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German Pages 290 [260] Year 2019
Kurt Grötsch Der Kampf um die Integration
Editionen der Iberoamericana Reihe III Monographien und Aufsätze Herausgegeben von Walther L. Bernecker, Frauke Gewecke, Jürgen M. Meisel, Klaus Meyer-Minnemann Band 21
Kurt Grötsch
Der Kampf um die Integration Afrokubaner als Protagonisten und Autoren in der Literatur Kubas des 19. und 20. Jahrhunderts
Vervuert Verlag • Frankfurt am Main
1989
Meinen Eltern
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Grötsch, Kurt: Der Kampf um die Integration: Afrokubaner als Protagonisten und Autoren in der Literatur Kubas des 19. und 20. Jahrhunderts / Kurt Grötsch - Frankfurt am Main : Vervuert, 1989 (Editionen d e r I b e r o a m e r i c a n a : Reihe 3, M o n o g r a p h i e n und Aufsätze; Bd. 21 ) zugl.: Erlangen, N ü r n b e r g , Univ., Diss. ISBN 3-89354-821-1 N E : Editionen d e r I b e r o a m e r i c a n a / 0 3
© Vervuert Verlag, Frankfurt am Main 1989 Alle Rechte vorbehalten Printed in West-Germany
Inhalt: I. Einleitung 1. Das afrikanische Erbe lebt 2. Von der Dekulturation zur Rekulturation 3. Ein Postulat - schwarze Ästhetik 4. Nommo, das Wort 5. Afrokubanität und Transkulturation 6. Rezeptionsgeschichtliche Fragestellungen
7 11 14 21 23 29
II. Demographische Entwicklungen und Bestimmungen 1. Sklavenhandel und Bevölkerungsstruktur 2. Die chinesischen Kulis und Carmela
33 40
III. Periodisierung Sozial- und literaturgeschichtliche Verflechtungen
44
IV. Das 19. Jahrhundert I 1. Die Zeit der Unruhe: 1817-1844 2. Kuba und die Romantik 3. Die Tertulia um Del Monte 4. Petrona y Rosalía 5. Juan Francisco Manzano 6. Plácido
53 57 63 68 72 79
7. Francisco o las delicias del campo 8. Cecilia Valdés
86 92
V. Das 19. Jahrhundert II 1. Die Zeit des Schweigens und der Befreiung 1844-1868 2. Der zehnjährige Krieg 3. Das 'bufo'-Theater 4. Die Befreiung und José Martí 5. Martin Morúa Delgado: Der Schriftsteller als Politiker und die Protesta Armada von 1912
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VI. Das 20. Jahrhundert: die Integration 1. Hernández Cata La Piel 2. Das Thema des Afroamerikaners im 20. Jahrhundert 3. Gustavo E. Umilia 4. Die Integration der I laitianer auf Kuba
138 149 152 156
101 104 117 126
VII. Afrokuba und die Revolution 1. Revolution und Religion im Widerspruch 2. Die Dimension afrikanischer Religion 3. Die Abakuá 4. Lino Novás Calvo El otro cayo 5. Guillermo Cabrera Infante 6. Die afrokubanischen Erzählungen von Benítez Rojo 7. Raúl Gonzalez de Cascorro Romper la noche 8. Raúl Valdés Vivo Los negros ciegos
160 165 174 180 183 185 190 194
VIII. Disharmonien und Widerstand 1. Literatur und Widerstand 2. Der Tod 3. Die vermeintliche Faulheit 4. Adelantar la raza 5. Die Alten 6. Cimarronaje 7. Zurück nach Afrika
198 203 208 209 212 217 223
X. Schlußbemerkung 1. Nicolás Guillén 2. Miguel Barnet El cimarrón
226 228
Anmerkungen
231
Literaturverzeichnis
247
7
I. Einleitung
1. Das afrikanische Erbe lebt Mit dem Sieg der Revolution im Jahre 1959 wird der Rassendiskriminierung auf Kuba offiziell ein Ende bereitet 1 , die bis dahin diskriminierten und unterprivilegierten Farbigen Kubas finden Aufnahme in das Neue Selbstverständnis des jungen Staates: die Mulattisierung der Kubaner, von José Martí und Nicolás Guillén längst - poetisch - proklamiert, und das Konzept der Transkulturation bestimmen die Diskussion um kubanische, aber auch karibische Identität. Es kommt nun ab 1959 zu einer verstärkten Hinwendung zu dem afrokubanischen Beitrag an dem revolutionären Selbstfindungsprozeß mit der Gründung einer Reihe von Einrichtungen und mit nicht nur wissenschaftlichen Veröffentlichungen auf der Basis der beachtlichen Vorarbeit von Fernando Ortiz, so daß Rogelio Furé zu Recht feststellt: »A partir de 1959 hay un renacimiento en el interés de muchos escritores cubanos por nuestra herencia africana«. 2 Wollte Fernando Ortiz das Afrikanische in Kuba noch in eine kreolische Selbstfindung integrieren, indem es von dem 'Primitiven' befreit werden sollte, verfolgte die Revolutionsregierung in der ersten Phase der Zuwendung zu dem afrikanischen Erbe eine zunehmend wissenschaftlich-materialistische Politik, deren einer wichtiger Agent das 1962 von Furé mitbegründete 'Conjunto Folklórico Nacional de Cuba' war und ist. Gleichzeitig mit dem Entstehen des 'Instituto de Etnología y Folklore de la Academia de Ciencias de Cuba', ebenfalls in den sechziger Jahren, ist das Erscheinen afrokubanisch orientierter Dichtung zu verzeichnen, von der es allerdings nie so viel gab, wie es das eingangs vorgestellte Zitat von Furé vermuten läßt. Verstärkt galt nun die Aufmerksamkeit von Forschern wie Furé der Sammlung und Sichtung von mündlicher Literatur, was schon 1963 zur Publikation der Anthologie Poesía Yorubá führte, herausgegeben von R. Furé, und damit direkt an die Arbeiten von Lydia Cabrera anknüpfte, die der Revolution ins Exil auswich. Aus der Erkenntnis heraus, daß es keine starren Grenzen zwischen einer rituellen und profanen Welt gibt, was Armbruster auch unter der Bezeichnung 'extraokzidentales' Bewußtsein begreift 2 , wurden die afrikanischen Mythen, Gesänge und Tänze aus ihrer religiösen Bindung befreit und auf ihr ästhetisches Element beschränkt. In den frühen sechziger Jahren, als es zu Versuchen afrokubanischer Gruppierungen kam, sich als solche zu manifestieren, wie die 'logias' der Santería-Gemeinden und
8 die Gruppen der 'ñáñigos', gerieten diese in der Praxis durch die Revolutionsregierung in Bedrängnis, und sie wurden in ihrem Auftreten behindert. Gerade diese Gruppierungen, die in ihrer Lebens- und Glaubenspraxis das kulturelle Überleben der Afrokubaner gesichert hatten, eben weil sie nie den Unterschied machten zwischen den profanen und religiös mythischen Inhalten ihrer Tänze, Gesänge und oraler Literatur, mußten in Widerspruch geraten zu einer Revolution, die sich zunehmend sozialistisch und kommunistisch begriff. Im Widerspruch dazu stand die ansteigende Popularität der afrokubanischen Kulte, was zu einem neuen Synkretismus führte, da viele Adepten nicht nur einer afrikanischen Glaubenspraxis, sondern unter Umständen zweien oder dreien folgten. 1986 schätzt Furé die Zahl der Praktikanten auf Millionen, was bei einer Bevölkerung von knapp 10 Millionen Menschen einen beachtlichen Prozentsatz ausmacht: »Es gibt Abertausende, ich würde sagen Millionen, die sie in unserem Land praktizieren«. 4 Interessanterweise sehen die Adepten selbst keinen Widerspruch mehr, afrokubanischen Religionen zu folgen und gleichzeitig aktive Kommunisten oder Sozialisten zu sein, wobei sie sich auch mit der Formel »Yo no creo pero lo repito«5 gegen allzu starke Religiosität abzugrenzen vorgeben. Wurde in den sechziger Jahren ein wissenschaftlich geleitetes Treffen der Abakuá verboten und unterstehen diese heute noch der polizeilichen Aufsicht bzw. Duldung, galt das Kuba zwischen 1959 und 1967 bei den nordamerikanischen Bürgerrechtlem noch als Reiseland, in dem Rassengleichheit tägliche Lebenspraxis hätte sein können. Ähnlich wie bei den Linksintellektuellen der Bundesrepublik entwickelte sich bei den farbigen Nordamerikanern ein bescheidener Revolutionstourismus.6 Die Voraussetzungen dazu waren günstig, da schon die Verfassung von 1902 die Rassendiskriminierung verbot und die Verfassung von 1.940 die tatsächlich praktizierte Rassendiskriminierung erneut zu eliminieren versuchte, wobei sich nach Thomas 7 das Verbot verhältnismäßig gut bewährte. Castro konnte daher auf einer Pressekonferenz am 23. Januar 1959 davon sprechen, daß sich die 'Rassenfrage' auf Kuba nicht in der gleichen Weise stelle wie in den Vereinigten Staaten.8 Der Versuch der afrokubanischen Gruppierungen, unterstützt von nordamerikanischen Bürgerrechtlern, eine eigene gesonderte Identität aufzubauen und zu artikulieren, mußte demnach konterrevolutionäre Züge annehmen und scheitern. Die Assimilation unter dem Verzicht auf eine kulturelle, d.h. auch religiöse Identität, war die Alternative zu einer separaten und ahistorisch verstandenen Manifestation afrikanischen Kulturgutes, wobei die führenden Intellektuellen afrokubanischen Fragestellungen wie Fernando Ortiz und Nicolás Guillén den Forderungen afrokubanischer Gruppierungen ablehnend, zumindest aber unbeteiligt gegenüberstanden.' Zudem gelang es trotz der günstigen Voraussetzungen nicht, den Rassismus der kubanischen Mittelschicht zu überwinden, der sich sowohl in politischen als auch in sozialen Strukturen der revolutionären Gesellschaft deutlich hervorhob. Gerade die nordamerikanischen Bürgerrechtler, die zum Teil auf der Flucht vor dem CIA nach Kuba kamen, wie Robert F. Williams, der von
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1961 bis 1966 auf Kuba weilte, die Black-Panther Mitglieder Raymond Johnson und Earl Farrel hielten der Revolutionsregierung Versagen und diskriminierendes Verhalten vor'O, womit Castros vorherige offene Unterstützung der 'Black Power' Bewegung seit dem Besuch Stokely Carmichaels negative Reminiszenzen auf Kuba selbst schuf. Es ist daher nicht verwunderlich, daß im Anschluß an die erste, grob gliederbare Phase der Revolution von 1959 bis 1966, dem Erscheinungsjahr der Biografía de un Cimarrón nur ein Roman publiziert wurde, der sich des zeitgenössischen Afrokubaners annahm, trotz der relativen Freiheit literarischen Schaffens unter dem Licht von Castros lapidarer Feststellung »Dentro de la Revolución, todo; contra la Revolución nada« 1 1 . Manuel Granados farbiger Protagonist in Adire y el tiempo roto (1967) ist am Revolutionsgeschehen beteiligt und erlebt die Schwierigkeiten einer radikalen gesellschaftlichen Veränderung. Im September des gleichen Jahres wurde vom 'Grupo de Taller Dramático' und dem 'Conjunto Folklórico Nacional' in dem Stück Maria Antonia von Eugenio Hernández Espinosa die tragische Lebensgeschichte einer Negerin aus einer der verarmten Vorstädte von La Habana uraufgeführt. Eugenio Hernández Espinosa zeigte nicht nur die damalige Aktualität afrokubanischer religiöser Traditionen, sondern durchbrach, ähnlich wie Granados, die oft idealisierte Fiktionalität schwarzer Protagonisten, um diese in ihren realen Kontexten vorzustellen. Der überaus große Erfolg des Stückes schien die Erwartung eines Publikums widerzuspiegeln, das sich durch das Theater eine Hilfe in der Realitätsbewältigung versprach, da zudem die Revolutionsregierung die Hoffnung weckte, auch den Fragen der Rassendiskriminierung und Rassenintegration einen gebührenden Stellenwert in der Diskussion um kubanische Authentizität zu verleihen. »Las 20mil personas (cifra récord) que fueron a verla se enfrentaron por primera vez en el teatro cubano a verdaderos personajes negros: a su risa y su llanto, a su erotismo, a su amor y sobre todo a su impotencia para vencer el medio que los agobiaba.« 12 Die zweite moderne Phase, die in unserem Zusammenhang interessiert, begann mit den siebziger Jahren, als Aurora de Albornoz ein allgemeines und internationales Interesse für die afroamerikanischen Kulturen wahrnahm, wobei die Karibik im vorläufigen Mittelpunkt des Interesses stand. »A partir ... de 1970 ha habido un renacer del interés en la poesía afroantillana, afroamericana, negrista o negroide«.'3 Das wiedererwachende Interesse war auch deshalb von Bedeutung, da bis zu diesem Zeitpunkt die Untersuchungen der Präsenz oder der Beteiligung von Afroamerikanern in der gesamten lateinamerikanischen Literatur vernachlässigt wurde. Erst ab den späten sechziger Jahren wurden außer den schon bekannten geographischen Räumen mit hohen schwarzen Bevölkerungsanteilen wie Brasilien und die Karibik auch andere
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literarische Räume in die Untersuchung integriert: das Rio de Ia Plata-Gebiet, Peru, Ekuador und Kolumbien, wobei die Analysen von Prosaliteratur im Vergleich mit den umfassenden Studien zur Lyrik einen geringen Raum einnahmen. Obwohl die Lyrik zunächst im Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit stand, mit einer Neubewertung des Negrismo, gewann die Prosa zunehmend an wissenschaftlicher Gewichtung. Im Auftakt der Beschäftigung mit den Afroamerikanern verfaßte 1969 Pedro Barreda seine Dissertation La caracterización del protagonista negro en la novela cubana. Im Schlüsseljahr 1970 erschienen dann drei richtungsweisende Studien und Anthologien, die aber noch der Poesie den Vorzug einräumten: Ildefonso Pereda Valdés Lo negro y lo mulato en la poesía cubana, Wilfred Carteys Black Images und Rosa E. Valdés Cruz La poesía negroide en América. Der Strom an Publikationen in Bezug auf 'Afroamericanidad' sollte im internationalen Bereich ab 1970 nicht mehr abreißen, wobei ab Mitte der siebziger Jahre auch auf Kuba zunehmend Neuauflagen und Studien zu verzeichnen waren, nicht zu vergessen die Publikationen der exilkubanischen Gemeinde, die ebenfalls die Afrokubaner als Bestandteil ihrer Identität verstand und versteht. 1971 folgte das grundlegende Werk Lemuel Johnsons The Devil, the Gargoyle, and the Buffoon, und im selben Jahr veröffentlichte Hilda Perera ihre Studie Idapo: el sincretismo en los cuentos de Lydia Cabrera. 1972 legte Hortensia Ruíz del Vizo zwei Anthologien vor Black Poetry of the Americas und Poesía negra del Caribe y otros áreas. Alberto N. Pamies und Oscar Fernández de la Vega griffen 1973 die These Ruíz del Vizos von einer 'New School of Black Poetry' auf und verarbeiteten sie in ihrer Studie Iniciación a la poesía afroamericana, während im selben Jahr Monica Mansours La poesía negrista auf dem Markt erschien. Enrique Nobles Literatura afro-hispanoamericana: poesía y prosa de ficción integrierte 1973 zum ersten Mal ausführlich auch Prosatexte in die Untersuchung. In den Jahren 1974 bis 1975 wurden dann weitere Anthologien und Studien publiziert, die sich neben der Lyrik zunehmend auch den Kurzgeschichten widmeten. 1976 kamen sechs Werke auf den Markt, wobei neben drei Anthologien und einer Studie zu Lydia Cabrera zwei grundlegende Werke zur Sozial- und Literaturgeschichte der Afroamerikaner erschienen: Richard Jackson The Black Images in Latin America und Leslie B. Rout The African Experience in Spanish America: 1502 to the present day. 1977 folgte ein ebenso wichtiges Werk, nämlich Miriam De Costas Blacks in Hispanic Literature, Critical Essays, in deren Spuren 1978 die Sammlung von Studien Homenaje a Lydia Cabrera trat. 1979 gab dann Richard L. Jackson sein fundamentales Werk Black Writers in Latin America heraus, womit das Eis endgültig gebrochen war. In den achtziger Jahren erschien dann eine Vielzahl von Publikationen, die immer differenzierter auf die Sozial- und Literaturgeschichte der Afroamerikaner in Lateinamerika eingingen. Auf Kuba erlebte das Interesse an der 'schwarzen Vergangenheit' ab 1975 neue Impulse, was sich durch Neuauflagen fast aller afrokubanischer, romantischer und abolitionistischer Texte des 19. Jahrhunderts bestätigte. Manzano und Plácido er-
11 weckten erneut Aufmerksamkeit, zum Beispiel in einer Studie von Roberto Friol Suite para Manzano (1977), wobei allerdings auch in nordamerikanischen Forschungszentren in Bezug auf Einzelfragen zur kubanischen Literaturgeschichte gearbeitet wurde und kritische Werkausgaben, deren Ergebnis z.B. Ivan Schulmans Herausgabe von Manzanos Autobiographie 1975 und Frederick Stimsons Untersuchung über Plácido waren. 1977 veröffentlichte Furé das zweibändige Werk Poesía anónima africana und Manuel Moreno Fraginals legte eine Sammlung von Aufsätzen zur Literatur- und Sozialgeschichte vor: Africa en América Latina, der 1978 eine der grundlegendsten Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Kubas überhaupt folgte: El ingenio, complejo económico social cubano del azúcar. Im selben Jahr 1981, als Cecilia Valdés in der Biblioteca Ayacucho erschien, wurde auf Kuba zum ersten Mal seit dem Sieg der Revolution von 1959 die Bevölkerung Kubas in einer Volkszählung auch wieder nach ethnischen Kriterien erfaßt, womit die dritte und aktuelle Phase einer Neudefinierung des Konzeptes der 'mulatez' der kubanischen Selbstbestimmung eingeleitet wurde. 1976 schon stellte Leslie B. Rout eine »slowly emerging black identity in Cuba« fest, die allerdings durch ökonomische Probleme und materielle Notwendigkeiten in ihrer vollen Entfaltung behindert wurde: »The necessity of making the Revolution a success took precedence over Negroid-solidarity - at least to the present«.! 4 Nachdem die Jahre der Entbehrungen mit den beginnenden 80er Jahren überwunden waren, die Elementarbedürfnisse befriedigt werden konnten, schien man auf Kuba die Frage nach der Identität neu zu formulieren, wobei gerade die Diskussion religiöser versus materialistisch-wissenschaftlicher Lebenspraxis nicht mehr geführt wurde, sie koexistieren heute.
2. Von der 'Dekulturation' zur 'Rekulturation' Über die Jahrhunderte der auch kulturellen Unterdrückung der afrikanischen Sklaven, in denen sie den furchtbaren Prozeß einer 'déculturation' zu erleiden hatten und nur heimlich ihre kulturellen Güter bewahren konnten, brachte die Geschichte der Afrokubaner mit der Erkenntnis einer Transkulturation eine Neubewertung afrokubanischer Kultur im gesellschaftlichen Kontext Kubas mit sich, die mit dem Aufflammen der Diskussion um die 'afrocubanidad' in den achtziger Jahren eine Richtungsänderung erfuhr. Galt nach 1959 das von der Revolution verordnete Prinzip, daß alle Kubaner kulturell und politisch gleich wären, Guillén spricht von der 'mulatez' der Kubaner,'5 scheint sich heute die Erkenntnis durchzusetzen, daß die postulierte Transkulturation in beiden Richtungen einen Stillstand erreicht hat, der nicht der gewünschten Gleichheit entspricht. Der kulturelle Druck der Weißen war auf Grund soziopolitischer Umstände stets wesentlich größer als die Kräfte, die die Schwarzen
11 entgegensetzen konnten. In dem Gefälle weiß-schwarz kam es nur in der Musik und im Tanz zu einer gewissen gegenseitigen Beeinflussung, während andere kulturelle Manifestationen wie Literatur und Malerei erst spät Spuren afrokubanischer Präsenz aufweisen. Wie es sich nun f ü r heute abzeichnet, nimmt der Druck der afrokubanischen Bevölkerung in dem dynamischen Transkulturationsprozeß wieder zu, wobei allerdings ein gefestigtes und deutliches Bewußtsein von »afrocubanidad« nötig war und ist. Wie zu vermuten ist, setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, daß zwar eine bestimmte und abgrenzbare Transkulturation stattgefunden hat, wobei jedoch kulturelle Eigenheiten und Verhalten von einer Seite nicht aufgegeben wurden und dieser bewahrte Teil von dem Gegenüber zwar als existent anerkannt wurde, aber in seinen Ausmaßen nicht nachvollzogen werden konnte oder dieser es nicht nachvollziehen wollte. Die daraus resultierende kulturelle Distanz wird zur Zeit auf Kuba ausgemessen. Es gilt nicht mehr, alle Kubaner als Mulatten kennzeichnen zu wollen, sondern die jeweils ethnisch anderen, in diesem besonderen Fall die Afrokubaner, in ihren speziellen kulturellen Wurzeln zu erkennen und zu respektieren. Diese 'neue' Realpolitik der kubanischen Revolution, die den Afrokubanern hilft, eigene kulturelle und historische Besonderheiten gegenüber den weißen Kubanern zu suchen und zu betonen, enthüllt die immer wieder notwendige Flexibilität einer 'revolución en marcha' und fordert dazu auf, Konzepte wie 'transculturación', 'mulatez' und 'afrocubanidad' neu zu definieren und zu diskutieren. Die Transkulturationsprozesse, die, wie Armando Jaime'6, Soziologe am 'Conjunto Folklórico Nacional de C u b a ' feststellt, lebendige und andauernde Vorgänge sind, können nicht ohne die Problematik des Rassismus betrachtet werden. Der Rassismus, als Erbe der Sklaverei, Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts pseudowissenschaftlich untermauert, bediente sich der verschiedensten Register von Verhaltens- und Denkweisen, die fest in den Substrukturen menschlichen Bewußtseins verankert sind. 17 Gelang es der Revolutionsregierung, die seit 1902 theoretisch existierende Gewähr für ein gleichberechtigtes Zusammenleben der Rassen in allen Bereichen durchzusetzen, hat sie heute noch mit der Aufgabe zu kämpfen, eben jene mentalen Spuren des Rassismus deutlich zu machen und zu eliminieren. Die Hauptlast dieser aufklärenden Arbeit können hier vor allem auch nur die Betroffenen leisten, nämlich die farbigen Intellektuellen Kubas. Aus diesem Selbstverständnis heraus schöpft der Regisseur Sergio Giral sein kreatives Engagement. Seine Filme, auf literarische und historische Vorlagen basierend, versuchen, den historischen Hintergrund zu schaffen für ein zeitgemäßes und offenes Zusammenleben in einem noch gärenden Transkulturationsprozeß. In El otro Francisco (1974), eine cineastische Replik auf den Roman von A. Suárez y Romero Francisco o las delicias del campo (1839) verzichtet Giral auf die vordergründige Darstellung der Handlungsabläufe des Buches und betont den soziohistorischen Aspekt des Werkes von Suárez y Romero, um die vielfachen Leiden der Sklaven des frühen 19. Jahrhunderts seinem Publikum vor Augen zu führen. Spektakulärer und einfacher ist die Handlungsführung in El Rancheador (1977), einem
Ii Film, der auf die von Pedro José Morillas veröffentlichten Aufzeichnungen eines Sklavenjäges (1856) zurückgreift. Ebenfalls im 19. Jahrhundert angesiedelt ist die Handlung des Films Maluala (1979). Giral orientiert sich hierbei an der Existenz der Palenques im Osten der Insel und beruft sich wie César Leante in seinem Roman Los guerrilleros negros (1980) auf die historischen Ereignisse von Flucht und Widerstand in den Cimarronensiedlungen und deren Verrat durch List und Betrug der weißen Unterhändler, wobei Wortbrüche und Verrat durch die weißen Gegner nicht nur Toussaint Louverture in die französische Kerkerhaft gebracht hatten, sondern kennzeichnend für die Bekämpfung der Palenques im gesamten karibischen Raum waren. 1986 sollte dann der schon abgedrehte Film Plácido in den Kinos erscheinen, wobei sich Giral wiederum an einer literarischen Vorlage orientiert, nämlich an Gerardo Fulledas gleichnamigem Theaterstück (1980). Hier steht die Darstellung der Psyche des Mulattendichters im Zentrum der filmischen Betrachtung, seine innere Zerrissenheit im Konflikt zwischen den beiden ethnischen Gruppen. Stellt Jesús Guanche in seinem Vortrag über die "Influencia africana en los cultos sincréticos cubanos" am 23. April 1986 fest1», daß mit dem Sieg der Revolution 1959 ein neues Rassenbewußtsein entstanden ist, »una nueva conciencia racial«, so weist ihn das als profunden Ideologen aus, der die Lebenspraxis eines nur teilweise transkulturierten Kubas in seine theoretischen Überlegungen nicht einfließen läßt. Die Distanz zwischen den Bevölkerungsgruppen ist noch nicht überwunden, was selbst Fidel Castro auf dem dritten Kongreß der kommunistischen Partei Kubas im Frühjahr 1986 einräumt. Widersprüchlich ist ebenfalls die postulierte Überwindung des Terminus 'afrocubanidad' und die Betonung eben jener 'afrocubanidad' nicht nur in jenen berühmten, wenn nicht sogar in kubanischen Kreisen als berüchtigt verrufenen und folkloristisch aufgemachten »Afro-Cuban-Shows« für Touristen, sondern auch in der seriösen Institution des »Conjunto Folklórico Nacional de Cuba«, das trotz des neutralen Titels sich fast ausschließlich dem afrikanischen Erbe widmet und auf seinen Tourneen Kuba »la isla más blanca del caribe« als afrikanische Attraktion anpreist. Damit wird im heutigen Kuba eine Entwicklung der Profanisation sichtbar, die Fernando Ortiz noch 1951 am Beispiel von Barbados kritisiert und für Kuba auf Grund der religiösen Ernsthaftigkeit der afrokubanisehen Glaubenspraxis für unwahrscheinlich hält und auch zurückweist: »Si las figuras de los 'diablitos' y máscaras sagradas no han aparecido aún en los teatros y cabarets de Cuba no es por falta de espectacularidad, sino porque aún desempeñan sinceramente sus funciones en la vida popular e inspira temor al usarlas profanamente fuera de los ritos. En la isla de Barbados, donde ya ciertas tradiciones religiosas de Africa se han perdido entre los descendientes de los antiguos esclavos, algunos jóvenes insulares, entre carrera y carrera del hipódromo, entretienen a los turistas y a los mismos nativos, bailando con caretas y 'vestidos de mujer' y pidiéndoles luego una propina. Lo cual es si como ante los turistas
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que en invierno vienen a Cuba les saliera un 'diablito ñáñigo' o un 'Chango montao' a bailarle piruetas grotescas, por unas monedas. Tamaña profanación no se da en Cuba. ¡Aún vive la f e ! « "
3. Ein Postulat - schwarze Ästhetik Wie gezeigt, ergibt sich in der Diskussion um den Begriff der Afrokubanität die Dichotomisierung zwischen einer weißen und einer 'schwarzen' Schreibweise. Auch Martha K. Cobb untersucht die Beziehung einer postulierten schwarzen Ästhetik zu den traditionellen europäischen Schreibweisen und betont die Distanz des weißen Autors zum Sujet, die sich unter anderem in den Erzählperspektiven niederschlägt, da die »... images of plantation life conceived out of the feelings and memories of a black writer would bear little resemblance to images created from a white point of view.«20 Martha K. Cobbs nachvollziehbares Ergebnis der Analyse von Arbeiten von Jacques Roumain, Langston Hughes und Nicolás Guillén impliziert ein Fortwirken der Sklaverei als kollektives Trauma im Bewußtsein der Autoren des 20. Jahrhunderts, verstärkt durch den jeweiligen Rassismus als Erbe des Kolonialismus. Dichten als Vergangenheitsbewältigung bedeutet somit auch das Fortwirken einer 'schwarzen' Ästhetik in der poetischen (Selbst-)Realisierung moderner Autoren, womit auch im späteren 20. Jahrhundert Unterschiede zwischen weißen und farbigen Autoren, trotz Überwindung des Rassismus, auszumachen sein dürften. Es ist aber dennoch Vorsicht geboten beim Feststellen afroamerikanischer Tiefenstrukturen im Werk farbiger Autoren, mit deren Hilfe eine 'schwarze' Ästhetik nachgewiesen werden soll, denn allzu oft ist der Wunsch Vater des analysierenden Gedankens, was u.a. zu ideologisch ausgerichteten Analyseergebnissen führen kann. Leichter scheint es im umgekehrten Fall zu sein, nämlich weißen Autoren eine rassistische Verwendung negativer Stereotypen zu beweisen, wie es Turner an der Untersuchung des Romans von Jorge Amado Jubiabá (1935) gelingt^i und auch in César Leantes Los guerrilleros negros (1980) zu beobachten ist. Andererseits glaubt Boyd schwarzen Autoren des 19. Jahrhunderts, die sich inhaltlich, stilistisch und metaphorisch einer 'weißen' Schreibweise verpflichtet haben, trotzdem Spuren einer 'schwarzen' Ästhetik, zumindest aber afroamerikanischer Perspektiven nachweisen zu können. Bei einer Untersuchung der beiden kubanischen Dichter Manzano und Plácido ist dies auch nicht in besonderem Maße problematisch, wobei allerdings keine ausgereiften literaturwissenschaftlichen Methoden vorliegen, um ethnische und kulturelle Seinsweisen stilistisch schlüssig aufzeigen zu können. Methoden der Literatursoziologie sind in diesem Zusammenhang ergiebiger, was J. Jahn auch zu verstehen gibt: ». einmal sind ... die stilistischen
11 Kriterien ... noch umstritten, zum anderen ist das Material, das solche Kriterien enthalten kann, nicht vollständig untersucht.«22 Intertextuelle Strategien der farbigen Dichter des 19. und 20. Jahrhunderts sind dagegen, auf Grund der ausführlichen Informationen über die Kontexte entschlüsselbar, was insbesondere den ethnologischen Arbeiten von Fernando Ortiz, Lydia Cabrera und den folkloristischen Forschungen von Rogelio Furé in den letzten Jahren zu verdanken ist. Der Druck durch die Zensur im 19. Jahrhundert, der die von Calcagno in Poetas de color (1864) genannten Autoren dazu zwang, sich einer 'weißen' Ästhetik zu verschreiben, verursachte ein Mißverständnis zwischen Motivation und literarischem Produkt. Zu erkennen, was die Autoren, die ihre ethnische und kulturelle Herkunft verleugnen, bewußt verschweigen, ist ebenso aufschlußreich, wie die Analyse deutlich afrokubanischer Texte. Zudem ergibt sich die Frage nach den Wirkungen der vielfältigen Neuauflagen, Studien, Filme, Kongresse und Gründungen von Forschungszentren. Tragen diese Entwicklungen dazu bei, ein neues afrokubanisches Bewußtsein zu erwecken, mit »Ideological, political and literary possibilities«, wie es Jerry W. Ward für Lateinamerika insgesamt vermutet?23 Während der Negrismo von Nicolás Guillén eine 'schwarze' Lebenserfahrung widerspiegelt und somit ein Wirklichkeitserlebnis deutlicher als Manzano und Plácido in eine 'schwarze' und authentische Ästhetik faßt, weitet er die zentralen Themen: Sklaverei, Entfremdung, Ausbeutung internationalistisch aus, wobei der ethnische Gesichtspunkt immer stärker vernachlässigt wird. Der grundlegende Unterschied jedoch zwischen nicht-schwarzen Autoren, die über 'schwarze' Themen schreiben, und Texten 'schwarzer' Erfahrung - die Metapher trifft im doppelten Sinn - ist jedoch die persönliche Betroffenheit: »Perhaps what makes the poetry that uses the Black Experience truly 'Black' ist the personal feeling and insight that Black Writers ... invest in their poetry.«24 Aus diesem Grunde sollen in der vorliegenden Untersuchung zunächst Autoren berücksichtigt werden, die selbst afrikanischer Abstammung sind, da diese die Möglichkeit haben , Carpentiers extraokzidentale 'Weitsicht durch eine extraokzidentale We.\terfahrung zu ergänzen, die aber, wie es die Texte zeigen werden, wenig mit dem 'real maravilloso' sondern mit brutaler Ausbeutung und Unterdrückung zu tun haben, weshalb der Zweifel erlaubt ist, ob Carpentiers 'real maravilloso' nicht den selben Evasionskonzepten gehorcht, wie es die anthropologischen Systementwürfe mit dem 'bon sauvage' und dem 'homme naturel' vorexerzierten. Wird gerade in der Poesie die Tatsache deutlich, daß die ethnische Bedingtheit einflußnehmend und motivierend auf die Texte wirken kann, bleibt dies für die kubanische Epik unbelegt. Im Laufe der über 150jährigen Literaturgeschichte Kubas sind bis heute nur zwei schwarze Romanautoren, nämlich Juan Francisco Manzano (1797-1854) und Manuel Granados (1930) sowie der Mulatte Monia-Delgado (1857-1910) nachgewiesen. In den Werken der erwähnten Autoren, insgesamt vier Veröffentlichungen, wobei
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Granados einen weiteren R o m a n in Vorbereitung hat, lassen sich, wenngleich auch manchmal nur sehr schwach, ihre Erfahrungen ablesen, die sie in den Epochen der Sklaverei, Republik und Revolution gemacht haben: »It ist rather ludicrous to think that a Black writer - if he is honest - can project his art without showing some of the scars that racism has inflicted upon him.«25 Zu erwägen und zu überprüfen bleibt jedenfalls Boyds Hypothese, daß Afroamerikaner ihre literarische Welt anders begreifen als Weiße. Es ist offensichtlich, daß sie ihre ethnische Bedingtheit aus der ihnen spezifischen Stellung in der Gesellschaft anders erleben und die entsprechende Literatur anders lesen, als es eine ' w e i ß e ' Literatur vielleicht beabsichtigt. Die Frage, ob allerdings die persönlichen Erfahrungen über die orale Literatur hinaus Einfluß nehmen auf Wortwahl, Symbole und Bilder, was Doris J. Turner kontrastiv in der Analyse der R o m a n e des weißen Jorge A m a d o Jubiabä (1935) und des schwarzen Abdias de Nascimiento Sortilegio (1951) herausarbeitet und was am kubanischen Negrismus gezeigt wurde, führt zu dem Zweifel, ob dieser Ansatz für die kubanische Prosaliteratur ergiebig ist. Dagegen steht die in den sechziger Jahren vieldiskutierte Sichtweise Janheinz Jahns, der davon ausging, daß die Hautfarbe eines Autors wenig Einfluß darauf hat, inwieweit er 'schwarze' oder auch ' w e i ß e ' Literatur verfaßt. Jahns Überlegungen zur Definition 'neoafrikanischer' Literatur sind zugleich sinnvoll und widersprüchlich. Grundvoraussetzung zur Abfassung neoafrikanischer Literatur ist seiner Ansicht nach ein lebendiges Verhältnis zur afrikanischen Erzähl- und Dichttradition, von der bestimmte Stilmittel übernommen werden »Durch diese Stilmittel ... ist diese Literatur bestimmt, nicht jedoch durch die benutzte Sprache, noch durch die Hautfarbe des Verfassers.« 2 6 Für die neoafrikanische Literatur Kubas setzt dies, von Seiten der weißen Autoren, eine profunde Kenntnis afrikanischer oraler Literatur voraus, ohne daß dabei berücksichtigt werden muß, inwieweit sich die afrikanischen Traditionen in der Karibik verändert oder angepaßt haben. Mag durch die in Kürze erscheinende umfassende Sammlung mündlicher afrokubanischer Texte, herausgegeben von Rogelio Fure, und vorbereitet durch die entsprechenden Anthologien von Lydia Cabrera, F. Ortiz, Samuel Feijöo 2 7 die Kraft und Originalität afrikanischen Kulturgutes auf der Insel bewiesen werden, gelingt scheinbar nur einem weißen Autor die Übertragung afrikanischer Stilmittel in moderne poetische Texte. Miguel Barnet müßte demzufolge den weißen Dichtern des 'negrismo' kontrastiv gegenübergestellt werden, um zu diskutieren, inwiefern diese auf wirklich 'afrikanische' Stilmittel rekurrierten und sich nicht mit Konzepten wie der 'jitanjäfora' behalfen. Der Kampf u m das soziale Überleben prägte das afrokubanische Selbstverständnis mindestens ebenso stark, wenn nicht sogar stärker als das rein kulturelle Erbe, das aber im Überlebenskampf selbst verfestigt wurde. Aus diesem Grunde spricht Anani Dzidzienyo von einer .dynamischen Afrikanität', definiert als »sociopolitical
17 expressions of these survivals« 2 8 , deren Untersuchung in den postabolitionistischen Gesellschaften innerhalb der afrikanischen Diaspora in Lateinamerika besondere Beachtung verdient, wobei auch Leopold Sedhar Senghor, Nestor der 'Negritude des Sources' die Bedeutung des sozialen Erbes der afroamerikanischen Gemeinden anerkennen muß. 2 9 Um nun den Korpus der zu untersuchenden Texte zu erweitern, ist es sinnvoll in Übereinstimmung mit Janheinz Jahns Ansicht, die 'soziale Indikation' bei der Auswahl von Texten, in erster Linie Romane, neben der biographischen Selektion anzuwenden. Behilflich hierbei sind die Kriterien von Stephen Henderson, die dieser zwar in Bezug auf die afroamerikanische Poesie angewandt hat,30 aber für die Prosa übernommen werden können. Die Auswahl der Texte richtet sich nun nach folgenden Kriterien: 1. Berücksichtigt werden in erster Linie Prosaautoren afrikanischer Abstammung, wobei es unwichtig ist, ob deren Texte afrikanisch orientierten Stils und Inhalts sind. Auf Grund der unterschiedslosen Diskriminierung von Negern und Mulatten und eines gemeinsamen kulturellen Erbes wird zunächst nicht zwischen beiden Autorengruppen unterschieden. In diese Kategorie gehören die Autoren Placido, Manzano, Monia Delgado, Gustavo Urrutia, Manuel Granados und die Poeten N. Guillen, Regino Pedroso, Marcelino Arozarena und Nancy Morejön. 2. Texte, deren Protagonisten Farbige sind, unabhängig von stilistischen Kriterien, wie es Jahn fordert, und von der Hautfarbe der Autoren. In diese Kategorie fällt der größte Teil der behandelten Prosa, wobei Autoren afrikanischen Ursprungs besondere Beachtung verdienen. 3. Texte eurokreolischer Autoren, die in ihren Romanen schwarze und mulattische Nebenfiguren verwenden, da in den Strukturen solcher Texte Haltungen, Vorurteile und ein Bewußtseinswandel festgemacht werden können. Da es gerade in der kubanischen Literatur eine überaus große Anzahl von Texten und Belegstellen dieser Art gibt, gilt diesen Texten nicht das besondere Augenmerk bei der Zusammenstellung des Korpus. Unabhängig von der Kategorisierung der Werke lassen sich nun Charakteristika feststellen, die den von Martha Cobb empfohlenen Kriterien^' bei der Analyse 'afroamerikanischer' Texte entsprechen. Auch bei der Betrachtung kubanischer Texte ist es äußerst sinnvoll zu achten auf 1) die Konfrontation des Protagonisten mit einer fremden und für gewöhnlich feindlichen Umwelt, 2) den Dualismus oder die innere Zerissenheit des Helden zwischen der eigenen Identität und einer dominanten Kultur, 3) die Frage nach dem Selbst, das heißt die Suche nach einer neuen Identität oder die Verstärkung einer alten, und 4) die Befreiung im geistigen, aber auch politischen Sinn. Da die sehr wenig umfangreiche Prosaliteratur farbiger Autoren einer erheblich größeren Zahl an poetischen Texten farbiger Dichter gegenübersteht, ergibt sich zudem die Frage nach den Gründen dieses Mißverhältnisses, das nicht nur durch die Affinität oraler afrikanischer Literatur zu der ebenfalls auf Vortrag angelegten Lyrik
18.
zu erklären ist. Auch die Fragen nach Bildung der Autoren, Möglichkeiten der Veröffentlichung, Möglichkeiten des Schreibens etc. geben darauf eine ungenügende Antwort. Obwohl es außer Zweifel steht, daß sich Gedichte in Zeitungen wie in Diario de la Marina leichter und spontaner veröffentlichen lassen als Prosatexte, scheint die Dunkelziffer der nicht veröffentlichten Romane von farbigen Autoren im Zeitraum von 1825 bis 1986 nicht sehr hoch zu sein. Es mochten der afrokubanischen Bevölkerung künstlerische Ausdrucksformen und -systeme wie Malerei, Musik und Tanz genügen, in die sie sehr viel stärker identitätsstabilisierend eingebunden war als ihre weißen Zeitgenossen. Zudem darf nicht vergessen werden, daß die Sklaven in der Regel aus schriftlosen Gesellschaften in die Karibik entführt wurden und somit einer Romantradition als Ausdrucksform entbehrten. Damit verlöre die von Del Monte und den abolitionistischen Autoren im 19. Jahrhundert postulierte Leistung des Romans an Bedeutung für die afrokubanische Bevölkerung, da jede systematische kulturelle Leistung als 'Text' verstanden werden kann und somit die Leistung einer schriftlich orientierten Gesellschaft, nämlich der Roman, nicht benötigt wird.32 So gut sich diese Hypothese, die durch literatursoziologische Fakten wie Zensur, Verweigerung von Bildung, Rassismus, Behinderung oder Verhinderung der Drucklegung von Texten etc. bedroht wird, auf Kuba anwenden läßt, so bleibt doch deren Allgemeingültigkeit am Beispiel anderer Länder mit schwarzer Diaspora wie Peru, Ecuador, Kolumbien und Venezuela zu untersuchen. Die Geschichte der afrokubanischen Literatur wird zeigen, daß jeder historischen Phase die Phase einer Entwicklung entspricht, die den Afrokubaner geringfügig stärker, aber kaum gänzlich anders darstellt. In der Romantik des beginnenden 19. Jahrhunderts dominiert das Bild des Sklaven, der geistig und physisch zerstört wird, so in Petrona y Rosalía (1838), während zur gleichen Zeit Plácido und Manzano am Dualismus der Kulturen leiden, ein Konflikt, der allerdings erst im 20. Jahrhundert durch Autoren wie Carpentier, Cofiño, und Granados problematisiert wird, wenn er auch schon in den Werken von Bacardi Via Crucis (1910) und Catá La piel (1913) anklingt. Die Frage nach dem Selbst und die Befreiung im geistigen und politischen Sinn wird in der Negrismus-Bewegung durch die Poesie gestellt und teilweise gelöst, doch scheint eine endgültige Klärung von Identitätsfragen erst mit der Revolution von 1959 möglich gewesen zu sein, wobei diese allerdings die Verbundenheit von Identität und Religion unterschätzt hatte. Bei der Analyse von Texten unter Beachtung der von Martha Cobb vorgeschlagenen Kriterien zeigt sich, daß Autoren, die diese Problemstellung für sich selbst lösen oder durchstehen mußten, d.h. die farbigen Autoren Manzano, Plácido, Morúa Delgado, N. Guillén, Granados in ihrer Literatur glaubwürdiger sind als weiße Autoren, die diese Konflikte und Fragen für ihre farbigen Figuren klären wollten, wie Calcagno, weniger Tanco, Rodríguez, Leante, Cofiño. Während der Mulatte Morúa Delgado seine kulturelle Assimilierung nahezu perfekt realisiert, erkennt Félix Tanco die ethnische Distanz zu seinen Protagonisten an und setzt diese als einziger literarisch wirksam um. Ihm gegenüber
19 steht die große Gruppe weißer Autoren, die aus folkloristischen Gründen oder aus fragwürdig realisierter Solidarität versuchen, Verhalten und Psyche ihre afrokubanischen Helden glaubwürdig zu machen oder gar literarisch in die Haut scheinbar schwarzer Erzähler zu schlüpfen. Es ist Francisco Calcagno der aus einem beflissenen Identitätsstreben seine Gedichte mit dem Pseudonym Narciso Blanco 'negro esclavo' unterzeichnet, während der Galicier Crespo y Borbón als dichtender Neger Creto Cangá bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die damals so komisch wirkende Variante des von den Schwarzen gesprochenen Spanisch auf die Bühne des 'bufo'-Theaters bringt. Dagegen praktizieren Manzano, Plácido und Morúa Delgado die Romantik bzw. den Naturalismus in ihrer besten europäischen Tradition, wobei man generell noch nicht von einer kulturellen Durchlässigkeit in beiden Richtungen sprechen kann. Es handelt sich in beiden Fällen um eine intellektuelle Minderheit, die nur bedingt eine tatsächlich stattfindende Transkulturation in ihren Arbeiten widerspiegelt. Die afrokubanische Literatur kann somit nur ein schattiger Spiegel sozialer Entwicklung sein, wobei die Autoren selbst, unabhängig von ihrer literarischen Überzeugungskraft, Repräsentanten einer sich vollziehenden Transkulturation sind. Im Sinne der von M. Cobb entworfenen und gezeigten Bewußtwerdung in der afroamerikanischen Literatur wurde das Konzept der 'mulatez' zum Schlüsselbegriff für das Verständnis afrikanischer Erfahrung nicht nur auf Kuba sondern in ganz Lateinamerika, wobei Senghors Theorie einer Universalzivilisation und Sartres Entwurf einer 'Négritude', vorgestellt in 'Orphée noir' nicht unbedingt Fuß fassen.33 Das Konzept der 'mulatez' soll und kann allerdings überwunden werden durch ein für Lateinamerika neues Klassenbewußtsein, wie es Ascension Lastre, der Held des Romans Juyungo (1943) von Adalberto Ortiz (Ecuador) oder der Protagonist in Jacques Roumains Les Gouverneurs de la Rosée (1944) vorführen. Ausführlicher und bewußter als Julián in Manuel Granados Adiré y el tiempo roto (1967) überwindet Lastre seine an den Rassismus gebundenen sozialen Erfahrungen zugunsten eines Klassenbewußtseins. Die 'mulatez' hat sich somit über den 'negrismo' hinaus zu einem Parameter afroamerikanischer Literatur entwickelt, mit dem die Phasen der ethnischen Konfrontation, des Dualismus und der Identifikation durchschritten und überwunden werden im Sinne eines idealen Zusammenlebens in Freiheit und Solidarität, ohne ethnisch begründete Privilegien oder latenten Rassismus, so wie es Lizardi in seinem Roman El periquillo Sarniento (1816) vorwegnimmt und in der Metapher der Flußinsel in Juyungo als utopisches Modell realisiert wird. Aus der Diskussion um die 'mulatez' wird deutlich, daß die Rassenfrage das Grundproblem einiger, wenn nicht aller Gesellschaften Lateinamerikas ist, was Senghor als Möglichkeit einer prototypischen lateinamerikanischen Gesellschaft der Zukunft schlechthin begreift. Eine Untersuchung des Problems literarischer Afrikanität in Lateinamerika muß sich demnach Sartres Theorie einer »nudité sans couleur« entgegenstellen, da der farbige Amerikaner nicht auf seine ethnische und kulturelle Bedingtheit verzichten kann oder will, auch wenn er sich immer weniger ethnisch
20 begreifen muß. Auf der anderen Seite ist es auch für Kuba fraglich, ob die überwiegend weiße Gesellschaft ihre traditionellen 'weißen' Werte und ästhetischen Modelle, die sich immer noch in Modezeitschriften etc. nachweisen lassen**, zugunsten einer gemeinsamen Idiosynkrasie aufgibt und Platz läßt für ein afrokubanisches Selbstbewußtsein, wie es sich im Straßenbild zum Beispiel immer mehr abzeichnet. Die materialistisch wissenschaftliche Geschichtsinterpretation und Gegenwartsbewältigung kann den kulturellen Reflex er- und gelebter Afrokubanität nicht zulassen, sondern deren mystisch entleerte Erscheinungsformen, die die identitätsbewahrenden afrokubanischen Gemeinschaften nur phänotypisch darstellen. Aus diesem Grunde ließe sich die Unterscheidung vornehmen zwischen einem regierungsamtlich verschriebenen Konzept der Kubanität entsprechend Carpentiers Definition und Zurückweisung des Begriffes 'afrocubano'35 und einer realen Afrokubanität, die eigene Formen des Synkretismus innerhalb des Sozialismus entwickelt. Die Afrokubaner haben ihren Weg beibehalten, sich zwar bereitwillig in die Neue Gesellschaft integriert, ohne sich aber kulturell aufgegeben zu haben, wie sie auch nie den Weg zurück nach Afrika suchten, so wie es zum Beispiel Simone Schwarz-Bart, Roland Brival und Maryse Condé literarisch durchführten. Nichtsdestoweniger leitet das Konzept einer biologischen und kulturellen 'mulatez' über zum Idealbild einer zukünftigen Gesellschaft, die alle toleranten Formen individuellen, nationalen und ethnischen Zusammenseins und Bewußtseins fördert. In dem sozialistischen Kuba verlangt zweifelsohne die Bildung einer nationalen Einheit alle Aufmerksamkeit, während individuelles und ethnisches Bewußtsein zugunsten des Konzepts einer solidarischen Gemeinschaft reduziert wird. Auf Kuba mag der Anspruch auf Anerkennung und Annahme der jeweils anderen und unterschiedlichen Kultur durch die Kennzeichnung einer Transkulturation erkannt worden sein, eingelöst ist er in seiner Totalität bis heute nicht. Das beweist das Eingeständnis Fidel Castros anläßlich des dritten Parteitages der Kommunistischen Partei Kubas im Februar 1986, wobei das Konzept der Transkulturation auf gegenseitige politische und gesellschaftliche Akzeptanz ausgedehnt werden muß. Für die farbigen Autoren bedeutet dies, ihre kulturellen und soziohistorischen Bedingtheiten anzunehmen und zu versprachlichen und nicht die diesen Erfahrungen inhärenten Spannungen zu verleugnen: »the tensions inherent in the black experience by reaching for some preexisting Westem universal«36. Kubanischen Literaturkritikern mag dieser Anspruch als überholt und eingelöst erscheinen, wobei aus dem Mißverhältnis von Millionen, so Furé, praktizierender Gläubiger animistischer Religionen und Angehöriger afrokubanischer Gruppen, und dem Schweigen in der Literatur der Verdacht entsteht, daß der literarische Reflex dieser kulturellen Gegebenheit entweder der Selbstzensur der Autoren oder tatsächlicher Verhinderung zum Opfer fällt. Man könnte dann mit Jackson auf dem Unterschied zwischen 'mestizaje positivo' und 'mestizaje negativo' bestehen, was andere Autoren für andere Länder hervorheben: »black writers in Latin America insist on this distinction«37. Während
21 ' m e s t i z a j e positivo' eine K u l t u r v e r s c h m e l z u n g mit gegenseitigem Respekt meint, bedeutet
der
zweite
Begriff
die
Absorbierung
einer
Minderheitenkultur
als
unterlegene Kultur mit einer gleichzeitigen Diskriminierung ihrer Manifestation. Trotz der in der Musik stattgefundenen Transkulturation oder ' m e s t i z a j e ' bedeutet die A u f w e r t u n g des Katholizismus auf Kuba bei gleichzeitiger Profanisierung afrokubanischer Glaubenspraktiken eine Minderbewertung, w e n n nicht gar Diskriminierung derselben, was Parallelen in den A n s t r e n g u n g e n der katholischen Kirche auf Haiti hat, die nach dem Sturz Duvaliers dem haitianischen V o u d o u K a m p f und V e r f o l g u n g angesagt hatte. Allerdings zeichnet sich seit 1987 auf K u b a eine vorsichtige regierungsamtliche A n n ä h e r u n g an die afrokubanischen G l a u b e n s g r u p p e n ab. Dies führte zu der Duldung des schon in den sechziger Jahren geplanten Kongresses a f r o a m e r i k a n i s c h e r Santeros und Voudoupriester auf Kuba.
4. Nommo, das Wort Die Terminologie in Bezug auf das T h e m a ist oft zweideutig, negativ besetzt und diskriminierend, so daß es notwendig ist, den G e b r a u c h bestimmter Bezeichnungen zu klären. Nach der Unabhängigkeit der Länder Lateinamerikas war das Konzept der Rasse zur Identitätskennzeichnung größtenteils eliminiert, was die K u b a n e r durch den Verzicht auf ethnische Kategorien in den Volkszählungen deutlich m a c h e n wollten, wodurch aber auch die Schwierigkeiten ethnischer K e n n z e i c h n u n g erhöht wurden. In diesem D i l e m m a hilfreich ist Magnus Mörner, der im ersten Kapitel seines Buches Rcicc Mixture
in the history of Latin America
(1967) versuchte, den Begriff der Rasse
zu diskutieren und die damit verbundene Terminologie zu untersuchen.3« Wie M. Mörner ausführt, wären genetische und anthropometrische Untersuchungen n o t w e n d i g ^ , um die Rasse einer Person festzustellen, was aber an den fiktiven Gestalten eines R o m a n s nicht möglich ist und nicht notwendig erscheint, da diese in der Regel allegorisch für die I d e e des A f r o a m e r i k a n e r s stehen. Als A f r o a m e r i k a n e r sollen d e m z u f o l g e alle Personen bezeichnet werden, unterschiedslos o b Neger oder Mulatte, die auf afrikanische Ahnen zurückblicken und in einem lateinamerikanischen U m f e l d a u f g e w a c h s e n sind, das zum Teil durch soziale (Sklaverei, Diskriminierung) oder kulturelle Elemente (Musik, T a n z , orale Literatur, Religion) auf die Fremdheit, d.h. Afrikanität der Person verweist. Die englische B e z e i c h n u n g ' A f r o Mispanic' ist eindeutiger, da die Bezeichnung auch aus den U S A oder den französischen Antillen stammende Personen betrifft. Die B e n e n n u n g des 19. Jahrhunderts 'bozal' für den direkt aus Afrika k o m m e n d e n Sklaven und ' l a d i n o ' f ü r unzweideutig kreolische Sklaven, könnte aber zudem durch die Kennzeichnungen ' A f r o k r e o l e n ' gegenüber der vom ' E u r o k r e o l e n ' ergänzt werden, wären diese Neologismen nicht zu ausgesucht. In der vorliegenden Arbeit werden die Kennzeichnungen ' N e g e r ' und
22 ' S c h w a r z e r ' s y n o n y m verwendet und gelegentlich durch die m ö g l i c h e r w e i s e irreführende, weil u m f a s s e n d e r e Bezeichnung ' A f r i k a n e r ' ersetzt, wobei ' A f r i k a n e r ' nicht n u r auf den genealogisch kulturellen Ursprung verweist, sondern auch, wie das alte W o r t ' b o z a l ' , auf die geographische Herkunft, und die Kondition als Sklave im 19. Jahrhundert. N. Morejón greift daher für den amerikanischen Kontext die Diskussion um die B e z e i c h n u n g auf und stellt schlüssig dazu fest: »En algún que otro texto, impugné ... el término ' n e g r o ' por estimarlo impreciso, inadecuado y anticientífico. Preferí ... utilizar por su precisión y su conotación lógica (científica) el término africano. Curiosamente, h o y descubro que el término negro, por ser el m á s impreciso, es el m á s útil pues nos enuncia una definición tan amplia c o m o el contenido al que v a m o s a aplicarlo. C u a n d o digo 'negro'
estoy
hablando
en términos
raciales.
Cuando
digo africano
estoy
aludiendo a una condición geográfica y, sobre todo, cultural. Un a f r i c a n o no es necesariamente siempre negro. Sin embargo, un negro sí lleva implícito - en lo biológico y en lo cultural - una ascendencia africana. De ahí que a los efectos de n o m b r a r al resultado americano de lo que fue la trata y la esclavitud africana en el N u e v o M u n d o , tenga que recurrir al término de 'culturas negras' para indicar m e j o r tanto su procedencia c o m o su estado real en evolución.« 4 o Neger, Schwarze oder A f r i k a n e r werden in der vorliegenden Arbeit so behandelt, wie sie der Autor dem Leser vorstellt, da eher das Konzept der Autoren von Bedeutung ist, als andere unter Umständen mögliche Z u o r d n u n g e n . In gleicher Weise wird mit dem bedeutungsvollen, aber vagen Konzept des ' M u l a t t e n ' verfahren, wobei das ethnische Verständnis bewahrt bleibt und die kulturelle Mulattisierung bzw. Transkulturation gesondert als solche herausgestellt werden. Der allgemeine Begriff 'Farbige'
soll neutral f ü r die Kennzeichnung beider G r u p p e n , der Neger
und
Mulatten, Einsatz finden, wobei die Bezeichnung eher in den sozialen Bereich zu passen scheint als in das ethnische Verständnis der Diskussion. U m das im deutschen S p r a c h r a u m äußerst negativ besetzte Wort ' R a s s e ' zu vermeiden, wird es in der Regel durch
die
neutralen
Ableitung
wie
'ethnisch'
etc.
ersetzt.
Ausdrücke
und
Bezeichnungen wie Import, Handel, Verkauf in Bezug auf die afrikanischen Sklaven und andere Arbeitsimmigranten konnten trotz ihrer menschenverachtenden Aussage durch keine bessere W e n d u n g ersetzt werden, da die Geschichtlichkeit der kolonialen Sklaverei in Bezug gesetzt werden m u ß mit dem modernen Menschenhandel der chinesischen Kulis und der karibischen Leiharbeiter. 4 1
21 5. Afrokubanität und Transkulturation Das frührevolutionäre Verständnis kubanischer Identität ging von dem Konzept der 'mulatez' aus als Ergebnis einer Transkulturation, wie sie F. Ortiz für die kubanische Sozialgeschichte festgestellt hatte. Diese Entwicklung hatte schon Simon Bolívar abgesehen, als er anläßlich des Kongresses von Angostura 1818 bemerkte, daß es den Lateinamerikanern bewußt sein sollte, weder Europäer noch Nordamerikaner zu sein, sondern eine eigenständige und originelle Mischung von Rassen, zu denen auch die Afroamerikaner g e h ö r e n d Diesem Gedankengang folgend würde die Kubanität, To cubano', die Idee einer abgeschlossenen Rassenmischung und damit einer neuen kulturellen und ethnischen Einheit beinhalten, was die Bezeichnung afro-kubanisch als überholt, wenn nicht sogar als rassistisch erscheinen lassen würde, so Alejo Carpentier: »Afrocubano es un término absurdo, y usarlo equivaldría hoy en Cuba a hablar de la existencia de la que se dio en llamar la negritud. Bajo la influencia creciente de los Estados Unidos, se había desarrollado en Cuba una discriminación que separaba una parte del pueblo, con cultura, del cuerpo de la nación. La eliminación de esta discriminación y el reconocimiento de que negros y blancos son iguales en todos los aspectos de la vida nacional, es una de las victorias más grandes de nuestra revolución.« 4 3 Auch wenn A. Carpentier mit der Anerkennung der Gleichheit zwischen Negern und Weißen in allen Aspekten des kubanischen Lebens recht hat und somit einen Anspruch der Revolution widerspiegelt, so zeichnet sich heute doch das Bewußtsein ab, daß dieser Gleichheitsanspruch nicht in allen Aspekten aufrechterhalten werden kann und soll. Garantierte die kubanische Verfassung seit 1902 in den materiellen Bereichen ein Zusammenleben ohne Diskriminierungen, schälte sich doch immer stärker die Erkenntnis eigenständiger kultureller afrikanischer Erbschaft heraus, die von den weißen Kubanern in ihrer gesamten Dimension nicht nachvollzogen werden konnte. Alle Kubaner wissen um die Transkulturation im Sinne des Terminus von Femando Ortiz, kennen die Geschichte der kubanischen Nation, doch bleibt die Sklaverei nur ein beschränkt kollektives Trauma, deren emotionalen Nachvollzug und Bewältigung die weißen Kubaner nicht leisten konnten. Sie waren und sind zwangsweise in der Rolle des distanzierten Betrachters von Filmen wie Roots, der innerhalb eines halben Jahres (August 1985, März 1986) zweimal dem kubanischen Publikum vorgeführt wurde, empfinden Mitleid, während die Identifikation mit den unglücklichen Protagonisten eher dem ethnisch ähnlichen, d.h. farbigen Publikum gelingt. Die aktuelle Differenzierung fand auf einer psychoaffektiven Ebene statt, die den Bewußtseinsstand der beiden ethnischen Gruppen enthüllt. Die Frage läßt sich nun verallgemeinem im dem Sinn, daß man zu überlegen hat, wie die Schwarzen und Mulatten Kubas auf eine ständige Propagierung des
24. afrikanischen Teils der kubanischen Kultur reagieren. Das T o u r i s t e n g e s c h ä f t mit den zahlreichen, billig und bunt a u f g e m a c h t e n ' A f r o c u b a n S h o w s ' leistet einen nicht zu unterschätzenden Beitrag bei der A u f w e r t u n g und vielleicht Ü b e r b e w e r t u n g
der
' a f r o c u b a n i d a d ' . Glaubte Ortiz noch 1951, daß die festen Strukuren der ñáñigoG r u p p e n die Profanisierung der ihnen eigenen Rituale verhindern würde, m u ß t e er aber damals schon eine A u f w e i c h u n g traditioneller Bräuche zugunsten touristischer G e s c h ä f t e feststellen: » R u m b a m u y aplaudida p o r los turistas forasteros es la de ' H e r r a r la m u í a ' , en la cual la m u j e r hace de bestia, puesta en el suelo ' e n cuatro p a t a s ' y el h o m b r e , de herrador, simula que le va clavando las herraduras. Esta rumba es una de tantas soeces degeneraciones de aquel baile a f r o c u b a n o , inventado para c o m p l a c e n c i a y explotación de turistas estragados, ha perdido toda la gracia salerosa de la mímica que era típica en la original rumba cubana.« 4 4 Somit
entsteht
eine
Realitätsverfremdung,
die
historisch
gemeint,
aber
nie
historisch erklärt, auch nicht ohne Einfluß auf die kubanischen Interpreten und Zuschauer sein kann. Die Emanzipation der A f r o k u b a n e r und die Transkulturation, so wie sie Carpentier mit dem ' s c h w a r z e n ' Ensemble des klassischen Ballets in La consagración
de la primavera
(1978) beispielhaft vorführt, hat mit d e m touristischen
Verkauf von Afrokubanität nichts mehr gemein. ' A f r o c u b a n i d a d ' wird in den Zentren des T o u r i s m u s als Zugeständnis an den Dollartourismus inszeniert, wobei es scheint, daß diese Inszenierung eine ' n e u e ' Realität hervorruft, die sich im Bewußtsein der farbigen Intellektuellen breit macht und deren Bezug zur Wirklichkeit auch Fidel Castro anerkennt, wenn er am 3. Kongreß der k o m m u n i s t i s c h e n Partei m e h r Gleichberechtigung f ü r Frauen und Farbige fordert. »Hay que asegurar una adecuada representación f e m e n i n a con la participación y el aporte importante de las m u j e r e s a la construcción del socialismo en nuestro país ... La composición étnica de nuestro pueblo, unida ... al talento p r o b a d o de m u c h o s compatriotas, que en el pasado eran discriminados por el color de la piel, debe estar justamente representada en los cuadros dirigentes del Partido.« 4 5 Afrokubanität m u ß auch im Z u s a m m e n h a n g mit dem Ortizschen Konzept der Transkulturation diskutiert werden, wobei zu unterscheiden wäre zwischen
dem
Z u s a m m e n f l i e ß e n schwarzer und weißer Kulturen, das gekennzeichnet werden kann als die 'kreolische' Transkulturation gegenüber einer ' p a n a f r i k a n i s c h e n ' Transkulturation, die die V e r m e n g u n g kultureller Güter verschiedener afrikanischer V ö l k e r oder Glaubenspraktiken meint. Das P h ä n o m e n der Fusion einzelner afrikanischer Ethnien wurde von F e m a n d o Ortiz früh erkannt und untersucht, wobei Ortiz auch die Möglichkeit einer Transkulturation zwischen Schwarzen und W e i ß e n in den unteren sozialen Schichten einräumt, die sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts um eine gesellschaftliche Akzeptanz bemüht:
21 »Para llegar a esto fue preciso que algunos estratos sociales resultaran accesibles a la vez a blancos y negros especialmente, donde ambas razas, desde varios puntos de vista, vivieron en un ambiente común favorable a la fusión, o lo que es lo mismo, que las psiquis del blanco y del negro en ciertas capas sociales tuvieran unas mismas exigencias intelectuales, emotivas, etc. que fueran, en fin homogéneas. Y no cabe duda de que así fue en las capas ínfimas de nuestra sociedad, donde la transfusión física y psíquica entre todas las razas ha sido y es intensa.« 46 Aufhebung des realen Rassismus, Koedukation zwischen Schwarz und Weiß etc. und die Erkenntnis einer unterschiedlichen Vergangenheit, die in der kubanischen Gegenwart zwar mit dem Verständnis des jeweils anderen, aber doch alleine bewältigt werden muß, kennzeichnen den Zustand der aktuellen 'mulatez'. Im historischen Rückblick läßt sich festhalten, daß die kreolische Transkulturation im hohen Maße durch eine Neurosen hervorrufende Anpassung der Neger gekennzeichnet war, worüber Frantz Fanon in Peau noire, masques blancs (1952) ausführlich berichtet. Erst 1980 schlägt Samuel Feijóo in El negro en la literatura folclórica cubana eine eingehende Untersuchung des Einflusses der Afrokobaner auch auf die Literatur vor: »Lo que resultó de ellas (las culturas africanas), en sus aspectos orales y en su posterior influencia en las escrituras de los 'cultos' blancos, mestizos y aun posterior negros 'cultos' es tema harto conocido. La transculturación de las formas africanas primigenias en la América se conoce en algunos aspectos parciales.« 47 In mehr und mehr systematisch werdenden Untersuchungen der letzten Jahre soll nun die Tiefe der 'kreolischen' Transkulturation ausgelotet werden, wobei diese Untersuchungen nicht nur wissenschaftliche Erkenntnise vermitteln, sondern gleichzeitig das Selbstwertgefühl der Afrokubaner stärken. Das wiederum hat Einfluß auf die Prozesse einer 'panafrikanischen' Transkulturation, die innerhalb der Santeriagemeinden und Abakuágemeinschaften stattfinden.4» Einer der wichtigsten Aspekte 'panafrikanischer' Transkulturation neuerer Zeit ist das Zusammenfließen der beiden Religionen 'Regla de Palo' und 'Santería' und der Praktiken des Männerbundes der 'Abakuá' oder 'Ñáñigos'. Waren seit jeher Elemente der afrikanischen Religionen innerhalb der Abakuá entscheidend, weswegen man aber trotzdem nicht von einer Abakuá-Religion sprechen kann49, so scheint es nun so zu sein, daß sich die Praktiken der beiden Religionsvarianten und des Männerbundes immer stärker vermengen. Das mag wohl darauf zurückzuführen sein, daß Mitglieder der Abakuá in der Regel auch Adepten des einen oder anderen Rituals sind, wobei gerade ab 1959 von einer zunehmenden Flexibilität der Adepten berichtet wird. Stellt 1985 noch eine Versammlung der 'Babalaos' - Priester der Santería - fest, daß es keinen Widerspruch zwischen der marxistischen Revolution
2Û
u n d den animistischen Religionen gibt - eine Aussage, die Fidel Castro in den Gesprächen mit Frei Betto bestätigt, gehorchte doch bis zu dieser neuesten Ö f f n u n g der Revolution gegenüber den Religionen die afrokubanische Glaubenspraxis gewissen vorsichtigen Verhaltensformen. Sollte der Adept den Pantheon der Götter in den Gestalten der entsprechenden christlichen Heiligen auf d e m eigenen Hausaltar verehren, eine Tradition, die aus Afrika ü b e r n o m m e n wurde, veranlaßten die ideologisch engen Jahre der Revolution, daß die jeweiligen Götter Paten übergeben wurden, so daß im eigenen Haus keinerlei Spuren afrokubanischen Kultes nachzuweisen waren.so Zu untersuchen bleibt gleichfalls die Frage, inwieweit die politisch motivierte Präsenz der Kubaner in Afrika, insbesondere Angola, den kulturellen Austausch gefördert hat, genauer: inwiefern nicht nur die Formen der Santeria nach Afrika reexportiert wurden, sondern gleichfalls durch die k ä m p f e n d e Truppe Elemente und Impulse afrikanischen Selbstverständnisses aus Afrika in die kubanische Heimat zurückgebracht wurden. Alejo Carpentiers vorangestellte Bedenken gegen den Begriff der Afrokubanität können somit im Kuba der 80er Jahre zurückgewiesen werden: Afrokubanität bedeutet die Akzeptanz verschiedener ethnischer Ursprünge, die Akzeptanz der Farbigen Kubas mit einem ästhetischen Ideal, das sich gegen die Dominanz weißer Idiosynkrasien wendet. W e n n Gerardo Alfonso in den Texten der 'nova trova' über sich, seine Hautfarbe und gekräuselten Haare singt, entspricht das d e m Verhalten schwarzer Frauen, die ihre Haare nicht mehr glattsträhnen, sondern sie im Stil afrikanischer Moden zu Zöpfchen flechten. Damit bieten sie eine neue Alternative zu den kubanischen Modezeitschriften, die ihre äußerst wenigen schwarzen Modelle nach europäischen Idealen gestalten. Ob man allerdings, wie Jacques Gilard von dem A u f k e i m e n einer neuen, kubanischen Variante der 'négritude' sprechen kann, bleibt an den weiteren Entwicklungen zu überprüfen.51 Jedenfalls scheint die kubanische Gesellschaft die zunehmende ästhetische und kulturelle Manifestation nicht mehr als transkulturiertes Gut assimilieren zu wollen, sondern kann dieses aufkeimende Selbstverständnis der afrokubanischen Minderheit akzeptieren, ohne die revolutionäre Einheit gefährdet zu sehen. Aus diesem Grunde rechtfertigt sich auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Untersuchung die Frage, inwieweit die ' s c h w a r z e ' Erfahrung afrokubanischer und eurokubanischer Autoren in der Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts sichtbar wird, wobei der Einfluß von ethnischen Faktoren in der lateinamerikanischen bzw. kubanischen Literatur noch unzureichend untersucht worden ist. Das Konzept der Afrokubanität ist ohne die Realisierung des poetischen A f r o k u b a n i s m u s k a u m vorstellbar. Als sich in den zwanziger Jahren eine teilweise stärker nationalistisch orientierte Literatur den Neger nicht mehr nur als Objekt, sondern gelegentlich auch als Subjekt der Geschichte sah
27 »... entwickelten im karibischen Raum Gruppen kritischer Intellektueller ... ihre Auffassung von der Rolle der Massen im revolutionären Befreiungskampf und der Beteiligung der Neger innerhalb dieser Bewegung«52, so daß sich die Neger über das eurozentristische und exotisierende Interesse hinaus als integraler Bestandteil der ausgebeuteten Massen sehen konnten. In einem Plädoyer für die enge Verbindung von Literatur und Sozialgeschichte läßt sich nun deutlich machen, wie in den Jahren der Weltwirtschaftskrise die kubanische Zuckerrohrernte um über die Hälfte von 5 Millionen Tonnen auf 2 Millionen zurückging, der Zuckerrohrpreis um zwei Drittel sank und mit den massiven Protesten gegen den Diktator Machado 1930, den 'tropischen Mussolini', die Negrista-Bewegung in Erscheinung trat, da, so Franzbach, die Neger Kubas einen erheblichen Anteil an den Widerstandsbewegungen hatten.53 Die dreißiger Jahre markierten somit die Epoche, in der das Konzept der Afrokubanität nicht nur ethnisch und kulturell, sondern auch politisch an Profil gewann. Es war der Mulatte Nicolás Guillén, der, neben dem Ethnologen Ortiz, die Unauflöslichkeit einer Transkulturation zwischen europäischen und afrikanischen Kulturen zu einem Konzept kubanischer Identität formte, die das Präfix afro idealiter überflüssig machte und durch das Konzept der Mulattisierung ersetzt werden konnte. In der kubanischen Schöpfung des ' S o n ' brachte Guillén das Zusammengehen afrikanischer und europäischer Kulturen zum Ausdruck, wobei er diese Entwicklung immer stärker politisch begriff und durch den Wandel vom Rassen- zum Klassenbewußtsein vorwärts trieb: »Mit der Entwicklung des afrokubanischen 'Son' zum politisch-revolutionären Song konturierte Guillén die Negergestalten schärfer und ordnete sie in das Heer der Unterdrückten ein. Die frühe Erkenntnis, daß die Lösung des Negerproblems nur nach einem grundsätzlichen revolutionären Umwandlungsprozeß im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bereich möglich sei, ließ ihn alle seine künstlerische und agitatorische Kraft in den Dienst dieser zukunftsgewandten Aufgabe stellend 4 Während aus dem Afrokubanismus heraus auf ein Verständnis nationaler Identität zugegangen werden konnte, die 'négritude' dagegen sehr viel stärker von Negation und dem Beharren auf ein eigenes Wesen bestimmt war, scheint es doch so zu sein, daß das kulturelle Erbe der Europäer und Afrikaner statischer ist und von politischen Ansprüchen und sozialen Veränderungen weniger schnell bewegt werden kann als es der revolutionäre Anspruch Guilléns und die Revolutionsregierung wahrhaben wollen. Dies bedeutet trotz stattfindender Mulattisierungsprozesse die Existenz ethnischer und kultureller Pole auf Kuba, deren soziale Einbindung in die Revolution nicht mehr diskutiert zu werden braucht. Aus diesem Grund ist es erneut legitim, den Begriff der Afrokubanität zu verwenden, ohne von einer sich absondernden negristischen Haltung zu sprechen oder sich dem Verdacht konterrevolutionärer Ansichten aussetzen zu müssen.
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Das Konzept der Afrokubanität wird gleichzeitig von den Exilkubanern in seiner aus den dreißiger Jahren übernommenen Form folkloristisch verwendet, u m somit einen Teil des Identitätsverlustes auszugleichen, der mit d e m Verlassen der Zuckerinsel entstand. Ohne die sozialen Implikationen der Afrokubanität nachzuvollziehen, gilt das nostalgische Interesse der Exilkubaner dem Verlust einer sozial differenzierten, gemischtrassischen Gesellschaft, deren bunte und mystische Aspekte aus dem Gedächtnis heraus nachvollzogen werden: Dieser Eindruck entsteht zumindest im Spiegel der Publikationen von Autoren der exilkubanischen Gemeinde. Im Zentrum der exilkubanischen Aufmerksamkeit stehen folkloristische Forschungen und Textsammlungen von Erzählungen, Legenden und Sprichwörtern, gefolgt von Studien über die afrokubanischen Religionen, Anthologien und Studien afroamerikanischer Gedichte, wobei sich gerade die Verlage Universal und Cubamerica in Miami als Zentren exilkubanischer Produktionen erwiesen haben. Kennzeichnend für die exilkubanische Literatur afrikanischen Schwerpunktes bleibt die zeitliche und ideologische Distanz zu dem verarbeiteten Korpus, was sich gerade in den Studien zur afrokubanischen Religiosität durch positivistische Arbeitsweisen belegen läßt, die allzu bekannte Aussagen in wenig verschiedenen Formen immer wieder auf den Markt bringen, so wie das 1983 erschienene, u m Aufmerksamkeit heischende Büchlein Los secretos de la Santería von Agun Efundé. Die Afrokubanität spielt nun trotz widersprüchlicher Meinungen in einem nicht zu bestreitenden Ausmaß eine zunehmende Rolle im Selbstverständnis Kubas von heute. Inwieweit sie allerdings in die erzählende Dichtung eingegangen ist, bleibt zu überprüfen. Insofern ist der Kulturoptimismus Feijóos zumindest in diesem Aspekt in Frage zu stellen. »... Pero es Cuba el patrón, no solamente de la literatura oral sino de la escrita, por negros, mulatos y blancos, influidos por la cultura general de los esclavos africanos y sus descendientes.«55 Während der Jahre der Sklaverei mußten die Sklaven und deren kreolische Nachkommen im Sinne des eigenen kulturellen Überlebens eine eigene starke folkloristische Sub-Kultur entwickeln, die sich nicht immer nur im Dunkelbereich von Santería und Abakuá abspielte, sondern in der Transkulturation der dominanten Yorúba und Bantu Völker eine durchaus eigene Ausprägung in der oralen Literatur erfuhr. In der dritten und vierten Generation allerdings war der Verlust an kreativer Eigenständigkeit schon beträchtlich, und man mußte darauf bedacht sein, Überliefertes zu bewahren. »El negro perdió rápidamente elementos de su cultura porque el régimen servil, además de mezclarlos entre sí, les impuso gobierno, autoridades, leyes de frenos que no dejaban posibilidad alguna a la perduración de sus propias creaciones. En cambio, conservaron en algunos casos, con suma fidelidad, rasgos esenciales como la religión y la magia, la música, las narraciones folclóricas y la lengua, que
29 pudieron supervivir a través de la esclavitud.« 5 6 Die Folk-Kultur breitete sich somit unaufhaltsam aus, wobei sie von den herrschenden Klassen mit stetigem Mißtrauen und Ablehnung betrachtet wurde. Der Einfluß der afrikanischen Folklore auf die Substrukturen kubanischen Selbstverständnisses wird auch dann einsehbar, wenn man daran erinnert, daß die afrikanische Bevölkerung in der Mitte des 19. Jahrhunderts die weiße Bevölkerung zahlenmäßig übertraf. Bleiben in der oralen Literatur deutliche Spuren Afrikas erhalten, z.B. in den Tiergeschichten mit Elefanten, Affen und Löwen - Tiere, die es auf Kuba nicht gibt wurde der afrikanische Einfluß in der schriftlichen Literatur nur indirekt über die Perzeption weißer Autoren wie Cirilo Villaverde etc. wahrgenommen, wobei der Neger allerdings nur als soziales Phänomen beachtet wurde, ohne die weißen Autoren mit afrokubanischer Folklore semantisch oder ästhetisch beeinflussen zu können. So bewirkte auch die Lektüre der abolitionistischen Literatur bis ins frühe 20. Jahrhundert im Idealfall eine Bewußtwerdung der Schrecken der Sklaverei - ohne allerdings den Stellenwert des Negers in der Gesellschaft durch die Literatur verändern zu können oder zu wollen. Das Auftauchen und die Verbreitung oraler Literatur in Form von Sprichwörtern, z. B. in Lydia Cabreras Refranes de negros viejos (1969), Erzählungen, Fabeln und Geschichten entspricht nun nicht dem Anliegen der afrikastämmigen Amerikaner, sich an Afrika zurückzuerinnern, alte Sehnsüchte zu wecken, sondern der Absicht, sich in einer afroamerikanischen Identität zu manifestieren, die zwar aus dem kollektiven Gedächtnis der Afrikaner schöpft, sich aber mehr und mehr mit den Elementen einer amerikanischen Realität und Umwelt vereinigt.
6. Rezeptionsgeschichtliche Fragestellungen Die Betrachtung und Analyse des Negers bzw. Farbigen in der kubanischen Literatur verlangt gleichfalls den Bezug auf kommunikationstheoretische Überlegungen und Modelle, da, wie erwähnt, die farbigen Protagonisten mit außerliterarischen Assoziationen und Konnotationen sowohl von den Autoren als auch von den Lesern belastet sind, die ihnen durch den Kontakt mit den europäischen Kulturen aufgebürdet wurden.57 Die Frage nach den Bedürfnisdispositionen, Exigenzen und Lesemotivationen von Seiten der Rezipientenss ist gerade auch in der kubanischen Literaturgeschichte in Bezug auf die Figur des Afrokubaners von zentraler Bedeutung. Diente der Afrikaner in der kubanischen Romantik als Metapher für das Unabhängigkeitsstreben eines weißen Lesepublikums, wird für die Bewußtwerdung dieses selben Publikums mit Hilfe von Antisklavereiromanen der moralische Verfall einer Sklavenhaltergesellschaft gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufgezeigt, in deutlicher Parallele übrigens zu Emile Zolas Absicht, den Verfall des 'Séconde
30 Empire' durch sein naturalistisches Romanwerk darzustellen. Auf der anderen Seite entsteht zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein noch nicht zahlreiches farbiges Lesepublikum, das an der Geschichte seiner afrikanischen Vergangenheit kaum interessiert zu sein scheint bzw. für das sich die Autoren nicht interessieren. Es ist daher ein überwiegend weißes Publikum, das die Gedichte des Negrismus rezipiert, die zunächst in der sehr konservativen Zeitung Diario de la Marina erscheinen, in denen Guillén erstmals afrikanische Abstammung und Gegenwart und kubanische Zukunft sozialkritisch miteinander verbindet, und womit nach Manzano und Plácido wieder aus dem afrokubanischen Lebensbereich heraus geschrieben wird. Auch die darauf folgende Erkenntnis einer extra-okzidentalen Welterfahrung 1949 gehorcht nicht nur einem literarischen Selbstzweck, sondern - von der Seite der Rezipienten konkreten und unterschiedlichen Bedürfnisdispositionen, je nachdem, ob der Leser Europäer oder Lateinamerikaner ist. Die Bedürfnisdispositionen verändern sich auf Kuba nach 1959 und werden deutlicher von der Revolution für die kubanischen Leser postuliert, aus der Erkenntnis heraus, daß die Wirkung literarischer Texte nicht zuletzt durch eine auch steuerbare Lesemotivation prädisponiert ist.59 Die Untersuchung der sozialen und institutionellen Bedingungen, die Einfluß haben auf die Motivationsbildung nicht nur der Leser, sondern auch der Autoren - eine Aufgabe der empirischen Rezeptionssoziologie - soll hier nicht geleistet werden, obwohl sich der Gegenstand der vorliegenden Arbeit in hervorragender Weise dazu eignen würde. Gleichwohl werden diesbezüglich Fragestellungen in die Untersuchung einfließen, da, wie es in dem Kapitel über die Periodisierung gezeigt wird, sozio-kulturelle Steuerungen literarischer Präferenzen sehr wohl mitbestimmen, die wie folgt verstanden werden sollen: »... als zeitgebundene, schichtenspezifische und gesellschaftsstrukturell beeinflußte Auswahlentscheidung im Hinblick auf ein zu einem gegebenen historischen Zeitpunkt existierendes Repertoire literarischer Texte.«60 Hierbei sind nicht die Wertung oder Urteile über historisch literarische Texte ausschlaggebend für die Feststellung und Beurteilung literarischer Präferenzen, sondern die tatsächlich stattfindende Konsumtion und Lektüre. Anhand der wenigen Aussagen über die faktische Rezeption durch Auflagenhöhe, Verbreitung etc. der afrokubanischen Texte lassen sich die im Kapitel Periodisierung genannten Abschnitte auch als Epochen literarischer Präferenzen bestätigen. Der umfassenden Verbreitung der Texte Plácidos im zweiten Abschnitt von 1825-1880 entspricht der große Publikumserfolg von Cecilia Vaidés in der dritten Phase von 1880-1913. Die weite Verbreitung der Negrismus-Gedichte reflektieren die Lesemotivationen der kreolischen und europäischen Rezipienten in der vierten Phase von 1913-1959, während die Veröffentlichungspolitik nach 1959 das breite Interesse eines durch die Alphabetisierungskampagne angewachsenen farbigen Lesepublikums auf ein kubanisches Identitätsgefühl einzustimmen sucht.
31 Gerade in einer Gesellschaft, die sich in einem gärenden, aber noch nicht erkannten Transkulturationsprozeß befindet wie die Kubas zu Beginn des 19. Jahrhunderts und der bis heute noch nicht zum Stillstand gekommen ist, ist die Frage nach der Rezeption von Texten, die in diesem Prozeß eine beschleunigende oder provozierende Funktion haben können, bedeutsam. Rezeption wird in diesem Zusammenhang zunächst als »... die aktive bedeutungsproduzierende Aneignung literarischer Texte verstanden, die sich unter den Rahmenbedingungen eines jeweils spezifischen Systems vollzieht.« 61 Eine Untersuchung, die sich der Entwicklung eines Motivs über mehr als 150 Jahre widmet, darf die Fragen der Textentstehung und Rezeption, wie sie zum Beispiel in der abolitionistischen Romantik oder im nachrevolutionären Kuba anzutreffen sind, nicht unberücksichtigt lassen, da sich vor allem die vorliegenden Texte historischer und realer Subjekte und Tatsachen bedienen, um geschichtlich wirksam zu werden. Dies ist insofern bedeutsam, da alle untersuchten Texte eben diese Wirksamkeit anstreben. Aus diesem Grund ist die »... Modalität und der Grad ihres Wirksamwerdens ... nicht allein durch die Textstruktur prädisponiert, sondern sind abhängig von historischen Entwicklungen, in deren Kontext sich sowohl der reale Adressat, als auch dessen bedeutungsproduzierende Aktivität verändern können.«62 Gehorcht die Textstruktur im 19. Jahrhundert romantischen, realistischen und naturalistischen europäischen Modellen, gelingt der kubanischen Lyrik im frühen 20. Jahrhundert die Befreiung aus einer strukturellen Dominanz, und sie emanzipiert sich gegen einen formalisierten Aussagewillen, während sich die Textstrukturen in der Prosa immer einer Ideologie unterwerfen, die den Blick auf eine formale Erneuerung versperrt. So entsteht, mit Ausnahme des Werkes von Alejo Carpentier, ein durchaus homogener und konventioneller Korpus an zunächst romantischen Texten wie Francisco und Sab, dann realistischen und naturalistischen Romanen wie Cecilia Valdés, Sofia, La Familia Unzúazu, El negro que se bebió la luna, denen ideologisierte Romane nach 1959 folgen wie Cuando la sangre se parece al fuego, Romper la noche, Los guerrilleros negros und andere mehr. Während in der Rezeptionsgeschichte, die soweit als möglich berücksichtigt werden soll, die Publikumsgeschichte, die nach der quantitativen Dimension, der sozialen Aufgliederung und der strukturellen Veränderung des Lesepublikums fragt, unberücksichtigt bleibt, wird der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte in der vorliegenden Arbeit eine größerer Stellenwert eingeräumt. Sie ist bedeutsam, soweit sie die ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen beschreibt, unter denen kulturelle Produktion und Rezeption stattfinden, und sie ist bedeutsam insofern, als in ihrem Rahmen Kategorien entstehen, denen ein signifikanter Stellenwert im Hinblick
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auf die Ausbildung rezeptiver Dispositionen zukommt, was gerade in der Dekade von 1920-1930 wichtig wird. Ebenso bedeutungsvoll ist die Geschichte der literarischen Formen, Stile, Motivationen, Inhalte und Darstellungstechniken, soweit sich in ihnen eine Adressatenbeziehung ästhetisch objektiviert und »die Konstruktion und Destruktion gesellschaftlich und ästhetisch beeinflußter Erwartungsnormen traditionsbildend wirksam w i r d . « f i 3 Sowohl im kubanischen 19. Jahrhundert, als auch im frühen 20. und in der Zeit nach 1959 lassen sich nun in Bezug auf die Afrokubaner Phasen dieser Einflußnahme auf gesellschaftlich bedingte Erwartungsnormen nachweisen, was Lemuel Johnson für die europäische Literatur untersuchte. Im Rahmen der Geschichte der literarischen Formen bleibt das Selbstverständnis der Autoren entscheidend, die sowohl in der Lyrik als auch in der Prosa persönliche Rezeption in fiktionale Portraits umwandeln, was z.B. die große Anzahl an Eigennamen in den Titeln wiedergibt. Autoren, die auf soziale und ethnische Fragestellungen ihrer Zeit oder der kubanischen Vergangenheit Bezug nehmen, geraten in die übliche Spannung, nicht-fiktionale Gegebenheiten in eine fiktionale Erscheinung umzugestalten, wobei die revolutionäre Literatur Kubas u.a. den Weg der 'novela testimonio' gefunden hat. 64 Nahezu allen hier integrierten Autoren gelingt es nicht, die erzählerische Distanz zwischen sich und dem literarischen 'sujet' zu wahren, insbesondere dann, wenn die Identifikation mit der Romanfigur möglich ist, d. h. wenn diese autobiographische Züge trägt. Auf der anderen Seite kann das Engagement, das Streben nach sozialer Wirksamkeit zu einem über die Maßen ideologisierten Text führen. Die von Stanley E. Fish entworfenen M o d e l l e 6 5 eines zunächst rhetorischen Textes, der mit dem Leser konform geht und eines dialektischen Textes, der die Konfrontation und Provokation sucht, gehorchen den von den Autoren und ihrem sozialen Kontext bedingten Gestaltungswillen. War es die Ahsicht des Romans Francisco o las delicias del campo, den Leser in seiner Einstellung zur Gesellschaft nachdenklich zu stimmen, worauf der fast schon zynische Titel verweist, entstehen nach 1959 die leserkonformen Texte, die die Rezipienten in politischen Erkenntnissen und Meinungen bestärken sollen, wobei nicht unbedingt eine staatliche Zensur oder Steuerung wirksam zu werden braucht. Dominiert in der abolitionistischen Literatur des 19. Jahrhunderts und in den historischen modernen Antisklavereitexten wie Leantes Los guerrilleros negros der omniszente, auktoriale Erzähler, der den Leser mit Informationen über Verhalten, Kontexte und soziale Erscheinungsformen quasi überschüttet, so auch in Cirilo Villaverdes Cecilia Valdes, gewinnen die modernen Romantechniken wie innerer Monolog, 'stream of consciousness' oder die Alternierung verschiedener Darstellungsebenen und Erzählperspektiven, so wie es Manuel Cofino in Cuando la sangre se parece al fuego versucht, kaum an Einfluß, wobei der didaktisierende Anspruch gerade im revolutionären Roman Innovationen abbremst.
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II. Demographische Entwicklungen und Bestimmungen
1. Sklavenhandel und Bevölkerungsstruktur Für eine Sozialgeschichte des Negers in der Literatur ist es sinnvoll, zunächst die tatsächliche Entwicklung der kubanischen Bevölkerungsstruktur zu betrachten, da gerade die 'schwarze' Literatur Kubas auf soziale und geschichtliche Veränderungen spürbar reagiert und die sozialgeschichtlichen Ereignisse und Umstände zumindest aus der historischen Distanz von heute thematisch aufarbeitet. Die abolitionistische Literatur ist eine Antwort auf die bereits im 19. Jahrhundert lange Geschichte der Sklaverei, die auf Grund einer massiven Zunahme afrikanischer Sklaven eine immer stärker werdende Beunruhigung unter der weißen Bevölkerung auslöste. Das zwanzigste Jahrhundert muß den schwierigen Lösungsprozeß aus den kolonialen Sklavereistrukturen vorantreiben und zeigt im 'negrismo' eine Reaktion auf die entwürdigenden sozialen Strukturen des frühen 20. Jahrhunderts, die zudem durch die Vielzahl an Arbeitsimmigranten aus den anderen Karibischen Inseln belastet werden. Die vereinzelt angeführten Statistiken sind zum Teil inkohärent und unvollständig, so daß zwar für bestimmte Epochen die Entwicklung der Bevölkerungsstrukturen nachvollzogen werden kann, sich aber kein einheitliches Bild für die gesamte Zeit, beginnend mit dem massiven Sklavenimport bis zum heutigen Zeitpunkt ergeben hat. Das liegt zum einen an dem unzureichenden demoskopischen Material, das seit der ersten Volkszählung 1774 vorliegt, zum anderen an der Fragwürdigkeit statistischer Erhebungen im ethnischen Bereich. Die Selbsteinschätzung der Mulatten, die sich abhängig vom sozialen Status, Vermögensstand oder vom Wohnort als weiß verstehen, 1 das ungenügende Instrumentarium, aber auch der Rassismus der erhebenden Personen beeinflussen die Statistiken erheblich. Die Volkszählung Kubas von 1981 trägt dieser Ungenauigkeit Rechnung, d.h. sie geht vom Selbstverständnis der Kubaner aus, wie es in dem Bericht zur Volkszählung zu lesen ist, und vermeidet dadurch den etwaigen Vorwurf eines immanent festgesetzten Rassismus. »Las categorías se referían al concepto que entiende comúnmente la población y no reflejan realmente razas o color.« 2 Zudem bleibt die Kategorisierung 1981, wie schon 1953, in weiß, schwarz, asia-
24 tisch oder mulattisch dem Erhebenden überlassen: »El enumerador tenia instrucciones de anotar sin hacer la pregunta a las personas presentes durante la entrevista.«3 Ergibt sich bei der Berechnung der Anzahl importierter Sklaven in der Periode des legalen Sklavenhandels bis 1820 eine von Saco geschätzte Dunkelziffer von rund einem Viertel nach Kuba geschmuggelter Sklaven, so erhöht sich die offiziell genannte Ziffer von 240.721 für den Zeitraum von 1790-1821 auf rund 300.000 Sklaven. Später wird F. Ortiz der Schätzung zustimmen. 4 Der illegale Import sollte es den Sklavenhändlern und Besitzern möglich machen, der Besteuerung durch die Behörden zu entgehen. Aus diesem Grunde sind die Zahlenangaben bis 1820 nur bedingt verläßlich, wobei allerdings die Angaben der Hafen-Intentantur Havannas von vielen Wissenschaftlern, einschließlich Alexander von Humboldts,5 als Basis ihrer Betrachtungen verwendet wurden. Trotz oder wegen der Konzentrierung der Sklavenimporte in Havanna, bleiben die Zahlen anderer Häfen wie Santiago und Trinidad unberücksichtigt, so daß neben dem illegalen Import auch der der kleineren Städte zu beachten ist. Allerdings geht José Antonio Saco mit seinen Schätzungen auf den Handel in diesen Städten ein6 und diese scheinen von daher, auch was die Zahl der vor 1781 nach Kuba gebrachten Sklaven angeht, die er auf 98.684 beziffert 7 , am zuverlässigsten zu sein. Zweifelhafter und schwieriger zu ermitteln sind die Zahlen ab 1820, dem Jahr des Vebots des kubanischen Sklavenhandels. Quellen hierzu sind die Schätzungen des englischen Foreign Office, das in der 'comisión mixta' über die Achtung des Verbots wachte und anhand der von englischen Kriegsschiffen aufgebrachten Sklavenschiffe auf die Zahl der heimlich ins Land gebrachten Schwarzen schloß. Gerade diese Thematik spielt in der abolitionistischen Literatur vor allem in Cecilia Valdés eine entscheidende Rolle, da in den Jahren zwischen 1820 und 1868 die Zuckerindustrie einen enormen Aufschwung erlebt und sich die soziale Frage verschärft. Andere Quellen über den illegalen Sklavenhandel könnten die Volkszählungen sein, wobei auch hier massive Verfälschungen der Sklavenhalter und der durchführenden Behörde das Bild verzerren. Es ist wiederum der präzise arbeitende Saco, der informiert, daß 1827 die 'hacendados' aus Furcht vor einer neuerlichen Besteuerung die korrekte Zahl ihrer Sklaven verschweigen, was auch patriotischen Beweggründen gehorcht. Die zusätzlichen Steuern sollen außerdem dazu verwandt werden, die militärische Präsenz der spanischen Truppen auf Kuba mitzutragen. In gleicher Weise wird die Zahl der freien Farbigen manipuliert, da eine beständige Furcht vor dieser Gruppe Menschen die weißen Kreolen und spanischen Behörden nach wie vor beunruhigt und die Angst einen Höhepunkt 1844 im Prozeß um Placido finden sollte. Diese Furcht ist zweifelsohne an die zunehmende Anzahl der 'emancipados' gebunden, jener Schwarzen, die als Sklaven nach Kuba gebracht, aber von der 'comisión mixta' befreit wurden. Humboldt schätzt 1825 im Gegensatz zum Zensus von 1827 die Anzahl der freien
äl Farbigen auf 130.000.8 Im Jahre 1841 ist es die Furcht vor einem Machtzuwachs der 'comisión mixta', unter dem britischen Konsul David Turnbull, die die 'hacendados' dazu bringt, die wahre Anzahl ihrer Sklaven zu verschweigen, da Turnbull alle nach 1820 illegal ins Land gebrachten Sklaven befreien wollte (to ferret out). Dies hätte einen großen Rückschlag für die aufblühende Zuckerwirtschaft Kubas bedeuten können. Gleichzeitig hat aber die kubanische Regierung ein lebhaftes Interesse, die genauen Angaben über die Bevölkerungsstrukturen den weißen Kreolen und ansässigen Europäern zu verheimlichen. In dem von Sklavenaufständen erschütterten Kuba sahen sich die Weißen von der überwiegenden Mehrheit der Schwarzen gefährdet, stets in der Furcht vor Entwicklungen ähnlich wie auf Haiti, was der Bericht des britischen Konsuls Joseph Crawford 1843 in Bezug auf den Zensus von 1841 angibt: »Crawford also reported that the Cuban govemment itself had political reasons for not distorting the population figures. It feared a reaction from the creóle population if it were known how rapidly Cuba's slave population was increasing and thereby continuing to worsen the disproportion between the races in the island.« 9 Vier Jahre später muß der Capitan General O'Donell in Bezug auf den Zensus von 1847 zugeben, daß die Zahlen über die Bevölkerung trotz einer geschätzten realen Zunahme eine statistische Abnahme verzeichnen, so daß die Regierung von Madrid wiederholt die Durchführung und Veröffentlichung von Volkszählungen verbietet. Die erwähnten Schwierigkeiten haben gezeigt, in welchem Ausmaß die Angaben irreführend sein können, ohne daß Schwankungen bis jetzt diskutiert wurden. Der plötzliche Anstieg der Sklavenimporte von 1801 bis 1802 von 1.659 auf 13.832 und in den Jahren 1815, 1816 und 1817 hängt nicht nur mit der Eliminierung der haitianischen Zuckerindustrie, sondern ebenfalls mit den napoleonischen Kriegen auf den europäischen Kriegsschauplätzen zusammen. Die hohe Zahl der eingeführten Sklaven im Jahre 1820 ist auf die Rückkehr von 1819 ausgelaufener Schiffe zurückzuführen, die ihre Sklaven noch anlanden konnten. In der Folge des Verbots sinkt dann die Zahl im Jahre 1821 auf 4.122. Die Zahlen der folgenden Jahre können dann nur aufgrund von Schätzungen und regionalen, meist auf Havanna und Matanzas beschränkten, Erfahrungswerten ermittelt werden. Die Zunahme der weißen Bevölkerung gegen Ende des 19. Jahrhunderts ist zum einen mit der endgültigen Abschaffung der Sklaverei und damit auch der heimlichen Sklaveneinfuhr zu erklären, zum anderen aber mit der verstärkten Zuwanderung europäischer Einwanderer (Polen, Italiener, Franzosen, Deutscher etc.), was sich vor allem in den Romanen Carpentiers und Barnets widerspiegelt. Konnte sich die Anzahl der Farbigen auf Kuba bis 1820 nur auf Grund der Sklaveneinfuhren konstant halten bzw. vergrößern, änderte sich nach der Abschaffung des Sklavenhandels die Bevölkerungs- und Sklavenpolitik mit der zunehmenden Einführung von schwarzen Frauen.
