Der Erste Petrusbrief Und Die Johanneischen Schriften: Versuch Einer Traditionsgeschichtlichen Verhaltnisbestimmung (Biblical Tools and Studies, 46) (German Edition) 9042952067, 9789042952065

In der hier vorgelegten Studie geht es um die Frage nach der literarischen Verhaltnisbestimmung zwischen dem ersten Petr

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German Pages 174 [177] Year 2023

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BIBLICAL TOOLS AND STUDIES
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INHALT
VORWORT
EINLEITUNG
I. SPRACHLICH-FORMALE UND THEOLOGISCH-KONZEPTIONELLE BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR
II. 1PETR, EINE KLEINASIATISCHE PETRUSGRUPPE UND DER JOHANNEISCHE KREIS
LITERATUR
AUTORENVERZEICHNIS
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Der Erste Petrusbrief Und Die Johanneischen Schriften: Versuch Einer Traditionsgeschichtlichen Verhaltnisbestimmung (Biblical Tools and Studies, 46) (German Edition)
 9042952067, 9789042952065

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Biblical Tools and Studies 

D

er erste Petrusbrief und die johanneischen Schriften VERSUCH EINER TRADITIONSGESCHICHTLICHEN VERHÄLTNISBESTIMMUNG

Thomas Witulski

PEETERS

DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

BIBLICAL TOOLS AND STUDIES Edited by J. VERHEYDEN KU Leuven

Associate Editors G. BAZZANA, Harvard Divinity School – A. BERLEJUNG, Leipzig K.J. DELL, Cambridge – J. FREY, Zürich – C.M. TUCKETT, Oxford

Biblical Tools and Studies – Volume 46

DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN VERSUCH EINER TRADITIONSGESCHICHTLICHEN VERHÄLTNISBESTIMMUNG

THOMAS WITULSKI

PEETERS LEUVEN – PARIS – BRISTOL, CT 2023

Cover: Τῆς καινῆς Διαθήκης ἅπαντα. Εὐαγγέλιον Novum Iesu Christi D.N. Testamentum ex bibliotheca regia. Lutetiae: ex officina Roberti Stephani, 1550. in-folio. KU Leuven, Maurits Sabbe Library, P225.042/F° Mt 5,3-12

No part of this book may be reproduced in any form, by print, photoprint, microfilm or any other means without written permission from the publisher. A catalogue record for this book is available from the Library of Congress

ISBN 978-90-429-5206-5 eISBN 978-90-429-5207-2 D/2023/0602/63 © 2023, Peeters, Bondgenotenlaan 153, B-3000 Leuven (Belgium)

INHALT

Vorwort  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

1. Forschungsgeschichtliche und methodische Vorklärungen . . .

1

2. Einleitungswissenschaftliche Vorklärungen . . . . . . . . . .

12

I. Sprachlich-formale und theologisch-konzeptionelle Berührungen zwischen 1Petr und der johanneischen Literatur . . . . . . . . .

27

1. 1Petr 1,1f. – Joh 15,19: Die Adressaten als ‚erwählte Fremdlinge der Zerstreuung‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

2. 1Petr 1,3.23 – Joh 3,3.(5.)7: Die Thematik der Wiedergeburt/ Wiederzeugung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

3. 1Petr 1,8 – Joh 20,29: Nicht sehen und doch glauben  . . . . 101 4. 1Petr 2,25; 5,4 – Joh 10,11.14f.: Christus, der Hirte . . . . . 107 5. 1Petr 5,2 – Joh 21,15–17: Petrus, der Hirte . . . . . . . . . 122 6. 1Petr 5,13 – Apk 14,8, 17,5.18; 18,2: Βαβυλών . . . . . . . 131 7. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 II. Der 1Petr, eine kleinasiatische Petrusgruppe und der johanneische Kreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

VORWORT

Die hier vorgelegte Studie zur traditionsgeschichtlichen Relation zwischen dem ersten Petrusbrief und den Schriften des Corpus Johanneum ist aus einem Short Paper erwachsen, das ich im Rahmen des 2019 stattfindenden 68. Colloquium Biblicum Lovaniense mit dem Titel „Peter in the Early Church: Apostle – Missionary – Church Leader“ präsentieren durfte. An dieser Stelle danke ich all denen, die daran mitgewirkt haben, dass dieses Buch nun in dieser Weise erscheinen kann: Zunächst Herrn Prof. Dr. D. Horrell für manchen Rat, in Sonderheit für den Hinweis auf die Arbeit von O.D. Foster, dann den Mitgliedern der Bielefelder Sozietät für Neues Testament, hier vor allem meinem Kollegen und Freund Herrn Prof. Dr. A. Lindemann, für die hilfreiche Begleitung im Prozess der Entstehung dieser Schrift, daran anschließend meinen Mitarbeiterinnen Frau Mag.Art. Jasmin Leopold und Frau Julia Oestringer, BA, die sich der nicht geringen Mühe des Korrekturlesens und der Erstellung des Registers unterzogen haben, dem Herausgeberkreis der Biblical Tools and Studies für die bereitwillige Aufnahme dieser Schrift in die von ihnen zu verantwortende Reihe und – last but not least – den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Verlages Peeters Publishers Leuven, hier vor allem Frau Dr. E. Hernitscheck, für die ausgezeichnete Betreuung und die hervorragende Umsetzung des nicht immer einfachen Satzes. Ihnen allen gilt mein herzlicher Dank. Billerbeck, im August 2023

Thomas Witulski

EINLEITUNG

1. FORSCHUNGSGESCHICHTLICHE UND METHODISCHE VORKLÄRUNGEN In der exegetischen Forschung der Gegenwart wird die Annahme von literarischen Bezügen zwischen dem 1Petr und den johanneischen Schriften1, die Annahme also, dass im 1Petr entweder (vor-)johanneisches, in den johanneischen Schriften nachweisbares Traditionsmaterial verarbeitet oder aber Passagen aus diesen Schriften mittelbar oder womöglich sogar unmittelbar aufgenommen und reflektiert worden seien, entweder erst gar nicht diskutiert2 oder aber weitestgehend abgelehnt3. Diese annähernd durchgängige 1. Die Frage, ob die neutestamentliche Apk unter die johanneischen Schriften zu rechnen ist, wird in der Forschung kontrovers diskutiert und kann hier in all ihren Dimensionen nicht nachgezeichnet werden. In seiner Einleitung schlägt U. Schnelle folgenden denkbaren Mittelweg vor: „Diese Differenzen lassen es als sinnvoll erscheinen, die Offenbarung nicht unmittelbar zur johanneischen Schule zu zählen, sondern sie in einer mittelbaren Verbindung zu den anderen joh[anneischen]. Schriften zu sehen, wodurch sich dann auch die vorhandenen Gemeinsamkeiten erklären“ (Einleitung, 516). Auf der Basis dieser Überlegung wird die Apk im Rahmen der in der vorliegenden Studie zu diskutierenden Fragestellung als in der Tradition des johanneischen Kreises bzw. der johanneischen Schule (vgl. hierzu u. 21–23) stehend in die Phalanx der johanneischen Schriften eingereiht, im Bewusstsein der Tatsache allerdings, dass sie womöglich nur mittelbar dazugehört. P. Pokorný/U. Heckel, Einleitung, 535 rechnen die neutestamentliche Apk unmittelbar zu den johanneischen Schriften; vgl. in diesem Sinne etwa auch J.-W. Taeger, Johannesapokalypse, 204f. 2. Vgl. hierzu etwa J.R. Michaels, 1Petr, xli–xlii, der in seinem Kommentar zwar einen Abschnitt zur ‚petrinischen‘ „gospel tradition“ (xli) bietet, einen wie auch immer zu definierenden Bezug von 1Petr auf Joh oder auf die johanneische Literatur in ihrer Gesamtheit jedoch nicht bedenkt. Vgl. darüber hinaus auch die Ausführungen in dem von J.H. Elliott vorgelegten Kommentar zu 1Petr; im Rahmen seiner Diskussion möglicher traditionsgeschichtlicher oder literarischer Bezüge zwischen 1Petr und den übrigen Schriften des Neuen Testaments spielen das Joh und die übrigen johanneischen Schriften nicht einmal im Ansatz eine Rolle (vgl. 20–30). 3. Vgl. hierzu etwa E. Best, Gospel Tradition, 99: „We see no reason then to conclude that the author of 1 Peter knew the tradition of the Gospel of John“. In gewissem Sinne eine Ausnahme bildet hier O.D. Foster, Epistle of Peter, 533, der im Anschluss an eine Analyse der literarischen Parallelen zwischen der johanneischen Literatur ohne die Apk und 1Petr feststellt: „Our study, therefore, seems to require us to conclude that the Johannine Literature (especially I John and the Gospel) depends directly upon the First Epistle of Peter“. Dass ein in diese Richtung gehendes literarisches Abhängigkeitsverhältnis als eher unwahrscheinlich gelten muss, belegt schon der Sachverhalt, dass im Joh der Person des Petrus lediglich eine

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

Ablehung wird allerdings, meist aber nur bezogen auf das Joh, nicht jedoch auf die übrige im Neuen Testament überlieferte johanneische Literatur, jeweils durchaus unterschiedlich begründet: Während etwa L. Goppelt eher apodiktisch formuliert: „Das JohEv wird [im 1Petr] nirgends wahrnehmbar“4 – um dann allerdings in einer Fußnote eine durchaus beträchtliche Anzahl zumindest möglicher Berührungen zwischen dem Joh und 1Petr aufzulisten, die für ihn allerdings lediglich „ähnliche Gedanken oder Einzelwörter“5 darstellen –, vermag etwa M. Vahrenhorst durchaus Parallelen zwischen 1Petr und Joh darzustellen, die s.E. ihrerseits aber die Annahme einer literarischen Abhängigkeit – wobei unklar bleibt, wer eine solche Annahme formuliert hätte und welche Schrift dann von welcher als literarisch abhängig einzustufen wäre – jedoch nicht zu tragen vermöchten6. Jenseits der noch zu erfolgenden kritischen Analyse der jeweiligen Argumentationen von Goppelt und Vahrenhorst muss unmittelbar auffallen, dass weder der eine noch der andere klare Kriterien entwickelt, die erkennen ließen, wie sie zu ihren jeweiligen Einschätzungen und Entscheidungen gekommen sind. Diese unterschiedlichen und zugleich in sich eben aufgrund fehlender Kriterien nur wenig konsistenten Begründungen vermögen jedoch in untergeordnete Rolle – und damit auf der historischen Ebene, innerhalb der johanneischen Schule bzw. des johanneischen Kreises sicherlich auch eine nur untergeordnete theologische Relevanz – zugeschrieben wird; vgl. hierzu ausführlicher u. 149f. 4. 1Petr, 53; allerdings listet Goppelt in einer Fußnote dann offensichtlich doch – zumindest mögliche – Berührungen zwischen dem Joh und 1Petr auf, die für ihn allerdings lediglich – oder vielleicht auch immerhin – „ähnliche Gedanken oder Einzelwörter“ (53, A. 93) darstellen. Konkret geht es dabei um folgende Bezüge: „1Petr 1,3.23; 2,2 – Joh 3,3.7: Wiedergeburt; 1,21 – Joh 14,1: πιστεύειν mit εἰς; 1,22 (4,8) – Joh 13,34; 15,12: die gegenseitige Liebe; 2,25; 5,4 – Joh 10,11.14 und 1Petr 5,2 – Joh 21,15–17: Jesus der Hirte und sein Auftrag zu weiden“ (53, A. 93). 5. 1Petr, 53. 6. Eine erste Parallele sieht M. Vahrenhorst zwischen 1Petr 1,8 und Joh 20,29, eine zweite zwischen 1Petr 5,2 und Joh 21,16. Im Blick auf die erste Parallele führt er aus: „Der Gedankengang und auch die Begrifflichkeit ist in beiden Texten zu verschieden, als dass man von literarischer Abhängigkeit ausgehen könnte“ (1Petr, 41, A. 160), in 1Petr 5,2 sieht er keinen Bezug auf Joh 20,29, sondern eine Aufnahme des „schon im AT bekannte[n] Bild[es] vom Hirten für Inhaber von Leitungsfunktionen“. Vgl. zu dieser Einschätzung auch bereits P.J. Achtemeier, 1Petr, 21; Achtemeier erklärt Parallelen mit dem Hinweis auf „a similar spirtual atmosphere, one dealling with the rebirth of Christians through Christ crucified and risen, whose glorious fate they will ultimately share at his return if they prove faithful. Such a spiritual atmosphere is finally the Christian tradition writ large, the likely source of similarities here“. Ob diese Erklärung zureicht, ist freilich erst noch zu überprüfen, in Sonderheit im Blick auf die Frage, ob die entsprechenden Parallelen zwischen 1Petr und dem Joh tatsächlich einer gemeinurchristlichen theologisch-spirituellen Verfasstheit zugeschrieben werden können oder nicht womöglich doch als Indikatoren einer traditionsgeschichtlichen oder gar literarischen Relation begriffen werden müssen.

EINLEITUNG

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dieser Form gerade ihrer offensichtlichen Inkonsistenz wegen kaum zu überzeugen und lassen die Frage nach Bezügen zwischen 1Petr und der johanneischen Literatur als eine – trotz der in der gegenwärtigen exegetischen Sekundärliteratur deutlich anderslautenden Tendenz – noch keinesfalls abschließend beantwortete erscheinen. Zu fragen ist somit zunächst: Lassen sich zwischen dem 1Petr und den johanneischen Schriften sprachliche und inhaltliche Berührungen oder Parallelen nachweisen, die weder mit dem Verweis auf den gemeinsamen allgemein-urchristlichen Kontext, innerhalb dessen sowohl der 1Petr als auch die johanneische Literatur zu verorten sind, noch mit dem Verweis auf den gemeinsamen alttestamentlichen, frühjüdischen oder auch pagan-hellenistischen Hintergrund urchristlicher Literatur und Theologie, der dann jeweils als unabhängige Quelle zur Verfügung stand, erklärt werden können. Im Falle eines positiven Nachweises solcher nicht als jeweils unabhängig erfolgter Rückgriff auf alttestamentliche, frühjüdische, gemein-urchristliche oder pagan-hellenistische Gedanken, Texte und Vorstellungen zu erklärender sprachlicher und inhaltlicher Berührungen oder Parallelen sind dieselben dann – immer unter der Voraussetzung, dass jene sich nicht einem theologischen Zufall, d.h. der vollständig unabhängigen und dabei zugleich originär-schöpferischen Arbeit zweier getrennt voneinander wirkender Autoren oder Autorenkreise verdanken – vor dem Hintergrund der Umstände der Entstehung des 1Petr näher zu analysieren: Handelt es sich bei diesen um traditionsgeschichtliche Bezüge, die sich als ein jeweils unabhängig erfolgter Rückgriff auf gemeinsames Traditionsmaterial definieren lassen, oder stellen die aufgewiesenen sprachlichen und inhaltlichen Berührungen direkte literarische Bezugnahmen dar, die zu erklären die Annahme eines jeweils als mittelbar oder aber unmittelbar vermittelt zu denkenden mittelbaren oder unmittelbaren Reflexes auf bereits verschriftlichte Texte erfordert. In einem zweiten Schritt ist dann nach möglichen Erklärungen für den jeweils plausibilisierten Sachverhalt zu suchen; nun ist, falls in den im ersten Schritt erfolgten Textanalysen traditionsgeschichtliche oder literarische Bezüge positiv substantiiert werden konnten, die Frage zu stellen, warum der Verfasser des 1Petr7 bei der Abfassung seiner Epistel entweder auf Begriffe und theologische Gedanken zurückgegriffen hat, die in der johanneischen Tradition nachweisbar sind, oder aber – mittelbar oder unmittelbar – literarisch auf die ihm entweder mittelbar vermittelten

7. Dass es sich bei dieser Verfassergestalt nicht um den historischen Petrus handelt, wird hier vorausgesetzt; vgl. zu der entsprechenden Diskussion etwa U. Schnelle, Einleitung, 478– 480 und auch P. Pokorný/U. Heckel, Einleitung, 702f.

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

oder aber ihm unmittelbar selbst vorliegenden johanneischen Schriften Bezug nimmt. Im Rahmen seiner Untersuchungen zur Frage der Abhängigkeit des 1Petr von der paulinischen Tradition und Literatur referiert J. Herzer folgende vier von K. Shimada im Blick auf das Problem einer literarischen Abhängigkeit von Texten entwickelte Kriterien, die jenem zufolge zumindest in ihrer deutlichen Mehrheit erfüllt sein müssen: „1. Eine literarische Abhängigkeit liegt natürlich dann vor, wenn eine Passage ausdrücklich und ausführlich zitiert wird; 2. wenn das Original und die abgeleiteten Passagen unter kontextanalytischen Gesichtspunkten gleich oder sehr ähnlich sind; 3. wenn die Wendungen (inklusive Wortstellung) und Wörter identisch oder Wörter durch Paronyme gleicher Bedeutung ersetzt wurden; 4. die Gesamtkonzepte der jeweiligen Vorstellungen dieselben oder sehr nahe verwandt sind“8. Herzer zufolge weise Shimada „darauf hin, daß von einer direkten literarischen Abhängigkeit nur unter der Voraussetzung einer ‚cumulative evidence‘ dieser Kriterien die Rede sein kann“9. Hinsichtlich der Frage eines lediglich traditionsgeschichtlichen Bezugs zwischen Texten formuliert Herzer selbst dann folgende Kriterien: „1. ein kontextanalystisches, d.h. die Frage, ob ähnliche Vorstellungen in vergleichbaren Kontexten zu finden sind; 2. ein begriffsanalytisches, d.h. die Frage, ob gleiche oder ähnliche Begriffe in der gleichen Bedeutung entfaltet werden, wozu auch die Frage nach vergleichbaren Wortfeldern gehört; 3. die Frage nach bewußten Bezugnahmen auf bestimmte Traditionen. Anzumerken ist, daß eine ‚kumulative Evidenz‘ hierbei nicht erforderlich wäre, weil jedes Kriterium für sich bereits einen deutlichen Hinweis auf traditionsgeschichtliche Bezüge liefern würde“10. Im Blick auf die in der vorliegenden Studie verfolgte Intention sind diese einen literarischen oder aber einen traditionsgeschichtlichen Bezug zweier Texte indizierenden Kriterien jedoch neu zu kontextualisieren und damit auch neu zu kalibrieren und neu zu definieren. Dies soll geschehen in unmittelbarer Relation zunächst zu den unterschiedlichen denkbaren Möglichkeiten der (positiven) sprachlichen sowohl als auch der – damit untrennbar verknüpften – (positiven) inhaltlichen Rezeption eines nicht von ihm selbst verfassten Textes durch einen Autor im Rahmen des Unterfangens der Kreation eines eigenen Textes, somit also im produktionsästhetischen11 Kontext eines (positiven) 8. Petrus oder Paulus?, 13. 9. Petrus oder Paulus?, 13. 10. Petrus oder Paulus?, 13. 11. Im Rahmen der vorliegenden Studie wird davon ausgegangen, dass die möglichen literarischen oder traditionsgeschichtlichen Bezüge zwischen dem 1Petr und der johanneischen Literatur sich der bewussten theologischen Arbeit eines oder mehrerer Autoren oder aber eines Autorenkreises verdanken. Daher bewegen sich die angestellten Überlegungen auf der produktions- und nicht auf der rezeptionsästhetischen Ebene. Am ehesten lehnt sich die hier gewählte Methode an den Intertextualitätsbegriff von G. Genette an; Genette formuliert: „Der erste [Typus transtextueller Beziehungen] wurde vor einigen Jahren von Julia Kristeva … erforscht, …. Ich definiere sie [bzw. jenen] … als Beziehung der Kopräsenz zweier oder mehrerer Texte, d.h. in den meisten Fällen … als effektive Präsenz eines Textes in einem anderen Text“ (Palimpseste, 10). Genette nennt hier als konkrete Realisierungen einer so verstandenen

EINLEITUNG

5

literarischen Bezugs, dann aber auch in Relation zu den unterschiedlichen denkbaren Möglichkeiten der (positiven) sprachlichen sowohl als auch der (positiven) inhaltlichen Rezeption des gleichen traditionellen Materials durch zwei unabhängig voneinander arbeitende Autoren. Wird angenommen, ein Autor habe einen nicht von ihm verfassten Text in einem von ihm geschaffenen Werk verarbeitet, sind konkret folgende Möglichkeiten der Rezeption und Verwendung denkbar: (a) Ein Autor rezipiert einen ihm schriftlich vorliegenden (Prä-)Text und verarbeitet ihn in einem von ihm neu kreierten Text explizit, d.h. er gibt diesen Text entweder als Zitat wieder oder verwendet Motive oder Lexeme desselben. In dem von ihm geschaffenen neuen Text werden diese Zitate, Motive12 oder Lexeme13 entweder rekontextualisiert, d.h. in einen Kontext eingebunden, der ihrem prätextualen Kontext entspricht, oder aber neu kontextualisiert, d.h. in einen ihrem prätextualen Kontext nicht entsprechenden Kontext integriert. Eine solche auctoriale Vorgehensweise lässt sich als ein unmittelbar vermittelter unmittelbarer literarischer Reflex auf einen vorgegebenen (Prä-)Text definieren. (b) Ein Autor verarbeitet einen ihm schriftlich vorliegenden (Prä-)Text implizit, d.h. er gibt diesen in vollständig eigenen Worten wieder, bietet somit also eine

Intertextualität das Zitat, das Plagiat und die Anspielung und grenzt sich zugleich von weitergehenden, eher rezeptionsästhetisch akzentuierten Intertextualitätsbegriffen ab (vgl. 10f.). Als weitere Typen transtextueller Beziehungen definiert Genette die Paratextualität (vgl. 11–13), die Metatextualität (vgl. 13), die Hypertextualität (vgl. 14–18) und die Architextualität (vgl. 13f.). Den Begriff der Paratextualität definiert er näherhin als sämtliche „Arten zusätzlicher, auto- oder allographer Signale, die den Text mit einer (variablen) Umgebung ausstatten und manchmal mit einem offiziellen oder offiziösen Kommentar versehen, dem sich auch der puristischste und äußeren Informationen gegenüber skeptischer Leser nicht so leicht entziehen kann“ (11f.). Als konkrete Beispiele listet er auf: „Titel, Untertitel, Zwischentitel; Vorworte, Nachworte, Hinweise an den Leser, Einleitungen usw.; Marginalien, Fußnoten, Anmerkungen, Motti; Illustrationen, Waschzettel, Schleifen, Umschlag“. Bei der Metatextualität „handelt es sich um die üblicherweise als ‚Kommentar‘ apostrophierte Beziehung zwischen einem Text und einem anderen, der sich mit ihm auseinandersetzt, ohne ihn unbedingt zu zitieren (anzuführen) oder auch nur zu erwähnen“ (13). Bei der Hypertextualität geht es um das von einem Kommentar zu unterscheidende Phänomen der Überlagerung eines Hypotextes durch einen oder mehrere Hypertexte; als Beispiel nennt Genette hier die Odyssee des Homeros, die als Hypotext für die beiden Hypertexte Aeneis (P. Vergilius Maro) und Ulysses (J. Joyce) fungiert. Dabei kommt dem Sinnpotential des Hypotextes entscheidende Bedeutung im Rahmen der Erschließung desjenigen des jeweiligen Hypertextes zu. Unter dem Begriff der Architextualität subsumiert Genette sämtliche „unausgesprochene[n] Beziehung[en], die bestenfalls in einem paratextuellen Hinweis auf die taxonomische Zugehörigkeit des Textes zum Ausdruck … kommen“ (13); unter solchen Hinweisen subsumiert er „Titel. wie Gedichte, Essays oder Der Rosenroman usw. oder, was häufiger der Fall ist, eine[n] Untertitel., der den Titel auf dem Umschlag ergänzt, etwa Hinweise wie Roman, Erzählung, Gedichte usw.“. 12. Zum Begriff des Motivs vgl. E. Frenzel, Symbolforschung, 26; ihr zufolge sei ein Motiv zu definieren als „eine kleinere stoffliche Einheit, die zwar noch nicht einen ganzen Plot, eine Fabel, umfasst, aber doch bereits ein inhaltliches, situationsmäßiges Element darstellt“. 13. Zum Begriff des Lexems vgl. T. Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch 2, 659f.

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

Paraphrase14 dieses (Prä-)Textes, die, ebenfalls re- oder auch neu kontextualisiert, mit anderem Material zu einem neuen Text verwoben wird. In diesen Fällen kann von einem unmittelbar vermittelten mittelbaren literarischen Reflex eines Textes auf einen vorliegenden (Prä-)Text gesprochen werden. (c) Ein Autor wird über die Inhalte eines existierenden Textes von dritter Seite informiert und verarbeitet diese Informationen explizit, indem er in dem von ihm kreierten neuen Text diesem (Prä-)Text entnommene und dann re- oder neu kontextualisierte Zitate, Motive oder Lexeme bietet. Hier liegt dann ein mittelbar vermittelter unmittelbarer literarischer Reflex vor. (d) Werden von dritter Seite erhaltene Informationen über einen (Prä-)Text implizit verarbeitet, d.h. lediglich paraphrasiert wiedergegeben und in einem neuen und eigenen Text re- oder neu kontextualisiert, handelt es sich um einen mittelbar vermittelten mittelbaren literarischen Reflex auf einen existierenden (Prä-)Text. Das folgende Schaubild vermag diese Zusammenhänge in übersichtlicher Form zusammenzufassen und zu visualisieren. Dabei geben die gelb markierten Felder diejenigen Positionen an, an denen im weiteren Verlauf der Darlegungen die Frage nach den Kriterien zugunsten eines traditionsgeschichtlichen oder eines literarischen Bezugs diskutiert und entwickelt werden:

14. Zum Begriff der Paraphrase vgl. etwa T. Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch 2, 776: „Umschreibung. Das Gleiche mit anderen Worten sagen. Die sinngemäße [!] Wiedergabe bzw. die Wiederholung einer Satzbedeutung mit anderen Mitteln; Sätze oder Konstruktionen mit derselben Tiefenstruktur; Umschreibung eines identischen Sachverhalts; Methode zur Sichtbarmachung von Tiefenstrukturen“. Diejenigen traditionsgeschichtlichen oder aber literarischen Reflexe, die sich nicht unmittelbar lexikographisch nachweisen lassen, sondern sich lediglich inhärent, d.h. etwa in parallelen Denkfiguren oder in einer parallelen Argumentationslogik konkretisieren, sind in diesem Sinne ebenfalls als Paraphrase zu definieren.

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EINLEITUNG

unmittelbar vermittelter mittelbarer literarischer Reflex

unmittelbar vermittelter unmittelbarer literarischer Reflex

neuer Text

Rekontextualisierung / Neukontextualisisierung

Rekontextualisierung / Neukontextualisierung

Paraphrasen

Lexemen

Motiven

Wiedergabe in Form von

Wiedergabe in Form von

implizit

explizit

Zitaten

Rezeption und Verarbeitung

eigene Lektüre

Ausgangstext

Vermittlung Dritter

Rezeption und Verarbeitung implizit

explizit

Wiedergabe in Form von

Wiedergabe in Form von

Paraphrasen

Lexemen

Rekontextualisierung / Neukontextualisierung

Motiven

Zitaten

Rekontextualisierung / Neukontextualisierung

neuer Text mittelbar vermittelter mittelbarer literarischer Reflex

mittelbar vermittelter unmittelbarer literarischer Reflex

Wird postuliert, zwei unabhängig voneinander arbeitende Autoren hätten in ihren jeweiligen Werken das gleiche Traditionsmaterial verarbeitet, ergeben sich, da eine mündliche Tradition immer nur als eine mittelbar vermittelte, niemals jedoch als eine unmittelbar vermittelte denkbar ist, mutatis mutandis

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

folgende Möglichkeiten der Rezeption und Verarbeitung: (a) Ein Autor rezipiert eine ihm mündlich vorliegende Tradition und verarbeitet sie in einem von ihm neu kreierten Text explizit, d.h. er gibt diese ihm überlieferte Tradition entweder als Zitat wieder oder bietet Motive oder Lexeme derselben. In dem von ihm geschaffenen neuen Text werden diese aus der Tradition stammenden Zitate, Motive oder Lexeme entweder rekontextualisiert, d.h. in einen Kontext eingebunden, der ihrem traditionalen Kontext entspricht, oder aber neu kontextualisiert, d.h. in einen ihrem traditionalen Kontext nicht entsprechenden Kontext integriert. Eine solche auctoriale Vorgehensweise lässt sich als ein mittelbar vermittelter unmittelbarer traditionsgeschichtlicher Reflex auf eine überlieferte und mündlich vorliegende Tradition definieren. (b) Ein Autor verarbeitet eine ihm mündlich vorliegende Tradition implizit, d.h. er gibt diese in eigenen Worten, als re- oder neu kontextualisierte Paraphrase, wieder, die, in argumentationslogischen Strukturanalogien neu kontextualisiert, mit anderem Material zu einem neuen Text verwoben wird. Hier kann von einem mittelbar vermittelten mittelbaren traditionsgeschichtlichen Reflex auf eine mündlich überlieferte Tradition gesprochen werden. Diese Zusammenhänge werden in folgendem Schaubild visualisiert und zusammengefasst:

mündliche Tradition

Vermittlung Dritter

Rezeption und Verarbeitung

implizit

explizit

Wiedergabe in Form von

Wiedergabe in Form von

Paraphrasen

Lexemen

Rekontextualisierung / Neukontextualisierung

Motiven

Rekontextualisierung / Neukontextualisierung

neuer Text mittelbar vermittelter mittelbarer traditionsgeschichtlicher Reflex

mittelbar vermittelter mittelbar vermittelter unmittelbarer unmittelbarertraditionstraditionsgeschichtlicher geschichtlicherReflex Reflex

Zitaten

9

EINLEITUNG

Aus alledem folgt, dass im Blick auf einen traditionsgeschichtlichen oder aber literarischen Bezug zwischen zwei Texten oder Textkonvoluten sechs unterschiedliche Bezugsformen bzw. Reflexe denkbar sind: der unmittelbar vermittelte unmittelbare literarische Reflex, der unmittelbar vermittelte mittelbare literarische Reflex, der mittelbar vermittelte unmittelbare literarische Reflex, der mittelbar vermittelte mittelbare literarische Reflex, der mittelbar vermittelte unmittelbare traditionsgeschichtlicher Reflex und schließlich der mittelbar vermittelte mittelbare traditionsgeschichtliche Reflex. Werden diese Reflexe bzw. Bezugsformen nun mit unterschiedlichen temporal und zugleich lokal – d.h. auf die Verortung der Abfassung bezogenen – akzentuierten Konvergenzen oder Divergenzen der beiden Texte oder Textkonvolute in Beziehung gesetzt, so ergibt sich im Blick auf die historische Möglichkeit der einzelnen Bezugsformen folgendes Bild: temporale temporale und lokale Konvergenz und Konvergenz lokale Divergenz

temporale temporale Divergenz und und lokale lokale Konvergenz Divergenz

unmittelbar möglich vermittelter unmittelbarer literarischer Reflex

möglich

möglich

möglich

unmittelbar vermittelter mittelbarer literarischer Reflex

möglich

möglich

möglich

möglich

mittelbar möglich vermittelter unmittelbarer literarischer Reflex

möglich

möglich

möglich

mittelbar vermittelter mittelbarer literarischer Reflex

möglich

möglich

möglich

möglich, etwa durch individuelle Vermittlung einzelner Personen, die mit den jeweiligen Traditionen in Kontakt gekommen sind

möglich, aber unwahrscheinlich eher unwahrscheinlich, da eine Verschriftung bereits vorliegt

möglich

mittelbar möglich vermittelter unmittelbarer traditionsgeschichtlicher Reflex

10

DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

mittelbar vermittelter mittelbarer traditionsgeschichtlicher Reflex

möglich

möglich, etwa durch individuelle Vermittlung einzelner Personen, die mit den jeweiligen Traditionen in Kontakt gekommen sind

möglich, aber unwahrscheinlich eher unwahrscheinlich, da eine Verschriftung bereits vorliegt

Im Unterschied zu einer literarischen Bezugnahme setzt die Annahme einer traditionsgeschichtlich akzentuierten Bezugnahme eine Konvergenz der Abfassungszeiten der jeweils diskutierten Texte oder Textkonvolute, somit eine temporale Konvergenz derselben voraus. M.a.W.: Ein voneinander unabhängiger Rückgriff zweier Autoren auf gemeinsames mündliches Traditionsmaterial erfordert die Annahme, dass beide Autoren ihre Texte zu annähernd gleicher Zeit abgefasst haben. Differiert die Abfassungszeit der beiden Texte in erheblichem Maße, d.h., liegt eine temporale Divergenz vor, so bleibt bei einer gleichzeitigen lokalen Konvergenz die Annahme einer traditionsgeschichtlichen Bezugnahme auf das gleiche, noch mündlich vorliegende Traditionsmaterial zwar denkbar, aber im Grundsatz gilt: Je größer die temporale Divergenz zweier Texte oder Textkonvolute anzusetzen ist, desto unwahrscheinlicher wird die Annahme einer traditionsgeschichtlich akzentuierten Bezugnahme der beiden jeweiligen Autoren auf eine mündlich vorliegende Tradition. Viel näher liegt hier dann die Annahme, dass der später schreibende Autor dann solche Texte oder Textkonvolute reflektiert, in denen dieses traditionelle Material bereits schriftlich verarbeitet worden ist. Hinsichtlich der Kriterien, die erfüllt werden müssen, um von einem traditionsgeschichtlichen oder literarischen Bezug zwischen zwei Texten oder Textkonvoluten, im Falle der vorliegenden Studie konkret dem 1Petr und der johanneischen Literatur, zu sprechen, ergeben sich aus diesen Überlegungen folgende Konsequenzen: (a) Um die Annahme eines traditionsgeschichtlichen oder auch eines literarischen Bezugs zwischen zwei Texten oder Textkonvoluten zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit substantiieren zu können, ist es – zunächst unabhängig von der Frage der Kontextualisierung – in einem ersten Schritt notwendig, in diesen beiden Texten oder Textkonvoluten gleiche oder doch weitestgehend ähnliche Lexeme, Motive oder umfassendere Textbausteine wie etwa die paraphrasierende Wiedergabe einer Tradition oder eines Textabschnittes oder aber Zitate derselben nachzuweisen. (b) Nächst diesem Nachweis ist in einem zweiten Schritt dann der Nachweis zu erbringen, dass im Blick auf die nachgewiesenen parallelen Lexeme, Motive und Textbausteine zugleich keine andere, in diesem Falle unabhängige und somit ‚dritte‘ Quelle wahrscheinlich oder doch zumindest nicht wahrscheinlicher zu machen ist. Das heißt konkret: Ein gemeinsamer und zugleich unabhängiger traditionsgeschichtlicher Rückgriff auf eine sich im Rahmen der Geschichte der urchristlichen Überlieferung erst entwickelnde, zeitlich und örtlich eingrenzbare Tradition kann in gleicher Weise wie auch ein unmittelbar oder aber auch mittelbar vermittelter literarischer Rückgriff auf einen vorgegebenen Text oder ein vorgegebenes Textkonvolut mit Notwendigkeit oder zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit nur dann plausibilisiert werden,

EINLEITUNG

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wenn sich zeigen lässt, dass die in den beiden Texten oder Textkonvoluten übereinstimmenden Zitate, Paraphrasen, Motive und Lexeme sich entweder nur in eben diesen Texten und darüber hinaus weder in der alttestamentlichen noch in der frühjüdischen noch in der gemein-urchristlichen noch – eher weniger wahrscheinlich, aber um der Vollständigkeit willen hinzuzufügen – in der pagan-hellenistischen Überlieferung aufweisen lassen oder aber, wenn diese primäre Kautele nicht verfängt, in eben den beiden in Rede stehenden Texten oder Textkonvoluten in einer annähernd gleichen und zugleich singulären Kontextualisierung begegnen, die in dieser Weise weder in den alttestamentlichen oder den frühjüdischen, den gemein-urchristlichen oder den pagan-hellenistischen Belegen greifbar ist. Sollte die erste Kautele allerdings greifen, kommt der Frage nach einer gleichen oder ähnlichen Kontextualisierung eine erheblich geringere Bedeutung zu.

Aus diesen Fragen ergibt sich im Blick auf die vorliegende Studie eine sachliche Zweiteilung: In einem ersten Kapitel werden sämtliche nachweis- und auch belastbaren möglichen Bezüge zwischen dem 1Petr und der johanneischen Literatur im Hinblick darauf analysiert, ob dieselben entweder die Annahme eines letztlich gemeinsamen Rückgriffes auf (vor-) johanneisches oder aber (vor-)‚petrinisches‘ Traditionsmaterial oder aber diejenige eines mittelbar oder unmittelbar vermittelten mittelbaren oder unmittelbaren Reflexes auf verschriftlichte Texte, d.h. auf Passagen der johanneischen Schriften oder aber des 1Petr indizieren. Konkret denkbar sind hier, lassen sich die Annahmen eines traditionsgeschichtlichen oder eines literarischen Reflexes erhärten, grundsätzlich folgende Möglichkeiten bzw. Richtungen: (a) Der Verfasser des 1Petr und der oder die Autoren der johanneischen Schule greifen bei der Abfassung ihrer Texte jeweils auf (vor-) ‚petrinisches‘ Traditionsmaterial zurück. (b) Der Verfasser des 1Petr und der oder die Autoren der johanneischen Schule verwenden bei der Abfassung ihrer Texte jeweils (vor-)johanneisches Traditionsmaterial. (c) Der oder die Autoren der johanneischen Schule beziehen sich in ihren Schriften mittelbar oder unmittelbar auf das in 1Petr Ausgeführte. (d) Der Verfasser des 1Petr greift in seiner Epistel ihm in den johanneischen Schriften begegnende Texte und Textpassagen auf. Der einzelne Vergleich und die einzelne Analyse der entsprechend als parallel erkannten und erwiesenen Textpassagen müssen zeigen, welche dieser vier Möglichkeiten bzw. Richtungen eines traditionsgeschichtlichen oder literarischen Reflexes sich wahrscheinlich machen lässt. Aufgrund der Ungewissheit in der Datierung vor allem des 1Petr15 sind grundsätzlich alle vier Möglichkeiten oder Richtungen denkbar. Im Rahmen eines dieses erste 15. Vgl. hierzu u. 20–23.

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

Kapitel abschließenden Fazits werden zunächst die einzelnen Analyseergebnisse zusammengefasst. Daran anschließend geht es, falls in den Einzelanalysen solche hier in der Theorie beschriebenen traditionsgeschichtlichen oder literarischen Reflexe nachgewiesen werden konnten, darum, mögliche Gründe für die hinter diesen Reflexen zu vermutenden auctorialen Intentionen und Wirkabsichten zu verifizieren. In einem zweiten Kapitel wird dann der Versuch unternommen, die im ersten Kapitel auf der literarischen Ebene erarbeiteten Ergebnisse zur Frage der Relation zwischen 1Petr und den Schriften des Corpus Johanneum mitsamt den auf der Basis dieser Ergebnisse extrapolierten auctorialen Intentionen und Wirkabsichten in ein die historischen Verhältnisse innerhalb des Christentums des westlichen und nördlichen Kleinasien am Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts reflektierendes historisches Szenario einzuordnen. 2. EINLEITUNGSWISSENSCHAFTLICHE VORKLÄRUNGEN Dass eine solche in der vorliegenden Studie entwickelte, zunächst literarisch akzentuierte Fragestellung grundsätzlich und von vornherein gleichsam einer gewissen historischen Plausibilität nicht entbehrt, ergibt sich dem Sachverhalt, dass die Rezipienten des 1Petr16 sowohl als auch diejenigen der johanneischen Literatur17 im Norden und Westen Kleinasiens bzw. der heutigen Türkei zu verorten sind, ergibt sich somit aus dem Sachverhalt einer 16. Nach 1Petr 1,1 ist diese Epistel an Christen in Πόντος, Γαλατία, Καππαδοκία, Ἀσία und Βιθυνία adressiert, an solche Christen also, die im Westen Kleinasiens, im Norden und im Westen der heutigen Türkei beheimatet sind. In der Forschung scheint noch immer keine überzeugende Erklärung dafür gefunden zu sein, warum der Verfasser des 1Petr den in 1Petr 1,1 „angesprochene[n] Adressatenkreis [in der hier vorliegenden Weise] ‚ungenau und fast utopisch groß‘“ (M. Vahrenhorst, 1Petr, 18 mit Verweis auf N. Brox) adressiert. Keinesfalls undenkbar wäre es, dass jener mit der in 1Petr 1,1 insinuierten geographischen Ausdehnung den pseudepigraphischen Charakter des 1Petr verschleiern wollte. Angesichts des aufgrund dieser sehr weit gefassten geographischen Ausdehnung des Adressatenkreises sowohl räumlich als auch zeitlich außerordentlich umfangreichen und langwierigen Zustellweges könnte nämlich nicht überraschen, dass der Absender Petrus über der Zustellung seiner Epistel bereits verstorben ist. 17. Vgl. hierzu etwa U. Schnelle, Einleitung, 516f.; Schnelle verortet den Sitz der johanneischen Schule bzw. des johanneischen Kreises (vgl. hierzu u. 21f.) in Ephesus. Die Gemeinden des johanneischen Gemeindeverbandes dürften in Sonderheit vor dem Hintergrund von Apk 2f. – hier begegnen sieben an sieben in der römischen Provinz Asia zu lokalisierende Gemeinden gerichtete Sendschreiben (vgl. hierzu etwa U.B. Müller, Apk, 90f.) – wenn nicht ausschließlich in der römischen Provinz Asia, so doch in jedem Falle aber im Westen Kleinasiens verortet gewesen sein.

EINLEITUNG

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die Verortung ihrer jeweiligen Adressaten betreffenden lokalen Konvergenz. Zwar will die in der gegenwärtigen Forschung durchaus vertretene Annahme, dass 1Petr nicht nur an den Westen Kleinasiens adressiert, sondern auch dort verfasst worden sei18, einer ersten und zugleich vorläufigen Diskussion der Passagen 1Petr 1,1 und 1Petr 5,13 zufolge zumindest umstritten scheinen19; die kleinasiatische Adresse desselben aber ist nicht zu bestreiten. Die der johanneischen Literatur zuzurechnenden Schriften sind ihrerseits sämtlich sowohl in der römischen Provinz Asia, also in der westlichsten Provinz der Asia Minor, entstanden20 als auch an dort lebende Christen gerichtet. Zumindest im Blick auf die Lokalisierung ihrer Adressaten konvergieren 1Petr und die johanneische Literatur also offensichtlich in jedem Falle miteinander; beide richten sich an im Westen Kleinasiens zu verortende christliche Gemeinden und deren Glieder. Diese so definierte – und um eine temporale zu ergänzende21 – lokale Konvergenz reicht zu, um die Annahme, dass zwischen 1Petr und den johanneischen Schriften sprachliche oder aber auch traditionsgeschichtliche oder gar literarische Bezüge aufweisbar sein könnten, zumindest als Arbeitshypothese a priori zumindest möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich erscheinen zu lassen, und ermöglicht somit die Bearbeitung der o. formulierten zunächst literarischen Fragestellung. In der gegenwärtigen Forschung werden im Blick auf die (religiöse) Identität der Adressaten des 1Petr zwei gegensätzliche Thesen propagiert. Während in Sonderheit unter Berufung auf die im 1Petr Platz greifende Verwendung des Alten Testaments als heiliger Schrift eine Forschungsminderheit eine jüdische oder judenchristliche Adresse des 1Petr annimmt, geht eine Forschungsmehrheit davon aus, dass es sich bei den Adressaten des 1Petr um zumindest in ihrer Mehrheit aus heidnischem Milieu stammende Christen handelt, eine Position, die auch in der vorliegenden Studie vertreten wird. Zugunsten dieser Mehrheitsmeinung lassen sich U. Schnelle zufolge vor allem folgende Argumente 18. M. Durst, Bablyon, 431, A. 45 listet einige derjenigen Forscher auf, die für einen kleinasiatischen Abfassungsort des 1Petr eintreten; in A. 44 werden solche genannt, die einem römischen Abfassungsort dieser Epistel das Wort reden. Im Blick auf den Abfassungsort von 1Petr hält U. Schnelle einerseits Rom, andererseits aber auch sehr wohl Kleinasien für möglich (vgl. Einleitung, 480f.; ähnlich auch P. Pokorný/U. Heckel, Einleitung 704f. und C.G. Müller, 1Petr, 96); für Rom als Abfassungsort votieren neben anderen etwa N. Brox, 1Petr, 43, H. Windisch, 1Petr, 82 und E. Best, 1Petr, 65. M. Vahrenhorst, 1Petr, 56 hält den Abfassungsort von 1Petr für unbekannt bzw. nicht erkennbar. Vgl. darüber hinaus die ausführliche Übersicht bei R. Metzner, Rezeption, 265, A. 4 und die Diskussion u. 19. Vgl. zur Diskussion dieser beiden Verse unmittelbar u. 14–19, darüber hinaus auch u. 27–37 und u. 131–135. 20. Nach U. Schnelle, Einleitung, 555f. „hat Kleinasien (Ephesus) als Abfassungsort des Johannesevangeliums die größte Wahrscheinlichkeit für sich“ (556); gleiches gilt im Blick auf 1–3 Joh (vgl. hierzu 516f.524.540) und auch die Apk (vgl. 600f.). 21. Vgl. hierzu u. 20f.

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anführen: (a) In 1Petr 1,14.18; 2,25; 4,3 werde auf den „früheren nichtigen Lebenswandel“22 seiner Adressaten angespielt. (b) Die in 1Petr 2,10 formulierte nunmehrige Aufnahme der Adressaten des 1Petr in das λαὸς θεοῦ und deren 1Petr 3,6 angedeutete nunmehrige Teilhabe an der Nachkommenschaft Abrahams ließen den ursprünglich paganen Kontext jener erkennen23. (c) Schließlich würden in 1Petr 3,1 „die Männer der [dort] … angesprochenen christlichen Frauen ausdrücklich als Heiden bezeichnet“24.

In der neueren exegetischen Literatur wird vielfach die Ansicht vertreten, dass es sich bei den in 1Petr 1,1, in der Adresse des 1Petr, angegebenen geographischen Bezeichnungen um die Namen römischer Provinzen handele25. Zugunsten dieser Annahme ist geltend zu machen, dass der Begriff Ἀσία entweder die entsprechende römische Provinz bezeichnen kann26 – was dann bedeutet, dass die übrigen in 1Petr 1,1 genannten geographischen Termini mit hoher Wahrscheinlichkeit auch als Provinzbezeichnungen zu deklarieren wären – oder aber den Bereich der gesamten heutigen Türkei und der an diese angrenzenden Gebiete – was dann bedeutete, dass die übrigen in 1Petr 1,1 angeführen geographischen Termini unter dem Begriff Ἀσία zu subsumieren wären. Da letzteres schon aufgrund der Stellung des Begriffs Ἀσία im Kontext der in 1Petr 1,1 aufgelisteten geographischen Termini kaum zutreffen kann, bleibt nur die erste Möglichkeit übrig. Der Begriff Ἀσία bezeichnet die gleichnamige römische Provinz, die anderen geographischen Bezeichnungen weisen entweder ebenfalls auf entsprechende römische Provinzen oder aber auf römische Verwaltungseinheiten unterhalb der provinzialen Ebene hin. L. Doering möchte in letztere Richtung denken27 und annehmen, dass nur der Terminus Ἀσία im eigentlichen Sinne ein „wahrscheinlich echter Provinzname“28 sei, wohingegen die übrigen vier Ortsbezeichnungen „Teilprovinzen 22. Einleitung, 482. M. Vahrenhorst, 1Petr, 30 weist in diesem Zusammenhang ergänzend zu 1Petr 1,14.18 noch auf 1Petr 4,3 hin; die Ausführungen dieses Verses erklärten sich gänzlich zwanglos unter der Voraussetzung, bei den Adressaten des 1Petr handele es sich zumindest in ihrer Mehrheit um Christen mit einem ehemals paganen religiösen Hintergrund. 23. Vgl. Einleitung, 482; vgl. darüber hinaus etwa M. Vahrenhorst, 1Petr, 30. 24. Einleitung, 482. 25. Vgl. hierzu neben anderen etwa U. Schnelle, Einleitung, 481f. und auch J. Herzer, Petrus oder Paulus?, 35f. mit A. 66. N. Brox, 1Petr, 25 formuliert: „Es ist davon auszugehen, daß der Verfasser die aktuellen politischen Bezeichnungen statt der eher antiquierten landschaftlichen oder nationalen wählte, so daß also die entsprechenden römischen Provinzen gemeint sind“. C.G. Müller, 1Petr, 105f. hält dies für durchaus wahrscheinlich, möchte aber auch andere Deutungsmöglichkeiten nicht ausschließen. 26. Vgl. hierzu B.E. Thomasson, Art. Asia, in: KP 1, 636f. 27. Gottes Volk, 84–88. 28. Gottes Volk, 86.

EINLEITUNG

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oder Provinz-Distrikte“29 oder aber „Provinz-Bezirke“30 bezeichneten. Träfe dies zu, wäre allerdings zu erklären, warum der Verfasser des 1Petr in 1Petr 1,1 dann die geographisch zusammengehörigen Begriffe Πόντος und Βιθυνία aber nicht auch unmittelbar nebeneinander stellte bzw. unmittelbar nacheinander nennte31; immerhin nämlich wurde die Provinz Bithynia et Pontus bereits in pompeianischer Zeit konstituiert und hatte als Verwaltungseinheit in dieser Form zumindest bis in die Mitte des dritten nachchristlichen Jahrhunderts hinein Bestand32. Doering versucht, dies mit dem Hinweis auf ein der Auflistung der geographischen Bezeichnungen in 1Petr 1,1 zugrundeliegendes „mentales Ordnungsprinzip“33 zu erklären; darüber hinaus sei es möglich, sich die Reihenfolge der einzelnen geographischen Termini als die „Route eines imaginierten Briefzustellers“34 vorzustellen. Diese beiden angedachten Erklärungsmöglichkeiten stellen jedoch kaum mehr als Verlegenheitslösungen dar35: Was nach Doering unter einem ‚mentalen Ordnungsprinzip‘ zu verstehen sei, bleibt unklar. Sollten die Angaben in 1Petr 1,1 einen imaginierten Postweg darstellen, muss nach einem nur oberflächlichen Blick auf die Landkarte konzediert werden, dass der entsprechende Imaginator über die tatsächlichen geographischen bzw. verwaltungstechnischen Verhältnisse im westlichen 29. Gottes Volk, 85; die Termini Πόντος und Βιθυνία stellten Doering zufolge solche Teilprovinzen oder Provinzdistrikte dar. 30. Gottes Volk, 86; Provinzbezirke sieht Doering mit den Begriffen Γαλατία und Καππαδοκία bezeichnet. 31. Vgl. zu dieser Auffälligkeit neben anderen etwa auch R. Feldmeier, 1Petr, 33. L. Doering zufolge sei immerhin denkbar – und träfe diese Annahme zu, läge in ihr eine mögliche Erklärung für die o. formulierte Beobachtung –, dass der Terminus Πόντος auch die „zeitweilig der Provinz Galatia-Cappadocia zugerechneten Gebiete Pontus Galaticus oder Pontus Polemoniacus“ (Volk Gottes, 85f.) bezeichnete, der Terminus Πόντος somit also mit dem Terminus Γαλατία zusammenzusehen und zusammenzulesen sei . Da aber einerseits der absolute Begriff Πόντος zur Zeit der Abfassung von 1Petr geographisch eindeutig besetzt ist und und andererseits derselbe in 1Petr 1,1 erkennbar ohne jegliche nähere geographische Qualifizierung verwendet wird, kann diese von Doering erwogene Möglichkeit der Interpretation desselben letzten Endes kaum Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen und damit auch keine Erklärung für die insgesamt auffällige Positionierung der geographischen Termini in 1Petr 1,1 liefern, immer allerdings vorausgesetzt, der Verfasser des 1Petr war über die zur Zeit der Abfassung seiner Epistel Platz greifenden verwaltungsgeographischen Verhältnisse in der heutigen Westtürkei zureichend und zutreffend informiert. 32. Vgl. hierzu nur F.K. Dörner, Art. Bithynia, in: KP I, 910 und auch S. Mitchell, Anatolia II, map 6; zu der von L. Doering selbst erwogenen Annahme, der Terminus Πόντος könne auch die Gebiete des Pontus Galaticus oder des Pontus Polemoniacus bezeichnen, vgl. bereits o. 33. Gottes Volk, 87. K.H. Jobes, 1Petr, 66 möchte die in 1Petr 1,1 vorliegende Auflistung als dem Verfasser des 1Petr erinnerliche „mental map of Asia minor“ definieren; dies mag durchaus zutreffen und lässt sich gut mit der u. formulierten These zum Abfassungsort des 1Petr in Einklang bringen. 34. Gottes Volk, 87; m.R. kritisch hier M. Vahrenhorst, 1Petr, 17: „Sie [d.h. die Reihenfolge der in 1Petr 1,1 genannten Gebiete] läßt sich kaum als Reiseroute des Überbringers des Briefes auswerten“. 35. Vgl. hierzu auch N. Brox, 1Petr, 26: „Für die Reihenfolge in der Aufzählung der fünf Gebiete ist keine einleuchtende Erklärung gefunden worden“.

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

und nördlichen Kleinasien nur sehr unzureichend informiert gewesen ist; aus der Reihenfolge der Ortsbezeichnungen Γαλατία, Καππαδοκία und Ἀσία lässt sich weder verkehrsgeographisch noch postalisch eine sinnvolle Route ableiten36.

Da andere Erklärungen hier kaum überzeugend oder denkbar scheinen37, lässt die geographisch augenscheinlich nur wenig nachvollziehbare Reihenfolge innerhalb der Auflistung der einzelnen Provinzen, Verwaltungseinheiten oder Distrikte in 1Petr 1,1 – unabhängig von der Frage, ob es sich bei diesen um Provinz- oder Distriktbezeichnungen handelt – in jedem Falle vordergründig darauf schließen, dass der Verfasser des 1Petr über die geographische Relation der einzelnen auf dem Gebiet des westlichen und nördlichen Kleinasien in der Prinzipatszeit geographisch konturierten Provinzen bzw. Teilprovinzen offensichtlich nicht genau informiert gewesen ist38 oder aber den Eindruck erwecken will, nicht genau informiert gewesen zu sein. Träfe ersteres zu, würde dies die Annahme plausibilisiseren, dass der Verfasser des 1Petr selbst nicht aus der westlichen oder der nördlichen Türkei stammt und ihm dieses Gebiet und die in demselben Platz greifenden verwaltungstechnischen Vorfindlichkeiten aus eigener Anschauung entweder nicht oder aber nur sehr oberflächlich bekannt gewesen ist39. Aus dieser Folgerung ergäben sich dann weitere Konsequenzen: Zunächst: Die These, der 1Petr sei nicht in Rom, sondern in Kleinasien verfasst worden40, verlöre deutlich an Plausibilität. Darüber hinaus: Die in der exegetischen Literatur immer wieder geäußerte These, bei 1Petr handele es sich um einen ‚klassischen‘ Diasporabrief41, mit dem eine bereits stabilisierte hierarchisch vorgeordnete Institution in derselben unter- bzw. nachgeordnete Gemeinwesen hineinwirken wolle, ließe sich zumindest in dieser Form kaum mehr aufrechterhalten. Beide Thesen setzten nämlich voraus, dass dem Verfasser des 36. Anders hier, allerdings wenig überzeugend, freilich L. Doering, Volk Gottes, 87: „Dabei halte ich fest, dass die Folge der Adressatengebiete grob gesehen in einer Kreisbewegung – von Nordosten nach Süden (mit leichtem Hin und Her zwischen Galatien und Kappadokien), dann nach Westen und schließlich nach Nordwesten zu – angeordnet ist“. 37. Vgl. hierzu etwa den Erklärungsversuch von L. Doering o. 38. Vgl. hierzu m.R. bereits N. Brox, 1Petr, 26: „Daß die in christlicher Zeit längst zu einer einzigen Provinz zusammengefaßten Bithynien und Pontus im 1Petr ausgerechnet am weitesten auseinandergestellt sind, ist vielleicht ganz simpel auf unzureichende geographische Kenntnisse des Verfassers zurückzuführen“; Brox verweist in diesem Zusammenhang auf W. Schrage, 1Petr, 62. 39. Vgl. zu dieser Vermutung auch W. Schrage, 1Petr, 63, zu anderen Erklärungsversuchen vgl. R. Feldmeier, 1Petr, 33. 40. Zur Frage einer kleinasiatischen Verortung von 1Petr vgl. u. 17f. 41. Vgl. hierzu etwa M. Vahrenhorst, 1Petr, 57f., vgl. darüber hinaus auch ausführlich u. 95.151f.

EINLEITUNG

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1Petr als einem Vertreter der vorgesetzten Institution die rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse dieser Gemeinwesen, wenn auch nicht im Detail, so aber doch in groben Zügen bekannt gewesen wären. Drittens schließlich: Die o. formulierte Folgerung vermöchte durchaus die Hypothese zumindest zu indizieren, dass der Verfasser des 1Petr in seiner Epistel nicht die bei den Adressaten derselben vorfindlichen, ihm jedoch zumindest in ihrer Konkretion nicht bekannten und vertrauten konkreten Lebensverhältnisse thematisiert, sondern in seinem Schreiben einzelne Themen auf einer lediglich theoretischen oder aber postulierten Grundlage diskutiert42. Das aber hieße: Der Verfasser des 1Petr beabsichtigte, den Adressaten seiner Epistel mit eben derselben sein eigenes, in diesem Falle ‚petrinisches‘ theologisches Programm vorzustellen und bei jenen um Zustimmung zu demselben – und damit auch um Wertschätzung gegenüber der Person des Petrus selbst – zu werben. Vor diesem Hintergrund ließe sich der 1Petr als ein – womöglich aus Rom stammendes – theologisches Vermittlungsangebot verstehen, mit dem dessen Verfasser beabsichtigte, in Kleinasien den ‚petrininischen‘ – und womöglich auch den römischen – Einfluß zu implantieren43. Im Blick auf die Frage nach dem Abfassungsort des 1Petr votiert – ohne das o. zu 1Petr 1,1 Dargelegte in die eigenen Überlegungen mit einzubeziehen – in der gegenwärtigen Forschung etwa A. Reichert44 für Kleinasien; zugunsten dieser Annahme führt sie folgende Argumente an: (a) Der 1Petr sei im Osten des imperium Romanum recht früh bezeugt, im Westen bzw. in Rom selbst hin scheine jener, wie schon das Verzeichnis des Canon Muratori belege, hingegen „relativ lange unbekannt geblieben“45 zu sein46. (b) Der Terminus Βαβυλών als Chiffre für die Stadt Rom trete zunächst im Osten des imperium, erst später in den westlichen Reichsteilen in Erscheinung. (c) Stellte diese Chiffre keine Fiktion dar, sei der 1Petr als eine Epistel zu verstehen, mit dem die römische Gemeinde „auf das angeschriebene Kirchengebiet Einfluß nehmen möchte“47 (527). Einem solchen Impetus aber stände die Verwendung dieser Chiffre gerade entgegen. 42. Anders hier P. Pokorný/U. Heckel, Einleitung, 705, die feststellen: „Da der Verfasser [des 1Petr] mit den Verhältnissen Kleinasiens vertraut war, …“. 43. Vgl. hierzu die Generalthese der vorliegenden Studie u. 138–148. 44. Vgl. hierzu Praeparatio, 525–527; in die Richtung Reicherts denkt etwa auch M. Gielen, 1Petr, in M. Ebner/S. Schreiber, Einleitung, 516f. 45. Praeparatio, 526; vgl. hierzu auch P. Vielhauer, Geschichte, 587f. 46. Vgl. zu diesem Problem auch L. Goppelt, 1Petr, 71f.; Goppelt erklärt den Sachverhalt der Nicht-Erwähnung von 1Petr im Canon Muratori mit der Annahme, „daß zu seiner Entstehungszeit der 1Petr in Rom noch nicht bekannt gewesen ist und daß er sich dort erst im Laufe des 3. Jh.s vom Osten her durchgesetzt hat“. 47. Praeparatio, 527.

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

Diesen von Reichert angeführten Argumenten ist Folgendes entgegenzuhalten: (a) Dass 1Petr im Osten des römischen Reiches recht früh bezeugt ist, hängt schlicht damit zusammen, daß er an einige dort geographisch zu verortende Gebiete adressiert ist. Dass der in Rom verfasste Canon Muratori 1Petr nicht kennt bzw. weder in sein Verzeichnis aufnimmt noch dessen Aufnahme ablehnt, indiziert lediglich, dass dieser Brief zur Zeit der Abfassung des Canon Muratori dessen Verfasser offensichtlich nicht bekannt gewesen ist – ein Sachverhalt, der durchaus darin begründet sein mag, dass jene Epistel eben, aus Rom versandt, an Christen in der westlichen und nördlichen Türkei gerichtet ist –, belegt in jedem Falle jedoch nicht, dass der 1Petr nicht in Rom verfasst worden sein kann; wichtiger ist im vorliegenden Zusammenhang, dass 1Petr sowohl inhaltlich als auch sprachlich offensichtlich, in gleicher Weise wie etwa auch 1Clem, „die römische Gemeindetradition repräsentiert“48, eine Beobachtung, die deutlich die Stadt Rom als Abfassungsort dieser katholischen Epistel indiziert49. (b) Das zweite von Reichert angeführte Argument mag allenfalls für eine späte Datierung von 1Petr, nicht aber gegen die Annahme seines römischen Abfassungsortes sprechen. (c) Das dritte Argument Reicherts wird durch die Generalthese der vorliegenden Studie50 vollständig entkräftet.

Die aus dem Sachverhalt der unfreiwillig – oder womöglich auch ganz bewusst – notierten unpräzisen (verkehrs-)geographischen Angaben in 1Petr 1,1 sich ergebende Konsequenz eines nicht-kleinasiatischen, konkret eines römischen Abfassungsortes von 1Petr wird verschärft und zugespitzt durch den in 1Petr 5,13 formulierten Hinweis, dass die Adressaten des 1Petr von der ἡ ἐν Βαβυλῶνι συνεκλεκτή gegrüßt werden. Unabhängig von der Frage, welcher Ort sich hinter der Chiffre Βαβυλών verbirgt51, lässt sich zunächst schon aufgrund des in diesem Hinweis beschriebenen Vorgangs des Grüßens (ἀσπάζεται) kaum mit Grund bestreiten, dass diese Chiffre – zumindest auch52 – die Angabe eines zur Zeit der Abfassung von 1Petr real existierenden Ortes transportiert. Dass es sich bei diesem durch jene angegebenen Ort nun aber um eine Stadt oder ein Gemeinwesen, die oder das in einer der vier in 1Petr 1,1 genannten römischen Provinzen anzusiedeln ist53, handelte, will 48. L. Goppelt, 1Petr, 66; vgl. hierzu die ausführliche Diskussion der von E. Lohse aufgewiesenen Parallelen zwischen 1Clem und 1Petr bei A. Reichert, Praeparatio, 527, A. 2. 49. Anders hier P. Vielhauer, Geschichte, 588, A. 14, der zwar zugesteht, daß die Verfasser des 1Clem und des 1Petr gleiches oder ähnliches traditionelles Material verarbeiten, eine daraus zu ziehende Konsequenz im Blick auf den Abfassungsort von 1Petr jedoch – dann allerdings kaum überzeugend – negiert. 50. Vgl. hierzu u. 138–148. 51. Vgl. zu dieser Diskussion u. 132f. 52. Vgl. mit einem anderen Akzent u. 133–135; im Rahmen der hier formulierten Überlegungen reicht die Annahme, dass die Chiffre Βαβυλών in jedem Falle womöglich nicht nur, aber zumindest doch auch eine Ortsangabe repräsentiert, zu. 53. Vgl. hierzu o. 14.

EINLEITUNG

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einerseits aufgrund der semantischen Implikationen des Βαβυλών-Begriffs54, andererseits aber auch angesichts des in 1Petr 5,13 verwendeten Terminus συνεκλεκτή, der das Momentum einer theologischen Parallelität zwischen Absender und Adressat bei einer gleichzeitigen lokalen und auch organisatorischen Differenz zwischen beiden signalisiert, nicht wahrscheinlich scheinen. Wird nun der Terminus Βαβυλών als Chiffre für die Stadt Rom interpretiert55, so weisen die Ausführungen in 1Petr 5,13 im Verein mit der o. erwiesenen offensichtlichen – oder aber lediglich augenscheinlichen – Unkenntnis des Verfassers des 1Petr hinsichtlich der römischen Verwaltungsstrukturen in der heutigen Westtürkei nach Rom als dem wahrscheinlichen Abfassungsort von 1Petr56 und lassen damit zugleich einen kleinasiatischen Abfassungsort dieser Epistel weniger wahrscheinlich erscheinen. Zugunsten der Annahme eines römischen Abfassungsortes des 1Petr lässt sich neben der Selbstbezeichnung des Abfassungsortes als Βαβυλών in 1Petr 5,13 und dem Sachverhalt der nur wenig präzisen (verkehrs-)geographischen Angaben in 1Petr 1,1 in Anschlag bringen, dass die Gestalt des Petrus, in Sonderheit sein Sterben bzw. sein Märtyrertod, bereits von Ignatius und dem Verfasser des 1Clem mit der Stadt Rom in Verbindung gebracht werden57, was bedeutet, dass sich bereits gegen Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts hinsichtlich der Verknüpfung der Gestalt des Petrus mit der Hauptstadt des imperium Romanum eine durchaus stabile Tradition etabliert zu haben scheint. Dies vermag zumindest zu indizieren, dass ein urchristlicher Autor, der zwischen 80 und 120 n.Chr.58 unter dem Pseudonym des Petrus schreibt, eben selbst auch in Rom beheimatet ist. Zwingend ist dies freilich nicht.

Wer angesichts dieser Beobachtungen die Annahme eines kleinasiatischen Abfassungsortes von 1Petr dennoch aufrechterhalten möchte59, ist – was 54. Vgl. hierzu u. 131–135, v.a. 132f. 55. Vgl. hierzu ausführlich u. 131f. 56. Vgl. zu diesem Gesichtspunkt etwa U. Schnelle, Einleitung, 480: „Andererseits will der Brief seinem Selbstanspruch nach in Rom geschrieben sein, wie die Wendung ἀσπάζεται ὑμᾶς ἡ ἐν Βαβυλῶνι συνεκλεκτή in 1Petr 5,13 zeigt“. Vgl. hierzu auch die Ausführungen von C.G. Müller, 1Petr, 391–393. 57. Vgl. hierzu etwa L. Goppelt, 1Petr, 33f. 58. Vgl. zu diesem Zeitraum als Zeitraum der Abfassung von 1Petr u. 21. 59. Vgl. zu solchen Erwägungen etwa M. Durst, Babylon, 431: „Indessen bleibt – trotz der Nennung Babylons in 1Petr 5,13 – der Abfassungsort der pseudepigraphischen Schrift prinzipiell offen. Denn selbst wenn man Babylon als Decknamen für Rom versteht …, ist damit zu rechnen, daß dieser ‚Ortsbezug‘ Teil der literarischen Fiktion ist und deshalb für den historischen Abfassungsort nicht reklamiert werden kann“. Wenn das zutrifft, dann ist aber zu erklären, warum der kleinasiatische Verfasser des 1Petr in 1Petr 1,1 und im Blick auf die dortigen (verkehrs-)geographischen Angaben nicht präziser formuliert, eine Forderung, die M. Durst nicht in den Blick genommen hat. Hier ließe sich immerhin annehmen, dass der Verfasser des 1Petr seine eigene kleinasiatische Herkunft eben durch diese nicht vollständig präzisen Angaben zu verschleiern und somit die Glaubwürdigkeit der von ihm vorgenommenen ‚römischen‘ Fiktion zu erhöhen trachtete.

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allerdings keinesfalls unmöglich ist – genötigt, die Angaben in 1Petr 1,1; 5,13 als ‚römische‘ Fiktion eines letzten Endes eben doch sehr wohl in Kleinasien anzusiedelnden Verfassers zu definieren und zugleich die sich dann aufdrängende Frage nach dem Motiv eines solchen Handelns schlüssig zu beantworten60. Vor dem Hintergrund des bisher Dargelegten und Erwogenen erscheint eine solche Theorie zu den lokalen Umständen der Abfassung von 1Petr zumindest auf den ersten Blick und zunächst zwar eher konstruiert61, aber letzten Endes sicherlich nicht undenkbar. Immerhin könnte ein sich selbst in der ‚petrinischen‘ Tradition verortender Theologe in seiner Epistel eine ‚römische‘ Fiktion, d.h. den Anschein eines römischen Abfassungsortes des 1Petr konstruiert haben, um diese Epistel glaubhaft bzw. glaubhafter als von der Person des historischen Petrus verfasst und damit mit der ‚petrinischen‘ Autorität legitimiert und der ‚petrinischen‘ theologischen Tradition unmittelbar zugehörig erscheinen zu lassen. Der Verfasser des 1Petr hätte somit nicht lediglich eine Autorfiktion62, sondern auch die Fiktion eines Abfassungsortes kreiert. Zugunsten dieser Annahme ließe sich anführen, dass sich damit das Fehlen des 1Petr in der Auflistung, die der Canon Muratori bietet63, zwanglos erklären ließe. Dass eine solche Annahme die sich aus der Verortung ihrer jeweiligen Adressaten ergebende lokale Konvergenz zwischen 1Petr und den Schriften des Corpus Johanneum64 dann in erheblichem Maße verdichtete, bedarf keines Beweises. Jenseits der Annahme einer lokalen lässt sich für beide Texte bzw. Textkonvolute eine freilich nur sehr ungefähre und damit literarisch oder auch traditionsgeschichtlich unmittelbar wenig aussagekräftige temporale Konvergenz 60. Denkbar wäre hier etwa die Annahme, dass der Verfasser des 1Petr in Ermangelung eigener Autorität unter dem Deckmantel der Autorität des Petrus als einer zentralen Figur des frühesten Christentums versuchen wollte, seine theologischen Positionen unter den ihm durchaus bekannten und vertrauten Adressaten seiner Epistel zu verbreiten. Nicht gänzlich von der Hand weisen ließe sich auch die Vermutung, dass der Verfasser des 1Petr die – bis dato zumindest s.E. dort unterrepräsentierte – Person des Petrus, dem selbst und der mit diesem verknüpften theologischen Tradition jener sich zugehörig und verbunden weiß, in die theologische Landschaft Kleinasiens zu implementieren zu unternahm. 61. Im Zuge der weiteren Darstellung wird auch immer darauf zu schauen sein, inwieweit sich diese hier konturierte These von einer ‚römischen‘ Fiktion eines letztlich doch in Kleinasien anzusiedelnden Verfassers des 1Petr womöglich verifizieren läßt. Die Annahme einer kleinasiatischen Verfasserschaft des 1Petr plausibilisierte immerhin gänzlich zwanglos den Sachverhalt, dass der Canon Muratori den 1Petr nicht auflistet (vgl. hierzu bereits o. 17f.). 62. Vgl. zur Autorfiktion im 1Petr etwa U. Schnelle, Einleitung, 478–480; Schnelle stellt fest: „In der neueren Exegese wird der 1Petr überwiegend als pseudepigraphisches Schreiben angesehen“ (479), eine Annahme, die auch in der vorliegenden Studie vertreten wird. An anderer Stelle vermag Schnelle noch zugespitzter zu formulieren: „Konsens herrscht in der neueren Exegese über den pseudepigraphischen Charakter des 1Petr“. 63. Vgl. hierzu o. 17, darüber hinaus auch C.G. Müller, 1Petr, 95. 64. Vgl. hierzu o. 13.

EINLEITUNG

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formuliern: Die Abfassung von 1Petr65 wie auch diejenige der Schriften des johanneischen Kreises bzw. der johanneischen Schule66 können zumindest in etwa in die gleiche Zeit, nämlich in die Zeit zwischen 80 und 120 n.Chr., datiert werden67; dieser potentielle Zeitraum von immerhin doch 40 Jahren ist zwar deutlich zu groß, um daraus unmittelbar literarische oder traditionsgeschichtliche Schlüsse ziehen zu können, berechtigt aber in jedem Falle dazu, im Blick auf die Datierung der Abfassung von 1Petr und der Schriften des johanneischen Kreises von einer temporalen Konvergenz zu sprechen, berechtigt damit – in Verbindung mit der o. bereits konstatierten lokalen Konvergenz – nachgerade erneut zugleich auch dazu, die Frage nach einer literarischen oder traditionsgeschichtlichen Relation zwischen diesen beiden Texten bzw. Textkonvoluten zu stellen. U. Schnelle führt zugunstern der Annahme der Existenz einer das Joh, die drei Johannesbriefe und – zumindest mittelbar68 – auch die Apk zuzuordnenden johanneischen Schule69 bzw. eines johanneischen Kreises folgende Argumente 65. Neuestens sprechen sich etwa L. Doering, Gottes Volk, 81–83 und M. Vahrenhorst, 1Petr, 50f. dafür aus, als Abfassungdatum von 1Petr einen Zeitpunkt bzw. Zeitraum innerhalb der vierzig Jahre zwischen 80 und 120 n.Chr. anzunehmen, halten also eine spätere, in die erste oder auch die zweite Dekade des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts fallende Datierung der Abfassung dieser Epistel durchaus für möglich; vgl. hierzu auch M. Durst, Babylon, 431f. P.J. Achtemeier, 1Petr, 48–50 plädiert für eine Datierung zwischen 80 und 100 n.Chr. N. Brox, 1Petr, 38–41 und R. Feldmeier, 1Petr, 26f. für eine Datierung zwischen 70 und 100 n.Chr. Anders hier allerdings L. Goppelt, 1Petr, 64f., der für den Zeitraum zwischen 65 und 80 n.Chr. votiert. M. Durst, Babylon, 432 stellt insgesamt zutreffend fest: „Letztlich ist jedoch keiner dieser [für eine konkrete oder konkretere Datierung der Abfassung von 1Petr vorgelegten Vorschläge] zwingend, so daß der Diskurs über die Datierung innerhalb der aufgezeigten Grenzen [d.h. innerhalb des Zeitraums zwischen 70 und 120/130 n.Chr.] offen bleibt“. Weitgehend unbestimmt an dieser Stelle C.G. Müller, 1Petr, 95. 66. Vgl. hierzu u. 21f. 67. Im Blick auf die Datierung der Abfassung der johanneischen Schriften einschließlich der Apk in eben dieselben vier Dekaden um die Wende vom ersten zum zweiten nachchristlichen Jahrhundert vgl. etwa U. Schnelle, Einleitung, 524.529.537–540.555–557.600–602. Im Blick auf die in der vorliegenden Studie diskutierte Frage nach der Relation des 1Petr zu den Schriften des Corpus Johanneum ist die Frage nach der relativen zeitlichen Einordnung letzterer von geringerer Bedeutung. Klassischerweise wird die Apk als die früheste johanneische Schrift angesehen (vgl. zur Einordnung der Apk in den Kontext der johanneischen Schriften o. 1, A. 1, zur Datierung der Apk u. 136, A. 477), auf die dann nacheinander und durchaus in zeitlichem Abstand das Joh, 1Joh, 2Joh und 3Joh folgten. Demgegenüber vertritt neben anderen etwa U. Schnelle im Blick auf das Joh und die drei Johannesbriefe eine gegenläufige These; s.E. schlösse sich an die Apk zunächst 2Joh, dann 3Joh und schließlich 1Joh an, wohingegen das Joh die zeitlich späteste der johanneischen Schriften darstelle (vgl. zur zu diesem Problem Einleitung, 517–522). Dieser Forschungsdissens kann im Rahmen der vorliegenden Studie vernachlässigt werden. 68. Vgl. hierzu o. 1, A. 1. 69. Zur Problematik des Begriffs einer Schule vgl. etwa S. Witetschek, Enthüllungen, 325f. mit Verweis auf T. Schmeller, Schulen, 91f. Um dieser begrifflichen Problematik zu entgehen, könnte es u.U. sinnvoller sein, vom johanneischen Kreis oder vom johanneischen

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an: (a) Die theologischen Übereinstimmungen zwischen den drei Johannesbriefen und dem Joh indizierten die Existenz einer solchen Schule bzw. eines solchen Kreises70. (b) Die „Gemeinsamkeiten in der Sprache zwischen den drei Johannesbriefen und dem Evangelium“71 ließen die Annahme der Existenz einer johanneischen Schule wahrscheinlich erscheinen, ließen sie doch einen über den individuellen Sprachgebrauch hinausweisenden Soziolekt erkennen. (c) Die Ausführungen des Nachtragskapitels Joh 21, konkret diejenigen in Joh 21,24b, legten die Annahme der Existenz einer solchen Schule bzw. eines solchen Kreises nahe72. (d) Die im Joh und und den Johannesbriefen zu beobachtenden Gemeinsamkeiten in der Verwendung ekklesiologischer Begriffe und in der Formulierung ethischer Aussagen stellten ein weiteres Argument zugunsten der Annahme der Existenz einer johanneischen Schule bzw. eines johanneischen Kreises dar73. (e) Schließlich wiese auch die im Joh nachweisbare „Darstellung Jesu als Lehrer“74 in diese Richtung, belege sie doch die Existenz der johanneischen Schule als eines Raumes, „in dem die Offenbarungen des Vaters an den Sohn weitergegeben und gepflegt werden“75. Dieser johanneische Kreis bzw. diese johanneische Schule dürften in der römischen Provinz Asia, konkret in Ephesus, zu verorten sein76. A. Reichert zufolge setzt 1Petr die in dem Briefwechsel zwischen C. Plinius Secundus und Kaiser Traianus vereinbarte rechtliche Regelung die Christen betreffend voraus77. Wenn dies zutrifft, wäre der 1Petr frühestens um 111/112 n.Chr. verfasst worden78. M. Gielen zufolge sei der 1Petr in das Jahr 130 n.Chr. zu datieren, eine Argumentation, für die sie sich einerseits auch auf

Gemeindeverband (vgl. hierzu allerdings u.) zu sprechen und den Terminus ‚Schule‘ im Kontext des johanneischen Christentums zu vermeiden. Da dieser jedoch in der entsprechenden Sekundärliteratur eine durchaus große Rolle spielt, soll er auch in der vorliegenden Studie verwendet werden, allerdings – im Bewusstsein der Problematik – in semantisch offener bzw. offenerer Weise. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch eine etwa von U. Schnelle vorgenommene Differenzierung zwischen den johanneischen Gemeinden bzw. dem johanneischen Gemeindeverband und der johanneischen Schule bzw. dem johanneischen Kreis: „Zur Gemeinde zählen alle joh[anneischen] Christen, zur Schule hingegen nur die, die aktiv an der joh[anneischen] Theologiebildung beteiligt waren“ (Einleitung, 517). 70. Vgl. hierzu Einleitung, 513f. 71. Einleitung, 514. 72. Vgl. hierzu Einleitung, 514. 73. Vgl. hierzu Einleitung, 514f. 74. Einleitung, 515. 75. Einleitung, 515. 76. Vgl. hierzu Einleitung, 516f.; vgl. zu diesem Komplex insgesamt auch P. Pokorný/ U. Heckel, Einleitung, 576–578, J. Kügler, Joh, in M. Ebner/S. Schreiber, Einleitung, 217f., J. Zumstein, Kreative Erinnerung, 1–14 und D.-A. Koch, Geschichte, 318–326. 77. Vgl. hierzu neuestens A. Reichert, Wahrnehmungen, 286–291; in dieser Passage zeichnet Reichert die neueste Diskussion nach und setzt sich mit in der Forschung erhobenen Einwänden gegen ihre These auseinander. 78. Vgl. hierzu – aus historischer Perspektive – D.-A. Koch, Geschichte, 470–479; Koch datiert die Abfassung des 1Petr in die Zeit zwischen 112 und 115 n.Chr.

