Die Vereinheitlichung Der Verwaltungsgerichtsgesetze Zu Einer Verwaltungsprozessordnung: Vortrage Und Diskussionsbeitrage Der 46. ... Speyer (German Edition) 3428042735, 9783428042739

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Die Vereinheitlichung Der Verwaltungsgerichtsgesetze Zu Einer Verwaltungsprozessordnung: Vortrage Und Diskussionsbeitrage Der 46. ... Speyer (German Edition)
 3428042735, 9783428042739

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Die Vereinheitlichung der. Verwaltungsgerichtsgesetze zu einer Verwaltungsprozefiordnung

Schriftenreihe der Hochschule Speyer

Band 75

Die Vereinheitlichung der Verwaltungsgerich tsgesetze zu einer Verwaltungsproze13ordnung Vorträge und Diskussionsbeiträge der 46. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung 1978 der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer

herausgegeben von

Detlef Merten

DUNCKER&HUMBLOT / BERLIN

Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1978 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany

© 1978 Duncker

ISBN 3 ~28 04273 5

Vorwort Bereits neun Jahre nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsordnung wurde 1969 der Entwurf eines Verwaltungsgerichtsgesetzes zur Vereinheitlichung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und des Sozialgerichtsgesetzes vorgelegt, der unter Leitung von earl Hermann Ule ausgearbeitet worden war. Er ist als Band 40 der Schriftenreihe erschienen. Dieser sogenannte Speyerer Entwurf war auch die Grundlage für die Beratungen eines 1971 eingesetzten Koordinierungsausschusses zur Vereinheitlichung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und des Sozialgerichtsgesetzes. Der Entwurf dieser Kommission liegt seit Februar 1978 vor. Mit den Problemen einer "Vereinheitlichung der Verwaltungsgerichtsgesetze zu einer Verwaltungsprozeßordnung" hat sich die 46. Staatswissenschaftliche Fortbildungstagung beschäftigt, die vom 5. bis 7. April 1978 stattfand. Zu ihr waren rund 200 Teilnehmer an die Hochschule für Verwaltungswissenschaften gekommen. Die Referate und Zusammenfassungen der Aussprachen werden mit diesem Band vorgelegt.

Detlef Merten

Inhalt Begrüßungsansprache des Rektors, Professor Dr. Dr. Detlef Merten ....

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Eröffnungsansprache des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister der Justiz, Dr. Hans de With .............................. 13 Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit Von Rechtsanwalt Professor Dr. Carl Hermann Ule, Heidelberg

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Grundsätze des Entwurfs einer Verwaltungsprozeßordnung Von Ministerialrat Dr. Jens Meyer-Ladewig, Bonn ..................

51

Vom "Speyerer Entwurf" zum Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung Von Professor Dr. Hans-Werner Laubinger, Mannheim

63

Aussprache zu den Referaten von Carl Hermann Ule, Jens MeyerLadewig und Hans-Werner Laubinger Bericht von Assessor Wulf Büermann ..............................

86

Vereinheitlichung der Verwaltungsgerichtsgesetze und Gleichschaltung der Verwaltungsgerichtsbarkeiten - oder Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit nach den Bedürfnissen der Gegenwart? Von Professor Dr. Karl August Bettermann, Hamburg

91

Notwendige Besonderheiten im Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung aus der Sicht der Sozialgerichtsbarkeit Von Dr. Otto Ernst Krasney, Richter am Bundessozialgericht, Kassel 113 Notwendige Besonderheiten im Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung aus der Sicht der Finanzgerichtsbarkeit Von Dr. Uwe Jessen, Präsident des Finanzgerichts Berlin ............ 137 Aussprache zu den Referaten von Karl August Bettermann, Otto Ernst

Krasney und Uwe Jessen

Bericht von Assessor Dr. Michael RoneHenfitsch .................... 143 Prozeßrecht und materielles Recht in dem Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung Von Professor Dr. H01'st Sendler, Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts, Berlin ............................................... 147

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Inhalt

Der Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung aus der Sicht der Landesverwal tungsgerichtsbar keiten Von Dr. Johann Schmidt, Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, München ............................................ 169 Aussprache zu den Referaten von Horst Sendler und Johann Schmidt Bericht von Assessor Klaus Frey ................................... 184

Begrüßungsansprache des Rektors Professor Dr. Dr. Detlef Merten Im Rahmen der Fortbildung, die die Hochschule in der vorlesungsfreien Zeit betreibt, nehmen die Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagungen einen sehr hohen Rang - einen hohen Stellenwert, sagt man heute wohl - ein. Zur 46. Tagung dieser Art darf ich Sie alle sehr herzlich begrüßen. Da eine Hochschule für Verwaltungswissenschaften auch die Rationalität und die Effektivität der Verwaltung bedenken muß, haben wir eine Personalunion von Rektor und wissenschaftlichem Leiter der Tagung herbeigeführt, und ich heiße Sie in jeder dieser Eigenschaften hier willkommen. Unsere Fortbildungstagungen dienen der Begegnung von Wissenschaft und Praxis, dem gegenseitigen Gedankenaustausch und der gegenseitigen Anregung. Für die Hochschule besteht jedenfalls keine Spannung zwischen Theorie und Praxis, und die Schürung dieses Konfliktes, wie sie immer wieder einmal unternommen wird, ist in diesen Mauern unpassend. Dafür legt das Auditorium, in dem sich Staatsrechtslehrer, hohe Verwaltungsbeamte und hohe Richter befinden, sprechendes Zeugnis ab. Zum ersten Mal seit acht Jahren beschäftigt sich die Frühjahrstagung wieder mit verwaltungsprozessualen Problemen. Während 1970 an dieser Stelle über "Zehn Jahre Verwaltungsgerichtsordnung - Bewährung und Reform" gesprochen wurde, deutet das Thema dieses Jahres "Die Vereinheitlichung der Verwaltungsgerichtsgesetze zu einer Verwaltungsprozeßordnung" schon einen Abschied von der Verwaltungsgerichtsordnung an. Wir haben zu dieser Tagung Ratschläge erhalten, wie die Universitäten und Hochschulen in der heutigen Zeit überhaupt von allen Seiten - gefragt oder ungefragt, erbeten oder unerbeten beraten werden. Für die Gruppenuniversität scheint die Diskussion sogar Zweck, oftmals auch Selbstzweck zu sein, und Gedankenreichtum führt vielfach ja auch weiter, zumindest zeitlich. Uns hat man gesagt, die Tagung finde mindestens ein halbes Jahr zu früh statt, und man hat uns empfohlen, sie zu verlegen. Abgesehen von der Mühe einer Ausladung aller Tagungsteilnehmer ist die These in der Sache falsch. Der 1971 eingesetzte Koordinierungsausschuß zur Vereinheitlichung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und des Sozialgerichtsgesetzes hat - rechtzeitig

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Begrüßungsansprache des Rektors

zur Tagung _. den Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung vorgelegt. In Anbetracht dessen hätte der Zeitpunkt für eine Erörterung der Probleme nicht besser gewählt werden können. Wenn die Wissenschaft effektiv sein und etwas ausrichten will, muß sie zu Gesetzgebungsvorhaben Stellung nehmen, bevor die Gesetzgebungsorgane, was ja mitunter geschehen soll, ihre Kinder in den Brunnen fallen lassen. Bei den späteren Rettungsarbeiten ist im allgemeinen wenig zu helfen. Die Hochschule für Verwaltungswissenschaften hat sich schon bisher mit Gesetzgebungsvorhaben rechtspolitisch befaßt. So ist beispielsweise der Allgemeine Teil des Sozialgesetzbuchs und der Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes in Sonderseminaren ausführlich und kritisch erörtert worden. Was den Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung angeht, so ist es beinahe des Amtes der Hochschule, ihn im Rahmen einer großen Frühjahrstagung zu behandeln. Denn der entscheidende Anstoß für dieses Vorhaben ging von Herrn Kollegen UZe aus, der bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1972 den Lehrstuhl für öffentliches Recht, insbesondere allgemeines und besonderes Verwaltungsrecht, an dieser Hochschule innehatte und 1969 den Entwurf eines Verwaltungsgerichtsgesetzes zur Vereinheitlichung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und des Sozialgerichtsgesetzes vorgelegt hatte, der als Band 40 unserer Schriftenreihe erschienen ist. Da dieser Entwurf Grundlage der Beratungen des Koordinierungsausschusses war, kommt der Hochschule wegen ihres Erstgeburtsrechts die Befugnis zu, an einem entscheidenden Wendepunkt über den weiteren Lebensweg mitzuberaten. Für die Qualität der Verhandlungen der nächsten Tage und damit für eine geistige Bewegung in dieser Stadt bürgen einerseits die Referenten, die zu uns von Hamburg bis München, von Berlin bis Mannheim gekommen sind, und andererseits die Teilnehmer dieser Tagung, von denen ich, und hierfür bitte ich um Verständnis, nur einige namentlich und stellvertretend für alle sehr herzlich willkommen heißen kann. Unser Gruß gilt zunächst dem Präsidenten des Oberverwaltungsgericht Münster, Herrn Dr. Bischoff, als dem dienstältesten Präsidenten der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe. Wir freuen uns, daß Sie, Herr Präsident Dr. Fuchs, aus dem benachbarten Mannheim wenige Tage nach der feierlichen Einführung in Ihr Amt gleichsam einen Gegenbesuch in Speyer machen und hoffen sehr, daß die guten Beziehungen, die die Hochschule zu Ihrem Amtsvorgänger, Herrn Professor Dr. RößZer, unterhalten hatte, sich in Ihrer Person fortsetzen. Ich freue mich natürlich besonders, daß aus dem Lande RheinlandPfalz eine ganze Reihe von Präsidenten und hohen Richtern erschienen sind und darf für alle den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts und Vorsitzenden des Verfassungsgerichtshofs, Herrn Dr. BickeZ, den

Begrüßungsansprache des Rektors

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Präsidenten des Landessozialgerichts, Herrn Scherer, sowie den Präsidenten des Finanzgerichts, Herrn Raskob, begrüßen. Unsere vorzügliche Begrüßung gilt Ihnen, Herr Staatssekretär Dr. de With, der Sie so liebenswürdig waren, die heutige Eröffnungsansprache zu übernehmen. Ich glaube, daß sich in diesem Falle Pflicht und Neigung haben verbinden lassen. Ich nehme an, daß Sie hier nicht nur als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium und Vertreter des Herrn Bundesministers der Justiz zu uns sprechen, sondern auch als wissenschaftlich interessierter und ausgewiesener Jurist, da Sie eine Arbeit unter dem Titel- Dissertationsthemen geraten manchmal etwas lang - "Möglichkeiten und Grenzen der Vereinheitlichung der deutschen Verfahrensgesetze unter Berücksichtigung des Prozeßzwecks, der Dispositionsmaxime, des Streitgegenstandes, der Verhandlungs- und der Untersuchungsmaxime" verfaßt haben. Der Anspruch dieser Tagung wird Ihnen wenig Zeit für das Ambiente lassen. Wir haben deshalb im Foyer eine kleine Ausstellung über das Reichskammergericht zusammengetragen, das über 150 Jahre in Speyer residierte - nicht immer ohne Spannungen zu dieser Stadt. Diese hat später lange Zeit an den Wunden leiden müssen, die ihr in der Geschichte geschlagen worden sind, so daß ein Chronist des 19. Jahrhunderts* berichtet: "Speyer wie Worms haben außer ihrem Dom wenig Merkwürdiges, fesseln aber doch beide durch Altertümlichkeit, und von ihnen gilt, wie fast von allen unsern weiland Reichsstädten, Troja fuit ... Frankfurt war die Wahl-.. Aachen die Krönungs-, das ganze Reich die Residenz- und Speyer die Totenstadt der deutschen Kaiser, Deutschlands Persepolis."

* Eine Rundreise durch die bayerische und badische Pfalz zu Großvaters Zeiten. Aus earl Julius Webers "Briefen eines in Deutschland reisenden Deutschen" (Kaiserslautern 1904), S.42.

Eröffnungsansprache des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister der Justiz, Dr. Hans de With Die für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Finanzgerichtsbarkeit und Sozialgerichtsbarkeit geltenden Prozeßgesetze durch eine einheitliche Verfahrensordnung abzulösen, gehört zu den wichtigen Gesetzgebungsarbeiten der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode. Ich bin Ihnen deshalb dankbar, daß Sie mir als Vertreter des für die Koordinierung verantwortlichen Ministeriums die Ehre geben, die diesjährige Frühjahrstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, die sich mit diesem Gesetzgebungsvorhaben befassen wird, zu eröffnen. Ich überbringe Ihnen die Grüße der Bundesregierung und des Bundesministers der Justiz, verbunden mit den besten Wünschen für ein gutes Gelingen der Tagung. 1. Ort und Zeit für die wissenschaftliche Diskussion einer einheitlichen Kodifikation des für die sogenannten "öffentlich-rechtlichen" Gerichtszweige geltenden Verfahrensrechts erscheinen mir sehr günstig gewählt. Die Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer kann für sich in Anspruch nehmen, für eine Vereinheitlichung des Verwaltungsprozeßrechts die wissenschaftlichen Fundamente gelegt zu haben. Die Anfänge der Entwicklung von den Verwaltungsgerichtsgesetzen zur Verwaltungsprozeßordnung sind mit dieser Hochschule und mit Ihrem Namen, sehr geehrter Herr Professor Dr. UZe, eng verbunden. In Speyer wurde in Seminaren das Terrain für eine Vereinheitlichung wissenschaftlich geprüft und abgesteckt!. Hier wurde auch der erste Versuch gewagt, Verwaltungsgerichtsordnung, Finanzgerichtsordnung und Sozialgerichtsgesetz in einem Gesetz zu vereinen2 • Und Ende 1968 war der sogenannte Speyerer Entwurf eines Verwaltungsgerichtsgesetzes vorgelegt worden.

Mit dem jetzt wenige Wochen alten Kommissionsentwurf einer Verwaltungsprozeßordnung ist dem Speyerer Entwurf ein wichtiger zweiter Schritt gefolgt. Anschließen soll sich nun eine Phase vertiefter Diskussion des Kommissionsentwurfs mit den beteiligten Bundesres1 C. H. Ule, Zur Vereinheitlichung der verwaltungsgerichtlichen Verfahrensordnungen, DVBl. 1967, 345, 346. 2 Entwurf eines Verwaltungsgerichtsgesetzes zur Vereinheitlichung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und des Sozialgerichtsgesetzes, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd.40, 1969.

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Eröffnungsansprache

sorts, den Verbänden und Gerichten und natürlich auch mit der Wissenschaft. Nach Auswertung der Ergebnisse der Erörterungen und Anhörungen wird dann in Zusammenarbeit mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ein Referentenentwurf der Verwaltungsprozeßordnung ausgearbeitet werden, der noch im Laufe dieser Legislaturperiode den Gesetzgebungsorganen zugeleitet werden soll. Die Ergebnisse der rechtstatsächlichen Untersuchungen zur Dauer des Verwaltungs- und Finanzprozesses, die Ende vorigen Jahres in der Schriftenreihe der Hochschule Speyer vorgelegt worden sind3, werden der weiteren Arbeit zugute kommen. Erstmalig sind wir auf Grund dieser Rechtstatsachenforschung in der Lage, empirisch durch Aktenauswertungen erhärtete Aussagen zu treffen über die Bedeutung des Vorverfahrens, über wesentliche Unterschiede des Prozeßablaufs vor Verwaltungsgerichten und Finanzgerichten, über die Bedeutung der Beweisaufnahme, über die Rolle der Berufungsinstanz als zweiter Tatsacheninstanz und vieles mehr. Ich betrachte es als ein gutes Omen, daß hier in Speyer, in dessen Hochschule der 1. Entwurf eines vereinheitlichten Verwaltungs gerichtsgesetzes gewissermaßen das Licht der Welt erblickt hat, auch die wissenschaftliche Diskussion des Entwurfs einer Verwaltungsprozeßordnung eröffnet wird. 2. Die Vereinheitlichung des Prozeßrechts ist Gegenstand wissenschaftlicher Erörterungen, seit die bundesgesetzliche Regelung des Verfahrensrechts für die allgemeinen und besonderen Verwaltungsgerichte in Angriff genommen wurde. Bemerkenswert ist die große Zahl der Veröffentlichungen der 50er Jahre. Ich erwähne in diesem Zusammenhang die unter der wissenschaftlichen Betreuung meines Lehrers Professor Karl Heinz Schwab entstandenen rechtsvergleichenden Arbeiten zum deutschen Prozeßrecht, zu denen ich mit einer Untersuchung über Möglichkeiten und Grenzen einer Prozeßrechtsvereinheitlichung beigetragen habe. Ich bitte - solchermaßen prozessualistisch vorbelastet um Nachsicht, wenn ich deshalb heute zur Prozeßrechtsvereinheitlichung einige Bemerkungen mehr anfüge, als es ansonsten für eine Eröffnungsrede üblich ist. Für die Vereinheitlichung der Verwaltungsgerichtsgesetze zu einer Verwaltungsprozeßordnung - das Leitthema dieser Tagung - sind der historische Ausgangspunkt und die rechtspolitische Zielsetzung einer Neuordnung des geltenden Prozeßrechts gleichermaßen von Interesse. Für die rechts geschichtliche Betrachtung, aber auch für die Zielsetzung der Prozeßrechtsvereinheitlichung, ist aufschlußreich, daß der Zweite Deutsche Bundestag am 29. November 1956 der 3 C. H. Ule, Rechtstatsachen zur Dauer des Verwaltungs-(Finanz)Prozesses, Schriftenreihe der Hochschule Speyer Bd. 69 (1977).

Eröffnungsansprache

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Bundesregierung in einer Entschließung einstimmig den Auftrag erteilt - ich zitiere -: "den Entwurf einer Prozeßordnung vorzulegen, die das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten - mit Ausnahme des Strafverfahrens und des Verfahrens in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit -, den Arbeitsgerichten, den Verwaltungsgerichten, den Sozialgerichten und den Finanzgerichten unter Wahrung der Besonderheiten der einzelnen Verfahrensarten vereinheitlicht'." Der Bundestag hatte bereits 1953 für die Sozial gerichtsbarkeit ein eigenständiges Prozeßgesetz verabschiedet. Regierungsentwürfe einer Verwaltungsgerichtsordnung und eines Gesetzes zur Neuordnung der Finanzgerichtsbarkeit lagen ihm zur Beratung vor. Die Beratungen des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht zum Thema der Prozeßrechtsvereinheitlichung machten deutlich, daß der Entwurf einer einheitlichen Prozeßordnung als Vorhaben "auf längere Sicht" verstanden wurde, der die laufenden Gesetzgebungsarbeiten an selbständigen Prozeßordnungen für die Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit nicht beeinflussen sollte. Die Entschließung war - im historischen Zusammenhang betrachtet - konsequent. Sie steht in der Kontinuität der rechtspolitischen Entwicklung der Rechtspflege nach dem Zweiten Weltkrieg: Der Wiederaufbau der Rechtspflegeeinrichtungen nach dem Neuanfang 1945 stand ganz im Zeichen der Sicherung der Grund- und Freiheitsrechte gegenüber staatlichem Handeln. Teilung der Gewalten, Unabhängigkeit der dritten Gewalt und die Errichtung des Bundesverfassungsgerichts sowie von fünf selbständigen obersten Bundesgerichten waren die den Auf- und Ausbau der Rechtspflege bestimmenden Entscheidungen des Grundgesetzes. Auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts ergab sich aus diesen verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen die Aufgabe, auch für das Sozial- und Steuerrecht die Entwicklung von verwaltungsunabhängigen Rechtspflegeorganen zu Ende zu führen und ein eigenständiges, bundeseinheitliches Prozeßrecht für die Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit zu schaffen. Es war zwar verführerisch, zugleich auch den im Grundgesetz ausgeprägten Gedanken einer einheitlichen dritten Gewalt aufzugreifen. Der Wunsch nach einer umfassenden Vereinheitlichung des Prozeßrechts mußte jedoch vor der 4 Entschließung des Deutschen Bundestages vom 29. November 1956, Bundestagsdrucksache II/2795; dazu Ausführungen des Berichterstatters Abg. Bauer (Würzburg) in der 174. Sitzung der 2. Wahlperiode des Deutschen Bundestages am 29. November 1956, Stenogr. Niederschrift S. 9632 f.; zu den Entschließungen des Deutschen Bundestages vgl. G. Marquordt, Auf dem Wege zu einem einheitlichen Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrecht, Juristenjahrbuch Bd.6 (1965), 91, 93 ff.

Eröffnungsansprache

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Aufgabe, getrennte bundeseinheitliche Verfahrensgesetze für die Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit zu schaffen, zurücktreten. Die Entscheidung des Gesetzgebers, das Verfahrensrecht für die drei Gerichtszweige der Verwaltungsgerichtsbarkeit zunächst einmal in getrennten Bundesgesetzen zu regeln, war deshalb deutlich historisch bedingt. Der geschichtliche Entwicklungszusammenhang ist auch im Detail erkennbar. So übernahm z. B. in der uns heute so sehr beschäftigenden Frage der Spruchkörperbesetzung das Sozialgerichtsgesetz die für die bisher zuständigen Oberversicherungsämter geltende Regelung für die Kammern der Sozialgerichte. In der Amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs5 eines Sozialgerichtsgesetzes heißt es knapp: "Die Besetzung der Kammern mit einem Berufsrichter und zwei Sozialrichtern entspricht der Regelung in den bisherigen Spruchinstanzen", eine Begründung, die uns heute wohl nicht mehr befriedigen kann. Was für die Aufgabe der Errichtung einer unabhängigen Sozialgerichtsbarkeit eine wohl zweitrangige Frage war, ist für die Aufgabe der Verfahrensvereinheitlichung zu einem Problem geworden. Mit der Verabschiedung der drei selbständigen Prozeßordnungen für die Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit war sicher ein Abschnitt erreicht, einer der vielen "Meilensteine", die in Festreden entdeckt werden. Aber das Erreichte stand bereits unter dem Vorbehalt seiner Fortentwicklung, unter dem - wie das zitierte BundestagsprotokolI bezeugt - nicht nur geheimen Vorbehalt einer "Vereinheitlichung des Prozeßrechts auf längere Sicht". 3. Trotz dieses Vorbehalts ist der Gesetzgeber ein Risiko eingegangen, wenn er die Prozeßrechtsvereinheitlichung zurückstellte. Rechtsinstitute und die sie regelnden Gesetze entwickeln in der Anwendungs- und Auslegungspraxis ein Eigenleben. Eigenständige Verfahrensordnungen für verschiedene Zweige der Verwaltungs gerichtsbarkeit können sich in Ausprägung der Eigenarten des jeweiligen Gerichtszweiges allzu sehr auseinanderentwickeln. In diesem Risiko liegt aber auch zugleich eine Chance: Die auf unterschiedliche Prozeßarten zugeschnittenen Prozeßgesetze können sich in der Praxis bewähren und die Bedürfnisse der drei Gerichtszweige deutlich werden lassen. Der Blick für bewährte Sonderregelungen wird geschärft; von mehreren prozeßrechtlichen Lösungsalternativen kann die beste ausgewählt werden. Nach Erprobung unterschiedlich gestalteter Prozeßordnungen kann das Ziel einer Prozeßvereinheitlichung leichter abgesteckt werden: Möglichkeiten und Grenzen einer Rechtsangleichung werden sichtbar. Die Notwendigkeit einer Fortentwicklung des Prozeßrechts wird deutlich. Die Aufgabe 5

Bundestagsdrucksache I/4225, S. 16 zu § 11 Abs. 1.

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einer Anpassung des Prozeßrechts an die sich wandelnden Erfordernisse des Rechtslebens wird erleichtert. Die Jahre seit Inkrafttreten eigenständiger Verfahrens ordnungen für die drei Gerichtszweige des Verwaltungsrechts haben offenbart, daß Gemeinsamkeiten der gerichtlichen Verfahren in Verwaltungsstreitigkeiten es zweckmäßig erscheinen ließen, die Vereinheitlichung entgegen der Entschließung des Bundestages vom 29. November 1956 nun auf die Verfahren vor den allgemeinen und besonderen Verwaltungsgerichten zu beschränken. Die heute vorliegenden Entwürfe für diese sogenannte "kleine Lösung" zeigen, daß eine Vereinheitlichung dieser drei Prozeßgesetze möglich ist und daß sie erhebliche Vorteile bringt. Der "praktische Effekt" - um einen Ausdruck des verstorbenen Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Werner zu zitieren6 - lohnt die Anstrengung: Die Vereinigung der drei Prozeßgesetze in einer Kodifikation bedeutet eine wesentliche Erleichterung für den rechtsuchenden Bürger, die Anwaltschaft, die Behörden und Richter. Ein zusammenfassend kodifiziertes, inhaltlich in sich stimmiges, harmonisiertes Prozeßrecht wird das Verständnis des gerichtlichen Verfahrens erleichtern und das Vertrauen in unsere Rechtspflege stärken. Daß dieser praktische Nutzen von der Rechtsanwaltschaft, aber auch von der Richterschaft durchaus gesehen wird, dafür spricht das starke Engagement von Anwaltschaft und Richterschaft für eine Prozeßrechtsvereinheitlichung von Anbeginn an. Die in mehreren Auflagen erschienene Synopse der geltenden Prozeßgesetze des Deutschen Anwaltvereins, der vom Berliner Anwaltverein erstellte, mit dem Namen des Rechtsanwalts Lancelle verbundene Teilentwurf, die Denkschrift der Präsidenten der obersten Bundesgerichte 7 und die Diskussion des 42. und 44. Deutschen Juristentages in Düsseldorf und Hannover sowie auf dem Verwaltungsrichtertag des vergangenen Jahres in Mannheim legen für dieses Engagement beredtes Zeugnis ab. Neben einem "praktischen Effekt" wird man aber auch von einem "wissenschaftlichen Effekt" der Vereinheitlichungsbemühungen sprechen können. Das die bisherige Entwicklung des Vereinheitlichungsgedankens begleitende Schrifttum ist nahezu unübersehbar 8 • Die jetzt vorliegenden Vereinheitlichungsvorschläge werden weitere Untersuchungen der Institutionen des Verwaltungsprozeßrechts anregen. Manche Frage ist erst aus der Gegenüberstellung der drei geltenden Prozeßordnungen evident geworden. Die Konzentration von Rechtsprechung und Wissenschaft auf eine Kodifikation unter den verschieden6 F. Werner, Besprechung der vergleichenden übersicht des Deutschen Anwaltvereins in BB 1966, 1155. 7 In RdA 1959, 102. 8 Vgl. die übersicht bei C. H. ute in DVBl. 1967, 345 ff.

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artigen Betrachtungsweisen der drei Gerichtszweige wird die wissenschaftliche Durchdringung des Prozeßrechts fördern. Die Verbesserungen der Gesetzessystematik, insbesondere im einstweiligen Rechtsschutz und im Kostenrecht werden eine größere übersichtlichkeit des Prozeßrechts bringen, die auch der Prozeßrechtswissenschaft helfen wird. Der Kommissionsentwurf der Verwaltungsprozeßordnung faßt die in der Verwaltungs gerichtsordnung in ganz verschiedenen Abschnitten angesiedelten Vorschriften über die aufschiebende Wirkung von außergerichtlichen Rechtsbehelfen und Anfechtungsklagen sowie über einstweilige Anordnungen in einem Abschnitt zusammen. Im Kostenrecht führt der Kommissionsentwurf die Abtrennung der die Kostenpflicht gegenüber dem Staat regelnden Vorschriften und ihre Verweisung in das Gerichtskostengesetz konsequent durch. Die Verwaltungsprozeßordnung soll nach dem Vorbild der Zivilprozeßordnung nur das Kostenverhältnis der Beteiligten untereinander regeln. Die angestrebte Vereinheitlichung macht eine Neuordnung des Kostenrechts vor allem in der Sozialgerichtsbarkeit notwendig. An der Gerichtskostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens soll sich jedoch nichts ändern. Unterschiedliche verfahrensrechtliche Vorschriften haben ferner insbesondere dann keine Berechtigung, wenn es sich um rechtstechnische Regelungen handelt. So sind mit der Verwaltungsprozeßordnung im Interesse des Rechtsuchenden grundsätzlich einheitliche Fristen zu fordern: für Hauptfristen - wie Widerspruchs- und Klagefrist - einen Monat, für Nebenfristen - z. B. für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Beschwerde über den Antrag auf Tatbestandsberichtigung - zwei Wochen. Auch unterschiedliche Fristen, wie sie z. B. noch für die Wiedereinsetzung gelten, beeinträchtigen den Rechtsschutz. Von mehr rechtstechnischer Natur ist auch die Frage, ob Berufung und Revision beim judex a quo oder ad quem einzulegen sind. Die Kennzeichnung des Verfahrensrechts als bloßer "Posteinrichtung" zu diesem Punkte trifft allerdings nicht zu. Bereits von Bethmann-Hollweg hat in seinem 5bändigen grundlegenden rechtsgeschichtlichen Werk über den Zivilprozeß des gemeinen Rechts dieses Bild ja verwendet, um - in der Tradition der von seinem Lehrer Savigny stehenden rechtshistorischen Schule stehend - davor zu warnen, Gerichtsverfassung und gerichtliches Verfahren als etwas rein Äußerliches, etwa wie Posteinrichtungen, nur durch Zweckmäßigkeitsrücksichten Bedingtes, zu betrachten9 • Und die lebhafte Diskussion im Koordinierungsausschuß bei der Frage, bei welchem Gericht ein Rechtsmittel eingelegt werden 9 von Bethmann-HoHweg, Der Civilprozeß des Gemeinen Rechts in geschichtlicher Entwicklung Bd. I (1864), Vorrede S. IX.

Eröffnungsansprache

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sollte, beweist, daß auch prozeßtechnische Fragen ihre praktische Relevanz besitzen. 4. Fragen der Rechtsangleichung sind häufig Modellfälle für jene Aufgabe der Prozeßrechtsvereinheitlichung, die zu Recht als die wichtigste und zugleich schwierigste angesehen worden istl°: Ich meine die Entscheidung über die Fortgeltung von Sonderregelungen. Sie werden dieser Frage morgen aus der Sicht der Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit vertieft nachgehen. Der methodische Ansatz für die Beantwortung der Kernfrage der Prozeßrechtsvereinheitlichung wird vielfältig umschrieben. Es wird auf die "innere Sachgesetzlichkeit" der Gerichtszweige hingewiesen ll , ein "wertender Vergleich der einzelnen Normen und Rechtsinstitute der Verfahrensordnungen unter Ermittlung der zugrunde liegenden Interessenlage" gefordert12, "Struktur und Funktionen der verschiedenen Verfahrensarten und Gerichtsbarkeiten" seien klarzulegen, "damit ihre spezifischen Eigenarten hervortreten"13. Die eingangs zitierte Entschließung des Deutschen Bundestages spricht von der "Wahrung der Besonderheiten der einzelnen Verfahrensarten" . Der Zusammenhang mit der Lehre vom Prozeßzweck ist offensichtlich: Ist Aufgabe des Prozeßrechts die Realisierung des materiellen Rechts, so ist der Sachbezug der prozessualen Norm und die ihr zugrunde liegende materiell-rechtliche Interessenlage für die Ausgestaltung der prozeßrechtlichen Vorschriften von entscheidender Bedeutung. Die Typizität des materiellen Rechts prägt die seiner Verwirklichung dienende jeweilige Prozeßordnung14. Wissenschaftstheoretisch eine heikle Frage ist jenes Vehikel der Argumentation, apostrophiert als "Natur der Sache", "spezifische Eigenart", "zugrunde liegende Interessenlage" usw., mit dessen Hilfe Schlußfolgerungen des Inhalts gezogen werden, daß die Verwirklichung einer bestimmten materiellen Rechtsstruktur eine bestimmte prozeßrechtliche 10 C. H. Ule, Zur Vereinheitlichung der verwaltungsgerichtlichen Verfahrensordnungen, DVBl. 1967, 345, 347; K. Redeker, Koordinierung, Beschleunigung und Entlastung in den öffentlich-rechtlichen Gerichtszweigen, DVBl. 1977, 132. 11 W. Weber, Die Einheit der rechtsprechenden Gewalt, ZfS 1957, 109, 110. 12 K. Koch, Vereinheitlichung des Gerichtsverfahrens. Ein Beitrag aus steuerlicher Sicht, in Festschrift für H. Paulick (1973), S.415, 416. 13 K. A. Bettermann, Notwendigkeit, Möglichkeiten und Grenzen einer Angleichung der deutschen Verfahrensordnungen, ZZP 70 (1957), 161, 191. 14 Zur Bedeutung des Prozeßzwecks für die Gesetzgebung vgl. die Ausführungen H. F. Gauls, Zur Frage nach dem Zweck des Zivilprozesses, AcP 168 (1968), 27 ff., 35 ff. m. w. N.; Bericht der Kommission zur Vorbereitung einer Reform der Zivilgerichtsbarkeit, hrsg. vom BMJ (1961), S. 166 ff. Zum Verhältnis des Prozeßrechts zum materiellen Recht vgl. J. Costede, Studien zum Gerichtsschutz (1977), S. 17 ff. 2·

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Eröffnungsansprache

Regelung erheische 15 • Für den Koordinator bleiben Beurteilungsspielräume bei der Beantwortung der Frage, ob eine bestimmte Sonderregelung unverzichtbar sei. Speyerer Entwurf und Kommissionsentwurf einer Verwaltungsprozeßordnung liefern eindrucksvolle Beispiele dafür, mit welcher Sorgfalt man sich gerade der Frage angenommen hat, ob Sonderregelungen gestrichen, aufrechterhalten oder sogar verallgemeinert werden können. Als besonders schwierig erweist sich diese Frage im Bereich des Gerichtsverfassungsrechts. Kürzlich veröffentlichte Gedanken zur Vielschichtigkeit von Gesetzesentwürfen aus der Sicht der österreichischen Gesetzgebungspraxis 16 haben als Ebenen der Analyse von Gesetzesentwürfen die institutionellen Normierungszusammenhänge und die "politische Schicht" herausgestellt17 • Auch bei der Vereinheitlichung des Prozeßrechts wird es Aufgabe des Gesetzgebers sein, einen widerspruchsfreien Wirkungszusammenhang überkommener und neuartiger Prozeßrechtsinstitutionen zu gewährleisten, dessen "gewollte Funktionalität" sich im Umfeld gesellschaftlicher und ökonomischer Zweckzusammenhänge als politisch tragfähig erweist. Im Bereich der Gerichtsverfassung ist die Frage nach dem Instanzen-

zug grundlegend. Ob die spezifischen Eigenarten des Steuerprozesses

ein auf zwei Instanzen beschränktes gerichtliches Verfahren erfordern, wird von den Befürwortern und Gegnern eines dreistufigen Verfahrens unterschiedlich beantwortet. M. E. zeigt das Ergebnis der überlegungen des Koordinierungsausschusses ebenso wie der ausführlich begründete Vorschlag des Speyerer Entwurfs, daß die Besonderheiten des Steuerrechts und des finan2lgerichtlichen Verfahrens einer Dreistufigkeit auch des Finanzprozesses jedenfalls nicht zwingend entgegenstehen. Den Argumenten der Befürworter einer zweistufigen Gerichtsbarkeit, etwa dem Hinweis auf die besondere Effektivität des Vorverfahrens, auf die geringe Bedeutung von Landesrecht und gerichtliche Sachverhaltsaufklärung durch die Finanzgerichte, hat der Koordinierungsausschuß gewichtige Argumente entgegenzuhalten. Dem Einwand, für ein Oberfinanzgericht in jedem Bundesland fehle die erforderliche Entscheidungsbreite mangels genügender Eingänge, kann in großem Umfange mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Errichtung gemeinsamer Oberfinanzgerichte durch Ländervereinbarung begegnet werden. Es stellt sich andererseits aber auch die Frage, ob sich die Dreistufigkeit in der Verwaltungs gerichtsbarkeit bewährt hat. überlegungen, 15 Kritisch dazu F. von Hippel, Wahrheitspflicht und Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozeß (1939), 170 ff.; vgl. auch ZZP 65 (1952), 424 ff., 431 ff. 16 F. Lachmayer, Zur Theorie der Gesetzgebung, in DÖV 1978, 33, 36. 17 F. Lachmayer a.a.O.

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Probleme der überlastung der Verwaltungsgerichte durch Streichung einer Tatsacheninstanz zu lösen, werden für das Asylverfahren und das atomrechtliche Genehmigungsverfahren angestellt. Grundsätzlich wird man in der Verwaltungsgerichtsbarkeit aber ohne zwei Instanzen auf Landesebene wohl nicht auskommen können, da in Streitigkeiten über die Auslegung von Landesrecht eine einheitliche Gesetzesanwendung durch die öffentliche Hand sichergestellt sein muß. In der Frage der Zwei- oder Dreistufigkeit der Finanzgerichtsbarkeit zeigt sich deutlich, daß die Entscheidung über die Beibehaltung von Sonderregelungen auch von anderen als fachjuristischen Erwägungen abhängen kann. Man muß - so meine ich - dem Gesetzgeber in der Frage des Instanzenzuges einen Entscheidungsspielraum zubilligen, in dem neben Argumenten der Effektivität des Rechtsschutzes, der Prozeßökonomie und der Verfahrenstransparenz auch Gesichtspunkte der politischen Realisierbarkeit eine Rolle spielen können und müssen. Grundlage der politischen Entscheidung dieser so wichtigen Frage bleibt eine vertiefte Diskussion der Sachfragen und Sachargumente in Wissenschaft und Praxis. In dieser Diskussion kommt den Vorschlägen des Speyerer Entwurfs und des Kommissionsentwurfs der Verwaltungsprozeßordnung große Bedeutung zu. 5. Eng verflochten mit den Fragen nach Gerichtsaufbau und Spruchkörperbesetzung ist die von dem Kommissionsentwurf der Verwaltungsprozeßordnung vorgeschlagene Einfügung der Institution des sog. Einzelrichters in das überkommene Verwaltungsprozeßrecht nach dem Vorbild der Zivilprozeßordnung. Auch in dieser Frage nimmt die Darlegung der spezifischen Eigenarten des Verwaltungsprozesses breiten Raum ein, um kontrastierend die wesensmäßigen Unterschiede zur Zivilprozeßordnung herauszustellen. Demgegenüber ist der Rechtspolitiker geneigt zu fragen, ob es im Interesse der Entlastung der Eingangsgerichte und der dringend gebotenen Beschleunigung des gerichtlichen Verfahrens nicht zweckmäßig ist, für geeignete Fälle der Kammer die Möglichkeit zu geben, den Rechtsstreit einem ihr angehörenden Richter zur Entscheidung zu übertragen, wie dies § 348 der Zivilprozeßordnung für die Zivilkammern der Landgerichte bereits vorsieht18 • Fortentwicklung des geltenden Verfahrensrechts durch Vereinheitlichung bedeutet aber auch, auf drängende Fragen der Gegenwart eine Antwort zu finden. Der Gesetzgeber wird nicht umhin kommen, schwierige Probleme aufzugreifen, wenn deren Beantwortung dringlich geworden ist, isolierte Regelungen außerhalb der Verwaltungsprozeßordnung jedoch unzweckmäßig erscheinen. 18

Kritisch zum Kommissionsentwurf K. Redeker a.a.O. S. 133.

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6. Auch nach Verabschiedung des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit wird bei der Ausgestaltung des Referentenentwurfsder Verwaltungsprozeßordnung eine wichtige Aufgabe bleiben, den Gerichten für die Bewältigung der immer noch steigenden Eingänge entlastende und das Verfahren beschleunigende Regelungen an die Hand zu geben. Der Koordinierungsausschuß hat in seinem Entwurf bereits zahlreiche Vorschriften vorgeschlagen, die das Verfahren straffen, die Gerichte entlasten und die Arbeitskraft des Richters auf die komplizierteren Fälle konzentrieren sollen. Einige seiner überlegungen, etwa zur Beschränkung der Berufung, zur Erleichterung des Begründungsnwanges richterlicher Entscheidungen und zur Milderung der strengen Förmlichkeit des gerichtlichen Verfahrens sind - zum Teil etwas abgewandelt - in das Gesetz zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit eingeflossen und können während eines begrenzten Zeitraums in der Praxis erprobt werden. Im Zuge der parlamentarischen Beratungen der Verwaltungsprozeßordnung wird. darüber zu entscheiden sein, ob und in welcher Form diese Entlastungsvorschriften ebenso wie die des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs für eine Dauerregelung in einem einheitlichen Prozeßgesetz geeignet sind. Der Verwalttingsprozeßordnung wird insoweit eine rechtsbereinigende Funktion zuwachsen. Auch im Bereich der Prozeßvertretung werden die Vorschläge des Koordinierungsausschusses die Gesetzgebungsarbeit wesentlich beeinflussen. Auf der Grundlage der dem Koordinierungsentwurf der Verwaltungsprozeßordnung beigegebenen Leitsätze zur Prozeßvertretung wird der Referentenentwurf eines Prozeßvertretungsgesetzes vorbereitet, der die Vertretung vor den obersten Gerichtshöfen des Bundes mit Ausnahme des Bundesgerichtshofs durch besonders zugelassene Prozeßvertreter einführen soll10. 7. Die weitere Entwicklung wird zeigen müssen, ob die im Kommissionsentwurf der Verwaltungsprozeßordnung vorgesehenen prozeßrechtlichen Erleichterungen ausreichen, um auch sog. Massenverfahren zufriedenstellend durchführen zu können. Die Entwicklung der Regelungen des Verwaltungsverfahrens auf den verschiedensten Gebieten, vor allem im Bau- und Straßenrecht, aber z. B. auch im Immissionsschutzrecht und im Atomrecht, die durch den Ausbau einer möglichst frühzeitigen Bürgerbeteiligung gekennzeichnet ist, wird auf das gerichtliche Verfahren nicht ohne Einfluß bleiben. Als weiteres Beispiel erwähne ich die Diskussion um die Effektivität weittragender Verfahrensentscheidungen, z. B. im atomrechtlichen und 19 Dies fordert nachdrücklich K. Redeker a.a.O. S. 133 note 4.

ID.

w. N. in Fuß-

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immissionsschutzrechtlichen Bereich, die eng mit Fragen des vorläufigen Rechtsschutzes verflochten ist und die in die allgemeine Frage einmündet, wo im Verhältnis zur Legislative die Kompetenz zu letztverbindlicher gerichtlicher Verwaltungskontrolle ihre Grenze findet. Ob und auf welchen Rechtsgebieten problemträchtige Entwicklungen in der Verwaltungsprozeßordnung eingefangen werden müssen, wird aufmerksam zu beobachten sein. 8. Die Aufgaben der Angleichung und Fortentwicklung der für die öffentlich-rechtlichen Gerichtszweige geltenden Vorschriften des Gerichtsverfassungsrechts und des Verfahrensrechts sind vielfältig. Trotzdem schätze ich die Realisierungschancen für die Verabschiedung einer Verwaltungsprozeßordnung nicht pessimistisch ein. Ich bin - wie ich bereits erwähnte - vielmehr der Auffassung, daß die Verwaltungsprozeßordnung gute Chancen hat, den Bundestag noch in dieser Legislaturperiode zu erreichen. Für die Ausarbeitung des Referentenentwurfs wird eine vertiefte Erörterung und sorgfältige Prüfung der vorliegenden Lösungsvorschläge in einem möglichst breiten Spektrum kritischen Sachverstandes wertvoll sein. In diesem Spektrum darf die Farbe der Wissenschaft nicht fehlen. Ich begrüße es deshalb sehr, daß die Speyerer Hochschule den Vereinheitlichungsbestrebungen auf dem Gebiete des Prozeßrechts weiterhin ihre Aufmerksamkeit widmet. Ihre Beiträge, Ihre Anregungen und Ihre Kritik werden ein hilfreicher Beitrag auf dem Wege zu einer einheitlichen Verwaltungsprozeßordnung sein. Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Verlauf dieser Tagung und einen reichen Ertrag Ihrer Arbeit.

Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit Von earl Hermann Ule I. 1. Vor acht Jahren, im Frühjahr 1970, habe ich auf der 38. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung dieser Hochschule, die dem Thema "Zehn Jahre Verwaltungsgerichtsordnung" gewidmet war, die Meinung geäußert, dies sei wohl die letzte, den Problemen der Verwaltungsgerichtsbarkeit gewidmete Tagung der Hochschule, an der ich selbst als Mitglied des Lehrkörpers teilnehmen könnte 1 • Diese Meinung hat sich, wie Sie der Tatsache meines heutigen Referates entnehmen können, als unrichtig erwiesen. Der Grund dafür liegt darin, daß es diesmal nur acht und nicht wie das letzte Mal siebzehn Jahre gedauert hat, bis die Hochschule wieder eine Tagung über Probleme des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes veranstaltet hat. Allerdings hat es nachdrücklicher Bemühungen bedurft, um mich zur übernahme eines Referates auf dieser Tagung zu bewegen. Als Initiator des Speyerer Entwurfs 2 und als Mitglied des Koordinierungsausschusses zur Vereinheitlichung der Verwaltungs gerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und des Sozialgerichtsgesetzes halte ich mich nicht gerade für berufen, grundsätzliche und umfassende Kritik an dem von diesem Ausschuß ausgearbeiteten Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung zu üben. Eine solche Kritik aber ist das Gebot der Stunde, zumal der Koordinierungsausschuß einen Teil seiner Zeit vielleicht allzu sehr der ausgiebigen Erörterung untergeordneter Detailfragen gewidmet hat. Sie muß vorliegen, bevor sich die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes mit einer dem Entwurf entsprechenden Regierungsvorlage beschäftigen werden. Dies wird voraussichtlich erst in der nächsten Legislaturperiode des Bundestages der Fall sein. Es ist also mit einer mehrjährigen Dauer des Gesetzgebungsverfahrens zu rechnen. Falls der nächste Bundestag den Entwurf verabschieden sollte, könnte frühestens Anfang der 80er Jahre mit dem Inkraftreten der Verwaltungsprozeßordnung zu rechnen sein. Dann würden die Bemühungen um die Vereinheitlichung der drei öffentlich-rechtlichen Gerichtsordnungen, die 1 Zehn Jahre Verwaltungsgerichtsordnung Bewährung und Reform -. Schriftenreihe der Hochschule Speyer Bd. 45, 1970, S. 269. 2 Entwurf eines Verwaltungsgerichtsgesetzes zur Vereinheitlichung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und des Sozialgerichtsgesetzes. Schriftenreihe der Hochschule Speyer Bd. 40, 1969.

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in diesem Jahr auf eine mehr als 20jährige Geschichte zurückblicken können3 , endlich zum Abschluß kommen, obwohl schon im Jahre 1958 in einer bei Professor Dr. Karl Heinz Schwab angefertigten Dissertation über "Möglichkeiten und Grenzen der Vereinheitlichung der deutschen Verfahrensgesetze" zutreffend festgestellt worden ist, daß "die Unterschiede innerhalb der Verfahren des Verwaltungsrechts so unbedeutend (seien), daß sie eine einheitliche Verfahrensordnung für das Verwaltungsrecht nicht verhindern können"4. 2. Mein Beitrag zu dieser Tagung soll sich auf Fragen beschränken, die sich aus den Auswirkungen dieser Neuordnung des Verwaltungsprozeßrechts für das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit ergeben. a) Das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit gehört seit der Wiedererrichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit nach dem zweiten Weltkrieg und der mit ihr verbundenen Einführung der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel zu den neuralgischen Punkten unserer rechtsstaatlichen Ordnung. Schon früh hat sich unsere Hochschule dieser Problematik zugewandt. So stand der 17. Staatswissenschaftliche Fortbildungskursus vor 25 Jahren, Anfang Oktober 1953, unter dem Generalthema "Die öffentliche Verwaltung und die Verwaltungsgerichtsbarkeit", und der damalige Verwaltungsgerichtsrat Dr. Tietgen in Lüneburg, der allzu früh als Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts im Jahre 1967 gestorben ist, leitete seinen Bericht im Deutschen Verwaltungsblatt5 mit dem Satz ein: "Es mehren sich die Stimmen, die der Verwaltungsgerichtsbarkeit in ihrem Verhältnis zur Verwaltung eine Krise voraussagen." In seinem Referat über "Die öffentliche Verwaltung im sozialen Rechtsstaat" sprach Erich Becker von einer "Hypertrophie der Gerichtsbarkeit", die die rechtsstaatliche Entwicklung nach 1945 und das Grundgesetz dem "Verwaltungsstaat" entgegengesetzt hätten. In die gleiche Richtung zielten die Ausführungen des Richters am Bundesverfassungsgericht Dr. Egon Schunck, der sich in seinem Referat über das freie Ermessen und die Nachprüfung von Ermessensentscheidungen auch dem unbestimmten Rechtsbegriff als der, wie er sich ausdrückte, "gegenwärtig interessantesten Figur des Problemkreises" zuwandte und gegen die behauptete Eindeutigkeit unbestimmter Rechtsbegriffe Bedenken anmeldete. "Der unbestimmte Rechtsbegriff" - so führte er aus - "ist als solcher dehnbar. Die Frage nach den Grenzen der Dehnbarkeit ist allerdings eine Rechtsfrage; innerhalb dieser Grenzen kann S Vgl. die Begründung zu dem Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung, Köln 1978 S. 91 ff. 4 de With a.a.O. S.197. 5 1953 S. 692 ff.

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allein die subjektive Auffassung der Verwaltungsbehörde entscheiden." Ich selbst habe in meinem Referat über "Die künftige Verwaltungsgerichtsordnung"6 ebenfalls auf diese Problematik hingewiesen und schon damals die Auffassung vertreten, daß es sich hier um ein Problem handele, das durch die Gestaltung der Verwaltungs gerichtsordnung unmittelbar nicht beeinflußt werden könne 7 • Das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit ist auch auf späteren Staatswissenschaftlichen Fortbildungskursen, insbesondere dem 18. über "Wandlungen der Staatsaufgaben, des Rechtsschutzproblems und der Struktur des öffentlichen Dienstes" im März 19548 und dem 20. über "Leistungen der öffentlichen Verwaltung und ihre Kontrolle" im März 19559 Gegenstand der Erörterung gewesen. In meinem Referat über "Grundlagen und Grenzen des Rechtsschutzes durch die Gerichte" auf diesem 20. Fortbildungskursus habe ich mit Nachdruck die Auffassung vertreten, daß die Problematik des unbestimmten Rechtsbegriffs nicht durch einen Eingriff des Gesetzgebers gelöst werden könne lO • b) Neben der Problematik der unbestimmten Rechtsbegriffe ist in jener Zeit auch die Rekrutierung der Verwaltungsrichter als eine für das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit bedeutsame Frage diskutiert worden. Vor allem Werner Groß ist in seinem Vortrag "Gibt es ein Berufsbild des Verwaltungsrichters?"l1 für eine die Besonderheit der Verwaltungsgerichtsbarkeit berücksichtigende Besetzung der Verwaltungsgerichte mit Richtern und V erwaltungsbeamten eingetreten; ich selbst habe in meinem Vortrag über "Die künftige Verwal tungsgerichtsordnung"6 für besondere Voraussetzungen des Verwaltungsrichteramtes im allgemeinen und bei den Oberverwaltungsgerichten und dem Bundesverwaltungsgericht im besonderen plädiert. Die 38. Staatswissenschaftliche Fortbildungstagung der Hochschule, "Zehn Jahre Verwaltungsgerichtsordnung", hat dieses Problem mit einem Referat von Groß über "Das Berufsbild des Verwaltungsrichters"!2 wieder aufgegriffen. Groß hat damals seine im Jahre 1953 vertretene Auffassung aufgegeben, allerdings lediglich mit der pragJZ 1953 S. 681 ff. a.a.O. S.687. 8 Vgl. den Bericht von Karl Zeidler, DVBl. 1954 S. 324 ff. und Beilage zur Staatszeitung für Rheinland-Pfalz Nr.2 v. 3.10.1954. 9 Vgl. den Bericht von Titzck, DVBl. 1955 S. 388 f. und Beilage zur Staatszeitung für Rheinland-Pfalz Nr. 33 v. 14. 8. 1955. 10 Vgl. auch Groß, Im Spannungsfeld von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, DVBl. 1954 S. 739 ff., 740 und UZe, Ermessen und unbestimmter Rechtsbegriff, DVBl. 1955 S. 148 f. 11 DVBl. 1953 S. 589 ff. 12 a.a.O. S. 52 ff. 6

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matischen Begründung, daß die "Marktlage" es nicht mehr gestatte, vor das Verwaltungsrichteramt "eine gesetzliche Erfahrungsschwelle" zu legen. Der Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung - und damit kann ich diese Frage hier gleich erledigen - spricht das Problem der Qualifikation zum Verwaltungsrichteramt nicht an. Er nimmt auch in der Begründung zu dieser Frage keine Stellung. Offensichtlich sieht er in ihr kein Problem. Damit soll - wie bisher - § 5 DRiG über den Erwerb der Befähigung zum Richteramt auch für die Richter der drei öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten gelten. Daß damit eine für das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit wesentliche Frage in einem bestimmten - wie ich meine, diesem Verhältnis abträglichen - Sinne entschieden worden ist, wird nicht mehr gesehen.

11. Nach diesen einleitenden Bemerkungen wende ich mich nun den Problemen zu, die durch den Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung selbst für das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit aufgeworfen werden. 1. Zwar nicht unproblematisch, doch offensichtlich erstrebenswert ist für den Entwurf die Regelung des § 5, die unter bestimmten Voraussetzungen die Entscheidung durch den Einzelrichter vorsieht. Die Begründung sagt dazu unter A V 3 c aa 13, daß die Entscheidung durch einen Richter in solchen Fällen zur Entlastung der Gerichte und zur Beschleunigung des gerichtlichen Verfahrens beitragen könne und die Qualität der Rechtsprechung nicht gefährde. Die Regelung lehnt sich an § 348 ZPO an und folgt damit der von der Bundesregierung und den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes seit über 25 Jahren vertretenen These von der "Gleichartigkeit" der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der drei öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten. Sie läßt dabei außer acht, daß die Zivilkammern der Landgerichte, von denen § 348 ZPO anzuwenden ist, und die Zivilsenate der Oberlandesgerichte, für die § 524 ZPO gilt, nicht mit ehrenamtlichen Richtern besetzt sind, und daß die Verwaltungsgerichte nicht in einem Streit zwischen zwei rechtlich gleichgeordneten Bürgern zu entscheiden haben, sondern in der Regel in einem Streit zwischen einem Bürger und einer Verwaltungsbehörde über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit einer von der Behörde, u. U. einem auch mit ehrenamtlich tätigen Bürgern besetzten Ausschuß erlassenen oder bestätigten Verwaltungsakt14 • Mit 13

a.a.O. S. 108.

Ähnliche Bedenken bei Kopp, Entwicklungstendenzen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, BayVBl. 1977 S. 513 ff., 521. 14

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diesen Unterschieden setzt sich die Einzelbegründung zu § 5 E15 zwar auseinander, hält sie aber in den von § 5 erfaßten Fällen (Rechtssachen, die "keine grundsätzliche Bedeutung" haben und "keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art" aufweisen) nicht für durchschlagend 16. 2. a) Die neue nach dem zweiten Weltkrieg wiedererrichtete deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit dient wie schon ihre Vorgänger in erster Linie dazu, dem einzelnen Rechtsschutz gegenüber Maßnahmen der Verwaltung zu gewähren, sei es, daß ihm die Anfechtungsklage gegen ihn belastende Verwaltungsakte zusteht, sei es, daß er gegen die Ablehnung eines Antrages auf Erlaß eines ihn begünstigenden Verwaltungsaktes Verpflichtungsklage erheben kann. Auch die dem einzelnen zustehende Leistungsklage dient der gerichtlichen Verfolgung eigener Rechtsansprüche. An dieser Aufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit hat der Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung festgehalten. Er enthält in § 74 Abs. 3 die an § 42 Abs. 2 VwGO angelehnte Regelung, daß die Anfechtungsund die Verpflichtungsklage nur zulässig sind, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes in seinen Rechten verletzt zu sein. Und er läßt in den §§ 137, 138 E erkennen, daß das Gericht einen angefochtenen Verwaltungsakt nur wegen Rechtswidrigkeit aufheben und die Behörde nur wegen Rechtswidrigkeit ihrer Ablehnung oder Unterlassung zum Erlaß des Verwaltungsaktes verurteilen kann. Damit hat der Entwurf den Gedanken einer Popularklage und einer gerichtlichen Zweckmäßigkeitskontrolle ausdrücklich abgelehnt. In der Begründung zu § 74 E11 heißt es, daß sich der Koordinierungsausschuß einmütig gegen die Einführung der Popularklage ausgesprochen habe, ohne daß die Gründe, die zu dieser Entscheidung geführt haben, angegeben werden. In der Begründung zu den §§ 137 bis 139 18 wird die Beschränkung der gerichtlichen Nachprüfung auf die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes oder der mit der Verpflichtungsklage angegriffenen Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes nicht weiter erörtert. Anscheinend war sie für den Koordinierungsausschuß kein Problem. 15 a.a.O. S. 122. 16 Gegen die Einführung des Einzelrichters für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hat sich auch die Entschließung der Chefpräsidenten und des Vorstandes des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter vom 14.5. 1976, AnwaItsblatt 1976 S. 204 f. ausgesprochen. 11 a.a.O. S.225. 18 a.a.O. S. 302 ff.

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b) Die Ablehnung der Popularklage durch den Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung ist trotz der früher von Werner Niese 19 und später von Axel Görlitz20 vorgetragenen überlegungen zu billigen. Niese hat zwar das Hauptanliegen der Verwaltungsgerichtsbarkeit darin gesehen, "vor allem im Anfechtungsprozeß, zum Wohle und Gedeihen des Rechtsstaats selbst, im öffentlichen Allgemeininteresse die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die rechtmäßige Hoheitsausübung als solche zu gewährleisten"21. Die aus dieser Aufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu ziehende Folgerung, die Klagebefugnis einem öffentlichen Ankläger oder jedem beliebigen einzelnen (dem quivis ex populo) zu übertragen, hat er jedoch nicht gezogen. Vielmehr hat er diese Folgerung ausdrücklich abgelehnt, obwohl er das geltende Recht, wie ich meine, dahin mißversteht, daß es "den unmittelbar Betroffenen zum Sachwalter der Allgemeinheit" mache, "weil auf diese Weise das individuelle Rechtsschutzinteresse gleichsam zum Vehikel des öffentlichen Interesses an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung" werde22 . Diese in ihrer theoretischen Grundlage und ihren praktischen Folgerungen entschieden abzulehnende Lehre stellt im Grunde genommen nichts anderes als die Wiederbelebung von Auffassungen des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts dar, die im Verwaltungsstreitverfahren des früheren Rechts nichts anderes als eine gerichtsförmige Verwaltungskontrolle erblickten. Das haben vor allem Karl August Bettermann in der Abhandlung über "Wesen und Streitgegenstand der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage"23 und Richard Naumann in dem Vortrag über "Die gesetzliche Abgrenzung der Kompetenz der Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit"24 ausdrücklich hervorgehoben. Auf diese Herkunft aus den Anfängen der Verwaltungs gerichtsbarkeit in Deutschland wird übrigens auch von Görlitz hingewiesen25. Um so unverständlicher ist es, daß Görlitz für die Popularklage einzutreten scheint, wenn er behauptet, daß durch den Ausschluß der Popularklage "der liberalistische Ausgangspunkt nachgerade verkannt" werde 26 . Das Individualinteresse sei in diesem Rahmen nicht Schutzobjekt, sondern negatorische Formel, es diene nicht zur Ausweitung, sondern zur Beschränkung des Rechtsschutzes. In ihren Anfängen habe die Verwaltungsgerichtsbarkeit die Schutzfunktion auf ihr Banner ge19 über den Streitgegenstand der Anfechtungs- und Vornahmeklagen im Verwaltungsprozeß, JZ 1952 S. 353 ff. 20 Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland, 1970. 21 a.a.O. S. 355. 22 a.a.O. S. 356. 23 DVBl. 1953 S. 163 ff., 202 ff., insbesondere 163 f. 24 1953 S. 19 ff. 25 a.a.O. S.34. 2& a.a.O. S. 70.

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schrieben, und der Kampf sei damals nur um die Erhaltung des Rechtsschutzes gegangen. Heute stehe das Individualinteresse auf ihrem Panier, und die Rechtspraxis enge den Rechtsschutz immer mehr ein27 • Falls man aus diesen - nicht besonders klaren - Äußerungen den Schluß ziehen müßte, daß Görlitz für die Einführung der Popularklage in die Verwaltungsgerichtsbarkeit eintritt, wäre damit das Problem der Klagebefugnis in seiner ganzen Schärfe aufgeworfen. Es stellt sich dann die Frage, ob der Individualrechtsschutz, der in Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet ist und der auch in einer Reihe von Landesverfassungsbestimmungen seinen Niederschlag gefunden hat, durch die Klagebefugnis eines Sachwalters der Allgemeinheit, sei es nun eines Vertreters des öffentlichen Interesses, sei es jedes beliebigen einzelnen, ersetzt werden soll. Es versteht sich von selbst, daß die Beschränkung der Klagebefugnis auf einen Vertreter des öffentlichen Interesses eine nicht unerhebliche Einschränkung der Klagen mit sich bringen würde. Nach Niese, der diesen Gedanken erwogen hat, hätte der Vertreter des öffentlichen Interesses wie ein Staatsanwalt im Strafprozeß von Amts wegen mit Klage einzuschreiten, wenn er von rechtswidrigen Verwaltungsakten Kenntnis erlangt, was in aller Regel durch Anzeige derjenigen geschehen würde, die sich durch Verwaltungsmaßnahmen verletzt fühlen 28 • Der Vertreter des öffentlichen Interesses hätte dann darüber zu entscheiden, ob er auf eine Anzeige tätig werden soll oder nicht. Alle von diesem Vertreter des öffentlichen Interesses für aussichtslos gehaltenen Klagen würden dadurch von den Verwaltungsgerichten ferngehalten werden. Das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit würde einen grundlegenden Wandel erfahren. Allerdings wäre eine solche Lösung mit Art. 19 Abs.4 GG und den entsprechenden Vorschriften in den Landesverfassungen unvereinbar. Umgekehrt könnte die Einräumung der Klagebefugnis an den quivis ex populo zu einer erheblichen Ausweitung der Prozesse führen, die an die Verwaltungsgerichte herangetragen werden, da jeder beliebige einzelne, ohne daß er durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein braucht, nur wegen Verletzung des objektiven Rechts Klage erheben könnte. Welchen Umfang diese Ausweitung der Prozesse annehmen würde, läßt sich schwer voraussehen. Allerdings ist wohl kaum anzunehmen, daß sich viele finden werden, die mit dem Kostenrisiko eines verlorenen Prozesses bereit wären, für andere die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Wahrscheinlich würde sich der Kreis der Kläger über den der in ihren Rechten Betroffenen hinaus nur durch notorische Querulanten 27 28

a.a.O. S. 70. a.a.O. S. 356.

