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German Pages 173 [174] Year 1976
Politikverflechtung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden
Schriftenreihe der Hochschule Speyer
Band 55
Politikverflechtung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden
Vorträge und Diskussionsbeiträge der 42. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
1974
DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN
Alle Rechte vorbehalten
@ 1975 Duncker & Humblot, Berlln 41
Gedruckt 1975 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlln 61 Printed in Germany ISBN 3 428 03359 0
Inhalt
Begrüßungsansprache des Rektors, Professor Dr. Frido Wagener . . . . . . . .
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Eröffnung durch den Minister des Innern Rheinland-Pfalz, Heinz Schwarz, Mainz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die föderative Ordnung im Spannungsfeld der Gegenwart. Politische Gestaltung im Miteinander, Nebeneinander und Gegeneinander von Bund und Ländern. Von Professor Dr. Klaus Stern, Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Forderungen der Gemeinden zur Neuordnung ihrer Stellung gegenüber Bund und Ländern Von Hermann Scheffler, Mitglied des Deutschen Bundestages, Bonn . . . . 41 Aussprache zu den Referaten von Klaus Stern und Hermann Scheffler Bericht von Oberregierungsrat Priv.-Doz. Dr. Hans-Werner Laubinger, Speyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Die innerparteiliche Willensbildung im Verhältnis Bund, Länder und Gemeinden Erstes Referat von Dr. Christoph Böckenförde, Essen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Zweites Referat von Staatssekretär Professor Dr. Roman Herzog, Bonn/ Speyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Drittes Referat von Victor Kirst, Mitglied des Deutschen Bundestages, Harnburg ........................................................ 88 Aussprache zu den Referaten von Christoph Böckenförde, Roman Herzog und Victor Kirst Bericht von Wiss. Assistent Dr. Wolfgang Stump, Speyer . . . . . . . . . . . . . . 99 Zur Reformbedürftigkeit der gegenwärtigen Finanzverfassung Von Ministerialdirektor a. D. Professor Dr. Otto Barbarino, München .. 103 Aussprache zum Referat von Otto Barbarino Bericht von Assistenzprofessor Dr. Rainer Pietzner, Speyer ............ 121
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Inhalt
System einer integrierten Entwicklungsplanung im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden Von Professor Dr. Frido Wagener, Speyer .......... .. .................. 129 Aussprache zum Referat von Frido Wagener Bericht von Oberregierungsrat Dr. Heinjo Schröder, Speyer ... . .. .. .. 166
Begrüßungsansprache des Rektors Professor Dr. Frido W agener Im Namen der Hochschule für Verwaltungswissenschaften begrüße ich Sie sehr herzlich zu unserer 42. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung. Möge Ihr Aufenthalt in Speyer angenehm sein und möge der wissenschaftliche und praktische Ertrag der Tagung Ihre teilweise ja weite Anreise lohnen. Wir freuen uns sehr, Sie bei uns zu haben. Bei einer großen Tagung ist es wohl protokollgerecht, nun einige, nach Rang und Ansehen besonders hervorgehobene Teilnehmer persönlich zu begrüßen. Bitte seien Sie mir nicht böse, wenn ich dies nicht tue, sondern nur der Freude der Hochschule Ausdruck gebe, daß (wie ein Blick in das Teilnehmerverzeichnis lehrt) solche berühmte Persönlichkeiten Minister, Staatssekretäre, Präsidenten, Abgeordnete, Oberbürgermeister usw. - unter uns weilen. Drei Ausnahmen möchte ich allerdings bei dieser Generalbegrüßung dennoch machen: Erstens hat das vom Senat ausgewählte Thema es vermocht, sozusagen die "Kerntruppe" der Enquete-Kommission für die Verfassungsreform nach Speyer zu locken. Ich begrüße die Herren besonders herzlich. Zweitens möchte ich die besonders belasteten Tagungsteilnehmer herausstellen: ich meine diejenigen Teilnehmer, die es auf sich genommen haben, in diesen drei Tagen uns ihre Vorträge zu halten. Ich möchte mich für diese Arbeit schon jetzt herzlich bedanken. Schließlich darf ich Herrn Kollegen Quaritsch und den Mitarbeitern im Hause für die nicht immer leichte Vorbereitung der Tagung danken. Bei einer Begrüßung sollte derjenige, der seine Gäste begrüßt, sich seinen Gästen selbst etwas näher bekanntmachen, daß heißt in unserem Falle, daß ich Ihnen nichts über mich selbst, sondern einiges über die Hochschule Speyer sagen möchte. Zunächst ist diese Hochschule selbst ein Kind der Politikverflechtung zwischen Bund und Ländern. Alle Länder und der Bund sind an ihr beteiligt, wenn auch das Land Rheinland-Pfalz den Löwenanteil der Lasten zu tragen hat. Wir verstehen uns als bundesweite Einrichtung und als einzige deutsche Hochschule mit Promotions- und Habilitationsrecht im postuniversitären Bereich. Einzelheiten unserer gegenwärtigen Lage und geplanten Zukunft mögen Sie dem Ihnen überreichten Entwicklungs-
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Begrüßungsansprache des Rektors
plan der Hochschule entnehmen. Ein paar Punkte möchte ich dennoch ansprechen: Die Hochschule Speyer betreibt vier Aktivitäten. Wir laufen sozusagen auf vier "Beinen", wobei das eine "Bein" allerdings noch wächst. Als Hauptaktivität bilden wir im Sommer und im Winter Referendare im Rahmen ihrer Verwaltungs- oder Wahlstation aus; hinzu treten immer mehr sogenannte Wirtschafts- und Regierungsreferendare sowie junge Angehörige des höheren Dienstes der Bundesanstalt für Arbeit. Im Frühjahr und im Herbst haben wir fast jede Woche 50 Beamte des höheren Dienstes im Rahmen sogenannter "Führungsseminare" bei uns; diese "gestandenen" Verwaltungsleute kommen über zwei Jahre jeweils im Frühjahr und im Herbst in Gruppen zu 25 für eine Woche nach Speyer. Zu unseren Fortbildungsaktivitäten gehört selbstverständlich auch unsere sogenannte Frühjahrstagung, wie sie gerade abläuft. Das dritte "Bein" der Hochschule ist das Forschungsinstitut. Es soll in den nächsten Jahren erheblich ausgebaut werden. Schließlich arbeiten wir an einem neuen Studiengang, einem einjährigen postuniversitären Aufbaustudium mit einer Diplomprüfung für junge Juristen, Ökonomen, Politologen, Soziologen usw., die später in die Verwaltung gehen wollen. Wir hoffen, daß dieser Studiengang 1975 eingerichtet werden kann. Wichtig für das weitere Funktionieren der Hochschule ist ein neues Hochschulgesetz, das dem Landtag sicher bald vorgelegt wird, und ein Neubau, damit unser Wohnheim wieder ausschließlich der Unterbringung von Hörern und Seminarteilnehmern dienen kann. Wir hoffen, daß mit dem Neubau bald begonnen wird.
Eröffnung durch den Minister des Innern Rheinland-Pfalz, Heinz Schwarz, Mainz Herr Abgeordneter, sehr geehrter Rektor, Herr Professor Quaritsch, meine Damen und Herren! Politiker und Verwaltungspraktiker werden fast täglich mit den Problemen des Politikverbundes der drei Ebenen konfrontiert, und ich begrüße es daher, daß diese Staatswissenschaftliehe Tagung mit Teilnehmern aus der Politik, der Wissenschaft und der Verwaltung die Möglichkeit eröffnet, die Problematik dieses in einem Bundesstaat so wichtigen Thema zu vertiefen. Heute gibt es nur noch wenige Bereiche der Bundes-, Landes- oder Kommunalpolitik, in denen völlig autonom gehandelt werden kann oder gehandelt wird. Rechtlich gesehen sind die Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden auf vielen Gebieten voneinander deutlich abgegrenzt, z. B. im Bildungswesen, Kommunalwesen, im Bereich der inneren Sicherheit. Dennoch ist in der Wirklichkeit die Politik zwischen Kommunen, Ländern und Bund so verflochten, daß fast immer zumindest der Versuch gemacht wird, wichtige Vorhaben aufeinander abzustimmen. Wegen der gegenseitigen Politikbeeinflussung versucht außerdem jedes Glied des Bundesstaates auf den Willensbildungsprozeß des anderen einen rechtlich gesicherten Einfluß zu erhalten. - Dazu zwei Beispiele aus dem Themenkreis, mit dem sich die Ständige Konferenz der Innenminister und Senatoren der Länder vor kurzem befaßt hat, das Sicherheitskonzept und die Frage der Berücksichtigung kommunaler Interessen auf Bundes- und Landesebene. Die Zuständigkeiten in der Gesetzgebung zur inneren Sicherheit sind zwischen Bund und Ländern geteilt. Bei Verwaltungszuständigkeiten liegt das Schwergewicht eindeutig bei den Ländern. Dazu gehören u. a. die Aufgaben selbst, die Organisation, die Aus- und Fortbildung, die Ausrüstung und das Laufbahnrecht der Polizei. Im Interesse eines wirksamen Handeins der Sicherheitsorgane wurde von der Innenministerkonferenz für den Zwischenländerbereich und das Bund-Länder-Verhältnis ein Programm für die innere Sicherheit verabschiedet, das einheitliche Grundsätze über Aufgaben, Organisation, Ausrüstung und Ausbildung der Sicherheitsorgane aufstellt. Der erste Teil dieses Sicherheitsprogramms, das naturgemäß nur Empfehlungen enthält, ist auf freiwilliger Grundlage von den Beteiligten bereits weitgehend verwirklicht worden und damit ist in einer wichtigen innenpolitischen Frage ein gemeinsames Konzept im Miteinander aller Be-
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teiligten entwickelt worden. Ein gutes Beispiel für den kooperativen Föderalismus oder für "Kooperation im Föderalismus" oder, negativ ausgedrückt, für das Blühen der von den Verfassungsjuristen ungern gesehenen grauen Zone des Föderalismus. Der Grad der Politikverflechtung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden wird auch oder insbesondere über die Bestrebungen der Gemeinden zur Neuordnung ihrer Stellung gegenüber Bund und Ländern deutlich, ein Thema mit dem sich Herr Bundestagsabgeordnete Scheffler am heutigen Nachmittag noch befassen wird. Der Einfluß von Bund und Ländern auf die kommunale Ebene wächst. Immer mehr bestimmen Bundes- und Landesgesetzgebung sowie die Planung auf Bundes-, Landes- und Regionalebene die Aufgabenstellung von Stadt und Gemeinde und schränken deren finanziellen Spielraum ein. Als Folge der Gesetzgebung des Bundes hat sich allein in den Jahren 1970 bis 1972 der Sozialhilfeaufwand um 1,5 Milliarden DM erhöht. Zu Recht wird daher gefordert, daß die kommunalen Interessen besser auf Landes- und Bundesebene berücksichtigt werden müssen als dies bisher der Fall war. Durch eine Art Frühwarnsystem müssen die Belange der Kommunen in den Willensbildungsprozeß von Bund und Ländern bei der Gesetzgebung und Planung im vorparlamentarischen und im parlamentarischen Raum Eingang finden. Gemeinden und Gemeindeverbände haben im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Gruppierungen eine besondere, verfassungsrechtlich hervorgehobene Stellung. Wenn jedoch die Kommunen mehr als bloß Interessenvertreter sind, dann müssen sie bessere Möglichkeiten erhalten, den Willensbildungsprozeß des Staates zu beeinflussen, zumindest insoweit ihre Interessen berührt werden. Konkret bedeutet das: die Kommunen müssen gesetzlich abgesicherte Mitwirkungsrechte erhalten, die sich von denen sonstiger gesellschaftlicher Gruppen abheben. Dabei sind zahlreiche Formen der Mitwirkung denkbar. Sie reichen von der gesetzlichen Verankerung eines Anhörrechtes über die Mitwirkung der Gemeinden im Bundesrat bis hin zur Bildung besonderer kommunaler Gremien auf Bundes- und Landesebene. Ein gesetzlich verankertes Anhörungs und Mitberatungsrecht der kommunalen Spitzenverbände bei der Willensbildung des Staates, insbesondere im Bereich der Exekutive halte ich für eine sehr gute Lösung in der Mitwirkung. Sie ist schnell realisierbar, praktikabel und wirkungsvoll. Entsprechende Regelungen für den Bereich der Legislative bilden die sinnvolle und notwendige Ergänzung hierzu, dazu würde schon eine entsprechende Änderung der Geschäftsordnungen der Parlamente ausreichen. Wie einige Bundesländer hat unser Land Rheinland-Pfalz in seiner Gemeindeordnung und Landkreisordnung, jetzt neu verabschiedet, für die Exekutive diese Form der Mitwirkung bereits verwirklicht. Die entsprechende Mitwirkungsmöglichkeit im Bereich der Legislative muß ebenfalls noch realisiert werden. Die Bildung besonderer kommunaler
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Gremien mit dem Recht mitzuberaten und mitzuentscheiden, halte ich aus politischen Gründen für unzweckmäßig. Jede Einrichtung dieser Art - etwa eine Dritte Kammer - würde zu einer unnötigen Belastung und Verzögerung der staatlichen Willensbildung führen. Wie in anderen Fragen darf das Letztentscheidungsrecht des Bundestages, des Bundesrates und der Landesparlamente nicht in Frage gestellt werden. Gegen die Bildung eines kommunalen Rates oder die Einräumung von Bundesratssitzen an die Kommunen hätte ich daher erhebliche Bedenken. Dennoch müssen auch auf Bundesebene die Kommunen möglichst bald ein abgesichertes Mitwirkungsrecht erhalten. Die Innenministerkonferenz hat sich im vergangenen Jahr für einer verstärkte Beteiligung der Kommunen bei der Gesetzgebung von Bund und Ländern eingesetzt. Der Bundesinnenminister hat seine Kollegen in der Bundesregierung um eine frühzeitige Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände gebeten, eine sehr schwache Möglichkeit, aber ein Anfang ist gemacht und auf diesem Wege muß weitergegangen werden. Eine rechtliche festgelegte Anhör- und Erörterungspflicht der Bundesregierung und der Ausschüsse des Bundestages und des Bundesrates gegenüber den kommunalen Spitzenverbänden sowie eine Vertretung der kommunalen Spitzenverbände in Planungsbeiräten, soweit ihre Interessen berührt werden, sind rasch realisierbar und sollten auch rasch realisiert werden. Leider werden bereits vorhandene Möglichkeiten, sich stärker für die kommunalen Belange einzusetzen, zu wenig genutzt. Bundestags- und Bundesratsinnenausschuß müssen erheblich stärker als bisher ihre Möglichkeit nutzen, kommunale Belange zu wahren. Es geschieht immer wieder, daß Gesetzesvorlagen, die einschneidende Wirkungen für den Bereich der Kommunen haben, den Innenausschüssen zur Beratung nicht zugewiesen werden; das hat sich schon oft zum Nachteil für die Kommunen ausgewirkt. Doch genug von diesem Teilaspekt des vielschichtigen Themas der Politikverflechtung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Ich muß auch darauf verzichten, Beispiele aus der politischen Praxis für die anderen Themen dieser Tagung - die innerparteiliche Willensbildung, die Reform der Finanzverfassung und die integrierte Entwicklungspla~ nung - vorzutragen. Einen letzten Gedanken möchte ich jedoch noch äußern: die Zunahme der Politikverflechtung in Bund, Ländern und Gemeinden darf nicht dazu führen, daß in Bund, Ländern und Gemeinden nicht mehr eigenständig gehandelt werden kann. Die beste Beteiligungsform in einem Politikverbund kann den Verlust der Alleinzuständigkeit bei der Aufgabenerfüllung nicht wettmachen. Jedes Glied muß in der Lage sein, innerhalb eines gewissen gemeinsamen Rahmens die Politik zu verwirklichen, die es für richtig hält. Das geschieht übrigens auch heute noch in der Bundesrepublik, man betrachte z. B. die in den
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einzelnen Ländern durchgeführten unterschiedlichen Reformen auf dem Gebiet des Zuschnitts der kommunalen Einheiten, des kommunalen Verfassungsrechts, der Schul- und Hochschulpolitik und der Krankenhauspolitik. Läßt die Politikverflechtung keinen Raum zu vielfältigen Lösungen eines Problems, zwängt sie alles in eine zentralisierende Einheitsuniform, so führt dies dazu, daß die Verantwortlichkeiten unklarer sind als in einem Zentralstaat. Der föderale Staat und die kommunale Selbstgestaltungsfreiheit würden dadurch noch mehr in Frage gestellt. In einem Bundesstaat müssen die jeweiligen Aufgabenbereiche von Bund, Ländern und Gemeinden gegenseitig beachtet werden. Mindestens so wichtig ist allerdings außerdem, daß niemand sich aus seiner Verantwortung davonstehlen darf, auch nicht aus fiskalischen Gründen. So sind die Länder für das Rettungswesen, etwa für die Verwirklichung des Notrufes 110, als Teil der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuständig. Wenn die Länder versuchen, wie es z. T. in der Vergangenheit geschehen ist, die Kosten für die Verwirklichung des Notrufes 110 dem Bund aufzuhalsen, dürfen sie sich nicht wundern, daß der Bund auf die Dauer versucht, über die Finanzierung ein materielles Mitspracherecht zu erhalten. Das gleiche gilt natürlich für das Verhältnis Kommune- Staat. Ein Bürgermeister, der für den Bau einer Friedhofsmauer um staatliche Zuschüsse bettelt, obwohl seine Gemeinde die notwendigen Mittel vielleicht selbst aufbringen könnte, begibt sich in die Gefahr, für ein Linsengericht die kommunalen Freiheiten zu verkaufen. Politikverflechtung darf nicht in Dirigismus ausarten. So hat der Bund im Rahmen der Konjunkturbelebung ein Sonderprogramm für Gebiete mit speziellen Strukturproblemen beschlossen. Der Bund besteht darauf, daß ihm die Förderungsanträge jeder einzelnen Gemeinde bzw. Verbandes vorgelegt werden und er selbst darüber entscheidet. Hiergegen bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Mangels abweichender gesetzlicher Regelungen sind Empfänger von Bundesfinanzhilfen ausdrücklich nur die Länder, und zwar auch dann, wenn das zu fördernde Investitionsprojekt von Gemeinden durchgeführt werden soll. Innerhalb der Projektbindung ist den Ländern dabei auch die Entscheidung über die Mittelbewilligung im Einzelfall vorbehalten, und zu Recht hat daher sowohl die Konferenz der Länder-Finanzminister als auch die der Landesinnenminister über alle Parteifronten hinweg gegen dieses Vorgehen des Bundes protestiert, und es istvielleicht Zufall, daß nur Bayern diese Mittel global zugewiesen erhielt, während alle anderen Länder die Einzelobjekte vorgelegt haben. Ich denke, Sie sehen es mir nach, wenn ich als Landespolitiker und als Kommunalminister an die Zukunft des Föderalismus und der kommunalen Selbstverwaltung mit ihrer Dynamik und ihrer freiheitssicheren Rolle glaube und dies mit einem Zitat eines vom Zentralismus geplagten Alexis de Tocqueville zu untermauern versuche. Eine Haltung, das
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möchte ich betonen, die auch dann gilt, wenn die CDU/CSU wieder die Bundesregierung stellen wird. Alexis de Tocqueville sagte: "Der Zentralisation gelingt es zwar leicht, die äußeren Handlungen des Menschen einer gewissen Gleichförmigkeit zu unterwerfen, die man schließlich um ihrer selbst willen schätzt, unabhängig von den Dingen, auf die sie sich auswirkt, wie bei jenen Gläubigen, die eine Statue anbeten und darüber die Gottheit vergessen, deren Abbild sie ist. Die Zentralisation erreicht es mühelos, die laufenden Angelegenheiten in einen geregelten Gang zu bringen, die Einzelheiten der gesellschaftlichen mit überlegener Intelligenz zu gängeln, leichte Unregelmäßigkeiten und kleine Delikte zu unterdrücken, die Gesellschaft in ihrem jetzigen Zustand zu halten, der eigentlich weder Verfall noch Fortschritt ist, und in der ganzen Gesellschaft eine Art administrativer Schläfrigkeit zu unterhalten, die die Verwaltung selbst gewöhnlich als geordnete Zustände oder öffentliche Ruhe bezeichnet. Mit einem Wort: sie ist Meister im Verhindern, nicht im Schaffen." Ich wünsche der Tagung einen guten Verlauf und hoffe, daß sie für alle Teilnehmer aus Wissenschaft, Verwaltung und Politik gute Anregungen bringt.
Die föderative Ordnung im Spannungsfeld der Gegenwart Politische Gestaltung im Miteinander, Nebeneinander und Gegeneinander von Bund und Ländern Von Klaus Stern
I. Für den Staatsaufbau der Gegenwart dominieren in der ganzen Welt zwei Hauptprinzipien: Die Einheitsstaatlichkeit mit oder ohne Dezentralisation einerseits und die Bundesstaatlichkeit mit oder ohne Gewährung kommunaler Autonomie andererseits. Die dritte Form, der Staatenbund, ist Geschichte geblieben. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland hat sich für ein in der "Vertikale gebietskörperschaftlich gegliedertes Ganzes" 1 entschieden, wobei gewiß eine Rolle spielte, daß der Staatsaufbau nach 1945 von Gemeinde und Land seinen Ausgang nahm. Für die föderative Ordnung ist hervorzuheben, daß es nicht die Besatzungsmächte waren, die dieses Prinzip oktroyierten2 , sondern die Überzeugung der Mitglieder der verfassungsgebenden Instanz, in der Verankerung dieser Struktur deutsche Staatstradition zu respektieren und zugleich in ihr die auch für die Zukunft richtige Form für den Staat der Deutschen zu sehen. Waren die anderen verfassungsgestaltenden Grundentscheidungen des 1 A. Köttgen, Innerstaatliche Gliederung und moderne Gesellschaftsordnung, in: Göttinger Festschrift für das Oberlandesgericht Celle, 1961, S. 79 (95). 2 Carlo Schmid, Bund und Länder, in: Die zweite Republik, 1974, S. 244 (247); A. Köttgen, Föderalismus und Dezentralisation im deutschen Verfassungsund Verwaltungsrecht, in: Deutsche Landesreferate zum IV. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung in Paris, 1955, S. 281 (283); J. Depenbrock, Überregionale Länderaufgaben-ein Prüfstein des Föderalismus, in: Rechtsfragen der Gegenwart, Festgabe für Hefermehl, 1972, S. 37 (38); Bundesminister des Innern, Bundestags-Drucksache V/4002, S. 1; H. Lemke, Föderalismus, ein verfassungsrechtliches Relikt?, DÖV 1972, 657; abweichend W. Weber, Spannungen und Kräfte im westdeutschen Verfassungssystem, 3. Auft. 1970, S. 58; zu einseitig in der Betrachtung W. Hempel, Der demokratische Bundesstaat, 1969, S. 213 Anm. 48; insgesamt zur Entstehung neuestens E. Pikart, Auf dem Weg zum Grundgesetz, in: Die zweite Republik, 1974, S. 149 ff. In der Diskussion machte R. Morsey auf eigene Forschungen aufmerksam, die das im Text vertretene Ergebnis bestätigen.
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Art. 20 Abs. 1 GG wie Republik, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, vielleicht anfänglich abgesehen von der Sozialstaatlichkeit, unumstritten, so regten sich sehr bald Zweifel an der Richtigkeit der Übernahme des föderalen Aufbaus3• Mochte auch der "Bund Deutscher Föderalisten" 1961 4 auf seiner Mainzer Tagung Impulse für die Festigung dieses Prinzips bei den Bürgern in Gang zu bringen erstreben, die föderative Ordnung blieb im Volke lange Zeit5 eher blaß und angezweifelt. 1969 sollte ein Redakteur einer deutschen Wochenzeitung sogar schreiben: "Der Föderalismus ist die heilige Kuh unseres Staatswesens: Sie ist ein unnützer Fresser, sie gibt keine Milch und sie hemmt den Fortschritt. So jedenfalls sehen es viele Bundesbürger6 ." Genau 30 Jahre früher formulierte der englische Theoretiker des Sozialismus Harold Laski unter dem Eindruck der New-Deal-Ära in den USA noch apodiktischer: "Das Zeitalter des Föderalismus ist vorbeF." Beide Zitate stammen aus Perioden staatlichen und gesellschaftlichen Wandels, aus Spannungszeiten, in denen Prinzipien, so sie nicht festgefügt und überzeugend legitimiert sind, allzu leicht ins Wanken geraten können. Leider kann man sich auch heute des Eindrucks nicht erwehren, daß Publizisten (aber auch Politiker) um den Föderalismus wie um ein Krankenbett herumstehen und dem Patienten gute Ratschläge erteilen, von denen sie annehmen, sie führten zu seiner Heilung, ohne zu erkennen, daß eben dieser Patient gesünder ist als seine vermeintlichen Therapeuten. Die Ursache solcher Attacken ist komplex, nicht zuletzt ist sie darin zu sehen, daß ebenso wie beim demokratischen Prinzip auch für den Föderalismus eine allseits anerkannte Theorie fehlt und beiden Prinzipien gelegentlich unterschiedliche Vorstellungen subsumiert werden. In diesem Referat kann es nicht darum gehen, den vorhandenen Theorien des Föderalismus eine neue hinzuzufügen- es existieren ohnehin zu viele8 - oder gar eine "Philosophie des Föderalismus"9 zu enta Vgl. besonders W. Weber (Anm. 2), S. 288 ff. ' Föderalistische Ordnung, hrsg. von A. Süsterhenn, 1961. 5 Vgl. demgegenüber jetzt die bei F. Schäfer, Aktuelle Probleme des Föderalismus, in: Verfassung und Verfassungswirklichkeit, 1972, S. 21 (22), für den Föderalismus nachgewiesenen positiven Umfragen. 1 Th. Sommer, in: Die Zeit v. 7. 2. 1969. 7 The Obsolescence of Federalism, 98 New Republic 367 (1939). Ähnlich auch K. Loewenstein, Verfassungsrecht und Verfassungsrealität, AöR Bd. 77 (1951/ 52), s. 387 (414 ff.).
8 Vgl. etwa bei F. Ermacora, Allgemeine Staatslehre, 1970, Bd. 2, S. 621 ff. mit Nachw.; H. Peters, Geschichtliche Entwicklung und Grundfragen der Verfassung, 1969, S. 209 f.; M. lmboden, Die staatsrechtliche Problematik des schweizerischen Föderalismus, in: Staat und Recht. Ausgewählte Schriften und Vorträge, 1971, S. 175 ff.; W . Grewe, Antinomien des Föderalismus, 1948, S. 6 ff.; W. Rudotj, Bund und Länder im aktuellen deutschen Verfassungsrecht, 1968, S. 12 ff. W. Ronneberger, Föderative Politik als :Handlungssystem, in: Öffentliches Recht und Politik, Festschrift für Scupin, 1973, S. 295 (302), un-
Die föderative Ordnung im Spannungsfeld der Gegenwart
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werfen. Bekanntlich macht Föderalismus nicht im Staatsrecht Halt, sondern wurde stets auch als metajuristische Idee verstanden. Weder im Parlamentarischen Rat noch im Verfassungskonvent von Herrenchiemsee läßt sich überdies ein genuin föderalistisches Konzept für den staatlichen Wiederaufbau ermitteln- es ging eben nicht um den Föderalismus, sondern um einen funktionsfähigen Bundesstaat, weswegen es mir auch hier darauf ankommt, primär verfassungsrechtliche Grundsätze und Grundaussagen der föderativen Ordnung des Grundgesetzes klarzustellen, soweit sie den Rahmen des Tagungsthemas der Politikverflechtung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden berühren. Der Beschränkung der Zeit gehorchend kann die kommunale Selbstverwaltung und die europäische Integration nur marginal ins Blickfeld geraten. Außer Betracht bleiben angesichts selbständiger Referate im wesentlichen die Finanzverfassung, die PlanungsveL'fiEchtungen und das parteipolitische Kräftespiel in einem föderativen Staat, Fragenkreise, die in besonderem Maße Spannungsfelder unserer aktuellen Bundesstaatlichkeit sind. Dabei bin ich mir wohl bewußt, daß der Problemstand des Bund-LänderVerhältnisses ohne Einbeziehung dieser Themata etwas verkürzt dargestellt ist. Das Referat muß auch auf eine umfassende Realanalyse des Zustands der deutschen Bundesstaatlichkeit verzichten, vergleichbar jener Gesamtschau, wie sie vor kurzem über den schweizerischen Föderalismus auf 1200 Seiten von der Stiftung für eidgenössische Zusammenarbeit veröffentlicht wurde 10• Nicht berührt von meiner Fragestellung ist die Neugliederung des Bundesgebiets, über deren Gewichtung für das bundesstaatliche Prinzip die Meinungen bekanntlich überaus geteilt sind11 • Persönlich bin ich geneigt, diese nicht überzubewerten, vor allem zu bezweifeln, ob sie auf absehbare Zeit, wie es so schön heißt, "politisch machbar" ist. Sub signo einer Politikverflechtung werden weniger und größere Länder für den Bund eher Kooperationshemmnisse heraufbeschwören, da deren politisches Machtpotential gestärkt ist. Daß Föderalismus trotz gelegentlichen Grabgesangs keine sterbende Kategorie ist, sondern - recht angewendet - durchaus kreativ sein kann, habe ich bereits vor einigen Jahren deutlich gemachtl 2 , gewiß nicht, terscheidet eine rechtsdogmatische, eine philosophisch-ideologische, eine politisch-pragmatische, eine sozialwissenschaftliche Betrachtungsweise; daselbst zahlreiche Literaturhinweise, besonders des Auslands. Die Literatur dokumentieren ausführlich H. Bülck und P. Lerche, Föderalismus als nationales und internationales Ordnungsprinzip, VVDStRL Heft 21 (1964), S. 1 ff., bis 1964, W. Hempel (Anm. 2) bis 1968, E. Deuerlein, Föderalismus, 1972, bis 1971. 9 K. Lang, Die Philosophie des Föderalismus, Zürich 1971. 1o Eine empirische Untersuchung findet sich bei W. Thieme, Föderalismus im Wandel, o. J. (1970), wesentlich bezogen auf das Verhältnis Nordrhein-Westfalen/Bund. 11 Vgl. zuletzt die Beiträge in DÖV 1974, Heft 1. 12 K. Stern, Föderative und unitarische Aspekte im deutschen Rundfunkwesen, in: Rundfunkrecht und Rundfunkpolitik (1969), S. 26 ff. 2 Speyer 65
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weil ich mir etwa das Motto "Ex Bavaria lux" zu eigen machen möchte. Europas Mitte, in der unser Staat liegt, gehört seit mehr als zwei Jahrtausenden zu den spannungserfüllten Lebensräumen, in denen die unterschiedlichsten Prinzipien, Kräfte und Ideen gediehen, versanken und wiedergeboren wurden. Niemand vermag im gegenwärtigen Augenblick in Zweifel zu ziehen, daß sich nach einer Periode der Konsolidierung in der westlichen Welt die Spannungsfelder vielfach vermehrt haben innenpolitisch wie außenpolitisch. Wenn gute Politik das Suchen und Finden der idealen Linie des Handeins ist, dann besteht verfassungspolitische Kunst im Bundesstaat in der souveränen Beherrschung der Anwendung und Dosierung einerseits des Zusammenführens der Partner, also der Integration, und andererseits der Wahrung ihrer Eigenständigkeit. Politisches Miteinander, Nebeneinander und Gegeneinander ist darum geradezu das Lebenselexier der föderativen Ordnung. Besonders in Spannungszeiten müssen aber des Menschen wie des Staatsmannes beste gestalterische Kräfte wachsen. So wie Deutschland 1871 nur als Bundesstaat gelingen konnte, wird in einer größeren Dimension13 Europa nur föderativ möglich sein, oder es wird ein bloß geographisch bestimmter Erdteil schlechter nationaler Gewohnheiten bleiben. Daß es derzeit an einem kräftigen "Föderator" 14 fehlt, gehört zu der europäischen Malaise, die zu überwinden politisches Gebot der Stunde ist. Obwohl die Bundesrepublik Deutschland der einzige Bundesstaat der Europäischen Gemeinschaft ist15, also Einheitsstaatlichkeit dominiert, ist in der Europäischen Gemeinschaft eine föderative Grundstruktur angelegt, nämlich unmittelbar durchgreifende Kompetenzen der Gemeinschaftsorgane für die Bürger und die Staaten der Europäischen Gemeinschaft einerseits wie Fortbestand eben dieser Mitgliedstaaten mit ebenfalls eigenen Zuständigkeiten andererseits. II. 1. Die föderative Ordnung des Grundgesetzes ist nicht nach einem präformierten abstrakten Modell des Bundesstaates konstruiert. Bei "aller Gemeinsamkeit der grundsätzlichen Struktur ist jeder Bundesu Vgl. auch den Konföderationsgedanken im Grundlagenvertragsurteil des Bundesverfassungsgerichts E 36, 1 (24 f.), der freilich auf Herbert Krüger, Deutschland und seine Gesamtverfassung, in: Krüger-Rauschning, Die Gesamtverfassung Deutschlands, Bd. 1 (1962). S. 16 ff. zurückgeht. Über den Bundesstaatsgedanken in der Europäischen Gemeinschaft H. P. Ipsen, Verfassungsperspektiven der Europäischen Gemeinschaften, 1970, S. 189 f., 1006 ff., 1050 ff.; W. Hallstein, Die europäische Gemeinschaft, 1973, S. 364 ff.; in der Weltorganisation R. Nürnberger, in: Wesen und Wandel des Föderalismus im modernen Staatsleben. Eine historisch-politische Studie, Festschrift für G. Ritter, 1950, s. 449 ff. 14 H. P . Schwarz, in: Demokratisches System und politische Praxis der Bundesrepublik, Festschrift für Eschenburg, 1971, S. (385). 15 Über die sich daraus ergebenden Konsequenzen jetzt H. E. Birke, Die deutschen Bundesländer in den Europäischen Gemeinschaften, 1973.
Die föderative Ordnung im Spannungsfeld der Gegenwart
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staat eine konkret-geschichtliche Individualität" 16 ; er ist sui generis, ist Zeit und Raum verhaftet. Vergleiche mit anderen Bundesstaaten, und seien sie auch solche des deutschen Sprachraums17 , sind daher ebenso wie Rückgriffe auf bundesstaatliche Ordnungen früherer Verfassungen nur bedingt hilfreich. Ohnehin hat sich das Grundgesetz "mit ungleich größerer Entschiedenheit als die Weimarer Verfassung zugunsten des Bundesstaates (und der kommunalen Selbstverwaltung18) entschieden" 19, freilich mit einer in der Bundesstaatsdikussion weitgehend20 unbeachtet gebliebenen spezifischen Sinnvariante: der des sozialen Bundesstaats (Art. 20 Abs. 1). Damit hat es zugleich der von J. Heckel1927 formulierten Antithese vom politischen Föderalismus und gesellschaftlichen Unitarismus21 einen Lösungsansatz im Spannungsfeld des industriellen Zeitalters entgegengestellt. Zahlreiche Verflechtungsphänomene der Gegenwart finden darin ihre Erklärung, aber auch ihren Rückhalt.
2. Föderative Ordnung ist ihrem Wesen nach "duplex regimen", wie Ludolph Hugo- zugleich Schöpfer des Begriffs Bundesstaat- bereits im 17. Jahrhundert herausgearbeitet hat22, die Existenz "doppelter Entscheidungszentren"23, von "two centers of government", wie die ameriu K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 6. Auft. 1973, § 7 vor I; M. Bullinger, Die Zuständigkeit der Länder zur Gesetzgebung, DÖV 1970, 797 (800). 17 Zu Österreich vgt etwa F. Ermacora, Österreich als kooperativer Bundesstaat, in: Die Republik Österreich, 1968, S. 219 ff.; Ch. Altenstetter, Der Föderalismus in Österreich, 1969; G. E. Kafka, Niedergang des Föderalismus in Österreich, in: Festschrift für E. C. Hellbling, 1971, S. 281 ff.; P. Pernthaler, Der Österreichische Bundesstaat im Spannungsfeld von Föderalismus und formalem Rechtspositivismus, östZÖffR 1969, 361 ff., bes. 378 ff.; E. Loebenstein, Der Föderalismus - ein Instrument im Dienste der Demokratie und des Rechtsstaates, in: Dimensionen des Rechts- Gedächtnisschrift für R. Marcic, 1974, S . 827 ff.; zur Schweiz U. Häfelin, Der kooperative Föderalismus in der Schweiz, ZSR Bd. 88, 2 (1968), S. 555 ff. mit Literaturverzeichnis; ders., Die Fortbildung des schweizerischen Bundesstaatsrechts in den Jahren 1954- 1971, JöR Bd. 22 (1973), S. 1 ff. ; Ch. Dominice, Federalisme cooperatif, ZSR Bd. 88, 2 (1968), 746 ff. Zur Reform: Schlußbericht der Arbeitsgruppe für die Vorbereitung einer Totalrevision der Bundesverfassung (sog. Wahlen-Bericht), 1973; L. Neidhardt, Reform des Bundesstaates, 1970. Aus der Geschichte D. Lasserre, Schicksalsstunden des Föderalismus, 1963. 18 Vgl. K. Stern, Bonner Kommentar, Zweitbearbeitung, Rdnr. 67 zu Art. 28. Neuestens die Große Anfrage vom 12. 11. 1973, Bundestags-Drucksache VII/ 1247. 1s A. Köttgen (Anm. 2), S. 286. 20 Eine Ausnahme macht A. Köttgen, Der soziale Bundesstaat, in: Festgabe für Muthesius, 1960, S. 16 ff., sowie der in Anm. 1 zitierte Beitrag in der Göttinger Festschrift für das Oberlandesgericht Celle. 21 Budgetäre Ausgabeninitiative im Reichstag zugunsten eines Reichskultusfonds, AöR Bd. 51 (1927), S. 420 (424). 22 Vgl. Hempel (Anm. 2), S. 253; Deuerlein (Anm. 8), S. 39 f .; S . Brie, Der Bundesstaat, 1874, S. 5, 17 ff. Dualität der Entscheidungsträger ist ein sehr altes Entscheidungsprinzip: vgl. das System der Zwei Konsuln in Rom sowie die Idee der "gemischten Verfassung" des Aristoteles und Polybius.
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kaniEche Theorie formuliert24 oder, bezogen auf das Grundgesetz, Teilhabe von Bund und Ländern an den staatlichen Funktionen (Art. 30, 70, 83, 92, 104 a GG). Die Funktionszuteilung ist von den jeweiligen Verfassungen unterschiedlich bemessen, aber im Kern stets zurückführbar auf eine irgendwie geartete Pluralität der politischen Leitungsgewalt, d. h. dessen, was man Regierung in einem umfassenden Sinne nennt25• Mit der Machtaufgliederung geht eine Gebietsaufgliederung einher, die allerdings - jedenfalls in ihrer konkreten Ausgestaltung - angesichts der Veränderungskompetenz des Bundes auf Grund Art. 29 GG und der Entstehung des Bundesstaates durch einen verfassunggebenden Akt des DeutEehen Volkes, nicht wie 1870/71 durch Bündnisverträge der Staaten, gegenüber dem ersteren Element an Gewicht verloren hat. Föderative Ordnung ist im Grundgesetz schließlich eng verknüpft mit der demokratischen, sozial- und rechtsstaatliehen Ordnung, wie Art. 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 anzeigen. In dieser Aufgabe "einer Ergänzung und Verstärkung der Elemente der Demokratie und des sozialen Rechtsstaats" wird namentlich in der neueren Diskussion ein wesentlicher Legitimitätsgrund des föderativen Staatsaufbaus erblickt26 • Schweizerisches Verfassungsdenken vermag Demokratie überhaupt nur föderativ verwirklicht zu sehen27 • Wie immer dies sei, in jedem Falle stehen demokratische Willensbildung und bundesstaatliche Gliederung in einem engen Zusammenhang, was nicht nur Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG ausweist. Möglicherweise kann eine föderative Ordnung überhaupt nur in einer demokratisch ausgereiften Gesellschaft gedeihen2B. 3. Eine Neuerung gegenüber früheren deutschen Verfassungen ist, daß das föderative Prinzip durch die Bezugnahme und die Nennung des Art. 20 Abs. 1 und weiterer Föderalelemente in Art. 79 Abs. 3 GG als unabänderlich auch für den Verfassungsänderungsgesetzgeber festgelegt ist. Art. 79 Abs. 3 gehört gewiß zu den nicht leicht interpretierbaren Vorschriften des Grundgesetzes, da er "Grundsätze" von ohnehin vieles 23 U. Scheuner, Struktur und Aufgabe des Bundesstaates in der Gegenwart, DÖV 1962, 641 (642). 24 Vgl. HempeZ (Anm. 2), S. 253; Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 120. 25 Klar herausgearbeitet bei Hempel, S. 177 ff. mit Nachw. 26 Vgl. K. Hesse, Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsänderung, AöR Bd. 98 (1973), S. 1 (12) mit Nachw.; W. Hennis, Die Rolle des Parlaments und die Parteiendemokratie, in: Die zweite Republik, 1974, S. 203 (238 Anm. 29): "Die Vereinbarkeit eines parlamentarischen Regierungssystems mit Alternierungschance einerseits, einer starken Länderstruktur und föderativ orientierten Parteien andererseits ist ein Kernproblem der westdeutschen Verfassungsstruktur." 27 J. M. Usteri, Theorie des Bundesstaates -Ein Beitrag zur Allgemeinen Staatslehre, ausgearbeitet am Beispiel der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 1954, s. 247 ff. 2a So Ronneberger (Anm. 8), S. 365.
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umgreifenden Staatsstruktur- und -zielbestimmungen gewährleistet. Fragt man nach eben den Grundsätzen garantierter Bundesstaatlichkeit, also nach ihren essentiellen Merkmalen, bestehen hierbei erhebliche Auslegungsschwierigkeiten, weil das bundesstaatliche Prinzip nicht nur seit 1871, sondern auch in den 25 Jahren seit Bestehen des Grundgesetzes erhebliche Wandlungen im Verfassungsrecht und in der Verfassungswirklichkeit durchgemacht hat. Nur zwei von 31 Grundgesetzesänderungen betreffen nicht das Bund'-Länder-Verhältnis, und im Rahmen der Enquete-Kommission für Fragen der Verfassungsreform ist die föderative Ordnung einer der Bereiche, in dem reformatorisches Überlegen am stärksten ansetzt. Denn mehr als Demokratie und sozialer Rechtsstaat muß sich der bundesstaatliche Entscheid des Grundgesetzes die Frage gefallen lassen: Warum sollen in einem zu Supranationalität drängenden, geographisch verkleinerten Staat noch kleinräumige Untergliederungen mit Staatscharakter bestehen? Sind diese nicht eher lästig, staatlichen Aktivitäten hinderlich, antiquiert, kostspielig, kompliziert, schwerfällig, kurz Atavismen? Eine zeitgemäße Antwort kann sich nicht mehr damit begnügen, schlicht auf die Verfassungsentscheidung des Art. 20 Abs. 1 und ihre Unabänderlichkeit zu verweisen; sie muß jenes duplex regimen als Wert an sich, als Kraftquelle für die Gemeinschaft auch legitimieren können. 4. Zwei Grundzüge liegen dem föderativen Staatsaufbau zugrunde: ein staatsorganisatorischer und ein freiheitsschützender. Formal gestattet er, Verantwortung zu delegieren, Sachbereiche mit eigenen Entscheidungsträgern und eigener Entscheidungsgewalt zu schaffen. Materiell garantiert er Freiheit, Pluralität, doppelte Mitwirkung an der politischen Willensbildung, gewährt größere Durchschaubarkeit staatlichen Handelns, schützt vor Gewaltenmonismus. Als Element der Gewaltengliederung und -balance, und zwar der vertikalen durch die Existenz von Entscheidungszentren in Bund und Ländern, und der horizontalen durch den Bundesrat als dem Mitbestimmungsorgan der Länder bei der Willensbildung des Bundes, eröffnet er die Möglichkeit des Miteinanders, Nebeneinanders und Gegeneinanders unterschiedlicher politischer Kräfte. Wettbewerb, Kontrolle, Entfaltung von Alternativen und das Wechselspiel von Mehrheit und Minderheit in der politischen Verantwortung, die Eindämmung von Machtmißbrauch und der Trend zu stärkerer Rationalität und Verantwortlichkeit in der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben- dies alles sind im wesentlichen die Argumente, die für einen föderativen Staatsaufbau ins Feld geführt werden29• Diesen staatspolitisch positiven Eigenschaften werden als negative 30 gegenübergestellt: 20 Vgl. Hempel (Anm. 2), S. 218 ff.; Hesse (Anm. 16), § 7 I 2; Bericht der Sachverständigenkommission für die Neugliederung des Bundesgebietes, 1972, s. 36 ff.; Thieme (Anm. 10), S.14B ff. so Vgl. die Argumente bei Ranneberger (Anm. B), S. 309 ff.
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Gefahren für die Handlungseinheit und-fähigkeitdes Staates, Entstehen zentrifugaler oder gar antagonistischer Kräfte, die sich nicht zusammenführen lassen, Schwerfälligkeit und Langsamkeit der politischen Willensbildung, die sich bei parteipolitischer Konfrontation bis zu einer Lähmung steigern kann, und vor allem im modernen Wohlfahrtsstaat regional unterschiedliche Verhältnisse in der Darbietung öffentlicher Leistungen, die nur durch komplizierte Mechanismen den allfälligen Egalisierungswünschen angepaßt werden können. 5. Die bundesstaatliche Idee des duplex regimen verwirklicht sich ebenso wie die Idee der horizontalen Gewaltenteilung in einem Miteinander, Nebeneinander und Gegeneinander• von staatlichen Gewalten. Denn hinter diesen stehen politische Kräfte und Strömungen, und für diese sindkraftinnerer Notwendigkeit These, Antithese und- wenn sie gelingt- Synthese oder, politisch ausgedrückt, Kompromiß die Gestaltungselemente der staatlichen und gesellschaftlichen Wirklichkeit. Wo zwei politische Pole existieren, der zentralstaatliche und der einzelstaatliche, ist ein weites Feld für Verbindungslinien und Trennstriche. Die Aufgabe der Verfassung als der Grundordnung des Ganzen ist es, Vorkehrungen zu treffen, daß die staatliche Lebenswirklichkeit daraus nicht nur ohne Schaden bleibt, sondern im Gegenteil Vorteile empfängt. Frühere Verfassungen sahen die Antwort auf diese föderalistische Grundfrage in der Reichsaufsicht32, dem "großen Regulator in der Arbeitsmaschine des Reiches" oder in der Einflußnahme der Einzelstaaten auf den Willensbildungsprozeß des Gesamtstaates33 , bekannten sich also zu einem hegemonialen oder monistischen Föderalismus. Demgegenüber hat sich das Grundgesetz für einen im Grundtenor dualistischen Föderalismus entschieden34 , gemildert durch das Prinzip des bundesfreundlichen Verhaltens 35 • Dieser Föderalismus ist nicht in jeder Hinsicht 31 Sie haben die verfehlten (Lerche [Anm. 8], S. 67; W. Schmid, Das Verhältnis von Bund und Ländern im demokratischen Bundesstaat des Grundgesetzes, AöR Bd. 87 (1962), S. 253 ff.; E. Stein, Lehrbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 1973, S. 110 f.) räumlichen Formeln von Gleichordnung, Überordnung und Unterordnung abzulösen. 32 H. Triepei, Die Reichsaufsicht, 1917, S. 3. 33 K. Biifinger, Der Einfluß der Einzelstaaten auf die Bildung des Reichswillens, 1923. 34 Über diese Arten des Föderalismus E. Mc Whinney, Die Nützlichkeit des Föderalismus in einem revolutionären Zeitalter, bei H. Laufer (Hrsg.), Föderalismus, 1973, S. 53 ff. 35 Über diesen vom Bundesverfasungsgericht im Anschluß an R. Smend, Staatsrechtliche Abhandlungen, 2. Aufl. 1968, S. 268 ff. und andere entwickelten Verfassungsgrundsatz H. W. Bayer, Die Bundestreue, 1961; W. Geiger, Mißverständnisse um den Föderalismus, 1962; K. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, 1962, S. 6 ff.; Gebhard Mütler, Der Föderalismus in unserem Verfassungsrecht, in: Jahre der Wende, Festgabe für Alex Möller, 1968, S. 125 (127 ff.). Nachweise aus der Rechtsprechung bei Schmidt-Bleibtreu/Klein,
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"gleichgewichtig"86 , aber jedenfalls nicht einseitig wie der hegemoniale. Der dualistische Föderalismus zeigt sich in folgendem: (1) Bundesverfassungsänderungen sind nicht ohne Zustimmung von zwei Dritteln der den Ländern im Bundesrat zugewiesenen Stimmen zulässig (Art. 79 Abs. 2). (2) Bundesrechtsnormen bedürfe.n in stattlichem Umfang der Zustimmung der Mehrheit der den Ländern im Bundesrat zugewiesenen Stimmen. (3) Die Verfassungsautonomie der Länder ist, vom Homogenitätsgrundsatz abgesehen (Art. 28 Abs. 1), gewahrt87, so daß die politische Willensbildung in den Ländern geringen Einwirkungen des Bundes unterliegt. (4) Bundesaufsicht und Bundeszwang sind gegenüber früheren Verfassungen reduziert (Art. 28 Abs. 3, 37, 84, 85, 91), so daß die Verwaltungshoheit der Länder substantiell wenig angetastet ist. (5) Das Bund/Länder-Verhältnis ist ein Rechtsverhältnis, das der verfassungsgerichtlichen Entscheidungsgewalt unterliegt (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4). (6) Das Haushaltswesen von Bund und Ländern besitzt eine -wenngleich nicht unbeschränkte -Unabhängigkeit (Art. 109 Abs. 1) bei freilich mehr und mehr anwachsenden konjunktursteuernden Festlegungen durch den Bund (Art. 109 Abs. 2- 4). (7) Im Bundesrat kann sich der Länderwille an der politischen Leitungsgewalt des Gesamtstaates relativ stark entfalten. Es ist zuzugeben, daß dieses verfassungsrechtliche Bild gegenüber der Wirklichkeit als retuschiert empfunden werden kann, zumal die finanziellen Ingerenzen des Bundes unberücksichtigt sind. Nicht übersehen sei auch, daß Bundesgesetze, wenngleich mit Zustimmung des Bundesrats, sich zunehmend um das administrative Detail kümmern. Trotzdem bleibt die Grundstruktur wie dargestellt.
lli. 1. Dualistischer Föderalismus bedeutet die Anerkennung unterschiedlicher politischer Wertungen und Entscheidungen, zweifelsfrei also die Legitimation eines Nebeneinanders, aber auch .eines Gegeneinanders bis Kommentar zum Grundgesetz, 3. Aufl. 1973, Anm. 6 zu Art. 20. Zuletzt BVerfGE 34, 216 (232). 8e c. Schmitt, Verfassungslehre, Neudruck 1954, S. 390. 87 P. Werner, Wesensmerkmale des Homogenitätsprinzips und ihre Ausgestaltung im Bonner Grundgesetz, 1967; W. Leisner, Landesverfassungsgerichtsbarkeit als Wesenselement des Föderalismus, in: Verfassung und Verfassungsrechtsprechung, Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes, 1973, S. 183 (189).
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zur Grenze des schwer judizierbaren Mißbrauchs nach Maßgabe des Prinzips der Bundestreue. Die Verfassung nimmt also Vielfalt, Unterschied und Konflikt bewußt in Kauf. Das gilt nicht nur für die originär politischen Entscheidungen der Länder in ihrem Eigenbereich, sondern auch für deren Mitwirkung an der Gestaltung des Bundeswillens durch den Bundesrat. Der Bundesrat ist Verfassungsorgan, besonderes Organ im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 2, d. h. ein oberstes in der Verfassung selbst konstituiertes Organ, das niemand anders als der Verfassung selbst für seine Entscheidungen verantwortlich ist38 • Durch Verfassungsorgane entfaltet sich politischer Gestaltungswille, und dieser ist "seinem Ursprung nach frei" 39 • Nur die Verfassung selbst kann ihm Schranken und Pflichten auferlegen. Der Bundesrat ist anderen Verfassungsorganen des Bundes nicht untergeordnet, sondern gleichgeo1·dnet in allen Funktionsbereichen, in denen ihm das Grundgesetz Mitwirkungsrechte zugeschrieben hat40 • Er ist das Organ, in dem die Länder auf die Bundeswillensbildung einwirken, gleichsam als Ausgleich für Steuerungsmöglichkeiten, die dem Bund den Ländern gegenüber zustehen. Verfassungsrechtlicher Ausdruck dieser "Gegenbewegung"41 ist der gern übersehene Art. 53 Satz. 3 GG, wonach der Bundesrat von der Bundesregierung "über die Führung der Geschäfte auf dem laufenden zu halten ist", ein Informationsrecht, das sich nach h. M. auf alle "politischen Geschäfte" des Bundes bezieht42 • 38 Hempet (Anm. 2), S. 189; P. Feuchte, Die bundesstaatliche Zusammenarbeit in der Verfassungswirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland, AöR Bd. 98 (1973), S. 473 (516 ff.); J. Frowein, Gemeinschaftsaufgaben im Bundesstaat, VVDStRL Heft 31 (1973), S. 1 (22); U. Scheune'r, Kooperation und Konflikt, DÖV 1972, 585 (591); R. Herzog, Der Bundesrat als politisches Führungsorgan?, BayVBl. 1966, 181 ff.; P. Weides, Mitwirkung des Bundesrats bei der Änderung eines zustitnmungspflichtigen Bundesgesetzes, JuS 1973, 337 ff.; H. H. Klein, Parteipolitik im Bundesrat?, DÖV 1971, 325 ff.; Ch. Pestalozza, Formenmißbrauch des Staates, 1973, S. 5, 17 f.; H. Lauter, Der Bundesrat, in: Föderalismus, 1973, S. 82 ff.; zuletzt: Der Bundesrat als Verfassungsorgan und politische Kraft, 1974. 39 Smend (Anm. 35), S. 78 FN 44. 40 Vgl. Hamann-Lenz, Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Auf!. 1970, vor Art. 50 mit Nachw.; BVerfGE 8, 104 (120). 41 Geiger (Anm. 35); S. 18. Ob der gewachsene Einfluß des Bundesrats einen stärkeren Einfluß des Bundes auf die Länderpolitik zur Folge hat, wie P. Lerche, Aktuelle föderalistische Verfassungsfragen, 1968, S. 41, meint, erscheint mir zweifelhaft. Der Einfluß geht über die Parteiorganisation; sie wirkt bei verschiedener Parteicouleur als Abschirmungsinstrument, bei gleicher als Koordinierungsmittel. Im übrigen haben sich die politischen Parteien, von der bayerischen CSU abgesehen, eher als "Schrittmacher der Zentralisierung" (Köttgen [Anm. 1], S. 96) erwiesen. 42 Hamann-Lenz (Anm. 40), Anm. 2 zu Art. 53 mit weiteren Nachweisen; Geiger (Anm._35), S. 18: "Der Bundesrat ist die verfassungsrechtliche Organi-' sation, in der die Gliedstaaten durch ihre Regierung aktiven und umfassenden Anteil an der Verantwortung für den Gesamtstaat haben." Herzog (Anm. 38), S. 184, leitet daraus auch ein Enquete-Recht des Bundesrats ab.
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Damit wächst der föderativen Gliederung in starkem Maße eine politische Kontroll- und Balancefunktion zu. Man geht nicht fehl, sie heute als die wirksamste aller checks and balances of powers zu bezeichnen, worin sich zugleich ihre rechtsstaatliche und freiheitssichernde Bedeutsamkeit offenbart. Sie kann je nach der politischen Konstellation zum Ansatz eines politischen Gegen- oder Abstützungsgefüges werden, was sich sinnfällig in der bundespolitischen Relevanz von Landtagswahlen und ihrer daraus resultierenden Regierungsbildung zeigt. "Der Föderalismus droht so zu einer Komponente im antagonistischen Prozeß Regierung-Opposition zu werden" 43, was offenbar für Österreich und die Bundesrepublik Deutschland in gleicher Weise festzuhalten ist. Wer über parteipolitisches "Hausmachtdenken" 44 Unbehagen empfindet, kann dies nur dem Parteienstaat insgesamt anlasten, nicht jedoch dem Föderativsystem; denn föderative Ordnung gestattet durch ihr duplex regimen auch eine Doppelung politischer Optionen, was für Regierungs- wie Oppositionsparteien gleichermaßen gilt. Das Bundesverfassungsgericht hat Spürsinn bewiesen, wenn es im Fernsehurteil auch Stil und Procedere staatlichen Handeins im föderativen System seiner Kognition unterstellte45 • 2. Gegenüber dem Reichsrat der Weimarer Verfassung hat der Bundesrat eine erhebliche Aufwertung erfahren und in der politischen Realität seither mehr und mehr an Bedeutung gewonnen46 • Der Bundesrat hat zwar keine parlamentarische Struktur (Art. 51 Abs. 1); nichtsdestoweniger ist er ebenso wie die Bundesregierung mittelbar demokratisch legitimiert, da seine Mitglieder auf der Vertrauensgrundlage ihrer volksgewählten Landesparlamente tätig sind47 , wie es überhaupt im Grundgesetz keine letztlich nicht auf das Volk zurückführbare Ausübung staatlicher Gewalt gibt (Art. 20 Abs. 2 Satz 1). Wenn im Bereich des föderativen Systems das Wort vom stillen Verfassungswandel angebracht ist, dann in bezug auf den Bundesrat, namentlich in der Frage der Ausdehnung der Zustimmungsbedürftigkeit, wie sie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts48 interpretiert, was gelegentlich als eine bundesstaatliche Fehlentwicklung gesehen wird 49 • Bisweilen wird in den Mit43 L. K. Adamovich, Die Zukunft des Föderalismus in Österreich, bei Lauter (Hrsg.), Föderalismus, 1973, S. 364 (380). 44 W. Weber (Anm. 2), S. 64,78 ff. 45 BVerfGE 12,205 ff. 48 Weides (Anm. 38); Herzog (Anm. 38); Hesse (Anm. 35), S. 21. 47 Schmidt-Bleibtreu/Klein (Anm. 35), Randnr. 4 zu Art. 50; v. MangoldtKlein, Das Banner Grundgesetz, 2. Aufl. 1964, Anm. IV 2 zu Art. 51; MaunzDürig-Herzog, Grundgesetz, Randnr. 1 zu. Art. 50: "föderativ-demokratisches Bundesorgan." 48 Vgl. BVerfGE 8, 274 (294); 24, 184 (194 ff.); 26, 338 (399); 28, 66 (78 ff.); ferner BVerwGE 28, 36 (42); zuletzt BVerfGE v. 25. 6.1974. 49 W. R. v. Hase, Die Mitverantwortungstheorie als Verfassungsdurchbrechung, DÖV 1973, 838 ff.
