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German Pages 230 [232] Year 1966
HARALD BURGER JAKOB BIDERMANNS 'BELISARIUS'
QUELLEN UND FORSCHUNGEN ZUR SPRACH- UND KULTURGESCHICHTE DER G E R M A N I S C H E N VÖLKER
BEGRÜNDET VON BERNHARD TEN BRINK UND WILHELM SCHERER
NEUE FOLGE HERAUSGEGEBEN VON HERMANN KUNISCH 19 (143)
HARALD BURGER JAKOB B I D E R M A N N S 'BELISARIUS' EDITION
UND VERSUCH EINER
DEUTUNG
W A L T E R DE G R U Y T E R & C O • B E R L I N VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG — J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG — GEORG REIMER — KARL J. TRÜBNER — VEIT & COMP.
JAKOB BIDERMANNS EDITION
UND
VERSUCH
'BELISARIUS' EINER
DEUTUNG
VON
HARALD BURGER
W A L T E R DE G R U Y T E R & C O • B E R L I N VORMALS G. J . GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG — J . GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG — GEORG REIMER — KARL J . TRÜBNER — VEIT & COMP.
A r t h i v - N r . 43 30 66/2 © Copyright 1966 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen's&e Verlagshandlung J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit & Comp. P r i n t e d in Germany. — Alle Rechte des Nachdrucks, der photomechanischen Herstellung von Mikrofilmen, auch auszugsweise, vorbehalten. Satz und Druck: Thormann & Goetsch, Berlin 44
Wiedergabe,
INHALT Vorbemerkung
VII
I . T E I L : Edition V o r w o r t zur Edition I. Zur Überlieferung II. Zur Textgestaltung T e x t des 'Belisarius' T e x t der deutschen Perioche
1 1 4 7 70
I I . T E I L : Versuch einer D e u t u n g D i e Quellen
82
Sprache, Stil, D i a l o g
84
D a s Theatralische 1. Bühne, Bühnentechnik, Regie 2. Die Einheiten von Raum und Zeit 3. Verknüpfung und Motivation
104 105 115 121
H a n d e l n d e Personen und Allegorien 1. Die handelnden Personen und ihre Konfigurationen 2. Die Allegorien (außer Fortuna) 3. Fortuna
127 127 132 140
Handlungslinien und H a n d l u n g s g e f ü g e
145
Gesetzmäßigkeiten des inneren und äußeren A u f b a u s 1. Immanente Baugesetze 2. Bühne und Publikum
158 158 167
D i e Geschichtsauffassung des 'Belisarius' 1. Geschichte unter der Herrschaft der Fortuna 2. Geschichtlichkeit des Menschen 3. Zeitlichkeit des Menschen
170 172 183 190
4. Selbstbewahrung in der Geschichte
197
'Belisarius' im R a h m e n der Literaturgeschichte
208
Literaturverzeichnis
220
VORBEMERKUNG Ein Drama Jakob Bidermanns, dessen dramatisches Gesamtwerk nur in einem Druck aus dem Jahre 1666 zugänglich ist, in einer Neuausgabe vorzulegen, bedarf gegenwärtig keiner Rechtfertigung mehr. Die ständig anwachsende Literatur zu Bidermann und zum Jesuitentheater überhaupt hat zur Genüge die künstlerische und geschichtliche Bedeutung dieses berühmtesten Jesuitendramatikers herausgestellt. 'Philemon M a r t y r ' (ed. M. Wehrli) und 'Cenodoxus' (ed. R. Tarot) wurden bereits in Neudrucken vorgelegt. Von nicht minderer Bedeutung, sowohl in dichterischer als auch in literarhistorischer Hinsicht, dürfte Bidermanns zweites erhaltenes Drama, der 'Belisarius' sein. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, einen kritischen Text des 'Belisarius' herzustellen (I. Teil) und den historischen Bedingungen wie den dichterisdien Strukturen des Werkes nachzugehen (II. Teil). Es liegt bereits eine Interpretation des 'Belisarius' vor (Elbracht-Hülseweh, Jakob Bidermanns Belisarius, 1935), die aber weitgehend andere Ziele verfolgt als unser Deutungsversuch. Elbracht-Hülseweh untersucht, im Anschluß an die phänomenologische Ästhetik R. Ingardens, die immanente Konstitution des Dramas, ohne dabei seine historische Bedingtheit ernsthaft in Betracht zu ziehen. Mag auch eine Analyse nach Spielräumen und Schichten von Personen einzelne Wesenszüge der Dichtung enthüllen, so bleibt sie gleichwohl einseitig, und das heißt unangemessen, falls nicht zugleich die geschichtlichzeitlichen Horizonte des Werkes erschlossen werden. Aus solcher ungeschichtlich-statischen Betrachtung begründet sich der wesentlichste Mangel der Arbeit: die Zeit wird zwar beschrieben als Spielzeit des Stückes und der Personen; ihre Funktion als Movens der dramatischen Aktion und als Existenzgrund des geschichtlichen Menschen aber bleibt verdeckt. Wenn die Interpretation Elbracht-Hülsewehs, aufs Ganze gesehen, nur einen einseitigen Zugang zum 'Belisarius' eröffnet, so verbergen sich doch hinter dem oft verwirrenden Gestrüpp phänomenologischer Terminologie im einzelnen sehr einleuchtende Beobachtungen, die denn auch der vorliegenden Untersuchung dienlich werden konnten. Für die Anregung zur Edition eines Bidermannschen Dramas sowie für viele wertvolle Ratschläge bei der Herstellung und Interpretation des
VIII
Vorbemerkung
Textes schulde ich meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Max Wehrli, Zürich, großen Dank. Zahlreiche Hinweise für die Deutung des Dramas verdanke ich auch Herrn Dr. R. Tarot, Zürich. Herrn Professor H . Kunisch und dem Verlag W. de Gruyter danke ich sehr herzlich für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe „Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker". Den Damen und Herren von der Staatlichen Bibliothek Bamberg und von der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek München bin ich für ihre freundliche Hilfe bei der Beschaffung der Texte sehr zu Dank verpflichtet.
I. T E I L VORWORT ZUR
1. Zur
EDITION
Überlieferung
Das Diarium des Münchner Jesuitenkollegs1 enthält eine kurze Bemerkung über die Aufführungen des ,Belisarius' im Jahre 1607: „ . . . Tragoedia Belisarij a P. Jacobo Biderman composita, bis exhibita laudem summis uiris tulit, quin2 ipsis Principibus tarn Austracis quam Bauaricis (16 aut 17 adfuerunt) uald£ placuit." 3 Der Autor der Praemonitio, die die posthum erschienenen gesammelten Dramen Bidermanns einleitet, schreibt über den Erfolg des Stückes, das er für Bidermanns Erstling hält: „Tulit nihilominus adhuc rudis Choragus eum plausum, quo pauci alij majorem." 4 Spätere Aufführungen sind nicht nachweisbar (bei den Belisar-Aufführungen, die für das 18. Jahrhundert belegt sind, handelt es sich nicht um das Stück Bidermanns). Der ,Belisarius' ist nicht — wie es in der Praemonitio dargestellt ist — Bidermanns erstes Drama, da eine Aufführung des ,Cenodoxus' bereits für das Jahr 1602 belegt ist. Auf den ,Cenodoxus' folgen noch ein ,Cassian' (1602 in Augsburg aufgeführt) und ein ,Adrian' (1606 in München aufgeführt), deren Texte verloren sind. Der ,Belisarius' ist also das vierte Drama Bidermanns, das zweite seiner Stücke, von dem uns der Text überliefert ist. Von Bidermann selbst besitzen wir keine Äußerungen zu seinem Stück. Trotz der Wirksamkeit des Stoffes und der hohen literarischen Qualität des Dramas scheint der ,Belisarius' keine große Verbreitung gefunden zu 1 2
3
4
1
Diarium Gymnasii Societatis Jesu Monacensis clm 1550—1553. Bei Reinhardstöttner (Zur Geschichte des Jesuitendramas in Mündien, 1889) und Joh. Müller (Das Jesuitendrama in den Ländern deutscher Zunge, 1930) irrtümlich ,quia'. clm 1550, A . D . 1607, p. 67. Die Aufführungen der Stücke Bidermanns fanden statt in dem Neubau des Kollegiums an der Neuhausergasse, wo ein eigener Saal für Theateraufführungen vorgesehen war. Vgl. Flemming, Geschichte des Jesuitentheaters (1923), S. 104 f. Unpaginiert. Burger, Belisarius
2
V o r w o r t zur Edition
haben. Der Text des Stückes ist überliefert in nur einer Handschrift und in einem Druck (von 1666): (1) Die H a n d s c h r i f t befindet sich heute in der Staatlichen Bibliothek Bamberg, unter der Signatur Class. 83 (alte Signatur N. I. 31). Die Beschreibung der Hs., die ich nur im Mikrofilm studieren konnte, entnehme ich dem ,Katalog der Handschriften der Kgl. Bibliothek zu Bamberg' 5 : Es handelt sich um eine Papierhandschrift mit dem Format 20/ 15,5 cm. Sie umfaßt 137 Seiten ( = 69 Blatt). Jede Columne enthält 15 bis 20 Zeilen. Der Text beginnt auf Blatt I unten mit Vers 1 des Dramas, ohne Titel und Kopf, er endet mit dem letzten Vers. Über den Schreiber ist nichts bekannt, auch die Zeit der Abfassung ist nicht überliefert. Die Hs. stammt aus kurfürstlich bayerischem Besitz. Sie ist in Schweinsleder eingebunden und zeigt außen das bayerische Wappen in Golddruck. (2) Ein g e d r u c k t e r T e x t des ,Belisarius' ist überliefert in den ,Ludi theatrales sacri sive opera comica posthuma...' (München 1666), 2 vol.; der ,Belisarius' findet sich in Pars Prima p. 1—77. Der Drucktext geht unmittelbar auf Bidermanns Autograph zurück, wie die Praemonitio ausdrücklich hervorhebt (Habes tandem, benevole Lector, tot annis desideratas R . P. JACOBI BIDERMANNI, Societatis nostrae non minus Poetae, quamTheologi praestantis Comoedias, ab accurato Auctoris calamo & propriae manüs charactere ad usum Reipublicae litterariae Typis vulgatas. Und am Ende heißt es: Nos hìc solùm Comica posthuma damus, quae Roma non multò post mortem Auctoris accepimus, hactenus varijs casibus tantum non oppressa.). Das Verhältnis des Drucktextes zur Hs. läßt sich einigermaßen genau bestimmen: Der Hs. vorgebunden ist eine lateinische Perioche des Dramas (Lemma tragoediae de Belisario duce Christiano... Datae in area ducalis gymnasii, societatis Jesu Monacensis. Monachii 1607). 8 Sie umfaßt 8 Blätter ( = A1 — B 4 ). Die Inhaltsangabe des Epilogs bezieht sich eindeutig auf einen Spieltext, der der Fassung der Hs., nicht aber der des Druckes entspricht. In der Perioche heißt es am Schluß: Spectatori denique ad veram perennémque felicitatem, digitum intendunt. Diese zum Himmel weisende Gebärde der Fortuna und ihrer Gefährtinnen ist in den letzten Versen der Hs. angedeutet, während in der Druckfassung eben diese Verse fehlen. 5 6
Ed. Friedrich Leitschuh, Bd. I, 2 S. 90 und I, 3 S. 45. Die gleiche Perioche ist erhalten in der Periochensammlung der Bayerischen Staatsbibliothek München, unter der Signatur 4 ° Bavar. 2 1 9 7 , I, 57.
I. Zur Überlieferung
3
Ferner stimmt die Reihenfolge der Szenen I I I , 1 und I I I , 2 in Perioche und Hs. überein, während die beiden Auftritte in der Druckfassung umgestellt sind. Da die Perioche aus dem Jahre der U r a u f f ü h r u n g stammt, muß der Text der Hs. älter sein als die Fassung, die f ü r den Druck vorgelegen hat. Für diese Datierung spricht ein weiterer gewichtiger G r u n d : Die nicht sehr umfangreichen Abweichungen des Druckes von der Hs. lassen sich in einer großen Zahl von Fällen als metrische Verbesserungen ansehen: nur an zwei Stellen 7 ist der Text der Hs. metrisch besser zu realisieren als die Druckfassung, in allen übrigen Fällen ergibt die Abweichung des Druckes entweder keine Änderung der Metrik, oder die Druckfassung ist metrisch korrekter als die Hs. 8 Oft sind die Abweichungen des Druckes nicht nur metrisch korrekter, sondern auch sinnvoller als der Text der Hs. Einige Formen der Hs. sind geradezu sinnlos und beruhen offensichtlich auf Schreibfehlern (vgl. die Hinweise im Apparat). Die Interpunktion der Hs. ist nicht nur weit willkürlicher als die des Druckes, sondern in einigen Fällen geradezu sinnentstellend (z.B. 316 f., vgl. den Apparat). Aus all dem ergibt sich: Die Handschrift stammt mit einiger Sicherheit nicht von der H a n d des Dichters, sondern von einem Schreiber, der streckenweise recht flüchtig arbeitet. Sie beruht aber auf einer Vorlage, die älter ist als die Vorlage der Druckfassung von 1666. Der Text stellt offenbar eine vom Dichter überarbeitete Fassung des ursprünglichen Spieltextes dar. Zwischenstufen zwischen der Vorlage der Hs. und der des Druckes sind kaum anzunehmen. Die Tatsache, daß die Hs. ohne Titel beginnt, legt die Vermutung nahe, daß die lateinische Perioche mit ihrem ausführlichen Titel und der genauen Personenangabe vom Schreiber der Hs. als Vorspann zu seinem Text gedacht war, daß Perioche und Hs. also nicht auf Grund eines bibliothekarischen Zufalls zusammengebunden wurden. Das bedeutet aber noch nicht, daß die Hs. im gleichen Jahr wie die Perioche entstanden sein muß. In der Münchner Periochensammlung ist neben der lateinischen auch 7
8
l'
VV 112/113 und 1796; in beiden Fällen scheint die Verschlechterung auf ein Versehen des Setzers zurückzugehen, da es sich nur um eine falsche Anordnung von Versteilen bzw. eine Auslassung innerhalb eines gedoppelten Gliedes handelt. Eindeutige metrische Verbesserungen des Druckes gegenüber der Hs.: 115, 435, 530, 537, 572, 590, 602, 635, 735, 750, 772, 852, 863, 887, 918, 946, 1010, 1037, 1082, 1104, 1119, 1132, 1167, 1246, 1256, 1287, 1330, 1335, 1369, 1408, 1517, 1546, 1589, 1605, 1607, 1754, 1783, 1794, 1800/01, 1804, 1923, 2058.
4
Vorwort zur Edition
eine deutsche Perioche vom Jahre 1607 erhalten." Sie entspricht genau dem Text der lateinischen Perioche. Über das Drama ,Belisarius' hinaus hat sich Bidermann noch mehrere Male mit der Figur des Helden und mit seinem Gegenspieler Gilimer beschäftigt: In den Heroenbriefen (Jacobi Bidermani e Soc. Jesu Heroum Epistolae, ad Romanum Exemplar recusae, Monachii 1633) findet sich je ein Brief Beiisars und Gilimers: (1) Libri II, Epistola IV: GILIMER REX obsessus, Belisario Victori. De FAME, et aerumna Regis. (2) Libri II, Epistola V: BELISARIVS Caecus Iustiniano Imperatori. D e CALAMITATE C a e c i t a t i s .
Handschriftlich ist zudem ein Epitaphion über Beiisar erhalten: ,Belisarius Justiniani Jmperatoris Dux', in: Epitaphiön Liber unus M.DC.XL. 10 II. Zur Textgestaltung Abgedruckt wird der Text des Druckes von 1666, da er auf eine gegenüber dem Text der Hs. verbesserte Vorlage zurückgeht. Die Druckfassung wird buchstabengetreu einschließlich der Akzente wiedergegeben, mit allen Inkonsequenzen, die nicht eindeutig auf Irrtum beruhen. Korrigiert wurden folgende Druckfehler und Inkonsequenzen: 1 BEL > BEL. 60 QVacunque > QUacunque 84 pluria > pluria. 88 QVä > Q U a 254 INU. > INV. 260 partum: > partum. 285 Vixero > vixero 292 H c > hic 318 mal£ > mal£. (nach der Interpunktion der Hs.) 328 datur > datur. 351 SONZ. gestrichen 439 Juxtä > juxta 550 iu > in 579 pyxidem, > pyxidem. 593 involem > involem. 616 vt > ut 799 eris. > eris? 874 seculo est; > seculo est. 923 ferendum > Ferendum 927/8 alat./Meösque > alat/Me6sque 1028 Io > Io usw. 1075 jubentur, > jubentur. 1346 oculis, > oculis. 1379 Vnde > Unde 1494 fatres > fratres 1525 moenibus. > moenibus, 1591 Roman > Romam 1608 Nullusni > Nullusne (laut Hs.) 1670 Itane > Itäne 1760 QVando > QUando 1787 Amissae; > Amissae. 1803 SUmtumni > SUmtümne 1927 annulos > annulos. 1998 Deeritne > Deeritne (laut Hs.) 2003 publicone > p u b l i c ö n e V , 1 0 : VLTIMA >
ULTIMA 2 0 8 4 f r a g i l i o r ; >
fragilior.
Versteile, die im Druck mißverständlich angeordnet oder eingerückt sind, werden nach dem Vorbild der Hs. an ihren richtigen Platz gesetzt (112, 179, 376, 389, 1102/3). q; wird in que aufgelöst. 9
10
Signatur: 4 ° Bavar. 2197, 1,55; ein weiteres, unvollständiges Exemplar: 4° Bavar. 2197, I, 59. clm 3348, im Anhang zu den .Horarum subsecivarum libri IV'.
II. Zur Textgestaltung
5
Eine typographische Annäherung an den Drucktext von 1666 wird nicht durchgehend angestrebt. Der Text wird mit einer durchlaufenden Verszählung versehen. Die Seitenzahlen des Drucktextes (von 1666) sind in Klammern vermerkt. Für die Einrichtung des L e s a r t e n a p p a r a t e s gelten folgende Grundsätze: Es werden nur Abweichungen der Hs. aufgeführt, die für ein philologisches Verständnis des Textes belangvoll sind. Es kann also nicht darum gehen, sämtliche orthographischen Differenzen zu verzeichnen, die nur im Rahmen einer paläographischen Untersuchung interessant wären. Wer sich mit den Schreibgewohnheiten des Schreibers der Hs. beschäftigen will, wird sowieso die Hs. selbst konsultieren, da zur ,Schrift' ja nicht nur die Orthographie, sondern auch die Form der einzelnen Buchstaben, die Gestalt des gesamten Schriftbildes usw. gehören. Eine solche .Reproduktion' aber kann im besten Falle eine Facsimile-Ausgabe leisten. Es ist daher unbedingt angezeigt, in einer kritischen Ausgabe den Apparat nach sorgfältig abgewogenen Prinzipien einzurichten und zu beschränken. Abgesehen von solchen Bedenken würde eine vollständige Angabe sämtlicher Differenzen den Apparat so gut wie unlesbar machen. (Wo drei oder noch mehr Texte für die Herstellung des Textes bzw. des Lesartenapparates herangezogen werden müssen — wie etwa bei anderen Dramen Bidermanns —, sollte sich eine derartige, zudem unfruchtbare Überexaktheit von vornherein verbieten.) Es werden also die Abweichungen der Bamberger Hs. mit folgenden Einschränkungen verzeichnet: 1. S a t z z e i c h e n Abweichungen, die auf offensichtlichen Irrtümern beruhen, werden nicht aufgeführt. (Als Beispiel für sinnlose Interpunktion der Hs. sind die Lesarten 316 f. angegeben. Sonstige sinnentstellende Satzzeichen, die aber nicht verzeichnet sind, finden sich in 826, 948 f., besonders häufig am Versende: 1210, 1241, 1350,1480.) Im übrigen werden nur solche Abweichungen der Interpunktion verzeichnet, die eine Änderung des Sinnes oder des Rhythmus bewirken. Die Orthographie der Hs. unterscheidet sich in folgenden Punkten durchgehend von der des Druckes: Die Hs. verfährt in der Setzung von Kommata, Doppelpunkten und Strichpunkten noch willkürlicher als der Druck; man hat oft den Eindruck, daß die drei Zeichen gleichwertig verwendet werden. Vokative sind in der Hs. häufiger in Kommata eingeschlossen als im Druck.