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die Annahme stützt, dass der Brief des smyrnäischen Bischofs Polykarpos 1Petr voraussetze79, andererseits darauf, dass der 1Petr eine Situation reflektiere, die in der Realität – zumindest im Blick auf die Provinz Asia – derjenigen des Jahres 130 n.Chr. entspräche80. Wiewohl eine ausführliche Diskussion dieser beiden Vorschläge für eine späte Datierung der Abfassung des 1Petr hier nicht geführt werden kann81, gilt es jedoch, diese und die in ihnen vorgelegten Argumentationen im Blick zu behalten, ermöglichen sie doch eigentlich erst die Annahme eines ‚petrinischen‘ Reflexes auf johanneische Traditionen oder gar auf johanneische Schriften selbst, eine Annahme, die, wird die Abfassung von 1Petr früh bzw. früher als o. vorgeschlagen datiert82, kaum noch aufrechterhalten werden kann.

Für die in der vorliegenden Studie verhandelte Fragestellung mag es keinesfalls unwichtig sein, den 1Petr zumindest grob zu gliedern83. Im Anschluss an das Präskript (1Petr 1,1f.). bietet der Verfasser des 1Petr in 1Petr 1,3–12, dem Prooemium seiner Epistel84, einige grundlegende Reflexionen über die Begriffe πίστις und σωτηρία sowie über deren Relation zueinander sowohl als auch deren Bedeutung für das Leben der Adressaten dieser Epistel. Jene werden als solche beschrieben, die sich als wiedergeborene Glaubende auf dem Weg zur [ὑμῶν] σωτηρία ψυχῶν (1Petr 1,9) befinden, auf diesem Weg aber nicht wenigen, allerdings nicht näher definierten πειρασμοί (1Petr 1,6) ausgesetzt sind. An diese die grundlegende soteriologische Situation der Adressaten in grundlegender Weise beschreibende Passage85 schließt, eingeleitet durch die Konjunktion διό86, das eigentliche, letzten Endes bis 79. Vgl. hierzu M. Gielen, Polykarpbrief, 416–444. 80. Vgl. hierzu M. Gielen, Kaiser Hadrian, 161–183. 81. Vgl. hierzu jedoch C.G. Müller, 1Petr, 95 mit A. 76. 82. Vgl. zu einer früheren Datierung etwa L. Goppelt, 1Petr, 64f. (vgl. hierzu auch o.) und J.R. Michaels, 1Petr, lxii–lxiii. 83. Zu möglichen im Blick auf 1Petr formulierten Teilungs- oder redaktionsgeschichtlichen Hypothesen vgl. etwa N. Brox, 1Petr, 35–38. Im Rahmen der vorliegenden Studie soll 1Petr, da die unterschiedlichen Teilungs- und redaktionsgeschichtlichen Hypothesen kaum mit Notwendigkeit erwiesen werden können, als eine einheitliche Epistel betrachet werden. Vgl. zur Gliederung von 1Petr auch C.G. Müller, 1Petr, 97. 84. Vgl. hierzu etwa M. Vahrenhorst, 1Petr, 70f. 85. Der theologische Grundlagencharakter dieser Passage ergibt sich schon aus dem in jener zu beobachtenden Sprachstil: „Allein stilistisch wird [hier] … der Eindruck des Feierlichen, Erhebenden, aber auch des Feststehenden, Gültigen vermittelt“ (R. Feldmeier, 1Petr, 42). Vgl. hierzu auch N. Brox, 1Petr, 59: „Aber die Ausformulierung des Dankes (an Gott) ist inhaltlich sehr viel dichter, als es die Routine der Briefschreibung und der Gemeinplatz ‚Dank‘ verlangen würde: Es wird (statt allgemein für das Wohlergehen) für das ‚Heil‘ der Angesprochenen im Wortsinn der frühchristlichen Sprache, also für das von Gott schon geschenkte Glück ihres Lebens schlechthin gedankt“. 86. Zu dieser Konjunktion vgl. M. Vahrenhorst, 1Petr, 84: „Die Konjunktion ‚darum‘ (dio) leitet einen Satz ein, der die Adressaten dazu auffordert, aus dem, was in der Brieferöffnung dargelegt wurde, die angemessene Konsequenz zu ziehen. Wurden bisher das Handeln

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1Petr 5,11 reichende Briefcorpus an87, das eingeleitet wird mit dem Abschnitt 1Petr 1,13–25, in dem es um die aus dieser soteriologischen Situation folgenden ethischen Konsequenzen geht, die in diesem Abschnitt allerdings – noch einmal – christologisch (1Petr 1,18–21) und auch soteriologisch (1Petr 1,23–25) begründet werden. Auf diesen zweiten Abschnitt folgt mit 1Petr 2,1–10, eingeleitet mit der Partikel οὖν, ein dritter, der ebenfalls um den soteriologischen Status der Adressaten des 1Petr und die sich daraus ergebenden ethischen Folgerungen kreist88. Daran anschließend geht es in 1Petr 2,11–17 um das Verhalten der Christen gegenüber den Institutionen des imperium Romanum. In 1Petr 2,18–25 wird dann, nun mit einer kreuzestheologischen Begründung versehen (1Petr 2,21–25), das rechte Verhalten der οἰκέται, in 1Petr 3,1–7 dasjenige von Frauen und Männern, in 1Petr 3,8–17 schließlich dasjenige der Christen in ihrer Gesamtheit thematisiert, eine Kette von paränetischen Passagen, die in 1Petr 3,18–22 noch einmal christologisch begründet wird. Im weiteren Verlauf der Darstellung wird in 1Petr 4,1–11 erneut auf die ethische Existenz der Christen rekurriert, wobei offensichtlich erstmalig das mit der christlichen Existenz verknüpfte Faktum des Leidens in den Blick gerät, eine Thematik, die dann in 1Petr 4,12–19 weiter entfaltet und differenziert wird. In 1Petr 5,1–11 erscheinen dann an die πρεσβύτεροι und an die νεώτεροι gerichtete Mahnungen; Segenswünsche und Grüße runden in 1Petr 5,10–14 diese Epistel ab89. Diese – zunächst nur grobe – Gliederung lässt Folgendes erkennen: Christologische, soteriologische Gottes an der Gemeinde, ihr Status bei ihm und in der Welt, ihre Erwartungen für die Zukunft, die schon die Gegenwart bestimmt, entfaltet, so folgen nun Imperative, die vom Bedenken des Beschriebenen zum Handeln überleiten“. R. Feldmeier, 1Petr, 64 macht darauf aufmerksam, dass diese Konjunktion im 1Petr sonst nicht mehr belegt ist; diese Beobachtung substantiiert die These, dass den Ausführungen 1Petr 1,3–12 der Charakter einer theologischen Grundlegung zukommt. 87. M. Vahrenhorst, 1Petr, 84 lässt in seiner Gliederung auf das Prooemium einen mit 1Petr 1,13 beginnenden und bis zu 1Petr 5,11 reichenden Hauptteil anschließen. Mit dieser Gliederung trägt Vahrenhorst nolens volens dem Sachverhalt Rechnung, dass dem Abschnitt 1Petr 1,3–12 und dem in ihm Ausgeführten eine für die Gesamtaussage dieser Epistel theologisch grundlegende Bedeutung zukommen; vgl. zu dieser von M. Vahrenhorst entwickelten grundsätzlichen Gliederung des 1Petr auch U. Schnelle, Einleitung, 484f. und P. Pokorný/ U. Heckel, Einleitung, 690–692, in Sonderheit auch M. Gielen, 1Petr, in M. Ebner/S. Schreiber, Einleitung, 511f. Anders als Vahrenhorst hier etwa L. Goppelt, 1Petr, 8, der die Passage 1Petr 1,3–5,11 in drei Hauptteile untergliedert, nämlich 1Petr 1,3–2,10, 1Petr 2,11–4,11 und schließlich 1Petr 4,12–5,11. Diese Gliederung birgt allerdings die Gefahr, den theologisch grundlegenden Charakter des in 1Petr 1,3–12 Ausgeführten zu verschleiern. 88. Vgl. hierzu M. Vahrenhorst, 1Petr, 96: „Mit Vers 1 [d.h. 1Petr 2,1] beginnt ein neuer Argumentationsgang, der die Adressaten in unterschiedlichen Bildern dazu auffordert auf dem Weg weiterzugehen, auf den sie gesetzt worden sind“. 89. Vgl. zu dieser Gliederung etwa die – allerdings z.T. deutlich differenzierteren – Ausführungen von M. Vahrenhorst, 1Petr, 5f.58f. Vahrenhorst zufolge folgt diese Epistel im Blick

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und ethische Passagen sind eng miteinander verwoben, ohne dass an einer Stelle eine klar erkennbare Dispositon90 und eine dieser entsprechende thematische Schwerpunktbildung erkennbar wären, ein Sachverhalt, der die Definition eines zentralen Themas dieser Epistel deutlich erschwert91. Dabei werden in den einzelnen thematischen Passagen durchaus jeweils unterschiedliche – in diesem Falle christologische, soteriologische oder auch ethische – Aspekte entwickelt92. Nicht übersehen werden darf jedoch, dass die Ausführungen in 1Petr 1,3–12 als ein die gesamte Epistel grundlegend betreffendes theologisches Vorzeichen oder ein jene grundlegend umgreifender theologischer Interpretationsschlüssel zu verstehen sind, somit also die hermeneutische Grundlage jener bilden. Über diesen Sachverhalt hinaus ist zu konstatieren, dass die Ausführungen des 1Petr an keiner Stelle mit Notwendigkeit situativ, d.h. auf eine konkrete, auf die Formulierung eines Präskriptes, eines Prooemium und eines Briefschlusses durchaus „den Regeln neutestamentlicher Epistolographie“ (58). 90. Vgl. hierzu m.R. etwa M. Vahrenhorst, 1Petr, 58f. und v.a. auch N. Brox, 1Petr, 16: „Es fällt auf, daß der 1Petr … im Hauptteil … überhaupt keine umfassende Disposition und nicht einmal eine streng kontinuierliche Gedankenführung aufgebracht hat. Das darf man typisch nennen, weil es deutlich nicht nur dem assoziativen Denkstil des Verfassers … entspricht, sondern obendrein auch zu dem letztlich situationsunabhängigen Schreiben insofern paßt, als etliches in ihm recht unbestimmt bleibt [!]“; vgl. zu diesen letzten Einschätzungen Brox‘ auch den weiteren Verlauf der Darstellung. Zur Problematik einer Gliederung von 1Petr vgl. darüber hinaus etwa R. Feldmeier, 1Petr, 12: „Der Versuch, für den 1Petr eine klare Disposition zu finden, stößt … auf Schwierigkeiten. Häufig wechseln grundlegende theologische Ausführungen mit paränetischen Anweisungen. Schon Gesagtes wird variiert wieder aufgenommen, kein Thema definitiv abgeschlossen, ein zwingender Gedankenfortschritt ist nicht erkennbar“. Dieser Sachverhalt lässt sich im Horizont der in der vorliegenden Studie entwickelten These zur Abzweckung von 1Petr (vgl. hierzu u. 138–148) gänzlich zwanglos erklären. W. Bornemann, Petrusbrief, 146 sieht in 1Petr eine im Anschluss an Ps 34 und die in diesem Psalm nachweisbare Argumentationsstruktur komponierte und von Silvanus gehaltene Taufrede: „Ich möchte wahrscheinlich machen, daß IPt I, 3–5, 11 ursprünglich eine Taufrede war, und zwar im Anschluß an Psalm 34 um das Jahr 90 von Silvanus in einer Stadt Kleinasiens gehalten“. 91. Vgl. hierzu die – in sich selbst durchaus spannungsvolle und zwischen den Momenta der Konkretheit und der Allgemeinheit oszillierende – Umschreibung der Thematik des 1Petr bei N. Brox, 1Petr, 16: „Die Thematik ist also sehr genau umgrenzt und im Grunde einfach: Die in Jesu Christi Auferstehung geschenkte Hoffnung auf sicheres Heil bei Gott … hat Konsequenzen für das menschliche Leben, indem es die Verhaltensweisen sehr unverhofft verändert …; und vor allem (denn darin ist offenbar Höhepunkt und Pointe des Briefes zu sehen) ist die Hoffnung – unter Hinweis auf den leidenden und auferstandenen Christus – gerade unter dem Druck von Übergriffen einer aggressiven ungläubigen Umwelt erfahrbar“. Diese Beobachtung lässt auch die These von A. Reichert, der zufolge der 1Petr eine urchristliche praeparatio ad martyrium, also eine Vorbereitung auf mögliches Leiden oder gar einen möglichen Märtyrertod, darstellte (vgl. hierzu nur Praeparatio, 26.554–557 u.ö.), zum wenigsten in dieser allgemeinen Form zumindest fraglich erscheinen. 92. Vgl. hierzu N. Brox, 1Petr, 38: „Man wird m.E. mit der Benennung einer Reihe von in sich selbständigen und verständlichen und in keiner zwingenden Folge aufgereihten Kleintexten, die in dieser Folge den Großtext 1,3–5,11 bilden, dem 1Petr vollauf gerecht“.

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unter den Adressaten Platz greifende Situation und auf reale und aktuelle, unter den Adressaten Platz greifende Entwicklungen bezogen, zu interpretieren sind93. Die Ausführungen des Verfassers des 1Petr lassen sich vielmehr durchweg als weniger konkret als vielmehr allgemein und grundsätzlich akzentuiert und dementsprechend auch allgemein und grundsätzlich intendiert begreifen. Diese Beobachtung wirft die Frage auf, in wie weit dem Verfasser des 1Petr die aktuelle und konkrete Situation seiner Adressaten überhaupt bekannt gewesen ist und ob er auf eine solche aktuelle und konkrete Situation überhaupt Bezug nehmen wollte94, lässt darüber hinaus dann – unbeschadet der Beobachtung, dass 1Petr Elemente eines Diasporabriefes beinhaltet und formal sowohl als auch inhaltlich „eine gewisse ‚Familienähnlichkeit‘“95 mit anderen Exemplaren dieser Gattung aufweist – fragen, ob 1Petr nicht weniger als ein Brief im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr als eine in Briefform erscheinende Homilie oder eine in Briefform auftretende theologische Handreichung anzusehen ist96, sämtlich Gattungen, die dem Gedanken eines Diasporabriefes durchaus entsprächen.

93. Vgl. hierzu immerhin N. Brox, 1Petr, 19: „Weil der 1Petr, vom Rahmen (1,1f.; 5,12–14) abgesehen, tatsächlich nicht unbedingt den unmittelbaren Charakter eines aktuellen Briefes mit entsprechenden Situationsbezügen und einmaligen, individuellen Details trägt und nach etlichen Auslegern in 1,3 – 5,11 sogar überhaupt keinerlei briefliche Merkmale an sich hat, …“. In diese Richtung weisen auch Überlegungen von U.U. Kaiser, Wiedergeburt, 299, die aus der – von ihr in die letzte Dekade des ersten nachchristlichen Jahrhunderts gelegten – Abfassungszeit des 1Petr folgert, dass die in ihm angesprochene Wiedergeburt bzw. Wiederzeugung (zur Problematik dieser Begrifflichkeit vgl. u. 59f. mit A. 114) keinesfalls für alle der im 1Petr intendierten Adressaten „eine eigene Erfahrung darstellte“. Wenn dem so ist, dann ergibt sich die Frage, ob die übrigen im 1Petr verhandelten Topoi auf Seiten der intendierten Adressaten einen aktuellen Erfahrungsbezug implizieren müssen oder ob nicht auch ihnen ein letztlich ‚fiktiver‘ Charakter zukommt und sie im 1Petr weniger aus einer aktuellen als vielmehr aus einer grundsätzlichen und programmatischen Intention heraus erörtert werden. 94. Vgl. hierzu N. Brox, 1Petr, 26: „Die Frage ist, ob für den 1Petr überhaupt eine konkrete Empfangssituation und auf sie bezogene Absichten angenommen werden können“; in diese Richtung denkt auch M. Vahrenhorst, 1Petr, 18: „In jedem Fall ist der angesprochene Adressatenkreis ‚ungenau und fast utopisch groß‘. Das lässt Rückschlüsse auf den Charakter des Briefes zu. Er reagiert nicht auf konkrete Vorkommnisse in einer konkreten Gemeinde, so wie es die meisten Paulusbriefe tun, sondern stellt so etwas wie ein ‚von einer Autoritätsperson verfasstes Rundschreiben ‚zur Lage‘ dar‘“. 95. M. Vahrenhorst, 1Petr, 58, mit Verweis auf L. Doering; vgl. zur näheren Definition der Gattung ‚Diasporabrief‘ ausführlich u. 151f. 96. Vgl. hierzu wiederum N. Brox, 1Petr, 23: „Man kann … darüber streiten, ob 1Petr als wirklicher Brief anzusehen ist oder als eine Predigt (Homilie) in Briefform, die nie als aktueller Brief versandt wurde“.

I. SPRACHLICH-FORMALE UND THEOLOGISCH-KONZEPTIONELLE BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

In diesem ersten – und auch zentralen – Hauptkapitel der vorliegenden Studie geht es nun darum, diejenigen in der exegetischen Sekundärliteratur angezeigten oder auf anderem Wege ermittelten sprachlich-formalen und theologisch-inhaltlichen Berührungen oder Parallelen zwischen dem 1Petr und der johanneischen Literatur im Hinblick auf die Frage zu untersuchen, ob und in welcher Weise sich die jeweils eine als Reflex auf die jeweils andere wahrscheinlich machen lässt.

DIE ADRESSATEN

I.1. 1PETR 1,1F. – JOH 15,19: FREMDLINGE DER ZERSTREUUNG‘

ALS ‚ERWÄHLTE

In 1Petr 1,1f., dem Präskript des 1Petr, werden die in dieser Epistel angeredeten Christen unmittelbar als ἐκλεκτοὶ παρεπίδημοι διασπορᾶς, also als – offensichtlich oder präziser: möglicherweise von Gott1 – ‚erwählte Fremdlinge der Zerstreuung‘2 charakterisiert. Im Rahmen dieses Syntagmas scheinen 1. Zu Gott als Subjekt dieser Erwählung vgl. etwa N. Brox, 1Petr, 56, der auf 1Petr 1,2 verweist. Freilich ist dies keinesfalls sicher bzw. aus 1Petr 1,2 beileibe nicht mit Sicherheit zu entnehmen. In diesem Vers nämlich wird keineswegs explizit darauf hingewiesen, dass Gott derjenige sei, der die Adressaten erwählt habe; vielmehr spricht der Verfasser des 1Petr lediglich davon, dass deren Erwählung gemäß der πρόγνωσις Gottes erfolgt sei. Würde – und dies ist ein Vorschlag, den P.J. Achtemeier in seinem Kommentar zu 1Petr 1,2 zumindest erwägt – hingegen die die Wendung εἰς ὑπακοὴν καὶ ῥαντισμὸν αἵματος Ἰησοῦ Χριστοῦ einleitende Präposition εἰς nicht in finalem, sondern in kausalem Sinne verstanden, bezeichnete diese Wendung „the reason why Christians can be elect sojourners by divine plan and power: it is because of Jesus‘ obedience, which led him to his self-sacrifice on the cross“ (1Petr, 87), wiese somit auf Christus als denjenigen hin, dem und dessen Handeln die Adressaten des 1Petr ihre Erwählung zu verdanken hätten. Zu den unterschiedlichen Möglichkeiten der Interpretation vgl. 87–89. 2. Vgl. zu dieser Übersetzung etwa diejenige von N. Brox, 1Petr, 55; noch näher an der hier gewählten Übersetzung etwa R. Feldmeier, 1Petr, 31.

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nun die Termini ἐκλεκτοί und παρεπίδημοι – in einer letzten Endes integrativen Polarität3 – näherhin den gegenwärtigen christlichen Status bzw. die aktuelle Form der christliche Existenz der Adressaten des 1Petr zu charakterisieren, wohingegen der sich auf die Begriffskonstruktion ἐκλεκτοὶ παρεπίδημοι insgesamt zu beziehende Genitiv διασπορᾶς als Genitiv des Ortes oder auch des Raumes4 eher eine lokale oder aber eine spatiale Angabe 3. Zur inhaltlichen Korrelation zwischen diesen beiden Begriffen in 1Petr 1,1 vgl. sehr treffend R. Feldmeier, 1Petr, 35: „Erwählung und Fremde korrelieren also: ‚Erwählung‘ bezeichnet die Aussonderung durch Gott, die in der Einbindung in das Gottesvolk ihre soziale Gestalt findet. Aus dieser wiederum resultiert die gesellschaftliche Ausgrenzung als ‚Fremdkörper‘, aufgrund derer dann – in einer Art Umkehrschluss – der 1Petr die bedrängten Christen ihrer Zugehörigkeit zu Gottes Volk, seinem Geschlecht, Haus, Priesterschaft etc. versichern kann. Die Anrede ‚erwählte Fremde der Zerstreuung‘ macht deutlich, dass die Fremdheit der Christen in der Gesellschaft und ihre besondere Bindung an Gott sowie die Einbeziehung in die durch ihn begründete neue Gemeinschaft sich gegenseitig bedingen“. Dieser inhaltliche Zusammenhang zwischen den Termini ἐκλεκτοί und παρεπίδημοι lässt sich als integrierte Polarität beschreiben. 4. Vgl. hierzu F. Blaß/A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik, § 186, 149: „Der Gen[itiv] des Ortes bezeichnet klass[isch] den gesamten Raum, innerhalb dessen in einem unbestimmten Teil (partitiv) etwas geschieht“. Anders hier L. Goppelt, 1Petr, 77, A. 15, der den Genitiv διασπορᾶς als einen auf das Substantiv παρεπίδημοι oder auf das Syntagma ἐκλεκτοὶ παρεπίδημοι bezogenen genitivus qualitatis oder einen genitivus epexegeticus definieren möchte; eine Auslegung desselben als genitivus partitivus lehnt er explizit ab, ohne dies allerdings zu begründen; vgl. zu einer solchen Interpretation des Genitivs διασπορᾶς augenscheinlich auch F.J.A. Hort, 1Petr I, 16; vgl. zu dieser Diskussion auch K.L. Schmidt, Art. διασπορά, in: ThWNT II, 104. Schmidt diskutiert die Frage nach dem Charakter des Genitivs διασπορᾶς und kommt, hier L. Goppelt sehr ähnlich, zu dem Ergebnis, dass jener, falls der 1Petr nicht nur an Judenchristen, sondern an Christen überhaupt gerichtet sei, als genitivus epexegeticus oder aber als genitivus attributivus vel qualitatis zu qualifizieren sei. Wird der Genitiv διασπορᾶς als genitivus qualitatis gefasst, muss postuliert werden, dass die genitivisch konstruierte Aufzählung 1Petr 1,1bβ letzlich auf das Syntagma ἐκλεκτοῖς παρεπιδήμοις (1Petr 1,1bα), nicht jedoch auf den die einzelnen Glieder dieser Aufzählung grammatisch regierenden Genitiv διασπορᾶς zu beziehen sei (vgl. zu der Annahme eines solchen Bezugs auch u. 29f.). Einem solchen Postulat steht aber die Formulierung in 1Petr 1,1b selbst entgegen, die einen unmittelbaren Bezug der Aufzählung Πόντου, Γαλατίας, Καππαδοκίας, Ἀσίας καὶ Βιθυνίας 1Petr 1,1bβ auf den Genitiv διασπορᾶς nahelegt. Wird der Genitiv διασπορᾶς hingegen als ein genitivus epexegeticus interpretiert, so ergibt sich als interpretatorische Konsequenz, dass der Verfasser des 1Petr zwar die in den in 1Petr 1,1bβ genannten Provinzen, Distrikten oder Regionen lebenden Christen offensichtlich als ἐκλεκτοὶ παρεπιδήμοι διασπορᾶς ansieht, solche Christen, die in anderen Regionen des imperium Romanum leben, hingegen nicht. Damit aber verliert der in 1Petr 1,1b verwendete διασπορά-Begriff jeglichen universalen Akzent und lässt sich dann nicht mehr vor dem Hintergrund des alttestamentlichen διασπορά-Begriffes interpretieren. Dass diesem der Gedanke der Universalität innewohnt, zeigt sich etwa daran, dass jener in allen zwölf LXXBelegen jeweils im Singular, niemals aber im Plural begegnet (vgl. hierzu K.L. Schmidt, Art. διασπορά, in: ThWNT II, 99). Vgl. zu diesem Aspekt der Universalität auch J. Zumstein, Joh, 306, A. 118; Zumstein formuliert mit Bezug auf K.L. Schmidt: „In der LXX … kann der Begriff ‚Diaspora‘ (διασπορά) entweder die Zerstreuung des erwählten Volkes unter die Heiden … oder das zerstreute Volk als Ganzes … oder auch den Ort der Zerstreuung bezeichnen“.

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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transportiert, d.h. den Ort oder Raum angibt, an dem bzw. in dem die im 1Petr angeschriebenen Christen als ἐκλεκτοὶ παρεπίδημοι sich in der Gegenwart der Abfassung des 1Petr und vor allem aus der Sicht seines Verfassers aufhalten5. Der in dieser Adresse begegnende Terminus διασπορά und der durch denselben bezeichnete Ort oder Raum werden in der Forschung häufig im Horizont des babylonischen Exils, d.h. in einer theologischen Perspektive, interpretiert; D. Sänger zufolge „transzendier[e] δ. die konkrete geschichtliche Situation der hier Angesprochenen und … [werde] zu einer Aussage über das Wesen der christl[ichen] Gemeinde in der Welt überhaupt: δ. … [sei] der Ausdruck dafür, daß nicht die Erde die Heimat des Christen ist, sondern die himmlische Welt“6. Ein solches universales, letzten Endes auf die gesamte irdische Welt als Exil und damit zugleich als Oppositum zur himmlischen Heimat abhebendes Verständnis des 1Petr 1,1 begegnenden διασπορά-Begriffs ließe sich nun allerdings nur dann durchhalten, wenn die unmittelbar auf den Genitiv διασπορᾶς folgende, ihrerseits ebenfalls genitivisch konstruierte Aufzählung von Provinzen, Distrikten oder Regionen7 – Πόντου, Γαλατίας, Καππαδοκίας, Ἀσίας καὶ Βιθυνίας (1Petr 1,1bβ) – als unmittelbar auf das Syntagma ἐκλεκτοὶ παρεπίδημοι bezogen gedacht würde, was zugleich bedeutete, dass der Genitiv διασπορᾶς dann als genitivus attributivus vel qualitatis zu definieren wäre8; übersetzt hieße dies: ‚an die in der Zerstreuung lebenden erwählten Fremdlinge aus Pontus, Galatia, 5. Nach J.H. Elliott, Home, 38 wird der Terminus διασπορά in 1Petr 1,1 und auch in Jak 1,1 „for the first time as a designation for Christians (most probably an admixture of both Jewish and Gentile converts)“ und eben nicht für Juden oder lediglich Judenchristen verwendet. 6. Art. διασπορά κτλ., in: EWNT2 I, 750. In diese Richtung denken neben anderen auch M. Vahrenhorst, 1Petr, 64f. und R. Feldmeier, 1Petr, 33. K.H. Schelkle, 1Petr, 19 formuliert entsprechend: „Da 1Petr jedoch keinesfalls betont und ausschließlich an Judenchristen gerichtet ist, sondern ebenso an Heidenchristen … oder Christen überhaupt, ist hier nicht die jüdische Diaspora gemeint, sondern das Wort gilt von der Kirche und ihrer Heimatlosigkeit in Zeit und Welt“. 7. Vgl. hierzu bereits ausführlich o. 14–16. 8. Eine solche Möglichkeit erwägt K.L. Schmidt, Art. διασπορά, in: ThWNT II, 104 (vgl. hierzu auch o. 28, A. 4); er formuliert dann aber interpretatorisch vollständig folgerichtig: „διασπορᾶς = διεσπαρμένοις“ und stellt somit einen unmittelbaren Bezug der fünfgliedrigen genitivisch konstruierten Aufzählung von Provinzen, Distrikten oder Regionen 1Petr 1,1bβ auf das Syntagma ἐκλεκτοὶ παρεπίδημοι her. Einer solchen letztlich identifikativen Interpretation der Begriffe παρεπιδήμοι und διασπορά redet etwa auch N. Brox, 1Petr, 57 das Wort, wenn er formuliert: „Die Metaphern vom Fremdling, der nur vorübergehend an einem für ihn fremden Ort lebt …, und vom Fremden ohne Bürgerrecht in einer Stadt … sowie von der Diaspora verstehen christliche Existenz, wie sich immer deutlicher zeigen wird, als Nicht-Angepaßt-Sein an den verbreiteten Lebensstil, als Verweigerung von Identität und Zustimmung, als eine die greifbaren Lebensbedingungen transzendierende Hoffnung, die das Leben unter diesen Bedingungen reguliert“.

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Kappadokia, Asia und Bithynia‘. Diese Annahme wird jedoch schon durch die Wortstellung in 1Petr 1,1b verunmöglicht; die dortige Formulierung zwingt dazu, die fünfgliedrige genitivisch konstruierte Aufzählung 1Petr 1,1bβ unmittelbar auf den Genitiv διασπορᾶς zu beziehen. Das aber heißt: Das u.a. von D. Sänger explizit unter Berücksichtigung von 1Petr 1,1 entwickelte dezidiert theologische Verständnis des διασπορά-Begriffs im universalen Sinne eines irdischen Exils oder einer irdischen Heimatlosigkeit der Christen kann in 1Petr 1,1b nicht intendiert sein9. Würden diese Aufzählung bzw. deren einzelne Glieder hingegen als auf den Genitiv διασπορᾶς bezogene genitivi epexegetici10, also als den Genitiv διασπορᾶς erklärende Appositionen gefasst – übersetzt hieße dies: ‚den erwählten Fremdlingen der Zerstreuung, nämlich konkret den erwählten Fremdlingen des Pontus, Galatias, Kappadokias, Asias und Bithynias‘ –, so ergäben sich zwei mögliche interpretatorische Konsequenzen: Entweder beabsichtige der Verfasser des 1Petr, unterschiedliche διασποραί, nämlich die pontische, die galatische, die kappadokische, die asianische und die bithynische, voneinander zu differenzieren, oder aber, das Gebiet der fünf in dieser Aufzählung genannten Provinzen, Distrikte oder Regionen als διασπορά von anderen Regionen des imperium Romanum, die er mit dieser Bezeichnung nicht belegen zu können meint, zu unterscheiden. Beide Konsequenzen ließen sich mit dem universalen Charakter der u.a. von D. Sänger verfochtenen Interpretation des διασπορά-Begriffs nicht vereinbaren. Eine ähnliche Folgerung ergäbe sich, würden schließlich die fünf Genitive Πόντου, Γαλατίας, Καππαδοκίας, Ἀσίας καὶ Βιθυνίας als ihrerseits sämtlich als auf den Begriff διασπορᾶς zu beziehende genitivi loci verstanden – dementsprechend lautete 1Petr 1,1b dann übersetzt: ‚den erwählten Fremdlingen der Zerstreuung im Pontus, [der Zerstreuung] in Galatia, [der Zerstreuung] in Kappadokia, [der Zerstreuung] in Asia und [der Zerstreuung] in Bithynia‘. 9. Dies mag anders aussehen im Blick auf Jak 1,1b; der Verfasser des Jak formuliert hier, deutlich anders als der Verfasser des 1Petr, in der adscriptio: ταῖς δώδεκα φυλαῖς ταῖς ἐν τῇ διασπορᾷ. Zumindest denkbar ist, dass das hier verwendete Syntagma δώδεκα φυλαὶ αἱ ἐν τῇ διασπορᾷ sich auf die gesamte Christenheit, deren irdische Existenz einem Exil gleicht, bezieht; vgl. hierzu etwa K.L. Schmidt, Art. διασπορά, in: ThWNT II, 103f. Anders hier jedoch etwa H. Frankemölle, Jak I, 127, der dem in Jak 1,1b belegten διασπορά-Begriff „primär eine soziale … Kategorie“ zuschreiben möchte. Unentschieden hier D. Sänger, Art. διασπορά κτλ., in: EWNT2 I, 750: „Ob man aber aufgrund dessen δ. wie im 1Petr übertragen deuten und ihm wie dort einen spezifisch theol[ogischen] Sinn geben darf … und nicht allein auf eine konkrete Minoritätensituation in andersgläubiger Umwelt zu beziehen hat, bleibt unsicher und hängt wesentlich ab von der Bestimmung der Adressaten und der Datierung des Jak“. 10. Vgl. zu dieser Annahme bereits die Diskussion o. 28, A. 4. In diesem epexegetischen Sinne etwa P.J. Achtemeier, 1Petr, 83, der die geographischen Angaben Πόντος, Γαλατία, Καππαδοκία, Ἀσία und Βιθυνία unmittelbar als den Begriff διασπορά näher definierende Erklärungen oder Erläuterungen fassen möchte: „The diaspora is defined by the following references to five areas“, darüber hinaus, dann aber durchaus in einem gewissen Widerspruch, 83, A. 49: „Like διασπορᾶς, their case is the genitive of place“. Ähnlich hier auch R. Feldmeier, 1Petr, 33, der formuliert: „Ort der Zerstreuung sind im 1Petr die fünf (bzw. vier) großen Provinzen Kleinasiens, in denen die Adressaten leben“.

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Wird die fünfgliedrige genitivisch konstruierte Aufzählung in 1Petr 1,1bβ, wie es die Wortstellung in 1Petr 1,1b nahelegt, auf den Genitiv διασπορᾶς bezogen, so folgt daraus im Umkehrschluss, das letzterer nur als genitivus epexegeticus oder als genitivus loci, nicht jedoch als genitivus qualitatis verstanden werden kann. Das aber heißt: Der Genitiv διασπορᾶς verliert seinen universalen Akzent und kann nurmehr als Bezeichnung eines abgrenzbaren, von anderen irdischen Orten oder Räumen zu unterscheidenden, ebenfalls irdischen Ortes oder Raumes verstanden werden11. Konkret: Entweder charakterisiert der Verfasser des 1Petr die in den Provinzen, Distrikten oder Regionen Πόντος, Γαλατία, Καππαδοκία, Ἀσία und Βιθυνία lebenden Christen in ihrer Gesamtheit mit diesem Begriff, um sie von den in anderen Gebieten des imperium Romanum lebenden Christen zu unterscheiden, eine Interpretation, die die Deutung des Genitivs διασπορᾶς als genitivus epexegeticus nahelegte. Oder der Verfasser des 1Petr differenziert innerhalb der in den Provinzen, Distrikten oder Regionen Πόντος, Γαλατία, Καππαδοκία, Ἀσία und Βιθυνία lebenden Christen solche, die aus seiner Sicht zur διασπορά zu rechnen sind, von solchen, die sich mit diesem Ort oder Raum nicht in Verbindung bringen lassen, eine Deutung, die es erforderlich machte, den Genitiv διασπορᾶς als genitivus loci zu fassen. Die Entscheidung über die Frage, welche der beiden Interpretationsmöglichkeiten die wahrscheinlichere ist, kann an dieser Stelle offenbleiben; in jedem Falle differenziert der Verfasser des 1Petr mit Hilfe des genitivus epexegeticus vel loci διασπορᾶς solche ἐκλεκτοὶ παρεπίδημοι, die – immer aus seiner möglicherweise römischen oder aber auch römisch-fiktiven Sicht12 – einer im weiteren Verlauf der vorliegenden Studie noch präziser zu definierenden lokalen bzw. spatialen διασπορά zuzurechnen sind, von solchen ἐκλεκτοὶ παρεπίδημοι, die an einem oder in einem von einer solchen διασπορά zu unterscheidenden und somit nicht unter diesem Terminus zu subsumierenden Ort oder Raum, somit also in der Nicht-διασπορά, anzutreffen sind; zu letzteren rechnet der Verfasser des 1Petr etwa sich selbst und die hinter seiner Epistel stehende Absendergemeinde. Diese letzte Konsequenz wird indiziert durch die Beobachtung, dass der Verfasser des 1Petr in 1Petr 5,13, um den christlichen Status eben dieser Absendergemeinde und ihrer Glieder mit demjenigen der Adressaten seiner Epistel zu korrelieren, ausschließlich den – nun jedoch explizit korrelativen – Begriff συνεκλεκτός verwendet, ohne 11. Vgl. hierzu auch J.H. Elliott, Home, 38; Elliott stellt fest: „In each of its three New Testament occurrenes John 7:35; Jas. 1:1; 1Pet. 1:1) the term diaspora circumscribes geographically and socially, as it did in its technical LXX usage, a body of people living beyond the limits of Eretz Israel (Palestine)“ (vgl. hierzu auch 1Petr, 313). 12. Vgl. hierzu o. 19f.

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jedoch seine eigene und der Absendergemeinde seiner Epistel christliche Existenz auch nur im Ansatz als ebenfalls in der διασπορά zu verorten zu kennzeichnen13. J.H. Elliott möchte, in Abgrenzung zu einer theologischen bzw. kosmologischen Interpretation des διασπορά-Begriffs, die etwa von D. Sänger vertreten wird, denselben sozial oder soziologisch verstehen. Elliott zufolge beschreibe dieser Terminus sowohl im Neuen Testament als aber auch in der LXX „geographically and socially … a body of people living beyond the limits of Eretz Israel (Palestine)“14. Indem er jenem über die geographische hinaus auch eine soziale Konnotation zueignet, rückt er diesen Begriff semantisch in die Nähe des Terminus παροικία, ein Unterfangen, zu dem er sich v.a. aufgrund der Ausführungen in Esr 8,35/2Εσδ 8,35 berechtigt sieht. Hier nämlich würde das hebräische Wort ‫גּוֹלה‬, ָ derjenige Begriff, dem eben das griechische Wort διασπορά entspreche und der in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments eben mit demselben häufig wiedergegeben würde, mit dem griechischen Terminus παροικία übersetzt. Darüber hinaus träten in der LXX durchaus häufig solche griechischen Worte an die Stelle der hebräischen Begriffe ‫גּוֹלה‬ ָ bzw. ‫גָּ לוּת‬, die dem Wortfeld οἶκος bzw. der Wurzel οικ- zuzuordnen wären15. Mit dieser Interpretation leistet Elliott der in der vorliegenden Studie vertretenen lokalen bzw. spatialen Interpretation des διασπορά-Begriffs einerseits durchaus Vorschub. Andererseits aber ergeben sich gegenüber der von Elliott entwickelten Definition in ihrer Gesamtheit, in Sonderheit gegenüber der von jenem 13. Ausweislich der Konkordanz sind das Substantiv διασπορά und das entsprechende Verb διασπείρω im 1Petr nur in 1Petr 1,1 belegt, vgl. hierzu W.F. Moulton/A.S. Geden, Concordance, s.v. διασπείρω, διασπορά, 206. Gänzlich anders hier J.H. Elliott, Home, 39, der den Begriff der διασπορά aus 1Petr 1,1 als inhaltliche Parallele zu dem Terminus Βαβυλών auffassen möchte: „The motivation for this thematic association, which also forms a literary inclusion of the whole document, may well have been the traditional apocalyptic association of the diaspora with Babylon, that notorious place which most poignantly epitomized the trials and tribulations of Israel’s diaspora existence and separation from home“. Dieser von J.H. Elliott formulierten Position gegenüber ist kritisch anzumerken, dass die in dieser Position zum Zuge kommende Argumentation sich nur dann aufrechterhalten lässt, wenn der Terminus Βαβυλών 1Petr 5,13 als Chiffre für die mesopotamische Stadt Babylon und damit für das babylonische Exil des Volkes Israel interpretiert wird. Wird dieser Begriff jedoch als Chiffre für die Stadt Rom aufgefasst – eine Annahme, für die sich durchaus gute Gründe anführen lassen (vgl. hierzu ausführlich u. 131–138) –, vermag er nicht mehr als inhaltlich bezogen auf den in 1Petr 1,1 belegten Begriff διασπορά gedeutet zu werden; damit verliert auch die von Elliott – und nicht nur von ihm – formulierte These einer durch die entsprechenden Ausführungen in 1Petr 1,1 und 1Petr 5,13 kreierten literarischen inclusio ihre argumentationslogische Kraft. 14. Home, 38; vgl. hierzu bereits o. 28f.; vgl. hierzu auch H. Frankemölle, Jak I, 127, der, wie J.H. Elliott, in dem Terminus διασπορά „primär eine soziale … Kategorie“ inhäriert sieht. In diesem Sinne auch C.G. Müller, 1Petr, 110f. mit Verweis auf J. Kiefer: „…. Die ‚Zerstreuung‘ ist das Resultat der Ausbreitung und Verteilung des jüdischen Volkes über die Grenzen Israel-Palästinas hinaus.‘ Im heutigen, stark von der Soziologie geprägten Sprachgebrauch, schwingt freilich noch ein anderer Aspekt mit: die Bewertung als Minderheitensituation. Beides gilt es im Folgenden im Blick zu behalten“. 15. Vgl. zu dieser Argumentation Home, 31.

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diesem Terminus zugeschriebenen sozialen Dimension erhebliche Einwände: (a) Das Unterfangen, den Begriff διασπορά unter Verweis auf den Sachverhalt, dass beide als Übersetzung des hebräischen Wortes ‫ הָלוֹגּ‬fungieren können, semantisch in die Nähe des Terminus παροικία bzw. solcher Termini, die der Wurzel οικ- entspringen, zu rücken, will unabhängig von der überschaubaren Anzahl der Belege allein schon deshalb methodisch schwierig erscheinen, weil der Begriff ‫גּוֹלה‬ ָ nicht als hebräischer terminus technicus für den griechischen terminus technicus διασπορά fungiert16, ein Sachverhalt, der der Beobachtung, dass dieser hebräische Begriff in der LXX sowohl mit dem Begriff διασπορά als auch mit aus der Wurzel οικ- abgeleiteten griechischen Termini wiedergegeben werden kann, im Blick auf die semantische Relation der Begriffe διασπορά und παροικία ihre argumentative Kraft nimmt. Darüber hinaus: Dass das Substantiv ‫גּוֹלה‬ ָ in der LXX sowohl mit διασπορά als auch mit παροικία κτλ. übersetzt werden kann, mag darin begründet sein, dass die unterschiedlichen Übersetzer den Begriff ‫ הָלוֹגּ‬jeweils unterschiedlich interpretiert haben, nicht aber darin, dass ihnen die Termini διασπορά und παροικία κτλ. semantisch vergleichbar oder gar äquivok erschienen. (b) Warum sollte, wenn dem Terminus παρεπίδημοι – u.U. durchaus nicht unbegründet17 – ein sozialer Akzent zugeschrieben wird, auch der diesem als Genitivapposition beigegebene Begriff διασπορά einen solchen inhärieren? Das Syntagma ἐκλεκτοὶ παρεπίδημοι διασπορᾶς lässt sich nicht nur gänzlich zwanglos, sondern letzten Endes sogar deutlich besser verstehen, wenn diesem Terminus lediglich ein geographischer, d.h. lokaler oder spatialer, und nicht – sprachlich wenig elegant – einem Hendiadyoin gleich auch noch – oder womöglich ausschließlich – ein sozialer Akzent beigelegt wird. (c) Eine tabellarische Übersicht über die Belege für den Begriff διασπορά in der LXX18 vermag die hier entwickelte lokale bzw. spatiale Deutung des διασποράBegriffs in Eindeutigkeit zu bestätigen19; die zwölf in der LXX vorliegenden Belege transportieren sämtlich nur einen lokalen bzw. spatialen, jedoch weder einen theologischen noch einen sozialen Aspekt, der diesem Terminus den Aspekt sozialer Ausgrenzung inhärierte20:

16. Vgl. hierzu K.L. Schmidt, Art. διασπορά, in: ThWNT II, 99: „Unser Überblick über die LXX-Stellen zeigt, daß dem griechischen Wort διασπορά, das als terminus technicus ersichtlich ist, bei den Mas[oreten] kein entsprechender hebräischer Terminus gegenübersteht“. Diesen Sachverhalt räumt J.H. Elliott auch durchaus ein; vgl. hierzu Home, 31. 17. Vgl. hierzu u. 39–42. 18. Zur geographischen Ausdehnung der jüdischen διασπορά vgl. C.G. Müller, 1Petr, 111f. 19. Zur methodischen Berechtigung der hier durchgeführten Analyse der LXX-Belege für den διασπορά-Begriff vgl. P.J. Achtemeier, 1Petr, 82: „The term διασπορά … is … drawn from Jewish tradition“. 20. Vgl. zur Analysse dieser Belege auch C.G. Müller, 1Petr, 111: „Untersucht man den Sprachgebrauch der LXX, so fällt auf, dass ‚an allen 12 LXX-Stellen διασπορά als terminus für die Zerstreuung der Juden unter die Heidenvölker gebraucht, aber auch als abstractum pro concreto für die Zerstreuten selbst‘ verwendet wird“. Müller verweist in diesem Zusammenhang auf Ausführungen von U. Poplutz und M. Böhm. In jedem Falle bestätigen diese Ausführungen die in der vorliegenden Studie vetretene Annahme zu den – ausschließlich lokalen bzw. spatialen – semantischen Implikationen des in 1Petr verwendeten διασπορά-Begriffs.

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Beleg

Text

Akzentuierung

Dtn 28,25

δῴη σε κύριος ἐπικοπὴν ἐναντίον τῶν lokal/spatial: Zerstreuung ἐχθρῶν σου ἐν ὁδῷ μιᾷ ἐξελεύσῃ πρὸς über die gesamte Erde αὐτοὺς καὶ ἐν ἑπτὰ ὁδοῖς φεύξῃ ἀπὸ προσώπου αὐτῶν καὶ ἔσῃ ἐν διασπορᾷ ἐν πάσαις ταῖς βασιλείαις τῆς γῆς

Dtn 30,4

ἐὰν ᾖ ἡ διασπορά σου ἀπ᾽ ἄκρου τοῦ οὐρανοῦ ἕως ἄκρου τοῦ οὐρανοῦ ἐκεῖθεν συνάξει σε κύριος ὁ θεός σου καὶ ἐκεῖθεν λήμψεταί σε κύριος ὁ θεός σου

Neh 1,9 (2Εσδ 1,9)

καὶ ἐὰν ἐπιστρέψητε πρός με καὶ lokal/spatial: Zerstreute/ φυλάξητε τὰς ἐντολάς μου καὶ ποιή- Verstoßene am Ende des σητε αὐτάς ἐὰν ᾖ ἡ διασπορὰ ὑμῶν Himmels ἀπ᾽ ἄκρου τοῦ οὐρανοῦ ἐκεῖθεν συνάξω αὐτοὺς καὶ εἰσάξω αὐτοὺς εἰς τὸν τόπον ὃν ἐξελεξάμην κατασκηνῶσαι τὸ ὄνομά μου ἐκεῖ

Jdt 5,19

καὶ νῦν ἐπιστρέψαντες ἐπὶ τὸν θεὸν lokal/spatial: Rückkehr αὐτῶν ἀνέβησαν ἐκ τῆς διασπορᾶς οὗ aus der Zerstreuung nach διεσπάρησαν ἐκεῖ καὶ κατέσχον τὴν Jerusalem Ιερουσαλημ οὗ τὸ ἁγίασμα αὐτῶν καὶ κατῳκίσθησαν ἐν τῇ ὀρεινῇ ὅτι ἦν ἔρημος

2Makk 1,27

ἐπισυνάγαγε τὴν διασπορὰν ἡμῶν ἐλευθέρωσον τοὺς δουλεύοντας ἐν τοῖς ἔθνεσιν τοὺς ἐξουθενημένους καὶ βδελυκτοὺς ἔπιδε καὶ γνώτωσαν τὰ ἔθνη ὅτι σὺ εἶ ὁ θεὸς ἡμῶν

lokal/spatial: Zerstreuung von einem Ende des Himmels bis zum anderen Ende

lokal/spatial: zwar steht der διασπορά hier im Kontext mit sozialer Terminologie, transportiert diesen sozialen Aspekt selbst aber nicht

Ps 138,1a εἰς τὸ τέλος ψαλμὸς τῷ Δαυιδ [ψαλ- lokal/spatial nach Codex A μὸς Ζαχαριου ἐν τῇ διασπορᾷ] Ps 146,2LXX οἰκοδομῶν Ιερουσαλημ ὁ κύριος καὶ lokal/spatial: die τὰς διασπορὰς τοῦ Ισραηλ ἐπισυνάξει Zerstreuten werden wieder zusammengeführt PsSal 8,28

συνάγαγε τὴν διασπορὰν Ισραηλ μετὰ lokal/spatial ἐλέους καὶ χρηστότητος ὅτι ἡ πίστις σου μεθ᾽ ἡμῶν

Jes 49,6

καὶ εἶπέν μοι μέγα σοί ἐστιν τοῦ κληθῆ- lokal/spatial: ναί σε παῖδά μου τοῦ στῆσαι τὰς φυλὰς Rückführung der Ιακωβ καὶ τὴν διασπορὰν τοῦ Ισραηλ Zerstreuten ἐπιστρέψαι ἰδοὺ τέθεικά σε εἰς διαθήκην γένους εἰς φῶς ἐθνῶν τοῦ εἶναί σε εἰς σωτηρίαν ἕως ἐσχάτου τῆς γῆς

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Jer 15,7a

καὶ διασπερῶ αὐτοὺς ἐν διασπορᾷ ἐν lokal/spatial: völlige πύλαις λαοῦ μου Zerstreuung ἐν πύλαις λαοῦ μου

Jer 34,17 (Ἰερ 41,17)

διὰ τοῦτο οὕτως εἶπεν κύριος ὑμεῖς lokal/spatial: Zerstreuung οὐκ ἠκούσατέ μου τοῦ καλέσαι ἄφεσιν in alle Königreiche der ἕκαστος πρὸς τὸν πλησίον αὐτοῦ ἰδοὺ Erde ἐγὼ καλῶ ἄφεσιν ὑμῖν εἰς μάχαιραν καὶ εἰς τὸν θάνατον καὶ εἰς τὸν λιμὸν καὶ δώσω ὑμᾶς εἰς διασπορὰν πάσαις ταῖς βασιλείαις τῆς γῆς

Dan 12,2

καὶ πολλοὶ τῶν καθευδόντων ἐν τῷ lokal/spatial: ewige πλάτει τῆς γῆς ἀναστήσονται οἱ μὲν Zerstreuung εἰς ζωὴν αἰώνιον οἱ δὲ εἰς ὀνειδισμόν οἱ δὲ εἰς διασπορὰν καὶ αἰσχύνην αἰώνιον (LXX); καὶ πολλοὶ τῶν καθευδόντων ἐν γῆς χώματι ἐξεγερθήσονται οὗτοι εἰς ζωὴν αἰώνιον καὶ οὗτοι εἰς ὀνειδισμὸν καὶ εἰς αἰσχύνην αἰώνιον (Th)

In seinem Kommentar zu 1Petr versucht Elliott, seine sozial konnotierte Interpretation des διασπορά-Begriffs mit einem über die Schriften der LXX hinausreichenden Hinweis auf TestAss 7,2 zu stützen: „The misery this [d.h. die Existenz in der διασπορά] could also entail is evident in the words of the Testament of Asher (7:2)“21. In TestAss 7,2 werden zwar das Motiv der Zerstreuung und dasjenige der sozialen Ausgrenzung miteinander verbunden; dass aber deshalb auch dem Begriff bzw. dem Motiv der διασπορά selbst schon ein solcher sozialer Akzent innewohnt, wird durch den Text selbst, der von einer ‚Zerstreuung in die vier Ecken der Erde‘ spricht, gerade nicht indiziert: οἶδα γὰρ ὅτι ἁμαρτήσετε, καὶ παραδοθήσεσθε εἰς χεῖρας ἐχθρῶν ὑμῶν· καὶ ἡ γῆ ὑμῶν ἐρημωθήσεται, καὶ τὰ ἅγια ὑμῶν καταφθαρήσεται, καὶ ὑμεῖς διασκορπισθήσεσθε εἰς τὰς τέσσαρας γωνίας τῆς γῆς, καὶ ἔσεσθε ἐν διασπορᾷ, ἐξουθενώμενοι ὡς ὕδωρ ἄχρηστον22.

Wird dieses Ergebnis einer lokalen bzw. spatialen Interpretation des διασπορά-Begriffs nun einerseits kombiniert mit der Annahme, dass der 1Petr sich nicht an eine jüdische oder judenchristliche, sondern an eine zumindest in ihrer Mehrheit ursprünglich pagane Leserschaft richtet23, andererseits verknüpft 21. 1Petr, 313. 22. Text nach M. de Jonge, TestXII, 141; „Denn ich weiß, daß ihr sündigen werdet und (darum) in die Hände eurer Feinde ausgeliefert werden werdet. Und euer Land wird verwüstet werden, und eure heiligen Stätten werden zerstört werden, und ihr werdet zerstreut werden in die vier Ecken der Erde. Und ihr werdet in der Zerstreuung sein, verachtet wie unbrauchbares Wasser“; Übersetzung nach Jürgen Becker, TestXII, 117. 23. Vgl. hierzu ausführlich o. 13f.

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mit dem Sachverhalt, dass der anonyme Verfasser des 1Petr schon durch die Wahl des Pseudonyms Πέτρος sich selbst und die hinter seiner Epistel stehende Absendergemeinde entweder real oder aber fiktiv mit der römischen Christenheit und ihren theologischen und konstitutionellen Inhalten und Strukturen zu verbinden beabsichtigte24, so lässt sich im Blick auf 1Petr 1,1 eine auf das Land Palästina bezogene lokale bzw. spatiale Definition des διασπορά-Begriffs, so wie sie etwa in Joh 7,35; Apg 8,1.4; 11,1925, aber in Sonderheit auch in der LXX sichtbar wird, kaum durchhalten. Vielmehr gewinnt die Annahme an Plausibilität, dass jener die im 1Petr angeschriebenen Christen – im Gegensatz zu sich selbst und der Absendergemeinde – der διασπορά zuordnet, weil sie sich und ihre christliche Existenz zur Zeit der Abfassung des 1Petr außerhalb des Raumes des römischen Christentums und der diesem inhärenten, dem die politische Situation prägenden römischimperialen Referenzsystem durchaus entsprechenden Gemeinde- und Kirchenstruktur realisieren, aus Sicht des Verfassers des 1Petr somit letzten Endes ein Christentum τῆς διασπορᾶς praktizieren. Ein solches nicht-theologisches und zugleich aber auch nicht-soziales, sondern ausschließlich lokales bzw. spatiales, auf eine Existenz außerhalb bestehender – durchaus auch konstitutioneller – Strukturen abhebendes Verständnis des διασπορά-Begriffs wird zunächst gestützt durch die Ausführungen in Joh 7,35; hier wird eine Beratung innerhalb der Gruppe der mit Jesus diskutierenden Juden überliefert: εἶπον οὖν οἱ Ἰουδαῖοι πρὸς ἑαυτούς· ποῦ οὗτος μέλλει πορεύεσθαι ὅτι ἡμεῖς οὐχ εὑρήσομεν αὐτόν; μὴ εἰς τὴν διασπορὰν τῶν Ἑλλήνων μέλλει πορεύεσθαι καὶ διδάσκειν τοὺς Ἕλληνας? Unmittelbar deutlich wird, dass der Terminus διασπορά hier nicht die im Exil lebenden Gesamtjudenschaft bezeichnet oder auf eine der ‚babylonischen‘ Exilierung vergleichbare Lebenssituation abheben will, sondern auf diejenigen Juden abhebt, die unter den Ἕλληνες, d.h. außerhalb Palästinas, somit also außerhalb des jüdischen Kernlandes und der dort relevanten sozialen, gesellschaftlichen, politischen und auch rechtlichen Strukturen und inmitten einer hellenistisch geprägten Mehrheitsbevölkerung leben26. Darüber hinaus scheint das in Apg 8,1.4; 11,19 24. Vgl. hierzu o. 17–20. 25. Vgl. hierzu u. 26. Vgl. hierzu H. Thyen, Joh, 397: „Auch in der Fügung διασπορὰ τῶν Ἑλλήνων ist διασπορά die gängige Bezeichnung für die unter die Heidenvölker zerstreuten Juden, in diesem Falle also der Juden, die im Machtbereich der Griechen leben“ – und damit eben nicht in einem wie auch immer zu charakterisierenden Machtbereich der Juden. J. Zumstein, Joh, 306, A. 118 weist darauf hin, dass der Genitiv τῶν Ἑλλήνων „hier die Völker, unter denen die Zerstreuten leben“, bezeichne; vgl. hierzu auch R. Bultmann, Joh, 233, A. 6. R. Schnackenburg, Joh II, 208, weist darauf hin, dass der Begriff διασπορά in Joh 7,35 „schon zum term[inus] techn[icus] geworden“ sei, wobei der Genitiv τῶν Ἑλλήνων „das nähere Gebiet der Diaspora“ bezeichne. D. Sänger, Art. διασπορά κτλ., in: EWNT2 I, 749 möchte mit dem in Joh 7,35 begegnenden διασπορά-Begriff augenscheinlich ein qualitatives, in diesem Falle ein soziales Momentum verbinden: „Hier ist mit δ. – entsprechend dem LXX-Sprachgebrauch –

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belegte Verb διασπείρω, mit dem Lukas die Umstände der Existenz der aus Jerusalem vertriebenen und zertreuten, d.h. ohne jeglichen geistlichen oder konstitutionellen Zusammenhalt lebenden griechisch sprechenden (Juden-) Christen27 definiert28, in seiner Semantik die engste Parallele zu der hier im Blick auf 1Petr 1,1 vorgeschlagenen Interpretation des διασπορά-Begriffs zu sein.

Eine unmittelbare Parallele zur Bezeichnung der im Rahmen eines Briefpräskriptes als Adressaten Aufgeführten als ‚Erwählte‘ findet sich innerhalb der neutestamentlichen Briefliteratur – lediglich – in 2Joh 1a; hier schreibt der johanneische πρεσβύτερος29 an die ἐκλεκτὴ κυρία und deren Kinder, d.h. also an eine – letztlich personifizierte – Gemeinde und deren Glieder: Ὁ πρεσβύτερος ἐκλεκτῇ κυρίᾳ καὶ τοῖς τέκνοις αὐτῆς, οὓς ἐγὼ ἀγαπῶ ἐν ἀληθείᾳ30. Darüber hinaus berührt sich die im Postskript von 1Petr erkennbare, auf eine Parallelisierung zwischen Adressaten und Absendern abhebende Selbstbezeichnung der den 1Petr letztlich absendenden Gemeinde oder Gruppe31 als συνεκλεκτή (1Petr 5,13) einerseits mit der Adresse des 1Petr selbst, dann aber auch mit der Bezeichnung der den 2Joh empfangenden Adressatengemeinde als ἐκλεκτὴ κυρία32 und – womöglich noch entscheidender – mit der Bezeichnung der offensichtlich hinter dem πρεσβύτερος die jüd[ische] Minorität inmitten andersgläubiger, in diesem Fall griech[isch]-heidnischer, Umgebung gemeint“; noch deutlicher in diese Richtung denkt J.H. Elliott, Home, 38f. Solche als sozial zu definierenden Implikationen sind aus dem Text von Joh 7,35 selbst so jedoch nicht zu entnehmen. 27. Vgl. hierzu D. Sänger, Art. διασπορά κτλ., in: EWNT2 I, 750f. und auch R. Pesch, Apg I, 265. 28. Vgl. hierzu etwa A. Weiser, Apg I, 196: „Durch die ausbrechende Verfolgung werden Christen nach Judäa und Samaria versprengt“. In diese Richtung weisen auch die – auf den ersten Blick durchaus missverständlichen – Ausführungen von G. Schille, Apg, 197: „Wie häufig in der Erfahrung zerstört die Verfolgung zwar die Basis, aber nicht den Überbau, die oberste Kirchenleitung“. 29. Zu dieser Figur vgl. etwa H.-J. Klauck, 2Joh, 19–22; Klauck hält diesen hier begegnenden πρεσβύτερος für den Verfasser aller drei Johannesbriefe (vgl. 21), stellt aber im Blick auf dessen historische Identifikation klar: „Für eine nähere historische Identifizierung des Autors der drei Johannesbriefe, der sich in 2/3 Johannes selbst ‚Presbyter‘ nennt, fehlen uns die Mittel“. 30. Zur Deutung dieses Syntagmas vgl. etwa H.-J. Klauck, 2Joh, 33–37; Klauck selbst bezieht die Adressatenangabe insgesamt auf eine Gemeinde und deren Glieder (vgl. etwa 35.37); in diesem Sinne auch G. Strecker, Johannesbriefe, 317. Vgl. zur Auslgung dieses Syntagmas auch R. Bultmann, Johannesbriefe 103f.; Bultmann hält den 2Joh freilich für einen ‚katholischen‘ Brief, „den der Überbringer jeweils an alle in Frage kommenden Gemeinden zustellen sollte“ (104). 31. C.G. Müller, 1Petr, 392 weist darauf hin, daß einige „Ausleger … darin [d.h. in diesem Begriff] die Ehefrau des Autors angesprochen sehen“. Müller hält diese Interpretation m.R. für unwahrscheinlich. 32. Vgl. zu dieser zweiten Berührung etwa M. Hengel, Johanneische Frage, 135, dem zufolge bereits Clemens von Alexandria an dieser Stelle einen Zusammenhang hergestellt habe.

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

als dem Verfasser des 2Joh stehenden Absendergemeinde als ἀδελφὴ ἐκλεκτή der Adressatengemeinde (2Joh 13)33: Ἀσπάζεταί σε τὰ τέκνα τῆς ἀδελφῆς σου τῆς ἐκλεκτῆς34. M.a.W.: Sowohl im 1Petr als auch im 2Joh werden sowohl die Adressaten – jeweils in den Präskripten – als auch die Absender – jeweils innerhalb der Schlussgrüße –, wenn auch in begrifflich jeweils anderer Form, als ἐκλεκτοί bezeichnet35. Paulus kann in den von ihm verfassten Präskripten die Adressaten seiner Briefe durchaus mit Ehrentiteln wie etwa κλητοὶ ἅγιοι (1Kor 1,2; Röm 1,7), ἅγιοι (2Kor 1,1; Phil 1,1) oder auch ἀγαπητοί (Röm 1,7; Phlm 1,1) bezeichnen; die Anrede derselben als ἐκλεκτοί lässt sich in den Präskripten des Apostels allerdings nicht nachweisen36. Innerhalb der ur- und frühchristlichen Briefliteratur scheint der Begriff ἐκλεκτός innerhalb eines Präskriptes lediglich in IgnTrall belegt zu sein; hier bezeichnet Ignatius die ἐκκλήσια der Tralleaner u.a. als ἐκλεκτή, ohne jedoch diesen Terminus, wie in 1Petr 1,1 oder auch 2Joh 1, in besonderer Weise hervortreten zu lassen oder jenem eine konstitutive theologische Relevanz zuschreiben zu wollen: Ἰγνάτιος ὁ καὶ Θεοφόρος ἠγαπημένῃ θεῷ πατρὶ Ἰησοῦ Χριστοῦ ἐκκλησίᾳ ἁγίᾳ τῇ οὔσῃ ἐν Τράλλεσιν τῆς Ἀσίας ἐκλεκτῇ καὶ ἀξιοθέῳ εἰρηνευούσῃ ἐν σαρκὶ καὶ πνεύματι τῷ πάθει Ἰησοῦ Χριστοῦ τῆς ἐλπίδος ἡμῶν ἐν τῇ εἰς αὐτὸν ἀναστάσει ἣν καὶ ἀσπάζομαι ἐν τῷ πληρώματι ἐν ἀποστολικῷ χαρακτῆρι καὶ εὔχομαι πλεῖστα χαίρειν37. Innerhalb eines Postskripts scheint dieser Terminus innerhalb der ur- und 33. Vgl. zu letzterem H.-J. Klauck, 2Joh, 74: „Im Schlußgruß führt der Verf[asser] den Kunstgriff, den er in der adscriptio 1a begonnen hat, mit einer perfekten inclusio zu Ende. Im metaphorischen Sprachspiel sind die Adressatengemeinde, der das Schreiben gilt, und die Heimatgemeinde des Briefschreibers Schwestern. Ihre jeweiligen Kinder, die Glaubenden vor Ort, sind mit einer leichten Strapazierung tatsächlicher Verwandtschaftsverhältnisse als Geschwister anzusehen, und das Attribut ‚auserwählt‘ ist von den ‚Müttern‘, den beiden Gemeinden, auf die Gemeindemitglieder zu übertragen“. 34. Werden die Passagen 1Petr 5,13 und 2Joh 13 miteinander verglichen, so fällt auf, daß beide Verse wenn nicht gleich, so aber doch sehr ähnlich strukturiert und konstruiert sind: In Anschluß an das jeweils verwendete Prädikat ἀσπάζεται wird, jeweils im Akkusativ, diejenige Gruppe, die gegrüßt wird, benannt. Daran schließt sich, jeweils im Nominativ, ein Hinweis auf das jeweils grüßende Subjekt an. Die folgende tabellarische Übersicht läßt diese parallele Struktur deutlich erkennen: Prädikat

Objekt: Adressat des Grüßens Subjekt: Absender des Grußes

1Petr 5,13

ἀσπάζεται ὑμᾶς

ἡ ἐν Βαβυλῶνι συνεκλεκτὴ καὶ Μᾶρκος ὁ υἱός μου

2Joh 13

ἀσπάζεται σε

τὰ τέκνα τῆς ἀδελφῆς σου τῆς ἐκλεκτῆς

35. Diese doppelte Parallelität wird immerhin gesehen, wenn auch – aus nachvollziehbaren Gründen – nicht exegetisch aufgearbeitet bei G. Strecker, Johannesbriefe, 317. 36. Dies muss durchaus verwundern, da der Apostel in Röm 8,33 die angeschriebenen römischen Christen – und sicherlich nicht nur diese – als ἐκλεκτοὶ θεοῦ bezeichnen kann; vgl. zu diesem Beleg ausführlich E. Lohse, Röm, 257. 37. Text nach A. Lindemann/H. Paulsen, Die Apostolischen Väter, 198.200.

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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frühchristlichen Briefliteratur, von 2Joh 13 und 1Petr 5,13 abgesehen, nicht verwendet worden zu sein.

Auch wenn einzuräumen ist, dass die Bezeichnung von Christen als ἐκλεκτοί in den Schriften des Urchristentums, wie allein schon die Konkordanz zu den neutestamentlichen Schriften zeigt, als solche zwar weder ungewöhnlich ist noch ein Alleinstellungsmerkmal der johanneischen Schriften darstellt38, verdient jedoch der Sachverhalt, dass innerhalb der Präskripte beider Briefe die Adressaten und innerhalb der Postskripte beider Briefe die Absender jeweils, wenn auch im Einzelnen in unterschiedlicher Weise, als ἐκλεκτοί, somit mit einem identischen Lexem, bezeichnet werden, als solcher in jedem Falle Beachtung. Er öffnet nämlich den Raum für die Annahme, dass sich der Verfasser des 1Petr bei der Abfassung seiner Epistel formal an innerhalb der johanneischen Schule bzw. des johanneischen Kreises39 womöglich verbreiteten Briefkonventionen und inhaltlich an der innerhalb des johanneischen Kreises umlaufenden Konzeption von der Definition des Status seiner Mitglieder als ἐκλεκτοί orientiert hat. Die nachgerade umgekehrte Annahme, dass nämlich die Mitglieder des johanneischen Kreises sich bei der Abfassung ihrer Briefe an den im 1Petr sichtbar werdenden brieflichen Konventionen orientiert hätten, will hingegen schon angesichts der offensichtlich eher geringen Wertschätzung der Person des historischen Petrus innerhalb des johanneischen Kreises40 kaum wahrscheinlich erscheinen. Angesichts der Verwendung eines jeweils identischen Lexems in Präskript und Postskript ließe sich die Relation zwischen 1Petr 1,1; 5,13 und 2Joh 1.13 durchaus als unmittelbarer literarischer Reflex beschreiben41; die im Detail jedoch jeweils unterschiedlichen Formulierungen sprechen, auch wenn hier letzte Sicherheit nicht zu gewinnen ist, eher dafür, diesen unmittelbaren literarischen Reflex näherhin als einen mittelbar vermittelten zu definieren. Indem nun der Verfasser des 1Petr die in seiner Epistel angeschriebenen Christen gleich in der adscriptio zunächst als ἐκλεκτοί42, im gleichen Atemzug dann aber auch unmittelbar als παρεπίδημοι charakterisiert, stellt er den folgenden Ausführungen einem Vorzeichen gleich ein Theologoumenon voran, innerhalb dessen die Aspekte der Erwählung und der ‚Fremdlingschaft‘ in 38. Vgl. hierzu nur die entsprechenden neutestamentlichen Belege für die Simplices ἐκλέγομαι und ἐκλεκτός in der entsprechenden Auflistung bei W.F. Moulton/A.S. Geden, Concordance, 318. 39. Vgl. hierzu o. 21f. 40. Vgl. hierzu auch u. 149f. 41. Vgl. zu den entsprechenden theoretischen Erwägungen ausführlich o. 4–11. 42. Vgl. zu diesem Begriff etwa C.G. Müller, 1Petr, 117f.

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

eine korrelative Relation zueinander gestellt und miteinander zur Konzeption einer ‚Erwählung in die Fremdlingschaft‘ verschmolzen werden43. 1Petr 1,1; 1,17; 2,11, die drei in 1Petr vorliegenden Hinweise auf dieses Theologoumenon, in Sonderheit aber gleich der erste Beleg, 1Petr 1,1, lassen erkennen, dass der Verfasser des 1Petr die in seiner Epistel angeschriebenen Christen als „innerhalb von Familie, Nachbarschaft und Gesellschaft isoliert“44, in diesem Sinne somit als ausgesondert aus und abgesondert von ihrer nichtchristlichen Umwelt existierend begreift45. Der Grund für diese familiäre und gesellschaftliche Entfremdung der Christen sei dabei eben in ihrer von Gott gewirkten Erwählung zu suchen: „Aufgrund besonderer Erwählung sind die Christen eine ausgesonderte Gruppe, die … durch ein verändertes Leben in Distanz zur Umgebung und auch in Konflikt mit ihr gerät“46; die göttliche Erwählung führt auf der anderen Seite zu einer Distanz gegenüber den bis dato gewohnten und praktizierten Lebensbezügen und -vollzügen und lässt die Christen gegenüber ihrer nichtchristlichen Umwelt – aus ihrer eigenen und zugleich auch aus der Sicht der paganen Mehrheitsgesellschaft – in einem uneigentlichen, metaphorischen47 Sinne zu παρεπίδημοι bzw. πάροικοι48 werden. Dass die Charakterisierung der 43. In diese Richtung denkt unmittelbar R. Feldmeier, 1Petr, 35: „Die Anrede ‚erwählte Fremde der Zerstreuung‘ macht deutlich, dass die Fremdheit der Christen in der Gesellschaft und ihre besondere Bindung an Gott sowie die Einbeziehung in die durch ihn begründete neue Gemeinschaft sich gegenseitig bedingen“. 44. N. Brox, 1Petr, 56. 45. Vgl. hierzu sehr instruktiv N. Brox, 1Petr, 80 zu 1Petr 1,17: „Die Metapher von Fremde und Rechtlosigkeit will die Isolation der Christen in ihrer Umgebung deuten, indem sie sie als die Signatur einer vorübergehenden Existenz unter fremdartigen Umständen darstellt. Ps-Petrus will den Lesern die konkreten Schwierigkeiten begreiflich machen: Man muß sich nicht wundern, als Fremder schlechte Erfahrungen zu machen. Die Distanz zur Umgebung ist zu groß, um nicht schwierig zu werden“. Vgl. hierzu insgesamt auch R. Feldmeier, Fremde, 22: „Die Selbstbezeichnung als πάροικοι καὶ παρεπίδημαι impliziert also – zumal dann, wenn sie zur zentralen Selbstbezeichnung wird – in jeder Hinsicht auch eine deutliche Distanz zur Gesellschaft, zu ihren Werten und Idealen, aber auch zu ihren Institutionen und zu ihrer Politik“. 46. N. Brox, 1Petr, 56. 47. Zum metaphorischen Verständnis des Begriffs παρεπίδημος in 1Petr 1,1 vgl. explizit P.J. Achtemeier, 1Petr, 82: „In this verse, however, the word is used metaphorically“, somit also nicht in seinem literalen, in diesem Falle sozialen oder soziologischen Sinn. Vgl. darüber hinaus dessen Ausführungen zum in 1Petr 1,17 verwendeten Begriff παροικία: „It is precisely their [d.h. der Christen] ‚holiness,‘ their divine separation from secular cultural values, that renders them aliens in the eyes of that culture“ (1Petr, 125). Vgl. zu einem solchen metaphorischen Verständnis auch C.G. Müller, 1Petr, 115–117. 48. Vgl. zu diesen beiden Begriffen etwa N. Brox, 1Petr, 111; Brox definiert dabei den Begriff παρεπίδημος als Bezeichnung für einen Fremden, „der sich für kurze Zeit in fremder Umgebung aufhält“, den Terminus πάροικος als Bezeichnung für einen Fremden, „der an seinem [permanenten] Aufenthaltsort kein Bürgerrecht hat“; vgl. zu beiden Begriffen auch

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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Adressaten als ἐκλεκτοὶ παρεπίδημοι nun bereits unmittelbar in der adscriptio 1Petr 1,1 begegnet, zeigt offensichtlich, dass der Verfasser dieser Epistel diesen Aspekt bzw. diese beiden korrelierenden Aspekte der Existenz derjenigen Christen, die er anschreibt, nämlich diejenigen der Erwählung und der innerhalb der paganen Mehrheitsgesellschaft sich realisierenden ‚Fremdlingschaft‘, augenscheinlich in besonderer Weise herausarbeiten und betonen möchte49. Deutlich anders denkt an dieser Stelle J.H. Elliott, der die Termini πάροικοι und παρεπίδημοι nicht metaphorisch, sondern unmittlbar in soziologischem Sinne interpretieren möchte, die im 1Petr angeschriebenen Christen also für solche hält, die in der ländlich geprägten Sozialstruktur des kleinasiatischen Raumes eben den real existierenden soziologischen Schichten der πάροικοι und παρεπίδημοι entstammen: „In 1 Peter the terms paroikia, paroikoi and parepidēmoi identify the addressees as a combination of displaced persons who are currently aliens permanently residing in (paroikia, paroikoi) or strangers temporarily visiting or passing through (parepidēmoi)“50. Dieser unmittelbar soziologischen Deutung dieser beiden Begriffe widerraten folgende Beobachtungen51: (a) Nach 1Petr 1,1 steht der Status der angeschriebenen Christen als παρεπίδημοι in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrem Status als ἐκλεκτοί, wobei sich ersteres aus letzterem ergibt. Dieser Sachverhalt verunmöglicht eine unmittelbare und nicht-metaphorische Interpretation der Termini πάροικοι und παρεπίδημοι als soziale gesellschaftliche Gruppen. (b) In 1Petr 2,11 bezeichnet der Verfasser des 1Petr die von ihm angeschriebenen Christen als πάροικοι καὶ παρεπίδημοι, in 1Petr 1,1 hingegen lediglich als παρεπίδημοι. Dieser Sachverhalt spricht dafür, dass der Verfasser des 1Petr diese beiden Termini – mehr oder weniger – als Synonyme betrachten kann, J.H. Ellliott, Home, 48 (vgl. hierzu u. 41f.) und C.G. Müller, 1Petr, 115f., zum Begriff παρεπίδημος auch M. Vahrenhorst, 1Petr, 63: „Es handelt sich bei diesen Fremden um Menschen ohne Bürgerrecht und ohne Gastrecht. Inhaltlich wird damit gesagt, dass die Gemeindeglieder an dem Ort, an dem sie leben, nicht zuhause sind. Alle Orte an denen sie sich aufhalten, können für sie darum allenfalls Heimat auf Zeit sein. Sie leben dort als Fremde und sie tun das auf Zeit“. 49. Vgl. hierzu etwa M. Vahrenhorst, 1Petr, 64: „Damit gibt der 1Petr schon in den ersten beiden Worten, die die Leserschaft auf sich selbst beziehen soll, an, was sein theologisches Programm ist: Es geht ihm darum, das, was seine Leserschaft in ihrem Alltag an Bedrängendem erlebt, in einen konkreten theologischen Deutungsrahmen zu stellen. Gottes Handeln bildet sich nun konkret in der biblischen Geschichte ab“. 50. Home, 48; das heißt für Elliott konkret: „And as both paroikoi and parepidēmoi they may have been included among the numerous immigrant artisans, craftsmen, traders, merchants residing permanently in or temporarily traveling through the villages, towns and cities of the eastern provinces“. 51. Kritisch gegenüber der Position Elliotts auch P.J. Achtemeier, 1Petr, 174: „The application of these words [d.h. der Begriffe πάροικοι und παρεπίδημοι] to Christians is not, however, meant to indicate their political status prior to their conversion. … Had the author wanted to call attention to their legal status prior to their conversion, other more common terms would have been more appropriate“.

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

wiewohl eine solche Synonymität den historischen und soziologischen Realitäten nicht gerecht wird52.

Die in 1Petr 1,1 erkennbar werdende Konzeption der christlichen Existenz als einer ‚Erwählung in die Fremdlingschaft‘ findet innerhalb der im Neuen Testament überlieferten johanneischen Literatur einen – allerdings eher mittelbaren – Widerhall zunächst in solchen Ausführungen wie etwa denjenigen in 1Joh 2,15–17, die eine Abwendung der in dieser Epistel angeschriebenen Christen von dem sie umgebenden κόσμος, somit also letztlich eine selbstgewählte Isolation, nicht nur, wie im 1Petr, konstatieren, sondern nachgerade fordern53: μὴ ἀγαπᾶτε τὸν κόσμον μηδὲ τὰ ἐν τῷ κόσμῳ. ἐάν τις ἀγαπᾷ τὸν κόσμον, οὐκ ἔστιν ἡ ἀγάπη τοῦ πατρὸς ἐν αὐτῷ· (16) ὅτι πᾶν τὸ ἐν τῷ κόσμῳ, ἡ ἐπιθυμία τῆς σαρκὸς καὶ ἡ ἐπιθυμία τῶν ὀφθαλμῶν καὶ ἡ ἀλαζονεία τοῦ βίου, οὐκ ἔστιν ἐκ τοῦ πατρὸς ἀλλ᾽ ἐκ τοῦ κόσμου ἐστίν. (17) καὶ ὁ κόσμος παράγεται καὶ ἡ ἐπιθυμία αὐτοῦ, ὁ δὲ ποιῶν τὸ θέλημα τοῦ θεοῦ μένει εἰς τὸν αἰῶνα. Zwar ist einerseits sicherlich einzuräumen, dass in dieser Passage aus 1Joh weder der Aspekt der Erwählung angesprochen wird noch die für die im 1Petr sichtbar werdende Konzeption der ‚Erwählung in die Fremdlingschaft‘ typischen Termini ἐκλεκτός, παρεπίδημος und πάροικος Verwendung finden. Andererseits lässt sich aber auch kaum bestreiten, dass die in 1Joh 2,15–17 sichtbar werdende Konzeption einer bewussten und konsequenten Abwendung vom κόσμος in ihrem Impetus dem im 1Petr lediglich konturierten, nicht jedoch ausgeführten und entwickelten Gedanken einer ‚Fremdlingschaft‘ der Christen innerhalb der sie umgebenden paganen Mehrheitsgesellschaft durchaus entspricht: Beide Konzepte inhärieren nämlich das Element der Absonderung und der Trennung der Christen von der nichtchristlichen Umwelt, beide verorten – zumindest implizit – die christliche οἰκία in einer anderen als der Sphäre des κόσμος 52. Vgl. hierzu nur J.H. Elliott, Home, 48: „In 1 Peter the terms paroikia, paroikoi and parepidēmoi identify the adressees as a combination of displaced persons who are currently aliens permanently residing in (paroikia, paroikoi) or strangers temporarily visiting or passing through (parepidēmoi)“. Historisch und soziologisch gesehen handelt es sich bei den πάροικοι und den παρεπίδημοι somit um zwei voneinander zu unterscheidende gesellschaftliche Gruppen. Vgl. darüber hinaus auch P.J. Achtemeier, 1Petr, 173f., der die differenten juristischen Implikationen dieser beiden Begriffe herausarbeitet, um dann zusammenfassend zu formulieren: „Both words describe people who were foreigners in an age when foreigners, however numerous they may have been particularly in the larger cities of the empire, were eo ipso suspect“ (174). 53. Vgl. hierzu etwa H.-J. Klauck, 1Joh, 144: „Die negative Weltsicht, die sich in [Joh 2] V. 15-17 Bahn bricht, ist sicher mitbedingt durch sehr unangenehme Erfahrungen des Verf[assers] und seiner Gemeinde(n) mit ihrer Umwelt …. Im Gegenüber zur Welt führt die Liebe ins Leiden, nimmt sie auch im Lebensweg der Gläubigen die Grundgestalt des Kreuzes an“.