M »A Cuba ... c'est seulement après l'abolition de la traite negrière que la population noire s'est développée, spontanément, par l'élémination de la classe de célibataires (on achetait en Afrique plus de travailleurs mâles que femelles) et par l'égalisation progressive du nombre de femmes et d'hommes à la naissance.«10 Das Abebben der starken europäischen Einwanderungswelle, aber auch die wirtschaftliche Erholung, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, ließen dann den schwarzen Bevölkerungsanteil wieder steigen. Der Rückgang zwischen 1931 und 1953 läßt sich insbesondere darauf zurückführen, daß infolge der Depression zahlreiche schwarze Gastarbeiter in ihre Heimat, insbesondere nach Haiti und Jamaica, zurückkehren müssen. Die offiziellen Statistiken weisen weiterhin aus, daß sich die weiße Bevölkerung schneller vermehrt als die schwarze: Während sich die weiße Bevölkerung vervierfacht, verdreifacht sich die Zahl der Schwarzen und Mulatten. Hugh Thomas vermutet, daß die Geburtenrate bei den Weißen höher liegt als bei den Farbigen, i' was zudem mit der Rate von Kindersterblichkeit in Abhängigkeit gebracht werden müßte. Eine weitere Tatsache, die hier nicht statistisch oder graphisch dargestellt werden soll, verdient Beachtung, nämlich die geographische Verteilung der Afro-Kubaner. Zu Beginn des Jahrhunderts haben offiziell rund zwanzig 'municipios' eine Bevölkerungsmehrheit von Schwarzen und Mulatten, wobei die Hafenstädte La Habana, Matanzas und Santiago sowie die wichtigeren Städte der Zuckerprovinzen die größten Anteile der schwarzen Bevölkerung aufzeigen, wogegen alle Provinzen - sogar Oriente - über eine weiße Mehrheit verfügen. Die Spannung zwischen Land und Stadt zeigt sich schon in der Demographie des 19. Jahrhunderts, in der die meisten freien Farbigen als Handwerker nicht nur das städtische Proletariat zu bilden beginnen, sondern von dem großen Stab an Haussklaven und freien Bediensteten der in den Städten lebenden 'hacendados' verstärkt werden. Das städtische schwarze Proletariat ermöglicht dann eine Variante der 'cimarronaje', die bislang nicht genügend dargestellt wurde, obwohl sie in der Literatur, insbesondere in Cecilia Valdés und Mina o Las Lazo ihren Niederschlag findet. Wie auch Rafael Duharte herausstellt, ermöglicht die große Schicht schwarzer Bewohner die Flucht und das Verstecken flüchtiger Sklaven in der Stadt, wobei er gerade für Santiago de Cuba die verschiedensten Beispiele aufzeigt. 12 In Mina o Las Lazo sind es aber auch flüchtige Verbrecher, denen die Stadt Unterschlupf bietet. So bildet sich schon im 19. Jahrhundert die Stadt als literarischer Ort heraus, dem in der kubanischen Literatur Ineke Phafi3 nachgegangen ist. Stadt bedeutet in den abolitionistischen Werken für die Sklaven Privileg und reale Überlebens- bzw. Bildungschancen, wofür die Schicksale von Juan Francisco Manzano und Plácido genannt werden müssen. Die Dichotomie Stadt-Land dient demzufolge in der Literatur als Mittel, auf die vielfältigen Erscheinungsformen der Sklaverei hinzuweisen. An der geographischen Verteilung des 19. Jahrhunderts ändert sich auch später nur
21 wenig: Die mangelnde Mobilität der schwarzen Bevölkerung ist einer der vielen Aspekte, durch die sich Kuba von den USA unterscheidet. Unternimmt zwar der Held aus Manuel Granados Adire Julián eine Reise durch die Insel und die zeitgenössische Geschichte Kubas, so hat diese doch mehr den Charakter einer mittelalterlichen 'Queste', d.h. er kehrt gereift an seinen Ausgangsort zurück, wogegen das rassische und kulturelle Nord-Süd-Gefälle in den USA echte Ortsveränderungen erzwangen, so wie es Richard Wright in Black Boy und anderen Romanen veranschaulicht. Trotzdem verschieben sich mit der Auflösung der Sklaverei die demographischen Lebensstrukturen der schwarzen Bevölkerung zugunsten der Stadt. Mit dem Zensus von 1953 gelten drei Fünftel der schwarzen Bevölkerung als 'Städter', wobei der Anteil der 'Städter' an der Gesamtbevölkerung geringfügig niedriger ist. DEMOGRAPHISCHE ANGABEN Anteil der Farbigen an der Gesamtbevölkerung Kubas 1774
43,83 %
1877
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Quelle. Fernando Ortiz, Los negros esclavos, La Habana: Ed. de Ciencias Sociales, 1975, S. 38.
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2. Die chinesischen Kulis und Carmela Die kubanischen Pflanzer versuchten schon vor der Mitte des 19. Jahrhunderts, mittels Arbeiterhändler europäische Arbeitskräfte nach Kuba zu bekommen, deren Vorteile José Maria Dau in seiner berühmt gewordenen Broschüre Ingenios sin esclavos14 hervorhob, aber dieses Unternehmen gelang zunächst nicht. Diese Überlegungen trafen dann aber nicht auf die - nach den afrikanischen Sklaven - zweitgrößte Gruppe von Fremdarbeitern zu, die chinesischen Kulis. Sie erreichten die Insel in einer entscheidenden Umstrukturierungsphase der Zuckerwirtschaft, so daß Ramón de la Serpa 1860 zugeben mußte: »creo deberme autorizado a afirmar que la introducción de la raza asiática ha sido un elemento precioso y sin la cual no se concibe como se hubieran obtenido las mejoras y conquistas«.'5 Natürlich entsprach die Überlegung, chinesische Kulis einzuführen, ökonomischen Kalkülen. Der Preis der 1830 ohnehin schon teuren Sklaven verdoppelte sich bis zum Jahr 1860, so daß der 'Import' chinesischer Kulis sehr viel billiger war. Er war aber zugleich auch notwendig, da die afrikanischen Sklaven nicht mehr ausreichten, die in den Jahren 1840-1849 sprunghaft angestiegene Zuckerproduktion zu bewältigen. »... la trata amarilla supera cuantitativamente a la negra, si no año por año, si en cuanto a cantidades globales.« Vier Jahre nach dem Erscheinen der endgültigen Version von C. Villaverdes Cecilia Valdés erzielte Ramón Meza y Suárez Inclán (1861-1911) mit dem Roman Carmela (1886) einen ersten bescheidenen Publikumserfolg, der ihm mit zwei vorausgegangenen kostumbristischen Werken versagt geblieben war. Meza y Suárez handelte sich mit der Veröffentlichung von Carmela, so der Name der Protagonistin, einer Mulattin von bemerkenswerter Schönheit und Sinnlichkeit, auch sofort den Vorwurf des Plagiats ein: Carmela als eine Replik, als jüngere Schwester von Cecilia ValdésA 1 Der Vorwurf hat seine Berechtigung. Wenngleich Carmela der Hauptkonflikt, der unbewußte Inzest der Protagonistin wie Rosalia, der zweiten Hauptfigur aus »Petrona y Rosalia« erspart bleibt, so leidet sie doch unter dem Stigma ihrer Herkunft, die ihr die Mutter, wie bei Cecilia Valdés, verschweigt. Sie trachtet danach, über die sexuelle Beziehung zu ihrem weißen Verführer die eigene soziale Position zu verbessern und setzt schließlich sehr viel bewußter und gewissenloser als Cecilia Valdés ihre körperlichen Attribute ein, um ökonomische Sicherheiten und Vorteile zu erhalten. Leidet schon Cecilia Valdés literarisch unter dem Ruf, sich in die Ahnenreihe der verführerisch verderblichen 'femmes fatales' einordnen zu müssen, allerdings noch als nahezu unschuldige Lolita, die den Keim des Unglücks in sich trägt, ohne ihn erkennen zu können, hat diese Figur mit Carmela die volle Dimension einer 'femme fatale' der kubanischen Literatur erreicht. Die fast weiße Mulattin Carmela lebt im Glauben ihrer europäischen Abstammung
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zusammen mit ihrer dunkelhäutigen Mutter. Diese verheimlicht ihrer Tochter deren afrikanisches Erbe, indem sie sich Carmela gegenüber als Ziehmutter, nicht als leibliche Mutter ausgibt. Sie selbst war von einem spanischen Händler verführt worden, der sie dann im relativen Wohlstand mit der unehelichen Tochter zurückließ. Die Handlungs- und Personenkonstellationen stimmen somit zu Beginn des Romans nahezu mit denen von Cecilia Valdés überein. Auch die folgenden Ereignisse lassen im groben das Handlungsmuster des erstgeschriebenen Romans erkennen, wobei aber, wie erwähnt, auf den Inzest verzichtet wird. Carmela gibt sich dem haltlosen und schwachen, aber verwöhnten Joaquín hin, obwohl sie zwischenzeitlich über das Stigma ihrer Geburt erfahren hat und weiß, daß damit alle Eheversprechen bedroht werden. In der Tat muß Joaquín auf Druck seines Vaters vor der Eheverpflichtung mit Carmela ins Ausland fliehen und läßt sie verführt, schwanger und entehrt zurück. Ähnlich wie Leonardo, der mit identischen charakterlichen Mängeln versehene negative Held aus Cecilia Valdés, gibt Joaquín trotz eines emotionalen Aufbegehrens dem konventionellen Druck und ökonomischen Überlegungen nach. Carmela stellt unterdessen ihr in der ländlichen Abgeschiedenheit geborenes Kind als ihren Neffen vor, um somit den Flecken auf ihrer weiblichen Tugend zu übertünchen. Von der weißen Gesellschaft zurückgestoßen, besinnt sie sich schnell und rationell auf die ihr zugänglichen Möglichkeiten und überläßt sich dem Werben des reichen, aber ungeliebten Chinesen Assam. Die Figur des Assam ist unserer Kenntnis nach die erste und eine der sehr wenigen chinesischen Gestalten, die in der kubanischen Literatur an Profil gewonnen haben, und auf die Severo Sarduy in der ersten Erzählung von De donde son los cantantes (1967) »Junto al Rio de Cenizas de Rosa« Bezug nimmt. Menschlich und warm gezeichnet, steht Assam der berechnenden Carmela gegenüber, die sich nach dem Erhalt vieler reichhaltiger Geschenke erst dann entschließt, ihn zu heiraten, als sie bei einem Besuch Assams in den Hinterräumen eines rauchigen und dunklen chinesischen Ladens dessen Wohlstand erkennt. Für Carmela bedeutet die Liaison mit Assam den sozialen Abstieg, der nur durch entsprechende ökonomische Werte abgegolten werden kann. Assam dagegen vergöttert den vermeintlichen Neffen Carmelas und liebt Carmela tiefinnerst, sodaß Meza y Suárez die sich abzeichnende Katastrophe durch die idealisierende Gestaltung des Chinesen erahnen läßt. Als er mit Carmela Zeuge der Hochzeit des zurückgekehrten Joaquín wird, errät Assam das falsche Spiel Carmelas und bringt sich um. Carmelas Mutter stirbt aus Gram und Carmela bliebe alleine und um Jahre gealtert zurück wäre da nicht der Hausdiener Tocineta, »un negro joven, muy grueso«, der Carmela schon seit langem heimlich liebt und zum Schluß an ihrer Seite bleibt. »Aqui estoy yo! en aquella ocasión suprema parece que se le mostraba, como por un intersticio abierto, de improviso, toda la bondad de aquella alma sencilla, y sintiendo que necesitaba del más debil apoyo, nada contestó, acercóse al negro, que abrió sus brazos, la estrechó contra su pecho e imprimió en su tersa frente un
41 ardoroso beso. Carmela permaneció sollozando largo rato. Y en el rostro mofletudo del negro brillaba una alegría indescriptible.« (S. 161) Trotz dieser friedvollen und versöhnlichen Schlußszene, in der Carmela ihre innere Bestimmung durch die Zuwendung zu dem Neger erfahrt, bleibt der Roman offen. Ergibt sich wirklich eine Partnerschaft zwischen ihr und dem einfachen Neger Tocineta? Das mag zu bezweifeln sein. Der Roman, 1886 vorgelegt, enthüllt zudem nichts wesentlich Neues über die soziale Geschichte der Afrokubaner in der vorangegangenen Zeit des zehnjährigen Krieges und der allmählichen Abschaffung der Sklaverei. Die afrokubanisch bestimmten Figuren entsprechen auch den bekannten Klischees in Form der sinnlichen Mulattin und des gutmütigen, dummen und schwarzen Dieners; Meza y Suárez Inclán folgt damit einem Vorurteil, das so alt wie die Sklaverei selbst und geographisch unterschiedslos anzutreffen ist. Peter Martin verweist auf einen der Ahnherren des Mythos der Folgsamkeit, Gaston Martin, Historiker in Nantes, der sich über die »kindische Anhänglichkeit« der dortigen Negersklaven gegenüber ihren Herren mokiert, indem er sie als gutmütig, in den Tag hineinlebend und besessen von einer oft geradezu kindlichen Naivität schildert. 1 » Trotzdem ist eine Polarisierung ablesbar, die in diesem Ausmaß von anderen Romanen nicht mitvollzogen wird. Die nicht-europäischen Figuren sind als von innen heraus positive und offene Menschen dargestellt, während die Orientierung an europäischen Werten, d.h. soziales Prestige, ökonomischer Zugewinn etc. Lüge, Unglück und Tod nach sich zieht. Carmela muß ihre Ansprüche über die damaligen Komponenten der kubanischen Gesellschaft, d.h. bei ihrem sie verleugnenden spanischen Vater, von dem betrügenden Geliebten über den reichen, isolierten und schlecht spanisch sprechenden Chinesen bis auf den einfachen Hausdiener reduzieren, um auf Glück hoffen zu können. Obwohl sie ihr Pech dem eigenen Hochmut und Gewinnstreben verdankt - wer denkt da nicht an das Märchen König Drosselbart und ähnlich gelagerte Handlungsmuster - ergibt sich die Frage, ob nicht der Autor selbst rassistisches Denken seiner Zeit in seinem Text widerspiegelt und literarische Rassensegregation betreibt? An der Figur Assams wird die tragische Geschichte der chinesischen Kulis zwar nicht realistisch, aber doch in ihrer Struktur aufgezeichnet, so daß Assam als eine leicht verfremdete Allegorie des menschlichen Leids der nichteuropäischen Einwanderer verstanden werden kann. Assams tiefe Liebe zu Carmela läßt sich daher nicht nur aus individuellen Dispositionen erklären, sondern auch aus soziologischen Bedingungen. Die chinesischen Einwanderer bestanden hauptsächlich aus Männern; 1873 waren es 92 % Männer im Alter zwischen 20 und 50 Jahren,>9 so daß die unter miserabelsten Umständen lebenden Chinesen kaum Möglichkeit zu zwischengeschlechtlicher Erfüllung emotionaler und sexueller Bedürfnisse fanden. Eine weitere Angabe ist von Bedeutung: Assam begeht Selbstmord. Gibt hier Meza y Suárez als Motiv die verlorene und verratene Ehre des Chinesen für die Tat an, greift er soziolo-
41 gische Fakten auf und gebraucht, um nicht zu sagen, mißbraucht sie in einem (falsch verstandenen) literarischen Sinn. Der romantische Selbstmord aus unerfüllter Liebe im Sinne der Leiden des jungen Werther ist hier fehl am Platze. Meza y Suárez weiß um die extrem hohe Selbstmordrate der Chinesen; in der Dekade von 1850 - 1860, vor allem im Jahr 1862, brachten sich rund hundertmal mehr Chinesen um als Weiße und vierzehnmal mehr als Sklaven. »El suicidio como hecho social no siempre refleja las relaciones de producción, pero cuando la explotación del hombre por el hombre adquiere niveles tales que la existencia misma pierde sentido, entonces, bruscamente adquiere el carácter de un índice acusador.« 2 !) Wenngleich den Chinesen der Weg in die 'hohe' Literatur versperrt bleibt - mit Ausnahme des erwähnten Assam und einem Buchprojekt, das Miguel Barnet demnächst vorlegen will - so finden sie doch Aufnahme als Randfiguren, als pittoreskes Detail in den populären Stücken des 'bufo'-Theaters. Neben der sinnlichen Mulattin, dem dümmlichen 'negrito' und weiteren Randfiguren der kubanischen Gesellschaft wie der 'gallego', hat sich aber auch der Chinese auf den Bühnen des 'bufo'-Theaters zu einer der beständigsten Figuren entwickelt. Verursachten sie in den komischen Stücken auf Grund ihrer ökonomischen und intellektuellen Benachteiligungen die gewünschte Heiterkeit, reduziert Meza y Suárez die Darstellung der kubanischen Gesellschaft auf die schwächste Komponente, die Farbigen an sich, denen er die durch Sklaverei und modernen Sklavenhandel korrumpierte weiße Gesellschaft gegenüberstellt. Muß in Cecilia Valdés noch der betrügende Leonardo auf dem Kirchenportal mit dem Tod für seine Unehre und Treulosigkeit, symbolisch für die Sklavengesellschaft, bezahlen, hingemordet durch einen liebenden Farbigen, verzichtet Meza y Suárez auf diesen melodramatischen und unrealistischen Schluß. Bei ihm siegt die Korruption, die bürgerliche Macht, womit er realistischer und zugleich pessimistischer bleibt.
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III. Periodisierung Sozial- und literaturgeschichtliche Verflechtungen
Anhand der Korrelation zwischen dem literarischen Raum, den eine Person im Text besetzen kann und der damit verbundenen zentralen oder marginaren Position, lassen sich in Bezug auf den Neger für die kubanische Literatur verschiedene Perioden festmachen. Die literarische Periodisierung des Themas unterscheidet sich von anders gekennzeichneten Phasen der kubanischen Literaturgeschichte, und entspricht sozioökonomischen und politischen Entwicklungen. Wie eingangs gezeigt, kann man nach der Revolution grob drei Phasen der Zuwendung zu dem Thema der 'Afrocubanidad' feststellen, wobei das stetige Anwachsen von Texten, Neuauflagen und Untersuchungen die vorliegende Studie rechtfertigt und notwendig macht. Die sozioökonomische Periodisierung Kubas läßt sich in drei große Abschnitte fassen: 1. den Kolonialismus, von 1500-1902 2. den Kapitalismus, von 1902-1958, dem die gesellschaftlichen Formen Republik und Diktatur entsprechen 3. den Sozialismus, seit 1959 mit einer von kommunistischen Ländern übernommenen Regierungsform, deren zentrales Organ die PCC ist. Mit Verschiebungen dazu kann man die Sozialgeschichte der Afrokubaner folgendermaßen aufgliedern; die Kulturgeschichte, insbesondere die Geschichte der Transkulturation bleibt unberücksichtigt, da sie zunächst in den Substrukturen der Gesellschaft stattgefunden hat und nur mit Schwierigkeiten nachzuvollziehen ist. 1. Sklaverei
von 1517:
2. Emanzipation
bis 1886: von 1868:
3. Integration I
bis 1902: von 1902 bis 1959:
Carlos I gestattet den Sklavenimport nach Amerika endgültige Aufhebung der Sklaverei Beginn des zehnjährigen Unabhängigkeitskrieges mit der Freilassung von Sklaven Abschaffung der legalen Diskriminierung die Republik, und die Negrismobewegung
45 Integration II
von 1959 bis 1981:
Integration III
von 1981 bis 1986:
Sieg der Revolution erste Volkszählung nach 1959, die auch ethnisch differenziert 3. Parteitag der kommunistischen Partei Kubas, F. Castro stellt immer noch eine Unterprivilegierung der Farbigen in Bezug auf den Zugang zur politischen Macht fest.
Die kubanische Literaturgeschichte selbst läßt sich in Bezug auf die afrokubanischen Autoren und literarischen Figuren in fünf große Abschnitte unterteilen: I: die frühen spanischsprachigen Texte, die sich mit den afrokubanischen Sklaven beschäftigten und deren Geschichte auf Kuba mit Silvestre de Balboas Espejo de Paciencia 1608 einsetzt und 1817 mit José Maria Heredia »Canción a la abolición del comercio de negros« und »Himnos del desterrado« (indem er auf die Schrecken der Sklaverei eingeht) ein vorläufiges Ende findet. Dieser erste Abschnitt ist ausschließlich von der Lyrik und folkloristischen Texten bestimmt. II: Der zweite Abschnitt beginnt mit Félix Tanco y Bosmeniels Erzählung »Petrona y Rosalia« 1838, dem ersten Prosatext, der sich gegen die Sklaverei wendet. In der Zeit bis 1847 entstehen insgesamt acht Erzählungen, Romane, Romanentwürfe, darunter die Autobiographie von J.F. Manzano, die mit einer Ausnahme erst im Ausland und erst vierzig Jahre später auf Kuba veröffentlicht werden. Es ist auch die Zeit, in der lyrische Texte gegen die Sklaverei geschrieben werden. Mit der Hinrichtung Plácidos 1844 endet diese Epoche einer relativ umfangreichen literarischen Zuwendung zu der kubanischen Sklavenfrage. Freie Farbige spielen in den Texten keine Rolle. III: Unter dem Druck der Zensur verliert sich nach 1844 das literarische Interesse am kubanischen Neger, obwohl die Figur des 'negrito' im komischen Theater erfolgreich ist. Bis 1880, dem Einsetzen der dritten Epoche mit der Veröffentlichung von A. Suárez y Romeros 1839 verfaßtem Romans Francisco, lassen sich auch nur sehr wenige Gedichte finden, die Bezug auf den Afrokubaner nehmen, obwohl Francisco Calcagno provokativ 1862 seine eigenen Gedichte unter dem Pseudonym »negro esclavo Narciso Blanco« erscheinen läßt. Von 1880 bis 1893 kommt es dann zu einer Reihe von Neuauflagen und Erstveröffentlichungen wie Calcagnos Romualdo uno de tantos, 1881, Cirilo Villaverdes Cecilia Vaidés (1882), Meza y Suárez Incláns Carmela, Morúa Delgados Sofía (1891) und La Familia Unzúazu (1901), E. Bacardi Moreaus Via Crucis (1890/1910). IV: Mit der dritten Periode scheint die Problematik der Sklaverei zumindest in der Narrativik bewältigt zu sein, obwohl es auch später immer wieder Bezugnahmen geben wird, die zur Aufarbeitung der Sklaverei beitragen, aber nichts mehr wesentlich Neues aussagen können. 1913 erscheint Catás Roman La piel, in dem zum ersten Mal ein freier Neger eine psychologisch glaubwürdige Hauptrolle übernimmt, womit dann auf Kuba die wichtigste Periode der Literarisierung der Afrokubaner eingeleitet wird,
46 acht Jahre bevor nach dem Einschätzen R.L. Jacksons 'the mayor period' 1 afroamerikanischer Literatur beginnt. In dieser vierten Periode entwickeln sich neben dem kubanischen 'negrismo', der europäischen Zuwendung zu afrikanischer Kunst, die Selbstentdeckung der Afroamerikaner und Afrikaner in der 'négritude', eine Reihe von Prosatexten, die den Afrokubaner immer stärker in den Mittelpunkt der Handlung stellen, Ecué - Yamba - O (1927/33) von Alejo Carpentier zum Beispiel, wobei die farbigen Figuren an psychologischen Differenzierungen gewinnen, wie in Carlos Montenegros Hombres sin mujer (1937), und 1949, als Carmen Codero ihr Gedicht »Presencia negro« veröffentlicht, erscheint ebenfalls Alejo Carpentiers Roman El reino de este mundo, der den Abschluß dieser Epoche bildet. Va: Es folgen in der Lyrik 14 Jahre des Schweigens, bis Pablo Armando Fernández 1963 sein Libro de héroes auf den Markt bringt, und im selben Jahr Barnets La piedra fina y el pavo real erscheint. In der Prosa wird es allerdings noch bis 1966 dauern, daß als Protagonist ein Schwarzer erscheint, nämlich Estéban Montejo in dem Zeugnisroman von Miguel Bamet Biografía de un Cimarrón. 1967 folgt dann M. Granados Adiré y el tiempo roto, womit diese erste Phase in der Revolution zu Ende ist. Vb: Obwohl die Rassenpolitik in R. Valdés Vivo Los negros ciegos (1971) und in González de Cascarros Romper la noche (1973) angesprochen wird, in denen die Verhältnisse in die USA projiziert werden, ähnlich wie in der Erzählung »El hombre que será amigo de la noche« (1967), setzt erst um 1975 eine emeute und langsame Zuwendung zu den Afrokubanem ein. Mit M. Cofiños Cuando la sangre se parece al fuego (1975), Alejo Carpentiers La consagración de la primavera (1978) wird der Bezug der afrokubanischen Bevölkerung zur Revolution diskutiert, wobei ab 1977 die Lyrik mit der Anthologie von Rogelio Martinéz Furé Poesía anónima africana und Autoren wie Nancy Morejón, Georgina Herrera, Pedro Pérez Sarduy, Jesús Cos Cause die Zuwendung zur afrokubanischen Vergangenheitsbewältigung und Gegenwartsverständnis unterstützen. Vc: Trotz des Zensus von 1981,2 der eine wesentlich freiere Diskussion um die Transkulturation hätte ermöglichen können, ist in der dritten Phase ein gewisser Stillstand in der Entwicklung von Themen und Motiven in der Literatur zu beobachten. Auf der anderen Seite läßt sich ein wachsendes Bewußtsein über den aktuellen Grad der Transkulturation im allgemeinen kulturellen Bereich und in den wissenschaftlichen Veröffentlichungen verzeichnen, wenngleich seit 1980 unserer Kenntnis nach kein weiteres Werk erschien, das den Stellenwert des Afrokubaners in der Revolution bzw. ihn anderweitig beschrieben hätte. Es mag nun von vornherein festgestellt werden, daß in jeder dieser Epochen ein bis maximal vier Autoren an Profil gewinnen, die selbst afrikanischen Ursprungs sind, wenn es insgesamt auch nur zwei Autoren gibt, die ethnisch als Neger bezeichnet werden können, während die anderen Schriftsteller Mulatten sind. Die Aufnahme der
47 farbigen Bevölkerung in die Literatur, die ab dem 19. Jahrhundert demographisch an Gewicht gewinnt, nimmt andere und neue Formen an in Abhängigkeit von der sich pervertierenden und massiven Ausbeutung der Sklaven auf den Zuckerrohrfeldern, so daß der Neger zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine Rolle als Protagonist in den abolitionistischen Texten übernehmen kann. In der Phase I sind keine farbigen Autoren nachzuweisen, wenn man von dem vagen Hinweis Antonio López Prieto absieht, der in seinem Parnaso cubano 1881 auf die Décimas einer Mestizin (Mulattin) namens Juana Pastor (ca. 1815) verweist. Zwischen 1827 und 1844 leben und schreiben J. F. Manzano, Sohn eines Mulatten und einer Afrikanerin und der Mulatte Plácido Gabriel de la Concepción Valdés, daneben die von F. Calcagno in seiner Anthologie Poetas de color (1878), und die von Carlos Trelles y Gómez in Bibliografía de autores de la raza de color: 1815 - ¡926 (1927) genannten farbigen Autoren, die in der Literaturgeschichte als 'poètes mineurs' untergegangen sind. In der dritten Phase hebt sich nur Martín Morúa Delgado als mulattischer Autor hervor, während sich in dem vierten untersuchten Abschnitt von 1913 bis 1949 die Mulatten Nicolás Guillén, Regino Pedroso und Gustavo Urrutia als Autoren Anerkennung verschaffen können. Auch in der fünften Phase bleibt Guillén der führende farbige Lyriker, dem sich als schwarzer Romanautor Manuel Granados zugesellt, während in der Folgezeit die farbigen Poeten Georgina Herrera (1936), Efraim Nadereau (1940), Pedro Pérez Sarduy (1943), Nancy Morejón (1944), Cecilia Saldania (1946), Jesús Cos Cause (1945) auf sich aufmerksam machen. Von allen erwähnten Autoren sind es nur drei, die sich der Prosa gewidmet haben: J.F. Manzano mit seiner Autobiographie, Martin Morúa Delgado mit den Romanen Sofia und La Familia Unzúazu und Manuel Granados mit Adiré y el tiempo roto, wobei dieser 1985 das Manuskript zu einem weiteren Roman vorgelegt hat, der in den nächsten Jahren erscheinen wird. Warum sich in der über 150jährigen kubanischen Literaturgeschichte nur drei Prosaautoren afrikanischer Herkunft abzeichnen, wird noch zu diskutieren sein. Obwohl in der Untersuchung das Augenmerk hauptsächlich auf den Roman gerichtet ist, unter Marginalisierung der Erzählung, des Essays, der Lyrik und des Theaters, läßt sich festhalten, daß die Entwicklung in der Prosaliteratur ungefähr der der Lyrik, des Theaters und des Essays entspricht, so daß eine verallgemeinernde Periodisierung und ebenso allgemeine Aussagen über die kubanische Literatur unter dem Aspekt der 'afrocubanidad' ein relativ zutreffendes Bild dieses Teiles der kubanischen Literaturgeschichte ergibt. Die Korrelation zwischen den sozioökonomischen Phasen Kolonialisierung, Kapitalismus, Sozialismus und den literarischen Phasen zeigt, daß während der Zeit des Kolonialismus zeitgenössische und in der Phase III schon historische Romane geschrieben wurden, die ausschließlich die Traumata von Sklaverei und Unfreiheit aufarbeiteten. Obwohl während des Kolonialismus die Phase der Emanzipation der Farbigen einsetzt, findet diese ihren Niederschlag erst schemenhaft gegen Ende des III. Abschnitts, um ab 1913 nach und nach literarisch realisiert zu werden. In die Zeit des
48. Kapitalismus fällt demzufolge der wichtigste Abschnitt des Reflexes der Afrokubaner in der Literatur mit dem 'negrismo' und einzelnen, inkohärenten Romanen, wobei auch in dieser Zeit der Emanzipation die ethnologische und folkloristische Forschung sich mehr und mehr entfaltet. Noch bevor die kapitalistische Phase 1959 zu Ende geht, wird 1940 die durch die Aufhebung der Rassendiskriminierung gesetzesmäßige Integration der Afrokubaner erneut garantiert, und die nach Jackson 'major period' afrokubanischer Literaturproduktion ist 1949, zehn Jahre vor dem Wechsel vom Kapitalismus zum Sozialismus, zu Ende. Während der Entfaltung des Kapitalismus entwickelt sich gleichfalls eine gut definierbare 'inteligencia', »sandwiched between the colonized and the colonizer«3. Vor allem die mulattischen Intellektuellen befinden sich zwischen der populären Kultur der Massen auf der einen Seite und der Kultur der - neuen - Kolonisatoren, in die sie sich zu integrieren versuchten, ein Phänomen, das auf Kuba gerade zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu beobachten war. Von den neokolonialen Machthabem gedemütigt, ständig zurückgewiesen und noch verständnislose Zeugen der Ausbeutung der Massen, müssen sie zwangsweise die Zwiespältigkeit ihrer Position überwinden, was sie zu einem zunehmenden Engagement vor allem in den kommunistischen Gewerkschaften führt. 4 Auf der anderen Seite wird von den Kapitaleignem und Latifundisten des vorrevolutionären Kubas verstärkt rassistische Propaganda gegen die Farbigen Kubas eingesetzt, um die sozialen Spannungen aufrecht zu erhalten, die eine Solidarisierung der kubanischen Proletarier verhindern sollte. Dies ist insbesondere notwendig, da das kapitalistische System schwarze Zukkerrohrarbeiter in einer ähnlich direkten Form ausbeutet wie vorher die Sklaven und dies mit den selben Theorien der Minderwertigkeit von Schwarzen begründet wie die Sklavenhalter des 19. Jahrhunderts. Während als Reaktion darauf im Zuge der lateinamerikanischen 'négritude' und 'negrismo'. Romane des sozialen Protests wie J. Roumains Gouverneurs de la rosée (1944) oder A. Ortiz Juyungo (1943) entstehen, verschreibt sich auf Kuba nur ein geringer Teil der Autoren der 'negrismo'-Bewegung den sozialen Fragestellungen. Zudem zeigt sich in den anderen lateinamerikanischen Romanen eine Dichotomie zwischen mulattischen und schwarzen Protagonisten^ die auf Kuba nie im Vordergrund der Problematik stand. Trotzdem reflektiert das kubanische Konzept der 'Mulatez', das ebenfalls in den 20er Jahren entsteht, eine gesamtamerikanische Sensibilisierung in Bezug auf den Indio, Neger, Mestizen und Mulatten, wobei zwischen einer biologischen und kulturellen Darstellungsweise unterschieden werden sollte. Die Konzentration auf den biologischen Aspekt führt in weiten Bereichen die Autoren zu einer Aufwertung des Mulatten als autochthones Produkt der Neuen Welt, in der sich die Mulatten, nicht die Schwarzen, als symbolische Träger einer lateinamerikanischen Zukunft darstellen, während der Neger Teile einer überkommenen Vergangenheit repräsentiert. Literarische Konsequenz dieser Gegenüberstellung ist eine neue Fixierung der Afrokubaner, wie in Bernardo Arias Trujillos Risaralda (1936), López Albujars Matalaché (Peru 1928) und Uslar Petris Las lanzas coloradas (Venezuela 1931), denen die negativen schwarzen Helden in
49 Dionisio Trillo Pays Pompeyo Amargo (1942) und Alberto Ordóñez Arguello Ebano (1955) folgen. Auf Kuba selbst läßt sich diese gesamtamerikanische Entwicklung nicht nach vollziehen, es fällt jedoch auf, daß die Romane mit schwarzen Protagonisten in der Regel historische Romane sind, die nicht auf zeitgenössische Fragestellungen eingehen. Insofern ist nicht nur die kulturelle Reaktion Haitis nach der Besetzung durch die US-Amerikaner 1915, sondern auch das Aufblühen der 'Afrocubanidad' zwischen 1920 und 1945 als Erwiderung auf einen neokolonialen Druck zu verstehen, so daß auch im 20. Jahrhundert zutrifft, was F. Ortiz im Laufe der Kulturgeschichte Kubas festgestellt hat und Cabral wie folgt ausdrückt: »... in keeping their culture and identity the masses kept intact the sense of their individual and collective dignity, despite the worries, humiliation, and brutalities to which they are often subject.« 6 Während in den 30er Jahren die jamaikanischen Rastafaris entstehen, muß gerade in der Negrismo-Diskussion dieses Abschnittes IV der Unterschied gemacht werden zwischen der Manifestation eines kulturellen Anspruchs bzw. einer Selbstdarstellung und einer 'kulturellen Renaissance' gewisser Erscheinungen, da diese letztere immer unter der Federführung einer elitären Minorität, so im Negrismo der 20er Jahre, oder in der besonderen Situation des Exils entsteht, so wie es der Negrismo eines Sánchez Boudy im späten 20. Jahrhundert zu sein scheint. Auch die fünfte Periode stimmt mit der Chronologie der politischen Geschichte überein, obwohl die Literatur nicht sofort auf politische Veränderungen reagiert, sondern, vielleicht auch bedingt durch editionstechnische Umstände, erst 1963 mit Pablo Armando Fernández Libro de Héroes einsetzt. In dieser ersten Phase der Revolution, in der die Verstaatlichung der Schulen, Schulzentren etc. wesentlich zur Aufhebung einer, vor allem von der Mittelschicht praktizierten Rassendiskriminierung beiträgt, zeigt sich, daß der Bezug zwischen Zeitgeschichte und fiktionaler Literatur noch sehr eng ist. Gleichzeitig entsteht mit der Alphabetisierungskampagne ein schwarzes Lesepublikum, über dessen Beitrag in der kubanischen Literaturgeschichte noch zu diskutieren sein wird. »The campain against illiteracy proved to be particularly beneficious to blacks, because they constituted the largest illiterate group«.? In der Folge des Scheitems der 10 Millionen Tonnen Ernte 1970 und nach dem Fall Heberto Padilla wird aufgrund einer streng gehandhabten Selbstzensur bis 1975 kein Prosatext mehr veröffentlicht, der Afrokubaner innerhalb Kubas als Protagonisten zuläßt. Ausnahmen hierbei bilden die beiden programmatischen Texte von R. González de Cascorro Romper la Noche (1973) und Raúl Valdés Vivo Los negros ciegos (1971). Ab 1975 kommt es zu einem weiteren Schub afrokubanischer Texte, es erscheinen zunehmend Anthologien folkloristisch-oraler Kurzgeschichten und Gedichte. Mit der Aktion 'Mariel', im Jahre 1980, d.h. mit der Ausreise von über hunderttausend unzufriedenen Kubanern, scheint sich in der kubanischen Literaturpolitik ein Umschwung zu ergeben, der auch stärker auf die kulturellen und ideologischen Be-
50 dürfhisse der Afrokubaner eingeht, so daß sich nach der überwiegend liberalen Phase ein neuer Abschnitt feststellen läßt, der mit der Volkszählung von 1981 eine weitere Öffnung für afrokubanische Fragen einleitet und mit der Gründung der 'Casa de Africa' Ende 1985 und der Feststellung Fidel Castros im Februar 1986, daß es noch eine politische Diskriminierung gäbe, einen Höhepunkt erfährt. Zudem werden gerade in dieser Phase das Santería Museum in Guanabacoa und andere Zentren auch in Regia eingerichtet, die verstärkt auf die afrokubanischen Belange eingehen. Die graphische Darstellung zeigt, daß sozioökonomische Phasen ihre Entsprechung in der 'afrokubanischen Literaturgeschichte' haben: der Kolonialismus geht konform mit den Phasen I, II und III, während der Kapitalismus die Phasen IV und V abdeckt und der Sozialismus gleichfalls mit der Phase V harmoniert, was unter Umständen auch mit den jeweiligen Produktions- und Rezeptionsbedingungen zu erklären ist. Zu Verschiebungen kommt es in der Korrelation Sozialgeschichte versus Literaturgeschichte. Die Sklaverei als Trauma einer bestimmten Bevölkerungsschicht zieht sich als ständiges Thema durch die gesamte Literaturgeschichte bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, obgleich ein entscheidendes Ereignis der Sklaverei, nämlich die blutige Unterdrückung der vermeintlichen Verschwörung von 1844 nur sehr vereinzelt und als marginalisiertes Randmotiv in den Texten erscheint. So ist es nicht erstaunlich, daß die entscheidenden historischen Daten und Fakten, die zum Verständnis einer Geschichte der Afrokubaner beitragen, kaum wahrgenommen oder gewürdigt werden. Mit der Ausnahme von Via Crucis (1890/1910) und El negro que se bebió la luna (1940) ist die Sklavenbefreiung von Manuel Céspedes am 10. Oktober 1868 kein Thema der kubanischen Prosaliteratur, ebensowenig wie die hohe Beteiligung der afrikanischen Sklaven und freien Farbigen an den Unabhängigkeitskriegen von 1868/78 und 1895/98, außer in der Biographie von Estéban Montejo und ebenfalls in Via Crucis, Aufnahme in die Literatur gefunden hat. Die Aufhebung der Sklaverei 1880/86 bleibt ebenso unerwähnt wie die Abschaffung der gesetzlichen Rassendiskriminierung 1902 bzw. 1940. Verschwiegen werden ebenfalls die 1912 stattgefundenen Massaker an den Afrokubanern anläßlich der 'Protesta Armada'. Nur Rachel in La Canción de Rachel geht auf die Ereignisse kurz ein. Es fällt somit auf, daß keine Zeit, kein Ereignis, das für die Afrokubaner alleingenommen wichtig ist, in der Literatur Beachtung findet. Allerdings setzen der 'negrismo' mit Gedichten, und den Artikeln von Gustavo Urrutia neben den Forschungen von Fernando Ortiz deutliche Zeichen einer gesellschaftlich-politischen Emanzipation der Afrokubaner. Ist ab 1902 und 1940 theoretisch die uneingeschränkte Integration der Farbigen in die Gesellschaft Kubas möglich, dauerte die Phase der Emanzipation bis mindestens 1959 an, bis die Revolution die Rechte der Afrokubaner in vollem Umfang durchsetzen will. Zwar wird durch den uneingeschränkten Zugang zu Bildung etc. alles getan, die Integration der farbigen Minorität in ein gesamtkubanisches Identitätsgefüge voranzutreiben, um den latenten Rassismus** als Hindernis zu einer vollständigen Homogenisierung zu überwinden, doch muß Fidel Castro im Frühjahr 1986 gestehen, daß die Far-
51 Politik
Sozialaeschichte
Beteiligung der flfrokubaner an der Politik
Soziale. Akzentanz und Integration
Literaturgeschichte
1517
Afrokuba als Thema, Anzahl farbiger Tutoren
Transkulturationsprozesse
Transkulturation sls dynamischer, irreversibler Prozeß
52 bigen Kubas, bemessen an ihrem Bevölkerungsanteil und ihren Fähigkeiten, in den entscheidenden Gremien Kubas immer noch unterrepräsentiert sind. Fidel Castro hat somit einen von vier wichtigen Punkten angesprochen, an denen die Integration der Afrokubaner in die kubanische Gesellschaft diskutiert werden kann: 1. den Zugang und der Verteilung von Arbeitsstellen und die Besetzung politischer Ämter, 2. die Anerkennung und Beteiligung 'schwarzer Ästhetik' in den Massenmedien, Werbung etc. als integraler Bestandteil kubanischer Realität, 3. den Erhalt und die Achtung afrokubanischer Kultur, insbesondere in ihrer religiösen Ausprägung und 4. die Normalität - sexueller - Beziehungen zwischen den Angehörigen der verschiedenen Rassen. In jeder der gekennzeichneten Phasen der Literaturgeschichte erscheint der Afrokubaner als Opfer und Gegenstand nicht nur der weißen Autoren, sondern der gesellschaftlichen und politischen Umstände. Die 'victimización' der Neger als Sklaven und der Mulatten als Gegenstand gesellschaftlicher Spannungen ist in den vorgestellten Romanen zunächst an die ethnische Zugehörigkeit der Protagonisten gebunden, wobei in den späteren Texten der Übergang von der Rolle des Opfers im Rassismus zum Verständnis der Ausbeutung durch Klassenstrukturen geleistet wird. Erst als die Autoren Kubas, wie auch die Kolumbiens, Perus, Ecuadors und Venezuelas stärker die Wahrnehmung von sozialpolitischen Gegebenheiten durch afroamerikanische Zeitgenossen in die Literatur aufnehmen, scheint eine neue Perspektive in der Darstellung afrokubanischer Protagonisten möglich. Wie schon Nicolás Guillén, später M. Granados in Adire deutlich machen können, weist diese Perspektive die Kondition des 'Weiß-Seins' als wichtigstes Kriterium für Verdienst und Anerkennung zurück. Dagegen werden fundamentale menschliche Werte gehalten wie Empfindsamkeit, Würde, Selbstwertgefühl, die Anerkennung rationaler und emotionaler Intelligenz und die Fähigkeit, psychischer und physischer Ausbeutung zu widerstehen.
SI
IV. Das 19. Jahrhundert I Texte gegen Sklaverei und die Tertulia um del Monte
1. Die Zeit der Unruhe: 1817-1844 Obwohl Fernando VII im Jahre 1817 mit den Engländern ein Abkommen unterzeichnete, das den atlantischen Sklavenhandel als Piraterie einstufte und verfolgte, (ein Vertrag, der ab 1820 in vollem Umfang gültig wurde) nahmen die Sklavenimporte auf Kuba solchen Umfang an, daß die Generalkapitäne die Ergebnisse von Volkszählungen den weißen Kubanern verheimlichten, um Beunruhigungen über das ungleichgewichtige Zahlenverhältnis zu vermeiden. Wie die vorhergehenden Statistiken deutlich machten, wurden in den Jahren 1512 bis 1761 insgesamt ca. 60.000 Sklaven auf die Insel gebracht, im Zeitraum von 1762 bis 1838 kamen über vierhunderttausend Afrikaner nach Kuba (1740-1821: 240.000), davon allein über 160.000 nach 1821. Im Jahre 1841 standen somit 589.333 Sklaven und freie Farbige (152.838) 418.291 Weißen auf Kuba gegenüber. Der endgültige Sieg der schwarzen Aufständischen auf Haiti erschütterte 1804 die koloniale Ordnung der Karibik, was die wirtschaftliche Liberalisierung auf Kuba ab 1817 mit einer Furcht vor ähnlichen Sklavenbefreiungen überschattete. Haiti, dessen Unabhängigkeit von Frankreich 1824 endlich anerkannt werden mußte, diente als Paradigma 1 für die verschiedenen Länder Lateinamerikas, in denen sich der Gedanke an die Abschaffung der Sklaverei nicht nur chronologisch, sondern auch ideologisch an den Wunsch der Unabhängigkeit von den europäischen Mutterländern band. Aus diesem Grunde waren die Konzepte politischer und wirtschaftlicher Unabhängigkeit und die Abolition unauflösbar miteinander verbunden, da in beiden ein Protestpotential ruhte, das in Haiti zum Ausbruch kam, und das auch die beiden Rassen schwarz und weiß im ersten kubanischen Unabhängigkeitskrieg 18681878 miteinander verbinden sollte, was Emilio Bacardi Moreau als Nebenmotiv in seinem Roman Via Crucis eingliederte. Bezeichnend dafür ist die Passage eines Briefes von Isabell I, in dem sie auf die Forderung nach Reformen auf Kuba eingeht: »La esclavitud no puede ser obstáculo alguno porque ya pasó el tiempo en que Cuba y Puerto Rico temblaban ante la idea de ser africanas.«2
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Deshalb hielt auch der Topos der 'Guerra de razas' Einzug ins Bewußtsein der weißen Kubaner, der bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Diskussion um die gesellschaftliche, politische und ökonomische Emanzipation der Afrokubaner bestimmte. Der Druck, der aus diesen Spannungen ab dem beginnenden 19. Jahrhundert auf die Sklaven mit dem Bau der 'barracones', der Institutionalisierung des Berufes der Sklavenjäger, (rancheadores) und der Einrichtung der 'casas de corrección' ausgeübt wurde 3 , hatte eine Reihe von Unruhen und Erhebungen ab 1795 zur Folge, die mit der Verschwörung des freien Negers Nicolás Morales 1797 an konspirativem Profil gewann, mit dem gescheiterten Versuch von Aponte 1812 einen Höhepunkt erlebte und eine Reihe weiterer Rebellionen in den Jahren 1819 unter der Führung von Ventura Sánchez, 1826, 1827, 1830, 1833, 1835, 1838 in Trinidad, 1841 und 1843 zur Folge hatte. 4 Um die Angst und die Reaktionen der kubanischen Kolonialregierung und der folgenden Republiken in Bezug auf die Rassenrevolten und Erhebungen der Insel verstehen zu können, ist es sinnvoll, einen Blick auf die Geschichte des offenen Widerstandes der Afrokubaner im karibischen Becken und in den benachbarten USA zu werfen. Es läßt sich somit entdecken, daß das Potential der Widerstandsbewegungen von den spanischen Kolonialherren zunächst gewaltsam unterdrückt, später von weitsichtigen Kreolen für die Unabhängigkeitskämpfe genutzt wurde, was den Romanen Via crucis (1890/1910) und El negro que se bebió la luna (1940) zu entnehmen ist. Die Geschichte Kubas gerade zu dieser Zeit war damit in ein weitreichendes Netz von Spannungen und Unruhen eingeflochten, die durch den Negeraufstand der Sklaven von St. Domingo ausgelöst wurden und deren Folgen, so die These, bis zur Beteiligung der US-amerikanischen Truppen am Massaker von 1912 auf Kuba reichten. Gerade zwischen den USA und den Karibikstaaten gab es Wechselwirkungen in Beziehung auf die Einschätzung der Sklavenfrage, wobei die Parallelen zu anderen Sklavenhaltergesellschaften, was die Arbeitsverweigerung, Selbstmord und Aufstände angehts, die USA nicht davon abhielten, die Annektion Kubas aus gerade diesen Gründen zu erwägen. Gerade die Verschwörungen und Aufstände von freien Farbigen und Sklaven endeten alle mit dem Tod ihrer Führer. Diese Phase einer modernen 'civilisation du massacre'6 fand bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kein Echo in der kubanischen Literaturgeschichte. Erst als die Kreolen mit der spanischen Verwaltung in Konflikt gerieten, nach der Einrichtung des »Tribunal de la Inquisición« in Santiago de Cuba 1815, eine Entwicklung, die 1836 im Ausschluß der kubanischen Volksvertreter aus den spanischen Cortes gipfelte, erhielten die Sklaven bzw. die Abolitionisten etwas Luft, um auf die Probleme jener unterdrückten Minderheit aufmerksam zu machen, ermutigt durch die Abschaffung der Sklaverei in den britischen und in den französischen Kolonien in den Jahren 1838 bzw. 1848. Neben den Sklavenaufständen gab es allerdings eine Reihe von Verschwörungen wie die von Mina de la Rosa Cubana 1848 oder des Annektionisten José Ramón Pintó 1855, die nur die koloniale
51 Abhängigkeit von Spanien lösen wollten, ohne dabei auf die Sklavenfrage einzugehen.? Während zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den lateinamerikanischen Kolonien der Ruf nach Unabhängigkeit beständig lauter wurde, engagierten sich die freien Sklaven und Mulatten in den erwähnten Verschwörungen immer stärker um ihre gesellschaftliche Emanzipation, so daß sich die Gruppe der freien Farbigen das grundsätzliche und langandauernde Mißtrauen sowohl der spanischen als auch der kreolischen Oberschichten zuzog, aus Furcht, sie würden die Grundstrukturen der kolonialen Gesellschaft verändern wollen. In ihrer relativen Möglichkeit zur Selbstbestimmung mußten sie zwangsweise als Modelle für ein ersehntes freies Leben der Sklaven dienen, was nicht ohne Spannungen zwischen beiden Gruppen blieb und das Mißtrauen der weißen Oberschicht wachhielt. »Consciously and inconsciously, free blacks and free mulattoes offered the seeds of revolt to the unfree blacks. The free coloured were usually among the first to raise the issues of personal liberty and class discrimination in the societies.«8 Zudem setzten sich die freien Farbigen dem Verdacht aus, in der von ihnen gebildeten unteren Bürgerschicht, bestehend aus Handwerkern und im Dienstleistungsbereich Beschäftigten, könnte sich das Protestpotential aufgrund einer bescheidenen Bildung erhöhen, was sie als möglichen Klassenfeind noch gefährlicher erscheinen ließ: »For the government the free black, who was more intelligent, was more dangerous than the slave (...). The dangers of Cuba came not so much from the slaves as from the multitude of free blacks and mulattoes.«9 Während in den Jahren 1820 und 1845 eine große Anzahl von Cabildosio gebildet wurden (die ñáñigos wurden schon im Jahr 1830 nachgewiesen), die zunächst den Zweck hatten, die aus Afrika entführten Sklaven auf der Insel zu akklimatisieren, läßt sich auf Kuba ein bescheidener 'Boom' afrokubanischer und abolitionistischer Literatur nachweisen. Die Erzählung Petrona y Rosalía von Félix Tanco y Bosmiel entstand 1838, Una pascua de San Marcos desselben Autors schon 1830, während die erste Version von Cirilo Villaverdes Cecilia Valdés 1832 erschien, 1839 schrieb Anselmo Suárez y Romero den Roman Francisco o las delicias del campo und 1840 veröffentlichte Madden die englische Version der 1835 projektierten Autobiografía de un esclavo von Juan Francisco Manzano. 1842 wird auf Kuba der einzige Antisklavereiroman im frühen 19. Jahrhunderts veröffentlicht, nämlich das in Spanien entstandene Werk Sab der Kubanerin Gertrudis Goméz de Avellaneda. 1843 nahm Cirilo Villaverde mit dem Roman La peineta calada Bezug auf den mulattischen Kammacher und Dichter Plácido, der 1844 hingerichtet wurde. Wie erwähnt, konnte nur Sab zu dieser Zeit auf Kuba gelesen werden, während Francisco und die endgültige Version von Cecilia Valdés erst nach der Abschaffung der Sklaverei auf Kuba
5Ú dem Publikum zugänglich war. Die afrokubanische Literatur war von der zunehmenden Zensur der Kolonialbehörden bedroht und verboten, da sie den Neger bzw. den Sklaven als Objekt literarischer Schöpfung dazu verwendete, als Symbol einer täglichen, grausamen Unterdrückung das Streben nach Freiheit metaphorisch auszudrükken.n Vor allem der Mulatte Plácido bot sich zu seinen Lebzeiten bestens für eine allegorische Darstellung dieser Art an, was aber letzten Endes zu seinem Tod beitrug. In der Folge des Schaffens der Autoren Varela, Heredia, Saco, Del Monte und Luz y Caballero, die schon ab 1820 das Konzept von einem kubanischen Vaterland postulierten^, eine Idee, die sich später in Manzanos Gedankengut ebenfalls feststellen läßt, wurde ab dem frühen 19. Jahrhundert der fatale Einfluß der USA auf die Entwicklung der kubanischen Geschichte spürbar. Nachdem die Amerikaner noch am 13. Juli 1799 ein geheimes Abkommen mit Toussaint Louverture unterzeichnet hatten, in dem sich dieser verpflichtete, zu verhindern, daß aus dem im revolutionären Umbruch befindlichen Haiti aufrührerisches Gedankengut nach den USA getragen w u r d e t , übten diese einen verstärkten Druck auf das ebenfalls von sozialen und politischen Erhebungen erschütterte Kuba aus. Sie befürchteten, daß aus dem direkt benachbarten Kuba revolutionäre Ideen in den Süden der Vereinigten Staaten getragen werden könnten, dessen Gesellschaft ebenfalls ständig von Sklavenaufständen bedroht war, wie die große Erhebung von Nat Turner 1830 bewies: »Would not freed slaves of Cuba be tempted by the very fact of that independence to employ all the means which vicinity, similarity of origin and sympathy could supply, to form and stimulate insurrection ... The US has too much at stake in the fortunes of Cuba to allow them to see ... a war of invasión.«! 4 Konsequenterweise verstärkten die Amerikaner ihren Druck auf die Zuckerinsel, indem sie Spanien mit der Annektion Kubas drohten, falls es die innenpolitische Lage, insbesondere die Sklavenfrage nicht unter Kontrolle brächte. Das konnte und wollte Spanien nach dem Verlust der letzten festländischen Kolonie Peru 1826 nicht riskieren. Aus diesem Grund wuchs die Bereitschaft der Kolonialmacht Spanien, auf die zwischen den ständig aufbegehrenden Kreolen und dem Mutterland entstehenden Spannungen mit immer schärferen Maßnahmen zu reagieren: »... a wave of repression swept through Cuba« 1 ?. Das führte dazu, daß der 'Capitán General' Miguel Tancón, der 1835 den berühmt-berüchtigten O'Donnel ablöste, verbot, das Wort 'libertad' auf den kubanischen Theaterbühnen zu benützen, und die Zensur der Behörden auch auf wissenschaftliche Traktate ausdehnte. Plácido und Manzano lebten und schrieben also in einer Epoche der karibischen Geschichte, in der die drei Typen des möglichen Widerstandes der unterprivilegierten Schichten offen oder indirekt die Spannungen innerhalb des kolonialen Gefüges mitbestimmten: der kulturelle, von den Kolonialbehörden kaum wahrgenommen und als solcher erkannt, der politische und der sozioökonomische, die gleichermaßen aktiv waren und auf die die Sklavenhändler und -besitzer zunächst mit physischer Gewalt reagierten.
si 2. Kuba und die Romantik Kubanische fiktionale Texte,vor allem die Gattung des Romans mit ihrer besonderen Leistung, konsolidierten sich auf der Insel später als in Europa - erst im vierten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Zwar schrieben schon ab 1608, als Sylvestre de Baiboa in Puerto Príncipe (Camaguey) sein Gedicht »Espejo de Paciencia« verfaßte, Dichter auf Kuba, so daß sich die Poetik eine Tradition schaffen konnte, die die Epik zu B e ginn des 19. Jahrhunderts noch nicht besaß: »La prosa narrativa emerge ya a fines de la década de 1830 a 1840 sin verdadera tradición insular«. 16 Mit dem Text Balboas wurde zudem nicht nur das erste kubanische Gedicht geschaffen, sondern in der Figur des Negers Salvador, Protagonist des poetischen Textes, »un etíope digno de alabanza« 1 7 hielten die Afrokubaner Einzug in die kubanische Literaturgeschichte und damit auch ins Bewußtsein der Zeitgenossen.'8 Zur gleichen Zeit, als die meisten lateinamerikanischen Länder ihre Unabhängigkeit erlangten, wurde also die kubanische Prosa in die blühende Romantik hineingeboren. Sie brachte Bewegung in die bis dahin sehr statische kubanische Literaturgeschichte 1 9 und orientierte sich zunächst an der idealisierenden und sensiblen Weltsicht der europäischen Aufklärer und Romantiker, so daß sich für Lateinamerika und Kuba die Darstellung 'nichteuropäischer' Menschen in der Tradition europäischer philosophischer und literarischer Systeme ergab. Stellte sich die Romantik in Europa der unruhigen und von der bürgerlichen französischen Revolution erschütterten Aufklärung gegenüber, so war sie in ihren Grundzügen konservativ, wobei sie mit wachsendem Nationalbewußtsein auch revolutionäre Ausprägungen annehmen konnte. Zudem wurde die europäische Romantik Zeuge der aus allen Nähten platzenden industriellen Revolution, wohingegen die lateinamerikanischen Gesellschaften zwar den Unabhängigkeitskampf wagten, der 'Contrat social' von Rousseau und das Gedankengut von Montesquieu die Diskussionen bestimmten, gesellschaftliche Veränderungen jedoch ausblieben. Im Gegenteil, feudale Produktionsweisen setzten sich in Form der Sklaverei auf Kuba und in Brasilien fast bis zum Ende des Jahrhunderts fort, wobei die daraus entstehenden gesellschaftlichen und ideologischen Widersprüche sich auch literarisch niederschlugen im Konflik zwischen Autor und Rezipient, bzw. gesellschaftlich widersprüchliche Spannungen, gekennzeichnet durch die entsprechenden Topoi, die in die Texte selbst einflössen. »Unconscious contradictions were a common place in Spanish America where writers had not lived the deeper ideological experiences of Romanticism.« 2 o Obwohl die europäische Romantik starken Einfluß nahm auf die Gestaltung lateinamerikanischer Texte, ist es nicht hinreichend gerechtfertigt, die Analyse der lateinamerikanischen Variante mit den selben Konzepten zu betreiben, wie sie für Europa gültig sind, da insbesondere die lateinamerikanischen Kontexte den Autoren differierende Möglichkeiten in der Gestaltung der Texte verschafften. Obgleich Begriffe wie soziale bzw. 'revolutionäre Romantik' oder 'Spätaufklärung' anderen Konzepten wie
ss. 'sentimentale Romantik' und 'Eklektizismus' gegenüberstanden (die im einzelnen noch zu diskutieren sein werden), gelang der 'sentimentalen' aber auch 'revolutionären' Romantik Lateinamerikas der Schritt zu einer autochthonen Literatur. So ist der Roman Maria (1867) von Jorge Isaacs (Kolumbien, 1837-1895) zunächst als verspätetes 'pastiche' der sentimentalen und exotischen Romantik Chateaubriands Alala (1801) und Bernardin de Saint Pierres Paul et Virginie (1787) zu lesen. Während allerdings in Atala, René (1801) und Paul et Virginie eine idyllisierende Weltfremdheit in exotischen Landschaften zum Tragen kam ('evasión' und 'escapismo'), war in den lateinamerikanischen Romanen eher das Gegenteil der Fall. Verlegte noch Plácido im Zeichen eines kubanischen 'escapismo' einige seiner Handlungsorte in die Schweiz oder nach Polen, signalisierte die Aufnahme amerikanischen Lokalkolorits in den Romanen Annahme und Hinwendung zu eigenen kreolischen, amerikanischen Gegebenheiten, die Annäherung an eine direkt erlebte und nicht mehr unbekannte Umwelt. Das phantasievolle Konstrukt, die 'Imagination' eines unberührten Lebens in der Wildnis, von den europäischen Aufklärern und Romantikem vorgedacht, wurde abgelöst von der eigenen Erfahrung historischer und sozioökonomischer Zusammenhänge, denen die Lateinamerikaner ausgeliefert waren. Aus diesem Grunde konnten die lateinamerikanischen Autoren ein auch literarisches Bewußtsein für nicht-europäische Strukturen in der Bevölkerung gewinnen, aus der sich zunehmend eine Veränderung der Sichtweisen ergab, die allerdings erst 1949 in Alejo Carpentiere El reino de este mundo mit der Erkenntnis extraokzidentalen Welterlebens nach dem 'negrismo' und 'indigenismo' vollends ihren lateinamerikanischen Ausdruck fand. Wenn man auch in der Behandlung der Natur bei Jorge Isaacs den Einfluß Saint Pierres zu spüren vermeint, so unterscheidet beide Autoren zunächst einmal die Wahrnehmung ihrer Umwelt, aus der heraus die Natur ihre literarische Funktion gewinnt. In der Benennung2i des lateinamerikanischen Kontextes, für Kuba hieß das in besonderem Maße die Bezugnahme auf die Sklaverei, gelang den Autoren der entscheidende, oft unbewußt geleistete Schritt zu einer Literatur, die sich tendenziell von den europäischen Modellen abzulösen begann. In ihrer Substanz blieben die Romane aber hinter der sich abzeichnenden lateinamerikanischen Fassade konservativ und konventionell, insbesondere was die Schilderung der Beziehungen zwischen den Rassen, gesellschaftlicher Positionen und den Bezug zur Natur anbelangt; die Autoren schlössen sich auf Kuba mit wenigen Ausnahmen dem patriarchalischen Wohlwollen der Sklavereigesellschaft an. Es war in besonderem Maße das melodramatische Werk von Bernardin de Saint Pierre Paul et Virginie, das einen beachtlichen Einfluß auf die junge Prosaliteratur Lateinamerikas ausüben sollte. Während Hudde für Amerika in Harriet Beecher Stowes Unele Tom's Cabin (1852) und in Alejo Carpentiere El reino de este mundo (1949) Spuren von Saint-Pierre ausmacht, lassen sich auch im ersten Antisklavereiroman Kubas, in Anselmo Suárez y Romeros Francisco o las delicias del Campo (1838) Parallelen zu Paul et Virginie feststellen. Es sind die romantische Darstellung
¿2 einer tropischen Umwelt, die philanthropische Zuwendung (des Autors) zu dem als Menschenbruder erlebten Sklaven, ferner die eklogisch-fatale Liebesbeziehung zwischen Dorotea und Francisco bzw. Paul und Virginie, in denen die Ähnlichkeiten sichtbar werden, so daß Mario Cabrera Saqui zu Recht vorschlägt: »Resultaría muy útil hacer un minucioso estudio comparativo de su obra completa con la del francés Bernardin de Saint Pierre.« 22 Zudem könnte man in die Aufreihung noch den Roman Maria (1867) von Jorge Isaacs integrieren, der nicht nur im Paar der Protagonisten Efrain und Maria Ähnlichkeiten mit dem französischen Muster hat, sondern auch in den sekundären Figuren des Sklavenpaares Nay und Sinar, die den Hintergrund der Handlung tragisch-traurig bewegen. 2 3 In ähnlicher Weise wichtig, doch konfliktiver war die Rezeption von Victor Hugos Bug Jar gal (1826) auf Kuba, dessen gutwilder Protagonist das Entstehen der Antisklavereitexte zwar mittrug, die blutigen Geschehnisse des Romans aber den reformerischen Gedanken der kubanischen Intellektuellen zu radikal waren. Am Vorabend der Ereignisse der »Conspiración de la Escalera«, 1844, nahm sich die kubanische Literatur des Leids und der Unterdrückung der Neger an. Obzwar nicht frei von romantischen Sentimentalismen, folgte sie doch einem Realismus, den Balzac für die kubanischen Autoren vorgezeichnet hatte. 24 Wie überall in Lateinamerika zeichnete sich auf Kuba zu gleicher Zeit ein stärker werdendes Nationalempfinden ab, d.h. Selbstfindungs- und Bewußtseinsprozesse, die die Kubaner immer weiter aus den kulturellen und politischen, vor allem aber ökonomischen Einflußnahmen der 'Madre Patria', d.i. Spanien, entfernten. Der ideologische Prozeß der Kubanisierung der Insel ließ sich zwar nach Autoren wie Ramiro Guerra bereits im 16. Jahrhundert erkennen, die Distanzierung zwischen Spanien und Kuba vollzog sich aber erst im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts endgültig. 2 5 In den Jahren vor der Dekade 1830-1840 war der internationale Sklavenhandel verboten worden, englische Schiffe kontrollierten die kubanischen Gewässer und das System der Sklaverei erlebte seine Krisen mit den Sklavenaufständen vor 1844. Die 'Conspiración de la escalera', bzw. deren blutige Unterdrückung 1844, werden heute auf Kuba nach der mißglückten Verschwörung von Aponte 1812 als Resonanz des internationalistischen Klassenkampfes gewertet. Während dieser Jahre nahmen die kubanischen Autoren immer wieder Bezug auf die sozialen Ungerechtigkeiten der Rassen- bzw. Klassenkämpfe, die innerhalb der kolonialen Gesellschaft selbst entstanden waren. Wie hoch der belletristische Wert zweifelhafter Literatur des kubanischen Abolitionismus war oder welchen gesellschaftspolitischen Stellenwert diese Literatur einnahm, zeigten die Maßnahmen der Kolonialverwaltung gegen jene Autoren, die im weiteren Sinn sich bekennende Träger abolitionistischen Gedankenguts waren. Zudem veflochten sich in der Folge die Gedanken an die Abschaffung der Sklaverei mit denen der Auflösung des kolonialen Systems, so daß Abolitionismus und Unabhängigkeit bald bei einer Vielzahl von Intellektuellen eine gedankliche Einheit bildeten, die von den spanischen Behörden strengstens verfolgt wurde. Aller-
60 dings galt das Bestreben zunächst einer Kritik und Wandlung der Moral der durch den Sklavenhandel verderbten bürgerlichen Gesellschaft, was die Autoren Villaverde, José Jacinto Milanés, José Antonio Echevarría, Ramón Zambrana, Ramón de Palma, Félix Tanco, Anselmo Suárez y Romero, Juan Francisco Manzano, José Ramón Betancourt mit realistisch-kostumbristischen Arbeiten verflochten: »Había que mejorar las costumbres, despertar los sentimientos de bondad y justicia, y a esa noble tarea se consagraron aquellos nobles y generosos corazones que anhelaban ver suprimidas la trata de africanos y la esclavitud.« 2 ^ Zensur und Repression der kolonialen Behörden, denen selbst dieser reformerische Ansatz zu revolutionär war, ließ einen Korpus von kubanischen Texten entstehen, als eine Art mündlicher Antisklavereiliteratur, die auf der Insel in der Regel in Form von Manuskripten unveröffentlicht zirkulierte, entweder übersetzt im Ausland oder erst vierzig Jahre später auf Kuba erschienen, wobei Petrona y Rosalía (1838) und die spanische Version der Autobiographie von Juan Francisco Manzano erst im 20. Jahrhundert vorgelegt wurden. Während dem Mentor der jungen Intellektuellen Kubas Del Monte die folgenden acht Verse seiner Romanze »La Patria« von der Zensur gestrichen wurden: Que nunca escuchar yo pude sin que hirviera en ira el alma el bárbaro y atroz chasquido del látigo en carne esclava Y más preferí orgulloso pobre vivir, mas sin mancha, que no en opulencia infame a infame precio comprada 2 ?, mußte Gertrudis Gómez de Avellaneda das Verbot ihres Romanes Sab (1842) durch den 'Censor Regio de Imprenta', dem Licenciado Hilario de Cisneros, hinnehmen. Dessen harte Reaktion auf den deutlich in der Tradition von Saint-Pierre geschriebenen Text, mit dem subalternen, edlen und sensiblen versklavten Mulatten Sab als Protagonisten, in dem Cisneros eine »doctrina subversiva del sistema de esclavitud de esta isla« feststellte und der nach seinem Urteil gegen die »moral y buenas costumbres« verstieß 2 8 , zeigte die harte Linie der Zensurbehörden. Die rigorose Handhabung literarischer Zensur erreichte bisweilen Grade unverständlicher Absurdität. Wurde 1824 die Ausübung freier Künste verboten, regelte die Gesetzgebung von 1837 die Richtlinien der Pressezensur, deren Opfer auch die in Spanien schreibende Avellaneda wurde. Geläufiger und unverfänglicher Vorwand für das Verbot von wissenschaftlichen, aber auch literarischen Texten war das Argument, die Urheberschaft der Autoren sichern zu wollen: »A veces no se daba la licencia para publicar un periódico meramente científico o
6L literario, por la extraña razón de que había otros que ya trataban la materia ... la censura previa tachaba hasta lo más inocente ... hasta en los carteles prohibió la palabra libertad, hasta en la ópera 'Los Puritanos'.« 2 9 Die Zensur wirkte sich auf das Geistesleben so einschränkend aus, daß Del Monte 1838 metaphorisch von dem Gefängnis der Insel sprach. 1834 wurde der Reformator und Abolitionist José Antonio Saco der Insel verwiesen, nachdem er sich ab 1832 der Sklaverei energisch entgegenstellte. Kurioserweise konnte er im spanischen Exil, ähnlich wie andere Autoren, weiterhin gegen das System der Sklaverei anschreiben, was das 1837 in Madrid erschienene Heftchen Mi primera pregunta unter Bezug auf die kubanische Wirtschaft bestätigte. Saco folgten Del Monte, 1843, Villaverde und andere ins Exil, manchmal freiwillig, oft aber, um der Verhaftung zu entgehen. Plácido wurde in Folge der vermuteten oder inszenierten 'Conspiración de la Escalera' hingerichtet, Juán Francisco Manzano publizierte nach seinem Gefängnisaufenthalt 1844/45 bis zu seinem Tod 1854 aufs höchste eingeschüchtert keine einzige Zeile mehr. Die Schwere der Maßnahmen ließ sich nicht nur an den Todesurteilen bzw. den vorausgehenden massiven Folterungen entnehmen, sondern auch an der Tatsache, daß nach dem Erscheinen der ersten Fassung von Cecilia Vaidés 1839 und den Gedichten von Plácido auf Kuba bis zur Abschaffung der Sklaverei 1880 keine Texte mehr geschrieben, geschweige denn veröffentlicht wurden, die in anklagender Weise auf das System der Sklaverei Bezug nahmen. 1856 erschien zwar die schon 1838 geschriebene 'noveleta' des Sklavenjägers Pedro José Morillas El Rancheador, doch dem höchstens durch die Herausgeberschaft Villaverdes eine abolitionistische Haltung unterlegt werden kann, während der Text selbst sich auf die trockene Darstellung jenes menschenunwürdigen Berufes beschränkte. Andrés Avelino Orihuela (1818 - 1873), von den kanarischen Inseln, klagte zwar mit seinem Roman El sol de Jesus del monte, der 1852 in Paris erschien, das Ende Plácidos an, fand aber auf Kuba keine bemerkenswerte Resonanz. Die Zeit nach 1844 signalisierte daher einen Stillstand in der Bewußtwerdung des Prozesses der Mulattisierung Kubas. Wegen der massiven Repression der Themen von Sklaverei führten die Dichter die Metapher und Allegorie der ausgerotteten Ureinwohner, der 'siboney' in ihre Literatur ein. Weil den Afrokubanem die Möglichkeit verschlossen war, über den Vergleich als 'mejor poesía' einen Weg ins Bewußtsein ihrer weißen Zeitgenossen zu finden, adoptierten Autoren wie José Fomarís (1827-1890) den indianischen 'bon sauvage' der europäischen Vorbilder Rousseau, Marmontel und Chateaubriand. In Texten wie »Cantos del Siboney« wurde nun der Neger aus der Metapher des potentiellen Widerstandskämpfers entlassen. Es war der Siboney der sich nun gegen koloniale Unterdrückung wehrte und sich als Identifikationsobjekt der kreolischen Intellektuellen wesentlich besser eignete, als es die schwarzen Kubaner je vermochten, die zur gleichen Zeit für Heiterkeit in den 'bufo'Theatern sorgten. Zudem wurde jetzt der Siboney, und nach den anfänglichen Versu-
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chen nicht mehr der Negersklave und noch nicht der Mulatte als Repräsentant des Kubanischen schlechthin verstanden, womit die Bewußtwerdung einer vor sich gehenden originellen Transkulturation zwischen schwarz und weiß bis auf we.teres behindert wurde. »... la natural identificación en Cuba del Siboney con el símbolo de b nativo, propiamente cubano, lo que enlazaba el motivo siboney con el específicamente patriótico de proyección política revolucionaria.«30 Das Sklavereisystem hatte die Afrokubaner darüberhinaus von der Natur entfremdet, so daß die romantische Vorstellung einer Einheit zwischen Natur und Menschen in den Monokulturen der Zucker- und Kaffeeplantagen nicht mehr gegeben war. Konnten in der europäischen Literatur die Negersklaven und indianischen Wilden durch ihr Leben jeweils ein Modell zur Kritik der zeitgenössischen Gesellschaften liefern, blieben die miteinander verbundenen Ideen von Gleichheit und Glúck - eine anthropologische und eine ethische Aussage - nur von den 'bon sauvages' oder 'hommes naturels' realisierbar. Diese lebten glücklich, weil sie 'nach den Gesetzen des Instinkts' handelten, was den versklavten Afrikanern unmöglich gemacht worden war, deren instinktives Handeln in der rassistischen Literatur nicht als Konzept der Vernunft ergänzt, sondern an animalisch unkontrolliertes Verhalten, meist Sexualität, gekoppelt war und ist, was Henri Baudet für das 19. Jahrhundert bestätigt: »In general the black was viewed as the lowest stage of human d e v e k p m e n t . . . reputed to be an altogether inferior creature, a slave by nature, lacking in all historical background.«3i War das Bild des 'bon sauvage' des beginnenden bürgerlichen Zeitalrers stets außerhalb der eigenen Gesellschaft angesiedelt, mußte die Bezugnahme auf die Negersklaven innerhalb der bestehenden kubanischen Gesellschaft ethnischen Konfliktstoff liefern, insbesondere auch dadurch, daß im Gegensatz zum literarischen Einsatz des guten Wilden kein besseres soziales Modell entwickelt werden konnte sondern die literarische Verwendung von afrikanischen Sklaven diskriminatorisch und direkt auf das kubanische System Bezug nahm. Die kubanischen Autoren bis José Martí, von Zensur und Verfolgung bedroht, hatten keine Lösung, keine Utopie de; Zusammenlebens zwischen Schwarz und Weiß im Sinne einer Emanzipation der Negersklaven, so daß sich auf Kuba die allgemeine negative Entwicklung vom 17. bi¡ zum 19. Jahrhundert gegenüber den schwarzen Figuren in der Literatur wiederholte Johnson findet dafür folgende Erklärung: »The major reason for all these negative reactions (as beeing) specifically that the Negro's racial and cultural attributes represented a symbol and actual contradiction of valúes that Europe was either unable or unwilling to reevaluate.« 2 Der Sklave mußte demzufolge als literarische Figur zurückweichen, bis sich die Konstellationen ab 1880 geändert haben sollten.
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3. Die Tertulia um del Monte Zentrale Figur jener Tertulia in Matanzas und La Habana war der gebürtige Venezulaner Domingo del Monte y Aponte (1804-1853). Um diesen scharten sich nach dem mißglückten Versuch der Gründung einer kubanischen Akademie für Literatur die wichtigsten Autoren der Insel. Del Monte übte auf diese durch seine außergewöhnliche Persönlichkeit und seine Schriften nachhaltenden Einfluß aus, wenngleich er nur in Zeitungen publizierte, Essays und Gedichte schrieb, ohne jedoch selbst ein größeres Werk vorzulegen. Seine Tertulia, bis 1836 in Matanzas und dann bis 1843 in La Habana, war das wichtigste Zentrum geistigen und kulturellen Lebens der beiden Städte und damit Kubas schlechthin. Am Vorabend der 'Conspiración' kehrte Del Monte 1843 der Insel endgültig den Rücken. Del Monte förderte nicht nur entscheidend junge Autoren wie José Antonio Echevarría, José Jacinto Milanés, Ramón Palma etc., sondern war auch der wichtigste Ratgeber und Freund von José Maria Heredia, der 1823 ins Exil ging. Zudem war die Tertulia Del Montes der Ort, an dem der Austausch von Ideen und Informationen über das geistige Leben Europas stattfand, europäisches und aufklärerisches Gedankengut rezipierend, das den Erfordernissen der kubanischen Realität entsprechend modifiziert wurde. Nahezu alle Autoren, die in ihren Werken Bezug auf die Sklaven nahmen, waren regelmäßige Teilnehmer der Tertulia. Die Abolitionisten Cirilo Villaverde (1812-1894), Anselmo Suárez y Romero (1818-1878), Plácido Gabriel de la Concepción Valdés (1809-1844) und der ehemalige Sklave Juan Francisco Manzano (1797-1894) gehörten ebenfalls zum engen Kreis der Literaten, der durch kostumbristisch schreibende Autoren wie José Victoriano Betancourt (1813-1875), Philosophen, Juristen, Publizisten und andere erweitert wurde. Das Schriftenverzeichnis Del Montes, vor allem aber dessen Korrespondenz mit Félix Tanco, geben einen Eindruck von der Bandbreite der Gesprächsthemen und dem geistigen Hintergrund des frühen 19. Jahrhunderts, wobei Del Monte die Diskussion über ästhetische Grundfragen der Literatur in Richtung eklektischer, neoklassischer Lyrik und Realismus in der Prosa lenkte, beides zudem von einem moralisierenden Christentum unterlegt. Wie erwähnt wurde Victor Hugos Bug-Jargal von der Gruppe um Del Monte zurückgewiesen, da sie den Gedanken an eine Rebellion sowohl der Sklaven als auch der Kreolen gegen die Spanier nicht annehmen konnte. Alleine Félix Tanco interessierte sich offen für den französischen Text. In der Diskussion darüber wurde die Absicht deutlich, ästhetische Ansprüche an eine noch konservative Ideologie zu binden, d.h. »... el regusto (costumbrista) de pintarse a sí mismos... y por otra parte, el propósito de corregir ciertos errores sociales, ciertas costumbres, en beneficio naturalmente de la misma clase.«33 Del Montes reformerischer, bescheiden abolitionistischer Einfluß trug dadurch mit dazu bei, die Beschreibung der Afrokubaner in der ihnen aufgezwungenen Sklaverei
64 zu standardisieren und festzulegen. Aus diesem Grunde mußten die von Del Monte angeregten aber auch kontrollierten Texte wie die Autobiographie Manzanos und der Roman Francisco von Suárez y Romero das angsteinflößende Bild der sich erhebenden Sklaven à la Bug-Jargal abschwächen, um die Gestalt des gefiigsamen und unterwürfigen Sklaven zu zeichnen, der mittels Sympathie und Mitleid, nicht durch Gewalt auf die unmenschlichen Lebensbedingungen der Sklaven aufmerksam machte. Keinem Text wurde daher in der delmontinischen Tertulia erlaubt, diese 'offiziellen' Kriterien der Gruppe zu durchbrechen.34 »In order to call forth a sympathie reaction to slavery's abuses from the more enlightened members of the Community who would probably have been offended by a rebellious protagonist.«35 So ist es nicht erstaunlich, daß im Kreise jener Autoren die Frage nach dem Thema gestellt wurde, das für den aufblühenden Roman und die Erzählungen des jungen Literaturbetriebs der Insel am geeignetsten wäre: »La cuestión esclavista y su enorme secuela de injusticias y de crímenes horrendos fue tema preferente de conversaciones en el ateneo delmontino ... Propugnaron para ello la reforma total de costumbres como medio adecuado de alcanzar un justo equilibrio social.«36 Die Intellektuellen, Zeugen einer international zunehmenden Manifestation afroamerikanischen Bewußtseins, Zeitgenossen des massiv anwachsenden Sklavenhandels und der Aufstände der kubanischen Sklaven, verbanden in ihrem Interesse soziales mit persönlich literarischem Engagement, was zu einer konfliktreichen Auseinandersetzung nicht nur innerhalb der Tertulia, sondern auch im Leben und Werk einzelner Autoren führte. Über die patemalistisch rassistische Aufwertung der Neger als 'mejor poesía' sollten die unmenschlichen Lebensbedingungen der Sklaven in die kubanische Literatur eingeführt werden, so daß, wie es Félix Tanco forrr ulierte, aus der 'literatura contemplativa' eine 'literatura de compromiso' entstand. Die Neubewertung der Stellung der Afrokubaner, in der Literatur vorexerziert, sollte aber nicht unbedingt eine gesellschaftliche Emanzipation der Farbigen zur Folge haben, wie die vielzitierte Aussage Calcagnos unterstreichen wird: Sklavenbesitzer zu sein, ist an sich kein Verbrechen, wohl aber dessen Privilegien zu mißbrauchen. »Por ahora no hay derecho a reprochar a nadie lo que todos practicamos: lo que hay es el deber de ir alumbrando las inteligencias y rompiendo el velo de la preocupación para preparar el día de la justicia y de la honra. No está el delito en ser amo, sino en abusar de serlo.«3? Dies entspricht der Praxis, Afrokubaner literarisch nicht selbst zu Wort kommen zu lassen, sondern sie in den Texten vielmehr mit den weißen Herren und nicht den 'petits blancs' zu kontrastieren, wodurch diese selbst ins Zentrum des Romangeschehens rücken. Die Befreiung Manzanos, in der sich auch die christliche Moral der
61 Gruppe widerspiegelte, blieb die einzige bekannte Handlung, in der sich die aufgeschlossene Einstellung Del Montes und seiner Anhänger konkretisierte. Den humanitären Ideen, beeinflußt durch die Aufklärung des 18. Jahrhunderts und die ethischen Prinzipien des Eklektizismus von Cousin, stand eine rückschrittliche, wenn nicht sogar rassistische Grundeinstellung gegenüber. Del Montes theoretisches Engagement führte in England zu einer Veröffentlichung der literarischen Dokumente in Bezug auf die kubanische Sklaverei. Er beabsichtigte mit dieser Textsammlung, in der außerkubanischen Öffentlichkeit das Stimmungsund Meinungsbild der fortschrittlichen Kräfte Kubas zu zeigen, die Einfluß nehmen wollten auf das System des praktizierten Sklavenhandels, »... para que éste forme una idea exacta del estado de la opinion acerca de la trata y de los siervos entre los jovenes que piensan en el país«38. Obwohl Del Monte seine Briefpartner und Besucher der Tertulia immer wieder auf die Notwendigkeit hinwies, die Schrecken der Sklaverei zu schildern, die gesellschaftliche Wirksamkeit von Literatur stand für ihn außer Zweifel, konnten sich nicht alle von einer paternalistischen, mitunter auch rassistischen Haltung freimachen. Del Monte hielt den freigelassenen Juan Francisco Manzano dazu an, seine Autobiographie zu schreiben, mit der Absicht, diese Richard R. Madden zu übergeben, der mit diesem Text in England die abolitionistischen Kräfte in ihren Anliegen bestärken wollte. Madden selbst, der 1838 bis 1839 als Kommisar des 'Tribunal Mixto de Arbitraje' auf Kuba weilte, war erklärter und engagierter Gegner der Sklaverei. Auf Druck von Del Monte entstanden nun weitere Werke im Kreis der Tertulia, die Madden zum Teil 1840 in London veröffentlichen sollte. Allerdings erschien dann nur die Autobiographie Manzanos in der englischen Fassung. 39 Unter dem umfassenden Titel »Escenas de la vida privada en la isla de Cuba« schrieb Félix Tanco y Bosmeniel eine Reihe von Erzählungen, deren einziges erhaltenes Beispiel »Petrona y Rosalia« (1838) erst 1925 gedruckt vorlag. In gleicher Weise suggerierte Del Monte Anselmo Suárez y Romero das Thema zu dem Roman Francisco (1838), wobei er ihm Zugang zu den Werken Balzacs verschaffte, die er als Muster realistischer Darstellung schätzte. Del Montes Streben war es nun zu verdanken, daß mit den Texten von Tanco und Suárez y Romero die erste Antisklavereiprosa Lateinamerikas Uberhaupt entstand: »El conciso relato de Tanco y el de Súarez y Romero (que se anticiparon al Sab de la Avellaneda), son las primeras novelas de tendencias abolicionistas que se escribieron en América ...«4o Nachdem Del Monte den zwanzigjährigen Suárez y Romero geradezu beauftragt hatte, einen Roman zu verfassen, ermunterte er José Jacinto Milanés, über die Negersklaverei zu schreiben, was diesen zur Produktion der Romanze »El negro alzado« brachte. Es ist nun gerade die Gattung der Romanze, die im frühen 19. Jahrhundert das Bestreben um eine autochthone Literatur in Kuba mittrug. 4 '
66 3.1. Del Monte und die 'Conspiración de la Escalera' Del Montes Engagement in der Sklavenfrage intensivierte sich bis zum Jahre 1843 und stellte J.A. Portuondo zu Recht vor die Frage, ob sich die Sklaverei und ihre Probleme nicht zur 'fixen' Idee bei Del Monte entwickelt hatten. 4 ? Del Montes Kontakte zu dem Kreis sklavenfeindlicher Ausländer sollten im Jahr 1844 böse Folgen zeitigen. Ihn erreichten nämlich gegen Ende 1843 Gerüchte von einer Verschwörung von Negern und Mulatten. Warum er diese Gerüchte seinem Freund Alejandro Everett, einem Beamten der Botschaft der Vereinigten Staaten mitteilte, blieb unklar. Everett wiederum beeilte sich, die Gerüchte dem spanischen Gouverneur der Insel zu hinterbringen, so daß Del Monte selbst am Anfang der Kette fataler Ereignisse stand, die unter dem Namen der 'Conspiración de la Escalera' bekannt wurden. Wenig später ging Del Monte außer Landes und reiste mit seiner vermögenden Frau über New York nach Paris. In Frankreich erfuhr er, daß sein Name in Zusammenhang mit der vermeintlichen Verschwörung genannt wurde und staatliche Gegenmaßnahmen nicht nur die Hinrichtung Plácidos bewirkten, sondern auch die Einschüchterung und Vernichtung eines bewegten geistigen Klimas, was viele der Intellektuellen ins äußere und innere Exil trieb. Über die falschen Verdächtigungen und Methoden der Unterdrückung empört, wandte sich Del Monte mit einem Artikel in Le Globe zunächst an die Pariser Öffentlichkeit. In der Verteidigung gegen den Vorwurf, maßgeblich an der Planung der Verschwörung beteiligt gewesen zu sein, enthüllte Del Monte die Grundstrukturen seines Denkens in Hinblick auf die Rassenfrage. Er schrieb später dazu: Cualquier habitante de Cuba, aun el que menos conozca la índole de aquella sociedad, sabe que la opinión reinante en la raza blanca, aunque mucho más favorable a la raza etiópica que la del resto de las colonias europeas, está muy distante de sancionar uno amalgama social de castas para conseguir la independencia política de la colonia. No es creíble pues, que yo conocía y trataba todas las clases decentes de la sociedad blanca de la isla, me equivocára en un punto que es el rasgo más saliente de la fisionomía colonial cubana, y creyése que podría fraguar una conspiración para separar la isla de la península, contando como principal elemento de triumfo la unión entre los blancos criollos y los negros ... Mi sandez no tendría ya término sí, por otra parte, se considera que yo admitía el plan de conspiración que se me achaca, no sólo esa fusión antipática y culpable de razas, sino la raza negra auspiciar.^ Del Monte gab mit dem vorstehenden Text zu, daß die Afrokubaner einen festen Platz im Sozialgefüge Kubas gewonnen hatten, wobei er ihre Aufnahme in die Literatur zwar befürwortete, nicht aber ihre Mitbestimmung im öffentlichen und gesellschaftlichen Leben. Es bleibt die Frage, welchem Zweck die Akzeptierung der Afrikaner im Roman gehorchte, mit dem er selbst Veränderungen auslösen wollte, wenn es ihm noch widerstrebte, eine sich abzeichnende Transkulturation und Mulattisie-
6Z rung als Möglichkeit einer eigenen kubanischen Identitätsbildung zu begreifen, wie es später José Marti und die kubanischen Revolutionäre nach 1959 postulierten. Obwohl Del Monte diese Entwicklung erahnte, bewertete er die absehbare Mulattisierung als »fusión antipática y culpable de razas«. Der Grad der Transkulturation und Rassenmischung zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde dadurch deutlich, daß die Mulattisierung von einigen Contertulios als eine der treibenden Kräfte für die Realisierung der Unabhängigkeit begriffen wurde. Insofern ist der koloniale Rassismus auch als Mittel zu begreifen, eine Solidarisierung zwischen schwarzen und weißen Kreolen zu verhindern. Der Abolitionismus Del Montes war weit davon entfernt, die Präsenz der Afrikaner auf Kuba als endgültig, identitätsbildend und positiv zu begreifen. Zudem zeigte sich gerade in der Auseinandersetzung um die Verschwörung, deren Realität auch heute noch diskutiert wird, der vorsichtig reformerische Ansatz Del Montes, auf den González de Valle ausdrücklich hinweist. Del Monte wußte zu gut, daß die ökonomischen Probleme, der sich abzeichnenden sozialen und politischen Fragen ein Pulverfaß, »una mina«, darstellten, das drohte, den kolonialen Frieden zu sprengen: »Volar a todos«, und insbesondere die Interessen der Zuckeraristokratie gefährdete. In einem Brief aus dem Jahre 1848 machte sich Del Monte Gedanken über mögliche Lösungen des Problems der Sklavenfrage und zeigte aber gegen Ende, wie unrealistisch er nicht nur nach heutigen Erkenntnissen die soziale Situation auf Kuba einschätzte. »... acabar con la trata primero, y luego ir suprimiendo insensiblemente la esclavitud, sin sacudimientos ni violencias; y por último, ... limpiar a Cuba de la raza africana.« 4 4 Del Montes Stellungnahme ist es wert, als historisches Dokument ernstgenommen zu werden, da er über seine Tertulia und seinen umfangreichen Briefwechsel das Denken seiner kubanischen Zeitgenossen mehr oder weniger massiv beeinflußte, sogar lenkte, wie eingangs festgestellt. Daher kommt seinem »Centón epistolario« als Quelle zeitgenössischen Denkens entscheidende Bedeutsamkeit zu. Allerdings blieb seine Wirkung auf die politische Entwicklung Kubas gering, wenn er auch der spanischen Krone den Kompromiß vorschlug, ein koloniales Herrschaftssystem unter Selbstverwaltung der kreolischen Kubaner einzurichten. Die Hoffnung Del Montes und seiner Tertulia auf die Wirksamkeit denunziatorischer und somit auch engagierter Literatur hatte Parallelen nicht nur in der Rezeptionsgeschichte des Romanes Unele Tom s Cabin von Harriet Beecher Stowe, sondern auch in der Erfahrung französischer abolitionistischer Strömungen und Autoren, insbesondere im Leben und Werk Bernardin de Saint-Pierres, dessen romantische Impulse 4 5 auf Kuba Del Monte mit »neoklassischer Behutsamkeit« abbremst. 4 ^ Ob der Freikauf von J.F. Manzano nur als einzelner humaner Akt zu verstehen ist oder ob er eine tiefere ethische und politische Überzeugung enthüllt, mag schon an den Aussagen Del Montes bezweifelt werden. Zu überprüfen ist jedenfalls auch, ob
68 andere Autoren, trotz vereinzelt kritischer Texte und der Verwendung der Negersklaven als Metapher, die zwiespältige Haltung Del Montes teilten. Die Beobachtung Raúl Cepero Bonillas hält jedenfalls zu Vorsicht an: »los pensadores cubanos anteriores a la guerra 1868 fueron todos esclavistas«. Trotz ihrer oft kritischen Haltung fehlte in der Regel die Konsequenz in der Handlung, so daß Cepero Bonilla weiter schreibt: »Ninguno, que yo sepa, adoptó una postura frente al fenómeno de la esclavitud, y todos mantuvieron también una concepción racista del desenvolvimiento de la sociedad cubana.« 47
4. Petrona y Rosalía Die Erzählung Petrona y Rosalía greift, wie die folgenden Texte, das Thema der Sexualität als deutlichsten Maßstab einer gesellschaftlichen Moral auf. In diesem Zusammenhang schält sich das Handlungsmuster des Sklavenhalters, oder später dessen Sohnes, heraus, der die schwarze Sklavin begehrt, verführt oder vergewaltigt. In der vorliegenden Erzählung erleidet die Sklavin Petrona durch ihren Herrn und 'Besitzer' Don Antonio Malpica sexuelle Gewalt, wobei der 'sprechende' Name Malpicas zwar ironisch, aber sonst nicht weiter von Bedeutung ist. Als dessen Gattin die Schwangerschaft Petronas feststellt, ohne zunächst zu ahnen, daß ihr eigener Mann Vater des Kindes ist, fordert sie Antonio auf, die Sklavin zur Strafe auf die Pflanzung zu schikken. Die harte Arbeit auf den Zuckerrohrfeldem und die Willkür der Aufseher sollen die Strafe für das vermeintlich unmoralische Verhalten der schwarzen Frau sein, womit ein erster Aspekt kolonialer Doppelmoral enthüllt wird. Dieses Handlungsmuster übernahmen Cirilo Villaverde in Cecilia Vaidés (1838), Anselmo Suárez y Romero in Francisco (1839), Antonio Zambrana in El negro Francisco (1875), Ramón Meza y Suárez Inclán in Carmela (1886), Félix Soloni in Mersé (1924) und J.A. Ramos in Caniquí (1936), wobei das Leid der Landsklaven immer stärker mit dem Leben der halbgebildeten und 'edlen' Stadt- und Haussklaven kontrastiert wurde. Grausamer konnte die Geschichte der Afrokubaner nach Ramón de Palmas Erzählung Una Pascua en San Marcos (1838) in der Prosaliteratur Kubas kaum beginnen. Tanco entblößte den moralischen Verfall der Sklavereigesellschaft mit einer zynischen Deutlichkeit, die von den folgenden Autoren kaum übertroffen wurde. Zudem blieb er mit seiner direkten Darstellung unter Verzicht auf sprachlich ornamentale Ausschmückungen stilistisch karg und spiegelt damit die Gefühlskälte der mißhandelnden Personen in eindrucksvoller Weise wieder. Auf dem Ingenio wird die Mulattin Rosalia geboren. Wie später die tragische Sofia, wird auch das Mädchen zunächst nur unter dem menschenverachtenden materialistischen Aspekt des Gegenstandes und der Ware betrachtet:
69 El Señor Pantaleon comunicó esta novedad a Don Antonio como se comunicára el parto de una vaca o de una puerca madre, pues de todos modos era un aumento en la hacienda del amo.4® Tanco enthüllt in diesem Ausschnitt die Ethik seiner sklavenbesitzenden Zeitgenossen und stellt die Zerrissenheit einer katholischen Gesellschaft mit einer falschen Moral und entleertem ethischen Bewußtsein bloß. Als Rosalia heranwächst, nimmt sie die Herrin mit in die Stadt, da sie von dem natürlichen Charme des Mulattenmädchens gefangen war: »pues estaba prendada de ella como de un dije de adorno.« (PR, S. 112) Wenig später stirbt Don Antonio, wobei es sich Tanco nicht nehmen läßt, ihm die Geringschätzung, die dieser gegenüber den Sklaven zeigte, zurückzuzahlen. Der Vergleich mit einem toten Tier ist demnach die literarisch konsequente Fortsetzung des Schicksals eines Menschen, der zu seiner Lebenszeit selbst schon innerlich hohl und verfault gewesen ist. Tanco schildert respektlos vor dem Tod des üblen Protagonisten die Geräusche während der Totenwache »... no mal comparado tal vez al que forman un millón de moscas engolosinados en el cadaver de algún animal muerto« (PR, S. 125). Wie dann in Cecilia Valdés oder Sofía verliebt sich der Sohn des Hauses »el niño Fernando« - so lautete auch er erste Titelentwurf - in Rosalia, seine vermeintliche Halbschwester, die auch ihrerseits von ihm geschwängert wird. Ebenso wie Petrona wird Rosalia für ihre vermutete Unmoral bestraft und kommt wie ihre Mutter auf das Ingenio. Trotz ihrer Schwangerschaft wird sie dort gefoltert und gequält, was sie nicht überlebt. Nachdem der Vater Petrona sexuell benutzt, sein Sohn Rosalia mißbraucht hatte, und beide Sklavinnen unter den Peitschenhieben der Aufseher starben, was wiederum die Mutter Doña Concepción in vollem Wissen um die Beziehungen ihres Gatten und Sohnes angeordnet hatte, enthüllt deren Kommentar zum Tod der Frauen die menschenverachtende Kälte eines Sklavenbesitzers »Paciencia - dijeron los dos - se han perdido mil pesos« (S. 131). Nicht nur in diesem Abschnitt, sondern auch in vielen anderen, ähnlich empörenden Szenen verwirklichte Tanco seine Absicht, die Existenz der Sklaven über deren Leid einer ethisch verkommenen zeitgenössischen Gesellschaft deutlich zu machen. Die Beschränkung des handelnden Personals seiner geplanten »Escenas de la vida privada«, auf den Kern nur einer Familie, erlaubt es ihm, metaphorisch und allegorisch eindeutiger zu bleiben, indem er sich auf einige wenige zentrale Aussagen beschränken konnte. Dieses Vorgehen ermöglichte ihm, anhand des ethischen Verfalls der weißen Herren das Prinzip einer poetischen und moralischen Kontrastierung zu verwirklichen, das die Emotionen der Leser in Bewegung setzen sollte, wobei allerdings der soziale Determinismus der Handelnden zwar erwähnt, aber noch nicht erschüttert wurde. Wenn auch Cirilo Villaverde das Handlungsmotiv des Inzests übernimmt, kommt es in Petrona y Rosalía noch zu keiner wirklichen Bruder-Schwesterbeziehung, obwohl der Leser zunächst in diesem Glauben belassen wird. Die Realisierung des In-
70. zests, als eines der wirksamsten Tabus christlicher Moral, umg-.ht Tanco nur dadurch, indem er die falsche Moral von Doña Coñcepción enthüllt uni somit jedes Mitglied der Familie mit einer Schuld belastet. Doña Coñcepción erinnert sich nämlich, als sie von der Schwangerschaft Rosalias erfahrt, mit Genugtuung dann, daß Fernando nicht der leibliche Sohn Don Antonios ist, sondern Frucht eines Einbruches mit dem Marqués de Casanueva. Das Inzestmotiv ist nun nicht das wichtigste Gemeinsame di:ser Erzählung mit den folgenden abolitionistischen Romanen, auch wenn Max Hciríquez Ureña gerade diese Gemeinsamkeit zwischen Petrona y Rosalía, Cecilia Vtldés und Sofía betont. Bemerkenswert ist aber die Parallelität der Ereignisse, der hoffnungslose Kreis, in dem sich die farbigen Frauen bewegen. Mit einer für seine leitgenossen erstaunlichen Freiheit stellte Tanco im Vorgriff auf den Naturalismis die Auswüchse und Schattenseiten der Sklaverei dar, der die anderen Autoren ii dieser Direktheit nur sehr zögernd folgen. Wenn nun nicht das Inzestmotiv bzw. de Unverhohlenheit der Darstellung das verbindende Moment zu den folgenden Te:ter. ist, so lassen sich doch eine gewisse Anzahl wichtiger Kompontenten ausmachen, die die abolitionistischen Autoren verbinden. Der Zyklus von Ausbeutung und (ingerechter) Bestrafung bzw. systematischer Folter ist schon erwähnt. Zu Agenten d;r ökonomischen Ausbeutung haben sich die Vaterfiguren in den Texten entwicket, während die Söhne, angefangen mit dem 'niño Fernando' über Ricardo in Suáiíz y Romeros Roman Francisco, über Leonardo in Cecilia Valdes und Federico in S>fic, die Prototypen sexueller Ausbeuter und gesellschaftlicher Randfiguren sein werden. Der ersten 'selfmade'-Generation der Väter folgen die durch das Klima und Sklavereisystem verweichlichten und pervertierten Söhne, die am Rand dekadent:n ünwissens und moralischer Schwäche eher vegetieren als leben. An deren kubiniichem Anfang steht Fernando, dem es seit seiner frühesten Jugend ein Vergnüger is:, Sklaven zu schlagen, seinen Studien dagegen folgt er nur mit größter Mühe ind wenig Interesse, so daß er im Alter von 22 Jahren im höchsten Maße ungebildet i;t »sabiendo apenas escribir y leer, algunas cuentas, farfullar el francés y tirar el florete« (PR, S. 110). Wie schon erwähnt, bedient sich Tanco nicht nur der Charakterisierung der Personen sondern vor allem der Form des Dialogs zwischen den an Romangeschehen beteiligten Personen, um ein präzises Profil der damaligen Sklivengesellschaft zu zeichnen. Die Besucher, die sich regelmäßig im Hause Don /ntonios treffen, ein Arzt, ein Geistlicher und der schon erwähnte Marqués de Casmuîva, unterhalten sich über die Zuckerproduktion und die Probleme mit einzelnen Sda/en und Sklavendotacionen. So geben sie ein frühes und vielseitiges Sittenbild enir Gesellschaft, was sich in den Gesprächen der Besucher des Ingenios "La Tinaja' von Cándido Gamboa in Cecilia Valdés und den Besuchern auf der Kaffeepflanzung von Don Joaquín Padilla in César Leantes Los guerrilleros negros wiederfinden seil. Anhand der Schicksale von Petrona und Rosalia soll eine Struktur deutlich gemacht werden im Umgang von Herrn und Sklaven, die die Dekadenz der kubanischen Fanilie innerhalb des
71 Sklavereisystems enthüllt. Zudem wird deutlich, daß diese heimlichen und illegalen Beziehungen wichtigstes Moment der Auflösung und des Verfalls der Sklavereigesellschaft an sich sind. Das Problem der unehelichen Kinder aus diesen Kontakten wird individuell angesprochen und in der Regel auf dramatische Weise gelöst, womit die Urzelle des Staates, die Familie, an metaphorischem Gewicht gewinnt. Si es la familia el elemento de la sociedad civil, ¿qué sociedad será la nuestra, y qué ciudadanos se formarán entre nosotros, cuando la fuerza bruta tiene levantado su trono en el seno de la misma familia contra la moral, y en donde son necesarios por consiguiente un verdugo y todos sus instrumentos de opresión y suplicio para conservar su prepotencia?4^ Schon in dieser ersten abolitionistischen Erzählung eines weißen Autors auf Kuba wird eine Problematik deutlich, die fast ausnahmslos alle Autoren auf Kuba bis in die moderne Literaturgeschichte Kubas beschäftigen soll und auch heute noch vor ungelöste Schwierigkeiten stellt. Es ist die Frage der Psychologisierung der schwarzen literarischen Figuren bzw. die Darstellung ihrer Erlebnisse aus einer Innensicht heraus. Tanco verzichtet auf diesen Anspruch, was allerdings Suárez y Romero in seinem Roman Romualdo, uno de tantos literarisch geschickter löste. Tanco läßt den Leser über die inneren Reaktionen seiner Protagonistinnen im Unklaren, nachdem sie Opfer der sexuellen Begierden ihrer Herren geworden waren. So kann er dort nur Leid schildern, wo er in seiner doppelten Bestimmtheit als weißer Mann auch Leid erkennen kann. Gerade die Perspektive des auktorialen Autors, als von außen erlebender und schreibender Zeitgenosse, läßt ihn dann auch, nicht überraschend, Rassenvorurteile aufnehmen und literarisch verarbeiten. Er reflektiert daher den Glauben seiner Zeitgenossen an die physische Stärke und die Fähigkeit der Afrikaner, Arbeit und Qual zu ertragen, was sie in die fatale Rolle der Sklaven auf Grund ihrer vermeintlichen biologischen Eigenschaften drängt.so Er zeigt dies an Petrona, die nahezu unmenschliche Anstrengungen überlebt. Obwohl er damit die schrecklichen Seiten der Sklaverei an seinen schwarzen Protagonisten zeigt, bleiben diese auf Grund der fehlenden Psychologie erschreckend passiv, wenn nicht sogar literarisch leblos und blaß. Die vereinfachende Darstellung einer Psychologie verstärkt diesen Eindruck eher, als daß sie ihn aufhebt. Tanco gelingt mit dieser Erzählung die Schöpfung von Handlungsmustern und literarischen Modellen, deren Zeichnung mit der Ausnahme von Calcagno die späteren Autoren nicht so deutlich und kraß ausführen. Doña Concepcións aufgesetzte und hohle Moral wird zum Beispiel von der brüchigen Bürgerlichkeit der Protagonisten in Cecilia Vaidés etc. abgelöst. Obwohl Tancos Erzählung erst 1925 veröffentlicht wurde, steht doch zu vermuten, daß seine Erzählung zumindest im Kreis Del Montes zirkulierte und meinungs- bzw. formbildend wirkte, da sie noch vor den ersten Versionen von Cecilia Vaidés und Francisco, beide 1839 erschienen, vorlag.