6
Vorwort zur Edition
Nebensätze, auch A. c. I., sind in der Hs. konsequenter durch Kommata abgetrennt. Am Satzende fehlt in der Hs. häufig der Punkt. Am Versende ist die Interpunktion oft willkürlich, ja sinnlos (s. o.). 2. W o r t a k z e n t e : Die Akzente sind in der Hs. so unregelmäßig gesetzt, daß es sinnlos wäre, Abweichungen vom Druck zu verzeichnen. 3. G r o ß - u n d
Kleinschreibung
Es werden nur die wenigen Fälle angegeben, wo die Abweichung der Hs. eine Änderung des Sinnes bedeutet. Im übrigen herrscht in diesem Punkte sowohl in der Hs. als auch im Druck ein völliges Chaos. Nach Personenbezeichnung beginnt der Druck konsequent mit Majuskel, während die Hs. auch an dieser Stelle willkürlich verfährt. 4. O r t h o g r a p h i s c h e
Einzelfälle
Die Hs. schreibt noch durchgehend i (außer ij), während der Druck bereits konsequent i und j scheidet. Die Abweichungen der Hs. sind daher nicht angegeben. Der Druck scheidet fast immer u und v (die wenigen Irrtümer sind korrigiert), die Hs. meistens. Abweichungen werden nicht angegeben. Der Druck hat t auch vor i, die Hs. schreibt in diesem Falle meist c (nuntia / nuncia). Die Abweichungen werden nicht verzeichnet. In der Hs. herrscht völlige Verwirrung in Bezug auf e/f/ae/oe (in einer Zeile, V. 346, stehen s^vissimus und saevissimus nebeneinander!). Im Druck ist die Verteilung zwar auch nicht einheitlich, aber doch nicht gänzlich willkürlich. Die Abweichungen der Hs. sind daher nicht angegeben. Rein äußerliche Abweichungen der Hs. in Szenenüberschriften und Personenbezeichnungen (andere Art der Abkürzung usw.) sind nicht verzeichnet. Die Ligaturen der Hs. werden aufgelöst. Unsichere Lesungen sind in Klammern gesetzt.
COMICO-TRAGOEDIA DE BELISARIO DVCE CHRISTIANO AB SVMMA GLORIAE FELICITATE in extrema infortunij ludibria prolapso SUB IMPERATORE JUSTINIANO, circiter Annum Christi ID. X X X . M O N A C H I I I N SCENAM DATA A N N O CID. IDC. VII. BELISARIUS Patricius fuit Romanus; BELLO, T R I U M P H O , CONSULATU inter paucos omnium retro temporum Duces insignis; Fortunae utrique egregiè notus; Caesare primùm adversus perduelles defenso, Africâ à WANDALIS receptâ, Româ Italiâque ex G O T H I S asserti, gentibus alijs vel do-/mitis, vel pacatis, duobus Regibus triumphatis, opulentiam, felicitatem, gloriam vix ullis Imperatoribus sperandam assecutus; uno se dein facinore praecipitavit, cùm S . SILVERIUM Rom. Pontificem nimis quàm indigné habitum, exulare coëgit. Cujus rei perspectâ mox infamia, in patriam malè conscius ingloriusque desperatis rebus bellicis revertit. Inibi inter conjuratos seu vanè seu meritò delatus, fortunisque exutus in ordin em redigi tur; & (quanquam haud a omnium assensu) oculisb privatus, stipem in publico cogéré instituit; Dubium adeò mortalibus reliquit, felicior an aerumnosior vixisset.
Lege Procopium de bell. Pers. & Wand. &c. Agathium &c. Crinitum de honest, discipl. lib. 15. Baron, tom. 7. & alios, a Vide Baronium annal. 7. An. Christi 561. b Joan. Graecus auctor apud Bar. suprà citatum. Die ganze Seite fehlt in der Hs., stimmt aber — bis auf geringfügige Abweichungen — mit der lateinischen Perioche überein. DRAMATIS PERSONAE 1 Belisarius Dux belli supremus. Arcadius filius. Procopius Phara
Legati.
Cyriacus Photius 1
Personenverzeichnis aus der lateinischen Perioche übernommen (dort ohne Titel), fehlt in Hs. und Druck.
8
Dramatis Personae Pamphilus
Philodamus Polypragmon Periergus Tubicen. Praeco Rom. Lictores. Carnifex.
primipilus.
Milites cum reliquo mil. Ex. Rom.
Justinianus
Imperator
Augustus.
Ablauius Sergius Marcellus
Patritij Senatores & coniurati.
Tribonianus Eusebius Logotheta
Patritij Senatores fideles, cum reliquo comitatu & satellitio. Gilimer
Rex
Vvandalorum.
Ammates Sonzon
fratres Gilimeris.
Gensericus Hippus. Hanno Dauus Asotus Gurges
Cum reliquo Exer. W a n d .
Praeco W a n d . Nuntius. S. Siluerius Cornelius Gaius
Epis. & Card, cum reliquo Clero. Fortuna.
Fauor Contemtus Felicitas Calamitas
Comitatus Fortunae.
Virtus. Labor Honor Fama. Conscientia. Poenitentia. Metus.
Pontifex.
Comitatus Virtutis.
ACTUS I. SCENA I.
Inuidia. Mendacium. Detractio. Ergastularius. Creticus Afer Siluius
Captiui Romani.
Logodaedalus Pseudopeius
testes falsi. BELISARIUS. COMICO-TRAGOEDIA. A C T U S I.
Scena
I.
BELISARIUS. PROCOPIUS. Cum Romano Exercitu.
5
10
15
20
BEL. SAlvete patrij Lares, & moenia Secunda Romae, vósque Natalis Soli Salvete tecta, & magna salve Caesaris Potentis Aula. Quam hinc ego Juvenum manum Pridem evocaveram, finésque in Persicos Eduxeram, reduco. Libero, Patria, Meam tibi fidem: Salvus est & integer Exercitus; fractus jacet hostis; fulmine Belli est subactus Persa; dedita oppida; Revocata pax; stabilita nostri foedera Sunt orbis. Haec animi tui ex sententià Si gessimus, huic Martiali gratiam Habeto pubi. Caeterùm commilites Fuitne hactenus, hodié-ve est, quod meo super Rigore, fastu, injuria, inclementià Queri velitis? jam licet. PROCOP. E T OM. Belisarium Ut omnes superi ament; te Belisari DEUS Servet; bene Belisario magno Duci; Belisario immortalitas. BEL. Grata est mihi Commilitones istaec conclamatio. Nunc ite; castris continete vos, quo ad Caesarem adeo, rerum gestarum ut ordinem Depangam, & virtutis vestrae compendium Renarrem. Sed vos hàc mihi comitamini.
Die Hs. beginnt ohne Titel und Personenangaben gleich mit Vers 1.
10
ACTUS I. SCENA II. Scena
FAMA. POLYPRAGMON. PERIERGUS.
II.
Alij de plebe.
FAM. EGO ilia sum rerum novarum nuntia, Quam Famam appellitatis. Vera vanaque Facta atque infecta canto: Plura mentior Quàm dico. Et sunt tarnen qui mercimonijs Meis emundis occupantur gnaviter. Nec est periculum, ut post tot mendacia Fidem omnem amittam; promtiùs mihi creditur Quàm fingi tur. Vultis aliquod habere specimen? Extempulo erit. Adeste Cives, incolae Et accolae; Servi, servae, atque liberi, Pueri, pueraéque. Ab Africano littore Res apporto mirandas. POLY. Heus tu, quid meis Divendes auribus? hodiéne ex Africa Sol visti? FAM. Manè summo; cursu Pegasum Praetervolavi. PERIE. Quas res ergo agit Africa? FAM. Quas ego narrabo. POLY. Obsecro narra: audientiam Paramus. FAM. Perijt Libya. PERIE. Qui dum? quid rei est? FAM. Perijt, inquio; vel certè ita vivit miseriter, U t interisse mallet. POLY. Quid enim? apertiù« Rem loquere. FAM. Imò, agam apertissimè. Regnum occupat Gilimer Tyrannus; omnia per fas & nefas Instituit agere; Regem in Vincla condidit Germanum; civibus jugum attulit, Necem Molitur. PER. Et ferunt prodigium id civici Mucrones? FAM. Quid agant? Hildericus Caesarem Pronuper imploravit; Caesar litteras Ad Gilimerem misit, jussitque cedere Alieno Regno. POLY. Nec paruit? FAM. Ita tumidè Ita arroganter postulata sprevit, ut Nihil supra. Sed hoc non impunè tulerit, Opinor. PER. Unde scis? FAM. Egón? qui ego nesciam Quae Fama sum? Sed mittite me; sunt pluribus Haec eadem hodiéque percensenda. N o n enim Vos soli curiosi: latiùs haec lues Manavit, ampliusque Regnum vendicat.
34 acculae
A C T U S I. S C E N A III.
Scena
11
III.
FORTUNA. FAVOR. CONTEMTUS. FELICITAS. CALAMITAS.
SO
65
70
75
80
85
FORT. QUacunque tellus, qua tumentes aequoris Tenduntur undae, qua vagatur aeris Liquentis aura, nil recusat legibus Meis subesse; sentiunt me Principes, Regésque fascibus etiam accidunt meis: Metuunt Supremi & imi, Ego hominum neminem; Sed Servio uni & subsum Providentiae; Fortuna dicor. An satis dixi, an nimis? Nostis, reor, omnes. Praestat etiam discere Comitum meorum nomina. Edic tu tuum. FAV. Mihi est Favori nomen. FORT. O belli ominis Faustique nomen; quod petunt omnes propè; Pauci merentur; nemo constanter tenet. CONT. Contemtus ego sum: quo Favori inimicior, Eò propior. FEL. Ego verò sum Felicitas, Si qua tamen est in orbe. Nam multi negant, Multi putant: hodie scietis utra pars Minus fefellerit. CAL. Calamitas nuncupor, Plerisque nota; etiam his, quibus notum est nihil. FORT. Hàc ego quadriga terris omnibus invehor; Nunc hanc reviso ad Urbem; ex qua nunquam tamen Pedem extuli ullum. Sunt semper recentia Edenda mihi spectacula: Nec me deficit Ubertas tragici siparij: quo pluria Committo exempla, tanto superant pluria. Modò Pallatinos adoriar: efferam altiùs Inde unum, ut ille per altius praeceps eat. Hàc hàc abite comites; petite Regiam. S c e n a IV.
(4)
(51
JUSTINIANUS. BELISARIUS. TRIBONIANUS. EUSEBIUS. LOGOTHETA. ABLAVIUS. MARCELLUS. SERGIUS. PROCOPIUS. PHOTIUS.
tari.
CORNELIUS EPISCOPUS.
pervicacia sit Gilimer, quo mea Imperia fastu aspernatus fuerit, quibus JUST. Q U A
83 s i p p a r i j 87 c o m m i t e s
Et reliqui de Consilio Mili-
12 90
95
100
105
110
115
120
125
A C T U S I. S C E N A IV.
Me litteris, (an convitijs magè dixerim?) Lacessierit, potuistis herè cognoscere Vos ipsi Patres. TRIB. O M . Pestem Gilimeri; Necem Tyranno. JUST. Jacet oppressa Africa jugo & metu; Oditque, quem palàm amare cogitur. Perit Inter paedorem squalorémque carceris, Regnóque & oculis Hildericus exulat. Gilimeris scelere. Supplices tendunt manus Affecti cives, Romanam implorant opem. Quid è Republica esse censetis, Patres? Die Triboniane. TRIB. Auguste Caesar, scio probè Gravem hanc Gilimeris tibi videri injuriam Ferróque vindicandam: etsi nolim tuo. Caussa in periculo est. Nam bellum arbitrio Quisque facimus suo; alieno deponimus. Tyrannus verò est Gilimer? Et sit: An omnibus Quarumvis gentium occurres injurijs Auguste? multis impunè hactenus fuit Tyrannis; multisque etiamnum erit in posterum. Modò imperio abstineat Romano, saeviat Quascunque in gentes Gilimer, à me absolvitur. Eâ de re ita censeo, bella cavenda potiùs, Quàm ultro accersenda. JUST. Die Logotheta. LOG. Assentior. JUST. Die Eusebi. Eus. Triboniano assentior. JUST. Die Belisari. BEL. Magne Imperator, Est mihi Longè alia, atque his, mens, qui ante me sententiam Rogati censuerunt. Socia est Africa Jam inde à Zenone: proinde quidquid perpeti Videtur, id suum etiam Romani putent. Tu, Triboniane, Socios è periculo Non patiêre eximi? Quid olim diceres Senator, everso Saguntho? Paenicam Tulisses credo injuriam, periculum Ne adirés? Non de nihilo est pacta Societas; Ad pacem, ad arma, ad bella socianda obligat. Ad haec monentem & obsecrantem respuit Gilimer Augustum, & imperantem barbarus Contemsit. Nulla erit majestas nominis
90 (an verius convicijs?) 96/97 exulat Gilimeris 115 alia mens, atque his,
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Augusti, si sceleri datur huic impunitas. Placet ergo bellum, Caesar. JUST. Animi pendeo, Nutàtque mens; huc ira, huc formido trahit Non nulla. Tutum est abstinere, nescio An aequum! Indico bellum? temerarius ero Fortasse: Negligo preces, spémque supplicum Afrorum? & durus esse dicar, & ferus. Quid jubeam? PHOT. Auguste Caesar, adest Cornelius, Magnisque super rebus conventum te cupit; Negat differri citra posse periculum. JUST. Licet. CORN. Imperator, Magni imperio Numinis Huic ego Consilio adesse jussus, debui Voluique obtemperare. Caelitum tibi Mentem explicabo; si per te tamen licet. JUST. Age DEI Antistes, hàc me dexter adside. Eloquere, quicquid id est. CORN. Cùm nocte proximà Superiori defessus conquiescerem, Auguste; visum est Numen aeternum mihi Adstare, vultu irato, oculis ardentibus; Terrificàque intonare voce; & impium Te proclamare. JUST. Parce Numen, parcite Mentes beatae: quid sinistri hoc ominis? CORN. Attonitus audiebam; déque crimine Quodnam esset, ambigebam: tum porrò addidit Increpitans; Neglexisse te clamantium Gemitus Afrorum, supplicumque lacrimas; Quódque caput est, Christiadarum; quos improbae Mentis tyrannus, Arianae pabulum Contagionis, infando premeret jugo. JUST. E r r a v i , f a t e o r ; e x p i a b o . CORN. C a e t e r ù m
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Jussit opus maturare; bellum Gilimeri Inferre; Libyam liberare Tyrannide. Ni faxis, male minitatur: at si pareas, Victorem pollicetur. JUST. Accipio lubens Conditionem; agnoscóque Numen & sequor. Quid enim decernamus, Patres? OMNES. Bello Africam Lacesse; pelle Libyà, Caesar, Wandalos; Crucem Gilimeri, barbaro necem para.
136 te venit 153 ladirymas 155 Arrianae
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A C T U S I. S C E N A V .
JUST. Placet consensus. Jam auspicatò militem Ducémque designemus. OMN. Quem Caesar volet. JUST. Quod igitur feliciter eveniat, Wandalos Hostes decernimus; Ducem Belisarium Creamus: copiasque jubemus cogere, Quantas putàrit esse ipse necessarias. O M N . Te, Auguste, DEUS amet: vince Pater Patriae. S c e n a V. BELISARIUS. TUBICEN. PAMPHILUS. PHILODAMUS.
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Cum Exercitu Romano.
BEL. CAne Signa Tubicen; coge militem meum, Qui me opperiatur reducem. TUB. Jam hoc factum puta. Qui miles, qui centurio, qui Tribunus es, Qui de Castrensi disciplina, qui Duce Meres Belisario, hue ades; Ni mox ades, Hic te tuum expectabit fustuarium. PAMPH. Quid est? quid turbat? ubi hostis est? PHIL. Quae moenia Sunt subruenda? quae est opus expugnassere Castella? PAMPH. Quas me oportet turres vertere? TUB. Jubet Imperator hic consistere in statu, Dum pareat ipsus. PAMPH. Ego haud probè ad statariam Assuevi: mavelim duello ludicro Contendere. Quis ausit sese componere Mecum interim? Quis sese retiarium, Sive Secutorem; si ve Parmularium, Quis Myrmillonem, quis Hoplomachum se venditat? PHIL. Mihi ad omnia est animus. Nihil moror; in statu Consisto. Sed ubinam feralis est tuba, Ut versis concurramus armis? TUB. Pergite, Ego terminalem inflabo, cum lusoria Ponetis tela. Sed prodit Belisarius. SCENA
VI.
BELISARIUS. PAMPHILIUS. PHILODAMUS.
Cum reliquo Exercitu Romano.
PRAECO.
BEL. SI mihi apud tirones, nec dum hoste, nec Duce Suo Assuetos, facienda verba essent, diu 174 operiatur 182 hic vos consistere 185 ausit se
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187 secutorem; quis parmularium, 194 Tyrones
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Cunctarer, quàm mei animi sensa promerem; Veritus ne qua novitate aegri oppallescerent. Nunc verò apud vos à tot mihi jam praelijs Facinoribúsque claris perspectissimos Nihil dubitavi dicere. Nec, si forsitan Bellum ingruere subitarium, aut periculi Plenum hostem ostendero, verebor ut animi cadant. Quid enim aliud vos malle putem, atque identidem Nova virtutis materie inclarescere? Qualem ego materiem incoram vobis offero, Commilitones. Arma contra Wandalos Pro liberiate, pro virtute bellica Paramus; tandem ut expetatis Gilimerem In paenas. Quique dudum fama Persidem Víctores peragrastis, nunc rursus Africam Terrore vestri compleatis nominis. PAMPH. Quis ductum habebit Imperator? Id priùs Sciamus. BEL. Rectè atque ordine id requiritis Commilites: Ductorem me ipsum habebitis. OMN. Volumus, volumus. Ducta quocunque gentium Terrarúmque lubet. Sequimur, sequimur. PAMPH. Extimos Pete orbis ángulos Belisari, due nigros Ad usque Indos, aut ultimam inter Ínsulas Pete Thülen, aut siquis alius restat locus Ulterior; quaevis te duce via erit brevis. BEL. Facta mihi copia quidem est, scribere militem Quemcunque vellem, & quantumeunque; caeterum Nullos ego vobis antetuli; ra tus aut nihil Unquam usquam, aut certè sola horum juvenum manu Me esse effecturum. OMN. Ne dubita; promittimus. BEL. Antè ergo rursus Sacramento dicite In verba mea: Praei unus aliquis formulam Auctoramenti. PHIL. Si Ducem, si militem, Si signa, si ordinem, fugae aut formidinis Causa deserò; Vitam nisi Reipublicae Et Caesari posthabeo; si sciens ego Fallo, capital esto. OMN. In eandem sententiam Juro. BEL. Ite ergo Superis bene adjuvantibus Et corpora curate, atque ad quartam vigiliam
219 si quis 230 deserò; mortem nisi
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ACTUS I. SCENA VII.
Procincti adeste: Leges tu lege propalam Quas Caesar dixit. PRAEC. Si quis Arianus est, Si nondum Christianus, exesto. Cave Sis furtum, si tribunus, si miles cupis Audire, si imd vivere. Romana Ebrium N e quern castra videant, ne dicto injurium Superis mortalibusve, castra exaudiant. Ita Belisarius Dux, ita Caesar jubent. SCENA
VII.
VIRTUS. LABOR. HONOR. INVIDIA.
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VIRT. J A m jam allubescit castra & milites sequi, Quando omnis inde vitiorum proscribitur Et exulat lues, unde egómet hactenus Pridem exulabam. Agite comites, vestigia Exercitus servate, vósque impendite Totos his copijs. Hinc tu Labor, hinc Honor Ducem commilitésque cingite : melius Nequeunt stipari. INVID. Imò queunt hercle; ubi ego adero In commeatu. VIRT. Pro stygij monstrum lacus Portentum informe; tun hàc affectes viam? INV. N e sic ferocito mea mater. VIRT. Ego tua Sim mater? orci pabulum. INV. Certè tamen Ego tuus partus sum. VIRT. Meus silicernium Tu partus? Superi hanc orbe larvam tollite. Q u i d hie tibi vis? Acheruntia pestis. INVID. Filia Consector matrem. VIRT. Q u a m illam? INV. Te inquio unicam Proles parentem. VIRT. I Lamia, nunquam tollere Hunc jussi partum. INV. Potuisti verò parere. VIRT. Tén' ego? INV. Me tu. Vìn' centies ut eloquar? VIRT. Q u o d ergo est nomen? INV. Invidiam me dictitant. VIRT. Apage ferale nomen; inferas redi Ad noctes: nil inter nos est negotij. INV. Est certè verò. N a m Invidiam virtus parit. VIRT. Scelesta etiam argutaris? Vos hanc abigite Canidiam, & Oreo emersum monstrum reddite. LAB. Cede hinc venefica, mera orbis nostri inquies. adeste. Lege tu leges Arrianus Christianos (Schreibfehler) exaudiant,
255 Meus, 257 Acher(o/u)ntia 267 Orco,
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A C T U S II. S C E N A I.