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oder Prozeßhansel erweitern. Die Wirkungen einer Einführung der Popularklage auf die Belastung der Verwaltungsgerichte wäre daher wahrscheinlich erheblich geringer, als gemeinhin angenommen wird. Freilich läßt sich nicht verkennen, daß die Popularklage von denen, die das Kostenrisiko nicht scheuen, dazu benutzt werden könnte, den Gang der Verwaltung dadurch zum Stillstand zu bringen, daß gegen belastende oder Dritte begünstigende Verwaltungsakte ohne Rücksicht auf die Erfolgsaussichten Klage erhoben würde, um die aufschiebende Wirkung der Klage auszulösen. Es wäre daher zu prüfen, ob die Popularklage, wie nach geltendem Recht die Anfechtungsklage des in seinen Rechten Verletzten, überhaupt mit der aufschiebenden Wirkung verbunden werden könnte. Ein unbestreitbarer Vorteil wäre allerdings mit der Einführung der Popularklage verbunden, nämlich der, daß alle Streitigkeiten über den Umfang der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO (,= § 74 Abs. 3 EVPO) mit einem Schlage aus der Welt geschafft wären. Wenn jede natürliche und juristische Person befugt wäre, gegen einen belastenden Verwaltungsakt - wer auch immer der durch ihn in seinen Rechten Verletzte sein mag - Anfechtungsklage zu erheben und die Verurteilung der Behörde zum Erlaß eines Verwaltungsakts - wer auch immer durch die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt ist - mit der Verpflichtungsklage zu begehren, bedarf die Frage der Klagebefugnis keiner Prüfung mehr. Allerdings will es als ein groteskes Ergebnis erscheinen, daß ein Verwaltungsakt auf Anfechtungsklage eines beliebigen Einzelnen aufgehoben wird, obwohl sich der in seinen Rechten Verletzte - aus welchen Gründen auch immer - gegen ihn nicht zur Wehr setzt. Und noch grotesker erscheint es, daß eine Behörde zum Erlaß eines Verwaltungsaktes verurteilt wird, wenn sich der Antragsteller mit der Ablehnung oder Unterlassung abgefunden hat. Grotesk sind diese Ergebnisse aber nur, wenn man sie unter dem Gesichtspunkt des Individualrechtsschutzes betrachtet. Sieht man den Sinn der Verwaltungsgerichtsbarkeit in einer objektiven Rechtskontrolle der Verwaltungstätigkeit, so wäre es nur zu billigen, daß die durch die Verwaltungsbehörde verletzte Rechtsordnung durch ein gerichtliches Urteil wiederhergestellt wird. Es wäre deshalb folgerichtig, wenn Staaten, die aus ideologischen Gründen den Individualrechtsschutz nicht anerkennen können, einen Vertreter des öffentlichen Interesses oder jeden beliebigen einzelnen zum Kläger vor den Verwaltungsgerichten machen würden. Jedoch finden sich für eine Popularklage auch in diesen Staaten keine Ansätze. Dagegen hat Lenin im Staatsanwalt den Vertreter des öffentlichen Interesses zur Wahrung der sozialistischen Gesetzlichkeit gesehen und gefordert, daß dieser "das Recht und die Pflicht (habe), ... darüber zu

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wachen, daß sich eine wirklich einheitliche Auffassung von der Gesetzlichkeit in der gesamten Republik (durchsetze), ungeachtet aller örtlichen Unterschiede und entgegen allen wie immer gearteten örtlichen Einflüssen. Das einzige Recht und die einzige Pflicht des Staatsanwalts (sei) es, eine Sache vor das Gericht zu bringen, das sein Urteil zu fällen habe 29 ." Die Staaten der kommunistischen Welt haben diese Äußerung Lenins zunächst in dem Sinne interpretiert, daß sie nur ihren ersten Teil beachtet und dem Staatsanwalt die überwachung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung übertragen haben. Die heute in den meisten kommunistischen Staaten des Ostblocks - allerdings nicht in der DDR geforderte oder bereits eingeführte gerichtliche Kontrolle der Verwaltung sieht den Staatsanwalt, wenn überhaupt, nur neben dem Betroffenen als Kläger vor30 . c) Auch die für die moderne Verwaltungsgerichtsbarkeit kennzeichnende Beschränkung der Ermessenskontrolle auf eine Rechtskontrolle (vgl. § 139 E) wird von Görlitz unter dem Gesichtspunkt angegriffen, daß sie die Verwaltungsgerichtsbarkeit "entpolitisiere"31 und "die augenblicklichen Herrschaftsverhältnisse" stabilisiere32 . Görlitz fordert deshalb eine "Reorganisation der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Abwehr exekutiver Einwirkungen"33. Dazu rechnet er auch die Wiedereinführung der Zweckmäßigkeits kontrolle der Verwaltung durch die Gerichte, die nicht weniger als die Verwaltung in der Lage seien, Einzelfallbewertungen vorzunehmen 34 • Diese Auffassung hängt wohl mit der Ansicht von Görlitz zusammen, daß die Verwaltungs gerichtsbarkeit in der Lage sein müsse, "den sozialen Wandel mit zu vollziehen"35, daß sie die Aufgabe habe, "zum gesellschaftlichen Repolitisierungsfaktor" zu werden, "zu einer Institution, die politische Beteiligung eröffnet" 36, daß Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, "wenn auch in verschiedenen Formen und Verfahren, Verwaltungstätigkeit" ausübten37 , daß die Verwaltungsgerichtsbarkeit "die Anachronismen eines auf die konstitutionelle Monarchie zugeschnittenen Rechtsstaates überwindet und ihre Rolle als politische Vermittlungsinstanz annimmt"38. 29 Angeführt nach Lammich, Die gerichtliche Kontrolle der Verwaltung in den sozialistischen Verfassungssystemen, VerwArch. Bd. 64, 1973, S. 246 ff., 247. 30 Vgl. Lammich, a.a.O. S.259. 31 a.a.O. S. 36. 32 a.a.O. S. 268. 33 a.a.O. S.291. 34 a.a.O. S. 268 f. 35 a.a.O. S.248. 36 a.a.O. S. 252. 37 a.a.O. S.263. 38 a.a.O. S.271. 3 Speyer 75

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d) Man könnte über diese Konzeption einer neuen Verwaltungs gerichtsbarkeit mit Popularklage und Zweckmäßigkeitskontrolle der Verwaltung zur Tagesordnung übergehen, wenn sich nicht in ihr ein Verständnis des Verhältnisses von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit ausspräche, das den dem Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung zugrunde liegenden Vorstellungen diametral widerspricht. Nachdem die Vorstellungen und Vorschläge von Görlitz auf dem Tisch liegen, muß man sich mit ihnen auseinandersetzen, zumal niemand weiß, ob sich nicht im Gesetzgebungsverfahren Abgeordnete finden werden, die sich diese These zu eigen machen. Die Forderungen nach Einführung der Popularklage und einer Zweckmäßigkeitskontrolle der Verwaltung haben aber auch - und daran scheint mir ihre besondere Bedeutung zu liegen - Auswirkungen auf zwei andere Fragenbereiche, deren Aktualität für die Rechtsprechung der Gerichte und für den Gesetzgeber einer Verwaltungsprozeßordnung kaum angezweifelt werden kann; ich meine die Verbandsklage und die gerichtliche Nachprüfung unbestimmter Rechtsbegriffe. Popularklage und Verbandsklage gehören, was ihre Bedeutung für das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit anbelangt, zusammen; das gleiche gilt für die Zweckmäßigkeitskontrolle der Verwaltung durch die Gerichte und für die gerichtliche Nachprüfung der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe. 3. Was zunächst die Frage der Einführung der Verbandsklage anbelangt, so ist sie hier lediglich unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit ins Auge zu fassen. Der Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung nimmt zur Einführung der Verbandsklage keine Stellung. Jedoch ermöglicht § 74 Abs. 3 E (wie bisher § 42 Abs. 2 VwGO) die Einführung der Verbandsklage durch Bundes- oder Landesgesetz. Damit ist die Entscheidung über die Verbandsklage aus dem Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung herausgenommen und einer besonderen gesetzlichen Regelung - durch ein Verbandsklagegesetz (für das bereits Entwürfe vorliegen39) oder durch einzelne Verwaltungsgesetze - übertragen. Ich halte diese Lösung nicht für glücklich. M. E. sollte die grundsätzliche Entscheidung über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Verbandsklage in der Verwaltungsprozeßordnung fallen. Nur auf diese Weise kann der Zusammenhang mit den allgemeinen prozeßrechtlichen Regelungen gewahrt und der Bedeutung der Verbandsklage für das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit Rechnung 39 Vgl. Bernd Bender, Die Verbandsklage, DVBl. 1977 S. 169 ff.; dens., Von der Verbandsbeteiligung zur Verbandsklage, in: Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Bundesverwaltungsgerichts, 1978.

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getragen werden. Jede andere Regelung würde zwangsläufig dazu führen, daß die fachspezifischen Gesichtspunkte in den Vordergrund treten und die Stellung der Verbandsklage im System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes vernachlässigt wird. Die Forderung nach einer grundsätzlichen Entscheidung über die Verbandsklage durch die Verwaltungsprozeßordnung bedeutet nicht, daß alle Einzelheiten der Verbandsklage in der Verwaltungsprozeßordnung geregelt werden müssen40 • Es würde genügen, daß der Gesetzgeber der Verwaltungsprozeßordnung - falls er sich für die Zulässigkeit der Verbandsklage entschließen sollte - wie im Falle des früheren § 47 VwGO - Rahmenvorschriften erläßt, die durch Bundes- oder Landesgesetz ausgefüllt werden könnten. Bei seiner Entscheidung über die Zulässigkeit der Verbandsklage wird der Gesetzgeber eine Fülle von Gesichtspunkten zu berücksichtigen haben, die hier nicht näher erörtert werden können. Ich nehme an, daß sich der 52. Deutsche Juristentag in Wiesbaden im September dieses Jahres in seiner verwaltungsrechtlichen Abteilung eingehend mit dieser Frage beschäftigen wird. Dort steht die Frage zur Diskussion, ob sich unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung notwendigen Umweltschutzes ergänzende Regelungen im Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozeßrecht empfehlen. Da Herr Kollege Laubinger und ich es auf Wunsch der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages übernommen haben, zu dieser Frage das Gutachten zu erstatten, möchte ich den Ergebnissen dieses Gutachtens hier nicht vorgreifen. Vielmehr will ich mich auf einige wenige Bemerkungen über den Einfluß der - altruistischen - Verbandsklage auf das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungs gerichtsbarkeit beschränken. Vorab möchte ich feststellen, daß Art. 19 Abs.4 Satz 1 GG der Einführung einer solchen Verbandsklage nicht entgegenstehen würde. Zwar meint Weyreuther 41 , daß Art. 19 Abs.4 GG "nicht allein die Hinwendung zu einer subjektiv-rechtlichen Konzeption, sondern überdies ... eine Barriere für ihre Umformung oder auch nur Ergänzung (enthalte)". Er räumt jedoch ein, daß daraus nicht der Schluß gezogen werden dürfe, daß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG mit einer Ausschlußfunktion ausgestattet sei und der Rechtsweg nur offen stehen dürfe, wenn jemand durch die öffentliche Verwaltung in seinen Rechten verletzt sei. In der Tat statuiert Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nur eine Mindestgarantie für den individuellen Rechtsschutz; er besagt nicht, daß es daneben nicht noch eine objektive Verbandsklage geben dürfe 42 • 40 Damit ist der von Bender a.a.O. S. 169 erhobene Einwand der Unübersichtlichkeit einer solchen Regelung ausgeräumt. 41 Verwaltungskontrolle durch Verbände?, 1975, S.17.

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Grundsätzlich hätte die Einführung einer altruistischen Verbandsklage für das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit dieselbe Bedeutung wie die Einführung der Popularklage43 • Wie jeder beliebige einzelne würden bestimmte Verbände die Befugnis erhalten, Entscheidungen der Verwaltung, die nicht die Rechte ihrer Mitglieder oder ihre eigenen Rechte verletzen, mit der von ihnen erhobenen Klage der Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte zuzuführen. Der durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und die entsprechenden Vorschriften in den Landesverfassungen zum Schutz der Rechte des einzelnen gegen die Verwaltung eingerichtete verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz (§ 74 Abs.3 EVPO = § 42 Abs.2 VwGO) würde in einem Sinne erweitert, der mit dieser Aufgabe der Verwaltungsgerichte nichts mehr zu tun hat. Nicht der Staatsanwalt, wie in den Staaten der kommunistischen Welt, sondern private Verbände hätten das Recht, die gerichtliche Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen herbeizuführen und sich damit gleichsam zum Vertreter des öffentlichen Interesses zu machen. Dies kann aber nicht die Aufgabe privater Verbände sein. Die Einführung der altruistischen Verbandsklage würde daher zu einer ähnlichen Expansion und Perversion des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes führen wie die Einführung der Popularklage. Die Verantwortung der Verwaltung für die Rechtmäßigkeit ihres Handeins würde grundsätzlich in Frage gestellt werden. 4. Bereits bei der Erörterung der Forderung nach einer Zweckmäßigkeitskontrolle von Ermessensentscheidungen habe ich darauf hingewiesen, daß hier ein Zusammenhang mit der gerichtlichen Nachprüfung der Ausdehnung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe besteht. Dieser Zusammenhang ist in der hier gebotenen Kürze darzulegen. Nachdem die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unter dem Einfluß des Bundesverfassungsgerichts 44 dazu übergegangen war, unbestimmte Begriffe im Tatbestand verwaltungsgesetzlicher Rechtsnormen als Rechtsbegriffe und nicht als Ermächtigungen zu Ermessensentscheidungen aufzufassen, und damit den Begriff des gebundenen Ermessens über Bord geworfen hatte, stellte sich die Frage, ob diese Begriffe in dem Sinne eindeutig seien, daß sie in jedem Anwendungsfall zu einem bestimmten Ergebnis führen müßten oder ob sie als normative Begriffe einen "Beurteilungsspielraum" enthielten, der - jedenfalls in Grenz42 Laubinger, Contra und Pro Verbandsklage, Beiträge zur Umweltgestaltung A 47, 1976, Diskussion S.69. 43 Dies gilt nicht für die egoistische Verbandsklage, über deren Zulässigkeit de lege lata und Zweckmäßigkeit de lege ferenda schon vor 25 Jahren gestritten wurde; vgl. die Nachweise bei UZe, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2. Auflage 1961, § 42 Anm. III 1 c S.127. 44 Beschluß vom 8. 6. 1960 E Bd. 11 S. 168 ff.

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fällen - verschiedene Entscheidungen der Verwaltungsbehörde rechtlich möglich machte. Diese Frage hat in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, insbesondere der obersten Verwaltungsgerichte der Länder und des Bundesverwaltungsgerichts, nicht stets dieselbe Antwort gefunden. Bachof hat auf der Augsburger Tagung der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer im Jahre 1975 gemeint45, daß nach 1945 eine Wellenbewegung stattgefunden habe: "Einmal eine Intensivierung des Verwaltungsrechtsschutzes, eine Zurückdrängung aller ... Ermessens- oder sonstiger Freiräume der Verwaltung; dann wieder eine stärkere Betonung der Eigenständigkeit der Verwaltung oder Anerkennung jener Freiräume: ein Auf und Ab." Ich bin diesen Ausführungen mit dem Bemerken entgegengetreten46 , daß ich Bachof zustimmen könnte, wenn er mit seiner Feststellung lediglich die Lehre im Auge habe. Die im Jahre 1955 entwickelten Theorien vom Beurteilungsspielraum und von der Vertretbarkeit hätten auf die Rechtsprechung, vor allem auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, nur in einem sehr beschränkten Maße Einfluß gehabt. Das kann ich hier nicht näher ausführen. Hervorzuheben ist jedoch, daß die Auseinandersetzung um die Anwendung unbestimmter Begriffe in Verwaltungsgesetzen durch das Bundesimmissionsschutzgesetz mit seinen zahlreichen unbestimmten Begriffen neuen Auftrieb und eine bis dahin nicht gekannte praktische Bedeutung erhalten hat. Das bekannte Urteil des OVG Münster im Falle des Kohlekraftwerks Voerde vom 6./7. Juli 1976 47 hat ausdrücklich erklärt, daß die in § 5 Nr.1 BlmSchG enthaltenen Tatbestandsmerkmale (schädliche Umwelteinwirkungen usw.) als unbestimmte Rechtsbegriffe ohne Beurteilungsspielraum anzusehen und verwaltungsgerichtlich voll nachprüfbar seien. Die schriftliche Begründung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Februar d. J. in der gleichen Sache liegt noch nicht vor 47a • Ob dieses Urteil in der Auseinandersetzung um die Anwendung unbestimmter Begriffe in Verwaltungsgesetzen einen Markstein darstellt, läßt sich daher noch nicht übersehen47b • VVDStRL Heft 34, 1976, S. 275 ff. a.a.O. S. 310. 47 BauR 1976 S. 331 ff. = DVBl. 1976 S. 790 ff. = GewArch. 1976 S. 391 ff. = NJW 1976 S. 2360 ff. 47a Inzwischen ist das Urteil veröffentlicht worden: BauR 1978 S. 201 ff. = DVBl. 1978 S. 591 ff. = NJW 1978 S. 1450 ff. = GewArch. 1978 S. 237 ff. 47b Diese Frage ist nach Vorliegen der Urteils gründe zu verneinen. In ihnen heißt es lapidar: "Ob im einzelnen Fall die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind und ob insbesondere die in Rede stehenden Immissionen geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen, unterliegt, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, uneingeschränkter verwaltungs45

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Daß es sich bei der hier angesprochenen Frage nach den Grenzen der gerichtlichen Nachprüfung unbestimmter Begriffe wie bei der Frage nach den Grenzen der Ermessenskontrolle um eine Frage handelt, mit der sich auch der Gesetzgeber auseinandersetzen muß, läßt sich nicht verkennen. Schon vor dem Erlaß der Verwaltungsgerichtsordnung hatte der Innenausschuß des Bundesrates vorgeschlagen, eine Vorschrift in das Gesetz aufzunehmen, durch die die gerichtliche Nachprüfung der Anwendung unbestimmter Begriffe eingeschränkt werden sollte 48 • Die vorgeschlagene Vorschrift war schon in ihrer Fassung unklar. Sie lautete: "Ist die Verwaltungsbehörde durch einen unbestimmten Gesetzesbegriff eingeschränkt oder gebunden, so liegt Rechtswidrigkeit nur insoweit vor, als die Beurteilung dieser Begriffe dem Sinn des Gesetzes widerspricht." Sie wurde deshalb sowohl von der Vereinigung der Verwaltungsgerichtspräsidenten 49 als auch von der Gemischten Kommission (aus Zivilprozeßrechtslehrern und Verwaltungsrechtslehrern)50 abgelehnt. Diese faßte dazu folgende Entschließung, die auch heute ihre Bedeutung noch nicht eingebüßt hat: "Die Auslegung der Gesetzesbegriffe, gleichgültig, ob sie mehr oder minder bestimmt sind, kann dem Richter nicht entzogen werden. Jede Beschränkung der Auslegung würde gegen rechtsstaatliche Grundsätze (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) verstoßen. Soweit die Auslegung eines unbestimmten Begriffs ergibt, daß den Verwaltungsbehörden ein Beurteilungsspielraum ein gel"äumt ist, ist die Anwendung des Begriffes, die sich innerhalb dieses Spielraums hält, der verwaltungsgerichtlichen Korrektur entzogen. Indessen sind derartige problemreiche Fragen der Rechtsmethodik einer Regelung durch den Gesetzgeber nicht zugänglich, zumal jede generalisierende Einräumung auf diesem Gebiet Gefahr läuft, zu verfassungsrechtlichen Vorschriften (insbesondere Art. 3, Art. 19 Abs.4, Art. 20 Abs. 3 GG) in Widerspruch zu geraten." Der Gesetzgeber der Verwaltungsgerichtsordnung hat sich an diese Empfehlung gehalten. Dagegen ist der Gesetzgeber des Kartellgesetzes rechtlicher überprüfung ... Zu Recht und mit zutreffender Begründung lehnen der Beklagte und der Oberbundesanwalt die Meinung der Beigeladenen ab, aus dem ... Senatsurteil vom 16. Dezember 1971 (BVerwGE 39, 197) folgte die Anwendbarkeit der sog. Vertretbarkeitslehre in Grenzfällen, in denen sich darüber streiten lasse, ob die Umwelteinwirkung noch unschädlich oder schon schädlich ist." 48 Vgl. Ule, Ermessen und unbestimmter Rechtsbegriff, DVBl. 1955 S. 148 f. Schon vorher hatte Schunck, RiA 1954 S. 28 ff., 30 eine ähnliche Vorschrift vorgeschlagen: "Insoweit ein Verwaltungsakt auf einem unbestimmten Rechtsbegriff beruht, hat das Gericht zu prüfen, ob die dem Begriff innewohnenden Grenzen eingehalten sind." 49 Vgl. Groß, Im Spannungsfeld von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, DVBl. 1954 S. 739 ff. 50 Vgl. Ule, a.a.O.

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schon im Jahre 195751 dem Vorbild des Vertrages über die Montangemeinschaft (Art. 33 Abs. 1 Satz 2)52 gefolgt und hat in § 70 Abs. 4 Satz 2 die Würdigung der gesamtwirtschaftlichen Lage und Entwicklung der Nachprüfung des Gerichts entzogenij3. Diese Regelung bleibt aber hinter der vom Innenausschuß des Bundesrates vorgeschlagenen Einschränkung der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung weit zurück. Der Koordinierungsausschuß hat dieser Frage keine besondere Beachtung geschenkt. In der Begründung zu § 139 E54 finden sich nur zwei Sätze: "Der Ausschuß hat die Frage erörtert, ob die Nachprüfung unbestimmter Rechtsbegriffe in § 139 mitgeregelt werden sollte. Er spricht sich dafür aus, von einer solchen Regelung abzusehen und die Beurteilung damit zusammenhängender Fragen wie bisher der Rechtsprechung zu überlassen." Damit wird auch nach Erlaß der Verwaltungsprozeßordnung - wenn der Gesetzgeber, wie zu erwarten ist, insoweit dem Entwurf folgen sollte - das Verhältnis zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht vom Gesetzgeber, sondern von der Verwaltungsgerichtsbarkeit bestimmt werden. Dieses Ergebnis ist trotz aller Bedenken gegen die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die hier nicht dargelegt werden können 55 , zu billigen. Nach wie vor stehe ich zu meinen schon im Jahre 1955 ausgesprochenen Worten, daß der Gesetzgeber nicht dazu berufen ist, methodische Fragen der Rechtsfindung durch einen Machtspruch zu entscheiden. Trotzdem kann niemand verkennen, daß die Frage der gerichtlichen Nachprüfung der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe das Verhältnis zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, zwischen Verwaltungsverantwortung und gerichtlicher Kontrolle, ebenso maßgebend bestimmt wie die Frage der gerichtlichen Kontrolle von Ermessensentscheidungen. Der Prozeß um die Errichtung des Kohlekraftwerks Voerde war das letzte Beispiel für die große Bedeutung dieser Frage. Der Umstand, daß die Entscheidung über das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit - solange eine gesetzliche Regelung fehlt - ausschließlich bei den Gerichten liegt, daß die Gerichte also in dieser Auseinandersetzung mit der Verwaltung das letzte 51 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen i. d. F. vom 4.4.1974 (BGBl. I

S.870).

52 BGBl. 1952 II S.445. 53 Vgl. ure, Der Gerichtshof der Montangemeinschaft als europäisches Verwaltungsgericht, DVBl. 1952 S. 65 ff., 69; dens., Verwaltungsgerichte überstaatlicher und internationaler Organisationen, DVBl. 1953 S. 491 ff., 496. 54 a.a.O. S.307. 55 Vgl. zuletzt meine Abhandlung "Bundes-Immissionsschutzgesetz und Vertretbarkeitslehre", GewArch. 1977 S. 80 ff. mit weiteren Nachweisen.

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Wort und damit, wie Walter Jellinek es einmal ausgedrückt hat 56 , "die Macht zum maßgeblichen Irrtum" haben, sollte zu einer weisen Selbstbeschränkung der Gerichte führen. Dieser von mir noch als Verwaltungsrichter vor 23 Jahren gegebene Rat ist heute - wenn man sich die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu Fragen des Atomrechts und des Immissionsschutzrechts vergegenwärtigt - so aktuell wie damals, findet allerdings kaum noch Gehör. Auch Fritz Werners 1957 ausgesprochene Mahnung an die Verwaltungsrichter, "sich zurückzuhalten und kein Diktat der Besserwisserei zu betreiben"57, stößt mehr und mehr auf taube Ohren.

5. Das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit wird aber auch durch die Ausgestaltung des vorläufigen Rechtsschutzes bestimmt. Das geltende Recht gibt der Verwaltungsbehörde die Befugnis, die sofortige Voll ziehung eines Verwaltungsaktes im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten (§ 80 Abs. 2 Nr.4 VwGO) trotz der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage (§ 80 Abs. 1 VwGO) anzuordnen. Allerdings hat das Gericht in dieser Auseinandersetzung zwischen Kläger und Verwaltungsbehörde um die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts das letzte Wort. § 80 Abs. 5 VwGO gibt dem Gericht der Hauptsache die Befugnis, trotz Anordnung der sofortigen Voll ziehung des Verwaltungsakts die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wieder herzustellen. Nach der jahrzehntelang anerkannten Rechtslehre und Rechtsprechung galt dafür der Grundsatz, daß die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in erster Linie nicht von den Erfolgsaussichten der Klage, sondern von einer Abwägung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des belastenden Verwaltungsakts und dem privaten Interesse des Klägers an der aufschiebenden Wirkung der Klage abhängt. Die Erfolgsaussichten der Klage spielten nur insofern eine Rolle, als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts in der Regel bejaht wurde, wenn die Anfechtungsklage offensichtlich aussichtslos war, daß es dagegen verneint wurde, wenn die Anfechtungsklage offensichtlich begründet war, weil es niemals im öffentlichen Interesse liegen kann, daß ein Verwaltungsakt, der offensichtlich keinen Bestand haben kann, vollzogen wird. Halten sich Erfolgs- und Mißerfolgsaussichten der Anfechtungsklage auch nur annähernd die Waage, so kam es nach dieser Auffassung nur darauf an, ob das öffentliche Interesse oder das überwiegende Interesse eines Beteiligten (bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung des Begünstigten) die sofortige Vollziehung gebietet. Die Entscheidung des Gerichts richtete sich dann nach denselben Maßstäben, die auch für die Anordnung 56 Verwaltungsrecht, 3. Auflage 1931 S.55. 57 Zur Kritik an der Verwaltungs gerichtsbarkeit, DVBl. 1957 S. 221 ff., 226.

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der Verwaltungsbehörde über die sofortige Vollziehung maßgeblich war. Das Gericht überprüfte in seiner Entscheidung lediglich die Begründetheit der von der Verwaltungsbehörde angeordneten sofortigen Vollziehung; es trat in eine Prüfung der Erfolgsaussichten der Klagevon den angeführten Ausnahmen abgesehen - nicht ein. Der - ungewisse, u. U. von der Klärung schwieriger Rechtsfragen oder einer umfangreichen Beweisaufnahme abhängige - Ausgang des Prozesses war für die Entscheidung des Gerichts ohne Bedeutung. Das gab der Anordnung der Verwaltungsbehörde über die sofortige Vollziehung, wenn sie durch das öffentliche Interesse oder das überwiegende Interesse eines Beteiligten geboten war, eine selbständige Bedeutung. Der Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung (§ 150) hat an diesem Grundsatz, soweit er sich nicht auf Verwaltungsakte mit Doppelwirkung bezieht, festgehalten. Für Verwaltungsakte mit Doppelwirkung sieht allerdings § 152 Abs.1 EVPO vor, daß der außergerichtliche Rechtsbehelf und die Anfechtungsklage eines Dritten gegen den an einen andern gerichteten Verwaltungsakt keine aufschiebende Wirkung haben. Jedoch kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs und der Anfechtungsklage anordnen und die Behörde verpflichten, zur Sicherung der Rechte des Dritten einstweilige Maßnahmen zu treffen (§ 152 Abs.3 Satz 1 EVPO). Die künftige Regelung verkehrt also den Grundsatz des § 80 Abs. 1 VwGO (= § 150 EVPO) für Verwaltungsakte mit Doppelwirkung in sein Gegenteil. Bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung braucht die Behörde die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes in Zukunft nicht mehr anzuordnen. Vielmehr muß der durch den begünstigenden Verwaltungsakt belastete Dritte an das Gericht der Hauptsache den Antrag stellen, die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Das Gericht der Hauptsache kann, wenn der Rechtsbehelf hinreichende Erfolgsaussichten hat, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs und der Anfechtungsklage anordnen. Diese Regelung mutet dem Gericht der Hauptsache eine Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage zu, allerdings nur eine summarische Prüfung. Ob hinreichende Erfolgsaussichten bestehen, muß das Gericht wie im Armenrechtsverfahren (vgl. § 166 Abs. 1 VwGO = § 195 Abs. 1 EVPO i. V. m. § 114 Abs.1 ZPO) - auf Grund einer "abgekürzten Vorprüfung" entscheiden5s • Mit ihr wäre es unvereinbar, Beweislastfragen zum Nachteil der verklagten Behörde oder des Begünstigten in die Erörterung einzubeziehen. Auch die Erhebung umfangreicher und langwieriger Beweise würde dem summarischen Charakter des Aussetzungsverfahrens widersprechen. 58

Baumbach / Lauterbach / Atbers / Hartmann, Zivilprozeßordnung, 36. Auf-

lage 1977, Anm.l zu § 118 a ZPO.

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Die vorgeschlagene Regelung ist nur auf dem Hintergrund der Meinungsverschiedenheiten verständlich, die in der Rechtsprechung seit einigen Jahren über die Frage bestehen, welche Gesichtspunkte bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO maßgeblich sein sollen, wenn Vorhaben ins Werk gesetzt werden, die praktisch nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen rückgängig gemacht werden können. Die Frage ist daher vor allem für Großvorhaben, z. B. die Errichtung von Kern- oder Kohlekraftwerken, Chemischen Fabriken, Raffinerien, Deponien usw. von Bedeutung. Auf diese Meinungsverschiedenheiten ist hier nicht näher einzugehen 59 • Der Koordinierungsausschuß hat sich jedenfalls nicht die Ansicht der Oberverwaltungsgerichte Lüneburffo und Münster 61 zu eigen gemacht, daß es in solchen Fällen nicht auf eine Interessenabwägung, sondern auf die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage ankomme, sondern ist der Auffassung des Bayerischen VGH62, des Baden-Württembergischen VGH63 und des OVG Koblenz 64 gefolgt, die sich für eine lediglich summarische Prüfung der Erfolgsaussichten ausgesprochen haben. Allerdings hat er eine solche Prüfung in allen Fällen vorgeschlagen, in denen ein Verwaltungsakt mit Doppelwirkung von dem belasteten Dritten angefochten wird, nicht nur in solchen Fällen, in denen ein Vorhaben ins Werk gesetzt worden ist, das praktisch nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen rückgängig gemacht werden kann. Mit der vorgesehenen Regelung in § 152 EVPO wird auch die von Konrad Gelzer65 geforderte Hinausschiebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung und damit einer gerichtlichen Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO bis zur Entscheidung in der Hauptsache abgelehnt. Die von Gelzer aufgestellte Forderung würde den in § 80 VwGO vorgesehenen vorläufigen Rechtsschutz als solchen preisgeben und durch Wegfall der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs.2 Nr.4 VwGO tief in das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit eingreifen. Die Verantwortung für die - effektive - Erteilung 59 Vgl. meine Abhandlung "Verantwortung der Verwaltungsgerichte für wirtschaftliches Risiko?", GewArch. 1978 S. 73 ff. 60 Beschluß v. 1. 6. 1961, Amtl. Samml. Bd. 17 S. 329 ff. = DVBl. 1961 S. 520 ff.; Beschluß v. 25.11. 1965, Amtl. Samml. Bd.21 S. 450 ff. = DVBl. 1966 S. 275 ff. 61 Beschluß vom 24. 10. 1973, Amtl. Samml. Bd. 29 S. 113 ff. = BauR 1974 S. 265 f.; Beschluß v. 31. 10. 1973, Städtetag 1974 S. 389 f. 82 Beschluß v. 22. 11. 1974, BayVBl. 1975 S. 273 ff. = DVBl. 1975 S. 199 ff. = GewArch. 1975 S. 61 ff. 63 Beschluß v. 8. 10. 1975, DVBl. 1976 S. 538 ff. 64 Beschluß v. 9.6.1976, GewArch. 1977 S. 133 ff. 65 Die sofortige Vollziehung von Genehmigungsbescheiden für industrielle Groß anlagen und Kernkraftwerke, BauR 1977 S. 1 ff.

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einer baurechtlichen oder gewerberechtlichen Genehmigung würde nicht mehr bei der Verwaltungsbehörde, sondern bei dem Verwaltungsgericht liegen, da erst nach einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache zugunsten des Antragstellers die Anordnung der sofortigen Voll ziehung nach § 80 Abs.2 Nr.4 VwGO zulässig sein soll. Die Gerichte würden damit eine Verantwortung in Anspruch nehmen, die nach der verfassungsrechtlichen Ordnung des Verhältnisses von Verwaltung und Gerichten der Verwaltung zukommt. Diese Feststellungen gelten auch für die Regelung in § 152 EVPO, die für alle Verwaltungsakte mit Doppelwirkung gelten soll, also auch für Vorhaben, denen keine besondere wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Die Begründung zu § 152 EVP066 trägt die Abkehr von einer langjährigen Rechtsprechung nicht. Den Satz der Begründung: "Der schiedsrichterlichen Funktion der Verwaltungstätigkeit, die dann deutlich wird, kann eine reine Interessenabwägung, auch der privaten Interessen, nicht gerecht werden", vermag ich nicht nachzuvollziehen Von einer schiedsrichterlichen Funktion der Verwaltungstätigkeit kann bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung oder einer gewerberechtlichen Genehmigung, bei der die Verwaltungsbehörde an den gesetzlichen Tatbestand für die Erteilung der Genehmigung rechtlich gebunden ist, doch keine Rede sein. Die Genehmigungsbehörde entscheidet nicht einen Rechtsstreit zwischen dem Antragsteller und dem Dritten, sondern hat bei ihrer Entscheidung das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Genehmigung mit den Interessen des belasteten Dritten abzuwägen. Auf jeden Fall wird in das Verhältnis zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die vorgeschlagene Regelung des § 152 EVPO dadurch zuungunsten der Verwaltung eingegriffen, daß die Entscheidung über die Vollziehung des Verwaltungsakts nicht mehr nach einer Interessenabwägung, sondern nach einer Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage ergehen soll. Damit verliert die Entscheidung über die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Verwaltungsbehörde ihre bisherige selbständige Bedeutung. Der Gesetzgeber sollte daher bei der Beratung des Entwurfs einer Prozeßordnung noch einmal bedenken, ob die in § 152 EVPO vorgesehene Regelung in ihrer allgemeinen Fassung Gesetz werden soll.

6. Ein letztes Wort ist dem Instanzenzug zu widmen. Auch er ist für das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit von Bedeutung. Durch ihn wird die Dauer des Verwaltungsprozesses maßgeblich mitbestimmt. Durch eine zweite Tatsacheninstanz verlängert sich die durchschnittliche Dauer von einem Jahr um etwa eineinhalb 66

a.a.O. S. 332 f.

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Jahre67 • Kommt der Prozeß noch in die Revisionsinstanz, so ist mit einer weiteren Verlängerung um etwa zwei Jahre zu rechnen. Ein durch drei Gerichtsinstanzen geführter Prozeß dauert daher in der Regel etwa vier bis fünf Jahre. Selbst ein für die Allgemeinheit und alle Beteiligten so bedeutsamer Prozeß wie der Rechtsstreit um die Errichtung des Kohlekraftwerks Voerde hat von seinem Beginn (Klageerhebung am 15.1.1975) bis zur Verkündung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts (am 17. Februar 1978) über drei Jahre gedauert, obwohl die Gerichte diesem Verfahren offensichtlich einen zeitlichen Vorrang vor bereits anhängigen Prozessen eingeräumt haben und alle Beteiligten die Gerichte in ihrem Bemühen um Beschleunigung des Verfahrens unterstützt haben. Während dieser drei Jahre konnte die Antragstellerin von der ihr erteilten Genehmigung keinen Gebrauch machen, und selbst die Bundesregierung erklärte Pressemeldungen zufolge, daß sie die Arbeit an der in Aussicht genommenen 2. Novelle zum Bundesimmissonsschutzgesetz solange ruhen lassen werde, bis die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vorliege. Natürlich können alle Beteiligten eines Prozesses durch seine Dauer benachteiligt werden. Ein Interesse an einer langen Prozeßdauer kann aber der Anfechtungskläger haben, der die Vollziehbarkeit des ihn belastenden oder einen Dritten begünstigenden Verwaltungsaktes möglichst lange hinauszögern möchte. Für die Verwaltungsbehörde als Beklagte geht es dagegen in vielen Fällen nicht nur um die Herbeiführung der Vollziehbarkeit des von ihr erlassenen Verwaltungsaktes, sondern auch um die Bedeutung, die der in diesem Prozeß zu klärenden Rechtsfrage für zahlreiche gleichgelagerte Fälle zukommt. Die Unsicherheit, die während der Dauer eines solchen Prozesses besteht, muß daher die Aktivität der Verwaltung zwangsläufig lähmen. Sie kann den Auftrag zum Vollzug der Gesetze in bestimmten Bereichen nicht mehr erfüllen. Das Problem des Instanzenzuges in der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist so alt wie die nach 1945 errichtete neue Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Weichen für einen dreistufigen Instanzenzug wurden endgültig in die seitdem eingeschlagene Richtung gestellt, als 1949 in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein Oberverwaltungsgerichte errichtet wurden und damit die in Aussicht genommene Bildung verwaltungsrechtlicher Senate bei dem Obersten Gerichtshof für die britische Zone in Köln als Revisionsinstanz vereitelt war. Eine solche zoneneinheitliche Regelung hätte jedenfalls in der britischen Zone zu einer Zweistufigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit geführt und damit vielleicht die spätere Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland 67 Vgl. UZe, Rechtstatsachen zur Dauer des Verwaltungs-(Finanz-)Prozesses, 8chriftenreihe der Hochschule 8peyer Bd.69, 1977, 8.170 f.

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beeinflußt. Eine zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit mit nur einer Tatsacheninstanz lag damals im Bereich des Möglichen. Der Bundesgesetzgeber hat mit der Verwaltungsgerichtsordnung (und dem Sozialgerichtsgesetz) eine andere Richtung eingeschlagen, obwohl Ende der 50er Jahre maßgebliche Stimmen für eine einzige Tatsacheninstanz in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit eingetreten waren 68 • Seitdem ist die Auseinandersetzung um die Zahl der Tatsacheninstanzen nicht verstummt 69 • Ob der Koordinierungsausschuß die Gründe, die für eine einzige Tatsacheninstanz sprechen, und die Modelle, die für den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dieser Voraussetzung aufgestellt sind, zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat, geht aus der Begründung des Gesetzentwurfs70 nicht hervor. Diese Frage soll hier auch nicht näher behandelt werden. Hervorzuheben ist lediglich, zu welchen verschiedenen Schlüssen gleiche Tatsachen führen können, in diesem Fall die Ergebnisse einer von mir im Auftrage des Bundesministers der Justiz durchgeführten Untersuchung über Rechtstatsachen zur Dauer des Verwaltungs-(Finanz-)Prozesses 71 • Sie besagen, daß im Verwaltungsprozeß zweiter Instanz in 24,3 v.H. aller Fälle eine Beweisaufnahme stattgefunden hat, in 4,6 v.H, aller Fälle wegen neuer Behauptungen oder neuer Beweismittel, und daß wegen neuer Beweise Urteile der ersten Instanz in 8,7 v.H. (= 3 v.H. aller Fälle) geändert worden sind 72 • Diese Zahlen liegen erheblich unter den entsprechenden Zahlen für den Zivilprozeß beim Oberlandesgericht. Ich habe aus diesen Zahlen die Schlußfolgerung gezogen, daß die Tatfrage im Berufungsverfahren vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten eine größere Rolle spielt als in Berufungsverfahren vor den Oberverwaltungsgerichten (Verwaltungsgerichtshöfen)13 und daß die zweite Instanz im Verwaltungsprozeß in % aller Fälle nicht die Bedeutung einer zweiten Tatsacheninstanz, sondern einer Revisionsinstanz hat 74 • Die Begründung für den Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung setzt die Schwerpunkte anders. Sie meint, diese Zahlen zeigten, daß die zweite Instanz 68 Vgl. Bericht der Sachverständigenkommission für die Vereinfachung der Verwaltung, 1960, S. 66 ff., 155 ff. 69 Vgl. UZe, Verwaltungsreform als Verfassungsvollzug, in: Recht im Wandel, 1965, S. 53 ff., 57 f.; Schmidt, Die Besetzung der Richterbank II, in: Zehn Jahre Verwaltungsgerichtsordnung, S. 85 ff., 94; J. Martens, Entwicklungstendenzen im Verwaltungsprozeßrecht, ZRP 1977 S. 209 ff., 211; MaetzeZ, Instanzenverkürzungen im Verwaltungsprozeß?, DÖV 1977 S. 626 ff.; Kopp a.a.O. S. 524 f. 70 a.a.O. S. 101 ff. 71 Vgl. Anm.67. 72 a.a.O. S. 195, 217. 73 a.a.O. S.217. 74 a.a.O. S. 218.

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in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit in einem erheblichen Teil der Fälle Tatsacheninstanz seFs. Das letzte Wort über die Aufrechterhaltung oder Beseitigung der zweiten Tatsacheninstanz in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit ist mit diesen Zahlen natürlich nicht gesprochen. Es kann schon deshalb nicht gesagt sein, weil ungewiß ist, ob die neuen Behauptungen oder Beweismittel, die in der zweiten Tatsacheninstanz vorgebracht worden sind, nicht in der einzigen Tatsacheninstanz vorgebracht worden wären, wenn es nur eine solche einzige Tatsacheninstanz gegeben hätte. M. a. W.: Die Statistik gibt keine Auskunft darüber, aus welchen Gründen die neuen Behauptungen oder Beweismittel erst in der zweiten Tatsacheninstanz vorgebracht worden sind und ob sie nicht bereits in der ersten Instanz hätten vorgebracht werden können. Erst eine solche Untersuchung würde ein wirklich abschließendes Urteil über die Bedeutung einer zweiten Tatsacheninstanz erlauben. Solange sie fehlt und sie würde schwierige überprüfungen der in Betracht kommenden Akten durch erfahrene Sachkenner voraussetzen - stellen die ermittelten Zahlen kein überzeugendes Argument für die Aufrechterhaltung einer zweiten Tatsacheninstanz dar. Im Zusammenhang mit diesen Erörterungen muß noch ein allerletztes Wort zu der Frage gesagt werden, ob nicht jedenfalls in Prozessen von besonderer Bedeutung auf eine Tatsacheninstanz verzichtet werden sollte. Man denkt für Prozesse über die Errichtung von Kernkraftwerken oder Kohlekraftwerken oder ähnliche Vorhaben an den Wegfall der ersten Tatsacheninstanz. Diese Prozesse sollen beim Oberverwaltungsgericht beginnen. Der Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung hat eine solche Lösung nicht in Erwägung gezogen. Er sieht (in § 157) lediglich für "Fälle minderer Bedeutung"76 anstelle der zulassungsfreien die zulassungsgebundene Berufung vor. Grundsätzlich ist gegen die Verkürzung des Instanzenzuges in Prozessen von besonderer Bedeutung einzuwenden, daß es sinnwidrig erscheint, den zweistufigen Tatsacheninstanzenzug gerade in tatsächlich und rechtlich besonders schwierigen Rechtsstreitigkeiten auf eine Tatsacheninstanz zu reduzieren. Das Verfahren in Flurbereinigungssachen kann hier schwerlich als ein Präjudiz gelten, da die Flurbereinigungssenate bei den Oberverwaltungsgerichten durch ihre Besetzung (§ 139 FlurbereinigungsG) und ihre Zuständigkeit (§§ 144, 146 FlurbereinigungsG) aus dem Rahmen der allgemeinen Verwaltungsgesetzbarkeit herausfallen. Auch kann die Zuständigkeit der Flurbereinigungssenate nach §§ 144, 146 FlurbereinigungsG zur Entscheidung 75 a.a.O. S. 101 f. 76 a.a.O. S. 342.

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auch über die Zweckmäßigkeit des angefochtenen Bescheides mit Sicherheit nicht auf andere Rechtssachen übertragen werden. Wohl aber ließe sich an eine Besetzung der Oberverwaltungsgerichte als einziger Tatsacheninstanz mit besonders sachverständigen Richtern denken77 • M. E. kämen dafür jedoch nicht Berufsrichter, sondern nur die ehrenamtlichen Richter in Betracht. Gegen die Heranziehung sachkundiger Personen als ehrenamtliche Richter in den hier in Betracht kommenden Prozessen lassen sich vor allem praktische Bedenken erheben, die hier nicht im einzelnen erörtert werden können. Grundsätzlich ist zu bemerken, daß der Sachverständige auf der Richterbank kein Problem nur des Verwaltungsprozesses ist. Der Gesetzgeber kann diese Frage daher nicht beantworten, ohne einen Blick auf die ordentliche Gesetzbarkeit zu werfen, wo bestimmte Prozesse, wie Kraftfahrzeugprozesse, Bauprozesse usw., die gleichen Probleme aufwerfen. IH. Ich fasse das Ergebnis meiner überlegungen zusammen: Für das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit sind folgende durch den Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung aufgeworfenen Fragen von besonderer Bedeutung: 1. Die Qualifikation zum Verwaltungsrichteramt,

2. die Einführung des Einzelrichters, 3. die Ablehnung der Popularklage, 4. die Unzulässigkeit einer Zweckmäßigkeitskontrolle des Ermessens, 5. das Problem der Verbandsklage, 6. die gerichtliche Nachprüfung der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe in Verwaltungs gesetzen, 7. der vorläufige Rechtsschutz bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung, 8. die zweite Tatsacheninstanz. Die Beantwortung dieser Fragen und die Lösung der durch sie aufgeworfenen Probleme darf nicht nur unter dem Gesichtspunkt erfolgen, die Rechtsschutzinteressen des Bürgers gegenüber der Verwaltung bestmöglich zu befriedigen. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit dient nicht nur dem Bürger, sondern auch der Verwaltung. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit muß daher so aufgebaut und eingerichtet sein, daß auch die berechtigten Belange der Verwaltung gewahrt bleiben. 77 Vgl. hierzu Rudolph, Möglichkeiten und Grenzen einer sachkundigen Besetzung der Richterbank, JZ 1975 S. 360 ff.

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Diese Stellung zwischen dem einzelnen und der Verwaltung unterscheidet die Verwaltungsgerichtsbarkeit von der ordentlichen Gerichtsbarkeit, die einen zwar "gleichwertigen" oder "gleichrangigen", aber nicht " gleichartigen " Zweig der Gerichtsbarkeit darstellt7 8 • Diese Verschiedenartigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit verbietet es, Regelungen innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit, die durch deren Eigenart begründet sind, auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu übertragen. Das gilt etwa von der Qualifikation zum Richteramt und von der Einrichtung des Einzelrichters. Probleme der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die in der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht bestehen, sind die Auseinandersetzungen um die Popularklage, die Verbandsklage und die Zweckmäßigkeitskontrolle. Ihre Einführung würde aber das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit grundlegend ändern und die Verwaltungsgerichte zu einer Art "Oberverwaltungsbehörde"79 machen. Auch die gerichtliche Nachprüfung der Anwendung unbestimmter Begriffe in Verwaltungsgesetzen kann nicht nach dem Vorbild der ordentlichen Gerichtsbarkeit geregelt werden. Dem steht der Umstand entgegen, daß die Verwaltungsgerichte nicht den Streit zwischen zwei rechtlich gleichgeordneten Parteien entscheiden, sondern über die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen einer Verwaltungsbehörde, die durch das Grundgesetz (Art. 20 Abs.3) an Gesetz und Recht gebunden ist8o • Ebenso bedenklich erscheint es mir, für die Verwaltungsgerichtsbarkeit den dreistufigen Instanzenzug in der Zivil gerichtsbarkeit (Landgericht, Oberlandesgericht, Bundesgerichtshof) zum Vorbild zu nehmen, weil dabei unberücksichtigt bleibt, daß dem Verwaltungsprozeß in der Regel ein ein- oder zweistufiges Verwaltungsverfahren vorausgeht. Auch der vorläufige Rechtsschutz bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung darf nicht nur an den Interessen des betroffenen Dritten ausgerichtet sein, sondern muß auch der Verantwortung der Verwaltung und den Interessen des begünstigten Antragstellers gerecht werden. Lassen Sie mich schließen mit zwei Sätzen, die ich vor 25 Jahren in meinem Referat über "Die künftige Verwaltungsordnung"81 an dieser Hochschule gesagt habe: "Die Verwaltungsgerichtsbarkeit bedarf nicht nur des Vertrauens der Bevölkerung, die bei den Verwaltungs gerichten Schutz gegen Rechtsverletzungen durch die Verwaltungsbehörden sucht, sondern auch des Vertrauens der Verwaltung, deren Maßnahmen von 78 Vgl. UZe, Die künftige Verwaltungs gerichtsordnung, a.a.O. S.685. 79 Nach einem Ausdruck von Fritz Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, 8. Auflage 1928, S.258. 80 Diesen Gedanken habe ich seit mehr als 20 Jahren immer wiederholt, leider ohne viel Erfolg. Vgl. schon meinen Beitrag "Zur Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe im Verwaltungsrecht", in: Gedächtnisschrift für Walter Jellinek, 1955, S. 309 ff., 325 f. 81 a.a.O. S. 684.

Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit

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den Verwaltungsgerichten auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden. Jedes Gericht bedarf des Vertrauens beider Parteien, die vor ihm um den Bestand ihrer (subjektiven) Rechte und damit um die Geltung des (objektiven) Rechts kämpfen."

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Grundsätze des Entwurfs einer Verwaltungsprozef3ordnung Von Jens Meyer-Ladewig Zwei Entwürfe sind es, welche die seit so langer Zeit von Wissenschaft und Praxis geforderte Vereinheitlichung des Prozeßrechts auf entscheidende Weise gefördert haben: Der in diesem Hause unter der wissenschaftlichen Leitung meines Vorredners, Professor UZe, ausgearbeitete Entwurf eines Verwaltungsgerichtsgesetzes und der darauf aufbauende Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung, den in seinen Grundzügen hier vorzustellen meine Aufgabe ist. Einige allgemeine Bemerkungen dazu möchte ich voranstellen: Der kürzlich veröffentlichte Entwurf der Verwaltungsprozeßordnung ist ein Kommissionsentwurf, der Entwurf nämlich des von der Bundesregierung eingesetzten Koordinierungsausschusses zur Vereinheitlichung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und des Sozialgerichtsgesetzes. Der Kommissionsentwurf wird die Grundlage sein für den Regierungsentwurf, der - so ist es geplant - noch in dieser Legislaturperiode den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet werden soll. Das neue einheitliche Prozeßgesetz wird einen wesentlichen Einschnitt in der Geschichte des Verwaltungsprozesses in Deutschland bedeuten. Das Gesetzgebungsvorhaben ist deswegen von besonderer Bedeutung. Das gilt insbesondere dewegen, weil die Vorbereitung des Entwurfs in eine Zeit fällt, die für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in weiterem Sinne aus verschiedenen Gründen kritisch ist. Der eine Grund dafür ist, daß die Belastung insbesondere der Verwaltungs- und der Finanzgerichte in den letzten Jahren erschreckend angewachsen ist, auf eine Weise angewachsen, die fraglich sein läßt, ob eine Verwaltungsgerichtsbarkeit in der bisher gekannten Weise und in dem bisherigen auch organisatorischen Umfang in Zukunft ohne Einschränkungen möglich sein wird. Ein anderer Grund ist, daß in letzter Zeit zunehmend die Frage nach dem Standort der Verwaltungsgerichtsbarkeit in unserem Staatswesen gestellt wird, nach der Legitimation für gerichtliche Entscheidungen mit weittragender, ja fundamentaler ökonomischer, ökologischer, arbeitsmarktpolitischer Bedeutung. Wenn es auch den Juristen nicht schwerfällt, den Standort der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Verfassungswirklichkeit unseres Staatswesens zu bestimmen, bleibt doch die Frage, ob nicht bestimmte, für unser Gemeinwesen grundlegende Entscheidungen besser vom Gesetzgeber getroffen werden

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sollten und nicht von den Gerichten - ich denke besonders an den Bereich des Atomrechts. Darüber hinaus deuten manche Zeichen darauf hin, daß sich die rechtspolitischen Perspektiven verschieben. Man könnte beinahe das Gefühl haben, daß sich auf bestimmten Gebieten die grundlegenden Rechtsauffassungen, sozusagen die herrschende Rechtsmoral im Sinne von Zippelius 1 oder der Konsens der Rechtsdenkenden unserer Zeit, wie Wieacker 2 formuliert, daß sich diese gemeinsame Basis der Rechtsauffassungen auf einigen Gebieten erkennbar zu wandeln beginnt. Wird das Prozeßrecht in einer auf diese Weise kritischen Entwicklungsphase auf eine neue Grundlage gestellt, ergibt sich der Zwang, die Grundentscheidungen des Prozeßrechts neu zu überdenken. Das ist die Chance des Entwurfs. Aber das ist auch seine Gefahr. Ein Regierungsentwurf kann sich in dieser Situation nicht auf eine bloße Vereinheitlichung beschränken, wie es der Speyerer Entwurf noch konnte. Das ist deutlich. Es haben sich neue Bedürfnisse ergeben. Das geltende Recht hat zum Teil Zweifelsfragen aufgeworfen, die von der Rechtsprechung nicht einheitlich gelöst werden konnten, die also zu einer Rechtsunsicherheit geführt haben - ich denke zum Beispiel an den einstweiligen Rechtsschutz bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung. Hier ist ein klares Wort des Gesetzgebers sinnvoll, auch wenn es gerade bei dieser Frage ganze juristische Bibliotheken zu Makulatur macht. Aber auch wo die Lücken nicht fühlbar geworden sind, weil die Rechtsprechung das Verfahrensrecht "aus seinem Bezug auf die Zeit seiner Entstehung sozusagen herausgehoben und zur Gegenwart hin gedanklich weitergeführt" hat, wie Gerhart HusserP es formuliert hat, ist es hier und da an der Zeit, in der Rechtsprechung entwickelte Institute nach kritischer Bestandsaufnahme in Rechtsnormen zu transformieren, um damit einen neuen Kristallisationspunkt zu geben für den ständigen Prozeß der Normgebung durch Normanwendung 4• Der Koordinierungsausschuß hat seinen Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung auf der Grundlage des sogenannten Speyerer Entwurfs eines Verwaltungsgerichtsgesetzes in mehr als fünf Jahre dauernder und sehr intensiver Beratung ausgearbeitet. Auf die Entwicklungslinien, die zu dem Entwurf hinführen, möchte ich hier nicht näher eingehen. Ich kann mich auf den Hinweis beschränken, daß der Deutsche Bundestag die Bundesregierung mit Beschluß vom 29. November 19565 aufgefordert hat, den Entwurf einer Prozeßordnung vorzulegen, Wertungsprobleme im System der Grundrechte, 1962, S. 150. Gesetz und Richterkunst, 1957. 3 Recht und Zeit, 1955, S.26. 4 Vgl. Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, 3. Auflage, 1974 S. 7, 192. 6 Drucksache 2435, Stenografische Berichte II S. 9632 f. 1

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die das Verfahrensrecht vereinheitlicht. Der Bundestag ging damals noch von einem wesentlich größeren Rahmen der Vereinheitlichung aus und bezog die ZPO und das Arbeitsgerichtsgesetz mit ein. Die Bundesregierung hat im November 1968 durch Kabinettsbeschluß einen Koordinierungsausschuß eingesetzt zur Erarbeitung einheitlicher Grundsätze für die Gestaltung einer künftigen Vereinheitlichung nunmehr nur noch der drei öffentlich-rechtlichen Prozeßordnungen. Diesem Koordinierungsausschuß - später als interministerieller Ausschuß bezeichnet - gehörten nur Vertreter der beteiligten Bundesressorts an, nämlich der Bundesministerien der Justiz, für Arbeit und Sozialordnung, der Finanzen und des Innern. Der Koordinierungsausschuß ist im Juli 1970 durch den Bundesminister der Justiz erweitert worden um je einen Richter des Bundesverwaltungsgerichts, des Bundesfinanzhofs und des Bundessozialgerichts, je zwei Richter der Landesgerichte aus jedem betroffenen Gerichtszweig, ein Mitglied der Anwaltschaft, eines aus den steuerberatenden Berufen, ein Mitglied der Gewerkschaften aus dem Kreis der in der Sozialgerichtsbarkeit zugelassenen Prozeßvertreter, ein Mitglied der Richterverbände und einen Vertreter der Wissenschaft. Der Ausschuß ist im Februar 1971 zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten und hat insgesamt 17 Sitzungen - durchweg vier Tage dauernd - und 14 Unterausschußsitzungen abgehalten. Am 22. September 1976 hat der Ausschuß den Entwurf der Verwaltungsprozeßordnung dem Bundesminister der Justiz übergeben. Im Anschluß daran ist die Begründung ausgearbeitet worden. Ein Wort noch zur Arbeitsweise des Ausschusses: Den Vorsitz hat ein Vertreter des BMJ geführt. Die Beratung ist durch zum Teil sehr eingehende Referate der Mitglieder eingeleitet worden, wenn nicht ein Unterausschuß einen Vorschlag unterbreitet hatte. Der Ausschuß hat Ergebnisse rechtstatsächlicher Untersuchungen berücksichtigt, soweit sie vorlagen. Einzelergebnisse der von Professor ute durchgeführten Rechtstatsachenforschung zur Dauer des Verwaltungs- und Finanzprozesses, die gerade in der Schriftenreihe der Hochschule Speyer veröffentlicht ist6 , standen bereits zur Verfügung, ebenso Zahlen aus der parallelen Untersuchung für den Bereich der Sozialgerichtsbarkeit. über Anträge, den Speyerer Entwurf zu ändern, ist abgestimmt worden, wobei die Teilnehmer aus den Ministerien keine Anträge stellten und an den Abstimmungen nicht teilnahmen. überstimmte Teilnehmer hatten das Recht, abweichende Voten in den Niederschriften mit Namen notifizieren zu lassen oder namentliche Abstimmung zu beantragen. Davon ist nur in wenigen Fällen - und zwar anfangs - Gebrauch gemacht worden, insbesondere dann, wenn ein Vorschlag gegen das 6 UZe, Rechtstatsachen zur Dauer des Verwaltungs-(Finanz-)prozesses, Berlin 1977.

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Votum aller Vertreter des in erster Linie betroffenen Gerichtszweiges angenommen wurde. Die Niederschriften über die Sitzungen sind intern geblieben. Nun zu den Grundlinien des Entwurfs: Der Koordinierungsausschuß ist der Linie des Speyerer Entwurfs gefolgt und hat einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, der für die Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit geltende Vorschriften über die Gerichtsverfassung und das Verfahrensrecht enthält. Sondervorschriften für einzelne Gerichtszweige - soweit sie unabwendbar waren - sind in besonderen Paragraphen oder in besonderen Absätzen aufgeführt. Das war nur in beschränktem Umfang erforderlich. Deswegen wäre es unsinnig und dem Koordinierungsgedanken abträglich, die Vorschriften für die einzelnen Gerichtszweige auseinanderzuziehen und in jeweils besondere Gesetze einzustellen. Man wird bei der weiteren Behandlung des Gesetzentwurfs darauf zu achten haben, daß sich die Sonderwünsche weiterhin in Grenzen halten. Das wird, wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, nicht immer eine leichte Aufgabe sein. Der Entwurf sieht wie die geltenden Prozeßgesetze und auch der Speyerer Entwurf eine abschließende Regelung für die Gerichtsverfassung und das Verfahren vor. Kraft Generalverweisung und kraft besonderer Verweisung für einzelne Bereiche werden - wie bisher auch - subsidiär das GVG und die ZPO gelten. Es mag einen Augenblick verlockend sein, an eine völlig in sich geschlossene Regelung zu denken, welche ein Blättern in anderen Gesetzen nicht mehr erfordert. Dann ergäbe sich aber die Notwendigkeit, eine Fülle von Einzelfragen zu regeln, für die bisher die ZPO herangezogen werden konnte. Das Gesetz würde sehr umfangreich und schwerfällig. Der gesetzgeberische Arbeitsaufwand wäre sehr groß, weil die ZPO-Vorschriften, wollte man sie in die VwPO übernehmen, in stärkerem Umfang einer kritischen Durchsicht bedurft hätten. So wäre es schon kaum möglich gewesen, die zum Teil gravitätisch und altväterlich anmutende Fassung der ZPOVorschriften - die ja wiederum ihre besonderen Reize hat - neben die knappe und nüchterne Sprache der VwPO zu setzen. Schließlich trägt die Verschränkung der VwPO mit den Muttergesetzen, dem GVG und der ZPO, dazu bei, eine übergreifende Harmonie zu erhalten. Was die Vorschriften über die Gerichtsverfassung angeht, die wie im geltenden Recht im ersten Teil des Entwurfs angesiedelt sind (§§ 1 bis 55), ist auf folgende Grundentscheidungen hinzuweisen: Der Entwurf der VwPO sieht für alle Gerichtszweige einen dreigliedrigen Aufbau vor, nämlich einheitlich zwei Landesgerichte und ein Bundesgericht. Der Koordinierungsausschuß ist damit in dieser für die Finanzgerichtsbarkeit, aber auch für die Verwaltungsgerichtsbarkeit

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kontroversen Frage dem Vorbild der VwGO und des SGG gefolgt. Der Ausschuß hielt es dabei für notwendig, daß die Länder im Bereich der Finanzgerichtsbarkeit Vereinbarungen über gemeinsame Gerichte treffen, so daß nicht elf Oberfinanzgerichte, sondern vielleicht nur vier oder fünf Gerichte geschaffen werden müßten. Der Rechtsmittelzug soll dann einheitlich wie folgt ausgestaltet werden: Gegen die Urteile der Eingangsgerichte, also der Verwaltungsgerichte, Finanzgerichte und Sozialgerichte, soll die Berufung grundsätzlich unbeschränkt gegeben sein und eine zweite Tatsacheninstanz eröffnen. Nut bei Streitigkeiten über Geldleistungen oder darauf gerichtete Verwaltungsakte mit einem geringen Beschwerdegegenstand soll die Berufung der Zulassung durch das Eingangsgericht bedürfen (§ 157). Als Berufungssumme ist ein Betrag von DM 500,-, bei Erstattungsstreitigkeiten zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts von DM 1500,- vorgesehen. Diese Vorschrift ist inzwischen für die Verwaltungs gerichtsbarkeit in das Entlastungsgesetz für die Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit7 übernommen worden, wobei die Berufungssumme für Erstattungsstreitigkeiten im Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages auf DM 5 000,- heraufgesetzt worden ist. Ein Berufungsausschluß oder eine Berufungsbeschränkung in Sondergesetzen ist naturgemäß wie bisher möglich und insbesondere in der Verwaltungsgerichtsbarkeit praktisch. Der Koordinierungsausschuß hat erörtert, ob eine darüber hinausgehende allgemeine Berufungsbeschränkung möglich sei. Er hat es für zweckmäßig gehalten, von einer generellen und dann wohl weiter ge faßten Zulassungsregelung für die Berufung mit einer Nichtzulassungsbeschwerde zum Berufungsgericht abzusehen und stattdessen vorgeschlagen, die Möglichkeit zu eröffnen, daß das Berufungsgericht über einstimmig für unbegründet angesehene Berufungen in einem vereinfachten Verfahren ohne mündliche Verhandlung und ohne ins einzelne gehende Begründung entscheidet (§ 161). Die Revision soll wie nach geltendem Recht nicht unbeschränkt zur Verfügung stehen, sondern nur auf Zulassung durch das Instanzgericht oder, wenn Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt ist, durch das Revisionsgericht. Die Zulassungsgründe sind die herkömmlichen: grundsätzliche Bedeutung, Divergenz, Verfahrensmängel. Die Streitwertrevision der FGO ist nicht mehr vorgesehen, wohl aber eine Sprungrevision und eine Revision gegen Urteile der Eingangsgerichte bei Ausschluß der Berufung (§ 167, 168). Auch Sondervorschriften des SGG über die Beschränkung der Verfahrensrüge (§ 160 Abs.2 Nr.3) sind nicht übernommen. Man wird die Erfahrungen mit der Neufassung des SGG abwarten müssen. 7

Vom 31. 3. 1978, BGBL I S.446, Artikel 2 § 4.