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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bzw. in einer anderen Gesellschaft als derjenigen, die zur Zeit der Abfassung des 1Petr als konkrete pagane Mehrheitsgesellschaft real existiert. Angesichts dieser grundlegenden inhaltlichen Übereinstimmungen will die Annahme nicht unplausibel scheinen, dass der Verfasser des 1Petr diesen in der johanneischen Schule bzw. im johanneischen Kreis womöglich nicht entwickelten, in jedem Falle jedoch propagierten Dualismus von κόσμος und Christus bzw. christlicher Gemeinde aufgenommen und in seiner Epistel und im Rahmen seiner eigenen Argumentation in der Konzeption der ‚Erwählung in die Fremdlingschaft‘ verarbeitet hat. Der bloße Gedanke einer Distanz zwischen Christ und paganer Mehrheitsgesellschaft oder auch zwischen Christ und Welt begegnet im Neuen Testament freilich nicht nur in 1Petr 1,1 und 1Joh 2,15–17, sondern durchaus an anderer Stelle; verwiesen sei hier nur auf Jak 4,4: μοιχαλίδες, οὐκ οἴδατε ὅτι ἡ φιλία τοῦ κόσμου ἔχθρα τοῦ θεοῦ ἐστιν; ὃς ἐὰν οὖν βουληθῇ φίλος εἶναι τοῦ κόσμου, ἐχθρὸς τοῦ θεοῦ καθίσταται. Allerdings trägt die Darstellung in Jak 4,4 einen deutlich anderen Akzent als diejenige in 1Petr 1,1 und auch als diejenige in 1Joh 2,15–17: Stehen in 1Petr 1,1 und 1Joh 2,15–17 explizit die ‚Fremdlingschaft‘ bzw. die – womöglich noch aufzurichtende – Distanz der Christen gegenüber der paganen Mehrheitsgesellschaft bzw. dem κόσμος im Zentrum der Argumentation, thematisiert der Verfasser des Jak, dem zwar sachlich durchaus entsprechend, aber doch genau andersherum akzentuiert und ausgerichtet, die aus der φιλία gegenüber dem κόσμος erwachsende ‚Feindschaft‘ gegenüber Gott54.

Während die Einlassungen in 1Joh 2,15–17 die ‚petrinische‘ Konzeption einer den Christen zuteil gewordenen und werdenden ‚Erwählung in die Fremdlingschaft‘ lediglich anklingen lassen, scheinen diejenigen in Joh 15,19 jener unmittelbar das Wort zu reden; hier nämlich wird der den Christen seitens des κόσμος55 augenscheinlich entgegenschlagende Hass (μισέω) unmittelbar als Resultat der Erwählung (ἐκλέγομαι) der Christen durch Christus interpretiert56: εἰ ἐκ τοῦ κόσμου ἦτε, ὁ κόσμος ἂν τὸ ἴδιον ἐφίλει· 54. Vgl. hierzu etwa F. Mußner, Jak, 180f. 55. Zum johanneischen κόσμος-Begriff vgl. hier pars pro toto die Ausführungen von H.R. Balz, Art. κόσμος, in: EWNT2 II, 772: „In der johanneischen Theologie finden sich die Grundzüge der pln Rede vom κ[όσμος] in einer aufs Äußerste gesteigerten Radikalität der Entfremdung und Widergöttlichkeit des durch den Logos geschaffenen κ[όσμος] und der dennoch durchgehaltenen Liebe Gottes zum κ[όσμος] wieder …. Im Begriff des κ[όσμος] … ist sowohl die Gesamtheit des Geschaffenen … wie der bes[ondere] Aspekt des das Geschaffene in seiner Gottesferne repräsentierenden Menschen gegeben, ohne daß beides voneinander getrennt werden könnte. Das Verhältnis Gottes zum κ[όσμος] entspricht dem des Lichtes zur Finsternis, das Geschaffene erkennt den Schöpfer nicht, die Finsternis verweigert sich dem Licht … wie der Wahrheit“. 56. Vgl. hierzu etwa J. Zumstein, Joh, 580: „Der Erwählungsakt Jesu hat die Jünger von der Welt getrennt“ und damit unmittelbar den Hass der Welt provoziert: „So kommt es, dass

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ὅτι δὲ ἐκ τοῦ κόσμου οὐκ ἐστέ, ἀλλ᾽ ἐγὼ ἐξελεξάμην ὑμᾶς ἐκ τοῦ κόσμου, διὰ τοῦτο μισεῖ ὑμᾶς ὁ κόσμος. Die sachlich weitestgehend parallele Ausrichtung der in Sonderheit in 1Petr 1,1 belegten Konzeption der ‚Erwählung in die Fremdlingschaft‘ und der Ausführungen in Joh 15,19 ist gleichsam mit Händen zu greifen: Innerhalb beider werden die jeweiligen christlichen Adressaten als Erwählte bezeichnet, für beide stellt die gesellschaftliche ‚Fremdlingschaft‘ der Christen bzw. deren Ablehnung durch die pagane Mehrheitsgesellschaft eine unmittelbare Folge eben dieser Erwählung dar. Dieser Zusammenhang von Erwählung und gesellschaftlicher Entfremdung, der in 1Petr 1,1(; 1,17; 2,11) und auch in Joh 15,19 expliziert wird, wird in der übrigen neutestamentlichen und urchristlichen Literatur sonst nicht beschrieben, sondern begegnet nachgerade singulär an diesen beiden hier diskutierten Stellen57. Dieser außerordentlich auffällige Befund vermag in jedem Falle die Annahme zu indizieren, dass der Verfasser des 1Petr mit seiner Definition der Christen als ἐκλεκτοὶ παρεπίδημοι durchaus bewusst zwar nicht begrifflich, so doch aber inhaltlich eine im Joh formulierte und in der johanneischen Schule bzw. im johanneischen Kreis augenscheinlich virulente theologische Konzeption aufgenommen und verarbeitet hat, auch wenn freilich nicht übersehen werden darf, dass die Ausführungen in 1Petr 1,1f. und diejenigen in Joh 15,19 sich an folgenden Punkten voneinander unterscheiden: (a) Während der Verfasser des 1Petr das Motiv der Distanz und die Entfremdung der erwählten Christen gegenüber der sie umgebenden Mehrheitsgesellschaft in sozialen oder soziologischen Begriffen zu explizieren

der Hass der Welt sich nicht gegen etwas richtet, das ontologisch von ihr unterschieden wäre, sondern gegen das, was zu ihr gehört, ihr aber entrissen wurde“. 57. Ausweislich der Konkordanz ist der Wortstamm εκλεγ- innerhalb des Neuen Testaments jenseits der Belege 1Petr 1,1 und Joh 15,19 insgesamt an folgenden Stellen belegt: Das Verb ἐκλέγομαι begegnet in Mk 13,20; Lk 6,13; 9,35; 10,42; 14,7; Joh 6,70; 13,18; 15,16; Apg 1,2.24; 6,5; 13,17; 15,7.22.25; 1Kor 1,27(bis).28; Eph 1,4 und Jak 2,5, das Adjektiv ἐκλεκτός in Mt 22,14; 24,22.24.31; Mk 13,20.22.27; Lk 18,7; 23,35; Röm 8,33; 16,13; Kol 3,12; 1Tim 5,21; 2Tim 2,10; Tit 1,1; 1Petr 2,4.6.9; 2Joh 1.13; Apk 17,14 (vgl. hierzu W.F. Moulton/A.S. Geden, Concordance, 318). Ein Zusammenhang zwischen dem theologischen Status der Erwählung und dem Aspekt der gesellschaftlichen Entfremdung wird an keiner dieser Belegstellen auch nur im Ansatz hergestellt. Zwar vermag der zweite Evangelist innerhalb der synoptischen Apokalypse zu formulieren: καὶ ἔσεσθε μισούμενοι ὑπὸ πάντων διὰ τὸ ὄνομά μου (Mk 13,13a), somit also immerhin einen Konnex zwischen dem Christsein und der daraus resultierenden Miss- und Verachtung seitens der nichtchristlichen Mehrheitsgesellschaft zu konstruieren, ohne dass er jedoch das Momentum der Erwählung als die entscheidende Ursache für diese Miss- und Verachtung benennte. Insofern ist es durchaus nicht unrichtig, wenn H. Thyen im Anschluss an C.H. Dodd im Blick auf Joh 15,18f. von einem dieser ursprünglich synoptischen Tradition im Zuge ihrer johanneischen Verarbeitung implementierten „‚peculiar Johannine turn‘“ (Joh, 649) spricht; dieser ‚Johannine turn‘ wird nun aber auch in 1Petr 1,1 sichtbar.

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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weiß – er bezeichet die ἐκλεκτοί als παρεπίδεημοι und πάροικοι –, definiert der Verfasser von Joh 15,19 dieselbe Distanz und dieselben Entfremdung begrifflich weitaus weniger exakt als μῖσος, als Hass, der den Erwählten von Seiten des κόσμος entgegengebracht wird. Beschreibt der Verfasser des 1Petr das Motiv der Distanz und der Entfremdung zwischen Christ und Welt somit in konkret fassbaren und real existierenden sozialen bzw. soziologischen Kategorien, so diskutiert der Verfasser von Joh 15,19 dieselbe – letzten Endes erheblich grundsätzlicher, dafür dann aber auch erheblich weniger konkret – im Rahmen der Konzeptionierung seiner Kosmologie. (b) Während nach 1Petr 1,1f. die Erwählung der christlichen ἐκλεκτοί augenscheinlich oder präziser: möglicherweise unmittelbar auf Gott zurückgeht58, wird in Joh 15,19 explizit Christus als das Subjekt der Erwählung der Christen namhaft gemacht. Diese hier aufgezeigten Differenzen sprechen nun aber – in Sonderheit angesichts des o. notierten auffälligen Befundes der innerhalb des Urchristentums singulären Thematisierung dieser Konzeption in 1Petr 1,1(;1,17; 2,11) und Joh 15,19 – keinesfalls gegen die These, dass der Verfasser des 1Petr mit seiner Konzeption einer ‚Erwählung in die Fremdlingschaft‘ an ein entsprechendes johanneisches Theologoumenon anknüpft und dieses rezipiert, sondern eher dafür, dass jener seine Konzeption in Kenntnis desselben und in inhaltlicher Anknüpfung an dasselbe in freier und eigenständiger Weise entwickelt und im Zuge dessen auch theologisch neu kontextualisiert hat. Der Sachverhalt, dass die Person des Petrus gerade auch innerhalb des Joh derjenigen des μαθητὴς ὃν ἠγάπα ὁ Ἰησοῦς deutlich untergeordnet dargestellt wird – dies lassen etwa die Ausführungen in Joh 13,21–27 erkennen – lässt die umgekehrte Annahme, dass etwa der Verfasser von Joh 15,19 als ein Mitglied des johanneischen Kreises sich an dieser Stelle einer ‚petrinischen‘ Tradition bedient hätte, denkbar unwahrscheinlich erscheinen. J. Zumstein macht in seinem Kommentar zum Joh darauf aufmerksam, dass die Thematik eines die Christen vom κόσμος trennenden Erwählungsaktes innerhalb des Abschiedsgebets, konkret in Joh 17,6.9.11, „weiter ausgeführt und besonders hervorgehoben“59 werde: ἐφανέρωσά σου τὸ ὄνομα τοῖς ἀνθρώποις οὓς ἔδωκάς μοι ἐκ τοῦ κόσμου. σοὶ ἦσαν κἀμοὶ αὐτοὺς ἔδωκας καὶ τὸν 58. Vgl. hierzu o. 27, A. 1. Wer dem o. dargestellten und von P.J. Achtemeier immerhin erwogenen – Achtemeier spricht hier immerhin von einer „attractive suggestion“, die „would make good sense in the context“ (1Petr, 87) – Vorschlag zur Interpretation der Wendung εἰς ὑπακοὴν καὶ ῥαντισμὸν αἵματος Ἰησοῦ Χριστοῦ folgt, hat diese zweite hier formulierte Differenz zwischen den Ausführungen in 1Petr 1,1f und denjenigen in Joh 15,19 überwunden. 59. Joh, 580, A. 148.

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λόγον σου τετήρηκαν. … (9) Ἐγὼ περὶ αὐτῶν ἐρωτῶ, οὐ περὶ τοῦ κόσμου ἐρωτῶ ἀλλὰ περὶ ὧν δέδωκάς μοι, ὅτι σοί εἰσιν, … (11) καὶ οὐκέτι εἰμὶ ἐν τῷ κόσμῳ, καὶ αὐτοὶ ἐν τῷ κόσμῳ εἰσίν, κἀγὼ πρὸς σὲ ἔρχομαι. πάτερ ἅγιε, τήρησον αὐτοὺς ἐν τῷ ὀνόματί σου ᾧ δέδωκάς μοι, ἵνα ὦσιν ἓν καθὼς ἡμεῖς60.

Die in Joh 15,19 zum Ausdruck kommende Konzeption einer ‚Erwählung in die Fremdlingschaft‘ klingt auch in 1Joh 3,1 an61; hier nämlich formuliert der Verfasser dieser Epistel: ἴδετε ποταπὴν ἀγάπην δέδωκεν ἡμῖν ὁ πατὴρ, ἵνα τέκνα θεοῦ κληθῶμεν, καὶ ἐσμέν. διὰ τοῦτο ὁ κόσμος οὐ γινώσκει ἡμᾶς, ὅτι οὐκ ἔγνω αὐτόν. Vermittelt über das Verb γινώσκω stellt der Verfasser des 1Joh in 1Joh 3,1b, hier auf die Ausführungen in 1Joh 3,1a aufbauend, einen – allerdings nur mittelbaren – Zusammenhang zwischen einer kosmologisch akzentuierten ‚Fremdlingschaft‘ der Christen und ihrer Gotteskindschaft her. Aus dem Sachverhalt der in 1Joh 3,1a explizit festgestellten Gotteskindschaft der intendierten Rezipienten – καὶ ἐσμέν – zieht jener, angezeigt durch das Syntagma διὰ τοῦτο, nämlich unmittelbar die Konsequenz der Fremdheit bzw. der Unbekanntheit derselben – und auch seiner selbst – gegenüber dem κόσμος: ὁ κόσμος οὐ γινώσκει ἡμᾶς, eine Konsequenz, die inhaltlich in 1Joh 3bβ begründet wird: ὅτι οὐκ ἔγνω αὐτόν. Auf den Punkt gebracht: Weil der κόσμος Gott nicht kennt, müssen die Kinder dieses Gottes62, die Christen, diesem κόσμος gegenüber ebenfalls unbekannt, somit also Fremde, sein und bleiben. Diese Fremdheit bzw. ‚Fremdlingschaft‘ der Christen dem κόσμος gegenüber wächst sich letzten Endes dann aus in Hass des letzteren den ersteren gegenüber, eine Konsequenz die der Verfasser des 1Joh dann in 1Joh 3,13 zu formulieren vermag: [καὶ] μὴ θαυμάζετε, ἀδελφοί, εἰ μισεῖ ὑμᾶς ὁ κόσμος63. R. Feldmeier diskutiert in seiner 1992 erschienenen Habilitationsschrift im Blick auf die Konzeption der ‚Fremdlingschaft‘ folgende weitere neutestamentliche Belege: (a) Zunächst weist er auf Phil 3,20 hin, eine Aussage des Paulus, 60. Zu Joh 17,6 formuliert Zumstein: „Die Gemeinde der Jünger besteht aus denjenigen, die durch die Offenbarung versammelt wurden. Diese Gemeinde weist zwei Merkmale auf. Einerseits sind sich die Mitglieder der Gemeinde bewusst, dass sie zu den Menschen gehören, die Jesus von Gott gegeben wurden; aus diesem Grund haben sie aufgehört, in der ‚Welt‘ den ihre Existenz bestimmenden Maßstab zu sehen“. Exakt dies wird im 1Petr durch die Metapher der Fremdlingschaft ausgedrückt. 61. Zum Zusammenhang dieser beiden Belege vgl. auch H.-J. Klauck, 1Joh, 181; vgl. hierzu auch u. A. 63. 62. Zu dem hier begegnenden Ausdruck τέκνα θεοῦ vgl. H.-J. Klauck, 1Joh, 180f. 63. Vgl. zu diesem hier dargestellten Zusammenhang instruktiv H.-J. Klauck, 1Joh, 181: „Für die Welt bleibt das neue Sein der Christen unverständlich. Es provoziert nur Mißverständnisse und, wenn wir an Joh 15,18–21 [!] denken oder bis 1Joh 3,13 vorausblicken, Ablehnung und Haß. Aber das ist die Folge eines viel fundamentaleren Nichtverstehens. Das primäre Übel ist in dem Kausalsatz von 1e eingefangen: Weil die Welt ihn, d.h. Gott nicht erkannt hat. Sie hat ihn nicht erkannt als den Vater, der die Kinder zu solchen macht“.

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in der er „von dem himmlischen Bürgerrecht der Glaubenden64“ spricht65: πολίτευμα ἐν οὐρανοῖς ὑπάρχει. Feldmeier zufolge beschreibe Paulus in Phil 3,20 „sozusagen das positive Pendant zur Fremdlingsexistenz, das letztere sachlich impliziert“66, eine Aussage, die er auch in Gal 4,26 vorliegen sieht67. Auffällig ist allerdings, dass der Apostel an keiner Stelle die negativ konnotierte Metapher der Fremdlingschaft aufgreift, sondern, wie Feldmeier explizit und m.R. feststellt, „den Gedanken der himmlischen Staatsbürgerschaft der Christen … nur nach seiner positiven Seite hin“68 entfaltet, eine Beobachtung, die ihm zufolge auch im Blick auf Eph 2 durchzuhalten sei69. Dies lässt die Hypothese, dass der Verfasser des 1Petr mit seiner Konzeption von ‚Fremdlingschaft‘ auf entsprechende paulinische oder auch deuteropaulinische Überlegungen zurückgegriffen habe, eher unwahrscheinlich erscheinen, zumal innerhalb der paulinischen und der deuteropaulinischen Literatur diese Konzeption gerade nicht als mit derjenigen einer – unmittelbar von Gott oder aber von Christus erwirkten – Erwählung verbunden erscheint. (b) Eine wichtige Rolle innerhalb der dort vorliegenden theologischen Konzeption spielt die Metapher der Fremdlingschaft im Hebr, innerhalb dessen sie in Sonderheit in Hebr 11,11–16 thematisiert wird70: Πίστει καὶ αὐτὴ Σάρρα στεῖρα δύναμιν εἰς καταβολὴν σπέρματος ἔλαβεν καὶ παρὰ καιρὸν ἡλικίας, ἐπεὶ πιστὸν ἡγήσατο τὸν ἐπαγγειλάμενον. (12) διὸ καὶ ἀφ᾽ ἑνὸς ἐγεννήθησαν, καὶ ταῦτα νενεκρωμένου, καθὼς τὰ ἄστρα τοῦ οὐρανοῦ τῷ πλήθει καὶ ὡς ἡ ἄμμος ἡ παρὰ τὸ χεῖλος τῆς θαλάσσης ἡ ἀναρίθμητος. (13) Κατὰ πίστιν ἀπέθανον οὗτοι πάντες, μὴ λαβόντες τὰς ἐπαγγελίας ἀλλὰ πόρρωθεν αὐτὰς ἰδόντες καὶ ἀσπασάμενοι καὶ ὁμολογήσαντες ὅτι ξένοι καὶ παρεπίδημοί εἰσιν ἐπὶ τῆς γῆς. (14) οἱ γὰρ τοιαῦτα λέγοντες ἐμφανίζουσιν ὅτι πατρίδα ἐπιζητοῦσιν. (15) καὶ εἰ μὲν ἐκείνης ἐμνημόνευον ἀφ᾽ ἧς ἐξέβησαν, εἶχον ἂν καιρὸν ἀνακάμψαι· (16) νῦν δὲ κρείττονος ὀρέγονται, τοῦτ᾽ ἔστιν ἐπουρανίου. διὸ οὐκ ἐπαισχύνεται αὐτοὺς ὁ θεὸς θεὸς ἐπικαλεῖσθαι αὐτῶν· ἡτοίμασεν γὰρ αὐτοῖς πόλιν. Innerhalb dieser Ausführungen werden einerseits die γῆ und die πάτρις ἐπουράνιος als zwei voneinander zu unterscheidende, letztlich nachgerade gegensätzlich Sphären bzw. Existenzräume einander gegenübergestellt71, wird andererseits 64. Fremde, 80. 65. Einschränkend weist R. Feldmeier m.R. darauf hin, dass Paulus Aussagen formuliert, „die zwar nicht direkt von den Christen als den Fremden sprechen, die jedoch das dahinerstehende Selbstverständnis durch Synonyme und Antonyme zur Sprache bringen, die zu der Fremdlingsmetapher eine besondere Nähe aufweisen und es daher nahelegen, zumindest am Rande auch auf diese Texte einzugehen“ (Fremde, 80). 66. Fremde, 81. 67. Vgl. hierzu Fremde, 81f. 68. Fremde, 82. 69. Vgl. hierzu Fremde, 82f.: „Der wohl deuteropaulinische Epheserbrief ist ihm [d.h. Paulus] darin gefolgt, wenn er … aus der jetzigen Zugehörigkeit der ehemaligen Heiden zur πολιτεία τοῦ Ἰσραήλ … sogar unmittelbar folgert, daß die Glaubenden als συμπολῖται τῶν ἁγίων καὶ οἰκεῖοι τοῦ θεοῦ nun keine ξένοι καὶ πάροικοι mehr sind“. 70. Vgl. hierzu insgesamt Fremde, 83–93. 71. Vgl. hierzu instruktiv Fremde, 90: „Die beiden Begriffe [d.h. die Termini παρεπίδημος und ξένος] markieren … das Moment der Distanz und das Andersseins, das auch durch die Näherbestimmung der Erzväter als Fremde ἐπί τῆς γῆς noch unterstrichen wird“.

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aber auch deutlich expliziert, dass die γῆ als irdischer Existenzraum der Christen nur eine Durchgangsstation auf dem Weg zu ihrer πατρὶς κρείττων καὶ ἐπουράνιος (Hebr 11,16a) darstellen kann72. Eine solche Gegenüberstellung und eine mit dieser einhergehende kontrastive Bewertung, innerhalb derer die gegenwärtige Existenz der Christen dezidiert als negativ und defizitär eingeschätzt würde, begegnen im 1Petr gerade nicht. Darüber hinaus wird auch in Hebr 11,11–16 das Faktum der gesellschaftlichen Entfremdung der Christen, anders als in 1Petr 1,1 und Joh 15,19, nicht mit demjenigen einer göttlichen oder christlichen Erwählung verknüpft.

Werden die o. diskutierten und theoretisch entwickelten Modelle auf die konkrete Relation von 1Petr 1,1 zu Joh 15,19 angewandt73, so lässt sich angesichts der jeweils differierenden Begrifflichkeit und der vom Verfassser des 1Petr vorgenommenen systematisch-theologischen Neukontextualisierung, die erkennen lässt, dass jener das in Joh 15,19 belegte Theologoumenon der Korrelation von Erwählung und Distanz bzw. Entfremdung gegenüber dem κόσμος in freier und eigenständiger Weise verarbeitet hat, folgendes Ergebnis plausibilisieren: Die Relation von 1Petr 1,1 zu Joh 15,19 lässt sich nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit als ein unmittelbarer literarischer oder traditionsgeschichtlicher Reflex bezeichnen; der Sachverhalt, dass der Verfasser des 1Petr das Theologoumenon der ‚Erwählung in die Fremdlingschaft‘ – gänzlich anders als der Verfasser von Joh 15,19 – nicht in der Kosmologie lokalisiert, sondern letzten Endes auf der Ebene der (Sozial-)Ethik entwickelt, nötigt vielmehr dazu, das entsprechende ‚petrinische‘ Syntagma ἐκλεκτοὶ παρεπίδημοι als eine Paraphrase der Ausführungen in Joh 15,19 und der in diesen Ausführungen verarbeiteten (proto-)johanneischen Traditionen zu begreifen. Denkbar bleiben im Blick auf diese Relation daher nur die Annahmen eines unmittelbar oder mittelbar vermittelten mittelbaren literarischen oder aber auch diejenige eines mittelbar vermittelten mittelbaren traditionsgeschichtlichen Reflexes. Da nun aber, da der Gedanke eines – geschichtlich gewordenen – Dualismus zwischen Christ und Welt zu den Grundlagen der johanneische Theologie zu rechnen ist74, kaum plausibilisiert werden kann, dass der Verfasser des 1Petr mit dem Theologoumenon der ‚Erwählung in die Fremdlingschaft‘ ausschließlich auf die Ausführungen in 72. Vgl. hierzu Fremde, 91: „Daraus folgert nun Vers 16a, daß diese Glaubenden … nach einer besseren Heimat strebten, und dies kann nur die himmlische sein“. 73. Vgl. hierzu die theoretische Diskussion der unterschiedlichen denkbaren Möglichkeiten o. 4–11. 74. Vgl. hierzu etwa J. Zumstein, Joh, 59: „Durch das Kommen des Offenbarers wird die Finsternis sichtbar, in der die Menschen leben. Die Offenbarung zeichnet sich durch Licht, Wahrheit, Geist, Freiheit und Leben aus. Die Sphäre der Welt zeigt sich als Ort der Finsternis, der Lüge, des Fleisches, der Knechtschaft und des Todes. Dieser Dualismus ist nicht ontologisch, sondern geschichtlich: Er entsteht durch das Kommen des Sohnes“.

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Joh 15,19 Bezug nimmt, lässt sich die Relation von 1Petr 1,1 zu Joh 15,19 mit weitaus größerer Wahrscheinlichkeit nicht als ein unmittelbar oder mittelbar vermittelter literarischer, sondern vielmehr als ein mittelbar vermittelter mittelbarer traditionsgeschichtlicher Reflex definieren: Sowohl der Verfasser des 1Petr als auch derjenige von Joh 15,19 verarbeiten in ihren jeweiligen Ausführungen eine (proto-)johanneische Tradition. Angesichts des Sachverhalts, dasss der Verfasser des 1Petr das Theologoumenon der ‚Erwählung in die Fremdlingschaft‘ bereits im Präskript seines Briefes, somit an sehr pointierter Stelle entwickelt, muss dann aber zweierlei zu denken geben, einerseits die Beobachtung, dass die die ‚petrinische‘ Konzeption der ‚Erwählung in die Fremdlingschaft‘ tragenden Begriffe, die Termini παρεπίδημος und πάροικος sowie der Begriff ἐκλεκτος, in 1Petr 2,11 bzw. 1Petr 2,9 jeweils letztmalig, in 1Petr 3–5 hingegen nicht mehr belegt sind, andererseits der dieser Beobachtung korrespondierende Sachverhalt, dass jene im Blick auf die im 1Petr insgesamt sichtbar werdende theologische Argumentation und deren Duktus bedeutungslos zu sein scheinen. In 1Petr 1,1 wird die Charakterisierung der Adressaten als ἐκλεκτοὶ παρεπίδημοι zwar einem Fanal gleich propagiert75, ohne dass daraus jedoch auf diese Begrifflichkeit bezogene, im engeren Sinne theologische oder ethische Konsequenzen gezogen würden. Gleiches gilt im Blick auf 1Petr 1,17; hier werden die Adressaten ermahnt, in der Zeit ihrer ‚Fremdlingschaft‘ (τὸν τῆς παροικίας ὑμῶν χρόνον 1Petr 1,17b76) in der Furcht Gottes zu leben (ἐν φόβῳ … ἀναστράφητε), ohne dass, wie die mit der kausal oder explikativ zu fassenden Konjunktion ὅτι angeschlossenen Ausführungen in 1Petr 1,18–21 belegen, etwa der Gedanke eines verheißenen besseren himmlischen Vaterlandes (Hebr 11,13–16)77 als Motivation dieser Ermahnung Verwendung gefunden hätte78. Der Wendung τὸν τῆς παροικίας 75. Vgl. hierzu etwa R. Feldmeier, 1Petr, 34: „Angesprochen werden die Adressaten als ‚auserwählte Fremde‘. In diesem Doppelausdruck ist das zentrale Thema des Briefes beschlossen: christliche Existenz zwischen Aussonderung durch Gott und Ausgrenzung durch die Gesellschaft“. 76. Bei dieser Wendung handelt es sich offensichtlich um einen Akkusativ der Ausdehnung; vgl. hierzu F. Blaß/A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik, § 161, 131f. In diese Richtung scheint auch P.J. Achtemeier, 1Petr, 126 zu denken, wenn er im Blick auf diese Phrase von einem „time span of the Christians‘ life“ spricht; andererseits vermag er diese im Akkusativ notierte Phrase offensichtlich aber als eine nähere Charakterisierung der Lebensumstände der im 1Petr angeschriebenen Christen zu verstehen: „The life that is so to be lived … is described as one of pilgrimage or exile“ (125), eine Interpretation, die jene – gegen den Text und das in ihm verwendete Substantiv χρόνος – gerade nicht als einen Akkusativ der Ausdehnung begreift. 77. Vgl. hierzu u. 52. 78. Vgl. hierzu etwa die Einlassungen von N. Brox, 1Petr, 80; Brox formuliert: „Ps-Petrus will den Lesern die konkreten Schwierigkeiten begreiflich machen: Man muß sich nicht wundern, als Fremder schlechte Erfahrungen zu machen. Die Distanz zur Umgebung ist zu groß, um nicht schwierig zu werden“. Von solchen Schwierigkeiten mit der paganen Mehrheitsgesellschaft ist in 1Petr 1,13–21.22–25 nun aber gerade nicht die Rede. L. Goppelt, 1Petr, 120 zufolge entspreche „die Furcht … dem Leben in der ‚Zeit der Fremdlingschaft‘ (ὁ τῆς παροικίας ὑμῶν χρόνος); denn es ist die Zeit der Anfechtung und der Bewährung“; dieser von

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ὑμῶν 1Petr 1,17b eignet somit ausschließlich eine temporale – und noch dazu letzten Endes redundante79 –, jedoch in keiner Weise eine theologische, die Gesamtargumentation von 1Petr 1,17 stützende oder gar verstärkende Akzentuierung, was bedeutet, dass dieser Wendung innerhalb der Argumentationslogik von 1Petr 1,17 keine Funktion zukommt. Auch die Ausführungen in 1Petr 2,11 zeigen, dass der gegenwärtige gesellschaftliche bzw. soziale Status der Christen als παρεπίδημοι bzw. πάροικοι für den entsprechenden theologischen Kontext inhaltlich offensichtlich bedeutungslos erscheint80; Πέτρος fordert die von ihm angeschriebenen Christen ὡς παροίκους καὶ παρεπιδήμους (1Petr 2,11a) auf, sich fleischlicher Begierden zu enthalten und ein rechtschaffenes Leben zu führen (1Petr 2,11b.12a81), eine Aufforderung, die 1Petr 2,12b Goppelt hier postulierte theologische Zusammenhang wird im Text von 1Petr 1,17 jedoch in keiner Weise entfaltet. Nicht von ungefähr kommt M. Vahrenhorst in seiner Auslegung von 1Petr 1,17 auf das Motiv der Fremdlingschaft erst gar nicht zu sprechen (vgl. 1Petr, 89f.). Vgl. hierzu auch die Ausführungen von P.J. Achtemeier, 1Petr, 125, der diese Auffälligkeit durchaus wahrnimmt, dann aber τὸν τῆς παροικίας ὑμῶν χρόνον 1Petr 1,17b deutlich überinterpretiert: „While the notion of Christians as exiled from their true heavenly home is found in the NT …, and has been argued as the meaning here (i.e., Christians are exiles during the time they must spend away from their true heavenly home), in the present context …, as well as the letter as a whole, it is more likely to refer to the Christians’ present status in relation to a culture that regards any who do not conform to customs … as a potential threat to social stability“. 79. Würde die Wendung τὸν τῆς παροικίας ὑμῶν χρόνον probehalber gestrichen, ergäbe sich im Blick auf 1Petr 1,17 kein grundlegend anderer Sinnzusammenhang; im Gegenteil: Die Streichung dieser Wendung würde die eigentliche argumentative Spitze dieses Verses, nämlich die Ermahnung, ein Leben ἐν φόβῳ zu führen, wesentlich deutlicher als in seiner jetzigen Fassung hervortreten lassen. Dies stellt sich vollständig anders dar in 3Makk 7,19, einer von P.J. Achtemeier, 1Petr, 126 angeführten Parallele zu 1Petr 1,17; hier ist die mit dieser Wendung explizierte Zeitangabe notwendig für das Verständnis des gesamten inhaltlichen Zusammenhangs. Auf der Basis des Hinweises von N. Brox, 1Petr, 23, dass der Verfasser des 1Petr „für seine in einem Brief sehr angebrachten Themen umfangreiches Überlieferungsgut paränetischer, wahrscheinlich auch homologischer und liturgischer Art“ verwendet habe, wird die Annahme denkbar, dass jener erst die hier diskutierte Wendung seiner Vorlage hinzugefügt habe. In die Richtung der von N. Brox formulierten Annahme denkt auch P.J. Achtemeier, 1Petr, 58f.: „On that basis, it was concluded that 1 Peter was a composite document that had to do with baptism and that had been adapted to its present letter form with the addition of 1:1–2 and 5:12–14“; wird dies allerdings eingeräumt, so wird auch die Annahme denkbar, dass der Verfasser des 1Petr die Wendung τὸν τῆς παροικίας ὑμῶν χρόνον einer ihm zuhandenen Vorlage später hinzugefügt habe. 80. Wird der Tatsache Rechnung getragen, dass innerhalb der syntaktischen Konstruktion in 1Petr 2,11a ein unmittelbares Akkusativobjekt – denkbar wäre hier etwa das Pronomen ὑμᾶς – fehlt (vgl. hierzu P.J. Achtemeier, 1Petr, 173), wird zunächst die grammatische, wird im Zuge dessen dann aber auch die argumentationslogische Funktion der Wendung ὡς παροίκους καί παρεπιδήμους umso mehr fraglich. Dies reicht freilich nicht zu, um diese Wendung als einen späteren Einschub zu qualifizieren, reicht allerdings durchaus zu, um diese Wendung als vom Verfasser des 1Petr seiner in 1Petr 2,11f. verwendeten Vorlage erst hinzugefügt zu qualifizieren (vgl. zur Verwendung geprägten und traditionellen Materials durch den Verfasser des 1Petr etwa N. Brox, 1Petr, 22f.). 81. Zum Gedanken der inhaltlichen Wiederaufnahme des in 1Petr 2,11b Ausgeführten in 1Petr 2,12a vgl. etwa N. Brox, 1Petr, 113; Brox spricht im Blick auf die inhaltliche

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zufolge auf das Verhalten der Nichtchristen an der ἡμέρα ἐπισκοπῆς abzielt: ἵνα ἐν ᾧ καταλαλοῦσιν ὑμῶν ὡς κακοποιῶν ἐκ τῶν καλῶν ἔργων ἐποπτεύοντες δοξάσωσιν τὸν θεὸν ἐν ἡμέρᾳ ἐπισκοπῆς82. Dass ein solches rechtschaffenes Leben jedoch etwa dazu nötig wäre, die eigene ‚Erwählung in die Fremdlingschaft‘ ihrer adäquaten Bestimmung zuzuführen, und dass die Verweigerung eines solchen rechtschaffenen Lebens das Erreichen dieser Bestimmung bzw. dieses Zieles gefährden oder gar verunmöglichen könnte, wird nicht einmal angedeutet geschweige denn explizit thematisiert, ein Sachverhalt, der sich letztlich mit Notwendigkeit aus dem Tatbestand ergibt, dass die Begriffe πάροικος und παρεπίδημος zwar eine gesellschaftspolitische bzw. eine soziale oder soziologische, nicht jedoch eine ethisch-moralische Konnotation tragen83. In den späteren Passagen von 1Petr, gerade auch in denen, in denen dessen Verfasser das Leiden anspricht (1Petr 4), begegnen, wiewohl zum Inhalt des in diesen Passagen Erörterten durchaus passend, diese Metaphorik und die in 1Petr 1f., vor allem in 1Petr 1,1, formulierte Konzeption des Christseins als einer ‚Erwählung in der Fremdlingschaft‘ dann nicht mehr. Dieser Befund lässt zwei mögliche Erklärungen zu: (a) Der Verfasser des 1Petr geht davon aus, dass die Adressaten seiner Epistel die Konzeption der Relation dieser beiden Halbverse m.R. von einer „positiven Entsprechung“, die die Ausführungen in 1Petr 2,12a im Verhältnis zu denjenigen in 1Petr 2,11b bildeten. Anders, aber kaum überzeugend, hier M. Vahrenhorst, 1Petr, 111. 82. Zu den Schwierigkeiten der Interpretation von 1Petr 2,12b vgl. etwa M. Vahrenhorst, 1Petr, 112–114; aber auch Vahrenhorst stellt heraus, dass im Blick auf 1Petr 2,12b klar erkennbar sei, „dass es um den Zweck geht, dem die schöne Lebensführung der Anhänger des Gesalbten dienen soll“ (1Petr, 112). 83. In diese Richtung scheint N. Brox, 1Petr, 112 1Petr 2,11 auslegen zu wollen; er formuliert nämlich: „Diese Idee wird hier wie immer paränetisch eingesetzt: Die ‚Fremdheit‘ der Christen soll deutlich sein, muß sich folglich in der Andersartigkeit eines bekehrten Lebens zeigen“. Diese Deutung aber wird der durchaus auch von Brox favorisierten Deutung der Termini πάροικος und παρεπίδημος in einem gesellschaftspolitischen bzw. sozialen oder soziologischen Kontext (vgl. hierzu o. 39–42) kaum gerecht. Immerhin nämlich trägt weder der Begriff des πάροικος noch derjenige des παρεπίδημος das Momentum der Sittlichkeit oder der Tugendhaftigkeit in sich, was heißt, dass die Forderungen nach einem ἀπέχεσθαι τῶν σαρκικῶν ἐπιθυμιῶν und zur Führung einer ἀναστροφή καλή letzten Endes inhaltlich gänzlich unverbunden neben der Beschreibung des sozialen Status der Christen als πάροικοι und παρεπίδημοι stehen und erstere durch letztere kaum begründet werden können. In die von N. Brox eingeschlagene Interpretationsrichtung scheint auch L. Goppelt, 1Petr, 157 zu denken; Goppelt arbeitet heraus: „Die Christen sind ‚Fremde‘, weil sie in die eschatologische Existenz berufen sind; sie sind ‚Beisassen‘, weil sie diese Existenz in der Geschichte zu leben haben. Weil sie in diesem Sinne ‚Fremde‘ sind, ergeht an sie die überraschende [!], denkbar ernüchternde Weisung: ἀπέχεσθαι τῶν σαρκικῶν ἐπιθυμιῶν, ‚enthaltet euch der fleischlichen Begierden‘! Der Welt fremd werden, den Exodus vollziehen, bedeutet demnach für die Christen immer zuerst, der Welt in sich selbst fremd werden“. Dieser von Goppelt hier entwickelte, wiederum ethisch-moralische Kontext der Begriffe πάροικος und παρεπίδημος wird einerseits in 1Petr 2,11, andererseits aber auch innerhalb der Semantik der Begriffe selbst aber gerade nicht transportiert. M. Vahrenhorst, 1Petr, 110f. verzichtet – offensichtlich durchaus bewusst und mit Grund – darauf, einen argumentationslogischen Zusammenhang zwischen der Charakterisierung der angeschriebenen Christen als ὡς παροίκους καὶ παρεπιδήμους und der in 1Petr 2,11 formulierten Ermahnung herzustellen.

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‚Erwählung in die Fremdlingschaft‘, einmal an prominenter Stelle platziert, selbständig in die dann folgende Argumentation integrieren, möglicherweise deswegen, weil er voraussetzt und auch voraussetzen kann, dass jenen dieselbe im Rahmen ihrer eigenen theologischen Programmatik bereits vertraut ist. Dieser Annahme widerraten jedoch folgende Überlegungen und Beobachtungen: (1) Sie vermag, wie o. bereits angedeutet, letzten Endes nicht zureichend zu erklären, warum der Verfasser des 1Petr diese bei seinen Adressaten bekannte Konzeption nicht auch innerhalb seiner in 1Petr 2,18–25 oder auch innerhalb seiner in 1Petr 4,12–19 vorgelegten Argumentation verwendet, etwa, indem er die Unterordnung und das Leiden als typische Kennzeichen von ‚Fremdlingschaft‘ deklariert hätte, die mit dem Einzug in eine etwaige noch zukünftige (himmlische) οἰκία zuverlässig ihr Ende finden werden – ein Gesichtspunkt, der etwa in Hebr 11,16 angedeutet ist84. Jenseits dessen und darüber hinaus ist grundsätzlich zu konstatieren, dass das Motiv der (himmlischen) οἰκία, somit also das positive Gegenstück zur Metapher der ‚Fremdlingschaft‘, im 1Petr und in der Argumentationslogik dieser Epistel nicht einmal im Ansatz entwickelt wird85. (2) In 1Petr 2,13–17, hier im Kontext seiner Überlegungen zur Relation der angeschriebenen Christen zu den Institutionen des imperium Romanum, fehlt ein solcher Hinweis auf die gegenwärtige Entfremdung gegenüber der paganen Mehrheitsgesellschaft ebenfalls, wiewohl gerade hier eine etwa Phil 3,20 entsprechende Bemerkung86, die das Faktum eines bereits jetzt existierenden und sich in der Zukunft sichtbar realisierenden, dem irdischen gegenüberstehenden πολίτευμα ἐν οὐρανοῖς zumindest andeutete, argumentationslogisch durchaus angebracht gewesen wäre. (3) Die das Verhalten gegenüber staatlichen Institutionen thematisierenden Hinweise in 1Petr 2 zeigen nachgerade im Gegenteil, dass die zu Beginn seiner Epistel proklamierte Distanz gegenüber der paganen Mehrheitsgesellschaft für den Verfasser des 1Petr nurmehr eine theoretische und keinerlei lebenspraktische Konsequenz implizierende Form sozialer Existenz darzustellen scheint. Die etwa in 1Petr 2,13–17 formulierten Anweisungen propagieren gerade nicht das Bild von Christen, die sich gegenüber der sie umgebenden paganen Mehrheitsgesellschaft als Fremdlinge oder Aus- bzw. Abgesonderte begreifen und aus diesem Grunde mit den staatlichen Institutionen bestenfalls etwa im Sinne des paulinischen ὡς μή, d.h. geprägt von dem Momentum des Desinteressement, umgehen sollten bzw. auch tatsächlich umgehen, sondern von solchen, die sich innerhalb der sie umgebenden paganen Mehrheitsgesellschaft bewegen und deren Konventionen und Institutionen durchaus positiv und zu ihrem eigenen Nutz und Frommen gouttieren können und auch sollen87, wie dies 84. Zu Hebr 11,16 vgl. o. 47f. 85. Vgl. hierzu ausführlicher o. 47f. v.a. 48. 86. Vgl. zu Phil 3,20 o. 46f. 87. Vgl. hierzu sehr instruktiv N. Brox, 1Petr, 118: „Christliches Leben äußert sich für ihn in vielen Hinsichten und Fällen als Unterordnung, und zwar heißt das als Einordnung, als respektvolle, den Gegebenheiten angemessene Anerkennung der eigenen Position und Pflicht. Das Sich-Fügen entspricht einer Vorliebe für ordnungsgemäßes Leben, die der 1Petr mit der von ihm fortgesetzten frühkirchlichen Tradition teilt, wie der Stil seiner Rezption in 2,13–3,7 zeigt“. Vgl. hierzu auch R. Feldmeier, 1Petr, 101, der mit Blick auf die Geschichte

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etwa die Ausführungen in 1Petr 2,13f. und noch deutlicher diejenigen in 1Petr 2,15 und die in ihnen dokumentierte, in der Negativität letzten Endes jedoch positive Hinwendung der angeschriebenen Christen zu der sie umgebenden Welt belegen88: ὑποτάγητε89 πάσῃ ἀνθρωπίνῃ κτίσει90 διὰ τὸν κύριον, εἴτε βασιλεῖ ὡς ὑπερέχοντι, (14) εἴτε ἡγεμόσιν ὡς δι᾽ αὐτοῦ πεμπομένοις εἰς ἐκδίκησιν κακοποιῶν ἔπαινον δὲ ἀγαθοποιῶν91. (15) ὅτι οὕτως ἐστὶν τὸ θέλημα der Auslegung von 1Petr 2,13–3,12 formuliert: „Dieser Textkomplex wurde und wird dem 1Petr oft zum Vorwurf gemacht. Man unterstellt ihm ein Abfallen von der befreienden Botschaft Jesu, sieht in ihm gar die Instrumentalisierung der Religion bestehender Hierarchien“; vgl. darüber hinaus 107: „…, denn er will vor allem seinen Adressaten Wohlverhalten und Fügsamkeit anraten, um drohende Konflikte zu verhindern oder bestehende zu entschärfen“. Zu fragen ist, inwieweit ein solcher Rat noch mit dem Gedanken der Fremdlingschaft zu vereinen ist. Dies gilt in noch stärkerem Maße im Blick auf eine Einlassung Feldmeiers zu 1Petr 2,15: „Die ethische Urteilskraft der ‚heidnischen‘ Regierenden soll sogar als Chance genutzt werden, die Gegner – unterstellt werden ihnen ‚Unwissenheit‘ und ‚Unvernunft‘, was im Gegensatz zur willentlichen Bosheit wohl noch Hoffnung auf Beserung läßt … – durch das Zeugnis der Tat zu widerlegen“. 88. Vgl. hierzu treffend N. Brox, 1Petr, 43, der im Blick auf 1Petr 2,13–17 durchaus m.R. von einer „Loyalitäts-Demonstration“ spricht; vgl. hierzu bereits o. 52. 89. Im Blick auf diesen Imperativ spricht N. Brox, 1Petr, 118 von einer durch denselben ausgedrückten „Loyalitätsforderung“, auch wenn, im Unterschied etwa zu Röm 13,4.6, „die staatlichen Behörden … weder als ‚von Gott eingesetzt‘ oder als ‚Anordnung Gottes‘ bezeichnet [werden] noch auch als ‚Gottes Diener‘ …“ (W. Schrage, 1Petr, 88). H. Windisch, 1Petr, 62 spricht im Blick auf 1Petr 2,13–17 von einem deutlichen Signal „für den durchaus patriarchalischen, auch nicht im entferntesten reformsüchtigen oder gar revolutionären Charakter des Urchristentums“. In diese Richtung denkt auch M. Vahrenhorst, 1Petr, 117, der im Blick auf 1Petr 2,14 formuliert: „Grundsätzlich trifft es aber zu, dass der 1Petr hier ein positives Verhältnis zum römischen Staat zum Ausdruck bringt“. 90. R. Feldmeier, 1Petr, 106 möchte die hier skizzierte Auslegung von 1Petr 2,13–17 augenscheinlich relativieren, indem er darauf hinweist, dass die Wendung πάσῃ ἀνθρωπίνῃ κτίσει die entsprechenden staatlichen Institutionen explizit als menschliche kennzeichne und so deutlich mache, dass „dem Staat keine eigene religiöse Dignität zugebilligt“ werde, indem er darüber hinaus deutlich macht, dass in 1Petr 2,13–17 in Relation zu Röm 13,1–7 „die theologische Legitimierung der Obrigkeit … weit zurückhaltender erfolgt“. Diese Hinweise Feldmeiers lassen sich in der Substanz kaum bestreiten, vermögen aber den Sachverhalt, dass der Verfasser des 1Petr gerade im Rahmen der Diskussion der sicherlich nicht unwichtigen Frage des Verhältnisses der Christen zu den Institutionen des imperium Romanum nicht mit dem Motiv der Fremdlingschaft, sondern ausschließlich mit demjenigen der Koexistenz argumentiert und somit innerhalb seiner Epistel eine theologische Inkohärenz zumindest billigend in Kauf nimmt, nicht zu verwischen. 91. Einen im Blick auf die Wendung ἔπαινον δὲ ἀγαθοποιῶν nicht uninteressanten Gedanken erwägt K.H. Schelkle, 1Petr, 74: „Die Guten aber empfangen Lob. Ist diese Zusage des Lobes nur das entsprechende Füllsel zur anderen von der Strafe? Oder ist an eine Funktion gedacht, die in der Tat der antike Staat in viel höherem Maß als der unsere übte, nämlich die Auszeichnung verdienter Mitbürger durch öffentliche Ehrung, Titelverleihung, Inschriften, Statuen u.ä.“? Wenn diese letzte Frage positiv zu beantworten wäre, ließen sich die semantischen Implikationen der Wendung ἔπαινον δὲ ἀγαθοποιῶν, in Sonderheit mit der 1Petr 2,15 formulierten und an die Adressaten des 1Petr gerichteten Aufforderung des ἀγαθοποιεῖν, mit dem Motiv der Fremdlingschaft nicht nur nicht vereinbaren, sondern ständen diesem diametral nachgerade entgegen. Vgl. durchaus im Sinne der Interpretation Schelkles auch N. Brox, 1Petr, 120, A. 396 mit Verweis auf W.C. van Unnik, darüber hinaus auch, allerdings dann

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τοῦ θεοῦ ἀγαθοποιοῦντας φιμοῦν τὴν τῶν ἀφρόνων ἀνθρώπων ἀγνωσίαν92. Darüber hinaus soll nach 1Petr 2,17d der amtierende βασιλεύς, der römische Kaiser also, immerhin geehrt werden (τιμάω93), eine Verhaltensanweisung, die, auch wenn sie durch die Ausführungen in 1Petr 2,17a – hier werden die Adressaten aufgefordert, jedermann zu ehren: πάντας τιμήσατε – gleichsam vorsorglich relativiert wird94, etwa im Munde des Verfassers der neutestamentlichen Johannesapokalypse völlig undenkbar wäre. (b) Der Verfasser des 1Petr möchte mit der von ihm im Duktus seiner Argumentation lediglich angedeuteten, keineswegs jedoch ausgeführten und theologisch entwickelten Konzeption der ‚Erwählung in der Fremdlingschaft‘ auf ein entsprechendes theologisches Konzept Bezug nehmen, das nicht das seine ist, das er aber – in dieser oder aber doch womöglich in ähnlicher Weise – für ein in den Augen der Adressaten seiner Epistel grundlegendes Theologoumenen hält. Dieser ein zumindest vermutet wichtiges Element der theologischen Programmatik seiner Adressaten aufnehmenden Bezugnahme käme dabei dann die Funktion eines argumentationslogischen Türöffners zu, mit dessen Hilfe der Verfasser des 1Petr jenen zu signalisieren vermag, dass seine in den Ausführungen seiner Epistel Gestalt gewinnende theologische Konzeption durchaus als kompatibel mit der ihren gelten kann. Ein solches Signal sollte und könnte dem Verfasser des 1Petr – so zumindest seine eigene Einschätzung – dazu verhelfen, als Πέτρος bei den Adressaten seiner Epistel sowohl theologische als auch kirchenpolitische Autorität zu generieren.

letztlich – wenn auch wenig überzeugend, weil durch den Text unmittelbar nicht gedeckt – doch relativierend L. Goppelt, 1Petr, 185: „‚Das Belobigen der Rechtschaffenen‘ meint eigentlich die freigiebig erteilten Belobigungen, die verdienten Bürgern in öffentlichen Schreiben und Inschriften erteilt wurden und politisches Ansehen vermittelten, ist hier aber formelhaft gebraucht, bezeichnet daher lediglich die bürgerliche Anerkennung und damit den Rechtsschutz, den alle erwarten können, die sich recht verhalten“; ähnlich relativierend auch P.J. Achtemeier, 1Petr, 184. 92. Zu 1Petr 2,15 vgl. immerhin K.H. Schelkle, 1Petr, 75: „Der Brief will die Verhältnisse entschärfen und die Christen von einem unversöhnlichen Haß der feindlichen Umwelt und zumal des Staates und seiner Gerichte zurückhalten“. Im Lichte dieses Urteils Schelkles büßt das Motiv der Fremdlingschaft, das Christentum und staatlich-imperiale Gesellschaft eigentlich einander gegenüberstellt und eine wechselseitige Durchdringung beider Sphären ausschließt, im Grunde jegliche interpretatorische Zuspitzung und damit auch jegliche argumentationslogische Relevanz ein. Vgl. darüber hinaus auch R. Feldmeier, 1Petr, 108: „Die ethische Urteilskraft der ‚heidnischen‘ Regierenden soll sogar als Chance genutzt werden“. 93. Zum Verb τιμάω im Sinne von „schätzen“ oder „ehren“ vgl. etwa H. Hübner, Art. τιμάω, in: EWNT II3, 855f. 94. Vgl. zu diesem Aspekt etwa M. Vahrenhorst, 1Petr, 119f.: „Eine zweite Relativierung der Stellung des Kaisers ergibt sich aus der Einleitung des Verses: ‚Habt Respekt vor allen‘ …. … Wie alle anderen Menschen auch, verdient er ihren Respekt, nicht mehr und nicht weniger“. Dennoch gilt es, mit N. Brox festzuhalten: „Gezielte ideologiekritische Tendenz gegen damaliges kaiserliches Selbstverständnis ist … nicht gewiß“ (1Petr, 123); Brox veweist in diesem Zusammenhang m.R. auf die Ausführungen in 1Petr 2,13f., innerhalb derer eine solche ideologiekritische Tendenz oder auch, darüber hinausgehend, eine Kritik des imperium Romanum in seiner Gesamtheit, nicht wahrnehmbar sind.

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Fazit: Bereits im Präskript des 1Petr lässt dessen Verfasser erkennen, dass er in seiner Epistel augenscheinlich durchaus bewusst und aktiv – freilich in freier und eigenständiger Weise – auf die Schriften und die theologischen Traditionen der johanneischen Schule bzw. des johanneischen Kreises Bezug nimmt. Im Einzelnen ließ sich zeigen, dass der Verfasser des 1Petr in 1Petr 1,1 sowohl literarisch unmittelbar die johanneische Briefkonvention95 als auch traditionsgeschichtlich mittelbar das in der (proto-)johanneischen Tradition ausgebildete Theologoumenon der Korrelation von Erwählung und Distanz bzw. Entfremdung gegenüber dem κόσμος reflektiert96. Weitere Textanalysen müssen zeigen, ob und inwieweit sich dieser Befund aufrechterhalten und bestätigten oder womöglich sogar noch erweitern bzw. weiter ausdifferenzieren lässt. Wird die hier im Blick auf die Relation von 1Petr 1,1, präziser: des hier vorliegenden Syntagmas ἐκλεκτοὶ παρεπίδημοι, zu Joh 15,19 entwickelte These eines traditionsgeschichtlichen Zusammenhanges ernst genommen, ergibt sich aus ihr – zwar nicht mit letzter Notwendigkeit, aber doch mit einer nicht geringen Wahrscheinlichkeit – als Konsequenz die Annahme eines gemeinsamen – oder doch zumindest annähernd gemeinsamen – Abfassungsortes des Joh und des 1Petr. Konkret bedeutet dies, dass die These, dass der 1Petr, wie auch das johanneische Schrifttum, in Kleinasien verfasst worden sei97, durch das in diesem Kapitel Erarbeitete untermauert wird. Das aber heißt: Die innerhalb der Ausführungen des 1Petr selbst angedeutete These eines römischen Abfassungsortes dieser Epistel ist letztlich als eine ‚römische‘ Fiktion98 zu definieren. Denkbar ist, dass ein kleinasiatischer, sich in ‚petrinischer‘ Tradition stehend begreifender Autor oder Autorenkreis diese kreiert habe, um in eben dieser Region des imperium Romanum die Person des Petrus und damit zugleich auch die ‚petrinische‘ Theologie – womöglich wieder neu – aufzuwerten und zu stärken.

Im Zusammenhang der o. formulierten Erwägungen ist darüber hinausgehend darauf hinzuweisen, dass der Verfasser des 1Petr seine Adressaten nicht nur als ἐκλεκτοὶ παρεπίδημοι, also als ‚Erwählte in die Fremdlingschaft‘ charakterisiert, sondern darüber hinaus, letzten Endes in positiver Entsprechung99 bzw. in positiver theologischer Konkretisierung, u.a. auch als königliche Priesterschaft und als heiliges Volk, wie die Ausführungen in 1Petr 2,9 belegen: ὑμεῖς δὲ γένος ἐκλεκτόν, βασίλειον ἱεράτευμα, ἔθνος ἅγιον, λαὸς εἰς περιποίησιν, 95. Vgl. hierzu o. 37–39. 96. Vgl. hierzu o. 42–46. 97. Vgl. hierzu bereits ausführlich o. 17f. 98. Vgl. zu diesem Begriff o. 19f. 99. Vgl. hierzu m.R. R. Feldmeier, 1Petr, 93: „Zugleich wird auch gegenüber der paganen Umgebung die christliche Gemeinde als ein ganz eigenes Bezugssysten gedeutet, ja als ein mit den Institution der Umwelt in seinem Geltungsanspruch konkurrierender Gegenentwurf “.

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ὅπως τὰς ἀρετὰς ἐξαγγείλητε τοῦ ἐκ σκότους ὑμᾶς καλέσαντος εἰς τὸ θαυμαστὸν αὐτοῦ φῶς. Die Chrarakterisierungen der Christen als βασίλειον ἱεράτευμα und als ἔθνος ἅγιον erinnern unmittelbar an die dem Volk Israel gegebenen Zusagen Gottes in Ex 19,6a: ὑμεῖς δὲ ἔσεσθέ μοι βασίλειον ἱεράτευμα καὶ ἔθνος ἅγιον100, die Interpretation der Christen als βασίλειον ἱεράτευμα klingt zumindest in ihrer Motivik an an die entsprechenden Ausführungen in Apk 1,6a – καὶ ἐποίησεν ἡμᾶς βασιλείαν, ἱερεῖς τῷ θεῷ καὶ πατρὶ αὐτοῦ – und Apk 5,10a – καὶ ἐποίησας αὐτοὺς τῷ θεῷ ἡμῶν βασιλείαν καὶ ἱερεῖς –, innerhalb derer die Begriffe βασιλεία und ἱερεύς das in Ex 19,6a und 1Petr 2,9 begegnende Syntagma βασίλειον ἱεράτευμα zu reflektieren scheinen101. Auch wenn die Ex 19,6a aufnehmenden Darlegungen in 1Petr 2,9 und diejenigen in Apk 1,6a; 5,10a sich begrifflich deutlich voneinander unterscheiden, sprechen doch folgende Indizien und Gründe dafür, dass sowohl 1Petr 2,9 als auch Apk 1,6a; 5,10a auf eine gemeinsame Tradition zurückgreifen: (a) Der Terminus ἱεράτευμα begegnet ausweislich der Konkordanz innerhalb der neutestamentlichen Literatur nur in 1Petr 2,5.9, das Syntagma βασίλειον ἱεράτευμα ausschließlich in 1Petr 2,9; das aber heißt, dass der alttestamentliche Referenztext Ex 19,6a im Neuen Testament nur hier zitiert bzw. aufgenommen wird. Dies spricht nicht dafür, dass dieser Text und die in ihm transportierten Inhalte als weit verbreitetes und vielfach benutztes urund frühchristliches Allgemeingut anzusehen wären102. (b) Der Begriff ἱερεύς begegnet im Neuen Testament in Mt 8,4; 12,4f.; Mk 1,44; 2,26; Lk 1,5; 5,14; 6,4; 10,31; 17,14; 20,1; Joh 1,19; Apg 4,1; 6,7; 14,13; Hebr 5,6; 7,1.3.11.14.15.17.20. 21.23; 8,4; 9,6; 10,11.21 und eben Apk 1,6; 5,10; 20,6. Auf die Christen in ihrer Gesamtheit bezogen wird er – dem Impetus des in Ex 19,6a Ausgeführten entsprechend – jedoch nur in Apk 1,6 und Apk 5,10, mit Abstrichen u.U. noch in Apk 20,6103. 100. Vgl. hierzu etwa L. Goppelt, 1Petr, 151; Goppelt zufolge habe der Verfasser des 1Petr diese Interpretation von Ex 19,6a einer ihm vorliegenden christlichen Tradition entnommen. 101. Dies gilt trotz der Feststellung von N. Brox, 1Petr, 104, A. 349, der auf die deutlich erkennbaren lexikalischen Unterschiede abhebt. 102. Vgl. zu diesem Befund W.F. Moulton/A.S. Geden, Concordance, s.v. ἱεράτευμα, 471. D.E. Aune, Apk I, 47 macht darauf aufmerksam, dass Ex 19,6a über das Neue Testament hinaus innerhalb der früchchristlichen Literatur noch in der Langrezension von Ign.Eph 9,2 zitiert wird. L. Goppelt, 1Petr, 151 macht darüber hinaus darauf aufmerksam, dass Ex 19,6a „in den Texten [der Gemeinschaft von Qumran] keine Rolle spielt“. Allein schon die reine Anzahl der von J.H. Elliott analysierten Belege einer Bezugnahme auf Ex 19,6a innerhalb der alttestamentlichen und der frühjüdischen Literatur (vgl. hierzu u. 57, A. 106) belegt bereits, dass dieses Dictum Goppelts auch im Blick auf eben diese zumindest im Grundsatz aufrechterhalten werden kann. 103. Vgl. zu diesem Befund W.F. Moulton/A.S. Geden, Concordance, s.v. ἱερεύς, 471f.; vgl. darüber hinaus auch D.E. Aune, Apk I, 48.

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(c) Offensichtlich scheint der Verfasser des 1Petr mit dem Syntagma βασίλειον ἱεράτευμα auf die in Ex 19,6aLXX fassbare Überlierung zu rekurrieren104, der Verfasser von Apk 1,6a; 5,10a mit den Begriffen βασιλεία und ἱερεῖς hingegen augenscheinlich eher auf Ex 19,6a in der Fassung des Theodotion oder des Symmachos105 oder womöglich unmittelbar auf MT, der in Ex 19,6a liest: ‫מ ְמ ֶל ֶכת כּ ֲֹהנִ ים‬. ַ In ihrer Summe lassen diese drei lexikalischen Befunde die Annahme durchaus wahrscheinlich erscheinen, dass der Verfasser des 1Petr in 1Petr 2,9 und derjenige der neutestamentlichen Apk in Apk 1,6a; 5,10a den Gedanken der Christenheit als eines königlichen Priestertums bzw. eines priesterlichen Königtums106 entweder zugleich einer auf den Ausführungen in Ex 19,6a basierenden Tradition entnommen107 oder aber – zumindest – bei der Formulierung der jeweiligen Passagen zugleich auf eine von einem entsprechenden Trägerkreis gepflegte theologische Konzeption zurückgegriffen haben, in der ein solches Verständnis der christlichen Gemeinschaft als eines priesterlichen Königtums oder einer königlichen Priesterschaft entwickelt und propagiert worden ist. Gegen die Annahme eines unmittelbar oder mittelbar vermittelten unmittelbaren literarischen oder auch traditionsgeschichtlichen Reflexes108 von 1Petr 2,9 auf Apk 1,6a; 5,10a oder auch umgekehrt spricht die Beobachtung der vollständigen lexikalischen 104. Vgl. zu diesem Befund auch P.J. Achtemeier, 1Petr, 164, A. 197. 105. Symmachos und Theodotion bieten hier den Text: βασιλεία ἱερέων; vgl. hierzu J.W. Wevers/U. Quast, Exodus, 234; vgl. darüber hinaus auch D.E. Aune, Apk I, 47. 106. Vgl. zu der Möglichkeit einer solchen doppeldeutigen Interpretation der entsprechenden Syntagmata etwa D.E. Aune, Apk I, 47; zur Interpretation des Syntagmas βασίλειον ἱεράτευμα vgl. – in der Auseinandersetzung mit der von J.H. Elliott propagierten Deutung – ausführlich etwa J.R. Michaels, 1Petr, 108f. und darüber hinaus auch J.H. Elliott, 1Petr, 435–438.449–455. Elliott fasst das Syntagma βασίλειον ἱεράτευμα als zwei voneinander zu unterscheidende und getrennte Begriffe auf: Der Terminus βασίλειον beziehe sich auf eine „royal residence“ (437), der Begriff ἱεράτευμα beschreibe eine „active priestly community“ (437). Seine Position sucht Elliott u.a. mit dem Verweis auf Jub 16,18; 33,20, 2Makk 2,17 sowie den beiden philonischen Texten sobr. 66 und Abr. 56 zu erweisen (vgl. hierzu Elect, 50–107). Eine solche Interpretation entspräche durchaus den Ausführungen von Apk 1,6a; 5,10a. Auf die umfangreiche Diskussion von 1Petr 2,4–10 im Kontext des in der Reformation entwickelten Theologoumenons vom Priestertum aller Gläubigen kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden; vgl. hierzu ausführlich J.H. Elliott, 1Petr, 449–455, dort auch weitere Literatur. 107. Im Blick auf 1Petr 2,9 begründet L. Goppelt die Annahme der Aufnahme einer Tradition zusätzlich noch mit dem Hinweis auf 1Petr 2,10: „Zudem ist die anschließende Verwendung von Hos 1f. in V. 10 gleich der vorhergehenden nachweislich Tradition“. O.D. Foster, First Epistle of Peter, 519 zufolge lasse der Kontext von Apk 1,6 und auch Apk 5,10 es als „very improbable“ erscheinen, dass der Verfasser des 1Petr und der Verfasser der Apk im Rahmen ihrer jeweiligen Ausführungen unabhängig voneiander unmittelbar auf Ex 19,6a Bezug genommen hätten. 108. Zu den grundlegenden theoretischen Vorerwägungen vgl. bereits o. 4–11.

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Differenz der beiden bzw. der drei Passagen, gegen diejenige eines unmittelbar oder mittelbar vermittelten mittelbaren literarischen Reflexes die Beobachtung, dass sich einerseits das in 1Petr 2,9 erscheinende Syntagma βασίλειον ἱεράτευμα weitaus zwangloser aus Ex 19,6aLXX als aus Apk 1,6a; 5,10a109, andererseits die in Apk 1,6a; 5,10a gebotene Formulierung βασιλείαν (καὶ) ἱερεῖς weitaus zwangloser aus Ex 19,6aMT oder aber aus Ex 19,6aTh.Sym oder aber auch – als Paraphrase110 – aus Ex 19,6a LXX als aus 1Petr 2,9111 herleiten lassen. Jenseits dessen und darüber hinaus ist grundsätzlich festzuhalten, dass sich die Frage eines unmittelbar oder auch mittelbar vermittelten mittelbaren literarischen Reflexes entweder von 1Petr auf die Apk oder aber vice versa von der Apk auf 1Petr bestenfalls theoretisch stellt, da die beiden Verfasser sich in ihrer theologischen Ausrichtung, hier konkret im Blick auf die theologische Interpretation des imperium Romanum, doch zu deutlich voneinander unterscheiden112, als dass sich wahrscheinlich machen ließe, dass der eine Aussagen aus der – ihm entweder unmittelbar vorliegenden oder aber kund und zu wissen gegebenen – Schrift des jeweils anderen entweder unmittelbar übernehmen oder aber mittelbar paraphrasieren würde. Dieses im Blick auf die Ausführungen in 1Petr 2,9 formulierte Ergebnis vermag die o. auf der Basis der Analyse des Präskripts 1Petr 1,1 entwickelte These, dass der Verfasser des 1Petr in seiner Epistel – mittelbar vermittelt – mittelbar auf die innerhalb der johanneischen Schule bzw. des johanneischen Kreises virulenten (proto-)johanneischen theologischen Traditionen rekurriert113, durchaus zu untermauern.

109. Wer annehmen möchte, die Ausführungen von 1Petr 2,9 stellten einen unmittelbar oder mittelbar vermittelten mittelbaren literarischen Reflex auf diejenigen in Apk 1,6a; 5,10a dar, ist zu der Annahme gezwungen, dass der Verfasser des 1Petr an dieser Stelle die entsprechenden Ausführungen aus Apk 1,6a; 5,10a paraphrasiert habe (vgl. hierzu o. 5f.) und im Rahmen dieser Paraphrasierung dann mit dem Syntagma βασίλειον ἱεράτευμα zufälligerweise und ohne Kenntnis derselben die LXX-Formulierung von Ex 19,6a reproduziert habe. 110. Vgl. zum Begriff der Paraphrase innerhalb der grundlegenden theoretischen Erwägungen o. 6, A. 14. 111. Natürlich ist es methodisch grundsätzlich nicht undenkbar, dass der Apokalyptiker in seinen Auführungen in Apk 1,6a; 5,10a das ihm ansonsten gänzlich unbekannte Syntagma βασίλειον ἱεράτευμα aus 1Petr 2,9 paraphrasiert hat. Deutlich wahrscheinlicher will demgegenüber jedoch die Annahme scheinen, dass der Apokalyptiker Apk 1,6a; 5,10a entweder Ex 19,6a unmittelbar – dann in Form einer Paraphrase – oder aber eine auf Ex 19,6a fußende und bereits paraphrasierte Tradition reflektiert. 112. Vgl. hierzu ausführlich o. 52–54. 113. Vgl. hierzu o. 21f.39.

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I.2. 1PETR 1,3.23 – JOH 3,3.(5.)7: DIE THEMATIK DER WIEDERGEBURT/WIEDERZEUGUNG114 L. Goppelt zufolge kommt der Verfasser des 1Petr in seiner Epistel an drei Stellen auf das Thema der Wiedergeburt zu sprechen: Zunächst werde in 1Petr 1,3b.c, somit also gleich unmittelbar am Beginn der Epistel – und damit nachgerade als ein theologisches Vorzeichen oder ein theologischer Interpretationsschlüssel fungierend115 – Gott als der Vater Jesu Christi dafür gepriesen (εὐλογητός116), dass er ‚uns‘, also die Einheit des Briefautors und seiner Adressaten117, ‚wiedergeboren‘ habe118. In 1Petr 1,23 nähme der Verfasser des 1Petr, nun jedoch in einem ethischen Argumentationszusammenhang, das Thema der Wiedergeburt erneut auf, um die in 1Petr 1,22 formulierte Mahnung zur Bruderliebe zu begründen119. Dabei findet das in 1Petr 1,3b bereits verwendete Verb ἀναγεννάω120 auch in 1Petr 1,23 Verwendung, nun allerdings nicht in einer aktivischen, den schöpferischen Akt der Wiedergeburt betonenden, sondern in einer passivischen, den Zustand 114. Zur Frage, ob mit dem diese Ausführungen bestimmenden Verbum ἀναγεννάω eher auf eine Wiedergeburt oder aber auf eine Wiederzeugung abgehoben wird, vgl. neuestens U.U. Kaiser, Wiedergeburt, 302–305; Kaiser sieht in der hier vorliegenden metaphorischen Verwendung dieses Verbums beide Dimensionen reflektiert, weshalb sie in ihrer Untersuchung die Begriffe ‚Geburt‘ und ‚Zeugung‘ parallel zueinander verwendet. In der vorliegenden Studie wird, wiewohl eingedenk dieser semantischen Differenzierung, schlicht aus sprachlichen Gründen der traditionellere Begriff ‚Wiedergeburt‘ verwendet. 115. Zur Gliederung von 1Petr vgl. ausführlich o. 23–25. 116. Zur Eulogie als Element der Briefkonvention vgl. etwa M. Vahrenhorst, 1Petr, 58 und N. Brox, 1Petr, 59f.; zur Gattung der Eulogie vgl. darüber hinaus R. Feldmeier, 1Petr, 41 mit A. 50. 117. Vgl. hierzu etwa L. Goppelt, 1Petr, 95, A. 22; vgl. hierzu auch M. Vahrenhorst, 1Petr, 71: „Die Adressaten erfahren nun, dass Gott sie seiner liebevollen, umsichtigen und nachsichtigen Treue entsprechend ‚von neuem geboren bzw. gezeugt‘ hat“. 118. Vgl. hierzu L. Goppelt, 1Petr, 92; zu dem in 1Petr 1,3c verwendeten Partizip ἀναγεννήσας vgl. etwa R. Feldmeier, 1Petr, 43: „Das hier für die Metapher der göttlichen Vaterschaft verwendete Partizip ἀναγεννήσας ist ein Partizip Aorist: die punktuelle Aktionsart besagt, dass es sich bei diesem ‚Neuzeugen‘ nicht um eine immer schon wirksame ‚Eigenschaft‘ Gottes handelt, sondern dass die Neuzeugung in einem singulären geschichtlichen Ereignis gründet“. 119. Zu 1Petr 1,23 als Begründung zu 1Petr 1,22 vgl. etwa L. Goppelt, 1Petr, 127, der eine solche Relation in seiner Übersetzung aufscheinen lässt; explizit formuliert an dieser Stelle M. Vahrenhorst, 1Petr, 95: „Dieser Vers [d.h. 1Petr 1,23] begründet die voranstehende Paränese“. 120. P.J. Achtemeier, 1Petr, 94, A. 19 verneint die Annahme einer mit der Verwendung dieses Verbs versuchten Bezugnahme auf Mysterienreligionen; vgl. darüber hinaus auch 139: „Absence of any other clear allusion to those cults in this letter, of whose underlying theology we lack certain knowledge in any case, and the ensuing quotation from the OT in v. 24 show the frame of reference within which our author is working“. Diese Beobachtung verschärft die Frage nach dem Anlass bzw. der Ursache für die Verwendung dieses Verbs und der mit diesem Verb verknüpften Konzeption durch den Verfasser des 1Petr. Der Impetus dieser Frage verschärft sich angesichts der Tatsache, dass ἀναγεννάω auch in der LXX nicht belegt ist (vgl. hierzu u.).

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

des Wiedergeborenseins beschreibenden Form121. In 1Petr 2,2, dem nach Goppelt dritten Beleg für das Thema der Wiedergeburt im 1Petr122, vergliche der Verfasser des 1Petr die Christen mit ἀρτιγέννητα βρέφη, die aufgefordert werden, das λογικὸν ἄδολον γάλα zu begehren, um zur σωτηρία hin zu wachsen. Mit der Verwendung des Bildes der ἀρτιγέννητα βρέφη bezieht sich der Verfasser dieser Epistel in 1Petr 2,2 allerdings explizit auf die menschliche Erstgeburt (ἀρτιγέννητος)123, also gerade nicht auf eine wie auch immer zu verstehende Neu- oder Wiedergeburt, eine Beobachtung, die dazu führt, die Ausführungen von 1Petr 2,2, da sie die Thematik der Neu- oder Wiedergeburt nicht berühren, im Rahmen der Frage nach der im 1Petr vorliegenden Konzeption von Wiedergeburt unberücksichtigt zu lassen und sich auf das in 1Petr 1,3.23 Gesagte zu beschränken124. Zumindest auffällig ist, dass der Verfasser des 1Petr im Rahmen des etwa mit 2Kor 1,3–11 und Eph 1,3–14 vergleichbaren proeoemium 1Petr 1,3–12 in 1Petr 1,3 zunächst das Personalpronomen ἡμᾶς verwendet, in 1Petr 1,4 hingegen das ausschließlich auf die Adressaten seiner Epistel sich beziehende Pronomen ὑμᾶς, eine Beobachtung, die in Sonderheit angesichts des in 1Petr 1,3b–5 entwickelten, eben auch die ὑμεῖς betreffenden „threefold goal“125 der zuvor in 1Petr 1,3a thematisierten Wiedergeburt der ἡμεῖς einer Erklärung bedarf126, selbst dann, wenn angenommen wird, dass der Verfasser des 1Petr an dieser Stelle das Terrain einer geprägten (tauf-)liturgischen Form und Sprache verlässt und ab 1Petr 1,4 eigenständig formuliert127. Eine erste denkbare Erklärung 121. Vgl. hierzu R. Feldmeier, 1Petr, 82, der in diesem Zusammenhang davon spricht, dass der Verfasser des 1Petr ein „resultative[s] Partizip Perfekt Passiv [verwendet habe] …, um die Wiedergeburt als etwas bereits Vollendetes zu kennzeichnen“; vgl. darüber hinaus ders., Wiedergeburt, 88. 122. Vgl. hierzu L. Goppelt, 1Petr, 53, A. 93, dann aber – m.R. – anders im Rahmen seines Exkurses zur Wiedergeburt 92–94; hier werden die Ausführungen in 1Petr 2,2 augenscheinlich nicht mehr unter die Thematik der Wiedergeburt subsumiert. In Sonderheit R.H. Gundry, Verba Christi, 338 und darüber hinaus auch K.H. Schelkle, 1Petr, 28 weisen innerhalb ihrer jeweiligen Ausführungen zur Konzeption der Wiedergeburt im 1Petr ebenfalls auf den Beleg 1Petr 2,2 hin; ähnlich auch R. Feldmeier, 1Petr, 43. 123. Vgl. hierzu etwa M. Vahrenhorst, 1Petr, 98: „Nachdem das Ablegen dieser Verhaltensweisen thematisiert wurde, kann der Brief die Adressaten mit neugeborenen Kindern vergleichen, die solche Verhaltensweisen naturgemäß nicht an den Tag legen“. 124. Anders hier R. Feldmeier, Wiedergeburt, 89–91. 125. P.J. Achtemeier, 1Petr, 94; vgl. hierzu auch u. 88–91. 126. Der im Novum Testamentum Graece präsentierte textkritische Apparat zeigt, dass einige Abschreiber versucht haben, dieses textliche Problem durch eine Konjektur zu lösen, wobei allerdings auch klar ist, dass dem hier gebotenen Text, da er deutlich die lectio difficilior darstellt, Ursprünglichkeit zuzugestehen ist. Den interessantesten dieser Lösungsvorschläge bietet P72, der in 1Petr 1,3 das ἠμᾶς streicht, hier somit also eine Leerstelle bietet, und in 1Petr 1,4 – zumindest wie es scheint – ἡμᾶς liest. 127. Zu dieser in der exegetischen Literatur vertretenen These vgl. etwa N. Brox, 1Petr, 60.62 – Brox geht davon aus, dass „die Formelsprache der Eulogie mit Sicherheit ‚ἡμεῖς/uns‘ enthalten hatte“ (62) – und P.J. Achtemeier, 1Petr, 96 mit A. 48, zu deren Kritik vgl. 93. Achtemeier selbst

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könnte sich aus der Annahme ergeben, dass der Verfasser des 1Petr gleich von Beginn seiner Epistel an den theologischen Schulterschluss mit seinen Adressaten sucht und diesen unmittelbar signalisieren möchte, dass entweder nicht nur er und die Gemeinde oder die Gruppe um ihn herum128 zu den Wiedergeborenen gehören, sondern jene eben auch, oder – wenn nämlich die durch das Personalpronomen ὑμᾶς repräsentierte Adressatenschaft als die eigentliche Zielgruppe des prooemium angesehen wird, dann anders herum gewendet –, dass nicht nur seine Adressaten, sondern eben auch der Verfasser des 1Petr und die Gemeinde oder Gruppe um ihn herum zu den Wiedergeborenen zu rechnen sind. Ergänzend zu dieser theologischen Erklärung ließe sich angesichts des o. dargestellten Befundes die historische Annahme formulieren, dass der Verfasser des 1Petr mit seiner Epistel einen Erstkontakt zu den in 1Petr 1,1 genannten Adressaten herstellen möchte und im Rahmen eines solchen Erstkontaktes gegenüber ihm bis dato noch unbekannten Adressaten auf eine breit angelegte Schilderung des eigenen persönlichen Ergehens, so wie sie etwa in 2Kor 1,3–11 und Eph 1,3–14 vorliegen, verzichtet, eine Strategie, die auch Paulus in Röm 1,8–15, d.h. im Rahmen eines Briefes an eine dem Paulus noch unbekannte Gemeinde, praktiziert. Diese zweite Annahme vermöchte die Generalthese der vorliegenden Studie129 durchaus zu untermauern.