HON. Abi quo digna es, cruciaria. INV. Vobiscum ego Peto castra. VIR. Nullus in castris tibi est locus. INV. Erit extra castra, & circum circa. Fortean Etiam in Praetorio aliquis alicubi angulus Erit, in quem possim ignota mémet abdere. Vos rem curate vestram; Ego quod meum erit, agam. A C T U S II
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S c e n a I. GILIMER. CONSCIENTIA. M E T U S . AMMATES. SONZON. 275
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273 nach 280 284
GIL. H E u me, quas malè patior tempestates? quibus Jactor procellis? inquies mihi nox, dies, Aetasque labitur; Ipse sui fit carnifex Animus, roditque pectus vultur immanis meum. Oculos eludit somnus, terrétque minimae Susurrus aurae. Dij Deaéque quàm malè est Extra legem viventibus, quicquid merent, Expectant semper. CONS. Dudum opus erat talia Meminisse. Sera est cura, quae frustra est. GIL. Licet Mihi, ut regi, quidvis, gaudere non licet. CONS. Neque vero licebit, quoad ego tecum vixero. GIL. Tanti haud erat regnare, si tumultibus His emptum oportuit regnum. CONSCIENT. Non ita animus Turbatur regno, Gilimer, sed tyrannide. GIL. Et sum Regni tamen haeres. CONS. Ergo desine Tantisper Regnum, donee vivit patruus. GIL. Quémne ego Regno exui? quem dudum vinculis Coercui? quem oculis privavi? MET. Hie si redit Ad sceptra patruus, faciet quicquid passus est: Patière tu quicquid fecisti. CONS. Mitior Est suus illi career, quàm tuus hie est tibi. GIL. Maneat ergo ille suo. CONS. Manebis tu tuo. GIL. Dura est conditio. CONS. Et tamen acceptas? ò probrum Tyranni. Redde foedifrage fasces suo Regi. MET. Cave reddas, ni multari pessime Cupis confestim. N a m Hildericus parcere possum V e r s 2 7 4 P r i m i A c t u s Finis. Susurus M i h i , o m n i a in regno, g a u d e r e
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285 N e c v e r ò 2 8 6 / 2 8 7 regnare, t u r b u l e n t i j s / E m i tantis debuit. CONS. 2 9 2 Coercui, q u e m
si
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A C T U S II. S C E N A I.
Reductus nescit. Régnât multo sanguine Ad Regnum quisquis ab exilio revertitur. CONS. An facile est, cùm tui te cives oderint? MET. Facile est, dummodo eum quem odêre, perinde metuant. CONS. An facile est, inter cives magè tremiscere, Juratos quàm inter hostes? MET. Facile est, dummodo Q u i timet omnes timeatur etiam ab omnibus. CONS. Tune ergo meos stimulos, & punctus perpetes Ferre obstinâsti? Certè Superos, inferos Verere. GIL. Nondum ita senui, ut istaec debeant Terrere: alius nisi ingruat mihi metus, Superos, & inferos jubeam hinc facessere. CONS. Impie, perfide, sacrilege; quam vis omnia Divina humana jam pridem calcaveris, Me me unam nunquam expugnabis. Te ego vigilem Semper lacessam; tibi sopito usquè obvium Sistam Hildericum: à vivo, à functo nuspiam Abscedam. GIL. Jacta est alea; inceptum est malè. Pejùs adhuc finiendum: Scelere novo scelus Est expiandum. Memini ego quas litteras Justiniano, & quo cum fastu miserim. Memini, quas Afri res agant, cui supplices Tendant manus; quem sceptris redditum velint Ego antevertam. MET. Non quiescet Caesaris Furentis ira. Portus atque littora, Portas atque oppida muni: nil tu tum satis Existima: Scis quid mereare. GIL. Scio, Scio. Veni illuc unde mihi receptus non datur. Audendum est porrò: Nescit desperatio Tentare parva. SONZ. Q u a e est animi impotentia Tui, Germane? Quis sese prodit furor? GIL. Non est de nihilo, frater. In cervicibus Meis vestrisque telum haeret, nisi protinus Anteoccupamus. AM. Q u i d enim facto opus est? Jube. GIL. I, da negotium, ut nunc è vestigio Caput Hilderico incoram lictor amputet. AM. Factum arbitrator. GIL. Sic repetere desinet
308 Tu ne . . . punctos perpedes 316/317 obvium. / Sistam Hildericum à 322 suplices
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A C T U S II. S C E N A II.
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Invitus regnum. Et quando item à Byzantio Belli minatur imber, Sonzon, copias Quas Wandalorum potis es coge maximas; Vis est paranda. SONZ. Nihilo ego, frater, segniùs Dabo haec effecta, atque ipse tu modo imperas. Tu Gensericum, Puer, extempulo evoca. CONSC. Nihil Tyranne agis, etiamsi agis omnia. Höstes minus atque te time; clementiùs Ii saevibunt; tu tibi eris saevissimus. SCENA
II.
SONZON. GENSERICUS. GURGES. ASOTUS. D A VUS. HIPPUS. H A N N O . PRAECO WANDALORUM.
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SONZ. ITa ex bellis feruntur bella identidem; Nunquam quiescit ferrum; aut alios Wandali Infestant Marte, aut alij turbant Wandalos. Utrinque est inquies. Sed adest, quem oportuit. Ego hîc conscribam militem, siquis aderit Qui nomen det. Tu Genserice contrahe Per agros, quiequid uspiam roboris erit. GENS. Quid si recusent militare? SONZ. Vim afferes. GENS. Nihil aget invitus miles. SONZ. Necessitas Suprema coget. Fac moras tu ut amputes; Et abito. Praeco, hanc tu mihi juventam evoca. PRAEC. Qui foeminae nec sunt, nec vero esse cupiunt, Animos qui masculos, qui martios gerunt; Sua dent militiae nomina. GURG. Ego non differo: Accedo. Quid tu, Asote, non comitaberis? ASOT. Eo comes. Jam decocta est res mihi patria: Perdere apud hostes ultra nil queo. Praei. SONZ. Qui vos? cuiates? GURG. Cives sumus Utopiae: Ego Gurges; hic Asotus. SONZ. An stipendia Alicubi aliqua fecistis? ASOT. Inter pocula Intérque popinas pridem militavimus; Sed quòd neuter ibi valuimus ditescere, Castra alia consulemus. GURG. Quid stipendij Dabitur pugnanti? SONZ. Annona, vestis, menstrui
343 f e h l t 347—350 fehlt 351 SONZ. E g o . . . si quis 361 Q u i d , t u Asote,
364 C u i a d e s ? . . . sumus, 366 fecisti? 370 vestes
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A C T U S II. S C E N A III.
Philippici quaterni; & si hoc nil proficit, Dabitur & fustuarium. GURG. Hercle incommodum hoc Stipendium est. Sed scribe, scribe; milito. SONZ. Nunc intrò vos abite. PRAEC. Heus Juvenes, qui vel gloriam Vel opes ambitis; accurrite, date nomina. DAV. Me etiam auctorate. HIPP. Et me. SONZ. Sed quam vos mihi operam Praestabitis? DAV. Contra hostem dimicabimus Geminis telis. SONZ. Geminis? Quibus illis? dicite. DAV. Manibus pedibusque. SONZ. Nihil mihi opus erit pedibus Vestris. HIPP. Sed nobis valdè. Namque insuevimus Huic armaturae potiùs, quàm cuiquam alteri. (16) Quid nobis pendes? SONZ. Dimidio quàm alijs minus. DAV. Eho minus? qui armis pugnemus pluribus? SONZ. Simplicibus si armis pugnetis, duplum dabo. DAV. Id verò in facili est; accipimus. SONZ. Abscedite Hue intrò. HIPP. At at, quod exciderat penissime. SONZ. Quid jam? HIPP. Perindéne erit, alterutris quispiam Contendat armis, dummodo simplicibus tamen? SONZ. Nequaquam mi homo; sed manibus, manibus. HIPP. Atqui ego, Sonzon, longè sum pedibus expeditior. SONZ. Abi nugator, & quiesce. Nos quoque Abimus. HAN. Heus heus. Bythlim, mothym dasmachon, Uth hynim ysdibur tsinno cuth Agorastocles. SONZ. Quid voce inconditä vult hie sibi Numida? HAN. Chym lach chumyth mumys, tyalmyctibari. SONZ. Aliamne calles linguam? HAN. Haec est mihi patria, Sed & tuam novi. Miles sum, atque facere Stipendia volo. Quos nequibo sternere Rigore ferri, horrore perimam gutturis. SONZ. Hàc sequere; augendae sunt, ut possunt, copiae. S e e n a III. ERGASTULARIUS. SILVIUS. AFER. CRETICUS. AMMATES.
ERG. O Tristes casus, ò lamenta temporum Miseranda. E regno detruditur in carceres Senex misellus; nunc è carcere ad necem 371 379 380 390
hoc nihil opus pedibus erit insevimus sim
392 Heus, heus Bythlim 393 thinno 395 mumys tyalmictibari
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A C T U S II. S C E N A I I I .
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Raptatur. Vidi, & horrui sicarium Intrantem; nolui impiati funeris Adstare testis. Haec in patruum est fides, Gilimer Tyranne? Non sat habuisti ut oculos Erueres, ut regno exturbares, vinculis Ut mancipares, nisi Sc animam illi elideres? En prodit, cum resecto capite carnifex Nefandus, frater Gilimeris, crudelior Fratre ipso. AM. Sumsi poenas tandem ab impiä Cervice; sustuli profanum caput. Habet, Habet Hildericus. Jam, frater, tutus potes Agitare vitam; jam sceptris usquè fruere Securus. Ibo, hoc illi dabo spectaculum. ERG. Itane ergo conjuratur contra civium Jugulos à Rege, an à Tyranno? consulam Mihi, reliquisque de captivorum grege, Dum res adhuc sunt integrae, dum mihi licet. Recludo carcerem. Prodite, colloquar. SIL. Qui se res nostrae habent? vitaene ulla superat Spes? AF. Quoties crepuisse fores audio, labat Attonita mens; duci me credo identidem. CRET. Atque utinam potiùs ducar, quàm si hie perpetes Inter paedores carceris putiscerem. In lucro Mors numeretur. ERG. Si quis afferat Certum vesträ super salute nuntium, Quo praemio illum afficiatis? SIL. QUO praemio? ah, Tu cogita. ERG. Atqui ego gratis vos emancipo, Si esse viri vultis. AF. Ita te Superi omnes ament. Loquere. O salus fave. ERG. Propè abesse exercitum Ferunt Romani militis, qui Gilimerem Oppugnet; idque constat liquido liquidiùs. Ad quem si confugimus quamprimum, vicimus: Hanc noctem si moramur, morimur crastinà. SILV. Per ego te, per quicquid amas; da fugae locum, Exsolve vinculis insontes. ERG. Solvere Vos juxtà méque statui; sed compendio est Abeundum utrisque. Nil tutum hac tyrannide. SIL. Salve patrone. AF. CRET. Mancupio tui sumus. ERG. Hàc ite. An nemo nostri est uspiam arbiter?
422 SIL. Quid 4 3 5 si quamprimum confugimus,
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A C T U S II. S C E N A I V .
Scena
IV.
PRAECO ROM. SONZON. PRAECO WANDALORUM.
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PR. R. AUdi immortale Numen, audite Libyci Fines, Ego publicus Ducis sum nuncius Romani; verbisque meis sit apud vos fides. Audite Jus Fâsque. Ego vos testor, Wandalos Injustos esse. Ob eam rem illis & Gilimeri Bellum indico facióque. S O N Z . Nihil hoc est novi; Nec insolens hie nostras clamor accidit Ad aures. Bella volunt Romani; reperient. Tu contrà Praeco bellum illis denuntia. PR. W. Audite Cives, audite hostes publici, Et animus Wandalis & manus est Wandalis, Qua se, qua sua defendant, hostémque feriant. Ad arma cives ite, ad arma milites. S c e n a V. BELISARIUS.
PROCOPIUS.
PAMPHILUS.
(19)
PHILODAMUS,
cum Exercitu Ro-
mano. G I L I M E R . S O N Z O N . AMMATES. GENSERICUS,
cum exercitu Wandalorum, &
PRAECONE.
siste miles; Acie tergeminâ tuum Vibrato telum. Tu curato ad dexterum Alfrede, cornu. Laevum, Bostar, occupa, Mihi aciem mediam, cum Germanis linquite. Yos porrò Wandali si me, si liberos Meos vestrósque, si penates Africos, Si vos vitâmque vestram amâstis hactenus, Hodie ostentate: libertas vestra & Salus Hâc est cuiusque manu tuenda & spiculo. Romani provocant, pugnate non secùs Ac si ultro provocassetis. Denuntia Tu praeco: sciant Aciem nostrani consistere Romani. P R A E C . Nisi timor Romanos occupât, Castris procédant; pugnae faciant copiam. BEL. Convellite signa milites, me sequimini. Quadrata sit acies; & quoniam ad cornua GILIM. H I C
460
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II, 5 & PRAECONE f e h l t 4 5 6 — 4 6 9 fehlt 4 7 0 k e i n e A n g a b e des Sprechers
A C T U S II. S C E N A V.
23
M a g è explicanda spatium défit, ordines In longum producuntor. Insidias retro I n s t r u x i , i l l à c si f u g i a n t . Q u o d p o r r ò erit o p u s 475
In tempore, & loco imperabo. Verbulum N o n addo, ne vestrae videar diffidere Constantiae, commilitones; Pristinae T a n t u m m e m o r i a m virtutis vos mordicus R e t i n e t e : v o b i s i l i a p r o h o r t a m e n t o erit.
480
S i g n a canite. S c i a n t fieri p u g n a e c o p i a m Sibi h o s t e s ; ut, si s u n t v i r i , v e l d i m i c e n t , Vel nobis p a l m a m cédant fortitudinis. Procedit hostis; signa infette, invadite. GIL. E s t e v i r i W a n d a l i ; c o n t e m n i t e v u l n e r a .
485
EXER. W . V i c e r u n t W a n d a l i , v i c e r u n t W a n d a l i . EXER. RO. V i c t o r B e l i s a r i u s , v i c t o r B e l i s a r i u s . PAMPH. HOC h a b e t A m m a t e s . AMM. H e u me, heu, e f f e r t e socij E x acie. E x . W . P e r i j t A m m a t e s , p e r i j t , p e r i j t . BEL. I n s t a t e c o e p t i s , milites. E x . R o . V i c t o r i a ,
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V i c t o r i a . BEL. H o s t e m i m p e l l i t e . GIL. Sistite, sistite Dégénérés animi; qorsum fugitis foeminae? GENS. A u d a c t e r W a n d a l i : h a e c si i n c o l u m i a c u p i t i s S i g n a . SONZ. A u d e t e a l i q u i d milites. A b i t in f u g a m , A b i t R o m a n u s . PROC. D u r a t e ; h o s t e m c a e d i t e
495
R o m a n i . PAMPH. J a m s u c c u m b i t hostis b a r b a r u s . E x . W. Perijmus, interijmus omnes. E x . R o . Vicimus, V i c i m u s . BEL. U r g e t e f u g i e n t e m . H à c o c c u r r i t e A l i j ; alij h ì c c o n s i s t i t e ; a l i j G i l i m e r e m N e emittite. E x . W . P e r i j m u s , i n t e r i j m u s . SONZ. D a t e
500
S o c i j m a n u m ; o p i t u l a m i n i . PHIL. H â c c a d e s m a n u . PAMP. I r r u p i t a r c e m G i l i m e r . Q u i d f a c t o est o p u s ? BEL. C i n g a t u r o b s i d i o ; d e d i t i o n e m q u o a d Faciat. Receptui canatur. Altera I b i legio s e r v e t u r : in c a s t r a a l t e r a m
505
R e d u c i t o . E x . R o . V i c i m u s iô, v i c i m u s iô. BEL. L a u d e s a e t e r n a e sint a e t e r n o N u m i n i , Superisque divis, incruentam referimus V i c t o r i a m . PROC. D e s i d e r a m u s p a u c u l o s Belisari; multos cepimus, peremimus
5io
P l u r e s , q u o s inter & G e r m a n o s G i l i m e r i s .
501 PAMP. fehlt
(20)
24
A C T U S II. S C E N A V I .
BEL. Macti virtute este viri: vos praemia manent. Durate nunc, & vos servate patriae. Cyriace, mitte qui hostium Spolia legant Caesorum: pòst, da funerandi copiam. CYR. Abite vos, & inducias relinquite Occisis, arma tantum & tela demite, Atque intrò in castra auferte. Curent funera Sua hostes: î significa hoc, Praeco, Wandalis. PRAEC. ROM. SI Wandalis suos libet commilites In acie caesos funerare, jam licet.
(21)
S c e n a VI. FORTUNA, C u m s u o c o m i t a t u .
FORT. N O n tam altùm dormit Numen, ut non denique Expergiscatur. Lento graditur in malos Mulctandos passu. Verùm compensât moram Gravitate poenae: tarda vindicat manu Matura scelera quidem; sed vindicat tamen. Gilimer exemplum est; qui dudum impunè Superis Visus erat insultare; jusque & fas nihil Habere pensi; debacchari in civium Vitâmque sanguinémque: cùm interea favor Felicitasque illi abblandiri eredita est. O Caeca pectora. Hic hic illi imber fuit Pridem expectandus. Non nescivi quid ageret Et Providentia quantum ei permitteret. Sed dissimulavi, & finem his prospexi malis; Quem nondum omnem, sed propediem videbitis. S c e n a VII.
(22)
Alij procurrentes ex castris. FAM. HUC huc de plebe curiosa convolent Cohortes, & quotquot feriati somnia Captatis; huc adeste: Nugas, fabulas, Gerras, tricas iterum afferò atque affanias, Sine dimenso: figmentis totos culeos FAMA. POLYPRAGMON. PERIERGUS.
513—517 fehlt 518—520 fehlt 529 Favor 530 illi fehlt 532 neseivit
533 Quid prouidentia, quantumque ei permitteret. II, 7 Alij procurentes 537 Cohortes; quotquot
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A C T U S II. S C E N A V i l i .
Implebo; vix heminam verimoniä. Tarnen nunc praeter consuetudinem meam Plus dicam veritatis quam mendacij. Sein' tu quid afferam novi? POL. Cur ego sciam, Cui needum dixti? FAMA. Tarnen alia scis omnia, Quae Juppiter Junoni in aurem dixerit, Etiam anteä. quam dixerit. Sein' tu, quid hic Narrabo? PER. Ubi narraveris, facies sciam. FAM. Urgetur obsidione Gilimer. POL. Nil novi. PER. Malam in Crucem, scelesta; hoc ignorabimus, Qui ipsi circumsidemus illum maxim£? FAM. Non dixi ego te jam scire? Saevit ultima Fames per arcem; torret jugis viscera Sitis; pereunt non hastä jam, sed inediä. Vultis cognosse ex ipso probiüs Gilimere? OM. Volumus; quid ni velimus? FAM. Aderit nuntius Momento ab Rege, qui explicabit omnia: Eum ego praetervolavi, ut in compendio Edicerem, quod ille dicet pluribus. S e e n a VIII. POLYPRAGMON.
PERIERGUS. N U N T I U S .
PHARA,
(23) Cum Satellitio.
DAMUS.