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Ob Oberfinanzgerichte eingerichtet werden sollen und ob die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Rechtsmittelzug in der geltenden Form beibehalten werden sollen, werden auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren sehr streitige Fragen sein. Welche Haltung die Bundesregierung und die gesetzgebenden Körperschaften dazu einnehmen werden, ist noch nicht abzusehen. Ich möchte die bisher für und gegen die Dreigliederung sprechenden Erwägungen hier nicht im einzelnen aufzählen, sondern nur zwei neue re Gesichtspunkte ansprechen, die für den Vorschlag des Koordinierungsausschusses sprechen: Die bereits erwähnte Rechtstatsachenforschung hat ergeben, daß die Oberverwaltungsgerichte in nicht unerheblichem Umfang Tatsachengerichte sind. Die Auswertung von 1000 Berufungsakten hat zutage gefördert, daß in 24,3 Ofo der Fälle eine Beweisaufnahme stattgefunden hat (in erster Instanz nicht wesentlich mehr: 28,10f0 der Fälle). Auf die Berufung ist das angefochtene Urteil in 24,9 Ofo der Fälle ganz, in 6,10f0 der Fälle teilweise geändert worden; die Berufung hatte also in etwa 1/3 der Fälle ganz oder zum Teil Erfolg. In 14 Ofo dieser Fälle ist das erstinstanzliche Urteil wegen einer abweichenden Beweiswürdigung geändert worden, in 8,7 Ofo wegen neuer Beweise. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist in der Berufungsinstanz sogar in 52 % der Fälle Beweis erhoben worden. Das erstinstanzliche Urteil ist dort in 24,4 Ofo der Fälle geändert worden, in 21,8 Ofo dieser Fälle auf Grund neuer Beweise, in 27,5 Ofo wegen anderer Beweiswürdigung. Für die Sozialgerichtsbarkeit ergibt sich danach noch deutlicher, daß die Berufung auch in der Praxis eine zweite Tatsacheninstanz ist. Ein weiterer Gesichtspunkt gewinnt - leider - zunehmend Bedeutung, und das ist das Anwachsen der Eingänge bei den Verwaltungs- und Finanzgerichten, das Anwachsen der Rückstände, die zunehmende Dauer der Verfahren. Die Eingänge bei den Verwaltungsund Finanzgerichten sind von 1970 bis 1976 um etwa 135 Ofo angewachsen. Diese Zahlen sind erschreckend. Die Welle der Rechtsbehelfe beginnt, zu den Revisionsgerichten hochzuschlagen, auch zum Bundesverwaltungsgericht, bei dem sich die Geschäftsentwicklung bisher noch einigermaßen zufriedenstellend entwickelt hatte. Beim Bundesfinanzhof sind die Eingänge auf Grund des Entlastungsgesetzes 1975 erheblich zurückgegangen. Das Entlastungsgesetz hat die Revisionssumme befristet bis Ende 1980 auf DM 10 000,- angehoben. Jetzt wachsen die Eingänge auch dort bereits wieder an. Es ist deutlich erkennbar, daß die Wirkung des Entlastungsgesetzes abzuflachen beginnt. Daß sich das Revisionsrecht der Finanzgerichtsordnung bewährt hat, konnte man angesichts der ständigen überlastung des Bundesfinanzhofs wohl zu keinem Zeitpunkt sagen. Wenn aber die Eingänge bei den Finanzgerichten und damit deren revisible Entscheidungen noch weiter ansteigen, wird

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zunehmend fraglich, ob eine Lösung ohne als Filter dazwischengeschaltete Oberfinanzgerichte überhaupt noch möglich ist. Ob etwas anderes gelten könnte, wenn die Streitwertrevision auch bei der jetzigen Zweigliederung der Finanzgerichtsbarkeit durch eine Grundsatzrevision nach dem Muster der VwGO und des SGG abgelöst würde, ist zweifelhaft. Die bisherigen Erfahrungen zeigen jedenfalls, daß im gesetzgeberischen Raum zu einer solchen Lösung wenig Bereitschaft besteht. Nach allem wird gelten müssen, daß die Schaffung einer zweiten Tatsacheninstanz für viele finanzgerichtliche Verfahren erhebliche beschleunigende Wirkung haben würde. Das gilt für die Rechtsstreitigkeiten, die in zweiter Instanz rechtskräftig entschieden werden - die Filterwirkung einer Berufungsinstanz ist erfahrungsgemäß groß: Etwa 87 Ofo der von den Oberverwaltungsgerichten und Landessozialgerichten insgesamt erledigten Sachen gelangen nicht mehr zum Revisionsgericht. Aber auch die Revisionsverfahren könnten schneller abgewickelt werden als bisher, weil der Bundesfinanzhof nachhaltig entlastet wäre. Entschließt man sich für die Lösung des Entwurfs der Verwaltungsprozeßordnung, entstehen allerdings einige nicht einfache Folgeprobleme. Dazu gehört die sehr kontroverse Frage nach der Besetzung der Gerichte. Sie ist ohnehin auf dem Tisch. Der Gesetzgeber wird insbesondere zu entscheiden haben, ob es bei der bisherigen Kammerbesetzung in der Sozialgerichtsbarkeit bleibt sowie ob und in welchem Umfang in der Verwaltungsprozeßordnung für die Eingangsgerichte die Entscheidung durch einen Richter vorgesehen werden kann. Diese Frage würde sich bei neu geschaffenen Eingangs-Finanzgerichten naturgemäß besonders scharf stellen. Die Entscheidung des Koordinierungsausschusses folgt in der Besetzungsfrage dem Speyerer Entwurf. Die Kammern der Eingangsgerichte sollen einheitlich mit drei Richtern und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt werden (§ 4 Abs.3 VwPO; § 4 Abs. 3 Speyerer Entwurf). Das bedeutet für die Sozialgerichtsbarkeit die Umstellung von der kleinen auf die große Kammer und das bedeutet, daß die Eingangsgerichte der Finanzgerichtsbarkeit gleichfalls durch die große Kammer entscheiden sollen. Als Ausgleich für diese gerichtsorganisatorisch sehr aufwendige Regelung sieht der Entwurf in § 5 vor, daß die Kammer den Rechtsstreit durch einstimmigen Beschluß einem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen kann, wenn die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und keine wesentlichen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweist. Die Regelung ist an § 348 ZPO angelehnt. Die Entscheidung über die Zuweisung an den Einzelrichter soll unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter ergehen, es entscheidet aber dann ein Berufsrichter, nicht etwa eine kleine Kammer.

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Die Streitentscheidung durch den Einzelrichter ist ein Reizwort für den Verwaltungsprozeß. Das gilt auch für den Vorschlag, der Kammer die Möglichkeit zu geben, die Sache dem Einzelrichter zur Entscheidung zuzuweisen. Die weithin negative Einschätzung einer solchen Lösung verwundert mich. Es geht - jedenfalls für die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit - ja nicht darum, daß in jedem Fall ein Einzelrichter tätig sein soll. Gerade im Verwaltungsprozeß wird es immer Fälle geben, die nur eine Kammer entscheiden kann - das wird z. B. für atomrechtliche Genehmigungsverfahren niemand bestreiten. Es gibt aber auch Verfahren, die einfach liegen, Feld-, Wald- und Wiesenfälle ohne Breitenwirkung, die nach der einschlägigen Kammerpraxis entschieden werden können und für die eine Entscheidung eines Richters genügt. Eine an § 348 ZPO angelehnte Regelung würde der Kammer ausreichenden Spielraum geben. Die Besetzungsfrage wird bei der weiteren Behandlung des Gesetzentwurfs sicherlich große Bedeutung gewinnen. In der Diskussion wird es dabei an dem Hinweis nicht fehlen, daß in der Sozialgerichtsbarkeit die Erfahrungen mit der kleinen Kammer nicht schlecht sind, daß eine Reformnotwendigkeit dort eigentlich nicht zu erkennen ist, und daß gerade bei der Besetzung der Kammer eine durchgreifende Entlastung der Gerichte durch Vereinfachung des Verfahrens möglich wäre . . Was die Senate der Oberverwaltungsgerichte, der Oberfinanzgerichte und Landessozialgerichte angeht, soll die Besetzung einheitlich drei Richter und zwei ehrenamtliche Richter sein, ein landesrechtlicher Regelungspielraum also nicht mehr bestehen (§ 8 Abs. 3 VwPO, der insoweit von § 11 Abs.3 Speyerer Entwurf abweicht). Die Vorschriften über die Besetzung der Senate bei den obersten Gerichtshöfen des Bundes sollen unverändert Übernommen werden. Ehrenamtliche Richter soll es also weiterhin nur beim Bundessozialgericht, nicht beim Bundesverwaltungsgericht und Bundesfinanzhof geben. Für den Rechtsweg schlägt der Ausschuß wesentliche Änderungen in der Abgrenzung nicht vor (§§ 36 - 38). Streitigkeiten im Bereich der Kriegsopferfürsorge sollen nicht mehr von den Verwaltungsgerichten, sondern von den Sozialgerichten entschieden werden. Daran, daß bei der Staatshaftung eine Korrektur des Rechtswegs im Entwurf des Staatshaftungsgesetzes vorgesehen ist, sei in diesem Zusammenhang erinnert. Das Verfahren bei der Rechtswegentscheidung und Rechtswegverweisung soll in der Verwaltungsprozeßordnung vereinheitlicht und wie bei der sachlichen und örtlichen Unzuständigkeit geregelt werden. Dabei ist daran gedacht, eine bindende Verweisung von Amts wegen bei fehlendem Rechtsweg oder bei Unzuständigkeit vorzusehen. die durch Beschwerde vorab, aber nicht mehr durch Berufung oder Revision gerügt werden kann. Damit werden zwei Änderungen vor ge-

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schlagen, die das Verfahren vereinfachen: Einmal wird der Rechtswegverweisung nicht nur abdrängende, sondern auch aufdrängende Wirkung beigemessen. Das Gericht, an das verwiesen ist, kann die Sache nicht weiterverweisen. Daß es dies nach geltendem Recht kann, wird von der herrschenden Meinung angenommen. Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings einmal angedeutet, daß es mehr zur aufdrängenden Wirkung neige. Zum anderen wird ausgeschlossen, daß erst in der Revisionsinstanz die Unzulässigkeit des Rechtsweges attestiert und die Verweisung an das Gericht des ersten Rechtszuges ausgesprochen wird mit der Folge, daß wieder mehrere Instanzen offenstehen. Nach dem Vorschlag der VwPO werden Zuständigkeit und Rechtsweg in einem frühen Zeitpunkt abschließend geklärt. Das Verfahrensrecht, der eigentliche Kernbereich der Vereinheitlichung, soll nach den Vorstellungen des Koordinierungsausschusses in seinen Grundzügen nicht geändert werden. Viele voneinander abweichende Einzelregelungen können, wie der Entwurf zeigt, vereinheitlicht werden. Darüber hinaus sind Verbesserungen, Vereinfachungen, Neuregelungen vorgesehen. Auch hier kann ich nur einzelne wesentliche Punkte herausgreifen. Ich nenne das Vorverfahren. Es soll für alle Gerichtszweige grundsätzlich verbindlich vorgeschrieben werden, wobei die schon im geltenden. Recht vorgesehenen Ausnahmen im wesentlichen übernommen werden. Zusätzlich ist eine allgemeine Regelung über eine Sprungklage in der Art des § 45 FGO vorgeschlagen, wonach die Klage. ohne Vorverfahren zulässig ist, wenn die Behörde zustimmt (§ 80 des Entwurfs). Die Vorschrift trägt dem Gedanken Rechnung, daß es in bestimmten Fällen sinnvoll sein kann, das Verfahren zu straffen und den für das Widerspruchsverfahren erforderlichen Zeitaufwand zu sparen. So kann es den Beteiligten darauf ankommen, schnell eine höchstrichterliche Entscheidung zu einer grundsätzlichen Rechtsfrage zu erhalten. Für eine Sprungklage . kann Insbesondere ein Bedürfnis bestehen, wenn eine Ermessensüberprüfung nicht· erforderlich ist, die das Gericht ja nur beschränkt vornehmen kann. Bei dieser Frage wird man die Erfahrungen in· der Finanzgerichtsbarkeit und in der Sozialgerichtsbarkeit mit der Wahlklage nach § 78 Abs. 2 SGG auswerten inüssen. Die Erfahrungen mit der Sprungklage in der Finanzgerichtsbarkeit . waren nicht immer gut, wie die Vorschrift des Entlastungsgesetzes8 zeigt, wonach die Finanzgerichte Sprungklagen unter bestimmten Voraussetzungen in das außergerichtliche Vorverfahren zurückgeben können. Besonders wichtig ist weiter der Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes. Die Verwaltungsprozeßordnung (§§ 150 -155) bestimmt wie die VwGO den Grundsatz der aufschiebenden Wirkung von Rechts8 Artikel 3 § 2.

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behelfen, geht damit für die Sozialgerichtsbarkeit einen Schritt nach vorn, übernimmt aber in den Ausnahmevorschriften für die Finanzgerichtsbarkeit im wesentlichen das geltende Recht. Einstweilige Anordnungen sollen überall zulässig sein, also auch in der Sozialgerichtsbarkeit, wo nach der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts schon jetzt eine verfassungskonforme Auslegung zur Zulässigkeit einstweiliger Anordnungen führt. Die VwPO wird dann die erforderlichen Einzelregelungen geben, die einstweilige Anordnung in das System des Verfahrensrechts einfügen und damit zur KlarsteIlung der Rechtslage beitragen. Besonders interessant ist der Vorschlag des Koordinierungsausschusses für den einstweiligen Rechtsschutz bei Rechtsbehelfen eines Dritten gegen Verwaltungsakte, die den Adressaten begünstigen - sogenannte Verwaltungsakte mit Doppelwirkung oder Drittwirkung. Auf diesem Gebiet herrscht zur Zeit auf Grund divergierender Entscheidungen Rechtsunsicherheit. Die VwPO sieht vor, daß der Drittwiderspruch oder die Klage eines Dritten keine aufschiebende Wirkung haben soll. Die Behörde und das Gericht sollen befugt sein, die aufschiebende Wirkung anzuordnen und zur Sicherung der Rechte des Dritten einstweilige Maßnahmen zu treffen, wenn der Rechtsbehelf hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Auf Antrag des Begünstigten soll das Gericht befugt sein, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung wieder aufzuheben. Entsprechend soll das Gericht bei dem Widerspruch des durch einen Verwaltungsakt Belasteten auf Antrag des durch denselben Akt Begünstigten die Behörde verpflichten können, die sofortige Vollziehung anzuordnen, soweit der Rechtsbehelf des Betroffenen keine hinreichenden Erfolgsaussichten hat. Dieses Modell könnte die wünschenswerte Rechtssicherheit auf diesem wichtigen Gebiet wiederherstellen und ist der Diskussion wert. Darauf, daß insbesondere die Prüfung der Erfolgsaussicht ein schwieriger Punkt ist, hat mit Recht kürzlich UZe hingewiesen9 • Was die Rechtsmittel angeht, soll es, iCh erwähnte es schon, grundsätzlich bei dem hergebrachten Rechtsmittelzug verbleiben. Lassen Sie mich an dieser Stelle für die Revision anfügen, daß das Modell einer Annahmerevision beim Koordinierungsausschuß keine Gegenliebe gefunden hat. Auch die im geltenden Recht vorgesehenen Fälle einer zulassungsfreien Verfahrensrevision sind nicht übernommen. Der Ausschuß hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Obergerichte in den Ländern über Revisionen entscheiden sollten und sich nicht dafür ausgesprochen, dies vorzusehen. Sinnvoll könnte ein solches Modell nur für landesrechtliche Streitigkeiten sein. Bundes- und Landesrecht bilden aber üblicherweise eine Gemengelage. In bundesrechtlichen Fra11

GewA 1978, 73.

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gen kann von der Einschaltung des Bunde~gerichts auch zur Rechtsfortbildung in Fällen grundsätzlicher Bedeutung nicht abgesehen werden. Diese Erwägung spricht zugleich dagegen, ein Rechtsmittel zum Obergericht vorzusehen, das in der Mitte zwischen Berufung und Revision liegt und zum Teil als Anrufung bezeichnet worden ist. Der Koordinierungsausschuß hat sich für die Anrufung auch deswegen nicht ausgesprochen, weil sie zur Entlastung und Beschleunigung nicht beiträgt, beim Obergericht nicht, weil sie unbeschränkt zur Verfügung steht und Tatsachenermittlungen nicht ausschließt, beim Bundesgericht nicht, weil - wie erwähnt - auch Grundsatzrevisionen dorthin weiterhin gegeben sein müssen. Der langgehegte Wunsch nach Vereinheitlichung des Revisionsrechts könnte verwirklicht werden, wenn der Entwurf der Verwaltungsprozeßordnung Gesetz wird. Es steht zu hoffen, daß nicht Abweichungen unter den Gerichtszweigen in der Gliederung der Gerichtsbarkeit zu Abweichungen im Revisionsrecht zwingen. Im Bereich der Vollstreckung 10 hat der Koordinierungsausschuß eine interessante Vereinfachung vorgeschlagen, nämlich eine umfassende Verweisung auf die Zivilprozeßordnung11 • Das Vollstreckungs gericht soll das Amtsgericht sein12 • Bei diesen Vorschlägen muß man sich deutlich machen, daß es ja nur um die seltenere Vollstreckung aus einer Gerichtsentscheidung geht, also nicht etwa um die Vollstreckung aus einem Verwaltungsakt, auch dann nicht, wenn er gerichtlich bestätigt worden ist. Insoweit, als im Vollstreckungsrecht das Prozeßgericht des ersten Rechtszuges zu entscheiden hat, ist wie bisher das Verwaltungs-, Finanz- oder Sozialgericht zuständig. Lassen Sie mich abschließend zum weiteren Gesetzgebungsverfahren sagen: Der Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung ist als Kommissionsentwurf an die beteiligten Stellen versandt worden. Wenn die Stellungnahmen vorliegen, wird ein Regierungsentwurf vorbereitet, der noch in dieser Legislaturperiode eingebracht werden soll. Der Entwurf wird allerdings angesichts seines Umfanges in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden können. Zu Beginn der nächsten Legislaturperiode wird dann aber ein um die Vorschläge des Bundesrates bereicherter Gesetzentwurf bereitliegen. Lassen Sie uns hoffen, daß die Beratungen in den gesetzgebenden Körperschaften dann zügig verlaufen können. Das Ziel des Entwurfs, die Vereinheitlichung, wird auf breite Zustimmung stoßen. Es ist aber deutlich, daß viele Einzelfragen, insbesondere in der Gerichtsverfassung, schwierig zu 10 11 12

§§ 196 bis 201. § 196 Abs. 1. § 196 Abs. 2 Satz 1.

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lösen sein werden. Der Entwurf wird schon wegen seines Umfangs eine erhebliche Beratungszeit erfordern. Daß die Beratungen. in den gesetzgebenden Körperschaften durch den Entwurf der Verwaltungs~ prozeßordnung so gut vorbereitet sirid, ist nicht zuletzt ein Verdienst dieser Hochschule.

Vom "Speyerer Entwurf" zum Entwurf einer Verwaltungsproze.f3ordnung Von Hans-Werner Laubinger I. Allgemeines Die Formulierung des mir vom Tagungsleiter gestellten Themas könnte die - je nach dem Standpunkt -Hoffnung oder Befürchtung wecken, daß ich die geschichtliche Entwicklung vom sog. Speyerer Entwurf bis zur Vorlegung des vom Koordinierungsausschuß ausgearbeiteten Entwurfs einer Verwaltungsprozeßordnung darstellen würde. Auf eine solche historische Betrachtung werde ich mich jedoch nicht einlassen. Ich bin dazu auch gar nicht in der Lage, weil ich diese Entwicklung nicht aus nächster Nähe habe beobachten können. Ich sehe vielmehr meine Aufgabe darin, einen Überblick darüber zu geben, welche Gemeinsamkeiten einerseits und welche Unterschiede andererseits der Speyerer Entwurf und der Entwurf des Koordinierungsausschusses aufweisen. Vergleicht man die beiden Entwürfe miteinander, so stellt man fest, daß der Koordinierungsausschuß zahlreiche Vorschläge des Speyerer Entwurfs übernommen, jedoch auch vielfach neue Wege beschritten hat. Die Divergenzen zwischen den beiden Entwürfen beruhen in erster Linie auf der unterschiedlichen Zielsetzung der Entwürfe: Der Speyerer Entwurf (SpE) beschränkte sich ganz bewußt darauf, die drei geltenden Gerichtsordnungen zusammenzufassen, um auf diese Weise zu demonstrieren, daß eine für alle drei Gerichtsbarkeiten geltende Gerichtsverfassungs- und Verfahrensordnung "machbar" ist. Es ging den Verfassern (zu denen auch ich - allerdings mit einem sehr bescheidenen Teil - gehöre) also darum, den Einwand zu widerlegen, die drei Gerichtsbarkeiten wiesen so viele in der Sache begründete Unterschiede auf, daß ein einheitliches Gesetz nicht in Betracht komme. Ziel des SpE war es gewissermaßen, die drei Prozeßordnungen auf "einen gemeinsamen Nenner zu bringen" und dabei abzuwägen, ob für die eine oder die andere Gerichtsbarkeit geltende Sonderregelungen beibehalten werden müßten oder beseitigt werden sollten. Daraus resultierten zahlreiche Streichungsvorschläge, die insbesondere die FGO und das SGG, teilweise aber auch die VwGO betreffen. In der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle hat sich der Koordinierungsausschuß diese Verein-

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heitlichungsvorschläge des SpE zu eigen gemacht. An unzähligen Stellen in der Begründung zum Entwurf des Koordinierungsausschusses liest man den Hinweis: ,,§ x FGO (SGG oder VwGO) wird nicht übernommen, vgl. die Begründung zum SpE." Der SpE verfolgte dagegen nicht das Ziel, das geltende Verfahrensrecht durchgreifend zu reformieren. Denn dies hätte - nach unserer damaligen Einschätzung - so viele grundsätzliche und schwierige Probleme aufgeworfen, daß mit einer Verwirklichung in absehbarer Zeit nicht zu rechnen gewesen wäre. Aus diesem Grunde entsprechen die im SpE getroffenen Entscheidungen nicht immer den von seinen Verfassern vertretenen rechtspolitischen Auffassungen, wie UZe im Vorwort zum SpE ausdrücklich hervorgehoben hat (S. VII f.). Ich darf hinzufügen, daß uns die selbstauferlegte rechtspolitische Zurückhaltung oft nicht eben leicht gefallen ist. Der Koordinierungsausschuß war insofern freier gestellt. Nachdem die Kärrner-Arbeit der technischen Vereinheitlichung in Speyer bereits weitgehend geleistet worden war, konnte er sich darauf konzentrieren, das Verfahrensrecht fortzuentwickeln. Dementsprechend heißt es in der Allgemeinen Begründung zu dem Entwurf (S. 98): "Der Koordinierungsausschuß hat sich nicht auf die bloße Vereinheitlichung beschränkt. Er hat zugleich geprüft, ob das geltende Recht der Verbesserung bedarf und ob insbesondere Änderungen vorgesehen werden können, die der Verbesserung des Rechtsschutzes dienen oder die, ohne den Rechtsschutz zu beeinträchtigen, das Verfahrens recht vereinfachen und dazu beitragen können, den Rechtsschutz durch die Gerichte zu beschleunigen." Der Koordinierungsausschuß ließ sich demnach vor allem von folgenden rechtspolitischen Zielen leiten: - Verbesserung des Rechtsschutzes, - Vereinfachung des Prozeßrechts und - Beschleunigung des Gerichtsverfahrens. In erster Linie diesen unterschiedlichen Zielsetzungen ist es zuzuschreiben, daß die Entwürfe in zahlreichen Punkten voneinander abweichen. Angesichts der zur Verfügung stehenden knappen Zeit ist es nicht möglich, die übereinstimmungen und Divergenzen auch nur aufzuzählen, geschweige denn im Detail zu erörtern. Dies erscheint mir auch nicht notwendig, da die anderen Referenten dieser Tagung auf zahlreiche Einzelfragen bereits eingegangen sind oder noch eingehen werden. Ich nehme mir deshalb die Freiheit, auf einige wenige Aspekte einzugehen, von denen ich - vielleicht zu Unrecht - annehme, daß sie von den übrigen Referenten nicht erörtert werden. Zunächst wende ich mich der Gliederung des Ausschußentwurfs zu.

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11. Gliederung des Entwurfs Der vom Koordinierungsausschuß vorg€legte Gesetzentwurf ist ganz ähnlich aufgebaut wie die VwGO und der SpE. Einige Abweichungen fallen jedoch ins Auge. 1. Während die VwGO und der SpE die Vorschriften über die Rechtsmittel und über die Wiederaufnahme des Verfahrens in einem eigenen Teil (Teil I1I) zusammenfassen, inkorporiert der Ausschußentwurf diese B€stimmungen dem II. Teil über das Verfahren. Diese Änderung erscheint mir durchaus sachgerecht. 2. Darüber hinaus weist der dem Verfahren gewidmete II. Teil des Ausschußentwurfs noch weitere Abweichungen gegenüber der VwGO und dem SpE auf. So enthält er besondere Abschnitte über die Klagearten (2. Abschnitt), über das Verfahren nach billigem Ermessen (6. Abschnitt) und über den einstweiligen Rechtsschutz (7. Abschnitt). Ausdrücklich zu begrüßen ist es, daß die Vorschriften über die aufschiebende Wirkung und die einstweilige Anordnung in einem eigenen Abschnitt (7. Abschnitt, §§ 150 -155) zusammengefaßt werden sollen. Dies fördert die übersichtlichkeit und hebt auch äußerlich hervor, daß die beiden genannten Rechtsinstitute zusammengehören. Weniger überzeugt bin ich davon, daß die Aufgliederung des Teils II in einem 2. Abschnitt "Klagearten" und einen 3. Abschnitt "Besondere Vorschriften für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen" gelungen ist. Denn auch der 2. Abschnitt enthält Vorschriften, die ausschließlich für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen gelten (z. B. § 74). Meines Erachtens sollte erwogen werden, die Bestimmungen über das Vorverfahren (§§ 79 - 86) unter einer eigenen überschrift deutlich von den Vorschriften über das gerichtliche Verfahren abzuheben. 111. Einzelprobleme Im folgenden werde ich auf einige mir wesentlich erscheinende Neuerungen hinweisen, die der Ausschußentwurf vorsieht. Dabei wende ich mich zunächst den Vertretern des öffentlichen Interesses zu. 1. Vertreter des öffentlichen Interesses

Die VwGO bestimmt, daß beim Bundesverwaltungsgericht ein Oberbundesanwalt (OBA) zu bestellen ist und daß bei den Oberverwaltungsgerichten und Verwaltungsgerichten Vertreter des öffentlichen Interesses (VÖI) bestellt werden können (§§ 35, 36). Von dieser Ermächtigung haben bekanntlich nur die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Nord5 Speyer 75

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rhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein (nur vorübergehend auch Niedersachsen) Gebrauch gemachtl. In Baden-Württemberg und Bayern ist den Institutionen, die als VOI fungieren (nämlich den Landesanwaltschaften), zugleich die Aufgabe übertragen worden, das Land in Verwaltungsprozessen zu vertreten. Der OBA kann sich an jedem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht - außer an Verfahren vor den Disziplinar- und Wehrdienstsenaten - beteiligen. Gleiches gilt für die VOI bei den Oberverwaltungsgerichten und Verwaltungsgerichten. Machen sie von ihrem Beteiligungsrecht Gebrauch, so gehören sie gemäß § 63 Nr. 4 VwGO zu den Beteiligten mit allen sich hieraus ergebenden Rechten, z. B. Anträge zu stellen und Rechtsmittel einzulegen. Der SpE übernahm zwar die Vorschriften der VwGO ohne wesentliche Änderung (§§ 43 - 46). In der Begründung (S. 186 f.) wurde jedoch zu überlegen gegeben, "ob auf die Institutionen des Oberbundesanwalts und des Vertreters des öffentlichen Interesses nicht ... verzichtet werden" könne. Denn es sei zweifelhaft, -

ob das Bundesverwaltungsgericht einer Unterstützung durch den OBA bei der Rechtsfindung bedürfe,

-

ob ein angemessenes Verhältnis zwischen Nutzen und Aufwand der Institution bestehe und

-

ob nicht in der Mehrzahl der Beteiligungsfälle der Beitritt des OBA die Waffengleichheit im Prozeß beeinträchtige.

Wenn der SpE trotz dieser Bedenken die Regelungen der §§ 35 - 37 VwGO übernahm, so beruhte dies nicht zuletzt auf der Erwägung, daß zur abschließenden Klärung der Frage erforderliche Untersuchungen über die Effektivität jener Einrichtungen noch nicht vorlagen. Andererseits räumte der SpE (S. 187 f.) ein, daß sich die Prozeßvertretung durch die Landes- und Staatsanwaltschaften in Baden-Württemberg und Bayern durchaus bewährt habe. Deshalb bestehe keine Veranlassung, auf § 36 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verzichten, der die Länder ermächtigt, den Vertretern des öffentlichen Interesses die Vertretung des Landes oder von Landesbehörden zu übertragen. Ein Jahr nach Veröffentlichung des SpE, nämlich im Frühjahr 1970, wurde die Existenzberechtigung der VOI im Rahmen der von Herrn UZe geleiteten 38. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung, die unter dem Generalthema "Zehn Jahre Verwaltungsgerichtsordnung Bewährung und Reform" stand, erneut diskutiert. Der Diskussionsleiter des heutigen Nachmittags, Herr Meyer-Hentschel, gelangte damals in 1

Vle, Verwaltungsprozeßrecht, 6. Aufl. 1975, S.66.

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seinem Referat zu dem Ergebnis, sowohl der OBA als auch die VOI in den Ländern seien "zwar nicht unbedingt geboten, aber in hohem Maße für die Rechtsfindung nützlich und zweckmäßig"2. Er regte damals an, in der zu schaffenden gemeinsamen Prozeßordnung für die drei öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten das Institut des VOI - vielleicht unter Aufgabe der Bezeichnung - "einfließen zu lassen in ein allgemeines Beitrittsrecht des Bundes für solche Fälle, in denen jetzt der OBA tätig wird oder eine Beteiligung des Bundes nach der FGO oder nach dem FGG möglich ist"3. Wesentlich skeptischer äußerte sich der zweite Referent jener Fortbildungstagung, Herr Redeker. Er meinte, die Institutionen des OBA und des VOI sollten nicht in die einheitliche Verfahrensordnung übernommen werden, da sie überflüssig seien 4 • In der anschließenden Diskussion lieferten sich Befürworter und Gegner der beiden Institutionen heftige Gefechte. Seit kurzem liegen uns neue Erkenntnisse über die Aktivitäten der VOI vor. Wir verdanken sie der von Ule durchgeführten empirischen Untersuchung "Rechtstatsachen zur Dauer des Verwaltungs-(Finanz-) Prozesses"5. Aus ihr ergibt sich (S. 109 f.), daß sich die VOI in 410 der von UZe untersuchten 1996 Verwaltungsprozesse eingeschaltet haben, d. h. in ca. 20 % der Verfahren. Von diesen 410 Beteiligungsfällen entfielen allein 279 auf Nordrhein-Westfalen und 120 auf Bayern, während in den übrigen Bundesländern die VÖI entweder überhaupt nicht oder nur in verschwindend wenigen Verfahren aktiv wurden. An der mündlichen Verhandlung nahmen die VÖI nur in relativ wenigen Fällen teil; noch seltener stellten sie Anträge. In welcher Weise sich die Beteiligung der vOr auf das Verfahren und die gerichtliche Entscheidung ausgewirkt hat, läßt sich der Untersuchung freilich nicht entnehmen. Der Entwurf des Koordinierungsausschusses beschreitet in dieser Frage einen Mittelweg: Er hält einerseits an der Einrichtung des OBA fest (§ 35) und entzieht andererseits den VOI in den Ländern die Rechtsgrundlage. Begründet wird dies mit folgenden Erwägungen: Die Institution des OBA habe sich bewährt; worauf sich diese überzeugung stützt, wird allerdings nicht angegeben. Andererseits sieht der Koordinierungsausschuß keine Notwendigkeit für die Beibehaltung der vOr bei den Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten. Das ergebe sich, so meint er, bereits daraus, daß nur 5 Länder von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben. Wenn dem vOr zusätzlich die Vertretung des Landes übertragen werde, erhalte er zwei Funktionen, die 2 Zehn Jahre Verwaltungsgerichtsordnung Berlin 1970, S. 123; ähnlich S. 126 unter 6.3. 3 a.a.O. S.125; ähnlich S.126 unter 6.5. 4 a.a.O. S. 134. 5 Berlin 1977.

s'

Bewährung und Reform,

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kaum miteinander zu vereinbaren seien, weil er sowohl unabhängiger Vertreter des öffentlichen Interesses als auch weisungsgebundener Beteiligtenvertreter sein solle. Diese Verquickung zweier sehr unterschiedlicher Funktionen, die bereits auf der Speyerer Tagung im Frühjahr 1970 fast einmütig abgelehnt wurde, erscheint mir in der Tat sehr bedenklich und sollte deshalb beseitigt werden. Dem Koordinierungsausschuß ist mithin jedenfalls insoweit zuzustimmen, als er die übernahme des § 36 Abs. 1 Satz 2 VwGO ablehnt. Geschieht dies, so bedeutet das freilich nicht, daß Baden-Württemberg und Bayern ihre Landesanwaltschaften bei den Verwaltungsgerichten und Verwaltungsgerichtshöfen auflösen müßten. Denn es steht den Bundesländern kraft ihrer verfassungsrechtlichen Organisationsgewalt frei zu bestimmen, daß sie oder ihre Behörden vor den Gerichten durch besondere Behörden vertreten werden. In dieser Hinsicht kann der Bundesgesetzgeber den Ländern keine Vorschriften machen6 • Wenn § 36 Abs.1 Satz 2 VwGO die Länder ermächtigt, dem VOI die Vertretung des Landes zu übertragen, so stellt dies keine Ermächtigung zur Schaffung von Landesanwaltschaften dar, sondern lediglich die Ermächtigung dazu, die beiden Funktionen in einer Behörde zu vereinigen. Das bedeutet: Wird § 36 Abs.1 Satz 2 VwGO ersatzlos gestrichen, so berührt dies die Existenz der Landesanwaltschaften insoweit überhaupt nicht, als sie das Land oder Landesbehörden in Verwaltungsprozessen zu vertreten haben; sie verlieren lediglich ihre Funktionen als Vertreter des öffentlichen Interesses. Aber auch der OBA, den der Koordinierungsausschuß beibehalten möchte, muß nach dem Entwurf Federn lassen. Denn er verliert die Stellung eines Beteiligten, die er nach der VwGO (§ 63 Nr.4) hat und nach dem SpE (§ 80 Nr.4) behalten sollte, sofern er von seinem Beteiligungsrecht Gebrauch macht. In der Vorschrift des Entwurfs, der die Beteiligten aufzählt (§ 65), ist der OBA nicht mehr aufgeführt. Stattdessen bestimmt § 66 Abs. 1, daß der OBA in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht - außer vor den Disziplinar- und Wehrdienstsenaten - "beitreten" kann, wozu ihn das Gericht auch auffordern kann (§ 66 Abs. 5). Macht der OBA von seinem Beitrittsrecht Gebrauch, so kann er sich "zu allen Fragen des Rechtsstreits äußern und mündliche Verhandlung beantragen" (§ 66 Abs. 4). Diese Aufzählung seiner Befugnisse ist abschließend gemeint, wie auch die Begründung (S. 202) betont. Der OBA könnte also - im Gegensatz zum geltenden Recht und zum SpE - beispielsweise nicht mehr Sachanträge stellen, die Rücknahme oder Änderung der Klage oder die Rücknahme eines Rechtsmittels verhindern 7 • 6

Dies betont auch die Begründung zu § 35 (S. 166).

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Das Pendant zum Beitrittsrecht des OBA im Verwaltungsprozeß bildet im Verfahren vor dem BFH das Beitrittsrecht des Bundes- bzw. Landesfinanzministers und im Verfahren vor dem BSG das Beitrittsrecht des Bundesarbeitsministers (§ 66 Abs. 2 und 3). Ich will den Streit über die Daseinsberechtigung der Vertreter des öffentlichen Interesses auf Bundes- und Landesebene hier nicht aufs neue entfachen. Wie nicht zuletzt die Speyerer Tagung vor 8 Jahren gezeigt hat, lassen sich sowohl Pro als auch Contra beachtliche Erwägungen anführen. Neue wesentliche Erkenntnisse qualitativer Art sind, soweit ich sehe, seither nicht hinzugekommen. Grundsätzlich möchte ich jedoch folgendes zu bedenken geben: Meines Erachtens läßt die Feststellung, eine Institution habe sich "nicht bewährt", nicht ohne weiteres die Schlußfolgerung zu, sie müsse abgeschafft werden. Denn es ist immerhin vorstellbar, daß die mangelnde Bewährung darauf zurückzuführen ist, daß die Institution nicht mit ausreichenden Befugnissen oder mit den erforderlichen personellen und sächlichen Ressourcen ausgestattet ist oder an einem anderen Fehler krankt, der behoben werden kann. Auf die hier angeschnittene Frage angewendet, bedeutet dies folgendes: Bevor man sich daran macht, die Vertreter des öffentlichen Interesses aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu verbannen, sollte man sich nicht nur fragen, ob sie sich bewährt haben oder nicht, sondern auch: welche Funktion sie haben könnten und sollten. Wie groß die Unsicherheit hierüber ist, hat Herr Meyer-Hentschel 8 seinerzeit deutlich herausgestellt. Darüber nachzudenken, erscheint mir gerade heute von Wichtigkeit, da die Frage diskutiert wird, ob privatrechtlichen Verbänden unter der Flagge der "Verbandsklage" die Befugnis eingeräumt werden soll, vor den Verwaltungsgerichten als "Vertreter des öffentlichen Interesses" aufzutreten, nämlich die Verletzung von Vorschriften zu rügen, die ausschließlich dem öffentlichen Interesse zu dienen bestimmt sind. Man muß doch wohl die Frage stellen, ob dies nicht eigentlich die Aufgabe einer staatlichen Institution wäre, beispielsweise die eines Vertreters des öffentlichen Interesses in einem neuen Gewande. 2. Ein z e 1 r ich t e ren t s c h eid u n g Der SpE (§ 4 Abs. 3) hat sich seinerzeit dafür ausgesprochen, die Kammern der erstinstanzlichen Gerichte (einschließlich der Sozialgerichte) in der Besetzung mit 3 Berufs- und 2 ehrenamtlichen Richtern entscheiden zu lassen. Dem ist der Ausschußentwurf (§ 4 Abs. 3) gefolgt. Während sich jedoch der SpE nachdrücklich für das Kollegialprinzip ein7

8

Vgl. die Begründung zu § 66 Abs.4 auf S. 202. Zehn Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 115 - 118.

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gesetzt hat9 , will der Ausschußentwurf unter bestimmten Voraussetzungen Einzelrichterentscheidungen zulassen. Sein § 5 sieht nämlich vor, daß die Kammer des Verwaltungsgerichts, des Finanzgerichts oder Sozialgerichts den Rechtsstreit zur Entscheidung einem der Kammer angehörenden Richter übertragen kann. Dies geschieht nach Anhörung der Beteiligten durch einstimmigen unanfechtbaren Beschluß unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter. Diese Vorschrift des Entwurfs, die sich an § 348 ZPO anlehnt, soll zur Entlastung der Gerichte und zur Beschleunigung des Prozesses beitragen. Ob der Einzelrichter hierfür ein taugliches Mittel darstellt, ist von Richard Naumann 10 bereits in Zweifel gezogen worden. Er wertet die vom Koordinierungsausschuß vorgeschlagene Regelung als Aushöhlung des Kollegialprinzips und des Prinzips der Mitwirkung ehrenamtlicher Richter und meint weiter, das Vertrauen der rechtsuchenden Bevölkerung in die Einrichtung und Rechtsprechung der Verwaltungs-, Finanzund Sozial ge richte könne untergraben werden, wenn man die Entscheidungszuständigkeit in die Hand eines einzelnen Berufsrichters lege. Diesen Bedenken - oder doch jedenfalls einigen von ihnen erhebliches Gewicht zu. Man muß sich fragen,

kommt

1. ob durch die Verwirklichung des Vorschlages tatsächlich die vom Koordinierungsausschuß erwartete Entlastung der Gerichte und eine Beschleunigung des Verfahrens erzielt wird und - bejahendenfalls 2. ob diese Vorteile die gleichzeitig eingehandelten Nachteile übersteigen oder zumindest aufwiegen.

Schon bezüglich der ersten Frage stellen sich Zweifel ein. Auf der schon mehrfach erwähnten 38. Fortbildungstagung in Speyer vor acht Jahren führte der derzeitige Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Johann Schmidt in seinem Referat üher die Besetzung der Richterbank aus: Die verhältnismäßig lange Dauer mancher Verwaltungsstreitverfahren sei, wenn überhaupt, nur zum geringsten Teil auf die verfahrenstechnisch größere Umständlichkeit des Kollegialverfahrens zurückzuführenl l . Unterstellt man, daß diese Beobachtung eines erfahrenen Richters zutrifft, so würde der übergang vom Kollegial- zum Einzelrichtersystem keinen oder allenfalls einen geringen Beschleunigungseffekt haben, selbst wenn das Kollegium überhaupt nicht eingeschaltet würde. Allgemeine Begründung S. 99 ff. Auf dem Wege zu einer Verwaltungsprozeßordnung, in: Hamburg Deutschland - Europa, Festschrift für H. P. Ipsen, Tübingen 1977, S. 323 ff., 327 ff. 11 Zehn Jahre Verwaltungsgerichtsordnung S.94. 9

10

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Doch so weit geht der § 5 des Ausschußentwurfs ja gar nicht. Bevor der Einzelrichter tätig werden kann, müssen nämlich -

erstens die Beteiligten dazu angehört werden (was natürlich auch schriftlich geschehen kann),

-

und zweitens muß die Kammer in voller Besetzung einen einstimmigen Beschluß über die Übertragung auf den Einzelrichter fassen.

Ob angesichts dessen eine Beschleunigung des Verfahrens und eine Entlastung des Gerichts erwartet werden kann, erscheint zweifelhaft. Denn bevor die Beteiligten zur Stellungnahme aufgefordert werden, müssen sich ja doch wohl zumindest die drei Berufsrichter darüber verständigen, ob die Voraussetzungen des § 5 Abs.l vorliegen, nämlich ob die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und keine besonderen SchWierigkeiten aufweist. Gelangen die Berufsrichter zu dem Ergebnis, daß diese Voraussetzungen gegeben sind, so muß dies den Beteiligten mitgeteilt werden, damit sie dazu Stellung nehmen können. Nach Eingang der Stellungnahmen schließlich muß die Kammer in voller Besetzung darüber beraten und entscheiden, ob die genannten Voraussetzungen vorliegen oder nicht. Soll das Prinzip der Mitwirkung ehrenamtlicher Richter nicht ausgehöhlt werden, so muß dabei der Streitstand nahezu ebenso eingehend erörtert werden, als wenn die Kammer die Entscheidung in der Sache zu treffen hätte. Berücksichtigt man diesen Aufwand an Zeit und Arbeitskraft, so erscheint es durchaus fraglich, ob § 5 tatsächlich eine Verfahrensbeschleunigung und eine Entlastung der Gerichte bewirken würde. Doch selbst wenn man das bejaht, stellt sich die weitere Frage, ob die Nachteile überwiegen. Ich denke hier insbesondere an die psychologischen Rückwirkungen, die es möglicherweise hat, wenn das Gericht dem Kläger per Übertragungs beschluß gleichsam bescheinigt, sein Begehren sei so trivial, daß es der Entscheidung durch die Kammer nicht würdig sei. Dieser meines Erachtens höchst unerwünschte Reflex ließe sich wohl nur dadurch vermeiden, daß man die Übertragung auf den Einzelrichter von der Zustimmung der Beteiligten abhängig macht. 3. Vor s ehr i f t e n für M ass e n ver f a h ren Im Gegensatz zu den geltenden Verfahrensordnungen und zum SpE enthält der Gesetzentwurf des Koordinierungsausschusses einige Bestimmungen für sog. Massenverfahren, also für solche Prozesse, an denen eine größere Zahl von Personen beteiligt sind. Es handelt sich dabei um § 58, § 69 Abs. 4 und § 70. § 58 gibt dem Gericht die Möglichkeit anzuordnen, daß seine Bekanntgaben an die Beteiligten im Wege der öffentlichen Bekanntmachung

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vorgenommen werden, falls im Einzelfall die Bekanntgabe an mehr als 100 Personen erforderlich wäre. Dies gilt etwa dann, wenn mehr als 100 Personen zur mündlichen Verhandlung geladen werden müßten oder wenn ihnen eine Entscheidung zugestellt werden müßte. Der § 68 Abs. 4 bestimmt, daß dann, wenn eigentlich mehr als 50 Personen notwendig beigeladen werden müßten, das Gericht anordnen kann, daß nur diejenigen Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer vom Gericht bestimmten Frist beantragen. Der § 70 schließlich ermächtigt das Gericht, durch Beschluß anzuordnen, daß mehr als 50 Personen, die im gleichen Interesse beteiligt sind und keine Prozeßbevollmächtigten haben, innerhalb angemessener Frist einen gemeinsamen Bevollmächtigten bestellen müssen, falls sonst die ordnungsgemäße Durchführung des Rechtsstreits beeinträchtigt wäre. Kommen die Beteiligten der Aufforderung nicht nach, so kann das Gericht für sie einen gemeinsamen Vertreter bestellen. Beteiligte, die einen gemeinsamen Bevollmächtigten oder einen gemeinsamen Vertreter haben, können Verfahrenshandlungen nur noch durch diesen vornehmen; sie selbst sind also nicht mehr postulationsfähig. Allerdings kann sich jeder Beteiligte jederzeit der Vertretung dadurch entziehen, daß er dem gemeinsamen Bevollmächtigten bzw. dem gemeinsamen Vertreter die Vertretungsmacht entzieht und dies dem Gericht anzeigt. Diese Vorschriften im Entwurf des Koordinierungsausschusses gehen ebenso wie die Bestimmungen über das Massenverfahren, die in das Verwaltungsverfahrensgesetz aufgenommen worden sind, teilweise auf Vorschläge zurück, die Ule und ich vor drei Jahren im Auftrage des Bundesjustizministeriums entwickelt haben12 • Daraus leite ich die Legitimation her, einige Worte auf die vom Koordinierungsausschuß empfohlenen Regelungen für das Massenverfahren zu verwenden, ohne im einzelnen dazu Stellung nehmen zu wollen. Die Bestimmungen verfolgen den Zweck, Prozesse mit einer großen Zahl von Beteiligten handhabbar zu machen. Gleichzeitig schränken sie die Rechte der Verfahrensbeteiligten in bestimmten Beziehungen ein. Deshalb ist Vorsicht und Zurückhaltung geboten. Derartige Vorschriften sollten demgemäß nur dann und nur insoweit in das Gesetz aufgenommen werden, als dies unbedingt notwendig ist, um einen reibungslosen Ablauf des Prozesses zu gewährleisten. Die erste Frage lautet deshalb: Sind Massenverfahren im Verwaltungsprozeß zu erwarten? Bei einer vor vier Jahren (im April 1974) vom Bundesjustizministerium durchgeführten Umfrage bei den Justiz12 Laubinger, Gutachten über eine künftige gesetzliche Regelung für Massenverfahren im Verwaltungsverfahrensrecht und im Verfahrensrecht für die Verwaltungs gerichte, Speyer 1975.

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verwaltungen und Verwaltungsgerichten ergab sich, daß bis dahin nur wenige Prozesse mit mehr als 100 Personen stattgefunden hatten; die Höchstzahl der an einem Verfahren beteiligten Personen betrug damals 413. Es wäre von Interesse zu erfahren, wie sich die Situation seither entwickelt hat, ob sich die damals auch von den Gerichten geäußerte Befürchtung, sie könnten künftig vermehrt mit großen Beteiligtenzahlen konfrontiert werden, bewahrheitet hat. Allerdings meine ich, daß unabhängig davon, ob dies geschehen ist oder nicht, vorsorglich Regelungen für Massenverfahren in das Gesetz aufgenommen werden sollten. Denn es kann jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß es zu Massenverfahren kommt. Sollte ihre Zahl gering bleiben: um so besser! Die zweite Frage lautet: Welche Probleme werfen Massenverfahren auf und welche Mittel sollten eingesetzt werden, um ihrer Herr zu werden? Zufolge der vom Bundesjustizministerium durchgeführten Umfrage hatten sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Schwierigkeiten ergeben oder wurden erwartet, insbesondere bei -

der Zustellung von Schriftsätzen, gerichtlichen Entscheidungen und Verfügungen, der Beschaffung ausreichend großer Räume für die mündliche Verhandlung, bei der Akteneinsicht,

-

bei der Feststellung der zur mündlichen Verhandlung erschienenen Beteiligten und ihrer Legitimation,

-

bei der Gewährleistung des ordnungsgemäßen Ablaufs der mündlichen Verhandlung,

-

bei der Ermittlung aller notwendig Beizuladenden

-

sowie bei der Fertigung des Urteils.

Geht man von der Richtigkeit dieser Einschätzung aus, so stellt sich die Frage, ob das vom Ausschußentwurf bereitgestellte Instrumentarium ausreicht, um den Schwierigkeiten wirksam zu begegnen. Im großen und ganzen wird man das bejahen können. Zweifel kann man allerdings insofern hegen, als der Entwurf keine Vorschriften für Massenverfahren im Hinblick auf die Akteneinsicht und die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und an Beweisaufnahmen vorsieht. Wir hatten seinerzeit vorgeschlagen, in das Gesetz Vorschriften des Inhalts aufzunehmen, daß dann, wenn für eine bestimmte Gruppe von Beteiligten ein gemeinsamer Bevollmächtigter bestellt worden ist, nur dieser (und nicht auch die von ihm Vertretenen) einen Anspruch darauf hat, die Gerichtsakten einzusehen sowie an der mündlichen Verhandlung und an Beweisterminen teilzunehmen 13 •

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Diese Vorschläge hat der Koordinierungsausschußaus Gründen, die ich nicht kenne, nicht aufgegriffen. Das bedeutet, daß auch die durch einen gemeinsamen Bevollmächtigten oder gemeinsamen Vertreter repräsentierten Beteiligten gemäß § 118 des Ausschußentwurfs einen Anspruch darauf haben, die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einzusehen. und sich durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen zu lassen. Im Prinzip ist es zu begrüßen, wenn das Akteneinsichtsrecht so wenig wie nur irgend möglich eingeschränkt wird; doch muß man sich fragen, ob dieser Grundsatz durchgehalten werden kann, wenn es zu wirklichen Massenverfahren kommt. Deshalb erscheint mir die Regelung des § 29 Abs. 1 Satz 3 VwVfG realistischer, der das Akteneinsichtsrecht im Verwaltungsverfahren dem gemeinsamen Vertreter vorbehält und es dem pflichtgemäßen Ermessen der Behörde anheim gibt, ob sie auch den von ihm Vertretenen die Einsicht in die Behördenakten gestatten will. Nicht übernommen hat der Koordinierungsausschuß ferner unseren Vorschlag, das Recht auf Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und an Beweisterminen dem gemeinsamen Vertreter bzw. dem gemeinsamen Bevollmächtigten vorzubehalten. Ich gebe zu, daß dieser Vorschlag problematisch ist und will mich deshalb auch nicht wegen dieser Frage mit dem Ausschuß anlegen. Ich kann jedoch nicht verhehlen, daß es mir nicht sonderlich konsequent zu sein scheint, den Vertretenen einen Anspruch auf Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu geben, obwohl sie selbst keine Verfahrenshandlungen vornehmen können, wie § 70 Abs. 1 Satz 3 des Entwurfs ausdrücklich bestimmt. Gestatten Sie mir, daß ich in aller Kürze noch auf zwei Fragen hinweise, die die dem Massenverfahren gewidmeten Vorschriften des Entwurfs aufwerfen. Die erste Frage betrifft die Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters. Während § 19 Abs.l Satz 3 VwVfG ausdrücklich bestimmt, daß der in einem Verwaltungsverfahren von der Behörde bestellte gemeinsame Vertreter an Weisungen nicht gebunden ist, enthält weder § 70 noch die Begründung des Ausschußentwurfs hierzu irgend etwas. Da man aus diesem Schweigen gegensätzliche Schlußfolgerungen ziehen kann, sollte das Gesetz klarstellen, ob der vom Gericht bestellte gemeinsame Vertreter an Weisungen der von ihm Vertretenen gebunden sein soll oder nicht. Eine weitere Unklarheit birgt § 68 Abs.4 in sich. Diese Vorschrift bestimmt folgendes: Übersteigt die Zahl der voraussichtlich notwendig Beizuladenden 50 Personen, so kann das Gericht durch einen zu veröffentlichenden Beschluß anordnen, daß nur die Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Dem 13

Laubinger, Gutachten S. 102 f.

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Satz 4 zu folge soll das Gericht allerdings "PersOnen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden", auch ohne Antrag beiladen. Welche Personen dies sind, ist unklar. Der Begründung des Ausschusses (S.207) zufolge handelt es sich dabei "insbesondere" um "Personen, die zu dem herkömmlichen Kreis der notwendig beizuladenden Personen zählen". Das ist jedoch wenig plausibel. Denn § 68 Abs. 4 gilt ausschließlich für notwendig Beizuladende, wie sich aus der Verweisung des § 68 Abs. 4 Satz 1 auf Abs. 2 eindeutig ergibt. Zählt man alle notwendig Beizuladenden zu den "Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße· betroffen werden", so wird damit die gesamte Regelung des § 68 Abs. 4 ad absurdum geführt. Soll sie ihren Sinn behalten, so muß man den Kreis der von Amts wegen Beizuladenden enger ziehen. Die von § 68 Abs. 4 Satz 4 dafür gegebenen Kriterien erscheinen mir jedoch als außerordentlich verschwommen und würden die Gerichte vor erhebliche Auslegungsschwierigkeiten stellen. Diese Schwierigkeiten ließen sich vermeiden, wenn man in Anknüpfung an § 13 Abs.2 Satz 2 Halbsatz 2. VwVfG bestimmen würde, daß das Gericht diejenigen notwendig Beizuladenden, die ihm bekannt sind, von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen hat, es aber dabei zu belassen, daß auch diese Personen nur dann beigeladen werden, wenn sie einen entsprechenden Antrag stellen. Das Institut der Beiladung erfüllt seinen Zweck nur dann vollen Umfangs, wenn die gerichtliche Entscheidung die Beigeladenen bindet. Deshalb bestimmen die geltenden Verfahrensordnungen (z. B. § 121 VwGO) , daß rechtskräftige Urteile die Beteiligten, zu denen ja auch die Beigeladenen gehören, binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Diese Vorschrift wird von § 147 des Entwurfs übernommen und dahingehend ergänzt, daß sich die Bindungswirkung auch auf die Personen erstreckt, die im Falle des § 68 Abs.4 einen Antrag auf Beiladung nicht gestellt haben und demgemäß nicht zu den Beteiligten gehören. Diese Erweiterung des persönlichen Umfangs der Rechtskraft ist folgerichtig. 4. R e c h t s weg und Z u s t ä n d i g k e i t Einige bedeutsame Abweichungen vom geltenden Recht und vom SpE schlägt der Ausschußentwurf hinsichtlich des Rechtswegs, der Zuständigkeit und der damit in Zusammenhang stehenden Fragen vor. Hierauf will ich nur ganz knapp eingehen. a) Im Gegensatz zu § 40 Abs.2 Satz! VwGO und § 49 Abs. 2 Satz 1 SpE sieht § 36 Abs. 2 Satz 1 des Entwurfs nicht mehr vor, daß für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten der ordentliche Rechtsweg gegeben ist. Das bedeutet, daß über derartige

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Streitigkeiten, die ja öffentlich-rechtlicher Natur sind, künftig die Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu entscheiden hätten. Das ist zu begrüßen. Die verfassungsrechtlichen Rechtswegvorschriften in Art. 14 Abs. 3 Satz 4 und Art. 34 Satz 2 GG (Streit über die Höhe der Enteignungsentschädigung sowie über Amtshaftungs- und Regreßansprüche) bleiben davon zunächst unberührt; der Koordinierungsausschuß hat jedoch einmütig die Auffassung bekundet, daß diese Vorschriften beseitigt werden sollten mit der Folge, daß auch für jene Streitigkeiten in Zukunft der Verwaltungsrechtsweg gegeben wäre (Begründung S.166). Dieser Forderung ist zuzustimmen. b) Der heute herrschenden Meinung zufolge hat die Rechtswegverweisung keine "aufdrängende", sondern lediglich eine "abdrängende" Wirkung; sie steht also einer Weiterverweisung nicht im Wege 14 • Dies kann dazu führen, daß ein Rechtsstreit durch mehrere Gerichtsbarkeiten gehetzt wird, bis endlich eine Entscheidung in der Sache ergeht. Damit ist weder dem rechtsuchenden Bürger noch den Gerichten gedient. Deshalb verdient der § 40 Abs. 2 des Ausschußentwurfs nachhaltige Unterstützung. Er sieht folgende Regelung vor: Hat ein Gericht eines anderen Gerichtszweiges den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein Gericht der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanzgerichtsbarkeit oder der Sozialgerichtsbarkeit verwiesen, so ist das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, sowohl hinsichtlich des beschrittenen Rechtsweges als auch im Hinblick auf die sachliche und örtliche Zuständigkeit an die Verweisung gebunden. Die Verweisung soll also aufdrängende Wirkung in dem Sinne haben, daß das Gericht die Sache weder an ein anderes Gericht seiner eigenen Gerichtsbarkeit noch an ein Gericht einer anderen Gerichtsbarkeit weiterverweisen darf. Dasselbe gilt gemäß § 135 des Entwurfs, wenn der Rechtsstreit an "ein anderes Gericht" verwiesen wird, d. h. an ein Gericht der ordentlichen oder der Arbeitsgerich tsbarkei t. c) Hat das Gericht erster Instanz die Zulässigkeit des Rechtswegs und seine Zuständigkeit bejaht, so sind das Berufungs- und das Revisionsgericht hieran gebunden. Das ergibt sich aus § 163 Abs.2 und § 170 Abs. 1 Satz 2 des Entwurfs, wonach das Berufungs- und das Revisionsgericht nicht prüfen dürfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist und ob das Gericht des ersten Rechtszuges sachlich und örtlich zuständig war. Diesem Vorschlag ist ebenfalls zuzustimmen. d) Dem Ausschußentwurf zufolge (§ 133 Abs.1, § 134 i. V. m. § 133 Abs.1) soll die Verweisung wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges oder 14

Vgl. Kopp, VwGO, 3. Aufl. 1977, § 41 Anm.7 a (S.117).

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wegen mangelnder Zuständigkeit nicht mehr auf Antrag, sondern von Amts wegen erfolgen. Eine Klageabweisung wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges oder wegen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts würde dadurch ausgeschlossen15 • Auch diese Neuerung ist meines Erachtens zu begrüßen. Bedenken gegen sie könnte man allenfalls in den Fällen haben, in denen dem Kläger auf diese Weise ein anderer Rechtsweg aufgedrängt wird, der mit höheren Kosten verbunden ist; man denke etwa an den Fall, daß ein Sozial gericht von Amts wegen an ein Gericht der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit verweist. Dem kann sich der Kläger jedoch durch Rücknahme der Klage entziehen. Außerdem hat er die Möglichkeit, den Verweisungsbeschluß mit der Beschwerde anzufechten (vgl. § 133 Abs. 3 und 4, § 176 Abs. 1). e) Im Zusammenhang mit den Rechtswegentscheidungen steht schließlich auch § 39 des Ausschußentwurfs, der gleichfalls kein Vorbild im geltenden Prozeßrecht hat. Er sieht vor, daß das Gericht über den Klageanspruch "unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt" zu entscheiden hat, soweit nicht das Grundgesetz den ordentlichen Rechtsweg vorschreibt. Das bedeutet beispielsweise: Ist ein Anspruch (etwa auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme) sowohl auf eine öffentlich-rechtliche als auch auf eine bürgerlich-rechtliche Rechtsnorm gestützt, so entscheidet das angerufene Verwaltungsgericht nicht nur darüber, ob die Voraussetzungen der öffentlich-rechtlichen Vorschrift gegeben sind, sondern es hat auch darüber zu befinden, ob sich der geltend gemachte Anspruch aus der Norm des bürgerlichen Rechts ergibt. Dadurch wird die bisher bestehende Mehrspurigkeit des Rechtsschutzes beseitigt1 6 • Zugleich wird der Streit darüber gegenstandslos, ob das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit wegen des Anspruchs, der sich auf Gründe stützt, über die das Verwaltungsgericht mangels Zulässigkeit des Rechtsweges nicht befinden darf, an das insoweit zuständige Gericht verweisen darf 17 • Auch diese Neuerung ist zu begrüßen, da sie sowohl den Beteiligten als auch den Gerichten Arbeit und Kosten erspart. f) Skeptischer bin ich gegenüber einer weiteren Abweichung vom geltenden Recht, die der Koordinierungsausschuß empfiehlt. Sein § 53 sieht vor, daß durch eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen Kläger und Beklagtem die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges begründet werden kann. Daraus ergibt sich im Wege arguSo auch die Begründung S. 298. Zum geltenden Recht vgl. Eyermann / Fröhler, VwGO, § 40 Rdnr. 31; Kopp, § 41 Anm. 5 (S. 114 f.). 17 Vgl. Kopp, § 41 Anm.5. 15

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mentum e contrario, daß sich die Beteiligten weder über die sachliche Zuständigkeit noch über den Rechtsweg verständigen können 18 • § 53 stellt für die öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten ein Novum dar. Eine ausdrückliche Regelung enthält lediglich das SGG, dessen § 59 bestimmt, daß Vereinbarungen der Beteiligten über die Zuständigkeit keine rechtliche Wirkung haben. Der SpE (S. 226) lehnte die übernahme dieser Bestimmung ab mit folgender Begründung: Die VwGO und die FGO enthielten keine vergleichbaren Bestimmungen. Aus der Begründung zur VwGO ergebe sich, daß der Gesetzgeber die Frage der Zulässigkeit der Prorogation der Entwicklung durch die Rechtsprechung habe überlassen wollen. Da in der Sozialgerichtsbarkeit in gleicher Weise verfahren werden könne, sei § 59 SGG keine Vorschrift, die als Besonderheit des sozialgerichtlichen Verfahrens bestehen bleiben müsse . . Die Rechtsprechurig und Literatur zum Verwaltungs- und Finanzprozeß haben ganz überwiegend den Standpunkt eingenommen, Vereinbarungen über die sachliche oder örtliche Zuständigkeit seien unzulässig und unwirksam 19 • Begründet wird dies vornehmlich mit den Argumenten, die Vorschriften der VwGO und der FGO über die Zuständigkeit seien abschließend und die Prorogation sei mit dem "Wesen des Verwaltungsprozesses" nicht vereinbar. Demgegenüber vertritt der Koordinierungsausschuß die Meinung, die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Verwaltungsprozeß einerseits und Zivilprozeß andererseits schlössen eine Angleichung an die ZPO (§ 38) nicht aus. Die Gerichtsstandsvereinbarung könne in den Fällen helfen, in denen die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zu unzweckmäßigen Ergebnissen führten, was vor allem bei den vom Entwurf vorgesehenen Abweichungen vom Wohnsitzprinzip der Fall sein könne. Ich bin geneigt, dem Koordinierungsausschuß dahin zu folgen, daß das "Wesen des Verwaltungsprozesses" der Prorogation nicht unüberwindlich im Wege steht. Denn welcher Wesenszug sollte die Vereinbarung der örtlichen Zuständigkeit verbieten? Am ehesten käme hier noch der Untersuchungsgrundsatz in Betracht. Doch scheint mir die Gefahr nicht sehr groß zu sein, daß die durch den Untersuchungsgrundsatz gebotene Sachverhaltsaufklärung bei Zulässigkeit der Prorogation wesentlich erschwert oder gar unmöglich wäre. Andererseits sehe ich bisher kein Bedürfnis, vom bisher geltenden Rechtszustand abzuweichen. Außerdem wird man die Gefahr des MißDas hebt auch die Begründung zu § 53 (S. 184) hervor. Kopp § 45 Anm.3 (sachliche Zuständigkeit) und § 52 Anm.1 (örtliche Zuständigkeit); Eyermann / Fröhler, § 45 Rdnr.2 (sachliche Zuständigkeit) und § 52 Rdnrn.35 und 36 (örtliche Zuständigkeit); UZe, Verwaltungsprozeßrecht, S.71. 18 19

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brauchs wohl nicht ganz übersehen dürfen, die die Zulassung der Prorogation heraufbeschwören könnte. Sie besteht beispielsweise darin, daß sich Kläger und Beklagter auf die Zuständigkeit eines entfernt liegenden Gerichts einigen, um beizuladende Dritte davon abzuhalten, sich am Verfahren zu beteiligen. 5. K lag e art e n

a) Aufzählung der Klagearten Im Gegensatz zu den geltenden Verfahrensordnungen und dem SpE enthält der Kommissionsentwurf eine Generalvorschrift über die statthaften Klagearten. Sein § 73 bestimmt, daß Rechtsschutz mit Leistungs-, Gestaltungs- und Feststellungsklage begehrt werden kann. Wie der Begründung (S. 225) zu entnehmen ist, hält der Koordinierungsausschuß diese Bestimmung "aus Gründen der allgemeinen Verständlichkeit für geboten". Sie soll deutlich machen, "daß im Verwaltungsprozeß ebenso wie im Zivilprozeß einheitlich die Leistungs-, Gestaltungs- und Feststellungsklage zur Verfügung stehen". Ob diese Bestimmung tatsächlich hilfreich ist, wage ich zu bezweifeln, zumal sie die zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten keineswegs erschöpfend aufzählt, obwohl sie als abschließende Aufzählung formuliert ist. b) Klagebefugnis

Bekanntlich ist umstritten, ob § 42 Abs. 2 VwGO, der die Klagebefugnis regelt, auf die allgemeine Leistungsklage entsprechend anwendbar ist20 • Um diesen Streit auszuräumen, sah der SpE als § 54 Abs. 2 folgende Regelung vor: . "Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein." Demgegenüber regelt § 74 des Ausschußentwurfs die Klagebefugnis wiederum nur für die Anfechtungs':' und die Verpflichtungsklage, nicht auch für die allgemeine Leistungsklage. In der Begründung (S. 225) heißt es lapidar, eine Regelung der Klagebefugnis bei anderen Leistungen als Verwaltungsakten sei entbehrlich. Das erscheint mir ein wenig dürftig. 6. S p run g k lag e (K lag e

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hne V

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rv e rf a h ren)

In Übereinstimmung mit dem geltenden Recht sieht auch der Kommissionsentwurf (§§ 79, 81) vor, daß Anfechtungs- und Verpflichtungsklage grundsätzlich erst dann zulässig sind, wenn ein Vorverfahren 20

Nachweise bei Kopp, § 42 Anm. 11 (S. 143).