Ein erster Blick auf die Darstellung in 1Petr 1,3 lässt zunächst unmittelbar erkennen, dass jener zufolge Gott selbst innerhalb des Vorgangs der Wiedergeburt als zentraler Akteur auftritt130 und die Wiedergeburt der Einheit der Christen aus Absendern und Adressaten des 1Petr δι᾽ ἀναστάσεως Ἰησοῦ Χριστοῦ ἐκ νεκρῶν131, d.h. vermittelst132 des Ereignisses der Auferstehung versucht, dieses Problem zu entschärfen, indem er formuliert: „The point is that this inheritance is for the benefit … of the Christian community, whether the author in this instance explicitly includes himself or not“. Dies mag durchaus sein, erklärt aber den Wechsel von der 1. Person Plural zur 2. Person Plural nur unzureichend. Der Vergleich mit 2Kor 1,3–11 und Eph 1,3–14 vermag die Ungewöhnlichkeit des zwischen 1Petr 1,3 und 1Petr 1,4 Platz greifenden Wechsels von der 1. Pers.Plu. zur 2. Pers.Plu. zu veranschaulichen: Paulus nimmt erst in 2Kor 1,6 die Adressaten seines Schreibens in den Blick, der Verfasser des Eph erst in Eph 1,13. 128. Zur Hypothese einer in Rom ansässigen Petrusgruppe vgl. u. 150. 129. Vgl. hierzu u. 138–148. 130. Vgl. hierzu auch C.G. Müller, 1Petr, 129 in Aufnahme von Ausführungen von R. Feldmeier: „‚Als der aufgrund von Gottes Zusage Hoffende gewinnt der ‚Wiedergeborene‘ Anteil an Gottes Lebendigkeit‘“. 131. In Jak 1,18, dem innerhalb des Jak vorfindlichen Beleg für eine Konzeption von Wiedergeburt (vgl. hierzu u. 93f.), werden der Vermittler oder die Art und Weise der Wiederoder Neugeburt nicht durch eine mit der Präposition διά eingeleitete Wendung, sondern durch einen dativus instrumentalis, durch das Syntagma λόγῳ ἀληθείας, transportiert. Nach H. Frankemölle, Jak I, 298 meint dieses Syntagma „in christlich verstandenem Sinn im Kontext des Briefes das Evangelium“. Auffällig ist, dass hier der Terminus λόγος indeterminiert verwendet wird (vgl. zur Unterscheidung zwischen determinierter und indeterminierter Verwendung dieses Begriffs im 1Petr u. 62–68, v.a. 67). 132. Nach F. Blaß/A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik, § 223, 180 werden durch die mit dem Genitiv verwendete Präposition διά u.a. der Vermittler oder aber auch die Art und

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Christi von den Toten, realisiert. Nach 1Petr 1,23 erlangen die Wiedergeborenen, die οὐκ ἐκ σπορᾶς φθαρτῆς ἀλλὰ ἀφθάρτου, ‚nicht aus vergänglichem Samen, sondern aus unvergänglichem‘133 entstammen – eine Feststellung, die die neue Qualität der Wiedergeburt bzw. des Seins der Wiedergeborenen explizit zu betonen vermag –, ihre neue Existenzform διὰ λόγου ζῶντος θεοῦ καὶ μένοντος, ‚durch das lebende und bleibende Wort Gottes‘134, eine Charakterisierung des λόγος (τοῦ) θεοῦ, die der Verfasser des 1Petr in 1Petr 1,24.25 nicht zuletzt auch durch die Verwendung eines Schriftzitates aus Jes 40,6–8 augenscheinlich umfänglich zu begründen sucht135. Die syntaktische Parallelität der beiden dem Verb ἀναγεννάω jeweils zugeordneten und jeweils mit der Präposition διά eingeleiteten Wendungen, einerseits δι᾽ ἀναστάσεως Ἰησοῦ Χριστοῦ ἐκ νεκρῶν (1Petr 1,3c), andererseits διὰ λόγου Weise bzw. der Umstand angegeben. Vgl. hierzu auch N. Brox, 1Petr, 87: „Das bestimmende Substantiv ist λόγου, durch διά instumental als ‚Mittel‘ oder ‚Ursache‘ der Wiedererzeugung gekennzeichnet“. 133. Übersetzung nach R. Feldmeier, 1Petr, 80. 134. Übersetzung nach R. Feldmeier, 1Petr, 80; ähnlich übersetzen auch L. Goppelt, 1Petr, 127 und M. Vahrenhorst, 1Petr, 94, der zur Begründung der von ihm vorgelegten Übersetzung auf die Ausführungen in 1Petr 1,24.25a und das dort vorliegende Zitat aus Jes 40,8 verweist. Eine derjenigen von M. Vahrenhorst durchaus ähnliche Argumentation vertreten auch P.J. Achtemeier, 1Petr, 139f. und N. Brox, 1Petr, 87. Anders hier J.R. Michaels, 1Petr, 76f., der die beiden Partizipien ζῶν und μένων, nicht zuletzt unter Verweis auf Dan 6,27, auf das Substantiv θεός beziehen möchte. Zu den unterschiedlichen möglichen und in der Literatur auch vertretenen Bezugsmöglichkeiten der Partizipien ζῶντος und μένοντος vgl. etwa R. Feldmeier, 1Petr, 82, A. 244, N. Brox, 1Petr, 87, A. 292 und P.J. Achtemeier, 1Petr, 139f. Ein entscheidendes Argument gegen den Bezug dieser beiden Partizipien auf das Substantiv θέος scheint sich aus der Verwendung desselben im 1Petr zu ergeben: Der Terminus θεός begegnet im 1Petr über 1Petr 1,23 hinaus in folgenden Passagen: in 1Petr 1,2.3, hier jeweils verknüpft mit dem Substantiv πατήρ, dann weiterhin in 1Petr 1,5.21(bis); 2,4.5.10.12.15.15.17.19.20; 3,4.5.17.18.20.21.22; 4,2.6.10.11(ter).14.16.17(bis).19; 5,2.5.6.10.12, an diesen Stellen jeweils – von 1Petr 5,10 womöglich abgesehen; hier begegnet ὁ θεὸς πάσης χάριτος – ohne jegliche attributive Zuschreibung. Dann aber stellt sich die Frage, warum der Verfasser des 1Petr ausgerechnet in 1Petr 1,23 diesen θεός näherhin als ζῶν und μένων charakterisieren sollte. Diese Beobachtung lässt ungeachtet des Hinweises auf Dan 6,27 die Annahme mehr als wahrscheinlich erscheinen, die beiden Partizipien ζῶν und μένων in 1Petr 1,23b auf das Substantiv λόγος zu beziehen. Vgl. darüber hinaus auch N. Brox, 1Petr, 87, der angesichts des Sachverhalts, dass der Genitiv θεοῦ „bereits selbst zur näheren Bestimmung von λόγου“ zu zählen ist, folgert: „Das spricht dafür, die Partizipien auf das in der Satzkonstruktion dominierende Substantiv zu beziehen“. Für die in der vorliegenden Studie mit den Ausführungen in 1Petr 1,23b verknüpften interpretatorischen Folgerungen kommt dieser Frage allerdings keine wesentliche Bedeutung zu. 135. Mit einem etwas anderen Akzent hier jedoch etwa R. Feldmeier, 1Petr, 82, der in 1Petr 1,24f. und innerhalb des dort verwendeten Schriftzitates nur die „Lebendigkeit“ des λόγος τοῦ θεοῦ, nicht jedoch dessen Dauerhaftigkeit begründet sieht. Diese Sicht der Dinge lässt sich angesichts des in 1Petr 1,25a Ausgeführten jedoch kaum aufrechterhalten. Anders als Feldmeier hier etwa N. Brox, 1Petr, 88: „Der Passus Jes 40,6–8 hat in dieser Zitation … als Pointe die Beteuerung der Dauer, d.h. der Verläßlichkeit des Wortes Gottes“.

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ζῶντος θεοῦ καὶ μένοντος (1Petr 1,23b)136, evoziert unmittelbar die Annahme einer Identifikation des von den Toten auferstandenen Ἰησοῦς Χριστός aus 1Petr 1,3c mit dem λόγος (τοῦ) θεοῦ aus 1Petr 1,23b137, eine Annahme, die es ihrerseits wahrscheinlich erscheinen lässt, dass das in 1Petr 1,23b belegte Syntagma λόγος τοῦ θεοῦ als auf die Person des Christus rekurrierend und die Partizipien ζῶν und μένων als das Syntagma ἀνάστασις ἐκ νεκρῶν interpretierend zu verstehen sind. Die der Präposition διά inhärente Semantik führt dazu, der Person des Christus im Rahmen des Vollzugs der Wiedergeburt dann den Status eines (Schöpfungs-)Mittlers, vermittelst dessen bzw. seiner Auferstehung von den Toten jene verwirklicht wird, zuzuschreiben. Dieser – letzten Endes wechselseitigen – Interpretation der Begriffe Ἰησοῦς Χριστός und λόγος (τοῦ) θεοῦ scheinen nun aber die Ausführungen in 1Petr 1,25b zu widersprechen, die augenscheinlich ein in 1Petr 1,25a vorliegendes und das in 1Petr 1,23b Dargestellte begründendes (διότι 1Petr 1,24) Zitat aus Jes 40,8 kommentieren und die Annahme nahelegen, das Syntagma λόγος τοῦ θεοῦ nicht auf die Person des Christus zu beziehen, 136. Auf diese syntaktische Parallelität macht etwa J.R. Michaels, 1Petr, 76 aufmerksam, ohne daraus jedoch die entsprechenden interpretatorischen Konsequenzen zu ziehen; sie wird jedoch verkannt etwa von R. Feldmeier, 1Petr, 82, der die Ausführungen in 1Petr 1,23b: διὰ λόγου ζῶντος θεοῦ καὶ μένοντος auf das zuvor in 1Petr 1,23a Dargestellte – οὐκ ἐκ σπορᾶς φθαρτῆς ἀλλὰ ἀφθάρτου – beziehen und die eine Wendung aus der anderen heraus interpretieren möchte: „… hier durch die Antithese zwischen ‚vergänglichem‘ Samen (als Voraussetzung der ersten Zeugung) und dem ‚lebenden und bleibenden Wort Gottes‘ als dem ‚unvergänglichen‘ Samen“; vgl. zu diesem Ansatz der Auslegung von 1Petr 1,23 auch F.J.A. Hort, 1Petr, 93, der diese beiden Wendungen „as parallel to each other“ definiert. Vgl. hierzu als einer der wenigen J. Schlosser, Études, 71: „Cette observation rend aventureuse l’hypothèse selon laquelle Pierre, en 1,23, aurait choisi délibérément le mot logos de préférence à rhèma (suggéré par le texte d’Is) et témoignerait ainsi d’une ligne qui aboutira bientôt à l’identification explicite du Logos avec le Christ“. Eben dies ist aber die naheliegendste Konsequenz der o. aufgewiesenen syntaktischen Parallelität, die kaum zufällig sein wird. Vgl. hierzu auch O.D. Foster, First Epistle of Peter, 527f.: „I Peter seems again to form a connection between the ‚logos‘ idea of Paul and the complete expression of it in John. … John 1 ; 14 takes up the word λόγος again, as if at the suggestion of another, which would come quite naturally from I Pt. 1  ; 23–25 or Jas. 1  ; 18. … On the whole then this parallel seems to indicate that the implied ‚logos doctrine‘ of Paul was taken up in connection with the idea of the ‚new birth,‘ by our author, who put in in a suggestive fashion for ‚James,‘ all of which – with the possible exception of James – paved the way for the fully developed form found in the Fourth Gospel“; trotz aller Fraglichkeit dieses Votums sieht Foster – als einer der sehr wenigen, dennoch aber durchaus m.R. – eine inhaltliche Verbindung bzw. Parallelität zwischen den λόγος-Begriffen des 1Petr und des Joh. 137. Diese These wird in der neueren Literatur zu 1Petr nur selten diskutiert; vgl. hier immerhin P.J. Achtemeier, 1Petr, 140. Den Raum für eine solche Annahme öffnet immerhin F.J.A. Hort, 1Petr, 93: „It is God’s whole utterance of Himself in His incarnate Son, the written or spoken record of this utterance or of any part of it being a word only in a secondary sense“.

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sondern im Sinne der Missionspredigt als ῥῆμα κυρίου, als ‚Wort der Verkündigung des Herrn‘138 zu interpretieren. M.a.W.: Gott habe die Adressaten sowohl als auch die Absender des 1Petr wiedergeboren, indem er ihnen den λόγος (τοῦ) θεοῦ verkündigt bzw. verkündigen lassen habe, eine Interpretation, für die die den Akt der Verkündigung explizit thematisierenden und die semantische Identität der Termini λόγος und ῥῆμα indizierenden Ausführungen in 1Petr 1,25b zu sprechen scheinen: τοῦτο δέ ἐστιν τὸ ῥῆμα τὸ εὐαγγελισθὲν εἰς ὑμᾶς139. Auffällig ist nun allerdings, dass der Verfasser des 1Petr im Rahmen seiner Charakterisierung des λόγος in 1Petr 1,23b – hier beschreibt er denselben als ζῶν καὶ μένων – den Impetus der dann in 1Petr 1,25a – augenscheinlich zum Erweis des bisher Ausgeführten zitierten – jesajanischen Ausführungen augenfällig überbietet, indem er, anders als in seiner Vorlage, vermerkt, den λόγος nicht nur als μένων, sondern darüber hinaus auch als ζῶν definiert140. Darüber hinaus ändert er in 1Petr 1,25a seine jesajanische LXX-Vorlage, indem er anstelle des auf das Substantiv τὸ ῥῆμα bezogenen Genitivattributs τοῦ θεοῦ ἡμῶν den Genitiv κυρίου setzt, eine Änderung, die der Verfasser des 1Petr kaum dem masoretischen Text entnommen haben kann; dort nämlich heißt es, der Formulierung von Jes 40,8LXX vollständig entsprechend: ‫עוֹלם‬ ֽ ָ ‫ֹלהינוּ יָ ֥קוּם ְל‬ ֖ ֵ ‫ר־א‬ ֱ ‫וּד ַב‬. ְ Daraus aber folgt: Die Änderung der Genitivapposition τοῦ θεοῦ ἡμῶν in κυρίου geht auf den Verfasser des 1Petr und eine von diesem mit dieser Änderung verknüpfte theologische Abzweckung zurück141. 138. Vgl. hierzu etwa W. Radl, Art. ῥῆμα, in: EWNT2 III, 505–507. 139. Vgl. hierzu etwa N. Brox, 1Petr, 88: „Bei Jesaja ist schon die Rede von der Predigt des Evangeliums, die sie [d.h. die Adressaten des 1Petr] in ihren Tagen erlebt und angenommen haben“. 140. Dieser Sachverhalt wird in der gegenwärtigen Kommentarliteratur kaum je angemessen berücksichtigt; so schreibt etwa R. Feldmeier lediglich: „Zu beachten ist die Wiederholung des in V. 23 gebrauchten Verbs μένω in V. 25“ (1Petr, 83, A. 248). 141. Anders hier N. Brox, 1Petr, 88f.; Brox beschreibt die o. bereits aufgewiesene Änderung des Zitats aus Jes 40,8, möchte dieselbe aber als eine durch das Gedächtnis des Verfassers des 1Petr evozierte Abweichung erklären: „Eine theologische Absicht scheint mir darin nicht erkennbar; der Kontext des Zitats wechselt bald ebenfalls zu κύριος (Jes 40,10) und erklärt im Gedächtniszitat die Abweichung ausreichend“ (vgl. hierzu auch J.R. Michaels, 1Petr, 78). Gegen diese Annahme spricht, dass der Verfasser von Jes 40,8LXX den κύριος-Begriff als einen auf die Gestalt Gottes bezogenen Terminus zwanglos verwenden konnte, der Verfasser des 1Petr sich hingegen darüber im Klaren sein musste, dass der Begriff κύριος sich im Kontext seiner Darlegungen insgesamt nicht mehr auf Gott beziehen lassen konnte, sondern von seinen Rezipienten – und von ihm selbst auch – unmittelbar auf die Gestalt des Christus bezogen worden ist. Das aber heißt, dass mit der Verwendung des κύριος-Titels in 1Petr 1,25a unmittelbar eine theologische Absicht verknüpft gewesen sein wird. Zu weiteren Erklärungsversuchen vgl. J.R. Michaels, 1Petr, 78; er weist hier hin auf die Erklärung von J.N.D. Kelly, der in der in 1Petr 1,25a dokumentierten Änderung eine „deliberate editorial change“ vermutet, und auf diejenige von F.J.A. Hort, der hier ein entsprechend anderslautendes LXX-Manuskript als Vorlage annehmen

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Eine tabellarische Übersicht vermag die hier dargestellten Zusammenhänge deutlicher in Erscheinung treten zu lassen: 1Petr 1,23b

1Petr 1,25a

Jes 40,8LXX

Jes 40,8bMT

διὰ λόγου ζῶντος θεοῦ καὶ μένοντος τὸ δὲ ῥῆμα κυρίου μένει εἰς τὸν αἰῶνα τὸ δὲ ῥῆμα τοῦ θεοῦ ἡμῶν μένει εἰς τὸν αἰῶνα ‫ֹלהינוּ יָ ֥קוּם‬ ֖ ֵ ‫ר־א‬ ֱ ‫ְוּד ַב‬ ‫עוֹלם‬ ֽ ָ ‫ְל‬

Ausweislich der Konkordanz begegnet nun der Begriff κύριος in 1Petr über die hier diskutierte Stelle 1Petr 1,25a hinaus noch fünfmal, nämlich in 1Petr 1,3; 2,3.13; 3,6.12(bis).15142. Aufgrund des in 1Petr 1,3 und und in 1Petr 3,15 Ausgeführten lässt sich kaum bestreiten, dass dieser Begriff auf die Gestalt des Christus zu beziehen ist, mit dem κύριος in 1Petr 1,25 also der κύριος Χριστός und mit dem ῥῆμα κυρίου das Wort dieses Christus oder aber das Wort über diesen Christus gemeint sind143, eine Annahme, die bestätigt wird eben durch den Sachverhalt, dass der Verfasser des 1Petr seine Vorlage aus Jes 40,8 in 1Petr 1,25a in der o. beschriebenen Weise verändert hat. Diese Überlegungen aber führen zu der Frage, warum der Verfasser des 1Petr, wenn er die Termini λόγος und ῥῆμα semantisch miteinander hätte identifizieren wollen, dann die in den alttestamentlichen Vorlagen jeweils angebotene Genitivapposition (τοῦ) θεοῦ ἡμῶν bzw. ‫ֹלהינוּ‬ ֖ ֵ ‫ ֱא‬nicht beibehält, sondern streicht und an ihrer statt die die Christusgestalt repräsentierende Apposition κυρίου einfügt, somit das ῥῆμα κυρίου zu einem Wort von oder über Christus macht und damit, nicht zuletzt aufgrund der differenzierenden Ausführungen in 1Petr 1,3 – hier werden Gott als πατὴρ τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ bezeichnet und beide Personen somit deutlich voneinander möchte. Beide Erklärungsversuche berücksichtigen den Sachverhalt, dass der Verfasser des 1Petr den Titel κύριος nicht auf Gott, sondern auf Christus bezieht bzw. beziehen muss, zu wenig. K.H. Schelkle, 1Petr, 53f. zufolge habe der Verfasser des 1Petr seine alttestamentliche Vorlage geändert, „um diese Ausdeutung [d.h. die Deutung des ‚ewig bleibende{n} Wort{es} Gottes {als} Wort des Evangeliums, das jetzt an den Christen herantritt‘] zu erleichtern“ (53); aus diesem Vorschlag Schelkles ergibt sich zumindest, dass der innerhalb des Syntagmas ῥῆμα κυρίου begegnende Genitiv κυρίου als genitivus obiectivus zu fassen ist, eine Interpretation, die auch innerhalb der vorliegenden Studie vertreten wird (vgl. hierzu auch u. 66). 142. Vgl. hierzu W.F. Moulton/A.S. Geden, Concordance, s.v. κύριος, 573. 143. Vgl. hierzu auch K.H. Schelkle, 1Petr, 54.

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differenziert –, eine interpretatorisch parallelisierende Identifikation der Syntagmata λόγος (τοῦ) θεοῦ und ῥῆμα κυρίου argumentationslogisch wenn nicht verhindert, so doch außerordentlich erschwert? Da die Begriffe θεός und κύριος auf zwei unterschiedliche göttliche Personen weisen, müssen demzufolge nämlich die Syntagmata λόγος ζῶν καὶ μένων θεοῦ 1Petr 1,23b und ῥῆμα κυρίου 1Petr 1,25a bzw. die Simplices λόγος und ῥῆμα zwei unterschiedliche Personen bzw. Dinge bezeichnen, eine Sicht der Dinge, die dadurch erhärtet wird, dass in 1Petr 1,25a dem ῥῆμα κυρίου zwar eine ‚bleibende’, nicht jedoch eine ‚lebendige‘ Existenz attestiert wird144. Der durch die Konjunktion διότι 1Petr 1,24 etablierte kausale – oder möglicherweise, wiewohl in der exegetischen Literatur kaum diskutierte, auch konsekutive145 – Konnex zwischen 1Petr 1,23b und 1Petr 1,24.25a lässt sich unter diesen Voraussetzungen nurmehr aufrechterhalten, werden die Begriff λόγος und κύριος ineins gesetzt, werden also der Teminus λόγος als auf die Christusgestalt bezogen interpretiert und der Genitivus κυρίου nicht als genitivus subiectivus, sondern als genitivus obiectivus gefasst146. Damit wären die Ausführungen in 1Petr 1,23b–25a dann folgendermaßen zu deuten: Christus, der λόγος (τοῦ) θεοῦ, lebt und bleibt, weil – oder, wird die Präposition διότι konsekutiv akzentuiert, so dass – die diesen κύριος λόγος thematisierende und auf diesem Wege letzten Endes lebendig erhaltende Verkündigung nicht endet, sondern εἰς τὸν αἰῶνα andauert, eine Auslegung, die der o. bereits beobachteten syntaktischen Parallelität der beiden jeweils mit der Präposition διά eingeleiteten Wendungen, einerseits δι᾽ ἀναστάσεως Ἰησοῦ Χριστοῦ ἐκ νεκρῶν (1Petr 1,3c), andererseits διὰ λόγου ζῶντος θεοῦ καὶ μένοντος (1Petr 1,23b)147, argumentationslogisch vollständig gerecht zu werden vermag148. Im Kontext der Ausführungen von 1Petr 2,6–10 legt sich die Annahme durchaus nahe, den Terminus λόγος 1Petr 2,8b ebenfalls auf die Person des Christus 144. Vgl. hierzu bereits o. 64. 145. W. Bauer/K. Aland/B. Aland, Wörterbuch, s.v. διότι, 400 nehmen eine konsekutive Bedeutung dieser Präposition im Sinne von „deshalb“ oder auch „daher“ für Apg 13,35; 20,26 an. 146. Anders hier J.R. Michaels, 1Petr, 79: „The construction ῥῆμα κυρίου must be understood both in Isaiah and in 1Peter as a subjective genitive: the word which the Lord spoke. When κυρίου is taken christologically, the reference is to the message Jesus proclaimed“. Darüber hinaus möchte J.R. Michaels das Syntagma λόγος (τοῦ) θεοῦ als ‚Wort Gottes, des Vaters‘, das Syntagma ῥῆμα κυρίου hingegen im Sinne von ‚Wort Christi‘ verstehen (vgl. hierzu auch die Ausführungen von K.H. Schelkle, 1Petr, 53f., die diesen Gedanken von J.R. Michaels zumindest implizieren), ein Interpretationsversuch, der die durch die Konjunktion διότι gesetzte kausale oder auch konsekutive Verknüpfung zwischen den Ausführungen 1Petr 1,23b und 1Petr 1,24.25a zu wenig berücksichtigt. 147. Vgl. hierzu o. 61f. 148. In eine andere Richtung denkt offensichtlich O.D. Foster, First Epistle of Peter, 530, der die Ausführungen aus 1Petr 1,25 in ihrer Gesamtheit mit Joh 1,1 und somit offensichtlich

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zu beziehen; im Rahmen einer solchen Interpretation wäre es dann immerhin denkbar – und grammatisch auch durchaus möglich149 –, das hier im Singular und mit dem bestimmten Artikel erscheinende Dativobjekt τῷ λόγῳ auf das vorangehende Prädikat προσκόπτουσιν und nicht, wie in der exegetischen Sekundärliteratur in der Regel propagiert150, auf das folgende Partizip ἀπειθοῦντες zu beziehen. Zugunsten der Deutung des Terminus λόγος auf die Person des Christus lässt sich durchaus darauf hinweisen, dass eine Interpretation dieses Begriffs in Sinne von ‚Verkündigung‘ oder gar ‚Predigt‘ durch den Kontext von 1Petr 2,6–10 in keiner Weise indiziert, dessen Bezug auf die Christusfigur schon durch die diesen Abschnitt insgesamt bestimmende Metaphorik des λίθος ἀκρογωνιαῖος ἐκλεκτὸς ἔντιμος hingegen unmittelbar nahegelegt wird. Ein Bezug des λόγος-Begriffs auf die Person des Christus lässt sich auch im Blick auf 1Petr 3,1b wahrscheinlich machen; im Kontext seiner Mahnungen an Frauen und Männer ermahnt der Verfasser des 1Petr die Frauen, sich den Männern unterzuordnen, damit auch die Männer, die ‚auf das Wort (noch) nicht hören wollen‘151, ‚durch die Lebensart der Frauen auch ohne Wort gewonnen werden‘152: ὁμοίως [αἱ] γυναῖκες, ὑποτασσόμεναι τοῖς ἰδίοις ἀνδράσιν, ἵνα καὶ εἴ τινες ἀπειθοῦσιν τῷ λόγῳ, διὰ τῆς τῶν γυναικῶν ἀναστροφῆς ἄνευ λόγου κερδηθήσονται. Da in 1Petr 3,1c der Begriff λόγος zwar im Sinne von ‚Wort‘ oder auch ‚Rede‘, aber jedoch, anders als in 1Petr 3,1b, ohne den bestimmten Artikel verwendet wird153, ist es keinesfalls unwahrscheinlich, hinter dem λόγος-Begriff in 1Petr 3,1b etwas anderes zu vermuten, konkret hier die Figur des Christus, die durch diesen bezeichnet werden soll. Der Verfasser des 1Petr verwendet diesen Terminus in 1Petr 1,3, wie auch das Präfix ἀνα- in 1Petr 1,3.23154, somit äquivok. In 1Petr 1,12 ist im Kontext eines Rückblicks auf das Wirken der alttestamentlichen Propheten zwar von solchen die Rede, die den Adressaten des 1Petr das auch bereits den Begriff ῥῆμα mit dem auf die Person des Christus zu beziehenden Begriff λόγος parallelisieren möchte. 149. Zu προσκόπτω mit einem von diesem Verb abhängigen Dativ vgl. etwa W. Bauer/ K. Aland/B. Aland, Wörterbruch, s.v. προσκόπτω, 1434. 150. Vgl. zu dieser Frage P.J. Achtemeier, 1Petr, 162, der diese Relation und diese Interpretation von 1Petr 2,8b zumindest diskutiert. Achtemeier entscheidet sich dann allerdings auch für die Annahme des Bezugs des Dativs τῷ λόγῳ auf das Partizip ἀπειθοῦντες, wobei er dies mit dem Verweis auf ähnliche, ebenfalls von dem Verb ἀπειθέω abhängige Konstruktionen in 1Petr 3,1; 4,17 begründet. Darüber hinaus weist Achtemeier darauf hin, dass gerade dieses Verb auch in Joh 3,36, in einer auch darüber hinaus 1Petr 2,8b durchaus ähnlichen Formulierung, zur Bezeichnung von Ungläubigen verwendet wird. 151. Übersetzung nach N. Brox, 1Petr, 140. 152. Übersetzung nach N. Brox, 1Petr, 140. 153. Nicht unberücksichtigt bleiben darf die – in der exegetischen Sekundärliteratur bis dato kaum je wahrgenommene – Beobachtung, dass der Begriff λόγος im 1Petr nur in 1Petr 2,8 und in 1Petr 3,1b mit dem bestimmten Artikel verwendet wird, in 1Petr 3,1c.15 und 1Petr 4,5 hingegen in seiner indeterminierten Form. Diese Beobachtung fände eine plausible Erklärung in der Annahme, dass der Verfasser des 1Petr den λόγος-Begriff in seiner Epistel semantisch unterschiedlich akzentuiert hätte: Bezeichnet dieser in seiner determinierten Form die Person des Christus, so in seiner undeterminierten den Vorgang der Rede, der Predigt oder der Verkündigung. 154. Vgl. hierzu u. 75f.

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Evangelium verkündigten: οἷς ἀπεκαλύφθη ὅτι οὐχ ἑαυτοῖς ὑμῖν δὲ διηκόνουν αὐτά, ἃ νῦν ἀνηγγέλη ὑμῖν διὰ τῶν εὐαγγελισαμένων ὑμᾶς [ἐν] πνεύματι ἁγίῳ ἀποσταλέντι ἀπ᾽ οὐρανοῦ, εἰς ἃ ἐπιθυμοῦσιν ἄγγελοι παρακύψαι. Auffällig ist allerdings, dass diese Verkündigung weder mit dem Begriff λόγος charakterisiert noch unter einen im Singular begegnenden Begriff subsumiert wird. Dass mit dem Begriff λόγος in 1Petr 1,23 die Wendung αὐτά, ἃ νῦν ἀνηγγέλη ὑμῖν aus 1Petr 1,12 wieder aufgenommen werden sollte, ist für die Rezipienten dieser Passage nicht zu erkennen, zumal in 1Petr 1,12 offensichtlich auf das Vorangehende Bezug genommen wird155.

Die Interpretation der Gestalt des Christus als eines hypostasierten156 λόγος (τοῦ) θεοῦ, die der Verfasser des 1Petr in 1Petr 1,(3c.)23b – und womöglich auch in 1Petr 2,8b; 3,1b – offeriert, ist innerhalb des Neuen Testaments darüber hinaus nur noch belegt in der johanneischen Literatur157 und möglicherweise in 2Petr 3,5.7, einer in jedem Falle zeitlich nach 1Petr zu datierenden Epistel, dessen Verfasser augenscheinlich bewusst auf den 1Petr zurückgreift158, sowohl als auch in Hebr 4,12f., wiewohl der Verfasser des Hebr hier nicht erkennen lässt, dass er die Hypostase des λόγος τοῦ θεοῦ159 mit der Christusgestalt ineins zu setzen und somit christologisch zu deuten 155. So zumindest L. Goppelt, 1Petr, 110: „Alles, was von V. 3–12 von den Christen ausgesagt wird, ist nicht eine Beschreibung von etwas Aufweisbarem, es sind vielmehr verkündigende Zusagen, kerygmatische Indikative, die im folgenden imperativisch weitergeführt werden“. 156. Zum Begriff der Hypostase vgl. etwa M. Erler, Art. Hypostase, in: RGG4 3, 1980f.; der Begriff Hypostase wird hier im Sinne von ‚Person‘ verwendet, einer Bedeutung, die innerhalb der altkirchlichen Theologie im Zusammenhang mit der Diskussion über die Trinitätsproblematik entwickelt worden ist. 157. Vgl. zu diesem Gesichtspunkt etwa D.E. Aune, Apk III, 1058: „Since elsewhere in the NT the term ὁ λόγος is used as a christological title only in Johannine literature, …“. 158. Vgl. hierzu etwa U. Schnelle, Einleitung, 504. In 2Petr 3,1a definiert nämlich der Verfasser dieser Epistel dieselbe als eine δεύτερα ἐπιστολή, einen ‚zweiten Brief‘ also, den er an die in 2Petr 1,1 genannten Adressaten richtete: ταύτην ἤδη, ἀγαπητοί, δευτέραν ὑμῖν γράφω ἐπιστολήν (vgl. hierzu etwa H. Paulusen, 2Petr, 150, A. 301). Die große Mehrheit der Exegeten sieht in diesen Ausführungen einen Verweis auf 1Petr; der Verfasser des 2Petr beziehe sich mit seinem ‚zweiten Brief‘ auf jenen als der dem vom ihm verfassten Schreiben zeitlich vorausgehenden πρῶτη ἐπιστολή. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei der in 2Petr 3,1a insinuierten Identität des Verfassers der beiden petrinischen Briefe um eine historische Tatsache oder aber um eine literarische Fiktion handelt, ist aus dem an dieser Stelle Gesagten zu folgern, dass beide Episteln – und, stellte 2Petr 3,1a eine literarische Fiktion dar, auch die beiden Verfasser derselben – dem gleichen Trägerkreis angehören, bzw. präziser: dass sich beide Episteln – und auch die beiden Verfasser derselben – offensichtlich bewusst dem gleichen Trägerkreis zuordnen. Aus diesem Sachverhalt aber ergibt sich, dass der oder die Verfasser jener eine wenn nicht gleiche, so doch aber ähnliche theologische Prägung aufweisen, bzw. präziser: sich selber einer wenn nicht gleichen, so doch aber ähnlichen theologischen Tradition zugehörig und auch verpflichtet sehen. 159. Vgl. hierzu H.-F. Weiß, Hebr, 284f.; Weiß spricht im Blick auf den λόγος τοῦ θεοῦ von einer „personhafte[n] Größe, eine[r] ‚Hypostase‘ Gottes, die als solche die Funktion Gottes selbst ausübt, wie insbesondere aus V. 13 aus dem unmittelaren Übergang von der Rede über das ‚Wort‘ Gotts zur Rede von Gott selbst deutlich wird“.

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beabsichtigt160. Der oder die Verfasser des Joh lassen gleich zu Beginn dieses Evangeliums keinen Zweifel daran, dass die irdische Gestalt des Jesus von Nazareth mit dem zuvor ohne jegliche Genitivapposition eingeführten, als Schöpfungsmittler charakterisierten (Joh 1,1–3) und letzten Endes gottgleichen λόγος zu identifizieren sei bzw. dass ersterer eine Erscheinungsform des letzteren repräsentiere: καὶ ὁ λόγος σὰρξ ἐγένετο καὶ ἐσκήνωσεν ἐν ἡμῖν, καὶ ἐθεασάμεθα τὴν δόξαν αὐτοῦ, δόξαν ὡς μονογενοῦς παρὰ πατρός, πλήρης χάριτος καὶ ἀληθείας (Joh 1,14)161. In Apk 19,13b wird darüber hinaus berichtet, dass der zum endzeitlichen Kampf erscheinende ‚Reiter auf dem weißen Pferd‘, offensichtlich die wiederkommende Gestalt des Christus, den Namen ὁ λόγος τοῦ θεοῦ trägt: καὶ κέκληται τὸ ὄνομα αὐτοῦ ὁ λόγος τοῦ θεοῦ162. Gegen die Annahme eines Bezuges von Apk 19,13 auf Joh 1,1.3.14 – und damit zugleich auch gegen die Annahme eines ebensolchen von 1Petr 1,3.23 auf den Prolog des Joh – scheint die Beobachtung zu sprechen, dass in Joh 1,1.3.14 der Terminus λόγος absolut, d.h. ohne jegliche attributive Ergänzung verwendet wird, während sowohl in Apk 19,13b als auch in 1Petr 1,3.23 jeweils das Syntagma λόγος τοῦ θεοῦ Verwendung findet, der Begriff λόγος also um die Genitivapposition τοῦ θεοῦ ergänzt ist. Dieser Einwand wird allerdings entkräftet durch den Sachverhalt, dass bereits der Prolog von 1Joh, der sich unzweifelhaft auf den Prolog des Joh bezieht163, den λόγος-Begriff um die 160. In diese Richtung weisen die Ausführungen von H.-F. Weiß, Hebr, 285, der deutlich macht, dass der λόγος τοῦ θεοῦ „nicht als schlechthin mit dem ‚Sohn‘ von 1,1ff identisch“ gefasst werden darf. In diese Richtung denkt auch J. Frey in: M. Hengel, Frage, 404, A. 447; Frey spricht hier davon, dass „die christologische Deutung [dieser Ausführungen] … sehr umstritten“ sei. 161. Vgl. zu dieser identifizierenden Relation etwa J. Zumstein, Joh, 84: „Das Paradox liegt auf der Hand: Der präexistente Logos, der bei Gott war und der Gott war, hat in der Welt kein anderes Angesicht als das eines Menschen, Jesus von Nazareth. Umgekehrt: Dieser Mensch ist der präexistente Logos“. Vgl. darüber hinaus auch U. Schnelle, Theologie, 634: „Hier [d.h. in Joh 1,14] verdichtet sich die grundlegende Paradoxie der joh[anneischen] Christologie: Der geschichtliche Jesus von Nazareth nimmt für sich in Anspruch, unbegrenzte und bleibende Gegenwart Gottes zu sein. Deshalb ist die Menschwerdung im Johannesevangelium nicht Ausdruck einer Erniedrigung, sondern im Menschen Jesus ist Gott/der Logos erschienen. Die Inkarnation ist gewissermaßen ein Wechsel des Mediums, der ein neues Wirken Gottes unter und für die Menschen ermöglicht“. Explizit im Blick auf den Prolog des Joh formuliert H. Ritt, Art. λόγος, in: EWNT2 II, 886: „Der rhythmisch aufgebaute Joh-Prolog (Joh 1,1–18) ist ein (urchristl[iches]) Lied, welches Christus selbst – in absolutem Wortgebrauch mit dem personalen λόγος identifiziert“. 162. Vgl. hierzu J.-W. Taeger, Johannesapokalypse, 207f.: „Ist man aber bereit, im ‚müßige(n) Einfall eines Abschreibers‘ ‚eine Spur johanneischer Theologie‘ zu erkennen, ist nicht einzusehen, warum nicht auch der Verfasser der Apk bzw. ihr letzter Redaktor in einem ansonsten ‚durchgehend von atl.-jüdischem Gedankengut bestimmt(en)‘ Abschnitt auf die von der johanneischen Gemeinde rezipierte und vom Evangelisten an prominenter Stelle verwendete Logosprädikation angespielt haben könnte“; vgl. darüber hinaus schon W. Bousset, Apk, 431. Weitaus vorsichtiger hier etwa G.K. Beale, Apk, 958: „A connection of Christ’s name in Rev. 19:12 [, d.h. 19,13] with John 1:1 is possible but uncertain“, noch vorsichtiger D.E. Aune, Apk III, 1058, der die Entscheidung über diese Frage letztlich offen lässt. 163. Vgl. hierzu etwa H.-J. Klauck, 1Joh, 56–58.

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Apposition τῆς ζωῆς erweitert (1Joh 1,1), dass somit bereits innerhalb der johanneischen Schule der absolute Gebrauch des Terminus λόγος aufgeweicht ist164. Angesichts dieser bereits innerhalb des johanneischen Kreises beobachtbaren Entwicklungen bleibt die Annahme eines traditionsgeschichtlichen oder auch eines literarischen Bezuges zwischen 1Petr und der johanneischen Literatur in jedem Falle denkbar.

Aus dem Sachverhalt, dass die Definition der Gestalt des Christus als des hypostasierten λόγος (τοῦ) θεοῦ ζῶν καὶ μένων und eine damit zugleich einhergehende, in diesem Falle christologische Personalisierung des göttlichen λόγος einerseits – mit Ausnahme womöglich von 2Petr 3,5.7 und darüber hinaus noch IgnMagn 8,2165 – weder innerhalb der neutestamentlichen noch der übrigen ur- und frühchristlichen Literatur belegt166, dass andererseits solche Personalisierungen eines λόγος (τοῦ) θεοῦ innerhalb der frühjüdischen167 und auch der pagan-hellenistischen Literatur nicht nachweisbar 164. Vgl. hierzu m.R. J.-W. Taeger, Johannesapokalypse, 208: „Überdies zeigt der nachahmende Rückgriff auf den Prolog des Evangeliums in 1Joh 1,1, dass im johanneischen Kreis nicht an der absoluten Logosprädikation festgehalten wird“. Denkbar ist auch, dass in 1Joh 1,1 eine (proto-)johanneische Tradition bewahrt wird, die im Joh nicht fortgeschrieben worden ist. 165. Die Vorstellung der Person des Christus als eines hypostasierten λόγος scheint in der außerneutestamentlichen frühchristlichen Literatur allerdings in IgnMagn 8,2 belegt zu sein; hier wird Ἰησοῦς Χριστός, der Sohn Gottes, explizit als personifizierter λόγος τοῦ θεοῦ charakterisiert: διὰ τοῦτο καὶ ἐδιώχθησαν ἐμπνεόμενοι ὑπὸ τῆς χάριτος αὐτοῦ εἰς τὸ πληροφορηθῆναι τοὺς ἀπειθοῦντας ὅτι εἷς θεός ἐστιν ὁ φανερώσας ἑαυτὸν διὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ ὅς ἐστιν αὐτοῦ λόγος ἀπὸ σιγῆς προελθών ὃς κατὰ πάντα εὐηρέστησεν τῷ πέμψαντι αὐτόν. W.R. Schoedel, Ign, 208 weist in seinem Kommentar zu IgnMagn 8,2 zumindest auf Joh 1,1 hin, ohne hier jedoch eine mögliche nähere Beziehung zu diskutieren. Sollte es sich bei den Ignatiusbriefen um echte Briefe handeln und sollte der in Smyrna abgefasste (vgl. IgnMagn 15,1) Brief des Ignatius an die Gemeinde von Magnesia in der Zeit zwischen 110 und 117 n.Chr. verfasst worden sein (so immerhin H. Paulsen, Ign, 4), ließe sich Ignatius als auf dem Weg nach Rom sich befindender Bischof des syrischen Antiochia (vgl. hierzu F.R. Prostmeier, Art. Ignatius von Antiochien, in: LACL, 346) gut als jemand vorstellen, dem der in Rom ansässige Verfasser des 1Petr Informationen über die johanneische Schule und die johanneische Theologie verdankte. Dass der Verfasser des 1Petr in 1Petr 1,3b.23b selbst kaum auf IgnMagn 8,2 Bezug genommen haben wird, ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass der Dialektik von λόγος und σιγή, die die Ausführungen in IgnMagn 8,2 bestimmt (vgl. hierzu etwa W.R. Schoedel, Ign, 208: „Wenn wir die Stelle unter dem Gesichtspunkt einer Überlieferung betrachten, in der Christus als das ‚Wort‘ bekannt geworden war …, so kann man verstehen, daß Ignatius das Bild abrunden und sowohl auf ‚Schweigen‘ als auch auf ‚Rede‘ hinweisen möchte“; vgl. darüber hinaus auch IgnRöm 2,1: hier vermag sich Ignatius selber, wiederum im Kontext der Dialektik von λόγος und σιγή, den Titel λόγος θεοῦ beizulegen), in 1Petr 1,3b.23b keinerlei Bedeutung zukommt. 166. Vgl. hierzu U. Schnelle, Theologie, 648f., dessen Ausführungen allerdings in Sonderheit den absoluten Gebrauch des λόγος-Begriffs im Blick haben: „Kaum zufällig findet sich das absolute ὁ λόγος … als christologischer Titel nur im joh[anneischen] Traditionsbereich (Joh 1,1.14; Offb 19,13; vgl. 1Joh 1,1)“. 167. Vgl. hierzu in wünschenswerter Deutlichkeit R. Schnackenburg, Joh I, 210: „Mit dem Person-Charakter des Logos ist eine deutliche Trennungslinie gegenüber der jüdisch-

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sind, legt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit, soll nicht angenommen werden, dass der Verfasser des 1Petr diese Definition vollständig eigenständig und unabhängig von der johanneischen Tradition entwickelt hat – eine Hypothese, die durch die Argumentationslogik dieser Epistel selbst gerade nicht erhärtet werden kann168 –, die Annahme eines traditionsgeschichtlichen oder aber auch eines literarischen Bezuges zwischen dem Joh bzw. den Schriften des johanneischen Kreises und dem 1Petr nahe. Da nun im Rahmen des Johannesprologs, konkret in dessen ersten Versen, die Gestalt des – ohne jegliche Genitivapposition eingeführten – λόγος präzise konturiert wird, der Verfasser des 1Petr auf solche definitorischen Ausführungen hingegen verzichtet bzw. offensichtlich verzichten kann oder auch will, will es plausibel erscheinen, dass letzterer auf die im Joh und in der übrigen johanneischen Literatur – zumindest in Ansätzen – entwickelte Logos-Christologie Bezug nehmen und in seiner Epistel auf ein offensichtlich innerhalb des johanneischen Kreises entwickeltes christologisches Theologoumenon lediglich begrifflich, jedoch ohne jegliche eigene Kommentierung und ohne jeglichen Versuch einer originären inhaltlichen Neuakzentuierung, anspielen möchte. Die gerade konträre Annahme, dass der johanneische Kreis und die Verfasser des johanneischen Texte mit dem Theologoumenon der Identifikation des göttlichen λόγος mit der Person Christi entsprechende Ausführungen des 1Petr – traditionsgeschichtlich oder aber literarisch – reflektierten, scheitert einerseits an der Überlegung, dass die kargen, nicht viel mehr als die eigentliche Definition bzw. Identifikation bezeugenden Angaben des 1Petr kaum als Quelle für die innerhalb des Johannesprologes insgesamt gebotene inhaltsreiche und umfangreiche Definition des λόγος-Begriffs gedient haben können, andererseits an dem Sachverhalt, dass – immer vorausgesetzt, der 1Petr ist in Rom verfasst worden169 – etwa 1Clem, ein Zeugnis des römischen Christentums um die Wende vom ersten zum zweiten nachchristlichen Jahrhundert, das Theologoumenon der Identifikation des göttlichen λόγος mit der Person Christi, und sei es auch nur im Ansatz, gerade nicht bietet, dieses Theologoumenon innerhalb der römischen Christenheit in der Zeit vor Iustinus170 somit offensichtlich keinerlei theologische Breitenwirkung entfaltet konnte. hellenistischen Weisheitsspekulation, der Logos-Lehre Philos und erst recht gegenüber gnostischen Aufstellungen von Schöpfungspotenzen, die aus Gott hervorgehen und nacheinander emanieren, gegeben“. Zur Logoslehre Philos von Alexandria vgl. darüber hinaus u. 74. 168. Vgl. hierzu o. 39.58. 169. Vgl. hierzu o. 16–19. 170. Zum Zusammenhang der Logoslehre des Iustinus mit dem Joh vgl. etwa M. Hengel, Frage, 50: „Seine [d.h. des Iustinus] Logoschristologie mit der Betonung der Gottheit Christi

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Auffällig ist nun freilich, dass sich die nähere Charakterisierung des λόγος (τοῦ) θεοῦ, die 1Petr 1,23b bietet und die denselben als ζῶν καὶ μένων beschreibt – beides Eigenschaften, die auch auf den johanneischen λόγος zutreffen bzw. sich mit dessen Semantik in Einklang bringen lassen, zumal das Wortfeld μένω κτλ. zum johanneischen Vorzugsvokabular gehört171 –, von derjenigen des λόγος des Johannesprologs im Blick auf die Zuschreibung der Präexistenz unterscheidet. Während nach 1Petr 1,23b, werden diese Ausführungen mit denjenigen in 1Petr 1,3c verknüpft, der auferstandene Christus derjenige ist, der als λόγος (τοῦ) θεοῦ eben aufgrund seiner Auferstehung und auch erst seit derselben ‚lebt und bleibt‘, ‚lebt‘ der johanneische λόγος aufgrund und seit seiner Präexistenz und vollständig unabhängig von der Existenz des irdischen Jesus, dessen Tod und dessen Auferstehung; m.a.W.: Das christologische Koordinatensystem des 1Petr ist gegenüber demjenigen des Joh und in Sonderheit des Johannesprologes letzten Endes in die Sphäre des Irdischen hinein verschoben172: Während nach Joh 1,1.3.14 der präexistente λόγος die geschichtliche Gestalt des Ἰησοῦς Χριστός und dessen Existenz prägt und bestimmt, prägt und definiert nach 1Petr 1,3c.23b die Existenz der geschichtlichen Gestalt des Ἰησοῦς Χριστός diejenige des göttlichen λόγος. Diese im Johannesprolog – im Unterschied zum 1Petr – beobachtbare christologische Transzendierung in den Bereich der Protologie scheint der in der vorliegenden Studie vertretenen Annahme eines traditionsgeschichtlichen oder auch eines literarischen Reflexes von 1Petr 1,3c.23b auf die Traditionen oder die Literatur des johanneischen Kreises, hier konkret etwa auf den Prolog des Joh, zu widerraten und diese aus unmittelbar theologischen Gründen zu verunmöglichen. Allerdings darf in diesem Zusammenhang folgende Überlegung nicht übersehen werden: Gut denkbar ist, dass der oder die Verfasser des Johannesprologes das innerhalb und der Lehre von der Präexistenz, Schöpfungsmittlerschaft und Menschwerdung des Logos wären unter Absehung von Joh 1,1–18 undenkbar, dieselbe hätte sich auch ohne den Johannesprolog in der Kirche gegenüber dem vorherrschenden naiven Monarchianismus sicher nicht durchsetzen können“. 171. Vgl. hierzu nur H. Hübner, Art. μένω, in: EWNT2 II, 1002–1004; Hübner stellt fest: „Von bes[onderer] theol[ogischer] Relevanz ist μ[ένω] in den sog[enannten] Immanenzformeln der joh[anneischen] Schr[iften].“, wobei er besonders auf Joh 15,4–7 verweist. 172. Vgl. zu dem an dieser Stelle zum Ausdruck kommenden Denkansatz F. Vouga, Christus, 221: „Das theologische Denken des ersten Petrusbriefes arbeitet als Fiktion existentiell und nicht spekulativ: Der Schriftsteller entfaltet keine Theorie der Erwählung und des Leidens, sondern er setzt die Kreativität der Fiktion ein, um die absolute Singularität des Ereignisses der Person, des Lebens, des Todes und der Auferstehung Jesu Christi so zu verstehen, dass dieses Ereignis das bekennende Selbstverständnis seines Glaubens, die Situation seiner Adressaten und den neu geoffenbarten Sinn ihres Lebens erklärt und begründet“.

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der johanneischen Schule bereits vorhandene und verbreitete Verständnis des λόγος als einer göttlichen Wesenheit173 um den Aspekt der Präexistenz bzw. der Schöpfungsmittlerschaft ergänzen wollten174. Dies wiederum lässt die Annahme wahrscheinlich erscheinen, dass der Verfasser des 1Petr mit dem von ihm in 1Petr 1,(3c.)23b verwendeten λόγος-Begriff nicht unmittelbar auf den Johannesprolog, sondern auf eine (proto-)johanneische – und innerhalb des johanneischen Kreises womöglich auch nach der Veröffentlichung des Johannesprologes noch weiterbestehende und weitertradierte – Tradition reflektiert, innerhalb der Ansätze einer λόγος-Christologie entwickelt worden sind175, die der oder die Verfasser des Johannesprologes dann ergänzen und protologisch nachkonturieren176. Das hieße zugleich, dass das Syntagma λόγος (τοῦ) θεοῦ ζῶν καὶ μένων 1Petr 1,23b als mittelbar vermittelter traditionsgeschichtlicher Reflex eben auf diese (proto-) johanneische Tradition zu charakterisieren wäre177; inwieweit dieser traditionsgeschichtliche Reflex nun seinerseits jedoch als ein mittelbarer oder 173. Dass der Begriff des λόγος innerhalb der johanneischen Schule bereits in der Zeit vor der Abfassung des Joh bzw. des Johannesprologes verwendet worden und in der johanneischen Tradition verwurzelt gewesen ist, belegt die Verwendung dieses Terminus mit dem bestimmten Artikel in Joh 1,1: ἐν ἀρχῇ ἦν ὁ λόγος; vgl. hierzu H. Thyen, Joh, 64: „Die Einführung des Lexems λόγος mit dem definierenden Artikel indiziert ein Doppeltes: Einmal, daß ‚der Logos‘ eine den Hörern/Lesern des Evangeliums bekannte Größe ist, …“. 174. Vgl. hierzu wiederum H. Thyen, Joh, 64: „…, und zum andern, daß die dem Thema λόγος gegenüber neue Information des ersten Satzes als sein Rhema ἐν ἀρχῇ ἦν lautet“. 175. Trotz seiner Ausführungen zu Joh 1,1 kritisch gegenüber der Annahme einer im johanneischen Kreis vorliegenden und verbreiteten Logoschristologie etwa H. Thyen, Joh, 64: „Das [d.h. die in diese Richtung gehende Annahme] ist schon deshalb wenig wahrscheinlich, weil diese dem Erstpublikum vermeintlich vertraute … Logos-Christologie außerhalb des Prologs im Evangelium und im übrigen Corpus Iohanneum keinerlei Rolle mehr spielt“. Dieser Argumentation ist Folgendes entgegenzuhalten: (a) Dass das Theologoumenon Christi als eines präexistenten Logos im übrigen Joh nicht mehr von Relevanz ist, mag schlicht dadurch begründet sein, dass ein solches im Rahmen der entsprechenden, eher soteriologisch akzentuierten Darlegungen nicht mehr von Interesse ist. (b) Werden etwa Apk 19,13 und 1Joh 1,1 als Belege für das Theologoumenon Christi als der Inkarnation des göttlichen λόγος aufgefasst, wird erkennbar, dass dasselbe nicht nur im Joh, sondern auch in der übrigen johanneischen Literatur durchaus von Bedeutung gewesen ist. 176. Vgl. hierzu umfassend J. Frey, in: M. Hengel, Frage, 409: „Auch hier läßt sich keine Abhängigkeit des 4. Evangeliums … von der Apokalypse erweisen, doch scheint der absolute Gebrauch des Logosbegriffs für den präexistenten und inkarnierten Sohn der Gipfelpunkt in der christologischen Reflexion zu sein, der als solcher vielleicht zunächt nur in hymnischer Form gewagt wurde und zugleich Vorstufen einer Rede vom λόγος τοῦ θεοῦ (wie in Joh 5,38 oder 10,35, im 1. Johannesbrief oder auch der Apokalypse) besessen haben kann. Wie sehr die zugespitzte Form der Verwendung Joh 1,1f.14 eine Klimax christologischen Denkens darstellt, zeigt ihre Nachwirkung, die wohl bereits bei Ignatius (Magn 8,2) zu erkennen ist, spätestens aber dann im Kerygma Petri und bei Justin, und die die weitere christologische Diskussion nachhaltig prägt“. 177. Vgl. hierzu die theoretischen Erwägungen o. 4–11.

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aber als ein unmittelbarer darzustellen wäre, lässt sich kaum mehr sicher entscheiden. Im Blick auf die Logoslehre Philos von Alexandria weist etwa M. Böhm darauf hin, dass „der göttliche Logos … bei Philo nirgends definiert [werde], … sich aber dar[stelle] als ein durch die Vernunft erfassbarer Aspekt Gottes, durch den er in der Welt wirkt“178. S. Sandmel zufolge vermag Philo den λόγος allerdings durchaus als πρωτόγονος υἱός θεοῦ zu bezeichnen; dies belegten etwa dessen Darlegungen in agr. 51: τοῦτο μέντοι τὸ ᾆσμα παντὶ φιλοθέῳ μελετᾶν ἐμπρεπές, τῷ δὲ δὴ κόσμῳ καὶ διαφερόντως· καθάπερ γάρ τινα ποίμνην γῆν καὶ ὕδωρ καὶ ἀέρα καὶ πῦρ καὶ ὅσα ἐν τούτοις φυτά τε αὖ καὶ ζῷα, τὰ μὲν θνητὰ τὰ δὲ θεῖα, ἔτι δὲ οὐρανοῦ φύσιν καὶ ἡλίου καὶ σελήνης περιόδους καὶ τῶν ἄλλων ἀστέρων τροπάς τε αὖ καὶ χορείας ἐναρμονίους ὁ ποιμὴν καὶ βασιλεὺς θεὸς ἄγει κατὰ δίκην καὶ νόμον, προστησάμενος τὸν ὀρθὸν αὑτοῦ λόγον καὶ πρωτόγονον υἱόν, ὃς τὴν ἐπιμέλειαν τῆς ἱερᾶς ταύτης ἀγέλης οἷά τις μεγάλου βασιλέως ὕπαρχος διαδέξεται· καὶ γαρ εἴρηταί που· ‚ἰδοὺ ἐγώ εἰμι, ἀποστέλλω ἀγγελόν μου εἰς πρόσωπόν σου τοῦ φυλάξαι σε ἐν τῇ ὁδῷ‘179. Im Unterschied etwa zu Joh 1,1.14 und auch zu 1Petr 1,23b wird der philonische λόγος jedoch nicht mit einer geschichtlichen Figur verknüpft, welche dann als Inkarnation desselben anzusehen wäre. Die philonische Rede von dem λόγος πρωτόγονος υἱός ist vor dem Hintergrund dieser Überlegungen eher gleichnishaft-metaphorisch denn eine geschichtliche Realität widerspiegelnd zu verstehen. Ähnliche Bedenken sind auch gegen die Annahme geltend zu machen, dass die in Joh 1,1.14 dargestellte Inkarnation des präexistenten göttlichen λόγος und dessen Erscheinung als eine konkrete Gestalt der Geschichte bereits in SapSal 18,15f. belegt seien: ὁ παντοδύναμός σου λόγος ἀπ᾽ οὐρανῶν ἐκ θρόνων βασιλείων ἀπότομος πολεμιστὴς εἰς μέσον τῆς ὀλεθρίας ἥλατο γῆς ξίφος ὀξὺ τὴν ἀνυπόκριτον ἐπιταγήν σου φέρων (16) καὶ στὰς ἐπλήρωσεν τὰ πάντα θανάτου καὶ οὐρανοῦ μὲν ἥπτετο βεβήκει δ᾽ ἐπὶ γῆς180. Auch wenn sicherlich nicht undenkbar ist, dass die Ausführungen von SapSal 18,15f. traditionsgeschichtlich im Hintergrund von Apk 19,13 stehen181, wird in 178. Rezeption, 143, A. 104; Böhm weist darüber hinaus hin auf die Ausführungen von S. Sandmel, Philo of Alexandria, 94–99. 179. Text nach P. Wendland, Opera II, 105f.; „Dies Lied [d.h. Ps 23] paßt indessen nicht nur zum Vortrag für jeden von Gottesliebe erfüllten Menschen, sondern auch in besonders hohem Maße für das Weltall; denn wie eine Herde, so leitet Erde, Wasser, Luft, Feuer samt den sie erfüllenden Pflanzen und Tieren, sterblichen und göttlichen Wesen, überdies den Himmel, die Kreisbewegungen der Sonne und des Mondes, die Wendungen und harmonischen Reigen der anderen Himmelskörper Gott, der Hirt und König, nach Recht und Gesetz, nachdem er seine rechte Vernunft, seinen erstgeborenen Sohn zum Leiter eingesetzt, damit sie die Fürsorge für diese heilige Herde wie ein Unterbeamter und Vertreter des Großkönigs übernehme. Denn es heißt ja an einer Stelle: ‚siehe, ich bin es, ich sende meinen Boten vor dein Antlitz, und er wird dich behüten auf dem Wege‘“; Übersetzung nach I. Heinemann, Landwirtschaft, 122. 180. Auf diesen Text weist etwa J. Frey in: M. Hengel, Frage, 406f. hin. 181. So etwa J. Frey in M. Hengel, Frage, 406; vgl. darüber hinaus auch D.E. Aune, Apk III, 1058.

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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jenen eine lediglich theoretische bzw. uneigentliche, nicht jedoch eine faktische Inkarnation postuliert182.

Um nun seine Konzeption von Wiedergeburt inhaltlich zu explizieren, verwendet der Verfasser des 1Petr als zentralen Begriff das Compositum ἀναγεννάω, das sich aus dem Simplex γεννάω und dem Präfix ἀνα- zusammensetzt; dieses Compositum, das im NT nur in 1Petr 1,3.23 begegnet und in der LXX vollständig fehlt183, wird in den einschlägigen Wörterbüchern mit Ausdrücken und Wendungen wie etwa „wieder erzeugen“, „neu schaffen“ oder aber auch „von neuem gebären“ übersetzt184. Bemerkenswert ist nun aber, dass das Präfix ἀνα-, wird es mit anderen Simplices kombiniert, durchaus auch, als Angabe der Richtung, die Bedeutung „auf“ bzw. „hinauf“ oder auch „herauf“ tragen kann: So werden etwa, um hier nur einige Beispiele zu nennen, das Verb ἀναβαίνω mit „hinaufgehen“ oder „hinaufsteigen“185, das Verb ἀναβάλλω mit „aufwerfen“ oder „hinaufwerfen“186, das Verb ἀναδίδωμι mit „heraufgeben“ oder „emporgeben“187 und das Verb ἀνακομίζω mit „hinaufbringen“188 wiedergegeben189. Unabhängig von der – nicht mehr beantwortbaren – Frage, ob der Verfasser des 1Petr mit der Verwendung des Compositum ἀναγεννάω diese semantische Mehrstimmigkeit des Präfix ἀνα- bewusst zum Tragen kommen lassen wollte oder nicht, bleibt festzuhalten, dass jener mit dem Verb ἀναγεννάω einen Terminus einführt, dessen Präfix nun eben nicht nur in einem repetitiorischen, sondern sehr wohl auch 182. Vgl. hierzu etwa H. Hübner, SapSal, 215: „Hier nun ist das Wort personifiziert. Mit einer derartigen Personifizierung begann im zweiten Teil des Buches Salomon sein Gebet. … Das Wort Gottes ist hier zunächst sein über die Ägypter richtendes Wort und dann, indem es als ‚wilder Krieger‘ vorgestellt wird, das dieses Urteil vollstreckende Wort Gottes, also das tötende Wort Gottes. Vom Springen ist die Rede, also von einer energischen körperlichen Bewegung. Es ist der Sprung vom Himmel auf die Erde; der Himmel hält, auf die Erde herabgekommen, sein vernichtendes, todbringendes Gericht“. 183. Vgl. hierzu etwa U. Schnelle, Theologie, 569. P.J. Achtemeier, 1Petr, 94, A. 17 hält diesen Begriff für „apparently unknown prior to its use here“. 184. Vgl. hierzu etwa W. Gemoll, Schul- und Handwörterbuch, s.v. ἀναγεννάω, 50 und H. Menge, Wörterbuch, s.v. ἀναγεννάω, 51. M. Vahrenhorst, 1Petr, 72, führt zu diesem Sachverhalt aus: „Die Vorsilbe ana lässt deutlich werden, dass es sich dabei nicht um den Anfang des natürlichen Lebens, sondern sozusagen um eine zweite Zeugung handelt“. Vgl. hierzu auch F. Porsch, Art. ἀναγεννάω, in: EWNT2 I, 183, der dieses Verb mit „neu zeugen“ übersetzt. P.J. Achtemeier, 1Petr, 94 spricht im Blick auf diesen Begriff von einer „total newness“ und von einem „rebegetting“ der Christen. Vgl. zu diesem Verb und dessen semantischen Implikationen auch C.G. Müller, 1Petr, 128. 185. Vgl. hierzu W. Gemoll, Schul- und Handwörterbuch, s.v. ἀναβαίνω, 49. 186. Vgl. hierzu W. Gemoll, Schul- und Handwörterbuch, s.v. ἀναβάλλω, 49. 187. Vgl. hierzu W. Gemoll, Schul- und Handwörterbuch, s.v. ἀναδίδωμι, 52. 188. Vgl. hierzu W. Gemoll, Schul- und Handwörterbuch, s.v. ἀνακομίζω, 54. 189. W. Gemoll, Schul- und Handwörterbuch, s.v. ἀνά, 49 schreibt derselben in Composita die Bedeutungen „auf, an, von vorn, zurück“ zu.

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

in einem spatialen Sinn interpretiert werden kann; das i.d.R. immer, auch in 1Petr 1,3.23, mit Termini wie etwa „von neuem gebären“, „neu schaffen“ oder „wiedergebären“ übersetzte Verb ἀναγεννάω ließe sich – natürlich nur innerhalb der entsprechenden Kontexte – zumindest additiv zu dieser Hauptbedeutung, somit also semantisch äquivok, auch verstehen im Sinne von „nach oben zeugen“ oder „nach oben hin gebären“190. Bereits die Semantik des entsprechenden konzeptionell zentralen Terminus, des Verbs ἀναγεννάω, lässt die von Πέτρος in seiner Epistel angesprochene Wiedergeburt somit als einen Vorgang erscheinen, der dezidiert als eine zweite, im Verhältnis zur embryonalen Erstgeburt wiederholte Geburt zu verstehen ist, die im Unterschied zu jener nun aber auf eine andere, in Relation zu der ‚unten‘ sich befindenden irdischen demgegenüber nun ‚oben‘ zu lokalisierende Sphäre der Wirklichkeit ausgerichtet ist. Eine solche, schon aufgrund des entsprechenden Kontextes nicht-spatial konnotierte bzw. zu konnotierende Bedeutung des Verbs ἀναγεννάω liegt etwa vor bei Josephus, bell. IV 484191: φασὶ δὲ ὡς δι᾽ ἀσέβειαν οἰκητόρων κεραυνοῖς καταφλεγῆναι ἔστι γοῦν ἔτι λείψανα τοῦ θείου πυρός καὶ πέντε μὲν πόλεων ἰδεῖν σκιάς ἔτι δὲ κἀν τοῖς καρποῖς σποδιὰν ἀναγεννωμένην οἳ χροιὰν μὲν ἔχουσι τῶν ἐδωδίμων ὁμοίαν δρεψαμένων δὲ χερσὶν εἰς καπνὸν διαλύονται καὶ τέφραν192. Dieses Beispiel zeigt, dass der jüdische Historiograph das Verb ἀναγεννάω nicht im Kontext einer geistigen oder geistlichen Neuschöpfung eines Menschen verwendet, sondern im Rahmen der Beschreibung von Alltagsphänomenen193. Der jüdische Religionsphilosoph Philo vermag in aet. 8f. mit dem Substantiv ἀναγένεσις in gleicher Weise wie auch mit dem Terminus παλιγγενεσία „die Welterneuerung nach der Stoa“194 zu bezeichnen, verwendet das Wortfeld ἀναγεννάω κτλ. somit also auch in einem deutlich anderen Kontext als der Verfasser des 1Petr: Dem jüdischen Religionsphilosophen geht es in seinen Ausführungen um das schöpfungstheologische bzw. das kosmologische, dem 190. Eine solche semantische Äquivokation bietet explizit etwa das Verb ἀναλαμβάνω, das sowohl im Sinne von „aufnehmen“, „in die Höhe nehmen“ als auch im Sinne von „zurücknehmen“, „wiedernehmen“ verstanden werden kann; vgl. hierzu wiederum W. Gemoll, Schulund Handwörterbuch, s.v. ἀναλαμβάνω, 55. 191. Vgl. hierzu auch P.J. Achtemeier, 1Petr, 94, A. 17; ihm zufolge erscheine dieser Terminus bei Josephus „in a totally different context“. 192. „Man erzählt, sie sei wegen der Gottlosigkeit ihrer Bewohner von Blitzschlägen in Brand gesetzt worden. In der Tat gibt es jetzt noch Spuren des göttlichen Feuers, auch kann man die Schatten von fünf Städten sehen. Ferner wird in den Früchten immer wieder Asche erzeugt: diese haben zwar eine äußere Schale, die der eßbarer Früchte gleicht, pflücht man sie aber, so lösen sie sich in den Händen in Rauch und Asche auf“; Text und Übersetzung nach O. Michel/O. Bauernfeind, Der jüdische Krieg II 1, 76–79. 193. Vgl. hierzu auch L. Goppelt, 1Petr, 93, A. 12: „Josephus gebraucht ἀναγεννάω in der Bedeutung ‚neu entstehen‘ für Alltägliches“, somit in einem vollständig anderen Kontext als der Verfasser des 1Petr. 194. L. Goppelt, 1Petr, 93.

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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Verfasser des 1Petr um das soteriologische Momentum: Δημόκριτος μὲν οὖν καὶ Ἐπίκουρος καὶ ὁ πολὺς ὅμιλος τῶν ἀπὸ τῆς Στοᾶς φιλοσόφων γένεσιν καὶ φθορὰν ἀπολείπουσι τοῦ κόσμου, πλὴν οὐχ ὁμοίως· οἱ μὲν γὰρ πολλοὺς κόσμους ὑπογράφουσιν, ὧν τὴν μὲν γένεσιν ἀλληλοτυπίαις καὶ ἐπιπλοκαῖς ἀτόμων ἀνατιθέασι, τὴν δὲ φθορὰν ἀντικοπαῖς καὶ προσράξεσι τῶν γεγονότων· οἱ δὲ Στωικοὶ κόσμον μὲν ἕνα, γενέσεως δ᾽ αὐτοῦ θεὸν αἴτιον, φθορᾶς δὲ μηκέτι θεόν, ἀλλὰ τὴν ὑπάρχουσαν ἐν τοῖς οὖσι πυρὸς ἀκαμάτου δύναμιν χρόνων μακραῖς περιόδοις ἀναλύουσαν τὰ πάντα εἰς ἑαυτήν, ἐξ ἧς πάλιν ἀναγέννησιν κόσμου συνίσταςθαι προμηθείᾳ τοῦ τεχνίτου. (9) δύναται δὲ κατὰ τούτους ὁ μέν τις κόσμος ἀίδιος, ὁ δέ τις φθαρτὸς λέγεσθαι, φθαρτὸς μὲν ὁ κατὰ τὴν διακόσμησιν, ἀίδιος δὲ ὁ κατὰ τὴν ἐκπύρωσιν παλιγγενεσίαις καὶ περιόδοις ἀθανατιζόμενος οὐδέποτε ληγούσαις195. In QuaestEx II 46 legt Philo die Darstellung von Ex 24,16b allegorisch aus; diese Darstellung impliziere „eine ‚zweite Geburt‘ durch Gott selbst, welche der ersten Geburt durch ‚vergängliche Eltern‘ gegenübergestellt ist. Durch diese zweite Geburt [zum Propheten196] wird die Seele vom Körper befreit und der ‚heiligsten Natur der Hebdomade‘ teilhaftig“197: [„καί ἐκάλυψεν αὐτὸν ἡ νεφέλη ἓξ ἡμέρας καὶ ἐκάλεσε κύριος Μωυσῆν τῇ ἑβδόμῃ ἡμέρᾳ ἐκ μέσου τοῦ πυρός“]. τόν ἶσον ἀριθμὸν ἀπένειμε καὶ τῇ τοῦ κόσμου γενέσει καὶ τῇ τοῦ ὁρατικοῦ γένους ἐκλογῇ, τὴν ἑξάδα, βουλόμενος ἐπιδεῖξαι ὅτι αὐτὸς καὶ τὸν κόσμον ἐδημιούργησε καὶ τὸ γένος εἵλετο. ἡ δὲ ἀνάκλησις τοῦ προφήτου δευτέρα γένεσίς ἐστι, τῆς προτέρας ἀμείνων. ἑβδομῇ δὲ ἀνακαλεῖται ἡμέρᾳ, ταυτῇ διαφέρων τοῦ πρωτοπλάστου, ὅτι ἐκεῖνος μὲν ἐκ γῆς καὶ μετὰ σώματος συνίστατο, οὗτος δὲ ἄνευ σώματος· διὸ τῷ μὲν γηγενεῖ ἀριθμὸς οἰκεῖος ἀπενεμήθη ἑξάς, τούτῳ δὲ ἡ ἱερωτάτη φύσις τῆς ἑβδομάδος198. Das hier 195. Text nach L. Cohn/S. Reiter, Opera VI, 75f.; „Demokrit jedenfalls, Epikur und die große Masse der stoischen Philosophen behaupten Entstehen und Vergehen der Welt, jedoch nicht in gleicher Weise. Die einen nämlich lassen viele Welten vorhanden sein, deren Entstehen sie dem gegenseitigen Anstoß und den Verbindungen der Atome zuschreiben, während sie das Vergehen auf Widerstände und Zusammenstöße zurückführen, denen die so entstandenen Dinge ausgesetzt sind. Die Stoiker jedoch lehren, es gebe nur eine Welt, und Gott sei die Ursache ihres Entstehens. Ihr Vergehen aber werde nicht durch Gott bewirkt, sondern durch die Kraft des rastlosen Feuers, welche in jedem Seienden liege. Diese löse in langen Zeitumläufen das All in Feuer auf, woraus durch die Umsicht des Weltenbauers eine neue Welt gebildet werde. (9) Entsprechend dieser Lehre kann die Welt einerseits ewig, andererseits vergänglich genannt werden. Vergänglich ist sie, insofern sie neugestaltet ist, ewig ist sie, insofern sie im Weltbrand aufgeht und durch unaufhörliche Welterneuerungen und Weltperioden unsterblich wird“; Übersetzung nach K. Bormann, Unvergänglichkeit, 80f. 196. Vgl. hierzu F. Siegert, Predigten I, 163. 197. R. Feldmeier, 1Petr, 84f.; vgl. zu diesem Beleg auf F. Siegert, Predigten I, 163f. 198. Text nach F. Petit, Quaestiones, 268; „Why is the mountain covered with a cloud for six days, and Mose called above on the seventh day? The even number, six, He apportioned both to the creation of the world and to the election of the contemplative nation, wishing to show first of all that He had created both the world and the nation elected for virtue. And in the second place, because He wishes the nation to be ordered and arrayed in the same manner as the whole world so that, as in the latter, it may have a fitting order in accord with the right law and canon of the unchanging, placeless and unmoving nature of God. But the calling above of the prophet is a second birth better than the first. For the latter is mixed with a body

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

explizierte Konzept einer – zunächst nur auf die Person des Mose bezogenen – ‚zweiten‘ Geburt unterscheidet sich von der Konzeption von Wiedergeburt, die in 1Petr 1,3.23 aufscheint, so deutlich – der Gedanke der mit dieser ‚zweiten‘ Geburt einhergehenden Befreiung der Seele vom Körper ist in 1Petr 1,3.23 in keiner Weise erkennbar –, dass diese Passage aus QuaestEx und das in ihr fixierte Konzept kaum als literarische oder auch nur als traditionsgeschichtliche Grundlage für die Ausführungen in 1Petr 1 in Frage kommen können199. Im Rahmen der pseudo-philonischen Predigt de Jona begegnet die Metaphorik der Wiedergeburt in zwei Zusammenhängen: Zunächst werden „der sich im Bauch des Fisches an Gott wendende Prophet“200 (§ 95f.99201), daran anschließend die sich bekehrenden Einwohner der Stadt Ninive (§ 184) als Wiedergeborene202 charakterisiert203. Die in dieser Predigt anklingende Konzeption von Wiedergeburt scheint jedoch ohne jegliche temporale oder auch spatiale Dimension auszukommen, Dimensionen, die für das in 1Petr 1,3–5204 greifbare ‚petrinische‘ Konzept von Wiedergeburt jedoch unentbehrlich sind. Dass der Verfasser des 1Petr entweder literarisch oder aber auch traditionsgeschichtlich an den in de Jona erkennbar werdenden Strang der frühjüdischen Wiedergeburtsüberlieferung anknüpft, scheint demzufolge kaum wahrscheinlich.

and had corruptible parents, while the former is an unmixed and simple soul of the sovereign, being changed from a productive to an unproductive form, which has no mother but only a father, who is (the Father) of all. Wherefore the calling above or, as we have said, the divine birth happened to come about for him in accordance with the ever-virginal nature of the hebdomad. For he is called on the seventh day, in this (respect) differing from the earth-born first moulded man, for the latter came into being from the earth and with a body, while the former (came) from the ether and without a body. Wherefore the most appropriate number, six, was assigned to the earth-born man, while to the one differently born (was assigned) the higher nature of the hebdomad“; englischer, auf der armenischen Version basierender Text nach R. Marcus, Questions, 90–92. 199. Dies gilt, auch wenn R. Feldmeier die Ausführungen Philos als „interessanteste Parallele“ (1Per, 84) zu 1Petr 1,3.23 aus dem jüdischen Bereich ansieht. 200. R. Feldmeier, 1Petr, 85. 201. „(95) Als Zeugen für (all) dies (braucht man nur) mich [d.h. Jona] anzusehen: Ich, der ich aus dem Schlaf zum Wahrzeichen der Wiedergeburt herausgeholt wurde, werde (jedem) ein Bürge sein für sein eigenes Leben. … (99) Als (Jona) nach einer Art Wiedergeburt die Welt erblickt und Gott gedankt hatte, nahm er seinen früheren Verkündigungs(auftrag) wieder in Angriff“; Text nach F. Siegert, Predigten I, 25f. In seinem Kommentar zu § 95 spricht Siegert davon, dass der entsprechende armenische Terminus für den Begriff ‚Wiedergeburt‘ das griechische ἀναγέννησις wiedergäbe (vgl. Predigten II, 163) und an dieser Stelle „von einer Auferweckung oder Wiedergeburt der Seele die Rede“ sei (164). Träfe letzteres zu, wären die semantischen Implikationen des pseudo-philonischen ἀναγέννησις-Begriffs deutlich andere als diejenigen des ‚petrinischen‘. 202. „Siehst du nicht, (daß) diejenigen, die mir früher aus Unwissenheit den Dank verweigerten, geradezu wiedergeboren und durch (deine) Verkündigung zu neuem Leben erweckt (sind, sodaß) sie mir allein die Ehre geben?“; Text nach F. Siegert, Predigten I, 42. Siegert sieht hier „die Metaphorik der Konversion und überhaupt der Buße“ (Predigten II, 207) angesprochen. 203. Vgl. hierzu R. Feldmeier, 1Petr, 85. 204. Vgl. hierzu u. 88–91.