POL. NOvum hoc, si Nuntium Tyrannus mitteret In castra; nunquam solitus facere is antêidhac. Suspectio mihi est ne fortasse in Nuntio Sit explorator. P H I L . Artem ego novam calleo, Quâ nosci primo aspectu explorator queat. Vultin' doceri? POL. PER. Volumus, ut qui maximè. P H I L . Docebo; sed ne interea quis nos opprimât Incautos, tu Perierge paul6 longiùs Circumvagare, quoad ego te revoeavero. P E R . Abscedo. P H I L . Polypragmon hanc cernis pyxidem? P O L . Cerno. P H I L . Hanc qui occlusis semel inflaverit oculis, Quiscunque illi explorator deîn occurrerit, Nigra apparebit ater à fuligine. POL. Da, da; ne frustrer hac beatitudine. 545 546 551 567
nec d u m Jupiter maximè. paullò
5 6 9 pixidem? 571 Quis cunque 572 fulgine
PHILO-
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Argo esse centum oculos credidit antiquitas; Me si videret, mille habere crederei; Ita acutè in exploratores intendam ego. PHIL. Nunc etiam tu tantisper aliquò excurrito, Dum Periergum itidem instruo. Perierge, ades; heus ades. Hanc infla in pyxidem. PER. Inflavi. Q u i d jam dein? PHIL. J a m quem tu cunque nigro vultu videris, Quiscunque sit, & quidcunque tandem ille simulet, Erit explorator. PER. Hui quis me felicior Homo alter? caveat hodie, qui niger in meos Incurret oculos, has simul incurret manus. Quis illic hominum est? éstne? non est, quem puto. POL. Quis illic hominum est? éstne? non est, quem puto. PER. Est imò hercle. Est Polypragmon. O scelus novum. POL. Est imò hercle. Est Periergus. O scelus novum. PER. Nebulo sit hie explorator? Superi. POL. Nebulo sit Hie explorator? Superi. PER. Quis hoc crederet? POL. Quis facinus crederet? PER. En ut nebulo nigricat? POL. En ut nebulo nigricat? PER. N o n ego jam teneo me Quin involem. POL. Non teneo me quin involem. PER. Heus explorator, & Romani infamia Exercitus. POL. Nimirum occultus proditor Tu nostra evertis castra. PER. Q u a s tu cum hostibus Contexis fraudes? POL. Q u a m tu perniciem Duci Tuo moliris? PER. Explorator es; satis J a m comperi. POL. Nebulo proditionem actitas, J a m comperi. PER. N o n sic abibis; ad Ducem Ego te hercle pertraham. POL. Te ego hercle pertraham. PER. Q u i dum? POL. Q u i a explorator es, quia proditor Castrorum. PER. Et ego te ipsum illum esse etiam dictito, Certisque indieijs hoc de te pronuntio. POL. Ego de te certioribus. Q u i d enim nigra Squallent fuligine tibi ora? PER. Imò quid tibi? POL. Mihine? ó lepidum impostorem. PER. Quem? POL. Philodamum. PER. Quomodo? POL. Frontem terge obsecro & ora; senties. PER. Illum ut nebulonem Dij Deaéque perduint; Imposuit scelus utrique: sed non fecerit
5 / 4 — 5 7 6 fehlt 579 pixidem. 590 Q u i s facinus crederet? 596 castra, quas
597 POL. fehlt 602 es et proditor 608 POL. terge frontem obsecro
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Impunè. POL. H a ha; bene, bene. Sed jam nuntium Tandem opperiamur. Ego hìc in excubijs ero. PER. Ego hìc. Me invito nemo hodie in castris pedem Ponet. At at: Quisnam illinc occurrit homuncio? POL. Est ipsus. Arbitremur. NUNT. Q u à tutissimus Adibo Ducem, ut imperia Regis exsequar? POL. Audin' quid fabuletur? apparat aliquid Occulti. NUNT. Q u o d si etiam Ducem convenero; Fortasse tarnen nihil omnium effectum dabo. PER. HÌC homo profectò est vates: didicit dicere Futura. NUNT. Non fero luctum Regis, si nihil Evinco. POL. Quem parat scelestus vincere? NUNT. Sed experienda est mihi fortuna: Ducem adeo. POL. Subsiste. NUNT. Perij. POL. Q u i d tibi hìc negotij est Hoc temporis? hoc viae? sceleste. Obmutuit. PER. Socij, explorator, explorator; captus est. POL. Age, flammas, & candentes ferri laminas Lateribus admove. NUNT. Q u i d est? quid merui ego? POL. Edissere fraudes, quas moliris. NUNT. Q u a s ego Molirer fraudes? POL. Evoca lorarios,
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(25)
U t hunc sublimem rapiant, atque fidiculis Cogant verum fateri. NUNT. Erratis milites; Nihil stropharum est. PER. Ergo prode, quidnam agas. N a m certum est mihi, te hostem esse. NUNT. Litteras Duci Vestro afferò. PER. Monstra ergo mihi. NUNT. Viden'? PER. Tua Figmenta sunt; vos hunc rapite intrò perfidum Veteratorem. NUN. Vultis vos hominem innoxium Ductare? Pharam appello; ad Pharam provoco. POL. Imus igitur: Sed ipse prodit. PHAR. Quis furor Clamorum? quae contemtio est castrensium Legum? NUN. Explorator videor, qui sum Nuntius Obsessi Regis. PHAR. Quem petebas? NUN. Litteras Ad te habeo, Phara; quas ubi lubens legeris, Quaeso moveare; suadet extremas preces Extrema Regis calamitas. PHAR. Lege propalam. POL. Gilimer Rex aerumnosus, Pharae olim hospiti, Nunc hosti. Siqua est veterum rerum memoria,
616 ut Regis imperia exsequar? 623 NUNT. fehlt irrtümlich. F o r t u n a 635/636 V e s t r o a f f e r ò . Peri. Ostende. N u n . viden'? Peri. T u a f i g m e n t a sunt/
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O f f u c i a s tendis; rapite intrò p e r f i d u m 642 Literas 647 Si q u a
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A C T U S II. S C E N A I X .
Per ego te sacra, & chara, per hospitij fidem Obtestor; patere te exorari, ut antè quàm Excedo vita, liceat pane mucido Semel adhuc sedare famem lamentabilem. Mitte unicum panem, triobolarem licet, Et spongiam, & citharam: & paren tasti mihi. PHAR. O justa D E I judicia, sceleris Ô gravem Vindictam. Has Gilimer affectato quaesijt In regno delicias? invenit. Sed cedò, Cur citharam flagitat Gilimer, cur spongiam? NUNT. Hanc, ut siccare defluentem ex lacrimis Possit oculum; illam ut casus atque incommoda Suprema vitae leniat. PHAR. O miseras preces. Et ferre haec mavult ille, quàm se dedere? Ferat, ferat. Graviùs se ipsemet ulciscitur, Si exoret: habe, fer quas roga veras opes. En Regias delicias, Panem & Spongiam. S c e n a IX. CHORUS LUGUBRIS,
Octo Puerorum. A H miserandae somnia vitae; Quos perituris facitis ludos? Quid spectatum exponitis orbi? Ah miserandae somnia vitae. Qui modò plenae pocula mi Et generosae munera testae, Bibulis suevit ducere labris, Optât ademtae frigora lymphae. Nuper opimi fercula luxûs Et preciosae damna culinae Hauserat unâ Gilimer coenâ, Flebilis unum rogitat panem. Interit eheu Gilimer, eheu; Dum non habitas expetit undas, Dum non habitas esurit escas. Haec est tumidae fabula vitae
652 triobularem 658 lachrymis 667 Quae spectacula fingitis orbi?
29
A C T U S II. S C E N A X .
S c e n a X. BELISARIUS. CYRIACUS. PAMPHILUS. P H A R A . P R O C O P I U S ,
citus Romani.
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cum parte exer-
GILIMER.
BEL. I Tandem, Cyriace; & lentorem militi Meo opprobra, qui in capiendà arce plus morae Trahit, quàm in excindendà Graeci Troia. Sciam confestim quid cunctentur. CYR. Tollitur Repentè clamor; Nec procùl absit est opus. Ibo ex-adversus. P A M P H . Ego Belisarium bono Beabo nuntio. CYR. Eccum à castris Pamphilum. P A M P . Salve Belisari; jam hodie debellavimus. Gilimer captus, se suàque dedidit omnia In deditionem, atque in potestatem tuam. O M . Ita conveniebat; Ita Belisario D E U S Favebat. P A M P . Hoc telum ipse, haec arma ponere Jussus, posuit: coronam hanc ad pedes tuos Abjecit. B E L . Ubi nunc detinetur? P A M P . Ducitur Tuum ad Tribunal; jam jàmque aderit; nisi jam adest. P R O C . Adest, adest, fastus detumuit regius. B E L . Laxate spatium hinc atque hinc. P H A R . Belisari, tuo Gilimerem hunc ductu captum nos & deditum Tibi sistimus. OM. Vicit, vicit Belisarius. GIL. Ha, ha, he he. Neque enim in praesens contineo me Quin rideam. BEL. Quid? tu tuarum nescius Es aerumnarum, infelix, ut lubeat adhuc Ridere? GIL. Optime Belisari, secùs est ac putas, Non hos cachinnos rerum incogitantia Mearum edit. Scio quos meum infortunium Habitus animi requirat; nempe lacrimas, Nempe gemitus, nempe extremi suspiria Doloris. Sed cùm fortunae ludibria Meae perpendo, rursum arescunt lacrimae, Risuque solvor. Nam quis videat Simiam hanc Jocantem, nec saltem leviter renideat? Paulò ante Libyae Rex, & dominus Africae Superbiebam; nutu jussi vivere Quos vis meo, nutu perire: supplicem
II, 10 GILIMER. & C.
686 exadversus 706 ladirymas
709 lachrymae 714 suplicem
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30 715
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A C T U S I I I . S C E N A I.
Vidi ante genua mea partem Orbis tertiam Procumbere: Nunc procumbo ego ipse. Nunc tuos Ad nutus vivo, capior, servio, pereo. Non haec ridenda rerum sunt ludibria? BEL. Haec, Gilimer, pridem cogitata oportuit. GIL. Oportuit, Belisari; sed fastigia Felicitatis impedire nos solent, Ne cogitemus. Verum damno tu meo Ita cogitare jam nunc incipe, si sapis. Nam quae fortuna me hodie ludere institit Eadem Belisari te ridere eras potest, Et quod cuìque potuit contingere hactenus, Poterit cuivis. BEL. Ita nimirum homines sumus. Verum age Cyriace, habe istum tu in custodijs. GIL. Jube me fieri, quicquid Belisari voles. Te si vicissem, facerem Se ego te, quod animo Lubesceret meo. BEL. Tu Phara militi Enuntia, paratus ut in perendinum Se accingat; tandem vertendum est in patriam. PHAR. Parebo; neque credo morabuntur milites. OMN. Belisarius Imperator; hoc Belisarius Promeruit nomen; vicit, Imperator est. BEL. Omittite nomen hoc, quod proprium est Caesari. OMN. Meruisti hoc nomen; vicisti; Imperator es. BEL. Date Laureatos fasces; hos ad Caesarem Deferto Procopi. PROC. Faciam id cum lubentia, Ut hoc renuntiem. BEL. Cümque explicaveris Ex ordine omnia, Caesarque intellexerit, Petes ut militi victori praemia Decernat. De me, quae visum erit, ipse statuat, Si rem gessi ex sententiä. Perendie Exercitum egómet deducam, & te subsequar. ACTUS III. SCENA
I.
INVIDIA. MENDACIUM. DETRACTIO.
INV. H E u me infelicem, heu me. Quam ego faciam malo hufc Medicinam? in arcto omnes laborant res meae. 723 si capis. 734 néque morabuntur credo milites. 735 hoc fehlt
736 H o c meruit nomen 744 statuat. nach 746 Finis actus secundi
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Lacrimo misera, quod nil cerno lacrimabile. In ore & laude est omnium Belisarius, Mirantur illum unum omnes, omnes praedicant; Illum domitorem Libyes, Persidis metum, Terrarum amorem, Romanorum gloriam Appellitant. O stomachi res, ó aurium Mearum injurias; 6 virus pectoris. Quas res molibor? Ubinam mea sunt pignora? Adeste liberi mei; heus accurrite, Date operam vestrae matri. Ubi estis? ubi moram Ductatis? nondum auditis? certe vivitis Etiamnum. Adeste extempulo. MEND. Quid me mea Parens ita anxiè evocas? INV. Opus est tua Mihi arte fili. MEND. Cur meo me nomine Non compellasti? INV. Senio amisi memoriam: Excideras mihi. MEND. Scis certè me mendacium Vocari. INV. Scio jam, 6 delicium. Sed ubinam eras? MEND. Ubique ferme: jam hue, jam illue, À plurimis Trahebar. Penè fregi crura perpete Errore; ad usque lassitudinem vagor. Non jam sufficio, si pedibus incessero; Alas mihi assue, Mater. INV. Dabo; sed tu priùs Mandata fungere matris. MEN. Dum in compendio: Nam multi me avocant jam, Mater, denuo, Qui colloqui me gestiunt. Sed impera. INV. Sororem excìto: Nescio ubi nam adhaeserit. MEN. Facilis repertu est: Detractio, Detractio. DET. Quis me sibi advocatam vult? INV. Natam Parens Citavi. O mea voluptas! Non tu lacrimas Meas advertis? DET. Vero adverto: quid rei est? INV. Ni tu cessares, nata, partes exsequi Tuas, non flerem. DET. Ego cesso? Nescis, mea parens, Quantum occuper; nemo est negotiosior. INV. Ubi hodie curasti? DET. In tecto, in campo, in foro, In ludo, in balneo, in otio & negotio: Nemo colonus uno plus die facit.
Actus III: Die beiden ersten Szenen erscheinen in umgekehrter Reihenfolge 749 Ladirymo . . . lachrymabile. 750 In omnium ore, et laude est Belisarius, 766 i l l u c i
772 774 777 778 779
jam fehlt ubinam lachrymas advertis. exequi
32 785
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ACTUS III. SCENA II.
i N v . Laudo indolem generosam. Quanquam 6 mavelim Paulò altius posthac peteres fastigium. DET. Quod illud ergo? INV. Caesaris Palatium. DET. Nescis qua lege inde ego pridem jussa exulem? INV. Memini, sed astu legem oportet ludere. DET. Quem ibi vis infestabo? INV. Nosti Belisarium? DET. Vel omnium unum maximè. INV. Ilium tu petes. DET. Absiste Mater; nihil in ilio est improbum. INV. Tu finges esse. DET. Virtutes dicam improbas? INV. Vitium esse dices, quod virtutem alij putant. DET. Quod vitium? INV. Nimis antiqua es. Ingeniosior Est frater. Habe illum comitem; audebis fingere, Quaecunque, qualiacunque in mentem venerint. M E N D . Quis dubitet, mater; hoc mihi est negotium. D E T R . Ubi tu interea eris? I N V . Tun' hoc edictum vides? Senatum coget Caesar; referet de no vis Honoribus habendis Belisario, meae Partes erunt, meam ibi dicere sententiam. DET. Praeclarè factum; nos aliò secedimus. S c e n a II.
805
810
(32)
EUSEBIUS. ROM. PRAECO, cum Tubicine. Eus. CAne Tubicen. Cane iterum. Tertiùm cane. Praeco, voce lege, quanta maxima potes. PRAE. Edictum Caesaris. Quisquis Senator es, Quicunque jus est in Senatu dicere Sententiam; die ne quisquam crastini Ab urbe nostra abesto; sed pro Curia Frequens adesto. Referet de Republicä Justinianus Caesar. Absens qui fuat, Censebitur facere contra Rempublicam. Eus. Fige tabulam; injussu nemo refigat meo.
S c e n a III. JUSTINIANUS.
EUSEBIUS.
815
TRIBONIANUS.
LOGOTHETA.
Et reliqui de Consilio, & c. JUST. REs belli gestas Ductore Belisario Audistis intus, referente istoc Procopio. CELLUS. SERGIUS.
790 vis fehlt
III, 2 = III, 1 der Hs. 805 Lege, Praeco, voce quantä
ABLAVIUS.
PROCOPIUS. INVIDIA.
MAR-
A C T U S III. S C E N A III.
820
825
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Facio hic cuivis vestrum dicendi copiam. INV. Age quod agis Invidia; hic amplae sunt mercium Tuarum nundinae; hic tuam auge reculam. Eus. Mihi visus est gessisse rem ex sententiä; Decernendum esse puto de honore ac praemio. INV. Ablavi, hoc tu audis? audis, & fers? & taces? ABL. Nihil adeò praeclarum, nihil extra ordinem Illustre audivi, quod retulerit Procopius. Quam disciplinam castris, & quod otium Pubi fuisse castrensi laudaverat Duce Belisario, solent vilissimi Ducésque nosse, tironésque discere. PROC. Ablavi si spectator adstare potiùs Potuisses, quam auditor, nil vile diceres Fuisse. SERG. In acie adeò tumultuariè Instituendä, aliquid pro ingenio Belisarius Suo temeravit. Quos potuit enim ordines Servare miles? Quibus insidijs cedere? Quod facinus facere? INV. Jam Sergi, jam te virum Ostendis tandem. JUST. Ita hostis aliquando ingruens Repentè, cogit. Debet & subitarijs Malis occurri. PROC. Tarn tumultuaria Fuit acies, ut vicerit. Gilimer nihil Desideravit curae in Romano agmine; Fugatus, victus, captus est. JUST. Vel annuo Labore, si ordinasset aciem, ornatiùs Nunquam ordinasset. MAR. Insidias quod hostibus Locärit, idne erat Romanis artibus, An Punicis bellare? aperto Wandalos Oportuit Marte oppugnare. TRIB. Haud dedecet Duces Romanos, arte si Rempublicam Occulta servent. PROC. Fecit olim id Scipio Fecitque Caesar; quis dubitavit, quin probè? TRIB. Res promerentur tantae non sanè imparem Auguste, honorem. JUST. Ecquem illum verò? Edicite. PROC. Exercitus Imperatorem Belisarium Ideò appellavit. JUST. An factum probatis hoc?
819 est rem gessisse rem (irrtümliche Verdoppelung) 821 fers & 827 tyronésque 3
Burger, Belisarius
33
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830 acie verò tumultuariè 841 aciem, optatius 852 Ideo a p p e l l i t a v i t . . . hoc patres?
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ACTUS III. SCENA IV.
INV. Nec dum reclamas? LOG. Veterem si morem probas Auguste, factum id rectè censeo: Numerus Caesi hostis constai. JUST. Ergò & appellatio Haec constet; vox rata esto militis mei. • Sed an satis hoc honoris erit? INV. Satis? ah nimis. Quantum Belisario additur, adimitur tibi. TRIB. Si quondam has res gessisset, equidem crederem Triumpho dignum. MAR. Ego verò pridem desitos Revocare mores, censeo è Republicà Non esse. ABL. Serva hanc, Auguste, tibi gloriam. Abunde honoris civi, ut habeat Caesarem Faventem. JUST. Ego verò ut merita meo redhostiam Sive Duci, sive militi, parum mihi Videor facturus, quicquid tandem fecero. Nec vetera civium verebor proemia Novare, siquis renovet antiqua merita. Id jam laboro solùm, an digna gesserit Triumpho facinora. OMN. Gessit. JUST. Idque seriò Censetis, Patres? OMN. Seriò. JUST. Ergò quid morae est Quin & triumphet? OMN. Nil vetamus; dignus est. JUST. Triumphet ergo. OMN. Triumphet. ABL. Sed nostro insolens Id seculo est. OMN. Triumphet. ABL. Q u i privatus est Triumphet? OMN. Nil refert; triumphet. JUST. I, tuo Die Imperatori, qui jam prò maenibus Cum milite est, triumphum adornet; laurea Insignis, sublimisque curru patriam Revisat; urbi ostendat veterum gloriam, Q u i veterum virtutem potuit ostendere. S c e n a IV. VIRTUS. LABOR. H O N O R . c u m a l i o f a m u l o r u m c o m i t a t u , & c.
885
VIRT. ADeste mortuales; Quique ignaviam Damnatis, quique virtutem contenditis Amare; spectate mea, & capite munera. H à c ego Belisario Duci viam paro. H à c hàc sequetur, me ducente gloriam Hanc gnavi Virtutis merentur asseclae.
859 ecquidem 863 civi est, ut 868 si quis
A C T U S III. S C E N A V.
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Hunc agite socij, sparsis plateas floribus Operite. LAB. O bellam segetem; hanc hanc industri j Faciunt sementem, quam deinde inambulent. VIRT. Haec vos asportate famuli donaria Coronas, torques, armillas hastâsque Dux Puras, quas bene merenti tradat militi. HON. Ita differt Virtus praemia sua, non negat: Moram compensât doni magnitudine; Theatrum quaerit, cùm laudare vult suos. VIR. Vos arcuate opere eleganti fornicem, Qua se triumphans curru Belisarius agat. LAB. Hoc sibi tropaeum fixit, cùm hostem figeret. HON. Vel potiùs, cùm victis & amicis parceret. VIR. Appendite hinc & illinc serta laurea. LAB. Curatum est, domina. VIR. Jam loco decedite; Succédât belli ductor: sacer illi est locus. S c e n a V.
(36)
ABLAVIUS. INVIDIA.
INV. HUic ego comitabo rursus, quem dudum meis Flammavi facibus. Ardet, folle jam est opus Aliquo, ut augescat ignis. Abiavi viden' Quò res evadat? humi tu serpis, caeteri Dum sublimò volant. ABL. Egóne illum? Ego Belisarium? O lucem infaustam. INV. Audisti, quantus Caesarem Devinxerit? ABL. Quem ego opibus antecellui Semper & honoribus? illum ego Belisarium: Ego illum? INV. Illum, inquio, ipsum solo Caesare Cernes minorem. ABL. Illum, quem infra omnes pervelim Depressum? INV. Evectum supra omnes tueberis. ABL. Ille Imperator audiat? INV. Imò & imperet? ABL. Imò & triumphet? Sed dialis gloria est. INV. Erras; perennat fama. ABL. Modò ne ego videam. INV. Videbis. ABL. Jam mihi tandem ingrati estis oculi. INV. Et audies. ABL. O surdus esse quàm velim! INV. Currum pedes sequèris. ABL. Superi avertite. INV. Applaudes etiam. ABL. Cui viro? INV. Belisario. 887 sparsis fehlt 891 fehlt 892 Duci, qu(ae) bene merenti tradat militi.
y
900 III, 910 918
lurea. 5 Invidia. Ablavius. Belisarium? ó quam esse surdus velim
36
925
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A C T U S III. S C E N A VI.
ABL. Invisum nomen. INV. Celebre tarnen. ABL. Sed non mihi INV. Quid refert, si alijs tarnen est; esse ut audies. ABL. Nihil ago. Ferendum est hoc mihi convitium. INV. Ductabit agmen captivorum. Quid jam ais? ABL. Et me inter illos. Non magis ille Gilimerem Quàm me triumphat. Sed premendus hic est dolor, Ne de meis ille lacrimis risus alat Meósque gemitus gaudio éludât suo. Quondam fortassis lacrimabit ille me Felicem infelix; vel certè miserum miser. Atque Ô utinam. Sed abeo. INV. Votum nuncupat Ablavius mihi. Hercle oportet solvere. S c e n a VI. BELISARIUS TRIUMPHANS,
cum Exercitu Romano. POPULUS ROM. LICTOR. cum alio appa-
CAPTIVI LIBERATI. GILIMER. GENSERICUS. CAPTIVI WAND,
ratu.