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durchgeführt worden ist. Eine bedeutsame Neuerung - jedenfalls für den verwaltungsgerichtlichen Prozeß - würde § 80 bringen. Danach soll eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage auch ohne Vorverfahren zulässig sein, wenn die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder abgelehnt hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber zustimmt. Tut sie dies nicht, so ist die Klage als außergerichtlicher Rechtsbehelf, also als Widerspruch, zu behandeln. Hat von mehreren Berechtigten einer Klage und ein anderer Widerspruch erhoben, so ist zunächst über den Widerspruch zu entscheiden. Diese Regelung lehnt sich an § 45 Abs. 1 FGO an, geht aber über ihn erheblich hinaus. Der SpE hat es seinerzeit ausdrücklich abgelehnt, diese Vorschrift zu übernehmen (S.273). Die Ablehnung ist damit begründet worden, -

das Vorverfahren diene u. a. auch dem Zweck, zu verhindern, daß die Gerichte mit Sachen belastet werden, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht genügend geklärt sind;

-

im Widerspruchsverfahren werde nicht nur die Rechtmäßigkeit, sondern auch die Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes bzw. seiner Ablehnung geprüft;

-

die überprüfung im Widerspruchsverfahren erfolge in der Regel durch eine andere Behörde als die, die den Verwaltungsakt erlassen oder abgelehnt hat.

Auf diese Argumente hat sich der Koordinierungsausschuß nur teilweise eingelassen (vgl. S.230). Er begnügt sich mit der Feststellung, es sei rechtsstaatlich unbedenklich, der Ausgangsbehörde auch dann die Befugnis zum Verzicht auf die Durchführung des Vorverfahrens zu geben, wenn über den außergerichtlichen Rechtsbehelf eine andere Behörde zu entscheiden hat. In der Tat: Rechtsstaatliche Bedenken gegen die Sprungklage bestehen nicht. Doch muß man sich fragen, ob es nicht rechtspolitisch wünschenswert ist, daß zunächst die Aufsichtsbehörde mit der Angelegenheit befaßt wird, bevor es zum gerichtlichen Streit kommt. Noch schwerer wiegt ein anderes Bedenken, auf das der SpE hinweist, vom Koordinierungsausschuß aber mit keinem Wort erwähnt wird: Das Vorverfahren dient auch der Entlastung der Gerichte. Dies anerkennt an anderer Stelle (S. 228 f.) auch der Koordinierungsausschuß, nämlich dort, wo er für die grundsätzliche Verpflichtung zur Durchführung von Vorverfahren plädiert und dabei wörtlich ausführt: "Insgesamt führt das Vorverfahren zu einer wesentlichen Entlastung der Gerichte, zur Verkürzung der durchschnittlichen Verfahrensdauer und damit zu einer erheblichen Verbesserung des Individualrechtsschutzes."

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Dieser Schutzzweck wird durch § 80 Abs.1 des Entwurfs ausgehöhlt. Nimmt man ihn so ernst, wie er es verdient, so müßte zumindest festgelegt werden, daß die Sprungklage nur dann zulässig ist, wenn auch das Gericht seine Zustimmung erteilt. Aus den früher genannten Gründen sollte ferner daran gedacht werden, auch die Zustimmung der Widerspruchsbehörde zu verlangen. 7. Vorbescheid Der Vorbescheid spielt im Verwaltungsprozeß noch immer eine äußerst bescheidene Rolle, im Finanzprozeß offenbar eine etwas größere. Dies wird bestätigt durch die von UZe durchgeführte Untersuchung "Rechtstatsachen zur Dauer des Verwaltungs-(Finanz-)Prozesses", der zu entnehmen ist, daß in 1996 Verwaltungsprozessen nur 83 Vorbescheide, in 998 Finanzprozessen hingegen immerhin 96 Vorbescheide erlassen wurden (vgl. S. 122). Der Kommissionsentwurf unternimmt den Versuch, dem Vorbescheid größere Bedeutung zu verschaffen. Diesem Zwecke dienen verschiedene Neuerungen, die teilweise der FGO entlehnt sind. Gemäß § 84 Abs.1 VwGO kann das Verwaltungsgericht die Klage durch Vorbescheid stets nur abweisen, und zwar als unzulässig oder als offenbar unbegründet. Demgegenüber sieht § 120 Abs. 1 des Ausschuß entwurfs in übereinstimmung mit § 90 Abs.3 FGO vor, daß das Gericht in allen geeigneten Fällen einen Vorbescheid erlassen kann, insbesondere auch dann, wenn die Klage offensichtlich begründet ist. Gegen eine derartige Regelung sprach sich der SpE (S. 322 f.) aus mit dem Argument, Durchbrechungen des Grundsatzes der Mündlichkeit müßten in einem möglichst eng begrenzten Rahmen gehalten werden. Das trifft zu. Dennoch halte ich den Vorschlag des Koordinierungsausschusses für begrüßenswert. Denn zum einen nimmt er keinem der Beteiligten das Recht, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu verlangen. Und zum anderen ist nicht recht einzusehen, weshalb Vorbescheide nur zu Lasten des klagenden Bürgers, nicht aber auch zu Lasten der beklagten Behörde sollen erlassen werden können. Auch sie sind fehlsam. In diesem Zusammenhang ist es nicht uninteressant, daß in den von Ule untersuchten 998 Finanzprozessen 96 Vorbescheide ergingen, von denen 30, also nahezu ein Drittel, der Klage ganz oder teilweise stattgaben. Während § 94 Abs.2 VwGO als Rechtsbehelf gegen den Vorbescheid nur den Antrag auf mündliche Verhandlung vorsieht, will § 120 Abs.2 des Kommissionsentwurfs den Beteiligten daneben auch die Möglichkeit geben, dasjenige Rechtsmittel einzulegen, das gegen ein Urteil gleichen Inhalts zulässig wäre. Der von einem Verwaltungsgericht erster Instanz 6 Speyer 75

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erlassene Vorbescheid wäre also auch mit der Berufung anfechtbar. Zur Begründung führt der Koordinierungsausschuß zutreffend aus, dadurch erhöhe sich das Gewicht des Vorbescheides. Darüber hinaus kann diese Regelung zu einer Verkürzung des Prozesses führen, wenn die Beteiligten sich dazu entschließen, den Rechtsstreit in die nächsthöhere Instanz zu bringen, statt eine mündliche Verhandlung zu beantragen. Beantragt ein Beteiligter mündliche Verhandlung, während ein anderer Berufung einlegt, so findet mündliche Verhandlung statt (§ 120 Abs.2 Satz 2). Was aus der Berufung wird, ist nicht geregelt. Da der Vorbescheid, gegen den sie sich richtet, als "nicht ergangen" gilt, wie § 120 Abs. 2 Satz 3 in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht (§ 84 Abs. 2 Satz 2 VwGO) bestimmt, wird die Berufung zwar gegenstandslos, aber sie ist nun einmal in der Welt. Wird von keinem Beteiligten mündliche Verhandlung beantragt, so wirkt der Vorbescheid nicht mehr als "rechtskräftiges Urteil" (so § 84 Abs.2 Halbsatz 2 VwGO, § 90 Abs.3 Satz 3 SGO, § 100 Abs.2 Satz 2 SpE), sondern nur noch als schlichtes "Urteil" (§ 120 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 des Entwurfs). Das bedeutet, daß die Frist zur Einlegung des gegen Urteile gleichen Inhalts zulässigen Rechtsmittels nach Ablauf der Monatsfrist, innerhalb deren mündliche Verhandlung beantragt werden kann, erneut zu laufen beginnt21 • 8. Ver f a h ren mit ger in g e m S t r e i t wer t (B aga tell s ach e n) Für Verfahren mit geringem Streitwert enthält der Kommissionsentwurf einige bemerkenswerte Sondervorschriften. a) Wenn der Streitwert bei einer Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 300,- DM nicht übersteigt, soll das erstinstanzliche Gericht gemäß § 149 ermächtigt sein, das Verfahren nach billigem Ermessen zu bestimmen. Was darunter zu verstehen ist, bleibt offen. Der Begründung (S. 319) zufolge erlaubt die Vorschrift "sinnvolle Erleichterungen zum Beispiel im Beweisverfahren, bei der Abfassung des Urteils". Falls nicht ein Beteiligter mündliche Verhandlung beantragt, soll das Gericht auch im schriftlichen Verfahren entscheiden können. Zugleich wird betont, das Gericht müsse "die Grundregeln des geltenden Verfahrensrechts, z. B. die Amtsermittlungspflicht, den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, beachten". b) Ebenfalls an den Streitwert, aber an einen anderer Höhe knüpft § 142 Abs. 4 an. Danach kann das Gericht, wenn der Streitwert bei einer 21

So auch die Begründung auf S. 291.

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Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,- DM nicht übersteigt, die Darstellung des Tatbestandes auf die Wiedergabe des Klagebegehrens beschränken und von der Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder der Entscheidung im Vorverfahren folgt und dies in seinem Urteil feststellt. Vereinfacht ausgedrückt: Weist das Gericht die Klage ab, so kann es sich mit dem Hinweis begnügen, daß es die Begründung der Verwaltungsentscheidung für zutreffend hält und ihr folgt22. Der Koordinierungsausschuß hat die Regelung damit motiviert, es sei nicht sinnvoll, das Gericht zu zwingen, die Begründung der Verwaltung zu wiederholen. Dem stimme ich zu, frage mich aber, ob dies nur für Bagatellsachen gilt. Derselbe Gedanke liegt übrigens auch dem § 161 zugrunde, auf den ich später noch zurückkommen werde. Auf der anderen Seite birgt die Regelung die Gefahr in sich, daß die Gerichte verführt werden, sich die Nachprüfung der Verwaltungs entscheidung zu leicht zu machen, wenn sie nicht gezwungen sind, eigene Entscheidungsgründe zu Papier zu bringen. Weshalb § 142 Abs.4 einen Streitwert von 500,- DM, § 149 hingegen einen solchen von 300,- DM zugrundelegt, ist nicht ersichtlich. e) Nicht an den Streitwert, aber an den irun verwandten Wert des Beschwerdegegenstandes knüpft § 157 an. Nach seinem Abs.l Nr.l bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,- DM nicht übersteigt. Zutreffend führt der Koordinierungsausschuß aus, es sei nicht einzusehen, warum in verwal tungsprozessualen Verfahren nach ohnehin regelmäßig zweistufigem Verwaltungsverfahren abweichend von der ZPO (vgl. § 511 a) auch bei kleinsten Streitwerten ohne Rücksicht auf die Bedeutung der Sache noch mindestens zwei Gerichtsinstanzen zur Verfügung stehen müßten· (S. 342). Unter bestimmten, in § 157 Abs.2 des Entwurfs aufgezählten Voraussetzungen muß die Berufung zugelassen werden. Die Nichtzulassung durch das erstinstanzliche Gericht ist selbständig mit der Beschwerde anfechtbar, über die das Gericht zweiter Instanz durch begründeten Beschluß zu entscheiden hat (§ 157 Abs.3). d) Betrachtet man die drei genannten Vorschriften über Bagatellsachen im Zusammenhang, so ergibt sich - anhand eines Beispiels veranschaulicht - folgendes: Ficht jemand einen Gebührenbescheid über 300,- DM an, so kann das Verwaltungs gericht gemäß § 149 sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen. Will es die Klage abweisen, so kann es 22 Vgl. die Begründung auf S.313.

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sich kurz fassen: Es kann die Darstellung des Tatbestandes auf die Wiedergabe des Klagebegehrens beschränken und von der Formulierung eigener Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gebührenbescheides oder des Widerspruchsbescheides folgt (§ 142 Abs. 4). Der Kläger kann Berufung gegen das abweisende Urteil nur dann einlegen, wenn das Verwaltungsgericht sie in seinem Urteil zugelassen hat oder wenn das OVG sie auf Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hin zuläßt (§ 157). 9. R e eh t s mit tel Der Koordinierungsausschuß will das Rechtsmittelsystem in mannigfacher Hinsicht neu ordnen. Auf einige der darauf abzielenden Vorschläge habe ich bereits hingewiesen. Gestatten Sie mir, noch einige wenige Punkte nachzutragen. a) § 161 des Ausschußentwurfs will das Berufungsgericht ermächtigen, ohne mündliche Verhandlung durch Urteil über die Berufung zu entscheiden, wenn es einstimmig die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Voraussetzungen dieser Vorgehensweise sind alsdann im Urteil festzustellen; einer weiteren Begründung bedarf es nicht. Das Gericht braucht in seinem Urteil also lediglich mitzuteilen, daß es einstimmig die Berufung für unbegründet hält und sich der Begründung des erstinstanzlichen Urteils anschließt. Der Koordinierungsausschuß motiviert diese Regelung damit, es sei nicht sinnvoll, das Berufungsgericht zu zwingen, die Entscheidungsgründe der Vorinstanz zu wiederholen, wenn es dessen Auffassung teilt (S. 353). Dem § 161 liegt also derselbe Gedanke zugrunde wie dem vorhin erörterten § 142 Abs.4, der das Gericht erster Instanz ermächtigt, bei Bagatellstreitigkeiten auf die Begründung der Verwaltung zu verweisen. Daß für eine derartige Lösung einiges spricht, andererseits jedoch gewisse Gefahren nicht übersehen werden dürfen, habe ich bereits zum Ausdruck gebracht. b) Dem Revisionsgericht steht eine solche Möglichkeit nicht zu Gebote. Das ist jedoch keineswegs inkonsequent, wie man auf den ersten Blick meinen könnte. Denn nach dem Entwurf (§ 165) soll die Revision stets der Zulassung bedürfen, also auch dann, wenn wesentliche Verfahrensmängel gerügt werden, die nach geltendem Recht (§ 133 VwGO, § 116 Abs.1 FGO) und dem SpE (§ 160) eine zulassungsfreie Revision gestatten. Die Abschaffung der zulassungsfreien Verfahrensrevision ist zu begrüßen. Angesichts des Umstandes, daß die Zulässigkeit der Revision stets davon abhängig sein wird, daß sie ausdrücklich zugelassen worden ist, ist für ein Verfahren nach Art des § 161 kein Raum.

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Eine Lockerung des Begründungszwangs sieht - in Anlehnung an § 170 Abs.3 SGG - jedoch § 175 Abs. 4 des Ausschußentwurfs vor, wonach die Revisionsentscheidung nicht begründet zu werden braucht, soweit das Gericht die Rüge von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend hält. Diese Erleichterung gilt allerdings dann nicht, wenn die Verletzung einer der in § 171 des Entwurfs aufgezählten absoluten Verfahrensmängel (z. B. unvorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts, Verletzung des rechtlichen Gehörs) gerügt worden ist oder wenn es sich um Rügen handelt, auf denen die Zulassung einer Verfahrensrevision beruht. c) Nach § 132 Abs.5 Satz 2 VwGO und § 115 Abs. 5 Satz 2 FGO, die der SpE (§ 159 Abs. 5 Satz 2) übernehmen wollte, bedarf der eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisende Beschluß keiner Begründung, wenn die Beschwerde einstimmig verworfen oder zurückgewiesen wird; jedoch muß dem Beschwerdeführer zuvor unter Darlegung der Bedenken Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden. Nach Darstellung des Ausschusses (S.367) hat diese Regelung keine praktische Bedeutung gewinnen können, weil das Verfahren zu schwerfällig sei. Deshalb empfiehlt der Ausschuß, sie durch folgende, dem § 160 a Abs.4 Satz 3 SGG entlehnte Vorschrift zu ersetzen (§ 166 Abs.4 Satz 3): "Der Beschluß soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist." Der Fortfall der Begründung ist also nicht mehr davon abhängig, daß im Senat Einstimmigkeit besteht und daß der Beschwerdeführer vorher Gelegenheit bekommen hat, sich zu den Bedenken gegen die Zulässigkeit oder die Begründetheit seiner Nichtzulassungsbeschwerde zu äußern. Dadurch wird die Rechtsposition des Beschwerdeführers nicht unerheblich beschnitten, doch muß man dies angesichts der Flut von Nichtzulassungsbeschwerden wohl hinnehmen.

IV. Abschließende Bemerkungen Damit komme ich zum Ende meiner Ausführungen, bei denen es mir in erster Linie darum ging, einige Übereinstimmungen und Divergenzen zwischen dem SpE einerseits und dem Ausschußentwurf andererseits aufzuzeigen. Es ist mir bewußt, daß mir dies nur höchst unvollkommen gelungen ist. Im Verlaufe meiner Darlegungen habe ich mehrfach Kritik an dem Entwurf des Koordinierungsausschusses geübt. Dessen ungeachtet möchte ich hier zu Protokoll geben, daß ich diesen Entwurf für eine gelungene Fortentwicklung der geltenden Verfahrensordnungen wie auch des Speyerer Entwurfs halte. Seinen Verfassern gebührt Dank und Anerkennung.

Aussprache zu den Referaten von earl Hermann 111e, Jens Meyer-Ladewig und Hans-Werner Lauhinger Bericht von Wulf Büermann Präsident a. D. Prof. Dr. Meyer-Hentschel, Koblenz, eröffnete die unter seiner Leitung stehende Aussprache mit der Feststellung, daß die Notwendigkeit der Neuregelung des Prozeßrechts der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten als allgemein anerkannt gelten könne. Dies sei Prof. Dr. Ule zu danken, der mit dem "Speyerer Entwurf" den Anstoß zur Vereinheitlichung der Verwaltungsgerichtsgesetze gegeben habe. Ein besonderer Dank gelte aber auch dem Bundesjustizministerium, das Richtern, Anwälten und Verbänden Gelegenheit gegeben habe, die Bedürfnisse der Praxis in den Entwurf des Koordinierungsausschusses einzubringen. Zur Frage des Aufbaus des Instanzenzuges stellte Rechtsanwalt Dr. Glücklich, Wiesbaden, fest, daß der zweistufige Instanzenzug, der bisher nur für einige wenige Rechtsgebiete galt, auf wichtige Bereiche, vor allem die Genehmigungsverfahren von Kernkraftwerken, ausgedehnt werden solle. Dies sei deshalb bedenklich, weil eine Tatsacheninstanz nicht in der Lage sei, die gebotene Sachaufklärung sicherzustellen. Dies liege nicht nur an der Vielzahl der Verfahren, sondern auch an dem fehlenden Vertretungszwang für die Verfahren bei den Verwaltungsgerichten. Gegen die als Sieb wirkende erste Instanz müsse daher die Berufung zu einer zweiten Tatsacheninstanz erhalten bleiben. Zur Einführung eines lediglich zweistufigen Instanzenzuges für atomrechtliche Verfahren erklärte Ministerialrat Dr. Jens Meyer-Ladewig, Bonn, daß diesbezügliche überlegungen gemeinsam mit den Ländern diskutiert würden. Eine solche Differenzierung werfe jedoch zahlreiche Abgrenzungsprobleme auf, die es letztlich sinnvoller erscheinen ließen, es bei der bisherigen Regelung zu belassen. Präsident Dr. Bischoff, Münster, wies demgegenüber darauf hin, daß eine Beschränkung auf lediglich zwei Instanzen nicht nur dem schnelleren Abschluß der Verfahren diene, sondern auch die Rekrutierung eines qualifizierten Verwal tungsrichternachwuchses ermögliche. Zum Problem des Vertreters des öffentlichen Interesses vertrat Ministerialrat Nast-Kolb, München, die Auffassung, daß die in der Begründung des Entwurfs der Verwaltungsprozeßordnung für die Notwen-

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digkeit des Vertreters des öffentlichen Interesses beim Bundesverwaltungsgericht angeführten Gesichtspunkte auch für den Bereich der Länder Gültigkeit besäßen. Für die Landesregierung bestehe ein Bedürfnis, vor einer abschließenden Entscheidung über Landesrecht eine Stellungnahme abgeben zu können. Oberlandesanwalt Bauer, München, stimmte dieser Auffassung zu und wies darauf hin, daß in der Diskussion die Stellung des Landesanwalts bei den Verwaltungsgerichten in Baden-Württemberg und Bayern als Vertreter des Staates nur unzureichend berücksichtigt werde. Vor allem erlaube die Doppelfunktion den Landesanwälten, sich auf die Gesamtvertretung aller in den einzelnen Rechtsgebieten anfallenden Streitfälle spezialisieren zu können. Prof. UZe äußerte Bedenken gegenüber der Notwendigkeit des Vertreters des öffentlichen Interesses. Da das öffentliche Interesse von der beklagten Verwaltungsbehörde wahrgenommen werde, erscheine eine weitere Institution, die dieses Ziel verfolge, wenig sinnvoll. Zu berücksichtigen sei auch, daß ein Kläger, der sich einer Vielzahl von auf das öffentliche Interesse verpflichteten Prozeßgegnern und Streithelfern gegenübersehe, Zweifel an der hinreichenden Wahrung seiner Rechte entwickeln werde. Prof. Laubinger, Mannheim, wies darauf hin, die Würdigung des Vertreters des öffentlichen Interesses dürfe sich nicht darauf beschränken, zu untersuchen, ob sich diese Einrichtung bewährt habe. Es müsse vielmehr geprüft werden, ob dem Vertreter des öffentlichen Interesses nicht Kontrollbefugnisse in Bereichen zugewiesen werden können, die derzeit von den Verbänden beansprucht werden. Das Sonderproblem der Zuständigkeit der Sozialgerichte für Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung sprach Präsident Groschupf, Hannover, an. Die Zuständigkeitszuweisung auch der Angelegenheiten der sozialen Fürsorge für Kriegsopfer sollte nach seiner Auffassung nicht aus der Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit herausgenommen werden, solange man diesen Verwaltungsbereich den allgemeinen Verwaltungsbehörden belasse. Ministerialrat Dr. Meyer-Ladewig erkannte an, daß für die Frage der Rechtswegzuweisung die Behördenzuständigkeit als wichtiger Gesichtspunkt zu berücksichtigen sei. Für den Koordinierungsausschuß sei jedoch ausschlaggebend gewesen, daß die Kriegsopferfürsorge das Kernstück der Versorgung nach dem BVG sei und mit der vorgesehenen Regelung verhindert werden sollte, die Beteiligten für Teile ihres Versorgungsanspruchs auf verschiedene Rechtswege verweisen zu müssen. Prof. Erichsen, Bochum, kritisierte den geringen Stellenwert, der dem Vorverfahren beigemessen werde. Er forderte, es wieder in den Rang zu versetzen, der ihm nach der Konzeption der VwGO zukomme. Prof. UZe unterstützte diese Forderung, wies jedoch darauf hin, daß die Be-

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mühungen um eine Aufwertung des Vorverfahrens durch das Verwaltungsverfahrensgesetz nicht gefördert worden seien. Ministerialrat Dr. Meyer-Ladewig räumte ein, daß das Vorverfahren durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts für die Parteien weitgehend verfügbar geworden sei. Ein Vorverfahren als unabdingbare Prozeßvoraussetzung halte er gleichwohl für nicht realisierbar. Denn es seien Fälle denkbar, in denen ein Verzicht auf das Vorverfahren ähnlich wie bei der Sprungrevision durchaus sinnvoll sei. Präsident Dr. Bischoff gab zu bedenken, daß der Entwurf vor allem das Ziel der rechtstechnischen Vereinheitlichung verfolge, die Problematik der Kontrolldichte in ihrer rechts- und demokratiepolitischen Tiefe demgegenüber vernachlässige. Da das bisherige Kontrollinstrumentarium der Verwaltungsgerichtsbarkeit den Erfordernissen eines objektiven Verwaltungsrechtsschutzes nicht mehr genüge, müßten neue Formen einer begleitenden Verwaltungskontrolle entwickelt werden. Ermessen und Beurteilungsspielraum seien geeignet, Verwaltungsentscheidungen nachträglich zu überprüfen. Für die Aufgabe der Verwaltungs- und auch der Verfassungsgerichte, Entscheidungen der Regierenden auf ihre Rechts- und Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfen, sei die Entwicklung anderer Formen der Kontrolle erforderlich. Prof. Bartlsperger, Erlangen-Nürnberg, wies demgegenüber darauf hin, daß es bisher nicht gelungen sei, die Probleme des Beurteilungsspielraums und des Verwaltungsermessens überzeugend zu lösen. Hinsichtlich der Kontrolldichte sei darüber hinaus zu berücksichtigen, daß diese dem Gesetzgeber nicht beliebig verfügbar sei. Art. 19 IV GG als in der Verfassung niedergelegtes Leitbild bestimme die Grenzen einer gesetzlichen Einschränkung der Kontrolldichte. Prof. Erichsen meinte, daß die Begriffe Ermessen und unbestimmter Rechtsbegriff nur unzureichend die weit darüber hinausgreifende Problematik der Kontrolldimension erfaßten. Die Wahrnehmung der Kontrollbefugnisse vor einer endgültigen Verwaltungsentscheidung sei aber nicht Aufgabe der Gerichte, sondern der Parlamente. Nach Auffassung von Prof. Ule besitzt das Problem der Kontrolldichte für die Rechtsprechung insgesamt eine allenfalls geringe Bedeutung. Dies könne Sonderregelungen für bestimmte Rechtsgebiete erforderlich machen, eine Veränderung der Struktur der Verwaltungsgerichtsbarkeit sei nicht geboten. Ministerialrat Dr. Meyer-Ladewig stimmte der Auffassung Prof. Bartlspergers zu, daß eine dogmatisch überzeugende Klärung der Rechtsprobleme des Ermessens und des Beurteilungsspielraums bisher nicht gelungen sei. Vor diesem Hintergrund sei der Gesetzgeber außerstande, hinreichend differenzierte Detailregelungen zu erlassen. Ministerialrat Dr. v.Oertzen, Bonn, betonte, daß die Vereinheitlichung der Verwaltungsgerichtsgesetze nicht erkauft werden dürfe

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durch die Aufgabe der Einheit des Prozeßrechts. Die Lösung prozessualer Probleme dürfe bei dem Bemühen um eine Vereinheitlichung der Verwaltungsgerichtsgesetze nicht zurückgestellt oder gänzlich aus dem Gesetz herausgelöst werden. Dies gelte für die Klärung des Problems "Verbandsklage" ebenso wie für die Möglichkeiten einer Verbesserung des Beweisrechts. Es sei daran' zu denken, daß Beweiserhebungen, soweit sie Fragen des Standes der Wissenschaft und der Forschung beträfen, auch in Verfahren anderer Gerichte verwertet werden. Prof. Ule stimmte Dr. v. Oertzen darin zu, daß verwaltungsprozessuale Probleme bei den Überlegungen zur Vereinheitlichung der Verwaltungsgerichtsgesetze nicht ausgeklammert werden dürfen. Die Auffassung, einmal durchgeführte Beweiserhebungen in mehreren Verfahren als Beweismittel zu verwerten, hält Prof. Ule jedoch für nicht praktikabel. Abgesehen von den juristischen Bedenken seien die Probleme in den einzelnen Verfahren selten völlig gleichgelagert, so daß eine Verwertbarkeit in der Regel nicht in Betracht komme.

Vereinheitlichung der Verwaltungsgerichtsgesetze und Gleichschaltung der Verwaltungsgerichtsbarkeiten oder Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit nach den Bedürfnissen der Gegenwart? Von Karl August Bettermann

A. Erlauben Sie, daß ich ebenso souverän, wie Herr UZe gestern vom "Speyerer Entwurf" Abschied genommen hat, das Thema verändere, das mir gestellt ist. Es ist formuliert worden: "Der Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung und die Einheit des Prozeßrechts." Über dieses Thema sind wir gestern morgen, insbesondere Herr UZe in seinem Referat, weit hinausgegangen. Aber schon der Koordinierungsausschuß hat erklärt, er beschränke seine Aufgabe nicht darauf, wie es der Speyerer Entwurf seinerzeit getan hatte, ohne sachliche Änderungen aus den drei vorhandenen Kodifikationen ein einheitliches Gesetz zu machen. Der Koordinierungsausschuß hat auch sachliche Änderungen vorgeschlagen in Richtung auf die Verbesserung des Rechtsschutzes, die Vereinfachung des Verfahrensrechts (vielleicht meinte er auch Vereinfachung des Verfahrens) und schließlich Beschleunigung des Verfahrens. Mit den Stichworten "Vereinfachung" und "Beschleunigung" schwenkt der Ausschuß ein auf die Linie des Bundesjustizministeriums, für das die Vereinfachung und Beschleunigung das große Reformziel in den letzten 10 Jahren bilden - der Fetischismus der Beschleunigung und der Vereinfachung, wie ich despektierlich sagen würde. Jedenfalls münden wir damit auch im Verwaltungsprozeß in die Reformdiskussion ein. Herr UZe hat der Sache eine andere Wendung gegeben, die ich begrüße und auf deren Boden ich mich jetzt stellen möchte. Er hat gesagt, der Entwurf muß grundsätzlich diskutiert werden in seinen grundsätzlichen Positionen. Die Grundfragen der Verwaltungsgerichtsbarkeit sind neu gestellt. Es ist ganz sicher, daß das Parlament sich für eine bloß technische oder juristische Vereinheitlichung der drei vorhandenen Gesetze nicht erwärmen, sondern zwangsläufig, weil in der Verwaltungsgerichtsbarkeit . politische Grundfragen unseres Gemeinwesens angesprochen sind, sich den Sachproblemen zuwenden wird. Welchen Sachproblemen, weiß man heute nicht. Deswegen ist es wichtig, daß wir an unserem bescheidenen Teil versuchen, diejenigen Sachprobleme

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auf den Tisch des Parlaments zu bringen, die wichtig sind, damit nicht nachher die Diskussionen ihren Schwerpunkt nehmen beim Vertreter des öffentlichen Interesses oder bei der Frage, ob §§ 25 - 27 des Kriegsopferversorgungsgesetzes zu den Sozialgerichten kommen oder bei den allgemeinen Verwaltungsgerichten bleiben. I. Eine der Grundfragen ist die, welche Herr Präsident Bischoff als die Frage der Kontrolldichte bezeichnet hat.

1. Ich teile nicht die Meinung von Herrn Ule, daß die Nachprüfbarkeit des Beurteilungsermessens eine Methodenfrage und deswegen der Gesetzgebung unzugänglich sei. Es handelt sich nicht, jedenfalls nicht primär, um eine Methodenfrage, sondern um eine Kompetenz- und damit um eine Machtfrage: um die Kompetenzverteilung zwischen den Verwaltungsgerichten und der Verwaltung, aber auch der Gesetzgebung. Dies ist so wenig eine Methodenfrage, wie das Verhältnis von Gesetz und Richter. Ich habe es immer bedauert, daß die StaatsrechtIer sich die Frage der Bindung des Richters an das Gesetz und des Maßes dieser Bindung von den Methodikern haben aus der Hand nehmen lassen. Es ist eine der politischen Grundfragen jeder Verfassung, ob und inwieweit der Richter an das Gesetz gebunden ist. Das Grundgesetz hat sie mit der äußersten Schärfe beantwortet: mit der Unterworfenheit des Richters unter das Gesetz. Es geht bei der Frage des Beurteilungsermessens, wie beim Handlungsermessen, nicht nur um das Verhältnis der Exekutive zur Judikative, sondern auch um das Verhältnis der Legislative als der rechtsetzenden Gewalt gegenüber den rechtsanwendenden Gewalten. Immer dort, wo der Gesetzgeber Ermessensspielräume an die ausführenden Gewalten vergibt, enthält er selbst sich der eigenen Regelung und schafft einen Machtraum für die rechts anwendenden Gewalten. Die Kontrolldichte hängt zunächst einmal von der Normdichte ab, und damit entscheidet der Gesetzgeber über die Kontrolldichte auch der Verwaltungsgerichte. Ich bin mit Herrn UZe der Meinung, daß es verfehlt wäre, in die neue Verwaltungsprozeßordnung nach dem Beispiel des § 114 VwGO eine generelle Norm über Beurteilungsermessen aufzunehmen: zu regeln, wieweit die Verwaltungsgerichte unbestimmte Rechtsbegriffe auslegen und deren Anwendung überprüfen dürfen. Aufgabe des Gesetzgebers ist es aber, dort, wo er unbestimmte Rechtsbegriffe, insbesondere Wertbegriffe, verwendet, möglichst selbst zu sagen, ob er damit der Verwaltung einen Beurteilungsspielraum einräumt oder ob er das nicht tut. Wenn er die Entscheidung, ob ein Widerrufsbeamter entlassen oder endgültig übernommen werden soll, von der Eignung abhängig macht, dann meint er, daß nach dem Urteil der Einstellungsbehörde der Mann für sein Amt geeignet ist. Insofern ist der Gesetzgeber hier am Zuge und ist es sein legitimes Anliegen, dort, wo er unbestimmte Rechtsbegriffe

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verwendet, klarzustellen, ob er Ermessen einräumt oder nicht. Wenn er schweigt, wird im Zweifel volle Überprüfbarkeit anzunehmen sein. Ich gebe Herrn Bartlsperger recht, der darauf hingewiesen hat, daß der Gesetzgeber in der Einräumung von Handlungs- und Beurteilungsermessen - also in der Frage, wie dicht er die Kontrollkompetenzen der Verwaltungsgerichte gestaltet, genauso wie in der Frage, wie eng oder lose er die Verwaltung an den gesetzlichen Zügel nimmt - gewisse Verfassungspositionen zu beachten hat: daß er der Verwaltung nicht beliebige Ermessensspielräume einräumen kann und damit die verwaltungsgerichtliche Kontrolle zurücknimmt. Je weiter die Maschen des Gesetzes geknüpft sind, um so weniger ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Lage, die Verwaltung zu kontrollieren, solange wir die Verwaltungsgerichte auf Rechtmäßigkeitskontrolle beschränken. 2. Die Frage der Rechtskontrolle der Verwaltung hat noch einen anderen Aspekt, den Herr Präsident Bischof! ins Gespräch gebracht hat. Es ist, scheint mir, kein Zufall, daß es der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Münster gewesen ist, dessen VII. Senat uns mit seinem Vorlagebeschluß betreffend das Atom-Kraftwerk Kalkar ja in Atem gehalten hat. Herr Bischoff hat es formuliert als Frage "mitlaufender Verwaltungskontrolle". Wenn ich den Begriff recht verstehe, soll der gesamte Verwaltungsvorgang nicht ohne verwaltungsgerichtliche Kontrolle ablaufen. Nicht erst die Endentscheidung soll der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle auf Anrufen des Betroffenen unterliegen, sondern die Verwaltungsgerichtsbarkeit soll schon in den laufenden Entscheidungsprozeß oder bestimmte Phasen des Verwaltungs ablaufs kontrollierend hineingezogen werden. Mir scheint, daß das keine grundsätzliche neue Fragestellung ist, sondern daß ein Grundproblem der Verwaltungsgerichtsbarkeit aus den Anfängen ihrer Entstehung unter anderen Vokabeln wieder auftaucht: nachträgliche oder ursprüngliche Verwaltungsrechtspjtege? Für Gneist war ja Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht Mobilisation der dritten Gewalt, der rechtsprechenden Gewalt, der Justiz gegen die Exekutive, sie war auch nicht nur eine Art Selbstkontrolle der Verwaltung, sondern eine Form der Selbstverwaltung; deswegen war damals die Laienbeteiligung ein Essentiale der Verwaltungsgerichtsbarkeit und keine Frage der Zweckmäßigkeit. Es war die Idee der Selbstverwaltung, daß die Kontrolle der Verwaltung im Wege bürgerschaftlicher Mitverwaltung verwirklicht wurde und daß für wichtige, besonders einschneidende Verwaltungsentscheidungen nicht die bürokratische Verwaltungsbehörde, sondern das kollegiale Verwaltungsgericht zuständig war. Bis 1945 lag z. B. die Entziehung einer Gewerbekonzession in der Hand des Verwaltungsgerichts. Ich meine, daß wir, wenn wir schon an Neues gehen, überlegen sollten, dieses Instrument ursprünglicher Verwal-

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tungsrechtspflege oder vorbeugenden Verwaltungsrechtsschutzes wieder einzusetzen - jedenfalls für die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit. In der Finanzgerichtsbarkeit stellt sich das Problem wohl nicht; dort ist die nachträgliche Verwaltungsrechtspflege wahrscheinlich die einzige Rechtsschutzform, die zur Diskussion steht. Von der Sozialgerichtsbarkeit verstehe ich nicht genug, um das Bedürfnis nach präventivem Verwaltungsrechtsschutz beurteilen zu können. Aber in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit sollte jedenfalls in den Bereichen, wo heute die großen, unser Sozialleben gestaltenden, die Zukunft programmierenden Entscheidungen fallen, überlegt werden, ob wir nicht von dieser Figur der ursprünglichen Verwaltungsrechtspflege wieder Gebrauch machen: ob wir nicht bestimmte Entscheidungen, von denen wir mit Sicherheit erwarten können, daß sie im Wege der Anfechtung in den Rechtsweg kommen, lieber frühzeitig in den Rechtsweg geben, um auf diese Weise zur Beschleunigung des Verfahrens und zur endgültigen Regelung des Falles zu kommen. Dabei könnte man unterscheiden, ob die Verwaltungsgerichte zusammen mit der Verwaltung bestimmte Entscheidungen treffen oder ob man zu einer Arbeitsteilung kommt, indem die meisten Zwischenentscheidungen von der Verwaltung allein getroffen werden, daß aber bestimmte, besonders wichtige Entscheidungen gleich in das verwaltungsgerichtliche Verfahren hineingegeben werden. 3. Auch nach der legislativen Seite hat die Frage der Kontrolldichte ihren Aspekt, der durch den Kalkar-Vorlagebeschluß deutlich geworden ist. Wenn ich den Beschluß richtig verstehe, sagt er nicht nur, § 7 des Atomgesetzes arbeite in derartigem Maße mit unbestimmten Rechtsbegriffen, daß dadurch der Beurteilungsermessensspielraum der Verwaltung so groß sei, daß das Verwaltungsgericht die behördliche Entscheidung nicht mehr kontrollieren könne. Das ist der eine Aspekt des Vorlagebeschlusses: § 7 AtomG entspricht nicht den Bestimmtheitsanforderungen, die Art. 19 IV und 20 III GG an den Gesetzgeber stellen. Es steckt aber m. E. noch eine andere überlegung darin, die vor allem in der Pressemitteilung deutlicher wurde als nachher in dem veröffentlichten Beschluß. Es ist die überlegung, daß bei dieser Art von Entscheidungen möglicherweise der Gesetzgeber gar nicht in der Lage ist, sein Netz so dichtmaschig zu stricken, daß es von den Verwaltungsgerichten als Kontrollmaßstab verwendet werden kann. Daraus zieht man dann die Folgerung, daß die Entscheidung selbst dort, wo sie einen Einzelfall, weil ein bestimmtes Kraftwerk, betrifft, in die Hand der Legislative gelegt werden müsse: nicht zum Zwecke der Normsetzung, sondern zum Zwecke der Einzelfallentscheidung. Wenn wir das durchgehen lassen oder wenn sich das anbahnen sollte, daß bestimmte "zentrale" Verwaltungsakte nunmehr von der Legis-

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lative erlassen werden, so bedeutet das eine Abwanderung der Rechtskontrolle von der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Verfassungsgerichtsbarkeit. Karlsruhe wird sicherlich nur darauf warten, die fehlende Kontrolldichte wiederherzustellen! Auch das sollte bedacht werden. Ir. Eine zweite Grundfrage hat Herr UZe angesprochen in der Frage nach der Funktion der Verwaltungsgerichte: Wahrung des objektiven Rechts und Wiederherstellung verletzten objektiven Rechts, also Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung? Oder handelt es sich um den Schutz subjektiver Rechte, um Bürgerschutz, um Individualrechtsschutz? Herr Ule hat gemeint, diesen beiden (bekannten) Antithesen entsprächen in der Frage der Klagebefugnis die Popularklage auf der einen Seite, die Verletztenklage des geltenden Rechts auf der anderen Seite. Dieser Meinung bin ich nicht.

1. Ich beziehe mich dafür zum Teil auf eine Arbeit meines Schülers Dr. Skouris, die demnächst veröffentlicht wird unter dem Titel "Verletzten- und Interessentenklage", eine rechtsvergleichende Studie. Die französische Verwaltungsgerichtsbarkeit, die über ein Jahrhundert lang einstufig war, durch den Staatsrat ausgeübt, war und ist ihrer Herkunft nach orientiert an der Gesetzmäßigkeitskontrolle. Wer die Verwaltungsgerichte, die es heute auch auf der Departementsebene gibt, anrufen kann, ist gesetzlich nicht geregelt. Die Rechtsprechung, die nicht immer kontinuierlich verlaufen ist, hat eine detaillierte Regelung entwickelt; keineswegs ist die Klage po ur exces de pouvoir jedermann eröffnet - aber auch nicht nur, wie in unserem Recht, dem in seinen subjektiven Rechten Verletzten, weil der subjektive Rechtsschutz nicht im Anfechtungsverfahren gewährt wird, sondern im Verfahren mit voller Entscheidungskompetenz, das etwa unserer Amtshaftungsklage oder den früheren "Parteistreitigkeiten" entspricht. Im Anfechtungsprozeß Frankreichs ist Streitgegenstand nur die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungsakts und einwandfreies Verfahren. Aber anfechten kann jeder, der ein qualifiziertes Interesse an der Aufhebung des Verwaltungsakts hat. 2. Zwischen Popularklage und Verletztenklage liegt ein weites Feld. Darauf habe ich wiederholt hingewiesenl - ohne Erfolg. Ich habe noch keine Popularklage gesehen! Quivis ex populo ruft ja gar nicht die Verwaltungsgerichte an. Alle Entscheidungen, die sich mit der sogenannten Klagebefugnis befassen, also mit § 42 11 VwGO, der ja wörtlich übernommen ist in den Entwurf der Verwaltungsprozeßordnung, betreffen Fälle, in denen Leute angefochten haben, die sehr wohl beteiligt an dem Fall waren und die ein individuelles und vielfach auch 1

Staatsbürger und Staatsgewalt, Jubiläumsschrift herausgegeben von

Külz und Naumann, (1963) Bd.1I S. 449 ff. (456 ff.); Festschrift H. Schima

(1969) S.71 ff. (S. 82 ff.); Gedenkschrift für Imboden (1972) S. 37 ff. (S. 47 ff.).

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ein qualifiziertes Interesse an der Aufhebung des Verwaltungsaktes hatten. Wenn die Braut des ausgewiesenen Ausländers die Ausweisung anficht, ist sie nicht quaevis ex populo, sondern sie steht in engster Beziehung zu dem Fall, weil sie enge Beziehungen zu dem Adressaten des Verwaltungsaktes unterhält. Unsere langen Erörterungen über Nachbarklage und Konkurrentenklage betreffen samt und sonders Fälle, in denen der Kläger an der Beseitigung des Verwaltungsakts ein individuelles Interesse hat und nicht als Hüter des Gesetzes auftritt oder als Prozeßhansel oder Querulant. Da stehen handfeste und auch finanziell ausmünzbare Interessen auf dem Spiel! Darüber muß sich auch der Gesetzgeber und muß sich jede gesetzgeberische Arbeit klar werden, ob man an dieser sehr engen Beschränkung der Anfechtungsbefugnis festhalten will, daß eine Verletzung in subjektiven Rechten vorliegen muß, oder ob es nicht genügt, daß ein rechtlich relevantes oder rechtlich geschütztes Interesse an der Nachprüfung des Verwaltungsaktes und dessen Aufhebung oder Änderung besteht. Die Schweiz ist 1968 auf eidgenössischer Ebene zur Interessentenklage übergegangen: Anfechtungsberechtigt ist, wer durch den Verwaltungsakt betroffen (nicht: in seinen Rechten betroffen) ist und deshalb ein Interesse an der Aufhebung des Verwaltungsakts hat. 3. Daß die Abstellung der Anfechtungsklagebefugnis und damit der Legitimation zur Auslösung des Kontrollmechanismus nicht auf die Verletzung subjektiver Rechte des Klägers beschränkt werden kann, hat die Rechtsprechung schon gezeigt, indem sie neben der Klage wegen Verletzung subjektiver Rechte die Klage wegen Verletzung einer Schutznorm entwickelt hat. Das ist doch, wenn man es recht besieht, eine praeterlegale, zwar nicht zu beanstandende Fortbildung, aber doch eine Ausweitung. Die Klage desjenigen, zu dessen Nachteil der Verwaltungsakt eine ihn schützende Norm verletzt, ist eine andere Klage als die Klage dessen, der in einem subjektiven Recht verletzt ist. Das sieht man daran, daß der Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichts unterschiedlich ist: Bei der Adressatenklage, insbesondere also der Klage des Adressaten gegen einen ihn belastenden Verwaltungsakt, wird dieser, weil er in Freiheit oder Eigentum eingreift, in vollem Umfange auf seine formelle und materielle Rechtmäßigkeit überprüft. Bei der Schutznormverletzungsklage (Nachbarklage, Konkurrentenklage) wird nur die Schutznormverletzung nachgeprüft. Andere Mängel, an denen der Verwaltungsakt leidet, werden in diesem Verfahren nicht nachgeprüft. Nur wenn es sich um einen ganz besonders schweren Eingriff handelt, versucht das Bundesverwaltungsgericht2 bei der Nachbarklage über Art.14 GG eine Vollüberprüfung der Bauerlaubnis zu 2

BVerwGE 32, 173; BVerwG DVBl. 1973, 635; 1974,358 und 777.

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rechtfertigen. Aber damit wird die Nachbarklage nicht zur Interessentenklage, sondern im Gegenteil zur Klage wegen Verletzung subjektiven Rechts hochstilisiert. 4. Im geltenden Recht ist der Schritt zur Interessentenklage schon vollzogen: bei der NormkontroHklage des § 47 VwGO, der nicht darauf abstellt, ob die Norm in Rechte des Klägers eingreift oder gar in Grundrechte, wie es bei der Verfassungsbeschwerde notwendig ist. Das Gesetz begnügt sich bei der Normkontrollklage auf der Bürgerseite, also auf der Seite des Normunterworfenen damit, daß die Norm nachteilig für den Kläger ist oder daß er in absehbarer Zeit einen Nachteil zu besorgen hat; also künftige Beeinträchtigung oder Benachteiligung genügt schon, um die Klagebefugnis auszulösen. Dies ist nichts anderes als eine Interessentenklage. 5. Schließlich ist eine Interessentenklage die egoistische Verbandsklage, die in zwei Formen erscheint. a) Die seltenere Form ist die, daß der Verband von den Mitgliedern ermächtigt ist, die Verletzung von Mitgliederrechten kumulativ geltend zu machen. Diese Art der Verbandsklage ist zulässig, weil entgegen der herrschenden Meinung die gewillkürte Prozeßstandschaft unter den gleichen Voraussetzungen wie im Zivilprozeß auch im Verwaltungsprozeß zulässig ist. b) Eine Interessentenklage ist die egoistische Verbandsklage dann, wenn nicht die individuelle Verletzung eines Mitgliedes oder mehrerer individuell bestimmter Mitglieder geltend gemacht wird, sondern wenn gesagt wird: Der angefochtene Verwaltungsakt beeinträchtigt die Rechte unserer Mitglieder, und unser Verbandszweck ist, die Rechte und Interessen unserer Mitglieder, auch ideelle Interessen, wahrzunehmen. Diese Form der egoistischen Verbandsklage ist zwar nicht im geltenden Recht zugelassen; dem steht § 42 II VwGO entgegen. Aber diese Art der Verbandsklage kennt der Zivilprozeß: zum einen bei unlauterem Wettbewerb nach § 13 des UWG mit seinen Nebengesetzen3 . Den zweiten Schritt hat der Gesetzgeber in der Zulassung derartiger Verbandsklagen in § 35 GWB getan, einen dritten ganz wichtigen Schritt im AGBGesetz mit einer abstrakten und prinzipalen Normkontrollklage gegen allgemeine Geschäftsbedingungen. Sie ist eine neue Form der Normkontrollklage, weil sie sich nicht gegen staatliche, sondern gegen privatautonome Normen richtet. Diese Klage steht allein den in § 13 AGBG näher beschriebenen Verbänden offen. Damit sage ich nichts über die Zweckmäßigkeit solcher Verbandsklagen. Von ihnen rede ich nur, um die Antithese von Popularklage und Verletztenklage als nicht ausreichend zu kennzeichnen und um Beispiele gesetzlicher Zulassung von Interessentenklagen zu liefern. 3 § 2 ZugabeVO; § 12 RabattG. 7 Speyer 75

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c) Anders liegt es bei der altruistischen Verbandsklage, wie z. B. der Umweltschützerklage. Hier handelt es sich um eine verdeckte Popularklage - das hat Herr Weyreuther in seiner Arbeit über die Verbandsklage 4 schon herausgearbeitet. Ähnlich wie bei der parlamentarischen Demokratie, wo das Volk repräsentiert wird durch 500 Abgeordnete oder durch die politischen Parteien, die ja auch privilegiert sind (Parteiengesetz!), ist es hier der Versuch, daß das Volk durch bestimmte Vereinigungen gegen die Verwaltung zu Felde zieht - nur mit dem Unterschied zum Parlamentarismus, daß bei ihm ein ausgeklügelter Legitimationsprozeß stattfindet, der eine Minderheit berechtigt, für die Mehrheit - oder richtiger: für das ganze Volk - zu sprechen, während bei den Verbandsklagen, die z. Z. bei uns erörtert werden, die Legitimationsfrage entweder überhaupt nicht angesprochen wird oder die Anforderungen an die Legitimation, für den Populus zu sprechen, ganz unzureichend geregelt sind. d) Herr UZe hat gemeint, es sei notwendig, daß die Frage der Verbandsklage als Anfechtungs- und eventuell auch Verpflichtungsklage gesetzlich geregelt werde, und zwar nicht irgendwo, sondern hier in der Verwaltungsprozeßordnung. M. E. ist die grundsätzliche Entscheidung, die Herrn UZe vorschwebt, bereits getroffen, sowohl in der geltenden VwGO als auch im Entwurf, indem beide sich für die Verletztenklage entschieden haben. Beide sagen: wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, kann nur klagen, wer geltend macht, durch den angefochtenen oder verweigerten Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Damit ist die Weiche gestellt: Unsere Anfechtungsklage und unsere Verpflichtungsklage ist eine Verletztenklage; wenn Ihr in bestimmten Fällen etwas anderes wollt, müßt Ihr dafür ein besonderes Gesetz machen! Was würde es nützen wenn wir versuchen würden, die "Schotten dicht" zu machen gegen die Verbandsklage, indem wir den Gesetzesvorbehalt in § 42 II VwGO streichen? Die einzige Wirkung wäre, daß die Länder keine Verbands klage einführen können5 • Den Bundesgesetzgeber jedenfalls würden wir damit nicht sperren können. Mit § 42 II VwGO ist vielleicht nicht logisch-juristisch, wohl aber politisch-praktisch die Entscheidung dahin gefallen, daß es eine Verbandsklage nur auf der Basis gesetzlicher Enumeration geben solL Diese Lösung würde ich für richtig halten. Herr Merten hat gestern gesagt, man solle sich gegen notwendige Entwicklungen, sofern es nicht um Essentialia geht, nicht sperren. Auch unter den Sachkennern und denen, die in der Frage kein politisches Glaubensbekenntnis for4 Verwaltungskontrolle durch Verbände? Argumente gegen die verwaltungsgerichtliche Verbandsklage im Umweltrecht, 1975. 5 Schon de lege lata dürften sie das nur auf solchen Sachgebieten können, für die sie die Gesetzgebungskompetenz besitzen.

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dern, ist ja doch streitig, wieweit und auf welchen Gebieten es nützlich oder sogar nötig ist, korporative Klagen zuzulassen. Es bedeutet, meine ich, einen heilsamen Zwang, das Für und Wider einer Verbandsklage in einem bestimmten Verwaltungsbereich sorgfältig zu diskutieren, wenn man Spezialgesetze benötigt - daß man die betreffende Verbandsklage nicht in einem Prozeßgesetz, sondern im Zusammenhang mit dem Sachgesetz normiert. So ist man ja auch im Zivilprozeß verfahren. Im Sachzusammenhang des Wettbewerbs rechts, des Kartellrechts und des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen ist geregelt, wann eine Verbandsklage zulässig, welches ihr Gegenstand und wer zu ihrer Erhebung legitimiert ist. Ich weiß auch nicht, Herr UZe, falls Sie nicht eine generelle Sperre der Verbandsklage wollen, die ja bundesgesetzlich nicht durchsetzbar ist, wie die generelle Lösung in einer Verwaltungsprozeßordnung aussehen soll. Aber das sind sicher Fragen, die entschieden werden müssen, und ich bin sicher, daß, wenn dieser Entwurf dem Parlament vorgelegt wird, das Thema der Verbandsklage dort diskutiert wird. Dann muß eine klare Stellungnahme vorliegen - auch dann, wenn der Entwurf selbst nur sagt: das muß spezialgesetzlich geregelt werden, die Verwaltungsprozeßordnung schafft keine allgemeine Verbandsklage. 6. Dagegen erblicke ich einen Mangel des Entwurfs darin, daß er den Zusammenhang zwischen dem gestern angesprochenen Problem der Massenprozesse und der Verbandsklage nicht erkannt hat. Wenn er in § 70 bei Massenklagen notwendige Vertretung einführt, das Gericht die Kläger zwingen kann, sich einen Vertreter zu nehmen oder selbst ihn bestellen kann, und dieser dann allein befugt ist, Anträge zu stellen und Prozeßhandlungen vorzunehmen, dann ist das ähnlich, als wenn man kollektiv in Form eines Verbandes klagt. Juristisch ist es nicht dasselbe, weil der Vertreter im fremden Namen handelt, der Verband jedoch im eigenen Namen klagt. Sachlich liegen die beiden Phänomene aber dicht beieinander. Ob es wirklich notwendig ist, für die Massenklagen Sonderregelungen vorzunehmen, bezweifele ich. Die Massenklage ist ja auch dem Zivilund dem Strafprozeß nicht unbekannt. Man kommt dort ohne Sondervorschriften aus. IH. Ein spezielles Problem der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist freilich die Massenbeiladung, die der Entwurf ebenfalls regelt (§ 68 IV) und die bei der notwendigen Beiladung zu den gestern erörterten Schwierigkeiten führt.

1. Können und sollten wir uns das leidige Problem der notwendigen Beiladung nicht vom Halse schaffen, indem wir der zivilprozessualen Lösung uns zuwenden: die Beiladung ersetzen durch die Intervention? 7'

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Warum müssen wir eigentlich in dem doch von der Dispositionsmaxime beherrschten Verwaltungsprozeß von Amts wegen Dritte in den Prozeß hineinziehen, statt es dem "mündigen Bürger" zu überlassen, ob und wieweit er sich an fremden Prozessen beteiligt, auch dann, wenn die Entscheidung dieses Prozesses ihn präjudiziert? Wir kommen im Zivilprozeß auch in den Fällen der Rechtskrafterstreckung auf Dritte ohne Beiladung aus. Obwohl wir im Zivilprozeß- und Zivilrecht zahllose Fälle der Rechtskrafterstreckung auf Dritte haben, steht es doch völlig im Ermessen dieses Dritten, ob er sich an dem Prozeß, dessen Ausgang ihn später binden wird, beteiligt oder nicht. Warum muß das im Verwaltungsprozeß anders sein? 2. Und wozu muß hier der Verwaltungsprozeß anders formulieren als der Zivilprozeß: Warum spricht auch der Entwurf wieder von Beteiligten statt von Parteien? Warum werden Kläger und Beklagter in einen Topf geworfen mit dem Beigeladenen, im geltenden Recht auch noch mit dem Vertreter des öffentlichen Interesses, den der Entwurf zwar abschaffen will, den wir aber behalten werden, nachdem wir gestern die bayerische Meinung dazu gehört haben. Es würde auch dem Verständnis der Rechtsstellung des Beigeladenen und wohl auch des VÖI dienen, wenn er abgesetzt wird von den Trägern des Prozeßrechtsverhältnisses, von Kläger und Beklagtem. Formulieren Sie wie im Zivilprozeß und wie im Strafprozeß, wo wir ja auch die Beteiligung Dritter in Form von Nebenklage kennen: der Beigeladene ist Drittbeteiligter, und überlassen Sie die Drittbeteiligung der Autonomie des Betroffenen! IV. Noch einige Hinweise darauf, daß die Antithese von Popularklage und Verletztenklage die möglichen Klagearten unter dem Gesichtspunkt, wer das Verwaltungsgericht anrufen kann, nicht erschöpft. 1. Im Entwurf ist nicht berücksichtigt die auch dem geltenden Recht bekannte Figur der Beanstandungsklage, die in gewissen Bereichen durchaus nützlich sein kann. 2. Kein Wort findet sich in diesem Entwurf über die Organklage, also über die Streitigkeiten innerhalb von Verwaltungskörpern, die mit Organen unterschiedlicher Kompetenz, unterschiedlicher Interessen und vor allen Dingen auch unterschiedlicher politischer Couleur ausgestattet sind. Man kann entgegnen, auch hier gehe es um Rechte, wenn die Prioritäten des Vorstehers der Stadtverordnetenversammlung verletzt worden sind oder wenn das Verhältnis des Hauptverwaltungsbeamten zum Rate im Streit steht; man kann sagen, da seien die Rechte des Oberstadtdirektors oder Oberkreisdirektors verletzt worden, oder umgekehrt habe er durch eigenmächtiges Handeln die Rechte des Rates verletzt. Das Bundesverfassungsgerichtsgesetz (§ 64) tut das ja bei den

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Organstreitigkeiten, indem es die "Klagebefugnis" davon abhängig macht, daß ein Organ behauptet, durch das Handeln oder Unterlassen eines anderen Organs in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt zu sein. Ob diese Erhöhung von Kompetenzen zu Rechten angebracht ist, weiß ich nicht; ich würde jedenfalls die Judikatur im Bereich des Verwaltungsrechtes damit nicht befrachten. Vielmehr würde ich es für nötig oder mindestens für nützlich halten, daß wir diese ganz andere Art von Verwaltungsstreitigkeiten im Gesetz ansprechen und durchprüfen, wieweit die allgemeinen Vorschriften passen oder ob da Lücken sind, wo Sondervorschriften für diese Organstreitigkeiten geschaffen werden müssen. Wahrscheinlich ist das nur im geringen Umfang der Fall. Man muß nur wissen, daß der Organstreit von anderer Prozeßart und Prozeßstruktur ist als die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage des Gewaltunterworfenen. B.

Lassen Sie mich jetzt einiges zur Gerichtsverfassung sagen. I. Hier ist nach dem Entwurf die Hauptfrage, ob die Finanzgerichtsbarkeit hinsichtlich des Instanzenzugs gleichgeschaltet werden soll.