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wirkungsrechten des Bundesrats und ihrer mitunter gefordertenEnyeiterung auf eine Zustimmungsbedürftigkeit aller Gesetze ein zureichender Ausgleich für den Verlust an landesstaatlicher Eigenkompetenz gesehen. Diese Gleichung geht indessen weder mathematisch noch politisch auf. Im Bundesrat gilt nicht der Einstimmigkeitsgrundsatz, der dem Wesen des föderativen Prinzips entspricht, sondern der Mehrheitsgrundsatz. Das einzelne Land hat daher nur Stimmgewicht nach seiner Größe, aber keine Garantie, das auch nach seinem Votum verfahren wird, wie es für Kompetenzen gilt, die ihm zu eigenem Recht zugewiesen sind50• Noch gewichtiger ist: Im Bundesrat wirkt das Land mit an der politischen Gestaltung des Bundes. Dies ist niemals Selbstgestaltung, sondern nur Mitgestaltung. Daran wird sich kaum etwas ändern, auch wenn etwa die Gesetzgebungsinitiativen des Bundesrats verstärkt würden. Der Bundesrat ist primär Kontrollorgan für die Bundespolitik und Schutzorgan für die Zuständigkeiten der Länder, nicht Initiativorgan. Sein bundespolitischer Machtzuwachs kann jedenfalls nicht den landesstaatlichen Substanzverlust kompensieren. IV. 1. Neben- und Gegeneinander der politischen Gewalten im Bundesstaat ist nicht dessen wesensmäßiger Grundzug. In einem gedeihenden Bundesstaat soll sich vielmehr das Miteinander, die "Vermehrung und das Zusammenspiel der staatlich wirksamen Kräfte" 51 als Mittel der staatlichen Integration entfalten. Madison hat bereits im Federalist52 hervorgehoben, daß es "einfach falsch gedacht ist, sich Union und Einzelstaatenals Rivalen und Feinde vorzustellen". Bundesstaatlichkeit intendiert ein stetes Suchen und Herstellen eines guten bundesfreundlichen Verhältnisses53 . "Bund und Länder sind selbständige und eigehverant• wortliehe Leitungsinstitutionen und zugleich Momente des einen Gesamtstaates Bundesrepublik Deutschland; erst in ihrer Gesamtheit erfüllen sie die Funktion der einen politischen Leitungsgewalt dieses Gesamtstaates"54. Im Verfassungsrecht hat sich diese kombinierte politische Richtig Bullinger (Anm. 16), S. 767~ A. Haenel, Deutsches Staatsrecht, 1892, Bd. I, S. 223. sz Nr. 46, S . 292. ss Bundesminister des Innern (Anm. 2), S. 3; Smend (Anm. 35), S. 271; Geiger (Anm. 35), S. 22; Pestalozza (Anm. 38), S. 5. He,·bert Krüger (Anm. -24), S. 511 hat jenen Wandel vom Nebeneinander und Gegeneinander zum Miteinander und Füreinander, der im Föderalismus angelegt ist, auch auf das Verhältnis der "gesellschaftlichen Mächte" von "öffentiicher Bedeutung" zueinander und zum Staat übertragen. Der Idee nach sollte es auch für die Beziehung der Sozialpartner gelten und für die Konzertierte Aktion des § 3 StabG (dazu zuletzt H. J. Schröder, Die Konzertierte Aktion - Modell für eine Zusammenarbeit von Staat und Verbänden, in: Demokratie und Verwaltung, Bd. 50 der Speyerer Schriftenreihe, 1972, S. 419 ff. mit Nachw.). s• Hempel (Anm. 2), S. 226. so
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Gewalt bis zur Großen Finanzreform des Jahres 1969 folgendermaßen entwickelt: a) Der grundgesetzliche Föderalismus hat zunehmend eine innere Verschiebung dahingehend erhalten, daß sich die föderative Struktur weniger in regionaler Eigenart als in stärkerer gliedstaatlicher Teilnahme an den gesamtstaatlichen Entscheidungen ausprägt, womit sicher der dualistische Wesenszug der Bundesstaatlichkeit gefestigt wird. Nahezu alle Verfassungsänderungen haben die Zustimmungsrechte des Bundesrats vermehrt. Nur auf diese Weise gelang es, Bundeskompetenzen überhaupt zu verankern. Andererseits wurde der Bundesrat nicht die Institution der Länderkooperation; hierfür wurden andere Instrumente entwickelt. b) Die Probleme des modernen Sozialstaates haben auf dem Gebiet der Sicherheits-, der Wirtschafts-, Bildungs-55 Sozial- und Finanzpolitik Zusammenhänge und Trends sichtbar gemacht, bei denen eine regional und einzelstaatlich unterschiedliche Lösung nicht mehr hingenommen wird bzw. nicht mehr wirksam ist. Das Postulat der "Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" 56 entpuppte sich als eine zusätzliche Antriebskraft, obwohl in Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 als Limitierungsfaktor bundesgesetzlicher Regelungen gedacht. In Art. 106 Abs. 3 Nr. 2 hat es schon einen anderen "drive" erhalten. Grundrechte und soziale Bundesstaatlichkeit drängten eher zu einer Unitarisierung im Sinne von Angleichung in der Sache, aber nicht Zentralisierung im Sinne der Auflösung des duplex regimen. In der Staatspraxis erwuchs daraus ein kompliziertes, gelegentlich praeter constitutionem praktiziertes, umfangreiches Gewebe an Fonds, Dotationen, Auflagen usw., durch die der Bund Zugriff auf die Landesverwaltung nahm, d. h. eine Form des Miteinanders, die wegen ihrer Undurchsichtigkeit zunehmend nach einer Bereinigung rief57 ; denn "nichts ist der föderativen Lebensform gefährlicher als das unbestimmte Vermengen und Vermischen", wie der engagierte schweizerische Föderalist Max Imboden schrieb58, Verfassungsrechtlich erstrebte Art. 104 a GG 1969 eine Bereinigung und Lösung; sie scheint indessen in der Wirklichkeit noch nicht auszureichen, um dem landespolitischen Betätigungsbereich genügenden Selbstand zu gewähren59 • 55 Dazu die Materialien zum Bericht zur Lage der Nation 1972, BundestagsDrucksache VI/3080, S. 32 f. 56 Zuletzt P. Lerche, Finanzausgleich und Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse, in: Festschrift für Berber, 1973, S. 299 ff. 57 Vgl. Vogel-Kirchhof, Bonner Kommentar, Zweitbearbeitung, Randnr. 81 zu Vorbem. zu Art.104 a- 115; Randnr. 25, 66,99 f. zu Art.104 a. 5B Imboden (Anm. 8), S.197. 59 Vgl. die Kritik von G. Holch, Die Finanzhilfen des Bundes nach Art. 104 a Abs. 4 GG, DÖV 1973, 115 ff., am Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, am Städtebauförderungsgesetz und am Krankenhaussicherungsgesetz.
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c) Das Thema antizyklische Konjunkturpolitik hat die Notwendigkeit eines Miteinanders von Bund und Ländern in ihrer Ausgabengebarung in einem hochindustrialisierten Wirtschaftsstaat, der eng mit der Weltwirtschaft verflochten ist, frühzeitig sichtbar gemacht. Nach zunächst formlosen Absprachen brachte das 15. Grundgesetz-Änderungsgesetz vom 8. 6. 1967 in Art. 109 Abs. 2 die Verpflichtung von Bund und Ländern auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht. Die öffentliche Haushaltsführung sollte in ihrem Nebeneinander oder im Falle ausgabenträchtiger Wahljahre sogar in potentiell konjunkturwidrigem Gegeneinander gestoppt und in eine wenigstens näherungsweise gesamtwirtschaftlich angepaßte Verbindung gebracht werden60. Das Gebot zur mittelfristigen Finanzplanung sollte diese Kooperation verstärken und die Einheitlichkeit der Staatsfinanzwirtschaft im Bundesstaat festigen. "In Parallele zur Gewaltenkooperation der Staatsorgane und zum Rahmenpaket der Verbände zeigt sich, daß ,Wirtschaftspolitik und föderativer Staatsaufbau in der Bundesrepublik' vom Standpunkt des Effektivitätsprinzips nur in Form einer ,economie concertee' auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sind"61 • In der Praxis ist insoweit freilich nicht alles zum Besten gelaufen82• 2. Der Weg einer Umbildung der föderativen Ordnung in eine einheitsstaatliche bleibt versperrt, auch wenn sie mit einer stärkeren Regionalisierung, Dezentralisierung und Dekonzentrierung gekoppelt wird, Tendenzen wie sie etwa in Italien, Frankreich, Spanien, Belgien zu finden sind63. Art. 79 Abs. 3 verbietet es, eine Verfassungsänderung durchzuführen, durch die die Länder "die Qualität von Staaten oder eine Essentiale der Staatlichkeit einbüßen ... ", was auch bedeutet, daß ihnen eo Vgl. K. Stern, Grundfragen der globalen Wirtschaftssteuerung, 1969, S. 6 ff.; ders., Konjunktursteuerung und kommunale Selbstverwaltung Spielraum und Grenzen. Gutachten zum 47. Deutschen Juristentag, 1968, S. E 38; ders., in: Stern-Münch-Hansmeyer, Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, 2. Aufl. 1973, S. 95 f.; A. Möller (Hrsg.), Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft und Art. 109 Grundgesetz, 2. Aufl. 1969, Randnr. 5 ff. zu Art. 109; E. Stachels, Das Stabilitätsgesetz im System des Regierungshandelns, 1970, S. 55; P. Tettinger, Ingerenzprobleme staatlicher Konjunktursteuerung auf kommunaler Ebene, 1973, S. 125; R. Schmidt, Wirtschaftspolitik und Verfassung, 1971, S. 152 ff.; VogelWiebel, Bonner Kommentar, Zweitbearbeitung, Randnr. 58 ff. zu Art. 109; E. A. Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 1969, Randnr. 3 ff. zu Art. 109. u Stachels (Anm. 59). e2 Vgl. Finanzbericht 1974, S. 155; P. Badura, Verfassungsfragen der Finanzplanung, in: Festgabe für Maunz, 1971, S. 1 ff. u Vgl. F. Gygi, Zweckverband oder Region? SchwZentralblatt für Staatsund Gemeindeverwaltung 1973, 137 (138); C. Palazzoli, Les regions italiennes; Contribution a l'etude de la decentralisation politique, 1966; P. Ferrari, Les regions italiennes, 1972; E. Weibel, La creation desregionsautonomes astatut special en Italie, 1971; H. v. Mangoldt, Staatsreform in Belgien, ZAuslÖffR Bd. 32 (1972), S. 1 ff.; S. Martin-Retortitlo, Descentralisation administrativa y Organizacion politica, 3 Bde., 1973.
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"ein Kern eigener Aufgaben als ,Hausgut' unentziehbar verbleiben" 64 muß. K. Hesse hat in seinem dem Bundeskanzleramt erstatteten Gutachten zu Art. 79 Abs. 3 darüber hinaus gefolgert, "daß der Typus bundesstaatlicher Ordnung ... nicht auf Restbestände reduziert werden darf, die ein sinnvolles Funktionieren nicht mehr ermöglichen" 65 . Damit sind einer "Weiterentwicklung" des bundesstaatliehen Systems, um den Begriff der Großen Anfrage vom 2. 6. 1968 aufzugreifen66, gewisse Barrieren gesetzt, die die politischen Kräfte ins Kalkül zu ziehen haben. Unabhängig von der verfassungsrechtlichen Vorgabe darf auch realanalytisch festgestellt werden, daß das föderative System der Bundesrepublik Deutschland ebenso wie andere Bundesstaaten die dem Staat heute gestellten Aufgaben gleich gut, vielleicht sogar besser erfüllt hat als Einheitsstaaten. "Denn gerade der Föderalismus scheint eines der wirksameren verfügbaren Instrumente zu sein, um überhaupt zu gewährleisten, daß die ... Forderungen des Plan- und Wohlfahrtsstaates mit der Rule of Law in Einklang gebracht werden" 67 • So kann etwa eine Zentralverwaltungswirü:chaft in einer föderativen Ordnung nicht funktionieren. Die Staaten des Ostblocks sind hierfür kein Gegenbeweis; ihre föderative Gliederung ist weniger real als semantisch68. Föderative Ordnung ist kein funktionsuntaugliches Bauprinzip, sondern ein durchaus modernes Mittel, um in einem hochindustrialisierten Staat die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme zu bewältigen. Sie hat sich als haltbarer erwiesen als die einheitsstaatliche Struktur, die in Frankreich und Italien zu krisenhaften Zuspitzungen führte. Föderative Politik gewährt die Möglichkeit der Erprobung, des Experiments im Kleinen, ehe das Modell gleichsam in Serie geht. Ihre "Konfliktverarbeitungskapazität"69 ist durch den Zuschnitt auf den kleineren Raum und die kleinere Zahl größer. Demgegenüber kann unitarische Politik nur schwerlich Spielraum gewähren, ohne ihre Effektivität zu verlieren. Die Hochschulreformpolitik mag jedermann als Lehrstück vor Augen stehen. Doch wer lernt daraus? 64 65
BVerfGE 34, 9 (19 f.) (Sperrung im Original).
Hesse (Anm. 26), S. 43.
66 Bundestags-Drucksache V/3099. über die daran anknüpfende Diskussion berichtet Deuertein (Anm. 8), S. 264 ff. mit Nachw. 67 McWhinney (Anm. 34), S. 54; zur positiven Einschätzung weiterhin Adamovich (Anm. 43), S. 383; Hempel (Anm. 2), S. 195; F. Esterbaur, Aktuelle Probleme des Föderalismus in Österreich, Der Staat 1973, 499 ff.; Wahlen-Bericht (Anm. 17); Depenbrock (Anm. 2), S. 39. Neuerdings spricht F. Scharpf, Alternativen des deutschen Föderalismus, Die Neue Gesellschaft 1973, 237 (243), "vom strukturellen Widerspruch des deutschen föderalen Systems". 68 Vgl. K. von Beyme, Föderalismus, in: Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft, 1968, Bd. II, Sp. 553 ff.; B. Meissner, Die Verfassungsentwicklung der Sowjetunion seit dem Tode Stalins, JöR Bd. 22 (1973), S. 127 ff. 69 Ranneberger (Anm. 8), S. 316. Er hält föderative Politik sogar für die "ideale Reformpolitik" (S. 317).
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Freilich: Föderalismus ist ebenso wenig eine bequeme Staatsform wie Demokratie. Beide bedürfen eines breiten "agreement on fundamentals" und politü::cher Führungskunst. Ansonsten sind die einander gegenläufigen Trends von gesellschaftlicher Gleichheit und politischer Vielfalt nicht integrationsfähig. "Die differenzierte und freiheitliche Gestaltung des politischen Prozesses, insbesondere die Steigerung demokratischer Mitwirkungschancen, bilden ein Gegengewicht zu den Unitarisierungsforderungen der Gesellschaft7°." Darin zeigen sich die aktueLlen Antinomien des Föderalismus. Sie sind Ärgernis für den einen, Befriedigung für den anderen, in jedem Falle aber Aufgabe und Herausforderung, auf die Verfassungsrecht und Verfassungspolitik reagiert haben, und zwar nach jenem Grundmuster für ein duplex regimen, nämlich im politischen Miteinander, Nebeneinander und Gegeneinander. Die wissenschaftliche Verarbeitung dieser Neudurchdringung bildete die 1962 erschienene Schrift von K. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, und die durch sie beeinflußten Strömungen, die im Begriff des Kooperativen Föderalismus71 und weiterführend in den sog. Gemeinschaftsaufgaben72 zusammengefaßt wurden, an deren Ende die Rahmenplanung der Enquete-Kommission stehen mag. Im folgenden geht es vor allem um die Prüfung jener unter dem Signum moderner Bundesstaatlichkeit stehender Institutionen und politischen Verhaltensweisen, die im letzten Jahrzehnt die Politikverflechtung von Bund, Ländern und Gemeinden hervorgebracht hat. Ein Befund erscheint mir als irrevisibel vorwegnehmbar, den übrigens A. Köttgen bereits 1954 prognostiziert hat: "Weniger denn je können ... Bund und Länder als Parallelordnungen verstanden werden, deren jede jeweils für ihren Sektor verantwortlich wäre 73."
V. 1. Die Dritte Gewalt, die Rechtsprechung, stand im wesentlichen außerhalb von Diskussionen unter föderalen Aspekten. Gänzlich anders liegt es im Bereich der Ersten und Zweiten Gewalt.
Entsprechend deutscher Tradition war der Grundtenor der föderativen Ordnung, daß die einzelnen Sachbereiche, von Ausnahmen abgese(Anm. 2), S. 225. Vgl. R. Kunze, Kooperativer Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland, 1968; H. Ehringhaus, Der kooperative Föderalismus in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1971; G. Kisker, Kooperation im Bundesstaat, 1971; U. Scheuner (Anm. 38). 12 Vgl. B. Tiemann, Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern in verfassungsrechtlicher Sicht, 1970; Frowein (Anm. 38); I. v. Münch, daselbst; F. Rietdorf, Die Gemeinschaftsaufgaben - ein Schritt zur gemeinsamen Aufgabenplanung von Bund und Ländern?, DÖV 1972, 513 ff.; W. Keweni g, Planung im Spannungsverhältnis von Regierung und Parlament, DÖV 1973, 23 ff. 7o Hempel
11
73
Köttgen (Anm. 2), S. 289 f.
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Si
hen, nicht etwa abschließend entweder dem Bund oder den Ländern zugewiesen wurden, sondern dem Bund im wesentlichen die Gesetzgebungskompetenz, den Ländern die Verwaltungskompetenz oblag, wobei freilich der Bund durch Gesetz und allgemeine Verwaltungsvorschriften mit Zustimmung des Bundesrats erhebliche Ingerenzmöglichkeiten besaß oder sich f:chuf 74 . Dieses Grundschema ist beträchtlichen Wandlungen unterworfen worden, wobei allerdings die Verwaltungskompetenzen der Länder bei der Durchführung der Bundesgesetze im wesentlichen erhalten blieben, jedoch nicht von gesteigerter politischer Substanz sind, da sich in ihnen die Länder eher als hochpotenzierte Selbstverwaltungskörperschaften erweisen. Verwaltungs- und Sozialstaatlichkeit, technischindustrielle, wirtf:chaftliche, soziale und supranationale Entwicklungen, nicht zuletzt ein mehr planorientiertes politisches Handeln förderten Bund-Länder-Verflechtungen in einem stetig steigenden Ausmaß. An die Stelle der Sonderung und des Nebeneinanders trat das Miteinander, nicht immer gewollt, aber unvermeidlich unter dem Druck der Sachrationalität und der Erkenntnis, daß "staatliche Aufgaben überwiegend Gesamtaufgaben geworden sind" 75 . Verwaltungsverbund und "Mischverwaltung" nahmen über die verfassungsrechtlich vorgesehenen Bereiche von Finanzverwaltung (Art. 108) und Verfassungsschutz hinaus zu. "Das Nebeneinander der in prinzipieller Trennung und Selbstgenügsamkeit durch die föderative Ordnung verbundenen Glieder, Kennzeichen des Föderalismus überkommener Prägung, soll zurücktreten zugunsten stärkerer Betonung eines Miteinanders" 76, war allenthalben zu hören. Daraus muß gefolgert werden: Eine zeitgerechte föderative Ordnung ist nicht mehr nach dem einfachen Muster hie Landesraum, hie Bundesraum gewebt; sie ist mehrfach verflochten: verfassungsrechtlich wie verfassungswirklich. Sie ist eine res mixta geworden, nicht anders, als sich diese im Verhältnis Land/Gemeinde bereits sehr viel früher als politische Realität einstellte. Darum darf es nicht überraschen, wenn sich jene in der kommunalen Selbstverwaltung diagnostizierten Wanderungsprozesse77 von der Gemeinde zum Staat auf der Ebene Land/Bund und möglicherweise in einer größeren Dimension Bund/Europäische Gemeinschaft wiederholen. Die Länder versuchten, dieser Entwicklung gegenzusteuern, indem sie sich zu einer vermehrten Selbstkoordinierung entschlossen. Dennoch: die Gefahren für die Aushöhlung der politischen 74 Vgl. A. Köttgen, Der Einfluß des Bundes auf die deutsche Verwaltung und die Organisation der bundeseigenen Verwaltung, JöR Bd. 3 (1954), S. 67 ff. und JöR Bd. 11 (1962), S. 173 ff. Zu den Gemeinschaftsaufgaben die Nachweise in Fn. 72 sowie insgesamt Anhang II. 75 K. Hesse, Aspekte des kooperativen Föderalismus in der Bundesrepublik, in: Festgabe für Gebhard Müller, 1970, S. 141. 76 Hesse, a.a.O., S. 145. 77 Stern, Banner Kommentar, Zweitbearbeitung, Randnr. 87 zu Art. 28; W. Weber, Staats- und Selbstverwaltung in der Gegenwart, 2. Aufl. 1967, S. 51.
Klaus Stern Substanz der Länder, die bereits in der Weimarer Verfassung eine Rolle spielten, sind unübersehbar. Dadurch wird aber zugleich die Funktionstauglichkeit und Leistungsfähigkeit des föderativen Systems an sich berührt und mit ihm ein Pfeiler der Formenordnung der Verfassung. 2. Wer diese Abschwächung des vertikalen Gliederungsprinzips der Verfassung für richtig hält, darf nicht verwundert sein, wenn die bundesstaatliche Gewaltenteilung sich in anderer Richtung entfaltet, hier freilich seit 1969 in einem deutlicheren Gegeneinander, das sich bis zur Polarisation zu steigern vermag: An die Stelle des zunehmend ineffektiv werdenden Kontrollmechanismus von Parlament und Regierung tritt im Bund weitgehend derjenige von Regierung und Bundestagsmehrheit auf der einen Seite und Bundestagsopposition und Bundesratsmehrheit auf der anderen Seite. Föderative Streitigkeiten nehmen so die Form von politischen Richtungskämpfen an78, eine vom Grundgesetz sicher nicht beabsichtigte, aber von ihm auch nicht ausgeschlossene Frontstellung als Folge der dominanten Parteienstaatlichkeit. Die lebendige Verfassung ist eben eine von den politischen Parteien gestaltete Verfassung. Gerade in einem Bundesstaat ist deren Wirken ein reichhaltigeres Betätigungsfeld eingeräumt als in einem Einheitsstaat. 3. Es muß gefragt werden, ob das Bild, das unsere föderative Struktur in den letzten Jahren angenommen hat, de constitutione ferenda besser hätte gezeichnet werden-können. a) Ich habe darzulegen versucht, daß das Grundprinzip der föderativen Ordnung, das duplex regimen, und die Garantienorm des Art. 79 Abs. 3 GG verlangen, daß den Ländern ein hinreichender politischer Gestaltungsraum zu eigener Entscheidung verbleibt, und zwar im Landesbereich wie in der Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes. Damit ist dem Weg einer weiteren Zuordnung von Gesetzgebungskompetenzen an den Bund eine enge Grenze gesetzt, da dieser Schritt auf dem Hintergrund der gegenwärtigen Zuständigkeitsverteilung zu einem weiteren politischen Substanzverlust der Länder führen müßte. Denn Gebiete "richtungweisender" 79 , "weichenstellender" 80 legislativer Gestaltung der Länder sind spürbar zurückgegangen. Es genügt, auf die Verluste im Hochschul-, Umweltschutz- und raumbezogenen Planungsrecht hinzuweisen (vgl. Anhang I). b) Zumindest mit erheblichen Zweifeln behaftet dürfte auch der Vorschlag sein, an Stelle einer vorwiegend gegenständlichen Abgrenzung der Gesetzgebungsmaterien eine solche der Intensität der Regelungen zu setzen und etwa dem Bund verstärkt die Kompetenz zum Erlaß von 78
79
so
K. Hesse (Anm. 35), S. 9. Butlinger (Anm. 16), S. 799.
Lerche (Anm. 8), S. 71.
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Richtlinien oder Grundsätzen zuzuweisen und den Ländern die Ausfüllung und Detailregelung zu überantworten. Eine solche Verstärkung der Materien der Art. 75 und 109 GG war bekanntlich im Beamtenrecht, im Hcchschulrecht, im Haushalts-, Finanzplanungs- und Konjunktursteuerungsrecht unternommen worden. Die Praxis hat gezeigt, daß hierbei mit nicht geringen Schwierigkeiten behaftete Abgrenzungsprobleme auftreten und die Neigung, den Grundsatz auszuweiten, anwächst, so daß der den Ländern verbleibende Raum wiederum eher schwindet, vor allem aber aus der Sicht der Bürgers ein schwer durchschaubares Nebeneinanderzweier Norm~chichten entsteht. Schließlich wird es auch nicht gelingen, durch eine Kompetenzgeneralklausel - etwa für neu auftretende Aufgaben- substantielle Länderzuständigkeiten zu erhalten, ganz abgesehen davon, daß, wie die "Bedürfnisklausel" des Art. 72 Abs. 2 GG zeigt, eine justitiable Formulierung schwer zu finden sein wird. c) Eine Verbesserung scheint mir darin zu liegen, eine die Landeskompetenz stärker absichernde Schranke bei den konkurrierenden Gesetzgebungsmaterien zu finden. Nötig ist ferner die Durchforstung des Katalogs des Art. 74. Zur Erhaltung eines funktionstauglichen Föderalismus wird es unerläßlich sein, den Ländern nicht nur marginale Kompetenzmaterien, sondern auch solche substantieller Art zurückzugewinnen, für den Bund aber den Bereich zu bewahren, den Rechts- und Wirtschaftseinheit sowie die Erfordernisse des modernen Sozialstaats für bundeseinheitliche Regelungen bedingen81 • d) Die föderative Ordnung des Grundgesetzes war von Anfang an nicht separativ, wie etwa in den USA82, also als Trennsystem, angelegt, sondern tendenziell kooperativ, also als Verbundsystem. Insofern ist es unzutreffend, wenn der kooperative Föderalismus in den späten 60er Jahren als "neue Staatsidee" proklamiert wurde. Richtig ist nur, daß die Gestaltungsformen des Für- und Miteinanders sich intensiviert und vermehrt haben. Die Rahmengesetzgebung des Art. 75 und expressis verbis die Kompetenz des Art. 73 Nr. 10 sowie die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder in allen ihren Modalitäten sind Formen des institutionalisierten Miteinanders ebenso wie die Mitwirkung des Bundesrats an der Willensbildung des Bundes und die schwer kategorisierbaren Verflechtungen im Bereich der Finanzverfassung und Finanzverwaltung83. Demgegenüber war die Dritte Gewalt aus der föderalistischen 81 Zu eng Imboden (Anm. 8), S. 183: "Nur wo um der ungestörten Erhaltung des Ganzen, um der äußeren Stärke und des allgemeinen Friedens willen eine Obliegenheit zentral erfüllt werden muß, ist das Motiv für eine Erweiterung der Bundeskompetenzen gegeben." 82 H. Steinberger, Konzeption und Grenzen freiheitlicher Demokratie, 1974, S. 104 f.; M. Hilf, Das 10. Amendment im Wandel des Föderalismus in den Vereinigten Staaten von Amerika, JöR Bd. 22 (1973), S. 595 ff. 83 BVerfGE 32, 145 (153).
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Sicht eindeutig vom Prinzip der Subordination geprägt, wenn ich vom Zusammenwirken bei der Richterernennung zu den obersten Bundesgerichten und zum Bundesverfassungsgericht einmal absehe. Neu war die Intensität und Mehrung der Kooperation, die seit 1967 auch verfassungsrechtlich verankert wurde. Jedoch muß man sich hüten, alle Gestaltungen, seien sie bloß praktiziert oder schon institutionalisiert, samt und sonders dem kooperativen Föderalismus zu subsumieren. Die Wirklichkeit ist erheblich komplexer und differenzierter. Kooperation setzt stets Partner voraus, die autonom entscheiden, ob sie kooperieren wollen oder nicht. Sie ist zweifelsfrei in den Fällen des Art. 91 b GG gegeben, weswegen denn auch diese Form des paktierenden Föderalismus auf verfassungsrechtliche oder politische Bedenken nicht gestoßen ist. Sie legalisiert nur einen Hauptfall84 eines umfangreichen vertraglichen Bund/Länder-Zusammenwirkens. Demgegenüber sind die Konjunktursteuerungsbefugnisse des Bundes auf Grund Art. 109 GG und des Stabilitätsgesetzes nicht kooperative, sondern zentralistische Instrumente85• Eine besondere Form des Miteinanders, und zwar nicht nur des Bundes und der Länder, sondern auch der kommunalen Körperschaften, ist die Zusammenarbeit in gemeinsam beschickten Räten wie im Konjunkturund Finanzplanungsrat (§§ 18 StabG, 51 HGrG), in Enquete-Kommissionen gemäߧ 74 a GO-BTag etwa für Verfassungsreform und Auswärtige Kulturpolitik oder im Wissenschaftsrat, der als Paradigma für viele andere stehen mag. Diese Institutionen sind Ausdruck eines koordinierenden Föderalismus, der freilich entscheidend geschwächt wird dadurch, daß den Räten nur Empfehlungs-, aber nicht Entscheidungs- und Weisungskompetenzen zukommen. In diese Rubrik gehören auch die Instrumente der Selbstkoordination, die sich die Länder geschaffen haben, wie die ständigen und ad hoc gebildeten Fachministerkonferenzen und Arbeitskreise, über die unlängst Feuchte 86 ausführlich berichtete. Ihre Leistungsbilanz ist besser als ihr Ruf, wenngleich hier ebenso wie bei den noch zu behandelnden echten Gemeinschaftsaufgaben das Gewicht gouvernementaler Bundesstaatlichkeit stark hervortritt, die die Parlamente in die Funktion des Ratifizierungsorgans drängt, das lediglich zustimmen oder verwerfen kann, ohne politisch gestalten zu können. Diesem Phänomen parlamentarischen Terrainverlustes~ 7 kann an dieser Stelle nicht 84 Vgl. die Nachweise bei Kisker (Anm. 71) im Anhang; ferner H. Schneider, Verträge zwischen Gliedstaaten im Bundesstaat, VVDStRL Heft 19 (1961), s. 1 ff. 8s Vgl. auch H. Kühn (Bundesrat 373. Sitzung vom 12. 11. 1971, S. 315 c), der von der Gefahr des "zentral gesteuerten Föderalismus" spricht. 86 Feuchte (Anm. 38), S. 475 ff. 87 Frowein (Anm. 38), S. 24; Kisker (Anm. 71), S. 120 ff., 290; W. Leisner, Schwächung der Landesparlamente durch grundgesetzliehen Föderalismus, DÖV 1968, 389 ff.; Liesegang-PWger, Schwächung der Parlamente durch den kooperativen Föderalismus?, DÖV 1971,228 ff.; Kewenig (Anm. 72), S. 23 ff.
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nachgegangen werden. Nur so viel sei gesagt: Der viel gescholtene Vorschlag der Enquete-Kommission über die Verbundplanung war aus dem Motiv gespeist, dem Parlament wieder echte Einwirkungsmöglichkeiten zu verschaffen. e) Bei der Verankerung der Gemeinschaftsaufgaben (Art. 91 a) im Grundgesetz erklärte der damals amtierende Bundesminister der Finanzen Strauß: "Der Gedanke der gemeinsamen Wahrnehmung von Aufgaben durch Bund und Länder ist nicht in den Köpfen von Verfassungsjuristen entstanden, sondern aus der Dynamik der tatsächlichen Notwendigkeiten88." Auch wenn insoweit das juristische Ingenium allzu stark deminuiert wurde, war es jedenfalls vorwiegend die Wirkweise der Planungs-, Wachstums- und Vorsorgekompetenz des Staates, die diese Gestaltungsform in Mode brachte, wie gerade eine Tagung zu diesem Thema an diesem Ort zeigte. Verfassungsrecht vollzog insoweit Verfassungswirklichkeit nach. Man hat in Art. 91 a einen Markstein im föderativen Gefüge der Bundesrepublik sehen wollen89 . Betrachtet man die Entwicklung des Bund/Länder-Verhältnisses nüchterner, so scheint es mir angezeigt, bescheidener von einer Verstärkung der in der deutschen Bundesstaatlichkeit angelegten Gemeinschaftlichkeitsinstrumente zu sprechen. Wesentlich ist indes, daß das Verflechtungstheorem gefestigt, die politischen Interdependenzen verstärkt wurden. Daran kann eine neue noch fehlende politische Theorie des grundgesetzliehen Föderalismus der siebziger Jahre nicht vorübergehen. Nach den zahlreichen Äußerungen90 zu den Mechanismen der Gemeinschaftsaufgaben, ihren Vorund Nachteilen möchte ich in diesem Kreise auf Einzelheiten nicht eingehen. Betont sei lediglich, daß der anfängliche Überschwang, mit der ihre Einführung gefeiert wurde, jedenfalls auf Länderseite mehr und mehr einer Skepsis gewichen ist. Mischverwaltung und Mischfinanzierung, Unklarheit in den Verantwortlichkeiten, Schwerfälligkeit in der Arbeit der Planungsgremien, Einflußlosigkeit der Parlamente sind die hauptsächlich vorgetragenen kritischen Argumente. Abhilfen in der komplizierten Arbeitsweise der Planungsausschüsse dürften möglich sein, aber im Prinzipiellen sehe ich keine Veränderungschance, ohne das ganze föderative Balancesystem ins Ungleichgewicht zu bringen. Wurde oben der Vorschlag einer Funktionsverlagerung an den Bund abgelehnt, so Bundestag, Stenographische Protokolle V/9149. H. Weichmann, Bundesrat, 338. Sitzung vom 9. 5. 1969, S. 115; kritisch H. Soell, Sind die Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91 a GG ein geeignetes Instrument zur Weiterentwicklung des föderativen Systems?, in: Festschrift für Forsthoff, 1972, S. 397 ff. 90 Vgl. zuletzt Frawein (Anm. 38) und v. Münch (Anm. 72) mit Nachw.; J. Hölzl, Die Gemeinschaftsaufgaben und die Gemeinden, in: Recht und Staat, Festschrift für G. Küchenhoff, 1972, Bd. II, S. 485 ff.; Rietdorf (Anm. 72); Kewenig (Anm. 72); ferner die Literaturangaben bei Schmidt-Bteibtreu/Klein (Anm. 35) vor Art. 91 a. 88 89
s•
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gilt Gleiches für die Rückverweisung an die Länder, die bisweilen91 vorgeschlagen wurde. Die derzeit bestehenden Länder sind, wie die Realität in der Vergangenheit bewiesen hat, mit der Erfüllung dieser Aufgaben in vielen Fällen überfordert. Hält man den Vorschlag der Enquete-Kommission über die integrierte Bund/Länder-Planung für zu perfektionistü:ch, so ist das Institut der Gemeinschaftsaufgabentrotz gewisser Schwächen unter den gegebenen Umständen am geeignetsten. Die Ausführungen, mit denen sie die Träger-Kommission begründet hat, gelten heute genauso wie vor einem Jahrzehnt: "Diesen Aufgaben ... ist gemeinsam, daß sie sich durch die ungewöhnlich hohe Kostenlast, die sie verursachen, durch die damit einhergehende langfristige Bindung und durch ihre wirtschafts- und gesellschaftspolitische Bedeutung von anderen Aufgaben der Länder unterscheiden. Diese Tatsache muß Anlaß zu einer Prüfung der Frage geben, ob derartige Maßnahmen künftig allein der regionalen Initiative und Verantwortung überlassen bleiben können, ob nicht vielmehr auch der Bund in diesen Fällen zur Wahrung der gesamtpolitischen und gesamtwirtschaftlichen Erfordernisse zur Mitwirkung und Mitverantwortung berufen ist92." Der Gewinn an staatlicher Leistungsfähigkeit zu Gunsten der Bürger wiegt wohl den Verlust an landesstaatlicher Gestaltungsfreiheit auf. 4. Ein wesentlicher Bestandteil politischer Gestaltung im deutschen Bundesstaat der Gegenwart ist die Zusammenarbeit der Länder als eine besondere Form der Unitarisierung. Verfassungsrechtlich ist ein solches Miteinander kein Problem mehr93 , obwohl das Grundgesetz weder wie die Österreichische Bundesverfassung eine generelle ausdrückliche Ermächtigung für diese Zusammenarbeit kennt (Art. 107) noch sie partiell untersagt, wie Art. 7 Abs. 1 Schweizerische Bundesverfassung. Die föderative Ordnung des Grundgesetzes berechtigt in den soweit bescheidenen94 Grenzen des Art. 3 GG zu einer divergierenden Gestaltung der den Ländern überlassenen Aufgabenbereiche, aber sie verpflichtet hierzu nicht. Irrsonderheit erlaubt der soziale Bundesstaat des Art. 20 Abs. 1 91 Etwa 0. Barbarino, Protokoll Nr. 5 der Enquete-Kommission des VI. Deutschen Bundestages; ders., Zur Revision des Grundgesetzes: Planerische und finanzielle Aspekte des Bund-Länder-Verhältnisses unter besonderer Berücksichtigung der Gemeinschaftsaufgaben, DÖV 1973, 19 ff.; Kisker (Anm. 71), S. 304 ff. Vgl. auch den Beschluß der Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion in den Länderparlamenten und im Bundestag vom 2. 6. 1972 (abgedruckt bei v. Münch [Anm. 71], S. 55 f.). 92 Tz 132, S. 35; ferner H. Spanner, Über Finanzreform und Bundesstaat, in: Festgabe für Maunz, 1971, S. 375 (388 f.). 03 Vgl. Rudolf (Anm. 8), S. 38 ff.; Stern (Anm. 12), S. 32 ff.; insgesamt Kisker (Anm. 71), passim; zuletzt Feuchte (Anm. 38), S. 509 ff. 94 Maunz-Dürig-Herzog (Anm. 47), Randnr. 233 ff. zu Art. 3; F. Klein, Gleichheitssatzund föderative Struktur der Bundesrepublik Deutschland, in: Öffentliches Recht und Politik, Festschrift für Scupin, 1973, S. 165 ff.; BVerfGE 32,
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keine gravierende Disproportionalität von Sozialität und Föderalität. Weit mehr ist aus ihm zu folgern, kompetentiellen Egoismus zu überwinden und Kooperation zu erstreben. Zwischen interföderativer Kooperation und einer Entscheidung durch den Bund, der gegebenenfalls gegen den Willen der oder einzelner Länder handeln kann, besteht dabei, wie das Bundesverfassungsgericht sagt, ein "entscheidender Unterschied" 95 . Prinzipiell untersagt eine wie auch immer geartete Länderzusammenarbeit Übereinstimmung des Partners. Es gilt nicht der im demokratischen Prinzip beheimatete Grundsatz des Regiments der Mehrheit, sondern der der Zustimmung, gegebenenfalls der Einstimmigkeit96 . Neuere Abkommen sind davon, wie Feuchte berichtet97, unter Wahrung des Grundsatzes abgewichen, um vor allem im Bildungsbereich zu praktischen Ergebnissen zu kommen. Dieser Vorgang sei ex constitutione nicht überbewertet, aber er zeigt doch eine für die föderative Ordnung charakteristische Symptomatik. Verfassungsrechtliche Grundsätze haben nicht mehr die Kraft, parteipolitisch motivierte Programmierungen, die auf Grundsatzaussagen beruhen, zu inhibieren. Man manövriert und arrangiert sich knapp unter der Grenze offenkundiger Verfassungswidrigkeit. Aus föderativer Solidarität wird Partikularität, zumindest Bipolarität98. Daß daraus Gefahren für das föderative System insgesamt erwachsen, darf nicht übersehen werden. Denn Bundesstaatlichkeit beruht auf mehrseitigen Beziehungs- und Funktionsströmen, die allesamt intakt sein müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat dies wie folgt formuliert: "Die bundesstaatliche Verfassung umschließt mehrere Rechtskreise, den Verfassungskreis zwü:chen den Organen des Gesamtstaates, den Rechtskreis zwischen Gesamtstaat und Gliedstaaten, den Rechtskreis zwischen den Gliedstaaten99." Für die Länder wird es zu einer entscheidenden Bewährungsprobe ihrer selbst, "eine ausgewogene Balance zwischen gemeinsamer überregionaler Aufgabenerfüllung und eigenständiger Landespolitik zu finden" 100• Darin liegt zugleich auch ein Prüfstein für die Leistungsfähigkeit des Föderalismus. Es kann hier nicht darum gehen, die vielfältigen Gestaltungsformen des länderkooperierenden Föderalü:mus darzustellen, wofür etwa das Rundfunkwesen, das ich 1969 analysiert habe, ein treffliches Paradigma ist: Gemeinsame Einrichtung, Selbstkoordinierung durch Musterentwürfe, Verträge, treuhänderi:sche Betrauung, richtungweisende Empfehlungen in Ministerkonferenzen und Arbeitskreisen. Diese Kooperations- und Koordinationsformen sind heute unentbehrlich. Sie verfassungsrechtlich als Dritte Ebene in Form eines es BVerfGE 12, 205 (252). oe BVerfGE 1, 299 (315). 97 Feuchte (Anm. 38), S. 475 ff. 98 Feuchte, a.a.O., S. 516 ff. 99 BVerfGE 13, 54 (78). loo Depenbrock (Anm. 2), S. 37.
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Länderrats zu institutionalisieren, wie es etwa Dichgans101 und Leisner102 vor~chlagen, halte ich indessen für verfehlt. Konstitutionalisierung dürfte nämlich nicht ohne Verlust an Effizienz und Gestaltungsreichtum möglich sein, zumalsich mit Sicherheit ein schwer in Grenzen zu haltender deutscher Hang zum Perfektionismus breit machen würde. Gewichtiger ist, inwieweit der Minderung parlamentarischer Kontrolle durch die gouvernementale Kooperation begegnet werden kann. Ebenso wenig wie ein Länderrat förderlich wäre, ist es ein sog. Ländertag, also ein Gemeinschaftsorgan der Landesparlamente 103. VI. Die föderative Ordnung ist in der Bundesrepublik Deutschland in der Gegenwart vielfältigen Spannungen ausgesetzt, deren Ursachen in politischen, sozialen, technologischen und wirtschaftlichen Faktoren liegen. Darum gehört dieses Strukturprinzip zu den beständigsten Themen der deut~chen Rechts- und Staatswissenschaft. Gerade darin liegt aber auch sein Reiz und trotz aller Grabgesänge seine Lebenskräftigkeit. Wenn ich es in meinen Ausführungen als ein gesundes Prinzip dargestellt habe, so deshalb, weil für mich Tradition nicht bedeutet, verglimmende Asche künstlich wieder zum Brennen zu bringen, sondern die Flamme eines wärmenden Feuers am Leben zu halten. Dieser Aufgabe sich mit Erfolg zu widmen, gelingt nicht ohne Anspannung aller Kräfte. Verfassungsgüter erhalten sich nicht mehr von selbst kraft ihrer inneren Überzeugungskraft. Sie müssen stetig und deutlich bewußt gemacht werden, besonders dann, wenn sie nicht wie bdm Föderalismus auf der Hand liegen. Seine Philosophie und Legitimation ist kompliziert; seine Spannungsfelder systemimmanent, darum bedarf es zu ihrer Bewältigung des Engagements der Besten. Dann dürfte es nicht schwer fallen, Karl Löwensteins Wort, daß Verfassungen, die sich zu weit auf den Bundesstaat einlassen, "von selbst anachronistisch und unbrauchbar" werden104, zu widerlegen. ·
1°1 H. Dichgans, Das Unbehagen in der Bundesrepublik, 1968, S. 227 ff.; ders., Vom Grundgesetz zur Verfassung, 1970, S. 129 ff. 102 W. Leisner, Föderalismus als kooperativer Dialog, ZRP 1969, 14 ff. 103 So der Vorschlag M. Kloepfers, Der Länderrat. Verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Gedanken zu seiner Errichtung, JR 1970, 361 (365). Weitere Vorschläge bei H. J. Schmidt, Zum Verhältnis von Bundesrat und Landesparlamenten, DÖV 1973, 469 ff.; vgl. den Vorschlag eines Planungskontrollgesetzes in Nordrhein-Westfalen (Landtags-Drucksache 7/1518 vom 28. 2. 1972); F. v . Peter, Zur Beteiligung des Parlaments an der Planung auf Bundesebene, DÖV 1973, 336 ff. m. w. Nachw.; E. Fricke, Zur Mitwirkung der Parlamente bei Regierungsplanung, DÖV 1973, 406 ff. mit Nachw. 1°4 Loewenstein (Anm. 7), S. 414.
Die föderative Ordnung im Spannungsfeld der Gegenwart ANHANG I
Begründung neuer Gesetzgebungskompetenzen des Bundes
durch Verfassungsänderungen (außerhalb der Finanzverfassung) Bereich Verteidigung I Wehrverfassung (Art. 73 Nr. 1, 12 a, 17 a, 45 b, 87 b, 96 li, 115 a) Bereich Kernenergie (Art. 74 Nr. 11 a, 87 c) Bereich Gräber von zivilen Kriegsopfern (Art. 74 Nr. 10 a) Bereich Notstand (Art. 115 c I, III) Bereich Ausbildungsbeihilfe (Art. 74 Nr. 13) Bereich wirtschaftliche Angelegenheiten von Krankenhäusern (Art. 74 Nr. 19 a) Bereich Straßenbenutzungsgebühren (Art. 74 Nr. 22) Bereich Hochschule (Art. 75 I Nr. 1 a) Bereich Besoldungsangelegenheiten von Landesbeamten (Art. 74 a) Bereich Rechtsstellung von Landesrichtern (Art. 98 III 2 - Rahmenkompetenz) Bereich Tierschutz (Art. 74 Nr. 20) Bereich Umweltschutz (Art. 74 Nr. 24) Bereich wirtschaftliche Stabilität und Finanzplanung (Art. 109 II - IV) Bereich innere und äußere Sicherheit (Art. 73 Nr. 10, 87 I 2) Bereich Waffenrecht (Art. 74 Nr. 4 a) Bereich Gemeinschaftsaufgaben (Art. 91 a II- IV) Bereich Haushaltsrecht (Art. 112 S. 3, 113 I 2)
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Klaus Stern ANHANG II
Begründung neuer Verwaltungskompetenzen des Bundes durch Verfassungsänderungen Bereich Lastenausgleich - Schaffung des Bundesausgleichsamtes (Art. 120 a)
Bereich Wehrverfassung (Art. 65 a, 87 a, b, 115 b, 115 f.) Bereich Luftverkehrsverwaltung (Art. 87 d) Bereich äußerer Notstand (Art. 35 III 1, 87 a IV, 91 II 1) Bereich Gemeinschaftsaufgaben (Art. 91 ai, 91 b) Bereich innere und äußere Sicherheit (Art. 87 I 2)
Forderungen der Gemeinden zur Neuordnung ihrer Stellung gegenüber Bund und Ländern Von Hermann Scheffler
I. Unser Nachbarland Schweiz besitzt eine lOGjährige Verfassungstradition. Die sog. "Wahlen"-Kommission hat ihre VorEchläge für eine totale Revision der Verfassung vorgelegt, die auch in diesem Mutterland der Demokratie nicht unumstritten sind. Die Anhänger der Partialrevision führen m. E. nicht ohne Grund ins Feld, daß eine Totalrevision ohne eine umfassende gesellschaftliche Analyse als Ausgangsposition nicht zur offenen, sondern zur blockierten Gesellschaft führen müsse. Die mit dieser Aufgabe betrauten Verfassungsrechtier haben allerdings auch wissen lassen, daß Verfassungsfragen in der Schweizer Öffentlichkeit nicht sehr ernst genommen werden. Ich fürchte, daß auch bei uns, bezogen auf Verfassungsfragen allgemein und auf das gestellte Thema im Besonderen, das Interesse der Öffentlichkeit nicht vorhanden ist. In wenigen Wochen wird die 25. Wiederkehr des Tages feierlich begangen werden, an dem die Bundesrepublik Deutschland gegründet wurde. Kein Grund zu lautem Jubel, wohl aber ein Anlcß, darüber nachzudenken, welche Wandlungen sich in diesen 25 Jahren in der Verfassungswirklichkeit ergeben haben und welche Folgerungen gegebenenfalls hieraus gezogen werden müssen. In diesen 25 Jahren ist unser Grundgesetz nicht weniger als 31mal geändert oder ergänzt worden. Das dürfte als Beweis dafür anzusehen sein, daß Verfassungsreform eine Daueraufgabe ist, zu der wir alle aufgerufen sind. Nun ist seit einigen Jahren die Reformentwicklung dadurch in ein neues Stadium eingetreten, daß der Deutsche Bundestag eine besondere Kommission eingesetzt hat mit dem Auftrag, zur Vorbereitung der verfassungspolitischen Entscheidungen generell zu prüfen, ob und inwieweit das Grundgesetz den gegenwärtigen und den voraussehbaren zukünftigen Erfordernissen angepaßt werden muß. Durch diesen Beschluß des Deutschen Bundestages ist die permanente Aufgabe der Ver-
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fassungsreform in hohem Maße aktualisiert worden. Alle politischen Kräfte in unserem Land sind damit aufgerufen, gewissermaßen öffentlich darüber nachzudenken, an welchen Stellen unseres Verfassungsgefüges die Spannungen zwischen Verfassungswirklichkeit und Verfassungsrecht so groß und so unerträglich geworden sind, daß eine Anpassung der Verfassungsnormen geboten erscheint. Damit ist zugleich ein weiterer Aspekt des Kommissionsauftrages angesprochen: Nicht eine Totalrevision des Grundgesetzes ist das Gebot der Stunde, sondern eine behutsame Anpassung unter Wahrung seiner Grundprinzipien. Die Bewährung unserer Verfassung in ihrer Grundstruktur wird heute von allen staatstragenden politischen Kräften in unserem Lande anerkannt. Auch die Gemeinden, für die ich hier zu sprechen die Ehre habe, wissen, daß das Grundgesetz eine solide Basis für die kommunale Selbstverwaltung in den Städten, Gemeinden und Kreisen ist, an der im Grundsatz festgehalten werden muß. Und dennoch erheben die Gemeinden seit geraumer Zeit mit besonderem Nachdruck die Forderung, ihre verfassungsrechtliche Stellung im Verhältnis zu Bund und Ländern wesentlich zu verstärken. Das Schlagwort von der gemeindlichen Ebene als der "Dritten Säule" unseres Staates mag hierfür symptomatisch sein. Wo liegen hier die unerträglich gewordenen Spannungen zwischen Verfassungswirklichkeit und Verfassungsrecht, die gerade die Gemeinden veranlaßt haben, eine solche Forderung zu erheben? Man kann diese Frage nur dann beantworten, wenn man zuvor das Spannungsverhältnis deutlich macht, das zwischen den Bereichen der staatlichen Verwaltung und der kommunalen Selbstverwaltung besteht, und wenn man vor diesem Hintergrund den ständigen Wandlungsprozeß darstellt, den die kommunale Selbstverwaltung seit Gründung der Bundesrepublik durchlaufen hat. Nun kann man bisweilen hören, zwischen staatlicher Verwaltung und kommunaler Selbstverwaltung gäbe es überhaupt kein Spannungsverhältnis mehr, weil die historisch bedingten Unterschiede zwischen beiden Formen des Verwaltungshandeins im Zeichen einer auf Egalität ausgerichteten Demokratie längst nivelliert seien. Auch das Verwaltungshandeln des Staates unterliege heute einer umfassenden parlamentarischen Kontrolle sowohl auf der Ebene des Bundes als auch der Länder. Ich vermag diese Auffassung nicht zu teilen. Solange die Gemeinden als rechtlich selbständige Körperschaften mit der Befugnis ausgestattet sind, ihre eigenen Angelegenheiten in eigener Verantwortung zu ordnen und zu regeln - und dieses Recht ist ihnen durch die Verfassung garantiert -, solange wird es ein Spannungsverhältnis zwischen der politischen Selbständigkeit der Gemeinden einerseits und der auf Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse bedachten Staatsverwaltung andererseits geben. Das ist übrigens im Verhältnis zwischen Ländern und Bund nicht
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anders. Böckenförde hat dieses Spannungsverhältnis einmal zutreffend als die "Quadratur des Zirkels" genannt. Schon aus dieser Bemerkung wird deutlich, wie groß die Schwierigkeiten sind, dieses Spannungsverhältnis verfassungsrechtlich zu bewältigen. II. Lassen sie mich nun im folgenden die soziologischen, politischen und rechtlichen Aspekte des Wandlungsprozesses beleuchten, in dem sich die kommunale Selbstverwaltung seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland befindet. 1. Professor Püttner hat anläßlich des "Kettwiger Gesprächs" mit Recht auf den soziologischen Bedeutungsschwund der Gemeinden als soziale Gebilde hingewiesen. Der moderne Bürger lebt heute vielfach ohne engere Bindung zu seiner Wohngemeinde, in der er sich möglicherweise überhaupt nur zeitweilig aufhält. Der in den letzten Jahren erreichte außerordentlich hohe Mobilitätsgrad hat dazu geführt, daß die Funktionen des Wohnens, des Arbeitens, der Erholung und Freizeitgestaltung usw. häufig nicht mehr auf eine Gemeinde konzentriert, sondern auf mehrere Gemeinden verteilt sind. Wir sprechen heute bereits von typischen "Wohngemeinden", "Betriebsgemeinden" und "Freizeitgemeinden". Auch die Binnenwanderung innerhalb der Bundesrepublik hat gegenüber der Zeit vor dem Kriege in erheblichem Umfange zugenommen. All dies hat eine gewisse Bindungslosigkeit des Bürgers an "seine" Gemeinde bewirkt, die dem Gedanken ehrenamtlicher Mitwirkung an den Gemeindeangelegenheiten im starken Maße abträglich ist. Ohne die aktive Bereitschaft des Bürgers zur Mitarbeit ist es kaum möglich, kommunale Selbstverwaltung zu verwirklichen. Leider hat die in den Ländern der Bundesrepublik durchgeführte gebietliehe Neuordnung des Kommunalbereichs die Bindungen des Bürgers an seine Gemeinde nicht gerade gefestigt. Im Gegenteil: Die zum kategorischen Imperativ der Verwaltungsreform erhobene Maxime nach rigoroser Verringerung der Anzahl der Gemeinden hat ganz zwangsläufig zu einem Abbau demokratischer Präsenz geführt und damit den Abstand zwischen dem Bürger und seinen Mandatsträgern vergrößert. Der Gesetzgeber selbst spürt dieses Unbehagen, wie sonst käme er, wie z. B. in NRW zu dem Vorschlag, eine Bezirksverfassung zu beraten und die Zahl der Ratsmitglieder zu erhöhen.
2. Ein weiteres soziologisches Phänomen ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Wir beobachten heute vielfach eine völlig einseitige Betonung der sog. Verwaltungseffizienz. Ich möchte nicht mißverstanden werden: Natürlich muß Verwaltung - und das gilt auch für die kommunale Selbstverwaltung- effizient sein, d. h. mit dem geringstmöglichen Aufwand den größtmöglichen Nutzen erbringen.
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Es wäre aber sicherlich verfehlt, den Wert gemeindlicher Selbstverwaltung ausschließlich am Erfolg der erbrachten Verwaltungsleistungen zu messen. Leider ist es aus der Mode gekommen, bürgerschaftliebes Mitdenken und Mithandeln als einen Grundwert unserer demokratischen Verfassungsordnung herauszustellen. Schon heute ist es, wie durch Umfragen festgestellt wurde, dem Bürger vielfach gleichgültig, ob öffentliche Aufgaben von der Gemeinde oder vom Staat erfüllt werden. Entscheidend ist für ihn, daß die Verwaltungsleistung überhaupt erbracht und daß sie möglichst gut erbracht wird. Diese Denkungsweise könnte sehr leicht eines Tages auch zu einem Desinteresse des Bürgers an der demokratischen Verfassungsbrdnung überhaupt führen. 3. Auch der zunehmende Einfluß der politischen Parteien auf die kommunalpolitischen Entscheidungen in den Städten, Gemeinden und Kreisen ist ein Faktor, der für unsere Betrachtung von Bedeutung ist. In ihrem politischen Wollen und Handeln sind die Parteien an bestimmte zentrale Maximen gebunden, die in den jeweiligen Parteiprogrammen ihren Ausdruck finden. Die kommunale Selbstverwaltung unserer Zeit kann und darf nicht mehr die Honoratiorenverwaltung der Jahrhundertwende sein. Sie sollte aber ebensowenig zum Vollzugsorgan regionaler oder gar zentraler Parteiinstanzen werden. Im gemeindlichen Bereich kommt es entscheidend auf die Mitwirkungsbereitschaft aller Bürger an. Sie zu erhalten, sollte ein wichtiges Ziel aller politischen Parteien sein und bleiben. In diesem Zusammenhang ein Wort zum sogenannten imperativen Mandat. Man kann Minister Eppler nur zustimmen, wenn er sagt: Nur mit Schaudern kann ich mir den Typus eines Mandatsträgers vorstellen, der sich als Briefträger für das imperative Mandat zur Verfügung stellt. 4. In den Verfassungen der Länder wie auch in den Gemeindeordnungen lesen wir, daß die Gemeinden die Grundlage des demokratischen Staatsaufbaues sind. Damit wird die entscheidende Bedeutung der Gemeinden über ihren eigenen örtlichen Bereich hinaus für den Gesamtaufbau unseres demokratischen Staates unterstrichen. Diese Feststellung ist nicht nur unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, sondern vor allem in politischer Hinsicht von ausschlaggebender Bedeutung. Verfassungsrechtlich wird damit die Einbindung des kommunalen Bereichs in das Verfassungsgefüge des Gesamtstaates dokumentiert. Wichtiger noch aber ist die verfassungspolitische Bedeutung dieser Basisfunktion der Gemeinden für den Gesamtstaat. In der Gemeinde nämlich tritt der Staat für den Bürger am sichtbarsten in Erscheinung. Hier prägt sich die innere Einstellung des Bürgers zum Staat und damit das Staatsbewußtsein schlechthin. Von daher gesehen müssen Bund und Länder an einer gut funktionierenden kommunalen Selbstverwaltung in hohem Maße interessiert sein, weil die Integration des Bürgers in den Staat nur gelin-
Forderungen der Gemeinden gen kann, wenn hierfür die erforderlichen Voraussetzungen auf der kommunalen Ebene geschaffen wurden. Zu diesen Voraussetzungen gehört in erster Linie die Möglichkeit eigenverantwortlicher Ent~cheidungen im Bereich der Gemeinden. Leider müssen wir gerade in den letzten Jahren feststellen, daß diese Möglichkeiten durch staatliches Handeln immer mehr einge~chränkt werden. Im Zuge sozialstaatlicher Daseinsvorsorge wird die Zahl der Pflichtaufgaben sowohl im Bereich der Selbstverwaltung als auch der Auftragsverwaltung immer größer. Gleichzeitig wird dadurch der Handlungsspielraum der Gemeinden im Bereich ihrer freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben im gleichen Maße eingeschränkt. Im Zusammenhang damit verengt sich natürlich auch der finanzielle Spielraum der Gemeinden für ihre freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben. Mit Nachdruck hat Püttner gelegentlich des Kettwiger Gesprächs darauf hingewiesen, daß der rein administrative Vollzug von Bundesund Landesgesetzen, bei denen es nichts politisch Bedeutsames mehr zu entscheiden gibt, keine Selbstverwaltung ist und keine demokratische Komponente trägt. Vor der Gefahr einer inneren Auszehrung der Selbstverwaltungssubstanzkann daher nur nachdrücklich gewarnt werden. 5. Ein weiterer, außerordentlich wichtiger Aspekt des Wandlungsprozesses liegt im finanziellen Bereich. Es ist ein offenes Geheimnis und bedarf hier nicht der näheren Ausführung, daß die Finanzausstattung der Gemeinden unzureichend ist. Die Gemeinden sind daher in erheblichem Umfang auf finanzielle Zuschüsse von Bund und Ländern ·angewiesen, wenn sie ihre Aufgaben erfüllen wollen. Dieses Dotationssystem hat nicht nur die Finanzverantwortung der Gemeinden untergraben, sondern auch zu einer massiven Beeinflussung kommunaler Entscheidungen durch den Staat geführt, die mit dem Gedanken kommunaler Selbstverwaltung kaum zu vereinbaren ist. Besonders bedauerlich ist, daß über diese Lenkung "am goldenen Zügel" auch der gesetzesfreie Handlungsspielraum der Gemeinden in starkem Maße eingeengt wurde. In der Praxis kann der Staat heute durch entsprechende Auflagen darüber bestimmen, welches Projekt in einer bestimmten Gemeinde zu welchem Zeitpunkt und in welcher Weise durchgeführt wird. Von eigenverantwortlicher Entscheidung der Gemeindeorgane kann hier nicht mehr gesprechen werden. 6. Den stärksten Eingriff aber hat die kommunale Selbstverwaltung durch die ständige Verstärkung und Verdichtung zentralstaatlicher Planungen hinnehmen müssen. In einer Zeit der Planungseuphorie wird zentrale Planung allzu leicht als Selbstzweck empfunden, ohne daß die damit verbundenen Gefahren für unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung gEsehen werden. Barbarino hat deshalb mit Recht die zentrale öffentliche Planung als ein "notwendiges Übel" bezeichnet, das auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt werden muß. Für die Städte,
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Gemeinden und Kreise besteht heute die erhebliche Gefahr, in die Rolle des staatlichen "Planvollziehers" abgedrängt zu werden. Das wäre mit dem Gedanken der kommunalen Selbstverwaltung ebenso wenig vereinbar wie die bloße Ausführung staatlicher Gesetze durch die Gemeinden.
III. Die von mir dargestellten Aspekte des Wandlungsprozesses, in dem sich die kommunale Selbstverwaltung gegenwärtig befindet, haben, so glaube ich, die Spannungen deutlich gemacht, die sich für die Gemeinden im Verhältnis zum Bürger einerseits und zu Ländern und Bund andererseits als besonders problematisch darstellen. Es erscheint mir notwendig, nunmehr einen Vergleich zwischen der gemeindlichen Verfassungswirklichkeit und der verfassungsrechtlichen Stellung der Gemeinden anzustellen, um damit das Ausmaß dieses Spannungsverhältnisses deutlich zu machen. 1. Die allgemeine verfassungsrechtliche Position der Gemeinden und Gemeindeverbände wird im wesentlichen durch Art. 28 des Grundgesetzes abgesteckt. In dieser Verfassungsbestimmung findet die Institution der gemeindlichen Selbstverwaltung ihre ausdrückliche verfassungsrechtliche Anerkennung. Zugleich wird sie damit dem Zugriff des (einfachen) Gesetzgebers entzogen. Diese institutionelle Garantie hindert allerdings nicht Eingriffe des Gesetzgebers in den Bestand einzelner Gemeinden oder Kreise. Derartige Eingriffe in Form der Auflösung, Umbildung und Neubildung kommunaler Körperschaften sind vielmehr aus Gründen des öffentlichen Wohles zulässig, wobei allerdings der jeweilige Landesgesetzgeber an die Einhaltung bestimmter Spielregeln verfassungsrechtlich gebunden ist. Trotz dieser Eingriffsmöglichkeiten des Landesgesetzgebers in den Bestand jeder einzelnen Gemeinde und jedes einzelnen Kreises ist die Institution der kommunalen Selbstverwaltung als solche verfassungsrechtlich in ausreichendem Maße geschützt.