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5. Juan Francisco Manzano In die Zeit des Schweigens, des 'syboneismo' nach der Unterdrückung der 'Conspiración de la Escalera' 1844, schrieb der spanische Literaturkritiker Francisco Cutanda im Vorwort des ersten kubanischen Picaroromans von Ramón Piña Historia de un bribón dichoso (1860) »... ¿qué le importa al público lo que dicen y hacen los esclavos en su degradación? ¿Qué la conducta de los libertos y de las razas mezcladas? Y la verdad que nada de esto es para escrito.«5' Von den vor 1844 geschriebenen kubanischen Antisklavereitexten hatte das spanische und kubanische Publikum wenig wissen können, waren doch die meisten Werke verboten, im - englischsprachigen - Ausland veröffentlicht oder wurden erst ab 1880 einem breiteren Publikum zugänglich. Trotzdem hätte der auch für seine Zeit reaktionäre Kritiker, von seinem Rassismus ganz zu schweigen, die weit über die amerikanischen Grenzen verbreiteten Gedichte von Longfellow »Poemas sobre la esclavitud« (1842), die Autobiographie von Frederick Douglas (1845) und nicht zuletzt Harriet Beecher Stowes Unele Tom's Cabin (1850/51) über die Brisanz und Explosivität der Antisklavereithematik informiert sein können. Gerade aber ein Literaturkritiker, der das Vorwort zu einem kubanischen Roman schrieb, zudem Freund von Del Monte war, hätte das äußerst populäre Werk Plácidos nicht unterbewerten dürfen, noch sehr viel weniger die Arbeiten von Juan Francisco Manzano. Zu einer Zeit als sich Villaverde im Exil aufhielt, Plácido erschossen und Domingo Del Monte, José Antonio Echevarría und Ramón del Palma schon gestorben waren, war Cutandas Äußerung Ausdruck einer Restauration des 'guten Geschmacks', in dem Sklaven keinen Platz mehr hatten. Die Sammlung von 500 Pesos der Tertulia um Del Monte brachte dem Sklaven Juan Francisco Manzano (1797-1854) die Freiheit - und die literarische Abhängigkeit, da Manzano und andere, so in der frühen Zeit seines Schaffens auch Langston Hughes, schrieben, was einflußreiche Weiße von ihnen verlangten. Wie gezeigt, hatte das Mäzenatentum Del Montes einen großen Einfluß auf die Antisklavereiliteratur Kubas. Manzano, Sohn eines Mulatten und einer Schwarzafrikanerin, erregte noch als Sklave die Aufmerksamkeit eines literarisch interessierten Publikums. Da auf Kuba den Sklaven die Veröffentlichung von Schrifttum verboten war, konnte er nur mit einer besonderen Genehmigung sein erstes Gedichtbändchen Poesías líricas (»Cantos a Lesbia«) 1821 veröffentlichen, was ihn zum ersten farbigen Dichter der kubanischen Literaturgeschichte machte. Kurz nach seiner Freilassung 1827 (18367,1837?) publizierte er eine weitere Gedichtsammlung Flores Pasageras 1830, dem 1842 die Tragödie Zafira folgte, die deswegen von Interesse ist, da in Anlehung an das 'Tempest' Motiv von Shakespeare die Handlung Schiffbrüchige zeigt, die im 16. Jahrhundert
73 e i n e m nordafrikanischen Fürsten ausgeliefert sind, der sich für die Entführung seines Bruders in die Sklaverei nach Kuba rächen will. In dem Stück, das eine klare Allegorie a u f Kuba ist, bediente sich Manzano, wie Plácido, des Deckmantels 'exotischer' Länder, um deutlicher noch als in seiner Autobiographie gegen die Tyrannei anzuschreiben, der er Werte wie Gerechtigkeit, Freiheit und Menschenwürde entgegenhält. » Y o detesto el furor de la violencia Q u e impone la opresión al desgraciado al fin soy hombre Y a los sensibles seres pertenezco.52 Auslösendes Moment seines Freikaufs war die Lektüre des Sonnetts » M i s treinta años« im Kreise der delmontinischen Tertulia, womit er die Anwesenden tief rührte und Aufnahme fand in dem Kreis j e n e r kubanischen Dichter und Denker. MIS TREINTA AÑOS M e asomo al tiempo de mi vida desde la cuna hasta el presente; no me atrevo a saludar mi suerte porque más que admirarme me horripila. Haber conservado una luz me admira frente al oscuro golpe de la suerte si así se puede nombrar al insistente que desde el nacer penas no escatima. Treinta años ha c o n o z c o esta tierra, otros tantos años que sólo gimiendo duermo y es que a cada paso la desgracia se me aferra. Pero es nada mi inútil tormento frente a la pena que un día, oh Dios, devengará al pecador sinfín tormento.53 W i e aus diesem Sonnett ersichtlich wird, schreibt Manzano nicht direkt über die Sklaverei, sondern aus der Betroffenheit des eigenen Leidens heraus. Er evoziert die Sklavereierfahrung, beschreibt sie nicht und ist deutlich genug mit den auf Angst und Einschüchterung verweisenden Verben. In seinem wenig umfangreichen Gesamtwerk lassen sich noch zwei Gedichte ausmachen, die auf die Sklaverei B e z u g nehmen »AI Cerro de la Quintana« und »A la ciudad de Matanzas«. Stellt man in der zeitgenössischen Lyrik den Mangel von Texten fest, die sich der Sklaverei widmen, erfaßt man den auch revolutionären Gehalt seiner Gedichte, die erlebtes Leid widerspiegeln, wobei allerdings der Rest seiner T e x t e sich der romantischen Grundhaltung seiner Zeitgenossen anpasst, so daß er sich von den anderen Autoren kaum mehr unterscheidet. In Manzanos Werk lassen sich daher zwei Tendenzen seines
schriftstellerischen
74 Schaffens und seiner Person feststellen. Zum einen existiert das Bild des mit Kummer beladenen Sklaven, der sich mit großer Melancholie, Trauer und seiner Neigung zur Einsamkeit dem Leser vorstellt. Zum anderen existiert sein Streben nach Identifikation mit den bekannten Autoren seiner Zeit. Sein wohl eher schüchternes Eintreten für die Verteidigung menschlicher Würde und Rechte drückt er nur implizit aus durch den Anspruch auf Anerkennung des menschlichen Leides der Sklaven. Obwohl er aber schon früh und heimlich das Schreiben anfing und »versos nobles« hervorbrachte, konnte er noch nicht, wie es später die Autoren des 'negrismo' tun sollten, in seinen Texten auf die soziale Frage der Abolition eingehen. Die große Ausnahme in seinem Schaffen stellt die schon erwähnte Autobiographie dar, deren literarische und literaturhistorische Tragweite wohl im Entstehungsjahr kaum abzuschätzen war. Die Motive Del Montes, der Manzano zum Verfassen der 'Apuntes autobiográficos' brachte, dürften wohl vielfältiger Natur gewesen sein und über den rein abolitionistischen Beweggrund hinausgehen und sind dem Briefwechsel zwischen Del Monte und Manzano nicht zu entnehmen. Manzano seinerseits bestätigte in zwei Briefen vom 25. und 29. Juni 1835 den Wunsch Del Montes, daß er eine Autobiographie vorlegen sollte: »AI momento que vi lo que en ella me pide sm. me he preparado para aseros una parte de la istoria de mi vida, reservándome los más interesantes sucesos de mi ella para si algún día me alio sentado en un rincón de mi patria, tranquilo, asegurado mi suerte y susistencia, escribi una nobela propiamente cubana: conbiene por ahora a este asunto toda la estensión de los diversos lanses y exenas porque se necesitaría un tomo, pero apesar de esto no le faltará a sm. material bastante mañana empesaré a urtar a la noche algunas oras para el efecto.«54 Beachtenswert sind nicht nur die Überlegungen, inwieweit er die Autobiographie reduzieren will auf für Del Monte Wesentliches, sondern vor allem der Gedanke eine 'nobela propiamente cubana' zu schreiben, in die er autobiographisches Material einflechten wollte. Noch ein anderer wichtiger Punkt verdient hervorgehoben zu werden. 1835, als sich die Mehrzahl der Zeitgenossen noch weigerte, Neger und Mulatten als integralen Bestandteil eines sich abzeichnenden kubanischen Selbstverständnisses zu verstehen, formulierte der Ex-Sklave Manzano den Begriff des Heimatlandes 'patria' und weist somit ein Verständnis dieses Konzeptes nach, wie es erst mit der Aufhebung der Sklaverei und der allmählichen Integration der Afrokubaner in ein Nationalbewußtein zu Beginn des 20. Jahrhunderts realisiert wird. Es ist daher sinnvoll, der Argumentation Friols zu folgen, der auf das Datum der Briefe aufmerksam macht: Zwei Jahre bevor Ramón de Palma den ersten kubanischen Roman Matanzas y Yumuri vorlegte, zwei Jahre bevor Cirilio Villaverde seine ersten Erzählungen verfaßte, plante J.F. Manzano einen kubanischen Roman zu schreiben. Auch wenn, so Friol, Manzano nicht dazu kam, diesen Roman vorzulegen, so läßt sich der Ex-Sklave doch als der gescheiterte Begründer der kubanischen Novelistik betrachten, »¿Es más que
Il una novela la vida de cada uno de nosotros? Hay novela más novelesca que una autobiografía.« 5 5 Noch im Jahre 1835 stellte Manzano das angekündigte Manuskript fertig, das mit Eifer von den führenden Intellektuellen Kubas gelesen wurde, so daß es in kubanischen Kreisen noch vor der Reinschrift durch Anselmo Suárez y Romero 1839 und der englischen Veröffentlichung des ersten Teils in London bekannt war. Während andere Quellen die Fertigstellung der 'apuntes' schon für 1831 vermuten, bleibt beachtenswert, daß Anselmo Suárez y Romero diese gegenlas und korrigierte und damit auch Gelegenheit hatte, diese zu kontrollieren. Der Grund, weswegen die Autobiographie auch die Aufmerksamkeit von Richard R. Madden erregte, der von 1836-1840 englischer Konsul und Vorsitzender des Schiedsgerichts der internationalen Kommission zur Überwachung des Sklavenhandels gewesen war, lag an einigen Passagen, die eine eindeutige Antisklavereihaltung enthüllten. Sie unterstützten so im Detail den Widerstand einzelner Sklaven, die sich gegen den Aufseher zur Wehr setzen, wie es später als Motiv in C. Leantes Los guerrilleros negros, in Roland Brivals La montagne d'ébène, und in M. Bamets Zeugnisroman El Cimarrón nachzulesen ist. Es ist eben jener Akt individueller Revolte, den Manzano vorwegnahm, und der zeigte, wie er sich gegen den Aufseher wehrt, der ihn und seine Mutter grausam behandelte: »Me tiré encima con dientes y manos« und verwandelt sich vom sanften Lamm in den Löwen. Der nicht fiktionale, autobiographische Text, der durch seine große Menge an Beispielen die menschenunwürdige Behandlung und die Diskrimination der Schwarzen enthüllt, mußte für einen erklärten Abolitionisten wie Madden ein geeigneter Text gewesen sein, um die Stimmung zugunsten der Aufhebung der Sklaverei hochzuhalten. »Mi vida ha sido una cadena de penitencias, encierros, azotes y afficciones ...«56 Madden nahm demzufolge eine Abschrift des Textes von Manzano 1840 zurück nach England. Dadurch konnte die Autobiographie ihre von Del Monte scheinbar vorgeplante Funktion erfüllen. Madden selbst begnügte sich nicht mit der Veröffentlichung der kurzen Autobiographie, sondern erhöhte deren moralisierende Wirkung dadurch, daß er dem Prosatext Gedichte Manzanos voranstellte, um auf dessen geistige Kapazitäten aufmerksam zu machen, die in der Sklaverei unterdrückt worden wären. Der publikumswirksame englische Titel lautet Poems by a slave in the island of Cuba recently liberated. Tr. Richard Robert Madden. With the history of the early life of the Negro poet, written by himself; to which are prefixed two pieces descriptive of Cuban slavery and the slave traffic, by R.R. Madden (London: Ward, 1840). Die Rechnung für den abolitionistischen Einsatz seiner Autobiographie hatte Manzano vier Jahre später zu begleichen. Obwohl in seinen Apuntes die versöhnliche und einschränkende Metapher des 'manso cordero' die bescheidene revolutionäre Energie Manzanos kennzeichnet, wurde er verhaftet. Ihm Aufruhr und Rebellion nachzuweisen, entsprach eher der ängstlichen Haltung der kolonialen Regierung oder den politischen Absichten des englischen Diplomaten als Manzanos eigenem Verhalten. Sein
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kultureller Opportunismus und soziale Anpassung schützten ihn daher nicht vor der Verfolgung jener um kolonialen und ökonomischen Frieden besorgten Weißen, die ihn als 'representante destacado', der Schicht von freien Negern und Mulatten empfinden mußten, die sich wiederholt gegen die koloniale Ausbeutung erhoben hatten. Seine Beteuerungen aus dem Gefängnis mußten daher auf taube Ohren stoßen: »... Yo no calumnio a nadie, me hallo aqui bajo todo lo que he manifestado a vuestra merced, y además, inocente.«57 Fand Manzano zunächst Beachtung durch die zitierte englische Ausgabe von R. Madden, werden die einzigen Fragmente der Autobiographie in spanischer Sprache im 19. Jahrhundert in Francisco Calcagnos Poetas de color aufgenommen, in dessen dritter Auflage von 1879 die Autobiographie komplett erschien, neben Texten von Plácido, Rodríguez, Echemendía, Silveira und Medina. Erst rund fünfzig Jahre später fand Manzano erneut Aufmerksamkeit, als Ramón Guirao in seinem Artikel »Poetas negros y mestizos de la época esclavista« (1934) auf das erwachende Interesse an der afrokubanischen Bevölkerung Bezug nahm. Guiraos Darstellung, die ihn, Autor des Negrismo, als Vertreter der damals gängigen rassistischen Klischees ausweist, findet nicht den Anschluß an die sozialkritischen Autoren wie Nicolás Guillén und Regino Pedroso, die damals schon ihre Gedichte »Motivos de son« (1930) bzw. »Nosotros« veröffentlicht hatten: »La autobiografía de este poeta, quizás la figura más destacada del conjunto de poetas esclavos de Cuba, revela los rasgos inherentes a su raza: resignación, pasividad, un sentido fatalista de la vida y una fácil adaptación al medio, así como una capacidad enorme de dolor; cualidades que van acompañadas de una resistencia física sobrehumana y de una servidumbre que parece nacer de sus almas debilitadas, entorpecidas.«^ Guirao enthüllte mit seinem Artikel den zweifelhaften Glauben an ein ethnisches Erbgut, gegen das Guillén seinerseits mit seinen Artikeln und Gedichtcn anschrieb und das Valdés Vivo mit seinem Roman Los negros ciegos 1971 nochmals zum Gegenstand seiner Betrachtungen machte. Zwei Jahre später, 1936, rückte José Luciano Franco in einem vielbeachteten Vortrag »Juan Francisco Manzano, el poeta esclavo y su tiempo« den Dichter in ein besseres Licht. 1937 erschien in den Cuadernos de Historia Habanera der vollständige Abdruck der Autobiographie. Obwohl die Übertragung fehlerhaft war, bleibt doch festzuhalten, daß mit dem Text Manzanos versucht wurde, die kulturellen Leistungen und das kulturelle Erbe der Afrokubaner neu zu begreifen, was den zeitgenössischen Texten des Negrismus einen historischen Hintergrund verschaffte, der die lautmalenden Gedichte wirkungsvoll ergänzte. Zählt man nicht Estéban Montejos Bericht, den Miguel ßamet zu dem Zeugnisroman Biografía de un Cimarrón umgewandelt hat, ist Manzanos Autobiographie der einzige von einem Sklaven und Schwar/.en verfaßte autobiographische Text in der kubanischen Literaturgeschichte. Wahrend in den Vereinigten Staaten im Zeitraum
TL von 1825 und 1873 vierunddreißig Autobiographien entlaufener Sklaven entstehen und somit Del Montes Idee, Manzano seine eigene Lebensgeschichte schreiben zu lassen, nicht in dem Maße originell war, wie es erscheinen mag, so ist doch im Gegensatz zu Nordamerika die Gattung der Autobiographie schwarzer Autoren in Lateinamerika nicht entwickelt, so daß der Text Manzanos im lateinamerikanischen Kontext eine außergewöhnliche Stellung einnimmt, wozu sich später nur noch die autobiographischen Texte der Kolumbianer Candelano Obeso La lucha de la vida (1882), Manuel Zapata Olivella Pasión vagabunda (1949) und He visto la noche, Las races de la furia negra (1969) und der autobiographisch unterlegte Roman von Adalberto Ortiz, (Ecuador) Juyungo (1943) zählen lassen. Wenn auch Manzanos Werk den literarischen Vergleich mit Autobiographien, wie die von Booker T. Washington Up from slavery (1900), nicht standhält und formal auch nicht bewertet werden sollte, so bleibt es doch ein authentisches und erschütterndes Zeugnis kubanischer Sklaverei, das nicht zu Unrecht zur Ausformung des kubanischen Selbstverständnisses von heute beigetragen hat. Samuel Feijóos superlative Kennzeichnung des Werkes, die im Gegensatz zu dem unverständlichen Verzicht auf Manzanos Biographie in der Studie von Mannix und Cowley59 steht, ist somit zumindest für den kubanischen Kontext einsehbar: »El documento antiesclavista más desgarrador que se haya escrito en el mundo y, posiblemente, la más trágica de las autobiografías: un documento humano incomparable, una acusación única contra la esclavitud y la trata.«6o Das mag wohl auch einer der Grunde gewesen sein, warum Anselmo Suárez y Romero dem Abolitionisten Madden eine Abschrift der Apuntes übergab. Ob der französische Politiker Victor Schoelcher (1804-1843) über Madden von Manzano erfuhr oder während seiner Aufenthalte in Martinique und Guadeloupe von seinen Texten Kenntnis erhielt, ist ungeklärt. Tatsache jedoch ist, daß die drei Gedichte Manzanos »Mis treinta años«, »AI cerro de la Quintana« und »A la ciudad de Matanzas« sowie einiger Abschnitte der Autobiographie Aufnahme in das Werk fanden, mit dem Schoelcher die Aufhebung der Sklaverei in Frankreich, am 27. April 1848, vorbereitete: Abolition de l'esclavage examen critique du préjugé contre la couleur des africains et des sangmelés ( 1840).&i An dem außergewöhnlichen Beispiel Manzanos wollte Del Monte nachweisen, daß Menschen die sich in der Sklaverei seiner Auffassung nach zu stumpfsinnigen, gemeinen und unmoralischen Wesen entwickeln, auch die Fähigkeiten eines Poeten herausbilden können, unter der Voraussetzung, daß sie Sklaven eines 'guten' und 'milden' Herren waren, eine These, die die Autobiographie bestätigen sollte, wobei Manzano gerade dadurch, daß er ebenso konventionelle Gedichte verfaßte, wie seine 'weißen' Zeitgenossen, alle Konventionen literarischer Produktion der Sklavereigesellschaft durchbrach Ans der l.ekturc semer Autobiographie läßt sich nun folgern, daß die sadistische Marquesa de Prado Amern, unter deren Händen Manzano eine
78. Unzahl v o n Grausamkeiten und Strafen erlitt, eine der wenigen Ausnahmen unter den Sklavenhaltern war. Die Autobiographie nimmt daher eine versöhnlich konservative, w e n n nicht sogar opportune Grundhaltung ein, die der A u s s a g e C a l c a g n o s folgt, daß die Sklaverei an sich nicht so schlimm wäre, gäbe es nicht die ' b ö s e n ' Sklavenbesitzer. Die Geschichte des von Manzano angefertigten zweiten Teiles der Autobiographie bleibt rätselhaft, da u n g e w i ß ist, ob er in diesem tatsächlich eine 'wahrhafte' und damit andere kubanische Geschichte als im ersten Teil angefertigt hat. Z u d e m ergibt sich die Frage, warum dieser zweite Teil so schnell verschwand. Madden vermutete kurz nach dessen
Fertigung ein falsches Spiel der Riege um Del Monte, was er im
V o r w o r t der englischen Übersetzung zu verstehen gibt: »The work w a s written in two parts; the second one feil in the hands of persons connected with the former master, and I fear it is no likely to be restored to the person to w h o m I am indebted for the first portion of this manuscript.«62 Del Monte dagegen berichtete, daß das Manuskript von R a m ó n de Palma verloren wurde.® Zu vermuten ist jedenfalls, daß Manzano sich im zweiten T e x t von der Rolle des 'manso cordero' emanzipiert hatte, seine zurückhaltende Umsicht aufgab und unter Umständen direkter, ähnlich wie Plácido, auf die Sklaverei B e z u g nahm, als es der liberalen Gruppe um Del Monte vertretbar erschien. Mit diesem zweiten Teil hätte Manzano die Problematik der Freiheit, die jeder lateinamerikanischen Autobiographie inhärent ist, weiter ausformulieren können, womit er ein anderes Persönlichkeitsprofil g e w o n n e n hätte, als das des unterwürfigen freien Farbigen, wie ihn die heutige Literaturgeschichte zeichnet. Die Suche nach der eigenen Identität, für den Leser abgebrochen durch den Verlust des zweiten Textes, setzt gerade gegen Ende des ersten Teiles ein, so daß zu vermuten ist, daß der entscheidende W e c h s e l in seinem Leben, der Freikauf, zu einer wesentlichen Veränderung seiner Selbstdarstellung geführt hatte. Kennzeichnet sich Manzano noch in der vorliegenden Fassung der A u tobiographie als entmutigt d.h. 'disengaged'64 und als Pazifist, desinteressiert an seinem afrikanischen Erbe, ordnet er die eigene Afrikanität dem Konzept der Kubanität unter, bleibt die Frage, ob Manzano diese Gewichtsverlagerung, die später auch Morúa D e l g a d o vornahm, nur aus lebensbewahrenden Opportunismus
praktiziert
hatte und ob er diesen im zweiten Teil, trotz einer angedeuteten parteilichen Stellungnahme beibehielt. Allerdings blieb ihm im K l i m a der Unterdrückung und Zensur auch nach dem Freikauf aus der Sklaverei kaum ein Freiraum, um Identitätskonzepte zu entwickeln und nach außen zu formulieren.
6. Plácido »The leader of the orchestra on these occasions, and the principal master of the reveis, - the Straus (sie) of the Havana - is the elegant negro Plácido. He composes the airs himself, and nothing can be more original than his compositions, unless it be it's costume, which is precisely that of the year 1798 in France.«65, so die Comtesse Merlin (1788-1852) in der englischen Übersetzung ihres dreibändigen Bestsellers La Havane (Paris 1844), zu dessen spanischer Ausgabe Gertrudis Gómez de Avellaneda das Vorwort schrieb.66 Die französische Adlige kubanischer Abstammung reflektierte in ihrer in fast allen Punkten falschen Darstellung die im nichtkubanischen Ausland praktizierte Glorifizierung eines Autors, der sich posthum die unterschiedlichsten Behandlungen und Darstellungen gefallen lassen mußte. 6 7 Von der modernen westlichen Hispanistik kaum mehr wahrgenommen, galt der Autor, der heute in Kuba auf ein neues Interesse s t ö ß t 6 8 , zu seinen Lebzeiten als der wohl bekannteste Dichter Kubas, der im Inland und Ausland gleichermaßen berühmt war: »...quizás ningún otro en Cuba, incluso el mismo Heredia, haya obtenido en vida igual popularidad« und »quizás ninguno ... haya logrado más voga que Plácido, fuera de la tierra natal.«69 Da Plácido, d.h. Gabriel de la Concepción Valdés (1809-1844) mit der Mehrzahl seiner Texte kein zeitüberdauerndes dichterisches Werk hinterlassen hat, ergibt sich die Frage nach den Gründen seiner damaligen Popularität. Diese finden sich in den engen Verschränkungen des dichterischen Schaffens und Strebens des 'poeta del pueblo', einer der ersten Märtyrer für Freiheit und Gleichberechtigung auf Kuba.» 7 « Obwohl in der Physiognomie des 'octavón', Sohn einer weißen Tänzerin und eines mulattischen Friseurs, kaum negroide Züge auszumachen sind »this poet who could have passed for white« 71 - wie auf zeitgenössischen Stichen nachzuvollziehen ist gehört Plácido dem sozialen und rassistischen Verständnis nach - ab den 40er Jahren zirkulieren in hoher Zahl rassistische Traktate französischer Herkunft in La Habana der Kaste der Farbigen an, die je nach sozialer Stellung und Funktion als Sklaven oder freie Farbige unterschiedlich diskriminiert werden: »... el esclavo africano - y de facto sus descendientes esclavos libres - no integraban la nación criolla. Un esclavo africano, sus hijos, no formaban parte de Cuba.« 7 2 Aus der großen Anzahl kaum nennenswerter Coplas, Romanzes, Décimas, Letrillas, Odas 7 ^, Sonnette etc. heben sich nun einige Texte ab, wie »Habaneros, libertad«, »La muerte de Gessler« etc., die den Autor in der gespannten politischen und rassistischen Situation der Insel in allerhöchste Gefanr und später den Tod brachten. Einige wenige davon sind zudem ästhetisch so gelungen gefaßt worden wie »El Jicotencal«, daß Marcelino Menéndez Pelayo den Vergleich mit Góngora wagt. 74 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, zu einer Zeit, als sich romantischer Abolitionsen-
80 thusiasmus, gepaart mit der Sehnsucht nach vaterländischer Identität und rigorose Unterdrückung, gegenüberstanden, profilierte sich der Autodidakt und Mulatte (octavón) Plácido als äußerst populärer Dichter, als unvorsichtiger und damit auch als ungewollt heroischer Kritiker des Sklavereisystems und der kolonialen Dependenz. Der Autor, der noch zu seiner Lebenszeit Protagonist des Romans von Cirilo Villaverde La peineta calada (1843) gewesen ist, »un caso único y excepcional en la historia literaria de Cuba« 7 5 , machte sich in einigen wenigen seiner damals viel zitierten Gedichte zum Fürsprecher einer diskriminierten Masse des Volkes, deren letztes Aufbegehren in der 'protesta armada' von 1912 gerade mit einer Gesetzesvorlage des ebenfalls von Sklaven abstammenden Mulatten Morúa Delgado zum Schweigen gebracht wurde. Plácido war nun zu einer Zeit aktiv, als die gesamte koloniale Sklavenhaltergesellschaft von Sklavenaufständen verunsichert wurde. Aus diesem Grunde mußte ein so rühriger und unwilliger Autor wie Plácido bei den kolonialen Behörden starke Unruhe auslösen, vor allem wenn er in Gedichten wie »El juramento« oder »A Polonia« Tod den Tyrannen und ewigen Kampf für die Freiheit schwört. Calma, Nación heroica, tu agonía, y contempla, olvidando tus horrores, Que mil pueblos se hicieron opresores y sufrieron después la tiranía Exclamarás a tu enemiga aliada: 'Esas son las cadenas que me diste, Tuyas son, te las devuelvo, estoy vengada'.« 7 6 Wenn auch Plácido, wie seine spanischen Vorbilder Zorilla und Espronceda, versuchte, seine revolutionären Ideen hinter dem Bezug auf entfernte Länder und die klassische europäische Vergangenheit zu verstecken, war das kubanische Publikum mit den Metaphern vertraut und der Zensur fiel es nicht schwer, diese zu interpretieren, wie zum Beispiel im Falle des Sonnetts »La muerte de Gessler« Yace en la playa el déspota insolente, con férrea vira al corazón clavada, despidiendo al infierno acelarada el alma negra en forma de serpiente 77 Es war gerade die literarische Offenheit und Beständigkeit, die Plácido in dem heutigen kubanischen Geschichtsverständnis zu einer der ersten Mittlerfigursn zwischen den beiden Rassen schwarz und weiß machten. Seine Metaphorik, die universell gültig war, ließ sich nun sowohl für den 'abolicionismo' als auch für den bürgerlichen Kampf um die Unabhängigkeit von der 'tierra madre' beliebig einsetzen, was das Unruhepotential Plácidos um ein vielfaches erhöhte. Gerade die große Resonanz seiner Texte und seine außergewöhnlich; P'opu-
&l larität nicht nur bei den Sklaven und freien Schwarzen, sondern auch bei den Intellektuellen Kubas - er war in Matanzas in engem Kontakt mit Del Monte - und in den bürgerlichen Kreisen La Habanas und Matanzas, wo er als bezahlter Dichter Coplas etc. verfaßte, machten ihn als Aufwiegler suspekt. Seine bewußte Zuwendung zu den Schwarzen, er hatte sich als fast weißer Mulatte mit einer Negerin verheiratet, und sein unruhiger kritischer Geist auf der anderen Seite trieben den gelernten Kammacher in eine große intellektuelle und emotionale Einsamkeit, aus der er sich immer wieder gegen die Unterdrücker von Freiheit jeglicher Art wandte: »Plácido era un estorbo para los elementos dominantes de su época, precisamente porque su genio lo acercaba a los blancos como su nacimiento le hacía vivir entre los de color. Nadie mejor que él podía acercar a las dos razas y por eso resultaba una sombra peligrosa para la tiranía.«78 Plácido befand sich nun, ähnlich wie andere bekanntere Farbige, in einer latent prekären Situation, da er nicht immer die Zensur täuschen konnte, wie es Jacinto de Salas y Quiroga noch vermutete 7 9 , sondern der revolutionäre Keim seiner Gedichte auch von den Behörden verstanden wurde. Wie Calcagno feststellte, kannten fast alle Kubaner die Gedichte »Juramento«, »Habaneros, Libertad« und »A un cometa«.so Daß seine Verse emstgenommen wurden, beweist seine erste Verhaftung 1843 auf Grund der Texte »Habaneros, Libertad« und »Juramento«, die ihm zusammen mit dem unbewiesenen Vorwurf, an einem Komplott beteiligt gewesen zu sein, einen längeren Gefängnisaufenthalt eintrugen.si Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Bezog er sich mit den beiden Gedichten »Muerte de Cesar« und »La muerte de Gessler« nicht nur metaphorisch auf die Kolonialmacht Spanien, sondern könnte auch den Generalkapitän O'Donnei gemeint haben, unter dessen Verwaltung sich die Wirtschaft Kubas zwar ungeahnt entfaltet hat, der aber seinen berüchtigten Vorgänger Tacón an Korruption und Grausamkeit bei weitem übertraf: »The General outdid even Tacón, as far as severity and cruelty were concemed.« 8 2 Während Heredia (1803-1839) und später José Martí (1853-1895) ins Exil flüchteten und von dort aus ihre kritischen Stimmen gegen die koloniale Abhängigkeit erhoben, blieb Plácido, der das Angebot Heredias zurückwies, ihm die Ausreise zu finanzieren, auf der Zuckerinsel »... creo que no podrá vivir fuera de Cuba«»3. Plácido verstand sich als Dichter, der eingebunden in sein Volk leben wollte. Das Erbe, das er diesem Volk hinterlassen konnte, war seine Freiheitsliebe, für die er auch sein Leben opferte. Die Wirkung seines Selbstopfers war größer, als die seiner Gedichte. Aus diesem Grund ist es auch müßig, die große Anzahl der Auftragsgedichte mit den wenigen 'revolutionären' Texten zu vergleichen, die sich durch 'Qualität' und Überzeugungskraft deutlich unterscheiden. Würde man trotzdem die über sechshundert seiner gesammelten Gedichte unter dem Gesichtspunkt des Widerstandes analysieren, käme man, ähnlich wie Eligio de la Puente, zu dem Schluß: »On the whole very little which could win for Plácido the honored title of revolutionary poet«84.
82 Diese Rechnung wurde aber von seinen Zeitgenossen kaum aufgemacht, was die beachtliche Anzahl an Biographien vor allem in den angelsächsischen Ländern bew e i s e n d Eine frühere Bewertung seines revolutionären Potentials findet sich in der Revue des Deux Mondes, die schon im Jahre 1851 bestätigte, daß Plácido der wichtigste aller revolutionären Dichter Kubas gewesen war.86 In Texten, wie »El desengaño«, »El usurero« nahm Plácido eine materielle Lebenserfahrung und Erkenntnis vorweg, die später die marxistisch-leninistische Geschichtsinterpretation des modernen Kubas bestätigen sollte. Sklaverei und damit verbundene Gesellschaftsformen sind nur in einer früh- bzw. hochkapitalistischen Form der Gesellschaft möglich. »Slavery exists for him (Plácido) only in a society dedicated to mercantilism and financial interests above all eise.«87 Wie reagierte nun Plácido auf jenen ethischen Zustand der Gesellschaft, den er beschreibend und damit alleine schon in hohem Maße subversiv bloßstellte?^ In dem kritisch didaktischen Gedicht »La Fama« machte er seinen Glauben deutlich, daß die Darstellung der Wahrheit an sich schon Veränderungen bewirken kann, womit er sich der Ideologie der Tertulia Del Montes angeschlossen hatte. Aber Plácido ging über die reine Darstellung der Wahrheit hinaus und rief in metaphorischen Texten wie »El juramento« zum Widerstand gegen jegliche Art von Unterdrückung auf, wobei er sich in einer Gesellschaft, die selbst das Wort »justicia« im Theater zensierte, Fabeln, Metaphern und Allegorien bedienen mußte, um direkter Verfolgung und Bestrafung zu entgehen. So wies er in seinen doppelsinnigen Texten, nicht nur den Grad seiner Belesenheit nach, die von der Lektüre der klassischen Griechen bis hin zum nahezu zeitgenössischen deutschen F. Schiller mit »La muerte de Gessler« reicht, wobei gerade in dem Vers »ei alma negra en forma de serpiente« in Nennung der Schlange ein afrikanischer Aspekt zu entdecken ist, sondern bediente sich auch einer Sprache, die von Zeitgenossen verstanden wurde. Trotzdem kann man seinen Arbeiten entnehmen, daß Plácido nicht notwendigerweise nach einer Revolution verlangte, sondern Reformen herbeiführen wollte. Er glaubte, wie andere Autoren, durch die kritische Darstellung sozialen Verhaltens, vor allem aber durch die Arbeiten der kubanischen Poeten und Intellektuellen, eine Verbesserung der tragischen Lebensbedingungen der unteren sozialen Schichten, insbesondere der Sklaven, mitbewirken zu können. Dabei griff er auch jene vorsichtigen und konservativen Kräfte an, die die Unterdrückung auf sich nahmen, ohne gegen die Unterdrücker anzugehen oder anzuschreiben. Aus diesem Grunde ironisierte er nicht nur jene Farbigen, die sich in eine persönlichkeitsverändemde Anpassung begaben, um in einer rassistischen Gesellschaft als Weiße zu gelten, er griff sie erbittert an »he attacks acidly those blacks or part blacks who try to pass for white among the oppressors.«89 Plácido war somit einer der ersten Autoren, wenn nicht der erste kubanische Autor überhaupt, der die Probleme der Akkulturation bewußt wahrnahm und gegen die dominierenden Ideale der weißen Rasse das Bewußtsein der Afrikanität Kubas wachhielt. Armut und Sklaverei, Unterdrückung und Kapital gehen in der Summe seiner Texte eine unauflösbare Verbindung ein, womit
81 Plácido als einer der frühen aber kaum sichtbaren Vertreter der politischen 'negritud' des 20. Jahrhunderts der Karibik gelten kann.90 »... the poor and the blacks were impotent, politically, economically and socially.«91 6.1. Die Romantik Plácidos Wie schon mehrmals erwähnt, stimmten Plácido und die Tertulia um Del Monte überein in der gesellschaftsverändemden Funktion des Schriftstellers. Plácidos romantischer Weg konnte aber die Zustimmung Del Montes nicht finden. Trotz der gegensätzlichen Meinung Del Montes, der sich am balzac'schen Realismus orientierte und sich mit großem Einfluß bemühte, das Aufkommen der Romantik auf Kuba zu verhindern, sollte die sozio-politische Wirksamkeit der Romantik in den Antillen, insbesondere auf Kuba, nicht unterschätzt werden. Gerade die Romantik, die sich stark mit individueller Freiheit und Nationalbewußtsein auseinandersetzte, hat ihren gesellschaftlichen Einfluß stärker in der Karibik als im übrigen Lateinamerika geltend gemacht. Nowhere was Romanticism associated with the struggle for freedom more fervently than in the Caribbean, and particularly in Cuba where the struggle for independence endured for the whole nineteenth century. As in Argentina, literature and politics were linked and the novel, more than any other genre, became the vehicle for nationalism.92 Es ist vor allem die Romantik, und das beweist das Werk Plácidos, die die Individualität, das Ego der Personen betont. Ohne direkten Bezug auf das soziopolitische Umfeld nehmen zu müssen, setzte sie im Kampf um die individuelle und politische Freiheit die Geschichtsbetrachtung als ideologisierendes Mittel ein.93 Gerade dadurch, daß Kuba und Puerto Rico, nach der Unabhängigkeit Perus 1826, die einzigen verbleibenden spanischen Kolonien Lateinamerikas waren, konzentrierte sich die koloniale Aufmerksamkeit Spaniens auf die Karibik, in der Sklavenaufstände und der Ruf nach Unabhängigkeit die politische Ordnung erschütterten und in der die Romantik als formal künstlerischer Agent die Grundzüge historischer Entwicklung deutlich zu machen versuchte. Von den vier Typen der Romantik, die Boris Suchkov in seiner Studie A history of Realism (1973) analysiert, läßt sich der dritte Typ, die revolutionäre Romantik, auch für Kuba annehmen, wenn man wie der Autor diese Romantik mit der Bewußtwerdung des Proletariats und einer demokratisch revolutionären Bewegung in Verbindung bringt, wie es in Europa z.B. Heinrich Heine vollzogen hatte.94 Während sich in Europa die 'Julirevolution' der Literatur ankündigte, die sich gleichzeitig, aber unter verschiedenen Vorzeichen in Deutschland und Frankreich zeigte, und denen ein Epochenverständnis von Hegels Ästhetik wie in Hugos Préface de Cromwell (1827) zugrunde lag und die von Hegel, Heine und Stendhal formulierte Prognose bestätigte, daß sich die Periode der schönen Kunst ihrem Ende zuneige und eine neue Literatur
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der Bewegung sich auf den Emanzipationsprozeß der Geschichte öffnen müsse, so blieb diese Öffnung der kubanischen Literatur zunächst versagt, auch wenn sie sich bei Plácido in der Praxis andeutete. Wie alle kubanischen Romantiker verzichtete Plácido in seinen Gedichten auf konkrete Bezüge zur Realität und teilte in seinen 'revolutionären' Texten die Gesellschaft in grundsätzlich zwei Teile: die Unterdrückten und die Herren, wie es in den zitierten Gedichten zum Ausdruck kommt. Dabei setzte gerade Plácido die Metaphern der Befreiung für zwei emanzipierte Ideen ein: zum einen für das Streben nach Unabhängigkeit der kreolischen Oberschicht, zum anderen für das existenzielle Streben der unterdrückten Massen nach Befreiung in einer frühkapitalistischen Gesellschaft, hier insbesondere für das Freiheitsverlangen der afrikanischen Sklaven. Plácidos revolutionäre Romantik, wie die karibische Romantik an sich, war daher unauflösbar mit der Antisklavereibewegung verbunden. Es ist somit auch kein Zufall, daß sein Zeitgenosse Juan Francisco Manzano in der eigenen Autobiographie die so unterschiedlichen Denker wie den romantischen Rousseau und den rationalen Voltaire erwähnte, die die Widersprüche innerhalb einer verschieden geschichteten Gesellschaft darstellen. So enthüllte nicht nur die Biographie Plácidos, sondern auch die literarische Systemanalyse von Texten den doppelseitigen Charakter der revolutionären Romantik, die die verwirrende Ideologie jener Zeit widerspiegelte. 9 5 Gerade an Plácidos 'schwarzer' Herkunft, seinem Bewußtsein, aus einer Volksschicht zu stammen, die er nie verleugnete und seiner Bezugnahme auf eine Gesellschaft, die ihn, trotz aller romantischen Ideale, nie akzeptierte, lassen sich die Spannungen einer Gesellschaft nachvollziehen, die zwischen gesellschaftlicher Reform und angstvoller Konservation hin und hergerissen wurde und gerade auf schwarze Intellektuelle nahezu hysterisch furchtsam reagierte.% In Social Sciences führt M. Khrapchenko aus: »... the widespread inner resistance to new bourgeois relations between people was an opposition that existed in various strata of society in the initial stages of capitalism. At the same time it is important to characterise the noble and lofty ideals and hopes for the renovation of humanity concurrent with great social changes. Both the resistance and the hopes were not homogeneous. Hence the heterogenity of romanticism itself that continually amazes scholars and at times baffles them. ... In considering romanticism as an aesthetic system one takes into account first of all the artist's concentration upon the individual and the complicated collisions within the indvidual, the individual's private and social aspirations; the artist 'liberates' man from a temporal, concrete historical context to better reveal his constant, 'eternal' features.? 7 Während die karibische revolutionäre Romantik das kollektive Schicksal der Sklaven literarisch mit individuellen Augen und Erlebnissen einzelner Protagonisten zu
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schildern versuchte, ohne allerdings glaubwürdig in die Psyche der handelnden Personen einzudringen »This very emphasis on naturalism (bei Cirilo Villaverde, d. Verf.) causes one of the work's major weakness, for at the end of the novel the reader ist left feeling that Villaverde has not changed the African from 'thing' to
'person'«98,
blieb Plácido, als tatsächlich existierender Poet mit seinem Wirken lebender Apell zum Widerstand, dessen sich die kubanischen Behörden bald entledigten. Die Tragik Plácidos lag darin, daß er den Übergang zwischen 'Ding' und 'Person' darstellte®9 und für sich und seine Brüder Anerkennung und Würde in einer Sprache reklamierte, die nicht mehr die der Unterdrückten war - das deformierte Spanisch, mit dem man bis ins 19. Jahrhundert den Farbigen auf Bühnen und in Gedichten bloßstellte - sondern er orientierte sich an klassischen Modellen und Mustern, die den großen Vorbildern Europas entlehnt waren. Wenn sich nun Plácido der klassischen Vergangenheit zuwandt, gehorchte er einem Prinzip Frantz Fanons, das Morúa Delgado später durch seine politische Überzeugung verletzen sollte. Der kolonisierte Mensch, der für die gleich ihm unterdrückten Menschen schrieb, sollte die Erfahrungen der Vergangenheit dazu verwenden, Perspektiven für die Zukunft zu schaffen, als Voraussetzung für das eigene Engagement und Hoffnung auf Veränderung. 100 Als literarische Phase könnte man die kubanische Romantik als: »... a defenite period in the development of Caribbean literary unit...« verstehen »... conditioned by the development of Caribbean life and literary itself with a certain community in the approach to reality, its aesthetic perception, under the creative method employed«'Oi, wobei Cudjoe den Anfang dieser Strömung mit Cecilia
Valdés festlegt. Sowohl
Villaverde als auch später Morúa Delgado in Sofía oder Bacardi Moreau in Via Cruris verwendeten als literarische Figuren eine beträchtliche Anzahl junger Intellektueller, die sich gegen das konservative Gedankengut der etablierten Schichten auf Kuba auflehnten. Auch Plácido war eine jener literarischen und realen Gestalten, da er, wie andere Farbige und Sklaven um die Notwendigkeit eines revolutionären Prozesses wußte, den er durch seine Gedichte mitgestalten konnte. EL J U R A M E N T O A la sombra de un árbol empinado que está de un ancho valle a la salida hay una fuente que a beber convida de su líquido puro y argentado. Allí fui yo por el deber llamado y haciendo altar la tierra endurecida,
86 ante el sagrado código de vida, extendidas mis manos, he jurado: Ser enemigo eterno del tirano, manchar, si me es posible, mis vestidos con su execrable sangre, por mi mano Derramarle con golpes repetidos y morir a las manos de un verdugo si es necesario, por romper el yugo Plácidos Schreiben und das bewußte Risiko seines Todes tragen Züge desselben trotzigen, fast selbstmörderischen Vorhabens, mit dem Fidel Castro am 26. Juni 1953 den Sturm auf die Moneada Kaserne unternahm und scheiterte. Aber nicht nur Plácidos aufrechtes Schreiben und Sterben, sondern auch J.F. Manzanos Verweis auf Voltaire und Rousseau haben Konsequenzen für das spätere kubanische und karibische revolutionäre Gedankengut. So antizipieren ebenfalls das in Cecilia Valdés angelegte geistige Erbe Kubas, Montejos revolutionäre Aktivitäten, seine Achtung vor J. Marti und Maceo, die Worte Fidel Castros »La historia me absolverá« als Höhepunkt einer revolutionären kubanischen Geisteshaltung. 102
7. Francisco o Las delicias del campo Francisco103 ist der erste kostumbristische Abolitionsroman Kubas, der 1838 verfaßt, aber auf Grund der rigiden Zensur erst 1880 im Jahr der Aufhebung der Sklaverei in New York veröffentlicht werden konnte. Der romantisch irreführende Untertitel enthüllt, wenn man ihn in sein Gegenteil umdreht, mit ungeheuerlichem Zynismus die Grausamkeit des Sklavensystems zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Wie bereits erwähnt, verfaßte der zwanzigjährige Suárez y Romero den Text auf Einladung Del Montes. Der Roman sollte dann zusammen mit anderen Texten das Album Maddens bereichern, um die englische Öffentlichkeit zunächst auf den Standpunkt junger kubanischer Intellektueller zu verweisen, aber auch die ethische und moralische Dekadenz der weißen Zuckeraristokratie enthüllen. Der Text ist von der delmontinischen Tertulia als programmatischer und somit auch als ideologischer Text geplant worden, dessen literarisch mindere Qualität in Kauf genommen werden mußte. Del Monte selbst hatte Suárez den Titel 'El ingenio o las delicias del campo' vorgeschlagen, womit der romantische Ansatz des Autors verloren gegangen wäre. Suárez y Romero übernahm deshalb den Vorschlag Del Montes, benutzte ihn aber nur als Untertitel zu seinem Werk. »De una de esas conversaciones surgió el propósito deliberado de escribir una novela que pusiera al descubierto, con todas sus lacras e ignominias, la nefanda institución de la esclavitud. Esa novela, que Domingo del Monte encargó a An-
ßl selmo Suárez y Romero que escribiera, habría de formar parte de un Album de composiciones negreras con que aquél obsequió al comisionado inglés Mr. Richard R. Madden, 'para que éste forme una idea exacta del estado de la opinión acerca de la trata y de los siervos entre los jóvenes que piensan en el país'«.i04 In dem Roman erzählt Suárez y Romero die unglückliche Liebe zweier junger Sklaven, Francisco und Dorotea, wobei Francisco sich durch seine Klugheit, seine Intelligenz und körperliche Schönheit ebensosehr von den Mitsklaven unterscheidet wie die Mulattin Dorotea, die ihrerseits anmutig, klug und treu gegenüber ihrer Herrin ist. Das Drama entsteht nun dadurch, daß die Señora Mendizabal den beiden sich Liebenden die Erlaubnis zur Eheschließung verweigert, ihnen selbst die Liebe ausreden bzw. verbieten will. Die Leidenschaft und Zuneigung der beiden ist jedoch stärker, und so entsteht aus der heimlichen Liebe ein Kind. Verärgert über ihre Lieblingssklaven, beschließt sie, die beiden, die sowohl Verbote übertreten als auch die Ehre des Hauses verletzt haben, dadurch zu bestrafen, daß sie das Mädchen als Wäscherin vergibt und Francisco auf das 'ingenio' schickt und ihn durch die ihm unbekannte Feldarbeit und durch Schläge leiden läßt. Dort trifft aber Francisco auf den verwöhnten Sohn des Hauses Ricardo, der sich seinerseits, obwohl 'hermano de leche' von Dorotea, in diese oberflächlich verliebt hat und sie besitzen will. Ricardo, von ungewöhnlicher Grausamkeit, rächt sich nun an seinem schwarzen Rivalen dadurch, daß er ihn mit manischer Regelmäßigkeit nahezu zu Tode prügeln läßt. Nach einiger Zeit möchte die Señora Mendizabal den Leiden der beiden Sklaven ein Ende bereiten, glaubt aber Verleumdungen ihres Sohnes und besteht weiter auf die Bestrafung Franciscos. Für Ricardo ist dies nun ein Mittel, Dorotea letztendlich doch zum Geschlechtsverkehr zu pressen. Noch bevor es dazu kommt, stimmt Señora Mendizabal der Hochzeit der beiden Sklaven zu, unter der Bedingung, sie sollten dann das Haus ihres Sohnes versorgen, ohne zu wissen, daß sie damit die Katastrophe auslöst. Dorotea ergibt sich dem gewaltsamen Werben Ricardos, um die Leiden Franciscos zu mindern. Als dieser jedoch von der Untreue Doroteas erfährt, erhängt er sich, während Dorotea einige Jahre später aus Kummer stirbt. Die handelnden Personen sowie die dargestellte Geschichte sind mit denkbarer Einfachheit, bisweilen Oberflächlichkeit dargestellt, was mehr als einem Kritiker, aber auch dem Autor selbst bewußt gewesen ist. »La inexperencia del escritor que producía esta obra a los veinte años de edad resalta en el libro alguna que otra vez.«ios Es könnte sich nun die Frage stellen, welchen Einfluß dieses Werk auf die Diskussion der Sklavenproblematik ausgeübt hatte. Die Frage bleibt an sich aber theoretisch, denn der Roman wurde erst 1880 in New York veröffentlicht. Zudem ist keine englische Übersetzung des Manuskriptes bekannt, das Richard Madden mit nach London nahm. Auf der anderen Seite steht dieser literarisch weniger bekannte Roman im Schatten des weit verbreiteten romantischen Werkes Paul et Virginie von Bemardin
88_ de Saint-Pierre, dessen Rezeption und Resonanz H. Hudde nachgewiesen hat. Parallelen wie das Detail des individualisierten guten Negers, der, von einem treuen Hund unterstützt, das Leiden der Protagonisten zu lindem versucht, finden sich nicht nur in Paul und Virginie, sondern auch in Victor Hugos Bug-Jargal (1826) Zudem wird in den drei Romanen die kurz bevorstehende Erfüllung der Liebesbeziehung durch überraschende, erhebliche äußerliche Hindemisse erschwert oder zunichte gemacht, was Francisco Zambrana in seiner Replik auf Francisco, El negro Francisco (1875) in noch stärkerem Maße ausbaute. Ähnlich wie in Leconte de Lisies Erzählung Sacatove (1846) versuchte Suárez y Romero, die dramatische Romantik Saint-Pierres zu überwinden und in seinem Roman Saint-Pierres Ansatz mit den Aspekten des Kolonialromans Hugos zu verbinden, was ihm nicht gelang und erst durch den eher ironischen Titelvorschlag Del Montes, mit dem Verweis auf die 'delicias del campo' im Ansatz geleistet wurde, da Del Monte immer wieder versuchte, die romantische Tendenz der jungen Autoren Kubas im Geiste des Realismus von Balzac zu verändern. »Balzac es el novelista que sabe tal vez interesar a los lectores con cualquier cosa, nada más que por la profundidad psicológica con que se entra, por la inteligencia y el corazón de sus personajes: y yo nunca que pueda despreciaré un recurso artístico tan precioso, porque es el único que puede despertar en los ánimos la compasión o el sentimiento que corresponda.« >06 Der Roman Hugos Bug-Jargal blieb scheinbar ohne größeren Einfluß, obwohl er in einem Briefwechsel von Félix Tanco und Del Monte diskutiert wurde. Bug-Jargal wäre auf Kuba ab 1836 auf Spanisch zugänglich gewesen, da der Roman im selben Jahr in Paris spanisch herausgegeben wurde. Suárez y Romero selbst hätte aber auf das französische Original von 1826 zurückgreifen können, da er des Französischen mächtig war. Er nahm sich zunächst aber die Arbeitsvorgabe Del Montes zu Herzen: »ofrecer un cuadro real de la cuestión esclavista, para documentar a Madden la vida del esclavo rural, durante las veinticuatro horas del día y la elaboración desde el corte de la caña hasta su cristalización en forma de panes ...«'07 Suárez y Romero selbst stellte verschiedene Male seine Absichten beim Verfassen des Romanes vor, am ausführlichsten in den Briefen an seinen Mentor Del Monte: »Sin embargo desde que Ud. me encargó una novela donde los sucesos fueran entre blancos y negros me ha entrado tal afición a observar los excesos de aquellos y los padecimientos de los segundos, tal gusto por estudiar las costumbres que nacen de la esclavitud...«'os Suárez y Romeros angestrebter Realismus blieb trotz kostumbristischer Szenen und gelungener realistischer Passagen einem Romantizismus verhaftet, der nichts von dem von González del Valle geforderten Psychologismus Balzacs enthielt. In der Darstellung der beiden farbigen Figuren gelang ihm nur bei Dorotea eine fast glaub-
m hafte Kennzeichnung der Psyche, während der Autor dem psychischen Leiden Franciscos nicht nahekam. So gehorcht die Beschreibung des Negers Francisco den auch von Chateaubriand in Atala verwandten Klischees des edlen Wilden, der auf Grund seiner menschlichen und intellektuellen Qualität nichts mit dem primitiven geschichtslosen Individuum oder unbekannten Schwarzen, dem Neger 'de nación', zu tun hat, und dessen Leid auf Grund von Qualitäten, mit denen sich dieser identifizieren konnte, dem weißen Leser bewußt wurden. Die schwarzen Sklaven selbst bleiben Staffagen des Lokalkolorits. Auch dieser Aspekt zeigt sich als Konstante, die sich durch die gesamte kubanische Literatur bis hin zu den modernen Antisklavereiromanen der Revolution abzeichnet. Gruppen als Protagonisten sind nicht festzustellen. In extremen Maße wird die romantische Haltung des Autors in der Darstellung Doroteas deutlich. Sie, die Mulattin und Lieblingssklavin, genießt, ebenfalls wie Francisco, eine bevorzugte Erziehung und Behandlung ihrer Herrin. Aus diesem Grunde verinnerlicht sie auch die ethischen und moralischen Werte einer weißen Gesellschaft, die ihr, der Sklavin, nicht zustehen und an deren Preisgabe sowohl Francisco als auch sie zerbrechen. Ist es bei Virginie die Schamhaftigkeit, die sie in den Tod zieht, so ist es bei den beiden Liebenden der gewaltsame Treuebnich, der das Drama auslöst. »¡Adiós, Francisco, adiós, ya no dirás que no te quería ver ni que soy ingrata! Pero escúchame; ésta será la última ocasión, olvídate de mí, y guarda tu corazón para otra, porque yo no merezco ser tuya. El niño Ricardo tiene la culpa de todo. Ah! Si no, te hubiera matado! ! Perdida Francisco, sin honor, no me vuelvas a mirar!« (FD, S. 75) Die Folge ist bekannt. Francisco erhängt sich und Dorotea stirbt aus Gram, womit der Roman ziemlich abrupt aufhört. Im Unterschied zu dem optimistischen und relativ erfolgreichen Roman J.B. Piquenards Adonis ou le bon nègre. Anecdote coloniale aus dem Jahre 1798, Paris 1836, endet hier der Roman mit dem Tod der Protagonisten. Schilderte Piquenard ein die Rassenschranken überwindendes, idyllisches Sozialmodell, so zeichnete sich schon in Francisco die düstere Konstante des dramatischen Endes fast aller 'afrokubanischen' Romane des 19. und 20. Jahrhunderts abJ09 Obzwar die humanitäre Absicht Suárez y Romeros durch die positive Darstellung der Farbigen deutlich wurde, blieb er aber, ähnlich wie Harriet Beecher Stowe mit Unele Tom's Cabin und wie Bernardin de Saint-Pierre einer empfindsam gefühlsorientierten Sicht der Probleme verhaftet, was H. Huddes Bemerkung über den französischen und amerikanischen Roman bestätigt: »Das Verhältnis Herr-Diener wird gleichsam von innen heraus gemildert, dabei aber keineswegs grundsätzlich in Frage gestellt, sondern vielmehr grundsätzlich verklärt, HO Gerade in den Passagen, in denen Suárez y Romero das Leben der beiden Protagonisten als Haussklaven vorführt, läßt er das System der Sklaverei von Kritik unbe-
90 rührt. Erst in der Katastrophe zeigt er Möglichkeiten der Pervertierung, die zwar systemimmanent sein können, aber nicht sein müssen. Er bindet den Exzess und das Leiden an die ethische und moralische Perversion des Sklavenhalters. Insofern war sein Roman zunächst ein Plädoyer für eine Reform oder Kontrolle des Sklavereisystems, aber keine direkte Zurückweisung desselben. Zum anderen ist aber jede Darstellung möglicher Pervertierungen eine Kritik am System, da dieses eine bestimmte Degradation menschlicher Ethik und Moral zuläßt oder wie Thomas Bremer es formuliert: »Der Neger hingegen in seinem Status als Sklave ist Ausdruck gesellschaftlicher Kritik an sich, Kraft seines Vorhandenseins.« 1 1 1 Gerade in der Schwarz-Weiß-Zeichnung des Gegensatzes zwischen der extrem guten Behandlung der beiden geschätzten Haussklaven auf der einen und der rücksichtslos brutalen Ausbeutung der Feldsklaven - Francisco muß am Tag Zuckerrohr schneiden, in der Nacht die Siedekessel beheizen und wird grundsätzlich morgens nach dem Aufstehen ausgepeitscht - gelang es Suárez provokativ, die immanenten Wertungen und Widersprüche des Systems aufzuzeigen. Allerdings stand er auch mit diesem literarischen Vorgehen im Schatten Bemardins und in einer Tradition, die von Cirilo Villaverde, Gertrudis Gómez de Avellaneda und Harriet Beecher Stowe fortgeführt wurde. Diese Tendenz setzt sich zumindest teilweise dem Verdacht aus, die Sklaverei dadurch zu beschönigen bzw. zu idyllisieren, da der edle Neger, im vorliegenden Fall Francisco, deswegen edel ist, weil er sich als vorbildlicher Sklave seiner Herrin zu erkennen gibt. Die menschlichen Qualitäten und Eigenschaften Franciscos werden auch von Suárez y Romero immer im Verhalten gegenüber den - ungerechten - Herren gezeigt und interpretiert. In dieser sentimentalen Onkel-Tom-Atmosphäre gelingt es der Figur Francisco nicht, eine eigenverantwortliche Selbständigkeit zu erreichen. Trotzdem stellte auch dieser Roman für das spanischsprachige Kuba eine Entwicklung dar, die von der französischsprachigen 'Negerliteratur' vorweggenommen wurde. Schob das spanische 'Siglo de Oro' die komischen Aspekte des Negers in Bezug auf seine Sprache, Gestik, Kleidung, Haut und Physignomie in den Vordergrund, begleitet vom Verdacht der Barbarei, des Kannibalismus etc., stand diesen negativen Aspekten, mittlerweile aus der staunenden Distanz zum Mythos geworden, der andere Mythos vom edlen Wilden gegenüber. 1 '2 Die Differenzierung dieser beiden Mythen geschah nun zu einem Zeitpunkt, in dem beide eine gesellschaftskritische Dimension erhielten, in der die konkreten sozialen Lebensbedingungen der NegerSklaven wahrgenommen wurden, die im fiktiven Dialog des aufklärerischen Europas mit einer ästhetisierten Gegenwelt untergingen. Siedelt Bremer für die französischsprachige Welt die Wende um 1750 an 1 '3, fand diese im spanischsprachigen Raum erst mit Beginn des 19. Jahrhunderts statt, wofür die Anstregungen Del Montes Zeugnis ablegen.
n. Während sich noch romantisierende Darstellungen des Schicksals von Schwarzen aus dem Konflikt der Zerstörung der ästhetisierten Idylle durch das Erkennen des Sklavereisystems retteten, indem sie die guten Eigenschaften des Negers christlich moralisierend in Abhängigkeit v o m Verhalten des bösen Herren zeigten, gab es im spanisch-kubanischen Bereich nur zögernd Zeichen einer zweiten Position, nämlich des Sklaven, der sich wehrt. Waren die Protagonisten Francisco, gerade aber Sab in den gleichnamigen Romanen von Suárez y Romero und Avellanedas noch die Prototypen des edlen und mit christlicher Würde leidenden Menschen, stand diesem weißen Konzept von Sklavereidasein nun der reale Mensch Plácido gegenüber, der in seinen Gedichten Gedanken vom Widerstand aufwirft, wie sie 1775 Doigny du Ponceau in einem von der Académie Française ausgezeichneten Discours vorformulierte. »Point de pardon pour vous, tremblez, maîtres-barbares.«' 1 4 Francisco, der nach unmenschlichen Qualen die Flucht erwägt und sich damit noch stärker ins Unrecht gegenüber seiner im Grunde guten Herrin gesetzt hätte, verzichtet auf seine G e d a n k e n an Cimarronaje. Insofern findet in diesem wie in den folgenden Romanen anderer Autoren keine so gewagte G e g e n w e h r oder gar nur U m d r e h u n g des Herrschafts Verhältnisses statt, wie es Marivaux in seiner l'Ile des Esclaves vorwegnimmt. Dort nämlich übernimmt nach einem Schiffbruch der Sklave die Herrschaft und läßt sich von seinem bisherigen Herrn bedienen. Marivaux hat mit seinem Stück noch vor dem Konzept des Arielismus diesen schon überwunden. In seiner christlichen Demut bleibt Francisco gegenüber dem Herrn immer im Recht, wobei der Gedanke, daß auch die grausamen Foltern und die Arbeitsbelastung auf individueller Ebene eine G e g e n w e h r und auf höherer Ebene eine Revolte provozieren und legitimieren könnten, f ü r die von der Zensur bedrohte Literatur Kubas des 19. Jahrhunderts noch undenkbar war. In der kubanischen Literatur nimmt im Laufe des 19. Jahrhunderts nicht nur wie in der französischen Literatur des 18. Jahrhunderts das Verständnis f ü r die Situation der Negersklaven zu, sondern auch die Bereitschaft, den Aufstand zu legitimieren, ihn offen zu deklarieren. Kurz nach dem erfolgreichen Aufstand der freien Schwarzen auf San D o m i n g o k a m es nun in der französischen Literatur zu einem radikalen Stimm u n g s u m s c h w u n g gegenüber den Negern. 1 is Auf Kuba reagierte die spanische Kolonialmacht mit scharfer Zensur und direkten militärischen Sanktionen dort, w o sich Aufstände in Anlehnung an die Ereignisse auf Haiti abzeichneten. Das m a g auch der Grund gewesen sein, warum sich auf der Insel in der Folge von Suárez Francisco jener T y p von Literatur in Bezug auf die Sklavenfrage entwickeln konnte, f ü r den Hans-Dieter Z i m m e r m a n n den Begriff der »Schema-Literatur« vorgeschlagen hat. 1 '6 Im Epizentrum der Katastrophen der Abolitionsliteratur stehen die sexuellen Beziehungen, über die sich die beiden Rassen näher k o m m e n , und im Vollzug der sexuellen Vereinigung lauert der Keim der Vernichtung für den gesellschaftlich schwächeren, schwarzen Teil. In einer katholisch sexualfeindlichen Gesellschaft des frühen
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19. Jahrhunderts versucht die dominante Sklavenhalterin Franciscos Gefühle und Sehnsüchte ihrer vereinsamten Sklaven nicht wahrzunehmen bzw. zu unterdrücken. Als aber die Natur stärker ist als die patriarchalisch starren Vorstellungen jener Frau Mendizabal - was Suärez y Romero positiv darstellt rächt sie die Verletzung ihrer Ordnung ungewöhnlich hart. Zum anderen sind es die sexuellen Gelüste des verwöhnten Sohns des Hauses, der den Beischlaf Doroteas sucht, was seine Mutter aber nicht wahrnimmt. Dorotea verweigert sich ihm konstant, da sie ihrem schwarzen Geliebten die Treue halten will und gewinnt dadurch die Sympathie des Lesers, dem die Konzepte Treue, Ehe und Schamhaftigkeit vertraut sind. Nun zwingt Ricardo sie aber zu dem Geschlechtsakt, der in seiner Folge den Tod der beiden Farbigen auslöst. Obwohl Anselmo Suärez y Romero den Vollzug der geschlechtlichen Begegnung aus der literarischen Distanz, mit Rückberichten, andeutet, und er somit in seiner perspektivischen Darstellung der Schamhaftigkeit bzw. Prüderie seiner Zeitgenossen gehorcht, hebt er trotzdem den Impuls hervor, der Transkulturation bzw. Identitätsfindung in Kuba im folgenden entscheidend mitbestimmen soll und über den Rassenkontakte stattfinden: die Sexualität. Wie im folgenden noch zu zeigen sein wird, findet Kommunikation zwischen schwarz und weiß nur in abhängigen gesellschaftlichen Verhältnissen statt, auf der Achse Sklave (Diener) - Herr, in der unsentimental fleischlichen Begegnung. Der Roman von Anselmo Suärez y Romero fand nun im 20. Jahrhundert eine filmische Replik: 1975 erschien in den Kinos von La Habana der Spielfilm El otro Francisco von Sergio Giral. Der Regisseur zweifelt in seinem Werk den von Anselmo Suärez y Romero vorgezeichneten schwachen und unterwürfigen Charakter Franciscos als Symbol der unterdrückten Sklaven an. Die filmische Aufarbeitung des Stoffes ist gerade in Bezug auf die opportune und schwache Haltung eines liberalen Reformers aus der Mitte des 19. Jahrhunderts als provokative und revolutionäre Antwort zu verstehen. Dies zeigt insbesondere das Ende des Werkes, das einen offensichtlichen Zusammenhang zwischen Sklavenaufständen und den Unabhängigkeitskriegen von Spanien impliziert, wobei der argumentative Kreis um Abolition und Unabhängigkeit wieder geschlossen wäre. Allerdings stellt sich Jackson die Frage, ob Giral ideologisch nicht wirksamer hätte sein können, wenn er nicht das hochstilisierte Bild einer literarischen Fiktion auf die Bühne gebracht, sondern auf die Autobiographie einer realen Person, nämlich Manzano, Bezug genommen hätte.H7
8. Cecilia
Vaidés
Der Roman Cecilia Valdés spiegelt nicht nur mit seiner Editionsgeschichte die Spannungen einer sich in Auflösung befindlichen kolonialen Gesellschaft wider, sondern ist auch eine der reichhaltigsten Quellen in Bezug auf die Sozialgeschichte Kubas des 19. Jahrhunderts. Das Werk, dessen Handlung angesiedelt ist zwischen 1812, dem
91 Geburtsjahr des Autoren, und 1831, schildert in seiner epischen Breite neben den ökonomischen Hintergründen des Sklavenhandels und die durch ihn ausgelösten psychologischen Leiden auch die vielfältigen Seiten einer kolonialen Stadt- und Landgesellschaft, wobei Villaverde oft im Sinne der Glaubwürdigkeit auf historische Persönlichkeiten und Fakten rekurriert. Cecilia Valdés ist somit zum Schlüsselroman der kubanischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts schlechthin geworden, der zwar seine literarischen Schwächen in Dialogen und Handlungsführung hat, die ihm Max Henríquez Ureña vorwirft 1 1 8 , von Martín Morúa Delgado schon erkannt worden sind,H9 aber trotzdem in seiner endgültigen Version von 1882 einiges Aufsehen erregte. Es ist die ungewollt inzestuöse Beziehung der sinnlichen Mulattin Cecilia Valdés zu ihrem Halbbruder Leonardo, mit der Villaverde die durch die Sklaverei verrottete Moral der Zuckergesellschaft darstellte und die die Betroffenheit der Kubaner 1882 auslösen sollte. Diese allerdings währte nicht lange, da der Roman bald in Vergessenheit geriet und erst nach der Revolution von 1959 wiederentdeckt wurde und mit der Arbeit von Julio C. Sánchez 1970 eine positive Neubewertung erfuhr. 1 2 0 Es sind drei wesentliche Aspekte, die die Präsentation der letzten Fassung von Cecilia Valdés kennzeichnen. Zum einen ist es die ungewöhnlich lange Zeitspanne von über vierzig Jahren seit dem Erscheinen des ersten Entwurfs, als Erzählung in der Zeitschrift La Siempreviva 1839 121 bis zur Vorlage der letzten Version 1882. Der Autor konnte dadurch die Erzählung, in der die sentimentalen Handlungsmuster bereits vorlagen und sich erste kritische Ansätze abzeichneten, mit der langen Erfahrung kolonialer Ausbeutung anreichem. Im selben Jahr 1839 erschien dann auch die einbändige, in acht Kapiteln gefaßte zweite Version, in der Bemerkungen philosophischmoralischer Art über die Gesellschaft fallen, mit denen Villaverde über die koloniale Regierung und die Beziehung des Volkes zur Macht reflektierte und deren 'mayor despotismo' als Ergebnis festhielt. Villaverdes gesellschaftlich-literarische Anschauung bestimmt das zweite wesentliche Kennzeichen des Romans, den Determinismus, dem er seine literarischen Personen ausliefert. Nicht ganz zu Unrecht streitet daher Ivan A. Schulman der letzten Fassung des Romans den abolitionistischen Charakter ab, den die ersten Versionen von 1839 noch besessen hatten, als sie in einem sozialpolitischen Kontext vorgelegt wurden, der sich durch koloniale Unterdrückung und kulturelle Vakanz kennzeichnete. Die Version von 1882 wurde aus der zeitlichen Distanz des Exils verfaßt, dem dritten wichtigen Aspekt bei der Behandlung der heute gelesenen Form des Romans, so daß bei der Bewertung des Romans die folgende Behauptung Schulmans nicht unberücksichtigt gelassen werden kann. »Cecilia Valdés dista mucho de ser un alegato en contra de la esclavitud, o en favor de la trata. Es más bien el caso de una obra reescrita y publicada en el extranjero por un exiliado de ideas separatistas y con un concepto de la realidad sociopolítica y artística que ha sufrido los embates de una experiencia dolorosa.« 1 2 2
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Villaverde, der sich seit 1846 konspirativ betätigte, entfloh 1849 aus dem Gefängnis, in dem er nach seiner Verhaftung 1848, seinem Todesurteil und seiner Begnadigung den Rest seines Lebens verbringen sollte. Der 'conspirador contra los derechos de la corona de España' suchte Zuflucht in den Vereinigten Staaten und kehrte, bis auf einen zweiwöchigen Aufenthalt in La Habana 1888, nicht mehr nach Kuba zurück. Die Distanz zu seiner Heimat und das Wissen des gereiften Villaverde nahmen in großem Maße Einfluß auf die Gestaltung der Cecilia Vaidés von 1882. Wie Cintio Vitier vermutet, sind es daher die beiden Phänomene der 'lejanía temporal' bzw. 'lejanía socioculturel', die durch 'nostalgia desde fuera', 'anhelos reminiscientes' und 'intuición de lo otro' 1 23 den Erzähltext charakterisieren, wobei der nordamerikanische Einfluß durch den Sezessionskrieg, Pressefreiheit, die nordamerikanische Variante des Rassismus und nicht zuletzt durch die Veröffentlichung von Harriet Beecher Stowes Unele Tom's cabin (1852) zum Tragen gekommen sein mag. Obwohl sich Villaverde zunächst als kostumbristisch-realistischer Autor eigener Prägung verstand, wehrte er sich dagegen, als Chronist im traditionellen Sinn rezipiert zu werden. »Lejos de inventar o de fingir caracteres y escenas fantasiosas, e inverosímiles, he llevado el realismo, según lo entiendo, hasta el punto de presentar los principales personajes de la novela con todos sus pelos y señales ... bajo su nombre y apellido verdaderos, ... hallando el mismo lenguaje ... copiando en lo que cabía, 'd'après nature'.« 1 2 4 Sein Anspruch, nach der Natur zu malen, muß aber nicht nur an den Beschreibungen des Lokalkolorits gemessen werden, sondern auch an der Handlungsführung des Romans. Hier läßt sich der romantisch konventionelle Ansatz Villaverdes erkennen. Die Protagonistin liebt, ohne es zu wissen, ihren Halbbruder. Der reiche Vater weigert sich aus Scham, seine mulattische Tochter anzuerkennen und stellt damit die Weichen für den dramatischen Konflikt. Die inzestuöse Beziehung wird vollzogen, Cecilia bleibt schwanger und verlassen zurück. Der unerkannte Halbbruder soll eine Vernunftehe eingehen, wobei Cecilia den sie liebenden farbigen Pimienta gewinnt, die Nebenbuhlerin auf dem Kirchportal niederzustechen. Dieser tötet aber stattdessen den ehemaligen Geliebten und Halbbruder. Die Diskussion über die Romantik und den Realismus des Werkes ist nicht unerheblich, muß aber in einem anderen Sinn geführt werden, als dies Villaverde selbst vorschlug, da er den Geschichtsbezug der Romantik nicht zu erkennen vermochte und den Terminus 'realistisch' naiv auf die kostumbristische Beschreibung der Gesellschaft beschränkte. Trotzdem die Hauptversion von Cecilia Valdés 1882 vorgelegt wurde, blieben Manzani und Scott die einzigen literarischen Modelle, auf die sich Villaverde b e r i e f 1 ^ , und insofern ist Cecilia Valdés für 1882 ein anachronistisches Werk, das sich in die Tradition der Literatur Kubas der 30er und 40er Jahre einfügt. Obwohl die Romantik lange Zeit noch nach deren Ablösung durch den Realismus in Europa Mitte des Jahrhunderts für die Lateinamerikaner modern blieb, betont die ver-
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spätete Romantik Villaverdes in hohem Maße den nationalen Charakter seines Werkes. Die entwickelte narrative Technik, die er als theoretische Anmerkungen des Erzählers selbst vereinzelt in den Text einstreut, zeichnet ihn gegenüber seinen kubanischen Zeitgenossen als progressiven Autoren aus, der der Omniszienz des Erzählers, ähnlich wie Unamuno oder Pirandello, eine gewisse psychologische Autonomie seiner Personen gegenüberstellt. »Cecilia con sus palabras de niña nos dirá lo que piensa y como piensa, que esto interesa algo más que el descolorido retrato que en vano hemos pretendido dibujar.« '26 Auf der anderen Seite behindert der soziale, aber auch psychologische Determinismus, dem sich Villaverde als Kind seiner Zeit verschrieben hatte, die freie Entfaltung der Protagonistin Cecilia, der er in der zweiten Version den Unglücksstern ins Schicksal schreibt: »La infeliz Cecilia, hechura del crimen, su estrella la arrastraba al pecado por el mismo camino que arrastró a sus madres, herencia ... hasta la quinta generación.« 1 2 7 Wie es sich in Folgeromanen auch anderer Autoren zeigen wird, bestimmt eine deterministische Auffassung das Gesellschaftsverständnis. Die Cecilias, Sofías und Carmelas und deren Verführer sind Opfer einer moralisch verderbten Sklavenhaltergesellschaft, wobei die Mulattinnen sich den weißen Geliebten nicht nur aus Liebe zuwenden sondern auch versuchen, sich vom Stigma der Afrikanität zu befreien, während einzig die Mulattin aus El negro Francisco (1875), eine Replik auf Francisco, erkennt, daß sie ihre dunkle und diskriminierte Herkunft akzeptieren muß. Auch die Mulattin Dorotea in dem Roman Francisco von Anselmo Suárez y Romero, weist ihr weißes Erbteil zurück, um sich mit Franciscos Kultur und Rasse zu identifizieren. Die beiden Frauen wehren sich zusammen mit der Figur Mina und den Sklavinnen in Caniquí, El negro que se bebió la luna gegen die verführerische Gunst der reichen und privilegierten Herren, mit der sie die schwarzen Konkurrenten ausstechen wollen. Diese Frauengestalten stehen mit ihrem erstaunlichen Selbst- und Klassenbewußtsein den sinnlich-verführerischen Mulattinnen wie Cecilia Valdés, Sofía und Carmela gegenüber, die durch die Darstellung typenbildend wirkten und ihre vereinfachte Entsprechung im 'bufo'-Theater gefunden hatten. In der Überwindung der ersten Gestaltung der Cecilia Valdés, die durch ihre unbewußt verführerische Schönheit als 'femme fatale' Verderben bringt, liegt der sozialkritische Anspruch des Romans »pintar bajo el punto de vista político-moral« (S. 172). Hierbei teilte Villaverde den 'engagierten' Ansatz seiner Zeitgenossen Plácido, Anselmo Suárez y Romero, Ramón del Palma und Félix Tanco y Bosmeniel, die glaubten, durch die Schilderung der Umstände allein über Mitleid eine Verbesserung
96 der Grundstrukturen der Sklaverei-Gesellschaft zu erzielen, wobei allerdings Eduardo Castañeda eine bedeutungsvolle Unterscheidung trifft zwischen 'reformismo con esclavitud', dem er nicht ganz zurecht Cecilia Valdés und Francisco zuordnet und 'abolicionismo reformista', der den anderen abolitionistischen Werken entspricht, die damit den Namen auch verdient haben. >28 Ähnlich wie einige der deutlichen Gedichte von Plácido ist Cecilia Valdés der revolutionären Romantik zuzuordnen, da durch die Gegenüberstellung der Schichten der Farbigen und der bestimmenden kreolischen Klassen soziale Spannungen veranschaulicht werden konnten, wobei in der Realität die Argumentation der letzteren, mit der sie die Sklaverei rechtfertigen wollten, 1882 in ihr Gegenteil umschlug und gerade die moralische Krise des Systems enthüllte. In Cecilia Valdés gelang es dem Autor zwar, auf die psychologische und psychische Pein der Sklaven zu verweisen, ohne allerdings ein kollektives revolutionäres Bewußtsein der Betroffen zu entwikkeln, das wie Cudjoe bei Manzano festzustellen glaubt »is manifested in their readiness to seize the time when the occasion arose«i29. Insofern steht die Urform von Cecilia Valdés nach der Autobiographie Manzanos am Anfang der revolutionären Romantik Kubas. Villaverde zeichnete in romantischer Darstellungsweise und großer Ausführlichkeit diese für 1882 schon historische Epoche der Sklaverei zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach. Ähnlich wie seinem Vorbild Walter Scott gelang Villaverde aber die kubanische Romantik mit realistischen Aspekten zu verbinden. Beide setzten die Demystifizierung folkloristischer oder historisch verbrämter Elemente um, indem sie auf die Kontexte Bezug nahmen: »analysed the objective conditions, both social and spiritual, that influenced the life of the people«.'30 Villaverde hat nun in stärkerem Maße als die anderen abolitionistischen Autoren den Schritt von dem individuell handelnden Wesen hin zu an historischen Prozessen beteiligten Menschen vollzogen, wenn auch auf Kosten der literarischen Ausgestaltung des Romans. Suchkovs Feststellung gilt demzufolge auch für Villaverdes Roman: »... presenting man in his novéis not simply as a member of society but as a participant in the historical process this represented a tremendous step forward.«i3i Villaverdes Protagonisten sind in eine 'reale Welt' eingebettet, deren Fakten der romantischen Handlungsführung entgegenstehen, und nicht in die vergeistigte Welt des romantischen Helden. Zum anderen bringt Villaverde der naturalistische Anspruch 'd'après nature', die Realität zu zeigen, in literarische Verlegenheit. Es ist gerade der Nachdruck auf die naturalistische Schreibweise, die die größten Schwächen des Werkes bedingen. In der Epoche, in der die kubanische Gesellschaft den Wandel von der 'colonia de plantaciones en una nación'i33 vollzog, d.h. in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts, die Villaverde aus vierzigjähriger Distanz betrachten konnte, breitete er sein soziales Kaleidoskop aus und erfaßte damit einige der konfliktreichsten Momente kubanischer
91 Sozialgeschichte. »Los sucesos pasados pues así dentro como fuera de Cuba, los cantatos de revolución en esta, las resultas de la tremenda lucha por la libertad e independencia en el continente, todo esto quedó sepultado en el misterio y en el olvido para la generalidad de los cubanos.« (CV, S. 174) Cecilia Valdés sollte damit ein Geschichtsbewußtsein wecken, auf Vergangenes aufmerksam machen, ähnlich wie es die folgenden historischen Sklavereiromane leisteten. Mit diesem Anspruch war Cecilia Valdés der erste Roman Kubas, der nicht nur Gegenwärtiges erklärend verändern, sondern Vergangenes bewältigen sollte. Villa verde gelang es aus der Distanz des Exils, den inneren und beschränkenden Ring kubaeigenen Geschichtsverständnisses zu durchbrechen, das durch die etablierten Werte einer konservativen Gesellschaft verfestigt worden war, wobei er es schon weitestgehend im ersten Entwurf von Cecilia Valdés erreichte, die Vorstellung von der Existenz einer kubanischen Gesellschaft mit ihren verschiedenen Moralvorstellungen, sozialen Schichten etc. zu erfassen. Villaverde gelang es somit, die Auffassung Angel Ramas zumindest in seinem Fall zu widerlegen, der das Fehlen eines eigenständigen lateinamerikanischen Romans für das 19. Jahrhundert feststellt. »... el universo cultural del XIX ... no le permite a la novela alcanzar su forma, la de este momento histórico de la civilización europea, por lo cual América Latina carece estrictamente de novelas en el siglo XIX. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn auch Villaverde in das Spannungsgeflecht jener Gesellschaft greift und als 'móviles' und 'resortes' des Romans die Spannungen und Emotionen - Liebe, Eifersucht und Haß - zwischen 'neu' entstehenden Klassen der kubanischen Gesellschaft verwendet: den Sklaven und der immer größer werdenden Schicht freier Neger, den kulturell entwurzelten Mulatten, den Kreolen und Spaniern. Die sozialen, rassischen und ökonomischen Unterscheidungen ergänzt der Autor durch den Verweis auf die städtischen Subkulturen, so daß sich die Stadt Havanna als weiterer Protagonist ins Bewußtsein des Lesers drängt.135 In gleicher Weise betont er die Unterschiede zwischen den Kaffeeplantagenbesitzern und den Besitzern der Zuckerplantagen. Werden diese als gutmütig dargestellt in der Person von Isabel Lincheta und ihren Onkeln, erscheinen jene als kalt berechnende, aber auch als unberechenbare, grausame und despotische Herren, personifiziert durch die Familie der Gamboa, um die sich die Handlung zentriert. Villaverde selbst macht seine rassistische Haltung deutlich über die Möglichkeit als omniszienter Autor, seinen Figuren Eigenschaften zu vermitteln oder zu verweigern. Auf der Pflanzung von Doña Rosa, der Gattin Gamboas, bemerkt er, daß »el pensamiento así expuesto (des Sklaven) parece demasiado abstruso para caber en la cabeza de un negro doblemente estupido por sus largos años de esclavitud« (CV, S. 540). In der ersten Version von Cecilia Valdés sagt er von seiner Protagonistin,
Sí »desde muy niña se mostró asaz apasionada (en esto no desmentía la raza)« (CV, S. 47). In der Version von 1882 bemerkt er zu Cecilias Abstammung und Kondition als Mulattin, »era de descuidada crianza« und »de la raza híbrida e inferior« (CV, S. 87), wobei Villaverde schon auf den tragenden Konflikt des Romans verweist. Señora Josefa, die Großmutter Maria de Regia und Cecilia sind die herausragenden Vertreter einer sich abzeichnenden, aber damals noch unglücklichen Transkulturation, die sich bei den genannten Frauen zunächst in der Übernahme von europäisch geprägten Sitten, Kleidern und Musik abzeichnet und letzten Endes den Konflikt herbeiführt mit dem Anspruch des »blanqueamiento« oder »mejorar la raza« durch die Ehe mit einem Weißen. Alle drei Frauen gaben sich zu ihrer vordergründigen Befriedigung, aber längerfristigem Unglück einem weißen Mann hin, um den entscheidenden Schritt in der sozialen Hierarchie nach oben zu tun. Das Streben nach sozialem Aufstieg, dem die Liebe des Mulatten José Dolores Pimienta zum Opfer fallt, scheint die entscheidenden Triebfedern des Handelns der Kaste der Mulatten zu sein. »Casada (Cecilia) con un mulato, descendería en su propia estimación y en la de sus iguales: porque tales son las aberraciones de toda sociedad constituida como la cubana.« (CV, S. 170) Auch wenn der Versuch der drei Frauen scheitert, so ist der Roman immerhin von dem Geist einer sozialen und ethnischen Mobilität beseelt, die in diesem Ausmaß in den anderen Romanen nicht festzustellen ist. Es könnte zum einen das Scheitern der Rassenbeziehungen sein, ausgelöst durch ein auch den Autor beherrschendes Tabu, das die Liebe zwischen Personen verschiedener Rassen tragisch enden lassen muß, was den Verdacht verstärkt, daß Villaverde keine Antisklavereigeschichte vorgestellt hat. 136 Zum anderen konnte sich der Autor selbst noch nicht vollständig von der immanenten Zensur befreit haben, die er im Kapitel XI des Romans mit der Einschränkung von persönlicher Freiheit und Pressefreiheit, mit der Angst vor öffentlicher Diskussion politischer Themen, dem Verbot über Unabhängigkeitskriege zu sprechen etc. ausführlich beschreibt. Die Haltung des Autors bleibt in hohem Maße konfliktiv. Spannungsgeladen ist auch die Beziehung zwischen den beiden vorgestellten 'Familien', in denen der Autor allegorisch die ethnischen, sozialen und ökonomischen Pole des Kollektivs an Einzelpersonen darstellen will. In der 'ordentlichen' Familie Gamboa versinnbildlicht Doña Rosa, als offene, aber verformbare, zärtlich liebende Mutter das kreolisch-schwache Element, dem Don Cándido, der schweigsame, harte Spanier gegenübersteht, der aber gleichzeitig Doña Rosa (das Kreolische) und die Mutter von Cecilia, das mestizische Element hintergeht. Er verkörpert zudem das unmenschliche Prinzip, das die Sklaven als 'bultos', 'fardos', 'piezas de india', als Ware einsetzt und behandelt. Dieses Prinzip findet seine deterministische Parallele in der Generation des Sohnes, der die Frauen an sich, unabhängig davon, ob sie weiß oder farbig sind, als sexuelle Handelsware begreift, wobei diese Denkweise eine dramatisch perverse Steigerung in Mina o Los Lazo (1893) erfährt.
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Dem gescheiterten Prototyp der eurokreolischen Familie, durch den Umgang mit dem Sklavenhandel verdorben, in den Texten von Suárez y Romero und Tanco wiederaufgenommen, sieht sich der andere lose Personenverband gegenüber, der durch die gemeinsame Lage als Schicksalsgemeinschaft, als Familie begriffen werden kann und an denen die Menschenunwürde der Sklaverei deutlich gemacht wird. Diese menschliche Gemeinschaft Farbiger, die sich aus dem Musiker Pimienta zusammensetzt, seiner Schwester Nemesia, Señora Josefa, Cecilia, dem Schneider Uribe, und der unglücklichen Maria de Regia, ist willen- und wehrlos dem Zugriff und Besitzstreben der anderen, weißen Gruppe ausgeliefert. Selbst die Sklaven, die die Freiheit erlangen, die freien Mulatten oder Sklaven, die sich um Bildung bemühen, werden auf die eine oder andere Weise Opfer der weißen Gesellschaft. Cecilia macht sich zur Halbprostituierten, Dionisio, der intelligente Sklave (er erinnert an Manzano), erregt den fatalen Neid des Sohnes der 'anderen' Familie, der selbstbewußte Uribe, ideologisch 'geweißt', predigt Geduld und Anpasung, während Señora Josefa in einem Moment der Bedrängnis die Nichtigkeit der eigenen Existenz zugeben muß: »Acuerdese lo que somos: nada« (CV, S. 12/S. 69). Diese 'Familie', durch zahlreiche weitere Personen ergänzt, repräsentiert die marginalisierte Schicht der diskriminierten Farbigen Kubas schlechthin. Somit stellt Cecilia Valdés nicht die Dekadenz nur einer Familie wie in Francisco oder Petrona y Rosalía dar, sondern die der kubanischen Gesellschaft an sich, was einen immanenten globalen moralischen Vorwurf des Antisklavereibestrebens des Romans letztendlich bestätigen könnte. Daß Villaverde sich dabei historischer Fakten in einem philosophisch moralischen Sinne bedient und sie sozusagen in einer fiktiven Struktur erklärt, kann nur die Wirksamkeit seines moralisierenden Textes erhöhen. Man könnte mit Jean Franco übereinstimmen, der den Roman als Vorläufer des 'negrismo' begreift, anhand der Gegenüberstellung der schwarzen vitalen Gesellschaftsschicht mit der weißen agonisierenden, wobei sich die Darstellungen des sozialen Leids und der Bezug der Neger zu Musik »...cuán organizada para la música nace la gente de color« (CV, S. 125) im Sinne der exotischen und sozialkritischen Texte von Guillén und Pedroso ergänzen. Die Absicht Villaverdes, eine umfassende Dokumentation der Dekadenz zwischen 1810 und 1830 vorzulegen, geht auf Kosten einer eindringlichen und glaubwürdigen Psychologisierung der handelnden Personen, die dem Roman menschliches und literarisches Gewicht hätten verleihen können. Lediglich im Schicksal und in der Figur der Maria de Regia gelingt Villaverde das psychologische Trauma der Sklaverei am intensivsten darzustellen, als sie in die Hölle des Ingenios verbannt wird, nachdem sie, die Amme des Kindes ihrer Herrin, trotz des Verbotes auch ihr eigenes Kind säugte. Ansonsten gelingt es Villaverde nicht, den entscheidenden Schritt in der Darstellung der schwarzen Protagonistin vom 'Ding' zur 'Person' zu vollziehen, wenn er auch in der Figur des 'pedro, el carabah", der 'personificación del orgullo' ein weiteres Schicksal einführt, das zu überzeugen vermag. 'Pedro, el carabah", läßt allegorisch die Idee von Freiheit vermuten, ihm gelingt der Versuch, Würde zu bewahren in
WO. einer Gesellschaft, die alle menschlichen Werte mit Füßen tritt. Der Roman endet statisch und läßt den Leser mit ungelösten Problemen zurück, da Villaverde, seinem realistischen Anspruch treubleibend, nicht die schreibende Hand an die Grundstrukturen der Sklavenhaltergesellschaft gelegt hat: José Dolores Pimienta tötet Leonardo, Cecilia wird für ein Jahr interniert, Dionisio wird nach dem Mord an Tondä zu zehn Jahren Kerker verurteilt, Don Candido setzt ungerührt seine Geschäfte fort und über das Schicksal von Dona Rosa wird nicht weiter berichtet.