1. Einen Anspruch des Bürgers auf mehrere Instanzen hat das Bundesverfassungsgericht immer verneint. Ich weiß nicht, ob es ein Anspruch der Finanzgerichtsbarkeit auf Dreistufigkeit ist, der hier zur Erörterung steht, oder ob umgekehrt die Finanzgerichtsbarkeit von den anderen Gerichtsbarkeiten oder von den Einheitsstiftern zu ihrem Glück gezwungen werden soll. Gott sei Dank hat Herr Ule die Sache von der anderen Seite her angefaßt, indem er forderte, man solle ebenso darüber nachdenken, ob nicht die Verwaltungs- und die Sozialgerichtsbarkeit der Finanzgerichtsbarkeit angeglichen werden sollten. Es ist die Frage, ob wir überhaupt zwei Tatsacheninstanzen brauchen. Ich kann das Spektrum der hier möglichen Gesichtspunkte nicht voll ausbreiten. Folgende Gesichtspunkte müssen beachtet werden, wobei mit Statistiken nur bedingt schlüssige Aussagen gemacht werden können. Es handelt sich auch bei dieser Frage: zwei oder drei Instanzen? weitgehend um eine politische Frage - und darum, ob man einen Schritt in eine ungewisse Zukunft tun will oder ob man lieber die Dinge läßt, wie sie gelaufen sind, auch wenn damit die "Harmonie", die Einheitlichkeit des Gerichtsaufbaues, nicht erreicht wird. 2. Wesentlich ist die Güte der Vorinstanzen. Dabei kommt es meines Erachtens nicht so sehr auf die Güte der ersten Gerichtsinstanz an. Daß hierin zwischen den allgemeinen Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten ein Unterschied besteht, ist wenig wahrscheinlich. Viel wichtiger ist die Güte des Vorverfahrens, überhaupt des vorausgehenden

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Verwaltungsverfahrens. Nach meiner sicherlich sehr beschränkten Erfahrung ist die Finanzverwaltung von besonderer Qualität. Der Bedarf an gerichtlicher überprüfung in mehreren Instanzen scheint mir hier geringer zu sein als in der Masse der anderen Verwaltungen. Damit will ich nicht sagen, daß es nicht noch andere Sonderverwaltungen von gleicher Qualität wie die Finanzverwaltung gibt. Jedenfalls ist hier ein zentraler Verwaltungsbereich, der sich, weitgehend historisch bedingt, durch eine Personalpolitik von ganz besonderer Qualität auszeichnet6 • 3. Mit der Qualität des Vorverfahrens wird auch zusammenhängen, daß das Wehrpflichtgesetz die Berufung ausspart, weil hier besondere Prüfungsverfahren vorausgegangen sind. Es wird ferner die Frage, ob man eine zweite Tatsacheninstanz vor die Revisionsinstanz schiebt, nach der Wichtigkeit und Bedeutung der Sachen beantworten. Das gestern vorgetragene Argument, die schwere Kriminalität werde in der Bundesrepublik schon seit langem in einer einzigen Tatsachenentscheidung abgeurteilt, zieht nicht. Herr Ule hat bereits geklärt, worauf diese gesetzgeberische Fehlentscheidung beruht7. 4. Ein ganz wichtiger Punkt ist, wo der Schwerpunkt des verwaltungsrechtlichen Falles liegt: bei den Tatfragen oder bei den Rechtsfragen. Deswegen war es verfehlt, daß man in Lastenausgleichssachen die Berufung ausgespart hat. Ich kann es mir nur damit erklären, daß man die grundsätzlichen Rechtsfragen dieses völlig neuen Rechtsgebietes, das keine Parallelen in der jüngeren Rechtsgeschichte hat, möglichst schnell zur höchstrichterlichen Entscheidung bringen wollte. Der Preis, den man dafür bezahlt hat, ist hoch. Wenn ich recht unterrichtet bin, sind im Lastenausgleichsbereich zahlreiche Aufhebungen und Zurückverweisungen wegen Verfahrensmängeln erfolgt.

5. Ein letzter Gesichtspunkt, der in der Begründung des Entwurfs erscheint, ist die Filterfunktion: die Entlastung des Revisionsgerichtes durch Vorschaltung eines qualifizierten Tatsachenrichters, der eine ganze Reihe von Fehlern der Vorinstanz ausräumt und dadurch die Zahl der Sachen, die noch zum Revisionsgericht gelangen, vermindert. 6 Es ist auch kein Zufall, daß die Finanzverwaltung bis hin in die Gesetzgebung das "Dritte Reich" weit ungerupfter überstanden hat als die meisten anderen Verwaltungsbereiche. 7 Auf der Beseitigung des alten, echten Schwurgerichts durch die EmmingerVO 1924! Im alten Schwurgericht entschieden über die Schuldfrage ausschließlich die Volksrichter, über das Strafmaß ausschließlich die Berufsrichter. über der Jury kann es "systemimmanent" keine zweite Tatsacheninstanz geben! Darauf allein beruhte der Ausschluß der Berufung. Mit der Umwandlung der Schwurgerichte in Strafkammern mit Laienmehrheit verlor diese Regelung ihre (ideo)logische und (rechts)politische Grundlage. Vollends grundlos wurde sie, als die Laien in die Minderheit gerieten, wie in der Großen Strafkammer und im heutigen Schwurgericht, das diesen Namen ganz zu Unrecht führt.

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Darüber läßt sich reden; nur muß man fragen, ob der dafür erforderliche Aufwand gerechtfertigt ist. Ein neues Gericht kostet ja nicht nur neue Richter, sondern auch einen großen Verwaltungsapparat; das Parkinsonsche Gesetz wird ja sofort wirksam bei jeder neuen Instanz. Rechtfertigt die Entlastung der Revisionsinstanz den Aufwand einer zweiten Instanz, die dann, wenn sie einmal installiert ist, nicht nur die Funktion der Ausfilterung übernimmt, sondern notwendigerweise als Berufungsinstanz sich auch mit den Tatfragen befaßt? Ganz sicher ist, was Herr Meyer-Ladewig betont hat, es nicht angängig, daß wir nach demselben Prinzip wie bei den allgemeinen Verwaltungsgerichten verfahren: daß jedes Land sein eigenes Oberfinanzgericht bekommt, sondern eine Beschränkung auf wenige Gerichte wird notwendig sein; hoffentlich ist das auf föderativer Grundlage möglich. Nicht alle Länder sind so bescheiden wie Schleswig-Holstein, das bereit war und ist, mit Niedersachsen zu teilen. Bei Bremen habe ich da Befürchtungen: wir haben ja noch nicht einmal das alte Hanseatische Oberlandesgericht wiederhergestellt! Ir. Was die Besetzung der Spruchkörper angeht, so will ich etwas über das Verhältnis Einzelrichter und Kammer sowie über die Laienbeteiligung sagen. 1. Die Neufassung des § 348 ZPO durch die Einzelrichternovelle von 1974 hat den voll entscheidenden Einzelrichter gebracht, der dieselben Kompetenzen hat wie das Kollegium. Die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen ihnen ist höchst "beweglich" gestaltet: Die Kammer beschließt nach freiem Ermessen. Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der überweisung an den Einzelrichter vorliegen, nämlich keine grundsätzliche Bedeutung und keine besondere Schwierigkeit der Sache, muß die Kammer sie nicht dem Einzelrichter geben, sondern sie kann sie behalten. Umgekehrt kann der Einzelrichter, wenn sich die Sache nachher als grundsätzlich herausstellt, sie der Kammer zurückschieben, er muß es nicht. Diese Einräumung doppelten Handlungsermessens ist eindeutig verfassungswidrig. Sie verstößt gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters, weil die Zuständigkeiten zwischen Einzelrichter und Kollegium normativ abgegrenzt sein müssen, und sie können es auch. Dabei macht es für die verfassungsrechtliche Frage keinen Unterschied, ob die Zuweisung an den Einzelrichter durch den Vorsitzenden, durch die drei Berufsrichter oder das Fünferkollegium erfolgt.

2. Von der Frage, ob die gegenwärtige Regelung des § 348 ZPO, die wörtlich übernommen ist in § 5 des Entwurfs der VwPO, verfassungsmäßig ist, ist zu trennen die Frage der Zweckmäßigkeit einer solchen Regelung. Sie ist unlogisch, so wie sie jetzt lautet: Wenn keine "grundsätzliche Bedeutung" oder keine "besondere Schwierigkeit" vorliegt, dann kann es ein Richter allein machen. Wenn die "Rechtssache"

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"grundsätzliche Bedeutung" hat oder besondere Schwierigkeiten aufweist, dann soll nicht nur die Kammer es machen, sondern dann sollen auch die ehrenamtlichen Mitglieder mitwirken. Die Einzelrichterkompetenz ist, anders als bei § 348 ZPO, nicht nur eine Durchbrechung des Kollegialprinzips, sondern in der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch eine Durchbrechung des Demokratieprinzips! Wenn die Sache besondere Schwierigkeiten hat, helfen uns dann die ehrenamtlichen Beisitzer? Vielleicht nützen sie uns bei Sachen von grundsätzlicher Bedeutung; aber sicherlich sind sie nicht geeignet, in Sachen von besonderer Schwierigkeit Hilfe zu leisten. Also kann die Abgrenzung zwischen Einzelrichter und Kollegium inclusive Leienbeisitzer nicht von der Schwierigkeit abhängig gemacht werden! 3. Das führt zu der Frage nach dem Sinn der Laienbeteiligung. Sie hat in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit anders als in der Sozialgerichtsbarkeit und der Arbeitsgerichtsbarkeit, in den Kammern für Handelssachen und den Landwirtschaftsgerichten, nichts zu tun mit Sachkunde oder Fachkunde, sondern sie hat - ausschließlich - dieselbe Funktion wie die Schöffen und Geschworenen in der Strafgerichtsbarkeit: Es ist die alte 1848er Forderung nach Demokratisierung der Rechtspflege. Den Legitimationszuwachs, den wir durch diese Laien-Richter bekommen, halte ich für höchst nützlich, auch wenn er spiegelbildlich eine Streuung der Verantwortung bewirkt. Die Volks richter sollen ruhig ihren Kopf mit hinhalten für " falsche " oder unpopuläre, für pressefeindliche oder pressegescholtene Entscheidungen. Diese Legitimationsreserve brauchen wir bei einfachen Sachen nicht weniger als bei komplizierten, ebenso wie bei Sachen (auch) ohne grundsätzliche Bedeutung. Für die Parteien des Prozesses, vor allem für den Bürgerkläger, ist diese Frage, wer ihm das Recht spricht, wichtiger als die ihn gar nicht interessierende Frage, ob seine "Rechtssache" eine grundsätzliche oder nichtgrundsätzliche ist. Für ihn ist es sein Prozeß, bei dem seine Interessen, oft wichtige, vielleicht sogar lebenswichtige Interessen auf dem Spiel stehen. Also: entweder belassen Sie die Laien-Beteiligung, schaffen Sie eine demokratisch legitimierte, d. h. unmittelbar legitimierte Verwaltungsgerichtsbarkeit, dann müssen Sie das durchhalten und dürfen nicht ausweichen unter dem Gesichtspunkt "Beschleunigung und Vereinfachung". 4. Bitte lesen Sie nach, was zur Rechtfertigung des Kollegialprinzips im Entwurf (S.107) steht - lauter goldene Worte: In allen drei Verwaltungsgerichtsbarkeiten benötigen wir schon wegen des Vorverfahrens, in dem häufig Ausschüsse entscheiden, ein Kollegium und nicht

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den Einzelrichter, der die Entscheidung eines Kollegiums der unteren Instanzen korrigiert. Lesen Sie diese Sätze der Entwurfsbegründung nach und vergleichen Sie sie mit dem, was dann für die Durchbrechung des Kollegialprinzips beim Einzelrichter gesagt ist (S.108). Das geht nicht miteinander auf! Wenn das richtig ist, was über den Nutzen des Kollegialprinzips gesagt worden ist, über seine grundsätzliche Notwendigkeit in den Gerichten, die zur Kontrolle der Verwaltung berufen sind, dann gibt es davon kein Abweichen. 5. Worüber man reden kann, ist der Einzelrichter alter Art, der die Entscheidung vorbereitet, das Kollegium von Einzelheiten, Aufklärungen, Erörterungen entlastet. Gestern ist betont worden, es sei so wichtig für den Kläger, daß er sich einmal aussprechen kann, daß die Sache mit der Verwaltung vor einem unparteiischen Dritten erörtert wird. Für diese Funktion empfiehlt sich der Einzelrichter in der Gestalt, die er durch die Novelle von 1924 erhalten und bis 1974 im wesentlichen behalten hat; der die Verhandlung vorbereitende Einzelrichter mit beschränkten Entscheidungsbefugnissen: Keine Entscheidung zur Hauptsache, aber die Befugnis zur Verweisung des Rechtsstreits aus Rechtsweggründen oder wegen sachlicher oder örtlicher Unzuständigkeit und zu Beweis- und Aufklärungsbeschlüssen. Vielleicht sollte er auch über die Beiladung entscheiden können, wenn man überhaupt an einer Beiladung festhält, oder gar über die Zulässigkeit der Klage. Sehr sorgfältig müßte überlegt werden, ob der Einzelrichter, wie im alten § 348 ZPO, im Einverständnis beider Parteien auch zur Hauptsache entscheiden kann. Aber nicht den Einzelrichter, der die volle Jurisdiktion erhält und dessen Zuständigkeit teils von der Ermessensentscheidung der Kammer, teils von seiner eigenen Ermessensentscheidung abhängt! IH. 1. Die Finanzgerichte sollen nach dem Entwurf wie bisher entscheiden über die Berufszulassungsstreitigkeiten der steuerberatenden Berufe. Wie kommen die Prozesse zu den Finanzgerichten? Das ist doch Gewerberecht, Berufsrecht, also Art. 12 I GG! Herr Groschupf hat gestern den gleichen Punkt angesprochen, wenn auch aus einer anderen Ecke, nämlich von den §§ 25 bis 27 Kriegsopferversorgungsgesetz her: die Orientierung der Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte, sowohl der Kompetenz als auch der örtlichen Zuständigkeit, an den Verwaltungsbehörden, von denen der angefochtene Verwaltungsakt stammt. Diese Verknüpfung sollten wir lösen. Sie hat ihren Grund in der alten Konzeption der preußischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, wo die Verwaltungsgerichte bei den Verwaltungsbehörden angekoppelt waren. Auch die Finanzgerichte waren in der Erzbergerschen Finanzreform bzw. in der Reichsabgabenordnung Enno Beckers den Oberfinanzdirektionen attachiert. Davon sind wir ja nun herunter; § 1 aller drei Verwaltungsgerichtsgesetze trennt die allgemeinen und besonderen Ver-

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waltungsgerichte von den Verwaltungsbehörden. Heute brauchen wir daher nicht mehr nach der Herkunft des Verwaltungsaktes zu differenzieren, sondern nach dem Streitgegenstand, nach dem Inhalt des Prozesses. Deswegen gehören die Zulassungsstreitigkeiten der steuerberatenden Berufe zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten, nicht zu den Finanzgerichten. Damit würde dann allerdings auch das Versorgungsprivileg der allgemeinen Verwaltungsgerichte, das Herr Groschupf gestern angesprochen hat, entfallen. 2. In § 39 hat sich der Entwurf an einem Quisquilienproblem des Rechtswegs versucht: wo ein ideal konkurrierender Anspruch in verschiedene Rechtswege gehört. Musterfall ist der im Dienst zu Schaden gekommene Beamte, der seinen Schadensersatzanspruch stützt a) auf Amtspfiichtverletzung seiner Vorgesetzten, b) auf die Generalklausel des Beamtenrechtsrahmengesetzes, der also entweder aus "Vertrag", nämlich dem Beamtenverhältnis, oder aus "Delikt", nämlich Art. 34 GG/ § 839 BGB, klagt. Ist es wirklich nötig, daß solche Fälle, die sich für die "übungen für Vorgerückte" sehr eignen, aber doch in der Praxis außerordentlich selten sind, gesetzlich gelöst werden? Im Entwurf ist die Frage nicht einmal richtig gelöst worden. Wenn der Rechtsstreit vor das Verwaltungsgericht gehört, dann soll es unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt prüfen und entscheiden, aber nicht, wenn der Rechtsweg durch die Verfassung geregelt ist. Dabei sind die Fälle der Art. 14 und 34 GG gerade die Hauptfälle! Dort· bekommen wir also die Duplizität der Rechtswege - so scheint es - nicht weg! In Wahrheit handelt es sich um eine Zuständigkeit kraft Zusammenhangs. Man muß vor allen Dingen erkennen, daß das Problem nur bei Idealkonkurrenz auftaucht. Wenn Ansprüche verschiedene Rechtsgrundlagen haben, inhaltlich aber im wesentlichen gleich sind, insbesondere nur eine Leistung geschuldet wird, ist die richtige Lösung die, daß das zuerst angerufene Gericht kraft Sachzusammenhangs auch zuständig ist, den Anspruch unter dem kompetenzfremden Titel zu bescheiden. Dem steht auch das Grundgesetz nicht entgegen. Aber man sollte sich mit solchen Kuriositäten nicht aufhalten, sondern den § 39 des Entwurfs streichen. 3. Sachlich sehr zu beanstanden ist die Behandlung, die die Rechtswegfrage im Prozeß und durch die Gerichte finden soll. Da hat sich der Entwurf den Vorschlägen, die für die Zivilprozeßordnung gemacht worden sind, angeschlossen. Die sind schlecht, weil sie die Zuständigkeitsfrage nicht ihrem Gewicht gemäß behandeln. Vor allen Dingen ist es verkehrt, die Frage, wieweit Kompetenzmängel berücksichtigt werden müssen oder ignoriert werden dürfen, gleichermaßen zu beantworten für den Rechtsweg, für die sachliche und für die örtliche Zuständigkeit. Zwischen diesen drei Zuständigkeitsarten besteht ein Gefälle:

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Die Rechtswegfrage ist von so fundamentaler Bedeutung, daß die Verfassung es für nötig gehalten hat, sich damit zu befassen. Die sachliche Zuständigkeitsfrage ist von größerem Gewicht als die örtliche, weil von der sachlichen Zuständigkeit der Instanzenzug abhängt. Bei der örtlichen Zuständigkeit ist es zwar für Kläger und Beklagten nicht gleichgültig, wo der Prozeß geführt wird, aber auch nicht so wichtig, daß der Zuständigkeitsmangel noch von den Rechtsmittelinstanzen geprüft und korrigiert werden müßte, wenn nicht das Rechtsmittelgericht gerade wegen der Unzuständigkeit angerufen wird, vgl. §§ 512 a, 549 II ZPO. Untragbar ist, daß man eine Verweisung ohne Antrag zulassen will. Der Kläger kann doch nicht vor ein Gericht gezwungen werden, zu dem er nicht will, von dem er vielleicht weiß, daß bei ihm seine Klage keine Erfolgsaussicht hat. Sie brauchen nur an das Verhältnis ordentliche Gerichte, Arbeitsgerichte und Verwaltungsgerichte als Gerichte für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu denken, um zu wissen, daß Sie sich den Ausgang des Prozesses vorausberechnen können, je nachdem in welchem Rechtswege Sie klagen. Und warum behandeln Sie das Urteil, das den Rechtsweg für unzulässig erklärt oder das Gericht für sachlich oder örtlich unzuständig erklärt, warum behandeln Sie dieses Prozeßurteil rechtsmittelmäßig anders als jedes andere Prozeßurteil? Gegen jedes andere Prozeßurteil findet unter den allgemeinen Voraussetzungen die Berufung oder die Revision statt. Hier soll plötzlich durch Beschwerde angefochten werden! Wozu das? Ist das eine Vereinfachung? Ist das eine Vereinheitlichung? Wenn nun auch noch die (Nicht)Zulassungsbeschwerde hinzukommt? Dieser Abschnitt des Entwurfs muß völlig neu geschrieben werden! Ich halte das für besonders wichtig: Wenn wir hier in der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Weichen richtig stellen, dann werden wir auch den schon unter Dampf stehenden Zug in der Zivilgerichtsbarkeit hoffentlich zum Halten bringen oder auf ein anderes Geleise führen. Ich darf auch daran erinnern, daß bis 1964 die Frage der Zulässigkeit des ordentlichen Rechtsweges unbeschränkt revisibel war. Dahinter sollten wir nicht zurück. Noch heute ist nach § 547 ZPO die Frage der Unzulässigkeit der Berufung unbeschränkt revisibel, also ohne Rücksicht auf den Streitwert und ohne Zulassung: Ist die Frage der Zulässigkeit der Berufung wichtiger als die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges? !

c. I. Ein Wort zum Urteil und zu den Klagearten. 1. Es ist nicht Sache des Gesetzgebers, Lehrbücher zu schreiben. Deswegen hat der Abschnitt über Klagearten nicht anzufangen mit der

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abgestandenen und unfruchtbaren Lehrbuchweisheit "Rechtsschutz kann durch Leistungs-, Feststellungs- und Gestaltungsklagen begehrt werden". Das hat schon im Regierungsentwurf der Verwaltungsgerichtsordnung gestanden; wenn ich nicht irre, war es der Bundesrat, der den Satz gestrichen hat. Hat er irgend jemandem gefehlt? Diese Unterscheidung, ist zwar logisch berechtigt, aber praktische Rechtsfolgen knüpfen sich nicht dar an , weil sie nicht an Sachfragen oder Interessenlagen orientiert ist, sondern an ganz formalen Gesichtspunkten: ob nämlich das Gericht bloß eine Feststellung trifft oder ob es auch eine Gestaltung vornimmt, oder ob es - für den Zivilprozeß entscheidendgleichzeitig einen vollstreckbaren Titel schafft. Für den Verwaltungsprozeß sind viel wichtiger die vorhin beschriebenen Klageformen der Anfechtungsklage, Verpflichtungsklage, Verbandsklage, Organklage, Beanstandungsklage, Normenkontrollklage. a) Jetzt steht die Normenkontrollklage mit einem langen Paragraphen im Abschnitt "Zuständigkeit". Das ist insofern richtig, als allein die Oberverwaltungsgerichte zuständig sind. Aber die Voraussetzungen der Normenkontrollklage, das Verfahren, die Entscheidung, die Allgemeinverbindlichkeit, das gehört nicht in den Abschnitt über die Zuständigkeiten, sondern unter die Klagearten und die Urteilsnormen. b) Im Entwurf rangiert die Verpflichtungsklage vor der Anfechtungsklage mit so schönen Formulierungen, daß "eine Leistungsklage auch auf Verurteilung zur Vornahme eines Verwaltungsaktes" und "die Anfechtungsklage insbesondere auf die Aufhebung von Verwaltungsakten" gerichtet werden kann. Ich denke, Sie wollen ein anschauliches, griffiges Gesetz machen. Dann lassen Sie die Lehrbuchweisheiten vorn weg und fangen mit den wichtigsten, 90 bis 95 Prozent aller Verwaltungsprozesse ausmachenden Klagearten an - nämlich mit der Anfechtungs- und der Verpfiichtungsklage. 2. Die Anfechtungsklage ist im Entwurf formuliert als Klage auf Aufhebung eines Verwaltungsakts. In der Finanzgerichtsordnung (§ 40 I) steht schon richtig: auf Aufhebung oder Änderung des Verwaltungsakts, und bei dem § 100 über das Urteil, der dem § 113 VwGO entspricht, heißt es zwar im Absatz 1: Ist der Verwaltungsakt rechtswidrig und verletzt er den Kläger in seinen Rechten, so wird er aufgehoben. Aber im Absatz 2 wird das Finanzgericht für die meisten und wichtigsten Steuerverwaltungsakte ermächtigt, den richtigen Betrag selbst festzusetzen, also den angefochtenen Bescheid zu ändern. In der Finanzgerichtsbarkeit ist die Anfechtungsklage in der Regel eine Änderungs-, keine Aufhebungsklage. Seit dem Beschluß des Großen Senats des Bundesjinanzhofs'l, der die Saldierungstheorie anerkannt hat, kommt 8

BFHE 94, 436

==

BStBl. 111 1969, 192.

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es im Finanzprozeß darauf an, ob die Finanzbehörde den Fall des Steuerpflichtigen im Ergebnis richtig entschieden hat, nicht (nur) darauf, ob und welche Fehler sie gemacht hat. Wenn mehrere Fehler gemacht worden sind, die sich gegenseitig kompensieren, und unterm Strich die Rechnung richtig ist, wird die Anfechtungsklage abgewiesen. Ist der Bescheid im Endergebnis nicht richtig, dann wird er in der Regel nicht aufgehoben, sondern das Finanzgericht ermittelt selbst die Steuer und setzt sie fest. Das ist ein anderes Verständnis der Verwaltungsgerichtsbarkeit als die überlieferte, wonach die Verwaltungsgerichte in erster Linie kassatorisch vorgehen. 3. Auch die Verpflichtungsklage ist eine reformatorische Klage, und zwar die Verpflichtungsklage als Vornahmeklage, nicht als Bescheidungsklage9 • Das Vornahmeurteil ist der Sache nach der Erlaß eines Verwaltungsaktes durch das Verwaltungsgericht. Ob ich den Verwaltungsakt selbst erlasse oder die Behörde verurteile, daß sie den Verwaltungsakt, den ich im Urteil beschreibe, erlassen muß, ist zwar juristisch und textlich ein Unterschied - ich bin auch nicht dafür, ihn zu beseitigen, weil er die Gewaltenteilung zum Ausdruck bringt. Aber man muß sich klar darüber sein, daß in der Sache nunmehr das Gericht die Verwaltungsentscheidung trifft; und daß infolgedessen hier die Verwaltungsgerichtsbarkeit reformatorisch fungiert und damit die alte Vorstellung, das Verwaltungsgericht sei nur Korrekturbehörde, sei nur, wie der Rechnungshof, Revisor, nicht mehr zutrifft. In weiten Bereichen regeln heute die Verwaltungs gerichte den im Verwaltungsakt entschiedenen Fall selbst. Das dient der Beschleunigung und Vereinfachung, wenn das Gericht nicht nur den Prozeß zum Abschluß bringt, sondern den im Verwaltungsakt rechtswidrig geregelten Fall abschließend regelt. Wenn ich recht sehe, bildet auch in der Sozialgerichtsbarkeit diese reformatorische Tätigkeit die RegeL Da die Sozialversicherung großenteils gesetzlich voll durchnormiert ist, so daß die Rente vom Computer ausgerechnet werden kann, muß das Sozialgericht in der Lage sein, die gesetzmäßige Rente festzusetzen oder festzustellen. Ob sie das selbst tut oder ob sie das in die Form kleidet, daß ein Rentenbescheid des vom Gericht normierten Inhalts zu erlassen sei, macht in der Sache keinen Unterschied. Ir. Dies gehört auch zu den Grundfragen, die wir sehen und erörtern müssen: die Verschiebung der Verwaltungsgerichtsbarkeit von der kas-

satorischen und revisorischen Funktion zu einer immer. stärker refor-

U Diese beiden Formen der Verpflichtungsklage sollten im Gesetz auseinandergehalten und bereits bei der Aufzählung der Klagearten vorgestellt werden.

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matorischen Funktion. Sie betrifft auch das Verhältnis der Verwaltung zur Verwaltungs gerichtsbarkeit. 1. Daß die reformatorische Funktion der Verwaltungsgerichte so zunimmt, hängt mit Veränderungen des materiellen Rechtes zusammen: damit, daß das Ermessen der Verwaltung immer weiter zurückgedrängt worden ist und der Gesetzgeber viele Räume besetzt hat, die früher der Verwaltung zu freier Gestaltung überlassen waren. Reformatorisch kann nämlich das Verwaltungsgericht nur entscheiden und damit den Fall zu Ende bringen, wenn er gesetzlich voll durchnormiert ist. Im Entwurf, der sich im wesentlichen an § 113 II VwGO anlehnt und § 100 II FGO nicht genügend berücksichtigt, kommt das nicht zum Ausdruck. Dort heißt es: wenn es sich um Geldleistungen oder um Feststellungen handelt, kann das Verwaltungsgericht die Leistung in anderer Höhe festsetzen oder durch eine andere Feststellung ersetzen. Richtig muß es heißen: niedriger festsetzen oder durch eine dem Kläger günstigere Feststellung ersetzen; denn das Gericht darf nicht über den Antrag hinausgehen, und der lautet auf Aufhebung oder Herabsetzung - man kann ja nicht auf Heraufsetzung seiner Schuld klagen, gewisse steuerrechtliche Dinge vorbehalten. Was vor allem in jenem § 137 II des Entwurfs fehlt und hineingeschrieben werden sollte, ist dies, daß eine solche reformatorische Entscheidung nur zulässig ist, wenn der Verwaltungsakt gesetzlich voll durchnormiert ist, d. h. wenn die Verwaltungsbehörde keinerlei Ermessen hat. Die reformatorische Entscheidung darf nicht dazu führen, daß das Verwaltungsgericht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Verwaltungsbehörde setzt. 2. Auch hier besteht eine Ausnahme für die Finanzgerichtsbarkeit, welcher der Entwurf (§ 129) ausdrücklich Schätzungsermessen einräumt - eine Ermessenart neben dem Beurteilungsermessen und neben dem Handlungsermessen. Die Schätzungsvorschriften, die für die Finanzverwaltung gelten, sollen auch von den Finanzgerichten angewendet werden. Das ist eine eindeutig reformatorische Ermächtigung. Mit ihr geht man über die klassische Abgrenzung der Verwaltungsgerichtsbarkeit als Rechtsprechung von der Verwaltung als Exekutive hinaus, weil in diesem Bereich das Gericht sein Schätzungsermessen an die Stelle des Schätzungsermessens der Finanzverwaltung setzen kann. Vielleicht überlegen die Sozialrichter, ob sie Gleiches oder Ähnliches auch für ihren Bereich brauchen und ob sie das haben wollen. Der Gesetzgeber wird sich umgekehrt überlegen müssen, ob er die überschreitung der klassischen Ermessengrenze im Bereich der Finanzgerichtsbarkeit aufrecht erhalten will: ob es wirklich nötig ist, daß die Gerichte hier schätzen dürfen. Abwegig ist es ja nicht; denn wir haben auch im Zivilprozeß das Schätzungsermessen: in § 287 ZPO, auf den die

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Zivilrichter schwerlich verzichten wollen und können. Das sind jedenfalls auch Grundfragen, die diskutiert werden müssen. 3. Wie sehr die Entwicklung in Richtung auf diese reformatorische Funktion der Verwaltungsgerichtsbarkeit - Verwaltungsgerichtsbarkeit doch wieder als Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens - hinführt und hindrängt, sehen Sie an § 46 des Verwaltungs verfahrensgesetzes, den die Kommission überhaupt nicht beachtet hat. Nach diesem § 46 sind bei voll gebundenen Verwaltungsakten Verfahrensmängel, wenn sie keinen Nichtigkeitsgrund bilden, keine Anfechtungsgründe: sie rechtfertigen nicht die Aufhebung des Verwaltungsaktes, wenn dieser inhaltlich richtig, also materiell rechtmäßig ist. Das enthält eine Einschränkung des § 113 Abs.1 VwGO. Die Kommission hat munter diesen alten § 113 Abs.1 und § 100 Abs.1 der FGO abgeschrieben, die da lauten: Ist der Verwaltungsakt rechtswidrig und verletzt er den Kläger in seinen Rechten, so wird er (also muß er) aufgehoben werden. Nein, wenn ein Fall von § 46 VwVfG vorliegt, ist der Verwaltungsakt zwar rechtswidrig, weil er gegen eine Verfahrensnorm verstößt; aber er wird nicht aufgehoben, weil er in der Sache rechtmäßig ist. Auch dies zeigt das Bestreben des "modernen" Gesetzgebers, den Fall zum Abschluß zu bringen, statt, weil in der Verwaltung ein relevanter Fehler vorgekommen ist, deren Entscheidung aufzuheben und den Fall an die Verwaltung zurückzugeben. Ich meine, daß gerade hier ein wichtiger Punkt der Reformüberlegungen angesprochen ist.

Notwendige Besonderheiten im Entwurf einer Verwaltungsproze.f3ordnung aus der Sicht der Sozialgerichtsbarkeit Von Otto Ernst Krasney Ein Beitrag aus der Sicht der Sozialgerichtsbarkeit zu den im Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung (im folgenden: Entw.) enthaltenen notwendigen Besonderheiten hat nicht die Aufgabe, rechtsdogmatische oder gesetzessystematische Erwägungen der vorangegangenen Grundsatzreferate zu ergänzen, zum al grundsätzliche Unterschiede zwischen dem Verfahren vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten und denen vor den besonderen Verwaltungsgerichten nicht bestehen. Das Thema erstreckt sich aber auch nicht nur auf die im Entw. enthaltenen Besonderheiten, sondern auch auf notwendige Besonderheiten, die in dem Entw. nicht berücksichtigt wurden. Dabei kann sich dieser Beitrag schon aus Zeitgründen nur auf einige Vorschriften beschränken, deren Auswahl zudem notgedrungen subjektiv bestimmt ist. Eine Vertiefung der aufgezeigten Probleme ist nicht möglich. Es können erst recht nicht alle die im Vergleich zum Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorgesehenen Neuregelungen angesprochen werden, denen die Sozialgerichtsbarkeit m. E. leicht zuzustimmen vermag oder die im Koordinierungsausschuß die Mitglieder der Sozialgerichtsbarkeit selbst abweichend vom SGG angeregt haben. Ebenso ist es nicht möglich, alle Vorschriften des Entw. aufzuzählen, in denen die Vertreter der Sozialgerichtsbarkeit nur schweren Herzens eine nach ihrer Auffassung bewährte und durchaus auf andere Gerichtszweige übertragbare Vorschrift dem Koordinierungsgedanken geopfert haben. Der Wille zur Koordinierung beweist sich jedoch gerade erst in den Fällen, in denen die eigene Vorschrift für durchaus ebenbürtig, wenn nicht sogar besser erachtet wird. Allerdings ist auch hier zu betonen, daß es natürlich nicht in allen Fällen, in denen versucht wurde, Regelungen aus dem SGG in den Entw. zu übernehmen, eine einheitliche Meinung der aus der Sozialgerichtsbarkeit kommenden Mitglieder des Koordinierungsausschusses vorgelegen hat und erst recht nicht eine einheitliche Meinung unter den Richtern der Sozialgerichtsbarkeit besteht. Dies bezieht sich auch auf die Ausführungen hier vor diesem Forum, wie sicherlich die allgemeine Diskussion unter Beteiligung meiner Kollegen aus der Sozialgerichtsbarkeit zeigen wird. Aus diesen Erwägungen erscheint es auch tunlich, auf Probleme ein8 Speyer 75

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zugehen, bei denen in der weiteren Diskussion des Entw. und später im Gesetzgebungsverfahren voraussichtlich erneut die Frage aufgeworfen wird, ob der Ausschuß Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens zu Unrecht nicht anerkannt hat; denn auch insoweit bedarf es sicherlich noch in vielen Fällen der überzeugungsbildung. Dabei ist zu betonen, daß der Entw. - sieht man von den Regelungen der Gerichtsverfassung, des Rechtsweges und der sachlichen Zuständigkeit ab, die notwendigerweise Besonderheiten aufweisen müssen - nur in acht Fällen besondere Verfahrensregelungen für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit vorsieht.

I. Gerichtsverfassung 1. Besetzung der Kammern der Sozialgerichte

Für die Sozialgerichte eine erhebliche Änderung würde die in § 4 Abs. 3 des Entw. vorgesehene Besetzung der Kammern der Sozialgerichte mit drei Richtern und zwei ehrenamtlichen Richtern bringen. Diese Neuregelung wird von den Richtern der Sozialgerichtsbarkeit sehr unterschiedlich beurteilt. Aber auch die Befürworter der sog. großen Kammer betonen dabei nicht in erster Linie die unter A V 3 c, aa (S. 107) der Begründung des Entw. angeführten Erwägungen, die große Kammer sei am besten geeignet, eine qualitativ hochstehende Rechtsprechung zu gewährleisten. Sicherlich gewinnt jede Entscheidung durch die Aussprache in einem Kollegium und durch die Mitwirkung von drei Richtern an der Urteilsfindung und Abfassung der Entscheidungsgründe an Abgewogenheit und Ausgeglichenheit. Aber es ist doch fraglich, ob gerade dieser Vorteil des Kollegialgerichts in der ersten Instanz bei der überwiegenden Zahl der Fälle überhaupt Bedeutung gewinnt und vor allem bei dem zahlenmäßigen Anfall überhaupt ausgeschöpft werden kann. Der Richtliniencharakter des Urteils in den sog. öffentlich-rechtlichen Gerichtszweigen, der gleichfalls in der Begründung zum Entw. (a.a.O.) für die sog. große Kammer angeführt ist, wird in der Regel nicht durch die Entscheidung der ersten Instanz, sondern erst durch die Ausschöpfung aller Rechtsmittel gesichert. Ebenso ist m. E. das jüngst auch von Naumann 1 wieder betonte Argument nicht zwingend, "es wäre für die Verwaltung unangemessen, von einem einzelnen Berufsrichter kontrolliert zu werden". Diese Auffassung beachtet m. E. nicht ausreichend, daß viele Verwaltungsentscheidungen letztlich ebenfalls nur von einem Verwaltungsbeamten getragen und dabei der Jurist häufig eine durch die Zahl der von ihm täglich geforderten Entscheidungen für den Regel1 Hamburg Deutschland - Europa, Festschrift für Hans Peter Ipsen, 1977, S.323, 327.

Besonderheiten im Entwurf aus der Sicht der Sozialgerichtsbarkeit

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fall nur sehr begrenzte Überprüfungsmöglichkeit hat. Auch darf, was Naumann 2 nicht verkennt, die Frage der Kammerbesetzung nicht los-

gelöst von der Statthaftigkeit der Berufung gesehen werden. Regelmäßig werden doch die Entscheidungen der Verwaltung von zwei Instanzen und somit von insgesamt vier Berufsrichtern überprüft, selbst wenn in erster Instanz nur ein Berufsrichter entscheiden sollte. Auch aus diesen Erwägungen erscheint es selbst vielen Befürwortern dieser für die Sozial gerichte vorgesehenen Neuregelung aus ihrer Erfahrung in nun schon über zwei Jahrzehnten andauernder Spruchpraxis nicht überzeugend, daß das Vertrauen der Bürger in die gerichtliche Entscheidung gefördert werden sollte3 , wenn die im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren getroffenen Entscheidungen nicht mehr nur ein Berufsrichter mit zwei ehrenamtlichen Richtern überprüfen würde. Das Vertrauen der Rechtsuchenden stützt sich insoweit auf die richterliche Unabhängigkeit und die sachliche Distanz des Richters zu den nunmehr im Rechtsstreit zu entscheidenden Fragen. Indirekt fließt zum Teil die im Entw. zu § 4 angeführte Begründung (a.a.O.) eines qualitativ besseren Rechtsschutzes durch Kollegialgerichte jedoch insoweit in die offizielle Argumentation der Befürworter der sog. großen Kammer ein, als sie vor allem die Gleichrangigkeit der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeit zuungunsten der Sozialgerichtsbarkeit nicht als gewahrt sehen, wenn weiterhin die Sozialgerichte nur mit sog. kleinen Kammern entscheiden, ein Beweggrund, der im Hinblick auf die Ausführungen von Hering 4 eine gewisse - wenn auch in der Intention Herings traurige und dem Niveau der Diskussion abträgliche - Aktualität erhalten hat. Es soll aber hier nicht verschwiegen werden, daß ein nicht unerheblicher Teil der Richter der Sozialgerichtsbarkeit in der sog. großen Kammer auch zusätzliche Beförderungsmöglichkeiten sieht. Diese überlegungen sind m. E. bei einer sachlichen Diskussion des Entw. ebensowenig zu beachten wie die des Teils der Gegenmeinung, der die sog. große Kammer aus Angst ablehnt, nunmehr in einem Kollegialgericht unter einem Vorsitzenden arbeiten zu müssen, der ggf. auch noch vom LSG kommt, wenn dort für ihn kaum Aussicht besteht, Vorsitzender zu werden. Gegen die sog. große Kammer bei den Sozialgerichten sind m. E. nicht nur die bereits aufgezeigten Bedenken vorzutragen, ob die durch ein Kollegialgericht mögliche Steigerung der Qualität ausreichend gewahrt werden kann. Es wird m. E. außerdem zu wenig gewürdigt, daß es dem in jüngerer Zeit verstärkt verwirklichten Bestreben widerspricht, in der ersten Instanz Einzelrichter entscheiden zu lassen. Während die 2

a.a.O.

a So auch Naumann a.a.O. S.329. 4 DÖV 1975, 8, 14. 8"

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Beibehaltung der sog. großen Kammer bei den Verwaltungs gerichten diesem Bestreben lediglich nicht entgegenkommt, läuft die Einführung der sog. großen Kammer bei den Sozialgerichten dieser Entwicklung sogar zuwider. Die Vorteile der Entscheidungen durch Einzelrichter werden sowohl hinsichtlich der regelmäßig kürzeren Dauer des Verfahrens als auch hinsichtlich des Bestrebens, die Zahl der Richter nicht auf diese Weise noch weiterhin zu vermehren, von den Befürwortern der sog. großen Kammer m. E. zu gering bewertet. Der Abbau des im Jahre 1954 vorhandenen großen überhanges der übernommenen und die Aufarbeitung der in den ersten Jahren danach in unverhältnismäßig großer Zahl angefallenen Streitsachen wäre wohl in der Sozialgerichtsbarkeit in Kollegialgerichten mit derselben Zahl von Kammern nicht möglich gewesen. Hinzu kommt, daß die wesentlichen Entscheidungen mit ehrenamtlichen Richtern ergehen. Dadurch wird dem Argument (s. die Begründung zum Entw. a.a.O.) eines erhöhten Vertrauens des Rechtsuchenden in Kollegialgerichte gegenüber den Verwaltungsstellen - soweit es überhaupt zutrifft - weitgehend Rechnung getragen. Ob in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit die bisherige Besetzung der Kammern bestehen bleiben soll, unterliegt hier nicht der Prüfung. Die Gleichrangigkeit aller Zweige der sog. öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten ist m. E. entgegen der bereits zitierten Auffassung von Hering nicht tangiert, wenn in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit die große Kammer erhalten bliebe; denn neben den doch stets mitzuberücksichtigenden historischen Gegebenheiten5 ist zu beachten, daß in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit viel häufiger weittragende Eilentscheidungen gefällt werden müssen, für die der - hier auch nicht geleugnete - Vorteil der kollegialen Beratung und Entscheidungsfindung wesentlich stärkere Bedeutung erlangt6. Gegen die sog. große Kammer bei den Sozialgerichten ist weiter anzuführen, daß sie auch nach den Vorschlägen des Koordinierungsausschusses doch nicht in allen Fällen entscheiden solF. Die hierfür in § 5 des Entw. vorgesehene übertragung des Rechtsstreits zur Entscheidung durch den Einzelrichter enthält alle schon bekannten Nachteile und zwingt wegen der nach § 5 Abs. 1 des Entw. erforderlichen Einstimmigkeit dazu, alle eingehenden Sachen der vollbesetzten Kammer zur Prüfung vorzulegen, ob die Sache an den Einzelrichter überwiesen werden soll. Auf die Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter an dieser Prüfung (s. § 5 Abs. 2 des Entw.) kann aber schon aus rechtspolitischen Erwäguns. auch Meyer-Ladewig, Die Sozialgerichtsbarkeit 1977, 333, 335 a. A. wohl Meyer-Ladewig, a.a.O., der keine sachlichen Gesichtspunkte für eine unterschiedliche Besetzung der Kammer sieht. 7 s. dazu kritisch auch Naumann a.a.O. S.327. 5. Deutscher Verwaltungsgerichtstag, DVBl. 1978, 96, 98 und vorstehend Ule und Bettermann .. 5 6

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gen kaum verzichtet werden. Die vom Ausschuß nicht übersehenen Schwierigkeiten bei der Auslegung des § 5 des Entw. 8 werden aber nach allem gegenüber denen bei der Anwendung des § 348 ZPO noch stärkersein. Zusammenfassend ist zu sagen, daß die Besetzung der Kammern der Sozialgerichte wie bisher mit nur einem Berufsrichter nicht aus der Sicht einer notwendigen Besonderheit des sozialgerichtlichen Verfahrens, wohl aber aus der historischen Entwicklung und aus allgemeinen Erwägungen. über die Besetzung der Gerichte erster Instanz gefordert werden kann. 2. B es e t z u n g der Sen a t e des Bundessozialgerichts

a) Senate Bei der Besetzung der Senate des Bundessozialgerichts ist der Koordinierungsausschuß der Auffassung gefolgt, anders als beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof auf die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter wie bisher nicht zu verzichten9 • Dabei wurde durchaus nicht verkannt, daß hinsichtlich der Mitwirkung ehrenamtlicher Richter an Revisionsentscheidungen auch Gründe vorzubringen sind, die für eine Besetzung der Senate nur mit Berufsrichtern sprechen. Andererseits ist jedoch grundsätzlich zu beachten, daß sich die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter in den Tatsacheninstanzen nicht auf die tatsächlichen Feststellungen beschränkt, sondern auch bei der rechtlichen Beurteilung des Streitfalles im gleichen Umfang wie durch die Berufsrichter besteht. Es erscheint aber nicht zwingend, auf ehrenamtliche Richter am Revisionsgericht zu verzichten, wenn dort die endgültige rechtliche Würdigung der Streitsache vollzogen wird, vor allem wenn man den Richtliniencharakter der Entscheidungen beachtet, auf den der Koordinierungsausschuß schon bei der Besetzung der Kammern der Sozialgerichte hingewiesen hat (s. oben unter 1.). Dies sind allerdings Argumente, die für die Beteiligung ehrenamtlicher Richter auch an den Entscheidungen der anderen Revisionsgerichte sprechen, obgleich auch hier wieder betont werden soll, daß historische Gesichtspunkte eine unterschiedliche Regelung für das BVerwG und den BFH rechtfertigen können. Vor allem aber ist zu beachten, daß die Mitwirkung und die Auswahl der ehrenamtlichen Richter in der Sozialgerichtsbarkeit unter Gesichtspunkten erfolgen, die sich von denen bei der Wahl ehrenamtlicher Richter für die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit und Finanzgerichtss. die Begründung a.a.O. S. 108. e s. § 9 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 des Entw.

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barkeit wesentlich unterscheiden. Die Sachkunde der ehrenamtlichen Richter soll auch in der Revisionsinstanz zum Tragen kommen. Dies ist jedenfalls - verbunden mit der historischen Entwicklung - eine notwendige Besonderheit des Verfahrens vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit. b) Großer Senat

Eine von den Richtern des BSG wohl überwiegend ebenfalls begrüßte Neuregelung enthält § 10 Abs.3 des Entw., der hinsichtlich der Besetzung des Großen Senats mit Berufsrichtern nunmehr für alle drei Revisionsgerichte einheitlich - und damit für die Zukunft notwendige Besonderheiten für das Verfahren vor dem BSG insoweit verneinendvorsieht, daß der Große Senat aus dem Präsidenten und sechs Richtern sowie einem Richter der beteiligten Senate besteht. Es ist nicht geregelt, daß die Berufsrichter Senaten mit bestimmten Sachgebieten anzugehören haben. Demgegenüber müssen nach § 41 Abs. 2 SGG von den neben dem Präsidenten mitwirkenden weiteren sechs Berufsrichtern je zwei Berufsrichter den Senaten für Angelegenheiten der Sozialversicherung, der Arbeitslosenversicherung sowie der Kriegsopferversorgung angehören. Es sollte jedoch besser dem Präsidium überlassen bleiben, welche Berufsrichter es für besonders geeignet erachtet, im Großen Senat mitzuwirken und dabei ggf. gleichzeitig die Erfahrungen in einzelnen Rechtsgebieten zu berücksichtigen. Die Auswahl sollte aber nicht davon abhängig sein, in welchem Rechtsgebiet der in Betracht kommende Berufsrichter zur Zeit tätig ist. Hinzu kommt, daß selbst aus der Sicht einer Berücksichtigung der wesentlichen Rechtsgebiete, aus denen die von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu entscheidenden Streitsachen kommen, in § 41 Abs.2 SGG das Verhältnis der Angelegenheiten der Sozialversicherung zu denen der Arbeitslosenversicherung und der Kriegsopferversorgung insoweit nicht mehr zutreffend bewertet ist. 3. Ehr e n amt I ich e R ich t e r Die besonderen Ausschlußgründe für ehrenamtliche Richter müssen für die Sozialgerichtsbarkeit notwendigerweise berücksichtigen, daß ein Mitglied des Vorstandes eines Trägers oder Verbandes der Sozialversicherung, einer Kassenärztlichen (Kassenzahnärztlichen) Vereinigung oder der Bundesanstalt für Arbeit nicht ehrenamtlicher Richter sein kann (s. § 18 Nr. 3 des Entw.). Ebenfalls als notwendige Besonderheit der Sozialgerichtsbarkeit ist beizubehalten, daß die Vorschlagslisten für ehrenamtliche Richter von den in § 27 Abs. 4 des Entw. aufgeführten Vereinigungen und den Landesversorgungsämtern aufgestellt werden. Das bedingt aber auch die

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in § 19 des Entw. aufgenommenen ergänzenden Vorschriften zur Abgrenzung des Personenkreises der Versicherten und der Arbeitgeber und die Bestimmung der Zahl der ehrenamtlichen Richter gemäß § 26 Abs.2 des Entw. Ebenso ist zu begrüßen, daß insoweit nur die notwendigen Besonderheiten in den Entw. aufgenommen wurden, im übrigen aber z. B. bestimmt wird, daß die ehrenamtlichen Richter gemäß § 24 des Entw. auch in der Sozialgerichtsbarkeit gewählt und nicht mehr wie bisher von der Landesregierung oder einer von ihr beauftragten Stelle berufen werden (s. § 13 Abs. 1 SGG). Wesentliche praktische Auswirkungen wird diese vor allem unter dem Koordinierungsbestreben zu wertende Neuregelung allerdings im Hinblick auf die bestehenden (s. § 13 Abs. 1, § 14 SGG) und auch weiterhin vorgesehenen Vorschlagslisten (s. §§ 24,27 des Entw.) nicht erhalten. 11. Sozialrechtsweg Die Regelung des Rechtswegs ist die notwendige Besonderheit einer besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Sozialrechtsweg wird gemäß § 38 des Entw. grundsätzlich in dem Umfang des § 51 SGG gehalten. Er soll nach § 38 Abs. 1 des Entw. in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung unter Einschluß der Kriegsopferfürsorge (§§ 25 - 27 BVG) gegeben sein. Diese Neuregelung gegenüber dem in § 51 Abs.2 Satz 2 SGG ausdrücklich vollzogenen Ausschluß des Sozialrechtsweges bei Maßnahmen auf dem Gebiet der sozialen Fürsorge ist gerechtfertigt, da die Maßnahmen der sozialen Fürsorge nach §§ 25 - 27 BVG nach wohl nunmehr überwiegender Meinung zu den Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung gehören. Es erscheint, wie in der Begründung zu § 38 des Entw. ausgeführt ist, nicht vertretbar, die Beschädigten und die Hinterbliebenen für Fälle ihres einheitlichen Versorgungsanspruches auf verschiedene Rechtswege zu verweisen. Dies gilt insbesondere, als sich vor allem bei der Arbeits- und Berufsförderung nicht selten Abgrenzungsschwierigkeiten zu den Aufgaben der Sozialversicherungsträger einschließlich der Bundesanstalt für Arbeit ergeben, die dann nach Beiladung aller in Betracht kommenden Sozialleistungsträger in einem Rechtsstreit gelöst werden können.

111. Verfahren 1. Örtliche Zuständigkeit

Das Prinzip der Zuständigkeit des Gerichts am Wohnsitz des Klägers bleibt als m. E. notwendige Besonderheit des sozialgerichtlichen Verfahrens erhalten (s. § 57 SGG, § 51 des Entw.). Die Bundesanstalt für

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Arbeit, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und der größte Teil der Berufsgenossenschaften sind für das gesamte Bundesgebiet und die Landesversicherungsanstalten jeweils regelmäßig für ein Land oder einen Teil eines Landes zuständig. Während man allerdings noch für die Bundesanstalt für Arbeit eine Zuständigkeit des Sozialgerichts begründen könnte, in dessen Bereich das jeweilige Arbeitsamt seinen Sitz hat, ist dies in den anderen Fällen nicht möglich. Eine örtliche Zuständigkeit z. B. des SG Berlin für alle Streitigkeiten gegen die BfA wäre praktisch auch kaum durchführbar. Darüber hinaus ist es m. E. weiterhin zu vermeiden, den Klägern die Last einer weiten Entfernung zwischen Wohnsitz und dem Sitz des Sozialleistungsträgers aufzubürden. Die Regelungen der Zuständigkeit der Versicherungsträger können z. B. in nicht wenigen Fällen dazu führen, daß ein in Bayern wohnhafter Versicherter seinen Streit um eine Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter ggf. gegen die LVA Hamburg vor dem SG Hamburg führen müßte, wenn nicht der Wohnsitz des Klägers für die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts bestimmend wäre. Die Notwendigkeit der in § 51 des Entw. übernommenen besonderen Regelung des Prinzips, daß das für den Wohnsitz des Klägers zuständige Gericht maßgebend sein soll, ergibt sich schon daraus m. E. nahezu zwingend, so daß auch der Koordinierungsausschuß keine Begründung gegeben, sondern vielmehr lediglich geprüft - und abgelehnt - hat, ob dieses Prinzip auch für die Verwaltungs- und Finanzgerichte gelten könnte 10 • Allerdings führt dies auch zu der staatsrechtlich nicht uninteressanten Konsequenz, daß z. B. das LSG Bremen - ggf. letztinstanzlich - über die Klage gegen einen landesunmittelbaren Versicherungsträger in Baden-Württemberg und zwar ggf. sogar auf Grund nur für den Bereich dieses Landes geltenden Satzungsrechts entscheidet. 2. A n t rag s f r ist und G lau b h a f t mac h u n g für Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist in § 61 Abs.2 Satz 1 des Entw. gegenüber der Monatsfrist in § 67 Abs.2 Satz 1 SGG grundsätzlich auf nur zwei Wochen verkürzt worden. Die neue Frist entspricht der im Entw. vorgeschlagenen Linie, für Hauptfristen Monatsfristen und für Nebenfristen Zweiwochenfristen vorzusehen. Hier ist der Koordinierungsgedanke sehr deutlich hervorgetreten. Aus der Sicht der Sozialgerichtsbarkeit sind gegen die Verkürzung der Frist Bedenken erhoben worden, da in dem Verfahren der ersten und zweiten Instanz kein Vertretungszwang besteht. Dies trifft jedoch auch für die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit zu, ohne daß dort die Zweiwochenfrist sich als nicht zumutbar erwiesen hatl l . 10 s. Begründung zu § 49 des Entw. S.179.

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Abweichend von dem für das Verfahren vor den Gerichten der Sozial'gerichtsbarkeit geltenden Recht, das insoweit nur eine Soll-Vorschrift kennt (s. § 67 Abs. 2 Satz 2 SGG), ist nunmehr auch für das sozialgerichtliche Verfahren vorgesehen, daß die Tatsachen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages glaubhaft zu machen sind. Auch hier ist das Koordinierungsziel der entscheidende Grund für den Vorschlag. In der Begründung zu § 61 des Entw. ist ausgeführt, eine nennenswerte Erschwerung trete für das sozialgerichtliche Verfahren nicht ein, zumal der Verpflichtung zur Glaubhaftmachung im Verfahren mit Amtsermittlungspflicht ohnehin geringere Bedeutung zukomme. Wenn dem aber so ist, so berechtigt dies erst recht zu der Frage, ob dann nicht allgemein in allen Verfahren - wie bisher nach dem SGG - die Glaubhaftmachung nur erfolgen "sollte". 3. Bei tri t t s r e c h tim Ver f a h ren vor dem B S G Neu als Rechtsinstitut ist das in § 66 Abs.3 des Entw. vorgesehene Beitrittsrecht des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) in Verfahren vor dem BSG, die Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung betreffen. Nach dem geltenden Recht ist in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung die Bundesrepublik Deutschland auf Antrag beizuladen (s. § 75 Abs. 1 Satz 2 SGG). Diese Beiladungspflicht gilt - abweichend von dem vorgesehenen Beitrittsrecht - für alle drei Instanzen. Sicherlich entspricht diese Pflicht zur Beiladung nicht ganz den Grundgedanken der Beiladung; sie hätte deshalb m. E. auch ganz entfallen können. Geht man aber von der Notwendigkeit aus, dem BMA in diesen Angelegenheiten ein Recht zur Beteiligung an den Verfahren zu geben, so ist - von der Durchführung des Verfahrens vor Gerichten aus beurteilt - m. E. doch entscheidend, daß die Beiladung formal ein Akt des Gerichts bleibt, während der Beitritt ohne jede auch nur formale Entscheidung des Gerichts durch den Berechtigten erfolgt. 4. P r ö z e ß ver t r e tun g Die Prozeßvertretung durch die Mitglieder und Angestellten von Gewerkschaften und den anderen in § 73 Abs. 6 Satz 3 SGG aufgeführten Vereinigungen ist eine Besonderheit des sozialgerichtlichen Verfahrens, deren Beibehaltung (s. § 69 Abs.3 Nr.2 des Entw.) notwendig ist, um die Sachkunde und die Erfahrungen dieser Prozeßbevollmächtigten weiterhin nutzbar zu machen. Außerdem haben die Mitglieder der Gewerkschaften oder der anderen dort aufgeführten Vereinigungen bereits durch ihre Mitgliedschaft - gestützt auf das seit Jahrzehnten geltende Recht - Anwartschaften auf eine kostenlose Prozeßvertretung.

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Auch rechtspolitisch ist insoweit die Abschaffung dieser Prozeßvertretungsbefugnisse nicht ernsthaft diskutabel. Jedoch hat die Prozeßvertretung durch Mitglieder und Angestellte "von selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung" im Sinne des § 73 Abs.6 Satz 3 und § 166 Abs. 2 Satz 1 SGG vor allem vor den Instanzgerichten in einer aus den veröffentlichten Entscheidungen nicht erkennbaren Zahl von Fällen zu unerquicklichen, meistens zu Lasten der Rechtsuchenden ausgetragenen Streitigkeiten darüber geführt, ob der Prozeßbevollmächtigte Mitglied oder Angestellter einer Vereinigung ist, die eine sozial- oder berufspolitische Zwecksetzung hat12• Eine gewisse Ruhe ist eingetreten, nachdem das BSG durch einen Willensakt entschieden hat, daß Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung im Sinne des § 166 SGG nur solche sind, die auf Grund ihrer Mitgliederzahl und ihrer Finanzmittel die Gewähr dafür bieten, daß sie geeignete Prozeßbevollmächtigte für die Prozeßvertretung vor dem BSG bereitstellen können; diese Gewähr ist nach dieser Rechtsprechung des BSG nur gegeben, wenn eine Vereinigung mindestens 1000 Mitglieder hat13 • Nach § 69 Abs.3 Nr.2 Bust. ades Entw. sollen Mitglieder und Angestellte der auch in § 73 Abs.6 Satz 3 und § 166 Abs.2 Satz 1 SGG aufgeführten Gewerkschaften und Vereinigungen nur dann vertretungsberechtigt sein, wenn ein Zulassungs aus schuß beim BSG die maßgebliche Bedeutung der Gewerkschaft oder Vereinigung im Arbeitsund Sozialleben festgestellt hat. Dieses Zulassungsverfahren wird auch für den Rechtsuchenden die Rechtssicherheit erhöhen. Die Neuregelung ist deshalb nicht nur aus Gründen der Arbeitserleichterung für die Instanzgerichte als notwendige Besonderheit des sozialgerichtlichen Verfahrens zu begrüßen. Daß neben den Mitgliedern und Angestellten der oben angeführten Verbände - entsprechend der vorstehend aufgezeigten Regelung vor dem BSG nur noch (s. dagegen § 166 Abs.2 Satz 2 SGG) die bei diesem Gericht zugelassenen Anwälte auftreten dürfen (s. § 71 Abs.4 des Entw.), kann zu einer Verbesserung der Vertretung der Rechtsuchenden durch Rechtsanwälte führen, wenn es gelingt, entsprechende Zulassungsvoraussetzungen rechtlich und praktisch zu erreichen. Nicht im Einklang stehen mit dieser Vorschrift würde es, wenn sich juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden auch weiterVgl. auch Meyer-Ladewig, a.a.O. S.334. Vgl. u. a. BSGE 11, 102; 12, 283; 16, 281; 18, 136; BSG SozR Nr.15, 25, 30, 36, 38, 39, 40, 41, 42 zu § 166 SGG. 13 s. BSG a.a.O. Nr. 39, 40, 42. 11

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hin (s. § 166 Abs.1 SGG) in Verfahren vor dem BSG durch Beamte oder Angestellte ihres Verwaltungszweiges vertreten lassen könnten, die nicht die Befähigung zum Richteramt besitzen. Deshalb wird mit Recht in § 71 Abs.5 Satz 2 des Entw. für das Verfahren vor dem BSG gefordert, daß sich juristische Personen des öffentlichen Rechts lediglich durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen können. Für den BFH ist eine entsprechende Regelung vorgesehen (s. § 71 Abs. 5 Satz 1 des Entw.). Dem Koordinierungsgedanken konnte dadurch aber nicht voll Rechnung getragen werden, weil vor dem BVerfG weiterhin auch juristische Personen des öffentlichen Rechts sich durch Rechtsanwälte vertreten lassen müssen (s. § 71 Abs. 2 des Entw.). 5. Fes t s tell u n g ski a g e Im sozialgerichtlichen Verfahren kann auch die Feststellung begehrt werden, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalles, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist14 • Die Notwendigkeit dieser besonderen Regelung ergibt sich jedenfalls zur Zeit noch daraus 15 , daß das Beweissicherungsverfahren nicht ausreicht, um das Rechtsschutzbedürfnis des Verletzten insoweit ausreichend zu befriedigen und zweifelhaft bleiben würde, ob - vor allem abweichend vom bisherigen Recht ohne gesetzliche Regelung eine Feststellungsklage als zulässig angesehen würde. Der Ausschuß hat jedoch empfohlen, die besondere Feststellungsklage durch eine Regelung für das Verwaltungsverfahren abzulösen, die einen Anspruch auf eine entsprechende Feststellung durch die Verwaltungsbehörde gibt und daraus dann auch eine entsprechende Klagemöglichkeit eröffnet. 6. K lag e m ö g I ich k e i t

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h n e Vor ver f a h ren

Die Zulässigkeit einer Klage ohne Vorverfahren ist gegenüber dem für das sozialgerichtliche Verfahren geltenden Recht in zweifacher Hinsicht geändert. § 80 des Entw. bezieht sich auf alle Leistungsbereiche, während nach § 78 Abs. 2 SGG - unabhängig in den von Abs. 1 Satz 2 aufgeführten Fällen - lediglich in Angelegenheiten der Unfallversicherung, der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten und der Kriegsopferversorgung die Anfechtungsklage ohne Vorverfahren zulässig ist. Die Klage soll nach der Auffassung des Koordinierungsausschusses ohne Vorverfahren nunmehr nur zulässig sein, wenn die Behörde, die 14 15

s. § 75 Abs.2 des Entw.; s. § 55 Abs.l Nr.3 SGG. s. die Begründung des Koordinierungsausschusses zu § 75, S. 226.