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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Die in JosAs 8,9205; 15,5.7206; 27,10207 belegten Vorstellungen von einer Wiedererneuerung, Wiederformung und Wiederlebendigmachung der Aseneth, 205. Καὶ ἐπῆρε τὴν χεῖρα αὐτοῦ τὴν δεξιὰν καὶ ἔθηκεν ἐπάνω τῆς κεφαλῆς αὐτῆς καὶ εἶπεν· ‚Κύριε, ὁ θεὸς τοῦ πατρός μου Ἰσραήλ, ὁ ὕψιστος καὶ δυνατὸς τοῦ Ἰακώβ, ὁ ζωοποιῶν τὰ πάντα καὶ καλέσας ἀπὸ τοῦ σκότους εἰς τὸ φῶς καὶ ἀπὸ τῆς πλάνης εἰς τὴν ἀλήθειαν καὶ ἀπὸ τοῦ θανάτου εἰς τὴν ζωήν, σύ, κύριε, εὐλόγησον τὴν παρθένον ταύτην καὶ ἀνακαίνισον αὐτὴν τῷ πνεύματί σου καὶ ἀνάπλασον αὐτὴν τῇ χειρί σου τῇ καὶ ἀναζωοποίησον αὐτήν· καὶ φαγέτω ἄρτον ζωῆς σου καὶ πιέτω ποτήριον εὐλογίας σου· καὶ συγκαταρίθμησον αὐτὴν τῷ λαῷ σου, ὃν ἐξελέξω, πρὶν γενέσθαι τὰ πάντα· καὶ εἰσελθέτω εἰς τὴν κατάπαυσίν σου, ἣν ἡτοίμασας τοῖς ἐκλεκτοῖς σου, καὶ ζησάτω ἐν τῇ ζωῇ σου εἰς τὸν αἰῶνα χρόνον‘ (Text nach U.B. Fink, JosAs, 70; „Und er [d.h. Josef] erhob seine Hand die rechte und legte (sie) oben auf ihr Haupt und sprach: ‚Herr, der Gott meines Vaters Israel, der Höchste, der Starke des Jakob, der (da) lebendigmachte die (Dinge) alle und reif von der Finsternis in das Licht und von dem Irrtum in die Wahrheit und von dem Tode in das Leben, du, Herr, segne diese Jungfrau, und wiedererneuere sie (mit) deinem Geiste, und wiederforme sie (mit) deiner Hand der verborgenen, und wiederlebendigmach sie (mit) deinem Leben, und sie esse Brot deines Lebens und trinke Kelch deines Segens, und zähle dazu sie deiner Nation, die du auserwähltest, bevor wurden die (Dinge) alle, und sie gehe hinein in deine Ruhe, die du bereitetest deinen Auserwählten, und sie lebe in deinem ewigen Leben in die Ewigkeit-Zeit‘“; Übersetzung nach C. Burchard, JosAs, 650f.). 206. Ἰδοὺ δὴ ἀπὸ τῆς σήμερον ἀνακαινισθήσῃ καὶ ἀναπλασθήσῃ καὶ ἀναζωοποιηθήσῃ· καὶ φάγεσαι ἄρτον εὐλογημένον ζωῆς καὶ πίεσαι ποτήριον εὐλογημένον ἀθανασίας καὶ χρισθήσῃ χρίσματι εὐλογημένῳ ἀφθαρσίας. … (7) καὶ τὸ ὄνομά σου οὐκέτι κληθήσεται Ἀσενέθ, ἀλλ’ ἔσται τὸ ὄνομά σου πόλις καταφυγῆς, διότι ἐν σοὶ καταφεύξονται ἔθνη πολλὰ ἐπὶ κύριον τὸν θεὸν τὸν ὕψιστον καὶ ὑπὸ τὰς πτέρυγάς σου σκεπασθήσονται λαοὶ πολλοὶ πεποιθότες ἐπὶ κυρίῳ καὶ ἐν τῷ τείχει σου διαφυλαχθήσονται οἱ προσκείμενοι τῷ θεῷ τῷ ὑψίστῳ μετανοίας. Διότι ἡ μετάνοιά ἐστιν ἐν τοῖς οὐρανοῖς θυγάτηρ τοῦ ὑψίστου καλὴ καὶ ἀγαθὴ σφόδρα. καὶ αὕτη ἐκλιπαρεῖ τὸν ὕψιστον ὑπὲρ σοῦ πᾶσαν ὥραν καὶ ὑπὲρ πάντων τῶν μετανοούντων ἐν ὀνόματι θεοῦ τοῦ ὑψίστου πατρὸς αὐτῆς. καὶ αὕτη ἐστὶν ἐπίσκοπος πάντων τῶν παρθένων καὶ φιλεῖ ὑμᾶς σφόδρα καὶ περὶ ὑμῶν ἐρωτᾷ πᾶσαν ὥραν τὸν ὕψιστον. καὶ πᾶσι τοῖς μετανοοῦσι τόπον ἀναπαύσεως ἡτοίμασεν ἐν τοῖς οὐρανοῖς καὶ ἀνακαινιεῖ πάντας τοὺς μετανοήσαντας καὶ αὕτη διακονήσει αὐτοῖς εἰς τὸν αἰῶνα χρόνον (Text nach U.B. Fink, JosAs, 88.90; „Siehe doch, von dem (Tage) heute (an) wird du wiedererneuert und wiedergeformt und wiederlebendiggemacht werden und wirst essen gesegnetes Brot (des) Lebens und trinken gesegneten Kelch (der) Unsterblichkeit und dich salben (mit) gesegneter Salbe (der) Unverweslichkeit. … (7) Und dein Name wird nicht mehr gerufen werden Aseneth, sondern es wird sein dein Name Stadt (der) Zuflucht, denn in dir werden Zuflucht nehmen viele Völker zu Herr dem Gott dem Höchsten, und unter deine Fittiche werden gedeckt werden viele Nationen, (die) vertrauen auf Herr den Gott, und in deiner Mauer werden behütet werden, die (da) sich anschließen Gott dem Höchsten in (dem) Namen der Umkehr. Denn die Umkehr ist in den Himmeln eine Tochter des Höchsten schön und gut sehr, und sie (selbst) fleht an Gott den Höchsten für dich alle Stunde und für alle, die (da) umkehren in (dem) Namen Gottes des Höchsten, weil doch er Vater ist der Umkehr, und sie (selbst) ist Bischof all der Jungfrauen und liebt euch sehr, und für euch ersucht sie alle Stunde den Höchsten, und allen, die (da) umkehren, einen Ort (der) Ruhe bereitete sie in den Himmeln, und sie wird wiedererneuern alle, die (da) umkehren, und sie (selbst) wird aufwarten ihnen in die Ewigkeit-Zeit“; Übersetzung nach C. Burchard, JosAs, 675–677). 207. Καὶ εἶδεν αὐτοὺς Ἀσενὲθ καὶ ἐφοβήθη σφόδρα καὶ εἶπεν· ‚κύριε, ὁ θεός μου, ὁ ἀναζωοποιήσας με καὶ ῥυσάμενός με ἐκ τοῦ θανάτου, ὁ εἰπών μοι ὅτι ‹εἰς τὸν αἰῶνα ζήσεται ἡ ψυχή σου›, ῥῦσαί με ἐκ τῶν χειρῶν τῶν ἀνδρῶν τῶν πονηρῶν τούτων‘ (Text nach U.B. Fink, JosAs, 124; „Und es sah sie Aseneth und fürchtete sich sehr und sprach: ‚Herr, mein Gott, der (da) wiederlebendigmachte mich und (der) erlöste mich aus den (Götzen)bildern und der (Ver)wesung

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

expliziert mit Hilfe der Verben ἀναζωοποιέω, ἀνακαινίζω und ἀναπλάσσω, sind dem in 1Petr 1,3–5 entwickelten Konzept von Wiedergeburt in vielen Aspekten und Dimensionen durchaus vergleichbar208; das für die ‚petrinische‘ Konzeption charakteristische Lexem ἀναγεννάω begegnet in gleicher Weise wie auch das entsprechende Simplex γεννάω in JosAs allerdings nicht, ein Sachverhalt, der eine traditionsgeschichtliche oder literarische Relation zwischen beiden Texten eher unwahrscheinlich erscheinen lässt. Im Blick auf mögliche alttestamentliche Belege für eine Konzeption von Wiedergeburt verweist L. Goppelt auf Jes 51,6; 65,17 und 66,22209. In diesen Texten wird zwar der Gedanke einer neuen Weltschöpfung thematisiert, nicht jedoch derjenige einer Wieder- oder Neugeburt einzelner Individuen; darüber hinaus begegnet ein das Momentum der Wiedergeburt explizierender Begriff in diesen Texten nicht. Beide Monita treffen auf auch die von Goppelt über die biblischen Belege hinaus angeführten frühjüdischen Belege aus 2Bar 32,6; 44,12 zu210. Der von Goppelt benannte Beleg aus den Qumranschriften, 1QH III 19–23 (1QHa X 19–23), belegt, wie er selbst einräumt, „die totale Umkehr, den Eintritt in die Sekte, [die] … Auferweckung und [die] … neue Schöpfung zur Hoffnung, aber nicht [die] … Wiedergeburt“211 im Sinne einer expliziten repetitio der ersten Geburt, sondern vielmehr – werden die Ausführungen in 1QH III 21entsprechend gewürdigt – das Theologoumenon der mit dem Eintritt des Todes, der (da) sprach (zu) mir, daß ‚in die Ewigkeit wird leben deine Seele‘, erlöse mich aus den Händen der Männer dieser Argen!‘“; Übersetzung nach C. Burchard, JosAs, 716f.). 208. R. Feldmeier, 1Petr, 85, spricht m.R. davon, dass die JosAs belegten Vorstellungen von einer Wiedererneuerung, Wiederformung und Wiederlebendigmachung der Aseneth mit der 1Petr 1 erkennbar werdenden Konzeption von Wiedergeburt „verwandt“ seien. 209. Vgl. hierzu 1Petr, 93, A. 17. 210. Vgl. hierzu 1Petr, 93, A. 17: A.F.J. Klijn, Baruch-Apokalypse, 143 bietet für 2Bar 32,6 folgenden deutschen Text: „Denn größer als die beiden Leiden ist dann der Kampf, wenn der (All)-mächtige seine Schöpfung erneuern wird“; 2Bar 44,12 übersetzt Klijn folgendermaßen: „Es gibt ja eine Zeit, die nicht vergeht, und jene Periode kommt, die bleiben wird in Ewigkeit, und die neue Welt, die nicht aufs neue dem Verderben die überläßt, die gleich zu Anfang die Verbindung zu ihr suchten. Hat sie doch kein Erbarmen mit denen, die in die Pein kommen. Die aber in ihr leben, führt sie nicht zum Untergang“ (149). 211. 1Petr, 94; diese Feststellung gilt, auch wenn durchaus zuzugeben ist, dass der in dieser Textpassage entwickelte Vorstellungshintergrund mit der in 1Petr 1,3–5 sichtbar werdenen Motivik sachlich durchaus vergleichbar ist. Inwieweit daraus aber unmittelbar die Folgerung zu ziehen ist: „Das Reden von einer Wiedergeburt in 1Petr 1,3 geht demnach auf einen Motivzusammenhang aus dem Selbstverständnis der Qumrangemeinde zurück“ (94), muss doch mehr als fraglich bleiben. Immerhin gesteht Goppelt zu, dass dieser von ihm postulierte Motivzusammenhang „schon in einer dem Brief [d.h. 1Petr] vorhergehenden christlichen Tradition in die Sprache des hellenistischen Christentums übertragen“ (94), wobei zugleich auch „der den hellenistischen Menschen fremde Terminus ‚Neuschöpfung‘ … durch den allgemein verständlichen Begriff ‚Wiedergeburt‘ ersetzt“ (94) worden sei. Damit aber negiert Goppelt die Annahme eines unmittelbaren Bezuges der ‚petrinischen‘ Konzeption von Wiedergeburt auf frühjüdische Texte und Traditionen. Vgl. zu diesem Zusammenhang auch E. Sjöberg, Wiedergeburt, 81: „Von einer Wiedergeburt reden die … veröffentlichten Handschriften der Sekte nicht“; auch das in den rabbinischen Schriften belegte und den Gedanken einer Neuschöpfung transportierende Syntagma ‫( בריה חדשה‬vgl. hierzu ausführlich u. 82–88) erscheint in den Qumran-Texten nicht.

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in die qumranischen Gemeinschaft einhergehenden Erneuerung des Geistes bzw. der Verleihung eines neuen Geistes durch Gott selbst212: ‫( אודכה אדוני כי פדיתה נפשי משחת ומשאול אבדון‬19) ‫( העליתני לרום עולם ואתהלכה במישור לאין חקר ואדעה כיא יש מקוה לאר‬20) ‫( יצרתה מעפר לסוד עולם ורוח נעוה טהרתה מפשע רב להתיצב במעמד עם‬21) ‫( צבא קודשים ולבוא ביחד עם עדת בני שמים ותפל לאיש גורל עולם עם רותות‬22) .213‫( דעת להלל שמכה ביחד רנה ולספר נפלאותיכה לנגד כול מעשיכה ואני יצר‬23) Über Goppelt hinaus weist E. Sjöberg bereits 1950 auf 1QH IV 29–33 (1QHa XII 29–33) als einen die Thematik der Wiedergeburt bzw. der Neuschöpfung tangierenden Text hin: ‫( מי בשר וכזאת ומה יצר חמר להגדיל פלאות והוא בעוון‬29) ‫( מדחם ועד שבה באשמת מעל ואני כי לוא לאנוש צדקה ולוא לבןאדם תום‬30) ‫( דרך לאל עליון כול מעשי צדקה ודרך אנוש לוא תכון כי אם ברוח יצר אל לו‬31) ‫( להתם דרך לבני אדם למען ידעו כול מעשיו בכוח גבורתו ורוב רחמיו על כול בני‬32) .214‫( רצונו‬33) Auch der Satz ‫ וכי אם ברוח יצר אל לו‬1QH IV 32 scheint weniger den Gedanken einer Wiedergeburt oder auch denjenigen einer Neuschöpfung des gesamten Menschen zu indizieren als vielmehr denjenigen der Erneuerung des bestehenden oder der Verleihung eines neuen, noch nicht vorhandenen Geistes als des Signums des Eintritts in die qumranische Gemeinschaft215. Dem durchaus 212. Vgl. hierzu E. Sjöberg, Wiedergeburt, 79f.85, der erwägt, diesen Text im Sinne einer im Zuge des Eintritts in die Gemeinschaft von Qumran erfolgte Reinigung des menschlichen Geistes zu interpretieren, nicht jedoch im Sinne einer Neuschöpfung oder gar einer Wiedergeburt, eine interpretatorische Annahme, die die in 1QHa X 21 vorliegende und auf das Momentum einer Reinigung des Geistes abzielende Aussage ‫ ורוח נעוה טהרתה מפשע רב‬durchaus zu stützen vermag. 213. Text nach F. García Martínez/E.J.C. Tigchelaar, Scrolls I, 164.166; „Ich preise dich, Herr; denn du hast meine Seele erlöst aus der Grube und aus der Unterwelt des Abgrundes (20) hast du mich hinaufgehoben zu ewiger Höhe. Ich wandle auf ebener Bahn, die nicht auszuforschen ist, und erkannte, daß es Hoffnung gibt für den, welchen (21) du aus Staub gebildet hast zu ewigem Rat. Und den verkehrten Geist hast du gereinigt von großer Missetat, daß er sich stelle an den Standort mit (22) dem Heer der Heiligen und in die Gemeinschaft eintrete mit der Gemeinde der Himmelssöhne. Und du warst dem Mann ein ewiges Los mit den Geistern (23) des Wissens, daß er deinen Namen preise in gemeinsamem J[ub]el und deine Wunder erzähle vor all deinen Werken“; Übersetzung nach E. Lohse, Texte, 121.123; vgl. zu dieser Übersetzung auch E. Sjöberg, Wiedergeburt, 80. 214. Text nach F. García Martínez/E.J.C. Tigchelaar, Scrolls I, 168.170; „Was ist Fleisch im Vergleich dazu? Und was ist ein Lehmgebilde, um Wundertaten groß zu machen? Es ist in Sünde (30) von Mutterleib an und bis zum Alter in der Schuld der Treulosigkeit. Und ich erkannte, daß beim Menschen keine Gerechtigkeit ist und nicht beim Menschenkind vollkommener Wandel. (31) Beim höchsten Gott sind alle Werke der Gerechtigkeit, aber der Wandel des Menschen steht nicht fest, es sei denn durch den Geist, den Gott ihm schuf, (32) um den Wandel der Menschenkinder vollkommen zu machen, damit sie alle seine Werke erkennen in der Kraft seiner Stärke und die Fülle seines Erbarmens über alle Söhne (33) seines Wohlgefallens“; Übersetzung nach E. Lohse, Texte, 127.129. 215. Vgl. hierzu E. Sjöberg, Wiedergeburt, 78f.; vgl. hierzu auch ders., Neuschöpfung, 131–133.

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entsprechend fehlt beiden Belegen aus den Qumranschriften, mag auch in 1Q III 20 – wenn auch eher in uneigentlichem Sinne216 – eine spatiale Dimension angedeutet sein217, die Perspektive einer zukünftigen Vollendung der hier in Rede stehenden Neuschöpfung oder Wiedergeburt, die für die Ausführungen in 1Petr 1,3–5 maßgebend ist218. Stattdessen reflektieren sie den Gedanken der „[sich vollständig realisierenden] Neuschöpfung beim Eintritt in die Sekte“219. Der von L. Goppelt als einer von mehreren notierte rabbinische Beleg für das Motiv der Wiedergeburt, bJeb 22a (‫)גר שנתגייר כקטן שנולד דמי‬220, vergleicht den zum Judentum übergetretenen Proselyten mit einem neugeborenen Kind, ohne jedoch diesen Übertritt selbst explizit als Neu- oder Wiedergeburt zu definieren221. Allerdings impliziert dieser Vergleich immerhin den der Konzeption der Neu- oder Wiedergeburt durchaus ebenfalls inhärenten Gedanken eines neuen und jegliche Kontinuität zum Vergangenen negierenden Anfangs222. Diesem neuen Anfang werden E. Sjöberg zufolge in der rabbinischen Literatur folgende, diesen selbst konkretisierende Konsequenzen zugeschrieben, die geeignet gewesen sind, die reale Lebenssituation des Proselyten von Grund auf zu verändern223: (a) Eine dieser Konsequenzen betrifft die in der nicht-proselytischen Vergangenheit durch in Unkenntnis vollzogene Gesetztesübertretungen auf sich geladene Schuld. Nach R. Jose ben Chalaphta224, einem Tannaiten der dritten Generation, würden den Proselyten die während ihrer heidnischen Zeit 216. Vgl. hierzu E. Sjöberg, Wiedergeburt, 81: „Das Todesreich, aus dem der Sänger nach dem Anfang des Psalms gerettet worden ist, ist kaum dieses Leben und diese Welt, aus der er durch seine Bekehrung erlöst worden ist, …, sondern wie in den alttestamentlichen Psalmen die von bösen Menschen über ihn gebrachten Nöte. Das wird sowohl durch die Fortsetzung des Psalms als durch die Parallelen in zwei anderen Psalmen dieser Sammlung wahrscheinlich“. Im Rahmen dieser Interpretation 1QH III 19–23 verschwindet eine mögliche, diesem Text inhärente spatiale Dimension. 217. Vgl. hierzu u. 89. 218. Zu 1Petr 1,3–5 vgl. ausführlich u. 88–91. 219. E. Sjöberg, Neuschöpfung, 133. 220. Vgl. zu diesem Satz E. Sjöberg, Wiedergeburt, 46: „Der älteste Beleg für den Satz, dass der Proselyt einem neugeborenen Kinde gleicht, findet sich in einer Erörterung darüber, warum die Proselyten besonders grosse Leiden erleiden müssen. Sie steht in einer Baraitha in bJeb.48b“. Darüber hinaus führt Sjöberg aus: „Dieser Satz wird hier von R. Jose b. Chalaphta (Tannait d. 3. Generation, Mitte d[es] 2. Jahrh[underts] n. Chr.) ausgeführt, aber sicher war er schon früher formuliert“ (46, A. 2). Zu R. Jose b. Chalaphta vgl. auch G. Stemberger, Einleitung, 85. 221. Vgl. hierzu bereits E. Sjöberg, Wiedergeburt, 45: „Zunächst ist zu beobachten, dass es sich um einen Vergleich handelt. Der Proselyt gleicht einem Neugeborenen. Es wird nicht gesagt, dass er neugeboren ist“. 222. Vgl. hierzu E. Sjöberg, Wiedergeburt, 46: „Der Proselyt hat wie das neugeborene Kind keine frühere Existenz hinter sich. Sein ganzes bisheriges Leben kommt nicht in Rechnung. Es ist verschwunden und er hat damit nichts, gar nichts zu tun. Er fängt vom Nullpunkt an genau wie das kleine Kind“. 223. Vgl. hierzu E. Sjöberg, Wiedergeburt, 49; vgl. darüber hinaus 50: „…, wird aber deutlich, dass der Übertritt zum Judentum als eine so radikale Veränderung der Lage des Proselyten angesehen wurde, dass er tatsächlich mit seiner Schöfpung und Geburt verglichen werden konnte“. 224. Zu R. Jose ben Chalaphta vgl. G. Stemberger, Einleitung, 85.

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begangenen Gesetzesübertretungen nicht angerechnet, was bedeutet, dass „sie von keinem Schuldkonto aus jener Zeit belastet“225 würden. (b) Eine zweite Konsequenz besteht in dem Sachverhalt, „dass [für einen Proselyten] alle Verwandtschaftsbeziehungen aus der heidnischen Zeit zu gelten aufgehört haben“226, und dass „an keinem Punkt … sein Leben als Heide berücksichtigt werden [kann], wenn seine Stellung und seine Verpflichtungen in der jüdischen Gemeinschaft erörtert werden“227. In die gleiche inhaltliche Richtung gehen nach E. Sjöberg auch solche Ausführungen innerhalb der rabbinischen Literatur, die die Bekehrung zum Judentum, d.h. den Eintritt in den Status eines Proselyten, als Neuschöpfung des entsprechenden Menschen charakterisieren. Als einen von mehreren Belegen nennt er hier die Darstellung in HldR228 I 3 §3229 (‫)פרשה א ׃ כב‬: .230‫יקמו‬ ֽ ‫יצרוֹ וֽ ִר‬ ָ ִ‫ְבּ ִריָ ה ַא ַחת ְלתוְֹך ַכּנְ ֵפי ַה ְשּׁ ִכינָ ה ַמ ֲע ִלין ָע ָליו ְכּ ִאלּוּ הוּא ְבּ ָראוֹ ו‬ Zwischen diesen in der rabbinischen Literatur belegten Ausführungen zur – auf die Problematik des Proselytismus, d.h. auf das Phänomen des Übertritts eines Heiden zum Judentum bezogenen – Thematik der Wiedergeburt bzw. der Neuschöpfung und derjenigen Konzeption der Wiedergeburt, so wie sie in 1Petr sichtbar wird, lässt sich nun allerdings folgender fundamentaler Unterschied ausmachen: Während innerhalb der rabbinischen Literatur die sich aus dem Proselytenstatus ergebenden Veränderungen nach rückwärts, also im Blick auf die nunmehrigen Veränderungen gegenüber der Vergangenheit, definiert werden, bieten die Ausführungen in 1Petr 1,3–5 eine Definition des sich aus der Wiedergeburt ergebenden nunmehrigen soteriologischen Status des 225. E. Sjöberg, Wiedergeburt, 47; Sjöberg verweist in diesem Zusammenhang auf bJeb 48b. 226. E. Sjöberg, Wiedergeburt, 48; dieser Zusammenhang findet sich nach Sjöberg dargestellt in mehreren Passagen der Mischna und des babylonischen Talmud (vgl. hierzu 47f. mit den entsprechenden Anmerkungen). Mit Blick etwa auf bBQ 88a und bJeb 62a formuliert Sjöberg: „Ein Proselyt hat kein Geschlechtsregister aufwärts – obgleich er als Heide ein solches hatte –, sondern nur vorwärts“ (48). 227. E. Sjöberg, Wiedergeburt, 48. 228. Nach G. Stemberger, Einleitung, 309f. ist CantR bzw. HldR in die Mitte des 6. nachchristlichen Jahrhunderts zu datieren. Auch wenn unstrittig ist, dass diese Schrift viel älteres Material verarbeitet, muss doch in Frage gestellt werden, ob sie selbst und die in ihr verarbeiteten Traditionen einem zwischen 80 und 120 n.Chr. zu datierenden (vgl. hierzu o. 21) christlichen Brief als traditionsgeschichtliches Reservoir gedient haben können. 229. Als weitere Belege nennt E. Sjöberg etwa GenR 39 Theod. 378f. (vgl. Wiedergeburt, 53f.) und HldR VIII 5; mit Blick auf die Ausführungen in letzterer Passage führt Sjöberg aus, dass der Gedanke der Neuschöpfung bzw. eines neuen Geschöpfes innerhalb der rabbinischen Literatur nicht nur in religiösen, sondern auch in alltäglichen Zusammenhängen entwickelt werden könne: So seien etwa diejenigen, die aus einer Notsituation errettet worden wären, „so zu sagen aufs neue geboren und aufs neue geschaffen worden. Ihr Leben war preisgegeben, aber sie bekamen ein neues Leben“ (55). Dieser Sachverhalt könne „sowohl mit dem Bilde einer neuen Geburt als mit dem einer neuen Schöpfung ausgedrückt werden. Beide Bilder werden in demselben Sinne gebraucht“ (55). 230. Text nach S. Dunsqi, Shir Hashirim (Song of Songs), 67; „Wer einen Menschen unter die Fittiche der Schekina bringt, dem rechnet man es an, als wenn er ihn geschaffen und geformt und gestaltet hätte“; Übersetzung nach E. Sjöberg, Wiedergeburt, 54.

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Wiedergeborenen nach vorwärts, somit also im Blick auf die Gegenwart bzw. auf die Zukunft231. Darüber hinaus wird erkennbar, dass diesen Ausführungen aus der rabbinischen Literatur jegliche spatiale Perspektive, die für die Konzeption von Wiedergeburt, so wie sie im 1Petr sichtbar wird232, grundlegend ist, fehlt. Die in der rabbinischen Literatur proklamierte Neuschöpfung kann – in einem zunächst primär nicht-religiösen Kontext – auch als von Gott vorgenommene Errettung aus Gefahr vorgestellt werden, wie etwa eine Auslegung von Ps 102,18f.233 in LevR234 XXX 3 zu Lev 23,40 belegt: ‫ זֶ ה‬,‫ת ְלדוֹר ַא ֲחרוֹן‬A‫ִתּ ָכּ ֶתב ז‬ ‫ ֶשׁ ְבּ ָר ָאן ַה ָקּדוֹשׁ‬,‫ וְ ַעם נִ ְב ָרא יְ ַה ֶלּל יהּ‬,‫מיתה‬ ָ ‫ ֶשׁ ָהיָ ה נָ טוּי ְל‬,‫דּוֹרוֹ ֶשׁל ִחזֽ ִקיָּ הוּ‬ ‫ זֶ ה דּוֹרוֹ ֶשׁל‬,‫ת ְלדוֹר ַא ֲחרוֹן‬A‫ ִתּ ָכּ ֶתב ז‬,‫ ָדּ ָבר ַא ֵחר‬,‫ָבּרוְּך הוּא ְבּ ִריָּ ה ֲח ָד ָשׁה‬ ָ ‫ָמ ְר ְדּ ַכי ֶש ָהיוּ נְ טוּיִ ין ְל‬ ‫ ָדּ ָבר‬.‫ ֶשׁ ְבּ ָר ָאן ְב ִריָּ ה ֲח ָד ָשׁה‬,‫ וְ ַעם נִ ְב ָרא יְ ַה ֶלּל יהּ‬,‫מיתה‬ ‫ וְ ַעם‬,‫מיתה‬ ָ ‫ ֵאלּוּ דּוֹרוֹת ַה ָלּלוּ ֶשׁ ֵהם נְ טוּיִ ין ְל‬,‫ת ְלדוֹר ַא ֲחרוֹן‬A‫ ִתּ ָכּ ֶתב ז‬,‫ַא ֵחר‬ ָ ‫ ֶשׁ ֵה ָקּדוֹשׁ ָבּרוְּך הוּא ָע ִתיד ִל ְבראוֹת‬,‫נִ ְב ָרא יְ ַה ֶלּל יהּ‬ .235‫אוֹתן ְבּ ִריָּ ה ֲח ָד ָשׁה‬ Die letzte dieser drei hier vorgelegten Deutungen scheint neben dem kultischen insbesondere auch einen eschatologischen Aspekt zu inhärieren: Das in der Gegenwart lebende und augenscheinlich dem Tode nahe, sich somit aktuell in erheblicher Gefahr befindende Volk wird von Jahwe in der Zukunft zu einem ‚neuen Geschöpf‘, d.h. zu einem neuen Volk erschaffen werden236. Allerdings darf in keinem Falle übersehen werden, dass der Fokus auch der eschatologisch akzentuierten letzten der hier gebotenen rabbinischen Interpretationen von Ps 102,19a – wiederum und analog zu den Aussagen zur Wiedergeburt bzw. zur Neuschöpfung im Zusammenhang mit dem Proselytentum – nicht auf dem Verhältnis zwischen der Neuschöpfung und der heilvollen Zukunft der 231. Zu 1Petr 1,3–5 vgl. ausführlich u. 88–91. 232. Vgl. hierzu ausführlich u. 89. 233. Ps 102,18f.MT liest folgenden Text: ‫ת־תּ ִפ ָלּ ָ ֽתם׃‬ ְ ‫א־ב ָ֗זה ֶא‬ ָ֜ ֹ ‫ל־תּ ִפ ַלּ֣ת ָה ַע ְר ָ ֑ער וְ ֽל‬ ְ ‫( ָ ֭פּנָ ה ֶא‬18) .‫ל־יֽהּ‬ ָ ‫( ִתּ ָכּ ֶ֣תב ז ֹ֭את ְל ֣דוֹר ַא ֲח ֑רוֹן וְ ַ ֥עם ִ֜נ ְב ָ ֗רא יְ ַה ֶלּ‬19) Dieser Text wird dann in LevR XXX 3 zu Lev 23,40 ausgelegt. 234. Nach G. Stemberger, Einleitung, 286f. erhielt LevR seine Endgestalt zwischen 400 und 500 n.Chr. Selbst wenn zugestanden wird, dass das verarbeitete Material deutlich älter sein kann, ist dennoch grundsätzlich in Frage zu stellen, inwieweit das in diesem Werk Ausgeführte für den 1Petr überhaupt noch traditionsgeschichtlich maßgebend gewesen sein kann. Dieser Gedanke wird in den Darlegungen Sjöbergs deutlich zu wenig berücksichtigt. 235. Text nach M. Margulies, Wayyikra Rabbah III.IV, 698f.; „‚Dies soll für ein kommendes Geschlecht aufgeschrieben werden‘: Das ist das Geschlecht Hiskias, das dem Tode nahe war [durch den Angriff Sanheribs]. ‚Und ein Volk, das geschaffen wird, soll Jah preisen‘: Denn der Heilige, gepr. s. E., schuf sie zu einem neuen Geschöpf …. Eine andere Deutung: ‚Dies soll für ein kommendes Geschlecht aufgeschrieben werden‘: Das ist Mordokais Geschlecht, das dem Tode nahe war. ‚Und ein Volk, das geschaffen wird, soll Jah preisen‘: Denn er schuf sie zu einem neuen Geschöpf. Eine andere Deutung: ‚Dies soll für ein kommendes Geschlecht aufgeschrieben werden‘: Das sind die gegenwärtigen Geschlechter, die dem Tode nahe sind. ‚Und ein Volk, das geschaffen wird, soll Jah preisen‘: Denn der Heilige, gepr. s. E., soll sie in der Zukunft zu einem neuen Geschöpf schaffen“; Übersetzung nach E. Sjöberg, Wiedergeburt, 56. 236. Vgl. hierzu E. Sjöberg, Wiedergeburt, 56.

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solchermaßen neu Geschaffenen, sondern auf demjenigen zwischen der Neuschöpfung und der unheilvollen Vergangenheit derselben liegt, ein Blickwinkel, der sich in 1Petr 1,3–5237 eben gerade nicht nachweisen lässt238. Darüber hinaus wird auch der hier beschriebenen Neuschöpfung, anders als der Wiedergeburt in 1Petr 1,3–5239, keinerlei spatiale Dimension beigelegt. Neben den neu zum Judentum übergetretenen Proselyten konnten innerhalb der rabbinischen Literatur E. Sjöberg zufolge nun aber auch „die Israeliten mit neugeborenen Kindern verglichen werden“240, etwa bezogen die ‚historische‘ Situation der Stiftung des Bundes Gottes mit dem Volk am Berg Sinai – hier verweist E. Sjöberg u.a. auf HldR zu Hld 8,2 (VIII 2 §1)241; in gleicher Weise konnten die Israeliten auch in explizit primärreligiösen Kontexten als neue 237. Vgl. zu 1Petr 1,3–5 u. 88–91. 238. Diese Kritik trifft nicht zu auf die Ausführungen in PesR 31 (Friedmann 146b). Hier werden der kommende – und zugleich leidende – Messias als jemand, der von Jahwe als ein neues Geschöpf geschaffen wird, ein Status, in dem er dann nicht mehr wird leiden müssen, und zugleich dessen neue Schöfpung als ein eschatologisches Ereignis beschrieben (vgl. hierzu E. Sjöberg, Wiedergeburt, 57): ‫אמרו‬ ‫רבותינו אין סוף לומר מה ייסורים מתייסר בכל דור ודור לפי עונות הדור‬ ‫אמרהקדוש ברוך הוא )באותו( ]באותה[ השעה אני בורא אותו חדשה‬ .‫ואינו )מתײרא( ]מתײסר[ עוד‬ (Text nach M. Friedmann, Pesikta Rabbati, 146b; „Unsere Rabbinen sagen: Es ist unmöglich, alle Leiden aufzuzählen, die er [Messias] in jedem Geschlecht wegen der Sünden des Geschlechts ausstehen muss. Der Heilige, gepr. s.E., sagte: In jener Stunde schaffe ich ihn zu einem neuen Geschöpf … und er soll nicht mehr geplagt werden“; Übersetzung nach E. Sjöberg, Wiedergeburt, 57; Sjöberg macht selbst darauf aufmerksam, dass der Text von PesR an dieser Stelle das Wort ‫ בריה‬gerade nicht bietet). Unabhängig von der Frage nach der Entstehungszeit von PesR – G. Stemberger zeichnet die in der Forschungsgeschichte entwickelten Thesen zur der augenscheinlich noch gänzlich ungesicherten Datierung der Redaktion dieses Werkes nach; keine dieser Thesen aber öffnet den Raum für die Annahme, dass die hier diskutierten, in PesR 31 vorliegenden Ausführungen bereits zur Zeit der Abfassung von 1Petr (vgl. hierzu o. 21) vorgelegen hätten (vgl. Einleitung, 292–297) – ist zu beachten, dass die hier in PesR 31 explizierte Konsequenz der Neuschöpfung des Messias, via negativa formuliert, lediglich auf das Ende des bestehenden, offensichtlich notvollen Zustandes, nicht jedoch, wie der Verfasser des 1Petr in 1Petr 1,3–5 (vgl. hierzu u. 88–91), in positiver Weise auf die mit der Neuschöpfung einhergehenden etwaigen heilvollen Neuerungen abhebt. Diese Überlegung lässt es unwahrscheinlich erscheinen, dass solche Traditionen wie etwa die hier in PesR 31 aufweisbare – trotz ihrer eschatologischen Akzentuierung – dem Verfasser des 1Petr als traditionsgeschichtliches Reservoir für die Entwicklung seiner Konzeption von Wiedergeburt gedient haben könnten, zumal auch der Begriff der Wiedergeburt in dieser Tradition nicht belegt ist. 239. Vgl. hierzu u. 89. 240. Wiedergeburt, 51. 241. Hld 8,2MT bietet folgenden Text: .‫ל־בּית ִא ִ ֖מּי ְתּ ַל ְמּ ֵ ֑דנִ י ַא ְשׁ ְק ָ֙ך ִמ ַיּ֣ יִ ן ָה ֶ ֔ר ַקח ֵמ ֲע ִ ֖סיס ִרמּ ִֹנֽי‬ ֥ ֵ ‫יאָך֛ ֶא‬ ֲ ‫( ֶאנְ ָ ֽהגֲ ָ֗ך ֲא ִ ֽב‬2) In HldR wird dieser Text nun folgendermaßen ausgelegt: .‫ זֶ ה ִסינַ י‬,‫יאָך ֶאל ֵבּית ִא ִמּי‬ ֲ ‫ ֲא ִב‬.‫ ֶאנְ ָהגְ ָך ֵמ ָה ֶע ְליוֹנִ ים ַל ַתּ ְחתּוֹנִ ים‬,‫יאָך‬ ֲ ‫ֶאנְ ָהגְ ָך ֲא ִב‬ ‫ ֶשׁ ִמּ ָשּׁם נַ ֲעשׂוּ יִ ְשׂ ָר ֵאל ְכּ ִתינוֹק‬,‫קוֹר ִאין ְל ִסינַ י ֵבּית ִא ִמּי‬ ְ ‫ ָל ָמּה‬,‫ָא ַמר ַרבּי ֶבּ ֶר ְכיָ ה‬ ַ ‫ ִמ ְצווֹת‬,‫ ְתּ ַל ְמּ ֵדנִ י‬.‫ֶבּן יוֹמוֹ‬ ‫ ֵאלּוּ ִמ ְשׁנָ יוֹת‬,‫ ַא ְשׁ ְקָך ִמיַּ יִ ן ָה ֶר ַקח‬.‫טוֹבים‬ ִ ‫וּמ ֲעשׂים‬ ‫הוֹשׁ ְעיָ א וְ ֶשׁל ַבּר‬ ַ ‫וּמ ְשׁנָ תוֹ ֶשׁל ַרבּי‬ ִ ,‫ ְכּגוֹן ִמ ְשׁנָ תוֹ ֶשׁל ַרבּי ִחיָּ א ַר ָבּה‬,‫גְּ דוֹלוֹת‬ ִ ‫ַק ָפּ ָרא‬ .‫ ֵאלּוּ ַה ַהגָּ דוֹת ֶשׁ ַטּ ֲע ָמן ְכּ ִרמוֹן‬,‫ ֵמ ֲע ִסיס ִרמ ּנִ י‬.‫וּמ ְשׁנַ ת ַרבּי ֲע ִק ָיבא‬

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Geschöpfe definiert werden, etwa im Zusammenhang mit der am Neujahrstag oder auch am Großen Versöhnungstag ausgesprochenen und auch kultisch vollzogenen Vergebung der Sünden – hier bezieht sich E. Sjöberg etwa auf jRhSch IV 8 (21a; Krotoschin 59c.60) oder auf Pes 155b und LevR XXIX 12242. Wiedergegeben sei hier der Text aus dem Jerusalemer Talmud: ‫ר׳ לעזר בי ר׳ יוסה בשם ר׳ יוסי בר קצרתא בכל‬ ‫הקרבנות בתיב והקרבתם וכאן כתיב ועשיתם אמר להן הקב״ה מכיון‬ ‫שנכנסתם לדין לפני בראש השנה ויצאתם בשלום מעלה אני עליכם כאילו‬ .243‫נבראתם בריה חדשה‬ Auch in diesem Text wird, wie in den bisher diskutierten Belegen, der Gedanke der Neuschöpfung einerseits wenn überhaupt, so nur im Blick auf seine Relation zur Vergangenheit, nicht jedoch, wie in 1Petr 1,3–5244, im Blick auf die vollständige Realisierung bzw. die Vollendung derselben in der Zukunft245, andererseits ohne jegliche spatiale Dimension246 entwickelt. Dass „man ohne jede Verbindung mit dem Neujahr und dem Versöhnungstag durch die Vergebung zu einem neuen Geschöpf gemacht werden kann“247, belegen Ausführungen in § 6 des Midrasch zu Ps 18, die sich freilich aufgrund der o. bereits genannten Differenzen kaum als traditionsgeschichtliches Reservoir für die im 1Petr sichtbare Konzeption der Wiedergeburt eignen: Text nach S. Dunsqi, Shir ha-Shirim, 198,;„‚Ich würde dich führen‘: Ich [Israel] würde dich [Gott] von der oberen Welt in die untere führen [Gott würde vom Himmel herunterkommen]. ‚Ich würde dich in das Haus meiner Mutter bringen‘: das ist Sinai. R. Berechja … sagte: Warum wird Sinai ‚das Haus meiner Mutter‘ genannt? Weil die Israeliten dort einem neugeborenen Kinde gleich gemacht wurden. ‚Du würdest mich belehren‘: Gebote und gute Werke. ‚Würzwein würde ich dir zu trinken geben‘: das sind die grossen Mischna-Sammlungen, wie die Mischna des R. Chijja b. Abba, die Mischna des R. Hoschaja und die Mischna Bar Qapparas und R. Aqibas. ‚Saft von meinem Granatapfel‘: das sind die haggadischen Auslegungen, denn ihr Saft ist [lieblich] wie ein Granatapfel“; Übersetzung nach E. Sjöberg, Wiedergeburt, 51f. 242. Vgl. zu diesen und weiteren rabbinischen Texten, in denen Sjöberg diesen Sachverhalt expliziert findet, Wiedergeburt, 57f. 243. „R. Elazar b. R. Jose … im Namen des R. Jose b. Qesarta …: Von allen Opfern ist geschrieben: ‚Ihr sollt bringen‘ …, hier [Num. 29,2 mit Bezug auf das Neujahrsopfer] aber ist geschrieben: ‚Ihr sollt machen …?! Der Heilige, gepr. s. E., sagte zu ihnen: Sobald ihr auf den Neujahrstag vor mir zum Gericht versammelt seid und [am Versöhnungstag] in Frieden ausgeht, sehe ich euch so an, als ob ihr zu einem neuen Geschöpf geschaffen seid‘“; Übersetzung nach R. Sjöberg, Wiedergeburt, 57. Sjöberg stellt zugleich fest, dass „der Bildcharakter [der hier diskutierten Ausführungen] … sehr deutlich ist“ (57). 244. Vgl. zu 1Petr 1,3–5 u. 88–91. 245. Vgl. hierzu auch E. Sjöberg, Wiedergeburt, 57: „Wenn Gott die Sünden des Volkes vergeben hat, ist es in eine neue Lebenssituation gekommen und von der alten Lage ganz gelöst. Dann sieht es Gott so an, als ob es zu einem neuen Geschöpf geschaffen wäre“. 246. Vgl. hierzu u. 89. 247. E. Sjöberg, Wiedergeburt, 59; darüber hinaus formuliert er: „Die Umkehrenden werden von Gott zu einem neuen Geschöpf geschaffen, indem ihre Sünden vergeben werden, so dass sie ein neues Leben anfangen können, ohne von den bisherigen Sünden belastet zu sein. … Die Neuschöpfung besteht eben darin, dass der Mensch aufs neue von derselben Lage aus, in der er sich vor seinen sündigen Taten befand, mit denselben Voraussetzungen anfangen darf“ (59f.).

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‫אמר רבי סימון לא כל מי שהוא אומר‬ ‫ אלא כל מי שנעשה לו נס ואומר שירה בידוע שמוחלין לו‬.‫שירה אומר‬ .248‫כל עונותיו בריה חדשה‬ Dies gilt in gleicher Weise auch für solche Belege wie etwa TanchB 249‫נב‬, in denen „die Neuschöpfung mit der Endzeit in Verbindung gesetzt wird“250. Die hier diskutierten rabbinischen Texte und die jenen zugrunde liegenden Traditionen vermögen in ihrer Gesamtheit, wenn überhaupt, lediglich als traditionsgeschichtliches Reservoir für den – etwa in Jak 1,18 sichtbar werdenden251 – Gedanken der neuen Geburt zu fungieren, nicht jedoch für eine Konzeption von Wiedergeburt, so wie sie etwa in 1Petr 1,3.23 transportiert wird, da sie, ob nun eschatologisch oder kultisch konnotiert, einerseits das Momentum der zukünftigen Vollendung einer solchen Wiedergeburt bzw. Neuschöpfung nicht explizieren, andererseits – und damit durchaus zusammenhängend – die einer solchen Wiedergeburt bzw. Neuschöpfung inhärente spatiale Dimension nicht erkennen lassen. Eine der ‚petrinischen‘ inhaltlich vergleichbare Kontextualisierung des Verbs ἀναγεννάω κτλ. lässt sich nun allerdings in solchen Texten nachweisen, die Phänomene der Mysterienreligionen bzw. der Mysterienreligiosität beschreiben252. Der Annahme, dass der Verfasser des 1Petr die von ihm in seiner Epistel angedeutete Konzeption der Wiedergeburt aus solchen Texten oder den von ihnen repräsentierten und somit älteren Traditionen hergeleitet habe, stehen allerdings jenseits möglicher sprachlicher Probleme – das Verb ἀναγεννάω etwa ist in den mysterienreligiösen Texten nicht belegt – folgende Argumente entgegen: (a) Die Texte selbst sind, auch wenn sie ältere Traditionen und Vorstellungen transportieren mögen, sämtlich deutlich später verfasst als der 1Petr253, können also kaum als unmittelbare Quelle für seine Konzeption von Wiedergeburt in Frage kommen. 248. Text nach S. Buber, Midrash Tehillim, 137; „R. Simon … hat gesagt: Nicht jeder, der ein Lied sagen will, sagt es [darf es sagen]; vielmehr, von jedem, dem ein Wunder geschah und der [dafür] ein Lied sagte, ist gewiss, dass man ihm seine Sünden vergeben hat und er wie zu einem neuen Geschöpf gemacht worden ist“; Übersetzung nach E. Sjöberg, Wiedergeburt, 59. 249. Vgl. zu diesem Beleg E. Sjöberg, Wiedergeburt, 60, zu weiteren Belegen für mögliche Bedeutungsgehalte des Syntagmas ‫ בריה חדשה‬innerhalb der rabbinischen Literatur vgl. 60–62, zur Interpretation desselben vgl. 62–70. 250. E. Sjöberg, Wiedergeburt, 60. 251. Vgl. hierzu u. 93f. 252. Vgl. zu diesen Texten etwa K.H. Schelkle, 1Petr, 29–31; Schelkle stellt fest: „Die angeführten Texte … sprechen von einer neuen Geburt, die sich im Eintritt in die Mysterien vollzieht“. 253. Vgl. hierzu K.H. Schelkle, 1Petr, 30: „Die angeführten Texte sind nachchristlich“ (30); er räumt aber auch ein: „Es ist möglich und wahrscheinlich, daß sich ältere Vorstellungen erhalten haben, die in Gleichzeitigkeit mit dem NT zurückreichen können“ (30). Ähnlich auch L. Goppelt, 1Petr, 93, A. 16: „Die Aussagen über eine Wiedergeburt in den Mysterien sind sämtlich erheblich später als das NT, dürften jedoch bereits für die n[eu]t[estamentliche] Zeit gelten“; darüber hinaus weist Goppelt darauf hin, dass das Verbum ἀναγεννάω „in den nichtchristlichen Quellen nur bei Sallust, De Deis 4 (4. Jh. n.Chr.)“ (93, A. 16) begegnet, ein Sachverhalt, der über das Alter der diesen Ausführungen zugrundeliegenen Traditionen natürlich nur sehr wenig aussagt.

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(b) Die Darstellung und Argumentation des 1Petr unterscheiden sich in ihrer Gesamtheit von denjenigen solcher Texte, die auf Mysterienreligionen oder Mysterienreligiosität rekurrieren oder solche abbilden, solchermaßen, dass die Annahme, jener hätte sich ausgerechnet im Rahmen seiner Kreation einer Konzeption von Wiedergeburt der Inhalte bzw. der Traditionen derselben bedient, außerordentlich unwahrscheinlich ist254. Aus alledem folgt: Die These, dass der Verfasser des 1Petr sich, als er seine auf dem Verb ἀναγεννάω basierende Konzeption von Wiedergeburt formulierte, auf andere als auf ältere christliche Traditionen bezogen und andere als ältere christliche, also etwa frühjüdische oder hellenistische Traditionen aufgenommen hätte, lässt sich sowohl aus sprachlichen als auch aus inhaltlichen Gründen nicht plausibilisieren255.

Innerhalb der Darlegungen 1Petr 1,3–5256 werden dann einzelne Aspekte der 1Petr inhärenten Konzeption von Wiedergeburt angesprochen. Zunächst wird jene in 1Petr 1,3 als ein Geschehen definiert, dessen Realisierung sich letztlich dem πολὺ ἔλεος θεοῦ verdankt257, das in der Vergangenheit bereits von Gott selbst vermittelst der Auferstehung Jesu Christi von den Toten (δι᾽ ἀναστάσεως Ἰησοῦ Χριστοῦ ἐκ νεκρῶν)258 verwirklicht worden ist und die solchermaßen wiedergeborenen Christen zu einer ἐλπὶς ζῶσα hat werden lassen, zu Menschen also, denen eine ebensolche ἐλπὶς259 ζῶσα260 innewohnt (1Petr 1,3b). Zugleich vermittelt die Wiedergeburt den Wiedergeborenen die Anwartschaft auf ein im Himmel für sie aufbewahrtes, in besonderer Weise qualifizieres Erbe, die κληρονομία ἄφθαρτος καὶ ἀμίαντος 254. Vgl. hierzu K.H. Schelkle, 1Petr, 31: „Den Mysterien steht er [d.h. der Verfasser des 1Petr] so ferne, daß er das Wort [d.h. das Verb ἀναγεννάω] nicht unmittelbar und absichtlich von dort entlehnt hat“. 255. Vgl. hierzu K.H. Schelkle, 1Petr, 31: „Woher das Wort ἀναγεννάω auch stammen mag, er [d.h. der Verfasser des 1Petr] interpretiert es aus der n[eu]t[estament]l[ichen] Überlieferung“. 256. Zur Abgrenzung von 1Petr 1,3–5 als eines ersten Segments des prooemium des 1Petr vgl. etwa P.J. Achtemeier, 1Petr, 90–92; zu diesem Text als einem liturgisch formulierten Lob vgl. etwa V.P. Furnish, Elect Sojourners, 6. 257. Vgl. hierzu M. Vahrenhorst, 1Petr, 71: „Gottes liebevolle, umsichtige und nachsichtige Treue … gibt allem die Richtung. Sie ist gleichsam das Gleis, auf dem sich alles bewegt, was der Verfasser des 1Petr im Folgenden zu sagen hat“; ähnlich hier auch L. Goppelt, 1Petr, 95: „nach allem ist die neue Existenz des Menschen, die allein Zukunft hat, nicht von ihm selbst zu verwirklichen. Sie ist vielmehr ‚der großen Barmherzigkeit Gottes‘ … zu danken“. 258. Vgl. hierzu L. Goppelt, 1Petr, 95: „Wiedergeburt wie Hoffnung ist begründet und bewirkt ‚durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten‘“. 259. L. Goppelt, 1Petr, 94 möchte die Begriffe ἐλπίς, κληρονομία und σωτηρία wechselseitig interpretieren: „Ἐλπίς ist hier nicht das Hoffen, sondern das Erhoffte, die verbürgte, heile Zukunft. Denn in V. 4f. stehen parallel κληρονομία, ‚Erbe‘, und σωτηρία, ‚Heil‘“. Vgl. hierzu auch K.H. Schelkle, 1Petr, 31: „Was die Hoffnung ist und was sie enthält, wird aufs neue gesagt mit dem Wort Erbe“. 260. L. Goppelt, 1Petr, 94 schlägt vor, das Partizip ζῶσα im Sinne von ‚nicht trügend‘ bzw. ‚gültig‘ zu verstehen.

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καὶ ἀμάραντος τετηρημένη ἐν οὐρανοῖς εἰς ὑμᾶς261 (1Petr 1,4), auf die σωτηρία ἑτοίμη, die am Ende der Zeit offenbar werden wird (1Petr 1,5b)262. Werden diese konzeptionellen Darlegungen nun mit den Überlegungen zur Semantik des Verbs ἀναγεννάω verknüpft, so ergibt sich im Blick auf die inhaltliche Ausgestaltung der im 1Petr vorliegenden Konzeption von Wiedergeburt folgendes Gesamtbild: Der Verfasser dieser Epistel scheint jener jenseits ihrer Verankerung in der πολὺ θεοῦ ἔλεος und der ἀνάστασις Ἰησοῦ Χριστοῦ letzten Endes vier inhaltliche Aspekte bzw. Dimensionen zuschreiben zu wollen: Zunächst beinhaltet der ‚petrinische‘ Gedanke der Wiedergeburt einen repetitorischen Aspekt: Jene Wiedergeburt wird auf die embryonale Geburt bezogen und explizit als eine jener gegenüber zweite und erneute Geburt definiert. Zugleich eignet der ‚petrinischen‘ Konzeption von Wiedergeburt ein qualitatives Momentum: Ihre Wiedergeburt macht die Wiedergeborenen zu einer ἐλπὶς ζῶσα und zu Erben einer κληρονομία ἄφθαρτος καὶ ἀμίαντος καὶ ἀμάραντος bzw. einer σωτηρία ἑτοίμη, Eigenschaften, die jene von den Nicht-Wiedergeborenen qualitativ unterscheiden. Dieses der ‚petrinischen‘ Konzeption von Wiedergeburt eignende qualitative Momentum wird darüber hinaus expliziert durch die Wendung οὐκ ἐκ σπορᾶς φθαρτῆς ἀλλὰ ἀφθάρτου 1Petr 1,23aβ; hier wird durch eine mit der Präposition ἐκ eingeleitete Wendung der Quellgrund dieser Wiedergeburt definiert, nämlich die σπορὰ ἄφθαρτος. Drittens inhäriert die im 1Petr vorliegende Konzeption von Wiedergeburt eine spatiale Dimension: κληρονομία und auch σωτηρία als Zielperspektive der Wiedergeborenen sind gegenwärtig im Himmel als einer oberhalb der irdischen zu lokalisierende Sphäre der Wirklichkeit existent263. Viertens schließlich beinhaltet jene auch eine

261. Vgl. hierzu M. Vahrenhorst, 1Petr, 74: „Die Neuzeugung durch Gott zielt diesmal auf ein ‚unvergängliches, unbeflecktes und unverwelkliches Erbe, das im Himmel aufbewahrt wird für euch‘“; vgl. darüber hinaus auch R. Feldmeier, Wiedergeburt, 84f. zur näheren Charakterisierung der Qualität dieses Erbes: „Dieses Erbe wird zunächst durch drei Adjektive prädiziert, denen gemeinsam ist, dass sie negative Eigenschaften benennen, also in Entgegensetzung zur irdischen Wirklichkeit die Andersartigkeit, Überweltlichkeit des göttlichen ‚Erbes‘ betonen. … Das Besondere hier ist nun allerdings, dass diese Prädikate, welche die göttliche Sphäre gerade durch die Negation der irdisch-menschlichen Wirklichkeit definieren, hier zu soteriologischen Prädikaten werden, also die den Erwählten durch die göttliche Neuzeugung zugeeignete Teilhabe an der unzerstörbaren göttlichen Lebensfülle bezeichnen“. 262. Vgl. hierzu P.J. Achtemeier, 1Petr, 97: „This is the third of the three prepositional phrases … that describe the goal of the Christians‘ new existence granted by God through the resurrection of Christ“. 263. Vgl. hierzu R. Feldmeier, Wiedergeburt, 85: „…, so wird dies nun auch noch durch die räumliche Metaphorik unterstrichen: Dieses ‚Erbe‘ ist ‚in den Himmeln‘. Das heißt zunächst einmal: Es ist keine irdische Heimat wie für das jüdische Gottesvolk in der Zerstreuung, sondern eine jenseitige“.

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temporale Akzentuierung: κληρονομία und σωτηρία werden erst ἐν καιρῷ ἐσχάτῳ (1Petr 1,5b), am Ende der Zeit also, offenbar und somit greifbar264. Auffallen muss, dass der Verfasser des 1Petr seine inhaltlich solchermaßen zu umreißende Konzeption von Wiedergeburt augenscheinlich nicht mit dem Ereignis der Taufe in Zusammenhang bringt265. Zwar wird in der exegetischen Literatur ein solcher Zusammenhang immer wieder erwogen oder auch postuliert266; Textsignale, die eine solche Relation positiv indizierten, finden sich im 1Petr insgesamt aber gerade nicht267. Soll nicht angenommen werden, dass der Ritus der Taufe dem Verfasser des 1Petr bzw. der Leserschaft, die er vor Augen hat, zur Zeit der Abfassung seiner Epistel (noch) gänzlich unbekannt gewesen sind, so bleibt nur die Schlussfolgerung, dass jener Wiedergeburt und Taufe als zwei zumindest grundsätzlich voneinander zu unterscheidende Vorgänge definierte, deren Relation nurmehr als eine nachträglich und sekundär konstituierte beschrieben werden kann268. Diese Sicht der Dinge wird bestätigt durch die Beobachtung, dass der Verfasser des 1Petr in seiner Epistel etwa in 1Petr 3,21 durchaus auf die Taufe 264. Vgl. hierzu R. Feldmeier, Wiedergeburt, 84: „Als Kinder Gottes sind die Christen Erben. Die Metapher des Erbes unterstreicht den Aspekt der christlichen Existenz zwischen den Zeiten: Als „Erbe" ist das Heil noch zukünftig, aber als „Erben" haben die Wiedergeborenen Anspruch darauf“. Ähnlich hier auch U.U. Kaiser, Wiedergeburt, 305: „Jenes Leben, das die Adressierten schon jetzt durch die erneute Zeugung/Geburt durch Gott haben, ist Leben, das in begründeter Hoffnung auf seine Entfaltung und Fülle lebt“. 265. Vgl. hierzu auch P.J. Achtemeier, 1Petr, 94 unter Verweis auf J.N.D. Kelly: „Such an emphasis on begetting anew means this phrase has less reference to baptism than has often been asserted“; vgl. darüber hinaus 139 und die dort formulierten, in die gleiche Richtung zielenden Ausführungen zu 1Petr 1,23. In diese Richtung lassen sich auch Ausführungen von N. Brox, 1Petr, 60 verstehen: „Bei eventueller Ableitbarkeit dieser Passage als einer Einheit aus der Tradition bleibt es jedenfalls dabei, daß sie nur mit sehr schwachen Argumenten als Eröffnungstext einer Taufhomilie oder -liturgie … bestimmt werden kann; die Taufe ist ein Thema unter anderen, nicht das einzige“. Im Blick auf die Frage nach einem Bezug der Wiedergeburt auf die Taufe denkt hier ähnlich R. Feldmeier, 1Petr, 85. 266. Vgl. hierzu etwa N. Brox, 1Petr, 61: „Im Bild der ‚neuen Zeugung‘ … bzw. auch in dem der ‚Wiedergeburt‘ ist … wahrscheinlich die Taufe gemeint“; vgl. in diesem Sinne etwa auch M. Vahrenhorst, 1Petr, 162–164 im Rahmen seiner Ausführungen zu 1Petr 3,21 und K.-H. Ostmeyer, Taufe, 157. 267. An dieser Stelle ebenfalls außerorderntlich vorsichtig U.U. Kaiser, Wiedergeburt, 293–297, die aus ihrer entsprechenden Analyse folgert: „Ob und, wenn ja, welche tauftheologischen … Vorgaben die Lektüre des Ersten Petrusbriefes gegen Ende des 1. Jahrhunderts lenken konnten, ist … kaum sicher zu ermitteln. Für die … Analyse von 1Petr 1,3.23 ergibt sich daraus die Aufgabe, die Geburts-/Zeugungsmetaphorik in 1Petr 1,3.23 zuerst und vor allem im vorliegenden Textzusammenhang des Briefes zu erklären“. 268. Vgl. hierzu K.H. Schelkle, 1Petr, 28, der immerhin erwägt: „Wann geschah oder geschieht diese neue Geburt? 1Petr kann an die Taufe denken, in der die neue Geburt sich sakramental-konkret vollzieht, zumal ja der Brief oft auf die Taufe Bezug nimmt. Aber 1Petr könnte auch an die Neugeburt als Erlösung durch die Auferstehung Christi (1,3) und den Glauben allgemeinhin denken“.

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zu sprechen kommen kann, dies im Rahmen seiner Darstellung in 1Petr 1,3–5 aber gerade nicht tut. Sähe der Verfasser des 1Petr einen unmittelbaren inhaltlichen Konnex zwischen Wiedergeburt und Taufe, stünde zu erwarten, dass er eben denselben bereits in 1Petr 1,3–5 oder aber auch in 1Petr 3,21 explizit markiert hätte269. In 1Petr 3,21 definiert der Verfasser des 1Petr die Taufe in zweifacher Hinsicht; sie sei zu verstehen οὐ σαρκὸς ἀπόθεσις ῥύπου ἀλλὰ συνειδήσεως ἀγαθῆς ἐπερώτημα εἰς θεόν. Zunächst ist festzuhalten, dass auch an dieser Stelle die Taufe nicht mit der Konzeption der Wiedergeburt in Zusammenhang gebracht wird. Darüber hinaus wird die Taufe hier positiv definiert als die συνειδήσεως ἀγαθῆς ἐπερώτημα, als die Frage oder auch die Bitte um ein gutes Gewissen270. Bereits dieses Verständnis des Syntagmas συνειδήσεως ἀγαθῆς ἐπερώτημα, erst recht jedoch die von W. Schenk, gepaart mit dem Hinweis, dass der Terminus βάπτισμα hier nicht im Sinn von „Taufe“, sondern von „Verfolgungsleiden“ zu verstehen sei271, vorgeschlagene Deutung im Sinne eines Gelübdes oder eines Versprechens gegenüber Gott rücken die gesamte Darstellung in 1Petr 3,18–22 in einen ethischen Kontext, der mit der Konzeption der Wiedergeburt in einem nur sehr mittelbaren Zusammenhang steht.

Neben 1Petr 1,3.23 begegnen Hinweise auf Konzeptionen von Wiedergeburt im NT außerhalb der johanneischen Schriften u.a. in Tit 3,5 und in Jak 1,18272. Der sich offensichtlich in paulinischer Tradition sehende Verfasser des Tit bezeichnet in Tit 3,5 die Taufe als ein „Bad der Wiedergeburt“ (λουτρὸν παλιγγενεσίας) und, damit einhergehend, zugleich als „Erneuerung durch den heiligen Geist“ (ἀνακαίνωσις πνεύματος ἁγίου)273. Tit 3,7 269. Vgl. hierzu deutlich R. Feldmeier, Wiedergeburt, 79: „Es ist durchaus möglich, dass der IPetr bei seiner Rede von der Wiedergeburt an die Taufe denkt. Aber diese vor allem aus anderen Texten in den IPetr eingetragene Deutung darf nicht den Tatbestand verdecken, dass der IPetr selbst nirgends Wiedergeburt und Taufe aufeinander bezieht, obgleich beides von ihm thematisiert wird. Selbst wenn also diese Gleichsetzung berechtigt wäre, so bleibt doch zu beachten, dass der IPetr auch dann nicht primär die Taufe deuten möchte, sonst würde er sie vermutlich auch direkt nennen (wie in 3,21). Vielmehr steht bei der Metapher der Wiedergeburt im IPetr nicht das Sakrament der Taufe, sondern das erwählende und berufende und so die Glaubenden erneuernde Wort Gottes im Zentrum“. 270. Vgl. zu diesen beiden Übersetzungsmöglichkeiten des Begriffs ἐπερώτημα W. Bauer/ K. Aland/B. Aland, Wörterbuch, s.v. ἐπερώτημα, 578. 271. Vgl. hierzu Art. ἐπερώτημα, in: EWNT2 II, 53f.; vgl. zu diesem Vorschlag auch M. Vahrenhorst, 1Petr, 163, A. 498, der einer solchen Interpretation des ἐπερώτημα-Begriffs skeptisch gegenübersteht, weil eine solche erst ab dem 2. nachchristlichen Jahrhundert belegt sei. Da Vahrenhorst selbst aber im Blick auf die Datierung der Abfassung von 1Petr den Zeitraum von 80 – 120 n.Chr. für möglich hält (vgl. 1Petr, 50f.), verliert sein Hinweis deutlich an argumentativer Kraft. 272. Vgl. zu diesen beiden Belegen L. Goppelt, 1Petr, 92, darüber hinaus R. Feldmeier, 1Petr, 85. 273. Vgl. hierzu L. Oberlinner, Tit, 173: „Dieser sakramentale Akt wird zweifach umschrieben, wobei diese Umschreibungen gleichzeitig eine Deutung der Taufe geben“.

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zufolge seien die solchermaßen Wiedergeborenen und Erneuerten κατ᾽ ἐλπίδα κληρονόμοι ζωῆς αἰωνίου geworden, also solche, die in ihrer irdischen Existenz von der Hoffnung bzw. der Gewissheit auf die zukünftige Erlangung des Heils bestimmt sind. Wird die in Tit 3,5–7 erkennbare Konzeption von Wiedergeburt mit derjenigen, die im 1Petr vorliegt, verglichen, so zeigen sich zunächst deutliche Gemeinsamkeiten: Wie derjenigen in 1Petr so eignet auch der in Tit 3,5–7 skizzierten Konzeption von Wiedergeburt ein repetitorischer Aspekt; das Präfix παλιν- lässt die hier angesprochene γενεσία als eine gegenüber der embryonalen Zeugung zweite, wiederholte und neue Geburt erscheinen. Die Syntagmata ἀνακαίωσις πνεύματος ἁγίου (Tit 3,5) und κληρονόμοι ζωῆς αἰωνίου (Tit 3,7b) implizieren in gleicher Weise wie auch die Ausführungen in Tit 3,7a – ἵνα δικαιωθέντες τῇ ἐκείνου χάριτι – auch im Blick auf die deuteropaulinische Konzeption von Wiedergeburt ein qualitatives Momentum: Die Wiedergeborenen unterscheiden sich als Gerettete274 und Gerechtfertigte, als durch den Geist Erneuerte und als Erben der ζωὴ αἰώνιος qualitativ von denen, die nicht wiedergeboren sind. Auch die Ausführungen in Tit 3,5–7 inhärieren erkennbar eine temporale Komponente: Die wiedergeborenen Christen werden zwar dargestellt als κληρονόμοι ζωῆς αἰωνίου, als solche κληρονόμοι aber, die ihrer Erbschaft in der aktuellen Situation der Abfassung des Tit noch nicht realiter, sondern zunächst nur κατ᾽ ἐλπίδα teilhaftig sind. Im Unterschied zu der im 1Petr vorliegenden Konzeption von Wiedergeburt fehlen in Tit 3,5–7 allerdings Textsignale, die im Blick auf das an dieser Stelle explizierte Konzept eine spatiale Dimension erkennen ließen: Von einer von der irdischen zu unterscheidenden himmlischen Sphäre der Wirklichkeit, in der etwa die zu erwartende ζωὴ αἰώνιος aufbewahrt würde, ist in Tit 3,5–7 gerade nicht die Rede. Darüber hinaus verbindet der Verfasser des Tit, hier deutlich anders als derjenige des 1Petr, indem er das Syntagma λουτρὸν παλιγγενεσίας bildet und verwendet, den Vorgang der Wiedergeburt explizit mit der Taufe275. Zwar verwendet der Verfasser des Tit mit dem Terminus ἀνακαίνωσις einen Begriff, der, hier mit dem Verb ἀναγεννάω 1Petr 1,3.23 augenscheinlich durchaus vergleichbar, schon aufgrund des hier verwendeten Präfix ἀνα- das 274. Vgl. hierzu etwa L. Oberlinner, Tit, 172: „In diesem ἔσωσεν ἡμᾶς wird der eigentliche, der entscheidende heilsgeschichtliche Gegenpol zur Beschreibung der Vergangenheit … gegeben“. 275. Zum Verhältnis des 1Petr zu Tit vgl. auch P.J. Achtemeier, 1Petr, 93; zusammenfassend hält Achtemeier fest: „In sum, virtually all the similarities belong to the central core of Christian conviction and vocabulary, as do the key differences, indicating mutually independent formulations of Christian truth rather than mutual dependence on a common source“.

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semantische Momentum einer Erneuerung „von oben her“ oder „nach oben hin“ zu transportieren, also bereits in seiner Semantik eine spatiale Dimension zu inhärieren scheint. Da das entsprechende Simplex καίνωσις aber nur äußert selten und in der ur- und frühchristlichen Literatur gar nicht belegt ist276, wird das Substantiv ἀνακαίνωσις kaum mehr als ein die Semantik des entsprechenden Simplex bewusst erweiterndes und somit einen spatialen Akzent vermittelndes Compositum wahrgenommen worden sein.

In Jak 1,18 beschreibt der Autor dieser Epistel den – in der Vergangenheit liegenden – Akt des Christwerdens seiner Adressaten; dabei verwendet jener das – um das einen dativus instrumentalis transportierende und das christliche Evangelium bezeichnende277 Syntagma λόγῳ ἀληθείας ergänzte – Verb ἀποκυέω, das jedoch, wie Jak 1,15 zeigt, anders als das Verb ἀναγεννάω und das Substantiv παλιγγενεσία, den für diese beiden Begriffe charakteristischen repetitorischen Aspekt zumindest explicite gerade nicht transportiert278. Mag das Syntagma ἀπαρχή τις τῶν αὐτοῦ κτισμάτων Jak 1,18b durchaus ein die zuvor beschriebene Zeugung inhärierendes qualitatives Momentum zum Ausdruck bringen, so scheint die in Jak aufscheinende Konzeption von Wiedergeburt eine spatiale Konnotation nicht zu beinhalten279; auch eine temporale, in Sonderheit das zukünftige Ergehen betreffende Dimension lässt sich innerhalb der Ausführungen in Jak 1,18 nicht erkennen. Ebenso scheint in Jak 1,18, wie nun allerdings auch in 1Petr 1,3.23, ein Bezug zur Taufe nicht auszumachen zu sein. Aus diesen Erwägungen und auch denjenigen zu Tit 3,5 folgt: Die in Tit und Jak belegten Konzeptionen von Wiedergeburt unterscheiden sich inhaltlich deutlich von derjenigen Konzeption, die in 1Petr 1,3.23 aufscheint. Dieser Sachverhält lässt, zumal angesichts der deutlichen sprachlichen Differenzen, Bezüge zwischen letzterem und den beiden ersteren hoch unwahrscheinlich erscheinen. Die 276. H.J. Liddell/R. Scott/H.S. Jones, Lexicon, s.v. καίνωσις, 859 weisen für das Substantiv καίνωσις insgesamt nur zwei Belege nach, einerseits Josephus, ant. XIIX 230 (6, 10), andererseits Philo, de Josepho 27. 277. Vgl. hierzu o. 61, A. 131. 278. Vgl. hierzu auch W. Bauer/K. Aland/B. Aland, Wörterbuch, s.v. άποκυέω, 188; sie geben als deutsche Bedeutung lediglich „gebären“ an. 279. Anders hier H. Frankemölle, Jak I, 297; Frankemölle denkt den Jak 1,18a formulierten Gedanken der Neu- bzw. Wiedergeburt mit dem Jak 1,17a Formulierten – πᾶσα δόσις ἀγαθὴ καὶ πᾶν δώρημα τέλειον ἄνωθέν ἐστιν καταβαῖνον ἀπὸ τοῦ πατρὸς τῶν φώτων – zusammen und sieht demzufolge in Jak 1,18 die Aussage getätigt, „daß Gott ‚von oben‘ … ‚geboren hat‘“. Diesem Interpretationsansatz widerrät allerdings die Beobachtung, dass Jak 1,18 keinerlei Textsignale bietet, die das in Jak 1,18a entwickelte Faktum der Neu- bzw. Wiedergeburt als eine δόσις ἀγαθὴ oder aber als ein δώρημα τέλειον (Jak 1,17a) kenntlich machten. Darüber hinaus ist die in Jak 1,18 erwähnte Neu- bzw. Wiedergeburt offensichtlich weder unmittebar und explizit als eine Geburt ἄνωθεν noch als eine auf ein in der Sphäre der himmlischen Wirklichkeit und somit ‚oben‘ zu verortendes Ziel ausgerichtete charakterisiert.

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Konzeption der Wiedergeburt, die der Verfasser des 1Petr in seiner Epistel präsentiert, lässt sich kaum mit der deuteropaulinischen des Tit und derjenigen des Jak in Verbindung bringen. Innerhalb des Joh wird in Sonderheit in Joh 3280, im Rahmen des Gesprächs Jesu mit Nikodemus, eine Konzeption von Wiedergeburt erkennbar281. In Joh 3,3 teilt Jesus Nikodemus mit, dass die βασιλεία τοῦ θεοῦ nur derjenige sehen kann bzw. wird sehen können282, der von neuem geboren ist: ἀπεκρίθη Ἰησοῦς καὶ εἶπεν αὐτῷ· ἀμὴν ἀμὴν λέγω σοι, ἐὰν μή τις γεννηθῇ ἄνωθεν, οὐ δύναται ἰδεῖν τὴν βασιλείαν τοῦ θεοῦ, ein Hinweis, den Jesus in Joh 3,7 wiederholt: μὴ θαυμάσῃς ὅτι εἶπόν σοι· δεῖ ὑμᾶς γεννηθῆναι ἄνωθεν283. In beiden Fällen verwenden Jesus bzw. der oder die Verfasser des Joh284, um den Gedanken der Wiedergeburt auszudrücken, das Syntagma ἄνωθεν γεννηθῆναι bzw. ἄνωθεν γεννάω, das in der exegetischen Literatur häufig mit Wendungen wie etwa „von neuem zeugen“ oder „von neuem gebären“ wiedergegeben wird, ein Syntagma also, das den repetitorischen Charakter dieser neuen und zweiten Zeugung gegenüber der ersten und embryonalen Geburt herausarbeitet. Darüber hinaus ist nun aber beachtenswert,

280. Über Joh 3 hinaus verweist etwa O.D. Foster, First Epistle of Peter, 527 noch auf Joh 1,13 als einen Text innerhalb des Joh, der für die Thematik der Wiedergeburt von Relevanz ist: οἳ οὐκ ἐξ αἱμάτων οὐδὲ ἐκ θελήματος σαρκὸς οὐδὲ ἐκ θελήματος ἀνδρὸς ἀλλ᾽ ἐκ θεοῦ ἐγεννήθησαν. 281. Als weitere Parallele zu 1Peter 1,23 verweist O.D. Foster, First Epistle of Peter, 523 auf 1Joh 3,9: πᾶς ὁ γεγεννημένος ἐκ τοῦ θεοῦ ἁμαρτίαν οὐ ποιεῖ, ὅτι σπέρμα αὐτοῦ ἐν αὐτῷ μένει, καὶ οὐ δύναται ἁμαρτάνειν, ὅτι ἐκ τοῦ θεοῦ γεγέννηται. Foster führt dazu aus: „Obviously the expression ‚born of God‘ means the same as ‚born again‘ or from above (ἄνωθεν). Apparently I John elaborates the idea found in Peter“. 282. Zu dieser temporalen Akzentuierung des in Joh 3,3 Ausgeführten vgl. etwa R. Schnackenburg, Joh I, 380: „Jesus versteht das Anliegen des Nikodemus als die jeden Juden bewegende Frage: ‚Was muß ich tun, um Anteil an der kommenden Welt zu erlangen?‘“. 283. Zu Joh 3,7 als sachlicher Entsprechung zu 1Petr 1,23 vgl. O.D. Foster, First Epistle of Peter, 529. Wenn Fosters darüber hinausgehende – und durchaus anfechtbare – Ansicht zuträfe, dass 1Petr 3,21 als Parallele zu Joh 3,5f. aufzufassen sein (vgl. 529), ließe sich Joh 3,5–7 als literarische Aufnahme einer (proto-)johanneischen Tradition begreifen, auf die der Verfasser des 1Petr in seiner Epistel an zwei Stellen, nämlich in 1Petr 1,23 und 1Petr 3,21, zurückgegriffen habe. 284. Auf die zahlreichen und häufig sehr komplexen Thesen zur Entstehung des Joh kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden; vgl. hierzu nur die Ausführungen von U. Schnelle, Einleitung, 564–573 und diejenigen von P. Pokorný/U. Heckel, Einleitung, 550–555. In der Forschung scheint jedoch gegenwärtig mehr oder weniger unstrittig zu sein, dass das Joh ein Produkt der johanneischen Schule bzw. des johanneischen Kreises darstellt; vgl. zu dieser Schule U. Schnelle, Einleitung, 513–522, J. Zumstein, Kreative Erinnerung, 1–14 und P. Pokorný/U. Heckel, Einleitung, 576–585, nicht zuletzt auch D.-A. Koch, Geschichte, 318–326. Vgl. zur Definition des johanneischen Kreises auch J.-W. Taeger, Johannesapokalypse, 18: „Das JohEv und die Briefe sind Dokumente einer relativ selbständigen Gemeinde (eines Gemeindeverbandes)“.

