ideal werden aufs engste miteinander verbunden 228 . Im Falle der Schönheit im allgemeinen hält er am objektiven Schönheitsbegriff fest, denn die allgemeine Schönheit ist als inhärente Eigenschaft des Objekts eine absolute Schönheit, die Kunstschönheit hingegen eine relative. Sie ist abhängig vom Grad der Übereinstimmung zwischen dem Original und seiner Nachahmung in den Künsten und bemißt sich nach dem Grad der Intensität, mit der in den Künsten "imagen, idea o afecto" 229 des Originals wiedergegeben werden. Relativ ist sie also nur hinsichtlich der Beziehung des künstlerischen Objekts zu seinem Vorbild in der Natur, nicht jedoch hinsichtlich der Beziehung des schönen Objekts zum rezipierenden Subjekt. Nicht die Beschaffenheit des Objekts, das dem Künstler als Vorlage dient, sondern die Geschicklichkeit, die er aufwendet, um es im Kunstwerk nachzuahmen, ist ausschlaggebend für die Kunstschönheit. Das Original kann also schön oder häßlich sein. Das Häßliche (feo) ist für Arteaga in erster Linie keine Eigenschaft des Objekts, sondern dasjenige, was in der Nachahmung des Objekts verhindert, daß im Rezipienten "ilusión" und "deleite" 230 hervorgerufen werden. Demnach kann selbst Unangenehmes und Schreckliches zum Thema des künstlerischen Nachahmungsprozesses werden, denn das Häßliche in der Natur kann durch den künstlerischen Nachahmungsprozeß prinzipiell in das Kunstschöne verwandelt werden. Dabei bleibt das Wesen des Objekts unverändert, wohingegen sich der Eindruck ändert, den es, vermittelt durch das Kunstwerk, im Rezipienten hervorruft. Dieser Transformationsprozeß vom Häßlichen in der Natur zum Kunstschönen kann nicht immer von allen Künsten in gleicher Weise erfüllt werden, sondern ist abhängig von den jeweiligen Mitteln und Möglichkeiten der einzelnen
2 2 8 Vgl. Arteaga, ed. cit. 1943, S. 13. 2 2 9 Ibid., S. 35. 2 3 0 Ibid.
154 Kunst, die Arteaga als "instrumento" 231 bezeichnet. Arteaga erläutert am Beispiel der Laokoon-Gruppe in ihrer Nachahmung durch verschiedene Künste, wie diese entsprechend ihren spezifischen Mitteln das Objekt im künstlerischen Nachahmungsprozeß regelrecht verändern müssen, um es adäquat darstellen zu können. Die Begriffe belleza und fealdad bezeichnen keine absoluten, sondern relative Eigenschaften 232 . Das Gelingen der Nachahmung ist erstens von der Geschicklichkeit des Künstlers, zweitens von der Flexibilität der jeweiligen Kunst hinsichtlich ihrer spezifischen Ausdrucksmöglichkeiten abhängig. Arteaga widerspricht ausdrücklich der von Charles Batteux in Les Beaux Arts réduits à un même principe von 1746 geäußerten These, nur schöne Objekte seien nachahmungswürdig, da Batteux die Relativität der künstlerischen Mittel außer acht gelassen habe 233 . Die Option der Auswahl aus dem Besten und Schönsten in der Natur billigt Arteaga dem Künstler ebenso zu wie Mengs. Der Künstler müsse "suplir con el arte los defectos del original" 234 und mit seiner Fantasie "perfecciones ficticias"235 schaffen. Arteaga unterscheidet vier in ihrer Abfolge jeweils höherrangige Grade künstlerischer Nachahmung: erstens eine nur unvollkommene Nachahmung der Natur, zweitens eine Kopie der Natur, wie sie tatsächlich ist (copia), drittens die Sammlung verschiedener Vollkommenheiten in der Natur und ihre Vereinigung im Kunstwerk, viertens die Vervollkommnung des Originals durch die imaginación des Künstlers 236 . Arteaga definiert die belleza ideal als Archetyp oder Modell von Vollkommenheit, das im menschlichen Geist entsteht, nachdem er die individuellen Vollkommenheiten miteinander verglichen und vereinigt hat. Dieses geistige Konzept findet seine Anwendung durch den Künstler. Arteaga definiert die Vollkommenheit als optimale Wiedergabe des "imagen, idea o afecto" 237 entsprechend den künstlerischen Zielen und Mitteln. Im Kunstwerk können zwei Arten von belleza ideal unterschieden werden: erstens die Art und Weise, wie der Künstler die Teile des Objekts im Verhältnis zum Ganzen anordnet (belleza ideal de pensamiento), zweitens die 231 Ibid., S. 41. 232 Vgl. ibid., S. 48. 233 Vgl. ibid., S. 47-48. 234 Ibid., S. 53. 235 Ibid. 236 Vgl. ibid., S. 54. 237 Ibid., S. 55.
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Geschicklichkeit, mit der er die einzelnen Teile gestaltet und zusammenfügt (belleza ideal de ejecución)™. In jedem Kunstwerk treten beide Arten der belleza ideal mehr oder weniger in Erscheinung. Das vollkommenste Kunstwerk ist dasjenige, in dem sich beide Arten von Schönheit ausgewogen miteinander vereinen. Jede der Künste verfügt entsprechend ihren spezifischen Ausdrucksmitteln über eine eigene belleza ideal, die die einzelnen idealen Schönheiten der verschiedenen Konstituenten der jeweiligen Kunst in sich vereinigt. Die belleza ideal in der Dichtung, deren instrumento Metrum und Vers sind, wird beispielsweise von vier einzelnen idealen Schönheiten gebildet: der belleza ideal in der Darstellung der Handlung {acciones), der Charaktere der Protagonisten (costumbres), ihrer Redeweise (sentencia), des Stils des Textes (dicción)239. Diese vier Arten der belleza ideal finden sich mehr oder weniger in allen literarischen Gattungen. Da nur die Epik ("el poema heroico" 240 ) alle vier Konstituenten der Schönheit vollkommen in sich vereinigt, ist sie die höchstrangige Gattung. Die belleza ideal in der Malerei bezieht sich auf insgesamt fünf Konstituenten eines Gemäldes: erstens die Gesamtkonzeption und die Disposition der einzelnen Teile (composición), zweitens die Konturen und die Proportionen der Teile unter sich und im Verhältnis zum Ganzen (,dibujo bzw. diseño), drittens die Gestaltung von Licht und Schatten (claro obscuro), viertens die Farbgebung (colorido), fünftens die Seelenregungen und Affekte (expresión)24^. Die belleza ideal in der Musik bezieht sich auf Rhythmus (ritmo) und Modulation (modulación) der Melodie, die die Natur nachahmt. Die Harmonie, die auf festen Proportionen der Intervalle beruht, ahmt dagegen nicht die Natur nach. Die Schönheit der Harmonie ist eine absolute. Die belleza ideal des Tanzes besteht in auf bestimmte Vorgaben hin ausgerichteten, wohl abgestimmten Bewegungen des Körpers, die belleza ideal der Pantomime in der ausdrucksstarken, erfindungsreichen choreographischen Darstellung 242 . Auch in der Tugend als Gegenstand der filosofía moral sucht Arteaga die belleza ideal243.
238 Vgl. ibid., S. 56. 239 Vgl. ibid., S. 58-7!. 240 Ibid., S. 69. 241 Vgl. ibid., S. 72-91. Entgegen den Angaben der Überschrift des Kapitels Ideal en la pintura y en la escultura geht Arteaga nicht auf die belleza ideal der Bildhauerei ein. 242 Vgl. ibid., S. 104-105. 243 Vgl. ibid., S. 106-118.
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Aufschlußreich ist die anthropologische Begründung, die Arteaga für das Streben des Menschen nach der belleza ideal gibt 244 . Der Mensch sei fähig zur Abstraktion und deshalb überhaupt in der Lage, die belleza ideal zu erfassen. "[...] la belleza ideal [...] consiste en el acto de la fantasía que recoge las calidades más perfectas de los objetos, para aunarlas en un todo que pueda servir de modelo a las artes imitativas" 2 4 5 .
Arteaga begründet mit der Freiheit und Vernunft des Menschen sein Streben nach der idealen Schönheit, denn als freies, vernünftiges Wesen unterscheide sich der Mensch gerade deshalb vom Tier, weil er mittels der belleza ideal zur Vervollkommnung strebe. Die Inspirationsquelle für Arteagas Ausführungen ist ohne Zweifel Jean-Jacques Rousseaus Discours sur l'origine de l'inégalité parmi les hommes von 1755, in dem dieser die These vertritt, daß Willensfreiheit und Vervollkommnungsfähigkeit den Menschen vom Tier unterscheiden 246 . Arteaga bindet die These des in Spanien verbotenen Autors in einen theologischen Zusammenhang ein und wendet sie auf das Streben nach Schönheit an, das seiner Meinung nach im Wesen des Menschen begründet ist. Arteaga bezeichnet außer der Fähigkeit zur Abstraktion und dem Streben nach Vollkommenheit die Suche nach Glück als weiteren Grund, weshalb der Mensch die belleza ideal erstrebt, denn mittels seiner Einbildungskraft (imaginación) schaffe er sich "[...] una felicidad ficticia, atribuyendo a los objetos las propiedades que en sí no tienen, pero que debieran tener para satisfacer su curiosidad y apetito insaciable" 2 4 7 .
244 Vgl. ibid., S. 119-125. 245 Ibid., S. 120. 246 Vgl. Rousseau, Jean-Jacques: Discours sur les Sciences et les Arts (1750). Discours sur l'Origine de l'Inégalité parmi les Hommes (1755), hrsg./ubers. von Kurt Weigand, Hamburg 2 1971, S. 106 und 108: "Ce n'est donc pas tant l'entendement qui fait parmi les animaux la distinction spécifique de l'homme que sa qualité d'agent libre. [...] Mais, quand les difficultés qui environnent toutes ces questions laisseraient quelque lieu de disputer sur cette différence de l'homme et de l'animal, il y a une autre qualité très spécifique qui les distingue, et sur laquelle il ne peut y avoir de contestation: c'est la faculté de se perfectionner, faculté qui, à l'aide des circonstances, développe successivement toutes les autres, et réside parmi nous tant dans l'espèce que dans l'individu". 247 Arteaga, ed. cit. 1943, S. 123.
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Entschieden weist Arteaga zwei grundsätzliche Einwände zurück, die gegen die belleza ideal vorgebracht werden: erstens die Behauptung, die belleza ideal sei eine reine Fiktion, die es in der Realität nicht gäbe, zweitens die These, die belleza ideal stehe im Widerspruch zur Nachahmung der Natur 248 . Arteaga behauptet, die belleza ideal sei eine Realität, die die künstlerische Nachahmung der Natur unterstützt, indem sie zu ihrer Verschönerung beiträgt 249 . 4.9 Pedro José Márquez José María Blanco White (1775-1841) hielt am 13. November 1801 vor der Real Academia Sevillana de Buenas Letras einen Vortrag über das Thema La belleza universal, der nicht erhalten ist250. Im gleichen Jahr veröffentlichte der Jesuit Pedro José Márquez (1741-1820) in Madrid einen Discurso mit dem Titel Sobre lo Bello en general25Márquez, ein gebürtiger Mexikaner, hatte 1767 infolge des Verbots der Jesuiten mit sechsundzwanzig Jahren sein Heimatland verlassen müssen, lebte seitdem in Rom und kehrte erst 1816 wieder nach Südamerika zurück. Ende des 18. Jahrhunderts hielt sich Márquez in Madrid auf, und der Vortrag wurde vermutlich anläßlich seiner Aufnahme in die Real Academia de San Fernando gehalten252. Sieben Jahre nach der spanischen Ausgabe veröffentlichte Márquez seinen Vortrag nochmals in überarbeiteter Form in italienischer Sprache als An-
248 Vgl. ibid., S. 147-157. 249 Vgl. ibid., S. 148: "El primero y principal blanco de las artes es imitar la naturaleza; el segundo, hermosearla; y no puede llegarse a éste sin haber pasado antes por aquél". 250 Vgl. Aguilar Piñal, Francisco: La Real Academia Sevillana siglo XVIII, Madrid 1966, S. 273 und S. 336, Nr. 534.
de Buenas Letras en el
251 Vgl. Márquez, ed. cit. 1972, S. 63-91 (spanische Erstausgabe von 1801), S. 93-122 (vom Herausgeber angefertigte spanische Übersetzung der italienischen Fassung von 1808), unpag. (Faksimileausgabe der italienischen Fassung von 1808, mit originaler Paginierung). Zitiert wird hier der spanische Text aus der Originalausgabe (Madrid 1801), von der Fernández' Edition, abgesehen von der Modernisierung der Orthographie, geringfügig abweicht. In eckigen Klammern wird die entsprechende Seitenangabe in Fernández' Ausgabe verzeichnet. - Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 174-176; Henares Cuellar, Ignacio: La teoría de las artes plásticas en España en la segunda mitad del siglo XVIII, Granada 1977, S. 255-258; León Tello/Sanz Sanz, op. cit., Madrid 1979, S. 431. 252 Die näheren Umstände seines Spanienaufenthalts sind unbekannt. Vgl. Márquez, ed. cit. 1972, S. 39.
158 hang zu seinen Esercitazioni architettoniche sopra gli spettacoli degli antichi, con appendice sul bello in generale (Rom 1808), zusammen mit einem Corollario sopra il bello dell'architettura. Die zweite Fassung weist gegenüber der spanischen Erstausgabe wenige charakteristische Veränderungen auf. Im Widmungsschreiben 253 gibt Márquez an, seine ursprüngliche Absicht sei es gewesen, die Schönheit in der Architektur zu untersuchen, doch stattdessen habe er sich entschlossen, die Schönheit im allgemeinen zu behandeln. Sein methodisches Vorgehen besteht aus zwei Schritten, wobei er zunächst die "idea general que de la belleza concebimos" 254 begründet und dann dieses allgemeine Prinzip auf die schönen Objekte anwendet. Márquez' Schönheitsbegriff ist objektiv und rational ausgerichtet. Die Wahrnehmung der Schönheit erfolgt ausschließlich durch die Vernunft (razón), nicht durch die Leidenschaften (pasión). Aus dem Zusammenwirken von "complacencia" und "juicio de la razon" 255 resultiere das Schöne (bello). Márquez definiert dasjenige als schön, was dem Geist Vergnügen bereitet 256 . Die Objekte, die auf den Menschen eine angenehme Wirkung ausüben, unterteilt er in drei Klassen, hinsichtlich der Sinne, durch die sie rezipiert werden, und entsprechend ihrer körperlichen oder geistigen Wirkungsweise. Der ersten Klasse gehören diejenigen Objekte an, die vom Menschen durch die drei niederen Sinne Geruchs-, Geschmacks-, Tastsinn aufgenommen werden und als materielle Wahrnehmungen nur auf den Körper wirken. Die Objekte der ersten Klasse werden als rein körperliche Wahrnehmungen von Mensch und Tier gleichermaßen empfunden. Zur zweiten Klasse gehören diejenigen Objekte, die von den traditionellen geistigen Sinnen, Gesichtssinn und Gehör, wahrgenommen werden, nicht durch eine direkte Berührung der Sinne, sondern dadurch, daß Augen und Ohren als körperliche Vermittlungsinstanzen fungieren, die die Objekte 253 Wer der Angesprochene in dem mit Amigo überschriebenen, dem Vortrag vorangestellten Widmungsschreiben ist, läßt sich nur vermuten: vielleicht der mit Sicherheit an dem Thema interessierte José Nicolás de Azara, zu dessen Freundeskreis Márquez in Rom gehörte und auf den die Angabe zutrifft, der Widmungsträger beherrsche das Italienische und Spanische gleichermaßen. Vgl. Márquez, op. cit. 1801, S. 4 [ed. cit. 1972, S. 69]. 254 Ibid., S. 5 [S. 70]. 255 Ibid., S. 7 [S. 72], 256 Vgl. ibid.: "[...] á aquello solo se puede dar el nombre de bello, en lo qual el espíritu se complazca" [ibid., statt "en lo qual" irrtümlich "en la cual", keine Berücksichtigung des Kursivdrucks].
159 dem Geist vorstellen. Zwar hören und sehen auch die Tiere, aber ausschließlich körperlich-materiell, wohingegen der Mensch in der Lage ist, optische und akustische Eindrücke mittels der körperlichen Sinne geistig wahrzunehmen. Márquez schließt nicht aus, daß von dem Vergnügen, das der Geist empfindet, nicht auch "alguna partecilla de gusto" 257 auf den Körper einwirkt. Die dritte Klasse bilden diejenigen Objekte, die unmittelbar vom Geist wahrgenommen werden, ohne Vermittlung der Sinne, nämlich Abstrakta wie Wahrheit, Gerechtigkeit, alle Tugenden - auch Gott. Prinzipiell läßt sich der Schönheitsbegriff nur auf die Objekte der zweiten und dritten Klasse anwenden, da allein sie den Geist des Menschen ansprechen. Die Objekte der ersten Klasse können entsprechend der Definition der Schönheit nicht als schön bezeichnet werden, da sie nur auf den Körper wirken. Márquez räumt allerdings die Möglichkeit ein, daß ein durch die niederen Sinne wahrgenommenes Objekt, das an sich nicht schön ist, dadurch, daß der Mensch es vergeistigt, zum schönen Objekt wird. So kann beispielsweise die physiologische Wahrnehmung vom Duft einer Blume für den Menschen eine geistige Dimension erlangen. Zwei den Objekten inhärente Eigenschaften rufen im Geist Vergnügen hervor: erstens das Wahre, das auf den Verstand (entendimiento) zielt, zweitens das Gute, das den Willen (voluntad) anspricht. Die beiden Qualitäten verdad und bondad müssen in einem Objekt vereinigt sein, damit es vom Geist als schön empfunden wird. Márquez setzt also das Schöne mit dem Guten und Wahren gleich. Er unterscheidet zwei Arten des Guten (bueno): erstens das moralisch Gute (bueno moral), das er mit Ehre und Gerechtigkeit gleichsetzt, zweitens das physisch Gute (bueno físico), was der "perfección propia de los obgetos" 258 entspricht. Die Vollkommenheit, die sowohl in den natürlichen als auch in den vom Menschen geschaffenen Objekten liegt und im Geist Vergnügen hervorruft, setzt Márquez als integrales Element des bueno ebenfalls mit dem Schönen gleich 259 . Er unterscheidet Natur- und Kunstschönheit voneinander. Jede der beiden Arten der Schönheit unterliegt den ihr eigenen Gesetzmäßigkeiten.
257 Ibid., S. 9 [S. 73], 258 Ibid., S. 14 [S. 78], 259 Vgl. ibid., S. 24 [S. 86]: "Verdaderamente lo que agrada al espíritu en lo bello es lo perfecto".
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Márquez' Discurso, über den Menéndez Pelayo schreibt, er sei allein bemerkenswert wegen seiner "confusión de ideas" 260 , und den Batllori als "de escasísimo valor" 261 beurteilt, weist in der Tat zahlreiche Widersprüche und erhebliche argumentative Schwächen auf. Márquez bleibt im wesentlichen der scholastischen Auffassung verhaftet, nach der die Schönheit in Gott begründet liegt, von dem das Wahre und Gute ausgehen 262 . Traditionelle, in seiner Zeit längst antiquierte ästhetische Denkmuster der Scholastik wie die Vorstellung von den fünf körperlichen und den geistigen Sinnen oder die Unterscheidung zwischen einer physischen und einer geistigen sinnlichen Wahrnehmung 263 stehen in einem merkwürdigen Gegensatz zu innovatorischen Elementen wie die Berücksichtigung der novedad264, die klare Trennung von Natur- und Kunstschönheit, die Abkehr von der Theorie der Nachahmung der Natur und die Hinwendung zur Autonomie der Künste, die dem Wandel der Zeiten und Völker unterliegen und von Regeln bestimmt werden, die die Künstler selbst ersonnen haben 265 . Márquez' Simplifizierungen werden dem komplexen Gegenstand oft nicht gerecht. Er setzt ein bestimmtes Objekt in eine feste Beziehung zur Wahrnehmung durch ein einziges Sinnesorgan, wohingegen es auch von mehreren Sinnen gleichzeitig wahrgenommen werden kann. Auch die Einschränkung, daß rein körperlich wahrgenommene Objekte vom Menschen vergeistigt werden können, ist nicht nur zu vage, sondern zeigt klar die Grenzen seiner Theorie der Schönheit, in der die Wahrnehmung auf eine rein geistige reduziert wird. Márquez' Unvermögen zur eindeutigen begrifflichen Klärung führt letztlich zur Vermischung aller Bereiche: zur Gleichsetzung der Schönheit mit dem Guten, der Wahrheit und der Vollkommenheit.
260 Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 175. 261 Batllori, Miguel: La cultura hispano-italiana Hispanoamericanos - Filipinos. 1767-1814,
de los jesuítas expulsos. Españoles Madrid 1966, S. 31
-
262 Vgl. Márquez, op. cit. 1801, S. 29 [ed. cit. 1972, S. 90], 263 Seine Theorie ist keineswegs sensualistisch, da er davon ausgeht, daß es Objekte gibt, die nicht mittels der Sinne wahrgenommen werden. 264 Zum Begriff nouveauté S. 74-75. 265 Vgl. infra, S. 72.
in Crousaz' Traité du Beau vgl. Crousaz, op. cit. 1715,
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5.
Unterschiedliche Schönheitskategorien für Mann und Frau
Die Diskussion über die Schönheit von Mann und Frau spielte in der spanischen Kunsttheorie des Siglo de Oro keine Rolle, wohingegen sich in der italienischen Traktatliteratur misogyne Äußerungen finden lassen 266 . Im 18. Jahrhundert wurde in Spanien vereinzelt die Frage diskutiert, ob der Mann oder die Frau die größere Schönheit besitzt. Die Autoren, die sich hierzu äußerten, kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Einige hielten Darstellungen von Frauen in der Malerei für schöner als die von Männern, andere vertraten die Auffassung, die Männer seien prinzipiell schöner als die Frauen. Sie begründeten dies mit irrationalen Argumenten, die einer langen misogynen Tradition entstammen. Mengs vertritt in den Lecciones prácticas de Pintura die Meinung, daß Gemälde, auf denen nackte Frauen abgebildet sind, mehr Gefallen hervorrufen als die Abbildungen nackter Männer 267 . Er führt zwei Hauptgründe an: Zum einen erscheine die Farbgebung der Frauendarstellungen angenehmer, ihr Helldunkel runder, weswegen nicht nur die weiblichen Körperformen schöner wirkten, sondern auch die Darstellung des Körpers eines Jünglings im Vergleich zu der eines kräftig gebauten Mannes. Den zweiten Grund macht Mengs in den Sitten und Gewohnheiten aus, denn da man nackte Frauenkörper öfter auf Gemälden als in der Wirklichkeit, aber in jedem Fall viel seltener sehen könne als männliche Körper, erschienen sie dem Betrachter idealer. Esteban de Arteaga vertritt in seinen Investigaciones filosóficas sobre la Belleza ideal von 1789 ähnliche Ansichten wie Mengs. Arteaga behauptet, der weibliche Körper sei weit besser für die gracia disponiert als der männliche, wohingegen beide Geschlechter für die belleza die gleichen Voraussetzungen böten 268 . Arteaga führt drei Gründe an, warum die gracia bei den Frauen weit verbreiteter ist als bei den Männern: Erstens sei die
266 Cennino Cennini (um 1370-um 1440) stellte in seinem Ende des 14. Jahrhunderts entstandenen Trattato della pittura ausschließlich die Proportionen des Mannes dar, mit der Begründung, diejenigen der Frau und der Tiere seien nicht ebenmäßig. Vgl. Jäger, op. cit. 1990, S. 59 und 218. In Spanien dagegen widmete sich Arphe y Villafane in seinem Traktat von 1585/87 ausführlich den Proportionen der Frau und der Tiere. Vgl. Arphe y Villafane, ed. cit. 1979. 267 Vgl. Mengs, ed. cit. 1797, S. 327-388, hier S. 377. 268 Zu Arteagas Auffassung von belleza und gracia vgl. infra, S. 152-157, 210-211.
162 Farbgebung (colorido) des weiblichen Körpers angenehmer als die des männlichen, zweitens seien die Konturen der Frauen runder, drittens seien ihre Bewegungen einfacher und sanfter 269 . Arteaga führt für die von Natur aus größere Disposition der Frau zur gracia soziale und moralische Gründe an. Den Frauen sei es mittels der gracia möglich, sexuelle Avancen der Männer, die ihre Ehrenhaftigkeit und ihr Schamgefühl verletzen würden, auf charmante Art abzuwehren oder in solche Bahnen zu lenken, die ihnen eine moralisch integre Liebesbeziehung ermöglichen 270 . Ein kurioses Beispiel für die Diskussion der menschlichen Schönheit aus dem Journalismus ist ein am 29. September 1785 in der Zeitschrift El Censor erschienener Leserbrief von Andrés Morphalazon an den Redakteur, in dem die Frage erörtert wird, ob die Schönheit des Mannes oder die der Frau größer sei 271 . Der unbekannte Verfasser, der sich hinter dem Pseudonym verbirgt, macht aus seiner misogynen Haltung kein Hehl und vertritt die Auffassung, die Schönheit der Männer sei prinzipiell größer. Er unterscheidet eine relative und eine absolute Schönheit ("una hermosura solamente relativa; ó una hermosura absoluta" 272 ) und definiert die körperliche Schönheit folgendermaßen: "Es innegable que la hermosura de un cuerpo no consiste en otra cosa, que en la proporcion y aptitud que halla el alma que le contempla, en las partes que le componen, para el fin para que el todo ha sido hecho" 2 7 3 .
Er vertritt die Auffassung von einer objektiven Schönheit, die aus Proportionen konstituiert wird. Sie bemißt sich des weiteren nach dem Maß, in dem das Subjekt dem Ziel entspricht, für das es geschaffen wurde. Während er den Frauen zugesteht, daß sie in der relativen Schönheit im Sinne der gegenseitigen Neigung, die Mann und Frau füreinander empfinden, in 269 Vgl. Arteaga, ed. cit. 1943, S. 83. 270 Vgl. ibid., S. 84: "El estado social ha fomentado más y más esta disposición de la naturaleza, porque, habiendo establecido que sea el hombre el que ruega y la mujer la que otorga, la gracia debe con especialidad hallarse en la persona que se ve obligada a negar lo que ella misma desea, y a sazonar de tal modo la negativa, que ni engendre el desaliento ni ocasione el desvío. En esta lucha del rigor y del agrado las repulsas se convierten en gracias, y la honestidad, que parece debiera ser la mayor enemiga del amor, es la que le comunica mayor actividad y energía. Por eso un grande ingenio dijo que el pudor era la cuarta gracia [...]". 271 Vgl. El Censor, 4. Bd., ed. cit. 1989, Discurso LXXII, S. 71-89. Zur Datierung vgl. ibid., S. 786. 272 Ibid., S. 75. 273 Ibid., S. 78.
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den Augen der Männer den Gewinn davontragen, so gesteht er die absolute Schönheit nur dem Manne zu. Er argumentiert mit Allgemeinplätzen, indem er dem Mann Eigenschaften wie "la fuerza, el valor, la constancia, el sufrimiento, la prudencia" zuschreibt, die den Eigenschaften der Frau wie "el recogimiento, la dulzura, el genio compasivo" 274 überlegen seien, die "superioridad que el mismo Dios concedió al hombre respecto de la muger" 275 als Beweis anführt und Vergleiche aus dem Tierreich bemüht, bei denen das Männchen schöner als das Weibchen ist. Seine in satirisch-burlesker Weise geführte Argumentation konterkariert die im 18. Jahrhundert in Spanien intensiv geführte Diskussion über die Emanzipation der Frau 276 . Pedro José Márquez hat in der italienischen Fassung seiner Abhandlung Sobre lo Bello en general von 1808 einen Abschnitt über die Schönheit von Mann und Frau ergänzt, der in der spanischen Fassung von 1801 fehlt 277 . Seine Theorien und Argumentationsmuster ähneln denjenigen des in El Censor erschienenen Leserbriefs von Andrés Morphalazon. Wie dieser ist Márquez der Meinung, daß die Schönheit des Mannes prinzipiell größer ist und daß nur die Leidenschaften dazu verleiten, das Gegenteil anzunehmen. Außer dem auch von Morphalazon bemühten Verweis auf das Tierreich, in dem die Männchen schöner sind als die Weibchen, behauptet Márquez, die männlichen Kinder seien schöner als die weiblichen und die männliche Schönheit bleibe im Alter länger erhalten als die weibliche27».
2 7 4 Ibid., S. 80. 275
Ibid.
2 7 6 Vgl. Sarrailh, op. cit. 1964, S. 5 1 3 - 5 1 7 ; Abellán, op. cit., 3. Bd., 1981, S. 6 6 9 - 6 7 6 ; Fernández-Quintanilla, Paloma: La mujer ilustrada en la España del siglo XVIII, Madrid 1981; Kreis, Karl-Wilhelm: "Zum Diskurs über die Frau im 18. Jahrhundert: Antagonistische Weiblichkeitskonzepte im Zeitalter der spanischen Aufklärung", in: Iberoamericana, 9, 2 5 / 2 6 (1985), S. 19-41; Coughlin, Edward V.: "The Polemic of Feijoo's Defensa de las mujeres", in: Dieciocho, 9, 1/2 (1986), S. 7485; Franklin, Elizabeth M.: "Feijoo, Josefa Amar y Borbón, and the Feminist Debate in Eighteenth-Century Spain", in: ibid., 12, 2 (1989), S. 188-203. 2 7 7 Vgl. Márquez, ed. cit. 1972, unpag. (S. 135-136 des Faksimiles). 2 7 8 Vgl. ibid. (S. 136 des Faksimiles): "Dovrà inferire, che se la natura nel fare un perfetto u o m o spregia, e quasi ributta le bellezze dei giovanetti, c i o è quelle che sono comuni alle femine, e s s e non costituiscono la vera bellezza della specie umana; e che questa piuttosto si trova in un perfetto maschio, c o m e c h è in e s s o lui sia capace di resistere e alle contrarietà del tempo, e ai disaggj della lunga vita".
164
6.
Ausblick - der Schönheitsbegriff in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts
In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wurde das Thema der Schönheit von einigen Autoren aufgegriffen, wobei sich aber eher Nuancierungen und Varianten traditioneller Theorien feststellen lassen als originelle Neuansätze. Der Begriff belleza ideal wurde zwar weiterhin verwendet, verblaßte aber immer mehr zum inhaltlosen Schlagwort, das sich auch in Kontexten ohne Bezug zur ästhetischen Reflexion nachweisen läßt. Eximeno übertrug in seinem Roman Don Lazarillo Vizcardi von 1798/1802 die Reflexion über die vollkommene Schönheit auf die Musik und bestreitet grundsätzlich, daß es in der Musik überhaupt eine vollkommene Schönheit gibt. Das in dem Roman von Ribélles geäußerte Paradoxon, daß der Sänger, je perfekter er sei, um so mehr vom Text ablenke und die Musik dadurch an Wirkung verliere, überträgt Lazarillo Vizcardi auf die Schönheit 279 . Demnach gibt es keine vollkommene Schönheit, denn, sobald sie ihr Höchstmaß an Perfektion erreicht hat, wird sie zur Häßlichkeit. Der Gesang muß stets natürlich wirken, nie darf die Kunstfertigkeit wahrnehmbar sein. Dasselbe gilt für das Theater, denn "la máxima perfección del arte cómica consiste en saber esconder el arte y hacer hablar á la naturaleza" 280 . Die Kunstfertigkeit (arte) wirkt nur auf den Körper, dagegen die Natürlichkeit (naturaleza) auf Körper und Seele gleichermaßen. Dies heißt keineswegs, daß die Kunstfertigkeit nicht vorhanden sei, vielmehr muß sie verborgen bleiben 281 . Unter dem Aspekt ihrer Wirkung sind Malerei und Bildhauerei deswegen Musik und Theater unterlegen. Jovellanos bezeichnet die belleza ideal in einer vom 5. Mai 1805 aus Bellver datierten Schrift mit dem Titel Sobre la arquitectura inglesa y la llamada gótica als Gespenst ("este duende llamado belleza ideal"2S2) und distanziert sich dadurch von dieser Konzeption. Er unterscheidet zwei unterschiedliche Typen von bildenden Künstlern, die idealistas und natu279 Vgl. Eximeno, ed. cit., l . B d . , 1872, S. 144: "[...) la mayor perfección del canto mal avenida con su primario objeto; esto es lo mismo que decir que, siendo el primario objeto de la belleza el hacerse amar, la más perfecta belleza se hace aborrecer". 280 Ibid., S. 146. 281 Da Malerei und Bildhauerei die Kunstfertigkeit nie verhehlen können, berühren sie nur den Körper, nicht aber die Seele. 282 "Sobre la arquitectura inglesa y la llamada gótica", in: Jovellanos, ed. cit., 5. Bd., 1956 (= BAE, 87), S. 365-382, hier S. 380.
165 ralistas, die beide nach der Schönheit (belleza) streben. Die idealistas suchen sie bei den Alten, die sie nachahmen. Da sie auf den direkten Zugriff zur Natur verzichten, fehlen ihren Werken "[...] aquella verdad y fuerza, sin las cuales no hay belleza ni gracia. Porque, como dijo Boileau: rien n'est beau que le vrai, [le] vrai seul est aimable"283.
Die naturalistas, "teniendo por un sueno la idea general de lo bello" 284 , suchen die Schönheit ausschließlich in der Partikularität und Kontingenz der tatsächlich vorgegebenen Natur. Ihre Werke, in denen sie die Natur direkt nachahmen, enthalten zwar mehr verdad und fuerza als die der idealistas, sind aber dennoch nicht schön 285 . Nach Jovellanos' Meinung liegt die Schönheit in der Natur verborgen, und nur durch genaue Naturbeobachtung kann sie ihr entlockt werden. Während für Mengs, von dem Jovellanos den Begriff naturalistas übernimmt 286 , sowohl die direkte Naturbeobachtung als auch ihre Vermittlung durch die Alten legitime Wege zur Erlangung der Schönheit darstellen, steht für Jovellanos die direkte Naturbeobachtung an erster Stelle. Während die Zeitgenossen den Alten in den Wissenschaften und vielen artes ütiles überlegen sind, können sie den hohen Rang der Alten in der Literatur und den bildenden Künsten nicht erreichen, "[...] porque ellos estudiaron en la naturaleza, y nosotros, en ellos"™.
In der zweiten Auflage von Antonio de Capmanys Rhetorik Filosofia de la eloquencia von 1812 finden sich einige Passagen über die Schönheit, die wie ein später Nachklang auf die Diskussion über die belleza ideal erscheinen.
283 Jovellanos, ed. cit., 5. Bd., 1956, S. 380. - Das Zitat entstammt Boileaus Épitre IX. A M. le marquis de Seignelay. Vgl. Boileau-Despréaux, Nicolas: OEuvres, hrsg. von Georges Mongrédien, Paris 1961, S. 138-142, hier S. 139: "Rien n'est beau que le vrai: le vrai seul est aimable; / Il doit régner partout, et même dans la fable: / De toute fiction l'adroite fausseté / Ne tend qu'à faire aux yeux briller la vérité". Zu Boileaus These vgl. Knabe, op. cit. 1972, S. 55. Vgl. infra, S. 285, Anm. 358. 284 Jovellanos, ed. cit., 5. Bd., 1956, S. 380. 285 Vgl. ibid.: "En sus obras, sin disputa, se halla más verdad y más fuerza, pero jamás se puede decir que sean bellas, por lo menos, jamás se levantan sobre la belleza común. Sea, pues, lo que fuere, de este duende llamado belleza ideal, es claro que ni unos ni otros le descubrirán por la senda que siguen". 286 Vgl. infra, S. 135, Anm. 143. 287 Jovellanos, ed. cit., 5. Bd., 1956, S. 380.
166 "[...] la perfecta belleza se debe sacar de distintos modelos, por quanto en un solo individuo es imposible hallarse cosa del todo perfecta" 288 .
Er nennt in diesem Zusammenhang traditionellerweise Zeuxis, der aus verschiedenen Vorbildern "una perfecta hermosura"289 gebildet habe. Mit Berufung auf Cicero schreibt Capmany: "[...] la verdadera perfección está en aquella suprema imagen de belleza que se vé con sola la mente é imaginación, á que no alcanzan los sentidos, y que acá abaxo se ha de sacar de cada cosa la que pareciere mas perfecto" 2 9 0 .
Ein Beleg für die Trivialisierung des Begriffs belleza ideal findet sich in dem Artikel De la belleza ideal en los bosques, der 1823/24 in der in Barcelona erschienenen Zeitschrift El Europeo veröffentlicht wurde und in dem der Begriff auf den Gartenbau angewandt wird 291 . Alberto Lista y Aragón (1775-1848) behandelte in mehreren Texten das Thema der Schönheit. Seine Ode La belleza interior, die am 13. April 1805 im Correo Literario y Económico de Sevilla erschien, ist eine Klage über die Vergänglichkeit der äußeren Schönheit, die aber als innere, überirdische Schönheit in Form der Tugend dennoch erhalten bleibt 292 . In vier Artikeln mit dem Titel Del sentimiento de la belleza, die vermutlich in den zwanziger oder dreißiger Jahren entstanden und publiziert wurden, erörtert er das Wesen der Schönheit 293 . Lista setzt den sentimiento de la belleza, der dem Menschen angeboren ist, mit dem gusto gleich, denn der gusto zielt auf das schöne Objekt 294 . Die Schönheit wird folgendermaßen definiert: "Llamamos belleza á la propiedad que tienen aquellos seres de escitar en nuestra imajinacion, y solo en ella, un gozo tranquilo y agradable, ó bien una 288 Capmany, Antonio de: Filosofía de la eloquencia, London 2 1812, S. XXV. - Zu Capmanys Schönheitsbegriff in der ersten Auflage der Filosofía de la eloquencia von 1777 vgl. infra, S. 127-128. 289 Ibid., S. XXVI. Die Begriffe belleza und hermosura verwendet er synonym. 290 Ibid., S. XXVII-XXVIII. 291 El Europeo, 3. Bd., Nr. 13, S. 11-16. Vgl. Guarner, Luis: El Europeo 1823-1824), Madrid 1953, S. 69.
(Barcelona
292 Vgl. Juretschke, Hans: Vida, obra y pensamiento de Alberto Lista, Madrid 1951, S. 388-389, hier S. 389: "Que cuando de tu rostro / Las rosas desparezcan, / Y de tus dulces ojos / Se apague la luz bella, / Relucirá más pura / La celestial belleza, / Con que tu alma dichosa / La virtud hermosea". - Vgl. ibid., S. 379. 293 Vgl. Lista, Alberto: Ensayos literarios y críticos, hrsg. von José Joaquín de Mora, 1. Bd., Sevilla 1844, S. 10-18. 294 Vgl. ibid., S. 11: "[...] el gusto, [...] su objeto es la belleza [...]".
167
conmocion vehemente que nos eleva por medio de la admiración á una rejion intelectual ó moral mas noble y grande que la que comunmente habitamos" 2 9 5 .
Das Vergnügen, das die Schönheit im Menschen hervorruft, entsteht ausschließlich in seiner Einbildungskraft (imaginación). Lista vertritt die traditionelle Auffassung, daß die Schönheit nur von den geistigen Sinnen Auge und Ohr wahrgenommen werden kann. Er unterscheidet drei Klassen von Schönheit: erstens die belleza sensual, wobei das Ohr die Musik wahrnimmt, das Auge die bildenden Künste Malerei, Architektur, Bildhauerei, zweitens die belleza moral, die auf die Betrachtung herausragender Heldentaten zielt, drittens die belleza
intelectual,
die aus der Analyse von Ver-
nunftgründen und aus der Erkenntnis der Wahrheit resultiert. Das Wesen der Schönheit aller drei Klassen erkennt Lista in der Einheit {unidad), der die einzelnen Teile zu einem Ganzen angeordnet sind
296
nach
. Lista unter-
scheidet zwischen Kunst- und Naturschönheit, wobei die Kunstschönheit einer vom Künstler vervollkommneten Naturschönheit entspricht 297 . Obwohl Lista die gefühlsmäßigen Aspekte der Schönheit betont und sie ausschließlich der imaginación
zuweist, bleibt er der Auffassung von der
objektiven Schönheit verbunden, nach der die Disposition des Subjekts für die Konstitution der Schönheit keine Rolle spielt 298 . In dem ebenfalls vermutlich in den zwanziger oder dreißiger Jahren entstandenen Artikel De la sublimidad299
unterscheidet Lista zwischen dem Schönen {bello) und Subli-
295 Ibid. 296 Vgl. ibid., S. 12: "[...] la unidad, á que se someten las diferentes partes de un todo, es la esencia de la belleza [...]"; ibid., S. 13: "En general, siempre que aplaudimos, siempre que sentimos lo bello, es porque observamos cierta ley de armonía, que reduce á la unidad nuestras sensaciones"; ibid., S. 16: "Vemos, pues, que á la idea de la belleza, ya intelectual, ya moral, ya sensible, están ligadas la de orden, unidad, armonía, simetría, palabras que todas se reducen á la de unidad. El orden es la unidad de la belleza moral: la armonía de la musical: la simetría de la que consiste en las figuras y en dimensiones. Podemos, pues, deducir que la unidad es el principio fundamental de la belleza en las obras del Hacedor supremo [...]". 297 Vgl. ibid., S. 17: "La diferencia esencial entre las bellezas de la naturaleza y las del arte consiste en dos principios: uno, que las primeras se presentan por sí mismas, y en las otras es visible el designio del artista [...]. El otro principio de diferencia es: que las bellezas de la naturaleza son orijinales [sic] y las del arte solo son su imitación, su reflejo". 298 Vgl. ibid., S. 14: "[...] ha de existir, pues, en los objetos que nos parecen bellos alguna condicion que lo promueva; la dificultad consiste en hallar esta condicion, y en determinarla con exactitud". 299 Vgl. ibid., S. 20-22.
168 men (sublime) als besondere Art von Schönheit, deren Charakteristikum die Kraft ist 300 . Lista ist der Meinung, daß die Prinzipien der Schönheit auch in der Unterweisung der Jugend eine Rolle spielen sollten. In einem vom 2. Februar 1816 datierten Brief schreibt er an Félix José Reinoso (1772-1841), seiner Meinung nach sollten in den Lehrplan der Sociedad Económica von Sevilla außer "principios generales de humanidades" 301 auch "las teorías de la belleza, del genio, del gusto y del principio de imitación"3'02 aufgenommen werden. Die zweite seiner Lecciones de literatura española para el uso de la clase de Elocuencia y Literatura del Ateneo español aus dem Jahre 1822 trägt den Titel De la belleza y la sublimidad und ist ganz der Schönheit gewidmet 303 . Lista hält die "especulaciones filosóficas sobre la belleza ideal" 304 für müßig, weil durch sie keine literarischen Meisterwerke hervorgebracht werden können. Aufschlußreich sind seine Ausführungen über die anthropologisch-pädagogischen Voraussetzungen des Menschen für die Wahrnehmung der Schönheit. Demnach wird im heranwachsenden Menschen die Empfindung für die Schönheit zeitlich nach der Fähigkeit, physische Phänomene wahrzunehmen, und vor den moralischen und intellektuellen Fähigkeiten ausgebildet. Auch hier weist er die Schönheit allein dem Bereich der Einbildungskraft (imaginación) zu und unterscheidet das Sublime vom Schönen 305 , aber im Unterschied zu seiner Artikelserie Del sentimiento de la belleza nennt er nicht drei, sondern vier Klassen von Schönheit, die er allerdings nur aufzählt und nicht näher charakterisiert: "Sus diferentes especies: sensual, física, moral, intelectual"306. Francisco Martínez de la Rosa (1787-1862) berücksichtigt die Schönheit in La poética (Paris 1827). Ohne Originalität gibt er lediglich altbekannte Thesen wieder. Er setzt die Schönheit mit der Vollkommenheit
300 Vgl. ibid., S. 22: "Las bellezas sublimes se caracterizan por la idea asociada de un gran poder puesto en ejercicio, idea que comunica al placer del gusto cierta conmocion inquieta que eleva el alma". 301 Zit. n. Juretschke, op. cit. 1951, S. 512-514, hierS. 512. Vgl. ibid., S. 254-255. 302 Ibid., S. 512. 303 Vgl. ibid., Apéndice III, S. 418-465, hier S. 428-431. Zur Datierung vgl. ibid., S. 252. 304 Ibid., S. 422. 305 Vgl. ibid., S. 430: "Esta reunión del asombro, el azoramiento y la agitación con la complacencia es la que caracteriza la impresión que causan los objetos sublimes. Pero la complacencia que causan no puede proceder sino de su belleza". 306 Ibid.
169 gleich, so daß auch das Häßliche schön sein kann, wenn es vom Künstler als in seiner Art Vollkommenes nachgeahmt wird307.
307 Vgl. Martínez de la Rosa, ed. cit., 2. Bd„ 1962 (= BAE, 149), S. 225-395, hier S. 249-250: "[...] no se entiende aquí por la palabra hermosear sino dar a cada objeto la mayor perfección posible en cua[l]quier género que sea, pues un objeto horroroso puede ser tan bello, en este sentido, como el más agradable: las espantosas sierpes pintadas por Virgilio, saliendo del mar para acometer a Laocoonte, son tan bellas en poesía como el pajarillo de Lesbia, celebrado por Catulo; y pasando de lo físico a lo moral, el parricida Orestes no es menos bello en la imitación dramática que el inocente Hipólito".
III. DER NO SÉ QUÉ ALS ÄSTHETISCHES KONZEPT Ein spezieller Bereich der Schönheit ist das ästhetische Konzept des no sé qué, das eine lange Tradition aufweist, die in der Antike begann und in den Ländern der Romania weitergeführt wurde. Der no sé qué ist ein Topos, mit dem im allgemeinen ein sprachlich nicht erfaßbares, sich dem logischen Zugriff entziehendes Phänomen bezeichnet wird. Mittels des no sé qué wird vom Subjekt eine von ihm selbst erfahrene Wirkung wiedergegeben, die vom Gegenstand seiner Betrachtung ausgeht, und zwar genau in dem Augenblick, in dem das Subjekt ihm entgegentritt und ihn erblickt. Es handelt sich um einen irreduziblen Eindruck, der das-Subjekt zur spontanen Äußerung des no sé qué veranlaßt. Der no sé qué ist Ausdruck der Überraschung des Betrachters angesichts der plötzlichen, ungemein starken Faszination, die der Gegenstand auf ihn ausübt, bzw. angesichts der Abneigung, die der Gegenstand in ihm hervorruft. Die heftige positive oder negative Wirkung, die das Subjekt in sich spürt, erzeugt insofern seine Verwunderung, als es die Ursachen dieser Wirkung nicht rational erklären kann. Der no sé qué, der sich den Unsagbarkeitstopoi zuordnen läßt 1 , bezeichnet das Unvermögen, etwas sprachlich auszudrücken. Die Unerklärbarkeit verleiht dem no sé qué das Flair des Geheimnisvollen, Magischen. In der substantivierten Form el no sé qué verliert die erste Person Singular ihren Sinn, das subjektive Ich löst sich gleichsam auf und geht verloren 2 . Die jeweilige Bedeutung des Topos ergibt sich aus dem Kontext, in den er eingefügt wird. Im folgenden wird vor allem der Zusammenhang des no sé qué mit der Schönheit untersucht, insbesondere sein Verhältnis zur gracia.
1
Zu den Unsagbarkeitstopoi im allgemeinen vgl. Curtius, op. cit. 1948/78, S. 168171. Curtius erwähnt den no sé qué nicht.
2
Vgl. Lever, Maurice: "L'innommable je ne sais quoi", in: Du Baroque aux Lumières. Pages à la mémoire de Jeanne Carriat, Limoges 1986, S. 77-80, hier S. 78: "La première personne du singulier prend, dans ce cas, valeur de métaphore pour désigner n'importe quelle personne; elle équivaut à l'indéfini".
172
1. Die europäische Tradition des nescio quid und der gratis In der lateinischen Antike bildeten sich unabhängig voneinander zwei Traditionen heraus: erstens die des nescio quid als Reaktion auf ein Phänomen, das das Subjekt in Erstaunen versetzt, aber von ihm nicht erklärt werden kann3, zweitens die der gratia als besonderer Form der Schönheit, die nach Plinius und Quintilian von dem griechischen Maler Apelles manifestiert wird4. Im Mittelalter wurde die Wendung nescio quid in Italien als non so che wieder aufgenommen 5 . In den Liebes- und Kunsttraktaten der italienischen Renaissance wurden die beiden voneinander unabhängigen Traditionslinien des nescio quid und der gratia miteinander verbunden und weiterentwickelt zu einer ästhetischen Theorie der geheimnisvollen-, den Betrachter faszinierenden Schönheit, die sich durch Proportionen und Regeln nicht erfassen läßt6. Von Italien aus wurde der Topos in der Romania verbreitet: im Spanischen als no se que1, im Portugiesischen als näo sei
3
Vgl. Haase, Erich: "Zur Bedeutung von je ne sais quoi im 17. Jahrhundert", in: Zeitschrift für Französische Sprache und Literatur, 66 (1956), S. 47-68, hier S. 47.
4
Der sagenhafte Maler Apelles von Kolophon soll in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. gelebt haben. Vgl. Plinius Secundus d.Ä., C.: Naturkunde. Lateinisch-deutsch. Buch XXXV, hrsg./übers. von Roderich König in Zusammenarbeit mit Gerhard Winkler, Darmstadt 1978, S. 62-65, hier S. 62 ( X X X V , XXXVI, 79): "praecipua eius in arte venustas fuit, cum eadem aetate maximi pictores essent"; Quintiiianus, Marcus Fabius: Institutionis oratoriae libri XII, hrsg./übers. von Helmut Rahn, 2. Bd., Darmstadt 1975, S. 756 (XII, 10, 6): "[...] ingenio et gratia, quam in se ipse maxime iactat, Apelles est praestantissimus".
5
Vgl. Natali, Giulio: "Storia del non so che", in: Lingua Nostra, 12 (1951), S. 45-49; id.: "Ancora del nonsoché", in: ibid., 19 (1958), S. 13-16; beide Aufsätze wiederaufg. in: id.: Fronde sparte. Saggi e discorsi (1947-1959), Padua 1960, S. 39-55; Schalk, Fritz: "Nochmals zum je ne sais quoi", in: RF, 86 (1974), S. 131-138, hier S. 132-135.
6
Vgl. Firenzuola, Agnolo: "Celso - Dialogo delle bellezze delle donne", in: id.: Opere, hrsg. von Adriano Sereni, Florenz 1958, S. 519-596, hier S. 594-595; Dolce, Lodovico: "Dialogo della pittura", in: Barocchi, Paola (Hrsg.): Trattati d'arte del Cinquecento. Fra Manierismo e Controriforma, 1. Bd., Bari 1961, S. 141-206, hier S. 196.
7
Vgl. Rez. von Fritz Schalk zu Köhler, Erich: "Je ne sais quoi. Ein Kapitel aus der Begriffsgeschichte des Unbegreiflichen", in: RF, 69 (1957), S. 210-213, hier S. 211; Alonso, Dámaso: Poesía española, Madrid "1962, S. 238-242, 284-286; Porqueras Mayo, Alberto: "Función de la fórmula no sé qué en textos literarios españoles (siglos XVIII-XX)", in: BH, 67 (1965), S. 253-273; id.: "El no sé qué en la edad de oro española", in: RF, 78 (1966), S. 314-337; beide Artikel zusammengefaßt und
173 qué*, im Französischen als je ne sais quoP. Der Topos findet sich in gelehrten Kontexten, aber auch im volkstümlichen mündlichen Gebrauch in den galloromanischen Dialekten 10 .
2.
Das Konzept des no sé qué in Spanien vor 1700
In Spanien wurde der no sé qué, der sich erstmals 1499 belegen läßt", im Laufe des 16. Jahrhunderts zunehmend häufiger gebraucht, zumal er der besonderen Vorliebe der spanischen Autoren für den equívoco entsprach 12 . Der no sé qué war in allen literarischen Gattungen in unterschiedlichen Kontexten präsent und wurde in den theologischen und mystischen Schriften mit religiösen Inhalten verbunden. Im 17. Jahrhundert wurde der Topos zur modischen Floskel in der alltäglichen Konversation, was vorübergehend zu seiner inhaltlichen Verflachung führte. wiederaufg. u.d.T. "El 'no sé qué' en la literatura española", in: id.: Temas y formas en la literatura española, Madrid 1972, S. 11-59. 8
Vgl. Köhler, Erich: "Der Padre Feijoo und das no sé qué", in: RJ, 7 (1955/56), S. 272-290, hier S. 275.
9
Vgl. Jacoubet, Henri: "A propos de Je-ne-sais-quoi", in: Revue d'Histoire Littéraire de la France, 35 (1928), S. 73-77; Monglond, André: Le préromantisme français, 1. Bd., Paris 1930, S. 47-48; Borgerhoff, E.B.O.: The Freedom of French Classicism, Princeton (New Jersey) 1950, S. 186-200; Köhler, Erich: "Je ne sais quoi. Ein Kapitel aus der Begriffsgeschichte des Unbegreiflichen", in: RJ, 6 (1953/54), S. 2159, wiederaufg. in: id.: Esprit und arkadische Freiheit. Aufsätze aus der Welt der Romanía, Frankfurt a.M. u.a. 1966, S. 230-286; Simon, Pierre-Henri: "Le je ne sais quoi devant la raison classique", in: Cahiers de l'Association Internationale des Études Françaises, 9 (1959), S. 104-117; Navarro de Adriaensens, José M.: "Je ne sais quoi: Bouhours - Feijoo - Montesquieu", in: RJ, 21 (1970), S. 107-115; Guellouz, Suzanne: "Le P. Bouhours et le je ne sais quoi", in: Littératures. Annales publiées par l'Université de Toulouse - Le Mirail, 7 (1971), S. 3-14; Knabe, op. cit. 1972, S. 347-352; Körner, Hans: Auf der Suche nach der "wahren Einheit". Ganzheitsvorstellungen in der französischen Malerei und Kunstliteratur vom mittleren 17. bis zum mittleren 19. Jahrhundert, München 1988, S. 98-105.
10 Vgl. Wartburg, Walther von: "Non sapio quid", in: Studia Philologica. Homenaje ofrecido a Dámaso Alonso por sus amigos y discípulos con ocasión de su 60.° aniversario, 3. Bd., Madrid 1963, S. 579-584. 11 Vgl. Rojas, Femando de: La Celestina, hrsg. von Bruno Mario Damiani, Madrid 7 1980, S. 63. 12 Zum equívoco im allgemeinen vgl. Baader, Horst: "El equívoco. Die Uneindeutigkeit als Stil- und Strukturprinzip der spanischen Literatur des Goldenen Zeitalters", in: id./Loos, Erich (Hrsg.): Spanische Literatur im Goldenen Zeitalter. Fritz Schalk zum 70. Geburtstag, Frankfurt a.M. 1973, S. 12-39. Der no sé qué wird in dieser Untersuchung nicht berücksichtigt.
174 Im Unterschied zu Italien wurden in Spanien no sé qué und gracia im 16. und 17. Jahrhundert meist unabhängig voneinander behandelt. In der Entwicklung des Begriffs gracia im Sinne von Schönheit lassen sich im Siglo de Oro zwei miteinander konkurrierende Tendenzen ausmachen: erstens die Auffassung, die Schönheit sei identisch mit der gracia13, zweitens, die gracia sei eine Zutat zur Schönheit, die diese erst vollkommen macht14. Die zweite Auffassung setzte sich weitgehend durch, ohne daß die erste ganz ihre Gültigkeit verlor. Die von dem Jesuiten Baltasar Gracián y Morales (1601-1658) entwikkelte Theorie des despejo15, mit dem die höchste Vollkommenheit des Hofmannes gemeint ist16, aber ebenso die belebende Zutat zu gracia bezeich13 Die erste Richtung wird von Leone Hebreo repräsentiert, der die Schönheit als gracia definiert, die auf die Seele mittels der höheren Sinne Auge und Ohr wirkt. In der 1586 erschienenen spanischen Übersetzung von Garcilaso de la Vega, el Inca, lautet seine Definition der Schönheit: "La hermosura es gracia que, deleitando el ánimo con su conocimiento, lo mueve a amar" (León Hebreo: "Diálogos de amor", in: Garcilaso de la Vega, el Inca: Obras completas, 1. Bd., hrsg. von Carmelo Sáenz de Santa María, Madrid 1965 [= BAE, 132], S. 134). 14 Fernando de Herrera bezeichnet die gracia in seinen Anotaciones von 1580 zu den Gedichten von Garcilaso de la Vega als diejenige Schönheit, die die Gegenstände vollkommen macht. Die körperliche Schönheit resultiert nicht nur aus der Proportion, sondern auch aus einer gewissen venustidad. Padre Nieremberg beschreibt die gracia in seinem Tratado de la hermosura de Dios von 1641 als besondere Qualität des Schönen, die zur Proportion hinzutritt. Vgl. Garcilaso de la Vega y sus comentaristas, ed. cit. 1966, S. 337, 345-346; Nieremberg, Juan Eusebio: "De la hermosura de Dios y su amabilidad por las infinitas perfecciones del ser divino", in: id., ed. cit., 2. Bd., 1957 (= BAE, 104), S. 293-480, hier S. 362, 424-426. 15 Gracián benutzt nicht den Begriff no sé qué, sondern despejo, den er im Primor XIII seines El Héroe von 1637 behandelt. Vgl. Gracián, Baltasar: Obras completas, hrsg. von Arturo Del Hoyo, Madrid 2 1960, S. 1-34, hier S. 25-26. Zu Graciáns Begriff despejo vgl. Jansen, Hellmut: Die Grundbegriffe des Baltasar Gracián, Genf/Paris 1958, S. 49-50; Werle, Peter: El Héroe. Zur Ethik des Baltasar Gracián, Tübingen 1992, S. 122-126. 16 Graciáns Begriff despejo entspricht teilweise dem Begriff grazia in Baldassarre Castigliones Libro del Cortegiano (Venedig 1528). Bei Castiglione ist die grazia eine bestimmte Verhaltensnorm, die identitätsstiftende Eigenschaft des Hofmannes, die ihn als solchen von den anderen Menschen abhebt und somit als Mittel sozialer Distinktion fungiert. Zu Castigliones Begriff grazia vgl. Werle, Peter: "Grazia. Zu Konstituierung und Funktion eines Bildungsideals in Baldassarre Castigliones Libro del Cortegiano", in: Italienische Studien, 8 (1985), S. 39-50; id., op. cit. 1992, S. 118-122. - Zu Graciáns Rezeption von Castigliones Libro del Cortegiano vgl. Morreale, Margarita: "Castiglione y El Héroe: Gracián y despejo", in: Homenaje a Gracián, Zaragoza 1958, S. 137-143; Hinz, Manfred: "Castiglione und Gracián: Bemerkungen zur Strategie höfischer Sprache", in: Neumeister, Sebastian/Briesemei-
175
net wird 17 , beeinflußte im 17. Jahrhundert in Frankreich das ästhetische Konzept des je ne sais quoi, das von den Vertretern der préciosité in Mode gebracht wurde und sich bis zum Jahrhundertende allgemein durchsetzte 18 . Dominique Bouhours (1628-1702) widmete dem je ne sais quoi 1671 eine eigene Abhandlung 1 9 .
3.
Die Begriffe no sé qué und gracia in den Theorien über das Wesen der Schönheit im 18. Jahrhundert
Der no sé qué wurde im 18. Jahrhundert in Spanien weiterhin häufig verwendet und läßt sich in den unterschiedlichsten Kontexten nachweisen. Unterschieden werden muß der eher unreflektierte, formelhafte Gebrauch des no sé qué von den bewußten Bemühungen einiger Autoren, no sé qué und gracia im Zusammenhang mit ihrer jeweiligen Theorie über das Wesen der Schönheit begrifflich zu bestimmen. Die folgenden Beispiele sollen Kontinuität und inhaltliche Flexibilität des no sé qué im 18. Jahrhundert zeigen. Von Fray Martín Sarmiento wird der no sé qué in seinen zwischen 1741 und 1745 entstandenen Memorias para la historia de la poesía y poetas españoles im Zusammenhang mit den coplas der spanischen Volksdichtung verwendet 2 0 . Die gereimten spanischen Sprichwörter (refranes) ster, Dietrich (Hrsg.): El mundo de Gracián. Actas del Coloquio Internacional Berlin 1988. Berlin 1991, S. 127-148. 17 Im Oráculo manual schreibt Gracián, daß erst der despejo der Schönheit Leben verleiht. Vgl. Gracián, ed. cit. 1960, S. 185, Nr. 127: "Sin él, toda belleza es muerta, y toda gracia, desgracia". 18 In der zweiten Jahrhunderthälfte war der je ne sais quoi ein wesentlicher Bestandteil in der Diskussion ästhetischer Fragen und wurde keineswegs nur von den Autoren verwendet, die sich gegen die klassizistischen Regeln wandten, sondern auch von den Klassizisten selbst. Man konfrontierte ihn mit der raison, deren Grenzen er deutlich machte. Vgl. Jacoubet, art. cit. 1928, S. 73; Borgerhoff, op. cit. 1950, S. 190-191; Köhler, art. cit. 1953/54, S. 31; Knabe, op. cit. 1972, S. 349-350. 19 Das fünfte Gespräch in seinem Werk Les entretiens d'Ariste et d'Eugène ist dem je ne sais quoi gewidmet. Vgl. Bouhours, Dominique: Les entretiens d'Ariste et d'Eugène, hrsg. von Ferdinand Brunot, Paris 1962, S. 139-150. Zu Bouhours' Gracián-Rezeption vgl. Coster, Adolphe: "Baltasar Gracián 1601-1658", in: RH, 29 (1913), S. 347-752, hier S. 669-671 ; Porqueras Mayo, art. cit. 1965, S. 256-257. 20 Bihlers Aussage, Sarmiento habe den no sé qué "erstmals auf 'Volksdichtung' angewandt" (Bihler, op. cit. 1957, S. 27, Anm. 36 a), wird widerlegt von einer Passage im zwischen 1535 und 1536 entstandenen Diálogo de la lengua von Juan de Valdés, in der dieser den no sé qué als Ausdruck einer subjektiven Abneigung gegen
176
hält er für die älteste Dichtung überhaupt, die bereits vor der schriftlich fixierten Prosa existiert habe 21 . Auf Sarmiento, der in der Dichtung die ursprüngliche Natürlichkeit sucht, wirken die refranes in besonderer Weise schön und anziehend, wenn sie in den coplas der Volksdichtung mit ihrer burlesk-satirischen Liebesthematik eingefügt sind 22 . José Francisco de Isla verwendet den no sé qué in seinem Roman Fray Gerundio de Campazas, der zwischen 1758 und 1770 in vier Bänden in Madrid erschienen ist, zur satirischen Charakterisierung einer Person, deren dünkelhafte Affektiertheit und gespielte Unschuld abstoßend wirken 23 . Cadalso verwendet in den Cartas marruecas von 1768/74 den no sé qué bezogen auf das Verhalten der jungen Leute in Paris, deren Unbefangenheit und Frechheit auf den, der sie nicht kennt, abstoßend wirken, sie aber dennoch liebenswürdig machen 24 . In dem Gedicht Guerras civiles entre los ojos negros y los azules wendet Cadalso den no sé qué auf die Flußnymphen des Manzanares, Ebro und Tajo an. Der no sé qué wird nicht spezifiziert, sondern vom Autor mit einer Auslassung verbunden, die mit Inhalt zu füllen der Fantasie des Lesers überlassen bleibt. "Tienen un no sé qué ... que quien las mira, No le olvida jamas, y más le admira" 25 .
Der no sé qué ist auch häufig mit dem Geschmacksbegriff verbunden worden. Conde de Peñaflorida schreibt in seinem Vortrag Del buen gusto das stilistisch niedrige Niveau einiger Lieder des Cancionero general (Valencia 1511) anwendet. Vgl. Valdés, Juan de: Diálogo de la lengua, hrsg. von Juan M. Lope Blanch, Madrid 1969, S. 164: "De las canciones me satisfazen pocas, porque en muchas veo un no sé qué dezir baxo y plebeyo y no nada conforme a lo que pertenece a la canción". 21 Sarmiento nennt als Gewährsmann für das hohe Alter und die Ursprünglichkeit der refranes den Verfasser des Diálogo de la lengua, den Mayáns y Sisear ohne Angabe der Autorschaft des Juan de Valdés 1737 veröffentlicht hat und dessen Name Sarmiento deshalb nicht bekannt ist. 22 Vgl. Sarmiento, op. cit. 1975, S. 174: "[...] quando en una copla se introduce por pie algún Refrán entero, da á la copla un no sé qué de dulzura, que gusta extremadamente". 23 An anderer Stelle wird der no sé qué auf die Wirkung, die ein Text auf die Seele ausübt, bezogen. Vgl. Isla, José Francisco de: Fray Gerundio de Campazas, 3. Bd., hrsg. von Russell P. Sebold, Madrid 1963, S. 100; ibid., 4. Bd., 1964, S. 65 und 78. 24 Vgl. Cadalso, ed. cit. 1971, S. 77 (Carta XXIX): "La misma desenvoltura de los jóvenes, insufrible a quien no les conoce, tiene un no sé qué que los hace amables". 25 Zit.n. Poetas líricos del siglo XVIII, ed. cit., l.Bd., 1929 (= BAE, 61), S. 261-263, hier S. 262.
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en la literatura von 1766, einige seiner Zeitgenossen identifizierten den gusto mit dem no sé qué, indem sie den gusto auffaßten als "[...] un no sé qué que sienten y no conocen, que lo experimentan y no pueden explicar"26. Conde de Peñaflorida lehnt sich hier eng an eine der Hauptquellen seines Vortrags an, nämlich den Abschnitt Du je ne sai [sie] quoi in Montesquieus fragmentarischem Essai sur le goät dans les choses de la nature & de l'art, der postum in der Encyclopédie veröffentlicht wurde27. Wie Bouhours beschreibt Montesquieu den je ne sais quoi als Überraschungseffekt und verbindet ihn mit dem Geschmack, indem er ihn als Bestandteil desselben ansieht. Guillelmo Lameyra deutet in seiner Disertación sobre la belleza ideal de la pintura von 1790 den no sé qué als Ausdruck einer Zu- oder Abneigung gegenüber einem Menschen als Attitüde der Höflichkeit, die es einem ermöglicht, die genauen Gründe für die jeweilige Haltung aus Diskretion und Rücksichtnahme zu verschweigen28. Als Wortspiel findet sich der no sé qué im Titel des Buches El no sé qué, por no sé quien (Madrid 1794) von Román Hernández 29 . Im folgenden werden die Erörterungen über no sé qué und gracia in den Theorien über das Wesen der Schönheit untersucht. 3.1 Antonio Acisclo Palomino Für Palomino sind no sé qué und gracia wesentliche Bestandteile seiner Theorie über das Wesen der Schönheit in der Malerei. Im Kapitel über den Ursprung der Malerei und ihre ersten Erfinder im ersten Band seines Traktats El museo pictórico o Escala óptica von 1715 wird der griechische Maler Apelles als herausragendes Beispiel für "el buen gusto, gracia, donaire o 26 Zit. n. Areta Armentia, op. cit. 1976, S. 374. 27 Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, 7. Bd., 1757, S. 762-767, hier S. 765-766. 28 Diese U m g a n g s f o r m des höflichen Verschweigens ist seiner Meinung nach auch im Bereich von Malerei und Bildhauerei wirksam, da man mit der genauen Begründung seines Urteils eventuell den Künstler selbst oder seine Anhängerschaft bloßstellen oder verletzen könnte. Vgl. Lameyra, op. cit. 1790, S. XXI-XXIII. 29 Vgl. Porqueras Mayo, art. cit. 1965, S. 260; id.: "Herrera y Calderón a través de un olvidado escritor del siglo XVIII", in: RN, 1 (1965/66), S. 36-39. Von dem ansonsten unbekannten Autor - vielleicht handelt es sich um ein Pseudonym - ist ein weiterer Text mit dem Titel Discurso patriótico, dirigido a los españoles por un Amante de la Nación (Madrid 1796) überliefert. Vgl. Aguilar Piñal, Francisco: Bibliografía de autores españoles del siglo XVIII, 4. Bd., Madrid 1986, S. 436.
178 bella manera, que dice el italiano" 30 angeführt. Kein anderer Maler sei ihm in Hinsicht auf "ingenio, belleza y gracia" 31 ebenbürtig gewesen 32 . Auffällig ist die Vielzahl der synonym verwendeten Begriffe, mit der Palomino Apelles' besondere Begabung beschreibt. Palomino setzt sowohl den Geschmacksbegriff (buen gusto) als auch den Schönheitsbegriff (belleza) mit gracia gleich. Als weitere Synonyme von gracia nennt er donaire und den aus dem Italienischen entlehnten Begriff maniera33. Der Begriff no sé qué wird hier nicht genannt. An anderer Stelle führt Palomino aus, die Malerei bestehe aus den sieben Teilen "argumento, economía, acción, simetría, perspectiva, luz y gracia, o buena manera" 34 , die er nacheinander eingehend darstellt. Seine Ausführungen über das siebte konstitutive Element der Malerei sind - fast zwei Jahrzehnte vor Feijoos Essay El no sé qué erschienen - die erste längere spanische Abhandlung über no sé qué und gracia im 18. Jahrhundert 35 . Diese Konstituente, die Palomino wiederum mit einer Vielzahl von Synonymen als "[...] la gracia, buen gusto, o buena manera, que los antiguos llamaron Charites y Venus\ de donde vino a llamarse venustas"36 bezeichnet, definiert er als verborgene Art von Schönheit, die sich von der eigentlichen
30 Palomino, ed. cit. 1947, S. 59. 31 Ibid., S. 60. - Palomino widerspricht sich, da er vorher schreibt, der Maler Timantes sei Apelles hinsichtlich des "ingenio" (ibid.) überlegen gewesen. 32 Palomino beruft sich auf die traditionellen Passagen über Apelles bei Quintilian und Plinius. Vgl. ibid., S. 59, Anm. 74. 33 Um 1390 hatte Cennino Cennini maniera als Terminus technicus in die bildenden Künste eingeführt. Um 1450 wurde er erstmals von Lorenzo Ghiberti (1377-1455) zur Bezeichnung des Stils eines bestimmten Künstlers, von Giorgio Vasari (15111574) auch für den Stil einer bestimmten Nation oder Epoche benutzt. Zu maniera vgl. Treves, Marco: "Maniera, the History of a Word", in: Marsyas, 1 (1941), S. 6988; Weise, Georg: "Maniera und pellegrino: zwei Lieblingswörter der italienischen Literatur der Zeit des Manierismus", in: RJ, 3 (1950), S. 321-403; Hocke, Gustav René: Die Welt als Labyrinth. Manier und Manie in der europäischen Kunst, Hamburg 1957, S. 21-23. 34 Palomino, ed. cit. 1947, S. 99-100. 35 Vgl. ibid., S. 120-124. Allein León Tello dieser Ausführungen hingewiesen. Vgl. S. 148: "El libro primero termina con un tuye una de las aportaciones estéticas más 36 Palomino, ed. cit. 1947, S. 120.
und Sanz Sanz haben auf die Bedeutung León Tello/Sanz Sanz, op. cit. 1979, capítulo dedicado a la gracia que constiimportantes del tratado".
179 Schönheit, die aus den Proportionen und Konturen des Gesichts 37 resultiert, unterscheidet. "[...] es cierta especie de hermosura, graciosa y deleitable, que no consiste precisamente en lo hermoso, en razón de simetría, o fisonomía [...] sino en una cierta, y oculta especie de belleza" 3 8 .
Diese besondere Art von Schönheit (gracia) kann ebenso am eigentlichen Schönen wie auch am Häßlichen Anteil haben. Sie ist in jedem Fall vollkommen in ihrer Art und läßt sich als konkrete Erfahrung besser erfassen als theoretisch erklären 39 . Als Beispiel nennt Palomino eine Frau, die nicht schön ist, aber von der es heißt, sie besitze "un no sé qué, o un donaire, que a veces le falta a la más linda" 40 . An dieser Stelle benutzt er erstmals den Ausdruck no sé qué und rekurriert auf dessen volkstümliche Überlieferung im Siglo de Oro, indem er vier Zeilen aus einer anonymen Romanze über die Schönheit zierlicher Frauen (lindas) zitiert 4 '. Der no sé qué bzw. die gracia findet sich sowohl in der Natur (naturaleza) als auch in der Kunst als Nachahmung der Natur (arte). Diese besondere Art von Schönheit offenbart sich den Sinnen (sentido) und bleibt dem Verstand (entendimiento) verschlossen, so daß es bisher, wie Palomino konstatiert, niemandem gelungen sei, ihr Wesen zu bestimmen 42 . Dennoch stellt Palomino verschiedene Definitionsversuche einiger Autoritäten vor, von denen er sich aber dadurch distanziert, daß er eine eigene, gegenüber seinen vorherigen Ausführungen erweiterte Definition der gracia in der Malerei präsentiert.
37 Daß Palomino mit dem Begriff fisonomía vor allem die Gesichtszüge meint, ergibt sich daraus, daß er als Beispiel das Gesicht des Nero wählt, das zwar vollkommen, aber keineswegs anziehend gewesen sei. Vgl. "Physonomia" in: Diccionario de la lengua castellana, op. cit., 5. Bd., 1737, S. 252: "El arte que dá reglas para conjeturar por las facciones del cuerpo, y principalmente del rostro [...]. [...] Se toma comunmente por rostro ü semblante". 38 Palomino, ed. cit. 1947, S. 120. 39 Vgl. ibid.: "[...] tanto puede pertenercerle a lo hermoso, como a lo fiero, teniendo en aquella especie de forma, aquel linaje de perfección, y gracia, que le compete; lo cual es más fácil entenderlo, que definirlo [...]". 40 Ibid. 41 Vgl. Romancero general ó colección de romances castellanos anteriores al siglo XVIII, hrsg. von Agustín Durán, Madrid 1926 (= BAE, 16), S. 514, Nr. 1628. 42 Vgl. Palomino, ed. cit. 1947, S. 120: "[...] ninguno de los autores ha encontrado la genuina, y legítima esencia de esta gracia, y donaire, oculta a el entendimiento, y manifiesta a el sentido".
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"[...] esta parte consiste principalmente en una cierta felicidad de ingenio, buen gusto, y elección acertada, de lo que en cada cosa se juzga más peregrino, que mueva, deleite, y no repugne a la naturaleza; pero en algún modo apartándose de ella, con tal discreción, que se acomode a el juicio, y buen gusto de los que miran" 43 .
Palomino berücksichtigt in dieser Definition sowohl den Herstellungsprozeß der gracia durch den Künstler als auch ihre Wirkung auf den Rezipienten, auf die hin der Künstler die Gestaltung seines Gemäldes ausrichten muß, und verbindet die gracia aufs engste mit dem Prinzip der Auswahl des Schönsten aus der Natur, an die er allerdings bestimmte Bedingungen knüpft. Die notwendigen Voraussetzungen zur Erzeugung der gracia sind seitens des Künstlers ingenio, buen gusto, elección acertada, also die Fähigkeit, dasjenige aus der Natur auszuwählen, was am meisten peregrino ist, gleichzeitig aber auch den Rezipienten bewegt und ihm gefällt. Der Begriff peregrino ist mehrdeutig und bezeichnet etwas Fremdartiges und Seltenes, das aber gerade durch seine ungewöhnliche Erscheinung schön wirkt 44 . Dieses besondere peregrino darf zwar einerseits nicht im Widerspruch zur Natur stehen, muß sich aber andererseits soweit von ihr entfernen, daß es gerade durch diese besondere Distanz zur Natur sowohl die Vernunft (juicio) als auch den Geschmack (buen gusto) des Rezipienten anspricht45. Palomino befürwortet also nicht eine exakte Reproduktion der Natur seitens des Künstlers, sondern räumt dem Künstler die Freiheit ein, sich in seinem Gemälde in einer bestimmten Weise von der Natur zu entfernen und ein autonomes künstlerisches Gebilde zu schaffen, das sich zwar an der Natur orientiert, aber in wesentlichen Punkten grundsätzlich von ihr unterscheidet. Er illustriert dies an der traditionellen Zeuxis-Anek-
43 Ibid., S. 121. 44 Zum Begriff peregrino vgl. Diccionario de la lengua castellana, op. cit., 5. Bd., 1737, S. 219: "Por extensión se toma algunas veces por extraño, raro, especial en su línea, ö pocas veces visto"; Weise, art. cit. 1950. 45 Palominos Auffassung vom peregrino als Bestandteil des no sé qué steht im Gegensatz zu derjenigen von Agustín Moreto y Cabaña (1618-1669), der in dem 1654 entstandenen Theaterstück El desdén con el desdén ausdrücklich die perfección peregrina aus derjenigen Schönheit ausschließt, der der no sé qué eignet. Vgl. Moreto y Cabaña, Agustín: Comedias escogidas, hrsg. von Luis Fernández-Guerra y Orbe, Madrid 1922 (= BAE, 39), S. 1-19, hier S. 1: "Una hermosura modesta, / Con muchas señas de tibia, / Mas sin defecto común / Ni perfección peregrina; / De aquellas en quien el juicio, / Cuando las vemos queridas, / Por la admiración apela / Al no sé qué de la dicha".
181 dote46, meldet an der Vorgehensweise des Zeuxis aber im Sinne der christlichen Moral Bedenken an, die sich vermutlich darauf beziehen, daß Zeuxis das Bild einer unbekleideten Frau nach nackten weiblichen Modellen, deren schönste Körperteile ihm als Vorlage gedient haben, dargestellt hat. Für Palomino werden an der Zeuxis-Anekdote die moralischen Grenzen der Kunst deutlich47. Palomino stellt fest, daß die gracia abhängig ist von einer natürlichen, ungekünstelten Leichtigkeit48, dagegen durch "demasiada diligencia"49 beeinträchtigt wird50. Er vertritt die Auffassung, daß der Maler die gracia nur bedingt erwerben kann, weil sie keineswegs nur vom Fleiß abhängt. Die gracia ist abhängig vom angeborenen ingenio des Malers51. Palomino bedient sich eines theologischen Erklärungsansatzes. Indem er die Mehrdeutigkeit des Begriffs gracia benutzt, führt er den Ursprung der gracia im Sinne einer besonderen Art von Schönheit auf die gracia Gottes zurück als einer Gnade, die dem Künstler als Geschenk Gottes zuteil wird. Die irdische gracia ist also ein Teil der göttlichen gracia, die letztlich nicht vom Menschen beeinflußt werden kann, sondern Gottes Gnade anheimgestellt ist52.
46 Der griechische Maler Zeuxis, etwa zwischen 435 bis 390 v. Chr. tätig, soll nach antiker Überlieferung eine Helena als Ideal der weiblichen Schönheit geschaffen haben, indem er die schönsten Teile verschiedener lebender Modelle zu einer einzigen Schönheit vereinigte, die alle Teile übertraf. Die Zeuxis-Anekdote, die zum festen Bestand der Künstleranekdotik der Renaissance gehörte, diente dazu, das Verhältnis von Kunst und Natur zu illustrieren, und versinnbildlichte die durch den Künstler vorgenommene Umordnung einer in der Natur kontingent verteilten Schönheit zu einer vollkommenen künstlerischen Schönheit, die die partikulare Naturschönheit übertrifft. Vgl. Kris, Ernst/Kurz, Otto: Die Legende vom Künstler, [Wien >1934] Frankfurt a.M. 2 1980, S. 69-70; Panofsky, Erwin: Idea. Ein Beitrag zur Begriffsgeschichte der älteren Kunsttheorie, Berlin 2 1960, passim. 47 Vgl. Palomino, ed. cit. 1947, S. 121: "[...] menor inconveniente es declinar algo de la eminencia del arte, que peligrar en la corrupción del espíritu". 48 Vgl. ibid., S. 122: "[...] en gran parte pende de una natural, y no afectada facilidad". 49 Ibid. 50 Palomino nennt in diesem Zusammenhang wiederum Apelles als Musterbeispiel eines Malers, der diese gracia verkörpert. 51 Vgl. ibid.: "[...] mas como pende de la rectitud del ingenio, no se conseguirá perfectamente, sino es por especial don de la Naturaleza". 52 Vgl. ibid., S. 123: "Don verdaderamente del Cielo debemos considerar esta gracia, y por eso el nombre más adecuado suyo es éste; pues no se adquiere con diligencia; sólo se comunica por gracia, como don gratuito, por la voluntaria, y liberal distribución de la divina Bondad".
182 Pedro Verdugo Ursúa, zweiter Conde de Torrepalma, vertritt in seiner fragmentarischen Poetik Disertación sobre el numen poético von 1716 dieselbe Auffassung wie Palomino 53 . Beide Autoren waren Mitglieder der Real Academia de la Lengua Española, so daß es nahe liegt zu vermuten, daß sie sich über dieses Thema verständigt haben könnten. Conde de Torrepalma rekurriert im Zusammenhang mit dem Gedanken, der Dichter füge mittels seines numen die aus der Natur ausgewählten schönsten Dinge in seiner Dichtung zusammen, auf die traditionellen Beispiele aus der Malerei, die auch Palomino anführt: Zeuxis, der die Schönheiten verschiedener Frauen in seinem Bild der Helena vereinigt, und Apelles, der alle anderen Maler an gracia übertrifft. Wie Palomino wendet Conde de Torrepalma den Begriff gracia sowohl auf den Künstler als auch auf das von diesem hergestellte Objekt an: Aus der gracia innata des Künstlers resultiert die gracia des Kunstwerks 54 . Beide Autoren stimmen darin überein, daß ingenio (Palomino) bzw. numen (Conde de Torrepalma) dem Künstler als ihm von Gott gegebene gracia angeboren ist und daß die gracia des Kunstwerks aus der göttlichen gracia des Künstlers hervorgeht. Im 1724 erschienenen zweiten Band seines Traktats widmet Palomino nochmals einen längeren Abschnitt der Schönheit, wobei sich gegenüber dem ersten Band einige begriffliche wie inhaltliche Unterschiede feststellen lassen. Er behandelt zunächst, wie es scheint, im allgemeinen hermosura bzw. belleza in der Malerei, doch später ist auch von der gracia die Rede. Auffällig ist wiederum die begriffliche Vielfalt, denn nicht nur Schönheit {belleza) und Geschmack (buen gustó) werden synonym verwendet 55 , sondern auch an einer späteren Stelle "la Venus, gracia, y belleza de la Pintura" 56 bzw. "la gracia, y buen gusto" 57 . Was Palomino also über belleza bzw. hermosura schreibt, trifft stets auch für die gracia zu. Palomino führt aus, das vollkommene Gemälde bestehe aus den drei Elementen "hermosura, suavidad, y relieve" 58 , und nimmt damit eine grundsätzlich andere Bestimmung der Malerei vor als mit den im ersten Band genannten sieben Konstituenten. Er stellt fest, daß sich die hermosura 53 Zum Schónheitsbegriff des Conde de Torrepalma vgl. infra, S. 110-113. 54 Vgl. Marín, art. cit., in: BOCES, 10/11 (1983), S. 74 und 79. 55 Vgl. ibid., S. 631: "la belleza, y buen gusto de la pintura", bzw. ibid., S. 632: "la belleza, y buen gusto, que requiere la Pintura". 56 Ibid., S. 636. 57 Ibid. 58 Ibid., S. 630.