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V. 19. Jahrhundert II
1. Die Zeit des Schweigens und der Befreiung 1844-1868 Nach den massiven und blutigen, repressiven Maßnahmen, die der vermeintlichen Verschwörung, der 'conspiración de la escalera' auch ihren Namen gaben, da die zum Verhör Gepreßten zum Auspeitschen auf eine Leiter gefesselt wurden, und in denen einigen Quellen zufolge zwischen 1843 und 1845 nahezu 5.000 Personen ihr Leben verloren und 700 Menschen verbannt wurden, bleiben dennoch Zweifel an dem realen Hintergrund der 'Conspiración de la escalera': »Todavía hoy se investiga si hubo en realidad una Conspiración de la Escalera o si fue inventada por O'Donnel, que presa de pánico por los alzamientos de 1843 decidió recurrir a la matanza masiva de la población esclava.« 1 Mit der Ausnahme des Werkes von Larramendi La muerte de Plácido scheinen die Ereignisse von 1844 von einem literarischen Schatten bedeckt zu sein. Die Abolitionisten und Independisten, zum Schweigen verurteilt, ersetzen die Allegorie des Negers durch die der politisch weniger brisanten, weil ausgerotteten Ureinwohner: die Siboneys, während konservative und bisweilen auch reaktionäre Kräfte den 'guten' und ' d u m m e n ' Neger entdeckten und im 'bufo'-Theater auf die Bühne brachten. Folge der 'Conspiración' war ebenfalls der Versuch, alle Schwarzen, die nach dem 31. Mai 1845 die Freiheit erlangten, der Insel zu verweisen. Gleichfalls sollte eine neugegründete 'Comisión Militar Ejecutiva y Permanente' die Schicht der freien Farbigen Kubas strengstens kontrollieren und Zeichen des Unmuts sofort unterdrücken. Wie schon in den Jahrzehnten davor, gelang es den Kolonialbehörden aber auch jetzt nicht, die Stimmen der Sklaven, freien Neger und Mulatten zum Verstummen zu bringen, da die Kommunikation verstärkt in den religiösen Gruppen stattfand oder in den durch den politischen Druck gefestigten Abakuá-Gruppen: »Finalmente debemos destacar que, no obstante todos los esfuerzos realizados para liquidar el ancestro cultural y la vida de relación entre los esclavos, e introducir la división entre ellos, a la larga se produjo siempre la normal acción solidaria que nace entre seres obligados a convivir y que sentían en común una misma explotación implacable. Como no fue posible la comunicación franca y pública, brotó entre ellos la comunicación horizontal subterránea. La necesidad de transmisión de informaciones secretas, como recurso de supervivencia, creó una moral
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de clandestinidad y contribuyó al fortalecimiento y sincretización de ciertas sectas de origen africano. Es posible por ejemplo, que en esta necesidad creadora de un sistema visceral de comunicación esté la clave de la fuerza social de los abakuá.« 2 Durch die Ereignisse wird deutlich, daß sich ökonomische und politische Interessen, sowie ein internationaler Rassismus einer gedanklichen und bewußten Vermengung der Afro- und Eurokreolen entgegenstellten. Nach den Kompromissen Manzanos und Plácidos, nach den spontanen Erhebungen, die ihrem Charakter nach als Formen eines präpolitischen Bewußtseins interpretiert werden können, wobei sie sich zunächst gegen die Ausbeutung in der Sklaverei wenden^ blieben den Afrokubanern nur die Formen eines 'leisen', d.h. kulturellen Widerstandes. Diese formten die Tiefenstrukturen der kubanischen Gesellschaft, wobei sie sich gegen eine Christianisierung und die Zwangsanpassung an europäische Gewohnheiten und Sitten wehrten 4 , während die sozialen Formen des zwanghaften Zusammenlebens in der Sklaverei die überkommenen Strukturen familiärer Bindung zerstörten, wofür jeder der Antisklavereitexte Beispiele liefern kann. Gleichzeitig setzten sich jedoch die Formen eines sozioökonomischen Widerstandes fort5, von denen Estéban Montejo in seiner Biografía de un Cimarrón erzählt: in Form des Selbstmordes, der Abtreibung, der Sabotage an Arbeitsmitteln. Dies alles sind Motive, die auch in Francisco eine bestimmte Rolle spielen und auf die auch Carpentier in El reino de este mundo zurückgreift, insbesondere auf die Vergiftung des Viehs. Politischer Widerstand, dessen Ziel eine freie Selbstbestimmung des eigenen Schicksals war, zeigte sich erst wieder ab 1868 mit den Unabhängigkeitskämpfen, nachdem Erhebungen, Rebellionen und Verschwörungen mit Beteiligung Farbiger durch die Ereignisse von 1844 nachhaltig zum Schweigen gebracht worden waren. Reagierten die Sklavereigesellschaften bis 1844 zunächst nur mit physischer Gewalt auf die sozioökonomischen und politischen Ausprägungen des Widerstandes oder des Verlangens nach gesellschaftlicher Emanzipation der Sklaven und freien Farbigen, etablierten sich in der Folge Formen institutionalisierter Gewalt, deren Zweck es war, die intellektuellen Fähigkeiten der Farbigen zu kontrollieren, zu lenken oder auch zu unterdrückend Die Teilnahme am weißen kreolischen Kulturgeschehen oder die Zurückweisung der Afroamerikaner ist ein latentes Thema in vielen afroamerikanischen Romanen; die gewaltsame Verweigerung von Bildung und später die Kontrolle von Bildungsinstitutionen7 waren die Mittel dazu, womit sich die Frage der Bildung in den modernen afroamerikanischen Texten als zentrale Problematik auch historisch erklären läßt. Die Eliminierung physischer Gewalt, als unabdingbares Requisit kolonialer Macht, fand auf Kuba nicht vor der Abschaffung der Sklaverei 1880 statt. Dadurch läßt sich aber nicht der Mangel an Studien über andere und neue Formen der Gewalt erklären, was zum Beispiel in Untersuchungen über den nordamerikanischen Einfluß auf puertorikanische Schulen geleistet worden ist.8 Im glei-
103 chen Zusammenhang sollte der Versuch europäischer Geistlicher nicht vergessen werden, die afrikanischen Religionen durch den Katholizismus zu ersetzen, der zwar 1902 und 1908 auf Kuba dazu führte, daß die afrikanischen Cabildos verboten wurden, was aber ohne Erfolg blieb. Allerdings darf auch nicht übersehen werden, daß sich die koloniale und physische Gewalt nicht nur gegen die Farbigen richtete, sondern auch gegen die Eurokreolen, so daß sich als Folge der konstanten Auseinandersetzungen zwischen Schwarzen und Weißen einerseits und Kreolen und Spaniern andererseits ein übermäßiges Mißtrauen der Kolonialbehörden gegenüber jeder auf Kuba geborenen Person entwickelte, was dazu führte, daß Kreolen der Dienst im spanischen Besatzungsheer verweigert wurde. Andererseits resultierte daraus ebenfalls eine kurze Solidarisierung der jungen Kubaner beider Rassen, wie es Emilio Bacardi Moreau in seinem Roman Via Crucis exemplarisch vorführt. Die Ereignisse von 1844 trugen nicht wesentlich dazu bei, die Vereinigten Staaten zu beruhigen, da sich auf ihrem Territorium nach wie vor eine große Anzahl von Sklavenaufständen ereigneten. Sie übten auch in den Folgejahren Druck auf Kuba aus, womit sich Plácido posthum in ein Opfer internationaler Furcht vor der Verbreitung revolutionärer Ideen verwandelte. In den Jahren von 1844 bis 1868, als es unter der durch die Repression geglätteten sozialen Oberfläche der kubanischen Gesellschaft brodelte, erreichte Kuba 1860/61 den vorläufigen Höhepunkt seines wirtschaftlichen Wohlstandes, was auch auf den illegalen Sklavenhandel zurückzuführen war, der trotz der von Isabell II am 2. Mai 1845 unterzeichneten 'Represión de la trata' fortgesetzt wurde. Der Zuckerexport stieg von 160.000 Dollar 1760 auf 8 Millionen Dollar 1825 und erreichte mit 20 Millionen Dollar 1860 einen Höchststand, während sich der Preis eines Sklaven von 400 Pesos 1840 auf 1.000 Pesos 1860 vervielfachte, bei einer zunehmenden Mechanisierung der Ingenios.9 Im Gegensatz zu den anderen kolonialen Gesellschaften lebte die Mehrzahl der kubanischen Plantagenbesitzer auf der Insel, ebenso wie die wichtigsten Sklavenhändler^), was nicht nur Villaverde in Cecilia Valdés bestätigt, sondern auch Lino Novás Calvo in El Negrero aufgreift. Es waren aber gerade die Vereinigten Staaten, die sich selbst nach dem Abkommen von 1817 im Sklavenhandel besonders aktiv zeigten. Neun Zehntel aller Schiffe, die zu diesem Zweck die afrikanische Westküste ansegelten, kamen von nordamerikanischen Häfen oder waren von nordamerikanischen Mannschaften bemannt und von US-Kapitänen befehligt, wodurch eine Aufhebung des Sklavenhandels einen blühenden Zweig nordamerikanischen Geschäftslebens lahmgelegt hätte: »About half of the slave trade to Cuba was during the 1850 at least in US-hands, and adjunet of the still grandiose slave trade to Texas and the US-South (perhaps 300.000 slaves were brought into the US-south between 1808-1860).«n Es läßt sich somit folgern, daß der kubanische und nordamerikanische Sklavenhandel eng verbunden waren, da die Annexion Kubas den Fortbestand der Sklaverei in Nordamerika garantiert hätte. 12 Im amerikanischen Bürgerkrieg teilten sich aber
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die Interessen, da zu einem Teil die Südstaaten weiterhin die Annexion Kubas erwogen und, auf der anderen Seite die Konföderierten von dieser Idee abließen aus Furcht, die Unterstützung der europäischen Staaten zu verlieren. Die nordamerikanischen Bedenken in Bezug auf kubanische Rassenfragen sollten dabei nicht unterschätzt werden in Hinblick auf die späteren Interventionen der USA in kubanische Angelegenheiten.
2. Der zehnjährige Krieg Der erste Unabhängigkeitskrieg brach 1868 aus und gab dem Befreiungsprozeß, der durch die Cimarronen »the guardians of the flag of liberation«i3 im Laufe des 19. Jahrhunderts in Gang gehalten worden war, einen neuen Impuls. Nachdem Carlos Manuel Céspedes seinen 30 Sklaven am 10. Oktober 1868 die Freiheit schenkte, um mit ihnen seine Truppe von 147 Personen zu verstärken, strömten ihm Hunderte von Patrioten und entlaufenen Sklaven zu »joined en masse the ranks of the cuban liberation army«i 4 , so daß er innerhalb kürzester Zeit über eine Truppe von mehr als 12.000 Männern verfügte. Céspedes legte in dem Programm, das er in der Provinz Oriente entwickelte^, die allmähliche Abschaffung der Sklaverei fest, indem er die angestammten Rechte der Sklavenbesitzer respektierte, ohne die Sklavenfrage direkt und endgültig lösen zu wollen, womit Céspedes zwar 'de facto' aber nicht 'de jure' den Titel 'Vater der Nation' verdiente. Erst als Agramonte und seine Gefolgsleute, größtenteils Afrokubaner, den utilitaristischen und auch rassistischen Gesetzen Céspedes bei einem Treffen der Aufständischen 1869 ein Ende bereiteten, stand der Emanzipation der Farbigen nichts mehr im Wege. Der graduellen Auflösung der Sklaverei folgte die endgültige Abschaffung- in den von den Rebellen befreiten Gebieten. Die Vorgehensweise Céspedes und seine Gesetzesvorlagen machten deutlich, daß die ursprüngliche Befreiung der Sklaven 1868 anderen Zwecken gehorchte, die wenig von philanthropischen oder humanitären Ansichten geleitet waren. »Nothing could be more misleading than to think that slavery was an important factor contributing to the outbreak of the civil war in Cuba that lasted from 1868 to 1878. Instead, as Rafael Maria de Labra correctly pointed out to the Spanish Cortes, the causes were basically political and economic.«'6 Wenn auch die Pläne Céspedes zunächst vorsahen, die spanische Infrastruktur durch die Kreolen übernehmen zu lassen, sah er jedoch ziemlich bald ein, daß es unmöglich war, die Sklavenfrage von den politischen und ökonomischen Ursachen zu trennen, die den kubanischen Bürgerkrieg auslösten, was sich in einer Taktik des Krieges manifestierte. Diese bestand darin, Pflanzungen niederzubrennen, die Sklaven zu befreien und sie dem Befreiungsheer zuzuführen, was als zentrales Ereignis auch in dem schon erwähnten Roman von Emilio Bacardi Moreau Via Crucis die Handlung bestimmt und den Untergang der dargestellten Familie bedingt.
105 Obgleich der zehnjährige Krieg einen entscheidenden Beitrag zur späteren Herausbildung eines kubanischen Nationalverständnisses liefern sollte, mißtrauten die weißen 'mambis' weiterhin farbigen Personen, die innerhalb des Befreiungsheeres eine gewisse Bedeutung erlangten. Der brillante Stratege und Soldat, der Mulatte Maceo, war Opfer jenes Mißtrauens, als er von seinem Vorgesetzten Gómez aus dem Führungsstab des Rebellenheeres entfernt und durch den schwachen und blassen Cecilio González ersetzt wurde. Das Vorgehen Gómez beruhte auf der eingewurzelten Angst, die farbigen Soldaten bzw. Freiheitskämpfer könnten unter der Führung von Maceo eine Negerrepublik gründen. Obwohl Maceo immer mehr Einfluß gewann, oder vielleicht gerade deswegen, zeigten die konservativen Elemente des Befreiungsheers immer deutlicher ihr altes Mißtrauen ihm gegenüber, so daß Maceo nicht umhin konnte, sich den rassistischen Verdächtigungen zu stellen: »... a small circle exists which has indicated that it did not wish to serve under my orders because I belong to the colored race ... Since I form a not inappreciable part of this democratic republic, which has for its basis the fundamental principles of liberty, equality and fraternity, I must protest energically with all my strength that neither now nor at any time am I to be regarded as an advocate of a Negro Republic or anything of that sort .,.«17 Obwohl die Rassismusdiskussion von heute die Fragen der Diskriminierung innerhalb des Befreiungsheeres vermeiden will, müssen selbst so revolutionsgefällige Autoren wie Marta Alvarez Mola und Martínez Piré zugeben, daß die Emanzipation innerhalb der aufständischen Truppe behindert war. Beförderungen und hohe militärische Grade wurden den weißen Mambis vorbehalten: »Trabajo costó a Maceo llegar a ser general«18. Der zehnjährige Befreiungskrieg wütete hauptsächlich im Ostteil der Insel und hat faktisch kaum das Gebiet jenseits von Las Villas in Mitleidenschaft gezogen. Die großen Zuckerrohrpflanzungen von Mantanzas, La Habana und Camaguey mit dem in ihnen verankerten Sklavereisystem blieben von den wirtschaftlichen und sozialen Störungen und Folgen des Krieges zunächst unbehelligt. Emilio Bacardi, selbst kubanischer Patriot, siedelte daher seinen Bürgerkriegsroman Via Crucis im Osten der Insel an, der am stärksten von den Zerstörungen von Ingenios und damit der Vernichtung von Existenzen betroffen war. Brannten nun in den 'Provincias orientales' die Plantagen und wurden die dort arbeitenden Sklaven in das Befreiungsheer integriert, erlebte in La Habana ab 1868 der 'dumme' Neger auf der Bühne des 'bufo'-Theaters seine gesellschaftliche Blüte. Während die Plantagenbesitzer in dem vom Krieg überzogenen Osten verarmten, was sich in dem Roman von Bacardi nacherleben läßt, konnten die westlichen Pflanzer der Insel von einem weiteren Zuckerboom profitieren. Wurden auf Kuba 1867 noch 285.814 Tonnen Rohzucker geerntet, waren es 1868 bereits 720.250 Tonnen, wobei in den folgenden Jahren weiterhin Rekordernten eingebracht wurden, so daß der Eindruck entsteht, der Krieg hätte keinen Einfluß auf
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die Zuckerwirtschaft der Insel gehabt. Im Gegensatz dazu steht die Entwicklung während des zweiten Unabhängigkeitskrieges 1895/98, als die Ernte signifikant von 983.265 Tonnen 1895 auf 286.229 Tonnen 1896 f i e l . u Das Verständnis eines Nationalbewußtseins als Bewußtsein eines unauflösbaren Zusammenhalts, wie es Maceo formuliert hatte, zeigte sich deutlich in den Verhandlungen Maceos mit dem Vertreter der spanischen Krone, dem General Martínez Campos. Maceo bestand ebenso auf die Anerkennung der Unabhängigkeit wie auf die A b s c h a f f u n g der Sklaverei, da beide Grundvoraussetzungen eines Lebens des kubanischen Volkes in Frieden und Freiheit waren: »... the two were unseparable for the liberation of Cuban people« 2 0 . Auf Grund des massiven Desertierens seiner Truppe mußte sich Maceo dem spanischen Druck beugen, und so unterzeichneten Vertreter der kubanischen Rebellenarmee am 10. Februar 1878 den 'Pacto de Z a n j ó n ' . In diesem wurden alle Bedingungen der Spanier anerkannt, womit man die erste Möglichkeit vertat, den Prozeß der Formierung kubanischer Identität auch politisch durchzusetzen. Maceo selbst, als Wortführer des 'Protestes von Baraguá' 1878 - von José Massip historisch idealisierend in dem Film Baraguá
(1986) nachgezeichnet - er-
kannte später, daß sich in dem Freiheitskampf zwei Komponenten des kubanischen Volkes diametral gegenüberstanden. »Por una parte la gran burguesía, propietaria de tierras y dominada por el miedo a una revolución social, y por otra parte, las masas populares combatientes del ejército de liberación, compuesto en su mayor parte por esclavos.« 2 1 Während die Rebellenführer G ó m e z und Maceo dem Dichter José Marti ins Exil nach New York folgten, um von dort aus weitere revolutionäre Aktivitäten vorzubereiten, nutzten nordamerikanische Unternehmer die Zuckerkrise von 1880 und begannen, sich verstärkt in die kubanische Zuckerindustrie einzukaufen, in die sie bis 1895 30 Millionen Dollar investierten und somit zum größten ausländischen Investor Kubas wurden, was einen tiefgehenden Einfluß auf die Infrastruktur Kubas zur Folge hatte. 2.1. Eine Befürchtung - The War of Race Wie erwähnt, war die Furcht vor den Rebellionen afrikanischer Sklaven im 19. Jahrhundert kennzeichnend für alle kolonialen Gesellschaften, die sich der Sklaverei bedienten. Das traf auch für die nordamerikanische Gesellschaft zu, die zu Beginn des Jahrhunderts durch zahlreiche Aufstände beunruhigt wurde, deren wichtigste die von Gabriel 1800 und Versey 1822 waren.22 So ist es nicht verwunderlich, daß in den K ä m p f e n zwischen Texas und Mexiko die Furcht der Texaner groß war, Mexiko könnte die nordamerikanischen Sklaven zum Aufstand bewegen und in die mexikanischen Truppen integrieren, ähnlich wie es später Céspedes mit den eigenen Sklaven handhaben sollte. In den Auseinandersetzungen um Texas 1835 - »Texas must be a slave country«23 - war das Bestreben der Vereinigten Staaten, die auch von Haiti aus-
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gelöste Welle von Sklavenerhebungen einzudämmen, indem alle den U S A benachbarten Territorien stärkstens kontrolliert wurden. Diese Angst vor d e m ' w a r of race' führte aber auch zu einem 'Export' des nordamerikanischen Rassismus und den damit verbundenen Maßnahmen, in der Folge eines massiver werdenden Wirtschaftsimperialismus. Für Kuba direkt bedeutete dies, daß das amerikanische Sicherheitsstreben Anspruch auf die Annexion Kubas erhob. Amerikanische Gesandte stellten den Delegierten Englands, Frankreichs und Spaniens, die sich 1854 in Ostende trafen, den Anspruch der USA auf Kuba vor: »Cuba ought to belong to the United States«2**. Hauptargument der Gesandtschaft war, zu verhindern, daß die Sklaven Kubas dem Beispiel ihrer Schicksalsgenossen von St. Domingo folgen könnten. Die U S A würden Aufstände und Revolten vor ihrer eigenen Küste nicht dulden: »...she would not permit the flames to extend to our own neighboring shores, seriously to endanger or actually to c o n s u m e the fair fabric of our Union«25. Das m a g wohl einer der Gründe gewesen sein, w a r u m die USA 1898 in den schon fast beendeten spanisch-kubanischen Krieg eingriffen. Mit großer Wahrscheinlichkeit war aber gerade die Angst vor einer Politisierung der Emanzipation der Farbigen Kubas der Auslöser f ü r die Vereinigten Staaten, 1912 mit so großer Eile die Enmienda Platt anzuwenden, u m Truppen nach Kuba zu senden, die halfen, die schon fast besiegten Angehörigen des 'Partido independiente de color' hinzumorden. Obwohl die Aufständischen in ihrer 'protesta armada' schlecht b e w a f f n e t und kaum erfolgreich waren 2 ^, verteidigte der damalige Präsident Taft die Intervention der nordamerikanischen Truppen mit der Begründung, die amerikanischen Interessen zu schützen »proteger la vida e intereses de los norte-americanos residentes en la isla« 2 7 . Die Intervention fand nun trotz des Protestes des kubanischen Präsidenten José Miguel statt, der über seinen Staatssekretär Sanguila der amerikanischen Regierung mitteilen ließ, wie wenig der Einsatz von Truppen der kubanischen Politik gelegen k ä m e und daß die kubanische Regierung selbst geeignete Mittel besäße, die Rebellion im Keime zu ersticken: »... poseía medios sobrados para sofocar la rebelión« 2 ^. Trotz des Einwandes entsandte nun die amerikanische Regierung die 'Primera Brigada Provisional' unter dem K o m m a n d o des Colonel Lincoln Kamang, die von Guantánamo aus verschiedene Orte im Ostteil der Insel besetzte. Dadurch waren die Kräfte der nationalen Armee von Kontroll- und Sicherungsaufgaben entbunden, was die ungehemmte Verfolgung der Aufständischen ermöglichte und zu einem der traurigsten Kapitel der Geschichte Kubas führte. Am 12. Juli 1912 k a m es zu einem Aufeinandertreffen der gegnerischen Kräfte, was seitens der regulären Truppen, von einem ungehemmten Rassismus ermutigt, in einem Blutbad endete 'un verdadero salvajismo', in dem die farbigen Gegner nicht nur gnadenlos zusammengeschossen, sondern viele Unbeteiligte auch gelyncht wurden. Die spektakulärste Aktion war das Gemetzel in Micara, von d e m der Chef der kubanischen Truppen Monteagudo später berichtete: »es imposible precisar el número de muertos, porque ha degenerado en una carnicería dentro del m o n t e « 2 ' . Die beiden Führer der 'Protesta armada' starben. Estenoz fiel im Kampf und Ivonet wurde von dem späteren Politiker
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Arsenio Ortiz ermordet. Insgesamt verloren unterschiedlichen Angaben zufolge zwischen 15.000 und 35.000 Menschen ihr Leben.30 Das vielfältige Morden fand Zustimmung bei den meisten führenden Personen jener Zeit. Auch die öffentliche Meinung in den Medien solidarisierte sich gegen die Aufständischen. Behaupten zu wollen, daß die Independistas mit ihrem 'bewaffneten Protest' die Regierung stürzen wollten, ist falsch. Sie wehrten sich primär gegen die Diskriminierung, deren Opfer sie waren »en todas las actividades de la sociedad«3i. Die schwarzen Intellektuellen Kubas trugen in der Regel diese Erhebungen nicht mit, da sie in weiten Bereichen auf ihre afrikanische Identität verzichten wollten zugunsten eurokreolischen Verhaltens und Denkens. 2.2 Die Zeit der Emanzipation nach 1880 Mit der gesetzlichen Abschaffung der Sklaverei 1880 kam es zu einer Übergangsregelung, die sich schon im Revolutionsdekret von Manuel Céspedes 1868 abzeichnete. Die Sklaven wurden auf Grund der Verordnung von 1880 nicht sofort in die Freiheit entlassen, sondern blieben für weitere fünf Jahre in der Gewalt ihrer Herren. Erst dann sollte den Sklaven entsprechend ihrem Alter nach und nach die Freiheit gegeben werden. Mit dem Jahr 1885 waren die Sklavenhalter verpflichtet, einem Viertel ihrer Sklaven die Freiheit zu ermöglichen, um dann in der Folgezeit jeweils ein weiteres Viertel aus der Sklaverei zu entlassen, so daß dieses System mit dem Jahr 1886 auf Kuba endgültig beendet w a r . 3 2 Der langwierige und schmerzhafte Prozeß der Auflösung der Sklaverei ist bis jetzt in der Prosaliteratur Kubas nicht erfaßt worden, wobei der Zeugnisroman von Miguel Barnet Biografía de un cimarrón die Ereignisse nur aus der Distanz des flüchtigen Estéban Montejo schildert. Hatten die Afrokubaner während der Sklaverei noch unter dem sozialen Ungleichgewicht gelitten, so war der erste Schritt in die Freiheit von dem Ausmaß der 'Dekulturation' während der Sklaverei überschattet. In vielen Fällen gelang es ihnen nicht, sich von einem Pariadasein in den Nischen der kreolischen Gesellschaft zu befreien: »La abolición de la esclavitud operó traumaticamente en muchos negros, africanos y c r i o l l o s « 3 3 . Zudem wies man nicht nur auf Kuba der schwarzen Bevölkerung die Schuld zu, wenn es galt, zu erklären, warum sich amerikanische Republiken nach der erlangten Unabhängigkeit nicht in dem gewünschten Maße entwickelten. So entwickelten rassistische Strömungen ziemlich bald die Meinung, daß es nicht die Institution der Sklaverei war, sondern die Unfähigkeiten und psychische Bedingtheiten der Afrikaner selbst es wären, die Rückschritt und Dekadenz in sich bargen: »Y el negro ya no sólo fue atraso y rémora, sino auténtico lastre que estorbaba el desarrollo de la sociedad y el advenimiento del orden republicano.«^ Die afrokubanischen Freiheitskämpfer, am Aufstieg in die oberen Ränge der Hierarchie des Befreiungsheeres gehindert, sahen sich mit der Verfassung der Republik von 1901 in ihren Erwartungen getäuscht. Selbst Estrada Palma, der von den USA
109 favorisierte Präsident schreckte nicht vor Diskriminierung farbiger politischer Kollegen zurück. Mit der politischen Diskriminierung ging die wirtschaftliche einher. W e n n man den demographischen Berechnungen Peréz de la Rivas Glauben schenken darf, verloren in der Zeit von 1895 bis 1898 400.000 Menschen ihr Leben, was aber nicht nur direkt auf die Kriegshandlungen, sondern auch auf die von Hungersnöten begleitete enorme wirtschaftliche Misere der verarmten kubanischen Schichten zurückzuführen ist: »Muchedumbres hambrientes pululaban por todas partes y cubrían con harapos... cuerpos extenuados hasta lo inverosímil ... Con frecuencia llevábanse a pedazos los restos de los animales muertos ... Sólo en Santa Clara, población entonces de 15.000 habitantes, perecieron en un año 6981.«35 Es ist anzunehmen, daß die Hungersnöte ihre Opfer insbesondere unter den kurze Zeit vorher aus der Sklaverei entlassenen A f r o k u b a n e m fanden. Der Ruf nach gleichberechtigten politischen und ökonomischen Möglichkeiten mußte daher besonders laut von ehemaligen farbigen Soldaten des Befreiungsheeres kommen, die die Hauptlast der Kampfhandlungen getragen haben. Sie gründeten daher das 'Comité de Veteranos de la Raza de Color', das entscheidend zum Sturz Estrada Palmas 1906 beitrug. Trotz dieses Erfolges wurde am 7. August 1908 die 'Partido Independiente de Color' gegründet, deren Mitglieder größtenteils Kriegsveteranen mit einer ausgesprochen liberalen Haltung waren. Das zunächst formulierte Parteiprogramm mutet äußerst verbindlich an, wohl in der Absicht, die Konfrontation mit dem weißen Bürgertum zu vermeiden. Man postulierte ideell und ohne konkrete Forderungen: »1. cordialidad universal, 2. amor al progreso humano, al bien colectivo, 3. respeto y consideración recíprocos, 4. fraternidad, 5. entendimiento común, 6. verdadera paz en el país.«36 Wurden die politischen Hoffnung der ehemaligen Negersklaven schon nach 1878 nicht erfüllt, erwartete sie nach 1898 eine neue Enttäuschung. Obwohl sie, wie sie mit Recht behaupteten, zu 85% als Soldaten und Offiziere in den Freiheitskriegen kämpften, wurden ihre Ansprüche auf politische Gleichberechtigung nicht anerkannt: sie ordneten ihren Wunsch nach Freiheit und Gleichheit dem Gedanken an die Unabhängigkeit Kubas unter, sahen sich aber nach Beendigung der Kriege trotz vorheriger Versprechungen vergessen: »AI terminar la guerra empezó la discusión de si los negros habían peleado o no. Yo sé que el noventa y cinco por ciento de la raza negra hizo la guerra. Luego ellos empezaron a decir que el setenta y cinco ... El resultado fue que los negros se quedaron en la calle.«37 An diesem Abschnitt kubanischer Geschichte wird ein Aspekt militärischen Denkens und Verhaltens ersichtlich, das später Adalberto Ortiz in Juyungo
und Raúl Val-
110 dés Vivo mit Los negros ciegos deutlich darstellen, nämlich den vergleichsweise sehr hohen Einsatz von ethnischen Minderheiten, z.B. der Neger, zu Kriegszwecken, was im Falle der Realpolitik Nordamerikas in Vietnam in dem Roman von Valdés Vivo gezeigt wird, sich aber auch das moderne Kuba in Bezug auf seine Aktivitäten in Afrika vorwerfen lassen muß.38 Die Garanten einer gerechten Behandlung der Farbigen Kubas, nämlich José Martí und Antonio Maceo verloren im Krieg von 1895 bis 1898 ihr Leben. Maceo, ähnlich wie Toussaint, geriet in einen Hinterhalt und wurde ermordet, so daß sein Tod später Anlaß zu Vermutungen über die Umstände der Ermordung gab.39 Die aufkeimende Unzufriedenheit zu Beginn des 20. Jahrhunderts brachte zwar Gómez und die Liberalen dazu, in der Wahlkampagne von 1908 den Afrokubanern großzügige Versprechungen in Bezug auf eine Gleichstellung zu machen, die aber 1909 nicht erfüllt wurden »1909 ...saw no fulfillment« 4 o. Während farbige Politiker in den beiden politischen Parteien Kubas, den Liberalen und Konservativen, Zugang fanden und aufstiegen, wuchs die Unzufriedenheit der hintergangenen Bevölkerungsschicht weiter, vor allem als bei den Gemeinderatswahlen - den 'comicios parciales'- 1908 auf ganz Kuba nur Weiße gewählt wurden. Die offensichtliche Weigerung, den Farbigen Kubas die 'igualdad' zu ermöglichen, führte im selben Jahr zur Bildung der 'Agrupación Independiente de Color', aus der später die erwähnte 'Partido Independiente de Color' hervorgehen sollte, unter der Führung von Evaristo Estenoz und Pedro Ivonet. Noch im Jahr 1908 brachte in den kubanischen Senat der Mulatte Morúa Delgado eine Vorlage ein, mit der eine Parteienbildung nach Rassenzugehörigkeit oder Klassenzugehörigkeit verboten werden sollte: »mediante la cual quedaba prohibida la existencia de partidos políticos integrados por personas de la misma 'raza o color' o de la misma clase« 41 . Im Jahr 1910 kam es dann zur ersten Verhaftung von Estenoz und Ivonet, ein Vorgehen, das von der Anwendung der 'enmienda Morúa' begleitet war, mit der Absicht, die 'Partido Independiente' zu verbieten. 2.3. Bewußtseinswandel Die soziopolitischen Entwicklungen nach 1898, die in Bezug auf die farbige Bevölkerung 1912 zwar gewaltsam zum Verstummen gebracht wurden, lassen trotzdem vermuten, daß der folgende Afrokubanismus kein rein literarisches Phänomen gewesen ist, »largely a literary phenomen« 4 2, sondern die sozialen, ethnischen und ökonomischen Spannungen das Entstehen des literarischen Afrokubanismus im Sinne einer gesellschaftlich definierbaren Afrokubanität mitbedingten. Dies war auf Grund der hohen kulturellen Eigenständigkeit der farbigen Bevölkerungsschicht möglich, obwohl der Bevölkerungsanteil an Farbigen auf Kuba geringer war als auf Haiti, Jamaica oder Martinique. So führten gerade auch die Massaker anläßlich der 'Protesta armada', die von den schwarzen Aufständischen selbst als solche bezeichnet wurde
Ill und nie als Rebellion oder Revolte, zu dem traumatischen Bewußtsein, von der politischen Entwicklung, der Mit- oder gar Selbstbestimmung der Nation ausgeschlossen zu sein, was bis zur Revolution von 1959 n a c h w i r k t e . ^ Das Gewissen der Nation blieb angesichts dieser Ereignisse ruhig, nur in La canciön de Rachel oder in Hernandez Catäs La Piel (1913) lassen sich Spuren der Ereignisse und eine gewisse Beunruhigung darüber ausmachen. Z u m anderen fand ein möglicher Bewußtseinswandel der kreolischen Gesellschaft nicht statt, der es nicht gelang, sich von fremden Vormundschaften zu befreien, um zu einem selbstgestalteten Zusammenleben der verschiedenen ethnischen und sozialen G r u p p e n zu k o m m e n . Denn das Eingreifen der USA in das sozioökonomische und politische Werden der kubanischen Nation hatte, wie Hugh T h o m a s ausführt, zur Folge, daß von der ehemaligen und entmachteten 'Saccarocracia' nordamerikanische Wertvorstellungen übernommen wurden. »The capture by North Americans of vast tracts of Cuban territory, as well as of such important industrial concerns, had two effects, both of which were felt politically. First, the old Cuban masters of society were overwhelmed, tempted by the great profits available to them if they sold their mills. Thus old Creole society, already deeply injured by the wars of independence, disappeared, and those members of the old master class who survived did so increasingly by assuming North American habits....« 4 4 Zur gleichen Zeit kam es aber zu einer sich festigenden Identifikation der Kubaner in den unteren sozialen Schichten der Industrie- und Hafenarbeiter, der Arbeiter auf den Zuckerplantagen, zu einer Annäherung der nicht vermögenden 'petit blancs' oder 'blancos sucios' und der Farbigen, mit einem Wort: der 'humildes', wie es M. Barnet in Gallego nachvollzieht. Ausländische Investoren mochten zwar die Produktionsmittel immer mehr kontrollieren 4 ^ aber Kubaner bzw. Immigranten leisteten die Arbeit und erfuhren in der gemeinsam erlebten ökonomischen Abhängigkeit und Ausbeutung die Solidarität der Unterdrückten, was mehr als nur einen Autor dazu veranlaßte, gerade die Sympathie zwischen Negern und Galiciern festzuhalten: »Caray ¡porque un negro y un gallego se llevan tan bien!« 4 6 Da die Afrokubaner neben dem städtischen Handwerkertum vor allem auch die Arbeiter in den Zuckerplantagen stellten - nicht ohne Grund siedelt A. Carpentier seinen ersten Roman Ecue-Yamba-0 (1933) in j e n e m sozioökonomischen Umfeld an traf sie die Krise der Zuckerindustrie in den 20er Jahren besonders hart, und führte zu einer Reihe von Arbeitskämpfen und bei allen Zeitgenossen zu dem Gefühl, in jenem Jahrzehnt den Verfall der kubanischen Wirtschaft und Kultur zu erleben »the decay of Cuban society« 4 7 . Zudem kam es zu einem sich verschärfenden Rassismus, so daß die Zeitung Ideales de una raza versuchte, in einem Teil ihrer Sonntagsausgaben diesem Rassismus die Stirn zu bieten. Im Gegensatz zur politischen Entscheidung läßt sich im sozialen Bereich durchaus
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eine Annäherung beider Rassen feststellen. Hugh Thomas bemerkt zu den gesellschaftlichen Verhältnissen auf Kuba, daß das Leben in der Rassenmischung der Insel zu Beginn des 20. Jahrhunderts verhältnismäßig problemlos war, da die besten kubanischen Familien mulattisiert gewesen wären.4» Zwar kam es laut seinen Aussagen zu Benachteiligungen in der Ausübung gewisser Berufe, doch war die Zahl an farbigen Rechtsanwälten, Handwerkern und Ärzten beachtlich. Von 6.400 Polizisten 1899 waren immerhin 1.700 Schwarze. Auch die Errungenschaften der Jahre 1880 und 1890 blieben bestehen, so daß es keine Rassentrennung in den (wenigen) öffentlichen Schulen, Theatern und Lokalen gab. Die Gründe der aber zweifellos existierenden rassischen Spannungen lassen sich daher eher aus sozialem Verhalten erklären als aus legalen, offiziellen Diskriminierungen, die trotz der überraschend positiven Darstellung von Thomas vorhanden waren. Zum einen führte die weitere Anwesenheit von Spaniern, die während des Unabhängigkeitskrieges und nach dessen Ende auf Kuba blieben, zu keiner Auflösung sozialer Grenzen. Auch die massive Einwanderung europäischer Emigranten, die zum großen Teil vorurteilsbeladen nach Kuba kamen »The flood of new immigrants from Spain was more likely to be intolerant than families who had been in Cuba for generations«4^, veränderte das soziale Klima nicht zugunsten der afrokubanischen Bevölkerungsgruppe. Doch auch innerhalb dieser Gruppe kam es zu einer Kastenbildung, da sich die freien Farbigen von den kurz zuvor befreiten Sklaven und deren Nachkommen zu differenzieren versuchten. War das Rassenproblem Kubas in erster Linie ein Mittelschichtphänomen, so beunruhigte die Furcht vor einer 'guerra de razas' alle sozialen Schichten Kubas, wie erwähnt, insbesondere aber die nordamerikanischen Investoren.
2.4. Emilio Bacardi Mareau »Via Crucis« Emilio Bacardi Moreau (1854-1922) gehörte als leidenschaftlicher Verfechter der Unabhängigkeit selbst zu den Verfolgten der kolonialen Unterdrückung Spaniens. Zudem setzte er sich engagiert für die Abschaffung der Sklaverei ein, was gleichfalls Thema des wiederholt zitierten Romans Via Crucis ist: »la nueva era borrö el estigma que pesaba sobre los habitantes de la Isla: la esclavitud«so. Trotz der besten Absichten Bacardis war aber auch er nicht frei von einem zeitbedingten Rassismus, der sich in der Interpretation der Motive und der im Prinzip geschickt gewählten Gegenüberstellung des Sklaven Juan und des Herrensohnes Pablo Delamours abzeichnete. Er entließ den Sklaven nicht aus der emotionalen Abhängigkeit gegenüber Pablo, so daß sich Juan auch in der Waffenbrüderschaft im Heer der Aufständischen niemals wirklich emanzipieren kann. Bacardi betont das große moralische, intellektuelle und ethische Selbstverständnis des Weißen Pablo, der seine Mutter und Schwester heroisch dem einsamen Sterben überläßt und sich unter großem Opfer und Leid den Aufständischen anschließt, getrieben von der idealistischen Liebe zu Kuba »fuera de la de Ustedes, no hay mäs
in imagen en mi corazón que la de la patria« (VC, 220). Primitiver erscheinen dagegen die Beweggründe Juans, als dieser die Familie Delamours nach der Flucht aus dem von dien Aufständischen angezündeten Ingenio im Stich läßt. Sein Motiv war die verständliche Angst vor der Sklaverei, die ihn in der für die anderen sicheren Stadt erwartet hätte. Obwohl dies als Grund individuell genügt, um die Familie des gütigen ' a m o ' in der Not aufzugeben und Zuflucht bei den Aufständischen zu suchen, fehlen dem Verhalten Juans die edlen Gedanken und Motive Pablos. Juan hat noch nicht die sittliche Reife, die Bacardi an das Konzept von 'patria' und 'cubanidad' knüpft, ihm geht e s um die eigene Sicherheit: »... y comienza el pueblo de Carey, detuvo el carruaje, y sin decir palabra, se desmontó, desenganchó las correas, volvió a montar y partió a escape, dejando a sus dueños abandonados en medio del camino: ingratitud que tenía su razón de ser y que el porvenir debía explicar.« (VC, 146) Juan gehorcht damit einem Verhalten, das, obwohl nur bei Estéban Montejo im Krieg von 1895/98 nachvollziehbar, generalisiert werden kann: »Para los esclavos la lucha por la libertad se plantea, hasta mejor conocimiento, como un esfuerzo individual y lo colectivo por 'escapar' de la esclavitud, sin que ello implicase un propósito, de menos consciente, de suprimir la esclavitud misma.«5' Neben dem Motiv Juans, der sich auf die Seite der Aufständischen schlägt, wird als weiteres Thema die gewaltsame Befreiung der Negersklaven durch die Mambis in dem Roman vorgestellt. So macht Bacardi auf den Bewußtseinsstand der Sklaven aufmerksam: Die befreite Sklavenmannschaft des Ingenios 'La Fortuné' wird von den Rebellen aufgefordert, sich der Armee der Aufständischen anzuschließen. In einer heimlichen Versammlung der Sklaven noch vor der Besetzung des 'ingenios' durch die aufständischen Truppen spricht deren Agent zu den Sklaven »hablaba por encargo del General y de Cuba Libre« (S. 133). Ihm gegenüber steht der älteste Neger des Ingenios, Papa Zéphir, »Africano de noble estirpe« (VC, 133). Dessen Frage »Cub lib; sá sá yé sa?« (Cuba libre, qué cosa es?) enthüllt in aller Deutlichkeit den Grad politischer und revolutionärer Aufklärung, die Bacardi in jenem durch die Sklaverei verbrauchten Menschen sieht. Auch die darauffolgende Erklärung des Emissärs »... que Cuba en armas da la libertad a los esclavos y destruye quemándolos, esos lugares que son cuevas de la esclavitud« (VC, 134) bewirkt nicht den gewünschten Sinneswandel. Die Negersklaven stehen zu ihrem 'guten' Herren in heute unverständlicher Dankbarkeit und Treue, womit Bacardi wieder auf die geistige Unmündigkeit seiner im haitianischen Kreolisch sprechenden Gestalten verweist: »Pá bulé isí. Met nu sé bon met. Pesón pa pi alé. (No quemar aquí. Nuestro amo es buen amo. Nadie se irá.)« (VC, 134) Als dann wenig später die Aufständischen tatsächlich das Ingenio in Flammen aufgehen lassen, berührt dieses Ereignis die Masse der Negersklaven, die
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hier als Kollektivprotagonist agieren, tief: »Contemplaban los negros tristemente la destrucción de 'La Fortuné', y había terror en aquellas facciones desencajadas. 'La Fortuné' para ellos, era la patria, la cuna, el lugar donde reposaban los restos de sus padres.« (VC, 142) Aus der tiefen Verbundenheit zu ihrem Ingenio, dessen Charakter als die Ursache entwürdigendster Ausbeutung sie bei Bacardi nicht zu empfinden scheinen, entsteht dann auch das Gefühl existentieller Verlorenheit vor einer plötzlich erlangten Freiheit: »La libertad que hasta entonces habían entendido por conversación y aumento de propiedad, se les aparecía en forma de ruina y aniquilamiento.« (VC, 143) Die von den Aufständischen ausgelöste gewaltsame Emanzipation stellt sich für die Sklaven als überaus schmerzhafter Prozeß dar, in dem die Identifikation der Schwarzen mit ihren eigenen Leistungen beim Aufbau und Erhalt des Ingenios zugunsten ihres Herren zumindest zweifelhaft bleibt: »Se les arrancaba de la adoración a su dueño, y se les incendiaba lo que a tanta costa habían tratado de conservar.« (VC, 143) In der von Bacardi gezeigten Verwirrung und Orientierungslosigkeit der Sklaven verwundert es demnach auch nicht, daß nach der Aufforderung des Führers der Aufständischen »Todo el mundo es libre: a reunirse con la tropa cubana!« (VC, 143) die Sklaven auseinanderstieben und verschwinden, ohne kämpfen oder bei ihrem Herren bleiben zu wollen: »A esa orden, como despertando de un sueño, hubo en la A jila A un movimiento general, y como una bandada de codornices alzando el vuelo a la presencia del cazador sin necesidad de consultarse los unos a los otros, lanzáronse rápidos los esclavos por entre los cafetales desapareciendo simultáneamente.« (VC, 143) Obwohl Bacardi aus der Distanz von knapp 20 Jahren dem Krieg von 1868/78 eine entscheidende Rolle in der Emanzipation der Sklaven zubilligt, ist seine kritische Einschätzung der Ereignisse und Entwicklungen nicht zu übersehen. Wenn er dies am Beispiel der einen Sklavenmannschaft und ihrer Verwirrung deutlich macht, verweist er auf der anderen Seite doch auf das doppelte Engagement der schwarzen und weißen Kreolen, sich um eine, verschieden zu erlebende Freiheit zu bemühen: »... la libertad, la diosa deslumbradora, dió expansión a los espíritus comprimidos, y el colono cohibido y el esclavo embrutecido aplaudieron el grito que rompía con la opresión en que se les mantenía.« (VC, 130) Obgleich Bacardi bei beiden Bevölkerungsgruppen dieses Freiheitsstreben feststellt, zeigt er, in welchem Grad die Parteinahme der Neger in dem Unabhängigkeitskrieg unreflektiert und intuitiv stattfand. Das individuelle Widerstandspotential wird von den weißen Kreolen im Sinne ihrer Unabhängigkeitsbestrebungen eingesetzt und ausgenutzt. In den beiden Romanen, in denen über die Erhebung von 1868 reflektiert
115 wird, findet sich keine Textstelle, die Bezug nimmt auf eine bewußte Waffenbrüderschaft zwischen schwarz und weiß, die die Perspektive auf Herausbildung einer Nation eröffnen könnte, in der die beiden ethnischen Gruppen gleichberechtigt zusammenleben könnten. Sie gehen stattdessen in den Jahren von 1868 bis 1878 eine Notgemeinschaft ein, was zwar als bedeutend für die kubanische Geschichte empfunden wird, aber noch nicht in ihrer historischen und kulturellen Tragweite erkannt werden kann, wie es spätere Interpretationen jener Ereignisse leisten. Von den später schreibenden Autoren Bacardi und Rodríguez wird das präpolitische Bewußtsein der sich erhebenden Schwarzen in dem Bereich des Instinkts und primitiver Bedürfnisse angesiedelt. Den Aufständischen gegenüber stehen in den beiden Romanen insgesamt drei Kreolen, Söhne vermögender kubanischer Händler und Grundbesitzer, die sich von ihren spanientreuen und konservativen Elternhäusern lösen, was als durchaus bewußter und schmerzlicher Prozeß geschildert wird, während es den Autoren kaum gelingt, die Motive und Gedanken ihrer schwarzen Protagonisten glaubwürdig darzustellen. Beschreibt auf der einen Seite Bacardi noch die Bemühungen der konservativen Seite, 1868 zu verhindern, daß die Sklavendotaciones spontan dem Beispiel Céspedes folgen, indem sie ihre Sklavenmannschaften in die von den Aufständischen wenig bedrohten Zonen schaffen, verweist er auf der anderen Seite die Sehnsucht nach Freiheit der unterdrückten Sklaven in den Bereich primitiver Regungen, was er durch den Traum vom Glück ohne Grenzen in Zusammenhang mit der Präsenz von Frauen und deren angedeuteter instinktiver Sexualität insinuiert: »Atentos a la sorda arenga del emisario, negro también escuchábanlo serios y sonreían mostrando la blanca dentadura, y las mujeres palpitaban satisfechas: la halagadora palabra libertad depertando sus instintos, les prometía campo de felicidad sin límites ...« (VC, 133) Ähnlich distanziert schildert Felipe Rodríguez (1884-1947) in El negro que se bebió la luna (1940, NL) den Weg der Afrokubaner zur Beteiligung an dem zehnjährigen Krieg. Auch er verzichtet nicht darauf, das Streben zur Freiheit nur an den Instinkt zu binden: »Era una veintena de negros que huía, sin rumbo determinado, sólo sabían, intuitivamente, que en el monte firme estaba la meta de liberación del instinto. Ellos ahora, no eran más que elementos telúricos a quienes les basta la propia existencia en sí misma, como la naturaleza, que no gira en el círculo de las convenciones comunes.« (NL, 197) Auch dem geheimen Agenten der Freiheitsbewegung auf der Pflanzung, einem alten Negersklaven, spricht Rodríguez die Fähigkeit ab, die Tragweite und die Hintergründe der Ereignisse von 1868 zu erkennen »Este no estaba penetrado del alcance ideológico de toda rebelión.« (NL, 198) Als der Alte ño Gabriel Sklaven bei der Flucht hilft, gibt ihm auch hierbei nur sein Unterbewußtsein Auskunft über Motive
116 und Folgen der Flucht: »porque un llamamiento oscuro le decía que huir es quitarle la ropa del esclavo al instinto.« (NL, 198). Es geht hier nun nicht darum, nachweisen zu wollen, daß das Streben nach Freiheit ein rationaler und erklärbarer Prozeß ist, sondern um die Tendenz der beiden Autoren, das Instinktive des Freiheitsstrebens an animalisches Verhalten und Denken der Negersklaven zu binden. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung konnte mit Ausnahme des Zeugnisromans Biografía de un cimarrón von Miguel Bamet, kein Text ausgemacht werden, der die Frage der Beteiligung der afrikastämmigen Kubaner im letzten Befreiungskrieg 1895 bis 1898 diskutieren würde. Damit findet auch die Frage der an dieses Engagement gebundenen Emanzipation und Integration der Farbigen in die sich verändernde Gesellschaft kein literarisches Echo auf Kuba, während sie aber in dem Romanen von René Bonneville (Martinique) La vierge cubaine, 1897 in der Zeitschrift L'Opinion erschienen, ausführlichst dargestellt werden. Die Geschichte der Afrokubaner von 1868 bis zur Manifestation des 'Negrismo' ab Mitte der zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts bleibt also in der Literatur tabuisiert. Selbst metaphorisch angelegte Texte wie Hernández Catás La Piel (1913) und die Versuche von Bamet, Bacardi und Rodríguez können den Eindruck nicht verwischen, daß gerade die Ereignisse und Entwicklungen dieser Zeit die problematischsten in der afrokubanischen Geschichte waren und vielleicht aus diesem Grunde nur sehr zögernd Eingang in die Literatur fanden. In gleicher Weise kennzeichnend ist die Tatsache, daß mit der Ausnahme von Catás Text kein Autor des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts die Geschichte eines freien Farbigen als Motiv gewählt hat. Erklärt sich nun das Schweigen um den Beitrag der Afrokubaner an dem Krieg 1895/98 aus der großen Enttäuschung kubanischer engagierter Intellektueller, die ihre Hoffnungen durch die Besetzung Kubas von nordamerikanischen Truppen zerstört sahen, kann das Schweigen in Bezug auf den zehnjährigen Krieg und die Frage der Sklavenbefreiung nur dadurch gedeutet werden, daß das Trauma der Sklaverei selbst noch der Verarbeitung bedurfte und daher die - literarischen - Energien absorbierte. Die kubanischen Intellektuellen nach José Martí meldeten sich erst in den zwanziger Jahren wieder zu Wort, wobei in der Folge der Besinnung auf autochthone kubanische Werte der 'negrismo' entstand und bald, mit Hilfe der konservativen Zeitung Diario de la Marina an Boden gewann.
3. Das 'bufo'-Theater
3.1. Der Beginn einer Tradition »Chevere del navajazo/ se vuelve él mismo navaja«, mit diesen Versen greift Nicolas Guillén die Figur des Negers'? Valentín auf, der als Angeber und Raufbold die Bühnen Habanas des 19. Jahrhunderts belebte. Valentin, der mit dem Mackie-Messer der Brechtschen Dreigroschenoper nur das Detail, das Messer, gemein hat, ist in seinem machistischen Gehabe das eigenartige Produkt einer sich in Gärung befindenden kubanischen Gesellschaft. »Aquí ha llegado Candela negrito de rompe y raja que con el cuchillo vuela y corta con la navaja. Candela no se rebaja a ningún negro valiente; en sacando la navaja no hay nadie que se presente.«53 Valentín oder Candela erscheinen als Neger, zumindest auf den Bühnen des damals sehr populären 'Bufo cubano'. Die Darsteller selbst waren allerdings weiß, sie verwandelten sich im Stil der nordamerikanischen 'minstrels' auf der Bühne mit Hilfe von Teerfarben in die Figur des 'negritos', um zusammen mit der sinnlichen Mulattin und dem eingewanderten Galicier das feste komische Personal des kubanischen 'bufo'-Theaters abzugeben. Auch wenn Theater in der vorliegenden Arbeit nur am Rande erwähnt werden soll, ist der Bezug auf das 'bufo'-Theater notwendig, da es in seiner motiv- und kulturgeschichtlichen Darstellung eine Schlüsselstelle für die Integration der Schwarzen in das Identitätsbewußtsein Kubas innehat. Der falsche 'negrito' hatte sich demnach nach der Unterdrückung der vermeintlichen 'conspiración de la escalera' 1844 zum absurden Brennpunkt einer sich bewegenden Transkulturation entwickelt, die den echten Neger und Sklaven auf der Bühne noch nicht zulassen konnte. Die von den Abolitionisten und Independisten eingesetzte Metapher des afrikanischen Sklaven wurde zwischenzeitlich durch die unverbindlichere des 'siboney' ersetzt, 54 so daß in dem Zeitraum von 1844 bis 1880 kein Platz für die echten Leiden der Sklaven in der kubanischen Literatur und im Bewußtsein der bürgerlichen Schichten war. Dafür fanden die heiteren Aspekte afro-europäischen Zusammenlebens umso stärker die Aufmerksamkeit eines Publikums, das die massive Präsenz schwarzer Mitbürger nicht leugnen konnte und auf die Abwendung einer 'schwarzen Gefahr' 1844 mit der ironischen Verunglimpfung jener freien und versklavten farbigen Bevölkerung reagierte, die 1841 60 % der Bewohner Kubas ausmachte.
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Obwohl ein entscheidender Unterschied gemacht werden muß zwischen dem Erscheinungsbild des Negers im Theater und dessen Behandlung in der Poesie, existiert ein Abhängigkeitsverhältnis dieser beiden Gattungen in Bezug auf die Behandlung des Negers. Monica Mansour beobachtet, daß das Theater in der Gestaltung seiner farbigen Figuren Verhaltensmuster direkt aus der Realität übernahm. Diese Farbigen Kubas, somit zu literarischen Personen geworden, dienten ihrerseits wieder als Vorlagen für die afroamerikanische Poesie,woraus Mansour folgern kann, daß der Realitätsbezug zwischen der Theaterfigur und der Wirklichkeit größer ist als der zwischen Gedicht und Wirklichkeit. Das literarisch hochstilisierte Gedicht, das im Gegensatz zu den mundartsprachlichen Dialogtexten der Bühne steht, verwandelt sich demnach in ein reines Symbol. »Este proceso se encuentra a través de toda la historia del tema negro en la literatura hispana.«55 Der erste Autor, der die Thematik der sinnlichen Mulattin nur vordergründig zum Inhalt eines Gedichtes gemacht hatte, obwohl Cecilia Valdés als mulattische 'femme fatale' schon 1839 ein Muster dafür lieferte, scheint nun Francisco Muñoz del Monte (1800-1868) aus Santo Domingo gewesen zu sein, der den größten Teil seines Lebens auf Kuba verbracht hatte. Sein Gedicht »La Mulata« erschien anonym im Jahre 1845. Ein ähnliches Bild von dieser Frau »punto de transición entre dos razas ... insaciable en sus iras como el tigre/ apaciable en su amor como Paloma«56 mit identischen diskriminatorischen Anlagen findet sich nun im Werk des Galiciers Bartolomé José Crespo Borbón (1811-1871). Crespo Borbón, der als Kind nach Kuba kam, zeichnete sich unter dem Pseudonym 'Creto Gangá' als Autor zahlreicher Komödien, 'Saínetes' und Farcen aus, deren Protagonisten Neger waren, die sich durch ihr mangelhaftes Spanisch der 'bozales' oder eine ironische bzw. satirische Grundhaltung charakterisierten. Creto Gangás in manchen Teilen reaktionäre, aber oft realistische Darstellungsweise setzt zwar in der Sozialgeschichte der afrokubanischen Literatur und Identität die Auseinandersetzung mit der Afro-Kubanität fort, kann aber mit dem Schaffen Plácidos nicht verglichen werden. Obwohl er nach 1844 die Weichen für das Aufblühen des Bufo-Theaters im Jahre 1868 stellte. Während der 'siboney' als Allegorie nach 1844 den Gedanken von Freiheit und Unabhängigkeit auf Kuba repräsentierte und mit der massiven Unterdrückung der vermuteten 'conspiración de la escalera' die abolitionistischen Intellektuellen zum Schweigen gebracht wurden, entdeckte das konservative Kuba den 'guten' Neger. Mit dem 'guten', meist servilen und dummen Farbigen setzte die Sklavereigesellschaft dem aufbegehrenden Sklaven, dessen Leiden von der abolitionistischen Literatur geschildert wird, ein ideologisches Gegenbild. Damit wurde die stetig anwachsende Schicht der freien Farbigen in den Städten Havanna, Matanzas und Santiago de Cuba in ihrem zunehmenden Anspruch auf Gleichheit und Bildung von Anfang an und von Grund auf diskreditiert. Die wirksamste Waffe der weißen Gesellschaft gegen den vermeintlichen Klassenfeind, den Farbigen, scheint der Spott über ihn in einer Gattung zu sein, die die agonisierende koloniale Gesellschaft Kubas als ihr
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ureigenstes Medium gebildet und erlebt hatte, nämlich das 'teatro de b u f o ' . Dieses monopolisierte ab 1868 das Bühnengeschehen Kubas, indem es direkt auf soziale und historische Ereignisse Bezug nahm, als bewegter - oft auch verzerrender - Spiegel der kubanischen Sklavengesellschaft, und damit Skandale, Beifallsstürme, Proteste und Bewunderung hervorrief. So verzichtete die spontan entstehende Gattung häufig auf die schriftliche Fixierung und Archivierung von Texten, so daß im Nachhinein nur ein geringer Teil der Stücke zugänglich ist.57 Während Ibsen, Tschechov, Strindberg, Hauptmann, Shaw in Europa ihre naturalistisch-existenzialistischen Stücke auf die Bühne brachten, formierte sich das 'bufo'-Theater als phänotypischer Reflex einer sich im Gärungsprozeß befindlichen Kolonialgesellschaft. Noch am Vorabend des zehnjährigen Unabhängigkeitskrieges hielt somit in den kleinen und populären Theatern vor allem Havannas eine Gattung Einzug, die sich als eine der originellsten theatralen Leistungen des Kontinents entpuppen sollte: »El bufo cubano es la expresión teatral popular más importante del continente, capaz de superar a los 'minstrels' o al saínete rioplatense, únicos fenómenos comparables.«58 In der Tradition der volkstümlichen 'commedia dell arte', des neapolitanischen Volkstheaters und des spanischen Picaro entstand im Paris von Louis XIV die 'Opéra bouffe'. Im 19. Jahrhundert verschwand dann im engen Kontakt mit dem französischen Vaudevil das musikalische Element aus der komischen Oper, die sich immer mehr zum Sprechtheater entwickelte und 1857/58 im 'Théâtre des Italiens', später im Palais Royal und im 'Théâtre des Bouffes' ihren Höhepunkt erreichte. Es dauerte nicht lange, bis das Konzept der komischen Oper die Pyrenäen überwand und am 26. Mai 1864 Francisco Arderius seine Parodie auf Offenbachs »Orpheus in der Unterwelt«, »Los Dioses del Olimpo« in Madrid uraufführte und er zwei Jahre später sein Theater als 'bufos madrileños' bezeichnete. Von Madrid war der Weg in die spanischsprachigen Kolonien nicht weit, so daß die kubanischen Autoren wenig später ihr eigenes komisches Theater ausrufen lassen konnten, »a imitación de los bufos madrileños«, wobei vor allem die 'Zarzuela', die italienische Oper und das spanische Melodrama Pate standen.59 Auf Kuba allerdings stieß das europäische Modell auf Vorformen und eine Idiosynkrasie, die dem kubanischen 'teatro de bufo' ein vollkommen eigenes Bild geben sollte. Es wies nicht nur schon der erste dramatische Text Kubas »El principe jardinero y fingido lloridano« 1730/33 Aspekte des komischen Theaters auf, sondern auch das afrokubanische volkstümliche Spektakel trug Züge des Spotts, 'escarnio' und der Parodie, die die Gestaltung und Rezeption der Stücke mitbestimmten. Sie blieben allerdings ohne nachhaltigen kulturellen Einfluß, da die Afrokubaner eher Zielscheibe des Spotts der weißen Autoren waren, als daß sie Einfluß auf die Gestaltung der Stücke nehmen konnten. Dies drückte sich nicht nur in der Tatsache aus, daß alle 'schwarzen' Darsteller in der Tradition der 'minstrel shows' von mit Teer gefärbten
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weißen Schauspielern dargestellt wurden, sondern auch in den Handlungsmustern, die darauf angelegt waren, die Farbigen Kubas anhand der Modelle von weißen Verhaltensmustern zu diskriminieren. Noch bevor es auf Kuba zu der ersten Prosaliteratur kam, stellte einer der populärsten Schauspieler und Theaterautoren des volksnahen 'género chico' Francisco Covarrubias (1757-1850) in »EI desengaño feliz o El negrito« am 14. Dezember 1812 und am 16. Januar 1815 den ersten 'negrito' auf Kubas Bühnen dar,60 16 Jahre, bevor Thomas Dartmouth Rice den Typus des alten Negersklaven »Jim Crow« schuf, Vorläufer des Onkel Tom, und dreißig Jahre bevor Daniel Emmett, der vermutliche Erfinder des Dixie, die erwähnten 'minstrel shows' ins Leben rief, die Edwin Decatour Christy weiter ausbaute, und noch bevor Webb mit seinen 'minstrels' im Jahre 1865 Havanna besuchte.6' Die erste umfassende Darstellung der kubanischen und rassistischen Version des 'negrito' blieb allerdings einem Galicier vorbehalten, Bartolomé José Crespo y Borbón, der das Erscheinen des Negers an ein Phänomen band, das Autoren wie Sor Juana Inés de la Cruz, Lope de Vega und andere in ihren Gedichten vorweggenommen hatten: die Sprache. Der unverhohlene Spott Crespo y Borbóns, seine kostumbristisch deformierte Darstellungsweise trugen ihm später die Qualifikation »Gallego negrero y anticubano« ein.62 Das Spanische der 'bozales', jener direkt aus Afrika importierten Sklaven, wurde nun Hauptagent des Spotts: die unvollständige, zusammenhanglose Syntax, die Mischung verschiedenster Sprachregister, von populärsten, fast vulgären Sprichworten bis hin zu unverständlich gewordenem universtitärem Spanisch, bestimmten nun das populäre, komische Theater Kubas. Während sich Dichter wie Plácido und Manzano um einen Bildungsanspruch und intellektuelle Gleichheit bemühten, setzten ihnen Autoren wie Zafra, Landaluce oder Fernández Vilaros den Typus des verbildeten 'negro catedrático' gegenüber, der seit dem Stück »Los negros catedráticos. Absurdo cómico en un acto de costumbres cubanas en prosa y verso« (31. Mai 1868) von Francisco Fernández Vilaros zum festen Repertoire des Bufo-Theaters gehören sollte. Das Bestreben der wenigen freien farbigen Intellektuellen sowie die politischen Ansprüche nach Gleichberechtigung ab 1880 sehen sich somit bis 1935 einem reaktionären Theater gegenüber, das in der Maske schwarzer Figuren die schwächsten Stellen und Eigenschaften der farbigen Mitbewohner zum Zwecke der Erheiterung aufs Korn nahm. Obwohl in den meisten Fällen auf die szenische Erscheinung des Afrokubaners gebaut wurde, zeichnete sich die Gattung durch eine bunte Mischung kubanischer Typen aus. So nahm schon José Socorro de León in »Un bautizo en Jesús Maria« (1865) ein Bühnenbild vorweg, in dem sich Bauern, Afrikaner, chinesische Kulis aus Manila, kreolische Neger, kubanische Aristokraten und Nordamerikaner tummelten, was als Hinweis für das Amalgam an Menschen und Rassen in Havanna gelten darf. Es zeigt sich daher schon an den Vorläufern der 'bufos', daß nahezu alle volkstümlichen Typen Einzug hielten ins komische Theater, wobei sich aber gerade die Trilogie des 'negrito', der Mulattin und des Galiciers hervorhoben, denen sich die 'petits blancs' oder 'blancos sucios', die chinesischen und spanischen Einwanderer hinzuge-
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seilten. Trotz der Burleske auf die Farbigen fand - lange bevor es in der Realität zu einer Gleichberechtigung der Rassen kam, ja noch vor der Aufhebung der Sklaverei zumindest auf den kubanischen Bühnen eine gespielte Transkulturation statt. Die Moral des Bufo-Theaters war aber keine andere als die der bürgerlichen Schichten des spanischen Kolonialismus. Der Trilogie kolonialer Moral, d.h. dem Katholizismus spanischer Tradition und Geschichte und dem Bewußtsein des Kapitals, stellte das 'bufo'-Theater ein scheinbar freies Leben, spontane Liebe, recht- und eigentumslose Personen der Unterschichten, bäuerliche Unbefangenheit, Humor und Satire gegenüber. Trotzdem das 'bufo'-Theater als »género musical y bailable, paródico, popular, desacralizador de los grandes temas del pasado, caricaturesco, ausente de empaque moralista, reflejo de lo cotidiano, historia de las gentes sin historia, escena de circunstancias, sátira y choteo, sin afán literario, carente de deseo de immortalidad, escena más que texto, intención más que literatura.« 6 3 von Millán y Otero, José Socorro de León »Garratazo y tente tieso« (1863) mit der typischen sozialen Mischung kostumbristisch weitergeführt, blieb es nicht aus, daß das 'bufo'-Theater sich vor dem abzeichnenden Befreiungskrieg stärker politisierte. So stürmten spanische Kriegsfreiwillige am 22. Januar 1869 die Aufführung des satirischen und antispanischen Stückes »Perro huevero aunque le quemen el hocio« von Francisco Valerio, was zu mehreren Verletzten und Toten führte, da offensichtlich, die 'Vivas', die auf eine bevorstehende Hochzeit ausgebracht wurden, 'Vivas' auf den Freiheitskampf waren »gritemos todos, amigos viva la fraternidad«. Die 'bufos' vewandelten sich mit der Betonung des kubanischen Elements in antispanische Manifestationen. Die 'guaracha' in 'El negro bueno' mußte somit im historischen Kontext des Freiheitskampfes als eine »Especie de canto o proclama revolucionario« verstanden werden.M Obwohl das 'bufo'-Theater Schwierigkeiten hatte, von der bürgerlichen Gesellschaft akzeptiert zu werden, bleibt zum anderen ungeklärt, in welchem Maße sich die Figuren zur Identifikation mit den dargestellten Schichten anboten. Es mag zwar zutreffen, daß das 'bufo'-Theater spontaner und direkter auf Veränderungen und Zustände der eher marginalisierten Gesellschaftsschichten Kubas reagierte, doch es bleibt zu klären, inwieweit es sich tatsächlich nicht nur für die Unabhängigkeit von Spanien, sondern auch für die echte Emanzipation der sozial benachteiligten Schichten einsetzte. Die erwähnten konservativen Autoren zogen den Stoff der Belustigung aus den ökonomischen Schwächen und dem intellektuellen Rückstand, gemessen an der finanziellen Potenz und dem Bildungsideal der weißen Kreolen. Insofern bewegte sich das 'bufo'-Theater in der Spannung zwischen einem möglichen gesellschaftsverändernden Potential und konservativen Kräften, die bis spätestens 1898 antikubanisch wirkten. Ihnen gegenüber standen andere Autoren, meist mittellos, die, ohne Sklaven
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zu besitzen, aus der Sicht der Hausangestellten, der Handwerker und im engen Kontakt mit freien Farbigen, die Gesellschaft mit dem enthüllenden Blick des 'Picaro' schildern konnten, was ihnen die eigene Geschichtsschreibung verweigerte. Obwohl das kubanische Theater das Genre der unteren weißen Schichten war, befreite es sich in vielen Fällen nicht von rassisch diskriminatorischen Einflüssen. So wurde den Farbigen Kubas erst ab 1885 'correctamente vestidos' der Zutritt zu den Zarzuelas der bürgerlichen Theater gestattet. Diese Zustände lassen sich entweder auf den nachhaltigen Einfluß der beiden Autoren Creto Gangá
oder Zafra zurückführen oder auf
durch die Sklavengesellschaft bedingte Denkstrukturen, von denen sich auch die Vielzahl der mulattischen Autoren und Darsteller trotz bester Absicht nicht befreien konnten. 3.2. Der gelehrte Neger In dieser Atmosphäre entstand das Motiv der Gelehrsamkeit freier Farbiger, d.h. die Figur des 'negro catedrático', die ab 1868 eine der Konstanten des 'bufo'-Theaters sein sollte. Das T h e m a der Nachahmung weltfremder Wissenschaftlichkeit, im Zeitalter der Aufklärung nicht nur satirisch auf Frauen bezogen, wurde auch auf Kuba praktiziert, wobei zunächst einmal bildungsbeflissene Kleinbürger Zielscheibe des Spotts gewesen waren, eine Tradition, die sich übrigens bis heute nachvollziehen läßt. Mit dem Stück »Los negros catedráticos«, das am 31. Mai 1868 im Theater Villanueva uraufgeführt wurde, trat der gelehrte Neger zum ersten Mal auf die Bühnen Kubas. Die fünf in Szene gesetzten Personen unterscheiden sich wesentlich durch ihren sozialen Status von dem Personal Gangás. Es handelt sich in erster Linie um freie Farbige, die es als Arbeiter in der Stadt zu bescheidenen Ersparnissen gebracht haben und es sich somit leisten können, »a la blanca« zu leben. In dem Mikrokosmos stehen sich der durch die Nachahmung des weißen Bildungsideals entfremdete Aniceto und der Kongoneger José gegenüber. »No hablemos de esos ignorantes individuos ... lástima me da su incultura y el grado de brutología en que se encuentran, en comparancia de nuestros conocimientos científicos.«65 Der ungebildete José gewinnt die Liebe Doroteas dank seines Geldes, obwohl er ästhetisch und kulturell dem integrativen Anspruch des schwarzen Kleinbürgertums nicht entspricht. In der Entscheidung Doroteas zugunsten des reichen, aber dümmlich erscheinden José, der sich wie folgt selbst kennzeichnet: » ' ¡ T o no so negro? ... ¿no? ...! Criollo lucumí, carabalí, gangá, arará, congo, toitico, toitico so negro! ¡Negro toito! ' Yo so congo, trabajaore la muella ... yo no toma guariente ... yo so libre ... yo gana do peso tuitico la día.« (NC, S. 144), zeigt Dorotea ein berechnendes Wesen, das sie als Frau und Farbige erniedrigt,
123 ähnlich wie Carmela. Überheblich macht sie sich mit Ricardo, ihrem Verlobten, über den ungeschickten José lustig, sobald dieser aber Ricardo verprügelt und erkennen läßt, daß er über Erspartes verfügt, gibt Dorotea Ricardo bedenkenlos auf: »¿Conque es rico? ¡ay! ¡Papaíto! No pierdas la conjuntura, Trancalo por la y traendo aquí vivito ¡Todo lo cambia el dinero!« (NC, S. 137) Im dritten Teil der einzigen Trilogie des A bufo A -Theaters »El negro cheche o veinte años después« gelingt José der endgültige menschliche Triumph, indem er seinem Sohn Hercules von dem nach Gelehrsamkeit strebenden und gestelzten Ehrgeiz, von dem Leben als Spieler zu ehrsamer Arbeit im Hafen zurückbringt. Der bescheiden gebliebene José triumphiert über den falschen 'catedraticismo' und die verantwortungslose Existenz des 'negro cheche', der ebenfalls als Motiv bis zum 'negrismo' und darüberhinaus immer wieder erscheinen wird. Die Trilogie vermittelt die konservative Moral, daß sich das Verhalten der beiden gelehrten Neger Aniceto und Crispin in der Nachahmung eines Modells, das der eigenen ökonomischen, sozialen d.h. ethnischen Realität nicht entspricht, ins Lächerliche verdreht und an der Oberfläche leeren Geredes bleibt. Wie das Stück deutlich macht, verwies nicht nur die weiße, kreolische Oberschicht die sich emanzipierenden Schwarzen in die gesellschaftlichen Schranken, sondern die freien Farbigen selbst differenzierten sich in der Realität sehr selbstsicher von den ungebildeten Schichten, wobei sie sich aber als Kulturdissidenten zu erkennen gaben, die unter Verzicht auf ihre ethnische und kulturelle Abstammung entfremdende Anpassungsversuche wagten. Versuchten und versprachlichten sowohl Plácido als auch Manzano schon den Konflikt, aus der Schicht der Unterprivilegierten vorzustoßen in den Dunstkreis des weißen Bürgertums, ohne auf die ihnen eigene Geschichte verzichten zu wollen, gab es im 19. Jahrhundert eine große Anzahl von Menschen, die über die reine Imitation bürgerlichen Verhaltens die soziale Akzeptanz der Weißen erreichen wollten. Antonio Bachiller y Morales kennzeichnete in seiner vermutlich 1885 erschienenen Studie Los Negros die Schicht der »hombres políticos negros« wie folgt: »Suelen en Cuba llamarse hombres políticos negros a los caballeros de amables y ceremoniosas maneras o formasen el trato social.«66 Zudem gibt Bachiller y Morales das Beispiel eines Musikers, dessen schon nahezu ironisch anmutender Beschreibung das Modell aller folgenden 'negros catedráticos' wurde, die sich selbst die böse Kritik ihrer weißen Vorbilder gefallen lassen mußten: »Como loros o monos repiten e imitan a los blancos.«6 7 Die Beschreibung des Musikers Brindis erinnert zudem an die Erscheinung der
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exotischen Ausländer in den Salons der französischen Aufklärung: »... hubo en La Habana un negro criollo de profesión músico y de apellido Brindis, que era la flor y nata de los políticos de esta especie; sus tendencias aristocráticas le hicieron trabar amistad con caballeros y profesores de la otra raza.«68 Nach dem Massaker im Theater Villanueva war die erste Etappe des 'bufo'-Theaters, von dem heute neunzehn Stücke der insgesamt sieben Gruppen gesammelt werden konnten, zu Ende. In der Phase, in der der Neger, allen voran mit der Figur des José aus »Los negros catedrátios«, eine bestimmte und selbständige Rolle spielen konnte, gelang es im Ansatz, ein Akkulturationsbewußtsein sichtbar zu machen, das nach 1868 unterminiert werden sollte. Während des zehnjährigen Befreiungskrieges waren die meisten der 'bufo'-Darsteller und Autoren entweder im nordamerikanischen Exil oder in den Kämpfen, sodaß erst mit dem Erscheinen der berühmten 'Bufo de salas' des Autors Miguel Salas am 21. August 1879 von einer Fortsetzung der Bufo-Tradition gesprochen werden kann. Mit der sich abzeichnenden Aufhebung der Sklaverei spiegelte die Gattung in ihrer zweiten Phase den moralischen Zustand der drohenden Auflösung des spanischen Kolonialreiches wieder, was die Existenz der 'bufos' auf Kuba und Puerto Rico erklärt, die in den anderen Ländern Lateinamerikas für jene Zeit nicht nachzuweisen ist.
3.3. Die
Diskriminierung
Trotz des Triumphzuges der Ensembles von Miguel Salas, der Eröffnung weiterer Theatersäle - am 10. September 1890 eröffnete das berühmte Alhambra, an dem Rachel, die Protagonistin aus La Canción de Rachel (1969) von Miguel Bamet tätig war -, setzte sich die Gattung zunehmender Kritik aus. Es war nicht nur die Gefährdung der öffentlichen Moral, die ihr vorgeworfen wurde, sondern sie hatte sich durch Wiederholungen und Stereotypisierung des Personals und des Handlungsmusters erschöpft, wobei der Neger, von der Rolle des eigenständigen Protagonisten, die er noch 1868 innehatte, wie eben in »Los negros catedráticos«, zunehmend in die diskriminierte Rolle des 'bufón' gedrängt wurde. Das neokoloniale Kuba, das 1880 die Rassengleichheit legal anerkannt hatte, zeigte in diesem neuen Kontext die sinnliche Mulattin, den schwarzen Hexer, 'el negro brujo', den Ñañiguismo, den Neger als Raufbold und Angeber 'chulo', wobei eigentliche kulturhistorische Hintergründe afrokubanischer Existenz unerkannt blieben, wie es die Untersuchung von Bachiller y Morales »Los negros« aus dem Jahre 1885 deutlich machte. Während im öffentlichen Leben die kulturellen Gesellschaften der Afrokubaner entstanden, so der berühmte 'Club Ateneo', die Farbigen Weiße zum Duell fordern durften, und Neger in Cafes und Restaurants bedient werden mußten und 1893 das Recht auf die Anrede 'don' erhielten, zeigte das kubanische 'bufo'-Theater die scheinbar 'schlechte' Seite der Me-
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daille, die 'mala vida' des Afrokubaners. Die Schwarzen erschienen als Säufer, Angeber und Messerstecher, als Nichtsnutze, Zuhälter und Spieler, als kriminelle 'ñáñigos', von denen Bachiller y Morales noch behauptete, daß sie aus purer Lust am Verletzen und Töten ihnen fremde Personen angreifen würden: »... que era preciso herir a personas desconocidas sin más objetivo que hacerlas mal o matarlas, que era indispensable dar puñaladas a sus semejantes para ser tenido por bueno.«69 Es war kein Zufall, daß die kubanische Presse gerade nach dem Pakt von Zanjón Spuren und Zeugen von erschreckenden Menschenopfern präsentierte, von Kindsentführungen und von Kämpfen zwischen rivalisierenden Banden berichtete. Das Bild vom gefürchteten 'schwarzen Mann', dem auch die diskriminierten Chinesen zugeordnet wurden, prägte nachhaltig die kubanische Gesellschaft. Gelang 'Hercules' aus dem dritten Teil der Trilogie »Los negros catedráticos« der Absprung von dieser Rolle, finden sich diese Klischees wieder in der Figur des Menegildo, Hauptperson des Romans Ecué-Yamba-0 (1927/33) von Alejo Carpentier. Cecilia Valdés, Sofía und Carmela übernahmen zwangsweise diesen Part in der Prosaliteratur und wurden von den Autoren dem kolonialen Frieden geopfert. Aber auch im Theater begingen die Mulatten und Mulattinnen, in ihrer Identität zwischen den Polen schwarz und weiß herumirrend, Selbstmord, leisteten Liebesverzicht, wurden getötet oder von den Söhnen der Zuckeraristokratie betrogen. So ist praktisch weder im Roman noch in der kubanischen Komödie bis 1959 ein beispielhafter Ansatz vorgestellt worden, der eine geglückte und legalisierte Liebesbeziehung zwischen Angehörigen verschiedener Klassen und Rassen zeigt. »... no existe en el repertorio cubano la comedia interracial que supone un final féliz entre amantes de diferentes razas y clases.«70 Dem wohl wichtigsten Autor des Bufotheaters der Zeit nach 1878, Ignacio Sarachaga y Molina (1855-1900), gelangen unter Einbeziehung aller populären Elemente der Musik und des Tanzes, die literarisch gelungensten Stücke. Gerade in der Komödie »En la cocina« (1881) überwand er die zeitgenössische Negrophobie, indem er die Schwarzen aus ihrer Marginalität befreite. Ein anderes, äußerst interessantes Werk von Sarachaga ist leider nur unvollständig erhalten geblieben. Es ist unserer Kenntnis nach der zweite und neben dem Drama »Zafira« (1842) von J.F. Manzano und dem Roman El negrero (1933) von Lino Novás Calvo einer der wenigen Texte, in dem die Handlung nach Afrika verlegt und direkt Bezug genommen wird auf das Trauma der Sklaverei. Mit der Technik des Theaters im Theater, in diesem Falle keine 'mise en abíme', leistete Sarachaga einen höchst originellen Beitrag zur kubanisch-afrikanischen Vergangenheitsbewältigung. Sarachaga griff auf seinen 'bufo'-Kollegen Salas zurück, der mit seiner Truppe weite Reisen auch nach Europa unternahm, um dort die kubanischen Komödien zu spielen.
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Auf einer dieser Reisen erlitt die T r u p p e mit Salas v o r der westafrikanischen Küste S c h i f f b r u c h . In A n l e h n u n g und U m k e h r u n g des ' T e m p e s t ' - M o t i v e s von Shakespeare, R o d ó , Césaire und Fernández R e t a m a r n a h m ein König der L u c u m i (Caliban) die K u b a n e r g e f a n g e n , entschlossen, an ihnen seinen Vater zu rächen, der in die Sklaverei nach K u b a verschleppt wurde. In d e m wahrscheinlich v o m A u t o r nicht erkannten Anliegen w u r d e zwar nicht der Versuch einer A u f w e r t u n g lateinamerikanischen Bewußtseins gemacht, wie es José Enrique Rodó in seinem kulturhistorischen Essay Ariel (1900) programmatisch leistete, doch sind zumindest ein gewandeltes Rechtsbewußtsein und S c h u l d g e f ü h l e ablesbar. Das anerkannt Neue war, daß ausgerechnet ein afrikanischer Fürst auf Schuldverpflichtung a u f m e r k s a m machte, wobei
Sa-
rachaga die Forderung Retamars nach einem ' S i c h - h i n e i n - D e n k e n ' in die Rolle des Gegenparts v o r w e g n a h m . » A s u m i r nuestra condición de Caliban, implica repensar nuestra historia desde el otro lado, desde el otro protagonista.« 7 1
4. Die Befreiung und José Martí
José Martí und die Integration
der
Farbigen
José Maitis (1853-1895) klarste, aber auch energischste B e z u g n a h m e gegen den Rassismus und die Rassendiskriminierung findet sich in den Artikeln »Mi raza«, »El plato de lentejas« und anderen Abschnitten seines u m f a s s e n d e n W e r k e s als eines der wichtigsten Elemente seiner revolutionären Grundhaltung. In seinen »Versos sencillos« (1891) läßt sich ein traumatisches Kindheitserlebnis nachvollziehen, als er die Auspeitschung eines Sklaven miterlebte, (poema X X X ) , was in die metaphorische und heute noch bekannte Anklage des X X X I V t e n Gedichtes mündet »La esclavitud de los h o m b r e s / es la gran pena del mundo.« 7 2 Eine Vielzahl seiner Texte n i m m t daher Bezug auf die e n t w ü r d i g e n d e und unmenschliche Lage der Sklaven und die gesellschaftliche Benachteiligung ihrer Nachk o m m e n nicht nur auf Kuba, sondern in g a n z Lateinamerika. Diese Einsicht und die daraus entstehende Konsequenz, die von José Martí a m deutlichsten ausgesprochen wurde, läßt sich zumindest im Ansatz bei den Autoren der Antisklavereiliteratur vermuten, die - im Mitleid g e f a n g e n - ihre paternalistische Haltung nicht überwinden konnten und wollten, weshalb ihr Beitrag zu einer realistischen Emanzipation und Integration der farbigen Bevölkerung ins nationale Bewußtsein f r a g w ü r d i g blieb. Es interessiert daher die Frage, inwieweit der heute f ü h r e n d e Denker K u b a s , José Martí, Einfluß auf die gesellschaftlichen Entwicklungen nach seinem Tode 1895 bis zu dem entscheidenden Jahr 1912 n e h m e n konnte, insbesondere auf die der Farbigen, die sich in und um die 'Partido Independiente de C o l o r ' (PIC) sammelten. Als eine der inter-
127 essantesten Quellen zur Beantwortung dieser Frage bietet sich das Organ der PIC an, die Zeitschrift Previsión, auf deren Titelseite der zweiten Ausgabe die beiden Helden des Kampfes für die Unabhängigkeit und Abolition abgebildet sind: José Martí und Antonio Gómez.73 Maitis von Previsión eingangs zitierter Ausspruch »Mientras que haya una sola injusticia que reparar en Cuba la revolución redentora no ha terminado su obra« 7 4 enthüllt die anklagende Haltung der farbigen Kubaner, deren Rechte mit der Erklärung der Unabhängigkeit und der Gründung der Republik am 20. Mai 1902 nicht beachtet worden sind. Trotz des zornigen Appells von Maceo »mejor es subir o caer« war das Anliegen der Independisten nicht der Rassenkampf, gegen den Marti schon in seinem Text »Mi raza« Stellung bezog.75 Maitis Konzept, aufgenommen im Manifest von Montecristi, wurde mit der Unabhängigkeit von 1902 vergessen, die Rechte, für die die Afrokubaner in zwei Kriegen gefochten hatten, blieben unberücksichtigt. Der Versuch der Vereinigungen und Gruppierungen farbiger Kubaner, die sich in dem 'Directorio Central de Sociedad de la Raza de Color' gegen Ende des 19. Jahrhunderts sammelten, um sich kulturell, aber auch politisch zu emanzipieren, scheiterte an den Grenzen, die ihnen eine sich immer stärker kapitalisierende Gesellschaft setzte. Zudem bewirkte die gleichbleibende Diskriminierung, gegen die sich schon Maceo und Marti wandten - »Marti y Maceo fueron igualmente enemigos de la discriminación racial que azotó a las clases más desposeídos del país en los inicios de la república« 7 ^ -, daß die Republik mit zahlreichen sozialen Spannungen geboren wurde, die durch den politischen Druck der USA, insbesondere durch die Enmienda Platt wesentlich verstärkt wurde. So war es kein Zufall, daß schon 1902, zwei Monate nach der Verkündigung der Republik, die Afrokubaner ihre vergessenen Rechte einklagten: »La raza de color pide en estos momentos que se cumpla el Manifiesto de Montecristi« 77 , wobei das 'Comité de Veteranos y de Sociedades de la Raza de Color' gegenüber dem Präsidenten Estrada Palma immer wieder auf das Konzept der Einheit, Gleichheit und Zusammengehörigkeit aller Kubaner verwies »con todos y para el bien de todos« 7 8 und somit den Gedanken José Maitis folgten. Diese Haltung vertrat zum Beispiel der ehemalige Soldat Silverio Sánchez Figuera, der bei einer der Versammlungen des Komitees die Beteiligung der Afrokubaner und der unterprivilegierten Schichten am Entstehungsprozeß der kubanischen Nation forderte: »Yo no fui a la guerra como negro, fui como cubano inspirado en los nobles principios proclamados por el gran Martí, para hacer de Cuba, no un feudo de unos cuantos bien nacidos ... sino una patria libre con todos y para todos, sin odiosos privilegios de castas.« 79 Sánchez Figuera weist mit seinem Klassen- und Wirtschaftsverständnis eine andere Bewußtseinsebene auf als Estéban Montejo, der mit seinem bescheidenen Bewußtseinszuwachs die Möglichkeiten einer intellektuellen Emanzipation ehemaliger Sklaven repräsentierte, die von den bürgerlichen Gruppen des frühen 20. Jahrhunderts un-
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gern wahrgenommen wurde. Aber nicht nur, daß das weiße Bürgertum eine politische Bewußtwerdung der unterdrückten farbigen Schichten verhindern wollte, es isolierte die Farbigen Kubas von der politischen Macht und vertrat deren Interessen wenig oder überhaupt nicht. So führten die Entwicklungen zwangsweise zur Gründung der 'Partido Independiente de Color', deren Entstehung und politische Ansätze Estevoz in aller Deutlichkeit schildert und die in der Folge ausführlich wiedergegeben werden: »Las elecciones de la República y la selección hecha por los Partidos Políticos de los candidatos de la llamada raza de color han provocado dos cosas y enseñado muchas. La primera es que nada puede esperar la raza de color cubana de los procedimientos usados hasta aquí por los Partidos Políticos, porque nada han hecho que pueda ser apreciado por nosotros cualquiera que hayan sido sus promesas ... La fe mata al espíritu cuando ésta se tiene en los otros hombres porque mata la iniciativa y todos los hombres que han mantenido la fé en los otros hombres, como lo han mantenido los de la raza de color de Cuba, han vivido como un inmenso rebaño y han perecido en la esclavitud . Nadie podrá creer que la paz se altere, cuando los que les toquen gobernar sean negros, siempre y cuando como nosotros sean cubanos, como un derecho legítimo por el producto del sufragio; como hasta aquí ningún negro ve peligro para él en los gobernantes que todos sean blancos, cubanos como él; en lo que si vemos un peligro los negros es en que se haga lo increíble para que nosotros no seamos dentro de los partidos más que instrumentos inconscientes de todas las combinaciones políticas y bestias de carga de todas las aspiraciones; se ha probado esta vez que basta con ser hombre blanco para que se tenga en cuenta cualquier deseo para que sea satisfecha cualquier aspiración, para ser apto para todos los cargos.«so In der Feststellung von Estevoz wurde nun der Anspruch auf Gleichheit in ein tiefes Verständnis von Kubanität eingebunden, was ihn als einen der Träger des Gedankenguts Maitis auszeichnete, und womit er einer gleichzeitigen ethnologischen und kriminologischen Diskriminierung die Stirn bot. Ein ähnlich ausgeprägtes Selbstverständnis und eine ebenso klare Linie verfolgte Julián V. Sierra, der in dem modernen Konzept der ständigen Revolution einem Gedanken J. Maitis folgte, Marti und Maceo als Beispiele eines gelungenen Zusammenlebens anführte und deren Tod als Verpflichtung zum Kampf gegen jede Art von Ungerechtigkeit begriff: »Es preciso que lo sepa el Mundo, ni Martí era el único cubano capaz de vivir junto con sus hermanos negros ni Maceo era el único jefe cubano de color que tenía valor, honradez y capacidad suficiente para exigir la igualdad en Cuba ... y nosotros, sus discípulos, fieles al cumplimiento del deber decimos: mientras que haya una sola injusticia en nuestra Patria que reparar, la revolución redentora no ha terminado su obra.«8i
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Die Independistas de Color konnten auf Grund ihres politischen Programms, das fast in jeder Nummer von Previsión abgedruckt war, mit der Unterstützung nur eines Teiles der farbigen Intelligentia rechnen, da die neokolonialen Strukturen auch Raum schafften für eine farbige Bürgerschicht, die sich von den Independistas distanzierte. Die enttäuschten Farbigen suchten nun die Solidarität der 'petits blancs' um in einer gemeinsamen Anstrengung die unzureichende Repräsentanz der unteren sozialen Schichten zu beheben, womit der Vorwurf einer Rassenpartei und der damit verbundene rassistische Gedanke entkräftet war: »El Partido Independiente de Color ... llama a su seno a los hombres sin distinción de razas para terminar con la obra redentora de José Martí: la República con todos y para todos. El Partido Independiente de Color nace a la vida pública para hacer Patria ... para que todos las clases sociales tengan su legítima representación en el país.« 8 2 Obgleich die Independistas ihre Forderungen gleichzeitig auch an soziale Fragen banden, waren ihnen sozialistische bzw. kommunistische Überlegungen fremd. Zwar hatte Kuba im Jahre 1899 erste große Streikbewegungen erfahren, aber die Erkenntnis der materiellen Existenzbedingungen und der kapitalistischen Ausbeutungsstrukturen durchdrang kaum das Gedankengut der Independistas. Insofern war die Bewegung auch bürgerlich orientiert, da sie die Gleichberechtigung einklagte, ohne jedoch das System selbst in Frage zu stellen. Die vorwiegend agrarische Struktur Kubas mit den - großen Unternehmen ähnlichen - Ingenios bedingte zwar eine dem Sozialismus nahe Gedankenführung, die sich aber erst nach 1959 mit der Loslösung vom kapitalistischen System und den erstrebten sozialen Reformen durchsetzen konnte. Insofern entsprach das Programm der PIC den dringendsten und notwendigsten Forderungen einer enttäuschten farbigen Bevölkerungsschicht, ohne das Konzept eines Klassenkampfes weiter ausbauen zu wollen. Auf der anderen, bürgerlichen Seite jedoch hielt die Furcht vor einem zunehmenden Erstarken der Unmutsäußerungen der farbigen Bevölkerungsschichten und einem damit verbundenen 'Rassenkrieg' das weiße Bürgertum davon ab, in einen Dialog mit den Farbigen Kubas zu treten, wovon Rachel, die Protagonistin aus Miguel Barnets Roman La canción de Rachel (1969) zeugt. Während sich die Polemik zwischen dem 'Partido Autonomista', deren Anhänger José Martí kritisch gegenüberstanden und der PIC, die sich ihrerseits Marti sehr nahe sah, stetig zuspitzte, wurde die politische Lage für die PIC immer unhaltbarer. Auf Grund ihrer permanenten Kritik an den Konzepten der Regierung und den etablierten Parteien, die ihre politischen und wirtschaftlichen Anstrengungen auf dem Rücken der Ärmsten austrugen, sah sich die PIC immer stärker in die Enge gedrängt. Julian V. Sierra nahm zu diesem Problem Stellung: »Los hombres dignos de la raza negra de Cuba, no han olvidado las doctrinas del Maestro ni las órdenes del Jefe. Aquellos verdaderos cubanos que cayeron gloriosamente cara al sol por la independencia de la Patria y protestando contra todo lo
130 que no fuese equidad, justicia y democracia; pero como la República se ha establecido sin esas tres bases en las cuales descansa la verdadera felicidad de todo el pueblo libre y soberano, es por lo que sus palabras han quedado grabadas de un modo indeleble en la conciencia de todo cubano que desea sinceramente la felicidad de su país.« 8 3 Aufgrund der zunehmenden Popularität entstand für die anderen Parteien die Gefahr, an Wählerschaft unter den Farbigen Kubas zu verlieren, womit die PIC Möglichkeiten gewonnen hätte, einen Einfluß im Sinne der angestrebten politischen Gleichheit geltend zu machen. Sie mußte daher auf Grund ihres möglichen Potentials und nicht wegen der unterstellten rassistischen Absichten, wie sie die zeitgenössische Karrikatur und Kritiker, aber auch Rachel zu entdecken glaubten, beseitigt werden. Die 'Enmienda Morúa', von Martín Morúa Delgado zusammen mit Juan Gualberto Gómez dem Senat vorgelegt, der sie 1910 als Gesetz verabschiedete, sollte mit dem Verbot der Parteienbildung nach Klassen- und Rassenzugehörigkeit der PIC ein Ende bereiten, wobei noch zu zeigen sein wird, welche Motive Martín Morúa Delgado, selbst Mulatte und engagierter sozialer Kämpfer, zu diesem Schritt verleitet hatten. Die Independistas wollten 1912 mit ihrer 'Protesta armada', die, wenn überhaupt, nur mäßig bewaffnet war, die Beteiligung an den Wahlen desselben Jahres erzwingen. Die Regierung unter José Miguel Gómez ging daraufhin mit nachhaltiger Unterstützung der weißen Bevölkerung gegen die Independistas und wahllos gegen die schwarze Bevölkerung vor. Die Strategie der Independistas, die Regierung in eine Zwangslage zu bringen, damit diese die Partei wieder zuläßt, um eine drohende und von allen Seiten abgelehnte Intervention nordamerikanischer Truppen zu vermeiden, schlug fehl.