Wesentlich problematischer ist schon der verfassungsrechtliche Schutz des gemeindlichen Aufgabenbestandes. Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln, allerdings nur im Rahmen bestehender oder noch zu erlassender Gesetze. Diese Einschränkung klingt harmlos, gewinnt jedoch im Lichte des soeben dargestellten Wandlungsprozesses in zunehmendem Maße an Bedeutung. Rehn hat den Gesetzesvorbehalt in Art. 28 Abs. 2 GG zutreffend als ein "Trojanisches Pferd" bezeichnet, mit Hilfe dessen der gemeindliche Aufgabenbestand in den vergangenen Jahren immer stärker ausgehöhlt werden konnte. Das gilt übrigens nicht nur im Verhältnis zwischen Kommunalverwaltung und Staatsverwaltung, sondern auch innerhalb des Kommunalbe-
Forderungen cier Cerneinden reichs selbst, insbesondere im Verhältnis zwischen Gemeinden und Kreisen. Hier ergibt sich eine sonderbare Widersprüchlichkeit zu den erklärten Zielen der gebietliehen Neuordnung. In allen Ländern der Bundesrepublik wird die Neuordnung mit dem Ziel betrieben, die Verwaltungsund Leistungskraft der Gemeinden zu verbessern. Das aber wiederum erscheint nur sinnvoll, wenn man in konsequenter Fortführung der Gebietsreform den Gemeinden alle diejenigen Aufgaben überläßt, die in der Vergangenheit wegen der Leistungsunfähigkeit vieler Kleingemeinden von anderen Verwaltungsträgern, vor allem von den Kreisen, wahrgenommen werden mußten.Erstaunlicherweisevollzieht sich in manchen Bundesländern eine gegenläufige Entwicklung, die übrigens auch bisweilen in der Bundesgesetzgebung deutlich wird. Es ist ein Widerspruch in sich, einerseits die Leistungskraft der Gemeinden durch Maßnahmen der Gebietsreform zu verstärken, andererseits aber den neugebildeten Gemeinden bedeutsame Sachaufgaben, wie z. B. die Schulträgerschaft, die Abfallbeseitigung oder die Erwachsenenbildung, wegzunehmen und auf die Kreise zu übertragen. Wichtigste Aufgabe ' der Gemeinden ist und bleibt die Vorhaltung der für die Daseinsvorsorge bedeutsamen wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Einrichtungen. Wer die gemeindliche Selbstverwaltung in diesem Kernbereich ihres Wirkens beschränkt oder sie gar von diesem Kernbereich ausschließt, muß sich darüber im klaren sein, daß er damit unsere demokratische und föderalistische Staatsordnung in einem entscheidenden Punkte gefährdet. 2. Von großer verfassungsrechtlicher und verfassungspolitischer Bedeutung ist weiter die Rolle der Gemeinden bei der Ausführung von Bundes- und Landesgesetzen. Abgesehen von den großen staatlichen Aufgabenbereichen wie etwa der Finanzverwaltung, der Arbeitsverwaltung, der Wehrverwaltung und der Postverwaltung, bedienen sich Bund und Länder durchweg der Gemeinden und Gemeindeverbände zur Verwirklichung ihrer gesetzgeberischen Maßnahmen. Da die Gemeinden rechtlich selbständige, wenn auch in den Staat integrierte Gebietskörperschaften sind, leisten sie mit der Bereitstelhing ihres Behördenapparates für den Vollzug der staatlichen Gesetze einen konstruktiven Beitrag zur Verwirklichung der Zielsetzungen unseres Grundgesetzes. Ohne diese Bereitschaft zur Kooperation wären Bund und Länder weitgehend ohne Vollzugsorgane. Welche erheblichen finanziellen Einsparungen sich aus dem geschilderten Sachverhalt für Bund und Länder ergeben, läßt sich zahlenmäßig kaum erfassen und darstellen. Um so erstaunlicher ist es, daß den Gemeinden weder im Bund noch in den Ländern - mit Ausnahme eines einzigen Bundeslandes - verfassungsrechtlich die Möglichkeit zusteht, auf die Gestaltung der Gesetze Einfluß zu nehmen. Berücksichtigt man, wie vielfältig die prakti-
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sehen Erfahrungen sind, die die Gemeinden im Rahmen des Gesetzesvollzugs sammeln, so wäre alleine dieser Umstand geeignet, den Wunsch der kommunalen Seite nach stärkerer Mitsprache zu begründen. Manches Gesetz könnte dadurch in seiner Praktikabilität wesentlich verbessert werden. 3. Ähnliche Probleme bestehen im Bereich der staatlichen Planung. Dabei kann es sich sowohl und reine Landesplanung als auch um Gemeinschaftsplanungen von Bund und Ländern handeln, wie sie etwa im Bereich der sog. Gemeinschaftsaufgaben praktiziert werden. Ihrem Wesen nach ist diese Planung Entwicklungsplanung, die über die räumlichen und technischen Fragen hinaus auch die Aspekte der zeitlichen Verwirklichung und der finanziellen Realisierung umfaßt. Welche Gefahren sich aus dieser umfassenden Ausgestaltung staatlichen Planungsverhaltens für die kommunale Selbstverwaltung ergeben können, habe ich bereits dargelegt. Erfreulicherweise kann festgestellt werden, daß die Notwendigkeit gemeindlicher Mitwirkung an staatlichen Entwicklungsplanungen für eine Reihe von Aufgabenbereichen bereits anerkannt und zum Teil sogar gesetzlich verankert ist. Ich verweise in diesem Zusammenhang etwa auf die Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände an der Regionalplanung, der Verkehrsplanung und der Straßenbauplanung. Weiter ist hier das Zusammenwirken von Bund, Ländern und Gemeinden im Beirat für Raumordnung, im Konjunkturrat und im Finanzplanungsrat zu erwähnen. Allgemeine Anerkennung hat der Gedanke eines Zusammenwirkens von Bund, Ländern und Gemeinden in unserem Grundgesetz bisher noch nicht gefunden. Sollte es zu einer verfassungsrechtlich institutionalisierten Verbundplanung von Bund und Ländern kommen, so wäre es allerdings spätestens dann an der Zeit, auch die gemeindliche Seite allgemein und institutionell an einer solchen Verbundplanung zu beteiligen. 4. Verfassungsrechtlich ist die Stellung der Gemeinden im bundesstaatlichen Aufbau weiter dadurch gekennzeichnet, daß die Gemeinden als Gebietskörperschaften ausschließlich in die Länder inkorporiert sind. Unmittelbare Beziehungen zwischen Bund und Kommunen kennt das Grundgesetz nicht. Dennoch bestehen in der Verfassungswirklichkeit seit langem auch unmittelbare Verbindungen zwischen Bund und Gemeinden, beispielsweise im Planungsbereich oder in der Konjunkturpolitik. Im übrigen aber ist die Wahrnehmung der kommunalen Interessen gegenüber dem Bund eine ausschließliche Angelegenheit der Länder. Diese Mediatisierung des Kommunalbereichs ist von den Vätern unseres Grundgesetzes bewußt in Kauf genommen worden. Die Schaffung eines eigenen Verfassungsorganes der gemeindlichen Seite auf der Bundesebene ist - wohl mit Recht - niemals in Erwägung gezogen
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worden. Problematisch wird die Mediatisierung der kommunalen Interessen allerdings immer dann, wenn es um den Ausgleich gegensätzlicher Interessen zwischen Land und Gemeinden geht. Hier wäre es von Nutzen, wenn für die Gemeinden die Möglichkeit eröffnet würde, ihre abweichende Auffassung unmittelbar gegenüber dem Bund zur Geltung zu bringen. Nach der derzeitigen Verfassungslage ist dies nicht möglich. 5. Schließlich muß im Rahmen dieser verfassungsrechtlichen Betrachtung auch die Finanzierung der gemeindlichen Aufgaben angesprochen werden. Die Zuweisung eigener Steuerquellen bzw. eines eigenen Anteils am Aufkommen der Einkommensteuer ist als ein bedeutsamer Schritt in Richtung auf eine grundlegende Reform der Finanzverfassung anzuerkennen. Unzweifelhaft ist dadurch die Finanzverantwortung der Gemeinden gestärkt worden. Dennoch muß insgesamt die kommunale Finanzausstattung schon von der Systematik her als unbefriedigend angesehen werden. Eine funktionsgerechte und leistungsfähige Finanzwirtschaft setzt voraus, daß die kommunalen Einnahmen mit den notwendigen Ausgaben Schritt halten. Aufgaben- und Finanzverteilung sind aufeinander abzustimmen. An dieser Abstimmung fehlt es bisher. In der Verfassungswirklichkeit werden die Gemeinden in ständig zunehmendem Maße von finanziellen Hilfen übergeordneter Körperschaften abhängig, während der Anteil der eigenverantwortlich von den Gemeinden zu bestimmenden Steuern, Gebühren und Einnahmen immer weiter zurückgeht. Eine kraftvolle Entfaltung der kommunalen Selbstverwaltung setzt neben einem gesetzlich garantierten Aufgabenbestand vor allem eine verstärkte Eigenverantwortung im Bereich der Einnahmenwirtschaft voraus.
IV. Damit komme ich nun zu den konkreten Forderungen der Gemeinden zur Neuordnung ihrer Stellung im Verhältnis zu Bund und Ländern. Diese Vorschläge wurden bereits im Sommer vergangeneo Jahres an die Enquete-Kommission für Verfassungsreform herangetragen. Da sich diese Forderungen als logische Schlußfolgerungen aus meinen bisherigen Darlegungen ableiten lassen, kann ich mich im folgenden wohl auf eine thesenartige Darlegung und Begründung beschränken. 1. Der weiteren Aushöhlung der gemeindlichen Selbstverwaltung muß Einhalt geboten werden. Die Mitwirkung und damit auch die Mitverantwortung des Bürgers an den öffentlichen Angelegenheiten seiner Gemeinde kann nur dann erwartet werden, wenn politisch bedeutsame Aufgaben auch weiterhin in der Gemeinde entschieden werden können. Mit der Gebietsreform allein ist es nicht getan. Die verbesserte Verwaltungsund Leistungskraft der neuen Gemeinden muß vielmehr für den Bürger nutzbar gemacht werden. Dieses Ziel kann nur durch eine baldige, alle 4 Speyer 55
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Bereiche der öffentlichen Verwaltung umfassende Funktionalreform erreicht werden. Als Ziel der Funktionalreform ist eine möglichst bürgernahe, ~chnelle und sachgerechte Erledigung aller Verwaltungsaufgaben anzustreben. Bei der Aufgabenzuweisung ist der Grundsatz des Sachzusammenhangs zu wahren. Auch wenn die Funktionalreform in erster Linie eine Sache der Länder ist, wird durch diese Forderung der Gemeinden auch der Bund angesprcchen. Er muß dafür sorgen, daß die Reformmaßnahmen der Länder nicht durch bundesgesetzliche Zuständigkeitsregelungen blockiert werden. Hierzu liegt dem Deut~chen Bundestag ein entsprechender Gesetzentwurf vor, den das Land Rheinland-Pfalzeingebracht hat und der von den kommunalen Spitzenverbänden nachdrücklich unterstützt wird. 2. Gefordert wird weiter die zügige Fortführung der Gemeindefinanzreform. Dabei muß von dem Grundsatz ausgegangen werden, daß die Finanzausstattung der Gemeinden ihrem Aufgabenbestand zu entsprechen hat und nicht umgekehrt. Ziel der Reform muß somit eine bedarfsgerechte Verteilung des Steueraufkommens auf Bund, Länder und Gemeinden sein. Die eingeleitete Bedarfsfeststellung für die genannten drei Ebenen ist mit Beschleunigung zu Ende zu führen. Eine dauerhafte und der Eigenverantwortung der Gemeinden angemessene Verbesserung der Finanzstruktur muß in erster Linie über eine Verstärkung eigener Einnahmequellen erfolgen. Daneben sind Verbesserungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleicllil notwendig. 3. Eine der wichtigsten Forderungen der Gemeinden ist eine verbesserte Mitwirkung an der Gesetzgebung in Bund und Ländern. Hierzu haben die kommunalen Spitzenverbände vorgeschlagen, daß ihnen ein Anhörungsrecht gegenüber allen an der Gesetzgebung beteiligten Organen zugestanden wird. Dieses Anhörungsrecht sollte in der Verfassung verankert und außerdem in den Geschäftsordnungen der gesetzgebenden Körpen:chaften, der Regierungen und der Ministerien näher ausgestaltet und vor allem rechtlich abgesichert werden. Selbstverständlich wird die Anhörung nur für solche Gesetzesvorhaben gefordert, die den Wirkungskreis der Gemeinden und Gemeindeverbände berühren. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Gemeinden durch ein Bundes- oder Landesgesetz mit zusätzlichen oder höheren Sachkosten belastet werden. Zum anderen sind kommunale Interessen immer dann tangiert, wenn die Durchführung von Bundes- und Landesgesetzen kommunalen Stellen übertragen wird. Hier geht es vor allem auch um die sachgerechte Zuordnung der betreffenden Aufgabe an den am besten geeigneten Verwaltungsträger innerhalb des Kommunalbreichs. Ich darf insoweit auf meine Darlegungen zur Notwendigkeit einer Funktionalreform Bezug nehmen.
Forderungen der Gemeinden
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4. Im Bereich der staatlichen Planung, also der Planung in den einzelnen Ländern, aber auch der Gemeinschaftsplanungen von Ländern und Bund, sind die Gemeinden künftig an den Planungsentscheidungen zu beteiligen. Hier ist vor allem eine frühzeitige Beteiligung wünschenswert. Es geht nicht an, die Gemeinden erst dann in den Willensbildungsprozeß einzuschalten, wenn die Entscheidung an anderer Stelle praktisch bereits gefallen ist. Auf eine rein formalrechtliche Mitwirkung legen die Gemeinden begreiflicherweise keinen Wert. Diese wäre sogar schädlich, weil die Gemeinden dann eine Entscheidung mitverantworten müßten, auf deren Zustandekommen sie keinen Einfluß hatten. Staatliche Planungen dürfen im übrigen nicht den Charakter einer Detailplanung haben, sondern müssen sich auf die Erarbeitung von Rahmenplänen beschränken. Den Gemeinden muß für die Ausfüllung dieses Rahmens zur Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten ein ausreichender Handlungsspielraum verbleiben. Keinesfalls dürfen die Gemeinden zu bloßen Vollzugsorganen staatlicher Planungen werden. Auf die Gefahren, die sich da.raus für die bürgerschaftliehe Mitwirkung in den Gemeinden ergeben könnten, habe ich bereits hingewiesen. 5. Wir sprechen heute von der Notwendigkeit der Kooperation im föderalistischen Staat. In diese Kooperation müssen neben Bund und Ländern verstärkt auch die Gemeinden als eigene Verwaltungsebene einbezogen werden. Während die Länder an der Bundesgesetzgebung über den Bundesrat beteiligt sind, fehlt es bisher an einer unmittelbaren Mitwirkungsmöglichkeit für die kommunale Ebene, obwohl diese etwa 70 OJo der Bundesgesetze auszuführen hat. Die Gemeinden erheben deshalb im Zuge einer Fortentwicklung des kooperativen Föderalismus Anspruch darauf, im Bundesrat unmittelbar repräsentiert zu werden. Im einzelnen geht der Vorschlag dahin, den Gemeinden über ihre Spitzenverbände die Möglichkeit beratender Mitwirkung im Bundesrat und seinen Ausschüssen einzuräumen. Diese Forderung ist, das liegt in der Natur der Sache, bereits jetzt heftig umstritten. Sie berührt in der Tat ein Grundproblem unseres Verfassungsrechtes, nämlich die Einbindung des kommunalen Bereichs in die Länder. Diese Einbindung darf auch nach unserer Auffassung nicht in Frage gestellt werden. Das ist aber im übrigen auch gar nicht beabsichtigt. Es geht den Gemeinden nur darum, eine verfassungsrechtliche Möglichkeit der Artikulation und damit der Einflußnahme zu erhalten, die ihrer Stellung im föderalistischen Staat gemäß ist. Selbstverständlich wird man die gerade mit diesem Vorschlag verbundene rechtliche und politische Problematik noch eingehend prüfen und erörtern müssen. Ich hoffe, daß die Enquete-Kommission für Verfassungsreform hierzu bald Gelegenheit haben wird.
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Hermahn Scheffiet
Der Wunsch einer unmittelbaren Repräsentation der gemeindlichen Seite im Bundesrat ist nicht nur verständlich, sondern, wie ich meine, auch sachlich berechtigt. Er überschreitet auch nicht die vom Grundgesetz im Rahmen des Art. 79 Abs. 3 gezogenen Grenzen, solange er auf eine beratende Mitwirkung abzielt. Lassen Sie mich schließen mit der Feststellung, daß eine Neuordnung des Verhältnisses von Bund, Ländern und Gemeinden im Interesse des Staatsganzen dringend geboten ist, um das Verfassungsrecht wieder mit der Verfassungswirklichkeit in Einklang zu bringen. Die Gemeinden haben ihre Wünsche und Forderungen zur Verfassungsreform nicht aus eigensüchtigen Motiven angemeldet. Sie fühlen sich ebenso für das Staatsganze verantwortlich wie Bund und Länder. Auch sie repräsentieren die Bürgerschaft in ihrer Gesamtheit, deren Belange sie auf der Ebene der Städte, Gemeinden und Kreise zu wahren haben. Es bleibt zu hoffen, daß die große Aufgabe der Verfassungsreform als eine echte Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden in Angriff genommen und durchgeführt wird!
Aussprache zu den Referaten von Klaus Stern und Hermann Scheffler Bericht von Hans-Werner Laubinger In der von Professor Dr. Hartwig Bülck geleiteten Diskussion der Referate von K. Stern (I.) und H. Scheffler (II.) wurde eine Vielzahl von Gegenständen erörtert.
I. 1. Aus der Sicht des Historikers unterstrich Professor Dr. Morsey, Speyer, die Feststellung des Referenten, daß die föderalistische Grundstruktur des Grundgesetzes nicht etwa von den Besatzungsmächten oktroyiert worden sei. Carl Joachim Friedrich, der amerikanische Berater bei den Herrenchiemseer Verhandlungen, habe erklärt, die Verfassungsrichtlinien im Dokument I der Alliierten Militärgouverneure vom 1. Juli 1948 stellten keine alliierte Zwangsauflage dar, sondern seien deshalb aufgenommen worden, weil sich CDU und SPD wiederholt nach diesen Grundsätzen oder auf sie hin orientiert hätten. Morsey hob ferner hervor, im Parlamentarischen Rat habe es zwar möglicherweise kein genuines föderalistisches Konzept, wohl aber eine Fülle föderalistischer Konzeptionen gegeben, deren herausragende Verfechter der rheinland-pfälzische Abgeordnete Süsterhenn und der bayeri.sche Staatsminister Pfeiffer gewesen seien. Auch Höpker-Aschoff, der prominenteste Vertreter der FDP-Fraktion im Parlamentarischen Rat, habe eindeutig erklärt, man wolle die föderalistische Ordnung.
2. Mehrere Diskussionsteilnehmer setzten sich mit der Frage auseinander, ob sich diese föderalistische Ordnung bewährt habe und ob insoweit Änderungen erforderlich seien. Der Präsident des Bundesrechnungshofes Dr. Hans Schäfer vertrat die Auffassung, der Parlamentarische Rat habe zweifellos eine gute Verfassung geschaffen. Je länger sie in Kraft sei, um so problematischer werde allerdings die in Art. 79 Abs. 3 GG vorgenommene Zementierung, die "eine gewisse Anmaßung der Schöpfer des Grundgesetzes" darstelle. Im Gegensatz zu früher sei er, Schäfer, der Ansicht, daß eine Totalrevision des Grundgesetzes wünschenswert sei. Er hege allerdings Zweifel, ob die Enquete-Kommission angesichtsihrer Organisation ("aufgehängt" beim Bundestag, zusammengesetzt aus Bundestagsabgeordneten, Vertretern der Länder und Profes-
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soren) in der Lage sein werde, eine Vorlage zu erarbeiten, aufgrund deren man das Grundgesetz fortentwickeln und reformieren könne. Demgegenüber warnte Stern in seinem Schlußwort vor der Forderung, eine Verfassung müsse alle 25 Jahre umgeschrieben werden. Bei den Beratungen der Enquete-Kommission, der er angehöre, gelange man in den entscheidenden Punkten immer wieder zu dem Ergebnis, daß die Festlegungen des ParlamentariEehen Rates "so schlecht gar nicht seien". Bei aller Reformbedürftigkeit in Details habe sich das Grundgesetz insgesamt gesehen durchaus bewährt. In diesem Sinne äußerte sich auch Ministerialrat a. D. Geffers, Hannover. Die bundesstaatliche Wirklichkeit sei nicht so schlecht, wie sie oft dargestellt würde; gewisse Schwierigkeiten könnten manchmal sogar ganz nützlich sein. Der Bundesrat verhindere häufig den Erlaß unpraktikabler Gesetze. Dies sei um so notwendiger, als das leitende Beamtenturn heute in hohem Maße spezialisiert und politisiert und mit der Verwaltungspraxis zu wenig vertraut sei. 3. Der These, der Föderalismus bilde eine Gefahr für die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen, hielt Oberregierungsrat Dr. Bartholome, Innenministerium Rheinland-Pfalz, die Feststellung entgegen, eine Ungleichgewichtigkeit der Lebensbedingungen bestehe häufig auch in zentralisti~ch verfaßten Staaten, wie beispielsweise in Frankreich, wo das Gefälle wesentlich stärker ausgeprägt sei als in der Bundesrepublik. Gleichwertige Lebensbedingungen könnten nur dann erreicht werden, wenn innerhalb eines Raumes eine Vielfalt politischer und wirtschaftlicher Entscheidungszentren vorhanden sei. Daher sei - pointiert überspitzt - Föderalismus eine Voraussetzung für Chancengleichheit und damit für Sozialität. Dem schloß sich Stern im wesentlichen an, indem er in seinem Schlußwort betonte, auch nach seiner Auffassung gewährleiste die Bundesstaatlichkeit eher als die Einheitsstaatlichkeit die optimale Erfüllung der Staatsaufgaben und die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen. Allerdings sei bisher noch nie richtig definiert worden, was eigentlich unter "Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen" zu verstehen sei. Man müsse sich darüber klar sein, daß es gewisse Unterschiede immer geben werde. 4. Regierungsrat Konrad Bauer, Bundesverkehrsministerium, bemängelte, die These Sterns vom "Substanzverlust der Länder" übersehe, daß auf dem Gebiete der Verwaltung eine Gewichtsverlagerung zu Lasten des Bundes und zu Gunsten der Länder stattgefunden habe. Der Bund sehe sich kaum noch in der Lage, durch direkte Weisungen und allgemeine VerwaltungsvorEchriften auf die Länderexekutive Einfluß zu nehmen. Darauf entgegnete der Referent, politische Substanz gewähre letztlich nur die Gesetzgebungs-, nicht aber die Verwaltungskompetenz. In letzterer Hinsicht seien die Länder eigentlich nur "hochpotenzierte
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Selbstverwaltungskörperschaften", insbesondere dann, wenn ihre Entscheidungsfreiheit durch Verwaltungsvorschriften, Richtlinien und Einzelweisungen eingeschränkt werde. 5. Eine lebhafte Diskussion entspann sich über die Verteilung der Gesetzgebungskompetenz. Hans Schäfer bezeichnete es als dringend notwendig, den Katalog des Art. 74 (Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung) zu "durchforsten". Demgegenüber sprach sich Rechtsanwalt Professor Dr. Ule, Heidelberg, nachdrücklich für die Erweiterung des Katalogs aus. Eine "klare Gesetzgebungskompetenz" müsse dem Bund vor allem auf drei Gebieten eingeräumt werden, nämlich im Beamten-, Polizei- und Verwaltungsverfahrensrecht Das Beamtenrecht sei durch das Beamtenrechtsrahmengesetz ohnehin derart weitgehend vorgeformt, daß für die Regelungsbefugnis der Länder nur noch wenig übrig bleibe. Einleuchtende Gründe für landesrechtliche Differenzierungen seien auf diesem Gebiete nicht ersichtlich. Auch auf dem Gebiet des Polizeirechts sei die Angleichung inzwischen so weit fortgeschritten, daß man es heute ebensogut bundesrechtlich regeln könne. Hinsichtlich des Verwaltungsverfahrensrechts habe man während der letzten 15 Jahre "ein wahres Trauerspiel gesetzgeberischer Künste" erlebt. Daß das Verwaltungsverfahrensrecht auch für die Landesverwaltungen einheitlich geregelt werden müsse, könne nicht bezweifelt werden, weil der Inhalt eines Verwaltungsverfahrensgesetzes von zwei Gesichtspunkten bestimmt werde: zum einen von verfassungsrechtlichen Grundsätzen, z. B. dem des Rechtsstaates und dem der Demokratie, und zum anderen von technischen Gesichtspunkten. Diesen Ausführungen schloß sich Geifers bezüglich des Beamtenrechts an, während er meinte, auf den Gebieten des Verwaltungsverfahrens- und des Polizeirechts seien die regionalen Traditionen noch so mächtig, daß ein Vereinheitlichungsbedürfnis nicht zu erkennen sei. Gegen eine Erweiterung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes sprach sich in seinem Schlußwort auch Stern aus. Da das Beamtenrecht inhaltlich schon heute weitgehend einheitlich ausgestaltet sei, müsse bezweifelt werden, ob ein Unterschied entstünde, wenn das Beamtenrecht allein vom Bund kodifiziert werden würde. Bezüglich des Polizeirechts halte er die Konkurrenz zwischen dem Spezialermächtigungsprinzip des bayerischen Polizeirechts einerseits und der preußischen Lösung der Generalklausel andererseits für durchaus erwünscht, um zu sehen, welches System besser funktioniere. In der Sache selbst bestünden im Polizeirecht ebensowenig wie auf dem Gebiete des Verwaltungsverfahrensrechts erhebliche Divergenzen, die ein Eingreifen des Bundesgesetzgebers erforderlich machten. Der Versuch des Landes Schleswig-Holstein mit seinem Landesverwaltungsgesetz sei als durchaus geglückt anzusehen. 6. Zu der vom Referenten erhobenen Forderung, die Schutzklausel des Art. 72 Abs. 2 GG zu verbessern, bemerkte Hans Schäfer, er habe es
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nie verstanden, weshalb das Bundesverfassungsgericht es stets abgelehnt habe, in eine Prüfung darüber einzutreten, ob "ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung" wirklich bestehe. Die in der Verwaltungsgerichtsbarkeit erprobten Kategorien des Ermessensmißbrauches und der Ermessensüberschreitung hätten hier hilfreich sein können. Mit der Abstinenz des Bundesverfassungsgerichts bei der Bedürfnisprüfung kontrastiere es auffällig, daß dasselbe Gericht im Fernseh-Urteil geglaubt habe, über Stil und Procedere judizieren zu sollen. In seinem Schlußwort äußerte auch der Referent Bedenken gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 72 Abs. 2 GG. Er habe es nicht verstanden, warum das Gericht nicht auf die Variante des unbestimmten Rechtsbegriffs, möglicherweise mit Beurteilungsspielraum, eingegangen sei. Der Schutz der Länder durch jene Bestimmung sei daher gering. Es sei zu hoffen, daß die Enquete-Kommission eine bessere Formulierung finden werde, so daß die Frage justitiabei gemacht würde. Im Gegensatz zu Schäfer halte er es dagegen für im Prinzip zutreffend, daß das Bundesverfassungsgericht im Fernseh-Urteil auch den Stil und das Procedere seiner Kognition unterworfen habe. 7. Bezüglich der Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen vertrat H. Schäfer die Ansicht, der Umstand, daß heute weit mehr als die Hälfte der Gesetze der Zustimmung des Bundesrates bedürften, sei weniger dem Bundesverfassungsgericht als vielmehr der Praxis des Bundesgesetzgebers zuzuschreiben. Es sei zu begrüßen, daß das Land Rheinland-Pfalz nach einem jahrelangen Grabenkrieg endlich die Initiative dazu ergriffen habe, verfassungsgerichtlich klären zu lassen, ob Gesetze, die ihrem Inhalt nach nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürften, allein deswegen zustimmungsbedürftig seien, weil sie ein zustimmungsbedürftiges Gesetz ändern (s. dazu nunmehr den Beschl. des BVerfG vom 25. 6. 1974, NJW 1974 S. 1751 ff.). In seinem Schlußwort äußerte der Referent zu diesem Fragenkomplex die Auffassung, die Zahl der zustimmungsbedürftigen Gesetze könne in der Praxis dadurch vermindert werden, daß der Bundesgesetzgeber weniger als bisher ins Detail gehe. 8. Als einziger Diskussionsredner ging H. Schäfer auf die Neugliederung des Bundesgebietes ein. Er bedauerte, daß die nunmehr schon vier Jahre regierende Koalition bisher nicht den Mut aufgebracht habe, die Neugliederung in Angriff zu nehmen. Von einer vernünftigen Neugliederung im Südwesten und im Norden verspreche er sich für den Föderalismus sehr viel.
n. 1. Die Kritik Schefflers an der Gebietsreform fand in der Aussprache zu seinem Referat ein unterschiedliches Echo. In Übereinstimmung mit dem Referenten vertrat H. Schäfer die Auffassung, unter der "rigorosen
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und drastischen" Gebietsreform, wie sie beispielsweise in RheinlandPfalz durchgeführt worden sei, habe die Bürgernähe der Verwaltung gelitten; ob zugleich die Verwaltungseffizienz zugenommen habe, müsse bezweifelt werden. Auch nach Meinung des Geschäftsführenden Direktors beim Landkreistag Rheinland-Pfalz Hans-Günther Dehe hat die Gebietsreform bei allem Positiven eine "Minderung an kommunaler und demokratischer Präsenz" mit sich gebracht. Ausgleichende Maßnahmen seien daher unbedingt notwendig, wie z. B. die Verstärkung der Beteiligung der Bürger an der Erfüllung der öffentlichen Angelegenheiten und die Erhöhung der Mandatszahlen. Alfred Gaertner, Regierungsdirektor im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung sowie Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtages, beklagte, die kommunale Neugliederung sei durchgeführt worden, ohne daß Klarheit darüber bestünde, "was systematisch dann weitergeschehen solle", z. B. ob die Landschaftsverbände beibehalten oder abgeschafft, ob die Regierungspräsidien beseitigt oder nur ihre Zahl verkleinert werden solle usw. Es gebe zwar eine Menge lesenswerter Gutachten, die aber nie Gegenstand der Beschlußfassung der gesetzgebenden Körperschaft geworden seien. Im Gegensatz zu einigen der anderen Diskussionsteilnehmer vertrat der Stadtdirektor von Bremervörde Beyer die Ansicht, die Gebietsreform habe der kommunalen Selbstverwaltung nicht geschadet. Sie habe lediglich die Folgerungen aus gesamtgesellschaftlichen Maßstabsvergrößerungen und der größeren Mobilität der Bürger gezogen. Ihm widersprach der Referent in seinem Schlußwort, indem er ausführte, die erhöhte Mobilität gebe der Verwaltung nicht das Recht, den Bürger zu zwingen, weite Wege auf sich zu nehmen, wenn er die Behörden aufsuchen wolle. Vielmehr müsse die Verwaltung ihrerseits nach Mitteln und Wegen suchen, um näher an den verwalteten Bürger heranzukommen. 2. Einhellige Unterstützung von seiten mehrerer Diskussionsredner (Beyer, Dehe, Gaertner) fand die Forderung des Referenten, die Gebietsreform müsse durch eine Funktionalreform ergänzt werden. In diesem Zusammenhang warnteDehe davor, zuviele staatliche Aufgaben auf die gemeindliche Ebene zu delegieren und dadurch die Stellung der Kreise auszuhöhlen. Er setze sich ferner dafür ein, im Zuge der Verwaltungsreform die seit Jahrzehnten geforderte Einheit der Verwaltung wiederherzustellen. 3. Bedenken gegen die Forderung des Referenten, den Anteil der Gemeinden am Gesamtsteueraufkommen verfassungsrechtlich abzusichern, äußerte H. Schäfer, ohne dies allerdings des näheren zu begründen. 4. Eine lebhafte Debatte entzündete sich an der Frage der Beteiligung der Gemeinden bzw. ihrer Spitzenverbände an der Gesetzgebung. Ministerialrat Dr. Busch führte aus, die Forderung des Städte- und Gemeinde-
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bundes nach Repräsentation im Bundesrat füge sich in die preußischdeutsche Verfassungstradition durchaus ein. So habe die Faulskirehenverfassung von 1849 den Provinzialständen Sitze im Staatenhaus einräumen wollen. § 88 der Verfassung vom 28. März 1849 sah vor, daß die Mitglieder des Staatenhauses je zur Hälfte durch die Regierung bzw. durch die Volksvertretung der betreffenden Staaten ernannt werden sollten. In denjenigen deutschen Staaten, welche aus mehreren Provinzen oder Ländern mit abgesonderter Verfassung oder Verwaltung bestanden, sollten die durch die Volksvertretung dieses Staates zu ernennenden Mitglieder des Staatenhauses nicht von der allgemeinen Landesvertretung, sondern von den Vertretungen der einzelnen Länder oder Provinzen (Provinzialständen) ernannt werden.
Das preußische Herrenhaus habe auch aus Vertretern der Provinzen gebildet werden sollen. Art. 63 der Verfassungsurkunde für den preußischen Staat vom 5. Dezember 1848 (oktroyierte Verfassung) sah vor, daß die Mitglieder der ersten Kammer
durch die Provinzial-, Bezirks- oder Kreisvertreter gewählt werden sollten. Gemäß Art. 65 der revidierten Verfassung vom 31. Januar 1850 gehörten der ersten Kammer u. a. 30 von den Gemeinderäten gewählte Mitglieder aus den größeren Städten des Landes an. Diese Bestimmung wurde jedoch bereits durch das Gesetz vom 7. Mai 1853 wieder aufgehoben; es bestimmte, daß sich die erste Kammer aus Mitgliedern zusammensetzen solle, die der König mit erblicher Berechtigung oder auf Lebenszeit berufen werde. Durch die königliche Verordnung wegen Bildung der Ersten Kammer vom 12. Oktober 1854 wurde "denjenigen Städten, welchen Wir dieses Recht besonders beilegen", ein "Präsentationsrecht" eingeräumt. Der Staatsrat des freistaatliehen Preußens habe ausschließlich aus kommunalen Repräsentanten bestanden. Gemäß Art. 31 der Verfassung des Freistaates Preußen vom 30. November 1920 wurde der Staatsrat "zur Vertretung der Provinzen bei der Gesetzgebung
und Verwaltung des Staates" gebildet. Er setzte sich aus Vertretern der Provinzen zusammen (Art. 32 Abs. 1 Satz 1). Seine Mitglieder wurden von den Provinziallandtagen (in Berlin von der Stadtverordnetenversammlung) gewählt (Art. 33 Abs. 1).
Die Hälfte der preußischen Mitglieder des Reichsrates habe sich aus Mitgliedern der Provinzialstädte oder der Provinzialversammlungen zusammengestzt. Art. 63 Abs. 1 Satz 2 der Weimarer Reichsverfassung von 1919 bestimmte, daß die Hälfte der preußischen Stimmen nach Maßgabe eines Landesgesetzes von den preußischen Provinzialverwaltungen zu bestellen sei. Nach dem zur Ausführung dieser Verfassungsvorschrift erlassenen preußischen Gesetz über die Bestellung mit Mitgliedern des Reichsrats durch die Provinzialverwaltungen vom 3. Juni 1921 erhielten jede der zwölf Provinzen und die Stadt Berlin je eine Stimme im Reichsrat. Die mit der Führung dieser provinziellen Stimmen beauftragten Bevollmächtigten (die preußischen Provinzialvertreter) wurden von den Provinzialausschüssen bzw. vom Berliner Magistrat gewählt.
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Man müsse sich jedoch fragen, fuhr der Diskussionsredner fort, wer die gemeindliche Ebene in staatlichen Organen vertreten solle - die Gemeinden selbst oder deren Spitzenverbände. Bezüglich der demokratischen Legitimation der kommunalen Spitzenverbände ließen sich Zweifel nicht unterdrücken. Es bedürfe noch der näheren Untersuchung und eingehender Erörterung in der Enquete-Kommission, ob ein privatrechtlieber Verein genauso demokratisch legitimiert sei, wie es die kommunalen Vertretungskörperschaften, ein Landtag oder der Bundestag seien. Während Busch eine Repräsentation der Kommunen im Bundesrat für immerhin erwägenswert hielt, wurde dieser Gedanke von den übrigen Diskussionsrednern aufgrund unterschiedlicher Erwägungen verworfen. Hans Schäfer begründete seine ablehnende Stellungnahme damit, durch eine Hereinnahme kommunaler Repräsentanten in den Bundesrat erhalte dieser "einen senatsähnlichen Charakter". Er verwies ferner darauf, daß die Gemeinden die Möglichkeit hätten, Verletzungen ihres Selbstverwaltungsrechts gemäß § 91 Bundesverfassungsgerichtsgesetz mit der Verfassungsbeschwerde anzugreifen. Dehe meinte, eine "Beteiligung des kommunalen Elements" im Bundesrat sei zwar wünschenswert, aber utopisch. Beigeordneter Dr. Ernst Pappermann (Landkreistag Nordrhein-Westfalen) äußerte die Ansicht, gegen ein Mitentscheidungsrecht der Kommunen im Bundesrat bestünden im Hinblick auf Art. 79 Abs. 3 GG verfassungsrechtliche, gegen.ein Mitberatungsrecht verfassungspolitische Bedenken. Denn eine Mitwirkung der Gemeinden erst im Bundesrat komme zu spät, sie sei eine "leere Hülse". Gaertner meinte, die Inkorporierung der Kommunen im Bundesrat werde zu einer "Pervertierung" dieses Verfassungsorgans führen. Im Gegensatz zum Bayerischen Senat sei der Bundesrat kein ständisches Gremium, deshalb könne kein Verband Anspruch darauf erheben, im Bundesrat verbindlich beratend mitwirken zu dürfen. In seinem Schlußwort betonte auch der Referent, er trete nicht dafür ein, den Kommunen oder ihren Verbänden Sitz und Stimme im Bundesrat einzuräumen. Heftig umstritten war die Frage, ob den Kommunen oder ihren Spitzenverbänden ein Anspruch auf Anhörung durch die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe eingeräumt werden sollte. Hierfür sprach sich Dehe aus. Er verwies darauf, daß die jüngst in Kraft getretenen neuen Kommunalverfassungsgesetze des Landes Rheinland-Pfalz den kommunalen Spitzenverbänden einen über die bloße Anhörung hinausgehenden Mitwirkungsanspruch bei der Vorbereitung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften mit kommunalpolitischem Bezug einräumen. § 129 der Gemeinde- und § 65 der Landkreisordnung für Rheinland-Pfalz, beide vom 14. Dezember 1973, verpflichten die Landesregierung und die obersten Landesbehörden, Entwürfe von Rechtsvorschriften, welche die Belange der Selbstverwaltung der Gemeinden bzw. der Landkreise berühren, sowie Entwürfe von allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die wichtige Belange der
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Selbstverwaltung der Gemeinden bzw. der Landkreise unmittelbar berühren, mit den Landesverbänden der Gemeinden und Städte (Gemeinde- und Städtebund, Städteverband) bzw. mit dem Landesverband der Landkreise (Landkreistag) in geeigneter Form rechtzeitig zu erörtern. Diese Bestimmungen bedürften allerdings noch der Ergänzung für die parlamentarische Phase des Gesetzgebungsverfahrens. Im Gegensatz zu Busch meinte Dehe, es könne kein Zweifel daran bestehen, daß die kommunalen Spitzenverbände demokratisch legitimiert seien. Die Willensbildung innerhalb dieser Verbände vollziehe sich auf demokratische Weise. Daß die Spitzenverbände privatrechtlich verfaßt seien, spiele dabei keine Rolle. Er persönlich sei aber der Auffassung, daß man den Kommunen die Möglichkeit eröffnen sollte, sich auch zu Verbänden des öffentlichen Rechts zusammenzuschließen. Auch Pappermann setzte sich nachdrücklich für die Gewährung externer Mitwirkungsrechte ein. Dabei seien zwei Phasen zu unterscheiden: die Vorbereitung der Gesetze im ministeriellen und ihre Beratung im parlamentarischen Raum. Bezüglich der ersten Phase müsse die Landesregierung verpflichtet werden, die Spitzenverbände über alle kommunalrelevanten Gesetzesvorhaben zu unterrichten. Die Spitzenverbände müßten ihrerseits berechtigt sein, in jeder Phase des Verfahrens in der Ministerialverwaltung ihre Vorstellungen vorzutragen und ihre Erfahrungen beim Gesetzesvollzug einzubringen. Dies könne durch regelmäßige Heranziehung von Vertretern der Spitzenverbände als Sachverständige oder durch Institutionalisierung eines Arbeitsgremiums bei einer zentralen Regierungsstelle, z. B. der Staatskanzlei oder dem Innenministerium, geschehen. Gegen ein derartiges Verfahren werde zwar häufig eingewendet, die Landtagsabgeordneten würden zurückgesetzt, wenn die Spitzenverbände vor ihnen in das Gesetzgebungsverfahren eingeschaltet würden. Dieses Argument greife jedoch nicht durch, da die kommunalen Spitzenverbände keine Konkurrenten der Parlamentarier seien, sondern eine andere, gleichwertige Funktion hätten. Es gebe nämlich mindestens drei Wege, um kommunale Probleme auf die Landesoder Bundesebene hochzubringen: erstens auf dem Dienstweg über Landrat (Oberkreisdirektor) und Regierungspräsident; zweitens über die politischen Parteien (Ortsverein, Unterbezirk, Bezirk); drittens über die kommunalen Spitzenverbände. Die beiden erstgenannten Wege seien zeitraubend, bei dem über die politischen Parteien flössen zudem parteipolitische Gesichtspunkte ein. Daher sei der dritte Weg vorzuziehen, er sei relativ schnell zu bewältigen und parteipolitisch weitgehend neutral. Diese Funktion legitimiere eine Einschaltung der kommunalen Spitzenverbände bereits vor der Befassung des Parlaments mit dem Gesetzentwurf. Die Mitwirkung der Spitzenverbände müsse aber auch während der parlamentarischen Phase des Gesetzgebungsverfahrens gewährleistet sein. Hier habe die Mitwirkung jedoch eine andere Funktion:
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Während in der Phase der Vorbereitung des Gesetzentwurfs die Informationseinbringung das Entscheidende sei, gehe es im parlamentarischen Raum darum, Argumente auszutauschen, zu diskutieren und gegebenenfalls Kompromisse abzuschließen. Das müsse im wesentlichen durch Diskussion in den Parlamentsausschüssen geschehen. Hierfür böten sich wiederum zwei Wege an: Zum einen könnten alle Landtagsausschüsse gesetzlich dazu verpflichtet werden, bei allen Gesetzesvorlagen mit Kommunalbezug die Spitzenverbände als Sachverständigen an einer Diskussion des Ausschusses zu beteiligen. Der verfassungsmäßig kompliziertere, aber vermutlich effektivere Weg sei der, sämtliche Gesetze mit Kommunalbezug in einem zentralen kommunalpolitischen Ausschuß zu erörtern, wieer-mit allerdings geringen Kompetenzen- bereits in NordrheinWestfalen bestehe und früher auf Bundesebene in Gestalt des kommunalpolitischen Ausschusses des Bundestages existiert habe. In diesem Ausschuß könne dann je ein Vertreter der Spitzenverbände beratendes Vollmitglied sein. Daneben müsse den Spitzenverbänden selbstverständlich das Recht unbenommen bleiben, in allen Verfahrensabschnitten schriftliche Eingaben zu unterbreiten. Das Ziel einer Neuregelung, so schloß Pappermann seinen Beitrag, dürfe also nicht sein, den Spitzenverbänden ein Anhörungsrecht einzuräumen - wobei er offen bleiben lassen wolle, ob dieses in der Verfassung zu verankern sei oder nicht -, sondern ihnen zahlreiche, der jeweiligen Phase des Gesetzgebungsganges angemessene Beteiligungsformen zur Verfügung zu stellen, um sie in die Lage zu versetzen, den besonderen Interessen der kommunalen Ebene effektiv Geltung zu verschaffen. Nachdrücklich gegen die gesetzliche Einräumung derartiger Mitwirkungsansprüche sprachen sich Gaertner und der Ministerialrat im schleswig-holsteinischen Innenministerium Dr. von Scheliha aus. Beide vertraten die Ansicht, für eine derartige gesetzliche Fixierung bestehe kein praktisches Bedürfnis. Gaertner führte aus, in seiner Eigenschaft als Abgeordneter des Nordrhein-Westfälischen Landtages könne er sich an keinen Fall erinnern, in dem den kommunalen Spitzenverbänden nicht Gelegenheit gegeben worden sei, sowohl im vorparlamentarischen als auch im parlamentarischen Raum zu Gesetzen mit kommunalpolitischem Bezug Stellung zu nehmen. Das Instrument des Hearings werde jedenfalls im Landtag von Nordrhein-Westfalen sehr extensiv gehandhabt. Es sei deshalb nicht einzusehen, warum dies alles solle festgeschrieben werden müssen. v. Scheliha bestätigte, es sei eine allgemeine Praxis, daß den kommunalen Spitzenverbänden auf Bundes- und Landesebene Gelegenheit gegeben werde, jeweils mehrfach zu einer Gesetzesvorlage Stellung zu nehmen, und zwar erstmals bereits bei der Erarbeitung der Entwürfe. Teilweise würden die Spitzenverbände sogar gegenüber den Landesregierungen bevorzugt behandelt, wie beispielsweise bei den Entwürfen zum 2. und 3. Steuerreformgesetz, bei denen die Spitzenver-
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bände vom Finanzausschuß gehört worden seien, bevor die Länder die Möglichkeit zur Stellungnahme gehabt hätten. Der Diskussionsredner wies ferner darauf hin, die kommunalen Spitzenverbände seien in zahlreichen Beiräten, Ausschüssen und sonstigen Gremien vertreten, wo sie ebenfalls die Möglichkeit hätten, ihre Auffassungen vorzutragen. Gegenüber den für kommunale Fragen zuständigen Landesinnenministern hätten die Spitzenverbände dadurch einen erheblichen Vorsprung, daß zwar sie, nicht aber auch die Innenminister im Finanzplanungsrat und im Konjunkturrat vertreten seien. Im Bundesrat schließlich seien die kommunalen Spitzenverbände ja wohl schon dadurch repräsentiert, daß die Stadtstaaten, die Mitglieder der kommunalen Spitzenverbände seien, in ihm Sitz und Stimme hätten. In seinem Schlußwort setzte sich Scheffler nochmals für die Einräumung eines Anhörungsrechts ein, wie es z. B. Art. 71 der baden-württembergischen Landesverfassung bereits enthalte. Art. 71 Abs. 4 der Verfassung von Baden-Württemberg schreibt vor, daß vor dem Erlaß von Gesetzen oder Verordnungen, durch die allgemeine Fragen geregelt werden, welche die Gemeinden oder Gemeindeverbände berühren, diese oder ihre Zusammenschlüsse rechtzeitig zu hören sind. Vergleiche dazu auch den Initiativgesetzentwurf der SPD-Landtagsfraktion Landtagsdrucksache VI/596 (Neu). Den Kommunen müsse endlich Gewißheit gegeben werden, daß sie vom Bund und von den Ländern als dritte Partner "echt akzeptiert" würden. Der Umstand, daß die Stadtstaaten im Bundesrat vertreten seien, biete keinen Ersatz. Denn die Stadtstaaten seien keine echten Gemeinden; dies erhelle schon daraus, daß der bremische Bürgermeister Koschnik als Vorsitzender des Deutschen Städtetages gerade nicht der Auffassung sei, daß die Spitzenverbände im Bundesrat vertreten sein sollten. Auch die derzeit bestehenden faktischen Einwirkungsmöglichkeiten der Spitzenverbände reichten nicht aus, wie die bisherigen Erfahrungen lehrten; die gesetzgebenden Körperschaften neigten dazu, ihre Beschlüsse stets zu Lasten der Gemeinden zu fällen und es diesen zu überlassen, ihre Finanzen mühsam wieder ins Lot zu bringen. Der Referent vertrat ferner die Auffassung, die kommunalen Spitzenverbände seien die berufenen Sprecher der Kommunen. Es gebe heute kaum noch Gemeinden und Kreise, die nicht Mitglied eines der Spitzenverbände seien. Es wäre allerdings wünschenswert, daß die teilweise noch bestehende organisatorische Zersplitterung überwunden werde.
III. Am Ende der Aussprache dankte der Diskussionsleiter Professor Dr. Bülck den Referenten und Diskussionsrednern. Der theoretische Ansatz für das Verständnis des Föderalismus sei heute, so führte er aus, das
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funktionale und nicht mehr wie im 19. Jahrhundert das nationale Prinzip. Das erkläre sich aus der besonderen Situation der Bundesrepublik als eines territorial stark zersplitterten Landes, dessen Traditionen gebrochen seien. Während der Föderalismus bei uns heute fest verwurzelt sei, hätten die Franzosen infolge ihrer zentralistischen Tradition ein gebrochenes Verhältnis zum Föderalismus. Das Wort Föderalismus sei zwar in der französischen Revolution aufgekommen, aber es werde in Frankreich bis heute als Schimpfwort angesehen.
Die innerparteiliche Willensbildung im Verhältnis Bund, Länder und Gemeinden Erstes Referat
Von Christoph Böckenförde Das Thema der diesjährigen Tagung ist die Politikverflechtung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Ich werde mich also nicht mit den allgemeinen Problemen innerparteilicher Willensbildung bei der SPD befasEen, sondern mich speziell auf den Bereich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden beschränken. Diese Einschränkung des Themas darf jedoch nicht darüber hinwegtämchen, daß die Politik der SPD in Bund, Ländern und Gemeinden sehr stark durch die allgemeine innerparteiliche Willensbildung zu Personen- und Sachfragen geprägt wird. Auf den verschieder:en Parteiebenen (Ortsverein, Unterbezirk, Bezirk, Landesverband und Bund) werden natürlich maßgebliche Beschlüsse gefaßt, die dann auch stark die Politik in den verschiedenen Ebenen mitprägen. Der Schwerpunkt des Themas ist, wie Herr Professor Quaritsch schon andeutete, auch für mich nicht etwa juristischer oder gar verfassungsrechtlicher Art, sondern es ist m. E. ein typischer Gegenstand der PolitikwisEenschaft, die ich als empirische Wissenschaft verstehe. Ich werde nicht versuchen, krampfhaft irgendwelche Entwicklungslinien oder vorschnell Systeme zu entdecken, sondern ich will mich in Form eines Sachberichts darauf beEchränken zu schildern, wie im Augenblick die Politikverflechtung ist. Mir scheint, daß diese Fakten weithin unbekannt sind, zumal es auch nicht ganz leicht ist, an diese Fakten heranzukommen. Man muß Echon etwas "insider" sein, um das alles zu erfahren und auch einordnen zu können1• Zunächst also zum Verhältnis Bund- Länder. Zum besseren Verständnis eines so komplexen Vorgangs wie innerparteiliche Willensbildung sollte man sich generell vor Augen halten - und das gilt nicht nur für die SPD, sondern auch für die anderen Parteien und jeweils auch bei allen Gebietskörperschaften - daß die politische Willensbildung in den 1 Für wertvolle Hinweise und zahlreiche Auskünfte habe ich vor allem Herrn Dr. Hubert Voigtländer, Referent bei der SPD-Bundestagsfraktion, und Herrn Heinz-Dieter Bücken M . A. vom Kommunalpolitischen Referat beim Parteivorstand der SPD zu danken.
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Parteien im Ansatz doppelgleisig ist. Sie erfolgt einmal über die Parteiorganisation im engeren Sinne und daneben, zwar vielfach verflochten, aber doch mit deutlicher Eigenständigkeit, über die jeweiligen Fraktionen als den Parteigruppierungen innerhalb der Parlamente. Diese Doppelgleisigkeit kann man immer wieder feststellen. Es ist z. B. besonders reizvoll, an der Behandlung politischer Einzelfragen zu verfolgen, wie sich die Machtverhältnisse zwischen Partei und Fraktion ständig verändern und verschieben. Wer sich für diesen Fragenkomplex interessiert, dem kann ich dringend empfehlen, speziell für die SPD das neu erschienene Buch von Harry Nowka "Das Machtverhältnis zwischen Partei und Fraktion in der SPD" zu lesen, in dem für die gesamte Geschichte der SPD dieses Verhältnis untersucht wird2 • Im Verhältnis Bund- Länder ist für die innerparteiliche Willensbildung die personelle Verflechtung natürlich von besonderem Gewicht. An der Zusammensetzung der Spitzengremien der SPD, Parteirat, Parteivorstand und Parteipräsidium, kann man feststellen, daß die meisten führenden Landes- und Bundespolitiker in einem dieser drei Gremien vertreten sind. Bei der Wahl dieser Gremien durch die alle zwei Jahre stattfindenden Bundesparteitage wird auch bewußt darauf Rücksicht genommen, daß Bund und Länder möglichst vollständig und gleichmäßig nach den verschiedensten Variationen eines Proporzsystems repräsentiert sind. Diese Zusammensetzung bringt eine ständige wechselseitige Information und Kcordination mit sich. Jedoch sollte man diese Tatsache nicht überbewerten, da diese Gremien nicht permanent tagen, der Parteirat z. B. als das oberste Parteigremium zwischen den alle zwei Jahre stattfindenden Parteitagen, nur im Abstand von mehreren Monaten. Es werden hier also kaum Detailfragen, sondern meistens nur allgemeinpolitische Grundsatzfragen abgeklärt. Soweit es nicht um allgemeine Grundsatzfragen, sondern um die aktuelle Tagespolitik geht, wird die wechselseitige innerparteiliche Information und Koordination zwischen Bund und Ländern nicht, wie mancher vielleicht meinen könnte, vom Bundesparteivorstand, also der berühmten Baracke, die jetzt allerdings abgerissen wird, durchgeführt, sondern von der Bundestagsfraktion. Bei den Ländern sind die Kontaktstellen für die wechselseitige Information und Koordination daher auch nicht die jeweiligen Landesverbände der Partei, sondern die Landtagsfraktionen. Seit dem 1. Mai 1972 gibt es bei der Bundestagsfraktion eine sog. Bund-LänderKoordinierungsstelle, die sowohl für eine vertikale wie auch eine horizontale Information und Abstimmung sorgt. Diese Koordinierungsstelle gibt laufend bundespolitische Informationen an die Landtagsfraktionen weiter und wertet andererseits landespolitische Information insbesondere etwa 2 Harry Nowka, Das Machtverhältnis zwischen Partei und Fraktion in der SPD, Eine historisch-empirische Untersuchung, Köln - Berlin- München 1973.
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alle Landtagsdrucksachen für die Arbeit der Bundestagsfraktion aus. Sie ist mit zwei Referenten besetzt, von denen derjenige, der für die horizontale Information zuständig ist - darauf haben die Landtagsfraktionen großen Wert gelegt- nicht von der Bundestagsfraktion bezahlt wird, sondern von den Landtagsfraktionen, um von vornherein irgendeine Bevormundung durch die Bundestagsfraktion auszuschließen. Neben diesen laufenden schriftlichen Informationen, die im Abstand von ein paar Tagen herausgegeben werden - es handelt sich häufig um Referentenentwürfe oder interne Initiativen der Bundestagsfraktion -, gibt es drei Gremien, die der gegenseitigen Abstimmung und Koordination dienen, und zwar handelt es sich um die Bund-Länder-Konferenzen, die Landtagsfraktionsvorsitzendenkonferenzen und sog. Fachtagungen. Die Bund-Länder-Konferenzen dienen vornehmlich derwechselseitigen vertikalen Information. Teilnehmer sind in erster Linie die Vorsitzenden der Landtagsfraktionen. Sie finden etwa bis zu viermal im Jahr jeweils in Bonn statt. Die Tagesordnung wird weitgehend durch die laufende Parlamentsarbeit bestimmt, vor allem insoweit Gesetze später von den Ländern ausgeführt oder durch die Länder Ausführungsgesetze erlassen werden müssen. Erst in den letzten Jahren haben sich daneben, von den Bund-LänderKonferenzen deutlicher getrennt, die "Landtagsfraktionsvorsitzendenkonferenzen" entwickelt. Diese Vorsitzendenkonferenzen finden jeweils in einer Landeshauptstadt statt, den Vorsitz führt der Vorsitzende der örtlichen Landtagsfraktion. Vonseiten der Bundestagsfraktion nimmt an diesen Konferenzen in der Regel nur ein Parlamentarischer Geschäftsführer teil. Ziel dieser Konferenzen ist in erster Linie die horizontale Information insbesondere also die wechselseitige Übernahme von Gesetzgebungsinitiativen und ähnliche Dinge. Auf den Fachtagungen, die ebenfalls in mehrmonatigen Abständen stattfinden, treffen sich in einem sehr offenen Teilnehmerkreis Fachleute aus der Bundestagsfraktion, den Landtagsfraktionen und auch aus der Bundesregierung. Es werden hier häufig grundlegende Gesetzgebungsvorhaben, die stark in die Politik der Länder hineinreichen, wie etwa die Steuerreform, die Hochschulgesetzgebung oder die Bildungspolitik erörtert. Die Leitung dieser Fachtagungen hat meist ein Mitglied der Bundesregierung oder ein Parlamentarischer Staatssekretär. Als dritte Stelle, an der jedenfalls für die SPD, aber ich glaube das gilt auch bei den anderen Parteien, eine starke Politikverflechtung auch auf Parteiebene stattfindet, müssen die Vertretungen der Länder beim Bund genannt werden. Diese üben keineswegs nur eine vorbereitende Tätigkeit für die jeweiligen Bundesratssitzungen aus. Es ist gerade auch ihre Aufgabe, einen intensiven ständigen Kontakt zu den Bundestagsabgeordneten und zu den Fraktionen zu unterhalten, um die politischen Vorstel5'
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lungen der jeweiligen Länder, insbesondere der Landesregierungen, auch im Bundestag möglichst wirksam zur Geltung zu bringen. Soweit in einer Landesvertretung ein Sozialdemokrat Bevollmächtigter ist, nimmt er oder einer seiner Beamten häufig an den verschiedenen Arbeitskreissitzungen der Fraktion teil, die der Vorbereitung der Ausschußsitzungen des Bundestages dienen. Ich habe selbst erlebt, daß etwa bei der Finanzreform die Länder durch die Beamten ihrer Vertretungen sehr intensiv an den fraktionsinternen Beratungen mitgewirkt und versucht haben, dort die Interes1:en ihrer Länder durchzusetzen. An den Plenarsitzungen der Fraktion nimmt, das hat z. T. Platzgründe, weil das Bundeshaus aus den Nähten platzt, z. T. aber auch Gründe einer besseren Diskretion, jeweils nur ein Bevollmächtigter teil, der dann seinerseits die anderen Bevollmächtigten, soweit sie der SPD angehören, zu informieren hat. Daneben finden relativ häufig vor allen Dingen zur Vorbereitung der jeweiligen Bundesrats- und Bundestagssitzungen sog. Bevollmächtigtengespräche statt, an denen mindestens einer der Referenten oder, je nach dem Gewicht der Tagesordnungspunkte, ein Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion teilnimmt, um eine gewisse Abstimmung bei der laufenden Gesetzgebungsarbeit herzustellen. Nach meinen :rersönlichen Erfahrungen ist die parteipolitische Effektivität einer Landesvertretung natürlich sehr stark von der Person des jeweiligen Bevollmächtigten abhängig. Wenn ich z. B. an die Finanzreform denke, so hat die Vertretung etwa des Landes Harnburg oder auch des Landes Bayern für meine Begriffe sehr effektiv gewirkt, indem sie immer präsent waren, und so ständig Fachleute - bei Bayern dann für die CDU/CSU - sehr wirksam die Interessen ihrer Länder vertreten hal:en. Andere Länder, z. B. das Land Nordrhein-Westfalen, haben m. E. der Landesvertretung leider immer nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Lange Jahre wurde die Landesvertretung lediglich in Personalunion von einem Minister, der dann auch noch in Düsseldorf tätig war, mitverwaltet, und ich glaube, das hat sich auch recht nachteilig ausgewirkt. Wenn ich an gewisse Gesetze, wie etwa das Steinkohlenanpassungsgesetz denke, so ist leider eine gezielte und laufende Information der Bundestagsabgeordneten über die landes- und speziell auch kommunalpolitischen Aspekte dieses Gesetzes weitgehend unterblieben. Die Mängel dieses Gesetzes bekommen wir in Essen heute ständig zu spüren. Überspitzt könnte man also sagen, daß es gar nicht von ungefähr kommt, wenn die Interessen des Bayerischen Waldes vielleicht in Bonn bisweilen besser vertreten werden als die Interessen des Ruhrgebietes. Für die innerparteiliche Willensbildung im Verhältnis Bund- Länder kann man also zusammenfassend feststellen, daß sie sich stark an der laufenden Parlamentsarbeit orientiert und daß als Nahtstelle nicht der Bundesparteivorstand, sondern die Bundestagsfraktion fungiert.