935
940
945
950
BEL. QUod patriae, nobisque eveniat feliciter Commilitones; appetijt tandem dies Quem dudum votis expetîstis omnibus, Vestris ut responderent meritis praemia. Triumphum mihi peperistis hunc, quem sic tamen Hodie agam, ut cives exterique intelligant Perinde vestrum esse ac meum. OMN. Tui sumus Belisari, tu triumpha. BEL. Et quando facinora Vestra egômet testis multa vidi, convenit Jam quemque pro merito ut colam donarijs. Adesdum Procopi, cape coronam civicam, Quòd Civem ab internecione, tuo asserueris Periculo. Phara, hoc ego te torque aureo Virtutis ergo dono, quòd prudentiâ Rem militarem juveris, regem fame Ad deditionem adegeris, animo & manu Caetera promtus obieris. Tu puram tollito Hastam Cyriace, fortiter quòd feceris, Ex provocatione quòd reverteris Alterna Victor. Ceteri commilites
927 lachrymis 928 gaudeo (irrtümlich) 929 lachrymabit
(37)
935/936 omnibus/Vestris 944 internicione 946 prudentiâ tuâ
A C T U S III. S C E N A VI.
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980
985
Ob navatam Imperatori hactenus operam, Hoc donativum habete; viritim singulos Philippicos; duplum Centurio, quadruplum Tribunus. OM. Vivat Imperatoris manus! Triumphet Belisarius! BEL. At verò quos timor Et inertia infestavit, ignavum pecus, Sibi haec habento; tu, Marce, inquam, tu Niger Quod ab exercitu abijstis solito longiùs, Quod arma in conflictu amisistis, hordeum Caenabitis, & pro lauro stramenta capiti Haec imponetis. OM. H a ha, he he, applaudite. BEL. Ductate pompam; in expectatu populus est. OM. MIL. Iô triumphe, iô triumphe, triumphe iô! OM. POP. Bene sit Belisario. Vivat Belisarius. LICT. Respice post te, Belisari; hominem memento te. OM. MIL. Profectò liberalis est Belisarius, Speranti congiarium, dat hordeum. OM. POP. Feliciter. Superi te servent patriae. OM. MIL. Iô triumphe, iô triumphe, triumphe iô ! LICT. Respice post te, Belisari; hominem memento te. OM. MIL. Quanta triumphantium est hodie frequentia? Laurus non sufficit, hinc pars gestat stramina. BEL. O me felicem qui florere patriam Civésque meos ferri secundâ contuor Beatitatis aura. Non Victoria Me mea tantopere oblectat, non haec gloria, Quantopere civium patriaeque incolumitas. OM. POP. O nos potiùs beatos, qui te cernimus Curru aureo vectari! pergito, pergito. LICT. Respice post te, Belisari; hominem memento te. OM. MIL. Victum triumphal Gilimerem Belisarius, Sed Carnifex triumphat hunc Belisarium. IÔ triumphe, iô triumphe, triumphe iô! BEL. Hîc pompam siste; dumque cives gaudijs Applaudunt nostris: ingemiscant & suis Supplicijs hostes. Genserice, perfidum Cùm tibi sit fueritque ingenium, cùm mihi datam
nach 963 Haec corona qualis est, et qu(ae) vocatur milites? / Seu muralis,
seu ruralis, certe militaris est. 985 eingeriickt unter 984
37
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38 990
A C T U S III. S C E N A VI. Iteratò eluseris f i d e m , hostisque fueris
(39)
Infestus, p o e n a s lue. GENS. N i h i l equidem m o r o r , Belisari. I m ò hunc mihi honorem haberi gratulor U t vinclis eximar, & a p u d hostes o p p e t a m , Q u o s inter vivere non possem, nisi turpiter. 995
BEL. D u e ilium Lictor. GENS. I b o sponte, q u à jubes. BEL. Reliquos captivi gregis a b d u c e in carceres. GIL. A d f u n e r a potiùs duci j u b e ; sequar. CAPT. W. I d e m peccavimus, quin & luimus idem? BEL. A n i m a d v e r t o u n u m justè, & p a r c o plurimis
looo
Clementer. GIL. H a n c remitto tibi clementiam; Ferito, erisque clemens. S a e v i r e g r a v i ù s Post carceres, & hunc t r i u m p h u m non potes. BEL. Possem, nisi nollem. CAPT. W. A t q u i Superi dent, ut velis. BEL. I lictor, age lege; elide scelesto g u l a m .
1005
GENS. Elide, non scelesto, at ei qui p a t r i a e R e g i q u e f i d u s ut esset, hosti hostis fuit. OM. POP. Perijt scelestus, perijt i m p i u m caput. Belisari vive, v i v e p a t r i a e decus. OM. MIL. I ó triumphe, iò triumphe, triumphe ió!
1010
CAPT. LIB. Superi servate, p e r p e t i m Belisarium. N o s t r u m servate p a t r o n u m , vindicem, p a t r e m . BEL. S u p e r i servate aeternum hoc urbis g a u d i u m . T ü q u e i m m o r t a l e numen, cuius equidem o p e H o s t e s devici, W a n d a l o s ex A f r i c a E x e g i , i m p e r i u m a d a u x i , & hodie p a t r i a m T r i u m p h a n s ini;; hunc mihi meisque civibus D i e m secundum esse, & manere dein velis. Tibi ego meritò ob p a r t a m dedico v i c t o r i a m H a e c hostibus detracta spolia barbaris.
1020
OM. MIL. IO triumphe, iò triumphe, triumphe iò! BEL. N u n c miles omnis, nunc omnis civis epulo T r i u m p h a l l interesto: p o m p a m claudito. OM. POP. Bene sit Belisario; v i v a t Belisarius. OM. MIL.
L a u d e m u s Belisarium Q u i nobis d a t salarium.
1025
Sit bene Belisario, Q u i nostro f a v e t stomacho. I o triumphe, io triumphe, triumphe io. 996 carcerem 1008 Vive Belisari, vive
1010 servate, servate Belisarium, 1022 interesto; et pompam
(40)
A C T U S III. S C E N A V I I .
39
S c e n a VII.
1030
1035
io4o
!04
5
JUSTINIANUS, cum suis. EUSEBIUS. GILIMER. JUST. DEdi negotium Triboniano, uti Gilimerem mihi sisteret: aderitne tandem? Eus. Adest Auguste, vinctisque manibus Regem trahit. JUST. Hicne ille est Gilimer, quondam terror Africae? Ut squallet vultus? omnis ut forma perijt? Non vinco me. Heu me, fortunae inconstantiam; Exsolvite manus; admovete. GIL. Supplicem Serva Imperator; miserum felix; exulem Princeps; victor victum; mancipiumque Dominus. JUST. Gilimer, Gilimer, quanto es ab eo alius Gilimere Qui fueras. Haec olim si verba dicere Didicisses, non tu jam supplex esses mihi,
Tibi esset Africa. GIL. Scio hoc Imperator, Sc Serò doleo; eheu serò. JUST. Assurge. GIL. Eheu grave est Post quàm adeò cecidi, assurgere. JUST. Vos attollite Jacentem. GIL. Stare ego unquam posse me putem, De regno qui meo ceciderim in carcerem? De vita in mortem? Didici infelix esse jam Qui servire didici. Eus. Augusto qui serviunt, Dominantur, Gilimer. GIL. Haec tu amice dixeris Alijs, non illi qui se Regem esse meminit.
1050
1055
1060
(41)
Si olim imperasses, aliud hodie diceres. Eus. At nunc sapientis est, fortunae cedere. GIL. Ita quidem; nec repugno. JUST. Certè foedera Nostramque amicitiam colere te oportuit Quàm bellum malle. GIL. Hortator, Caesar, serus es: Ignosce. JUST. Etiam tempestivus, Gilimer, fui. Sed animo consta; non perijsti: Caesari Dein pareto; tibi honorum & opum abundè erit. GIL. Ah quid honorum, Imperator, ah quid erit opum? Omitte magna polliceri Gilimeri, Ademto regno, parvum est illi, quicquid est. Vanitas Vanitatum, & omnia Vanitas. Ita meus me docuit sentire, & credere
1037 victum; servumque dominus. 1038 quanto alius iam es ab Gilimere, 1043 Postquam
1053 Te oportuit nostra colore (irrtiimlidi statt colere), et amicitiam/ 1060 Adempto
40
1065
A C T U S IV. SCENA I.
Casus. Post Africani, post orbis tertias Erepti partes, dona mihi quicquid voles Auguste, sciam ego posse illud vanescere. JUST. Sapienter haec pertendis, Gilimer; Caeterùm Meliora spera; qua fortuna Caesar est Eritque; eàdem etiam, si vis Gilimer, eris. ACTUS
IV.
Scena
I.
FORTUNA. FAVOR. FELICITAS. CONTEMTUS. CALAMITAS.
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FORT. COmites mei, praeclarè functi estis vicem Vestram, in tollendo ad sidera Belisario. CAL. Nihilne etiam mihi licebit in virum? Ego partes nondum egi meas. Sum Calamitas; Sed nunquam visa sum hactenus Belisario: Favor, Felicitasque solum alludere Illi jubentur. CONT. Etiam me committito. Quid enim alibi tam creber à Belisario Excludor solo? FORT. Ne causam petite altiùs; Ita jusserat nimirum Providentia; Quod ut juberet, ipsa causae sat habuit, Voluisse, & permisisse; Nesciant licet Mortales. Regina omnium est rerum potens, Agit ilia, & nutu moderatur justè suo Eventus omnes: sed quotusquisque autumat Ulius magè, meum quàm ad arbitrium regi? FEL. Plausére nuper omnes cùm Belisario, Fortunam, Fortunam ajebant, Belisario Fa visse: eandem optabant sibi contingere. FOR. Nimirum adhuc caecutit, & caligine Gens nubilatur; olim olim verò scient, u n Jus Providentiae ductu omnia Egisse. Jam ilia auctore Romam pertigit, Vicitque Belisarius: haud sanè nescia est Quanta illi victis restent Gothis praelia, Contra unam foeminam. FAV. Vin' tu, unquam ut deseram Ego Belisarium: an ut aeternum prosequar?
nach 1068 Finis actus tertij. 1079 juberet, causae ipse (irrtumlidi statt ipsa) sat
1082 justè fehlt 1086 Fortunam, fortunam 1095 Belisarium? An
A C T U S IV. S C E N A II.
lioo
FOR. Nihil haec scire attinet. Belisari, age quod agis. Novum ego tibi stadium novae victoriae Ostendo: tu seu vincere seu vinci potes: Permitto : video tamen in utram sis modo Abiturus partem. Verum & tu pariter vide, Q u a e gloria sit, reges vicisse; à foeminâ Victum esse. Scena
II.
BELISARIUS. PHOTIUS. CONSCIENTIA. M E T U S . PUER.
1105
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1115
1120
1125
ino
BEL. SErióne tandem haec imperat Augusta? PHOT. Ut nihil unquam magis. BEL. Q u i d foeminam H a e tangunt curae? PHOT. Rebus consulit suis. BEL. Omittat ergo alienas. PHOT. Has suas putat. BEL. Ilia suas? PHOT. Quippini Belisari? ut quae attinent Imperium. BEL. Nil rei habet cum imperio foemina: Colum illa colat Sc fusum; lanámque faciat. PHOT. Considera Belisari, quam tu foeminam Impugnes, quae ut foemina sit, Augusta tamen est. Perculi hominem. CONS. Virum vir indue: nihilo Timidior has minas, quàm quondam hostes fuga. BEL. Seit Imperator, vúltque? PHOT. N o n mihi licuit Id percontari. Augustam agnovi, & parui; Cui tu parere ni vis, Augustam nega. BEL. O foeminam, dirum caput. Q u i d non mali Auctore hâc infestavit orbem? PHOT. Q u i d jubes Reginae nunciem? facturum, quod jubet, An non? BEL. Recta jubeat, parebo. PHOT. Non tibi Haec rectè, & ordine imperata visa sunt? Ibo haec renuntiatum. MET. Obsiste, perieris, Simul ac Theodora hanc pervicaciam audiet. BEL. Q u ò jam discedis? PHOT. Nôsti. BEL. Cedam foeminae; Faciam imperata. Sed ipsa quondam Numini Facinus hoc impium purgabit. Ergo abi, Silverium urbis & orbis Pontificem voca: Effectum dabo. PHOT. Ita quidem facies ex re tuâ. BEL. Puer, jube adesse Procopium & reliquos Duces. CONS. Q u i d agis Belisari? tu manus Silverio Violentas addes? Christiani Principem
I V , 2 PUER, fehlt 1104 H a e a n g u n t . . . consulit tuis.
1119 Necne? BEL. 1128 BEL. fehlt
42
A C T U S IV. S C E N A III.
Gregis Pastorem his aggredière machinis? MET. Cogéris invitus, vel gratia excides Theodorae. CONS. Excide, dum ne excidas à Numine. MET. An nulla cuiquam ergo est spectanda gratia? CONS. Est imò; at vera, at magna, at digna; non tua, Quae vana, fragilis, fluxa, falsa, nulla erit, Quae jam peribit. MET. Sed ni pares, gloria Peribit parta; peribit vita, 8c vitae opes. Quid? tun' vivas inglorius? CONS. Aspice sidera Belisari, quid potè pulcrius cornigere? MET. Terram, patriam, opes, familiam, famam aspice, Quibus amissis, quid contingere potè tristius? CONS. DEUM tuere, non amittes. M E T . Certiùs Certo amittes: Nósti augustae ingenium impotens In iras. Saevit foemina immedicabili Furore. Tutiùs lacesses tigrides Hircanas, tutiùs obviam leonibus Occures, quàm iratae, & furenti foeminae. CONS. Ergo appetes odio esse Numini? BEL. Hei, quibus Agitor procellis? Quae duella pectoris Committo? fateor, succumbo. Lenissimè Tamen est agendum. Unde explorabo Antistitis Animum Romani; an sponte forsan det manus. Sed eccum, adversus graditur; ibo etiam obvius.
(45)
S e e n a III. BELISARIUS. PHOTIUS,
cum Comitatu Aulico. SILVERIUS, cum Clero Ro-
mano. 1155
BEL. TEr maxime Antistes salve. Cum maximis De rebus ambigerem, rogitavi te, 6 Pater
1132 invitus, aut 1133 dumne 1140 pulchrius 1144 Augustae nach 1148: CONSC. Quid inde facies lucri? gratiam petes, / Animam deperdes: hic tua vivet gloria, / T u vives inter tartara. H u c te advertito, / Belisari. MET. te huc advertito. CONS. hunc ne audias, / Belisari. MET. hanc tu ne audias. Tibi hostis est. / MET. Tibi hostis est. Fallere cupit. CONSC.
perdere cupit / Ego te adiuvare. MET. Ego te adiuvare, spernere (.) / Tun' poteris blandientem Augusti coniugem? / CONSC. Tun' spernere blandientia potes sidera? / MET. Experière Belisari: grave mortalibus / Est displicere. CONSC. displicere N u m i n i / Est gravius. MET. ergo esse hominibus odio appetes? 1152 est audendum. IV, 3 Silverius. Cornelius cum
A C T U S IV. S C E N A III.
1160
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1170
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uso
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Venerande, ne quà velles mihi negatam opem: Id quod boni tu consules. SILV. Nihil ambige Belisari; résque ita postulat, uti liberis Pater suis, quà possit cunque consular. BEL. Sed considamus. Viden' has primùm litteras? Augusta misit. SILV. Agnosco ex insignibus. Ut sese imperium habet? satin' salvae? BEL. Satis, Nisi tu intercedis. SIL. Egon' intercedam? DEUS Meliora. BEL. Non morabor multis te; Anthimum Meministi Byzantinis pulsum sedibus Pridem exulare. SILV. Sic est, commemini probè. BEL. Hujusce causa, impensè Augusta affligitur. SILV. Meritò id quidem; nam & nos sollicitos id malum Jam dudum habet. BEL. Meministi etiam Chalcedone Quid olim Patrum consensus decreverit? SILV. Recenter adeò. BEL. Tuque ilia omnia dogmata, Pater, tueris? SILV. Vel dubitare est impium. BEL. Rogat tamen Theodora, suam ut in gratiam Paucula concedas. SILV. Dummodò concedi queant, Obnoxius ero. BEL. Primum est caput, ut Anthimum Pontificio restituas. SILV. Restituam Anthimum Ego? quem mei Majores uno calculo Bonique omnes proscriptum, sede ejecerant? Quem traxerit in errorum pelagus Eutyches? Illud ego Patriae fulmen, illum ego turbinem Ecclesiae reddam? Absiste haec contendere, Belisari. BEL. Non equidem precibus ista meis Contendo, Theodora haec potentiùs rogat. SILV. Rogare & ipsa cesset. BEL. Cessabit quidem Sed imperare incipiet. SILV. Imperet; nihil Movebit. BEL. Scripsit his verò ipsis, ut tibi Haec explicarem. SILV. Scribat Illa & scripserit Quaecunque lubitum est, nunquam animi constantiam Mei expugnabit. BEL. Sed, Silveri, cogita Quae potuerit hoc scribere, posse & proscribere. SILV. Satis est animi, ad has, Belisari, minacias Spernendas. Persto, perstabo. BEL. Sed & alterum Quod rogat, agnosce. SILV. Si cum primo convenit,
1161/62 litteras/Augusta 1163 salvè 1167 Silv. fateor,
1180/81 Euthydies/Illud 1183 precibus istaec
43
(46)
44 1195
1200
ACTUS IV. SCENA IV.
Omitte; nec rogare te, nec me decet Rogari. BEL. Vult, ut, quae Patres Chalcedone Scivére, antiquata velis. SILV. N o n jam hoc convenit Verbo negare. Abscedo. CORN. Audire talia Ego postulata existimem impium, Pater. SILV. Abscedo, & vos mecum unà. BEL. Quin manes, Pater. SILV. Animam omnem sanguinémque priùs exhauseris, Belisari, quàm consensum à me hunc extorseris. O Numen aeternum! quae tempora vivimus! Scena
IV.
BELISARIUS. PHOTIUS. MENDACIUM.
1205
i2io
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1230
BEL. VIdistin', quem virum impugnare sumpserit Theodora? PHOT. Turrim aliquam aut murum videlicet: N o n lapsus est primo impetu, altero ruet. Aries est admovendus. Si obstinaverit, Vi deturbetur. BEL. N e m p e hoc mihi negotium Facessit mulier: nata in perniciem fera. PHOT. Vacillat Belisarius; haud satis audaciter Res apparabit. Stimulis indiget meis. Sed unde me adjutabo? Augustam evicero, H o c si effecero. Quem consulam? quid ordiar? Quibus insidijs adoriar hominem? at, quae evolat Illinc Lamia? Quid monstrum molietur hoc? MEND. Cur adeò vultuosus es, mi homo? PHOT. Res minus Sunt laetae. MEND. Vultus indicat. N u m pectori Aegrè est, an capiti? PHOT. Utrique, & capiti & pectori. MEND. Difficilis aegritudo. Sed quaenam est mali Geminati origo? PHOT. N e scitäre, nullus es In me adjuvando. MEND. O nescis, quantae sint mihi In rebus vires. Mille magister artium Peritus exto; augere parva, minuere Magna didici; Vera refutare, inania Probare. Et si opus est, crimina alij impingere, Quae designavit nunquam. PHOT. Magnarum artium Es venditator; & quod est nomen tibi? MEND. Mendacium. PHOT. Mendacium? Sanè haud malè A d mea Consilia occurris: potin' ex tempore Aliquid moliri? MEND. Contra quem? PHOT. Silverium.
1214 quae fehlt 1228 Mendacium sanè
45
ACTUS IV. SCENA V.
Possum egregiè; strophas, sutelas, & dolos Et quicquid jusseris. P H O T . Explica genera aliquot Tuarum fraudum. M E N D . Intrò imus; sequere; reculam Meam tibi omnem expono; quämque habeo à patre, Quämque ab avo, quämque à proavo, Sc atavo ätque tritavo. Mendacia omne genus invenies; grandia, Minuta, acuta, crassa, occulta, publica. Inde eligas tuo arbitratu. P H O T . Non piget Mercari has merces; i properè; te consequor. MEND.
S c e n a V. SILVERIUS. CORNELIUS. G A I U S .
cum Clero Rom.
CYRIACUS.
cum satel-
litio. 1240
1245
uso
1255
1260
POtuistis, credo, ad vertere, quibus machinis Fuerim impetitus, fratres. C O R N . Perdolitum est, pater, Vehementer, nec nostra magè causa, quam tua. SIL. Meà nil referebat: cedere poteram, Si, solus ut ego cederem, permitterent. Nunc juxtà mecum omnem fidei constantiam, Deique jura oppressum ibant, quid aequius Hàc erat in caussà, quàm ut me vitae prodigum Meae, & minarum contemtorem ostenderem? GAI. Fortiter id vero Sc sanctè factum; atque omnibus Perinde nobis aemulandum. SILV. Ceterùm Nescio quid praesagit animus meus mihi: Expecto funus. Hoc Theodora munere Me locupletabit. C O R N . Utinam ego cervicibus Tuas meis redimere possim; vel tuis Conjungere meas. SILV. Ut Superis videbitur Agamus. GAI. Verum ego vel in una existimo Augustae iram expiari posse vietimi. Cadam ego, devotum caput, ut coepti turbines Remittant. C O R N . Sed quid sibi Cyriacus cum manu Hac militari, quam ex adverso conspicor? GAI. Malè vereor. In tutum migrato; Limina Haec templi pete. SILV. Nil non audebit foemina, Quae ausa fuit talia, 6 Superi, contendere. SILV.