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in der Malerei vom landläufigen Gebrauch unterscheidet und definiert sie als "un cierto armonioso atractivo, que suspende, y arrebata a el mismo tiempo la atención de quien la mira" 59 . Er vergleicht die gracia mit einer harmonischen, wohlabgestimmten Musik und sieht gerade in der Mäßigung der verwendeten künstlerischen Mittel ein besonderes Charakteristikum. Im Unterschied zum ersten Band beschreibt Palomino vor allem die Wirkung, die die Schönheit auf den Betrachter ausübt. Sie versetzt ihn in eine Art Ekstase, die ihn derart gefangen nimmt, daß er lange Zeit in stiller Kontemplation verharrt. Der Betrachter äußert nach diesem außergewöhnlichen Erlebnis eher seine Bewunderung, als daß er sich mit bloßen Lobesbekundungen begnügt 60 . Der von Palomino beschriebene ekstatische Zustand ähnelt der mystischen Verzückung 61 . Palomino zählt einige Eigenschaften auf, die das schöne Gemälde besitzen muß. Das Licht soll so gemalt werden, daß es hauptsächlich im Zentrum der dargestellten Szene mit höchstem Glanz und Farbschönheit erstrahlt. Die Konturen sollen verwischen und eher unscharf bleiben. Das Zusammentreffen zweier gleicher Farben, das Palomino mit dem unisono in der Musik vergleicht, soll vermieden werden. Die Farbabtönung soll nicht strahlend hell, sondern eher zurückhaltend sein. Palomino konstatiert des weiteren, es obliege der "discreción del artista"62, die Farben richtig auszuwählen und anzuordnen. Vor allem in der Farbnuancierung bestehe der buen gusto: "[...] el buen gusto es el que todo lo sazona" 63 . Das Vorbild für die Farbgestaltung stellt die Natur mit dem Regenbogen bereit. Palomino beendet seine Ausführungen über die Schönheit, indem er von der gracia, die er hier erstmals als Synonym zu hermosura und belleza nennt, eine weitere Definition angibt. Diese entspricht grundsätzlich derjenigen des ersten Bandes sowohl hinsichtlich des Prinzips der Auswahl des Schönsten aus der Natur, das hier allerdings nur in groben Umrissen skizziert und um den Aspekt der Vollkommenheit erweitert wird, als auch hin59 Ibid. 60 Vgl. ibid., S. 631: "[...] sucede en semejantes casos, quedarse como absorto, y enajenado de sí el sujeto, sin articular palabra en un gran rato, hasta que reparado ya de aquel éxtasis, prorrumpe más en afectos de admiración, que en hipérboles de alabanza". 61 Deutlich wird hier der Einfluß der theologischen und mystischen Schriften des Siglo de Oro, mit denen sich Palomino beschäftigt hat. Vgl. León Tello/Sanz Sanz, op. cit. 1979, S. 39-40. 62 Palomino, ed. cit. 1947, S. 631. 63 Ibid., S. 632.
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sichtlich der grundsätzlichen Unterscheidung von Natur und Kunstwerk. Palomino bestimmt "la Venus, gracia, y belleza de la Pintura" als "[...] una cierta amabilidad atractiva, que resulta de la puntual observancia, y más acertada elección de todas aquellas partes, que la componen. [...] viene a ser la suma perfección, que cada cosa puede tener en su esfera; no c o m o en la Naturaleza son, sino como serían si estuviese en su perfecta integridad" 6 4 .
Die gracia bleibt letztlich eben deshalb unerklärbar, weil sie ein Teil der göttlichen Gnade ist65. Problematisch an Palominos Theorie der gracia ist die Begriffsvielfalt. Einerseits ist die gracia eine besondere Art von Schönheit, andererseits setzt Palomino sie mit der Schönheit im allgemeinen und mit dem guten Geschmack gleich. 3.2 Fray Benito Jerónimo Feijoo y Montenegro Eine der bedeutendsten Abhandlungen über den no sé qué im 18. Jahrhundert ist Feijoos El no sé qué im sechsten Band des Teatro crítico universal von 173466. Während Palominos Abhandlung nur wenigen speziell an der Malerei Interessierten bekannt geworden sein dürfte, hat Feijoos Essay aufgrund seiner weiten Verbreitung entscheidend zur Wiederbelebung des Topos no sé qué im 18. Jahrhundert in Spanien beigetragen. Feijoo hat sich schon mehrere Jahre vor Erscheinen seines Essays in einigen Discursos des Teatro crítico universal mit dem no sé qué auseinandergesetzt, und auch nach 1734 greift er das Thema mehrmals wieder auf. Diese Kontinuität
64 Ibid., S. 636. 65 Die Doppelbedeutung von gracia als Gnade und als Schönheit findet sich auch bei Calderón. Vgl. Bauer, op. cit. 1969, S. 52, Anm. 149, und S. 79-80. 66 Vgl. Feijoo, ed. cit., 1. Bd., 1924 (= BAE, 56), S. 349-353. - Vgl. Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 106-111; Montero Díaz, op. cit. 1932, S. 29-34; Köhler, art. cit. 1955/56 (vgl. Rez. von Alberto Porqueras Mayo, in: RFE, 4 3 [1960], S. 500-501), wiederaufg. in: id.: Esprit und arkadische Freiheit, Frankfurt a.M. u.a. 1966, S. 328-352; Borghini, op. cit. 1958, S. 14-20; Samonä, Carmelo: "I concetti di gusto e di no sé qué nel padre Feijoo e la poética del Muratori", in: Giornale Storico della Letteratura Italiana, 141 (1964), S. 117-124; Krömer, op. cit. 1968, S. 61-64; Navarro de Adriaensens, art. cit. 1970; Sebold, Russell P.: El rapto de la mente. Poética y poesía dieciochescas, Madrid 1970, S. 47-48; Rudat, op. cit. 1971, S. 136-142; Stiffoni, Giovanni: "Introducción biográfica y crítica", in: id. (Hrsg.): Feijoo: Teatro crítico universal o Discursos varios en todo género de materias, para desengaño de errores comunes, Madrid 1986, S. 9-77, hier S. 60-61; Valero, José A.: "Las ideas estéticas de Feijoo", in: Ideologies & Literature. Journal of Hispanic and Lusophone Discourse Analysis, 3, 2 (1988), S. 63-113, hier S. 91-98.
185 deutet nicht zuletzt auf die immense Bedeutung hin, die dieses Konzept für seine ästhetische Reflexion hatte. Daß Feijoo die Wendung des nescio quid aus den antiken Quellen kannte, ergibt sich aus dem im ersten Band des Teatro crítico universal von 1726 erschienenen Essay Humilde y alta fortuna. Daß Menschen in unwirtlichen Gegenden wohnen bleiben, selbst wenn sie die Möglichkeit haben, in ein Gebiet mit angenehmerem Klima umzuziehen, erklärt Feijoo mit der "grande variedad que hay en genios y temperamentos de los hombres" 67 , wohingegen er "el amor platónico de la patria" 68 als Grund ablehnt. Feijoo schreibt über Ovid, der sich darüber wundert, daß die gewaltsam nach Rom gebrachten Skythen jede Gelegenheit nutzen, in ihre angestammte Heimat zurückzukehren: "[...] atribuye esto a una dulzura oculta (que él mismo, con tener tan buenas explicaderas, no acierta a explicar), o como facultad simpática y virtud magnética, con que atrae a cada uno su porpia patria; y así lo deja en un no sé qué. Nescio qua natale solum dulcedine cunctos trabifö et inmemores70 non sinit esse sui. Quid melius Roma? Scythico quidfrigore peius? Huc tarnen ex illa barbarus urbe fugifl Nada de eso es. No consiste en un misterioso hechizo, con que encante a los hombres su propia patria, el dejar los escitas la dulce habitación de Roma, por los hielos de la Escitia [,..]" 72 .
Insofern als Feijoo sich bemüht, dasjenige rational zu erklären, was Ovid als nescio quid bezeichnet, ist die Passage ein Vorgriff auf den Essay El no sé qué. In Música de los Templos im selben Band bedient Feijoo sich des no sé qué zur Beschreibung der besonderen Wirkung, die von einer gesungenen Melodie in kleinen Intervallen ausgeht 73 . In Simpatía y antipatía im dritten Band von 1729 schreibt er über Sympathie und Antipathie der Menschen: 67 Feijoo, ed. cit., 2. Bd., 1961 (= BAE, 141), S. 19-32, hier S. 31. 68 Ibid. 69 Gemeint ist vermutlich trahit, aber recte: ducit. 70 Ibid. irrtümlich "inmmemores". 71 Das Zitat entstammt Ovids Epistulae ex Ponto. Vgl. Ovidius Naso, Publius: Pontiques, hrsg./iibers. von Jacques André, Paris 1977, S. 1 4 ( 1 , 3 , 35-38). 72 Feijoo, ed. cit., 2. Bd., 1961, S. 31. 73 Vgl. Feijoo, ed. cit., 1. Bd., 1924 (= BAE, 56), S. 37-44, hier S. 38: "La experiencia muestra que las mudanzas que hace la voz en el canto, por intervalos menudos, así como tienen en sí un no sé qué de blandura afeminada, no sé qué de lubricidad viciosa, producen también un afecto semejante en los ánimos de los oyentes, imprimiendo en su fantasía ciertas imágenes confusas, que no representan cosa buena".
186 "[...] para la inclinación ó aversión hay unos conciliativos extrínsecos, que luégo dan golpe y ganan la voluntad por el conducto del entendimiento, aún ántes que use de reflexiones el discurso. Un gesto agradable, un modo de mirar dulce y vivo, un despejo noble en el movimiento, la articulación y el metal de la voz, que cuadran al oido, otras mil cosas que están en los hombres á primeras cartas, en un momento pasan por el conducto de los sentidos al entendimiento, el cual aprobándolas por buenas y apreciables, aunque sin hacer reflexión en que las aprueba, se las hace abrazar á la voluntad. Del mismo modo agrada de golpe un sitio delicioso, un edificio bien dispuesto, ántes de examinar reflejamente la proporción de sus partes, y áun á quien no es capaz de examinarla" 74 .
Feijoo benutzt hier nicht den Begriff no sé qué, sondern Graciáns despejo - der in El no sé qué von 1734 übrigens nicht auftaucht - in bezug auf die Bewegung 75 . Feijoo beschreibt Sympathie und Antipathie so wie den no sé qué, nämlich als vorrationales Phänomen, das sich in einer Geste, einem Blick, in Artikulation oder Klang der Stimme, einer bestimmten Bewegung kundtut und das den Willen auf sich zieht, den Verstand gefangen nimmt. Als weitere Beispiele nennt Feijoo einen locus amoenus oder ein wohl angeordnetes Gebäude, die dem Betrachter sogleich gefallen. Feijoo räumt im Schlußsatz die Möglichkeit ein, die besondere Anziehungskraft der genannten Lokalitäten lasse sich im nachhinein durch die Analyse der Proportionen der Teile, aus denen sie bestehen, rational erklären. In Nuevo arte fisionòmico im fünften Band des Teatro crítico universal von 1733 behandelt Feijoo das Problem, inwiefern sich die Seele in der Physiognomie des Menschen manifestiert und welchen Einfluß sie auf den Körper hat bzw. ob der Körper die Seele beeinflussen kann. In diesem Zusammenhang berücksichtigt er auch den no sé qué, ohne allerdings diesen Terminus hier zu verwenden. "[...] los fisionomistas, los cuales, reparando que no pocas veces aquel exterior que a primera vista observamos en una persona, nos deja impresa en la mente cierta imagen o hermosa o desapacible de su espíritu, la cual, aunque confusa, no deja de tener algún influjo respecto del corazón, coligieron que la conformación externa de los miembros del cuerpo era índice de las disposiciones del alma" 76 .
74 Ibid., S. 94-102, hier S. 100. 75 Zu Graciäns Einfluß auf Feijoo vgl. Montero Diaz, op. cit. 1932, S. 12-15. 76 Feijoo, ed. cit., 3. Bd., 1961 (= BAE, 142), S. 163-167, hier S. 163.
187 Feijoo behauptet, daß die Seele zwar Einfluß auf den Körper hat, umgekehrt aber die Seele vom Körper nicht beeinflußt werden kann 77 . Die Seele manifestiert sich in den Bewegungen des Körpers, vor allem aber im Gesicht, und dort vorzugsweise in den Augen 78 - eine These, der in seinem Essay El no sé qué eine grundlegende Bedeutung zur Bestimmung des no sé qué zukommt. 1734, im selben Jahr wie Feijoos El no sé qué, erschien der vierte Band des Diccionario de Autoridades, in dem no sé qué und gracia als Synonyme ausgewiesen werden 79 . Feijoos Abhandlung El no sé qué gliedert sich in zwei Teile, deren erster der ausführlichen Beschreibung des no sé qué, deren zweiter seiner nach rationalen Gesichtspunkten durchgeführten Analyse gewidmet ist. Wie Bouhours und Palomino unterscheidet auch Feijoo naturaleza und arte als zwei getrennte Bereiche, in denen der no sé qué aber gleichermaßen wirksam ist. Feijoo bezeichnet den no sé qué als geheimnisvolle Schönheit ("primor misterioso" 80 ), die zwar vom gusto bzw. sentido wahrgenommen wird, aber den Verstand (entendimiento bzw. razón) irritiert. Feijoo demonstriert Wirkung und Übiquität des no sé qué an insgesamt sechs Beispielen aus unterschiedlichen Bereichen. Das erste Beispiel ist ein Gebäude, von dessen Schönheit man unmittelbar ("al primer golpe" 81 ) eingenommen wird, sobald man es betritt, das zweite ein locus amoenus. Beide Beispiele entsprechen denen in Simpatía y antipatía von 1729. Als drittes Beispiel wählt Feijoo traditionellerweise die besondere Schönheit einer Frau, die er an einer Bäuerin spezifiziert. Als viertes Beispiel dient ihm eine Gesangsstimme, als fünftes der Stil eines Schriftstellers, als sechstes die Malerei. Der gesamte Abschnitt über die Malerei ist deutlich von Palomino beeinflußt, dessen Name nicht genannt wird. Feijoo
77 Vgl. ibid., S. 164: "[...] esta comunicación es diversa en los dos extremos. Es activa del alma al cuerpo, mas no del cuerpo al alma". 78 Vgl. ibid., S. 165: "[...] esta representación natural no puede consistir en otra cosa que en varios, sutiles y delicados movimientos, que de las varias disposiciones del alma resultan al cuerpo, especialmente al rostro, y sobre todo a los ojos. La razón es clara, porque todo lo que percibe la vista en el cuerpo vivo, persevera en el cadáver, exceptuando el movimiento". 79 Vgl. Diccionario de la lengua castellana, op. cit., 4. Bd., 1734, S. 672: "Expressión que se usa como nombre substantivo, y significa alguna gracia ó atractivo particular que se reconoce en las cosas, y no se sabe explicar. Lat. Quid expectabile, inexplicabileque". 80 Feijoo, ed. cit., 1. Bd., 1924 (= BAE, 56), S. 349. 81 Ibid.
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zitiert nicht nur zwei lateinische Autoritäten, die Palomino anführt 82 , er folgt auch dessen Ausführungen über Apelles 83 und übernimmt von ihm was in begrifflich-definitorischer Hinsicht wesentlich ist - die Gleichsetzung von no sé qué, manera, gracia oculta. Wie Bouhours und Palomino stellt Feijoo fest, daß der no sé qué auch in häßlichen Objekten oder Subjekten anzutreffen ist. Einige von ihnen wirken positiv, wenn man in ihnen trotz ihrer Häßlichkeit eine unerklärliche Schönheit entdeckt, andere wirken äußerst negativ, ohne daß man sich die Abneigung, die man ihnen gegenüber empfindet, ohne weiteres rational erklären könnte. Feijoo behauptet, er könne das Phänomen des no sé qué erklären, was bisher noch niemandem gelungen sei. Er untersucht zunächst die Objekte an sich, die den no sé qué besitzen, und unterscheidet einfache Objekte (objetos simples) und zusammengesetzte Objekte (objetos compuestos). Er exemplifiziert diese Unterscheidung an akustischen und visuellen Beispielen: Die Stimme, die einen einzigen Ton hervorbringt, und eine einzelne Farbe sind objetos simples, hingegen die Stimme, die eine Abfolge von mehreren Tönen - also eine Melodie - singt, und die Kombination verschiedener Farben sind objetos compuestos. Hinsichtlich der objetos compuestos stellt er fest, daß sie auch dann Gefallen hervorrufen können, wenn die sie konstituierenden Bestandteile für sich genommen keine besonderen Charakteristika aufweisen. Erst aus den Proportionen und der Zusammenfügung der einzelnen Teile (proporción bzw. coaptación) resultiert ihre besondere Wirkung. Nachdem Feijoo die Objekte an sich untersucht hat, wendet er sich dem wahrnehmenden Subjekt zu und fragt, in welchem Verhältnis es zum Objekt steht. Feijoo stellt fest, daß Wahrnehmungsvermögen bzw. Aufnahmefähigkeit des rezipierenden Subjekts ("el órgano de la potencia" 84 ) in einem ausgewogenen Verhältnis zu den Objekten stehen muß. Feijoo unterschei82 Es handelt sich um ein Zitat aus einem Traktat von Louis de Montjosieu, vermutlich Ludovici Demontiosii Commentarius de sculptura, caelatura, gemmarum scalptura et pictura antiquorum (Antwerpen 1609), und um ein Zitat aus Plinius' Historia naturalis. Vgl. Palomino, ed. cit. 1947, S. 120, Anm. 36 (in Palominos Zitat: "exprimere", in Feijoos: "explicare"); S. 123, Anm. 48, und Feijoo, ed. cit., 1. Bd., 1924, S. 350. 83 Vgl. Palomino, ed. cit. 1947, S. 59 und 123, und Feijoo, ed. cit., 1. Bd., 1924, S. 350. Trotz Feijoos sprachlicher Variierung ist die Vorlage zu erkennen, und insbesondere macht er sich Palominos Deutung zu eigen, Apelles sei trotz seiner die anderen Maler überragenden Begabung bescheiden gewesen. 84 Ibid., S. 350.
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det objekt- und subjektbezogene Verhältnisse. Die objetos simples, die keine objektbezogenen Proportionen aufweisen, stehen in einem einfachen Verhältnis zum Subjekt. Dagegen unterliegen die objetos compuestos einem zweifachen, sowohl objekt- als auch subjektbezogenen Verhältnis, weil erstens die Teile, aus denen sie zusammengesetzt sind, insgesamt in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen müssen und weil zweitens dieses aus mehreren wohlproportionierten Teilen bestehende Objekt in Proportion zum wahrnehmenden Subjekt steht, in einer - wie Feijoo es nennt - "proporcion de aquella proporcion" 85 . Das Objekt kann, selbst wenn es den no sé qué besitzt, nicht allen Subjekten gefallen, sondern nur in demjenigen Subjekt Vergnügen hervorrufen, das hinsichtlich seiner physiologischen Voraussetzung und seiner momentanen Disposition im rechten Verhältnis zu ihm steht86. Feijoo ist der Ansicht, daß sich der Eindruck der Unerklärbarkeit des no sé qué seitens des Subjekts auf zwei Aspekte dieses Phänomens bezieht: Der erste Aspekt läßt sich durch die Frage erfassen, was den no sé qué hervorruft {qué) - er bezieht sich also auf die Beschaffenheit des Objekts der zweite Aspekt durch die Frage, warum er hervorgerufen wird (por qué) - er bezieht sich also auf das Verhältnis des Subjekts zum Objekt. Feijoo exemplifiziert beide Aspekte am Beispiel einer Gesangsstimme, deren no sé qué dem Subjekt Vergnügen bereitet. Das Subjekt fragt erstens, was (qué) ihm an dieser Stimme angenehm ist, und zweitens, warum (por qué) sie ihm gefällt 87 . Auf die erste Frage antwortet Feijoo, der qué der Stimme bestehe entweder in ihrem Klang (sonido de la voz) oder in der besonderen Art, mit der sie gebraucht wird (juego de la voz). Der no sé qué des sonido de la voz ist in ihrem individuellen, einmaligen Wesen ("el ser individual del mismo sonido" 88 ) begründet. Der individuelle Klang der Stimme läßt sich seiner Meinung nach nicht definieren, weil sich jede Indi-
85 Ibid. 86 Vgl. ibid., S. 351: "[...] no hay cosa alguna en el mundo, que sea del gusto de todos; lo cual no puede depender de otra cosa, que de que un mismo objeto tiene proporcion de congruencia respecto del temple, textura ó disposición de los órganos de uno, y desproporción respecto de los de otro". 87 Feijoos Fragen nach qué und por qué sind vermutlich inspiriert von der thomistischen Unterscheidung von id quod est als Frage nach dem, was existiert (ens), und quo est als Frage nach dem Wesensgrund des Seienden. Vgl. Eco, op. cit. 1993, S. 129. 88 Feijoo, ed. cit., 1. Bd., 1924, S. 351.
190 vidualität prinzipiell der Definition entziehe 89 . Der no sé qué des juego de la voz besteht aus insgesamt drei Konstituenten, die sich genau bestimmen lassen: erstens der Mühelosigkeit und Leichtigkeit, mit der die Stimme gebraucht wird, zweitens der Genauigkeit der Intonation, drittens der Art der musikalischen Verzierungen und Fiorituren (gorjeos). Vermieden werden müssen Affektiertheit und Heftigkeit, die den no sé qué zerstören. Auf die zweite Frage nach dem por qué der Stimme antwortet Feijoo, sobald man über die Beschaffenheit des qué Bescheid wisse, sei nur mehr zu klären, ob das Objekt erstens zu den physiologischen Voraussetzungen des Subjekts, zweitens zu der seiner momentanen Disposition im rechten Verhältnis stehe 90 . Feijoo kommt bezüglich der beiden Aspekte qué und por qué zu folgenden allgemeinen Schlußfolgerungen: Das Element des por qué ist bei allen Objekten, den objetos simples ebenso wie den objetos compuestos, stets gleich. Das Element des qué wirkt bei den objetos simples durch seine jeweilige Individualität. Einfache Objekte, die Gefallen hervorrufen, ohne daß ihnen der no sé qué eignet, tun dies, weil sie spezifisch bzw. in ihrer Art typisch sind. Einfache Objekte, denen der no sé qué eignet, gefallen dagegen gerade durch ihre besondere Individualität, durch die sie sich von den in ihrer Art typischen Objekten unterscheiden ("la diferencia individual"91). Doch der no sé qué findet sich in objetos simples nur selten, weit häufiger dagegen in den objetos compuestos. Feijoo geht bei seiner rationalen Erklärung des no sé qué der objetos compuestos zunächst von der These aus, daß nur die Proportion der Teile und ihr Zusammenwirken die "única hermosura de los objetos" 92 konstituiert. Ein Gesicht wird als schön empfunden, das genau bestimmten, vom Menschen festgelegten Proportionen und einer bestimmten Farbgebung entspricht. Weicht ein Gesicht von diesen festgelegten Proportionen ab und erscheint es dem Subjekt dennoch als schön, wird dies von ihm als no sé qué deklariert. Feijoo behauptet, daß auch dieses Gesicht ihm eigene Proportionen besitzt, die sich aber von den üblichen unterscheiden. Demnach bezeichnet der no sé qué eben diejenigen 89 Vgl. ibid.: "Los individuos no son definibles". 90 Vgl. ibid., S. 352: "[...] sabido qué es lo que agrada en el objeto, en el por qué no hay que saber sino que aquello está en la proporción debida, congruente á la facultad perceptiva, ó al temple de su órgano". 91 Ibid. 92 Ibid.
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Proportionen, die nur Gott zu erfassen vermag, nicht aber der Mensch, dem sie aufgrund seiner begrenzten Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeit verborgen bleiben. Die als no sé qué bezeichneten, vom Menschen nicht erfaßbaren Proportionen sind angesichts der denkbaren Möglichkeiten unverhältnismäßig zahlreicher, im Gegensatz zu den wenigen begrenzten Proportionen, die der Mensch erkannt und kodifiziert hat (comunes reglas). Der Architekt, der ein Gebäude gebaut hat, das zwar nicht den normalen Regeln entspricht, das aber dennoch im Betrachter größtes Gefallen hervorruft, hat es dennoch nach Regeln konzipiert, die jedoch von den allgemein gebräuchlichen abweichen als "[...] una regla superior, que existe en su mente, distinta de aquellas comunes, que la escuela enseña" 93 . Die "sublime idea del arquitecto" 94 - Feijoo greift hier mit idea einen Schlüsselbegriff der italienischen Malereitraktate des Manierismus auf 95 - hat eine Symmetrie ersonnen, die der durchschnittlichen widerspricht. Auch in der Musik erkennt Feijoo die Begrenztheit des Regelwerks (sistema de reglas), dessen Unvollkommenheit nur die "compositores de alto numen" 96 erkennen und überwinden können, während die "compositores de clase inferior" 97 ihm verhaftet bleiben und die scheinbaren Regelverstöße heftig kritisieren. Nur überdurchschnittlichen Begabungen ist es vergönnt, dank der göttlichen Inspiration die üblichen Regeln zu überwinden und Kunstwerke zu schaffen, denen der no sé qué eignet 98 .
93 Ibid., S. 353. 94 Ibid. 95 Vgl. Panofsky, op. cit. 1960. 96 Feijoo, ed. cit., 1. Bd., 1924, S. 353. 97 Ibid. 98 Bezüglich Feijoos Auffassung der regia superior macht Sebold auf eine Passage in Alexander Popes (1688-1744) An Essay on Criticism von 1709 aufmerksam, den Feijoo in einer der französischen Übersetzungen (Amsterdam 1717, London 1717, Paris 1730) kennengelernt haben könnte. Vgl. Sebold, op. cit. 1970, S. 47-48, Anm. 25. Tatsächlich lassen sich prinzipielle Gemeinsamkeiten zwischen Pope und Feijoo erkennen. Vgl. The Poems of Alexander Pope, hrsg. von John Butt, London 6 1985, S. 143-168, hier S. 149, V. 148-157: "Some Lucky Licence answers to the full / Th' Intent propos'd, that Licence is a Rule. / Thus Pegasus, a nearer way to take, / May boldly deviate from the common Track. / Great Wits sometimes may gloriously offend, / And rise to Faults true Criticks dare not mend; / From vulgar Bounds with brave Disorder part, / And snatch a Grace beyond the Reach of Art, / Which, without passing thro' the Judgment, gains / The Heart, and all its End at once attains".
192 Den letzten Abschnitt seines Essays widmet Feijoo ausschließlich der Schönheit des menschlichen Gesichts, die ein ganz besonderes no sé qué aufweise. Er vertritt im wesentlichen zwei Thesen: In der Schönheit des Gesichts, vor allem in den Augen, manifestiert sich die Schönheit der Seele". Die Schönheit des Gesichts hängt ab von den Bewegungen der Gesichtszüge, insbesondere von "movimientos y positura de ojos" 100 . Im folgenden werden die Texte untersucht, in denen sich Feijoo nach El no sé qué mit dem no sé qué beschäftigt hat. Einer Cicero-Stelle über die urbanitas, auf die Bouhours in seiner Abhandlung über den je ne sais quoi nur anspielt 101 , ist Feijoo näher nachgegangen, und in Verdadera y falsa urbanidad im siebten Band des Teatro crítico universal von 1736 versucht er, auch für dieses Phänomen eine rationale Erklärung zu geben. "O sea adorno, o arte integrante de la urbanidad, aquella gracia nativa, que sazona dichos y acciones, es cierto que el estudio o arte jamás pueden servirle de suplemento.
[.] Este es aquel adorno que Cicerón llamaba color de la urbanidad, y que instado por Bruto, para que explicase qué cosicosa era ese color, respondió dejándole en el estado de un misterioso no sé qué. Estas son, en el diálogo De claris oratoribus, sus palabras: Et Brutus, quis est, inquit, tándem urbanitatis color? Nescio, inquam; tantum esse quendam scio. Es de mi incumbencia descifrar los nosequés, y no hallo en explicar éste, dificultad alguna. La gracia nativa, o llámese, con la expresión figurada de Cicerón, color de la urbanidad, se compone de muchas cosas. La limpieza de la articulación, el buen sonido y armoniosa flexibilidad de la voz, la decorosa aptitud de el cuerpo, el bien reglado movimiento de la acción, la modestia amable de el gesto y la viveza halagüeña de los ojos, son las partes que constituyen el todo de esta gracia. Ya se ve que todos los expresados son dones de la naturaleza 1 0 2 . El estudio, ni los adquiere, ni los suple" 1 0 3 .
Feijoo vermerkt ausdrücklich, er betrachte es als seine Aufgabe, "los nosequés" - er benutzt hier die ungewöhnliche Pluralform - zu erklären,
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Er verweist in diesem Zusammenhang auf seinen Essay Nuevo arte Vgl. i n f r a , S . 186-187.
fisionömico.
100 Feijoo, ed. cit., 1. Bd., 1924, S. 353. 101 Vgl. Bouhours, ed. cit. 1962, S. 148: "Les pieces delicates en prose & en vers ont j e ne sçay quoy de poli & d'honneste qui en fait presque tout le prix, & qui consiste dans cet air du monde, dans cette teinture d'urbanité que Ciceron ne sçait comment définir". 102 Vor Feijoo bezeichnet Palomino die gracia ebenso als Geschenk der Natur. Vgl. infra, S. 181, Anm. 51. 103 Feijoo, ed. cit., 1. Bd., 1924, S. 388-402, hier S. 392.
193 was ihm keine Schwierigkeiten bereite. Er nennt verschiedene konstitutive Bestandteile des no sé qué bzw. der gracia, die er auch in seinen früheren Schriften aufgeführt hat: Artikulation, Wohlklang und Biegsamkeit der Stimme, die schöne Beschaffenheit des Körpers, die wohlgeordnete Bewegung, die angenehme Bescheidenheit einer Geste, die Lebhaftigkeit der Augen. In Examen filosófico de un suceso peregrino de estos tiempos (Combustión espontánea) im achten Band des Teatro crítico universal von 1739 nimmt Feijoo den Gedanken von El no sé qué wieder auf, daß auch das Häßliche im Subjekt von anziehender Wirkung sein kann, die sogar manchmal größer ist als die eines wohlproportionierten Objekts. "No hay cosa más fea en la naturaleza que los monstruos, ó por mejor decir, los monstruos son la única fealdad que hay en la naturaleza; con todo, su vista agrada por insólita, y se solicita con más ansia ver un monstruo sumamente disforme, que el cuerpo más bien proporcionado" 104 .
In Satisfacción a algunos reparos, propuestos por un Religioso de otra Orden, Amigo del Autor im ersten Band seiner Cartas eruditas y curiosas von 1742 äußert sich Feijoo im nachhinein über seinen Essay El no sé qué105. Er stellt fest, daß das Thema in den verschiedensten Formen behandelt werden kann: in einem scherzhaften Gedicht ebenso wie in einem anspruchsvollen philosophischen Gespräch. Im Rückblick erscheint ihm sein El no sé qué als profunde Abhandlung, in der das Wesen des no sé qué erfaßt wird. Feijoo hat tatsächlich ein Gedicht über den no sé qué verfaßt, eine Romanze in Achtsilbern mit dem Titel Explicación rigurosamente filosófica de lo que es el no sé qué de la hermosura, deren Thesen grundsätzlich mit El no sé qué übereinstimmen 106 . Das Gedicht ist vermutlich nach dem Juni 1742 entstanden 107 . Es beginnt als Lob auf die Schönheit der Amarilis. Der no sé qué befindet sich nicht im einzelnen Element, sondern eignet stets einem Gebilde, das aus mehreren Komponenten besteht. Er geht von der Seele aus, belebt und erleuchtet das Gesicht als Widerschein der Seele.
104 Ibid., S. 451-456, hier S. 451. 105 Vgl. Feijoo, ed. cit., l.Bd., 1765, S. 311-315, hier S. 315. 106 Vgl. Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 110-111; Gamallo y Fierros, Dionisio: "La poesía de Feijoo", in: BBMP, 40 (1964), S. 117-165, hier S. 134141; Arce, Joaquín: La poesía del siglo ilustrado, Madrid 1981, S. 193-194. 107 Zur Datierung vgl. Gamallo Fierros, art. cit. 1964, S. 140.
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"No es el no sé qué una cosa sola; no, que en la violenta confección de aquel hechizo varios ingredientes entran; Lo más es el alma quien vivifica, informa, alienta el rostro, y en él sus luces gratamente reverberan; De suerte que un alma ilustre, bizarra, apacible, excelsa, en la tez la ejecutoria imprime de su nobleza. Aun las buenas intenciones en el semblante campean y es la belleza del alma el alma de la belleza" 108 . D i e Schönheit der S e e l e ist die S e e l e der Schönheit. Ein w i c h t i g e s Charakteristikum ist die besondere Verbindung, die z w i s c h e n den Teilen besteht. "Entra en fin al no sé qué una oportuna y discreta combinación de las partes que componen la belleza" 109 . D i e besondere Schönheit läßt sich nicht durch Proportionen b e m e s s e n , sondern sie wird v o n R e g e l n bestimmt, die allein Gott, nicht aber der M e n s c h zu erkennen vermag. "Señalar medidas fijas a las facciones es necia observación que introdujo la ociosidad indiscreta, porque ninguno hasta ahora ha comprendido las reglas que en la humana arquitectura el arte del cielo observa" 110 . Der no sé qué ist eine Symmetrie, die sich d e m Betrachter aufgrund seiner e i g e n e n unzulänglichen Erkenntnisfähigkeit entzieht.
108 Zit. n. ibid., S. 137. 109 Ibid., S. 139. 110 Ibid., S. 140.
195 "De modo que tal vez ese que por no sé qué celebras, no es más que una simetría que no alcanza tu rudeza" 1 1 1 .
In Defiende el Autor el uso, que hace de algunas voces, ó peregrinas, ó nuevas en el Idioma Castellano, ebenfalls im ersten Band der Cartas eruditas y curiosas von 1742 erschienen, bezeichnet Feijoo den Schönheitsbegriff (hermosura) zusammen mit Angemessenheit und Kraft als Gründe, durch die die Einführung und Verwendung von Neologismen legitimiert werden 112 . Die Auswahl des Schönsten und Kraftvollsten - auf die Sprache überträgt Feijoo hier die Theorien der Malereitraktate über die Auswahl des Schönsten aus der Natur - ist nicht jedem vergönnt, sondern kann nur von besonders Begabten geleistet werden, deren numen especial nicht durch Regeln gelernt werden kann, sondern angeboren ist113. Einen Neologismus Vergils legitimiert Feijoo mit "la libertad Poética" 114 . In Causas de el atraso que se padece en España en orden al las Ciencias Naturales im zweiten Band der Cartas eruditas y curiosas von 1745 beschreibt Feijoo, wie ein französischer Anatom vor ihm und einigen seiner Ordensbrüder in seiner Mönchszelle das Herz eines Schafes seziert und seine Anatomie und Funktionsweise erklärt hat. "Con prolixidad inevitable nos fue mostrando parte por parte todas las visibles que componen aquel todo, explicando juntamente sus usos. Puedo asegurar con verdad, que no solo fue admiración, fue estupor el que produxo en todos nosotros el conocimiento que logramos de tan prodigiosa contextura. Quánta variedad de instrumentos! Qué delicados algunos, y juntamente qué valientes! Quánta variedad de ministerios conspirantes todos al mismo fin! Qué harmonía! Qué combinación tan artificiosa entre todas las partes, y los usos de ellas!" 1 1 5 .
111 Ibid. 112 Vgl. Feijoo, ed. cit., 1. Bd., 1765, S. 316-325, hier S. 322: "Ni es menester, para justificar la introducción de una voz nueva, la falta absoluta de otra, que signifique lo mismo; basta que la nueva tenga, ó mas propriedad, ó mas hermosura, ó mas energía". 113 Vgl. ibid., S. 323: "Pero es á la verdad para muy pocos el inventar voces, ó connaturalizar las Estrangeras. Generalmente la elección de aquellas, que colocadas en el periodo, tienen, ó mas hermosura, ó mas energía, pide numen especial, el qual no se adquiere con preceptos, ó reglas. Es dote puramente natural; y el que no la tuviere, nunca será, ni gran Orador, ni gran Poeta". 114 Ibid. 115 Vgl. ibid., 2. Bd., 1765, S. 241-262, hier S. 246-247.
196
Feijoo weist auf die besonders starke Wirkung hin, die die Demonstration auf die Betrachter ausgeübt hat, und bedient sich zur Darstellung der Sezierarbeit am Tierherzen genau der Begriffe, die traditionellerweise zur Beschreibung der Schönheit Verwendung finden: Kriterien wie variedad, die Orientierung aller Teile auf ein gemeinsames Ziel hin oder das kunstvolle Zusammenwirken aller Teile zu einem harmonischen Ganzen. Feijoos Essay El no sé qué und seine übrigen Äußerungen zum no sé qué sind in erheblichem Maße der Tradition verpflichtet. Dies gilt vor allem für den beschreibenden ersten Teil von El no sé qué, und nur im analytischen zweiten Teil bietet er in methodischer Hinsicht Neues, nämlich im Versuch, den no sé qué mit rationalen Mitteln zu erfassen. Feijoo ist geradezu davon besessen, das irrationale Phänomen des no sé qué immer wieder aufs neue rational zu erklären. Er nimmt in seinem Essay El no sé qué zu verschiedenen Positionen der ästhetischen Diskussion vor ihm Stellung, ohne diese explizit zu bezeichnen. Die wichtigsten Inspirationsquellen für Feijoos Beschreibung und Analyse des no sé qué waren die Theorien von Gracián, Bouhours 116 und - wie hier erstmals festgestellt werden konnte Palomino 117 . Porqueras Mayo relativiert insbesondere den Einfluß von Bouhours auf Feijoo durch den Hinweis auf "la autóctona tradición hispana" 118 und schätzt den Einfluß von Gracián, auf den auch Bouhours rekurriert, als höher ein. "No es aventurado creer, por tanto, que al leer Feijoo el Je ne sais quoi de los Entretiens se encontraría con un modo de pensar español vestido 'a la fran116 Daß Feijoo Bouhours' Abhandlung über den je ne sais quoi kannte, steht außer Zweifel. Er besaß in seiner Bibliothek mehrere Werke von Bouhours, eines davon eine 1721 in Paris erschienene Ausgabe von Bouhours 1 Les entretiens d'Ariste et d'Eugène, die heute in der Biblioteca Provincial von Lugo aufbewahrt wird. Vgl. Delpy, Gaspar: Bibliographie des Sources françaises de B. Feijoo, Paris 1936, S. 6-7. Feijoo erwähnt Bouhours mehrmals in seinen Cartas eruditas y curiosas. Vgl. "Responde el Autor a un Tertulio que deseaba saber su dictamen en la question de si en la prenda de el Ingenio exceden unas Naciones a otras", in: ed. cit., 4. Bd., 1765, S. 164-177, hier S. 165; "Que no ven los Ojos sino el Alma; y se estiende esta máxima a las demás sensaciones", in: ibid., S. 406-420, hier S. 412. 117 Samonà nennt irrtümlicherweise Andrés Essai sur le Beau als mögliche Inspirationsquelle für Feijoo. Dies trifft nicht zu, denn der Text ist erst 1741 erschienen, nicht 1711, wie Samonà irrtümlich schreibt (vgl. Samonà, art. cit. 1966, S. 120, Anm. 1). Derselbe chronologische Fehler findet sich in Montero Díaz, op. cit. 1932, S. 10. Haase geht irrtümlich davon aus, Feijoo habe Bouhours' Text als einzige Vorlage für seine Abhandlung benutzt. Vgl. Haase, art. cit. 1956, S. 53. 118 Porqueras Mayo, art. cit. 1965, S. 255.
197 cesa'. A él se superponía su, lógicamente, conocimiento directo de Gracián y el constante uso de la expresión no sé qué en su propio idioma, además de su familiaridad con la fuente originaria latina [...]" 119 .
Mit Gracián stimmt Feijoo darin überein, daß der no sé qué weitgehend angeboren ist und sich weder durch Regeln erfassen läßt noch mittels Regeln erlernbar ist. Gerade Palominos Mangel an begrifflicher Schärfe mag für Feijoo ein nicht geringer Anreiz gewesen sein, sich mit der Klärung des no sé qué und des Geschmacksbegriffs intensiv auseinanderzusetzen. Im Gegensatz zu Palomino unterscheidet Feijoo genau zwischen dem no sé qué als irrationalem Phänomen, der Schönheit, dem Geschmack, und er definiert diese Begriffe in El no sé qué bzw. in Razón del gusto mit beeindruckender Gedankenschärfe 120 . Im Unterschied zu Palomino interessiert sich Feijoo für den no sé qué im allgemeinen, nicht nur in seiner speziellen Funktion in der Malerei, die für Feijoo ein Aspekt unter vielen anderen ist. Wie Palomino bindet Feijoo den no sé qué in einen theologischen Zusammenhang ein. Feijoos Konzept der regla superior, die der Mensch nicht erkennen kann und die einigen hochbegabten Künstlern durch göttliche Inspiration eingegeben wird, entspricht Palominos Auffassung von der gracia, die dem Menschen durch Gottes Gnade (gracia) zuteil wird. Wie Palomino berücksichtigt Feijoo die objekt- und subjektbezogenen Aspekte des no sé qué. Menéndez Pelayos Charakterisierung von Feijoos El no sé qué als Vorgriff auf romantische Strömungen ist von vielen Autoren unkritisch übernommen worden und hat Anlaß zu zahlreichen Fehldeutungen gegeben. "[...] un verdadero manifiesto romántico, a menos que no queramos considerarle como el último eco de otras doctrinas de libertad literaria, generalmente aceptadas en la España del siglo XVII, y recibidas de ella por el P. Feijóo, que heredó de la tradición española mucho más de lo que parece, y mucho más de lo que él confiesa" 121 .
Daß Menéndez Pelayo seine Charakterisierung des Essays als romantisches Manifest dadurch einschränkt, daß er auch die Bindung Feijoos an die spanische Tradition hervorhebt, ist von den meisten Interpreten gewöhnlich unterschlagen worden. Auf die Problematik, den Epochenbegriff der Romantik auf Feijoos Essay anzuwenden, ist mehrfach und zur Genüge
119 Ibid., S. 257. 120 Zu Feijoos Geschmacksbegriff vgl. infra, S. 241-249. 121 Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 106.
198 hingewiesen worden 122 . Tatsächlich erweisen sich diejenigen Elemente, die bei isolierter Betrachtung des Essays als Vorgriff erscheinen, als Rückgriff auf lange zurückreichende Traditionslinien, wenn man sie im größeren Kontext betrachtet. Auch Köhler vermochte sich von der Theorie der Vorwegnahme romantischer Elemente nicht zu lösen und bezeichnete Feijoos El no sé qué als "das erste ästhetische Manifest des romantischen Lebensgefühls" 123 . In Feijoos Theorien über den no sé qué des menschlichen Gesichts erkennt Köhler einen Vorgriff auf Friedrich Schillers (1759-1805) Über Anmut und Würde von 1793124. "Schillers Bestimmung der Anmut als 'bewegliche Schönheit' wird von Feijóo unter Einschränkung auf das menschliche Gesicht vorweggenommen" 1 2 5 .
Köhlers Interpretation von Feijoos Theorien als Vorwegnahme in bezug auf Schiller erscheint im größeren Zusammenhang als Resultat einer verengten, chronologisch verdrehten Sichtweise, da Feijoos Theorie des no sé qué nicht als Vorgriff auf Schiller, sondern sowohl Schillers als auch Feijoos Theorien vielmehr als Rückgriff auf eine in die Renaissance weisende Tradition betrachtet werden müssen, in der bereits lange Zeit vor Feijoo die Vorstellung von der Bewegung als Charakteristikum des no sé qué, die Lokalisierung der höchsten Schönheit in den Augen des Menschen und die Auffassung der Grazie als Ausdruck der - wie Schiller er nennt "schönen Seele" 126 ausgeprägt wurden. Bezüglich Feijoos Theorien läßt sich dies anhand der spanischen Tradition ohne weiteres belegen. Die Vorstellung, daß die gracia als innere Schönheit ihren Sitz in der Seele hat und in den Gesten und Bewegungen des Subjekts als äußere Schönheit in Erscheinung tritt, findet sich in der Exposición del Cantar de los Cantares von 1561/62 des Fray Luis de León 127 . Die Auffassung, daß sich gerade im Glanz der Augen die höchste Schönheit des Menschen als Widerschein der
122 Vgl. Samonä, art. cit. 1964, S. 119; Sebold, op. cit. 1970, S. 47; Stiffoni, in: Feijoo, ed. cit. 1986, S. 61; Arce, op. cit. 1981, S. 188-194; Neriich, Michael: "On Genius, Innovation and Public: The Discurso crítico of Tomás de Erauso y Zavaleta (1750)", in: Godzich, Wlad/Spadaccini, Nicholas (Hrsg.): The Institutionalization of Literature in Spain, Minneapolis 1987, S. 201-227, hier S. 206. 123 Köhler, art. cit. 1955/56, S. 288. 124 Vgl. Schiller, Friedrich: Sämtliche 1975, S. 231-285.
Werke, hrsg. von Jost Perfahl, 5. Bd., Stuttgart
125 Köhler, art. cit. 1955/56, S. 287. 126 Schiller, ed. cit., 5. Bd., 1975, S. 265. 127 Vgl. Luis de León, ed. cit. 1951, S. 86.
199 Schönheit seiner Seele manifestiert, vertritt Fernando de Herrera in seinen Anotaciones von 1580 128 , ebenso Pacheco in seiner Arte de la pintura von 1638129. Auch Juan Rufo in Las seiscientas apotegmas y otras obras en verso von 1596 und Padre Nieremberg in seinem Tratado de la hermosura de Dios von 1641 lokalisieren die gracia eines Subjekts in dessen Augen 130 . Padre Nieremberg und Isaac Cardoso (1615-1680) in seiner Philosophia libera (Venedig 1673) erkennen die gracia vor allem in den Bewegungen und Handlungen des Menschen, während die hermosura im ruhigen Körper zu finden sei 131 . Feijoos El no sé qué ist in Spanien ohne Zweifel ein zentraler Text, aber mit ihm hört die Diskussion über den no sé qué keineswegs auf. In dieser Hinsicht ist Köhlers Aussage "Mit Feijóos Abhandlung gelangt die ästhetische und psychologische Rolle des no sé qué auf ihren Höhepunkt und zugleich an ihr Ende" 132
unzutreffend, denn sie wird durch die zahlreichen nach Feijoos Essay erschienenen Beiträge spanischer Autoren widerlegt.
3.3 Blas Antonio Nasarre y Férriz und Thomás Erauso y Zavaleta Im Prolog zu seiner Ausgabe der Comedias y entremeses de Miguel de Cervantes von 1749 spricht Blas Antonio Nasarre y Férriz den Theaterstücken von Lope de Rueda eine natürliche Schönheit zu, die er als gracia bezeichnet 133 . Wie Palomino und Feijoo vertritt er die These, die gracia sei angeboren, und er weist auf ihre angenehme Wirkung hin, deren Ursachen sich allerdings nicht ohne weiteres entdecken lassen. Thomás Erauso y Zavaleta, Nasarres Gegenspieler in den Auseinandersetzungen über das Theater des Siglo de Oro, verbindet in seinem Discurso Critico von 1750 das Konzept der Nachahmung eng mit dem 128 Vgl. Garcilaso de la Vega y sus comentaristas, ed. cit. 1966, S. 345-346. 129 Vgl. Pacheco, ed. cit. 1990, S. 369-370. 130 Vgl. Rufo, Juan: Las seiscientas apotegmas y otras obras en verso, hrsg. von Alberto Blecua, Madrid 1972, S. 33; Nieremberg, ed. cit., 2. Bd., 1957, S. 362. 131 Vgl. Menéndez Pelayo, op. cit., 2. Bd., 1883/1962, S. 142. 132 Köhler, art. cit. 1955/56, S. 288, Anm. 44. 133 Vgl. Nasarre, Blas de: "Prólogo del que hace imprimir este libro", in: Comedias y entremeses de Miguel de Cervantes, l.Bd., Madrid 1749, unpag.: "El famoso Lope de Rueda imito de algún modo ä Terencio, y ä Plauto; y sus Comedias, y Farsa[s] tienen una nativa gracia, y arte, que deleyta, y no se descubre fácilmente".
200
Schönheitsbegriff. Das Vergnügen, das das Kunstwerk dem Menschen bereitet, wird durch die Nachahmung als eine ihm natürliche Neigung hervorgerufen. Da die Objekte, die nachgeahmt werden, aus der Natur stammen, stellt sich die Frage, was man unter dem Begriff naturaleza zu verstehen habe 134 . Der Verfasser definiert ihn wie folgt: "Es la Naturaleza [...] causa segunda universal de inmensidad de efectos. Es el propio ser, y essencia de las cosas. [...] Su grandeza consiste en su variedad. Su poder es retrato de su Autor" 135 .
Gott ist der Schöpfer der Natur, in ihr manifestiert er sich. Der Mensch kann Gottes Schöpfung nur in begrenztem Maße nachahmen 136 . Hier werden Einflüsse des Schönheitsbegriffs der Mystik und ihrer spezifischen Metaphorik erkennbar, wonach angesichts der Schönheit Gottes die Schönheit des Menschen oder die durch den Menschen hervorgebrachte Schönheit höchst unvollkommen ist. Für Erauso y Zavaleta gibt es keinen Grund, die Nachahmung durch Regeln einzuschränken, denn die Regeln sollen nach der jeweiligen Beschaffenheit des Objekts selbst, das nachgeahmt wird, ausgerichtet sein 137 . Das Subjekt bestimmt, wie es die Nachahmung ausführt. Erauso y Zavaleta demonstriert dies am Beispiel von vier Malern, die dasselbe Sujet nachahmen 138 . Jedes der Bilder fällt zwar anders aus und trägt die subjektiven Züge des jeweiligen Malers, alle vier sind aber trotzdem gelungen und lassen sich als Nachahmung der Vorlage identifizieren. "Es el remedar una cierta gracia de especialissimas circunstancias; porque quien perfectamente la possee, halla de vulto el no sé qué de aquel ä quien remeda. Registra con clarissima inteligencia, todo quanto hay notable en sus operaciones, y aun en sus pensamientos. Suele formar unas demostraciones tan interiormente ajustadas al sugeto, que aunque le copian con la mayor viveza, parece que le desfiguran. [...] el remedar es comercio franco, libre de reglas, exempto de aduanas, y reelevado de sujeción ä leyes, porque es género fantástico en todo aquello, que esfuerza el primor sobre lo que se descubre de la naturaleza" 139 .
134 Vgl. Erauso y Zavaleta, op. cit. 1750, S. 116-118. 135 Ibid., S. 118. 136 Vgl. ibid., S. 119: "Es inimitable la perfección de sus producciones, por mas que los estudios de los hombres han pretendido copiarla semejanzas. Quanto hicieron en su imitación, es sombra, es obscuridad, es noche de su dia". 137 Vgl. ibid.: "Esta obra de contrahacer, ó imitar, no admite mas reglas, que las que comunica el mismo objeto remedado". 138 Vgl. ibid., S. 96. 139 Ibid., S. 96-97.
201 Doña Marcela, die Protagonistin des Discurso Critico, sagt: "[...] no hay por qué sujetar ä leyes la libre acción del remedar, y contrahacer las cosas" 1 4 0 .
Erauso y Zavaleta verknüpft hier die Konzeption des no sé qué mit der Nachahmungstheorie, aber in anderer Weise als Palomino. Nicht alles ist der Nachahmung würdig. Er setzt voraus, daß das Objekt, das nachgeahmt werden soll, bereits die Eigenschaft des no sé qué besitzt. Den antiken Autoren wirft Erauso y Zavaleta vor, daß sie keine der Nachahmung würdigen Sujets gewählt haben 141 . Die besondere Qualität der Nachahmung besteht in der genauen Erfassung und adäquaten Wiedergabe des no sé qué, das nachgeahmt werden soll, im Kunstwerk. Der Künstler überträgt es gleichsam aus der Natur in sein Werk. Die Nachahmung, und darin stimmt Erauso y Zavaleta mit Palomino überein, ist nicht bloß ein genaues Abbilden, sondern eine Veränderung, die der Künstler vornimmt, um mit seinem Kunstwerk die Natur zu übertreffen. Wiederum wählt Erauso y Zavaleta Beispiele aus der Malerei. "Retratan los Pintores, con indispensable puntualidad, todas las facciones de un objeto; y aun, quando es horrible, le buscan la gracia oculta 1 4 2 , que dicen concurre, como el no sé qué, en todas las criaturas" 143 .
Der Maler mildert häßliche Gesichtszüge eines Subjekts in einem Porträt ab. Körperliche Schwächen sollen camoufliert werden 144 . Auch Erauso y Zavaleta wendet die Konzeption des no sé qué auf das Häßliche an. Indem er vom Maler verlangt, er solle "la regla de sacar la gracia"145 in seiner Nachahmung befolgen, schränkt er die vorher proklamierte Freiheit der Regeln in gewisser Weise zwar wieder ein, aber er weist damit dem Künstler den Weg, den er beschreiten soll, um die Natur zu übertreffen 146 .
140 Ibid., S. 111. 141 Vgl. ibid., S. 97-98. 142 In Anlehnung an Palomino benutzt Feijoo die Wendung gracia oculta im Zusammenhang mit der Malerei in El no sé qué. Vgl. infra, S. 179, Anm. 42; S. 188. 143 Erauso y Zavaleta, op. cit. 1750, S. 130. 144 Vgl. ibid., S. 135. 145 Ibid., S. 133. 146 Vgl. ibid., S. 129: "En lo que toca ä la Pintura, siempre obro el Arte con aparentes ventajas ä la Naturaleza: siempre la aposto primores, y la compitió hermosuras. N o huvo retrato, que no excediesse en gala, y ayrosa gentileza, la verdadera gala del vivo original".
202 Erauso y Zavaletas Discurso Critico ist ein Plädoyer für die Freiheit individueller künstlerischer Gestaltung 147 . 3.4 Antonio Ponz Im 1773 erschienenen zweiten Band seiner Viage de España erläutert Antonio Ponz den Begriff gracia, wohingegen er ansonsten den Schönheitsbegriff unreflektiert verwendet. Ponz hält die Definition der Malerei von Roger de Piles (1635-1709) für unzureichend. Dieser habe als Konstituenten der Malerei Komposition, Zeichnung, Farbe und Ausdruck bezeichnet und dabei die "gracia o graciosidad" nicht beachtet, die Ponz für wesentlicher hält als jedes einzelne der von ihm genannten Elemente. Ponz definiert sie als "[...] el arte o habilidad de inspirar a las figuras un aire de dignidad o reposo, de tal manera que parezca pertenecer natural y originariamente a ellas, y no efecto de la habilidad del pintor" 148 .
An anderer Stelle bezeichnet er die gracia als Kombination von "dignidad y tranquilidad" 149 . Die gracia ist eine besondere Form der Schönheit, die dem dargestellten Objekt eignet und seitens des Malers eine spezifische Begabung voraussetzt. Die im Bild dargestellten Figuren ruhen gleichsam in sich selbst und wirken so natürlich und ursprünglich, daß ihre Artifizialität und die besondere Leistung des Künstlers vom Betrachter nicht wahrgenommen werden können 150 . 3.5 Anton Raphael Mengs Mehrmals erörtert Anton Raphael Mengs das Thema der gracia in der Malerei in seinen theoretischen Schriften 151 . In seiner an Antonio Ponz gerichteten Carta von 1776 beschreibt Mengs den estilo gracioso, den Apelles repräsentiert, als einen von fünf Hauptstilen der Malerei. Als Synonym für 147 Vgl. ibid., S. 223: "El Arte ha de franquear ä el hombre medios, y facilidades para la execucion de lo que intenta hacer: y si el mismo Arte le ministra estorvos, y repugnancias ä la acción, no se le llame Arte, llámesele remora, escollo, y pantáno del ingenio". 148 Ponz, ed. cit. 1947, S. 200. 149 Ibid. 150 Ponz bezeichnet die gracia als Charakteristikum Raffaels, dem sie als angeborene Fähigkeit zu eigen gewesen sei, wohingegen sie bei anderen Malern nur ein Produkt des Zufalls ist. 151 Zum Begriff der Grazie (gracia) bei Mengs vgl. Sutter, op. cit. 1968, S. 117-133; León Tello/Sanz Sanz, op. cit. 1980, S. 231-232.
203 gracia nennt Mengs "beneficencia" 152 , nicht den no sé qué, und er unterscheidet die zeitgenössische Bedeutung von der antiken. Für die Zeitgenossen sei die gracia "[...] una especie de afectación que no podría subsistir en la perfecta hermosura sin causarle estorbo, consistiendo en ciertos gestos, acciones y posturas no naturales, sino difíciles y casi violentas, o semejantes a las de los niños, como vemos algunas veces en las obras del mismo Juan Antonio Correggio, y más en las de Parmegianino y de otros que han seguido este rumbo" 153 .
Für die Griechen hingegen war, wie Mengs schreibt, die gracia "[...] un carácter, de que se puede decir que así como la belleza es la idea de la perfección, la gracia es la belleza que tiene por fin dar ideas agradables de los objetos bellos" 154 .
Für die Modernen ist die gracia also etwas Artifizielles, übertrieben Affektiertes, dem durchaus infantile Züge eignen können. Für die Alten hingegen war die gracia eine besondere Form der Schönheit, die nicht wie die belleza - eine Idee der Vollkommenheit ist, sondern in der die Vorstellung des Angenehmen das vom Künstler angestrebte vorrangige Ziel ist. Im Gegensatz zur Carta an Ponz bestimmt er in seiner Carta de Don Antonio Rafael Mengs á un amigo, sobre el principio, progresos y decadencia de las artes del diseño nicht die belleza, sondern die gracia als höchste Vollendung der Malerei 155 . Die gracia wird beschrieben als besondere Begabung des Künstlers. Sie erwächst aus der Sicherheit, mit der der Künstler, der über ein umfassendes, fundiertes Wissen verfügt, mühelos seine praktische und intellektuelle Arbeit ausführt. In Mengs' Lecciones prácticas de Pintura, die sein Herausgeber Azara aus verschiedenen Schriften seines Nachlasses zusammengestellt hat, sind vier von insgesamt zwölf Abschnitten der gracia gewidmet 156 . Mengs stellt fest, daß es kaum möglich sei, den Begriff gracia zu definieren, und er sich deshalb darauf beschränken wolle, ihre Wirkung zu beschreiben. Dennoch bemüht er sich um eine Definition der gracia und grenzt sie ab von belleza, armonía, clarobscuro. 152 "Carta de don Antonio Rafael Mengs [...]", in: Ponz, ed. cit. 1947, S. 568. 153 Ibid., S. 569. 154 Ibid. 155 Über Apelles heißt es: "[...] y entonces vino Apeles, el qual [...] añadió al arte de la Pintura la última perfección, esto es, la Gracia, la qual nace de la seguridad que da la ciencia para obrar, y produce facilidad en el mismo obrar, en pensar, y en darse á entender" (Mengs, ed. cit. 1797, S. 241-274, hier S. 253). 156 Vgl. ibid., S. 327-388, hier S. 378-386.
204 Mengs unterscheidet zunächst drei Konstituenten der Malerei: die Formen (formas), die Farben (colores), das Helldunkel (clarobscuro). Die belleza beruht auf den formas, die armonía auf den colores, die mittels des clarobscuro sichtbar werden. Die gracia besteht nicht in den einzelnen Konstituenten für sich genommen, sondern in der Kombination aller drei, wobei keine einzige fehlen darf, und zu dieser Vereinigung muß - dies ist eine weitere notwendige Bedingung - die Mannigfaltigkeit (variedad) hinzukommen 157 . Die gracia hat einen höheren Rang inne als die belleza, denn diese ist bloß als eine von mehreren Konstituenten ein Teil der gracia. Die gracia ist keine notwendige Bedingung für die belleza, denn diese kann auch ohne die gracia bestehen. Die belleza ist hingegen eine notwendige Voraussetzung für die gracia. Mengs unterscheidet zwei Arten von gracia: die gracia natural y simple und die gracia compuesta158. Erstere kann sich in allen Dingen befinden und grenzt an die Schönheit, letztere resultiert aus der Zusammenfügung aus verschiedenen einzelnen Dingen, von denen ein jedes für sich genommen die gracia natural y simple besitzt. Mengs' Definition impliziert, daß erstere sich zufällig in der Natur findet, unabhängig vom Zutun des Menschen, letztere dagegen künstlich ist, vom Künstler willentlich zusammengefügt. Die gracia compuesta ist also die höchste Form der gracia die Schönheit in ihrer höchsten Vollendung. Die Mannigfaltigkeit (variedad) als Konstituente der gracia verbindet Mengs mit dem Begriff der Neuheit (novedad)'159. Die variedad ruft im Betrachter das Vergnügen der novedad hervor. "[...] es necesario presentar variedad á los ojos; pues con ella se dará al espectador el placer de la novedad, haciéndole olvidar una cosa con otra, quitándole el disgusto que causa la continuación [...]" 16 °.
Im folgenden bestimmt Mengs die gracia der einzelnen Konstituenten der Malerei: gracia del contorno, gracia en el clarobscuro, gracia en la composición. Die gracia del contorno ist die Eleganz (elegancia), die Mengs als "la facilidad unida á la variedad de las formas" 161 beschreibt. In 157 Vgl. ibid., S. 378: "Es cierto que no consiste en los colores, ni en las formas, ni en el Clarobscuro, tomada cada cosa de estas de por sí, sino en todas juntas; pero qualquiera de ellas que falte, no puede haber Gracia. [...] sin las tres cosas referidas no puede haber Gracia en Pintura, y mucho menos sin la variedad". 158 Vgl. ibid., S. 379. 159 Vgl. ibid., S. 379-380. 160 Ibid., S. 377-378. 161 Ibid., S. 380.
205 der belleza ist die Tadellosigkeit (corrección) das Pendant zur elegancia in der gracia. Die elegancia läßt sich durch zwei Eigenschaften charakterisieren: erstens die Vermeidung extremer Formen, zweitens durch ein gewisses Gleichgewicht zwischen konvexen und konkaven Umrissen 162 . Die gracia en el clarobscuro resultiert aus der variedad in Intensität und Flächengröße von Licht und Schatten 163 . Der Maler soll Extreme vermeiden, die Bildgegenstände so gestalten, daß sie mehr oder weniger in einer "perfecta variedad" 164 sichtbar sind, und den "valor de los colores" 165 , nämlich die Angemessenheit in der Wahl der Farben, beachten. Die gracia en la composición betrifft die Unterscheidung von Wesentlichem und Akzessorischem. Die Figuren sollen im Bild entsprechend ihrer inhaltlichen Bedeutung angeordnet werden, unter Wahrung der thematischen Vielfalt 166 . Mengs' Begriff der gracia ist nicht an die Bewegung gebunden. Sein Konzept der variedad ist vielmehr eine statische Qualität: eine beruhigte, in sich ruhende Vielfalt. Mit der variedad als künstlerischem Wert greift Mengs auf einen Schlüsselbegriff der Florentiner Frührenaissance zurück: die varietas, unter der Leon Battista Alberti eine bewußt komponierte, auf eine bestimmte Wirkung hin ausgerichtete Vielfalt versteht 167 . Die gracia verkörpert für Mengs eine ideale Schönheit. Sie ist das höchste Ziel künstlerischen Strebens. Azara bezeichnet die gracia als besondere Form der Schönheit, als "la misma Belleza mas delicada y mas amable" 168 , ohne sie allerdings zu definieren oder sie eingehender zu behandeln. Rejón de Silva beschreibt die gracia in der Malerei in La pintura von 1786, indem er exakt Mengs' in den Lecciones prácticas de Pintura dargelegte Theorie der gracia zusammenfaßt 16 ^
162 Vgl. ibid., S. 381. 163 Vgl. ibid., S. 383. 164 Ibid. 165 Ibid. 166 Vgl. ibid., S. 385: "En qualquier quadro se ha de procurar quanto sea posible introducir toda suerte de edades, de sexós, y de estados, y las diferentes impresiones que las cosas exteriores pueden producir en ellas; pues así se conseguirá la propiedad, y con ella la variedad, la Belleza, y por fin la Gracia". 167 Vgl. Gosebruch, Martin: "Varietà bei Leon Battista Alberti und der wissenschaftliche Renaissancebegriff', in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 20 (1957), S. 229238. 168 Azara, in: Mengs, ed. cit. 1797, S. 72. 169 Vgl. Rejón de Silva, op. cit. 1786, S. 74-75.
206
3.6 Gregorio Mayáns y Sisear Auf die gracia geht auch Gregorio Mayáns y Sisear in seiner Arte d< pintar von 1776 kurz ein. Er erwähnt traditionellerweise Apelles, der sich in "la gracia de sus pinturas" 170 auszeichnete. Mayáns bezeichnet die grœia mit dem Synonym "donosidad" 171 und beschreibt sie folgendermaßen: "En las mejores pinturas, además de la imitación de lo natural, que es la que primeramente se ha de procurar, ai cierta perfeción que excita la vista i estremadamente la deleita, la qual no es repugnante a la naturaleza, sino que s; le sobreañade para acomodarse más al agrado i deleite del que la mira, i est» es lo que llamamos gracia o donosidad"172.
Die gracia ist also eine gewisse Vollkommenheit, die die Nachahmung der Natur ergänzt. Die gracia steht nicht im Widerspruch zur Natir, sondern ist als Verschönerung der Natur eine Zutat, die im Betrachter besonderes Vergnügen hervorruft. Im Gegensatz zu Feijoos Auffassung des no sé qué, das sich sowohl auf zufallige natürliche Gegebenheiten als aich auf künstlerische Phänomene bezieht, liegt für Mayáns die donosura ausschließlich in der Verantwortung des Künstlers und ist abhängig \on seinem Willen und seiner individuellen Geschicklichkeit.
3.7 Die Verbindung des no sé qué mit dem Sublimen - Antorio de Capmany Suris y de Montpalau und Vicente de ios Ríos Die dem griechischen Philosophen Kassios Longinos (um 210-27?) lange Zeit zugeschriebene, aber vermutlich schon im ersten Jahrhundert entstandene Abhandlung über das Erhabene beeinflußte, ausgehend Ton der unter dem Titel Traité du sublime 1674 in Paris erschienenen Übenetzung mit Kommentar von Boileau-Despréaux, im 17. und 18. Jahrhundert die ästhetische Diskussion in Frankreich, vor allem im Zusammenhang nit der Querelle des Anciens et des Modernes113. Erst über hundert Jahre spater als in Frankreich erschien in Spanien die Schrift des Pseudo-Longiios als Übersetzung aus dem Griechischen, unter dem Titel El Sublime de Lionisio
170 Mayäns, ed. cit., 5. Bd., 1986, S. 236. 171 Ibid., S. 237. In der Ausgabe von 1854: "donosura" bzw. "el singular aciero". Vgl. ibid., Anm. 740 und 741. 172 Ibid., S. 237. 173 Zur Diskussion über das Sublime in Frankreich vgl. Knabe, op. cit. 1972 S. 450458.
207 Longino (Madrid 1770), übersetzt von Manuel Pérez Valderrábano 174 . In den siebziger Jahren wurde der Begriff des Sublimen, nicht zuletzt durch die spanische Übersetzung, von einigen Autoren wieder aufgegriffen und mit dem Konzept des no sé qué in Beziehung gebracht. Capmany verbindet in seiner Rhetorik Filosofía de la eloquencia von 1777 die von ihm angestrebte Einfachheit und Natürlichkeit mit Elementen des no sé qué wie Undefinierbarkeit und Unbestimmtheit zum Konzept des Sublimen. "La simplicidad, que es el carácter de la expresión de los afectos, tiene un cierto sublime, que todos conocemos y nadie puede definir: y esto es lo mas precioso de estos discursos, tan poco pulidos y aguzados, y ä un mismo tiempo tan penetrantes. Esta simplicidad, y este sublime se ven y se sienten en estas palabras que decia un padre ä su hijo: Di siempre verdad. A nadie prometas lo que no quieras cumplir: te lo ruego por estos pies que calentaba con mis manos quando estabas en la cuna. ¡Qué recuerdo tan dulce! ¡qué imagen tan tierna!" 1 7 5 .
In seiner Idealvorstellung ist das sublime dem natürlichen, freien Menschen, sogar dem Wilden, zueigen' 7 6 . In der zweiten Auflage von 1812 nennt Capmany im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten, die die genaue Definition des gusto ihm bereitet, auch die gracia des Apelles 177 . Auch die Auffassung vom Sublimen, die Vicente de los Ríos (17321779) in seiner Análisis del Quijote von 1780 vertritt, weist Ähnlichkeiten mit dem no sé qué auf 1 7 8 . Er schreibt, daß die Qualitätsbestimmung eines literarischen Werks gewöhnlich durch den Vergleich mit anderen Texten erfolgt. Da Cervantes' Quijote nicht seinesgleichen hat, ist er ebenso unvergleichlich wie Homers Epen: "En Homero todo es sublime, en Cervantes todo natural" 179 . Indem er sich auf Longinos beruft, entwickelt Vicente
174 Vgl. Nerlich, op. cit. 1964, S. 114-115 und S. 187, Anm. 3. 175 Capmany, op. cit. 1777, S. 28. 176 Vgl. ibid., S. XIII: "El hombre libre es sencillo, claro, y conciso; y hasta en el salvage reluce lo sublime con lo natural". 177 Vgl. Capmany, op. cit. 1812, S. 43-44: "Hay también otra particularidad en las artes de ingenio, y que, á dicho de Apeles, es la principal en la pintura: llamabanla los griegos Agíais, y los latinos la dixeron gratia ó Venus, hablando poéticamente. Aplicábasela aquel famoso artista á sí solo diciendo: que otros habian hallado las demás calidades de la pintura; mas que la gracia, belleza, y ayre él se la habia dado". 178 Vgl. Ríos, Vicente de los: Análisis del Quijote/Fernández de Navarrete, Martín: Vida de Miguel de Cervantes Saavedra, Barcelona 1834, S. 1-106. 179 Ibid., S. 2.
208
de los Ríos eine Theorie des Sublimen, die der traditionellen Konzeption des no sé qué sehr nahe kommt. "[...] la primera y principal virtud, [...] es lo que Longino llama sublime. Este consiste en una cierta fuerza, viveza y novedad singular y estraordinaria, que deleita, admira y suspende, arrebatando la atención de los lectores como á pesar suyo" 1 8 0 .
Er grenzt den Begriff sublime ab von den drei Stilen - dem niederen, mittleren, hohen Stil - und stellt fest, daß mit ihm nicht der estilo sublime gemeint ist. Die Existenz des sublime wird durch seine starke Wirkung auf alle Rezipienten gleichermaßen bewiesen 181 . 3.8 Francisco Martínez In seinem Diccionario manual de Pintura, Escultura, Arquitectura, Grabado von 1788 widmet Francisco Martínez dem Schönheitsbegriff zwar keinen eigenen Eintrag, definiert aber im Artikel Escultura die Begriffe hermosura und gracia und grenzt sie voneinander ab. "La hermosura consiste en una colocacion perfecta relativa á los movimientos que son mas propios; la gracia consiste en la conformidad de estos movimientos con los del alma" 182 .
Martínez definiert Schönheit als Vollkommenheit. Demnach besteht die hermosura in der Bildhauerei in der vollkommenen Darstellung von Bewegungsabläufen, also einer ausschließlich äußerlichen Bewegung, die gracia hingegen in der Übereinstimmung von Bewegungsabläufen und den Regungen der Seele, also der Ausgewogenheit von äußerlicher und innerer Bewegung. Zum Begriff gracia verzeichnet Martínez mehrere Einträge. Zunächst bestimmt er die gracia allgemein entsprechend der Tradition als unerklärli-
180 Ibid., S. 49. 181 Vgl. ibid., S. 50: "Longino asegura que el verdadero sublime es aquel á quien no podemos resistir, cuya impresión es casi eterna en nuestra memoria, y agrada umversalmente á todos. Cuando un grande número de personas de diferente humor, inclinación, edad, profesión y lengua sienten todas igualmente la fuerza de un lugar de cualquier discurso, entonces este juicio y aprobación uniforme de tantas personas, discordes en lo demás, es una prueba indubitable y cierta de que hay en él verdadero sublime". 182 Martínez, op. cit. 1788, S. 160.
209 chen Zauber, der den Blick des Betrachters fesselt 183 . Im vollkommenen Gemälde kann die gracia fehlen, wohingegen sie in einem vorhanden Bild sein kann, das den Regeln nicht entspricht. Die gracia ist angeboren, und wie Ponz führt Martínez als Beispiel Raffael an. Im Hintrag Gracia ó donaire beschreibt Martínez die Bedeutung des Begriffs hinsichtlich einzelner Konstituenten der Malerei (Farbgebung, Zeichnung, Komposition) bzw. hinsichtlich ihres Zusammenwirkens. "Este término en Pintura tiene mucha extensión, pues se aplica al colorido, al diseño, á la composicion, al todo igualmente que á sus partes. Alguna vez significa los tonos brillantes y luminosos, pinceladas grandes, mucho gusto en el diseño, los deslices de los claros y de la sombra, y los vapores que parece que cubren todos los objetos del quadro" 184 .
Ais gracia und donaire werden hervorstechende Besonderheiten eines Gemäldes bezeichnet: hell leuchtende Farbtöne, grob wirkende Pinselstriche, eine charakteristische Gestaltung der Konturen oder des Helldunkels, dunstige Schleier, die die Bildgegenstände zu umhüllen scheinen. Im Eintrag Gracias instantáneas gibt Martínez noch zwei weitere Bedeutungen des Begriffs in der Malerei an. "Los Pintores han llamado asi alguna vez á ciertos rasgos fugitivos, que en lo esencial no son propios del asunto, y que es preciso executar en aquel momento que la naturaleza los presenta. Tales son las pasiones del alma, la impresión que causa la vista de algún espectáculo singular, &c. Puedense llamar también gracias instantáneos aquellos efectos chocantes de la luz, producto de la concurrencia fortuita de las nubes; aquellos fuegos del Cielo, aquellos truenos extraordinarios; un una palabra, toda aquella infinidad de variedades que notan los ojos perspicaces en la naturaleza" 185 .
Demnach sind Gracias instantáneas erstens, bezogen auf die im Gemälde dargestellten Personen, zufällige, flüchtige Momentaufnahmen wie der leidenschaftliche Ausdruck eines ganz bestimmten Augenblicks oder die spontane Reaktion, die durch einen bestimmten Anblick hervorgerufen wird, wobei diese Momentaufnahmen nicht obligatorisch zum Sujet gehören, sondern ihm fakultativ beigefügt sind. Zweitens wird mit Gracias instantáneas ein einmaliges, außergewöhnliches, besonders faszinierendes Naturschauspiel bezeichnet wie der grelle Lichteffekt als Folge einer be183 Vgl. ibid., S. 204: "Es en Pintura aquel todo feliz que comunica á los objetos de un quadro un cierto encanto que atrahe y lisongéa la vista, y que es mas fácil sentirlo, que explicarlo". 184 Ibid., S. 204-205. 185 Ibid., S. 206.
210 stimmten zufälligen Wolkenkonstellation oder die Lichterscheinungen und Blitze eines Unwetters. Martínez schreibt, im allgemeinen seien mit Gracias instantáneas die variedades der Natur gemeint. Im Gegensatz zu Mengs bezieht Martínez den Begriff variedad nicht auf die gracia selbst, sondern auf das dargestellte Objekt. Mit Natur meint er ganz im Sinne der Nachahmungstheorie die schöne Natur 186 . Im Eintrag Manera findet sich auch der Begriff no sé qué, den Martínez mit manera und gusto gleichsetzt 187 . Martínez' allgemeine Definition der gracia ist deutlich von Palomino, Ponz und Mengs beeinflußt. Sie ist konventionell und enthält nichts Neues. Beachtenswert und sehr aufschlußreich dagegen sind - und hierin besteht aus heutiger Sicht der dokumentarische Wert des Diccionario manual - die beiden Einträge Gracia ó donaire und Gracias instantáneas, in denen spezielle, in Martínez' Zeit übliche Bedeutungen von gracia in der Malerei wiedergegeben werden, die sonst nirgends aufgezeichnet und erklärt worden sind. Es läßt sich feststellen, daß das Wort gracia in den achtziger Jahren in den Kreisen der bildenden Künstler ein Modewort mit einem überaus vielfältigen Bedeutungsspektrum war. 3.9 Esteban de Arteaga In seinen Investigaciones filosóficas sobre la Belleza ideal von 1789 behandelt Esteban de Arteaga im Zusammenhang mit der Erklärung der belleza ideal in der Malerei 188 auch die gracia 1 8 9 . Arteaga geht zunächst auf Mengs' Erklärung der gracia ein und wirft diesem vor allem vor, aus Mangel an begrifflicher Eindeutigkeit habe er die gracia mit der elegancia verwechselt. Dennoch ist er sehr beeinflußt von Mengs' Theorie der gracia. Arteaga selbst definiert die gracia des diseño in der Malerei folgendermaßen: "La gracia ideal aplicada al diseño no es más que aquella disposición de formas en los contornos que representa unidas en el más perfecto grado posible la
186 Vgl. den Eintrag Naturaleza
perfecta,
ibid., S. 290.
187 Vgl. ibid., S. 268: "Es un modo de trabajar, un pincél, un gusto, una elección, en fin, un no sé qué, que caracteriza y hace conocer las obras de un Pintor, y alguna vez también las de una escuela entera. [...] Sirvense alguna vez de la palabra gusto en el mismo sentido que manera". 188 Vgl. infra, S. 152-157. 189 Vgl. Arteaga, ed. cit. 1943, S. 82-85.
211
facilidad, la elegancia y la variedad, cuya cumplida unión, siendo muy rara en la naturaleza, no puede conseguirse sino con el ingenio del artífice" 190 .
Die gracia besteht also aus der Verbindung dreier Konstituenten, die allesamt von der besonderen Begabung des Künstlers hervorgebracht werden: der Leichtigkeit (facilidad), der Eleganz (elegancia), der Mannigfaltigkeit (variedad). Arteaga geht von verschiedenen Qualitäten der gracia aus, entsprechend dem Objekt, das vom Künstler nachgeahmt wird. Die gracia einer Tieres besitzt demnach eine prinzipiell andere Qualität als die gracia eines Helden oder einer mythologischen Gottheit. Arteaga vertritt die Ansicht, die gracia sei weit häufiger im weiblichen Körper vorhanden als im männlichen 191 . Während sich die belleza der Frauen dem Betrachter unmittelbar, statisch, unveränderlich präsentiere, sei ihre gracia veränderlich, ständig wechselnd, in fortwährender Bewegung 192 .
4. Ausblick - der no sé qué im 19. Jahrhundert Pedro José Márquez erklärt den no sé qué in Sobre lo Bello en general von 1801 als rationale Gesetzmäßigkeit und stellt dadurch die irrationalen Inhalte des Topos gänzlich in Abrede 193 . Den no sé qué in der Natur begründet er ebenso wie Feijoo damit, daß die Natur stets den Gesetzen ihres Schöpfers gehorche, auch wenn diese für den Menschen nicht auf Anhieb zu erkennen seien. Über den no sé qué in der Kunst behauptet er, selbst die größten Künstler - er führt Cicero und Raffael als Beispiele an - beachteten die Regeln. Ihre besondere Begabung bestehe in der geschickten Auswahl der Regeln, die dergestalt in der Praxis angewendet werden, daß ihre Werke neu wirken. Aus der Vereinigung von elección und novedad resultiere "el mas sublime bello que pueda imaginarse, sea en lo natural, sea en lo artificial" 194 . Márquez rationalisiert den no sé qué nicht nur, sondern reklamiert ihn für eine Theorie, nach der die künstlerische Tätigkeit auf ein
190 Ibid., S. 82-83. 191 Vgl. infra, S. 161-162. 192 Vgl. Arteaga, ed. cit. 1943, S. 84: "[...] la belleza se ofrece toda de un golpe, sin ocultar nada a la imaginación y a la vista, de lo que resulta que su efecto es uniforme y siempre el mismo; pero la gracia, que depende de la facilidad en las actitudes y de la variedad en las formas, produce a cada paso movimientos nuevos que atraen y arrebatan las voluntades". 193 Vgl. Márquez, op. cit. 1801, S. 21-23 [id., ed. cit. 1972, S. 83-85], 194 Ibid., S. 22 [S. 84],
212 bloßes Auswählen innerhalb eines Rahmens von festen Regeln reduziert wird. Trotz Márquez' Bemühungen, den no sé qué im Sinne einer rationalen Regelpoetik zu fixieren, wurde dem Topos gerade im 19. Jahrhundert "una intensificación afectiva"195 zuteil, und die Autoren der Romantik verwendeten ihn zur Wiedergabe der Melancholie, des Diabolischen, Infernalischen, das sich nicht genau bestimmen läßt und Erschrecken, mitunter tiefes Entsetzen, hervorruft. "[...] el romanticismo encontró en el no sé qué una mágica fórmula para expresar la zozobra y vacilación espiritual del momento, con delicados tonos melancólicos (Gil y Carrasco, Bécquer) o con tenebrosas y diabólicas connotaciones (García Gutiérrez, Zorrilla)" l96 .
Im realistischen Roman des 19. Jahrhunderts ist der no sé qué häufig Ausdruck für einen heftigen Wandel der Affekte.
195 Porqueras Mayo, art. cit. 1965, S. 264. 196 Ibid., S. 261.
IV. DIE THEORIE DES GESCHMACKS
1.