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Nun zum Verhältnis Bund- Gemeinden. Anders als im Verhältnis Bund- Länder, wo es im Grunde immer nur um zwölf Beteiligte geht, muß die innerparteiliche Willensbildung im Verhältnis Bund- Gemeinden zunächst einmal ein sehr schwieriges organisatorisches Problem bewältigen. Es gibt in der Bundesrepublik einige tausend Gemeinden, und es ist daher verständlich und liegt auch nahe, daß diese Willensbildung stärker als im Verhältnis zu den Ländern an die allgemeine Parteiorganisation angelehnt ist. Denn die Parteiorganisation ist auf der Ebene des Ortsvereins oder bei größeren Städten als Unterbezirk in jeder Gemeinde schon vorhanden. Die unteren Parteigliederungen decken sich bei der SPD regelmäßig mit den Gebietsgrenzen kommunaler Körperschaften. Es ist daher auch nicht erstaunlich, daß gerade auf kommunaler Ebene die allgemeine innerparteiliche Willensbildung stark durch kommunalpolitische Probleme geprägt wird. Wenn sie etwa an die Anträge denken, die zu Bundesparteitagen gestellt werden, nehmen diese Fragen einen breiten Raum ein, zumal innerhalb der SPD jeder Ortsverein und jeder Unterbezirk ein Antragsrecht unmittelbar an den Bundesparteitag haben. In den letzten Jahren ist ein wachsendes Bedürfnis festzustellen, die Kommunalpolitik der Partei besser zu koordinieren, um sie so auch beim Bund wirksrmer zur Geltung bringen zu können. Es wird z. B. im Oktober d. J. in Nürnberg eine sog. kommunalpolitische Bundeskonferenz stattfincen, auf der versucht werden soll, ein kommunalpolitisches Grundsatzprogramm für die SPD zu verabschieden. Für diese Konferenz ist erstmals das sog. Delegiertenprinzip beschlossen worden. Für den, der die innerparteilieben Verhältnisse etwas kennt, ist das ein sehr wichtiger Sachverhalt, denn es werden von den Unterbezirken Delegierte in Anlehnung an die Delegiertenschlüssel der Bundesparteitage gewählt. Allen Beschlüssen eiPer derartig-en Konferenz kommt daher pateiintern eine relativ hohe Verbindlichkeit zu. Speziell im Verhältnis Bund- Gemeinden ergibt sich für die parteiinterne Willensbildung folgendes Bild: Zunächst einmal wieder zu den personellen Verflechtungen. Sie wissen alle, die SPD hat durch Tradition und Programm bedingt jeweils in den Ballungsgebieten der Bundesrepublik eine sehr starke Stellung. das gilt besonders für die großen Städte. Viele Spitzenpolitiker der SPD kommen entweder aus der Gewerkschaftsbewegung oder aus der Kommunalpolitik. Wenn Sie etwa im Handbuch des Deutschen Bundestages die Lebensläufe der SPD-Abgeordneten durchlesen, werden Sie feststellen, daß bei sehr vielen ein kommunalpolitischer background feststellbar ist, z. B. eine Tätigkeit als kommunaler Spitzenbeamter oder als Ratsmitglied. Allein im Bundeskabinett sind, wie Sie wissen, drei langjährige ehemalige Oberbürgermeister der SPD vertreten: der Bundeskanzler sowie die Minister Vogel und Lau-
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Bei Erwerb und Wiedergewinnung eines Mandats ist der einzelne Bundestagsabgeordnete in zunehmendem Maße auf die Unterstützung der örtlichen Parteigliederung angewiesen. Diese erwartet dann ihrerseits, daß der Abgeordnete auch die örtlichen Belange in Bonn wirksam vertritt. Typü:ches Beispiel dafür sind die zahlreichen Fragen in der Fragestunde des Bundestages, meistens an den Verkehrsminister, nach dem Ausbau örtlicher oder regional wichtiger Straßen. Von dieser Verflechtung kann man nur mit Vorbehalt sagen, daß sie eine Geltendmachung allgemeiner kommunalpolitischer Belange ist. Im Schwerpunkt handelt es sich hier, und das ist auch ein ganz natürlicher Vorgang, um örtlich gefärbte Wahlkreisarbeit. Die Verflechtung zwischen Bundespolitik und allgemeiner Kommunalpolitik läuft bei der SPD im wesentlichen nicht über die Bundestagsfraktion, sondern über den Bundesparteivorstand. Bis zur fünften Wahlperiode des Bundestages gab es in der SPD-Bundestagsfraktion eine Arbeitsgruppe Kommunalpolitik innerhalb des Arbeitskreises Wirtschaft, die von dem inzwischen verstorbenen Abgeordneten Jakobi geleitet wurde. Seit dem sechsten Bundestag gibt es diese spezielle Arbeitsgruppe nicht mehr. Das hat in erster Linie wohl seinen Grund darin, daß der entsprechende frühere Bundestagsausschuß das Wort "Kommunalpolitik", wahrscheinlich auch wegen Fehlens von Gesetzgebungskompetenzen, aus seinem Titel gestrichen hat und jetzt nur mehr "Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau" heißt. Seit langem gibt es beim Bundesparteivorstand ein Kommunalpolitisches Referat; es ist z. Z. mit drei Referenten und vier Sachbearbeitern bzw. Sekretärinnen besetzt. Hauptaufgabe dieses Referates ist es, neben der Herausgabe eines regelmäßigen parteiinternen Informationsdienstes die vier Gremien innerhalb der SPD-Parteispitze zu betreuen, die sich hauptsächlich mit kommunalpolitischen Problemen befassen. Die weitverbreitete Zeitschrift "Die demokratische Gemeinde" wird nicht vom Parteivorstand herausgegeben, sondern vom Vorwärts-Verlag. Sie vertritt selbstverständlich, wie bei den anderen Parteien auch, speziell parteigebundene Kommunalpolitik, aber sie wird nicht etwa von diesem Referat herausgegeben. Die vier Gremien, die sich im Schwerpunkt mit kommunalpolitischen Problemen innerhalb der Parteispitze der SPD befassen, sind die Kommission Kommunalpolitik, Städtebau und Wohnungspolitik, die Kommission Bodenrechtsreform, mit gewissen Einschränkungen der Beirat für Umweltfragen und Raumordnung und der Hauptvorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft für Städtebau und Wohnungspolitik. Die beiden zuerst genannten Kommissionen wurden aufgrund eines Parteitagsbeschlusses des Parteitages von Hannover (1972) gebildet. Sie setzen sich
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jeweils aus acht vom Bundesparteivorstand und 22 von den Bezirken bzw. Landesverbänden gewählten Mitgliedern zusammen. Vorsitzender der Kommission Kommunalpolitik ist der Oberbürgermeister von Frankfurt, Arndt, Stellvertreter der Oberbürgermeister von Mainz, Fuchs. Die Kommission verfügt über insgesamt zehn Arbeitsgruppen. Um nur mal einige Namen zu nennen, damit Sie in etwa den Bereich, mit dem sich diese Arbeitsgruppen befassen, abstecken können: Es gibt jeweils eine Arbeitsgruppe Stadtentwicklungspolitik, Wohnungspolitik, Kreisfreie Städte, Kreise, kommunale Finanzen, Stadtumlandverflechtung, kommunale Verfassung, öffentlicher Personennahverkehr usw. Diese Unterkommissionen oder Arbeitsgruppen kooptieren ihrerseits sachverständige Mitglieder, regelmäßig aus den Kommunen, um auf diese Weise möglichst viel Sachverstand bei der Behandlung dieser speziellen Probleme, sie sind ja durch die Titel der Arbeitsgruppen thematisch sehr stark eingegrenzt, einbringen zu können. Daneben gibt es eine Kommission, die sich mit ganz bestimmten Gesetzgebungsvorhaben des Bundes befassen soll, nämlich die Kommission Bodenrechtsreform, Vorsitzender ist Senatspräsident Koschnik, stellvertretender Vorsitzender Minister Vogel. Diese Kommission hat drei Arbeitsgruppen: Bildung von Bodenfonds, Bodenbewertung und Bodenwertzuwachssteuer sowie Verfügungs- und Nutzungseigentum, also Spezialprobleme aus dem Bereich der Bodenrechtsreform. Beide Kommissionen und ihre Arbeitsgruppen sind personell stark gemischt mit Bundestagsabgeordneten, Landtagsabgeordneten, Kommunalpolitikern und vor allem auch Vertretern der kommunalen Spitzenverbände. Über die Effektivität dieser Kommissionen läßt sich, da sie ncch nicht sehr lange bestehen, nicht allzuviel sagen. Wahrscheinlich wird der Schwerpunkt mehr in einem wechselseitigen Informations- und Erfahrungsaustausch liegen. Ob speziell für die laufende Gesetzgebungsarbeit hier sehr viel getan wird, wird man abwarten müssen; ich habe da persönlich leichte Zweifel. Der vom Parteivorstand berufene Beirat für Umweltfragen und Raumordnung beschäftigt sich, wie der Name schon sagt, zwar mit Problemen, die für die Kommunen heute eine große Bedeutung haben, aber von der Gesetzgebung her liegt diese Materie natürlich stärker beim Bund bzw. bei den Ländern. Dem Beirat gehören vor allem führende Bundes- und Landespolitiker an, weniger Kommunalpolitiker. Eine gewisse Sonderstellung hat die Bundesarbeitsgemeinschaft für Städtebau- und Wohnungspolitik. Es handelt sich, wie es das in der SPD verschiedentlich gibt, um eine Art berufsständische Arbeitsgemeinschaft, in der sich der SPD angehörende Fachleute aus diesem Bereich - diese Arbeitsgemeinschaft verfügt über einige tausend Mitglieder - zusam-
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menfinden. Diese Arbeitsgemeinschaft ist allerdings sehr lose organisiert, insbesondere verfügt sie nicht, wie etwa andere berufsständische Arbeitsgemeinrchaften der SPD, z. B. die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen oder die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Lehrer, über eine entsprechende Unterorganisation. Das Gremium, das ein gewisses parteiinternes Gewicht hat, ist im Grunde nur der Hauptvorstand die~e Arbeitsgemeinschaft. Dieser Hauptvorstand wird, wie auch die anderen Gremien, von dem kommunalpoliti~chen Referat beim Bundesparteivorstand betreut, d. h. es beruft die Sitzungen ein, bereitet die Tagesordnung vor, sammelt die Unterlagen usw. Für die parteiinterne Willensbildung sind im Verhältnis Bund- Gemeinden auch die drei kommunalen Spitzenverbände eine besondere Naht- und Kontaktstelle. In den Führungsgremien aller drei Verbände sitzen in der Regel parteigebundene Kommunalpolitiker. Es ist daher nicht erstaunlich, daß es in diesen Gremien zu Fraktionsbildungen kommt. Im Hauptausschuß des Deutschen Städtetages, der meistens im Abstand von mehreren Monaten tagt, gibt es z. B. jeweils Fraktionssitzungen, die zwar nicht als solche bezeichnet werden, sondern so schön "Gruppenbesprechungen" heißen. Diese Gruppenbesprechungen werden bei der SPD vom kommunalpolitischen Referat des Parteivorstandes vorbereitet und organisatorisch betreut. Man darf sich derartige Fraktionsbildungen allerdings nicht so vorstellen, wie bei einer festgefügten Parlamentsfraktion. Die Mitglieder des Hauptausschusses kommen nur sehr selten im Abstand von einigen Monaten zusammen, und es wird da lediglich eine lose Koordinierung erzielt, insbesondere etwa bei irgendwelchen Wahlen gewisse personelle Absprachen. Besonders bemerkenswert, deshalb will ich es hier hervorheben, ist die Entwicklung bei dem jüngsten kommunalen Spitzenverband, dem Deut~chen Städte- und Gemeindebund, dem Zusammenschluß des früheren Städtebundes und des Gemeindetages seit dem 1. 1. 1973. Auch hier gibt es Fraktionsbildungen in den Führungsgremien. Interessant ist die Zusammensetzung des Präsidiums.§ 10 Abs. 2 der Satzung legt folgendes fest: "Das Präsidium kann sich um bis zu sechs Personen ergänzen, die auf der Bundesebene tätig und mit der kommunalen Selbstverwaltung vertraut sind." Auch der Hauptausschuß des Städtetages hat die Möglichkeit, bis zu 15 Mitglieder zu kooptieren. Dort wurden aber ausschließlich Kommunalpolitiker, beim Städte- und Gemeindebund entsprechend der Satzung jedoch Bundespolitiker kooptiert; es sind für die SPD drei Bundestagsabgeordnete: der Parlamentarische Geschäftsführer Wienand, die Abgeordnete Meermann und der Abgeordnete Neumann. Hier wird der Versuch gemacht, innerhalb des Präsidiums auch parteipolitisch eine Brücke zwischen Bund und Gemeinden herzustellen, um so eine gewisse Koordinierung und Verzahnung zu bewerkstelligen.
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Insgesamt ist ein gewisser Trend erkennbar, die Arbeit der kommunalen Spitzenverbände parteipolitisch zu koordinieren. Das bedeutet natürlich nicht- und das wäre auch bei der Verschiedenheit der Interessen, die da aufeinander prallen, gar nicht möglich -, eine parteipolitische Reglementierung. M. E. ist diese Politisierung der kommunalen Spitzenverbände eine gar nicht so schlechte Entwicklung. Wenn ich an meine persönlichen Erfahrungen aus der Gesetzgebungsarbeit bei der SPDBundestagsfraktion denke, schadet eine gewisse Politisierung diesen Gremien gar nichts; denn was wir dort immer an Stellungnahmen bekommen haben, wenn ich etwa an die Finanzreform denke - ich will da niemandem zu nahe treten - , das war zwar sehr papieraufwendig mit riesigen Stellungnahmen, aber ob das sehr effektiv für die laufende Gesetzgebungsarbeit war, das wage ich doch stark zu bezweifeln. Zusammenfassend läßt sich für das Verhältnis Bund - Gemeinden sagen, daß die parteibezogene Willensbildung nicht über die Bundestagsfraktion, sondern über den Parteivorstand organisiert wird. Die Koordinierungsarbeit ist erst in den letzten Jahren verstärkt worden, über die Effektivität läßt sich, da es, wie gesagt, eine relativ neue Entwicklung ist, noch nichts eindeutiges sagen. Nun, als letztes zum Verhältnis Länder- Gemeinden. Ich konzentriere mich hier besonders auf das Land Nordrhein-Westfalen, weil ich da über eigene Erfahrungen verfüge. Man wird aber wahrscheinlich sagen können, daß zumindest bei den Flächenstaaten die innerparteilichen Willensbildungsprozesse ähnlich wie im Land Nordrhein-Westfalen gelagert sind. Zwischen Landes- und Kommunalpolitik, das weiß jeder von Ihnen, besteht eine sehr enge personelle Verflechtung. Sie kennen das berühmte Wort von den Fraktionen der Landräte und der Oberbürgermeister in den Landtagen. Diese Entwicklung ist allerdings infolge entsprechender Gesetzgebungsinitiativen rückläufig. In verschiedenen Ländern gibt es inzwh:chen eine Gesetzgebung zur Trennung von Amt und Mandat, z. T. sind diese Regelungen bereits in Kraft getreten, z. T. treten sie, etwa in Nordrhein-Westfalen, im nächsten Jahr in Kraft. Darüber hinaus gibt es bei der SPD -und das muß man in engem Zusammenhang damit sehen, denn die Trennung vori Amt und Mandat bezieht sich nur auf die Unvereinbarkeit eines Landtagsmandats mit dem Amt eines kommunalen Beamten- einen starken Trend zum Verbot sog. Doppelmandate, d. h. ein Mitglied der SPD soll nicht gleichzeitig Mitglied eines Rates und eines Landtages oder des Bundestages sein. Das ist nicht überalllückenlos durchgeführt, aber in den Untergliederungen der Partei wird zumindest dieser Trend immer deutlicher. Beide Regelungen werden zu einem starken Rückgang der engen personellen Verflechtungen führen und dann sicherlich auch die Landtage von dem Vorwurf befreien, sie betrieben nur Kommunalpolitik auf Lan-
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desebene. Aus verfassungspolitischen Gründen ist diese personelle Entflechtung ebenfalls zu begrüßen, denn die Gefahr, daß der Interessenkonflikt hier institutionalisiert wird, ist natürlich nicht von der Hand zu weisen. In Nordrhein-Westfalen haben wir eine relativ neue Entwicklung, die zum Ziel hat, innerhalb der SPD die allgemeine Kommunalpolitik besser zu koordinieren. Es besteht zunächst natürlich ein enger Kontakt, auch wenn nun Trennung von Amt und Mandat und Verbot von Doppelmandaten durchgeführt werden, zwischen den jeweiligen Landtagsabgeordneten und den kommunalen Vertretungskörperschaften. Z. B. nehmen in Essen - und das wird wahrscheinlich in allen anderen Städten und Gemeinden ähnlich sein - die örtlichen Landtagsabgeordneten wie auch die Bundestagsabgeordneten an den Fraktionssitzungen der jeweiligen konmunalen Vertretungskörperschaften teil und erhalten auf diese Weise selbstverständlich wichtige Anregungen für ihre Parlamentsarbeit. Das sind natürlich weitgehend örtliche Belange, die hier vertreten werden; man könnte das also im Grunde auch mit dem Begriff Wahlkreisarbeit umschreiben. Die allgemeine Kommunalpolitik versucht man neuerdings dadurch zu koordinieren, daß man Ende 1971 die sog. Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik in Nordrhein-Westfalen e. V. (SGK) gegründet hat. Es gibt eine derartige Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik meines Wissens nur noch in Schleswig-Holstein. Man wird einmal abwarten müssen, wie sich das entwickelt, ob das evtl. auf andere Länder ausgedehnt und dann insgesamt zu einer neuen organisatorischen Form wird, um Gemeinde- und Kommunalpolitik parteipolitisch bei Bund und Land geltend zu machen. Der Zweck- und deshalb will ich diesen Paragraphen hier einmal vorlesen - der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik ist in § 2 der Satzung sehr deutlich wie folgt umschrieben: "Die SGK hat die Aufgabe, sozialdemokratische Grundsätze in der Kommunalpolitik zu verwirklichen. Dieser Zweck soll erreicht werden durch: 1. Die Erarbeitung von Richtlinien für die praktische Arbeit in den kom-
munalen Vertretungen und Körperschaften nach Maßgabe der allgemeinen politischen Grundlagen der SPD;
2. Die Beratung der SPD-Fraktionen- auch durch Erteilung von Rechtsauskünften - im kommunalen Bereich, damit kommunalpolitische Probleme nach Möglichkeit einheitlich gelöst weren; 3. gemeinsame Vertretung kommunalpolitischer Interessen gegenüber den SPD-Fraktionen des Landtages und des Bundestages;
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4. Kontakte zu den kommunalen Spitzenverbänden und anderen für die Kommunalpolitik wichtigen Institutionen; 5. Fachtagungen, Konferenzen und Seminare, die der kommunalpolitischen Fortbildung dienen." In diesen fünf Punkten haben Sie in etwa den ganzen Bereich dessen abgegriffen, was an organisatorischen Dingen existiert, um eine gewisse innerparteiliche Willensbildung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu erzielen. Mitglieder der SGK sind in erster Linie sozialdemokratü:che Ratsmitglieder und kommunale Spitzenbeamte. Die SGK hat ihre eigentliche Arbeit erst Anfang 1973 mit Gründung einer entsprechenden Geschäftsstelle in Düsseldorf aufgenommen. Auch hier läßt sich über die Wirksamkeit noch nicht viel sagen. Sicherlich ist aber- und ich kann das nur aus der Perspektive der Kommunen des Ruhrgebietes sagen -, die Notwendigkeit der gegenseitigen Information und Koordination offenkundig. Für mich ist es immer wieder erstaunlich zu sehen, wie wenig etwa im Ruhrgebiet die jeweiligen Kommunalpolitiker voneinander wissen, obwohl dcch gerade hier die Städte praktisch ineinander übergehen und die Probleme oft sehr ähnlich sind. Neben der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik gibt es bei den einzelnen Landesverbänden und Bezirken der Partei sog. kommunalpolitü:che Ausschüsse, die ebenfalls die Aufgabe der wechselseitigen Information haben. Ob allerdings neben der SGK diese kommunalpolitischen Ausschüsse noch sehr effektiv sein werden, wird man abwarten müssen. Ich vermute, daß sich diese Ausschüsse stark zurückbilden werden. In anderen Ländern ist das, was die SGK macht, in der Regel Aufgabe der kommunalpolitischen Ausschüsse. Dort geben diese laufend Informationen und Ratschläge an die Sozialdemokraten in den Gemeinden heraus. Soweit mein Sachbericht, auf den ich mich ja im wesentlichen beschränken wollte. Zum Abschluß noch zwei verfassungsrechtliche oder verfassungspolitische Gesichtspunkte, die dann vielleicht auch in der Diskussion eine Rolle spielen werden. Das hier in groben Zügen aufgezeigte Bild innerparteilicher Willensbildung wird vielleicht bei manchem Zuhörer die besorgte Frage aufwerfen, ob auf diese Weise nicht die verfassungsmäßigen Institutionen und die zwischen ihnen bestehenden Verfahrenswege unterlaufen oder ausgehöhlt werden - nach dem altbekannten Motto: Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit klaffen mal wieder unendlich weit auseinander. Ich sehe an sich keinen Grund für eine derartige Besorgnis. Ein so komplexer Vorgang wie politische Willensbildung kann nicht normativ bei bestimmten Institutionen monopolisiert oder gar auf bestimmte Verfahren abschließend festgelegt werden. Auch in den frühen deutschen Parlamenten hat es immer Fraktionsbildungen gegeben, und die Entscheidungen sind nicht erst, wie das viel-
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leicht manche Theoretiker des 19. Jahrhunderts gemeint haben, in öffentlicher Plenardiskussion gleichsam vom Himmel gefallen. Auch in der Pauhkirche gab es Fraktionen, die sich dann nicht nach Parteien, sondern jeweils nach den Cafes, die um die Faulskirehe herumlagen, genannt haben. Das war natürlich noch keine parteimäßige Bindung; aber sicherlich ist es so, daß politische Willensbildung immer vorgeformt wird in gewissen Gruppierungen, weil sie sich sonst auch kaum wird wirksam zur Geltung bringen können. Wie gesagt, für verfasungsrechtliche oder verfassungspolitische Besorgnisse besteht m. E. kein Anlaß. In der Parteiendemokratie ist es nun einmal selbstverständlich, und durch Art. 21 GG auch ausdrücklich legitimiert, daß die Parteien maßgebliche Träger der politischen Willensbildung des Volkes sind. Es handelt sich eben nicht um reine Wahlvorbereitungs- oder Wahldurchführungsorganisationen. Konrad Hesse hat das treffend dahingehend umschrieben, daß alle diese Dinge in den Bereich der verfassungsrechtlich zulässigen Vorformung des politischen Willens gehören3. Ich habe hier nur den augenblicklichen Zustand dargestellt. Es wäre sicherlich reizvoll, auch in historischer Perspektive zu zeigen, wie sich das jeweils verändert oder verschoben hat. Wahrscheinlich wird man aber bei einer derart historisch angelegten Untersuchung feststellen, daß es keinen einheitlichen Trend gibt, wie die innerparteiliche Willensbildung nun konkret bei einzelnen Gesetzgebungsvorhaben wirkt. Die SPD wird weithin für eine zentralistisch organisierte Partei gehalten - ob das je eh.,mal richtig war, weiß ich nicht-, für den Augenblick trifft es wohl sicherlich nicht zu. Es wäre daher falsch, die zuvor aufgezeigten Formen innerparteilicher Willensbildung etwa als ein Instrument der Gegensteuerung oder des Ausgleichs zum Föderalismus oder zur kommunalen Selbstverwaltung zu sehen. Richtung und Wirkungsgrad dieser innerparteilichen WiJlensbildung sind m. E. sehr stark daran ausgerichtet, wo und wie es möglich ist, zu einem Höchstmaß an politischem Einfluß zu kommen. Das gilt, glaube ich, im Grunde für alle Parteien. Im Augenblick ist das m. E. recht deutlich an dem Verhalten der CDU/CSU im Bundesrat zu sehen. Einzelne Länder sind in weitem Maße bereit, ihre Länderinteressen den Parteiinteressen unterzuordnen, weil man eben glaubt - und ich halte das für ganz legitim- auf diese Weise eine gewisse Mitregierung oder einen besonders starken Einfluß im Bundesrat und damit auch auf die Bundespolitik ausüben zu können. - Aber jetzt habe ich schon angefangen, über die CDU zu reden, und das ist an sich nicht mein, sondern Ihr Thema, Herr Professor Herzog. Ich will deshalb jetzt auch sofort Schluß machen, denn sonst werde ich ganz schnell inkompetent. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. a Vgl. Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 6. Aufl., S. 62.
Die innerparteiliche Willensbildung im Verhältnis Bund, Länder und Gemeinden Zweites Referat Von Roman Herzog Ein erstes und ein zweites Referat sollen, wie es in den Lehrbüchern steht, nahtlos ineinander übergehen. Herr Böckenförde hat das getan, indem er ~chon, wie er selber gesagt hat, auf die CDU vorgegriffen hat. Ich selber möchte mich revanchieren, indem ich Ihnen ncch einmal die letzte These von Herrn Böckenförde vorlese. Sie heißt: Die innerparteiliche Willensbildung im Verhältnis Bund, Länder und Gemeinden hat bei der SPD keine einheitliche Struktur, sondern ist in ihrem Gewicht sehr stark abhängig von den jeweiligen politischen Machtverhältnissen. Sie kann insbesondere nicht als zentralstaatliches Korrektiv zum Föderalismus und zur kommunalen Selbstverwaltung angesehen werden. Ich kann das für die CDU nur unterstreichen, und ich sage dies mit Nachdruck gerade hier zu Beginn des Referats, denn alles, was Herr Böckenförde, Herr Kirstundich Ihnen hier an Koordinationsinstrumenten wie auch an Koordinationsverfahren vorführen werden, läßt sehr häufig den völlig falschen Eindruck auftreten, als würde in der Bundesrepublik von irgendwelchen Barecken oder Adenauerhäusern die Politik von ganz oben bis ganz unten gleichgebügelt. Ich will aus meiner Perspektive einmal sagen: schön wär's, obwohl ich aus der Perspektive dessen, der diesem Hause angehört, nun wieder sagen müßte: schön wäre es nicht. Referate, die sich mit Verflechtungen befassen, erzeugen leicht den etwas irreführenden Eindruck, als gäbe es eigentlich nur noch ein System von Gleichbügelung und Verflechtungen. Das Gegenteil ist richtig, und ich will zu dieser These von Herrn Dr. Böckenförde hinzufügen, daß es sich nicht nur um Machtverhältnisse handelt, die hier modifizierend und sehr stark differenzierend eingreifen, sondern daß es auch noch eine ganze Reihe von anderen Quellen gibt, die Herr Böckenförde wahrscheinlich mit gemeint hat. Dies ist insbesondere: erstens das gute Herkommen. Es gibt Institutionen, die einfach entstanden und in einer bestimmten Weise gewachsen sind und die man schon deswegen bestehen läßt, weil, wenn man sie neu macht, sofort jene organisationstheoretischen Lustmolche kommen, die darauf ausgehen, zunächst einmal in einer Grund-
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satzdebatte die Organisations- und Satzungsfragen 18 bis 24 Monate zu diskutieren. Das Zweite- und auch das ist eben eine wichtige Sacheist, daß Politik und insbesondere Führung in einer Partei und in einem Staat sehr stark von Persönlichkeiten abhängen. Dies ist eines der Probleme, warum wir alle miteinander im Verfassungsrecht ins Schwimmen geraten und sehr wenig konkrete Aussagen machen können, wenn es um die inneren Verhältnisse in einer Regierung, in einem Kabinett oder in einer Fraktion geht. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Wo ausgeprägte Charaktere und einander sehr unähnliche Charaktere miteinander umgehen müssen, ist sehr weniges typisierbar und damit sehr weniges normierbar, und für uns bedeutet das, daß auch sehr wenig konkrete Aussagen gemacht werden können. Herr Böckenförde hat mit Recht - wie ich meine - das Referat oder das Thema, das uns gestellt ist, wörtlich genommen. Er hat nur über diewenn ich so sagen darf - parteiindizierte Koordination der öffentlichen Funktionsträger in Bund, Ländern und Kommunen gesprochen. Er hat bewußt, wie er sagte, das Thema der innerparteilichen Willensbildung auf den vergleichbaren Stufen der Parteiorganisation, also das Verhältnis von Ortsverbänden, Kreisverbänden, Bezirksverbänden, Landespartei, Bundespartei ausgeklammert. In der Tat ist dieses Thema hier nicht unmittelbar gefragt. Ich kann es aber aus einem Grunde, den ich eigentlich erst ganz zum Ende meines Referats hier erklären möchte, nicht ganz ausklammern, obwohl ich mich hier in etwa in der Situation befinde, in der sich Herr Böckenförde bei der Schilderung der Nordrhein-Westfälischen Kommunalpolitischen Vereinigung seiner Partei befand, nämlich in der Situation dessen, der eigentlich nur von einem bestimmten Versuch, von bestimmten Versuchen und von bestimmten Absichten berichten kann. Aber, wenn wir davon ausgehen, daß eine Partei nie imstande sein wird, auf allen Ebenen der Staatlichkeit und der öffentlichen Verantwortung nun völlig einheitlich aufzutreten, und wenn wir auf der anderen Seite davon ausgehen, daß eine gewisse Form der Koordination einfach über die Köpfe der Menschen, die in dieser Verantwortung stehen, geleistet werden muß, dann müssen wir einfach mit hereinnehmen, daß manche Formen dieser Koordination sich auch ganz im Verfahren der innerparteilichen Willens- und Entscheidungsbildung abspielen und erst von dort über die Ortsverbände, Kreisverbände in die Gemeinderäte und in die Kreistage und dgl. hineinkommen. Lassen Sie mich deswegen hier eine ganz kurze Vorbemerkung machen: Ich will ein ganz konkretes Beispiel nennen, weil es das bisher wichtigste Beispiel, ich möchte fast sagen, eines Großversuchs in der CDU darstellt. Das ist die Form, in der der Hamburger Bundesparteitag vom November 1973 vorbereitet worden ist. Ich erinnere kurz an die Themen: es waren die vier beherrschenden Themen Mitbestimmung, Vermögenspolitik, berufliche Bildung und Bo-
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denrechtsreform. Diese vier Themen sind nun in einer Fülle von Kommissionspapieren, die z. T. vom Bundesvorstand abgesegnet waren, z. T. sich nur eines geringeren Charismas erfreuen durften, durch die ganze Partei in einer außerordentlichen massiven Weise diskutiert worden. Die berühmte breitgefächerte Diskussion auf allen Ebenen hat jedenfalls weitgehend stattgefunden. Dies hat sich niedergeschlagen in einer Unzahl, ja fast unerträglichen, wohl aber zu erwartenden Anzahl von Anträgen auf allen Parteiebenen. Ich will hier nicht davon reden, daß auf diese Wei~e - jedenfalls nach liberalem Glauben, dem ich modifiziert immer anhänge - eine Mobilisierung des Ideenreichtums und des Sachverstandes aller Interessierten stattgefunden hat. Das interessiert hier einfach in diesem Zusammenhang nicht. Aber ich möchte Ihr Augenmerk auf einen Sachverhalt lenken, der sich augenblicklich auch bereits in diesen Themen bemerkbar macht: eine Partei, die bestimmte, nachher entschiedene Themen in weiten Bereichen ihres Mitgliederbestandes auf einem solchen Niveau diskutiert hat, daß jeder oder jedenfalls sehr viele Mitglieder der Partei das Thema entweder verstanden haben oder sich zumindest einbilden können, das Thema verstanden zu haben, eine solche Partei ist eine andere Partei als eine, die das nicht tut. Es geht zunächst einmal darum, daß selbstverständlich die Mitgliedermassen - wenn ich das Wort einmal in den Mund nehmen darf- mobilisiert werden. Sie wis~en plötzlich mehr, wofür sie einstehen und dgl. Dies alles interessiert aber nicht in diesem Zusammenhang, entscheidend ist vielmehr allein, daß auf die~e Weise natürlich Transformations- und Koordinationsphänomene auftreten oder zumindest erzeugt werden können, die man in ihrer Bedeutung nicht unterschätzen sollte. Das Problem tritt in dieser Form nicht so sehr auf bei Mitbestimmung und Vermögensbildung, auch noch nicht einmal bei der beruflichen Bildung, weil es sich dabei um Dinge handelt, die im wesentlichen entweder im Bundestag und Bundesrat oder in den Landesparlamenten praktiziert werden müssen. Andere Koordinations- und Abstimmungsinstrumente gibt es aber, wenn etwa im Bereich des Bodenrechts - und es handelt sich ja nicht nur um das Bodenrecht, sondern auch um die Bodenpolitik - eine Partei ernsthafte und konkrete Entscheidungen gefällt hat. Dann besteht - ich sage ganz vorsichtig - zumindest die Chance, daß dann ihre Ratsfraktionen, ihre Kreistagsfraktionen und dgl. auf dem Boden und auf der Linie der Ergebnisse dieser Parteidiskussion verfahren. Die Chance ist nicht so übertrieben hoch- ich werde darauf noch einmal zurückkommen - , aber die Möglichkeit besteht zumindest einmal. Eine Partei in diesem Sinn ist ein- ich. übertreibe etwas- kybernetisches System, von dem aus auch auf diesem Wege Koordinations- und Lenkungselemente ausgehen können. Das ist eine sehr ungeschützte Vorbemerkung, aber sie war mir wichtig, weil in einer Partei wie der CDU, in der augenblicklich die Führung ja nicht von einer Bundesregierung, von einem Bundeskanzleramt
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und auch nicht von der Fraktion, sondern zunehmend vom Präsidium oder sogar von den Präsidien ausgeht, hier ein wichtiges, wenn auch sehr schwieriges und kompliziertes Bewegungsinst rument vorliegt. Lassen Sie mich nun zum eigentlichen Thema kommen, zunächst einmal zum Verhältnis Bund- Länder. Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich- da dies mein eigentliches Tätigkeitsgebie t ist- hier einen gewissen Akzent setze, um so mehr als ich im Bereich der Koordination zwischen Bund und Kommunen wie auch zwischen Ländern und Kommunen für die CDU und auch für die CSU im Prinzip nur das bestätigen kann, was Herr Böckenförde hier für die SPD vorgeführt hat. Zunächst also das Verhältnis Bund- Länder. Es beginnt hier- und ich meine, fast mit noch schärferer Akzentuierung als bei der Sozialdemokrat ischen Partei - mit den personellen Verflechtungen in den obersten Parteiorganen, - ich meine jetzt nicht den kleinen Parteitag und auch nicht einmal den Parteivorstand, sondern das Präsidium, also ein Gremium von etwa neun oder zehn Personen, von dem die Führung dieser Partei augenblicklich in zunehmendem Maße ausgeht. Ich unterstreiche, was Herr Böckenförde für die SPD in diesen Organisationshö hen gesagt hat. Es werden dort im allgemeinen nur Grundsatzfrage n geklärt werden können, wiewohl sich bei der Zusammensetzu ng dieses Gremiums gar nicht vermeiden läßt, daß gelegentlich auch einmal oppositionstakti sche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung erörtert werden, sowohl was das Verhalten der Fraktion im Bundestag, als auch was das Verhalten der Landesregierun gen im Bundesrat betrifft. Es ist selbstverständli ch, daß hier die eigentliche Steuerung gegenwärtig stattfindet. Ich nenne einfach die Namen, die im Präsidium sitzen: Kohl, Bundesvorsitze nder, Ministerpräside nt von Rheinland-Pfalz ; Stoltenberg, Stellvertretend er Bundesvorsitze nder, Ministerpräside nt von Schleswig-Hols tein; Filbinger, Stellvertretend er Bundesvorsitze nder, Ministerpräside nt von Baden-Württem berg; Karl Carstens, Vorsitzender der Bundestagsfrak tion. Sie haben also, wenn wir von dem Problem Saarland absehen, die Ministerpräside nten der CDUgeführten Länder in diesem Präsidium, und es ist ganz unvermeidlich, daß das Präsidium auf diese Weise ein Organ mit einem Einfluß und einer Bedeutung wird, die es bisher in anderen personellen und politischen Konstellationen nicht besessen hat. Ich erinnere allerdings auch daran, daß es bei der CDU ja auch noch eine - wie man so schön sagt - Schwesterpartei gibt, die natürlich eine eigene Landesregierun g führt und ein eigenes Präsidium hat. Die Absprachen der beiden Parteivorsitzend en, die regelmäßig stattfinden, und vor allem die regelmäßig stattfindenden gemeinsamen Sitzungen der beiden Präsidien ermöglichen hier die zusätzliche Koordination, die- wenn ich das etwas ungeschützt hinzufügen darf- bei Gott nicht so schwierig sind, wie es gelegentlich in den Zeitungen dargestellt wird.
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Ein wesentlicher Unterschied - wenn ich nun zu den Stufen weiter unten in der Parteistruktur kommen darf- zwischen den Koordinationsverfahren der CDU und der SPD scheint mir darin zu liegen, daß die Bundestagsfraktion in der Form, in der die Fraktion der SPD dies macht, Koordination nicht ausübt. Eine Koordinationsstelle gar mit der personellen Besetzung, die uns Herr Böckenförde hier geschildert hat, gibt es in der CDU/CSU-Fraktion nicht. Ich habe einen Augenblick überlegt, womit man das begründen soll. Dies kann Unvermögen sein, ich vermute aber, es erklärt sich aus der historischen Entwicklung beider Parteien. Die SPD-Fraktion ist eben z. T. in ihren Organisationsstrukturen auch heute immer noch als Oppositionsfraktion gekennzeichnet, genauso wie die CDU/CSU-Fraktion zumindest in ihren Organisationsstrukturen immer noch dadurch charakterisiert ist, daß sie eben viele Jahre aus dem Palais E:chaumburg geführt wurde und nicht auf sich selbst gestellt war. Angesichts der Tatsache, daß ein sehr großer Prozentsatz der führenden Männer der CDU heute in Landesregierungen sitzt, wird man auch nicht davon ausgehen können, daß sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern wird. Die Steuerung der Partei, wenn sie überhaupt gelingt, wird von der Parteiorganisation geleistet werden müssen und auch geleistet werden und nicht von der Fraktion. Ich nenne nur einige Beispiele, um vor allen Dingen hier an einer Stelle zu verifizieren, wie ganz unterschiedlich diese Koordinationsinstrumente sind und wieviel es hier vom Herkommen oder auch von den einzelnen Persönlichkeiten abhängt. Die Partei hat die sog. Bundesfachkomissionen eingesetzt. Ich nenne als wichtigste nur die Bundesfachkommission "Kulturpolitik" und die Bundesfachkommission "Innenpolitik". Diese Fachkommissionen, die unter dem Vorsitz- auch das ist natürlich ganz unumgänglich- jeweils kompetenter und angesehener Landesminister stehen, sind daran-bitte hören Sie die Vokabel sehr genau - sind daran, parteigebundene, parteigesteuerte Koordination vorzunehmen, Konzeptionen zu erarbeiten, von denen dann angenommen wird, daß sie je nach Kompetenz und politischen Möglichkeiten von der Bundestagsfraktion oder von den Landtagsfraktionen und den Landesregierungen übernommen werden. Im Bereich der Justizpolitik, der Rechtspolitik im engeren Sinne, laufen die Dinge wieder ganz anders. Hier gibt es einen relativ aktiven Bund christlich-demokratischer Juristen, dessen Steuerungsorganen sowohl die führenden Rechtspolitiker der Fraktion wie die Justizminister der CDU/CSU-regierten Länder angehören. Hier wird nicht nur koordiniert, sondern hier wird konzeptionell gearbeitet, was freilich bei der Justizpolitik immer nur in sehr viel kleinerem Umfang geht, aber das ist eine Erscheinung, die die Justizpolitiker aller Parteien miteinander verbindet: wenn sie eine Rechtsmittelfrist von vier Wochen auf einen Monat verlängern, dann halten sie das bereits für eine Reform. Es kommt hinzu, und zwar in zunehmendem Maße, aber auch hier bitte ich einfach die Besonderheiten, die 6 Speyer 65
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sich jeweils im einzelnen Fachgebiet, im einzelnen Ressort herausbilden, sehen zu wollen: Wir haben Konferenzen zwischen den jeweils zuständigen Leuten der Bundestagsfraktion, den Länderministern einschließlich führender Beamter der Länderministerien und auch, Herr Böckenförde hat es erwähnt, der Landesvertretungen zur Absteckung bestimmter politischer Konzeptionen - ganz besonders deutlich in dem Bereich, von dem auch Herr Böckenförde gesprochen hat, nämlich der Steuergesetzgebung und auch der übrigen Finanzpolitik. In der täglichen Arbeit in diesem Bereich spukt bei uns der Ortsname Rottach-Egern herum. Dort gab es ein Gipfeltreffen, wenn ich so sagen darf, zwischen den steuerpolitischen Vorkämpfern der Fraktion und den Landesfinanzminister der CDU/CSU, die auf ganz bestimmte Vorstellungen festgelegt waren, die sich aber in letzter Zeit so gewandelt haben, wie sich auch die Vorstellungen in der Bundesregierung in diesem Zusammenhang einfach bei den völlig neuen Problemen gewandelt haben. Es gibt Fortsetzungstagungen in dieser Art, und ich will hier auch gleich hinzufügen, daß in diesem Bereich, wie ich meine, die Rheinland-Pfälzische Landesvertretung eine wichtige Rolle spielt, einfach wegen des zunehmenden Gewichts, das der rheinland-pfälzische Finanzminister in finanzpolitischen und steuerpolitischen Fragen entwickelt, und zweitens deswegen, weil dort als eine Art Unterstützung für die gesamte Arbeit der von der Partei beherrschten Organe eine besondere Arbeitsgruppe "Finanzen" unter der Leitung eines Ministerialdirektors geschaffen worden ist. Diese Dinge existieren, und wenngleich ich an den Deutungen, die Herr Böckenförde über die Landesvertretungen insbesondere seiner Partei gemacht hat, einige Korrekturen anbringen möchte, so stimmt es natürlich, daß die Landesvertretungen im Grunde natürlich sehr starke Unterstützungsreservoirs für die Politik ihrer jeweiligen Partei sind. Ich erwähne weiter, wie Herr Böckenförde, die "Fraktionsvorsitzendenkonferenzen". Für die CDU/CSU kann ich fast wörtlich bestätigen, was Herr Böckenförde für die SPD dazu ausgeführt hat. Ehe ich auf die kommunalen Fragen eingehe, möchte ich noch ganz kurz einige Bemerkungen machen zu dem Bereich, der meine eigene Tätigkeit umschreibt: Selbstkoordination. Entgegen dem, was in den Zeitungen steht, und entgegen allem, was auch gelegentlich irgend jemand von uns in der Öffentlichkeit verkündet und ausposaunt, ist die Arbeit nicht nur der Landesvertretungen, sondern die Arbeit im Bundesrat insgesamt bei weitem nicht so parteiorientiert und parteigebunden, wie das gelegentlich eben den Anschein hat. Ich will hier gar nicht erwähnen, daß wir normalerweise Tagesordnungen mit 60 bis 80 Punkten haben, von denen allenfalls bei vier, fünf und auch bei zwei oder drei in der berühmten Form 21 zu 20 abgestimmt wird, und ich will gar nicht erwähnen, daß 21 zu 20 auch dadurch zustande kommen kann, daß Niedersachsen mal vor dem 9. Juni
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mit uns stimmt, während Baden-Württemberg nicht mit uns stimmt und dgl. Das ist das tägliche Brot, und eigentlich nur der Bundesratsdirektor Pfitzer, der neben dem Präsidenten thront und mit einem Blick feststellt, was die Mehrheit ist und was nicht, weiß im Endeffekt, ob das nun eine rein schwarze oder eine schwarz-rote Abstimmung war oder nicht. Das alles will ich hier nur vorweg sagen. Es besteht kein Zweifel darüber, daß dort, wo es um politische Grundfragen geht, die Neigung natürlich außerordentlich groß ist, in dem Denkschema Regierung - Opposition zu denken und zu entscheiden. Dies geht ja auch gar nicht anders, denn· wenn man im Bundesrat sitzt und den Arm für vier oder fünf Stimmen einer Landesregierung heben muß, dann ist es ganz selbstverständlich, daß man in Grundsatzfragen eben von der Meinung ausgeht, zu der man sich politü:ch bekennt. Im wesentlichen aber muß gesehen werden, daß die Zusammenarbeit der Länder nach wie vor - auch dort, wo im Endeffekt 21 zu 20 abgestimmt wird - sehr oft viel besser funktioniert, als man das glauben möchte. Die Arbeit der Landesvertretungen, für die ich das beurteilen kann, im übrigen auch der Staatskanzleien, für die ich es fast ebenso gut beurteilen kann, läuft im allgemeinen, nicht nur was die persönlichen Zusammenkünfte, die Sitzungen, sondern auch was den telefoni~chen Verkehr untereinander betrifft, weitgehend über die Parteigrenzen hinweg, und ich bin ganz sicher, daß mein Ministerpräsident vor wichtigen Bundesratssitzungen mindestens genauso oft mit Herrn Kühn telefoniert wie mit Herrn FiZbinger oder mit Herrn Stoltenberg. Das muß man einfach wissen, denn die Woche vor den Bundesratssitzungen verläuft, ich habe kein gutes Bild dafür, so wie bei einer Qualle, die sich gelegentlich zusammenzieht und dann wiederausdehnt. Die Landesregierungen entscheiden normalerweise am Dienstag in ihren Kabinettssitzungen, wie es laufen soll, und dann geschieht erst noch einmal Koordination, dann werden immer noch Stimmen für bestimmte Anliegen gesammelt, und die sucht man gelegentlich oder sehr häufig nicht bei den eigenen Parteifreunden, sondern dort, wo man sie findet. Die Landesbevollmächtigten, auf die sich diese Koordinationstätigkeit, je näher es zeitlich an eine Bundesratssitzung oder auch an eine Ministerpräsidentenkonferenz herangeht, immer mehr konzentriert, treffen sich eigentlich immer wieder mal im Kreis der Elf, mal im Kreis der Fünf bzw. Sechs, dann wieder im Kreis der Elf. Man weiß auch ganz genau, die anderen treffen sich heute Nachmittag um fünf Uhr oder um sieben Uhr noch einmal, und zwar bei Nordrhein-Westfalen oder bei Hessen, unddann stimmt man sich im persönlichen, zumindest im telefonischen Kontakt ab, wenn es nötig ist. Dann geht man wieder auseinander, Donnerstag abend noch einmal zu einem Treffen der Ministerpräsidenten - außerordentlich selten, wie ich aus meiner Arbeit bestätigen kann - und am nächsten Vormittag trifft man wieder zusammen in der Vorbesprechung des Bundesrates, wenn nötig noch einmal in dem berühmten Zimmer 13, in dem
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nur die Stimmführer und die Landesbevollmächtigten zusammenkommen, um sich abzustimmen, und das geht bei aller Freude und bei allem Spaß an der politischen Konfrontation - dafür ist man ja schließlich Politiker, nicht wahr - normalerweise in einem sehr engen Gespräch zwischen sämtlichen Parteien. Ich will hier gar nicht die Methode des getrennt Marschierens und des vereint Schiagens erwähnen, eine Methode, die vor vielen Jahren sehr schön im Streit um das Zweite Deutsche Fern~ehen praktiziert worden ist und für die man eigentlich aus jeder wichtigeren Bundesratssitzung Beispiele nennen könnte. Diese schöne Direktive: "Zustimmen, wenn Ablehnung gesichert", die ja bereits aus dem Kaiserreich bzw. aus Weimar bekannt ist, gibt es natürlich auch im Verhältnis zwischen den SPD-Ländern und den CDU/CSU-Ländern etwa in der Finanzpolitik. Es ist ja ganz unwahrscheinlich, daß SPD-Landesregierungen etwa alles billigen, was die Bundesregierung auf dem Rükken der Länder tun will, und für manchen ist es leicht, dann zu sagen, die anderen haben ja ohnehin die Mehrheit. Im übrigen eine Geschichte, die in der umgekehrten Richtung ebenso läuft, damit ich hier nicht falsch verstanden werde. Die Koordination in diesem Bereich geschieht fast auf allen Ebenen- selbst wenn ich jetzt ins Institutionelle komme-, auf allen Ebenen, die man sich vorstellen kann: die Fachministerkontakte, Vorgespräche oder Gespräche aus Anlaß vor irgendwelchen Fachministerkonferenzen, wo es natürlich häufig so ist, daß die CDU und die sozialliberalen Fachminister sich vorher kurz verständigen, telefonisch oder in einem Treffen. Ebenso möglicherweise Vorgespräche vor Ministerpräsidentenkonferenzen, wo man ganz genau weiß, jetzt sitzen die einen hier und die anderen dort und sprechen sich mal 20 Minuten ab. Das alles gibt es natürlich, Gespräche aus Anlaß solcher Fachministerkonferenzen oder am Rande von Bundesratsausschußsitzungen und dgl. Das Problem, das ich für die CDU in diesem Zusammenhang eigentlich nur sehe und das meines Wissens bisher nur die Innenminister versucht haben, in den Griff zu bekommen, ist die Behandlung der Oppositionsfraktionen in den Landtagen, also in den SPO-regierten Ländern. Wie kriegt man hier die von der CDU gestellten Oppositionsfraktionen mit an den Tisch? Sie werden in diesem Bereich sehr häufig vergessen.
Die Aufgabenverteilung zwischen der Staatskanzlei und der Landesvertretung gerade im Hinblick auf die Bundespolitik ist - ich habe dies schon angedeutet - fließend. Das ist von Land zu Land verschieden. Es kommt sehr häufig auf das Verhältnis, das persönliche Verhältnis zwischen dem jeweiligen Ministerpräsidenten und dem jeweiligen Landesbevollmächtigten an, auch darauf hat Herr Böckenförde hingewiesen. Ich selber beobachte - je mehr es an eine Entscheidung herangeht - eine zunehmende, ganz automatische Kompetenzverlagerung von der Staatskanzlei auf die Landesvertretung, weil die eben am Ort ist und weiß,
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was die einen und die anderen tun und - sehr häufig auf Grund persönlicher Gespräche- was die Landesregierung von Baden-Württemberg oder von Bayern oder des Saarlandes nun bei ihrer entgegengesetzten Position als essentiell betrachtet und was nicht. Daraus ergibt sich diese zunehmende Verlagerung- nicht eine zunehmende Verlagerung in dem Sinne, als ob die Vertretungen immer wichtiger würden, sondern: Je näher es an die konkrete Entscheidung, vor allen Dingen an die konkrete Bundesratssitzung, herangeht, desto mehr verlagert sich die Tätigkeit und die Vorbereitung der endgültigen Entscheidung, die ja, selbst wenn das Landeskabinett entschieden hat, noch während des Abstimmungsvorgangs geändert werden kann, ohne daß das rechtliche Konsequenzen hätte, nach Bonn; das ergibt sich aus der Natur der Sache. Lassen Sie mich nun nur ganz wenige Bemerkungen zu den Koordinationsbestrebungen in der Kommunalpolitik machen, und zwar aus zwei Gründen, die ich bereits genannt habe. Einmal, weil es einfach nicht mein unmittelbarer Erfahrungshorizont ist, um den es hier geht. Ich kann hier nur Erfahrenes und Erfragtes berichten, dies aber - und das ist der zweite Grund - geht im wesentlichen in die Richtung, die Herr Böckenförde hier dargestellt hat, wobei ich, so wie er es getan hat, hinzufügen muß, der Versuch, die Ratsfraktionen, ich will nicht sagen, in den Griff zu kriegen, aber doch mitanzuleiten, ist - wenn ich recht sehe - für die letzten Jahre erst wieder neueren Datums. Es ist nicht ganz unberechtigt zu sagen, die CDU sei erst dabei, die Rathäuser wieder zu entdecken, wie wohl das von Landesverband zu Landesverband außerordentlich verschieden ist. Ich darf etwa für Rheinland-Pfalz sagen, daß es hier kaum einen Minister und kaum einen Staatssekretär gibt, der nicht irgendwo in einer Ratsfraktion nebenher tätig wäre. Ich überlasse es den Historikern zu entscheiden, ob das französische Einflüsse auf dieses Land sind. Der wesentliche Unterschied gegenüber der Situation in der SPD - auch das ist mir heute früh eigentlich erst im Gespräch mit Herrn Böckenförde so ganz deutlich geworden- besteht in der unterschiedlichen kommunalpolitischen Landkarte. Die SPD beherrscht die Großstädte und eine Reihe von mittleren und Kleinstädten, die CDU dagegen im Augenblick im wesentlichen kleine Gemeindekreistage und natürlich auch wieder Kleinund Mittelstädte. Sie möchten bitte daraus den Schluß ziehen, daß das Gesetz der großen Zahl hier bei uns etwas andere Probleme schafft, als bei der SPD. Die Großbürgermeister der Bundesrepublik an einen Tisch zu bringen und mit ihnen einigermaßen nicht nur sachverständig, sondern gar noch vernünftig zu reden, ist verhältnismäßig leichter, als eine ganze Reihe von 20 000- und das wird ja immer schlimmer, wenn die CDU die kommenden Kommunalwahlen auch so gewinnt- von Kommunal:r;olitikern an einen Tisch und einigermaßen auf einen Begriff zu bringen. Deswegen wird auch eine .vollständige Koordination, eine Gleich-
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schaltungder Gemeinden auch dort, wo es absolute Mehrheiten der einen oder anderen Partei gibt, überhaupt nie passieren können. Davon muß man ausgehen, das ist so und- lassen Sie mich hinzufügen - das ist gut so. Was die organisatorische Situation in der CDU betrifft, so kann ich fast wortgleich das wiederholen, was Herr Böckenförde gesagt hat: wir haben Referate zu diesen Fragen in der Bundesgeschäftsstelle. Bitte erlassen Sie mir die gewohnt humorvollen Äußerungen über die Effektivität der Bundesgeschäftsstelle. Wir haben, und das ist vorher schon ganz kurz angesprochen worden, in bestimmten Gebieten - das wechselt von Gebiet zu Gebiet, von Landesverband zu Landesverband - einen mehr oder weniger engmaschigen Kontakt vor allen Dingen zwischen der Landespartei und der Landesregierung einerseits und den Kommunalfraktionen und den kommunalen Funktionsträgern. Gerade in RheinlandPfalz, wo ich das nun wirklich am eigenen Körper und am eigenen Leib erfahre, ist es so, daß eigentlich an jedem freien Tag das ganze Kabinett ausschwärmt in die Kommunen. Natürlich wird dort irgendeine Radtour oder ähnliches angepfiffen, aber selbstverständlich ist dies Anlaß zu ständigen Kontakten mit den Kommunalpolitikern. Ich habe bereits erwähnt, daß sehr viele Mitglieder des rheinland-pfälzischen Kabinetts und des näheren Umkreises selbst nach wie vor kommunalpolitisch tätig sind. Diese Art von "Doppelmandat" ist, jedenfalls in Rheinland-Pfalz, gegenwärtig nicht verboten. Zu erwähnen ist, und zwar auf einer etwas intensiveren Stufe, als es Herr Böckenförde für die SPD dargestellt hat, die kommunalpolitische Vereinigung der CDU, auf neudeutsch: KPV, die sowohl auf Landesebene wie insbesondere auch auf Bundesebene in zunehmendem Maße wieder - auch hier hat es eine gewisse Stagnation gegeben - Aktivitäten entfaltet. Das Problem ist auch bei ihr letzten Endes die Frage, wie weit sie echt koordinieren kann. Lassen Sie mich an diesem Punkt zum Schluß meiner Ausführungen an den Ausgangspunkt erinnern. Eine Partei - ich sage das nur noch einmal, um daran zu erinnern- die bestimmte Probleme, bei denen man eben Bundes-, Landesund Kommunalkompetenz nicht voneinander trennen kann, von ganz oben bis ganz unten debattiert hat, hat auch eine gewisse Chance, hier ihre einmal erarbeitete Linie wenigstens im Prinzip in die Ratshäuser und in die Sitzungen der Kreistage hineinzubringen. Das war der eigentliche Grund, warum ich diese Vorbemerkung gemacht habe. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich schließen mit den Sätzen, mit denen ich begonnen habe. Die Fülle der Koordinationsmöglichkeiten, der Koordinationsinstrumente und der Koordinationsverfahren darf nicht darüber hinwegtäuschen- und ich wiederhole dies auch im Verhältnis zwischen der Bundestagsfraktion und den CDU/CSU-regierten Ländern - , daß die Koordination jedenfalls den Grad, bei dem auch nur annähernd von einer Gleichschaltung gesprochen werden könnte, nie erreicht hat und aller Voraussicht nach, so sind einfach schon die Menschen mit ihren eige-
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nen Meinungen und ihren eigenen sachlichen und persönlichen Interessen, auch nie erreichen wird. Wenn sie- ich habe das angesprochendie Fülle der Kommunalpolitiker, mit denen wir zu arbeiten haben, hinzunehmen, dann ist das die beste Garantie dagegen, daß eine zu weit gehende Gleichschaltung erfolgt. Es sind einfach zu viele Leute, um die es hier geht, und es sind auch zu eigenwillige Leute, wobei die Frage, ob man die Eigenwilligkeit des einen oder anderen mit einem moralisch positiven oder einem moralisch negativen Vorzeichen versehen muß, eine Frage ist, die spätere Biographien entscheiden sollen.
Die innerparteiliche Willensbildung im Verhältnis Bund, Länder und Gemeinden Drittes Referat Von Victor Kirst Ich weiß nicht, ob das Stichwort ,eigenwillig' dann die Überleitung zu uns sein sollte. Es ist ja immer schwierig, als Dritter zu sprechen. Bei streitigen Diskussionen ist das natürlich ein unbestreitbarer Vorteil; im Bundestag habe ich meistens diese Funktion, sie ist dort ganz vorteilhaft, aber hier, um sachlich zu referieren, ist es natürlich etwas schwieriger. Ich werde trotzdem versuchen, Sie nicht zu ermüden, so naheliegend das vom Zeitablauf her gesehen sicher sein könnte. Ich muß Ihnen offen gestehen, vielleicht erleichtert das dann meine Aufgabe, Sie weiter hier interessiert zu halten, daß ich das Thema etwas anders konzipiert, etwas anders aufgefaßt habe, als meine verehrten beiden Herren Vorredner, daß ich das Schwergewicht vielmehr auf die Willensbildung in einer demokratischen Partei überhaupt legen möchte. Vielleicht ist das aber nicht nur Tugend, sondern Not, denn wenn ich die Referate der Kollegen noch einmal rekapituliere, dann sind natürlich auch rein strukturelle Unterschiede zwischen diesen beiden Parteien und unserer Partei unleugbar, was die Koordinierungsmöglichkeiten zwischen den verschiedenen Ebenen der Gebietskörperschaften in unserem Bundesstaat anbelangt, denn -lassen Sie mich das ohne jede Polemik sagen- wir haben ja nicht eine Hundert:o:chaft von Länderministern, wir haben nicht Regimenter von Gemeindewürdeträgern, Bürgermeistern und Landräten usw., sondern be:;:cheidenere "militärische" Formationen im Vergleich, also auch eine ganz andere Ausgangsposition, und deshalb also würde ich gerne mehr zur innerparteilichen Willensbildung in einer demokratischen Partei hier Ihnen berichten, was sicher auch nicht uninteressant ist, aber natürlich auch unter den hier im übrigen gestellten Aspekten. - Ich glaube, das Thema hat sicherlich zwei Aspekte: die innerparteiliche Willensbildung generell und die Umsetzung der innerparteilichen Willensbildung in parlamentarische Arbeit. Es geht ja sicherlich nicht nur um die Frage, wie eine Gesamtbundespartei koordiniert zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, sondern auch, wie auf jeder Ebene das Verhältnis gestaltet ist, zwischen den Fraktionen und den Parteien, die diese Fraktionen in eine bestimmte politische Aufgabe gestellt haben. Dabei können sich die
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Dinge durchaus überschneiden. Denn z. B. der Beschluß eines Bundesparteitages oder eines Bundesvorstandes kann auf eine Initiative der untersten Parteiebene zurückzuführen sein, die sich - das kommt vor auf mühsame Weise über den Beschluß eines Kreisverbandes, einen Landesparteitagsbeschluß bis zu einem Bundesparteitagsbeschluß hochgearbeitet hat. Zunächst ein ganz kurzer organisatorischer Abriß, der ja im wesentlichen - es gibt da Unterschiede - mit den anderen Parteien übereinstimmt; es beginnt auf der Ortsebene, die Ortsver bände, hier sind noch die Mitglieder unmittelbar an den Entscheidungen beteiligt, darüber die Kreise, hier fängt es schon im allgemeinen mit dem Prinzip der repräsentativen Demokratie der Delegierten an, darüber wieder die Bezirke im allgemeinen, die Landesverbände und schließlich die Bundespartei, wobei in den Stadtstaaten bekanntlich die Dinge auch hier anders sind: hier nur drei Ebenen; keine Ortsvereine allgemein, die unmittelbare Mitwirkung der Mitglieder, bei uns auf der Ebene der Kreise. Die Willensbildung in einer demokratischen Partei, wie die Willensbildung in einem demokratischen Staat, meine Damen und Herren, erfordert Regeln. Im Staat nennen wir das Verfassung, in einer Partei nennen wir das Satzung. Sicher sind Satzungsausschüsse und Satzungskenner in der Partei manchmal etwas verrufen. Sie haben, Herr Herzog, vorhin eine vergleichbare Andeutung gemacht, aber sie müssen sein, denn sonst kann man eine normale, kann man eine ordentliche Willensbildung eines demokratischen Verbandes nicht durchführen, und das fängt damit an, daß überhaupt erst einmal zu regeln ist, wer denn an dieser Willensbildung beteiligt ist, d. h. wer Mitglied einer Partei werden kann, und da wird bei uns ganz klar gesagt, daß dies nach den Satzungen der Landesverbände erfolgt, also hier schon ein Ausdruck der föderativen Struktur nicht nur des Staates, sondern im wesentlichen auch unserer Parteien - und es wird und muß satzungsmäßig konstituiert werden, daß die Mitglieder einer Partei das Recht, aber eigentlich auch die Pflicht haben, an der Willensbildung in einer Partei mitzuwirken. Wir wissen sehr genau, das beklagen wir ja gemeinsam, daß von diesem Recht nur begrenzt Gebrauch gemacht wird, daß nur ein relativ geringer Prozentsatz von Mitgliedern sich wirklich aktiv an der Arbeit beteiligt, während es sehr viele gibt, die nur sog. Karteimitglieder sind. Es ist hier dann - ich erwähnte eben schon den föderalistischen Aufbau - bei uns in der Satzung geregelt, daß die Partei sich in Landesverbände, die die eigentliche Formation darstellen, gliedert. Diese Landesverbände sind frei, nach ihren örtlichen Bedürfnissen Untergliederungen zu schaffen, wobei innerhalb der staatsrechtlichen Grenzen eines Bundeslandes es eben nur einen Landesverband gibt. So viel nur ganz kurz zum organisatorischen Aufbau.