5. Martin M o r ú a Delgado: der Schriftsteller als Politiker und die 'Protesta A r m a d a ' von 1912 Gegen Ende des Jahre 1891 veröffentlichte der junge Mulatte Martín Morúa Delgado (1856 - 1910) seinen ersten Roman Sofia, mit dem der kubanische Naturalismus eingeleitet wurde. In Sofia, als Replik auf Cirilo Villaverdes Cecilia Valeles (1882), einen Roman, den er als »creación ambigua anfibológica« 8 4 zurückwies, kennzeichnete er nochmals die kurz zuvor beendete und deswegen auch schon in ihrer historischen Dimension faßbar gewordene Epoche der Sklaverei mit einem didaktischen Grundgedanken. Sein Rekurs auf die Sklaverei wurde demnach nicht aus einer so existentiellen Notwendigkeit heraus geboren, wie das Werk Plácidos, wie auch sein Roman keine weiteren Erkenntnisse über das Leid der Sklaverei vermitteln konnte. Sofia ist nach Carmen (1886) von Ramón Meza y Suárez Inclán die zweite 'reécriture' des Handlungsmusters von Cecilia Váleles, der eine dritte von Reinaldo Arenas 1986 folgen sollte.^ Aus diesem Grunde ist auch Sofia Teil einer Schema-
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Literatur, die als solche schon die abolitionistische Literatur gekennzeichnet hatte und deren Charakteristika in der afrokubanischen Literatur bis ins späte 20. Jahrhundert auszumachen sind, wie es die Stereotypen in César Leantes Los guerrilleros negros (1980) bestätigen. In seinem zweiten Roman La familia Unzúazu, im selben Jahr 1901 veröffentlicht, in dem der Autor in den kubanischen Kongreß gewählt wurde, zeichnete Morúa Delgado ein umfassendes Bild jener Familie, die die zentralen Personen eines Romanzyklus abgeben sollten, mit dem der gebildete Mulatte in Anlehnung an die großen Zyklen »La comédie humaine« und »Les Rougon-Macquart«86, ein Sittenbild der kubanischen Gesellschaft der Jahre 1860 bis 1880 erstellen wollte. Begreift man Plácido als einzigen farbigen 'transkulturierten' Autor des 19. Jahrhunderts, scheint Morúa Delgado noch in der überholten abolitionistischen Pflicht europäischer Autoren und Sichtweisen des 19. Jahrhunderts zu stehen. Obwohl Morúa Delgado den Roman, der in den Jahren nach der Unterzeichnung des 'Pacto de Zanj ó n ' 1878 kurz vor A u f h e b u n g der Sklaverei spielt, aufgrund seiner sozialen und ethnischen Herkunft packender gestalten konnte als vielleicht manch weißer Autor, mit einer »dimensión vivencial de insospechado impacto y transcendencia« 8 7 , verzichtete er auf eine psychologisierende Innensicht seiner Figuren, wie es später Hernández Catá in La Piel (1913) leisten sollte. Morúa Delgado war somit ein weiterer Agent, der eine Vorarbeit zu einer literarisch realisierten Transkulturation versuchte, die von ihm aber nicht vollzogen werden konnte. Dies wird auch dadurch deutlich, daß er sich der Thematik mit einem vorgefaßten Konzept über Form und Darstellungweisen annäherte, die er der französischen Literatur entlehnte, ohne aber seinen genuinen kubanischen Figuren ein Leben einhauchen zu könnten, die sie von eurozentristischen Wahrnehmungen unterschieden hätten. Die Idee des Zyklus »Cosas de mi tierra« entspricht der Orientierung an Balzac und Zola, was er durch eine Lektüre der Realisten Flaubert, Daudet und Maupassant ergänzte. Morúa Delgado literarisch zuzuordnen, fällt daher nicht schwer, da er sich trotz seiner G e g e n w e h r gegen Zolas radikalen Naturalismus und gegen Balzacs präzisen Realismus beiden Autoren verpflichtet fühlte. Neben den Reflektionen über die Form von Literatur dominierten aber bei Morúa Delgado die Gedanken über die Leistung von Literatur, womit er seine Position als sozial engagierter Mulatte zu erkennen gab. Allerdings wich er der Brisanz ihm gegenwärtiger sozialer und politischer Fragen aus, indem er sich auf gesellschaftliche Umstände bezog, die 1901 überwunden schienen. Insofern besitzen die beiden Romane nur eine bedingt metaphorische Leistung, obwohl für Morúa Delgado, wie für Del Monte, jeder R o m a n an sich indoktrinierend ist: »porque cada una (novela) lleva un fin determinado«. Das Kunstwerk sollte ein ideologisches Ziel besitzen, »una tesis, una censura viril que implicara el objetivo de t r a n s f o r m a r e n útil y valioso lo caduco e inservible, con una finalidad de 'justicia niveladora'.«88 Es bleibt allerdings die Frage offen, ob der Anspruch Morúa Delgados nicht gerade
m durch seine Absicht eingeschränkt wurde, eine in ihrer Aussage verbesserte Replik auf Cecilia Valdés zu schreiben. Denn es ging ihm nicht um neue Erkenntnisse, sondern darum, einen wirksamen Einstieg in eine Problematik zu schaffen, die ausgiebig im 19. Jahrhundert diskutiert wurde und die mit dazu beitrug, die Sklaverei abzuschaffen. Mit der Ausarbeitung des Inzestmotives, das von Félix Tanco y Bosmeniel in der Erzählung Petrona y Rosalía (1838) am Beispiel farbiger Frauen in die kubanische Literatur eingführt wurde, zeigt Morúa Delgado die Nötigung von Sofia, der unehelichen Halbschwester ihres Vergewaltigers, die irrtümlicherweise als mulattische 'Sklavin' im Hause der eigenen Verwandten die übelsten Nöte und Demütigungen zu erdulden hat. Die Schilderung des Leides von Sofia gleicht in der Direktheit der Darstellung der Erzählung von Tanco y Bosmeniel und verdient trotz der Wiederholung durchaus eine aufmerksame Beachtung. Sofia, die Protagonistin, hat die Züge der unschuldig verführenden 'femme fatale' einer Cecilia Valdés nie besessen und erscheint als Wesen, in dessen Schicksal Leid und Opfer unverrückbar eingebettet sind. Trotzdem soll vorerst dem gesellschaftlichen Wirken Morúa Delgados Beachtung geschenkt werden und nicht dem Autor, der die Ungerechtigkeit der Sklaverei quasi 'in extremis' darstellt, da er sie an einem Einzelschicksal deutlich macht, das durch seine Besonderheit und weniger durch seine Übertragbarkeit den Leser fesselt. Sein Publikum ist in erster Linie das weiße Publikum und damit ist der Anspruch, 'Zola der Schwarzen' werden zu wollen, wie es José Antonio Portuondo feststellt^, ein Zugeständnis an das gebildete, meist weiße Leserpublikum, ohne daß er direkt Bezug auf die sich überstürzenden Zeitgeschehnisse nehmen mußte. Allerdings mußte er auf dieses ehrgeizige Vorhaben unter dem Gewicht seiner politischen Ämter verzichten.90 Dem Sohn eines baskischen Bäckers und einer freigelassenen Sklavin gelang der Aufstieg in die höchsten politischen Ämter Kubas, bis hin zum Senatspräsidenten, wobei zu jener Zeit die politische Karriere die seltene Ausnahme in der sozialen Emanzipation der Afrokubaner war, was Rachel, die Protagonistin aus M. Barnets fast gleichnamigem Zeugnisroman, bestätigt: »Un negro de escuela es muy escaso, un negro orador lo mismo; un político, ni hablar«9i. Der Autodidakt arbeitete sich zum ersten farbigen Lektor (Vorleser) einer 'factoría de tabaco' empor und setzte sich frühzeitig für die Rechte der Arbeiter in den entstehenden Wirtschaftszentren Matanzas und Cardenas ein, indem er mit der von ihm gegründeten Zeitschrift El Pueblo (Matanzas) vor allem die Interessen der farbigen Mitbürger vertrat. Durch den von ihm propagierten Leitspruch enthüllte er damals schon den Stellenwert an aufklärender Bildung, die er für sich später in Anspruch nahm: »Sin libertad no hay vida, mas sin ilustración no hay libertad« 92 und die ständiges Thema afrokubanischer Literatur war und ist. Auf Grund seines Engagements mußte er nach New York ins Exil, nahm 1881 zurückgekehrt, an der 'Guerra chiquita' teil, wurde deswegen inhaftiert und ging wieder ins Exil. 34jährig kam er 1890 nach Kuba zurück und widmete sich kurzzeitig der Literatur, wobei ihm Raimundo Cabrera, der Vater von Lydia Cabrera,
m die Herausgabe seiner beiden Romane finanzierte.^ Morúa Delgado zeichnete sich später mit seinem Status und politischen Verhalten als Mitglied eines farbigen Bürgertums aus, das nicht nur in den afrokubanischen Clubs europäischer Ausrichtung, wie 'Los jóvenes del Waltz' oder den 'Club Atenas', die Anpassung an die durch europäische und amerikanische Einwanderer verstärkte weiße Gesellschaft suchte, sondern auch, wie im Falle Delgados, den politischen Opportunismus praktizierte, was wiederum Rachel trocken kommentiert: »Morúa fue un hombre decente del gobierno, pero tenía la desgracia de ser mulato. Quiso hacerse famoso y lanzó una ley prohibiendo las sociedades de color. El, como negro, no debió hacer eso. La ley le costó la enemistad de muchos de su raza.«w Der 'Dissident' Morúa zog nun eine Kritik auf sich, die schon Plácido formulierte, als er sich über jene 'negroiden' Menschen lustig machte, die unter allen Umständen ihre afrikanische Abstammung vergessen machen wollten.95 Diese 'cimarronaje cultural' fand ihren Höhepunkt im Verlangen jener afrokubanischen Gruppierungen, die 1902 das Verbot von Comparsas und afrokubanischer Religionsausübung forderten, was durch eine Gesetzesvorlage von Morúa Delgado 1904 unterstützt wurde. Dies enthüllte den militanten Antiklerikalismus Monias, der sich gleichermaßen gegen die katholischen und afrokubanischen Glaubenspraktiken wandte, indem er genauso das Verbot von religiösen Prozessionen auf öffentlicher Straße forderte wie er sich dagegen wehrte, daß das Wort 'Gott' in der Präambel der Verfassung erschien, und den Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen Kubas verbieten lassen wollte.96 5.1. Engagement und Zeugnisliteratur Macht zwar Morúa Delgado die Ungerechtigkeit der Sklaverei am Schicksal einer weißen Frau deutlich und ist damit im Gewissen des weißen Bürgertums wirksam und literarisch originell, bleibt dennoch die Tatsache bestehen, daß er in Sofia, seinem wichtigeren Werk, auf schwarze Handlungsträger verzichtet, sie lächerlich macht oder diskreditiert, wie in der Gestalt von Liberato, den er in La familia Unzúazu als kaltblütig mordenden ñáñigo vorstellt. Obwohl seine Darstellungen nicht einer psychologisierenden Beobachtung und treffenden Beschreibung entbehren, so daß man Julio E. Hernández-Myares zustimmen kann, wenn dieser von einem »testimonio literario de la esclavitud en Cuba« 9 ? spricht, gelingt es Morúa Delgado trotzdem nicht, den Wechsel von der auktorialen Erzählhaltung weißer Autoren zugunsten der Darstellungsweise betroffener schwarzer Autoren zu vollziehen. Morúa Delgado gibt mit seinem Roman dem Druck jener romantischen Schemaliteratur nach, die in der Figur des 'edlen Wilden' Leid salonfähig und glaubwürdig macht, indem der Leidende in der Art edel ist, daß er weißes Blut in den Adern hat, und weil er ein guter, d.h. geduldiger Diener seines Herren ist.98 Obwohl Morúa Del-
134 gado z u g e s t a n d e n e r m a ß e n durchaus naturalistische Darstellungen in sein Werk einbaut, i n d e m er in der Allegorie der weißen Sofia auf das Leid der schwarzen K u b a n e r verweist, bringt er sich dennoch in den Verdacht des O p p o r t u n i s m u s zu einer Zeit, in der sich massive soziale Spannungen aufstauten, die sich 1912 entladen sollten. Der Naturalismus Morüas birgt m e h r G e f a h r e n f ü r eine objektive Darstellung d e r Transkulturation in sich, als daß er die vielfältigen F o r m e n dieses Prozesses erklären könnte. G e r a d e die drei Kriterien ' r a c e ' , ' m o m e n t ' und ' m i l i e u ' haben durch die ihnen i m m a n e n t e Stabilität und Unveränderbarkeit die G e f a h r einer Typisierung und Stereotypisierung zur Folge, die vor allem im zwischenrassischen Bereich Vorurteile bestärken und fixieren können. Als Abart des wissenschaftlichen
Naturalismus
könnte m a n auch die schon erwähnte, auf K u b a kurz vorher entstandene Kriminalanthropologie bezeichnen. O b w o h l sich M o r ú a Delgado, der Autor der »primera m u e stra de novela naturalista de Cuba«99, von dem Naturalismus Zolas unterscheiden möchte, bleibt es doch ein leichtes, die g e m e i n s a m e n Z ü g e herauszuarbeiten: Es ist die Darstellung der Realität in Abhängigkeit wissenschaftlicher A n n a h m e n und vermuteter Gesetzmäßigkeiten, die Sofia zwangsläufig in den gesellschaftlichen Abgrund und T o d treiben müssen. Die Handlungsabläufe werden bestimmt durch die D o m i n a n z des Instinkts, biologische Notwendigkeiten wie dem Sexualtrieb, der den geschlechtlichen Kontakt zwischen beiden Rassen scheinbar zwingend in einer Katastrophe enden läßt. In der V e r m e n g u n g der ' r a c e ' und ' m i l i e u ' Theorien ist die moralische V e r w o r f e n h e i t der Familie Unzúazu angelegt, die in ihren wesentlichen Eigenschaften den v e r m ö g e n d e n Rougon aus E. Zolas R o m a n z y k l u s entspricht. In weniger entscheidender Weise k o m m t der Aspekt des historischen Augenblicks ( m o m e n t ) zum Tragen, da der kubanische Befreiungskrieg als Handlungshintergrund einen nur bescheidenen Beitrag zu den R o m a n e n liefert, während der Autor die letzten Jahre der Sklaverei dazu verwendet, die Problematik der Rassenbeziehungen und ökonomischer A u s b e u t u n g n o c h m a l s überaus deutlich darzustellen. Morúa versuchte demnach, ein Zeugnis der Sklaverei auf Kuba zu schaffen, wobei ihm allerdings die epische Breite Villaverdes nicht gelang. Morúa führt den Prozeß der Versklavung Sofias, deren Herkunft im Hause ihrer V e r w a n d t e n in Vergessenheit gerät und die fälschlicherweise als Mulattin und somit auch als Sklavin angesehen wird, zuerst auf die ö k o n o m i s c h e n Interessen und dann erst auf den damit verbundenen moralischen Verfall der Familie zurück. Sofia, die uneheliche T o c h t e r des Sklavenhändlers Unzúazu, ist O p f e r gemeiner A u s b e u t u n g im intimen Bereich der eigenen Familie, womit Morúa Delgado ethisch fehlgeleitetes Verhalten wie den Sklavenhandel auf sich selbst verweist und deren Nutznießer indirekt über die T o c h t e r z u m O p f e r des Systems werden läßt. Sofias spätere Rehabilitation gelingt nur über die Erkenntnis, daß sie selbst W e i ß e ist. Morúa Delgado entwirft in seinem R o m a n somit kein Modell einer möglichen und notwendigen Veränderung der k u b a n i s c h e n Gesellschaft, sein Text ist obwohl Appell, auch die Festsetzung eines 'status q u o ' , der die »... dificultades insuperables para la integración de las
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r a z a s « 1 0 0 aufzeigt, wobei zu vermuten ist, daß diese Erkenntnis auch seine realpolitischen Aktivitäten steuerte. Mißt m a n Morúa Delgados Anspruch, daß j e d e r seiner R o m a n e , daß Romanprosa an sich indoktrinierend sei und Veränderungen b e w i r k e »...cada una lleva un fin determinado«>oi, am vorliegenden R o m a n , bleibt m a n nach der Lektüre von Sofia mit leeren H ä n d e n zurück, da M o r ú a Delgado seinem damaligen weißen Leserpublikum nichts wesentlich Neues sagte und mögliche Bewußtseinsveränderungen seiner Protagonisten in Bezug auf Rassismus und Akkulturation nicht stattfinden. Obgleich Sofia auf G r u n d ihrer ethnischen H e r k u n f t und ihrer z w a n g s w e i s e n Z u o r d n u n g zur Kaste der Sklaven ein fatalerweise transkulturiertes W e s e n ist, verblaßt sie vor dem Hintergrund des spektakulären und unwahrscheinlichen Handlungsablaufes. Die V e r ö f f e n t l i c h u n g von Sofia
verursachte einen polemischen
Schlagabtausch
zwischen den konservativen und fortschrittlichen Kräften K u b a s und hatte zur Folge, daß die R a s s e n f r a g e eine Zeitlang im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand. 1901, zehn Jahre später, legte Morúa den Folgeband Lafamilie
Unzúazu
vor, in dem
fast alle Personen des ersten R o m a n e s wieder erscheinen. '02 In La familia
Unzúazu,
einem R o m a n , der literarisch weniger überzeugend wirkt als das Erstlingswerk, bedient sich der Autor der Leidenschaft zweier Schwestern für den gleichen Mann, den verheirateten und integren G o n z a g o , u m den Z u s a m m e n b r u c h einer Familie zu schildern, in deren Adern das ungesunde Blut von Nervenkranken fließt. Auch in diesem R o m a n meint m a n den üblen G e r u c h von Korruption zur Zeit der Kolonie wahrnehm e n zu k ö n n e n , m a n sieht von n e u e m die schwächliche und verwöhnte Jugend der Plantagenbesitzer, die den Unabhängigkeitskrieg scheut, den Advokaten, der in seinen T r u h e n mit Blut e r w o r b e n e Reichtümer und Ehren häuft; den weißen Diener, der wie Galaico Castineira in Unwissenheit gebunden war, die ihm den Sinn f ü r die eigene Freiheit nicht vermitteln konnte und der schwarzen Sklavin, die, wie im Falle der unglücklichen Malón, die wie ein Hund auf dem Boden liegt und noch nach dem Tod von d e m ungeduldigen und degenerierten Señorito mit Füßen getreten wird, obwohl sie ihn als A m m e an der eigenen Brust liegen hatte. Sowohl Sofia als auch La familia
Unzúazu
vermögen es nicht, den Leser durch den
Stil oder die dramatische Struktur der Handlung sonderlich zu fesseln. Die literarische S c h w ä c h e wird aber ausgeglichen durch Aussagen in Bezug auf soziale Spannungen und den Hinweisen auf historische Gegebenheiten, wodurch es Morúa Delgado möglich war, seinem Vorbild Zola folgend, 'la bête h u m a i n e ' K u b a s aufzuzeigen, für die sich in der kreolischen Gesellschaft der damaligen Zeit genügend Beispiele finden ließen. W a r es noch der Begriff 'Freiheit', der die T e x t e Plácidos durchdrang, u m das Bewußtsein seiner Zeitgenossen wachzuhalten, reagierte Morúa Delgado nach der Veröffentlichung von La familia
Unzúazu
mit
literarischem
Schweigen auf das Streben nach Gleichberechtigung der Farbigen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem System, das ihnen keine Möglichkeiten zur politischen Emanzipation einräumte, obwohl er in den Ausgaben 2, 3 und 4 der literarischen Zeitschrift
136 La Nueva Era, die er selbst 1891 gegründet hatte, in der Rubrik »Factores Sociales« eine ziemlich ausführliche Studie der Rassenfrage unter autonomistischen Gesichtspunkten veröffentlicht hatte. 5.2. Die 'Enmienda Morúa' und die Angst vor einer Negerrepublik Die Weigerung der Kreolen, die von wichtigen schwarzen Intellektuellen unterstützt wurden, die Masse der ehemaligen Sklaven in den Prozeß einer nationalen Identitätsbildung zu integrieren, führte zwangsweise mit Gründung der 'Partido Independiente de Color' unter Estenoz und Ivonet zu separatistischen Ansätzen, die ihrerseits den USA lästig sein mußten. Die Haltung Morúas richtete sich von Anfang an gegen die ethnischen Gruppierungen, die er, nicht ganz zu unrecht, als rassistisch abtat. Aus diesem Grunde ging er hartnäckig schon gegen das bekannte 'Directorio Central de las Sociedades de Color de Cuba' vor, das 1892 gegründet wurde, und dem er ein klares Konzept seines eigenen Verständnisses von Kubanität vorhielt: »... la acción no ha de ser por colectividades parciales, no ... los negros reunidos jamás alcanzarán de los gobiernos otra cosa que beneficios para los negros ... Todo hay que obtenerlo como miembros de la sociedad cubana, y no como iniciativas de tal o cual r a z a . « ] 0 3 Morúas Vorlage war im Senat nicht unumstritten, allerdings waren die Führer der PIC, und das ist bezeichnend, während der Auseinandersetzung um dieses Gesetz im Gefängnis unter dem Vorwand bzw. der Anklage der Verletzung des Presserechtes oder der Verschwörung. Morúa selbst konnte sich nicht von dem Verdacht befreien, 'farbiges' und damit um Glaubwürdigkeit heischendes Sprachrohr einer rassistischen Politik gewesen zu sein. Alvarez Mola geht sogar soweit, zu vermuten, daß ihm der Gesetzesentwurf von dem weißen Senator Gonzalo Pérez in die Hände gelegt worden war.104 Damit hätte sich Morúa zum bewußten Instrument einer Politik gemacht, die auf die Auflösung der PIC zielte. Neben dem Kampf um Wählerstimmen vermutet Alvarez Mola als Motiv die Angst vor einem Prestigeverlust, den Morúa mit dem Auftauchen anderer farbiger und populärer Politiker erlitten hätte, was als Thema direkt in dem Roman La Piel aufgegriffen wird. Trotz seiner die Initiativen der Farbigen einschränkenden Haltung war auch er ein entschiedener Gegner des Rassismus, was sich in einer Gesetzesvorlage vom 3. Juli 1902 belegen läßt, in der er fordert, daß niemand von einer Behörde oder privaten Einrichtung bei einem Gesuch oder einer Einstellung zurückgewiesen werden dürfe auf Grund seiner Rassenzugehörigkeit, Hautfarbe, Glauben oder »anterior condición social« 1 0 5 , womit er die Sklaverei gemeint haben dürfte. Seine Haltung gegen die PIC läßt sich daher zu einem guten Teil aus seinem konsequenten Antirassismus und einem notwendigen Integrationsbedürfnis erklären. 1892 nimmt er dazu Stellung: »... la raza negra, las clases de color, no deben por ningún concepto constituirse
137 aparte de la raza blanca, porque así confirman su estado seccional para toda la vida, imposibilitando su noble aspiración de elevarse al goce de todas las garantías constitucionales.« 1 0 6 Auslösendes Moment der Ereignisse von 1912 war die Gesetzesvorlage von Morúa, was die Zeugin jener Zeit, Rachel, erneut bestätigt: »El asunto, según yo recuerdo, empezó por lo de la Ley Morúa« 1 0 7 . Allerdings blieben die Vorkommnisse nach dem 20. Mai 1912 im Halbschatten der Geschichte: »Mucho se ha especulado ... dando lugar a las más absurdas y maquiavélicas afirmaciones« 1 0 », so daß auch die Zahl der Ermordeten nicht genau genannt werden kann, wobei keinerlei Greueltat von Schwarzen gegenüber Weißen bewiesen wurde, was im Gegensatz zu den Metzeleien und des Aufputschens der öffentlichen Meinung der Weißen an und gegen die Afrokubaner steht. Die drastische Niederschlagung der Protesta Armada versetzte jedoch dem afrokubanischen Identitätsstreben einen vorläufigen Todesstoß: »For the second time since 1844 a presumed Afro-Cuban threat to the status quo had been mercilessly liquitated.« 1 0 9 Aus diesem Grunde hatte die 'Enmienda Morúa' nicht nur die erwähnte Zerstörung eines aufkeimenden nationalen Bewußtseins zur Folge »undermining the emerging consciousness in postabolitionist Cuba« 1 1 0 , sondern es wurde den Afrokubanem außerdem der Zugang zum höchsten Amt der Republik, der Präsidentschaft, durch eine Verfassungsänderung verwehrt.
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VI. Das 20. Jahrhundert: die Integration
1. Hernández Catá La Piel Im Jahre 1913 erschien ein kurzer Roman, der von einigen Kritikern als der erste gelungene Versuch, die Psyche eines mulattischen Protagonisten herauszuarbeiten, vorgestellt wurde. In der Zeitschriftserie »La novela cubana« veröffentlichte Alfonso Hernández Catá mit La piel die Lebensgeschichte eines Mulatten, der vom Sklaven bis zum Senator und Chef einer ungenannten Partei aufstieg. Ein Jahr nach den Ereignissen der Protesta Armada von 1912, die in einem Massaker an den Angehörigen des 'Partido Independiente de Color' und einer Unzahl farbiger Kubaner endete, veröffentlichte Alfonso Hernández Catá (1885-1940) einen Kurzroman, der auf die Geschehnisse Bezug nahm. La Piel erschien zusammen mit den Romanen El Laberinto und Los Muertos in dem Sammelband Los frutos ácidosund reagierte auf die Vorfälle, nicht nur, daß der Autor in der Person des Protagonisten Eulogio Valdés Parallelen zu dem Leben und Verhalten der Politiker Morúa Delgado, Ivonet und Estenoz anlegte, er nahm am Ende des Textes auch direkt Bezug auf die Versuche einer politischen Emanzipation der Schwarzen und deren Scheitern in einem Massaker, wobei auch Valdés zu den Opfern gehörte. Obwohl, im Unterschied zu den Protagonisten in Manuel de Cabrals El presidente negro (1973), Eulogio Valdés nicht das höchste Amt der Republik anstrebte oder innehatte, wurden jedoch beide das O p f e r e i n e s internationalen Komplotts. Der Roman2 verdient daher Würdigung unter zwei Aspekten: zum ersten als Nachvollzug der psychologischen Entwicklung des sozial aufsteigenden Mulatten und zum anderen als Betrachtung politischer Bezüge und Entwicklungen eines mulattischen Politikers innerhalb einer rassistischen Umwelt. 1.1. »La Piel« - Versuch eines Psychogramms Obwohl Hernández Catá europäischer Herkunft war - eine Portraitphotographie von ihm bedeckt den größten Teil des Titelblattes der Zeitschrift - gelingt es ihm, die Lebensgeschichte und innere Zerrissenheit eines Mulatten im imaginären Land Taiti, später in England und Frankreich überraschend einfühlsam und literarisch äußerst glaubwürdig nachzuvollziehen. Die rassistischen Gedanken und Ansichten, mit denen der Autor den Roman trotz seiner Integrität absichtlich verunstaltet, verhindern es nicht, den Vergleich mit den Auto-Biographien moderner westafrikanischer Autoren
139 zu wagen, der, wie noch zu zeigen sein wird, die überraschende Modernität des R o m a n s unter B e w e i s stellt. In der Rückblende zu B e g i n n des Romans erinnert sich Eulogio Valdés, der Protagonist, bevor er den B e s u c h einer Delegation seiner Partei empfängt, wie jeden Freitag an seine Kindheit. Literarisch gut geplant, aber wenig erfolgreich, ist der Abschnitt ohne Zweifel deswegen wichtig, weil hier Hernández Catá die Grunddisposition des Handelns und Denkens seines Protagonisten darlegt. Eulogio Valdés, Sohn einer Haussklavin, was Catá in einem Nebensatz enthüllt »y el, con los hijos de otros e s c l a v o s « , ( L P , 5 ) lenkt durch einen Blutsturz die Aufmerksamkeit seines Herren und eines Geistlichen, Don Antonio, auf sich. Die außergewöhnliche Zuwendung beider, vor allem des gestrengen Herren, »castigaba con dureza a los e s c l a v o s « , der niemals b e i m Namen genannt wird, ( L P , 5 ) erweckt nicht nur das Erstaunen des Lesers, sondern auch des Geistlichen, der bei dem Sklavenhalter besondere Motive für sein Verhalten vermutet. » ¿ Y éste también será hijo tuyo«? (LP, 5 ) O b w o h l der Herr die Verdächtigung des Geistlichen zurückweist, wird der L e s e r zunächst durch die Fakten, dann durch die Selbstbeobachtung von Eulogio immer mehr in der Meinung bestärkt, daß Valdés illegitimer und mulattischer Sohn des Plantagenbesitzers ist, obgleich ihn Hernández Catá selbst ständig als Neger darstellt und nicht als Mulatte. Der Herr zeigt sein außergewöhnliches Interesse an dem farbigen Kind zunächst dadurch, daß er ihm Bildung vermittelt, »el amo lo tomó a su servicio directo, le enseñó geografía, aritmética .... su inteligencia iba entreviendo nuevas claridades« ( L P , 6). Dadurch, daß hier Hernández Catá einen Teil der Biographie Manzanos nachzeichnet, gelingt es ihm, auf die Rolle der Bildung der Schwarzen als W e g einer gesellschaftlichen Emanzipation hinzuweisen, was in den Romanen bis 1 9 1 3 nicht geleistet wurde. B i s zu diesem Zeitpunkt hatten in der Literatur nur mulattische Frauen Hoffnung, über den V e r k a u f ihres Körpers in der sozialen Hierarchie der Rassengesellschaft aufzusteigen. Die Gestalt des freien Farbigen, der über ökonomische Erfolge auf Akzeptanz in einer vornehmlich weißen Gesellschaft hoffen konnte, fehlt in der Literatur des 19. Jahrhunderts völlig. Aus diesem Grunde ist der V e r w e i s auf die Bildung aus Gnade des Herren nicht unerheblich, wobei auch klar wird, daß das Bildungsmonopol in den Händen der weißen Oligarchie lag. Unglaubwürdig erscheint dann allerdings das Versprechen des Herrn »Cuando seas hombre ... te llevaré c o n m i g o a Paris y tendrás profesores, teatros, libros, j o y a s , mujeres ...« ( L P , 5 ) Mit Paris führt Catá, hier noch unerkannt, ein Motiv als Versprechen in die Geschichte ein, das Eulogio Valdés später erst einlösen wird. Die Ausbildung des Protagonisten findet durch die Ermordung des Sklavenhalters ein j ä h e s Ende. Auch in diesem Abschnitt nimmt Catá Teil an einer erzählerischen Tradition, die den Widerstand der Sklaven gegen die Herren schildert, in dem trocken, fast lapidar der gewaltsame Widerstand gegen den vermutlichen Vater des Protagonisten dargestellt wird, als etwas zu Erwartendes, um nicht zu sagen ' N o r m a l e s ' , wobei Valdés sich auffallend gefühlskalt an die Ermordung seines Gönners zurückerinnert.
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»Un día el amo apareció muerto en el campo, sin que jamás pudiera conocerse al asesino, lo habían estrangulado con una cuerda y luego lo clavaron en un árbol: un cuchillo le atravesaba el cuello y otro el vientre.« (LP, 6) Den Bezug zum Titel und die Exposition eines langen Leidensweges zur eigener Identität schafft Catá geschickterweise durch die ritualisierte Selbstbetrachtung des Protagonisten in einem Spiegel. »Eugenio Valdés tomaba de nuevo cada viernes posición de sí: miraba sus labios abultados, su nariz ancha, su pelo rizado en mil minúsculas sortijas, su piel negra; ... y como si cada vez se sorprendiese dolorosamente de ser quien era, se detenía un momento y dejaba libre un suspiro antes de seguir hacia las otras habitaciones.« (LP, 6) Mit der Verdoppelung des Protagonisten im Spiegel gibt Catá einen ersten Hinweis auf das psychische Leid und die innere Zerrissenheit von Valdés und erhellt damit einen scheinbaren Widerspruch. Ist dieser wirklich der Sohn des Herren, was sich später als immer wahrscheinlicher herausstellt, hätte Valdés keine schwarze Haut, er wäre Mulatte. Trotzdem sieht er sich im Spiegel als schwarz, womit er die Einschätzung einer Gesellschaft verinnerlicht hatte, die unabhängig von den Nuancen der Hautfarben jeden Farbigen diskriminiert, ohne Rücksicht auf deren berufliche Erfolge, die der Protagonist zu dem Zeitpunkt dieser Selbstbetrachtung schon nachweisen konnte. Daß diese keine Garantie für ein unbelastetes Selbsterleben sind, zeigt Catá in der folgenden Sozialisation des Protagonisten. Nächste wichtige Phase seiner Entwicklung ist nämlich der Aufenthalt und die Ausbildung in einem Priesterseminar. Dort stößt er auf den massiven Rassismus seiner Mitschüler und des Lehrkörpers, was ihn zunehmend in die Vereinsamung treibt. Gegen die Isolierung und das Gefühl einer existenziellen Verlorenheit setzt Eulogio das Bewußtsein um seine Intelligenz und seinen Fleiß. »Los profesores le tomaron apego por su celo, por su fácil disposición para aprender, pero, casi sin sospecharlo, le ofendían de continuo, extrañándose de que siendo negro pudiera ser inteligente.« (LP, 6) In diesem Seminar wird die psychische Entwicklung des Helden disponiert, der sich auf Grund seiner inneren Schwäche und Zerrissenheit dem Leser immer stärker als exstenzialistischer Antiheld vorstellt. Im Aufzeigen der problematisierten Psyche des Mulatten liegt die Stärke des Romans, der dadurch auch überraschende Konsequenzen und Parallelen zu den Entwicklungsromanen des französisch-sprachigen Westafrikas hat. Ähnlich wie in Cheikh Hamidou Kanes L'aventure ambigue (1961) oder in Mongo Betis Le pauvre Christ de Bomba (1956) erfahren die Protagonisten in religiösen Schulungszentren die erste Prägung und Zugang zu einer katholisch-westlich orientierten Bildung, was über die Entfremdung zur eigenen originären Kultur die erwähnte innere Vereinsamung zur Folge hat. Hernández Catá vergißt zwar, den
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kulturellen Kontext herauszuarbeiten, in dem Eulogio über den Kontakt zu seiner Mutter, der afrikanischen Sklavin, eingebettet war, läßt aber durch den schmerzvollen Werdegang erahnen, daß sein Protagonist Kultur- und damit Identitätsverzicht leistet. Der Weg, über das Priestertum einen Platz in der Gesellschaft zu finden, scheitert zum einen an den rassistischen Barrieren, die es einem schwarzen Geistlichen unmöglich machen, auf die Akzeptanz der Gemeinde zu hoffen. Daß Hernández Catá seinem Protagonisten diesen Weg versperrt, scheint auf reale Gegebenheiten der damaligen Gesellschaft zurückzuführen zu sein, wiewohl der Schritt von einer afrikanisch-animistischen Kultur und Umgebung zum katholischen Geistlichen sehr groß ist und zudem nur den Grad der Entfremdung symbolisieren kann, den alle Afrokubaner empfinden mußten: »Tolerado por los mejores, pero sin llegar a ser particularmente querido de ninguno, había concluido de no salir a la calle con la fila para evitar la burla de las gentes, aún la de los de su propia raza, que reían al ver un negro vestido de seminarista.« (LP, S. 6) »Un santo negro era posible, más un cura negro a nadie se le podía ocurrir.« (LP, 7) Nicht vergessen werden darf dabei die Tatsache, daß es noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts in den spanischen Kolonien Mulatten verboten war, den Beruf des Juristen und Priesters a u s z u ü b e n , wobei sich auf Kuba die Farbigen erst nach und nach bestimmte Berufsgruppen erschließen konnten, darunter eben auch die religiösen und Ausbildungsberufe. 4 Ein weiterer wichtiger Aspekt der Entfremdung, den Catá nur nebenbei erwähnt, in den afrikanischen Romanen aber als zentraler Punkt herausgearbeitet wird, ist der Ortswechsel des Helden vom Land in die Stadt: »Don Antonio ... consiguió de su madre que lo dejara ir con él a la ciudad ...«, (LP, 6) eine weitere zufällige Parallele dieses Romans zu Mongo Betis Ville cruelle (1971). Ähnlich wie der Protagonist Le pauvrc Christ de Bomba entdeckt der junge Eulogio in der Pubertät seine Sexualität und verzichtet auf das Priesteramt, um mit dem Erbe von Don Antonio das Studium an der Universität aufzunehmen. Dort zeichnet sich die Prägung ab, die er in dem Priesterseminar erfahren hatte und die ihn auf den für ihn fatalen Weg der Politik bringen sollte. »De su vida claustral guardaba un germen de fatalismo católico, y creyéndose instrumento de la voluntad divina, sacrificó sus preferencias personales para erigirse en redentor de su raza.« (LP, 7) Catá nimmt mit dieser Entscheidung, die ohne innere Überzeugung des Protagonisten gefällt wurde, ein Handlungsmuster vorweg, das viele nachrevolutionäre Autoren gleichfalls verwenden. Sie weisen ihren farbigen Figuren den Weg in die Politik oder den Widerstand, so in Cuando la sangre se parece al fuego oder Adire y el
142 tiempo roto, ohne daß diese an der Entscheidung beteiligt werden. Sie sind stets unbewußt lebende Opfer eines Schicksals, das von den Autoren in Abhängigkeit von der weißen Gesellschaft bestimmt wird. Bleibt Eulogio in dem Priesterseminar und an der Universität noch von Identitätskonflikten verschont - er hatte aber gegen einen handfesten Rassismus zu kämpfen werden diese mit dem Eintauchen in die von den Weißen bestimmte Politik deutlich sichtbar. In den Passagen, in denen sich Eulogio über die Farbigen Kubas Gedanken macht, zeigt sich auch die Distanz des Protagonisten ihnen gegenüber, seine Überheblichkeit und der versteckte Rassismus des Autors. »Solo pensaban en ponerse sombreros, en echarse polvos de arroz, en aceptar clandestinamente ofrendas que él rechazaba, en justificar a cada hecho el dictado de mono de imitación de los blancos.« (LP, 8) Obwohl der Autor hier in einem 'discours indirect libre' die Meinung seines Protagonisten wiedergibt, bleibt zweifelhaft, ob er ihn damit kritisieren will oder ob er nicht doch die eigene Meinung den Gedanken seines Antihelden unterlegt. Dies wird dann in besonderem Maße deutlich, wenn er Eulogio über den Grund der Verschiedenheit zwischen ihm und der Masse der Farbigen reflektieren läßt. Der ethnologische und biologische Determinismus, mit dem sich Catá als Geisteskind seiner Zeit ausweist, verstärkt damit eher die rassistische Grundstruktur des Textes, als Catá ihn mit dem intellektuellen Farbigen als Paradigma zu überwinden versucht. »¿Y por qué era él tan distinto? Quién le transmutía la aspiración de orden moral sentida desde la infancia?« (LP, 8) Catá bindet hier erstaunlicherweise das Streben nach moralischer Ordnung an das biologische Erbe der Weißen, womit er die Farbigen Kubas unwiderruflich als zu politischen und moralischen Leistungen unfähige Menschen diskreditiert. Den Beweis dafür liefert er in einer kurz erwähnten Gegenfigur des aufgeklärten Eulogio, in der Figur der eigenen Mutter, die Catá dazu mißbraucht, die scheinbar angeborene Rückständigkeit und den Sexualtrieb der Neger unter Beweis zu stellen. Eulogio befragt dazu seine Mutter, die er der Promiskuität verdächtigt: »Una noche, ansioso de esclarecer esta constante duda, interrogó a su madre: ella titubeó, adquirió ese color ceniza que toman los negros al turbarse y después de pronunciar dos o tres nombres se encogió de hombros. El la hizó callar y, confuso, tragó de su afrenta la que su madre era incapaz de sentir ... desdeñando toda idea de moral.« (LP, 8) Wenn Catá wenig später erneut die eingeschränkte Auffassungsgabe der Mutter Eulogios in einem anderen Zusammenhang bestätigt, hat er damit den negativen Teil des Erbes seines Protagonisten festgelegt, »la negra que entraba, sonrió con sus dos filas de dientes luminosas, sin comprender« (LP, 8). Das Streben Eulogios besteht nun darin, sich gegen das schwarze Erbe, das in ihm angelegt ist, zu emanzipieren,
143 wozu er zunächst die Gewißheit benötigt, von einem weißen Vater gezeugt worden zu sein. »Aquellas dudas acerca de quien pudiera ser el autor de su pobre vida tenían, sin embargo una luz de certidumbre: Eulogio sentía bien que su padre había sido un hombre de otra raza.« (LP, 8) Mit dieser Erkenntnis ist nun der Grundkonflikt ausgesprochen, von dem ihn der Autor nicht mehr befreien kann und zwischen dessen Polen die späte Sozialisation Eulogios stattfindet. Obwohl ihn Catá in Wissen und Weisheit andersfarbigen Zeitgenossen gleichstellt, ihm sogar eine 'weiße Seele' zuerkennt, fühlt sich Eulogio in seiner schwarzen Haut gefangen und in ihr einer Gesellschaft entfremdet, deren Anerkennung er sucht. »Su dolor más hondo era comprobar que sus ideas chocaban solo por provenir de él; otros hombres expresaban semejantes y nadie se reía. Era su piel, el pigmento maldito ...; y sentía que la herencia de su padre desconocido era aquella pobre alma blanca cautiva de su cuerpo ...!« (LP, 9) Obwohl Catá mit der Zuordnung der naturgemäß edlen Seele einer weißen Abstammung durchaus wieder eine rassistische Meinung einfließen läßt, bleibt es doch bemerkenswert, wie er die innere Zerrissenheit eines Mulatten zwischen zwei kulturellen Welten nachvollziehen kann. So schildert er nicht nur 1913 schon den Kulturkonflikt, an dem Cristino in Cuando la sangre se parece al fuego beinahe zerbricht, sondern auch das Gefühl der Ohnmacht aller Farbigen, die trotz intellektueller und emotionaler Gleichheit nicht die rassistischen Schranken durchbrechen können, die die weiße Gesellschaft um sie herum aufbaut, was Georg Lamming in dem symbolischen Titel seines Romans In the Castle of my Skin (1953) andeutet. Kurz nachdem Eulogio krank wurde und er in einem rätselhaften Abschnitt symbolisch vom Autor eine neue Haut erhält: »Ya convalesciente, el médico, al observar que estaba mudando la piel, le dijo: - Se va usted a levantar hecho otro hombre«, (LP, 8) verzichtet er auf den Parteivorsitz und leitet damit eine neue Phase seiner Entwicklung ein, die den Roman nun endgültig in die Nähe der westafrikanischen Literatur rückt. Im zweiten Kapitel, das der Autor sicherlich nicht zufällig in Anlehnung an Skakespeare, besonders aber an Rodó mit 'La Tempestad' überschrieben hat, bricht Eulogio als Konsul alleine nach England auf, womit Catá den Kultur-, Klimaund Zivilisationsschock, der in den Romanen von Sembéne Ousmane Le docker noir, Cheikh Hamidou Kane L'aventure ambigüe, Kocoumbo, l'étudiant noir und Ken Bougoul Le baobab fou die tragende Rolle spielt, schon 1913 in seinem Roman integriert hat.5 Demzufolge sieht sich Eulogio dem grauen, feuchten und kühlen Klima Englands ausgesetzt, dessen Unfreundlichkeit schon bald zur Metapher für die Menschen Birminghams werden soll. Eulogio, der bis dahin in einem überzogenen Eurozentrismus und Bildungsan-
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spruch die eigene afrikanische kulturelle Prägung verleugnet hatte, muß nun über die bitteren Erfahrungen in England, ähnlich wie Ken Bugul in Belgien, den Weg zurück zu einem Teil seiner Identität finden. Dabei zeugt der simple, biologische Determinismus des Autors Catá eher von der eigenen kulturellen Distanz zur afrikanischen kulturellen Wirklichkeit Kubas, obwohl auch hier das globale Einfühlungsvermögen erstaunt, mit dem der Diplomat Catá die inneren Probleme seines mulattischen Protagonisten erfaßt. So berichtet er noch lange bevor Frantz Fanon sein berühmtes Peau noire, masques blancs (1952) verfaßt, Aimé Césaire in seiner Cahier d'un retour au pays natal (1939) von den Entfremdungen der Neger in Frankreich spricht und Manuel Cofiño in Cuando la sangre se parece al fuego (1975) seinen Helden nur knapp einer sich abzeichnenden Schizophrenie entkommen läßt, von einer Persönlichkeitsspaltung seines Helden, ein Phänomen, das man im späteren 20. Jahrhundert als das 'principio de corte' erkennt. »Por un desdoblamiento de su personalidad, un 'yo' crítico severo y atento a las manifestaciones del nuevo ser, estaba siempre alerta. Y esa parte delicada, que era la causa de su infelicidad, venía del padre desconocido, acaso del maldito amo.« (LP, 14) Im Falle Eulogios kann man demnach nur von einer problematisierten Transkulturation in ihren ersten Ansätzen sprechen, da er, obwohl politisch Vertreter des afrikanischen Teils seines Volkes, diesen zurückweist, »haber sido notado de activo y glacial entre los suyos« (LP, 14). Die Rückbesinnung auf sein schwarzes Erbe gehorcht zudem nur einem Mangel an Kommunikation und Liebesentzug, was wohl als auslösendes Moment stark genug ist, aber keine echte Hinwendung bedeutet. Es bleibt dabei aber die Frage offen, ob Catá dies zwar richtig erkannt hat, an Mangel an Kenntnissen aber nur wenig überzeugend umsetzen konnte. Hinweise dazu könnte die Biographie Hernández Catás geben, der selbst in Spanien geboren wurde, bis zum Alter von vierzehn Jahren in Santiago de Cuba wohnte, um dann seine Ausbildung in Madrid fortzusetzen, von wo aus er 1905 nach Kuba zurückkehrte, um ab 1909 im diplomatischen Dienst im Ausland zu leben. Die psychische Lage und Vereinsamung des Helden spitzt sich zu, so daß er sich in Wahnvorstellungen verliert, die ihn fast in den Suizid treiben. Rettung findet er in wiederholten Reisen nach Paris, eine Stadt, die er als »bálsamo y reconstituyente espiritual« (LP, 16) empfindet. Die Reisen werden ihm zur Notwendigkeit, so daß er sich bald immer längere Zeit in Frankreich aufhält. Auf Grund des Fehlverhaltens eines seiner Beauftragten in Birmingham verliert er den Posten als Konsul. So sieht er sich einer bedrohenden wirtschaftlichen Misere ausgesetzt, in der ihm in erster Linie ein Pariser Dienstmädchen beim Überleben hilft, »llegaron los días de miseria, lentos uniformes, esos días en que hasta el sol ofende« (LP, 18). Mit diesem letzten sozialen Abstieg, der totalen Verwahrlosung, sind nun die Parallelen zu den afrikanischen Romanen fast vollständig hergestellt, in denen die afrikanischen Protagonisten nach
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Paris ziehen, um dort an der gnadenlosen Welt der Großstadt und westlichen Zivilisation zu zerbrechen. »Paris no era una muchachita vivaz, deseosa de parecer bien: París era un vampiro cubierto de afeites, que luego de secar a sus víctimas no les concedía piedad, ni siquiera burla.« (LP, 18) Ein Zufall rettet Eulogio vor dem endgültigen Abgleiten in die Subkultur. Es ist der Präsident einer Eisenbahngesellschaft, der Eulogio die Heimreise ermöglicht, unter der Bedingung, daß er die sich im Aufstand befindlichen Farbigen der Insel zur Ruhe bringe. Eulogio muß akzeptieren, ahnt aber, wie schon einmal, daß er willenlos und übertölpelt die Schachfigur eines Spieles ist, das er nicht durchschaut. Antwort auf die Ereignisse von 1912 1 .2 Der Roman als programmatische Eulogio wird ermordet, wobei die Verweise in dem Text eine Konkretisierung der fiktiven Handlung in Bezug auf die kubanische Geschichte zulassen, denn Eulogio wird 1880, spätestens 1886 »al abolirse la esclavitud« (LP, 7) in das Priesterseminar aufgenommen. Bleibt man weiterhin in der kubanischen Realität, ergäbe sich, daß mit dem Massaker, in dem Eulogio auch zu Tode kommt, die blutigen Gemetzel anläßlich der Protesta Armada von 1912 gemeint sind. Hernández Catás La Piel, 1913 erschienen, wäre demnach als direkte Reaktion auf die Ereignisse von 1912 zu interpretieren, wofür noch andere Anhaltspunkte gefunden werden können. Daß Catá autobiographische und reale Aspekte in die Geschichte einwebt, mag alleine schon dadurch ersichtlich werden, daß er Eulogio den Posten eines ärmlichen Konsuls in Birmingham zuschreibt, wo er selbst 1911 das Amt eines Konsuls 'zweiter Klasse' innehatte. Außerdem scheint er die Züge und autobiographischen Fakten der drei wichtigsten Personen der afrokubanischen Zeitgeschichte in Eulogio vereinigt zu haben: nämlich von Martín Morúa Delgado, Pedro Ivonet und Evaristo Estenoz. Im Werdegang Eulogios lassen sich zunächst deutliche und - so die These - beabsichtigte Parallelen zu dem Leben Martín Morúa Delgados feststellen. Beide waren Kinder einer Sklavin und eines Weißen und beiden gelang der Aufstieg zum Posten des 'diputado' ihres Landes, wobei sie zu den wenigen Farbigen in der Regierung gehörten. Auch die Umstände der gesellschaftlichen Emanzipation und die Art, wie sie ihren Posten verwalten, läßt auf eine beabsichtigte Identifikation beider Figuren schließen. Hernández Catá zeichnet mit Eulogio die Figur eines opportunen Politikers, der von verschiedenen politischen Parteien mißbraucht wird, um für Stimmen und Sympathien bei der schwarzen Bevölkerung zu werben. In diesem Sinn benützten ihn schon die Professoren an der Universität, womit Eulogio in eine Bahn der Fremdbestimmung gebracht wird, die ihn wie Morúa Delgado, dem Verdacht des Opportunismus aussetzt. »Corrían entonces vientos de democracia. Muchos de los profesores estaban mez-
146 ciados en la vida política y comprendieron la ventaja de elogiar al nuevo discípulo, trocándolo en cobo con que atraerse más tarde la gran cantidad de negros que había en el país.« (LP, 7) Eulogio gelingt der Schritt zum Abgeordneten, worauf dann Catá die Orientierung an Morúa Delgado aufgibt und sich entweder vom Leben Ivonets oder Estenoz, den beiden Führern des 'Partido Independiente de Color', inspirieren läßt. Wenn Catá hier von einem 'movimiento' spricht, das Eulogio als 'redentor de su raza' anführen soll, so ist ohne Zweifel die historische Partei der Independisten gemeint. Catá entwirft in diesem Zusammenhang ein durchaus negatives und damit rassistisches Bild der auf der untersten sozialen Ebene lebenden Afrokubaner, die der eurozentristische Eulogio aus der politischen Unmündigkeit führen soll, »su fama rebasó ... en las casas de vecindad donde vivían los negros en una promiscuidad antigua, deseosos de encontrar un jefe capaz de encauzar la fuerza que les confiriera el sufragio universal; ... los esclavos se habían manumitido, pero la esclavitud moral era más visible, más vejaminosa que antaño. Ni un paso había dado aún el alma de raza hacia la redención, seguía la herencia africana, el bárbaro instinto sanguinario, los bailes frenéticos ... la creencia en Dios coexistía con los ritos de la liturgia gentílica, con las ideas mal asimiladas de democracia. Para ellos libertad valía tanto como libertinaje y autoridad igual que tiranía.« (LP, 7) Catá greift hier alle die damals gängigen Klischees und Vorurteile einer weißen Gesellschaftsschicht auf, die 1912 zu dem Massaker an den Afrokubanern geführt hatten und die auch Rachel als Zeugin der Zeit in Barnets Roman La canción de Rachel bestätigt. Er verwendet nun, bewußt oder unbewußt, diese Klischees, um das Scheitern Eulogios plausibel zu machen. Diesem gelingt es nicht, eine politisch träge Masse - deren Spitzen sich zudem an dem europäisch bestimmten Gesellschaftsleben orientierten - zu einer aufgeklärten und bewußten Lebenshaltung zu bringen. »... sus mismos partidarios le compelían a buscar la sociedad de los blancos; por haber asistido a un baile, recibía más enhorabuenas que por haber pronunciado un discurso.« (LP, 7) Mit der Darstellung der schwachen Persönlichkeit Eulogios - »cada cual se aprobaría el derecho de utilizarlo, de engañarlo« (LP, 9) - zeichnet Catá ds Bild Morúa Delgados nach; letzte Zweifel schwinden bei der Darstellung der politischen Spannungen und Gewichtsverlagerungen im Parteienbild Kubas, das Catá hier zwar nicht historisch exakt wiedergibt, aber im Prinzip jedem Leser von 1913 aufs beste vertraut war. »En vísperas de elecciones se publicaba la noticia de su adhesión a un partido y al día siguiente, cuando la rectificación veía la luz, era tarde ya: sus partidarios de provincias y el campo habían ido a engrosar los votos del autor de la superchería.« (LP, 8)
147 Zunächst fällt auch an dieser Passage die absolute Diskretion Catás, bei der Nennung der Parteien und deren Programme, auf. Durch diese Anonymität garantiert er aber auf der anderen Seite, daß die L e s e r diese Einladung zur Interpretation 'richtig' verstehen und anwenden. B e v o r Eulogio in das Konsulat nach Birmingham abgeschoben wird, macht Catá nochmals das verbindliche und wieder an Morúa erinnernde Ideal seines Protagonisten deutlich. » S e le llamaba soñador, que era allí un eufemismo para llamar tonto; y si decía que el ideal de democracia no ordenaba rebajar al superior hasta la bajeza del inferior, sino tratar de elevar a este, sentía la burla de los negros y la de los blancos ... irle con desprecio igual.« ( L P , 9 ) Eulogio gelingt es nicht, eindeutig Position zu beziehen, wobei er gleichzeitig die Akkulturation der afrikastämmigen Bevölkerung an die als besser empfundene Kultur der W e i ß e n propagiert und somit selbst rassistischen Gedankenstrukturen gehorcht. Den Kredit bei seinen farbigen Anhängern verspielt Eulogio endgültig, als er gegen Festivitäten der Cabildos am Día de R e y e s Stellung bezieht, in B e z u g auf ein tatsächliches Verbot des afrokubanischen Schauspiels zu B e g i n n des 2 0 . Jahrhunderts. Eulogio wird aus diesen Gründen von der Präsidentschaft der Partei entlassen, die Catá jetzt eindeutig als 'movimiento racista' bezeichnet, womit er auch seine historische Meinung zum 'Partido Independiente de C o l o r ' kundtut. Während seines Aufenthalts in Birmingham bleibt Eulogio von den politischen Auseinandersetzungen verschont, bis ihn ein Zufall wieder in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit rückt. Die Person, die für ihn die Korrespondenz besorgte, hatte ohne sein Wissen, aber unter seinem Namen einen Waffentransport nach der Heimatinsel auf den W e g gebracht. Unglücklicherweise befand sich die Insel in sozialen Unruhen und der Empfänger war zudem »un mulato, revolucionario de profesión«, womit kein anderer gemeint sein konnte als der 1 9 1 3 schon verstorbene General M a c e o . Geht man von dem Verdacht Carlos More aus, der unterstellt, daß M a c e o in einem Hinterhalt von eigenen, weißen Bundesgenossen ermordet wurde, um zu vermeiden, daß M a c e o als farbiger Präsident Kubas einen schwarz-rassistischen Staat gestalten könnte, wäre diese kurze Episode nicht nur eine Bestätigung der irrationalen Angst der weißen Bevölkerungsschicht, sondern auch Bestätigung der Vermutung von More. Eulogio stellt die richtige Sachlage j e d o c h nicht klar und wird darum ohne sein eigenes Zutun erneut Held und Träger der Hoffnung der sich in Unruhe befindenden Schicht der Farbigen seiner Insel. »Era el héroe por fuerza; los negros, escarmentados de la jefatura del mulato, lo aclamaban otra vez por j e f e c o m o único redentor posible a j e n o a las condiciones de riqueza y resuelto a sacrificar su bienestar en pro de la raza.« ( L P , 17) Catá verschweigt dem Leser die wahren Hintergründe der sozialen Unruhen auf der fiktiven Insel Taiti. Indem er sich nur auf die Darstellung des äußeren Ablaufes der
148 Ereignisse beschränkt, umgeht er die Zensur durch die 1913 noch aufgewühlten Gemüter seiner weißen Leserschaft und rechtfertigt scheinbar seinen Text auch dadurch, daß er die Masse der farbigen Bevölkerung im Sinne der öffentlichen Meinung als primitiv und unmündig darstellt; so gelingt es Catá, die Absurdität der Angst der weißen Kubaner vor einem Aufstand der Neger und deren wirklichen Absichten treffend zusammenzufassen. Überraschend ist die Ähnlichkeit der Darstellung mit den Kommentaren Rachels zur 'protesta armada' von 1912. »En Taití el día que se conoció el hecho, fue de excitación general: los blancos sacaron sables enmohecidos, pistolones, carabinas, y hasta previnieron las enormes trancas con que aseguraban por las noches las puertas, en espera del ataque de los negros; los negros, sin pensar en atacar a nadie, para celebrar el acto de su jefe, hicieron gran consumo de ron y organizaron una orgía.« (LP, 18) Bis zu diesem Zeitpunkt erlebt Eulogio die Ereignisse aus der Distanz des Pariser Exils, aus dem ihn der scheinbare Großmut eines Bankiers rettet, der um das Aktienkapital seiner Bank fürchtet, das im Eisenbahnnetz der Insel festliegt. Vatan bietet Eulogio Geld und die Heimreise an, unter der Bedingung, daß dieser beruhigend auf die sich in Aufruhr befindlichen Neger einwirken soll. »... hemos pensado en aprovechar su influencia decisiva sobre el partido,..., de su . raza; solo el elemento de color se muestra hoy díscolo; si usted lo pacifica, hará un bien al país, y a nosotros.« (LP, 20) Noch ist dem Leser unklar, daß der Franzose Vatan, als Allegorie des nordamerikanischen Imperialismus zu verstehen, Eulogio für seine speziellen Interessen opfern wird. Auf dem Kai seiner unbenannten Heimatstadt wird der heimkehrende Mulatte von einer riesigen Menschenmenge erwartet. Im Tumult der Ankunft macht sich jedoch plötzlich eine Gruppe von 'agents provocateurs', »un pendón subversivo« bemerkbar, die die Menge in Panik treibt, worauf die Polizei mit Schüssen reagiert und die hysterische Verwirrung ihren Höhepunkt erreicht »Nos asesinan«, »A defenderse, a defenderse« (LP, 21). Auch Eulogio Valdés stirbt unter den Kugeln der Soldaten: »Eulogio vio dos soldados apuntarle, quiso gritar, y ya no pudo ... Junto a su cuerpo la tierra se esponjó con la sangre de tres heridas. Respiraba aún. Un sargento lo remató de un culatazo.« (LP, 2 1 ) Es ist nun unerheblich, ob die dritte Wunde von jenem Individuum herbeigeführt wurde, das wenig später folgende Schlüsselworte nach Paris telegraphiert »Vatan fils - Paris - negocio hecho« oder nicht. Auffallend aber auch hier die Parallele zum Tod von Pedro Ivonet, der ebenfalls von einem Truppenoffizier ermordet wurde »fue asesinado por un teniente del ejército que iniciaba su larga carrera como un criminal« 6 . Valdés verliert sein Leben und zwar, wie Catá es deutlich macht, auf Betreiben einer französischen Finanzgesellschaft. So vermeidet der Autor, die kubanischen Ereignisse zu präzisieren, indem er die Franzosen und nicht die Nordamerikaner als Draht-
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zieher des Aufstandes und Mordes bloßstellt. Wie an anderer Stelle schon deutlich gemacht wurde, intervenierten 1912 trotz des Widerstandes der kubanischen Regierung nordamerikanische Truppen auf Kuba, um die vermeintliche Bedrohung amerikanischen Kapitals durch die fast unbewaffnete Protesta Armada der kubanischen Neger niederzuschlagen. Das Ergebnis ist bekannt: Zehntausende von Toten. Catás Roman ist aus diesem Grund einer der interessantesten und brisantesten Texte Kubas des beginnenden 20. Jahrhunderts. Obwohl literarisch wenig ergiebig, überzeugt der Autor durch die weitreichende Einfühlungsgabe in die Psyche eines menschlich und kulturell orientierungslosen Mulatten. Auch wenn er oft die rassistischen Grundstrukturen des Denkens seiner Zeit nicht deutlich genug von der eigenen Meinung trennt, hat Catá mit La Piel einen Schlüsseltext zur Geschichte der politischen und psychischen Integration der Farbigen in die Gesellschaft Kubas geschaffen.?
2. Das Thema des Afroamerikaners im 20. Jahrhundert Obwohl sich das Interesse für den Afrikaner und Afroamerikaner in Europa mit dem Entfalten des Surrealismus, der begeisterten Aufnahme des amerikanischen Jazz in der Folge der 'Harlem Renaissance' schon vor 1930 abzeichnete - 1927 erschien Philippe Soupaults Roman Le nègre - drängen sich doch die wichtigen literarischen Daten für die spanischsprachige Welt um das Jahr 1930. In diesem Jahr wurde Blaise Cendrars Anthologie nègre von 1927 ins Spanische übersetzt. Obwohl Alfredo Roggianos Einschätzung über die Wichtigkeit und Einfluß der Anthologie mit Vorsicht zu teilen ist »El tema del negro en la literatura de lengua española ha sido tratado a partir de 1930, sin duda por la influencia de la Anthologie nègre«8, bleibt trotzdem die hohe Auflage und weite Verbreitung des Werkes in Lateinamerika zu beachten. Daß allerdings die Mehrzahl der in Lateinamerika verfaßten Romane, Anthologien und theoretischen Werke mit dem Thema des Negers auf Cendrars zurückzuführen sind, ist unwahrscheinlich. 1928 erschien der Roman Matalaché von Enriquez López Albujar (Peru), 1929 folgte Ainsi parla l'oncle von Jean Price Mars. Aus dem Jahr 1929 stammt Raza negra von Ildefonso Pereda Valdés und bevor Alejo Carpentier und Lino Novás Calvo 1933 ihre Romane Ecué-Yamba-0 bzw. El negrero vorlegen konnten, erschien 1924 Félix Solonis Werk Mersé. Ihnen folgten 1935 in Brasilien der wichtige Roman Jubiabi von Jorge Amado und die Geschichte des Negerjungen O moleque Ricardo von José Lins do Regos. Während für Kuba Fernando Ortiz ernsthaftere ethnologisch angelegte Studien seit dem frühen 20. Jahrhundert betrieb 1906 erschien seine kriminalanthropologisch angelegte Studie Los negros brujos fand in Brasilien schon 1911 der '1er Congreso Universal de Razas' statt, in dem Batista de Cacerda seine anti-rassistischen Thesen den Anwesenden vortrug. Dies kann, nach der Veröffentlichung von Rodos Essay Ariel 1900, als weiteres Zeichen dafür
150 verstanden werden, daß sich die amerikanischen Völker mit dem Jahrhundertwechsel verstärkt Gedanken auch über ihre ethnischen Identitäten machten, wofür ebenfalls Alcides Arguedas Raza de bronce 1919 einsteht. Ab 1930 sammelte Gilberto Freyre in Gesprächen mit ehemaligen Sklaven Material für sein umfassendes Werk Casa grande y senzala, dessen endgültige Fassung 1932 vorlag, aber erst 1934 veröffentlicht wurde und das Brasilien als Land der Rassenmischungen, der 'mulatez' kennzeichnete. Während auf Kuba noch unter den rassistisch geprägten Diktaturen die gesellschaftliche Emanzipation der Kubaner afrikanischer Herkunft behindert wurde in den 40er Jahren gab es den ersten Straßenbahnschaffner dunkler Hautfarbe in La Habana - organisierte Freyre 1934 den 'Primer Congreso Afro - Brasileño de Estudios' und förderte somit in entscheidender Weise die sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Problematik der Akkulturation Brasiliens, was zu einer Reihe von Publikationen führte, die wie Artur Ramos El negro brasileño 1934 in ganz Lateinamerika aufmerksam gelesen wurden.9 Es läßt sich nun beobachten, daß das Interesse am negroiden Bestandteil der Bevölkerung und dessen kulturellen Leistungen an einem außerliterarischen Faktor festzumachen ist. Zum einen war und ist das Interesse an den Afroamerikanern gerade in jenen Regionen stark, in denen keine ursprüngliche, d.h. indianische Bevölkerung mehr lebt, entweder weil diese von der expansiven spanischen Kolonisation verdrängt und vernichtet wurde oder weil es eine ursprüngliche indianische Bevölkerung überhaupt nicht gab. In beiden Fällen übernahmen die schwarzen Sklaven die zunächst den Indianern zugedachte Rolle. Mit der Eliminierung der Ureinwohner besetzten die Afroamerikaner dann auch die untersten Stufen einer sozialen Pyramide, zu der sich erst im 18. und 19. Jahrhundert die 'petits blancs' und später hinzugekommene asiatische Einwanderer gesellten,, was den Prozeß einer Transkulturation beschleunigte. Zudem zeichnen sich jene Zonen, in denen die Literatur die Existenz der Afrokubaner als wichtigen Teil des soziopolitischen und ökonomischen Systems anerkennt, dadurch aus, daß keine vorkolumbianischen Kulturen wie die der Mayas, Incas und Azteken die prähispanische Zeit dominierten. In diesem Sinne sind die Regionen der Karibik, des Rio de la Plata Beckens und Brasiliens zivilisatorisch und kulturell weniger bestimmt gewesen als der Rest des eroberten Lateinamerikas. Das hat für die afroamerikanische Literatur zur Folge, daß sie Spiegel von andauernden und spontanen anthropohistorischen Entwicklungen ist, wofür A. Roggiano die Bezeichnung »literatura situacional« 10 findet und damit ausdrücken will, daß allgemeine künstlerische, in diesem Falle literarische Manifestationen in hohem Maße außerliterarischen Einflüssen unterworfen sind. Die spätestens seit den dreißiger Jahren ständige Präsenz der Afroamerikaner in den Literaturen Amerikas als eigenständig handelnde und fühlende Personen ist dann als notwendiger, wenn nicht sogar als überfälliger Schritt der Integration jener Bevölkerungsschichten in das Bewußtsein der Zeitgenossen zu verstehen, was Jorge Amado noch sehr viel stärker als Alejo Carpentier praktizierte:
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»... wie kein zweites großes Gesamtwerk der lateinamerikanischen Gegenwartsliteratur werden die Romane des ... Brasilianers von lateinamerikanischen Negerfiguren bestimmt.« 1 1 Nach Jahren der Stille um die Afrokubaner und am Vorabend der Negrismobewegung legte Félix Soloni mit dem Roman M ersé (1924) die Geschichte einer Mulattin im Havanna der zwanziger Jahre vor. Nach Catas Ansatz in La Piel und in der Tradition der mulattischen Protagonistinnen der Literatur des 19. Jahrhunderts, versuchte Soloni auch hier die inneren Spannungen einer Frau wiederzugeben, die unter dem Stigma ihrer Hautfarbe und der dadurch unmöglichen Liebe zu einem weißen Mann leidet. Ihre Schönheit und ihr sozialer Status drängen sie immer mehr in die Rolle des Objektes sexueller Begierden und Stereotypen, die sie auch dann nach außenhin erfüllt, als sie eine weiße und verheiratete Frau dadurch schützt, daß sie deren Rolle in einer amourösen Begegnung mit dem Playboy Ernesto, den auch sie heimlich liebt, einnimmt und in Konsequenz des Skandals Arbeit und Ansehen verliert und somit dem ihr zugedachten Status als »perra mulata« 1 2 gerecht wird. Der Konflikt ist also identisch mit dem Cecilia Valdés, obwohl Mersé wesentlich bewußter handelt und reagiert, als es die Protagonistinnen des 19. Jahrhunderts vermochten. Wurden diese noch von den Autoren in der Darstellung auf rein sexuelle Kontakte zu den Weißen beschränkt, kommt es in Mersé zu einer psychischen und kulturellen Durchdringung beider Rassen, womit Soloni im Anschluß an Catá einen weiteren Schritt in der Erkenntnis transkultureller Prozesse vollzogen hat. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern des 19. Jahrhunderts umgibt Soloni seine Protagonistin mit folkloristischen und religiösen Aspekten der Afrokubanität, die dem Roman einen 'negristischen' Schimmer verleihen, ohne allerdings die Dimension des drei Jahre später verfaßten EcuéYamba-O zu erreichen. Obwohl, ähnlich wie in Caniqui, das afrikanische Orakel die tödliche Katastrophe der Heldin prophezeit, muß sich Soloni den Vorwurf der Oberflächlichkeit in der Beschreibung der afrokubanischen Gebräuche und Kulte gefallen lassen.^ Am Rande der Negrismusbewegung stand gleichfalls Lino Novás Calvos Roman El negrero, der im gleichen Jahr wie Carpentiers Ecué-Yamba-O erschien. Anders als der Roman Mersé, der noch als Beispiel einer ästhetischen Unbeweglichkeit mit dem Akzent auf einem afrokubanischen Lokalkolorit gelten konnte, versuchte Novás Calvo, ebenso wie Carpentier, bewußt narrative Neuerungen einzuführen, um den verbrauchten Realismus des 19. Jahrhunderts zu überwinden und um den hispanoamerikanischen Criollismo durch den Aufbau einer objektivierten Romanwelt zu ersetzen. Ausgehend von der historischen Gestalt des Pedro Blanco Fernández de Trava, einer der großen Sklavenhändler des beginnenden 19. Jahrhunderts, versuchte Novás Calvo seine Fiktion an die elementaren Grundlinien einer Realität zu binden, indem er mehr Eindrücke und Gefühle erzeugte als beschrieb, was seinem Text die Qualifikation »realismo esencial« 14 eintrug. Ähnlich wie später Bamet und Leante
152 ging der Niederschrift des Romans ein umfangreiches Studium von historischen Quellen und Dokumenten voran, wobei es dem Autor gelang, in filmischen Szenen, unter Verzicht auf unnötige Details, die wesentlichen, sozialen Aspekte des Lebens von Pedro Blanco, dem Sklavenhändler, herauszuarbeiten. Diesem stehen die schwarzen Sklaven als Kollektiv gegenüber und nehmen als solches Einfluß auf die Darstellung des Sklavenhandels und der Sklaverei. An der Einstellung Pedro Blancos zu den Sklaven wird der Widerspruch zwischen der Ethik und merkantiler Haltung des Protagonisten wirkungsvoll aufgezeigt, da er an ihm auch zerbricht. Pedro Blanco, der als Jugendlicher die eigene Schwester schwängerte, verfällt, nach dem Verlust seiner 'Casa Canoa' an der westafrikanischen Küste, nachdem ihn seine Schwester nach Kuba begleitet hatte, nach Spanien zurückgekehrt dem Wahnsinn, womit auch Novás Calvo normierend die zwangsweise schrecklichen Folgen der Sklaverei nicht nur für deren Opfer, sondern auch für deren Betreiber aufzeigte. Pedro Blanco kann aber auch als thematische Ergänzung zu der in epischer Breite angelegten Darstellung der kreolischen Sklavereigesellschaft in Cecilia Valdés gelesen werden, da Novás Calvo den Ausgangspunkt der Sklaverei in Afrika, die Konditionen der Überfahrt, der sogenannten 'middle-passage' beschreibt und noch sehr viel deutlicher die pervertierte Ethik der Menschen heraushebt, die sich mit dem Menschenhandel abgegeben haben.
3. Gustavo E. Urrutia Gustavo E. Urrutia (1881-1958) ist einer der wichtigsten arfokubanischen Intellektuellen der 20er und 30er Jahre Kubas, der als Gegenüber einer exotisierenden 'negrismo-Bewegung' und als Vertreter einer kubanischen Version der 'negritude' in den Literatur- und Kulturgeschichten kaum oder unzureichend wahrgenommen wurde, obwohl selbst Nicolás Guillén den Einfluß Urrutias auf sein poetisches Schaffen betonte. »No tengo ningún inconveniente en reconocerlo y proclamar que la formación de personalidad poética mucho debe a la página de Urrutia y a Urrutia personalmente, por el aliento generoso que me dió.« 15 Gustavo E. Urrutia war von 1909-1913 Buchhalter der Staatlichen Lotterie, von 1913-1917 studierte er Architektur, eine Tätigkeit, die er von 1917-1928 ausübte. Ab 1928 widmete er sein Schaffen ganz der Rassenfrage, wobei er hauptsächlich in der eher konservativ ausgerichteten Diario de la Marina tätig war. Später nahmen seine politischen Aktivitäten zu, er war 1934 Staatssekretär (Consejero de Estado) und 1936 Kulturreferent in Havanna. Im Anschluß daran schränkte er seine journalistische und politische Tätigkeit ein, widmete sich der Fotografie und starb in Havanna 1958. Urrutia konnte sein Engagement für die Rassenfrage nur einen kurzen Zeitraum sy-
153 stematisch durchführen. Wichtig war für das Selbstverständnis der Afrokubaner in den dreißiger Jahren die Kolumne 'Ideales de una raza', die Urrutia am 28. April 1928 begann. Nach dem täglichen Erscheinen im Diario de la Marina änderte sich die Veröffentlichungspolitik und die »Ideales de una raza« erschien fortan in der Samstagsausgabe der Zeitung, wobei er allerdings über eine ganze Seite verfügen konnte. Im Januar 1931 schon wurde nun mit der sonntäglichen Sondernummer auch die »Ideales de una raza« aus dem Markt genommen. Urrutia konnte aber die Serie »Armonías« als Teil der ihm zugestandenen Seite der Samstagsausgabe fortsetzen. Insgesamt schätzt Tomás Robaina die Anzahl der Schriften von Urrutia auf ca. 2.000. !6 Der Einfluß Urrutias auf dem mit einer hohen Auflage erscheinende Diario de la Marina und dem die Zusammenarbeit mit Autoren wie Guillén, Juan Marinello, Ramiro Guerra, und Jorge Mañach lassen eine beträchtliche Wirkung auf die Diskussion um die Rassenfrage vermuten. Vergleiche mit den afrikanischen Zeitschriften, die in Paris entstanden, wie L'étudiant noir, Légitime Defense ect. sind daher durchaus angemessen. Waren nun in der Negrismo-Bewegung sowie in der gesamten erzählenden Literatur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts farbige Autoren selten bzw. wurde in der erzählenden Literatur nur mit historischen Darstellungen auf die Lebensbedingungen der Afrokubaner eingegangen, verdient ein Autor wie Urrutia neben Guillén besondere Beachtung. Die Bedeutung der »Ideales de una raza« für Kuba in einem welthistorischen Augenblick, in dem die agysimbischen Kulturen in der alten und neuen Welt und in Afrika neue Beachtung erfuhren, betonte Guillén selbst. »'Los ideales de una raza' nace en el momento de mayor auge del arte y de la cultura negra en el mundo, hecho que se refleja vivamente en Cuba, donde las condiciones históricas de integración social eran muy favorables. No puede considerarse a la página de Urrutia precursora del llamado movimiento negrista, porque forma parte de él. Sin embargo, ella representó un gran paso en la convivencia negriblanca cubana y en la búsqueda de caminos adecuados para fortalecerla.« 17 »Ideales de una raza« als Teil der 'negrismo'-Bewegung also und als Agent des Verständnisses von einer Nation, die sich zwangsweise über ihre rassistischen Bedingtheiten klar werden mußte. Ähnlich wie Plácido, aber auch Morúa Delgado und Guillén, war sich Urrutia bewußt, daß nur eine gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung der unterprivilegierten schwarzen Schichten die gewünschte Integration möglich machen würde. Dabei erkannte Urrutia die afrokubanischen kulturellen Leistungen und deren schon geleistete Integration in die kubanische Gesellschaft an, vermißte aber gleichzeitig eine soziale Gleichheit und stellte eine Marginalisierung der Afrokubaner im ökonomischen Geschehen fest. Es mag nun an der Biographie Urrutias selbst liegen, daß er sich sehr emotional und persönlich in seinem ersten Artikel im Diario an die »comerciantes, amigos míos« wandte, um als Fürsprecher einer
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immer noch unterdrückten Minderheit Sympathie und Verständnis für diese zu fordern: »Yo me propongo dese este sección, dirigirme a esos mismos comerciantes amigos míos, para explicarles nuestros puntos de vista, y a todo el país, sobre estos problemas concretos y otros tantos que a todos, blancos y negros, nos urge resolver conjuntamente y hacer ver adamás cómo pensamos, como siente, como sufre y qué anhela la raza de color de Cuba.« 1 8 Urrutia, mit dem Anspruch, den geistigen und kulturellen Modellen der 'mente colonizada' eine eigenständige Identität entgegenzustellen, kann nun als Vertreter einer kubanischen Variante der 'négritude' gekennzeichnet werden. Seine Suche nach den Wurzeln des afrikanischen Erbes und dessen umfassende Integrierung in den kubanischen Kontext hoben ihn als Theoretiker und Agent der 'négritude' von den Vertretern des Negrismo ab. Die »Ideales de una raza« verstanden sich somit als Medium einer Selbstentdeckung der Afrokubaner, wobei die Situierung innerhalb des kubanischen Kontextes von Urrutia als vordergründig zu lösende Aufgabe betrachtet wurde. Urrutia überwand dabei die 'négritude' ä la Senghor, der vordergründig die kulturellen Aspekte einer Verbrüderung der weißen und schwarzen Rassen propagierte, dabei aber wirtschaftliche und soziale Spannungen gerade in Ländern der afrikanischen Diaspora außer Acht ließ, wodurch sich diese Art von Négritude eher als Bremse für eine echte Gleichberechtigung zwischen Schwarz und Weiß erwies. Urrutia kritisierte in seiner Antwort auf einen Leserbrief von López Bonifacio diese typische Haltung weißer Autoren und enthüllte damit nicht nur die 'Negrismo'-Bewegung in ihren Grundstrukturen als konservativ, sondern kennzeichnete somit vorweg die gesamte Literatur der Demokratie, Diktatur und Revolution bis hin zu dem schwarzen Autor Manuel Granados, der mit seinem ersten Roman Adire y el tiempo roto (1967) als erster farbiger Erzähler, neben Guillén als Lyriker, dem Anspruch Urrutias gerecht wurde. »El negro aparece en toda la literatura costumbrista cubana, pero sólo como personaje, como objeto, como espectáculo. Nuestros autores, blancos y negros, narran al negro como podían narrar un viaje al Africa. El negro en nuestra literatura no es voz, sino eco. Parece que no tiene nada que decir por sí mismo y que hablan por él sus autores tutores artísticos.«'9 Die Folgerung und Forderung, die Urrutia aus diesem Mangel zog, ist die fundamentale Überlegung um eine eigenständigen literarischen Kultur der Afrokubaner und - die Frage nach den Autoren. Er wußte zwar um die rein orale Tradition afrokubanischer Literatur, deren fehlende Sammlung und Archivierung er zu seiner Zeit beklagte und die später Lydia Cabrera, Miguel Bamet, Samuel Feijóo und Rogelio Martínez Furé vornehmen werden, litt aber trotzdem unter dem Mangel an schriftlichen Texten. Wichtig ist daher seine Suche nach Erklärungen über das Fehlen von
155 Texten und Autoren, die nicht nur das afrikanische Erbe bewahren, sondern auch nach einer eigenen zeitgemäßen Ausdrucksform suchen könnten: »El negro cubano, por un motivo histórico-político, no tuvo oportunidad de concentrar, articular y dar expresión a su espíritu de raza ni de aquilatar, velar el tesoro literario que le donara el Africa.« 2 0 Die Folgen, die Urrutia sah, als Konsequenz seiner idealisierenden Darstellung der Ereignisse von 1868 haben nun auch für das moderne Kuba in einer deutlichen Parallele zu den Ansprüchen und Entwicklungen nach 1959 Gültigkeit. »Desde el año 68 al estreno de la República, la prédica igualitaria del hermano blanco y los hechos mismos, mantuvieron un solo ideal cubano para todos los criollos. (...) Excluida radicalmente la cuestión de razas y colores, ¿qué motivo podía tener entonces el negro para recordar su origen africano, para sentir y expresar su arte vernáculo, para tener un alma distinta de la del cubano blanco, quien a su vez tampoco se sentía ligado a su tronco español? La literatura de ambos en esos tiempos era exclusivamente política, separatista, épica y una sola para los dos (...) Se va viendo por qué razón fuerte y primaria no pudo fomentarse en nuestros años heroicos una literatura afrocubana?« 2 1 Urrutia ging romantisch von einer inneren Konditionierung des Negers aus, »Hay un alma interna del negro, delicada y serena que se contempla a si mismo y al mundo con la plácidez humorística de quien ve« 2 2 , die ihn grundsätzlich vom weißen Kubaner unterscheidet und die eine Vertiefung und Neubewertung afrikanischen Bewußtseins innerhalb einer neuen, kubanischen Kultur verlangte. Während Catá die Seele des Negers, als dessen verwurzeltes Streben nach Sex und Bequemlichkeit, diskriminierend darstellt, gewinnt bei Urrutia der Begriff 'alma' eine entgegengesetzte Dimension. Insofern war Urrutia Vertreter einer kubanischen Variante der Négritude, in der er nicht nur die kulturelle Identifikation sondern auch die professionelle Emanzipation einband. Sein Vertrauen in die Zukunft, die eine notwendige Veränderung mit sich bringen würde, zeichneten ihn als treffsicheren Propheten der heutigen sozialistisch-kommunistischen Ordnung des kubanischen Staates aus, in dem aber noch nicht alle Probleme im Sinne Urrutias gelöst sind. »... el mundo continúa evolucionando y el régimen capitalista empieza a desintegrarse como se desmoronaron los anteriores sistemas sociales. El socialismo y el predominio de las masas proletarias parece un hecho más o menos próximo. El final del problema negro se resolverá automáticamente dentro de este régimen nuevo (...) como se resolvieron los problemas previos de la esclavitud y su cultura con el advenimiento de la democracia.« 2 3
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4. Die Integration der Haitianer auf Kuba Die Geschichte der Neger in der kubanischen Literatur kann nicht unabhängig von der Geschichte der haitianischen Arbeitsimmigranten auf der Zuckerinsel gesehen werden, da diese im Kontakt und im Konflikt mit der einheimischen Bevölkerung dazu beitrugen, afrokubanisches Selbstverständnis herauszubilden. Die Präsenz haitianischer schwarzer Arbeitsimmigranten diente auf der letzten Stufe des sozialen Gefüges dazu, das Selbstwertgefühl der diskriminierten kubanischen Neger abzusichern, da diese sich den Haitianern überlegen fühlten und diese ihrerseits diskriminierten. Die Situation der haitianischen Einwanderer oder Saisonarbeiter war somit vergleichbar mit der Situation der Neger in Ecuador und ähnlichen Staaten, in denen die Schwarzen als Minoritäten nicht nur unter der Isolation der weißen Kreolen litten, sondern auch von der indianischen Urbevölkerung zurückgewiesen wurden, was schon im Titel des Romans von Adalberto Ortiz (Ecuador) Juyungo (1943) zum Ausdruck gebracht wird, da dies in der Sprache der Cayapas Indianer soviel wie 'Nigger' bedeutet. Die Kubaner haitianischer Abstammung manifestierten sich aber trotzdem im kubanischen Selbstbewußtsein, und zwar nicht nur in der Folklore der Karwoche im Osten der Insel, sondern sie haben auch ihre Spuren in der Literatur hinterlassen, wobei sie allerdings durchwegs schlecht dargestellt und beurteilt werden. Die Geschichte der Haitianer auf Kuba läßt sich in zwei voneinander deutlich zu unterscheidende Phasen einteilen. Es wird von dem 'modernen' Phänomen der haitianischen Saisonarbeiter auf Kuba zu sprechen sein, die ab Ende des 19. Jahrhunderts bis 1933 regelmäßig zur Zeit der Zuckerrohrernten nach Kuba kamen und nur zum Teil wieder nach Haiti zurückkehrten. Zu dieser Gruppe gehörten ebenfalls die 'Leih'arbeiter aus Jamaica, die unverständlicherweise noch sehr viel weniger Spuren in der kubanischen Literatur hinterließen als die Haitianer, nämlich unserer Kenntnis nach fast keine. Die Ausbeutung der haitianischen Arbeiter auf den kubanischen Zukkerrohrfeldem prägte deren politisches Bewußtsein, was zu einem der bekanntesten haitianischen Romane des 20. Jahrhunderts führte, nämlich zu Jacques Roumains Gouverneurs de la rosée (1944). Ähnlich wie Roumain beschreibt Jacques Stephen Alexis in Compère Général Soleil (1955) die Arbeitskämpfe und deren brutale Unterdrückung auf Kuba, die bei vielen Protagonisten zu einem politischen Engagement auf Haiti selbst führte. Doch wichtiger für das heutige Selbstverständnis der kubanischen Transkulturationsgeschichte scheint die haitianische Zuwanderung zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu sein, die durch die Negerrevolte auf San Domingo ausgelöst wurde. Die blutigen Befreiungskämpfe, die seit den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts auf Haiti tobten und die Heinrich von Kleist in seiner Erzählung »Die Verlobung von Sto. Domingo« (1811) packend beschreibt und auf die Hans Christoph Buch in Die Scheidung von San Domingo Bezug nimmt, führten 1804 mit der Krönung von Dessalines zur vollständigen Unabhängigkeit Haitis, 1824 von Frankreich endlich anerkannt, was eine
157 Massenflucht haitianischer Pflanzer zur Folge hatte. Wie Alain Yacou deutlich macht 2 4 , erreichten die haitianischen Kreolen Kuba in mehreren Wellen, in Abhängigkeit von dem Kriegsgeschehen auf der Nachbarinsel. »Hay un incremento demográfico como resultado de la inmigración masiva que llega a Cuba huyendo de los conmociones revolucionarias de Haiti.«25 Den haitianischen Einwanderern vor allem war der Aufschwung der Zuckerindustrie und der Aufbau der Kaffeepflanzungen zu verdanken, so daß sich innerhalb kurzer Zeit ein ökonomisch beachtenswertes Bürgertum im Osten der Insel bilden konnte, aus deren Mitte auch der Autor und Politiker Emilio Bacardi Moreau hervorging. Die französischen Pflanzer beeinflußten mit ihrem technischen Wissen nicht nur die kubanische Wirtschaft und hatten entscheidenden Anteil an der ersten 'danza de milliones' 1790-182026, sondern kamen auf Kuba auch mit ihren Sklaven an, indem es ihnen gelang, neben einzelnen Hausbediensteten, so wie Solimán in El reino de este mundo (1949), ganze Sklavenhaltungen nach Kuba zu bringen. A. Carpentier stellt das soziale Klima und die Ankunft der flüchtigen Pflanzer in dem Kapitel 'Santiago de Cuba' des erwähnten Romans sehr anschaulich dar. Nach der ersten haitianisch-afrikanischen Immigration, an der trotz des Verbots der Auswanderung auch eine größere Anzahl freier Mulatten beteiligt war, fanden sich die kreolisch-französisch sprechenden Neger von den kubanischen Farbigen isoliert. So konnten oder mußten sie innerhalb der Diaspora auf Kuba eine kulturelle Eigenständigkeit bewahren, die sich auch im aktuellen Kuba von heute noch manifestiert. Die haitianischen Schwarzen und deren Abkommen, die sich selbst als 'franceses' verstanden, banden ihre Identität an die Tänze und Vereinigung der 'tumba francesa' 2 7 , an die kreolische Sprache, als 'patois' bezeichnet, die heute noch in isolierten Gemeinden der Sierra Maestra gesprochen wird, und an die religiöse Praxis des Voudou, der sich in Ausdruck und Ausübung deutlich von der kubanischen Santería unterscheidet. Wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts somit die gesellschaftliche Basis für die Existenz haitianisch stämmiger Kulturen geschaffen, entstand mit dem Aufblühen der Zuckerindustrie nach 1880 die ökonomische Voraussetzung für die zweite intensive Immigration von Haitianern. Die Jahre nach 1880 waren von einem zunehmenden Arbeitskampf belastet, dem die befreiten Sklaven zunächst orientierungslos gegenüberstanden, und von einem Kampf um Unabhängigkeit (1895-1898), dem die Republik ab 1902 mit einem massiven Einströmen nordamerikanischen Kapitals folgte, was ein zunächst sprunghaftes und dann stetiges Anwachsen der kubanischen Rohrzuckerproduktion von 1900 mit 5,85 % und 1903 schon mit 15,17 % des Weltmarktes zur Folge hatte. Im Jahr der Weltwirtschaftskrise 1929 wird der Anteil auf 30,94 % gestiegen sein, um 1932 wieder auf rund die Hälfte, d.h. 15 % zu sinken.28 Die Zahlen sind insofern wichtig, da sich an ihnen der Umfang der Immigration nicht nur schwarzer Fremdarbeiter spiegelt. Es waren auch die Jahre der massivsten Ausbeutung der Rohrzuckerarbeiter, was zunächst zu dem Roman von Alejo Carpentier Ecué-Yamba-O und dann auch zur
158 politisch-sozialen Strömung innerhalb des Negrismus mit Nicolás Guillén führen soll. Die antillanischen Fremdarbeiter waren zwar notwendig, aber deren Anwesenheit schürte weiterhin das seit 1912 offensichtliche Mißtrauen der weißen Bürgerschichten gegenüber den Farbigen, was in dem polemischen und unter einem Pseudonym verfaßten Artikel »El peligro negro«, in La Prensa vom 25. März 1916 zum Ausdruck gebracht wurde. O p f e r der rassistischen Politik waren insbesondere die Immigranten aus Haiti und Jamaica. Es ist daher nicht verwunderlich, daß nach 1912 die Zuwanderung schwarzer Fremdarbeiter nach Kuba verboten wurde. Stattdessen fand eine bedeutende Immigrationsbewegung weißer, zumeist europäischer Emigranten statt, was Miguel Barnet am Schicksal des Protagonisten seines Romans Gallego (1981) beispielhaft nachvollzieht. Da die kubanischen Einwanderungsgesetze sich ab 1899 an den Immigrationsbestimmungen der USA orientierten, konnte mit dem zunehmenden Zuckerrohrertrag im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts die United Fruit C o m p a n y erfolgreich darauf drängen, daß die Einwanderungspolitik der kubanischen Regierung zugunsten der Zuckerwirtschaft geändert wurde. So kam es neben dem Zuzug von galicischen und kanarischen Arbeitern, trotz des bestehenden Verbots, zu einer heimlichen Immigration haitianischer, jamaicanischer und chinesischer Emtearbeiter, die spätestens im Jahre 1913 als Antillaner in den Statistiken auftaucht e n . 2 9 Erst im Weltkriegsjahr 1917 - Kuba war einer der wenigen Zuckerlieferanten der kriegsführenden Mächte - wurden auf Betreiben der 'Asociación de Hacendados para el Fomento de Inmigración' die Einwanderungsbestimmungen e m e u t geändert, so daß von diesem Zeitpunkt ab massiv Arbeitskräfte aus Haiti und Jamaica nach Kuba k o m m e n konnten, wobei im Zeitraum von 1921 bis 1925 mindesten 90.274 Schwarze Kuba betraten, davon 63.973 aus Haiti und 31.212 aus Jamaica.30 Da nicht alle Zuwanderer auf Kuba blieben, erklärt .eine bewegte innerkaribische Migration vielleicht auch die unwahrscheinlich hohe Zahl von über 550.000 Arbeitsimmigranten aus Haiti 3 1 , die in den Jahren zwischen 1923 und 1933 in den Ostteil der Insel kamen und dort ihre kulturellen Spuren hinterließen. Dies könnte unter Umständen auch erklären, warum die Haitianer eine bescheidene A u f n a h m e in die kubanische Literatur fanden, die Jamaicaner dagegen unbeachtet blieben. Jedenfalls führte die sich schon 1925 abzeichnende Baisse auf dem Weltzuckermarkt zu einem Einwände rungsstop, der nach dem Krisenjahr von 1929 und der Revolution von 1933 durch die neue Regierung zugunsten arbeitssuchender Kubaner verschärft wurde. Die Folge war eine umfangreiche Repatriierung weißer und schwarzer Arbeitsimmigranten, die auf Kuba ansässig waren. Von 179.000 nichtkubanischen Farbigen verließen bis 1943 109.000 die Insel, während die Zahl der staatsfremden Weißen von 671.000 auf 141.000 in dem selben Zeitraum sank. Die verbleibenden ausländischen Farbigen wurden in den östlichen Provinzen, d.h. Camaguey und Oriente angesiedelt32, so daß die Zahl von 32 % Schwarzen, die 1907 für ganz Kuba gezählt worden waren, in der Provinz Oriente langsam auf 47 % bis zum Jahre 1953 anstieg. Es war A. Carpentier, der mit seinem Erstlingswerk Ecué-Yamba-O
(1927/33) auf
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die Lebensbedingungen der schwarzen Landarbeiter und Zuckerrohrschneider einging und der damit auch der erste war, der nach den abolitionistischen Autoren des 19. Jahrhunderts die zeitgenössischen Afrokubaner in ihren sozialen Kontexten wahrnahm. Während die Existenz der Haitianer in der kubanischen Literatur zunehmend verblaßte, schrieben die eingangs erwähnten Autoren Jacques Roumain, Stephen Alexis und Maurice Casseus die Geschichte der zurückgekehrten Arbeitsemigranten weiter. Carpentier seinerseits erwähnt die Haitianer und Jamaicaner nur als Teil des sozialen Kontextes, in dem er die Romanhandlung ansiedelt, ohne stärker auf deren Realität einzugehen. Die sozialen und wirtschaftlichen Spannungen, denen sich die Afroantillaner auf Kuba in den 'fetten' Jahren vor der Krise von 1929 und danach ausgesetzt sahen, trugen nicht nur zum Entstehen von Ecue-Yamba-0 bei, sondern beeinflußten auch viele Negrismoautoren.
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VII. Afrokuba und die Revolution
1. Revolution und Religion im Widerspruch Es war der Kubaner Alejo Carpentier, der 1949 in Fortsetzung des 'negrismo' und 'indigenismo' das Phänomen des 'real maravilloso' erkannte und Literatur als Medium eines lateinamerikanischen Wirklichkeitserlebens verstand, mit der es möglich war, 'extra-okzidentales' Bewußtsein einem 'okzidentalen' Publikum zu erschließen. Carpentier stützte sich mit seiner Erkenntnis auf die Präsenz außereuropäischer Volksschichten, wobei er als 'karibischer' Autor engeren Kontakt zu Afrokariben hatte und über diese Umgang mit Wirklichkeit erfahren konnte, wie es ihn spätestens seit der industriellen Revolution in Europa nicht mehr gab. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, inwieweit die Erkenntnis des 'real maravilloso' aus sich heraus geboren wurde und inwieweit sie dem Verlangen nach 'evasión' des lange Zeit in Europa lebenden Carpentier entsprang, der einem Weltkriegs- und zivilisationsmüden Publikum damit kreative und phantastische Fluchtmöglichkeiten aus dem Alltag bot, was in einem offiziellen Reiseführer der Regierung von Kenia für Afrika als 'unterschwelliger Kitzel des Geheimnisvollen' angepriesen wird. 1 Da aber an einem extraokzidentalen Welterleben bestimmter Schichten Lateinamerikas auch von unserem Standpunkt aus nicht gezweifelt wird, unabhängig von der 'europäischen' Rezeption eines Stoffes, aus dem auch Träume sein können, bleibt nun zu überprüfen, inwieweit ein geändertes Wirklichkeitsbewußtsein im afrokubanischen Kontext die Herstellung und Rezeption von 'phantastischer' Literatur mitbedingt, fördert, beeinflußt oder behindert. Die Gedanken müssen sich dabei auf den Raum beziehen, in dem sich gemischtkulturelle Gesellschaften befinden, wobei, gemäß der Natur der vorliegenden Arbeit, Kuba im Mittelpunkt steht. Kuba selbst nimmt in der Geschichte des 'real maravilloso' einen gesonderten Platz ein. Obwohl der ruso-franco-kubanische Autor Carpentier das Konzept des 'real maravilloso' theoretisch umreißt, in Ecué-Yamba-0 andeutet und später literarisch gestaltet, bleibt er unserer Kenntnis nach der einzige kubanische Autor, der das 'real maravilloso' als Welterleben in sein Werk integriert. Alle anderen kubanischen Autoren, die sich mit der Bevölkerungsschicht auseinandersetzten, die in einem 'extraokzidentalen Bewußtsein' die kubanische Welt erlebt, vermitteln weder vor noch nach der Revolution die Dimensionen eines extraokzidentalen Welterlebens. Selbst Carpentier sucht die Protagonisten seines 'real maravilloso' im außerkubanischen Raum. Mit der Ausnahme der Kurzgeschichte 'El otro
161 cayo' von Lino Novâs Calvo bleibt Kuba sowohl in Bezug auf Autoren als auch auf literarische Figuren überraschend abstinent, und das, obwohl die Zahl praktizierender Adepten afrokubanischer Glaubensformen auf Kuba nach 1959 ständig zugenommen hat. Bevor die Untersuchung für Kuba weitergeführt wird, ist es lohnend, einen Blick auf die schwarzen Autoren zu werfen, die aus der afrikanischen Religionen anhängenden Bevölkerungsschicht der Karibik und Lateinamerikas selbst kommen. Mit der Ausnahme von Simone Schwarz-Barts Ti-Jean. L'horizon übermittelt keiner der bekannten farbigen Autoren, z.B. Adalberto Ortiz (Ecuador), Manuel Zapata Olivella (Kolumbien), Amaldo Palacios (Kolumbien), Jorge Arte! (Kolumbien), Nicomedes Santa-Cruz (Peru), J. Roumain, R. Brival, J. Alexis (Haiti), das Konzept eines extraokzidentalen Welterlebens, so daß sich ein religiös-kulturelles Weltverständnis, wie es Carpentier erfaßt und episch formuliert, in erster Linie ein 'okzidentales' Konzept ist. Dies entspräche im ungefähren der Aussage des Dichters, Schriftstellers und Religionswissenschaftlers Okot p ' Bitek (Nairobi). »Bei uns in Afrika gibt es keine Animisten. Diese Geister geistern bloß in den Köpfen der europäischen Wissenschaftler herum.« 2 Wenn sich Okot p' Bitek auch an dem europäischen Konzept des Animismus stört, könnte er natürlich ein 'kosmologisches Kommunikationssystem' in Afrika nicht leugnen, wie es ähnlich in Lateinamerika feststellbar ist. Hier wie dort wollen sich die Menschen in die Umwelt integrieren, und sie mit einer kosmologischen Einsicht begreifen. Ihre Mythen, Sagen, Legenden, Fabeln und Märchen kreisen um die Beziehung des Mit- und Untereinanders. Der Mensch stellt sich neben Tiere und Pflanzen, wobei er sich natürlich auch der Magie, dynamistischer Ansätze, animistischer und fetischistischer Praktiken bedient. Viele Autoren, die über diese letzteren in die afroamerikanischen Lebens- und Glaubenskonzepte eindringen wollen, gelangen zu einem naiv verstandenen Konzept eines »magischen Machtverhältnisses« zwischen Mensch und Natur. Diese naive Annäherung, die sich teilweise in der von Carpentier vorgelegten Variante des 'real maravilloso' widerspiegelt, wird den Afroamerikanern und deren afrikanischem Erbe nicht in vollem Umfang gerecht. Diese sind sich nicht nur der mythischen, sondern auch realen Machtbeziehungen und -Verhältnisse sehr wohl bewußt. Land ist kein Fluidum für sie; es ist sozial und politisch, wie es sich gerade in Jacques Roumains Gouverneurs de la Rosée und Ortiz' Juyungo zeigt. Auf der anderen Seite ist es genausowenig gerechtfertigt, den schwarzen Landromanen der karibischen 'Négritude' eine nur politische Absicht zu unterstellen, ohne bedenken zu wollen, daß auch die Afrikaner schon vor der Sklaverei die vom Leben mit der Erde geforderten sozialen Strukturen und zur Bearbeitung nötigen Methoden entwickelt hatten. Allerdings ist für Kuba kein einziger Landroman nachzuweisen, der auf die wunderbar wirkliche und soziale Beziehung der Bewohner zu dem Land hinwies.