1233 Mend. imó intro sequere reculam 1246 Dei jura 1256 Agamus. Cor. verum ego unà
existimo 1 2 5 9 CORN, f e h l t
(49)
46
ACTUS IV. SCENA V.
CYR. HIE VOS subsistite tantisper, nec uspiam 1265
1270
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Abeste, sed ñeque vim parate, quoad ego Innuero. GAI. Quemnam, Cyriace, hoc petis loci? CYR. Silverium, supremum antistitem volo. GAI. Quid? armatus Pontificem tu? Non hostis est, Cyriace, tuus, Pater est. CYR. Scio, Gai. GAI. Ergo ut patrem Venerabundus adi. Quid satellitum manus Molitur? CYR. Honoris caussà ut ad Belisarium Deducat. GAI. Inter amicos nihil hoc est opus Honore; sed eo, ut referam. CYR. Planè suboluit Silverio: opportunè asylum quaesijt: Non facile ex hoc excedet propugnáculo, Nisi illi in commeatu sit securitas. SILV. Cyriace. C Y R . O magne Romae & terrarum pater, Figam vestigijs beatis oscula, Priùs quàm colloquar. SILV. Quid est, quod colloqui Me gestis? CYR. Ad Belisarium ut adeas, precor. SILV. Preces armatae, Cyriace, non sunt preces. CYR. Ergo ablegabo militem. SIL. Ego non militem Puto suspectum, sed qui misit militem. Porrò, si quod heri nequijt, hodie evincere Imperio vult Belisarius, & ideò vocat, N o n venio, Cyriace. CYR. Fidem obstringo publicam, Nihil imperio, nihilque vi Belisarium Facturum, juro aeterni mentem Numinis. GAI. N o n fide, Pater; insidiae sunt palatij, u b i Theodora imperai, inde fides exulat. SILV. VOS verò ne metuite, fratres; audeant In me, quicquid collibuerit; deflectere A vero & recto me nequibunt. Corpori Vim fecerint, licèt: animus cogi nequit. f u summi Rector orbis, atque mentium Audi arbiter, fidem mihi datam; si dolo Malo me Cyriacus vocat, si quid struit Belisarius nefandi, excudat in meum Solius caput, abstineat à grege reliquo. I, modò, méque affuturum in tempore, nuntia.
1271 causi 1282 Sii. non ego
1287 vi fehlt
A C T U S IV. S C E N A VI.
Scena
47
VI.
BELISARIUS. PHOTIUS. LOGODAEDALUS. PSEUDOPEIUS,
cum Belisarij comitatu. SILVERIUS, cum Clero Romano.
1305
mo
1315
1320
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BEL. CRedamus facinus hoc tandem à Silverio Fieri potuisse? Barbaricisque Regibus Contra Imperatorem studuisse? somnia Mihi narras, Photi. PHOT. Sed mea tu ne somnia Nimium elevato. Fortè serò senties Vigilem fuisse me, cùm audirem & crederem; Te verò somniasse cùm contemneres. BEL. Quo planam hanc rem argumento poteris reddere, Si jubeare? PHOT. Equidem si testes citavero, Digitisque monstratos coram appellavero, Iique rem jurati edixerint palàm, Nec somniasse me, nec errasse audies. BEL. Scis ergo testes? PHOT. Atque incoràm conspicor, Hunc inquam Pseudopeium, & hunc Logodaedalum. BEL. Quid vos? quid cognovistis de Silverio? PSEUD. Proditionem actitare clanculariam Urbis Romanae. BEL. Cui mortali? PSEUD. Vitigi. BEL. Idem hoc testaris alter? LOG. Testor, his meis Saepe oculis me vidisse quendam ad maenia Ultrò citróque juvenem commeàssere
(51)
Identidem. Quem, quòd malè metuere sibi Videbam, caepi suspicari non bonam Illum actitare operam. BEL. Sed ad Silverium Quid istaec attinent? PHOT. Nunc, Belisari, audies. LOG. Ergo è vestigio tandem illum ego insequi, E t arbitrari occaepi, quod cùm adverteret, Infectà re ambulationem aliquoties Reciproco passu iteravit, quoad abscederem. Sed erat frustra. Nam Pseudopeius incidit In me casu; atque heus, Logodaedale, ait; num vides Illum hac & hac sollicitum, ac veluti pallidum Spatia facere? Et, st', inquiebam; hic arbitror, Quò cogitet. Nimirum, ait ille, tu impedis Ne liberè, quò velit, abeat; nam ad Vitigem,
IV, 6 Pseudop(oe)ius (an den folgenden Stellen ebenso)
1330 Me casu; et heus tu, inquit, L o godaedale; num vides
48 1335
1340
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1365
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A C T U S IV. SCENA VI.
Nisi fallor, abiturit. Eho, ad Vitigem inquio. Nec plura moratus, altiùs inclamo juvenem, Terreóque minis; tum uterque circumsistimus; Verbóque ut dicam, has extorquemus litteras; Quas ipse ubi legeris, scies quos patriae In patria hostes habeas. BEL. Lege sis propalarti. PHOT. Regi Gothorum Vitigi Silverius. Quòd pridem tibi receperam, effectum dabo. Ad portam accede asinariam cum milite, Urbem tibi Romam tradam, atque Belisarium. BEL. Quid audio? Da litteras. Non auribus Meis hoc credo. PHOT. Credes forsitan oculis. BEL. Palàm est, invitus metuo. At prodit commodùm Hue ipse. I, confestim die, ut me absque arbitro Accedat. PHOT. Hìc consistite ceteri; facit Soli Silverio accedendi copiam Belisarius. CLER. O Pater, Ó antistes, ò pater, Quò solus abriperis? SILV. Quocunque DEUS sinet; Ultrà nemo hostis rapiet. PHOT. VOS secedite; Arcaniora sunt Consilia, quàm quibus Vos deceat interesse. Hàc praesul conside. BEL. Salvere te juberem, si tu patriam Salvam, Silveri, esse sineres. SILV. Ego non sinam? BEL. Ita ajunt certe, comprobantque, quos vides Adstare, testes. SILV. Si hic permitteret locus, Jocari vos, méque facere ludos dicerem; Nunc quando serij estis, si estis, animus est Audire. BEL. Quibus tu tibi depactionibus Gothorum Regem amicum quaeris reddere? SILV. Nullis, Belisari. BEL. Nullis? non tu moenia, Penates, tempia, urbémque totam Vitigi Tradere promittis? SILV. Non promitto. BEL. Testibus Compertum est. SILV. Non potest. BEL. Vin' dicant denuo? SILV. Non possunt. BEL. Possunt certè. Die Logodaedale. LOG. Comperi ego hunc urbem Romam Regi Vitigi Dedere statuisse; ita Superos, & Inferos Attestor omnes. PSEUD. Juratus idem ego assero; Si fallo, ita mihi irati sint Superi, Inferi.
1335 Nisi fallo, (irrtümlich statt fallor)
1358 combrobamque (irrtümlich) 1369 Regi fehlt
(52)
ACTUS IV. SCENA VII.
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1400
1405
BEL. Vides potuisse? SILV. Video, sed nihilo magis Quam de te possunt. BEL. Nunquid etiam litteris De me docere id possunt? SILV. Nec de me arbitror Id possunt. BEL. Quam ergo ego manu verso epistolam? Agnoscis? SILV. Aut meam, aut certe geminam meae, Etsi ad Vitigem ego litterarum nil dare Me memini unquam. BEL. Unde ergo istae ad illum litterae? SILV. Id non laboro. Caeterùm non sunt meae. Seiet, qui adulterata me voluit manu Traducere. Ego insons dum sim, porrò nil moror. Sed ó fallacem calamum, mentémque calamo Fallaciorem, quae mihi hanc injurium Ausa irrogavit. Vigilat Numen, & videt. Et tu videbis olim, Belisari. OMN. FICTI. Reus, Reus est Silverius, luat Silverius. LOG. Exue Pontificem, haec decora pone antistitum; Non haec sibi indumenta patriae proditor Nefandus vendicet. Capessat dignior. SILV. Parciùs amice. Nec enim ego fui proditor, Nec si fuissem, tu judex esses mihi. LOG. Sim Carnifex tibi, dum tu Pontificio Privére. SILV. Non privabis, etsi ademeris Haec mihi tegumenta. LOG. Assurge & reliquum etiam exue Amictum. SILV. Non exuo; sed si detraxeris, N o n pugno. Nec si sanguinem poposceris, Pugnabo. Et quando nemo est in praesentiä, Qui vim hanc defendat, ad tribunal alterum Sistetur causa haec. OMN. Exulet Silverius. BEL. Alius legatur à Romanis pontifex; Tu Pontianis exulato in insulis. SILV. Aeterne Rector, quas tibi ego sum gratias Habiturus? qui me insontem, & nominis tui Ob gloriam, sinis haec tolerare, sub Duce Belisario; hactenus quae nemo Pontifex Romanus pertulit sub hoste Barbaro. S c e n a VII. VIRTUS. H O N O R . FORTUNA. FAVOR. FELICITAS.
(53)
(54) CALAMITAS. COMTEMTUS.
VIRT. EXite celeres, & fuga Palatium Damnate. HON. Quò abducemus? VIRT. Terrarum angulos 1386 FICTI. f e h l t
IV, 7 Contemptus 1408 Virt. Exite, exite; celeri pede palatium 4 Burger, Belisarius
49
50 1410
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A C T U S IV. S C E N A V i l i .
Adite extremos, & vel immanissimas Lustrate gen tes; securi inter Sarmatas, Hydaspeae inter ripae securi accolas, Tuti Memnonias inter degetis plagas; Apud Belisarium jam degere non licet. Properate, volate. HON. Belisari, aeternùm vale! FORT. Quô, Virtus, abituris? VIRT. Fugio, fugio Ducem Nefandum. FORT. I, felix, & meos tibi comités Abduce. Favor, hanc tu interea sequere Ducem, Te proscribit cum Virtute Belisarius, Abesse jubet palatio Silverius. I, nunquam ad has aedes, ad hos dominos redux. FAV. Te, Virtus, ego comitabor, téque ego exulem Exul sequar. Quem tu fugis, fugiat Favor. FORT. I, quoque Félicitas. FEL. Etiam me abscedere Jubés? FORT. Jubeo, impero, cogo. VIRT. Félicitas, Huic jungere, & si quid aliud est, quod prosperum Meretur nomen, excedat palatio; Me me sequatur. CONT. Vin' etiam ut ego fugiam? Contemtus dicor. CAL. Vin' etiam ut ego fugiam? VIRT. Quid nominis tibi est? CAL. Calamitas nuncupor. VIRT. Mane, mane aeterna comes miserandi Ducis: Tuque infelicis germanae, frater, mane. Videat te semper, pernox ferat, & perdius. Manete Comités gemini; & maneat, quicquid est Ominis adversi; Fortunam qui senserat Ridentem hactenus, hinc lacrimantem sentiat: Nunc cedite, abite, abite. Virtuti locus Inter Barbaricos hostes restabit aliquis.
(55)
S c e n a VIII. SILVERIUS. CORNELIUS. GAJUS, POLYPRAGMON.
cum Clericorum Choro.
PERIERGUS.
EHeu quis haurit imas Dolor medullas? Romana num parentem Amittet aetas? 1426 Hunc jungere 1429 Contemptus 1436 ladirymantem
1437 Virt. N u n c (Bezeichnung Sprechers überflüssig, s. 1431)
des
ACTUS IV. SCENA Vili.
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Cui Barbarus relicto Pepercit hostis, Hunc pellet efferatus Ex urbe civis? Pios parate moesti Fletus ocelli: Manusque jam perennes Novate planctus. Armantur in benignum N a t i parentem. Vomüntque saeviores Quam Tigris iras. CORN. Tentemus aedes, hue ferunt Silverium Abductum; forsan superest etiamnum, & diem Hunc ultimum suae concedit patriae. Sed intus aedes perstrepunt. POLY. Recludite Fores. Tu Perierge, alterum stipa latus, Ego hie curabo. GAI. O faciem lamentabilem, Qu6 sancte Pater, Antistes magne, quö mihi Raptaris? PER. Abstinete manus; abscedite, Aut vim persentietis. SILV. Hie mitescite Tantisper, fratres; extremum dum hos alloquar, Et in complexus corruamus mutuos; Vim ne timete. POLY. Prohibuit Belisarius: Abite. CORN. Per ego vos, per quicquid uspiam est, Rogo: sinite supremam parenti dicere Salutem. GAI. Hoc vobis despondemus praemium, Date spatium amplectendi. PER. Sed ut absit mora, H i e praestolabimur. SILV. Videtis quo loco Meae vestraeque res sint: hanc Belisarius Habet mihi gratiam; hoc Augusta habet suae Solatium repulsae. Avellor ä meo Invitus grege; abeo exulatum a patria, A Roma, i vobis; o suavissima pectora; Nunquam fortassis conspicienda denuo; Persistite in incoepto; meque absente Anthimum Perinde haereticum vitate, ac dum coräm eram. Theodorae obsistite; nil boni ilia parturit Foemina. Nec exilio moveamini meo,
1463 mittescite 4*
51
(56)
52
1485
1490
A C T U S IV. S C E N A I X .
Ad patriam feliciorem haec sternitur Mihi via; aspera quidem illa, & per se se horrida, Sed spes patriae, Christusque mihi facilem facit. Salvete jam & valete. Plura dicere Obortis nequeo lacrimis. CORN. O Pater! 6 Pater! Liceat his immori mihi vestigijs. O salve extremùm pater, o antistes vale! SILV. Moderare questus, frater; perferenda sunt, Haec casuum ludibria. Hue accedite Reliqui; haec in lucro est hora, quae nobis datur. POLY. Abrumpite intempestivas querimonias; Sat est ploratum, foeminae: hunc abducimus. SILV. Ut imperatis, fratres; non resistimus.
(57)
CHOR. 1495
1500
1505
O Ter quatérque charae Manus valete; O ter quatérque chari Manus parentis. Juvat osculum beatis Libare palmis; Udisque lacrimarum Calere guttis. Avellor à parente Eheu parente! Avellitur relictis Et ille natis; Hunc nullus elevabit
1510
Patri dolorem, Hunc nullus expiabit Natis dolorem. Scena
IX.
BELISARIUS. CONSCIENTIA. POENITENTIA.
CONS. AGe Belisari, compara te ad verbera, Quae perpetim ingeminabo pectori tuo. Stimulis te adoriar; Noctes nullas cogita, Diésque nullos, quos quietus transigas, 1483 sese 1501 lachrymarum 1513 T e et usque, et usque, et usque,
et usque, et usque ego/Adoriar mulis. Noctes nullas cogita, /
sti-
A C T U S IV. S C E N A I X . 1515
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1545
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Ego anxium te, ego timidum, ego pallidum Ad quamvis umbram reddam. BEL. Ah quid feci miser? CONS. EX me quid feceris audies. Tu foeminae Parères, exuisti virum; &, ó dedecus, Qui hostili ferro non fuisti territus, Muliebri verbo concidisti perditus. Satfsne apertè haec fabulor? Silentium Mihi imperari non sino; tacens loquor. BEL. O parce Numen! CONSC. Christiani principem Gregis, nefarijs, Improbe, conatibus Romanis expulisti immeritò moenibus, Praeclare Christiani dux Exercitüs. BEL. Urgebat foemina. CONSC. Itine verò? Faeminam Tu Numini anteferre? Partam praelijs Cruentis gloriam metu corrumpere Inani? Pluris facere unius gratiam Mulierculae, quàm leges justitiae? BEL. Pudet Me facti. CONS. Utinam puderet! Imas te abderes In terrae latebras, clarumque refugeres diem, Ne conscia te vivum viderent sidera. Sed prodi, licet, in publicum; veterum nihil Videbis decorum; vanuerunt fornices Tui triumphi; applausus populi obmutuit, Militum amor desijt, cessit Felicitas In debellandis hostibus, quamque unicè Spedasti Augustae gratiam, illam tu unicè Senuisse, cecidisse, perijsse senties. BEL. O detestabile facinus! Quo corrui? Quae noctes mentem obnubilàrunt impiam? Meam quae tumulentia rationem sopijt? Ego Arrianis improbior; nam parserant Silverio i Ili ; ego Gothis saevior extiti, Quos vici bello, vici & inclementià. Heu me, quis desperato sufficit animo Consilium? POEN. Tempori adsum, lapsum ut in pedes Iterum erigam. Belisari, Belisari. BEL. Quis est, Qui me? POEN. Quid anxius terram circumspicis? Caelum tuère. BEL. Pudet os coelo ostendere
1515 ego te timidum 1517 Ex me audies, quid feceris. U t foeminae
1544 Quae temulentia puit? 1546 Silverio ij: ego
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rationem so-
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1555
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isso
ACTUS V. SCENA I.
Invisum. POEN. Hue saltern adverte. BEL. O quàm te conspicor Virago? an rebus in arctis est, quod consulas? POEN. Est, est, Belisari. Sum etenim Poenitentia, Docta medicinam facere affectis mentibus. BEL. O tempestiva salus. Affunde vulneri Ardenti frigidam. POEN. Animus poenitudine Valescet aeger. Gravis est noxa, praesulem Romanum injurijs circumventum & dolis, Multare exilio. BEL. Novi equidem, & nimis probè: Sed eheu, designavi. POEN. Hic opus est lacrimis, Belisari. Häc unda crimen dilues tuum. BEL. Vix aegrum colligo animum: sed colligo tamen: Placet consilium; fletu plorabunt genae, Planctu sonabunt pectora; stipem prodigae Manus effundent. Stomachus ad jejunium Assuescet; Lingua funditandas ad preces. Ignosce, magnam qui regis orbis machinam, Ignosce; aut poenas, hie dum supero, à me exige; Poenas tamen dementes, nec meritis pares. Aedes tibi sacram sumtu condendam meo Voveo, in piaculum: parce Belisario. Caeterùm ego res jubeo valere bellicas; Abijt à me melior fortuna; viribus Destituor pristinis; sumque impar hostibus, Quos caedere sueveram. Valete moenia Romana, nec timete jam Gothi meas Superati vires; me enervavit foemina: Quondamque victor ad triumphum ex Africa Qui redij, Roma redeo, heu redeo inglorius! A C T U S V.
Scena
I.
ABLAVIUS. MARCELLUS. SERGIUS. DETRACTIO.
1585
ABL. NUnquid jam cognovistis, oculum Graeciae, Romanae gentis gloriam, Byzantij Decus immortale, hue appulisse ex Italia? DET. Quemnam Thrasonem hic dictitat? Belisarium Opinor. MAR. Illum Regum victorem omnium?
1570 Ignosce aut nach 1581 Finis actus quarti.
(59)
(60)
ACTUS V. SCENA I.
1590
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1605
1610
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1620
ABL. Ilium, qui nuper in triumpho Gilimerem Duxit. Redijt heri, sed absque Exercitu. MAR. An re malè gesta? an alium expectat improbus Triumphum? ABL. Adesse ajunt, petat uti praemium Assertae Romae. DET. AC si ille Romam asseruerit? Militis hoc erat. SERG. Obnoxium sibi Caesarem Habet jam pridem; Imperij si partem petat, Obtinuit. MAR. HOC defuit illì hactenus unicum, U t Caesar nondum audiret. ABL. Me superstite Non audiet: per hoc ego telum diero, Me non passurum. SERG. At Imperator, si velit? ABL. Stringi ferrum etiam in Imperatorem potest. Quin ergo, si viri sumus, Rempublicam, £ t n o s his liberamus contumelijs. SERG. Quem vindicandi ostendis ergo tu modum? ABL. Si impunitas est, dicam. MAR. Erit. ABL. Non anteà, Quàm vosmet ad silentium auctoremini Aeternum. MAR. Etiamsi me fidiculis torserint, Flagris ceciderint, facibusque adusserint, Si enunciaro, meum caput esto sacrum Inferis. SERG. Eadem ego devotione fidem obligo. ABL. Nullusne nostras alicubi res aestimat? Hoc hoc putate strictum telum in Caesarem Nudari; häc ille manu procumbet victima; Jovem juro lapidem; non patiar hoc meis Jugum imponi cervicibus, ut & Caesari Et civi serviam. Si vobis animus est, Idem audendi, stringite ferrum, & date symbolum. MAR. SERG. Audemus, conjuramus. MAR. At tu videris, Abiavi, quo caedem loco, quo tempore Patremus. ABL. Haec mihi cura erit. Percommodùm Tamen arbitror, diem differre in crastinum, Dum matutinus ad templum reviserit. SERG. Placet. Eo nunc, & quod facto opus est, apparo. ABL. Ad tesseram quam dabo, gnaviter insurgite; Reliquum intùs indicabo.
1589 mala 1596 deiero
1605 facibus adusserint 1607 ego ceremonià fidem
56
ACTUS V. SCENA II. S c e n a II.
LOGOTHETA.
LOG. QUas res actitant Mortales? in quas praecipitant insanias? Consilia temerant, dum iracundiae litant Suae. Per rimulam casu prospexeram, Vidique strictis stare cum mucronibus Ter geminos è senatu; quae me advertere Res caepit; cum repentè, ó scelus, exaudio, Quas moliantur Caesari insidias. Nihil Me ante hunc diem perinde attonuit. Horrui Reguique, non secus ac si gladius jam meo Defixus lateri haereret. Nam qua sunt viri Audacia, non priùs absistent, quàm suo Potiantur voto, nisi quis flammam oppresserit Jam jam exarsuram; quod ego certè pro meà Virili ut possim, nitar. Res hoc publica A me exigit, ut meum defendam Principem. Sciet per me, quae gliscat conjuratio.