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Nun zum Wirken und zum Entstehen und zur Funktion der Organe der Bundespartei, in denen sich ja die politische Willensbildung, die dann auf die praktische Arbeit der Fraktionen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene ausstrahlt, vollzieht. Ich will und muß mich hier auf die Ebenen der Bundespartei beschränken. Auf der Ebene der Bundespartei sind darzustellen: Bundesparteitag, Bundeshauptausschuß, Bundesvorstand. Es ist vielleicht auch ganz interessant, einmal zu hören, wie sich denn die entscheidenden Gremien einer solchen Partei zusammensetzen; der Bundesparteitag z. B. aus 400 Delegierten, von denen 200 bestimmt werden nach der Mitgliederzahl der Landesverbände. Wir wissen alle, daß das eine etwas schwierige Feststellung ist, aber um hier die Ehrlichkeit zu fördern, haben wir bestimmte Regelungen getroffen, die bedeuten, daß jeder Landesverband für jedes Mitglied, für das er Delegiertenrechte wahrnehmen will, auch Beitragsanteile zu zahlen hat. Das fördert die Ehrlichkeit. Die andere Hälfte der 200 Delegierten wird verteilt auf die Landesverbände nach den Stimmanteilen, die die Landesverbände jeweils bei der vorangegangenen Bundestagswahl - in Berlin bei der letzten Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus - erhalten haben. Der Bundesparteitag tagt jährlich, allerdings wird dabei nur alle zwei Jahre gewählt. Es gibt aber auch Rechte bestimmter Gruppen, einen außerordentlichen Parteitag zu verlangen: das kann der Bundeshauptausschuß, auf den. ich noch komme, mit der Mehrheit der ihm angehörigen Mitglieder, und das können vier von insgesamt elf Landesvorständen. Was wichtig ist und auch zum Thema des Zusammenwirkens der verschiedenen El::enen gehört, ist, daß die Bundestagsfraktion mit der Mehrheit der ihr angehörenden Mitglieder einen außerordentlichen Bundesparteitag verlangen kann. Es ist bisher noch nicht vorgekommen, ich sehe es auch nicht am Horizont, aber eine satzungsmäßige Möglichkeit; es ist ja überhaupt so, daß vieles, was in Satzungen und Verfassungen steht, nicht immer praktiziert wird, sondern für denkbare Fälle vorgesehen sein muß. Es ist selbstverständlich, daß wir auch auf dem Bundesparteitag, das ist bei allen Parteien- wenn ich das richtig sehe- so, daß die Unabhängigkeit der Delegiertenkraft Satzung festgelegt ist, daß es hier auf Parteitagen kein imperatives Mandat gibt. Wenn Sie Abstimmungen verfolgen wir sitzen ja dann geschlossen nach Landesverbänden - kann es vorkommen, daß innerhalb der Landesverbände zu einzelnen Punkten durchaus unterschiedlich abgestimmt wird, obwohl der Landesverband vorher mit Mehrheit diese oder jene Meinung festgelegt hat. Die Aufgaben des Parteitages sind natürlich die Beratung und Beschlußfassung grundsätzlicher politischer und organisatorischer Fragen und eine Reihe von Regularien, die ich jetzt der Kürze der Zeit halber nicht erwähnen will, außer vielleicht der wichtigen Wahl des Bundesvorstands, auf den ich dann gleich zu sprechen komme. Vielleicht ist wichtig, was die Willensbildung innerhalb einer Partei anbelangt, wer denn auf einem solchen
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Parteitag Anträge stellen kann. Das kann jeder Landesverband, jeder Bezirksverband, fünf Kreisverbände eines Landesverbandes, das kann der Bundesvorstand der Deutschen Jungdemokraten oder das können 25 Delegierte des Bundesparteitages. Da muß man also herumlaufen und 25 Unterschriften sammeln; das gilt ähnlich auch bei Wahlvorschlägen. Nach dem Bundesparteitag und zwischen Bundesparteitag und Bundesvorstand der Hauptausschuß, im Prinzip genauso zusammengesetzt, nur kleiner: 125 Mitglieder; hier werden 63 nachMitgliederzahl-ich brauche das nicht zu wiederholen - 62 nach den Wählerstimmen bestimmt. Aber hier kommt eine gewisse Verflechtung schon zum Zuge, nämlich kraft Amtes und mit Stimme gehören die Mitglieder des Präsidiums der Partei dazu. Vielleicht darf ich hier etwas vorwegziehen, was ich mir noch aufgeschrieben habe, als Sie, Herr Kollege Herzog, sprachen. Sie haben Ihr Präsidium analysiert, und lassen Sie es mich mit meinem ebenfalls machen; von den derzeit neun Mitgliedern- eines, das Amt des Generalsekretärs ist nicht besetzt-, von den neun Mitgliedern sind vier Minister der Bundesregierung, ein Fraktionsvorsitzender, ein stellvertretender Fraktionsvorsitzender und ein Vizepräsident des Bundestages. Sie sehen also, wie hier doch eine sehr starke Verflechtung aus der Tätigkeit in Bundesregierung und Bundestagsfraktion in das Führungsorgan der Partei vorgenommen ist. Denn, machen wir uns nichts vor, meine Damen und Herren- Satzungswirklichkeit, Verfassungswirklichkeit -, daß in der Tat natürlich die Funktionen der Präsidien aller drei Parteien wahrscheinlich weit über das hinausgehen im Verhältnis zum Bundesvorstand, im Verhältnis zum Bundesparteitag, was ihnen die Satzung gibt, da sie doch das eigentliche Führungsorgan sind, einfach auch deshalb, weil sie praktisch jede Woche zusammenkommen, und nicht wie beim Bundesvorstand nur alle sechs oder acht Wochen, von Bundesparteitagen ganz abgesehen. Wie gesagt, ich war bei der Darstellung der Zusammensetzung des Hauptausschusses, es gibt dort dann noch einmal sieben Mitglieder der Bundestagsfraktion, Vorsitzende des Bundessatzungsausschusses und eine ganze Reihe beratende Mitglieder, die ich hier im einzelnen nicht aufzählen will. Wichtig ist: die stimmberechtigten Mitglieder des Hauptausschusses werden mt ihren Stellvertretern von den Landesparteitagen aus dem Kreise der Delegierten und Ersatzdelegierten zum Bundesparteitag gewählt. Es kann also niemand Mitglied des Hauptausschusses sein, der nicht Mitglied des Bundesparteitages oder mindestens Stellvertreter für den Bundesparteitag ist. Wir machen das in der Praxis so, daß wir erst unsere Delegierten auf unserem Landesparteitag wählen, das wird in Kürze wieder der Fall sein, dann wählen wir unsere Delegierten zum Bundesparteitag (das sind nicht so furchtbar viele bei einem Stadtstaat), und nur aus diesem Kreise und dem der Stellvertreter können dann die Mitglieder des Hauptausschusses als eine Art Verflechtung, nicht zwischen
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kommunalen und sonstigen Ebenen, gewählt werden. Der Hauptausschuß hat praktisch die Vertretung des Bundesparteitages; zwischen dessen Tagungen ist er so eine Art ständiger Ausschuß. Schließlich gibt es noch den Bundesvorstand. Dieser besteht aus dem Präsidium, das ich eben schon angeschnitten habe, das sind der Bundesvorsitzende, drei stellvertretende Vorsitzende, ein Schatzmeister, Vorsitzender der Bundestagsfraktion bzw. dessen ständiger Vertreter, drei Beisitzer sowie der Generalsekretär. Außerdem gehören dazu, auch wenn sie nicht gewählt sind, die der Partei angehörenden Bundesminister und - jetzt bin ich natürlich vorsichtig, wir haben für alles vorgesorgt auch die Regierungschefs der Länder, sollten wir solche haben, und 24 weitere Beisitzer; das wird in der Regel so gehandhabt, daß zwölf auf Von:chlag der elf Landesverbände plus der Deutschen Jungdemokraten gewählt werden. Nebenbei, wir hatten ja einmal gar nicht allzu weit von diesem Lande einen Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg. Die zwölf weiteren Mitglieder werden dann in "freier Wildbahn" gewählt. Ich habe mich mit diesen kurzen Bemerkungen über die Zusammensetzung, über die Struktur der Organe, die die innerparteiliche Willensbildung bei uns durchführen, beschränkt und möchte zunächst noch eine Bemerkung machen: es kommt ja nicht nur auf die regionale Gliederung einer Partei zu ihrer Willensbildung an, sondern auch auf die fachliche Gliederung. Deshalb haben wir, wie die anderen Parteien, auch Fachaus~chüsse. Diese Fachausschüsse werden vom Bundesvorstand eingesetzt. Der Bundesvorstand bestimmt auch ihre Vorsitzenden und deren Stellvertreter und im übrigen bestimmen dann die Landesverbände und Jungdemokraten je drei Mitglieder eines solchen Fachausschusses. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß diese Fachausschüsse, z. B. Wirtschaftsausschuß, Finanzausschuß, Sozialausschuß, nicht das Recht haben, unmittelbar an die Öffentlichkeit zu gehen. Es ist also nicht möglich - es geschieht gelegentlich einmal, das ist dann ein Verfassungs- oder Satzungsverstoß -, daß der Fachausschuß für Wirtschaft z. B. etwas beschließt und an die Presse gibt. Das ist verboten. Ich glaube, das hat auch seinen guten Grund, und ist nicht ein Mangel an innerparteilicher Demokratie, denn es ist doch durchaus denkbar, daß zu ein und demselben Thema zwei oder drei verschiedene Fachausschüsse, die angesprochen sind und sich damit zu befassen haben, verschiedene Meinungen von sich geben. Diese von der fachlichen Sicht her unterschiedlichen Meinungen dann zu koordinieren und schließlich politisch zu entscheiden, das ist dann Aufgabe der poltischen Gremien, des Bundesvorstandes oder des Bundeshauptauschusses oder auch des Bundesparteitages. Immerhin können die Fachausschüsse, falls ihre Anregungen vom Bundesvorstand nicht aufgenommen werden, schließlich dann Anträge dieser Art an den Parteitag stellen. Das Problem ist hier sicherlich, das muß man sehr deutlich sehen,
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die Kontinuität derjenigen, die in solchen Ausschüssen mitarbeiten. Dies ist sicher bei der Arbeit in Landesverbänden in Fachausschüssen, die wir ja auch haben, noch schwieriger, weil da der Kreis der Teilnehmer im allgemeinen nicht limitiert und daher größer ist. Deshalb haben wir die Limitierung bei den Bundesfachausschüssen auf je drei Mitglieder aus einem Landesverband; aber auch selbst hier ist es natürlich schwierig, wenn wir auch berücksichtigen, daß ja sehr viele jedenfalls dieser Parteifreunde das als ,Amateure' tun. Es ist sehr schwierig, ein gewisses Maß an Kontinuität zu erreichen, und deshalb ist es oft der Fall, daß bei der zweiten Sitzung nur die Hälfte von denen da ist, die bei der ersten dabei waren, und die andere Hälfte, die jetzt dabei ist, das erste Mal nicht anwesend war. Das erschwert natürlich auch innerparteiliche Willensbildung. Die Landessatzungen sind im Prinzip ähnlich. Wir haben eine ganze Reihe von Vorschriften- wenn Sie wollen, paßt das ja unter das Stichwort ,Willensbildung von oben nach unten' oder ,Koordinierung BundLänder', jedenfalls innerparteilich - insbesondere über Mitgliedschaft, Ausschluß, Wahl zu Parteitagen und ähnliches, die bindend sind, d. h. es kann nicht der Landesverband X die Frage der Mitgliedschaft anders lösen als der Landesverband Y, es kann nicht ein Landesverband im Norden die Frage des Ausschlusses und des Schiedsverfahrens anders regeln als ein Landesverband im Süden. Das war nicht immer so, wir sind ja in der politischen Auseinandersetzung eigentlich eine zentralistische Partei, wenn man das sieht, was wir so im Parlamentarischen Rat und danach getan haben, aber in der eigentlichen Organisation waren wir immer sehr föderalistisch, um das selbstkritisch zu sagen, und es ging bis vor einiger Zeit in den Satzungen noch bunt durcheinander. Dies mußte geregelt werden. Wichtig ist, daß die Bundessatzung einige Bestimmungen enthält, die die politische Unabhängigkeit der Landesverbände und auch der Landtagsfraktionen bis zu einem gewissen Grade einschränkt. Es geht dabei, wie könnte es anders sein, insbesondere um die Frage von Koalitionsvereinbarungen; so heißt es, daß die Landesverbände verpflichtet sind, vor Wahlabreden- das ist etwas, was wir Gott sei Dank kaum noch oder überhaupt nicht mehr haben- bei den Bundestags- und Landtagswahlen und über Verhandlungen wegen der Beteiligung an einer Koalition sich mit dem Bundesvorstand ins Benehmen - eine juristisch etwas abgeschwächte Form- aber immerhin zu setzen, d. h. es ist nicht möglich, daß ein Landesverband auf freier Wildbahn Koalitionsververhandlungen führt und Koalitonsverabredungen trifft. Auch diese Bestimmung ist, wie manches, was man in Gesetzen und Verfassungen findet, auf Grund eines historischen Ereignisses, das ich jetzt gar nicht aufführen will, einmal hineingekommen und wie es dann auch oft so ist, seither praktisch nicht zur Anwendung gekommen, d. h. es hat in diesen Fragen keine Konfliktfälle gegeben. Es gibt aber auch klare Möglichkeiten
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für den Bundesvorsitzenden, die Stellvertreter oder andere, in Verhandlungen der Landesverbände - wenn sie einen entsprechenden Auftrag vorweisen - einzugreifen und dort Anträge zu stellen. Ein besonderes Kapitel der Willensbildung - wahrscheinlich das wichtigste - ist die Kandidatenaufstellung für Bundestagswahlen, Landtagswahlen usw. Hier haben wir ja z. T. auch bindende Vorschriften der Wahlgesetze, so daß in der Regel hier besondere Vertreterversammlungen, die aus Urwahlen von Mitgliedern hervorgehen, zuständig sind. Die innerparteilichen Wahlen erfolgen in der Regel auf zwei Jahre, bei den Ortsverbänden - ich erwähnte es schon - unmittelbar sonst durch Delegierte. Man darf hier vielleicht einmal folgendes sagen - und das gilt sicher für alle Parteien - , daß die Zeiten idyllischen Parteilebens, die wir so - ich würde sagen - nach der Gründerzeit, also von der Mitte der fünfziger bis Mitte oder allenfalls Ende der sechziger Jahre gehabt haben, daß diese Zeiten idyllischen Parteilebens sicher überall vorbei sind, was seine Licht- und seine Schattenseiten hat. Es sind wohl die Zeiten vorbei, da man Orts- und Kreisverbände als eine Art Familienunternehmen führen konnte. Das ist bei uns so und das wird sicher andernorts auch so sein. Lassen Sie mich nun übergehen zu dem Thema ,Partei und Fraktion', also zur Einwirkung der Willensbildung der Partei auf die Fraktionen, was, wobei das bitte generell verstanden werden möge, für alle Ebenen gilt, mag es in der Praxis auch Nuancen geben. Nicht nur, weil das Grundgesetz es so will, sondern weil das unsere liberale Überzeugung ist, kennen wir kein imperatives Mandat. Nach meiner persönlichen Meinungdie ich vielleicht nur hier sagen sollte, aber ich scheue mich nicht, das überall zu sagen- wäre sicher der Idealzustand der Arbeitsteilung der, daß die Fraktionen in Bund, Ländern und Gemeinden die praktische, die tägliche politische Arbeit leisten und sich die Par teien auf die Grundsatzarbeit beschränken. Das wäre sicher das Nützlichste für alle, Daß es nicht so ist und nicht so sein kann, das wissen wir auch. Dabei muß man ja wohl sehen, daß die Parteien das Beständige oder, wenn ich mir diese Wortwahl hier einmal erlauben darf, sozusagen das Ewige einer politischen Gemeinschaft sind, mit allen Wandlungen, die sie erleben, während die Fraktionen jeweils die Mannschaften darstellen, die diese Partei in eine bestimmte konkrete Situation für vier oder fünf Jahre in ein bestimmtes Parlament schickt. Deshalb ist es auch durchaus möglich - wenn ich mir diesen allgemeinen politischen Ausflug gestatten darf-, daß bei noch so guter Zusammenarbeit- ich sage das ganz abstrakt- von zwei Fraktionen in einer Koalition das Spannungs- und Konkurrenzverhältnis der jeweiligen Parteien bestehen bleibt. Das ist ganz selbstverständlich. Man muß wohl auch sehen, daß ja doch von der praktischen, täglichen politischen Arbeit, wie sie sich im Parlament insbesondere im Bundestag mit seiner Hektik vollzieht, die Parteigremien verfahrensmäßig und auch
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sonst einfach überfordert sind. Wer die Praxis im Bundestag kennt, wird das bestätigen. Wenn unsere Kollegen oder wenn wir, das ist jetzt besser geworden, aber als ich anfing, da war es noch so, wenn man montags nach Bonn kam - Herr Prof. Quaritsch wird sich erinnern -, da wußte man nicht, was man in der Woche würde behandeln müssen. Jetzt erfährt man es im allgemeinen immerhin am Freitag. Da gibt es eine hektographierte Tagesordnung, die gedruckte Tagesordnung sieht dann am Dienstag zumindest so aus, daß die Produkte alle woanders stehen als vorher,meistens steht aber auch viel mehr drin als vorher. Ich sage das jetzt nur, um darzustellen, wie schwierig es ist, unmittelbar in der praktischen politischen Arbeit die Parteigremien einzuschalten. Trotzdem halten wir es so, und andere Fraktionen werden es genauso halten, daß in den Arbeitskreisen der Fraktionen sachverständige Parteifreunde herangezogen werden als Sachverständige, als Berater. Fraktionsarbeit im einzelnen will ich jetzt hier nicht aufführen. Ich glaube aber, man darf sagen, daß natürlich eine kluge Fraktion in wichtigen Fragen ihre Parteigremien konsultieren wird. Das hat nichts mit imperativem Mandat zu tun, aber sie ist dann klug beraten. Hier kommt ja das Problem, das ich vorhin schon beim Präsidium kurz ansprach, das Problem der Ämterverflechtung zwischen parlamentarischer Ebene, gegebenenfalls noch Regierungsebene und Parteiebene. Wir haben in den Vorständen Abgeordnete auf der jeweiligen Ebene, und wir haben natürlich umgekehrt in den Fraktionen VorstandEmitglieder. Ja es gab und gibt Konstellationen, daß in einem Vorstand die dort hineingewählten Mitglieder aus der Fraktion die Mehrheit haben und umgekehrt in der Fraktion der gleichen Ebene wieder, wenn beide Gremien etwa gleich groß sind, kommt das hin, daß die in den Vorstand gewählten gleichzeitig als Abgeordnete agierenden Mitglieder die Mehrheit haben. Diese enge Verflechtung hat natürlich auch ihre Probleme, ihre Vor- und ihre Nachteile. Um das hier ganz ungeschützt und offen zu sagen: bei einer solchen Verflechtung richtet sich dann die etwa denkbare Verstimmung der Basis- wie das heute so schön heißtgegen beide. SindVorstand undFraktionpersonell getrennt-ich abstrahiere nicht nur-, dann kann immerhin der Vorstand eine solche Verstimmung vielleicht auffangen. Das spielt alles dabei eine Rolle. Wir haben selbstverständlich auch das Institut der "Fraktionsvorsitzendenkonferenzen" mit im Prinzip gleichen Verfahren, gleichen Aufgaben. Wir haben erreicht, und das war gar nicht so einfach, daß seit etwa zwei Jahren die Bundestagsfraktion, die immer mit einem Vorsitzenden oder einem seiner Stellvertreter dort vertreten war, nicht nur Gast, sondern Bestandteil ist. Wir, die Bundestagsfraktion, haben es zuletzt im März vorigen Jahres erreicht, auch einmal selbst eine Fraktionsvorsitzendenkonferenz zu veranstalten, als Gleicher unter Gleichen unter diesen elf Landtagsfraktionen. Das ist, glaube ich, ein Fortschritt, den
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wir hier nach vielen Jahren erreicht haben. Ich will nicht verschweigen, daß sicher für uns diese Fraktionsvorsitzendenkonferenz manchmal Probleme hat - früher vielleicht noch mehr als heute. Zum Beispiel nützt ja die beste theoretische Einigung nichts, wenn es in der Praxis dann so aussieht, daß natürlich diejenige Fraktion, Landtagsfraktion, die in der Opposition ist, wahrscheinlich vielleichter in der Lage ist, den schönsten Beschluß einer Fraktionsvorsitzendenkonferenz durchzuführen und durchzuhalten, als eine, die mit wem auch immer in einer Koalition sich befindet. Ich denke da z. B. im vergangenen Jahr an ein Beispiel, in dem man verbal sich sehr schnell einig war, den Staatsvertrag über die Beschränkung der Zulassung zur Universität abzulehnen. Ich weiß genau, daß es dann doch noch eine Reihe von Fraktionen gegeben hat, die ihm zugestimmt haben. Im übrigen wissen wir ja auch, wenn ich das hier einfügen darf, daß es ja eine Verflechtung auch innerparteilicher, interfraktioneller Art, über Parteigrenzen hinweg gibt; bei einem bestimmten Kanalbauprojekt gibt es keine Parteien mehr - das wissen Sie sehr gut - und bei bestimmten anderen Punkten gibt es auch keine Parteien und keine Fraktionen mehr. Das müssen wir dabei auch mit in den Kreis der Betrachtungen einbeziehen. Meine Damen und Herren, beide Vorredner, der erste mehr als der zweite, haben sehr viel zu der Verflechtung und der Einwirkung auf kommunaler Basis gesagt. Ich habe Ihnen einleitend schon gesagt, daß wir uns hier in einer schwierigen Position befinden, weil einmal unsere Zahl der Gemeindevertreter überhaupt geringer ist und die Zahl derjenigen, die in den Gemeinden an den Schaltstellen sitzen oder in den Kreisen, Landräte usw., auch wesentlich geringer ist. Wir sind jetzt dabei- vielleicht haben wir hier auch einen Nachholbedarf, um das ganz offen zu sagen - überhaupt erst einmal eine kommunalpolitische Bestandsaufnahme einerseits und die Entwicklung eines kommunalpolitischen Programms andererseits zu machen. Bisher - das sage ich Ihnen ganz offen - ist auf diesem Bereich sehr wenig geschehen; wir haben - das ist schon sehr lange her - die Großstadtfraktionen, unabhängig, ob sie nur Städte oder auch wie Harnburg und Bremen Bundesländer sind, zu koordinieren versucht. Das ist aber schnell wieder eingeschlafen. Wie gesagt, hier ist für uns noch eine echte Marktlücke, das sei nicht verschwiegen. Wir bereiten jetzt auch ein kommunalpolitisches Programm vor und versuchen hier mehr Koordinierung zu leisten, wobei ja auch noch bei uns hinzukommt, daß wir z. T. Zusammenarbeit haben mit freien Wählern, z. T. auch Konkurrenz. Lassen Sie mich aber zum Thema innerparteiliche Willensbildung noch ein Beispiel bringen, das, wie Sie wissen, sich heute in der Bundesrepublik auswirkt und sozusagen jenseits der Satzung sich abgewickelt hat, denn es gab in der Satzung z. B. keine Programmkommission. Ich meine hier
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die Vorbereitung des Freiburger Parteitages von 1971 als ein gutes Beispiel für innerparteiliche Meinungsbildung und Willensbildung. Da hat es im Juni 1970 einen Parteitag gegeben, auf dem gesagt wurde, wir machen einen gef.:ellschaftspolitischen Parteitag. Dazu hat man im Dezember 1970 gesagt, nun müssen wir das vorbereiten. Daraus entstand dann die bekannte Programmkommission, wie gesagt, jenseits der Satzung, aber da niemand sich dagegen verwahrt hat, konnte das geschehen. Diese Kommission hat dann - ich war ja selbst beteiligt - in 70 Tagen ihr Werk vollbracht, nicht nur Tage, sondern auch manche Nächte dabei, durch viele Phasen der Abstimmung mit dem Hauptausschuß, der Fraktion und dem Bundesvorstand, und dann - das gab es auch nicht in Satzungen- haben wir gesagt, nun möge mal jeder Landesverband einen Programmbeauftragten ernennen; mit den Beauftragten haben wir uns dann abgestimmt, getagt usw. Das ganze Ergebnis- ich kann und will es nur f.:ehr gerafft darstellen - war ja, daß bis auf einen Punkt, an dem ich jetzt eine weitere Bemerkung anhängen möchte, diese Kommission einstimmig votiert hat. Dieser eine Punkt war bekanntlich die Mitbestimmung, hier hat es ja eine Einstimmenmehrheit gegeben, und ich meine, diese eine Stimme, jetzt nicht wegen der Mitbestimmung, sondern grundsätzlich, die sollte eigentlich doch helfen, jedem das Bewußtsein zu vermitteln, wie wichtig seine Entscheidung, seine Mitarbeit bei der Willensbildung in einer Partei sein kann, nicht sein muß, aber sein kann. Denn, wenn ich das hier einmal theoretisch darstellen darf, theoretisch könnte eine Stimme in einem Ortsverein darüber entschieden haben, wer Delegierter bei einem Kreisparteitag geworden ist, dort könnte eine Stimme darüber entschieden haben, wer zum Landesparteitag gewählt wird, und auf diesem Landesparteitag könnte eine Stimme, immer in Fortsetzung dieser einen Entscheidung, über wieder einen Kandidaten zum Bundesparteitag entschieden haben, und theoretisch könnte dieser eine Delegierte die Mehrheitsentscheidung bei dieser Frage, von der wir eben sprachen, gebracht haben oder bei einer anderen Frage von gleicher Bedeutung bringen. Ich sage das nicht aus Lust am Fabulieren, sondern es sollte eben jedes Mitglied einer Partei immer davon ausgehen, daß von seinem Verhalten Wohl und Wehe der Partei und der von ihr getragenen Politik abhängen kann. Wenn Sie mir gestatten, ist das also der kategorische Imperativ auf Parteiebene. Nun, ein Wort noch, ein sehr offenes Wort, es gibt nicht nur die Willensbildung von unten nach oben, es gibt auch die Willensbildung von oben nach unten. Wenn Sie so wollen, ist das der Vollzug der Führungsaufgabe. Man kann sich das anband des Schachtelprinzips theoretü:ch ja auch vorstellen, wenn man davon ausgeht, daß der Vorsitzende mit einP.m seiner Stellvertreter einig ist, dann hat er zwei und die zwei haben dann drei, mit drei hat man fünf, mit fünf hat usw., usw. Ich will das mathematisch 7 Speyer 56
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hier nicht darstellen, anders lassen sich ja Parteien auch nicht führen, das werden Sie mir bestätigen, auch wenn das mathematisch so genau nicht immer stimmt. Es ist wohl auch festzustellen, daß selten ein höheres Gremium von dem nächsten oder das kleinere von dem größeren majorisiert wird. Ein Präsidium wird nur selten vom Bundesvorstand majorisiert, es kommt vor, aber selten. Es kommt auch selten vor, daß ein Bundesvorstand von einem Hauptausschuß oder ein Hauptausschuß von einem Parteitag majorisiert wird. Und es gibt in der politischen Wirklichkeit auch noch so etwas, wie eine Solidarisierung der Minderheit des kleineren höheren Gremiums dann in der nächsten Phase - das will heißen, wenn ein Präsidiumsmitglied überstimmt wird, ist es durchaus möglich, daß es dann in der Bundesvorstandssitzung trotzdem die Meinung des Präsidiums mitträgt. Es kommt bei der Willensbildung noch hinzu (und das spielt in allen Parteien eine Rolle) der Parteiapparat, das sind die hauptamtlich besoldeten Kräfte auf allen Ebenen, wobei wir uns den Luxus nicht so weit nach unten leisten können, wie die größeren Parteien. Und hier kommt der Vorteil des Profis gegenüber dem Amateur zum Zuge; denn machen wir uns nichts vor, Willensbildung in den Parteien vollzieht sich ja, je weiter man nach unten kommt, weithin ehrenamtlich. Das muß man immer wieder sehen. Ich hoffe, daß ich auf meine Weise den Themenkreis, der hier heute Vormittag zu behandeln war, ergänzt habe. Lassen Sie mich zwei Schlußbemerkungen machen: Das Wort von Theodor Heuss, daß Demokratie Herrschaft auf Zeit ist, gilt selbstverständlich auch innerparteilich, und das erfahren wir gelegentlich auch persönlich. Und als allerletztes ein Wort; ich deutete das eben schon an, als ich ohne Abwertung von den Amateuren sprach, ein Wort über das unbekannte Parteimitglied wenn ich es einmal so formulieren darf. Dazu eine Arabeske: vor mehr als 20 Jahren hatte ich einen Parteifreund, der- das gab es damals- zur CDU ging, weil wir ihm zu rechts waren. Dieser Parteifreund sagte, das Unbequemste an einer Partei sind die Mitglieder. Ich glaube, das ist eine falsche Auffassung, eine verständliche, aber falsche Auffassung. Ich meine, unsere Parteien wären nicht lebensfähig ohne eben den unermüdlichen Einsatz jener, die, und das ist dabei entscheidend, ohne Aussicht darauf, einmal im Rampenlicht zu stehen, treu und brav ständig ihre Pflicht erfüllen.
Aussprache zu den Referaten von Christoph Böckenförde, Roman Herzog und Victor Kirst Bericht von Wolfgang Stump Prof. Morsey als Diskussionsleiter stellt einleitend fest, daß die Referate, auch wenn die Akzente unterschiedlich gesetzt worden seien, doch überraschend viele Gemeinsamkeiten erbracht hätten, aber auch ebenso bemerkenswerte Nuancierungen und Unterschiede. Um die Aussprache besser zu strukturieren, schlug er vor, an die Schwerpunkte anzuknüpfen, die bei allen Referenten im Mittelpunkt ihrer Ausführungen gestanden hätten: die Frage der Machtverteilung zwischen Partei und Fraktion wobei man vielleicht zutreffender von Gewichts- und Arbeitsverteilung sprechen sollte -, die Frage der Fraktionsbildungen und -bindungen, die Frage der Vertretung von Länderinteressen beim Bund und in den Kommunen, die Rolle der Partei und der parteilichen Verflechtungen im Prozeß der innerparteilichen Willensbildung auf den verschiedenen Ebenen und in den verschiedenen Gremien, die Koordinationsprobleme in einer Regierungspartei wie auch in einer Oppositionspartei sowie die interfraktionellen und überparteilichen Verflechtungen. Beigeordneter Dr. Pappermann, Düsseldorf, widersprach zunächst Herrn Dr. Böckenförde, der eine verstärkte Parteipolitisierung der kommunalen Spitzenverbände befürwortet hatte. Gerechtfertigt sei eine möglichst frühzeitige Beteiligung der Spitzenverbände am Gesetzgebungsverfahren: im Stadium des Referentenentwurfs im Ministerium, also vor der Einbringung im Parlament, würde ihre besondere Funktion als Transportbänder von kommunalen Problemen auf Bundes- und Landesebene deutlich hervortreten. Daneben gäbe es den eigentlichen Dienstweg und den Parteiweg, mit den bekannten Mängeln, besonders des langsamen Verfahrens. Dagegen sollten sich die kommunalen Spitzenverbände dadurch hervorheben, daß sie die kommunalen Probleme nicht nur schnell, sondern vor allem möglichst neutral nach oben bringen. Gerade das sei ihre besondere Funktion, die ihre Einschaltung in das Gesetzgebungsverfahren legitimiere. Wenn sich aber die Spitzenverbände als Wurmfortsätze der Parteien verständen - Städtetag als Mini-SPD, Landkreistag als Mini-CDU -,dann disqualifizierten sie sich: eine echte, eigenständige Funktion der Spitzenverbände wäre nicht mehr gegeben,
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da parteipolitiEche Gesichtspunkte, die doch bereits an anderen Orten vorgetragen würden, vorherrschten. Die Spitzenverbände sollten die kommunalen Probleme nicht parteipolitisch gefiltert, sondern aus der Sicht der Gemeinden, Städte und Kreise vortragen. Die Prämisse, durch eine gesetzlich zu regelnde Einschaltung der Spitzenverbände in das Gesetzgebungsverfahren mehr erreichen zu können als durch eine stärkere parteipolitische Ausrichtung der Verbände, sollte realisiert werden. Akademischer Oberrat Dr. Ganter, Mannheim, führte aus, nach seiner Ansicht würden bei der politischen Willensbildung auf den unteren Ebenen die InteresEen der Gebietskörperschaften weitgehend berücksichtigt, weniger dagegen gewisse Länderinteressen bei Bundesentscheidungen. Die Hauptklagen kämen jedoch von den Gemeinden, da bei Länder- und BundesentEcheidungen gemeindliche Belange zu wenig berücksichtigt würden. Das aber stehe in einem Widerspruch zu den starken personellen Verflechtungen zwischen den Mandatsträgern: viele Abgeordnete in Land und Bund hätten doch einen kommunalen background.Daraus ergebe sich die Frage: warum vergessen Politiker eigentlich so schnell ihre kommunalpolitische Kinderstube, wenn sie zu höheren staatlichen Weihen gelangen? Vielleicht liege es daran, daß der kommunale Horizont zu eng sei, zumal auch in diesem Bereich die Mittel begrenzt seien, und nun andere Sachnotwendigkeiten den Vorrang erhalten würden. Regierungsdirektor Tiedemann, Schwarzenbek, betonte, die innerparteiliche Willensbildung müsse im Rahmen der Politikverflechtung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden gesehen werden, wobei das Problem in der Verflechtung liege. Eine Lösung sei aber nicht durch organisatoriEche Maßnahmen - mit der Gefahr der Überorganisation - zu erreichen. Vielmehr müsse man berücksichtigen, um welche Machtpositionen und politischen Entscheidungsprozesse es sich handele, wo Verantwortung und Zuständigkeit lägen. Ministerialrat a. D. Geifers, Hannover, dankte zunächst für die erhaltenen Informationen, widersprach aber Dr. Böckenförde in der Bewertung der Politisierung der kommunalen Spitzenverbände: aus seiner Erfahrung Eei diese gefährlich und geradezu verheerend. Die Wirkungsmöglichkeiten der Verbände lägen gerade darin, daß sie nicht parteipolitisch ausgerichtet seien und daß ohne Fraktionsbildungen Mehrheitsbeschlüsse zustande kämen. Denn diese Politisierung beraube die Verbände ihrer Chancen, allein durch Sachverstand zu beeinflussen; die Politisierung sei ein Irrweg und eine Denaturierung der Verbände und könne nicht sachlicher Arbeit dienen. Dazu komme dann die mangelnde Einigkeit der Spitzenverbände, die eine gezielte Einflußnahme verhindere, die doch nur auf Sachverstand und Qualität der Leistungen beruhen könne. Eine Überdehnung der Politisierung im kommunalen
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Bereich verringere auch die Möglichkeiten, qualifizierte Kräfte in die entsprechenden Positionen zu berufen. Beigeordneter Schleberger, Köln, versuchte den Eindruck des Referats von Herrn Dr. Böckenförde zu korrigieren, daß die Gemeinden überall ihre Hand im Spiel hätten, d. h. daß die Verflechtung effizient sei. Dagegen seien vielmehr die wirklichen Einflußmöglichkeiten des kommunalen Bereichs auf die Gesetzgebung in Bund und Ländern doch begrenzter, trotz oftmals kommunaler Vergangenheit von Bundes- und Landesministern. Auch sollte man die Fraktionsbildungen und Gruppenbesprechungen in den Spitzenverbänden nicht überschätzen. Diese Zusammenkünfte dienten mehr der Vorinformation über Tagesordnungsfragen, zumal wenn eine große Anzahl von Personen beteiligt ist. Natürlich habe die allgemeine politische Konstellation auch Rückwirkungen etwa auf den Deutschen Städtetag, das ließe sich gar nicht ausschließen. Das bedeute aber nicht, daß parteipolitische Konfrontationen dort fortgesetzt würden, wo ein kollegialer Meinungsaustausch erstrebt werde. Regierungsdirektor Gärtner, MdL, Bonn, widerspricht den Ausführungen des Vorredners: die Landespolitik richte sich vielmehr zu sehr nach kommunalen Gesichtspunkten aus. Die Kommunalpolitiker in den Landtagsfraktionen würden dominieren und andere Aspekte überlokaler Art weitgehend zurückstellen - das sei die Wirklichkeit. Eine Politisierung der Spitzenverbände sei zu begrüßen, weil diese Organisationen doch im Grunde nicht anders sein können als eine Spiegelung der politischen Wirklichkeit in kommunalen Strukturen mit ihren parteipolitischen Gegensätzen. Schließlich stelle sich noch die Frage: Wie effektiv ist trotz aller Organisationsversuche die Koordination wirklich? Ministerialrat Behrend, Kiel, betont, die Mitwirkung der kommunalen sachverständigen Politiker sei in den zuständigen Legislativorganen legitim, wie denn Interessenvertretung allgemein als legitim angesehen werde, zumal wenn es sich um das Gemeinwohl handele. Daß Parlamentarier in Interessenkonflikte geraten, sei nicht verwunderlich: ihre Aufgabe bestehe ja darin, Interessen zugunsten des Gemeinwohls gegeneinander abzuwägen: ob als sachlich-fachlich oder parteipolitisch eingestuft- dies sei kein Gegensatz. In ihren Schlußbemerkungen führten die Referenten aus: Dr. Böckenförde unterstrich, daß es keinen Gegensatz von Sachverstand und Politik, Sachlichkeit und Politisierung gebe: unsachliche Politik sei die schlechteste, und um etwas durchzusetzen, bediene man sich der legitimen Wege. Freilich sei die personelle Verflechtung rückläufig, da die Tendenz dahin gehe, Amt und Mandat immer stärker zu trennen, um der Gefahr der Interessenkonflikte zu entgehen und den Willensbildungsund Entscheidungsprozen auch für die Öffentlichkeit transparenter und
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damit kontrollierbarer zu machen, was gleichzeitig die Effektivität der Arbeit in den Spitzenverbänden fördern würde. Prof. Herzog weist darauf hin, daß, solange kommunale Spitzenverbände sich darauf beschränkten, nur die gemeinsamen Interessen sämtlicher Kommunen zu vertreten, etwa im Finanzausgleich, die Einigkeit groß sei und die Frage der parteimäßigen Scheidung der Funktionsträger so gut wie überhaupt nicht auftreten würde. Doch könne selbstverständlich diese Einigkeit nicht sämtliche Bereiche umfassen, was bei einem Blick auf die Stellungnahmen zu umstrittenen Punkten - ob nun als sachlich oder politisch eingestuft- sogleich deutlich werde, vor allem bei konkreten Gesetzgebungsfragen, die dezidierte Meinungen herausforderten: Sachlichkeit und Sachverstand träten dann neben den politischen Willen, der Prioritäten setze, im kommunal-, landes- und bundespolitischen Bereich, was nicht sogleich den totalen Ideologieverdacht hervorzurufen brauche. Aber Politik sei nicht nur Konfrontation, Machtausübung geschehe schon durch Information, was man bei einer Analyse der Ent~cheidungsvorgänge auch entsprechend berücksichtigen müsse. Daß Koordination und Organisation nicht immer vollendet funktionierten, läge im Bereich der Imponderabilien, ohne die Effizienz nachhaltig negativ zu beeinflussen. Kirst, MdB, betont, wie intensiv und erfolgreich die Interessen der Länder im Bundesrat wahrgenommen würden. Schwerer ließe sich der Nachweis erbringen, wie vergleichbar die Belange der Kommunen in den einzelnen Ländern vertreten würden. Die Frage der Interessenverflechtung bedürfe aber noch der Ergänzung durch den Hinweis auf die Chancenungleichheit zwischen den Mandatsträgern, die ein öffentliches Amt inne hätten, und den freiberuflichen, deren Wirkungsmöglichkeiten begrenzter seien. Prof. Morsey dankt zum Schluß den Referenten für ihre Stellungnahmen. Dabei sei, bei allen Unterschieden, wie sie in Nuancen verständlich und erfreulicherweise erkennbar seien, doch ein Gedanke betont wieder zum Ausdruck gekommen: übereinstimmend sei verdeutlicht und konkretisiert worden, daß es keine Gleichschaltung in der politischen Landschaft, auf den verschiedenen Ebenen der Politik, auch in ihrer Verflechtung, gebe; das sei nur zu begrüßen.
Zur Reformbedürftigkeit der gegenwärtigen Finanzverfassung Von Otto Barbarino
I. Das Grundgesetz hat den Ländern und Gemeinden nicht nur umfangreiche eigene Aufgaben überlassen, sondern auch den Vollzug der meisten Bundesgesetze sowie erhebliche Verwaltungsaufgaben im Auftrag des Bundes übertragen, die sie samt den eigenen Aufgaben selbstverantwortlich bewältigen sollen. Wie sich die Aufgabenlast der öffentlichen Verwaltung auf den Bund, die Länder und die Gemeinden verteilt, bringt die Finanzstatistik am anschaulichsten in den Zahlen zum Ausdruck, die sie als unmittelbare Ausgaben bezeichnet. Um Doppelzählungen auszuschalten, setzt sie dabei von den Bruttoausgaben der Gebietskörperschaften die Zahlungen an andere Gebietskörperschaften ab, so daß die auf solche Weise bereinigten Ausgaben erkennen lassen, wer die öffentlichen Aufgaben in letzter Hand vollzieht. Von der Summe dieser unmittelbaren Ausgaben entfallen derzeit knapp 40 Ofo auf den Bund einschließlich Lastenausgleich und ERP-Vermögen, mehr als 30 Ofo auf die Länder und Stadtstaaten und knapp 30 Ofo auf die Gemeinden und Gemeindeverbände. Gemessen an dieser Verteilung der Aufgabenlast hat aber das Grundgesetz den Ländern und Gemeinden keine ausreichenden Möglichkeiten erschlossen, um die für diese Aufgaben benötigten Mittel selbst zu beschaffen. Dies gilt jedenfalls von den Steuereinnahmen, die annähernd drei Viertel des Aufwands der öffentlichen Verwaltung decken. Dabei ist nicht entscheidend, daß die Gesetzgebung über die Steuern bis auf geringe Reste dem Bund zusteht, wohl aber, daß der Bundesgesetzgeber außer bei den Realsteuern auch die Steuersätze und Steuertarife bundeseinheitlich festsetzt, unbeschadet dessen, daß die Ertragshoheit auch Ländern und Gemeinden zusteht. Diese nicht nur im allgemeinen Steuerrecht, sondern auch in ihrer Höhe bundeseinheitlich festgesetzten Steuern erbringen derzeit rund 90 Ofo aller Steuereinnahmen der öffentlichen Verwaltung. Von ihrer Summe fließen mehr als 40 Ofo in die Kassen der Länder und Gemeinden, die auf diese Steuern keinen autonomen Einfluß haben.
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Ich darf zunächst auf die Frage eingehen, was dies für die Länder bedeutet. Von ihren Nettoeinnahmen entfallen zwar einschließlich Stadtstaaten rund 78 °/o, in den Flächenländern allein 80 Ofo auf die Steuern, aber ein autonomes Steuerbewilligungsrecht haben die Flächenländer nicht und die Stadtstaaten nur in ihrem kommunalen Sektor. Außer den Verbundsteuern und der seit 1970 erhobenen Gewerbesteuerumlage, die Bund und Ländern gemeinsam zustehen, sind auch die wichtigeren Landessteuern in ihrer Höhe bundeseinheitlich geregelt. Ein Hebesatz- oder Zu~chlagsrecht steht den Ländern nicht zu. Die einzige den Flächenländern verfassungsrechtlich verbliebene Möglichkeit, sich nach eigenem Entschluß an den Steuerquellen zu beteiligen, läßt Art. 106 Abs. 6 GG zu. Nach ihm können sie neben der bundeseinheitlich geregelten Gewerbesteuerumlage von ihren Gemeinden auch landesgesetzlich geregelte Umlagen, bemessen nach den Realsteuern und dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer, erheben. Aber dieses autonome Umlageerhebungsrecht ist bei der heute immer noch unzureichenden Finanzausstattung der Gemeinden prakti~ch bedeutungslos. Muß ihre originäre Ausstattung von den Ländern derzeit in einer Größenordnung von mindestens 15 Mrd. DM jährlich durch Leistungen im und neben dem kommunalen Finanzausgleich ergänzt werden, so erbringen die von einigen Flächenländern noch nach Landesrecht erhobenen Umlagen nicht einmal eine Milliarde DM. Sonstige laufende Einnahmen spielen in den Haushalten der Flächenländer kaum mehr eine Rolle. Das beruht insbesondere auf dem Wegfall der meisten Gebühren im Schul- und Hoch~chulbereich . Nach dem Stabilitätsgesetz kann den Ländern zeitweise auch der Ausweg in die Ven:chuldung versperrt werden. Angesichts dieser unzureichenden Möglichkeiten, selbst Einnahmen zu be~chaffen, können die Länderparlamente praktisch nur über Ausgaben beschließen, die heute zu neun Zehnteln auf Gesetz oder Vertrag beruhen oder in anderer Weise zwangsläufig sind. Bei den Ländern liegt der Vollzug der meisten Staatsaufgaben, sei es für eigene Zwecke, sei es für den Bund. Ihre breitgefächerte Verwaltung, vor allem aber ihr hoherund personalintensiver Aufwand für Schulen und Hochschulen erfordern Personalkosten, deren Anteil an ihren Ausgaben sich 1971 auf 54 % belief, bei den Gemeinden dagegen auf 27 % und beim Bund ohne Bundesbahn und Bundespost- auf 19 %. Dieser Personalaufwand ist nur schwer und keinesfalls kurzfristig manipulierbar. Zwangsläufig sind neben zahlreichen sonstigen auf Gesetz oder Vertrag beruhenden Pflichtleistungen auch die Länderausgaben für die gemeinsam mit dem Bund finanzierten Aufgaben, weil ohne Landesmittel keine Bundesmittel fließen. Die weitgehende Bindung der Länder in der Gestaltung ihrer Am·gaben und ihre mangelnde Autonomie in der Beschaffung der erforderlichen Einnahmen lassen die haushaltspolitische Verantwortung der Landtage als fragwürdig erscheinen. Einem Parlament, dem es ver-
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sagt ist, die Mittel, die zur Deckung der von ihm bewilligten Ausgaben erforderlich sind, selbst zu beschaffen, kann keine volle Finanzverantwortung abverlangt werden. Daß der Haushaltsspielraum des einzelnen Landes in Einnahmen und Ausgaben kaum manipulierbar ist, stellt einen qualitativen Mangel dar, besagt aber, wie ich zugeben muß, noch nichts über die quantitative Ausstattung der Länder in ihrer Gesamtheit. Sie hängt vom jeweiligen Ausgang der häufigen Auseinandersetzungen mit dem Bund über die Anteile am gemeinsamen Steueraufkommen ab. In diesem Ringen, das die unvermeidliche Konsequenz der finanzpolitischen Unselbständigkeit der einzelnen Länder ist, sind zwar seit 1950 mehrere deutlich abgrenzbare Perioden zu unterscheiden, in denen einmal der Bund und einmal die Länder Erfolge erzielen konnten. Verhängnisvoll wurde aber den Ländern schon der Positionsverlust, den sie am Beginn dieser Entwicklung, nämlich in den Jahren von 1950 bis 1953 erlitten haben. Rein vorsorglich und vom tatsächlichen Ansteigen der Bundesausgaben keineswegs bestätigt, wurde damals der Bundesanteil an der Einkommenund Körper~chaftsteuer Jahr für Jahr erhöht, 1953 schließlich auf 38 °/o. Das hat den Haushaltsspielraum der in diesen Jahren mit Aufgaben des Wiederaufbaus und der Flüchtlingseingliederung stark belasteten Länder allgemein eingeengt, vor allem aber die steuerschwächeren Länder hart getroffen, weil der Länderfinanzausgleich noch völlig unzureichend war. Dagegen brauchte sich der Bund 10 Jahre lang kaum zu verschulden, konnte seine außerordentlichen Ausgaben aus den Überschüssen des ordentlichen Haushalts decken und darüber hinaus im Juliusturm einen Reservefonds von 7 Mrd. DM ansammeln. Dieses Überfließen der Bundesmittel einerseits und die Finanznot der steuerschwächeren Länder andererseits führten zum grundgesetzwidrigen Dotationssystem, das mit der Finanzreform von 1969 legalisiert wurde. Ich komme darauf noch zu sprechen. Mit der Herabsetzung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer ab 1955 wurde endlich die notwendige Konsolidierung der Länderhaushalte eingeleitet. Zu ihrem Erfolg trug bei, daß der Bundesgesetzgeber die Steuern vom Einkommen, abgesehen von ihrer Senkung auf Beginn dieser Periode, jahrelang unverändert ließ. Der ununterbrochene konjunkturelle Aufschwung kam daher den an diesen Steuern mit zwei Dritteln beteiligten Ländern um so mehr zugute, als der progressive Tarif der Einkommensteuer ein zur Einkommensentwicklung überproportionales Anwachsen der Steuererträge brachte. Die Länder konnten einen aufgestauten Nachholbedarf decken, ihre Schuldenlast abbauen und im kommunalen Finanzausgleich die für eigene Aufgaben nicht vordringlich gebrauchten Mittel den bedürftigen Gemeinden zuführen.
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Diese Konsolidierung der Länderhaushalte wurde aber mit der neuerlichen Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf 38 °/o ab 1963 und auf 39 Ofo ab 1964 um so radikaler beendet, als in den Jahren 1964 und 1965 auch die Steuern vom Einkommen erheblich gesenkt wurden. Dadurch wurde die Konjunktur noch angeheizt, während der kumulierte Entzug von Mitteln durch die Erhöhung des Bundesanteils und die gleichzeitigen Steuerermäßigungen die Länder in ernste Schwierigkeiten gebracht hat. Hatten sie bis dahin den Kapitalmarkt geschont, so wurden sie nun schlagartig in eine hohe Verschuldung hineingetrieben, weil ihre meist zwangsläufigen Ausgaben sich einer ausreichenden Kürzung entzogen haben. Die Länder trafen sich auf dem Markt mit dem hohen Kreditbedarf der Kommunen und den Kreditwünschen des Bundes, der Bundesbahn, der Bundespost und der Privaten. Da aber die Bundesbank seit 1965 zur Verteidigung der Währung eine zunehmend schärfere Kreditrestriktion einleiten mußte und die Einführung der Couponsteuer das Auslandskapital vom deutschen Markt verdrängt hat, kam es im Sommer 1966 zu jenem Versagen des Marktes, das die Rezission eingeleitet hat. Sie wäre ohne die finanzpolitischen Fehlentscheidungen der Jahre 1963 bis 1965 zu vermeiden gewesen. Der Rückschlag traf vor allem die Länder und Gemeinden, so daß der Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer ab 1967 auf 37 Ofo und für 1969 auf 35 °/o herabgesetzt und die bereits geplante Finanzreform eingeleitet werden mußte. Die finanzielle Entlastung der Länder war aber nur von kurzer Dauer. Da nämlich die Finanzreform ohne Mehrbelastung des Steuerzahlers den finanziellen Spielraum der Gemeinden erweitern sollte, mußte sie zu einem erheblichen Teil zu Lasten der Länder gehen. Sie brachte ihnen insbesondere eine Verkürzung ihrer Anteile an der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Vom Ertrag der Lohnsteuer und der veranlagten Einkommensteuer geht seither der Überweisungsanteil der Gemeinden ab, während das ganze übrige Aufkommen zu gleichen Teilen Bund und Ländern zufließt. Damit kommt ihnen die überdurchschnittlich wachsende Ertragskraft, welche die Steuern vom Einkommen bei steigendem Geldeinkommen infolge der ertragskumulierenden Wirkung des progressiven Einkommensteuertarifes aufweisen, in gleicher Weise zugute. Die Länder haben aber durchgesetzt, daß die gleichhohen Anteile verfassungsrechtlich fixiert und damit dem Streit um die Aufteilung des Aufkommens entzogen wurden. Aber der Schauplatz der Auseinandersetzungen wurde nur auf die neu in den Verbund aufgenommene Mehrwertsteuer verlegt. Außerdem ist der Friede auch bei den Steuern vom Einkommen nicht gesichert, denn die Rolle der Unzufriedenen ist auf die Gemeinden übergegangen, deren Einkommensteuerbeteiligung nicht in der Höhe, sondern nur im Grundsatz verfassungsrechtlich fixiert ist.
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Entschädigt wurden die Länder auch durch die 50 °/oige Beteiligung an der bundeseinheitlich geregelten Gewerbesteuerumlage und den bereits erwähnten Anteil an der Mehrwertsteuer, der durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz festgestellt wird. Die Beengtheit der Länderhaushalte dauert seither an. Die Entwicklung im Bereich der Schulen und Hochschulen, der rasch wachsende Bedarf für Krankenhausfinanzierung, Verkehrsausbau und Umweltschutz und nicht zuletzt die steigenden Personalausgaben haben in letzter Zeit zu beängstigend hohen Zuwachsraten der Länderausgaben geführt. Der Streit um die höhere Quote der Länder am gemeinsamen Steueraufkommen - nun konzentriert auf die Mehrwertsteuer - setzt sich daher fort. II. Der Rückblick auf die finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Ländern von 1950 bis heute läßt die Nachteile des geltenden Systems der Steuerverteilung deutlich erkennen. Abgesehen davon, daß die zentrale Erschließung der Steuereinnahmen durch den Bundesgesetzgeber konjunktur- und finanzpolitische Fehlentscheidungen wie die der Jahre 1964 und 1965 keineswegs ausschließt, besteht zwischen der Aufgabenbelastung der Länder und ihrer Ausstattung keine unmittelbare Beziehung. Gewiß kann der Bundesrat verhindern, daß die Bundesregierung zu Lasten der Länder Steuersenkungen oder eine Herabsetzung ihres Anteils am gemeinsamen Steueraufkommen durchführt oder daß Bundesgesetze erlassen werden, die den Ländern zusätzliche Lasten bringen. Aber abgesehen davon, daß in solchen Fällen zumindest jene Ministerpräsidenten, die politisch mit der Bundesregierung übereinstimmen, ihrem Koordinierungsdruck ausgesetzt sind, ist der verfassungsrechtliche Schutz der Länder nur negativ begrenzt. Der Bundesrat kann niemals gegen ein ablehnendes Votum des Bundestages durchsetzen, daß zugunsten der Länder ihr Anteil am gemeinsamen Aufkommen oder die ihnen zufließenden Steuern erhöht werden, wenn es ihre Finanzlage rechtfertigen würde. Die Bestimmung in Artikel106 Abs. 3 Ziffer 1 des Grundgesetzes, daß im Rahmen der laufenden Einnahmen der Bund und die Länder gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben haben, hat nur den Wert einer Deklaration, weil es über Bund und Länder keinen unabhängigen Richter gibt. Im Streitfall wird sich meist der Bund durchsetzen, der das größere politische Gewicht hat und in der Öffentlichkeit mehr Gehör findet als die Länder. Dem Bundestag und der Bundesregierung werden die Aufgaben des Bundes stets näher liegen, als die der Länder, die sie im einzelnen nicht kennen, deren Notwendigkeit sie weder hinreichend beurteilen können noch zu verantworten haben.
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Braucht der Bund zusätzliche Mittel, so wird er zunächst den für ihn bequemeren Weg einzuschlagen versuchen, der in der Erhöhung seines Anteiles am gemeinsamen Steueraufkommen liegt. Versagt sich dem der Bundesrat, so bleibt dem Bundesgesetzgeber der freilich unbequemere Ausweg einer Mehrbelastung der Steuerzahler. Dabei hat er noch die Wahl, durch die Erhöhung von Bundessteuern den Erfolg ausschließlich dem Bund zu sichern oder die Länder durch Erhöhung einer Verbundsteuer am Erfolg zu beteiligen. Versagt sich dagegen der Bundesgesetzgeber dem Wunsch der Länder auf Erweiterung ihres Einnahmespielraums, so haben sie keinen vergleichbaren Ausweg, außer den in die Verschuldung. Denn der andere theoretiEch denkbare Ausweg, daß die Länder den Druck an die Gemeinden weitergeben, den kommunalen Finanzausgleich kürzen oder sie mit Landesumlagen belasten, scheidet bei der heutigen kommunalen Finanzlage aus. Die Weigerung des Bundesgesetzgebers, dem Ansinnen der Länder auf Erweiterung ihres Einnahmespielraumes zu entsprechen, schließt aber keineswegs aus, daß gleichzeitig der Vorwurf erhoben wird, die Länder würden auf diesem oder jenem Gebiet zu wenig leisten. Ein System, das von den Ländern Leistungen verlangt, ihnen aber gleichzeitig die Hände bindet, kann nicht funktionsgerecht sein. Der Staatsapparat, den zu unterhalten die Schwerpunktaufgabe der Länder ist, soll jederzeit alle Anforderungen erfüllen. Aber der Bund ist es, der die meisten Aufgaben stellt und damit auf den Wähler mehr Eindruck macht, als die Länder, die sie zu vollziehen haben. Der periodisch ausbrechende Streit um die Anteile des Bundes und der Länder am gemeinsamen Steueraufkommen, der in der öffentlichen Meinung kaum einmal auf Verständnis stößt, ist dem gegenwärtigen Verteilungssystem immanent. Sicher ist die Auseinandersetzung um die Steuerquellen zwischen dem Zentralstaat und den Gliedstaaten in keinem föderativen Staatswesen gänzlich zu vermeiden, auch wenn das Verbundsystem keine so beherrschende Rolle spielt, wie in unserer Bundesrepublik, und sicher ist an die Rückkehr zu einem sauberen Trennsystem nicht mehr zu denken. Aber die Grenzen des Verbundsystems liegen dort, wo es die Gliedstaaten in ihrer Substanz bedroht, die Selbständigkeit und Unabhängigkeit ihrer Haushaltswirtschaft und ihre Fähigkeit in Frage stellt, die ihnen zukommenden Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen. Damit komme ich zum Kern meiner Kritik. Die Abhängigkeit der Länder vom Bundesgesetzgeber bei der Beschaffung von rund 80 °/o ihrer Einnahmen hat auch zu einer Gemengelage in den Aufgaben geführt. Statt den Einnahmespielraum der Länder rechtzeitig und ausreichend zu erweitern, wenn es ihre Aufgabenbelastung erfordert hätte und für einen ausreichenden Finanzausgleich zu sorgen, wenn diese
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Belastung für einzelne Länder nach ihrer Finanzkraft untragbar wurde, ist der Bund seit den fünfziger Jahren dazu übergegangen, sich an der Finanzierung einzelner Länderaufgaben zu beteiligen. So entstanden die Gemeinschaftsaufgaben, die Investitionshilfen des Bundes und der Kostenersatz für den Aufwand der Länder aus den sogenannten Geldleistungsgesetzen. Ein komplizierter Verwaltungsvollzug und eine die Unwirt~chaftlichkeit fördernde Aufspaltung der politischen und finanziellen Verantwortung auf Bund und Länder waren die Folge. Die einschlägigen Bestimmungen des Grundgesetzes, die Artikel 91 a und b sowie 104 a Abs. 3 und 4 sind zwar erst mit der Finanzreform von 1969 in das Grundgesetz eingefügt worden, haben aber keine neuen Tatbestände geschaffen, sondern nur eine Verfassungswirklichkeit legalisiert, die sich, wie angedeutet, schon seit den fünfziger Jahren grundgesetzwidrig ausgebildet hatte. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß der Bund damals dank seiner hohen Beteiligung an der Einkommen- und Körperschaftsteuer weit über seinen Bedarf hinaus finanziert war und im Juliusturm Reserven von 7 Mrd. DM ansammeln konnte, während der Entzug der vom Bund unnötig beanspruchten Steuermittel mangels eines ausreichenden Finanzausgleichs vor allem die hochverschuldeten steuer~chwächeren Länder traf. Damit gerieten sie schon frühzeitig in die finanzielle Abhängigkeit des Bundes. Als dann ab 1956 die Mittel des Juliusturms verteilt wurden, weil dieser Fond nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch bei den Verbündeten mancherlei Begehrlichkeit geweckt hatte, dachte niemand daran, diese den Ländern entzogenen Mittel an sie - und zwar möglichst ausgleichswirksam - zurückzuerstatten. Die Chance, die sich damals anbot, einen strukturgerechten bundesstaatliehen Finanzausgleich aufzubauen, der es allen Ländern hätte ermöglichen können, ihre Aufgaben selbst zu finanzieren, wurde versäumt. Vielmehr brach der Bund, weil dies vor der Bundestagswahl von 1957 viel wirksamer zu plakatieren war, in den Zuständigkeitsbereich der Länder ein, indem er zu einzelnen ihrer Aufgaben Dotationen gewährte, verbunden mit Auflagen, in welcher Höhe sie Komplementärleistungen zu erbringen hätten, um in den Genuß der Bundesleistungen zu kommen. Damit verstieß der Bund nicht nur gegen die Aufgabenabgrenzung des Grundgesetzes, sondern auch gegen seinen Art. 109, der den Ländern eine selbständige und vom Bund unabhängige Haushaltswirtschaft garantieren sollte. Dieses Dotationssystem hat die Länder korrumpiert und ihre Finanzverantwortung untergraben. Es hat zur Expansion der öffentlichen Ausgaben beigetragen, weil es im System lag, daß sich Bund und Länder in der Bereitstellung der beiderseitigen Komplementärmittel gegenseitig hochgetrieben haben. Angebotene Bundesmittel auszuschlagen und an sie geknüpfte Auflagen nicht zu erfüllen, hätte der Regierung eines Landes nur den Vorwurf eingebracht, daß sie zusieht, wie diese Mittel in andere Länder fließen. Mit jedem greifbaren
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Bundeszuschuß konnte der Finanzminister eines Landes von den Fachressorts des eigenen Landes überspielt werden. Hätte damals ein Land das Bundesverfassungsgericht angerufen, so wäre das Dotationssystem zu Fall gekommen. Aber die Fachressorts der Länder, verbündet mit den korrespondierenden Bundesressorts, blockierten einen solchen Schritt. Erst als es zu spät war, setzte sich in den Ländern die Meinung durch, wie verhängnisvoll diese Entwicklung für sie ist. Inzwischen vertrat nämlich die Sachverständigenkommission, welche die Finanzreform von 1969 vorzubereiten hatte, die Ansicht, daß es weder möglich noch wünschenswert sei, zur sauberen Aufgabentrennung des Grundgesetzes zurückzukehren. Da es sich nämlich bei den betreffenden Länderaufgaben um solche handle, die für die Entwicklung der Bundesrepublik Bedeutung hätten, müßten sie vom Bund und den Ländern gemeinsam geplant und finanziert werden. Die Legalisierung des Dotationssystems durch die Finanzreform hat jedoch seine grundsätzlichen Mängel nicht beseitigt. Mit der Institutionalisierung von Gemeinschaftsaufgaben und einer Investitionshilfekompetenz des Bundes bleibt die Finanzverantwortung, die vom Aufgabenträger nur wahrzunehmen ist, wenn er selbständiger Entscheidungen fähig ist, auf Bund und Länder aufgespalten. Solange im Bundeshaushalt für Gemeinschaftsaufgaben und Investitionshilfen Mittel ausgebracht sind, wird der Wettlauf der Länder um sie anhalten, selbst wenn gleichzeitig andere Zwecke, die in den Länderhaushalten Vorrang beanspruchen könnten, für die es aber keine Bundesmittel gibt, vernachlässigt werden. Das Dotationssystem stellt daher nicht nur die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft, sondern auch die Freiheit der Länder in Frage, über die Prioritäten in ihrem Aufgabenbereich selbst zu entscheiden. Die Institutionalisierung der Mischfinanzierung hat die Schwerfälligkeit und Aufwendigkeit in Planung und Vollzug noch verstärkt. Da der Bund in der Regel die Hälfte des Aufwands zu tragen hat, beansprucht er in den Planungsausschüssen auch die Hälfte der Stimmen. Er kann von Länderseite niemals überstimmt werden, wohl aber, auch wenn die Beschlüsse eine Zweidrittelmehrheit erfordern, mit Unterstützung einiger Länder eine Ländermehrheit überstimmen. Jedes Land ist in der Planung seiner Vorhaben nicht allein dem Einfluß des Bundes, sondern auch der Mitsprache der übrigen Länder unterworfen. Das veranlaßt die Länder nicht zu echter Konkurrenz in ihren Leistungen, sondern fördert das gegenseitige Mißtrauen und die Neigung des Bundes, die Länder gegeneinander auszuspielen. Daß es sich bei der Planung der gemeinsam finanzierten Aufgaben nur um eine Rahmenplanung handeln soll, hält den Bund nicht davon ab, bis in einzelne Maßnahmen hinein mitzureden oder - beispielsweise im Bereich des Hochschulausbaus -
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mit dem Druckmittel der Finanzierung Vorstellungen durchsetzen zu wollen, die er mangels Zuständigkeit sonst nicht vorbringen kann. Die Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91 a GG sind als Maßnahmen auf den Gebieten der Agrarstruktur einschließlich Küstenschutz, der regionalen Wirtschaftsstruktur einschließlich Grenzlandförderung und des Hochschulausbaus wenigstens in der Sache abgegrenzt. Die Investitionshilfen des Bundes nach Art. 104 a Abs. 4 GG sind dagegen nach Art einer Generalklausel umschrieben: Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, oder Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet, oder Förderung des wirtschaftlichen Wachstums. In diesem Bereich sind daher die Länder einem expansiven Drang des Bundes ausgesetzt, dem Dotationssystem weitere Anwendungsgebiete zu erschließen. Bei der Krankenhausfinanzierung ist dies inzwischen exerziert worden. Lassen Sie mich kurz auf diesen jüngsten Zweig des Dotationssystems eingehen, weil er ein Beispiel dafür ist, wie das lange zurückreichende Versäumnis einer durchaus möglichen und funktionsgerechten Lösung der Kostenfrage im ganzen zur heutigen, keineswegs funktionsgerechten Mischfinanzierung der Investitionskosten geführt hat. Seit Jahrzehnten haben der technische und medizinische Fortschritt und die wachsenden Anforderungen der Bürger an das Krankenhaus seine laufenden und investiven Kosten auf das Mehrfache erhöht, während die Pflegesätze zunehmend mehr hinter diesen Kosten zurückgeblieben sind. Die damit unvermeidlich gewordene defizitäre Entwicklung traf zunächst den investiven Bereich. Schließlich führte aber die sich immer mehr öffnende Schere zwischen Aufwand und Ertrag auch zu Defiziten im laufenden Betrieb. Hätte der Bund als die für die Sozialversicherung ausschließlich zuständige Instanz rechtzeitig und ausreichend für eine Angleichung der Pflegesätze an die tatsächlichen Krankenhauskosten gesorgt, so wäre das Problem der Krankenhausfinanzierung gar nicht aufgetreten. Ob die Krankenkassen überfordert gewesen wären, kostendeckende Pflegesätze aus ihren Beiträgen zu finanzieren, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls wäre es aber Sache des Bundes gewesen, den Krankenkassen die erforderlichen Mittel zu erschließen, wenn nicht aus Beiträgen, so aus dem Bundeshaushalt oder aus anderen Quellen, beispielsweise aus den damals noch hohen Überschüssen der Bundesanstalt für Arbeit. Sicher war es im Zeitpunkt der Konzeption des Krankenhausfinanzierungsgesetzes nicht einfach, die Versäumnisse von Jahrzehnten in einem Zug aufzuholen. Gleichwohl halte ich es für einen Fehler, wie man den Trennungsstrich zwischen laufenden und investiven Krankenhauskosten gezogen hat. Mit der bloßen Anhebung der Pflegesätze auf die laufenden Kosten bleiben die Investitionen in vollem Umfang un-
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rentierlieber Aufwand und wurden als solcher mit allen Nachteilen, die dem Dotationssystem eigen sind, dem Bereich der Mischfinanzierung durch Bund und Länder überantwortet. Daß dadurch die Planung der Krankenhausträger aufs äußerste kompliziert wurde, weil sie auf die Mitfinanzierung und Mitplanung des Bundes und der Länder ausgerichtet sein muß, hätte sich vermeiden lassen. Und daß der Bund sich nicht in der Lage sah, Pflegesätze zu genehmigen, die neben den laufenden Kosten einen Mindestaufwand an Investitionen decken, um dann eine allfalls notwendige Spitzenfinanzierung den Ländern zu überlassen, kann nicht überzeugen. Denn annähernd die gleichen Mittel, die das erfordert hätte, muß er nun für die Mitfinanzierung der Investitionen aufwenden. Weil der Bund einer ihm zukommenden Verpflichtung nicht nachgekommen ist, mußte das Pferd vom Schwanz aufgezäumt werden.