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den Verwaltungsakt erlassen hat, - fristgebunden - zustimmt. Diese Lösung ist - trotz gewisser allgemeiner Bedenken - wohl einfacher und damit besser als die im sozialgerichtlichen Verfahren zur Zeit gemäß § 85 Abs. 4 SGG bestehende Möglichkeit, den Widerspruch nach Entscheidung der Widerspruchsstelle, dem Rechtsbehelf nicht abzuhelfen, mit Zustimmung des Klägers an das Sozialgericht als Klage weiterzuleiten16 • Neben der juristischen Merkwürdigkeit dieser Konstruktion einer - nahezu - Klageeinleitung zugunsten des Gegners entbehrt das zur Zeit geltende Recht schon deshalb an Überzeugungskraft, weil es vom Versicherungsträger zunächst doch eine Entscheidung über den Widerspruch verlangt und letztlich nur die schriftliche Niederlegung der Begründung in Form eines Bescheides entfallen läßt. Diese Arbeitsersparnis wiederum sollte bei einer ordnungsgemäßen Behandlung des Widerspruchs nicht groß sein, da für die Vorbereitung der Entscheidung der Widerspruchsstelle insbesondere unter Berücksichtigung der Zahl der jeweils zu entscheidenden Fälle regelmäßig eine Stellungnahme der Verwaltung schriftlich niedergelegt sein wird. Die in § 80 des Entw. vorgesehene einheitliche Regelung beachtet zugleich den Koordinierungsgedanken. 7. Verurteilung des Beigeladenen Nach § 75 Abs.5 SGG kann ein Versicherungsträger oder in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung ein Land nach Beiladung verurteilt werden. Diese Vorschrift. soll den neben den unstreitbar überwiegenden Vorteilen eines gegliederten Sozialleistungssystems bestehenden Nachteil des nicht selten gegebenen Streits um die Zuständigkeit des Sozialleistungsträgers sowohl innerhalb der Sozialversicherung als auch im Verhältnis zur Kriegsopferversorgung insoweit ausgleichen, als der Berechtigte in einem Verfahren die Verurteilung des zuständigen Versicherungsträgers oder eines Landes erreichen kann. Inhaltlich hat § 101 Satz 1 des Entw. diese m. E. notwendige Regelung übernommen. Ein Beigeladener kann somit weiterhin unter den bisher in § 75 Abs. 5 SGG, nunmehr in § 68 Abs. 3 des Entw. aufgeführten Voraussetzungen verurteilt werden. Es fragt sich aber, ob § 101 Satz 1 des Entw. diese Möglichkeit der Verurteilung eines Beigeladenen gegenüber dem geltenden Recht ("kann ... verurteilt werden") dadurch klarer ausdrückt, daß es dem Gericht auferlegt, den Beigeladenen "wie einen Beklagten zu behandeln". In der Begründung zu § 101 Satz 1 des EntwP ist u. a. ausgeführt, über die Fassung des Rubrums sage die Vorschrift nichts, diese Frage könne der gerichtlichen Praxis überlassen bleiben. 16

s. auch Meyer-Ladewig a.a.O. S. 335.

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S.256.

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Die Gefahr, daß damit zumindest für eine Anfangszeit viel edler Schweiß, kostbare Zeit und Papier für kaum edle und juristisch kostbare Fragen vergeudet werden, ist nicht von der Hand zu weisen. Vor allem aber erscheint die Fassung des § 75 Abs.5 SGG für mit dem sozialgerichtlichen Verfahren nicht so vertraute Personen viel verständlicher als die stark von Zweifeln geprägte Fassung des § 101 Satz 1 des Entw. Dem hätte - insoweit - durch die übernahme des Wortlauts des § 75 Abs. 5 SGG um so mehr Rechnung getragen werden können, als die Vorschrift weiterhin nur auf das sozialgerichtliche Verfahren beschränkt bleiben soll. 8. A n hör u n gei n e s b e s tim m t e n A r z t e s Unter den Richtern der Sozialgerichtsbarkeit sind die Auffassungen über eine Beibehaltung einer" dem § 109 SGG entsprechenden Vorschrift als notwendige Besonderheit des sozialgerichtlichen Verfahrens wohl noch geteilt. Nach § 109 Abs.1 Satz 1 SGG muß auf Antrag des Versicherten, des Versorgungsberechtigten öder Hinterbliebenen ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt (§ 109 Abs.1 Satz 2 SGG). Es scheint jedoch eine sehr deutliche Mehrheit für diese auch in § 114 des Entw. übernommene und inhaltlich seit mehr als 50 Jahren bestehende Regelung18 gesichert zu sein. Für diesen Meinungsstand ist anzumerken, daß seit der Kritik von Friederichs 19 im Schrifttum - soweit ersichtlich - die Abschaffung dieser Vorschrift nicht mehr gefordert wurde. Dazu mag mit die bessere Handhabung durch die Kläger, aber auch die dem Gesetzeswortlaut schon fast widersprechende Anwendung des § 109 SGG durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit beigetragen haben, die in der Regel einen Kostenvorschuß und die Erklärung des Klägers verlangen, die Kosten vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig zu tragen. Mit Recht gewinnt aber auch grundsätzlich die Auffassung wieder verstärkt an Bedeutung, daß es nach den ärztlichen Begutachtungen des Betroffenen zunächst durch die vom Sozialleistungsträger ausgesuchten und später durch die vom Gericht zum Sachverständigen bestellten Ärzte ein Gebot der Chancengleichheit ist, daß das Gericht ein Gutachten von einem Sachverständigen des besonderen Vertrauens der Betroffenen einholt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 19. Oktober 1977 20 zur Beiordnung eines Pflichtverteidi18 Vgl. § 1681 RVO i. d. F. v. 14. Juli 1925 RGBl. I 97 - ; § 104 des Gesetzes über das Verfahren in Versorgungssachen v. 20. März 1928 - RGBl. I 71. 19 20

ZZP 83, 415. NJW 1978, 151.

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gers im Strafprozeß in schwerwiegenden Fällen noch einmal betont, daß das Recht auf faires Verfahren zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechts staatlichen Verfahrens zählt. Es hat weiter ausgeführt: "Der Beschuldigte darf nicht nur Objekt des Verfahrens sein; ihm muß vielmehr die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluß zu nehmen." Untersuchungen des Körper- oder Geisteszustandes eines Klägers gehören wohl zu den einschneidendsten Maßnahmen für den Betroffenen. Daß er zur Verfolgung seiner Rechte nicht als Angeklagter, sondern als Kläger vor Gericht auftritt, darf gleichfalls nicht dazu führen, ihn im Laufe eines vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrschten Gerichtsverfahrens nur als Objekt des Verfahrens anzusehen. Das Amtsermittlungsprinzip hat sicherlich ganz wesentliche Vorteile, auf die bei den der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesenen Rechtsgebieten nicht verzichtet werden kann. Aber der Grundsatz, die Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen, birgt zugleich die Gefahr, daß dadurch der Kläger zu leicht nur als Objekt angesehen wird, auf das es für die Entscheidung über die geltend gemachten Ansprüche entscheidend ankommt. Insoweit wird der Begründung des Speyerer Entwurfs eines Verwaltungsgerichtsgesetzes21 nicht gefolgt, daß sich auf Grund der Untersuchungsmaxime keine Nachteile für die Beteiligten ergeben könnten. Der Hinweis, daß fundierte Beweisangebote der Beteiligten auch tatsächlich Berücksichtigung fänden und die Ablehnung eines Beweisangebots im Rechtsmittelverfahren nachprüfbar sei, erfaßt das Problem m. E. nicht in seinem Kern, abgesehen davon, daß im Rechtsmittelverfahren eine Rüge kaum Erfolg haben kann, das Gericht habe statt des vom Rechtsmittelführer vorgeschlagenen Arztes einen anderen Sachverständigen ausgewählt, gegen dessen Sachkunde grundsätzlich keine Bedenken geltend gemacht werden und in praxi auch sehr schwer dargelegt werden könnten. § 109 SGG und § 114 des Entw. sollen nicht die Anhörung des "sachkundigsten" Sachverständigen sicherstellen, sondern dem Kläger das Recht geben, nach den von Amts wegen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ausgewählten Ärzten auch einmal einen Sachverständigen seines persönlichen Vertrauens bestellt zu erhalten. Fraglich ist allerdings, ob die hier angeführten Erwägungen nur die Notwendigkeit einer besonderen Regelung für das sozial gerichtliche Verfahren begründen oder nicht eigentlich hätten dazu führen müssen, § 114 des Entw. nicht nur auf das sozial gerichtliche Verfahren zu beschränken. Zwar würde § 114 des Entw. im sozialgerichtlichen Verfahren zahlenmäßig eine gegenüber dem Verfahren vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten und vor den Finanzgerichten nicht vergleichbare 21

1969, hier S. 353.

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Bedeutung erlangen, wie auch die Rechtstatsachenforschungen von Ule 22 erkennen lassen, wonach nur in ganz wenigen Fällen ärztliche Sachverständige im Verfahren vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten gehört werden. Aber gerade deshalb läßt die Anwendbarkeit dieser Vorschrift über den Bereich des sozialgerichtlichen Verfahrens hinaus keine grundsätzlichen Schwierigkeiten erkennen und hätte auch dem Koordinierungsgedanken wesentlich besser entsprochen. Da dies nicht geschehen ist, muß insoweit wenigstens von einer notwendigen Besonderheit des sozial gerichtlichen Verfahrens ausgegangen werden. 9. G run dur teil Die in § 130 SGG getroffene Regelung des Grundurteils soll nach der Auffassung des Koordinierungsausschusses nicht als notwendige Besonderheit des sozialgerichtlichen Verfahrens übernommen werden. Daran dürfte sich wohl noch Kritik entzünden. Wird gemäß § 54 Abs. 4 oder 5 SGG eine Leistung in Geld begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden (§ 130 Satz 1 SGG). Die Regelung hat in der Sozialversicherung und der Kriegsopferversorgung erhebliche Bedeutung. Richtet sich z. B. die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auf Zahlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit und ist schon strittig, ob der Kläger berufsunfähig ist oder ob er die Wartezeit erfüllt hat, so verurteilt das SG, wenn es den Kläger für berufsunfähig und die Wartezeit für erfüllt hält, den zuständigen Rentenversicherungsträger zur Zahlung der Rente wegen Berufsunfähigkeit. In ihrer Höhe wird die Rente vom Gericht nicht errechnet. In der Unfallversicherung hängt der Anspruch des Klägers auf Verletztenrente häufig davon ab, ob er dem versicherten Personenkreis angehört und einen Arbeitsunfall erlitten hat oder ob er bei einer Verrichtung verunglückt ist, die nicht im ursächlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit gestanden hat. Bejaht das Gericht einen Arbeitsunfall, so verurteilt es regelmäßig den Unfallversicherungsträger, den Kläger "wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom ... zu entschädigen", ohne zugleich den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und ggf. den Jahresarbeitsverdienst (JAV) zu bestimmen. Die Rechtsprechung fordert jedoch als Voraussetzung eines solchen Grundurteils, daß wahrscheinlich eine Geldleistung zu erbringen ist23 • Entsprechendes gilt für die Entscheidung in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung. In allen 22 Rechtstatsachen zur Dauer des Verwaltungs-(Finanz-)Prozesses, 1977, S.143 ff. 23 s. u. a. BSGE 13, 178; 30, 150; BSG SozR Nr.3, 4 u. 9 zu § 130 SGG; Meyer-Ladewig, SGG, 1977, § 130 Anm.2.

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diesen Fällen erledigt das Urteil den Rechtsstreit in vollem Umfang. Ein Urteil über die Höhe der Rente wegen Berufsunfähigkeit oder der Verletztenrente oder der Grundrente nach dem BVG bleibt nicht anhängig. Anders als beim Grundurteil nach § 111 VwGO oder § 99 FGO findet ein Nachverfahren nicht statt. Die Versicherungsträger oder die Versorgungsämter haben über die Höhe der Leistung durch einen neuen und erneut anfechtbaren Bescheid zu entscheiden24 • Diese Möglichkeit einer Entscheidung' dem Grunde nach ohne nachfolgendes Verfahren über die Höhe der Leistung ist gemäß § 130 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren neben dem Grundurteil als Zwischenurteil zulässig 25 • Das BSG hat in seinem Urteil vom 17. Dezember 196826 ausgeführt: Ergeht bei einem Verfahren auf Grund einer verbundenen Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG), wie sie für Leistungsstreitigkeiten der Sozialgerichtsbarkeit typisch ist, ein Grundurteil, so findet kein Nachverfahren vor dem erkennenden Gericht über die Höhe des Anspruchs statt21 • Daraus wurde zum Teil geschlossen, im sozialgerichtlichen Verfahren sei ein Grundurteil im Sinne des § 304 ZPO i. V. m. § 202 SGG nur in Ausnahmefällen, nämlich bei einer reinen Leistungsklage zulässig28 • Dieser Auffassung vermag ich mich nicht anzuschließen. Nach § 130 Satz 1 SGG kann auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden. Das Gericht darf auch z. B. in der Unfallversicherung seine Ermittlungen auf den Grad der MdE und den JAV erstrecken und dem Kläger auf Grund seines entsprechenden Antrages Verletztenrente in bestimmter Höhe zusprechen. Ebenso darf es aber m. E. auch gemäß § 304 ZPO i. V. m. § 202 SGG über den Grund vorab entscheiden und so hinsichtlich der Höhe der Verletztenrente ein Nachverfahren nach Überprüfung des Grundurteils in den Rechtsmittelinstanzen vorbehalten. Das Grundurteil nach § 130 SGG ist deshalb m. E. eine neben der gemäß § 304 ZPO i. V. m. § 202 SGG zulässigen Vorabentscheidung über den Grund - zusätzlich - gegebene Möglichkeit eines Urteils dem Grunde nach ohne Nachverfahren. Das Grundurteil nach § 130 SGG kann auch ergehen, wenn der Kläger die Verurteilung des Versicherungsträgers zur Zahlung einer Verletztenrente in bestimmter Höhe beantragt hat29 • Wesentlich erscheint in diesem Zusammenhang aber, daß die Kläger, auch soweit sie durch Prozeßbevollmächtigte vertreten sind, nahezu einhellig Anträge stellen, die jeweils dem Grundurteil nach § 130 SGG entsprechen. Die Praxis der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ist auf dieses Urteil ganz eingestellt. 24 25 26

21 28 29

BSGE 27, 81, 82 ff.; 29, 69, 70; Meyer-Ladewig a.a.O. s. BSGE 29, 60; Meyer-Ladewig a.a.O. § 125 Anm.3.

a.a.O. hier S. 70.

BSGE 27, 81, 82 ff. So Meyer-Ladewig a.a.O. Vgl. BSG SozR Nr. 1 zu § 130 SGG.

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Der Entw. übernimmt diese Vorschrift nicht. Inhaltlich will § 138 Satz 2 und 3 des Entw. einen Ersatz bieten. Danach kann bei reinen Leistungsklagen und bei kombinierten Leistungs- und Anfechtungsklagen das Gericht auch dann zur Bescheidung verpflichten, wenn es wegen der Art oder des Umfangs der erforderlichen Ermittlungen oder Berechnungen sachdienlich ist, die Höhe der Leistung im Verwaltungsverfahren festzusetzen. Soweit es die erforderliche Berechnung im Sinne des § 138 Satz 2 des Entw. betrifft, ist jedenfalls bei Klagen auf Rente aus den gesetzlichen Rentenversicherungen eine Berechnung der Leistungsgröße ohne die elektronischen Hilfsmittel der Rentenversicherungsträger schon deshalb regelmäßig kaum noch möglich, weil bereits die den Versicherungs ablauf kennzeichnenden Daten elektronisch gespeichert werden. Das Gericht müßte deshalb auf jeden Fall sich erst einmal vom Versicherungsträger diese Daten ausdrucken lassen und dann selbst mit der Berechnung beginnen. Dies wäre jedoch ein nahezu sinnwidriges Unterfangen. Die Sachdienlichkeit einer Leistungsberechnung durch den Rentenversicherungsträger dürfte deshalb nicht zweifelhaft sein. Nur stark abgeschwächt gilt dies für die Streitigkeiten aus dem Bereich der Unfallversicherung und der Kriegsopferversorgung in den oben aufgezeigten Beispielen. Hier ist der Einsatz der Elektronik kaum Voraussetzung für eine Berechnung der Verletztenrente oder der Grund- bzw. Ausgleichsrente. Dies ist vor allem zu beachten bei § 138 Satz 2 letzter Satzteil des Entw., nach dem für ein Grundurteil im Sinne dieser Vorschrift abweichend von § 130 SGG vorausgesetzt wird, daß "kein Beteiligter widerspricht". Die Träger der Unfallversicherung und die Versorgungsämter könnten durchaus - unabhängig davon, daß sie ihren Widerspruch überhaupt nicht zu begründen brauchen - einem Grundurteil nach § 138 Satz 2 des Entw. mit der Begründung widersprechen, es sei nicht sachdienlich, da die noch erforderlichen Berechnungen (z. B. des JAV) vom Gericht zumindest genauso schnell durchgeführt werden könnten. Hier könnte die vorgeschlagene Neuregelung tatsächlich doch dazu führen, daß in Fällen, die bisher von § 130 SGG erfaßt wurden, nunmehr ein Grundurteil nach § 138 Satz 2 des Entw. nicht mehr möglich ist. Häufig werden auch sowohl zur Feststellung der Rente aus der Unfallversicherung oder der Kriegsopferversorgung als auch aus der Rentenversicherung neben den erst später durchzuführenden Berechnungen vorher noch zusätzliche Ermittlungen erforderlich sein, z. B. das Anhören von Zeugen, Einholen von Auskünften, in der Unfallversicherung und Kriegsopferversorgung Gutachten zur Höhe des Grades der MdE. Hier könnte sich gleichfalls der Versicherungsträger dazu entschließen, in ein Grundurteil nach § 138 Satz 2 des Entw. nicht mehr einzuwilligen, um diese Aufgaben nicht selbst durchführen zu müssen. Warum aber nach allem eigentlich der Kläger einem Urteil nach § 138 Satz 2 des Entw. zustimmen und damit ggf. ein weiteres 9 Speyer 75

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sozialgerichtliches Verfahren auf sich nehmen sollte, wenn der Versicherungsträger oder die Versorgungsbehörde - wovon der Koordinierungsausschuß ausgeht - "die erforderlichen Berechnungen ohnehin selbst anstellen" und dem Gericht zur Verfügung stellen muß, auch wenn das Gericht kein Grundurteil nach § 138 Satz 2 des Entw. erlassen will, bedarf noch der Prüfung. Es spricht vieles dafür, daß der Kläger regelmäßig nicht zustimmen, sondern die dem Gericht vorzulegenden Ermittlungen und Berechnungen des Versicherungsträgers abwarten wird. Dann kann er nachprüfen, ob er sich den zutreffenden Berechnungen anschließt oder ob er sogleich eine gerichtliche Entscheidung über seine Bedenken gegen die vom Versicherungsträger vorgelegten Ergebnisse in das Klagebegehren einbezieht. Es ist allerdings vom Kläger auch zu berücksichtigen, daß der Versicherungsträger oder das Versorgungsamt doch über die Prüfung durch die Gerichte hinausgehende Möglichkeiten haben, im Rahmen ihrer Verwaltungsentscheidung Gesichtspunkte zu beachten, die zu einem günstigeren Ergebnis führen, als es vom Gericht erstritten werden könnte. Dies gilt vor allem für die Nachprüfung der Verwaltungsentscheidung im Vorverfahren. Ebenso ist zu beachten, daß in einer Vielzahl von Fällen die Bescheide hinsichtlich der Höhe der Rente von den Betroffenen als richtig anerkannt werden. Das vermag doch zur Einwilligung des Klägers in ein Urteil nach § 138 Satz 2 des Entw. zu führen, zumal die Ermittlungen des Versicherungsträgers - vor allem was die Einholung von ärztlichen Gutachten betrifft - und die reine Berechnung der Rente regelmäßig schneller durchzuführen sind als im gerichtlichen Verfahren. Deshalb liegt es nicht stets im Interesse des Klägers, einem Urteil nach § 138 Satz 2 des Entw. zu widersprechen. Der Schwerpunkt und m. E. auch die wesentliche Begründung für die Neuregelung in § 138 Satz 2 des Entw. ist demnach gerade in der stärkeren Beachtung des Willens des Klägers zu sehen, eine gerichtliche Entscheidung über sein volles Klagebegehren zu erlangen. Die vorangehenden Ausführungen sollten nur zeigen, daß die von § 130 SGG abweichende Regelung in § 138 Satz 2 des Entw. für das sozialgerichtliche Verfahren eine erhebliche Bedeutung erlangen kann. Ob und in welchem Umfang sich die vorgesehene Neuregelung aber tatsächlich auswirken oder vielleicht - unter sanfter Anregung des Gerichts auf Feststellungsklagen ausgewichen wird, ist noch ungewiß und sollte nicht von vornherein dramatisiert werden. Andererseits gibt gerade diese Ungewißheit den Kritikern nicht ganz unrecht, die fragen, weshalb eine seit mehr als 25 Jahren auch im gerichtlichen Verfahren bewährte Vorschrift aufgegeben werden soll, die - soweit ersichtlich - bisher von den Beteiligten nicht als grundsätzlich unbefriedigend angesehen wird. Es wäre m. E. im Hinblick auf die oben bereits besonders betonten

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Interessen des Rechtsuchenden, ein über den gesamten Klageanspruch abschließendes Urteil zu erhalten, vertretbar, in § 138 Satz 2 des Entw. nur ein Widerspruchsrecht des Klägers vorzusehen. 10. Auf s chi e ben d e Wir k u n g Widerstand zunächst der Sozialleistungsträger wird § 150 Abs. 1 des Entw. hervorrufen. Danach haben der außergerichtliche Rechtsbehelf und die Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Dies ist m. E. aber nicht nur unter dem Koordinierungsgedanken zu begrüßen. Nach dem SGG tritt die aufschiebende Wirkung dagegen lediglich in besonders aufgeführten Fällen (s. § 86 Abs. 2 SGG) und bei der Klage dabei in praktisch nur relativ seltenen und wenig wesentlichen Fällen ein (s. § 97 SGG). Vor allem bei der Herabsetzung oder Entziehung einer laufenden Leistung (z. B. Rente) hat die Klage bisher keine aufschiebende Wirkung; das Gericht kann hier lediglich die Voll ziehung aussetzen (s. § 97 Abs.2 Satz 1 SGG). Dabei ist jedoch zu beachten, daß die Rückforderung überzahlter Leistungen in der Sozialversicherung und der Kriegsopferversorgung stärker zugunsten des Betroffenen geregelt ist 30 • Deshalb ist die Formulierung in der Begründung zu § 150 des Entw. 31 nicht dahin mißzuverstehen, als spiele in der Sozialgerichtsbarkeit die aufschiebende Wirkung eine ganz unbedeutende Rolle. Es ist zu erwarten, daß die Versicherungsträger bei einer Rentenherabsetzung sehr häufig, bei einer Rentenentziehung regelmäßig die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes anordnen und hierfür eine formularmäßige Begründung geben werden. Das wird wiederum zu einer entsprechenden Zahl von Anträgen auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung führen. Darüber werden die Richter der Sozialgerichtsbarkeit nicht glücklich sein, aber damit fertig werden. Ein Unbehagen bleibt allerdings deshalb, weil die Sozialversicherungsträger mit Recht darauf hinweisen werden, daß die Solidargemeinschaft der Versicherten mit dem Risiko der Beitreibbarkeit der durch die aufschiebende Wirkung bedingten überzahlung behaftet bleibt, während der Fiskus sich durch § 150 Abs.2 Nr.1 des Entw. hinsichtlich der Abgaben und Kosten wieder vor den Folgen einer aufschiebenden Wirkung sichern will. Dabei wird nicht verkannt, daß die Bescheide der Finanzbehörden jährlich in einer ungleich größeren Zahl ergehen und auch die finanzgerichtlichen Verfahren wesentlich länger dauern. Andererseits ist aber zu beachten, daß im Verfahren nach der Abgabenordnung und der FGO Kosten erhoben werden und - wie Praktiker berichten - häufig auf andere Weise doch die aufschiebende Wirkung herbeigeführt wird. 30 s. §§ 628, 1301 RVO, § 47 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung v. 2. Mai 1955 - BGBl. I 202. 31 Unter 2, S. 322.

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Otto Ernst Krasney 11. S tat t ha f t i g k e i t der Be ruf u n g

Die wohl umfangreichste Änderung gegenüber dem SGG enthält die Neuregelung der Statthaftigkeit der Berufung. Die zahlreichen und selbst für die einzelnen Versicherungszweige zum Teil unterschiedlichen, hier nicht näher dargestellten Regelungen der §§ 143 ff. SGG werden beseitigt. Die Berufung ist bis auf Bagatellstreitigkeiten stets statthaft. Dem Koordinierungsgedanken wird hier im besonderen Maße durch den Abbau von Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens Rechnung getragen. Der Ausschuß und vor allem die Vertreter der Sozialgerichtsbarkeit haben sich dabei von den Gedanken leiten lassen, daß es jeweils unerläßlich sein müßte, um ausschließlich für die Sozialgerichtsbarkeit geltende Beschränkungen der Berufung vorzusehen. Allein der Umstand, daß sie sich im sozialgerichtlichen Verfahren bewährt und auch zu einer Entlastung der Berufungsgerichte geführt haben, sollte m. E. nicht über die Koordinierung gestellt werden. Es erscheint mir auch für die Dreistufigkeit der Sozialgerichtsbarkeit und erst recht für die vom Ausschuß wohl gewollte Dreistufigkeit der Finanzgerichtsbarkeit nicht überzeugend, zunächst die Berufung zuzulassen, sie aber dann durch so zahlreiche Vorschriften wie im SGG einzuschränken. In dem Entwurf eines Gesetzes über das Verfahren in der Sozialgerichtsbarkeit (Sozialgerichtsordnung - SGO)32 heißt es zur Beschränkung der Berufung: Im Gegensatz zu anderen Zweigen der Gerichtsbarkeit ist eine Beschränkung des Rechtsmittels durch die Einführung einer Beschwerdesumme nach dem Geldwert der begehrten Leistung im allgemeinen nicht tunlich. Der Entwurf hat sich die der Reichsversicherungsordnung und sonstigen Verfahrensregelungen bekannte Methode zu eigen gemacht, den Ausschluß des Rechtsmittels nach der Art der Ansprüche zu bestimmen.... Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen ist die Bezugsdauer ausschlaggebend. Damit ist es vor allem gewährleistet, daß Bagatellsachen aus der Kranken- und Arbeitslosenversicherung nicht zu einer übermäßigen Belastung der Gerichte führen. Im Ausschußbericht 33 ist wieder auf die "historischen Gegebenheiten" hingewiesen. Die in der Begründung eines Entwurfs einer SGO zuletzt angeführte Belastung der Berufungsgerichte ist in der Sozialgerichtsbarkeit nicht mehr so stark. Die Landessozialgerichte können - soweit dies überhaupt im nennenswerten Umfange eintreten würde (s. jeweils unten) eine Zunahme der Berufungen durchaus verkraften. 32 33

BT-Drucks. Nr. 4357/1. Wahlperiode S.22, B 6. BT-Drucks. Nr. 4567/1. Wahlperiode, S.4.

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Die geltenden Beschränkungen der Berufung beruhen überwiegend auf dem Gedanken, daß sie für den Berufungskläger nicht entscheidende Bedeutung im Vergleich zum Anspruch selbst haben. Der Gesetzgeber hat auch für das sozialgerichtliche Verfahren die Statthaftigkeit der Berufung von einer bestimmten Beschwer abhängig machen wollen34 • Der am Schluß der zitierten Begründung angeführte Zweck der Berufungsbeschränkung, die Berufungsgerichte nicht mit Bagatellsachen zu belasten, zeigt aber, wie fragwürdig diese Beschränkungen jedenfalls nach dem Ausbau unserer sozialen Leistungen geworden sind. Es ist m. E. nicht überzeugend, im Zivilprozeß von einer Grenze von 500,- DM auszugehen, dagegen dem Versicherten oder Beschädigten bei einem regelmäßig höheren Streitwert im sozialgerichtlichen Verfahren die Berufung zu versagen. Ebenso überzeugt es nicht, in Angelegenheiten rl~r Rozialhilfe die Berufung nicht zu beschränken, bei Leistungen der Sozialversicherung dagegen wesentliche Berufungsbeschränkungen weiter zu belassen. In welchem Umfang die zur Zeit noch geltenden Berufungsausschlüsse die Beteiligten treffen können, soll nur am Beispiel des § 145 Nr.2 bis 4 SGG aufgezeigt werden. Danach ist die Berufung nicht zulässig, soweit sie betrifft Beginn und Ende oder nur die Rente für bereits abgelaufene Zeiträume (§ 145 Nr. 2 SGG), vorläufige Renten (§ 145 Nr.3 SGG), den Grad der MdE oder die Neufeststellung von Dauerrenten (s. § 145 Nr. 4 SGG). Der Streit über den Beginn oder das Ende der Rente oder die Rente für bereits abgelaufene Zeiträume kann schon bei einer Rente für nur wenige Monate eine erhebliche Geldsumme betreffen. So beträgt z. B. die Vollrente eines Verletzten mit einem durchschnittlichen Brutto-JAV von 20 161,- DM35 pro Jahr 12906,60 DM. Dies gilt auch für vorläufige Renten, die bis zu zwei Jahre nach dem Arbeitsunfall gewährt und außerdem kraft Gesetzes zur Dauerrente werden können (s. § 1585 RVO). Selbst die sog. Gradstreitigkeiten im Sinne des § 158 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d des Speyerer Entwurfs erfassen zum Teil ganz erhebliche Summen. Wenn z. B. ein versicherter Arbeiter mit dem durchschnittlichen Brutto-JAV von 20 161,- DM seine unfallbedingte MdE nicht - wie von der Berufsgenossenschaft angenommen - mit 20 v.H., sondern mit 40 v.H. bewertet wissen will, ist die Berufung nach § 145 Nr.4 SGG ausgeschlossen, obgleich der Unterschied in der Rentenhöhe pro Jahr 2419,32 DM ausmacht. Diese Bedenken gelten auch für § 146 SGG, wonach die Berufung ausgeschlossen ist, soweit sie Beginn oder Ende der Rente oder nur die Rente für bereits abgelaufene Zeiträume betrifft. 34

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BSG SozR 1500 § 144 Nr. 1. Für 1977 - s. § 1255 Abs. 2 Satz 1 RVO.

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Diese Vorschriften sind allerdings durch die Rechtsprechung des BSG bereits dadurch entschärft worden, "daß die Berufung lediglich dann ausgeschlossen ist, wenn sie nur den Beginn oder nur das Ende der Rente betrifft, nicht aber in den Fällen, in denen es im Berufungsverfahren darum geht, ob für einen bestimmten Zeitraum Rente überhaupt - dem Grunde nach - zu gewähren ist"36. IV. Kosten und Vollstreckung 1. Kosten Nach § 186 des Entw. trägt der Unterliegende die Kosten. Dies entspricht der praktischen Handhabung des § 193 Abs.1 SGG. Die Klarstellung in § 186 Abs. 3, daß dem Beigeladenen Kosten auferlegt werden dürfen, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat, ist auch für das sozialgerichtliche Verfahren zweckmäßig. Für das Verfahren vor dem BSG wird § 188 Abs. 2 des Entw., wonach das Revisionsgericht die Kosten des Revisionsverfahrens insoweit der Staatskasse auferlegen kann, als es aus besonderen Gründen, insbesondere wegen des öffentlichen Interesses an der Klärung der Rechtsfrage, unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten, wohl in nicht wenigen Fällen Bedeutung erlangen. Geht man von dem Richtliniencharakter vieler Entscheidungen auch in der Sozialgerichtsbarkeit aus 37 , erscheint es allerdings nicht ganz überzeugend, weshalb nur die Kosten des Revisionsverfahrens der Staatskasse auferlegt werden dürfen, da die Klärung der Rechtsfrage zumindest das Verfahren der 1. Instanz vorausgesetzt hat und in derartigen Fragen tunlichst auch das Berufungsverfahren durchgeführt sein sollte, um ein breites Erfahrungs- und Wissensspektrum vorliegen zu haben. Deshalb könnte es einer erneuten Prüfung wert sein, die Regelung in § 188 Abs. 2 des Entw. auszudehnen und auch noch einmal zu überlegen, ob nicht der elastischere § 193 Abs.1 SGG Vorbild sein könnte. Die Formulierung müßte allerdings beachten, daß außerhalb des sozialgerichtlichen Verfahrens in der Regel auch Gerichtskosten anfallen. 2. Ger ich t s k

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sten

Im sozialgerichtlichen Verfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben (s. § 192 Abs.2 des Entw.; ebenso § 183 SGG). Ob es sich hierbei und aus welchen Gründen es sich um eine notwendige Besonderheit des sozialgerichtlichen Verfahrens handelt, würde zu einer Vertiefung dieser Fragen zwingen, die vor allem auch unter den gerade in den letzten 36 BSGE 30, 90, 92; BSG SozR 1500 § 146 Nr.1. 37 s. die Begründung des Koordinierungsausschusses oben unter I 1.

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Jahren allgemein geführten Diskussionen über die Kostenlast einer Rechtsverfolgung hier nicht geleistet werden kann. Dies gilt auch überwiegend für die Regelung in § 192 Abs.5 des Entw. (ebenso § 193 Abs.4 SGG), wonach im sozialgerichtlichen Verfahren Aufwendungen der juristischen Personen des öffentlichen Rechts und der Behörden nicht erstattet werden. 3. Arm e n r e c h t Die in § 195 des Entw. vorgesehene Einführung des Armenrechts auch für die erste und zweite Instanz des sozialgerichtlichen Verfahrens ist ein echter rechtsstaatlicher Fortschritt gegenüber dem derzeitigen Rechtszustand, dessen Rechtfertigung auch dem BVerfG38 nicht überzeugend gelungen ist 39 , was jüngst auch wieder durch den Beschluß des BVerfG vom 19. Oktober 1977 40 zur Bestellung eines Pflichtverteidigers in Erinnerung gerufen wurde - trotz der dort versuchten Darstellung der Nahtlosigkeit der Rechtsprechung des BVerfG zu diesen Fragen. 4. Vor 1 ä u f i g e Voll s t r eck bar k e i t Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist im Entw. abweichend vom SGG geregelt. Urteile sind für vorläufig vollstreckbar zu erklären, Urteile auf Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Feststellungsklage jedoch nur wegen der Kosten (§ 198 Abs. 1 des Entw.). Das SGG kennt demgegenüber eine vorläufige Vollstreckbarkeit in dieser Form nicht. Aus § 154 SGG ist vielmehr zu entnehmen, daß das SGG davon ausgeht, daß die Urteile der Sozial gerichte grundsätzlich ipso jure vorläufig vollstreckbar sind. Denn für die in dieser Vorschrift aufgeführten Fälle soll die Berufung "aufschiebende Wirkung" haben. In dieser Praxis sieht es insbesondere bei den Regelfällen der kombinierten Leistungs- und Anfechtungsklage gemäß § 154 Abs. 2 SGG so aus, daß der verurteilte Sozialleistungsträger für die Zeiten nach Erlaß des angefochtenen Urteils die laufenden Leistungen in vollem Umfange zu erbringen hat, während er für die Zeit davor eine Nachzahlung erst nach Rechtskraft des Urteils zu leisten hat. Der Vorsitzende des Senats kann jedoch die aufschiebende Wirkung der Berufung auch insoweit herstellen. Die Regelung in § 154 SGG hat sich aber als nicht ausreichend flexibel erwiesen. Der Versicherungsträger muß entweder die Leistungen für die Zeit nach Erlaß des angefochtenen Urteils in vollem Umfang ers. E 9, 124. Vgl. Weidner, JZ 1969, 622; Leßner, SGb. 1973, 539; Redecker, NJW 1973, 1153; SGb. 1974, 361 und SGb. 1976, 471; Meents, Das Armenrecht im sozialen Rechtsstaat des SGG, Diss. Bonn 1975. 40 NJW 1978, 151. 38

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bringen oder aber das Berufungsgericht hat ihn von diesen Leistungen ganz freizustellen. Nach § 198 Abs.4 Satz 1 des Entw. soll das Gericht nunmehr in die Lage versetzt werden, in dem Urteil, das zu einer Leistung oder zum Erlaß eines auf eine Leistung gerichteten Verwaltungsaktes verpflichtet, eine einmalige oder laufende vorläufige Zahlung anzuordnen. Dem Gericht wird es nach dieser Vorschrift nunmehr auch möglich sein, eine laufende vorläufige Zahlung anzuordnen, die in ihrer Höhe zwar ausreicht, um ggf. den Kläger nicht an die Sozialhilfe zu verweisen, aber andererseits nicht den vollen Umfang erreicht, in welchem dem Kläger bei endgültigem Obsiegen Leistungen zu zahlen wären.

Notwendige Besonderheiten im Entwurf einer Verwaltungsproze.f3ordnung aus der Sicht der Finanzgerichtsbarkeit Von Uwe Jessen Historisch gesehen ist die Steuer ein Motor der Entwicklung des Verfassungsrechts und auch der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Verwaltungsgerichte in der Vorform eines weisungsfreien Kollegiums waren für die Steuer früher da als für die anderen Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Bürger. Und auch ein umfassendes Verfahrensgesetz für die Verwaltung war in der RAD zuerst da. Warum also notwendige Besonderheiten für den Erstgeborenen und nicht für die später Geborenen? Dem ahistorischen Zeitgeist wird man die Schuld wohl nicht geben können. Wäre es nach dem Zeitgeist gegangen, läßt es sich vorstellen, daß die Steuer als überragendes ökonomisches und soziologisches Faktum bei der Massenhaftigkeit und Regelmäßigkeit des steuerrechtlichen Eingriffs als Regelfall behandelt wird. Für die Erarbeitung eines gemeinsamen Gesetzes steht dem jedoch ein simpler Tatbestand entgegen. Die Finanzgerichte haben wie die Sozialgerichte eine klar eingegrenzte Spezialzuständigkeit mit einem überschaubaren Bereich des Verwaltungsrechts, deren Erfordernisse für das Verfahren leicht zu ermitteln sind, während die Generalklausel-Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte sich auf einen nicht übersehbaren und kaum erfaßbaren Bereich staatlichen HandeIns und öffentlichen Rechts erstreckt. Darum müssen sie auch mit ihren Besonderheiten ohne Sondervorschriften fertig werden. Berichten will ich nur über die in dem Entwurf enthaltenen Sonderregelungen. Eine Erörterung der darüber hinaus möglicherweise wünschenswerten Sondervorschriften würde den gegebenen Rahmen sprengen. Die Frage nach notwendigen Sondervorschriften für die Finanzgerichte ist eine Frage nach der für das gerichtliche Verfahren vorgegebenen Rechtslage. Diese ist bestimmt durch das Verfahrensrecht der Steuerverwaltung, das Recht der Steuerberatung und das materielle Steuerrecht. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß alle Sonderbestimmun-:gen hierauf zurückzuführen sind. Doch vorweg ein Wort zum Aufbau der Finanzgerichtsbarkeit. Für den Außenstehenden springt von den Besonderheiten der Finanzge-

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richte die Abweichung im Gerichtsaufbau ins Auge. Der Ausschuß hat die Zweistufigkeit von vornherein ausgeklammert und den Entwurf aus Gründen der einheitlichen Systematik und der Vereinfachung auf einer Dreistufigkeit aufgebaut. Eine spätere Anpassung an eine zweistufige Finanzgerichtsbarkeit erschien nicht schwierig. Für dies Vorgehen war auch die Auffassung im Ausschuß maßgebend, daß der Gerichtsaufbau zwar auch eine juristische Frage, aber vor allem eine Frage sei, die schließlich aus überwiegend politischen Gründen entschieden werden würde. Auf ausdrücklichen Wunsch des BJM hat der Ausschuß gleichwohl die Frage der Drei- oder Zweistufigkeit beraten und sich - keineswegs einstimmig oder mit überwältigender Mehrheit - für den dreistufigen Aufbau ausgesprochen. Hierbei spielte es eine Rolle, daß auf eine zweite Tatsacheninstanz nicht grundsätzlich verzichtet und das Revisionsgericht nach Möglichkeit auf grundsätzliche Entscheidungen und auf die Wahrung der Rechtseinheit beschränkt werden sollte. Natürlich läßt sich hierzu viel sagen. Die Frage des Gerichtsaufbaus erinnert allmählich schon an die Quadratur des Kreises. Die oft ins Feld geführte Güte des Vorverfahrens möchte ich allerdings nicht für die Zweistufigkeit anführen. Ist es doch keine unveränderliche Größe. Das Vorverfahren ist heute anders zu beurteilen als vor zehn Jahren und wird nach Einrichtung der Rechtsbehelfsstellen möglicherweise wieder anders einzuschätzen sein. Wenn es, wie ich annehme, bei der Zweistufigkeit bleibt, könnte der Einzelrichter, nicht ganz unähnlich einem Eingangsgericht, den Senat von den zuweilen zahlreich auftretenden einfachen Sachen wie etwa den nicht echten Streitsachen entlasten.

I. Das Verfahrensrecht der Abgabenverwaltung kennt eine recht genau bestimmte Bestandskraft der Verwaltungsakte. Dazu gehört, daß Änderungen eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes zuungunsten des Steuerpflichtigen den Verwaltungsakt im übrigen unberührt lassen, so daß einer Anfechtung lediglich die Änderung zugänglich ist. Ferner trennt die AO in bestimmten Fällen die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und die Festsetzung der Steuer. Mit dem Erlaß von zwei Verwaltungsakten wird die Anfechtung auf den Inhalt des jeweiligen Verwaltungsaktes beschränkt. Die schließliche Steuerfestsetzung kann also nicht mehr mit Einwendungen gegen die vorangegangene Feststellung der Besteuerungsgrundlage angegriffen werden. Beiden Anfechtungsbeschränkungen entspricht der Entwurf mit der Bestimmung, daß Änderungs- und Folgebescheide nicht im weiteren Umfange angegriffen werden können als in dem außergerichtlichen Vorverfahren (§ 74 Abs. 4).

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Für dieses Vorverfahren sind nicht die Bestimmungen des Entwurfs maßgebend, sondern das Vorverfahren ist in der AO geregelt. Der Entwurf hat dem durch den Vorbehalt einer abweichenden Regelung durch Bundesgesetz Rechnung getragen (§ 82). Die Vertretung vor den Finanzbehörden ist jetzt im Steuerberatungsgesetz geregelt. Der Entwurf hätte den Kreis verringern können. Doch erschien es, eine gewisse Qualifikation gegeben, richtig, für den Regelfall den Mandanten zu keinem Vertreterwechsel zu nötigen und dem mit dem Streitfall vertrauten Bevollmächtigten die Anfechtung auch vor dem Gericht zu ermöglichen. Der Entwurf läßt daher als Prozeßvertreter für das finanzgerichtliche Verfahren auch zu: Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Vereinigungen, die zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen ihrer Mitglieder befugt sind (§ 69 Abs.3). Die Vereinigung selbst wie auch Gesellschaften, die von Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern usw. gebildet werden, sind im Gegensatz zum Verwaltungsverfahren nicht zugelassen, da dies dem Grundsatz der Vertretung nur durch eine natürliche Person (§ 69 Abs.l Satz 2) widersprechen würde. Entsprechend kann im Armenrechtsverfahren auch ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter beigeordnet werden. 11. Bei der Zusammensetzung des Gerichts ist das Auswahlverfahren für ehrenamtliche Richter, das sich von der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit unterscheidet, beibehalten worden. Die Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern ist nicht nur eine - vielleicht nur noch historisch verständliche - demokratische Legitimationsfrage, sondern soll eine Mitarbeit des Bürgers möglich machen. Das geltende Recht eröffnet darum die Möglichkeit, bei der Auswahl der speziellen Zuständigkeit der Finanzgerichte Rechnung zu tragen, indem der Präsident des Gerichts nach Anhörung der Berufsvertretungen die Wahllisten aufstellt. Die schon im Sachverhalt häufig verwickelte Materie und das für die Anwendung der meisten Steuervorschriften nötige wirtschaftliche Verständnis machen es so gut wie unmöglich, ehrenamtliche Richter generell ohne geeignete Kenntnisse und Erfahrungen heranzuziehen. Das Finanzgericht steht hierin zwischen der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Strafgerichtsbarkeit einerseits und der Sozialgerichtsbarkeit und den Kammern für Handelssachen andererseits. 111. 1. Die Erhebung von Steuern war und ist nicht nur für den Zahlenden von unaufhörlicher und schmerzlicher Bedeutung, wofür die Ge-

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schichte ein beredtes Zeugnis ablegt, sondern von ihr hängt die Leistungsfähigkeit des Staates ab, sofern er nicht selbst wirtschaftet. Das öffentliche Interesse am Eingang der Steuern ist besonders ausgeprägt, weshalb Klagen in Abgabenangelegenheiten keine aufschiebende Wirkung haben (§ 150 Abs.2 Nr.1 und 2). Das Verhältnis von Vollziehung und Aufschub ist umgekehrt als in anderen Verwaltungsstreitigkeiten im allgemeinen. Ob die Umkehr bei der derzeitigen Prozeßpraxis eine nennenswerte praktische Bedeutung hat, kann zweifelhaft sein. Einerseits sind die Anträge auf Aussetzung stark gestiegen, und andererseits macht die Finanzverwaltung keineswegs regelmäßig, ja nicht einmal in der Mehrzahl der Fälle, von Zwangsmitteln Gebrauch. Das starke öffentliche Interesse an der Steuer und ihrer Erhebung findet einen weiteren Niederschlag in einer Einschränkung des Zeugnisverweigerungsrechts bei der Vernehmung von Angehörigen und in den Fällen der Unehre, des drohenden Vermögensschadens und des Geschäfts-, Betriebs- und Kunstgeheimnisses (§§ 109 Abs.3, 111 Abs.2). Der Gesetzentwurf setzt die weiterreichende Aussagepflicht der AO fort, weil eine Aussage, die nicht auch im gerichtlichen Verfahren gemacht werden muß, in Streitfällen nichts nützt. Die Rechtfertigung für die Einschränkung selbst findet sich in dem Vorrang der persönlichen Auskunftspflicht des Zeugen, in der Blindheit des Steuerrechts gegenüber der Ehrenhaftigkeit menschlicher Handlungen, in dem mit Wertund Gewinnermittlungen unvermeidlich verbundenen Eindringen in Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse und darin, daß steuerliche Ermittlungen ihrer Natur nach nicht vor der Gefahr eines vermögensrechtlichen Schadens haltmachen können. 2. Nachteile, die sich nicht in der Erhebung der Steuer erschöpfen, sollen allerdings durch eine Reihe von Vorschriften vermieden werden. Am bekanntesten ist der Schutz des Steuergeheimnisses. Dies und sein strafrechtlicher Schutz erstrecken sich nicht nur auf die Angehörigen des Finanzgerichts, sondern im finanzgerichtlichen Verfahren kann jeder Beteiligte - außer der Finanzbehörde - eine nicht-öffentliche Verhandlung verlangen (§ 55 Abs.3). Der Steuerpflichtige kann sich ferner mit der Beschwerde gegen die Beiladung wehren (§ 68 Abs. 6), die ja nicht nur das Verfahren beeinflussen kann, sondern zur Unterrichtung des Beigeladenen über den Prozeßstoff führt. Einen solchen, möglicherweise nach anderen Rechtsvorschriften ausgeschlossenen, Einblick würde auch der an einem gewerblichen Betrieb Beteiligte erhalten, wenn er, ohne Geschäftsführer und Vertretungsberechtigter zu sein, einen gegen die Gesellschaft oder Gemeinschaft gerichteten Bescheid anfechten könnte. Er könnte dies nach allgemeinen Grundsätzen bei Bescheiden, die eine Grundlage für seine persönliche Besteuerung feststellen, wie z. B. den Gewinn der Gesellschaft, der seiner Einkom-

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mensteuer zugrundegelegt wird. Hier verweisen ihn Verwaltungsverfahren und Gerichtsverfahren auf die privatrechtliche Regelung, die ihn von der Geschäftsführung und Vertretung für die Gesellschaft oder Gemeinschaft ausschließt und auf etwaige privatrechtliche Ansprüche gegen den Vertretungsberechtigten. Offen bleibt ihm die eigene Anfechtung nur, soweit er eine auf ihn persönlich bezogene Feststellung angreifen will (§ 76). Folgerichtig ist auch die Beiladung der nicht klagebefugten Gesellschafter oder Gemeinschafter ausgeschlossen (§ 68 Abs. 2 Satz 2). Durch diese Regelung wird ferner in vielen Fällen für die Finanzgerichte das Problem der sog. Massenverfahren entschärft, das sich in der Finanzgerichtsbarkeit durch die Bildung von Personengesellschaften mit einer großen Zahl von Gesellschaftern zur Ausnutzung von Steuervorteilen stellen kann. 3. Da in vielen Fällen und in vielerlei Hinsicht nur der Steuerpflichtige die Besteuerungsgrundlagen kennt und die auf eine gesetzmäßige Benutzung bestimmter Beweismittel angewiesene Finanzbehörde wenig oder gar nichts ermitteln kann, andererseits aber mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung und das Interesse am Eingang der Steuern solche Fälle nicht einfach unbesteuert bleiben können, sieht die AO eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vor. Ähnliche Schwierigkeiten bei der Feststellung eines Schadens haben die Schätzungsbefugnisse der Zivilgerichte geboren. Diese Pflicht und Befugnis zur Schätzung mußte dem Finanzgericht in demselben Umfang aufgetragen werden, wenn nicht jede Klage gegen eine Schätzung der Behörde bei Unmöglichkeit der Aufklärung zum Erfolg führen soll (§ 129). Dabei handelt es sich um ein Mittel zur Sachverhaltsfeststellung, nicht um eine Ermessensausübung. Die notwendige übereinstimmung in den Möglichkeiten der Aufklärung läßt sich jedoch nicht vollständig erreichen. Das Gericht ist mit seinem förmlichen, an bestimmte Wege gebundenen Ermittlungsverfahren für eine umfassende Aufklärung in komplexen Steuersachen mit weitverzweigten, auch internationalen Zusammenhängen wenig gerüstet. In tatsächlich schwierigen Fällen ist es nicht selten darauf angewiesen, daß die Behörde vor der Klage von ihren Aufklärungsmöglichkeiten erschöpfend Gebrauch gemacht hat, so daß sich der Streit auf bestimmte Punkte konzentriert. Um zu verhindern, daß eine Sache ohne gründliche Aufklärung im Verwaltungsverfahren oder im Vorverfahren an das Gericht gelangt, hat der Entwurf die Möglichkeit des geltenden Rechts, bei unterbliebener Sachaufklärung die angefochtenen Entscheidungen ohne abschließende Entscheidung in der Sache aufzuheben, übernommen und näher ausgestaltet (§ 137 Abs. 3). Aufge-

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hoben werden kann, soweit dies wegen der Art oder des Umfangs der erforderlichen Ermittlungen sachdienlich ist. Insbesondere bei dieser Regelung stellte sich im Ausschuß die Frage, ob hier nicht ein allgemein für die Verwaltungs gerichtsbarkeit gültiger Gedanke vorliegt. Die damit aufgeworfenen weiteren Fragen erschienen aber zu wenig geklärt, um eine Neuerung von dieser Bedeutung einzuführen. Eine ähnliche Vorschrift, die aus der Sozialgerichtsbarkeit stammt, findet sich für Verpflichtungsklagen in § 138 Satz 2. § 137 Abs. 3 hat aber in erster Linie das Verhältnis zwischen Verwaltung und Gericht im Auge und sieht daher wie das geltende Recht kein Widerspruchsrecht der Beteiligten vor. Es handelt sich auch nicht einfach um eine Aufhebung wegen eines Rechtsfehlers des Verwaltungsverfahrens, sondern im Vordergrund steht die Zuweisung der Ermittlungen. Um praktische Schwierigkeiten auszuräumen, die bei der Handhabung der bisherigen Vorschrift befürchtet wurden, ist noch die Möglichkeit einer einstweiligen Regelung eingeführt worden. Daß die ganze Regelung Schwierigkeiten bietet und sehr streitig sein kann, braucht nicht hervorgehoben zu werden. 4. Abschließend möchte ich noch die Beteiligung des BFM im Revisionsverfahren nennen (§ 66 Abs. 2), während ein Oberbundesanwalt beim BFH fehlt. Man hat eingewandt, daß sich der Steuerpflichtige nun zwei Gegnern gegenübersehe. Während der Oberbundesanwalt angesichts der Vielfalt der verklagten Behörden und seiner praktischen Unabhängigkeit von den Ressortministern viel eher ein in concreto uninteressierter und am wohlverstandenen öffentlichen Interesse orientierter Ratgeber sei, sei der BFM doch gerade der Hauptsteuergläubiger. Jedoch haben sowohl Richter des BFH wie auch die Vertreter des BFM auf den Nutzen hingewiesen, den der umfassende tatsächliche überblick und die gegenüber der verklagten Behörde oft allgemeineren rechtlichen Erwägungen des Ministeriums für die Entscheidung des Revisionsgerichts haben und gehabt haben. Den Bedenken trägt der Entwurf insofern Rechnung, als der BFM nicht mehr wie im geltenden Recht die vollen Rechte eines Verfahrensbeteiligten hat, sondern nur ein Recht zur Stellungnahme uno auf mündliche Verhandlung.

Aussprache zu den Referaten von Kar! August Bettermann, Otto Ernst Krasney und Uwe Jessen Bericht von Michael Ronellenfitsch Unter Leitung von Präsident des Oberverwaltungsgerichts und Vorsitzender des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz Dr. Heribert Bickel, Koblenz, fand eine lebhafte Diskussion von Problemen aus den Bereichen der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit (I.) sowie der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit (11.) statt.

I. 1. Während Ministerialrat Hans Haarmann, Bonn, die Ansicht vertrat, der vorläufige Rechtsschutz bei Negativbeträgen und die Konsequenzen eines durch Computer unterstützten Verwaltungsverfahrens müßten in der neuen Verwaltungsprozeßordnung zumindest angesprochen werden, warnte Präsident des Finanzgerichts Berlin Dr. Uwe Jessen davor, die Verwaltungsprozeßordnung mit Fragen zu belasten, die sich noch im Fluß befänden.

2. Richter am Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen

Rudi Schmidt, Essen, befürchtete, daß durch den Kommissionsentwurf die Möglichkeit beschränkt wird, gemäß § 106 Abs.3 Nr.3 SGG zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Auskünfte jeglicher Art einzuholen. Richter am Bundessozialgericht Dr. atto Krasney, Kassel, bestätigte diese mit Rücksicht auf § 377 Abs. 3 ZPO vorgenommene Beschränkung und wies darauf hin, daß auch nach geltendem Recht für Privatpersonen keine Verpflichtung besteht, Auskünfte zu erteilen.

11. 1. Rechtsanwalt Professor Dr. Carl Hermann UZe, Heidelberg, wandte sich dagegen, bei der gerichtlichen Überprüfung unbestimmter Rechtsbegriffe die methodische Frage und die Machtfrage zu trennen. Durch die Beantwortung methodischer Fragen könnten auch Machtfragen gelöst werden. Der Gesetzgeber solle aber methodische Fragen nicht regeln. Auch in Fachgesetzen sei die Regelung der Kontrolldichte abzulehnen, zumal die Gefahr bestehe, daß bei zu weitgehenden Kontrollbefugnissen der Gerichte mehr unter- als ausgelegt werde. Die Inter-

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essentenklage berge den Ansatzpunkt für die Popularklage in sich; sie solle daher im Gegensatz zur Verbandsklage in der Verwaltungsprozeßordnung nicht erwähnt werden. 2. Professor Dr. Werner Hoppe, Münster, regte an, bei den weiteren Beratungen des Kommissionsentwurfs auch auf Fragen des innerorganisatorischen Rechts sowie des Rechts mit finalstrukturierten Ansätzen einzugehen. Hoppe trat ferner dem generellen Ausschluß der Hochschullehrer von der Vertretung entgegen. Hochschullehrer seien in besonderem Maße befähigt, das Rechtsgespräch vor dem Revisionsgericht zu fördern, das Potential der verwaltungsrechtlich interessierten Anwälte dürfe nicht überschätzt werden und auch bei der Vertretung bestehe ein Interesse an der Verbindung von Theorie und Praxis. 3. Professor Dr. Albert von Mutius, Mainz, sah in der Forderung Bettermanns nach einem verfahrensbegleitenden Verwaltungsrechtsschutz einen Widerspruch zu dem sich aus Art. 92 GG ergebenden Funktionenverständnis der Rechtsprechung und zu dem in § 44 a VwVfG enthaltenen Rechtsgedanken. Den Gerichten könnten nur in Ausnahmesituationen reformistische Kompetenzen zugesprochen werden. Statt einer Kompetenzerweiterung der Venvaltungsgerichte schlug von Mutius vor, das Verwaltungs verfahren auszubauen und den Verzicht auf das Widerspruchsverfahren (Sprungklage) wieder rückgängig zu machen. 4. Ministerialdirigent Dr. Hans Arnold, Bonn-Bad Godesberg, versuchte den Kommissionsentwurf vom pragmatischen Standpunkt aus zu rechtfertigen und riet dringend davon ab, erst im Ansatz erkennbare Probleme - wie etwa das Problem der Kontrolldichte - in der Verwaltungsprozeßordnung zu regeln. 5. Professor Dr. Richard Bartlsperger, Erlangen-Nürnberg, hielt die Diskussion um das Verwaltungs ermessen und den Beurteilungsspielraum nur für ein Rückzugsgefecht in historischer Dimension. Die Entscheidung, ob eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle stattfinde, sei dem Umfang nach durch das Grundgesetz abschließend getroffen. Für die künftige Erörterung komme es daher nur noch darauf an, anhand konkreter Fälle und Sachgruppen zu prüfen, wie eine rechtliche Kontrolle möglich sei. Bartlsperger wehrte sich dagegen, auf das alte Beanstandungsmodell der preußischen Verwaltungsgerichtsbarkeit zurückzugreifen, sprach sich aber für die Einführung unabhängiger Wissenschaftsgremien im Verwaltungsverfahren aus. Die Interessentenklage ging Bartlsperger auch bei der von ihm befürworteten extensiven Interpretation der Klagebefugnis zu weit. Ausdrücklich begrüßt wurde die Klarstellung der Klagearten im Kommissionsentwurf.

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6. Ministerialrat Dr. Jens Meyer-Ladewig, Bonn-Bad Godesberg, führte aus, daß nicht alle Fragen, mit denen sich der Koordinierungsausschuß befaßt habe, in den Entwurf oder dessen Begründung eingegangen seien. Die Regelung des Vorverfahrens bereite im übrigen aus kompetenzrechtlichen Erwägungen Schwierigkeiten. Mit Blick auf die besonderen Berliner Probleme bezweifelte Meyer-Ladewig die Realisierbarkeit der im Kommissionsentwurf enthaltenen Regelung des Normenkontrollverfahrens. 7. Richter am Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg Dietmar Sträubig setzte sich mit der gegenwärtigen Handhabung der Untersuchungsmaxime auseinander, bei der der Richter immer ein schlechtes Gewissen habe. Sträubig regte an, hier durch die neue Verwaltungsprozeßordnung Abhilfe zu schaffen. 8. Richter am Verwaltungsgericht Frankfurt a. Main Rainer Henze erklärte, daß für die richterliche Praxis die Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens wichtiger sei als die Vereinheitlichung der Prozeßordnungen. In diesem Sinne könne der Kommissionsentwurf insbesondere bei der Abgrenzung der Aufgaben des Berichterstatters und des Vorsitzenden noch verbessert werden. 9. Ministerialrat Hans Haarmann, Bonn, stellte die naheliegende Frage, ob man das Gerichtsverfahrensrecht oder die Gerichtsverfahrensordnungen vereinheitlichen solle. Mit Rücksicht auf die Besonderheiten des Finanzgerichtsprozesses und seinen angeblichen Querverbindungen zum Zivilprozeß hielt Haarmann eine Vereinheitlichung des Verfahrensrechts ohne Vereinheitlichung der Verfahrensordnungen gegenüber dem Konzept des Kommissionsentwurfs für vorzugswürdig. 10. Während sich Professor Dr. Dr. Detlef Merten, Speyer, gegen die Parallele von Finanz- und Zivilprozeß aussprach, äußerte Richter am Bundessozialgericht Dr. Otto Krasney, Kassel, den Verdacht, daß durch die Trennung der Verfahrensordnungen die Möglichkeit offen gehalten werden solle, später auch bei den Verfahrensvorschriften wieder auseinanderzugehen. 11. In seinem Schlußwort sprach sich Professor Dr. Karl August Bettermann, Hamburg, für eine Erweiterung der Feststellungsklage aus. Die Änderungsklage hielt Bettermann neben der Kassationsklage nicht für entbehrlich, da Teilkassation und Reformation zu trennen seien. Entgegen der Auffassung von von Mutius beschränke sich die Funktion der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht auf die (nachträgliche) Kontrolle. Eine reformatorische sei so gut und wenig wie eine kassatorische und kontrollierende Entscheidung Rechtsprechung. Bettermann führte wei10 Speyer 75

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ter aus, daß seine Äußerungen zur ursprünglichen Verwaltungsgerichtsbarkeit mißverstanden worden seien. Bei der ursprünglichen Verwaltungsgerichtsbarkeit habe er nicht die Beanstandungsklage im Auge gehabt, bei der es sich um nachträglichen Rechtsschutz handle. Ursprüngliche Verwaltungsgerichtsbarkeit gebe es der Sache nach vielmehr etwa bei der Unterbringung Geisteskranker. Abschließend setzte sich Bettermann mit der These auseinander, die Untersuchungsmaxime belaste den Richter mit einer schwer tragbaren Verantwortung. Nach Bettermann kann niemand sein Richteramt verantwortlich führen, ohne mit schlechtem Gewissen ins Bett zu gehen.

Proze13recht und materielles Recht in dem Entwurf einer Verwaltungsproze13ordnung Von Horst Sendler Das Thema "Prozeßrecht und materielles Recht im Entwurf" scheint eine Übersicht darüber zu versprechen, was es im Entwurf an Prozeßrecht und was es an materiellem Recht gibt. Wenn das wirklich gemeint sein sollte, wäre ich mit meinem Latein bald am Ende. Denn daß der Entwurf Prozeßrecht enthält, ist eine Binsenweisheit, zu deren Verkündung sich der Ausflug nach Speyer wohl kaum gelohnt hätte. Was demgegenüber das materielle Recht anlangt, so kann ich eigentlich nur Fehlanzeige erstatten. Der Entwurf enthält sich nämlich materiellrechtlicher Regelungen gänzlich und wohl mit Vorbedacht. Das Wenige, was an materiellrechtlichen Ansätzen in den derzeit geltenden Prozeßordnungen vorhanden ist oder war, hat der Entwurf eliminiert. So hat er die materiellrechtliche Vorschrift des § 111 FGO über die Verzinsung von Abgaben, die auf Grund gerichtlicher Entscheidung zurückzuzahlen sind, nicht übernommen. Ihr Regelungsgehalt war freilich bereits vor einiger Zeit vollständig in das Steuersäumnisgesetz abgewandert, wo übrigens schon vorher der Zinssatz von 6 v.H. festgelegt war. Man wird gegen diese Abwanderung nichts einzuwenden haben. Es scheint nur eine systemgerechte Verlagerung von der falschen an die richtige Stelle, aber - das sollte man nicht übersehen - doch mit gewissen materiellrechtlichen Konsequenzen. Das BundesverwaZtungsgericht hatte sich nämlich die Kühnheit erlaubt, § 111 FGO mit dem nach dieser Vorschrift zugebilligten Zinssatz auch für solche Abgabenschulden anzuwenden, für die der Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten gegeben ist!. Indem der Gesetzgeber die Regelung in das Steuersäumnisgesetz verlagert hat, ist es mit der damit verbundenen Beschränkung auf Steuern nicht mehr möglich, auch andere Abgaben in den Genuß der höheren Zinsen gelangen zu lassen, so daß auf diesem Wege die Rechtsprechung des BundesverwaZtungsgerichts unauffällig korrigiert werden konnte und dieses bei aller Kühnheit resignieren mußte 2 • In einer anderen, materiellrechtlich allenfalls infizierten Vorschrift des Prozeßrechts hat der Entwurf noch mehr Asepsis oder auch mehr 1

BVerwGE 37, 159.