(62)
S c e n a III. JUSTINIANUS
cum suis.
EUSEBIUS. L O G O T H E T A . ABLAVIUS. MARCELLUS. SERGIUS. TRIBONIANUS. JUST.
ANnus mihi propemodum, annóque longior
Visa est nox istaec, dum operior crepusculum. Identidem nescio quid umbrarum mihi Somnum intervellit: inter tela micantia Sicariorum errabam, & in discrimine Positus, nihil metuebam; illi ferire me Etsi volebant, nequiére tamen; nescio Quo intercedente. Quae tametsi somnia Mera sunt, quietem tamen impedierunt meam; Sed nulla his noctium est ludibrijs fides. Excusso quare somno de Republicà Agendum est, Patres. Inde acturi Numini Grates, visemus tempia. LOG. Has, Caesar, litteras 1627 Tergemir.os 1635 Jamjam
ACTUS V. SCENA III.
">55
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Perlege, magni rem continent negotij. JUST. Legam, sed opportuniore tempore, Ac tu nunc postulas. LOG. Nunquam opportunius, Auguste, quàm in praesens. JUST. Senatum ubi misero, Tunc denique legam: res privatae publicis Sunt posthabendae, Logotheta. LOG. N o n nescio Hoc, Caesar. Sed ubi hanc tu privatam omiseris, Nil dein in publicis tu certè effeceris. Te per ego, vitamque tuam rogo. Saltern aspice Primores litteras; si differs, frustra eris. JUST. Evincis importunus, recludo, & lego. Superi omnes quid contueor? ubi praetorius Est miles? stipate Imperatorem; impias Arcete manus. Ego hic videam Sicarios? Ego in Senatu parricidas? hostium Ego inter agmina, quàm inter cives tutior? Cingite corona cunctos. Eus. Quid commeruimus, Auguste, quo spectant istae querimoniae? JUST. Itane? quos censui ego mihi fidissimos, Illi conjurent, hodiéque meum sibi caput Despondeant? TRIB. Ne praecipita, Caesar; solent Quandóque insontes insimulari: certius Explora, si quos suspicäre noxios. Ego bene me habeo. Eus. Nullius mihi conscius Sum injuriae. OMN. Pereat, qui malè vult Caesari. JUST. Abiavi, quibus unquam ego te affeci injurijs, Ut me occidere velles. ABL. Egon' te occidere? Vitam animàmque profundere pro te, Caesar, velim. JUST. Comprendite scelerosum. ABL. Auguste, non fero Injuriam hanc; Senator sum. JUST. Comprendite, Inquam. ABL. Vis haec est. JUST. Marcellum atque Sergium Perinde invadite. MAR. SERG. Quid fecimus? innoxij Sumus. Nihil commisimus. JUST. Perquirite An sicas uspiam abdiderint. ABL. Nihil fero Telorum; absistite. OM. SEN. Salva res, telum patet. JUST. Haec in Senatum tela quis mos patrius Permittit ferre? Nempe in Caesaris caput Erant nudanda. Haec mihi meorum civium Rependitur benevolentia. Beneficijs
1652 Pellege, magni 1690 benevolentia?
57
(63)
(64)
58
1695
1700
ACTUS V. SCENA IV.
Meis haec gratia est. Abripite in carceres; In quaestionem mittite. Prodant conscios. ABL. MAR. SERG. Cives Romani sumus. JUST. Imò sicarij Estis nefandi. Abripite, & conspectu è meo Subducite. Vos verò accurate jam, Patres; Ne quid seditiosorum hominum ergò civitas Turbet. Disponite per totam urbem vigilias, Munite carceres. Ego de consortio Reorum quaestionem habebo. Logotheta, Mecum palatium pete. Tibi Ablavij Locum munusque decerno; quando mihi Indicium fecisti; hoc mereris praemium. Scena
IV.
FAMA. D E T R A C T I O .
1705
1710
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1720
FAM. PEregrinas hactenus narravi fabulas; Quid in Africa fieret, quid circa Gilimerem Fortuna lusitaret. Nunc de Civicis Rebus aliquid mentibor; vidi ad carcerem Ductari vestrae civitatis principes; E t vos vidistis. Nihil hìc denarro novi, Sed exteris res mirè mira videbitur, Qui non spectarunt ipsi. DET. Quanquam haud omnia Etiamdum scitis, quae ego paulò antè comperi. FAM. Quae compereris, Detractio, etsi egomet scio, Tamen his denarra; te magis quàm me audient. DET. Tres ducebantur conjurati, Ablavius, Marcellus, Sergius; sed plures consci j Putantur, nec de plebe postremissimi. FAM. Et jam alios attigit suspicio, sed alios Propediem attinget. DET. Vultis de uno noscere? Nondum illi omnino ad carcerem devenerant, Cùm propalam de se omnes confessi, omnia Aperuérunt: & conscium Belisarium, Auctorémque suae fecerunt dementiae. FAM. Utcunque res habet; ego haec, sicut audii, Divendo; impono ego alijs, sed alij mihi.
1691 est?
(65)
A C T U S V. S C E N A V.
S c e n a V. EUSEBIUS. PRAECO,
1730
1735
1740
1745
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1755
cum cohorte. BELISARIUS.
Eus. AEGrè hoc defungor munus; quem mihi unicum In paucis habui amicum, ilium ego jam ducere Captivum cogor; sed parendum est Caesari. Has cinge, miles, aedes: nemo hinc exeat, Introeat nemo. Tu Praeco, Belisarium Reum cita. PRAEC. Belisarius, quòd Caesari Molitus est insidias, prodeat foràs, Seséque dedat. EUSEB. Nemo dum se commovet, Iterum proclama. PRAEC. Prodeat Belisarius, Seséque dedat Caesari. Eus. Extremùm evoca. PRAEC. Reum Belisarium imperator evocat, Ut sese dedat. N i paret, numero hostium est. BEL. Quid sibi vult, cives, istaec insolentia? Quem vos latronem his quaeritatis aedibus? Eus. Captivus magni esto, Belisari, Caesaris. Ita Imperator imperat. BEL. Ego Caesaris Captivus? qua de caussà? Eus. Postmodum scies. Nunc pare, & hunc ascende currum. BEL. Dum manus Mihi haec restabit, dum pars vitae suppetet, Hoc in me nunquam admittam dedecus. Eus. Cave, vim paremus. BEL. Vi repellam. Famuli herum Defendite. Eus. Belisari etiam atque etiam vide, Cuìnam resistasi Caesar est. Longas manus Scis esse Regibus; quod nequeunt nutibus, Vi possunt. Trade ferrum, Se sponte obtempera. BEL. Habe ergo, & defer Caesari: hócque dicito; Nisi hunc Belisarius ensem habuisset, Africam Tu non haberes, Gothorum essent moenia Romana, non tua; formidares Persicos In horas enses. Hunc adirne, hunc Belisario, Quo imperium tibi servavit, auxit, reddidit. Nunc dedo me: ductate, ubi meritis locus Est nullus. Eus. Temperatè hoc infortunium Fer, Belisari. Vos ducite ad palatium. BEL. O Caesar, Ó Caesar; meümne hoc praemium?
1732 commovet? 1741 causa 1749 obtemp(o)ra (Schreibfehler)
1754 adirne ensem Belisario, 1759 Caesar; meruin' hoc
60
A C T U S V. S C E N A VI.
S c e n a VI. TRIBONIANUS,
cum satellitio.
PRAECO. CARNIFEX. ABLAVIUS. SERGIUS. MARCELLUS.
1760
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t770
1775
1780
1785
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TRIB. QUando tua, Abiavi, assertione jam palàm est, Ea te tentasse in Caesarem, quorum reus Delatus fueras; audi quam sententiam Jus aequitäsque dixerit, & poenas lue. Lege, Praeco. PRAEC. Cum Marcellus atque Sergius Cum Ablavio nefandè conjuraverint, Necémque Caesari, tumultum patriae, Cladem imperio, tametsi conatu impari Meditati sint, supplicium danto. Sergius Solum patriämque vertito. Sed dexteram Marcello, quä fidem datam violaverat, Ferrum amputato. Ablavio nefarium Caput à cervice carnifex avellito. Omnes Senatu, dignitate, munere Privantor. Ablavij domesticae imagines Demuntor, comminuuntor, abolentor. Jubet Hoc Caesar, cumque suo Senatus Caesare. ABL. Indictä causa ego moriar? TRIB. Dicta satis est, Cùm fassus, atque tela habere visus es. I, téque excipiendam ad securim compara. Hinc amovete Sergium; ante vesperum Finibus excedat patrijs. SERG. Heu quid imperas? Gratia mihi est, post istam contumeliam Patria si pellar. Saevires, si in patria Patriaéque aspectu me juberes vivere. TRIB. I, lictor, Marcellum animadverte. MAR. Dexterae Jactura levis est; dignitatis me pudet Amissae. TRIB. Facinoris puduisset rectiùs. MAR. Jam vive, Caesar, securus de caetero, Si sola haec in te conjuravit dextera; Cecidit mea; sed tu cave, ne quä altera cadas. TRIB. Produc Ablavium, Sc age lege carnifex. CAR. Hie in pedes procumbe. ABL. Nempe supplicem Me habebit Carnifex, qui supplex Caesari
1772 carnufex 1775 comminunt(o)r 1783 Saevire (irrtümlich)
1 7 8 8 — 1 7 9 0 fehlt 1793 carnufex,
61
ACTUS Y. SCENA VII.
1795
1800
Non fueram? CARN. Cervicem hìc ad ictum cernua. ABL. Tantum ne differ, parces, ubi properaveris. TRIB. Sic pereant mei hostes Ceasaris. Abi nunc lictor, & confringe in publico Imagines Ablavij. Tuque in foro Manum hanc Marcelli, & hoc Ablavij caput Ab alta necte pertica. Deterreant Alios spedata, ne qui impunè existiment Se magnum posse conjurare in Caesarem. Scena
(68)
VII.
JUSTINIANUS. TRIBONIANUS. EUSEBIUS. LOGOTHETA. PHOTIUS c u m
comi-
t a t u . BELISARIUS. CONSCIENTIA.
1805
1810
1815
1820
1825
1794 1796 1800 1801
JUST. SUmtümne est supplicium, de quibus oportuit? TRIB. Ut imperasti. Caeterùm Belisario Q u i d fiet? JUST. Audiemus jam nunc ubi aderit: J a m prodit. Eus. Quaeso te, Belisari, tempera Immodicae irae: Imperatorem ubi conspexeris, Clementiam ora. BEL. Q u i nullius conscius Facinoris est, dementia aliena haud eget. Eus. Sisto Belisarium, Imperator. BEL. Gratias Tibi habeo, Caesar, qui pro Roma & Italia Recuperata, hunc mihi triumphum decernere Voluisti, ut qua quondam triumphans iveram, Hàc hodie captus ducerer. Hoc Gilimer sciat, Sciant hoc Africa depulsi Wandali, Calamitatis capient suae solatium. JUST. Et ego tibi, Belisari, habeo, quòd gratias Agam, qui adversus mea beneficia ausus es Maleficijs contendere improbissimis. BEL. Id verò, Caesar, libere nego, pernego. JUST. Ducamus calculos. Ego senatorium Te optavi in ordinem. BEL. Fateor. JUST. Ego te opibus Honoribusque locupletavi. BEL. Sum memor. JUST. Utinam esses. Ego te bellis praefeci Ducem, Ad Persas edomandos misi; ad Wandalos, C a r n . H ì c cervicem Sic pereant, sic pereant mei D e t e r r e a n t alios Alios fehlt
1804 1805 1816 1819
imperasti, C a e s a r . C e t e r ù m A u d i e m u s n a m nunc capiant i(n)probissimis
(69)
62
1830
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1850
,855
A C T U S V. S C E N A VII.
Ad Gothos, cum imperio legavi, quem sibi Honorem haberi multi frustra optaverant. BEL. Est verò, quod ais, Caesar. JUST. Ego te nomine Etiam imperatoris conspicuum reddidi; Triumphum ut ageres, concessi; quod nemini Post Caesares ab multis retrò seculis Obvenit; primo tibi contigit, & ultimo. Dein quasi parum fecissem, nisi omnia Facerem, Romanum te creavi Consulem. BEL. Nihil horum hactenus ex memoria excidit mea, Ingratus arguar, nisi sim aeternùm memor. JUST. Haec ego cùm in te contulerim, qua impudenti^ Tu mihi moliris insidias? Nil supererai Tibi, nisi ut imperares. Hoc videlicet Agebas, ut cùm tanta à me beneficia Acceperis, imperium extorqueres denique. BEL. Auguste, si huius accusor ego noxiae, Nil excusabo. Defendent me praelia Pro te patrata, defendent discrimina, Quibus ego me, vitamque animamque, & omnia Quotidie exposui; haec clamabunt, Belisarium Esse innocentem. JUST. Omitte haec nomina inania; Non his tua scelera defendes argutijs. Responde ad ea, quorum accusaris, crimina. BEL. Nondum audij, Imperator, quam litem mihi Distinctè intendas. JUST. Conjurasti in Caesarem, Haec Iis est; non verborum diverticulis Jam disceptanda: efficiam, ut nóris, quis dicam Tibi scripserit. BEL. Non conjuravi. JUST. Etiam negas? BEL. Meritò negamus, Caesar, quae non fecimus. JUST. N o n c o n j u r a s t i t u ? N o n t u c u m A b l a v i o ?
1860
BEL. Non conjuravi. Et si rogabis millies, Negabo millies. JUST. Sed verum dicere Cogent tormenta. BEL. Sine tormentis dicere Assuevi verum. JUST. Ergo fateare. BEL. Liberè. JUST. Te conjuràsse? BEL. Non conjuràsse. O fidem Vestram superi! quòd nunquam somniaverim, Ejus ego nunc insimuler parricidij? CONS. Puta hanc legem esse talionis. Redditur,
1826 legavi. Quem
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A C T U S V. S C E N A V I I .
1865
1870
1880
1885
1890
1895
1900
63
Quod Romae expenderás. JUST. An non Ablavius, An non Marcellus, an non istuc Sergius In quaestione sunt confessi, conscium Participémque esse consiliorum hune omnium? LOG. TRIB. Sunt imà, Caesar, sunt confessi. BEL. O pérfidas Hominum mentes! haec mihi convitia irrogent Insonti? CONS. Tandem cogita Silverium; Et ille longé te fuit innocentior. BEL. Testor supremum Numen, Caesar, me mali Fuisse, & esse expertem. JUST. Vile est pérfido Perjurium sicario. CONS. Contemneris Ut verba tu Silverij contemseras. JUST. Non sat probatis id visi probare sunt Indicijs? LOG. TRIB. Luculentis, Caesar, & probis. BEL. O témpora! ô mores! CONSC. Non hodie denique Inolescunt haec judicia; sub te Judice Coeperunt olim; His artibus Silverium, Tute ipse insontem nocuus circumveneras. JUST. Nihil ergo tua morabimur dejuria, Ubi satis testium est. Age nunc homo perfide, Ingrate, nefarie. Devinciri praemijs Quando nequijsti, ut fidus esses; discito Supplicijs colere fidem. BEL. Quia rationibus Hîc locus est ultra nullus; saltern esto precibus, Parce Imperator. JUST. Imperatorem modó Me credis? Vim appellationis senties. Apud Imperatorem hodie frustrà erunt preces. BEL. Parce ergo, Caesar. JUST. Perduelli parcere Vis Caesarem? Et quod nomen tu contemseris, Per illud ores? BEL. Parce Domine. JUST. Senties Brevî, quàm grave sit servo Dominum ofíendere. BEL. Miseresce judex. JUST. Jam vocem tibi congruam Reperîsti; puniré solet Judex improbos. BEL. Patrone. JUST. Cui tarn ingratus tu extiteris cliens? Sed amputa hos morarum titulos, & reus, Quid judex pronuntiet, ausculta. CONSC. Num redit Tibi in memoriam, Belisari, Silverius? JUST. Quia perduellis jus fásque & leges, nihil
1870 Haec irrogent convitia / 1876 U t tutè verba Silverij 1877 probatis visi sunt id prodere /
1879 tempora ô 1898 tu fehlt
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64
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Habuisti pensi, & machinationibus Infandis, jugulum & vitam appetisti meam, Hostem te pronuntio. BEL. Civem, ó Caesar, tuum Servum Domine, Patrone clientem. JUST. Hostem, inquio, Pronuntio. OM. Pereant nostri hostes Caesaris. JUST. Depone militaris decora gloriae. Exsolve cingulum. BEL. Quòd Caesar, quòd mea Mihi virtus comparavit? JUST. Quòd tua scelerea Tibi jam negarunt. BEL. Per salutem te tuam Rogo imperator, per si quid bene merui, Obtestor, hàc me absolve contumelia. JUST. Merita, quae tu mihi memoras, nil audio. Exsolve cingulum: ne sacrae insignia Pollue virtutis. BEL. Quando nec preces quidem Valent insontis, cedat innocentia Jam vieta, succumbatque virtus. Caesari Quàm obtemperaverim semper, nunc denuo Monstrabo. Insigne virtutis meae exuam Conceptis verbis, Caesar; Christe, qui meo Pro scelere innoxius poenas persolvere Voluisti ; exemplo ego tuo istuc cingulum Solvo immeritus. Quanquam quid immeritus? satis Satis hoc emerui, memini, quid Romae egerim; Hodie expiabo. JUST. Patritij generis notas, Armillas atque torques, tolle, & annulos. CONSC. Et foediora tu quondam in Silverium Patrasti. BEL. Abite spolia, de tot praelijs Praedisque parta: si Imperator his eget, Abite. JUST. Pone haec indumenta, & abdica Te laticlavio. BEL. Hem! tu amicum diripis? Diripe; si quod spolium tui Ducis vides. Certè meus tu miles fueras. PHOT. Desijt Felicitas, Belisari, cùm tua desijt Etiam amicitia. BEL. Video, video. CONSC. Jam luis Silverium, Belisari. JUST. Familia atque opes Fundique, & quicquid uspiam possederas, Aerario, fiscóque attribuitor. Tu egens Misérque errato, sed nulli miserabilis.
1912 siquid 1914 Merita, quae mihi tua memoras? N i l audio.
(72)
1923 ego iam tuo, istuc 1932 laticlavo. Bel. Etiam tu amice? Diripe/
ACTUS V. SCENA V i l i .
1950
Patriam tarnen relinquo; sed ne patriam Ingratus spectes, oculos lictor effode Funestos. BEL. O supreme Judex! Arbiter Cunctorum, agnosco, agnosco dexterae tuae Vindictam. Ego ne haberem iratum mihi Caesarem, Te quondam laesi. Eheu sentio, sentio manum Potentem; nil recuso; 6 coeli sidera Stellantis, quae nunc supremüm eheu contuor! O patria, quae triumphantem me videras, Videsque nunc captivum! o cives, qui meos Spectastis saepe honores, visuri modo Exoculum! Ite, & aliquam in rebus mortalibus Felicitatem agnoscite; nempe est unica Unlus inconstantiae constantia. Seena
VIII.
CHORUS PUERORUM LUGUBRIS. !955
i960
1965
1970
N O n est gloria vera, vera non est; Quam vos creditis esse, vera non est. Fluxae gloria comparatur undae, Vanae gloria comparatur umbrae. Qui Persas domuit, subegit Afros, Reges expulit, exuitque Gothos: Jam Persis graviora, jamque victis Fert eheu mala diriora Gothis. Cui Reges, populique, prineipesque Ad vestigia cernui jacebant, Quique in Caesaris imperabat aulä, Nunc ä Caesaris exit exul aulä. Plebs cui patria gratulata plausit, Triplex plaudere cui solebat orbis, Hunc & patria pauperem dolebit, Et triplex miserum dolebit orbis. Non est gloria vera, vera non est; Quam vos creditis esse, vera non est. Fluxae gloria comparetur undae, Vanae gloria comparetur umbrae. Seena
IX.
BELISARIUS. ARCADIUS F I L I U S . C Y R I A C U S . TRIBONIANUS. 1975
BEL. ABscede gnate; desere miserum Patrem,
V, 9 CYRIACUS. TRIBONIANUS. fehlt 5
Burger, Belisarius
1975 nate,
66
1980
1985
1990
1995
2ooo
2005
2010
A C T U S V. S C E N A I X .