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dass dieses Syntagma letzten Endes auch eine semantische Äquivokation transportiert, die W. Bauer und B. Aland im Rahmen ihrer Ausführungen zu der Partikel ἄνωθεν und deren Verwendung in Joh 3,3.7 folgendermaßen beschreiben: „Absichtl[ich] doppelsinnig ἄ[νωθεν] γεννηθῆναι ‚von oben her‘ gezeugt u[nd] so ‚wiederum‘ geboren werden“285. Damit aber wird zunächst erkennbar, daß der die ‚petrinische‘ Konzeption der Wiedergeburt tragende Begriff ἀναγεννάω und das für die entsprechende johanneische Konzeption zentrale Syntagma ἄνωθεν γεννηθῆναι bzw. ἄνωθεν γεννάω eine sehr ähnliche semantische Ausrichtung aufweisen286, die jedoch den Termini παλιγγενεσία (Tit 3,5) und άποκυέω (Jak 1,18), mit denen der Verfasser des Tit und derjenige des Jak ihre jeweiligen Konzeptionen von Wiedergeburt explizieren, gerade nicht zugeschrieben werden kann. Werden die Ausführungen von Joh 3,3.7 nun mit denjenigen in Joh 3,5 und auch mit Joh 1,3 verknüpft – in Joh 3,5 formuliert der johanneische Jesus: ἀμὴν ἀμὴν λέγω σοι, ἐὰν μή τις γεννηθῇ ἐξ ὕδατος καὶ πνεύματος, οὐ δύναται εἰσελθεῖν εἰς τὴν βασιλείαν τοῦ θεοῦ287, in Joh 1,3 wird auf die 285. Wörterbuch, s.v. ἄνωθεν, 153; explizit anders hier etwa R. Bultmann, Joh, 95, A. 2: „Auch ist die Bedeutung ‚von oben‘ nicht neben dem ‚von neuem‘ mitzudenken“. H. Thyen, Joh, 186f. spricht demgegenüber von einer „offensichtlich absichtsvollen Ambiguität des einen Lexems ἄνωθεν, das hier nämlich sowohl ‚von Neuem‘ als auch ‚von oben‘ bedeuten kann und soll“; vgl. hierzu auch ausführlich 187f. In diese Richtung denken auch etwa R. Schnackenburg, Joh I, 381f. und J. Zumstein, Joh, 138, der formuliert: „Offensichtlich macht sich der Erzähler diese Zweideutigkeit [des Adverbs ἄνωθεν] zunutze“. Vgl. hierzu neuestens auch U.U. Kaiser, Wiedergeburt, 253f., die – eher missverständlich – zunächst davon spricht, dass „das Adverb ἄνωθεν … im johanneischen Kontext eher räumlich zu verstehen“ (253) sei, dann aber feststellt, dass der Verfasser von Joh 3 „die Doppeldeutigkeit des Adverbs in Joh 3,3 durchaus bewusst eingesetzt“ (254) habe. 286. Vgl. hierzu bereits R.H. Gundry, Verba Christi, 338, der im Blick auf 1Petr 1,23 formuliert: „The only other New Testament passage in which γεννάω and a form of ἀνά are put together is John III, where the reference is likewise to conversion“. Diese Beobachtung Gundrys ist jedoch in der späteren Forschung kaum je wirklich aufgenommen worden. 287. In der exegetischen Forschung werden die Ausführungen in Joh 3,3 häufig als parallel zu denjenigen in Joh 3,5 aufgefasst; vgl. hierzu neuestens etwa J. Zumstein, Joh, 139: „Nach seiner [d.h. Jesu] Auslegung von ἄνωθεν (‚von neuem‘, ‚von oben‘) ist die ‚neue Geburt von oben‘ als eine Geburt ‚aus Wasser und Geist‘ (V.5: ἐξ ὕδατος καὶ πνεύματος) zu verstehen“, und R. Bultmann, Joh, 98: „…; und Jesu mit großer Betonung gegebene Antwort V.5 wiederholt noch einmal die Bedingung für die Teilnahme am Heil, jedoch mit einer Variation, die die Lösung des Rätsels andeutet: an Stelle des γεννηθῆναι ἄνωθεν tritt jetzt das γεννηθῆναι ἐκ πνεύματος“. H. Thyen, Joh, 188 differenziert die beiden Darstellungen und definiert das in Joh 3,5 Ausgeführte als „die Bedingung der Möglichkeit [einer] … neuen Geburt“, was bedeutet, dass das ἰδεῖν τὴν βασιλείαν τοῦ θεοῦ Joh 3,3 von dem εἰσελθεῖν εἰς τὴν βασιλείαν τοῦ θεοῦ Joh 3,5 inhaltlich zu unterscheiden sei. Die Ausführungen in Joh 3,4, die das Unverständnis des Nikodemus angesichts des Joh 3,3 Gesagten widerspiegeln, indizieren allerdings letzten Endes die Annahme einer – das Unverständnis mit einem neuen argumentativen Anlauf aufzulösen suchenden – sachlichen Parallelität der Ausführungen in Joh 3,3 zu denjenigen in Joh 3,5, auch wenn diejenigen in Joh 3,5 – schon aus internen

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Schöpfungsmittlerschaft des Logos abgehoben: πάντα δι᾽ αὐτοῦ ἐγένετο, καὶ χωρὶς αὐτοῦ ἐγένετο οὐδὲ ἕν. ὃ γέγονεν288 –, so werden folgende Eckpunkte der johanneischen Konzeption von Wiedergeburt erkennbar: Jene wird – ähnlich wie in 1Petr 1,23aβ im Rahmen einer mit der Präposition ἐκ eingeleiteten Wendung – beschrieben als eine durch die Mittlerschaft des λόγος289 sich realisierende290 Geburt aus Wasser und Geist, also augenscheinlich unmittelbar mit dem Ritus der Taufe verbunden291 und als die solchermaßen Getauften in ihrem Sein letztlich neu qualifizierende Gabe des Geistes definiert. Die Wiedergeburt ist darauf ausgerichtet, die offensichtlich erst in der Zukunft sich realisierende, gegenwärtig jedoch zunächst nur in der Sphäre der himmlischen Wirklichkeit Gestalt gewinnende292

gesprächs- und argumentationslogischen Gründen – semantisch und motivisch von denjenigen in Joh 3,3 differieren bzw. differieren müssen. 288. Vgl. zu diesem Vers J. Zumstein, Joh, 76: „Er [d.h. der Vers Joh 1,3] bringt die Beziehung des Logos zur Welt zum Ausdruck. Durch seine Vermittlung ist die Welt geworden und ist die Beziehung zwischen Gott und der Welt konstituiert“. 289. Die menschliche Unverfügbarkeit des in Joh 3 thematisierten ἄνωθεν γεννάω betont U.U. Kaiser, Wiedergeburt, 256: „Dass die Aussage Jesu dagegen gerade nicht auf ein Tun zielt, sondern eine Voraussetzung für das Sehen der βασιλεία beschreibt, die sich menschlichem Wollen und Können entzieht …, erschließt sich Nikodemus im Horizont seiner pharisäischen Gottesreichsvorstellung nicht“. 290. Nicht unterschlagen werden soll die Beobachtung, dass in Joh 1,3, ähnlich wie auch in 1Petr 1,3c.23b, um die umfassende Schöpfungs- bzw. die konkrete Wiedergeburts-Mittlerschaft zu explizieren, die Präpositon διά mit einem von derselben abhängigen Genitiv verwendet wird. Zu beachten ist allerdings, dass sich nach Joh 1,3 die Mittlerschaft des λόγος eben in umfassendem Sinne auf die gesamte Schöpfung bezieht, nach 1Petr 1,23b jedoch nur auf die Wiedergeburt der Christen. Dies mag möglicherweise damit zusammenhängen, dass der Verfasser des 1Petr in 1Petr 1,23b in Relation zum Prolog des Joh eine zeitlich früher als der Evangelienprolog kreierte und womöglich auch nach der Publikation desselben noch weitertradierte (proto-)johanneische Tradition reflektiert, die im Prolog des Evangeliums dann in einer systematisch weiterentwickelten und zugespitzten, den protologischen Gesichtspunkt der präexistenten Schöpfungsmittlerschaft inhärierenden Form begegnet (vgl. hierzu bereits ausführlich o. 69.72–74). 291. Die Verknüpfung des Gedankens der Wiedergeburt mit dem Ritus der Taufe hängt innerhalb der Ausführungen in Joh 3 freilich davon ab, ob die Worte ὕδατος καὶ eine spätere Glosse darstellen oder nicht. Zugunsten der Annahme, jene seien später hinzugefügt worden, vgl. in Sonderheit R. Bultmann, Joh, 98, A. 2; anders hier etwa R. Schnackenburg, Joh I, 383 und neuestens auch J. Zumstein, Joh, 139. Wenn die Worte sich einer späteren Hinzufügung verdanken sollten, bedeutete dies, dass eine (proto-)johanneische, von den aktuellen Ausführungen Joh 3,5 dann zu unterscheidende Tradition existierte, die, hier den Ausführungen in 1Petr 1,3.23 dann sehr ähnlich, das Ereignis der Wiedergeburt gerade nicht mit dem Ritus der Taufe, sondern nur mit dem Empfang des Geistes verknüpfte. Zu einem dieser letzten Erwägung durchaus nicht unähnlichen Ergebnis kommt, wenn auch auf einem ganz anderen Weg, auch U.U. Kaiser, Wiedergeburt, 262–266. 292. Vgl. hierzu etwa R. Schnackenburg, Joh I, 380: „…; nur dürfte hier ‚Reich Gottes‘ in joh[anneischer] Anschauungsweise eher als der obere, himmlische Bereich, in den der göttliche Gesandte führt …, vorgestellt sein.“

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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βασιλεία τοῦ θεοῦ zu sehen (Joh 3,3) bzw. in jene einzutreten293 (Joh 3,5)294. Ausgehend von dem Sachverhalt, dass der hebräische Begriff ‫ טיפה‬sowohl die Bedeutung von ‚Tropfen‘, somit von ‚Wasser‘, als aber auch diejenige von ‚Samen‘ tragen könne, erwägt C.K. Barrett, die Wendung ἐξ ὕδατος καὶ πνεύματος (Joh 3,5) – ohne jeglichen Bezug auf die Taufe – metaphorisch und auf eine geistige bzw. geistliche Geburt bezogen zu verstehen. In diesem Zusammenhang verweist Barrett unmittelbar auf 1Petr 1,23295. Sollten die von Barrett vorgeschlagenen Erwägungen zutreffen, bzw. präziser: Ließe sich annehmen, dass der Verfasser des 1Petr die Wendung ἐξ ὕδατος καὶ πνεύματος in diesem von Barrett skizzierten Sinne verstanden haben könnte, ließe sich die Wendung ἀναγεγεννημένοι οὐκ ἐκ σπορᾶς φθαρτῆς ἀλλὰ ἀφθάρτου 1Petr 1,23a durchaus als – freilich eigenständig formulierte und theologisch neu akzentuierte – Aufnahme der Wendung ἐξ ὕδατος καὶ πνεύματος aus Joh 3,5b verstehen296.

Eine tabellarische Gegenüberstellung der o. jeweils formulierten textanalytischen Ergebnisse lässt unmittelbar erkennen, dass die ‚petrinische‘ und die johanneische Konzeption der Wiedergeburt gegenüber denjenigen, die im Tit und im Jak sichtbar werden, an drei entscheidenden Punkten übereinstimmen297: Einerseits zeigen die zentralen und ihre jeweilige Konzeption tragenden Begriffe eine weitgehend deckungsgleiche semantische Äquivokation: Der Verfasser des 1Petr expliziert die Wiedergeburt selbst mit dem Compositum ἀναγεννάω, in Joh 3 wird das Syntagma ἄνωθεν γεννάω verwendet. Andererseits eignet beiden Konzeptionen neben der temporalen auch eine spatiale Dimension: Die Wiedergeburt findet ihre Vollendung jeweils in der Zukunft jeweils in der Sphäre der himmlischen Wirklichkeit. Schließlich – und dieser Aspekt ist von keinesfalls geringer Bedeutung –: Sowohl nach 1,Petr 1,23b als auch nach Joh 1,1–3 ist die Figur des λόγος als diejenige vorzustellen, die als (Schöpfungs-)Mittler Gottes die jeweilige Wiedergeburt realisiert. 293. Zur Formulierung εἰσελθεῖν εἰς τὴν βασιλείαν τοῦ θεοῦ als einer „bei den Synoptikern geläufigere[n] Formulierung“ vgl. U.U. Kaiser, Wiedergeburt, 257 mit A. 128. 294. Zu dieser und weiterer Differenzen zwischen den Ausführungen in Joh 3,3 und denjenigen in Joh 3,5, auf die im Rahmen der vorliegenden Studie nicht weiter eingegangen werden kann, vgl. U.U. Kaiser, Wiedergeburt, 257f. 295. Vgl. hierzu Joh, 230; vgl. zu dieser Deutung auch T.K. Seim, Reflections, 726f. Kritisch gegenüber einer solchen Deutung allerdings U.U. Kaiser, Wiedergeburt, 259f. 296. Die von U.U. Kaiser, Wiedergeburt, 259, A. 137 formulierte Kritik gegen eine solche Annahme – Kaiser zufolge werde „der dort [d.h. in 1Petr 1,23a] ausdrücklich erwähnte Same … nur mit dem Wort Gottes parallelisiert, von Wasser ist an dieser Stelle nicht die Rede“ – verfängt nicht, da der Begriff ὕδωρ, vermittelt über das hebräische ‫טיפה‬, eben gerade in dem Begriff σπορά verarbeitet zu denken ist. 297. Diese weitgehendere Übereinstimmung wird zumindest angedeutet bei R. Feldmeier, 1Petr, 85: „Im Neuen Testament findet sich die Vorstellung [der Wiedergeburt] außerhalb des 1Petr vor allem im Nachtgespräch Jesu mit Nikodemus in Joh 3“.

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

1Petr 1,3.23

Tit 3,5–7

Jak 1,18

die zentralen Termini und ihre jeweilige Semantik

ἀναγεννάω; äquivok: „erneut“ und „(von/nach) oben“

παλινγεννησία; eindeutig: „erneut“

ἀποκυέω; eindeutig

ἄνωθεν γεννάω; äquivok: „erneut“ und „(von/nach) oben“

zentrale(r) Akteur(e)

Gott (1Petr 1,3); der λόγος τοῦ θεοῦ (1Petr 1,23) als Mittler: διὰ λόγου ζῶντος θεοῦ καὶ μένοντος

./.

Gott durch den λόγος ἀληθείας (λόγῳ ἀληθείας298)

Gott und der λόγος (Joh 1,1–3), letzterer als Mittler: πάντα δι᾽ αὐτοῦ ἐγένετο, καὶ χωρὶς αὐτοῦ ἐγένετο οὐδὲ ἕν. ὃ γέγονεν (Joh 1,3299)

(Wieder-) Geburt als repetitio

Präfix ἀνα-

Präfix παλιν- ./.

qualitatives Momentum/ Quellgrund

ἐλπὶς ζῶσα, κατ᾽ ἐλπίδα ἀπαρχή τις τῶν κληρονομία ἄφθαρτος κληρονόμοι αὐτοῦ καὶ ἀμίαντος καὶ ζωῆς αἰωνίου κτισμάτων ἀμάραντος, σωτηρία ἑτοίμη (1Petr 1,3); Geburt οὐκ ἐκ σπορᾶς φθαρτῆς ἀλλὰ ἀφθάρτου (1Petr 1,23a)

spatiale Dimension

Sphäre der ./. himmlischen Realität: κληρονομία … τετηρημένη ἐν οὐρανοῖς εἰς ὑμᾶς

temporale Dimension

Zukunft: ἐν καιρῷ ἐσχάτῳ

Zukunft: Vergangenheit/ κληρονόμοι Gegenwart ζωῆς αἰωνίου

Zukunft

Verknüpfung mit dem Ritus der Taufe

./.

λούτρος παλιγγενεσίας

ἐξ ὕδατος (Joh 3,5)302

./.301

./.

Joh 3,3.5.7

Adverb ἄνωθεν

Geburt ἐξ [ὕδατος καὶ] πνεύματος (Joh 3,5); ἐκ τοῦ πνεύματος (Joh 3,6.8300)

Sphäre der himmlischen Realität: βασιλεία τοῦ θεοῦ

298. Zu der hier vorliegenden dativischen Formulierung, die sich von derjenigen in Joh 1,1–3 und auch der in 1Petr 1,23b charakteristisch unterscheidet, vgl. bereits o. 61, A. 131. 299. Zu einer anderen Interpunktion dieses Verses vgl. etwa H. Thyen, Joh, 66f.; auf die diese veränderte Interpunktion bedingenden exegetischen Probleme und Diskussionen kann im Rahmen der vorliegenden Studie nicht eingegangen werden. 300. Zu der Relation von Joh 3,3 zu derjenigen in Joh 3,5 vgl. bereits ausführlich o. 96f. mit A. 294. 301. Vgl. hierzu o. 93 mit A. 279. Einer möglichen spatialen Komponente kommt innerhalb der Konzeption einer Neu- oder Wiedergeburt innerhalb des Jak keinerlei explizite Relevanz zu. 302. Vgl. hierzu aber o. 96, A. 291; 97.

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Diese Beobachtungen lassen, zumal dann, wenn sie mit der o. durchgeführten Sichtung der im Alten Testament, im Frühjudentum und auch in der hellenistischen Religiosität nachweisbaren Konzeptionen von Neuschöpfung, Neugeburt, Wiedergeburt o.ä. kombiniert werden303, in ihrer Summe die These durchaus wahrscheinlich erscheinen, dass die im 1Petr und im Joh nachweisbaren Konzeptionen der Wiedergeburt entweder in einem traditionsgeschichtlichen oder aber in einem literarischen Zusammenhang miteinander stehen; d.h.: Entweder greifen der oder die Verfasser des Joh und der Verfasser des 1Petr hier eine ihnen gemeinsam geläufige, dann in der (proto-)johanneischen Tradition bereits entwickelte theologische Konzeption auf oder eine der beiden Konzepte ist in Kenntnis des jeweils anderen formuliert worden; letzteres hieße konkret, dass entweder – was im Falle eines solchen literarischen Zusammenhangs dann wohl wahrscheinlicher wäre – dem Verfasser des 1Petr das neutestamentliche Joh bzw. mögliche literarische Vorstufen desselben oder aber dem Verfasserkreis des Joh vor der Abfassung ihres jeweils eigenen Werkes der 1Petr – unmittelbar aus eigener Anschauung oder aber mittelbar durch Vermittlung Dritter – zur Kenntnis gelangt sind304. Da sich – mit Ausnahme des λόγος-Begriffs – unmittelbare sprachliche Parallelen zwischen den Passagen 1Petr 1,3.23 und Joh 3,3.(5.)7 kaum ausmachen lassen, erstere also letzten Endes eine Paraphrase der letzteren darstellen, da darüber hinaus in 1Petr die Thematik der Wiedergeburt, anders als in Joh 3, nicht mit der Thematik der Taufe verknüpft ist, will in Blick auf die Ausführungen in 1Petr 1,3.23 weder die Annahme eines unmittelbar oder mittelbar vermittelten unmittelbaren literarischen Reflexes noch diejenige eines mittelbar vermittelten unmittelbaren traditionsgeschichtlichen Reflexes auf die Ausführungen in Joh 3,3.(5.)7 plausibel erscheinen305. Da des weiteren die Thematik der Wiedergeburt innerhalb der im Neuen Testament überlieferten johanneischen Schriften nur in Joh 3 angesprochen wird, hat auch die Annahme, 1Petr 1,3.23 seien als unmittelbar oder mittelbar vermittelter mittelbarer literarischer Reflex auf Joh 3,3.(5.)7 zu lesen, nur wenig Wahrscheinlichkeit für sich; der Verfasser des 1Petr hätte dann ein Theologoumenon, das im Joh zumindest nicht von zentraler Bedeutung ist, in seiner Epistel in zentraler Position platziert und ihm damit ein deutlich höheres theologisches Gewicht als im Joh zugeeignet. 303. Vgl. hierzu ausführlich o. 76–87. 304. In genau die entgegengesetzte Richtung denkt, allerdings sehr apodiktisch formulierend, O.D. Foster, First Epistle of Peter, 525: „It would seem that the author of the Fourth Gospel took up the idea as our author had developped it and incorporated it into a narrative“. 305. Vgl. hierzu und zu den folgenden Überlegungen die theoretischen Erwägungen o. 4–11.

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

Viel näher liegt es stattdessen, im Blick auf die Relation zwischen 1Petr 1,3.23 und Joh 3,3.(5.)7 an einen mittelbar vermittelten mittelbaren traditionsgeschichtlichen Reflex zu denken: Der Verfasser des 1Petr und derjenige von Joh 3 griffen in 1Petr 1,3.23 und Joh 3,3.(5.)7 eine gemeinsame (proto-) johanneische Tradition auf und verarbeiteten, wiewohl sie deren theologischen Impetus durchaus beibehielten, diese semantisch jeweils unterschiedlich, ein Ergebnis, das sich bereits im Blick auf 1Petr 1,3c.23b und Joh 1,1.14 und die entsprechende jeweilige Verarbeitung des λόγος-Begriffs plausibilisieren ließ306. Der Verfasser des 1Petr legte dieser Tradition und ihrer – nun womöglich nicht re-, sondern neukontextualisierten – Verarbeitung im Rahmen der theologischen Disposition seiner Epistel dabei die Funktion eines theologischen Vorzeichens bzw. eines theologischen Interpretationsschlüssels bei307. Im Rahmen seiner Auslegung von 1Petr 1,23 stellt R. Feldmeier die Thematik der Wiedergeburt in den Kontext von 1Petr 2,9; in diesem Vers werde, wie auch in 1Petr 1,18, allerdings nun mit Hilfe der Metaphorik von Licht und Finsternis, „in einer antikes Selbstverständnis provozierenden Weise … deutlich gemacht, dass die in Jesus Christus eröffnete Perspektive der Hoffnung und des neuen Lebens das Alte erst recht als alt und nichtig erscheinen lässt“308. Die Ausführungen in 1Petr 2,9 lassen ihrerseits nun aber enge Berührungen mit gerade auch in der johanneischen Literatur belegten Motiven erkennen: (a) Die in 1Petr 2,9 aufscheinende Metaphorik von Licht und Finsternis erinnert unmittebar an die Ausführungen von Joh 1,4f.9–11; 8,12309. (b) Die Charakterisierung der angeschriebenen Christen (ὑμεῖς) als γένος ἐκλεκτόν, βασίλειον ἱεράτευμα, ἔθνος ἅγιον, λαὸς εἰς περιποίησιν lässt an die Ausführungen in Apk 1,6; 5,10 denken. L. Goppelt zufolge habe der Verfasser des 1Petr „diese Deutung von Ex 19,6 christlicher Tradition“310 entnommen, da sie „als hymnische Überlieferung auch hinter der weit vom 1Petr abliegenden Johannesoffenbarung (1,6; 5,10)“311 stehe. Auch wenn sich dies womöglich nicht oder zumindest nicht mit Notwendigkeit wahrscheinlich machen lässt312, ist doch angesichts des Sachverhalts, dass das in Ex 19,6 Dargestellte in der ur- und frühchristlichen Literatur mit Ausnahme von 1Petr 2,5.9 keinerlei Widerhall zu finden scheint313, in jedem Falle zu fragen, warum der Verfasser des 1Petr in 1Petr 2,9 in seiner Darstellung in gleicher Weise wie der Apokalyptiker 306. Vgl. hierzu o. 68–74. 307. Vgl. hierzu o. 23–25. 308. Wiedergeburt, 87; vgl. hierzu auch 87, A. 22. 309. Vgl. zu diesen und weiteren Belegen etwa R. Feldmeier, 1Petr, 93, A. 288. Feldmeier zufolge sei „das Bild des Wechsels von der Finsternis ins Licht … typische Bekehrungssprache“ (93), für die sich bereits frühjüdische Belege beibringen ließen. 310. 1Petr, 151. 311. 1Petr, 151. 312. Vgl. hierzu die Diskussion bei P.J. Achtemeier, 1Petr, 163, A. 179. 313. Vgl. hierzu etwa D.E. Aune, Apk I, 48.

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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in Apk 1,6; 5,10 auf Ex 19,6 zurückgreift. Denkbar ist, dass ihm nicht unbekannt geblieben ist, daß der in Ex 19,6 transportierte Inhalt innerhalb der in der römischen Provinz Asia zu verortenden johanneischen Schule314 umlief, ein Wissen, das ihn bewog, das in Ex 19,6 Ausgeführte in seiner Epistel ebenfalls zu verarbeiten, um bei den von ihm ins Auge gefassten, in diesem Falle dann impliziten Adressaten derselben an Bekanntes anknüpfen zu können. Da nun die Annahme eines solchermaßen traditionsgeschichtlichen Zusammenhangs zwischen dem 1Petr und der johanneischen Literatur, hier konkret dem Joh, ihrerseits die Annahme eines gemeinsamen Abfassungsortes wenn womöglich nicht mit letzter Notwendigkeit voraussetzt, so aber doch zumindest mit einer gewissen Dringlichkeit erforderlich macht, lässt sich die These, dass der 1Petr, wie auch das johanneische Schrifttum, in Kleinasien verfasst worden ist315, angesichts der in diesem Kapitel entwickelten Ergebnisse mit einer neuen Argumentation substantiieren. Das hier Erarbeitete lässt die von dieser Epistel selbst insinuierte römische Herkunft derselben dann als eine ‚römische‘ Fiktion316 erscheinen, mit deren Hilfe ein kleinasiatischer Autor in eben dieser Region des imperium Romanum – in aller Vorläufigkeit formuliert – die Person des Petrus womöglich wieder neu in die bestehende theologische Landkarte einzuarbeiten und dessen theologische Relevanz und Bedeutung wiederherzustellen oder aber neu zu kreieren suchte. Inwieweit diese Überlegungen tragen, wird allerdings erst die weitere Untersuchung zeigen können.

I.3. 1PETR 1,8 – JOH 20,29: NICHT SEHEN UND DOCH GLAUBEN In 1Petr 1,8a weist der Verfasser des 1Petr seine Adressaten darauf hin, dass sie den κύριος Jesus Christus lieben und an ihn glauben, wiewohl sie ihn visuell nicht wahrnehmen können und auch niemals wahrgenommen haben und ihn innerhalb ihrer – tatsächlichen oder aber auch lediglich potentiellen – gegenwärtigen Erfahrungen des Leides und der Ohnmacht (vgl. 1Petr 1,6b) eher als abwesend bzw. entfernt317 erfahren bzw. erführen318: ὃν 314. Vgl. hierzu o. 21f. 315. Vgl. hierzu bereits ausführlich o. 17f. 316. Vgl. zu diesem Begriff o. 19f. 317. Vgl. hierzu etwa M. Vahrenhorst, 1Petr, 80: „Die gegenwärtige Unsichtbarkeit Jesu kann natürlich auch eine weitere Intepretation der Negativerfahrungen sein, die die Gemeinde in ihrer Umwelt macht. Dass von Jesus nichts zu sehen ist, bedeutet, dass von seiner Macht und dem ihm von Gott eingeräumten Status nichts zu sehen ist“. 318. Vgl. hierzu L. Goppelt, 1Petr, 102: „Entscheidend ist an unserer Stelle, daß Christus und damit das Heil … für die Glaubenden weder unmittelbar schaubar waren noch sind“, und K.H. Schelkle, 1Petr, 37: „Doch dieser Glaube hat keine Sicherheit und keinen Beweis der Art, wie ihn der Mensch sonst hat, um Glauben darauf zu gründen. Denn der Glaube sieht den Herrn nicht, sondern gerade das Gegenteil, die siegreichen Feinde“; vgl. zu den strukturellen Schwierigkeiten dieses Verses auch ausführlich P.J. Achtemeier, 1Petr, 102f. und u.; Achtemeier hebt im Rahmen seiner Interpretation weniger auf das Faktum der Unmöglichkeit der Begegnung der Adressaten mit dem historischen Jesus als auf dasjenige der

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

[d.h. Ἰησοῦν Χριστὸν] οὐκ ἰδόντες ἀγαπᾶτε319, εἰς ὃν ἄρτι μὴ ὁρῶντες πιστεύοντες δέ. Diese Formulierung, die und deren inhaltliche Akzentuierung im übrigen Neuen Testament und auch in der übrigen ur- und frühchristlichen Literatur sonst nicht belegt sind320 – eine keinesfalls unwichtige Beobachtung, die etwa P.J. Achtemeier und in seinem Gefolge auch M. Vahrenhorst jedoch zu wenig berücksichtigen321 –, erinnert, wenn auch womöglich im 1Petr in einen anderen, nun stärker martyrologisch gefärbten Kontext eingebettet, dennoch unmittelbar an die Ausführungen in Joh 20,29322; hier weist Jesus den zweifelnden Θωμᾶς mit folgenden Worten zurecht: λέγει αὐτῷ ὁ Ἰησοῦς· ὅτι ἑώρακάς με πεπίστευκας; μακάριοι οἱ μὴ ἰδόντες καὶ πιστεύσαντες323. Werden beide Texte324 miteinander verglichen, so zeigen sich folgende Unmöglichkeit der visuellen Wahrnehmung des Auferstandenen zur Zeit der Abfassung der Epistel ab. 319. Vgl. zu dem an dieser Stelle belegten Begriff ἀγαπάω eine sehr interessante Beobachtung von R. Feldmeier, Feldmeier stellt fest: „Jesus Christus als Objekt der Liebe ist im Neuen Testament selten; es findet sich außerhalb des Johannesevangeliums (Joh 8,42; 14,15.21.24; 21,15–17) nur noch einmal in Eph 6,24“ (1Petr, 57, A. 157); darüber hinaus weist Feldmeier noch hin auf Justinus, apol. II 13, ein Hinweis, der insofern einerseits von großer Bedeutung ist, als im Rahmen der Erörterung des λόγος-Begriffs in 1Petr 1,23b zwischen eben diesen drei Autoren und deren Werken in gleicher Weise ein terminologischer und auch inhaltlicher Zusammenhang aufgezeigt werden konnte (vgl. hierzu o. 62f.; 71 mit A. 170), andererseits aber zugleich auch die Generalthese der vorliegenden Studie (vgl. hierzu u. 138–148) zu substantiieren vermag. 320. Vgl. hierzu u. 103f. 321. Vgl. zu deren Ausführungen zu 1Petr 1,8 bereits o. 2, A. 6; der Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung des historischen oder auch des auferstandenen Jesus und dem Glauben an ihn ist in der ur- und frühchristlichen Literatur augenscheinlich weitaus weniger häufig bedacht worden, als gemeinhin angenommen wird. 322. Vgl. hierzu etwa L. Goppelt, 1Petr, 102: „Daß die Gemeinde an diesem Sehen nicht teilhatte, wird im NT jedoch nur in Joh 20,29 als Problem angesprochen“. Noch deutlicher hier R.H. Gundry, Verba Christi, 338: „The main thoughts of believing in Jesus and being happy even though one does not see him are exactly alike in both passages. The contrast between faith and sight is common in the New Testament, but only these two verses relate the not-seeing-yet-believing specifically to Christ and add the thought of spiritual happiness“. 323. Vgl. hierzu R. Schnackenburg, Joh III, 399: „Jedenfalls ist die Seligpreisung keine allgemeine Abschlußsentenz, sondern bewußt und konkret in die geschichtliche Situation zur Zeit des Evangelisten hineingesprochen, ein Appell an die späteren Gläubigen, ohne das dem Tomas gewährte ‚Sehen‘ zum gleichen festen Glauben und hohen Bekenntnis wie er zu gelangen“. H. Thyen, Joh, 768 spricht im Blick auf Joh 20,29 davon, daß hier „im glaubenden Umgang mit dem gegenwärtigen Auferstandenen Erfahrene eine von Apostasie bedrohte Christengemeinde für die volle κοινωνία ‚mit dem Vater und mit seinem Sohn, Jesus Christus‘ zurückgewinnen“ wollten; gut denkbar ist, dass die Adressaten des 1Petr zumindest in den Augen des Verfassers dieser Epistel, wenn auch womöglich nur tendenziell, ebenfalls von der Gefahr einer Apostasie betroffen sein könnnten, wenn auch aus anderen Gründen als diejenigen Christen, auf deren Situation in Joh 20,29 Bezug genommen wird. 324. O.D. Foster, First Epistle of Peter, 525f. sieht über die sachliche Parallele zwischen 1Petr 1,8 und Joh 20,29 hinaus noch eine sachliche Entsprechung zwischen 1Petr 1,9 und

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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Übereinstimmungen: (a) semantisch: Sowohl in 1Petr 1,8 als auch in Joh 20,29 finden die Verben πιστεύω und ὁράω Verwendung325. (b) syntaktisch: In Sonderheit die Wendungen (ἄρτι) μὴ ὁρῶντες πιστεύοντες δέ 1Petr 1,8b und μὴ ἰδόντες καὶ πιστεύσαντες Joh 20,29c sind weitgehend parallel konstruiert, wobei sich aufgrund der Wahl der jeweiligen Tempus das in 1Petr 1,8b Ausgeführte zwanglos als zeitlos gültig formulierte und zugleich aktualisierende Verallgemeinerung der in Joh 20,29c anhand der Person des Thomas, somit in concreto thematisierten Relation von Schauen und Glauben lesen ließe. (c) pragmatisch: Beide Textsequenzen zielen darauf, bei ihren jeweiligen Adressaten den Aspekt einer ohne unmittelbare leibliche Wahrnehmung des Gekreuzigten oder des Auferstandenen praktizierten πίστις zu propagieren. Die in 1Petr 1,8 und Joh 20,29 nachweisbaren Formulierungen sind weder im übrigen Neuen Testament bzw. der übrigen frühchristlichen Literatur noch im Alten Testament und der frühjüdischen Literatur belegt. N. Brox verweist zwar im Rahmen seines Kommentars zu 1Petr 1,8 als neutestamentliche Parallelen neben Joh 20,29 noch auf 2Kor 5,7 und Hebr 11,27326. Diese beiden Passagen sind von dem in 1Petr 1,8 Ausgeführten jedoch sowohl sprachlich als vor allem auch inhaltlich, mag ihnen auch eine im Grundsatz womöglich ähnliche, den Gegensatz zwischen Glauben und Schauen thematisierende theologische Ausrichtung eignen, zu weit von dem in 1Petr 1,8 Ausgeführten entfernt, als dass sich ein traditionsgeschichtlicher, geschweige denn ein literarischer Zusammenhang zwischen ihnen herstellen ließe. Über Brox hinaus verweist K.H. Schelkle in diesem Kontext noch auf Apg 10,39 und Röm 10,14; auch in diesen beiden Passagen spräche „das NT … von der neuen Glaubenssituation derer …, die glauben ohne gesehen zu haben“327; jene bieten allerdings keinerlei textliches Signal zugunsten der Annahme, dass in ihnen die Problematik eines Glaubens ohne vorheriges Schauen auch nur eine periphere Rolle spielen könnte.

Joh 20,31; s.E. werde in beiden Passagen „salvation or life … set forth as the end of faith, which refers back to the preceding parallel verse in both instances“ (526). 325. Anders hier M. Vahrenhorst, 1Petr, 41: „Der Gedankengang und auch die Begrifflichkeit ist in beiden Texten zu verschieden, als dass man von literarischer Abhängigkeit ausgehen könnte“ (vgl. hierzu bereits o. 2, A. 6). Diese Einschätzung lässt sich angesichts der mit Händen zu greifenden sprachlichen Übereinstimmungen schlicht nicht aufrechterhalten. Richtig ist nun aber sicherlich, dass hier nicht von einer literarischen Abhängigkeit etwa in dem Sinne gesprochen werden könnte, dass der Verfasser des 1Petr eine Passage aus dem Joh zitiert hätte. Ein literarischer Zusammenhang zwischen diesen beiden Passagen aus 1Petr und Joh lässt sich aber kaum bestreiten; zu fragen ist nur, ob dieser Zusammenhang eher als traditionsgeschichtlich oder eher als literarisch im engeren Sinne zu definieren ist. M.a.W.: Kannten der 1Petr oder die Verfasser des Joh die jeweils andere Schrift oder griffen beide auf ihnen gemeinsam vorliegendes ähnliches Traditionsmaterial zurück? 326. 1Petr, 66; vgl. darüber hinaus etwa auch J.R. Michaels, 1Petr, 33. 327. 1Petr, 36, A. 2.

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

Schließlich benennt O.D. Foster 1Kor 13,12 und Röm 8,23f. als inhaltliche Parallelen zu 1Petr 1,8 und urteilt dementsprechend: „The Pauline Epistles contain this thought in embryo“328. Allerdings wird weder in 1Kor 13,12 noch in Röm 8,23f. der Zusammenhang von Glaube an bzw. Liebe gegenüber Christus und der – letzten Endes nicht vorhandenen – Wahrnehmung desselben – weder in der historischen Situation seiner irdischen Existenz noch in der Alltagswirklichkeit der zur Zeit der Abfassung der jeweiligen Epistel lebenden Christen – thematisiert.

Diese Übereinstimmungen erlauben auf der Basis der o. entwickelten theoretischen Modelle zur Traditions- und Textverarbeitung329 näherhin die Annahme, dass die Ausführungen in 1Petr 1,8 entweder als ein unmittelbar oder mittelbar vermittelter unmittelbarer literarischer Reflex oder aber als ein mittelbar vermittelter unmittelbarer traditionsgeschichtlicher Reflex, somit in jedem Falle als ein unmittelbarer Reflex auf die Ausführungen von Joh 20,29 bzw. auf eine innerhalb derselben sichtbar werdende (proto-) johanneische Tradition gelesen werden können330. Die gerade umgekehrte Annahme, dass der Verfasser von Joh 20,29 entweder das in 1Petr 1,8 Ausgeführte oder aber eine (proto-)‚petrinische‘ Tradition unmittelbar reflektierte, vermag allein schon angesichts der innerhalb des Joh expressis verbis formulierten Vorbehalte gegenüber der historischen Person des Petrus331 kaum Plausibilität zu gewinnen. Der Sachverhalt nun, dass die Ausführungen in 1Petr 1,8 die Relation von Glauben und Schauen in allgemeiner Form thematisieren, diejenigen in Joh 20,29 hingegen konkret am Beispiel der Gestalt des Θωμᾶς, lässt es wahrscheinlich erscheinen, dass das in 1Petr 1,8 Ausgeführte einen mittelbar vermittelten unmittelbaren traditionsgeschichtlichen Reflex auf eine in Joh 20,29 verarbeitete (proto-)johanneische Tradition darstellt: Bei der Abfassung von 1Petr 1,8 greife der Verfasser des 1Petr auf traditionelles Material zurück, das offensichtlich innerhalb des johanneischen Kreises bzw. der johanneischen Schule bekannt gewesen ist, eine Annahme, die – wiederum – die Frage nach dem Abfassungsort von 1Petr und zugleich auch diejenige eines gemeinsamen Abfassungsortes dieser Epistel und der johanneischen Literatur aufwirft332. Auch dieses hier im Blick auf die Relation von 1Petr 1,8 zu Joh 20,29 entwickelte Ergebnis vermag die Annahme eines kleinasiatischen Abfassungsortes des 1Petr zu untermauern. Der von 1Petr selbst insinuierte Abfassungsort Rom 328. First Epistle of Peter, 526. 329. Vgl. zu den entsprechenden Begriffen und den dieser Formulierung zugrundeliegenden theoretischen Erwägungen o. 4–11. 330. Vgl. hierzu auch O.D. Foster, First Epistle of Peter, 526: „The sequence of thought and the similar phraseology make a strong argument for dependence“. 331. Vgl. hierzu u. 149f. 332. Vgl. hierzu bereits o. 16–19.

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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wird immer mehr als eine in den Augen seines kleinasiatischen Verfassers – möglicherweise zur Legitimation der eigenen Autorität – offensichtlich notwendige ‚römische‘ Fiktion erkennbar333.

Die diese hier skizzierte Relation zwischen 1Petr 1,8 und Joh 20,29 ließe sich noch deutlicher nachvollziehen, träfen die von P.J. Achtemeier angestellten interpretatorischen Erwägungen zu 1Petr 1,8 zu. Jenem zufolge sei zunächst immerhin fragwürdig, auf welche Ereignisse bzw. Verhältnisse die Partizipialkonstruktionen ὃν οὐκ ἰδόντες 1Petr 1,8a und εἰς ὃν μὴ ὁρῶντες 1Petr 1,8b zu beziehen seien. Achtemeier hält es aus sprachlichen Gründen für durchaus plausibel, die erste auf die Person des historischen Jesus zu beziehen, die zweite auf den auferstandenen Christus334. Würde anstelle dieser Differenzierung jedoch angenommen, dass die Wendung εἰς ὃν ἄρτι μὴ ὁρῶντες πιστεύοντες δέ 1Petr 1,8b die zuvor formulierte Phrase ὃν οὐκ ἰδόντες ἀγαπᾶτε 1Petr 1,8a und den ihr inhärenten Aussagegehalt stützen solle335, dass beide also entweder auf den historischen Jesus oder aber den auferstandenen Christus abhöben, ergäbe sich ein anderes interpretatorisches Problem336, nämlich die Frage nach dem Bezug der die Ausführungen in 1Petr 1,8b einleitenden präpositionalen Wendung εἰς ὅν angesichts der daran anschließenden, jedoch adversativ zu verstehenden Partikel δέ: Aufgrund der Verknüpfung des Partizips πιστεύοντες mit der adversativ zu fassenden Partikel δέ ließe sich jenes nicht als konstruiert mit der und bezogen auf die Wendung εἰς ὅν begreifen, da das Prädikat ἀγαλλιᾶσθε innerhalb von 1Petr 1,8b dann gänzlich bezugslos formuliert wäre337. Die präpositionale Wendung εἰς ὅν wäre Achtemeier zufolge sinnvoller vielmehr unmittelbar auf das Prädikat ἀγαλλιᾶσθε zu beziehen. Dieser Vorschlag hätte zur Folge, 333. Vgl. hierzu auch o. 19f. und o. 55. 334. Vgl. hierzu die entsprechenden Ausführungen in 1Petr, 103: „On the one hand, the οὐκ that denies historical fact but is not normally used with a participle, here combined with an aorist participle, could refer to their not having seen the historical Jesus, while the μή, here in its normal use and combined with a present participle, could refer to their current inability to see the risen Christ“. Träfe dies zu, wäre allerdings die Frage zu stellen, warum der Verfasser des 1Petr diese unterschiedlichen Bezüge dann nicht doch deutlicher herausgearbeitet hätte. 335. Dass ein solches Verständnis keinesfalls undenkbar ist, gesteht auch Achtemeier zu: „On the other hand, the paralleled second phrase could be intended to reinforce the first“ (1Petr, 103). 336. Bei näherem Hinsehen scheint allerdings deutlich zu werden, dass dieses von Achtemeier lediglich der alternativen Auslegung von 1Petr 1,8a.b zugeschriebene interpretatorische Problem in gleicher Weise auch der von ihm präferierten ersten, d.h. eine Differenzierung konstruierenden Auslegungsvariante dieser beiden Teilverse inhärent ist. 337. Vgl. hierzu 1Petr, 103: „The difficulty for such a construal resides in the εἰς ὅν and the δέ“; die Partikel δέ als ein die beiden vorangehenden Partizipien kontrastierendes Textsignal mache es schwierig „to construe the εἰς ὅν with the πιστεύοντες … since that leaves no connection between it and ἀγαλλιᾶσθε“.

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

dass die Partizipien ὁρῶντες und πιστεύοντες dann nachgerade als objektlos zu definieren und als eine in allgemeinem Sinne auf das Momentum der Wiederkunft Christi bezogene Parenthese zu denken wären: „… auf den hin – wiewohl ihr jetzt nicht schaut, glaubt ihr aber – ihr euch freut mit unaussprechlicher und herrlicher Freude“338. Eben solche objektlos verwendeten Partizipien begegnen auch in Joh 29,29c; verwendet werden exakt die gleichen Verben, sogar die gleichen Partizipien, nur jeweils im Aorist: μακάριοι οἱ μὴ ἰδόντες καὶ πιστεύσαντες. Werden die Ausführungen in 1Petr 1,8b (ἄρτι) μὴ ὁρῶντες πιστεύοντες δέ, so, wie es P.J. Achtemeier vorschlägt, als Parenthese begriffen, wäre es beinahe unmittelbar naheliegend, diese Parenthese als unmittelbare verallgemeinernde und zugleich neu akzentuierte Aufnahme von Joh 20,29c zu verstehen. Unabhängig von den Erwägungen Achtemeiers scheint die Analyse von 1Petr 1,8a.b und Joh 20,29c, zumal angesichts der Tatsache, dass sich eine in ähnlicher Weise sprachlich ausgeführte vergleichbare Denkfigur weder innerhalb der übrigen ur- und frühchristlichen noch der frühjüdischen oder der pagan-hellenistischen Literatur nachweisen lässt339, im Blick auf die Relation der beiden Texte die Hypothese eines mittelbar vermittelten unmittelbaren traditionsgeschichtlichen Reflexes340 zu indizieren: Sowohl der Verfasser des 1Petr in 1Petr 1,8 als auch derjenige von Joh 20,29 verarbeiten in ihren Ausführungen jeweils eine (proto-)johanneische Tradition bzw. eine (proto-)johanneische Sentenz über die Relation von Glauben und Schauen. Denkbar ist, dass die johanneische Fassung dieser Sentenz, innerhalb derer jene in eine Seligpreisung eingebettet ist, diese Tradition wortgetreuer wiedergibt als der Verfasser des 1Petr in 1Petr 1,8a.b, der jene aus diesen ursprünglichen Zusammenhang gelöst haben könnte. O.D. Foster notiert zu 1Petr 1,8 neben Joh 20,29 als weitere Parallele aus dem johanneischen Schrifttum noch 1Joh 4,20b: ὁ γὰρ μὴ ἀγαπῶν τὸν ἀδελφὸν αὐτοῦ ὃν ἑώρακεν, τὸν θεὸν ὃν οὐχ ἑώρακεν οὐ δύναται ἀγαπᾶν. Hier wird, nun allerdings auf Gott und nicht auf Christus bezogen, wie auch in 1Petr 1,8a der Zusammenhang von Lieben und visueller Wahrnehmung thematisiert: Wenn jemand seinen Bruder, den er sieht, nicht liebt, wie soll er dann Gott, den er nicht sieht, lieben können. Mit Bezug auf die Parallelität zwischen 1Petr 1,8a.b und Joh 20,29 notiert Foster: „Dependence here is made very probable by the additional evidence of John“341. 338. Vgl. zu dieser Übersetzung P.J. Achtemeier, 1Petr, 103. 339. Vgl. hierzu unmittelbar u. 340. Vgl. zu dieser Terminologie und zu den entsprechenden theoretischen Erwägungen o. 4–11. 341. First Epistle of Peter, 5,22.

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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Da nun die Ausführungen in 1Joh 4,20b weniger christologisch als vielmehr theologisch akzentuiert erscheinen342, ließe sich im Blick auf jene die Annahme zwanglos plausibilisieren, dass der Verfasser des 1Joh hier eine ursprünglich auf die Gestalt des Christus bezogene Denkfigur im engeren Sinne theologisch weiterentwickelt habe. Wie 1Petr 1,8a.b und Joh 20,29, so stellt auch 1Joh 4,20b ein Zeugnis für die Verarbeitung einer innerhalb der johanneischen Schule bzw. des johanneischen Kreises virulente (proto-) johanneische Tradition dar.

I.4. 1PETR 2,25; 5,4 – JOH 10,11.14F.: CHRISTUS,

DER

HIRTE

In 1Petr 2,25 wird, zugleich als Abschluss des das Verhalten von Sklaven thematisierenden Textabschnittes 1Petr 2,18–25, Christus als ποιμὴν καὶ έπίσκοπος der ψυχαί der Adressaten des 1Petr charaktierisiert343: ἦτε γὰρ ὡς πρόβατα πλανώμενοι344, ἀλλὰ ἐπεστράφητε νῦν ἐπὶ τὸν ποιμένα καὶ ἐπίσκοπον τῶν ψυχῶν ὑμῶν, in 1Petr 5,4 gar als der in der Zukunft erscheinende und den τῆς δόξης στέφανος345 verleihende ἀρχιποίμην346. Diese 342. Vgl. hierzu H.-J. Klauck, 1Joh, 275. 343. Dass in 1Petr 2,25b von Christus die Rede ist, sehen etwa R. Feldmeier, 1Petr, 118, K.H. Schelkle, 1Petr, 86f., P.J. Achtemeier, 1Petr, 204, J.H. Elliott, 1Petr, 538f. und – mit gewisser Vorsicht – auch M. Vahrenhorst, 1Petr, 130f.; explizit anders hier N. Brox, 1Petr, 139 und H. Frankemölle, 1Petr, 51, die die Ausführungen in 1Petr 2,25b theozentrisch verstehen und unmittelbar auf Gott beziehen möchten. Umso mehr muss dann allerdings auffallen, dass Brox den in 1Petr 5,4 belegten Begriff des ἀρχιποίμην auf Christus bezieht (vgl. hierzu 1Petr, 232: „Dadurch ist eindrucksvoll bewußt gemacht, daß die Presbyter der Kirche, deren Funktion in VV 2f als ein ‚Hüten der Herde‘ umschrieben war, unmittelbar am Heilswerk Christi wirken. Er ist der Oberhirte …, sie die Hirten“; darüber hinaus spricht Brox im Blick auf 1Petr 5,4 explizit von der „Parusie des ‚Oberhirten‘ Christus“. Wer die Ausführungen in 1Petr 2,25b auf Gott beziehen möchte, ist genötigt, auch den Begriff des ἀρχιποίμην theozentrisch zu interpretieren. Diesen Zusammenhang sieht etwa R. Feldmeier, 1Petr, 118. 344. Zur Aufnahme von Jes 53,6 in 1Petr 2,25a vgl. etwa R. Feldmeier, 1Petr, 118, darüber hinaus M. Vahrenhorst, 1Petr, 130: „Der Text entspricht bis auf die grammatikalische Person dem Text der LXX“, und P.J. Achtemeier, 1Petr, 204. Die Ausführungen in 1Petr 2,25b lassen sich hingegen kaum mit denjenigen in Jes 53,5f. verknüpfen und finden dort keinerlei Widerhall. 345. Zumindest am Rande soll nicht unerwähnt bleiben, dass nach Apk 2,10d die glaubenstreuen und standhaften Christen der Gemeinde in Smyrna mit ihrem Tode von Christus den στέφανος τῆς ζωῆς erhalten werden, ein Hinweis, der sich mit demjenigen von 1Petr 5,4b inhaltlich durchaus parallelisieren lässt. Zu weiteren neutestamentlichen Belegen für den Begriff στέφανος in einem soteriologischen Kontext vgl. etwa M. Vahrenhorst, 1Petr, 191 und P.J. Achtemeier, 1Petr, 329f. 346. Zu diesem Begriff vgl. etwa R. Feldmeier, 1Petr, 158; ihm zufolge läßt der Kontext erkennen, „dass in dem Begriff ἀρχή … nicht nur der Gedanke der Herrschaft, sondern auch und sogar in erster Linie der des prägenden Ursprungs, also ein normatives Moment steckt.

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

Ausführungen erinnern allein schon aufgrund der Verwendung des Substantivs ποιμήν – bzw. ἀρχιποίμην – als eines christologischen Titels unmittebar an die Worte des johanneischen Jesus in Joh 10,11.14, der sich hier selbst als der sein Leben für die ihm anvertrauten Schafe lassende ποιμὴν καλός bezeichnet: ἐγώ εἰμι ὁ ποιμὴν ὁ καλός. ὁ ποιμὴν ὁ καλὸς τὴν ψυχὴν αὐτοῦ τίθησιν ὑπὲρ τῶν προβάτων· … (14) ἐγώ εἰμι ὁ ποιμὴν ὁ καλὸς καὶ γινώσκω τὰ ἐμὰ καὶ γινώσκουσί με τὰ ἐμά, (15) καθὼς γινώσκει με ὁ πατὴρ κἀγὼ γινώσκω τὸν πατέρα, καὶ τὴν ψυχήν μου τίθημι ὑπὲρ τῶν προβάτων. Neben 1Petr 2,25 und Joh 10 wird dieser christologische Titel innerhalb des Neuen Testaments nur noch in Hebr 13,20 unmittelbar auf Christus bezogen – jenem wird hier der Titel ποιμὴν μέγας τῶν προβάτων beigelegt –, auch wenn sich in Sonderheit im Mt und im Mk an mehreren Stellen eine mit der Person des irdischen Jesus verbundene poimenische Metaphorik nachweisen lässt. Ausweislich der Konkordanz ist der Begriff ποιμήν – abgesehen von der für den vorliegenden Zusammenhang nicht relevanten Geburtsgeschichte in Lk 2 und den o. bereits genannten Belegen 1Petr 2,25, Joh 10,11.14 und Hebr 13,20 – innerhalb des Neuen Testaments noch in Mt 9,36; 25,32; 26,31; Mk 6,34; 14,27 und in Eph 4,11 belegt. In Mt 9,36 und Mk 6,34 beschreibt der Evangelist das von Jesus wahrgenommene Volk als verschmachtet und zerstreut ὡσεὶ / ὡς πρόβατα μὴ ἔχοντα ποιμένα. Dass Jesus selbst als ποιμήν die hier konstatierte Lehrstelle besetzen könnte, ist innerhalb dieser Ausführungen, wenn überhaupt, so allenfalls implizit und nur im Kontext der gesamten neutestamentlichen Überlieferung erkennbar mitgedacht. Mt 25,32 zufolge wird der als Richter wiederkommende υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου im Zuge der Durchführung seines Gerichts die Gesamtheit der Völker separieren ὥσπερ ὁ ποιμὴν ἀφορίζει τὰ πρόβατα ἀπὸ τῶν ἐρίφων. Zwar wird hier die richterliche Tätigkeit des υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου mit dem Bild der Tätigkeit eines Hirten beschrieben, der Titel ποιμήν wird diesem υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου, hier deutlich im Unterschied zu 1Petr 5,4 – hier geht es um Christus als den kommenden ἀρχιποίμην – aber gerade nicht beigelegt. Im Rahmen der Ankündigung der Verleugnung des Petrus zitieren sowohl der matthäische als auch der markinische Jesus (Mt 26,31; Mk 14,27), nachdem sie zuvor auf die Ereignisse der kommenden Nacht abgehoben und angekündigt haben, dass die Jünger aufgrund seiner ‚zu Fall kommen‘347 werden, als einen diese Ankündigung begründenden alttestamentlichen Beleg Sach 13,7: γέγραπται γάρ· πατάξω τὸν ποιμένα, καὶ διασκορπισθήσονται τὰ πρόβατα τῆς ποίμνης (Mt 26,31), bzw.: ὅτι γέγραπται· πατάξω τὸν ποιμένα, καὶ τὰ πρόβατα διασκορπισθήσονται (Mk 14,27). Dass sich aus einer solchen Metaphorik der Begriff ποιμήν als christologische Titulatur entwickeln Christus als ἀρχιποιμήν ist mehr als nur der ‚Chef‘ aller Hirten, als der ‚gute‘ Hirte, der sich selbst für seine Schafe opferte …, er ist Urbild, ‚Archetypus‘ allen Hirtenamtes als eines alternativen, ‚dienenden‘ Umgangs mit der anvertrauten Macht über andere Menschen“. 347. Zu dieser Übersetzung des Prädikats σκανδαλισθήσεσθε vgl. etwa U. Luz, Mt IV, 123.

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kann und die Rezipienten bei derselben – auch vor dem Hintergrund von Mt 2,6; 9,36; 10,5f.348 – „selbstverständlich an Jesus denken“349, lässt sich schlechterdings nicht bestreiten, dass eine solche hier bereis explicite vorliegt, angesichts der in diesen beiden Belegen fehlenden soteriologischen Zuspitzung allerdings durchaus. In Eph 4,11 begegnet der Titel ποιμήν als Bezeichnung für gemeindliche Amtsträger: καὶ αὐτὸς ἔδωκεν τοὺς μὲν ἀποστόλους, τοὺς δὲ προφήτας, τοὺς δὲ εὐαγγελιστάς, τοὺς δὲ ποιμένας καὶ διδασκάλους; da hier die ποιμένες und die διδάσκαλοι in einem Atemzug genannt werden, lässt sich durchaus mit Grund vermuten, daß der Terminus ποιμήν an dieser Stelle nicht einen „eig[en]tl[ichen] Amtstitel, sondern … bildlich die Obliegenheiten des Lehrers“350 bezeichnet. Das Verbum ποιμαίνω begegnet im Neuen Testament in Mt 2,6, hier als Zitat aus Mi 5,1, dann in Lk 17,7; Joh 21,16; Apg 20,28; 1Kor 9,7; 1Petr 5,2; Jud 12 und schließlich in Apk 2,27; 7,17; 12,5 und 19,15351. Einen Bezug auf die Person des Christus bieten womöglich – nicht explizit, sondern implizit – die Ausführungen in Mt 2,6 – sofern nämlich Christus als der in Mi 5,1 verheißene ἡγούμενος angesehen wird, eine Annahme, die keinesfalls undenkbar erscheint, auf die die argumentationslogische Struktur von Mt 2,3–6 allerdings nicht abhebt –, in jedem Falle aber diejenigen in Apk 7,17a: ὅτι τὸ ἀρνίον τὸ ἀνὰ μέσον τοῦ θρόνου ποιμανεῖ αὐτοὺς352, diejenigen in Apk 19,15b: καὶ αὐτὸς ποιμανεῖ αὐτοὺς ἐν ῥάβδῳ σιδηρα, und womöglich auch diejenigen in Apk 12,5aβ: καὶ ἔτεκεν υἱὸν ἄρσεν, ὃς μέλλει ποιμαίνειν πάντα τὰ ἔθνη ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ, somit letzten Endes nur Belege aus der johanneischen Apk. Diese Beobachtung stützt zunächst die Annahme, dass das Konzept der Person des Christus als des ποιμήν der Christen im Rahmen der urchristlichen Überlieferung in Sonderheit innerhalb des johanneischen Kreises bzw. der johanneischen Schule entwickelt und propagiert worden ist.

Auffällig ist jedoch, dass innerhalb des Neuen Testaments – und auch innerhalb der übrigen urchristlichen Literatur353 – nur in Joh 10 und in 1Petr 2,25b der Begriff ποιμήν als inhaltlich unmittelbar mit dem Terminus ψυχή verbunden erscheint. Begegnet in 1Petr 2,25b die Person Christi als ποιμὴν 348. Zu den letzten beiden Belegen vgl. U. Luz, Mt IV, 125. 349. U. Luz, Mt IV, 125. 350. H. Goldstein, Art. ποιμήν κτλ., in: EWNT2 III, 304. 351. Vgl. hierzu W.F. Moulton/A.S. Geden, Concordance, s.v. ποιμαίνω, 831. 352. Vgl. hierzu bereits O.D. Foster, First Epistle of Peter, 520, der diese Parallele bereits notiert und feststellt: „It is interesting to note that our author uses the word referring to Christ, which is common with later authors“. 353. Zwar stehen auch etwa in Mart.Pol. 19,2 die Begriffe ποιμήν und ψυχή nebeneinander, sind aber nicht inhaltlich miteinander verknüpft: διὰ τῆς ὑπομονῆς καταγωνισάμενος τὸν ἄδικον ἄρχοντα καὶ οὕτως τὸν τῆς ἀφθαρσίας στέφανον ἀπολαβών σὺν τοῖς ἀποστόλοις καὶ πᾶσιν δικαίοις ἀγαλλιώμενος δοξάζει τὸν θεὸν καὶ πατέρα παντοκράτορα καὶ εὐλογεῖ τὸν κύριον ἡμῶν Ἰησοῦν Χριστόν τὸν σωτῆρα τῶν ψυχῶν ἡμῶν καὶ κυβερνήτην τῶν σωμάτων ἡμῶν καὶ ποιμένα τῆς κατὰ τὴν οἰκουμένην καθολικῆς ἐκκλησίας (Text nach A. Lindemann/ H. Paulsen, Die apostolischen Väter, 280. Vgl. zu diesem Beleg auch P.J. Achtemeier, 1Petr, 204, A. 211.

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

τῶν ψυχῶν ὑμῶν, also als Hirte ‚eurer‘, d.h. der Adressaten des 1Petr, Leben354, so erscheint er in Joh 10 als der ‚gute Hirte’, der sein Leben für die Schafe gibt (Joh 10,15b355): καὶ τὴν ψυχήν μου τίθημι ὑπὲρ τῶν προβάτων. Würden nun entweder die Wendung καὶ τὴν ψυχήν μου τίθημι ὑπὲρ τῶν προβάτων aus Joh 10,15b im Sinne von καὶ τὴν ψυχήν μου τίθημι ὑπὲρ τῶν ψυχῶν τῶν προβάτων gelesen und in diesem Sinne als Hinweis auf „die sich selbst aufopfernde Fürsorge des Hirten [für die ihm anvertrauten Schafe] bis zum äußersten“356 verstanden oder aber das Syntagma ποιμὴν τῶν ψυχῶν ὑμῶν aus 1Petr 2,25, den Ausführungen in 1Petr 2,24 durchaus entsprechend, unmittelbar soteriologisch interpretiert und auf den Kreuzestod bezogen, der Begriff ἐπίσκοπος somit nicht primär als inhaltliche Wiederholung, sondern vielmehr als soteriologisch konnotierte heilsgeschichtliche Weiterführung des Terminus ποιμήν gefasst357, dann ließe sich die petrinische Charakterisierung Christi als eines bzw. des ποιμὴν τῶν ψυχῶν ὑμῶν gänzlich zwanglos in die Semantik des johanneischen, in Joh 10 literarisch fixierten Bildes von Christus als dem ποιμὴν ὁ καλός (Joh 10,11) einordnen, eine Feststellung, die nicht zuletzt auch auf den 1Petr 5,4 begegnenden Terminus ἀρχιποίμην ausgedehnt werden könnte358. Natürlich ist es im Grundsatz nicht undenkbar, dass sowohl der Verfasser von Joh 10 als auch derjenige des 1Petr ihre jeweilige Vorstellung von Christus als 354. In der Kommentarliteratur zu 1Petr 2,25 wird der Begriff ψυχή häufig mit dem deutschen Wort ‚Seele‘ übersetzt (vgl. hierzu etwa R. Feldmeier, 1Petr, 111.118 und K.H. Schelkle, 1Petr, 79). Anders hier jedoch neuestens M. Vahrenhorst, 1Petr, 124, der diesen Terminus mit dem Wort ‚Leben‘ wiedergibt; vgl. hierzu auch 130f. In gleicher Weise auch N. Brox, 1Petr, 128; Brox stellt darüber hinaus explizit fest: „Mit ψυχαί ist wieder das Leben selbst bezeichnet“ (139). In diese Richtung gehen auch die Ausführungen von J.H. Elliott, 1Petr, 539, der den Terminus ψυχή auf „the servants/slaves as whole persons“ bezogen wissen will. 355. Vgl. hierzu etwa J. Zumstein, Joh, 395: „Der Ausdruck ‚sich des Lebens entäußern‘ … spricht unverblümt vom Sinn des Todes Jesu: Es ist ein schöpferisches Sterben zugunsten der Jünger“. 356. R. Schnackenburg, Joh II, 372. Schnackenburg lehnt im Blick auf den hier diskutierten Kontext die Annahme, hinter den Ausführungen von Joh 10,15b sei der Gedanke der Stellvertretung zu vermuten, allerdings ab. 357. An dieser Stelle durchaus m.R. R. Feldmeier, 1Petr, 118, ohne allerdings an dieser Stelle den heilsgeschichtlichen Aspekt explizit zu benennen: „Die Doppelbezeichnung ‚Hirt‘ und ‚Aufseher/Bischof‘ drückt dabei zweierlei aus: einmal die Autorität Christi als ‚Herr‘ …, dem zu gehorchen ist, dann aber auch seine Fürsorge für die Gläubigen, die sich in der Hingabe, im stellvertretenden Leiden vollendet“. 358. Vgl. hierzu R. Feldmeier, 1Petr, 158, A. 595; hier führt er im Blick auf die Semantik des Terminus ἀρχιποίμην aus: „Ähnliches besagen auch die Ausführungen zum wahren Hirten im Gegensatz zum ‚Lohnknecht in Joh 10,1–18; in soteriologischer Zuspitzung findet sich das Hirtenmotiv auch in Hebr 13,20‘“; anders hier J.H. Elliott, 1Petr, 833, der eine sachliche Parallelität der Semantik dieses Begriffs mit den Ausführungen in Joh 10,1–18 nicht in den Blick zu nehmen scheint, stattdessen aber feststellt: „The closest NT parallel to our term is Heb 13:20, which refers to the resurrected Lord Jesus as ‚the great shepheard of the

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dem ποιμήν gänzlich unabhängig voneinander etwa aus den Ausführungen in Ez 34,23f. entwickelt hätten359: καὶ ἀναστήσω ἐπ᾽ αὐτοὺς ποιμένα ἕνα καὶ ποιμανεῖ αὐτούς τὸν δοῦλόν μου Δαυιδ καὶ ἔσται αὐτῶν ποιμήν (24) καὶ ἐγὼ κύριος ἔσομαι αὐτοῖς εἰς θεόν καὶ Δαυιδ ἐν μέσῳ αὐτῶν ἄρχων ἐγὼ κύριος ἐλάλησα360. Dieser Annahme widerrät jedoch die Beobachtung, dass weder in Joh 10 noch in 1Petr 2,25; 5,4 ein Bezug der Person des Christus auf diejenige Davids angedeutet wird, etwa in dem Sinne, dass letzterer explizit als Sohn des ersteren charakterisiert würde. Dieser Einwand trifft in gleicher Weise zu im Blick auf die Annahme, der Verfasser des 1Petr rekurriere mit dem Bild von Christus als dem ποιμήν bzw. ἀρχιποίμην auf die Ausführungen in Jer 23,5f., da diese eben auch die – verheißene – Retter- und Hirtengestalt mit der Person Davids verknüpfen: ֤ ִ ‫ִהנֵּ֙ ה‬ ‫וּמ ַלְך ֶ֙מ ֶל ְ֙ך וְ ִה ְשׂ ִ֔כּיל וְ ָע ָ ֛שׂה ִמ ְשׁ ָ ֥פּט‬ ֤ ָ ‫הוה וַ ֲה ִקמ ִ ֹ֥תי ְל ָדִ ֖וד ֶצ ַ֣מח ַצ ִ ֑דּיק‬ ֔ ָ ְ‫יָמים ָבּ ִא ֙ים נְ ֻאם־י‬ ‫וּצ ָד ָ ֖ קה ָבּ ָ ֽא ֶרץ׃‬ ְ .361‫הו֥ה׀ ִצ ְד ֵ ֽ קנוּ‬ ָ ְ‫ה־שּׁ ֥מוֹ ֲ ֽא ֶשׁר־יִ ְק ְר ֖אוֹ י‬ ְ ֶ‫הוּדה וְ יִ ְשׂ ָר ֵ ֖אל יִ ְשׁ ֣כֹּן ָל ֶב ַ֑טח וְ ז‬ ֔ ָ ְ‫יָמ ֙יו ִתּוָּ ַ ֣שׁע י‬ ָ ‫( ְבּ‬6) Angesichts des PsSal 17,21 Dargelegten362 – auch hier wird der kommende Messias explizit als Sohn Davids definiert – dürften aus eben demselben Grunde auch die Ausführungen in PsSal 17,40363 innerhalb derer eben jener als Hirte dargestellt wird, nicht als traditionsgeschichtlicher und traditionsbildender Hintergrund für das in 1Petr 2,25; 5,4 Ausgeführten in Frage kommen: ἰσχυρὸς ἐν ἔργοις αὐτοῦ καὶ κραταιὸς ἐν φόβῳ θεοῦ ποιμαίνων τὸ ποίμνιον κυρίου ἐν πίστει καὶ δικαιοσύνῃ καὶ οὐκ ἀφήσει ἀσθενῆσαι ἐν αὐτοῖς ἐν τῇ νομῇ αὐτῶν.

In Sonderheit diese letzte Beobachtung lässt den Gedanken einer traditionsgeschichtlichen oder womöglich auch einer literarischen Relation zwischen den Ausführungen in 1Petr 2,25; 5,4 und denjenigen in Joh 10,1–30 durchaus wahrscheinlich erscheinen. Werden im Rahmen der Frage nach der Art der Relation von 1Petr 2,25; 5,4 zu Joh 10,1–30 die o. entwickelten Modelle der jeweils denkbaren Text- bzw. Traditionsrezeption364 in sheep‘“, ein Urteil, das in ähnlicher Weise auch P.J. Achtemeier, 1Petr, 329 fällt. Vgl. zu diesem Begriff auch 2Kön 3,4 in der Übersetzung des Symmachus und TestJud 8,1; an diesen Stellen begegnet dieser Terminus in profanem Kontext (vgl. hierzu M. Vahrenhorst, 1Petr, 191, R. Feldmeier, 1Petr, 158, A. 594 und J.H. Elliott, 1Petr, 833). 359. Eine in diese Richtung gehende Annahme wird im Blick auf 1Petr 5,2 zumindest angedeutet und im Blick auf 1Petr 2,25 explizit formuliert von M. Vahrenhorst, 1Petr, 41, A. 161; 131. 360. M. Vahrenhorst, 1Petr, 131 verweist in diesem Zusammenhang noch auf Ez 37,24. 361. Vgl. zu diesem Beleg J.H. Elliott, 1Petr, 538. 362. Ἰδέ, κύριε, καὶ ἀνάστησον αὐτοῖς τὸν βασιλέα αὐτῶν υἱὸν Δαυιδ εἰς τὸν καιρόν, ὃν εἵλου σύ, ὁ θεός, τοῦ βασιλεῦσαι ἐπὶ Ισραηλ παῖδά σου; vgl. hierzu auch S. Holm-Nielsen, PsSal, 101, A. 20 a: „Die folgende Schilderung des Messias beruht vor allem auf 2Sam 7, entlehnt aber im übrigen die Ausdrucksweise aus mehreren ‚messianischen‘ Passagen, namentlich in der Prophetenliteratur“. 363. Vgl. auch zu diesem Beleg J.H. Elliott, 1Petr, 538. 364. Vgl. hierzu o. 4–11.

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Anwendung gebracht, so folgt aus dem Sachverhalt, dass beide Texte sowohl identische Lexeme – konkret zu nennen sind hier die Begriffe ποιμήν, πρόβατα und ψυχή – als auch ein identisches (Gesamt-)Motiv – nämlich dasjenige der Person des Christus als des ποιμήν – bieten, dass die Relation zwischen 1Petr 2,25; 5,4 und Joh 10,1–30 in jedem Falle als eine unmittelbare, d.h. entweder als ein unmittelbar oder mittelbar vermittelter unmittelbarer literarischer Reflex oder aber als ein mittelbar vermittelter unmittelbarer traditionsgeschichtlicher Reflex zu beschreiben sind. Werden nun jedoch auch die semantischen Differenzen ernst genommen – immerhin nämlich bezeichnet der Verfasser des 1Petr Christus zwar einerseits als ποιμήν, zugleich aber auch als ἀρχιποίμην und als ἐπίσκοπος, nicht jedoch, wie der Verfasser von Joh 10,1–30, etwa als ποιμὴν ὁ καλός – so verliert die Annahme eines unmittelbaren literarischen Reflexes zugunsten derjenigen eines unmittelbaren traditionsgeschichtlichen Reflexes erheblich an Wahrscheinlichkeit: Die Bezeichnung der Person des Christus als ποιμήν, vor allem auch die pointierte Charakterisierung des wiederkommenden Christus als ἀρχιποίμην, erweist den Verfasser des 1Petr als einen exponierten Vertreter einer dezidiert poimenisch akzentuierten Christologie, die in diesem Punkt in ihrer inhaltlichen Grundausrichtung der (proto-)johanneischen christologischen Tradition, die in der johanneischen Tradition virulent gewesen ist und in Joh 10,1–30 ihren umfassenden literarischen Ausdruck gefunden hat, durchaus zu entsprechen vermag. Dieser Sachverhalt lässt es vor allem angesichts der Tatsache, dass der 1Petr – zumindest auch – an (ehemals) dem Verband des johanneischen Kreises365 bzw. der johanneischen Schule zugehörige Gemeinden gerichtet ist, die Annahme zumindest nicht undenkbar erscheinen, dass der Verfasser des 1Petr in seiner Epistel eben diese poimenisch akzentuierte christologische Tradition, ganz bewusst in einer kreativen, im Kontext seiner übrigen Darlegungen durchaus auffälligen und auch klar erkennbaren Weise entwickelt und dargestellt hat366. Treffen die hier formulierten Erwägungen zu, wäre wiederum ein traditionsgeschichtliches Argument zugunsten der Abfassung des 1Petr in Kleinasien367 gewonnen. Dort nämlich, näherhin im Umfeld des johanneischen Kreises bzw. der johanneischen Schule, dürfte diese Tradition wenn nicht entwickelt 365. Vgl. hierzu o. 12f.21f. 366. Zu 1Petr 2,25 als sachlicher Parallele zu Joh 10,11f. vgl. auch O.D. Foster, First Epistle of Peter, 530; allerdings geht Foster davon aus, „that our epistle [d.h. 1Petr] served … as a connecting link between the earlier tradition and the later development [d.h. der johanneischen Literatur]“. Dass eine solche Annahme schon aus historischen Gründen kaum Plausibilität beanspruchen kann, wurde im Verlauf der vorliegenden Studie bereits an verschiedenen Stellen diskutiert; vgl. hierzu nur o. 104. 367. Vgl. hierzu o. 17f.

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worden, so aber doch gepflegt worden und verbreitet gewesen sein. Dass der Verfasser des 1Petr diese aufnimmt, setzt seine Bekanntheit mit derselben voraus, eine Prämisse, die am ehesten im Kontext einer kleinasiatischen Verortung von 1Petr plausibel erscheint. Nicht undenkbar ist, dass der Verfasser des 1Petr diese (proto-)johanneische Tradition aufgenommen hat, um an eine zumindest in den johanneischen Gemeinden verbreitete entsprechend akzentuierte Christologie anknüpfen zu können und um so zu zeigen, dass johanneische Theologie und ‚petrinisches‘ Denken durchaus kompatibel zueinander sind, eine Absicht, die geeignet ist, das – zumindest nach Joh 13,21–27 eher geringe368 – aktuelle Ansehen und damit auch die Akzeptanz der historischen Person des Petrus und zugleich auch derjenigen, die sich als Träger und Bewahrer ‚petrinischer‘ theologischer und kirchenpolitischer Traditionen und Konzepte verstehen, innerhalb der johanneischen Schule bzw. des johanneischen Kreises zu verbessern. Diese Intention des Verfassers des 1Petr lässt sich wenn nicht aufweisen, so aber doch durchaus wahrscheinlich machen anhand seiner Darlegungen in 1Petr 2,21–25, insbesondere anhand derjenigen in 1Petr 2,22–24.25. Anknüpfend an konkrete Anweisungen bezüglich des gebotenen Verhaltens von Haussklaven (οἰκέται) – die Haussklaven sollen sich dem Leiden nicht entziehen – bietet der Verfasser des 1Petr in 1Petr 2,22–24 eine christologische Reflexion auf der Basis der Ausführungen in Jes 53. Diese Reflexion verknüpft zunächst inhaltlich das – unrechtmäßige – Leiden der οἰκέται mit dem Leiden Christi und beschreibt letzteres als einen ὑπογραμμός (1Petr 2,21b), dem die Haussklaven Folge leisten sollen (1Petr 2,21c). Daran schließt sich in 1Petr 2,22– 24a.b eine – wiederum das Momentum des Leidens intonierende – Beschreibung des Heilswirkens Christi an, die durch ihren rhetorischen Gleichklang auffällt – die Verse 22, 23 und 24 werden jeweils mit dem auf die Person des Christus bezogenen Personalpronomen ὅς eingeleitet – und in die Darstellung der aktuellen soteriologischen Konsequenzen dieses Heilswirkens für die seit 1Petr 2,18 angeredeten οἰκέται ausmündet: οὗ τῷ μώλωπι ἰάθητε (1Petr 2,24c). Mit diesen Erwägungen ist der bis dato außerordentlich kohärente Abschnitt 1Petr 2,18ff. eigentlich zu einem inhaltlichen Abschluss gekommen; um so mehr muss verwundern, dass der Verfasser des 1Petr dann in 1Petr 2,25, mit dem Vorhergehenden durch die entweder explikativ oder aber kausal zu verstehende Konjunktion γάρ verknüpft369, einen weiteren Gedanken anschließt, der mit der Erwägung einsetzt, dass ‚ihr‘, also offensichtlich wiederum die seit 1Petr 2,18 angeredeten οἰκέται, in der Zeit vor ihrer Hinwendung zum Christentum πρόβατα πλανώμενοι gleichten (1Petr 2,25a), nun jedoch ‚umgekehrt sind‘ zu dem ποιμὴν καὶ ἐπίσκοπος ihrer ψυχαί (1Petr 2,25b)370. Die Ausführungen in 1Petr 2,25 werfen, gerade auch im Blick auf deren Konnex zu dem 1Petr 2,18–24 Dargestellten, mehrere Fragen auf: (a) Zunächst grammatisch: Worauf ist die kausal oder aber explikativ zu fassende Konjunktion γάρ zu 368. Vgl. hierzu u. 149f. 369. P.J. Achtemeier, 1Petr, 204 scheint ein explikatives Verständnis dieser Konjunktion zu präferieren. 370. P.J. Achtemeier, 1Petr, 203 sieht durchaus m.R. in 1Petr 2,25 „a change in topic from being healed by Jesus’ suffering to straying like sheep“.

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beziehen? Am naheliegendsten wäre es, hier an das in 1Petr 2,24c Ausgeführte zu denken: Die angeredeten οἰκέται seien durch die Strieme Christi geheilt worden (ἰάθητε)371, weil sie zuvor nämlich πρόβατα πλανώμενοι glichen. Einer solchen Annahme widerrät zunächst die Beobachtung, dass sich die Aussage in 1Petr 2,24c auf die vorangehenden Darlegungen, in Sonderheit auf 1Petr 2,23b (πάσχων οὐκ ἠπείλει), zurückbeziehen, darüber hinaus die Wahrnehmung, dass die Aussage in 1Petr 2,25a das 1Petr 2,24c Ausgeführte weder zu begründen noch zu erklären vermag: Wie nämlich soll der Hinweis, dass die angeredeten Haussklaven in ihrer Vergangenheit πρόβατα πλανώμενοι glichen, begründen oder erklären, dass sie durch die Strieme Christi geheilt worden sind? (b) Daran anschließend dann inhaltlich: Wie soll der Hinweis, dass die in 1Petr 2,18–25 angeredeten οἰκέται in ihrer vorchristlichen Zeit πρόβατα πλανώμενοι glichen, mit der spätestens ab 2Petr 2,19 im Mittelpunkt stehenden Leidensthematik verbunden gedacht werden? Aus ihrer Sklavenexistenz ergibt sich ihr Sein als irrende Schafe372 nämlich keinesfalls mit Notwendigkeit. Wenn nun aber das in 1Petr 2,25 Ausgeführte als ein mit dem Vorangehenden inhaltlich eher unverbundener argumentationslogischer Neuansatz zu betrachten ist, ist zu fragen, warum der Verfasser des 1Petr diesen Neuansatz an dieser Stelle präsentiert, um dann in 1Petr 3,1, sachlich mit dem Vorangehenden parallelisiert durch die Verwendung der Partikel ὁμοίως, gleich wieder einen mahnenden, nun an die γυναῖκες (1Petr 3,1) und die ἄνδρες (1Petr 3,7) gerichteten Abschnitt zu beginnen, ohne den in 1Petr 2,25 angestoßenen poimenischen Aspekt weiter zu entwickeln. Eine denkbare Erklärung wäre die Annahme, dass der Verfasser des 1Petr an eine ihm entweder bereits vorliegende oder aber von ihm entwickelte, in paränetischer Abzweckung das unmittelbare Heilswirken Christi thematisierende Passage373 eine poimenisch akzentuierte christologische, auf die ekklesiologische Dimension der Christologie abzielende374 Überlegung angefügt hat, weil ihm aus mittelbar oder aber auch unmittelbar schriftlich vermittelter Anschauung bekannt gewesen ist, dass ein solches poimenisch akzentuiertes christologisches bzw. ekklesiologisches Theologoumenon den Adressaten seiner Epistel geläufig gewesen ist, er somit in seiner Epistel an dieses inhaltlich anknüpfen konnte375. Konkret hieße dies,

371. Übersetzung nach N. Brox, 1Petr, 128. 372. Übersetzung nach N. Brox, 1Petr, 128. 373. Zur Verwendung traditionellen Materials durch den Verfasser des 1Petr vgl. etwa N. Brox, 1Petr, 22f.: „Der 1Petr stellt keine literarisch-künstliche ‚Zweckentfremdung‘ von ursprünglich anders als brieflich verwendeten großen und kleinen Texteinheiten dar, sondern verwendet für seine in einem Brief sehr angebrachten Themen umfangreiches Überlieferungsgut paränetischer, wahrscheinlicher auch homologischer und liturgischer Art“. 374. Vgl. zu einer ekklesiologischen Konnotation von 1Petr 2,25 etwa R. Feldmeier, 1Petr, 118: „Den Schlußakkord dieses Exkurses bildet wiederum die Ekklesiologie“. 375. Dieser Überlegung muss keineswegs die Beobachtung von J.H. Elliott widersprechen, dass die Verse 1Petr 2,21 und 1Petr 2,25 „form a literaray inclusion that frames vv 21–25 and marks them as a coherent Christological unit joined to and substantiating vv 18–20“ (1Petr, 539), da diese inclusio, konstruiert durch die beiden Passiva ἐκλήθητε in 1Petr 2,21 und ἐπεστράφητε in 1Petr 2,25, durchaus auch auf das Konto dessen gehen kann, der 1Petr 2,25

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dass er, wenn auch in kreativer und eigenständiger Weise, seine Epistel theologisch zumindest an diesem Punkt durchaus bewusst auf eine innerhalb der johanneischen Schule bzw. des johanneischen Kreises, immerhin eine der Adressaten bzw. Adressatengruppen derselben, verbreitete theologische Konzeption ausgerichtet habe.

Diese auf die Person des Christus bezogenen traditionsgeschichtlichen Überlegungen letzten Endes ergänzend und zugleich auch untermauernd sieht O.D. Foster die in Apk 1,5f. entwickelte christologisch bzw. soteriologisch akzentuierte theologische Konzeption im 1Petr aufgenommen und in dann allerdings jeweils unterschiedlichen Kontexten und auch unterschiedlichen Passagen verarbeitet376. In Apk 1,5f. wird Christus als derjenige beschrieben, der als ὁ μάρτυς[,] ὁ πιστός377, als πρωτότοκος τῶν νεκρῶν und als ὁ ἄρχων τῶν βασιλέων τῆς γῆς die Gemeinschaft der angeschriebenen Christen und des Verfassers der Apk liebe, sie durch sein Blut von ihren Sünden erlöst und zu einem Königtum und zu Priestern Gottes gemacht habe: καὶ ἀπὸ Ἰησοῦ Χριστοῦ, ὁ μάρτυς, ὁ πιστός, ὁ πρωτότοκος τῶν νεκρῶν καὶ ὁ ἄρχων τῶν βασιλέων τῆς γῆς. Τῷ ἀγαπῶντι ἡμᾶς καὶ λύσαντι ἡμᾶς ἐκ τῶν ἁμαρτιῶν ἡμῶν ἐν τῷ αἵματι αὐτοῦ, (6) καὶ ἐποίησεν ἡμᾶς βασιλείαν, ἱερεῖς τῷ θεῷ καὶ πατρὶ αὐτοῦ, αὐτῷ ἡ δόξα καὶ τὸ κράτος εἰς τοὺς αἰῶνας [τῶν αἰώνων]· ἀμήν. Foster zufolge ließen sich Aussagen aus insgesamt drei Versen des 1Petr mit dieser Passage aus Apk 1 in Verbindung bringen: (a) Die Wendung λύσαντι ἡμᾶς ἐκ τῶν ἁμαρτιῶν ἡμῶν ἐν τῷ αἵματι αὐτοῦ Apk 1,5bβ fände sich wieder in der Passage ἐλυτρώθητε … ἀλλὰ τιμίῳ αἵματι ὡς ἀμνοῦ ἀμώμου καὶ ἀσπίλου Χριστοῦ in 1Petr 1,19378. Über diese Texte aus 1Petr und Apk hinaus benennt Foster als solche, die einen ähnlichen Wortlaut und eine ähnliche Motivik aufwiesen, noch an eine mögliche von ihm entwickelte oder ihm bereits vorliegende paränetisch akzentuierte Passage angefügt hat. 376. Vgl. hierzu First Epistle of Peter, 519: „It can hardly be accidental that this reference to ‚redemption‘ or ‚washing from sin‘ is contextually connected with parallels 2 and 3 [d.h. mit den Parallelen Apk 1,6a; 5,10a // 1Petr 2,9 und Apk 6,1b // 1Petr 4,11d]“ (vgl. zu letzteren auch u.). 377. D.E. Aune, Apk I, 37 liest die Charakterisierung ὁ μάρτυς[,] ὁ πιστός unter Verweis auf Ps 89,38b ohne Komma, begreift somit Christus hier als den ‚treuen Zeugen‘; ähnlich hier auch U.B. Müller, Apk, 73. Vgl. zur Interpretation dieses Syntagmas insgesamt D.E. Aune, Apk I, 37f. 378. Vgl. hierzu First Epistle of Peter, 519: „The words used for ‚lamb‘ and for ‚purchase‘ are different, yet the ideas are the same“. Dabei bezieht Foster einerseits die Wendungen άρνίον ἑστηκὸς ὡς ἐσφαγμένον und ἠγόρασας τῷ θεῷ ἐν τῷ αἵματί σου aus Apk 5,6.9, andererseits das Syntagma ῥαντισμὸν αἵματος Ἰησοῦ Χριστοῦ aus 1Petr 1,2 mit in seine Überlegungen ein. Im Blick auf Joh 1,29 und 1Petr 1,19 vgl. auch H. Thyen, Joh, 117; Thyen zufolge seien die Ausführungen in 1Petr 1,19 mit denjenigen in Joh 1,29 „der Sache nach vergleichbar“.