III. Wie im Fall der Krankenhausfinanzierung hat sich auch in den anderen vergleichbaren Fällen das Dotationssystem nur entwickeln können, weil eine durchaus mögliche funktionsgerechte Lösung versäumt worden ist. Sie setzt eine Ausstattung der Gebietskörperschaften voraus, die es ihnen ermöglicht, ihre Aufgaben aus eigener Finanzkraft oder mit den ihnen im Finanzausgleich auflagenfrei zugeteilten Mitteln in eigener Verantwortung und wesentlich einfacher zu erfüllen, als unter dem Dotationssystem. Demgegenüber hat die heutige Gemengelage in den Aufgaben und ihrer Finanzierung, in Zuständigkeiten und geteilter Verantwortung, in Planung und Vollzug zu einer Schwerfälligkeit des Regierens und Verwaltens geführt, die den sogenannten kooperativen Föderalismus als zweifelhafte Errungenschaft erweist. Soll die Verfassungsreform in der Bundesrepublik auf das Ziel ausgerichtet werden, diesen Staat so zu organisieren, daß er die ihm gestellten umfangreichen Aufgaben so rationell wie möglich erfüllt, so kann die Schlußfolgerung nur lauten, die Gemeinschaftsaufgaben, die Investitionshilfen und alle sonstigen Fälle einer gemischten Finanzierung so gründlich wie möglich zu beseitigen, um wieder eindeutig klare, der Finanzverantwortung der Aufgabenträger gerechtwerdende Verhältnisse zu schaffen. Dabei müßten jene bisher gemeinsam finanzierten Aufgaben, die ihrer Natur nach Ländersache sind, der ausschließlichen finanziellen Betreuung durch die Länder überlassen werden. In einigen Teilbereichen könnte aber auch der auf solche Weise entlastete Bund die ausschließliche oder eine zusätzliche Finanzierungslast übernehmen. So hielte ich es für vertretbar, daß der Bund den Teil der agrarpolitischen Maßnahmen, der EG-bezogen ist, ausschließlich selbst finanziert und von den Ländern im Weg der Auftragsverwaltungvollziehen läßt. Vor allem nenne ich aber hier noch einmal die Krankenhausfinanzierung, wobei ich davon ausgehe, daß der
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Bund eine zusätzliche Finanzierungslast in der allein sinnvollen Weise übernehmen müßte, nämlich durch weitere Erhöhung der Pflegesätze, die auch ein Mindestmaß an Investitionskosten deckt, und zu deren Leistung er die Krankenkassen in Stand setzen müßte. Die saubere Aufteilung der Finanzierungslast zwischen Bund und Ländern würde freilich im Saldo zu einer Mehrbelastung der Länder führen. Das setzt voraus, daß man ihnen die zur selbständigen Erfüllung dieser Aufgaben erforderlichen Mittel, statt in gezielten Dotationen, in anderer Form ausreichend erschließt und eigenverantwortlich überläßt. Dabei wäre es nicht damit getan, daß der Bund die Mittel, die er bisher zur Mitfinanzierung von Länderaufgaben aufgewendet hat, der Ländergesamtheit in erhöhten Steueranteilen überläßt, vielmehr müßte im Zug einer Reform des bundesstaatliehen Finanzausgleichs auch die unterschiedliche Struktur der Länder berücksichtigt werden. Ein systematisch aufgebauter Finanzausgleich würde durchaus in der Lage sein, nach objektiven Merkmalen und in danach bemessenen auflagefreien Zuweisungen die an Auflagen gebundenen Dotationen vollwertig zu ersetzen. Zudem erweist sich eine Reform des bundesstaatliehen Finanzausgleichs schon heute als notwendig. Ihr Ziel sollte nicht sein, den schon sehr weitreichenden Ausgleich der Steuerkraftunterschiede bis zur vollkommenen Nivellierung zu steigern. Wohl aber sollte sie ihr Augenmerk darauf richten, daß die Ergänzung dieses Steuerkraftausgleichs durch Bedarfsmerkmale bei der derzeitigen Regelung jede Systematik und Präzision vermissen läßt. Die Reform müßte nicht nur diese Mängel beseitigen, sondern darüber hinaus jene Strukturunterschiede berücksichtigen, die bisher von der Mischfinanzierung bedacht wurden. Ich darf dies an einigen Beispielen erläutern. Der Bund wendet heute im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben für die Grenzlandförderung und für Maßnahmen des Küstenschutzes erhebliche Beträge auf, die entbehrlich wären, wenn man den bedachten Ländern statt dessen im bundesstaatliehen Finanzausgleich je einen Ansatz nach der Länge ihrer Ostgrenzen und nach der ihrer Küsten einräumen würde. Diese Ansätze wären nicht weniger gerechtfertigt, als der schon seit mehr als 20 Jahren in den Länderfinanzausgleich aufgenommene Ansatz für die Hafenlasten, dessen Berechtigung ich keineswegs bestreite, der aber einseitig den Hansestädten zugute kommt. Der Bund erbringt außerdem beträchtliche Leistungen zum Hochschulausbau der Länder, die jedoch unberücksichtigt lassen, daß schon heute von Land zu Land auch erhebliche Unterschiede im laufenden Aufwand für die Hochschulen bestehen, weil einige Länder eine Ausbildungslast für andere zu tragen haben. Würde man diese Belastungsunterschiede nach den Zahlen der Studierenden im bundesstaatliehen Finanzausgleich ausreichend in Ansatz bringen, so wären die Investitionszuschüsse des Bundes entbehrlich. 8 Speyer 66
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Daß die Berücksichtigung dieser Bedarfsunterschiede den bundesstaatliehen Finanzausgleich allzu sehr komplizieren würde, ist eine keineswegs begründete Befürchtung. Das Datensystem muß zwar ausgewogen sein, läßt sich aber auf wenige eindeutig faßbare Bedarfsstrukturen beschränken. Die Reform muß aber den bundesstaatliehen Finanzausgleich von dem heute berechtigten Vorwurf befreien, daß er eine durchdachte und ausgewogene Systematik vermissen läßt. Man muß sich nur einmal die Mühe machen, den bundesstaatliehen Finanzausgleich gründlich zu durchdenken, und sollte sich dabei der Grundsätze erinnern, auf die Popitz 1938 seine Reform des kommunalen Finanzausgleichs ausgerichtet hat. Um die Gemeinden aus der Bettlerrolle bloßer Dotationsempfänger zu befreien, hat er das System der Schlüsselzuweisungen ge~chaffen, das einen angemessenen Steuerkraftausgleich mit einer Bewertung kommunaler Bedarfsstrukturen nach objektiven Merkmalen kombiniert hat. Leider hat sich seither die Entwicklung von diesen Grundsätzen wieder entfernt. Auch im kommunalen Finanzausgleich hat das Dotationssystem erneut und in breiter Front Einlaß gefunden. Nur unvollständig ist dies mit den heute so bedeutsamen kommunalen Investitionen zu erklären, die sich in ein Datensystem kaum einordnen lassen. Mehr noch war für diese Entwicklung eine zur Kasuistik neigende Bequemlichkeit und der Machtreiz maßgebend, den die Verteilung von Geldmitteln in Einzelfällen ausübt. Es ist viel einfacher, von Fall zu Fall auf Antrag Dotationen zu gewähren, als sich den Kopf zu zerbrechen, wie man einen systematisch angelegten Finanzausgleich den sich ändernden Verhältnissen anpaßt. Und die Zuständigkeit zentraler Dienststellen erweist sich am überzeugendsten, wenn Geldmittel zu verteilen sind und sich daraus ein Mitspracherecht in der Sache ableiten läßt. Das Dotationssystem ist im kommunalen Bereich nicht weniger schädlich, als im Bund-Länder-Verhältnis. Es kann auf die Dauer der kommunalen Selbstverwaltung nicht gut bekommen, wenn der Erfolg eines Landrats oder Bürgermeisters nach seiner Fähigkeit gemessen wird, möglichst viele Staatszuschüsse an Land zu ziehen. Nach diesem kurzen Exkurs in das Gebiet des kommunalen Finanzausgleichs, mit dem die Landesgesetzgeber angesprochen sind, darf ich zum bundesstaatliehen Finanzausgleich zurückkehren. Seine Reform muß im Vordergrund aller Bemühungen stehen, wenn ernsthaft das Ziel verfolgt werden soll, das Dotationssystem im Bund-Länder-Verhältnis samt den einschlägigen Bestimmungen des Grundgesetzes zu beseitigen. Nur eine Finanzreform, die den Ländern insgesamt entsprechend mehr Mittel erschließt und den bundesstaatliehen Finanzausgleich auf möglichste Startgleichheit der Länder objektiv ausrichtet, kann die bisherige Mitfinanzierung von einzelnen Länderaufgaben durch den Bund voll entbehrlich machen. Daß eine Neugliederung des Bundesgebiets, welche die heute erheblichen Unterschiede in der Leistungskraft der Länder
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wenigstens teilweise ausgleicht, die Lösung des Problems erleichtern würde, sei nicht bestritten. Die Reform der Finanzverfassung darf sich aber nicht im bundesstaatliehen Finanzausgleich erschöpfen. Die Finanzausgleichsreform schafft zwar die Voraussetzung für die Beseitigung des Dotationssystems, bietet aber keine dauerhafte Gewähr, daß es nicht zu einer neuerlichen Gemengelage in den Aufgaben und ihrer Finanzierung kommt. Es war die Unselbständigkeit der Länder in der Beschaffung ihrer Mittel, die zum Einbruch des Bundes in ihren Zuständigkeitsbereich geführt hat. Die Finanzausstattung der nachgeordneten Gebietskörperschaften, insbesondere ihre Ausstattung mit autonomen Steuerquellen, ist daher sorgfältig zu überprüfen, wobei Länder und Gemeinden als Einheit zu sehen sind. Diese Überprüfung kann zur Einschränkung, wird aber nicht zur Beseitigung des Steuerverbundsystems führen. Vor allem bei der Einkommenund Körperschaftsteuer muß es den Ländern verfassungsrechtlich garantiert bleiben. Denn die anhaltende Ausweitung der Länderaufgaben ist heute nicht weniger zwangsläufig als die Expansion des Bundeshaushalts. An den überproportional wachsenden Erträgen, welche insbesondere die progressive Einkommensteuer bei wachsenden Gesamteinkommen verspricht, sind daher beide staatlichen Ebenen zu beteiligen. In einem anderen Punkt sollte das Verbundsystem sogar erweitert werden. Mein Vorschlag geht dahin, die Mineralölsteuer zur gemeinsamen Steuer des Bundes und der Länder zu erklären und den Länderanteil nach einem geeigneten Schlüssel - beispielsweise in Relation zum Kraftfahrzeugsteueraufkommen in den einzelnen Ländern - an sie auszuschütten. Denn die Mittel, die heute aus der Mineralölsteuer- und zwar überwiegend im notationsverfahren-dem kommunalen Verkehrsausbau zugeführt werden, müssen von den Ländern ohnedies durch Zuweisungen aus der Kraftfahrzeugsteuer ergänzt werden. Die Zusammenfassung beider Verbundmassen und ihre Verteilung aus einer Hand würde das Verfahren vereinfachen und die heute bestehende Neigung eindämmen, daß jene großen Gemeinden, die den Kontakt zu den Bundesressorts leichter finden als die Masse der kleineren, daraus besondere Vorteile ziehen. IV.
Nun aber zu den Möglichkeiten eines Erweiterten autonomen Steuerbewilligungsrechts für die nachgeordneten Gebietskörperschaften. Dabei müssen, wie ich von vornherein einräume, die Landessteuern aus den Erwägungen ausscheiden. Eine Vermögensteuer oder eine Kraftfahrzeugsteuer eignet sich nicht für ein unterschiedlich gehandhabtes Rehesatzoder Zuschlagsrecht. Dagegen schließt die Beibehaltung des Verbundsystems bei den Steuern vom Einkommen nicht aus, daß man aus dem Sockel des Tarifgefüges der heutigen Einkommensteuer eine mit Hebe-
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satzrecht ausgestattete Personalsteuer herauslöst, die jedoch neben der progressiven, nach wie vor bundeseinheitlich geregelten Einkommensteuer des Bundes und der Länder so konstruiert sein müßte, daß sie trotz unterschiedlicher Hebesätze nicht zur Bildung von Steueroasen führt. Äußerstenfalls dürfte sie eine proportionale Einkommensteuer sein. Ob die Länder oder Gemeinden oder wie beide Ebenen am Aufkommen dieser Steuer zu beteiligen sind und wem von beiden das Hebesatzrecht zustehen soll, ist eine Tatfrage, bei der auch steuertechnische Erwägungen eine Rolle spielen. Ist ein kommunales Hebesatzrecht zu verwirklichen, was wohl voraussetzen würde, daß man auf letzte Perfektion verzichtet, so sollte diese Personalsteuer den Gemeinden überlassen werden. Die Länder könnten auf ein selbständiges Steuerbewilligugsrecht -sei es bei der Einkommensteuer oder bei einer anderen Steuer- unter der Voraussetzung verzichten, daß die heute unzureichende Finanzausstattung der Gemeinden in einem Umfang verbessert wird, der es den Ländern ermöglicht, ihr autonomes Umlageerhebungsrecht nach Art. 106 Abs. 6 GG wirksam zu aktivieren. Das ist als quantitatives Problem eine finanzwirtschaftliche Aufgabe, die schon im Rahmen der heutigen Finanzverfassung lösbar wäre, der aber verfassungspolitisch eine enorme Bedeutung zukommt. Daß die Finanzausstattung der Gemeinden unzureichend ist und daß hieran auch die Finanzreform von 1969 nichts Entscheidendes geändert hat, ist nachzuweisen. Zwar genügt hierzu nicht der Hinweis, daß die Gemeinden nur drei Viertel ihres Bedarfs aus eigener Finanzkraft decken, weil die restlichen Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich kommen. Ebenw wenig reicht als Beweis aus, daß von den Nettoeinnahmen der Gemeinden weniger als 40 °/o, von denen der Länder aber 80 Ofo und von der:en des Bundes nahezu 90 Ofo aus Steuern fließen. Denn der geringe kommunale Steueranteil beruht in erster Linie darauf, daß im kommunalen Haushalt- anders als in den Haushalten des Bundes und der Länder- die Einnahmen aus Verwaltungs- und Wirtschaftstätigkeit nach wie vor eine erhebliche Rolle spielen und mindestens ebenso viel erbringen, wie die kommunalen Steuern. Ein eindeutiges Symptom für die Unzulänglichkeit ihrer Ausstattung ist aber die Kreditmarktverschuldung der Gemeinden, die heute doppelt so hoch ist wie die der Länder. Sie übertrifft auch die des Bundes um 40 Ofo, wobei zu beachten ist, daß das Ausgabevolumen des Bundes um vieles höher ist als das der Gemeinden. Zudem ist die kommunale Verschuldung seit Jahren nicht mehr ausreichend konsolidiert. Sie mit dem hohen Investitionsaufwand der Gemeinden zu erklären, ist nicht stichhaltig, weil dieser zu zwei Dritteln ein unrentierlicher Aufwand ist. Ist die quantitative Mehrung des kommunalen Einnahmespielraums eine finanzwirtschaftliche Notwendigkeit, so verlangt eine gesunde kom-
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munale Selbstverwaltung auch eine Ausweitung der gemeindlichen Finanzautonomie. Ich erinnere daran, daß die Gemeinden bis zum ersten Weltkrieg zu den damals noch landeseigenen Einkommensteuern ein Zuschlagsrecht hatten, das die Erzbergersehe Finanzreform mit den proportionalen Landeseinkommensteuern beseitigt hat. Damit ist in einem Zeitpunkt, in dem das kommunale Wahlrecht auf alle in der Gemeinde ein Jahr wohnhaften wahlberechtigten Staatsbürger ausgedehnt wurde, der Kreis der kommunalen Steuerzahler auf die Realsteuerpflichten eingeschränkt worden. Zehn Jahre später hat man zwar den Gemeinden wieder eine Personalsteuer erschlossen, aber in der unglücklichen Form der Bürgersteuer. Die Erinnerung an ihre soziale Härte erschwert bis heute eine sachlich geführte Diskussion über eine autonome Gemeindepersonalsteuer. Als die Bürgersteuer während des zweiten Weltkriegs aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung sistiert wurde, hat man daran das Versprechen geknüpft, daß den Gemeinden nach dem Krieg eine Personalsteuer zur eigenverantwortlichen Ausschöpfung erschlossen werden soll. Das Grundgesetz hat dieses Versprechen bis heute nicht eingelöst. Auch die Finanzreform von 1969 brachte den Gemeinden nur eine unselbständige Beteiligung an der staatlichen Einkommensteuer. Daß die Gemeinden, abgesehen von einigen Bagatellsteuern nur über die Realsteuern selbst verfügen können, bezeichne ich als schweren Mangel. Denn der Kreis ihrer Pflichtigen ist - zumal in den größeren Städten - eine kleine und keineswegs repräsentative Minderheit. Sie hat die Steuern aufzubringen, über deren Höhe Gemeindeparlamente entscheiden, die mit überwiegender Mehrheit jene Wähler repräsentieren, welche diese Steuern nicht zu bezahlen brauchen. Der Einwand, daß auch die Einkommensteuerpflichtigen ihren Beitrag zum kommunalen Bedarf leisten würden, weil im Überweisungsanteil aus der Einkommensteuer auch ein Teil ihrer Steuerleistung an die Wohnsitzgemeinde zurückfließt, ist nicht stichhaltig. Dieser Beitrag ist dem Einfluß der einzelnen Gemeinden entzogen, läßt also ihre politische und finanzielle Verantwortung unberührt und wird vom Pflichtigen gar nicht wahrgenommen. Er verspürt nur eine Erhöhung oder Senkung der staatlichen Einkommensteuer, nicht aber das Ausmaß der kommunalen Beteiligung an ihrem Aufkommen. Dagegen ist es für die Realsteuerpflichtigen sehr wohl spürbar, wenn eine Gemeinde die Hebesätze der Grund- oder Gewerbesteuer verändert. Die Zahl der sogenannten Bürgermeisterdenkmäler wird erst dann seltener werden, wenn die dafür erforderlichen Mittel von einer Mehrheit der Gemeindebürger erkennbar und für sie spürbar aufgebracht werden müssen. Die Trögerkommission hatte in ihrem Gutachten zur Finanzreform von 1969 mit guten Gründen vorgeschlagen, den Gemeinden eine selbständige Einkommensteuer zu erschließen, die aus der Proportionalzone ausgeglie-
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dert und mit einem begrenzten Hebesatzrecht ausgestattet werden sollte. Daß es vorerst nur zu einer unselbständigen Beteiligung an der staatlichen Einkommensteuer gekommen ist, schätze ich gewiß nicht gering. Wenigstens die bisherige Benachteiligung der Wohngemeinden wurde damit weitgehend behoben. Aber die Bedenklichkeit des auf die Realsteuern beschränkten Steuerbewilligungsrechts der Gemeinden und ihre unzureichende Finanzautonomie sind geblieben. Zwar läßt Artikel 106 Abs. 5 GG mit dem letzten Satz eine Tür offen, die es ermöglichen soll, die Einkommensteuerbeteiligung der Gemeinden zur autonomen Steuer fortzuentwickeln. Nach diesem Satz kann das Gesetz über die kommunale Einkommensteuerbeteiligung bestimmen, daß die Gemeinden Hebesätze für den Gemeindeanteil festsetzen. Aber mit dieser Kannvorschrift kann man jahrzehntelang sein Gewissen beruhigen, daß nichts verbaut sei. Sicher bereitet eine Steuer, die von einer Vielzahl kommunaler Steuergläubiger zu unterschiedlichen Hebesätzen oder Zuschlägen ausgeschöpft wird, erhebungstechnische Schwierigkeiten. Der Wille, sie zu überwinden, ist aber bisher nicht vorhanden. Für die Experten der Steuerverwaltung, die bei dieser Frage zunächst gehört werden, stehen nicht verfassungs- oder finanzpolitische Gesichtspunkte, sondern steuertechnische Erwägungen im Vordergrund und ihre Bedenken werden vom Parlament - diesen Eindruck kann ich jedenfalls nicht unterdrücken - mit einem Gefühl der Erleichterung akzeptiert. Dies um so mehr, als eine mit Hebesatzrecht ausgestattete Gemeindeeinkommensteuer möglicherweise nur dann praktikabel zu verwirklichen ist, wenn man bei ihr auf letzte Perfektion verzichtet. Ich bin aber davon überzeugt, daß sich eine Gemeindeeinkommensteuer, die sich in den Freibeträgen nicht von denen der staatlichen Einkommensteuer unterscheidet, durchaus sozial- und steuergerecht gestalten läßt und daß im Zeitalter der elektronischen Rechenmaschine auch die Erhebungstechnik zu bewältigen ist. Noch ein Wort zur Gewerbesteuer, die man den Gemeinden teilweise entzogen hat, um die großen Unterschiede in der kommunalen Steuerkraft dadurch abzubauen. Durch die je zur Hälfte Bund und Ländern zufließende Umlage wurde ihr Zugriff auf sie um rund 40 °/o verkürzt und damit ihre Finanzautonomie praktisch eingeengt. Zwar blieb das kommunale Hebesatzrecht unberührt, aber der weiteren Ausschöpfung der Gewerbesteu·er sind naturgemäß in der Belastbarkeit der Betriebe Grenzen gezogen. Ich bestreite nicht, daß es grundsätzlich richtig war, die erheblichen Steuerkraftunterschiede zwischen Industriegemeinden und Wohngemeinden nicht allein durch die kommunale Einkommensteuerbeteiligung, sondern auch durch den partiellen Entzug von Gewerbesteuer zu verringern. Ich halte aber die Gewerbesteuer, was ihre gründliche Reform nicht ausschließt, als Äquivalent für die kommunalen Lasten, die heute die gewerbliche Wirtschaft verursacht, für unentbehrlich. Würde
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man die kommunale Gewerbesteuerkraft noch mehr verkürzen oder beseitigen, so würde das Interesse der Kommunen an der Industrie erlahmen. Sie hätte es künftig schwer, noch Standorte zu finden, während die Gemeinden nur noch interessiert wären, Wohngebiete zu erschließen. Dem von der Finanzreform verfolgten Ziel, die kommunale Gewerbesteuerkraft zu verkürzen, lag nicht nur ein ausgleichspolitisches Motiv zugrunde, sondern in der Tat auch die Absicht, diese Steuer zu senken oder teilweise zu beseitigen. Gründe der Steuerharmonisierung in der EG, die jedoch inzwischen an Gewicht verloren haben, wurden angeführt und die Forderung der gewerblichen Wirtschaft auf Senkung der Steuer war nicht zu überhören. Die Finanzreform von 1969 hat aber der Wirtschaft keine Senkung der Gewerbesteuer gebracht, sondern nur 40 °/o ihrer Einnahmen den Gemeinden entzogen, weil man keine Möglichkeit sah, einen Steuerausfall in dieser Höhe durch verstärkte Ausschöpfung anderer Steuerquellen zu kompensieren. Das Drängen der Wirtschaft auf Entlastung bei der Gewerbesteuer wird daher nicht zur Ruhe kommen. Deshalb haben die Länder Wert darauf gelegt, den Bund an der Gewerbesteuerumlage zu beteiligen, damit eine spätere Senkung der Steuer, die mit einem Abbau der Umlage verbunden werden soll, nicht ausschließlich zu ihren Lasten geht. Das ist grundsätzlich zu bedauern, denn eine Gewerbesteuerumlage der Länder wäre zur Aktivierung ihres Umlageerhebungsrechts erwünscht. Sie setzt aber voraus, daß über das künftige Schicksal der Steuer eindeutige Klarheit besteht. Die Finanzreform von 1969 hat nicht nur die Ausgestaltung der kommunalen Einkommensteuerbeteiligung zur autonomen Gemeindesteuer der Zukunft überlassen, sondern auch mit der derzeitigen Gewerbesteuerregelung eine Problematik aufgerissen, die eine Lösung verlangt. Aber keine der beiden Fragen wurde bisher aufgegriffen. Die Finanzreform von 1969 hat aber auch quantitativ den Gemeinden keine ausreichende Abhilfe gebracht. Denn die kommunale Einkommensteuerbeteiligung wurde in erheblichem Umfang durch den Entzug an Gewerbesteuer kompensiert. Daß der den Gemeinden verbliebene Saldo nicht ausreicht, um ihre finanzielle Situation zu verbessern, erweist die Tatsache, daß ihre Verschuldung seither nach wie vor und sogar verstärkt zunimmt. Lassen Sie mich zum Abschluß noch auf die Bedenken eingehen, die gegen ein selbständiges Steuerbewilligungsrecht der nachgeordneten Gebietskörperschaften vorgebracht werden. Es wird eingewandt, daß ein einheitliches Wirtschaftsgebiet eine einheitliche Besteuerung verlange. Die relative Berechtigung dieses Grundsatzes sei unbestritten, aber seine Anwendharket findet Grenzen, wo er mit dem nicht minder gewichtigen Grundsatz der Finanzverantwortung in Widerspruch gerät. Auf getrennten Haushaltsebenen ist Finanzverantwortung nur zu wahren, wenn dem
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Aufgabenträger zumindest partiell auch die Einnahmenbeschaff1:1ng obliegt. Im übrigen ist die einheitliche Besteuerung im einheitlichen WirtEchaftsgebiet schon heute durchbrochen, vor allem durch die von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich hohen Realsteuerhebesätze. Die Kostenwirksamkeit dieser Steuern, deren unterschiedliche Ausschöpfung in der Tat zu Wettbewerbsverschiebungen führen kann, gäbe viel eher Anlaß zu Einwendungen als örtlich oder regional unterschiedliche Hebesätze einer kommunalen Einkommensteuer. Trotzdem kann niemand den Gemeinden das Hebesatzrecht für die Realsteuern bestreiten, ohne die kcmmunale Selbstverwaltung in Frage zu stellen. Der Grundsatz einheitlicher Besteuerung wäre nur zu verwirklichen, wenn auch die Leisturgen von Ländern und Gemeinden zentral nach den Weisungen eines straff organisierten Einheitsstaates gesteuert würden. Das kann niemand würschen, dem es um die persönliche Freiheit geht, die auch möglichste Freiheit der am öffentlichen Leben beteiligten Gliederungen zur Voraussetzung hat. Der Leistungswettbewerb von Ländern und Gemeinden, der im Interesse einer fortschrittlichen Entwicklung erwünscht sein muß, wäre in einem solchen Fall zu Ende. Unterschiedliche Leistungen der öffentlichen Hände bedingen auch eine unterschiedliche Belastung der Steuerzahler und jede Leistung fordert ihren Preis, soll ihn freilich auch rechtfertigen. Fehlleistungen sind gewiß nicht auszuschließen. Sie zu verhindern oder zu korrigieren, obliegt · den Wählern. Eine zentrale Steuerung der Mittel vermeidet Fehler noch viel weniger. Ich sehe für unsere parlamentarü:che Demokratie sehr wohl eine Zukunft, freilich nur unter der Voraussetzung, daß sie den Staat in allen seinen Gliederungen funktionsgerecht ausrichtet. Mit dieser bedingt optimistischen Feststellung, die naturgemäß auch eine Warnung einschließt, darf ich meinen Bericht beenden.
Aussprache zum Referat von Otto Barbarino Bericht von Rainer Pietzner Die Forderung Barbarinos, die Finanzautonomie der einzelnen Haushaltsebenen zu stärken, klarer zu scheiden und insbesondere das Dotationssystem abzuschaffen, fand in der von Professor Dr. Püttner, Speyer, geleiteten Diskussion weitgehend Zustimmung. Dehe, Geschäftsführender Direktor beim Landkreistag Rh.-Pf., Mainz, stellte allerdings den idealtypischen Charakter dieser Forderung heraus. Die vollständige Abschaffung des Dotationssystems würde in der Praxis zwansläufig zu einer weiteren Aufgabenverlagerung von den Kommunen auf den Staat führen. Bei einer Verbesserung des Finanzausgleichs könne man das Dotationssystem wohl zurückdrängen, aber nicht ganz ausmerzen. Dehe wies weiter hin auf den in den letzten Jahren verstärkt zu beobachtenden Prozeß der Aufgabenverlagerung von den kreisangehörigen Gemeinden auf die Landkreise, der zu einer überproportionalen Ausgabensteigerung geführt habe, ohne daß dem der Einnahmenzuwachs aus Steuern, Schlüsselzuweimngen und Kreisumlagen auch nur annähernd entsprochen habe. Dieses durch die überproportionale Kreditmarktverschuldung der Kreise signalisierte Ungleichgewicht ihrer Finanzwirtschaft bedürfe dringend einer Austarierung, die durch eine Beteiligung an der Umsatzsteuer oder an einer Gemeindeeinkommensteuer erreicht werden könnte.
Barbarino stellte noch einmal klar, daß man das Dotationssystem nur beseitigen könne, wenn man etwas Gültiges an seine Stelle setze, nämlich: 1. eine Primärausstattung der betreffenden Gebietskörperschaften und 2. einen objektivierten Finanzausgleich. Barbarino gab zu, daß man das Dotationssystem wohl nicht völlig vermeiden könne. Dies sei selbst Popitz nicht gelungen. Auch er habe in seinem, den kommunalen Finanzausgleich weitgehend objektivierenden Schlüsselzuweisungssystem für Extremfälle den Ausweg in die sog. Bedarfszuweisung vorgesehen, um Gemeinden mit nachweisbar defizitärer Entwicklung im Ausnahmefall finanziell unter die Arme greifen zu können. Derartige Ausnahmesituationen könnten auch heute bei den Investitionen, die im kommunalen Bereich eine überragende Rolle spielten, auftreten, weil diese häufig einen einmaligen Aufwand erforderten, der selbst für finanzkräftige Gemeinden kurzfristig nicht aufbringbar sei. Hier könnte die Dotation ihren legitimen Platz behalten, müßte aber auf Ausnahmefälle beschränkt werden.
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Professor Dr. Duwendag, Speyer, stellte in Frage, ob eine Verstärkung der kommunalen Finanzautonomie wirklich geeignet sei, die hohe Kreditmarktverschuldung der Gemeinden abzubauen. Eine verstärkte Autonomie der Gemeinden in der Hebesatzgesetzgebung und vor allem in der Gestaltung der Finanzausstattung ließe eher befürchten, daß sich der kommunale Wettbewerb bei der Ansiedlung finanzkräftiger Steuerzahler weiter verschärfen und die Kommunen verstärkt in die Verschuldung treiben würde. Solange insbesondere die Gewerbesteuer eine der drei tragenden Säulen des kommunalen Finanzsystems sei, werde der Konkurrenzkampf der Kommunen bei der Industrieansiedlung durch Abgabe preisgünstigen Baulandes anhalten. Die Folge sei eine verstärkte Nachfrageaktivität auf dem Bodenmarkt und steigende Bodenpreise, die ihrerseits wiederum Städteplanerische Friktionen und neue Finanzprobleme für die Kommunen zur Folge hätten. Diesem Einwand hielt Barbarino entgegen, daß nach seiner Einschätzung der Hunger der Gemeinden nach Industrieansiedlung heute keineswegs mehr so groß sei wie in den vergangenen zwanzig Jahren. Insbesondere habe die 40prozentige Kappung der Gewerbesteuer das Interesse der Gemeinden bereits wesentlich berührt und verlagert. Ebensowenig aber dürfe man das kommunale Finanzsystem ausschließlich auf Personalsteuern gründen, da dann nämlich der Zwang zur Entwicklung von Wohngebieten sich als neuer übermächtiger Trend zur Verschuldung der Gemeinden auswirken würde. Das kommunale Steuersystem müßte deshalb auf eine ausgewogene Kombination von Realsteuern, insbesondere Gewerbesteuern, und Einkommensteuern gegründet werden. Akademischer Oberrat Dr. Ganter, Mannheim, gab zu bedenken, ob nicht im Bereich der kommunalen Gebühren noch eine Finanzquelle liege, die bisher nicht hinreichend ausgeschöpft worden sei. Daß Gebühren ausschließlich kostendeckend sein sollten, sei eine Ideologie. Auch mit Gebühren könne man Finanzpolitik machen, und wenn man schon am Kostendeckungsprinzip haften bleiben müsse, sollte man wenigstens in den Begriff der Kosten auch Folge- und Parallelkosten mit einbeziehen. Eine Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer hielt Ganter dagegen für ein weniger geeignetes Instrument zur Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung als z. B. eine Beteiligung an einer Einzelhandelsumsatzsteuer. Zum einen müßte ein auf der Einkommensteuerbeteiligung aufbauendes kommunales Finanzsystem das Problem des Ausweichens im Wohnsitz in den Griff bekommen, für das bisher noch keine befriedigende Lösungsmöglichkeit angeboten worden sei. Zum anderen beruhe der Wunsch der Gemeinden, an der Einkommensteuer beteiligt zu werden, auf der Tatsache, daß dort in den letzten Jahren durch hohe Konjunktur und Inflation überproportionale Wachstumsraten zu verzeichnen gewesen seien. Hohe Steuerzuwachsraten, die auf konjunktureller Schönwetterlage und inflationären Steuergewinnen auf-
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bauten, seien aber kein Fundament, auf das man eine zukunftsorientierte Gemeindefinanzreform gründen könnte. Würde die inflationäre Entwicklung in Zukunft anhalten, bliebe eine Korrektur der Steuerprogression unausweichlich und das neue Steuersystem hätte sich mit dem nicht kleineren Problem auseinanderzusetzen, wer die Korrektur des Steueraufkommens nach unten zu tragen hätte. Diese Bedenken gegen die Anhindung des kommunalen Finanzsystems an die progressive staatliche Einkommensteuer wurden von Barbarino nachdrücklich unterstrichen. Gerade aus den von Ganter aufgezeigten Gründen habe er deshalb in seinem Vortrag für eine verselbständigte Gemeindeeinkommensteuer plädiert, die im äußeren Fall proportional, nach seiner Ansicht sogar degressiv nach oben gestaltet sein müsse, um insbesondere die Bildung von Steueroasen auszuschließen, die sich hauptsächlich durch die Bewegung bei den großen Einkommen bildeten. Dr. Czischke, Erster Landesrat beim Landschaftsverband Rheinland, Köln, bestritt, daß der Einnahmehoheit der hohe qualitative Wert für die Eigenständigkeit der Selbstverwaltungskörperschaften zukomme, wie ihn Barbarino idealtypisch herausgestellt habe. Nach seiner Einschätzung gehe die Forderung nach Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer durch Einführung eines eigenen Hebesatzrechts am Problem vorbei, weil den Gemeinden, wenn überhaupt, lediglich ein relativ geringer Anteil an den gesamten öffentlichen Einnahmen zugestanden werden könnte, der seiner Einschätzung nach etwa bei 1 Prozent liegen dürfte. In dieser Größenordnung aber könne von einer qualitativen Veränderung der Selbstverwaltungskraft nicht die Rede sein. Im übrigen erscheine ihm die Vorstellung, zwanzigtausend öffentlichen Händen ein eigenes Steuerhoheitsrecht einzuräumen, angesichts der Bemühungen, im Steuerbereich eine Harmonisierung europäischen Maßstabes einzuführen, antiquiert. Auf den kritischen Einwand Czischkes, die von Barbarino vorgetragene Begründung für die Einführung eines Gemeindezuschlags zur Einkommensteuer knüpfe nach seinem Empfinden in der Grundwertung an Vorstellungen des preußischen Dreiklassenwahlrechts an, stellte Barbarino klar, daß er in keiner Weise das kommunale Wahlrecht beschränken wolle, es vielmehr im Interesse einer Wiederherstellung der Finanzverantwortung für unabdingbar halte, den Kreis der Gemeindesteuerzahler möglichst in Deckung zu bringen mit dem Kreis der Wahlberechtigten, deren Repräsentanten in den Gemeindeparlamenten über Steuern und Ausgaben zu beschließen hätten, denn es sei einer verantwortungsbewußten Finanzpolitik der Gemeindeparla;.. mente abträglich, wenn diese über Steuern beschließen würden, von denen in Wirklichkeit nur ein geringer Prozentsatz von Realsteuerschuldnern betroffen sei. In diesem Zusammenhang machte Barbarino aufmerksam auf eine Veränderung im Bewußtsein der Abgeordneten der
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staatlichen Parlamente, die er mitverantwortlich machte für die fortschreitende Geldentwertung und in deren Abbau er einen Prüfstein für die Bewährung der parlamentarischen Demokratie überhaupt sah. Während der Abgeordnete im liberalen Rechtsstaat allein Vertreter des Steuerzahlers gewesen sei, sei er im sozialen Umverteilungs- und Leistungsstaat zugleich Vertreter des Steuerzahlers wie auch des leistungsempfangenden und -beanspruchenden Bürgers. Dies hätte eine Spaltung des Wählerwillens zur Folge, die sich auch auf die Parlamente übertrage und den früher unbestrittenen Funktionszusammenhang zwischen Mittelaufbringung und Mittelverwendung dadurch in Frage stelle, daß der Abgeordnete bei seinen Entscheidungen nicht nur die Erwartung des Wählers als Steuerzahler, sondern auch als Leistungsempfänger in Rechnung zu stellen habe. Oberregierungsrat Dr. Bartholome, Innenministerium Mainz, unterstrich die Forderung Barbarinos nach mehr Finanzautonomie und stärkerer Trennung der einzelnen Finanzsysteme, wies aber darauf hin, daß dies auch ein Umdenken auf kommunaler Ebene voraussetze. Ein 1973 erstelltes Gutachten des Rechnungshofes des Landes Rheinland-Pfalz habe ergeben, daß das Defizit der kommunalen Haushalte in RheinlandPfalzvon etwa 150 Mill. DM 1969/70 auf lediglich 20 Mill. DM hätte begrenzt werden können, wenn die Kommunen kostendeckende Gebühren und Beiträge erhoben hätten. Kommunale Finanzautonomie hätte nur dann Sinn, wenn die Kommunen auch bereit wären, die Verantwortung für unpopuläre Maßnahmen zu übernehmen, anstatt den bequemeren Weg in die Verschuldung oder das Erbitten von Dotationen zu gehen. Ministerialrat Dr. von Scheliha, Innenministerium Kiel, bestätigte aus der Sicht der kommunalen Aufsichtsbehörde den Eindruck, daß die Gemeinden aus Angst vor unpopulären Maßnahmen die ihnen offenstehenden Finanzierungsquellen nicht voll ausschöpfen würden. Insbesondere von dem Steuererhebungsrecht bei den sog. Bagatellsteuern (Art. 105 II a GG) würde von den Kommunen aus Furcht von dem damit verbundenen politischen Ärger in sehr unterschiedlicher Weise Gebrauch gemacht. Ähnliches gelte für die Gebühren und Entgelte, die häufig nicht kostendeckend erhoben würden. Gerade in diesem Bereich hätte das neue, seit dem 1. 1. 1974 in fast allen Bundesländern in Kraft getretene kommunale Haushaltsrecht den Gemeinden ein modernes. Instrumentarium an die Hand gegeben, das sie in die Lage versetze, bei der Berechnung der Gebühren einen betriebswirtschaftliehen Kostenbegriff zugrunde zu legen. Eine weitere Möglichkeit zur Konsolidierung der kommunalen Finanzsituation sei der von Ganter angesprochene Einbezug der Folgekosten in den Gebührenbegriff. Eine derartige, erst kürzlich vom Bundesverwaltungsgericht als verfassungsmäßig bestätigte Regelung enthalte das kommunale Abgabengesetz für Schleswig-Holstein. Es
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berechtige die Gemeinden, von den Bauherren besondere Abgaben zu erheben, wenn durch den Bau eine Änderung der Gemeinde- oder Schulverhältnisse eingetreten sei, um auf diese Weise die Folgekosten zu finanzieren. Der Forderung Barbarinos, die Gemeinden mit einem eigenen Hebesatzrecht bei der Einkommensteuer auszustatten, stimmte von Scheliha zu, meinte aber, von ihm sollte nur im Sinne einer Feineinstellung Gebrauch gemacht werden, um Lücken zu decken, die durch Finanzausgleich oder andere Finanzierungsquellen nicht geschlossen werden könnten. Hinsichtlich der politischen Realisierungsmöglichkeit eines derartigen Hebesatzrechts zeigte er sich allerdings sehr skeptisch und räumte deshalb der Verbesserung der schon bestehenden Einnahmequellen der Kommunen die Priorität ein. Bei den Realsteuern könnte dies dadurch geschehen, daß die Aushöhlung der Grundsteuer durch die Steuerbefreiungen des 2. Wohnungsbaugesetzes abgebaut würde. Insbesondere sollten Zweitwohnungen künftig von vornherein der Grundsteuer unterliegen. Ebenso müßten die Erhebungsgrundlagen zeitgerecht bemessen werden. Die zum 1. 1. 1974 in Kraft getretene Hauptfeststellung der Einheitswerte ~ei völlig unzureichend, da sie sich mit den Einheitswerten vom 1. 1. 1964 begnüge. Ähnlich sei die Lage bei der Gewerbesteuer. Die letzte Anhebung der Steuerfreibeträge zum 1. 1. 1975 werde dazu führen, daß bei einer größeren Anzahl von Gemeinden die Gewerbesteuer teilweise leer laufen werde. In dieser Form sei die Gewerbesteuer langfristig nicht mehr sinnvoll und müsse umstrukturiert werden, etwa im Sinne des Vorschlags der Innenministerkonferenz, die Lohnsumme zu einem Bemessungsfaktor der Gewerbesteuer zu machen. Im übrigen unterstrich von Scheliha, daß Grundlage einer zukunftsorientierten Reform des Finanzsystems nur eine neue grundlegende Bedarfsfeststellung sein könne, die festlege, was auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene an Aufgaben zu erledigen sei, und die, ausgerichtet an diesen Festlegungen, zu einer gerechten und einigermaßen friktionsfreien Verteilung des gesamten öffentlichen Steueraufkommens führen könnte. Der Kritik von Schelihas an der Konstruktion der Realsteuern stimmte Barbarino zu. Insbesondere die mehrmalige Erhöhung des Steuerfreibetrages bei der Gewerbeertragssteuer - ursprünglich als mittelstandsfreundliche Maßnahme gerechtfertigt - habe die Gewerbesteuer immer ausschließlicher zu einer Steuer der Industrie werden lassen und sie dadurch in ihrer Existenzberechtigung gefährdet. Ähnliches gelte für die Grunderwerbssteuer, die in ihrer heutigen Konstruktion kaum mehr die Hälfte aller Fälle von Besitzwechsel erfasse und dadurch das Prinzip der Steuerbelastung derart offensichtlich verletze, daß sie seiner Einschätzung nach verfassungsrechtlich nicht mehr haltbar wäre. Die Hauptursache dafür, daß die Steuern in ihrer Konstruktion laufend hinter der Entwicklung der Lebenssachverhalte hinterherhinken würden,
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sah er in der permanenten Geldentwertung. Ein gerechtes und zeitnahes Steuersystem wie auch ein wirkungsvolles Planungssystem ließen sich nur dann durchsetzen, wenn man auf stabilen Währungsverhältnissen aufbauen könnte. Stadtdirektor Möller, Bad Pyrmont, unterstützte ebenfalls die Forderung Barbarinos nach Abschaffung des Dotationssystems, das er geradezu als einer Demokratie unwürdig bezeichnete, warnte aber davor, die Aufgaben deshalb, weil sie auf kommunaler Ebene nicht mehr voll finanziert werden könnten, etwa an die nächst höhere Ebene weiterzugeben. Entscheidend sei seiner Ansicht nach eine verbesserte Umschreibung der einzelnen Bedarfskomponenten, die bisher lediglich an aufgetretenen Schwächen und Mängeln orientiert gewesen sei und insbesondere eine Zukunftsorientierung vermissen ließe. Stadtdirektor Beyer, Bremervörde, kritisierte am Dotationssystem, es korrumpiere nicht nur das staatliche Leben, sondern bringe auch wirtschaftlich schlechte Ergebnisse. Dies gelte insbesondere für die nicht gesetzlich festgelegten, konjunkturpolitisch motivierten Dotationen. Sie würden häufig für Investitionen eingesetzt, die in der kommunalen Prioritätenskala an minderem Rang rangierten, aber gerade zufällig den Vorteil hätten, planungsmäßig so weit abgeschlossen zu sein, daß sie sofort für den keinen Zeitaufschub duldenden Zweck der Konjunkturbelebung einge~etzt werden könnten. Barbarino pfiichtete dem bei. Aus diesem Grunde habe er seit jeher den Standpunkt vertreten, öffentliche Investitionen sollten in der Regel von vornherein für konjunkturpolitische Zwecke ausscheiden, da die Gefahr unwirtschaftlicher Ergebnisse sehr groß sei. Im übrigen sei dies ein Anzeichen dafür, daß die aus der Beschäftigungstheorie von Keynes hergeleiteten konjunkturpolitischen Vorstellungen in entscheidenden Punkten zu korrigieren seien. Ministerialrat a. D. Geffers, Hannover, fügte der Kritik am Dotationssystem hinzu, es sei seiner Einschätzung nach auch deshalb ein unwirtschaftliches Finanzierungssystem, weil es einen unerhörten Personalaufwand für die Verwaltung der einzelnen Dotationsmittel erfordere. Im übrigen bezweifelte er, ob Finanzautonomie auf Kommunalebene heute überhaupt noch praktisch durchführbar sei. Dies gelte insbesondere für einen objektivierten Finanzausgleich qua Schlüsselzuweisungen. Vielmehr sollten Landkreise und kreisangehörige Gemeinden zu einer Einheit zusammengeiaßt und die konkreten Finanzzuteilungen an die Gemeinden in die Verantwortung der Kreise gelegt werden. Als zentrale Ursache für das Ausufern der Haushalte auf allen Ebenen sah Geffers die übermäßigen Steigerungen der Personalkosten in den letzten Jahren an. Hier sei einer der entscheidenden Punkte, in denen man zum Umdenken gelangen müsse, wenn man der Verschuldung der öffentlichen Hände
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Einhalt gebieten wolle. Barbarino gab dem Recht, bezweifelte aber, ob die Erhöhung der Personalausgaben wirklich zu vermeiden sei. Zumindest zu einem Teil sei der erhöhte Personalaufwand zurückzuführen auf zunehmende Kompliziertheit des Gesetzesvollzuges und die ständige Ausweitung der öffentlichen Aufgaben. Die öffentlichen Haushalte seien heute bereits praktisch unbeweglich, weil der weitaus überwiegende Teil der Ausgaben auf Gesetz oder Vertrag beruhe und man diese Pflichtleistungen nur noch durch Gesetzesänderung manipulieren könne. Dieser Entwicklung sei seiner Einschätzung nach in der Zukunft sehr viel mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Im übrigen betonte Barbarino noch einmal, daß eine ausgegliederte Einkommensteuer auf regionaler Ebene - schon wegen der Gefahr der Steueroasen - degressiv ausgestaltet werden müßte. Eine unsoziale Bevorteilung der Verdiener mittlerer und hoher Einkommen könne er darin nicht sehen, da diese kommunale Einkommensteuer im Zusammenhang mit der staatlichen Steuer gesehen werden müßte, diese aber erhebliche Belastungen in der Progression mit sich bringe.
System einer integrierten Entwicklungsplanung im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden Von Frido Wagener Am letzten Tag einer Tagung hat die Lage eines Referenten mehrere Eigentümlichkeiten. Die Tagungsleitung gibt mit einem listigen Lächeln ihrer dramaturgischen Erwartung Ausdruck, daß sich nun alles lösen möge. Und auch die Teilnehmer würden weniger frustriert nach Hause fahren, wenn sie neben der Kenntnis der unendlichen vertikalen Politikverflechtungen, ja der teilweise völlig unübersehbar erscheinenden Verschlingungen, Handlungsanweisungen darüber bekommen könnten, was denn jetzt zu tun sei. Verwaltungsleute haben sich ja meist noch nicht mit der Meinung der Nur-Sozialwissenschaftler abgefunden, daß alles ein "Prozeß" sei und daß man Lösungsvorschläge von ihnen nicht erwarten dürfe. Der herrschenden Erwartungshaltung ist also nicht auszuweichen. Nach dieser generellen Vorbemerkung muß eine Vorstellung über die Reihenfolge der Überlegungsschritte der Untersuchung entwickelt werden. Wenn vom "System einer integrierten Entwicklungsplanung im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden" die Rede sein soll, so ist dabei vorausgesetzt, daß es ein System einer solchen Mehr-Ebenen-Pianung zur Zeit noch nicht oder noch nicht im ausreichenden und systematisierten Umfange gibt. Es geht folglich darum, das öffentliche Planungssystem insgesamt in der Bundesrepublik zu verbessern. Wir sind mit der gegenwärtigen Lage nicht zufrieden und wollen etwas verändern. Damit ist die Abfolge der Überlegungsschritte, ganz ähnlich wie bei einem einzelnen Planungsprojekt, weitgehend vorgegeben. (1) Der erste Untersuchungsschritt besteht darin, die heutige Lage festzustellen. Es ist ein "Szenarium" zu zeichnen von dem, was wir heute tatsächlich im Bereich der Planung haben. Dabei muß man, soweit es nur irgend geht, objektiv sein. (2) Im zweiten Überlegungsschritt muß die voraussichtliche Entwicklung abgeschätzt werden, nämlich die Entwicklung, die sein wird, wenn wir alles so laufen lassen, wie es gegenwärtig angelegt ist. Wir müssen folglich eine Prognose über das stellen, was wahrscheinlich auf 9 Speyer 66
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Frido Wagener den Gebieten der Planung, des Föderalismus und der Selbstverwaltung kommen wird.
(3) Der dritte Überlegungsschritt soll die Frage klären, ob eigentlich gewollt ist, was wahrscheinlich kommen wird. Wir müssen uns ein eigenes langfristiges Ziel setzen. Dabei ist festzustellen, ob politischer Konsens für dieses langfristige Ziel zu bilden ist. (4) Der vierte Arbeitsschritt ist die Suche nach einer Konzeption. Es ist eine Konzeption zu erarbeiten, die Maßnahmen zum Inhalt hat, mit denen dem gewollten langfristigen Ziel näher zu kommen ist oder mit denen es erreicht werden kann. Daraus ergeben sich eventuell Umsteuerungsmöglichkeiten für die voraussichtliche Entwicklung. Die vier Teile der Untersuchung sind damit festgelegt. Jeder Teil für sich ist ein kaum zu bewältigendes Thema. Vollständigkeit ist daher nicht zu bieten; vieles kann nur durch Stichworte angedeutet werden. Im Ral:men der ersten drei Teile können nur mehrere Blicke aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven auf den Untersuchungsgegenstand geworfen werden, um die Vieldimensionalität des Themas deutlich zu machen. Im vierten Teil soll dann eine- sicher noch rohe - Lösungskonzeption vorgestellt werden.
I. Gegenwärtige Lage Im Rahmen des ersten Untersuchungsschrittes, der sich mit der Schilderung der heutigen Lage des öffentlichen Planungswesens in der Bundesrepublik befaßt, sollten drei Ansätze gewählt werden: - ein "wellentheoretischer" Ansatz über Planung; -
ein Übersichtsbild zur gegenwärtigen Bedeutung der Fachplanung und drei ~uen:chnittsbilder der Planungsszene auf der Bundes-, Länderund Kommunalebene.
-
1. Kampagneartiger Aufgabenvorrang Wer das Verhältnis von öffentlicher Planung und der uns umgebenden Welt in den letzten Jahrzehnten in der Bundesrepublik aufmerksam beobachtet hat, der muß feststellen, daß die öffentliche Meinung über bessere und wesentlich teurere Leistungen des Staates in modischen Wellen oder "Kampagnen" verläuft. Es sind hier die Stichworte "Bildungskatastrophe"1, "Umweltschutz" 2 und in jüngster Zeit der große Bereich "Gesundheit", vielleicht auch der Bereich "Energie" zu nennen3 • Es ist nicht deutlich, welches die nächste hohe Welle sein wird. 1
2
Die deutsche Bildungskatastrophe, München 1965. "Umweltschutz" als Schlagwort gibt es seit 1970.
Georg Picht,
Integrierte Entwicklungsplanung
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Es scheint so zu sein, daß in einem ungefähren Fünf-Jahres-Rhythmus für abgrenzbare politische Teilbereiche besonders intensive Erwartungshaltungen der Bevölkerung entstehen, bei denen dann zumindest eine Teilerfüllung der Erwartungen nicht ausbleiben darf. Erfolgreiche Politik hängt von der Erfüllung solcher Erwartungen ab. Noch bessere Politik hat eine solche modische Welle selber erzeugt, wenn auch nicht staatlich geplant. Die jeweils bevorzugten Bereiche geraten zunächst in eine Finanzschwemme. In der zweiten Hälfte der 60er Jahre konnte kein Finanzminister den Bau einerneuen Universität stoppen; heute sieht dies schon ganz anders aus. Sodann wird der Bereich mittel- und langfristig programmiert und "in Planung genommen". Dabei stellt sich dann heraus, daß das sehr schnell erreichte neue Finanzierungsplateau allenfalls beibehalten, nicht aber laufend erhöht werden kann. Auch die sonstigen Ressourcen (insbesondere Personal) sind gar nicht vorhanden oder können nicht in der kurzen Zeit mit der nötigen Quantität oder Qualität geschaffen werden. Inzwü:chen hat man aber politisch bereits eine neue öffentliche Anspruchswelle entwickelt und dann geraten etwa Umweltschutzmaßnahmen in die Zone der erheblich verbesserten Finanzierung. Auch hier wird ein neues Plateau erreicht, bis dann die öffentliche Forderung laut wird: Nun muß mehr für die Gesundheit getan werden, oder die Energiekrise führt zu ernsthaften Engpässen. Aus alledem ergibt sich eine öffentliche Planung, die zunächst eigentlich nichts anderes versucht, als die übrigen, nicht durchgeplanten öffentlichen Bereiche in geringerem Tempo wachsen zu lassen. Da öffentliche Meinung und Politik jedoch schon mittelfristig den Wind für eine neue Welle von staatlichem Leistungsvorrang erzeugen, wird eine etwa bestehende langfristige sektorale Planung immer wieder durch die schneller wachsenden neuen Erwartungen überholt und "überrollt". 2. ü b e r g e w i c h t d e r F a c h p 1 a n u n g Eine auffallende Erscheinung der gegenwärtigen Lage des Planungswesens in der Bundesrepublik ist ein deutliches Übergewicht der Fachplanung im Vergleich zu allen übrigen Planungsarten. Rein quantitativ gibt es mehr Fachplanungen auf der Bundesebene, in den Ländern und in den Kommunen als vergleichsweise fach- oder ressortüberschreitende Planungen für die Haupteinheiten der öffentlichen Verwaltung bestehen. Das liegt zunächst einmal daran, daß es neben dem jeweiligen die gesamten Tätigkeiten einer politischen und verwaltungsmäßigen Einheit erfassenden Haushaltsplan jahrzehntelang überhaupt keine ressort- oder 3 Für die Bereiche "Gesundheit" oder "Energie" befinden wir uns offenbar erst am Fuße einer hohen "Welle".