Vgl. Urteil vom 26. August 1977 451.90 EWG-Recht Nr.21 S.32. 2

10·

BVerwG 7 C 10.76 -

in Buchholz

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System gerechtigkeit walten lassen. Ich meine § 113 Abs.1 Satz 2 VwGO und damit jene Vorschrift, die in der Diskussion um den ganz gewiß materiellrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch eine gewisse Rolle gespielt hat. Sie war vom Speyerer Entwurf noch unbefangen übernommen und von der Neunerkommission nicht beanstandet worden, kehrt aber nun nicht mehr wieder. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht bekanntlich auf Antrag neben der Aufhebung des rechtswidrigen Verwaltungsakts auch aussprechen, daß und wie die Vollziehung rückgängig zu machen ist; in dieser - gewiß prozeßrechtlichen - Vorschrift, in der das Vorliegen des materiellrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs als Anknüpfungspunkt für die getroffene prozessuale Regelung lediglich vorausgesetzt ist, hat man gelegentlich die positivrechtliche Anerkennung des Folgenbeseitigungsanspruchs gesehen und damit letztlich eine zumindest auch materiellrechtliche Vorschrift2a• Ich will nicht vertiefen, ob es der Krücke des § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO bedurft hätte, um den Folgenbeseitigungsanspruch bejahen zu können; jedenfalls hat der Entwurf diese Vorschrift nicht übernommen mit der Begründung, der Folgenbeseitigungsanspruch gehöre dem materiellen Recht an und sei dem Grundsatz nach allgemein anerkannt; verfahrensrechtliche Besonderheiten träten bei der Folgenbeseitigungsklage nicht auf; sie könne gemäß § 137 Abs.4 des Entwurfs (= § 113 Abs.3 VwGO) in Verbindung mit einer Anfechtungsklage erhoben werden3 • Kurzum: diese Vorschrift ist nach der Auffassung des Entwurfs nach geltendem Recht und daher erst recht für die Zukunft überflüssig. Nun kann kein Zweifel bestehen, daß heute der Folgenbeseitigungsanspruch der Korsettstange des § 113 Abs.1 Satz 2 VwGO nicht mehr bedarf; er erfreut sich allgemeiner Anerkennung, und was noch an Einzelfragen zu Inhalt und Umfang dieses Anspruchs zweifelhaft sein mag, kann § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO ohnehin nicht klären helfen. Ob § 113 Abs.1 Satz 2 VwGO freilich so ganz überflüssig ist, wie die Begründung für seine Beseitigung glauben macht, mag jedenfalls für den, der einem doch wohl repräsentativen Kommentar wie dem von Redeker / von Oertzen folgt, zweifelhaft sein. Gewiß soll nach § 137 Abs.4 des Entwurfs (ähnlich wie nach § 113 Abs.3 VwGO) dann, wenn neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden kann, gleichzeitig auch die Verurteilung zur Leistung zulässig sein; die zu verlangende Leistung ist - das ist die gewiß zutreffende Auffassung des Entwurfs - in dem uns interessierenden Fall des § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Folgenbeseitigung. § 113 Abs. 3 VwGO (künftig § 137 Abs. 4 des Entwurfs) regelt also umfassend und damit freilich abstrakter, sozusagen blutleerer das, was § 113 Abs.1 Satz 2 2a Vgl. auch BVerwGE 28, 155 (164 f.). 3 Vgl. Entwurf S. 302.

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VwGO sehr viel konkreter und anschaulicher, aber eben nur für einen Ausschnitt, nur für eine ganz bestimmte Art von Leistung, nämlich die Folgenbeseitigung, regelt. Aber nach der immerhin nicht ganz ungewichtigen Meinung von Redeker / von Oertzen 4 unterscheidet sich § 113 Abs. 3 VwGO von der für den Folgenbeseitigungsanspruch geschaffenen Spezialregelung des § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO dadurch, daß nach § 113 Abs. 3 der Leistungsanspruch fällig sein müsse, was die Rechtskraft der Aufhebung voraussetze. Die Erfüllung dieser Voraussetzung verlangt für den Fall des Folgenbeseitigungsanspruchs - ähnlich wie im Strafprozeß das Adhäsionsverfahren - der insoweit ganz eindeutige § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht. Wenn Redeker / von Oertzen Recht hätten, würde - und damit komme ich wieder zum Thema - der Wegfall des § 113 Abs. 1 Satz 2 den materiellrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch prozessual sehr viel schwerer durchsetzbar machen als heute; diese Durchsetzbarkeit wäre nämlich davon abhängig, daß die Aufhebung des zugrundeliegenden Verwaltungsakts rechtskräftig wäre; erst dann könnte man den Folgenbeseitigungsanspruch - wieder in erster Instanz anfangend und vielleicht sogar, wenn die Folgenbeseitigung den Erlaß eines Verwaltungsakts voraussetzt, nach Durchführung eines Vorverfahrens - mit Aussicht auf Erfolg einklagen. Ich kann freilich Redeker / von Oertzen nicht folgen; denn ich wüßte nicht, welche Bedeutung der künftige § 137 Abs.4 des Entwurfs (= § 113 Abs. 3 VwGO = § 54 Abs. 4 SozGG) sonst haben sollte, als daß man gleichzeitig mit der Anfechtung eines Verwaltungsakts die davon abhängige Leistung mit der Leistungsklage soll begehren können, ohne erst die Rechtskraft der erfolgreichen Anfechtung abwarten und dann möglicherweise noch ein neues Vorverfahren durchführen zu müssen 5 • Ich möchte das aber nicht weiter vertiefen, zum al ich mich schon zu sehr in die Quisquilien des Prozeßrechts zu verlieren drohe. Wenn ich gleichwohl das scheinbar unscheinbare Beispiel des § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO bemüht habe, so deswegen, weil diese Kontroverse die Auswirkungen einer prozeßrechtlichen Regelung auf das materielle Recht und dessen leichtere oder schwerere Durchsetzbarkeit schlaglichtartig erhellt. Damit komme ich eigentlich zu dem Thema, wie ich mir sein Verständnis vorstellen könnte: Nämlich den Wechselbeziehungen und Verknüpfungen des Prozeßrechts mit dem materiellen Recht nachzugehen6 , wie sie in dem Entwurf in Erscheinung treten. 4 6. Auf!. 1978, Rdnr. 12 zu § 113. 5 Dagegen spricht übrigens auch die sich aus § 101 Satz 2 des Entwurfs ergebende Wertung. Danach kann in den dort angesprochenen Fällen sogar ein im Verfahren bisher nicht beteiligter Rechtsträger ohne Vorverfahren als Beklagter behandelt und verurteilt werden. 6 Vgl. W. Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, S.26; weiter J. Costede, Studien zum Gerichtsschutz, Grundlagen des Rechtsschutzes in der Streitigen und Freiwilligen deutschen Zivilgerichtsbarkeit, 1977, S. 17 ff.

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Freilich gerate ich damit aus einem relativ kleinen Dilemma in eine sehr viel größere Verlegenheit. Wenn ich bisher fürchten mußte, angesichts der angedeuteten Schmalbrüstigkeit des Themas - Fehlen jeglicher materiell rechtlicher Vorschriften im Entwurf - meine Ausführungen gewissermaßen der Auszehrung ausgesetzt zu sehen, so gerate ich jetzt notgedrungen in die Gefahr, ins Uferlose zu entschweben. Denn jedes Prozeßgesetz antwortet auf die Forderungen und Herausforderungen des materiellen Rechts. Dementsprechend bestehen für mehr oder weniger alle seiner Vorschriften mehr oder weniger ausgeprägte Wechselbeziehungen zum materiellen Recht. Es könnte gefragt werden, ob und inwieweit der Entwurf dieses Gesetzes, das als Prozeßgesetz lediglich dienende Funktion7 hat, nämlich helfen soll, das materielle Recht möglichst optimal zu verwirklichen8, ob und inwieweit also der Entwurf diesem hohen Ziel nahekommt. Es liegt auf der Hand, daß dies für eine knappe Stunde ein hoffnungsloses Unterfangen ist. Es kommt ein weiteres hinzu: Wenn man die Wechselbeziehungen und Verknüpfungen von Prozeßrecht und materiellem Recht aufzuspüren versucht, dann ist es nicht damit getan, die eben angedeutete Frage zu stellen, inwieweit das Prozeßrecht der Verwirklichung des materiellen Rechts dient. Man sollte nämlich nicht nur gewissermaßen einseitig vom materiellen Recht auf das Prozeßrecht blicken und das Prozeßrecht dabei nur als sozusagen dienende Magd des materiellen Rechts ansehen, sondern auch umgekehrt den Einfluß des Prozeßrechts auf das materielle Recht in den Blick nehmen. Das entspricht dem, was HenckeZ in seinem repräsentativen Werk über "Prozeßrecht und materielles Recht", das allerdings nur dem Zivil- und dem Zivilprozeßrecht gewidmet ist9 , entwickelt hat. Mit Recht hat er hervorgehoben - und das gilt über das Zivilrecht hinaus allgemein für das Verhältnis von Prozeß- zum materiellen Recht -, daß die Unterscheidung von Prozeß- und materiellem Recht nicht die Wertungen trennt, die beiden Rechtsbereichen zugrunde liegen, sondern daß der Inhalt der Prozeßrechtssätze durch materiellrechtliche Wertungen mitbestimmt und umgekehrt der Inhalt materieller Rechtssätze durch prozeßrechtliche Wertungen bedingt sein kann, beide sich also wechselseitig beeinflussen lO • Wenn wir von diesen Wechselbeziehungen zwischen materiellem und Prozeßrecht sprechen, ist es freilich an der Zeit, eine begriffliche Klarstellung zu versuchen und zu definieren, was ich unter dem einen und So mit Recht ausdrücklich Costede a.a.O. S. 18/19. Mit gewissen Einschränkungen, die hier nicht interessieren; vgl. Henckel a.a.O. S. 53/54, 58 ff. 11 Zur Beschränkung auf Zivil- und Zivilprozeßrecht vgl. S.26. 10 a.a.O. S. 25. 7

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dem anderen verstehe. Ich will es kurz machen und auch insoweit auf HenckeZ verweisen, denn die Abgrenzung, die er vorgenommen hat, scheint mir auch für unser~n Bereich durchaus brauchbar und sinnvoll zu sem. Er sieht im Prozeßrecht den Inbegriff aller Normen, die menschliches Verhalten in einem auf ein Rechtspflegeziel ausgerichteten Verfahren von und vor Rechtspflegeorganen regeln; das materielle Recht dagegen regelt nach dieser Abgrenzung das Verhalten in Lebensbereichen, in denen sich die Rechtssubjekte unmittelbar ohne Vermittlung eines zu einem Rechtspflegeakt angerufenen Rechtspflegeorgans begegnen 11 . Diese Abgrenzung bezieht, wenn ich vereinfachend etwas übertreibe, alles in den Begriff des materiellen Rechts ein, was nicht Prozeßrecht ist. Damit trägt sie auch den Besonderheiten des materiellen öffentlichen Rechts und des Verwaltungsgerichtsprozesses hinreichend Rechnung; diese Besonderheiten liegen u. a. darin, daß hier - anders als grundsätzlich im bürgerlichen Recht - die Beziehungen der Beteiligten bereits vor der Stufe des Gerichtsverfahrens in einem besonderen Verfahren, eben dem Verwaltungsverfahren, geregelt sind, und daß sich hier einer der Beteiligten in diesem besonderen außergerichtlichen Verfahren einen Vollstreckungstitel in Gestalt des Verwaltungsakts ohne Einschaltung eines Rechtspflegeorgans selbst beschaffen kann. Es liegt auf der Hand, daß bei einem solchen Verständnis von materiellem und Prozeßrecht die Wechselbeziehungen zwischen materiellem öffentlichem Recht, welches das Verwaltungsverfahrensrecht einschließt, und Verwaltungsprozeßrecht noch viel umfassender sind, als dies im bürgerlichen Recht der Fall ist. Die gegenseitige Bedingtheit von Verwaltungsprozeßrecht und Verwaltungsverfahrensrecht zeigt sich etwa darin, daß der intensivere Ausbau des Verwaltungsverfahrens zur Zweistufigkeit - eventuell sogar mit Ausschüssen - die von UZe immer wieder aufgeworfene Frage nahelegt, ob etwa der gerichtliche Instanzenzug reduziert werden kann12 • Der Entwurf hat sich übrigens von dieser Fragestellung, wenn ich das zurückhaltend kritisch anmerken darf, nicht sonderlich beeindrucken lassen. Ein weiteres Beispiel der gegenseitigen Beeinflussung liefern die Regelungen des Entwurfs für Massenverfahren, die dem Verwaltungsverfahrensgesetz nachempfunden und den Erfordernissen eines gerichtlichen Verfahrens angepaßt sind13 , weiter all die Vorschriften, die gerichtliche Befugnisse, z. B. zur Sachverhaltsaufklärung, aus den Verfahrensvorschriften z. B. der Abgabenordnung übernommen haben nach dem Motto, daß a.a.O. S. 24/25. Vgl. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 6. Auf!. 1975, S.23; Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 1977, S. 11 ff., 16. 13 Vgl. §§ 58, 68 Abs.4 mit § 147, § 70. 11

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das, was der Verwaltung erlaubt sei, dem Richter ebenfalls gestattet sein müsse l 4, so daß also zum Beispiel das Zeugnisverweigerungsrecht im gerichtlichen Verfahren nicht weitergeh_n sollte als das Auskunftsverweigerungsrecht gegenüber der Behörde im Verwaltungsverfahren15 • Das System der Klagearten ist ebenfalls zwar kein Spiegelbild des materiellen Verwaltungsrechts, aber eine Antwort auf das, was das materielle Verwaltungsrecht einschließlich des Verwaltungsverfahrensrechts bereithält. Im Vordergrund steht bisher die gegen einen Verwaltungsakt gerichtete Anfechtungs- und die seinen Erlaß begehrende Verpflichtungsklage. Das entspricht zwar dem, was in der Verwaltung überwiegend rechtsverbindlich geschieht und im Streitfall zum gerichtlichen Verfahren führt. Aber es hat den Blick: wohl zu einseitig fixiert auf den Verwaltungsakt, die anderen Erscheinungsformen des Verwaltungshandelns zu sehr in den Hintergrund gedrängt und unter den Vorgängern der Verwaltungsgerichtsordnung zu der auch nach der Schaffung der Verwaltungsgerichtsordnung nur langsam überwundenen Fehleinschätzung geführt, als sei der angefochtene oder begehrte Verwaltungsakt das, was eigentlich erst den Verwaltungsrechtsweg eröffne. Diese überbetonung des Verwaltungsakts in den Prozeßgesetzen hat Klagearten, die neuen und neuralgischen Formen des Verwaltungshandelns mehr entsprechen als die herkömmlichen Hauptklagearten, nur langsam Boden gewinnen lassen; sie hat darüber hinaus auch der Entwicklung des materiellen Verwaltungsrechts in Gestalt des Verwaltungsverfahrensgesetzes eine Richtung vorgezeichnet, die von manchen - milde formuliert - als wenig zukunftsträchtig empfunden wird 16 • Die ersten überlegungen zu einem Verwaltungsverfahrensgesetz um 1960 hatten in euphorischem überschwang noch gehofft, die ganze Fülle des Verwaltungsgeschehens oder zumindest einen wesentlichen Teil davon gesetzgeberisch einfangen und dabei insbesondere die vielfältigen Formen des Verwaltungshandelns bestimmen, abgrenzen und griffig machen zu können17 • Ich kann mich als Mitglied des Bund-LänderAusschusses zur Erarbeitung des Musterentwurfs eines Verwaltungsverfahrensgesetzes noch recht gut der Diskussionen in jenem Ausschuß erinnern, die zur Bech,ränkung auf das führten, was heute im Verwaltungsverfahrensgesetz seinen Niederschlag gefunden hat; ein wesentliches Argument für diese Ausrichtung auf den Verwaltungsakt lag darin, daß für das, was die Prozeßordnung als Kernpunkt und entVgl. etwa §§ 108, 109 Abs.3, § 111 Abs.2, §§ 115 f., 129. So zutreffend die Begründung S.273 u. 275 f. zu § 109 Abs.3 und § 111 Abs. 2 des Entwurfs. 16 Vgl. etwa die Kritik von Schmitt Glaeser in Verwaltungsverfahren, Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Richard Boorberg Verlags, 1977, S. 29 ff. 17 Vgl. von der Groeben, Verhandlungen des 43. Deutschen Juristentages 1960, Band II D S. 22 f. 14 15

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scheidenden Anknüpfungspunkt verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes ansah oder zumindest anzusehen schien, nämlich für den Verwaltungsakt, die Entsprechung in der gesetzgeberischen Regelung des Verwaltungsverfahrensrechts als Teil des allgemeinen Verwaltungsrechts geschaffen werden müsse; dabei hat wohl auch eine Rolle gespielt, daß man dem Begriff des Verwaltungsaktes, der zumindest zeitweise an krebsartigen Auswüchsen gerade durch die Rechtsprechung litt, wieder festere Konturen geben wollte. Neben den schier unüberwindlichen Schwierigkeiten, eine halbwegs praktikable und gesetzgeberisch brauchbare Abgrenzung und Präzisierung anderer Handlungsformen der Verwaltung zu schaffen, war hauptsächlich diese überlegung der Grund für die "starke Fixierung" des Verwaltungsverfahrensgesetzes auf den Verwaltungsakt18 und die Negierung anderer verwaltungsrechtlicher Handlungsformen l9 ; die Einbeziehung des öffentlich-rechtlichen Vertrages - übrigens erst am Ende der ersten Lesung des Musterentwurfs sozusagen nachträglich - wurde schon als geradezu verwegen mutig empfunden. Diese überlegungen mag man für falsch halten, ebenso das Bestreben, dem Verwaltungsbegriff Konturen gegenüber einer zu starken Verwässerung in der Rechtsprechung zu einer Zeit zu geben, als sich in der Rechtsprechung bereits wieder eine Tendenzwende angedeutet hatte 20 • Jedenfalls zeigt dieses Beispiel die "außerordentliche und in vieler Hinsicht wenig vorteilhafte Abhängigkeit des materiellen Verwaltungsrechts von verfahrensrechtlichen Gestaltungen ", die schon Bacho! festgestellt und beklagt hat21 • Auch wenn die Verwaltungsgerichtsordnung der Feststellungs- und der Leistungsklage - dieser freilich ziemlich versteckt - mehr Raum zugebilligt hat als ihre Vorgänger22 , so läßt sich doch nicht bezweifeln, daß sie das meiste Pulver auf Anfechtungsund Verpfiichtungsklage verschossen hat. Daran hat zwar der Entwurf im Prinzip nichts geändert. Aber er drängt jedenfalls in der einleitenden Vorschrift des § 73 über die Klagearten das übergewicht von Anfechtungs- und Verpfiichtungsklage zurück, rückt sofort am Anfang des einschlägigen Abschnitts ins Bewußtsein, daß Rechtsschutz mit Leistungs-, Gestaltungs- und Feststellungsklage begehrt werden kann, und sorgt damit für ein ausgewogeneres Verhältnis der verschiedenen Klagearten, als es die Zahl der Paragraphen andeutet, die sich mit den verschiedenen Klagearten befassen. Anders noch als die :verwaltungs18

Schmitt Glaeser a.a.O. S.30.

a.a.O. S.31. Eine kritische Einstellung wird erst recht für den gelten, der Häberle folgt; vgl. VVDStRL 30, 1972, S. 59 Anm. 64. 20 Vgl. Bacho! in Staatsbürger und Staatsgewalt, Band 11 1963 S. 10. 21 VVDStRL 30, 1972, S. 231. 22 Vgl. Bacho!, Staatsbürger und Staatsgewalt a.a.O. 19

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gerichtsordnung oder gar ihre Vorgänger gibt der Entwurf also weniger Anlaß, einen unheilvollen Einfluß auf das materielle Recht zu befürchten; und so mag man vielleicht - ich bin da freilich skeptisch hoffen, daß die richterliche Arbeitskraft sich nicht - wie noch immer viel zu häufig - mit verfahrensrechtlichen Vorfragen insbesondere nach der richtigen Klageart aufhält und nicht selten in diesem Gestrüpp hängen bleibt. Freilich ist schon kritisch vermerkt worden 23 , die Energien zur Weiterentwicklung des Verwaltungsprozeßrechts seien vorwiegend auf organisatorische Maßnahmen und auf die Koordinierung der Verfahrensordnungen ohne gleichzeitige Reform konzentriert worden. Ich kann dieser Kritik nur sehr bedingt folgen. Es scheint mir insbesondere unrichtig zu sein, die Koordinierung als etwas nur TechnischOrganisatorisches abzutun und stattdessen das auf die Fahne zu schreiben, was man gemeinhin als Reform bezeichnet und was nicht selten eine Sache nur verschlimmbessert. Demgegenüber sehe ich in der Koordinierung bereits einen durchaus anzustrebenden Rechtswert an sich - und zwar gerade unter dem Aspekt meines Themas. Denn sie öffnet den Blick für Zusammenhänge auch des materiellen Rechts, die bei isolierten Prozeßordnungen nicht selten verlorengehen; der gemeinsame Bezugspunkt einer Prozeßordnung dürfte es zumindest erleichtern, auch mancher Gemeinsamkeiten des materiellen Rechts mehr als bisher innezuwerden und der dort drohenden oder bestehenden Zersplitterung zu steuern. Das bedeutet selbstverständlich nicht, daß bei der Koordinierung notwendige oder wünschenswerte Verbesserungen ausgeklammert werden; unter diesem Mangel leidet der Entwurf aber nicht, wenn er insoweit auch - m. E. mit Recht - behutsam verfährt. Und dies schließt nicht aus, daß z. B. das, was das Entlastungsgesetz23a bringt, in den Entwurf eingearbeitet wird. Aber man sollte sich hüten, zuviel anzustreben und dabei möglicherweise das Erreichbare zu verfehlen, eine Gefahr, die bei dem Entwurf ohnehin nicht ganz fernliegt. So kann der Gesetzgeber die von Martens a.a.O. u. a. angesprochene diffizile Frage der gerichtlichen Kontrolle von Nebenbestimmungen schwerlich lösen, obwohl in diesem Bereich, der für die Durchsetzung materiellrechtlicher Ansprüche gewiß von großer Bedeutung ist, noch manches der Lösung harrt. Der Gesetzgeber kann ohnehin nicht in perfektionistischer Akribie alle in Wissenschaft und Praxis streitigen Fragen klären und sollte im Gegenteil der Rechtsprechung und der Wissenschaft Raum für weitere Entwicklungen lassen; anderenfalls würde er erst recht Schiffbruch erleiden. 1977, 209 (212). Gesetz zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 (BGBL I S.446). 23

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Martens, ZRP

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Wenden wir uns nun, nachdem ich kurz die Auswirkungen des Prozeßrechts auf das materielle Recht gestreift habe, den Einwirkungen des materiellen Rechts auf das Prozeßrecht zu: Vorab ist festzustellen, daß das Prozeßrecht sehr viel mehr vom materiellen Recht abhängt, als es umgekehrt der Fall ist. Das kann auch nicht anders sein 24 • Denn das Prozeßrecht ist kein Selbstzweck, sondern nur Mittel, eine richtige Entscheidung über das materielle Recht zu ermöglichen25 • Prozeßrecht kann man sich also unabhängig vom materiellen Recht als seinem Substrat nicht vorstellen, während materielles Recht ohne daran anknüpfendes Prozeßrecht sehr wohl denkbar ist26 • Diese Prägung des Prozeßrechts vom materiellen Recht her tritt einmal in den mancherlei Sondervorschriften des Entwurfs für die Sondergerichtsbarkeiten in Erscheinung, die Sie gestern beschäftigt haben. Allgemein wirkt sie sich etwa bei den Klagearten aus und besonders deutlich im Abschnitt über die gerichtlichen Entscheidungen. Ein großer Teil davon ist zwar in vielem nur eine leicht gekürzte und modifizierte Wiederholung dessen, was aus der Zivilprozeßordnung bekannt ist. Aber die zentrale Vorschrift des § 113 VwGO (§§ 137 f. des Entwurfs) über die gerichtliche Aufhebung eines Verwaltungsakts und die Verpflichtung zum Erlaß eines Verwaltungsakts findet in der ZPO nur im Rahmen des Entmündigungsverfahrens eine ungefähre und auch nur partielle Entsprechung (§ 672 Satz 1 ZPO); die Aussage zur nur beschränkten Überprüfung von Ermessensakten in dem wenig überzeugend formulierten, zudem überflüssigen und daher wohl streichungsfähigen § 114 VwGO (§ 139 des Entwurfs) hat in der ZPO kein Vorbild, kehrt aber - niemanden wird dies als Gegengabe des Verwaltungsprozeßrechts an den zivilprozessualen Ziehvater erstaunen - in § 28 EGGVG im Zusammenhang mit der prozessualen Behandlung von Justizverwaltungsakten wieder. Die Anknüpfung solcher Vorschriften wie § 113 VwGO an das materielle Recht und damit auch die Abhängigkeit vom materiellen Recht bedeutet nun freilich nicht, daß die Vorschriften des Prozeßrechts selbst zu einer Art von materiell-rechtlichen Vorschriften würden. Sie setzen z. B. in § 113 Abs.1 Satz 1 VwGO - gewiß nicht lebensfremd - die 24 Vgl. W. Henckel, Vom Gerechtigkeitswert verfahrensrechtlicher Normen, 1966, S. 11; ebenso Costede a.a.O. (Anm.6) S. 19. Aus der Rechtsprechung als Beleg für viele aus neuester Zeit vgl. BVerfGE 46, 325 (334), wonach die Eigentumsgarantie auch auf das zugehörige Verfahrensrecht einwirkt. 25 In diesem Sinne sieht auch Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 61 ff. den Prozeß als Verfahren zur Rechtsausübung an, das zwar nicht bezweckt, "das subjektive Recht durchzusetzen oder zu verteidigen" (S.6Z;, aber die Möglichkeit gibt, "daß das Recht ausgeübt werden kann und darf", dessen "Zweck also die Rechtsausübung ist" (S. 64). 26 Den gegenteiligen Feststellungen von Neuner, Privatrecht und Prozeßrecht, 1925, S. 4 f. zum Verhältnis von Privatrecht und Prozeßrecht vermag ich nicht zu folgen.

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Möglichkeit lediglich voraus, daß es rechtswidrige Verwaltungsakte geben kann, die jemanden in seinen Rechten verletzen können, und sprechen die prozessuale Rechtsfolge aus, wenn dies der Fall ist. Ob und wann diese Voraussetzungen vorliegen, sagt aber nicht das daran anknüpfende Prozeßrecht, sondern das von ihm vorausgesetzte materielle RechtZ1 • Dasselbe gilt für den schon erwähnten Folgenbeseitigungsanspruch, für den sich aus § 113 Abs.1 Satz 2 VwGO denn auch lediglich herleiten läßt, daß es ihn irgendwann und irgendwo und unter irgendwelchen Voraussetzungen wohl geben muß und daß deswegen für den Fall seiner Existenz das Prozeßrecht eine Regelung für seine Durchsetzbarkeit bereithält. Ähnliches gilt für eine so simple Vorschrift wie die des § 106 VwGO (§ 125 des Entwurfs) über den gerichtlichen Vergleich. Bei all ihrer Simplizität stieß sie im Koordinierungsausschuß gleichwohl auf ungeahnte Schwierigkeiten, weil sie teilweise materiellrechtlich mißverstanden wurde. Nach dieser Vorschrift können die Beteiligten eine~ (gerichtlichen) Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage (bzw. des Vergleichs: so besser in § 125 des Entwurfs) verfügen können. Soweit sie dies nicht können, wie dies in den der Finanzgerichtsbarkeit anvertrauten Materien ganz oder überwiegend der Fall sein soll, läuft die Vorschrift leer; jedenfalls räumt sie den Beteiligten im gerichtlichen Verfahren nicht mehr Rechte ein, als sie nach materiellem Recht haben 28, weil es eben keine materiellrechtliche Vorschrift ist. Weil dies so ist, kann sie auch für die Finanzgerichtsbarkeit, ohne daß es einer Exemtion bedürfte, gelten, wobei sie allenfalls im vollen Umfang dieser Geltung leerläuft. Das Mißverständnis, von dem ich soeben sprach, lag darin, daß manche fürchteten, aus der in jener Vorschrift vorausgesetzten bloßen Möglichkeit, über den Vergleichsgegenstand verfügen zu können, könne die Unterstellung hergeleitet werden, auch in den finanzgerichtlichen Streitigkeiten müsse dies stets oder meist der Fall sein; wie gesagt: Diese Schlußfolgerung ist unzutreffend, wobei ich freilich kaum Zweifel habe, daß die Fälle, in denen sich die Beteiligten auch vor den Finanzgerichten vergleichen können, keineswegs so selten sind, wie es gerade von den Finanzrechtlern angenommen wird, sondern daß dort Vergleiche im selben Umfang denkbar und zulässig sind wie in der allgemeinen Verwaltungs gerichtsbarkeit29 ; auch hier könnte vielleicht ein Blick über die Ressortmauern Vgl. BVerwGE 50, 2 (10). So mit Recht die Begründung zu § 125 S. 294. 29 Freilich mögen die Mißverständnisse auch auf die wohl mißverständliche Formulierung in § 106 VwGO und - ihr folgend - in § 125 des Entwurfs zurückgehen, die den Eindruck erweckt, als dürfe die Behörde im Wege der "Verfügung" über den Gegenstand der Klage etwas verschenken. In Wirklichkeit geht es, worauf Bettermann in der Diskussion mit Recht aufmerksam gemacht hat, um die Befugnis, eine "Ungewißheit" der Parteien insbesondere über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs "im Wege des 27

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hinaus befreiende Wirkung haben und manche Gemeinsamkeiten des materiellen Rechts deutlich machen; ich deutete dies schon als einen Vorteil der Koordinierung an. Materiellrechtliche Mißverständnisse prozeßrechtlicher Normen gibt es gelegentlich auch sonst. So hat beispielsweise das OVG Münster der bereits erwähnten Vorschrift des § 113 Abs.l Satz 1 VwGO gleichsam eine materiellrechtliche Wendung gegeben und aus dieser Regelung hergeleitet, daß mit der Anfechtungsklage angegriffene Abgabenbescheide, die im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung wegen Mängeln des Ortsrechts rechtswidrig waren, nicht durch eine später rückwirkend erlassene gültige Beitragssatzung geheilt werden30 • Die Begründung dafür geht davon aus, daß für die Beurteilung maßgeblich der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung sei, und hat in diesem "Grundsatz ... eine ergänzende Auslegung der bundes rechtlichen Bestimmung des § 113 Abs.l Satz 1 VwGO" gesehen. Das ist wohl in mehrfacher Hinsicht fragwürdig. In dem hier interessierenden Zusammenhang ist nur von Bedeutung, daß die Entscheidung darüber, welche Sach- und Rechtslage bei einer Anfechtungsklage der gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legen ist, im geltenden Gerichtsverfahrensrecht nicht geregelt ist, sondern vom materiellen Recht abhängt31. Jener - übrigens keineswegs zweifelsfreie - Grundsatz ist eben kein in der Verwaltungsgerichtsordnung verankerter und daher bundesrechtlicher allgemein gültiger Rechtssatz des materiellen oder des Prozeßrechts; vielmehr ist er allenfalls das Ergebnis einer Verweisung des Prozeßrechts in das materielle Recht der jeweils einschlägigen Materie, aus der sich dann im Einzelfall ein jenem Grundsatz entsprechender Rechtssatz mag herleiten lassen 32• Eine Frage des materiellen Rechts ist es natürlich ebenfalls, ob eine Satzung, die einen im Zeitpunkt seines Erlasses nicht hinreichend abgesicherten Beitragsbescheid nachträglich "einsegnen" möchte, mit heilender Kraft rückwirkend erlassen werden kann; § 113 Abs.1 Satz 1 VwGO hindert dies jedenfalls nicht. Mißverständnisse ähnlicher Art treten auch bei anderen Vorschriften des Prozeßrechts auf, die an materielles Recht anknüpfen, anknüpfen müssen und dies deswegen auch im Entwurf tun. Das gilt z. B. für die Vorschrift des § 114 VwGO über die Ermessenskontrolle (§ 139 des Entgegenseitigen Nachgebens", wie es § 779 BGB und ähnlich § 55 VwVfG formulieren, zu beseitigen, eine Befugnis, die auch in Steuerstreitigkeiten gegeben ist. 31 Vgl. BVerwGE a.a.O. (Anm.,27) S.10. 32 Vgl. dazu kurz und prägnant Bachof in Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Band II, 1967, Nr.244 und den instruktiven Fall in BVerwGE 14, 39 (42), wo die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts aus § 4 Abs.2 und 3 StVG hergeleitet wurde.

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wurfs). Diese Vorschrift, die die nach § 113 Abs.l Satz 1 erforderliche Rechtswidrigkeitsprüfung erläutert, ist an sich überflüssig, weil sie etwas klarstellt, was selbstverständlich ist: daß nämlich das Gericht alle für die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts in Betracht kommenden Gründe prüft, also auch der Frage nachgeht, ob ein Verwaltungsakt Ermessensfehler enthält, die den Akt rechtswidrig machen. Das Gesetz und der Entwurf sagen schließlich auch nichts darüber, daß ein Gericht sich Gedanken zu machen hat über die heute vor allem im Planungsrecht, aber schon lange etwa im Prüfungsrecht so berühmte wie umstrittene Frage der Kontrolldichte und also prüfen muß, ob ein Verwaltungsakt deswegen rechtswidrig ist, weil eine Behörde bei Ausschöpfung einer ihr etwa eingeräumten Beurteilungsermächtigung die Grenzen dieser Ermächtigung überschreitet33 ; die gesetzliche Regelung dieser Frage liegt genauso nahe oder fern wie bei den Ermessensfehlern. Jedenfalls aber ist ein materiellrechtliches Verständnis hier genauso verfehlt wie bei den schon erwähnten Vorschriften, obwohl Rechtsanwälte wie Gerichte dies immer wieder verkennen. Prozeßvertreter versuchen nicht selten, nach Landesrecht ergangene und von den Tatsacheninstanzen gebilligte Ermessensentscheidungen mit Hilfe des bundesrechtlichen § 114 VwGO in die Revisibilität zu schieben, und machen geltend, die (landes)gesetzlichen Grenzen des Ermessens seien von der Behörde entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts überschritten und damit sei gegen § 114 VwGO verstoßen worden. In Wirklichkeit mag zwar das erste richtig, also die Ermessensgrenze von der Behörde überschritten sein, ohne daß gleichwohl § 114 VwGO verletzt ist. Denn die Frage, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind, beurteilt sich nicht nach § 114 VwGO, sondern nach materiellem Recht und ist bei landesrechtlicher Rechtsgrundlage irrevisibel. Ein Verstoß gegen § 114 VwGO läge erst dann vor, wenn ein Gericht die gesetzlichen Ermessensgrenzen als überschritten ansieht, aber dennoch den Verwaltungsakt nicht als rechtswidrig behandelt: ein Fall, der wohl nie vorkommen dürfte. Dafür sind die sozusagen umgekehrten Fehlergestaltungen gar nicht so selten, wie man meinen möchte. Es wird nämlich zuweilen ein Verwaltungsakt bereits deswegen aufgehoben, weil er wegen fehlerhafter Ermessensausübung rechtswidrig ist. Das scheint auf den ersten Blick sogar richtig zu sein, läßt sich aber bei näherer Betrachtung nicht halten. Denn Voraussetzung für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes ist nicht nur dessen Rechtswidrigkeit, sondern darüber hinaus, daß er Rechte des Klägers verletzt; diese Voraussetzung entfällt für Ermessensentscheidungen nicht deswegen, weil sie in § 114 VwGO, der nur die andere Voraussetzung der Rechtswidrigkeit erläutert, nicht noch 33

Vgl. die Begründung zu § 139 S.307.

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einmal erwähnt ist. Ein einfaches Beispiel mag diese scheinbar schwierige Frage verdeutlichen: Es gibt bekanntlich manche Vorschrift zwingenden Rechts, die die Verwaltung verpflichtet, ohne daß dieser Pflicht ein subjektives Recht des davon reflexweise Begünstigten entspräche; das Baunachbarrecht liefert dafür viele Belege. Wenn nun die Norm nicht einmal eine Verpflichtung der Behörde ausspricht, sondern sie lediglich ermächtigt, nach Ermessen zu handeln, so können schwerlich Rechte des nur im Reflexwege Begünstigten verletzt werden dadurch, daß gegen diese noch schwächere, weil nicht einmal zwingend verpflichtende Norm durch unrichtige Ermessenserwägung verstoßen wird. Gleichwohl haben selbst oberste Landesgerichte in solchen Fällen ausdrücklich den Schutzcharakter der zugrundeliegenden Ermessensnorm offengelassen oder verneint und eine Rechtsverletzung allein deswegen für möglich gehalten, weil es sich um eine Ermessensentscheidung handelt34 • Ob sie dazu vielleicht unbewußt durch § 114 VwGO verleitet worden sind und also auch künftig verleitet werden? Aber gegen Mißverständnisse durch Rechtsanwender auch in Gestalt von obersten Gerichten sind selbst klargefaßte Gesetze, falls es solche geben sollte, nicht gefeit; und dem Entwurf wird es sicher nicht besser gehen und würde es auch dann nicht besser gehen, wenn er noch mehr in die Einzelheiten ginge. Unmittelbare Anknüpfungen an materielles Recht finden sich noch an zahlreichen anderen Stellen. Erwähnen möchte ich nur beispielsweise die unproblematischen §§ 62 Nr.l und 63 Abs.l des Entwurfs, die - wie nach geltendem Recht - die Beteiligten- und die Prozeßfähigkeit an die materiellrechtlich geregelte Rechtsträgerschaft und Geschäftsfähigkeit anknüpfen. Einige Worte verlohnen sich vielleicht zur Anknüpfung an das materielle Recht in den Vorschriften über die Beiladung, insbesondere die notwendige Beiladung, ein Institut, das wiederum eng mit Problemen der Rechtskraft zusammenhängt, also mit einem Problemkreis, bei dem sich materielles und Prozeßrecht in durchaus eigener Weise durchdringen. Die Voraussetzungen der Beiladung beziehen sich deutlich auf materielles Recht; denn ob jemandes rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden mit der Folge, daß er (fakultativ) beigeladen werden kann, ergibt sich aus dem materiellen Recht; ebenso gilt das für die Frage, ob ein Dritter an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt ist, daß die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann und er daher (notwendig) beigeladen werden muß. Zweck der notwendigen Beiladung um mich nun auf sie zu beschränken - ist bekanntlich sicherzustellen, 34 Vgl. Sendler in BBauBl. 1968, 64 bei Anm. 26; vgl. weiter BVerwGE 39, 235 (237), wobei die umstrittene Frage des drittschützenden Charakters in

jenem Fall hier dahingestellt sei.

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daß der notwendig Beizuladende in die Rechtskraft des zwischen Kläger und Beklagtem ergehenden Urteils einbezogen und damit eine Art hinkenden Urteils vermieden wird, und darüber hinaus, Gestaltungsurteile vor Unwirksamkeit zu schützen35 • Trotzdem kommt es gelegentlich vor, daß die Notwendigkeit einer Beiladung übersehen wird, insbesondere in solchen Fällen, in denen in der Sache selbst kein Zweifel besteht, daß die Klage von vornherein abgewiesen werden muß, und wohl gerade deswegen die Beiladung vergessen wird. Typisches Beispiel ist die Klage auf Baugenehmigung gegen die Bauaufsichtsbehörde; bei ihr ist die Gemeinde notwendig beizuladen, weil die Baugenehmigung nur mit ihrem Einvernehmen erteilt werden darf; daher ist die Gemeinde an dem Rechtsverhältnis beteiligt und kann die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen, was vor allem bei einem der Klage stattgebenden Urteil augenfällig wird. An der Notwendigkeit der Beiladung ändert sich freilich nichts, wenn die Klage offensichtlich aussichtslos ist und daher erwartungsgemäß abgewiesen wird. Die Gerichte übersehen aber gerade in solchen Fällen - wahrscheinlich weil auf das offensichtliche Ergebnis fixiert - manchmal die Beiladung der Gemeinde, die sich ohnehin gegen die Erteilung der Baugenehmigung ausgesprochen hatte. Wenn das Revisionsgericht diesen Mangel nicht ebenfalls übersieht oder dankenswerterweise die Augen zudrückt, sind die Folgen alles andere als erfreulich. Es muß ihn nämlich nach feststehender, kaum noch in Frage zu stellender Rechtsprechung von Amts wegen beachten, kann allerdings dem Mangel nicht selbst abhelfen, weil kraft ausdrücklicher Vorschrift eine Beiladung in der Revisionsinstanz unzulässig ist. Das Verhängnis nimmt also seinen Lauf: Das Berufungsurteil wird aufgehoben, die Sache, obwohl die Klageabweisung völlig klar, an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses mit entsprechendem Zeitaufwand, zusätzlicher Arbeitsbelastung und neuen Kosten die notwendige Beiladung nachholt und dann das ausspricht, was jeder schon weiß und was das Revisionsgericht meist in einem freilich unverbindlichen obiter dictum bekräftigt hatte. Es sei denn, daß der Kläger - durch dieses obiter dictum vielleicht doch überzeugt oder auch nur, um weitere Kosten zu sparen - seine Berufung zurücknimmt, die Klageabweisung rechtskräftig werden läßt, damit freilich auch das hinkende Urteil, das zu vermeiden der ganze Aufwand in Szene gesetzt wurde, in der Welt läßt. Ich will offenlassen, ob sich dies nicht schon nach geltendem Recht auf etwas einfachere Weise erreichen ließe; welchen Nachteil kann wohl bei einem klagabweisenden Urteil die Nichterstreckung der Rechtskraft auf die Gemeinde haben, die hätte beigeladen werden müssen? Jedenfalls muß man dem Entwurf 35 Vgl. Bacho! a.a.C. (Anm.32) Nr.185 unter berechtigter Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

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dankbar sein, daß er in § 174 Abs.2 auch noch im Revisionsverfahren eine notwendige Beiladung - vielleicht zu weitgehend, aber insoweit immerhin unschädlich - nachzuholen gestatten will; er beruft sich dafür 36 mit Recht auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zur Möglichkeit, bei besonderen Fallgestaltungen auch Klageänderungen und sogar Widerklagen im Revisionsverfahren zuzulassen 37 • Auch in anderer Hinsicht steht die notwendige Beiladung an einer Schnittstelle zwischen materiellem und Prozeßrecht. Während die notwendige Beiladung im allgemeinen die Unwirksamkeit oder zumindest das "Hinken" eines Urteils verhindern soll, wird sie im sozial gerichtlichen Verfahren zusätzlich dafür eingesetzt, dem Bürger das Suchen nicht nur nach dem Recht, sondern auch nach dem richtigen Beklagten zu erleichtern; denn immer, wenn ein anderer als der beklagte Leistungsträger in Betracht kommt - was wiederum eine Frage des materiellen Rechts ist - muß der andere beigeladen und, wenn er sich nach Auffassung des Gerichts als leistungspflichtig herausstellt, als Beklagter behandelt und verurteilt werden. Hier wird im Interesse der leichteren und bequemeren Verwirklichung des materiellen Rechts das Institut der Beiladung - wohl systemfremd, aber eben doch vernünftig, und das ist entscheidend - von Amts wegen als Mittel einer Klageänderung durch erleichterten BeklagtenwechsepB eingesetzt. Der Entwurf hat diese Möglichkeit in § 68 Abs.3 in Verbindung mit § 101 übernommen, aber sie wohl mit gutem Grund auf die Sozialgerichtsbarkeit beschränkt; immerhin ist mir kürzlich ein Fall begegnet, in dem es dem betroffenen Bürger nicht leichtfiel, dank der für ihn nicht gerade klaren Gestaltung des Bescheides eines Amtes, der eine Gemeindeabgabe betraf, den richtigen Beklagten - Gemeinde oder Amt - zu finden. Aber ich gebe zu: Dies war ein exzeptioneller Fall und hätte bei mehr Geschicklicl:1keit und Entgegenkommen der anderen Beteiligten einschließlich der Gerichte nicht in die dritte Instanz zu geraten brauchen. Der Vgl. die Begründung zu § 174 Abs.2 S. 375 f. des Entwurfs. Vgl. BVerwGE 44, 351 (361) mit BGHZ 33, 398 (401); BGHZ 26, 31 (37 f.); eine vergleichbare Ausnahme von der Regel, daß Klageänderungen und Widerklagen im Revisionsverfahren nicht möglich sind, einer Regel, deren Befolgung in den genannten Fällen alle Beteiligten durch die Notwendigkeit einer Zurückverweisung unnötig belastet hätte, hätte sich vielleicht bei einiger Phantasie auch in den erwähnten Beiladungsfällen - wie z. B. in BVerwGE 18, 124 (127 f.) oder im Urteil vom 5. Juli 1974 - BVerwG 4 C 76.71 - in Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 112 - begründen lassen; der Beschluß vom 24. Mai 1962 - BVerwG 4 C 40.62 - in ZLA 1962, 218, der annahm, das Berufungsurteil beruhe nicht auf dem Mangel der notwendigen Beiladung, ist vereinzelt geblieben und verdient in der Begründung wohl kaum Beifall. 38 Vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 1977, Rdnr.12 zu § 75, der zutreffend von einer "unechten" Beiladung spricht. 36 37

11 Speyer 75

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Entwurf schreitet also damit, daß er die den Beklagtenwechsel ersetzende Beiladung auf die Sozialgerichtsbarkeit beschränkt, auf bewährten Pfaden. Das Bewegen in ausgefahrenen Gleisen gilt auch für die Probleme der Rechtskraft mit einer Ausnahme, die wieder mit der Beiladung und dort mit dem Bemühen zusammenhängt, die Massenverfahren auch für das gerichtliche Verfahren sozusagen in den Griff zu bekommen. Ich sagte schon, daß der "Witz" der notwendigen Beiladung in der Rechtskrafterstreckung auf den Beigeladenen liegt. In Massenverfahren, in denen mehr als 50 Personen für die notwendige Beiladung in Betracht kommen, sieht der Entwurf vor, daß nur solche Personen beigeladen zu werden brauchen, die dies - nach entsprechender Bekanntmachung - innerhalb einer bestimmten Frist beantragen und die dann als Verfahrensbeteiligte selbstverständlich in die Rechtskraft des Urteils einbezogen werden. Nach § 147 des Entwurfs werden aber darüber hinaus auch diejenigen, die trotz Bekanntmachung keinen Antrag gestellt haben und deswegen nicht beigeladen werden, durch das rechtskräftige Urteil gebunden. Diese Regelung ist, so heißt es in der Begründung, notwendig, weil die Verfahren sonst immer wieder von anderen Betroffenen als den Beigeladenen aufgerollt werden können39 • Ich halte das für zutreffend, habe aber Zweifel, ob mit dieser Regelung der beabsichtigte Erfolg wirklich erreicht werden kann. Dies hängt wieder mit Fragen zusammen, die sich aus der Anknüpfung der prozessualen Beiladung an materiellrechtliche Gestaltungen ergeben. Zwei Beispiele mögen dies verdeutlichen: Klagt ein Bauherr oder Unternehmer gegen eine ihn belastende nachbarschützende Auflage oder begehrt er einen Dispens, so sind die betroffenen Nachbarn jedenfalls dann notwendig Beizuladende, wenn sie bereits im Verwaltungsverfahren beteiligt waren und daher "an dem streitigen Rechtsverhältnis beteiligt" sind im Sinne des § 68 Abs.2 des Entwurfs (= § 65 Abs.2 VWGO)40; in diesem Fall würde die vorgesehene Vereinfachungsregelung eingreifen und die Einbindung aller, die hätten beigeladen werden müssen, gestatten. Klagt hingegen ein Nachbar gegen eine Baugenehmigung oder gegen eine Genehmigung nach dem Immissionsschutzgesetz oder dem Atomgesetz, dann sind die anderen Nachbarn keineswegs notwendig Vgl. S.316 des Entwurfs. 40 Vgl. z. B. Urteil vom 30. November 1973 - BVerwG 4 C 20.73 - in DÖV 1974, 318; waren sie hingegen im Verwaltungsverfahren nicht beteiligt, was keineswegs notwendig der Fall gewesen zu sein braucht, dann ist zumindest zweifelhaft und vom Bundesverwaltungsgericht noch nicht entschieden, ob sie überhaupt an dem streitigen Rechtsverhältnis beteiligt sind und damit die erste Voraussetzung der notwendigen Beiladung erfüllt ist; der Umstand allein, daß - wenn sie in diesem Sinne beteiligt wären - die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen könnte, also die zweite Voraussetzung erfüllt wäre, genügt nicht von vornherein. 39

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beizuladen 41 , auch wenn sie fakultativ beigeladen werden können und sogar vieles für eine solche Beiladung spricht42 • Werden diese Nachbarn nicht beigeladen, so können sie das Verfahren immer wieder - nämlich einer nach dem anderen - aufrollen und bei einer solchen Fallgestaltung den mit § 68 Abs. 4 des Entwurfs angestrebten Effekt zunichte machen. Hinzu kommt, daß im Einzelfall nicht selten zweifelhaft ist, ob die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung gegeben sind, und daß deshalb jemand, der es versäumt hat, seine Beiladung im Massenverfahren zu beantragen, später gern behaupten wird, er hätte nicht notwendig beigeladen werden müssen und sei daher nicht in die Rechtskraft eingebunden. Diese materiellrechtliche Gestaltung legt es nahe, die prozessualen Konsequenzen zu ziehen und in Massenverfahren auch die fakultativ Beizuladenden der vorgesehenen Sonderregelung zu unterwerfen, um damit alle, deren auch nur rechtliche Interessen etwa durch eine atomrechtliche Genehmigung berührt werden, in die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung einzubinden, damit nicht immer wieder von vorn angefangen werden muß. Die letzte Bemerkung zeigt, daß die Rechtskraft typischerweise in einem Schnittpunkt von Prozeß- und materiellem Recht steht43 • Sie macht wirkliche oder vermeintliche Rechte, wenn sie formell rechtskräftig abgelehnt sind, jedenfalls praktisch wertlos, mögen sie nun nach der materiellen Rechtskrafttheorie erlöschen oder nach der prozeßrechtlichen Theorie nur nicht mehr durchgesetzt werden können. Dies unterscheidet den Verwaltungsgerichtsprozeß nicht vom Zivilprozeß. So ist es denn auch nicht verwunderlich, daß § 121 VwGO und ihm folgend § 147 des Entwurfs - mit der eben erwähnten Ausnahme der notwendigen Beiladung in Massenverfahren - der zivilprozessualen Regelung nachgebildet ist. Gleichwohl könnte verwundern, daß das Gesetz und der Entwurf kein Wort an die im Zivilrecht nicht auftauchende, aber im öffentlichen Recht nicht selten akute Frage verschwenden, welche Folge ein Wechsel der Zuständigkeiten von einem Rechtsträger auf einen anderen für die Rechtskraft eines Urteils hat. Soll etwa jemand, der z. B. die Einbürgerung in einem Bundesland erfolglos betrieben hat und rechtskräftig abgewiesen worden ist, es nach entsprechendem Wohnsitzwechsel in den anderen zehn Ländern immer wieder versuchen dürfen, ohne durch die Rechtskraft gehindert zu sein? Das OVG KobZenz hat kürzlich entschieden, daß von einem Urteil, das eine Namensfeststellung betrifft, ebenso wie von einem entsprechenden fest41 Vgl. Urteil vom 5. Juli 1974 BVerwG 4 C 50.72 - in DVBl. 1974, 767 (768), insoweit in BVerwGE 45, 309 nicht abgedruckt. 42 So die Empfehlung des Bundesverwaltungsgerichts a.a.O., insoweit aber offenbar skeptisch Schmidt-Aßmann in VVDStRL 34, 249 Anm.96. 43 Vgl. HenckeL a.a.O. (Anm.6) S. 149 f.

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stellenden Verwaltungs akt einer Behörde eine allgemeinverbindliche feststellende Wirkung ausgeht, die ein erneutes Aufrollen der einmal entschiedenen Frage nicht erlaubt, und zwar unabhängig von der nur zwischen den Prozeßbeteiligten wirkenden Rechtskraft44 • Aber so einfach geht es nicht immer, z. B. nicht im Fall der abgelehnten Einbürgerung, weil von ihr keine allgemein verbindliche Feststellungswirkung ausgeht. Gleichwohl hat der Entwurf m. E. recht daran getan, dieser Frage und zahlreichen ähnlichen kein Augenmerk zu schenken; denn wer z. B. Rechtsnachfolger im Sinne der prozessualen Rechtskraftregelung ist, bestimmt sich nach materiellem Recht und bedarf einer am materiellen Recht - also auch am Behördenorganisationsrecht orientierten Auslegung. überlegungen wie die, daß die Verwaltung dem Staatsbürger unbeschadet ihrer Organisation in verschiedene rechtsfähige Körperschaften als einheitliche Funktion der Staatsgewalt gegenübertritt, mögen da durchaus am Platze sein 45 • Das Prozeßrecht kann also oft auf nähere Regelungen verzichten, da es ohnehin ständig der Ausfüllung durch materielles Recht bedarf, wie dies beispielsweise auch bei der Frage der Fall ist, ob ein Insichprozeß zwischen verschiedenen Behörden oder Organen desselben Rechtsträgers gestattet ist oder nicht46 ; auch diese Frage spricht deshalb der Entwurf ebenso wie das geltende Recht mit guten Gründen nicht an. Der bisherige Spaziergang durch einzelne Grenzbereiche zwischen materiellem und Prozeßrecht hat wenig ergeben, wo der Entwurf zu neuen Ufern aufbricht. Man sollte dies auch nicht beanstanden. Denn ein Prozeßgesetz ist jedenfalls im allgemeinen wohl nicht der Ort, von dem Anstöße zur Bewältigung materiellrechtlicher Probleme ausgehen sollten. Man muß schon dankbar sein, wenn es die Verwirklichung des materiellen Rechts nicht zu sehr behindert. Ein solcher Bereich, in dem man bislang manchmal zweifeln muß, ob prozessuale Regelungen nicht partiell zur materiellen Rechtsverhinderung führen, ist der des vorläufigen Rechtsschutzes. Insoweit betritt der Entwurf wirklich Neuland in den §§ 150 ff., dies insbesondere bei der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen in einer Weise, die ganz erhebliche Breitenwirkung haben wird, und zwar vor allem deswegen, weil der Entwurf in einer kühnen, aber m. E. insgesamt sachgerechten Konzeption bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung differenzieren will. Der Rechtsbehelf dessen, an den ein ihn belastender, einen anderen jedoch begünstigender Verwaltungsakt gerichtet ist, soll So zutreffend OVG Koblenz, Urteil vom 14. November 1977 - 7 A 37/75-. Vgl. Groschupf in DVBl. 1963, 661 (663 f.). 46 Vgl. dazu z. B. G. Kisker, Insichprozeß und Einheit der Verwaltung, 1968; W. Hoppe, Organstreitigkeiten vor den Verwaltungs- und Sozialgerichten, 1970. Aus der Rechtsprechung vgl. z. B. BVerwGE 45, 207 (210 ff.). 44

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- wie bisher - aufschiebende Wirkung haben. Das soll hingegen nicht gelten - und damit soll eine der umstrittensten Fragen in diesem Bereich gelöst werden - für den Rechtsbehelf dessen, der sich gegen einen Verwaltungsakt wendet, der an einen anderen gerichtet ist und diesen anderen begünstigt, ihn selbst aber, den Widersprechenden, belastet. Ich halte diese Lösung trotz all ihrer Problematik für geglückt, weil sie mit ihrer Anknüpfung an das Kriterium, an wen der belastende Verwaltungsakt gerichtet ist, zwar formalistisch zu sein scheint, aber mit Hilfe dieses formalen Kriteriums endlich verhältnismäßig klare Verhältnisse schafft. Eine Darstellung der - wohl notwendig - komplizierten Regelung und der durch sie neu hervorgerufenen Probleme, geschweige eine Würdigung im einzelnen, ist hier ausgeschlossen. Im Rahmen des Themas sei jedoch der Hinweis erlaubt, daß die Regelung des vorläufigen Rechtsschutzes und ihr Verständnis im einzelnen weitreichende materiellrechtliche Folgen hat. Dafür mag als Beleg genügen, daß selbst eine scheinbar nur theoretische, begriffsjuristische Frage, ob die aufschiebende Wirkung die Wirksamkeit oder die Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts hemme, durchaus von materiellrechtlicher Bedeutung sein kann 47 ; nur wenn man eine Wirksamkeitshemmung annimmt, kann man, wie es eine Mindermeinung neuerdings tut, überhaupt die Auffassung vertreten, der Suspensiveffekt wirke nicht nur vorläufig und entfalle daher bei Beendigung des Rechtsbehelfsverfahrens nicht rückwirkend, sondern erst ex nunc. Das hört sich sehr theoretisch an, hat aber die doch wohl bedeutsame materiellrechtliche Folge, daß der entlassene Beamte, der seine Entlassung anficht, nicht nur während der gesamten Dauer des Verfahrens seine Beamtenbezüge erhält - was mit der aufschiebenden Wirkung in der Tat verbunden ist -, sondern diese Bezüge auch nach rechtskräftiger Klageabweisung behalten kann 48 • Es liegt auf der Hand, daß auch die vom Entwurf vorgesehene Neuregelung des einstweiligen Rechtsschutzes insbesondere für Verwaltungsakte mit Doppelwirkung und das jeweilige Verständnis dieser Neuregelung gewichtige Auswirkungen auf das materielle Recht haben können. 47 Die Begründung des Entwurfs spricht S.322 von "Theorienstreit", der keiner gesetzlichen Klärung bedürfe; Bachof a.a.O. (Anm.32) Nr.281 sieht in diesem Streit nur Begriffsjurisprudenz am Werke und demgemäß ein "Gefecht um Worte". 48 So m. E. zu Unrecht (vgl. BVerwGE 24, 92, 98) - neuerdings Erichsen I Klenke in DÖV 1976, 833 (837); von der gegenteiligen Auffassung geht auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. August 1976 - BVerwG 7 C 29.75 - in DÖV 1977, 62 aus, dazu zustimmend Schulze-Osterloh in JuS 1977, 626; ähnlich Urteil vom 30. November 1977 - BVerwG 8 C 80.76 -: "Vollzugshemmende Maßnahmen nach § 80 VwGO ... sind prozessuale Maßnahmen ... können materielle Rechtspositionen nicht ändern ... sind prozessualer Natur und dienen allein dem Zweck, den status quo aufrechtzuerhalten." Vgl. auch BVerwGE 47, 169 (175).

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Lassen Sie mich zum Schluß noch eine Bemerkung machen, die vielleicht nicht mehr zum Thema gehört, aber immerhin unter einem Teilaspekt der vorhin erwähnten Frage nachgeht, ob und inwieweit die Regelungen des Entwurfs helfen können, das materielle Recht möglichst optimal zu verwirklichen. Der Entwurf versucht dies auch in § 39, der es den drei öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten ermöglichen soll, über den bei ihnen zulässig anhängig gemachten Klageanspruch unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt - sozusagen auch dem ressortfremden - zu entscheiden, also nicht nur unter den Gesichtspunkten, die den Weg zu dem jeweils entscheidenden Gericht eröffnen. Das ist sicher schon eine kleine Hilfe für den Bürger, der wegen desselben Anspruchs nicht mehrere Gerichte soll bemühen müssen. Mehr als klein ist diese Hilfe freilich nicht. Denn § 3 ArbGG, der in der Begründung als Vorbild angegeben wird, geht sehr viel weiter und gestattet die Geltendmachung auch von anderen Ansprüchen, die mit dem anhängig gemachten lediglich in rechtlichem oder unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang zu stehen brauchen. Solche lediglich zusammenhängenden Ansprüche, z. B. Folge- und Ersatzansprüche, werden von § 39 des Entwurfs nicht erfaßt, so daß diese an sich sinnvolle Vorschrift kaum viel Bedeutung gewinnen wird. Ihr Haupthandicap liegt aber darin, daß sie die verschiedenen Ansprüche und die verschiedenen Anspruchsgrundlagen desselben Anspruchs, für die der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten durch die Verfassung festgelegt ist, nicht erfassen kann; die Verfassung selbst legt also in Art. 14 Abs.3 Satz 4 und in Art. 34 GG dem einfachen Gesetzgeber unübersteigbare Hindernisse für eine sinnvolle Rechtswegabgrenzung in den Weg und zwingt ihn dazu, Zusammengehöriges auseinanderzureißen, Hindernisse, die sich auch durch richterliche Rechtsschöpfung schwerlich überwinden lassen 49 • Es wäre nach den zahlreichen, nicht immer sinnvollen Novellierungen, die das Grundgesetz schon hat über sich ergehen lassen müssen, an der Zeit, diese anachronistischen, aus einem inzwischen gründlich überholten Verständnis der einzelnen Gerichtszweige erwachsenen Rechtswegzuweisungen des Grundgesetzes zu beseitigen; eine "ordentliche" Gerichtsbarkeit wird eben nicht nur von den ordentlichen Gerichten im Sinne des Grundgesetzes geliefert. Ich pflege bei jeder sich bietenden Gelegenheit und selbst dann, wenn sich eine solche nicht bietet, auf diese Notwendigkeit hinzuweisen; ich bitte daher um Verständnis, daß ich auch dieses Forum damit behellige. 49 Vgl. zu diesem Dilemma neuerdings Fritz Baur über "Die gegenseitige Durchdringung von privatem und öffentlichem Recht im Bereich des Bodeneigentums" in Beiträge zur europäischen Rechtsgeschichte und zum geltenden Zivilrecht, Festgabe für Johannes Sontis, 1977, S. 198 ff. Mit Recht sieht denn auch der Komissionsbericht zur Reform des Staatshaftungsrechts eine entsprechende Änderung von Art. 14 Abs.3 und Art. 34 GG vor.

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Ich will aber die mir zugemessene Zeit nicht weiter mißbrauchen und bin am Ende. Ich kann mich nicht der Hoffnung hingeben, Sie könnten bedauern, daß ich mich auf diese wenigen und vielleicht nicht einmal markantesten Fälle der Verknüpfung von materiellem und Prozeßrecht beschränkt habe, beschränken mußte. Mehr als einige Teilaspekte konnte selbst Henckel in seinem mehrfach erwähnten umfangreichen Werk über Prozeßrecht und materielles Recht nicht bieten50 ; ich bitte daher um Verständnis, daß mir in einer knappen Stunde selbst dies schwerlich gelingen konnte.

50 Vgl. a.a.O (Anm. 6~ S. V und dazu verständnisvoll Bötticher in seiner Rezensionsabhandlung in ZZP 85, 1972, S. 1.

Der Entwurf einer Verwaltungsproze13ordnung aus der Sicht der Landesverwaltungsgerichtsbarkeiten Von J ohann Schmidt Die Pluralfassung in dem mir gestellten Thema "Der Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung aus der Sicht der Landesverwaltungsgerichtsbarkeiten" setzt voraus, daß es innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit immer noch Landesverwaltungsgerichtsbarkeiten gibt. Dafür bin ich dem wissenschaftlichen Leiter der Tagung, Magnifizenz Prof. Dr. Dr. Merten, besonders dankbar: Diese Themenfassung gibt mir auf, vornehmlich das grundsätzliche Verhältnis des Entwurfs zu den Landesverwaltungsgerichtsbarkeiten herauszuarbeiten. Insofern halte ich mich als Vertreter einer einzelnen Landesverwaltungsgerichtsbarkeit nicht für inkompetent, denn dieses Verhältnis betrifft alle Landesverwaltungsgerichtsbarkeiten gleichermaßen. Soweit es allerdings um konkrete rechtspolitische Einzelfragen geht, kann ich selbstverständlich nicht für "die" Landesverwaltungsgerichtsbarkeiten sprechen, sondern nur meine eigene Meinung sagen, die sich - das sei nebenbei bemerkt - mit derjenigen des Verbandes der Bayerischen Verwaltungsrichter deckt. Noch eine Einschränkung muß ich machen: Es ist nicht möglich, in einem Kurzreferat den gesamten Entwurf kritisch zu analysieren, ich kann deshalb nur Einzelkomplexe ansprechen. Um es gleich heraus zu sagen: Der Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung! ist nach meiner Meinung von einer mit dem Grundgesetz nicht mehr zu vereinbarenden, weil dem Art. 92 Halbsatz 2 GG widersprechenden und den Grundsatz der Bundestreue sowie das Bund und Länder bindende Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme außerachtlassenden Tendenz geprägt. Der Art. 92 GG hat in seinem 2. Halbsatz die rechtsprechende Gewalt teils Bundesgerichten, teils Landesgerichten anvertraut. Die Bundesgerichte sind in den Art. 92, 95, 96 GG erschöpfend aufgezählt. Damit gehört der 2. Halbsatz des Art. 92 GG vornehmlich, wenn nicht ausschließlich, in den Problemkreis der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung. Insofern steht diese Vorschrift in einer Reihe mit den Kompetenzverteilungsvorschriften der Art. 30, 70 und 83 GG2. Es besteht im ! Herausgegeben vom Bundesminister der Justiz; Februar 1978, Bundesanzeiger Verlags GmbH, Köln. 2 Maunz I Dürig I Herzog / Schotz, GG, Art. 92, Rdnr. 106.