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Apg 20,28; 1Kor 6,20 und Hebr 9,14379. Diese insgesamt fünf Belege seien hier der Übersichtlichkeit halber unmittelbar untereinander notiert: Beleg

Text

Apk 1,5bβ

λύσαντι ἡμᾶς ἐκ τῶν ἁμαρτιῶν ἡμῶν ἐν τῷ αἵματι αὐτοῦ380 Apk 5,6a: άρνίον381 ἑστηκὸς ὡς ἐσφαγμένον Apk 5,9c: ἠγόρασας τῷ θεῷ ἐν τῷ αἵματί σου

1Petr 1,19

ἐλυτρώθητε … ἀλλὰ τιμίῳ αἵματι ὡς ἀμνοῦ382 ἀμώμου καὶ ἀσπίλου Χριστοῦ 1Petr 1,2bβ: ῥαντισμὸν αἵματος Ἰησοῦ Χριστοῦ

Apg 20,28bβ ποιμαίνειν τὴν ἐκκλησίαν τοῦ θεοῦ, ἣν περιεποιήσατο διὰ τοῦ αἵματος τοῦ ἰδίου 1Kor 6,20

ἠγοράσθητε γὰρ τιμῆς383· δοξάσατε δὴ τὸν θεὸν ἐν τῷ σώματι ὑμῶν

Hebr 9,14

πόσῳ μᾶλλον τὸ αἷμα τοῦ Χριστοῦ, ὃς διὰ πνεύματος αἰωνίου ἑαυτὸν προσήνεγκεν ἄμωμον τῷ θεῷ, καθαριεῖ τὴν συνείδησιν ἡμῶν ἀπὸ νεκρῶν ἔργων εἰς τὸ λατρεύειν θεῷ ζῶντι

Die Lektüre dieser Texte lässt unmittelbar erkennen, dass die Kombination384 der Motive des (Er-)Lösens bzw. Freikaufens und des (wertvollen) Blutes Christi als des Lammes – letzteres stellt den Preis für die (Er-)Lösung bzw. den Loskauf dar385 – zumindest im Wortsinne innerhalb des NT nur in Apk 1,5bβ und in 1Petr 1,19 begegnet. In Apg 20,28bβ – hier geht es um das Erwerben, nicht jedoch um das (Er-)Lösen oder den Loskauf – und 379. Vgl. hierzu First Epistle of Peter, 519; vgl. zu weiteren, allerdings weiter entfernt liegenden Belegen C.G. Müller, 1Petr, 259f. 380. Zur liturgischen Form dieser Doxologie vgl. D.E. Aune, Apk I, 46. 381. Ausweislich der Konkordanz begegnet der Begriff ἀρνίον innerhalb der Schriften des Neuen Testaments nur in Joh 21,16 und in der Apk; vgl. hierzu W.F. Moulton/A.S. Geden, Concordance, s.v. ἀρνίον, 107. 382. Der Terminus ἀμνός ist innerhalb der neutestamentlichen Literatur über 1Petr 1,19 hinaus nur in Apg 8,32, hier in einem Zitat aus Jes 53,7 und in Joh 1,29.36 belegt; vgl. hierzu W.F. Moulton/A.S. Geden, Concordance, s.v. ἀμνός, 52. 383. Vgl. hierzu auch 1Kor 7,23a: τιμῆς ἠγοράσθητε, eine Formulierung die derjenigen in 1Kor 6,20a entspricht. 384. Vgl. hierzu J. Herzer, Petrus oder Paulus?, 120 im Blick auf 1Petr 1,19: „Der Autor verbindet also zwei zu unterscheidende Vortellungen miteinander: 1. Die Hingabe Christi als Lösegeld für die Glaubenden; 2. Die Hingabe in seinen Tod als Opferung eines Lammes unter Aufnahme alttestamentlicher Opfertraditionen“. 385. Vgl. hierzu J. Herzer, Petrus oder Paulus, 120: „Durch die antithetische Gegenüberstellung von Gold und Silber als den herkömmlichen Zahlungsmitteln bei einem Freikauf von (Kriegs-)Gefangenen bzw. Sklaven wird das Blut Christi als Kaufpreis benannt, der für die Erlösten bezahlt werden muß“; vgl. hierzu auch L. Goppelt, 1Petr, 121f.

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in Hebr 9,14 fehlt das Motiv des (Er-)Lösens bzw. Freikaufens, in 1Kor 6,20 dasjenige des Blutes Christi386. Der Gedanke Christi als eines Lammes ist weder in Apg 20,28bβ noch in 1Kor 6,20 noch in Hebr 9,14 noch darüber hinaus sonst im Neuen Testament387 nachweisbar. Positiv gewendet bedeutet dies: Das – nun weniger poimenisch als vielmehr soteriologisch akzentuierte – Theologoumenon vom Loskauf bzw. der Erlösung der Christen durch das Blut des Lammes Christus begegnet innerhalb der neutestamentlichen Überlieferung nur in der Apk als einer der johanneischen Schriften – hier allerdings durchaus an prominenter Stelle388 – und in 1Petr389. Da sich nun einerseits aber die jeweils verwendete Begrifflichkeit deutlich voneinander unterscheidet390, da andererseits aber beide Verfasser das – freilich

386. Vgl. hierzu m.R. J. Herzer, Petrus oder Paulus?, 124: „Einen unmittelbaren und ausdrücklichen Bezug zum Blut bzw. dem gewaltsamen Tod Christi als Kaufpreis stellt Paulus nicht her“. Herzer sieht einen solchen Bezug allerdings in Gal 3,13 angedeutet; hier formuliert der Apostel unter Aufnahme von Dtn 21,23: Χριστὸς ἡμᾶς ἐξηγόρασεν ἐκ τῆς κατάρας τοῦ νόμου γενόμενος ὑπὲρ ἡμῶν κατάρα, ὅτι γέγραπται· ἐπικατάρατος πᾶς ὁ κρεμάμενος ἐπὶ ξύλου. Als Preis für die (Er-)Lösung wird hier aber nicht das αἵμα Χριστοῦ, sondern explizit dessen Tod am Kreuz benannt, da eben dieser Tod bzw. dieses Hängen am Kreuz die stellvertretende Übernahme des eigentlich auf den Christen liegenden Fluches durch Christus anzeigt. Vgl. zum Gesamtzusammenhang dieser Passage etwa H.D. Betz, Gal, 269–275. Gleiches gilt im Blick auf die Formulierung in Gal 4,5a: ἵνα τοὺς ὑπὸ νόμον ἐξαγοράσῃ. 387. Eine erste Ausnahme bildet hier, wie o. bereits angedeutet, die Passage Apg 8,32–35; hier wird der Begriff ἀμνός im Rahmen eines Zitats aus Jes 53,7f. verwendet (Jes 53,6 in Apg 8,32b: ὡς πρόβατον ἐπὶ σφαγὴν ἤχθη καὶ ὡς ἀμνὸς ἐναντίον τοῦ κείραντος αὐτὸν ἄφωνος, οὕτως οὐκ ἀνοίγει τὸ στόμα αὐτοῦ) und implizit auf die Person des Jesus (8,35) bezogen. Eine explizite Benennung desselben etwa als ἀμνὸς θεοῦ ist in Apg 8 allerdings nicht belegt. Vgl. hierzu etwa R. Pesch, Apg 1, 292f.; Pesch weist darauf hin, dass „keine Auslegung des Zitats geboten wird“ (292), was bedeute, dass „dem Leser die Aufgabe gestellt [bleibe], nachzuvollziehen, inwiefern der Ausschnitt aus dem Gottesknechtslied die Geschichte Jesu deuten kann“ (292f.). In diesem Zusammenhang relativierend auch R. Bultmann, Joh, 66, A. 3, der darauf hinweist, dass „in dem Zitat aus Jes 53,7 ind Act 8,32 … nur ein Vergleich vor[liegt]“ (vgl. hierzu auch H. Thyen, Joh, 118), dem Verfasser von Apg 8,32–35 also die unmittelbare titulare Bezeichnung Jesu als ἀμνὸς τοῦ θεοῦ offensichtlich noch nicht geläufig ist. Als eine zweite Ausnahme ließe sich 1Kor 5,7b anführen; hier bezeichnet Paulus Christus als das geopferte Passalamm, ohne jedoch die Termini ἀρνίον oder ἀμνός zu verwenden: καὶ γὰρ τὸ πάσχα ἡμῶν ἐτύθη Χριστός. Allerdings spricht „der Apostel … in diesem Zusammenhang nicht von der Erlösung bzw. von einem Loskauf, der durch die Opferung des Lammes erfolgen würde, sondern dem Exodusgeschehen entsprechend … von dem Gericht über den ‚alten Sauerteig‘ … und der Erneuerung der Gemeinde, die durch das geopferte Passalamm geschehen ist“ (J. Herzer, Petrus oder Paulus?, 129). Die von J. Herzer aus dieser Feststellung gezogene Folgerung: „Die Tatsache, daß Paulus die Passalammtypologie nicht entfaltet, zeigt, daß er sie bei den Korinthern als bekannte Vorstellung voraussetzt“ (129f.), ist damit allerdings noch keinesfalls erwiesen. 388. Vgl. hierzu etwa J. Herzer, Petrus oder Paulus?, 128f.130–133. 389. Vgl. hierzu zutreffend J. Herzer, Petrus oder Paulus?, 132: „Die Verbindung [der Idee Christi als des Lammes] mit der Vorstellung vom Loskauf erfolgt nur in 1Petr und Apk“. 390. Vgl. hierzu bereits die Einlassungen von O.D. Foster, First Epistle of Peter, 519; vgl. hierzu bereits o.

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wenig spezifische – identische Lexem αἵμα verwenden und die beiden von den jeweiligen Verfassern entwickelten Theologoumena theologisch-inhaltlich weitgehend übereinstimmen, lassen sich weder die Annahme eines mittelbar oder unmittelbar vermittelten unmittelbaren literarischen Reflexes noch diejenige eines mittelbar vermittelten unmittelbaren traditionsgeschichtlichen Reflexes entweder von Apk 1,5bβ; 5,6a; 5,9c auf 1Petr 1,2bβ.19 oder aber von 1Petr 1,2bβ.19 auf Apk 1,5bβ; 5,6a; 5,9c, sehr wohl allerdings die Annahme eines mittelbar oder unmittelbar vermittelten mittelbaren literarischen Reflexes oder auch diejenige eines mittelbar vermittelten traditionsgeschichtlichen Reflexes wahrscheinlich machen. Da nun das Theologoumenon vom Blut des Lammes Christus als Preis für die (Er-)Lösung bzw. den Loskauf lediglich in 1Petr 1,19, nicht jedoch in Apk 1,5bβ in ein- und demselben argumentationslogischen Zusammenhang vollständig entwickelt erscheint – in der Apk begegnet der eine Teil dieses Theologoumenon in Apk 1,5bβ; 5,9c, der andere in Apk 5,6a391 –, verliert die Annahme, dass die Ausführungen in 1Petr 1,19 einen mittelbaren literarischen Reflex auf die Ausführungen in der Apk darstellen, deutlich an Wahrscheinlichkeit; der Annahme, dass die Ausführungen in Apk 1,5bβ; 5,6a.9c literarisch auf die Ausführungen in 1Petr 1,(2bβ.)19 Bezug nähmen, kommt angesichts des Sachverhalts, daß die Person des Petrus innerhalb der johanneischen Schule bzw. des johanneischen Kreises eine nur geringe Wertschätzung genießt, von vornherein nur eine geringe Plausibilität zu392. Daher bleibt als wahrscheinlichste Erklärung für den o. beobachteten Sachverhalt, dass das Theologoumenon vom Blut des Lammes Christus als Preis für die (Er-)Lösung bzw. den Loskauf innerhalb der neutestamentlichen Überlieferung lediglich in 1Petr und in der Apk belegt ist, die Annahme eines mittelbar vermittelten mittelbaren traditionsgeschichtlichen Reflexes übrig: Sowohl der Verfasser der Apk als auch derjenige des 1Petr griffen in ihrer jeweilien Schrift dieses in der (proto-)johanneischen Tradition bereits entwickelte Theologoumenon in jeweils freier und eigenständiger Weise auf393. 391. Vgl. hierzu die tabellarische Übersicht o. 116. 392. Vgl. zu diesem Argument bereits o. 39. 393. Zu der Annahme, dass der Verfasser des 1Petr in 1Petr 1,18f. auf traditionelles Material zurückgreift, vgl. bereits L. Goppelt, 1Petr, 121, darüber hinaus auch J. Becker, Joh I, 111.116. Dass es sich dabei um eine (proto-)johanneische Tradition handelt, wird in Sonderheit vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Person des Petrus in der Darstellung des Joh derjenigen des μαθητὴς ὃν ἠγάπα ὁ Ἰησοῦς untergeordnet wird (vgl. hierzu bereits o.), indiziert durch die Ausführungen in Joh 1,29.36; in beiden Passagen bekennt der Täufer Jesus als ἀμνὸς τοῦ θεοῦ, ein Titel, der in dieser Unmittelbarkeit im Neuen Testament singulär ist (vgl. hierzu H. Thyen, Joh, 117), in Joh 1,19 darüber hinaus noch als ἀμνὸς τοῦ θεοῦ ὁ αἴρων τὴν ἁμαρτίαν τοῦ κόσμου. Zum alttestamentlichen Hintergrund der Metapher des ἀμνὸς τοῦ θεοῦ vgl. neuestens J. Zumstein, Joh, 98f.; vgl. darüber hinaus auch H. Thyen, Joh, 117–121.

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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Alternativ bliebe natürlich nicht undenkbar, dass sowohl der Verfasser des 1Petr als auch derjenige der Apk dieses Theologoumenon unabhängig voneinander vor dem Hintergrund sowohl der etwa in Ex 12,1–10.46 aufscheinenden Passatradition und als auch der theologischen Konzeption der dtjes Gottesknechtslieder394 entwickelt hätten. Einfacher, weil mit weniger Hypothesen belastet, und daher auch plausibler ist es demgegenüber jedoch, die Ausführungen in 1Petr 1,(2bβ.)19 und in Apk 1,5bβ; 5,6a.9c als gemeinsamen Rückgriff auf eine gemeinsame, in diesem Falle (proto-)johanneische Tradition zu verstehen, die bereits in Joh 1,29.36 literarisch fassbar wird. Die Vorstellung des Todes Christi als einer (Er-)Lösung oder eines Freikaufens, die hier in 1Petr 1,19 entwickelt wird, hat ihre engste neutestamentliche Parallele in Mk 10,45: καὶ γὰρ ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου οὐκ ἦλθεν διακονηθῆναι ἀλλὰ διακονῆσαι καὶ δοῦναι τὴν ψυχὴν αὐτοῦ λύτρον ἀντὶ πολλῶν, bzw. Mt 20,28: ὥσπερ ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου οὐκ ἦλθεν διακονηθῆναι ἀλλὰ διακονῆσαι καὶ δοῦναι τὴν ψυχὴν αὐτοῦ λύτρον ἀντὶ πολλῶν395, eine Feststellung, die sich schon aus dem Sachverhalt ergibt, dass in allen drei Passagen, um die (Er-)Lösung oder das Freikaufen darzustellen, ein Begriff aus dem Wortfeld λυτρόω Verwendung findet. Aber weder in Mk 10,45 noch in Mk 20,28 ist diese Vorstellung verkoppelt mit dem Gedanken des Blutes Christi als des Preises für die (Er-)Lösung bzw. den Freikauf oder gar der Vorstellung Christi als eines ἀρνίον oder eines ἀμνός396. Das Motiv des Blutes Christi begegnet, abgesehen von 1Petr und Apk 1,5; 5,9, in der neutestamentlichen Überlieferung zunächst innerhalb der Abendmahlsworte Mk 14,24; Mt 26,28; Lk 22,20; 1Kor 10,16; 11,25,27, dann in Joh 6,53– 56; 19,34; Apg 5,28; Apg 20,28; Röm 3,25; 5,9; Eph 1,7; 2,13; Kol 1,20; Hebr 9,12.14.25; Hebr 10,19.29; 13,12.20; 1Joh 1,7397; 5,6(bis).8, schließlich in Apk 7,14398. In keinem dieser Belege begegnet jedoch der Begriff αἵμα gekoppelt mit der Idee der Person Christi als eines Lammes. 394. Vgl. zu diesen beiden Traditionshintergründen der Metapher vom ἀμνὸς τοῦ θεοῦ J. Zumstein, Joh, 98f.; darüber hinaus verweist H. Thyen, Joh, 118 noch auf Lev 16, ein Verweis, der die hier diskutierte Annahme letzten Endes noch unwahrscheinlicher macht. 395. Vgl. zu diesen beiden Belegen J. Herzer, Petrus oder Paulus?, 121. 396. Anders hier L. Goppelt, 1Petr, 122, der augenscheinlich einen unmittelbaren Rückgriff von 1Petr 1,18f. auf Mk 10,45 bzw. Mt 20,28 annehmen möchte: „An unserer Stelle [d.h. in 1Petr 1,18f.] ist eine von dem Logion herkommende Tradition ausgearbeitet“. Die Frage ist jedoch, ob diese von Goppelt postulierte Ausarbeitung der in Mk 10,45 sichtbar werdenden Tradition auf den Verfasser des 1Petr zurückgeht oder bereits in ‚vorpetrinischer‘ Zeit erfolgt ist. 397. O.D. Foster, First Epistle of Peter, 522f. notiert die Ausführungen von 1Joh 1,7bβ: καὶ τὸ αἷμα Ἰησοῦ τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ καθαρίζει ἡμᾶς ἀπὸ πάσης ἁμαρτίας als sachliche Parallele und führt aus: „The thought is very similar as well as the phrasing. Here Jesus‘ blood is thought of as ‚cleansing from sin,‘ whereas in Jn. 1  ; 29 it is the ‚Lamb of God who bears the sin of the world.‘ Our author has used these two ideas together, if indeed they may be said to be two ideas. ‚Redemption is through the spotless blood of the Lamb‘“ (522f.); Foster bewertet diese Parallele mit dem Satz: „Dependence here seems probable“ (523). 398. Vgl. hierzu W.F. Moulton/A.S. Geden, Concordance, s.v. αἵμα, 25f.; zu Apk 7,14 als Bezugstext für Apk 1,15bβ vgl. etwa D.E. Aune, Apk I, 47.

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

(b) 1Petr 2,9 und Apk 1,6a; 5,10a ließen sich die jeweilige, augenscheinlich Ex 19,6a folgende und aufnehmende Charakterisierung der jeweils angeschriebenen Adressaten als königliche Priesterschaft oder priesterliches Königtum als inhaltliche bzw. sachliche Parallelen bewerten399. Dass die Ausführungen in 1Petr 2,9 inhaltlich mit denjenigen in Apk 1,6a; 5,10a durchaus konvergieren, ist schlicht nicht zu bestreiten; ihre Konvergenz ist aber mit der Annahme eines mittelbar vermittelten traditionsgeschichtlichen Reflexes400 weitaus besser erklärt als mit derjenigen einer wie auch immer zu beschreibenden literarischen Abhängigkeit401. (c) Schließlich stimme die Doxologie in Apk 1,6b: αὐτῷ ἡ δόξα καὶ τὸ κράτος εἰς τοὺς αἰῶνας [τῶν αἰώνων]· ἀμήν, mit derjenigen, die in 1Petr 4,11d begegnet: ᾧ ἐστιν ἡ δόξα καὶ τὸ κράτος εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων, ἀμήν, annähernd bzw. letzten Endes sogar vollständig wörtlich überein402. Diese letztlich vollständige wörtliche Übereinstimmung wird deutlich erkennbar, werden diese beiden Doxologien mit denjenigen in 2Tim 4,18 und 2Petr 3,18 tabellarisch zusammengestellt: Beleg

Text

Apk 1,6b

αὐτῷ ἡ δόξα καὶ τὸ κράτος εἰς τοὺς αἰῶνας [τῶν αἰώνων]· ἀμήν

1Petr 4,11d

ᾧ ἐστιν ἡ δόξα καὶ τὸ κράτος εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων, ἀμήν.

2Tim 4,18b

ᾧ ἡ δόξα εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων, ἀμήν

2Petr 3,18b

αὐτῷ ἡ δόξα καὶ νῦν καὶ εἰς ἡμέραν αἰῶνος [ἀμήν]

Die zwischen diesen beiden Doxologien in Apk 1,6b und 1Petr 4,11d unbestreitbar vorliegende lexikalische Übereinstimmung ließe sich sowohl als eine literarische Abhängigkeit als aber auch als eine traditionsgeschichtliche Bezugnahme, d.h. das gemeinsame, allerdings voneinander unabhängige Aufgreifen einer fest gefügten (Formel-)Tradition erklären. An dieser Stelle ist eine sichere Entscheidung letzten Endes nicht möglich. 399. Vgl. hierzu First Epistle of Peter, 519. 400. Zu den entsprechenden theoretischen Erwägungen vgl. ausführlich o. 4–11. 401. Vgl. zu diesen beiden Passagen, den Problemen ihrer jeweiligen Auslegung und der Interpretation ihrer Parallelität als eines mittelbar vermittelten mittelbaren traditionsgeschichtlichen Reflexes bereits o. 118. 402. Vgl. hierzu First Epistle of Peter, 520 und auch J.R. Michaels, 1Petr, 253; Foster verweist darüber hinaus noch auf 1Petr 5,11 und Apk 5,13. Vgl. hierzu auch D.E. Aune, Apk I, 49; Aune verweist als weitere Parallele noch auf ApkSedr 16,10. Vgl. hierzu auch P.J. Achtemeier, 1Petr, 299, A. 113, der aber die von ihm genannten Doxologien insgesamt zu wenig differenziert betrachtet.

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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O.D. Foster folgert aus der Gegenüberstellung dieser drei entweder inhaltlichen oder aber auch wörtlichen Parallelen: „The textual sequence and very similar phraseology in these three parallels makes a strong argument for dependence“403, hier konkret für eine literarische Abhängigkeit der Apk von 1Petr404. Foster selbst ordnet diese Belege allerdings in die von ihm entwickelte bzw. übernommene Kategorie C ein, eine Kategorie, die solche textlichen Parallelen enthält, bei denen eine literarische Abhängigkeit mit Wahrscheinlichkeit annehmbar, aber nicht zweifelsfrei erweisbar ist405. Die einzelnen Analysen der jeweiligen parallelen Texte bzw. Passagen haben jedoch gezeigt, dass die Annahme eines mittelbar vermittelten traditionsgeschichtlichen Reflexes – der Verfasser von 1Petr und diejenigen der johanneischen Schriften greifen in freier Weise und unabhängig voneinander (proto-)johanneisches Traditionsmaterial auf – die konkrete Ausprägung der jeweiligen Parallelen weitaus besser zu erklären vermag als diejenige einer unmittelbaren literarischen Interdependenz. Auf eine weitere christologische Parallele zwischen dem 1Petr und der johanneischen Literatur macht O.D. Foster aufmerksam, wenn er die Ausführungen in 1Petr 2,22f.: ὃς [d.h. Christus] ἁμαρτίαν οὐκ ἐποίησεν…, (23) ὃς λοιδορούμενος οὐκ ἀντελοιδόρει, πάσχων οὐκ ἠπείλει, παρεδίδου δὲ τῷ κρίνοντι δικαίως, mit denjenigen in Joh 8,46.48–50: τίς ἐξ ὑμῶν ἐλέγχει με περὶ ἁμαρτίας; … (48) ἀπεκρίθησαν οἱ Ἰουδαῖοι καὶ εἶπαν αὐτῷ· οὐ καλῶς λέγομεν ἡμεῖς ὅτι Σαμαρίτης εἶ σὺ καὶ δαιμόνιον ἔχεις; (49) ἀπεκρίθη Ἰησοῦς· ἐγὼ δαιμόνιον οὐκ ἔχω, ἀλλὰ τιμῶ τὸν πατέρα μου, καὶ ὑμεῖς ἀτιμάζετέ με. (50) ἐγὼ δὲ οὐ ζητῶ τὴν δόξαν μου· ἔστιν ὁ ζητῶν καὶ κρίνων, – und darüber hinaus mit 1Joh 3,5b406: καὶ ἁμαρτία ἐν αὐτῷ οὐκ ἔστιν – parallelisiert407. Foster stellt dabei fest: „Jn. 8  ; 48–49 gives a concrete case of what is mentioned in I Pt. 2  ; 23a. 1 Pt. 2  ; 23b is also parallel in 8  ; 50 by ‚Jesus’ own‘ words“408. Dabei könne die inhaltliche Zusammenstellung der Parallele 1Petr 2,23 // Joh 8,48–50 mit der Parallele 1Petr 2,22a // Joh 8,46a nicht zufällig sein, sondern indiziere Foster zufolge eine literarische Abhängigkeit des Joh von 1Petr409. Im Lichte der zuvor formulierten Ergebnisse und angesichts der nur geringen semantischen Übereinstimmungen – lediglich die Termini ἁμαρτία und κρίνειν stimmen in diesen beiden Passagen überein – will der Annahme, dass die beiden 403. First Epistle of Peter, 520. 404. Vgl. hierzu First Epistle of Peter, 522: „It would thus appear that the Apocalypse was written soon after I Peter“. 405. Vgl. hierzu First Epistle of Peter, 375: „In class C have been placed those [Parallelen] which are of lower degree of probability“. 406. R. Bultmann, Johannesbriefe, 56 macht als inhaltliche Parallele zu 1Joh 3,5b noch auf 1Joh 2,29; 3,3.7 aufmerksam. 407. Vgl. hierzu First Epistle of Peter, 524.528f. 408. First Epistle of Peter, 529. 409. Vgl. hierzu First Epistle of Peter, 529: „These close parallels in their sequence … can hardly be accidental“.

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

bzw., wird 1Joh 3,5b includiert, diese drei Passagen eine gemeinsame, in diesem Falle wiederum (proto-)johanneische Tradition aufgreifen, diese inhaltlichen Berührungen somit aus einem mittelbar vermittelten mittelbaren traditionsgeschichtlichen Reflex herrühren410, die größte Plausibilität zukommen, eine Plausibilität, die aber deutlich eingeschränkt wird durch den Sachverhalt, dass das Motiv der Sündlosigkeit des Christus in der neutestamentlichen Literatur an verschiedenen Punkten aufgegriffen wird411.

I.5. 1PETR 5,1F. – JOH 21,15–17: PETRUS,

DER

HIRTE

In 1Petr 5,2a ermahnt der Verfasser des 1Petr, der fiktive Πέτρος, die in dieser Passage – immerhin ohne Verwendung des bestimmten Artikels412 – angesprochenen πρεσβύτεροι, die Herde Gottes zu weiden und zu beaufsichtigen413: ποιμάνατε τὸ ἐν ὑμῖν ποίμνιον τοῦ θεοῦ [ἐπισκοποῦντες], eine Aufgabe, die in 1Petr 5,2b.3 noch weiter expliziert wird, mit den im 1Petr bis dato diskutierten Problemstellungen inhaltlich jedoch in keiner Weise verknüpft ist414. Von erheblicher Wichtigkeit für das Verständnis dieser Ermahnung ist nun die Frage, ob das Partizip ἐπισκοποῦντες 1Petr 5,2 zum ursprünglichen Textbestand zu rechnen ist oder nicht. Dieses Partizip wird etwa geboten von dem Papyrus P72, den Majuskeln ‫א‬2 und A sowie der Minuskel 33; ausgelassen wird es etwa von den Majuskeln ‫ *א‬und B. Da die äußere Bezeugung angesichts ihrer qualitativen Gleichwertigkeit als Argumentationshilfe ausscheidet415, werden allein innere Kriterien maßgeblich. 410. Zu den entsprechenden theoretischen Erwägungen vgl. ausführlich o. 4–11. 411. Vgl. hierzu etwa P.J. Achtemeier, 1Petr, 200, A. 153. 412. Vgl. hierzu M. Vahrenhorst, 1Petr, 186, A. 601; Vahrenhorst möchte diesen Sachverhalt „dahingehend auswerten, dass ihm [d.h. dem Verfasser des 1Petr] noch kein fest umrissenes Gremium vor Augen stand. Angesprochen wäre, wer auch immer gerade eine Leitungsfunktion innehat“. Diese Überlegung lässt sich nicht nur gänzlich problemlos in die u. entwickelte Zentralthese der vorliegenden Studie einordnen (vgl. hierzu u. 138–148), sondern vermag diese durchaus zu stützen: Der Verfasser des 1Petr schreibt seine Epistel eben nicht an ihm bereits bekannte und sich in seinem Einflussbereich bewegende Christen, sondern an Christen, die ihm und denen er noch unbekannt ist und die er erst in seinen Einflussbereich ziehen möchte. 413. Vgl. hierzu N. Brox, 1Petr, 230: „Ihre [d.h. der πρεσβύτεροι] Tätigkeit wird mit der biblischen, für orientalische Ohren nicht idyllisch klingenden Metapher von Hirt und Herde bezeichnet, aus der man die strikte Verantwortlichkeit heraushören muß, vielleicht auch die Angewiesenheit der Gemeinden auf gute Presbyter und ihre Hilflosigkeit unter schlechten, zumal in der Verfolgung“. 414. Auf diesen letzten Punkt macht N. Brox, 1Petr, 230 aufmerksam: „Die StandesParänese für die Presbyter hat nun deutlich einen sehr generellen konventionellen Charakter. Sie nimmt in ihren Inhalten zunächst keinen Bezug auf die spezielle Thematik des 1Petr“. 415. Vgl. hierzu L. Goppelt, 1Petr, 324, A. 17: „Die handschriftliche Bezeugung ist für beide Lesarten gleichwertig“; vielleicht vermag der Sachverhalt, daß P72 dieses Partizp bezeugt,

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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Die Ausführungen in 1Petr 2,25, die Christus als den ποιμὴν καὶ ἐπίσκοπος der Leben der Adressaten beschreiben416 – ἦτε γὰρ ὡς πρόβατα πλανώμενοι, ἀλλὰ ἐπεστράφητε νῦν ἐπὶ τὸν ποιμένα καὶ ἐπίσκοπον τῶν ψυχῶν ὑμῶν –, erlauben letzten Endes zwei mögliche Rückschlüsse: Entweder indizieren sie die nachträgliche Einfügung des Partizips ἐπισκοποῦντες in 1Petr 5,2; diese Einfügung könnte erfolgt sein, um diese Ausführungen nachträglich an jene 1Petr 2,25 anzugleichen, was zugleich hieße, dass der Text 1Petr 2,5, würde er ohne das Partizip ἐπισκοποῦντες gelesen, die lectio difficilior – und die lectio brevior sowieso – darstellte. Oder sie sprechen für die Ursprünglichkeit dieses Partizips; habe der Verfasser des 1Petr in 1Petr 2,25 die Termini ποιμαίνω und ἐπισκοπέω in einem Atemzug genannt, so sei selbiges auch für 1Petr 5,2 anzunehmen. Die Streichung des Partizips ἐπισκοποῦντες in 1Petr 5,2 sei in späterer Zeit erfolgt, um die Tätigkeit der πρεσβύτεροι nicht mit derjenigen eines ἐπισκοπος, eines Amtes, das es zur Zeit der Abfassung des 1Petr offensichtlich als verfassungsmäßig institutionalisierte Funktion noch nicht gab, zu vermischen417. Da diese Erklärung nun allerdings sehr konstruiert erscheint, wird in der vorliegenden Studie, u.a. gegen L. Goppelt und M. Vahrenhorst, der in seinem Kommentar diese textkritische Frage allerdings nicht diskutiert, das Partizip ἐπισκοποῦντες als nicht ursprünglich angesehen und somit gestrichen418. Das aber heißt: Der Verfasser des 1Petr mahnt in 1Petr 5,2a.b.3 die angesprochenen πρεσβύτεροι, die Herde Gottes in angemessener Form und in angemessener Motivation zu weiden. Da sich der fiktive Πέτρος in 1Petr 5,1b nun jedoch selbst – wenn auch nicht nur, so aber doch zumindest auch419 – als συμπρεσβύτερος420 bezeichnet und sich diese Gleichwertigkeit der äußeren Bezeugung in geringem Maße zu erschüttern und für die Ursprünglichkeit des Lesart ἐπισκοποῦντες zu sprechen – in diese Richtung scheinen auch die Ausführungen von N. Brox, 1Petr, 230, A. 728 zu weisen, der das Partizip ἐπισκοποῦντες allerdings trotz alledem nicht für ursprünglich hält. Vgl. hierzu auch L. Doering, Apostle, 657, A. 52; Doering verweist in Sonderheit auf J.H. Elliott and J. Herzer. 416. Vgl. hierzu bereits o. 107f. 417. Zu dieser Erklärung und zu dieser Argumentation insgesamt vgl. immerhin L. Goppelt, 1Petr, 324, A. 17: „Es kann jedoch auch weggelassen worden sein, weil es seit dem 2. Jh. anstößig war, die Tätigkeit der Presbyter als die Ausübung eines Bischofsamtes zu kennzeichnen. Da dem 1Petr nach 2,25 die Verbindung ‚Hirte und Episkopus‘ geläufig ist, ist letzteres [d.h. diese Erklärung] wahrscheinlicher, so daß das Partizip … zu lesen ist“. In die von Goppelt gewiesene Richtung scheinen auch M. Vahrenhorst, 1Petr, 189 und J. Herzer, Petrus oder Paulus?, 179.190f., A. 151 zu tendieren. 418. Dies erwägt etwa K.H. Schelkle, 1Petr, 128, A. 4; eher unentschieden an dieser Stelle P.J. Achtemeier, 1Petr, 320. 419. Zu den weiteren Identifikationen des Πέτρος vgl. etwa P.J. Achtemeier, 1Petr, 323f. 420. O.D. Foster, First Epistle of Peter, 521 macht darauf aufmerksam, dass der in Apk 1,9 begegnende Terminus συγκοινωνός in gewisser Weise als eine Entsprechung zu dem Begriff συμπρεσβύτερος aufgefasst werden kann. Der Begriff συγκοινωνός begegnet allerdings nicht

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

somit selbst, wiewohl er den angeschriebenen πρεσβύτεροι als jemand, dem augenscheinlich das Recht des παρακαλεῖν zukommt, gegenübertritt421, explizit in die Phalanx der πρεσβύτεροι einordnet422, kommt letzten Endes auch ihm selbst die Aufgabe des ποιμαίνειν τὸ ποίμνιον τοῦ θεοῦ, somit die Aufgabe eines ποιμήν zu, auch wenn er in 1Petr 5,1f. als jemand auftritt, der ein solches ποιμαίνειν anordnen zu können scheint. Nächst der Bezeichnung συμπρεσβύτερος bezeichnet sich der Verfasser des 1Petr in 1Petr 5,1b als μάρτυς τῶν τοῦ Χριστοῦ παθημάτων, d.h. als Zeuge der Leiden Christi. Da der in diesem Punkt einstimmigen und einhelligen Überlieferung der Evangelien zufolge der historische Petrus bei der Kreuzigung Jesu nicht anwesend gewesen ist423, schlägt P.J. Achtemeier vor, diese Selbstbezeichnung im Sinne einer Charakterisierung, die jemanden bezeichne „who bears witness to events, in this case Jesus‘ passion“424, zu verstehen, somit im Sinne einer apostolischen Zeugenschaft, die „was understood to be normative by the early church“425 und die sich im Kontext eines eigenständigen „participating in such suffering for the sake of Christ“426 realisiert. Wird die hier diskutierte Selbstbezeichnung des Verfassers des 1Petr in diesem Sinne interpretiert, so impliziert sie, wie Achtemeier m.R. bemerkt, im Kontext der Selbstbezeichnung als συμπρεσβύτερος, eine Parallelisierung der Leiden der Gestalt des Πέτρος mit denjenigen der Adressaten des 1Petr427, somit zugleich auch eine Parallelisierung dieser Personen selbst. Denkbar ist jedoch auch, diese Selbstbezeichnung des Verfassers des 1Petr im Sinne einer unmittelbaren Augenzeugenschaft der Kreuzigung des historischen

nur in der Apk, sondern auch innerhalb der paulinischen Schriften; vgl. hierzu W. Bauer/ K. Aland/B. Aland, Wörterbuch, s.v. συγκοινωνός, 1545. 421. Vgl. zu diesem Verbum P.J. Achtemeier, 1Petr, 324: „…, and hence the elaborate description of the author contained in this verse is to be understood as providing further force and persuasiveness to the ensuing exhortation to those who exercise leadership in the Christian communities“. 422. N. Brox, 1Petr, 228 hält aufgrund dieser Äußerungen den pseudonymen Verfasser des 1Petr unmittelbar für einen πρεσβύτερος: „Darum scheint die Erklärung für diese Gemeinsamkeit, in die sich der Verfasser mit allen kirchlichen Presbytern stellt, darin zu liegen, daß der fingierende Autor an dieser Stelle aus seiner eigenen historischen Rolle heraus, nämlich als Presbyter, der er war, spricht“. Eine solche die Ebene des impliziten Autors transzendierende Annahme ist jedoch keinesfalls notwendig, letzten Endes auch kaum zu belegen. Vgl. zu der vom Verfasser des 1Petr hier vorgenommenen Einordnung der Figur des Petrus in den Kreis der in dieser Epistel angeschriebenen πρεσβύτεροι explizit M. Vahrenhorst, 1Petr, 187: „Der Verfassser unseres Rundschreibens ordnet sich in dieses Gremium [d.h. dasjenige der πρεσβύτεροι] ein und nennt sich Mitältester (sympresbyteros). Damit signalisiert er, dass es zwischen ihm und den Gemeinden bzw. deren Leitungsgremien keine Hierarchie gibt“. 423. Vgl. hierzu etwa P.J. Achtemeier, 1Petr, 323. 424. 1Petr, 323. 425. 1Petr, 324. 426. 1Petr, 324. 427. Vgl. hierzu 1Petr, 324: „…, that the author intends to say that he, like the readers, has been called upon to suffer as part of his Christian life and witness“.

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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Jesus zu verstehen428, was bedeutete, dass jene einen Kontrast zu der 1Petr 1,8 reflektierten Nichtaugenzeugenschaft der Adressaten darstellte. Wer diese Selbstbezeichnung in dieser Weise interpretiert, ist zugleich genötigt, sie als einen Versuch der Korrektur der im Urchristentum vorherrschenden Überlieferung im Blick auf die Rolle der Person des Petrus bei der Kreuzigung des historischen Jesus zu begreifen. Diese Überlegung wiederum ließe sich zwanglos in die u. in Hinsicht auf die Intention und die Wirkabsicht des 1Petr formulierte These429 einordnen; der Verfasser des 1Petr möchte das bei seinen Adressaten zumindest seiner Einschätzung nach vorherrschende Bild der Figur des Petrus korrigieren und mit dem Hinweis auf dessen Augenzeugenschaft der Kreuzigung des historischen Jesus dessen Legitimität und Autorität absichern430.

Das Bild der Person des Petrus als eines – eben nicht als ἐπίσκοπος bezeichneten – ποιμήν des ποίμνιον τοῦ θεοῦ entspricht nun in auffallender Weise den Ausführungen in Joh 21,15–17431; hier fordert der Auferstandene Petrus dreimal, jeweils allerdings durchaus unterschiedlich formuliert, auf, ‚meine Schafe bzw. meine Lämmer zu weiden‘, somit also als die Christen beaufsichtigender, lenkender und leitender ποιμήν tätig zu werden: ὁτε οὖν ἠρίστησαν λέγει τῷ Σίμωνι Πέτρῳ ὁ Ἰησοῦς· Σίμων Ἰωάννου, ἀγαπᾷς με πλέον τούτων; λέγει αὐτῷ· ναὶ κύριε, σὺ οἶδας ὅτι φιλῶ σε. λέγει αὐτῷ· βόσκε τὰ ἀρνία μου. (16) λέγει αὐτῷ πάλιν δεύτερον· Σίμων Ἰωάννου, ἀγαπᾷς με; λέγει αὐτῷ· ναὶ κύριε, σὺ οἶδας ὅτι φιλῶ σε. λέγει αὐτῷ· ποίμαινε τὰ πρόβατά μου. (17) λέγει αὐτῷ τὸ τρίτον· Σίμων Ἰωάννου, φιλεῖς με; ἐλυπήθη ὁ Πέτρος ὅτι εἶπεν αὐτῷ τὸ τρίτον· φιλεῖς με; καὶ λέγει αὐτῷ· κύριε, πάντα σὺ οἶδας, σὺ γινώσκεις ὅτι φιλῶ σε. λέγει αὐτῷ [ὁ Ἰησοῦς]· βόσκε τὰ πρόβατά μου. Auch das Nachtragskapitel des Joh transportiert somit, wie die Darstellung 1Petr 5,1f., das Konzept der Figur des Petrus als eines Hirten

428. Zu einer solchen Möglichkeit vgl. P.J. Achtemeier, 1Petr, 323 mit A. 41. 429. Vgl. hierzu u. 138–148.149f. 430. Vgl. hierzu auch E.G. Selwyn, 1Petr, 228. 431. Vgl. hierzu R. Feldmeier, 1Petr, 156, A. 585: „Die deutlichste Parallele im Neuen Testament ist die dreimalige Aufforderung des auferstandenen Jesus an Petrus in Joh 21,15– 17“; in diese Richtung denkt immerhin auch P.J. Achtemeier, 1Petr, 325: „In the context of this letter, the immediate derivation of this command is probably to be seen in John 21:16, with Peter here understood as the mediator of that tradition“. Darüber hinaus formuliert Achtemeier unter Hinweis auf R.E. Brown: „Brown et al[ii] … note that if John originated, as tradition held, in Ephesus, Peter as shepherd could well have be a familiar figure to the readers of this letter“ (325, A. 68). Dieser Ansatz bewegt sich exakt in die Richtung der Grundthese der vorliegenden Studie (vgl. hierzu u. 138–148). T. Söding, Petrusbrief, 22 formuliert: „1Petr 5,1–4 ist entfernt mit der Konstellation in Joh 21 vergleichbar“. C.G. Müller, 1Petr, 364 führt aus: „‚Als Metapher für die Gemeindeleitung wird die Hirtenaufgabe … durch den Weideauftrag in 1.Petr 5,2; Apg 20,28 und Joh 21,15–17 zu einem pastoraltheologischen Leitbild, das auch an die Amtsträger appelliert und sie an ihre Verantwortung für die Gemeinde erinnert‘“.

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der Schafe432, eine Konzeption, die im Neuen Testament und auch in der sonstigen frühchristlichen Literatur, bezogen auf diese Gestalt, sonst nicht belegt ist433. Ein deutlich anderes Petrusbild reflektieren etwa die Ausführungen in Mt 16. Hier wird die Figur des Petrus als πέτρος, d.h. als Grundlage der christlichen Gesamtkirche dargestellt, der hinsichtlich der Frage der endgültigen Zugehörigkeit der Christen zum Heil eine nachgerade entscheidende Bedeutung zukommt; ihm wird als einer irdischen Instanz die Befugnis einer letzten Endes endgültigen Entscheidung darüber zugebilligt, wer Zugang zum ewigen Heil erhält (Mt 16,17–19): ἀποκριθεὶς δὲ ὁ Ἰησοῦς εἶπεν αὐτῷ· μακάριος εἶ, Σίμων Βαριωνᾶ, ὅτι σὰρξ καὶ αἷμα οὐκ ἀπεκάλυψέν σοι ἀλλ᾽ ὁ πατήρ μου ὁ ἐν τοῖς οὐρανοῖς. (18) κἀγὼ δέ σοι λέγω ὅτι σὺ εἶ Πέτρος, καὶ ἐπὶ ταύτῃ τῇ πέτρᾳ οἰκοδομήσω μου τὴν ἐκκλησίαν καὶ πύλαι ᾅδου οὐ κατισχύσουσιν αὐτῆς. (19) δώσω σοι τὰς κλεῖδας τῆς βασιλείας τῶν οὐρανῶν, καὶ ὃ ἐὰν δήσῃς ἐπὶ τῆς γῆς ἔσται δεδεμένον ἐν τοῖς οὐρανοῖς, καὶ ὃ ἐὰν λύσῃς ἐπὶ τῆς γῆς ἔσται λελυμένον ἐν τοῖς οὐρανοῖς. Dieses Bild des Petrus unterscheidet sich erheblich von demjenigen eines συμπρεσβύτερος, der gemeinsam mit den πρεσβύτεροι die Aufgabe des ποιμαίνειν ausübt, eine Feststellung, die insbesondere an Bedeutung gewinnt, wenn mit R. Metzner angenommen wird, „daß das Matthäusevangelium den 1. Petrusbrief in vielfältiger Weise beeinflußt hat“434.

Da einerseits zwischen diesen beiden inhaltlich doch sehr ähnlichen und zugleich in die gleiche intentionale Richtung weisenden Konzeptionen sowohl 432. Vgl. zu dieser Passage zusammenfassend R. Schnackenburg, Joh III, 431f.: „So ist die Tendenz, Petrus nach seiner dreimaligen Verleugnung in der Begegnung mit dem Auferstandenen zu ‚rehabilitieren‘, kaum zu bezweifeln. Aber dieser von den meisten Erklärern anerkannte Gedanke bedarf noch der Präzisierung. Es geht nicht allein darum, die dem Petrus gewährte Verzeihung Jesu aufzuzeigen; darüber hinaus bringt die Szene zwei wichtige Daten der Petrusgeschichte zur Sprache: seine Betrauung mit dem Hirtendienst und seinen Tod in der Nachfolge Jesu“. 433. Anders hier etwa M. Vahrenhorst, 1Petr, 41, A. 160, der feststellt: „1Petr 5,2 variiert das schon im AT bekannte Bild vom Hirten für Inhaber von Leitungsfunktionen“. Es mag durchaus sein, dass das Bild von einem oder mehreren ποιμήνες als Leitern einzelner Gemeinden im Alten Testament bereits vorgeprägt ist. Zu erklären bleibt aber, warum sowohl der bzw. die Verfasser des Joh als auch derjenige des 1Petr dieses Bild in ihren Darlegungen, wenn auch sprachlich variiert, verwenden. Diese Erklärung wird vor allem angesichts der Tatsache notwendig, dass im Neuen Testament eben durchaus auch andere Petrusbilder transportiert werden. Auch der von Vahrenhorst präsentierte Hinweis auf E. Best, 1 Peter, 98, der formuliert: „We conclude: […] There are no verbal reminiscences in 1 Peter of the historical teaching of Jesus in so far as it can be detected in John“, vermag die Notwendigkeit einer solchen Erklärung nicht zu beseitigen. Zu weiteren alttestamentlichen und frühjüdischen Parallelen im Blick auf die grundsätzliche Verwendung des Bildes vom Weiden als einer ekklesiologischen Metapher vgl. etwa R. Feldmeier, 1Petr, 156, A. 585. 434. Vgl. hierzu Rezeption, 283; vgl. zu den einzelnen Passagen des Mt, die diese These in Sonderheit belegen sollen, auch M. Vahrenhorst, 1Petr, 42–44. Vahrenhorst selbst sieht die These Metzners allerdings durchaus kritisch: „Im Blick auf die von Metzner in die Diskussion eingebrachten einzelne[n] Texte lässt dich m.E. nicht nachweisen, dass der 1Petr das Matthäusevangelium voraussetzt“.

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ein semantischer – immerhin begegnet der Terminus ποιμαίνειν sowohl in 1Petr 5,2a als auch in Joh 21,16c – als auch ein motivgeschichtlicher – sowohl in 1Petr 5,2 als auch in Joh 21,15–17 wird die Person des Petrus als Hirte dargestellt – Konnex vorliegt, da andererseits aber kaum wahrscheinlich zu machen ist, dass der oder die Verfasser des Nachtragskapitels des Joh die Bemerkungen des Πέτρος in 1Petr 5,1f. zum Anlass genommen hätten, ihre Darstellung in Joh 21,15–17 adäquat zu entwickeln, bleiben nur folgende Annahmen übrig: Entweder hat der Verfasser des 1Petr seine Ausführungen in 1Petr 5,1f. in mittelbarer oder unmittelbarer Kenntnis von Joh 21,15–17 oder aber einer offensichtlich gerade im johanneischen Kreis verbreiteten entsprechenden (proto-)johanneischen Tradition abgefasst. Im ersten Falle läge ein mittelbar oder unmittelbar vermittelter literarischer Reflex von 1Petr 5,1f. auf Joh 21,15–17 vor, in zweiten Falle ein mittelbar vermittelter unmittelbarer traditionsgeschichtlicher Reflex von 1Petr 5,1f. eben auf eine (proto-)johanneische Tradition435. Die Beobachtung, „daß die Ähnlichkeiten zwischen Joh 21 und dem 1. Petrusbrief … nicht derart [sind], daß wir eine [literarische] Abhängigkeit des einen vom anderen fordern müßten“436, weist in die Richtung eines in 1Petr 5,2 vorliegenden mittelbar vermittelten unmittelbaren traditionsgeschichtlichen Reflexes auf eine in Joh 21,15–17 literarisch abgebildete und in der johanneischen Schule bzw. im johanneischen Kreis437 umlaufende (proto-) johanneische Tradition438. Zu fragen ist angesichts dessen dann aber – und diese Fragestellung weist über die rein literarische Perspektive der Textrelation hinaus –, warum der Verfasser des 1Petr, der die Gestalt des Πέτρος in 1Petr 1,1 noch als offensichtlich durchaus, weil eine herausgehobene Position bekleidende, mit einer grundständigen Autorität begabten ἀπόστολος Ἰησοῦ Χριστοῦ einführt439, 435. Vgl. hierzu die entsprechende Theoriediskussion o. 4–11. 436. R.E. Brown/K.P. Donfried/J. Reumann, Petrus, 133. 437. Vgl. hierzu o. 21f. 438. Anders hier O.D. Foster, First Epistle of Peter, 529; Foster sieht die hier aufgewiesene Parallele in gleicher Weise, folgert jedoch aus ihr eine literarische Abhängigkeit des Joh von 1Petr: „Again the Fourth Gospel, even in its appendix, permits us to hear from the lips of Jesus himself ideas found in 1 Peter“. Eine solche Annahme dürfte schon aus historischen Gründen (vgl. hierzu u. 149f.) unwahrscheinlich sein. 439. Vgl. hierzu etwa N. Brox, 1Petr, 56: „Die Qualifizierung des Verfassers als Apostel ist in diesem Dokument der 2. oder 3. Christengeneration u.U. wichtiger zu nehmen als der Apostelname Petrus: In dem Stil, in dem Paulus sich einführte und seinen Briefen das ihnen zukommende Gewicht apostolischer Authentizität mit auf den Weg gab …, wird hier das nachapostolische Schreiben mit literarischen Mitteln in den Rang von Dokumenten aus der Ursprungszeit gerückt, um ihm seine Beachtung zu sichern. … Die Relation ‚Apostel Jesu Christi‘ verweist auf abgeleitete, dadurch letztlich aber gesteigerte Autorität: Was im folgenden Brief zu lesen steht, geht über den Apostel auf Christus zurück“. Vgl. hierzu auch T. Söding, Petrusbrief, 26: „Die Absender-Angabe ‚Petrus‘ ruft die denkbar höchste Apostel-Autorität

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diese Autorität des Πέτρος dann aber in 1Petr 5,1f. durch die Einführung des Konzepts der Figur des ‚Petrus‘ als eines Hirten und, damit einhergehend, durch die Einführung des – in der ur- und frühchristlichen Literatur sonst nicht belegten440 – Begriffs συμπρεσβύτερος441 relativiert442, relativiert in einer Weise, die etwa in der paulinischen Literatur – wie Πέτρος in 1Petr 1,1 betont auch Paulus in Sonderheit in seinen Briefpräskripten immer wieder seine Autorität als ἀπόστολος – gerade nicht zu beobachten ist443. Plausibel erklärbar würde diese im Rahmen der Argumentationslogik des 1Petr erst überraschend spät und noch dazu ohne jegliche argumentationslogische Not vorgenommene Relativierung, würde im Angesicht der o. formulierten historisch wahrscheinlich zu machenden Relationalität zwischen der johanneischen Literatur und 1Petr444 angenommen, dass der Verfasser des 1Petr die Person des Petrus und ihr konstitutionell-hierarchisches Potential, d.h. das von ihm entwickelte und verfochtene Bild des Petrus als eines ἀπόστολος Ἰησοῦ Χριστοῦ, in die im johanneischen Kreis vertretene und eben in Joh 21 reflektierte Vorstellung der Person des Petrus als eines ποιμήν und deren – augenscheinlich deutlich egalitär geprägte – hierarchisch-konstitutionelle

wach. Sie spiegelt die überragende Bedeutung des Petrus in der Geschichte des Urchristentums wider“. 440. Der Sachverhalt, dass sich ein aus der Zeit des Kaisers Titus stammender Beleg für die Existenz dieses Begriffes nachweisen lässt (vgl. hierzu L. Doering, Apostle, 653; vgl. hierzu auch M. Vahrenhorst, 1Petr, 187, A. 602), signalisiert beileibe noch nicht, dass dieser Terminus häufig verwendet worden ist und daher nachgerade als sprachliches Allgemeingut angesehen werden kann. Mag dieser Begriff auch keine Neuschöpfung des Verfassers des 1Petr sein, so lässt sich doch kaum bestreiten, dass er diesen augenscheinlich recht selten benutzten Terminus in 1Petr 5,1f. kreativ in die Diskussion einführt, um seine Position und seine Relation zu den πρεσβύτεροι möglichst präzise zu definieren. 441. Vgl. zu diesem Begriff etwa L. Doering, Apostle, 652–656; L. Goppelt, 1Petr, 322, vermutet durchaus mit einem gewissen Recht, dass der Verfasser des 1Petr diesen Begriff an dieser Stelle selbst geprägt und aus eigener theologischer Überzeugung heraus mit der von ihm übernommenen Tradition verknüpft habe. 442. Vgl. zu diesem Gedanken der Relativierung G. Hotze, Priesterschaft, 112: „Das apostolische Ich des Petrus spricht sie direkt an …; zudem verzichtet der Autor auf das Gewicht seines Aposteltitels aus 1,1 und stellt sich durch die Wortschöpfung συμπρεσβύτερος auf eine Stufe mit den Angeredeten“. H. Windisch, 1Petr, 78f. vermag in diesem Zusammenhang davon zu sprechen, dass sich „‚Petrus‘ [mit der Verwendung des Begriffs συμπρεσβύτερος] bescheiden in die Reihe der Presbyter“ stellt. 443. Ausweislich der Konkordanz begegnet etwa der eine mögliche Autorität als ἀπόστολος relativierende Begriff σύνδουλος innerhalb der paulinischen und deuteropaulinischen Literatur lediglich in Kol 1,7; 4,7, hier bezogen auf die Mitarbeiter Epaphras und Tychikus (vgl. hierzu F.W. Moulton/A.S. Geden, Concordance, s.v. σύνδουλος, 919). Auffällig ist jedoch, dass dieser Terminus in Apk 6,11; 19,10 und 22,9 begegnet, in Apk 19,10; 22,9 deutlich in einem autoritätsrelativierenden Kontext. 444. Vgl. hierzu o. 126f.

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Grundausrichtung445 einzuordnen beabsichtigte, um so die Kompatibilität beider Petrusbilder zu erweisen und zugleich auch – zumindest in der Theorie – den argumentationslogischen Raum für die quasi-konstitutionelle Einführung anderer grundlegender Autoritäten wie etwa der johanneischen Figur des μαθητὴς ὃν ἠγάπα ὁ Ἰησοῦς446 zu öffnen. Immerhin auffällig ist, dass sich der fiktionale Πέτρος in 1Petr 5,1 gegenüber den angesprochenen πρεσβύτεροι selbst nicht als – möglicherweise vorgesetzter und monarchischer – ἐπίσκοπος, sondern, hier weitaus konkreter als der lukanische Paulus in der immer wieder als Parallele angeführten Passage Apg 20,17–35447, als ὁ συμπρεσβύτερος448 bezeichnet, mit einem Begriff also, der, anders als der Terminus ἐπίσκοπος, als solcher zumindest auf konstitutioneller Ebene weitaus eher die Momenta der Egalität und der Kollegialität denn dasjenige der Hierarchisierung zu betonen in der Lage ist449, wiewohl jener zumindest im Blick auf die Person des Briefautors, wie schon die in 1Petr 1,1 überlieferte Selbstbezeichnung des fiktionalen Πέτρος als ἀπόστολος Ἰησοῦ Χριστοῦ belegt, hier sicherlich nicht in einem radikal-egalitären Sinne missverstanden werden darf: Πέτρος tritt gegenüber den πρεσβύτεροι, sich jenen einerseits als ἀπόστολος vor-, andererseits als συμπρεσβύτερος gleichordnend, in nachgerade dialektischer Weise als primus inter pares auf450 und 445. Zur Annahme einer egalitären hierarchisch-konstitutionellen Grundausrichtung des johanneischen Kreises vgl. etwa D.-A. Koch, Geschichte, 326, der innerhalb des johanneischen Kreises „allenfalls informelle Leitungsstrukturen“ für immerhin denkbar hält. 446. Vgl. zu dieser Figur u. 149f. 447. Vgl. hierzu L. Doering, Apostle, 657, A. 56: „…, since it remains to be noted that ‚Paul‘ in Acts 20, contrary to ‚Peter‘ in 1Pet 5:1, does not count himself amongst the elders and is therefore not even indirectly construed as a ‚shepherd‘“. 448. Diese hier vorliegende determinierte Formulierung ist zumindest auffällig und scheint auf eine den Adressaten des 1Petr bekannte Figur und Struktur abheben zu wollen; vgl. hierzu o. 123f. 449. Die hinter der Verwendung dieser Titulatur stehende Absicht wird in der Forschung durchaus kontrovers diskutiert. L. Goppelt vertritt die These, dass die in derselben zum Ausdruck kommende Solidarisierung des fiktionalen Πέτρος mit den πρεσβύτεροι dazu diene, seine apostolische Autorität auf letztere zu übertragen: „Dies geschieht …, … um ihnen ihren Auftrag bewußt zu machen. Sie üben jetzt eine ursprünglich vom Apostel selbst wahrgenommene Funktion aus. … Dadurch wird die Aufgabe der Presbyter legitimiert und als mit dem Apostolat von Jesus Christus selbst eingesetzt definiert, nicht aber, wie es später durch das Sukzessionsprinzip geschah, ihre persönliche Autorität rechtlich gesichert“. Wäre dies das Anliegen des fiktionalen Πέτρος gewesen, stünde jedoch zu erwarten, dass nicht er sich als συμπρεσβύτερος, sondern jene πρεσβύτεροι als συναπόστολοι, als ‚Mitapostel‘ bezeichnet hätte. Darüber hinaus weist M. Vahrenhorst darauf hin, dass „bisher … im Brief … keine Indizien … [gefunden werden konnten], aus denen sich folgern ließe, dass die einzelnen Gemeindeleitungen eine solche Aufwertung [d.h. eine solche Legitimation] nötig gehabt hätten“ (1Petr, 187, A. 603). Vahrenhorst zufolge signalisiere die Vorsilbe συν- vielmehr ein „Gemeindeverständnis …, das … keine Hierarchien kennt“, was zur Folge habe, dass „selbst ein Petrus nicht mehr sein kann als ‚nur‘ ein Mitältester“. 450. Vgl. hierzu durchaus m.R. L. Doering, Apostle, 656: „What we find, therefore, is indeed a mixture of authority and collegiality in the Peter image developed in First Peter“; an anderer Stelle spricht Doering von einer „careful construction of authorical consciousness“ (655).

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ordnet sich auf diese Weise in die offensichtlich presbyterial bzw. kollegial verfasste Adressatenschaft seiner Epistel bzw. in deren presbyterial bzw. kollegial verfasste Leitungsgremien ein451. Schließlich expliziert er in 1Petr 5,3 das ποιμαίνειν als ein von den πρεσβύτεροι als τύποι … τοῦ ποιμνίου (1Petr 5,3b) vorzunehmendes ποιμαίνειν; ein ποιμαίνειν als κατακυριεύοντες wird hingegen ausdrücklich negiert (1Petr 5,3a)452.

Nicht undenkbar ist allerdings auch, dass der Verfasser des 1Petr dieses in sich spannungsvolle Petrusbild vollständig aus dem Joh bzw. – eine Annahme, die nach dem o. Gesagten deutlich wahrscheinlicher zu sein scheint – aus der vor und neben diesem existierenden johanneischen Tradition entnommen hat. Immerhin bietet die Darstellung in Joh 20,21–23 ausreichend Anknüpfungspunkte, um die Annahme zu erhärten, dass der Person des Petrus innerhalb des johanneischen Kreises durchaus der Aposteltitel beigelegt worden ist, zumindest jedoch ausreichend Substanz, um einen Dritten vermuten zu lassen, dass die Person des Petrus innerhalb des johanneischen Kreises – zumindest funktional – als Apostel tituliert worden ist: εἶπεν [ὁ Ἰησοῦς] οὖν αὐτοῖς [d.h. τοῖς μαθηταῖς] πάλιν. εἰρήνην ὑμῖν. καθώς ἀπέσταλκέν με ὁ πατήρ, κάγώ πέμπω ὑμᾶς. (22) καὶ τοῦτο εἰπὼν ἐνεφύσησεν καὶ λέγει αὐτοῖς. λάβετε πνεῦμα ἅγιον. (23) ἄν τινων ἀφῆτε τὰς ἁματίας ἀφέωνται αὐτοῖς, ἄν τινων κρατῆτε κεκράτηνται. Da durch das Adverb καθώς die mit dem Verb ἀποστέλλω bezeichnete Sendung des Sohnes, d.h. Christi, durch Gott, den Vater, mit der Sendung der Jünger durch Christus parallelisiert wird453, lässt sich auch das πέμπειν der Jünger durch

Das autoritative Element werde Doering zufolge u.a. durch die Selbstbezeichnung des fiktionalen Briefautors in 1Petr 1,1 und auch durch den Sachverhalt transportiert, dass der Verfasser des 1Petr nach 1Petr 5,1 die πρεσβύτεροι zu ermahnen (παρακαλέω) in der Lage sei (vgl. auch 1Petr 5,12). Vgl. hierzu wiederum L. Doering: „That the perspective of communication established in 1:1 … must not be forgotten is in my view also confirmed by the fact that the ‚co-elder‘ actually exhorts the (other) elders“. Vgl. zu dieser Sicht der Dinge auch bereits N. Brox, 1Petr, 228. 451. Vgl. hierzu auch K.H. Schelkle, 1Petr, 127f.: „Der Apostel stellt sich als Mitbruder neben und unter die anderen. Ihre Aufgabe ist seine Aufgabe, ihre Mühe seine Mühe, seine Verheißung ist aber auch ihre Verheißung“. 452. Vgl. hierzu L. Goppelt, 1Petr, 327: „Die letzte Antithese wehrt einer dritten Tendenz, die dem Dienstcharakter des Amtes widerstreitet, und zwar nun unmittelbar, nämlich seine Verfälschung in Herrschaft“, darüber hinaus auch M. Vahrenhorst, 1Petr, 190: „Eine weitere Gefahr, die Leitungsfunktionen mit sich bringen, nimmt der Brief in diesem Vers in den Blick. Ein Amt könnte dazu dienen, dass derjenige, der es innehat, seine Macht hemmungslos auslebt“. 453. Vgl. hierzu W. Radl, Art. καθώς, in: EWNT2 II 557: „Im Bezugsfeld Gott – Christus – Jünger verwenden κ. bes[onders] die joh[anneischen] Schriften …. κ. beschreibt hier die Übereinstimmung zwischen Vater und Sohn …, die zwischen Jesus und seinen Jüngern … sowie die Analogie beider Beziehungsverhältnisse“.

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Christus als ein ἀποστέλλειν verstehen454, was impliziert, dass die Jünger als ἀπόστολοι begriffen und auch betitelt werden können. Da nun – zumindest nach Joh 6,66f. – auch Petrus in die Gruppe der von Christus in Joh 20,21 angeredeten μαθηταί einzuordnen ist, gehört auch er zu denjenigen, die von Christus gesandt werden (ἀποστέλλειν)455, übt somit auch Petrus die Funktion eines ἀπόστολος aus, ohne dass diese Funktionsbezeichnung zwingend als Bezeichnung eines bereits kirchenverfassungsmäßig definierten Amtes interpretiert werden müsste. Das in sich keinesfalls spannungsfreie Bild der Person des Petrus, das 1Petr entwirft – einerseits dessen Autorität signalisierende Einführung als ἀπόστολος, andererseits dessen Egalität implizierende (Selbst-)Charakterisierung als συμπρεσβύτερος und damit zugleich auch als ποιμήν –, ließe sich somit in seiner Gesamtheit als ein aus der johanneischen Tradition entnommenes oder aber mit Rücksicht auf eben diese Tradition konstruiertes interpretieren. Diese Deutung bände das Petrusbild des 1Petr in seiner Gesamtheit noch deutlicher an die johanneische Tradition als die eher einschränkende Betrachtung der in 1Petr 5,1f. entwickelten poimenischen Funktion des petrinischen Πέτρος dies vermöchte. I.6. 1PETR 5,13456 – APK 14,8; 17,5.18; 18,2: Βαβυλών Die Ausführungen in 1Petr 5,13 erwecken, zunächst unabhängig von der Frage nach seinem tatsächlichen Abfassungsort, den Eindruck, dass 1Petr in

454. Wie Joh 4,38; 13,20; 17,18 und 20,21 nahelegen, scheint der oder scheinen die Verfasser des Joh die Verben ἀποστέλλειν und πέμπειν durchaus synonym verwenden zu können; vgl. zu diesen Belegen J. Zumstein, Joh, 759, A. 74 455. Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Joh 4,38 ἐγὼ ἀπέστειλα ὑμᾶς θερίζειν ὃ οὐχ ὑμεῖς κεκοπιάκατε· ἄλλοι κεκοπιάκασιν καὶ ὑμεῖς εἰς τὸν κόπον αὐτῶν εἰσεληλύθατε, und Joh 17,18: καθὼς ἐμὲ ἀπέστειλας εἰς τὸν κόσμον, κἀγὼ ἀπέστειλα αὐτοὺς εἰς τὸν κόσμον; beide Passagen belegen die Definition der Sendung der μαθηταί in die Welt als ἀποστέλλειν. In den entsprechenden vergleichbaren synoptischen Passagen Lk 24,47f. und Mt 28,19f. (vgl. zu diesen Belegstellen insgesamt J. Zumstein, Joh, 759, A. 74) begegnet dieser Begriff demgegenüber gerade nicht. 456. Zur Relation zwischen 1Petr und der apokalyptischen Literatur vgl. ausführlich P.J. Achtemeier, 1Petr, 105–107. Achtemeier sieht innerhalb des Gesamtkontextes des 1Petr zwei Aspekte, die sich s.E. durchaus als apokalyptisch charakterisieren ließen: Einerseits „the dominance of the contrast between present and future that is found throughout the letter“ (1Petr, 107), andererseits der etwa in 1Petr 1,1 (vgl. hierzu o. 27–58) betonte Status der Christen als „chosen people, a people who also had it as their fate to be ‚exiles et aliens‘ in this world“ (107). Ob diese beiden Aspekte zureichen, dem 1Petr insgesamt einen apokalyptischen Charakter zuzuschreiben, muss freilich fraglich bleiben. Auffälligerweise nämlich wird in 1Petr der Aspekt der Herrschaftskritik bzw. der Interpretation der bestehenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse als gottwidrig oder gottfeindlich kaum oder gar nicht entwickelt;

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Βαβυλών verfasst worden sei: ἀσπάζεται ὑμᾶς ἡ ἐν Βαβυλῶνι συνεκλεκτὴ καὶ Μᾶρκος ὁ υἱός μου. Der Name Βαβυλών wird in der exegetischen Literatur in der Regel als eine Chiffre für die Stadt Rom interpretiert457, eine Deutung, die ihrerseits dann zu der vielfach akzeptierten These führt, dass 1Petr „seinem Selbstanspruch nach in Rom geschrieben sein“458 will459. Neben 1Petr 5,13 begegnet der Name Βαβυλών als Chiffre für Rom innerhalb des Neuen Testaments noch in der Apk, dort in Apk 14,8, 17,5.18; 18,2; im Blick auf diese Passagen ist die Identifikation der Chiffre Βαβυλών mit der Stadt Rom eindeutig und in der exegetischen Literatur weitestgehend unumstritten460. Ansonsten ist dieser Begriff in der ur- und frühchristlichen Literatur nicht belegt. Eine im Blick auf 1Petr 5,13 andere Deutung erwägt etwa M. Vahrenhorst, der den Namen Βαβυλών als Chiffre für die mit dem babylonischen Exil vergleichbare Lebenssituation der in 1Petr 5,13 auftretenden συνεκλεκτή interpretieren möchte: „Vom Inhalt dieses Briefs liegt eine andere Deutung wesentlich näher: Babylon ist seit biblischer Zeit Inbegriff für die Existenz des Volkes Israel im Exil …. Die Wahl des Ortes Babylon würde von daher unterstreichen, was das Wort syneklektē meint: Die Gemeinde am Abfassungsort des Briefs ist nicht nur in gleicher Weise erwählt wie die Gemeinden, an die der Brief sich wendet (und erleidet von daher das gleiche Schicksal wie die gesamte Geschwisterschaft in der Welt …), sie lebt auch in gleicher Weise im Exil“461. Dieser Argumentation widerrät zunächst, dass die Annahme, die Chiffre Βαβυλών konnotierte eine dem babylonischen Exil vergleichbare Lebenssituation, keinesfalls ausschließt, dass der Brief den Anspruch erhebt, in Rom abgefasst worden zu sein. Der Terminus Βαβυλών mag ja immerhin äquivok gebraucht vgl. hierzu u. 133–135 und auch P. Vielhauer, Geschichte, 491f., der exakt diesen Aspekt als ein Kennzeichen der apokalyptischer Literatur inhärenten Vorstellungswelt beschreibt. 457. Vgl. hierzu etwa A. Strobel, Art. Βαβυλών, in: EWNT2 I, 453: „1Petr 5,13 ist B[abylon] ein apokalyptisches Codewort für den Abfassungsort des Briefes, d.i. Rom“. In diesem Sinne auch L. Goppelt, 1Petr, 351, N. Brox, 1Petr, 55, P.J. Achtemeier, 1Petr, 353f. und A.D. Baum, Babylon, 218; vgl. darüber hinaus auch F.W. Horn, Petrus-Schule, 10–13, der die Forschungsgeschichte dieser Frage nachzeichnet und zugleich formuliert: „In der Literatur ist dem Interpretationsvorschlag … weithin gefolgt worden, demzufolge Babylon ein Deckname oder ein Kryptogramm für Rom gewesen sein soll“ (10). Zu den zahlreichen Belegen aus der frühjüdischen Literatur, die bei den Adressaten des 1Petr die Deutung des Terminus Βαβυλών auf die Stadt Rom nahelegen mussten, vgl. etwa L. Goppelt, 1Petr, 351f. und wiederum A. Strobel, Art. Βαβυλών, in: EWNT2 I, 453. Vgl. zu dieser Frage auch C.G. Müller, 1Petr, 391–393. 458. U. Schnelle, Einleitung, 480. 459. Zur Frage des Abfassungsortes des 1Petr vgl. bereits o. 16–20. 460. Vgl. hierzu neben vielen anderen etwa U.B. Müller, Apk, 267: „Babylon gilt im AT als Stadt des Götzendienstes und der Gottlosigkeit. Hier ist es apokalyptischer Deckname für Rom … – ein Sprachgebrauch, der im Judentum und Christentum nach dem Jüdischen Krieg 66 – 70 n.Chr. aufgekommen ist“. 461. 1Petr, 202; in diese Richtung denkt etwa auch P.J. Achtemeier, 1Petr, 354.

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worden sein und sowohl die Situation der den Brief abfassenden Gemeinde bzw. Gemeinschaft als auch den Abfassungsort bezeichnen462. Darüber hinaus bleibt, wenn der Begriff Βαβυλών keine lokale Größe repräsentieren, sondern lediglich die Situation des Exils reflektieren sollte, fraglich, warum dann nicht auch die im 1Petr angeschriebenen Gemeinden explizit in diese Exilssituation mit hineingenommen und in gleicher Weise wie auch die absendende Gemeinde als in Βαβυλών sich befindend charakterisiert werden. Schließlich wird angesichts der grundlegenden politischen Verhältnisse in der Zeit der Wende vom ersten zum zweiten nachchristlichen Jahrhundert doch die Situation der Absendergemeinde kaum grundlegend anders zu charakterisieren sein als diejenige der Empfängergemeinden. Ein die Parallelität bzw. präziser: die Gleichheit dieser Situation anzeigendes Textsignal begegnet aber weder in 1Petr 1,1 noch in 1Petr 5,13463.

Angesichts dessen ist nun aber zu fragen, warum der Verfasser des 1Petr die Stadt Rom, den augenscheinlichen oder auch fiktiven Entstehungsort seiner Epistel, nicht mit dem Terminus Ῥώμη, sondern mit dem Begriff Βαβυλών bezeichnet. Diese Frage wird in der exegetischen Literatur häufig mit dem – intertextuell und damit rezeptionsästhetisch grundierten – Hinweis beantwortet, dass der Verfasser des 1Petr mit dieser Chiffre den Entstehungsort seiner Epistel und damit zugleich auch seinen eigenen Aufenthaltsort, konkret die Stadt Rom, als gottfeindliches Zentrum eines ebenso gottfeindlichen Kosmos und seine und seiner Gemeinde Existenz an und in demselben als Existenz im ‚babylonischen‘ Exil zu interpretieren beabsichtigte464. Dieser letzten Endes aus zwei unterschiedlichen Elementen, nämlich einerseits der 462. In diese Richtung denkt etwa L. Goppelt, 1Petr, 352: „‚Babylon‘ ist … nicht lediglich wie ‚Damaskus‘ in den essenischen Schriften Symbol für das Exil, also für die christliche Existenz in der Fremdlingschaft, natürlich auch nicht lediglich ‚Deckname‘, sondern ein die Deutung der Situation abrundender Symbolname für Rom“. 463. Ein solches Textsignal läge etwa vor, wenn, wie M. Vahrenhorst, 1Petr, 54 mit Verweis auf K. Heussi vorschlägt, die Chiffre Βαβυλών als Wechselbegriff zu παρεπίδημοι zu interpretieren wäre. Gerade eine solche Interpretation deutet der Verfasser des 1Petr in 1Petr 5,13 aber mit keinem Wort an. Kritisch gegenüber dem Vorschlag von Heussi auch L. Goppelt, 1Petr, 352, A. 35. 464. Vgl. hierzu bereits o. und etwa auch A.D. Baum, Babylon, 217: „Von den etwa acht typischen Eigenschaften, die der Stadt Babylon in der Antike zugeschrieben werden, dürften dem in der alttestamentlich-jüdischen (und frühchristlichen) Literatur verwurzelten Autor des ersten Petrusbriefes und seinen Lesern nur die Hälfte (religiöse Stadt des Götzendienstes, tempelzerstörende Stadt, Stadt des Exils, dem Untergang geweihte Stadt) ohne weiteres bekannt gewesen sein. Aus dem literarischen Kontext des Briefes … ergibt sich, daß der Bildspender ‚Babylon‘ primär als Metapher für einen Ort im irdischen Exil, in der irdischen Fremde beziehungsweise in der irdischen Heimatlosigkeit steht“. Dieser eine, besondere und letztlich nicht austauschbare Ort muss sich aber doch offensichtlich von demjenigen Ort, an dem die Adressaten des 1Petr zu lokalisieren sind, unterscheiden. Ansonsten nämlich hätte der Verfasser des 1Petr doch auch den Ort der Adressaten des 1Petr mit dem Begriff Βαβυλών bezeichnen oder aber zumindest mit diesem in Beziehung setzen müssen.

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Interpretation der Stadt Rom als der Hauptstadt des – in seinem Kern gottwidrigen und gottfeindlichen – imperium Romanum, andererseits der Interpretation der eigenen Absendersituation als ‚Fremdlingschaft‘ bestehenden Deutung widerrät allerdings folgende Beobachtung: Die Existenz der im 1Petr angeschriebenen Gemeinden – möglich wäre dies etwa unmittelbar in 1Petr 1,1 oder auch in 1Petr 5,13, in Sonderheit hier durch die Verwendung solcher Partikel, die die Parallelität der Empfänger- und der Absendersituation signalisierten – wird gerade nicht in gleicher Weise begrifflich unmittelbar als Βαβυλών, d.h. als ‚babylonisches‘ Exil, definiert oder mit dieser Chiffre zumindest argumentationslogisch verknüpft465, wiewohl sich doch die Lebenssituation der in diesen Gemeinden organisierten Christen im Grundsatz kaum von derjenigen der diese Epistel absendenden συνεκλεκτή unterscheiden dürfte466. Der Verfasser des 1Petr weist zwar darauf hin, dass die angeschriebenen Gemeinden als παρεπίδημοι bzw. πάροικοι467 διασπορᾶς468 (1Petr 1,1.17; 2,11) zu definieren sind, siedelt jene aber im Unterschied zur absendenden συνεκλεκτή nun gerade nicht in Βαβυλών, sondern eben in Πόντος, Γαλατία, Καππαδοκία, Ἀσία und Βιθυνία (1Petr 1,1)469 an – ohne jedoch den Terminus Βαβυλών sachlich etwa mit den Ortsangaben Πόντος, Γαλατία, Καππαδοκία, Ἀσία und Βιθυνία zu parallelisieren oder eine solche Parallelität auch nur anzudeuten. Daraus aber folgt: Der in 1Petr 5,13 vorliegende Terminus Βαβυλών wird sich kaum theologisch-metaphorisch im Sinne einer Beschreibung der generellen Lebenssituation der Absendergemeinde als eines ‚babylonischen Exils‘, sondern ausschließlich als eine von den Ortsangaben in Πόντος, Γαλατία, Καππαδοκία, Ἀσία und Βιθυνία zu differenzierende, in diesem Sinne lokal-metaphorische Ortsangabe470 interpretieren lassen, eine Ortsangabe, die ihrerseits als Chiffre für die Stadt Rom

465. Anders, aber eben ohne Belege, hier P.J. Achtemeier, 1Petr, 354: „In that way the author constructs an inclusion with the opening verse [d.h. zwischen 1Petr 1,1 und 1Petr 5,12], giving to his whole letter this kind of framework, and, more specificially, to identify both the author and his Christian community as sharing with the readers such exile status“. Ähnlich hier auch R. Feldmeier, 1Petr, 170: „Auch die ‚Miterwählten‘ in Rom sind mitbedrängte ‚Fremde in der Zerstreuung‘“. Angesichts der fehlenden lexikalischen Hinweise muss diese als Parallelisierung aufgefaßte inclusio aber eine lediglich postulierte bleiben. 466. Vgl. zu diesem Argument bereits o. 132f. Damit will auch die Einlassung von L. Doering, Letters, 446, der den 1Petr als eine „letter from a place in the Diaspora (qualified in terms of Babylonian exile) to the Diaspora“ auffassen möchte, kaum mehr belegbar scheinen. 467. Vgl. zu diesen beiden Begriffen ausführlich o. 40–42. 468. Vgl. zur Interpretation dieses Begriffs o. 29–35. 469. Vgl. zu dieser Adressenangabe ausführlich P.J. Achtemeier, 1Petr, 83–85. 470. Vgl. hierzu auch N. Brox, 1Petr, 43: „Aber wegen des keinesfalls zufällig oder beliebig gewählten Verfassernamens Petrus, der sich bereits mit Rom verband, dürfte der Name Babylon ebenfalls eher als konkrete Ortsangabe eingesetzt sein“.