162 Ecué-Yamba-O mag als Ausnahme genannt werden, da Carpentier zumindest ansatzweise auf die Beziehung der Afrokubaner zur Erde hinweist, ohne allerdings die Hintergründe deutlich darstellen zu können, wenn er sie auch erwähnt. Im Gegensatz dazu integrieren vor allem Márquez und Asturias die Beziehung Natur-Mensch in weit profunderer Weise in ihre Romane, so daß deren 'real maravilloso' globaler und damit auch lateinamerikanischer erscheint als der Carpentiers. Die farbigen Autoren Kubas und Lateinamerikas verzichten, soweit bekannt, größtenteils auf die Darstellung jenes für europäische Leser so exotischen und pittoresken Aspektes ihres Welterlebens und widmen sich hauptsächlich sozialen und politischen Fragen, die sie in ihren Texten provozierend aufwerfen, diskutieren und lösen. Daß Carpentier rund zwanzig Jahre nach der Verfertigung von Ecué-Yamba-O die magisch-zyklisch-mystische Dimension eines wunderbar wirkenden Erlebens auf Haiti erahnt, mag historisch bedingt sein, was folgende These erhellen kann. Wie A. Imfeid deutlich macht, sind die schwarzafrikanischen Religionen als Bestandteil eines kosmologischen Verstehens der Welt land- und ortsgebunden, so daß die Erde im Zentrum jeder religiösen und auch kulturellen Manifestation stand. Das führt ihn zur Vermutung, daß die Ethnologie, wäre sie von Afrikanern begründet worden, an den Ausgangspunkt das Land und nicht - wie bei den westlichen Forschern - die Familie stellen würde. Der Boden ist die Grundlage der Fruchtbarkeit. Land, Boden, Materie oder Körper sind der Schoß, in dem der Samen wächst, was nicht nur in zahlreichen neoafrikanischen Romanen zu dem Vergleich der Frau mit dem unbestellten Land und damit zu einem Aspekt des Machismo führt. Die geographische Entwurzelung der versklavten Afrikaner bedrohte somit im höchstem Maße ein Glaubenskonzept, das sie auf den Zuckerrohrplantagen in der gewohnten Form kaum realisieren konnten, da zudem die Monokulturen eine neue Form im Umgang mit der Natur forderten. Was Jomo Kenyatta, der spätere Präsident Kenias über seinen Stamm, den Gikuyos, aussagte, kann in ähnlicher Weise von den Negern Westafrikas angenommen werden, die weniger den Bodenkult als den Ahnenkult in der Versklavung pflegen konnten: »Religion ist eine Dramatisierung des Glaubens, und der Glaube ist die soziale Erfahrung jener Dinge, die im menschlichen Leben entscheidend sind. Im Leben der Gikuyo ist der Boden so eindeutig die Mutter aller beseelten Dinge, und die Generationen sind so eng miteinander verbunden durch ihre gemeinsame Teilhabe am Land, daß das Landbauritual und die Vermehrung von Ahnengeistem natürlicherweise den wichtigsten Teil im religiösen Zeremoniell spielen müssen. «3 Menegildo, der Held aus Ecué-Yamba-O, verläßt wie so viele andere das Land und zieht in die Stadt, welche über die 'cabildos', den 'logias' der Santería und den ñáñigo-Gruppen eine 'städtische' Variante afrikanischer Glaubensformen entstehen läßt. Es bleiben daher nur wenige Reminiszensen des afrikanischen Naturbezuges in
163 der Literatur Kubas sichtbar, so z.B. in einem Roman des einzig farbigen nachrevolutionären Autors, nämlich in Adire von Manuel Granados. Granados stellt den alten, weisen Neger Damián dar, der in einem Erdloch lebt und, nachdem er Julian, dem Protagonisten, Entscheidendes über seinen Bezug zu Afrika gesagt hat, spurlos in der Natur verschwindet. Auf Haiti dagegen konnte 1804 schon nach der geglückten 'schwarzen' Revolution eine Inbesitznahme der Erde stattfinden, wie es trotz Sklavenbefreiung in den anderen lateinamerikanischen Ländern nicht möglich war. Es ergibt sich nun die Frage, ob damit den haitianischen Schwarzen eine Restauration ursprünglicherer, erd- und landgebundener Religiosität möglich war, die Carpentier bei seinem Aufenthalt auf Haiti über die Natur und den Festungsbau erahnte und in seinen Roman El reino de este mundo integrierte. Weil Carpentier anhand Ti-Noels die eigene und originelle Leistung der Afroamerikaner in Bezug auf die sie umgebende Natur, die sie gestalteten, indem sie Kräfte neutralisierten, befriedeten und verstärkten, unterschätzt, gelingt es ihm, nur einen Aspekt, nämlich den magischen ihrer Existenz, zu fassen und literarisch zu gestalten. Das mag auch der Ausgangspunkt des Vorwurfs von Horst Rogman sein, der den Vertretern des 'real maravilloso' rassistische Hintergedanken vorwirft. Der von Carpentier beschriebene legendäre Tod Mackandals, aber auch der Tod Ti-Noels, der von einer Reihe von Träumen vorbereitet wird, scheint sich an dem Phänomen der Träume zu orientieren, wie es Edward Tylor in seinem zweibändigen Standardwerk Primitive Culture (New York, 1871) vorführte. Tylor vermutete - im Einklang mit anderen Forschern seiner Zeit - daß Träume für den 'Primitiven' Realität und daher die 'andere Seite' des Körpers waren. Wie Ti-Noel es scheinbar nachvollzieht, existierte für den Primitiven nicht nur die körperliche und materielle Wirklichkeit; in seiner Vorstellungswelt gab es ein seelisch-geistiges Pendant. Im Unterschied zu dem von den weißen Autoren geschilderten Märtyrertod ihrer schwarzen Helden erleben Mackandal, vor allem Ti-Noel aus einer entfremdenden Distanz, den eigenen Tode, was für Tylor gleichbedeutend mit dem Aufgehen der Seele in einem anderen Wesen ist und damit die Wiederherstellung einer Harmonie, die durch die Versklavung und Entfremdung des Bodens gestört wurde. Um die Dimension jenes Welterlebens in den Zentren afroamerikanischer Glaubenspraktiken, nämlich Kuba (Santería), Haiti (Voudou) und Brasilien (Candomblé) zu verstehen, mag die folgende Darstellung der Anthropologin Rita Peterli behilflich sein. Auch wenn sie sich auf die traditionellen afrikanischen Gesellschaften bezieht, hat ihre Beobachtung in fast vollem Umfang auch Gültigkeit für die afroamerikanischen Kontexte. So schreibt sie: Religion »... bestimmt als wesentlicher Bestandteil der Kultur das gesamte gesellschaftliche Leben. Der Mensch ist zwar dem Wirken der Naturgewalten ausgeliefert, aber er kennt dafür Erklärungen aus dem Mythen- und Legendenschatz seines Stammes. Der übernatürliche Bereich, in dem das nicht verstehbare Geschehen
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von Gott, Geistern und Ahnen bestimmt, gelenkt und kontrolliert wird, ist allgegenwärtig. Er ergänzt fugenlos die überschaubare Welt. Aus der Übernatur strömt die Lebenskraft von mythischen Ahnherren und Kulturbringem über die Generationen der Vorfahren auf die jetzt Lebenden. Nur wenn die Beziehungen zu den Wesen des unsichtbaren Weltbereiters intakt sind, kann der Lebensstrom ungehindert fließen und das Wohlergehen der Gesellschaft bewirken. Besonders begabte, ausgebildete und eingeweihte Individuen (wie Medizinmänner, Priester oder Priesterinnen und Geistesmedien) können den direkten Kontakt mit der übernatürlichen Welt entweder allein oder im Rahmen von Zeremonien und Tänzen aufnehmen. Da Diesseits und Jenseits von der einen, gleichen, nurr.inosen Kraft durchströmt werden, können durch magische Handlungen, durch genau festgelegte, überlieferte Riten die unsichtbaren Mächte beschworen und beeinflußt werden. 'Fortschritt' innerhalb dieses Systems heißt Perfektionierung der Beziehungen zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen Lebenden, Toten und den noch nicht Geborenen.« 4 Während die Gemälde von Manuel Mendive von dieser 'numinosen Kraft' durchströmt werden und sie in ästhetisch gelungener Weise die Dimension afrokubanischen Religionsbewußtseins widerspiegeln, fehlt in der neuen kubanischen Literatur jener Reflex völlig - und wird auch auf Kuba nicht zu erwarten sein. Wenn Fure von einem widerspruchslosen Nebeneinander zwischen afrokubanischer Glaubers- und damit auch Lebenspraxis neben einem realen Sozialismus spricht, überspielt e' damit eine der globalen inneren sozialen Spannungen der kubanischen Revolutior. - was eben an der Diskussion um den 'real maravilloso' deutlich gemacht werden kann. Der 'real maravilloso' lebt - auch literarisch - von einer ungestörten Verbindung von Diesseits und Jenseits, von einem geschlossenen Weltbild, das Mensch, Natur und Übernatur erfaßt, woraus es seine große Anziehungskraft nicht nur für die weitlichen Leser schöpft, die unter dem Zusammenbruch dieser Ureinheit leiden. Die Darstellung der wunderbaren Wirklichkeit, die auf diese Ureinheit idealisierend Bezug nimmt, kann kulturstabilisierend wirken und ist somit in ihrem Kem politisch jnd sozial konservativ. Damit gerät sie automatisch in Widerspruch zu dem material stischwissenschaftlichen Weltbild der kubanischen Revolution, die formal-ästhetiich auf die Existenz afrokubanischer religiöser Riten eingeht und durch die P r o f a n i e r u n g der Bestandteile jener Riten den Übergang von einem sakralen zu einem säLularen Weltverständnis fordert, und den Übergang von der magischen Einheit zur ratonalen Differenzierung und Gespaltenheit einleitet. Die in der Folge dargestellten Erzählungen sollen nun die Genese der in Ansätzen noch als religiös verstandenen Ecistenz der Afrokubaner bis hin zu dem neueren, rein politisch angelegten Verhalten Lterarischer Figuren nachvollziehen.
Lèi 2. Die Dimension afrikanischer Religion Trotz der nachgewiesenen aktuellen afrokubanischen Religosität 5 ist es verwunderlich, wie wenig die neueren Romane afrokubanischen Bezugs von eben diesem animistischen Glaubenskonzepten durchdrungen sind, ebenso wie die seltene Bezugnahme auf die Afroamerikaner in der lateinamerikanischen Literatur schon zu Beginn der siebziger Jahre der Forschung aufgefallen ist. González de Mendoza, auf Carpentier hinweisend, schreibt dazu: »Unter den hispano-amerikanischen Romanen der letzten 20 Jahre, die übernationalen Ruhm erlangten, gibt es überraschenderweise wenige, die das Problem der Situation des Afroamerikaners in den nationalen lateinamerikanischen Gesellschaften behandeln. ... In den Ländern schließlich, in denen sowohl die Romanproduktion, als auch die schwarze Bevölkerung bedeutend sind, wie in Kuba und Kolumbien, haben die besten Romanschriftsteller das Thema Neger entweder nicht ausdrücklich berührt oder aber, wenn sie es berührt haben, dann in einer historischen Perspektive des magischen Realimus, beides wenig geeignete Ansätze, um die gegenwärtigen Rassenprobleme und Konflikte in diesen Ländern widerzuspiegeln. «6 Es stellt sich daher die Frage, ob dieses Schweigen entweder einer Unkenntnis oder einer Tabuisierung gehorcht, die dem Publikum den tatsächlichen Umfang und die Qualität afroamerikanischer Transkulturation vorenthält. Die Darstellung der Afrokubaner auf das magische Umwelterleben beschränken zu wollen, unter Ausklammerung der sozialen und politischen Kontexte, entspricht einer parteiischen Behandlung kubanischer Realität. Demzufolge kann das Schweigen nicht allgemein sein, insbesondere, da eine große Anzahl von Studien zur Verfügung stehen, die über die Dimension kubanischer Transkulturationsprozesse Auskunft geben. Gerade die Phänomene afrokubanischer Religiosität ermöglichten es vielen Autoren, in den Bereich der Fremdheit und Attraktion einzudringen, ohne allerdings der ethnisch anderen Gruppe auch wirklich näher zu kommen. Alejo Carpentier ist der erste, der in der Prosaliteratur den Versuch unternahm, die Dimension afrikanischer Religiosität auf Kuba auszuloten. Trotz packender und pittoresker Beschreibungen von Santeriakulturen und Santeriariten blieb er, wie schon erwähnt, an der phänotypischen Oberfläche der Ereignisse und Darstellungen, ohne in die Tiefe echten Verstehens vordringen zu können. 7 Im Jahr 1936 wagte der Autor José Antonio Ramós in seinem Roman Caniqui den Schritt von dem Yorubá-Orakel 'Ifá', auf Kuba heute noch praktiziert, zu einer schriftlichen Fassung dieser afrokubanischer Wirklichkeitsbewältigung. Aus der Spannung zwischen der überlieferten Geschichte und des dem Orakel eigenen Mythos schöpfte der Autor den handlungsauslösenden Konflikt, angelegt in dem jungen Sklaven mit der kennzeichnenden doppelten Identität: Filomeno rufen ihn die weißen
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Herren und Caniquí die mitleidenden Sklaven. Ähnlich wie in Ramón Senders El Rey y la Reina (1948) verletzt Caniquí ein Tabu: zufällig sieht er seine Herrin nackt, worauf er einen afrikanischen alten Weisen aufsucht, taita José Maria: »El taita no le disimuló su desconsuelo. El negro que hacía lo que el había hecho, estaba perdido ... Mujer blanca desnuda, hasta en sueños, era la perdición para un esclavo ... el taita refirió a Filomeno la trágica historia del negro espirituano José Gabriel Trelles, cuyo cadáver había quedado colgando de la horca,a la salida del pueblo, hasta que las tinosas se lo comieron poco a poco ... Pués José Gabriel víctima de algún embó (daño), había visto también a Felipa Castáneda 'yuná' ... los caracoles confirmaron el presagio.«8 Ist im Ifá-Orakel die Zukunft eine Projektion der Vergangenheit, so schließt sich im Roman dieser Kreis nach Ansicht des afrikanischen Alten; das vorhergehende Ereignis, der Tod José Gabriel Trelles, bestimmt den Ausgang eines ähnlichen, folgenden Vorganges, nämlich das Schicksal Caniquis. Die Geschichte, die José Maria erzählt, spielt sich nicht in einem afrikanischen Kontext ab, sondern in dem selben geographischen und sozialen Umfeld, dem Caniquí ausgeliefert ist, so daß eine neue Einheit von Geschichte und Mythos entsteht^: »En el contexto narrativo, como en el socio religioso, historia y mito se cubanizan.«io Im Gegensatz zu den unveränderlichen Prophezeihungen, die in der griechischen Tragödie den tragischen Konflikt heraufbeschwören, versuchen die rituellen Normen des Ifá-Orakels, das Gleichgewicht zwischen dem menschlichen Wesen und seiner Umwelt wieder herzustellen, so daß, obgleich Vergangenes die Zukunft bestimmt, diese Zukunft nicht notwendigerweise unveränderbar bleibt. Das Opfer eines Fluches hat immer die Möglichkeit, diesem entgegenzuwirken, das heißt die kosmische, soziale und psychische Harmonie wieder herzustellen, die dem Betroffenen geraubt oder zerstört worden ist. In dem Spiel zwischen Unsicherheit und Gewißheit enthüllt das Ifá-Orakel die Möglichkeiten und Wege des Menschen angesichts seines Schicksals. Aus diesem Grund gibt der alte José Maria, auch wenn in Caniquí die Muscheln ein für den Protagonisten fatales Ende voraussagten, Hinweise, damit Filomeno Einfluß auf seine Zukunft nehmen kann. »Debía apoderarse de una prenda interior de la niña Maricelí; hacer una tira de trapo con ella, una tira de cinco nudos, poniendo un grano de maíz en cada nudo. Esa tira tenía que llevarla atada a la cintura durante siete días. Y cuidarse en todo ese tiempo de cualquier pensamiento o acto pecaminoso. A los siete días debía volver a ver al taita, llevándole una gallina blanca, una cazuela de barro y cinco clavos. Los clavos tenía que llevarlos también los siete días, pegados a la cama. Podiá hacer un cinturón y llevarlo debajo de lo otros.« (C, S. 166) Aus der Perspektive des Orakels heraus muß jeder Mensch, bevor er eine wichtige Entscheidung trifft, den Babalao konsultieren, der als Medium direkt die Analysen
167 und Anweisungen der Götter an den Ratsuchenden weitergibt, da Menschen von ihrer Geburt an ein Teil der kosmischen Spannung sind, deren Veränderungen mit den Zügen eines Schachspiels verglichen werden können. Das Ifá-Orakel hilft nun, die Züge und veränderten Positionen der Figuren zu erkennen, womit sich auch für den Menschen neue Spannungen, Möglichkeiten und Wege ergeben. Innerhalb einer transkulturellen alten und der aktuellen neuen Wirklichkeit Kubas kann man nun auch die Notwendigkeit einer Vorsorge gegen negative Kräfte und Einflüsse auf das tägliche Leben erklären, die häufige Besuche bei den Santeria-Priestem, den Babalaos und Santeros vermuten lassen und notwendig machen. Vielleicht führt es nicht zu weit, anzunehmen, daß politisch-soziale Veränderungen in einem solchen Ausmaße, wie sie die Revolution von 1959 herbeigeführt hat, in besonders hohem Maße den Bedarf an Hilfestellungen durch die Babalaos bedingt haben und bedingen, was auch durch den überaus starken Zulauf zu den 'Logias' bestätigt wird. 11 Nun ist aber die Bezugnahme auf das Ifá-Orakel als wesentlicher Bestandteil einer Realitätsgestaltung der Lucumi oder Yorubá und einer transkulturierten Bevölkerungsschicht in der kubanischen Literatur sehr selten und wenn, nur versteckt, anzutreffen, wie in Manuel Granados Adiré y el tiempo roto (1967). Hier ist es der alte haitianische Neger Damián, der scheinbar ohne Vergangenheit als die zeitlose Verkörperung afrikanischer Geschichte und Mystik dargestellt wird, »tenia el carácter místico ... en su saber está el conocimiento de las Antillas y costas del golfo« (A, S. 112). Manuel Granados schildert Damián zunächst in der Rolle des beratenden und metaphysischen Alten, womit dieser in der Funktion eines Babalaos erscheint, aber auch dem weisen Derwisch in Voltairs »Candide« nicht unähnlich ist. In der Gestalt des Damián sind somit Aspekte jener Vision von der 'kosmischen Rasse', wie Vasconcelos sie entwarf, angelegt, denn er repräsentiert die Synthese von kosmischer Zeit und Erfahrung, die man auch im literarischen Konzept des lateinamerikanischen 'real maravilloso' zu fassen versucht. »No saben que soy exactamente el tiempo« (A, S. 117). Obwohl Granados auf Strukturen der animistischen Religionen in der Gestalt des Damian zurückgreift und dieser das Ende der Batista-Diktatur als Teil eines biblisch-kosmischen Kreislaufes prophezeit: »... de las cenizas, de ese estallar de candelas no se salvará el más pequeño palmo de tierra; pasará el fuego y después del diluvio ardiente comenzará la reconstrucción« (A, S. 162). Noch bevor der Bewußtwerdungsprozeß des Protagonisten Julián beginnt, will Granados die Glaubenspraxis der Santeriakulte von innen her erschüttern. Gerade Damián, der das Wissen, Verhalten und Erscheinen eines Babalaos besitzt, erteilt der Santería eine Absage und rückt mit seiner pragmatischen Lebensauffassung in die Nähe der Ideologie des Helden aus J. Roumains Gouverneurs de la Rosée (1944). »... quiero la libertad, la de estar muerto, lo demás, es un mito. El poder de los orishas, el infierno de las calderas de aceite, boberías. Hay que estar condicionado
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y avanzar poco a poco a la velocidad que permitan las circunstancias, y lo demás, tonterías, destellos de fuego artificial, impotencia, incapacidad para existir. Es así, será así hasta que llegue el tiempo, el verdadero tiempo en que el hombre olvide: cuando esto ocurra, respirará y vivirá en paz.« (A, S. 139) Nicht ohne Zufall ist Damián haitianischen Ursprungs und reflektiert Aspekte einer 'négritude', die in der metaphysisch angekündigten Revolution »el verdadero tiempo« ihre Fortsetzung und Erfüllung finden wird. Konsequenter noch als Granados erteilt Manuel Cofiño in Cuando la sangre se parace al fuego (1975) der Santería eine Absage. Zum einen baut er in seine Geschichte die überaus pittoresk gezeichnete Großmutter des Protagonisten als 'santera' ein, die beim schnellen Durchlesen des Romans den Charakter einer Hexe Grimm'scher Prägung gewinnt, zum anderen flechtet er die Entwicklung des Protagonisten zwischen den Polen der Santería und einem revolutionären materialistisch-marxistischen Verhalten ein, was Spannungen ergibt, die schon Benítez Rojo in seinen Erzählungen von 1967 und 1969 aufgeworfen hatte. Manuel Cofiños Roman ist seiner Anlage nach der 'afrikanischste' Roman, der nach 1975, wenn nicht sogar nach 1959, geschrieben wurde, da der Autor auf Kapiteleinteilungen verzichtet, aber jeden neuen Abschnitt durch eine kursiv gesetzte und abgesetzte Passage der Beschreibung eines Gottes aus dem Pantheon der Lucumi einleitet. Die Abschnitte über die sechzehn Götter, die in ihrer Einheit den ungenannten Elementargott ergeben, strukturieren somit die siebzehn Kapitel des Buches und kennzeichnen in Bezug auf die 'realen' Abschnitte des Romans die ständige Präsenz afrokubanischer Glaubensstrukturen im Denken und Handeln des Protagonisten. Demzufolge wird das neugeborene Kind, der Protagonist Cristino, nach dem einleitenden Kapitel über den Elementargott mit dem Glauben an die afrikanische Götterwelt im wörtlichen Sinn gefüttert: »Abuela me salvó con mi ombligo. Ella decía que el ombligo es una parte sagrada, la raíz donde está el secreto de la vida. Lo cocinó y me lo daba a chupar en pedacitos.« (CS, S. 16) Somit hat Cristino die animistische Welt intemalisiert und kann sich aus deren Einfluß nur langsam und schmerzhaft lösen, ein Geschehen, das Benitez Rojo schon in der Erzählung »Las tijeras rotas« schildert. Vor allem in seiner Kindheit, als die alles bestimmende und erklärende Großmutter, »abuela fue el gigante de mis infancias«, das Leben des Kindes gestaltet, ist Cristino im Sinne des omnipräsenten Elementargottes, »Habita en todas partes y no está en ninguna« (CS, S. 16), ständig von Elementen der Santería umgeben, unabhängig davon, ob es sich hierbei um den Hausaltar handelt, eine kurze und trockene Replik auf das Kapitel »Iniciación (a)« in Carpentiers Ecué-Yamba-O, um die animistische Erfahrung der Umwelt »y cuando sobre la acera caía la sombra de una ceiba, nos parábamos, le pedía permiso a la ceiba para pisar su sombra« (CS, S. 43). Die Entwicklung von Cristino verläuft daher von Anfang an anders als die Menegildos in Ecué-Yamba-O. Legt Cofiño in der kindlichen
169 Naivität Cristinos die spätere Distanz zu der Afrokubanität an, bahnt Carpentier in dem neugierigen Erstaunen des jungen Menegildo den Weg für dessen späteres Interesse an den Abakuá. Auch Cristino wird ñáñigo werden, doch mit anderen Voraussetzungen und Folgen. Aus der Perspektive des später reflektierenden Cristino erscheint es dem Leser, als ob Cristino dieses extraokzidentale Welterleben seiner Großmutter geteilt hätte. Es findet sich aber an keiner Stelle der Hinweis, daß Cristino die Riten oder Mythen so verinnerlicht hätte und davon so überzeugt gewesen wäre, daß er sie eigenständig praktiziert hätte. In dieser fiktiven Autobiographie wird die pittoreske Anziehungskraft der Santería durch die innere Distanz des Protagonisten und durch die sozio-politische Entwicklung entkräftet. Mit der Entfremdung seiner Figuren zu der afrokubanischen Welt vermeidet es der Autor, sein Wissen und seine Glaubwürdigkeit in Bezug auf die Santería unter Beweis stellen zu müssen. Willenlos, so wie Pedro Limón aus Benítez Rojos 'La tierra y el cielo', wird Cristino in den Bann der Santería gezogen, was später ein Zeuge auf der dritten auktorialen Erzählebene bestätigt. »Yo, a veces, pienso que él nunca creyó de verdad en los santos. Más bien fue por influencia de la abuela.« (CS, S. 48) Gibt es nun schon in den Romanen und Erzählungen von Granados, Rodríguez, Benítez Rojo, Anselmo Suárez y Romero die alten und weisen Männer Damián, ño Gabriel, Tiguá, taita Pedro, erscheint hier die Großmutter als einzige Frau der analysierten Romane in ihrer Funktion als Vertreterin des afro-kulturellen Erbes. Hatten die alten Afrikaner in den Romanen vor 1959 ihre ideologischen Gegner, so ño Gabriel und taita Pedro in den Sklavenbesitzern gefunden, von deren Wohlwollen sie lebten, sehen sich die alten Weisen nach 1959 anderen gegensätzlichen Kräften gegenüber, wobei eigenartigerweise in keinem der Romane der Konflikt zwischen Katholizismus und Santería auch nur erwähnt wird. Es sind immer gesellschaftliche Kräfte, die sich den religiösen Konzepten gegenüberstellen. So verliert der haitianische 'houngam' (Priester) Tiguá seinen Einfluß auf Pedro Limón durch die aufklärende Bildungsarbeit des Marxisten El Habanero. Ebenso entfernt sich Cristino aus der afrokubanischen Welt seiner Großmutter unter dem Einfluß des nach Kuba geflohenen kommunistischen Spaniers Angel. »Angel me presentó como un amigo de mucho talento natural y todos me miraron como el herrero el trazo de hierro del que se puede hacer un buen objeto.« (CS, S. 152) Während sich El Habanero weigert, die afrokubanische Wirklichkeitsauffassung von Pedro Limón zu akzeptieren »No quiso poner nada de la culebra. No quiso, él explicaba todo con tantos detalles« (TC, S. 24), empfindet die Großmutter Cristinos den spanischen Marxisten Angel als Gegner der Santería. »Ese amigo tuyo no me gusta. Es un diablo vestido de blanco«. (CS, S. 90) Der interessanteste Aspekt an dem Roman Cofiños ist der Entfremdungsprozeß, den Cristino ähnlich wie der Protagonist in Benítez Rojos Erzählung »La tijera rota«
170 durchzustehen hat, um von seinem afrokubanischen Weltbild in das Neue der Revolution überzuwechseln. Im Unterschied zu Manuel Granados Roman erscheint der Protagonist Cofiños sehr viel stärker kulturell profiliert, während Granados dagegen seine Figur, und in einigen Erzählungen auch Benítez Rojos seine Helden, vor allem ethnisch identifiziert, so daß in diesen Fällen der Klassenkampf im Vordergrund steht, während Cofiño die schmerzliche kulturelle Integration Cristinos in die weiße kubanische Welt zeigt. Insofern weist Cofiño im Roman keine Transkulturation, Kulturverschmelzung der afrikanisch- und europäischstämmigen Bevölkerungsschicht Kubas nach, sondern eine einseitige kulturelle Anpassung, obwohl er eine biologische Mulattisierung in der späteren Ehe Cristinos zuläßt. Es ist nicht nur der Spanier Angel, der auf Cristino Einfluß nimmt, um ihn von der Afrokubanität abzubringen, auch seine weiße oder mulattische Mutter (was im Roman nicht ersichtlich ist) wendet sich gegen die Praktiken der Santería der Großmutter väterlicherseits. Zudem fürchtet Cristino schon vor dem Sturz Batistas soziale Sanktionen seiner weißen Bekannten aufgrund seiner Abakuä-Zugehörigkeit. Im späteren Kommentar eines Offiziers auf der dritten Erzählebene wird allerdings deutlich, daß die AbakuáMitglieder tatsächlich Sanktionen nach der geglückten Revolution ausgesetzt sind, »... me opuse a que dieran de baja cuando supimos que había sido abakuá« (CS, S. 153). Ausschlaggebend ist jedoch der Kommentar seiner späteren Frau, die ihr Unverständnis für die afrokubanische Vergangenheit Cristinos ausdrückt, »como podías creer en esas cosas?« (CS, S. 202) Ihr, der Frau, mit der Cristino den Schritt in die sozialistische Zukunft wagt, ist trotz ihrer Kubanität die afrikanische Seite Kubas unverständlich geblieben. Trotz ihrer freundlichen Unschuld ist sie eine der am stärksten ideologisierten Figuren des Romans, da an der Ehe zwischen Cristino und ihr die Einseitigkeit einer revolutionären Akkulturation aufgezeigt wird. Cristinos Entfremdung gegenüber seinem afrikanisch bestimmten kulturellen Umfeld ist somit durch drei Faktoren gekennzeichnet. Erstens durch den Kontakt mit Segismundo, einem weißen Intellektuellen, und dessen Frau Anselma, die ihm den Zugang zur Bildung ermöglichen, indem sie ihm Bücher leihen, wobei sich dieses Bildungsbedürfnis allerdings schon vorher abzeichnete. »Anselma se enteró ... de que yo leía mucho; desde entonces me empezó a prestar libros.« (CS, 125) »Mientras trabajé ... leí, y los libros me enseñaban.« (CS, S. 142) »Según avanzaba en mis estudios, iba entendiendo.« (CS, S. 223) In Bezug auf die Afrokubanität bedeutet dies, daß der Glauben an Santeriakulte und die Mitgliedschaft bei den Abakuá an Unwissen gebunden ist, so daß sich Cristino mit zunehmender Bildung bald von der Santería lossagen will »Gritarle que ya no crees en sus santos, que tu padre está vengado, que ahora todo lo ves distinto, que eres otro y no él que ella conoció« (CS.S. 83).
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Die zweite Phase der Entfremdung beginnt über den Kontakt mit dem spanischen Krankenpfleger Angel, der Cristino in gemeinsamen Gesprächen immer stärker indoktriniert. Die dritte Phase der Ablösung setzt ein mit dem Verständnis, daß Religiosität durch materielle Miseren bedingt ist, mit deren Behebung auch die Notwendigkeit an Götter zu glauben überwunden werden kann. Cofiño zeigt nun deutlich, wie sich sein Protagonist zwischen den Polen der afrikanischen Vergangenheit und einer materialistisch orientierten Zukunft bewegt. Er läßt ihm keine Alternative, Cristino muß sich für eine der beiden Möglichkeiten entscheiden, was in Cristino jene innere Zerrissenheit hervorruft, die ihn letztlich zwingt, einen Psychiater aufzusuchen: »Una guerra había dentro de mí y otra afuera. Mis ideas se veían cortadas de parte en parte. Sentía por un lado algo que se construía y por otra parte algo que se desmoronaba. Me sentía desraizado y vuelto a plantar ... en adelante era preciso ser otro y en eso me ayudo mucho el doctor Gutiérrez que era amigo de Angel.« (CS, S. 223) Der Arzt, als Vertreter der in den sechziger Jahren herrschenden Ideologie einer offiziellen Zurückweisung der Santería- und Abakuápraktiken, symbolisiert den Verlust der alten Identität Cristinos und die Veränderung von Kuba unter der Diktatur. Von Cristino wird die Anpassung unter Verzicht seines afrikanisch bestimmten kulturellen Erbes verlangt, unter Zurückweisung seines ehemaligen kulturellen Umfeldes und der Menschen, die sich darin bewegen. Im Roman wird dies mit der apolitischen Haltung der Santeria-Adepten begründet, die den Schritt zum modernen Kuba nicht vollzogen haben: »A la mayoríá no les interesaba la realidad, miraban como soñadores lo imposible, apartando los ojos del presente.« (CS, S. 180) Daß aber Santeríaglaube und Revolution durchaus vereinbar sind, deutet nicht nur die Erzählung von Benítez Rojo »La tierra y el cielo« an, dies zeigt auch die Haltung der Revolutionsregierung 1986, die offiziell die Santeriakulte nicht mehr als konterrevolutionär versteht, sondern deren Integration in das Neue Kuba anerkennt, so daß das Postulat von Cofiño aus dem Jahre 1975 für das heutige Kuba keine Gültigkeit mehr besitzt. Die Verzichtsleistung Cristinos mit der dazugehörigen Entfremdung sich selbst und den Angehörigen seiner ehemaligen kulturellen und sozialen Schicht gegenüber würde heute von ihm nicht mehr in dem Maße verlangt werden. Manuel Cofiño zeigt nicht zuletzt durch die Erziehung und ständige Präsenz der Großmutter im Erzähltext von allen modernen Autoren am deutlichsten, in welchem Ausmaß die Afrokubanität Denken und Handeln eines Protagonisten bestimmen kann, wobei er allerdings in seinen Darstellungen wenig überzeugen kann und Cristino als Allegorie und Symbol allzuleicht faßbar ist.
172 2.1 Sechzehn
Götter
Manuel Cofiño verweist am Anfang seines Romanes auf die symbolische Ziffer 16 innerhalb des Santeriakults: »Tiene tres dioses más que son él mismo y viven dentro de él. Su mujer también vive dentro de él y posée los dieciséis rayos de sol.« (CS, S. 15) Sind mit sechzehn Sonnenstrahlen die sechzehn Götter des Phanteons der Lucumi gemeint, die in ihrem Zusammenwirken eine göttliche Macht bilden, so reflektiert die Ziffer die Zahlensymbolik eines binären Systems, das sich um ein Zentrum gleichgewichtig und harmonisch anordnet, womit die Analogie der Yorubá oder Lucumi kein absolutes Böses oder Gutes kennt, sondern nur Ungleichgewichte, die Gaben und Opfer wieder in die ursprüngliche Harmonie zurückbringen können. Aus diesem Grunde ordnen sich um das Zentrum der Zahl zwei die vier zentralen Punkte oder Richtungen der lebensspendenden Mutter Erde an. Diese vier Punkte mit sich selbst viermal multipliziert ergeben insgesamt 256 Möglichkeiten, den Weg des Schicksals zu bestimmen. Ein Beispiel dieser Kosmovision der Yorubá findet sich in der kubanischen Prosaliteratur im Roman Severo Sarduys De dónde son los cantantes (1967). In der zweiten Erzählung des Tryptichons, »La Dolores Rondón« erscheinen die Yorubá-Gotter als Fetische auf einem Altar, ohne die Macht zu besitzen, das Chaos der Romanfiguren zu ordnen. Ohne Zweifel reflektiert die äußere Verwirrung die Einheit dieser kosmisch verstandenen Erzählstruktur. Aus der Perspektive eines Spiegels heraus versammeln sich im Eingangskapitel die Personen im zentralen Ort eines Orakels, was die einzige Möglichkeit einer sichtbaren Ordnung ist: eine Einheit zu bilden, zusammengesetzt aus verschiedenen gegensätzlichen Kräften. Die Gruppe, die im Spiegel einer Bartheke diese Einheit bildet, ist »un trébol gigante de cuatro hojas, o un animal de cuatro cabezas que miran hacio los cuatro puntos cardinales, o un signo yorubá de los cuatro caminos« (DDC, 21), womit Sarduy sich auf die zyklische und viergeteilte Kosmovision des Ifá-Orakels bezieht, in dem das Schicksal seinen Ursprung besitzt, Wege beginnen und enden. In diesem Kreuzpunkt, den der Spiegel symbolisch wiedergibt »cuatro seres distintos ... son solo uno« (DDC, 21) wird der Mythos der Manifestationen der Orishas und des Orakels wieder aufgenommen: die ständige Suche nach der Einheit, der Weg der alle gegensätzlichen Kräfte harmonisch ausgleicht. Zudem läßt sich nachweisen, daß gerade die Erzählung über die Mulattin »La Dolores Rondón« im Inhalt nach den Modellen der 'négritude' aufgebaut ist, die die theatrale Anlage der Gesamterzählung bedingt. Schon im Eingangskapitel »Curriculum cúbense« werden überraschend Chango, Ochúm und das »signo yorubá de los cuatro caminos« (DDC, 13) evoziert, womit der Autor die erwähnte mystische Grundstruktur und den dramatischen Aufbau der Geschichte vorwegnimmt. Diese ist linear und einfach angelegt. Severo Sarduy zeigt den Aufbruch der Mulattin Dolores Rondón aus Ihrer Heimatprovinz Camagüey nach Havanna, wo sie nach einem kur-
173 zen politischen Erfolg ihres Liebhabers sich dem plötzlichen sozialen Abstieg und der Misere ausgesetzt sieht. In dem Versuch, ihre ehemalige Position wieder zu erreichen, nimmt sie eine Reihe von Veränderungen auf sich, die von der gänzlichen Negation ihrer - farbigen - Identität, was diese nur noch stärker betont, bis zur Übernahme einer fiktiven Persönlichkeitsgeschichte reichen, die ihren Aufstieg zum gewünschten Ziel erleichtert, wobei ihre afrikanische Bestimmung unverändert bleibt: »cambia de amante. De color de pelo. De casa. Pero no de dioses.« (DDC, S. 72) Nachdem sie den Höhepunkt ihrer Karriere erreicht hatte, setzt Sarduy Zeichen in den Text, die die Position der Mulattin bedrohen. Die Szene, in der ihr die 'babalaos' einen Traum vor Beginn ihres Aufstieges und Todes deuten, präsentiert Sarduy kurz vor Ende der Erzählung, so daß die Prophezeihung ähnlich wie in Caniqui den mythischen Kreislauf der Geschichte bestimmt. Die in der Prophezeihung enthaltene Warnung schiebt Dolores zur Seite und wird, weil sie das Orakel der Götter nicht emst nimmt, mit dem sozialen Fall und Tod bestraft. So reflektiert Sarduy nicht nur den afrikanischen und afrokubanischen Brauch, das Orakel zu befragen, sondern faßt in dem bedeutungsvollen Traum und seiner Interpretation die Moral der Geschichte zusammen: »Dolores: 'Todos los invitados se sientan muy contentos en medio de los loros, yo destapo la fuente grande y adentro aparece un sapo hinchado, como si fuera a reventar, con los ojos y saltones de conejo. Y en la tapa, cuando la pongo al revés sobre la mesa, siguiendo el reborde, una culebra negra'. Babalao Dos: Vamos a ver (Tiran caracoles sobre una estera) Babalao Dos: Dicen esto: vas a encontrar un blanco de hablar mucho y muy fino. Con él vienen el oro y los manteles. Pero quédate allí. No quieras más. Ten cuidado. Cuida de ofrecer todos los días, de no escandalizar a los dioses. No reniegues. Son como perros, se van si no reconocen la mano del amo.« (DDC, S. 84 f.) Das Orakel und dessen Erfüllung ist mit der Abschiedsrede von Dolores nicht der einzige Bezug zur Yorubá-Mythologie, die in diesem Teil des Romanes metaphorisch gefaßt ist. Die konstante Musik im Hintergrund, die Geräuschkulisse des Palavers ständiger politischer Versammlungen, die Anspielungen und das omnipresente Glas Wasser bis zum letzten Wunsch Dolores, ihr bestimmte Früchte und enthauptete Hähne aufs Grab zu legen, das alles gibt ein äußerst vielseitiges Bild untergründiger Beziehungen, wobei die ständig auf die afrikanische Mystik verweisenden Komponenten des Textes der Erzählung eine Dynamik verleihen, die der von Ramón del Valle Inclán Divinas palabras nicht unähnlich ist. So läßt sich »La Dolores Rondón« als Theaterstück lesen, zusammengestellt aus zehn 'momentos', wobei jeden Teil ein Vers aus der Décima auf Dolores Grabstein, dem Text vorausgestellt, einleitet. Der Versuch allerdings, Parallelen zwischen dem Text und den Strukturen eines nigeria-
174 nischen Yorubá-Theaterstückes und dem Text von Sarduy nachzuweisen^, mag zwar literarisch interessant sein und eine Reihe von zufälligen Übereinstimmungen ergeben, doch kann er keine von dem Autor bewußt oder unbewußt angelegte weitere afrikanische Tiefenstruktur des Textes enthüllen, die für die kubanische Literatur bedeutsam wäre.
3. Die Abakuá »Der Geheimkult der Abakuá blühte im vorigen Jahrhundert. Ziele waren männliche Verbrüderung und Pflege der Manneskraft. Angeblich kam es auch zu Kinderopfem. Aufsehen erregte in den 50er Jahren dieses Jahrhunderts die Behauptung der Wissenschaftlerin Cabrera, daß der Kult in Habana noch rund 1000 schwarze und auch weiße Anhänger habe.«'3 So kennzeichnet der für den interessierten Kulturtouristen gedachte Du Mont Reiseführer Cuba von Karl-Arnulf Rädecker eine kubanische Realität, die heute staatlich anerkannt und kontrolliert wird. In der Tat hatte Lydia Cabrera recht. Waren die 'abakuá' oder 'ñáñigos' seit 1875 ständig verboten, kam es 1959 zu einer Aufhebung jenes Verbotes und zu einer Duldung der 'abakuá'-Vereinigungen, deren Benennung 'Geheim-Kult' von Rädecker fragwürdig ist, zumindest aber diskutiert werden sollte. Waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts die 'abakuá'-Vereinigungen ebenfalls staatlich-kolonial gebilligt, unter der Voraussetzung, daß nur 'bozales', also jene in Afrika geborenen Sklaven Mitglieder dieser Männerbünde sein konnten, wohl mit der Absicht, eine rasche Integration in den Produktionsablauf der kolonialen Ordnung zu gewährleisten, kam es zur Kriminalisierung der 'abakuá' gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als die Aufhebung der Sklaverei und der Zustrom asiatischer und europäischer Arbeitsemigranten die Lebensbedingungen der dann freien farbigen Bevölkerungsschicht grundsätzlich verschlechterten. Die Hungersnot in der Folge des Krieges von 1895/98 tat ihr übriges. Das Verbot der Mitgliedschaft für kreolische, d.h. auf der Insel geborene Sklaven und Farbige förderte den Charakter als Geheimbund der 'abakuá'-Gesellschaft im frühen 19. Jahrhundert, da sich diese zunehmend als Pfeiler eines rudimentären sozialen Systems der unterprivilegierten Schwarzen Kubas abzeichnete. Dieser Sachverhalt spiegelt sich in der Namensgebung der heute wieder zugelassenen und mit Ausweis versehenen Gruppen wieder, 'Sociedades de socorro mutuo afro-cubanas'. Berichten die Dokumente der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts von afrikanischen 'ñáñigo'-Gesellschaften, deren erste 1836 nachgewiesen ist, wurde 1857 von einem gewissen Petit, dessen französische Abstammung wahrscheinlich ist, die erste 'weiße' ñáñigo-Gruppe ins Leben gerufen. Die Vereinigungen bestimmen sich auch heute noch durch die ethnische Zusammensetzung ihrer Mitglieder. Es gibt ebenso rein schwarze Gesellschaften wie es rein weiße Gesellschaften gibt, die auch hellhäu-
175 tigen Mulatten (mulatos claros) den Zutritt ermöglichen, aber sonst streng auf die einstimmige Hautfarbe der Mitglieder achten. Gerade in den letzten Dekaden des 19. Jahrhunderts entwickelten sich die Gesellschaften als stabiles soziales Netz, »La necesidad de transmisión de informaciones secretas, como recurso de supervivencia, creó una moral de clandestinidad y contribuyó al fortalecimiento y sincretización de ciertas sectas de origen africano. Es posible, por ejemplo, que en esta necesidad creadora de un sistema visceral de comunicación esté la clave de la fuerza social de los abakuá.« 1 4 Demgegenüber gewährleistete der Geheimbundcharakter in den Jahren wirtschaftlicher und sozialer Unsicherheit die Entwicklung eines kriminellen Bandenwesens, das die Männerbünde zunehmend in Verruf brachte. Gepaart mit dem stark ausgeprägten Machismo gewann die Bezeichnung 'ñáñigo' bzw. 'abakuá' die Konnotation Verbrecher, oft Mörder. Zudem errangen die 'abakuá' die Kontrolle über bestimmte Berufsgruppen, denen seitdem eine große Anzahl von Mitgliedern angehören. Gebunden an den Beruf der Hafenarbeiter, finden sich massive 'abakuá'-Konzentrationen vor allem in La Habana und Matanzas, während in den ländlichen Gebieten keine 'abakuá' anzutreffen sind. 15 Mit dem Theaterstück 'Apapá Efí o por la culpa de un Abakuá', 1928 uraufgeführt in Guanabacoa, traten die ñáñigos erstmals öffentlich ins Kulturgeschehen Kubas, ohne allerdings mehr als nur die pittoresken Aspekte ihrer Zeremonien vorzuführen. Trotzdem wurden die darstellenden Abakuá von ihrer Bruderschaft ausgeschlossen. Wurden nun zu Zeiten der Republik bzw. der Diktatur 1930 bis 1959 die 'abakuá' mit einem weiteren gesetzlichen Verbot belegt, nach einer Zeit der Duldung, in der sie allerdings durch Maßnahmen der Polizei behindert und unterdrückt wurden, kam es 1959 mit dem Triumph der Revolution und den Gesetzesänderungen zu einer Aufhebung jenes Verbotes, ohne daß allerdings die Abakuá-Vereinigungen als religiöse oder soziale Gruppierungen wahrgenommen wurden, wie es mit den Freimaurern und den christlichen Kirchen 1975 geschah. Die 'abakuá' bewegen sich seitdem in einem legalen Graubereich, der sie stark von Polizeibehörden abhängig macht. Konnten auch während der Zeit des Verbotes durch Bestechung der entsprechenden Polizisten 'abakuá'-Versammlungen durchgeführt werden, hängen auch heute noch die 'abakuá'-Veranstaltungen vom Wohlwollen der jeweiligen örtlichen Aufsichtsbehörde ab. Die Abakuá unterliegen somit den Sicherheitsvorschriften der öffentlichen Ordnung und dürfen sich nicht als Vereinigungen, als religiöse Gruppen eigenständig und ihrem Charakter entsprechend treffen und Riten vollziehen. Dabei verlangt aber gerade die Realität der Abakuá dringend nach einer offiziellen Anerkennung jener Gruppen, deren Mitgliederzahl ständig wächst. Kam es mit dem Triumph der Revolution 1959 und der derzeit vorhandenen Freizügigkeit zu einem stürmischen und massiven Zuwachs der 'abakuá'-Mitglieder bis 1965, sank die Zuwachsrate in den folgenden Jahren wohl auch auf Grund der eher antireligiösen Tendenz der sozialistischen Revolu-
176 tion, was sich in Manuel Cofmos Roman Cuando la sangre se parece al fuego exemplarisch belegen läßt. Mit der Gesetzesänderung (promulgación) von 1975 wurden zwar der Status der Freimaurer und Christen auf Kuba geklärt, nicht jedoch der der 'abakuá', obwohl schon 1960 ein Kongreß der Abakuá unter Federführung des Musikwissenschaftlers Odilio Urfé und unter Mitwirkung von José Luciano Franco in der kubanischen 'Akademie der Wissenschaften' ein klärendes Licht auf die Gruppierung werfen und diese zu einer Art Dachverband der 'Abakuá' zusammenführen sollte. Der Kongreß kam allerdings nicht zustande. In den Jahren der Krise der Revolution um 1970 mit Mangel an Nahrungsmitteln kam es zu einem neuerlichen Erstarken der 'abakuá', parallel dazu zu einem Ansteigen der Kriminalität, ohne daß beide Phänomene jedoch verbunden werden sollten. Die 'abakuá'-Gruppen, die sich ähnlich wie die Freimaurer als ethische Männerbünde verstehen, verfügen heute über eine seit der Revolution 1959 ständig wachsende Mitgliederzahl und spielen in dem afrokubanischen Transkulturationsprozeß eine entscheidende Rolle. Wie eingangs erwähnt, ist es das Bedürfnis nach einem sozialen Netz gewesen, was zum Entstehen der Abakuá in Afrika und zu ihrem Überleben in Amerika beigetragen hat. Zudem sorgten die Abakuá durch die Garantie eines kultischen Begräbnisses für eine Sicherung ihres afrikanischen Glaubenskonzeptes, da in den animistischen Religionen die Toten integraler Bestandteil einer Lebenspraxis und Realitätsbewältigung sind, in dem Sinne, daß sie omnipräsent ihre lebenden Nachkommen umgeben. So erkennt Carpentier zwar die soziale Funktion der Abakuábündnisse, kann aber deren Totenkult nicht erklären. »... die ñáñigos und abakuás ..., schlössen sich im 19. Jahrhundert zusammen, um sich gegen die Weißen zu verteidigen. Es gab schon viele entlaufene Neger, die sich befreit hatten und so halfen sie sich - da sie arm waren - gegenseitig in einer Art geheimen Verbindung, einem schönen Ritus, der im Falle eines Todes das Massengrab ersparte.« 16 Eben diesen 'schönen' Ritus greift in der kubanischen Literatur, so weit hier bekannt, nur Manuel Cofiño in Cuando la sangre se parece al fuego auf. Nachdem der Vater des Helden Cristino ermordet worden war, tragen ihn seine Bundesbrüder zum Grab: »El Tambor sonaba como riendo. Cargaron el ataúd y lo llevaron para el cuarto de Pancho. Cuando abrieron la puerta, me asomé; todo estaba cubierto con paños negros. Vi un diablito cargado con un saco negro y blanco ... después fue un grito ronco, un sonido raro, como un rugido o un lamento. Volvieron los cantos y los rezos. Tocaban los tambores ...« (CS, S. 45) Es ist nun das Angebot einer festgefügten Gruppe anzugehören, das sowohl Menegildo in Ecué-Yamba-0 als auch Cristino bewegt, den Anschluß an die Abakuá zu suchen, wobei diesen aber im Unterschied zu Menegildo das Angebot, nach einem
177 Gefängnisaufenthalt eine Arbeit bei einem Abakuábruder aufzunehmen, nicht animiert, was den Abstand zwischen ihm und der Afrokubanität schon deutlich signalisiert. In beiden Romanen werden trotz der anerkannt sozialen Leistung der Abakuá und den pittoresken Klischees keine Vorurteile oder Szenen von Verbrechertum der Abakuá geschildert, womit die Vorurteile und Meinungen über ihr Banditentum gegen Ende des 19. Jahrhunderts überwunden scheinen. Wenn auch Menegildo und der Vater von Cristino unter den Händen von ñáñigos sterben, so handelt es sich hierbei um Morde, die von befeindeten Gruppen untereinander begangen werden, und nicht um ein Verbrechen, wie es der Kutscher Liberato an seinem Herrn in dem Roman Sofia von Martín Morúa Delgado verübt. »Un brazo fuerte y certero lo había hundido un puñal por la izquierda, dejando el arma enterrada hasta el mango, atravesada en el corazón. - Puñalada de ñáñigo es ésta - dijo al examinarle un inspector de policía.« (So, S. 131) Die in den Romanen begangenen Morde spiegeln nicht nur die von Rafael Roche 17 berichteten Fakten wider, sondern auch Fernando Ortiz berichtet immer wieder von Ermordungen wie die des gewaltsamen Todes eines Ekueñón einer Gemeinschaft aus Guanabacoa am 3. Dezember 1 9 3 4 . I n diesem Zusammenhang betont Ortiz die Präsenz der Toten in der Lebenspraxis der Abakuá, wie sie in der Lebensgestaltung in Afrika schon hervorgehoben worden ist. Auf der anderen Seite wird von den beiden Autoren aber schon die Nähe der Abakuá zur Illegalität deutlich gemacht, was auch chronologisch in Bezug zu politischen Gegebenheiten abgelesen werden mag. In Ecué-Yamba-O zeigt sich zum ersten Male in Verwendung der afrokubanischen Gruppen zu politischen Zwecken, wobei die Funktionen religiöser Kulte von denen innerhalb der Männerbünde der ñáñigos unterschieden werden muß. Finanzierte Batista im Januar 1958 ein großes Treffen aller Santeros von Guanabacoa, bei dem viele Hühner und Ziegen geopfert wurden, um die »Dämonen des Krieges friedlich zu stimmen«'', war dies der letzte Versuch des Diktators mit Hilfe der afrokubanischen Minderheiten die Macht zu sichern. Hatte der Mulatte mit chinesischem Blut es bis dahin geschickt verstanden, durch seinen sozialen Aufstieg aus seiner Rassenzugehörigkeit politisches Kapital zu schlagen, versuchte er in den letzten Jahren seiner Amtszeit, durch Förderung afrikanischer Kulte Sympathien bei den Mitgliedern der Santería- und ñáñigo-Verbindungen zu erwerben, die ihn als einer der ihren betrachteten. Batista griff dabei geschickt auf einen alten Brauch zurück, den die Priester der Santería schon in Afrika pflegten: »En Africa y también en Cuba se celebraban una vez al año cabildos con la participación de todos los babalochas y santeros donde se aclaraban conceptos en como trabajar o ejercer el sacerdocio y aclarar por los mayores... también se averiguaba, mediante los registros, qué Oricha reinaría durante todo el año, rendirle los honores pertinentes y fijar nuevas normas dentro de la Regla de Ocha.« 2 "
178 Aber schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wird die Verwobenheit afrikanischer Gruppen mit der Politik spürbar, wie Carpentier in Ecué-Yamba-0 nachweist. Carpentier stellt deutlich den instrumentellen Mißbrauch der ñáñigos durch dominante politische Gruppen heraus. Die Figur des Vetters von Menegildo, »primo Antonio, ñáñigo reelectionista«, mag als Beispiel für die politische und materielle Verwobenheit der ñáñigos mit der Politik Kubas der damaligen Zeit gelten. Noch während seines Gefängnisaufenthalts überredet ihn Antonio dazu, ñáñigo zu werden. »Cuando sagga, te va a tenel que ... ñáñigo! INaiden podrá salarte má.« (EY, S. 111) Auf Grund der Einflußnahme des Vetters gelingt es Menegildo, vorzeitig entlassen zu werden. Antonio hatte über einen Stadtrat seine Beziehungen eingesetzt, was Carpentier auf das Gewicht der ñáñigo-Brüderschaften bei den Wahlen zurückführt. »Hoy, en la ciudad que rodeaba la prisión existían juegos enemigos hereditarios (de ñáñigos)... Igualmente protegidos por el alcalde, que hallaba electores en sus filas, habían afirmado su prestigio con hechos de guerra.« (EY, S. 111) Aber auch in Cuando la sangre se parece al fuego wird die Verbindung von Abakuá und Politik bestätigt, als die Großmutter Cristinos auf die Möglichkeit sozialen Aufstiegs durch die Unterstützung einflußreicher ñáñigos aufmerksam macht. »Tendrás ayuda. Hay ñáñigos poderosos, y puso de ejemplo a Manuel de Jesus Capá (Chucú Capá). Su propaganda política la hacía con letreros y pasquines en lengua efik y había llegado a ser concejal y presidente del ayuntamiento de Regia.« (CS, S. 88)21 Auf die Verwobenheit von Politik und Abakuá spielt auch Cofiño in Cuando la sangre se parece al fuego an, als sein Protagonist nach Bekanntwerden seiner Eigenschaft als 'abakuá' aufgefordert wird, sich am Widerstand gegen Batista zu beteiligen. »Sé que eres abakuá y que un abakuá no delata a nadie. ¿Quieres trabajar con nosotros en la revolución?« (CS, S. 151) Wobei Cofiño klarstellt, daß es sich um eine persönliche Entscheidung handelt, die wenig mit der Vereinigung selbst zu tun hat. Im Gegenteil, durch Cristino als kompetenten Zeugen, arbeitet Cofiño den traditionellen bis reaktionären Charakter der Abakuá heraus, der durch die Unbildung der Mitglieder gefördert wird. »Mientras Pedro, Mario y Rabi operaban en el mercado, yo no fallaba a las reuniones de la potencia. Allí había gente que no entendía nada. A muchos no les interesaba la política, otros eran hasta batistianos. Pero en todos se podía confiar porque un abakuá es incapaz de delatar a su ecobio.« (CS, S. 160) Wie C. More und R. Batide ausführen, hat die gesellschaftliche und politische Isolation der Neger, die J. Clytus noch für das Jahr 1969 bestätigt, die Weigerung, sie an historischen Prozessen teilnehmen zu lassen, nicht nur zur Bildung eben jener Gesellschaften geführt, sondern nach dem Massaker anläßlich der 'Protesta Armada' von 1912 auch zu einem Rückzug aus der Politik und zu einer allgemeinen Resignation,
179 gepaart mit einem tiefen Mißtrauen gegenüber den politischen Angeboten der weißen Regierenden. Das wiederum hatte zur Folge, daß sich die Schwarzen Kubas an den Kämpfen zwischen 1953 und 1959 nur zurückhaltend beteiligten und nicht nur, weil die Mehrheit der schwarzen Bevölkerung in den Städten und nicht auf dem Land lebte, wo die Revolution ihren Anfang nahm und gewonnen wurde. Auch wenn der 'abakuá' jedes politische Interesse abstreitet, so repräsentieren doch die Geheimgesellschaften auf Grund ihres hermetischen Charakters auch nach 1959 ein Potential, das durch seine funktionierende soziale Struktur ein beachtenswerter politischer Faktor in der Entwicklung der kubanischen Gesellschaft sein kann. Ein Anliegen der Revolutionsregierung war es daher, diese traditionellen Strukturen zu schwächen oder zu eliminieren. Eine gültige Erklärung für den Wechsel vom Abakuá zum Revolutionär gibt Cristino selbst. Die einzige Möglichkeit für einen Farbigen, während der Zeit vor 1959 menschenwürdig und materiell zu überleben, fand sich in den geschlossenen Strukturen der marginalisierten Gesellschaften, mit denen sie sich selbst zu schützen versuchten. Durch die Umwälzung der Revolution sind die Leistungen der Geheimgesellschaften aber vom neuen System übernommen worden, womit die alte, afrikanische Gesellschaftsform ihre auf Unwissenheit und Armut begründete Existenzberechtigung verloren hat. Wie Menegildo lernt Cristino die Fürsorge der Abakuá kennen, »me trataron con cariño«, so daß er sich letztenendes entschließt, sich den Initiationszeremonien zu unterziehen, um Mitglied der Abacuá zu werden. Mit dieser Szene nimmt Cofiño Bezug auf Ecué-Yamba-O, wobei er aber in seinem Protagonisten die Carpentiersche Begeisterung für die Afrokubanität lähmt und überwindet. In dem gleichnamigen Schlüsselkapitel des Romans von Carpentier spürt Menegildo die Präsenz der Götter: »Bajo sus vendas, los ojos de los iniciados se dilataron. Los invadía un extraño molestar. Algo raro acontecía detrás de ellos; en un rincón del santuario. RRRrrummmm..., RRrrrrummm, RRrrrrummmm ... Algo como croar de sapo, Lima que raspa cascos de muía, siseo de culebra, queja de cuero tornido ....; Tambor, reptil, cosa mala, quejar ... ? ¡El Ecué ...! Menegildo sentía la carne de gallina subirse a sus espaldas, como manta movida por mano invisible. ¿No le había advertido el negro Antonio que aquella sí era grande? ¡El Ecué...!« (EY, S. 124) Den Akt der Initiation oder des 'juramento', der nicht bei Cristinos ganzer Familie auf Zustimmung stößt: »A Candita, Aimé y mamá no les agradó la noticia«, erlebt Cristino eher nüchtern, nicht als metaphysische Erfahrung. Cofiño gelingt es zudem nicht, die Distanz des auktorialen Erzählers zu seinem Ich-Erzähler zu überwinden, um aus einer Innenperspektive die Ereignisse zu schildern. Trotz der in den ersten Personen berichtenden Figur und emotionalen Elementen bleibt die Darstellung der Initiation relativ steif. Ob dies nun am erzählerischen Unvermögen Cofiños liegt oder ob er nur damit die Distanz eines revolutionären Autors zu jenen pittoresken und
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folkloristischen Aspekten reflektiert, die die literarische Glaubwürdigkeit eines afrokubanischen Protagonisten untermauern sollen, bleibt zu überprüfen, Tatsache jedoch ist, daß Coflño die Szene informativ ausgestaltet, jedoch literarisch weit weniger ansprechend als Carpentier. Sonó un golpe seco de tambor y me vendaron los ojos. A partir de ese momento sólo oí, sentí y pensé en mi padre. Me rociaban con aguardiente, vino seco y agua bendita. Me despojaban con albahaca. Pasaron un gallo por todo mi cuerpo. Me volvieron a vendar los ojos y me llevaron al Fambá. Oí un rezo y al rato un trueno lejano, un valido, que aumentaba por segundos. Me pareció que tenía, encima de mi cabeza un toro salvaje, un león rugiendo furioso. Era el Ecué. Lo tenía en la cabeza y lo fragallaban. No podía soportar el ruido y temblaba, me estremecí hasta los huesos ... la voz del dios me entraba por la cabeza para quedarse dentro de mi como un rugido de furia.« (CS, S. 90) Die emotionale Gelassenheit Cristinos, die sich in den kurzen kargen Sätzen der Beschreibung ausdruckt, erleichtert ihm später die Loslösung von dem Geheimbund. Trotzdem hat vor allem der kubanische Leser das Gefühl, daß Cofiño ebenso wie Carpentier auf der phänotypischen Oberfläche der Darstellung bleibt, ohne den eigentlichen Gehalt der Santería oder Abakuá zu erfassen. Cristino versteht faktisch nicht, was mit ihm passiert, so daß sich vor allem Cofiño in die Darstellung afrikanischer Mythologie flüchten und ethnologische Erklärungen für die Ereignisse anbieten muß.
4. Lino Novás Calvo El otro cayo In eine fremde und bedrohliche Atmosphäre führt Lino Novás Calvo den Leser mit seiner Erzählung »El otro cayo«. 22 Novás Calvo schöpft die Spannung in der Lektüre aus dem Gegenüber einer Gruppe von weißen und schwarzen Köhlern und einer immer bedrohlicher werdenden, noch anonymen Gefahr. Die Köhler sollen mit dem Schiff zu einem entlegenen Waldstück, das an der Küste liegt, zu einer einjährigen Arbeit gebracht werden. Schon vor der Abfahrt und auf der Überfahrt macht ein Mulatte ständig düstere Voraussagen wie: »Yo creo que vamos a la muerte« (EO, S. 191) oder »No habrá vuelta« (EO, S. 102) etc., die als kontinuierliches Nebenmotiv die Handlung drohend überschatten. Die Wirkung wird dadurch erhöht, daß die Geschichte aus der Perspektive einer der Beteiligten in Ich-Form vorgetragen wird, der, obwohl er zur Gruppe der Weißen gehört, sich auch von dieser distanziert. Aus der Sicht der weißen Köhler, die mit ihrer namentlichen Kennzeichnung an Identität gewinnen und vielseitiger dargestellt werden, erscheinen die schwarzen Köhler als zunächst anonyme Masse: »Los negros iban delante pisando bravo detrás de la guagua« (EO, S. 98). Die Anonymität und die Erscheinung der Schwarzen als Masse wird durch die rassistischen und globalen Kennzeichen ihrer weißen Kollegen erhöht,
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sodaß sie letztendlich als dunkle und solidarische Macht erscheinen, »los negros estaban allí también y se nos mezclaban. Algunos tenían algo raro en los ojos y no daban la cara« (EO, S. 98), »los negros miraban a la tierra, y se los hinchaban los ojos«, »El alma de los negros está clavada en la tierra y al despojarse de ella se desgajan de sí por dentro« (EO, S. 99), »los negros pesan más que los blancos« (EO, S. 99). Die Spannung erhöht sich, als klar wird, daß die Schwarzen aus dem Gefängnis geflohen sind und hoffen, mit der einjährigen Arbeit in der Abgeschiedenheit der Verfolgung zu entgehen. Auf der anderen Seite stellt sich heraus, daß die arbeitgebende Gesellschaft die Köhler mit bewaffneten Männern und Hunden bewachen läßt, damit diese nicht aus den mörderischen Arbeitsverhältnissen entweichen, ein Motiv, das Roa Bastos in seinem Roman Hijo de hombre (1960) ausführlich beschreibt. Noch auf dem Schiff stellt Novás Calvo die Weichen für das Verständnis des Ausgangs der Erzählung in der Musik der Schwarzen, »José Encamación estaba en el medio con el tambor entre los muslos y la música le salía a él mismo de los músculos. Se iba convirtiendo él mismo en bongó ... Nosotros lo veíamos encamarado en su cuerpo, con los dientes pidiendo luna y los ojos cerrados, y abiertos hacía adentro ... Meterse en aquella música era salirse de la realidad de afuera y vivir sin tiempo.« (EO, S. 100) Während die Neger immer stärker als Bedrohung und Gefahr empfunden werden, »en la noche es cuando son peligrosos, porque son ellos mismos, 'dijo el capitán'«, (EO, S. 101) gewinnt mit der Identifikation der Schwarzen mit der Nacht das Drama auch das ihm eigene Licht. In der Folge werden alle Handlungsabschnitte in die Nacht des Dschungels oder ans Lagerfeuer verlegt, »y entonces vinieron aquellas noches« (EO, S. 104), wobei die Atmosphäre, in der von Stechmücken, Krokodilen und Fledermäusen dicht bevölkerten Umwelt, immer stärker durch die Präsenz des afrikanisch-animistischen Wirklichkeitserlebens bestimmt wird. Ähnlich wie in der heiteren und poetischen Erzählung Dora Alonsos »Die Augen Simons« bewohnen auch hier die afrikanischen Götter die Bäume, »hay hasta una raza invisible de hombres dijo el negro - que viven en los árboles« (EO, S. 105), wobei die Weißen, vor allem die Galicier, dem Druck der mörderischen Arbeit und der von den Negern mit ihren Geistern und ihrem Glauben belebten Natur nicht standhalten. »Yo creo que el fuego de la noche en un cayo hace de nuestras cabezas una bola líquida y caliente, donde las cosas se deshacen, o se hacen ritmo negro, de la manigua negra ... Los árboles tenían nuestra vida y nosotros teníamos como ellos y ellos tenían alma para nosotros.« (EO, S. 105) Die Verwirrung des Bewußtseins der Weißen entspricht der Manifestation animistischer Kräfte, von den Negern erkannt und kanalisiert, so daß deren Weltbild an Logik und an Kraft gewinnt, der sich die Weißen nicht entziehen können, was Novás Calvo mit der Ankündigung eines Baumes darstellt, der den Polen Jiménez töten will,
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»Esta noche mataré a Jiménez« (EO, S. 107) und Jiménez stirbt. Die Arbeitsmoral der Köhler sinkt auf Grund der immer bedrohlicher werdenden Umwelt und durch die angsteinflößende Präsenz der bewaffneten Wächter ständig, wobei die ersten Toten den Unmut der unterdrückten Arbeiter steigern. Ähnlich wie zu Zeiten der Sklaverei gestatten nun die Lagerführer den Schwarzen die Trommeln zu schlagen, »la música dijo un jefe - levantará sus nervios« (EO, S. 110), womit eines der wenigen Kapitel der kubanischen Literatur eingeleitet wird, neben den Arbeiten von Alejo Carpentier, in denen die afrikanische Trommelmusik über ihren exotischen Aspekt hinaus eine von dem weißen Erzähler anerkannte Bedeutung gewinnt. Auch der Autor Novás Calvo selbst scheint die Bedeutung nur zu ahnen, wobei das VIII. Kapitel eine erzähltechnische Steigerung im Trommelwirbel der schwarzen Köhler erlebt. Hier prallt die afrokubanische Welt auf das Unverständnis der Weißen, was das finale und tragische Mißverständnis auslösen soll: »Los cueros comenzaron a hablar bajito de un amor que nacía en ellos, que los músicos les arrancaban ... Muy lentamente la voz de los cueros iba subiendo ... los cueros comenzaron a hablar dolor amoroso de la jungla.« (EO, S. 110) Demgegenüber steht das Unverständnis und das Klischee der desensibilisierten Vorarbeiter, was sich in ihren Meinungen, die so alt wie die Sklaverei sind, widerspiegelt. »La música y el baile es el opio de los negros.« (EO, S. 111) Kennzeichnend auch hier die kulturelle Fremde, die, wie es Novás Calvo betont, den Mulatten nicht ermöglicht, in das Welterleben der Neger einzudringen. »El mulato no presentía lo que los negros«, was schließlich zu dem Mißverständnis führt, »el mulato mismo no presentía otra cosa (Es el alzamiento - dijo el mulato)« (EO, S. 111). Das Trommeln steigert sich zur Ekstase, die in einer scheinbaren Massenflucht der Neger endet: »La selva era ahora un infiérno, al mal se echarían desnudas aquellas almas de pena.« (EO, S. 112) Die Folge ist aus der Sklaverei des 19. Jahrhunderts bekannt, denn die Bosse schicken Hunde und bewaffnete Wächter los, die entflohenen Arbeits-Sklaven einzufangen, womit Lino Novás Calvo einen historischen Kreis geschlossen hat. Es stellt sich aber heraus, daß die Neger einen mittlerweile erkennbaren Hurrikan vorausgefühlt hatten und nur Zuflucht im Urwald suchten. »Habrán comenzado a ser cimarrones, pero el huracán se manifestó secretamente en ellos antes que en nosotros.« (EO, S. 113) Trotz der packenden und fesselnden Geschichte hat Novás Calvo einem gegenseitigen Verständnis zwischen Schwarz und Weiß keinen guten Dienst erwiesen. Im Gegenteil, er verstärkt eher die Klischees von den guten und nackten Wilden, die sich auf Grund ihrer unverdorbenen und direkten Beziehung zur Natur instinktiver (primitiver) verhalten als die Weißen und ihnen daher im Kontext des Urwaldes überlegen sind. Diese Klischees werden verstärkt durch die Darstellung als entindividualisierte, anonyme Masse, die nur im Kollektiv erscheint und sich nur
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kollektiv verhält.
5. Guillermo Cabrera Infante In gänzlich anderer Weise verwendet Guillermo Cabrera Infante in seiner Erzählung »En el gran Ecbó« 2 3 den Bezug auf die Santería. Cabrera Infante schildert hier den Besuch eines Paares, er Materialist, verheiratet, Kinder; sie Katholikin und mit Gewissensbissen belastet, bei einer großen Santeria-Zeremonie. Sie erleben als weiße, modern denkende, aufgeklärte Menschen die Ereignise aus zerebraler Distanz. Die Unkenntnis der unbenannten Frau erlaubt es ihm, auch ohne festmachbare Identität, Erklärungen historischer und ethnologischer Art zur Santería abzugeben, ohne daß es ihm gelänge, in die Tiefen eines animistischen Weltverständnisses einzudringen. »- Olofí es Dios en Lucumí - le explicó él a ella. Ella sonrió - ¿Que quiere decir lo demás? 'Si casi no sé lo que quiere decir Olofí!' pensó - Son cantos a los muertos. Les cantan a los muertos para descansar en paz.« (GE, S. 198) So reflektiert Cabrera Infante in seiner Hauptperson den Bewußtseinsstand eines weißen Kubaners, der wie alle etwas über die Santería weiß, aber zum Beispiel das Phänomen Gott als Zusammenwirken des gesamten Pantheons und die Bedeutung des Totenkults nicht zu erklären vermag. Der Besuch der Zeremonie erfolgte demnach aus folkloristisch neugierigen Motiven, wobei der Mann seiner Partnerin eine magisch neue Welt vorführen wollte: »Cuando entró, sabio que había penetrado en un mundo mágico.« (GE, S. 197) Während die Riten an Intensität zunehmen, zieht sich er immer mehr auf seine materialistische und intellektualisierende Haltung zurück, was ihm eine für den Leser unangenehme Arroganz verleiht, mit der er zudem seine Begleiterin von den praktizierenden Afrokubanern isolieren will. »- A ese le va a dar el santo - dijo señalando al mulato que llevaba sus dedos a los ojos botados. - ¿Y le da de verdad? - preguntó ella. - Claro. No es más que un éxtasis rítmico, pero no lo saben. - ¿Y me puede dar a mí? Y antes de decirle que sí, que ella también podía ... aquella embriaguez con el sonido, temió que ella se lanzase a bailar y entonces le dijo: - No creo. Esto es cosa de ignorantes. No para gente que ha leído Ibsen y a Chejov y que se sabe a Tennessee Williams de memoria como tú« (GE, S. 199). Während er das materialistische Weltbild der Revolution repräsentiert, das auf die
184 Distanz zur Santería geht, und in der Extremität der Position intolerant wird, da in der Befürchtung, daß seine Begleiterin sich dem Ritus öffnet, eine Angst vor der Bedrohung des eigenen Standpunktes deutlich wird, gibt seine Begleiterin in ihrer Antwort ein Plädoyer für Akzeptanz und Toleranz. Sie repräsentiert damit die gemäßigte, aber doch kritische Einstellung eines Teiles der Revolution gegenüber der Afrokubanität. »No me parecen ignorantes. Primitivos sí, pero no ignorantes. Creen. Creen en algo en que ni tú ni yo podemos creer y se dejan guiar por ello y viven de acuerdo con sus reglas y mueren por ello y después Ies cantan a sus muertos de acuerdo con sus cantos. Me parece maravilloso.« (GE, S. 199) Er dagegen, repräsentativ für den extremeren Standpunkt, weist die 'primitiven' Kulte als barbarisch, überholt und fremd für Kuba, »tan ajeno como Africa«, gänzlich zurück. In der verständnisvollen Fürsprecherin legt nun Cabrera Infante die möglichen Verbindungen von Katholizismus und Santería an, wobei er auf die Darstellung phänotypischer Verflechtungen beider Religionen, wie sie in der Überlagerung von katholischen Heiligen und afrikanischen Göttern hinlänglich bekannt ist, verzichtet. Er zielt auf die moralischen und konservativen Grundstrukturen des Verhaltens der beiden Religionen und bringt sie zur Deckung. Wie erwähnt, leidet die Frau an der Illegitimität ihrer Beziehung, wobei ihr Begleiter ihr die Lektüre seines Buches »Neurosis y sentimiento de culpabilidad« zur Behebung ihrer Gewissensqualen empfiehlt. Als sie auf dem Santeria-Fest sind und sie nach der Bedeutung der weißen Kleidung der Adapten fragt, erfolgt der erste Schritt einer Identifikation christlicher und animistischer Moralvorstellungen. »- ¿Por qué se visten de blanco?' preguntó ella. - Están al servicio de Obbatalá, que es el dios de lo inmaculado y puro. - Entonces yo no puedo servir a 'Obbatalá' dijo ella, bromeando« (GE, S. 198) Wenig später erfolgt der Vollzug jener Überlagerung, als eine alte Negerin um Erlaubnis bittet, mit seiner Begleiterin sprechen zu dürfen. Nach diesem Gespräch möchte diese den Ort der Zeremonien sofort verlassen, wobei er widerwillig zustimmt. Er besteht natürlich auf einer Erklärung und muß sich über die Weisheit der von ihm geringgeschätzten Neger belehren lassen. »La negrita esa, como tú dices, es una gran mujer. Ha vivido mucho y sabe mucho y si te interesa enterarte, acaba de darme una lección.« (GE, S. 201) Die alte Frau forderte die junge gebildete Weiße auf, ihre uneheliche Beziehung zu dem Mann zu beenden, wobei sie sich einer katholischen Terminologie bedient, aber scheinbar, so unterstellt es der Erzähler, ihre Erfahrung aus dem afrikanisch amnestischen Bereich gewinnt, womit gezeigt wird, daß auch die afrikanische Religion Beziehungen dieser Art mißbilligt.
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»¿Y se puede saber qué te ha dicho la pedágoga? - Nada. Simplemente me ha mirado los ojos y con la voz más dulce, más profunda y más enérgicamente, convincente que he oido en mi vida, me ha dicho: Hija, cesa de vivir en pecado'. Eso es todo.« (GE, S. 201) Cabrera Infante versteht die beiden Religionen durch die von ihnen vertretene Moral als gesellschaftsstabilisierend, wobei er dem wissenden, rationellen Menschen jedoch die 'ignorantes' gegenüberstellt, die aber auf Grund ihrer Weisheit über eine Dimension menschlicher Erfahrung und Erkenntnis verfügen, die den Technokraten verschlossen bleibt. Die Erzählung aus den frühen sechziger Jahren, deren Handlung scheinbar noch vor 1959 angesiedelt ist, könnte man als Appell an die Revolutionsregierung verstehen, im Umgang mit animistischen Religionen ebenso tolerant zu sein wie mit dem Katholizismus.
6. Die afrokubanischen Erzählungen von Benítez Rojo Zu den wenigen Autoren, die sich nach der Revolution dem Thema der Afrocubanidad, insbesondere der Santería annehmen, gehört Benítez Rojo mit seiner didaktischen Erzählung »La tierra y el cielo« 2 4 . Benítez Rojo problematisiert das Thema aus einer größeren Distanz als zum Beispiel Cofiño und bleibt demzufolge auch glaubwürdiger, wodurch Benítez Rojo zu den in dieser Zeit heterodoxen Autoren Kubas gehört. Wenn er auch »dentro de la Revolución« schreibt, was der vorliegende Text enthüllt, so greift er, wie Manuel Granados, doch das konfliktive Thema der Rassenfrage in mehr als einer Erzählung auf. In seinen Texten zeigt er das Überdauern von Rassenvorurteilen und Stereotypen, was ihn auf Kollisionskurs mit der damals vigenten Ideologie der 'mulatez' bringen muß. In »La tierra y el cielo« steht dem farbigen Protagonisten Pedro Limón der Neger Aristón gegenüber, wobei beide aus einer jener Gemeinden stammen, die von haitianischen Negern in der Provinz Camagüey gegründet wurden. In den beiden Figuren stellt Benítez Rojo die gegensätzlichen Kräfte eines alten und neuen Kubas dar, wobei das Alte dem Neuen weichen und notfalls geopfert werden muß. Auch bei der Lektüre dieser Geschichte fällt auf, daß unabhängig von der Hautfarbe der Autoren in der Darstellung afrokubanischer Rituale in der Literatur nur praktizierende Farbige und niemals ein weißer Adept gezeigt werden, obwohl die Hautfarbe in der Realität immer weniger ausschlaggebend ist.25 So scheint die Identifikation zwischen Elementen afrikanischer Religion und Farbigen noch sehr starr zu sein, wobei dieser reale und andere Aspekt einer Transkulturation nicht gezeigt wird. Aus diesem Grunde muß das Paar des Protagonisten und seines Antagonisten in Opposition zu dem weißen, aufgeklärten Guerrilla-Kapitän stehen, der ohne Eigennamen mit der Bezeichnung 'El Habanero' die aufklärende Haltung der Revolution und somit ein geändertes Kollektivbewußtsein vertritt, was sich auch in den Tiefenstrukturen des Textes zu
186 erkennen gibt. 26 Der zentrale Handlungsstrang der Geschichte wird aus der Perspektive Pedro Limóns in der ersten Person geschildert. Benítez Rojo folgt damit einem Prinzip der kurzgeschichtlichen Erzählung, indem er die Handlung um eine Einzelperson aufbaut, was er in Texten wie »La tijera roja« und »Evanisto« ebenfalls praktiziert.27 Die Rückschau, in der die Ereignisse aufgerollt werden, verlangt die indirekte Rede. Pedro, »pichón de haitiano marxista-leninista«, so wie er sich selbst nennt, kehrt nach dem Kampf in der Sierra mit einer Ausbildung als Lehrer in sein Heimatdorf zurück, womit die Erzählung an die Ereignisse des Romanes Adire von Manuel Granados anschließt und seine Fortsetzung sein könnte. In Guanamaca sieht sich Pedro zum einen vor die Aufgabe gestellt, die Dorfschule einzuweihen und zu betreuen, während er gleichzeitig die Umstände des Todes seines Jugendfreundes und Kameraden Aristón den Dorfbewohnern zu erklären hat. Dies dient Pedro dazu, die persönlichen und psychologischen Entwicklungen ihrer Jugend bis hin zu dem Rebellendasein in der Sierra Maestra rückwirkend nachzuvollziehen. Der Tod Aristóns, als Katastrophe der Handlung ereignet sich erst im letzten Kapitel der Erzählung, wobei nicht nur die Spannung des Lesers gesteigert werden kann, sondern Benítez Rojo zudem die Bewußtwerdung seines Protagonisten durch Wechsel der Erzählerperspektiven und alternierenden Zeitsprüngen von der Gegenwart in die Vergangenheit herausarbeitet und der Perspektivenwechsel noch einen weiteren Zweck erfüllt. So enthüllt er nicht nur die gleichzeitige Identifikation und Distanz zwischen Protagonist und Antagonist, sondern auch die zwiegespaltene Persönlichkeit des Erzählers im 'Principio de Corte' zwischen dem alten und neuen Gesellschaftssystem, seine Metamorphosis und seine Lösung aus den in ihm eingewurzelten afrokubanischen Denk- und Glaubensstrukturen. Dadurch, daß Benítez Rojo einen Haitianer zum Protagonisten gewählt hat, gelingt es ihm, eine ideologisch fruchtbare Distanz zwischen den kubanischen Lesern und den Ereignissen zu bewahren, da die historisch-kulturellen, oberflächlichen Unterschiede zwischen Kubanern und Haitianern ähnlich wie in Ecué-Yamba-0 zum Ausdruck kommen, diesmal aus der Sicht eines Mannes, dessen Eltern infolge der Weltwirtschaftskrise 1929 zwangsweise nach Haiti zurückkehren mußten. Der noch junge Pedro versteckt sich vor der Abreise und bleibt alleine auf Kuba zurück - er fühlt sich als Kubaner - ein Motiv, das ähnlich in González Cascorros Romper la Noche (1973) wieder aufgegriffen wird. Die Fremdheit der haitianischen Gemeinde, betont durch den Hinweis auf die kreolische Sprache und den Voudou-Kult, dessen ältester und oberster Priester der Großvater von Aristón, Tiguá, ist, ergibt sich somit aus den inneren Spannungen zwischen Tradition und Moderne sowie der Beziehung der Gruppe zur kubanischen Umwelt. In den Verweisen auf Aspekte des Voudou, die ein kubanischer Leser nicht als 'exotisch' empfinden dürfte, finden sich Bezüge auf die Legende von Mackandal und dessen Fähigkeit, sämtliche Tierformen, insbesondere die der Schlange anzunehmen. Insofern greift Benítez Rojo nicht tatsächlich historische Ereignisse auf, sondern bezieht sich auf das Konzept der 'wunderbaren
187 Wirklichkeit' Alejo Carpentiers und dessen Realisierung in El reino de este mundo (1949), wobei Benítez Rojo die afrikanischen Idiosynkrasien vor einen revolutionären Hintergrund stellt und das afrikanisch extra-okzidentale Welterleben marxistischleninistisch überwindet. Das Verbindungsglied zwischen haitianischen und kubanischen Kulten, das den kubanischen Leser didaktisch an den Text bindet, findet sich in der Figur Oggün, einer Gottheit die das neutrale Emblem der Geschichte darstellt und die sowohl im kubanischen Pantheon der Lucumi als auch im haitianischen 'radas' Pantheon über die selben Charakteristika verfügt. 2 » Mit der Darstellung der haitianischen Gemeinde Guanamaca gelingt es Benítez Rojo, zwei Absichten zu verwirklichen. Zum einen zeigt er in der Schilderung der relativ unbelasteten Jugend Pedro Limóns, dessen Bezug zur afrikanisch-animistischen Welt der haitianischen Erwachsenen in den Erzählungen und dem Wirken von Tiguá und Adelaide Malantes, der Mutter von Aristón und im Selbstvertrauen des Letzteren auf seine übernatürlichen Kräfte. Hierbei macht der Autor zudem deutlich, daß die afrikanischen Glaubenspraktiken den haitianischen Arbeitsemigranten als Möglichkeit der Evasion und Überwindung unmenschlicher Arbeitsbedingungen dienten, womit der Zusammenhang zwischen afrikanisch-religiösem Verhalten und sozialem Status bzw. Ausbeutung hervorgehoben wird. Auf der anderen Seite symbolisiert Benítez Rojo durch die Rückkehr des Protagonisten in sein Heimatdorf die Integration auch isolierter Gruppen wie die der Haitianer in die Revolution. »Sí - expresa Pedro. Porque de algún modo (como diría el Habanero) Guanamaca era, a pesar de toda la miseria, mi pedazo de cielo, y nunca fui más feliz que en aquellas noches con Leonie junto a la hoguera de Tiguá, bajo los árboles de la llama escuchándolo contar historias del país viejo, escuchándolo hablar del manco Mackendal, de cómo había metido tres pañuelos en su vaso, sacándolos luego uno a uno, primero el amarillo, después el blanco, y final el negro, la raza que mandaría en Saint Domingue.« (TC, S. 21) Ähnlich wie Manuel Cofiño in dem Roman Cuando la sangre se parece al fuego zeigt Benítez Rojo seinen Protagonisten in einer dialektischen Spannung, was der Titel »La tierra y el cielo« andeutet, zwischen seiner afrikanischen Vergangenheit und aufgeklärten Zukunft. In beiden Texten bedeutet geistig kulturelle Renaissance einen schmerzhaften Prozeß der Lösung von einer überholten Identität, die Benítez Rojo durch die physische Veränderung seines Protagonisten symbolisiert. Eine Granate hatte dessen Gesicht zerstört und somit seine Identität ausgelöscht. Er sehnt sich nun, das chirurgisch zusammengesetzte neue Gesicht seinen Landsleuten zu zeigen, wobei ihn Benítez Rojo symbolisch überhöhend so lange als lebenden Toten umherziehen läßt, bis er sich zu seiner neuen Identität bekennt, »Ahora no soy más que un pobre maestro con cara de zombie« (TC, S. 22). Zentraler Spannungsfaktor der Handlung ist die Äquivalenz von Aristón und Oggün, wobei der haitianische Oggún Ferraille des Voudou ebenso angeberischer Gott
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des Metalls und des Krieges im Pantheon der kubanischen Yorubá ist. Anläßlich eines Zweikampfes bewirkt der alte Tiguá, daß Oggún von seinem Enkel Aristón Besitz ergreift, so daß dieser dem jamaikanischen Gegner den Bauch aufschlitzen kann. Von diesem Augenblick an sind die Anwohner, insbesondere Pedro Limón von der Einheit Oggún-Aristón überzeugt, wobei Aristón selbst von der eigenen Mutter ständig in diesem Glauben bestärkt wird, so daß er in der weiteren Rolle fast ausschließlich als Hypostasis, oder 'caballo' von Oggún wahrgenommen wird. »Caminaba como un dios, muy derecho y pisando el polvo rojo.« (TC, S. 20) Schon bald, nach der Ermordung eines Landpolizisten, die noch als Akt sozialen Aufbegehrens oder der Revolution verstanden werden könnte, stellt Benítez Rojo den Geist Oggúns als blinden und als kriegerisch blutrünstigen Impuls dar, was das System afrikanischen Glaubens als irrational und letztenendes auch als asozial entlarvt. So ist auch der Grund, warum Aristón an den Kämpfen gegen die Diktatur Batistas teilnimmt, nicht in einer tiefen und inneren Überzeugung seinerseits zu suchen, sondern es ist die reine Lust am Kämpfen, womit er den zögernden Pedro zu überzeugen versucht, mit in die Guerrilla zu ziehen: »Oggún dice que tengo que pelear para encender la tierra, que tengo que pelear al lado tuyo, tú eres mi resguardo y las balas no me van a hacer nada, si tú estás delante. A tí tampoco. Me lo dijo Oggún y a Tigúa le dijo lo mismo. Pelea o te mato. Escoge.« (TC, S. 2 f.) Auch hier wieder fällt auf, daß der farbige Protagonist, wie in Adire oder in Cuando la sangre se parece al fuego ohne eigenes Zutun und Wollen in die Revolutionsbewegung findet. Während sich Pedro im Leben unter den Rebellen in der Sierra Maestra verändert und mit der elementaren Bildung, die ihm der Führer der Gruppe 'El Habanero' vermittelt, ideologisch geformt wird, zeigt sich Aristón gegenüber jeglicher Bewußtseinsveränderung hart und unzugänglich, was Pedro wie folgt darstellt: »Yo no tenía problemas, me acordaba de cada una de las palabras del Habanero sobre el reglamento. Aristón, si: lo habían subido a cabo tres veces, se había quedado sin galones. 'Es una lástima que no tenga cabeza, un hombre tan fuerte y tan cojonudo', decía el Habanero. Aunque en un final a Aristón le daba lo mismo. Lo único que le importaba era pelear. Pelear y matar.« (TC, S. 26) Als sich Aristón und Pedro wenig später vor einer feindlichen Patrouille zurückziehen bzw. fliehen müssen, löst dies die finale Tragödie aus. Ein Mitstreiter, »el hombre del llano«, beleidigt sie als »pendejos abominables« und wirft ihnen als haitianischen Negern Feigheit vor, woraufhin ihm Aristón mit der Machete den Kopf spaltet. Die Ermordung des Mannes aus der Stadt war trotz seines Rassismus und Geringschätzigkeit der Haitianer unnötig, mit der Tat hatte sich Aristón außerhalb der bestehenden Ordnung gestellt. Ein Todesurteil ist die Folge, ausgesprochen durch den Habanero, welcher dadurch die fast mystische Rolle eines menschlichen Helden
189 übernimmt, der sich der afrikanischen Gottheit Oggún entgegenstellt. Aristón bleibt unerschüttert, da er sich durch Oggún beschützt glaubt, was in dem Abschnitt vor der Erschießung deutlich wird. »- No te preocupes - me decía mientras le amarraban las manos -. Si tú estás conmigo no me puede pasar nada. Caminamos por el trillo del excusado, más al fondo estaba la ceiba. Cada tres o cuatro pasos él volvía la cabeza y me hablaba del susto que se iban a llevar la gente cuando Oggún hiciera el milagro. Al fin llegamos al árbol. Se dejó vendar los ojos y colocar de espaldas al tronco. Los del pelotón formamos en hilera, a unas doce varas. '¡Carguen!', gritó el Habanero, y yo palanqueé mi San Cristóbal. Aristón estaba como todos los días, alegre, con su sombrero de rural, las alas prendidas por las medallas de la virgen que les quitaba a los muertos, atravesado en las pasas largas y sucias de tierra; lo miré bien para llevármelo de memoria, por si acaso Oggún lo transformaba en lechuza o algo parecido; y vi que usaba dos collares de semillas, y yo siempre había creído que eran más, y los colores de los pañuelos de Adelaide eran blanco, negro, y amarillos, y tuve que fijarme mucho porque estaban rotos y desteñidos; y le volví a mirar la cara y ya se la había puesto gris, y seguro que Oggún había bajado con el ruido de las armas y ahora vendría lo bueno. (TC, S. 29 f.) Hier wird an der Haltung Aristóns eine Vorstellung afrokubanischer Glaubensmuster sichtbar, das César Leante ebenfalls in seinem historischen Roman Los Guerrilleros negros (1980) verwendet, als der Rebell Ventura im Kampf an seine Unverletzbarkeit glaubt: »Los blancos no podían darle muerte porque lo protegían los loas de Africa«. (GN, S. 234) Der ideologische Schlüssel zu der Erzählung von Benítez Rojo findet sich in den Szenen, als Aristón-Oggún unter den Schüssen des Hinrichtungskommandos fallt. Rebotó contra la ceiba. Hizo un ruido como de tos y largó un buche de sangre. Luego resbaló despacio por el tronco; suspiró, y se hundió en los matorrales. El Habanero caminó hasta la ceiba con la pistola en la mano. Se inclinó. No sé si fue un jubo o un majá, pero bajo el humo del disparo, un latigazo de ceniza corrió por entre las piedras y se perdió monte arriba. No era idea mía, todos nos quedamos mirando a lo alto de la ladera. (TC, S. 30) Mit dem Bild der Schlange oder Blindschleiche, die sich blitzschnell davonwindet, nimmt Benítez Rojo Bezug auf das Konzept des Wunderbar-Wirklichen, das Carpentier mit ähnlichen Darstellungen der Verwandlungskünste Mackandals in El reino de este mundo darstellt. Benítez Rojo schildert somit einen Bewußtseinszustand seines Protagonisten, der dem Ti-Noels aus Carpentiers Roman ähnlich ist. Nicht zuletzt handelt es sich in beiden Fällen um Haitianer. Pedro ist sich seiner Beobachtung der
190 Schlange sehr sicher und bittet den Habanero, dies zum Trost den Hinterbliebenen nach Guanamaca zu schreiben, worauf sich dieser weigert und Pedro auffordert, sich entweder für den »cielo«, d.h. die afrikanischen Glaubensvorstellungen oder für »tierra« zu entscheiden, womit die Realität, Anforderungen und Bedürfnisse der Revolution und des kubanischen Volkes gemeint sind. Mit dieser Auffassung von Wirklichkeit, der Erde, hat Benítez Rojo die Existenz von Mackandal, Symbolfigur des Real Maravilloso, überwunden, aus dem Reich von dieser Welt getilgt, nachdem Carpentier dessen Existenz noch für Haiti festgeschrieben hatte. »Mackandal había cumplido su promesa, permaneciendo en el reino de este mundo«. (RM, S. 41) El Habanero als Repräsentant einer offiziellen Ideologie stellt somit folgerichtig Pedro vor die Alternative, sich entweder für ein wunderbar religiöses aber letztendlich sozial untaugliches Weiterleben zu entscheiden oder sich einer realen und revolutionären Wirklichkeitsbewältigung zu stellen und somit den Schritt von einem extraokzidentalen zum okzidentalen Realitätsbewußtsein zu vollziehen. »... y sin alzar la cabeza me dijo que me retirara y que me decidiera, porque en la vida los hombres siempre habían tenido que escoger entre la tierra y el cielo y para mí ya era la hora.« (TC, S. 30) Benítez Rojo gelingt es, in seiner Erzählung das Konzept des Real Maravilloso nochmals glaubwürdig aufzunehmen, womit dies einer der wenigen Texte solcher Art in der Revolution ist, um aber dessen Wert gleichzeitig ebenso glaubwürdig und überzeugend in Zweifel zu ziehen. Trotzdem betont er hier die Übereinanderlagerung von Kulturen und nicht die Integration des Afrokubanischen in das damals gegenwärtige System, womit er sich den Standpunkten von Lezama Lima oder Severo Sarduy annähert. Die Afrikanität erscheint in der Optik der weißen, dominanten Kultur als Problem und Hemmnis einer Entwicklung, aber gleichzeitig als eine kulturell intakte und reiche Welt, die Benítez Rojo nicht durch Wissenschaftlichkeit bedroht. So klingt in der Erzählung »La tierra y el cielo« ein leicht nostalgischer Ton an, der in vorsichtiger Wehmut an die von der Revolution überholte afrokubanische Kultur erinnert.