Physiologie und Rangordnung der Sinne in Antike und Mittelalter
Die Physiologie der fünf Sinne wurde von vielen Autoren der Spätantike und des Mittelalters behandelt. Die Sinne wurden in einer hierarchischen Rangfolge angeordnet, die unterschiedlich hohen Stufen der Wahrnehmung entsprach. Philo von Alexandria (10/15 v. Chr.-45/50 n. Chr.) unterscheidet fünf Sinne: Gesichtssinn (visus), Gehörsinn (auditus), Geruch (odoratus), Geschmack (gustus), Tastsinn (tactus). Die beiden ersten sind die höheren, die letzten drei die niederen Sinne, die den Menschen fehlleiten können 1 . Der Geschmack, der aus der Mischung des Objekts mit der Feuchtigkeit des Mundes entsteht, ist von den drei niederen Sinne der geringste 2 . Orígenes (185-253/4), dem die Vorstellung von verschiedenen Stufen der Wahrnehmung geläufig war, begründete die Lehre von den inneren oder geistigen Sinnen 3 . Die Wahrnehmung der Außenwelt wird durch die äußeren fünf Sinnesorgane ( s e n s u s exteriores) an die inneren Sinne ( s e n s u s interiores) weitergeleitet und von diesen in einem inneren Erkenntnisvorgang verarbeitet 4 . Für Augustinus ist die Wahrnehmung durch Geruchs- und Geschmackssinn stets eine individuelle, da sich das wahrnehmende Subjekt die Objekte aneignet und sie im Akt der Wahrnehmung verändert, wohingegen die Objekte, die durch die anderen Sinne erfaßt werden, unangetastet bleiben und von allen Menschen in der gleichen Weise perzipiert
1
Vgl. Freudenthal, Max: Die Erkenntnislehre Nachdruck Nendeln 1975, S. 42-63.
Philos von Alexandria,
Berlin 1891,
2
Vgl. ibid., S. 46-47.
3
Vgl. Rahner, Karl: "Le début d'une doctrine des cinq sens spirituels chez Origène", in: Revue d'Ascétique et de Mystique, 13 (1932), S. 113-145.
4
Vgl. Schräder, op. cit. 1969, S. 113-125; Harvey, E. Ruth: The Inward Psychological Theory in the Middle Ages and the Renaissance, London 1975.
Wits.
214 werden können 5 . Für Thomas von Aquin zeigt der physiologische Geschmack lediglich die Anwesenheit eines bestimmten Objekts an. Er dient ebensowenig der Erkenntnis wie Tast- und Geruchssinn. Im Gegensatz zu diesen drei materiellen Sinnen sind nur Sehen und Hören als immaterielle Sinne mit der Erkenntnis eng verbunden. Thomas unterscheidet vier sensus interiores'. sensus communis, phantasia, aestimativa, memoria. Auch für Dante ist der visus der erste aller Sinne, der "Eine klar dominierende Position" 6 in der Divina Commedia einnimmt. Alanus ab Insulis stellt in seinem Anticlaudianus von 1181/83 dar, wie die fünf Sinne als Pferde vor dem Wagen der Prudentia eingespannt sind, den ratio als Wagenlenkerin führt und auf dem die sieben artes liberales Platz genommen haben 7 . Die Sinne werden mit den Elementen in Verbindung gebracht: visus mit dem Feuer, auditus mit der Luft, odoratus mit dem Dunst, gustus mit dem Wasser, tactus mit der Erde. Illustrationen der fünf Sinne lassen sich im Mittelalter relativ selten nachweisen 8 . Schon bei einigen lateinischen Autoren der Antike wie Quintilian und Cicero findet sich die übertragene Bedeutung der Begriffe gustus bzw. sapor9, mit der "eine mehr oberflächliche und nur einen ersten allgemeinen 5
Vgl. Holzapfel, Winfried: Mundus sensibilis. Die Analyse sualität nach dem heiligen Augustinus, Freiburg 1968.
der menschlichen
Sen-
6
Hirdt, Willi: Wie Dante das Jenseits erfährt. Zur Erkenntnistheorie des Dichters der Göttlichen Komödie, Bonn 1989, S. 35-75, hier S. 42, bzw. id.: "Das erkenntnistheoretische Fundament der Divina Commedia", in: Harms, Wolfgang u.a. (Hrsg.): Bildhafte Rede in Mittelalter und früher Neuzeit, Tübingen 1992, S. 249264, hier S. 249.
7
Vgl. Alain de Lille: Anticlaudianus, 114, V. 83-244.
8
In einer Handschrift des Anticlaudianus wird der Geschmack dargestellt durch einen Kopf und eine zu dessen Mund weisende Hand, die die Lippen berührt. In einem anderen Illustrationszyklus zum Anticlaudianus werden die Sinne durch die Elemente wiedergegeben. Vgl. Mütherich, Florentine: "Ein Illustrationszyklus zum Anticlaudianus des Alanus ab Insulis", in: Münchner Jahrbuch der Bildenden Kunst, 2 (1951), S. 73-88; id.: "An Illustration of the Five Sences in Mediaeval Art", in: JWCI, 18 (1955), S. 140-141; Nordenfalk, Carl: "Les Cinq Sens dans l'art du Moyen Age", in: Revue de VArt, 34 (1976), S. 17-28; Meier, Christel: "Die Rezeption des Anticlaudianus Alans von Lille in Textkommentierung und Illustration", in: id./Ruberg, Uwe (Hrsg.): Text und Bild. Aspekte des Zusammenwirkens zweier Künste in Mittelalter und früher Neuzeit, Wiesbaden 1980, S. 408-549.
9
Zum Geschmacksbegriff in der Antike vgl. Schümmer, Franz: "Die Entwicklung des Geschmacksbegriffs in der Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts", in: Archivßr Begriffsgeschichte, 1 (1955), S. 120-141, hier S. 121-122; Klein, Robert: "Giudizio et Gusto dans la théorie de l'art au Cinquecento", in: Rinascimento.
hrsg. von Robert Bossuat, Paris 1955, S. 109-
215 Eindruck vermittelnde Kenntnis eines Sachverhaltes" 10 bezeichnet wurde. Dennoch ist es erstaunlich, daß gerade die am niedrigsten bewerteten Sinne in metaphorischer Bedeutung in der frühen Neuzeit höher bewertet werden. Vor allem der Geschmack wird zum entscheidenden Sinn der ästhetischen Erkenntnis aufgewertet. Auch der Takt entwickelt sich in vergleichbarer Weise.
2.
Die Entwicklung des Geschmacksbegriffs in Spanien vor 1700
2.1 Mittelalter In der mittelalterlichen Literatur Spaniens wird der physiologische Geschmacksbegriff des öfteren thematisiert. Gonzalo de Berceo (um 1195nach 1264) präsentiert die fünf Sinne in seinen im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts entstandenen Milagros de Nuestra Señora als sündige Sinne 11 . Im Tratado de astrologia von 1438/39 wird die traditionelle Hierarchie der körperlichen Sinne vertreten und am Geruchs- und Geschmackssinn exemplifiziert 12 . Die Wörterbücher vom Ende des 15. Jahrhunderts verzeichnen nur die physiologische Bedeutung des Geschmacksbegriffs 13 . Rivista dell'Istituto Nazionale di Studi sul Rinascimento. Seconda Serie, 1 (1961), S. 105-116, hier S. 113; Gabler, Hans-Jürgen: Geschmack und Gesellschaft. Rhetorische und sozialgeschichtliche Aspekte der frühaufklärerischen Geschmackskategorie, Frankfurt a.M./Bern 1982, S. 1-32. 10 Schümmer, art. cit. 1955, S. 122. 11 Vgl. Berceo, Gonzalo de: Obras completas II. Los milagros de Nuestra London 1971, S. 63-64. - Schräder, op. cit. 1969, S. 62-83.
Señora,
12 Die Kriterien für die Ranghöhe eines Sinnesorgans sind seine Eigenschaft (virtud) und seine Lage (lugar). Demnach steht der Geruchssinn über dem Geschmackssinn, weil er ihm überlegen ist in der Fähigkeit, weiter Entferntes zu erfassen, und im Gesicht höher plaziert ist. Die Theorie von der hierarchischen Rangfolge der Sinne je nach ihrem Sitz im Kopf findet sich in einigen arabischen Medizintraktaten. Vgl. Tratado de Astrologia atribuido a Enrique de Villena, ed. cit. 1983, S. 108. 13 Vgl. Palencia, Alfonso de: Universal vocabulario en latín y en romance, 1. Bd., Sevilla 1490, Nachdruck Madrid 1967, unpag.: "[...] se dize del garguero, como el olor se dize délas narizes". In der lateinischen Version wird lediglich der Vergleich aufgeführt: "sicut odor a naribus" (ibid.). - Vgl. Vocabulario Español-Latino por Elio Antonio de Nebrija (Salamanca 1495?), Nachdruck Madrid 1951, unpag.: "Gustar, gusto.as.avi. degusto.as.avi / Gusto, gustatio.onis. gustatus.us. / Gusto como de salva, degustatio.onis". Als Salva wurde insbesondere das Vorkosten der Speisen an der Tafel des Königs bezeichnet, ausgeführt von einem Diener, zum
216
Einer der frühesten Belege für die metaphorische Verwendung des Geschmacksbegriffs auf der Iberischen Halbinsel findet sich bei Ramon Llull14. In seinem 1272 entstandenen Libre de contemplaciö unterscheidet er materielle Speisen (viandes corporals), die vom gustament sensual durch Mund und Rachen aufgenommen werden, von den geistigen Speisen (viandes espirituals), die durch den gustament intellectual in die Seele gelangen 15 . Der Geschmack fungiert im körperlichen wie im geistigen Bereich als notwendige Entscheidungsinstanz, denn die Qualität der Speisen hat direkte Auswirkungen auf das körperliche und seelische Wohlbefinden des Subjekts. Das Geschmacksempfinden ist abhängig von den Lebensumständen und Gewohnheiten des Subjekts. Llull bindet den Geschmackssinn in einen heilsgeschichtlichen Zusammenhang ein. Letztlich erfüllt nur Gott als geistige Nahrung die Seele mit Genugtuung und sättigt sie 16 . In der Vision delectable von Alfonso de la Torre aus den dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts wird die Wahrnehmung des Menschen nicht nur als körperliche, sondern auch als geistige beschrieben. In dem in der Vision delectable dargelegten pädagogischen Programm spielt die Wahrnehmung durch mehrere Sinne bei der Vermittlung des Wissensstoffes eine besondere Bedeutung. Die auditiv erfaßte Unterweisung wird gedoppelt durch ihre Visualisierung im Spiegel der Verdad und auf den Gemälden der Wände der Häuser, in denen die artes liberales wohnen. Entendimiento betrachtet die Abbildungen, die die mündliche Unterweisung der Rhetorik darstellen, "con los oios inferiores" 17 . Die optische Wahrnehmung durch Schutz des Herrschers vor einer eventuellen Vergiftung. Vgl. ibid.: "Salva. degustatio. libamentum.i. / Salva hazer. degusto.as. delibo.as.", und Salva in: Diccionario de la lengua castellana, ed. cit., 6. Bd., 1739, S. 32-33. 14 Ausschließlich unter physiologischen Aspekten beschreibt Llull die fünf Sinne in seinem enzyklopädischen Werk Arbre de ciencia von 1296 im dritten Baum {De l'arbre sensual). Entsprechend der stoischen Tradition fügt er ihnen als sechsten Sinn das Sprechen ( e f f a t u s ) hinzu. Über das Sprechen als sechster Sinn hat Llull 1294 eine Abhandlung in katalanischer Sprache verfaßt, die ins Lateinische übersetzt wurde. Vgl. Llull, ed. cit., l . B d . , 1957, S. 547-1046, hier S. 596-599; Perarnau i Espelt, Josep: "Lo sise seny, lo qual apellam affatus, de Ramon Llull. Ediciö i estudi", in: Arxiu de Textos Catalans Antics, 2 (1983), S. 23-103 (mit Edition des katalanischen Textes); Llinares, Armand/Gondras, Alexandre Jean: "Affatus", in: AHDL, 59 (1984), S. 269-279 (mit Edition des lateinischen Textes). 15 Vgl. Llull, ed. cit., 2. Bd., 1960, S. 85-1269, hier S. 384-386. 16 Vgl. Lange, Klaus: Geistliche hermeneutik, Kiel 1962.
Speise.
Untersuchungen
zur Metaphorik
17 Alfonso de la Torre, ed. cit. 1965, S. 41 [ed. cit. 1926, S. 347],
der
Bibel-
217 den äußeren Gesichtssinn wird also in ein inneres Sehen transponiert. Eindeutig feststellen läßt sich die enge Verbindung von körperlicher und geistiger Wahrnehmung in der Darstellung des sagrado monte. Schon die sechste ars liberalis, die Musik, befindet sich auf dem Gipfel des Berges, nahe dem irdischen Paradies des Wissens. Als das Kind Entendimiento ihre Klänge vernimmt, glaubt es, bereits im "parayso terrenal" 18 angelangt zu sein. Die Musik wirkt nicht nur auf alle Sinne, sondern auch auf das Innere als "refeccion e nodrimiento singular del alma, del corazon, e de los sentidos" 19 . Inmitten des Paradieses steht der "arbol de la vida e de la sciencia del bien e del mal" 20 . Entendimiento ist ob des Anblicks von Verdad und Razön "medio stupido, o pasmado" 21 , gerät also in einen ekstatischen Zustand. Der sagrado monte, der als locus amoenus dargestellt wird, wirkt auf "todos los sentidos" 22 . Die Bäume in diesem Paradiesgarten des Wissens entzücken in gleicher Weise Geschmacks-, Geruchs-, Gesichtssinn, und ihre Früchte verschaffen dem gusto außer körperlichem Genuß auch intellektuellen 23 . Gerade der gusto nimmt eine prominente Stellung ein, wobei die körperliche und geistige Wahrnehmung des Geschmackssinns zu einer untrennbaren Einheit verschmolzen werden 24 . Nach Menendez Pidal soll der Begriff buen gusto in übertragener Bedeutung erstmals von Königin Isabel von Kastilien (1451-1504) verwendet worden sein: zur Bezeichnung der Eigenschaft, die ein Höfling besitzen muß, um geachtet zu werden. 18 Ibid., S. 48 [S. 349], 19 Ibid., S. 49 [S. 349], 20 Ibid., S. 67 [S. 352], 21 Ibid., S. 66 [S. 352: "fuera de sí et cuasi medio atordido ó pasmado"]. 22 Ibid. 23 Vgl. Ibid., S. 67: "Los arboles de aquesta huerta heran tan fructíferos, e tan odoríferos, e tan fermosos e de fructos tan delectables e tan suaues al gusto, que hauia refeccion e delectación a amas las fuerzas jntellectiua e sensitiua" [S. 352, wo es am Schluß des Zitats heißt: "[...] las fuerzas intelectivas"]. - Die Paradiesschilderung zeichnet sich dadurch aus, "[...] als hier das wenig synästhetische Paradies der Genesis mit dem Baum der Erkenntnis und des Lebens gegenwärtig ist, aber von der 'voll-synästhetischen' locus-amoenus-Tradition überlagert wird im sichtlichen Bestreben des Autors, die im AT übergangenen Sinneseindrücke hinzuzufügen [...]" (Schräder, op. cit. 1969, S. 159). 24 Vgl. ibid., S. 159-160: "Das Gustative besitzt - nicht überraschend - eine von der konkret-sensorischen kaum zu trennende geistig-übertragene Bedeutung: die Früchte des irdischen Paradieses sind 'suaves al gusto' und gleichzeitig, ja deshalb, 'delectación' für die 'fuerzas intelectivas'".
218 "Ella [...] solía repetir que 'el que tenía buen gusto llevaba carta de recomendación', dicho donde aparece por primera vez en el idioma esa metáfora del gusto sensual para indicar el sentido de lo oportuno en cada caso, que acierta a dar a las acciones el agrado, el tino y el éxito. Isabel no hacía en su frase sino interpretar el espíritu general del Renacimiento" 2 5 .
Menéndez Pidais Angaben sind problematisch, denn er gibt keine Belegstelle für den Ausspruch der Königin an. Da bisher seine Quelle nicht eruiert werden konnte, sind Zweifel an der Authentizität geboten, die im übrigen schon verschiedentlich geäußert worden sind 26 . Nicht eindeutig ist auch der Kontext des Diktums der Königin: Meint sie moralische oder ästhetische Qualitäten?
2.2 16. Jahrhundert Der physiologische Geschmackssinn wird in der Traktatliteratur des 16. Jahrhunderts häufiger behandelt 27 . Die Unterscheidung zwischen äußeren und inneren Sinnen wird von einigen Autoren eingehender erläutert. Pedro Mexia schreibt in seiner Silva de varia leción von 1540, daß den fünf "sentidos exteriores" fünf "sentidos y potencias interiores" entsprechen, nämlich "el sentido común, la imaginativa, [...] la estimativa, la fantasía, la 25 Menéndez Pidal, Ramón: "La lengua en tiempo de los Reyes Católicos", in: Cuadernos Hispanoamericanos, 13 (1950), S. 9-24, hier S. 19. Erstausgabe u.d.T. "El lenguage del siglo XVI" in: Cruz y Raya, 6 (15. September 1933), S. 9-63; wiederaufg. in id.: La lengua de Cristóbal Colón, Buenos Aires 3 1947, S. 49-87, hier S. 56-57. - Vgl. Buchanan, M.A.: "Bibliographical Notes", in: HR, 4 (1936), S. 283-287, hier S. 286-287. 26 Vgl. Rudat, op. cit. 1971, S. 130-131; Sánchez-Blanco, Francisco: "Die Anfänge der Ästhetik des Geschmacks in der spanischen Renaissance", in: Archiv für Begriffs geschickte, 22 (1978), S. 202-214, hier S. 207, Anm. 13 (wiederaufg. u.d.T. "Los comienzos de una estética del gusto en el Renacimiento español" in: RL, 51. Bd., Nr. 102 [1989], S. 395-409); Pérez Magallón, Jesús: En torno a las ideas literarias de Mayans, Alicante 1991, S. 62: "Aunque no cite la fuente de sus palabras, parece quedar bien documentada por primera vez la aparición de la metáfora, que no tardaría en lexicalizarse, si es que ya entonces no lo estaba". 27 Juan Luis Vives bewertet in De anima et vita (Basel 1538) Tast- und Geschmackssinn als niedrigste Sinne, da die von ihnen bereiteten Genüsse nur von kurzer Dauer sind, wohingegen die Kontemplation dem Menschen dauerhaftes Glück beschert. Vgl. Joannis Ludovici Vivis Valentini Opera omnia, hrsg. von Gregorio Mayáns y Sisear, 3. Bd., Valencia 1782, Nachdruck London 1964, S. 298-520, hier S. 319320, 466. - Juan de Pineda berücksichtigt den gusto in seinen Diálogos familiares de la Agricultura Cristiana von 1578/80 ausschließlich als physiologischen Sinn. Vgl. Pineda, Juan de: Diálogos familiares de la Agricultura Cristiana, hrsg. von Juan Meseguer Fernández, 2. Bd., Madrid 1963 (= BAE, 162), S. 262-263, 475-476.
219 memoria" 28 . Im Gegensatz zu Mexia nennt Alonso López Pinciano in seiner Philosophia antigua poética von 1596 nur vier sensus interiores ("sentido común, imaginación, estimatiua y memoria" 29 ). Sie verarbeiten und ordnen die Wahrnehmungen der fünf sensus exteriores "vista, oydo, olfato, gusto y tacto" 30 . Die äußeren Sinne gehören zum Bereich der Wahrnehmung, die inneren zum Bereich des Denkens. Während die äußeren Sinne der Außenwelt ausgeliefert sind, sind die inneren auch ohne Wahrnehmung der Außenwelt in der Lage, Erkenntnisse zu gewinnen. Den physiologischen gusto definiert López Pinciano als "vna potencia para distinguir los gustos media[n]te el tacto" 31 . Er bedarf der Feuchtigkeit, damit "el sabor de la cosa" 32 mittels des gusto zum sentido común gelangt, der "como Rey" 33 - die Wahrnehmungen differenziert und ordnet. López Pinciano verknüpft die beiden niedrigsten Sinne miteinander, denn der tacto umfaßt auch den "gusto, el qual es vna manera de tacto" 34 . Der physiologische Geschmacksbegriff wird gerne als Vergleich für die Wirkungsweise ganz anderer Bereiche als Speisen und Getränke verwendet. Leone Hebreo vergleicht das Gute und Schlechte, das Schöne und Häßliche in ihrer Wirkung auf die Seele mit der Reaktion des Geschmackssinns auf verschiedene Speisen 35 .
28 "Cómo la imaginación es una de las principíales y más fuertes potencias o sentidos interiores del hombre. Lo mal se prueba por ejemplos verdaderos. Y tráense algunas historias notables dello (Segunda Parte, Capítulo VIII)", in: Mexía, Pedro: Silva de varía leción [sie], Sevilla 1540, 1. Bd., Madrid 1933, S. 313-316, hierS. 313. 29 López Pinciano, ed. cit., 1. Bd., 1973, S. 36. 30 Ibid. 31 Ibid., S. 43. 32 Ibid. 33 Ibid., S. 45. 34 Ibid. 35 In der Übersetzung Diálogos de amor von Garcilaso de la Vega, el Inca, von 1590 lautet die Passage folgendermaßen: "Y así como lo bueno y lo malo semejan en el ánimo a lo dulce y a lo amargo en el gusto, así lo hermoso y no hermoso en el ánimo semejan a lo sabroso, que es lo deleitable en el gusto, y a lo no sabroso. Y lo feo y deforme semejan a lo aborrecible y abominable en el gusto. De donde, así como se halla una cosa dulce, que acerca de todos los sanos es dulce, pero a uno es sabrosa y deleitable y a otro no, así se halla una cosa o persona acerca de todo virtuoso, buena, pero acerca de otro hermosa, tanto que su hermosura le incita a amarla, y a otro no" (Garcilaso de la Vega, el Inca, ed. cit., 1. Bd., 1965 [= BAE, 132], S. 131).
220 2.2.1
Profane Texte
Während Marqués de Santillana den Begriff gusto in seinem 1446 entstandenen Prohemio e carta al condestable de Portugal auf die besondere Wirkung bezieht, die die biblische Dichtung des Moses und David im Subjekt hervorruft 36 , verwendet Juan de Valdés in seinem Diâlogo de la lengua von 1535/36 den gusto in bezug auf seine persönliche Bewertung profaner literarischer Texte. Unter der Bedingung, daß das, was er sagt, nicht unter seinem Namen publik gemacht wird, ist der Dialogpartner Valdés bereit, seinen Freunden unumwunden seine Meinung über einige Werke der spanischen Literatur mitzuteilen. Abgesehen davon, daß der Autor Valdés dem Leser seines Dialogtraktats mit der Attitüde der Zuflucht in die Anonymität und der diskreten Geheimhaltung seiner privaten Äußerungen suggeriert, er sei Zeuge eines vermeintlich privaten Gesprächs, so ist doch die Zurückhaltung auffällig, die er hinsichtlich seiner persönlichen Meinung über literarische Werke übt, da diese offensichtlich als heikel angesehen wird und Valdés aus opportunistischen Gründen darum bemüht ist, es sich nicht mit denjenigen zu verderben, die anderer Meinung sind 37 . Da jedes Subjekt das Recht auf seine individuelle Meinung hat, gibt es keinen allgemein verbindlichen Grundkonsens, und die Vielfalt der unterschiedlichen Meinungen ist so groß wie die Anzahl der Individuen. Der gute Geschmack impliziert die Wahrheit. Valdés' Vorliebe früherer Jahre für Ritterromane, in denen die Wahrheit keine Rolle spielt, betrachtet er als verdorbenen Geschmack und bereut, stattdessen die historischen Werke vernachlässigt zu haben, in denen das tatsächlich Geschehene berichtet wird 38 . Im Bereich der Literaturkritik fungiert für Valdés nicht die Vernunft, sondern der subjektive Geschmack als Beurteilungsinstanz 39 . Das ästhetische Urteil darüber, was schön ist, ist ausschließlich individuell 40 . 36 Vgl. Gómez Moreno/Santillana, ed. cit. 1990, S. 53: "E aun por tanto los hebraycos osan afirmar que nosotros no asy bie[n] com[m]o ellos podemos sentyr el gusto de la su dureza". 37 Vgl. Valdés, ed. cit. 1969, S. 160: "Ya sabéis que, assí como los gustos de los hombres son diversos, assí también lo son los juizios, de donde viene que muchas vezes lo que uno aprueva condena otro, y lo que uno condena aprueva otro. Yo, que hago profession de star bien con todo el mundo, no querría sin propósito ofender a otros por complazer a vosotros". 38 Vgl. ibid., S. 169. 39 Im Zusammenhang mit den Werken von Diego de Valera wird gusto als Kriterium für die subjektive Beurteilung eines literarischen Textes herangezogen. Vgl. ibid., S. 173: "Mosén Diego de Valera, el que scrivió la Valeriana, es gran hablistán, y
221 Abgesehen von dem von Menéndez Pidal angegebenen, aber nicht nachgewiesenen Aussprach der Königin Isabel findet sich der bisher älteste nachweisbare Belege für die metaphorische Verwendung des Begriffs buen gusto - als Kombination des Adjektivs bueno mit dem Substantiv gusto in Mexias Silva de varia leción von 1540. Mexía ist die Vorstellung von den sündigen Sinnen geläufig, und er stellt fest, daß der Mensch seinen ursprünglichen Geschmack durch den Sündenfall und den verbotenen Genuß des Apfels der Erkenntnis verloren hat, so daß ihm alles, was ihm nützlich ist, nicht mehr schmeckt. "Está tan dañado el apetito humano, desde que nuestros primeros padres comieron de aquel fruto vedado por Dios, que ninguna cosa que nos ha de hacer provecho, nos hace buen gusto" 4 1 .
Was ihm nützt und was ihm gut tut, beispielsweise die Arbeit, verursacht eben nicht buen gusto. Nichts Großes aber läßt sich ohne Arbeit erreichen, und Mexía behauptet, daß gerade die Arbeit dem Menschen den höchsten Genuß bereitet 42 . Fernando de Herrera benutzt in seinen Anotaciones von 1580 den Ausdruck delicado gusto im Zusammenhang mit der Verwendung der Sprache, als Ursache für eine gekünstelte sprachliche Attitüde und die Abkehr von einfachen, aber treffenden Ausdrücken43. Er plädiert für die Rückbesinnung aunque al parecer lleva buena manera de dezir, para mi gusto no me satisfaze, y téngolo por gran parabolano". 40 Die Entscheidung darüber, was man als "gentil primor" (ibid., S. 80) der spanischen Sprache ansehen müsse, soll jeder einzelne für sich selbst treffen. 41
"En que se contienen muchos loores y excelencias del trabajo, y los bienes que se siguen dél. Y también los daños y males que causa la ociosidad. Es notable capítulo, y moral y provechoso (Primera Parte, Capítulo XXXII)", in: Mexía, ed. cit., 1. Bd., 1933, S. 197-206, hier S. 197.
42 Vgl. ibid., S. 198: "Es cosa cierta que nunca grande cosa se hubo sin trabajo: las cosas que con él se alcanzan dan más gusto". Der gusto beruht in der Entspannung nach getaner Arbeit, und Mexía propagiert ein effektives Wechselspiel von Arbeit und Ausruhen. Vgl. ibid.: "El que nunca cansó ni trabajó, en ningún descanso puede tomar entero gusto". 43 Vgl. Garcilaso de la Vega y sus comentaristas, ed. cit. 1966, S. 316: "Por nuestra ignorancia habernos estrechado los términos extendidos de nuestra lengua, de suerte que ninguna es más corta y menesterosa que ella; siendo la más abundante y rica de todas las que viven ahora. Porque la rudeza y poco entendimiento de muchos la han reducido a extrema pobreza; excusando por delicado gusto, siendo muy ajenos del buen conocimiento, las dicciones puras, propias y elegantes; una vez por ser usadas y comunes, otras por no incurrir en la ambigüedad de la significación, dándole sentido torpe contra razón y contra todo el uso de las demás lenguas".
222 auf den ursprünglichen Reichtum der spanischen Sprache. Der delicado gusto ist der Widerpart zur Vernunft und zum üblichen Sprachgebrauch. Alonso López Pinciano definiert in seiner Philosophia antigua poética von 1596 den Begriff gustos als subjektives Vermögen, die rechte Wahl zu treffen 44 , und behandelt den gusto im übertragenen Sinne im Zusammenhang mit der Frage, wo das Glück des Menschen (felicidad) zu suchen sei. Der Dialogpartner Fadrique führt aus, die antiken Philosophen hätten es je nach ihrer Auffassung einem der folgenden drei Bereiche zugeordnet: "lo vtil", "lo honesto" oder "el deleyte" 45 . Einig seien sie sich gewesen, daß der höchste Wert der gozo sei, doch uneinig, worin gozo bzw. felicidad beständen, ob im Geld (dinero), in der Ehre (honra) oder im Geschmack des Gaumens (gusto del paladar). Obwohl sich die antiken Philosophen nicht über den Sitz des Glücks haben einigen können, so haben alle es doch mit der Tugend (virtud) in Verbindung gebracht, denn ohne sie gibt es nicht "[...] gozo ni aun gusto o deleyte alguno en esta vida" 46 . Der gozo fungiert als Oberbegriff für gusto bzw. gusto del paladar und wird dem deleyte zugeordnet. Die Tugend im Essen besteht beispielsweise in der Mäßigung (templanga), durch die Krankheiten vermieden werden. In diesem Zusammenhang wird der gusto mit der Vernunft (razón) in Beziehung gesetzt 47 . Der gusto ist ein Genuß, der dem Menschen durch das Studium zuteil wird. "El que no sabe de vna cosa, mal puede juzgar della; estudiad letras y sabed gustar dellas, y, en teniendo pan y agua, no estimaréys en vn ardite a todo el thesoro del mundo en comparación del gusto que recibiréys"48.
Der Begriff gusto hat hier eine doppelte Bedeutung im Sinne von Genuß und von rechter Beurteilung. Arbeit, Lektüre, Studium sind mehr 44 Vgl. López Pinciano, ed. cit., 3. Bd., 1973, S. 269: "Gustos son, dixo el P[inciano], pues, si a mí me diera[n] a escoger, bie[n] sé lo q[ue] eligiera". 45 López Pinciano, ed. cit., 1. Bd., 1973, S. 24-25. - Vor López Pinciano unterscheidet Leone Hebreo in seinen Dialoghi d'amore von 1535 diese drei Bereiche, die in der spanischen Übersetzung von Inca Garcilaso de la Vega von 1590 als "tres suertes de bueno: provechoso, deleitable y honesto" (Garcilaso de la Vega, el Inca, ed. cit., 1. Bd., 1965, S. 17) bezeichnet werden, die drei Arten der Liebe entsprechen, wobei dem honesto der Vorrang vor provechoso und deleitable eingeräumt wird (vgl. ibid., S. 26-27). 46 López Pinciano, ed. cit., 1. Bd., 1973, S. 26. 47 Vgl. ibid., S. 28: "A los que han ya entrado este camino [...] agradan las cosas deleytosas a la naturaleza y della recibe[n] el gusto que la razón enseña". 48 Ibid., S. 136.
223 wert als materieller Besitz, denn sie bereiten größeren gozo49. López Pinciano verwendet den Begriff gusto nicht nur in bezug auf das Studium, sondern auch in bezug auf die Dichtung. "[...] el gusto y el sabor de la poesía, allende del metro, está en la imitación verisímil [...]" 5 °.
Der Geschmacksbegriff wird mit dem Mimesisbegriff verbunden. Die Dichtung ruft im Rezipienten nur dann gusto hervor, wenn die Nachahmung der Natur so gelungen ist, daß sie wahrscheinlich wirkt. Das Unmögliche kann den gusto dagegen nicht hervorrufen. Wie López Pinciano bezieht auch Juan Rufo den Geschmack des Subjekts auf die Literatur51. Wie Valdés postuliert er die grundsätzliche Freiheit des subjektiven Geschmacks52. 2.2.2
Theologische und mystische Texte
Seit den vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts läßt sich die metaphorische Verwendung des Geschmacksbegriffs in religiösen Kontexten nachweisen. Der gusto in der mystischen Erfahrung bezeichnet "das Glück, das in der religiösen Erfahrung alle Sinne erfüllt" 53 . Als Folge der ethischen Vollkommenheit erscheint der gusto als Genuß, den man anstreben darf, ohne dabei zu sündigen. Der geistige Zustand der Versenkung in Gott führt zu einer beglückenden Wirkung auf die körperliche Befindlichkeit, denn der Geist wirkt unmittelbar auf die Sinne des Körpers und bewirkt so gleichsam eine geistige Sinnlichkeit. Die religiösen Erlebnisse werden als Sinneserfahrungen geschildert. Das Hohe Lied Salomonis dient als Vorbild für "Geruchs- und Geschmackseindrücke als göttliche Äußerungen" 54 .
49 Vgl. ibid., S. 136-137. 50 Ibid., 3. Bd., S. 248. 51 Im Vorwort Al lector von Las seyscientas apotegmas von 1596 schreibt er: "Pasa los ojos por esa fácil lista, y si en algún número della hallares pliego para ti, tocarte ha sólo hacer memoria dél, y no por eso condenes por inútil todo lo demás, pues será bien posible que lo mismo que cuadra menos a tu gusto sea en propios términos a propósito para otro" (Rufo, ed. cit. 1972, S. 13). 52 Der Vielzahl an individuellen Vorlieben seiner Leser kommt er insofern entgegen, als er es jedem freistellt, dasjenige aus seiner Aphorismensammlung auszuwählen, was seinem jeweiligen gusto entspricht. 53 Sánchez-Blanco, art. cit. 1978, S. 206. 54 Schräder, op. cit. 1969, S. 99.
224 Ignacio de Loyola (1491-1556) verwendet im Diario espiritual den Begriff gusto espiritual im Sinne eines göttlichen Gnadenerweises, der ihm infolge seiner Hingabe an Gott in Gebet und Meditation zuteil wird 55 . Die Wirkung des gusto espiritual in seinem Inneren ist von außerordentlicher Heftigkeit, so daß er in Tränen ausbricht und nichts anderes mehr auszusprechen in der Lage ist als Gottes Namen. Es ist eine tranceartige Entrükkung, die sich nicht rational erklären läßt. In den 1534 fertiggestellten, 1548 endgültig überarbeiteten Ejercicios espirituales schildert Ignacio de Loyola eine Meditation, in der die fünf inneren Sinne der Vorstellungskraft die Qualen der Hölle erleben. Der Geschmackssinn schmeckt Bitterkeit, Tränen, Traurigkeit der Hölle 56 . In einem vom 20. September 1548 aus Rom datierten Brief an Francisco de Borja, Duque de Gandia, schreibt Ignacio, zu den "santísimos dones", auf die der Mensch keinerlei Einfluß hat, die ihm vielmehr ausschließlich von Gott gegeben werden können, gehörten "[...] gozo y reposo espiritual, y iluminaciones divinas, con todos los otros gustos y sentidos espirituales ordenados a los tales dones [...]"57. In der jesuitischen Meditationspraxis, die sich in der Tradition von Ignacio de Loyola herausbildete, wurden alle inneren und äußeren Sinne berücksichtigt, entsprechend dem theologischen Glaubenssatz, daß Gott sich dem Menschen durch die Dinge der Schöpfung, die mit den äußeren Sinne wahrgenommen werden (sensus externus), ebenso mitteilt wie durch die innere Vorstellungskraft und das Gefühl (sensus internus), die mittels der Verarbeitung durch die Vernunft für den Glauben nutzbar gemacht werden können 58 .
55 Der Diario espiritual sind in der Zeit vom 2. Februar 1544 bis zum 27. Februar 1545 entstandene tagebuchartige Eintragungen. Vgl. San Ignacio de Loyola: Obras completas, hrsg. von Ignacio Iparraguirre/Cándido de Dalmases, Madrid '1977, S. 359 und 387. - Calveras, José: Los "cinco sentidos de la imaginación en los Ejercicios de San Ignacio", in: Manresa, 20 (1948), S. 47-70, 125-136; Agero, Ignacio: "A a p l i c a d o de sentidos nos Exercícios de S. Inácio", in: Verbum, 18 (1961), S. 397-415; Schräder, op. cit. 1969, S. 120-121; Sánchez-Blanco, art. cit. 1978, S. 206. 56 Vgl. Ignacio de Loyola, ed. cit. 1977, S. 226. An anderer Stelle präsentiert er nochmals "los cinco sentidos de la imaginación", wobei "oler y gustar" (ibid., S. 236) als Einheit zusammengefaßt werden. 57 Ibid., Nr. 45, S. 750-753, hier S. 753. 58 Vgl. Lundberg, Mabel: Jesuitische Anthropologie zeit des Ordens, Uppsala 1966, S. 161-181.
und Erziehungslehre
in der Früh-
225
Santa Teresa de Jesús beschreibt wie Ignacio de Loyola die gustos, die von Gott gewährt werden, in ihrer in den sechziger Jahren verfaßten Autobiographie Libro de su vida (Salamanca 1588) 59 . "Sola una vez en mi vida me acuerdo pedirle gustos estando con mucha sequedad, y como advertí lo que hacía, quedé tan confusa que la mesma fatiga de verme tan poco humilde me dió lo que me havía atrevido a pedir" 60 .
Gott gibt von sich aus die gustos in Visionen oder Meditationen 61 . Diese "gustos de la gloria" 62 sind wertvoll und köstlich. Santa Teresa definiert sie folgendermaßen: "El gusto y deleite que él da, a mi parecer, es diferente en gran manera; podía él engañar con estos gustos a quien no tuviere u huviere tenido otros de Dios. De veras digo gustos, una recreación suave, fuerte, impresa, deleitosa, quieta [...]" 63 .
Den gustos eignet ein subjektives Moment, was sprachlich in der Wendung "a mi parecer" zum Ausdruck kommt. Juan de la Cruz vergleicht in Subida del Monte Carmelo, zwischen 1582 und 1585 entstanden, im Zusammenhang mit seiner Auslegung des Gedichts En una noche oscura die Nacht als Abwesenheit des Lichts in der Seele mit der Abwesenheit jeglichen Geschmacks, nämlich dem Fehlen des "gusto en el apetito de todas las cosas" bzw. "gusto de todas las cosas" 64 . Der Begriff gusto wird hier als Oberbegriff für die fünf Sinne verwendet. Der gusto ist die Fähigkeit und Bereitschaft der Seele zur Wahrnehmung der äußeren Welt mittels der fünf Sinne. Während Juan de la Cruz mit gusto die Wahrnehmungsbereitschaft und das Wohlbefinden der Seele meint, bezeichnet apetito den Drang zur Erkenntnis mittels der Sinne. Der apetito ist prinzipiell richtungslos, blind, ohne eigene Erkenntniskraft. Er bedarf der Vernunft, die ihn leitet 65 . 59 Vgl. "Vida de Santa Teresa escrita por ella misma", in: Teresa de Jesús, ed. cit., 1. Bd., 1951, S. 587-881. 60 Ibid., S. 645. 61 Vgl. ibid., S. 839: "[...] un gusto y regalo que da Dios en una visión u en un arrobamiento [...]". 62 Ibid., S. 672. 63 Ibid., S. 745. 64 Juan de la Cruz, San: Vida y obras, hrsg. von Lucinio del SS. Sacramento, Madrid 51964, S. 369. 65 Vgl. ibid., S. 380: "Ciega y escurece el apetito al alma, porque el apetito en cuanto apetito ciego es, porque de suyo ningún entendimiento tiene en sí, porque la razón es siempre su mozo de ciego". Die Wahrnehmung durch die körperlichen Sinne ist
226 2.3
17. Jahrhundert
2.3.1
Der Geschmacksbegriff im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts
Die Personifikation der Sinne war ein beliebtes Thema in den comedias des Siglo de Oro 66 . Thematisiert wurde das Vermögen einiger Sinne bzw. die Unfähigkeit anderer, in einer Hostie den Leib des Herrn zu erkennen. Meist gelingt dies nur dem Gehör als dem Eingangstor, durch das die Glaubensbotschaft aufgenommen wird. Der Begriff gusto wurde im 17. Jahrhundert zum Modewort, vorzugsweise in höfischen Kreisen, und der Ausdruck buen gusto setzte sich jetzt erst durch und wurde häufiger gebraucht67. Quevedo zählt die Wendung "En gustos no hay disputa" in seiner Premática que este año de 1600 se ordenó zu den "modos de decir"68, die man am besten nicht in den Mund nimmt, weil sie zu abgegriffen sind. Francisco Terrones del Caño (15511613), Hofprediger König Philipps II., setzt in seiner postum erschienenen Instrucción de predicadores (Granada 1617) buen gusto und buena elección gleich und bezeichnet sie als wichtige Voraussetzung, die der Prediger erfüllen muß 69 . Lope de Vega verwendet den Begriff gusto zusammen mit dem Reimwort justo an drei zentralen Stellen seiner Arte nuevo de hacer comedias en trügerisch und gefahrvoll, wenn sie nicht durch die Vernunft kontrolliert wird, "[...] porque tan ignorante es el sentido corporal de las cosas racionales y aún más (digo) espirituales, como un jumento de las cosas razónales, y aún más" (ibid., S. 413). 66 Vgl. Schräder, op. cit. 1969, S. 74-77. 67 Daß der Begriff buen gusto in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts vorwiegend in höfischen Kreisen verwendet wurde und als gelehrt galt, ergibt sich aus der satirischen Bemerkung eines Protagonisten in dem 1630 entstandenen Theaterstück Galán valiente y discreto von Antonio Mira de Amescua (1574/77-1644). Vgl. Dramáticos contemporáneos a Lope de Vega, 2. Bd., hrsg. von Ramón de Mesonero Romanos, Madrid 1858 (= BAE, 45), S. 23-37, hier S. 29, 3. Sp.: "No hables apriesa ni espacio, / Di valimiento, desaire, / De buen gusto, de buen aire, / Que es lenguaje de palacio". Zu Galán valiente y discreto und zur Datierung vgl. Cotarelo y Mori, Emilio: "Mira de Amescua y su teatro", in: BRAE, 17 (1930), S. 467-505, 611-658; 18 (1931), S. 7-90, hierS. 656-658. 68 Quevedo y Villegas, Francisco de: Obras en prosa, Buendía, Madrid &1979, S. 65-68, hier S. 66.
1. Bd., hrsg. von Felicidad
69 Er verlangt vom Prediger: "Ha de tener [...] buen gusto, o, por otro nombre, buena elección, esto es lo más sustancial [...]" (Terrones del Caño, Francisco: Instrucción de predicadores, hrsg. von Félix G. Olmedo, Madrid 1946, S. 18). Zur buena elección vgl. ibid., S. 56-62.
227 este tiempo von 160870. Zwar hebt Lope de Vega häufig die beiden Schlußverse eines Sinnabschnitts der ansonsten reimlosen Elfsilber durch Endreime markant hervor, aber den drei identischen Paarreimen kommt eine besondere Rolle zu 71 . Sie erfüllen erstens eine inhaltliche Funktion, da sie Hauptthesen des Textes enthalten, zweitens eine strukturierende Funktion, da sie am Anfang, in der Mitte, am Ende des Textes größere Sinnabschnitte beschließen und jeweils eine Schlußsteigerung bewirken, drittens eine expressive Funktion, da sie dem Text, der als mündlicher Vortrag konzipiert ist, einen ironisch-distanzierten Ausdruck verleihen 72 und den Inhalt in Form eines einprägsamen Merkspruchs darbieten. Die erste Stelle beendet den einleitenden Abschnitt des Textes. "Y escriuo por el arte q[ue] inuentaron Los que el vulgär aplauso prete[n]diero[n], Porq[ue], como las paga el vulgo, es justo Hablarle en necio para darle gusto" 73 .
Was justo ist, wird im allgemeinen als Gesetz festgelegt. Da der Dramatiker auf die Gunst des vulgo - des anonymen Theaterpublikums, von dessen Eintrittsgeldern er lebt - angewiesen ist, ist es justo, daß seine comedia dem vulgo Genuß bereitet. Die Erwartungen des Publikums zu erfüllen, wird zum Gesetz für die künstlerische Tätigkeit des Dramatikers. Kein anderer als der vulgo wird zum Gesetzgeber der comedia. Die Begriffe gusto und justo sind Schlüsselwörter in Lopes neuer Poetik der comedia, die an die Stelle der aristotelischen Regeln tritt. Die zweite Stelle inmitten des Textes enthält die Rechtfertigung für den Verstoß gegen eine der Grundregeln des aristotelischen Theaters.
70 Vgl. Rozas, Juan Manuel: Significado y doctrina del "Arte nuevo" de Lope de Vega, Madrid 1976; Orozco Díaz, Emilio: ¿Qué es el "Arte nuevo" de Lope de Vega? Anotación previa a una reconsideración crítica, Salamanca 1978, S. 22-27. 71 Die Reim Wörter gusto und justo stellen an sich keine Besonderheit dar. Schon Pero Guillén de Segovia verzeichnet sie in seinem Reimwörterbuch von 1475 zusammen mit desgusto. Vgl. La Gaya Ciencia de P. Guillén de Segovia, 1. Bd., hrsg. von O.J. Tuulio/J.M. Casas Horns, Madrid 1962, S. 215. 72 Zur ironischen Wirkung der Endreime vgl. Vossler, Karl: Lope de Vega und sein Zeitalter, München 2 1947, S. 121; Orozco Díaz, op. cit. 1978, S. 23-24. 73 Lope de Vega: El arte nuevo de hacer comedias en este tiempo, hrsg. von Juana de José Prades, Madrid 1971, S. 285, V. 45-48.
228 "Porque considerando que la cólera De vn Español sentado no se templa, Si no le representan, en dos horas, Hasta el final jíiycio desde el Génesis, Yo hallo que si allí se ha de dar gusto, Co[n] lo que se consigue es lo más justo" 7 4 .
Die Aufhebung der Einheit der Zeit in der comedia wird mit dem gusto legitimiert, womit wie in der ersten Stelle die Empfindung des Publikums gemeint ist. Die dritte Stelle, vor den lateinischen Schlußversen, beendet den Epilog als ironische Schlußwendung. "Sustento en fin lo q[ue] escriuí, y conozco Que, aunq[ue] fuera[n] mejor de otra manera, No tuuieran el gusto que han tenido; Porque a veces lo q[ue] es co[n]tra lo justo Por la misma razón deleyta el gusto" 75 .
Lope de Vega verkehrt den Sinn des justo ins Gegenteil: Gerade das Verbotene schmeckt besonders gut, und deshalb ist es erlaubt. Der Entwicklung des Geschmacksbegriffs in Spanien gibt Lope de Vega mit seiner weit verbreiteten Arte nuevo de hacer comedias en este tiempo einen entscheidenden Impuls: Der gusto wird aufgewertet als exponierter Schlüsselbegriff des poetologischen Programms der comedia als einer der wichtigsten und lebendigsten Gattungen des Siglo de Oro. Sebastián de Covarrubias y Horozco gibt in seinem Tesoro de la Lengua Castellana o Española von 1611 zum Verb gustar zwei Bedeutungen an: erstens schmecken im physiologischen Sinne, zweitens Gefallen oder Genuß an einer Sache finden, für deren Wahrnehmung eigentlich ein anderer körperlicher Sinn zuständig ist76. Als Beispiel nennt er die Musik. In der 74 Ibid., S. 293, V. 205-210. 75 Ibid., S. 300, V. 372-376. - Außer an den drei zitierten Passagen verwendet Lope de Vega den Geschmacksbegriff an zwei weiteren Stellen. An der ersten Stelle rät er, die Szenen gut zu beenden, damit dem Publikum kein "disgusto" (ibid., S. 297, V. 297) bereitet werde. An der zweiten empfiehlt er sogar, den Geschmack in die Irre zu führen, um ihn um so mehr zu interessieren. Vgl. ibid., V. 302-304. 76 Vgl. Covarrubias, Sebastián de: Tesoro de la Lengua Castellana o Española, según la impresión de 1611, con las adiciones de Benito Remigio Noydens publicadas en la de 1674, hrsg. von Martín de Riquer, Barcelona 1943, S. 153: "Es llevar alguna cosa a la boca, en forma que la lengua y el sentido de gustar perciba el sabor dulce o amargo, etc. [...] También se toma algunas vezes por tener satisfación de una cosa y recrearse en ella, como gustar de la música; sin embargo, que pertenezca al sentido del oydo".
229 zweiten Bedeutung wird nicht nur die Übertragung des gustar auf einen anderen Sinnesbereich zum Ausdruck gebracht, sondern auch der Umstand, daß diese Tätigkeit über das physiologische Wahrnehmen hinaus weitere Funktionen erfüllt, die Vergnügen, Unterhaltung, Erholung des Subjekts betreffen. Daß diese genüßliche, eher lustbetonte Form akustischer Wahrnehmung in moralischer Hinsicht bedenklich sein könnte, bringt Quevedo in einer seiner in den letzten Lebensjahren entstandenen Migajas sentenciosas zum Ausdruck 77 . Covarrubias gibt zum Lemma gusto außer dem physiologischen Geschmackssinn 78 eine übertragene Bedeutung an, die er am Beispiel der Tischsitten illustriert. Demnach hat derjenige gusto, der sich zu benehmen weiß. Wer gegen die Etikette verstößt, ist dagegen "grossero y descortés" 79 . Covarrubias verbindet den gusto mit dem Wissen 80 . Der buen gusto wird hier ganz wörtlich erklärt als Qualität eines Objekts, das gut schmeckt. Im Gegensatz zu Covarrubias verwendet Francisco Cascales den Begriff buen gusto in seinem Dialogtraktat Tablas poétic as von 1617 metaphorisch. Pierio dankt seinem Dialogpartner Castalio am Ende des ersten Tages für die poetologischen Unterweisungen, die er ihm erteilt hat, und Castalio antwortet ihm daraufhin: "Harto interesso yo en satisfazer a tan buen gusto, como el vuestro" 81 . Für Castalio ist buen gusto ein lobenswertes Charakteristikum seines gelehrigen Schülers Pierio: ein auf die Literatur und poetologische Fragestellungen gerichtetes Interesse, das nicht allen Menschen eignet und ihn in besonderer Weise auszeichnet. Der buen gusto als elitäre Eigenschaft steht im Gegensatz zum gusto der ungebildeten Masse. Cascales wendet sich entschieden von der Auffassung des Lope de Vega ab, der gusto des Publikums sei die maßgebliche Urteilsinstanz für den Dichter, was er am Beispiel des glücklichen Ausgangs in einer
77 Vgl. Quevedo, ed. cit., 2. Bd., 1979, S. 1192: "El gusto del oído, muy peligroso y ocasionado a perder muy buenos naturales". Zu den Migajas sentenciosas vgl. Gendreau, Michèle: Héritage et création. Recherches sur l'humanisme de Quevedo, Paris 1977, S. 335 und 349. 78 Vgl. Covarrubias, op. cit. 1943, S. 153: "El sentido con que dicernimos los sabores [...]". 79 Ibid. 80 Unter dem Lemma Sabio heißt es: "Saber una cosa, es tener sabor y gusto, y de allí se dixo sabor y saborearse. Sabroso, lo que tiene buen gusto; desabrido, lo contrario" (ibid., S. 918). 81 Cascales, Francisco: Tablas poéticas, hrsg. von Benito Brancaforte, Madrid 1975, S. 128.
230 Tragödie erläutert82. Nicht die Masse, nur der gelehrte Dichter verfügt über buen gusto. Der buen gusto unterscheidet das Schöne vom Häßlichen, das Wahrscheinliche vom Absurden. 2.3.2
Die Malereitraktate
Daß der Begriff gusto für die spanischen Maler im Laufe des 17. Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung gewann, ergibt sich aus den Malereitraktaten. Entsprechend Covarrubias' zweiter Bedeutung des Verbs gustar überträgt Francisco Pacheco in seiner 1638 fertiggestellten Arte de la pintura den Geschmackssinn noch bloß auf einen anderen körperlichen Sinn, den Gesichtssinn. Er verwendet gusto synonym zu deleite als Vergnügen, das die Malerei im Betrachter hervorruft83. Der gusto seitens des Malers spielt für ihn keine Rolle. Dagegen sind für Jusepe Martínez in seinen Discursos practicables del nobilísimo arte de la pintura von 1675 buen gusto und buena elección, die er als Resultat des buen gusto darstellt, Eigenschaften des Malers 84 . Angestrebt wird in der künstlerischen Ausbildung "el gusto del bien encaminado discípulo"85. Entscheidend ist die Darstellungsweise des Künstlers, so daß selbst kleine Dinge Wert haben, wenn sie von ihm geschmackvoll gestaltet worden sind86. Auch José García 82 Vgl. ibid., S. 192: "Y acabar la tragedia en prosperidad no es de doctos poetas, sino de hombres que miran y tienen respeto al gusto del teatro, y no al oficio del poeta". 83 Vgl. Pacheco, ed. cit. 1990, S. 241-242: "Mas, llegando a tratar de la invención de la pintura y de su fruto, umversalmente, comenzando de la profana, se hallará que es derivada de cuatro principales causas: la una es la necesidad, la otra la utilidad, la tercera el deleite y la última la virtud [...]. Mas ¿qué diremos del deleite y gusto que causa, que pusimos en tercer lugar?". 84 Vgl. Martínez, Jusepe: Discursos practicables del nobilísimo arte de la pintura, hrsg. von Julián Gállego, Barcelona 1950, S. 125-126: "La elección es una gracia que depende de muchas partes y éstas son las que le dan perfección, y han de ser con tanta igualdad, que a ser una a otra aventajada hace disonancia considerable [...] La elección es cierta idea, que forma el hombre, nacida de un buen gusto, por la cual dispone su obra con tal gracia y artificio, que declara por él una cosa no vista, y si en ella acierta con novedad de no ser obrada por aquel camino, tanto más es estimado su trabajo e ingenio". Menéndez Pelayo bemerkt im Zusammenhang mit dieser Passage über den Begriff buen gusto: "Nótese esta expresión, que (como sabemos) se cree de origen español, pero que no aparece en escritos anteriores al siglo XVII" (Menéndez Pelayo, op. cit., 2. Bd„ 1883/1962, S.423, Anm. 1; vgl. ibid., S. 359, Anm. 2). 85 Martínez, ed. cit. 1950, S. 132. 86 Vgl. ibid., S. 140: "Otros se inclinan a hacer en pequeño cosas de bonísimo gusto [...]"•
231 Hidalgo erachtet in seinen Principios para estudiar el nobilísimo y real arte de la pintura von 1693 den gusto des Malers neben seinem handwerklichen Können (manejo) als wesentliche Voraussetzung für seinen Erfolg. Der Geschmack des Künstlers wird durch die Nachahmung der großen spanischen Meister geschult 87 . Außer dem gusto des Künstlers gewinnt auch der gusto der Rezipienten an Bedeutung, denn nur ein Betrachter, der Geschmack besitzt, ist in der Lage, den Geschmack des Künstlers, der sich im Gemälde manifestiert, angemessen zu würdigen. Die Maler von Zaragoza bezeichnen in einem vermutlich 1677 verfaßten Memorial diejenigen als "hombres de buen gusto"88, die die Schönheit ("primores") und die nobilitas der Malerei zu schätzen wissen 89 . Indem die Maler den Geschmacksbegriff auf ihre Kunst anwenden, werten sie diese in erheblichem Maße auf. Auch für diese Strategie war Italien ihr Vorbild 90 . 2.3.3
Baltasar Gracián
Für Gracián spielt die Auseinandersetzung mit dem Geschmacksbegriff eine zentrale Rolle. Der Begriff gusto, oft durch ein attributives Adjektiv spezifiziert, ist eines der Schlüsselwörter in seinem Werk91. Häufig ver87 In der elften Strophe seines Vorworts Al lector aficionado, por el autor de este libro. Octavas heißt es: "Si pretendes en todo el desempeño, / y quedar de la F a m a laureado, / de Velazquez, Murillo, y de Carreño / aprende colorido, y historiado, / para ser del manejo, y gusto dueño; / y assi seras por grande celebrado, / pues estos, y otros muchos Españoles, / fueron de la Pintura claros Soles" (García Hidalgo, José: Principios para estudiar el nobilísimo y real arte de la pintura, Madrid 1965, S. [4] v.). 88 Zit. n. Calvo Serraller, ed. cit. 1981, S. 533. 89 Der Text wurde ohne Angaben von Ort und Jahr anonym gedruckt. Der vollständige Titel lautet Memorial dado por los profesores de la pintura, suplicando sean admitidos a honores como otras artes liberales lo han sido enumerando para ello sus méritos y los testimonios recibidos desde los tiempos más remotos. Vgl. Palomino, ed. cit. 1947, S. 189-190; Lafuente Ferrari, art. cit. 1944, S. 87-90; Calvo Serraller, op. cit. 1981, S. 527-533. 90 Der Erstbeleg für huomini di gusto findet sich in Giulio Mancinis um 1619/21 entstandenen Considerazioni sulla Pittura. Vgl. Klein, art. cit. 1961, S. 115. 91 Zu Graciáns Geschmacksbegriff vgl. Hildebrand, Rudolf: "Geschmack in Anwendung auf das Schöne, zugleich ein Hauptstück innerer Literaturgeschichte", in: Zeitschriftfür den deutschen Unterricht, 6 (1892), S. 665-680; Borinski, Karl: Baltasar Gracián und die Hoflitteratur in Deutschland, Halle 1894, Nachdruck Tübingen 1971, S. 39-52 (Rez. von Arturo Farinelli, in: Zeitschrift für vergleichende Litteraturgeschichte, 9 [1896], S. 379-413); Schümmer, art. cit. 1955; Jansen, op.
232 wendet er auch den Begriff buen gusto. Trotz der eminenten Bedeutung, die der metaphorische Geschmacksbegriff für Gracián hat, betrachtet er im physiologischen Bereich nach wie vor den Gesichtssinn als höchstrangigen Körpersinn 92 . In Primor III von El Héroe von 1637 unterscheidet Gracián juicio und ingenio. "Es el juicio trono 9 3 d e la prudencia, es el ingenio esfera de la agudeza; cúya eminencia y cúya medianía deba preferirse, es pleito ante el tribunal del gusto" 9 4 .
Der juicio ist für die prudencia zuständig, der ingenio für die agudeza. Der individuelle Geschmack fungiert als Urteilsinstanz, welcher von beiden Fähigkeiten der höhere Rang gebührt. Dem Geschmack ist der gesamte Primor V gewidmet, dessen Titel Gusto relevante die Voraussetzung impliziert, daß der Geschmack in seiner Mannigfaltigkeit keineswegs von gleicher Qualität ist, sondern daß sein
cit. 1958, S. 65-73; Rudat, op. cit. 1971, S. 133-134; Strolle, Jon M.: "Gracián and Gusto", in: KRQ, 19 (1972), S. 485-500; Brandt, Reinhard: "Marginalie zur Herkunft des Geschmacksbegriffs in der neuzeitlichen Ästhetik (Baltasar Gracián)", in: Archiv für Geschichte der Philosophie, 60 (1978), S. 168-174; Hidalgo Serna, Emilio: Das ingeniöse Denken bei Baltasar Gracián, München 1985, S. 27-34, 149-174 (vgl. Hinz, Manfred: "Zur Kritik einiger neuerer Publikationen über Baltasar Gracián", in: Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte, 11 [1987], S. 245-264, hier S. 254-264; zum Geschmacksbegriff ibid., S. 256, Anm. 62); Hidalgo Serna, Emilio: "El buen gusto en Gracián. Acepción y destino europeo de una metáfora en cifra", in: Körner, Karl-Hermann/Vitse, Marc (Hrsg.): Las influencias mutuas entre España y Europa a partir del siglo XVI, Wiesbaden 1988, S. 69-78; id.: "Función cognoscitiva, estética y moral del juicio ingenioso (Reflexión sobre el buen gusto graciano)", in: Diálogo Filosófico, 11 (1988), S. 167-177; id.: "Thomasius, König y la raíz del gusto en la Ilustración alemana", in: Mate/Niewöhner, op. cit. 1989, S. 255-265; Werle, op. cit. 1992, S. 82-85. 92 Vgl. "El Criticón", in: Gracián, ed. cit. 1960, S. 515-1011, hier S. 533: "el más noble de los sentidos, que es la vista". 93 Der Begriff trono wird hier als astrologischer Fachterminus für eine bestimmte, günstige Sternenkonstellation verwendet. Im Diccionario de Autoridades findet sich unter dem L e m m a Throno ein Verweis auf den Begriff Carpento, der folgendermaßen definiert wird: "Llaman los Astrólogos aquella dignidád del Planeta, quando se halla en tal lugár, que tiene muchas dignidádes juntas. Llámanla también Throno ü Solio" (Diccionario de la lengua castellana, 2. Bd., op. cit., 1729, S. 191). Vgl. Werle, op. cit. 1992, S. 77, Anm. 26. 94 Gracián, ed. cit. 1960, S. 1-34, hier, S. 9.
233 jeweiliger Wert unterschiedlich beurteilt werden kann 95 . Es stellt sich die Frage nach den Kriterien für eine solche Bewertung. "Hay cultura de gusto, así como de ingenio. Entrambos relevantes son hermanos de un vientre, hijos de la capacidad, heredados por igual en la excelencia. Ingenio sublime nunca crió gusto ratero. Hay perfecciones soles y hay perfecciones luces" 9 6 .
Der ingenio und der gusto stehen miteinander im Zusammenhang. Der ingenio sublime ist die unabdingbare Voraussetzung für den buen gusto des Subjekts. Der gusto relevante ist höherrangig als der gute Geschmack 97 . Die Masse schätzt ausschließlich das, was sie selbst gerade erstrebt. Dies setzt Gracián mit necedad gleich 98 . Die Qualität des gusto bemißt sich nach der "perfección de los objetos"99, auf die er zielt, nicht jedoch nach der Meinung der Menschen über die Objekte 100 . "La admiración es comúnmente sobrescrito de la ignorancia; no nace tanto de la perfección de los objetos, cuanto de la imperfección de los conceptos. Son únicas las perfecciones de primera magnitud; sea, pues, raro el aprecio" 1 0 1 .
Gracián gibt dementsprechend als Maßregel, daß jede Sache nach ihrem inhärenten Wert beurteilt werden soll, unabhängig davon, was die Menschen gerade über sie denken 102 . Er warnt vor dem übermäßigen Lob, bei dem Vorsicht geboten ist, da es den eigentlichen Wert einer Sache verfälscht. Der gusto ist zum einen abhängig von der absoluten Qualität der Objekte, auf die er zielt, zum andern aber auch von der inneren Disposition des Subjekts, seiner jeweiligen Urteilskompetenz, die in einer langen Praxis erworben werden muß.
95 Vgl. ibid., S. 13-14. Eine Kurzfassung findet sich unter demselben Titel im Oráculo manual y arte de prudencia. Vgl. ibid., S. 147-228, hier S. 169, Nr. 65. Gómez Arias de Myesses hat den Text aus El Héroe unter dem Titel Calidad del buen gusto als Plagiat in seine Avisos morales, urbanos y políticos (Madrid 1658) aufgenommen. Vgl. Werle, op. cit. 1992, S. 82, Anm. 37. 96 Gracián, ed. cit. 1960, S. 13. 97 Vgl. ibid.: "Es algo tenerlo bueno, es mucho tenerlo relevante". 98 Vgl. ibid., S. 13: "Tienen muchos por felicidad (de prestado será) gozar de lo que apetecen, condenando a infelices los demás [...]". 99 Ibid. 100 Vgl. Werle, op. cit. 1992, S. 84. 101 Gracián, ed. cit. 1960, S. 13. 102 Vgl. ibid., S. 14: "Merezca cada cosa la estimación por sí, no por sobornos del gusto".
234 "Sólo un gran conocimiento, favorecido de una gran plática 103 , llega a saber los precios de las perfecciones" 104 .
Die Geschmacksbildung erfolgt durch den sozialen Umgang und die Kommunikation des Individuums mit Personen, die über den buen gusto verfügen, wobei es ein außergewöhnliches, eher zufälliges Glück ist, wenn man auf Menschen mit einem erlesenen Geschmack trifft 105 . Die Geschmacksbildung ist also eine Erziehung durch vorbildliche Menschen und eine Unterweisung in höfischen Verhaltensnormen. Der gusto steht in enger Verbindung mit dem Wissen. Die Neugier und das Erstaunen vor dem Neuen bringen den gusto hervor, der zum Wissen führt. In El Criticón von 1651/57 stellt Gracián nicht nur die negativen Aspekte der admiración dar wie in El Héroe, sondern erkennt in ihr auch einen positiven Impetus 106 . Die Welt ist ebenso wandelbar wie die Meinungen der Menschen. Die Lust am Neuen verführt den Menschen dazu, das Bewährte, das in seiner unveränderlichen Qualität weiterbesteht, gering zu achten. Der gusto, der stets auf Neues zielt, wird dadurch geradezu überlistet, daß Bekanntes immer wieder unvoreingenommen betrachtet wird, so als sei es etwas ganz Unbekanntes. "Gran hechizo es el de la novedad, que como todo lo tenemos tan visto, pagámonos de juguetes nuevos, así de la naturaleza como del arte, haciendo vulgares agravios a los antiguos prodigios por conocidos: lo que ayer fué un pasmo, hoy viene a ser desprecio, no porque haya perdido de su perfección, sino de nuestra estimación; no porque se haya mudado, antes porque no, y porque no se nos hace de nuevo. Redimen esta civilidad 10 ^ del gusto los sabios con hacer reflexiones nuevas sobre las perfecciones antiguas, renovando el gusto con la admiración" 108 .
Der Weise wirkt der Bedrohung, ein Opfer der Vulgarität des gusto zu werden, dadurch entgegen, daß er seine Reflexion ständig erneuert. Sein praktisches Wissen des buen gusto, der auf das Konkrete, von den Umstän-
103 Gemeint ist: práctica. 104 Ibid. 105 Vgl. ibid., S. 13: "Péganse los gustos con la comunicación, y es suerte topar con quien le tiene superlativo". 106 Vgl. ibid., S. 531 (Parte I, Crisi III): "[...] si la admiración es hija de la ignorancia, también es madre del gusto. El no admirarse procede del saber en los menos, que en los más, del no advertir". 107 Im Sinne von: vulgaridad. 108 Ibid., S. 531-532.
235 den Abhängige zielt, ist um ständige Anpassung an die sich wandelnden Verhältnisse bemüht. Zur Geschmacksbildung schreibt Gracián in El Discreto von 1646, daß der buen gusto im Gespräch, nicht durch Lektüre von Büchern erworben wird 109 . Der Geschmack ist Welterfahrung und Kenntnis im sozialen Umgang mit den höfischen Menschen, den "oráculos de la curiosidad y maestros desta ciencia del buen gusto" 110 . Die ständige Anpassung an die aktuelle Situation durch Beobachtung der unaufhörlichen Veränderungen zielt darauf ab, den Menschen dazu zu befähigen, mittels des buen gusto der jeweiligen Situation gewachsen zu sein durch die unmittelbar gefällte richtige Entscheidung. Der Geschmack ist ein praktisches Wissen, das sich vom theoretischen grundsätzlich unterscheidet 111 . Jede Sache soll so erfaßt werden, als sei sie neu - in ihrer jeweils aktuellen Singularität 112 . Angesichts der Vielzahl der gustos hält Gracián es für zulässig, daß eine Sache auch dann vollkommen sein kann, wenn sie nicht allen Individuen gefällt 1 ^. Zusammenfassend läßt sich Graciáns Geschmacksbegriff als Handlungsweise charakterisieren, die stets auf die Umstände der jeweiligen Situation abgestimmt sein soll. Sie ist eine der notwendigen Vorbedingungen für erfolgreiches Handeln. Der gusto steht im Spannungsfeld vom absoluten Wert des Objekts und der Urteilskompetenz des Subjekts. Ungeklärt bleibt, wie der inhärente Wert der Objekte bestimmt werden kann.
109 Vgl. "El Discreto", in: Gracián, ed. cit. 1960, S. 71-145, hier S. 90: "Un modo de ciencia es éste que no lo enseñan los libros ni se aprende en las escuelas; cúrsase en los teatros del buen gusto y en el general tan singular de la discreción". - Zur Bedeutung des Gesprächs bei Gracián vgl. Hinz, art. cit. 1991, S. 141-146. 110 Ibid. 111 Im Aphorismus En nada vulgar des Oráculo manual y arte de prudencia unterscheidet Gracián gusto und Vernunft (entendimiento) als zwei grundsätzlich verschiedene Bereiche voneinander. Vgl. ibid., S. 147-228, hier S. 158-159, Nr. 28. Vgl. Hidalgo Serna, art. cit. 1989, S. 256: "A diferencia del juicio racional, el juicio electivo del gusto es ingenioso, lo cual implica un triple dictamen de índole filosófico-cognoscitiva, estético-literaria y práctico-moral [...]". 112 Vgl. "El Criticón", in: Gracián, ed. cit. 1960, S. 527 (Parte I, Crisi II): "[...] los varones sabios vuelven atrás, renovando el gusto y contemplando cada cosa con novedad en el advertir, si no en el ver". 113 Vgl. ibid., S. 178, Nr. 101: "No dependen las perfecciones de un solo agrado: tantos son los gustos como los rostros, y tan varios".
236
3.
Die europäische Geschmacksdiskussion im 17. Jahrhundert und zu Beginn des 18. Jahrhunderts
Im Ausland, aber auch in Spanien selbst, galt Graciän lange Zeit als Erfinder des Geschmacksbegriffs 114 , doch konnte mittlerweile belegt werden, daß der metaphorische Gebrauch in Frankreich115 und in Italien 116 bereits vor dem Erscheinen seiner Schriften üblich war. Ob tatsächlich Spanien das Ursprungsland des Geschmacksbegriffs ist, läßt sich erst dann zweifelsfrei klären, wenn verläßliche, auf einem repräsentativen Textkorpus basierende Untersuchungen für Italien und Frankreich vorliegen. Dennoch läßt sich feststellen, daß von Spanien, insbesondere von Graciän, entscheidende Impulse für die Ausformung des Geschmacksbegriffs in Frankreich, England und Deutschland ausgingen. Graciäns Texte wurden durch mehrere Übersetzungen in Europa verbreitet und intensiv rezipiert117. In Frankreich läßt sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine häufigere Verwendung des Geschmacksbegriffs feststellen 118 . Jean Louis Guez de Balzac (1597-1654) gebrauchte den Begriff im Sinne eines kritischen Urteils, nicht im ästhetischen Sinne. Antoine Gombaud, Chevalier de
114 Saint-Evremond (1614-1703) geht davon aus, daß die metaphorische Verwendung von bon goût in Spanien ihren Ursprung hat. Vgl. Saint-Evremond, Charles Le Marquetel de Saint-Denis, seigneur de: "A Mr. le Maréchal de Crequi, qui m'avoit demandé en quelle situation étoit mon esprit, & ce que je pensois sur toutes choses dans la Vieillesse", in: id.: OEuvres, hrsg. von Pierre Des Maizeaux, 3. Bd., Amsterdam 1739, S. 86-149, hier S. 95: "Un choix délicat me réduit à peu de Livres, où j e cherche beaucoup plus bon-esprit que le bel-esprit; & le bon-goût, pour me servir de la façon de parler des Espagnols, se rencontre ordinairement dans del Ecrits des personnes considerables". 115 Vgl. Bray, René: La formation 137-138.
de la doctrine
classique en France, Paris 1927, S.
116 Vgl. Klein, art. cit. 1961, S. 105-116. 117 Die französische Übersetzung des Oráculo manual y arte de prudencia von Abraham Nicolas Amelot de la Houssaie (1634-1706) erschien 1684 unter dem Titel L'Homme de cour. Traduit de l'espagnol de Baltasar Gradan (Paris 1684) und wurde zwischen 1684 und 1765 immerhin dreiundzwanzig Mal nachgedruckt. Ein Jahr später erschien die englische Übersetzung The Courtiers Manual Oracle, or the Art of Prudence (London 1685) eines unbekannten Übersetzers. Eine englische Übersetzung von El Héroe war bereits 1652 in London veröffentlicht worden. Vgl. Coster, art. cit. 1913, S. 666-688. 118 Vgl. Knabe, op. cit. 1972, S. 239-279; Dens, Jean-Pierre: "La notion de bon goût au XVII e siècle: historique et définition", in: Revue Belge de Philologie et d'Histoire, 53 (1975), S. 726-729.
237 Méré ( 1607-1684), definierte 1668 als erster den bon goût in seiner Quatrième conversation. Soziologisch ist der Begriff an die aristokratischen Kreise des Hofes und der Salons gebunden. In England läßt sich das Wort Taste in seiner metaphorischen Bedeutung, auf die Literatur bezogen, seit 1668 belegen, noch vor der ersten englischen Übersetzung von Graciáns Oráculo manual y arte de prudencia"9. Für Lord Shaftesbury (1671-1713) ist der individuelle Geschmack ein Schlüsselbegriff, zugleich eine ästhetische und moralische Richtschnur 120 . Joseph Addison (1672-1719) beruft sich in der am 19. Juni 1712 erschienenen Nummer der von ihm herausgegebenen Zeitschrift The Spectator ausdrücklich auf Graciáns Geschmacksbegriff 121 . Für Addison ist der Geschmack ein Mittel, um beim Schreiben Gutes vom Schlechten zu unterscheiden 122 . In der Folge von Shaftesbury und Addison war der Geschmack ein häufiges Thema in den englischen Zeitschriften des 18. Jahrhunderts. Einer bürgerlichen Mittelklasse, die sich allmählich herausbildete, diente der Geschmacksbegriff zur Abgrenzung vom vulgar taste der ungebildeten Masse einerseits, vom artificial bzw. false taste der Aristokratie andererseits, und stattdessen strebte man den natural taste als angeborene Eigenschaft an 123 . Der Geschmack wurde Teil einer Lebenshaltung, bezogen auf den Charakter des Menschen und sein Verhalten im Zusammenleben mit den anderen. In Deutschland hielt Christian Thomasius (1655-1728) 1687 in der Universität Leipzig erstmals eine Vorlesung auf Deutsch mit dem Titel Von Nachahmung der Franzosen und dem Untertitel Ein Collegium über des Gracians Grund-Reguln [sie], vernünfftig, klug und artig zu leben124. 119 Vgl. Klein, Hannelore: There Is No Disputing About Taste. Untersuchungen zum englischen Geschmacksbegriff im achtzehnten Jahrhundert, München 1967, S. 12, 9-17. 120 Vgl. ibid., S. 35-55. 121 Vgl. Addison & Steele and others: The Spectator, 3. Bd., hrsg. von Gregory Smith, London/New York 1963, S. 270-273, hier S. 270: "Gratian [sie] very often recommends the fine Taste, as the utmost Perfection of an accomplished Man". 122 Vgl. Klein, op. cit. 1967, S. 56-77. 123 Vgl. Aronson, A.: "The Anatomy of Taste. A Note of Eighteenth-Century Periódica! Literature", in: MLN, 61 (1946), S. 217-228. 124 Er betrachtet den Geschmack keineswegs ausschließlich als moralische Urteilsinstanz, wie es Hidalgo-Serna behauptet, indem er über Thomasius schreibt: "Doch irrt er hier in zweifacher Hinsicht: einmal nämlich schreibt er diese Metapher den Franzosen zu, und zweitens betrachtet er den Geschmack nur unter seinem moralischen Aspekt" (Hidalgo-Serna, op. cit. 1985, S. 27). Der Begriff wird außer auf
238 Thomasius führte den Geschmacksbegriff in Deutschland ein 125 . Wesentlich angeregt wurde die dortige Diskussion von Johann Christoph Königs Untersuchung von dem guten Geschmack in der Dicht- und Redekunst (Leipzig/Berlin 1727). In Italien trug Lodovico Antonio Muratori (1672-1750) entscheidend zur Verbreitung des Geschmacksbegriffs bei, den er als Mittel zur Erkenntnis des Schönen auffaßt 126 . Muratori unterscheidet in Deila perfetta poesia italiana (Modena 1706) den Sterile buon Gusto als passiven Geschmack seitens des Rezipienten vom buon Gusto Fecondo als aktiven Geschmack seitens des schöpferisch tätigen Künstlers. Vor allem in Spanien waren Muratoris Schriften von großem Einfluß 127 .
4.
Der Geschmacksbegriff in Spanien in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
4.1 Der Diccionario de Autoridades In den Statuten der Real Academia Española von 1715 heißt es, die Akademie habe die Aufgabe, literarische Werke hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer Sprache zu beurteilen, um daraufhin diejenigen Regeln zu ermitteln, die den buen gusto konstituieren 128 . Angesichts der großen Bedeutung, die den moralischen Bereich auch auf Musik (Vorlieben für bestimmte Instrumente) und Dichtung, die alltägliche Lebensweise und die Liebe angewendet. Vgl. Thomasius, Christian: Von Nachahmung der Franzosen. Nach den Ausgaben von 1687 und 1701, hrsg. von August Sauer, Stuttgart 1894, S. 10. Thomasius erwähnt Graciáns Arte de prudencia in der französischen Übersetzung von Amelot de la Houssaye (vgl. ibid., S. 35). Zum bon goüt vgl. ibid., S. 31-32. - Zur Rezeption Graciáns in Deutschland vgl. Coster, art. cit. 1913, S. 689-692^ 125 Zur deutschen Geschmacksdiskussion vgl. Bormann, Alexander von (Hrsg.): Vom Laienurteil zum Kunstgefühl. Texte zur deutschen Geschmacksdebatte im 18. Jahrhundert, Tübingen 1974; Gabler, op. cit. 1982; Fricke, Christel: Kants Theorie des reinen Geschmackurteils, Berlin/New York 1990. 126 Vgl. Muratori, ed. cit., l . B d . , 1971, S. 91-96. 127 Vgl. Mestre, art. cit. 1975; Tomsich, Maria G.: "Intento de delincación del buen gusto en el Diario de los literatos de España (1737-1742)", in: Cahiers du Monde Hispanique et Luso-Brésilien (Caravelle), 31 (1978), S. 47-58, hier S. 49, 52-53; Mazzocchi, Giuseppe: "Lodovico Antonio Muratori e la cultura spagnola", in: Studi Settecenteschi, 11/12 (1988/89), S. 17-33; Alvarez de Miranda, op. cit. 1992, S. 492-493. 128 Vgl. "Historia de la Real Academia Española", in: Diccionario de la lengua castellana, ed. cit., 1. Bd., 1726, S. IX-XLI, hier S. XXIX: "Y como las obras de
239 die Real Academia Española in ihren Statuten dem buen gusto hinsichtlich des Denkens und Schreibens zubilligt, ist es nicht verwunderlich, wenn in ihrem Wörterbuch das Bedeutungsspektrum des Begriffs gusto ausführlich dargestellt wird. Der Verfasser des Artikels gusto im vierten Band des Diccionario de Autoridades, der am 18. Februar 1734 fertig gedruckt vorlag 129 , ist der Kleriker Juan de Ferreras y García (1652-1735), eines der Gründungsmitglieder der Akademie 130 . Zum Lemma gusto werden insgesamt zehn Einträge verzeichnet 131 . In den ersten sieben werden folgende Bedeutungen angegeben: erstens der physiologische Geschmackssinn 132 , zweitens die Qualität des Objekts, das geschmeckt wird 133 , drittens Vergnügen und Verlangen des Subjekts 134 , viertens eine Willensbekundung oder Willkür 135 , fünftens eine Ähnlichkeit mit etwas oder ein Anklang an etwas 136 , sechstens die Auswahl, die das puro ingénio son regularmente de la jurisdicción de la eloqüencia: pues esta mira, no solo ä las palabras, sino ä los conceptos, se encargára la Académia de examinar algunas obras de Prosa, y Verso, para proponer, en el juicio que haga de ellas, las reglas que parezcan mas seguras para el buen gusto, assi en el pensar, como en el escribir". 129 Zur Datierung vgl. Lázaro Carreter, op. cit. 1972, S. 94. 130 Er war Pfarrer von San Andrés in Madrid, seit 1716 Bibliotecario Mayor der Biblioteca Real, damals bekannt als Verfasser theologischer und historischer Schriften. A m 9. Januar 1716 übernahm er die Aufgabe, alle Lemmata des Diccionario de Autoridades, die mit dem Buchstaben G beginnen, zu verfassen. Die erste Lesung der Artikel vor dem Gremium der Real Academia Española erfolgte bereits in der zweiten Jahreshälfte 1718, und definitiv genehmigt wurden sie von den Akademikern zwischen dem 17. April und 20. September 1731. Ferreras 1 Nachlaß wird in der BNM aufbewahrt, u.a. auch seine Artikel für den Diccionario de Autoridades. Vgl. "Historia de la Real Academia Española", in: Diccionario de la lengua castellana, ed. cit., 1. Bd., 1726, S. XXXIII; Lázaro Carreter, op. cit. 1972, S. 19, 29, 105, 117; Andrés, Gregorio de: "Los manuscritos de Juan de Ferreras en la Biblioteca Nacional", in: Revista Española de Teología, 4 3 (1983), S. 159-169; Aguilar Piñal, Francisco: Bibliografía de autores españoles del siglo XVIII, 3. Bd., Madrid 1984, S. 457-461. 131 Vgl. Diccionario
de la lengua castellana,
ed. cit., 4. Bd., 1734, S. 101.
132 "Uno de los cinco sentidos corporales, que reside en la lengua, con el qual le percibe lo que es dulce, amargo ü dessabrido. Es voz Latina Gustus". 133 "Se toma también por el sabor que tienen en sí las mismas cosas, ö naturál, ö por haberlas sazonado. Lat. Sapor". 134 "Vale también complacéncia, deléite, ü deséo de alguna cosa. Lat. Appetitus".
Voluptas.
135 "Significa assimismo propria voluntad, determinación, ü arbitrio. Lat. Arbitrium".
Voluntas.
136 "Se toma también por semejanza y resábio de alguna cosa. Lat. Sapor".
240 Subjekt trifft 137 , siebtens die Verwendung des Begriffs im Plural in der Bedeutung von Lastern oder schlechten Neigungen, denen sich das Subjekt hingibt 138 . Die letzten drei Einträge sind Redewendungen, in denen der Begriff gusto enthalten ist 139 . Zum Verb gustar gibt Ferreras vier Bedeutungen an: erstens schmecken und wahrnehmen im physiologischen Sinne 140 , zweitens etwas wünschen oder eine Neigung zu etwas haben 141 , drittens ausprobieren142, viertens an etwas Gefallen finden 143 . Der Begriff gusto wird nochmals im fünften Band von 1737 im Zusammenhang mit dem Begriff paladar verwendet 144 . Folgende drei Bedeutungen von paladar werden angegeben: erstens der physiologische Geschmackssinn des Tieres 145 , zweitens der Geschmack, der im Mund wahrgenommen wird 146 , drittens Gefallen des Subjekts an oder Neigung zu etwas Immateriellem oder Geistigem 147 . Der metaphorische Inhalt des dritten Eintrags von paladar bleibt im Gegensatz zu Ferreras' präzisen Bestimmungen des Begriffs gusto vage und vieldeutig 148 .