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zu verstehen ist, somit also einen konkreten, von den nach 1Petr 1,1 unterschiedlichen Aufenthaltsorten der Adressaten zu unterscheidenden Ort angibt, ohne dass dieser Ort selbst unmittelbar als διασπορᾶς, d.h. als ‚in der Fremde‘ befindlich, qualifiziert werden würde. Fällt nun aber die Möglichkeit, die Chiffre Βαβυλών theologisch-metaphorisch, d.h. bezogen auf die eigene Exilssituation, zu deuten, aus, bleibt als Erklärung für den Sachverhalt, dass der Verfasser des 1Petr die Stadt Rom als – tatsächlichen oder aber auch nur beanspruchten471 – Abfassungsort seiner Epistel nicht mit ihrem offziellen Namen Ῥώμη, sondern mit der Chiffre Βαβυλών bezeichnet, nur die Annahme übrig, dass er den Namen der Hauptstadt des imperium Romanum mit diesem Codewort wiedergibt, um jene als Zentrum der innerhalb des in jedem Falle gottfeindlichen Kosmos sich realisierenden gottfeindlichen Macht zu charakterisieren. Damit aber übernimmt der Verfasser des 1Petr einen Sprachgebrauch, der sich einerseits innerhalb der frühjüdischen Apokalyptik472, andererseits aber auch in der neutestamentlichen Apk nachweisen lässt. Diese Beobachtung wirft angesichts des Sachverhalts, dass sich der Verfasser des 1Petr in seiner Epistel sonst weder romkritisch473 oder gar romfeinlich noch – und hier hängt das eine mit dem anderen zusammen – in in solcher Weise codierter Form äußert, jedoch die Frage auf, warum er dies in 1Petr 5,13 in dieser pointierten und inhaltlich unvermittelten474 und daher überraschenden Weise tut475. 471. Vgl. zu dieser Diskussion o. 16–20. 472. Vgl. hierzu etwa die Ausführungen von P.J. Achtemeier, 1Petr, 354, A. 81; als Belege für den Begriff Βαβυλών in der frühjüdischen apokalyptischen Literatur gibt er an: 2Bar 11,1f.; 67,6; 4Esr 3,1f.28f.31, darüber hinaus noch Sib 5,143.159f. 473. Auf diesen Sachverhalt weist zumindest implizit N. Brox, 1Petr, 116 hin, wenn er im Blick auf die Ausführungen in 1Petr 2,12 und 1Petr 2,13–17 formuliert: „Nach V 12 ist diese [in 1Petr 2,13–17 faßbare] Aufforderung zur Loyalität gegenüber den politischen Instanzen überraschend, weil dort ganz klar eine ‚Kampagne‘ gegen die Christen in der Öffentlichkeit avisiert war“. Vgl. hierzu auch R. Feldmeier, 1Petr, 108: „Der 1Petr betont, dass die Anerkennung des Staates kein ‚Kuschen‘ vor der überlegenen Gewalt sei, das der christlichen Freiheit widerspricht; vielmehr bewährt sich die Freiheit der Glaubenden eher darin, dass sie sich im Gehorsam gegenüber Gott in das staatliche Machtgefüge als einer seinem Wesen nach guten Ordnung einfügen“. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, dass sich die Ausführungen in 1Petr 2,17 von anderen „frühchristlichen Aussagen, insbesondere von Röm 13,(3f.)7, ab[heben], die dieses hellenistische Ethos [d.h. die Verpflichtung, den amtierenden Regenten zu ehren] aufnehmen und dadurch unterbauen, daß sie die irdischen Herren als Vertreter des himmlischen kennzeichnen“ (L. Goppelt, 1Petr, 189). 474. Vgl. hierzu etwa N. Brox, 1Petr, 43, der – vollkommen m.R. – im Blick auf die Ausführungen in 1Petr 2,13–17 von einer „Loyalitäts-Demonstration“ gegenüber dem imperium Romanum spricht; vgl. zu 1Petr 2,13–17 auch ausführlicher o. 52–54. 475. Vgl. hierzu bereits K. Heussi, Petrustradition, 36: „Es ist sonst nirgends zu belegen, dass als Ort der Abfassung eines Briefes ein apokalyptischer Deckname verwendet wird“; darüber hinaus weist Heussi darauf hin, dass die Nennung des Abfassungsortes eines Briefes

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Im Lichte der Abfassungsverhältnisse des 1Petr und dessen historisch plausibilisierbarer lokaler und temporaler Relationalität zur johanneischen Literatur476 will die Annahme durchaus naheliegend erscheinen, dass dessen Verfasser in 1Petr 5,13 anstelle des Begriffs Ῥώμη den Terminus Βαβυλών verwendet, um seinen Adressaten, in diesem Falle zumindest auch dem Trägerkreis der johanneischen Literatur, seine zumindest prinzipielle Übereinstimmung mit der von jenem entwickelten bzw. aus der frühjüdischen Apokalyptik abgeleiteten Interpretation der Stadt Rom als dem gottfeinlichen Zentrum des in seiner Gesamtheit bereits gottfeinlichen Kosmos zu signalisieren, um deutlich zu machen, dass der Theologe Πέτρος die Theologie derjenigen, die sich an seiner statt auf den Lieblingsjünger berufen, durchaus positiv rezipieren kann. Die Frage, ob der Verfasser des 1Petr mit der Aufnahme des Begriffs Βαβυλών unmittelbar oder mittelbar auf die bereits existierende neutestamentliche Apk oder aber eine innerhalb der johanneischen Schule bzw. des johanneischen Kreises umlaufene (proto-)johanneische Tradition zurückgegriffen hat, die Frage also, ob in 1Petr 5,13 ein unmittelbar oder mittelbar vermittelter unmittelbarer literarischer Reflex, ein unmittelbar oder mittelbar vermittelter mittelbarer literarischer Reflex, ein mittelbar vermittelter unmittelbarer traditionsgeschichtlicher Reflex oder aber ein mittelbar vermittelter mittelbarer traditionsgeschichtlicher Reflex vorliegt, wird mit Wahrscheinlichkeit entschieden durch den Sachverhalt, dass der Verfasser des 1Petr in 1Petr 5,13 zwar das Lexem Βαβυλών verwendet, es aber in Relation zu den Belegen in der Apk neu, nämlich in einem ansonsten nicht romkritischen Kontext, kontextualisiert. Dies spricht dafür, dass er hier eine (proto-)johanneische Tradition explizit verarbeitet und somit unmittelbar reflektiert477. Im Unterschied zur Johannesapokalypse, in der der zur Zeit der Abfassung der Apk amtierende römische Kaiser oder aber die Gesamtheit der das imperium gerade auch am Ende desselben unüblich und unnötig sei, weil der Überbringer desselben diese Information weitergeben könne (vgl. Petrustradition, 39). Zu diesem letzten Hinweis vgl. – wenn auch nicht unbedingt überzeugend – allerdings M. Vahrenhorst, 1Petr, 54, A. 217. 476. Vgl. hierzu o. 12–27. 477. Vgl. zu dieser hier formulierten Position etwa O.D. Foster, Epistle of Peter, 522, der im Blick auf den im 1Petr und in der Apk erscheinenden Begriff Βαβυλών formuliert: „On this basis, which is the only tenable view [d.h. auf der Basis des Bezugs dieses Terminus auf die Stadt Rom], we must recognize a relation between I Peter and the Apocalypse. We cannot claim any literary relation but that the circumstances and time of writing were closely related seems obvious“. Diese Frage hängt natürlich in einem nicht unerheblichen Maße von der Datierung der Abfassung der neutestamentlichen Apk ab. Wird die Abfassung der Apk in die Zeit zwischen 90 und 95 n.Chr. datiert (vgl. hierzu etwa U. Schnelle, Einleitung, 600–602), diejenige des 1Petr dagegen eher spät (vgl. hierzu o. 21), so ist bei der Annahme einer temporalen und lokalen Konvergenz beider Schriften (vgl. hierzu o. 12–23) keinesfalls undenkbar, dass es sich bei der Aufnahme des Terminus Βαβυλών in 1Petr 5,13 um einen literarischen Reflex auf die Apk handelt (vgl. zu den unterschiedlichen Varianten

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Romanum bis dato führenden Herrscher codiert und als ein gottfeindliches θηρίον dargestellt wird (Apk 13)478, spricht der Verfasser des 1Petr in 1Petr 2,12–17 vom römischen Kaiser und seinen Statthaltern, ohne eine solche oder ähnliche für apokalyptische Literatur typische Codierung zu benutzen. Diese Beobachtung spricht klar gegen eine grundsätzliche romkritische bzw. präziser: romfeindliche Haltung des Verfassers des 1Petr. Eine solche romfeindliche Haltung begegnet auch in 2Bar 67,6f.: „Solange Zion ausgeliefert ist, Jerusalem verödet liegt, die Götzen in den Städten der Nationen glücklich sind, der Balsamduft des Weihrauchs der Gerechtigkeit aus dem Gesetz in Zion erloschen ist, im Lande Zion allerorten – siehe! (so) ist der Rauch der Freveltat mitten darin. (7) Der König Babels aber wird sich erheben, der Zion nun zerstörte, und wird sich brüsten über (alles) Volk und voller Hochmut vor dem Höchsten (dann) in seinem Herzen sprechen!“479, darüber hinaus auch in 4Esr 3,27–31: Et tradidisti civitatem tuam in manus inimicorum tuorum. (28) Et dixi ego tunc in corde meo: numquid meliora faciunt qui habitant in Babylone, et propter hoc dominabit Sion? (29) Factum est autem cum venissem huc, et vidi impietates quorum non est numerus, et delinquentes multos vidit anima mea hoc tricesimo anno. et excessit cor meum, (30) quoniam vidi quomodo sustines eos peccantes et pepercisti impie agentibus, et perdidisti populum tuum et conservasti inimicos tuos, et non significasti (31) nihil nemini quomodo debeat derelinqui via haec. numquid meliora facit Babylon quam Sion480, schließlich ebenso in Sib 5,155–161: ἀλλ᾽ ὅταν ἐκ τετράτου ἔτεος λάμψῃ μέγας ἀστήρ, (156) ὃς πᾶσαν γαῖαν καθελεῖ μόνος εἵνεκα τιμῆς, (157) αὐτοὶ πρῶτον ἔθηκάν τ᾽ εἰναλίῳ Ποσειδῶνι, (158) ἥξει δ᾽ οὐρανόθεν ἀστὴρ μέγας εἰς ἅλα δῖαν (159) καὶ φλέξει πόντον βαθὺν αὐτήν τε Βαβυλῶνα (160) Ἰταλίης γαῖάν θ, ἧς εἵνεκα πολλοὶ ὄλοντο (161) Ἑβραίων ἅγιοι πιστοὶ καὶ λαὸς ἀληθής481. eines solchen Reflexes o. 4–11). Wird die Apk hingegen spät, etwa in die Zeit zwischen 130 und 135 n.Chr. datiert (vgl. hierzu etwa T. Witulski, Johannesoffenbarung 346–350), so ist es notwendig, auch die Abfassung des 1Petr außerordentlich spät zu datieren (vgl. hierzu o. 22f.), um diese Annahme aufrechterhalten zu können. Im Falle einer Datierung der Abfassung der Apk in die Zeit des Kaisers Traianus Hadrianus liegt es näher, die Aufnahme des Begriffs Βαβυλών als Chiffre für die Stadt Rom in 1Petr 5,13 als traditionsgeschichtlichen Reflex auf eine in der johanneischen Schule bzw. im johanneischen Kreis virulente Tradition, die auch der Apokalyptiker in seinem Werk verwendet hat, zu verstehen. 478. Vgl. hierzu etwa die Ausführungen zu Apk 13,18 bei U.B. Müller, Apk, 256f. 479. Übersetzung nach A.F.J. Klijn, 2Bar, 168. 480. „Da hast du deine Stadt den Händen deiner Feinde ausgeliefert. (28) Damals sagte ich in meinem Herzen: Handeln die Bewohner Babylons besser? Und hat er deswegen Zion gezüchtigt? (29) Als ich aber hierher gekommen war, sah ich die zahllosen Freveltaten – und meine Seele sah viele sündigen in diesem dreißigsten Jahr –, und mein Herz entsetzte sich, (30) weil ich sah, wie du sie, die Sünder, erträgst und die Frevler verschonst, dein Volk aber vernichtest, deine Feinde am Leben erhältst (31) und niemand offenbart hast, wie dieser Weg zu begreifen sei. Hat Babylon besser gehandelt als Zion?“; Übersetzung nach J. Schreiner, 4Esr, 315f. 481. Text nach J. Geffcken, OrSib, 111f.; „Aber wenn vom vierten Jahr an ein großer Stern erstrahlt, (156) der die ganze Erde vernichten wird um der Ehre willen, (157) die sie anfangs dem meerbewohnenden Poseidon gaben; (158) dann wird vom Himmel herab ein großer Stern kommen in die schreckliche Salzflut (159) und wird das tiefe Meer verbrennen und Babylon selbst (160) und Italiens Land, um dessentwillen umgekommen waren viele (161) heilige Gläubige der Hebräer und der wahrhaftige Tempel“; Übersetzung nach F. Merkel, Sib, 1122.

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Freilich ist zumindest im Grundsatz natürlich keinesfalls undenkbar, dass der Verfasser des 1Petr die Chiffre Βαβυλών unmittelbar aus den in der frühjüdischen apokalyptischen Literatur vorliegenden Belegen und ohne jeglichen Rückgriff auf die Apk oder (proto-)johanneisches Traditionsmaterial abgeleitet haben könnte. Wer diese Annahme vertritt, muss allerdings erklären, warum der Verfasser des 1Petr in einer in ihrem Tenor weder romkritischen noch gar romfeindlichen Schrift den Terminus Βαβυλών als einen Begriff der frühjüdischen romkritischen und romfeindlichen apokalyptischen Literatur unmittelbar übernimmt und in seiner Epistel in gänzlich anderer Weise neu kontextualisiert. Die Annahme, der Verfasser des 1Petr habe diesen Terminus aus der (proto-)johanneischen Tradition, die in der neutestamentlichen Apk ihre literarisch fassbare Gestalt gewonnen habe, entlehnt, impliziert jedoch eine auf diese Frage gänzlich plausible Antwort. Insofern liegt in der Verwendung des Terminus Βαβυλών in 1Petr 5,13 ein mittelbar vermittelter unmittelbarer traditionsgeschichtlicher Reflex vor.

I.7. FAZIT Das bisher Dargestellte hat gezeigt, dass sich zumindest in Teilen durchaus enge formal-sprachliche, in Sonderheit aber in z.T. zentralen theologischen Bereichen auch inhaltlich-konzeptionelle Berührungen zwischen der johanneischen Literatur und dem 1Petr ausmachen lassen, ohne dass die jeweiligen Formelemente und Inhalte in der alttestamentlichen bzw. der frühjüdischen, in der übrigen neutestamentlichen bzw. der frühchristlichen, geschweige denn in der paganen Literatur nachgewiesen werden könnten. Im Einzelnen umfassen diese formal-sprachlichen und inhaltlich-konzeptionellen Berührungen folgende Aspekte: Elemente der in der johanneischen Schule bzw. im johanneischen Kreis offensichtlich durchaus verbreiteten Briefkonvention482, die Frage nach der theologischen Relation zwischen Christ und Welt bzw. Christ und Gesellschaft483, die Frage einer theologischen Definition des imperium Romanum als des zur Zeit der Abfassung des 1Petr augenscheinlich omnipräsenten und omnipotenten staatlichen Gebildes484, die Frage des gegenwärtigen soteriologischen Status der Christen485, den Gedanken einer poimenisch geprägten Christologie486 und schließlich das Bild der Person des Petrus als 482. Vgl. 483. Vgl. 484. Vgl. 485. Vgl. 486. Vgl.

hierzu hierzu hierzu hierzu hierzu

o. o. o. o. o.

37–39. 27–58. 52–54.131–138. 27–58.59–101. 107–122.

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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einer der prägenden, mit einer bestimmten Autorität begabten und sich zugleich in die urchristlichen Kirchen- und Gemeindestrukturen egalitär sich einordnenden Persönlichkeiten des frühesten Urchristentums487. In der exegetischen Sekundärliteratur werden folgende weitere, in der vorliegenden Studie, weil zu wenig beweiskräftig, nicht erörterte sprachliche und motivische Parallelen zwischen 1Petr und der johanneischen Literatur angezeigt488, die hier in einer tabellarischen Übersicht dargeboten werden sollen: Text

Lexem/Motiv

1Petr 1,7 // Apk 3,18

Motiv des im Feuer geläuterten Goldes489

1Petr 1,21 // Joh 14,1

Verwendung des Verbs πιστεύειν mit der Präposition εἰς

1Petr 1,22 // Joh 15,3

Motiv der Reinheit490

1Petr 1,22 (4,8) // Joh 13,34491; 15,12492 Motiv der gegenseitigen Liebe493 1Petr 2,21 // 1Joh 2,6; Joh 13,15

Motiv der Nachfolge Jesu494

1Petr 4,11 // Joh 14,13

Motiv der Verherrlichen Gottes durch/in Jesus Christus495

1Petr 5,4 // Apk 2,10

Motiv des Sieges- oder Ruhmeskranzes496

487. Vgl. hierzu o. 122–131. 488. Vgl. zu diesen Parallelen L. Goppelt, 1Petr, 53, A. 93, darüber hinaus aber auch O.D. Foster, First Epistle of Peter, 521. 489. Vgl. zu dieser Parallele O.D. Foster, First Epistle of Peter, 521: „Though this parallel is suggestive it is not conclusive. It only shows that the two books have a common background“. 490. Vgl. hierzu O.D. Foster, First Epistle of Peter, 526f.; Foster notiert: „Since I Pt. 1, 22 is the closest N.T. parallel [zu Joh 15,3], it is reasonable to suppose John depends on I Peter at this point“. 491. Vgl. zu dieer Parallele auch O.D. Foster, First Epistle of Peter, 527. 492. Zu Joh 15,1 als Parallele zu 1Petr 4,8 vgl. auch O.D. Foster, First Epistle of Peter, 531. 493. O.D. Foster, First Epistle of Peter, 525.531 verweist als eine weitere Parallele zu 1Petr 4,8 auf 2Joh 5. Als Parallele zu 1Petr 1,22 notiert er darüber hinaus 1Joh 3,3; 5,2 und benennt innerhalb der johanneischen Literatur weitere Belege für die Forderung der Bruderliebe (vgl. 523). Im Blick auf die Gesamtheit dieser Belege und deren inhaltliche Parallelität zu 1Petr 1,22 führt er aus: „All this seems to indicate that the Johannine literature presupposes our Epistle“. Dass dieser Annahme historische Plausibilität kaum zuzukommen vermag, wurde o. bereits ausführlich erörtert (vgl. hierzu etwa o. 39). 494. Vgl. hierzu O.D. Foster, First Epistle of Peter, 524; Foster verweist dazu noch auf Joh 13,15 (vgl. hierzu 530) und stellt fest: „I Peter is probably the basis for Jn. 13  ; 15 and I John 2  ; 6“. 495. Vgl. zu dieser Parallele, O.D. Foster, First Epistle of Peter, 529; Foster notiert darüber hinaus: „‚The glorification of God through Christ,‘ as alluded to in I Peter, is a common doctrine in the Fourth Gospel …, and is frequently found in the ‚speeches of Jesus‘“. 496. Vgl. hierzu O.D. Foster, First Epistle of Peter, 521: „Though suggestive, dependence here is very doubtful“.

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

Bei Licht besehen stellen diese hier aufgelisteten Aspekte, werden derjenige der Briefkonvention und derjenige, der das Bild der Person des Petrus betrifft, zunächst nicht berücksichtigt, in ihrer Gesamtheit eine theologische Konzeption dar, die eine Antwort gibt auf die Frage nach der theologischen Relation des Welt- und des Christusverhältnisses, die Systematik der theologischen Theorie insgesamt somit aus dem Blickwinkel des Verhältnisses des Christen zur Welt betrachtet497: Dem Verfasser des 1Petr zufolge schließen sich ein positives Welt- und ein positives Christusverhältnis aus. Die Christen, d.h. diejenigen, die ein positives Christusverhältnis praktizieren, leben bestenfalls in einem neutralen, letzten Endes eher in einem negativen Verhältnis zu der sie umgebenden Welt, konkret zu den sie umgebenden gesellschaftlichen Verhältnissen und Realitäten. Diese doppelte Verhältnisbestimmung ist begründet in der – von Gott oder Christus vorgenommenen498 – Erwählung der Christen zu einem priesterlichen Königtum bzw. einem königlichen Priestertum, die sie gegenüber den sie umgebenden gesellschaftlichen Verhältnissen und Realitäten in die ‚Fremdlingschaft‘, d.h. in die Ab- und in die Ausgrenzung führt. In den aus dieser Fremdlingschaft, d.h. aus der konkreten gesellschaftlichen Ab- und Ausgrenzung sich ergebenden und die christliche Existenz belastenden Anfechtungen, Herausforderungen und Schwierigkeiten kann und soll der Christ sein Christsein durchhalten, weil er, in der Gegenwart bereits um seine letzten Endes als letzte Wahrheit sich realisierende Erwählung wissend, von Christus als seinem ἀρχιποίμην und den πρεσβύτεροι als seinen ποιμένες in der Gegenwart seines irdischen Lebens begleitet, gestärkt und beschützt wird. Das alles lässt nun weiterführend folgende Schlussfolgerung zu: Der Verfasser des 1Petr hat aus der (proto-)johanneischen Tradition nur solche Theologoumena übernommen und verarbeitet, die er benötigte, um das christliche Welt- und Christusverhältnis und deren theologische Relation zueinander zu beschreiben. Andere Theologoumena wie etwa die im Johannesprolog Joh 1,1–18 propagierte Präexistenzchristologie499 oder auch die unmittelbare Korrelation von Christsein und geschwisterlicher Liebe (1Joh 2,7–11)500 können bzw. konnten in 497. Vgl. hierzu U. Schnelle, Theologie, 564f., der im Blick auf den zentralen Impetus des 1Petr folgendermaßen formuliert: „Der 1Petrusbrief nimmt eine Sonderstellung im Neuen Testament ein, weil er das erste Zeugnis für den grundlegenden Konflikt zwischen dem christologischen Monotheismus des entstehenden Christentums und der sich sakral begründeten antiken römischen Gesellschaft ist. Er behandelt zu seiner Zeit eine theologische Thematik, die auch für das Christentum des 2. Jahrhunderts zentral sein wird: Christliche Minderheit zu sein in einer überwiegend ablehnend gesinnten Umwelt“. 498. Vgl. hierzu o. 27, A. 1. 499. Vgl. hierzu etwa U. Schnelle, Theologie, 630–640 und auch J. Zumstein, Joh, 63–88. 500. Vgl. hierzu etwa H.-J. Klauck, 1Joh, 120–129.

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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diesem Zusammenhang daher aus (theo-)logischen Gründen unberücksichtigt bleiben. Da sich nicht wahrscheinlich machen lässt, dass die durchaus unterschiedlichen Verfasser der einzelnen unter dem Begriff der johanneischen Literatur zusammengefassten Schriften in ihren Werken im 1Petr verarbeitetes ‚petrinisches‘ Traditionsmaterial aufgenommen oder ihre Werke in bewusstem Rekurs auf den 1Petr verfasst hätten501 – auf der Grundlage einer solchen Überlegung ließen sich etwa weder die doch durchaus überraschende Verwendung des Terminus Βαβυλών als Chiffre für die Stadt Rom in 1Petr 5,13502 noch die in 1Petr 5,1f. sichtbar werdende und ebenfalls durchaus überraschende Relativierung des in 1Petr 1,1 entwickelten Bildes der Person des Petrus als eines ἀπόστολος Ἰησοῦ Χριστοῦ erklären503 – bleiben zur Erklärung des o. konstatierten Sachverhaltes letzten Endes sechs bzw. vier Erklärungsmodelle übrig: (a) Die entsprechenden Ausführungen des 1Petr stellten – mittelbar oder unmittelbar vermittelte – unmittelbare literarische Reflexe der entsprechenden in den Schriften des Corpus Johanneum belegten Darstellungen dar504. (b) Die entsprechenden Ausführungen des 1Petr könnten als – mittelbar oder unmittelbar vermittelte – mittelbare literarische Reflexe der entsprechenden johanneischen Ausführungen gelesen werden505. (c) Die entsprechenden Darstellungen des 1Petr stellten einen mittelbar vermittelten unmittelbaren traditionsgeschichtlichen Reflex auf johanneische Traditionen dar, die in den Schriften des Corpus Johanneum literarische Gestalt gewonnen haben506. (d) Die entsprechenden Darstellungen des 1Petr ließen sich als ein mittelbar vermittelter mittelbarer traditionsgeschichtlicher Reflex auf johanneische Traditionen lesen, die auch in der johanneischen Literatur verarbeitet worden sind.507 Die einzelnen Analysen der entsprechenden Textelemente und Textpassagen des 1Petr in ihrer jeweiligen Relation zu den johanneischen Bezugstexten ließen, wie die u.a. Tabelle ausweist, in den allermeisten Fällen die Annahme wahrscheinlich erscheinen, dass der Verfasser des 1Petr in ihnen entweder mittelbar oder aber auch unmittelbar (proto-)johanneisches Traditionsmaterial, 501. Dagegen spricht schon der Sachverhalt, dass die Person des Petrus zugunsten derjenigen des μαθητὴς ὃν ἠγάπα ὁ Ἰησοῦς deutlich in den Hintergrund tritt; vgl. hierzu u. 149f. 502. Vgl. hierzu o. 131–138. 503. Vgl. hierzu o. 122–131. 504. Vgl. hierzu die entsprechende Theoriediskussion o. 4–11. 505. Vgl. hierzu die entsprechende Theoriediskussion o. 4–11. 506. Vgl. hierzu die entsprechende Theoriediskussion o. 4–11. 507. Vgl. hierzu die entsprechende Theoriediskussion o. 4–11.

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

das in den jeweiligen johanneischen Bezugstexten dann literarisch greifbar wird, reflektiert, in seiner Epistel also (proto-)johanneische Traditionen verarbeitet, entweder, indem er in seiner Darstellung einzelne Lexeme oder Motive, die diese Traditionen bietet, im Rahmen einer Re- bzw. Neukontextualisierung explizit aufgreift, oder aber, indem er, re- bzw. neu kontextualisiert, johanneische theologische Inhalte als Paraphrase, somit also implizit verarbeitet508 (unmittelbarer oder mittelbarer traditionsgeschichtlicher Reflex). Lediglich im Blick auf die Verwendung des Lexems ἐκλεκτός in 1Petr 1,1; 5,13 – konkret realisiert in den Termini έκλεκτοί und συνεκλεκτή – lässt sich ein – allerdings auch nur mittelbar vermittelter – unmittelbarer literarischer Reflex auf 2Joh 1.13 bzw. auf die innerhalb des johanneischen Kreises bzw. der johanneischen Schule offensichtlich praktizierte Briefkonvention wahrscheinlich machen509. In jedem Falle lassen sich keinerlei Textsignale finden, die eine wie auch immer zu definierende, in jedem Falle jedoch unmittelbare literarische Abhängigkeit des 1Petr von den Schriften des Corpus Johanneum indizierten510. unmittelbar mittelbar vermittelter vermittelter unmittelbarer unmittelbarer literarischer literarischer Reflex Reflex 1Petr 1,1; 5,13: έκλεκτοί (2Joh 1.13; Lexem)

unmittelbar vermittelter mittelbarer literarischer Reflex

mittelbar vermittelter mittelbarer literarischer Reflex

mittelbar vermittelter unmittelbarer traditionsgeschichtlicher Reflex

mittelbar vermittelter mittelbarer traditionsgeschichtlicher Reflex 1Petr 1,1: ἐκλεκτοὶ παρεπίδημοι (Joh 15,19; Paraphrase) 1Petr 2,9: βασίλειον ἱεράτευμα (Apk 1,6a; 5,10a; Paraphrase) 1Petr 1,3.23: Wiedergeburt (Joh 3,3.(5.)7; Paraphrase)

508. Vgl. hierzu o. 48f.57f., 99f., 106, 116–119, und 126f. 509. Vgl. hierzu o. 37–39. 510. Vgl. zu dieser Beobachtung bereits die entsprechenden Einlassungen von M. Vahrenhorst o. 2, A. 6.

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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1Petr 1,8 (Joh 20,29; 1Joh 4,20b; Motiv) 1Petr 2,25 (Motiv) 1Petr 1, (2bβ.)19: Erlösung durch das Blut des Lammes Christus (Joh 1,29.36; Apk 1,5bβ; 5,6a.9c; Paraphrase) 1Petr 5,2 (Motiv) 1Petr 5,13: Βαβυλών (Lexem)

Dieses Ergebnis hat zunächst Konsequenzen im Blick auf die Frage nach dem Abfassungsort des 1Petr511, vermag es doch die These eines kleinasiatischen Abfassungsortes dieser Epistel gegenüber derjenigen seiner Entstehung in Rom deutlich zu stützen. Der Sachverhalt, dass der Verfasser des 1Petr in unterschiedlichen Passagen seiner Epistel johanneisches Material verarbeitet und darauf entweder explizit oder implizit Bezug genommen hat, lässt sich erheblich zwangloser plausibilisieren, wird angenommen, dass die lokale Konvergenz zwischen 1Petr und der johanneischen Literatur sich nicht nur auf die jeweiligen Adressaten, sondern auch auf den jeweiligen Entstehungsort erstreckt512, eine Überlegung, die sich gerade auch im Blick auf den in 1Petr 1,1; 5,13 sichtbar werdenden mittelbar vermittelten unmittelbaren Reflex auf die johanneische Briefkonvention aufrechterhalten lässt. In diesem Sinne stellt 1Petr eine ‚römische‘ Fiktion dar; dessen Verfasser suggeriert seine Entstehung in Rom, womöglich, um sich selbst zu legitimieren und Autorität zu gewinnen. Darüber hinaus evoziert dieses Ergebnis unmittelbar die Frage nach dem Motiv, das den Verfasser des 1Petr dazu veranlasst haben könnte, an durchaus zentralen Stellen seiner Epistel eigentlich johanneische, aus der (proto-) johanneischen Tradition entnommene Theologoumena zu verarbeiten. Sein 511. Vgl. zu dieser Diskussion o. 16–20. 512. Vgl. hierzu o. 17f.

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mögliches Motiv für dieses Vorgehen tritt in zweien der o. diskutierten parallelen Textzusammenhänge deutlicher zutage, nämlich einerseits in der Darstellung der Person des Petrus als eines συμπρεσβύτερος, der mit den übrigen πρεσβύτεροι zusammen die Herde Gottes zu weiden hat (1Petr 5,1f.)513, und andererseits in der Verwendung des Terminus Βαβυλών als Chiffre für die Stadt Rom (1Petr 5,13)514. Mit diesen Darstellungen relativiert der Verfasser des 1Petr jeweils in seiner Epistel zuvor entwickelte Konzeptionen: Die Darstellung der Person des Petrus als eines als ποιμήν wirkenden συμπρεσβύτερος relativiert diejenige derselben als eines ἀπόστολος Ἰησοῦ Χριστοῦ (1Petr 1,1), die Darstellung der Stadt Rom als Βαβυλών, also als gottfeindliches Zentrum eines gottfeindlichen κόσμος, relativiert diejenige des imperium Romanum als einer von Gott installierten oder aber doch zumindest geduldeten Ordnungsmacht (1Petr 2,13–17). Diese in der Argumentationslogik des 1Petr jeweils späten und auch inhaltlich überraschenden Relativierungen eigener zuvor entwickelter Positionen und Konzeptionen in Richtung auf solche Positionen und Konzeptionen, die im johanneischen Kreis nachweisbar sind, scheinen nun motiviert zu sein durch das Unterfangen, die eigenen ‚petrinischen‘ theologischen Positionen und Konzeptionen als kompatibel und vereinbar mit der johanneischen zu erweisen. Mit diesen Relativierungen sowohl als dann aber auch mit der Integration dezidiert (proto-)johanneischen Traditionsmaterials in die eigene Epistel – hier in Sonderheit an deren Beginn und an deren Ende, d.h. in den diese Epistel rahmenden Passagen – möchte der Verfasser des 1Petr seinen Adressaten zeigen, dass die Theologie des Petrus – oder diejenige einer sich auf die Person des Petrus berufenden Gruppe515 – und diejenige des johanneischen Kreises beträchtliche inhaltliche Schnittmengen aufweisen und dass beide theologischen Entwürfe durchaus ineinander integrierbar sind – eine Absicht, die in der Bezeichnung der – fiktiv – in Rom zu verortenden ‚petrinischen‘ Gruppe oder Gemeinde als συνεκλεκτή516 in 1Petr 5,13 ihren beredten Ausdruck findet. Der Erweis einer solchen theologischen Kompatibilität führt innerhalb der johanneischen Schule bzw. des johanneischen Kreises dazu, das dort bis dato offensichtlich eher geringe Ansehen des historischen Petrus517, 513. Vgl. hierzu o. 122–131. 514. Vgl. hierzu o. 131–138. 515. Vgl. zum Gedanken einer hinter dem 1Petr stehenden Gruppe, der der individuelle Verfasser dieser Epistel zuzurechnen ist, etwa U. Schnelle, Einleitung, 480: „Der 1Petr ist ein pseudepigraphisches Schreiben, bestimmt durch urchristliche Traditionen, die von ihrem Trägerkreis Petrus und Silvanus zugeschrieben wurden“. 516. Zum Bezug dieses Terminus auf eine christliche Gemeinde vgl. etwa P.J. Achtemeier, 1Petr, 353. 517. Vgl. hierzu u. 149f.

BERÜHRUNGEN ZWISCHEN 1PETR UND DER JOHANNEISCHEN LITERATUR

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damit natürlich zugleich auch dasjenige derer, die sich in späterer Zeit auf diese historische Figur und die mit derselben verknüpften Traditionen berufen, der von jenen vertretenen Theologie und der von jenen realisierten kirchenpolitischen Praxis zu verbessern und auf diesem Wege zu versuchen, die johanneische Schule bzw. den johanneischen Kreis enger als bisher an die ‚petrinisch‘ geprägte Kirche, ihre Theologie und ihre Strukturen zu binden. Diese eher als formal oder präziser als innerchristlich zu charakterisierende Wirkabsicht, die der Verfasser des 1Petr mit seiner Epistel verfolgte, lässt sich gänzlich zwanglos verknüpfen mit neueren, eher inhaltlich akzentuierten, aktuell oder usuell die Relation der Christen zu ihrer nichtchristlichen Umwelt in den Blick nehmenden Interpretatonsmodellen wie etwa einem literatur-soziologischen Deutungsansatz, der „von einer Interdependenz von historischer Situation und literarischer Gestaltung“518 ausgeht und die dem 1Petr inhärenten Mahnungen als Aufforderung zu einer sich an der Erfüllung des Willens Gottes durch Jesus Christus orientierenden „Bereitschaft zum Zeugnis im Alltag der Welt“519 interpretieren möchte, oder auch solchen Interpretationsansätzen, die „die theologischen und sozialpsychologischen Strategien des 1Petr, seinen Gemeinden Deutungsfähigkeit und damit Kraft zum Ausharren in den Bedrängnissen zu geben“520, ausloten.

Eine ähnliche theologische Kompatibilität zu entsprechenden Passagen aus der johanneischen Literatur, die die o. formulierte These zur Intention und Wirkabsicht von 1Petr letzten Endes ebenfalls zu untermauern vermag, zeitigt die Analyse der Ausführungen in 1Petr 4,12–14; hier fordert der Verfasser des 1Petr die Adressaten seiner Epistel auf, ihren Glauben in Bedrängnissen und Leiden nicht nur durchzuhalten, sondern sich solcher um der mit endzeitlichen ἀποκάλυψις Ἰησοῦ Χριστοῦ Platz greifenden positiven Vergeltung willen nachgerade zu freuen: ἀγαπητοί, μὴ ξενίζεσθε τῇ ἐν ὑμῖν πυρώσει πρὸς πειρασμὸν ὑμῖν γινομένῃ ὡς ξένου ὑμῖν συμβαίνοντος, (13) ἀλλὰ καθὸ κοινωνεῖτε τοῖς τοῦ Χριστοῦ παθήμασιν χαίρετε, ἵνα καὶ ἐν τῇ ἀποκαλύψει τῆς δόξης αὐτοῦ χαρῆτε ἀγαλλιώμενοι. (14) εἰ ὀνειδίζεσθε ἐν ὀνόματι Χριστοῦ, μακάριοι, ὅτι τὸ τῆς δόξης καὶ τὸ τοῦ θεοῦ πνεῦμα ἐφ᾽ ὑμᾶς ἀναπαύεται. In der exegetischen Literatur ist häufig beobachtet worden, dass die hier in 1Petr 4,12–14 angesprochene Thematik bereits in 1Petr 1,6–9 diskutiert wird, hier allerdings noch unter einem Realisierungsvorbehalt: ἐν ᾧ ἀγαλλιᾶσθε, ὀλίγον ἄρτι εἰ δέον [ἐστὶν] λυπηθέντες ἐν ποικίλοις πειρασμοῖς, (7) ἵνα τὸ δοκίμιον ὑμῶν τῆς πίστεως πολυτιμότερον χρυσίου τοῦ 518. U. Schnelle, Einleitung, 492. 519. U. Schnelle, Einleitung, 492; Schnelle verweist hier auf Ergebnisse einer Studie von F.R. Prostmeier. 520. U. Schnelle, Einleitung, 492 mit Verweis auf G. Guttenberger und T. Popp.

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ἀπολλυμένου διὰ πυρὸς δὲ δοκιμαζομένου, εὑρεθῇ εἰς ἔπαινον καὶ δόξαν καὶ τιμὴν ἐν ἀποκαλύψει Ἰησοῦ Χριστοῦ· (8) ὃν οὐκ ἰδόντες ἀγαπᾶτε, εἰς ὃν ἄρτι μὴ ὁρῶντες πιστεύοντες δὲ ἀγαλλιᾶσθε χαρᾷ ἀνεκλαλήτῳ καὶ δεδοξασμένῃ (9) κομιζόμενοι τὸ τέλος τῆς πίστεως [ὑμῶν] σωτηρίαν ψυχῶν. Dass sich diese Ausführungen etwa mit den in der johanneischen Apk überlieferten Überwindersprüchen (Apk 2,7b.11b.17b26–28; 3,5.12.21) und deren Aussageabsicht sachlich eng berühren – auch in jenen wird nämlich der Zusammenhang von christlicher Standhaftigkeit in den gegenwärtigen Bedrängnissen und einer positiven endzeitlichen Vergeltung, die eben den Standhaften zuteil werden wird, explizit thematisiert521 –, ist letzten Endes mit den Händen zu greifen und bedarf keines Beweises. Auffällig ist nun freilich, dass diese Äußerungen des Verfassers des 1Petr in Spannung zu Verlautbarungen in anderen Passagen seiner Epistel stehen. Auf folgende Inkongruenzen und Spannungen sei hier hingewiesen: (a) Bezieht sich der Begriff der ἀποκάπυψις in 1Petr 1,6–9; 4,12–14 auf die für die Zukunft erwartete Wiederkunft Christi, scheint dieser Terminus in 1Petr 1,13b, hier in der Wendung ἐν ἀποκαλύψει Ἰησοῦ Χριστοῦ vorliegend, – schon aufgrund der Ausführungen in 1Petr 1,14f.18f. – das vom Zeitpunkt der Abfassung des 1Petr aus gesehen bereits in der Vergangenheit liegende Christusgeschehen zu reflektieren522. Zugunsten dieser hier vertretenen präsentischen bzw. präziser: perfektischen Interpretation der in 1Petr 1,13b angesprochenen Offenbarung Jesu Christi bzw. der von dem Prädikat ἐλπίσατε, einem Imperativ Aorist, abhängigen Wendung ἐπὶ τὴν φερομένην ὑμῖν χάριν ἐν ἀποκαλύψει Ἰησοῦ Χριστοῦ lassen sich folgende, in der exegetischen Literatur bis dato augenscheinlich kaum beachtete Argumente anführen: (a) Das auf das Substantiv χάριν bezogene präsentische Partizip φερομένην transportiert den Akzent der Gleichzeitigkeit zum Prädikat ἐλπίσατε, das als Imperativ im Aorist notwendigerweise einen präsentischen Charakter trägt523, eine Beobachtung, die dazu nötigt, die in 521. Vgl. zur Intention dieser Überwindersprüche etwa U.B. Müller, Apk, 94: „Als ganzer hat der Spruch mahnende Funktion. Er will zum Durchhalten aufrufen und verspricht deshalb den eschatologischen Lohn“. 522. Anders hier M. Vahrenhorst, 1Petr, 86, der diese Inkongruenz nicht sieht, sondern auch das in 1Petr 1,13 Ausgeführte von einem zukünftigen Offenbarungsgeschehen her interpretieren möchte: „Die Offenbarung Jesu, des Gesalbten, liegt, nach allem, was wir bisher gehört haben, in der Zukunft (1,5.7) und doch bestimmt sie das hoffende Gottesverhältnis der Anhänger des Gesalbten schon jetzt“. Neben Vahrenhorst votiert etwa P.J. Achtemeier, 1Petr, 119 für eine futurische Interpretation dieser Wendung: „The implication is not that they presently have no grace, but that their hope is to be grounded in that fulfilled grace which comes with Christ’s return, when hope will become visible reality“; Achtemeier zufolge scheinen lediglich J. Calvin und J.A. Bengel an dieser Stelle – zumindest auch – eine präsentische Interpretation dieses Syntagmas zu erwägen (vgl. 119, A. 29). 523. Zum Imperativ Aorist und seiner Bedeutung vgl. etwa F. Blaß/A. Debrunner/ F. Rehkopf, Grammtik, §§ 335.337, 274.276.

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1Petr 1,13b angesprochene χάρις als ein in der Gegenwart der Abfassung dieser Epistel verfügbares Heilsgut zu betrachten. (b) Wird die die Ausführungen in 1Petr 1,14 einleitende Wendung ὡς τέκνα ὑπακοῆς als eine den gegenwärtigen Heilsstand der im 1Petr angeschriebenen Christen explizierende Phrase ernst genommen, ergäbe sich als Konsequenz, dass die das in 1Petr 1,13 Dargestellte beschließende Phrase ἐπὶ τὴν φερομένην ὑμῖν χάριν ἐν ἀποκαλύψει Ἰησοῦ Χριστοῦ, wird das Syntagma ἐν ἀποκαλύψει Ἰησοῦ Χριστοῦ zukünftig interpretiert, den Gedanken der χάρις als eines jenen erst und lediglich in der Zukunft sich realisierenden Heilsgutes vermittelte524. (c) Zumindest die Ausführungen in 1Petr 2,20b – hier formuliert der Verfasser des 1Petr das Ertragen von Leid aufgrund guter Taten als Gnade bei Gott: ἀλλ᾽ εἰ ἀγαθοποιοῦντες καὶ πάσχοντες ὑπομενεῖτε, τοῦτο χάρις παρὰ θεῷ – definieren die χάρις als einen jenen in der Gegenwart bereits verwirklichten bzw. zumindest verwirklichbaren soteriologischen Status, ermöglichen somit ein solches präsentisches oder auch perfektisches Verständnis dieses Terminus auch im Blick auf 1Petr 1,13b525.

(b) Dieser ersten Inkongruenz korrespondiert eine zweite: Wird in 1Petr 1,6–9; 4,12–14 die Aufforderung, in Sonderheit auch im Leiden standhaft und glaubenstreu zu bleiben, mit dem Hinweis auf eine entsprechende Belohnung im Rahmen der Wiederkunft Jesu begründet, so in 1Petr 2,18–25, hier bezogen auf das Verhalten von Sklaven, mit dem Hinweis auf das zugunsten der angschriebenen Christen in der Vergangenheit bereits erfolgte Leiden Christi, dem als einem Vorbild mit eigenem Leiden nachzueifern sei (1Petr 2,21)526. M. Vahrenhorst weist nun m.R. darauf hin, dass „die Vorstellung vom Sterben zugunsten anderer im NT“527 zwar durchaus häufig belegt sei, diejenige 524. P.J. Achtemeier, 1Petr, 119 sieht dieses Problem, versucht es aber zu lösen, indem er formuliert: „The implication is not that they presently have no grace, but that their hope is to be grounded in that fulfilled grace which comes with Christ’s return“. Angesichts des in 1Petr 1,13–15 Formulierten und der innerhalb dessen vorliegenden Textsignale scheint diese Interpretation allerdings weniger belegbar, sondern eher ein Postulat zu sein. 525. Vgl. hierzu etwa M. Vahrenhorst, 1Petr, 124, A. 305: „Es ist Gnade, weil es als Ausdruck der Zugehörigkeit zu Gott gilt“. Theologisch noch etwas prägnanter hier K.H. Schelkle, 1Petr, 81: „Aber für gute Taten bösen Lohn zu empfangen, das verleiht Ruhm vor der höchsten richterlichen Instanz, nämlich Gott. Nein, es ist nicht Ruhm vor Gott, sondern Gnadengeschenk Gottes“. 526. Vgl. hierzu insgesamt M. Vahrenhorst, 1Petr, 125: „Der 1Petr spricht viermal davon, dass der Gesalbte gelitten hat (2,21.23; 3,18; 4,1 [die übrigen 6 Belege sprechen vom Leiden der Gemeindeglieder, woraus deutlich wird, dass es zwischen ihrem Ergehen und dem des Gesalbten eine Korrespondenz gibt]) … Dass der Gesalbte für andere gestorben ist, gehört hingegen zum ältesten Traditionsgut“. Vgl. darüber hinaus auch K.H. Schelkle, 1Petr, 81: „Die Paränese erhält ihre Begründung durch die Erinnerung an den Herrn Christus. … Nach der Absicht und im Zusammenhang des Briefes ist hier nur die Vorbildlichkeit des Leidens Jesu aufzuzeigen“. 527. 1Petr, 125.

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des Leidens für andere jedoch nur im 1Petr528. Daraus aber folgt, dass es sich bei diesem in 1Petr 2,18–25 verarbeiteten Theologoumenon mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein originär ‚petrinisches‘ handelt, was seinerseits bedeutet, daß auch das Theologoumenon eines am Vorbild des Leidens Christi ὑπὲρ Χριστιανῶν sich orientierenden und demselben nacheifernden Leidens der Christen als eine von der Gruppe um Πέτρος529 entwickelte theologische Konzeption anzusehen ist. Dann aber fragt sich, warum der Verfasser des 1Petr in 1Petr 1,6–9; 4,12–14 neben diese die – derselben letzten Endes widersprechende, dieselbe zumindest aber ergänzende – Konzeption eines im Rahmen der Wiederkunft Jesu belohnt werdenden und deshalb in der Gegenwart zu praktizierenden Leidens stellt. Als Erklärung gut denkbar ist die Annahme, dass jener letztere aufnahm, weil er annehmen konnte, dass diese den Adressaten seiner Epistel geläufig und als theologische Denkstruktur vertraut gewesen ist. Wird diese Erklärung verknüpft mit der o. formulierten Beobachtung, dass eben diese theologische Denkstruktur, wie die neutestamentliche Johannesapokalypse zeigt, innerhalb des johanneischen Kreises offensichtlich keineswegs unbekannt, sondern durchaus akzeptiert zu sein scheint, ergibt sich ein Hinweis auf die Absicht, die der Verfasser des 1Petr mit der Übernahme einer seinem eigenen theologischen Denken zwar kompatiblen, aber nicht vollständig entsprechenden theologischen Konzeption verfolgte: Ihm ging es eben darum, zu zeigen, dass johanneisches und ‚petrinisches‘ Denken auch im Horizont der Leidensthematik – und sei es auch nur additiv – miteinander in Einklang zu bringen sind.

528. Anders hier P.J. Achtemeier, 1Petr, 198, der dieses interpretatorische Problem zu umschiffen versucht; zunächst stellt er nämlich fest: „The verb ἔπαθεν, by this time virtually a technical term for the suffering of Christ, may also signify his death“, um dann zu folgern: „That meaning is a commonplace of Christian tradition, particularly with the added phrase ὑπὲρ ὑμῶν“. 529. Vgl. zu dieser Petrusgruppe u. 149–151.

II. 1PETR, EINE KLEINASIATISCHE PETRUSGRUPPE UND DER JOHANNEISCHE KREIS

Vor dem Hintergrund des o. Dargestellten und Erwogenen scheint sich folgendes historische Szenario zumindest plausibilisieren zu lassen: Die johanneische Schule bzw. der johanneische Kreis, ein Gemeindeverband mit einer ausgeprägten und eigenständigen theologischen Programmatik1, stellte um die Wende vom ersten zum zweiten nachchristlichen Jahrhundert in der römischen Provinz Asia und womöglich auch darüber hinaus eine keinesfalls bedeutungslose Gruppe innerhalb der durchaus heterogenen Gesamtheit des Christentums dar. Diese Einschätzung wird allein schon durch die Produktion etwa des Joh als einer umfassenden und sich von den synoptischen Evangelien abgrenzenden theologischen Programmschrift dieser Schule bzw. dieses Kreises bestätigt2. Zur Begründung seiner Theologie berief sich dieser johanneische Kreis nun allerdings nicht auf die Person des Petrus3, sondern auf die Figur des μαθητὴς ὃν ἠγάπα ὁ Ἰησοῦς, der, wie die Darstellung des Joh zeigen soll4, der Gestalt des λόγος Christus erheblich näher stand als

1. Zum johanneischen Kreis bzw. zur johanneischen Schule vgl. bereits o. 21f. Vgl. zur Eigenständigkeit des johanneischen Kreises auch D.-A. Koch, Geschichte, 324: „Insbesondere die Konstruktion der Figur des Lieblingsjüngers im Kontrast zu Petrus ist als Versuch der Selbstbehauptung gegenüber dem übrigen Christentum zu verstehen, indem hier ein eigener unmittelbarer Zugang zum grundlegenden Offenbarungsgeschehen beansprucht wird“. 2. Vgl. zu dieser Einschätzung etwa U. Schnelle, Einleitung, 521: Schnelle setzt 2Joh und 3Joh zeitlich vor 1Joh und 1Joh zeitlich vor Joh an und formuliert dann im Blick auf die theologische Bedeutung des Joh: „Das Johannesevangelium wiederum repräsentiert ein weiteres Stadium, indem nun im Rahmen einer eigenen Jesus-Christus-Geschichte das johanneische Denken präsentiert wird. Das Johannesevangelium bildet den Höhepunkt und Abschluss der johanneischen Theologie“. 3. Zur Bedeutung der Person des Petrus innerhalb der johanneischen Literatur und des johanneischen Kreises vgl. etwa J. Becker, Simon Petrus, 123: „Im Allgemeinen ist Petrus im johanneischen Kreis an den Rand des Interesses gerutscht“, und – noch deutlicher – 129: „Als Gesamteindruck stellt sich damit ein: Die im synoptischen Bereich übliche Sonderstellung des Petrus in der Nachfolge des irdischen Jesus wird mehrfach eingeebnet, mit Ostern ist sie gar nicht mehr aktuell“. 4. Vgl. hierzu Joh 13,21–27 und darüber hinaus bereits o. 144f.

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eben jener5. Um nun das persönliche Ansehen sowohl als auch die theologische Bedeutung eben der Person des Petrus gerade auch in dieser Schule bzw. diesem Gemeindeverband6 zu stabilisieren bzw. zu steigern und jenen damit nicht zuletzt auch enger an die Gestalt des Petrus und an den sich in der ‚petrinischen‘ Tradition sehenden Teil des Christentums zu binden, schrieb ein Mitglied einer auf die Person des Petrus sich berufenden und gründenden, möglicherweise in Rom oder aber auch in Kleinasien zu lokalisierende Gruppe7 einen – zumindest vorgeblich – an offensichtlich sämtliche in der westlichen und der nördlichen Türkei ansässige Christen und damit natürlich – und hauptsächlich – auch an die sich explizit auf dem μαθητὴς ὃν ἠγάπα ὁ Ἰησοῦς berufenden Gemeinden gerichteten Brief, den 1Petr. Um mit dieser Epistel ihr eher kirchenpolitisch zu definierendes Ziel zu erreichen, entfaltete diese ‚petrinische‘ Gruppe in derselben ihr theologisches Programm und wies im Rahmen dieser Entfaltung zugleich auf, dass sich die von ihr – bzw. von der Person des Petrus – vertretene ‚petrinische‘ und die johanneische theologische Systematik in wesentlichen Punkten zumindest sehr ähneln und somit als durchaus kompatibel miteinander angesehen werden können. Der 1Petr stellt somit in gewissem Sinne ein mit einer integrativen Abzweckung formuliertes theologischen Grundsatzpapier dar, das von einer sich auf die Gestalt des Petrus berufenden und in Rom oder aber in Kleinasien zu lokalisierenden Gruppe nicht zuletzt auch den Gemeinden des johanneischen Gemeindeverbandes vorgelegt wird, um die Möglichkeiten einer theologischen Annäherung beider auszuloten8; am Ende einer solchen theologischen Annäherung könnte dann zumindest eine engere Verbindung, womöglich sogar eine theologische oder auch ekklesiologische Verschmelzung dieser beiden Gruppen stehen9. Letzten Endes 5. Vgl. hierzu J. Becker, Simon Petrus, 129: „Nirgends zeigt das Johannesevangelium Interesse, Petrus in irgendeiner Weise zur Personalautorität für johanneisches oder anderes Christentum zu machen. Er ist für sie keine Identifikationsfigur … noch ein Traditionsgarant“. 6. Vgl. hierzu o. 21f. 7. Zur Annahme einer im Rom ansässigen Petrusgruppe oder Petrusschule vgl. etwa P.J. Achtemeier, 1Petr, 42 und auch J.H. Elliott, Home, 270–280.280–282. 8. R.E. Brown/K.P. Donfried/J. Reumann, Petrus, 132 stellen bereits die Frage: „Oder ist der Brief ein Versuch, im Namen des Petrus zu Christen zu sprechen, die zu Lebzeiten des Petrus außerhalb seines Einflußbereiches gestanden haben, um so den Einfluß des Petrus und sogar Roms bei ihnen geltend zu machen?“ Diese Frage ist angesichts der Ergebnisse der hier vorliegenden Studie mit einem klaren ‚Ja‘ zu beantworten. 9. Diese (Re-)Konstruktion erscheint in jedem Falle deutlich wahrscheinlicher als die Annahme, dass „die Zuschreibung dieses Briefes [d.h. des 1Petr] an Petrus … die Absicht verfolgen [könnte], den paulinischen Briefen einen petrinischen an die Seite zu stellen“, um „‚das Bild einer harmonischen Zusammenarbeit zwischen den Jerusalemer Aposteln und Petrus zu zeichnen‘“ (M. Vahrenhorst, 1Petr, 16 mit Verweis auf O. Zwierlein). Eine solche Annahme lässt sich womöglich unter Zuhilfenahme der Hinweise, die 2Petr bietet,

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dokumentiert der 1Petr somit den Versuch, auf dem Boden Kleinasiens kirchenpolitische, auf das innerhalb eines theologisch durchaus heterogenen Urchristentums sich augenscheinlich je länger je mehr durchsetzende ‚petrinisch‘–römische Segment ausgerichtete Integration durch theologische Vermittlung voranzubringen10. Ein solches Unterfangen lässt sich zwanglos in Einklang bringen mit dem im 1Clem11 sichtbar werdenden Anspruch der römischen Christenheit, innerhalb der Christenheit in ihrer Gesamtheit eine kirchenpolitische Vorrangstellung einzunehmen: „Harnack formuliert zutreffend: ‚Kein Zug in dem Brief deutet mit Sicherheit auf spezifisch römische Ansprüche, alles kann rein religiös und brüderlich bestimmt sein; aber die Tatsache, daß keine andere reichskirchliche Gemeinde bzw. kein Bischof (auch nicht Ignatius) so im Anfang der Kirchengeschichte gesprochen und gehandelt hat, bleibt bestehen, und daher läßt sich die Vermutung nicht unterdrücken, daß hier auf christlichem Boden doch schon der Geist, der Anspruch und die Kraft Roms sich geltend gemacht haben: die römische Gemeinde wagte es, den Thron wirklich zu besteigen, der jeder christlichen Gemeinde zugänglich war‘ …. Nach P. Vielhauer wird man „‚ein solches Selbstbewußtsein und Machtstreben sachgemäß nur als primatial bezeichnen können‘ …“12. Auch 1Petr lässt sich nun als Beleg für einen solchen ‚petrinisch‘–römischen Primatialitätsanspruch lesen, der nun jedoch nicht gegenüber den Christen der in Griechenland gelegenen Stadt Korinth, sondern gegenüber der Gesamtheit der Christen des westlichen Kleinasien – und damit auch gegenüber dem johanneischen Christentum – erhoben wird. Freilich propagiert der Verfasser des 1Petr diesen Primatialitätsanspruch nicht einfach, sondern unternimmt den eher subtilen Versuch, dieses kirchenpolitische Ziel auf dem Wege der theologischen Verständigung und, damit einhergehend, der Steigerung auch des theologischen Ansehens der Person des Petrus unter den Adressaten seiner Epistel zu erreichen.

Diese Hypothese bietet folgende argumentationslogische Perspektiven: (a) Zunächst lässt sich mit ihr gänzlich zwanglos mit der Annahme vereinbaren bzw. kombinieren, dass sich 1Petr in den Kategorien eines jüdischen Diasporabriefes lesen lässt13. Wenn sich ein solcher Diasporabrief dadurch eher plausibilisieren; die Ausführungen des 1Petr vermögen eine solche jedenfalls kaum zu substantiieren. 10. Vgl. hierzu immerhin D.-A. Koch, Geschichte, 326: „Fest steht … die Tatsache, dass die Schriften dieser Gemeinden von dem sich weiterentwickelnden und sich formierenden Urchristentum Kleinasiens rezipiert und so zum gemeinsamen Besitz des Urchristentums insgesamt wurden. Das lässt darauf schließen, dass die johanneischen Gemeinden in der sich konsolidierenden Christenheit Kleinasiens aufgegangen sind“. Der 1Petr nun wirft ein Schlaglicht auf ein Wegstück dieses Integrationsprozesses. 11. Nach H.E. Lona, 1Clem, 77 ist für die Datierung dieses Briefes „das letzte Jahrzehnt des ersten Jahrhunderts“ anzunehmen. 12. H.E. Lona, 1Clem, 77. 13. L. Doering, Letters, 446 sieht zwischen 1Petr und den jüdischen Diasporabriefen eine „Familienähnlichkeit“; vgl. hierzu auch M. Vahrenhorst, 1Petr, 58. Vgl. zur Frage des 1Petr

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auszeichnet, dass sich in ihm „die Autoritäten eines jüdischen Zentrums … an die Gemeinden in der Diaspora [wenden] und … Fragen der Integration und (Wahrung) der Identität [erörtern]“14, jene Autoritäten zugleich „die Einheit des an verschiedenen Orten wohnenden Gottsvolkes, die in der göttlichen Erwählung ihren Grund hat [betonen], [darüber hinaus] Gottes Bundestreue und Heilshandeln, ebenso wie die daraus resultierende Verpflichtung, die Lebensführung auch in der Diaspora an der Tora auszurichten“15, dann stellt 1Petr im Lichte der o. formulierten Annahme einen ‚Diasporabrief‘ dar, der von einem Absender oder einer Absendergruppe stammt, die sich die dem Absender eines klassischen Diasporabriefes zukommende Autorität allerdings erst noch erwerben möchte bzw. muss16, der die in einem Diasporabrief offensichtlich üblicherweise verhandelte Frage der „Einheit des an verschiedenen Orten wohnenden Gottesvolkes“ nicht unmittelbar voraussetzen kann, sondern erst noch realisieren bzw. vollziehen genötigt ist. (b) Vor dem Hintergrund dieser Hypothese lässt sich darüber hinaus die in 1Petr 5,12 formulierte Abzweckung des 1Petr17 nicht nur gänzlich zwanglos interpretieren, sondern letzten Endes sogar besser als in der Sekundärliteratur bis dato vorgeschlagen verstehen. Hier nämlich formuliert dessen Verfasser: διὰ Σιλουανοῦ ὑμῖν τοῦ πιστοῦ ἀδελφοῦ, ὡς λογίζομαι, δι᾽ ὀλίγων ἔγραψα παρακαλῶν καὶ ἐπιμαρτυρῶν ταύτην εἶναι ἀληθῆ χάριν τοῦ θεοῦ εἰς ἣν στῆτε18. Nächst dem Zweck des Ermahnens scheint es dem Verfasser des 1Petr darum zu gehen, seinen Adressaten zu bezeugen, dass ‚diese Gnade‘ (χάρις αὑτή), d.h. augenscheinlich die von ihm in seiner Epistel entwickelte Konzeption von Theologie19, die ‚wahrhaftige Gnade Gottes‘ (ἀληθὴς χάρις als eines Diasporabriefes bereits o. 26. Die Annahme, 1Petr stelle ein mit einer integrativen Abzweckung formuliertes theologischen Grundsatzpapier dar, lässt sich mit seiner Identifizierung als Diasporabrief zwanglos in Einklang bringen. Vgl. zur Gattung des ‚Diasporabriefes‘ auch C.G. Müller, 1Petr, 113f. 14. M. Vahrenhorst, 1Petr, 57. 15. M. Vahrenhorst, 1Petr, 57. 16. Zu einem diese Annahme untermauernden Sachverhalt vgl. bereits o. 149f. 17. Vgl. hierzu N. Brox, 1Petr, 244: „In einer kurzen Bemerkung wird die Absicht des ganzen Briefes zusammengefaßt“. 18. Zur Lesart στῆτε und möglichen Alternativen vgl. etwa N. Brox, 1Petr, 246; diese Lesart ist allerdings gegenüber der Alternativlesart ἐστήκατε so gut bezeugt, dass sie als ursprünglich anzunehmen ist. 19. In diesem Sinne immerhin N. Brox, 1Petr, 246: „Wir lesen in V 12b eine optimale Zusammenfassung des 1Petr“, darüber hinaus 246, A. 781: „5,12b ist weniger formal, sondern prägnant auf die inhaltliche Aussage des Briefes zu beziehen“; ähnlich auch P.J. Achtemeier, 1Petr, 352: „The antecedent of ταύτην … is not to be construed as χάριν, which on the contrary provides the content of that antecedent, but rather is to be construed as the epistle itself in the sense of its content“. Wenn dies aber zutrifft, dann lässt sich der in 1Petr 5,12b verwendete χάρις-Begriff nicht, wie etwa N. Brox vorschlägt (vgl. 1Petr, 245f.) mit demjenigen,

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τοῦ θεοῦ) sei, in deren Geltungsbereich jene hineintreten mögen bzw. hineintreten sollen20. Warum aber sollte jemand, dem die Zielgruppe, an die er seinen Diasporabrief21 schreibt, bereits bekannt ist, und der seine Autorität gegenüber dieser Zielgruppe bereits konsolidiert hat, die Mitglieder derselben auffordern, in den Geltungsbereich seiner theologischen Programmatik einzutreten? Eine solche Aufforderung gewinnt allerdings einen guten Sinn unter der Voraussetzung, dass die Autorität des Verfassers des 1Petr gegenüber seinen Adressaten eben noch nicht gefestigt und dessen theologische Programmatik im Kreise jener eben noch nicht verbindlich geworden sind, sondern in der Zukunft erst noch installiert und stabilisiert werden müssen. Die Semantik des χάρις-Begriffs in 1Petr 5,12 bedarf einer näheren Analyse. Zunächst ist auffällig, dass hier die Wendung „‚in der Gnade stehen‘ zum Gegenstand eines Appells gemacht ist“22, d.h. die hier thematisierte χάρις kaum mehr als eine „geschenkte Realität“23 aufgefasst werden kann, sondern als eine zu erwerbende Haltung oder als eine einzunehmende (theologische) Position zu begreifen ist. Diese Interpretation wird zunächst gestützt durch die Überlegung, dass das hier verwendete Verbum ἵστημι, verknüpft mit der Präposition εἰς, die Annahme nahelegt, dass das Syntagma ἀληθὴς χάρις τοῦ θεοῦ in einen spatialen Kontext zu stellen ist, also – zumindest in einem uneigentlichen, auf die entsprechende theologische Prägung oder Programmatik abzielenden Sinn – als ein Raum oder eine Sphäre betrachtet werden muss, in den oder die man eintreten kann oder sollte, darüber hinaus dann durch die Beobachtung, dass der Verfasser des 1Petr diese χάρις explizit als ἀληθής definiert – ein Begriff, der im 1Petr nur an dieser Stelle belegt ist –, eine Definition, die zu der Annahme nötigt, dass jener sich offensichtlich auch theologisch anders strukturierte χάριτες – sofern ein solcher Begriff überhaupt konstruierbar ist – vorstellen kann, die als nicht der ‚petrinischen‘ Vorstellung von ἀλήθεια entsprechend, somit also als nicht ἀληθής zu qualifizieren wären. Werden diese semantischen Eckpunkte berücksichtigt, so ergibt sich im Blick auf den in 1Petr 5,12b begegnenden χάρις-Begriff, dass dieser im Sinne der Bezeichnung einer theologischen Programmatik zu begreifen ist, die sich von anderen theologischen der in der Perikope 1Petr 2,18–25 begegnet, ineins setzen. Das aber heißt, dass der χάριςBegriff in 1Petr 5,12b kaum ausschließlich auf die Thematik des Leidens bezogen werden kann, da etwa in 1Petr 3,1–7 und in Sonderheit auch in 1Petr 5,1–9 andere Themen als eben dieses angesprochen werden. M. Vahrenhorst, 1Petr, 201 möchte – im Unterschied zu Brox – den Begriff χάρις in 1Petr 5,12b unmittelbar auf die Leidensthematik beziehen: „Leiden ist (die Kehrseite der) Gnade (2,19f; 3,14; 4,14)“. Einem solchen Interpretationsversuch widerraten jedoch die Ausführungen in 1Petr 5,12a; sie legen vielmehr die Annahme nahe, dass der Verfasser des 1Petr das in 1Petr 5,12b Dargestellte auf seine Epistel in ihrer Gesamtheit bezogen verstanden wissen wollte. 20. Zu στῆτε als Konjunktiv oder Imperativ Aorist vgl. etwa N. Brox, 1Petr, 246. 21. Zur Gattung des Diasporabriefes vgl. bereits o. 26. 22. N. Brox, 1Petr, 246. 23. N. Brox, 1Petr, 246.

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Entwürfen unterscheidet, die angenommen und akzeptiert werden will und in deren Geltungsbereich eingetreten werden kann. Nur am Rande sei hier vermerkt, dass eine solche Interpretation des ‚petrinischen‘ χάρις-Begriffs durchaus der Konzeption des johanneischen ἀλήθειαBegriffs entspricht, der in der Literatur des johanneischen Kreises eine nicht unbedeutende Rolle spielt, wie etwa die Ausführungen in Joh 18,37b.38a bezeugen: ἀπεκρίθη ὁ Ἰησοῦς· σὺ λέγεις ὅτι βασιλεύς εἰμι. ἐγὼ εἰς τοῦτο γεγέννημαι καὶ εἰς τοῦτο ἐλήλυθα εἰς τὸν κόσμον, ἵνα μαρτυρήσω τῇ ἀληθείᾳ· πᾶς ὁ ὢν ἐκ τῆς ἀληθείας ἀκούει μου τῆς φωνῆς. (38) λέγει αὐτῷ ὁ Πιλᾶτος· τί ἐστιν ἀλήθεια24? Intertextuell gelesen stellen die Ausführungen in 1Petr 5,12b in gewissen Sinne eine wenn auch indirekte Antwort auf die Frage des johanneischen Pilatus dar.

(c) Im Lichte dieser Überlegungen zeigt sich, dass diese Hypothese dann auch die sehr umfassende und weit gefasste Adresse des 1Petr25, der, wie 1Petr 1,1 belegt, nicht nur an die Christen einer Stadt, sondern mehrerer kleinasiatischer Provinzen oder Regionen gesandt wird26, zu erklären vermöchte. Soll diese Adresse nicht als bloße Fiktion abgetan werden, ließe sie sich zwanglos begreifen als bewusst weit gefasster lokaler Bezugsrahmen für all diejenigen Gemeinden im Norden, im Westen und im Zentrum der heutigen Türkei, die noch nicht unter der ‚petrinischen‘ Autorität stehen, sondern für diese erst noch gewonnen werden müssen. (d) Schließlich vermag diese Annahme einen neuen zweiten – und möglicherweise sogar noch erheblich stimmigeren – Interpretationshorizont für die Adressierung des 1Petr an die ἐκλεκτοὶ παρεπίδημοι διασπορᾶς, in Sonderheit für die Deutung des Terminus διαπορά27, zu liefern. Wird gesehen, dass die johanneische Schule bzw. der johanneische Kreis eine Gruppe darstellt, die „Syrien auf Grund der synagogalen Verfolgung verlassen … und nach Kleinasien … fliehen mußte, wo sich ihre weitere Geschichte abspielte“28, so ließe sich der Begriff διασπορά, wie o. bereits aufgewiesen, zwanglos in 24. Vgl. zu dieser johanneischen Passage, die im Rahmen der vorliegenden Studie auch nicht ansatzweise erörtert werden kann, die instruktiven Ausführungen von R. Bultmann, Joh, 506–508 und R. Schnackenburg, Joh III, 285–288. 25. N. Brox, 1Petr, spricht in diesem Zusammenhang davon, dass der Adressatenkreis des 1Petr „als ungenau und fast utopisch groß“ charakterisiert werden kann. M. Vahrenhorst, 1Petr, 62f. folgert aus dieser Adressierung durchaus m.R..: „Er [d.h. der Verfasser des 1Petr] reagiert nicht auf konkrete Vorkommnisse in einer konkreten Gemeinde, so wie es die meisten Paulusbriefe tun, sondern stellt so etwas wie ein ‚von einer Autoritätsperson verfasstes Rundschreiben ‚zur Lage‘ dar. Er spricht in eine Situation hinein, die prinzipiell alle Gemeindeglieder betrifft – zumindest diejenigen, die in den genannten Gegenden in Kleinasien wohnen“. 26. Vgl. hierzu etwa die Erörterungen von M. Vahrenhorst, 1Petr, 16–18. 27. Vgl. hierzu o. 29–35. 28. J. Zumstein, Kreative Erinnerung, 9 mit Verweis auf B. Olsson; anders hier D.-A. Koch, Geschichte, 321.

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einem gänzlich unmetaphorischen, nachgerade ausschließlich lokalen Sinne verstehen29; bei den im 1Petr angeschriebenen – johanneischen – Christen handelte es sich um solche, die ihre ursprüngliche Heimat Syrien verlassen mussten und nun eben als ‚Fremde der Zerstreuung‘, als außerhalb ihrer angestammten Regionen leben müssende Christen klassifizierbar sind. Fazit: Wird der 1Petr in der in der vorliegenden Studie vorgeschlagenen Weise als ein vor allem an die johanneisch geprägten Christen der westlichen Türkei adressiertes vermittlungstheologisches Angebot einer in Rom oder aber auch in Kleinasien ansässigen und eine ‚römische‘ Fiktion lediglich konstruierenden Petrusgruppe gelesen, so stellt er einen sehr frühen Beleg für das Unterfangen dar, die römisch-‚petrinische‘ Einflusssphäre auch auf kleinasiatische Gemeinden auszudehnen und Rom als ein neues, präziser: als das eigentliche Zentrum des frühen Christentums zu installieren.

29. Zur Interpretation des διασπορά-Begriffs vgl. ausführlich o. 29-35.

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AUTORENVERZEICHNIS

Achtemeier, P.J. 2, 21, 27, 30, 33, 40-42, 45, 49, 50, 54, 57, 59, 60, 62, 63, 67, 75, 76, 88-90, 92, 100, 101, 105-107, 109, 111, 113, 120, 122-125, 131, 132, 134, 135, 144, 146-148, 150, 152 Aland, B. 66, 67, 91, 93, 95, 124 Aland, K. 66, 67, 91, 93, 124 Aune, D. E. 56, 57, 68, 74, 100, 115, 116, 119, 120 Bauer, W. 66, 67, 91, 93, 95, 124 Bauernfeind, O. 76 Baum, A. D. 132, 133 Beale, G. K. 69 Becker, J. 35, 118, 149, 150 Best, E. 1, 13, 126 Betz, H. D. 117 Blaß, F. 28, 49, 61, 146 Böhm, M. 33, 74 Bornemann, W. 25 Bousset, W. 69 Brown, R. E. 125, 127, 150 Brox, N. 12-16, 21, 23, 25-27, 29, 40, 49, 50-54, 56, 59, 60, 62, 64, 67, 90, 103, 107, 110, 114, 122-124, 127, 132, 134, 135, 152-154 Buber, S. 87 Bultmann, R. 36, 37, 95, 96, 117, 121, 154 Burchard, C. 79, 80 Calvin, J. 146 Cohn, L. 77 Debrunner, A. 28, 49, 61, 146 de Jonge, M. 35 Dodd, C. H. 44 Doering, L. 14-16, 21, 26, 123, 128-130, 134, 151 Dömer, F. K. 15 Donfried, K. P. 127, 150 Dunsqi, S. 83, 86 Durst, M. 13, 19, 21 Ebner, M. 17, 22, 24

Elliott, J. H. 1, 29, 31-33, 35, 37, 41, 42, 56, 57, 107, 110, 111, 114, 123, 150 Erler, M. 68 Feldmeier, R. 15, 16, 21, 24, 25, 27-30, 40, 46-49, 52-55, 59, 60, 62-64, 77, 78, 80, 89-91, 97, 100, 102, 107, 110, 111, 114, 125, 126, 134, 135 Fink, U. B. 79, 119 Foster, O. D. 1, 63, 66, 94, 99, 102, 104, 106, 109, 112, 115, 117, 120, 121, 123, 127, 136, 139 Frankemölle, H. 30, 32, 61, 93, 107 Frenzel, E. 5 Frey, J. 69, 73, 74 Friedmann, M. 85 Furnish, V. P. 88 García Martínez, F. 81 Geden, A.S. 32, 39, 44, 56, 65, 109, 116, 119, 128 Geffcken, J. 137 Gemoll, W. 75, 76 Genette, G. 4, 5 Gielen, M. 17, 23, 24 Goldstein, H. 109 Goppelt, L. 17-19, 21, 23, 24, 28, 49-51, 54, 56, 57, 59, 60, 62, 68, 76, 80-82, 88, 91, 101, 102, 116, 118, 119, 122, 123, 128-130, 132, 133, 135, 139 Gundry, R. H. 60, 95, 102 Guttenberger, G. 145 Heckel, U. 1, 3, 13, 17, 22, 24, 94 Heinemann, I. 74 Hengel, M. 37, 69, 71, 73, 74 Herzer, J. 4, 14, 116, 117, 119, 123 Heussi, K. 133, 135 Holm-Nielsen, S. 111 Horn, F. W. 132 Hort, F. J. A. 28, 63, 64 Hotze, G. 128 Hübner, H. 54, 72, 75

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DER ERSTE PETRUSBRIEF UND DIE JOHANNEISCHEN SCHRIFTEN

Jobes, K. H. 15 Jones, H. S. 93 Kaiser, U. U. 26, 59, 90, 95, 96, 97 Kelly, J. N. D. 64, 90 Kiefer, J. 32 Klauck, H.-J. 37, 38, 42, 46, 69, 107, 140 Klijn, A. F. J. 80, 137 Koch, D.-A. 22, 94, 129, 149, 151, 154 Kügler, J. 22 Lewandowski, T. 5, 6 Liddell, H. J. 93 Lindemann, A. 38, 109 Lohse, E. 18, 38, 81 Lona, H. E. 151 Luz, U. 108, 109 Margulies, M. 84 Menge, H. 75 Merkel, F. 137 Metzner, R. 13, 126 Michaels, J. R. 1, 23, 57, 62-64, 66, 103, 120 Michel, O. 76 Mitchell, S. 15 Moulton, W. F. 32, 39, 44, 56, 65, 109, 116, 119, 128 Müller, C. G. 13, 14, 19-21, 23, 32, 33, 37, 39-41, 61, 75, 116, 125, 132, 152 Müller, U. B. 12, 115, 132, 137, 146 Mußner, F. 43 Oberlinner, L. 91, 92 Olsson, B. 154 Ostmeyer, K.-H. 90 Paulsen, H. 38, 68, 70, 109 Pesch, R. 37, 117 Petit, F. 77 Pokorný, P. 1, 3, 13, 17, 22, 24, 94 Poplutz, U. 33 Popp, T. 145 Porsch, F. 75 Prostmeier, F. R. 70 Quast, U. 57 Radl, W. 64, 130 Rehkopf, F. 28, 49, 61, 146 Reichert, A. 17, 18, 25 Reiter, S. 77 Reumann, J. 127, 150 Ritt, H. 69 Sandmel, S. 74

Sänger, D. 29, 30, 32, 36, 37, 110 Schelkle, K. H. 29, 53, 54, 60, 65, 66, 87, 88, 90, 101, 103, 107, 123, 130, 147 Schille, G. 37 Schlosser, J. 63 Schmeller, T. 21 Schmidt, K. L. 28, 29, 30, 33 Schnackenburg, R. 36, 70, 94, 95, 96, 102, 110, 126, 154 Schnelle, U. 1, 3, 12-14, 19-22, 24, 68-70, 75, 94, 132, 136, 140, 144, 145, 149 Schoedel, W. R. 70 Schrage, W. 16 Schreiber, S. 17, 22, 24 Schreiner, J. 137 Scott, R. 93 Seim, T. K. 97 Selwyn, E. G. 125 Shimada, K. 4 Siegert, F. 77, 78 Sjöberg, E. 81-87 Söding, T. 125, 127 Stemberger, G. 82-85 Strecker, G. 37, 38 Strobel, A. 132 Traeger, J.-W. 1, 69, 70, 94 Thomasson, B. E. 14 Thyen, H. 36, 44, 73, 95, 98, 102, 115, 117-119 Tigchelaar, E. J. C. 81 Vahrenhorst, M. 2, 12-16, 21, 23-26, 29, 41, 50, 51, 53, 54, 59, 60, 62, 75, 88-91, 101, 103, 107, 110, 111, 122-124, 126, 128-130, 132, 133, 136, 142, 146, 147, 150-154 van Unnik, W. C. 53 Vielhauer, P. 17, 132 Vouga, F. 72 Weiser, A. 37 Weiß, H. F. 68, 69 Wendland, P. 74 Wevers, J. W. 57 Windisch, H. 13, 53, 128 Witetschek, S. 21 Witulski, T. 137 Zumstein, J. 22, 28, 36, 43, 45, 48, 69, 95, 96, 110, 118, 119, 131, 140, 154

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