7. Raúl González de Cascorro, Romper la noche An den Romanen von Granados und Cofiño wird die Integration der Afrokubaner in die postrevolutionäre Gesellschaft geschildert, während Valdés Vivo massiv auf die Rassendiskriminierung eingeht, greift Raúl González de Cascorro in seinem Roman Romper la noche (1973)29 die Frage der Dissidenten auf. Der Ich-Erzähler wartet mit seiner kleinen Familie und einer Gruppe Gleichgesinnter an der kubanischen Küste darauf, von einem Schiff heimlich nach Miami gebracht zu werden. Die Flucht verzögert sich allerdings und so entsteht in der Spannung die literarische Möglichkeit, nochmals das Für und Wider bzw. die Notwendigkeit des Exils abzuwägen, wobei
191 dem charakterlich schwachen Ich-Erzähler der eigene dreizehnjährige Sohn gegenübergestellt wird. Während des unvorhergesehenen Wartens wird die Beziehung zwischen Vater und Sohn immer stärker dramatisiert, was nahezu zwangsweise zu einem symbolischen Romanende führen muß, in dem der Sohn Carlito von dem schon fahrenden Schiff ins Wasser springt, um in das Neue Kuba zurückzuschwimmen. Obwohl eine Emanzipation Carlitos gegen den leitmotivisch wiederholten Satz: »Los niños tienen que ir a donde sus padres« die bewußtseinsbildende Spannung des Romans aufbaut, ist in unserem Zusammenhang ein anderer Aspekt von Bedeutung: Der Ich-Erzähler ist ein Mulatte, dessen Entscheidungen und Verhalten von den sozialen Aspekten seiner Vergangenheit stark geprägt werden. So läßt González de Cascorro schon auf den ersten Seiten ein Sozialprofil seines Protagonisten entstehen, das den ideologischen Stellenwert des Romanes mitbestimmt. »Cuando yo era muchacho nunca fui a la playa. Mi madre era una negra sin marido, que podía mantenemos a base de lavado y los domingos había que salir a arreglar jardines por los repartos de gente acomodada.« (RN, S. 10) Verweist hier Cascorro auf die überkommenen Strukturen der karibischen Mutterfamilie und deren unter anderem ethnisch gebundene Armut, wie sie auch Zobel in La Rue Cases Nègres (1935), R. Wright für andere Länder deutlich machten, stellt er mit der Frau des Protagonisten Beba den 'espíritu rector' des Fluchtgedankens vor und enthüllt in deren Erwiderung auf das obige Zitat auch die didaktisierende und Spannung erzeugende Struktur des Romans. »No hables de eso delante de los niños. No hace falta recordar las cosas superadas.« (RN, S. 10) In ihrer Antwort gesteht Beba dem Leser ein, daß es keine objektiven Gründe, d.h. wirtschaftliche Not und Rassismus, für die Flucht aus Kuba mehr gibt. Die Beweggründe für das Vorhaben müssen also andere sein und es sind meist niedrige, wie es sich im Laufe des Romanes herausstellen wird. Cartoso, der farbige Ich-Erzähler, schwankt also zwischen den Polen seines aufgeklärten, bewußten und prorevolutionären Sohnes und seiner ihm intellektuell überlegenen Ehefrau, über deren Hautfarbe der Leser im Unklaren gelassen wird. Aus dem intellektuellen und sozialen Gefälle zwischen Gattin und eindeutig farbigem Ehemann, einem Motiv, das sich in Cofiños Cuando la sangre se parece al fuego wiederholt, entsteht auch die rassistische Bestätigung des Klischees des intellektuell wenig befähigten, gutgläubigen und vor allem entscheidungsschwachen Afrokubaners, wie es in den Romanen von Granados (Julian); Cofiño und César Leante gezeigt wird, womit auch dieser Roman in seinen Substrukturen machistisch und rassistisch ist. Die intellektuelle, aber verderbenbringende Eva verführt den schwachen, farbigen Mann zu einer ethisch und moralisch verwerflichen Handlung, die er in seinem Innersten nicht mitträgt. Die Konsequenz dieser Prädispositionen ist die Vergeltung oder der Haß auf die überlegene und damit ihn einschränkende Haltung der vermutlich weißen Frau: »Siempre razonándome con sus palabritas rebuscadas, con su exhibicionismo de
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profesora de Español del Instituto y con la sicología aprendida durante el doctorado. Me sabía mal. Porque yo solamente había podido terminar en la Escuela de Comercio.« (RN, S. 10) Wie Cascorro zeigt, können Bildungs- und Rassendiskriminierung nicht mehr die eigentlichen Gründe für den Wunsch einer Flucht nach Miami sein, wobei Beba die existierende Problematik der Rassenbeziehungen in den Vereinigten Staaten abtut: »Algún negro fresco de Los Angeles que ha formado problemas«.(RN, S. 19) Allein durch die Tatsache, daß Cartosos Familie die einzige farbige Familie ist, die sich in der großen Gruppe der Flüchtlinge befindet, weist Cascorro nach, daß es nicht die Flucht vor der Rassendiskriminierung sein kann, die die Motivation zur Emigration liefert. Literarisch versucht Cascorro, dem Bruch zwischen der kubanischen Realität und der Illusion eines besseren Lebens in den Vereinigten Staaten durch die in die Dialoge und auktorialen Darstellungen eingestreuten Informationen über das neue Kuba Traum- und Phantasiefrequenzen gegenüberzustellen, die die Lügen antikubanischer Propaganda enthüllen. So stellt z.B. der Ich-Erzähler die Situation seiner Familie klar: »Porque ya su padre tenía un empleo decente y la madre había terminado el doctorado en la universidad. Y las cosas se iban comprando con algo de trabajo, pero se compraban« (RN, S. 26), um wenig später in einem Tagtraum das Radiointerview nach der gelungenen Flucht vorwegzunehmen, wobei Cartoso keine Gründe nennen kann, die nicht schon von vorneherein widerlegt waren oder so geringfügig sind, wie der Dienst bei den Milizen, so daß die antikubanische Propaganda in ihrer hypokriten Dimension und die Flüchtlinge in ihrer körperlichen Bequemlichkeit vor den Augen des Lesers enthüllt werden. Sein Argument »Tuve la necesidad de correr este terrible riesgo porque no me daba facilidades para venir« ist für jeden einsehbar, von Cascorro aber mit dem Wort 'facilidades' satirisch unterhöhlt. Der Vorwurf, gegenüber der Revolution, die ihn angeblich unter Druck setzte »era objeto de vejaciones« ist eine Leerformel und zudem, wie Cartoso vorher selbst bestätigt, falsch. In seinem Argument »se me exigía que fuera miliciano« enthüllt Cartoso nur die eigene Bequemlichkeit, mit der er sich von einer gemeinsamen, solidarischen Aktion ausschließt. Mit der Angst, von dem CDR überwacht zu werden »Se me vigilaba por el Comité de Defensa« gibt er zu, etwas verbergen zu müssen, da die Kontrolle durch das CDR ausnahmslos alle Kubaner trifft. Auch das Motiv, mit der Revolution nicht einverstanden gewesen zu sein »que no era una persona adepta al régimen«, ist für ihn falsch, denn nicht er, sondern seine ehemals großbürgerliche Frau gab die Impulse zur Flucht. Die Beschuldigung der Rassendiskriminierung »ellos sí eran discriminadores de negros« ist textimmanent schlichtweg bewußt gelogen, da Cartoso zu Beginn des Romans zugeben muß, daß die Rassendiskriminierung abgeschafft wurde. Die Verleugnung der sozialen Errungenschaften der Revolution »la gente muere de hambre ... no hay mé-
193 dicos, ni hospitales« ist nun die offensichtlichste Lüge des Protagonisten, die den Text selbst, zumindest in diesen Passagen als agitatorisch entlarvt. Interessant ist auch die - geträumte - Argumentation, daß ihnen die offiziell beantragte Ausreise verweigert wird mit der plumpen Begründung, daß er in den Vereinigten Staaten als Neger vom Ku-Klux-Klan erwartet werden würde, um mit seiner Familie am nächsten Baum aufgeknüpft zu werden. Cascarro enthüllt und erschüttert somit den blinden Glauben an die USA, der »cuna de la democracia« unter den Dissidenten, die selbst soziale Realitäten in ihrer Gegenteil verdrehen und glauben wollen, sie wären antiamerikanischer Propaganda entsprungen. Die Wahrheit über das Zielland USA erfährt Cartoso noch in einem nächtlichen Gespräch vor der illegalen Ausreise: »Y Usted se va adonde hay gente que se acuesta con hambre. Niños negros que lloran por las noches. Y mestizos. Y blancos que duermen entre ropas savias, con cucarachas pasándolas por encima.« (RL, S. 78), während das Sozialprofil des vorrevolutionären Kuba noch durch die verschiedenen Clubs als ebenso rassistisch gekennzeichnet wird. »Cuando comencé a salir con Beba ... íbamos a la sociedad 'Maceo': A la de los mulatos de la clase media. Porque había otra para los negros de pueblo. Y otra, la más alta para los negros de dinero.« (RL, S. 24) Anhand dieser kurzen Darstellung des gesellschaftlichen Lebens vor der Revolution fällt auf, daß mit der Ausnahme von Carlos Montenegros Hombres sin mujer (1937) über dreißig Jahre auf Kuba kein Prosatext entstanden ist, dessen farbige Protagonisten sich in einem zeitgenössischen Kontext bewegen bzw. sich realen und eben zeitgenössischen Problemen stellen, so daß die kubanische Gesellschaft vor 1959 nur im Spiegel postrevolutionärer Texte gesehen und interpretiert werden kann. Obwohl sich Cascarro bemüht, den Konflikt zwischen der Erkenntnis der Leistungen der Revolution und der kapitalistischen Zukunft wirksam aus der Perspektive eines farbigen Kubaners zu schildern, verliert auch er sich in Klischees und Vorurteile. Der auffallend oft wiederholte Hinweis auf die Hautfarbe der 'negritos', die ihm als Kennzeichnung verschiedener Personen zu genügen scheint, (RN, S. 41, 94, 119) ist kein Indiz dafür, die Sichtweisen, Sensibilität und Perspektiven eines selbst farbigen Protagonisten übernommen und literarisch wirksam realisiert zu haben. Der Bewußtseinsprozeß des Helden Cartoso in einer Situation, die sich an Sartres »Huis-Clos« orientiert, wird mit der Flucht des eigenen Sohnes vollzogen, worauf sich der Titel bezieht. Die Nacht des Unbewußtseins ist im Jugendlichen durchbrochen und der Autor entblößt zum ersten Mal den Seinszustand der Flüchtlinge. »A verlos por primera vez: fauna de cloaca que se desnuda, que muestra sus deformados cuerpos, que abre los huecos por donde resbalan las visceras que ahogan con su fetidez.« (RN, S. 127)
194 Cascarros Abrechnung mit den 'gusanos' ist somit vollzogen.
8. Raúl Valdés Vivo, Los negros ciegos Im Jahre 1971 erschien der Roman von Raúl Valdés Vivo (1929) Los negros ciegos.w Vivo war zu jener Zeit Botschafter der Republik Kuba in Nordvietnam, das er als Journalist einige Jahre vorher bereist hatte. Demzufolge siedelt er seinen Roman in Vietnam an, aber im damals gegnerischen Südvietnam, wo er die Rassenkonflikte in einem Lager der 'US-Marines' beschreibt. Die Konstellation ist zumindest bemerkenswert. Ein Kubaner benützt den Vietnamkrieg als Hintergrund, vor dem er den Bewußtwerdungsprozeß einer Gruppe nordamerikanischer Neger enthüllt. In dem Jahr, in dem der Fall Padilla einen Moment der Krise der kubanischen Revolution offenlegte, kam nun dieser Roman mit einem an sich hochexplosiven Stoff auf den Markt. Es m u ß deshalb die Frage gestellt werden, ob Valdés Vivo sich nicht Vietn a m s und der Nordamerikaner bedient hat, um Krisen und Zustände Kubas selbst nach außen zu transponieren, sie an den erklärten Feind der Revolution zu binden, damit sie in aller Deutlichkeit versprachlicht werden können, wobei Vietnam als literarisches Motiv beliebt war und ist, da an dem heroischen Widerstand des kleinen Volkes die imperialistischen Techniken der auch Kuba bedrohenden USA deutlich gemacht werden können. Gedichte wie »En un país de Vietnam« von Nancy Morejón, Nicolas Guillén etc. legitimieren somit den Rückgriff Vivos auf Vietnam. Gleichzeitig ist aber auch in Kuba bekannt, daß der Prozentsatz der farbigen Soldaten im Vietnamkrieg besonders hoch war, was in dem Roman von R. González de Cascorro Romper la noche zum Ausdruck gebracht wird. »A los negros son los primeros que mandan a pelear a Vietnam.« (RN, S. 62) Der Roman Negros ciegos, der in seiner erzählerischen Struktur deutliche Parallelen aufweist zu Carlos Montenegros Hombres sin mujer (1933), stünde somit in der Tradition jenes narrativen Vorgehens, das durch die Projektion auf ferne Länder kubanische Problemstellungen aufzeigt, um persönliche Konsequenzen für den Autor zu vermeiden. Diese Vorsicht ist gerechtfertigt, da Kuba durch die militärische Präsenz in Afrika das eigene Verständnis als transkulturierte Nation, d.h. als Mulattennation aufzeigen will, um damit auch das Engagement Kubas in Schwarzafrika zu legitimieren.31 Der Anteil farbiger Soldaten in der kubanischen Truppe war demnach hoch.32 Zudem gab ein Zwischenfall im kubanischen Kongo-Engagement Möglichkeiten zu Spekulationen über rassistisches Verhalten der kubanischen Militärführung: »The Cuban govemment permitted a group of Afro-Cuban soldiers to be slaughtered and massacred in the congo while having information that this was going to occur.«33 Los negros ciegos geht von einem Tatsachenbericht aus. Drei gefangene nordamerikanische Soldaten werden vom Vietcong den US-Truppen ausgeliefert, einer unter
195 ihnen ist farbig. Dieser hatte noch bei seiner Übergabe den anwesenden Journalisten erklärt, daß er sich während seiner Gefangenschaft zum ersten Mal als Mensch behandelt fühlte, eine Erfahrung, die er in den USA nie gemacht hatte. Gleichzeitig verurteilt er den Vernichtungskrieg, den die USA gegen Nordvietnam führen. Nachdem er kurz darauf in die USA zurückgekehrt ist, erfährt die Öffentlichkeit, daß eben jener Soldat an einem bösartigen Gehirntumor gestorben ist. Unter den farbigen Soldaten der in Vietnam stationierten Truppe macht sich das Gerücht breit, daß W. Brigham auf Grund seiner Erklärung von den 'jefes' liquidiert worden sei. »Ellos temían que el protestara contra la guerra« (NC, S. 24), während die weißen Soldaten den Tod ungerührt, rassistisch kommentieren, »Ya sé lo de Joe, un negro menos!« (NC, S. 21) Diese Schwarz-Weiß-Zeichnungen, auf Kommentare, rassistische Witze etc. aufbauend, durchziehen als Randmotive den gesamten Roman und kennzeichnen den Sozialisationsprozeß, dem die drei farbigen Protagonisten Tom, Jimmy und Bob ausgesetzt sind. Der Titel Los negros ciegos steht für die naiven farbigen Soldaten, die für einen rassistischen und imperialistischen Staat ihr Leben riskieren, ohne dies zu erkennen. Tom repräsentiert als opportuner und angepaßter Neger das Onkel-TomSyndrom, womit er die Kritik aller engagierten Farbigen auf sich ziehen muß. »Tom se ha quedado con los blancos.« (NC, S. 172) Los negros ciegos ist ein programmatischer Text, der das Verhältnis von Farbigen und Weißen in einer gesellschaftlichen Einheit untersucht. Das Lager, wie in anderen Texten die 'palenques', ist somit als mikrokosmisches Spiegelbild nicht nur der USA, sondern in metaphorischer Weise aller modernen gemischtrassischen Staaten zu begreifen. Da der Text zunächst seine Verbreitung und Wirkung auf Kuba erfahren hat, bleibt die Frage nach dem Programm, der Ideologie unter Abzug der Projektionen auf den imperialistischen Klassenfeind. Abgesehen von einer ständigen Verurteilung des Krieges, der alle menschlichen Qualitäten zerstört »Hemos perdido las facultades humanas ... Todas!« (NC, S. 94) wird ein zunehmendes Klassenbewußtsein sichtbar, das sich auch über die Hautfarbe manifestiert. Valdés Vivo enthüllt am Beispiel des mulattischen Psychiaters (!) Palmer die innere Zerrissenheit selbst aufgeklärter Menschen zwischen den Polen schwarz und weiß. Palmer, in einer anthropologischen Selbstüberschätzung »había afirmado que los mulatos fundaron la humanidad«, glaubt, durch seine Hautfarbe den Zugang zu weißen Frauen gefunden zu haben, während seine Frau zum Ergötzen der weißen Offiziere mit einem Neger flieht. Abgesehen von den sexuellen Klischees, die Valdés Vivo hier zum Einsatz bringt, wird seine kritische Einstellung gegenüber einer Überbewertung des Konzeptes der Mulatez und der Mulatten selbst deutlich. Auslösendes Moment für den entscheidenden Bewußtwerdungsprozeß ist die Besetzung eines kleinen vietnamesischen Dorfes durch amerikanische Einheiten, die ein blindes Massaker unter der Bevölkerung verursachen. Im Unterschied zu den tragischen 'Helden' von My-Lai, findet in der Folge unter den farbigen Soldaten eine Reflektion der Ereignisse statt, die den militärischen Sicherheitsdienst eine von ihnen
196 organisierte Erhebung vermuten läßt: »Sabemos que se trabaja para provocar una insurrección o un motín que se pretende emplear un grupo de negros« (NC, S. 115), womit das auch für Kuba nicht neue Klischee des Rassenkampfes wieder aufgegriffen wird. Zudem erkennen die Protagonisten des Romans den Vietnamkrieg immer mehr als Krieg der Rassen, was Frank wie folgt ausdrückt: »... estoy contra la guerra de razas ... pero en el fondo la (guerra de Viet-Nam) han organizado los racistas blancos de nuestro país para hacer de este pueblo, al que consideran inferior, un pueblo de esclavos ... tú y yo, negros, esclavos allá, somos esclavistas...« (NC, S. 157) Die Argumentation ist der kubanischen Geschichte entlehnt, wobei Frank sich des Gedankenguts von Frantz Fanon und der 'négritude' bedient, um seinen naiven Kameraden Tom aus der politischen Unschuld zu reißen: »Sí piel contra piel. Pero no negra contra blanca, sino la que suda contra la que no suda« (NC, S. 163). Wichtigster Appell Franks ist jedoch die Aufforderung zur Eigenverantwortung des Negers, der schon in den frühen Artikeln Guilléns durchschimmert. Franks Argumentation ist somit eine Wiederaufnahme des Gedankenguts, das Guillén und Urrutia in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts vorformulierten: »Bueno, el blanco inventó al negro, pero al primer negro. Ahora es el negro quien inventa al negro. Quiero decir que si el negro admite la discriminación, es tan culpable como el blanco de que la haya.« (NC, S. 161) Ergänzend dazu steht Guilléns Aussage von 1929 »La resolución de nuestro problema está, pues en nosotros mismos. No porque tengamos que convertimos en matemáticos famosos ... sino porque debemos considerarnos todos en la obligación de acercarnos al blanco enseñándole ... que nuestra piel oscura está cubriendo un hombre que se parece muchísimo al que late detrás de su piel blanca.«** Das Konzept der kubanischen Revolution strebt danach, ein Verständnis zu festigen, das seit dem 10. Oktober 1868 die Identität Kubas bestimmt, nämlich, daß das Konzept vom Vaterland (patria) mit der Schicht der Sklaven und späteren freien farbigen Bürger eng verbunden ist. Diese Einheit wird symbolisch für die USA durch Aktivitäten wie den Vietnamkrieg nicht nur gefährdet, sondern auch aufgelöst. »La idea de que la raza y la patria habían entrado en oposición, con toda la lógica que parecía haber en ello, no podia ser aceptada tan fácilmente« (NC, S. 169). Zwangsweise führt diese Dichotomisierung zur Verweigerung der Kampfhandlungen, der sich eine kleine Gruppe überwiegend schwarzer Soldaten anschließt. Der Roman umreißt eine Reihe von Problemen des Zusammenlebens von Schwarzen und Weißen, wobei die Kriegssituation die Konflikte verschärft, dramatisiert und zu Erkenntnissen zwingt, die in Alltagssituationen nicht in ihrer Deutlichkeit sichtbar werden. Die Transpolation auch kubaimmanenter Rassenfragen auf Vietnam erlauben
197 Valdes Vivo nun eine Deutlichkeit, wie sie in einer Geschichte im kubanischen Kontext der 70er Jahre nicht möglich gewesen wäre. So extrapoliert er in der Figur Toms die Unterwürfigkeit, den Egozentrismus und den Mangel an Bewußtsein, die nicht nur die Afrokubaner vor 1959, sondern auch die Afroamerikaner des karibischen Raumes zu einer neuen Art von Abhängigkeit führen, wenn sie dagegen nicht mit Zivilcourage und Engagement angehen.
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VIII. Disharmonien und Widerstand
1. Literatur und Widerstand Die E n t w i c k l u n g des Widerstandes der afrikanischen und kreolischen Sklaven darf nicht als kubatypisches P h ä n o m e n isoliert betrachtet und dargestellt werden. Im Gegenteil, Formen des Widerstandes aktiver und passiver Art gab es seit Beginn des g e w a l t s a m e n E x o d u s aus dem afrikanischen Kontinent. Für das Kuba von heute gilt j e d o c h , daß die Geschichte der Cimarrones, der Palenques, der kleinen und großen E r h e b u n g e n als Teil einer gemeinsamen Geschichte dargestellt und vielleicht auch e m p f u n d e n wird. Die unterdrückten Schwarzen von damals wehrten sich zuerst gegen die spanischen und kreolischen Sklavenhalter, um dann g e m e i n s a m mit den Kreolen gegen die Spanier vorzugehen. Ihr Einsatz galt der Freiheit, als Preis boten sie ihr Leben. Zu verlieren hatten sie nichts. Vielleicht m a g gerade die Ausweglosigkeit ihrer Situation und ihr Mut, dagegen a n z u k ä m p f e n , die revolutionäre Gesellschaft nach 1959 dazu b e w e g e n , sich in besonderem Maß mit den Cimarrones zu identifizieren und diesen einen wichtigen Teil im modernen kubanischen Geschichtsverständnis einzuräumen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Situation der Aufständischen unter Fidel Castro in der Sierra Maestra 1956-1959 nahezu identisch war mit der der in die Palenques geflohenen und damit freien, aber verfolgten A f r o k u b a n e r . W ä h r e n d die A n g a b e n für die Konsolidierung kulturellen Widerstandes für Kuba zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch auf V e r m u t u n g e n basieren, in Z u s a m m e n h a n g mit der ersten N e n n u n g der Abakuá 1835, läßt sich in Jamaica dagegen ein sehr frühes A n w a c h s e n des Protestpotentiales der Sklaven beobachten, das an die Konsolidierung afroamerikanischer Religionen als Agenten des kulturellen Widerstandes gebunden war. In den Jahren von 1801 bis 1807, in denen 63.000 Sklaven nach Jamaica gebracht wurden, »it's heaviest period of slave imports« 1 , war ein Ansteigen der Aktivitäten sowohl in den katholischen Kulten als auch in den animistisch-afrikanischen Kulten festzustellen, wobei jene synkretistischen G l a u b e n s f o r m e n entstanden, die die A u t o n o m i e kulturellen Fortbestandes sichern sollten. W ä h r e n d noch die europäischen Geistlichen versuchten, die afrikanischen Kulte auszurotten, verstärkten und versteckten die A f r i k a n e r ihre Rituale und Praktiken, was sich als einzige Möglichkeit anbot, persönlich und kulturell die Sklaverei zu ertragen bzw. zu überleben, so daß sich die Religion als wichtigste Ausprägung eines kulturellen Widerstandes herausbildete. Es ist n u n nachgewiesen, daß die Entwicklungen in Haiti, J a m a i c a und Kuba
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in ähnlicher Form stattfanden, wobei die jamaicanischen Sklaven erfolgreicher waren als die kubanischen und nach Haiti, unter der Führung des Baptisten Samuel Skarge, 1834 ihre Freiheit erlangten. Auf der anderen Seite wurden die ökonomischen und gewaltsamen Formen des Widerstandes in ihrem Einfluß auf die kubanische Sklavengesellschaft zwar von den abolitionistischen Autoren des 19. Jahrhunderts metaphorisch dargestellt, bis zum Erscheinen der Studie von Peter Martin Das rebellische Eigentum (1985), aber von der europäisch akademisch-etablierten Geschichtswissenschaft kaum wahrgenommen, wenn auch schon 1943 der farbige Kommunist Herbert Aptheker versuchte, mit seinem Hauptwerk American Negro Slave Revolts über die 'revolutionäre Tradition' der amerikanischen Sklaven Auskunft zu geben und damit eine Geschichte 'von unten' zu schreiben. Die politische Tragweite des noch unorganisierten Handelns, vom kolonialen Bewußtsein geleugnet, wurde zwar auf Kuba schon vor 1959 erkannt, mit dem Sieg der Revolution gewann aber diese Erkenntnis einen ideologietragenden Charakter als Bestandteil revolutionären Selbstverständnisses, der sich im literarischen Schaffen bis hin zu den Kinderbüchern wie Yan, el cimarrón (1984) von Edwigis Barroso durchzieht. Allerdings ist das Bewußtsein um präpolitische Handlungsweisen schon in den Texten von Cirilo Villaverde wie Cecilia Valdés (1839/82) oder in den Tagebuchaufzeichnungen des Sklavenjägers Pedro José Morillas, die Villaverde 1856 unter dem Titel Diario de un rancheador veröffentlicht hatte, erkennbar. Jedoch gewinnen die Cimarrones erst im heutigen kubanischen Selbstverständnis die volle Anerkennung als historische Subjekte, da sie, im Gegensatz zu den in politisch und militärisch erkennbaren Formen kämpfenden Schwarzen der beiden Bürgerkriege, lange Zeit unter der Enteignung ihrer Geschichte litten. Durch die Literarisierung der Geschichte der entlaufenen Sklaven, die sich in Cecilia Valdés (1882) schon abzeichnet, in dem Roman Romualdo. Uno de tantos (1881) von Francisco Calcagno, in der Gestalt des entlaufenen Titelhelden an Bedeutung gewinnt und im 20. Jahrhundert mit Caniqui (1936) von Jóse Antonio Ramos, mit Luis Felipe Rodríguez El negro que se bebió la luna (1940), mit der Erzählung »Los fugitivos« (1946) und dem Roman El reino de este mundo (1949) von Alejo Carpentier, mit Los guerrilleros negros (1980) von César Leante, mit Miguel Bamets Schlüsselwerk El Cimarrón (1968) und dem Kinderbuch Yan, el cimarrón (1984) zur ständigen, auch ideologisierten Figur des afrokubanischen Romans wird. Zudem begleitet seit Beginn des Jahrhunderts eine umfangreicher werdende fachhistorische Literatur die Geschichte der Unartikulierten, die in der Prosaliteratur ihre menschliche Dimension zurückgewinnen und so einen entscheidenden und formenden Anteil im Geschichtsbewußtsein erfahren: Die Afrokubaner erscheinen nicht mehr als Objekte, die traktiert werden und niemals selbst handeln. Den Opfern weißer Gewalt und Aggression, wie es in dem Roman Francisco o las delicias del campo (1839) von Anselmo Suárez y Romero drastisch geschildert wird, oder weißer Fürsorge, von Gertrudis Gómez de Avellaneda in Sab (1842) sentimental dargestellt, oder als Gegenstand des Waren-
200 handels, nachlesbar in Cecilia Valdés oder in dem außerkubanischen Schlüsselwerk Unele Tom's Cabin (1856) von Harriet Beecher Stowe, gelingt der Schritt in die Selbstbestimmung in der Literatur des 19. Jahrhunderts, wenn auch nur beiläufig. Es ist der Mord des Kutschers an seinem Herrn, in Sofia, womit er sich für die Demütigungen rächt, es ist ein Sklave in Via Crucis (1850), der über sich selbst bestimmt und von der Sklaverei in den Befreiungskrieg zieht, es sind die Vielzahl von Sklaven, deren Verfolgung das Diario de un rancheador (1856) aufzeichnet und es ist im 20. Jahrhundert El negro que se bebió la luna (1940), in dem zum ersten Mal die Lebensgeschichte eines Sklaven, von seiner Gefangennahme in Afrika bis zur Flucht in den Palenque, nachgezeichnet wird. Mit dem Zeugnis-Roman El Cimarrón ist dann die Rehabilitierung der Sklaven als historische Subjekte endgültig vollzogen, da gerade der Bericht Estéban Montejos den Beitrag der Afrokubaner im Akkulturationsprozeß von der anderen, nicht weißen und wissenschaftlichen Seite, authentisch verdeutlicht. Die Literatur ergänzt somit notwendigerweise das trockene Studium schriftlicher Quellen, deren Objekte Individuen sogenannter »schriftloser« und »präpolitischer« Gesellschaften bzw. Schichten sind. Allerdings läßt sich trotzdem nicht für Kuba der von Peter Martin verfolgte Ansatz nachweisen, der die Geschichte der Afroamerikaner als Teil der »Geschichte der anderen Arbeiterbewegung« begreift, in dem er sie mit den diversen Formen des »Lumpenproletariats« identifiziert. 2 Die kubanische Geschichtsschreibung, wie auch die abolitionistische Literatur des 19. und die historisierende Literatur des 20. Jahrhunderts, stellt immer noch die Geschichte einzelner hervorragender Individuen, d.h. farbiger Verschwörer, Cimarronenführer und Generäle wie Aponte und Maceo dar, ohne sich auf die Globalität und Homogenität afroamerikanischer Widerstandsformen zu beziehen. In den Romanen stehen den stark individualisierten Protagonisten die Masse der anonymen Sklaven und Cimarrones gegenüber, die nie als Kollektiv an Profil gewinnen. Insofern bleibt die bürgerliche Manier begünstigt, Geschichte als das Handeln einiger bedeutender Individuen darzustellen, was Parallelen in der Behandlung der revolutionären Ereignisse von Santo Domingo findet. Bei der 'Scheidung von Santo Domingo' handelt es sich um einen für die Karibik untypischen spektakulären Fall, dessen Darstellung und die Kennzeichnung Toussaints als 'Napoléon noir' eben dieser Manier entspricht. Hatte die abolitionistische Literatur Kubas des 19. Jahrhunderts noch die Absicht, mit der Darstellung der Leiden der Negersklaven Gefühle zu erzeugen, allen voran Mitleid, wie es in dem programmatischen Text Francisco o las delicias del campo (1939) aber auch in Cecilia Valdés (1832/82), Sab (1842), Autobiografía de un esclavo (1840) und später in Sofia (1890) und Via Crucis (1890/1910) nachzuvollziehen ist, sollte neben dem Mitleid im kubanischen Roman durch das Inzest- und Vergewaltigungsmotiv moralische Empörung entfacht werden. In den Fällen der Texte, die vor 1880 geschrieben wurden, hatte das Gefühl die Funktion, Einfluß zu nehmen auf eine politische Entwicklung, deren Ziel die Abschaffung der Sklaverei war, wobei
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allerdings den kubanischen Autoren ein Erfolg wie ihn Harriet Beecher Stowe erlebte, versagt blieb. Auf der anderen Seite setzten sich die folgenden, modernen aber historischen Sklavenromane und -filme dem Verdacht aus, über die moralische Betroffenheit des Rezipienten diesen auf ein politisches System einzustimmen, das den an die Sklaverei gebundenen Kolonialismus und den daraus folgenden Kapitalismus überwunden hat. Durch die Identifikation des Kapitalismus mit Ausbeutung und deren Allegorie, den Sklaven, rechtfertigt der moderne kubanische Sozialismus bzw. Kommunismus sein Geschichtsverständnis. Aus diesem Grund begleiten auf Kuba auch Veröffentlichungen die seriöse Erforschung der afrokubanischen bzw. afroamerikanischen Sklaven, die sich wenig von der spektakulären und kommerziellen Literatur westlicher Länder unterscheiden. Hier wie dort versuchen sie, im Gewände des politischen Engagements und der Wissenschaftlichkeit auch die Sensationslust der Leser zu befriedigen. Neben den, vor allem in der exilkubanischen Gemeinde realisierten Studien über die 'Santería', wird in der wissenschaftlichen und fiktionalen Literatur der Sklave zunächst als Opfer omnipotenter Sklavenhalter dargestellt, wobei die Plantage gern mit einem Konzentrationslager verglichen wird, eine Darstellungsweise, der auch das umfassende und grundlegende Werk von Manuel Moreno Fraginals El ingenio (1978) gehorcht. Wird in der westlichen Leserwelt mit dem Leiden der Sklaven Geschäfte gemacht, indem man mit »dem versteckten Sadismus der Leser spekuliert« 3 , zu erinnern sei in diesem Zusammenhang an Boris Vians J'irai cracher sur vos tombes (1946), soll auf Kuba über die Identifikation mit dem Opfer der Wille zum Widerstand gegen Systeme jeglicher Art der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen aufgebaut werden. In beiden Fällen jedoch werden alte Mythen der Kolonialzeit tradiert, wobei auf Kuba dem Mythos des geknechteten Sklaven, exemplarisch dargestellt durch Francisco, die Tradition des aufbegehrenden Sklaven gegenübergestellt wird. Allerdings gerät die Erkenntnis dieser Tradition ihrerseits in Gefahr, als Mythos gebraucht zu werden. Obwohl oder vielleicht auch weil in beiden Fällen der Negerslave als Allegorie dargestellt wird, in der Regel ideologisch benutzt, fehlt in der kubanischen Prosaliteratur die Geschichte des 'unbekannten' Negers, der in Gedichten von Nicolás Guillén und seinen Apologeten eine bestimmte Rolle spielt. Es ist die Geschichte des verschleppten Sklaven, der namens- und identitätslos auf Kuba unter dem Mühsal der Arbeit stirbt. Zwar gelingt Maryse Condé in ihrem Roman Ségou (1984) mit der Biographie eines in Brasilien hingerichteten Sklaven, die geschichtlichen und menschlichen Hintergründe der Sklaverei episch auszuloten, doch könnte eine ähnliche Figur als Allegorie das Schicksal der 800.000 nach Kuba gebrachten Sklaven sehr viel besser vertreten, als es die überaus realistische Biographie Estéban Montejos vermag, der, weil er sich von seinen Leidensgenossen abgrenzt, als individualisiertes Vorbild einen ideologischen Stellenwert gewinnt. Francisco Calcagno allerdings scheint als einziger die Vernachlässigung des reichhaltigen und für die afrokubanische Sozialgeschichte aufschlußreichen 'soziokulturellen' Materials gespürt zu haben. Nicht nur, daß seinen
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Roman eine hohe Realitätsnähe auszeichnet, sondern er weist schon im Titel darauf hin, daß Romualdo keiner der exponierten Figuren der Romantik wie Francisco oder Sab sein will, sondern einer von vielen: uno de tantos. Calcagno wagt damit den ersten Schritt zu einer - wenn auch nur literarisch durchgeführten Verallgemeinerung, die im späten 20. Jahrhundert durch eine sozialpolitische Geschichte der Unartikulierten ihre Fortsetzung finden wird, die versucht »die Sklaverei auch von unten zu sehen und die Bedeutung der Sklavenhalter für Weiße und Schwarze gleichermaßen zu entdecken.« 4 Im Jahre 1851 stellte der Kubabesucher John Granville Taylor die Harmonie zwischen den kubanischen Pflanzern und ihren Negersklaven fest, wie übrigens andere seiner nach Kuba gereisten Zeitgenossen: »The mildness of Cuban plantation slavery impressed many travellers... Having little prejudice, the masters not only did not hate blacks, but they frequently had black concubines and manumitted many of their bondsmen«.5 Granville scheint Opfer jener Taktik der Sklavenhalter gewesen zu sein, die alles daran gesetzt hatten, zu vertuschen, was immer nach Dissens und Widerstand ausgesehen hätte, wobei seine sehr oberflächlichen Feststellungen kaum die latente Spannung innerhalb der Sklavenhaltergesellschaft erahnen lassen. Die Pflanzer glaubten selbst nie an die behauptete Friedfertigkeit ihrer 'lieben Schwarzen', die sich angeblich stets zufrieden in ihr Schicksal fanden, wie es Sab, der mulattische Sklave noch 1842 glauben lassen will. So unterscheiden sich im 19. Jahrhundert schon die romantischen Texte wie Sab, aber auch Francisco, in denen die Sklaven ungerecht und edel sterben, von Texten wie Cecilia Valdés und später El negro que se bcbió la luna (1940), El reino de este mundo (1949) und Los guerrilleros ne gros (1980), in denen die nur mühsam und unvollkommen verdrängte Angst der weißen Figuren vor der Rache der unterdrückten Sklaven durchschimmert. So strafen nicht nur die literarischen Texte, sondern auch andere Reiseberichte das Märchen von der vermeintlichen Harmonie Lügen: »slaves on the plantation ... are looked upon not as human beeings but as beasts of bürden«^, wobei die gesetzlichen und administrativen Maßnahmen zur Sicherung der Kontrolle über die Sklaven ebenfalls die Furcht vor den unterdrückten Menschen widerspiegeln. Auf der anderen Seite scheint aber auch für Kuba das zuzutreffen, was Herskovits und andere für die Vereinigten Staaten feststellen, nämlich, daß es sich bei den Erhebungen und Rebellionen der Sklaven um nicht zu unterschätzende Randerscheinungen handelte, von der die große Masse der Sklaven unbeeinflußt blieb. Die Aufstände waren mehr eine erwartete als eine tatsächliche Gefahr, die sich allerdings im Verbund mit aufständischen weißen Kreolen potenzieren konnte, so daß die Bedeutung der Sklavenerhebung auch für Kuba weder in ihrer Häufigkeit, noch in ihrer Ausdehnung bestand, sondern in der bloßen Tatsache, daß es sie als letzte Manifestation des Klassenkrieges unter den ungünstigsten Bedingungen gab. 7 Gerade der historisch angelegte Roman Los guerrilleros negros, aber auch schon El diario de un rancheador (1856) zeigen, welche Konsequenzen aus dieser als real empfundenen Bedrohung von Sklavenhändlern im Ver-
203 ein mit den Kolonialbehörden gezogen wurden. Das Tagebuch des Sklavenjägers, von Cirilo Villaverde literarisch aufbereitet und somit einer der ersten Zeugnistexte Kubas, enthüllt die große Anzahl entlaufener Sklaven, die von der kolonialen Gesellschaft ständig als latente Gefahr empfunden wurden. Mit El diario de un rancheador beginnt somit die Geschichte des Widerstands der afrikanischen Sklaven in der kubanischen Literatur, wobei allerdings erst der Roman El negro que se bebió la luna (1940) mit der Geschichte Orúmbilas auf die afrikanischen Ursprünge verweist, kurz das Trauma der berüchtigten 'middlepassage' erwähnt und die Entfremdungsprozesse auf Kuba schildert.
2. Der Tod Die Geschichte der Neger in der kubanischen Literatur ist gleichfalls die Geschichte qualvollen Sterbens und gewaltsamen Todes. Kaum einer der Romanhelden und -antihelden überlebt das Romanende und sieht einer dem Leser unbekannten Zukunft entgegen. Der Tod als finale Katastrophe ist aber weit über den afrokubanischen Raum kennzeichnend für eine panafrikanische Literatur^, wobei das Sterben oder die Eliminierung der farbigen Protagonisten einem jeweils an die Epoche gebundenen ideologischen Selbstzweck gehorcht. Die Entwicklung der Todesdarstellungen läßt sich auf Kuba in drei Phasen unterteilen, die die Tendenzen anderer Literaturen widerspiegeln. Im 19. Jahrhundert kommen die farbigen Protagonisten zum einen in dem mörderischen System der Feldsklaverei zu Tode, wobei die Arbeit auf den Ingenios von den Sklavenbesitzern bewußt dazu verwendet wird, die Sklaven physisch zu eliminieren. So sterben die beiden Sklavinnen Petrona y Rosalía (1838) an den Folgen der harten Arbeit und unter den Schlägen der Aufseher. Ein ähnliches Motiv findet sich in Cecilia Valdés (1839/82), wobei Cirilo Villaverde nicht in demselben direkten Maße wie in Petrona y Rosalía die menschenverschleißende Verachtung des Sklavereisystems darstellt. Die Sklaven sind Opfer sexueller und physischer Ausbeutung, die das Funktionieren des Systems nicht überleben, wovon auch die sensiblen und romantisierten Sklaven des 19. Jahrhunderts nicht ausgenommen sind, so die beiden Sklaven Sab (1842) und Francisco (1939) oder später Orümbila aus El negro que se bebió la luna (1940). Erscheint der Mulatte Sab zunächst als der introvertierte romantische 'bon sauvage', zeigt er mit Francisco den Keim nach innen gerichteter, gegen die eigene Person zielende Gewalt. Stärker noch als Francisco leidet Sab an der Sklaverei, die bei ihm, wie bei Orümbila, Schwermut auslöst, wobei sie Spiegel einer Realität sind, da sich Berichte über Männer und Frauen, ja selbst Kinder, die in geistige Umnachtung sinken, überall in der kolonialen Literatur finden.' Sab, Francisco und Orümbila sind nun durch den Einfluß jener 'fixed melancholy', wie zeitgenössische englische Beobachter die Schwermut der Afrikaner nannten, gekennzeichnet. Diese
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zieht sich als Motiv durch die 'Sklavenliteratur' bis in die Moderne. Eine der erschütterndsten Darstellungen jener 'fixed melancholy' gelingt Maryse Condé in einer der Gestalten ihres Romans Ségou (1984). In der Figur von Sab, der gleichfalls unter dem Stigma seiner Hautfarbe leidet, da er sich kulturell als Weißer fühlt, kommt aber auch das Ideengut von Rousseau und Chateaubriand zum Vorschein, was den literarischen Tod des in der Sklaverei heroischen Mannes eher beschleunigt als verzögert. Während Sab der Sklave mit »el alma blanca« sich in seiner Liebe zur weißen Herrin verzehrt und in größter Reinheit stirbt »Yo muero sin haber mancillado mi vida: yo muero abrasado en el santo fuego del amor!«io, durchbricht Suárez y Romero das romantische Prinzip, ohne allerdings ganz darauf zu verzichten, und vereint im Selbstmord seines Helden Francisco die romantischen Aspekte einer wahren und reinen Liebe mit den brutalen Realitäten des Sklavereisystems. Francisco wird auf Grund seiner Liebe zur Mulattin Dorotea auf das Ingenio geschickt, wobei der Herrensohn Ricardo durch die Folter an Francisco Dorotea erpresst, sich ihm hinzugeben. Sowohl die Gestalt Francisco, die Suárez y Romero geschaffen hat, als auch El negro Francisco (1875) von Zambrana ertragen die unmenschlichen Strafen mit Schwermut, wobei sie der Glauben an die Liebe ihrer Frauen am Leben erhält. Als sie von deren Entehrung erfahren, begehen beide Selbstmord. Obwohl auch hier die Protagonisten in einer europäischen Romantradition stehen, lassen sie doch den Schmerz und die Verzweiflung erahnen, die sie in der Sklaverei zum Selbstmord treiben. Deutlicher dagegen nimmt Rodríguez auf die Melancholie und die Schwermut Bezug, die die Gefangennahme und die Verschleppung seiner Protagonisten von Afrika nach Kuba zur Folge hat. Obwohl es auch ihm nicht gelingt, die Psyche Orúmbilas glaubhaft zu gestalten, macht er dessen Melancholie zum wichtigsten Aspekt der Geschichte. Orümbila ist dem Mond verfallen, mit dessen Spiegelbild er sich im Suizid vereinen will. »Juan Lucumi ... se lanzó al torrente, para beberse la luna ... cuyos pedazos arrastraba la corriente ... Cuando el mayoral llegara, seguido de su gente y los perros, vio como Juan Lucumí, arrastrado por las aguas, iba bebiéndose a pedazos la luna, mientras su vientre se hinchaba, sumergiendose a intervalos, para volver a surgir más lejos y más repleto en los pedazos de luna, en fuga vertiginosa.«n Im Unterschied zu den Texten des 19. Jahrhunderts zeigt Rodríguez im Selbstmord nach gescheiterter Flucht einen metaphysischen Aspekt, den die vorherigen Texte noch nicht besitzen. Für Juan Lucumi bzw. Onimbila bedeutet der Selbstmord den W e g zurück in die Welt der Ahnen, wobei aber Rodríguez diesen Gedanken nur andeutet, ohne der epischen und mythologischen Tiefe eines Romanes wie Simone Schwarz-Barts Ti-Jean. L'Horizon auch nur nahe zu kommen. In dem Roman läßt Simone Schwarz-Bart den Protagonisten nach dessen Tod eine Reise zurück nach Afrika unternehmen, wobei nahezu die gesamte afrikanische Mythologie gestreift wird. Es mag daher vielen Afrikanern der Tod nicht nur als Lösung aus einer hoff-
205 nungslosen Situation, sondern als Verbündeter in der Sehnsucht auf ein freies ursprüngliches Leben erscheinen, ein Aspekt, der im kubanischen Roman bis zu Rodríguez El negro que se bebió la luna nicht in Erscheinung getreten ist, obwohl in der kubanischen Realität durchaus diese Vorstellung bekannt war. So führte dieses Gedankenmuster gerade bei den Mandingas dazu, gruppenweise Selbstmord zu begehen, woraufhin die Sklavenhalter wie folgt reagierten: »In der Absicht, eine Nachahmung zu verhindern, schreckten die Sklavenhalter vor einer Leichenverstümmlung nicht zurück, um glauben zu machen, die Toten kehrten verstümmelt in ihre Heimat zurück.«'2 Bemerkenswert und widersprüchlich dazu ist die Feststellung Estéban Montejos, die zum einen die Tatsache des Selbstmordes zurückweist, zum anderen aber die Heimkehr nach Afrika im Falle der Selbsttötung andeutet. In gleicher Weise widerspricht sie der Darstellung von Rodríguez, wenn er sagt, daß die Neger sich nicht ins Wasser stürzen. »Esas historias no son inventadas, lo que si yo creo que se cuenta, porque nunca lo vidé, es que los negros se suicidaban. Antes, cuando los indios estaban en Cuba, si existía el suicidio. Ellos no querían ser cristianos y se colgaban de los árboles. Pero los negros no hacían eso, porque ellos iban volando, volaban por el cielo y cogían para su tierra. Los congos nusundi eran los que más volaban, desaparecían por medio de la brujería ... Hay gente que dicen que los negros se tiraban en los ríos, eso es falso.«'3 Die Konzentration auf die psycho-emotionalen Gründe des Selbstmörders, so wie ihn die weiße Gesellschaft nur verstehen und literarisch erklären kann, verschließt den Blick gegenüber den sozioökonomischen Hintergründen der hohen zeitgenössischen Selbstmordraten, die den Autoren sicher nicht unbekannt waren. In einer auf der Trennung von ökonomischer Ausbeutung und 'privater' Reproduktion basierenden Gesellschaft muß in der Tat die Selbsttötung der Ausgebeuteten hier als 'Diebstahl' und dort als Verantwortungslosigkeit erscheinen, jedenfalls dem Ausbeuter. »La legislación española consideraba el suicidio, o su tentativa, como un delito y, por tanto figura con regularidad en las estadísticas criminales.«' 4 So berichtet die Kriminalstatistik von 1862 von 173 chinesischen Kulis, 129 Sklaven und 75 Weißen, die sich getötet hatten. 15 Zudem war der Kollektivselbstmord bei den Chinesen ebenso häufig, wenn nicht sogar häufiger, als bei afrikanischen Sklaven, was bei vielen Pflanzern Ärger und Verdruß auslöste: »de raza ... corrompida y perversa ... no (era) extraño ese resultado ... (pues) lo perpetran por pura venganza«'6 und auch von Estéban Montejo berichtet wird. »Los chinos ... Ellos si se matáron. Lo hacían callados.« (BC, S. 41)
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In der Tat muß die Selbsttötung der Sklaven als eine Form der Sabotage an den Produktionsmitteln seines Eigentümers angesehen werden. Zumindest in solchen Fällen, in denen sich die Sklaven, wie in der französischen Kolonie Saint Domingue, nicht nur aus persönlicher Verzweiflung töteten, sondern ausdrücklich auch in der Absicht, ihre Eigentümer zu s c h ä d i g e n . V e r s u c h e , sich selbst zu töten, begleiten die Wege der Afrikaner seit dem Zeitpunkt ihrer Gefangennahme und auf dem Marsch zu den Küsten. Auf der schrecklichen Middle-Passage trugen dann die katastrophalen Lebensbedingungen zu einer sprunghaften Erhöhung der Selbstmordraten bei, indem sich die Sklaven über Bord stürzten oder mit den Kleidungen erwürgten, die sie am Leib trugen, so daß ihnen die französischen Schiffer nicht einmal einen Streifen Leinwand erlaubten. Die schrecklichste Variante des Selbstmordes war jedoch, die eigene Zunge zu verschlucken, die man sich mit den Händen in den Hals drückte. In der kubanischen Literatur gibt es eine Episode, die auf diese historische Art des Selbstmordes Bezug nimmt. Es ist die schwarze Großmutter Cristinos in Cuando la sangre se parece al fuego, die sich auf diese Art das Leben nimmt. Sie war Santera und ihn hohem Maße Repräsentantin afrokubanischer Tradition und wußte wohl um diese Art, aus dem Leben zu scheiden. Der Tod als beständige Auflösung der Romane gewinnt nach dem Jahrhundertwechsel eine neue Dimension. War der bewußt herbeigeführte Tod der Sklaven durch die Herren im Kolonialsystem durchaus 'legitim', wenn auch Gesetze die Sklaven schützen sollten, so finden die Autoren jetzt andere Ursachen, um ihre Protagonisten sterben zu lassen. In den vorhergegangenen Romanen repräsentierte der Tod durch das Auspeitschen eines Sklaven die Gefahr des Systems für die Masse aller unterdrückten Farbigen, während jetzt die Todesursachen individueller motiviert werden, wobei sie nicht weniger Aussagen über ein übergreifendes System machen können. In La Piel (1913) wird der farbige Protagonist zum Schluß ermordet. Hier wie in Manuel del Cabrals El Presidente negro (1973) geht es weißen Drahtziehern darum, eine schwarze Person, die an politischem Einfluß gewonnen hat, zu eliminieren. Die Autoren reflektieren somit auf ihre Weise einen politischen Rassismus, der sich auf Kuba auch darin äußert, daß 1913 den Negern das höchste Amt der Republik, das des Präsidenten, per Gesetz versperrt wurde. Im Tod des Antihelden Eulogio Valdes aus La Piel finden sich nun schon erste Anzeichen eines Märtyrertums, das durch die Revolution von 1959 verstärkt wird. Noch stirbt aber im La Piel der Held, ohne daß sein Tod Sinn gehabt hätte und der Roman Hoffnung auf Veränderung bewirken konnte. Dies leistet in einem gewissen Maße Alejo Carpentiers Ecue-Yamba-0 (1927/33). Obwohl Menegildo ebenso sinnlos nach einer Messerstecherei mit Nänigos verblutet, hinterläßt er durch sein werdendes Kind die Hoffnung auf ein sich änderndes Leben. Carpentiers Darstellung von Menegildos Tod gehorcht noch den kostumbristischen Vorstellungen von den messerstechenden Raufbolden, soll aber als Motiv Aspekte und Katastrophen anderer Romane bestimmen. So greift Manuel Cofino die Szene des an einem Messerstich verblutenden Opfers auf, während Jacques Romain in Gou-
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verneurs de la rosée die Konstellation Carpentiers verwendet in der Gestalt des jungen, kommunistisch orientierten Negers, der von Kuba nach Haiti zurückkehrt und dort ebenfalls ermordet wird, nachdem er versucht hatte, die archaischen Dorfstrukturen zu ändern. Ähnlich wie in Ecué-Yamba-0, hinterläßt er eine schwangere Frau, die das gemeinsame Kind als das geistige und politische Erbe ihres Mannes betrachtet, als Garant des Fortschritts. Eine identische Konstellation findet sich in Manuel Granados Adiré y el tiempo roto. Auch hier hinterläßt der Protagonist, den die Leser auf seinem langen Werdegang begleitet haben, eine schwangere Frau, während er als überzeugter Castrist im Kampf gegen die Konterrevolutionäre fällt. Cira, die ehemalige weiße Prostituierte trägt in ihrem Leib den Keim eines 'Neuen Menschen', der als Mulatte die Hoffnung der neuen kubanischen Gesellschaft verkörpern kann. Mit dem Protagonisten aus Manuel Granados Adiré y el tiempo roto und aus César Leantes Los guerrilleros negros, ebenso wie aus dem der Erzählung von Infante »Nueve Viñetas« hat die kubanische Revolution farbige Märtyrerfiguren in der Literatur gefunden, die ihr eigenes Leben im Kampf für ein höheres Ideal lassen, womit den weißen Lesern die Bereitschaft zur Integration der farbigen Bevölkerung signalisiert werden soll. Erst mit der Revolution überleben einige der farbigen Helden das Finale in den Romanen. Benítez Rojo problematisiert und dichotomisiert in seiner Erzählung »La tierra y el cielo« (1969) den Tod, indem er den Antagonisten des Ich-Erzählers, einen Neger, der tief in den afrokubanischen Glaubensstrukturen verwurzelt ist, vor einem Hinrichtungskommando sterben läßt, während der Ich-Erzähler geläutert überlebt. Es ist daher eine Tendenz unter den Autoren festzustellen, das Ende der animistischen Afrokubanität an den Tod deren Repräsentanten zu binden, während sich andere durch den Bewußtwerdungsprozeß in der Revolution quasi ein Recht auf literarisches Überleben gesichert haben, ein Vorgang, der exemplarisch in Cofiños Cuando la sangre se parece al fuego nachvollziehbar ist. Den erwähnten farbigen Märtyrern in der Revolution stehen die Dissidenten gegenüber, die zwar nicht sterben, aber zu einer Verschärfung der Diskussion beitragen könnten, wie es in Adiré y el tiempo roto gezeigt wird. Auf der anderen Seite erhöht die Existenz der schwachen und feigen Neger, dargestellt in R. Cascorros Romper la noche (1973) den Wert des selbstlosen Märtyrers, wobei dieser immer für eine höhere Idee steht, was durch den Sprung in den Tod und damit in die Freiheit in El negro que se bebió la luna noch nicht unbedingt so gemeint war, dafür in Los guerrilleros negros den entscheidenden Schlußgedanken ausmacht.
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3. Die vermeintliche Faulheit Genausowenig, wie die andere, weit verbreitete Methode der langsameren Selbstzerstörung durch den Hungerstreik in der abolitionistischen Literatur eine Resonanz fand, wurde eine wichtige Form des Widerstands, nämlich die der Arbeitssabotage von den kubanischen abolitionistischen Autoren wahrgenommen. Dabei bedingte gerade der Zwangscharakter der Sklavenarbeit ein Verhalten der ausgebeuteten Menschen, das zu weitreichenden Vorurteilen führen sollte. »Der schwarze Sklave, gezwungen, seine Dienste unter den erniedrigensten Bedingungen zu leisten, verlor den Willen zu Arbeit, und zwar so, daß die sogenannte Trägheit der Neger nicht das Produkt ihrer Natur war, sondern ihrer veränderten Arbeitsbedingungen, ihres Mangels an Familienleben, ihrer Unterernährung und schließlich der schlechten Wohnverhältnisse.«'8 Reaktionen auf die vermeintliche Faulheit der Neger waren zunächst Peitschenhiebe und Prügelstrafen, die ohne Unterlaß in den abolitionistischen Romanen geschildert werden, wobei der Charakter der Arbeitsverweigerung als Resultat der Lebensverhältnisse oder als eine Form des Widerstandes nicht erkannt wurde. Die scheinbare Faulheit und der vermutete Hang zum Nichtstun brachten selbst den aufgeklärten J.A. Saco 1865 dazu, diese als Kriterien in das Programm aufzunehmen, das er entwarf, um eine allmähliche Entfernung der Neger aus Kuba in die Wege zu leiten. Nach Artikel drei seines Programms sollten all die freien Farbigen aus Kuba fortgebracht werden, die den Anspruch auf Arbeitsleistung nicht erfüllten oder erfüllen mochten: »Que, siendo la vagancia la escuela fatal que engendra tantos ladrones y asesinos, se hiciese un padrón exacto de la gente libre de color, y que toda aquel no acreditase tener medios de subsistencia procedentes de venta propria o de algún oficio o profesión conocidos fuese enviado como vago y perjudical, ya a la Península para servir en la marina de guerra, en el ejército, o en otras ocupaciones, ya a Fernando Poo, cuya inmediación a las bocas del Niger le prepara un ventajoso porvenir. Cuba gasta indebidamente algunos centenares de miles de pesos al año; pero ya que los gasta, mucho mejor sería que se empleasen en el objeto que ... propongo.« 1 ' In gleicher Weise erklärten sich die Sklaveneigner die 'Unbeholfenheit' und 'Verantwortungslosigkeit' der Sklaven und freien Farbigen gegenüber Arbeitsmitteln und Arbeitsmaterialien, was ihrem angeblich niedrigen zivilisatorischen Niveau zugeschrieben wurde. Sacos Programm enthüllt aber zudem den Grad eines Bewußtseins um Transkulturation, da er soziale, wirtschaftliche und ethnische Spannungen mit der Entfernung der Neger aus Kuba und nicht mit deren Integration in die kubanische Gesellschaft lösen wollte.
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4. Adelantar la raza Das ästhetische Ideal, weiß zu sein, ist fast so alt wie die Geschichte der Sklaverei und Amerikas selbst. Als frühes Beispiel greift Eduardo Galeano in seinem Buch Memoria del fuego - l. los nacimientos die von Oviedo y Valdés berichtete Geschichte eines Indianermädchens aus Santo Domingo auf; dieses hatte sich mit dem ätzenden Saft der Guao-Wurzeln eingerieben, »denn 'Guao-Saft' verbrennt die Haut und ätzt die Farbe weg und macht Indianerinnen und Negerinnen damit zu kastilischen weißen Damen« 2 0, wobei die kulturelle und physische Selbstverstümmelung auch bis ins 20. Jahrhundert die Möglichkeit sozialen Aufstieges sichern sollte. Frantz Fanon spricht in diesem Zusammenhang von 'Lactification'.2i Im späten 19. Jahrhundert kam es auf Kuba zu einer kulturellen Auseinandersetzung, in der sich das Bürgertum Kubas gegen die zunehmende Akkulturation der farbigen Gesellschaftsschichten wendete. Verlangte noch am 19. August 1888 die Zeitung La Habana elegante, daß die traditionellen und afrokubanisch beeinflußten Tänze »danza« und »danzón« durch die rein europäischen »rigodén« und »cuadrilla« ersetzt werden sollten 22 , wurde rund zwanzig Jahre vorher auch die in Kuba herrschende Manie schwarzer bürgerlicher Schichten deutlich, die den sozialen Aufstieg über eine Veränderung der Hautfarbe erreichen wollten. Die Zeitschrift La Voz de Cuba veröffentlichte am 14. Januar 1869 folgende Anzeige: »Un humanitario químico acaba de encontrar un medio de volver blancos a los negros por medio de procedimientos científicos. Basta saber que después de très días de tratamiento el negro que se ha visto sometido constantemente a una fumigación de nitrato de plata, sale de la caldera más blanco que la nieve.« 2 3 Ähnlich abstrus ist die Notiz von 1897, als ein 'Gelehrter' die Möglichkeit entdeckte, die Haut von Negern mittels Elektrizität weiß zu färben, da er davon ausging, daß die schwarze Haut krankhaft sei: »... el color de los negros se debe a una enfermedad subcutanea«.24 Die meisten Anstrengungen wurden wohl von den Mulattinnen unternommen, da sie eher die Möglichkeit haben, als weiß zu gelten, als schwarze Frauen. Kennzeichnend dafür sind die Bemühungen der Dolores Rondón in Severo Sarduys De donde son los cantantes (1967), durch die Veränderung ihrer Erscheinung Zugang und Akzeptanz in der weißen Welt zu finden. Im engen Verbund dazu erscheint neben dem Einsatz von Kosmetika auch der Gedanke, biologisch die Rasse verbessern zu wollen, »adelantar la raza«. Der eigenartige, aber verständliche Ehrgeiz, sich über mulaitische Kinder mit einem weißen Mann sozusagen den Quereinstieg in die weiße Gesellschaft zu erkaufen25, ist so alt wie die Sklaverei selbst. Wurden die beiden Sklavinnen Petrona y Rosalía (1825) dem sexuellen Begehren weißer Herren geopfert, war es die Mulattin Cecilia Valdés (1839/82), die sich über die Beziehung zu ihrem weißen Geliebten eine gesellschaftliche Position erkaufen wollte, so daß sich in den beiden frühen Texten der kubani-
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sehen Literaturgeschichte eine Tendenz abzeichnet, die die folgenden Romane bestätigten. Schwarze Frauen waren von Anfang an die Opfer, während es einigen Mulattinnen gelang, den Lichtstrahl einer Hoffnung auf soziale Emanzipation zu erhaschen, um aber dann trotzdem zu scheitern. Für viele Mulattinnen führte der W e g zu einer sozialen Emanzipation über ein gemeinsames Kind mit dem weißen Geliebten, wobei es letztenendes kaum zu der erhofften Eheschließung kam, so wie es Carmela
(1886) geplant hatte, vielmehr
mußten die Mütter die Kinder alleine erziehen. Das Ideal, der weißen Rasse nahe zu kommen, führte später in vielen Fällen auch zu Eheschließungen, wenngleich die mulattische Frau ihren weißen Partner oft nur w e g e n seiner emanzipationssichernden Hautfarbe zum Ehemann nahm. Edmundo Desnoes wies in seinem Roman No hay problema
(1961) auf dieses Verhalten hin. Die Mulattin Nana, eine Prostituierte, ist
Geliebte des weißen Journalisten Sebastian, der sie heiraten möchte. Obwohl sie von ihm und anderen Männern teilweise lebt, weist sie den Gedanken an eine Ehe mit einem Weißen zurück. Im Gegensatz dazu steht ihre Mutter, die einen weißen Gewerkschaftler, jetzt ohne Arbeit, geheiratet hatte. In dem folgenden Gespräch beider Frauen werden Pole eines jeweils unterschiedlichen rassistischen
Gedankenguts
sichtbar. - »¿Por qué te casaste con el viejo? Total para tener que mantenerlo. Y o nunca me casaría con un blanco. - Hija, más vale tener un hombre que vivir sola. Tu sabes el odio que le tengo a este pellejo. - El viejo c o m o es blanco se aprovecha de tí, si fuera negro el trabajo seria más parejo. - Siempre es igual ... mira a Josefina. Y o he adelantado la raza, tu saliste con el pelo bueno. ¿Qué más quieres?« 2 ^ »Adelantar la raza« ais Ideologie war aber gleichfalls historisches Ergebnis eines Programmes, mit dem im 19. Jahrhundert versucht wurde, die Rassenfrage zu klären, was gleichzeitig die Entwicklung des Rassismus in entscheidender Weise mitbestimmte. Je stärker das Sklavereisystem in die Krise geriet, auf Grund ökonomischer und sozialer Entwicklungen, desto deutlicher zeichneten sich ideologische Positionen innerhalb der Sklavenhaltergesellschaft ab. Während zum Beispiel der Autor und Abgeordnete Francisco Arango y Parreño ( 1 7 6 5 - 1 8 3 7 ) die biologische Rassenmischung vorschlug, um die afrikanischen Sklaven ihre kulturelle Identität vergessen zu machen, widersetzten sich Del Monte, Saco, Betancourt, Cisneros, Pozos Dulces und Echeverría heftigst einer Vermischung der Rassen unter Hinweis auf die Überlegenheit der Weißen. Sie wollten dagegen den afrikanischen Bevölkerungsanteil entweder durch körperlichen Verschleiß (consumción) oder Verbannung bzw. Rücksendung nach Afrika eliminieren. Wenn Arango y Parreño von einer Rassenvermischung sprach, dann hatte er nicht die Transkulturation nach Fernando Ortiz im Sinn, obwohl
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er als einer seiner theoretischen Vorläufer betrachtet werden könnte, sondern eine 'Aufhellung' des schwarzen Bevölkerungsanteiles. »Quiero por lo menos, que por sabios artífices se trace el instante, el plan que debe seguir para blanquear nuestros negros; o sea: para identificar en América a los descendientes de Africa con los descendientes de Europa. Quiero, al propio tiempo, que con prudencia se piense en destruir la esclavitud ... se trata de lo que no se ha pensado, que es borrar su memoria. La naturaleza misma nos indica el más fácil y más seguro rumbo que hay que seguir en esto. Ella nos muestra que el color negro cede al blanco y que desaparece si se repiten las mezclas de ambas razas; y entonces también observamos la inclinación decidida que los frutos de esas mezclas tienen a la gente blanca. Ensanchemos, pues, tan vendurosa senda. Protejamos esas mezclas, en vez de impedirlas, y habilitemos sus frutos para el completo goce de todas las ventajas civiles.« 27 Arango y Parreño vermengte hier biologische und psychokulturelle Argumentation, wobei er sich zum Fürsprecher einer Akkulturation auf Kosten der schwarzen Bevölkerung macht und sich damit auch als Vertreter des Gedankens des Primats der weißen Rasse auswies. Trotzdem blieb dem energischen Verfechter der Abschaffung der Sklaverei das Privileg vorbehalten, eine Mulattisierung der Kubaner erkannt und sich ihr nicht entgegengestellt zu haben. Im Gegenteil, er sah das »blanqueamiento« als Weg, die Rassendiskriminierung zu überwinden. Jahre später schrieb er dazu: »La fundación de colonias de parejas a propósito, compuestas, por unidad de labradores traidos de derechura de Europa, y de gente de color honradas, cuidando de que todas las hembras fueran de la última especie, y estableciendo de hecho la mayor igualdad en los cubanos.« 2 8 Dem durchaus originellen Vorschlag Arango y Parreños ist die machistische Haltung zu entnehmen, die den sexuellen Kontakt zwischen weißen Männern und schwarzen Frauen erlaubte, deren Umkehrung aber nicht zuließ. Auch aus diesem Grunde ist es daher kaum erstaunlich, daß das Argument »adelantar la raza« nur aus dem Munde farbiger Frauen zu hören war, eben nicht nur, weil sie die Gebärenden waren, sondern vor allem, weil sie jahrhundertelang im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit weißer Männer standen. Die Mulattisierung konnte im Rahmen ihrer Möglichkeiten nur über die farbige Frau stattfinden, was diese auch als ihren Weg einer gesellschaftlichen Emanzipation begriff und auch heute in vielen rassistischen Ländern noch so erlebt wird. Arango y Parreños repräsentatives Konzept basierte auf der grundsätzlichen Annahme, daß die weiße Rasse der schwarzen überlegen ist, womit ein »blanqueamiento« notwendigerweise eine Verbesserung der Schwarzen sein. Außerdem glaubte er in einer Zeit des Gefühls zunehmender Bedrohung der weißen kolonialen Gesellschaft durch die Masse der Sklaven in der Kaste der Mulatten, einen natürlichen Freund und Verbündeten gegen die Schwarzen gefunden zu haben. In
212 seinen Überlegungen wollte er somit die kulturelle Bipolarität der Mulatten für soziopolitische Entwicklungen nützen. »Esta medida (el cruzamiento de blancos y negros) vale más, en mi concepto, que todas las que puedan tomarse por la presente y futura seguridad de Cuba; porque de pronto disminuye el número de nuestros enemigos domésticos, uniéndose a los mulatos, y a la larga blanqueara todos nuestros negros.«29 Für die afrokubanischen Individuen bedeutete somit das 'blanqueamiento' nicht nur einen Weg zur sozialen Akzeptanz, sondern für die Gruppe der Afrokubaner auch die Möglichkeit über eine Einbindung in die gesellschaftliche Struktur, den Verbleib auf der Insel zu sichern, die spätestens seit dem 19. Jahrhundert auch von ihnen als Heimat empfunden wurde. Allerdings ist nicht nachzuweisen, inwieweit sie von den Überlegungen einer Expatriierung Informationen hatten und inwiefern sie betroffen waren von den Projekten »dar otra patria a todos los nuevos libertos«30, das Saco in einem umfangreichen und ausführlichen Programm 1864 vorschlug. In Zwangsmaßnahmen (bei Straffälligkeit und Faulheit) durch Überredungen und bei einem bestimmten Alter (jeder freigelassene Sklave unter 50 Jahren) sollten die farbigen Kubaner zurück nach Afrika, insbesondere Liberia gebracht werden. Die Afrokubaner sahen sich somit widersprüchlichen Meinungen ausgesetzt, die zum einen die Rassenvermischung als politisches Mittel fördern wollten, während andere die tatsächliche Akkulturation nicht wahrhaben, auf jeden Fall aber unterbinden wollten. Beide Gruppen übersahen dabei aber die enormen psychischen Probleme und Belastungen, denen die Betroffenen ausgesetzt waren, und die sehr viel später erst Frantz Fanon in seinem bitteren Werk Peau noire, masques blancs (1952) in aller Deutlichkeit vorstellte. In der Betrachtung dieses neurosenträchtigen Konflikts sollte aus diesem Grunde die Rolle und die Argumentation der weißen Eliten nicht übersehen werden, deren männliche Vertreter durch den Erhalt der Klassenschranken auf der einen Seite unter Propagierung des Ideals einer 'Verbesserung' der schwarzen Rasse sich einen nahezu unbeschränkten Zugang zur Sexualität der farbigen Frauen sicherten; was die Grundstrukturen der Handlungen in all den Romanen festlegt, in denen sich die weißen Herren nicht nur durch Gewalt und gegen den Widerstand der Frauen, sondern auch durch Verführung ihr sexuelles Wollen befriedigen.
5. D i e Alten Nachdem über Jahrhunderte der Sklaverei nur junge Menschen zwischen 15 und 20 Jahren nach Kuba verschleppt wurden und ab 1830 ein massiver Import von Kindern im Alter von 9 bis 12 Jahren zu verzeichnen war,3i zu denen auch der Protagonist Francisco aus dem gleichnamigen Roman gehörte »arrancado de Africa a los diez años« (F, S. 52). Aus diesem Grunde verwundert die geringe Zahl an alten Menschen in der Antisklavereiliteratur zunächst nicht. Allerdings ist die geringe Lebenserwar-
213 tung in dem mörderischen Sklavensystem als Faktor in der Darstellung der vorstehenden Überlegungen kaum berücksichtigt. Die motivgeschichtliche Entwicklung der alten Sklaven, der potentiellen Lehrer und Vorbilder, kann als Spiegel einer Erkenntnis afrokubanischen Lebensformen dienen, die kaum Protagonisten findet. Noch bevor die kulturtragende und kulturvermittelnde Bedeutung der alten Menschen von den Autoren der Antisklavereitexte erkannt worden war, tauchten die alten Sklaven als eine besondere Minderheit aber schon in den ersten Texten des 19. Jahrhunderts auf und spiegelten damit den Anteil von 5 bis 7 Prozent schwarzer Menschen über 59 Jahren innerhalb der damaligen kubanischen Gesellschaft wider. Dadurch wird neben der Vermengung von Sklaven aus verschiedenen Sprach- und Kulturzonen in den 'dotaciones' ein weiterer Aspekt der Dekulturation deutlich, da die Ausbildung der Jugendlichen in Afrika in den Händen der alten Männer und Frauen lag. Durch die besondere Struktur der afrokubanischen demographischen Pyramide, die durch den Mangel an alten Menschen ihres vegetativen Wachstums beraubt war, wurde nicht nur die Bewahrung und Weitergabe afrikanischer Traditionen behindert und gefährdet, sondern auch die Erziehung der afrokreolischen Jugend, die sich wegen des Mangels an Modellen zwangsweise europäischen Mustern öffnen mußte. Zudem war es grundsätzlich leichter, junge Menschen umzuformen und diese den Erwartungen der Sklavenhaltergesellschaft anzupassen, als Menschen, die in ihrer Heimat schon eine gewisse Sozialisation durchlaufen hatten. Suárez y Romero weist gerade auch im Falle Franciscos auf die geringen Probleme der Anpassung hin, da dieser auf Grund seines erst zehnjährigen Lebens in Afrika seiner kulturellen Umerziehung in der Karibik keinen Widerstand entgegensetzte »Le fue fácil a la señora Mendizabal amoldarlo a su talento« (F, S. 52). Auf Grund dieser Alterspolitik der Sklavenhändler läßt sich Moreno Fraginals zustimmen, wenn er feststellt: »Puede decirse que todo esclavo africano al cumplir los 38 años habia vivido más tiempo en América que en Africa« 32 . Die jungen Afrikaner, aus ihrer ursprünglichen Gemeinschaft gerissen, verloren somit entweder durch die Sklaverei ihr traditionelles Kulturgut oder bewahrten es heimlich, wobei in dem Roman El negro que se bebió la luna die Alten in dieser Hinsicht von entscheidender Bedeutung sind. Zunächst gilt es aber festzuhalten, daß im Leben auf den Plantagen die Kontinuität afrikanischer Traditionen durch die Zerstörung sozialer Bande, insbesondere durch die Auflösung der Familien, ernsthaft in Gefahr geriet^; Opfer jener Zerstörung blieben auch die Alten, die sich nach der Abschaffung der Sklaverei ohne jegliches soziales Netz um ihr Überleben zu sorgen hatten. Ohne Familie, ohne Eigentum und Konzepte einer persönlichen Gestaltung der eigenen materiellen Existenz, mit einem Weltbild, das von Anfang an auf das Leben auf den Pflanzungen abgestimmt war, hatte die Abschaffung der Sklaverei für die meisten Sklaven schwerwiegende Folgen: »... la abolición de la esclavitud operó traumáticamente en muchos negros africanos y criollos. Al faltarles la relación paternalista de explotación esclava, estos
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negros, especialmente los más viejos, quedaron en un estado de desamparo absoluto. Incapaces de adaptarse al trabajo asalariado, ineptos para siquiera entender las nuevas relaciones de dependencia económica, faltándoles la comida, la ropa y el techo que desde la infancia habian tenido en la plantación, descendieron al último nivel de degradación social. Con palos y hojas construyeron sus mínimas viviendas a la orilla de cualquier camino y se dedicaron a morir poco a poco. Estos negros solitarios, sin nexos sociales ni familiares, fueron un deprimente espectáculo cotidiano en el Caribe a partir de la abolición de la esclavitud.«34 Noch bevor Manuel Granados den alten Damián in Adire y el tiempo roto vorstellt, dessen Behausung identisch ist mit der oben geschilderten, tauchen die alten Neger in der Literatur des 19. Jahrhunderts wie 'taita Dionisio' oder 'taita guardiero' in Cecilia Valdés als sekundäre Personen der Handlung auf, leben aus Gnade ihres Herren außerhalb der Barracones. Der Bericht Estéban Montejos wiederum bestätigt dieses Schicksal der alten Neger, deren Spuren in der afrokubanischen Literatur ständig auszumachen sind: »Cuando tenían más de sesenta años no trabajaban en el campo. Aunque ellos verdaderamente nunca conocían su edad. Pero da por resultado que si un negro se cansaba y se arrinconaba, ya los mayorales decían que estaba para guardiero. Entonces a ese viejo lo ponían en la puerta del barracón o del chiquero donde la cría era grande ... En esas tareas andaban siempre, por eso tenían tiempo para la brujería. Ni los castigaban ni los hacían caso.« (BC, S. 37) Während Bamet hier seinen Erzähler schon auf Distanz gehen läßt zu den afrokubanischen Riten und Kulturen, die er als 'brujería' bezeichnet, wird zum andern die Realität des Alterns ins Gespräch gebracht, das sich nicht an Jahreszahlen, sondern an der körperlichen Erschöpfung mißt, die zahlenlos sein muß. So bringt die Verbindung zwischen Alter, Leid und Erfahrung Damián in Adire zum Ausdruck »Yo soy exactamente el tiempo« (A., S. 117). Sie dienen daher in der Literatur auf Grund ihrer Lebenserfahrung den Helden als Berater in sozialen Fragen, wobei sie jedoch von den Autoren des 19. Jahrhunderts noch nicht als kulturvermittelnd vorgestellt wurden. Der erste Alte, der in einem Roman an literarischem Raum gewinnt, ist der alte Pedro in Francisco. El ingenio o las delicias del campo. Pedro ist »Un negro anciano de setenta años, era el guardiero de aquel punto; inútil, más bien por las llagas inumerables y envejecidas de sus piernas que por lo avanzado de la edad, vivía solitario, a semejanza de un desterrado, en el pequeño bohío o rancho que él mismo se había fabricado casi sobre la ribera.« (F, S. 91) Ähnlich isoliert wie der alte Pedro in Francisco »Rara vez aparecía este viejo en el batuey, algún domingo, algún día de fiesta« (F, S. 91) lebt ein ehemaliger Sklave in Sab, der Gertrudis Gómez de Avellaneda dazu dient, die Grausamkeit des unbeherrschten Herrn ad absurdum zu führen. Die alten Sklaven, die nach nahezu lebens-
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langer Arbeit auf den Ingenios auf einer ihnen zugewiesenen Parzelle selbstversorgerisch ihr Ende fristeten, dienen nicht nur Avellaneda, sondern auch Harriet Beecher Stowe dazu, die Ungerechtigkeit des Systems an hilflosen, weil altersschwachen Menschen und zudem loyalen Sklaven zu exemplifizieren. Die Wut der Herren gegen sie, wie in Sab und Urtcle Tom's Cabin vorgeführt, erscheint damit noch sinnloser, ungerechtfertigter und grausamer, womit sie als systemimmanentes Verhalten bloßgestellt wird. Der geographische Raum, in dem die Gruppe jener alten Neger in der Literatur anzutreffen ist, ist das Land, obwohl die farbige Stadtbevölkerung von je her beachtenswert war. Aus diesem Grunde erscheinen die alten Neger als Teil eines sozialen Lokalkolorits, ohne handlungstragende Funktionen zu erhalten, was erst die Romane des 20. Jahrhunderts leisten. So gewinnt in Ecué-Yamba-0 der in der afrokubanischen Literatur fast omnipresente Alte an literarischem Profil. Er wird hier zum ersten Mal in einer Rolle gezeigt, in der er seine bis dahin fast stumme Präsenz durchbrechen kann. Carpentier schildert den alten Berúa als Träger afrikanischen Wissens, als Mittler zwischen zwei Realitäten, als Repräsentant jener extraokzidentalen Welterfahrung, die Carpentier in ihm vermutet, aber selbst noch nicht nachvollziehen kann: »La pobre ciencia de Salomé desaparecía ante el saber profundísimo del viejo Beruá. Para este último, lo que contaba realmente era el vacío aparente.« (EO, S. 50). Taita Beruá könnte demnach als früher Prototyp von Ti-Noel verstanden werden, an dem Carpentier seine eigene Vorstellung extraokzidentalen Wirklichkeitserlebnisses literarisch realisiert. Zeigt schon der alte Pedro in Francisco eine Solidarität mit den gequälten Sklaven, die sich nur im Mitleid, aber noch nicht in Widerstand niederschlägt, gewinnen die alten Neger eine Schlüsselfunktion in der Widerstandsbewegung in dem Roman von José Antonio Ramos Caniquí, der 1936, drei Jahre nach Carpentiere Ecué-Yamba-0, erscheint. Der Protagonist Caniquí ist von einem ungewöhnlich starken Sehnen nach Freiheit geprägt, das von zwei alten Negern in den Barracones so geformt wird, bis der junge Caniquí bewußt den Moment seiner Flucht bestimmt und sie Aussicht auf Erfolg haben kann. In Caniquí gewinnen die Alten nach der Rolle des geduligen und weisen Ratgebers des 19. Jahrhunderts, nach der Erkenntnis ihrer religiösen und metaphysischen Seins weisen in Ecué-Yamba-0, die Funktion der schlauen und listigen Helfer und Vermittler von Aufständen, da sie die Verbindung halten zwischen den Palenques und Barracones, wovon aus sie den flüchtigen Negern den Weg in den organisierten Aufstand zeigen. Sie sind es also, die aus dem Bewußtsein afrikanischer Vergangenheit und Traditionen das Selbstwertgefühl und die Kraft schöpfen, mit denen sie ihre kreolischen Nachkommen zum Widerstand gegen die Sklaverei anhalten. Mehr als vierzig Jahre nach dem 'Boom' abolitionistischer Literatur auf Kuba zeichnet sich somit die Erkenntnis eines politischen Bewußtseins alter Sklaven ab, mit dem sie auf die jüngeren einwirken wollen. Eine ähnliche Funktion hat der alte 'no Gabriel in dem Roman EL negro que se bebió la luna (1940). Hier gelingt es zwar
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Luis Felipe Rodríguez nicht, über die Darstellung von Tänzen hinaus, in die religiösen Bereiche der afrokubanischen Kultur einzudringen, er schafft aber trotzdem in der Gestalt von ño Gabriel eine Mittlerfigur zwischen flüchtigen Negersklaven und aufständischen Weißen zurZeit des zehnjährigen Krieges von 1868-1878. Rodríguez hat somit in der Gestalt ño Gabriels, dessen religiöse Funktionen er zwar erwähnt, aber literarisch nicht verwertet »gran babalao, o sumo sacerdote oficiante de su culto primario« (NL, S. 172), einen Antagonisten zu jenem alten Sklaven geformt, der in Emilio Bacardi-Moreaus Via Crucis. Páginas de ayer (1890/1910) den Anschluß der Sklaven an die Aufständischen verhindern will. »No Gabriel no tá bravo con amo 'Cachimbo', ma queré que julle nengre clavo pa palenque, poque blanco bueno deci que ayudá tabién blanco alsá. Yo no comprendé ete coas lo blanco criolla ma tené guto que negre julle pa monte. Tú, Juan Lucumí, julle y llevá tu nengre pa palenque.« (NL, S. 173) Der alte Neger entpuppt sich somit als äußerst subversive Gestalt in der festgefügten Struktur des Ingenio Cachimbo, nicht nur weil er auf Grund seiner religiösen Autorität die Sklaven zum Aufstand bewegt, sondern weil er gleichfalls dem weißen Sohn des Plantagenbesitzers den Weg zu den Rebellen zeigt. Stärker noch als ño Gabriels subversive Tätigkeiten wirkt allerdings die moralische Kraft Caniquis beispielgebend für die Söhne und Töchter der sklavenhaltenden Gesellschaft, die sich an dem Freiheitsstreben des Sklaven orientieren und den individuellen Widerstand wagen. Im Gegensatz zu den alten Sklaven in Bacardi Moreaus Via Crucis, die sich noch im Konflikt zwischen der Loyalität gegenüber ihren weißen Herren und dem Kampf um Unabhängigkeit und Freiheit befanden und sich für die Loyalität entschieden, tragen die alten Männer in Caniqui und El negro que se bebió la luna Züge des dämonischen und einarmigen Mackandal, den Carpentier in El reino de este mundo als Urheber des haitianischen Widerstandes auferstehen läßt, dessen subversives Potential sie aber nie erreichen. Aus diesem Grunde erscheinen die alten Neger mit nur mäßig ausgebildetem politischen Bewußtsein, in deren Händen allerdings die jungen Sklaven als Werkzeuge den Gedanken an Widerstand weiterentwickeln und austragen sollen. Hatte sich Ramos mit seiner Figur an der historischen Gestalt des Filomeno Bicumia orientiert, nahm sich César Leante den historischen Ventura Sánchez zum Vorbild, um den Protagonisten 'Coba' seines Romanes Los guerrilleros negros (1980) zu gestalten. Die Begegnung mit dem zweiten alten Afrikaner, Tomás, der dem Palénque vorsteht, in dem Ventura nach seiner Flucht Aufnahme findet, repräsentiert nun einen Bruch in der Geschichte der Alten in der afrokubanischen Literatur. Der alte Tomás macht Ventura mit einem politischen Gedankengut vertraut, das das präpolitische Bewußtsein alter farbiger literarischer Figuren überwunden hat. Unter dem Einfluß des aufgeklärten Tomás verändert, wird Ventura zu einem fast modernen Guerillafüh-
211 rer, dem es nur noch an strategischer und politischer Bildung mangelt: »La manera de pensar de Tomás, sus convicciones, su forma de enjuiciar al esclavo, penetraron en la conciencia de Ventura.« (GN, S. 52)
6. Cimarronaje Die kubanischen Verschwörungen, Erhebungen und Rebellionen haben als Motiv gerade in der Literatur in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts mit den Romanen Caniqui (1936) und El negro que se bebió la luna (1940) Spuren hinterlassen, die nach der Revolution von 1959, aber schon in Alejo Carpentiers Erzählung »Los fugitivos« (1946), dann in César Leantes Los guerrilleros negros (1980), aber auch in Edwigis Barrosos Yan el cimarrón (1984) auszumachen sind. Allen Texten gemeinsam ist, daß ihre Helden den Freiheitskampf aus individuellen Impulsen aufnehmen, was gerade auch Estéban Montejo in seiner Biographie herausstellt, und die Cimarrones in der zufälligen Solidarität des gemeinsamen Kampfes die Möglichkeit haben, ein präpolitisches Bewußtsein herauszubilden oder zu erweitem. Nachdem die Sklavenhalter ihren Sklaven ein Mindestmaß an Bewegungsfreiheit lassen mußten, entwickelt sich die Flucht relativ bald schon zur 'klassischen' Form des Aufstandes gegen den Sklavenstatus und damit zur 'Plage der Karibik'. Allerdings muß der Unterschied gemacht werden zwischen 'petit marronage', als das wiederholte oder periodische Schwänzen mit temporären Zielen, wie einen Verwandten oder Geliebten auf einer benachbarten Plantage zu besuchen, und der 'grand marronage' im echten Sinne als Flucht verstanden ohne die Absicht, jemals wiederzukehren.^ Als eines der wenigen Beispiele für die 'petit marronage' in der kubanischen Literatur lassen sich die Besuche 'Orúmbilas' in El negro que se bebió la luna nennen, der seine ihm entrissene Frau auf einer Nachbarpflanzung zu besuchen wagt, wobei er ertappt und bestraft wird. »Yo no julle, yo va a ve amigo. Queré mucho. Ta casa de Mariano Landa. Mayorá allá no deja mi ve Bissindija. Yo poné trite, po no ve lo amigo. Yo queré jabla nelle pa descansa. Mayorá epantá con lo machete. Ded que julle. Yo julle mayorá pa no pega mi, cuando yo bea queré ve Bissindija.« (NL, S. 65) Die 'petit marronage' schien als negativer wirtschaftlicher Faktor erheblich gewesen zu sein, da ihr Schaden ebenso wie der von der 'grand marronage' verursachte, als bedeutend eingestuft werden mußte. »Schwänzen war ein Problem in ziemlich derselben Kategorie wie Krankheit, Unfähigkeit und Tod, da ein abwesender Sklave für gewerbliche Zwecke nicht besser war als ein Kranker, und da eine endgültige Flucht gleichbedeutend war mit einem Tod auf der Plantage.« 36 Noch bevor es in der kubanischen Literatur zur Darstellung des echten Cimarrones
218 kommt, wobei die Geschichte des Wortes Aufschluß gibt über den Ausbruch des Sklaven und sein Leben in der Wildnis37, ist der Fall von Francisco Manzano zu erwähnen, der seiner überaus grausamen Herrin entflieht, ohne jedoch eine endgültige Flucht in die Freiheit zu erwägen, was sich als Teilaspekt der Handlung in Via crucis wiederholt. Manzano wäre demnach nicht nur der Begründer des kubanischen Romans, sondern auch der erste Cimarrón der kubanischen Literaturgeschichte, wobei er als entlaufener Sklave in den Schichten freier Neger der Städte La Habana, Matanzas oder Santiago einen idealen Zufluchtsort gefunden h ä t t e t , so wie im Falle eines flüchtigen Haussklaven in Cirilo Villaverdes Roman Cecilia Valdés. Dieser handwerklich geschulte, entlaufene Sklave konnte als Schuster untertauchen, was durch die Anonymität vieler nur vorübergehend beschäftigter freier Farbiger oder vermieteter Sklaven möglich war. Ein solcher Unterschlupf, häufig verbunden mit der stillschweigenden Komplizenschaft des neuen Arbeitgebers, der es in Cecilia Valdés unterlassen hatte, ihn genau auf die Herkunft zu prüfen, wie das Gesetz es befahl, war den kreolischen Sklaven oft ein besseres Versteck als die schwer zugänglichen Berge oder die ungewisse Flucht mit dem Boot auf eine andere Insel, was die erhoffte Sicherheit in Roland Brivals La montagne d'ébène ermöglichen sollte. Der individuelle Akt der Rebellion der einzelnen Protagonisten wird in der Regel von den Autoren durch das angeborene Freiheitsverlangen ihrer Figuren gekennzeichnet, wobei allerdings oft der Schritt zu rassistischen Ansichten nicht weit ist. Dies läßt sich insbesondere dann feststellen, wenn Freiheitsdrang gepaart wird mit Wildheit und Unbezähmbarkeit und Barbarei assoziiert werden. Das Freiheitsverlangen erscheint dann in besonderen Fällen als ungerechtfertigt, wenn die Sklaven gegen einen sanftmütigen und verständnisvollen Herren aufbegehren, wie es in El negro que se bebió la luna oder Via Crucis geschildert wird. Auffällig ist jedoch in besonderer Weise, daß sich der Akt der individuellen Rebellion fast ausschließlich gegen die Aufseher, d.i. 'mayorales' richtet und nur in einem Fall, nämlich in Sofia, der Herr selbst Opfer des Sklaven wird, als ihn dieser heimtückisch ermordet. Das Motiv des individuellen Aufbegehrens mit der folgenden Flucht war in der Literatur des 19. Jahrhunderts von symbolischem Wert, was die Gedichte Plácidos, Manzanos und Heredias verdeutlichen, wobei der Akzent auf dem Widerstand liegt, während die Flucht zunächst nur als soziale Gegebenheit ohne Wert für die Literatur gesehen wurde. Trotz alledem enthüllen die Aufzeichnungen des Sklavenjägers Pedro José Morillas (1838), von Cirilo Villaverde 1856 unter dem Titel »El rancheador« verlegt, die Häufigkeit der Fluchtversuche, die in vielen Fällen erfolgreich waren, wie Morillas zugeben mußte.39 Widerstand und Cimarronaje waren für die Romanautoren des 19. Jahrhunderts aber trotzdem kein Thema, das sie an ihren Protagonisten festmachen wollten, da sie meist das System der Sklaverei selbst nicht in Frage stellten und somit auch keinen symbolischen und repräsentativen, d.h. agitatorischen Text schaffen konnten, der zum Widerstand aufrief. Demzufolge benützte A. Suárez y Romero in seinem Roman Francisco den falschen Vorwurf der Cimarronaje und des
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Widerstandes gegenüber seinen Titelhelden als Mittel, um dessen loyale, um nicht zu sagen opportune Haltung gegenüber seinem Herren zu betonen, womit die Ungerechtigkeit des Vorwurfs als Lüge und somit als doppelt schamlos bloßgestellt wird. Trotzdem enthüllt die falsche Anklage gegen Francisco einige der Praktiken des Widerstandes, gegen die die Sklavenhalter zu Zeit der Verfertigung des Romanes oft vergeblich ankämpften. »Y ahora, según lo que me cuentan, es una fiera. Criatura, haberse levantado tres veces contra el mayoral; huirse a cada momento; tajarse con sus compañeros; pegarles fuego un día a las casas de bagazo, que si no acuden aprisa,... vuela todo el ingenio como pólvora.« (F, S. 123) Auch in der Replik auf diesen Roman, in dem Text Zambranas El negro Francisco (1875) nimmt der Protagonist, ähnlich wie in Sab, die Gelegenheit nicht wahr, seinen späteren Mörder sterben zu lassen. Im Gegenteil, er beweist seinen Edelmut dadurch, daß er den Herren vor den Hörnern eines wütenden Stieres rettet, indem er das Tier in einer der weniger gelungenen Schlüsselszenen mit einer Machete buchstäblich zerhackt. Auch der geplante Fluchtversuch scheitert, so daß auch diesem Francisco der Selbstmord nicht erspart bleibt. Blieb bis Anfang des 20. Jahrhunderts die Cimarronaje Randthema der Literatur, durchbrach José Antonio Ramos Roman Caniqui (1936) als erster Prosatext in der kubanischen Literaturgeschichte die thematische Marginalisierung und stellte das Thema der Cimarronaje in den Mittelpunkt der Handlung zu einer Zeit, als der kubanische Negrismus in hohem Maße die kubanische Identitätsdiskussion nach den ökonomischen und politischen Krisen von 1928 und 1935 mitbestimmte. Der von einem unstillbaren Freiheitsdurst geprägte Negersklave Caniqui läßt sich aus diesem Grund auch als Symbol der kubanischen Nation verstehen. Die literarische Absicht von Ramos, die Portuondo kennzeichnet als »un nuevo punto de vista más ajustado a la realidad ... lo que lleva a una inversión en el pasado en busca de las raices de la nacionalidad cubana, en el siglo XIX ... de aquel buceo en el pasado volviendo trayendo la fé y el entusiasmo renovados y la mejor de sus novelas: Caniquí« 4 0, ging von einem neuen Verständnis der kubanischen Vergangenheit aus, die bis zum Erscheinen des Romanes nicht geleistet wurde, wobei die Annäherung an Caniqui als fiktionale, aber auch mythische und symbolische Figur ergiebig ist. Ramos versuchte, durch die Fiktionalisierung des realen Banditen Filomeno Bicunia aus Trinidad in den 30 Jahren des vorherigen Jahrhunderts die bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Romans gültige, von Weißen geleistete Geschichtsinterpretation zu durchbrechen, indem er dessen Geschichte subjektivierte und aus der Perspektive Caniquis darstellte. Durch die Kontrastierung dieses rebellierenden Negers mit der ihn umgebenden, unterdrückenden weißen Gesellschaft gewann Caniqui eine revolutionäre Dimension, die der Autor aber noch nicht durch ein politisches Bewußtsein sei-
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ner Figur absichern konnte, so daß Caniqui zwar zu einer Symbolfigur erhoben werden kann, ohne deren Dimension vollständig auszufüllen. »Caniqui no ha muerto. ¡Yo ojalá no muera nunca! La gente volverá mañana a sentir miedo. Al fantasma del bandito que ellos creen haber muerto, seguirán otros y otros ... Y los hombres honrados tendremos que hacernos también bandidos para acabar de una vez con esta maldición de los Amos Blancos y esas hordas serviles de esclavos.« (Ca, S. 310) Im Gegensatz zu Ventura, dem Helden aus Los guerrilleros negros, gewinnt die magisch-mystische Welt Afrikas im Bewußtsein Caniquis zunehmend an Bedeutung, wobei die animistische Grundstruktur seines Wirklichkeitserlebens den engen Bezug zur Natur herstellt, die für ihn der Inbegriff der Freiheit ist. Während Estéban Montejo in Biografía de un cimárrón die Natur zwar magisch mystisch erlebt, sie aber ohne Einfluß auf seine ideologische Entwicklung bleibt, gewinnt bei Caniqui die von den afrikanischen Göttern bevölkerte Natur eine Eigendynamik und Anziehungskraft, wobei es dann nicht mehr das individuelle Freiheitsstreben ist, das Caniqui in die Flucht treibt, sondern es ist der Gott Elegbará, der ihn auf den Weg zum Palenque zieht. »El amo le había prometido guardarle su salario para su coartación. Algún día trabajará en su oficio por su cuenta ... si el monte no volvía a tentarlo, aquel impulso de Elegbará mismo, que desde esa mañana sentía sin saber porqué.« (Ca, S. 145) Der afrikanische Götterglaube setzt sich hier subversiv gegen eine mögliche Integration Caniquis als freier Mann in die Gesellschaft Trinidads durch, wobei eine überraschende Parallele zur Erzählung von Benítez Rojo »La tierra y el cielo« (1967) deutlich wird. In beiden Texten wirken die afrikanischen Religionen destruktiv auf ein Gesellschaftsgefüge, das von Benítez Rojo schon als überholt gekennzeichnet wird, bei Ramos erst in der Entstehung begriffen ist. Mit dem Wechsel der Lesererwartung gilt Caniquis Widerstand, eingebunden in die afrikanischen mythischen Konzepte als legitim, während Aristóns von Göttern gesteuerte Impulse nur noch destruktiv wirken. Wie Aristón sich von Oggún beschützt fühlt, glaubt sich Caniqui unter dem Schutz von Olokún vor dem schrecklichen Elegbará sicher, so daß er unbelastet die Flucht und den Widerstand wagen kann, »el terrible dios no podría hacer nada en contra suya mientras no lo permitiese el oricha Oloku«. Dieser Glaube treibt ihn aber eigentümlicherweise in die Individualität, und er sucht nicht die Solidarität mit anderen entlaufenen Sklaven »no buscaba los 'palenques' de los otros cimarrones, sino la orilla de algún río, una laguna, o la playa« (Ca, S. 148), was als Motiv in dem folgenden Roman El negro que se bebió la luna direkt übernommen wird. Beide Protagonisten sind nicht in der Lage, aus einem individuellen und religiös gesteuerten Impuls ein Konzept zu entwickeln, das den Gedanken an Freiheit in Solidarität mit
221 anderen Cimarrones fortsetzen könnte. Im Gegenteil, der Animismus beider Protagonisten führt sie in den Tod, vor dem sie keine Angst haben, in Gewißheit der Kontinuität ihres Lebensflusses in anderer Form. »Olokün bendito, cuchillo a la diestra y la boca libre, para reir a carcajadas ... siente que nada prodrian contra él!...« (Ca, S. 229) Ais Caniquí in die Enge getrieben, aufgefordert wird, sich zu ergeben, reagiert er im Glauben an eine unendliche Freiheit im Tod, was auch der alte Damián in Adire postuliert. »Tuvo el capricho de tenderse boca arriba, para expresarse mejor: su vida era todo lo que el veía y gozaba en aquella mañana del Trópico...! ...! '¡Obatalá, magnífico! libertad en lo ancho del espacio: en el aire, en el mar! libertad, amplitud ...« (Ca, S. 300) Vier Jahre später erschien Luis Felipe Rodríguez Roman El negro que se bebió la luna (1940), worin das von Ramos entworfene Bild des von Natur aus aufständischen Sklaven wieder aufgenommen wurde und gegen Romanende solch deutliche Parallelen zu Caniquí zu erkennen sind, daß man fast geneigt ist, von einer Replik zu sprechen. Auch Orümbila, oder Juan Lucumi, so der Name des Helden, bewegt sich im Konflikt zwischen Loyalität zu einem gütigen Herren und seinem ihm angeborenen Freiheitstrieb, der zudem, im Gegensatz zu Caniquí, durch eine archaische afrikanische Religiosität gebremst wird, anstatt verstärkt zu werden. Noch in Afrika hatte der Fürstensohn eine Prägung erfahren von einer versöhnlichen, altruistischen Lebenshaltung, die auf dem Mondkult aufbaut und im Gegensatz zu den realen Lebenserfahrungen der Yorubá in der Sklaverei auf den westindischen Inseln steht. Trotz der entwürdigenden Verschleppung kurz nach seiner Heirat mit Bissindija aus Afrika bleibt Onlmbila, die Erwartung vieler anderer Sklaven enttäuschend, seiner unterwürfig erscheinenden Lebenshaltung treu: »A una señal de Orümbila, Juan Lucumi, le hubieron seguido todos los de su tribu Yorubá, pero éste no estaba para conducir la rebelión del instinto constreñido.« (NL, S. 92) Onímbila ist in den ausgleichenden Kräften seines afrikanischen Glaubenskonzeptes zutiefst verwurzelt, so daß er dieses Konzept zunächst unwissentlich überträgt auf die westindische Sklavenhaltergesellschaft, deren Ordnung er durch Cimarronaje und Widerstand nicht zu stören wagt. Während ihn sein afrikanischer Großvater im kosmischen Ausgleich der Kräfte erzogen hatte, macht der alte ehemalige Sklave No Gabriel auf die Notwendigkeit und Möglichkeiten des Widerstandes aufmerksam und versucht ihn zu indoktrinieren. »Este sentia que los consejos del brujo ño Gabriel a pesar de no haber llegado defintivamente a determinar el impulso de acción, habían movido su instinto pri-
222 mano. El se daba cuenta de influjo de su presencia ... Aquí abrigaba la certidumbre de que podía contagiar con su propia rebelión la raiz sensible de los otros instintos pasivos, que esparaban, sin calcularlo, la señal de partida ... Más el abuelo siempre resultaba una indecisión sobre la voluntad de Juan Lucumí... sin embargo, ésto no impedía que cualquier circunstancia provocara la rebelión de la selva que también vivía en los instintos amortiguados de todos.« (NL, S. 176) Erst nach dem Tod seiner Frau, die sich nach einer Vergewaltigung erhängt hatte, nach den wiederholten Demütigungen durch den schwarzen Aufseher und den häufigen Strafen ist die Wut auch bei Juan Lucumí so weit gestiegen, daß er den schwarzen Aufseher Ruperto umbringt, wobei er sich seine Identifikation mit einer Schlange ins Bewußtsein ruft und er somit Ruperto, el Jibaro, nicht nur in seiner Identität als Juan Lucumí tötet, sondern auch in einer animistischen Einheit mit dem Bild der Schlange. 4 ! »Majá grande coje jutia chiquito. Jutia camina y majá tabién. De pronto, Ruperto 'el Jibaro' vio, como en el silencio de la noche, le vino encima algo así cual una sombra enorme. Esta sombra, con dos manos membrudas le puso un férreo dogal al cuello. Fue una lucha sorda, junto al mar verde de la plantación. A Ruperto no le quedó más que el tiempo preciso para exhalar un eco de asfixia y de alarma.« (NL, S. 178) Mit dem Mord an Ruperto wird zum ersten Mal in der kubanischen Literaturgeschichte die offene Rebellion eines Sklaven geschildert, der den Widerstand konsequent mit der Flucht in den Palenque fortsetzt, wobei die individuelle Tat Modell und Muster für Leidensgenossen ist. »No cotento con matar a un contramayoral y darle candela a la caña, aún se llevó veinte negros,en pos de su rabia de cachorro«. (NL, S. 182) Allerdings wiederholt sich auch hier die Stereotype des adligen und edlen Fürsten, ohne den die einzelnen Sklaven unfähig zur Handlung sind: »Era una veintena de negros que huía ... Caminaron en pos de Juan Lucumí que debía pensar por ellos« (NL, S. 197), womit sich die rassistische Grundhaltung Rodríguez entlarvt. Juan Lucumí hat mit dem Mord und der Flucht die in ihm gefestigte Ordnung zerstört und er trennt sich von der Cimarronengruppe mit der Absicht, ein Gewässer aufzusuchen, um symbolisch in der Einheit mit dem Mond aufzugehen. Von dem Mayoral verfolgt, stürzt sich Juan Lucumí in die Fluten und entgeht dadurch der erneuten Gefangennahme und Folter. Weist bis hierher der Roman eindeutige Parallelen auf zu dem Finale in Caniqui, wieder aufgenommen in César Leantes Guerrilleros negros, zerstört Rodríguez nun die Symbolik des Selbstmordes als Hinweis auf die nicht zu unterdrückende Freiheitsliebe mit simplen Klischees, die beim Leser wohl eher Verärgerung als Zustimmung hervorrufen können: »Pero ya Juan Lucumí no oía la voz del mayoral del ingenio 'El Cachimbo', porque caminaba, caminaba, hacia la casita blanca de la luna ... Alli estaría Bissin-
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dija, Maria de Jesús, preparándole, como siempre el amalá ... le diría al verle llegar cansado: ¡Orno mió! Yon perando po ti, casa lo nengre sueno. Aqui no pená, no trabajá la cañavera, no julle cuero lo mayorá. Bariga, lá contento! '!comé, corné, sempre comé ... Mucho plátano, mucho ñame, mucho mai, mucho, calalú, mucho quimbombó!« (NL, S. 200)
7. Zurück nach Afrika Im kubanischen Roman taucht die gedankliche und fiktionale Verbindung Afrikas und Kubas nicht erst im 20. Jahrhundert auf. Afrika als literarischer und geographischer Raum gewinnt allerdings in keinem der kubanischen Romane an Bedeutung, so ist zwar wie im Sinne Simone Schwarz-Barts Ti-Jean. L'horizon Afrika als Ursprungsland ständig präsent in der kubanischen Idiosynkrasie, zunächst als notwendiger Bestandteil der Antisklavereiromane Francisco (1839) und Sab (1842), aber auch in dem Schauspiel »Zafira, tragedia en cuatro actos« (1842) von Juan Francisco Manzano und in La Piel (1913), doch können die Autoren wenig über die tatsächliche psychoemotionale Beziehung der afrikanischen Protagonisten zu ihrem Herkunftskontinent aussagen. In der Periode nach 1844 und 1880 wird dieser Aspekt in der afrokubanischen Literatur vernachlässigt. Erst später, in den historisierenden Romanen wie El negro que se bebió la luna (1940) und in César Leantes Los guerrilleros negros (1980), in den Gedichten von Guillén und Nancy Morejón, gewinnt der Apekt der afrikanischen Herkunft an Bedeutung im Sinne eines erstarkenden Selbstbewußtseins der farbigen Kubaner. Die literarische Produktion der 20er Jahre 4 2 »weist nun eine zunehmende Authentizität der literarischen Präsentation«^ der Afrokubaner nach, die sich mit dem Negrismus Guilléns endgültig von europäischen Vorbildern gelöst hatten, womit der vorläufig letzte Mosaikstein in die autochthone kubanische Literatur eingefügt wurde. Spricht Uli Fleischmann von einer 'Heimatlosigkeit' karibischer Literatur, die auch als Problem des Raumbewußtseins zu verstehen ist 44 , so gilt das kaum für die kubanischen Verhältnisse, was sich am Beispiel der afrokubanischen Literatur verdeutlichen läßt. Die historischen Entwicklungen liefern die Erklärungen dazu. Die Afrokubaner setzten sich, wie bekannt, in den beiden Kriegen für ein unabhängiges und eigenständiges Kuba ein, in denen sie sich für ihre Kubanität entschieden hatten. Die 'Back to Africa' Ideologie eines Marcus Garvey, die Fixierung auf die europäische Metropole Paris der französisch-sprachigen Inseln konnten auf Kuba nicht Fuß fassen, so daß man in Bezug auf Kuba nicht von einer 'identité culturelle bipolaire' sprechen kann, wie sie in den Werken von Roland Brival, Maryse Condé, Eugène Dervain, Roger Dorsinville, Joseph Zobel oder Bertène Juminer verwirklicht wird. 4 ^ Es ist daher auch nicht verwunderlich, daß der Topos der Rückkehr nach Afrika als fiktionaler Ausdruck einer Lösung aus postkolonialer Abhängigkeit auf Kuba kaum
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anzutreffen ist. Mögen es nun linguistische Gründe sein, die den martiniquischen Kolonialbeamten René Maran 1921 seinen 'afrikanischen' Roman Batouala, Véritable roman nègre schreiben ließen, oder nicht, Tatsache bleibt, daß der literarische Raum der französisch-sprachigen und englisch-sprachigen Karibik Afrika eindeutig einschließt, der kubanische Roman jedoch nicht. Aimé Césaire, René Maran, Simone Schwarz-Bart und für die jüngere Literatur Maryse Condé und Roland Brival mit den historischen Romanen Segou und Les tambours de Gao nehmen fast ausschließlich auf Afrika als Ort der Handlung Bezug, für die englischsprachige Karibik bleibt die Ideologie Marcus Garveys das bedeutendste Beispiel, von dem großartigen Roman V.S. Naipauls A Bend in the River, 1979, ergänzt. Der Topos der Rückkehr nach Afrika hat sich in der kubanischen Literatur zum bedeutungsleeren Motiv entwickelt, das eher dekorativen Charakter hat. »De modo que la nostalgia por Africa puede aparecer 'literariamente' en negros y mulatos que escriben, pero muy rara vez. Ya no es determinante como factor psicológico ni en los negros 'criollos' ni en sus descendientes: ni aún como lejanísimo tema folk: no se encuentra, ha desaparecido.« 4 6
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IX. Schlußbemerkung Nach der Lektüre der afrokubanischen Prosaliteratur bleibt nicht nur die Erkenntnis vom Einfluß der sozialhistorischen und politischen Gegebenheiten auf die Romane, sondern auch die Einsicht von Verflechtungen und Bezügen der Texte untereinander, so daß man von einer kohärenten Gruppe zusammenhängender und sich gegenseitig bedingender Prosatexte sprechen kann. Auf die Repliken im 19. Jahrhundert ist schon hingewiesen worden, insbesondere auf die Replikenkette, an deren Anfang die Erzählung "Petrona y Rosalía" steht (1838), gefolgt von Cecilia Valdés (1832/82), Carmela (1886), Sofia (1891) und Mcrsé (1924), wobei sich das Motiv der Mulattin in der modernen Literatur vervielfältigt. Die Replik Zambranas El negro Francisco (1875) auf Calcagnos Vr-Francisco (1839), gefolgt von dem Theaterstück Fulledas Francisco und dem Film von Sergio Giral El otro Francisco in den achtziger Jahren unseres Jahrhunderts, zeigt ebenfalls das Bild des ehrbaren, gequälten und letztendlich vereinsamten Negers, was als Motiv den Roman Sab (1842) von Gertrudis de Avellaneda ebenso bestimmt, wie die Texte La piel (1913), El negro que se bebió la luna (1940) und Adire y el tiempo roto (1967), wobei nur in Cuando la sangre se parece al fuego (1975) der Held die Disposition zur Einsamkeit überwinden kann. Stärker noch als die Darstellungen physischer Qualen und Foltern bewirkt die Erkenntnis nicht zu lösender Einsamkeit und existentieller Verworfenheit, denen die farbigen Protagonisten ausgesetzt sind, das Mitleid und die Betroffenheit des Lesers. In den analysierten Texten gibt es keine farbige Frau oder Mann, die dieser existentiellen Not hätten entkommen können. Insofern erstaunt der Tod des Protagonisten am Ende der Texte den Leser nicht, sondern wird eher als erlösender Ausgang des Konflikts empfunden, der mit anderen Mitteln nicht mehr zu bewältigen war. Grundsätzlich nun läßt sich über die Entwicklungsgeschichte der Motive Widerstand und Flucht, Inzest und sexuelle Gewalt, Bildung und Identitätssuche, Afrikanität, Rassismus und Emanzipation der Bogen über die gesamte vorgestellte Literatur spannen und in eng aufeinander bezogene Gruppen ordnen, deren erste die eingangs erwähnte Replikenkette vorstellt, und in denen natürlich die Kongruez von Nebenmotiven hoch ist.