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Frido Wagenel'
fachübergreifenden integrierenden Pläne gab. Erst in allerjüngster Zeit wird die Notwendigkeit stärker integrierender, fachübergreifender Planung für jede politisch selbständige Verwaltungseinheit deutlicher. Sodann ist das Übergewicht der Fachplanung in quantitativer und qualitativer Hinsicht durch den fachbezogenen Sachverstand erklärbar, der sich in den Ressorts und Abteilungen der Ministerien und Behörden seit sehr langer Zeit gesammelt hat. Untergegenwärtigen Bedingungen können größere und komplexe Verwaltungs- oder Investitionsvorhaben nur noch in der Form von "fachbezogenen" Plänen entwickelt und gesteuert werden. Die unmittelbare Kenntnis der Problematik und der Lösungsmöglichkeiten befähigt zwar die jeweiligen Fachleute, mittel- und langfristige Planungen für sektoral abgegrenzte Staatstätigkeiten aufzustellen und hiernach auch zu handeln. Die über ihr Fachgebiet hinausreichenden Interdependenzen sind aber von hochspezialisierten Fachleuten viel schwerer zu erkennen und in ihren ~ückwirkungen auf die sektorale Aufgabenerfüllung richtig zu beurteilen. Das Übergewicht der Fach- oder Ressortplanung drückt sich in der kaum übersehbaren Zahl von Straßenbauplänen, Nahverkehrsplänen, Wasserwirtschaftsplänen, Sportstättenplänen, Krankenhausplänen, Schulplänen, Kindergartenplänen, Altenheimplänen, Wirtschaftsförderungs;plänen, Grünfiächenplänen, Jugendplänen, "Grünen Plänen", Wohnungsbauplänen, Territorialreformplänen, Justizreformplänen usw. aus. Die Mehrzahl der in der öffentlichen Verwaltung tätigen Bediensteten sind Fachleute mit sektoraler Aufgabenabstimmung und daher sektoraler Betrachtungsweise. Wenn sie die Aufgaben der Planung erfüllen, neigen sie dazu, Fachplanungen aufzustellen. Die Zahl der "Fachleute fürs Allgemeine" ist dagegen in der öffentlichen Verwaltung verschwindend gering. Auch so erklärt sich das Übergewicht der Fachplanung. 3. B u n d e s p 1 a n u n g e n In einem dritten Ansatz der Darstellung der gegenwärtigen Lage der öffentlichen Planung in der Bundesrepublik Deutschland soll ein Überblick darüber gegeben werden, welche Planungsarten oder welche planerischen Instrumente zur Zeit auf der Bundesebene angewandt werden. Auf den ersten Blick scheint es nicht schwierig zu sein, eine große Zahl von Bundesplanungen4 aufzuzählen. Mit zugespitzter Formulierung kann man auf Bundesebene zur Zeit fünf Planungsarten5 unterscheiden: 4 Ein überblick mit mehr Einzelheiten bei Frido Wagener, Für ein neues Instrumentarium der öffentlichen Planung, in: "Raumplanung - Entwicklungsplanung", Veröffentlichungen der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Bd. 80, Hannover 1972, S. 23 ff. (S. 25); zur Bildungsplanung,
Integrierte Entwicklungspla nung
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(1) die persuasorische oder influenzierende Planung, das heißt die Planung durch Einsicht, Überredung oder Verführung, (2) die "imperialistisch e" Ressortplanung , (3) die Planung in der Form der vertikalen Ressort-"Kump anei", das ist
die Planung der Gemeinschaftsa ufgaben und der Bundesinvestiti onshilfebereiche,
(4) die ressortübergrei fende und bundesweite Planung, (5) die integrierte Bundesentwick lungsplanung.
a) Oberredende Planung Mit überredender Planung sind auf Bundesebene etwa die "Konzertierte Aktion" des Wirtschaftsmin isteriums sowie die Verlautbarunge n des Konjunkturrate s und des Finanzplanungs rates gemeint. Es gehört hierher aber auch das Instrumentariu m der sogenannten Frühkoordination6 durch die Planungsabteilu ng des Bundeskanzlera mtes, eine Einrichtung, die auch als "Kinderdampfm aschine" 7 bezeichnet worden ist, und deren Funktionieren von vielen bezweifelt wird. Diese Formen der überredenden Planung wollen im günstigsten Falle sich darauf beschränken, "moderierend zwischen den verschiedenen Planungsgrupp en und Planungskapazität en zu wirken"s. Raumordnungsp olitik und mittelfristigen Finanzplanung vgl. auch Reimut Jochimsen, Peter Treuner, Staatliche Planung in der Bundesrepublik, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 9/74, S. 29 ff. 5 Gerhard W. Wittkämpjer, Integrierte Planung im Bundesstaat über Programmelemente, Verwaltung und Fortbildung, Schriften der Bundesakademie für die öffentliche Verwaltung 1973, S. 115 ff. (S. 120), nennt drei Planungsarten: Ressortübergreif ende Querschnittsplan ung, ressortorientierte Fachplanung und politische Gesamtplanung. 6 Einzelheiten bei Reimut Jochimsen, Zum Aufbau und Ausbau eines integrierten Aufgabenplanun gssystems und Koordinationssys tems der Bundesregierung, Bulletin des Presse- und Informationsamt es der Bundesregierung 1970, S. 949 ff.; Hartmut Bebermeyer, Das politische Planungssystem der Bundesregierung- Entwicklung und Stand der institutionellen Voraussetzungen und Instrumentarien, in: Reimut Jochimsen, Udo E. Simonis (Hrsg.), Theorie und Praxis der Infrastrukturpoli tik, Berlin 1970, S. 713 ff.; Volker Schmidt, Finanz- und Aufgabenplanun g, Die Verwaltung 1973, S. 1 ff. (S. 9); die Projektgruppe Regierungs- und VerwaLtungsrefo rm beim Bundesminister des Innern, Dritter Bericht zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bun-
desverwaltung, Bonn, November 1972, S. I/U, urteilt in folgender Weise: "Die bisherigen Maßnahmen zur Einführung eines ressortübergreife nden Informations- und Frühkoordinieru ngssystems (Datenblattverfa hren, Gremium der Planungsbeauftr agten) haben die in sie gesetzten Erwartungen nicht in vollem Umfange erfüllt. Eine wirksame planerische Aktivität ist durch das Datenblattverfahren in bisheriger Form nicht erreicht worden." 7 Vgl. Der Spiegel Nr. 9/1973, S. 28. 8 Reimut Jochimsen, Planung des Staates in der technisierten Welt, Bulletin der Bundesregierung 1972, S. 1179 (S. 1183).
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b) Imperialistische Ressortplanung Bei der Ressortplanung ist etwa an den Bundesfernstraßenausbauplan9 , die Bundesverkehrswegeplanung10, die Landwirtschaftsplanung11 , die Bundeswehrplanung12 und ähnliche fachbezogene Pläne zu denken. Sie wirken häufig insofern "imperialistisch", als sie zu Lasten anderer, nicht oder nicht ausreichend geplanter Bereiche die öffentlichen Finanzen, aber auch Personal, Organisation, Baukapazität und sonstige Ressourcen langfristig festlegen.
c) Vertikaler Ressortplanungsverbund Die Ressortplanung auf Bundesebene zeigt in letzter Zeit zunehmend die besonders vertrackte Form der vertikalen Ressort-"Kumpanei". Das bedeutet, daß es sich um gemeinsame Planungen zwischen Bundes- und Länderressorts mit übereinstimmenden Geschäftsbereichen handelt, wobei häufig genug fachbezogene Vertreter der kommunalen Seite ebenfalls an der Aufstellung dieser sektoralen Planungen mitwirken. Hierzu gehören die Rahmenpläne für die drei Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91 a GG (Wirtschaftsstrukturverbesserung, Hochschulbau und Agrarstrukturverbesserung). Der Bildungsgesamtplan der Bund-Länder-Kommission muß hier eingeordnet werden. Aber auch die Planungen im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes oder (noch deutlicher) des Krankenhausfinanzierungsgesetzes13 zeigen deutliche Merkmale des vertikalen lnteressengleichklangs, der tendenziell zu einer Überbetonung des Gewichts der entsprechenden Aufgabe auf allen drei Ebenen (Bund, Länder und Gemeinden) führttc. 9 Gesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 vom 30. 6. 1971 (BGBI. I S. 873), zur Begründung vgl. Bundestagsdrucksache VI/1180 vom 22. 9. 1970. 10 Bundesverkehrswegeplan 1. Stufe, Bundestagsdrucksache 7/1045, Unterrichtung durch die Bundesregierung mit Schreiben des Bundeskanzlers vom 3.10. 1973. 11 Vgl. hierzu Agrarbericht 1973, Bundestagsdrucksache 7/146, Unterrichtung durch die Bundesregierung mit Schreiben des Bundeskanzlers vom 7. 2. 1973. 12 Vgl. Gerhard W. Wittkämpfer, Die Bundeswehrplanung im Bundesverteidigungsministerium, Die Verwaltung 1971, S. 78 ff.; Bundesminister der Verteidigung (Hrsg.), Weißbuch 1973/1974, Zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Entwicklung der Bundeswehr, Bonn 1974. 13 Aufgrund der vollen Investitionsfinanzierung öffentlicher Krankenhäuser durch Bund und Länder nach § 21 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes vom 29. 6. 1972 (BGBl. I, S. 1009) besteht eine unwiderstehliche Neigung der Krankenhausträger, ihre Einrichtung (insbesondere ihre medizinisch-technische Einrichtung) jeweils an dem allerletzten (und teuersten) Stand auszurichten. 14 Herbert Pruns, Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes", DOV 1973, S. 217 ff. (S. 220), hat bei der Aufstellung des Rahmenplans für die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstrukturverbesserung beobachtet, "daß die Fachressorts der Länder darüber hinaus ein ausgesprochenes Eigeninteresse verfolgen, das oft dem Interesse der Finanzressorts wi-
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Die Grenzen der Aufgaben- und Finanzverantwortung von Bund und Ländern werden von solchen mit gleichgerichtetem Interessenhintergrund abgesprochenen Vertikalplänen verwischt. Bundestag und Landtage sind am Planungsprozeß rechtlich ungenügend beteiligt und faktisch durch die Unveränderbarkeit der Mehr-Ebenen-Absprachen gebunden15• Die jeweiligen Bundes- und Länderressorts sind nicht (oder nicht hinreichend) in eine horizontal integrierte Entwicklungsplanung ihrer Ebene eingebunden. So kommt es, daß die Finanzierbarkeit des Bildungsgesamtpians der Bund-Länder-Kommission16 aus der Sicht von heute nicht gesichert ist17. 1973 haben wir 4,5 Ofo des Bruttosozialprodukts für Bildung auszugeben. Der Finanzplanungsrat sieht eine Steigerung auf 6 °/o für das Jahr 1980 vor. Die Bund-Länder-Kommission geht aber von 8 Ofo für 1980 aus. Es ist zu fragen, wohin es führen kann, wenn wir einen jeweils mit finanziellen Festlegungen versehenen Gesundheitsgesamtplan, Verkehrsgesamtplan18 und einen durchsichtig finanzierten Umweltgesamtplan bekommen und wenn dabei jede Sparte für sich auch 25 Ofo über das voraussehbar Erfüllbare hinausgeht.
d) Ressortübergreifende Planung Es gibt zur Zeit nur vier echt ressortübergreifende, bundesweit wirkende Pläne: derspricht Ihr Bestreben ist es, durch einen umfangreichen Aufgabenkatalog, an dessen Finanzierung sich der Bund beteiligt, möglichst viele Landesmittel als Komplementärmittel zu binden." 15 So hat der Haushaltsausschuß des Bundestagesam 14. 6. 1973 übereinstimmend die Sorge geäußert, daß durch die praktizierten Verfahren der Planung der Gemeinschaftsaufgaben das Parlament zunehmend entmachtet und das Budgetrecht ausgehöhlt werde (Woche im Bundestag 3/11173-VI/17); schon in einer Kleinen Anfrage vom 22. 10. 1970 (Bundestagsdrucksache VI/1651) hatten sich Abgeordnete darüber beschwert, daß an der Rahmenplanung für Gemeinschaftsaufgaben ausschließlich die Exekutiven von Bund und Ländern beteiligt seien. über die Arbeit der Planungsausschüsse würden Bundestag und Landtage nur durch die Berichterstattung von Presse, Funk und Fernsehen unterrichtet. tB Vgl. zur Bildungsplanung Reimut Jochimsen, Peter Treuner, Staatliche Planung in der Bundesrepublik, a.a.O., S. 32 ff.; Ilse Staff, Neue Perspektiven der Bildungsplanung? DÖV 1973, S. 725 ff. 17 Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft (Bulletin der Bundesregierung 1974, S. 452) entschuldigt die sektorale Aufgabenüberdehnung des Bildungsgesamtplans und damit seine deutliche Unterfinanzierung mit der "imperialistischen Ressortplanung", nämlich mit dem Hinweis darauf, daß die ökonomischen Entwicklungen für einen Sektor der öffentlichen Aufgaben- oder gar für alle- unüberschaubar seien. 1s Der Bundesverkehrswegeplan ist bisher nicht finanziert. Die Problematik der nur unter dem Gesamtpunkt "Verkehr" integrierten Planung für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung wird zwar erkannt, aber nicht weiter erörtert: "Zum anderen gibt es das Problem der Einbeziehung des Gesamtverkehrssystems in die gesamte staatliche Planung, wie z. B. in den Bereichen von Raumordnung, Wirtschaftsförderung, Städtebau und Umweltschutz, d. h. die externe Integration" (Bundestagsdrucksache 7/1045, S. 12).
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den Haushaltsplan des Bundes,
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die mittelfristige Finanzplanung des Bundes,
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das Umweltprogramm der Bundesregierung und
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das ~chon mehrfach zur baldigen Veröffentlichung angekündigte Bundesraumordnungsprogramm.
Der Haushaltsplan ist das rechtlich weitaus am stärksten durchnormierte und das tatsächlich am intensivsten benutzte öffentliche Planungsinstrumentarium. Alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes sind in den Haushaltsplan einzustellen. Der Haushaltsplan ist in Einnahmen und Ausgaben auszugleichen. Er ist für ein Rechnungsjahr oder mehrere Rechnungsjahre durch das Haushaltsgesetz festzustellen. Seine Durchführung wird durch den Rechnungshof kontrolliert. Die Einzelheiten der Regelungen enthalten Artikel 109 ff. Grundgesetz, das Haushaltsgrundsätzegesetz vom 19. 8. 1969 und die Bundeshaushaltsordnung vom 19. 8. 1969. Der Planungsanteil des Haushaltswesens ist wegen der relativen Kurzfristigkeit des Haushaltsplans begrenzt; dennoch stellt der Haushaltsplan seit längerer Zeit und auch noch heute das bedeutendste Hilfsmittel zum planvollen Ablauf der öffentlichen Tätigkeit dar. Eine Beteiligung des Parlaments an diesem Planungsinstrument ist in vollem Umfange gegeben; ein nicht unbeträchtlicher Teil der öffentlichen Bediensteten ist ganz oder teilweise mit der Aufstellung und Abwicklung des Haushaltsplans beschäftigt. Die fünfjährige Finanzplanung des Bundes19 ist erstmals 1967 aufgestellt worden. Es handelt sich dabei eigentlich nur um eine Vierjahresplanung, denn das jeweilig laufende Haushaltsjahr wird als erstes Jahr der Finanzplanung übernommen. Die Technik der Aufstellung der Finanzplanung ist in den letzten Jahren zwar verbessert worden, es ist aber eine Planungsart mit sehr grob aufgeteilten finanziellen Blöcken geblieben. Charakteristisch für die Finanzplanung ist der inputorientierte Planungsansatz. Von der Finanzplanung werden keine Perspektiven gegeben, wie sich die öffentlichen Aufgaben langfristig entwickeln sollen. Die Hauptsorge ist heute noch die mittelfristige Sicherung des Haushaltsausgleichs. Die Finanzplanung wird fast ausschließlich unter finanziellem, wenn nicht unter fiskalischem Aspekt gesehen. Man denkt vorwiegend in Quoten und Plafonds finanzieller Größen, dagegen nicht in materiellen Aufgaben. Das übliche Mittel ist die Fortschreibung. "Quoten und Plafonds sind Ausdruck der Tatsache, daß man das Problem bisher nur fiskalisch im Griff hat"2o. to §§ 9 ff. des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. 6. 1967 (BGBI. I S. 582). !o Zum Problem der gegenwärtigen Handhabung der mehrjährigen Finanzplanung vgl. insbesondere Reimut Jochimsen, Peter Treuner, Staatliche Pla-
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Das Umweltprogramm der Bundesregierung21 ist unterteilt in die Abschnitte "A Urnweltpolitik" und "B Aktionsprogramm". Das Aktionsprogramm stellt, unterteilt nach Umweltschutzbereichen (z. B. Boden, Abfall, Wasser, Luft, Lärm, Biozide und Arbeitsurnwelt), alle Maßnahmen dar, die in fünf Jahren (1972 bis 1976) mit Vorrang durchgeführt oder eingeleitet werden sollen. Außerdem werden weitergehende Ziele für die nächsten 10 bis 15 Jahre verdeutlicht. In einem Anhangkatalog werden für 41 Maßnahmen Haushalts- bzw. Finanzplanbeträge ausgeworfen. Das Programm ist ein Kabinettsbeschluß, der auf der Grundlage der Vorarbeiten einer interministeriellen Projektgruppe und eines Kabinettsausschusses für Umweltfragen zustande gekommen ist. Eine Erfolgskontrolle des Programms ist nicht formalisiert und also nur politischer Natur. Das Ganze ist als technisches Planungsinstrument wohl von geringem Wert. Dennoch hat das erste formulierte Programm der Umweltpolitik einer Bundesregierung im Vergleich zu dem vorherigen Zustand bereits seine hohe politische Bedeutung bewiesen, allerdings wohl nur mit Hilfe des politischen Umweltschutz-" Windes", der immer noch weht. An einem Bundesraumordnungsprogramm wird seit 1969 gearbeitet22 • Das Programm soll eine Gliederung des Bundesgebietes in 38 Gebietseinheiten vorsehen, die den regionalen Bezugsrahmen für die übrigen Programmteile bilden. Das Programm soll Ziele für die großräumige Entwick:lung des Bundesgebietes aufstellen. Es soll eine Regionalisierung der raumwirksamen Bundesmittel für die vergangeneo Haushaltsjahre enthalten sowie Schwerpunkte und Prioritäten für den zukünftigen Einsatz raumwirksamer Bundesmittel festlegen. Das Hauptziel scheint der Abbau großräumiger Disparitäten im Bundesgebiet zu sein. Der Planungszeitraum reicht bis 1985. Mit dem Programm will man sich von der lange geübten Beschränkung der Raumordnung auf die Formulierung von Leitbildern, Grundsätzen und Zielvorstellungen lösen. Ziele und nung in der Bundesrepublik, a.a.O., S. 39 ff.; Frieder Naschold, Problern der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, in: Ronge, Schmieg (Hrsg.), Politische Planung in Theorie und Praxis, München 1971, S. 170 ff.; Volker Schmidt, Finanz- und Aufgabenplanung als Instrumente der Regierungsplanung, Die Verwaltung 1973, S. 1 ff. (S. 4 ff.). 21 Umweltprogramm der Bundesregierung, Reihe "betrifft:", Heft 9, Bann 1971 (auch als Bundestagsdrucksache VI/2710 vom 14. 10. 1971 - Materialienband vom 23. 12. 1971 veröffentlicht). Vorher gab es bereits das Sofortprogramm der Bundesregierung für den Umweltschutz (Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung 1970, S. 1370). 22 Nachdem es viele Jahre als verfassungsrechtlich nicht zulässig galt, ein Bundesraumordnungsprogramm aufzustellen, ersuchte der Bundestag die Bundesregierung mit Beschluß vom 3. 7. 1969, "auf der Grundlage einer konkreten räumlichen Zielvorstellung für die Entwicklung des Bundesgebietes die regionale Verteilung der raumwirksamen Bundesmittel in einem Bundesraumordnungsprogramrn festzulegen". Die Ministerpräsidenten der Länder haben in ihrer Konferenz vorn 13. bis 15. 10. 1970 ebenfalls die Notwendigkeit betont, ein solches Programm aufzustellen.
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Mittel sollen nun auch von der Raumordnung im Zusammenhang gesehen werden. Es ist schon ein wesentlicher Fortschritt, wenn mit diesem Programm zum ersten Mal mit ein wenig Aussicht auf Erfolg das Problem bewältigt werden soll, die Vielfalt der strukturpolitischen Maßnahmen des Bundes an raumordnungspolitischen Prioritäten und Schwerpunkten zu orientieren.
e) Integrierte Bundesentwicklungsplanung Eine integrierte Bundesentwicklungsplanung gibt es nicht. Reimut Joch'msen23 hat sie einmal gewollt, dieses Vorhaben im Bonner Ministerialklima aber bald aufgegeben. Erste schüchterne Ansätze in einer sogenannten Langfrist-Gesamtproblemanalyse24 müssen wohl noch einen langen Wandlungsprozeß durchmachen und weitgehend auf die "eifersücht!ge" Mitarl:eit der Länder verzichten, wenn sie einmal die Vorstufe zu einer Bundesentwicklungsplanung werden sollen, die sich auf die Planung der eigenen Bundesaufgaben beschränkt. Zur Zeit jedenfalls gilt nach dem Gesamturteil des Dritten Berichts der Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungsreform der fast ungebändigte Vorrang der Ressorts. Es heißt in dem Bericht wörtlich: "Im Bereich der Bundesregierung geht die Programmplanung ausnahmslos von den Bundesministerien aus. Eine Gesamtplanung an zentraler Stelle findet nicht statt, es sei denn im Wege der Koordinierung und Abstimmung im Kabinett25 ." 4. L ä n d e r p 1 a n u n g e n Zu den heute vorhandenen Planungsinstrumenten der Länder lassen sich generelle Aussagen nur schwer machen. Bei allen Unterschieden läßt sich jedoch die raumbezogene Planung, die integrierte Entwicklungsplanung, die Finanzplanung und die Fachplanung auf Landesebene unterscheiden. Bei der Finanzplanung und bei der Fachplanung kann im großen und ganzen grundsätzlich auf die Lage beim Bund verwiesen werden. Auch in den Ländern dient die Finanzplanung bisher im wesentlichen dem mittelfristigen Haushaltsausgleich; als Instrument der Aufgabenplanung wird sie (bewußt) kaum benutzt. Ein Zusammenhang mit der Raumplanung ist nicht vorgeschrieben und wird auch praktisch wenig gepflegt. Die za Reimut Jochimsen, Für einen Bundesentwicklungsplan, Die neue Gesellschaft 1969, S. 237 ff. 24 Zwischen Juli 1971 und Mai 1972 wurde in Zusammenarbeit des Bundes und der Länder der wohl als gescheitert anzusehende Versuch gemacht, eine "Gesamtproblemanalyse der langfristigen öffentlichen Aufgaben für die Jahre 1976 bis 1985" zu erarbeiten. Seit kurzem laufen neue, weniger anspruchsvolle Bemühungen, Vorbereitungen für eine langfristige Aufgabenplanung zu treffen; zur Langfrist-Problemanalyse vgl. auch Volker Schmidt, a.a.O., S. 20 f. 2s Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungsreform beim Bundesminister des Innern, Dritter Bericht, a.a.O., S. I/17.
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nach §§ 10 und 14 Stabilitätsgesetz vorgesehenen mehrjährigen Investitionsprogramme werden von den meisten Landesministern nicht festgelegt. In allen Ländern gibt es eine kaum übersehbare Zahl von ressortgebundenen Fachplanungen. Solche Krankenhauspläne, Altenpläne, Generalverkehrspläne, Leistungssportprogramme, Wasserwirtschaftspläne, Verwaltungsreformpläne, Wohnungsbauprogramme usw. können für die einzelnen Länder wegen ihrer Vielfalt und ihrem unterschiedlichen Geltungsrang nicht näher betrachtet werden. Neben der raumbezogenen Planung und der integrierten Entwicklungsplanung auf Länderebene muß die gegenwärtige Lage dargestellt werden, die sich durch die Bemühungen zur Einführung von Planungskontrollgesetzen ergibt. a) Raumbezogene Planung
Der Bereich der Länderplanungen umfaßt vorwiegend die raumbezogene Planung nach den Landesplanungsgesetzen26• Die meisten landesplanerü:chen Pläne leiden an einem mangelnden Zeit- und Finanzbezug. Es gibt zu viele "Ende-offen-Planungen". Selbst da, wo Landesentwicklungspläne oder Gebietsentwicklungspläne nach zehn Jahren neu aufgestellt werden müssen, geben sie häufig nicht an, für welchen Zeitraum sie gelten sollen. Ohne Zeitbezug können keine Etappenziele für Zwischenprogramme angegeben werden. Man kann auch keine Prioritäten in Teilabschnitten festlegen. Die landesplanerischen Pläne sind meist nicht mit finanziellen Vorausdispositionen oder Finanzierungsberechnungen versehen. Die Finanzplanung und insbesondere die Finanzplaner sind jedoch nicht in der Lage, die Kosten der Herstellung des "vorläufigen" Endzustandes, der von den Raumordnern angestrebt wird, auch nur annähernd zu schätzen oder sonst zu berücksichtigen. Die Tendenz der landesplanerischen, vorwiegend raumbezogenen Planung, sich zu einer Entwicklungsplanung mit Raum-, Zeit- und Ressourcenbezug umzuwandeln, ist allerdings in allen Ländern deutlich. Symptomatisch sagt dazu der rheinland-pfälzische Raumordnungsbericht 1973: 26 Baden-Württemberg: Landesplanungsgesetz i. d. F. vom 25. 7. 1972 (Ges.Bl. S. 459) - Bad.-Württ. LGlG - ; Bayern: Bayerisches Landesplanungsgesetz (Bay. LPlG) v om 6. 2. 1970 (GVBl. S. 9), zuletzt geändert am 19. 2. 1971 (GVBl. S. 65)- Bay. LPlG -;Hessen: Landesplanungsgesetz i. d. F. vom 1. 6. 1970 (GVBl. I S. 360) - Hess. LPlG - ; Niedersachsen: Niedersächsisches Gesetz über Raumordnung und Landesplanung (NROG) i. d . F. vom 24. 1. 1974 (GVBl. S. 49)- NROG - ; Nordrhein-Westfalen: Landesplanungsgesetz i. d . F . vom 1. 8. 1972 (GV. NW. S. 244, Ber. S. 278)- NW LPlG -; Rheinland-Pfalz: Landesgesetz über Raumordnung und Landesplanung (Landesplanungsgesetz LPlG) vom 14. 6. 1966 (GVBL S . 177), zuletzt geändert am 14. 6. 1973 (GVBL S. 147) - Rh.-Pf. LPlG - ; Saarland: Saarländisches Landesplanungsgesetz (SLPlG) Gesetz Nr. 798 vom 27. 5. 1964 (Amtsbl. S. 525, Ber. S. 621) - SLPlG - ; Schleswig-Holstein: Gesetz über die Landesplanung (Landesplanungsgesetz) vom 13. 4. 1971 (GVBL S. 152) zuletzt geändert am 13. 5. 1974 (GVBl. S. 128) Schl.-Holst. LPlG -.
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"Die raschen Veränderungen der sozialen, ökonomischen und technischen Bedingungen sowie die vielfältigen internationalen Verflechtungen machen eine weit vorausschauende, abgestimmte Gesamtplanung notwendiger denn je. Gleichzeitig ist es zur Verwirklichung solcher Langfristplanungen erforderlich, für mittelfristige Zeiträume unter Einbeziehung der finanziellen Ressourcen zeitliche und sachliche Prioritäten aufzuzeigen. Nur dadurch wird erreicht, daß die Langfristplanung der Verwirklichung nähergebracht wird und gleichzeitig flexibel genug ist, um den sich kurzfristig ändernden Erkenntnissen, Planungsdaten oder Entwicklungstrends angepaßt zu werden27."
b) Integrierte Entwicklungsplanung Aus der Erkenntnis, daß eine vorrangig auf die Fläche bezogene "Freihalteplanung" modernen Ansprüchen staatlichen Handeins nicht mehr entspricht, sind in einigen Ländern erste integrierte Entwicklungsplanungen aufgestellt worden, die neben dem räumlichen auch den zeitlichen und finanziellen Aspekt einbeziehen. Diese Überhöhung der Landesplanung durch eine integrierte Entwicklungsplanung hat bereits in einigen Regierungsplanungen ihren Niederschlag gefunden, etwa "HESSEN '80" 28, das "Nordrhein-Westfalen-Programm 1975" 29 und "Niedersachsen 1985" 30 . Der langsame Übergang zur Entwicklungsplanung zeigt sich auch an der Bezeichnung der landesplanerischen Pläne. In zunehmendem Maße wird von Entwicklungsplänen und nicht mehr von Raumordnungsplänen gesprochen. Der Entwicklungsgedanke hat generell die Aufgabenumschreibung der Landesplanung beeinflußt. Dies zeigt sich am deutlichsten in den drei Landesplanungsgesetzen Nordrhein-Westfalens. Während im Gesetz von 1950 nur von Raumordnung die Rede ist, verlangt das Gesetz von 196231 von der Landesplanung, dafür zu sorgen, unerwünschte Entwicklungen zu vermeiden und erwünschte Entwicklungen zu ermöglichen und zu fördern. Nach der Novelle von 197232 ist nunmehr Aufgabe der Landesplanung die Planung "für eine den Grundsätzen der Raumordnung entsprechende Landesentwicklung". Das Landesentwicklungsprogramm hat Grundsätze und allgemeine Ziele der Raumordnung und Lan27 Staatskanzlei Rheinland-Pfalz (Hrsg.), Raumordnungsbericht 1973 der Landesregierung Rheinland-Pfalz, Mainz 1974, S. 5. 28 Hessischer Ministerpräsident (Hrsg.), Hessen '80, Großer Hessenplan, Landesentwicklungsplan, Wiesbaden 1970, Neudruck 1973. 29 Nordrhein-Westfalen-Programm 1975, herausgegeben von der Landesregierung N ordrhein- Westfalen, Düsseldorf 1970. 30 Landesentwicklungsprogramm "Niedersachsen 1985", Stand Sommer 1973, herausgegeben vom Niedersächsischen Ministerpräsidenten, Hannover 1973. 31 Landesplanungsgesetz vom 7. 5. 1962 (GV NW S. 229). 32 Landesplanungsgesetz in der Fassung vom 1. 8. 1972 (GV NW S. 244).
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desplanung für die Gesamtentwicklung des Landes zu enthalten. Hinzu kommt, daß der Landesplanung mehr Einfluß auf die raumrelevante Mittelverplanung eingeräumt wird. Im Anschluß an § 4 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 Bundesraumordnungsgesetz hat die Landesplanungsbehörde darauf hinzuwirken, daß auch beim Einsatz raumwirksamer Investitionen die Grundsätze und Ziele der Raumordnung und Landesplanung beachtet werden. Der neueste Versuch einer integrierten Entwicklungsplanung für ein Land ist das im Sommer 1973 vorgelegte Landesentwicklungsprogramm "Niedersachsen 1985"33• Dieses Programm kann als Beispiel für dieneuere Entwicklung der öffentlichen Planung auf der Länderebene angesehen werden. Mit dem flächendeckend und langfristig bis 1985 angelegten Programm sind die Ziele und wesentlichen Maßnahmen der Entwicklungspolitik der Landesregierung unter Beachtung der realen und monetären Möglichkeiten (Ressourcenausgleich) rahmenartig festgelegt. Ausgehend von detaillierten Analysen der bisherigen Entwicklung und ihren Bestimmungsfaktoren sind Status-quo-Prognosen für den Zeitraum bis 1985 dargestellt. Auf dieser Grundlage sind regional und sektoral politische Zielprojektionen erstellt worden, die die angestrebte Entwicklung im Lande und in 14 Entwicklungsräumen beschreiben. Sie beziehen in die Vorausschätzung ausdrücklich die Wirkung solcher politischer Mittel ein, die dem Erreichen der Ziele dienen. Im Teil II des Programms ist die gewünschte Landesentwicklung in über 40 Feldern landespolitischer Aufgaben erarbeitet worden. Die Fachplanungen in den einzelnen Feldern gehen alternativ von unterschiedlichem Finanzbedarf aus: Sie sind zum Teil auch sachlich alternativ. Die Aufgabenfelder sind ihrerseits wieder aufgrund ihrer sachlichen Zusammenhänge zu größeren Bereichen (sozialpolitischer Bereich, bildungspolitischer Bereich, wirtschaftspolitischer Bereich, verkehrspolitischer Bereich, Bereich Sicherheit und Rechtspflege sowie verwaltungspolitischer Bereich) zusammengeiaßt worden. Sie überschreiten damit zum Teil Ressortgrenzen. Darüber hinaus sind einzelne Teilaufgaben zusätzlich zu Querschnittsdarstellungen zusammengeiaßt worden (Umweltschutz, Freizeit). Der Teil III des Programms enthält die Entscheidung der Landesregierung über die Gewichtung der einzelnen Aufgaben. Dieses offene Planungssystem mit mehreren Finanzvarianten erlaubt die Anpassung an geänderte Zielvorstellungen etwa durch eine andere Gewichtung der Aufgaben. Zusammenfassend kann man feststellen, daß es in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit Länder gibt, in denen man sich im wesentlichen mit 33 Landesentwicklungsprogramm "Niedersachsen 1985", Stand Sommer 1973, Hannover 1973.
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der raumbezogenen Iandesplanerischen Planung und der unverbunden danebenstehenden Finanzplanung begnügt. Das geschieht, wenn auch mit Unter~chieden im einzelnen, in Bayern, Baden-Württemberg, SchleswigHolstein und Rheinland-Pfalz. Es sind allerdings vorbereitende Ansätze zum Übergang zu einer integrierten Entwicklungsplanung auch in diesen Ländern feststellbar. Es gibt ferner Länder, bei denen zur Finanzplanung eine ressortübergreifende Entwicklungsplanung (raum-, zeit- und ressourcenbezogen) hinzugetreten ist, wobei die Entwicklungsplanung (zumindest in Ansätzen) den Vorrang gegenüber der Finanzplanung erreicht hat. Das ist in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen der Fall. Die Entwicklungsplanung und die Landesplanung stehen auch organisatorisch immer noch verhältnismäßig unverbunden nebeneinander. Zur Zeit gibt es eigentlich nur ein Planungssystem auf Landesebene, bei dem die integrierte Entwicklungsplanung gleichzeitig Landesplanung ist und einen (zumindest theoretischen) Vorrang vor der Finanzplanung hat; das ist das hessische Planungssystem. 5. K o m m u n a 1 e P 1 a n u n g e n Ein Überblick über die verschiedenen Instrumente der Planung und ihrer tatsächlichen Anwendung im Bereich der Gemeinden und Gemeindeverbände ist außerordentlich schwer zu erlangen. Im wesentlichen handelt es sich um folgende kommunale Planungsarten: -
die Bauleitplanung (Flächennutzungsplan, Bebauungsplan),
-
die mehrjährige Finanzplanung,
-
die Stadt-, Kreis- oder Gemeindeentwicklungsplanung,
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die Regionalpläne,
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die Generalverkehrspläne,
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die kommunalen Fachplanungen (Schulplanungen, Kindergartenplanung, Altenheimplanung, Bodenvorratsplanungen, Organisationsplanungen, Personalplanungen etc.).
Die rechtlich eingehendste Regelung hat im Bundesbaugesetz die Bauleitplanung erhalten; sie wird auch von den Gemeinden als Hauptplanungsinstrument für die räumliche und städtebauliche Entwicklung sowie als Grundlage für das Baugenehmigungsverfahren benutzt. Es hat sich allerdings herausgestellt, daß sehr kleine ländliche Gemeinden kaum in der Lage sind, dieses Instrument ohne Hilfestellung der Kreise zweckdienlich einzusetzen. Die schnellen räumlichen Veränderungen in den Verdichtungsgebieten haben andererseits dazu geführt, daß zahlreiche großstädtische Flächennutzungspläne über den Zustand des Entwurfs nicht hinausgekommen sind und dort auch gehalten werden sollen.
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Mittelfristige Finanzplanungen werden in den Gemeinden erst seit kurzem in Angriff genommen, obwohl gerade einige Großstädte durch den Versuch, mehrjährige Investitionsplanungen aufzustellen, auf diesem Gebiet Schrittmacherdienste geleistet haben. Bei der Stadt- und Kreisentwicklungsplanung mit Raum-, Zeit- und Finanzbezug besteht ebenfalls zur Zeit eine Lage des Übergangs. Zahlreiche größere Städte und einige mittlere Städte und Kreise arbeiten an Entwicklungsplänen. Hierbei ergeben sich sehr unterschiedliche Ansätze. Überschneidungen vieler Art bestehen zu den Flächennutzungsplänen und den mehrjährigen Finanzplänen. Von besonderem Interesse ist, daß in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein durch die Landesplanungsgesetze eine (in den Einzelheiten allerdings unterschiedliche) Kreisentwicklungsplanung34 vorgeschrieben ist, wobei sich die fatale Neigung zeigt, daß sich die Kreisentwicklungspläne aus gemeindlichen Planungen zusammensetzen und daß die Kreisplanung in vielerlei Beziehungen Bindungswirkungen für die Planungen der kreisangehörigen Gemeinden und Städte bekommen soll. Weiter zeigt sich ein Problembewußtsein darin, daß in einigen Ländern, zum Beispiel in Baden-Württemberg, der Versuch gemacht wird, durch Ministerialerlaß einen Zusammenhang zwischen der Bauleitplanung und der kommunalen Finanzplanung vorzuschreiben.
6. Z u s a m m e n f a s s u n g Der Überblick über die gegenwärtige Lage der öffentlichen Planung in der Bundesrepublik zeigt ein Gesamtbild, das aus folgenden wesentlichen Teilen zusammengesetzt ist: (1) Die heute für Bund, Länder und Gemeinden (GV) benutzten Planungsarten sind nicht in eine prägnante Systematik zu bringen. Fachpla34 Nach § 33 des baden-württembergischen Landesplanungsgesetzes in der Fassung vom 25. 7. 1972 (GBl. S. 459) haben die Landkreise Entwicklungsprogramme aufzustellen, "in denen die Maßnahmen des Kreises, der kreisangehörigen Gemeinden und anderer Träger gemeindlicher Aufgaben ... nach ihrer Dringlichkeit und unter Angabe des voraussichtlichen Finanzbedarfs zusammenfassend dargestellt werden". Nach§§ 11 bis 13 des schleswig-holsteinischen Gesetzes über die Landesplanung vom 13. 4. 1971 (GVO Bl. S. 152) sind die Kreise und kreisfreien Städte verpflichtet, Kreisentwicklungspläne aufzustellen. Das Verfahren wird in einem Erlaß des Ministerpräsidenten vom 5. 9. 1972 (Amtsbl. S. 687) eingehend geregelt. Die Kreisentwicklungsplanung ist seither in eine intensive Diskussion geraten, vgl. dazu: Ernst Pappermann, Zur Problematik der Kreisentwicklungsplanung, DOV 1973, S. 505; Göb, Laux, Salzwedel, Breuer, Kreisentwicklungsplanung, Gutachten, erstattet im Auftrage des Landkreistages Nordrhein-Westfalen, Köln 1974; Günther Püttner, Stadtentwicklungsplanung und Kreisentwicklungsplanung im Gefüge öffentlicher Planung, Gutachten, hrsg. vom Deutschen Institut für Urbanistik, Berlin 1974.
Frido Wagenel' nungen, vertikal ausgerichtete Mehr-Ebenen-Fachplanungen, raumbezogene Planungen, finanzbezogene Planungen und erste Versuche horizontal integrierender Entwicklungsplanungen stehen relativ unverbunden nebeneinander. (2) Die Festlegungsintensität der einzelnen Planungsarten ist höchst unterschiedlich. Einzelne Fachplanungen, insbesondere sektoral und vertikal orientierte Mehr-Ebenen-Planungen, haben einen stark überproportionalen Festlegungscharakter, der noch durch ihre Langfristigkeit verstärkt wird. Die horizontal integrierend ausgerichtete Haushaltsplanung hat zwar einen ähnlich intensiven Festlegungsgrad, wirkt aber nur kurzfristig. Die mehrjährige (mittelfristige) Finanzplanung hat bisher nur eine begrenzte Bindungswirkung. Die überwiegend raumbezogene (langfristige) Landesplanung verhindert zwar eine planungswidrige Flächennutzung, hat sich aber meist gegen die Durchschlagskraft langfristiger vertikaler Mehr-Ebenen-Planungen nicht behaupten können. (3) Eine integrierte rahmenartige Entwicklungsplanung mit Raum-, Zeitund Ressourcenbezug auf Bundesebene gibt es nicht. Das hervorstechende Merkmal ist vielmehr eine zentralisierend wirkende sektorale Verbundplanung zwischen einzelnen Bundes- und Länderressorts unter Einbeziehung gleichgerichteter Interessen auf der Kommunalebene. (4) Die Neigung, öffentlichen Aufgabenbereichen in der Form modischer Wellen einen Erfüllungsvorrang einzuräumen, begünstigt sektorale Planungen im vertikalen Verbund. II. Voraussichtliche Entwicklung In einem zweiten Untersuchungsschritt ist eine Prognose darüber aufzustellen, wi·e sich das System des öffentlichen Planungswesens in der Bundesrepublik Deutschland voraussichtlich entwickeln wird, wenn alles in der Weise verwirklicht wird, wie es gegenwärtig angelegt ist oder vorgeschlagen wird. 1. Breite Trends
Die voraussichtliche Entwicklung des Planungswesens in der Bundesrepublik wird zunächst durch breite Trends beeinfiußt, die für die Gesamtentwicklung auch in Zukunft bestimmend bleiben werden, wenn die ihnen zugrunde liegenden Einflußgrößen und Entwicklungskräfte sich ihrerseits nicht verändern. Folgende vier durchgängige Entwicklungstrends können unterschieden werden:
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Zunächst weitet sich der Bereich der öffentlichen Tätigkeit insgesamt seit vielen Jahren und daher wahrscheinlich auch zukünftig langsam aber stetig im Verhältnis zu dem privaten Tätigkeitsbereich aus. Der Anteil des öffentlichen "Korridors" an der Gesamtvolkswirtschaft wächst ü herproportionaL Weiter wandern immer mehr öffentliche Aufgaben langsam auf jeweils höhere Einheiten und Ebenen. Dieser "Wanderungsprozeß" umfaßt nicht nur eine Zuständigkeitsverlagerung von öffentlichen Aufgaben von der kommunalen auf die Länderebene und von der Länderebene auf die Bundesebene, sondern auch von der Bundesebene auf die europäische Ebene. Sodann wächst im Rahmen einer generellen Zuständigkeitswanderung auf höhere Ebenen die Regelungskompetenz überdurchschnittlich beim Bund, während die Durchführungspflicht vieler öffentlicher Aufgaben bei den Ländern und bei der Kommunalverwaltung verbleibt. Die Bestimmung des Inhalts der zu erfüllenden Aufgaben selbst wird auf höherer Ebene festgelegt, während die Durchführungsverantwortung im geringeren Maße "wandert". Schließlich besteht wegen des überproportionalen Wachstums der personalintensiven Bereiche Bildung, Verkehr, Sozial- und Gesundheitswesen sowie öffentliche Sicherheit und Ordnung eine Tendenz zum überdurchschnittlichen Wachstum der Personalzahlen und der Personalkosten bei den Ländern. Wenn man den Versuch macht, diese vier breiten Trends der voraussichtlichen Entwicklung zu einer einheitlichen Entwicklungsvorstellung zusammenzufügen, kommt man zu der Überzeugung, daß die Prognose zukünftige Konflikte anzeigt. Irgendwann kann das nicht mehr so weitergehen. 2. Vertikale Politikver fl echt u n g Die Untersuchung der voraussichtlich zukünftigen Entwicklung im Bereich des öffentlichen Planungswesens in der Bundesrepublik kann sich mit der Feststellung breiter Trends auf der Grundlage von Status quoPrognosen nicht begnügen. Vielmehr ist anzustreben, ein Zukunftsbild mit mehr Einzelheiten zu zeichnen. Als Grundlage dieser Bemühungen soll die These aufgestellt werden, daß die bereits heute bestehende Verflechtung der Aufgabenerfüllung auf allen Ebenen sich zukünftig noch weiter intensivieren wird. Es ist eine Entwicklung zum Planungs-, Entscheidungs- und Finanzierungsverbund zwischen Zentralstaat, Gliedstaaten und Gemeinden festzustellen.
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a) Verflechtung durch Gemeinschaftsaufgaben Äußerlich begann dieser Trend, als der Bund nach 1956 die unter dem Stichwort "Juliusturm" angesammelten Finanzreserven auflöste. Es entwickelte sich eine Mischfinanzierung zahlreicher Landesaufgaben. Unter der Voraussetzung, daß die Länder sich in einem näher festgelegten Umfang beteiligten, wurden die Mittel den Ländern angeboten. Durch diese mit Auflagen versehenen Bundeszuschüsse wurden die Regierungen und Parlamente vor allem der "armen" Länder einem unwiderstehlichen Zwang ausgesetzt: Man konnte sich nicht vorwerfen lassen, Bundesmittel abgelehnt zu haben. Die immer weiter verfeinerte und erweiterte Mischfinanzierung stieß auf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, da Art. 109 GG (alte Fassung) Bund und Ländern eine selbständige und voneinander unabhängige Haushaltswirtschaft gewährleistete. Der Planungsund Finanzverbund wurde dann durch die Einführung der Gemeinschaftsaufgaben im 21. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. Mai 1969 legalisiert. Diese Entwicklung war nicht zufällig. Der innere Grund liegt darin, daß die Durchführung öffentlicher Aufgaben in immer höherem Maße arbeitsteilig vor sich geht. Die gesellschaftlichen Problemzusammenhänge, die durch die Erfüllung öffentlicher Aufgaben beeinflußt werden sollen, folgen in ihrer Struktur jedoch immer weniger den Zuständigkeitsabgrenzungen zwiEchen Bund, Ländern und Gemeinden. Die zunehmende Vermaschung zwischen gesellschaftlichen Problemen läßt die Hoffnung, daß man durch Funktional- und Finanzreformen Zuständigkeitsbereiche und Problembereiche wieder deckungsgleich machen könnte, unwahrscheinlich werden. Die leichte organisatorische Zuordnung eines Aufgabenbereiches zu nur einer Organisationseinheit wird immer seltener. "Multi-Service"-Aufgaben, wie etwa die Problemlösungen im Bereich der Obdachlosen, der ausländischen Arbeitnehmer, der Drogen, des Umweltschutzes, der Alten, der Ausbildungsbeihilfen, der Energiefrage usw. erfordern zur sachgerechten Bearbeitung bei Kommunal-, Landes- und Bundesverwaltungen den Einsatz von Projektgruppen mit Fachleuten aus jeweils mehreren Ämtern oder Ministerien sowie eine intensive vertikale Koordinationss. Die Schaffung der kaum noch zu übersehenden Fülle von Gremien und Institutionen für die gemeinsame Planung, Entscheidung und Finanzierung von Aufgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden ist als Versuch zu werten, das geschilderte Dilemma zu überwinden. 35 Frido Wagener, Einwohnerzahl und Aufgabenerfüllung der Länder, in Materialien zum Bericht der Sachverständigenkommission für die Neugliederung des Bundesgebietes, Herausgeber Der Bundesminister des Innern, Bonn, Februar 1973, S. 85.
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Inzwischen gibt es "Gemeinschaftsaufgaben" sehr unterschiedlicher Art: -
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Nach Art. 91 a Abs. 1 GG wirkt der Bund beim Hochschulbau, bei der Wirtschaftsstrukturverbesserung und der Agrarstrukturverbesserung an der Erfüllung von Aufgaben der Länder mit. Nach Art. 91 b Satz 1 GG können Bund und Länderaufgrund von Vereinbarungen bei der Bildungsplanung und bei der Förderung der wissenschaftlichen Forschung zusammenwirken. Nach Art. 104 a Abs. 4 Satz 1 GG kann der Bund den Ländern unter bestimmten Voraussetzungen für Investitionen der Länder und Gemeinden Finanzhilfen gewähren. Hierhin gehören inzwischen die Regelungen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes und des Krankenhausfinanzierungsgesetzes. Ähnliche Regelungen scheinen bevorzustehen.
Es sind keine Kräfte erkennbar, die den Trend zum Finanz- und Planungsverbund plötzlich abstoppen könnten. Dieser Trend wird zu einem wachsenden Einfluß der Zentralinstanz führen. Die Aufgaben werden zwar weiterhin vom Personal der Länder oder der Gemeinden durchgeführt werden. Die Entscheidung über die Richtung der Aufgabenerfüllung wird jedoch zunehmend zentral geplant und geregelt werden. Die Verflechtung im Planungs-, Finanzierungs- und Entscheidungsbereich aller Ebenen wird weiter wachsen. Dabei nimmt die Regelungsmacht der Zentralinstanz am meisten zu. b) Verflechtung durch kooperativen Föderalismus
Es ist zu befürchten, daß die Länder zukünftig noch weniger als heute leistungsfähige echte Partner des Zentralstaates sein werden, wenn einzelne Länder infolge geringer Fläche, kleiner Einwohnerzahl, mangelnder Finanz- und Wirtschaftskraft nicht eigenständig und nicht mit ausreichendem Wirkungsgrad ihre Aufgaben erfüllen können. Trotz wachsender Belastung der finanzstarken Länder durch den horizontalen Finanzausgleich konnte das Gefälle in der Infrastruktur-Ausstattung der Länder nicht ausgeglichen werden; es hat sich teilweise sogar verstärkt. Es besteht ein weitgehendes Unverständnis der öffentlichen Meinung über den Föderalismus als Institution. Das bundesstaatliche Prinzip ist in den letzten Jahren mehr und mehr ausgehöhlt worden. Die einzelnen Bundesländer konnten gegenüber "durchschlagenden" Zusammenhängen wie Währungsproblemen, Umweltschutz, Energiekrise und sonstigen großen internationalen Problemen immer weniger eine eigene Landespolitik betreiben. Voraussichtlich werden unitarische Sachzwänge und die Gemeinsamkeits-Magie des "kooperativen Föderalismus" noch größer werden38. 10°
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Die tatsächliche Lage eines kleinen, finanzschwachen Landes im föderativen System der Bundesrepublik hat ein ehemaliger Landesminister des Saarlandes37 vor kurzem in folgender Weise beschrieben: "(Es) läßt sich ein deutlicher Trend zu mehr rechtlicher und faktischer Zuständigkeit der Bundesregierung erkennen. Dieses Mehr an zentraler Funktion macht den Föderalismus vor allem dann problematisch, wenn in Bonn eine andere politische Gruppierung regiert als in einem Bundesland." "Häufig genug findet die notwendige politische Konfrontation nicht statt, weil es klüger ist, um eine ,wohlwollende Haltung' der Bundesregierung bemüht zu sein." "Eine energische Intervention im Bundesrat wäre gelegentlich angebracht, aber das könnte die teuerste Intervention werden, die ein Bundesland sich je geleistet hat. Wer immer das politische Verhalten entscheidet, hat oft genug zuvor die- überspitzt formulierte- Frage zu beantworten: Beifall aus den eigenen Reihen oder Geld von anderen Leuten? In diesen zwiespältigen Zustand kommt jener Vertreter von Landesinteressen am ehesten, dessen Land die finanzielle Unterstützung des Bundes am nötigsten hat oder dessen weitgehende Pläne ohne Hilfe des Bundes nicht zu realisieren sind." Aus Anlaß der Veröffentlichung des Berichts der Sachverständigenkommission zur Neugliederung des Bundesgebietes meinte ein Journalistss etwas überspitzt, aber treffend, der Föderalismus habe sich in den letzten Jahren "umständlich, kompliziert, teilweise apathisch, häufig hilflos" entwickelt. "Immer mehr Aufgaben fielen dem Bund zu, der, weil er mitzahlen sollte, auch mitverantworten wollte. Das Prinzip des Föderalismus wurde von den Föderalisten selbst ausgehöhlt. Formal bestand zwar die gleiche Zahl an Ländern weiter, der Bundesrat als ihre Vertretung wirkte sogar bei immer mehr Gesetzen mit, aber die Summe entsprach nicht mehr dem Gewicht der einzelnen. Und wo das politische Gewicht der Länder so sichtbar abnahm, blieb es auch nicht aus, daß ihre Parlamente erlahmten." Es kann davon ausgegangen werden39, daß sich drei Tendenzen im Rahmen des bundesstaatliehen Systems weiter verstärken und die Stellung der Länder beeinflussen werden: (1) Weitere wichtige Aufgabenbereiche der Länder werden verlagert werden, und zwar - in schwer praktikable Formen einer Länder-Kooperation oder - in das Institut der Gemeinschaftsaufgaben. 36 Günter Bovermann, Bundesländer oder Bundesprovinzen? Neugliederung als Angelpunkt, DÖV 1974, S. 6 ff. (S. 7). 37 Manfred Schäfer, im "Handelsblatt" vom 30. 1. 1974. 38 Eduard Neumaier, Zauberstück auf dem Papier, "Die Zeit" vom 23. 2. 1973,
8.12. 39
Nach Günter Bovermann, a.a.O., S. 7 f.
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(2) Das Volumen der Finanzverantwortung des Bundes bei der Erfüllung von Länderaufgaben wird weiterwachsen, nämlich - durch Zunahme der Geldleistungsgesetze, bei denen der Bund ganz oder zum Teil die Zweckausgaben trägt (Art. 104 a Abs. 3 GG), - durch Zunahme der Investitionshilfen des Bundes zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet (Art. 104 a Abs.4GG). (3) Die Forderungen der finanzschwachen Länder werden drängend bleiben, nämlich - vom Länderanteil an der Umsatzsteuer steigende Ergänzungsanteile für die steuerschwachen Gliedstaaten abzuzweigen (Art. 107 Abs. 1letzter Halbsatz GG), - durch Intensivierung des horizontalen Finanzausgleichs die Ausgleichsleistungen der finanzstarken Länder noch zu erhöhen (Art. 107 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG), - die Ergänzungszuweisungen des Bundes an leistungsschwache Länder zu steigern (Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG). 3. V e r b u n d p 1 a n u n g nach der Enquete-Kommission Der Blick aus einer dritten Perspektive auf die voraussichtliche Entwicklung zeigt eine Ergänzung der Verfassung, um eine gemeinsame Rahmenplanung (Verbundplanung) zwischen Bund und Ländern einzuführen und die Gemeinden und Gemeindeverbände in diese Verbundplanung einzubeziehen. Die Enquete-Kommission für Fragen der Verfassungsreform hat in ihrem Zwischenbericht vom 21. 9. 197240 u. a. folgende Ergänzung des Grundgesetzes empfohlen: "Artikel X (1) Der Bund und jedes Land erstellen auf Grund gemeinsam erarbeiteter Grundannahmen im Rahmen ihrer Zuständigkeit je eine integrierte Aufgabenplanung. (2) Die integrierten Aufgabenplanungen des Bundes und der Länder werden in den Sachbereichen, die für die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland von Bedeutung sind, zu einer gemeinsamen Rahmenplanung zusammengefügt. Diese Sachbereiche werden durch Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt. (3) Die gemeinsame Rahmenplanung bezeichnet die allgemeinen Ziele und die Rangfolge ihrer Verwirklichung auf der Grundlage der verfügbaren finanziellen, personellen und sächlichen Mittel. (4) ..."
•o Bundestagsdrucksache VI 3829 S. 44 ff. (S. 45).
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Die vorgesehene Verbundplanung soll Richtliniencharakter für die weiteren Planungen und für die Durchführung der Aufgaben haben. Institutionell sorgt ein gemeinsames Gremium von Bund und Ländern für die Zusammenführung der Planungen zu einer Rahmenplanung und beschließt mit Mehrheit eine entsprechende Empfehlung. Bundestag und Bundesrat müssen dieser Planung zustimmen. Es wird überlegt, ob bei der generellen Einführung des Instrumentes der Verbundplanung auf die Planungsregelungen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben verzichtet werden kann. Damit ist es wahrscheinlich, daß ein äußerst kompliziertes Planungsverfahren41 mit einer Einwirkungsmöglichkeit und damit auch Blockierungsmöglichkeit so vieler Stellen eingeführt wird, so daß eine Verbundplanung entweder gar nicht zustande kommt, man sich bloß verbal harmonisiert oder man sich weithin nur auf den gegenwärtigen Zustand einigt. Die Regelungs- und Planungsmacht des Bundes wird jedenfalls wesentlich weiter gestärkt. Dies hat auch die Kommunalen Spitzenverbände (Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag) dazu veranlaßt, hervorzuheben, daß die Gemeinden und Gemeindeverbände gegenüber einer Gemeinschaftsplanung von Bund und Ländern (Gemeinschaftsaufgaben, Verbundplanung) ihre Stellung als Selbstverwaltungskörperschaften behaupten müßten. "Eine verstärkte Gemeinschaftsplanung führt zu einer zunehmenden tatsächlichen Bindung der Gemeinden und Gemeindeverbände. Deswegen müssen sie institutionell gleichrangig in das Verfahren der Planung einbezogen werden" 42 • Die Städte und Kreise haben daher ausdrücklich darauf Anspruch erhoben, -
daß sie durch ihre Spitzenverbände an einer gesetzlich zu regelnden gemeinschaftlichen Planung gleichrangig mit Bund und Ländern beteiligt werden, daß die Beteiligung an der gemeinschaftlichen Planung verfassungsrechtlich garantiert wird.
Die verfassungsrechtlich abgesicherte kommunale Beteiligung am Planungsverbund ist von der Enquete-Kommission zwar noch nicht vorgeschlagen, aber bereits soweit erwogen worden, als diese Frage einer grundsätzlichen Untersuchung vorbehalten bleiben müsse43 • 41 Die Kompliziertheit der Verbundplanung betonen auch Paul Fechte, Die bundesstaatliche Zusammenarbeit in der Verfassungswirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland, Archiv des öffentlichen Rechts 1973, S. 473 ff. (S. 485) und Itse Staff, Neue Perspektiven der Bildungsplanung?, DÖV 1973, S. 725 ff. (S. 726 f.). 42 Kommunale Forderungen zur Reform des Verfassungsrechts, Eingabe an die Enquete-Kommission, Der Landkreis 1973, S. 392, Der Städtetag 1973, 8. 469. 43 Vgl. Zwischenbericht der Enquete-Kommission, Bundestagsdrucksache VI/3839, S. 46.
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Die zukünftig nicht unwahrscheinliche Beteiligung der Städte und Kreise an einer Verbundplanung würde das bereits nach der Empfehlung der Enquete-Kommission recht schwierig zu handhabende Planungsverfahren zwischen Bund und Ländern weiter komplizieren. Durch die notwendige Bindungswirkung der Verbundplanung auch gegenüber den Städten und Kreisen würde ein weiterer wesentlicher Teil kommunaler Selbstentscheidung aufgegeben werden. Das mit Hilfe der kommunalen Spitzenverbände wahrgenommene Beteiligungsrecht an der zentralen Verbundplanung wäre wahrscheinlich für die Mehrzahl der Städte und Kreise kein angemessenes Äquivalent. 4. S t ä d t e b a u li c h e E n t w i c k 1 u n g s p 1 a n u n g Zur Vervollständigung des Gesamtbildes der voraussichtlichen Entwicklung auf dem Gebiete des öffentlichen Planungswesens müssen auch die Änderungsabsichten im Bereich der Bauleitplanung durch eine Novellierung des Bundesbaugesetzes betrachtet werden. Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbaugesetzes vom 10. 5. 197444 sieht als neue Planungsart die städtebauliche Entwicklungsplanung vor.§ 1 BBauG soll folgende Fassung erhalten: "Die städtebauliche Entwicklungsplanung als Teil einer umfassenden Entwicklungsplanung der Gemeinde, die als übergeordnete Planung für den Gesamtbereich Zielvorstellungen entwickelt und die gemeindlichen Tätigkeiten aufeinander abstimmt, setzt den Rahmen für eine, insbesondere den sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Erfordernissen dienende, städtebauliche Entwicklung und Ordnung des Gemeindegebiets eim:chließlich der raumwirksamen Investitionen der Gemeinde und deren Zeit- und Rangfolgen; sie ist den Zielen der Raumordnung und Landesplanung anzupassen." Der frühere § 1 BBauG soll § 1 a BBauG werden. Aufgabe, Begriff und Grundsätze der Bauleitplanung werden hier ähnlich wie in der noch geltenden Regelung festgelegt. § 1 a Abs. 4 BBauG soll jedoch lauten: "Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung und Landesplanung anzupassen; ist eine städtebauliche Entwicklungsplanung der Gemeinde vorhanden, so haben sich die Bauleitpläne in diese einzufügen." Aus dieser geplanten Neuregelung ergibt sich, daß sich die Bauleitpläne in die städtebauliche Entwicklungsplanung einfügen sollen und daß sich die städtebauliche Entwicklungsplanung ihrerseits in eine umfassende Entwicklungsplanung der Gemeinde einfügen soll. Sowohl die Bauleitplanung als auch die städtebauliche Entwicklungsplanung sind den "Zie~en der Raumordnung und Landesplanung" anzupassen. 44
Bundesratsdrucksache 300/74 vom 10. 5. 1974.