137 "Significa algunas veces elección: y assi se dice, Fuláno es hombre de buen gusto". Vgl. die Definition des Lemmas elección in: ibid., 3. Bd., 1732, S. 373: "Vale también escogimiento y buen gusto y conocimiento para elegir y usar mas de unas cosas, que de otras: y en fuerza desto se dice, Fulano tuvo buena elección en usar de tales términos, de tales discursos, senténcias, &c. Lat. Delectus". 138 "Se suele tomar por los vicios en común: y assi se dice, Fuláno se ha entregado ä sus gustos. Lat. Voluptates. Delitiae". 139 Achtens "Sobre gusto no hai disputa", neuntens "Tomar el gusto ä alguna cosa", zehntens "Comer ä gusto y vestir al uso". 140 Vgl. ibid., S. 100: "Sentir, percebir y experimentar el sabor de las cosas, si son dulces, ágrias, ö mezcladas de uno y otro sabor. Es del Latino Gustare". 141 Vgl. ibid.: "Vale también desear, querer, y tener complacencia de alguna cosa. Lat. Aliquo delectan, vel teneri. Appetere". 142 Vgl. ibid., S. 100-101: "Se halla usado algunas veces por lo mismo que Experimentar. Lat. Probare". 143 Vgl. ibid., S. 101: "Vale también agradar alguna cosa, parecer bien, o ser de la aprobación. Lat. Placere". 144 Vgl. ibid., 5. Bd., 1737, S. 87. An den Artikeln mit dem Buchstaben P haben mehrere Akademiker gearbeitet, so daß sich der Autor nicht bestimmen läßt. 145 "La parte interior y superior de la boca del animál. [...] Viene del Latino
Palatum".
146 "Por extensión ö figuradamente, se toma por el mismo gusto y sabor que se percibe de los manjares. Lat. Palatum". 147 "Metaphoricamente se toma por el gusto, apetito ü deseo de qualquier cosa, immateriál ö espirituál. Lat. Gustus. Sapor, oris". 148 Angegeben werden des weiteren drei Wendungen, in denen das Wort paladar verwendet wird: "A medida, ö sabor de su paladar. Phrase adverb. que vale según
241 Allein in der sechsten Bedeutung von gusto, die Ferreras als elecciön angibt, wird keine lateinische Entsprechung angegeben, womit indirekt darauf hingewiesen wird, daß es ein neuzeitlicher Inhalt des Begriffs ist, den es in der Antike nicht gegeben hat. Tatsächlich gibt nur dieser Eintrag den innovatorischen Gehalt von gusto wieder, und Ferreras nennt hier den buen gusto als Eigenschaft eines Subjekts, das es versteht, die richtige Wahl zu treffen. 4.2 Fray Benito Jerönimo Feijoo y Montenegro Im Bestreben nach größtmöglicher Popularisierung der aufklärerischen Gedanken und der neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse verfaßte Feijoo seine Schriften bewußt nicht auf Latein, sondern in der Volkssprache. Für ihn war die Frage nach der Wirkung seiner Bemühungen um Aufklärung breiter Schichten von zentraler Bedeutung. Die Reflexion darüber, wie und wo die Aufklärung am besten ansetzt, um wirksam werden zu können, führte ihn zur Auseinandersetzung mit dem Geschmacksbegriff. Bezüglich der Terminologie läßt sich feststellen, daß Feijoo fast ausschließlich den Begriff gusto verwendet, auffallend selten und nur im Zusammenhang mit der Musik dagegen buen gustol49. Bereits im ersten Band des Teatro critico universal von 1726 äußert sich Feijoo an mehreren Stellen über den Geschmack. Dem Essay Virtud y vicio fügt er einen Brief bei, den er einem Mönch seiner Kongregation diktiert hat, damit dieser seine Schwester davon überzeugt, allen weltlichen Dingen zu entsagen und in einen Orden einzutreten150. Dieser Brief enthält eine Passage über die Unbeständigkeit des subjektiven Geschmacks in weltlichen Dingen, der entsprechend der Intention des Schreibens hier negativ dargestellt wird als Symbol für die Unbeständigkeit der Welt 151 . el gusto ü deseo de alguno [...]" sowie "Pegarse la lengua al paladar", erstens in der Bedeutung von viel Durst haben, zweitens von kein Wort herausbekommen. 149 Vgl. infra, S. 306. 150 Vgl. "Carta de un religioso a una hermana suya, exhortándola a que prefiriese el estado de religiosa al de casada", in: Feijoo, ed. cit., 2. Bd., 1961 (= BAE, 141), S. 3-18, h i e r S . 14-18. 151 Vgl. ibid., S. 15: "Todo lo continuado enfada. No hace regalado al manjar lo dulce, sino lo exquisito. El plato más sabroso, muy repetido, engendra hastío. Aquel siempre que se le atraviesa en la imaginación al que posee de por vida, llena de mirra y acíbar lo mismo que goza. Nada tiene el hombre más inconstante que el gusto. En su aprensión mejora como mude, aunque mudando empeore".
242 Der Geschmack verbraucht sich in der Wiederholung und sucht fortwährend nach Neuem. Die Tätigkeit der imaginación ist für den Geschmack bestimmend. Während das Objekt, auf das der Geschmackssinn zielt, unverändert bleibt, ändert sich die innere Einstellung des Menschen zu dem Objekt ständig. Der Einfluß von Gracián ist hier unverkennbar. In Humilde y alta fortuna im selben Band geht Feijoo vom physiologischen Geschmacksbegriff aus, dessen Funktionsweise auch für die Wahrnehmung durch die anderen Sinne gilt 152 . Ausschlaggebend für den subjektiven Glückszustand (felicidad) ist nicht die Beschaffenheit der Objekte an sich, sondern das subjektive Vergnügen (delectación), das sie hervorrufen. Ob jemand viel oder wenig besitzt, ist deswegen irrelevant für seine momentane Befindlichkeit. In Música de los Templos im selben Band schreibt Feijoo, Vernunft und Geschmack ("el entendimiento y el gusto" 153 ) seien gleichermaßen Beurteilungsinstanzen bei der Bewertung der artes intelectuales154. Im sechsten Band des Teatro crítico universal von 1734 widmet Feijoo dem Geschmacksbegriff eine eigene Abhandlung mit dem Titel Razón del gusto, mit der er eine ausgearbeitete Theorie des Geschmacks vorlegt 155 . Gemessen an Razón del gusto sind seine Ausführungen im ersten Band lediglich Präliminarien, an die er anknüpft. Im Gegensatz zum ersten Band enthält Feijoo sich in Razón del gusto jeder negativen Bewertung des Geschmacks und nimmt eine neutrale Haltung ein. Er unterscheidet in Razón del gusto nicht zwischen physiologischen und ästhetischen Ge-
152 Vgl. ibid., S. 19-32, hier S. 20: "Lo que en el gusto respecto de los manjares sucede en todos los demás sentidos y potencias respecto de sus objetos. Sean éstos cuanto se quisiere delectables: la delectación que producirán en cada individuo se conmensurará a la disposición del órgano. Y asimismo la mayor o menor felicidad del sujeto en el uso de estos objetos se debe medir, no por la magnitud entitativa que ellos en sí tienen, sí por la delectación que causan. Siendo esto así, si se hallare que sus grandes riquezas no les ocasionan a los poderosos mayores gustos ni les desvían más pesares que a los de humilde fortuna sus cortos medios, se concluirá que no son más felices aquéllos que éstos y que, por consiguiente, las dos fortunas son iguales". 153 Feijoo, ed. cit., 1. B d „ 1924 (= BAE, 56), S. 37-44, hier S. 40. 154 Vgl. infra, S. 54. 155 Vgl. "Razón de el gusto", in: Feijoo, ed. cit., 1. Bd„ 1924 (= BAE, 56), S. 345349. - Menéndez Pelayo, op. cit., 3 . B d . , 1883/1962, S. 104-106; Montero Díaz, op. cit. 1932, S. 25-28; Borghini, op. cit. 1958, S. 9-13; Samoná, art. cit. 1964; Brandt, art. cit. 1978, S. 174; Nerlich, art. cit. 1987, S. 208-213; Valero, José A.: "Las ideas estéticas de Feijoo", in: Ideologies & Literature, 3, 2 (1988), S. 63-113, h i e r S . 82-91.
243 schmackseindrücken, denn er exemplifiziert seine Ausführungen unterschiedslos an verschiedenen Vorlieben beim Essen oder beim Musikhören. Feijoo widerspricht dem Axiom, daß sich über Geschmack nicht streiten lasse (contra gusto no hay disputa), in zweifacher Weise, indem er behauptet, daß man sehr wohl über Geschmack streiten könne und daß rationale Gründe angeführt werden könnten, die für oder gegen einen bestimmten Geschmack sprächen. Er unterscheidet drei verschiedene Werte (bienes): das Ehrenvolle (honesto), das Nützliche (útil), das Vergnügen (delectable). Der Wille, der auf ein Objekt zielt, das dem ersten oder zweiten Wert angehört, kann irren. Man kann den honesto verfehlen, indem man etwas Unehrenhaftes für ehrenvoll hält, und sich im útil täuschen, indem man etwas Nutzloses für nützlich ansieht. Doch im dritten Wert, dem delectable, ist kein Irrtum möglich. Den Geschmack weist Feijoo nur dem letzten Wert zu, der nicht anfechtbar ist, denn wenn das Objekt, auf das der Geschmack zielt (delectable objeto), dem Subjekt Vergnügen bereitet, tut es dies ohne jeden Zweifel. Ob die bondad delectable vorhanden ist oder nicht, kann das Subjekt eindeutig beantworten. Da weder die Ehre noch die Nützlichkeit für den Geschmack eine Rolle spielen, ist er weder richtig noch falsch, weder gut noch schlecht. Er entzieht sich jeder ethisch-moralischen Wertung und allen Nützlichkeitserwägungen: Er ist a priori gut 156 . Wie es der Titel Razón del gusto bereits deutlich macht, wendet sich Feijoo gegen den seiner Meinung nach allgemein verbreiteten Irrtum, der Geschmack könne nicht rational begründet werden. Feijoo führt zwei Ursachen für den Geschmack an, die ihn begründen: temperamento und aprensión. Unter temperamento versteht er die physiologische Disposition des Subjekts, die sich nach "la vária disposición natural de los órganos, en quien hacen impresión estos objetos" 157 richtet. Diese ist nicht nur von Subjekt zu Subjekt verschieden, sondern kann auch in ein und demselben Subjekt zufälligen Wandlungen unterworfen sein. Der temperamento ist also abhängig von der momentanen Disposition der Sinne. Die zweite Ursache des Geschmacks (aprensión) wird von Feijoo nicht eigens definiert, sondern offensichtlich beim Leser als bekannt vorausgesetzt. Die Definition des Begriffs aprehensión im Diccionario de Autoridades zeigt, 156 Vgl. Feijoo, ed. cit., 1. Bd„ 1924, S. 345: "Luego el gusto, en razón de gusto, siempre es bueno con aquella bondad real, que únicamente le pertenece; pues la bondad real, que toca el gusto en el objeto, no puede ménos de refundirse en el acto". 157 Ibid.
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daß er mehrdeutig ist und einen sehr komplexen Sachverhalt ausdrückt 158 . Während aprehensión im wörtlichen Sinne die Wahrnehmung und ein Sich-Aneignen des Wahrgenommenen bezeichnet, meint der Begriff in einem weiteren Sinne die Einbildungskraft, mit der der Verstand etwas so ungestüm zu erfassen und geistig zu verarbeiten sucht, daß es dem Subjekt gewöhnlich Unbehagen bereitet. Die Heftigkeit, mit der die Wahrnehmung erfolgt, wird auch in der Definition zum Ausdruck gebracht, die im Diccionario de Autoridades vom Verb aprehender gegeben wird 159 . Feijoo gebraucht den Begriff aprensión im eigentlichen Sinne, und er entspricht im wesentlichen dem Begriff imaginación, den er im Brief zu Virtud y vicio verwendet. Die aprensión ist ein Akt der imaginativa160. Selbst wenn der temperamento unverändert bleibt, führt eine Veränderung der aprensión dazu, daß dem Subjekt ein Objekt, das ihm gefällt, plötzlich Mißfallen bereitet, und umgekehrt, daß ihm etwas gefällt, was ihm vorher mißfallen hat. So kann das Subjekt an einer Speise, die es nicht kennt und die ihm deshalb beim ersten Verzehr nicht schmeckt, Geschmack finden, sobald es sie öfter gegessen hat. Umgekehrt kann das Subjekt einer Speise, die es ständig zu sich nimmt, überdrüssig werden. Die Gewöhnung (uso) vermag also die aprensión zu verändern, und diese beeinflußt direkt den Geschmack, in positiver oder negativer Weise. Außer durch die Gewöhnung kann die aprensión auch durch die Mode 161 und die Meinung anderer Subjekte verändert werden. Da auf die aprensión eine rationale Einflußnahme möglich ist, kann hier die Geschmacksbildung ansetzen. In der Beeinflußbarkeit der aprensión liegt aber auch eine potentielle Gefahr für den Geschmack, denn die imaginativa ist sehr anfällig für negative Einwirkungen, so daß die schlechte imaginativa eines einzigen Individuums ein
158 Vgl. Diccionario de la lengua castellana, op. cit., l . B d . , 1726, S. 352-353: "Aunque en su sentido literál y recto se entiende por esta voz el acto de aprehender, ó retener alguna cosa, cogiéndola y asiéndola: en el común y usuál se ciñe esta voz á explicar la vehemente y tenáz imaginación con que el entendimiento concibe, piensa y está cabilando sobre alguna cosa, que por lo regulár le assusta y desazona. Es voz puramente Latina. Lat. Apprehensio. Mentis facultas, seu animi vis imaginum formatrix". 159 Vgl. ibid., S. 352: "Tomar y asir las cosas, retenerlas, y traherlas á sí: lo que con propriedád se entiende de lo que el entendimiento concibe, piensa, imagina y retiéne con veheméncia. Viene del Lat. Apprehendere, que significa esto mismo". 160 Vgl. Feijoo, ed. cit., 1. Bd„ 1924, S. 347. 161 Vgl. "Las modas", in: ibid., S. 66-70, hier S. 67: "Antes el gusto mandaba en la moda, ahora la moda manda en el gusto".
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ganzes Volk verderben kann 162 . Eine verdorbene aprensión kann allerdings durch Vernunftgründe wieder behoben werden 163 . Aufgrund der prinzipiell möglichen Beeinflußbarkeit des Geschmacks durch die rationale Einwirkung auf die aprensión begründet und differenziert Feijoo seine eingangs behauptete These, über Geschmack lasse sich sehr wohl streiten: Streiten läßt sich nur über den durch die aprensión hervorgerufenen Geschmack, nicht über den durch den temperamento bedingten 164 , denn "eine Aufklärung kann in diesem Bereich nicht stattfinden" 165 . Außer der Frage, wie der Geschmack rational begründet werden kann, erörtert Feijoo das Problem, ob verschiedene Geschmäcker gleichwertig sind, die auf unterschiedliche, je für sich genommen vollkommene Objekte zielen. Er wählt als Beispiel zwei musikalische Darbietungen, vorgetragen auf verschiedenen Instrumenten. Unter der Voraussetzung, daß beide Interpretationen gleichermaßen vollkommen sind, fragt Feijoo, ob der Geschmack desjenigen, der an einer gaita - dem in seiner Heimat Galicien verbreiteten Dudelsack - Gefallen findet, weniger wert ist als der Geschmack desjenigen, dem ein Streichensemble mit Generalbaßbegleitung besser gefällt. Feijoo ist der Meinung, daß sich eindeutig feststellen läßt, daß beide Geschmäcker keineswegs gleichwertig sind. Er bemißt die jeweilige Qualität des Geschmacks nach der Qualität des Objekts, auf das er zielt, und postuliert, daß der Geschmack um so besser sei, je wertvoller das Objekt ist, dem er sich widmet. Das Vergnügen ist zwar nicht gut oder schlecht, aber der Geschmack kann von unterschiedlicher Qualität und Intensität sein 166 . Feijoo unterscheidet den absoluten, vom Subjekt unabhängigen Wert des Objekts (bondad absoluta) von seinem relativen Wert, der sich nach den jeweiligen Umständen bemißt, unter denen ihm das Subjekt begegnet (bondad respectiva). Die bondad respectiva ist bezogen auf das Subjekt, das Geschmack empfindet, die bondad absoluta ist eine objektive Qualität, unabhängig vom Geschmack des Subjekts, die der Beurteilung durch die 162 Vgl. ibid., S. 347: "[...] los males de la imaginativa son contagiosos. Un individuo solo es capaz de inficionar todo un pueblo. [...] Sobre todo, una aprensión fastidiosa es facilísima de comunicar". 163 Vgl. ibid., S. 348: "[...] los vicios de la aprensión son curables con razones". 164 Vgl. ibid., S. 347: "[...] cuando depende del temperamento, no cabe disputa sobre el gusto, pero sí cuando viene de la aprensión". 165 Brandt, art. cit. 1978, S. 174. 166 Vgl. Feijoo: Razón de el gusto, in: id, ed. cit., 1. Bd., 1924, S. 346: "[...] cuanto el objeto es más excelente, tanto es más excelente el acto".
246 Vernunft (razón) unterliegt. Die bondad absoluta und die bondad respectiva müssen miteinander im Einklang stehen. Der jeweiligen, unter Umständen sehr unterschiedlichen Qualität des Objekts entspricht seitens des Subjekts eine unterschiedliche Qualität des Vergnügens (delectación). Die bondad absoluta des Objekts findet ihre Entsprechung in seiner delectabilidad absoluta, die bondad respectiva des Objekts in seiner von den Umständen abhängigen delectabilidad. Das Subjekt gibt aufgrund komplexerer ästhetischer Voraussetzungen dem Streichensemble den Vorzug. Das Subjekt mit einer einfacheren Disposition tendiert hingegen zur gaita. Der Unterschied zwischen den beiden gustos ist kein relativer, sondern ein absoluter. Dem Subjekt, das die gaita den Violinen vorzieht, fehlt die delectabilidad absoluta, so daß für dieses Subjekt die bondad respectiva des Objekts geringer ist als seine bondad absoluta. Es ist in seiner Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigt durch eine Beschränkung oder Störung der äußeren oder inneren Sinne 167 . Es gibt im Subjekt prinzipiell eine unterschiedliche Disposition für den Geschmack im Sinne einer geringeren oder größeren Wahrnehmungsfähigkeit für das Vergnügen wie auch für das Mißfallen und Unbehagen 168 . Valero weist auf den Zirkelschluß hin, der durch die Fiktion der bondad absoluta im Zusammenwirken von Subjekt und Objekt entsteht. "[...] un objeto es absolutamente delectable en la medida en que deleitaría a un sujeto con temperamento perfecto. Un sujeto estaría dotado de un temperamento perfecto en la medida en que la bondad relativa a él de los objetos coincidiera con su bondad absoluta. Vemos que el primer intento de enfrentamiento a esa quimérica 'bondad absoluta' lleva a un callejón sin salida o, si se quiere ver así, a una imposición de g u s t o " l 6 9 .
167 Vgl. ibid.: "[...] la causa de que sea menor para uno de los dos sugetos la bondad respectiva de la música de violines, es la obtusa, grosera y ruda percepción de sú delectabilidad ó bondad absoluta. Esta obtusa percepción puede estar en el oido, ó en cualquiera de las facultades internas, á donde mediata ó inmediatamente se transmiten las especies ministradas por el oido; y en cualquiera de las potencias expresadas que esté, nace de la imperfección de la potencia, ó imperfecto temple y grosera textura de su órgano. Por la contraria razón, el que tiene las facultades más perfectas, ó los órganos más delicados y de mejor temple, percibe toda la excelencia de la mejor música, y el exceso que hace á la otra; de donde es preciso resulte en él mayor deleite [...]". 168 Vgl. ibid.: "Umversalmente hablando, y sin excepción alguna, todos los que son dotados de facultades más vivas y expeditas tienen una disposición intrínseca y permanente para percibir mayor placer de los objetos agradables. Pero no deben lisonjearse mucho de esta ventaja, pues tienen también la misma disposición intrínseca para padecer más los penosos". 169 Valero, art. cit. 1988, S. 88.
247 Feijoos Theorie des Geschmacks in Razón del gusto ist vorwiegend der spanischen Tradition verpflichtet, aber durchaus auch von der europäischen Geschmacksdiskussion inspiriert worden. Seine Ausführungen über die Zuordnung des gusto zum delectable entsprechen, sieht man einmal von der ihm eigenen feingesponnenen, auf Präzision bedachten Argumentation ab, in auffallender Weise derjenigen von López Pinciano, der in seiner Philosophia antigua poética von 1596 von denselben drei Werten ausgeht wie Feijoo, den gusto dem deleyte zuordnet und die Möglichkeit einräumt, daß die Vernunft auf den Geschmack einzuwirken vermag 170 . Ob hier eine direkte Abhängigkeit Feijoos von López Pinciano besteht, läßt sich allerdings nicht eindeutig nachweisen, zumal die Unterscheidung der drei Werte sich häufiger findet 171 . Graciáns El Héroe ist eine wichtige Inspirationsquelle für Razón del gusto112. Mit Gracián stimmt Feijoo in der Auffassung überein, daß sich die Qualität des subjektiven Geschmacks nach dem inhärenten Wert der Objekte bemißt, auf die er gerichtet ist, und daß der Geschmack eine dynamische, sich ständig wandelnde Größe ist, die im Spannungsfeld vom absoluten Wert des Objekts und der Disposition und Urteilskompetenz des Subjekts steht. Beide Autoren sind sich des weiteren darin einig, daß der Geschmack ein durch den gesellschaftlichen Umgang mit anderen Menschen vermittelter Konsens ist, doch im Gegensatz zu Gracián betrachtet Feijoo den Geschmack losgelöst vom höfischen Kontext, dem jener verpflichtet bleibt, und spricht den Geschmack prinzipiell jedem Menschen zu, wenn auch in unterschiedlicher qualitativer Ausprägung. Die Trennung von Geschmack und Vernunft, die Gracián vertritt, hebt Feijoo auf, indem er in der Vernunft eine Möglichkeit erkennt, den Geschmack zu bilden. Im Gegensatz zu Gracián, für den Geschmacksurteile ausschließlich individuell sind, nimmt Feijoo eine Trennung in unterschiedliche Klassen von Geschmacksurteilen vor, wodurch es ihm möglich wird, außer dem individuellen Geschmack auch einen allgemeingültigen geltend zu machen. In einigen Punkten lassen sich Gemeinsamkeiten zwischen Feijoos Razón del gusto und dem Kapitel über Geschmack in Muratoris Deila perfetta 170 Vgl. infra, S. 222-223. 171 In einem Memorial der Madrider Maler vom Anfang des 17. Jahrhunderts an König Philipp III. werden die drei Werte als Konstituenten der Malerei genannt: "[...] los tres generös de bienes que tanto agradaron a los Sabios, esto es lo útil, lo honesto, y lo delectable [...]" (zit. n. Volk, op. cit. 1977, Nr. 48, S. 393-397, hier S. 395). 172 Vgl. Montero Díaz, op. cit. 1932, S. 13-14.
248 poesía italiana von 1706 feststellen 173 . Auch Muratori räumt die Möglichkeit ein, daß man über Geschmack vernunftmäßig streiten könne und er sich rational begründen lasse, und Feijoos Begriff potencia174 könnte von Muratoris Begriff potenza inspiriert sein. Muratoris Postulat eines universalen Geschmacks, der alle individuellen Geschmäcker in sich vereint, wird von Feijoo nicht übernommen, doch ähnelt diesem Feijoos Unterscheidung in bondad absoluta bzw. respectiva. Während Feijoo in El no sé qué ergründet, warum unterschiedliche Objekte ein und demselben Subjekt in unterschiedlicher Weise Vergnügen bereiten, und die Objekte miteinander vergleicht, untersucht er in Razón del gusto, warum ein und dasselbe Objekt verschiedenen Subjekten in unterschiedlicher Weise Vergnügen bereitet. Dies führt zu einem Vergleich der Subjekte. Versucht man, die Resultate der beiden Essays miteinander in Einklang zu bringen, ergibt sich ein unauflösbarer Widerspruch. In El no sé qué postuliert er, daß Regeln bestehen, auch wenn diese bloß unbewußt im Künstler wirksam werden. Er gesteht dem Individuum zwar schöpferische Freiheit zu, diese hat aber nur in den festen Grenzen der Nachahmung der Natur und in der Korrespondenz zwischen Wahrheit und Schönheit Geltung. In Razón del gusto ist Feijoos Ausgangspunkt im Gegensatz zu El no sé qué "a methodical refusal of normative aesthetic a priori", was ihn zu einer "elaboration of a psychological and sociological conception of art"175 führt. Im Verhältnis des Subjekts zum Objekt ergibt sich ein Zirkelschluß: Während in Razón del gusto die Qualität der subjektiven gustos nach den Objekten bemessen wird, was am Beispiel der Violinen und der gaita deutlich wird, wird umgekehrt in El no sé qué die Qualität der Objekte durch die gustos der Subjekte bestimmt, was am Gehör als oberster Urteilsinstanz in der Musik exemplifiziert wird. In der Frage, ob der Geschmack angeboren ist oder erworben werden kann, nimmt Feijoo eine vermittelnde Position ein, da er beides gelten läßt. Angeboren ist der Geschmack durch die physiologischen Gegebenheiten der temperamentos, erlernbar durch den Gebrauch der imaginativa, die von Vernunftgründen geleitet wird. Aus dem Zusammenwirken der beiden Bereiche temperamento und aprensión entsteht ein "dynamic system" 176 , aus 173 Vgl. Muratori, ed. cit., l . B d . , 1971, S. 91-96 (1. Buch, 5. Kap.). - Samonä, art. cit. 1964, S. 121-123. 174 Vgl. infra, S. 246, Anm. 167. 175 Neriich, art. cit. 1987, S. 208. 176 Ibid., S. 209.
249 dem Vergnügen und Geschmack resultieren. Der Geschmack hat sowohl rationale als auch emotional-sinnliche Komponenten. Nach Razón del gusto differenziert Feijoo seinen Geschmacksbegriff noch einmal in grundlegender Weise im fünften Band der Cartas eruditas y curiosas von 1760, ohne daß er eigens auf diesen Wandel hinweist. Im Gegensatz zu Razón del gusto, in dem Feijoos Geschmacksbegriff unterschiedslos im physiologischen und metaphorischen Sinn verwendet wird, unterscheidet er hier gusto corpóreo und gusto intelectual voneinander 177 . 4.3 Fray Martín Sarmientos Invektive gegen den bello gusto Der Begriff bello gusto, in dem Schönheit und Geschmack miteinander verknüpft werden, geht wohl auf französischen Einfluß zurück 178 . Verwendet wurde er zunächst vorwiegend für die bildenden Künste. Der früheste bisher eruierte Beleg findet sich in dem von Cristóbal del Hoyo Solórzano y Sotomayor( 1677-1742) um 1745 erschienenen Buch Madrid por dentro zur Charakterisierung der Vorlieben einer Person in der Malerei. "Un caballero aquí, de bello gusto, en el antepasado siglo adornó su casa con bellísimas pinturas del Ticiano, de A n g e l 1 7 9 y otros" 18 °.
Fray Martín Sarmiento wettert in seinem am 30. August 1747 beendeten zweiten Projekt zur skulpturalen Ausschmückung des Königspalastes heftig gegen den Gebrauch von bello gusto. Als bello gusto wird die seiner Meinung nach unangebrachte Vorliebe bezeichnet, zeitgenössische Gebäude ausschließlich mit Bildern und Skulpturen auszustatten, die heidnische Themen nach antikem Vorbild nachahmen 181 . Sarmiento betrachtet den
177 Vgl. "Reforma el Autor una cita, que hizo en el 4. Tomo del Theatro Critico [...]", in: Feijoo, ed. cit., 5. Bd., 1765, S. 357-368, hier S. 360: "Y finalmente, en el gusto intelectual hay casi tanta variedad, como en el corporeo; con que entretanto, que no consta bastantemente, que algún gusto es extravagante, irracional, ó ridiculo, no es justo inquietar á nadie sobre este punto". 178 Vgl. Alvarez de Miranda, op. cit. 1992, S. 506. 179 Gemeint ist Michelangelo. 180 Zit. n. ibid. 181 Vgl. "Continuación al discurso antecedente sobre el sistema de adornos del Nuevo Real Palacio de Madrid", in: Sarmiento/Sánchez Cantón, ed. cit. 1956, S. 207-208: "Inicuamente, se llama 'bello gusto' el tener por majestad y magnificencia de los adornos las solas representaciones gentílicas. Los mismos paganos y gentiles, a quienes se quiere remedar con exceso, tenían su 'bello gusto 1 más concertado. A excepción de las estatuas de sus célebres personajes, todos los demás adornos, no
250 bello gusto im Zusammenhang mit der Querelle des Anciens et des Modernes, die sich, im 17. Jahrhundert vor allem in Frankreich diskutiert, als grundsätzliches Problem in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch in Spanien immer wieder stellte. Er ergreift Partei für die Modernes, vertritt die Ansicht, daß die zeitgenössischen Künstler den antiken durchaus ebenbürtig sind, und wendet sich vehement gegen diejenigen, die die Meinung verbreiten wollen, die Alten hätten alles gewußt und richtig beurteilt 182 . Sarmiento wendet sich nicht gegen das Konzept des bello gusto an sich, sondern gegen die seiner Meinung nach falsche Verwendung. Er selbst benutzt im übrigen den Begriff buen gusto, beispielsweise in seinem kurz vor der Continuación entstandenen Werk Memorias para la historia de la poesía y poetas españoles, in dem er als buen gusto das Geschmacksurteil bezeichnet, daß einige Schriftsteller Lukan den Vorzug vor anderen lateinischen Autoren gegeben haben 183 . Als Synonym zu buen gusto läßt sich der Begriff bello gusto in den fünfziger Jahren belegen 184 . Im abschätzigen Sinne verwendet wird er als "el bello gusto de la moda" 185 in der Utopie Tratado sobre la Monarquía Columbina des Madrider Piaristenpaters Andrés Merino de Jesucristo (1730-1787) 186 . sólo de sus templos, sino también de sus Palacios, Theatros, Plazas, Casas, y aún Jardines representaban cosas sagradas según su gentílico error". 182 Vgl. ibid., S. 209: "[...] los que, consiguientes en el error de su 'bello gusto', quieren persuadir a otros que solos los antiguos lo supieron todo, y que no es de gusto ni arreglado a la razón todo lo que no fuere conforme, en todo, a los cortos y estropeados despojos que nos han quedado de ellos y sus adornos de edificios. [...] jamás creeré que los antiguos lo supieron o acertaron todo". - Piquer nimmt in der Frage der Querelle des Anciens et des Modernes dagegen in seiner Lógica moderna von 1747 eine vermittelnde Position ein, die von rationalen Gesichtspunkten bestimmt wird. Vgl. Piquer, op. cit. 1747, S. 140: "La razón dicta, que la verdad ha de buscarse en los Antiguos, y en los Modernos, y ha de abrazarse donde quiera que se halle". 183 Vgl. Sarmiento, op. cit. 1775, S. 49. 184 Vgl. Alvarez de Miranda, op. cit. 1992, S. 507. 185 Tratado sobre la Monarquía Columbina. Una utopía antiilustrada del siglo XVIII, hrsg. von Pedro Alvarez de Miranda, Madrid 1980, S. 26. - Die Utopie erschien 1790 anonym im Madrider Semanario erudito, hrsg. von Antonio Valladares de Sotomayor. Alvarez de Miranda klärt in einem 1990 erschienenen Beitrag die Verfasserfrage und gibt Auskunft über eine vor seiner eigenen Edition erschienene Ausgabe des Textes. Vgl. Alvarez de Miranda, Pedro: "El Padre Andrés Merino, autor de la Monarquía Columbina", in: Étienvre, op. cit. 1990, S. 19-39. 186 Auch José Francisco de Isla verwendet bello gusto in Fray Gerundio de Campazas. Thukydides wird wegen seiner Verwendung von Sentenzen gerühmt. Vgl.
251
5.
Der Geschmacksbegriff in der um die Jahrhundertmitte geführten Auseinandersetzung über das Theater des Siglo de Oro im Umkreis der Academia del Buen Gusto
N i c h t mit Luzáns Poética,
sondern erst u m die Mitte des 18. Jahrhunderts
b e g a n n in Madrid eine m i t großem E n g a g e m e n t geführte D i s k u s s i o n über das spanische Theater des S i g l o de Oro, die zu zahlreichen Streitschriften Anlaß g e g e b e n hat. D i e Mehrzahl der daran beteiligten Autoren waren Mitglieder der Academia
del Buen Gusto,
trotz ihres kurzen B e s t e h e n s v o n g e -
rade z w e i e i n h a l b Jahren einer der berühmtesten literarischen S a l o n s des 18. Jahrhunderts in Spanien 1 8 7 . In dieser Auseinandersetzung, die s o w o h l ö f fentlich als auch innerhalb der Academia
del Buen Gusto
stattfand, spielte
der B e g r i f f buen gusto in der Argumentation der Kontrahenten eine wichtig e Rolle. S o w o h l die Befürworter des klassizistischen Theaters als auch Isla, ed. cit., 4. Bd., 1964, S. 77: "Tucídides mereció la suprema estimación de todos los siglos por el juicio, oportunidad y bello gusto con que se valió de ellos". Ein später Beleg für bello gusto findet sich in Trigueros' Komödie Los menestrales von 1784, in der er zur Charakterisierung einer Gartenlaube dient. Vgl. Trigueros, Cándido Maria: La Riada, Sevilla 1784, S. 24: "[...] el cenador está de bello gusto". 187 Geleitet wurde die Academia del Buen Gusto von Josefa de Zúñiga y Castro, Condesa de Lemos, spätere Marquesa de Sarria, in deren Haus man sich traf. Die Statuten der Akademie (Constituciones) gingen verloren, wohingegen die Akten von insgesamt vierundzwanzig Versammlungen im Zeitraum vom 11. Dezember 1749 bis zur letzten am 29. April 1751 zum Teil erhalten sind (BNM, Sign.: Ms. 18.476). Vgl. Luzán, Juan Igancio de: "Memorias de la vida de don Ignacio de Luzán", in: Luzán, ed. cit. 1974, S. 35-56, hier S. 42-43, 54-55; Cueto, Leopoldo Augusto de: "Bosquejo histórico-crítico de la poesía castellana en el siglo XVIII", in: Poetas líricos del siglo XVIII, 1. Bd., 1929 (= BAE, 61), S. V-CCXXXVII, hier S. LXXXIX-XCII; Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 261-264; Simón Díaz, José: "La Academia del Buen Gusto", in: Revista Bibliográfica y Documental, 1 (1947), S. 11-16; Mérimée, Paul: L'art dramatique en Espagne dans la première moitié du XVIIIe siècle, Toulouse 1955, Nachdruck ibid. 1983, S. 362-367; Cook, op. cit. 1959, S. 76-80; Marin, op. cit. 1971, S. 58-62; Makowiecka, op. cit. 1973, S. 73-76; McClelland, Ivy Lilian: The Origins ofthe Romantic Movement in Spain. A Survey of Aesthetic Uncertainties in the Age of Reason, Liverpool 2 1975, S. 8; Caso González, José Miguel: "La Academia del Buen Gusto y la poesía de la época", in: La época de Fernando VI. Ponencias leídas en el coloquio conmemorativo de los 25 años de la fundación de la Cátedra Feijoo, Oviedo 1981, S. 383-418, wiederaufg. in: id.: De Ilustración y de ilustrados, Oviedo 1988, S. 53-85; Fernández-Quintanilla, op. cit. 1981, S. 35-36; Caso González, José Miguel: "De la Academia del Buen Gusto a Nicolás Fernández de Moratín", in: id., op. cit. 1988, S. 87-100; Tortosa Linde, Maria Dolores: La Academia del Buen Gusto de Madrid (1749-1752), Granada 1988.
252 diejenigen der spanischen comedia des Siglo de Oro, die die Berechtigung von festen Regeln abstritten, beanspruchten für sich den buen gusto, den sie aber je nach ihrem Standpunkt in unterschiedlicher Weise auffaßten.
5.1 Blas Antonio Nasarre y Férriz Der öffentlich geführte Streit zwischen den Anhängern des klassizistischen Theaters, die sich an den Werken der Antike und des französischen Grand siècle orientierten, und denjenigen der großen spanischen Dramatiker des Siglo de Oro fand seinen äußeren Anlaß im anonymen Prolog zum ersten Band der 1749 erschienenen Ausgabe der Comedias y entremeses de Miguel de Cervantes. Der Verfasser des Prologs und Herausgeber der Ausgabe, dessen Name nicht genannt wird, aber dennoch den Zeitgenossen bekannt war, ist Blas Antonio Nasarre y Férriz (1689-1751), Königlicher Bibliothekar und Mitglied der Academia del Buen Gustoxi8. Nasarre behauptet, Lope de Vega und Calderón 189 hätten durch ihre Mißachtung der antiken Regeln das spanische Theater verdorben und Cervantes habe seine Theaterstücke als Parodie auf die comedias der beiden Autoren verfaßt. Insbesondere Lope de Vega wirft er vor, er habe in seiner Arte nuevo de hacer comedias en este tiempo seine Stücke verteidigen wollen, indem er sie mit dem "mal gusto de los oyentes, y de los Representantes" 190 gerechtfertigt 188 Vgl. Nasarre y Férriz, Blas Antonio: "Prólogo del que hace imprimir este libro", in: Comedias y entremeses de Miguel de Cervantes, 1. Bd., Madrid 1749. Nicht zugänglich war mir folgende Neuausgabe: id.: Disertación o Prólogo sobre las comedias de España. Introducción de Jesús Cañas Murillo, Cáceres 1992. Vgl. Aguilar Piñal, Francisco: Bibliografía de autores españoles del siglo XVIII, 7. Bd., Madrid 1993, S. 827, Nr. 5903. - Zu Nasarre vgl. Fernández González, op. cit. 1867, S. 22-23, 25; Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 243-247; Mur Ventura, Luis: "Genealogía de los Nasarre", in: RABM, 33 (1929), S. 130-150, 295-321, hier S. 296-303; Mérimée, op. cit. 1955, S. 373-380; Entrambasaguas, Joaquín de: La valoración de Lope de Vega en Feijóo y su época, Oviedo 1956, S. 24-29; Aguilar Piñal, Francisco: Bibliografía de autores españoles del siglo XVIII, 6. Bd., Madrid 1991, S. 17-20. 189 Zur Rezeption von Calderón im 18. Jahrhundert in Spanien vgl. Urzainqui, Inmaculada: De nuevo sobre Calderón en la crítica del siglo XVIII (En su tercer centenario), Oviedo 1984; gekürzte Fassung in: Calderón. Actas del Congreso Internacional sobre Calderón y el teatro español del Siglo de Oro, 3. Bd., hrsg. von Luciano García Lorenzo, Madrid 1983, S. 1493-1511. 190 Nasarre y Férriz, op. cit. 1749, unpag. - An anderer Stelle schreibt Nasarre im selben Zusammenhang von "el mal gusto, y ignorancia de la Nación" und betrachtet die Argumentation von Lope de Vega als Ausflucht und als eine Strategie, derer er sich bedient habe, um von seinem eigenen Unvermögen abzulenken.
253
habe. Geschmack und Vernunft stehen für Nasarre in enger Verbindung miteinander, denn beide bestimmen die praktische Umsetzung der Nachahmungstheorie und gewährleisten die Befolgung der drei Einheiten 191 .
5.2 Thomás Erauso y Zavaleta Während Nasarres Prolog im Umkreis der Academia del Buen Gusto gute Aufnahme fand 192 , erschienen mehrere Gegenschriften: u.a. Anfang 1750 die anonyme Polemik La sinrazón impugnada y Beata del Lavapiés aus der Feder von José Carrillo193 und noch im selben Jahr der Discurso Critico sobre el origen, calidad, y estado presente de las Comedias de España unter dem Pseudonym Don Thomás Erauso y Zavaleta, hinter dem sich vermutlich Ignacio de Loyola y Oyanguren, zweiter Marqués de la Olmeda (1707-1764), verbirgt194. Sollten die Angaben von Luzáns Sohn zutreffend sein, daß Marqués de la Olmeda zu den Mitgliedern der Academia del Buen Gusto zählte, die zwar nicht zur Gruppe der Gründungsmitglieder gehörten,
191 Vgl. ibid.: "La imitación tiene por basa ä la verisimilitud: de ella nace la regla de las tres unidades de una acción principal, executada en termino un poco mas dilatado del en que se hizo, y en un solo lugar. Esta regla, dictada por el buen gusto, y por la razón, quando se desprecia, forma un espectáculo monstruosisimo". 192 Vermutlich hat er ihn den Akademikern vorgestellt. Vgl. Tortosa Linde, op. cit. 1988, S. 65. - Nasarre starb im Erscheinungsjahr des Discurso Critico. Daß der Ärger über Erauso y Zavaletas Discurso Critico seinen Tod herbeigeführt habe, wurde als Gerücht verbreitet, das jeder Grundlage entbehrt. Es wird dokumentiert durch den anonymen handschriftlichen Eintrag auf einem in der B N M befindlichen Exemplar von Erauso y Zavaletas Discurso Critico (Sign.: T. 337): "este Discurso crítico apesadumbrío [sie] tanto a Nasarre, que le costó la vida, pues poseido de una melancolía, murió poco tpo. después de su publicación" (zit. n. Mérimée, op. cit. 1955, S. 416, Anm. 38). 193 Vgl. ibid., S. 380-382. 194 Vgl. Discurso Critico sobre el origen, calidad, y estado presente de las Comedias de España, contra el Dictamen, que las supone corrompidas, y en favor de sus mas famosos Escritores el Doctor Frey Lope Felix de Vega Carpió, y Don Pedro Calderón de la Barca. Escrito por un Ingenio de esta Corte, Madrid 1750. - Fernández González, op. cit. 1867, S. 25; Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 250-254; Mérimée, op. cit. 1955, S. 382-389; Entrambasaguas, op. cit. 1956, S. 29-33; Krömer, op. cit. 1968, S. 37-38, 125, 160; McClelland, op. cit. 1975, S. 28-40; Guerrero Casado, Alfonso: "Un ardiente defensor de Calderón en el siglo XVIII: Tomás Erauso y Zavaleta", in: Ascua en veras. Estudios sobre la obra de Calderón, Granada 1981, S. 39-56; Nerlich, art. cit. 1987; Aguilar Piñal, Francisco: Bibliografía de autores españoles del siglo XVIII, 6. Bd., Madrid 1991, S. 228-229; Alvarez de Miranda, op. cit. 1992, S. 101-102.
254 sich ihr aber im Laufe der Zeit zugesellt hatten 195 , dann stellt sein Discurso Critico eine Konzeption dar, mit der er sich nicht nur von den klassizistischen Bestrebungen einiger Mitglieder dieses Kreises, dem Nasarre angehörte, distanzierte, sondern mit der er sie sogar entschieden zurückwies. Konzipiert ist der Discurso Critico als langer Brief, den Erauso y Zavaleta ("Yo") seinem Freund Don Claudio schickt als Antwort auf dessen Schreiben, in dem dieser ihn bittet, wie der Verfasser von La sinrazón impugnada y Beata del Lavapiés gegen Nasarres Prolog Protest einzulegen. Während Erauso y Zavaleta den Brief des Freundes liest, wird er von Doña Marcela besucht, die mit ihm über sämtliche mit Nasarres Prolog zusammenhängende Fragen ausführlich diskutiert. Nasarres Text wird, Absatz für Absatz, zerpflückt und kommentiert. Doña Marcela stellt Fragen, äußert sarkastische Kommentare und gibt so dem Verfasser die Gelegenheit, seinen eigenen Standpunkt in lebendiger Wechselrede oder als längeren Vortrag zu verdeutlichen. Sie führt aber auch mit eigenständigen Beiträgen, in denen sie aus ihrer Sicht als Frau die Dinge darstellt und beurteilt, den Dialog weiter 196 . Erauso y Zavaletas Discurso Critico enthält, abgesehen von den aktuellen Entstehungsvoraussetzungen - der Streit über das Theater von Lope de Vega und Calderón - , einige grundlegend neue ästhetische Gedanken, die den eigentlichen Wert des Textes als "an important contribution to the development of modern European aesthetics" 197 ausmachen. Erauso y Zavaleta überträgt einige von Feijoos Thesen zum Geschmack auf die Literatur, insbesondere auf die comediam. 195 Die Angaben finden sich in einer Fußnote in der Erstausgabe der Memorias de la vida de don Ignacio de Luzán von Juan Ignacio de Luzán in der zweiten Auflage von Ignacio de Luzáns Poética (Madrid 1789). Vgl. Luzán, Ignacio de: La poética, ó Reglas de la poesía en general y de sus principales especies, 1. Bd., Madrid 2 1789, S. X X [Anm. ( I ) zu S. XIX], - In der Ausgabe von Cid de Sirgado fehlt die Fußnote. Vgl. Luzán, Juan Ignacio de: "Memorias de la vida de don Ignacio de Luzán", in: Luzán, ed. cit. 1974, S. 35-56. Auch Leopoldo Augusto de Cueto läßt die Fußnote in seiner Edition des Textes weg in: id. (Hrsg.): Poetas líricos del siglo XVIII, ed. cit., 1. Bd., 1929 (= BAE, 61), S. 95-105. Aber er erwähnt den Marqués de la Olmeda in seinem Bosquejo histórico-crítico de la poesía castellana en el siglo XVIII als eines der Mitglieder der Academia del Buen Gusto. Vgl. ibid., S. L X X X I X . 196 Die Dialogpartien der Doña Marcela dürften sehr aufschlußreich sein im Zusammenhang mit einer das Frauenbild der Epoche betreffenden Untersuchung. 197 Neriich, art. cit. 1987, S. 225. 198 Sein Discurso Critico ist "the first (and perhaps the last) attempt to establish a theory of literature on the basis of Feijoo's ideas of taste and pleasure" (ibid., S. 213).
255
Erauso y Zavaleta verwendet die Bezeichnungen gusto und buen gusto zwar synonym, benutzt aber gusto häufiger. Er ordnet die Schauspielkunst dem Bereich der aprehensión zu, und sie unterliegt damit dem ständigen Wechsel des gusto. Damit rekurriert er ganz selbstverständlich, ohne daß er darauf explizit aufmerksam macht, auf den in Feijoos Razón del gusto dargelegten Begriff der aprehensión und dessen Funktion in der Konstituierung des Geschmacks. Während Feijoo im allgemeinen durchaus von der Berechtigung fester Regeln ausgeht, geht Erauso y Zavaleta weiter, indem er folgert, daß es für das Theater angesichts des ständig wechselnden gusto des Publikums überhaupt keine allgemeingültigen Regeln geben kann. Der Verfasser behauptet, daß wenn die antiken Autoren, die bestimmte Regeln für das Theater festgelegt haben, heute leben würden, sie sich den aktuellen Gegebenheiten anpaßten und ganz anders schrieben als zu ihrer Zeit 199 . Doña Marcela, die sich als eine Verehrerin der Schriften Feijoos erweist, antwortet ihm daraufhin folgendes: "Forzosamente, [...] porque las Comedias son recreo, son diversión, y empleo del ocio; por cuyas causas, e! gusto es el mas fuerte Legislador suyo. El que aprueba, ö reprueba; y no es razón disputarle facultades, quando no ama delitos. En las cosas de su pasto, no admite sujeciones, ni alegorías; porque en si tiene toda la razón de aprecio, que, por lo regular, funda en lo exquisito, en lo admirable, y en lo nuevo" 200 .
Die comedias gehören also nur zum Bereich des delectable, nicht zum útil. Für sie ist allein der subjektive gusto als Urteilsinstanz zuständig, den Feijoo in Razón del gusto ausschließlich dem delectable zugeordnet hat. Die Grundlage des gusto bilden drei Qualitäten, die von Erauso y Zavaleta allerdings nicht definiert werden: das Auserlesene, Bewundernswürdige und Neuartige. Der gusto der an die Stelle der Regeln tritt, bedarf keiner Rechtfertigung, sondern findet seine Begründung in sich selbst. Doña Marcela bezieht sich nicht, wie man erwarten könnte, auf Feijoos Essay Razón del gusto, sondern auf die Passage über die Unbeständigkeit des gusto in Virtud y vicio201. 199 Erauso y Zavaleta, op. cit. 1750, S. 55-56: "Yo sé, que si hoy viviessen essos Legisladores, tal vez harían mayores corrupciones, que Calderón, y Lope. Se acomodarían con los tiempos, con los usos, con los genios, y con los gustos". 200 Ibid., S. 56. - In der Tabla, dem Inhaltsverzeichnis mit Zusammenfassung der wichtigsten Thesen am Schluß des Buches, heißt es: "[...] el gusto de las gentes, en punto de recreos, es Legislador supremo" (ibid., unpag.). 201 Vgl.ibid.,S. 5 7 . - D i e Qualität des exquisito als Charakteristikum des gusto hat Erauso y Zavaleta aus Feijoos Virtud y vicio übernommen. Vgl. infra, S. 241, Anm. 151.
256 Die Verteidigung von Lope de Vega und Calderón betrachtet Erauso y Zavaleta als nationales Anliegen. Die patriotischen Züge des Discurso Critico werden offensichtlich, wenn der Verfasser des Prologs der CervantesAusgabe als Nestbeschmutzer darstellt wird, der "la gloria de la Nación" 202 beeinträchtigt habe. Im Unterschied zu Feijoo impliziert für Erauso y Zavaleta der gusto noch wie bei Gracián einen ständischen Aspekt 203 . Erauso y Zavaleta problematisiert den Begriff vulgo, indem er die Frage stellt, welche sozialen Schichten den Theatervorstellungen beiwohnen, und er kommt zu dem Ergebnis, daß das niedere Volk meist überhaupt nicht ins Theater geht, sondern daß sich das Publikum vorwiegend aus gebildeten Personen konstituiert 204 . Der "Vulgacho soez" 205 besitzt keinen gusto. Erauso y Zavaleta bezieht den Geschmacksbegriff ausschließlich auf "[...] el buen gusto de la gente cortesana, que busca su honesta diversión en el Theatro, con discreciones, agudezas, y variedad de casos, que deleyten el entendimiento, sin agravio de la voluntad" 2 0 6 .
Dies impliziert eine Neuinterpretation des Begriffs vulgo in Lope de Vegas Arte nuevo. Im Gegensatz zu Lope de Vega ist der gusto für Erauso y Zavaleta an eine bestimmte gesellschaftliche Schicht gebunden, nämlich das gebildete höfische Publikum, das er in einem weiteren Schritt nochmals hinsichtlich der Objekte, auf die sich der gusto bezieht, einschränkt, denn nur diejenigen gehören zu den "Discretos" bzw. "hombres de buen gusto" 207 , die das nationale spanische Theater des Siglo de Oro und insbesondere Calderóns Werke schätzen. Unabhängig davon, ob Erauso y Zavaletas Ausführungen über die soziale Zusammensetzung des Theaterpublikums tatsächlich den Realitäten entsprochen haben oder eine Fiktion als Teil einer persuasiven Strategie sind, erhält der gusto durch die Differenzierung des Begriffs vulgo eine grundsätzlich neue Funktion. Er fungiert als soziales Unterscheidungskriterium, das eine Abgrenzung sowohl
202 Ibid.,S. 152. 203 Für que que cit.
Guerrero Casado ist Erauso y Zavaletas Text "un claro ejemplo de la oposición el sector nobiliario ejercía contra los nuevos intelectuales ilustrados, ese sector ve en Calderón el símbolo de una España eterna [...]" (Guerrero Casado, art. 1981, S. 44).
204 Vgl. ibid., S. 88-89. 205 Ibid., S. 101. 206 Ibid., S. 227. 207 Ibid., S. 278-279.
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gegenüber dem niederen ungebildeten Volk als auch gegenüber der Anhängerschaft der klassizistischen Richtung erlaubt. Die gesellschaftliche Aufgabe des Theaters wird nicht mehr in der Belehrung des Volkes gesehen, sondern in der Unterhaltung eines gebildeten Publikums, das in der Lage ist, die comedia als Spiel zu genießen und zu beurteilen. 5.3 Fray Alexandra Aguado Der Basilianermönch Fray Alexandro Aguado 208 , Theologieprofessor an der Universität von Alcalá, pflichtet in seinem vom 2. November 1750 von dort datierten Dictamen zu Erauso y Zavaletas Discurso Critico dessen Auffassung nicht nur bei, wie es die Autoren der übrigen vier Dictámenes tun, sondern er legt in eigenständiger Weise seine Ansichten über den Geschmack und den Streit über das spanische Theater dar. Wie Erauso y Zavaleta streitet Aguado keineswegs ab, daß es Regeln gab, die die antiken Autoren für Komödie und Tragödie aufgestellt haben, aber diese seien als "reglas voluntarias del entretenimiento" nicht für alle Zeiten verbindlich, sondern der gusto könne sie gemäß den jeweiligen Gegebenheiten des Landes und seiner Sprache verändern. Aguado beruft sich auf Voltaire als Gewährsmann, insbesondere auf seinen Essai sur la poésie épique (Paris 1728), dem er im wesentlichen folgt 209 . Die Regeln eines Theaterstücks vergleicht Aguado - originell und unabhängig von Voltaire - mit den Regeln von Gesellschaftsspielen wie z.B. dem Karten- und Schachspiel. Wie jedes Spiel seine eigenen Regeln besitzt, so hat auch jedes Theaterstück, jeder literarische Text seine Eigengesetzlichkeit. Mit diesem Gedanken nähert sich Aguado entscheidend der Vorstellung von der Autonomie des individuellen Kunstwerks an. Für Aguado muß die comedia weder didaktisch-moralische noch religiöse Funktionen erfüllen. Die Dichtung zählt er nicht mehr zu den Wissenschaften, denn sie ist ein Spiel mit eigenen Regeln. Aguado leitet ihre Legitimation also nicht von ihrem Nutzen
208 Zu Aguado vgl. infra, S. 97, Anm. 338. 209 Vgl. Voltaire: "Essai sur la poésie épique", in: id.: OEuvres complètes, 8. Bd., Paris 1877, S. 305-363. - Zur Rezeption von Voltaires Essai sur la poésie épique in Spanien vgl. Neriich, op. cit. 1964, passim; Lafarga, Francisco: Voltaire en Espana (1734-1835), Oxford 1989, S. 192-194.
258 ab, sondern nur von dem Wohlgefallen, das sie dem Menschen bereitet, vergleichbar einer wohlschmeckenden Speise 210 . Für Aguado sind nicht die Regeln, sondern ist die invención des Künstlers, der nach eigenem Ermessen die Regeln bestimmt, ausschlaggebend. Aguado illustriert dies mit einem Beispiel aus der Malerei und beschreibt ein Gemälde, das dem Betrachter je nach Distanz und Blickwinkel, die er wählt, unterschiedliche Bilder präsentiert: den Kopf eines Heiligen, die Kinnlade eines Esels, einen König mit Szepter, einen Hirten mit Krummstab, den Tod als Knochenmann oder ein Kruzifix 211 . Die hier angewendeten Regeln der Perspektive sind dem Gemälde keineswegs abträglich, sondern gereichen ihm im Gegenteil hinsichtlich seiner invención zum Vorteil. Daß die Dichter immer wieder "nuevas reglas para nuevos versos" erfunden haben, erscheint ihm gerade bewundernswert. Wie Erauso y Zavaleta vertritt Aguado die Meinung, Lope de Vega und Calderón hätten die Regeln der Alten genau gekannt, sie aber entsprechend ihren eigenen Vorstellungen verändert. Indem er die These von der Wandelbarkeit des Geschmacks je nach Zeit und Nation vertritt, wendet sich Aguado implizit gegen eine bedingungslose Nachahmung der Antike. Problematisch bleibt seine qualitative Differenzierung unterschiedlicher literarischer Begabungen. Sie erfolgt apodiktisch, ohne Rekurs auf den Geschmacksbegriff oder eine andere Begründung 212 . 210 Vgl. ibid.: "No es necessaria la Poesía para la vida, ni para la ciencia, y sabiduría; pero es una hermosa gala, deliciosa gracia, y como un exquisito plato, y particular golosina, con que se adorna la ciencia, y la sabiduría". 211 Vgl. Erauso y Zavaleta, op. cit. 1750, unpag.: "He visto una pintura, con el nuevo invento de reglas, de perspectiva, que mirada en una situación, era una cabeza de un Santo; y mirada en otra, parecía la quixada de un Borrico; en otra, con una leve mutación, aparecía un Rey con su Cetro, y ä otra mutación, un Pastor con su Cayado: una Muerte, y un Crucifixo. Estas distancias no son contra el Arte, antes bien es gala, con que resplandece en la invención". 212 Vgl. ibid.: "Doctos, é indoctos, poetizan: pero no todos son Poetas. Lope, y Calderón, fueron Poetas". Der wahre Dichter wird von Aguado quasi deifiziert: "Confiesso ingenuamente, hä sido siempre, para mi, admirable la Poesia, porque no soy Poeta: pero conozco, que es un Numen quasi Divino". - Erauso y Zavaleta seinerseits bezeichnet eine besondere Begabung wie Calderón als "ingenio superior", den er folgendermaßen definiert: "[...] la superioridad consiste en la continuación de aciertos, y en la poca, 6 ninguna concurrencia de yerros. El ingenio superior, lo es, en tanto, quanto supera ä los otros. Su sobresalencia se conoce en que siempre acierta, y solo algunas veces tropieza con el yerro; pero entonces tropeza, no suele caer" (ibid., S. 251).
259 5.4
Alonso Verdugo Castilla, dritter Conde de Torrepalma, und José Antonio Porcel y Salablanca
Auch innerhalb der Academia del Buen Gusto diskutierten die Mitglieder über das spanische Theater des Siglo de Oro, ohne daß dies an die Öffentlichkeit gelangte. Alonso Verdugo Castilla, dritter Conde de Torrepalma (1706-1767), eines der Gründungsmitglieder, hielt in der Akademiesitzung vom 1. Oktober 1750, der er als Präsident vorstand, eine Oración del Presidente con que se introdujo la Academia213. Er hebt in seinem Vortrag gerade für die Dichtung die Bedeutung der kritischen Diskussion ("conferencia critica" 214 ), die in der Akademie gepflegt werden soll, hervor, da nur "la concurrencia y el cotejo" ihre Vervollkommnung bewirken können 215 . Die Dichtung ist für ihn Ausdruck des Genies. Die Begabung für die Dichtung ist nicht erlernbar, sondern angeboren. Die poetologischen Regeln hält er für höchst fragwürdig 216 . Er kündigt ein neues Siglo de Oro der spanischen Literatur an. In seinen Ausführungen über die comedia erweist er sich als Anhänger von Lope de Vega und Calderón 217 . Verschollen ist leider ein Discurso sobre la Comedia Española des Conde de Torrepalma, den er am 9. März 1751 vorgetragen hat. In derselben Akademiesitzung am 1. Oktober 1750, in der Conde de Torrepalma seine Oración hielt, verlas José Antonio Porcel y Salablanca (1715-1794) sein Juicio lunático218. Porcel, wie Conde de Torrepalma aus Granada gebürtig und Mitglied der dortigen Academia del Trípode, gehörte
213 Vgl. Marín, op. cit. 1971, S. 157-178 (Edition des Textes S. 164-178). 214 Ibid., S. 165. 215 Ibid., S. 169. 216 Vgl. ibid., S. 166-167: "[...] la poesía es puramente o casi puramente genial. Por eso nace y no se enseña, y aunque el arte la modifica este mismo arte tiene mucho de vago; sus preceptos son equívocos, sus términos falaces y las pruebas de la exactitud sujetas a mil paralogismos". 217 Vgl. ibid., S. 175: "La comedia española, que ha alterado con tantas reparables novedades el antiguo estilo, reprimirá la insolente licencia con que desprecia sus más necesarios preceptos y con menos lasciva fecundidad nuevos Vegas, nuevos Calderones mostrarán con felicísima osadía que no para corromper sino para mejorar el arte lo varían". 218 Das unveröffentlichte Manuskript befindet sich in der BNM (Sign.: Ms. 18.476 [13]). Zum Juicio lunático vgl. Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 115; Orozco Díaz, Emilio: Porcel y el barroquismo literario del siglo XVIII, Oviedo 1968, S. 37-40; Tortosa Linde, op. cit. 1988, S. 98-99 und passim; Alvarez de Miranda, op. cit. 1992, S. 134.
260 in Madrid der Academia del Buen Gusto an 219 . Porcel bezeichnet in seinem Juicio lunático den gusto im Sinne der Wirkung der Dichtung im Rezipienten als wichtigste Regel überhaupt: "¿La regla de todas las reglas, no es el dar gusto? ¿Le han de quitar al público o a los oyentes el que sean jueces de lo que les agrada o les fastidia?"220. Diese Auffassung vom absoluten Vorrang des gusto erlaubt es Porcel zu behaupten: "cuan vanas son las decantadas reglas del Arte"221. Die von ihm postulierte Freiheit gebührt den "genios raros que así como no son imitables no son reprehensibles"222. Am Schluß des Juicio lunático sagt die Figur des dort auftretenden Dichters: "Comprendí ya, o confirmé el juicio que aún entre los mortales hice, de que la Poética no es más que Opinión. La poesía es genial, y a excepción de unas reglas generales y la sindéresis universal que tiene todo hombre sensato, el poeta no debe adoptar otra ley que la de su genio" 2 2 3 .
Damit wendet Porcel den Geniebegriff auf die Dichtung an und postuliert, daß das Genie über allen Regeln steht. Wie Erauso y Zavaleta und Conde de Torrepalma plädiert Porcel vehement für die dichterische Freiheit 224 . Conde de Torrepalma und Porcel waren beide Verehrer der Lyrik Góngoras, die von den klassizistisch orientierten Mitgliedern der Academia del Buen Gusto abgelehnt wurde 225 . Diese Vorliebe teilten sie mit einem weiteren Akademiemitglied, das gleichfalls die dichterische Freiheit verfocht: der Kleriker José de Villarroel 226 . 219 Die Veröffentlichung des Juicio lunático, den Orozco Díaz als "uno de los escritos de mayor interés crítico que nos han dejado los escritores del siglo XVIII" (Orozco Díaz, op. cit. 1968, S. 37) bewertet, ist ein dringendes Desiderat der Forschung. 220 Ibid., S. 39. 221 Zit. n. ibid. 222 Ibid., S. 40. 223 Ibid. 224 Orozco Díaz' Aussage über Porcel "En ningún escritor español de su siglo incluido el propio Feijoo - podemos encontrar una más exaltada y rotunda declaración de libertad poética" (ibid.) muß dahingehend korrigiert werden, daß Porcel keineswegs eine isolierte Sonderstellung zukommt, sondern daß seine Auffassung der künstlerischen Freiheit auch von anderen Autoren vertreten wurde, mit denen er in Kontakt stand. 225 Vgl. Glendinning, Nigel: "La fortuna de Góngora en el siglo XVIII", in: RFE, 44 (1961), S. 323-349. 226 Nicht zu verwechseln mit dem berühmten Diego de Torres Villarroel. Zu José de Villarroel vgl. Cueto, Leopoldo Augusto de: "Bosquejo histórico-crítico de la poesía castellana den el siglo XVIII", in: Poetas líricos del siglo XVIII, ed. cit., 1. Bd.,
261 5.5 Ignacio de Luzän Außer Nasarre war Luzän einer der Hauptvertreter der klassizistischen Richtung und damit einer der wichtigsten Kontrahenten von Erauso y Zavaleta, Conde de Torrepalma und Porcel, von deren Geschmacksbegriff sich der seine grundlegend unterscheidet. Zwar hat sich Luzän schon früh mit dem Geschmack auseinandergesetzt, aber erst um die Jahrhundertmitte, nach seinem Aufenthalt in Paris und im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung über das spanische Theater, rückt der Geschmacksbegriff ins Zentrum seines Interesses, während ihm in seinen früheren Schriften eher eine marginale Stellung zukommt. Sein Sohn berichtet über ihn, er habe in den zwanziger Jahren in der Akademie des Agostino Pantö, der er angehörte, außer sechs Vorträgen unter dem Titel Ragionamenti sopra la poesia, die eine Vorstufe zu seiner Poetica waren, einen Text mit dem Titel Sogno d'il227 buon gusto vorgetragen, der "una critica recta y juiciosa de varios poetas y otros escritores" 228 gewesen sei 229 . In seiner Arie de hablar von 1729 bezeichnet Ignacio de Luzän mit gusto das Unterscheidungsvermögen, das es einem erlaubt, den treffenden sprachlichen Ausdruck zu finden 230 . Doch auffällig ist, daß der Geschmacksbegriff in diesem Text im Grunde keine Rolle spielt, obwohl Luzän die 1724 in Venedig erschienene, von Antonio Maria Salvini kommentierte Ausgabe von Muratoris Deila perfetta poesia italiana, die er mehrmals erwähnt 231 , gelesen hat und dessen Theorie des Geschmacks kannte. Auch in seiner Poetica schenkt Luzän dem Geschmack kaum Beachtung, vielmehr steht die auf das Objekt bezo-
1929 (= BAE, 61), S. LXIV und XCII-XCV; Mercadier, Guy: "Joseph de Villarroel et Diego de Torres Villarroel: parenté littéraire et parenté naturelle", in: Mélanges à la mémoire de Jean Sarrailh, 2. Bd., Paris 1966, S. 147-159. 227 Recte: del. 228 Juan Ignacio de Luzán, in: Luzán, ed. cit. 1974, S. 47. 229 Vgl. De Cesare, Giovanni Battista: "Ignacio de Luzán a Palermo (1723-29) (Una Orazione inedita e delle rime dimenticate in lingua italiana)", in: Quaderni di Lingue e Letterature Straniere, 2 (1977), S. 41-90, hier S. 57. 230 Vgl. Luzán, ed. cit. 1991, S. 128: "Y aunque el desarraigar totalmente los afectos contrarios y dañosos al hablar bien es empresa muy ardua si no imposible, no obstante no será poco logro llegar a conocer [...] las causas y el origen de los defectos y de los aciertos que los dichos afectos ocasionan; pudiéndose así hallar más fácilmente el remedio para los unos, y lográndose en cuanto a los otros la seguridad y el gusto de saber por qué se acierta". 231 Vgl. ibid., S. 91, 114, 156-157, 164.
262 gene Schönheit im Vordergrund232. Dies wird deutlich an der Art und Weise, wie Luzán Muratoris Deila perfetta poesía italiana auswertet und für seine Poetik nutzbar macht: Während er Muratoris Ausführungen über die Schönheit referiert und sich zu eigen macht, läßt er dessen Kapitel über den Geschmack unberücksichtigt. Der Begriff buen gusto wird im Zusammenhang mit der dulzura gebraucht, also dem irrationalen Gegenstück zur belleza233. Die ingenios de buen gusto sind diejenigen, die Sappho, Anakreon, Vergil schätzen. Luzáns besondere Wertschätzung gilt Garcilaso de la Vega (1603-1536) und Lupercio Leonardo de Argensola (1559-1613), deren buen gusto er dem Culteranismo des 17. Jahrhunderts, als dessen Repräsentant er Góngora nennt, entgegensetzt 234 . In seinen Memorias literarias de París von 1751 verwendet Luzán den Geschmacksbegriff in Anwendung auf die Studien und die Wissenschaften 235 . Erwähnung findet Voltaires Le Temple du Goüt236. Über Montesquieu, den er in Paris kennengelernt hat, schreibt Luzán, er sei bekannt "entre los Literatos de buen gusto"237. Die Verweichlichung einer Nation setzt Luzán mit Geschmacksverderbnis gleich. Diese gehe von der Lektüre schlechter Werke, insbesondere von Romanen aus 238 .
232 Zu Luzáns Schönheitsbegriff vgl. infra, S. 114-120. 233 Vgl. Luzán, ed. cit. 1974, S. 136: "Esta calidad de la dulzura poética es por quien hoy día se estiman tanto, entre los ingenios de buen gusto, los fragmentos de la poetisa Safo y las odas de Anacreonte; y por esta misma [...] durará siempre inmortal la f a m a del gran Virgilio, y lograrán entre los entendidos más estimación dos versos suyos, en los cuales exprese con su acostumbrada dulzura algún afecto, que toda la magnificencia de Lucano, toda la pompa de Claudiano y toda la agudeza de Marcial. Y por la misma, a mi entender, se deberá también apreciar más un soneto afectuoso de Garcilaso, o de Lupercio Leonardo; o de otro cualquier poeta de buen gusto, que todos los conceptos y toda la afectación de Góngora, o de otros poetas del mismo estilo". 234 Zu der Vorbildfunktion von Garcilaso de la Vega und seiner Rezeption im 18. Jahrhundert vgl. Sebold, Russell P.: Descubrimiento y fronteras del neoclasicismo español, Madrid 1985, S. 65-89. 235 Vgl. infra, S. 296. 236 Vgl. Luzán, op. cit. 1751, S. 75. - Voltaire: "Le Temple du Goüt", in: id., ed. cit., 8. Bd., 1877, S. 547-600. 237 Luzán, op. cit. 1751, S. 307. 238 Seine Beschreibung des guten bzw. schlechten Geschmacks weist durchaus misogyne Züge auf. Der gute Geschmack sei gesund und männlich, der schlechte, verdorbene Geschmack dagegen verweichlicht, krank, weiblich. Vgl. ibid., S. 302: "La lección de estos Libros, que es muy de moda, afemina poco á poco, y destruye todo lo varonil de la Nación, y estraga el gusto para otras lecciones mas provechosas".
263 Eine deutliche Stellungnahme gegen Erauso y Zavaleta, Conde de Torrepalma und Porcel stellt Luzáns spanische Adaptation des von 1735 stammenden Theaterstücks Le préjugé ä la mode von Pierre Claude Nivelle de La Chaussée (1692-1754) dar, unter dem Titel La razón contra la moda. Comedia traducida del francés 1751 in Madrid erschienen 239 . Luzáns Sohn schreibt über La razón contra la moda, sein Vater habe die Übersetzung veröffentlicht "con el fin de ir introduciendo el buen gusto en la dramática" 240 und das Manuskript der Academia del Buen Gusto vorgetragen "con mucho aplauso de los concurrentes" 241 . Die ungeteilte Zustimmung aller Mitglieder der Academia del Buen Gusto dürfte aber wohl kaum dem poetologischen Konzept gegolten haben, das Luzán in dem in der Druckausgabe enthaltenen Vorwort A la Excma. Señora Doña Josepha de Zúñiga y Castro, Marquesa de Sarria, mi Señora. El Peregrino vorstellt, in dem er sich unter seinem Pseudonym an die Leiterin der Academia del Buen Gusto und Widmungsträgerin seines Theaterstücks wendet 242 . Hier werden die Schlüsselbegriffe des Conde de Torrepalma und Porcels, genio und gusto, von Luzán aufgenommen, aber ganz im klassizistischen Sinne gedeutet. Der gusto ist für Luzán nichts als eine willkürliche Laune, die keineswegs die überlieferten Regeln des Theaters ersetzen kann. Vernunft und Erfahrung werden von Luzán aufgeboten gegen diejenigen, die die Regeln des Theaters außer Kraft setzen wollen. "Habrá oído V. E x c . 2 4 3 (permítaseme repetir lo que ya he insinuado) que la Poesía Cómica no está sujeta á otras leyes que las del capricho y del gusto; y que las que hemos aprendido en los antiguos Maestros, y las que observan otras Naciones, no se hicieron para nosotros, que libres de tal yugo podemos despreciar aquéllas e inventar otras conforme a nuestro genio. No me admirara yo que estos discursos al ayre se hubiesen oído en los siglos más bárbaros, pero en este, confiesso que me han causado extrañeza: Por ventura la razón y la experiencia no se hicieron para nosotros?" 2 4 4 .
239 Zu Luzáns La razón contra la moda vgl. Mérimée, op. cit. 1955, S. 440-452; Barbolani, María Cristina: "La razón contra la moda: reflexiones sobre Luzán traductor", in: Donaire, María Luisa/Lafarga, Francisco (Hrsg.): Traducción y adaptación cultural: España - Francia, Oviedo 1991, S. 551-559. 240 Juan Ignacio de Luzán, in: Luzán, ed. cit. 1974, S. 54. 241 Ibid., S. 55. 242 Auf die poetologische Bedeutung des Vorworts von Luzán weist Froldi hin. Vgl. Froldi, Rinaldo: "El 'último Luzán"', in: La época de Fernando VI, Oviedo 1981, S. 353-366, h i e r S . 359-361. 243 Abkürzung für: Vuestra Excelencia. 244 Zit. n. Marín, op. cit. 1971, S. 162-163.
264 Die Marquesa de Sarria bezeichnet er als Schutzherrin des buen gusto, den er selbst für sich und die von ihm vertretene klassizistische Position reklamiert 245 . Eine Stärkung der klassizistischen Richtung erhoffte sich Luzán sicherlich auch von der Neuauflage seiner Poética, die er Anfang der fünfziger Jahren plante 246 . 5.6
Agustín Montiano y Luyando und Luis José Velázquez de Velasco, Marqués de Valdeflores
Ein weiterer Vertreter des klassizistischen Theaters in der Academia del Buen Gusto war Agustín Montiano y Luyando (1697-1764), der seine poetologischen Anschauungen in zwei Discursos veröffentlichte: einem Discurso sobre las tragedias españolas, zusammen mit seinem Theaterstück Virginia 1750 in Madrid veröffentlicht, und einem weiteren Discurso II sobre las tragedias españolas, zusammen mit seinem Theaterstück Athaulpho drei Jahre später ebendort erschienen 247 . Ob Montiano y Luyando den ersten Discurso in der Academia del Buen Gusto vorgestellt hat, läßt sich nicht belegen, aber ohne jeden Zweifel wurde sein Theaterstück Virginia dort vorgetragen, denn zu diesem Anlaß verfaßte Luis José Velázquez de Velasco, Marqués de Valdeflores (1722-1772), ein Examen de Virginia, tragedia española248. Im Discurso sobre las tragedias españolas von 1750 nimmt Montiano y Luyando eindeutig gegen Erauso y Zavaleta, Conde de Torrepalma und Porcel Stellung, indem er Lope de Vega und Calderón als "corruptores" 249 des klassischen Theaters bezeichnet. Derjunge Luis José Velázquez, seit September 1750 Mitglied der Academia del Buen Gusto, orientierte sich weitgehend an Montiano y Luyando, der für ihn eine Art Mentor war. Velázquez schrieb während der Abfas245 Vgl. Alvarez de Miranda, op. cit. 1992, S. 497-498: "Et buen gusto, Señora, tan benigna y constantemente protegido y fomentado por V. Exc., no sufriría que yo sujetasse mi pluma a la pauta de vulgares y comunes abusos". 246 Dies ergibt sich aus folgender Bemerkung Velázquez' über Luzáns Poética: "[...] y si su Autor hace de el la segunda edición mas aumentada, que medita, no nos dexara cosa que desear en este assumpto" (Velázquez, Luis Joseph: Orígenes de la poesía castellana, Málaga 1754, S. 169). Die zweite Auflage der Poetik erschien erst 1789 postum. 247 Zu Montiano y Luyando vgl. Mérimée, op. cit. 1955, S. 389-409; Entrambasaguas, op. cit. 1956, S. 44-50; Lanz de Casafonda, ed. cit. 1972, S. 49-50. 248 Vgl. Tortosa Linde, op. cit. 1988, S. 65. 249 Montiano y Luyando, Agustín: Discurso 1750, S. 65.
sobre las tragedias
españolas,
Madrid
265 sungszeit seiner Orígenes de la poesía castellana (Málaga 1754, 2 1797) an Montiano mehrere Briefe, in denen er ihn um Rat und Mithilfe bat 250 . Am 19. Januar 1753 erbat er von Montiano die Zusendung von dessen beiden Discursos und des Prologs von Nasarre 251 . Am 23. Februar fragte er Montiano, welche comedias er in seinem Buch lobend hervorheben soll und was er von Luzáns Übersetzung La razón contra la moda von Nivelle de la Chaussée hält 252 . Am 23. Mai fragte Velázquez bei Montiano an, wie er die Lyrik des Conde de Torrepalma bewerten solle, ohne diesen zu verletzen, da er seiner Meinung nach zu denjenigen gehört, die das Gegenteil des buen gusto repräsentieren 253 . Im selben Brief formuliert Velázquez seinen Entschluß, über Conde de Torrepalma und Porcel folgendermaßen zu urteilen: "Yo alabo, lo que r e a l m . l e 2 5 4 es bueno, q e es su ingenio; pero q e obra suia puede ser de buen gusto? En Porcel, por ser de la religión descalza del Parnaso, alabo los buenos remiendos, q e también alabo Horacio" 2 5 5 .
Tatsächlich werden beide in den Orígenes de la poesía castellana lobend erwähnt. "También merecen una particular estimación el ingenio del Conde de Torrepalma bien desempeñado en el Discurso sobre la Comedia Española, que aun no ha dado ä luz 2 5 6 ; y las Eclogas Venatorias de el Adonis de D. Joseph Porzél, en que hai pedazos excelentes, y tan buenos como los mejores de Garcilaso" 2 5 7 .
250 Vgl. Mérimée, op. cit. 1955, S. 409-411; Deacon, Philip: "La historia interna de los Orígenes de la poesía castellana de Luis Joseph Velázquez", in: BOCES, 6 (1978), S. 65-82; Abad, Francisco: "La constitución de las ciencias humanas en el siglo XVIII español", in: Actas del Congreso Internacional sobre "Carlos III y la Ilustración", 3. Bd., Madrid 1989, S. 461-474, hier S. 465-467; Deacon, Philip: "Portrait of an Eighteenth-Century Spanish Intellectual. Luis Joseph Velázquez, Marqués de Valdeflores", in: Davis/Smith, op. cit. 1993, S. 105-116. 251 Vgl. Deacon, art. cit. 1978, S. 68. 252 Vgl. ibid., S. 68-69. In seinen Orígenes de la poesía castellana schreibt Velázquez über Luzáns La razón contra la moda: "La razón contra la moda, que D. Ignacio Luzan traduxo del Francés de Mr. Nivelle de la Chausée, es digna de qualquier elogio, y tiene tanto aire de original, que difícilmente se echara de ver en ella su origen Estrangero" (Velázquez, op. cit. 1754, S. 118). 253 Vgl. Deacon, art. cit. 1978, S. 69: "quisiera q e V. me dixese como me he de conducir para hablar del estado actual de nuestra Poesia, sin dexar de decir la verdad, y sin chocar al Conde y ä los que sienten p. r la parte opuesta al buen gusto". 254 Abkürzung für: realmente. 255 Ibid., S. 69. 256 Vgl. infra, S. 259. 257 Velázquez, op. cit. 1754, S. 75.
266 Die Auseinandersetzung über den buen gusto umgeht Veläzquez hier geschickt, indem er einen unveröffentlichten poetologischen Text des Conde de Torrepalma hervorhebt, so daß es dem Leser seines Buch nicht möglich ist festzustellen, wie sehr die darin vertretenen Thesen denjenigen Luzans, Nasarres, Montianos widersprechen. Porcel wird gar mit dem von Veläzquez als vorbildlich verehrten Garcilaso de la Vega verglichen. Erauso y Zavaletas Traktat wird in Veläzquez' Buch nicht erwähnt, und es ist nicht auszuschließen, daß er ihn tatsächlich nicht gekannt hat. Geprägt ist Veläzquez von Montianos Discursos, aber auch von Nasarres Text, den er mehrfach in seinem Buch erwähnt oder zitiert. Der buen gusto ist für Veläzquez abhängig von normativen Regeln. Darüberhinaus aber ist in seinem Geschmacksbegriff auch die enge Verbindung von Geschmack und Bildung präsent 258 . Veläzquez steht zwischen den beiden Lagern innerhalb der Academia del Buen Gusto. Als junger Mann sucht er noch seinen Weg. Vor den Akademikern hielt er am 3. September 1750 einen Discurso sobre la poesia, in dem er zwar die Bedeutung der Regeln nicht in Frage stellt, aber als wichtigste Qualitäten des Dichters die Fantasie und die Inspiration, die ihm von Gott zuteil wird, bezeichnet 259 . Porcel kritisiert den Vortrag in seinem Juicio lunätico am 1. Oktober heftig, obwohl seine eigene Position von Veläzquez grundsätzlich vertreten wurde 260 . Abschließend läßt sich festlegen, daß die in der Academia del Buen Gusto vertretenen konträren Fraktionen beide den buen gusto für sich reklamieren, ihn aber entsprechend ihren poetologischen Vorstellungen mit grundsätzlich verschiedenen Inhalten füllen. Die Klassizisten billigen den buen gusto nur demjenigen zu, der die Regeln beachtet, wohingegen Erauso y Zavaleta, Conde de Torrepalma, Porcel den Geschmack als Eigenschaft des genialen Dichters ansehen, der sich frei vom Regelzwang künstlerisch ausdrückt. Im Geschmacksbegriff manifestiert sich für die Anhänger der spanischen comedia des Siglo de Oro der innovatorische Impetus zur Erneuerung der spanischen Literatur, der die Arbeit der Academia del Buen Gusto dienen soll und zu der die Rückbesinnung auf die eigene, genuin spanische Tradition die Voraussetzung bildet. 258 Vgl. ibid., S. 142: "[...] el talento Poetico de una Nacion, cuyos verdaderos sentimientos en materia de literatura no se deben buscar en medio del vulgo, casi siempre corrompido, sino en los Escritos de los hombres Sabios, que conservan siempre el buen gusto, y el honor, que es debido à las Letras [...]". 259 Vgl. Mérimée, op. cit. 1955, S. 363-364, 411. 260 Vgl. ibid., S. 371, Anm. 39: "esta era una de aquellas composiciones que con un vano explendor deslubran para ocultar el poco fondo de luz que contienen".
267
6.