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Johann Schmidt

Schrifttum und in der Praxis Einigkeit darüber, daß die Bundesgerichte die Ausnahme bilden und die Gerichtsbarkeit grundsätzlich Länderangelegenheit ist3 • Allerdings schweigt der Art. 92 Halbsatz 2 GG, wenn einmal von den Sonderfällen des Bundesverfassungsgerichts und des Art. 96 GG abgesehen wird, darüber, welche materiellen Zuständigkeiten einerseits die Bundesgerichte, andererseits die Landesgerichte haben. Er überläßt die Entscheidung dieser Frage dem einfachen Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner konkurrierenden Zuständigkeit gemäß Art. 74 Nr.1 GG; insofern weicht das Grundgesetz vom System der Zuständigkeitsverteilung in seinem VII. und VIII. Abschnitt ab. Schäfer4 hat dazu unter Hinweis auf die Antwort des Bundesministers des Innern5 auf eine Große Anfrage des Bundestagsabgeordneten Dr. Lenz, betreffend die Weiterentwicklung des föderalistischen Systems6, zutreffend ausgeführt, es würden der Sinngehalt des Art. 92 Halbsatz 2 GG und dessen Beziehung zu anderen Grundnormen des Grundgesetzes verkannt, wenn man aus dem oben Gesagten folgern wollte, daß dem einfachen Bundesgesetzgeber die Aufgabenverteilung freistehe. Einmal sei der Art. 92 GG vor dem Hintergrund der Zuständigkeitsvermutung des Art. 30 GG zu sehen7 , der seinerseits nur eine Konkretisierung des in Art. 20 Abs. 1 GG niedergelegten föderalistischen Prinzips sei. Zum anderen habe das Bundesverfassungsgericht wiederholt überzeugend dargetan, daß Art. 92 Halbsatz 2 GG das verfassungsmäßige Bild der Aufgabenverteilung, wie es im Kaiserreich und anschließend in der Weimarer Republik geprägt und nur durch die nationalsozialistischen Machthaber im Sinne des Einheitsstaats für kurze Zeit zerstört worden war, in sich aufgenommen hat8 • Auch UZe hat auf dem 44. Deutschen Juristentag in Hannover 1962 darauf hingewiesen9 , daß die obersten Bundesgerichte als Gerichte einer föderalistischen Ordnung stehen. Vielleicht beflügle die "unitarische Vorstellung zu dem Gedanken, daß das Revisionsgericht in Gestalt des Bundesgerichtshofs oder des Bundesverwaltungsgerichts gleichsam wie das oberste Gericht oder die obersten Gerichte eines Einheitsstaates erscheinen. Das sind sie aber keineswegs". Der Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung ist von eben dieser unitarischen - Herr Bettermann nannte sie gestern so schön "einheits3 Banner Kommentar zum GG, Art. 92 II 4 a; Maunz / Dürig / Herzog / Schatz a.a.O. Rdnr.107. 4 Die Entwicklung des föderativen Systems in der Rechtspflege der Bundesrepublik Deutschland, BayVBl. 1972, 113. 5 BTDrucks. V/4002. o BTDrucks. V/3099. 7 Vgl. auch Maunz / Dürig / Herzog / Schatz a.a.O, Art.30 Rdnr.1 und Fußnote 1 zur Rdnr. 2. 8 BVerfGE 8, 174 (177); 10, 285 (296). 9 s. E 110, Band II der Verhandlungen.

Der Entwurf aus der Sicht der Landesverwaltungsgerichtsbarkeiten

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stiftenden" - Vorstellung beherrscht und mißachtet das föderalistische Prinzip. Das möchte ich Ihnen an einigen Beispielen aufzeigen: 1. Beispiel: Der Entwurf geht zwar im Zusammenhang mit der Erörterung der Gliederung der Gerichtsbarkeit verbal davon aus, daß ein Obergericht schon deshalb notwendig sei, "weil sonst die Rechtseinheit innerhalb eines Landes nicht gewahrt wäre"10, doch trägt er im Gegensatz zur VwGO dieser Notwendigkeit gerade nicht Rechnung. So wird die Einrichtung des Großen Senats (§ 12 VwGO) entgegen den Vorstellungen des Speyerer Entwurfs (§ 14) ganz schlicht für entbehrlich gehalten mit der Begründungll : "Es besteht aber kein praktisches Bedürfnis für die Einführung von Großen Senaten bei den oberen Landesgerichten. Mit der Revision gegen die Entscheidung der oberen Landesgerichte kann eine einheitliche Rechtsprechung herbeigeführt werden. Die verbleibenden Fälle, in denen nur über Landesrecht entschieden worden ist, rechtfertigen die Institution des Großen Senats nicht. Das gilt im besonderen Maße für die Sozialgerichtsbarkeit, wo über Landesrecht nur selten zu entscheiden ist. Auch die Kommission für Gerichtsverfassungsrecht und Rechtspflegerrecht hat sich gegen die Errichtung Großer Senate bei den Oberlandesgerichten ausgesprochen."

Ich meine, diese Begründung offenbart eine erschreckende Fehlhaltung gegenüber der Bedeutung der Oberverwaltungsgerichte für die Länder. Ob das etwa allein darauf beruht, daß man aus der kühlen Ferne des Bundesministeriums der Justiz neben der Rechtsschutzfunktion der Oberverwaltungsgerichte deren spezifische landespolitische Bedeutung nicht zu erkennen vermag, oder ob es als bewußtes und gezieltes Ignorieren zu werten ist, möchte ich nicht untersuchen. Zunächst einmal, was besagt es denn, daß die Kommission für Gerichtsverfassungsrecht und Rechtspflegerrecht sich gegen Große Senate bei den Oberlandesgerichten ausgesprochen hat. Die Oberverwaltungsgerichte sind nun einmal keine Oberlandesgerichte. Von den Landessozialgerichten unterscheiden sie sich dadurch, daß jene einen zwar sehr gewichtigen, aber doch auch sehr engen Ausschnitt der öffentlichen Verwaltung beeinflussen, während die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte die rechtlichen Leitlinien für fast das gesamte staatliche und kommunale Leben in den Ländern zieht, indem sie die Judikatur der Verwaltungsgerichte - auch auf dem Gebiete des Bundesrechts. dort allerdings zunächst nur vorläufig - vereinheitlicht und die rechtsgrundsätzlichen Fragen des Landesrechts abschließend entscheidet. In den Ländern aber liegt das Schwergewicht des Öffentlichen in unserem Bundesstaat, und zwar nicht nur nach dem Sollen des 10 Allg. Begründung V 3 b, S. 101. 11

S.132.

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Grundgesetzes - Art. 30 GG bestimmt, daß die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder ist -, sondern ebenso in der politischen Wirklichkeit. Wer als Funktion der Verwaltungsrechtsprechung allein den Rechtsschutz des Bürgers gegen die öffentliche Gewalt sieht, der übersieht, daß eben diese durch das Rechtsschutzbegehren des einzelnen ausgelöste Rechtsschutzgewährung doch auch über den jeweiligen Streitfall zwischen Bürger und öffentlicher Gewalt hinaus, wenn auch insoweit nicht unmittelbar rechtlich verbindlich, das konkretisiert, was Gesetz und Recht entspricht. Die besondere paradigmatische Bedeutung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung hat ihren Grund darin, daß die durch Art. 20 Abs.3 GG in gleicher Weise wie die rechtsprechende Gewalt an Gesetz und Recht gebundene Exekutive diese Bindung im allgemeinen sehr ernst nimmt und deshalb ihr rechtliches Verhalten an den durch die Verwaltungsgerichte im Einzelfall erarbeiteten Erkenntnissen über das, was Gesetz und Recht erfordern, auszurichten bestrebt ist; wo nicht aus Überzeugung, da doch mit Rücksicht auf den Umstand, daß die Gerichte, vor allem die Oberverwaltungsgerichte, im Streitfall das letzte Wort haben. Dazu kommt, daß sehr weite Bereiche des staatlichen und kommunalen Lebens nach wie vor durch das Landesrecht bestimmt werden, so neben dem Landesstaatsrecht durch das Recht der Gemeinden, Gemeindeverbände und der kommunalen Zusammenarbeit, das auch die Daseinsvorsorge der örtlichen Gemeinschaften einschließt, durch das Kindergarten-, Schul- und Hochschulrecht, durch das Naturschutzrecht, das Landesplanungsrecht, das Straßen- und Wegerecht, das Wasserrecht, das Polizeirecht, das Bauordnungsrecht, um nur einige wichtige Rechtsgebiete zu nennen. In die Betrachtung einbeziehen muß man ferner die Tatsache, daß den Verwaltungsgerichten immer mehr Entscheidungen und Wertungen abverlangt werden, die eigentlich dem Gesetzgeber zukämen, daß also die Gerichte zu Quasi-Normgebern werden. Darüber ist so viel geredet und geschrieben worden, daß ich hier nichts zu wiederholen brauche. Bezeichnend ist der Titel "Gesetz oder Urteil", den die Deutsche Vereinigung für Parlamentsfragen jüngst einer Veranstaltung in Bonn gegeben hat, auf der der Frage nachgegangen wurde, ob die Verwaltungsgerichte zu viel Macht hätten, ob sie Politik machten, wenn ja ob sie es tun müßten und wer an einer solchen Verschiebung der Gewaltenteilungsbalance schuld sei 12 • In diesem Zusammenhang ist weiter von Bedeutung, was Herr Bettermann gestern herausgestellt hat, daß nämlich der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz zunehmend nicht mehr bloß kassatorischen, sondern reformatorischen Charakter hat. 12

Bericht von Friedrich Kart Fromme in der FAZ vom 25.2.1978 S.6.

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Und schließlich wächst gerade den Oberverwaltungsgerichten ein wachsender Einfluß auf das landespolitische Geschehen zu, wenn sie im Normenkontrollverfahren neben den klassischen Normen der generell-abstrakten Regelung nunmehr die in Normgestalt ergehenden Planungen von der Bauleitplanung bis zur Landesentwicklungs- und Raumplanung und besonders die als Normen erlassenen staatlichen Organisationsakte zu überprüfen haben. So sind in Bayern die Reform des Volksschulwesens (von der Zwergschule zur mehrzügigen Grundund Hauptschule) durch Rechtsverordnungen der Bezirksregierungen und die Landkreisreform - die Zahl der Landkreise wurde halbiert, die der kreisfreien Städte noch weit mehr verändert - durch Rechtsverordnung der Staatsregierung mit Zustimmung des Landtags schon vor einigen Jahren in vielen Normenkontrollverfahren durch den Verwaltungsgerichtshof überprüft worden. Und zur Zeit läuft die - nicht nur in Niedersachsen und Hessen hochpolitische - Gemeindegebietsreform, die wiederum im Wege der Rechtsverordnungen, teils der Staatsregierung, teils der Bezirksregierungen durchgeführt wurde und am 1. Mai dieses Jahres in Kraft tritt. Rund 140 Normenkontrollverfahren sind bisher anhängig gemacht und großenteils schon entschieden worden. Die neueste Reform ist die Sparkassenreform. Soweit sie nicht auf freiwilliger Basis zustande kommt, wird die Zwangsfusion im Wege der Bildung von Sparkassenzweckverbänden dadurch bewirkt, daß die Bezirksregierung die Zweckverbandssatzung erläßt. Gerade kurz vor Ostern wurden in den beiden Vorreiterfällen die betreffenden Satzungen im Normenkontrollverfahren für nichtig erklärt. Nimmt man all dies zusammen, so wird deutlich, daß die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte für die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben einschließlich des kommunalen Lebens in den Ländern von eminenter Bedeutung ist. Ihr wird der Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung nicht gerecht, wenn er unter Berufung auf ein bei den Oberlandesgerichten und bei den Landessozialgerichten nicht vorhandenes Bedürfnis nach der Wahrung der Einheit des Landesrechts ein solches auch für die Oberverwaltungsgerichte nicht anerkennt. Und daß bei kleineren Oberverwaltungsgerichten möglicherweise der Große Senat nicht angerufen wird, einfach weil nicht mehrere Senate für ein und dieselbe Rechtsfrage des Landesrechts zuständig sind, rechtfertigt den Entwurf ebensowenig wie der Umstand, daß auch bei großen Oberverwaltungsgerichten wie übrigens selbst beim Bundesverwaltungsgericht - in der Vergangenheit die Großen Senate nur selten tätig werden mußten. Es ist nichts Neues, daß allein der "horror pleni" die Neigung, abzuweichen, deutlich mindert. Entfiele dieser heilsame Zwang, so wäre die Gefahr nicht auszuschließen, daß etwa das Bauordnungsrecht, für das beim Bayer.

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Verwaltungsgerichtshof derzeit 4 Senate zuständig sind, sich in für Oberbayern und für Mittelfranken unterschiedliches Bauordnungsrecht auseinanderentwickeln könnte. 2. Beispiel: Der eben skizzierten Bedeutung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung für die Länder wird der Entwurf auch insofern nicht gerecht, als er zwar beim Bundesverwaltungsgericht zur Wahrung des öffentlichen Interesses die Bestellung eines Oberbundesanwalts vorsieht (§ 35), der in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, ausgenommen vor den Disziplinar- und den Wehrdienstsenaten, beitreten kann (§ 66 Abs.l), während die Institution eines Vertreters des öffentlichen Interesses bei den Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten nicht mehr zugelassen werden soll. Die Begründung13 führt dazu aus: "Ebenso wie in der Finanzgerichtsbarkeit und Sozialgerichtsbarkeit ... besteht ein Bedürfnis dafür, daß der Bundesregierung die Möglichkeit eröffnet wird, in Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht im öffentlichen Interesse zu Wort zu kommen, und daß dem Bundesverwaltungsgericht die Möglichkeit gegeben wird, auf einfache Weise Stellungnahmen und für die Entscheidung wesentliches Material, sogenanntes Hintergrundwissen, insbesondere aus der Entstehungsgeschichte oder der Verwaltungspraxis, zu erhalten. Der Oberbundesanwalt kann auch zur Wahrung des öffentlichen Interesses darauf hinweisen, welche Auswirkungen eine Entscheidung auf die Allgemeinheit hat. Der Oberbundesanwalt kann so die öffentlichen Interessen in geeigneter Weise zur Geltung bringen und als "Sprachrohr" und als "Hörrohr" der Bundesregierung fungieren. Wesentlich ist dabei, daß der Oberbundesanwalt seine unabhängige Stellung behält; er soll deswegen wie bisher nur an Weisungen der Bundesregierung, also nicht eines einzelnen Bundesministers, gebunden sein. Der Koordinierungsausschuß spricht sich nicht dafür aus, anstelle eines Beitritts des Oberbundesanwalts einen Beitritt des zuständigen Bundesministers vorzusehen, wie das für finanzgerichtliche und sozialgerichtliche Verfahren in § 66 Abs. 2, 3. vorgeschlagen ist. Der Oberbundesanwalt ist als unabhängiges Organ ausgestaltet und damit besonders gut geeignet, für die Wahrung der öffentlichen Interessen einzutreten. In Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht können anders als in Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und dem Bundessozialgericht sehr verschiedene Bundesminister betroffen sein. Der Oberbundesanwalt kann deswegen als zentrale Stelle die Stellungnahmen der jeweils zuständigen Bundesbehörden und Landesbehörden einholen und bei einander widersprechenden Stellungnahmen für einen Ausgleich sorgen. Würde ein Beitrittsrecht verschiedener Bundesressorts vorgesehen, wäre überdies nicht selten vom Zufall abhängig, ob der Beitrittsberechtigte 13

S. 164 ff.

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von dem Verfahren erfährt oder nicht. Es wäre auch nicht rationell, eine bereits bestehende Behörde, die gerichtsnäher ist als ein Ministerium, aufzulösen. Der Kostenaufwand würde bei einem Beitrittsrecht von Ministerien nicht wesentlich geringer sein." Ergänzend dazu ist zu bemerken, daß nach § 66 Abs. 2 des Entwurfs im Verfahren vor dem Bundesfinanzhof der Bundesminister der Finanzen beitreten kann, wenn das Verfahren eine auf Bundesrecht beruhende Abgabe betrifft oder wenn es sich um einen Rechtsstreit über Bundesrecht handelt. Handelt es sich um einen Rechtsstreit über Landesrecht, so steht dieses Recht der zuständigen obersten Landesbehörde zu. In Verfahren vor dem Bundessozialgericht, die Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung betreffen, kann der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung beitreten (§ 66 Abs. 3). Dazu sagt die Begründung u. a. 14 : "Der Bund ist in der Kriegsopferversorgung Kostenträger, die Gesetze werden von den Ländern ausgeführt. Entscheidungen in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung können erheblich über den Einzelfall hinausgehende finanzielle Auswirkungen haben. Eine Beteiligungsmöglichkeit des Bundes muß deswegen wie bisher gegeben sein ... Nach Auffassung des Ausschusses reicht es auch in diesen Fällen aus, wenn der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Gelegenheit erhält, dem besonderen Interesse der Bundesrepublik Deutschland in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung vor dem Bundessozialgericht Gehör zu verschaffen." Demgegenüber heißt es in der Begründung zum Problem eines Vertreters des öffentlichen Interesses bei den Ländergerichten lapidar 15 : "Eine Notwendigkeit dafür, in den Ländern Vertreter des öffentlichen Interesses bei den Verwaltungsgerichten und den Oberverwaltungsgerichten zu bestellen, ist nicht ersichtlich. Das ergibt sich schon daraus, daß von der Möglichkeit des § 36 VwGO nur 5 Länder Gebrauch gemacht haben, nämlich die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Die Vertreter des öffentlichen Interesses sind im übrigen sehr unterschiedlich organisiert und beteiligen sich zum Teil nur in wenigen Verfahren. Wenn dem Vertreter des öffentlichen Interesses nach § 36 Abs.l Satz 2 VwGO die Vertretung des Landes oder von Landesbehörden übertragen worden ist, erhält er zwei Funktionen, die kaum miteinander zu vereinbaren sind, weil er sowohl unabhängiger Vertreter des öffentlichen Interesses als auch weisungsgebundener Beteiligtenvertreter sein soll. Diese Doppelfunktion beizubehalten, ist nicht wünschenswert. Eine Einführung der Institution des Vertreters des öffentlichen Interesses in 14

S.201.

15

S. 165/166.

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der Sozialgerichtsbarkeit kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil in diesem Gerichtszweig kaum über Landesrecht zu entscheiden ist. Den Ländern bleibt es unbenommen, besondere Regelungen über die Vertretung des Landes und von Landesbehörden in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu treffen." Dazu meine ich: Wenn schon wegen der über den Einzelfall hinausgehenden finanziellen Auswirkungen einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs und des Bundessozialgerichts ein Beitrittsrecht der betreffenden Bundesminister erforderlich ist - die besonderen, außerhalb der VwGO geregelten und vom Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung nicht berührten, aber am verwaltungs gerichtlichen Verfahren weiterhin beteiligten besonderen Vertreter eines öffentlichen Interesses, wie der Vertreter der Interessen des Ausgleichsfonds nach § 316 LAG und die vom Bundesminister der Finanzen zu bestellenden sonstigen Vertreter des Bundesinteresses seien in diesem Zusammenhang doch auch erwähnt -, dann muß dies erst recht gelten hinsichtlich der über den Einzelfall hinausreichenden allgemeinen rechtlichen und politischen (das sind je nach Fallgestaltung allgemein-staatspolitische, kommunalpolitische, sozialpolitische, wirtschaftspolitische, bildungspolitische usw.) Auswirkungen der verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen. Nicht umsonst hat man beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg den Generalanwalt eingeführt. Der Entwurf erkennt diese Notwendigkeit insoweit mit zutreffender Begründung auch an, jedoch nur für den Bund. Das aber kann nach dem vorhin zur Bedeutung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere auf dem Gebiet des Landesrechts, Gesagten nicht ausreichen 16 • In seinem Vorlagebeschluß vom 25. März 1965 (BVerwG VIII C 201.63) an den Großen Senat hat der VIII. Senat des Bundesverwaltungsgerichts dargelegt: "Gerade weil aber die Länder der Bundesrepublik nicht Verwaltungseinheiten, sondern Gliedstaaten der Bundesrepublik Deutschland sind, darf das für den Bereich eines Landes bestehende öffentliche Interesse nicht als bloßes Interesse der Verwaltung verstanden werden. Öffentliches Interesse im Sinne des § 36 VwGO ist das Interesse der jeweiligen staatlichen Gemeinschaft daran, daß das Recht sich durchsetzt und das Gemeinwohl keinen Schaden leidet." Die in diesem Beschluß weiter vertretene Ansicht, daß gleiche Sachverhalte in den verschiedenen Ländern und im Bund unter dem Gesichtspunkt des durch die konkreten rechtlichen und politischen Verhältnisse geformten jeweiligen öffentlichen Interesses verschieden bewertet werden können und daß es sich ähnlich bezüglich des öffentlichen Interesses eines Landes zu dem des Bundes verhält, hat der Große Senat des Bundesverwaltungsgerichts in dem 16 Vgl. auch Meyer-Hentschel, Der Vertreter des öffentlichen Interesses, Band 45 der Schriftenreihe der Hochschule Speyer, S. 1031123.

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auf diesen Vorlagebeschluß hin ergangenen Beschluß vom 24.10.1976 17 ausdrücklich übernommen und hat gerade darauf die in unserem Zusammenhang so wichtige Aussage gegründet: "Die Ansicht, daß zur Unterstützung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Rechtsfindung ausschließlich der Oberbundesanwalt berufen sei, wird aber auch der Lebenswirklichkeit nicht gerecht." Ich glaube, mehr braucht nicht gesagt zu werden, um der unitarischen Meinung entgegenzutreten, die sich besonders noch in dem Satz der Begründung zu dem Entwurf 18 äußert: "Der Oberbundesanwalt kann als zentrale Stelle die Stellungnahmen der jeweils zuständigen Bundesbehörden und Landesbehörden einholen und bei einander widersprechenden Stellungnahmen für einen Ausgleich sorgen." Wie sollte denn übrigens ein solcher Ausgleich bei Meinungsverschiedenheiten mit Landesbehörden aussehen angesichts der Bindung des Oberbundesanwalts an die Weisungen der Bundesregierung. Eine richtige, unserem föderativen Staatsaufbau entsprechende Bewertung der Landesverwaltungsgerichtsbarlreiten erfordert es also, daß die Institution eines Vertreters des öffentlichen Interesses wie bisher auch bei den Verwaltungsgerichten und den Oberverwaltungsgerichten zugelassen werden muß und daß dem Vertreter des öffentlichen Interesses ferner ein Beitrittsrecht auch in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeräumt werden muß, zuallermindest insoweit, als es sich um re visibles Landesrecht (etwa Beamtenrecht nach § 127 Nr. 2 BRRG oder um Verwaltungsverfahrensrecht nach § 137 Abs. 1 Nr.2 VwGO) oder um die Frage handelt, ob die Auslegung und Anwendung von Landesrecht mit dem Bundesrecht vereinbar ist. Daß einige Länder von der Möglichkeit des § 36 VwGO bisher keinen Gebrauch gemacht haben, ist kein methodisch zulässiges Argument. Abgesehen davon haben immerhin 5 Länder, darunter die größten, es für notwendig gehalten, einen VÖI zu bestellen. Daß die 3 Stadtstaaten davon abgesehen haben, ist ohne weiteres einsehbar, weil bei ihnen das in den Flächenstaaten besonders dadurch ausgelöste Bedürfnis fehlt, daß dort die Kommunen in großem Umfang Angelegenheiten des Staates im übertragenen Wirkungskreis erledigen. Das Saarland kann angesichts seiner geringen Größe in diesem Zusammenhang ebenfalls außer Betracht bleiben. Wenn also lediglich Hessen und Niedersachsen einen VÖI bisher nicht für erforderlich gehalten haben, so kann der Bundesgesetzgeber daraus keinesfalls den Schluß ziehen, eine Notwendigkeit für die Bestellung eines VÖI bei den Länderverwaltungsgerichten bestehe schlechthin nicht. Im übrigen ist auch, das sei nur nebenbei bemerkt, die Argumentation in der vorher zitierten Begründung des Entwurfs hinsichtlich der von den Entwurfsverfassern 17 18

BVerwGE 25, 170 (175). S. 164/165.

12 Speyer 75

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abgelehnten Doppelfunktion des VÖI falsch, jedenfalls soweit Bayern betroffen ist. Der bayerische VÖI ist auch als Vertreter des beklagten Staates (§ 36 Abs. 1 Satz 2 VwGO) nicht weisungsgebundener Beteiligtenvertreter, wie behauptet wird. Nach § 5 Abs.5 der Verordnung über den Vertreter des öffentlichen Interesses bei den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit19 nimmt die Landesanwaltschaft als Vertreter des Staates ihre Aufgaben im Benehmen, nicht im Einvernehmen (!) mit den beteiligten Behörden wahr. Sie hat zwar grundsätzlich den ihr im Einzelfall von den beteiligten Behörden gegebenen Instruktionen, das ist etwas ganz anderes als Weisungen (!), zu entsprechen. Lassen sich Meinungsverschiedenheiten durch Verhandlungen nicht ausgleichen, so berichtet die Behörde auf dem Dienstweg dem zuständigen Staatsministerium, die Landesanwaltschaft der Landesanwaltschaft Bayern. Lassen sich Meinungsverschiedenheiten zwischen Staatsministerium und Landesanwaltschaft Bayern nicht ausgleichen, so entscheidet die Staatsregierung. Die Weisungsgebundenheit unterscheidet sich demnach nicht von derjenigen des Oberbundesanwalts. 3. Beispiel: § 42 des Entwurfs räumt gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts im abstrakten Normenkontrollverfahren die Revision ein. Die Begründung sagt dazu 20 : "Eine Revision kann besser und einfacher als das Vorlageverfahren nach § 47 Abs. 5 VwGO die Einheitlichkeit der Rechtsprechung und die bundeseinheitliche Fortbildung des Rechts durch das Revisionsgericht sichern." Das ist eine bloße Behauptung, denn mit dem noch sehr jungen Institut der Vorlage nach § 47 Abs. 5 VwGO konnten noch keine Erfahrungen gesammelt werden. Daß das System der Vorlegungspflicht zur Wahrung der Einheit der Rechtsanwendung, das sich auch in § 121 Abs.2 GVG für die Oberlandesgerichte in Strafsachen sowie in § 79 Abs. 2 GBO und § 28 Abs. 2 FGG findet, etwa ein untaugliches Instrumentarium wäre, ist für diese sehr wichtigen und großen Bereiche, soweit ich sehe, nie ernsthaft behauptet worden. Abgesehen davon aber ist es m. E. unter dem Gesichtspunkt des Föderalismus nicht angängig und verstößt gegen die Kompetenzverteilungsvorschrift des Art. 92 Halbsatz 2 GG, daß dem Bundesverwaltungsgericht im abstrakten Normenkontrollverfahren die Sachentscheidung, nämlich der allgemein verbindliche Ausspruch der Nichtigkeit einer landesrechtlichen Rechtsnorm, übertragen wird. Wenn das Verfahren der abstrakten Normenkontrolle auch kontradiktorisch ausgestaltet ist, so handelt es sich bei der Entscheidung doch dem Wesen nach um negative Rechtsetzung. Streitgegenstand ist nicht die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit behördlichen HandeIns oder Unterlassens, sondern ausschließlich die Gültigkeit objektiven Landesrechts. 18 20

v. 5. 11. 1975, GVBl. S.352. S.175.

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Damit kein Mißverständnis entsteht: Unter dem Gesichtspunkt des Art. 92 Halbsatz 2 GG bestehen sicher keine Einwendungen dagegen, daß die Oberverwaltungsgerichte gehalten sind, hinsichtlich bundesrechtlicher Vorfragen, etwa der Gültigkeit oder Auslegung von höherrangigem Bundesrecht, an welchem die angegriffene landesrechtliche Vorschrift zu messen ist, im Interesse der Einheit und Fortbildung des Bundesrechts im Wege der Vorlage eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über diese Vorfrage herbeizuführen. Eine andere Frage, der ich hier mit Rücksicht auf ihre Komplexität nicht nachgehen kann, ist es wohl, ob der Bundesgesetzgeber überhaupt befugt ist, die abstrakte Normenkontrolle hinsichtlich sämtlicher landesrechtlicher untergesetzlicher Rechtsvorschriften unmittelbar einzuführen. 4. Beispiel: Für ganz eindeutig gegen den Art. 92 Halbsatz 2 GG verstoßend halte ich es auch, daß es nach § 3 des Entwurfs dem Landesgesetzgeber verwehrt sein soll, auswärtige Spruchkörper eines Gerichts anzuordnen. Die Begründung zum Entwurf21 führt dazu nach der Benennung der derzeit bestehenden auswärtigen Spruchkörper der Verwaltungsgerichte Hannover, Oldenburg, Koblenz und Neustadt aus: "Wenn ein Bedürfnis dafür besteht, Spruchkörper in diesen Fällen oder sonst an anderen Orten Recht sprechen zu lassen, können sie als Gerichte verselbständigt werden." Wenn, wie die Begründung meint, auswärtige Spruchkörper gewisse Schwierigkeiten im Bereich der Organisation und auch der Dienstaufsicht mit sich bringen können, so mag der Inhaber der Organisationsgewalt damit fertig werden. Eine solche Möglichkeit von Schwierigkeiten rechtfertigt aber nicht einen derart eklatanten Eingriff in die Organisationsgewalt der Länder. 5. Beispiel: Auf derselben Linie des den Entwurf beherrschenden unitarischen, "einheitsstiftenden" Wollens liegt es, daß selbst der alt ehrwürdige Name "Verwaltungsgerichtshof" verschwinden soll. Hierin vermag ich beim besten Willen nichts anderes als öde Gleichmacherei zu sehen. Denn die Begründung22 , es sollte "im Interesse der übersichtlichkeit für den rechtsuchenden Bürger sichergestellt sein, daß nicht auch innerhalb eines Gerichtszweiges unterschiedliche Gerichtsbezeichnungen möglich sind", kann man wohl kaum ganz ernst nehmen. Welcher rechtsuchende Bürger, abgesehen von den Studienplatzbewerbern, die derzeit bei allen Verwaltungsgerichten mit medizinischen Fakultäten im Gerichtsbezirk gleichzeitig Anträge stellen, muß denn schon beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim und beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg Verfahren anstrengen und wird dabei durch die 21 22

12'

S.118. S.116.

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Namensverschiedenheit verwirrt. Wenn er schon Gerichte mehrerer Länder anrufen muß, so sind dem jeweils Verwaltungsverfahren vorangegangen, in deren Verlauf er ohnedies schon hier mit dem Landrat, dort mit dem Oberkreisdirektor, hier mit dem ersten Bürgermeister, dort mit dem Oberstadtdirektor zu tun hatte. Allenfalls könnten die Bürger der süddeutschen Länder verunsichert sein, die "ihren" Verwaltungsgerichtshof aus eigenem Erleben, aus der Zeitung oder dem Rundfunk kennen und nun plötzlich einem unbekannten Oberverwaltungsgericht begegnen. Die VwGO hatte in § 9 Abs. 3 eine generöse Regelung getroffen und der Landesgesetzgebung einen Spielraum für die Besetzung der Senate des Oberverwaltungsgerichts gelassen. § 8 des Entwurfs sieht abschließend und einheitlich die Besetzung mit 3 Berufsrichtern und 2 ehrenamtlichen Richtern vor. Hierzu ist in der Begründung angegeben 23 , daß im Interesse der Einheitlichkeit des Rechtsschutzes die Besetzung der Senate durch Bundesgesetz bestimmt werden und den Ländern ein Ermessensspielraum nicht mehr eingeräumt werden solle. Diese Begründung läßt sich sicher hören, es muß aber doch gefragt werden, ob die Einheitlichkeit des Rechtsschutzes es wirklich erfordert, daß alle Oberverwaltungsgerichte gleich besetzt sind, oder ob es nicht doch genügt, wenn der Bundesgesetzgeber Regelanforderungen stellt, es aber dem Landesgesetzgeber überläßt, darüber hinaus zu gehen, sofern er dies mit Rücksicht auf seine Einschätzung der Bedeutung der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit für das eigene Land für besser hält. Das wäre insbesondere für die Besetzung der Senate im abstrakten Normenkontrollverfahren von Bedeutung. Für diese Verfahren der negativen Normsetzung sind auch heute noch die oberverwaltungsgerichtlichen Senate mehrerer Länder mit 5 Berufsrichtern besetzt. Meine Damen und Herren, ich hoffe, meine Darlegungen haben aufzeigen können, daß der Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung, soweit er die Landesverwaltungsgerichtsbarkeiten zum Gegenstand hat, von einer unguten, zum Teil mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarenden unitarischen Tendenz beherrscht wird. Gestatten Sie mir nun, noch einige wenige Bemerkungen zu machen, die eigentlich außerhalb des mir gestellten Themas liegen, weil sie die Verwaltungsgerichtsbarkeit als solche, nicht speziell die Landesverwaltungsgerichtsbarkeiten angehen. Angesichts dessen allerdings, daß die Konferenz der Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts und der Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungs gerichtshöfe sich Ende April und zur gleichen Zeit auch der Vorstand des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter sich mit dem Entwurf beschäftigen und - hoffentlich - im wesentlichen über23

S.109.

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einstimmende Auffassungen zu den vielen vom Entwurf aufgeworfenen rechtspolitischen Fragen erarbeiten werden, möchte ich hier nicht vorgreifen. Meine persönliche Meinung zu 3 Punkten möchte ich aber dennoch nicht verschweigen: 1. Bereits vor 8 Jahren habe ich von dieser Stelle aus 24 den Vorschlag gemacht, die in der überlangen Verfahrensdauer sich äußernde Funktionsschwäche der Verwaltungs gerichtsbarkeit dadurch zu beheben, daß die Oberverwaltungsgerichte als Revisionsinstanz ausgestaltet werden und das Bundesverwaltungsgericht als Vorlagegericht zu fungieren habe. Seither hat sich die Überlastung der Verwaltungsgerichte nur vergrößert25 , andererseits haben die Verwaltungsverfahrensgesetze günstigere Voraussetzungen für den Verzicht auf eine Tatsacheninstanz geschaffen. Soll ein zeitgerechter und damit effektiver Rechtsschutz gewährleistet und gleichzeitig die Qualität der Rechtsprechung, vor allem der Oberverwaltungsgerichte, zumindest gehalten, wenn möglich aber verbessert werden, so ist es nötiger denn je, eine Strukturänderung ins Auge zu fassen. Mit dieser Auffassung stehe ich nicht allein. Gründlicher Überlegung bedarf allerdings das Wie. Eine solche Strukturänderung könnte dahin gehen, daß auf eine zweite gerichtliche Tatsacheninstanz verzichtet wird und daß der Rechtsschutz für bestimmte Sachgebiete vom Verwaltungsgericht unmittelbar zum Bundesverwaltungsgericht, für andere wiederum vom Verwaltungsgericht zum Oberverwaltungsgericht als Revisionsgericht mit der Maßgabe, daß das Bundesverwaltungsgericht Vorlagegericht ist, und schließlich für wieder andere Sachgebiete vom Oberverwaltungsgericht als erster (Tatsachen-) Instanz zum Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht geht.

Ich meine, daß die Verwaltungsgerichtsbarkeit nach dem Zusammenbruch der Diktatur ihren - wir sollten rückschauend sagen, den für diese Zeit richtigen - Standort gefunden hat. Jetzt aber ist sie, allein die vielen Bemerkungen am gestrigen Vormittag, etwa zur Interessentenklage, zur Organklage, zur reformatorischen Entscheidung, zur begleitenden Verfahrenskontrolle, zur Planungskontrolle, zu den Massenverfahren zeigen dies, jetzt aber ist sie wieder auf dem Wege. Ehe die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht ihren neuen Standort gefunden und 24 Anläßlich der 38. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung 1970, vgl. Bd.45 der Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Zehn Jahre Verwaltungsgerichtsordnung - Bewährung und Reform, S. 95. 25 Die Zahl der Eingänge bei den bayerischen Verwaltungsgerichten 1. Instanz hat sich von 7716 im Jahre 1970 auf 26095 im Jahr 1977 erhöht. im gleichen Zeitraum wuchs die Zahl der Restanten, d. h. der unerledigten Fälle, am Ende des Jahres 1970 von 4973 auf 23625 am 31. 12. 1977. Beim Bayer. Verwaltungsgerichtshof war es ähnlich. 1970 waren 1784 Eingänge zu verzeichnen, 1977 dagegen 4746. Am 31. 12. 1970 waren 2536 Fälle unerledigt, am 31. 12. 1977 waren es 5237.

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eine ihren neuen spezifischen Bedürfnissen entsprechende Struktur gewonnen hat, erscheint es mir gefährlich, sie zusammen mit ihr gegenüber vergleichsweise statischen Gerichtsbarkeiten in eine gemeinsame Verwaltungsprozeßordnung einzubinden und damit Entwicklungsmöglichkeiten zu versperren oder doch wesentlich zu erschweren. Das soll nicht besagen, daß ich eine Vereinheitlichung von Instituten des Verfahrensrechts nicht auf das Wärmste begrüßen würde. Nur sollte der Gesetzgeber das, was heute vereinheitlicht werden kann, heute in den jeweiligen Verfahrensordnungen einheitlich regeln und das, was noch nicht reif ist, erst reifen lassen. 2. Zwar sieht der Entwurf grundsätzlich die Kollegialbesetzung der Richterbank mit Berufsrichtern vor, zu denen die ehrenamtlichen Richter treten. Er begründet dies auch zutreffend. Ungeachtet all dieser Gründe soll es aber nach § 5 des Entwurfs doch möglich sein, entsprechend § 348 ZPO ,neuer Fassung den Rechtsstreit durch einstimmigen Kammerbeschluß einem Richter zur Entscheidung zu übertragen. Diese Lösung möchte ich in übereinstimmung mit allen Oberverwaltungsgerichts- und Verwaltungsgerichtshofspräsidenten strikt ablehnen. Was ich zum Problem Kollegial- oder Einzelrichter zu sagen hatte, habe ich schon vor B Jahren von diesem Pult aus in einem speziell diesem Thema gewidmeten Referat gesagt26 • Ich will mich nicht selbst zitieren, aber doch wenigsten feststellen, daß sich kein Anlaß gefunden hat, meine Meinung zu revidieren. Das Problem der Bagatellfälle läßt sich besser und angemessener durch den Gerichtsbescheid lösen, wie ihn das Entlastungsgesetz bringen wird 21• 3. Hinsichtlich der Besetzung der Oberverwaltungsgerichte mit ehrenamtlichen Richtern sind die Auffassungen unter den Präsidenten der OberverwaltungsgerichtelVerwaltungsgerichtshöfe geteilt. Ich möchte mich mit Nachdruck dagegen aussprechen, kann aber aus Zeitgründen nur wenige - vielleicht provozierende - Stichworte geben. Dabei will ich nicht von dem organisatorischen und finanziellen Aufwand in Flächenstaaten, von der Verfahrensverzögerung reden und auch sonst nicht die fast unzähligen Argumente pro und contra abwägen. Bei der Sozialgerichtsbarkeit und wohl auch für die Personalvertretungsfachsenate werden die ehrenamtlichen Richter nach dem Interessengruppenprinzip bestellt, bei den Handelsgerichten, den Flurbereinigungsgerichten und, wie Herr J essen uns gestern sagte, wohl auch bei den Finanzgerichten, nach dem Sachverstandsprinzip, bei der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit nach dem Jedermannsprinzip. Unser kontinental-euroWie Fußnote 24; Die Besetzung der Richterbank, S. 85 ff. Siehe § 1 des inzwischen ergangenen Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit v. 3l. 3.1978 (BGBl. I 26

21

S.446).

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päischer Rechtsbereich ist durch systematische Kodifikation gekennzeichnet, deren allmählich für den Bürger - das ist Jedermann schlechthin nicht mehr übersehbare Fülle und Kompliziertheit ein Fernsehkommentator - ich glaube, es war Gerd Jauch - am Neujahrstag mit den Worten glossiert hat: "Hallo, wie geht es Ihrem Rechtsanwalt?" Ein guter Jurist kann dank intensiver und langjähriger Ausbildung und Vorbildung in die Materie eindringen. Kann das auch Jedermann? Zudem haben die Berufsrichter nicht nur den Vor- und Ausbildungsvorsprung, sondern außerdem noch den Informationsvorsprung, sie kennen die Akten, die Voten, haben die Literatur zur Verfügung. Und doch muß Jedermann als ehrenamtlicher Richter sein Amt mit gleichen Rechten und Pflichten ausüben wie der Richter. Und nun beginnt die allseitige große Selbsttäuschung: Der ehrenamtliche Richter täuscht sich selbst, das verlangt seine Selbstachtung. Er muß sich - wohl oder übel - auf die Berufsrichter "verlassen", beruhigt sein Gewissen vielleicht durch einige - objektiv willkürliche - Zwischenfragen und glaubt dann subjektiv daran, er habe seine richterlichen Aufgaben richtig erfüllt. Daß diese sich aber doch wohl nicht im Mitsitzen in der mündlichen Verhandlung und im Ja- oder Nein-Sagen erschöpfen dürfen, sondern - gleiches Stimmrecht - im echten Mitentscheiden bestehen müssen, darüber kann doch kein Zweifel bestehen. Und die Berufsrichter sind kaum in einer besseren Lage. Sie täuschen sich vor, die ehrenamtlichen Richter trügen die Entscheidung mit, nur weil sie diesen plausibel erscheint oder weil diese jedenfalls sagen, sie sei ihnen plausibel (gemacht worden). Ich meine, es sei höchste Zeit, daß der Gesetzgeber aus dieser fehlenden und auch nicht herstellbaren Übereinstimmung von Anspruch und Wirklichkeit die Konsequenzen zieht, zumal das politische Anliegen und die sozialen Gegebenheiten, die zur Beiziehung von Laienrichtern in der Verwaltungsgerichtsbarkeit geführt haben, nicht mehr bestehen.

Aussprache zu den Referaten von Horst Sendler und Johann Schmidt Bericht von Klaus Frey Prof. Dr. Dr. König, Speyer, regte als Diskussionsleiter eine Strukturierung der Aussprache nach drei Themenschwerpunkten an. Unter I. sollten in erster Linie Fragen zum Thema Prozeßrecht und materielles Recht im Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung behandelt werden. Unter H. solle in der Diskussion schwerpunktmäßig auf die Sicht der Landesverwaltungsgerichtsbarkeiten zum Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung eingegangen werden und schließlich sollte im Hinblick auf den bevorstehenden Abschluß der Tagung unter HI. noch Gelegenheit zu themenübergreifenden Stellungnahmen geboten werden. I. Rechtsanwalt Prof. Dr. UZe, Heidelberg, erinnerte an die vielfältigen Wandlungen im materiellen Verwaltungsrecht, von denen er das Problem der Organstreitigkeiten in öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die gerichtliche Behandlung von Ermessen und unbestimmtem Rechtsbegriff, die ungeschriebenen Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts und die für die Revision bedeutsame Entscheidung über das Vorliegen von Bundesrecht gerade im Falle von Verwaltungsvorschriften mit unmittelbarer Außen wirkung nur beispielhaft hervorhob und hieran die als Anregung zu verstehende Frage anschloß, ob aus alledem für das Verwaltungsprozeßrecht schon die erforderlichen Konsequenzen gezogen seien. Der Präsident des Finanzgerichts Kassel, Dr. Kraft, sprach das Problem des Prozeßvergleichs vor den Finanzgerichten an und trat der verbreiteten Auffassung entgegen, die Finanzgerichte hätten nur über Anfechtungsklagen zu entscheiden. Auch der Finanzgerichtsprozeß kenne Fälle, wo das materielle Recht den Beteiligten Dispositionsmöglichkeiten einräume und hier müßte die zu einer vergleichsweisen Streitbeilegung in der FGO bestehende Regelungslücke durch analoge Anwendung der ZPO zu schließen sein. Zu der bereits am Vortage zur Sprache gekommenen Gestaltungsmöglichkeit des Finanzgerichtspräsidenten bezüglich der Besetzung der Richterbank mit ehrenamtlichen Richtern vertrat Dr. Kraft die Auffassung, daß dies keineswegs zur Folge haben werde, daß künftig nur mit voller steuerlicher Sachkunde ausgestattete ehrenamtliche Richter bei den Finanzgerichten tätig werden. Die nach wie vor bedeutsame Funktion des Verwaltungsakts für das verwaltungsprozessuale Klagensystem und für das materielle Verwaltungsrecht betonte Prof. Dr. Erichsen, Bo-

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Chum, der deshalb begrüßte, daß der Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung Anfechtungs- und VerpfiiChtungsklage als gesonderte Klagetypen vorsehe. Die in der Bewertung der Funktion des Verwaltungsaktes noCh weitgehend übereinstimmende Beurteilung von Verwaltungsverfahrensgesetz und dem Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung setze sich bedauerliCherweise bei den Verwaltungsrealakten niCht fort, an die im Verwaltungsverfahrensgesetz niCht gedaCht sei und deren Problematik die Prozeßordnung im Rahmen der Leistungsklage gleichsam zur Korrektur von "Flurschäden" klären müsse. Die zur Ermessensüberprüfung in den Entwurf aufgenommene VorsChrift des § 139 empfiehlt Prof. Erichsen zu streichen, da ihr ein sinnvoller Aussage gehalt im Gesamtgefüge des Gesetzes nicht zukomme. Die fehlende Aufnahme einer der Folgenbeseitigungsregelung in § 113 Abs.1 S.2 VwGO entspreChenden VorsChrift kritisierte Prof. Dr. Bettermann, Hamburg. Die hierfür gegebene Begründung überzeuge niCht, denn die den Folgenbeseitigungsanspruch in der VwGO betreffende Regelung sei niCht nur eine Vorschrift des materiellen Rechts, sondern auch des Prozeßrechtes, indem sie in Form der Stufenklage gestatte, den noch nicht existenten Folgenbeseitigungsanspruch mit dem Aufhebungsanspruch geltend zu machen. Eine solche Möglichkeit müsse gesetzlich eröffnet werden, weil sonst die Folgenbeseitigungsklage, solange das Kassationsurteil noch nicht rechtskräftig sei, nicht erhoben werden könne. Bei der den Prozeßvergleich betreffenden Vorschrift des § 125 des Entwurfs sei zu beklagen, daß sie die Doppelnatur dieses Rechtsinstituts als Prozeßhandlung und materiell-rechtlichen Vertrag nicht genügend berücksichtige. Besser komme dies in § 55 Verwaltungsverfahrensgesetz zum Ausdruck, der in typischer Weise auf den Prozeßvergleich bei gebundenen Verwaltungsakten und gebundenen Verwaltungsleistungen zugeschnitten sei. Hieraus ergebe sich auch die Unrichtigkeit der Behauptung, daß im Finanzprozeß für den Prozeßvergleich kein Raum sei. Zwar dürfe die Behörde über den staatlichen Steueranspruch nur bei Vorliegen der Erlaßvoraussetzungen verfügen, dies bedeute aber nicht, daß eine vernünftige Regelung der Beteiligten über das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des Steueranspruchs und auch über eventuelle rechtliche Zweifel an der Auslegung des Gesetzes ausgeschlossen sei. Wenn es richtig sei, daß 95 0 10 aller Betriebsprüfungen mit einer Vergleichsvereinbarung abgeschlossen würden, dann dürfe der Weg für diese für die Praxis bedeutsame Möglichkeit im Prozeß nicht verbaut werden. ' In seiner Entgegnung zu den Stellungnahmen der Herren UIe, Kraft, Erichsen und Bettermann ging der Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts, Prof. Dr. SendIer, zunächst auf die Wandlungen des materiellen Verwaltungsrechts und ihre prozessualen Folgen ein. Hier-

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zu vertrat er die Auffassung, daß es richtig sei, wenn sich der Entwurf nicht aller durch Wandlungen im materiellen Recht hervorgerufenen Fragestellungen annehme. Keine Rechtsprechung könne ohne Vertrauen und eine gewisse Flexibilität auch zu richterlicher Rechtsfortbildung auskommen und die Gefahr, den Entwurf mit materiell-rechtlich bedingten Sonderproblemen zu überfrachten, sei nicht von der Hand zu weisen. Aufs Ganze gesehen habe gerade die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts diese Schwierigkeiten durch im wesentlichen sachgerechte Lösungen gemeistert. In der Problematik des Prozeßvergleichs befinde er sich in übereinstimmung mit den Herren Kraft und Bettermann. § 125 des Entwurfs, der sich stark an die Formulierung des geltenden § 106 VwGO anlehne, solle Vergleiche in Steuersachen nicht unterbinden; diese Ansicht gründe sich auf eine seit langem feststehende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu kommunalen Steuerstreitigkeiten, die vergleichsweise Streitbeilegungen niemals in Zweifel gezogen habe. Seine im Referat gebrauchte Formulierung von der lehrbuchartigen Fassung des § 73 des Entwurfs dürfe nicht als eine Geringschätzung der Bedeutung von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage mißverstanden werden. Damit habe er lediglich betonen wollen, daß es daneben für eine Vielzahl von Formen des Verwaltungshandelns die Leistungsklage gebe. Dem Vorschlag von Herrn Erichsen auf Streichung des § 139 des Entwurfs könne er sich anschließen, da er diese Vorschrift für überflüssig halte, doch sei dies für ihn kein Problem von ausschlaggebender Bedeutung. Der Kritik von Herrn Bettermann hinsichtlich der Nichtübernahme einer dem § 113 Abs.1 S.2 VwGO entsprechenden Vorschrift könne er sich aber nicht anschließen. Diese Vorschrift habe im geltenden Prozeßrecht in ihrem Verhältnis zu § 113 Abs.3 VwGO zu Mißverständnissen Anlaß gegeben. Da aber § 113 Abs. 3 richtig verstanden das gleiche bedeute wie § 113 Abs.1 S.2 und der Entwurf in § 137 Abs.4 eine dem § 113 Abs.3 entsprechende Vorschrift enthalte, sei die vorgeschlagene Regelung vorzugswürdig, da sie Mißverständnisse vermeiden helfe. 11. Prof. ute stellte in einer Reihe von Punkten übereinstimmung mit dem Referat des Präsidenten des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, Dr. Johann Schmidt, fest, ohne allerdings dessen grundsätzliche, aus föderalistischer Sicht erwachsene kritische Haltung gegenüber dem Entwurf zu teilen. So sei auch für ihn nicht ersichtlich, warum es bei den Oberverwaltungsgerichten keinen gemeinsamen Senat geben solle, ebensowenig wie ihm die Gründe für die Abschaffung der auswärtigen Kammern einleuchten. Bei der Nachprüfung von unter dem Landesgesetz stehendem Landesrecht im Rahmen der Normenkontrolle am Maßstab des Bundesrechts empfehle auch er ein behutsameres Vorgehen. Bezüglich der Problematik des dreigliedrigen Instanzenzuges

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stelle sich seit langem die Frage, ob diese justizstaatliche Regelung wirklich das Optimum an Rechtsstaatlichkeit verkörpere. Für weniger überzeugend, wenn auch für schlüssig, hielt Prof. UZe die Meinung von Präs. Schmidt zur Frage des Vertreters des öffentlichen Interesses. Für diese Einrichtung bestehe weder im Bund noch in den Ländern ein echtes Bedürfnis, so daß auch aus diesem Grund eine unterschiedliche Behandlung von Bund und Ländern im Entwurf nicht vertretbar sei. Ministerialdirigent Dr. Kölble, Bonn, warnte davor, gegenüber dem Entwurf gleich den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit zu erheben. Ein solcher Vorwurf laufe letztlich auf die Abschätzung eines verfassungsgerichtlichen Risikos hinaus und dieses sei bei der Weite der verfassungsrechtlichen Hermeneutik kaum genauer zu bestimmen als der Zeitpunkt, in dem die Eigenstaatlichkeit eines Landes in einen Verwaltungsföderalismus umzuschlagen drohe, ein Argument, das übrigens in ähnlichen Zusammenhängen immer wieder strapaziert werde. Verfassungspolitisch komme jedoch den vorgebrachten Bedenken erhebliches Gewicht zu. Während in der Gesetzgebung eine permanente Gewichtsverlagerung von den Ländern auf den Bund zu verzeichnen sei, lasse sich im Bereich der Verwaltung eine umgekehrte Entwicklung feststellen. Man stehe vor einer Entwicklung zum Verwaltungsföderalismus und dort, nicht im Bereich der Gesetzgebung, habe der Föderalismus seine Überlebenschance zu suchen. Der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Münster, Dr. Bischoff, griff einen Gesichtspunkt auf, von dem er meinte, daß hier eine bundeseinheitliche Regelung weniger aus funktionellen als aus politischen Gründen unterbleiben sollte: Die Besetzung der Oberverwaltungsgerichte mit ehrenamtlichen Richtern. In Nordrhein-Westfalen habe sich diese Einrichtung bewährt und es sei keineswegs so, daß es sich bei den ehrenamtlichen Verwaltungsrichtern um "Jedermänner" handele, denn dies werde schon durch das Auswahlverfahren verhindert. Die nach dem Gesetz mit der Aufstellung der Vorschlagsliste betrauten Kreise und kreisfreien Städte ließen sich von den Fraktionen Bewerber mit überdurchschnittlichem politischem Gespür namhaft machen und reichten dann die Liste an den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts weiter. Der nun in Funktion tretende Wahlausschuß stehe angesichts dieser Vorauswahl vor der Schwierigkeit, seine Entscheidung in Unkenntnis des politischen Hintergrundes des Vorgeschlagenen treffen zu müssen. Das habe dazu geführt, daß der Wahlausschuß schon vor Jahren den Beschluß gefaßt habe, der Präsident des Oberverwaltungsgerichts solle bei den vorschlagenden Gremien Informationen über den Vorgeschlagenen einholen und insbesondere feststellen, von welcher Fraktion der Vorschlag stamme. Sobald diese Informationen vorlägen, sei der Präsident beauftragt, die Vorschlagsliste so zusammenzustellen,

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daß sie dem Proporz der politischen Parteien im Landtag entspreche. Bei den nun auf Grund dieser "aufbereiteten" Vorschlagsliste durchgeführten Wahlverfahren werde sorgfältig darauf geachtet, daß diese parteipolitische Symmetrie nicht verschoben werde, so daß bei der Besetzung der Senate damit gerechnet werden könne, daß die großen politischen Kräfte jeweils einen ehrenamtlichen Verwaltungsrichter stellten. Angesichts dieser Erfahrungen mit dem nordrhein-westfälischen Besetzungsverfahren, das im Einzelfall durchaus einmal entscheidungsrelevant werden könne, solle der Bundesgesetzgeber sorgfältig prüfen, ob er nicht durch Aufgabe einer bundeseinheitlichen Regelung Ländern ohne solche Erfahrungen politische Virulenzen ersparen könne. In der Beurteilung der Frage einer Einführung der Revision im verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren sowie bei der Neugestaltung des Instanzenzuges zwischen den Oberverwaltungsgerichten und dem Bundesverwaltungsgericht distanzierte sich Vizepräsident Prof. Dr. Sendler von Präsident Dr. Schmidt. Die Einführung der Revision im verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren scheitere nicht an den vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine negative Rechtsetzungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts, sondern an der sich aus dem Sonderstatus Berlins ergebenden Problematik. Der dem Bundesverwaltungsgericht zugedachten Rolle als Vorlagegericht sei schärfstens zu widersprechen, denn dann ginge dem Bundesverwaltungsgericht das für die Wahrung der Rechtseinheitlichkeit unerläßliche Anschauungsmaterial verloren. über die Zweckmäßigkeit der Einführung der Revision bei den Oberverwaltungsgerichten hinsichtlich landesrechtlicher Materien solle weiter nachgedacht werden, denn· im Hinblick auf die starke Ausstrahlung des Bundesverfassungsrechts sei kaum ein Fall denkbar, der ausschließlich auf Grund landes rechtlicher Vorschriften entschieden werden könne. Ministerialrat Dr. Meyer-Ladewig, Bonn, nahm aus der Sicht des Bundesjustizministeriums Stellung und brachte seine überzeugung zum Ausdruck, daß der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit angesichts der vorgebrachten Beschwerdepunkte zu hoch greife. Hier seien rechtspolitische Entscheidungen zu treffen, über die man unterschiedlicher Auffassung sein könne. Das gelte einmal für den Großen Senat bei den Oberverwaltungsgerichten, wo der organisatorische Aufwand in keinem Verhältnis zum Bedürfnis stehe. Dieser Gesichtspunkt gelte im wesentlichen auch für die Einrichtung des Vertreters des öffentlichen Interesses in den Ländern. Was die Revision im Bereich des Normenkontrollrechtes angehe, so habe Prof. Sendler den entscheidenden Grund für die Nichteinführung bereits genannt. Die Streichung einer Vorschrift über die auswärtigen Kammern gehe auf Schwierigkeiten organisatorischer Art zurück, die aus der Praxis immer wieder vorgebracht wor-

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den seien und die Besetzung der Oberverwaltungsgerichte mit ehrenamtlichen Richtern habe grundsätzliche Bedeutung für die gerichtsverfassungsrechtliche Organisationsregelung, so daß hier eine einheitliche Lösung anzustreben sei. Bezüglich der Auflockerung des Instanzenzuges müsse es darum gehen, realistische Modelle zu finden. Die von Präsident Dr. Schmidt unterbreitete Vorlage berge für die Rechbifortbildung und die Wahrung der Rechtseinheit durch die obersten Gerichtshöfe des Bundes zu große Risiken. In seiner Entgegnung auf die zu seinem Referat vorgebrachten Stellungnahmen kam der Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, Dr. Schmidt, noch einmal auf die Vertretung des öffentlichen Interesses im Entwurf zurück. Ihn habe vor allem die These gestört, daß durch den Oberbundesanwalt auch das öffentliche Interesse in den Ländern vertreten werde. Im übrigen sei der Fortbestand einer entsprechenden Regelung in der Tat eine Frage der rechtspolitischen Beurteilung. Seine Vorstellungen zu einem zweistufigen Instanzenzug präzisierte Präsident Dr. Schmidt dahingehend, daß durchaus eine Reihe von Materien des Bundesrechts wie Wehrpflichtrecht, Lastenausgleichsrecht und Asylrecht unmittelbar vom Verwaltungsgericht an das Bundesverwaltungsgericht gehen könnten, daß aber dafür schwerpunktmäßig im Landesrecht verankerte Materien wie das kommunale Organisations- und Verfassungsrecht bei den Oberverwaltungsgerichten in der Revision letztinstanzlich entschieden werden sollten. Entgegen der Auffassung von Herrn Meyer-Ladewig erachte er die Einrichtung eines Großen Senats bei den Oberverwaltungsgerichten und auswärtiger Kammern für keine bloße Zweckmäßigkeitsfrage. Es sei eine verfassungsrechtliche Frage, ob im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung die vom Bundesverfassungsgericht schon wiederholt betonte Rücksichtnahme auf Länderbelange geübt werde. Nicht überzeugen könne ihn auch die Stellungnahme seines Kollegen Bischoff zum Problem der ehrenamtlichen Richter. Er halte im Gegenteil die nordrhein-westfälische Praxis für höchst bedenklich, da sie der Gefahr von Ablehnungsanträgen Vorschub leiste. Ein weiteres in diesem Zusammenhang mehr praktisches Problem für die Einheit des Landesrechts entstehe daraus, daß bei einer Anzahl von 48 bis 50 Sitzungstagen die Notwendigkeit zum Rollieren bestehe, da die ehrenamtlichen Richter an nicht mehr als 12 Sitzungen im Jahr teilnehmen dürften. Was schließlich den Aufbruch zu einem neuen Föderalismusverständnis angehe, verkenne diese Meinung die Steuerungs- und Leitungsfunktion der Verwaltungsgerichte gegenüber der Verwaltung. Wenn aber den Gerichten diese Rolle zugefallen sei, so setze dies voraus, daß im Rahmen des Föderalismus für diese noch Raum verbleibe, um über die Gewichtsverteilung im Verhältnis zum Bundesrecht zu bestimmen.

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IH. Von Prof. Dr. Hoppe, Münster, kamen noch zwei Anmerkungen zum Referat von Prof. Sendler. Er widersprach dessen Auffassung, daß man von einer gesetzlichen Regelung der Organstreitigkeiten absehen solle und setzte sich für die von Prof. Erichsen vorgeschlagene Streichung des § 139 des Entwurfs ein. Herr Regierungsdirektor Sass, Bonn, betonte die mit jedem Speyer-Aufenthalt als Folge der nahegelegenen Weinstraße verbundene heitere Seite und demonstrierte anhand eines Stefan Andres-Zitates die Zusammenhänge zwischen dem Genuß bestimmter "Fruchtsäfte" und Verwaltungsproblemen, welche nicht erst den Römern, sondern schon den Persern bekannt gewesen und durch den weiteren Gang der Geschichte verfolgbar seien. Die unterschiedlichen zeitlichen Erwartungen hinsichtlich einer Realisierung des Entwurfs hob Ministerialdirigent Dr. Arnold, Bonn, hervor. Manche befürworteten eine Zurückstellung des Projektes, um sich abzeichnende Wandlungen im materiellen Recht abzuwarten, anderen sei das praktiziert.e Beratungsverfahren zu langwierig. Gegen beide Thesen sei an der Entscheidung festzuhalten, das Gesetzgebungsvorhaben jetzt in Angriff zu nehmen. Ein Aufschub würde die Chance einer Vereinheitlichung der Verfahrensordnungen vertun und eine beschleunigte, in nicht wenigstens zwei Legislaturperioden gereifte Gesetzesberatung werde dem rechtspolitischen Gewicht einer vereinheitlichten Verwaltungsprozeßordnung in der Sache nicht gerecht. Mit einer abschließenden Würdigung der Referate von Prof. Sendler und Präsident Dr. Schmidt, seinem Dank an beide Herren, an alle Diskussionsredner und die Tagungsteilnehmer beendete Prof. Dr. Dr. König die Aussprache. In seiner Eigenschaft als Rektor der Hochschule und Leiter der Tagung unternahm Prof. Dr. Dr. Merten eine Gesamtwürdigung der nun abgelaufenen staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung. Hierbei gab er seiner überzeugung Ausdruck, daß Speyer die ideale Stätte für eine nachuniversitäre Begegnung von Wissenschaft und Praxis darstelle. Mit seinem Dank an alle Beteiligten verband er für die Hochschule die Erwartung nach einer baldigen Wiederbegegnung aus Anlaß einer anderen staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung. Im Namen aller Teilnehmer dankte der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Münster, Dr. Bischoff, der Hochschule für die Ausrichtung und Durchführung der Tagung.