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Als Begründung für die dreifache Stufung der Planungsinstrumente für die Gemeinden wird angegeben45 , daß die Auffassung, nach der die städtebauliche Entwicklung weitgehend dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden könne, überholt sei. Inzwischen sei die Erkenntnis allgemeine Überzeugung geworden, daß sich die Gemeinden nicht in dem Maße, wie es geboten sei, selbst entwickeln, sondern entwickelt werden müßten. Die städtebauliche Planung könne nur noch "als städtebauliche Entwicklungsplanung den Aufgaben gerecht werden, die sich aus der Stadt- (Gemeinde-)entwicklung ergeben. In einer wachsenden Zahl von Gemeinden aller Größenordnungen wird die städtebauliche Planung in eine allgemeine Stadt- (Gemeinde-)entwicklungsplanung eingeordnet, die sich bemüht, alle gemeindlichen Aktivitäten, eingefügt in die Raumordnung und Landesplanung sowie die staatliche Entwicklungsplanung, auf Zielvorstellungen für das örtliche Gemeinwesen auszurichten und diese Ziele aufeinander abzustimmen." Im Verständnis des geltenden Bundesbaugesetzes werde die Bauleitplanung im wesentlichen als eine "Auffangplanung" verstanden. Unter der ,.Auffangplanung" sei der Versuch zu verstehen, die in der Gemeinde und im größeren Raum wirksamen sozialen und wirtschaftlichen Kräfte zu erkennen, ihre räumlichen Bedürfnisse vorausschauend abzuschätzen und mit der darauf bezogenen Planung gleichsam "aufzufangen". Das alte Gesetz verpflichte zwar die Gemeinden, die Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung und Landesplanung anzupassen (§ 1 Abs. 3), den Beziehungen der Bauleitplanung zu der allgemeinen Stadt- (Gemeinde-)entwicklungsplanung trage es indessen nicht Rechnung. Das in § 1 Abs. 4 Bundesraumordnungsgesetz enthaltene Leitbild, wonach s:ch die Ordnung der Einzelräume in die Ordnung des Gesamtraumes einfügen und wonach die Ordnung des Gesamtraumes die Gegebenheiten und Erfordernisse seiner Einzelräume berücksichtigen soll, wird durch diese Neuregelung zumindest zum Teil verlassen werden. So richtig es ist, die im wesentlichen nur raumbezogene Bauleitplanung um eine integrierte (allgemeine) Entwicklungsplanung zu ergänzen, so bedenklich ist es, eine von der allgemeinen Entwicklungsplanung abgegrenzte städtebauliche Entwicklungsplanung mit Zeit- und Rangfolge der Investitionen der Gemeinde den Zielen der Raumordnung und Landesplanung unterzuordnen. Dies setzt nämlich voraus, daß auch die Landesplanung Zeitund Rangfolge der Landesinvestitionen festlegen kann, was bisher ja nur in wenigen Ländern der Fall ist. Die Planung von Investitionen nach Zeit- und Rangfolge ist der wichtigste Inhalt der Landes- und Kommunalpolitik. Durch eine EinpassungspRicht der städtebaulichen Entwicklungsplanung (und damit weitgehend auch der umfassenden Entwicklungsplanung) in eine Länderplanung, die u Bundesratsdrucksache 300174, Allgemeine Begründung, S. 28.
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ihrerseits nach der Enquete-Kommissionsempfehlung demnächst Entwicklungsplanung mit Raum-, Zeit- und Ressourcenbezug sein wird, dürften Idee und bisherige Praxis der kommunalen Selbstverwaltung entscheidend beeinträchtigt werden. Überspitzt gesehen wird sich also in Zukunft eine weit stärkere Einpassungs- und Anpassungspflicht der kleineren Verwaltungseinheiten mit ihren Planungsvorstellungen in die planerischen Festlegungen der größeren Einheiten ergeben und sich damit die Hierarchievorstellung im Planungswesen verstärken.
5. Z u s a m m e n f a s s u n g Zusammenfassend ist festzustellen, daß die voraussichtliche Entwicklung des öffentlichen Planungswesens in der Bundesrepublik zwar zum Teil unübersichtlich bleibt, daß sich aber dennoch aus den gegenwärtigen Ansätzen und Bestrebungen und aus erkennbaren breiten Trends einige wesentliche Prognosen ableiten lassen, denen eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung zukommt: (1) Da gesellschaftliche Problembereiche sich immer weniger genau abgrenzen lassen, ist die eindeutige organisatorische Zuordnung eines Aufgabenbereiches zu einer Verwaltungsebene oder zu einer Organisationseinheit immer schwieriger. (2) Die Verflechtung der Aufgabenerfüllung zwischen allen Ebenen wird sich künftig noch weiter intensivieren. Es ist eine Entwicklung zum Planungs-, Entscheidungs- und Finanzierungsverbund zwischen Zentralstaat, Gliedstaaten und Gemeinden (Gemeindeverbänden) festzustellen. Die Regelungs- und Finanzierungsmacht der Zentralinstanz nimmt am meisten zu. (3) Im bundesstaatliehen System werden weitere Aufgabenbereiche der Länder in schwer zu praktizierende Formen der Länderkooperation oder der Gemeinschaftsaufgaben übergehen. Das Volumen der Finanzverantwortung des Bundes bei der Erfüllung von Länderfragen wird weiter wachsen. (4) Eine Verbundplanung zwischen Bund und Ländern wird zu einem äußerst komplizierten Verfahren führen. Die notwendigen Kompromisse werden vorrangig von den beteiligten Ministerialbürokratien ausgehandelt werden müssen. Eine Verbundplanung wird zu einer zunehmenden Bindung der Gemeinden und Gemeindeverbände an den Inhalt dieser Planung führen. (5) Verstärkte Einpassungs- und Anpassungspflichten der Planung kleinerer (unterer) Einheiten in die planerischen Festlegungen der größeren (oberen) Einheiten werden die Vorstellung von einer mehrstufigen Hierarchie im Planungswesen verstärken. Die Idee des Föde-
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Frido Wagener ralismus und der kommunalen Selbstverwaltung ist durch eine Verstärkung des vertikalen Planungsverbundes gefährdet.
(6) Die voraussichtliche Entwicklung geht in eine Richtung, die im Endergebnis zu einem Zentralstaat mit Bundesprovinzen und dekonzentrierten örtlichen Verwaltungseinheiten führt, die in eine hierarchisch gedachte Verflechtung nach oben eingebettet sind. Man fühlt sich bei dem zukünftigen Gesamtbild an die gegenwärtige Lage in Frankreich erinnert. (7) Alles in allem dürfte sich in Zukunft die Entwicklung zum vertikalen, und zwar zum Spartenhaft koordinierten Planungsverbund zwischen Bund, Ländern und Gemeinden stärker ausprägen als die horizontal wirksame integrierte Entwicklungsplanung aller wichtigen, politisch selbständigen Einheiten. Die vertikal koordinierte, imperialistisch wirkende Fachplanung wird zum Hindernis für eine integrierte Entwicklungsplanung auf den einzelnen Ebenen der öffentlichen Verwaltung werden. Der sektorale Planungsverbund wird der Hauptschrittmacher für die Aushöhlung des Föderalismus und der kommunalen Selbstverwaltung sein. III. Langfristiges Ziel Im Rahmen des dritten Überlegungsschrittes ist zu fragen, ob die voraussichtliche Entwicklung (so wie sie gegenwärtig angelegt ist) als wünschenswert angesehen werden kann, mit anderen Worten, ob die Entwicklung zum vertikalen Fachplanungsverbund und zu einem hierarchischen Planungsaufbau und der damit unvermeidlich weiteren Einschränkung des politischen Entscheidungsspielraumes auf der Länderebene und auf der kommunalen Ebene durch weitere Maßnahmen unterstützt werden soll oder ob nicht ganz andere Zukunftsvorstellungen als die richtigen anzusehen sind, so daß die eingeleitete Entwicklung zwar vielleicht nicht rückentwickelt werden kann, jetzt aber doch stark gegenzusteuern wäre. Es müssen langfristige Ziele auf dem Gebiete des öffentlichen Planungswesens gefunden und festgestellt werden, um einen Maßstab zu haben, an dem die Lage gemessen werden kann, wie sie sich aus der voraussichtlichen Entwicklung ergibt. Erst wenn sich zeigt, daß die voraussichtliche Entwicklung von den langfristigen Zielen wesentlich abweicht, sind Maßnahmen zu finden, die dazu geeignet sind, die Entwicklung so zu steuern, daß man den Zielen wieder näherkommt. Es bestehen in der Bundesrepublik heute und für die voraussehbare Zukunft für den Bereich der öffentlichen Planung drei langfristige gesamtgesellschaftliche Ziele, die eine breite Zustimmung finden dürften und die in der Verfassung nur deshalb nicht ausdrücklich genannt sind,
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weil die Planung vor 25 Jahren noch kein wichtiger Problembereich war. DiE>se Ziele sind: -
keine Verschüttung der Initiative des einzelnen durch eine umfassende zentralstaatliche Planung,
-
eine Planung auf mehreren, politisch relativ unabhängig voneinander bleibenden Ebenen und
-
eine breite Mitträgerschaft der Planung durch die Politik. 1. Rahmensetzende Planung
Wenn keine zentralstaatlich umfassende Planung entstehen soll, dann bedeutet das im einzelnen, daß -
öffentliche Planung grundsätzlich nur im Bereich der Erfüllung öffentlicher Aufgaben stattzufinden hat,
-
im öffentlichen Infrastrukturbereich alle dafür notwendigen Ressourcen, also nicht nur, die Finanzen, sondern auch der Boden, das Personal, die Organisation usw. in die Planung einzubeziehen sind,
-
die Wirtschaft durch Globalsteuerung, Strukturverbesserungsanreize und Konjunkturmaßnahmen zu beeinflussen ist,
-
die öffentliche Planung sich auf eine Verhinderung gesamtgesellschaftlich schädlicher Nutzung des Bodens, des Wassers, der Luft usw. beschränken muß,
-
mit anderen Worten, daß es bei einem Planungssystem mit Rahmencharakter bleibt, in dem der einzelne noch genügend Freiheit für Persönlichkeitsentfaltung und Initiative findet.
2. M e h r - E b e n e n - P 1 a n u n g Das zweite langfristige Ziel, nämlich die Planung auf mehreren (eventuell sogar auf möglichst vielen), politisch voneinander getrennten Ebenen, bezieht sich unmittelbar auf die Erhaltung eines freien Handlungsund Entscheidungsraumes für die Länder und für die kommunale Selbstverwaltung. Es müssen Gründe dafür gefunden werden, weshalb heute und auch in Zukunft unsere durch eine vergleichsweise starke Stellung der Bundesländer und der kommunalen Selbstverwaltung gestufte und dezentralisierte Demokratie ein erhaltenswertes Konstruktionsprinzip ist. Dafür läßt sich in der Tat eine ganze Reihe von Gründen vorbringen: (1) Es geht um den Einübungseffekt für die Demokratie (Schule der Demokratie). (2) Es zeigt sich eine höhere Sach- und Bedarfsgerechtigkeit der ortsnahen Entscheidung (Dezentralisationsvorteil).
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(3) Die Gewaltenteilung wird durch eine hohe Zahl von unabhängigen Entscheidungs- und Handlungszentren gefördert (Gewaltenteilungseffekt). (4) Im Gesamtaufbau des Staates werden viele Pilotentscheidungen ermöglicht; nur so können Bund, Länder und Kommunen als Gesamtheit flexibel bleiben (Innovationseffekt). (5) Die Stufung des Gesamtstaates in relativ abgeschottete Ebenen dient dem Abbau der Gefahr der politischen Konfliktüberladung der Zentrale. Die punktuelle politische Konfliktlösungskapazität ist begrenzt. Wenn alle wichtigen politischen Entscheidungen nach Bann laufen, ist eine Konfliktüberladung wahrscheinlich. Ein gutes politisches Gesamtsystem braucht zahlreiche Ebenen, die gegenüber der jeweiligen Spitze relativ abgeschottet sind, damit der menschlichen (organisationssoziologischen) Tendenz, Entscheidungen immer weiter nach oben zu schieben, entgegengewirkt werden kann (Konfliktüberladungs-Sicherung). Die letzte Überlegung ist der heute wohl vorrangig tragende Grund für die Beibehaltung, ja die erneute Stärkung des Föderalismus und der kommunalen Selbstverwaltung.
3. P o li t i s c h e P 1 a n u n g Zur ordnenden Verwaltung des 19. Jahrhunderts ist in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die sich mehr und mehr ausweitende leistende Verwaltung hinzugekommen. Noch weniger als leistende kann planende Verwaltungstätigkeit bei ihren Entscheidungen und Entscheidungsvorbereitungen in kontrollierbarer Genauigkeit durch Festlegungen des Gesetzgebers gebunden werden. Die Verwaltung muß also selber Zielvorgaben vorschlagen und damit in beträchtlichem Maße Politik treiben. Auch wenn anerkannt wird, daß Bundestag, Landtage und Gemeinderäte in der hochkomplexen bürokratisch-industriellen Welt mit den notwendigen wissenschaftlichen Analysen und Methoden kaum selber planen können46, ist die Aufstellung der Planung ein mit politischen Entts Die Literatur zur Beteiligung des Parlaments an der Planung ist umfangreicher als ihre Reformwirkung. Vgl. insbesondere Ferdinand von Peter, Zur Betelllgung des Parlaments an der Planung auf Bundesebene, DÖV 1973, S. 336; Reimut Jochimsen, Ferdinand von Peter, Probleme der Beteiligung des Parlaments an der ressortübergreifenden Planung, Die neue Gesellschaft, 20. Jg. 1973, S. 755 ff.; Dieter Grimm, Aktuelle Tendenzen in der Aufteilung gesetzgeberischer Funktionen zwischen Parlament und Regierung, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 1970, S. 448 ff.; Ernst-Wolfgang Böckenförde, Planung zwischen Regierung und Parlament, Der Staat 1972, S. 429 ff.; Eberhard Fricke, Zur Mitwirkung der Parlamente bei der Regierungsplanung, Ein Beitrag aus der Sicht der Haushaltspraxis, DÖV 1973, S. 406 f!.
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scheidungen durchsetzter Vorgang. Die Auswahl zwischen den möglichen Vorrängen der öffentlichen Leistungen, etwa auf den Gebieten des Sozialen, der Bildung, der Wirtschaft, des Verkehrs, der Sicherheit, des Rechts, der Verteidigung usw. kann nur von demokratisch gewählten Vertretungskörperschaften getroffen werden, weil eine solche Auswahl politischer Natur ist. Die Festlegung wünschenswerter Entwicklungsstandards und Sozialindikatoren kann nicht aus sachlogischen Zwängen abgeleitet werden, sondern ist ganz überwiegend eine politische Entscheidung. Integrierte Entwicklungsplanung, raumbezogene Landesplanung und kommunale Bauleitplanung können daher nicht auf eine möglichst intensive Beteiligung der Politik verzichten. IV. Konzeption eines Planungsgrundsätzegesetzes Die Analyse der gegenwärtigen Lage des öffentlichen Planungswesens in der Bundesrepublik Deutschland (Abschnitt I) und die Untersuchung über die voraussichtliche Entwicklung (Abschnitt II) haben ergeben, daß die gegenwärtig und in absehbarer Zukunft wirksamen Entwicklungskräfte die vertikale Koordinierung sektoraler Planungen stärken werden. In Zukunft dürfte sich die Entwicklung zum vertikalen, und zwar zum spartenhaft koordinierten Planungsverbund zwischen Bund, Ländern und Gemeinden stärker ausprägen als die horizontal wirksame integrierte Entwicklungsplanung aller wichtigen, politisch selbständigen Einheiten. Die vertikal koordinierte, imperialistisch wirkende Fachplanung wird zum Hindernis für eine integrierte Entwicklungsplanung auf den einzelnen Ebenen der öffentlichen Verwaltung werden. Der sektorale Planungsverbund wird der Hauptschrittmacher für die Aushöhlung des Föderalismus und der kommunalen Selbstverwaltung sein. Gegenüber dieser drohenden Entwicklung sind als langfristige Ziele für den Bereich der öffentlichen Planung (Abschnitt III) festgestellt worden: (1) keine Verschüttung der Initiative des einzelnen durch eine umfassende zentralstaatliche Planung (rahmensetzende Planung), (2) eine Planung auf mehreren, politisch relativ unabhängig voneinander bleibenden Ebenen (Mehr-Ebenen-Planung) und (3) eine breite Mitträgerschaft der Planung durch die Politik (politische Planung). Die gegenwärtige Lage und die voraussichtliche Entwicklung weichen von diesen langfristigen Zielen in wesentlichen Punkten ab. Es ist also eine Konzeption zu entwickeln, deren Durchführung es wahrscheinlich macht, daß man die langfristigen Ziele erreicht oder ihnen doch wesentlich näherkommt, als es zur Zeit vorausgesagt werden muß.
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Frido Wagener 1. Elemente der eigenen Konzeption
Die Grundüberlegu ng zur eigenen Konzeption geht davon aus, daß eine zumindest teilweise Konfliktsituatio n zwischen der vertikal koordinierenden Verbundplanun g und der horizontal koordinierenden Entwicklungsplanung besteht. Wenn sich mit hoher Wahrscheinlich keit zukünftig der Bereich und die Wirksamkeit der vertikalen und sektoralen Verbundplanung (Mehr-Ebenen-F achplaung) automatisch ausweiten werden, dann ist die bestehende Konfliktslage durch eine gesetzliche Förderung der horizontal integrierenden Entwicklungspl anung zu lösen. Durch eine generelle Pflicht zur integrierten Entwicklungspl anung aller wichtigen staatlichen und kommunalen Haupteinheiten der öffentlichen Verwaltung ist der imperialistisch wirkenden sektoralen Verbundplanun g entgegenzusteuern . Aus dieser Grundentscheid ung ergeben sich folgende Elemente der eigenen Konzeption: Da die Frage des Umfanges der Beteiligung der Parlamente an der Planung im wesentlichen im Rahmen der horizontal integrierten Entwicklungsplanung auftritt, ist eine parlamentarisch e Beteiligung an der Planung der jeweils eigenen Aufgaben verhältnismäßig unproblematisch . Das Verfahren der Beteiligung an der Planerarbeitung muß allerdings durch Gesetz näher festgelegt werden. Da eine Unteilbarkeit von Zielund Maßnahmenent scheidung bei der integrierten Entwicklungspl anung besteht, sind eine bloße Zielbestimmung durch das Parlament und eine Schlußratifizier ung der Planung nicht möglich. Eine Beteiligung des Parlaments (Planungsaussch uß) an der Planerarbeitung ist jedoch so aufwendig, daß eine Entlastung des Parlaments von weniger wichtiger Gesetzgebungsarb eit vorausgehen muß. Zweifel an der "Machbarkeit" einer integrierten Entwicklungspl anung durch den Bund und durch alle Länder sowie durch alle wichtigen kommunalen Verwaltungsein heiten bestehen nur deshalb, weil die Zahl der geplanten Einflußgrößen, der Planungszeitrau m und die Festlegungsintensität der integrierten Entwicklungspl anung bewußt oder unbewußt an bestehenden Fachplanungen oder raumbezogenen Planungen ausgerichtet wird. Dies ist unrichtig. Entwicklungspl anungen dürfen niemals die Dichte von Fachplanungen oder raumbezogenen Planungen haben. Zusätzlich hängt die "Machbarkeit" der integrierten Entwicklungspl anung auf allen Ebenen von der Qualität und Quantität des für diese Aufgabe einzusetzenden Personals ab. Die Zahl der gegenwärtig mit der Aufstellung und der Abwicklung der Haushaltspläne beschäftigten Bediensteten mag eine Vorstellung über die zukünftig auf dem Gebiet der Entwicklungsplanu ng notwendigen Personalzahlen geben.
Integrierte Entwicklungspianung Durch die generelle Bevorzugung der horizontal integrierten Entwicklungsplanung und der Ablehnung der vertikalen Verbundplanung sind die Argumente der zu großen Kompliziertheit und des zu hohen Konsensbedarfs für eine Verbundplanung ausgeräumt. Gleichzeitig wird damit auch gegen eine Fortentwicklung der Gemeinschaftsaufgaben votiert, denn Gemeinschaftsaufgaben haben sich als das Einfalltor für die sektorale Regelungstendenz erwiesen. Auch wenn man davon ausgeht, daß ein Gesamtplanungssystem mit integrierter Entwicklungsplanung auf allen Ebenen nur dann erfolgreich sein kann, wenn Planungsmethoden und Grundannahmen von Bund, Ländern und Gemeinden möglichst einheitlich angewendet werden, braucht dies nicht unbedingt zur gemeinsamen Rahmenplanung (Verbundplanung) zwischen den Entwicklungsplanungen der verschiedenen Ebenen zu führen. Die Anwendung einheitlicher Planungsmethoden sowie ein Verfahren für die Feststellung gemeinsamer Grundannahmen (Bevölkerungsentwicklung, Entwicklung des Bruttosozialprodukts, Steuerlastquote usw.) können in einem für Bund, Länder und Gemeinden geltenden Verfahrensrecht geregelt werden. Es bedarf auch keines "informativen Gesamthaushalts" 47 oder eines zusammengefaßten Programmbudgets des Bundes und der Länder (und evtl. der Kommunen), um durch die Fortentwicklung des Haushaltsplanes als des "Planes aller Pläne" zu einem gestuften Planungssystem zu kommen. Wenn man die Selbstentscheidungsmöglichkeit der Bundesländer sowie der Gemeinden und Gemeindeverbände im Rahmen ihrer eigenen integrierten Entwicklungsplanung möglichst schonen will, dürfen solche Gesamthaushalte oder National-Budgets gerade nicht aufgestellt werden. Das Mittel zur vertikalen Koordinierung und Harmonisierung des gestuften Systems von integrierten Entwicklungsplanungen muß vielmehr ein "Planungsgrundsätzegesetz" des Bundes sein, das die Verpflichtung zur integrierten Entwicklungsplanung auf allen Ebenen durch eine Fortentwicklung des Haushaltswesens begründet und das für jeden Träger der Entwicklungsplanung die Ressourcenausgleichspflicht im Planungszeitraum festlegt. 2. P fl i c h t z u r i n t e g r i e r t e n En t w i ckl u ngsp lan u ng Das Grundschema der Aufbauorganisation der allgemeinen inneren Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland wird durch folgende Ebenen bestimmt: 47 Dafür plädiert Adolf Theis, Überlegungen zur Reorganisation der politischen Planung auf der Ebene des Regierungschefs und der Ministerien, in: Renate Mayntz, Fritz Scharpf (Hrsg.), Planungsorganisation, Die Diskussion um die Reform von Regierung und Verwaltung des Bundes, München 1973, S. 165 ff. (S. 187).
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1 11 29 278 14 135
Bund, Länder, Regierungsbezirke und 14 Regionalverwaltungen, Kreise und 109 kreisfreie Städte, kreisangehörige Gemeinden (1. 1.1974).
Bund, Länder, Landkreise und kreisfreie Städte sowie kreisangehörige Gemeinden bilden dabei ein jeweils raumausfüllendes Verwaltungsgerüst mit eigener Rechtspersönlichkeit und unmittelbar gewählten Organen; sie sind gebietskörperschaftlich organisiert. Die Regierungsbezirke sind dagegen nur unselbständige Untergliederungen der größeren Flächenländer. Regionalverwaltungen bestehen in den größeren Flächenländern als höhere Gemeindeverbände. Auf allen genannten fünf Ebenen muß sämtlichen dort bestehenden politischen und administrativen Haupteinheiten die generelle Pflicht zur integrierten Entwicklungsplanung auferlegt werden. Jeder kommunalen oder staatlichen Einheit mit einem Bündel öffentlicher Aufgaben, einem eigenen Haushalt und einer politischen Vertretungskörperschaft muß die Pflicht zur Aufstellung einer integrierten Entwicklungsplanung zur Steuerung der Durchführung der eigenen Aufgaben über einen mittelfristigen Zeitraum so selbstverständlich werden wie die heute bestehende Pflicht zur Aufstellung eines Haushaltsplanes. Geregelt werden kann eine solche Pflicht nur durch ein Bundesgesetz, das in Anlehnung an das Haushaltsgrundsätzegesetz48 "Planungsgrundsätzegesetz" genannt werden sollte. Da weder Art. 74 Nr. 18 GG (Bodenrecht) noch Art. 75 Nr. 4 GG (Raumordnung) noch Art. 109 Abs. 3 GG (mehrjährige Finanzplanung) im vollen Umfange ausreichende Ermächtigungsnormen für ein Planungsgrundsätzegesetz des Bundes enthalten, das unmittelbar für die Länder und Kommunen verbindlich ist, muß im Rahmen der Verfassungsreform eine ausdrückliche Ermächtigung für den Erlaß eines Planungsgrundsätzegesetzes im Grundgesetz geschaffen werden4D. Bei dem Planungsgrundsätzegesetz sollte es sich um ein reines Verfahrensgesetz handeln. Zum materiellen Inhalt der Entwicklungsplanungen auf den verschiedenen Ebenen darf das Gesetz keinerlei Festlegungen treffen. Zur Verfahrensregelung muß jedoch gehören, daß die Festlegungs48 Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder vom 19. 8. 1969 (BGBl. I, S. 1273). 49 Zu der Kompetenzfrage hinsichtlich der Stadtentwicklungsplanung vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann, Gesetzliche Maßnahmen zur Regelung einer praktikablen Stadtentwicklungsplanung - Gesetzgebungskompetenzen und Regelungsintensität -,in: Raumplanung- Entwicklungsplanung, Bd. 80 der Veröffentlichungen der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Hannover 1972, S. 101 ff. (S. 150).
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intensität der Entwicklungsplanungen auf allen Ebenen rahmenartig bleiben muß. Die relativ dichteste Rahmenplanung muß auf der Gemeindeebene und die relativ lockerste Rahmenplanung auf der Bundesebene aufgestellt werden. Bei Bund, Ländern, Bezirken (Regionen), Kreisen und kreisfreien Städten sowie kreisangehörigen Gemeinden darf die integrierte Entwicklungsplanung niemals so dicht werden, daß sie auch nur in Teilen den Charakter von Fachplanung hat. Fachplanungen der jeweiligen Ebene sollten immer eine größere Regelungsintensität haben als die Entwicklungsplanung. 3. R e s s o u r c e n a u s g l e i c h s p f l i c h t im Planungszeitraum Als weitere wichtige Festlegung eines Planungsgrundsätzegesetzes ist die Ressourcenausgleichspflicht im Planungszeitraum anzusehen. So wie es selbstverständliche Pflicht jeder ordnungsgemäßen Haushaltsführung ist, den Haushaltsplan auszugleichen50, muß durch Bundesgesetz festgelegt werden, daß jede integrierte Entwicklungsplanung in plausibler Form den Ressourcenausgleich im Planungszeitraum nachweisen muß. Für alle Maßnahmen und Aktivitäten, deren Durchführung im Planungszeitraum vorgesehen ist, müssen Finanzen, Personal, Baukapazität, Organisation usw. im gesicherten oder realistisch geschätzten Umfange vorhanden und in der Planung selbst angegeben sein. Bei den Finanzen wird es dabei selbstverständlich nicht nur um eigene Einnahmen oder Kreditaufnahmen gehen, sondern eventuell auch um zu erwartende Steueranteile, Zuschüsse usw. von anderen Ebenen. Integrierte Entwicklungsplanungen, die nicht selbst einen ausreichenden Ressourcenausgleich im Planungszeitraum angeben, sind rechtswidrig und müssen im kommunalen Bereich von der Kommunalaufsichtsbehörde beanstandet werden; im staatlichen Bereich wird ein "Planungshof" die Rechtswidrigkeit festzustellen haben.
4. P 1 a n u n g s r a u m Im Planungsgrundsätzegesetz wäre zu regeln, daß auf allen Ebenen die Planungsräume jeweils mit den Politik- und Verwaltungsräumen übereinstimmen müssen. Dies bedeutet eine Abkehr von der Tendenz der Planer, für jede Aufgabenerfüllung einen möglichst idealen Planungsraum zu suchen. Jeder Planungsraum muß also grundsätzlich an Gemeindegrenzen, Kreisgrenzen, Bezirks- (Regional-)grenzen und Ländergrenzen enden. Da sich solche Grenzen heute noch als für die Aufgabe der integrierten Entwicklungsplanung in hohem Maße ungeeignet herausstellen werden, muß die Territorialreform weitergeführt werden. 50 Art. 110 Abs. 1 Satz 3 GG lautet: "Der Haushaltsplan ist in Einnahmen und Ausgaben auszugleichen."
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Das Gebiet des Bundes ist zwar nicht veränderbar, aber schon ein Teil der Länder hat zur Zeit keine richtige Funktionsgröße. Es müssen also fünf oder sechs Länder (ohne Berlin) im Wege der Neugliederung des Bundesgebietes geschaffen werden, die alle mehr als fünf bis sechs Mill. Einwohner haben müssen und deren Grenzen Verdichtungsräume ungeteilt umfassen. Die nächste Ebene unterhalb der Länder sollten Regierungsbezirke und Regionalverbände sein. Beide Einheiten sollten deckungsgleich sein, aber nicht unbedingt in Personalunion geführt werden. Eine günstige Funktionsgröße liegt etwa zwischen 3 bis 5 Mill. Einwohnern. Die Bezirks- und Regionalebene könnte und sollte nach einer Länderneugliederung für das gesamte Bundesgebiet raumausfüllend organisiert werden. Die zweitunterste Ebene in der Aufbauorganisation der öffentlichen Verwaltung sind die Kreise und kreisfreien Städte. Auf dieser Ebene werden günstige Funktionsgrößen im Rahmen der in allen Ländern stattfindenden oder bereits abgeschlossenen Territorialreformen geschaffen. Kreise sollten 200 000 bis 500 000 Einwohner haben; kreisfreie Städte sollten mindestens 150 000 Einwohner besitzen. Auf der Ebene der kreisanghörigen Gemeinden hat sich als Mindestgröße für unterste kommunale Verwaltungseinheiten mit hauptamtlicher Verwaltung eine Größenordnung von 8 000 Einwohnern herausgebildet. Die nach einer territorialen Neugliederung verbleibenden kreisangehörigen Gemeinden und untersten kommunalen Verwaltungseinheiten51 haben bereits weithin die richtige Funktionsgröße und bilden die Basis für einen Fünf-Ebenen-Aufbau der Gesamtverwaltung. Wie beim Haushaltswesen muß im Endergebnis der Politik- und Verwaltungsraum unabänderliche Bezugsfläche für die integrierte Entwicklungsplanung sein.
5. P 1 a n u n g s z e i t r a u m Das Planungsgrundsätzegesetz hätte einheitliche Planungszeiträume festzulegen. In der gesamten Bundesrepublik müßte auf allen Ebenen (wie heute bei dem Haushaltsplan und bei der Finanzplanung) ein einheitlicher Planungszeitraum eingehalten werden. Es sollte sich hierbei nur um einen mittelfristigen Zeitraum handeln. Günstig erscheint ein 10-Jahres-Zeitraum, der in zwei 5-Jahres-Abschnitte zu unterteilen wäre. Der jeweils zweite 5-Jahres-Abschnitt wäre noch weniger intensiv und stärker rahmenartig zu planen als der erste 5-Jahres-Auschnitt. In 51 In Nordrhein-Westfalen, Hessen und im Saarland: Einheitsgemeinden; in Schleswig-Holstein: Amter; in Niedersachsen: Samtgemeinden; in Rheinland-Pfalz: Verbandsgemeinden; in Baden-Württemberg und Bayern: Verwaltungsgemeinschaften.
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jedem Jahr oder jedem zweiten Jahr müßte in einem "rollenden" System den beiden 5-Jahres-Abschnitten ein neues Jahr "hinzugeplant" werden. Das erste Jahr oder die ersten beiden Jahre wären als Haushaltsplan und Stellenplan der konkreteste Ausdruck des integrierten Entwicklungsplanungssystems auf allen staatlichen und kommunalen Ebenen. Eine noch weitergehende Anpassungsfähigkeit des Planungssystems an unvorhergesehene Entwicklungen müßte dadurch gewährleistet werden, daß das Planungsgrundsätzegesetz nach dem Vorbild des Haushaltswesens eine "Nachtragsplanung" vorschreibt. Durch "Nachtragsplanung" könnte auch eine neue Mehrheit im Parlament und eine neue Regierung eine bestehende 1-Jahres-Entwicklungsplanung in ihrem Sinne verändern, allerdings nur unter Beachtung der Ressourcenausgleichspflicht im Planungszeitraum. Alle Entwicklungsplanungen müßten wenigstens neun Monate vor Beginn des Planungszeitraumes veröffentlicht werden. Nur so können die einzelnen, die Wirtschaft und die Verwaltung sich auf neue Ziele und die zu ihrer Erreichung durchzuführenden Maßnahmen rechtzeitig einstellen. Über den 10-Jahres-Planungszeitraum der Entwicklungsplanung hinaJ,ls kann selbstverständlich eine langfristigere Perspektivplanung (intelligente Spekulation) stattfinden. Solche Perspektivpläne (Entwicklungsmodelle) sind Ende-offen-Pläne. 6. P a r 1 a m e n t s b e t e i 1 i g u n g Über die Pflicht zur Parlamentsbeteiligung an der Erarbeitung der integrierten Entwicklungsplanung sollte das Planungsgrundsätzegesetz lediglich eine Bestimmung enthalten, die deutlich macht, daß es sich bei der integrierten Entwicklungsplanung um Staatszielbestimmung handelt und daß deshalb eine Beteiligung des Parlaments, die in einer bloßen Kontrolle der Exekutivplanung besteht, nicht ausreicht. Die Einzelheiten der Beteiligung des Parlaments (Miterarbeitung, Alternativenauswahl, Planungsausschuß usw.) sollten der Bundestag und die Landtage in jeweils eigenen Gesetzen festlegen. Die Länder müßten entsprechende Bestimmungen in die kommunalen Verfassungsgesetze einfügen. Schließlich wäre im Planungsgrundsätzegesetz zu regeln, daß Planungsbeiräte der jeweils unteren Ebene bei der nächst höheren Ebene eingerichtet werden müssen. In einem Planungssystem, das auf allen Ebenen gleichzeitig, und zwar grundsätzlich ohne Über- und Unterordnung arbeitet, müßte dadurch der Informationsstrom von "unten" nach "oben" verbessert werden.
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Frido Wagener 7. Keine hierarchische Vollharmonisierung
Im Rahmen der Konzeption einer integrierten Entwicklungsplanung auf fünf Ebenen muß eine hierarchische Vollharmonisierung, die auf der Vorstellung des Geltungsvorranges des jeweiligen Oberplanes gegenüber dem Unterplan beruht, unbedingt vermieden werden. Eine solche Vorstellung ist unzutreffend, weil die integrierte Entwicklungsplanung der jeweiligen Ebene nur planerische Festlegungen für originäre Aufgaben der eigenen Ebene enthalten darf. Mit anderen Worten, im Bundesentwicklungsplan sind rahmenartige Festlegungen für Bundesaufgaben, in den Länderentwicklungsplänen Rahmenfestlegungen mit Raum-, Zeitund Ressourcenbezug für eigene Länderaufgaben usw. enthalten. Für die umstrittene Kreisentwicklungsplanung bedeutet dies, daß nur Kreisaufgaben, nicht aber die Aufgaben der kreisangehörigen Gemeinden, in den Kreisentwicklungsplan aufzunehmen sind. Gegen eine nachrichtliche Mitteilung der komplementären Planungen der oberen und unteren Ebenen zur Vervollständigung des Planungsbildes ist selbstverständlich nichts einzuwenden. Soweit eine gemeinschaftliche Planung und Finanzierung von Aufgaben durch Einheiten verschiedener Ebenen erfolgt, muß jede Einheit ihre Planungsvorstellung und ihren Finanzierungsanteil für das jeweilige Jahr der eigenen Entwicklungsplanung einsetzen. Sollte sich später herausstellen, daß die Teilplanungen und Teilfinanzierungen für die einzelne "Gemeinschaftsaufgabe" nicht nahtlos zusammengefügt werden können, so ist eine vertikale Harmonisierung in Form der Nachtragsplanur.g oder bei der nächsten Normalüberprüfung der Entwicklungsplanung herbeizuführen. Lediglich bei der rein raumbezogenen Nutzung der Erdoberfläche, also bei dem landesplanerischen Teil und bei dem Bauleitplanungsanteil der integrierten Entwicklungsplanung, wird es bei einem Vorrang der jeweils oberen Ebene gegenüber den unteren Ebenen bleiben müssen, denn die Erdoberfläche kann auch nicht geringfügig zweimal verplant werden. Die Vorschläge einer Verbundplanung zwischen Bund und Ländern oder der Anpassungspflicht der kommunalen Entwicklungsplanung an die Ziele der Raumordnung und Landesplanung dürfen dagegen nicht Wirklichkeit werden. Ein Vorrang der Kreisentwicklungsplanung gegenüber den Entwicklungsplanungen der kreisangehörigen Gemeinden ist unzulässig. Jede Hierarchievorstellung vertikaler Art der Entwicklungsplanung auf den fünf Ebenen muß vermieden werden. Die vertikale Hierarchisierung fachbezogener Planung ist das beherrschende Merkmal der gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklung. Dieser Tendenz muß die horizontale, mittelfristige, integrierte Entwicklungsplanung im Rahmen politisch verfaßter, finanziell und rechtlich
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relativ selbständiger Verwaltungseinheiten (Subsysteme) entgegentreten. Die Ablehnung einer hierarchischen Vollharmonisierung des Gesamtplanungssystems bedeutet kein Chaos. Es wird sich eine weitgehende (vielleicht 80 0/oige), wenn auch nicht vollständige, inhaltliche Harmonisierung der Planungen auf allen Ebenen automatisch und in der Zeit zunehmend einstellen. Es gibt zwei Instrumente der Planungsabstimmung zwischen den verschiedenen Ebenen, die das Chaos verhindern und ein Mindestmaß von Planungsharmonie zwischen den politisch selbständigen Ebenen garantieren: (1) Das eine Instrument der vertikalen Harmonisierung ist die herkömmliche Gesetzgebung mit der bereits bestehenden unendlichen Zahl von Festlegungen durch Rechtsnormen, die entweder im gesamten Bundesgebiet oder in den einzelnen Ländern sowohl für alle jeweils unteren Ebenen als auch für den einzelnen Bürger verbindlich sind. (2) Das zweite vertikal (und horizontal) wirkende Harmonisierungsinstrument ist die Pflicht zum Ressourcenausgleich im Planungszeitraum, die mit Sicherheit verhindert, daß auf allen Ebenen gleichzeitig über einen 10-Jahres-Zeitraum mehr Finanzen, Lehrer, Pflegepersonal, Baukapazität usw. verplant werden als plausibel zur Verfügung stehen. Eine intensive Beachtung des Grundsatzes des Ressourcenausgleichs im Planungswesen wird zukünftig (ebenso wie die heutige Beachtung der Pflicht zum Haushaltsausgleich) verhindern, daß im Gesamtsystem der Versuch gemacht wird, "den Kuchen zweimal zu essen". Wenn die gegenseitig lernenden und abfärbenden, durch einen dichten Normensatz aneinander gebundenen Subsysteme und das Gesamtsystem ohne Anpassungspflicht an jeweils übergeordnete Planungen nicht zu einer hierarchisch vollharmonisierten Gesamtplanung kommen und wenn alle Pläne deshalb im Durchschnitt nur 80 °/oig erfüllt werden können, so wird mit diesem Schuß ,,Unordnung" Flexibilität und Anpassungsfähigkeit des Gesamtsystems erkauft. Ein tolerierbares Maß an Unordnung ist als politische Freiheitskosten hinzunehmen.
Aussprache zum Referat von Frido Wagener Bericht von Heinjo Sehröder In der von Prof. Dr. Quaritsch, Speyer, geleiteten Diskussion widmete sich Staatssekretär Hermans, Mainz, dem Thema Planung und Verfassung. Hermans ging davon aus, daß Planung mit der Setzung von Prioriäten zu tun habe. Die Zuständigkeiten für ihre Festlegung seien in der Verfassung geregelt. So sei beispielsweise nach der vom Referenten vertretenen Linie ein Konflikt zwischen der Richtlinienkompetenz der Regierungschefs und der Planung unausweichlich. Wenn es Planungen nach einem Planungsgrundsätzegesetz gäbe, müsse die Frage erlaubt sein, wie auf Bundesebene ein neu antretender Bundeskanzler noch politische Ziele setzen könne, die sich von einer vorher festgelegten Bundesplanung unterscheiden könnten. Im Verhältnis Bund - Land entstünden Schwierigkeiten wegen der vom Referenten selbst eingeräumten Bindungswirkung der Planung der jeweils höheren Ebene für die jeweils niedrigere Ebene. So werde die Eichtlinienkompetenz der Länderchefs durch die Länder betreffende Festlegungen in Bundesplanungen berührt. Ein weiteres Problem sei die Beteiligung des Parlamentes an der Planung. Planungen, die auf die Dauer von 5 oder mehr Jahren angelegt seien, könnten nicht ohne Mitwirkung des Parlaments geschehen. Dabei seien drei Arten der Mitwirkung denkbar: die bloße Ratifizierung der von der Exekutive vorgelegten Planung, die Kontrolle des Planvollzuges und die echte Ent~cheidung über die Planung. Die beiden erstgenannten Mitwirkungsmöglichkeiten seien verfassungsrechtlich unbefriedigend, da sie der Stellung des Parlaments nicht Rechnung trügen. Eine echte Mitwirkung werfe aber ebenfalls die Frage nach der Verbindlichkeit der verabschiedeten Pläne für die anderen staatlichen Organe auf den verschiedenen Ebenen auf. Zu beachten sei außerdem der Zeitfaktor. Selbst die Haushaltsplanung im Bund könne heute nicht mehr rechtzeitig bewältigt werden. Bei einer längerfristigen, umfassenderen Planung müsse mit einem erheblichen Zeitaufwand für die parlamentarische Beratung gerechnet werden. So werde das Parlament den Planbeschluß für einen Fünfjahresplan vermutlich erst frühestens gegen Ende des zweiten Jahres einer Legislaturperiode fassen können; damit stelle sich wiederum die Frage einer Bindungswirkung der Pläne über die Legislaturperiode hinaus. Im übrigen sei zweifelhaft, ob die prognostischen Kapazitäten für
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einen fünfjährigen Zeitraum ausreichten. Die unternommenen Versuche mit der mehrjährigen Haushaltsplanung hätten als Ergebnis gehabt, daß nunmehr drei statt zwei Haushaltspläne in zwei Jahren verabschiedet werden müßten, weil ein Nachtragshaushalt notwendig werde. Die Grenzen der Prognose zeigten sich auch an den Fünfjahresplänen im Osten, die trotz des dortigen Zentralismus teilweise nur zu 20 °/o erfüllt worden seien. In unserem pluralen und parlamentarischen System sei ein besseres Ergebnis kaum zu erwarten.
Herrnans machte schließlich auf die Perspektiven aufmerksam, die sich aus einem europäischen Bundesstaat ergeben könnten, wenn es jemals zu einem solchen kommen sollte. Der Bund würde dann auf die Ebene eines Landes, die Länder auf die von Verwaltungseinheiten ohne Staatsqualität zurückfallen. Dies müsse angesichts Art. 79 Abs. 3 GG zu verfassungspolitischen Konsequenzen führen. Als Alternative könne man auch daran denken, unter Aufgabe des Bundes die Länder unmittelbar zu Mitgliedern des vereinigten Europas zu machen. Dies sei aber letztlich eine rein theoreti~che Erwägung. - Bei allen Planungen sei zu bedenken, daß sie schließlich von den Entscheidungen der Politiker abhingen und von ihnen durchkreuzt werden könnten. Aufgrund seiner Erfahrungen sei er zu einem Planungspessimisten geworden. Prof. Quaritsch, Speyer, wies in einer Zwischenbemerkung darauf hin, daß bei allen Streitkräften hochindustrialisierter Staaten die Planungszeiträume für die Entwicklung neuer Waffensysteme 8- 12, sogar bis zu 15 Jahren betragen würden, ohne Rücksicht auf die viel kürzeren Wahlperioden nehmen zu können; er stellte die Frage, ob und warum dies beim Schulwesen etc.anders sein solle. Ministerialrat Behrend, Kiel, ging auf die B.eteiligung des Parlaments an der Planung ein. Es bestehe die Gefahr einer Verschiebung der Gewichte zwischen Exekutive und Legislative, wenn die Planung allein von der Exekutive wahrgenommen werde. Planung sei eine Aufgabe, die Regierung und Parlament zur gesamten Hand zustehe. Gegen eine Beteiligung des Parlaments an der Planung würden aber Bedenken tatsächlicher Art vorgebracht: die Parlamente seien überhaupt nicht in der Lage, Planungsaufgaben wahrzunehmen; außerdem würde eine Beteiligung einen zu hohen Zeitaufwand erfordern. Diese Bedenken ließen an sich nur zwei Schlußfolgerungen zu: entweder müsse man auf die Planung ganz verzichten oder man müssesich init der Verlagerung der Gewichte zugunsten der Exekutive abfinden. Beide Schlußfolgerungen seien aber unvertretbar. Es müsse vielmehr ein Verfahren entwickelt werden, um die Parlamente rechtzeitig und wirksam in den Planungsprozeß einzubeziehen. Hierzu bedürfe es einer Fortentwicklung des Parlamentsrechts und des Parlamentsverfahrens.- Daß ein Planungsbeschluß über die Legislaturperiode hinauswirke, stelle allerdings keine Schwierigkeit dar, da dies
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für die meisten Entscheidungen des Parlaments gelte. Wesentlich sei nur, daß das neue Parlament jederzeit die Möglichkeit habe, den Plan zu ändern. - Ministerialdirigent Dr. Brenken, Mainz, ergänzte diese Ausführungen mit dem Hinweis, daß in einigen Ländern die Kontrolle der Planung durch die Parlamente bereits in Angriff genommen werde.
Brenken befaßte sich anschließend mit der erörterten Planungssystematik. Wenn er auch der Bestandsaufnahme weitgehend zustimme, könne er dcch den gezogenen Schlußfolgerungen nicht beipflichten. Es dürfe kein Nebeneinander der Planungen der einzelnen Planungsebenen geben. Im Hinblick auf die Knappheit der Ressourcen müsse man vielmehr zu einer Art integrierten Gesamtplanung gelangen. Deshalb sollten die angesprochenen fünf Planungsebenen auch nicht verpflichtet sein, jede für sich eine umfas~ende Planung zu machen. Vielmehr müßten die Aufgaben der jeweiligen Planungsebenen dort berücksichtigt werden, wo eine gewisse Koordinierung erfolgen könne. Eine völlig losgelöste Planung auf jeder Ebene verbiete sich schon wegen der Einbeziehung der Ressourcen. Zudem könnte die Planung auch nicht auf die einzelne Ebene beschränkt werden. Bei Planungen eines Landes müsse man z. B. auch Bundesstrafen einbeziehen. Dasselbe gelte für die Planung auf Kreisebene, wobei eine nachrichtliche Übernahme anderer Pläne kaum ausreiche. - Die raumbezogene Planung könne nicht als Auffangplanung gekennzeichnet werden. Vielmehr sei sie auf Entwicklungsziele ausgerichtet, weshalb sie weitgehend Entwicklungsplanung sei. Bisherige Landesentwicklungspläne und -programme, so auch in Rheinland-Pfalz, tendierten zu einer Verbindung der raumbezogenen Planung mit der Finanzplanung. Allerdings könne man nicht verlangen, daß alle Planungen, insbesondere die langfristigen, finanziell abgesichert sein müßten. Bereits die mittelfristige Finanzplanung habe die Schwierigkeiten in dieser Hinsicht aufgezeigt; für Langfristplanungen sei das gänzlich unmöglich. Wenn man die raumbezogene Planung mit einer mittelfristigen Finanzplanung verbinde, komme man zu einer Entwicklungsplanung, wenn man von dem Bereich. der Personal- und Organisationsplanung einmal absehe. Die Einbeziehung der Entwicklungsplanung in die raumbezogene Planung führe auch nicht zu einer ungewollten Bindungswirkung auf andere Bereiche. Gewisse Daten würden nur den Orientierungsrahmen bilden, ohne deshalb für verbindlich erklärt zu werden. So laufe die Entwicklung bei der ressortübergreifenden Planung. Auf diese Weise könne man vermeiden, zu einer Vielzahl von Planungsarten zu kommen. Beigeordneter Dr. Pappermann, Düsseldorf, setzte sich mit der Bindungswirkung der Pläne auseinander. Er halte eine faktische Bindung der unteren Einheiten an die Planungsentscheidungen der höheren Einheiten für richtig. Dies sei auch nicht gefährlich, wenn man den unteren Einheiten die Möglichkeit gäbe, eigene, Planungsvorstellungen stufen-
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weise nach oben durchzubringen. Dies geschehe am besten durch Planungsräte. Je nach dem Gefälle zwischen den Planungsebenen seien eine oder mehrere Stufen vorzusehen. Die Beteiligung an der Regionalplanung könnte so sein, daß die kreisfreien Gemeinden unmittelbar in einem Planungsrat auf Bezirksebene mitwirkten, während für die kreisangehörigen Gemeinden eine Stufe zwischenzuschaUen wäre in Form eines Planungsrates beim Kreis. Kreis und kreisfreie Städte träfen sich dann auf Bezirksebene. Auf Ministerialebene könnten die kommunalen Spitzenverbände die Mitwirkung übernehmen. Auf eine Zwischenfrage von Staatssekretär Hermans, Mainz, welche Rolle die Parlamente in diesem Prozeß einnähmen, antwortete Pappermann, daß man unterscheiden müsse zwischen Plänen, die zum Parlament gehen und anderen Plänen. Bei Plänen, die vom Parlament verabschiedet würden, müsse eine Mitwirkung am Gesetzgebungsverfahren erfolgen. Auch für die Bundesebene, vor allem auch für den Bereich der Globalsteuerung sei das Modell der gestuften oder Mehrebenenplanung anzustreben. Regierungsdirektor Dr. Böckmann, Hannover, der selbst an der Erarbeitung der Konzeption des Landes Niedersachsen für einen integrierten Planungsprozeß von langfristiger Aufgabenplanung, mittelfristiger Durchführungs- und Finanzplanung bis hin zum Haushalt mitgewirkt hat, machte Ausführungen aufgrund bisheriger Erfahrungen. Er warnte vor der Gefahr der langfristigen Festlegung von Prioritäten. Langfristige Planung diene vielmehr lediglich der Vorbereitung von Prioritätsentscheidungen. Sie sei ein grobes Raster, das dann in einem mittelfristigen Durchführungsplan eingeengt werde. Dabei werde mit Bandbreiten und zwei Ausgal;enrahmen gearbeitet: einer, der von der Finanzplanung, der zweite, der von der Aufgabenplanung bestimmt werde. Die letzte Entscheidung falle immer erst im direkten Haushaltsplan. Wesentlich sei das Zusammenspiel zwischen Finanzplanung und Aufgabenplanung. Während die Aufgabenplanung darstelle, was gemacht werden solle, zeige die Finanzplanung, was noch entscheidbar sei, indem sie den Bereich der Rechtsverpflichtungen möglichst sauber definiere. So würden Kabinett und Parlament darüber informiert, wo noch Entscheidungen getroffen werden können. Ein Problem bestehe darin, daß durch die Rahmenannahmen, die Voraussetzung für eine Verbundplanung seien, bereits Aussagen über die notwendige Mittelverteilung in der Zukunft gemacht würden. So habe z. B. eine vorgegebene Zuwachsrate eines öffentlichen Haushalts den Effekt, daß nur in diesem Rahmen geplant werden· könne, ohne Rücksicht darauf, ob der notwendige· Bedarf gedeckt sei. Der Konflikt, der zwischen den anstehenden Aufgaben und den zur Verfügung stehenden Mitteln bestehe, werde in Niedersachsen sichtbar gemacht, um eine politische Prioritätensetzung zu ermöglichen. -Die Quote von 80 Ofo
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automatischer Kooperation, die der Referent genannt habe, sei durchaus realistisch. Bereits die Vorbelastung der Länderhaushalte durch Personalkosten, Gemeinschaftsaufgaben u. a. erlaube eine Annahme in dieser Richtung. Dennoch müsse vor allzu viel Optimismus gewarnt werden. Eine Analyse der politischen und methodischen Bedingungen für eine Verbesserung der derzeitigen Lage vermißte Ministerialdirigent Dr. Hegelau, Bonn. Er ging von einigen Grundbedingungen aus, die niemand ändern wolle, wie etwa der Föderalismus, das Kollegialprinzip im Kabinett und das ausgewogene Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative. Diese Prinzipien seien zu beachten, auch wenn dadurch die Arbeit nicht leichter werde. So sei vor der Annahme zu warnen, daß durch die vorgeschlagene Rahmenplanung auf jeder Ebene die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bzw. Ländern und Gemeinden eingeschränkt werden könnte. Ein vernünftiger Rahmen könne nämlich nur bei Kooperation aller Ebenen erstellt werden. Eine verstärkte Kooperation zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sei deshalb nicht negativ zu beurteilen, zumal sie praktizierte Gewaltenteilung darstelle. - Das politische Gesamtsystem sei nicht in der Lage, die Gesamtkomplexität in einer integrierten Planung zu erfassen. Als Ausweg hätten sich zwei Möglichkeiten ergeben: entweder konzentriere man sich auf Schwerpunkte, die man sich nach und nach vornehme, wobei dies teilweise der vom Referenten angesprochenen Wellentheorie entspreche. Oder die Planung beschränke sich auf Moderation, obgleich von ihr die Setzung von Vorgaben erwartet werde. Dabei dürfe man jedoch die Vorgaben der Planung nicht übersehen. Solche Vorgaben ergäben sich vor allem durch die Ressortabgrenzung und die Regierungserklärung des Bundeskanzlers. Schließlich bezweifelte Hegelau, ob zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits ein Gesetz erlassen werden könne. Vielmehr müßte zuerst eine weitergehende sachliche Abklärung und Anreicherung erfolgen, bevor man einer gesetzlichen Regelung nähertreten könne. Regierungsrat Dr. Zeh, Bonn, aus dem Sekretariat der Enquete-Kommission Verfassungsreform, befaßte sich mit den verschiedenen Planungsmodellen und stellte das Modell der Enquete-Kommission demjenigen des Referenten gegenüber. Letzteres sei horizontal, das der Kommission vertikal angelegt. Dennoch gäbe es Berührungspunkte. Er rege deshalb einen ·Informationsaustausch zwischen den Autoren der beiden Modelle an. Als letzter Diskusisonsredner sprach Beigeordneter Schleberger, Köln. Er befürworte eine generelle Pflicht zur integrierten Entwicklungsplanung auf den genannten fünf Ebenen. Allerdings ergäben sich bei Bund und Ländern Schwierigkeiten in der horizontalen Zusammenführung
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dieser Planung. Dabei seien vor allem drei Punkte zu beachten: erstens stehe, insbesondere beim Bund, das politische Gewicht der Ressorts einer integrierten Entwicklungsplanung entgegen. Zweitens müsse man sich fragen, wie ein solcher Mammutplan zustande kommen könne; vor dem Beginn der Realisierung sei er bereits überholt. Drittens habe er verfassungsrechtliche Bedenken wegen der Ressortverantwortlichkeit der Minister; denn, wenn es eine integrierte Gesamtplanung gäbe, seien dadurch alle politischen Grundentscheidungen vorgegeben. Bei den Gemeinden stelle sich dieses Problem der horizontalen Zusammenführung der Entwicklungsplanung nicht in dieser Schi;irfe. In vertikaler Hinsicht sei-der Referent zu Recht von dem Grundsatz ausgegangen, daß Aufgabenkompetenz ·und Planungskompetenz zusammengehörten. Es sei aber fraglich, ob dies durchgehalten werden könne, ob nicht Planungskompetenzen begründet würden, ohne daß man eine Aufgabenkompetenz habe, wodurch der vertikale Gewaltenteilungseffekt im wesentlichen wiederaufgehoben werde. Das Verbundproblem, das sich hier stelle, könne nur im Wege der Freiwillig~eit geregelt werden. Abschließend ging Schleberger auf das vorgeschlagene Planungsgrundsätzegesetz ein. Er sprach sich gegen die Schaffung einer Bundeskompetenz aus, da die Gefahr bestehe, über Planungskompetenzen auch Aufgabenkompetenzen an den Bund zu ziehen und eine Engmaschigkeit der Planung anzustreben. Die gesetzliche Regelung sei deshalb bei Bund, Ländern und Gemeinden vorzunehmen. Dabei werde für die Gemeinden die Pflicht zur kommunalen Entwicklungsplanung am besten in den Gemeindeordnungen geregelt. ·· · In .s einem Schlußwort führte Wagener aus: Fritz Scharpf habe in seinem Buch "Planung als po~itischer Prozeß" von einem Konservatismus aus Komplexität gesprochen. Weil die Gesamtsituation zU komplex sei, um alles gleichzeitig in eine Entwicklungs-:planung zu fassen, bleibe man bei dem, was man habe. Daraus resultiere die wellenartige Problemlösung, gegen die er grundsätzliche Bedenken habe, weil sie zu einer Überbewertung.der jeweils anstehenden Aufgabe führe. Auf die Frage der Beteiligu11ir des l'ar:laments an der l'hin1111g sei .er nicht eigens eingegangen, da er. die Einbeziehi.mg d~s. P~rlil.mel:its i11 den Planungsprozeß für selbstverständlich ansehe .. OllS- Parlament verfüge auch über hinreichenden Sachverstand z_umal mit de~ Herausbildung von Planungssachverständigen in den Fraktionen zu rechnen sei. Er wolle nicht die vertikale Koordination zurückdrehen, es gehe ihm vielmehr um die Stärkung der horizontalen Koordination. Die vertikale Koordination laufe ohnehin von selbst, da sich die Fachleute aller Ebenen
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persönlich kennen. Um der in der vertikalen Kooperation der Fachleute liegenden Möglichkeit der Überbewertung von Einzelproblemen entgegenzuwirken, müsse die horizontale Abstimmung gestärkt werden. Die Frage nach einem5-oder 10jährigen Planungszeitraum und einer Bindungswirkung über die Legislaturperiode hinaus sei für sein System kein Problem, da jährliche Nachtragsplanungen vorzunehmen seien. Totale Umplanungen beim Regierungswechsel seien ohnehin selten. So sei das Projekt einer Forschungsuniversität Bielefeld, das eine CDURegierung in Nordrhein-Westfalen angekündigt habe, von der nachfolgenden SPD-Regierung weitergeführt worden, obgleich mit der Realisierung noch nicht begonnen gewesen sei. Dieses Beispiel zeige, daß oft eine öffentlich angekündigte Maßnahme automatisch von der nachfolgenden Regierung übernommen werde. Alle langfristigen Investitionen dauerten über eine Parlamentsperiode hinaus; ein Umsteuern sei nur noch in ganz geringem Umfang, bis zu 5 Ofo, und langsam möglich. Ein europäischer Bundesstaat könne für die Bundesrepublik nur dann schwierig werden, wenn man noch kein eigenes Planungssystem habe und deshalb von europäischen Bürokraten verplant werde. Die praktische Verwirklichung einer Parlamentsbeteiligung an der Planung, deren Schwierigkeiten angesprochen worden seien, könnten nur dadurch überwunden werden, daß die Bürokratien zur Vorlage von Alternativplänen verpflichtet würden. So etwas könne man nicht von der Opposition verlangen. Zum Verhältnis Entwicklungsplanung-Raumplanung führte Wagener aus, daß die Raumkomponente für die Entwicklungsplanung eine ganz wesentliche Bedeutung habe. Die Entwicklungsplanung sei aber umfassender, indem siez. B. Organisations- und Personalplanung mit einschließe. Langfristige, über 10 Jahre hinausgehende, Ziele könnten finanziell und ressourcenmäßig nicht mehr abgesichert werden; immerhin müsse man aber auch über diesen Zeitraum hinaus die Richtung kennen, in die es weitergehen solle. W agener sprach sich nochmals gegen eine Bindung der einzelnen Ebenen untereinander aus. Ein gewisses Maß an Unordnung wolle er der politischen Flexibilität wegen in Kauf nehmen. An zwei Beispielen auf Kommunal- bzw. Bundesebene machte er deutlich, wie Entwicklungspianung aussehen solle. Zur Kindergartenplanung z. B. dürfe in einem auf 10 Jahre angelegten Stadtentwicklungsplan nicht mehr als eine halbe Seite stehen. Hierher gehöre die Zahl der Kindergartenplätze pro Einwohner und allenfalls eine Vorstellung über die räumliche Verteilung der Kindergärten. Alle Einzelheiten müßten in der Fachplanung enthalten sein, die daneben von der zuständigen Abteilung aufzustellen sei. Auf Bundesebene müsse im Bundesentwicklungsplan z. B. das Straßenwesen
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auch ganz knapp abgehandelt werden; hier müsse man sich auf wenige Angaben hinsichtlich des geplanten Straßennetzes, der Finanzierung und der Anzahl der Fahrbahnen beschränken. All~s übrige gehöre in die vom Verkehrsministerium zu erstellende Fachplanung. Freilich müsse bei einer Planung die jeweils untere Ebene die Möglichkeit haben, ihre Vorstellungen bei der höheren Ebene vorzubringen, aber nur im Sinne unverbindlicher Vorschläge. Entscheiden müsse die jeweils verantwortliche Ebene. Es sei auf Bandbreiten hingewiesen worden. Gegenüber Bandbreiten ziehe er finanzielle Raster verschiedener Größenordnung vor. Bei einer 10jährigen Entwicklungsplanung des Bundes wäre das kleinste Raster 10 Millionen, bei Ländern ca. 1 Million; gerrauere Angaben sollten nicht gemacht werden. Für eine politische und methodische Gesamtanalyse sei die Zeit zu knapp gewesen. Er sei aber dennoch für einen Gesetzentwurf, den man z. B. in einem Planspiel ausprobieren könne. Planungsvorgaben mache der Kanzler; dieser habe es aber leichter, wenn er einen 100seitigen Entwicklungsplan zur Hand habe und deutlich machen könne, welche Schwerpunkte er daraus in seinem Regierungsprogramm setzen wolle. Ein neuer Kanzler könne dann auf Abweichungen seines Programms vom Plan hinweisen, wodurch deutlicher werde, was ~r eigentlich wolle. Bisher sei er von der Bundeskompetenz für ein solches Gesetz ausgegangen, für die eine Verfassungsänderung notwendig wäre. Wenn sich das nicht verwirklichen lasse, greife er gerne den Vorschlag auf, eine gesetzliclle Regelung bei Bund, Ländern und Gemeinden vorzunehmen, wofür das Haushaltswesen als Vorbild dienen könne. Abschließend machte Wagener deutlich, daß seine Vorstellungen keineswegs kurzfristig realisiert werden könnten. Es gehe vielmehr darum, sich möglichst auf eine Gesamtkonzeption zu einigen, an der Einzelentscheidungen gemessen werden könnten. Vielleicht könne man bei einer künftigen St::eyer-Tagung in 6 oder 7 Jahren gemeinsam überlegen, was aus diesen Vorstellungen geworden sei. Prof. Dr. Quaritsch beschloß Aussprache und Tagung mit einem Dank an die Referenten und die Teilnehmer.