Der Geschmacksbegriff in den sechziger und siebziger Jahren
6.1 Francisco Mariano Nipho Der Journalist Francisco Mariano Nipho (1719-1803) gab in den letzten Monaten des Jahres 1760 und weiterhin 1761 zweimal wöchentlich die Zeitung Caxön de sastre heraus, die er vermutlich alleine, ohne jede Hilfe von Mitarbeitern schrieb und zum Teil erstmals auf dem damals noch unüblichen Wege der Subskription verkaufte 261 . Abgesehen von den aktuellen Beiträgen finden sich im Caxön de sastre Texte älterer und neuerer spanischer und ausländischer Autoren, meist zentriert um Themenschwerpunkte. Ein solches Thema ist auch der Geschmacksbegriff, der in unterschiedlichen Texten behandelt wird - in mehreren kurzen Abhandlungen, Gedichten, Briefen. In seiner Einleitung zum Caxön de sastre sagt Nipho dem herrschenden mal gusto, in dem er den Grund für die Dekadenz Spaniens sieht, den Kampf an. Er fordert eine Rückbesinnung auf die eigene spanische Tradition, auf "[...] las obras de nuestros pasados, que hablaron con mucha propriedad y pureza" 262 . Auf Angriffe aus dem Ausland gegen Spanien habe es in seinem Land keine Reaktionen gegeben, sondern nur ein Verharren in Lethargie. Nipho will mit seiner Zeitung dazu beitragen, "la antigua eloqüencia y sölida discrecion de Espana" 263 zu erneuern. Im folgenden werden drei Beiträge des Caxön de sastre über den Geschmack eingehender betrachtet. In De la dificultad que se ofrece para contentar, y dar gusto al Püblico, porque tiene tantos paladares como Individuos versucht Nipho eine Klä261 Die Zeitung war so beliebt, daß sie mehrmals nachgedruckt wurde. Benutzt wird hier die von Nipho selbst redigierte Ausgabe in Buchform. Die Artikel wurden von ihm geringfügig erweitert und ergänzt. Vgl. Cajón de sastre literato o Percha de maulero erudito, con muchos retales buenos, mejores, y medianos, útiles, graciosos, y honestos para evitar las funestas conseqüencias del ocio. Nuevamente corregido y aumentado por D. Francisco Mariano Nipho, 6 Bde., Madrid 1781/82. - Vgl. Fernández González, op. cit. 1867, S. 29-30; Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 284, Anm. 1; Enciso Recio, Luis Miguel: Nipho y el periodismo español del siglo XVIII, Valladolid 1956, S. 197-217, 375-384; Profeti, Maria Grazia: "II Cajón de sastre: scelte letterarie e publico", in: Miscellanea di studi ispanici, Pisa 1968, S. 229-256; Guinard, op. cit. 1973, S. 134-135; McClelland, op. cit. 1975, S. 65-87. 262 Nipho, op. cit., 1. Bd., 1781, S. XXIX. 263 Ibid., S. XXX.
268 rang des Begriffs Público264. Er definiert Público als "un conjunto de pareceres, pocas veces conformes" 265 und stellt die Frage, wie der gusto des Publikums beschaffen sei. Er bedient sich eines Vergleichs mit dem menschlichen Körper: Demnach entsprechen dem Kopf die "discretos" 266 , nämlich die "hombres de buen gusto, y de exquisito discernimiento" 267 , die razón, exactitud, formalidad besitzen. Sie sind nur ein kleiner Teil des Publikums. Alle anderen Teile des Körpers, die ohne den Kopf handlungsunfähig sind, entsprechen dem Gros des Publikums. Der buen gusto dient Nipho als Kriterium zur soziologischen Differenzierung: buen gusto ist eine von der Vernunft bestimmte Eigenschaft eines kleinen, elitären Kreises innerhalb des gesamten Publikums. In dem Artikel El Buen Gusto antiguo de España, está bien acreditado en el zelo que tenían nuestros mayores por la educación de sus hijos. Explicación del Buen Gusto bemüht sich Nipho um die Klärung des Begriffs buen gusto26S. Die längere Abhandlung besteht aus mehreren unterschiedlichen Teilen, die heterogen wirken, doch ganz dem für den Caxón de sastre charakteristischen Verfahren entsprechen, dem Leser Reflexionen und Kommentare des Redakteurs im ständigen Wechsel mit Texten anderer Autoren zu präsentieren. In einer kurzen Einleitung unterscheidet Nipho den gusto im allgemeinen vom buen gusto als einer speziellen, qualitativ hochstehenden Ausprägung des gusto: Während alle Nationen seiner Meinung nach gusto besitzen, gesteht er nicht allen den buen gusto zu, der von ihrer jeweiligen Bildung und Kultur abhängt. Nipho setzt den buen gusto mit Gemeinsinn und Vernunft ("el Sentido común, ó la Razón"269) gleich. Der Mensch erkennt mittels des juicio Wahres und Falsches, mittels des buen gusto das Gute. Einen Unterschied zwischen beiden Urteilsinstanzen sieht Nipho lediglich hinsichtlich der verschiedenen Objekte, auf die sie sich jeweils beziehen. Nipho übersetzt einige Auszüge aus dem zweiten Teil von Batteux' Les Beaux Arts réduits à un même principe, der vom Geschmack in den schö-
264 Vgl. ibid., 3. Bd., 1781, S. 3-6. 265 Ibid., S. 3. 266 Ibid., S. 4. 267 Ibid., S. 5. 268 Vgl. ibid., 4. Bd., 1781, S. 3-51. 269 Ibid., S. 3-4.
269 nen Künsten handelt 270 . Daß ein längerer Abschnitt der Explicación del Buen Gusto eine Übersetzung von Batteux' Text ist, kann der Leser nicht ohne weiteres erkennen, da Nipho lediglich zur weiterführenden Lektüre den ersten Band von Batteux' Príncipes de littérature von 1755 empfiehlt271 und andeutet, daß er seine Darstellung der historischen Entwicklung des buen gusto von der griechischen Antike bis zur Gegenwart von Batteux übernommen hat. Nipho macht seine spanischen Leser in den übersetzten Passagen mit den Grundsätzen von Batteux' Geschmacksbegriff bekannt: die Unterscheidung von einerseits Intelligence, die auf die Dinge an sich - ohne deren Bezug zum Menschen - zielt und zur Unterscheidung von Wahrem und Falschem dient, und andererseits Goût, der nicht auf die Dinge an sich, sondern auf die Verbindung, die zwischen den Dingen und dem Menschen besteht, zielt und der Unterscheidung von Gutem und Schlechten, Außergewöhnlichem und Mittelmäßigem dient, des weiteren die Thesen, daß der Geschmack auf die Natur ausgerichtet ist, daß er nicht von Zufällen, sondern von Gesetzen gelenkt wird, daß er den Menschen in den schönen Künsten als natürlicher Teil seiner selbst zum Guten führt 272 . Unberücksichtigt bleiben in Niphos Textauswahl allerdings zum einen Batteux' Konzeption der schönen Künste als Voraussetzung für seinen Geschmacksbegriff, zum anderen die Ausrichtung des Geschmacks auf die Nachahmung der schönen Natur. Batteux widmet einen längeren Abschnitt seines Buches der Geschmacksbildung als integralem Bestandteil der Erziehung der Kinder und schreibt ausdrücklich, daß der Geschmack nicht nur in den schönen Künsten, sondern auch im sittlichen Bereich wirksam sei 273 . Nipho, der sich vorrangig für die ethisch-moralischen und pädagogischen Funktionen 270 Vgl. ibid., S. 4-18, mit Batteux, op. cit. 1773, S. 76-81, 83-84, 89-96. - Eine spanische Übersetzung der Schriften von Batteux, verfaßt von Agustín García de Arrieta, erschien erst zur Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in neun Bänden unter dem Titel Principios filosóficos de la literatura, ó Curso razonado de bellas letras y de bellas artes. Traducida al castellano e ilustrada con algunas notas críticas y varios apéndices sobre la literatura española (Madrid 1797/1805). Zur Rezeption von Batteux in Spanien vgl. Urzainqui, Inmaculada: "Batteux español", in: Lafarga, Francisco (Hrsg.): Imágenes de Francia en las letras hispánicas, Barcelona 1989, S. 239-260. 271 Vgl. Nipho, op. cit., 4. Bd., 1781, S. 8. - Der erste Band der 1755 in Leiden und Göttingen erschienenen Ausgabe enthält Les Beaux Arts réduits à un même principe. 272 Zu Batteux' Geschmacksbegriff vgl. Knabe, op. cit. 1972, S. 257-261. 273 Vgl. Batteux, op. cit. 1773, S. 147-157.
270 des Geschmacks interessiert, nimmt diese Gedanken nicht nur auf, sondern rückt sie in den Vordergrund und paßt sie den spanischen Gegebenheiten an. In Niphos Reflexionen, die auf seine Übersetzung von Batteux' Text folgen 2 7 4 , wendet er sich dagegen, den buen gusto ausschließlich in den schönen Künsten zu suchen. Deren angenehme Wirkung und das Vergnügen, das sie bereiten, bestreitet er nicht, doch vertritt er die Auffassung, daß sie auf das Glück der Menschen im Staatswesen keinerlei Einfluß haben und daß die Grundlage des buen gusto nicht in den schönen Künsten, sondern allein in der guten Erziehung der Kinder besteht 275 . Nach Nipho leitet der buen gusto als Regulativ der Vernunft den Menschen zum richtigen Handeln und Denken sowie zur Nächstenliebe an und ermöglicht ihm ein glückliches Leben im Staatswesen 276 . Nipho behauptet, früher hätten die Spanier alle Gesetze des buen gusto in der Erziehung ihrer Kinder befolgt - eine These, die schon im Titel seines Artikels enthalten ist. Er erweitert den Geschmacksbegriff noch um eine ökonomische Dimension, indem er ihn auch auf die artes mechanicae anwendet. Trotz des Vorzugs des útil vor dem delectable sei es den Spaniern in der Vergangenheit gelungen, auch große Leistungen in den schönen Künsten zu vollbringen. Nipho nennt als Nachweis Palominos El museo pictórico o Escala óptica und veröffentlicht erstmals Calderóns Verteidigung der Malerei als ars liberalis, um zu zeigen, wie geschätzt die Malerei früher war 2 7 7 . Nipho bemüht sich um eine Funktionalisierung des Geschmacks zur Verbesserung der aktuellen sozialen und ökonomischen Lebensverhältnisse in Spanien. Die eigene Tradition soll den Zeitgenossen als Vorbild dienen. Der Geschmack ist nicht nur Regulativ, sondern er ist der eigentliche Antrieb für das Gute und Schöne 278 . Die Vernunft bewahrt den Menschen 274 Vgl. Nipho, op. cit„ 4. B d „ 1781, S. 18-25, 43-51. 275 Vgl. ibid., S. 18: "[...] si yo fuera capáz de hacer opinion en este asunto, diria: que el Gusto, y el Gusto bueno, estriva solo en la sana educación de los hijos; porque de este origen nacen para qualquiera Estado las mejores, y mas seguras felicidades". 276 Vgl. ibid., S. 19: "[...] que las acciones del hombre sean regulares, que su modo de pensar justo, que su corazon se franquee al bien del prógimo, y que toda su conducta se dirija á la felicidad del Estado; esto sí que se debe llamar Buen Gusto; y esto sí, que debe ser el blanco adonde debe encaminar todas sus idéas el entendimiento". 277 Vgl. ibid., S. 25-43. Zu Calderón vgl. infra, S. 34, Anm. 61. 278 Vgl. ibid., S. 49: "El Gusto de lo bueno, y de lo hermoso, es la mejor, y menos arriesgada satisfacción del espíritu humano. Y para que entiendan, los que entienden poco de gusto, que éste es el principal móvil de lo bueno, y hermoso [...]".
271
mittels des buen gusto vor der Tyrannei der Leidenschaften und ermöglicht ihm die Erlangung einer "felicidad casi imposible, que es vivir bien consigo mismo, y con los demás hombres" 279 . Nicht der buen gusto ist unbeständig, sondern das wechselhafte Schicksal (fortuna), dessen Willkür der Mensch ausgesetzt ist und dem er mit dem buen gusto als festem Orientierungspunkt trotzt. Nipho ist Batteux nicht nur deutlich an begrifflicher und definitorischer Schärfe unterlegen, seine eigenen Ausführungen über den buen gusto stehen auch inhaltlich in einem merkwürdigen, nicht vermittelten Widerspruch zu Batteux' Theorien. Im Gegensatz zu Batteux stehen für Nipho nicht die ästhetischen, auf die schönen Künste bezogenen Funktionen des buen gusto im Mittelpunkt des Interesses, sondern seine ethisch-moralischen und pädagogischen Funktionen, denen er noch eine ökonomische hinzufügt. Batteux' Unterscheidung zwischen Intelligence und Goüt hebt Nipho durch seine Gleichsetzung von juicio und buen gusto wieder auf. Niphos ethisch-moralischer buen gusto entspringt der Vernunft {entendimiento), was wiederum im Widerspruch zu Batteux' Theorie steht, für den der Geschmack zum Gefühl gehört. Der Artikel El Gusto Bueno, considerado en el buen uso, y regularidad exacta de las Bellas Letras, Erudición, y Literatura enthält keine grundsätzlich neuen Gedanken zum Geschmacksbegriff, wohl aber konturiert Nipho hier die bisher skizzierten Theorien schärfer, obwohl er die Hauptthesen in wortreiche Kommentare und Digressionen einbettet 280 . Ein aufschlußreiches Indiz für die auffällig häufige Verwendung und die dadurch bedingte inhaltliche Abnutzung des Geschmacksbegriffs in seiner Zeit ist Niphos Hinweis, das Wort gusto sei in aller Munde, und gerade diejenigen, die den "gusto delicado, y exquisito" 281 für sich reklamierten, hätten den schlechtesten Geschmack. Er definiert den gusto als "[...] un discernimiento vivo, delicado, puro, y preciso de toda la hermosura, verdad, y justa proporcion, y medida de los pensamientos, y expresiones que entran en qualquiera discurso; esto es, respecto á las operaciones del entendimiento. Esto deseado, y aplaudido Buen Gusto, distingue quanto es mas conforme á la mas exacta decencia, todo lo que es proprio al caracter, Índole, ó genio de cada individuo; y todo lo conveniente á las diversas circunstancias que ocurren" 282 . 279 280 281 282
Ibid., S. 50. Vgl. ibid., 4. Bd., 1781, S. 264-324. Ibid., S. 265. Ibid., S. 266.
272 Auffällig ist die weitgefächerte, recht heterogene Palette unterschiedlicher Anwendungsgebiete, in denen der gusto als Urteilsinstanz wirksam wird: im Bereich der Schönheit und der Wahrheit, im Denken und im Sprechen. Daß der gusto vom Verstand und nicht vom Gefühl bestimmt wird, stellt Nipho nochmals ausdrücklich heraus 283 . Der gusto zielt nicht nur auf die Natur und richtet sich nach ihr 284 , er ist allen Menschen als natürliche Anlage angeboren 285 , doch er bedarf der Formung durch Erziehung. Verdorben wird der gusto durch falsche Erziehung, schlechte Sitten, die Vorurteile der jeweiligen Zeiten und Länder286. Entsprechend den Thesen seines Artikels De la dificultad que se ofrece para contentar, y dar gusto al Público, porque tiene tantos paladares como Individuos führt er aus, das Urteil weniger Kenner sei mehr wert als dasjenige eines quantitativ großen, aber unkundigen Publikums 287 . 6.2
Conde de Peñaflorida
Im Programm der Real Sociedad Vascongada de los Amigos del País wurde der Dichtung als Instrument praktischer Belehrung - ganz im Sinne des horazischen prodesse et delectare - eine wichtige Rolle zuerkannt. Die Literatur wurde aufgefaßt als Medium zur Verbreitung der aufklärerischen Ideen der Sozietät. Um sie in ihrer didaktischen Funktion möglichst effektiv einzusetzen, suchte man nach Richtlinien und Qualitätskriterien, die nicht von jedem Individuum gesondert, nach freiem Belieben, entschieden werden sollten, sondern für alle Mitglieder der Sozietät galten. Bereits während der ersten Jahresversammlung im Februar 1765 in Vergara wies Ignacio María de Berroeta auf die Notwendigkeit allgemeingültiger Regeln für die Mitglieder hin. Im Rahmen der zweiten Jahresversammlung der Sozietät hielt ihr Direktor Francisco Munibe e Idiáquez, Conde de Peñaflorida (1729-1785), am 20. Januar 1766 einen öffentlichen Vortrag mit dem Titel Del buen gusto en la literatura, in dem er mit dem buen gusto
283 Vgl. ibid., S. 267: "Esta afortunada qualidad del discernimiento, que es mucho mas fácil conocerla, que definirla, es efecto del juicio, y no como algunos creen del ingenio; y es una especie de segunda razón natural, perfeccionada por el estudio". 284 Vgl. ibid., S. 267: "Consulta en todo á la Naturaleza, la sigue sin transgresión". 285 Vgl. ibid., S. 268: "[...] todos los hombres traen consigo al nacer los primeros principios del Gusto [...]". 286 Vgl. ibid., S. 270. 287 Vgl. ibid., S. 290-291.
273 eine für alle gültige Nonn vermitteln wollte 288 . Der Inhalt des Vortrags ist wenig originell. Conde de Peñaflorida gibt nicht nur unumwunden zu, daß er sich das Thema neu erarbeitet hat 289 . Er nennt "varios hombres grandes"290, deren Ausführungen über den Geschmacksbegriff er sich zueigen gemacht habe. Einige der Autoren und deren Texte, aus denen er einzelne Gedanken übernommen hat, gibt er an 291 , u.a. Horaz, den er "gran Príncipe del buen gusto" 292 nennt, Luzáns La poética von 1737 und Agustín Montiano y Luyandos Discurso sobre las tragedias españolas von 1750, des weiteren den Essai sur le Beau des Père André von 1741 und den Cours de Belles-Lettres distribué par exercices (Paris 1753), in dem auch Les Beaux Arts réduits à un même principe von 1746 enthalten ist 293 . Er erwähnt zwar auch Feijoos Razón del gusto und El no sé qué, die aber für seinen Geschmacksbegriff keine Rolle spielen, da er sich nicht an der spanischen Geschmacksdiskussion, sondern ausschließlich an der französischen orientiert. Er verschweigt allerdings seine wichtigste Quelle, die Encyclopédie - verständlicherweise, da sie in Spanien verboten war. Die Hauptthesen und die methodische Vorgehensweise des Vortrags sind
288 Vgl. Areta Armentia, op. cit. 1976, S. 73-122, 371-408 (Edition des Textes). 289 Vgl. ibid., S. 378, 404. 290 Ibid., S. 378. 291 Zu den Quellen des Vortrags vgl. ibid., S. 88-104. 292 Ibid., S. 391. - Die Vorstellung von Horaz als Inbegriff des buen gusto wird zu einem Gemeinplatz der spanischen Geschmacksdiskussion der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Tomás de Iriarte bezeichnet Horaz in seiner vom 20. Mai 1776 datierten Epístola IX als "maestro de buen gusto" (zit. n. Poetas líricos del siglo XVIII, ed. cit., 2. Bd., 1925, S. 35). Das gleiche tut Marqués de Ureña. Vgl. Marqués de Ureña, op. cit. 1785, S. 46. Auch für Forner ist Horaz das wichtigste Vorbild für den buen gusto. Vgl. Forner, op. cit. 1784, S. 22: "[...] cada materia, cada Poema, cada especie de obra tiene sus galas, y adornos propios y peculiares (idescriptas vices, operum colores), que debe observar el Poeta puntualmente, si quiere merecer el nombre de tal; y no porque lo ha enseñado Horacio, sino porque lo enseñan asi la razón y el buen gusto, cuyo organo fue aquel grande hombre". 293 Areta Armentia transkribiert in seiner Edition des Vortrags die Quellenangabe Peñafloridas von Batteux' Text irrtümlich als "Curso de las Bellas Letras de Mr. L'Abatut" (Areta Armentia, op. cit. 1976, S. 380). Als Folge dieses Fehlers gibt Areta Armentia in seinem Kommentar den Text des vermeintlichen "Mr. L'Abatut" als Quellenhinweis des Conde de Peñaflorida an, ohne Titel und Autor zu verifizieren. Zwar merkt Areta Armentia, daß Peñaflorida Batteux' Werk benutzt hat, dessen Titel er auch zitiert, aber er glaubt, als Folge seines Transkriptionsfehlers, Peñaflorida habe Batteux als Quelle verschwiegen. Vgl. ibid., S. 102104, und S. 120, A n m . 4 9 .
274 entlehnt Voltaires Artikel Goüt294 und Montesquieus postum veröffentlichtem, fragmentarischen Essai sur le goüt dans les choses de la nature & de l'art, der auf Voltaires Text folgt 295 . Conde de Penaflorida will nicht den buen gusto im allgemeinen betrachten, sondern nur in Anwendung auf die literatura, womit er in erster Linie die Dichtung meint, auch wenn er die anderen schönen Künste mitberücksichtigt. Er betrachtet ausschließlich die objektiven Eigenschaften des buen gusto. Ihn interessieren weder die physiologisch-psychologischen Voraussetzungen für den Geschmack im Menschen noch die Frage, ob der gusto angeboren ist oder erworben werden kann. Er stellt fest, daß der buen gusto in allen Bereichen des alltäglichen Lebens eine so große Rolle als Urteilsinstanz spielt, daß das gegenwärtige Jahrhundert als "siglo del buen gusto"296 angesehen werden kann. Er überträgt also diese Bezeichnung, die Azara für das 16. Jahrhundert verwendet hat, auf die eigene Zeit und konstatiert, daß die Zeitgenossen trotz der eminenten Bedeutung, die der buen gusto für sie hat, erhebliche Schwierigkeiten haben, ihn zu definieren. Conde de Penaflorida präsentiert verschiedene Definitionen des buen gusto, die unvermittelt aufeinanderfolgen und im wesentlichen Voltaires Artikel Goüt verpflichtet sind. Die fast wörtlich übersetzten Definitionen werden ergänzt durch eigene Beispiele und weiterführende Kommentare, die auf die spanischen Zuhörer des Vortrags abgestimmt sind. Nach der ersten Definition ist der buen gusto kein irreales, sondern ein tatsächlich vorhandenes Phänomen, das unabhängig von der individuellen Empfindung eines einzelnen Subjekts existiert und demjenigen Status entspricht, den eine Nation zur Zeit ihrer kulturellen und künstlerischen Hochblüte erreicht hat. Der Verfasser geht von einer grob vereinfachten Konzeption eines 294 Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, 7. Bd., Paris 1757, S. 761. - Zu Voltaires Geschmacksbegriff vgl. Knabe, op. cit. 1972, S. 240-241,255-257. 295 Encyclopédie, 7. Bd., 1757, S. 762-767. - Zu Montesquieus Geschmacksbegriff vgl. Knabe, op. cit. 1972, S. 266-267; Stierle, art. cit. 1979, S. 62-64. 296 Areta Armentia, op. cit. 1976, S. 373. Vgl. ibid.: "Vivimos en un siglo que puede llamarse con propiedad el siglo del buen gusto\ porque a nada damos cuartel que no haya pasado primero por su aduana, y no se nos presenta ya objeto que merezca nuestra aprobación si no lleva estampada la marca del buen gusto. Un edificio ostentoso, una joya preciosa, un primor del arte, un libro lleno de erudición se atraen nuestro desprecio (y a lo más nuestra compasión) como no se reconozca en ellos esto que llamamos buen gusto: y hasta aquellas cosas sujetas a las infinitas variaciones de nuestro capricho y nuestra convivencia, como los vestidos, los muebles, la mesa, etc. queremos que se rijan por sus leyes".
275 historisch-nationalen Geschmacksbegriffs aus, bei dem alle Künste zur gleichen Zeit über dasselbe Niveau verfügen. Das einzigartige Vorbild ist für ihn das antike Griechenland mit seinen Architekten, Bildhauern, Rhetorikern, Dichtern. Er nennt des weiteren vorbildliche Künstler der lateinischen Antike und der Neuzeit, in deren Werken sich der buen gusto seiner Meinung nach manifestiert. Auf die historische Perspektive des buen gusto der Nationen seit der griechischen Antike bis zu den zeitgenössischen spanischen Autoren folgt die Betrachtung der einzelnen schönen Künste unter dem Aspekt des buen gusto. Von Voltaire stammt auch die zweite Definition des Geschmacks als die Fähigkeit des Menschen, Schönes vom Häßlichen zu unterscheiden. "[...] la métaphore qui exprime par le mot goût, le sentiment des beautés & des défauts dans tous les arts: c'est un discernement prompt comme celui de la langue & du palais, & qui prévient comme lui la réflexion; il est comme lui sensible & voluptueux à l'égard du bon; il rejette comme lui le mauvais avec soulèvement; [...] Ce n'est qu'avec de l'habitude & des réflexions qu'il parvient à sentir tout-d'un-coup avec plaisir ce qu'il démêloit pas auparavant" 297 .
Conde de Peñaflorida übersetzt fast wortgetreu. "[...] el gusto es un discernimiento pronto que a imitación del otro que se halla colocado en la lengua y el paladar siente y abraza con gusto lo bueno y rechaza y aparta lo malo antes de dar lugar a la reflexión. Que así como el otro se halla también a veces incierto y vacilante sobre si lo que se le presenta debe gustarle o no. Y que en fin así como el otro se perfecciona y se forma con el hábito" 298 .
Die Frage, was im Subjekt Vergnügen erzeugt, führt ihn zu bestimmten Eigenschaften der Objekte, aus denen er einen Katalog von sieben Regeln des buen gusto ableitet. Die Regeln sind normative Postúlate, die für alle Sozietätsmitglieder obligatorisch sind 299 . Die erste Regel ist die Vermittlung von Wissen durch Neuigkeiten, die die Neugier des Subjekts wecken sollen, ohne daß die logische Abfolge der Gedanken beeinträchtigt wird (la curiosidad). Die zweite Regel ist die Zusammenfassung einer Vielfalt von Dingen der Wirklichkeit unter eine ordnende Idee (el abrazar muchas cosas con una idea general), die dritte die Erregung einer angenehmen 297 Encyclopédie,
7. Bd., 1757, S. 761.
298 Zit. n. Areta Armentia, op. cit. 1976, S. 380. 299 Mitunter legt er willkürlich fest, was allen zu gefallen hat. Vgl. ibid., S. 383: "La introducción a la vida de Marco Bruto de nuestro Quevedo gusta y debe gustar [...]", und ibid., S. 402: "[...] así generalmente nos debe satisfacer la confrontación que hacemos de la copia con el original [...]".
276 Überraschung ("una sorpresa agradable" 300 ) durch etwas Ungewöhnliches oder Wunderbares (la maravilla), die vierte die Ordnung disparater Dinge und Gedanken entsprechend der Disposition der Seele (el buen orden), die fünfte die der Seele angenehme Vielfalt an unterschiedlichen Eindrücken {la variedad), die sechste die Angemessenheit zum situativen Kontext, die den Künstler zur Wahrheit oder Wahrscheinlichkeit verpflichtet (la propiedad). Die siebte Regel - als "la regla de las reglas y la regla madre del buen gusto" 301 die wichtigste - betrifft die Nachahmung der schönen Natur (la imitación de la bella Naturaleza). Die häßlichen Seiten der Natur sollen verborgen, ihre schönen vervollkommnet werden. Die ersten sechs Regeln stammen aus Montesquieus Essai sur le goût dans les choses de la nature & de l'art, die sechste enthält zudem Gedanken aus Horaz' Ars poética. Die siebte Regel ist von Batteux' Ausführungen über die Nachahmung geprägt. Conde de Peñaflorida erweist sich als Anhänger des Klassizismus in der Literatur wie in den bildenden Künsten. Dies wird deutlich an seiner Verherrlichung der griechischen und lateinischen Antike und seiner Ablehnung des gotischen Stils, seiner Berufung auf solche spanische Autoren, die klassizistische Prinzipien vertreten, nämlich Luzán und Montiano y Luyando, wohingegen bei der Auflistung vorbildlicher Autoren Dramatiker des Siglo de Oro wie Lope de Vega oder Calderón unberücksichtigt bleiben. Obwohl sein Vortrag inhaltlich im wesentlichen Voltaire und Montesquieu verpflichtet ist, ist er dennoch in anderer Hinsicht von besonderem Interesse für die spanische Geschmacksdiskussion: Conde de Peñaflorida macht nicht nur seine Zeitgenossen mit dem Wissensstand der Encyclopédie vertraut, sondern er versucht darüber hinaus, die Theorien praktisch umzusetzen, entsprechend den Gegebenheiten und Bedürfnissen in Spanien. Die spanische Tradition ignoriert er und übernimmt vorbehaltlos die Gedanken der französischen Enzyklopädisten. Der Vortrag ist ein ernsthafter Versuch, die sogenannten Regeln des buen gusto konkret darzustellen, in der Absicht, den buen gusto für die Ziele der Aufklärung zu funktionalisieren. Unter dem Aspekt der Wirkung des buen gusto fragt er, was konkret getan werden muß, um die Ergebnisse der Arbeit innerhalb der Sozietät im Lande zu verbreiten. Die Sozietätsmitglieder als "depositores del buen gusto" 302 sollen den buen gusto, der gleichzeitig Mittel, Antrieb, Richtschnur der Aufklärung ist, als Multiplikatoren verbreiten. 3 0 0 Ibid., S. 384. 301
Ibid., S. 399.
3 0 2 Ibid., S. 4 0 4 .
277
6.3 Antonio de Capmany Suris y de Montpalau Die Besinnung auf den Geschmacksbegriff im Zuge einer Reaktualisierung rhetorischer Strategien, die Gabler für den deutschsprachigen Raum nachgewiesen hat 303 , läßt sich auch in Spanien feststellen. Während Mayäns y Siscar in seiner Rhetorica (Valencia 1757, 2 1786/87) den Geschmacksbegriff unberücksichtigt läßt 304 , benutzt ihn der Jesuit Antonio Burriel in seinem Compendio del Arte Poetica von 1757 zur Beschreibung des Wirkungsaspekts der Dichtung. Er definiert die Dichtung als Wissenschaft. "La Poesia es Ciencia de las cosas divinas, Pueblo en imagenes hechas con versos"^
y de las humanas,
expuesta
al
Dem Element "expuesta al Pueblo", mit dem er die Rezipienten der Dichtung in seiner Definition mitberücksichtigt, widmet Burriel eine ausführliche Erläuterung. Die Dichtung soll dem Volk nicht nur die Mühsal des Lebens erleichtern, sondern es auch belehren und für sich einnehmen. Hier meint Burriel außer dem rhetorischen Aspekt der Dichtung auch das horazische prodesse et delectare. Die Dichtung, die beides in sich vereinigt und bewußt auf "inteligencia, y gusto populär"306 zielt, vergleicht Burriel mit "un manjar muy ä proposito para el gusto del Pueblo" 307 . Er entgegnet 303 Vgl. Gabier, op. cit. 1982. 304 Vgl. Mayáns y Siscar, ed. cit., 3. Bd., 1984. Zu Mayáns' Rhetorica vgl. Abbott, Don Paul: "Retórica y elocuencia: The Evolution of Rhetorical Thought in Eighteenth Century Spain", in: The Quarterly Journal of Speech, 64 (1978), S. 295-303, hier S. 296-298; Morón Arroyo, Ciriaco: "La Retórica de Mayáns: para un contexto", in: Dieciocho, 10, 2 (1987), S. 151-158; Étienvre, Françoise: "Antigua y nueva retórica en tiempos de Carlos III", in: Actas del Congreso Internacional sobre "Carlos IIIy la Ilustración", 3. Bd., Madrid 1989, S. 153-173, hier S. 158-165; Pérez Magallón, op. cit. 1991, S. 102-130. 305 Burriel, op. cit. 1757, S. 11. 306 Ibid., S. 13. 307 Ibid., S. 14. Zum Vergleich der Dichtung mit den Speisen vgl. ibid., S. 31-32: "El deleyte, pues, en la Poesia es lo que el gusto en el manjar. Si el manjar no tuviera la calidad de ser gustoso, muchos por ventura re[h]usarian tomarle, ô repararían con fastidio las fuerzas que se disminuyen cada dia; mas la naturaleza próvida dispuso, que una acción tan necessaria tuviesse al mismo tiempo la circunstancia de deleytable, para que los hombres, movidos también de ella, tomassen sin fastidio el necessario alimento, sin que por esso se pueda decir, que esta acción mira igualmente como fin al gusto, y à la utilidad. Assimismo la Poesia ha procurado revestirse de un atractivo, para que los hombres, que de otra suerte rehusarían alimentar sus ánimos de saludables preceptos, movidos, y atraídos del deleyte, los beban sin trabajo, ni fastidio. Y assi como no intenta la naturaleza, que sea el gusto el fin de aquella acción de comer, tampoco intenta que lo sea el deleyte la Poesia".
278
d e m m ö g l i c h e n E i n w a n d , die Dichtung, die sich d e m "gusto del Pueblo" verschreibe, verlöre ihre Qualität, in B e r u f u n g auf L u z ä n 3 0 8 und Rapin 3 0 9 mit d e m H i n w e i s , e s g ä b e nichts, w a s nicht sprachlich s o ausgedrückt w e r d e n k ö n n e , daß e s j e d e r m a n n verständlich sei. In C a p m a n y s 2
1812)
310
Filosofia
de
la
eloquencia
(Madrid
1777,
London
ist der G e s c h m a c k ein w e s e n t l i c h e s E l e m e n t der sprachlichen
Persuasion, unabdingbar für den Erfolg d e s Redners und Schriftstellers. Im G e g e n s a t z zu M a y ä n s will C a p m a n y keine A n l e i t u n g zur Schulrhetorik, sondern zu einer ursprünglichen B e r e d s a m k e i t g e b e n , die nach R o u s s e a u s Ideal des natürlichen, unverfälschten M e n s c h e n ausgerichtet ist 3 1 1 . Capmany trennt B e r e d s a m k e i t ( e l o q u e n c i a ) und Rhetorik ( r h e t o r i c a ) deutlich voneinander. "La eloquencia, que naciö antes que la rhetorica, asi como las lenguas se formaron antes que la gramatica, no es otra cosa, hablando con propriedad, que el talento de imprimir con fuerza y calor en el alma del oyente los afectos que tienen agitada la nuestra" 3 1 2 . 308 Vgl. Luzán, ed. cit. 1974, S. 241. 309 Vgl. Rapin, René: Les Réflexions sur la poétique de ce temps et sur les ouvrages des poetes anciens et modernes, hrsg. von E.T. Dubois, Genf 1970, S. 46-48. 310 Die zweite, vom Autor grundlegend überarbeitete Auflage ist ausführlicher als die erste. Es liegt nahe, beide Ausgaben zu berücksichtigen, um eventuelle Veränderungen in den ästhetischen Theorien des Autors feststellen zu können. Das Buch war sehr erfolgreich. Abbott verzeichnet zwischen 1822 und 1842 fünf weitere spanische Ausgaben, eine 1903 in Dublin erschienene englische Übersetzung u.d.T. Philosophy of Eloquence von W.M. Loughlin und eine südamerikanische Ausgabe (Buenos Aires 1942). Vgl. Abbott, Don Paul: "A Bibliography of Eighteenth- and Nineteenth-Century Spanish Treatises", in: Rhetorica, 4, 3 (1986), S. 275-292, hier S. 277. - Sempere y Guarinos, op. cit., 2. Bd., 1785, S. 132-144; Fernández González, op. cit. 1867, S. 36-38; Baquero Goyanes; Mariano: "Prerromanticismo y retórica: Antonio de Capmany", in: Studia Philologica. Homenaje ofrecido a Dámaso Alonso por sus amigos y discípulos con ocasión de su 60." aniversario, 1. Bd., Madrid i960, S. 171-189; Abbott, art. cit. 1978, S. 298-300; id.: "Antonio de Capmany and the New Rhetoric", in: Dieciocho, 7, 2 (1984), S. 146-159; Checa Beltrán, José: "Una retórica enciclopedista del siglo XVIII: La Filosofía de la eloquencia de Capmany", in: RL, 50. Bd., Nr. 99 (1988), S. 61-89; González Bedoya, Jesús: Tratado histórico de retórica filosófica, I. Bd., Madrid 1990, S. 123 und 132. 311 Vgl. Feijoos Thesen zur natürlichen Beredsamkeit in La Eloquencia es Naturaleza, y no Arte im zweiten Band der Cartas eruditas y curiosas von 1745, in: Feijoo, op. cit., 2. Bd., 1765, S. 51-64. 312 Capmany, op. cit. 1777, S. 2. Vgl. die Variante der zweiten Satzhälfte in: id., op. cit. 1812, S. 3: "[...] sino el dón feliz de imprimir con calor y eficacia en el ánimo del oyente los afectos que tienen agitado el nuestro".
279 Die natürliche Beredsamkeit sei - so schreibt er in der zweiten Auflage - ebenso dem zivilisierten Menschen wie dem Wilden zueigen313. Der Redner muß gleichermaßen auf Vernunft und Gefühl des von ihm anvisierten Publikums einwirken. "Dos cosas parece que concurren para formar un orador, la razón y el sentimiento: aquella debe convencer, éste mover y persuadir" 314 .
Für Capmany bilden Gefühl und Verstand auch die Grundlagen für den gusto3i5. Die Reflexion über die Ursachen des Vergnügens sind nicht nur die Voraussetzung für die Rhetorik, sondern auch ein Mittel zur Geschmacksbildung . "El alma debe considerar en las cosas que la deleytan la razón ö causa del placer que siente; y entonces los progresos de este examen purifican y perfeccionan los del gusto"316.
Im Wirkungsaspekt koinzidieren die Intentionen des Redners und die Empfänglichkeit des Geschmackssinnes. "Bevor der Geschmack richtet und seine Urteilsfunktion in den Vordergrund gestellt werden kann, richtet sich der Redner aus Wirkungsgründen nach dem Geschmack seiner Adressaten" 317 .
Capmany will nicht bloß rhetorische Regeln vermitteln, sondern in seiner "rhetorica filosófica"318 die Ursachen und Gründe dafür darlegen, warum eine bestimmte sprachliche Gestalt auf die Affekte des Rezipienten in besonderer Weise wirkt. Die Frage nach den Ursachen rhetorischer Wirkungen führt Capmany zum Geschmacksbegriff, denn er will, wie er es in der zweiten Auflage mittels einer Metapher aus dem den Geschmack 313 Vgl. Capmany, op. cit. 1812, S. 11: "La eloqüencia de la naturaleza es común al hombre civil y al salvage [...]". 314 Capmany, op. cit. 1777, S. 6. Vgl. die Variante der zweiten Satzhälfte in: id., op. cit. 1812, S. 15: "[...] la razón y el corazón, aquella para convencer, y este para mover y persuadir". 315 Krömer übersieht die wichtige Rolle der ratio für Capmanys Geschmacksbegriff und bezeichnet lediglich Gefühl und Spontaneität als seine Voraussetzungen. Vgl. Krömer, op. cit. 1968, S. 131-132. 316 Capmany, op. cit. 1777, S. VIII. In der zweiten Auflage formuliert Capmany diesen Gedanken noch deutlicher. Vgl. id., op. cit. 1812, S. VI: "El alma debe considerar en lo que la deleyta, ó sorprehende la razón y causa de lo que siente: y entonces los progresos de este exámen acrisolan y perfeccionan lo que llamamos gusto". 317 Gabler, op. cit. 1982, S. 125. 318 Capmany, op. cit. 1777, S. IX.
280 betreffenden Bereich des Essens ausdrückt, "[...] dar pasto al entendimiento y al corazon de los lectores, deseosos de aprovechar en el noble exercicio de la eloqüencia" 319 . Der Geschmack (gusto) bildet zusammen mit sabiduría, ingenio, imaginación, sentimiento diejenigen fünf unabdingbaren Talente, die der vollkommene Redner besitzen muß. Capmanys Ausführungen über den Geschmack, dem er einen eigenen Abschnitt seines Buches widmet 320 , sind wesentlich von Voltaires Artikel Goût in der Encyclopédie beeinflußt 321 . Capmanys Definition des gusto als "[...] la metáfora, que por la palabra gusto expresa el sentimiento de lo hermoso y defectuoso en todas las artes. Este es un discernimiento profundo, que se anticipa à la reflexion, como el de la lengua" 3 2 2
ist eine fast wortgetreue Übersetzung der Definition Voltaires 323 . Capmany ersetzt allerdings die Spontaneität des Geschmackssinnes durch das Moment der Intensität ("profundo"). Wie Voltaire betrachtet Capmany den gusto als eine Entscheidungsinstanz, die im Gefühl verankert ist und durch den Verstand ("el habito y las reflexiones" 324 - bei Voltaire heißt es "avec de l'habitude & des réflexions") vervollkommnet werden kann. Anhaltspunkte beim abwägenden Vergleich verschiedener Objekte bieten dem Subjekt solche Objekte, in denen sich der Geschmack in vorbildlicher Weise manifestiert. Voltaire verwendet den gusto als ethnisches Differenzierungskriterium. Seine kulturelle Überheblichkeit gegenüber den Asiaten, denen er schlankweg jeglichen Geschmack abspricht, macht sich Capmany zueigen, indem er die rhetorische Frage stellt, wie jemand, der nur die Pagoden in Hindustan, nicht aber den Petersdom in Rom kennt, Geschmack entwickeln soll. Capmany löst sich von seiner Vorlage hinsichtlich der Beispiele und erläuternden Ausführungen zu den Definitionen. Auffällig in Capmanys Darstellung des Geschmacks ist die starke Hervorhebung des Visuellen, das in Voltaires Artikel gleichberechtigt neben anderen Formen der Wahrnehmung steht. Capmany bezeichnet den gusto beispielsweise als "microscopio del juicio, pues hace visibles las mas inperceptibles 325 319 Id., op. cit. 1812, S. VII. 320 Vgl. id., op. cit. 1777, S. 10-13, bzw. op. cit. 1812, S. 41-47. 321 Vgl. Checa Beltrán, art. cit. 1988, S. 73, 75, 78. 322 Capmany, op. cit. 1777, S. 10. 323 Vgl. infra, S. 275. 324 Ibid., S. 11. 325 Capmany, op. cit. 1812, S. 42: "imperceptibles".
281 perfecciones" 326 , vergleicht ihn also mit einem optischen Gerät der naturwissenschaftlichen Forschung, das dem Auge zur Erkenntnis in solchen Bereichen verhilft, die es sonst überhaupt nicht zu erfassen vermag. In der zweiten Auflage rückt er außer visuellen auch taktile Charakteristika des gusto in den Vordergrund 327 . Als Voraussetzungen für den buen gusto des Schriftstellers sowie des Malers nennt Capmany "un gran juicio, una larga experiencia, una alma noble y sensible, un entendimiento elevado, y unos organos delicados" 328 . Während Voltaire bloß von den empfindungsmäßigen Voraussetzungen eines "jeune homme sensible" 329 ausgeht, fügt Capmany dem noch weitere Dispositionen hinzu - intellektuelle, seelische, körperlich-organische - , die dadurch, daß sie angeboren sind, die Ausbildung des individuellen gusto von einer Vielzahl an Vorbedingungen abhängig machen. Eigenständig ist Capmany in der Anwendung der Kategorien buen gusto und mal gusto auf die spanische Sprache und Literatur, zu deren Verbesserung er mit seiner Rhetorik beitragen will. Die Natur ist das Vorbild für den buen gusto. Auch im Discurso preliminar zum ersten Band seines Teatro histörico-critico de la elocuencia espanola von 1786 verbindet Capmany die Konzeption des gusto mit dem Naturbegriff. Das Gegenteil von "la voz viva de la naturaleza, y las reglas del gusto" 330 stellt der mal gusto dar. Während die zivilisierten Menschen durch verschiedene negative Faktoren verdorben sind und nur noch den mal gusto besitzen, verfügen die Wilden über den unverfälschten gusto, selbst wenn sie weder Regeln noch Kunstfertigkeit kennen, da sie allein ihrem Innern folgen, das der Natur entspricht 331 . Deutlich wird hier die Sehnsucht nach der Natür-
326 Id., op. cit. 1777, S. 11. 327 Er bezeichnet den metaphorischen gusto ais "tacto intelectual" (id., op. cit. 1812, S. 41), "aquel delicado tacto y fina vista" (ibid.), "Una vista exquisita es un tacto fino, por el qual se perciben cosas de que es imposible dar razón" (ibid., S. 42). 328 Id., op. cit. 1777, S. 11. Vgl. op. cit. 1812, S. 42: "un buen juicio, un largo estudio, un ánimo generoso y tierno, un ingenio elevado, y unos sentidos delicados". 329 Encyclopédie, 7. Bd„ 1757, S. 761. 330 Capmany: Teatro histórico-crítico 1848, S. XXVIII.
de la elocuencia española,
l.Bd., Barcelona
331 Vgl. ibid., S. XXXIII: "En las expresiones ó razonamientos de los salvages nunca se advierte este mal gusto: porque siguen solo los movimientos de su alma, sin reglas, ni formas, ni artificio, que embarazen, detengan, ó compongan la voz de la naturaleza. Pero en una nación civilizada, cuando llega el talento á corromperse por el lujo, la adulación, el temor, y otros vicios".
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lichkeit der künstlerischen Produktion zum Ausdruck gebracht. Angestrebt wird der einfache, klare Ausdruck, der als natürlich empfunden wird. Alle unnötigen Hinzufügungen verderben den Geschmack, weil sie das Natürliche verfälschen 332 . Mittels des Geschmacksbegriffs exemplifiziert Capmany eine fundamentale Zivilisationskritik ganz im Sinne Rousseaus.
7.
Der Geschmacksbegriff in den achtziger und neunziger Jahren
7.1 Der Diccionario castellano von Esteban de Terreros y Pando Zum Eintrag gusto im 1787 erschienenen zweiten Band des Diccionario castellano von Esteban Terreros y Pando werden insgesamt zehn verschiedene Definitionen angegeben333. Die ersten beiden Bedeutungen beziehen sich auf den physiologischen gusto, erstens die eigentliche Geschmackswahrnehmung 334 , zweitens die Wahrnehmung anderer physiologischer Sinne wie Sehen und Riechen 335 . Die folgenden acht Bedeutungen beziehen sich auf objektive oder subjektive Qualitäten des gusto: drittens die Qualität des Objekts, das geschmeckt wird 336 , viertens das geistige und moralische Urteilsvermögen des Subjekts 337 , fünftens die besondere Qualität des Objekts im Bereich der artes (Gemälde, Statue, Aufführung) bzw.
332 Vgl. ibid. "[...] la vanidad y el deseo de añadir algo á cada pensamiento para aumentar la impresión natural que debe causar, estragan el gusto en todas las producciones del entendimiento humano, y mas en el lenguaje, que desde aquel punto pierde toda su pureza y sencillez". 333 Vgl. Terreros y Pando, op. cit., 2. Bd., 1787, S. 254. 334 "[...] percepción del sabor [...]". 335 "[...] se dice también en orden á otros sentidos: esta tela, este color es de buen gusto: este tabaco es de mal gusto". 336 "[...] cualidad de la cosa, que se gusta [...]". 337 "[...] se dice en las cosas espirituales, y morales del discernimiento, juicio, elección [...]". Jovellanos unterscheidet in seinem Curso de humanidades castellanas von 1794 die Begriffe gusto und gozo voneinander, wobei er in der Moral nur die Verwendung von gozo für korrekt hält, obwohl im landläufigen Gebrauch beide Begriffe synonym sind. Vgl. Jovellanos, ed. cit., 1. Bd., 1924 (= BAE, 46), S. 101168, hier S. 115: "[...] hay diferencia entre las palabras gozo y gusto, aunque las mas veces se use la una por la otra. Gozo se aplica solo á lo moral, y gusto á lo físico; no se dice el gozo de comer una pera, sino el gusto; ni el gusto del alma, sino el gozo".
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ein bestimmter künstlerischer Stil 338 , sechstens die Äußerung einer gerne gegebenen Zustimmung seitens des Subjekts 339 , siebtens das weltliche Vergnügen des Subjekts 340 , achtens außergewöhnliche Kenntnisse, gepaart mit Treffsicherheit 341 , neuntens die besondere Vorliebe eines Subjekts für ein bestimmtes Objekt 342 , zehntens die metaphorische Verwendung im Sinne von Willkür, Lust und Laune 343 . Auffällig ist, daß Terreros y Pando nicht ausdrücklich den ästhetischen gusto des Subjekts nennt, mit dem das Schöne in den schönen Künsten wahrgenommen wird. Zum Verb gustar gibt Terreros y Pando vier Bedeutungen an: erstens schmecken und wahrnehmen im physiologischen Sinne 344 , zweitens ausprobieren und kosten 345 , drittens wahrnehmen anderer physiologischer Bereiche wie das Riechen 346 , viertens in geistigen und moralischen Dingen Vergnügen empfinden 347 . 7.2 Der Geschmack als Mittel zur Erkenntnis der Schönheit und des Wahren, Guten und Schönen Dem Geschmack des Subjekts wurde seit den achtziger Jahren vorzugsweise die Aufgabe zugewiesen, als Mittel zur Erkenntnis der Schönheit bzw. des Wahren, Guten und Schönen zu dienen. Gelegentlich wurde ein dem Objekt inhärenter buen gusto sogar als Vereinigung des Wahren, Guten und Schönen aufgefaßt. Gleichzeitig verstärkte sich die Tendenz, den subjektiven Geschmack als rationale Urteilsinstanz aufzufassen.
338 "[...] en las artes, caracter particular de las obras, y del modo, bueno, ó malo, con que se hacen: esta pintura, ó estatua es de buen gusto: esta representación &c. El buen gusto, el gusto gotico es yá despreciable". 339 "[...] con gusto, con buena voluntad [...]". 340 "[...) diversión, placer, contento. [...] Una visita interior de Dios quita el gusto de todas las cosas del mundo. El chiste prudente dá gusto á todos". 341 "[...] se toma por un conocimiento exquisito, y justo. N. tiene gusto, tiene un gusto singular en cuanto piensa". 342 "[...] inclinación, complacencia [...] asi se dice, que no se disputa del gusto, porque cada cual tiene diversas inclinaciones, y afectos". 343 "[...] se dice también metafóricamente] por arbitrio [...]". 344 "[...] percibir la cualidad de los sabores". 345 "[...] se dice también por probar, examinár". 346 "[...] se dice asimismo algunas veces en orden á las cosas de que se juzga por el olfato: guste usted este tabaco, á vér qué tal es". 347 "[...] se dice figuradamente en las cosas espirituales, y morales, y significa agradar, aprobar, sentir placér".
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Gaspar Melchor de Jovellanos (1744-1811), für den der Geschmacksbegriff von zentraler Bedeutung ist, vertritt in seinem am 14. Juli 1781 in der Academia de San Fernando gehaltenen Vortrag Elogio de las Bellas Artes die These, die Wahrheit sei das Prinzip jeglicher Vollkommenheit 348 . Schönheit (belleza und gracia) und Geschmack beruhen also auf derselben Grundlage, nämlich der Wahrheit. Jovellanos nähert Schönheit und Geschmack einander an, indem er sie vom selben Prinzip ableitet. Marqués de Ureña vertritt in seinen Reflexiones sobre la arquitectura, ornato, y música del templo von 1785 einen rationalen Geschmacksbegriff. Der Geschmack des Subjekts ist prinzipiell durch gute Vorbilder formbar 349 . Da das Schöne und das Häßliche dem Objekt immanente Eigenschaften sind, bemißt sich der gusto des Rezipienten ausschließlich nach der Qualität des Objekts, unabhängig von der Beschaffenheit und jeweiligen Disposition des Subjekts. Nur die Vernunft {razón) ist "la directora del gusto" 350 . Marqués de Ureña unterscheidet - in einem ganz anderen Sinne als Muratori - einen passiven Geschmack ("un gusto puramente pasivo" 351 ) und einen aktiven Geschmack ("gusto activo" 352 ) des Subjekts. Der gusto pasivo wird vom Subjekt zwar als "instinto fino" 353 gespürt, es kann ihn aber nicht rational begründen. Um den vorrationalen gusto pasivo zu aktivieren, bedarf es der genauen Kenntnis der belleza354. Der gusto activo dient dazu, die Schönheit zu erkennen, und zwar in zwei aufeinander folgenden rationalen Schritten: erstens durch Unterscheidung (discernimiento) und Analyse (análisis), zweitens durch Auswahl (elección), Kombination (combinación), Zusammenfügung (reunión)355.
348 Vgl. "Elogio de las Bellas Artes pronunciado en la Academia de San Fernando", in: Jovellanos, ed. cit. 1930, S. 49-85, hier S. 64: "La verdad es el principio de toda perfección, y la belleza, el gusto, la gracia no pueden existir fuera de ella". 349 Vgl. Marqués de Ureña, op. cit. 1785, S. 98: "[...] á fuerza de ver y de oir lo bueno, se forman los gustos á lo bueno". 350 Ibid., S. 28. 351 Ibid., S. 31. 352 Ibid. 353 Ibid. 354 Vgl. ibid.: "Para hacerse activo, es necesario tener de cosecha propia una perspicacia y sensibilidad especial: conocer á fondo las calidades de la belleza: saber discernir, analizar, elegir, combinar y reunir, y finalmente tener elasticidad para reproducir. Este es propiamente el patrimonio del gusto activo, en que se supone entendida la naturaleza, y estudiados y comprehendidos los resortes del alma". 355 Vgl. ibid., S. 34-35.
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Ein Beispiel für die Gleichsetzung von Geschmack und Schönheit findet sich in zwei unter dem Pseudonym El Conde de la Claras am 8. und 15. Juni 1786 veröffentlichten Artikeln in El Censor356. Über den buen gusto schreibt der unbekannte Autor: "[...] la principal de las leyes del buen gusto, y de donde se deriban las demás, es la utilidad, ó aptitud, ó verdadera, ó al menos menos aparente y verisímil de una cosa respecto de los fines á que se destina" 3 5 7 .
Uber die studia humanitatis heißt es: "[...] como en las obras de la Naturaleza, asi sucede en las del arte. L o que las constituye hermosas ó bellas, y aun buenas, es la aptitud, utilidad, ó conformidad respecto á un fin: y tanto mas hermosas, mas bellas serán quanto esta aptitud sea mayor ó mas perfecta. Esto, me parece, es lo que encierra esta sentencia de Boyleau: Rien n'est beau que le vrai. nada es hermoso sino lo verdadero ..." 3 5 8 .
Geschmack und Schönheit werden durch dieselbe Definition, nämlich die Angemessenheit, der entsprechend sie auf ein bestimmtes Ziel hin ausgerichtet sind, beschrieben und damit prinzipiell gleichgesetzt. Der Grad der Schönheit eines Werkes bemißt sich danach, wie gut es diesem Ziel entspricht. Das Schöne und das Wahre werden ebenfalls gleichgesetzt, wobei sich der Anonymus auf Boileau als Gewährsmann beruft. Juan Pablo Forner vertrat die Auffassung, mittels des Geschmacks könne das Subjekt das Wahre, Gute und Schöne erkennen 359 . Forners Geschmacks356 Vgl. El Censor, 5. Bd., ed. cit. 1989, Discursos CVIII und CIX, S. 739-774. Zur Datierung vgl. ibid., S. 787. 357 Ibid., S. 743. 358 Ibid., S. 746. - Die These Boileaus wird von Jovellanos wieder aufgegriffen in seiner Schrift Sobre la arquitectura inglesa y la llamada gótica von 1805. Es stellt sich die Frage, ob Jovellanos den Artikel verfaßt hat und sich hinter dem Pseudonym El Conde de la Claras verbirgt, zumal er dem Kreis um die Zeitschrift El Censor nahestand. Vgl. infra, S. 165, Anm. 283. 359 Forner beschäftigte sich zu wiederholten Malen mit dem Geschmack. Bisher unveröffentlicht blieben ein unvollendetes Gedicht mit dem Titel El buen gusto und ein kurzer Prosatext Sobre el Buen Gusto. A m 22. November 1793 hielt Forner vor der Real Academia Sevillana de Buenas Letras einen Vortrag mit dem Titel Causas del mal gusto en la literatura, der verschollen ist. Vor ihm, am 22. Februar 1793, hatte José M. Garcipérez de Vargas über das T h e m a El buen gusto en la literatura gesprochen. Auch dieser Vortrag ist verschollen. Vgl. Jiménez Salas, op. cit. 1944, S. 595 und 607; Aguilar Piñal, op. cit. 1966, S. 272 und S. 333, Nr. 425 und 430; Maravall, José Antonio: "El sentimiento de nación en el siglo XIII: la obra de Forner", in: id: Estudios de la historia del pensamiento español (siglo XVIII), hrsg. von María Carmen Iglesias, Madrid 1991, S. 42-60, hier S. 46.
286 begriff ist von Muratoris Deila perfetta poesía italiana geprägt. Wie Muratori unterscheidet er in Los Gramáticos von 1782 den "buen gusto estéril" vom "buen gusto fecundo" 360 . In seinen im selben Jahr erschienenen Exequias de la lengua castellana, sátira menibea361 - einer allegorischen Reise zum Parnaß wie Voltaires Le Temple du Goüt von 1733, den Forner als Quelle benutzte 362 verknüpft er den Geschmacksbegriff mit der Rationalität. Ein alter Mann - dargestellt wird hier Mayáns y Sisear - spricht folgende Worte: "[...] detesto altamente el buen gusto que creen introducir los literatos actuales, trasladándole, no de los consejos de la razón sana y sagaz, sino de la imitación de los escritos de una lengua distinta [..,]" 363 .
Die Gracias verleihen den buen gusußM, durch den das Subjekt das Gute, Wahre und Schöne erkennen kann 365 . Ist für Forner der Geschmack ein Erkenntnismittel des Subjekts, so setzt der anonyme Autor einer 1790 im Correo de Madrid veröffentlichten Artikelserie mit dem Titel Rudimentos del Buen gusto en la Literatura den buen gusto als Qualität des Objekts mit dem Guten, Wahren und Schönen gleich. Er vertritt die Theorie eines rational ausgerichteten buen gusto, der wie ein normatives Regelwerk bei der Abfassung literarischer Texte angewendet werden soll. Er gibt verschiedene Definitionen des buen gusto an. Nach allgemeiner Auffassung sei der buen gusto, den er hier auf das Subjekt bezieht, "[...] la práctica y conocimiento de lo mejor en el modo de tratar las Artes y Ciencias" 366 . In einer zweiten Definition betrachtet er den buen gusto als Qualität des Objekts: "[...] el buen gusto no es otra cosa que la verdad acompañada de la
360 Forner, ed. cit. 1970, S. 83. Vgl. Jiménez Salas, op. cit. 1944, S. 193-239. 361 Vgl. Forner: Exequias de la lengua castellana, hrsg. von Pedro Sáinz y Rodríguez, Madrid 1941. - Behr, Heinz-Peter: Die spanische Satire im 18. Jahrhundert, Frankfurt a.M. u.a. 1986, S. 110-111. 362 Vgl. Lopez, op. cit. 1976, S. 599-601. 363 Forner, ed. cit. 1941, S. 58. 364 Vgl. ibid., S. 28. 365 Apoll selbst erscheint und spricht: "El buen gusto, aquel genio gallardo y resplandeciente que os mira con ceño, instruyendo en los misterios de nuestra legislación a todos los que logran poner el pie en estos montes, desde el mismo punto en que entran en ellos, les impone inviolable silencio sobre todo asunto que no junte en sí las calidades de bondad, de verdad y de belleza" (ibid., S. 135). 366 "Rudimentos del Buen gusto en la Literatura", art. cit. 1790, S. 1.
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propiedad y energía"367. Der buen gusto soll dem Subjekt dazu dienen, die Wahrheit angemessen, wirkungsvoll und angenehm darzustellen. "En suma él es solo el que enseña á representar la verdad del modo conveniente al tiempo, á la ocasion y á las circunstancias, de suerte que persuada, agrade y admire. Es, digamosla asi, el instinto del entendimiento, que dirige sus operaciones hácia lo mejor, y le señala el temperamento que debe tomar, para que sus obras sean como deben ser" 368 .
Der Anonymus will die Grundlagen des buen gusto erörtern, worunter er die Regeln versteht, die die Vernunft des Subjekts so leiten, daß es das beste auswählt und ausführt 369 . Diese Regeln sollen es demjenigen, der sie kennt, ermöglichen, unterschiedliche Qualitäten zu erkennen und "todos los extravios y extravagancias del entendimiento humano"370 zu vermeiden. Eine der wichtigsten dieser Regeln ist die Einheit371, die auch in Père Andrés Theorie der Schönheit eine zentrale Rolle spielt. Schließlich definiert er den buen gusto als Vereinigung des Wahren, Guten und Schönen, wobei er ihn sowohl auf das Subjekt als auch auf das Objekt bezieht, in dem er sich manifestiert372. Bezogen auf die Literatur verfügen solche Werke über den buen gusto, in denen das Wahre und Gute durch das Schöne vermittelt werden373. Schönheit und Geschmack verbindet der Anonymus eng miteinander, denn die Bestimmung der Schönheit betrachtet er als wesentlichen Teil einer Grundlegung des Geschmacks374. Esteban de Arteaga unterscheidet in Le rivoluzioni del teatro musicale italiano dalla sua origine fino al presente (Bologna 1783) Gusto und Critica des Subjekts voneinander und weist letzterer die Funktion zu, die
367 Ibid., S. 10. 368 Ibid., S. 17. 369 Vgl.ibid., S. 18. 370 Ibid. 371 Vgl. ibid., S. 281: "La unidad es la calidad esencial en toda especie de belleza; y esto es uno de los axiomas del buen gusto". 372 Vgl. ibid., S. 57: "El Buen gusto consiste en la unión de lo Verdadero, de lo Bueno y de lo Bello. [...] el Buen gusto no puede consistir sino en aquellas cosas que mejoren ó perfeccionen el ser ó la naturaleza del hombre, las quales son solamente la Verdad, la Bondad y la Belleza. La práctica, pues, del Buen gusto consiste en saber unir estas tres calidades". 373 Vgl. ibid., S. 65: "En suma el Buen gusto en las obras de literatura consiste en que en ellas se enseñen y persuadan la verdad y la bondad de tal modo, que produzcan placer, el qual se produce por medio de la belleza". 374 Zu seiner Theorie der Schónheit vgl. infra, S. 150-152.
288 Schönheit erkennen zu können 375 . Der Geschmack des Subjekts zielt auf die Verhältnisse der Objekte untereinander, wobei allerdings nicht die komplexen Beziehungen zwischen Subjekt und Objekt im Sinne von Diderots Ästhetik der rapports gemeint sind. Der Geschmack ist seiner Meinung nach ein rationales Erkenntnisinstrument, das Arteaga wie Capmany mit einem Mikroskop vergleicht, dessen sich die Vernunft bedient. Die Critica des Subjekts hingegen zielt auf die Erkenntnis von Schönheit bzw. der Mängel eines Objekts. Der Verwischung der Grenzen zwischen Geschmack und Schönheit versucht Guillelmo Lameyra in seiner Disertación sobre la belleza ideal de la pintura von 1790 entgegenzusteuern. Lameyra, für den der Verstand die alleinige Instanz zur Beurteilung der Schönheit ist, betrachtet "un gusto ó un placer" 376 als irrationale Kategorie, die der Erkenntnis von Schönheit diametral entgegengesetzt ist. Den "gusto ó agrado" 377 des Subjekts unterteilt er in drei Arten, nämlich gusto simpático, gusto natural, gusto contemplativo, die einzeln oder gemischt vorkämen. Lameyra beschreibt die einzelnen Arten des Geschmacks entweder gar nicht oder so unzureichend, daß nicht ganz klar wird, was er unter ihnen genau versteht. Demnach ist der gusto simpático eine irrationale Zuneigung, die von einem Besitz ergreift, ohne daß man weiß, warum. Der gusto natural ist eine Zuneigung, die insofern auf der Ähnlichkeit basiert, als man im anderen gerade solche Eigenschaften lieb gewinnt, die man selbst besitzt. Der gusto contemplativo ist eine rational begründbare Zuneigung, die der Schönheit, die nach Lameyras Ansicht verstandesmäßig rezipiert wird, noch am nächsten kommt. Lameyras Ausführungen über die verschiedenen Arten des Geschmacks ähneln eher einer Liebestheorie als einer Physiologie des
375 Vgl. Arteaga, Esteban de: Le rivoluzioni del teatro musicale italiano dalla sua origine fino al presente, 1. Bd., Venedig 2 1785, S. IV-V: "II Gusto, che percepisce, confronta, ed analizza i rapporti: la Critica, che ci rende sensibili alle bellezze e ai difetti, e che indicando gli errori altrui ci premunisce contro alle inavvertenze proprie, sono non men necessarj ai progressi dell'umano spirito di quello, che lo siano gli slanci del Genio sempre coraggioso, ma talvolta poco avveduto. Il primo è come il microscopio applicato a gli occhi della ragione. La seconda è quel freno salutare, senza cui gl'impeti più felici non sono per lo più che alrettanti indizj di non lontana caduta". 376 Lameyra, op. cit. 1790, S. XIX. 377 Ibid.
289 Geschmacks. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, daß er mehrmals die Begriffe gusto und amor synonym gebraucht 378 . Pedro Montengón (1745-1824) behandelt in seinen Frioleras eruditas y curiosas para la pública instrucción (Madrid 1801), einer Sammlung kurzer didaktischer Prosatexte über die verschiedensten Themen, auch den Geschmack 379 . Er unterscheidet terminologisch zwischen physiologischem Geschmack (gusto) und metaphorischem (buen gusto). Der buen gusto ist für Montengón ein rationales, durch reglas bestimmtes normatives Urteilsvermögen, das zwischen Schönem und Häßlichen zu unterscheiden vermag. Auch Pedro José Márquez setzt in Sobre lo Bello en general von 1801 den von der Vernunft bestimmten buen gusto des Subjekts gleich mit dem Vermögen, das Schöne wahrzunehmen ("percepción de lo bello" 380 ). Der subjektive buen gusto richtet sich nach buen oido und buena vista. Diese sind nicht für alle Objekte gleichermaßen empfänglich. Das eine Subjekt ist mehr für die Objekte der einen Kunst, ein anderes für die einer anderen prädestiniert. Der buen gusto richtet sich sowohl nach der Quantität an Objekten, die ein Subjekt erfassen kann, als auch nach der Intensität, mit der es sie erfaßt. Márquez unterscheidet zwei Arten des subjektiven buen gusto, je nach den Objekten, auf die er gerichtet ist. Der "buen gusto de las artes"381 ist die Fähigkeit des Subjekts, sogleich mittels buen oido und buena vista die Schönheiten eines Kunstwerks zu erfassen, der "gusto en lo natural" 382 erkennt die Prinzipien, nach denen die natürliche Schönheit ausgerichtet ist. Der Grad an Vollkommenheit des buen gusto richtet sich nach der Qualität von buen oido und buena vista, die beide abhängig sind von einer angeborenen natürlichen Disposition und einer erworbenen Kenntnis von Gewohnheiten und Regeln. Der buen gusto wird ausgebildet im Umgang mit den "reglas y leyes" 383 der Künste. Er ist also abhängig von den angeborenen Fähigkeiten des Subjekts und von den Objekten, die ihm als vorbildliche Beispiele präsent sind. Márquez setzt den buen gusto gleich 378 Vgl. ibid., S. XX. 379 Vgl. "Sobre el buen gusto en materias de ciencias y artes liberales", in: Montengón, Pedro: Frioleras eruditas y curiosas para la pública instrucción, Madrid 1801, S. 336-339. Vgl. Fabbri, Maurizio: Un aspetto dell'Illuminismo spagnolo: l'opera letteraria di Pedro Montengón, Pisa 1972, S. 137-141. 380 Márquez, op. cit. 1801, S. 19 [ed. cit. 1972, S. 81]. Zu seinem Schönheitsbegriff vgl. infra, S. 157-160. 381 Ibid. [S. 82], 382 Ibid., S. 20 [ibid.], 383 Ibid., S. 18 [S. 81],
290 mit dem dynamischen Moment der "movilidad del espíritu" 384 und unterscheidet eine passive movilidad seitens des Rezipienten eines Kunstwerks von der aktiven des Künstlers - ein Gedanke, der vermutlich von Muratori beeinflußt ist. Ein weiterer Beleg für die Verbindung von Geschmack und Schönheit findet sich in Alberto Listas Artikel De la sublimidad aus den zwanziger oder dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts, in dem er Geschmack als die Fähigkeit, Schönheit zu erkennen, bezeichnet wird 385 . 7.3 Das Theater als Gradmesser des nationalen G e s c h m a c k s Seit Ende der siebziger Jahre wurde die Frage diskutiert, inwiefern das Theater als Gradmesser des nationalen Geschmacks fungiert. Der Geschmacksbegriff wurde dabei als nationalstaatliche Kategorie mit patriotischen Konnotationen verwendet 386 . Jovellanos beantwortet in einem vom 13. September 1777 aus Sevilla datierten Brief an Angel de Eymar dessen vom 8, September aus Cádiz datiertes Schreiben über sein Theaterstück El delincuente honrado387 und wehrt sich gegen Eymars Vorwurf, die Spanier seien im Vergleich zu Frankreich in der Dramatik rückständig. Jovellanos behauptet, der Unterschied zwischen einer gebildeten und einer ungebildeten Nation bestehe nicht darin, daß erstere buen gusto besitze, letztere nicht, sondern daß in der einen der buen gusto in größerem Maße verbreitet ist als in der anderen. Der buen gusto einer Nation ist also abhängig von ihrem jeweiligen Bildungsstand. Die quantitative Verbreitung des buen gusto variiert von Nation zu Nation. Der buen gusto ist ein Mittel, sich als Gebildeter vom vulgo abzugrenzen 388 . Mit seiner soziologisch-pädagogischen Argumenta384 Ibid., S. 25 [S. 87], 385 Vgl. Lista, op. cit., 1. Bd., 1844, S. 22: "El hombre tiene la facultad de percibir, de discernir y de gozar los objetos bellos de la naturaleza, y de los imitados que le presenta el arte. A esta facultad llamamos gusto. Los placeres que proporciona existen todos en la imajinacion, y nada tienen de sensuales". 386 Zu den Begriffen nación und patria op. cit. 1992, S. 211-269.
im 18. Jahrhundert vgl. Alvarez de Miranda,
387 Vgl. Jovellanos, ed. cit., 2. Bd., 1985, Nr. 37, S. 88-90. 388 Wie Jovellanos bemüht sich auch Leandro Fernández de Moratín um eine soziologische Differenzierung des Theaterpublikums. Im Prolog zu El barón unterscheidet er zwischen público und vulgo. Vgl. Fernández de Moratín, Nicolás/Fernández de Moratín, Leandro: Obras, hrsg. von Buenaventura Carlos Aribau, Madrid 2 1848 (= BAE, 2), S. 374, Anm.: "Desnuda de los adornos que no eran suyos, habrá de
291 tion wehrt sich Jovellanos gegen das seiner Ansicht nach verzerrte Spanienbild Eymars - ein damals überaus heikles Thema. Er wirft dem Franzosen vor, er hätte nicht in Spanien den vulgo, sondern die literatos, die den buen gusto besitzen, befragen sollen 389 . Jovellanos beklagt, daß man den mal gusto, der mit Vorurteilen, Dummheit, Unbildung gleichgesetzt wird, in Spanien nicht offen bekämpft. Jovellanos' Überlegungen bringen deutlich die pädagogische Funktion und Möglichkeit des Theaters zum Ausdruck als Mittel zur Verbreitung der Aufklärung mittels des buen gusto390. Jovellanos bezieht hier deutlich die Gegenpositon zu Lope de Vega. Die Schaupieler sollen sich nicht dem mal gusto des Publikums anpassen, sondern es durch ihren buen gusto belehren. Am 13. September 1781 erschien in El Censor unter dem Pseudonym Don Apolinar Solano ein satirischer Artikel zur Verteidigung der wahren Dichter und gerichtet gegen unfähige Verseschmiede391. Die Theater, die im Dienste des buen gusto stehen, werden als Gradmesser - nämlich Barometer - für das kulturelle Niveau und für den Stand der Aufklärung einer Nation bezeichnet392. Die Theater, "donde se aprende todo genero de vicios
(= BAE, 2), S. 374, Anm.: "Desnuda de los adornos que no eran suyos, habrá de sufrir esta comedia la censura de la multitud en el teatro. Aquel es el tribunal en que estas obras se aplauden ó se condenan: el público (no el vulgo) reunido allí es el juez imparcial é incorruptible que debe examinarlas; lo que él decide no admite apelación". 389 Vgl. Jovellanos, ed. cit., 2. Bd., 1985, Nr. 39, S. 90-94, hier S. 92: "Del buen o mal gusto de una nación no deben decidir las ideas del vulgo, sino las de las personas cultas y literatas. En todas partes el vulgo es ciego y mal estimador de las cosas que no conoce; y yo juzgo que la diferencia entre una nación generalmente culta y otra que no lo es aún del todo, no consiste en que la primera tenga buen gusto y la segunda no, sino en que en la una el buen gusto esté más propagado que en la otra, o, lo que viene a ser lo mismo, que en una haya más vulgo y en otra menos". Vgl. Caso González, op. cit. 1988, S. 253. 390 Jovellanos zählt verschiedene Gründe für den mal gusto im spanischen Theaterwesen auf. Der Schauspielerstand ist nicht hoch angesehen. Die meisten Schauspieler sind unqualifiziert. Aus finanziellen Gründen haben insbesondere die Leitungen der Provinztheater nicht die Absicht, den mal gusto des Publikums zu reformieren, sondern sie machen sich ihn finanziell nutzbar. 391 Vgl. El Censor, 2. Bd., ed. cit. 1989, Discurso XXXII, S. 491-514. Zur Datierung vgl. ibid., S. 786. 392 Vgl. ibid., S. 497: "[...] en los Teatros públicos. En aquellos barómetros por donde se miden los grados de cultura, y de ilustración de una Nación. En aquellos templos consagrados al buen gusto, al lucimiento de los ingenios, al honesto descanso, y diversion, y que podieran tal vez ser una escuela de costumbres".
292 opuestos" 393 , sind nach Meinung des Autors in einem desolaten Zustand und deshalb nichts anderes als "unas escuelas de infamia" 394 . Die Vorstellung vom Theater als Repräsentation des buen gusto einer Nation ist auch Forner 395 und Leandro Fernández de Moratín 396 geläufig. In einem im November 1790 im Memorial Literario erschienenen anonymen Artikel mit dem Titel Reflexiones sobre los Autores Dramáticos, ein Enkomion des Theaters von Lope de Vega und Calderón, wird im Zuge der zunehmenden Rationalisierung des Geschmacks ein direkter Zusammenhang zwischen buen gusto und Aufklärung hergestellt 397 . Der buen gusto ist zugleich Ausgangspunkt und Ziel der Aufklärung.
8.
Der Geschmacksbegriff in den Wissenschaften und Künsten
8.1 Der Geschmacksbegriff in den Wissenschaften Die traditionelle Verbindung des buen gusto mit dem Wissen, die sich bei Gracián findet, bleibt im 18. Jahrhundert nicht nur in einer ausgeprägten Weise erhalten, sondern wird auf die neuen experimentellen Naturwissenschaften übertragen und erhält dadurch eine neue Funktion. Gregorio Mayáns y Sisear wendet in seinen Pensamientos literarios von 1734 den Geschmacksbegriff auf die Buchgelehrsamkeit an, als Inbegriff der kulturellen und wissenschaftlichen Reform in Spanien, zu der er 393 Ibid., S. 498. 394 Ibid., S. 497. 395 Vgl. Forner, op. cit. 1784, S. 20: "buen gusto teatral de nuestra Nación". 396 Er schreibt im Prolog zu El viejo y la niña von 1790 über sich als Autor des Stücks in der dritten Person, er habe die Gesetze des buen gusto und der Vernunft in seinem Theaterstück angewendet. Vgl. Fernández de Moratín, Nicolás/Fernández de Moratín, Leandro: Obras, hrsg. von Buenaventura Carlos Aribau, Madrid 2 1848 (= B A E , 2), S . 3 3 6 , Anm. 397 Vgl. "Reflexiones sobre los Autores Dramáticos", in: Memorial Literario, 21 (November 1790), S. 458-462, hier S. 462: "La Nación está en parte ilustrada, no hay tanto vulgo c o m o se piensa: los papeles periódicos, las justas criticas del Memorial Literario, varias obras ya traducidas, ya originales han extendido las luces del buen gusto". Deutlich wird das Selbstbewußtsein über den erreichten Grad der Aufklärung zum Ausdruck gebracht: "Este tiempo no está tan lexos, como parece, ya se muestra por el oriente la aurora de nuestra ilustración, y no tardaremos m u c h o en ver florecer el buen gusto" (ibid.).
293
mit seiner Arbeit beitragen w i l l 3 9 8 . Manuel Martí y Zaragoza beschreibt in seiner u m 1 7 3 5 v o l l e n d e t e n Autobiographie mittels des G e s c h m a c k s b e griffs den Erwerb v o n Kenntnissen und eine damit verbundene V o r l i e b e für die Antike als "la luz del c o n o c i m i e n t o y buen g u s t o de la antigüedad" 3 9 9 . Meint Martí vermutlich v o r w i e g e n d h u m a n i s t i s c h e Kenntnisse, s o wird der G e s c h m a c k s b e g r i f f i m Diario
de los Literatos
de España
vor a l l e m auf die
N a t u r w i s s e n s c h a f t e n a n g e w e n d e t , insbesondere auf Mathematik und Physik 4 0 0 . In e i n e m 1737 veröffentlichten Artikel wird f o l g e n d e s über die M a thematik geschrieben: "Si nuestros Españoles aplicassen la perspicacia, y viveza de su ingenio al estudio de esta ciencia, y ä la Philosophia experimental 401 , no tuviéramos necessidad de recurrir ä los Maestros Estrangeros: Las Academias de Sevilla, y Madrid, están entregadas a este genero de estudios, con tanta felicidad, que nos prometen la total restauración del buen gusto, y los adelantamientos mas importantes en la Medicina, y en la Physica" 402 . Der buen gusto
b e z e i c h n e t die Erkenntnis der Natur und ihrer G e s e t z e
durch e i g e n e B e o b a c h t u n g und naturwissenschaftliche Experimente. Er ist die Aktivität d e s kritischen Geistes, der das durch das induktive Erkenntnisverfahren Richtige, das sich durch Experimente und e i g e n e B e o b a c h t u n g
398 Vgl. Mayáns y Sisear, ed. cit., l.Bd., 1983, S. 237-260, hier S. 258: "Para el veneno de tantos i tan malos libros no ai remedio más eficaz que el contraveneno de muchos otros buenos. Cómo ha de reinar el buen gusto, si no se fomenta?". 1762 schreibt Mayáns in einem Brief an Pérez Bayer: "la gran dificultad de introducir la erudición consiste en facilitar el buen gusto que debe tener su principio en la propia lengua" (zit. n. Pérez Magallón, op. cit. 1991, S. 63). Zu Mayáns 1 Geschmacksbegriff vgl. ibid., S. 61-64, 85-87. 399 Zit. n. Gil Fernández, art. cit. 1978, S. 86. 400 Der Diario de los Literatos de España, der in sieben Bände von 1737 bis 1742 in Madrid erschien, war das wichtigste periodische Organ zur Rezension in- und ausländischer Publikationen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Spanien. 401 Gemeint ist die Physik. Zur Synonymie der Begriffe filosofía (experimental) und física in der spanischen Frühaufklärung vgl. Alvarez de Miranda, op. cit. 1992, S. 457-458. 402 Rez. zu Virrey y Mange, Pasqual Francisco: Tirocinio práctico médico-chímicogalénico (Valencia 1737), in: Diario de los Literatos de España, 2. Bd., Madrid 1737, Nachdruck Zaragoza 1987, Artikel VI, S. 149-160, hier S. 158. An anderer Stelle ist die Rede von "la dilatada lección, buen gusto en la elección de las opiniones, y no vulgar agudeza en los discursos" des Doktor Gilabert (Rez. zu Montero de Espinosa: El Boixiano inexpugnable en el certamen de los mayores Médicos de España [...] (Zaragoza 1738), in: ibid., 7. Bd., 1742, Artikel XI, S. 214-233, hier S. 218). Vgl. Tomsich, art. cit. 1978, S. 47-48; Alvarez de Miranda, op. cit. 1992, S. 503.
294 als exaktes Wissen nachweisen läßt, erkennt und von den Irrtümern zu unterscheiden weiß, die durch das scholastische Wissenschaftssystem der Textgläubigkeit tradiert und perpetuiert worden sind. Der buen gusto ist also ein Verfahren des naturwissenschaftlichen Fortschritts. Um die Jahrhundertmitte widmeten mehrere Autoren dem Geschmacksbegriff im Zusammenhang mit den Wissenschaften ihre Aufmerksamkeit und führten dadurch die vorwiegend durch den Diario de los Literatos de España geprägte Tradition fort. Der Jesuitenpater Andrés Marcos Burriel( 1719-1762) verwendet den Begriff buen gusto häufig in seinen 1750 entstandenen Apuntamientos de algunas ideas para fomentar las Letras, stets im Zusammenhang mit den Wissenschaften, wie beispielsweise "el buen gusto en ciencias menores y mayores" 403 . Seine Schrift ist eine Apologie der kulturellen Tradition Spaniens. Er verteidigt aber auch das intellektuelle Niveau seiner aktuellen Gegenwart, indem er ausdrücklich klarstellt, daß es heutzutage in Spanien gebildete Männer (hombres de gusto) gibt 404 . Burriel verwendet den Begriff buen gusto ganz im Sinne Muratoris, dessen Riflessioni sopra il buon gusto von 1708 er gelesen hat 405 . Eine regelrechte Abhandlung über den buen gusto ist der ausführliche, vom 30. Dezember 1750 aus Madrid datierte Dictamen, den der Kleriker Juan de Aravaca (1" 1786) zu Ignacio de Luzáns Memorias literarias de París von 1751 verfaßte 406 . Aravaca schickt Luzáns Beschreibung der 403 Ediert in: Echánove Tuero, Alfonso: La preparación intelectual del P. AndrésMarcos Burriel, S.J. (¡731-1750), Madrid/Barcelona 1971, S. 252-327, hier S. 315. Vgl. ibid., S. 267, 291, 322. 404 Vgl. ibid., S. 305: "[...] estoy mal con los que o por hacerse únicos o por natural maledicencia, o porque no se han internado con nadie, ni extendido sino a pocos, se quejan de que no hay hombres de gusto en España el día de hoy. Es falsísimo [...]". - Burriels Freund Mayáns hatte sich in seinen Pensamientos literarios von 1734 in ähnlicher Weise geäußert. Vgl. Mayáns y Sisear, ed. cit., l . B d . , 1983, S. 258: "[...] si España no tiene hoi hombres sabios, como piensan algunos (pero mui mal informados, porque sí que los ai, i un gran número; pero los que lo son, más cuidan de saber que de medrar) a lo menos qualquier hombre de razón me ha de conceder que esta nación ha tenido hombres eminentes en todo género de letras, reputados por tales en todo el orbe literario". 405 In einem vom 2. Mai 1745 datierten Brief bittet Burriel Mayáns um die Zusendung von Muratoris Rißessioni sopra il buon gusto. A m 11. Juni 1746 schreibt er ihm von seiner Lektüre des Textes. Vgl. Echánove Tuero, op. cit. 1971, S. 75-76. 406 Vgl. "Dictamen del Padre Don Juan de Aravaca, Presbytero de la Congregación del Salvador", in: Luzán, op. cit. 1751, unpag. - Über Aravaca ist wenig bekannt. Er war seit 1767 Mitglied der Real Academia Española. Erhalten sind mehrere Manuskripte über die Musik der alten Hebräer, die er 1783 vortrug. Einige seiner
295 kulturellen Zustände in Paris allgemeine Überlegungen zum Studium und zur wissenschaftlichen Ausbildung der jungen Leute voraus. Er bezeichnet den buen gusto, den er mit dem Begriff Critica gleichsetzt, als notwendige Voraussetzung für das Studium der Wissenschaften und beschreibt ihn als "[...] un discernimiento exacto, que acierte ä där ä cada cosa su intrínseco valor, y no equivoque el mérito de los Autores, y de los Escritos. Este discernimiento, que unos llaman Buen Gusto y otros Critica, no es producción de un capricho, que se abandona á su antojo, sin reconocer leyes, y reglas, que le contengan en los límites de lo razonable, y de lo justo; sino un conocimiento despejado, vivo, delicado, distinto, y precisivo de la verdad, hermosura, y proporción de los pensamientos, ö ideas, y de las expressiones, de que se compone una Obra" 4 0 7 .