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1. Nicolás Guillén Ein anderes Phänomen in der afrokubanische Literatur sind die Impulse, die zur Verfertigung der Texte führten. Abgesehen von den außerkubanischen Einflüssen wie der Romantik, des Realismus und Naturalismus Frankreichs, ist die Rolle Del Montes genannt worden, der faktisch Schreibaufträge vergab, die zur Verfertigung der Apuntes autobiográficos (1840) von Manzano und dem Roman Francisco (1839) führten. Der Einfluß von Raimundo Cabrera auf das Romanprojekt von Morúa Delgado steht noch zur Untersuchung an, wobei erwiesen ist, daß Morúa Delgado ohne die finanzielle Hilfe Cabreras seine beiden Romane nicht hätte vorlegen können. Anders steht es dagegen mit dem Negrismo Guilléns und dessen ureigener Schöpfung, des in Verse gefaßten 'son', mit dem er die afro-eurokreolische Transkulturation in eine neue kubanische Ausdrucksform gab. Aber auch Guillén griff auf ein nichtkubanisches Modell zurück und schmälert somit seinen Anspruch auf die Originalität der Entdeckung des 'son'. In einem Gespräch mit Guillén, veröffentlicht am 9. März 1930 im Diario de la Marina, enthüllt Langston Hughes das Konzept seiner Poesie, wie es später Guillén nach dem nordamerikanischen Modell verwirklichen sollte. Langston Hughes: "... en 1926 publiqué mi primer libro, 'The Weary Blues', en el que figuran mis poemas negros, mis poemas de jazz, escritos para esta clase de música." 1 Hughes spricht auch von "varios poemas raciales y de trabajo", mit denen er von innen heraus das Leid, die Notwendigkeit zur Solidarität der Schwarzen seinen Zeitgenossen vorstellt. Es werden aber gerade die 'jazz poems', 'blues poems' und 'spirituals' sein, die Guillén helfen, den Ausstieg aus der kostumbristischen Richtung der Negrismo-Bewegung zu wagen und die pittoresken, stereotypen Darstellungen der anderen Autoren zu überwinden. Das Konzept Langston Hughes das ihn auf einfache und populäre Elemente sowohl der Musik, als auch der Sprache zurückgreifen ließ, wird von Guillén aufgenommen, wobei die Texte Guilléns ähnlich rezipiert wurden, wie die Gedichte Hughes, der dazu sagt: "Yo sólo aspiro a conservarle al negro su frescura, a que no olvide nunca lo que es suyo. Me parece que la civilización blanca puede acabar lo que es primitivo que hay en el negro, vistiéndolo con un ropaje que no será de él jamás. Por supuesto que hay muchos negros que me combaten porque estiman que algunos de mis poemas sólo están dedicados a la gente baja, al subsuelo, y ellos se entretienen jugando a la aristocracia, a la 'high life', para imitar a sus antiguos amos." 2 Mehr als drei Monate später, am 15. Juni 1930, erscheint ebenfalls im Diario de la Marina ein Artikel von Guillén, in dem er auf die Entstehung, Konzeption und Rezeption seines 'son' Bezug nimmt. Zunächst gibt Guillén einen Hinweis auf die Erstveröffentlichung der 'sones', nämlich Anfang April 1930, also knapp einen Monat nach dem Besuch Hughes in Havanna. Gegen die Kritik, die klassische Lyrik aufge-
227 geben zu haben, um Texte zu verfassen "para nuestros celebres sextetos", stellt Guillén klar, daß er in den "poemas de son" eine für Kuba ureigene Ausdrucksform gefunden hat, da Form und Rhythmik der amerikanischen 'jazz poems' nicht auf die Verhältnisse der Insel übertragen werden konnten. "... sin ser igual al 'blues' ni existir semejanza entre Cuba y el sur de los Estados Unidos, es a mi juicio una forma adecuada para lograr poemas vernáculos, acaso porque esa es también actualmente nuestra música más representativa." 3 Die zeitliche Nähe und die enge Verbundenheit Guilléns mit Langston Hughes lassen somit den Schluß auf den direkten inspirativen Einfluß des Amerikaners auf den Kubaner zu, worauf Guillén in seinem Artikel allerdings nicht weiter eingeht. Zufall bleibt jedoch die nahezu identische Rezeption beider Texte, deren Beschreibung die beiden erwähnten Artikel in eine inhaltliche, anekdotenhafte, aber nicht besonders bedeutsame Nähe rückt: "Era un grupo de negros enemigos del son. Temían que esa música llegara a constituir una deshonra 'para la raza', y decidieron celebrar una asamblea, a fin de adoptar orientaciones salvadoras frente al problema ... Abajo el son, y mueran sus bailadores." 4 So erheiternd diese Reaktion des afrokubanischen Bürgertums im heutigen Kuba wirken mag, enthüllt sie doch den kulturellen Konflikt, den die zwölf kurzen 'son' Gedichte Guilléns auslösten. Mit seiner Absicht, den Blick von europäischen Modellen abzuwenden, mußte er zwangsweise das Risiko auf sich nehmen, nicht nur afrokubanische Gegebenheiten zu erkennen, sondern diese auch nach außen zu vertreten. Die positive Bewertung afrokubanischer Realität lieferte weißen und schwarzen Rassisten Argumente dafür, jene Aspekte der Realität zu leugnen, auch aus Angst vor einem eneuten Aufflackern von Rassenspannungen. Dieser Konfrontation konnte dann nur mit einem neuen 'schwarzen' Bewußtsein standgehalten werden, dessen einer Wortführer, neben Gustavo E. Urrutia, Guillén war: "Por otra parte , creo que los 'poemas de son', desde el punto de vista literario, y por la significación que en el mundo tiene hoy lo popular, constituyen un modo de estar en la avanzada ... Entre nosotros, donde a menudo no pensamos más que con cabezas de importación, precisa cierto heroísmo para aparecerse con unos versos primarios, escritos en la forma en que todavía hablan - piensan - muchos de nuestros negros (y no pocos blancos también) y en los que se retratan tipos que a diario vemos moverse a nuestro lado. "5
228
2. Miguel Barnet, El
Cimarrón
D a s B u c h , das nach 1 9 5 9 das T h e m a d e s afrokubanischen N e g e r s in kürzester Zeit in der W e l t bekannter m a c h e n sollte als das G e s a m t w e r k A l e j o Carpentiers, war die Biografía
de un cimarrón
( 1 9 6 8 ) v o n M i g u e l B a m e t . D i e Kritik feierte die Originali-
tät der T e c h n i k d e s Z e u g n i s r o m a n e s , die U m s t ä n d e seiner Produktion, und die Leser waren b e t r o f f e n v o n d e m erschütternden Bericht des e h e m a l i g e n S k l a v e n . Läßt sich nun die Originalität der T e c h n i k der 'novela t e s t i m o n i o ' w e n i g e r bei d e m ersten Rom a n , stärker bei Gallego
( 1 9 8 1 ) im Z u s a m m e n h a n g mit historischen R o m a n e n , fikti-
v e n und e c h t e n A u t o b i o g r a p h i e n diskutieren und in Z w e i f e l z i e h e n , m u ß aber B a m e t auf j e d e n Fall der A n s p r u c h aberkannt w e r d e n , Vater der Idee d e s W e r k e s über und mit e i n e m S k l a v e n g e w e s e n zu sein. Es betrieb nicht nur Gilberto Freyre ausführliche Studien über die Sklaverei in Brasilien, w o z u er auch zahlreiche S k l a v e n interviewte, die er in s e i n e m f u n d a m e n t a l e n Werk Casa grande
y senzala
( 1 9 3 1 / 3 3 ) direkt und in-
direkt zu Wort k o m m e n ließ, auch Lino N o v á s C a l v o orientierte sich an zahlreichen Q u e l l e n , b e v o r er den R o m a n über die historische Figur des S k l a v e n h ä n d l e r s Blanco
el negrero
Pedro
( 1 9 3 3 ) schrieb. Es war nun kein anderer als Fidel Castro selbst, der
die Idee, einen e h e m a l i g e n S k l a v e n als Erzähler über seine Erfahrungen berichten zu lassen, v o r s c h l u g . Castro formulierte dies in seiner Grundsatzrede über die R o l l e der Intellektuellen in der R e v o l u t i o n 'Palabras a los intelectuales' ( 1 9 6 1 ) , die bis heute die B e z i e h u n g z w i s c h e n Intellektuellen und Künstlern und der R e v o l u t i o n bindend definiert: "En días recientes, nosotros t u v i m o s la e x p e r i e n c i a de encontrarnos c o n una anciana de 106 años que había acabado de aprender a leer y escribir y nosotros le p r o p u s i m o s que escribiera un libro. Había sido e s c l a v a y nosotros q u e r í a m o s saber c ó m o un e s c l a v o v i ó el m u n d o c u a n d o era e s c l a v o , c u á l e s fueron sus primeras i m p r e s i o n e s de la vida, de sus a m o s , de sus c o m p a ñ e r o s . Creo que esta vieja p u e d e escribir una c o s a tan interesante c o m o n i n g u n o de nosotros
podríamos
escribirla sobre su é p o c a y es posible que en un año se alfabetice y a d e m á s escriba un libro a los 106 años... ¿Quién puede escribir m e j o r que ella lo que viv i ó el e s c l a v o y quién puede escribir m e j o r que U s t e d e s el presente?" f i Castros Anspruch an die alte Frau, der an die Forderung Del M o n t e s an M a n z a n o d e n k e n läßt, zeigt, daß das B e m ü h e n u m ein Verständnis der S o z i a l g e s c h i c h t e der Afrokubaner s o alt w i e die G e s c h i c h t e der afro-kubanischen Literatur selbst und für das N e u e Kuba n o c h nicht a b g e s c h l o s s e n ist. Castro verweist aber auch auf die m ö g liche Leistung v o n Literatur in der B e w u ß t w e r d u n g e i n e s Transkulturationsprozesses, zu d e m die e h e m a l i g e Sklavin ihren Beitrag leisten sollte. S i c war damit natürlich überfordert, während Miguel Barnets W e g d a g e g e n über T o n b a n d a u f z c i c h n u n g e n Teile e i n e s k o l l e k t i v e n G e d ä c h t n i s s e s zu sichern, gangbarer schien. Z u d e m realisierte Barnet in beispielhafter F o r m , i n d e m er den V o r s c h l a g C a s t r o s a u f g r i f f , den An-
229 spruch einer Revolution, die Vergangenheit und Gegenwart zu einem neuen kubanischen Geschichtsverständnis verbinden will. A u f der anderen Seite trägt Castros bewußter Bezug zur afrikanischen Vergangenheit Kubas am rhetorisch exponierten Ende seiner Rede mit dazu bei, die ethnologischen und literarischen Bemühungen des Neuen Kubas um die afrikanische Vergangenheit zu verstärken und in andere Bahnen zu lenken als der gestürzte Diktator Batista, der noch im Vorjahr seiner Flucht über seine Kontakte zu Santeria-Priestem Sympathien im V o l k zu finden hoffte. Castro ist aber auch j e n e Schwierigkeit bewußt, die ständig latentes T h e m a der vorhergehenden Untersuchung war, nämlich der Schwierigkeit der Autoren, über und aus einer fremden Erfahrung Sachverhalte darzustellen, die in hohem Maße an unvollständig erkannte soziale und psychologisch kaum nachvollziehbare Entwicklungen gebunden waren.
231
Anmerkungen
I.
Einleitung
1
Vergleiche dazu die pamphletarischen Schriften der Nordamerikaner Harry Ring, How Cuba uprooted Race Discrimination, New York: Merit Publishers, 1961 und Terry Cannon, Johnelta Cole, Free and Equal. The end of racial discrimination in Cuba, veröffentlicht von der »The Venceremos Brigade», 1978 (o.O.).
2
Rogelio Martínez Furé, Diálogos imaginarios. La Habana: Editorial Arte y Literatura, 1979, S. 218.
3
Vgl. dazu Claudius Armbruster, Das Werk Alejo Carpentiers, Frankfurt: Vervuert, 1981.
4
Rogelio Furé in einem Interview mit Willi Huismann, in: Khipu 17 (Juni 1986), S. 19.
5
Hugh Thomas, Cuba or the Pursuit of Freedom, 1971. Zitiert nach der deutschen Übersetzung Castros Cuba, Berlin: Wolf Jobst Siedler Verlag, 1984, S. 201.
6
Zum Revolutionstourismus vgl. den Aufsatz von Hans Magnus Enzensberger, »Dossier: Revolutionstourismus«, in: Kursbuch 30 (1972), S. 155-181.
7
H.Thomas, Castros Cuba, S. 198.
8
Carmelo Mesa-Lago, Marianne Masferrer, »The Gradual Integration of the Black in Cuba: Under the Colony, the Republic, and the Revolution«, in: Robert Brent Toplin (ed.), Slavery and Race Relations in Latin America, Westport/London: Greenwood Press, 1974, S. 348-385.
9
Leslie B. Rout, Jr., The African Experience in Spanish America, 1502 to the Present Day, Cambridge University Press, 1976, S. 321.
10
H. Thomas, Castros Cuba, S. 377.
11
Fidel Castro Ruz, »Palabras a los intelectuales«, in: Revolución, letras, arte. La Habana: Editorial Letras Cubanas, 1980, S. 14. Vgl. dazu auch das erste Kapitel »Rolle und Funktion der kubanischen Schriftsteller«, in: Martin Franzbach, Kuba. Dieneue Welt der Literatur in der Karibik, Köln: Pahl-Rugenstein, 1984, S. 7-11.
12
Nancy Morejón in der Zeitschrift Cuba, zitiert nach Gerardo Mosquera, in: Exploraciones en la plástica cubana. La Habana: Editorial Letras Cubanas, 1983, S. 275. Bezeichnenderweise wurden die Aufführungen von María Antonia durch eine Ausstellung von Gemälden des Afrokubaners Manuel Mendive ergänzt, wodurch die Authenzilät des Stückes im afrokubanischen Kontext eine Erhöhung erfuhr.
13
Aurora de Albornoz, im Vorwort von Sensemayá, Madrid: Editorial Origenes, 1980, S. 9.
14
L.B. Rout, Jr., The African Experience, S. 24.
15
Vgl. dazu die umfassende Darstellung von Nancy Morejón zum Konzept der Mulatez Nicolás Guilléns, Nación y mestizaje en Nicolás Guillén, La Habana: UNEAC, 1982.
16
Armando Jaime anläßlich eines Vortrages von Odilio Urfé in der 'Casa de Africa', La Habana, am 16. April 1986.
17
Vgl. dazu die Ergebnisse des Symposiums Uber Rassismus in Athen 1981, Racism, science and Paris: UNESCO, 1983.
pseudo-science,
18
Vorgetragen in der'Casa de Africa'.
19
Femando Ortiz, Los bailes y el teatro de los negros en el folklore de Cuba, La Habana: Ed. Letras Cubanas, 1981, S. 444.
20
Martha K. Cobb, The Black Experience in the Poetry of Nicolás Guillen, Jacques Roumain, Langston Hughes, Ph. D. diss., The Catholic University of America, 1974, S. 15.
21
Doris J. Turner, »Symbols in Two Afro-Brazilian Literary Works: Jubiabá and Sortilègio«, in: Teaching Latin American Studies, Miriam Willsford, J. Doyle Castccl Gainesville, Florida: Latin American Studies Association, 1977, S. 22.
22
Janheinz Jahn, Die neoafrikanische Literatur. Gesamtbibliographie dorf/Köln: Eugen Dicderichs Verlag, 1965, S. VII.
23
Jerry W. Ward, »Speculations about Contemporary Black Literature«, in: Frank McGill (ed.). The Contemporary Literary Scene, Englcwood Cliffs, N.J.: Salem Press, 1973, S. 79.
24
Richard L. Jackson, Black Writers in Latin America, Albuquerque: University of New Mexico Press, 1976, S. 3.
25
R. L. Jackson, Black Writers, S. 4.
26
J. Jahn, Die neoafrikanische Literatur, S. VII.
von den Anfängen bis zur Gegenwart, Düssel-
232
27
V o n S a m u e l F e i j ó o w u r d e in Bohemia
A ñ o 78, N o . 4 0 vom 3. O k t o b e r 1986 cinc w e i t e r e S a m m l u n g a f r i k a n i s c h e r
M y t h e n zu d e n z e h n m e i s t v e r k a u f t e n T i t e l n k u b a n i s c h e r fiklionalcr Literatur g e z ä h l t : Mitología
Cubana,
wahr-
s c h e i n l i c h L a H a b a n a 1986. 28
A n a n i D z i d z i e n y o , » A f r o - B r a z i l i a n s , o t h e r A f r o - L a t i n A m e r i c a n s a n d A f r i c a n i t y : F r o z e n and D y n a m i c « , P a p e r r e a d at the Eigth A n n u a l M e e t i n g of the A f r i c a n H é r i t a g e S t u d i c s A s s o c i a t i o n , 2 3 . April 1986 in A t l a n t a , G e o r g i a , S. 1, zitiert bei: R. L. J a c k s o n , Black Wriiers, S. 8.
29
R. L . J a c k s o n , Black Wriiers,
30
S t e p h e n H e n d e r s o n , Understanding
31
M a r t h a C o b b , The Black Expérience,
32
S. 8. the New Black Poetry,
N e w York: M o r r o w , 1973, S. 7.
S. 7 ff.
V g l . d a z u M i c h a e l M . B a c h t i n , » D a s W o r t im R o m a n « , in: ders., Ästhetik des Wortes, F r a n k f u r t : S u h r k a m p , 1979. V g l . d a z u a u c h d e n A u f s a t z von O t t m a r E u e , »Cierto indio q u e sabe f r a n c é s : Intcrtcxtualiüit u n d literarischer R a u m in J o s é M a r t í s ' A m i s t a d F u n e s t a ' , in: Iberoamericana
33
N o . 2 5 / 2 6 ( 1 9 8 5 ) , S. 4 2 .
J e a n Paul Sartre, » O r p h é e N o i r « , in: L e o p o l d S é d h a r S e n g h o r , Anthologie che de langue française,
de la nouvelle
poésie
nègre et nuil gâ-
P a r i s 1948; vgl. d a z u a u c h L e o p o l d S é d h a r S e n g h o r , » L a t i n i t é ei N é g r i t u d e « . D i s c o u r s
p r o n o n c é à l ' U n i v e r s i t é d e B a h i a le 21 S e p t e m b r e 1964. C e n t r e d e H a u t e s E t u d e s A f r o - I b e r o - A m é r i c a i n e s de l ' U n i v e r s i t é d e D a k a r , 1966. 34
D a s m a c h t e e i n e v o n m i r d u r c h g e f ü h r t e A n a l y s e d e r Z e i t s c h r i f t Opina de moda im M a r z 1986 d e u t l i c h .
35
A l e j o C a r p e n t i c r , in: Virgilio L ó p e z Lern us (ed.). Entrevistas
Alejo
Carpentier,
La H a b a n a : Ed. L e t r a s C u b a n a s ,
1985, S. 4 3 2 . 36
R. L. J a c k s o n , Black Writers, S. 14.
37
R. L. J a c k s o n , Black Wriiers, S. 14.
38
M a g n u s M ö m c r , Race Mixture in the History of Latin America, B o s t o n : Linie B r o w n , 1967, S. 3-5, zitiert nach der f r a n z ö s i s c h e n Ü b e r s e t z u n g Le Métissage dans l'Histoire de i Amérique Latine, Paris: F a y a r d , 1971.
39
M. M ö m c r , Race Mixture, S. I. Vgl. d a z u R a f a e l R o c h e y M o n t c a g u d o , La policía y sus misterios: procedimientos, formularios, leyes, reglamentos, ordenanzas y disposiciones que conciernen a los cuerpos de seguridad pública, La H a b a n a : Imprenta la P r u e b a , 1908.
40
N a n c y M o r c j ó n , Nación y mestizaje
41
Vgl. d a z u d e n h a i t i a n i s c h e n Z e u g n i s r o m a n von M a u r i c e L c m o i n c , Sucre amer, Paris: E d i t i o n s E n c r e , 1981.
en Nicolás
Guillén,
L a H a b a n a : U N E A C , 1982, S. 57.
42
Vgl. d a z u M. M ö r n c r , Race
43
A l e j o C a r p c n ü c r in L'Unitá am 10. J u n i 1974, zitiert nach Virgilio L ó p e z L c m u s (ed.), Entrevistas tier, L a H a b a n a : Ed. L e t r a s C u b a n a s , 1985, S. 2 1 8 .
Mixture.
44
F e r n a n d o O r t i z , Los bailes y el teatro de los negros en eifolklore S. 4 3 2 .
45
Fidel C a s t r o R u z , Informe
Central.
Tercer
Congreso
del Partido
Alejo
Carpen-
de Cuba, La H a b a n a : Ed. L e t r a s C u b a n a s , 1981, Comunista
de Cuba,
La H a b a n a : Ed. Política,
1986, S. 9 5 . 46
F e r n a n d o O r t i z , Los negros esclavos.
47
S a m u e l F e i j ó o , El negro en la literatura folklórica
48
F. O r t i z führt in Los negros esclavos v e r s c h l e p p t w u r d e n , S. 41 ff.
49
» E n c a m b i o , el ñ a ñ i g u i s m o n o es una ' r e l i g i ó n ' , s i n o c o m o u n a o r d e n militaresca o u n a m a s o n e r í a , u n a sociedad secreta a la cual s ó l o p u e d e n p e r t e n e c e r c o m o iniciados, j u r a m e n t a d o s o p r o f e s o s , e k o b i o o m o n i n a , los varones«, F e r n a n d o O r t i z , Los bailes, S. 4 6 5 .
L a H a b a n a : Ed. d e C i e n c i a s S o c i a l e s , 1975, S. 2 4 . culxina,
La H a b a n a : E d . Letras C u b a n a s , 1 9 8 0 , S. 9.
9 8 S ü i m m c o d e r S l a m m c s b c z c i c h n u n g c n von A f r i k a n e r n a u f , die nach K u b a
50
J e s u s G u a n c h e in d e m Vortrag v o m 23. April 1986.
51
J a c q u e s G i l a r d , » L a o b r a poética d e N a n c y M o r c j ó n : d e s p e r t a r d e la negritud«, in: Hora de Poesía,
16-17 (Julio
1981), S. 8 7 - 1 0 6 , B a r c e l o n a . 52
M a r t i n F r a n z b a c h , » ' A f r o c u b a n i s m o ' und ' N é g r i t u d e ' « , in : Iberoamericana,
53
M. F r a n z b a c h : » A f r o c u b a n i s m o ...«, S. 50.
54
15 ( 1 9 8 2 ) , S. 50.
H a n s O t t o Dill, » N e g e r f o l k l o r e und p o l i t i s c h e Lyrik im W e r k von N i c o l a s G u i l l e n « , in: ders., Sieben lateinamerikanischen
Literatur,
Aufsätze
2ur
B c r ü n / W c i m a r , 1975, S. 159, zitiert n a c h M. F r a n z b a c h , » A f m c u b a n i s m o ...«, S.
53. 55
S. F e i j ó o , El negro
56
J u l i o le R i v e r e n d , » A f r o a m é r i c a « , in: Revista
.... S. 20. Casa de las Amerit as ( M a y o - A g o s t o 1966).
233
57
Vgl. dazu Lemuel A. Johnson, The Devil, the Gargoyle and the Buffoon, [he Negro as a Metapher in Western Literature, Port Washington; N.Y., Kennikat Press 1971.
58
Vgl. dazu Bernhard Zimmermann, Literaturrezeption
59
Als Beispiel für die Beziehung Lesemotivation und prädisponierter Wirkung ließe sich Manuel Pereiras El comandante Veneno (1975) untersuchen.
60
B. Zimmermann, Literaturrezeption
.... S. 26.
61
B. Zimmermann, Literaturrezeption
..., S. 13.
im historischen Prozeß, München: C.H. Beck, 1977.
62
B. Zimmermann, Literaturrezeption
.... S. 13.
63
B. Zimmermann, Literaturrezeption
.... S. 14.
64
Vgl. dazu Miguel Barnet im Nachwort von Canción de Rachel, La Habana: Instituto del Libro, 1969.
65
Stanley S. Fish, Self-Consuming Artifacts: The Experience of Seventeeth-Century Angeles: University of California Press, 1972, S. 2 f.
1
Hugh Thomas, Cuba or the pursuit of freedom, 1971, zitiert nach der deutschen Übersetzung Castros Cuba, Berlin: Siedler, 1984, S. 1%.
2
Censo de Población y Viviendas de 1981, Volumen XVI, Tomo I, La Habana, Comité Estatal de Estadísticas, Oficina Nacional del Censo, Julio de 1983.
II. Demographische
Entwicklungen
und
Literatur, Berkeley and Los
Bestimmungen
3
Censo de Población .... Vgl. dazu Roger Bastide, Les Amériques noires, Paris: Payot, 1967, S. 21.
4
Fernando Ortiz, Hampa afro-cubana: Los negros esclavos, estudio sociológico y de derecho público. La Habana 1916, S. 87.
5
Alexander von Humboldt, Essai politique sur I' ¡le de Cuba, Paris 1826.
6
José Antonio Saco, »Análisis de una obra sobre el Brasil«, in: Revista Bimestre Cubana, (1832), aufgenommen in: Colección de papeles científicos, históricos, políticos y de otros ramos sobre la isla de Cuba, (3 Bde), La Habana 1962, II, S. 74.
7
J.A. Saco, »Análisis ,..«,S. 134.
8
A.v. Humboldt, Essai.... S. 117.
9
Zitiert bei D. Murray, »Statistics of the slave trade to Cuba 1790-1867«, in: Journal of Latin American Studies, 3 (1971) 2, S. 13.
10
R. Baslide, Les Amériques, S. 13.
11
H. Thomas, Castros Cuba, S. 196.
12
Rafael Duharte, Vortrag anläßlich des 'Festival de la cultura de origen caribeño' am 18. April 1986 in Santiago de Cuba »Esclavitud y ciudad en el siglo XIX«.
13
Vgl. dazu die Arbeit von Ineke Phaf, »La ciudad y su novela La Habana«, in: Actas, Thomas Bremer, Alejandro Losada (ed.), Giessen/Neuchätel 1984. S. 117.
14
José Maria Dau, ingenios sin esclavos, La Habana: Imprenta de D. Maria Palmer, 1837.
15
M. Fraginals, El ingenio, S. 308.
16
J. Pérez de la Riva, »Demografía de los culies chinos en Cuba (1853-1874)«, in: ders., El barracón y otros ensayos, La Habana, 1975, S. 486.
17
Ramón Meza y Suárcz Inclán, Carmela, La Habana: Ed. Arte y Literatura, 1978.
18
Peter Martin, Das rebellische Eigentum, Hamburg: Junius, 1985, S. 46.
19
Pérez de la Riva, El barracón, S. 485. 1899 wurden 14.565 chinesische Männer und 49 Frauen gezählt; s. S. 472. 1872 wurden 58.368 chinesische Männer und 32 Frauen gezählt; s. S. 483.
20
J. Pérez de la Riva, »DemografíaS.
481.
234
III. 1
Richard L. Jackson, Black Wriiers, S. 79.
2
Vgl. dazu den Censo de Población Censo, Julio de 1983.
Periodisierung
y Viviendas
and Caribbean
de 1981, Cornile Estatal de Estadísticas, Oficina Nacional del
3
Selwyn R. Cudjoe, Resistance
4
Vgl. dazu Hugh Thomas, Castros Cuba, S. 199.
Lileralure,
Ohio: Ohio University Press, 1980, S. 67.
5
Siehe dazu auch Carol Anne Beane, The Characterization of blacks und mulattoes in selected novels from bia, Venezuela, Ecuador and Peru, Ph.D. diss. University of California, Berkeley, 1980, S. 13.
Colom-
6
Amflcar Cabrai, Return to the Source, New York: African Information Service, 1973, S. 69.
7
Carmelo Mesa Lago/Marianne MasferTer, "The gradual Integration of the Black in Cuba", in: Robert Brent Toplin. Slavery and Race Relations in Latin America, Westport/London: Greenwood Press, 1974, S. 375.
8
Vgl. dazu Leslie B. Rout Jr., The African Cambridge University Press, 1976.
1
Vgl. dazu Thomas Bremer, »Haiti als Paradigma«, S. 319.
2
Historia de Cuba Dirección política de las FA R., (o.O.) 1967, S. 146. Vgl. dazu Martha Verónica Alvarez Mola und Pedro Martínez Pérez, »Algo acerca del problema negro en Cuba hasta 1912«, in: Universidad de Ia Habana. Revista, N o 179 (Mayo Junio 1966), S. 79-94; A. Ramos Guerra e Relaçoes de Raça, Rio de Janeiro, 1943.
3
Eine tiefgehende Beschreibung der Folgen jener Zwangsmaßnahmen findet sich in Manuel Moreno Fraginals La historia como arma y otros estudios sobre esclavos, ingenios y plantaciones, Barcelona: Editorial Crítica, 1983. Siehe aber auch Juan Pérez de la Riva, El barracón, Barcelona: Editorial Crítica, 1978.
4
Marianne Masferrer/Cannelo Mesa-Lago, »The gradual Integration of the Black in Cuba«, in: R.B. Toplin, Slavery and Race Relations in Latin America, Westport Greenwood Press, 1974, S. 355.
5
Diese und die folgenden Angaben sind Herbert Apthekcrs Studie American Negro Slave Revolts, New York: International Publishers, 1983, entnommen. Apthekcrs Arbeit wird stark kritisiert von Peter Martin, in: Das rebellische Eigentum. Vom Kampf der Afroamerikaner gegen ihre Versklavung, Hamburg: Junius Verlag, 1985, S. 129ff.
6
Vgl. dazu den Artikel von Titus Hcydcnreich, »Kolumbus aus karibischer Sicht: García Márquez - Carpenticr Brival«, in dem er jene 'civilisation du massacre' aus der Sicht der Ureinwohner diskutiert, in: Wolfgang Binder (ed.), Entwicklungen im karibischen Raum 1960-1985, Erlangen: Erlanger Forschungen, Reihe A, Bd. 37, 1986. Heydenreich orientiert sich mit seinem Ansatz an Tzvetan Todorov, La conquête de l'Amérique. La question de l'Autre, Paris: Seuil, 1982.
7
Historia de Cuba, S. 134.
8
Frederick Stimson, Cuba's Romantic Press, 1964, S. 55.
9
Franklin W. Knight, »Cuba«, in: David W. Cohen, Jack P. Greene (cds.), Neither Slave nor Free: The Freedman of African Descent in the Slave Societies of the New World, Baltimore: The Hopkins University Press, 1972, S. 281.
Experience
in Spanish America.
IV. Das 19. Jahrhundert
1502 to the present
day, Cambridge:
I
Poet: The story of Plácido, Chapel Hill: The University of North Carolina
10
Vgl. dazu Clara Domínguez et alii, El cabildo carabalíIsuama,
11
José Antonio Porluondo, Kubanische
Santiago de Cuba: Ed. Oriente, 1982.
12
Die Aussage, die J.A. Portuondo für Kuba trifft in Kubanische Literatur amerika. Vgl. dazu Leo Pollmann, Geschichte des lateinamerikanischen kung (1810-1829), Berlin: E. Schmidt, 1982.
Literatur im Überblick, S. 68. im Überblick, S. 60 gilt für ganz LateinRomans. Die literarische Selbstentdek-
New York: Hill & Wanng, 1967, S. 161.
13
Ralph Komgold, Citizen Toussaint,
14
Henry Clay, zitiert von Hugh Thomas, in: Cuba. The Pursuit of Freedom, 1971, S. 104.
15
F. Stimson, Cuba's Poet, S. 55.
16
Salvador Bueno, »La primitiva narración esclavista en Cuba«, in: Revolución. Letras Cubanas, 1980, S. 380.
17
Silvestre de Balboa y Troya de Quesada, Espejo de Paciencia, 92.
18
Kurioscrwcisc ergreift auch ein Neger im ersten lateinamerikanischen Roman überhaupt Partei für Selbstbestimmung, Unabhängigkeit und Rasscngleichhcit. 1X16 verfaßte Jose Joaquín Fernández de Li/ardi in Mexico den PÍ-
New York/London: Harper & Row,
Letrai. Arte, La Habana Editorial
La Habana: Editorial de Arte y Literatura, 1975, S.
235
caroroman El Periquillo dell spricht.
Sarniento,
in dessen utopischer Anlage der Neger von dem erwähnten Gesellschaftsmo-
19
Roberto Friol, »La novela cubana en el siglo XIX«, in: V. López Lemus (ed.). Revolución,
20
Jean Franco, An Introduction
21
Vgl. dazu den Aufsatz von Alejo Carpentier, »Problemática de la actual novela latinoamericana«, in: ders., Tientos y diferencias 1967, Buenos Aires: Calicanto, 1976. Zur Funktion von Sprache vgl. auch T. Heydenreich, »'Ni tu lengua es tu lengua'. Sprache und Identität in der modernen Negerdichtung der Karibik«, in: Lateinamerikastudien, 11, Karibik: Wirtschaft, Gesellschaft. Geschichte, München: Wilhelm Fink Vlg., 1982, S. 341.
22
Manuel Cabrera Saqui, »Vida y pasión de Anselmo Suárez y Romero«, Prolog zu Anselmo Suárez y Romero Francisco o las delicias del campo. La Habana: 19, Publicaciones del Ministerio de Educación, 47, S. 6 f.
23
Vgl. dazu Raimundo Lazo, Historia de la literatura cubana, Mexico: U N A M , 1974, S. 66. Lazo macht auf weitere Parallelen der französischen und kubanischen Romantik aufmerksam.
24
J.Z. Gonzalez del Valle, La vida literaria en Cuba, La Habana: Cuadernos de Cultura, 1938, S. 50 f.
25
Vgl. dazu Ramiro Guerra, Manual de historia de Cuba; desde su descubrimiento R„ 1975.
26
J.Z. González del Valle, La vida literaria .... S. 6.
27
Die R o m a n z e sollte in der Anthologie Rimas americanas (1833) erscheinen. Vgl. dazu Max Henriquez Ureña, Panorama histórico de la literatura cubana, I, La Habana: Editorial Arte y Literatura, 1978, S. 194.
28
Ivan A. Schulman im Vorwort von Cirilo Villaverde, Cecilia Valdés, Caracas: Biblioteca Ayacucho, 1981, S. XII.
to Spanish American Litetralure,
S. 414.
London: Cambridge University Press, S. 86.
hasta 1868, Madrid: Ediciones
29
Aurelio Mitjans, Historia de la literatura cubana, Madrid (O.J.), Biblioteca Andres Bello, S. 147.
30
Richard L. Jackson, Black Writers in Latin America, Albuquerque: University of New Mexico Press, 1979, S. 26.
31
Henri Baudet, Paradise on Earth: some Thougths ven/London: Yale Univ. Press, 1965, S. 47.
on European
images
of Non-European
Man,
New Ha-
32
Lemuel Johnson, The Devil. The Gargoyle,
33
José Antonio Portuondo, »Landaluze y el costumbrismo en Cuba«, in: Revista Martí, (enero-abril 1972), S. 52.
and the Buffoon, Port Washington, 1971, S. 3 f.
34
César Leante, »Dos obras antiesclavistas cubanas«, in: Cuadernos Americanos
35
Ivan A. Schulman, »The Portait of a Slave: Ideology and Acsthctics in the Cuban Antislavery Novel«, Paper delivered at the New York Acadcmy of Sciences, International Meeting on Plantation Societies, May 1976. S. 13.
36
J.A. Portuondo, »Landaluze...«, S. 53.
37
Francisco Calcagno in seinem Vorwort zu dem Roman Romualdo (Kuba). Nr. 44, (Enero-Febrero 1973), S. 107/8.
de la Biblioteca
Nacional
José
A (Julio-Augusto 1976) S. 177.
uno de tantos (1881): als Fragment in: Isias
38
J.Z. Gonzales de Valle, La vida literaria...,
39
Juan Francisco Manzano, Poems by slave in the island of Cuba recently liberated,
S. 58.
40
Max Henriquez Urefla, Panorama
London: Ward, 1840.
I, S. 292.
41
Vgl. dazu R.L. Jackson, Black Writers, S. 28.
42
José Antonio Portuondo, Bosquejo histórico de las letras cubanas (1962), zitiert nach der deutschen Übersetzung Kubanische Literatur im Überblick, Frankfurt: Röderberg, 1974, S. 65.
43
Domingo del Monte, Escritos de Domingo del Monte, La Habana: Cultural, 1929,1, S. 239.
44
I.A. Schulmann, Vorwort von Cecilia Valdés, S. 19.
45
Hinrich Huddc, »Zum Einfluß von Bernardin de Saint-Pierres 'Paul et Virginie' auf Romane Uber die Negersklavenproblematik«, in: Angel San Miguel, Richard Schwadcrcr, Manfred Tictz (eds.), Romanische Literaturbeziehungen im 19. und 20. Jahrhundert, Tübingen, 1985, S. 157-167.
46
J.A. Portuondo, Kubanische
47
Raul Cepera Bonilla, Azúcar y abolición.
48
F. Tanco, »Petrona y Rosalia«, in: Salvador Bueno (ed.). Cuentos cubanos del siglo XIX, La Habana: Ed. Arte y Literatura, 1975, S. 106.
49
Revista Cuba Contemporánea,
50
Für die französische Kolonialmacht stellt A. Gisler fest, was auch für die anderen Kolonialmächte gilt, nämlich deren Rechtfertigung der Sklaverei aus dem naturgegebenen Unterschied der Rassen. Vgl. dazu Antoine Gisler, L'esclavage aux Antilles françaises (XVlle.l XIXe. siècle), Paris: Karthalea, 1981.
Literatur,
S. 63. La Habana: Ed. Ciencias Sociales, 1971, S. 19.
S. 256.
236
51
Ramón Pida, Historia de un bribón dichoso, Madrid 1860, zitiert von Roberto Friol in Suite para Juan Frmcisco Manzano, La Habana: Ed. Arte y Literatura, 1977. S. 29.
52
Juan Francisco Manzano, Tafira, La Habana: Consejo Nacional de Cultura, 1962, S. 37.
53
Vgl. dazu das Standardwerk über J.F. Manzano, Autobiografía, Habana: Municipio de la Habana, 1937.
54
Zitiert in Robert Friol, Suite, S. 29.
cartas y versos Intr. José Luciano Fratco, La
55
Miguel de Unanumo, Como se hace una novela, Buenos Aires 1927.
56
Juan Francisco Manzano, Obras, La Habana: Ed. Arte y Literatura, 1972, S. 85.
57
Zitiert nach Salvador Bueno, »La primitiva narración antiesclavista en Cuba (1835-1839)«, in: Revolucim, Letras, Arte, S. 385.
58
Ramón Guirao, »Poetas negros y mestizos de la época esclavista«, in: Bohemia, (26 de Agusto de 1934) S. *0/41.
59
Vgl. dazu Daniel P. Mannix und Malcolm Cowley, Black Cargoes. A History of the Atlantic Slave Trade 15181865, '1962, New York 1972. Die spanische Übersetzung lautet Historia de la trata de negros, Madrid: Alianza Editorial, 1970.
60
Samuel Feijóo, »Influencia africana en Latinoamérica: Literatura oral y escrita«, in: Manuel Moreno Friginals, Africa en América Latina, Paris UNESCO, 1977, S. 190.
61
Victor Schoelcher, Abolition de l'esclavage; examen critique du préjugé contre la couleur des africainí el des sang-mílés, Paris: Paguerre, 1840.
62
Der Brief Maddens wurde in Francisco Calcagnos, Poetas de color, La Habana, 3 1887, S. 94 abgedruck. Zitat nach R.L. Jackson, Black Writers, S. 31.
63
Vgl. dazu Ivan A. Schulman, »The Portrait of the Slave: Ideology and Aesthetics in the Cuban Anti-Slavery Novel«, Paper delivered at the New York Academy of Sciences, International Meeting on Plantation Societies May 1976, Hinweis auf J.F. Manzano in Autobiografía de un esclavo Introducción, notas y actualización del iixto de lvan A. Schulman, Madrid: Ed. Guadarrama, 1975, S. 47.
64
Vgl. dazu die Unterscheidung von 'engaged' versus 'disengaged' die Saundra Towns in »Black Autobitgraphy and the Dilemma of Western Artistic Tradition«, in: Black Books Bulletin, (1975), S. 17-23, vornimmt.
65
Zitiert von Frederick Stimson, in: Cuba's Romantic Poet: The Story of Plácido, Chapel Hill: The Univesily of North Carolina Press, 1964, S. 45.
66
Die Condesa Merlin, alias Maria Mercedes Santa Cruz y Montalvo veröffentlichte 1844 die Eindrücke ihre Reise nach Kuba: Viaje a La Habana (Madrid). Interessanterweise schrieb sie unter anderem auch über die Skaverei: Vesclavage aux colonies espagnoles, (Paris, 1840).
67
Plácido fand posthum, ähnlich wie Franz Kafka, seinen Max Brod: Sebastian Alfredo de Morales (182M 900) »estudioso hombre de ciencia y mediocre versificador«, so Max Hcnriqucz Urefla, in: Panorama historia de ¡a literatura cubana, 1.1, S. 207, der 1886 die vereinzelten Texte des Poeten sammelte.
68
Trotz des außergewöhnlichen Rufes, den Plácido im 19. Jahrhundert in den Vereinigten Staaten genoß, seilt F. Stimson in seiner Studie fest: »... Plácido is now relegated to obscurity in the english speaking world, even imong specialists in Spanish American Literature«, in: Cuba's Poet, S. 9. Die Arbeit von Stimson ist die einzige unfangreiche Studie zu Plácido neueren Datums. Vgl. dazu Richard L. Jackson, Black Writers, S. 37-44.
69
Itzak Bar-Lewaw, Plácido. Vida y obra, México D.F., 1960, S. 69.
70
»Plácido es uno de los precursores de la libertad de Cuba que pagó con su vida la conquista suprema de os derechos del hombre«, so qualifiziert Jorge Casals den Dichter in seinem Werk Plácido como poeta cubtno. La Habana: Ministerio de Educación, 1944, S. 47.
71
R.L. Jackson, Black Writers, S. 43.
72
Juan Pérez de la Riva, »En el ciento veinte aniversario del fusilamiento de Plácido«, in: Revista de la bibioteca nacional José Martí, La Habana, Aflo 6, (1964), No. 3/4, S. 73.
73
Vgl. dazu Nancy Morejón, Nación y mestizaje en Nicolás Guillén, La Habana: UNEAC, 1982, S. 158.
74
Vgl. dazu G. de la Concepción Valdés, Poesías completas de Plácido, Paris: Imprenta d'Aubusson y Kugumann, 1856 oder die in diesem Kapitel zitierten Studien und Anthologien.
75
Itzhak Bar-Lewaw, Plácido, S. 90. Vgl. dazu auch den oberflächlichen Artikel von Pedro Dcschamps Ch:pcaux, »Plácido en la novela cubana del XIX«, in: Bohemia, La Habana, Aflo 75 (1985), No. 43, S. 16-19. Plácido erscheint zudem in dem Roman eines gewissen Larramendi (ohne weitere Angaben): El mulato flácido (Spanien, 1846), in Lemoine's Plácido el mulato (Chile, 1871), in dem Theaterstück von Diego Vicente Tejera: La muerte de Plácido (New York, 1875), in dem Roman von Andrés Avelino Orihucla: El sol de Jesus deiMontc (Paris, 1852) und wird kurz in dem Werk Cecilia Valdés (1882) von Cirilo Villavcrdc erwähnt.
237
76
Vgl. dazu J. Casals, Plácido como poeta, S. 64.
77
Die Gedichte sind dem Band Poesías completas de Plácido, Paris: Libreria española de Mme. C. Schmitz e hijo, 31862, entnommen. Gerade das zitierte Quartett von »La muerte de Gessler« ließe sich mit dem Bild der entweichenden Seele als Schlange 'afrokubanisch' interpretieren, da nicht nur A. Carpenüer in El reino de este mundo mit der Beschreibung des Todes von Mackandal, sondern auch Benítez Rojo in seiner Erzählung »La tiena y el cielo« ähnliche oder identische Bilder verwenden, um den animistischen Glauben der Afrokubaner zu verdeutlichen.
78
José León Quesada, zitiert von P. Deschamps Chapeaux, »Plácido en la novela...«, S. 19.
79
Der galicische Reisende Jacinto de Sallas y Quiroga berichtet zur Situation der Zensur auf Kuba weiter dazu: »Sin embargo, como el más vigilante suele dormir, de vez en cuando aparecen destellos de genio que los señores censores no ven, y a su ceguedad por lo regular se deben felices inspiraciones. Entre este nu'mero cuento yo muy particularmente las poesías de Plácido, impresas recientemente en Matanzas», in: Viajes I, Madrid, 1840, zitiert bei M. Henriquez Urefla, Panorama I, S. 463.
80
F. Calcagno, Poetas de color. La Habana 1887, S. 9.
81
F. Stimson weist nach, daß Plácido 1843 sechs Monate im Gefängnis von Trinidad inhaftiert war; in: Cuba's poet, S. 36.
82
F. Stimson, Cuba's poet, S. 75.
83
F. Stimson, Cuba's poet, S. 82.
84
Poesías selectas de Plácido Introducción por A.M. Eligio de la Puente, La Habana: Ed. Cultural, 1930. S. 129.
85
Vgl. dazu die Bibliographie von Janheinz Jahn, Die neoafrikanische Literatur. Gesamtbibliographie, Düsseldorf/Köln: E. Diederichs Vgl., 1965, S. 181-183. Zu einer ausführlichen Information vgl. Adelaide Plasencia, »Bibliografía activa de Gabriel e la Concepción Valdés«, in: Revista de la Biblioteca Nacional José Martí, La Habana, Aflo 6, 1964, nums. 3/4, S. 77-116; aber auch Rafael Fermosclle-Lopez, »Le Blacks in Cuba. A Bibliography«, in: Caribbean Studies, Rio Piedras: Institute of Caribbean Studies. University of Puerto Rico, t. 12, 1972, n. 3, S. 103-112.
86
Revue des Deux Mondes, Paris, 15 Décembre 1851, zitiert von R.L. Jackson, Black Writers, S. 42.
87
Beuy Tyree Osiek, »Plácido: Critic of the vice-ridden masters«, in: Southeastern Conference on Latin American Studies (SECOLAS) Annals, Marietta, 1978, S. 64.
88
F. Stimson, Cubas's Poet, S. 45.
89
B. Tyree Osiek, »Plácido: Critic«, S. 65.
90
Vgl. dazu das Leben und Werk von Jacques Roumain, Gouverneurs de la Rosée (1944), Jaques Stephen Alexis, Compére Général Soleil (1955) und L'espace d'un allemenl (1959) und die Studie von René Depestre, Bonjour et adieu à la négritude (1980), aber auch Martin Franzbachs Artikel »'Afrocubanismo' und 'Négritude'«, in: Iberoamericana, 15 (1982), S. 49-58.
91
B. Tyree Osiak, »Plácido: Critic«, S. 66.
92
Seldwyn R. Cudjoe, Resistance and Caribbean Literature, Chicago/Athena/London: Ohio University Press, 1980, S. 32.
93
Jean Franco, An introduction to Spanish-American Literature, Cambridge/London: University Press, 1969, S. 59.
94
Boris Suchkov, A history of Realism, Moscow: Moscow Press Publishers, 1 1973, S. 102 f. Suchkov differenziert zwischen 1. der konservativen Romantik, in der die Autoren in einer stoischen Zurückweisung gegenüber einer neuen Gesellschaft leben, wie Alfred de Vichy und 2. der liberalen Romantik, in der Autoren wie Lamartine an die Möglichkeiten eines bürgerlichen Liberalismus glauben, sich aber gleichzeitig gegen die negativen Aspekte eines sich entwickelnder. Bürgertums wehren.
95
Hans Robert Jauß, Literaturgeschichte als Provokation, Frankfurt/Main: Suhrkamp, 121983, S. 9.
96
Leonardo Griflan Peralta, »La defensa de los esclavos«, in: Ensayos y conferencias, Santiago de Cuba, 1946, S. 75.
97
Mikhail Khrapchenko, »System Analysis in Literature«, in: Social Sciences, vol. VII, No. 1 (1976), S. 167.
98
S R. Cudjoe, Resistance. S 99.
99
Die psychologische Belebung der Personen, die sich somit vom literarischen Objekt hin zu einem unabhängigen Individuum emanzipieren können, wird auf Kuba zum ersten Mal in Hernández Catás Roman La piel (1913) realisiert Eindrucksvoller jedoch ist zum Beispiel die Entwicklung des Protagonisten 'Bigger Thomas' in dem Roman Native Son (1940) von Richard Wright nachgezeichnet.
100 Vgl. dazu Frantz Fanon, Les damnés de la terre, Paris: Maspcro, 1961, S. 187. 101 R.S. Cudjoe, Resistance, S. 93.
238
102 R.S. C u d j o e , Resistance, 103
S. 105.
Anselmo Suárez y Romero, Francisco o las Delicias del Campo (1838, ¡880), La Habana: Publicaciones del Ministerio de Educación, 1947, in der Folge als FO gekennzeichnet.
104 José Z. Gonzáles del Valle, La vida ¡ileraria en Cuba (1836-1840), Habana: Publicaciones de la Secretaría de Educación, 51938, S. 57. 105 Aurelio Mitjans, Estudio sobre el movimiento
Cuadernos de Cultura. Cuarta Serie, La
científico y literario de Cuba, La Habana, 1890, S. 197 f.
106 J.Z. Gonzáles del Valle, La vida literaria, S. 65. 107
Mario Cabrera Saqui, »Vida pasión y gloria de Anselmo Suárez y Romero«, Prolog zu A. Suárez y Romero Francisco, La Habana: Instituto Cubano del Libro, 1977, S. 21.
108 Brief vom 15. März 1839, in: Centón Epistolario de Domingo del Monte, Tomo IV, 1839-1840, La Habana: Academia de la Historia de Cuba, 1930, S. 38 f. 109
Die einzige Ausnahme ist der Roman von Manuel Cofiño, Cuando la sangre se parece al fuego
(1975).
110 Vergleiche dazu den Aufsatz von Hinrich Hudde, »Zum Einlluß von Bernardin de Saint-Pierres 'Paul et Virginie' auf Romane Uber die Negersklavenproblematik«, in: Angel San Miguel et alii (eds.), Romantische Literaturbeziehungen im 19. und 20. Jahrhundert, Tübingen 1985, S. 157-167. 111 Thomas Bremer, »Haiti als Paradigma. Karibische Sklavenemanzipation und europäische Literatur«, in: T. Heydenreich (ed.), Lateinamerikastudien W.Karibik, München: Fink Vlg., 1982, S. 325. 112
Vgl. dazu Thomas Bremer, »Haiti als Paradigma«, S. 325.
113 Th. Bremer, »Haiti als Pradigma«, S. 324. 114
Doigny du Ponceau, »Discours d ' u n Nègre á un Européen«, in: Almanach Bremer, »Haiti als Paradigma«, S. 326.
115
Dies ist das zentrale Thema von Th. Bremers Aufsatz »Haiti als Paradigma«.
116
Hans Dieter Zimmermann, Schema-Literatur:
117
Richard L. Jackson, Black Writers in Latin America,
118
Vgl. dazu Max Henriques Urcfla, Panorama 1978, Bd. I, S. 282.
119
Vgl. dazu Martín Morúa Delgado, Impresiones & Cia, 1892.
120 Julio C. Sánchez, La obra novelística
ästhetische
des Muses, Paris 1885, zitiert bei Th.
Norm und literarisches
System, Stuttgart, 1979.
S. 32.
histórico de la literatura
cubana, La Habana: Ed. Arte y Literatura,
literarias: Las novelas del Sr. Villaverde,
de Cirilo Villaverde,
La Habana: A. Alvarez
Madrid, 1973.
121
»Cecilia Valdés o la loma de Angel: novela cubana«, in: La Siempreviva?, La Habana 1839, »La primera parte« I, S. 75-87, »La Segunda y la última parte«, S. 242-254. Im gleichen Jahr lag dann auch eine Zwcitauflage vor unter dem gleichen Titel, La Habana: Imprenta Literaria. Die Zitate der vorliegenden Arbeit sind der Version von 1882 entnommen, nach der Ausgabe der Biblioteca Ayacucho, Caracas, 1981.
122
Ivan A. Schulman im Vorwort zu der Ausgabe der Biblioteca Ayacucho, S. XVIII.
123 Cintio Vitier, Lo cubano en la poesía, La Habana: Instituto del Libro, 1970, S. 574. 124 Cirilo Villaverde im eigenen Vorwort zu CV, Ausgabe von 1882, S. 6. 125 C. Villaverde schreibt im Vorwort zur definitiven Ausgabe von 1882: »Hace más de trcinla años que no leo novela ninguna, siendo W.Scott y Manzoni los únicos modelos que he podido seguir al trazar los variados cuadros de CECILIA VALDES. Reconozco que habría sido mejor para mi obra que hubiese escrito un idilio, un romance pastoril... por el estilo de Pablo y Virginia, o de Atala y Renato«, S. 6. 126 C. Villaverde in der zweiten Ausgabe von 1893, S. 19. 127 C. Villaverde in der zweiten Ausgabe von 1983, S. 49. 128 Eduardo Castañeda, »Francisco: el héroe bueno y el abolicionismo reformista«, in: ders. (ed.), Francisco, Habana: Biblioteca Básica de Autores cubanos, 1970, S. 9-27. 129
R. Cudjoe, Resistance,
130
Boris Suchkov, A llistory
131
Boris Suchkov, A History of Realism, S. 81.
132 S.R. Cudjoe, Resistance,
S.93. of Realism, Moscow: Progress Publishcrs, 1969, S. 81. S. 99.
133 José Antonio Portuondo, Bosquejo,
S. 17.
134
Angel Rama, »La formación de la novela latinoamericana«, in: Sin Nombre IV (1974), S. 7.
135
Vgl. dazu Ineke Phaf, »La ciudad y su novela: La Habana«, in: Actas, Gicsscn 1983/Neuch'átel 1984.
136 E. Rodríguez Herrera »Estudio critico preliminar« zu Cecilia Valdés, La Habana: Lex, 1953, S. XXV-XXVI.
La
239
V. Das 19. Jahrhundert II 1
Leonardo Griflan Peralta zufolge gab es im folgenden Jahr 1845 hunderttausend Neger weniger als 1844: »La defensa de los esclavos«, in: Ensayos y conferencias, Santiago de Cuba, 1964, S. 75, was wiederum Pedro Ortiz zu der Vermutung bringt, d a ß die Zahl der Toten wesentlich höher war, als bis jetzt angenommen. »Notas sobre Plácido«, in: Talleres literarios de Cuba (1973), N o 25, S. 6.
2
Manuel Moreno Fraginals, La historia como arma, Barcelona: Ed. Critica, 1983, S. 44.
3
Roger Bastide, Les Amériques
4
R. Bastide, Les Amériques
noires, Paris: Payot, 1967, S. 47.
noires, S. 48.
5
S.R. Cudjoe, Resistance,
S. 19.
6
S.R. Cudjoe, Resistance,
S. 20.
7
Unterricht, aber auch Bildung an sich sind ständige Themen aller kolonisierten Länder auch lange Zeit nach der Befreiung aus der kolonialen Abhängigkeit, was für Kuba Manuel Granados Adiré y el tiempo roto (1967) und für Weslafrika der Roman von Cheikh Hamidou Kane (Senegal) L'aventure ambiguë (1961) eindrucksvoll beweisen.
8
S.R. Cudjoe, Resistance.
9
Historia de Cuba, S. 138.
S. 21.
10
Henry Clay, zitiert von Hugh Thomas, Cuba, S. 161.
11
José Luciano Franco, »Maroons and Slave Rebellions in the Spanisch Territories«, in: Richard Price (ed.). Maroon Societies, New York, 1973, S. 48.
12
S.R. Cudjoe, Resistance,
S. 32.
13
S.R. Cudjoe, Resistance,
S. 32.
14
Waller Rodney, Weit Africa and the Atlantic Slave Trade, Nairobi: East African Publishing House, 1967, S. 5.
15
Vgl. dazu die Darstellung und die Kommentare zu dem Programm Céspedes in dem Roman von Luis Felipe Rodríguez: El negro que se bebió la luna (1940), S. 158.
16
J.L. Franco, »Maroons...«, S. 48.
17
A. Maceo, zitiert von J.L. Franco, in: »Maroons...«, S. 49.
18
Marta Verónica Alvarez Mola, Pedro Martínez Pérez, »Algo acerca del problema negro en Cuba hasta 1912«, in: Universidad de ¡a Habana. Revista 179 (Mayo-Junio 1966), S. 82.
19
Die Zahlen sind der Statistik aus M. Moreno Fraginals El ingenio. T o m o III, La Habana: Ed. Ciencias Sociales, 1978, S. 38 entnommen.
20
F.W. Knight, Neither Slave .... S. 154.
21
F.W. Knight, Neither Slave .... S. 159.
22
Herbert Aptheker, American Negro Slave Revolts, New York: International Publishers, 1969, S . U .
23
Mrs. Mary Austin Halley, zitiert bei H. Aptheker, American Negro, S. 32.
24
H. Aptheker, American Negro, S. 32.
25
H. Aptheker, American Negro, S. 32.
26
Vgl. dazu John Clytus, Black Man in Red Cuba. Coral Gables, 1970.
27
Historia de Cuba, S. 565.
28
Historia de Cuba. S. 565.
29
Historia de Cuba, S. 565.
30
Carlos More, »Le peuple noir a-t-il sa place dans la Révolution Cubaine?«, in: Présence 198.
31
Historia de Cuba, S. 566.
32
Carmelo Mesa Lago, Marianne Masfcrrer, »The gradual integration of the Black in Cuba«, in: Robert Brent Toplin. Slavery and Race Relations in Latin America, Westport/ London: Greenwood Press, 1974, S. 355.
africaine
4 (1964), S.
33
Vgl. dazu M. Moreno, Fraginals La historia...,
34
German Carrera Damas, »Huida y enfrentamiento«, in: M. Moreno Fraginals (ed.), Africa en América 49.
S. 35 ff.
35
Rafael Martínez Ortiz (1859-1931) wird als Augenzeuge zitiert von J. Pérez de la Riva, »La población de Cuba, la guerra de independencia y la inmigración del siglo XX«, in: El barracón y otros ensayos. La Habana: Ed. de Ciencias Sociales 1975, S. 199.
36
M.V. Alvarez Mola, »Algo accrca«. S. 82.
Latina, S.
240
37
Miguel Bamet, Biografía de un cimarrón. La Habana: Instituto de Etnología y Folklore, 1966, S. 192.
38
Vgl. dazu die polemischen Feststellungen von J. Clytus, in: Black Man in Red Cuba.
39
Ebenfalls sehr polemisch diskutiert Carlos More den Tod Maceos in seinem Aufsatz »Le peuple noir«.
40
H. Thomas, Cuba..., S. 514.
41
Historia de Cuba, S. 563.
42
George Robert Coulthard, Race and Colour in Caribbean Literatur, London, 1962, S. 27.
43
»The tremendous outrage of beeing excluded from national life lay smouldcring in their breasts and on nations conscience«, S.R. Cudjoe, Restistance, S. 197.
44
H. Thomas, Cuba ..., S. 601.
45
Von den 1895 im Ausland investierten 685 Mio. Dollar, hatten die USA ca. 50 Mio. Dollar in Kuba angelegt. Während Cuba 1894 Waren im Wert von 8.381.661 Dollar nach Spanien und Waren im Wert von 93.410.411 Dollar nach den Vereinigten Staaten exportierte, erreichten Kuba aus Spanien Waren im Wert von 30.620.210 Mio. Dollar und aus den USA im Wert von 32.948.200 Dollar, so daß die kubanisch-amerikanische Handelsbilanz eindeutig zugunsten der USA abgerechnet wurde. Vgl. Historia de Cuba, S. 331.
46
Manuel Granados, Adire y el tiempo roto, S. 23.
47
H. Thomas, Cuba .... S. 567.
48
Die folgenden Darstellungen orientieren sich vor allem an den Ausführungen von H. Thomas, Cuba. Or the pursuit of freedom, dessen deutsche Übersetzung Castros Cuba dem ursprünglich 3-bändigen Werk weder im Umfang noch in der Zusammenfassung gerecht werden kann.
49
H. Thomas, Cuba ..., S. 514.
50
Emilio Bacardí Moreau, Via Crucis. Primera Parte: Páginas de ayer, Santiago de Cuba: Imp. El Cubano libre, 1910, zitiert nach eine Ausgabe, die ohne Ortsangabe 1970 in den USA erschien, S. 124, in der Folge gekennzeichnet als VC.
51
Carrera Damas, »Huida«, S. 36.
52
Nicolás Guillén, »Chevere«, Gedicht, in: Sóngoro Cosongo, Obra poética, 1920-1972, La Habana: Ed. de Arte y Literatura, La Habana, 1974, S. 125.
53
Zitiert bei Samuel Feijóo, El negro en la literatura folklórica cubana. La Habana: Ed. Letras Cubanas, 1980, S. 26.
54
Vgl. dazu José Fornaris (1827-1897), der mit einem Zyklus »Cantos de Siboney« einer der herausragenden siboneistischen Dichter Kubas Mitte des 19. Jahrhunderts gewesen ist. Ausführlicher dazu J A. Portuondo, Kubanische Literatur im Überblick, S. 79.
55
Monica Mansour, La poesía negrista, México, D.F. 1979, S. 34.
56
Zitiert bei Salvador Bueno, El negro en la poesía cubana. La Habana: Ed. Letras Cubanas, 1977, S. 85.
57
Vgl. dazu die grundlegenden Arbeiten und Forschungen von Line Real, die zu einem Teil in der zweibändigen Anthologie Teatro bufo, Siglo XIX, La Habana: Biblioteca Básica de Literatura Cubana, 1975 erschienen sind.
58
L. Real. Teatro bufo, Bd. I. S. 19.
59
L. Real, Teatro bufo, S. 21.
60
»Podemos conjeturar que Covarrubias fue uno los primeros actores en pintarse de negro como los ministréis norteamericanos, aun antes de que los mismos surgieron« Line Real »Viaje de un largo siglo hacia el teatro«, in: Islas 11 (3) enero-abril, 1970, S. 69.
61
Mary Cruz, Creto Cangá, La Habana: UNEAC, 1974. S. 60.
62
Mary Cruz, Creto Gangá, S. 60.
63
L. Real, Teatro bufo, Bd. I, S. 23.
64
Vgl. dazu die Crónicas de Santiago de Cuba von Emilio Bacardí Moreau, Barcelona: Tipografía de Carbonelle y Esteva, 1908/1913, Bd. I. S. 256; siehe ebenfalls dazu M. Cruz, Creto, S. 62.
65
Francisco Fernández, »Los negros catedráticos. Absurdo cómico en un acto de costumbres cubanas en prosa y verso«. La Habana: Imp. La Tropical, 1968, zitiert nach: L. Real, Teatro bufo, Bd. I, S. 133, in der Folge gekennzeichnet mit NC.
66
Bachiller y Morales, Los negros, Barcelona: Gorgas y Compañía, 1885 (1887?), S. 138.
67
Bachiller y Morales, Los negros, S. 141.
68
Bachiller y Morales, Los negros, S. 138.
69
Bachiller y Morales, Los negros, S. 117.
241
70
L. Real, Teatro bufo. Bd. I, S. 37.
71
Roberto Fernández Retamar, Caliban, México: Editorial Diógenes, 21974, s . 35.
72
José Martí, Obras completas. La Habana: Ed. Nacional de Cuba, 1963-1966 tomo 16, S. 112.
73
Den Hinweis auf die Zeitschrift verdanke ich Tomás Fernández Robaina, Biblioteca Nacional José Martí, der in einem unveröffentlichten Artikel, »El negro en la República Neocolonial: apuntes para su estudio«, versucht, die integratorischen Leistungen der Farbigen Kubas und den Widerstand der Weißen darzustellen.
74
J. Marti, zitiert in: Previsión, 20. Oktober 1909, S. 3.
75
In dem Manifest vom 7. Februar 1896 nimmt J. Marti Stellung gegen die schon fast traditionelle Unterdrückung der Schwarzen, gegen »el terror insensato y jamás justificado a la raza negra« und wendet sich gegen die in den Krisenzeiten aufkeimende alle Furcht vor einem Revanchismus der Farbigen »soló los que odian al negro, ven en el negro odio«, zitiert in: Historia de Cuba, S. 363.
76
Historia de Cuba, S. 556.
77
Ramiro Cuesta in einer Rede vom 29. Juni 1902, auszugsweise abgedruckt in: La República Cubana, 5. Juli 1902, S. 2, zitiert von T. Robaina.
78
R. Cuesta, in: La República Cubana, S. 2, zitiert von T. Robaina.
79
Silverio Sánchez Figuera in: La República Cubana, 9. Juli 1902, S. 3, zitiert von T. Robaina.
80
Evaristo Estevoz y Coraminas, »Elección y selección«, in: Previsión, 30 Agusto 1908, S. 2.
81
Julian V. Siena, »La República y los cubanos de color«, in: Previsión, 15. September 1908, S. 1.
82
In einer Grundsatzerklärung der PIC, »El Partido Independiente de Color«, in: Previsión, 15. September 1908, S. 1.
83
Julián V. Sierra, »Hay República, pero no hay justicia«, in: Previsión, 30. November 1909, S. 5.
84
Julio E. Hemández-Miyares, »El tema negro en las novelas naturalistas de Martín Monía Delgado«, in: Reinaldo Sánchez et alii (eds.), Homenaje a Lydia Cabrera, Miami: Ediciones Universal, 1977, S. 215.
85
Die Informationen gab Reinaldo Arenas Ottman Eue in einem noch unveröffentlichten Interview aus dem Jahre 1985.
86
Martín Morúa Delgado, Cosas de mi tierra, Bd. I, Sofia (1891) La Habana: Instituto Cubano del Libro, 1972. Vgl. dazu auch Max Henriquez Ureña, Panorama histórico de la literatura cubana, Bd. II, La Habana: Ed. Arte y Literatura, 1979, S. 106 f.
87
J. E. Hernández Miyares, »El tema negro«, S. 213.
88
Zitiert bei J.E. Hernández Miyares, »El tema negro«. S. 214.
89
J A. Portuondo, Kubanische Literatur im Überblick, S. 105.
90
J.E. Hernández Miyares, »El tema negro«, S. 212.
91
Miguel Barnet, La canción de Rachel (1969), Barcelona: Editorial Estela, 1970, S. 97. Entgegen der Aussage von Rachel gibt Richard L. Jackson eine andere Information: »Martín Morúa Delgado was the most influcntial black intelectual in politics - and there were many - of his time«, Black Writers, S. 45.
92
J.E. Hernández Miyares, »El tema negro«, S. 213.
93
Nicolás Guillén, ¿Quién fue Martín Morúa Delgado?, La Habana: Ediciones Unión, 1984, S. 213.
94
M. Bamet, La canción, S. 54.
95
Vgl. dazu auch Frantz Fanón, Peau noire, masques blancs, Paris: Editions du Scuil, 1952.
96
N. Guillén, Quién fue, S. 33.
97
J.E. Hernández Miyares, »El tema negro«, S. 214.
98
Vgl. dazu Thomas Bremer, »Haiti«, S. 325.
99
J.E. Hernández Miyares, »El tema negro«, S. 218.
100 J.E. Hernández Miyares, »El tema negro«, S. 211. 101 Zitiert bei J.E. Hernández Miyares, »El tema negro«, S. 213. 102 Vgl. dazu Julián González, Martín Morúa Delgado: Impresiones sobre su última novela. La Habana: Rambla y Bonza, 1902. 103 N. Guillén, Quién fue, S. 18. 104 Marta Verónica Alvarez Mola/ Pedro Martínez Pérez, »Algo acerca del problema negro en Cuba hasta 1912«, in: Universidadde la Habana. Revista, 179 (Mayo-Junio 1966), S. 89. 105 N. Guillén, Quién fue. S. 33. 106 N. Giullén, Quién fue, S. 28.
242
107
M. Bamet, La canción, S. 54.
108
M.V. Alvarez Mola, »Algo acerca«, S. 89.
109 Leslie Rout Jr., The African Expérience University Press, 1976, S. 304.
in Spanish
America
1502 - to íhe Presenl
Day, Cambridge: Cambridge
110 R.L. Jackson, Black Wrilers, S. 46.
VI. Das 20. Jahrhundert:
Die
Integration
1
Der Sammelband Los frutos ácidos erschien 1915 in Madrid bei Juan Pueyo.
2
A. Hernández Catá, La piel, La Habana: La novela cubana, 1913 aber auch in Los frutos ácidos, Madrid: Aguilar, 1953 S. 20. In der Folge wird nach der großformatigen kubanischen Erstausgabe zitiert, wobei die Zitate mit LP gekennzeichnet sind.
3
Vgl. dazu Juan P. Ramos, Historia de la instrucción
4
Zu den Berufsperspektiven der farbigen Kubaner vgl. H. Thomas, Cuba or the pur suit offreedom, S. 1120 f., aber auch Marianne Masferrer und Carmelo Mesa-Lago, »The gradual Integration of the Black in Cuba: Undcr the Colony, the Republic, and the Revolution«, in: R. Brent Toplin, Slavery and Race Relations in Latin America, Westport/London: Greenwood Press, 1974, S. 368 f.
5
Gutiérrez de la Solana, »La piel: novela antiracista psicológica«, in: R. Sánchez et alii. Homenaje a Lydia Cabrera, S. 204, Vgl. dazu auch seine Studie: Maneras de narrar: contraste de Lino Novás Calvo y Alfonso Hernández Catá, New York: Eliseo Torres & Sons, 1972.
6
Historia de Cuba, S. 566.
7
Selbst Stefan Zweig würdigt den Autor in einem Nachruf »Despedida de Hernández Catá«, in: Revista 15 (enero-junio 1941), S. 281-283.
8
Alfredo Roggiano, »Mónica Mansour La poesía negrista«, in: Revista Iberoamericana, 167.
9
Ramos veröffentlichte 1944 sein auch ins Deutsche übersetztes Standardwerk Las culturas negras en el Nuevo Mundo, das schon 1946 unter dem Titel Die Negerkulturen der Neuen Welt bei Eugen Peitsch, Zürich, erschien.
10
A. Roggiano, »M. Mansour«, S. 167.
11
Claudius Armbruster, Das Werk Alejo Carpentiers,
12
Félix Soloni, Mersé, La Habana 1926, S. 212.
primaria en la Argentina,
Buenos Aires: Peuser, 1910.
Cubana,
90 (Enero-Marzo 1975) S.
Frankfurt: Vcrvuert, 1982, S. 304.
13
Pedro Barreda, La caracterización
14
Enrique Anderson-Imbcrt und Lawrence B. Kiddle, Veinte cuentos hispanoamericanos 1956, zitiert von Barreda, La caracterización, S. 235.
del protagonista
negro en la novela cubana, New York/Buffalo, 1969, S. 216.
15
Nancy Morejón (ed)., Nicolás Guillén. Recopilación
16
Tomás Robaina gebührt das Verdienst, als erster auf das Wirken von Gustavo Urrutia nachdrücklich aufmerksam gemacht zu haben. Die vorliegenden Daten entstammen einer noch unveröffentlichten Studie: »Apuntes para una aproximación a la obra de Gustavo Umitia.«, S. 3.
17
N. Guillén, zitiert von N. Morejón, Recopilación,
18
G.E. Urrutia, »Ideales de una raza. De la propia experiencia«, in: Diario de la Marina, (DM)(18. abril 1928) S. 8.
del siglo XX, New York,
de textos. La Habana: Casa de las Americas, 1974, S. 42.
S. 43.
19
G.E. Urrutia, »Cuba, el arte y el negro«, in: DM, (16 sept. 1932) S. 2.
20
G.E. Urrutia, »Cuba, el arte y el negro«, S. 2.
21
G.E. Urrutia, »Cuba, el arte y el negro«, S. 2.
22
G.E. Umitia »Una cuestión al fondo«, in: DM, (9 diciembre 1931) S. 2.
23
G.E. Urrutia, »Una cuestión al fondo«, S. 2.
24
Alain Yacou, »Francophobie et francophilie à Cuba au temps des révolutions française et haitienne«, in: Jean Lamore (ed.), Cuba et la France, Francia y Cuba, Bordeaux: Presses Universitaires de Bordeaux, 1982, S. 57.
25
Manuel Moreno Fraginals, El ingenio, t. II, La Habana: Ed. de Ciencias Sociales, 1978, S. 57.
26
Die kubanische Bereicherung wurde begünstigt durch den vollständigen Rückgang der haitianischen Produktion, durch die Kämpfe der Engländer und Franzosen um Martinique (1793) und durch die Sklavcnaufstände auf Guadeloupe 1793. Die Wiedereinrichtung der Sklaverei durch das französische Konsulat 1802 konnte die Situation erst bis 1815 wieder beruhigen. Vgl. dazu M. Moreno Fraginals, El ingenio, t. II, S. 98.
27
»Las Sociedades de Tumba Francesa crccicron con el aporte de grupos de negros esclavos y libres, cubanos o africanos y además por la incorporación de los hijos de aquellos inmigrantes que conservaban el apellido del amo
243
francés dueflo de sus antepasados ... Hoy, la música y las danzas de las tumbas francesas han llegado a constituir uno de los rasgos peculiares de la cultura del pueblo de Cuba.« Olavo Alén Rodríguez, »Los afrofranceses en Cuba«, in: J. Lamore, Cuba et ¡a France, S. 358 f. 28
M. Moreno Fraginals, El ingenio, L III, 38f.
29
1913 wurden 1.200 Einwanderer aus Haiti und 2.200 aus Jamaica registriert, s. Consuelo Naranjo, »Análisis histórico«, S. 508. Vgl. dazu auch Benigno Aguirre, »Differential Migration of Cuban Social Races«, in: Latin American Research Review, 10, N o 1 (1976) S. 113 oder Carlos Rama, »Las migraciones de los negros en América Latina«, in: Latinoamérica. Anuario. Centro de Estudios Latinoamericanos. Mexico/D.F. 6 (1973), S. 9-28.
30
Marianne Masferrer, C. Mesa Lago, »The Gradual Integration«, in: R. Brent Toplin, Slavery and Race in Latin America, Westport/London: Greenwood Press, 1974, S. 362.
31
Die Zahl wurde von Mitarbeiter der 'Casa del Caribe' anläßlich der Kolloquien des 'Festivals del Caribe' vom 18.-21. April 1986 in Santiago de Cuba genannt.
32
Marianne Masferrer, »The Gradual Integration«, S. 362.
1
AI Imfeid, »Die Zukunft gehört den Ahnen: Afrikas Anspruch auf eine eigene Religiosität«, in: A. Buchholz, Afrika den Afrikanern, Frankfurt: Ullstein, 1980, S. 125.
2
A. Imfeid, »Zukunft«, S. 123.
VII. Afrokuba
und die
Relations
Religion
3
A. Imfeid, »Zukunft«, S. 132.
4
Zitiert von Michael Traber, »Nicht die Lehre, sondern die Praxis ist entscheidend«, in: A. Buchholz, Afrika, 138.
5
Vgl. dazu das Interview von Huisman mit Rogelio Furé, in dem Furé auf die Millionen (!) Praktikanten der afrokubanischcn Religionsvarianten hinweist, in: Khipu Año 9, 17 (Juni 1986), S. 19.
6
Ramón González de Mendoza, »Der Afroamerikaner in der jüngsten hispano-amerikanischen Romanliteratur«, in: Jürgen Gräbener (ed.), Rassengesellschaft und Rassismus. Zur Marginalisierung der Afroamerikaner in Lateinamerika, Düsseldorf 1971, S. 244.
S.
7
A. Carpenlier, in: Tientos y diferencias,
8
J.A. Ramos, Caniquí, La Habana: Ed Arte y Literatura, 1975 S. 165 in der Folge mit C gekennzeichnet.
9
Z u m mythologischen Gehalt der Figur Caniquis vgl. Pedro Manuel Barreda, La caracterización del protagonista negro en la novela cubana, University of New York at Buffalo, Ph.D. dissertation, 1969, S. 220 f. Vgl. dazu auch J.A. Portuondo, »El contenido político y social de las obras de José Antonio Ramos«, in: Revista iberoamericana, XII (junio de 1947), S. 242.
10
Julia Cuervo Hewitt, »lfá. Oráculo Yorubá y Lucumi«, in: Cuban StudieslEstudios (Winter 1983) S. 30.
11
Die signifikante Zunahme an Mitgliedern der Santeria-Gcmeindcn und Abakuá-Gruppen in den Jahren wirtschaftlicher Bedrängnis ist mir auf Kuba von exponierten Mitgliedern dieser Gruppierungen mitgeteilt worden.
12
Vgl. dazu Justo C. Ulloa, »Contenido y forma yorubá en 'La Dolores Rondón' de Severo Sarduy«, in: Reinaldo Sánchez et alii (ed.). Homenaje a Lydia Cabrera, Miami: Ed. Universal, 1977, S. 245 f.
13
Karl-Amulf Rädecke, Cuba - Reisehandbuch,
14
M. Moreno Fraginals, La historia como arma, Barcelona: Ed. Crítica, 1983, S. 44.
15
Vgl. dazu Lydia Cabrera, La sociedad Miami: Ed. C.R., 51983, S. 195 ff.
16
A. Carpcntier, »Zur Integration der amerikanischen Kulturen in Lateinamerika«, in: J. Gräbener, schaft und Rassismus, Düsseldorf, 1971, S. 260.
México: U N A M , 1964, S. 12 f.
Cubanos,
Vol. 13, No. 1
Köln: DuMont, 1984, S. 109.
secreta Abakuá,
Miami: Editorial C.R., 1970, aber auch dies., El
monte,
Klassengesell-
17
Rafael Roche y Monteagudo, La policía y sus misterios.
18
F. Ortiz, Los bailes y el teatro de los negros en el folklore
La Habana: Imprenta la Prueba, 1908.
19
H. Thomas, Cuba or the pursuit of freedom,
20
Julio García Cortcz, El santo. La Ocha. Secretos de la religión lucumi, Miami: Ed. Universal, 31983, S. 53.
de Cuba, La Hübana: Ed. Letras Cubanas, 1981, S. 462.
dt.: Castros Cuba, Berlin: Siedler, 1984, S. 199.
21
Vgl. dazu E. Sosa Rodríguez, Los ñañigos. La Habana: Casa de las Américas 1982.
22
Lino Novás Calvo, »El otro cayo«, in: Ambrosio Fornct (cd.) Antología del cuento cubano contemporáneo, México: Biblioteca Era, "1979. Wahrscheinlich zuerst erschienen in der Anthologie Cayo Canas (1946), gekennzeichnet mit EO.
244
23
G. Cabrera Infante, »En el gran Ecbö«, zuerst erschienen in seiner Anthologie Ast en la paz como en la guerra (1960), zitiert nach der Version in A. Fornet, Antología, gekennzeichnet mit GE.
24
In B. Rojo, El escudo de hojas secas, La Habana: U N E A C , 1969, in der Folge mit TC gekennzeichnet.
25
Vgl. dazu meinen Bericht »Das Transkulturationsbestreben Kubas - Eine Betrachtung Uber Anspruch und Wirklichkeit«, in: Titus Heydenreich e t a l i i (eds.), Lateinamerikastudien, Bd. 11 Karibik. Wirtschaft. Gesellschaft und Geschichte, München: W. Fink, 1982, S. 267.
26
Die Beziehung zwischen dem kollektiven Bewußtsein und einer Strukturhomologie, die nicht mit einer Inhaltsidentität übereinstimmen muß, untersuchte Lucien Goldman in seinem fundamentalen Werk Pour une sociologie du roman, Paris: Editions Gallimard, 1964.
27
Diese und andere zitierte Erzählungen befinden sich in El escudos de hojas secas respektive in Tute de reyes, La Habana: Casa de las Americas, 1967.
28
Zur Identität der afrikanischen Götter in den verschiedenen lateinamerikanischen Ländern vgl. Roger Bastide, Les Amériques noires, Paris: Payot, 1967, S. 139 und 163. Vgl. dazu auch Elzbieta Sklodowska, »La cuenu'stica de Antonio Benítez Rojo: La experiencia revolucionaria desde la marginalidad«, in: Cuban StudieslEstudios cubanos, 14:1 (Winter 1984), S. 17.
29
Raúl González de Cascorro, Romper la noche. La Habana: Ed. Arte y Literatura, 1973 gekennzeichnet mit RN.
30
Raúl Valdés Vivo, Los negros ciegos. La Habana: Insl. cubano del Libro, 1971.
31
Vgl. dazu Ezzedine Mestri, Les Cubains et l'Afrique,
32
Vgl. dazu die Polemik in dem Artikel von Carlos More, »Le peuple noir a-t-il sa place dans la révolution cubaine?«, in: Présence Africaine 4 (1964), S. 178-230.
33
Das berichtet Robert F. Williams, ehemaliger Führer der nordamerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Williams, vom FBI verfolgt, floh 1961 nach Kuba und lebte dort bis 1966. Er ging dann nach Peking, von wo aus er einen offenen Brief an Fidel Castro richtete, in dem er unter anderem die zitierte Kritik anbrachte. Zitiert von C. Mesa Lago, »The Gradual Integration of the Black in Cuba«, in: R.B. Toplin, Slavery and Race Relations in Latin America, Westport: Greenwood Press, 1974, S. 377. Auch J. Clytus berichtet in Black Man in Red Cuba, Coral Gables, 1970, über den anteilmäßig hohen Einsatz farbiger Soldaten im internationalen Engagement Kubas.
34
Nicolás Guillén, »La conquista del blanco«, in: Diario de la Marina 5 de Mayo de 1929, Prosa de Prisa 1.1, S. 7.
1
Selwyn R. Cudjoe, Resistance
and Caribbean
2
Peter Martin, Das rebellische nius Vlg., 1985, S. 8.
Eigentum.
Paris: Eds. Karthala, 1980.
VIII. Disharmonien
und
Literature,
Widerstand
Ohio: Ohio University Press, 1980, S. 22.
Vom Kampf der Afroamerikaner
gegen ihre Versklavung,
Hamburg: Ju-
3
Peter Martin, Eigentum,
4
Gerard W. Mullin, Flight and Rebellion. tiert bei Martin, Eigentum, S. 145.
S. 9.
5
John Granville Taylor, The United States and Cuba: Eight Years of Change and Travel, London, 1851, S. 210 f, zitiert bei John W . Blassingame, »Foreign Writers view Cuban Slavery«, in: Journal of Negro History, Washington D C., 57(1972). S. 420.
6
Fredrika Bremer, The homes of the World (3 Bde.), London, 1855, III, S. 190, in: W. Blassingame, »Foreign Writers...«, S. 419.
7
Vgl. dazu Eugene D. Genovese, Jordan Roll, The World the Slaves Made, New York, 1976, zitiert bei P. Martin, Eigentum, S. 136.
8
Vgl. dazu Daniel Driskell und Lorimer Denis, »La mort dans le roman afro-haitien«, in: Présence Francophone 11 (Automne 1975), S. 119-132. Auch in einer Vielzahl westafrikanischcr Romane spielt der Tod eine entscheidende Rolle, so in L'aventure ambiguë von Cheikh Hamidou Kane, oder in O pays. mon beau peuple von Sembéne Ousmane, dessen handlungsmotivische Kongruenzen zu J. Roumains Gouverneurs de la rosée ins Auge fällt.
Slave Resistance
in Eighteenth
Century
9
P. Martin, Eigentum,
10
Gertrudis Gómez de Avellaneda, Sab (S), Salamanca: Ed. Anaya, 1970, S. 139.
Virginia,
New York, 1974, zi-
S. 151.
11
Luís Felipe Rodríguez, El negro que se bebió la luna, (NL), S. 199.
12
Jörg Senkpeil, in: Willi Huismann, Hans Jörg Kröger (eds ), Cuba. Ein politisches Verlag, 1985, S. 231.
13
M. Bamet, Biografía
14
Juan Pérez de la Riva, El barracón.
de un cimarrón,
Mexico (BS): siglo XXI, 1968, S. 41. Barcelona: Ed. critica, 1978, S. 67.
Reisebuch,
Hamburg: VSA-
245
15
Die Bevölkerung setzte sich damals zusammen aus 34.050 Chinesen, 370.330 Sklaven und 756.610 Weißen; s. Pérez de la Riva, El barracón, S. 68.
16
J A. Saco, »La estadística criminal en Cuba«, in: La Amirica
17
Cyril James, The Black Jacobins.
18
P. Martin, Eigentum,
19
José Antonio Saco, »De colonos africanos en Cuba y sus inconvenientes«, in: Revista Hispano-Americana de Mayo de 1865), S. 12.
20
Gonzalo Fernández de Oviedo y Valdés, Historia General y natural de las indias, Madrid: Real Academia de la Historia, 1851, zitiert bei Eduardo Galeano, Memoria del Fuego 1. los nacimientos, nach der deutschen Übersetzung Erinnerung an das Feuer 1 Geburten, Wuppertal: Peter Hammer Verlag, 1983, S. 127.
Toussaint L'Overture
(12 enero 1864).
and Ihe San Domingo Revolution,
New York, 1963, S. 15.
S. 158. II, (12
21
Frantz Fanón, Peau noire, masques blancs, Paris: Edition du Seuil, 1952, S. 38.
22
Riñe Leal, Teatro bufo Siglo XIX, La Habana: Ed. Arte y Literatura, 1975, Bd. 1, S. 26.
23
R. Leal, Teatro, S. 26.
24
R. Leal, Teatro, S. 26.
25
Für die portugiesische Gesellschaft liegen ausführliche Untersuchungen des Phänomens vor, so zum Beispiel Paulo de Carvalho-Neto, Elßlklore de las luchas sociales, México: Siglo XXI, 1973 und Gilberto Freyre, Sobrados e mucambos, Rio de Janeiro: José Olympio, 1951. Über den Verkauf von Weißheitsbescheinigungen an Mulatten siehe Richard Konetzke, Colección de documentos para la historia de la formación social de Hispanoamérica, Madrid: Consejo Superior de Investigaciones Científicas, 1962, aber auch Magnus Mörner, Race Mixture in the History of Latin America, Boston: Liulc Brown and Company, 1967.
26
Edmundo Desnoes, No hay problema,
27
Francisco Arango y Parreño, Obras, Bd. II, S. 376, zitiert bei Cepero Bonilla, Azúcar y abolición, S. 101. Arango y Parrefto machte sich als einer der führenden Ökonomen seiner Zeit wiederholt Gedanken Uber das innere System der Sklaverei, so in Primer papel sobre el comercio de negros, Madrid 1789 oder in Nuevo reglamento y arancel que debe gobernar en la captura de esclavos cimarrones. La Habana: Imprenta de la Capitanía General, 1797.
28
F. Arango y Parrefio, Obras, Bd. II, S. 377, zitiert bei Cepero Bonilla, Azúcar, S. 103.
1961, La Habana: Ediciones R, 1964, S. 31.
29
F. Arango y Parrefio, Obras, Bd. II, S. 654, zitiert bei Cepero Bonilla, Azúcar, S. 102.
30
J A. Saco, Contra la Anexión,
31
Manuel Moreno Fraginals, La historia como arma, Barcelona Ed. Cristica, 1983, S. 29.
32
Manuel Moreno Fraginals, La historia como arma, S. 31.
33
Vgl. dazu Nancie L. Solicn Gonzalez, La estructura nisterio de Educación, 1979.
34
M. Moreno Fraginals, La historia, S. 35. Vgl. dazu auch F. Ortiz »EI viejo 'guradiero'«, in: Los negros La Habana: Ed. de Ciencias Sociales, 1975, S. 269.
35
Gabriel Dcbicn, »Cimarronajc en el Caribe Francés«, in: Richard Pricc (ed.), Maroon Societies, der spanischen Übersetzung Sociedades cimarronas, México: Siglo XXI, 1981, S. 101.
36
Bd. I, S. 54, zitiert bei Cepero Bonilla, Azúcar, S. 107.
Ulrich Bonnell Phillips, American
del grupo familiar
entre los caribes negros, Guatemala: Miesclavos,
1973. Zitiert nach
Negro Slavery, Baton Rouge, 1966, S, 303, zitiert nach P. Martin, Eigentum,
S.
211.
37
Das Wort 'cima' in seiner Bedeutung als 'Berg' gibt den geographischen Hinweis auf den Zufluchtsort, während 'cerrero' das flüchtige Haustier bezeichnet, das ungezähmt in den Bergen (cerros) herumlief. Vgl. dazu F. Ortiz, »La fuga del esclavo. Los 'cimarrones' y los 'ranchadorcs'. Su historia. Su derecho. Los 'perros'. Los 'palenques'. Sus castigos«, in: ders.. Los negros esclavos, S. 362 f.
38
Vgl. dazu P. Deschamps Chapeaux, »Cimarrones urbanos«, in: Revista de la Biblioteca Nacional José Marti, Vol. 11, No. 2 (1969), S. 145-165; Rafael Duharte, »Cimarrones urbanos en Santiago de Cuba«, in: Del Caribe, Afio lia. No. 5 (Julio-Septiembre de 1984). In seinem Vortrag »Esclavitud y ciudad en el siglo XIX«, anläßlich des Festivals del Caribe 1968 stellte Duharte Fallbeispiele an der Stadt Matanzas vor.
39
Vgl. dazu auch Rafael Duharte, »Cién capitanes de cimarrones en el Caribe«, in: Bohemia, Junio de 1986), S. 84.
40
J.A. Portuondo, »El contenido político y social de las obras de José Antonio Ramos«, in: Revista XII (junio de 1947), S. 242.
41
Der Schlangcnkult kommt aus Dahomcy und erreichte über die haitianischen Neger und deren animistischen Voudou Kuba, so die Information von Israel Moliner anläßlich des Festival del Caribe 1986.
42
Ulrich Fleischmann, »Zum Problem der Litcraturgcsellschaft im karibischcn Raum«, in: Alejandro Losada (Ed.), La literatura en el Caribe, Berlin: LAI, 1983, S. 55.
Afio 78, No. 23 (6 de iberoamericana,
246
43
U. Fleischmann, »Zum Problem...«, S. 55.
44
U. Fleischmann, »Zum Problem...«, S. 55.
45
Papa Samba Diop »Au coeur de la littérature negroafricaine d'écriture française: problèmes littéraires et sociologiques«, in: Littératures Africaines Francophones, Bayreulh African Sludies Series, No. 3, 1985, S. 111.
46
Samuel Feijóo, El negro en la literatura folklórica
1
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2
N. Guillén, Prosa, 1.1., S. 19.
IX.
cubana, La Habana: Ed. Letras Cubanas 1980, S. 20.
Schlufibemerkung
3
»Sones y soneros«, in: N. Guillén, Prosa, 1.1, S. 20.
4
N. Guillén, Prosa, S. 21.
5
N. Guillén, Prosa, S. 21.
6
Fidel Castro, »Palabras a los intelectuales«, in: V. López Lcmus, Revolución,
1929 - 1972, t. I., La Habana: Ed.
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247
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