Der buen gusto ist nicht vom Zufall abhängig, sondern gehorcht festen Regeln, die Aravaca jedoch nicht spezifiziert. Ebenso wie das Erkenntnismittel des buen gusto unterliegen alle "producciones del entendimiento", auf die er angewendet wird, unveränderlichen Regeln, die auf Vernunft, allgemeine Übereinkunft und Natur gegründet sind408. Mittels des buen gusto kann man die Schönheiten wie auch die Mängel eines Werkes erkennen und beurteilen, inwieweit es den Prinzipien der Natur und den Regeln der Kunst entspricht409. Aravaca unterscheidet den physiologischen Geschmackssinn ("el paladar") vom intellektuellen ("gusto intelectual"). Wie der physiologische Geschmackssinn ist der intellektuelle buen gusto zwar angeboren, aber er kann durch das Studium weiterentwickelt werden: durch ständige Lektüre vorbildlicher Bücher, eigenes Nachdenken über das Gelesene, Gespräche mit Gebildeten, durch den Vergleich der Texte miteinander410. Aravaca spricht auch das Problem des individuellen Geschmacks
Reden, die er zu verschiedenen Anlässen gehalten hat, wurden veröffentlicht. Vgl. Aguilar Piñal, Francisco: Bibliografía de autores españoles del siglo XVIII, 1. Bd., Madrid 1981, S. 334-335; Alvarez de Miranda, op. cit. 1992, S. 501-502. 407 "Dictamen del Padre Don Juan de Aravaca", in: Luzán, op. cit. 1751, unpag. 408 Vgl. ibid.: "[...] ciertas reglas, que son invariables, por estar fundadas en la recta razón, en el juicio prudente, en el unánime consentimiento de los hombres, y en la naturaleza de las cosas". 409 Vgl. ibid.: "Este Gusto [...] nota, por un conocimiento delicado, y exquisito, los primores, y gracias, que están esparcidas en la Obra, percibe todos los defectos, entiende con toda precisión en qué consisten, y en lo que se apartan de los principios de la naturaleza, y de las reglas del arte". 410 Vgl. ibid.: "Este Buen Gusto ha de nacer, en algún modo, con nostros [...], es don de la naturaleza. Pero se aumenta, y perfecciona el gusto en materias de Literatura con la continua lección de buenos Libros, la atenta meditación sobre lo que con-
296 im Verhältnis zum zeitlosen, allgemeingültigen Geschmack an, ohne genau zu klären, worin sich beide unterscheiden und was sie konstituiert. Hinsichtlich des allgemeingültigen Geschmacks rekurriert Aravaca auf die Tradition, insbesondere die Gültigkeit einer Meinung, die sich in einem langen Zeitraum herausgebildet hat. In der Frage der Querelle des Anciens et des Modernes sieht er es als einen Vorteil der Alten an, daß ihre Texte durch die Kritik mehrerer Jahrhunderte bereits sanktioniert seien 411 . Aravaca gelingt es nicht, den Widerspruch von individuellen und allgemeingültigen Geschmacksurteilen zu lösen, denn einerseits impliziert sein Geschmacksbegriff die subjektive Eigenständigkeit eines durch die Vernunft begründeten Urteils, andererseits die Orientierung an traditionellen Werturteilen. Wenn sowohl der buen gusto als auch die Objekte, auf die er angewendet wird, festen Regeln unterliegen, bleibt dem individuellen Urteil wenig Spielraum. Aravacas buen gusto erweckt zwar zunächst den Anschein, als sei es ein dynamisches Mittel zur Erkenntnis, tatsächlich aber erweist er sich als statisch, da er nur der Erschließung vorgegebener, normativer Regelzusammenhänge dient. Trotzdem enthält Aravacas Geschmacksbegriff insofern innovatorische Elemente, als er nicht nur zum kritischen Umgang mit wissenschaftlichen Texten dienen soll, sondern auch eine ästhetische Funktion erfüllt, indem er dem Subjekt die Schönheiten dieser Texte offenbart. Luzán bezeichnet in der Einleitung seiner Memorias literarias de París die französische Hauptstadt als Zentrum des buen gusto, der vorwiegend auf wissenschaftliche Studien bezogen wird 412 . In seinem Proyecto y plan de una Academia Real de Ciencias, Bellas Letras y Artes en Madrid von 1750/51 bemerkt Luzán eingangs, er beabsichtige die Reformierung von "las Ciencias, las Artes liberales, el buen estilo, el buen gusto" 413 . Auch in der zweiten Jahrhunderthälfte wurde der Begriff buen gusto häufig im Zusammenhang mit den Wissenschaften genannt. Olavide y Jáuregui wendet den Begriff mal gusto auf die universitäre Ausbildung an. tienen, la conversación con hombres sabios, y experimentados, y el cotejo, que se hace de unas mismas cosas entre varios Autores que las tratan". 411 Vgl. ibid.: "Sola la aprobación de la Posteridad es la que puede establecer, y fixar el gusto precio de un Escrito". 412 Vgl. ibid., S. 2: "[...] París es el centro de las Ciencias, y Artes, de las bellas Letras, de la erudición, de la delicadeza, y del buen gusto". 413 Zit. n. Carnero, Guillermo: "El Plan de una Academia ... de Ignacio de Luzán", in: NRFH, 37 (1989), S. 159-201, h i e r S . 167. Vgl. ibid., S. 181: "los estudios útiles y el buen gusto".
297 In seinem Plan de Estudios para la Universidad de Sevilla von 1768 bringt er die Hoffnung zum Ausdruck, daß mittels der Realisierung seiner Reformvorschläge "el espíritu escolástico, y el mal gusto de los estudios frivolos" 414 aus den Universitäten verbannt werden. Auch Cadalso verwendet in den Cartas marruecas den Begriff buen gusto in Hinblick auf die Künste und Wissenschaften 415 . Im Jahre 1782 erschien die spanische Übersetzung von Muratoris Delle riflessioni sopra il buon gusto nelle scienze e nelle arti. Der Übersetzer, Juan Sempere y Guarinos (1754-1830), nach dem Theologie- und Jurastudium in Madrid als Advokat tätig, leistete mit in seinen Reflexiones sobre el Buen Gusto en las Ciencias y en las Artes. Traducción libre de las que escribió Luis Antonio Muratori sobre el gusto actual de los españoles en la literatura (Madrid 1782) einen Beitrag zur aktuellen Geschmacksdiskussion in Spanien 416 . Er übersetzte nicht Muratoris ersten Text über den Geschmack, der 1703 unter dem Titel I primi disegni della repubblica letteraria d'Italia in Venedig erschien, sondern nur den zweiten, der 1715 in Köln unter dem Titel Delle riflessioni sopra il buon gusto nelle scienze e nelle arti veröffentlicht wurde. Sempere y Guarinos läßt die Einleitung von Bernardo Trevisano unbeachtet und fügt stattdessen einen eigenen Discurso sobre el Gusto actual de los Españoles en la Literatura hinzu 417 . Seine Übertragung des italienischen Originals ist sehr frei, wie er selbst im Prólogo schreibt 418 , und stellt eher eine Umformung mit vielen Kürzungen als eine Übersetzung dar. Er ist bemüht, alle speziell italienischen Bezüge des Textes wegzulassen und Muratoris wesentliche Gedanken wiederzugeben, die er auf die aktuellen spanischen Verhältnisse überträgt. Sempere y Guarinos' Interesse gilt dem Konzept des buen gusto als Modus der Wissenserfassung, als rationales Gleichgewicht bzw. Regulativ, als Entscheidungskriterium zur Auswahl des Besten, auf das der Gelehrte 414 Olavide y Jáuregui, Pablo de: Plan de Estudios para la Universidad hrsg. von Francisco Aguilar Piñal, Barcelona 1969, S. 162.
de
Sevilla,
415 Vgl. Cadalso, ed. cit. 1971, Carta LXXVII, S. 169. Zur translatio transmigración de las artes") vgl. ibid., Carta XLIX, S. 113.
studii
("la
416 Vgl. Froldi, Rinaldo: "Juan Sempere y Guarinos, bibliografo e storiografo dell'età di Carlo III di Borbone", in: Di Pinto, Mario (Hrsg.): ¡Borbone di Napoli e i Borbone di Spagna, 2. Bd., Neapel 1985, S. 375-389, hier S. 377-380; Checa Beltrán, José: "Paralelos de lenguas en el siglo XVIII: de Feijoo a Vargas Ponce (17261793)", in: RL, 53. Bd., Nr. 106 (1991), S. 485-512, hier S. 502-503. 417 Vgl. Sempere y Guarinos, op. cit. 1982, S. 196-291. 418 Vgl. ibid., unpag.
298 sein Streben richten muß, um für die Gesellschaft von Nutzen zu sein. Sempere y Guarinos wendet den Geschmacksbegriff vorwiegend auf die Wissenschaften und Künste an 419 . Um den "gusto literario actual" 420 darstellen zu können, wählt er methodisch die historische Rückschau. Die besten Bücher der Spanier fungieren als Mittel zur Verbesserung des buen gusto42Die Mißstände an den spanischen Universitäten bedeuten "una barrera impenetrable al Buen Gusto" 422 . Im zweiten Band seines Ensayo de una biblioteca española de los mejores escritores del reynado de Carlos III von 1785 bekundet Sempere y Guarinos deutlich seine Distanz zu Frankreich, das ihm und vielen seiner Zeitgenossen - man denke nur an Luzáns Enthusiasmus über Paris als Zentrum des buen gusto423 - lange Zeit als Vorbild für den Geschmack gedient hatte 424 . Sempere y Guarinos' Abwendung von Frankreich und die Rückbesinnung auf die eigene nationale Literatur ist vermutlich mitbedingt durch die Kritik der französischen Aufklärer an Spanien 425 . Noch in den neunziger Jahren läßt sich die Verwendung des Begriffs buen gusto im Zusammenhang mit den Wissenschaften nachweisen 4 2 6 .
Poesía 419 Die Disziplinen, die er behandelt, sind im einzelnen Lengua castellana, vulgar, Lengua latina y orientales, Matemáticas, Crítica, Historia, Filosofía, Theología, Jurisprudencia, Medicina, Política económica. 420 Ibid., S. 197. 421 Vgl. ibid., S. 205. 422 Ibid., S. 209. 423 Vgl. infra, S. 296. 424 Vgl. Sempere y Guarinos, op. cit., 2. Bd., 1785, S. XII: "Preocupado en algún tiempo, como otros muchos, á favor de la literatura estrangera, y particularmente de la Francesa, creia que si habia filosofía y gusto en el mundo, estaba contenido únicamente en los escritos de aquella nación. Despues he visto que también en muchos de la nuestra hay buenas máximas, y sólidos principios, con la ventaja de no estar mezclados con una gran parte de cizaña, como sucede muy freqüentemente en los estrangeros". 425 Vgl. Floeck, Wilfried: "Das Spanienbild der französischen Aufklärung und seine Auswirkungen auf die spanische Ilustración", in: IR, 13/14 (1981), S. 62-76, hier S. 70-71. 426 Francisco de Villalpando bezieht ihn auf die Philosophie und schreibt in einem vom 26. Mai 1792 aus Madrid datierten Brief an König Karl IV. über "un curso filosófico según el buen gusto de la literatura" (zit. n. Zamora Sánchez, Germán: Universidad y Filosofía Moderna en la España ilustrada, Salamanca 1989, S. 334).
299
8.2 Der Geschmacksbegriff in den bildenden Künsten In der zweiten Jahrhunderthälfte wurde der Geschmacksbegriff in den bildenden Künsten zum Stilbegriff umgewandelt. Demnach manifestiert sich der buen gusto in den Bildern, Statuen und Bauwerken, die dem klassizistischen Ideal entsprechen, dagegen der mal gusto, sobald sie von diesem Ideal abweichen. Der Geschmack tritt als ein Gefühl, das im Künstler die Kenntnis der Regeln des Klassizismus wirksam werden läßt, an die Stelle der bewußten Reflexion. Der Architekt Diego de Villanueva (1715-1774) grenzt in seiner Colección de diferentes papeles críticos sobre todas las partes de arquitectura (Valencia 1766) die Handwerker {Albañiles) deutlich von der Architekten (Arquitectos) ab. Die Architekten definiert er als "aquellos hombres, que ä una buena educación agregan un ingenio superior, uniendo en si la excelencia del gusto fundado en la lectura, y observación, una estension de imaginación capaz de producir dichosas ideas felices, y todo con proporcion ä la comodidad, firmeza, y hermosura" 427 .
Er zählt eine Reihe von inneren und äußeren Voraussetzungen auf, die der Architekt erfüllen muß. Außer einer besonderen Begabung und der imaginación nennt er auch den gusto, der sich einerseits auf die reproduktive Lektüre, andererseits auf die aktive Tätigkeit der eigenen Beobachtung gründet. Auch Benito Bails (1731-1797) setzt in seinen Elementos de Matemáticas (Madrid 1779/87) einen ausgebildeten Geschmack beim Architekten voraus, denn dieser muß folgende Voraussetzungen für seine künstlerische Tätigkeit erfüllen: "ingenio vivo, gusto formado, mucha reflexión y raciocinios bien concertados"428. Am 4. Dezember 1768 wandte sich die Real Academia de San Fernando an den Consejo de Castilla mit der Bitte, allen Handwerkern vorzuschreiben, vor der Ausführung öffentlicher Arbeiten ihre Entwürfe der Akademie zur Begutachtung und gegebenenfalls Korrektur vorzulegen429. Damit wollten die Akademiker vor allem die Errichtung barocker, reich bemalter und vergoldeter Holzaltäre und Retabeln in den Kirchen unterbin427 Villanueva, Diego de: Colección de diferentes papeles críticos sobre todas las partes de arquitectura, Valencia 1766, Nachdruck ibid. 1979, S. 4. 428 Zit. n. Sanz Sapz, María Merced Virginia: "La teoría española de la creación artística en tiempos de Carlos III", in: El Arte en tiempo de Carlos III, Madrid 1989, S. 457-466, hier S. 463. 429 Vgl. Carrete y Parondo, Juan: "Pedro Rodríguez de Campomanes. Informes sobre la Real Academia de Bellas Artes de San Fernando", in: RIE, 35 (1977), S. 75-90.
300 den. Statt des Holzes sollte als Material Stuck oder Stein verwendet werden. Aber nicht nur eine Minderung der tatsächlich hohen Brandgefahr in den Kirchen lag den Akademikern am Herzen, sondern vor allem das Verbot der Neuerrichtung von "[...] los perversos Retablos, las horribles portadas, los barbaros adornos, y otros Monumentos de la ignorancia" 430 , die ihrer Meinung nach dem "mal gusto" 431 Vorschub leisteten. Der noch immer von den zunftmäßig organisierten Zimmerleuten, Retabelmalern und Vergoldern gepflegte Barockstil sollte dem von der Akademie propagierten klassizistischen Stil weichen. Die Akademie sollte zu einer nationalen Kontrollinstanz für alle bildenden Künste werden und damit eine große Machtfülle erhalten, auch in einem Bereich, der bisher ausschließlich den Zünften oblag. Conde de Campomanes erließ in seiner Eigenschaft als Fiscal del Consejo de Castilla ein Informe, datiert vom 10. Januar 1769, in dem er der Bitte der Akademie nachkam. Campomanes begründete seine Verordnung mit dem buen gusto, den er folgendermaßen definiert: "El buen gusto en lugar de multiplicar los adornos consiste comunmente en la Sencillez, y mutua conexion de las partes proporcionadas, pero esto tiene reglas que los ignorantes por falta de ellas creen reducirse ä multiplicar adornos" 432 .
Außer dem Kriterium der Einfachheit, der Proportion der Teile untereinander und spezifischer Regeln ist der buen gusto ausgerichtet nach dem Vorbild der Natur oder der hervorragenden Meister 433 . Beeinflußt ist Campomanes ohne Zweifel von den ästhetischen Anschauungen von Mengs und Felipe de Castro, die er protegierte und in seiner Verordnung als Gutachter benennt. Die praktische Durchführung der Vorschrift, alle Pläne vor ihrer Ausführung der Akademie einzureichen, war offensichtlich wenig erfolgreich, denn José Monino, Conde de Floridabianca (1728-1808), erneuerte sie in einer vom 23. November 1777 datierten Carta circular434. Seine
430 Ibid., S. 79. 431 Ibid., S. 78. 432 Ibid., S. 80. 433 Vgl. ibid.: "[...] el buen gusto y las ideas sencillas, nobles y proporcionadas á los modelos que subministra la viva representación de la Naturaleza, ó las composiciones que nos hayan dejado los Maestros más acreditados". 434 Antonio Ponz veröffentlichte Floridabiancas Carta circular im 1778 erschienenen siebten Band seiner Viage de España. Vgl. Ponz, ed. cit. 1947, S. 585-586; wiederaufg. in: Memorial Literario (Januar 1785), S. 44-48.
301 Begründungen stimmen mit denjenigen von Campomanes überein, auch er nennt als Richtlinie "las reglas del arte y del buen gusto" 435 . Der buen gusto diente Campomanes wie Floridabianca als kulturpolitisches Mittel zur Durchsetzung von ganz bestimmten ästhetischen Vorstellungen. Einige Akademiker, vor allem Ponz und Mengs, unterstützten diese Bemühungen mit ihren Schriften, in denen sie den Geschmacksbegriff im Sinne der Akademie propagierten. Antonio Ponz verwendet den Begriff buen gusto häufig im Zusammenhang mit den bildenden Künsten. Die Darstellungen der Kunstdenkmäler seiner monumentalen, von 1772 bis 1794 in Madrid erschienenen achtzehnbändigen Reisebeschreibung Viage de España enthalten zahlreiche ästhetische Reflexionen, doch nur selten bemüht er sich um die Klärung der verwendeten Begriffe 436 . Ausdrücklich wendet er sich mit seinem Buch nicht an den Kenner, sondern den Laien, dem er eine Anleitung vermitteln will, wie er zwischen guten und schlechten Werken unterscheiden kann, damit er in Gesprächen über die bildenden Künste das richtige Urteil fällt 437 . Die Viage de España ist demnach gewissermaßen eine Anleitung zum buen gusto in den bildenden Künsten, ohne daß Ponz dies explizit so ausdrückt. Geprägt von einem achtjährigen Rom-Aufenthalt, befreundet mit Mengs, mit dessen Theorien er vertraut ist, hat sich Ponz die klassizistische Kunstanschauung zueigen gemacht. Die Antike ist sein Vorbild, und wenn er "los ejemplos que nos quedan de la antigüedad más ilustrada" 438 nennt, wendet er sogar den Begriff der ilustración auf sie an und projiziert damit zeitgenössische Gedanken und aufklärerische Bemühungen in eine idealisierte Vergangenheit. Ponz verbindet den buen gusto mit der Fähigkeit des rationalen Urteils, denn der buen gusto geht hervor aus der Ausbildung des an vorbildlichen Werken der Architektur geschulten juicio439. Mittels dieser Kenntnisse erlangt man Fähigkeiten, die auch in anderen Bereichen angewendet werden können - eine Argumentation, die die Architektur als not-
435 Ibid., S. 45. 436 Vgl. Bedat, Claude: El escultor Felipe de Castro, Santiago de Compostela 1971, S. 59-71; Haibach, op. cit. 1983. 437 Vgl. Ponz, ed. cit. 1947, S. 143, 232, 406. - Den fiktiven Adressaten eines seiner Reisebriefe betrachtet Ponz als kompetenten Kenner, da er ihm einen makellosen, geläuterten Geschmack auf dem Gebiet der bildenden Künste zuspricht, indem er ihn als "de tan acendrado gusto en las bellas artes" (ibid., S. 130) bezeichnet. 438 Ibid., S. 321. 439 Vgl. ibid., S. 317.
302 wendige Kunst von praktischem Nutzen legitimiert. Darüber hinaus stellt Ponz die Ausbildung in der Architektur als notwendige Voraussetzung für eine adäquate Beurteilung der anderen bildenden Künste und der Literatur dar 440 . Daß der buen gusto auch nach Ponz' Auffassung auf Abwechslung und eine Vielfalt von Objekten und Eindrücken zielt, ergibt sich aus seiner Bemerkung über die umfangreiche, mehrere Sparten umfassende Kunstsammlung von José Nicolás de Azara 441 . Die Grundvoraussetzung für den buen gusto sind bestimmte institutionelle Rahmenbedingungen, nämlich die Förderung der Künste durch die Mäzene, insbesondere seitens des Königs als oberstem Schutzherr der bildenden Künste 442 . Die Wiederherstellung des buen gusto erfolgte nach Ponz' Auffassung unter der Regentschaft von König Ferdinand VI. mit Gründung der Real Academia de San Femando443. Von großer Wirkung in Spanien war Anton Raphael Mengs' Theorie des Geschmacks 444 . In den 1780 erschienenen Reflexiones vertritt er die Auffassung, daß die Schönheit in der Kunst kein bloßes Nachahmen der tatsächlich vorgegebenen Natur sei, sondern ein Resultat aus Wille und Absicht des Künstlers, der aus der Natur das Schönste auswählt und im Kunstwerk zu einer die Natur übertreffenden Vollkommenheit zusammenfügt. Die Auswahl des Schönsten aus der Natur gelingt dem Künstler mittels des Geschmacks. Dieser ist in der künstlerischen Praxis die Fähigkeit des Künstlers, aus der unendlichen Vielfalt der Natur das Edelste und Beste auszuwählen. Sein gusto vermag das Akzessorische vom Hauptsächlichen zu sondern und beides miteinander in Einklang zu bringen. Der Geschmack ist für den Künstler ein notwendiges Mittel zur Darstellung der Schönheit und eine unabdingbare Voraussetzung zum Gelingen des Kunstwerks. 440 Vgl. ibid., S. 318: "Formado generalmente el gusto en las obras de arquitectura, será muy otro el modo de juzgar en las demás bellas artes [...]. No sólo a las bellas artes se extenderá el recto juicio de los hombres, sino también a las bellas letras. Se echará a un lado lo que no sea conforme al natural, a la razón y al sabio modo q u e tuvieron de pensar nuestros antiguos de los siglos y naciones más cultas". 441 Vgl. ibid., S. 1238: "El buen gusto, junto con las facultades correspondientes, no se satisface con objetos de una sola especie: se extiende a muchos". 442 Vgl. ibid., S. 511: "La protección a las bellas artes es el principio y origen de muchas felicidades; mediante ellas se establece el buen gusto y recto modo de pensar, extendiéndose no solamente a aquellas obras de ostentación que dan tanta hermosura y reputación a las ciudades donde se hallan, sino a todas las demás cosas que pide la necesidad y conveniencia de los hombres". 443 Vgl. ibid., S. 86. 444 Vgl. Sutter, op. cit. 1968, S. 76-97.
303 Mengs konstatiert zwar die Subjektivität des Geschmacks, vermeidet aber seine Aufspaltung in so viele verschiedene Geschmäcker, wie es Individuen gibt, indem er die Differenzierung in unterschiedliche Geschmacksgruppen vornimmt. Er nennt z.B. den Gusto grandioso, Gusto mediano, Gusto pequeño, Gusto bello und weitere Arten 445 . Außer der subjektiven Qualität besitzt der Geschmack eine objektive, die sich nach den Objekten bemißt, die er auswählt. Der beste Geschmack, der allen gefällt, ist der mittlere, der sich zwischen zwei Extremen befindet, von beiden gleich weit entfernt. Der Geschmack ist um so schlechter, je mehr er sich einem der beiden Extreme annähert. Der Betrachter soll gerührt werden, aber in eher zurückhaltender Weise. Die Wirkung auf seine Sehnerven soll zwar stark genug sein, um sein Interesse zu wecken, aber sie sollen auch wiederum nicht allzu sehr angespannt werden, damit er nicht überanstrengt wird 446 . Mengs grenzt den gusto von der manera ab, die er als "una especie de mentira" 447 geringschätzt, da sie vieles auslasse, was der gusto auswählt, und anderes frei erfindet, statt es nachzuahmen. Der beste Geschmack ist derjenige, der der Vollkommenheit am nächsten kommt 448 . Mengs' Geschmacksbegriff oszilliert ebenso zwischen subjektiven und objektiven Komponenten wie zwischen sinnlichem Empfinden und Verstandestätigkeit. Der Geschmack ist nicht angeboren, sondern erlernbar als Produkt der Urteilsfähigkeit. Zwei Wege führen zum buen gusto in der Malerei449. Der schwierigere ist die direkte Auswahl aus der Natur, ihre unmittelbare Anschauung. Ihn haben die Griechen beschritten. Er setzt einen ausgebildeten philosophischen Verstand für die Auswahl aus der Natur voraus. Der zweite, einfachere Weg ist ein "Anschauungsakt zweiten Grades" 450 , der in der Nachahmung der Kunstwerke der Griechen besteht, in denen die Auswahl aus der Natur bereits getroffen wurde. Mengs setzt voraus, daß die Kunst der Griechen die beste Auswahl des Schönen aus der Natur darstellt. Demnach bedeutet die Beherrschung der antiken Kunstformen eine 445 Vgl. Mengs, op. cit. 1797, S. 18. 446 Vgl. ibid., S. 19. 447 Ibid., S. 21. 448 Vgl. ibid.: "El Gusto que mas se acerca á la perfección es aquel que escoge lo mejor y mas útil de la Naturaleza, conservando todo lo esencial de cada cosa, y desechando lo inútil. Entonces todo parece verdad y de Gusto excelente: porque de este modo la Naturaleza se mejora; pero no se muda ni altera, como sucede en la Manera". 449 Vgl. ibid., S. 27-32. 450 Christoffel, op. cit. 1918, S. 20.
304
höhere Stufe der künstlerischen Tätigkeit als das Studium der Natur selbst. Mengs empfiehlt dem Maler, beide Wege zu beschreiten 451 . Er schließt durchaus nicht aus, daß die Modernen die Griechen übertreffen können dies unterscheidet ihn von Winckelmann, der das Vorbild der Griechen für unerreichbar hält. Mengs betrachtet die Kombination des Alten und Neuen zu einem noch Höherrangigen als Ideal, das der Künstler anstreben soll. Fray Celedonio Nicolás de Arce y Cacho verbindet in seinen Conversaciones sobre la escultura von 1786 den Geschmacksbegriff mit der Nachahmung der Natur. Er gibt folgende Definition der Bildhauerei: "Escultura es una imitación del mismo natural, y conservación de las obras heroycas" 452 . Der Künstler soll eine Auswahl aus der Natur treffen, wobei die Wahrheit ein bestimmendes Kriterium ist. Arce verbindet Geschmack und Schönheit miteinander, wobei er der synkretistischen Entwicklungstendenz des Geschmacksbegriffs in den achtziger Jahren entspricht. "Gusto no es otra cosa mas que imitar los mejores efectos de la naturaleza, y buscar la verdad de la buena elección, que con lo bien coordinado de la composicion se encuentra la belleza" 453 .
Nicht das Objekt oder das Material, aus dem das Objekt besteht, sind ausschlaggebend, sondern die Form. Die Vollkommenheit besteht in der Nachahmung eines natürlichen buen gusto454. Der gusto ist eine der notwendigen Voraussetzungen, die der Bildhauer erfüllen muß 455 . Francisco Martínez behandelt den Geschmacksbegriff an mehreren Stellen seines Diccionario manual de Pintura, Escultura, Arquitectura, Grabado von 1788. Im Artikel Arquitectura schreibt er, daß der buen gusto, den er mit natürlicher Einfachheit verbindet, als Qualitätskriterium
451 Vgl. Mengs, op. cit. 1797, S. 55: "[...] el Pintor que quiera hallar el mejor Gusto, debe estudiarle tomando de los antiguos el de la Belleza, de Rafael el de la Expresión, de Corregio el de lo Agradable y Armonioso, y de Ticiano el de la Verdad ó Colorido; y todo esto en fin debe buscarlo en la Naturaleza". 452 Zit. n. Pardo Canalís, art. cit. 1947, S. 342. 453 Ibid., S. 342. 454 Vgl. ibid., S. 342-343: "para la nobleza de las Artes, se debe mirar la forma, y no el objeto, ni la materia: la perfección de ellas consiste en imitar debidamente el natural y buen gusto [...]". 455 Vgl. ibid., S. 343: "Para ser buen Profesor indispensablemente debe tener qualquiera que ha de profesar esta Arte tres cosas, es á saber, composición, expresión y gusto, asi como para el Pintor dibujo, colorido, y composicion".
305 für die Architektur fungiert 456 . Im Artikel Elegancia unterscheidet er implizit den Geschmack des Künstlers vom Geschmack des Rezipienten 457 , und in dem umfangreicheren Artikel Gusto gibt er mehrere Bedeutungen des Geschmacksbegriffs in der Malerei an: erstens die ausgeprägte Vorliebe eines Malers für die Darstellung bestimmter Themen, zweitens - als Synonym zu Estilo - die individuelle Arbeitsweise eines Malers, seine spezifischen Eigenheiten und seine Art der Auswahl aus der Natur hinsichtlich der einzelnen Konstituenten der Malerei (Erfindung, Zeichnung, Farbgebung) 458 . Geschmack und Schönheit werden eng miteinander verbunden, denn die Qualität des künstlerischen Geschmacks bemißt sich danach, in welchem Maße er sich durch das bewußte, vernünftige Studium der Natur und der künstlerischen Tradition der Schönheit anzunähern vermag 459 . Martinez unterscheidet in der Malerei drei Arten von Geschmack: erstens den gusto natural, den der Maler ausschließlich nach dem Vorbild der Natur ausbildet und der sich in den Stilleben der Niederländer und Deutschen manifestiert 460 , zweitens den gusto artificial, der an den vorbildlichen Meisterwerken der Malerei ausgebildet wird 461 , drittens den gusto national, den Nationalgeschmack, als Synonym zu Escuela462. Der gusto artificial kann des weiteren als despektierliche Bezeichnung verwendet werden, wenn es einem Schüler nicht gelingt, sich vom Stil seines Lehrers zu lösen und zu einem eigenständigen künstlerischen Ausdruck zu finden.
456 Vgl. Martínez, op. cit. 1788, S. 32: "Los Persas queriendo cargar de adornos sus edificios se olvidaron del buen gusto, y de la noble simplicidad de la naturaleza". 457 Vgl. ibid., S. 125: "[...] el gusto dá elegancia á las obras; el gusto la hace conocer al aficionado". 458 Vgl. ibid., S. 229. 4 5 9 Vgl. ibid.: "El gusto es bueno ó malo según se acerca ó se aparta de las hermosuras que la naturaleza, la reflexión, el arte y aprobación de varios siglos, nos hacen conocer por el estudio". 4 6 0 Vgl. ibid: "[...] la idéa y el talento que el Pintor adquiere consultando solo á la naturaleza, y sin el recurso á las obras de los buenos Maestros. El gusto es baxo ó elevado, según la elección que se hace de los objetos. El simple estudio de la naturaleza se nota singularmente en las obras de los Pintores Flamencos y Alemanes". 461 Vgl. ibid.: "[...] el gusto que se forma en vista de las obras agenas; es en una palabra, el que se saca de la escuela. El discípulo que no tiene bastante talento para salir del estilo de su Maestro, y para bolar [sic] de qualquier modo con sus propias alas, solo tiene un gusto artificial". 4 6 2 Vgl. ibid.: "[...] ciertos primores ó ciertos defectos que se perpetúan en las obras de los Artistas de un mismo país".
306 8.3 Der Geschmacksbegriff in der Musik In der zweiten Jahrhunderthälfte wurden die Begriffe gusto und buen gusto auf die Musik angewendet 463 . Auch in diesem Bereich erweist sich der Geschmacksbegriff als polysem und vielseitig verwendbar. Im Mittelpunkt stand die Frage, was man unter Geschmack in der Musik zu verstehen habe und wie man ihn vermitteln kann. 8.3.1
Die Musiktraktate der fünfziger und sechziger Jahre
Feijoo schreibt in El deleyte de la Música, acompañado de la virtud, hace en la tierra el noviciado del Cielo von 1753, der Geschmack in der Musik sei in biblischen Zeiten am natürlichsten gewesen, denn gusto und naturaleza bildeten eine Einheit 464 . Mit buen gusto bezeichnet Feijoo den Entschluß, sich der Musik zuzuwenden und sie zu genießen 465 . Es ist ein gusto im Sinne eines Genießens, das moralisch als gut bewertet wird 466 . Antonio Rodríguez de Hita vertritt in seinem Musiktraktat Diapasón instructivo von 1757 die Auffassung, die Arbeit des Komponisten werde von Vernunft und Geschmack gleichermaßen bestimmt. Sie sind nur bedingt erlernbar, denn entscheidend sei letztlich die individuelle Begabung. Rodríguez de Hita schränkt deshalb die Wirkung der Regeln für die Musik-
463 Daß Antonio Soler in Llave de la modulación y antigüedades de la música von 1762 den musikalischen Geschmack kein einziges Mal erwähnt, stellt eine auffällige Ausnahme dar. Er verwendet den Begriff gusto nur in allgemeiner Weise im Sinne von Gefallen und Vergnügen. Vgl. Soler, op. cit. 1762, S. 254 und 255. 464 Vgl. Feijoo, ed. cit., 4. Bd., 1765, S. 14: "En aquella primera edad del mundo reynaba el gusto mas conforme á la inspiración de la naturaleza; porque aun no le avian alterado la preocupación, el capricho, el fastidio de lo mejor, ó el mal exemplo del gusto extravagante de quien ocupase algún alto puesto: sucediendo en la infancia del mundo lo que en la infancia del hombre, en la qual el apetito movido solo del impulso natural se vá á aquel alimento mas proporcionado á la complexión, y el gusto al mas dulce; haste que en las siguientes edades la saciedad, el fastidio de lo que es en sí mas gustoso, ó el contagio de la agena extravagancia conducen á lo agrio, á lo amargo, á lo austero, á lo picante, &c.". 465 Er richtet folgende Worte an die "señora devota, y aficionada á la Música" (ibid., S. 1), für die er seine Carta verfaßt hat: "Prosiga, pues, V.S. en gozar á tiempos proporcionados de el honestísimo deleyte de la Música. Yo aplaudo con una muy sensible complacencia á su buen gusto, y aun participaría de él algunos ratos si pudiera [...]" (ibid., S. 35). 466 Vgl. ibid., S. 15: "Mas lo que en esta materia releva mas la excelencia de la Música es, que el gusto de ella dispone el animo para la virtud".
307 erziehung ein, da auch die beste Ausbildung nicht den Mangel an schöpferischer Begabung ausgleichen kann. "No se pueden dar lecciones de entendimiento, de gusto ni de elección; algo ilustran las reglas para todo, pero lo más está en cada uno y su disposición, genio y carácter del propio espíritu: por eso no podremos decir que todos los que estudian saldrán buenos, porque esto quiere, como todas las cosas, vocación" 4 6 7 .
Er plädiert für einen mittleren Weg, "la libertad discreta" 468 : Die Regeln sollen dem Schüler nahegebracht, aber ebenso soll ihm ihr relativer Wert bewußt gemacht werden. Antonio Ventura Roel del Río identifiziert in seinem Traktat Razón natural y científica de la música (Santiago de Compostela 1760) buen gusto mit dem nuevo estilo, verwendet also den Geschmacksbegriff zur Bezeichnung eines bestimmten musikalischen Stils 469 . In dem Bemühen, Altes und Neues miteinander in Einklang zu bringen, relativiert Roel del Río den progressiven Inhalt des buen gusto als einer neuen Art zu komponieren durch die Forderung nach einer Rückbesinnung auf die Tradition, insbesondere auf die Werke der großen Meister der Vergangenheit 470 . In seinem unveröffentlichten Kompositionstraktat von 1766 beschreibt Roel del Río den Mißbrauch des buen gusto in der musikalischen Praxis 471 . Mit dem Argument, sie besäßen ein gutes Gehör, maßen sich die inkompetenten Zuhörer an, sie hätten musikalischen Geschmack, und die Berufsmusiker schließen sich dem laienhaften Urteil wider besseres Wissen aus Opportunismus an, zum Nachteil ihrer Kunst.
467 Zit. n. León Tello, op. cit. 1974, S. 215, Anm. 6. 468 Ibid., Anm. 8. 469 Vgl. Roel del Río, in: Anglés/Subirá, op. cit., 2. Bd., 1949, S. 195: "El Contrapunto no es propiamente Composición. Los Tonos son cinco, o sesenta; i el buen gusto, o nuevo estilo, pende de la más harmoniosa práctica". Vgl. Bonastre, art. cit. 1979, S. 74: "Hay un acuerdo con Rodríguez de Hita sobre el nuevo estilo, en el sentido de buscar unos elementos racionales que rijan el etéreo y resbaladizo buen gusto. Intenta Roel encontrar un justo medio entre el elemento 'científico', sistematizable, y el elemento 'estético', dependiente del buen gusto suficientemente razonado". 470 Vgl. ibid., S. 75: "El sistema de reglas de composición para el nuevo estilo, deve sacarse de los Autores en general, i de lo dicho, i compuesto por los mejores Professores". 471 Das Kapitel des zweiten Buches trägt den Titel Del buen gusto y mejor en las composiciones músicas. Vgl. Martín Moreno, art. cit. 1975, S. 114 und 118.
308 In dem am 23. März 1786 erschienenen, der Musik gewidmeten Faszikel der Zeitschrift El Censor wird die Frage nach "discernimiento, y buen gusto en quanto á la Música" gestellt 472 . Wie Feijoo identifiziert der Anonymus buen gusto mit Einfachheit und Natürlichkeit. Der einfachste Geschmack, der der Natur entspricht, sei der beste, mittels dessen man die Schönheit am ehesten erreichen könne 473 . Im Gegensatz zu Roel del Río wird hier der Begriff buen gusto nicht für einen innovatorischen, sondern für einen konservativen musikalischen Stil verwendet. 8.3.2
Antonio Eximeno y Pujades
Der Geschmacksbegriff stellt für Antonio Eximeno y Pujades eine zentrale Kategorie seiner ästhetischen Anschauungen dar. In Dell'origine e delle rególe della música, colla storia del suo progresso, decadenza e rinnovazione von 1774 bildet die pseudoaristotelische Mimesistheorie die Grundlage von Exímenos Geschmacksbegriff. Da das Ziel der Künste {artes de ingenio) die Nachahmung der Natur ist, besteht der buen gusto als eine dem Objekt inhärente Qualität in "la conformidad de los objetos inventados con los naturales" 474 . Diesem objektiven buen gusto entspricht auf Seiten des Subjekts ein "sentimiento de buen gusto" 475 . Eximeno unterscheidet prinzipiell nicht zwischen der Wahrnehmung eines natürlichen und der eines künstlerischen Objekts. Beide rufen im Menschen dieselbe Wirkung hervor. Der buen gusto der artes de ingenio ist ebenso unwandelbar und in allen Zeiten und Nationen gleichbleibend wie die Gesetze der Natur 476 . Im Gegensatz zum buen gusto ist der mal gusto in unendlicher Vielfalt wandelbar, da die Zahl der Möglichkeiten, die Natur zu verändern, nicht begrenzt ist. Eximeno nennt als Beispiel die ständig wechselnden Kleidermoden, die die Proportionen des menschlichen Körpers in immer 472 Vgl. El Censor, 5. Bd., ed. cit. 1989, Discurso XCVII, S. 525-548, hier S. 532. Vgl. infra, S. 67-68. 473 Vgl. ibid., S. 547: "[...] el gusto de la naturaleza que tanto anhela por el placer c o m o huye del trabajo, y de todos modos qualquiera cosa que no tenga mas que lo simplemente necesario, aunque parezca rustica y pobre, siempre será mas vecina de la belleza, que las que contienen superfluidades irracionales, en que la pompa y la abundancia procuran suplir la falta de designio, orden, proporcion, y propiedad, y en que los sentidos y la razón se confunden y fatigan". 474 Eximeno, ed. cit. 1978, S. 182. 475 Ibid. 476 Vgl. ibid: "El buen gusto de la elocuencia, de la poesía, de la pintura, de la escultura y de la música es hoy día el mismo que ha sido mil años ha".
309 wieder anderer Weise verändern. Wandelbar ist auch der gusto, den Eximeno vom buen gusto unterscheidet, denn der "gusto de las artes" ist "un placer" 477 , das je nach Individuum und nationaler Zugehörigkeit von den verschiedensten Objekte hervorgerufen werden kann. Im Gegensatz zum beliebigen Vergnügen des gusto ist das Vergnügen des buen gusto ein ganz bestimmtes, nämlich "el placer de ver u oír expresada al vivo la naturaleza" 478 . Eximeno geht von bestimmten physiologischen Axiomen aus. Er betrachtet den Körper des Menschen nicht für sich genommen, sondern im Verhältnis zu seiner Umwelt, als Körper, der die ihn umgebende Welt mittels der Sinne wahrnimmt. Den körperlichen Sinnen eignen unterschiedliche Fähigkeiten. Mathematische Proportionen kann ausschließlich der Gesichtssinn mit Hilfe des Tastsinns erfassen - für Eximeno ein Beweis für die Unsinnigkeit, als Grundlage der Musik mathematische Proportionen anzusehen. Geschmacks- und Gehörsinn empfinden diejenigen Eindrücke als angenehm, die sie als Unterstützung ihrer Existenz erkennen, und solche als unangenehm, die dieser zuwiderlaufen 479 . Im Zusammenhang mit dem buen gusto sieht Eximeno auch den Geniebegriff. Das Genie des Subjekts {genio) wird von zwei Elementen konstituiert: dem "sentimiento del buen gusto" und dem "entusiasmo", den er definiert als "la viveza de la fantasía para avivar y combinar las imágenes de los objetos" 480 . Die Frage, ob der buen gusto angeboren oder erlernbar ist, wird von Eximeno nicht klar beantwortet. Einerseits definiert er den im Subjekt vorhandenen "sentimiento del buen gusto" als "instinto" 481 , demnach als angeboren, andererseits erfolgt die Ausbildung des buen gusto durch den Umgang des Individuums mit den "objetos que expresan al vivo la naturaleza" 482 . Demnach ist der buen gusto eine potentielle, natürlich angelegte Möglichkeit, die durch Praxis ausgebildet werden muß 483 . Die Begriffe gusto und buen gusto sind Schlüsselwörter in Exímenos musikalischem Roman Don Lazarillo Vizcardi, den Pollin zurecht als "una 4 7 7 Ibid., S. 234. 4 7 8 Ibid., S. 235. 4 7 9 Vgl. ibid., S. 136-137. 4 8 0 Ibid., S. 183. 481
Ibid.
4 8 2 Ibid., S. 235. 4 8 3 Ibid., S. 52: "Bien c o n o z c o que en ningún arte se adquiera la facilidad ni se perfecciona el gusto sin la práctica".
310 guia para hallar el Camino del buen gusto musical" 484 bezeichnet. Eximeno schrieb das Buch während seines Aufenthaltes in Valencia ab 1798, und es wurde 1802 in Rom beendet. 1806 schickte er das Manuskript zur Veröffentlichung nach Spanien, aber es erschien aufgrund widriger Umstände nicht mehr zu seinen Lebzeiten, sondern erst Jahrzehnte nach seinem Tode 485 . Das Vorhaben, den Roman zu schreiben, äußert Eximeno bereits in einem vom 7. Oktober 1772 aus Rom datierten Brief 486 . Don Lazarillo Vizcardi ist ein musikalischer Erziehungsroman mit verschiedenen Handlungssträngen, der ebenso von Cervantes' Don Quijote487 wie auch von Isias Fray Gerundio Campazas488 inspiriert ist. Das inhaltliche Grundgerüst bildet der Wettstreit dreier Bewerber um eine Kapellmeisterstelle, die das Domkapitel einer spanischen Provinzstadt ausgeschrieben hat 489 . Die zahlreichen Gespräche und unterschiedlichen Verhaltensweisen der Romanfiguren geben Eximeno die Gelegenheit, seine musiktheoretischen und -ästhetischen Anschauungen in ironisch-humorvoller Weise im fiktionalen Gewand des Romans darzulegen und aus allen möglichen Perspektiven zu zeigen. 484 Pollin, Alice M.: "Don Quijote eil las obras del P. Antonio Eximeno", in: 74 (1954), S. 568-575, hier S. 570.
PMLA,
485 Angesichts der Bedeutung von Exímenos Don Lazarillo Vizcardi und der ansonsten relativ spärlichen Produktion von originalen spanischsprachigen Romanen zu dieser Zeit überrascht der Umstand, daß der Text in den dem Roman dieser Zeit gewidmeten Untersuchungen meist nicht einmal erwähnt wird. Vgl. Menéndez Pelayo, op. cit., 3. Bd., 1883/1962, S. 638-640; Pollin, art. cit. 1957; Fabbri, Maurizio: "Un romanzo deH'Illuminismo spagnolo: II Lazarillo Vizcardi", in: Spicilegio Moderno, 4 (1975), S. 39-63; Alvarez Barrientos, Joaquín: La novela del siglo XVIII, Madrid 1991, S. 351-352. 486 Vgl. Eximeno: Del origen y reglas de la música, ed. cit. 1978, S. 301 -312. 487 Cervantes' Don Quijote widmete Eximeno eine 1806 in Madrid erschienene Apología de Miguel Cervantes sobre los yerros que se le han notado en el Quixote, in der er sich gegen die Análisis del Quijote von Vicente de los Ríos wandte, die erstmals in der 1780 von der Real Academia de la Lengua Española besorgten Ausgabe des Don Quijote erschienen war. Vgl. Pedrell, op. cit. 1920, S. 68. 488 Vgl. Fabbri. art. cit. 1975, S. 48. 489 Der von Eximeno beschriebene Habitus des Auswahlverfahrens entspricht den damaligen realen Gepflogenheiten. Nach Artero kann als Prototyp für das damals übliche Auswahlverfahren und als Vorbild für Exímenos Darstellung ein Wettbewerb um den Magisterio de Capilla der Kathedrale von Salamanca angesehen werden, der im Jahre 1789 stattgefand und aus dem der Bewerber Manuel José Doyagüe siegreich hervorging. Vgl. Hamilton, op. cit. 1937, S. 200-202; Artero, José: "Oposiciones al Magisterio de Capilla en España durante el siglo XVIII", in: AM, 2 ( 1 9 4 7 ) , S. 191-202.
311 Unter den drei Bewerbern um die Kapellmeisterstelle vertritt der in Madrid ansässige Katalane Narciso Ribélles, "de óptimo gusto en todos los ramos de la música" 490 , Eximenos eigene Auffassungen. Er wird zum geistigen Führer von Lazarillo Vizcardi, dem jungen Titelhelden des Romans, der aus eigenem Antrieb bestrebt ist, seinen buen gusto zu vervollkommnen, nach dem Vorbild seines Vaters Eugenio Vizcardi, der "aquella delicada y agradable sensación que llamamos buen gusto"491 besitzt. Eine weitere Hauptfigur des Romans ist die quijoteske Gestalt des schrulligen alten Kapellmeisters Agapito Quitóles, der als eifriger Leser der Musiktraktate von Cerone 492 und Nassarre die verkrustete Musikauffassung der Rätselkanons und mathematischen Proportionen vertritt. Im folgenden werden die Diskussionen der Protagonisten über den buen gusto in der Musik untersucht, um Aufschluß über Eximenos ästhetische Theorien zu erhalten 493 . Der buen gusto bietet ebenso Anlaß zu tiefgründigen philosophischen Gesprächen wie zu Possenspiel und burlesker Satire, wenn der Dorfnarr Manolo den buen gusto eines der Bewerber um die Kapellmeisterstelle damit begründet, daß dieser mit seinen Kompositionen das Publikum wechselweise zum Lachen und Weinen veranlasse 494 . Das eigentliche Ziel der Musik sieht Ribélles darin, mittels des Gehörs die Seele des Rezipienten zu rühren. Er vergleicht diesen Vorgang mit der Funktion des körperlichen Geschmackssinns, dessen sich die Natur bedient, um die Lebewesen am Leben zu erhalten 495 . Ob dieser Vergleich zwischen seelischem und körperlichem Bereich in jeder Hinsicht stimmig ist, soll hier nicht entschieden werden. Für die Argumentation ist er insofern von Belang, als Ribélles von ihm ausgeht, um den Wirkungsaspekt der Musik zu illustrieren, indem er ihn mit der Funktion des Geschmacks erklärt. Nicht dem Koch, sondern dem Geschmack des Gastes obliegt die Entschei490 Eximeno: Don Lazarillo
Vizcardi, ed. cit., 1. Bd., 1872, S. 5.
491 Ibid., S. 10. 492 Pedro Cerone (1566-1613?), Verfasser von El Melopeo y Maestro. Tractado de música theorica y pratica: en que se pone por extenso, lo que uno para hazerse perfecto Músico ha menester saber (Neapel 1613). Vgl. Anglés/Subirá, op. cit., 2. Bd., 1949, Nr. 259, S. 230-233; Forrester, art. cit. 1973, S. 62-63. 4 9 3 Zur Inhaltsangabe des Romans vgl. Eximeno: Don Lazarillo 2. Bd., 1873, S. 335-363.
Vizcardi,
ed. cit.,
494 Vgl. ibid., 1. Bd., 1872, S. 283. 495 Vgl. ibid., S. 126: "El primero objeto de la música es servirse del deleite del oido para mover el ánimo, así como la naturaleza se sirve del gusto del paladar para nutrir y mantener en vida á los animales".
312 dung, ob das Essen schmeckt. Genauso verhält es sich mit der Musik ; denn jeder Hörer kann entscheiden, ob ihm ein Musikstück gefallt oder nicht, unabhängig von seinem Fachwissen und seiner Kenntnis der "principios del arte" 496 . Die Qualität der Musik bemißt sich nach der Wirkung, die sie auf die Seele der Zuhörer hat. Da nur diese Wirkung als subjektive Kategorie auf seiten des individuellen Rezipienten als Qualitätsmaßstab fungieren kann, nicht aber die Regeln der Musik als dem Objekt zugehörige Kategorie, so ist das Laienurteil, das allein die Wirkung ermessen kann, dem Urteil des kompetenten Spezialisten, der nur die objektive Beschaffenheit eines Musikstücks betrachtet, vorzuziehen 497 . Daraufhin wendet sich Ribélles dem Verhältnis von Vokal- und Instrumentalmusik zu, einer noch im 19. Jahrhundert viel diskutierten Frage der musikästhetischen Reflexion. Mit dem Wirkungsaspekt begründet Ribélles den Vorrang der Vokalmusik vor der Instrumentalmusik. Zwar imitiert letztere nicht nur die menschliche Stimme, sie vervollkommnet sie sogar, aber ihr eignet etwas Artifizielles, und - dies ist das entscheidende Argument ihr fehlt die Seele, die nur die Vokalmusik besitzt, die der Mensch unmittelbar selbst hervorbringt. Unter der Voraussetzung, daß die Körper nur von Körpern, die Seelen nur von anderen Seelen gerührt werden können, erreicht die Vokalmusik als dauerhafter Eindruck in erster Linie die Seele des Hörers, die Instrumentalmusik als flüchtiger Eindruck hingegen nur seinen Körper. Eximeno unterscheidet zwischen dem körperlichen gusto und dem buen gusto als geistiger Kategorie. Der musikalische buen gusto wird geschult durch "sabrosísimas cantilenas llenas de expresión y gracia" 498 . Ribélles führt aus, was den buen gusto in der Dichtung und in der Musik konstituiert. Er wehrt sich zunächst gegen die von vielen praktizierte Einteilung der Musik in einerseits Opernmusik (música teatral bzw. música de gusto) und andererseits Kirchenmusik (música de iglesia), da der buen gusto hier nur der weltlichen, nicht aber der sakralen Musik zugeordnet
496 Ibid., S. 127. 497 Denselben Gedanken hat Eximeno bereits in Del origen y reglas de la música geäußert. Vgl. id., ed. cit. 1978, S. 184: "[...] yo preferiré siempre para juez de una música un hombre culto y de buen gusto, aunque no conozca el valor de las notas, a un maestro de capilla que tenga la cabeza llena de contrapunto y de preocupaciones". 498 Eximeno: Don Lazarillo
Vizcardi, ed. cit., 1. Bd., 1872, S. 139.
313
wird 499 . Ribélles behauptet dagegen, der Geschmack eignete beiden Bereichen als "el buen gusto, que consiste en la agradable expresión del sentimiento ó afecto contenido en el tema ó sujeto que se pone en música. Ésta es hermana gemela de la poesía [...]"50°. Der buen gusto wird hier also als eine objektive Kategorie angesehen, die sich in einem musikalischen Thema manifestiert, zugleich aber auch als subjektive Größe, da er sentimiento und afecto beinhaltet, die durch die Seele des Sängers in die Seele der Zuhörers übertragen werden. Ribélles definiert den buen gusto der Kirchenmusik ("estilo eclesiástico figurado sin orquesta" 501 ) als objektive Qualität. Er wird konstituiert von vier Eigenschaften: erstens der Natürlichkeit und Einfachheit der Modulationen in jeder einzelnen Melodiestimme unter Vermeidung extremer Höhen und Tiefen, zweitens von der transparenten Struktur des Kontrapunkts, so daß die einzelne Stimme erkennbar und die Worte verständlich bleiben, drittens der Übereinstimmung von Harmonien und Melodien mit Gefühl und Ausdruck der Worte, viertens der Beibehaltung einer musikalischen Affektlage während eines Musikstücks als Ganzem und der Zügelung der Leidenschaften und Wahrung der Würde. Gerade in diesem vierten Punkt unterscheide sich die Kirchenmusik wesentlich von der música teatral, in der abrupte Wechsel der Affektlage ebenso erlaubt sind wie ein ungezügelt-maßloser leidenschaftlicher Ausdruck. Nicht jeder Text eignet sich zur Vertonung. Deshalb fordert Ribélles an anderer Stelle nicht nur, daß die Musik zum Text passen muß, sondern daß der Dichter den Text, der vertont werden soll, bereits während seiner Abfassung durch eine imaginäre, innerlich gehörte Musik ergänzt 502 . Eximeno verlangt vom Dichter deswegen "un cierto determinado estilo, que podemos llamar lírico-musical"503. Unter den zahlreichen Auseinandersetzungen, die wegen der Neubesetzung des Kapellmeisterpostens geführt werden, ist für unsere Thematik 499 Der Irrtum, den buen gusto nur der weltlichen Musik zuzuweisen, resultiere aus den Mißbräuchen, die in der Kirchenmusik üblich geworden seien und als deren Folge sie ihre Qualität eingebüßt habe. Wie Feijoo verlangt Eximeno die Pflege einer qualitativ hochstehenden Kirchenmusik, deren Niveau dem der weltlichen Musik entspricht, sich aber so von ihr unterscheidet, daß beide Gattungen vom Zuhörer deutlich voneinander getrennt werden. 500 Ibid., S. 263. 501 Ibid., S. 264. 502 Vgl. ibid., 2. Bd., 1873, S. 145-146. 503 Ibid., S. 146.
314 eine Diskussion über die Bestimmung des Geschmacksbegriffs von Belang, in der verschiedene Auffassungen desselben dargelegt und als Argumente für oder gegen die beiden Bewerber Ribélles und Raponso verwendet werden. Der Kanonikus Cabezas, der für Raponso und gegen Ribélles Partei ergreift, diskutiert zunächst die Stellungnahme des Padre Diego, daß "[...] el buen gusto de Ribélles iguala á la ciencia música de Raponso" 504 . Cabezas argumentiert gegen diese Auffassung, Ribélles repräsentiere den buen gusto und Raponso die Regeln der Musik (ciencia música), indem er feststellt, daß man buen gusto und ciencia ebensowenig miteinander vergleichen könne wie eine Linie mit einer Oberfläche oder eine Oberfläche mit einem mehrdimensionalen Körper. Padre Diegos Aussage sei demnach unlogisch und nichtssagend. Vielmehr könne man nur den buen gusto des einen mit dem buen gusto des anderen, die ciencia des einen mit der ciencia des anderen vergleichen. Das Publikum, das in einer Komposition den buen gusto suche, habe sich zwar für Ribélles entschieden, das Domkapitel aber, das die Kapellmeisterstelle zu vergeben habe, solle nicht den buen gusto, sondern müsse die ciencia música eines Stücks beurteilen, und demnach sei Raponso der Vorzug zu geben. Der Prefecto de la capilla ergreift als Angehöriger des Domkapitels das Wort und hält dem Kanonikus entgegen, buen gusto und ciencia könnten nicht voneinander getrennt werden, denn der buen gusto sei nicht nur Teil der ciencia, sondern "el alma de la ciencia práctica de la música" 505 . Weiterhin unterscheidet er - ganz im Sinne Muratoris - zwei Arten von buen gusto, zum einen denjenigen des Rezipienten ("un gusto estéril, un gusto especulativo ó de pura sensación" 506 ), zum anderen denjenigen des Künstlers ("el buen gusto práctico que rige la mano del artífice y anima sus obras" 507 ). Der buen gusto des Malers manifestiere sich in der dem Thema angemessenen Anordnung der Farben, der buen gusto des Komponisten im angemessenen Ausdruck der Gefühle des zu vertonenden Textes und deren Übermittlung an die Zuhörer durch die Anwendung der dafür notwendigen Regeln 508 . Für beide, für den Maler wie für den Komponisten, sind die 504 Eximeno: Don Lazarillo
Vizcardi, ed. cit., I. Bd., S. 339.
505 Ibid., S. 340. 506 Ibid., S. 340-341. 507 Ibid., S. 341. 508 Demnach gebührt nicht Raponso, sondern Ribélles der Vorrang. Die Bedeutung, die Eximeno den Regeln zuspricht, wird in der Definition, die Ribélles von der Musik gibt, deutlich: "La música [...], entre otras cosas, es parto de la imaginación
315 Angemessenheit der Darstellungsmittel und die Beschränkung auf das Wesentliche und Notwendige die entscheidenden Kriterien für den buen gusto. Der buen gusto ist als Seele aller Regeln die wichtigste Regel überhaupt, ohne deren Beherrschung alle anderen sinnlos und konfus sind. Eximeno gehört zu den konservativen Musikkritikern seiner Zeit. Seine geistige Basis sind Empirismus und Sensualismus509. Eximeno wendet sich gegen den Mißbrauch der Instrumentalmusik und die Überfrachtung der Vokalmusik durch die neuen Mittel der Instrumentalmusik. Innovatorisch ist Eximenos Auffassung, die Musik sei eine Kunst und keine Wissenschaft. Eximeno bleibt der Nachahmungstheorie verpflichtet und vermag deshalb nicht zwischen der Wirkung der Natur und derjenigen eines Kunstwerks zu differenzieren. Um die Musik aufzuwerten, erscheint Eximeno der Roman als geeignetes Vehikel, um seine Ideen zu verbreiten. Die Theorie (in italienischer Sprache und spanischer Übersetzung) wird umgeformt zu einem Romanstoff (in spanischer Sprache). Eximeno zielt auf ein bürgerliches Lesepublikum, dessen Geschmacksbildung er fördern und kultivieren will. Tatsächlich spielt der Adel in seinem Roman keine Rolle, vielmehr stellt er eine nach aufklärerischen Gesichtspunkten geordnete bürgerliche Provinzstadt dar 510 . 8.4 Die Historisierung des Geschmacksbegriffs Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde der Geschmacksbegriff in zweifacher Hinsicht historisiert. Erstens wurde der metaphorische Geschmacksbegriff als ein historisch gewachsenes Phänomen erkannt, und man stellte sich die Frage nach seinem Ursprung, ohne diesen aber eingehender zu untersuchen. Bernardo Trevisano weist als erster in seiner Einleitung zu Muratoris Riflessioni sopra il buon gusto von 1708 daraufhin, daß der metaphorisch verwendete Geschmacksbegriff seinen Ursprung in Spanien habe. "Tal sentimento, così bene accordato e disposto, chiamarono alcuni un'armonia dell'ingegno; altri dissero che fosse il giudizio, regolato però dall'arte; certi una squisitezza di genio; ma gli Spagnuoli, più d'ogni altro nella metafora perspicaci, l'espressero con questo laconismo facondo: buon gusto" 51
agitada del estro, y si la imaginación no es regulada del entendimiento iluminado de buenas máximas, no dará de sí sino partos monstruosos" (ibid., 2. Bd., S. 144). 509 Vgl. León Tello/Sanz Sanz, op. cit. 1981, S. 295. 510 Vgl. Fabbri, art. cit. 1975, S. 49. 511 Zit. n. Mazzocchi, art. cit. 1988/89, S. 18.
316 Saverio Lampillas (1731-1810) erwähnt Trevisanos Ausführungen in seinem Saggio storico-apologetico della letteratura spagnuola contro le pregiudicate opinioni di alcuni moderni Scrittori Italiani512. Auch Forner beruft sich auf Trevisano und schreibt in seiner Oración apologética por la España y su mérito literario von 1786, der buen gusto sei in Spanien entstanden und von dort in Europa verbreitet worden 513 . Zweitens wurde die historische Entwicklung der Künste als eine vielfaltigen Wandlungen unterworfene Entwicklung des Geschmacks der Künstler aufgefaßt, und dieser fungierte als Gradmesser für das jeweilige Niveau der künstlerischen Produktion vergangener Epochen sowie der Gegenwart. Bereits seit Mitte des Jahrhunderts wurde der Geschmacksbegriff in der Diskussion über das Theater und die Lyrik des Siglo de Oro auf die Literatur vergangener Epochen angewendet. Luzáns besondere Wertschätzung galt den Dichtern des 16. Jahrhunderts, Garcilaso de la Vega und Lupercio Leonardo de Argensola, deren buen gusto er dem Culteranismo des 17. Jahrhunderts, den Luis de Góngora repräsentiert, entgegensetzt 514 . Velázquez beabsichtigte, mit seinen Orígenes de la poesía castellana von 1754 einen Beitrag zur Reform des buen gusto in der spanischen Lyrik und im Theater zu leisten durch Rückbesinnung auf die Dichter des 16. Jahrhunderts und auf die Theaterautoren der griechischen und lateinischen Antike 515 . Die Literaturgeschichte setzt er mit einer Geschichte des Geschmacks gleich. Stellt er über die Lateinisch schreibenden Autoren der Antike fest: "el gusto de la Poesia era general en toda la Nación" 516 , so beginnt die Geschmacksverderbnis Anfang des 5. Jahrhunderts mit dem Ein-
512 Vgl. Lampillas, Saverio: Saggio storico-apologetico della letteratura spagnuola contro le pregiudicate opinioni di alcuni moderni Scrittori Italiani, 1. Bd., Genua 1778, S. 60-61. - Tietz, Manfred: "Zur Polemik um die spanische Literatur im 18. Jahrhundert: der Streit zwischen Tiraboschi, Bettinelli und Llampillas", in: Schmidt, Gerhard/Tietz, Manfred (Hrsg.): Stimmen der Romania. Festschrift für W. Theodor Elwert zum 70. Geburtstag, Wiesbaden 1980, S. 429-449. 513 Vgl. Forner, ed. cit. 1956, S. 95: "La expresión del buen gusto nació en España, y de ella se propagó a los países mismos que, teniéndola siempre en la boca e ignorando de dónde se les comunicó, tratan de bárbara a la nación que promulgó con su enérgico laconismo aquella ley fundamental del método de tratar las ciencias". 514 Vgl. infra, S. 262, Anm. 233. 515 Vgl. Deacon, art. cit. 1978, S. 65 und 78. 516 Velázquez, op. cit. 1754, S. 7.
317 marsch der Goten in Spanien 517 . Erst im 16. Jahrhundert setzt eine Epoche der Hochblüte der spanischen Literatur ein 518 . Wie Luzán preist auch Velázquez Garcilaso de la Vega als großes Vorbild 519 . Gegen Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts beginnt abermals eine Zeit der Dekadenz, und der buen gusto der Künstler weicht dem "mal gusto, que empezaba ya ä reynar en la Poesia Castellana" 520 . Velázquez macht insgesamt drei Gruppen für die Dekadenz des Geschmacks verantwortlich. Es sind erstens diejenigen, die "las reglas de la Poesia drammatica" 521 mißachten: Dramatiker wie Cristóbal de Virués, Lope de Vega, Calderón u.a. 522 , zweitens die "Secta de los Conceptistas" 523 , drittens die "Secta de los Cultos" 524 , als deren Hauptvertreter er Góngora nennt. Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts beginnt seiner Meinung nach eine neue Blüte der spanischen Literatur. Als deren Repräsentanten nennt er Luzán, der mit seiner Poética die Reform der Literatur eingeleitet habe, des weiteren Nasarre, der als Reformator des Geschmacks dargestellt wird 525 , und Montiano y Luyando. Über Luzán als Lyriker schreibt Velázquez: "[...] es quien sostiene oi entre nosotros el buen gusto de la Poesia Lirica" 526 . Die Rückbesinnung auf Garcilaso de la Vega, die von vielen Autoren des 18. Jahrhunderts als Erneuerung des buen gusto verstanden wurde, ist 517 Vgl. ibid., S. 8: "Inundada España por los Godos, y demás Gente Septentrionales al principio del siglo quinto, se empezó á perder el gusto de la buena Poesia, degenerando esta de aquella gracia, y nobleza, con que los Españoles la havian recibido de los Romanos". 518 Vgl. ibid., S. 57. 519 Vgl. ibid., S. 60: "Se puede decir, que Garcilaso es el Petrarca de la Poesia Castellana". 520 Ibid., S. 65. 521 Ibid., S. 68. 522 An einer anderen Stelle seines Buches macht Velázquez Virués und Lope de Vega verantwortlich für den angeblichen Verlust des nationalen buen gusto. Vgl. ibid., S. 107: "Este Virues, y principalmente el mismo Lope de Vega, fueron los que en tiempo de Cervantes empezaron á corromper el Theatro; corrupción, que despues fue cada dia tomando mas cuerpo, al passo que la Nación perdia el buen gusto, y las Letras iban caminando ä su total decadencia". 523 Ibid., S. 69. 524 Ibid. 525 Vgl. ibid., S. 74: "D. Blas Nassarre, mientras vivió, ayudó á restablecer este gusto de nuestra buena Poesia; y la Disertación suya sobre la Comedia Española, que precede a la edición de las Comedias de Cervantes hecha en el año 1749, justifica lo mucho que en esta parte le debe la Nación". 526 Ibid., S. 133.
318 nachhaltig durch die Neuausgabe seiner Werke gefördert worden. Im Jahre 1765 wurden in Madrid die Obras de Garcilaso de la Vega ilustradas con notas veröffentlicht, die in mehreren Neuauflagen erschienen. Der anonyme Herausgeber und Kommentator der Gedichte Garcilasos war José Nicolás de Azara y Perera. Daß sein Name in der Ausgabe nicht genannt wird, ist verständlich angesichts der harschen Kritik an der spanischen Gesellschaft, die im Prolog enthalten ist. Die Neuausgabe der Werke Garcilasos betrachtet Azara als Beitrag zur Erneuerung des buen gusto in der spanischen Sprache und Literatur. Garcilaso de la Vega wird von Azara als Vorbild für den buen gusto ausgewiesen. Im historischen Rückblick übt er heftige Kritik an den spanischen Dichtern des 17. Jahrhunderts 527 . Um der "decadencia" 528 der spanischen Sprache entgegenzuwirken, gibt es seiner Meinung nach nur ein Mittel: die Rückbesinnung auf die großen spanischen Dichter des 16. Jahrhunderts. Azara prägt den Begriff "siglo del buen gusto" 529 und bezeichnet damit das 16. Jahrhundert. Der Begriff buen gusto, den Azara nicht definiert, dient zur Bezeichnung eines einfachen, natürlichen Stils im Gegensatz zum Culteranismo des 17. Jahrhunderts. In seinem Comentario al Tratado de la Belleza de Mengs von 1780 bestimmt er zumindest die Wirkungsweise des Geschmacks genauer. Demnach spricht der gusto im Sinne von Genuß ausschließlich die Sinne an, während die Schönheit auf Sinne und Vernunft wirkt 530 . Den körperlichen Geschmack nennt er Gusto del paladar bzw. Gusto material, den künstlerischen Geschmack Gusto de las artes531. Wie Feijoo gesteht Azara jedem das Recht auf seinen eigenen Geschmack zu, aber keineswegs sei jeder Geschmack gleichwertig, sondern sehr wohl von unterschiedlicher Qualität. Geschmacksurteile brauchen nicht begründet zu werden, hingegen Urteile über die Schönheit. In Exímenos Darstellung der historischen Entwicklung des Geschmacks führte der gotische Stil (gusto gòtico) zur Geschmacksverderbnis
527 Vgl. "Prólogo del editor", in: Obras de Garcilaso de la Vega ilustradas con notas, Madrid 1788, S. V-XXVIII, hier S. XV: "Entre los mismos Poetas hubo muchos que con lo que llamaban Cultura, y con sus insípidos equívocos contribuyeron no poco á corromper la frase Castellana". 528 Ibid., S. V. 529 Ibid., S. XXI. 530 Vgl. Azara, in: Mengs, ed. cit. 1797, S. 65: "[...] el Gusto es un efecto que reciben los sentidos, y no la razón". 531 Ibid., S. 67.
319 in allen Kunstsparten, auch in der Musik. Der gotische Stil ist gekennzeichnet durch Variabilität, die dadurch verderblich ist, daß auf die Einfachheit als Regulativ verzichtet wird. Als "el gusto de la variedad, pero sin combinarla con la simplicidad" ist er "el gusto de la extravagancia" 532 . Das 16. Jahrhundert als "la verdadera época de la restauración de las artes y por consiguiente de la música" 533 brachte die Abwendung vom schlechten Geschmack und die Rückbesinnung auf den guten Geschmack. Capmany wendet in seiner Filosofía de laeloquencia von 1777 Voltaires allgemeine Ausführungen über den nationalen Geschmack auf Spanien an 534 . Als Zeit der "corrupción" 535 des gusto in seinem Land gibt auch er das 17. Jahrhundert an 536 . Die spanischen Autoren dieser Zeit wichen seiner Ansicht nach von der Richtschnur der naturaleza ab, und der buen gusto wurde verdorben durch "extravagancias ingeniosamente monstruosas" 537 . Die Folge dieser Auswüchse ist der mal gusto, den Capmany als "una falsa idéa de delicadeza, energía, sublimidad, y hermosura" 538 beschreibt. In der zweiten Auflage bezeichnet Capmany ausdrücklich die spanischen "conceptistas del siglo XVII" 539 als Repräsentanten des mal gusto, und er bemüht sich um eine genauere Bestimmung des buen gusto bzw. des mal gusto, nennt aber, da er in der Beredsamkeit weder eine Gesetzmäßigkeit noch ein vollkommenes Modell für den buen gusto erkennen kann, lediglich "[...] estos principios generales dictados por la recta y sana razón: que todo lo que es correcto, puro, fácil, hermoso y natural se llama escrito ó dicho con gusto, es decir, con buen gusto, para que nos entendamos en castellano; y que todo lo que ofende á estas propiedades, debe, por el contrario, tenerse por vicio con el nombre de mal gusto.
532 Eximeno: Don Lazarillo Vizcardi, ed. cit., 1. Bd., 1872, S. 31. Vgl. id.: Del origen y reglas de la müsica, ed. cit. 1978, S. 256-262. 533 Eximeno: Del origen y reglas de la müsica, ed. cit. 1978, S. 283-284. 534 Zu Capmanys Geschmacksbegriff vgl. infra, S. 278-282. 535 Capmany, op. cit. 1777, S. 11. 536 In der zweiten Auflage gibt er als Beginn des mal gusto den Regierungsantritt von König Philipp IV. (1621-1665) an. Vgl. Capmany, op. cit. 1812, S. 45. 537 Capmany, op. cit. 1777, S. 12. 538 Ibid. 539 Capmany, op. cit. 1812, S. 101.
320 [...] En el mal gusto se encierran todos los vicios de estilo, que proceden de sobrada cultura, estudio, afectación, sutileza, destemplanza de colores retóriccs, y vanidad de singularizarse" 540 .
Mengs skizziert in seinen 1780 in Madrid erschienenen Reflexiones einen historischen Abriß der Entwicklung des Geschmacks in den bildenden Künsten 541 . Die griechische Antike ist für Mengs ein nie mehr erreichter künstlerischer Höhepunkt gewesen. Die Griechen waren die ersten, die den wahren Geschmack in der Kunst tatsächlich realisiert haben, als mittlere Stufe zwischen Natürlichem und Göttlichem. Die Dekadenz begann bereits in der Römerzeit und erreichte ihren Tiefpunkt im Mittelalter. Die Renaissance war auch eine Wiedergeburt des Geschmacks mit den drei Malern Raffael, Correggio, Tizian. Doch im Unterschied zur Antike brachte es ein jeder von ihnen nur in einem Teilbereich der Malerei zur Vollendung, Raffael im Ausdruck (gusto de la expresión), Correggio in der Gefälligkeit (gusto de lo agradable), Tizian im wahren Ausdruck (gusto de la verdad). Mengs' Ziel ist die Kombination dieser drei idealen Teilbereiche zu einem neuen Ganzen. Sempere y Guarinos vertritt in seinem Discurso sobre el Gusto actual de los Españoles en la Literatura von 1782 die Auffassung, daß Spanien im 16. Jahrhundert seine kulturelle Hochblüte erlebt hat, gleichzeitig mit seiner weltpolitischen Vormachtstellung. Der danach einsetzende kulturelle und politische Niedergang des Landes sei jetzt überwunden, denn die Erneuerung habe zwar schon unter der Regierung von Philipp V. und Ferdinand VI. begonnen, sich aber erst unter Karl III. durchgesetzt. Eine sehr ungewöhnliche Aussage über die Geschichte des Geschmacks in den Wissenschaften macht Joseph de Vargas y Ponce in seinem Elogio del rey don Alonso el Sabio von 1782, in dem er ganz entgegen der üblichen Darstellung, daß der Geschmack im Mittelalter seinen Tiefstand erreicht habe, die Zeit von König Alfons X. dem Weisen als "la época de la resurrección del buen gusto" 542 bezeichnet angesichts der kulturellen Leistungen, die durch die Förderung dieses Königs vollbracht wurden.
540 Ibid., S. 44-45. 541 Vgl. Mengs, op. cit. 1797, S. 21-27. 542 Vgl. Vargas y Ponce, Joseph de: "Elogio del rey don Alonso el Sabio, premiado por la Real Academia Española, en junta que celebró el día 15 de octubre de 1782", in: Memorias de la Academia Española, 1. Jg„ 2. Bd. (1870), S. 373-433, hier S. 374.
321 Fomer verherrlicht in seinen Exequias de la lengua castellana, sátira menibea von 1782 ebenfalls die Dichter des 16. Jahrhunderts, die den Zeitgenossen als Inspirationsquellen dienen sollten. Dagegen verabscheute er die culteranos und conceptistas des 17. Jahrhunderts, die das Spanische seiner Meinung nach verdorben hätten. Der buen gusto unterliegt in seiner historischen Entwicklung der Dekadenz und Aszendenz, denn auf eine Zeit des buen gusto folgt eine Zeit der extravagancia und umgekehrt 543 . Wie Forner macht auch Meléndez Val dés in seiner Advertencia von 1797 den schlechten Geschmack in der Lyrik im 17. Jahrhundert aus. Er beschreibt ihn als "mal gusto y la hinchazón que en el siglo pasado corrompió nuestra poesía, apartándola de las sencillas gracias con que la ataviáran en el anterior el tierno Garcilaso, el sublime Herrera, el delicado Luis de Leon y otros pocos ingenios que conocieron sus verdaderas bellezas" 544 .
Seine eigenen Werke stellt er in die nationale Tradition der Dichter des 16. Jahrhunderts, an die er bewußt anknüpft. Er betrachtet seine Gedichte als Beitrag zur Erneuerung des guten Geschmacks, in Abkehr von der gongoristischen Lyrik des 17. Jahrhunderts545. Vorbilder sind des weiteren die lateinischen Dichter der Antike Horaz, Ovid, Tibull, Properz, Anakreon546. Zu den Konstituenten des guten Geschmacks gehören außer der Einfachheit auch die Wahrheit. Meléndez Valdés wendet sich mit seiner Lyrik an die "amantes del buen gusto" 547 und richtet sich gegen "los enemigos de las letras y el buen gusto" 548 . 8.5 Die Legitimation der schönen Künste mittels des Geschmacksbegriffs In der Epoche der Aufklärung spielte die Frage nach der Nützlichkeit in vielen Bereichen eine wichtige Rolle549. Auch die schönen Künste, die sich in dieser Zeit als autonome, von den Wissenschaften getrennte Disziplinen 543 Vgl. Forner, ed. cit. 1941, S. 77-78. 544 Meléndez Valdés, ed. cit., 2. Bd., 1925 (= BAE, 63), S. 86. 545 Vgl. ibid."[...] mis obrillas [...] han ayudado acaso á formar el gusto de la juventud y hacerle amar la sencillez y la verdad [...]". 546 Vgl. ibid., S. 87. 547 Ibid. 548 Ibid. 549 Zum Begriff utilidad vgl. Alvarez de Miranda, op. cit. 1992, S. 301-317.
322 herausbildeten, wurden unter dem Aspekt der Nützlichkeit betrachtet. So ergab sich zwangsläufig die Frage nach der Legitimation der schönen Künste, die von den verschiedenen Autoren in unterschiedlicher Weise beantwortet wurde 550 . Dieses Problem wurde in Spanien vor allem während der achtziger und neunziger Jahre erörtert. Tatsächlich wurden die spanischen Künstler in einer Zeit, in der viele ihrer Landsleute, die den Gedanken der Aufklärung verpflichtet waren und deswegen den Primat der Nützlichkeit als Wertmaßstab propagierten, immer wieder mit Argumenten konfrontiert, denen zufolge ihre Disziplinen nutzlos und überflüssig seien. Die Künstler selbst und ihre Fürsprecher sahen sich veranlaßt, entweder die Nützlichkeit der Künste nachzuweisen oder den Wertmaßstab der Nützlichkeit durch andere Kriterien zu ersetzen. Der Geschmacksbegriff war in dieser Diskussion von eminenter Wichtigkeit für die Vertreter der Zweckfreiheit der Künste und die Befürworter ihres pädagogischen Nutzens. Wie bemüht die bildenden Künstler um die Anerkennung ihrer Disziplinen waren, zeigt Mengs' vom 29. Juni 1767 datierter Brief an Conde de Campomanes, in dem er sich für die Förderung der bildenden Künste (artes), die in der Academia de San Fernando gelehrt wurden, einsetzt. "Sé el amor de sólida gloria empeña V.S. lima, a proteger las letras, debe también mirar las artes como hermanas de ellas, igualmente útiles al público, menos peligrosas, y más inocentes" 551 .
Mengs stellt die bildenden Künste den letras als gleichberechtigt an die Seite. Wie die letras sind die artes von öffentlichem Nutzen, aber sie sind im Unterschied zu den letras weniger gefährlich und unschuldiger, was Mengs als vorteilhaft verstanden wissen will 552 . Antonio Ponz legitimiert die Architektur in seiner Viage de España, indem er auf ihre pädagogische Funktion hinweist. Er wertet die Architektur und den Berufsstand des Architekten in erheblichem Maße auf, da er die Architektur im 1774 erschienenen vierten Band als "un principal ramo de educación" 553 bezeich550 Zur Legitimation der schönen Künste in der französischen Theorie des 18. und 19. Jahrhunderts vgl. Steinwachs, Burkhart: Epochenbewußtsein und Kunsterfahrung. Studien zur geschichtsphilosophischen Ästhetik an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in Frankreich und Deutschland, München 1986, S. 13. 551 Campomanes: Epistolario, l.Bd. (1747-1777), hrsg. von Miguel Avilés Fernández/Jorge Cejudo López, Madrid 1983, Nr. 90, S. 155-156, hier S. 156. 552 Eine ähnliche Argumentation bezüglich der Unschuld der Musik findet sich bei Rodríguez de Hita. Vgl. infra, S. 76. 553 Ponz, ed. cit. 1947, S. 317.
323 net. Die Architektur ist nicht nur eine Voraussetzung und Bereicherung der Malerei 554 , die Beschäftigung mit ihren hervorragenden Leistungen vermittelt Kenntnisse, die sich seiner Meinung nach auch auf andere Lebensbereiche anwenden lassen. Entschieden gegen alle idealistischen Theorien über den hohen Rang der bildenden Künste wendet sich der Jurist und Botaniker Ignacio Jordán de Asso y del Río (1742-1814) in seiner Historia de la economía política de Aragón (Zaragoza 1798). Er beurteilt sie ausschließlich nach ökonomischen und utilitaristischen Grundsätzen. Im Kapitel De las Artes de luxo differenziert er die bildenden Künste nach dem Kriterium ihres praktischen Nutzens für die Gesellschaft 555 . Demnach sind Malerei und Bildhauerei Artes de luxo556, die Malerei insbesondere wegen der hohen Preise, mit denen die Gemälde trotz ihres geringen Nutzens von Kunstsammlern als Ware gehandelt werden. Beiden Künsten wirft Asso vor, ihre eigentliche religiös-erbauliche und pädagogische Bestimmung als Mittel zur Förderung des Glaubens und zur naturgeschichtlichen Belehrung nicht mehr zu erfüllen. Im Gegensatz zu Malerei und Bildhauerei zählt er die Architektur wegen ihrer Notwendigkeit für die Errichtung der Gebäude nicht zu den Artes de luxo551. Auch die Musik fand ihre Befürworter. Tomás de Iriarte bemüht sich in La música von 1779, die Musik dadurch zu legitimieren, daß sie ganz dem horazischen prodesse et delectare entspreche 558 . Eximeno bedient sich einer moderneren Argumentation, indem er in seinem Roman Don Lazarillo Vizcardi die Musik nach Gesichtspunkten des ökonomischen Nutzens als finanziell einträglichen Wirtschaftszweig beschreibt 559 .
554 Vgl. ibid., S. 840. 555 Vgl. Asso, op. cit. 1947, S. 160-164. - Mora, Carmen: Vida y obra de Don Ignacio de Asso, Zaragoza 1972, S. 209-240. 556 Der Begriff des Luxus ist für Asso von eminent politisch-sozialer Bedeutung: "Luxo ha sido, y será siempre: todo lo que no conduce para vivir cómodamente en el estado social" (Asso, ed. cit. 1947, S. 216). 557 Vgl. ibid., S. 164. 558 Vgl. Iriarte, ed. cit., 1. Bd., 1787, S. 284: "De esta suerte la Música los nombres / De deleitable y útil se merece". 559 Auf Lazarillo Vizcardis an einen Bischof gerichtete Frage, warum die Katalanen, die sich ganz den Manufakturen und dem Handel verschrieben hätten, darüber hinaus die Musik intensiv pflegen, antwortet dieser ihm bezüglich der Musik: "[...] ése es un ramo de industria, é industria la más gustosa, porque se va con ella de fiesta en fiesta y de bureo en bureo [...]" (Eximeno, ed. cit., 1. Bd., 1872, S. 209).
324
Die Dichtung bedarf ebenfalls der Legitimation. Mehrere Autoren lassen sie nur dann gelten, wenn sie die Kriterien der Nützlichkeit erfüllt. In Cadalsos Cartas marruecas wird die Dichtung als Gradmesser des Geschmacks einer Nation oder eines Jahrhunderts bezeichnet. Unter Nützlichkeitserwägungen lehnt Cadalso die Dichtung des Culteranismo ab und befürwortet den Wert der epischen und satirischen Werke, da sie der Erinnerung an die vorbildlichen Helden und der Läuterung der Sitten der Zeitgenossen dienten. Das Kriterium des prodesse rangiert vor dem delectare560. Auch Forner legitimiert die Dichtung mit ihrem pädagogischen Nutzen. In seiner Carta de Don Antonio Varas al autor de la Riada von 1784 macht er deutlich, daß er Dichtung, die dem Leser nur Vergnügen bereitet, ohne ihn zu belehren, für überflüssig hält 561 . Daß Erauso y Zavaleta und Fray Alexandra Aguado bereits um die Jahrhundertmitte im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung über die comedia des Siglo de Oro eine zweckfreie Dichtung propagierten, stellt eine Ausnahme dar. Erauso y Zavaleta grenzt im Papel circular seines Discurso Critico die Schauspielkunst von den anderen artes ab. Alle artes dienen seiner Meinung nach einem nützlichen Zweck entsprechend den menschlichen Bedürfnissen, mit Ausnahme der Schauspielkunst, die dem Menschen lediglich Unterhaltung und Zerstreuung bietet 562 . Fray Aguado definiert die Dichtung als Spiel, das nach eigenen Regeln konzipiert ist und eben nicht durch den Nutzen, sondern ausschließlich durch das Wohlgefallen, das im Rezipienten hervorgerufen wird, gerechtfertigt ist 563 .
560 Vgl. Cadalso, ed. cit. 1971, Carta LXXVIII, S. 174: "[...] la buena poesía es la piedra de toque del buen gusto de una nación o siglo; que despreciando las producciones ridiculas de equivoquistas, truhanes y bufones, las poesías heroicas y satíricas son las obras tal vez más útiles de la república literaria, pues sirven para perpetuar la memoria de los héroes y corregir las costumbres de nuestros contemporáneos [...]". Vgl. Lope, op. cit. 1973, S. 238-239. 561 Vgl. Forner, op. cit. 1784, S. 15: "El deleite en la poesia es la golosina con que nos subministra la instrucción: deleite que no instruye, es una superfluidad del arte". 562 Vgl. "Papel circular", in: Erauso y Zavaleta, op. cit. 1750, unpag.: "Todas las Artes tienen, á mi entender, objeto de utilidad fixa, y verdadera, respecto de la necessidad de los vivientes, excepto el de la Cómica, que como dirigido solo á obras en que se interessa el humano recreo, pende siempre de la aprehensión, é inconstancia del gusto, por lo regular, antojadizo, melindroso, y novelero. Esto supuesto, qué reglas pueden subsistir invariables, si el objeto se funda sobre la vasa de una mutabilidad continua?". 563 Vgl. infra, S. 257-258.
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Azara erklärt 1780 den Ursprung der Künste mit dem Bedürfnis des Menschen, sich die Langeweile zu vertreiben564. Ein unbekannter Autor, der sich hinter dem Pseudonym N. Philoaletheias ("Freund der Wahrheit") verbirgt, vertritt in den 1787 in Madrid erschienenen Reflexiones sobre la Poesía, deren Titel d'Alemberts Réflexions sur la poésie entspricht, die These, die Dichtung sei zweckfrei 565 . Philoaletheias wirft zwar Batteux unter anderem vor, er habe in Les Beaux Arts réduits à un même principe von 1746 den Geschmack unzureichend definiert, und bezeichnet es als seine eigene Absicht, "la causa del gusto que se siente quando se leen los Poetas" 566 zu klären. Doch er selbst verwendet den Begriff gusto in unreflektierter Weise, und sein Interesse gilt nicht dem gusto, sondern der Bestimmung der Dichtung. Diese weist er ausschließlich der imaginación zu, die er von der análisis abgrenzt567. Nicht die Belehrung ist Aufgabe des Dichters, denn "[...] el fin del Poeta es deleytar: luego como no siempre los hombres se deleytan con los mismos objetos, la Poesía debe necesariamente variar"568. Philoaletheias lehnt die Vorbildfunktion antiker Dichtung und Poetik für die Gegenwart ab 569 . Er faßt die Ausbildung des literarischen Geschmacks als dynamischen Prozeß auf und verwendet hier den Begriff gusto im Sinne des Nationalgeschmacks, der dem Wandel der Zeiten unter564 Vgl. ibid., S. 69: "Lo que llamamos diversiones, espectáculos, Poesía, Música, Pintura y otras infinitas cosas, que fomentan y sostienen la sociedad, no conocen otro origen que el horror de anoyarse". 565 Vgl. Cano, José Luis: "Una poética desconocida del XVIII. Las Reflexiones sobre la Poesía de N. Philoaletheias (1787)", in: BH, 63 (1961), S. 62-87 (Edition des Textes S. 74-87). - Forner, ed. cit. 1941, S. 183; Nerlich, op. cit. 1964, S. 47-49; Urzainqui, Inmaculada: "La censura de La Conquista del Parnaso y el fin de El Apologista Universal (1786-1788)", in: Archivum, 34 (1985), S. 385-416, hier S. 397-399. 566 Philoaletheias, ed. cit. 1961, S. 76. 567 Nicasio Alvarez de Cienfuegos wendet sich in einem am 4. November 1787 im Diario de Madrid erschienenen Leserbrief unter anderem gerade gegen Philoaletheias' Zuordnung der Dichtung zur imaginación, indem er schreibt: "Si esto fuera así, no tendrían los Poetas más mérito que un delirante; y un delirante sería el mejor Poeta, pues sola la imaginación obra en él" (ibid., S. 67). 568 Ibid., S. 77. 569 Vgl. ibid., S. 77-78: "Yo me atrevo a decir, que nada es más inútil o acaso más pernicioso para formar el gusto que la lectura de los Poetas antiguos, y de la Poética de Aristóteles. En efecto, hay tanta diferencia del gusto de los modernos Franceses al de los antiguos Romanos, como del de éstos al de los Germanos u los Godos".
326 worfen ist 570 . Philoaletheias betrachtet die Dichtung als zweckfreie Kunst, die keiner Regeln bedarf: "nada es más necio que dar reglas para pintar las pasiones" 571 . Francisco de Cabarrús wendet in seinen 1792 verfaßten Cartas sobre los obstáculos que la naturaleza, la opinión y las leyes oponen a la felicidad pública auf die bellas letras die beiden Kriterien Nutzen (utilidad) und Vernunft (razón) an, die die Grundlage seiner Theorien bilden 572 . "Las bellas letras son el adorno de la sociedad: emplean con utilidad y sin inconveniente el crepúsculo de la razón, la ejercen, y no pocas veces la fortifican [...]" 573 .
Als Mittel zur Ausbildung der Vernunft erfüllen die bellas letras nicht nur ohne weiteres das Kriterium der Nützlichkeit, sondern sie sind sogar notwendig. Deshalb fordert Cabarrús, daß alle Kinder bis zum Alter von fünfzehn Jahren kostenlos in den bellas letras unterrichtet werden. Danach sollen sich die Jugendlichen zum Nutzen der Gesellschaft den handwerklichen Tätigkeiten zuwenden, und nur eine Elite ("los talentos superiores" 574 ) soll weiter gefördert und in "seminarios, colegios de medicina, de jurisprudencia y de defensa" 575 ausgebildet werden. Cabarrús weist den bellas letras also eine pädagogische Funktion zu als Propädeutikum für die höheren Disziplinen wie Jurisprudenz und Medizin. Damit erfüllen sie im wesentlichen die Aufgabe, die in den vergangenen Jahrhunderten die artes liberales innehatten. Für Jovellanos stehen pädagogische Überlegungen im Zentrum seiner Auffassung von den schönen Künsten, wie überhaupt seine gesamten pädagogischen Ambitionen und Aktivitäten von der Überzeugung getragen werden, daß die Bildung die entscheidende Voraussetzung für das Wohlergehen eines Staatswesens ist 576 . Jovellanos fordert in seinem vom 6. 570 Philoaletheias verwendet die Metapher vom Samen des gusto "Plauto y Terencio introduxeron el gusto y echaron las semillas que debían germinar en tiempo de Julio y de Octavio" (ibid., S. 80). 571 Ibid., S. 83. 572 Vgl. Cabarrús, ed. cit. 1938, S. 20: "Son muy efímeras [...] todas las instituciones que no se fundan en la razón y en la utilidad común [...]". 573 Vgl. ibid., S. 88. 574 Ibid., S. 20. 575 Ibid. 576 In einem vom 23. Juli 1800 aus Gijón datierten Brief schreibt er an Rafael de Floranes: "[...] para mí la instrucción es la primera fuente de toda prosperidad social, y a la demostración y a la persuasión de esta verdad están consagrados mi celo,
327 Oktober 1790 aus Salamanca datierten Reglamento literario é institucional, extendido para llevar á efecto el plan de estudios del Colegio Imperial de Calatrava, en la ciudad de Salamanca, daß die Schüler im ersten Ausbildungsjahr in den geisteswissenschaftlichen Studien (Humanidades) unterwiesen werden, die der Geschmacksbildung dienten 577 . In einem vom 11. Januar 1792 aus Gijón datierten Brief an Dionisio del Aguila y Torres hebt Jovellanos im Zusammenhang mit einer allgemeinen Studienreform die Bedeutung der Humanidades hervor, die er als Basis aller übrigen bezeichnet 578 . Die Funktion der bellas letras beschreibt er in seinem am 13. Juli 1794 in Gijón beendeten Curso de humanidades castellanas, einem Studienprogramm für die von ihm dort am 7. Januar 1794 gegründete Lehranstalt Real Instituto Asturiano de Náutica y Mineralogía, das außer von John Locke und Étienne Bonnot de Condillac entscheidend von Hugh Blairs (1718-1800) Lectures on Rhetoric and Beiles Lettres (Dublin 1783) geprägt ist. Die bellas letras dienen vorwiegend dem pädagogischen Ziel der Geschmacksbildung 579 . Mit ihnen werden die Seele, das Vorstellungsvermögen und die Affekte des Menschen angesprochen. In einem vom 17. mis luces, mi tiempo y existencia" (Jovellanos, ed. cit., 3. Bd., 1986, Nr. 1287, S. 547). 577 Vgl. Jovellanos, ed. cit., 1. Bd., 1924 (= BAE, 46), S. 169-229, hier S. 193: "El objeto de este estudio es formar el gusto de los colegiales que vengan al colegio, dándoles los conocimientos que se comprenden bajo el nobre de humanidades, que, en suma, se reducen al arte de pensar, de hablar y escribir bien". Zur Datierung vgl. id., ed. cit., 5. Bd., 1956 (= BAE, 87), S. 455. 578 Vgl. Jovellanos, ed. cit., 2. Bd., 1985, Nr. 369, S. 507: "Trabajemos todos en esta buena obra, que no será poca gloria nuestra haber contribuido a restablecer los estudios, tan necesitados de reforma en todas partes. El de las Humanidades, como cimiento de los demás, merece de parte de usted el mayor cuidado [...]". 579 Vgl. Jovellanos, ed. cit., 1. Bd., 1924 (= BAE, 46), S. 101-168, hier S. 102: "Las bellas letras consideran al hombre como un ser dotado de imaginación. A ellas pertenece todo lo relativo á la belleza, á la armonía, á la elegancia, á la grandeza, y todo lo que puede ablandar el ánimo, lisonjear la fantasía y mover los afectos. Su fin principal es formar el gusto, aquella preciosa facultad, cuya falta es la que menos se disimula en la edad presente". Zur Datierung vgl. id., ed. cit., 5. Bc., 1956 (= BAE, 87), S. 459. - Vgl. Polt, John H.R.: Jovellanos and his Englüh Sources, Philadelphia 1964, S. 11, 46-51; id.: Gaspar Melchor de Jovellanos, New York 1971, S. 75 und 84; Vogt, Wolfgang Georg Paul: Die "Diarios" von Gaspar Melchor de Jovellanos (1744-1811), Bern/Frankfurt a.M. 1975, S. 141-151; Caso González, José Miguel: El pensamiento pedagógico de Jovellanos y su Real Instituto Asturiano, Oviedo 1980; id.: "Jovellanos y la reforma de la enseñanza", in: id., op. cit. 1988, S. 225-333.
328 Dezember 1795 aus Gijón datierten Brief an Antonio Fernández de Prado befürwortet Jovellanos die Förderung des muttersprachlichen Unterrichts und fordert das intensive Studium der spanischen Sprache und Literatur, die Einführung des Literaturunterrichts an den Schulen des Landes und die Einrichtung eines Lehrstuhls für spanische Literatur 580 . Was er im Curso de humanidades castellanas nur andeutet und in brieflichen Äußerungen viel deutlicher artikuliert, legt er in seinem im April 1797 gehaltenen Vortrag Oración que pronunció en el Instituto Asturiano, sobre la necesidad de unir el estudio de la literatura al de las ciencias ausführlich dar 581 . Das vorrangige Lerngebiet der Schüler des Instituto Asturiano sind zwar die Naturwissenschaften (ciencias) - nämlich die dort gelehrten Fächer Mathematik, Nautik, Mineralogie - , doch die Ausbildung in den "buenas letras" 582 ist nicht nur von Nutzen, sondern sogar notwendig. Die Begriffe buenas letras und literatura - nicht im Sinne von Bildung und Wissen, sondern im Sinne von Literatur 583 - werden von Jovellanos synonym verwendet: "[...] las ciencias rectifican el juicio y le dan exactitud y firmeza; la literatura le da discernimiento y gusto, y le hermosea y perfecciona" 584 . Jovellanos unterscheidet ciencias und literatura nach ihren verschiedenen Funktionen. Die ciencias zielen vorrangig auf die Wahrnehmung der Welt, der literatura obliegen die geistige Verarbeitung und sprachliche Bewältigung der durch die ciencias gewonnenen Erkenntnisse und die Tradierung des Wissens. Die buenas letras werden als Mittel zur Geschmacksbildung bezeichnet. Nur die Spezialisierung in einem bestimmten Gebiet innerhalb 580 Vgl. Jovellanos, ed. cit., 3. Bd., 1986, Nr. 835, S. 176-177: "¿Por qué no tendremos también escuelas de Humanidades castellanas? ¿Por qué no enseñaremos los fundamentos de la elegancia, de la oratoria, de la poesía, esto es, los principios del arte del bien decir en castellano? Y perdiendo tanto tiempo en estudiar los que hicieron tan sublimes a Cicerón y Horacio, ¿por qué no daremos alguno al estudio de los que tanto engrandecieron y perfeccionaron el estilo de los fray Luises, Marianas y Cervantes? ¿No es cosa dolorosa que esté por fundar todavía la primera cátedra de estos estudios?". 581 Vgl. Jovellanos, ed. cit., 1. Bd., 1924 (= BAE, 46), S. 330-334. Zur Datierung vgl. id.: Obras escogidas, 3. Bd., hrsg. von Angel del Río, Madrid 1946, S. IX und S. 92, Anm. - Vgl. Jovellanos: Obras en prosa, ed. cit. 1987, S. 40-42. 582 Jovellanos, ed. cit., 1. Bd., 1924 (= BAE, 46), S. 330. 583 Zum Bedeutungswandel des Begriffs literatura im 18. Jahrhundert vgl. Urzainqui, Inmaculada: "El concepto de Historia literaria en el siglo XVIII", in: Homenaje a Alvaro Galmés de Fuentes, 3. Bd., Oviedo/Madrid 1987, S. 565-589, hier S. 566569; Alvarez de Miranda, op. cit. 1992, S. 435-461. 584 Jovellanos, ed. cit., 1. Bd., 1924 (= BAE, 46), S. 331.
329 einer der beiden Klassen führt zum Fortschritt 585 , doch diese Spezialisierung birgt Gefahren in sich, denen der buen gusto als oberste Urteilsinstanz und notwendige Fertigkeit (talento) zur Bewältigung des Alltags entgegentritt. Der buen gusto reguliert nicht nur Sprechen und Schreiben, Hören und Lesen, sondern auch Fühlen und Denken: "[...] el buen gusto es como el tacto de nuestra razón" 586 . Mittels des buen gusto vermag man "bellezas ó imperfecciones" 587 eines beliebigen literarischen Textes zu erkennen. Er ist aber nicht nur das Mittel, um Schönheit wahrzunehmen, sondern darüber hinaus die Quelle jeglichen ästhetischen Vergnügens 588 . Jovellanos weist die ciencias der Vernunft zu, die Literatur aber dem Herzen 589 . Er propagiert einen völlig neuen Zugang zum literarischen Text. Die Beschäftigung mit den klassischen Autoren der lateinischen und spanischen Literatur soll nicht nur zu Stilübungen dienen, sondern zur Geschmacksbildung. Nicht mehr bloße Nachahmung oder Auswendiglernen, sondern die eigene sorgfältige Reflexion ist im Umgang mit literarischen Texten erforderlich. Die Literatur soll in den Rezipienten durch intensive Verinnerlichung lebendig werden. So wird die Literatur für sie zum inneren Erlebnis und vermag sie in eine Art Glückszustand ("felicidad" 590 ) zu versetzen 591 . Auch der Legitimation der bildenden Künste widmet Jovellanos seine Aufmerksamkeit. In undatierten Fragmenten über die bildenden Künste 585 Vgl. ibid., S. 331: "Sin duda que la subdivisión de las ciencias, así como la de las artes, ha contribuido maravillosamente á su perfección". 586 Ibid., S. 332. 587 Ibid. 588 Vgl. ibid.: "Este tacto, este sentido crítico, es también la fuente de todo el placer que excitan en nuestra alma las producciones del genio, así en la literatura como en las artes, y esta deliciosa sensación es siempre proporcionada al grado de exactitud con que distinguimos sus bellezas y sus defectos". 589 Vgl. ibid., S. 333: "[...] el dominio de las ciencias se ejerce solo sobre la razón; todas hablan con ella, con el corazon ninguna; [...] Ved pues aquí el mas alto oficio de la literatura, á quien fué dado el arte poderoso de atraer y mover los corazones, de encenderlos, de encantarlos y sujetarlos á su imperio". 590 Ibid., S. 334. - Zum Begriff felicidad S. 271-300.
vgl. Alvarez de Miranda, op. cit. 1992,
591 Genau vier Jahrzehnte vor Jovellanos hat der Jesuit Antonio Burriel in seinem Compendio del Arte Poética von 1757 einen ähnlichen, allerdings nicht nur auf die Literatur bezogenen Gedanken formuliert, indem er das Glück als Ziel aller Künste bezeichnet. Vgl. Burriel, op. cit. 1757, S. 27: "[...] aquel es el principal fin de algún Arte, que mas se acerca al fin universal, y supremo de todas ellas; y es cierto también, que este fin es la felicidad".
330 vertritt er die Auffassung, daß der Nutzen zwar die artes mechanicae rechtfertigt, nicht aber die bildenden Künste (bellas artes)592. Sie zeichnen sich durch Vollkommenheit aus, entstammen der imaginación und werden von dieser rezipiert. Sie haben Sinn und Zweck in sich selbst. Nicht der Nutzen, sondern das Vergnügen (agrado) ist das Ziel der schönen Künste 593 . Sie sind die Domäne des Genies 594 . In seinen Vorträgen, Studienprogrammen und Briefen legitimiert Jovellanos die schönen Künste, indem er außer ihrer ethisch-moralischen und pädagogischen Funktion auch ihre Wirkung auf den Menschen darstellt. Juan Meléndez Valdés stimmt mit Jovellanos darin überein, daß die Literatur der Geschmacksbildung förderlich ist 595 . Die Advertencia der 1797 in Valladolid erschienenen Ausgabe seiner Lyrik ist eine regelrechte Verteidigung der Dichtung 596 . Die schönen Künste ("las buenas letras y las artes"597) dienen der Geschmacksbildung, der Läuterung der Sitten, der zwischenmenschlichen Kommunikation und Vervollkommnung der Gesellschaft. Insbesondere die Literatur dient zur Entspannung und Regeneration des arbeitenden Menschen. Meléndez Valdés' Absicht ist "[...] la defensa de las buenas letras contra algunos que las miran con ceño y juzgan incompatible su afición con los deberes de otras profesiones; gentes necias ó mal intencionadas, que, faltas de gusto ó de talento, murmuran de lo que no entienden, y quieren más seguir en su ignorancia que aplaudir en los otros las cualidades de que carecen" 5 9 8 .
592 Vgl. "Sobre las bellas artes", in: Jovellanos, ed. cit., 2. Bd., 1926 (= BAE, 50), S. 544-546. 593 Vgl. ibid., S. 544-545. 594 Vgl. ibid., S. 545: "El genio es una planta rarísima, y en las artes de imaginación la excelencia está reservada al genio". 595 Auch Quintana betrachtet die Dichtung als Schule des buen gusto und bezeichnet die Salmantiner Dichterschule in seiner Noticia histórica y literaria de Meléndez von 1796 als "[...] escuela de literatura, de filosofía y de buen gusto que desarrugó de pronto el ceño desabrido y gótico de los estudios escolásticos, y abrió la puerta á la luz que brillaba á la sazón en toda Europa" (Quintana, Manuel José: Obras completas, hrsg. von Antonio Ferrer del Río, Madrid 1928 [= BAE, 19], S. 110). 596 Vgl. Meléndez Valdés, Juan: "Advertencia. Impresa al frente de la edición de Valladolid (1797)", in: Poetas líricos del siglo XV///, ed. cit., 2. Bd., 1925 (= BAE, 63), S. 86-89. 597 Ibid., S. 88. 598 Ibid.
331 Er verteidigt die Literatur mit dem Nachweis ihres Nutzens. Der Mensch wechselt zwischen Phasen der Arbeit, der Anspannung und Erschöpfung, und solchen der Entspannung und des Ausruhens. Außergewöhnlich ist die Funktion, die Vicente Martínez Colomer in seinem Roman El Valdemaro von 1792 der Dichtung zubilligt. Sie wird als Flucht aus der Realität, als paradiesisches Refugium beschrieben. Der Palast der Felisinda, in den der Titelheld Valdemaro gelangt, ist zugleich locus amoenus und Parnaß. Felisinda sagt zu Valdemaro: "Os maravillaréis, [...] gallardo Valdemaro, de ver que por todo palacio respira el gusto de la poesía. En este recinto hermoso donde tengo mis estados observaréis trasladado el Parnaso, que procuramos cultivar mis damas y yo. [...] Este excesivo gusto que siempre he tenido en la poesía me hizo abandonar el estrépito de las ciudades para retirarme a este secreto ángulo de tierra [...]" 599 .
Die Dichtung verschafft einerseits dem Rezipienten gusto (der gusto, der im ganzen Palast wahrgenommen werden kann), andererseits muß der Rezipient der Dichtung auch seinerseits gusto entgegenbringen (was Felisinda tut). Valdemaro antwortet Felisinda: "Yo, señora, también soy muy aficionado a la poesía, a ese bello ramo de literatura que tanto interesa y encanta a las gentes de gusto" 6 0 0 .
In der Nachfolge von Jovellanos weist Alberto Lista in seinen Lecciones de literatura española para el uso de la clase de Elocuencia y Literatura del Ateneo español von 1822 auf die Notwendigkeit der bellas letras für die Ausbildung der Jugend hin, weil sie die Geschmacksbildung förderten 601 .
9.
Der hombre de buen gusto als gesellschaftliches Ideal
In der spanischen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts, in der sich allmählich, vor allem in den großen Handelsstädten der Peripherie des Landes, eine bürgerliche Schicht herausbildete, verloren die durch Geburt bestimmten hierarchischen Strukturen an Gewicht und wurden durch bürgerliche Werte ersetzt. Dabei war der Geschmack einer derjenigen Werte, die für die Bürgerschicht die Funktion der Identitätsstiftung erfüllten und die soziale 599 Martínez Colomer, ed. cit. 1985, S. 187. 600 Ibid., S. 188. 601 Vgl. Juretschke, op. cit. 1951, Apéndice III, S. 425: "El estudio de las bellas letras obra, pues, directamente sobre el gusto, que ha de juzgar de las composiciones y sólo de una manera indirecta sobre el genio que las ha de producir".
332 Differenzierung in einer Gesellschaft erlaubten, in der die adelige Abkunft als Mittel sozialer Distinktion zunehmend an Wert verlor, was die Diskussion über die Rolle des Adels in der Gesellschaft deutlich zeigte. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde der hombre de buen gusto zum gesellschaftlichen Ideal. Hinsichtlich seiner eminenten Bedeutung ist es vergleichbar dem des honnête homme des 17. Jahrhunderts, wenn auch unter anderen sozialen Rahmenbedingungen. Die Anfänge des Ideals des hombre de buen gusto lassen sich schon im 17. Jahrhundert ausmachen. Gracián erörtert in dem Aphorismus Hombre de buena elección des Oráculo manual y arte de prudencia von 1647 die elección als Resultat des gusto602. Die Voraussetzungen für die rechte Wahl sind "el buen gusto y el rectísimo dictamen" 603 . Der Hombre de buena elección weiß nicht nur zu wählen, sondern er entscheidet sich stets für das Beste. In einem Memorial der Maler von Zaragoza, vermutlich aus dem Jahre 1677, werden diejenigen, die Schönheit und Wert eines Gemäldes zu erkennen und zu würdigen wissen, hombres de buen gusto genannt 604 . Luzáns Interesse gilt dem "hombre de juicio" 605 , wohingegen der Begriff hombre de gusto in seiner Poetik nicht auftaucht. Dennoch erwähnt er die "ingenios de buen gusto" 606 , die sich durch ihre literarische Wertschätzung für antike Dichter auszeichnen 607 . Erst seit der Jahrhundertmitte lassen sich weitere Belege finden. Für Erauso y Zavaleta sind Discretos bzw. hombres de buen gusto diejenigen, die am spanischen Theater des Siglo de Oro Gefallen finden, wobei er noch vorwiegend an ein adeliges Publikum denkt 608 . Auch Agustín Sánchez benutzt in seinem Dictamen zu Erauso y Zavaletas Discurso Critico den Ausdruck "los hombres discretos, y de buen gusto" 609 . Andrés Marcos Burriel nennt in seinen Apuntamientos de algunas ideas para fomentar las Letras von 1750 gelehrte Männer hombres de gusto6]0.
602 Vgl. hierzu das mit demselben Titel überschriebene zehnte Kapitel von El Discreto in: Gracián, ed. cit. 1960, S. 101-104. - Zu Graciáns Begriff elección vgl. Jansen, op.cit. 1958, S. 71-73. 603 Gracián, ed. cit. 1960, S. 165, Nr. 51. 604 Vgl. infra, S. 231. 605 Luzán, ed. cit. 1974, S. 127. 606 Ibid., S. 136. 607 Vgl. infra, S. 262. 608 Vgl. infra, S. 256. 609 Erauso y Zavaleta, op. cit. 1750, unpag. 610 Vgl. infra, S. 294.
333 Anfang der sechziger Jahre benutzt der Journalist Nipho in seinem Caxón de sastre Wendungen wie "personas de gusto delicado" 611 oder "personas de buen gusto" 612 . Auch für Nipho sind wie für Erauso y Zavaleta die discretos und hombres de buen gusto die Kenner innerhalb des Theaterpublikums 613 , aber im Unterschied zu Erauso y Zavaleta bezieht sich Nipho nicht vorwiegend auf das höfische Theaterpublikum, sondern auf das durch die Vernunft bestimmte Publikum im allgemeinen, und des weiteren schränkt er die Vorliebe dieser Personen nicht auf das Theater des Siglo de Oro ein. Nipho bestimmt den Begriff des hombre de gusto in La nación española defendida de los insultos del Pensador y sus secuaces6'4. Der hombre de gusto befolgt nicht die Regeln, sondern er folgt seiner Einbildungskraft, aber diese ist so beschaffen, daß sie ihn innerhalb der Regeln agieren läßt. Der hombre de gusto besitzt also eine gewisse künstlerische Freiheit 615 . Der juicio lenkt die Vernunft (entendimiento), der gusto lenkt die Einbildungskraft (imaginación) bzw. den genio. Der gusto ist ein Empfinden für die Freiheit der Entscheidung des Künstlers, wann er Grenzen überschreiten darf und wann nicht, also ein Regulativ für Handlungen innerhalb der beiden Extreme der Progression und des Verharrens 616 . Tomás de Iriarte äußert sich in seinen Consideraciones que se han tenido presentes para la extensión del Plan de la Academia de Ciencias y Buenas Letras von 1779 im Zusammenhang mit der Sektion der Übersetzer innerhalb der geplanten Akademie über die Ausbildung des hombre de
611 Nipho, op. cit„ 1. Bd„ 1781, S. 325. 612 Ibid., 5. Bd„ 1781, S. 323. 613 Vgl. infra, S. 267-268. 614 Zu seinem Geschmacksbegriff vgl. infra, S. 267-272. 615 "El hombre de gusto nunca se deja encadenar: escucha la voz de las reglas, pero sigue a su imaginación; y si ésta es dichosa, toca el obedecer a las reglas" (zit. n. McClelland, op. cit. 1975, S. 81). 616 Vgl. ibid., S. 68: "El crítico racional y que piensa [...] conoce la verdad del entendimiento, y la verdad de la imaginación: de las cuales la una es una imagen viva y atrevida de la otra. El juicio es la regla de la primera; y el gusto pauta y nivel de la segunda. Tócale al juicio determinar y fijar nuestras opiniones; tócale al gusto retocar y afirmar los rasgos de la imaginación y del genio; y por último, el gusto no es otra cosa que aquel cierto sentimiento de libertad, que pronto, y prevenido para exceder de los límites prefijados, se estrecha en sí mismo, y sabe admirar al mismo tiempo, tanto la audacia, como la retentiva".
334 gusto, zu der es notwendig sei, mittels der Übersetzungen von ausländischen Vorbildern zu lernen 617 . Antonio Ponz verwendet in seiner Viage de España zwar auch den Ausdruck "hombre de buen gusto" 618 , erweitert ihn aber durch den rationalen juicio, den er eng mit dem Geschmacksbegriff verknüpft, zur Wendung "gentes de juicio y de buen gusto" 619 . Deren Leben wird vom buen gusto bestimmt, der auf alle Bereiche des Alltagslebens konkrete Auswirkungen hat und zur Vervollkommnung führt. Während der hombre de buen gusto von Ponz nicht nur in bezug auf die bildenden Künste beschrieben wird, sondern für ihn geradezu eine Lebensform repräsentiert, ist er für José Nicolás de Azara ein vorwiegend durch seine ratio geleiteter Kenner der Malerei. Folgendermaßen definiert Azara den hombre de buen gusto und den hombre de mal gusto: "Hombre de buen Gusto en Pintura es aquel que tiene tanto juicio, que distingue, luego que ve una cosa, si es buena ó mala, como ella es efectivamente, según la razón. El hombre de mal Gusto es aquel á quien las cosas malas y faltas de razón gustan mas que las buenas" 620 .
Hier geht Azara also wiederum davon aus, daß das Geschmacksurteil rational begründet wird. Es handelt sich aber nicht um den Gusto del paladar bzw. Gusto material, sondern um den Gusto de las artes. Was für den Rezipienten der Malerei gilt, trifft auch für den Künstler zu 621 . Diesen künstlerischen Geschmack bezeichnet Azara als "el producto del ingenio y del entendimiento del artífice" 622 . Auch Félix María Samaniego ist der Begriff hombre de buen gusto geläufig. In seinen Observaciones sobre las Fábulas Literarias originales de D. Tomás de Iriarte von 1782 weist er darauf hin, daß für viele seiner Zeitgenossen der Geschmack die einzig gültige Urteilsinstanz sei 623 . Zwar ist sich 617 Vgl. Kaufmann, op. cit., 1. Bd„ 1981, S. 770. 618 Ponz.ed. cit. 1947, S. 408. 619 Ibid., S. 107. Vgl. ibid., S. 200. 620 Mengs, ed. cit. 1797, S. 67. 621 Vgl. ibid.: "[...] un Pintor es de mal Gusto, si entre los objetos de la Naturaleza escoge lo malo para su arte; como al contrario será de buen Gusto si escoge lo mejor". 622 Ibid. 623 Vgl. Observaciones sobre las Fábulas Literarias originales de D. Tomás de Iriarte, o.O. und o.J. [Vitoria 1782], in: Obras inéditas o poco conocidas del insigne fabulista Don Félix María Samaniego, Vitoria 1866, S. 115-133, hier S. 124: "[...] aun hay entre nosotros bastante número de personas, entre las cuales el
335 auch Samaniego über die Wandelbarkeit des Geschmacks entsprechend verschiedener Zeiten und Orte im klaren, aber er geht auch von einer unveränderlichen Natur des Geschmacks aus, die selbst dann weiterbesteht, wenn er die Form so verändert hat, daß er kaum noch wiederzuerkennen ist624. Arteaga beschreibt in Le rivoluzioni del teatro musicale italiano dalla sua origine fino al presente von 1783 den uomo di gusto als eigenen Typus625. Er unterscheidet fünf Klassen von Zuschauern bei Opernaufführungen, von denen sich vier lediglich für Teilaspekte der Oper interessieren: erstens der Mann von Welt (uomo di mondo), der sich stets nach der gerade gängigen Meinung richtet, nur die gesellschaftliche Seite der Oper wahrnimmt und das Theater besucht, weil die andern es tun, zweitens der Politiker, der die Oper als ökonomischen Faktor seiner Stadt einschätzt, drittens der Gelehrte, den das Wissen um die äußeren Umstände der Opern wie Entstehungsbedingungen, Daten, Werkausgaben interessiert, viertens der Philosoph, der die Oper auf die von ihm vertretenen Prinzipien reduziert, ihre moralischen Inhalte betrachtet und die in ihr dargestellten Affekte analysiert. Im Gegensatz zu diesen vier Klassen ist der uomo di gusto der einzige, der die Oper um ihrer selbst willen rezipiert. Nur er erfaßt das Wesentliche, alle anderen nehmen nur unwesentliche Nebenumstände wahr. Arteaga beschreibt den uomo di gusto als jemanden, der Sensibilität und lebhafte Einbildungskraft besitzt, genau Natur und buen gusto es la única regla de sus decisiones". Durch den Verweis auf den hombre de buen gusto verstärkt Samaniego seine negative Beurteilung einer der Fabeln Iriartes. Vgl. ibid., S. 125: "¿Qué hombre de buen gusto ha de ir á suponer, que Esopo sin ton ni son pondría el elogio de la fidelidad en boca de un ratón, de un animal gloton y perturbador, que á cada paso quebranta esta virtud, y á cada instante olvida las leyes de la hospitalidad?". - León de Arroyal (1755-1813) weist den "hombres de buen gusto" die literarische Urteilskompetenz zu, die stilistische Schönheit verschiedener antiker Autoren zu erkennen und voneinander zu unterscheiden. Vgl. Pallarás Moreno, José: León de Arroyal o la aventura intelectual de un ilustrado, Granada 1993, S. 87. 624 Vgl. ibid., S. 120: "El gusto está sujeto á mil particularidades de tiempo y lugar, las cuales, sin que precisamente muden su naturaleza, alteran y modifican sus formas con tal extremo, que algunas veces lo desfiguran hasta hacer que sea desconocido. Así pues, aunque se admira siempre á Homero y á Virgilio, estoy bien asegurado de que nuestra admiración hácia estos dos poetas es muy distinta de la que causaron á los antiguos, y no por razón de la diferencia de principios, que nunca han variado, sino es por la de los tiempos y costumbres, que están bien lejos de ser los mismos. ¿Cuántas cosas emboban en Londres que se desprecian en Paris? Lo que es excelente en el Norte de la Europa se considera medianía á la parte del Sur [...]". 625 Vgl. Arteaga, ed. cit., 1. Bd., 1785, S. XIII-XXIII.
336 Menschen zu beobachten weiß, über grundlegende Kenntnisse der poetologischen Werke von Boileau, Pseudo-Longinos und Horaz verfügt und sich durch den Vergleich der Schönheiten der verschiedenen Werke im Geiste "una immagine del Bello ideale" 626 bildet, das ihm als Richtschnur dient. Er schätzt die großen Theaterautoren aller Zeiten und Nationalitäten, unter denen Arteaga auch Lope de Vega und Calderón nennt 627 . Arteagas Vorstellung von einem inneren Bello ideale, daß als Maßstab fungiert, ähnelt einem Aphorismus in Biaise Pascals (1623-1662) Pensées, die erstmals 1669 postum in Paris erschienen sind. Demnach besitzt jedes Individuum ein inneres Modell, das ihm die Maßgabe zur Bestimmung des Schönen und Häßlichen liefert. Die Übereinstimmung zwischen dem individuellen Modell und dem Objekt seiner Erkenntnis ruft Gefallen hervor. Das Resultat des Vergleichs zwischen Innen und Außen resultiert aus spontaner, unmittelbarer Intuition und bedarf weder des Verstandes noch der Sinne. "Il y a un certain modèle d'agrément et de beauté qui consiste en un certain rapport entre notre nature faible ou forte telle qu'elle est et la chose qui nous plaît. Tout ce qui est formé sur ce modèle nous agrée, soit maison, chanson, discours, vers, prose, femme, oiseaux, rivières, arbres, chambres, habits, etc. Tout ce qui n'est point fait sur ce modèle déplaît à ceux qui ont le goût bon" 6 2 8 .
In den neunziger Jahren ist der Begriff hombre de buen gusto allgemein verbreitet und als festgefügte Formel so selbstverständlich geworden, daß er keiner Erklärung mehr bedarf 629 . 626 Ibid., S. XX. 627 Vgl. ibid., S. XXI. 628 Vgl. Pascal, Biaise: Pensées, hrsg. von Louis Lafuma, Paris 1962, S. 274-275, Nr. 585. In dem Pascal zugeschriebenen Discours sur les passions de l'amour seine Autorschaft ist nicht zweifelsfrei erwiesen - findet sich ebenfalls die Vorstellung von einem inneren Modell, das als Richtschnur fungiert. Vgl. Pascal, Biaise: OEuvres complètes, hrsg. von Jacques Chevalier, Paris 1954, S. 536-547, hier S. 539: "L'homme n'aime pas demeurer avec soi; cependant il aime: il faut donc qu'il cherche ailleurs de quoi aimer. Il ne le peut trouver que dans la beauté; mais comme il est lui-même la plus belle créature que Dieu ait jamais formée, il faut qu'il trouve dans soi-même le modèle de cette beauté qu'il cherche au dehors. Chacun peut en remarquer en soi-même les premiers rayons; et selon que l'on s'aperçoit que ce qui est au-dehors y convient ou s'en éloigne, on se forme des idées de beau ou de laid sur toutes choses". 629 Diego Antonio Rejön de Silva wendet sich im Prolog seines Diccionario de las Nobles Artes von 1788 an den "hombre de buen gusto" (Rejön de Silva, op. cit. 1788, unpag.). In Vicente Martinez Colomers Roman El Valdemaro von 1792 ist
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10. Ausblick - der Geschmacksbegriff im 19. Jahrhundert Daß die Konzeption des buen gusto allmählich mehr und mehr zum Versatzstück erstarrte, dem der Charakter des Unflexiblen und Alltäglichen anhaftete und das als stereotype bürgerliche Tugend erschien, zeigt ein als Frage-und-Antwort-Spiel konzipierter satirischer bürgerlicher Katechismus, den die Madrider Crònica Científica y Literaria am 29. Oktober 1819 veröffentlichte. Über den buen gusto heißt es: "P. ¿Qué es el buen gusto? R. El enemigo del genio" 630 . Dennoch blieb der subjektive Geschmack im Bereich der Poetik ein nach wie vor gültiger Qualitätsmaßstab631. Auch für die Literaturkritik blieb der buen gusto als Urteilsinstanz das ganze 19. Jahrhundert hindurch bestehen, ohne daß sie als solche in irgendeiner Weise legitimiert werden müßte. Leopoldo Augusto de Cueto, Marqués de Valmar (1815-1901), der sich ganz den klassizistischen Standpunkt zueigen machte, wirft in seinem Bosquejo histórico-crítico de la poesía castellana en el siglo XVIII (Madrid 1869) beispielsweise José de Villarroel "mal gusto" vor und schreibt, seine Gedichte seien "á costa del buen gusto y de la razón"632. Marcelino Menéndez Pelayo (1856-1912) bedient sich des Geschmacksbegriffs häufig zur alleinigen Legitimation seiner ästhetischen Wertungen, die aus heutiger Sicht willkürlich und eigenwillig wirken und
die Dichtung Teil der literatura, bestimmt für die "gentes de gusto" (Martínez Colomer, ed. cit. 1985, S. 188). Auch Francisco Antonio Gutiérrez bezeichnet in der Advertencia del traductor seiner 1796 erschienenen Übersetzung von Exímenos Del origen y reglas de la música diejenigen, die in ganz Europa Exímenos Werk mit ihrem Lob bedacht haben, als "los hombres de gusto y de sana filosofía" (Eximeno, ed. cit. 1978, S. 49). 630 Zit. n. Carnero, Guillermo: Los orígenes del romanticismo el matrimonio Böhl de Faber, Valencia 1978, S. 222.
español
reaccionario:
631 In ¿ a poética von Francisco Martínez de la Rosa, 1827 erschienen, ist der buen gusto ein Schlüsselbegriff. Vgl. Martínez de la Rosa, ed. cit., 2. Bd., 1962 (= BAE, 149), S. 229-230. In der erläuternden Anmerkung heißt es: "El buen gusto llega a convertirse por la repetición de actos en una especie de sentido interno, por cuyo medio no apercibimos instantáneamente (y sin que aparezca siquiera el juicio que forma nuestro ánimo) de las buenas prendas o de los defectos de un escrito; y a esta cualidad ha debido sin duda que se le dé figuradamente el nombre de gusto. Nada hay, pues, tan importante como ejercitarlo con buenos modelos, para acostumbrarnos insensiblemente a sus bellezas; porque una vez adquirido este hábito, desechamos maquinalmente, y como por natural instinto, lo que nos produce una sensación ingrata" (ibid., S. 250). 632 Poetas líricos del siglo XVIII, ed. cit., 1. Bd., 1929 (= BAE, 61), S. V-CCXXXVII, hier S. XCII.
338 dem Untersuchungsgegenstand unangemessen sind 633 . Menéndez Pelayo betrachtet sich selbst als "hombre de gusto" 634 und glaubt "[...] weiterhin unbeirrt an die Existenz allgemein verbindlicher und letztlich universal anerkannter Regeln des 'guten Geschmacks' [.,.]"635. Auch der mit ihm befreundete Dichter und Komponist Francisco Asenjo Barbieri (1823-1894), der ihn maßgeblich bei der Abfassung der die Musik betreffenden Kapitel seiner Historia de las ideas estéticas en España unterstützt hat, ist der Norm des guten Geschmacks verpflichtet 636 . Asenjo Barbieri macht in dem vom 25. Juli 1872 datierten Vorwort zur Erstausgabe von Exímenos Don Lazarillo Vizcardi seinen Lesern den Roman schmackhaft, indem er schreibt, der Text biete dem "hombre de buen gusto, reglas en que fundarlo" 637 , denn er sei schließlich verfaßt für "las gentes ilustradas y de buen gusto que se recrean con sus efectos" 638 . Asenjo Barbieri beabsichtigt also mit der Edition von Exímenos Roman nichts Geringeres als eine Aktualisierung des buen gusto im Sinne der Epoche der spanischen Aufklärung.
633 Er charakterisiert zum Beispiel die spanische philosophische Literatur des 15. und 16. Jahrhunderts mit Hilfe des Geschmacksbegriffs. Vgl. Menéndez Pelayo, op. cit., 2. Bd., 1883/1962, S. 7: "la mayor pureza de gusto la cual traía consigo la aversión a las sutilezas y argucias". - Zu Menéndez Pelayos methodischen Schwächen und ideologisch gefärbten Wertungen der Texte und ihrer Autoren vgl. Rodiek, Christoph: Literarästhetische Wertung bei Menéndez Pelayo, Meisenheim am Glan 1977; Gumbrecht, Hans Ulrich/Sánchez, Juan José: "Menéndez Pelayo, ¿'per omnia saecula saeculorum'?", in: Arbor, 119. Bd., Nr. 467/468 (1984), S. 215-231 634 Vgl. Rodiek, op. cit. 1977, S. 136. 635 Ibid., S. 153. 636 Zu Asenjo Barbieri vgl. Celma, María Pilar: "Asenjo Barbieri, Francisco", in: Gullón, Ricardo (Hrsg.): Diccionario de literatura española e hispanoamericana, 1. Bd., Madrid 1993, S. 103. 637 Eximeno, ed. cit., 1. Bd., 1872, S. LIX. 638 Ibid., S. LXI.
ZUSAMMENFASSUNG In Spanien blieb das traditionelle System der artes liberales noch bis zum 16. Jahrhundert gültig, wobei das Trivium meist zu den studia humanitatis erweitert wurde. Im 17. Jahrhundert findet sich zwar noch häufig die Bezeichnung artes liberales, aber ihre genaue Bedeutung wurde zunehmend unklar, und man zählte zu den artes liberales auch Disziplinen, die ihnen zuvor nie angehört hatten. Der lange Prozeß der Auflösung der artes liberales reicht bis ins 18. Jahrhundert. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hielten viele spanische Autoren noch an den traditionellen, inhaltlich allerdings oft in erheblichem Maße modifizierten Klassifikationen der artes liberales und artes mechanicae fest. Gleichzeitig lassen sich bei den durch die Gedanken der Frühaufklärung geprägten Autoren, die vielfältige Anregungen aus dem Ausland insbesondere aus Frankreich, Italien und England - aufnahmen, zahlreiche innovatorische Züge in ihrer Reflexion über die Künste und Wissenschaften feststellen. Der Einfluß des Auslands hatte Auswirkungen hinsichtlich der Integration der neuen experimentellen Naturwissenschaften in die Klassifikationen, der französische Einfluß insbesondere hinsichtlich der Trennung der Disziplinen in schöne Künste (Beaux Arts) und Wissenschaften (Sciences). Daß die Einheit von Artes und Ciencias auch im Bewußtsein der spanischen Autoren problematisch geworden war, zeigt sich an dem besonderen Interesse, das in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts der Frage entgegengebracht wurde, in welchem Verhältnis Artes und Ciencias zueinander stehen. Doch im Gegensatz zu Frankreich, wo sich die Trennung in Arts und Sciences in der Unterteilung in zwei inhaltlich grundsätzlich verschiedene Klassen von Disziplinen - einerseits die schönen Künste, andererseits die Naturwissenschaften - manifestierte, erfolgte in Spanien zunächst die Unterscheidung nicht gemäß dem Inhalt der Disziplinen, sondern danach, inwieweit in ihnen die Praxis (Artes) oder die Theorie (Ciencias) überwog, wobei der Anteil der geistigen Tätigkeit an den Artes unterschiedlich hoch bestimmt wurde. Die artes mechanicae wurden von den Artes und Ciencias als separater Bereich, dem man keinerlei geistigen Anteil zuerkannte, streng unterschieden. Die in Spanien tief verwurzelte
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niedrige Bewertung der artes mechanicae wurde, von wenigen Ausnahmen abgesehen, von den meisten Autoren beibehalten. Vor allem in den die Künste und Wissenschaften betreffenden Artikeln des Diccionario de Autoridades, die von verschiedenen Autoren verfaßt wurden, wird deutlich, daß weder die begriffliche Bestimmung der Artes und Ciencias an sich noch die Zuordnung bestimmter Disziplinen zu den Artes oder zu den Ciencias eindeutig ist. Auch wenn die Unterscheidung in artes liberales und artes mechanicae noch formell beibehalten wurde, entsprach ihre inhaltliche Bestimmung längst nicht mehr dem jahrhundertelang gültigen Fächerkanon. Ansätze zur Emanzipation der schönen Künste finden sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nur bei Luzän und Feijoo. Luzän hat die Trennung in Wissenschaften und Künste implizit vollzogen, indem er die schönen Künste als zusammengehörige Gruppe präsentiert. Fast ein Jahrzehnt vor Charles Batteux bezeichnet er die Nachahmung als das Prinzip, das allen schönen Künsten zugrunde liegt. Die Autonomie der schönen Künste und ihre Trennung von den Wissenschaften, die Luzän ansatzweise entwickelt, konkurrieren in seiner Poetica allerdings mit der hier ebenfalls vertretenen traditionellen Auffassung von der Einheit der Künste und Wissenschaften. Die Autonomie der Künste wird zudem dadurch eingeschränkt, daß sie Politik und Moral untergeordnet werden. Im Werk Feijoos läßt sich bei einem einzigen Autor in drei aufeinanderfolgenden Schritten die allmähliche Loslösung vom System der artes liberales und die Herausbildung einer neuen Systematik der Künste und Wissenschaften feststellen. In seinen vor der Jahrhundertmitte erschienenen Schriften rekurriert Feijoo bereits auf die schönen Künste, deren Konzeption noch relativ offen ist, so daß er ihnen unterschiedliche Disziplinen zuordnet. Anfang der fünfziger Jahre haben für ihn die artes liberales und die schönen Künste noch gleichermaßen Geltung, wobei letztere als eigenständige Gruppe mit den fünf Disziplinen Musik, Malerei, Bildhauerei, Architektur, Rhetorik gefestigter erscheinen. Anfang der sechziger Jahre nennt Feijoo die artes liberales nicht mehr, sondern nur noch die schönen Künste mit den vier Disziplinen Dichtung, Musik, Malerei, Bildhauerei. In der ersten Jahrhunderthälfte konnten nur zwei umfassende, systematisch ausgearbeitete Wissenschaftsklassifikationen ermittelt werden: Die erste ist in der Utopie Sinapia enthalten, die zweite in Sarmientos Bildprogramm für die Ausschmückung des Palacio Real. Die innovatorische Tendenz, die mathematisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen, insbeson-
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dere die neuen experimentellen Wissenschaften, aufzuwerten und in den traditionellen Fächerkanon zu integrieren, wurde von der frühaufklärerischen Bewegung der spanischen novatores zwischen 1680 und den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts getragen. Der Autor der Utopie Sinapia, der dem Kreis der novatores angehörte, entwarf, beeinflußt von Francis Bacon, ein utopisches, gegen die Scholastik gerichtetes Wissenschaftsprogramm, in dem die Theologie zwar noch präsent ist, aber ihren Primat weitgehend eingebüßt hat, und die experimentellen Naturwissenschaften gleichberechtigt den geisteswissenschaftlichen Fächern zugeordnet werden. Die Schemata der artes liberales oder artes mechanicae werden durch eine neue progressive Ordnung ersetzt, die vom uneingeschränkten Glauben an den Fortschritt von Naturwissenschaften und Technik geprägt ist. Wissenschaft und Politik sind eng miteinander verwoben, wobei der praktische Nutzen, der aus den theoretischen Erkenntnissen zum Wohl der Gesellschaft resultiert, im Vordergrund steht. Weniger fortschrittlich als die Klassifikation in Sinapia ist die Wissenschaftsklassifikation, die Sarmiento Ende der vierziger Jahre in sein Bildprogramm des Palacio Real integrierte. Auch er verband traditionelle und moderne Elemente miteinander, ordnete aber weiterhin das Wissen dem Primat der Theologie unter. Den Kern der Klassifikation bilden grundsätzlich, wenn auch in modifizierter Form, die artes liberales, aber berücksichtigt werden auch die experimentellen Wissenschaften durch die Darstellung von neuen Erfindungen und Erkenntnissen im mathematisch-physikalischen Bereich. Sarmiento verknüpfte die aufklärerischen Bestrebungen seiner Zeit mit den kulturellen und wissenschaftlichen Höhepunkten der spanischen Vergangenheit. Im Hinblick auf den intellektuellen Anspruch und die inhaltliche Aussage ist sein Bildprogramm dem der Bibliothek des Escorial vergleichbar. Die Jahrhundertmitte ist hinsichtlich der Einteilung der Künste und Wissenschaften in Spanien ebenso wie in Frankreich ein markanter Einschnitt. In Frankreich wurde die Konzeption der Beaux Arts Anfang der fünfziger Jahre von den Autoren im Umkreis der Encyclopédie endgültig zu einem relativ stabilen Kanon ausgeprägt, der die fünf Disziplinen Dichtung, Musik, Malerei, Bildhauerei, Architektur umfaßt und unserer heutigen Auffassung entspricht. Trotz des Verbots der Encyclopédie in Spanien wurde sie dort von den Intellektuellen illegal oder mit offiziell genehmigter Sondererlaubnis intensiv rezipiert und in bemerkenswerter Weise wirksam, keineswegs nur in den Künsten und Wissenschaften. Die Klassifikationen der Autoren der Encyclopédie wurden in Spanien nicht unverändert über-
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nommen. Sie wirkten eher als Anregung und Katalysator, und vereinzelt wurde sogar Kritik an ihnen geübt (Juan Andrés). Von großem Einfluß in Spanien war auch Charles Batteux' Les Beaux Arts réduits à un même principe von 1746. Im Vergleich zu Frankreich war in Spanien der Prozeß der Herausbildung der schönen Künste und ihre Emanzipation von den Wissenschaften erst später - etwa Ende der siebziger und im Laufe der achtziger Jahre - abgeschlossen. In weit größerem Maße als in Frankreich variierte in Spanien in der zweiten Jahrhunderthälfte nicht nur die Auswahl derjenigen Disziplinen, die überhaupt als schöne Künste angesehen wurden, sondern auch ihre Anzahl, die zwischen vier und acht Disziplinen betragen konnte. Mit Einschränkungen läßt sich feststellen, daß sich in Spanien im Zeitraum von den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts ein gewisser Grundkonsens herausbildete, nach dem die Gruppe der schönen Künste gewöhnlich die sechs Disziplinen Dichtung, Rhetorik, Musik, Malerei, Bildhauerei, Architektur umfaßt. Ende der achtziger Jahre wurde vereinzelt auch die Geschichte, die sich im Laufe des Jahrhunderts als eigenständige Disziplin herausbildete, unter den schönen Künsten subsumiert (Forner, Arteaga). Besondere Ausnahmen sind Zuordnungen von Disziplinen wie Gravierkunst (Tomás de Iriarte) oder Tanz und Pantomime (Arteaga). Es ist auffällig, daß fast alle spanischen Autoren noch bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts neben der Dichtung auch die Rhetorik als eigenständige Disziplin zu den schönen Künsten zählten - im Gegensatz zu Frankreich, wo die Rhetorik ganz durch die Dichtung ersetzt worden war. Die Integration der Rhetorik in den Kanon der schönen Künste in Spanien ist keineswegs nur ein Relikt, das von den Systemen der artes liberales oder der studio humanitatis übernommen wurde, man brachte dieser Disziplin nach wie vor viel Interesse entgegen, und in der zweiten Jahrhunderthälfte entstanden noch zahlreiche spanische Rhetoriken, deren systematische Erforschung ein Desiderat ist. Des weiteren konnte die Rhetorik in Spanien ihren eigenständigen Platz neben der Dichtung so lange behaupten, weil die Dichtung dort im allgemeinen Bewußtsein nicht die Hochschätzung genoß, die ihr in Frankreich gewöhnlich entgegenbracht wurde. In Spanien wurde die Dichtung vielfach gering geachtet, weswegen sich in der zweiten Jahrhunderthälfte einige spanische Autoren nicht nur um die Legitimierung und Höherbewertung der Dichtung bemühten, sondern auch darum, das soziale Ansehen der Dichter im allgemeinen Bewußtsein zu verbessern (Nipho, Tomás de Iriarte). In prinzipiell ähnlicher Weise setzten sich bezüglich der Musik die spanischen
343 Musiktheoretiker und Komponisten in der zweiten Jahrhunderthälfte für die Aufwertung ihrer Disziplin ein. Für die autonome Gruppe der schönen Künste läßt sich eine Vielzahl von Bezeichnungen nachweisen (Artes bellas, Artes de genio, Artes de gusto, Buenos artes etc.). Der Begriff Buenas Letras hat in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zwei Bedeutungen: Erstens ist er traditionellerweise ein Synonym für den Begriff Ciencias im Sinne von enzyklopädischer Bildung, zweitens bezeichnet er die durch die Literatur vermittelte Bildung im Sinne von philologischen und historischen Kenntnissen und wurde in dieser Bedeutung synonym mit dem Gallizismus Bellas Letras verwendet. Wie in Frankreich, wo die Bezeichnung Arts libéraux auch in der zweiten Jahrhunderthälfte noch beibehalten wurde, findet sich auch in Spanien häufig die Wendung artes liberales, womit sehr unterschiedliche Inhalte bezeichnet wurden und manchmal sogar die schönen Künste gemeint waren. Die schönen Künste wurden in Spanien weitgehend als kontinuierliche Weiterentwicklung der artes liberales verstanden, die im Siglo de Oro als durch mehrere Disziplinen erweiterte Konzeption immer noch gültig blieb: Die Dichtung war im Zuge der studia humanitatis integriert worden, Rhetorik und Musik gehörten zum festen Bestand der artes liberales. Die bildenden Künste wurden ebenfalls als artes liberales angesehen, denn vor allem die bildenden Künstler hielten noch lange an dieser Bezeichnung fest, im Bewußtsein der von den Malern seit der Renaissance immer wieder aufs neue geführten Auseinandersetzungen um die Anerkennung ihrer Disziplin als ars liberalis, die bis ins 18. Jahrhundert reichten und in der zweiten Jahrhunderthälfte im Kampf der Akademiker um die Unabhängigkeit von den Zünften wieder Aktualität erlangte. Aufgrund dieser historischen Gegebenheiten ist es verständlich, daß die Disziplinen der schönen Künste von vielen spanischen Autoren noch in den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts eher als Wissenschaften denn als Künste im heutigen Sinne aufgefaßt wurden und daß in dieser Zeit noch Klassifikationen entstanden, in denen man die schönen Künste mit den artes liberales in Einklang zu bringen versuchte. Nicht nur viele bildende Künstler betrachteten ihre Fächer weiterhin als Wissenschaften, auch die Musik wurde in den musikologischen Schriften spanischer Autoren noch bis weit in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts hinein als Wissenschaft definiert. Zwar hat schon Anfang der vierziger Jahre Sarmiento - fast ein Jahrzehnt vor Jean-Jacques Rousseau - ausdrücklich auf die enge Verbindung von Sprechen und Singen als dem Menschen natürliche Tätigkeiten hingewiesen, ohne allerdings deswegen die
344 Auffassung der Musik als Wissenschaft in Frage zu stellen. Seit den siebziger Jahren widersprach dagegen Eximeno aufgrund der sprachlichen Qualitäten der Musik als erster spanischer Musiktheoretiker vehement der Meinung, die Musik sei eine mathematische Wissenschaft, und ordnete sie stattdessen den sprachlichen Disziplinen zu. Die idealisierende Nachahmung der schönen Natur war das bestimmende Prinzip, aufgrund dessen die schönen Künste implizit oder explizit als zusammengehörige Gruppe aufgefaßt wurden. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts distanzierten sich einige Autoren von dieser Theorie, indem sie eine realistische Nachahmung der realen Natur verlangten oder die Künste als autonome Entitäten verstanden, deren Gestaltung ganz dem kompetenten Künstler oblag. Besondere Beachtung schenkte man zunehmend der Wirkung der schönen Künste auf den Rezipienten. Bezüglich der Musik diskutierte man darüber, ob sie nur auf das Gehör oder auch auf den Verstand wirkt. Für Soler war die Wirkung der Musik wichtiger als die korrekte Befolgung der Regeln. Unter dem Aspekt der Wirkung wurden innerhalb der Gruppe der schönen Künste unterschiedliche Binneneinteilungen vorgenommen oder die einzelnen Disziplinen in einer hierarchischen Abfolge angeordnet. Feijoo billigt der Musik wegen ihrer seiner Ansicht nach außergewöhnlichen Wirkung sogar den höchsten Rang unter den schönen Künsten zu. Marqués de Ureña unterteilt die schönen Künste gemäß ihrer Wirkung auf die inneren bzw. äußeren Sinne, Márquez nach ihrer Wirkung auf Gehör oder Gesichtssinn. Eximeno erstellt gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine Rangfolge der Künste, die nach dem Kriterium ausgerichtet ist, ob sie nur auf den Körper oder auf Körper und Geist gleichermaßen wirken. Arteaga hingegen geht von den Künsten inhärenten Qualitäten aus und unterteilt sie nach der in ihnen vorrangig angewendeten Ausdrucksmittel. Unter dem Einfluß Frankreichs und Italiens, aber auch in Anknüpfung an die eigene nationale Tradition beschäftigten sich in Spanien einige Autoren mit dem Verhältnis verschiedener Künste zueinander und ihrem Zusammenwirken. Die im Siglo de Oro sehr verbreitete Anschauung von der Verwandtschaft zwischen Malerei und Dichtung, die man gewöhnlich mit dem horazischen ut pictura poesis beschrieb, wurde auch im 18. Jahrhundert noch von vielen Autoren vertreten. Auch auf Gemeinsamkeiten zwischen Malerei und Musik wurde mehrfach hingewiesen. Die Korrespondenz aller schönen Künste wurde in den siebziger und achtziger Jahren von solchen Autoren vertreten, für die die tägliche Beschäftigung mit
345 verschiedenen Künsten zur Lebensform geworden war (Tomás de Iriarte, Marqués de'Ureña). Zur selben Zeit entstanden erste Ansätze zur Konzeption eines Gesamtkunstwerks im Genre der Oper, die als synästhetisches Zusammenwirken verschiedener Einzelkünste aufgefaßt wurde. Während in der ersten Jahrhunderthälfte Luzán den Aufschwung der Oper mit Skepsis beobachtete, gab es solche Vorbehalte in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts kaum noch. Der Oper als Vereinigung der schönen Künste wurde eine höhere Qualität zugebilligt als den sie konstituierenden einzelnen Disziplinen (Tomás de Iriarte, Arteaga). Auch das Theater wurde unter dem Aspekt des Zusammenwirkens verschiedener Künste betrachtet (Feijoo, Jovellanos). Angesichts der wirtschaftlichen Rückständigkeit Spaniens im Vergleich mit dem Ausland wurde vor allem im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts die Frage nach dem Rang der artes mechanicae intensiv diskutiert, außer in expositorischen Texten auch in unterschiedlichen literarischen Gattungen wie Utopie, Theaterstück, Gedicht. Die spanischen Aufklärer erkannten in der Aufwertung der artes mechanicae ein Mittel zur Überwindung des Niedergangs ihres Landes. Beeinflußt waren sie von der entsprechenden Diskussion über Arts et Sciences in Frankreich, sowohl von den Autoren der Encyclopédie und des technologischen Werks Descriptions des Arts et Métiers als auch von den französischen Physiokraten. Das vorrangige Ziel der spanischen Aufklärer war nicht die Verbesserung der Lebensbedingungen der Handwerker, sondern die Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität. Das feudalistische Gesellschaftssystem blieb unangetastet, geändert werden sollten lediglich die sozialen Wertmaßstäbe. Während in der Encyclopédie die artes liberales und mechanicae streng voneinander getrennt wurden, erklärte Campomanes in den siebziger Jahren diese Unterscheidung für hinfällig, womit er entscheidend zu ihrer endgültigen Auflösung beigetragen hat. Trotz besserer gesetzlicher Rahmenbedingungen, die es auch dem Adel erlaubten, Handel zu treiben, und durch die die Arbeit der Handwerker als ehrenhaft rehabilitiert wurde, waren die Erfolge der Aufklärer im Kampf gegen die gerade in Spanien weit verbreiteten Vorurteile gegenüber der manuellen Arbeit gering. Einen entscheidenden Beitrag zur ökonomischen Verbesserung des Landes leisteten die Sociedades Económicas, die nach Campomanes' Aufruf in allen Teilen des Landes entstanden. Der mit negativen Konnotationen behaftete Begriff artes mechanicae wurde durch Benennungen wie artes útiles, artes prácticas, artes necesarias ersetzt.
346 Ein zentrales Thema in der Diskussion über die artes mechanicae war die libertad, womit die Loslösung von den Zünften gemeint ist. Das Zunftwesen, im 18. Jahrhundert in Spanien noch einflußreich, behinderte mit seinen erstarrten Organisationsstrukturen und Zunftgesetzen den technischen Fortschritt, so daß Jovellanos 1785 die Abschaffung der Zünfte forderte, die er durch ein gesetzlich abgesichertes Handelssystem ersetzen wollte, das in Ansätzen der freien Marktwirtschaft entspricht. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bemühten sich die bildenden Künstler im Umkreis der Academia de San Fernando darum, sich von den in den Zünften organisierten Handwerkern abzugrenzen. In den achtziger Jahren beanspruchten die Akademiker für sich die Bezeichnung artista bzw. artífice, wohingegen sie den Handwerkern die Bezeichnung artesano zuwiesen. Hier hat die moderne sprachliche Unterscheidung zwischen Künstler und Handwerker ihren Ursprung. Freiheit wurde auch für die Künste und Wissenschaften reklamiert. Die Forderung nach Freiheit ist die wesentliche Aussage eines in den achtziger Jahren entstandenen fiktionalen Bildprogramms zum Thema der Wissenschaften und Künste in La derrota de los pedantes von Leandro Fernández de Moratín, in dessen Mittelpunkt nicht die Wissenschaften und Künste, sondern die handelnden Menschen stehen. An einem idealisierten antiken Griechenland wird gezeigt, daß die Freiheit des tätigen Menschen die entscheidende Voraussetzung für den Fortschritt der Wissenschaften und Künste ist. Eine völlig neue Dimension erreichte das künstlerische Selbstwertgefühl zu Beginn der neunziger Jahre innerhalb der Academia de San Fernando durch die von Goya vorgebrachte Forderung nach Autonomie des individuellen Künstlers, die sogar die Loslösung von den inhaltlichen Vorgaben der Akademie selbst und von den Regeln des Klassizismus implizierte. Dem Freiheitsstreben einiger spanischer Aufklärer standen nach dem einschneidenden Ereignis der Französischen Revolution die seit den neunziger Jahren zunehmend repressiven politischen Rahmenbedingungen in Spanien entgegen. Ein wesentlicher Wandel in der Anschauung der Künste und Wissenschaften erfolgte im 18. Jahrhundert dadurch, daß man sie unter historisierenden Gesichtspunkten betrachtete. Die Künste und Wissenschaften wurden nicht mehr als statische, sondern als historisch gewachsene Gegebenheiten angesehen, die dem Wandel der Zeiten unterliegen und Höheund Tiefpunkte in ihrer Entwicklung aufweisen. Zu Beginn des Jahrhunderts zeichnet Palomino zwar im historischen Rückblick die Diskussion über den Rang der Malerei als ars liberalis nach, die in seinem Malerei-
347 traktat zugleich ihren Höhepunkt und Endpunkt erreicht, aber die Künste und Wissenschaften betrachtet er noch als unveränderliche Entitäten. Die historisierende Anschauung der Künste und Wissenschaften läßt sich ansatzweise Ende der vierziger Jahre in Sarmientos Bildprogramm für den Palacio Real beobachten, das eine historische Rückbesinnung auf die Höhepunkte der spanischen Bildungsgeschichte enthält, doch manifestiert sie sich in ausgeprägter Weise erst nach der Jahrhundertmitte bei Feijoo, der 1760 in einer seiner Cartas eruditas y curiosas eine diachrone und synchrone Einteilung der Künste und Wissenschaften nach den verschiedenen Nationalsprachen vorstellt, in der Aufstieg und Dekadenz einzelner Disziplinen grob skizziert werden. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts stellte Eximeno den unterschiedlichen Entwicklungsstand verschiedener Künste dar. Im Bewußtsein der historischen Entwicklung der Künste unterschieden einige Autoren die Künste als ideale Möglichkeiten von ihrer tatsächlichen Realisierung, wobei sie bestrebt waren, die Kluft zwischen Ideal und Wirklichkeit durch die Verbesserung der Künste zu verringern (Eximeno, Jovellanos). Auch die artes mechanicae wurden unter historischen Aspekten betrachtet. Campomanes gibt eine historische Darstellung der Diskussion über den Rang der artes mechanicae in Spanien und ist bestrebt, einerseits in der Rückschau die aktuelle Situation zu verstehen, andererseits aus der Geschichte Lehren für die Gegenwart zu ziehen. In den Theorien über das Wesen der Schönheit in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bemühten sich die Autoren in Abkehr vom landläufigen Sprachgebrauch selbstbewußt um die Definition der Schönheit nach rationalen Gesichtspunkten. Ihr Interesse galt nicht mehr allein der Schönheit des Menschen und der Natur, sondern in zunehmendem Maße der Schönheit der vom Menschen geschaffenen Kunstwerke. Im Unterschied zum Siglo de Oro, in dem die Schönheit der Kunstwerke meist nur hinsichtlich der bildenden Künste und nur vereinzelt in bezug auf die Dichtung (Lopez Pinciano, Cascales) erörtert wurde, war die Theorie der Schönheit in der Dichtung in den spanischen Poetiken der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts (zweiter Conde de Torrepalma, Luzän) von zentraler Bedeutung, wobei der Einfluß der Malereitraktate unverkennbar ist. Ein autonomer Schönheitsbegriff wurde in der ersten Jahrhunderthälfte von keinem der Autoren angestrebt. Die Schönheit wurde vielmehr stets zu anderen Kategorien in Beziehung gebracht, also mit der pseudoaristotelischen Nachahmungstheorie verbunden und fast immer mit der Wahrheit gleichgesetzt. Luzän übernahm
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von Muratori die auf antike Anschauungen zurückgehende These, daß das Schöne, Wahre, Gute eine Einheit bilden. Gewöhnlich wurde die Schönheit mit der Vollkommenheit gleichgesetzt. So konnte auch das Häßliche als schön gelten, vorausgesetzt, daß es in seiner Art vollkommen war bzw. daß es vom Künstler in vollkommener Weise nachgeahmt wurde. Während der zweite Conde de Torrepalma die Wahrnehmung der Schönheit als ausschließlich rationale Tätigkeit begreift und Piquer in der durch die Sinne wahrgenommenen Schönheit eine Gefährdung für das Seelenheil des Menschen erkennt, wenn die Gefahr von Sinnestäuschungen nicht durch die ständige Kontrolle des Verstandes gebannt wird, berücksichtigt Luzán in seiner Theorie außer dem Verstand auch das Gefühl, indem er zwei Klassen von Schönheit unterscheidet. Die belleza wirkt nur auf den Verstand, nicht auf die Seele, und ist variabel je nach der Disposition des Subjekts, so daß sie nicht unbedingt allen Menschen Vergnügen bereitet, wohingegen die dulzura ausschließlich auf die Seele wirkt, die Affekte beeinflußt und allen Menschen gleichermaßen Vergnügen bereitet. Luzáns Theorie, die auf Thesen von Horaz, Crousaz, Muratori beruht, war in Spanien von großer Wirkung und erlangte in den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Diskussion über das spanische Theater wieder Aktualität. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden die Begriffe belleza und hermosura meist synonym verwendet. Alle in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren in Spanien entstandenen Theorien über das Wesen der Schönheit blieben traditionellen Anschauungen verpflichtet und enthalten keine neuen Ansätze. In den fünfziger Jahren wurde das Thema der Schönheit in Spanien auffallend selten erörtert. Die wenigen Beiträge sind belanglos: Erauso y Zavaletas Bemerkungen zum no sé qué von 1750, Antonio Burriels ganz Luzán verpflichtete Theorie über das Wesen der Schönheit von 1757. Auch in den sechziger und siebziger Jahren finden sich nur vereinzelte theoretische Ausführungen spanischer Autoren über die Schönheit. Alle in diesem Zeitraum veröffentlichten Theorien gehen von einem durch die Proportion konstituierten Schönheitsbegriff aus. Erst in den achtziger und neunziger Jahren läßt sich in Spanien wieder ein verstärktes Interesse an der theoretischen Auseinandersetzung mit der Schönheit feststellen. Der entscheidende Impuls hierfür ging von Mengs' 1780 postum in spanischer Sprache veröffentlichten Schriften aus, die Azara zusammen mit seiner eigenen ästhetischen Theorie herausgab. Mengs' und Azaras Theorien waren in Spanien sehr einflußreich. Mengs zergliedert die Schönheit in
349 verschiedene Teilbereiche, deren Über- und Unterordnung mehr nach subjektiven als nach logischen Gesichtspunkten erfolgt, und geht von unterschiedlichen Schönheitsgraden aus, deren Ranghöhe sich danach bemißt, wie weit sich die Schönheit vom Materiellen hat lösen können und zur Vergeistigung gelangt ist. Er verabsolutiert die Schönheit, indem er sie als eigenständiges Phänomen, losgelöst von der Materie, auffaßt und als Idee vom schönen Objekt unterscheidet. Azara richtet sich in seiner ästhetischen Theorie gegen die neuplatonischen Züge in Mengs' Schönheitsbegriff und definiert die Schönheit als die Vereinigung von Vollkommenem und Angenehmem. Ausgehend von Mengs' und Azaras Theorien bemühten sich in den achtziger und neunziger Jahren einige spanische Autoren um die Bestimmung der idealen Schönheit, wobei sich die Frage stellte, ob die belleza ideal in realen Kunstwerken existiert oder ein abstraktes, nicht konkretisierbares Konstrukt des menschlichen Geistes ist. Mengs sah die ideale Schönheit nur in der Antike verwirklicht, schloß ihre Realisierung in der Gegenwart aber keineswegs aus, sondern betrachtete sie vielmehr als Zielvorgabe, die die Zeitgenossen anstreben sollten. Azara und Rejón de Silva hielten die belleza ideal hingegen für eine Realität, die sich in den Kunstwerken der Modernen, vorzugsweise in denen von Mengs, manifestiert. Arteaga bindet die belleza ideal an die Nachahmung als Ziel der schönen Künste und behauptet, die belleza ideal sei eine Realität, die die künstlerische Nachahmung der Natur unterstützt, indem sie zu ihrer Verschönerung beiträgt. Er definiert die belleza ideal als Modell von Vollkommenheit, das im menschlichen Geist entsteht und im Kunstwerk realisiert wird. Der Begriff belleza ideal wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts zum Modewort und findet sich noch Anfang des 19. Jahrhunderts, auch in Kontexten ohne Bezug zur ästhetischen Reflexion. Die ästhetischen Konzepte no sé qué und gracia im Sinne einer unerklärlichen Schönheit wurden im 18. Jahrhundert von verhältnismäßig vielen spanischen Autoren mit Interesse diskutiert. Beide Begriffe sind in den spanischen Theorien über das Wesen der Schönheit von eminenter Bedeutung. In der ersten Jahrhunderthälfte entstanden zwei bedeutende Abhandlungen, in denen no sé qué und gracia im Zusammenhang mit der Schönheit erklärt werden: Palomino behandelt no sé qué und gracia in El museo pictórico o Escala óptica von 1715/24, Feijoo widmet ihnen El no sé qué von 1734. Erst Palomino und Feijoo verbinden die beiden im Siglo de Oro noch getrennten Traditionslinien von no sé qué und gracia mitein-
350 ander. Für Palomino, der auf die volkstümliche Überlieferung des no sé qué im Siglo de Oro rekurriert, sind no sé qué und gracia wesentliche Bestandteile seiner Theorie über das Wesen der Schönheit in der Malerei. Problematisch in seiner Abhandlung sind die Vielfalt und Gleichsetzung unterschiedlicher Begriffe, denn Palomino bezeichnet als gracia nicht nur eine besondere Art von Schönheit, sondern auch die Schönheit im allgemeinen und den guten Geschmack. Er berücksichtigt sowohl den Herstellungsprozeß der gracia durch den Künstler als auch ihre Wirkung auf den Rezipienten, die er als ekstatischen Zustand, der mystischen Verzückung ähnlich, beschreibt. Palomino verbindet die gracia mit dem Prinzip der Auswahl des Schönsten aus der Natur und ordnet sie in einen theologischen Zusammenhang ein als Regelwerk, das nur Gott kennt und das der Mensch nicht zu erfassen vermag. Die gracia bleibt geheimnisvoll, weil sie Teil der göttlichen Gnade (gracia) ist. Feijoo interessierte sich im Unterschied zu Palomino für den no sé qué im allgemeinen, nicht nur in seiner speziellen Funktion in der Malerei. Er beschäftigte sich immer wieder mit dem no sé qué, bereits einige Jahre vor El no sé qué und danach noch in den vierziger Jahren. Feijoos Theorie des no sé qué ist in erheblichem Maße der Tradition verpflichtet, vor allem Gracián, Bouhours, Palomino. Neu ist Feijoos Versuch, das irrationale Phänomen des no sé qué mit rationalen Mitteln zu erklären. Das Ergebnis seiner rational ausgerichteten Methode ist letztlich subjektiv und entspricht nicht rationalen Grundsätzen, sondern basiert auf christlichen Glaubenssätzen: Feijoo bestimmt den no sé qué als regla superior, die der Mensch nicht erkennen kann und die einigen hochbegabten Künstlern durch göttliche Inspiration eingegeben wird, und macht sich damit Palominos Auffassung von der gracia, die dem Menschen durch Gottes Gnade (gracia) zuteil wird, zueigen. Wie Palomino bindet Feijoo den no sé qué in einen theologischen Zusammenhang ein. Mit Gracián stimmt Feijoo darin überein, daß der no sé qué weitgehend angeboren und nur bedingt erlernbar ist. Im Gegensatz zu Palomino unterscheidet Feijoo genau zwischen dem no sé qué als irrationalem Phänomen, der allgemeinen Schönheit und dem Geschmack und definiert diese Begriffe in El no sé qué bzw. in Razón del gusto. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde der von Palomino und Feijoo theologisch begründete no sé qué durchweg säkularisiert. Auch die Vereinigung der beiden in Spanien gewöhnlich getrennten Traditionslinien des no sé qué und der gracia, die Palomino und Feijoo nach italienischem Vorbild (Traktate der Renaissance) bzw. französischem Vor-
351 bild (Bouhours) vollzogen haben, war für die spanischen Autoren der zweiten Jahrhunderthälfte nicht mehr bindend, und no sé qué und gracia wurden wieder wie im Siglo de Oro unabhängig voneinander behandelt. Um die Jahrhundertmitte verknüpft Erauso y Zavaleta zwar wie Palomino die Konzeption des no sé qué mit der Nachahmungstheorie. Der no sé qué soll aber bereits im Objekt, das nachgeahmt wird, vorhanden sein, vom Künstler erfaßt und im Kunstwerk adäquat wiedergegeben werden. In den siebziger Jahren wurde im Zuge der spanischen Rezeption des PseudoLonginos der no sé qué von einigen Autoren mit dem Sublimen in Beziehung gebracht. Bei den bildenden Künstlern war das Wort gracia in den siebziger und vor allem in den achtziger Jahren ein Modewort mit einem sehr großen Bedeutungsspektrum, wohingegen die Wendung no sé qué für sie keine Rolle mehr spielte. Mayáns y Sisear bezieht in seiner Arte de pintar von 1776 die gracia ausschließlich auf künstlerische Phänomene und definiert sie als Zutat, mit der der Künstler seine Nachahmung der Natur vervollkommnet. Im Unterschied zu Feijoo betrachten Ponz und Mengs die gracia als statische Qualität, die nicht mit der Bewegung verbunden wird. Ponz erklärt im zweiten Band seiner Viage de España von 1773 die gracia als natürlich wirkende Ruhe der im Gemälde dargestellten Figuren, aufgrund derer die Artifizialität des Bildes vom Betrachter nicht mehr wahrgenommen wird. Mengs unterscheidet verschiedene qualitative Rangstufen der gracia, die er als eine beruhigte, in sich ruhende Vielfalt definiert. Arteaga geht in seinen Investigaciones filosóficas sobre la Belleza ideal von 1789 zwar auch von verschiedenen Qualitäten der gracia aus, bezieht sie aber auf das Objekt, das vom Künstler nachgeahmt wird, und bindet die gracia an die Bewegung. Márquez erklärt den no sé qué in Sobre lo Bello en general von 1801 als ausschließlich rationale Gesetzmäßigkeit und stellt dadurch die irrationalen Inhalte des Topos gänzlich in Abrede. Doch gerade diese werden von den Autoren der Romantik geschätzt, die sich des no sé qué als Ausdruck des Melancholischen und der Nachtseiten des Lebens bedienen. Die Ansätze zur Unterscheidung von Natur- und Kunstschönheit in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden in der zweiten Jahrhunderthälfte weiterentwickelt und führten zu ihrer endgültigen Trennung. Bereits Palomino räumt dem Künstler die Freiheit ein, sich in seinem Gemälde von der Natur zu entfernen und ein autonomes künstlerisches Gebilde zu schaffen, das sich zwar an der Natur orientiert, aber in wesentlichen Punkten von ihr unterscheidet. Wie Bouhours und Palomino betrachtet auch Feijoo
352 Natur und Kunst als zwei getrennte Bereiche, in denen der no sé qué aber gleichermaßen wirksam ist. Wie für Palomino ist für Erauso y Zavaleta die Nachahmung nicht bloß ein genaues Abbilden, sondern eine Veränderung, die der Künstler vornimmt, um mit seinem Kunstwerk die Natur zu übertreffen. Während Mengs in seinen Schriften Natur- und Kunstschönheit nicht explizit voneinander trennt, beschränkt Azara sich in seiner Theorie nur auf die Kunstschönheit in den bildenden Künsten. In den Theorien, die seit Mitte der achtziger Jahre in Spanien erschienen sind, ist die genaue Trennung von Natur- und Kunstschönheit geradezu selbstverständlich (Marqués de Ureña, Arteaga, Márquez). Betrachtet man die im 18. Jahrhundert entstandenen spanischen Theorien über das Wesen der Schönheit unter dem Aspekt der individuellen Wahrnehmung, ist auffällig, daß generell der gefühlsmäßige Anteil des Subjekts weitgehend unberücksichtigt bleibt, während ihm in Frankreich von Autoren wie Du Bos und Diderot gerade besondere Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Für Diderot ist die Schönheit kein Gegenstand objektiver Naturbetrachtung, sondern ein Gegenstand erkenntnistheoretischer Erörterung. Er entwickelt eine Ästhetik der rapports, die vom denkenden und fühlenden Individuum festgelegt werden und nur noch funktional, nicht mehr substanziell mit der Gegenständlichkeit des Kunstwerks verbunden sind. Die rapports sind ein subjektives, erkenntnismäßiges Konstrukt aus einer virtuellen Unendlichkeit von ästhetischen Beziehungen, die vom gegenständlichen Kunstwerk angeregt werden. Diderot zieht die objektive Schönheit grundsätzlich in Zweifel und erkennt in der Schönheit eine Abstraktion, die vom Geist individuell vollzogen wird. Das Kunstwerk kann nicht begrifflich erfaßt werden, sondern ist nur erfühlbar. Seine singuläre Autonomie läßt sich nicht unter ein allgemeingültiges Schema subsumieren, sondern erzeugt im individuellen Rezipienten ein auf sich selbst verweisendes System unspezifischer rapports, die an die Stelle der spezifischen proportionalen Verhältnisse treten. Diderots Ästhetik der rapports wurde in Spanien, obwohl sie dort den Intellektuellen durch die Encyclopédie - wegen deren Verbot freilich mit Einschränkungen - zugänglich war, entweder völlig ignoriert oder ausdrücklich abgelehnt wie beispielsweise von Azara. Eine der Ästhetik der rapports vergleichbare Theorie, die die Erkenntnis von der Unmöglichkeit eines objektiven, absoluten Schönheitsbegriffs impliziert, gibt es im 18. Jahrhundert in Spanien nicht. Ausnahmslos alle spanischen Autoren vertraten die Auffassung von einer objektiven Schönheit als einer dem Objekt
353 inhärenten Eigenschaft, die von der Wahrnehmung durch das Subjekt unabhängig ist. Eine Schönheit, die vom jeweiligen situativen Kontext abhängt und die dem Ermessen des Einzelnen, dem freien Spiel des menschlichen Erkenntnisvermögens anheimgegeben ist, war für sie nicht denkbar. Ansätze zur Entsubstanzialisierung der Schönheit lassen sich zwar auch in Spanien feststellen, beispielsweise bei Mengs, insofern als er die Schönheit als Abstraktum, losgelöst von der Bindung an die Materie auffaßt, oder in denjenigen Beiträgen zur Diskussion über die belleza ideal, in denen die ideale Schönheit als irreales Gedankenkonstrukt angesehen wird. Aber gerade diese Ansätze wurden eben nicht weiterverfolgt, sondern zugunsten der realen Gegenständlichkeit der Schönheit zurückgedrängt. Pérez y López bezeichnet zwar die Schönheit als Qualität des wahrnehmenden Subjekts, aber da die Vollkommenheit des schönen Objekts im Subjekt zwangsläufig die Empfindung von Schönheit hervorruft, negiert auch er den subjektiven Anteil des Betrachters bei der Wahrnehmung eines schönen Objekts und setzt Schönheit und Vollkommenheit gleich. Arteaga, der Diderots Theorie kennt, gibt zwar vor, er wolle anhand der einzelnen Künste die Wirkung untersuchen, die die Schönheit im Menschen hervorruft, aber er löst diese methodische Vorgabe nicht ein und betrachtet in erster Linie das schöne Objekt selbst. Für Arteaga ist die Schönheit im allgemeinen eine objektive, absolute Schönheit, dagegen die Kunstschönheit eine relative Schönheit, abhängig vom Grad der Übereinstimmung zwischen dem Original und seiner Nachahmung in den Künsten. Die Relativität bleibt hier auf die objektive Ebene beschränkt, ausschließlich bezogen auf das Verhältnis von Original und Nachahmung im Kunstwerk, nicht - wie bei Diderot - hinsichtlich der Beziehungen zwischen Kunstwerk und Rezipient. In den spanischen Theorien ist ein rationaler Schönheitsbegriff vorherrschend, während in den französischen zunehmend das Gefühl in den Vordergrund tritt. Die Sinne werden von den spanischen Autoren zwar berücksichtigt, aber der Verstand hat stets den Vorrang vor den Sinnen. In Mengs' Theorie ist nicht ganz eindeutig, welchen Anteil Gefühl und Verstand an der Wahrnehmung der Schönheit haben, doch besteht über den Vorrang der ratio vor der Empfindung der Seele kein Zweifel. Auch für Azara und Marqués de Ureña hat der Verstand den Vorrang vor den Sinnen. Letzterer räumt jedoch ein, daß die Schönheit auch auf die Sinne wirkt und daß sich die schönen Künste in einer dynamischen, ausgleichenden Mittlerposition zwischen Sinnen und Vernunft befinden. Während Bou-
354 hours den gefühlsmäßigen Aspekt als wesentliches Charakteristikum des je ne sais quoi hervorhebt, läßt sich in Spanien auch bei no se que und gracia im Gegensatz zu Frankreich die Betonung des Rationalen feststellen. Die Tendenz der spanischen Autoren, dem Gefühl einen geringeren Wert zuzubilligen als der Vernunft, offenbart sich auch bei ihrer Rezeption französischer Texte, deren rationale Inhalte berücksichtigt werden, während die das Gefühl betreffenden meist unbeachtet bleiben. Die spanischen Autoren halten an der traditionellen Gleichsetzung von Schönheit und Vollkommenheit fest. Wird Schönheit mit Vollkommenheit gleichgesetzt, kann sie als Mittel zur Vervollkommnung des Menschen aufgefaßt werden. Damit entsprach sie den pädagogischen Ambitionen einiger spanischer Aufklärer. Das Streben nach Schönheit als Vollkommenheit wird gleichgesetzt mit dem Streben nach einer Idealität, durch deren Übertragung auf die Realität bzw. durch deren allmähliche Realisierung die konkrete Wirklichkeit verbessert werden kann. Statt des Gefühlsmäßigen, das für die französische Diskussion über das Wesen der Schönheit in der zweiten Jahrhunderthälfte bestimmend wurde, rückte in Spanien das Ideale bzw. die Suche nach der Idealität in den Vordergrund. Dies macht auch den großen Erfolg von Mengs' Theorien in Spanien verständlich. Mengs vermittelte den Spaniern wenig Neues, aber er aktualisierte traditionelle Anschauungen, die sich ohne weiteres in den Kontext der spanischen Theorien einfügen ließen, da sie auf dieselben Quellen zurückgehen, und er entsprach gerade mit der Vorstellung einer idealen Schönheit als Resultat progressiver Vergeistigung und Vervollkommnung der ästhetischen Grundeinstellung vieler seiner spanischen Leser. Arteaga beispielsweise begründet das Streben des Menschen nach der idealen Schönheit, in Anlehnung an Rousseau, mit seiner Freiheit und Vernunft, denn als freies und vernünftiges Wesen unterscheide sich der Mensch gerade deshalb vom Tier, weil er mittels der belleza ideal zur Vervollkommnung strebe. Das Thema der Schönheit blieb zu Beginn des 19. Jahrhunderts aktuell und wurde von einigen Autoren aufgegriffen, wobei sich aber lediglich Nuancierungen traditioneller Theorien feststellen lassen. Obwohl Lista etwa in den zwanziger oder dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts die gefühlsmäßigen Aspekte der Schönheit hervorhebt, bleibt auch er der Auffassung von der objektiven Schönheit verbunden. Die Vernachlässigung des Gefühls in den im 18. Jahrhundert entstandenen spanischen Theorien über das Wesen der Schönheit wird teilweise kompensiert durch die Berücksichtigung des Gefühls in den Theorien
355 über den Geschmack. Azara vertritt beispielsweise 1780 die Auffassung, daß der Geschmack ausschließlich die Sinne anspricht, während die Schönheit auf Sinne und Vernunft wirkt. Der Begriff Geschmack war im Laufe der Jahrhunderte sehr vielen Bedeutungsveränderungen unterworfen und erlangte als Urteilsinstanz in verschiedenen Bereichen zeitweise eine so eminente Stellung wie kein anderer der menschlichen Sinne. Der physiologische Geschmackssinn, von dem der metaphorische Geschmacksbegriff ausging, wurde in Antike und Mittelalter sehr niedrig bewertet und nicht wie Sehen und Hören zu den höheren Sinnen, sondern zusammen mit Geruch und Tastsinn zu den niederen gezählt. In der Hierarchie der fünf Sinne nahm er die vorletzte Stelle ein. Angesichts dieses niederen Ursprungs hat der Geschmacksbegriff in seiner Entwicklung eine erstaunliche Aufwertung erfahren, so daß der Geschmack im 18. Jahrhundert sogar als entscheidende Instanz der ästhetischen Erkenntnis angesehen wurde. Auf der Iberischen Halbinsel läßt sich die metaphorische Verwendung des Geschmacksbegriffs vereinzelt bereits im Mittelalter nachweisen. Einer der frühesten Belege findet sich in Ramon Llulls katalanischem Libre de contemplaciô von 1272, in dem die Vorstellung von einer für die Seele bestimmten geistigen Nahrung dargelegt wird, die der geistige Geschmackssinn in derselben Weise beurteilt wie der physiologische die materielle Speise. In Alfonso de la Torres Vision delectable aus den dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts, in der körperliche und geistige Wahrnehmung des Geschmackssinns eine Einheit bilden, wird eine kausale Beziehung zwischen Wissen und Geschmack hergestellt. Das Wissen bereitet dem Subjekt zugleich körperlichen und geistigen Genuß. Dem metaphorisch verwendeten Geschmacksbegriff wird eine kognitive Funktion zugesprochen. Die enge Verbindung zwischen Geschmacksempfinden und Wissen, die von Alfonso de la Torre erstmals literarisch ausgestaltet wurde, war in Spanien tief verwurzelt und blieb noch bis zum 18. Jahrhundert einschließlich gültig. In der Renaissance wurde der Geschmack auf die Wirkung von Dichtung bezogen. Während Marqués de Santillana den Begriff gusto in seinem Prohemio e carta al condestable de Portugal von 1446 noch ausschließlich auf die Wirkung bezog, die biblische Schriften im Subjekt hervorrufen, wurde er von Juan de Valdés in seinem Diâlogo de la lengua von 1535/36 nicht nur in bezug auf profane Literatur gebraucht, sondern erstmals als subjektives Beurteilungskriterium für Dichtung. Im 16. Jahrhundert wurde
356 im Bereich der Literaturkritik das Kriterium allgemeingültiger Vernunft von der individuellen Beurteilungsinstanz des subjektiven Geschmacks abgelöst. Eine erhebliche Aufwertung des Geschmacksbegriffs erfolgte durch seine Verwendung in religiösen Kontexten, die sich seit den vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts in den theologischen und mystischen Schriften nachweisen läßt. Der gusto als mystische Erfahrung ist ein Glückszustand, in dem geistige und sinnlich-körperliche Empfindungen verschmelzen, und ein Genuß, den man anstreben darf, ohne dabei zu sündigen. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts läßt sich erstmals die Wendung buen gusto nachweisen, die sich im 17. Jahrhundert als Synonym zu gusto weitgehend durchsetzte. Im Unterschied zu Frankreich, wo man vorwiegend den Ausdruck bon goüt für den metaphorischen Geschmacksbegriff gebrauchte, wurden in Spanien auch im 18. Jahrhundert noch gusto und buen gusto gleichermaßen verwendet, und erst in der zweiten Jahrhunderthälfte findet sich buen gusto häufiger. Im 17. Jahrhundert wurde der Geschmacksbegriff in höfischen Kreisen zum Modewort, wohingegen er in religiösen Kontexten keine Rolle mehr spielte. Lope de Vega macht in seiner Arte nuevo de hacer comedias en este tiempo von 1608 den Begriff gusto zum Schlüsselwort seiner Poetik der comedia: Der Geschmack des Publikums wird zur Richtschnur für den Dichter. Nicht mehr nach den aristotelischen Regeln, sondern nach dem Publikumsgeschmack soll er sich richten. Dagegen vertritt Cascales in seiner Poetik von 1617 einen elitären Geschmacksbegriff, wonach der buen gusto als ein auf die Dichtung und poetologische Fragestellungen gerichtetes Interesse des Subjekts nur wenigen, in besonderer Weise ausgezeichneten Menschen eignet. Nicht die Masse, nur der gelehrte Dichter verfügt über buen gusto. Aus den Malereitraktaten ergibt sich, daß der Begriff gusto für die spanischen Maler im Laufe des 17. Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung gewann. Wurde in der ersten Jahrhunderthälfte mit gusto noch ausschließlich das Vergnügen, das die Malerei im Betrachter hervorruft, bezeichnet, wurde in der zweiten Jahrhunderthälfte der buen gusto als eine Eigenschaft des Malers bestimmt. An Bedeutung gewann auch der Geschmack des Rezipienten, da er die Voraussetzung für die angemessene Würdigung des Geschmacks des Künstlers war. Daß die Maler den Geschmacksbegriff auf die Malerei anwendeten, war ein Teil ihrer Strategie im Kampf um die Aufwertung ihres sozialen Ranges und der Anerkennung ihrer Disziplin als ars liberalis.
357 Von Graciáns Theorie des Geschmacks gingen entscheidende Impulse für die Ausformung des Geschmacksbegriffs nicht nur in Spanien, sondern vor allem auch in Frankreich, England und Deutschland aus. Für Gracián ist der buen gusto ein praktisches Wissen, das den Menschen dazu befähigen soll, der jeweiligen sich unaufhörlich verändernden Situation gewachsen zu sein durch die unmittelbar gefällte richtige Entscheidung und eine den aktuellen Umständen entsprechende Handlungsweise. Der Geschmack ist eine notwendige Vorbedingung für erfolgreiches Handeln. Er steht im Spannungsfeld vom absoluten Wert des Objekts, der von Gracián nicht bestimmt wird, und der Urteilskompetenz des Subjekts. Die Geschmacksbildung ist eine Unterweisung in höfischen Verhaltensnormen, die durch den sozialen Umgang mit Personen erfolgt, die den buen gusto besitzen. Im 18. Jahrhundert waren die Begriffe gusto und buen gusto in Spanien ohne jeden Zweifel Schlüsselwörter, sowohl hinsichtlich ihres weiten inhaltlichen Bedeutungsspektrums als auch hinsichtlich ihrer auffallend häufigen Verwendung. Zahlreiche Autoren bemühten sich in ihren Schriften um die Definition des Geschmacksbegriffs. In der ersten Jahrhunderthälfte wurde der Geschmacksbegriff in Fortführung der eigenen spanischen Tradition weiterentwickelt, wobei auch ausländische Einflüsse wirksam wurden. Diese betreffen einerseits spezielle Äußerungen zum Geschmack wie Muratoris Theorie des Geschmacks, andererseits eine generelle Beeinflussung durch vernunftorientierte Methoden der europäischen Frühaufklärung, die die spanische Diskussion über den Geschmack prägten. Aktualität gewann der Geschmacksbegriff durch seine Verknüpfung mit Gedanken und Zielen der Aufklärung. Die Reflexion darüber, wie und wo die Aufklärung am besten ansetzen soll, um wirksam werden zu können, veranlaßte Feijoo zur Auseinandersetzung mit dem Geschmacksbegriff. In seiner Abhandlung Razón del gusto von 1734 bemühte er sich um die rationale Begründung des Geschmacks. Feijoos Theorie des Geschmacks ist vorwiegend der spanischen Tradition verpflichtet, nur vereinzelt lassen sich auch ausländische Einflüsse ausmachen. Mit Gracián stimmt Feijoo darin überein, daß der Geschmack ein durch den gesellschaftlichen Umgang mit anderen Menschen vermittelter Konsens ist, doch im Gegensatz zu Gracián betrachtet Feijoo den Geschmack losgelöst vom höfischen Kontext und spricht prinzipiell jedem Menschen die Berechtigung zu subjektiven Geschmacksurteilen zu. Die prinzipielle Gleichberechtigung der Geschmacksurteile bedeutet aber keineswegs auch ihre Gleichrangigkeit. Wie
358 Graciän setzt Feijoo die Qualität des subjektiven Geschmacks in Relation zum inhärenten Wert der Objekte. Für beide Autoren ist der Geschmack eine dynamische, sich ständig wandelnde Größe, die im Spannungsfeld zwischen dem postulierten absoluten Wert des Objekts und der Disposition und Urteilskompetenz des Subjekts steht. Graciäns Trennung von Geschmack und Vernunft wird von Feijoo aufgehoben. Feijoo hält die Einflußnahme der Vernunft auf die Einbildungskraft des Menschen für möglich, und hier kann seiner Meinung nach die Geschmacksbildung im Sinne der Aufklärung ansetzen. Im Gegensatz zu Graciän, für den Geschmacksurteile ausschließlich individuell sind, nimmt Feijoo eine Trennung in unterschiedliche Klassen von Geschmacksurteilen vor, wodurch es ihm möglich wird, außer dem individuellen Geschmack auch einen allgemeingültigen geltend zu machen. In der Frage, ob der Geschmack angeboren ist oder erworben werden kann, nimmt Feijoo eine vermittelnde Position ein, da er beides gelten läßt. Der subjektive Geschmack hat sowohl rationale als auch emotional-sinnliche Komponenten. In der um die Jahrhundertmitte im Umkreis der Academia del Buen Gusto geführten Auseinandersetzung über die comedia des Siglo de Oro spielte der Begriff buen gusto in der Argumentation der Kontrahenten eine wichtige Rolle. Die Anhängerschaft der klassizistischen Richtung, die sich am französischen Theater und an antiken Vorbildern orientierte, billigte den buen gusto nur dem Dramatiker zu, der die aristotelischen Regeln beachtete. Für Nasarre y Ferriz bestimmen Geschmack und Vernunft die praktische Umsetzung der Nachahmungstheorie und gewährleisten die Befolgung der Regel der drei Einheiten. Luzän sieht im subjektiven Geschmack nur eine willkürliche Laune, die keineswegs die überlieferten Regeln ersetzen kann, und er bietet Vernunft und Erfahrung gegen diejenigen auf, die die Regeln außer Kraft setzen wollen. Auch für Montiano y Luyando und Veläzquez hat nur derjenige Dramatiker Geschmack, der die normativen Regeln des Theaters befolgt. Für die Befürworter der comedia des Siglo de Oro hingegen ist der Geschmack als Eigenschaft des genialen Dichters, der sich frei vom Zwang der Regeln künstlerisch ausdrückt, der eigentliche Antrieb zur Erneuerung der spanischen Literatur, deren Voraussetzung die Rückbesinnung auf die nationale Tradition ist. Erauso y Zavaleta überträgt einige von Feijoos Thesen zum Geschmacksbegriff auf die comedia. Doch während Feijoo durchaus von der Berechtigung fester Regeln ausgeht, bestreitet Erauso y Zavaleta grundsätzlich, daß es für das Theater angesichts des ständig wechselnden Publikumsgeschmacks über-
359 haupt allgemeingültige Regeln gibt. Fray Aguado befürwortet die Autonomie des literarischen Textes als Spiel mit eigenen Regeln. Der dritte Conde de Torrepalma und Porcel stellen die Berechtigung poetologischer Regeln grundsätzlich in Frage und betrachten die Ausrichtung der Dichtung auf den Geschmack des Rezipienten als wichtigste Regel überhaupt. In den sechziger Jahren mehren sich die Hinweise auf die überaus häufige Verwendung des Geschmacksbegriffs, aber auch auf seinen zunehmenden Mißbrauch, denn jedermann maßte sich an, den buen gusto zu besitzen (Nipho, Roel del Rio). Conde de Penaflorida stellt fest, daß der buen gusto in allen Bereichen des alltäglichen Lebens eine so große Rolle als Urteilsinstanz spielt, daß sein Jahrhundert als "siglo del buen gusto" bezeichnet werden könne. In der spanischen Geschmacksdiskussion läßt sich vereinzelt schon in den fünfziger Jahren bei Luzän und den Befürwortern des klassizistischen Theaters, vor allem aber in den sechziger und siebziger Jahren eine grundsätzliche Abkehr der spanischen Autoren von der eigenen Tradition und eine Hinwendung zu den von den Autoren im Umkreis der Encyclopédie verfaßten Theorien des Geschmacks feststellen. In diesem Zeitraum war Frankreich das beherrschende Vorbild in allen Fragen des Geschmacks. Der buen gusto wurde von den spanischen Autoren als innovatorischer Impetus für die Verbreitung der Aufklärung erkannt, aber nicht die spanischen Theorien des Geschmacks, sondern die französischen lieferten das Rüstzeug für die nationale Erneuerung in Spanien. Die spanischen Autoren übernahmen die Thesen der französischen Aufklärer keineswegs unverändert, sondern waren bestrebt, sie ihren eigenen Bedürfnissen und den Gegebenheiten ihres Landes anzupassen. Entgegen der gängigen Vorstellung eines eher vernunftorientierten französischen Nationalcharakters und eines eher gefühlsorientierten spanischen betonten die französischen Autoren mehr die gefühlsmäßige Seite des Geschmacks, wohingegen die spanischen den Anteil des Gefühls am Geschmack weitgehend zugunsten der Vernunft zurückdrängten - entsprechend den rational ausgerichteten spanischen Theorien über das Wesen der Schönheit. Die Tendenz zur Begründung des Geschmacks durch die Vernunft läßt sich bei den meisten spanischen Autoren auch in den achtziger und neunziger Jahren noch beobachten. Die genaue Unterscheidung von Geschmacks- und Verstandesurteilen wurde nur von wenigen vorgenommen. Im Zuge der zunehmenden Gleichsetzung des Geschmacks mit der Vernunft wurde ein direkter Zusammenhang zwischen buen gusto und der Aufklärung hergestellt. Ein Charakteristikum des spani-
360 sehen Geschmacksbegriffs der Aufklärung, das ihn vom französischen fundamental unterscheidet, ist sein Praxisbezug. Nipho rekurriert in den sechziger Jahren auf Batteux' Les Beaux Arts réduits à un même principe, doch im Gegensatz zu Batteux steht für Nipho nicht die ästhetische, auf die schönen Künste bezogene Funktion des buen gusto im Mittelpunkt des Interesses, sondern seine ethisch-moralische und pädagogische Funktion. Nipho leitet den Geschmack von der Vernunft ab, was wiederum im Widerspruch zu Batteux' Theorie steht, für den der Geschmack zum Gefühl gehört. Nipho bemüht sich um eine Funktionalisierung des Geschmacks zur Verbesserung der aktuellen sozialen und ökonomischen Lebensverhältnisse in Spanien. Das gleiche Anliegen hat Conde de Penaflorida, der in einem 1766 vor der Real Sociedad Vascongada de los Amigos del Pais gehaltenen Vortrag einen Katalog von sieben Regeln des buen gusto propagiert, die als normative Postulate für alle Sozietätsmitglieder obligatorisch sein sollten. Sein Geschmacksbegriff ist nicht originell, sondern entscheidend von den Autoren der Encyclopédie beeinflußt, doch neu ist sein Versuch, die Theorien der französischen Aufklärer in Spanien praktisch umzusetzen. Capmany bezeichnet in seiner Rhetorik von 1777 den Geschmack als wesentliches Element der sprachlichen Persuasion. Wie Conde de Penaflorida ist zwar auch Capmany wesentlich von Voltaires Artikel Goût in der Encyclopédie beeinflußt, aber im Unterschied zu allen anderen spanischen Autoren in der zweiten Jahrhunderthälfte drängt er den gefühlsmäßigen Anteil des Geschmacks nicht zurück. Wie Voltaire betrachtet Capmany den gusto als eine Entscheidungsinstanz, die im Gefühl verankert ist und durch den Verstand vervollkommnet werden kann. Capmany ergänzt die von Voltaire genannten empfindungsmäßigen Voraussetzungen für den Geschmack noch um intellektuelle, seelische, körperlich-organische Voraussetzungen. Seit den achtziger Jahren distanzierten sich viele spanische Autoren von Frankreich, nicht zuletzt wegen des verzerrten Spanien-Bildes der französischen Aufklärer, dem seit Masson de Morvilliers' Artikel über Spanien in der Encyclopédie méthodique von 1782 seitens der Spanier in vielen Streitschriften heftig widersprochen wurde. Die spanischen Aufklärer besannen sich im historischen Rückblick zunehmend wieder auf ihre eigene Tradition. In der zweiten Jahrhunderthälfte bildete sich die Vorstellung vom Geschmack als Charakteristikum einer bestimmten Nation heraus. Seit Ende der siebziger Jahre wurde die Frage diskutiert, inwiefern das Theater
361
ein Gradmesser des nationalen Geschmacks ist. Einige Autoren wiesen vorzugsweise dem Theater die pädagogische Aufgabe zu, Gedanken der Aufklärung zu verbreiten. Der Geschmacksbegriff spielte im 18. Jahrhundert eine wichtige Rolle in den Wissenschaften und Künsten. Die traditionelle Verbindung des Geschmacks mit dem Wissen und den Wissenschaften, die in Spanien seit dem Mittelalter bestand und besonders im Siglo de Oro weiter ausgeprägt wurde, blieb im 18. Jahrhundert nicht nur erhalten, sondern erhielt dadurch eine neue, aufklärerische Funktion, daß der Geschmacksbegriff auch auf die neuen experimentellen Naturwissenschaften übertragen wurde. Als buen gusto wurde die Aktivität des kritischen Geistes angesehen, der das durch induktive Erkenntnisverfahren gewonnene exakte Wissen von den durch das scholastische Wissenschaftssystem tradierten Irrtümern zu unterscheiden weiß. Im allgemeineren Sinne wurde der buen gusto als Entscheidungskriterium angesehen, mittels dessen der Gelehrte das Beste auswählen und zum Nutzen der Gesellschaft anwenden konnte. In den bildenden Künsten wurde der Geschmack als wesentliche Eigenschaft des Künstlers angesehen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde der Geschmacksbegriff an eine bestimmte Kunstrichtung gebunden, also zum Stilbegriff umgewandelt. Demnach manifestiert sich in den Bildern, Statuen und Bauwerken der buen gusto, die dem klassizistischen Stilideal entsprechen, dagegen der mal gusto, wenn sie - wie beispielsweise die Gotik - von diesem Ideal abweichen. Während um die Jahrhundertmitte im Rahmen der Auseinandersetzung um die comedia des Siglo de Oro im Umkreis der Academia del Buen Gusto sowohl die Traditionalisten als auch die Vertreter des Klassizismus den guten Geschmack für sich reklamierten, wurde in der zweiten Jahrhunderthälfte der Einfluß des Klassizismus in der Literatur und in den bildenden Künsten immer stärker, und der buen gusto wurde als normative Instanz zum Inbegriff dieser Stilrichtung. Der buen gusto diente Campomanes wie Floridabianca als kulturpolitisches Argument zur Durchsetzung des von der Academia de San Fernando propagierten Klassizismus. Seit 1780 war in Spanien Mengs' Theorie des Geschmacks von großer Wirkung. Mengs bezeichnete den Geschmack des Künstlers als diejenige Urteilsinstanz, die aus der unendlichen Vielfalt der Natur das Beste auswählt und das Akzessorische vom Hauptsächlichen trennt und miteinander in Einklang bringt. Mengs konstatiert zwar die Subjektivität des Geschmacks, vermeidet aber seine Aufspaltung
362 in individuelle Geschmacksurteile, indem er von unterschiedlichen Geschmacksgruppen ausgeht. Während Mengs den Geschmack des Künstlers als Voraussetzung zur Darstellung von Schönheit ansah, bezeichneten zahlreiche nachfolgende Autoren in den achtziger und neunziger Jahren den Geschmack des Subjekts als Erkenntnismittel der Schönheit bzw. des Guten, Wahren und Schönen. Gelegentlich wurde ein dem Objekt inhärenter buen gusto sogar als Vereinigung des Wahren, Guten und Schönen aufgefaßt. Alle Autoren gehen von einem auf die Vernunft gegründeten Geschmacksbegriff aus. In der zweiten Jahrhunderthälfte wurde der Geschmacksbegriff auch auf die Musik angewendet. Erörtert wurde die Frage, was man unter Geschmack in der Musik zu verstehen habe, wie er sich vermitteln läßt und in welchem Verhältnis er zur Vernunft steht. Vereinzelt wurde buen gusto auch als Bezeichnung für einen bestimmten Kompositionsstil gebraucht, meist mit der Konnotation des Traditionellen. Der Geschmacksbegriff diente in den achtziger und neunziger Jahren zur Legitimation der schönen Künste. Der buen gusto fungierte also einerseits als Urteilsinstanz in den schönen Künsten, andererseits zu ihrer Legitimierung, indem den schönen Künsten die vorrangige Rolle für die Geschmacksbildung zuerkannt wurde. Da die schönen Künste unter dem Aspekt der Nützlichkeit, die in der Aufklärung eine eminente Rolle spielte, betrachtet wurden, ergab sich zwangsläufig die Frage nach ihrer Berechtigung, die in unterschiedlicher Weise beantwortet wurde. Diejenigen, die den Primat der Nützlichkeit als Wertmaßstab propagierten, hielten die schönen Künste für nutzlos und überflüssig. Die Befürworter der schönen Künste sahen sich veranlaßt, entweder deren Nützlichkeit nachzuweisen oder den Wertmaßstab der Nützlichkeit durch andere Kriterien zu ersetzen. Sie sahen in den schönen Künsten ein notwendiges Mittel zur Geschmacksbildung. Jovellanos erkannte im durch die schönen Künste ausgebildeten Geschmack ein auch für die Naturwissenschaften nützliches Regulativ für die sprachlichen Fertigkeiten sowie für Fühlen und Denken. Die Historisierung des Geschmacksbegriffs ist ein Charakteristikum des 18. Jahrhunderts. Zum einen wurde der metaphorische Geschmacksbegriff von einigen Autoren als historisch gewachsenes Phänomen erkannt. Sie stellten sich die Frage nach seinem Ursprung, ohne diesen aber eingehender zu untersuchen, und vermuteten, daß er in Spanien entstanden ist. Zum andern wurde die historische Entwicklung der Künste als eine vielfältigen Wandlungen unterworfene Entwicklung des Geschmacks
363 der Künstler aufgefaßt, wobei dieser als Gradmesser für das jeweilige Niveau der künstlerischen Produktion vergangener Epochen sowie der Gegenwart fungiert. Eng verbunden mit der historischen Sicht war die Vorstellung, der einfache, natürliche Stil entspräche dem guten Geschmack, der schwülstige, gekünstelte hingegen dem schlechten. Demnach wurde die Gotik als eine Epoche der Dekadenz des Geschmacks bezeichnet. Bezüglich der spanischen Literatur wurde das 16. Jahrhundert, vor allem die Dichtung von Garcilaso de la Vega, von vielen Autoren als vorbildlich bezeichnet, wohingegen sie Cultismo und Culteranismo des 17. Jahrhunderts ablehnten. Ihre eigene Epoche erkannten die meisten Autoren als Renaissance des Geschmacks. Daß sie zur Beurteilung vergangener Epochen von in ihrer Zeit aktuellen Bewertungsmaßstäben ausgingen, empfand kein einziger von ihnen als Widerspruch. War der Geschmack im Siglo de Oro vorwiegend ein höfischer Wert, wurde er im Laufe des 18. Jahrhunderts allmählich zum bürgerlichen Wert umgewandelt. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde der hombre de buen gusto zum gesellschaftlichen Ideal des spanischen Bürgertums, das sich in den großen Handelsstädten herausbildete. Der Geschmack erfüllte für die Bürgerschicht die Funktion der Identitätsstiftung und ermöglichte die soziale Differenzierung in einer Gesellschaft, in der die durch Geburt vorgegebenen hierarchischen Strukturen als Mittel sozialer Distinktion zunehmend ihren Wert einbüßten. Der Geschmack wurde zunehmend demokratisiert. Er wurde angesehen als allgemein zugängliches Urteilsvermögen und als Naturgabe, die allen Menschen angeboren ist. Der einfachste Geschmack, der der Natur entspricht, galt als der beste. Für Jovellanos ist der buen gusto als eines der wichtigsten Instrumente zur Verbreitung der Aufklärung ein Allgemeingut, das wesentlich zur Bildung gehört. Auch für Eximeno ist der Geschmack ein bürgerlicher Wert. Er bemißt die Qualität der Musik allein nach der Wirkung, die sie auf die Seele der Zuhörer hat, nicht aber nach den Regeln, nach denen das Musikstück komponiert wurde. Demnach ist das Urteil des Laien, der die Wirkung der Musik spürt, wichtiger als das Urteil des kompetenten Spezialisten, der die objektive Beschaffenheit eines Musikstücks betrachtet. Das Recht auf eine spontane Meinungsäußerung wird jedem zuerkannt und ist nicht länger an Gelehrsamkeit und Kenntnis der Autoritäten gebunden. Im 19. Jahrhundert erstarrte der Geschmacksbegriff mehr und mehr zum Versatzstück und wurde für Werturteile herangezogen, deren Begrün-
364 dung man nicht für notwendig erachtete. Dennoch blieb der subjektive Geschmack in Poetik und Literaturkritik nach wie vor der wichtigste Qualitätsmaßstab. Die grundsätzlichen Streitpunkte der Querelle des Anciens et des Modernes wurden in Spanien im Laufe des 18. Jahrhunderts immer wieder aufgegriffen und im Zusammenhang mit der Frage nach der Relevanz der reglos diskutiert. Doch im Gegensatz zu Frankreich stellt sich der geistige Epochenumbruch in Spanien nicht als Wandlung von einer Regelpoetik zu einer individuellen Ästhetik dar, vielmehr resultierten die relevanten Veränderungen des ästhetischen Paradigmas größtenteils aus einer Rückbesinnung auf die eigene barocke Vergangenheit, aus der sich der innovatorische Impetus für die Gegenwart speiste, der ebenso die Loslösung von der Bindung an antike Vorbilder wie die neue individuelle Auffassung vom Künstler und seinem Werk bewirkte. Die Reaktualisierung der barocken, nicht regelorientierten Anschauungen und ihre Verknüpfung mit dem aufklärerischen Prinzip der Vernunft machen ein besonderes Charakteristikum der spanischen Ästhetik des 18. Jahrhunderts aus. Im Gegensatz zur französischen Diskussion sahen sich in Spanien zwar diejenigen Autoren als fortschrittlich an, die die klassizistischen, an normativen Regeln orientierten Theorien vertraten, aber dennoch gingen die aus heutiger Sicht modernen ästhetischen Auffassungen von Schönheit und Geschmack gerade von solchen Autoren und Künstlern aus, die die eigene nationale Tradition anerkannten und die nicht regelgebundenen Werke des Siglo de Oro verteidigten und aufwerteten. Die eng mit Kategorien wie Schönheit und Geschmack verknüpfte Reflexion über numen, ingenio oder fantasia des Künstlers, die sich in Texten Palominos, des zweiten Conde de Torrepalma, Feijoos, des Marqués de Urena, Arteagas, Goyas und anderer feststellen läßt, ist eine bemerkenswerte Eigenart der spanischen Ästhetik des 18. Jahrhunderts, und als solche ist sie ein typisch spanisches Pendant zur Geniediskussion der Epoche der Aufklärung in den anderen europäischen Ländern. Nur vor diesem Hintergrund wird etwa die künstlerische Entwicklung Goyas verständlich, der gegen Ende des 18. Jahrhunderts im Bereich der bildenden Künste alle Regelzwänge von sich weist, was vor ihm Autoren wie Erauso y Zavaleta, Aguado, Porcel, Philoaletheias im Bereich der Literatur getan haben.
ABKÜRZUNGEN Allgemeine Abkürzungen Abb. a.M. art. cit. Bd. bzw. Chr. ed. cit. etc. Hrsg. hrsg. ibid. id. Kap. n. Nr. o.J. o.O. op. cit. Rez. S. Sign. Sp. u.a. u.d.T. übers. unpag. V.
V. wiederaufg. Z. z.B. zit.
Abbildung(en) am Main articulus citatus Band beziehungsweise Christus editio citata et cetera Herausgeber herausgegeben ibidem idem Kapitel nach Nummer ohne Jahr ohne Ort opus citatum Rezension Seite Signatur Spalte und andere unter anderem unter dem Titel übersetzt unpaginiert vor Vers wiederaufgenommen Zeile zum Beispiel zitiert
366 Bibliographische Abkürzungen AE AEA AHDL AHN AM BAC BAE BBMP BH BIEA BNM BOCES BRAE BRH CC CCF CILH HCLH HR IR JHI JWCI KRQ MGG MLN NGDMM NRFH PMLA RQ RABM RF RFE RH RIE RJ RL RN RT SFG SVEC TAB TRR ZÄAK
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PERSONENVERZEICHNIS Abad, Francisco 265 Abbott, Don Paul 277, 278
Amelot de la Houssaie, Abraham Nicolas 236, 238
Abellán, José Luis 37, 39, 48, 89, 163
Anakreon 2 6 2 , 3 2 1
Abirached, Robert 130
André, Jacques 185
Adam, Charles 42
André, Yves-Marie 27, 28, 74, 96, 100,
Addison, Joseph
119,237
136, 146, 151, 196, 273, 287
Agero, Ignacio 224
Andrés, Giovanni vgl. Andrés, Juan
Aguado, Fray Alexandre 97, 257, 258,
Andrés, Gregorio de 239 Andrés, Juan 66, 79, 342
324, 359, 364 Agueda Villar, Mercedes 128
Anglés, Higinio 66, 73, 80, 307, 311
Aguila y Torres, Dionisio del 327
Aparicio Olmos, Emilio María 31
Aguilar Piñal, Francisco 40, 58, 81, 90,
Apelles von Kolophon
97, 125, 126, 147, 157, 177, 239, 252, 253, 285, 295, 297
134, 172, 177,
178, 181, 182, 188, 202, 203, 206, 207
Alanus ab Insulis (Alain de Lille) 214
Aravaca, Juan de 294-296
Albani, Alessandro 128
Arce, Joaquín
Alberala, Armando 38
Arce y Cacho, Fray Celedonio Nicolás
Alberti, Leon Battista 94, 98, 106, 107,
193,198
de 6 0 , 6 1 , 3 0 4 Archimedes 47, 48
110, 205 Albiac, Maria-Dolores 87
Arco, Ricardo del 136
Alembert, Jean Le Rond d' 29, 30, 66,
Areta Armentia, Luis María
325 Alfarabi 19
Argensola, Lupercio Leonardo de
Alfons X. der Weise (Alfonso X el Sabio)
65, 81,
119, 177, 273-275
19,25,48,320
Alonso, Dámaso
172,173,278
262,
316 Argente del Castillo, Concepción 57 Arias de Myesses, Gómez 233
Alonso, Manuel 19
Arias Montano, Benito 26, 37, 47, 49
Alonso de Cartagena 21, 22
Aribau, Buenaventura Carlos 290, 292
Alonso de Madrigal, El Tostado 21, 22,
Aristóteles 47, 105, 119,325
49
Aronson, A. 237
Alvar, Manuel 20
Arphe y Villafañe, loan de 110, 161
Alvarez Barrientos, Joaquín 310
Arroyal, León de 335
Alvarez de Cienfuegos, Nicasio 325
Arteaga, Esteban de
Alvarez de Miranda, Pedro 40, 43, 63,
11,52,68,69,72,
103, 104, 136, 146, 152-157, 161,
64, 89, 238, 249, 250, 253, 259, 264,
162, 210, 211, 287, 288, 335, 336,
290, 293, 2 9 5 , 3 2 1 , 3 2 8 , 329
342, 344, 345, 349, 351-354, 364
Amar y Borbón, Josefa 163
Artero, José 310
406 Arteta de Monteseguro, Antonio
87,
Bécquer, Gustavo Adolfo 212 Bédat, Claude 48, 128, 301
91,92
Behr, Heinz-Peter 286
Asenjo Barbieri, Francisco 7 1 , 3 3 8
Beierwaltes, Werner 11, 105, 107
Äsop (Esopo) 335 Asso y del Río, Ignacio Jordán de
92,
Béjar Hurtado, Manuel 51 Belloso Martin, Nuria 22
95, 323 Assunto, Rosario
Benavente, Maria Josefa de la Soledad
11,106
Augustinus, Aurelius
1 8 , 4 8 , 105, 131,
Alonso Pimentel, Condesa Duquesa de 100
136,213,214
Benedikt XIV., Papst 140
Aullón de Haro, Pedro 32
Benito y Durän, Angel 97, 257
Averroes 49 Avilés Fernández, Miguel
39, 40-44,
322
Bérchez Gómez, Joaquin
126,127
Bermüdez-Canete, Federico 57
Aymes, Jean-René 8 5 , 9 1 Azara, José Nicolás de
Berceo, Gonzalo de 215
99, 100, 129,
132, 136-140, 142, 144, 145, 148, 149, 153, 158, 203, 205, 274, 302, 318, 324, 334, 348, 349, 352, 353, 355
Berroeta, Ignacio Maria de 272 Berrueta, Mariano D. 25 Bertini, Giovanni Maria 58 Bettinelli, Saverio 316 Bianconi, Lodovico 99 Bihler, Heinrich 75, 175 Blair, Hugh 327
Baader, Horst 81, 173
Blecua, Alberto 64, 199
Baader, Renate 52 Bacon, Francis 24, 29, 30, 44, 82, 341 Baena, Juan Alfonso de 21
Bleznick, Donald W. 4 0 Blüher, Karl Alfred 21 Bocängel y Unzueta, Gabriel de 97
Baeumker, Clemens 19
Boethius, Anicius
Manlius
Severinus
Balzac, Jean Louis Guez de 236
Böhme, Günther 22
Baquero Goyanes, Mariano 278
Boileau-Despréaux, Nicolas
119, 151,
Bails, Benito 299 Balachov, Nicolai Ivanovitch
18, 48
106
165,206, 2 8 5 , 3 3 6
Barbolani, Maria Cristina 263 Barocchi, Paola 172
Bonastre, Francisco 76, 307
Baron, Roger 33
Borgerhoff, E.B.O.
Bartel, Dietrich
Borghini, Vittorio 5 2 , 7 3 , 152, 184,242
102
Bassegoda i Hugas, Bonaventura 110 Bassenge, Friedrich
Borinski, Karl 75, 105,231 Bormann, Alexander von 238
134
Bataillon, Marcel 41
Bossuat, Robert 214
Batllori, Miguel 68, 160
Bottineau, Yves 46
Batteux, Charles 28, 30, 31, 52, 65, 70, 96,
154, 268-271, 273, 276,
173,175
325,
340, 342, 360
Bouhours, Dominique
173, 175, 177,
187, 188, 192, 196, 350, 351, 353, 354
Bauer, Helga 23, 184
Bourbon di Petrella, Fiammetta 105
Baumgarten, Alexander Gottlieb 10, 11
Bourligueux, Guy 73
Baur, Ludwig 18
Brancaforte, Benito 229
Bayeu, Francisco 129
Brandt, Reinhard 232, 242, 245
407 Bray, René 236 Briesemeister, Dietrich 174,175 Brócense, El (Francisco Sánchez) 109 Brown, Russell Vernon 20 Brunot, Ferdinand 175 Brutus, Marcus Junius 275 Buch, Hans Christoph 97 Buchanan, M.A. 218 Buck, August 22 Buck, Donald C. 48 Buendía, Felicidad 226 Burgos Núñez, Miguel de 109 Burke, Edmund 134 Burriel, Andrés Marcos 294, 332 Burriel, Antonio 118,277,329,348 Butt, John 191 Buttimer, Charles Henry 33 Büttner, Frank 107 Cabarrús, Francisco de 83, 326 Cadalso y Vázquez, José 84, 176, 297, 324 Calderón de la Barca, Pedro 23, 34, 58, 177, 184, 252, 254-256, 258, 259, 264, 270, 276, 292,317,336 Callahan, William J. 81,84 Calveras, José 224 Calvi, Massimiliano 109 Calvo Serraller, Francisco 23, 34, 231 Cambiaso y Verdes, Nicolás María de 66, 101
Campomanes, Pedro Rodríguez, Conde de 39, 40, 41, 85-87, 89, 92, 299301,322, 345,347,361 Cañas Murillo, Jesús 252 Cano, José Luis 325 Capmany Suris y de Montpalau, Antonio de 90, 92, 127, 128, 165, 166, 206, 207, 277-282, 288, 319, 360 Carballo Picazo, Alfredo 108 Cardoso, Isaac 199 Carducho, Vicencio 23, 126 Carlos vgl. Karl
Camero, Guillermo 124,296, 337 Carreño de Miranda, Juan 231 Carrete y Parendo, Juan 299 Carriat, Jeanne 171 Carrillo, José 253 Casado Lobato, María Concepción 110 Casanova, Giacomo Girolamo 129,130 Casares Rodicio, Emilio 74 Casas Homs, J.M. 227 Casas Torres, José Manuel 92 Cascales, Francisco 229, 347, 356 Caso González, José Miguel 67, 146, 251,291,327, 328 Castel, Louis-Bertrand 102, 103 Castiglione, Baldassarre 174 Castro, Adolfo de 21 Castro, Felipe de 300,301 Cátedra, Pedro M. 20 Catull (Gaius Valerius Catullus) 169 Ceán Bermúdez, Juan Agustín 31 Cejudo López, Jorge 322 Celma, María Pilar 338 Cennini, Cennino 161,178 Cerone, Pedro 311 Cerquiglini, Bernard 29 Cervantes Saavedra, Miguel de 64, 199, 207, 252, 256, 310, 317, 328 Cevallos y Mier, Fray Fernando 126, 142 Checa, Fernando Checa Beltrán, José 278, 280, 297 Checa Cremades, Fernando 25, 26, 63 Chevalier, Jacques 336 Chouillet, Jacques 79 Christoffel, Ulrich 130, 132, 303 Cicero, Marcus Tullius 105, 137, 166, 192,211,214, 328 Cid, Xavier Francisco 80 Cid de Sirgado, Isabel M. 51, 254 Cisneros, Francisco Jiménez de 48 Claudianus, Claudius 262 Cobo Barquera, Juan José 55 Cohen, Albert 102 Colbert, Jean-Baptiste 82
408 Cole, Arthur H. 81 Colomer, Eusebio 19 Colón, Cristóbal 218 Columella vgl. Iunius Moderatus Columella Condillac, Etienne Bonnot de 327 Cook, John A. 52,251 Corelli, Arcangelo 99 Corneille, Pierre 119 Correggio (Antonio Allegri) 127, 134, 203, 304, 320 Corzo Sánchez, Ramón 66 Coster, Adolphe 175,236,238 Cotarelo y Mori, Emilio 66, 226 Coughlin, Edward V. 163 Cousin, Victor 28 Covarrubias y Horozco, Sebastián de 228-230 Cox, Ralph Merritt 66 Créquy, François de Blanchefort de 236 Cro, Ann 39 Cro, Stelio 39,40-44 Crousaz, Jean-Pierre de 27, 28, 116-118, 137, 160, 348 Cruz Hernández, Miguel 19 Cueto, Leopoldo Augusto de vgl. Valmar Cummins, John G. 21 Curtius, Ernst Robert 17, 34, 171 Dalmases, Cándido de 224 Damiani, Bruno Mario 173 Dangelmayr, Siegfried 24 Dante Alighieri 214 Davis, Charles 34,265 Deacon, Philip 265,316 De Bruyne, Edgar 105 De Cesare, Giovanni Battista 261 Deknatel, Frederick B. 25 Delgado, Feliciano 20 Del Hoyo, Arturo 174 Delpy, Gaspar 196 Demerson, Georges 145,146
Demerson, Jorge vgl. Demerson, Georges Demerson, Paula de 67 De Nigris, Carla 20 Dens, Jean-Pierre 236 Derizet, Antoine 99 Dérozier, Albert 82, 83, 146 Descartes, René 42 Des Maizeaux, Pierre 236 Di Camillo, Ottavio 21 Diderot, Denis 1 0 , 2 8 , 2 9 , 3 0 , 8 1 , 8 2 , 136, 151, 152, 288, 352, 353 Di Pinto, Mario 297 Dolce, Lodovico 172 Dolch, Josef 17 Domínguez Ortiz, Antonio 80, 81 Dominicus Gundissalinus (Domingo Gundisalvo) 19 Donaire, Maria Luisa 263 Dowling, John 63 Doyagiie, Manuel José 310 Dubois, E.T. 278 Du Bos (Dubos), Jean-Baptiste 27, 28, 96, 146, 352 Duhamel du Monceau, Henri-Louis 81 Dupuis, Lucien 84 Durán, Agustín 179 Echánove Tuero, Alfonso 294 Eco, Umberto 11, 106, 189 Einem, Herbert von 128 Elorza, Antonio 61,81,85-89,91-93 El wert, W. Theodor 316 Enciso Recio, Luis Miguel 267 Engels, Friedrich 82 Ensenada, Marqués de la 82 Entrambasaguas, Joaquín de 252, 253, 264 Erasmus, Desiderius 41 Erauso y Zavaleta, Thomás de 58, 97, 198, 199-202, 253-258, 260, 261, 263, 264, 266, 324, 332, 333, 348, 351, 352, 358, 364 Étienvre, Françoise 277
409 Étienvre, Jean-Pierre 40, 250 Etter, Else-Lilly 40 Euklid 47 Eximeno y Pujades, Antonio 11, 69-72, 77-79, 101, 164, 308-315, 318, 319, 323, 337, 338, 344, 347, 363 Eymar, Angel de 290, 291 Fabbri, Maurizio 289,310,315 Farinelli, Arturo 231 Feder, Georg 101 Feijoo y Montenegro, Fray Benito Jerónimo 13, 52, 54-60, 73-77, 80, 92, 97, 98, 104, 128, 140-142, 163, 173, 178, 184-199, 201, 206, 211, 241249, 251, 252, 254-256, 260, 273, 278, 297, 306, 308, 313, 318, 340, 344, 345, 347, 349, 350, 351, 357, 358, 364 Felipe vgl. Philipp Fénelon, François de Salignac de La Mothe 119 Ferdinand VI. von Spanien 46, 50, 55, 84, 251,263,302, 320 Fernández, Justino 72, 157 Fernández Arenas, José 25 Fernández de Moratín, Leandro 63-65, 290, 292, 346 Fernández de Moratín, Nicolás 251, 290, 292 Fernández de Prado, Antonio 328 Fernández Espino, Cayo Jesús 25 Fernández González, Francisco 51, 252, 253, 267, 278 Fernández-Guerra y Orbe, Luis 180 Fernández-Quintanilla, Paloma 163, 251 Fernando VI vgl. Ferdinand VI. Ferrer del Río, Antonio 330 Ferreras y García, Juan de 239-241 Ficino, Marsilio 11,107 Firenzuola, Agnolo 172 Fisher, Stephen C. 101 Floeck, Wilfried 97, 298
Floranes, Rafael de 327 Floridablanca, José Moñino, Conde de 300, 301,361 Forner y Segarra, Juan Pablo 37, 68, 98, 119, 124, 145, 147, 148, 273, 285, 286, 292, 316, 321, 324, 325, 342 Forrester, Donald William 73,311 Franco Mata, Angela 25 Franklin, Elizabeth M. 163 Franzbach, Martin 24 Fraser, Douglas 26 Freudenthal, Max 213 Fricke, Christel 238 Froldi, Rinaldo 263,297 Fuente, Vicente de la 54 Fuentes, Juan Francisco 85 Füssli, Johann Caspar 130 Gabler, Hans-Jürgen 215, 238, 277, 279 Galenus 48 Gállego, Julián 23, 34, 230 Gallego Morell, Antonio 57, 109 Galmés de Fuentes, Alvaro 328 Gamallo y Fierros, Dionisio 193 Gandía, Francisco de Borja, Duque de 224 Gandillac, Maurice de 19 García, Félix 108 García de Arrieta, Agustín 269 García Gutiérrez, Antonio 212 García Hidalgo, José 230,231 García Lorenzo, Luciano 252 García-Pandavenes, Elsa 67 Garcilaso de la Vega 109, 174, 199, 221, 262, 265, 266, 316, 317, 318, 321, 363 Garcilaso de la Vega, el Inca 109, 174, 219, 222 Garcipérez de Vargas, José M. 285 Garin, Eugenio 22 Gay Molins, Luis Francisco 120 Gaya Ñuño, Juan Antonio 23, 31
410 Gendreau, Michéle 229
Halcour, Dieter 106
Gerard von Cremona 19
Hamilton, Mary Neal 7 3 , 7 5 , 3 1 0
Ghelli, Raimondo 128
Hammerstein, Reinhold 17
Ghiberti, Lorenzo 178
Hänsel, Sylvaine 23, 25, 26, 47
Gil Fernández, Luis 40, 293
Härder, Richard 17
Gil y Carrasco, Enrique 212
Harms, Wolfgang 214
Gilabert, Vicente 293
Harvey, E. Ruth 213
Gillispie, Charles Coulston 82
Haydn,Joseph
Glendinning, Nigel 34, 84, 260
Haydon, Glen 73
Godzich, Wlad 66, 198
Healey, F.G. 81
Goldbacher, Alois 105
Hebreo, Leone 109, 174, 219, 222
Gómez Molleda, María Dolores 120
Held, Jutta 95
Gómez Moreno, Angel 2 0 , 2 1
Hellwig, Karin 23
Gómez-Moreno, Manuel 25
Henares Cuellar, Ignacio 157 Hermosilla, Julián de 47
Gondras, Alexandre Jean 216 Góngora y Argote, Luis de
100,101
260, 262,
316, 317
Hernández, Román 177 Herrera, Fernando de
González Bedoya, Jesús 278 González Palencia, Angel
109,174,177,
199, 2 2 1 , 3 2 1
19,63
Hervás y Panduro, Lorenzo 76
Gosebruch, Martin 205
Hewetson, Christopher 99
Goya y Lucientes, Francisco José de
Hidalgo-Serna, Emilio 232, 235, 237
9 5 , 9 6 , 129, 346, 364
Hildebrand, Rudolf 231
Grabmann, Martin 18
Hinterhäuser, Hans 124
Gracián y Morales, Baltasar
15, 24,
174, 175, 186, 196, 197, 231-238,
Hinz, Manfred
174,232,235
Hippokrates 48
242, 247, 256, 292, 332, 350, 357,
Hirdt, Willi 214
358
Hobbes, Thomas 24
Grassi, Ernesto 105
Hocke, Gustav René 178
Gross, Sally 32
Holzapfel, Winfried 214
Guarner, Luis 166
Homer 47, 119, 147, 148, 207, 335
Guellouz, Suzanne 173
Hönisch, Dieter 99, 128, 130
Guerrero Casado, Alfonso 253, 256
Horaz (Quintus Horatius Flaccus)
65,
Guinard, Paul-Jacques 3 9 , 8 9 , 151,267
97, 98, 100, 102, 115, 119, 147, 265,
Gullón, Ricardo 338
272, 273, 276, 277, 3 2 i , 323, 328,
Gumbrecht, Hans Ulrich 29, 338
336, 344, 348
Gutiérrez, Francisco Antonio 70, 337
Howell, Almonte C. 73, 76
Gutiérrez de los Ríos, Gaspar 23
Hoyo Solórzano y Sotomayor, Cristóbal del 249
Guy, Alain 120
Huarte de San Juan, Juan Haase, Erich
172,196
Hugo von St. Victor 19, 33
Hadot, Ilsetraut 17
Hurte, Michael 102
Hafter, Monroe Z. 89 Haibach, Helene Waltraud 301
15,23,24,
111
129, 133,
Hutcheson, Francis 136 Hyginus, Gaius Iulius 49
411 Karl m . von Spanien
Ibn Däwüd, Abraham 19
50, 57, 58, 67,
84, 87, 88, 91, 99, 128, 265, 277,
Iglesias, María Carmen 286
297, 298, 299, 320
Iglesias, Nieves 80, 151
Karl IV. von Spanien 298
Ignacio de Loyola, San 224, 225 Iñiguez, Francisco 110
Kaufmann, Gisela 48, 334
Iparraguirre, Ignacio 224
Kehrer, Hugo 128
Irañeta y Jáuregui, Manuel 80
Keßler, Eckhard 17
Iriarte, Mauricio de 24
Klaniczay, Tibor 106
Iriarte, Tomás de 65, 66, 100, 101, 103,
Klein, Anton 24
104, 273, 323, 333-335, 342, 345
Klein, Hannelore 237
Isabel von Kastilien 2 1 7 , 2 1 8 , 2 2 1
Klein, Robert 2 1 4 , 2 3 1 , 2 3 6
Isidor von Sevilla 18
Klinkenberg, Hans Martin 17
Isla, José Francisco de 1 7 6 , 2 5 0 , 3 1 0
Kloepfer, Rolf 18
Iunius Moderatus
Knabe, Peter-Eckhard
Columella,
Lucius
49, 55
117, 151, 152,
165, 173, 175, 206, 236, 269, 274 Koch, Herbert 82
Jacoubet, Henri 173, 175
Koch, Josef 17
Jäger, Michael
Köhler, Erich
106,107,161
Jákfalvi-Leiva, Susana 109
30, 172, 173, 175, 184,
198, 199
Jansen, Hellmut 174, 231, 332
Kohut, Karl
Jardine, Lisa 24
König, Roderich 172
Jareño, Ernesto 101
König, Johann Christoph 232, 238
Jauss, Hans Robert 27
Körner, Hans 173
Jiménez Salas, Maria 1 4 7 , 2 8 5 , 2 8 6
Körner, Karl-Hermann 232
Jommelli, Niccolò 78
Kraus, Hedwig 101
José Prades, Juana de 227
Krause, Karl Christian Friedrich 128
Jovellanos, Gaspar Melchor de 81, 89,
Krauss, Werner 6 7 , 8 9 , 9 0
18,21,22
90, 91, 104, 145, 146, 147, 164, 165,
Kreis, Karl-Wilhelm 163
282, 284, 285, 290, 291, 326-331,
Kris, Ernst 181
345-347, 362, 363
Kristeller, Paul Oskar 17, 26, 27
Jover Zamora, José María 38 Juan de la Cruz, San 225 Juan Hispano 19 Juan II. von Kastilien 21 Jurado, José 116,148 Juretschke, Hans 1 6 6 , 1 6 8 , 3 3 1 Justi, Carl 23
Krohn, Wolfgang 44 Krömer, Wolfram
52, 115, 117, 184,
253, 279 Kronjäger, Jochen 25 Kurz, Otto 181 Lafarga, Francisco 257, 263, 269
Jüttner, Siegfried 68, 124
Laffranque, Marie 39
Kant, Immanuel 10, 238
Lafuma, Louis 336
Kanthak, Gerhard 4 4
Lameyra, Guillelmo
Karge, Henrik 23, 25, 26
Lampillas (Llampillas), Saverio 316
Karl II. von Spanien 3 8 , 8 4
Lang, Henry Roseman 21
Lafuente Ferrari, Enrique 2 3 , 2 3 1
Lange, Klaus 216
150,177,288
412
Lanz de Casafonda, Manuel 58, 264 La Parra, Emilio 38 Lawrance, Jeremy N.W. 21 Lázaro Carreter, Fernando 35, 36, 111, 119,239 Lee, Rensselaer W. 97 Leibniz, Gottfried Wilhelm 137 Lelis, Carlos Alejandro de 101 Lenz, Christian 107 León Tello, Francisco José 31, 38, 39, 61, 67, 69, 70, 72, 73, 75, 76, 78, 80, 126, 128, 130, 136, 152, 157, 178, 183,202, 307,315 Leonardo da Vinci 94 Lessing, Gotthold Ephraim 24, 97 Lever, Maurice 171 Liebert, Andreas 102 Lindsay, William M. 18 Lista y Aragon, Alberto 166-168,290, 331,354 Llinarès, Armand 19,216,355 Llull, Ramón 19,20,216 Locke, John 24,327 Lomba Fuentes, Joaquín 19 Longinos, Kassios 206-208,336,351 Loos, Erich 173 Lope, Hans-Joachim 84, 324 Lope Blanch, Juan M. 176 Lope de Vega, Félix vgl. Vega Carpió, Lope Félix de Lopez, François 37, 39, 40, 68, 286 López Estrada, Francisco 40 López Pinciano, Alonso 108, 219, 222, 223, 247, 347 López Pinero, José María 37 Lorente Junquera, Manuel 45 Lorenzana, Luis de 125 Loughlin, W.M. 278 Loyola y Oyanguren, zweiter Marqués de la Olmeda, Ignacio de 253, 254 Lüdecke, Winfried 130 Ludwig XIV. von Frankreich 56 Lukács, György 97
Lukan (Marcus Annaeus Lucanus) 49, 250, 262 Luis de León, Fray 108, 109, 198, 321, 328 Lundberg, Mabel 224 Liitcke, Karl-Heinrich 131 Luzán Claramunt de Suelves y Guerra, Ignacio de 51-53,97, 102, 103, 1 l i n o , 137, 251, 253, 254, 261-266, 273, 276, 277, 294-296, 298, 316, 317, 332, 340, 347, 348, 358, 359 Luzán, Juan Ignacio de 251, 254, 261, 263 Macanaz, Melchor de 82, 93 Machiavelli, Niccolò 40 Mackehenie, C.A. 109 Mackenzie, Ann L. 40 Madre de Dios, Fray Efrén de la 109 Maella, Mariano Salvador 129 Maimonides, Moses 21,49 Makowiecka, Gabriela 52, 251 Malón de Chaide, Pedro 109 Mañá, Ana María 80, 151 Mancini, Giulio 231 Mañero Sorella, María Pilar 97 Maravall, José Antonio 40, 67, 285 Marcel, Raymond 107 Marchisone, Delia A. 73 Mariana, Juan de 328 Marías, Fernando 23 Marín, Nicolás 110,111,182,251, 259, 263 Markus, S. 130 Marie, Raimond van 24 Marón, Anton 128 Márquez, Pedro José 72, 157-160, 163, 211,212, 289, 290, 344, 351, 352 Marrou, Henri-Irénée 17 Martí y Zaragoza, Manuel 40, 293 Martial (Marcus Valerius Martialis) 49, 262 Martín Moreno, Antonio 54, 66, 73, 76, 77, 101,307
413 Martínez, Francisco
55, 94, 95, 208-
Michelangelo 249 Micó Buchón, José Luis 152
210, 304, 305
Migliorini, Ermanno 2 7 , 2 8 , 117
Martínez, Jusepe 230
Miliares Carlo, Agustín 92
Martínez, Martín 38 Martínez Colomer, Vicente
123, 124,
Milton, John 119 Mira de Amescua, Antonio 226
331, 337 Martínez de la Rosa, Francisco
148,
Mittelstraß, Jürgen 44 Molina y Saldívar, Gaspar de, Marqués
168, 169, 337
d e U r e ñ a 6 6 , 6 7 , 101, 102, 103, 138-
Martini, Padre Giambattista 70 Masson de Morvilliers, Nicolas 360
141, 273, 284, 344, 345, 352, 353,
Mate, Reyes 67, 232
364
Mayáns y Sisear, Gregorio
37, 38, 40,
Monglond, André 173
69, 92, 126, 127, 176, 206, 218, 277,
Mongrédien, Georges 165
278, 286, 292-294, 351
Montengón, Pedro 289
Mazzocchi, Giuseppe 2 3 8 , 3 1 5
Monterero, Conrado 46
McClelland, Ivy Lilian
Montero de Espinosa, Gerónimo 293
251, 253, 267,
333
Montero Díaz, Santiago Montesa, Carlos 109
Meier, Christel 214 Meléndez Valdés, Juan
55, 73, 184,
186, 196, 2 4 2 , 2 4 7
Mehnert, Henning 24 145, 146, 321,
Menéndez Pelayo, Marcelino
Montesquieu, Charles de Secondat, Baron de La Brede et de
330 12, 31,
52, 70, 109, 110, 113, 120, 126, 129, 136, 142, 150, 152, 157, 160, 184, 193, 197, 199, 230, 242, 251-253, 259, 267, 310, 337, 338
31, 173,
177, 262, 274, 276 Montiano y Luyando, Agustín 264-266, 273, 2 7 6 , 3 1 7 , 3 5 8 Montijo, María Francisca de Sales Portocarrero y Zúñiga, Condesa de 67
Menéndez Pidal, Ramón 2 1 7 , 2 1 8 , 2 2 1
Montjosieu, Louis de 188
Mengs, Anton Raphael 61, 98, 99, 100,
Mora, Carmen 323
128-140, 142, 144, 145, 148, 149,
Mora, José Joaquín de 166
150, 153, 154, 161, 165, 202-205,
Morán Turina, José Miguel 46, 63
210, 300-304, 318, 320, 322, 334,
Moratín vgl. Fernández de Moratín
348,349, 351-354, 3 6 1 , 3 6 2
Moreno, Salvador 101
Mercadier, Guy 261
Moreno Hernández, Carlos 21
Méré, Antoine Gombaud, Chevalier de
Moreto y Cabaña, Agustín 180
236, 237
Moro vgl. Morus
Mérimée, Paul 2 5 1 , 2 5 2 , 2 5 3 , 2 6 3 - 2 6 6
Morón Arroyo, Ciriaco 277
Merino de Jesucristo, Padre Andrés
Morphalazon, Andrés 162, 163
250
Morreale, Margarita 174
Meseguer Fernández, Juan 218
Morsello, Casper Joseph 21
Mesonero Romanos, Ramón de 226
Morus, Thomas 39, 40
Mestre Sanchis, Antonio 37, 40, 238
Munibe e Idiáquez vgl. Peñaflorida
Mette, Hans Joachim 17
Mur Ventura, Luis 252
Mexia, Pedro 8 0 , 2 1 8 , 2 1 9 , 2 2 1
Muratori, Lodovico Antonio
Michel, Karin 52, 115, 116
40, 115-
118, 151, 184, 238, 247, 248, 261,
414 262, 284, 286, 290, 294, 297, 314,
O'Neill, John 20
348,357
Orígenes 213
Murillo, Bartolomé Estéban 231
Orozco Díaz, Emilio 97, 227, 259, 260
Mûris, Johannes de 78
Otero, Francisco 70
Miitherich, Florentine 214
Otero Pedrayo, Ramón 56 Ovejero y Maury, Eduardo 83, 145 Ovid (Publius Ovidius Naso) 185, 321
Naredi-Rainer, Paul von 125 Narros, Marqués de 81 Nasarre y Férriz, Blas Antonio
199,
Pacheco, Francisco 110, 126, 1 9 9 , 2 3 0 Palencia, Alfonso de 215
252-254, 261, 265, 266, 317, 358 Nassarre, Pablo 7 3 , 3 1 1
Pallares Moreno, José 335
Natali, Giulio 172
Palomino de Castro y Velasco, Antonio Acisclo
Navarro Brotóns, Víctor 38 Navarro de Adriaensens, José M.
173,
196, 197, 199, 201, 210, 231, 270,
184
346, 349-352, 364
Nebrija, Elio Antonio de 4 7 , 2 1 5 Nerlich, Michael
13, 31-36, 49, 77, 98, 99,
112, 126, 177-184, 187, 188, 192,
52, 118, 147, 152,
Panofsky, Erwin
181,191
198, 207, 242, 248, 253, 254, 257,
Pantò, Agostino 261
325
Pardo Canalís, Enrique 60, 304
Nero (Nero Claudius Drusus Germani-
Parmeggianino (Girolamo Francesco Maria Mazzola) 203
cus Caesar) 179 Neumeister, Sebastian 174
Pascal, Blaise 336
Newton, Sir Isaac 100
Paterson, Alan K.G. 34
Nicolás Gómez, Salvadora 136
Patiño, José 3 7 , 4 8
Nieremberg, Juan Eusebio
Pedraza, Pilar 127
109, 174,
Pedrell, Felipe 7 0 , 3 1 0
199
Pellegrini, Pellegrino 21
Niewöhner, Friedrich 67, 232 Nipho, Francisco Mariano
34,
124,
Pelzel, Thomas O. 99, 128, 130, 133 Pemán Medina, María 67
267-271, 333, 342, 359, 360 Nivelle de La Chaussée, Pierre Claude
Peña Velasco, Concepción de la 148 Peñaflorida, Francisco Munibe e Idiá-
263, 265 Nocedal, Cándido 91, 104
quez, Conde de
Nordenfalk, Carl 214
177,272-276, 359, 360
65, 81, 119, 176,
Pensado, José Luis 49
Noydens, Benito Remigio 22.8
Perarnau i Espelt, Josep 216 Obrador y Bennassar, Mateo 19
Pereira, Gómez 24
Olaechea, Rafael 136
Pérez Bayer, Francisco 293
Olavide y Jáuregui, Pablo de
89, 296,
297 Olguín, Manuel 152 Olivieri, Giovan Domenico 48 Olmeda, Marqués de la vgl. Loyola y Oyanguren Olmedo, Félix G. 226
Pérez Magallón, Jesús 218, 277, 293 Pérez Sarrión, Guillermo 87 Pérez Valderrábano, Manuel 207 Pérez y López, Antonio Xavier 61, 62, 92, 93, 142-144, 353 Perfahl, Jost 198 Pero Guillén de Segovia 21, 22, 227
415 Perpeet, Wilhelm 11, 105, 106 Perrault, Charles 27 Peter I. der Große von Rußland 56 Petrarca, Francesco 317 Philipp II. von Spanien 47, 226 Philipp III. von Spanien 247 Philipp IV. von Spanien 319 Philipp V. von Spanien 40, 45, 47, 48, 50, 84, 320 Philo von Alexandria 213 Philoaletheias, N. 325, 326, 364 Picot, Abbé Claude 42 Piles, Roger de 202 Pineda, Juan de 218 Piñera y Siles, Bartolomé 80 Piquer y Arrufat, Andrés 38, 120-122, 250, 348 Plantin, Christophe 47 Platon 47, 105, 106, 107, 136 Plautus, Titus Maccius 199, 326 Plaza Santiago, Francisco Javier de la 46 Plinius Secundus d.Ä., Gaius 48, 108, 172, 178, 188 Plotin 105, 106 Poeschke, Joachim 107 Pollin, Alice M. 7 0 , 3 0 9 , 3 1 0 Polt, John H.R. 104,145,327 Ponz, Antonio 61, 98, 129, 133-136, 144, 202, 203, 209, 210, 300-302, 322, 334, 351 Pope, Alexander 119,191 Porcel y Salablanca, José Antonio 259261,263-266, 359, 364 Porqueras Mayo, Alberto 172, 175, 177, 184, 196,212 Pouillon, Dom Henri 105 Prange, C.F. 99 Procter, Evelyn S. 48 Profeti, Maria Grazia 267 Properz (Sextus Propertius) 321 Pruett, James W. 73 Ptolemäus 48 Puigdomènech Forcada, Helena 40
Puppo, Mario 52 Pythagoras 4 8 , 7 8 Quattrocchi, Luigi 105 Quevedo y Villegas, Francisco de 226, 229, 275 Quintana, Manuel José 82, 83, 146, 330 Quintanal, Inmaculada 74 Quintilian (Marcus Fabius Quintilianus) 49, 151, 172, 178,214 Racine, Jean 119 Raffael (Raffaello Santi) 134, 135,202, 209,211,304, 320 Rahn, Helmut 172 Rahner, Karl 213 Rapin, René 278 Rebolledo, Conde Bernardino de 110 Rehfus-Dechène, Birgit 130 Reinhard, Wolfgang 22 Reinoso, Félix José 168 Rejón de Silva, Diego Antonio 94, 123, 136, 148, 149, 205,336, 349 Rekers, B. 47 Rembrandt 135 Ribbans, Geoffrey 40 Río, Angel del 328 Ríos, Vicente de los 206-208, 310 Ríos y Serrano, Demetrio de los 25 Riquer, Martín de 228 Ritter, Joachim 17 Ritter, Manfred 91 Rivero, Casto María del 61 Robbins Landon, H.C. 101 Rodiek, Christoph 338 Rodríguez de Hita, Antonio 75, 76, 306, 307, 322 Roel del Rio, Antonio Ventura 76, 77, 80, 307, 308, 359 Roettgen, Steffi 128 Rojas, Fernando de 173 Roloff, Volker 52 Rousseau, Jean-Jacques 57, 79, 91, 156, 278, 282, 343, 354
416
Rozas, Juan Manuel 227 Ruberg, Uwe 214 Rubín de Celis, Manuel 85 Rudat, Eva Marja 152, 184, 218, 232 Rueda, Lope de 199 Rufo, Juan 199,223 Ruiz de la Peña, Alvaro 85 Rull, Enrique Ruschioni, Ada 115 Russell, Peter 20 Saavedra Fajardo, Diego 63, 64 Sáenz de Santa María, Carmelo 174 Saint-Évremond, Charles Le Marquetel de Saint-Denis, seigneur de 236 Sáinz Rodríguez, Pedro 40, 286 Salvini, Antonio Maria 261 Samaniego, Félix María 81, 101, 124, 334, 335 Sambricio, Carlos 125 Samona, Carmelo 184, 196, 198, 242, 248 Sánchez, Agustín 332 Sánchez, Juan José 338 Sánchez Agesta, Luis 80, 90 Sánchez-Blanco, Francisco 38, 67, 218, 223, 224 Sánchez Cantón, Francisco Javier 23, 45-47, 49, 128, 249 Sánchez de Arévalo, Rodrigo 22 Sánchez el Escéptico, Francisco 24 Sánchez Moreno, José 63 Sánchez Reyes, Enrique 31 San Emeterio y Cobo, Modesto 73 Sanmarti Boncompte, Francisco 40 Santiago Lacuesta, Ramón 20 Santillana, Iñigo López de Mendoza, Marqués de 20, 21, 220, 355 Sanvisens Marfull, Alejandro 120 Sanz Sanz, María Merced Virginia 31, 61, 67, 69, 70, 126, 128, 130, 136, 152, 157, 178, 183,202, 299,315 Sappho 262
Sarmiento, Fray Martín 31, 45-51, 75, 79, 80, 175, 176, 249, 250, 340, 341, 343, 347 Sarrailh, Jean 9, 81, 163, 261 Sauer, August 238 Sayvetz, Aaron 48 Schädlich, Christian 107 Schäfer, Eckart 115 Schalk, Fritz 29, 172, 173 Schiller, Friedrich 198 Schmidt, Albert-Marie 83 Schmidt, Gerhard 316 Scholz-Hänsel, Michael 2 1 , 2 5 , 2 6 , 6 4 Schöndorf, Hildegard 105 Schräder, Ludwig 75, 102, 213, 215, 217, 223,224, 226 Schümmer, Franz 214,215,231 Sebold, Russell P. 82, 176, 184, 191, 198,262 Seco Serrano, Carlos 148 Seignelay, Marquis de 165 Semi, Francesco 105 Sempere y Guarinos, Juan 58, 68, 70, 120, 136, 148, 278, 297, 298, 320 Seneca, Lucius Annaeus 21, 33, 34, 49 Seoane, Luis 55 Seroni, Adriano 172 Serrerà, Juan Miguel 25 Severin, Dorothy S. 40 Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper, Earl of 237 Simon, Pierre-Henri 173 Simón Diaz, José 251 Smith, Gregory 237 Smith, Paul Julian 34, 265 Solalinde, Antonio G. 19 Solano, Don Apolinar 119, 291 Solar-Quintes, Nicolás A. 101 Soler, Antonio 77, 78, 306, 344 Soria Olmedo, Andrés 109 Spadaccini, Nicholas 66, 198 Spedding, James 24 Speli, Jefferson Rea 57, 81
417 Spitzer, Leo 34
Torrente Ballester, Gonzalo 89
SS. Sacramento, Lucinio del 225
Torrepalma, Alonso Verdugo Castilla, dritter Conde de 259-261, 263-266,
Starbatty, Sieglinde 32
359
Steele, Sir Richard 237
Torrepalma,
Stefani, Gino 7 0
Pedro
Steinwachs, Burkhart 29, 322
zweiter Conde de
Sternagel, Peter 18
347, 348, 364
Verdugo
Ursúa,
110-114,
182,
Stevenson, Robert 70, 101, 152
Torres-Alcalá, Antonio 20
Stierle, Karlheinz
Torres Villarroel, Diego de 2 6 0 , 2 6 1
151,274
Tortosa Linde, María Dolores 251, 253,
Stiffoni, Giovanni 37, 184, 198
259, 264
Strolle, Jon M. 232 Strosetzki, Christoph 23
Tosca, Tomás Vicente 38, 72, 73, 76
Subirá, José 66, 73, 80, 101, 307, 311
Toscano San Gil, Margarita 66
Sutter, Monika 128, 129, 130, 202, 302
Tostado, El vgl. Alonso de Madrigal Treves, Marco 178
Tacitus, Publius Cornelius 40
Trevisano, Bernardo 2 9 7 , 3 1 5 , 3 1 6
Tannery, Paul 42
Trígona, Conde de 126
Tarraga Baldó, María Luisa 48
Trigueros, Cándido María
Tatarkiewicz, Wladyslaw 105, 106, 107 Tavernier, Ludwig 28
89, 90, 95,
146, 147, 148, 251 Tuulio, O.J. 227
Taylor, René 26 Ubeda de los Cobos, Andrés 129
Tejerina, Belén 133 Tercnz (Publius Terentius Afer)
199,
Unger, Hans-Heinrich
326 Teresa de Jesús, Santa
Ulloa, Pedro de 73
Terreros y Pando, Esteban de
102
Ureña vgl. Molina y Saldívar
109,225 62, 63,
Urzainqui, Inmaculada
85, 152, 252,
269, 325, 328
68, 122, 1 2 3 , 2 8 2 , 2 8 3 Terrones del Caño, Francisco 226 Teuber, Eugen 27
Valbuena Prat, Angel 64
Tezmen-Siegel, Jutta 25
Valdeflores, Marqués de vgl. Velázquez
Theophrast 48
de Velasco
Thomas von Aquin 48, 214
Valdés, Juan de
Thomasius, Christian 232, 237, 238
175, 176, 220, 223,
355
Thukydides 250
Valera, Diego de 220
Tibull (Albius Tibullus) 321
Valero, José A.
Tierno Galván, Enrique 41
Valladares de Sotomayor, Antonio
Tietz, Manfred 316
93,
250
Timantes 178
Valmar, Leopoldo Augusto de Cueto,
Tiraboschi, Girolamo 316 Tizian (Tiziano Vecellio)
184,242,246
148, 149,
249, 304, 320
Marqués de 100, 251, 254, 260, 337 Vanderford, Kenneth H. 19 Vargas y Azara, Tamayo de 109
Tomsich, María G. 238, 293
Vargas y Ponce, Joseph de 297, 320
Torre, Alfonso de la 21, 22, 216, 355
Varón Vallejo, Endosio 45
Torre, Esteban 24
Varro, Marcus Terentius 47
418 Weigand, Kurt 156
Vasari, Giorgio 32, 178 Vega Carpio, Lope Félix de
58, 226,
Weigel, Günther 131
226-229, 252, 254-256, 258, 259,
Weise, Georg 178
264, 276, 291, 292, 317, 336, 356
Weisheipl, James A. 1 7 , 1 9
Velázquez, Diego 23, 135, 145,231
Weiss, Julián 2 0 , 2 1
Velázquez de Velasco, Marqués de Val-
Wellek, Albert 102
deflores, Luis José
264-266, 316,
317, 358
Wentzlaff-Eggebert, Christian 52 Werle, Peter
174,232,233
Verdier, Philippe 24
Wickersham Crawford, J.P. 21
Vergara, Juan de 48
Wiechens, Bernward 70
Vergil (Publius Vergilius Maro) 20, 47,
Winckelmann, Johann Joachim
119, 148, 169, 195, 262, 335
128,
130, 131, 152, 304
Vernière, Paul 152
Winkler, Gerhard 172
Viera y Clavijo, Joseph de 49
Wittkower, Rudolf 26
Villalpando, Francisco de 298
Wolff, Christian Freiherr von 136
Villanueva, Diego de 299
Worstbrock, Franz Josef 58
Villarroel, José de 2 6 0 , 2 6 1 , 3 3 7
Würtenberger, Franzsepp 102
Villaverde, Enrique 74 Vii lena, Enrique de 2 0 , 2 1 , 2 1 5
Yahia, Guedella 109
Virrey y Mange, Pasqual Francisco 293
Yelo Templado, Antonio 73
Virués, Cristóbal de 317
Yriarte vgl. Iriarte
Vitruv 110 Vitse, Marc 232
Zamora Sánchez, Germán 298
Vives, Juan Luis 218
Zapata, Diego Mateo 38
Vogt, Wolfgang Georg Paul 327
Zavala, Iris M. 37, 66
Volk, Mary Crawford 23, 247
Zepeda-Henríquez, Eduardo 109
Voltaire
Zeuxis 108, 180-182
81, 257, 262, 274-276, 280,
2 8 1 , 2 8 6 , 3 1 9 , 360 Vossler, Karl 227
Zeval los Ortega, Noe 19 Zorrilla y Moral, José 212 Zúñiga y Castro, Condesa de Lemos,
Wagner, David L. 17
spátere Marquesa de Sarria, Josefa
Wartburg, Walther von 173
de 251, 263, 264
Watts, George B. 81