Dignus feliciori. Quid meas tibi Aerumnas addis? sublevare non potes: Abscede: nihil promittere tibi potest pater, Nihil praestare; abscede gnate, & consule Tibi, quando mihi jam non potes. ARC. Possum, pater: Non abeo à patre, non deserò; vis nulla me Abjunget. Rapiat omnia si Caesar patri, Gnatum relinquet: optimum est Patrimonium, Si pater est. Aedes eripuit, & familiam Opésque Caesar; sed quod erat charissimum Mihi inter opes, reliquit; patrem. BEL. Eheu patrem! Patrem infelicem! Sed qua me ductas via? ARC. Qua Caesaris spectatur aula, qua forum Stadiumque patescit. BEL. Fuge, fuge infaustum locum, Hàc ego triumphans iveram; hic felicitas Me facere ludos caeperat; hic hic me suis Fortuna cachinnis incautum fefellerat. Illam hìc, ubi maximè putabam seriam, Jocari sensi: imo non sensi. Cautior Fuissem, si fuisset hic sensus mihi. Verùm age, nondum ultus sum fortunam: due ubi Quiescam fessus. ARC. Nuspiam est quicquam, pater. BEL. Deeritne locus, ubi caecum mendicabulum Considat? Non jam Serum quaere veliera, ]sj o n Tyriä pulvinos effultos purpura, Ut olim, Gnate; saxum rude, si quod vides, Aut truncum informem monstra. ARC. Cui rei Pater? BEL. Ut paulùm assideam. ARC. In publicóne, mi pater? Omitte: populus est spectator undique. BEL. Bene habet, plaudentem audivi hìc populum & militem, Nunc flentem me populus & miles audiat. Due gnate, ne quietem hanc invide patri. ARC. Quando ita jubes, pater, obtempero, jam hìc asside. BEL. Hunc ego post orbem domitum mereor lectulum ; Q U a quondam sceptrum, 81 fulmineum rotaveram Manu ensem, hàc ligneum protendo vasculum, Stipémque capto: vieti hoc spectent Wandali, Spectent hoc Gothi, & ulti sunt clades suas.
1979 nate, 1983 N a t u m
2001 nate 2 0 0 7 nate
ACTUS V. SCENA IX.
2015
Audite cives, & miserescite milites, Quibus ego quondam hìc distribueram praemia, Dederamque congiaria, vicem reddite, Obulum date Imperatori Belisario; Q u e m fortuna extulit clarum, sed reddidit Invidia caecum. Date, date miserabili Obolum vestro Imperatori Belisario. CYR. Eheu quid contuor? Eheu lamentabilem Fortunam! TRIB. An est Belisarius? est; Ô lugubrem Aspectum. H u e venit ille, tantos qui greges Servorum aluerat? Hue recidit honor vetus, H u e ille victor orbis est redactus, ut Obolum precario hìc mendicet? BEL. Audio Propè abesse aliquos, qui hâc transitum affectent via; Obolum date Imperatori Belisario, Date, date obolum miserabili Belisario. TRIB. Cape munus hoc Belisari; cape quod pluribus Q u o n d a m ipse dederas. CYR. N u m u m habeto hunc aureum A me, Belisari, cui toties stipendia Feci olim. BEL. Parcite cives; pudet agnoscere Veteres amicos; quondam mihi similes; mihi
2035
2040
2045
2C50
Sed nunc longé impares. Abite, & posteris N a r r a t e ; ibi vos conspexisse Belisarium Triumphantem, ubi vos mendicantem postea Videritis. TRIB. H a e c homines homini redhostiunt. Ita disperit amicitia, ita familiaritas Repente mutât; Salve Belisari & vale. BEL. Q u i sunt hi, nate? ARC. Tribonianus est, pater; Et Cyriacus. BEL. O quondam infra me! sed nunc Duci Suo numerant Stipendium, cùm dant stipem. ARC. Heu rumpor prae dolore, eheu rumpor, pater. N o n perfero hos ego questus lamentabiles, N o n perfero, pater. BEL. Alia te, gnate, genuit Fortuna, alia nunc educat. Mater ea erat, H a e c est noverca. Natus patritiâ domo Et patritio parente, posthac exulis Caecati, egentis vives mendicabuli
2 0 2 1 — 2 0 3 8 fehlt 2 0 3 9 — 2 0 4 3 fehlt 2044 r u m p o , . . . eheu r u m p o , 5*
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2045 p e r f e r o , 2046 nate
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ACTUS Y. SCENA X.
Filius infelix. O rerum ludibria Nostrarum! Verùm serò istaec ego conqueror, J a m passus. Cùm rideret olim prospera Fortuna, tunc ego, tunc debebam conqueri; Timere risum debui, ne lacrimas Quondam has timerem. ARC. Pone questibus modum Miserandis, pater. BEL. At nullum fortuna posuit. ARC. E publico saltem quin digredere, 6 pater. BEL. Nihil est privati, quo me, gnate, recipiam? Sed abduce, licet, méque ingratae patriae Ex oculis tolle, quando se illa mihi abstulit. Cives hoc omnes unum, hoc omnes exteri Meis ex infortunijs addiscite. N e quem felicitati ulli habeatis fidem; Fugiat felicitatem immodicam, qui timet Infelix esse. Q u ò d altum est, altè labitur. Scena
Ultima.
FORTUNA, c u m C o m i t a t u .
2070
2075
2080
FORT. HAS leges dixére Superi Mortalibus, Nemo ut ita felix esset, fieri quin miser Quandóque posset. Dixi me velie specimen Edere Duce in Belisario; quem si probè Vidistis, quisquis se vidistis. Is abijt Hodie per praeceps; exemplum alius crastinae Erit ruinae: hàc omnes sistunt in rota; Hanc verso in horas, & momenta, qui stetit In summo felix, & securus vertice, Agitur deorsum ad nutum Providentiae Extemplò, subitque ad suprema infimus, Aeternä lege. Prodite Comites mei, De vitae gloria quid censetis? agite. p A V . Sagitta est, avolat pernix, nunquam redit. FEL. Aura est instabilis; nullius patiens status. FAV. Unda est, hàc affluit momento, hàc diffluit. FEL. Umbra est, quantò magè crescit, vanescit magè. FAV. Vitro est fragilior. FEL. Fluctibus inconstantior.
2052 serò ego istaec conqueror, 2055 lachrymas 2058 quin fehlt
2059 nate, 2063 addiscite, 2077 Extempulo.
A C T U S V. S C E N A X .
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FAV. Somno fallacior. FEL. Vapore vanior. FAV. Amico blandior. FEL. Hoste periculosior. FORT. Abunde est laudum; hos titulos mundi gloria Gerit; hanc honores habiti referunt gratiam. Amat tarnen orbis gloriam hanc; amat, inquio, Fugientem etiam, & fallentem, & saevientem, amat: Heu quid faceret, si paululùm constans foret!
2091 Heu quid faceret, si blandientem cernerei? / Quanquam 6, blanditur gloria; at constantior, / Perenniorque,
illam adamate, illam quaerite / Felices ilia servat omnes, et facit.
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Summarischer jnnhalt der historischen Tragoedien VON dem Christlichen gewaltigen Feldobristen vnd Hauptman BELISARIO. Wie solcher von höchstem1 glücklidiem Wolstandt / in äusserstes vnglück vnd not gerathen. Beschehen Vnder dem berhümbten Kayser I u s t i n i a n o , Vngefahr vmb das Jar Christi vnsers HERRN vnd Seligmachers Fünffhundert / dreissig / biß auf das Sechtzigist. Gehalten In der S o c i e t e t I E S V Gymnasio zu München. Getruckt Durch Nicolaum Henricum, Anno 1607 KURTZER INNHALT DER TRAGEDIEN. Belisarivs hat sein vrsprung vnd herkommen von den Edlen vralten Rathßherren der newen Statt Rom oder Constantinopel. Im Krieg / Triumph / Victori vnd Burgermeisterammts Verwaltung ist seiner zeit kein Hauptman jhme gleich gewesen: Jn glück vnd vnglück jederman wol bekannt, Hat Kayser Iustinianum wider seine abgesagte auffrhürische Feindt errettet vnd beschirmet: Africam den Wandalen abgetrungen: Rom vnd Welschland von den Gotthen erledigt: andere Völcker gedemmet vnd gestillet: Zwen König gefangen vnd im Triumph geführet: Mit Reichthumb / glücklicher wolfahrt / pracht vnd herlichkeit / fast alle Kayser vbertroffen. Mit einem ding aber hat er diß alles verschertzt / in deme er Bapst Siluerium, wider alle sein dignitet und würden / ungebürlich tractiert, vnd endlich in das elend- verschickt. Vnd als jne sein aigen Gewissen wegen solcher der Bäpstlichen Heil, zuegefügten schmach vnd injuri vberzeuget / ist er endlich ohn allen Preiß vnd ehr / ja auch one hoffnung ainiches hinfüro glücklichen Feldzugs / widerumb anheimbs gen Constantinopel kommen. Allda er bey dem Kayser einer coniuration vnd verrätherey wider denselben (die sey gleich wahr oder erdicht gewest) bezichtigt / der jhne 1
Umlaute, die im Drude durch übergeschriebenes e (z. B. o) gekennzeichnet sind, werden in der heute üblichen Schreibweise wiedergegeben. Abbreviaturen werden aufgelöst (unsichere Auflösungen in Klammern). Der Unterschied von Fraktur (normaler deutscher Text) und Antiqua (lateinische oder latinisierte Wörter) wird nidit wiedergegeben.
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alßbald aller seiner guter beraubt vnd dignitet entsetzt / die Augen / wie etlich fürgeben / außstechen lassen / daß er zu letzt das Almosen öffentlich betteln müssen. Darauß alle Menschen deß glückrads vnbestandt vnd wanckelmütigkeit wol zu erwögen haben vnd zu bedencken / ob diser Belisarius glück- oder armseliger auf! diser Erden gelebt hab. ACTVS
PRIMVS.
S e e n a I. BElisarius kombt mit seinem sigreichen Kriegßheer auß Persien zu Constantinopel mit grossen freuden an. Allda er dem Kriegßvolck / da er ainiche beschwerd oder klag wider jhne hett / dieselb fürzebringen völligen gewalt geben / welches jhme doch alle glückliche wolfahrt / mit frolocken vnd hell erhebter stimm / wünschet. Darauff er dem Kayser seines verrichten Kriegs relation thut. S c e n a II. Fama zaigt an wer sie / vnd was jhr thun vnd lassen / vnd wie fürwitzig newe Zeitung zehören / der gemaine Pöfel sey. Berufft das Volck zusamen / deutet kürtzlich an / was sich vmb wegen deß Gilimers in Africa geübten Tyranney für ein lermen erhebt hab: Vermaint / es werde ein Krieg abgeben: Eylet hinweg / solche zeitung mehren andern zuuerkündigen. S e e n a III. Fortuna erklärt wer sie sey / was sie für gespilen erwöhlet hab: Vnd wie sie auß der Providentiae verwilligung / auff ein newes / wie sonsten bißhero ohne vnderscheid beschehen / in jederman gewalt empfangen hab. Wird endlich von jhren vier gespilen Fauore, Felicitate, Contemtu vnd Calamitate in einem Wagen für deß Kaysers Pallast geführet. Seena
IV.
Iustinianus erzehlet dem Rath deß Gilimeris der Wandalen Tyrannen rebellion, begert was hierinnen zethun / Ob es rathsam sey denselben mit Kriegßmacht zu überziehen. Als aber die Rathßherren sich vber dise Frag nit resolvirn noch vergleichen kondten / Kombt ein erbarer betagter Bischof / vermeldet / jhme sey von Gott geoffenbaret worden / man solle mit dem Krieg nit feyren / Derowegen sie dann mit ainhelligem consens den Gilimer in die Ach thun vnd für ein Feind erklären: Erwöhlen zu einem Obristen Feldherrn dises Kriegs den Belisarium. Darauff alle vnd jede dem Jmperatori glück wünschen / vnd gehen die Rathßherren widerumb zu Hauß.
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Deutsche Perioche
Seena
V.
Durch den Praeconem wird das Kriegßvolck zusammen beruffen / dem Belisario so alsobald kommen wird / auff den dienst zewarten. Pamphilus aber ein vnrhwiger Kopff kan nit feyren / raitzt seine gesellen zum fechten an / Vnd als er eben mit dem Philodamo ein gängle thun vnd auffheben wolte / wird solches durch deß Belisarij ankunfft verhindert. Seena
VI.
Belisarius last öffentlich außschreyen / daß alle Kriegßleut / so mit jme auß Perside Sighafft heim(b)kommen / sich wider die Wandaler / dieselben zu beherrschen / sollen gebrauchen lassen / er wolle jhr Obrister Feldherr sein. Alßbald erbieten sich dieselben ainhellig mit lauter stimm vnd mundt / Jhme / wohin er sie gebrauchen wolte / zudienen vnd nachzuziehen. Schwören jhme darauff ein Ayd. Er aber beuilchet alßbald / daß alle die gemustert jhme geschworen haben / sich mit Speisen erquicken / vnd in jhrer Rüstung erscheinen sollen: Die Arrianischen Ketzer aber / die Rauber vnd Vollzapffen / werden von disem Krieg abgeschafft vnd abgewisen. Seena
VII.
Virtus sambt Labore vnd Honore zeucht dem Belisario vnd seinem auffrechtem wolgeordnetem Kriegßheer auff der Fersen nach. Invidia will gleichßfals mitziehen. Vnd ob wol Virtus solches zuuerhindern sich vnderwunden / nichts destoweniger mischet sie sich verborgens vnder jhre gesellschafft. ACTVS
SECVNDVS.
Seena
I.
NAch dem Gilimer / so wol vmb wegen / daß er seinem Vettern Hilderico gwalt angelegt / vnd sein Reich wid'redit vnd billicheit für eygen eingezogen vnd gebraucht / als daß er auß dem Justiniano das gespött vnd speywerck getriben / in grossen ängsten stunde / Sihe da strafft jhne Conscientia, vnd verweiset jme zum höchsten solches buebenstuck vnd laster / mit protestiern / werde er von dergleichen vbelthaten nit abstehn / solle er nimmer mehr rhwig leben. Darauff kombt Metus, trowet dem Gilimer / weil der Kayser erzürnet sey / werde er mit Kriegßmacht solches an jhme rechen. Gilimer waiß vor schrecken vnd forcht jhme selbst weder zuhelffen noch zerathen / beuilcht endlich dem Ammati, solle seinem Vettern Hilderico, den er biß auff den selbigen Tag in gefängnuß verstrickt gehabt / das Haupt abschlagen / damit jhme alle hoffnung jemals widerum(b) zum Reich zekommen abgeschnitten werde: Schaffet dar-
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neben dem Sonzoni, solle wider deß Kaysers ankommende Kriegßmadit / Knecht werben vnd mustern. Seena
II.
Sonzon schickt Gensericum Knecht im gantzen Land anzenemmen / er aber last öffentlich vmbschlagen vnd Kriegßvolck werben. Gurges vnd Asotus nachdem sie jr gütle in den Wirtshäusern vnd Jarkuchen durch die Gurgel gejagt / wollen sich in Krieg schreiben lassen / der hoffnung / möchten diser gestalt reicher werden als in Wirtshäusern. Disen volgen nach Hippus vnd Dauus, welche mit händen vnd füessen fechten vnd streitten können / aber doch mit den händen nit so wol als mit den Füssen. Hanno verheisset auff gut Barbarischer sprach / sich im Krieg gebraudien zelassen. S e e n a III. Ergastularius beklagt sich ob deß Gilimers Tyranney: bewainet den jammer vnd trübnuß deß Hilderici, der alßbald enthaupt solle werden. Vnder disem tragt Ammates deß Hilderici abgeschlagnes Haupt auß der gefängnuß herfür / bringt es seinem Brüdern Gilimer. Ergastularius öffnet entzwischen die gefängnuß: sagt den gefangnen in was gefahr sie alle seyen: gibt den rath / sollen alle mit jhme zu dem Belisario, der allberait mit seinem Kriegßheer schon ankommen / fliehen. Volgen von stundan / vnd fliehen samentlich miteinander darvon. S e e n a IV. Den Wandalen als feinden / wird nach altem Römischen gebrauch ein Krieg ankündet / ab welcher ankündung der Sonzon vnerschrocken ebnermassen dem Belisario hingegen auch Krieg ansagt / vnd zugleich mit Heereskrafft auffbricht / Alßbald schreyet man Lerma / Lerma / vnd zeucht dem feindt in der Ordnung entgegen. S e e n a V. Als Belisarius der feind geschrey erhöret / richtet er von stundan auch sein Volck in die Ordnung / stellet etlich an ein heimlich verborgen ort / damit sie den feindt vnfürsehens / oder wann er fliehen wurd / vberlauschen möchten. Nachdem er nun seinen Knechten zugesprochen / last er aufftrommeten vnd den feind angreiffen. Darauf? erhebt sich beeder seyts ein groß geschrey / die Kriegßheer lauffen zusamen / streitten miteinander / das Geschütz erhallet allenthalben. Vnd anfangs zwar hat man lang gestritten / daß man nit gewust / wer oberhandt hett / entlich aber weichen allgemach die Wandaler / werden doch geschlagen vnd biß auffs haupt erlegt: Gilimer saluiert sich in ein Schloß / welches der
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Belisarius von stundan dem Phara mit einem theil des Kriegßvolcks zu belägern anbevolchen: mit dem vbrigen hauffen kehret er widerumb in das Läger. Seena
VI.
Fortuna zaigt an wie vbel der Gilimer sey betrogen worden / als der sich mehr dann zuuil auff den Fauorem vnd Felicitatem verlassen / vnd das konfftig herein schleichende vnglück nit fürsehen hat / da jedoch die Prouidentia jederzeit jhr Aug auff diß gehabt / wie sie sich an seiner Tyranney vindiciern vnnd rechen köndte. Seena
VII.
Fama berufft den fürwitzigen Pöfel / so newe zeitung zehören gar begirig ist / Vermeldet vnder andern / was für grosse not / hunger vnd durst der Gilimer in der belägerung außstehe / Vnd daß die Königklichen Kinder schier vor hunger sterben / also daß eines dem andern den halb geknöten oder außgewirckten Taig gleichsam auß dem Rachen deß Mündts herauß reisse. Diß alles aber werde das Volck außführlicher von dem Botten / welcher alßbald kommen solle / vernemmen. Seena
IIX.
Als Polypragmon vnd Periergus zween Kriegßleut / von der Fama vernommen / daß ein Bott kommen solle / haben sie besorgt / es möchte vnder dem Botten ein Außspeher verborgen sein / vnd derwegen die Wacht gehalten. Philodamus vnderweiset die Landtßknecht bey was zaichen sie ein Außspeher oder Verrhäter erkennen sollen: dadurch er sie beede betrogen / vnd einen dem andern verdacht gemacht / biß letztlich aller betrug offenbar worden. Daher sie dann den Botten aufffangen / zur folterung führen vnd besprachen / J n deme er aber zu einem andern Richter appelliert, Sihe / da geht Pharas der Hauptman herfür / dem vberraicht er deß Gilimers Brieff / in welchen er den feind hochfleissig bitt / Erstlich / vmb ein kleines stücklein nur deß schimligen Brots / dann jhne die äusserste hungers not darzu treibe. Zum andern / vmb ein Schwammen / die Zäher von seinen Augen darmit abzutrücknen. Zum dritten / ein Harpffen oder Zitter / auff daß er sich selbst noch bey lebendigem Leib / als ein Todten vnd verstorbnen besingen möge. Seena
IX.
Kommen acht junge Knaben herfür / welche deß Gilimers höchstes glück mit seinem letzten Jammer vnd elend / sein herrlichen standt vnd vberschwenckliche Reichthumb / mit seiner von ewigkeit fürsehnen ausser-
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sten Armut / in einem Klaglied vergleichen / vnd die vnbeständigkeit deß Menschlichen wesens bewainen. S e e n a X. Gilimer nach dem er sich zu gnaden gefangen geben / wirde dem Belisario fürgebracht / Vnd als nun etliche sich hoch verwunderten / warumb der Gilimer in disem seinem betrübten stand / in deme er sich damals befände / also vber die massen lachet / vnd frölich erzaigte / Sagt er / köndte sich deß lachens darumb nit enthalten / dieweil das Glück eben wie ein Äff mit jhme spilet vnd vmbgieng. Dann weil die Fortuna mit mir schertzet vnd kurtzweilet / Regieret ich gantz Africam / jetzt aber wirde ich von meinem Reich Verstössen vnd gefängnusset. Ermahnet derhalben den Belisarium, solte disen seinen vnfall jhme ein warnung sein lassen / vnd sich bey Zeiten vor schaden vnd vnglück fürsehen vnd hüeten. Diß alles Belisarius mit seufftzen angehöret / vnd beuilcht dem Cyriaco, solle den Gilimer in verhafft nemmen. Das gantze Kriegßvolck grüest vnd nennet Belisarium jhren Jmperatorem, Belisarius schickt darauf den Procopium mit Brieffen zu dem Kayser / von jhme den Triumph vnd herzlichen Auffzug zuerlangen. ACTVS
TERTIVS.
Seena
I.
EVsebius nach dem er das Kayserliche Mandat öffentlich außruffen vnd anschlagen lassen / berufft er die Rathßherren auff das Rahthauß / deß Kaysers Iustiniani willen vnd mainung anzehören. Denen aber welche nit gehorsamlich erschinen / wird ein straff aufferlegt. Seena
II.
Invidia verdreust vber die massen / daß dem Belisario von jederman so grosse Ehr erzeigt vnd erwisen wirdt / Wendet allen fleiß an / dieselb nach jrem vermögen zu schmelern vnd zuhindern / Darzu braucht sie dann jre zway Kinder Mendacium vnnd Detractionem. Vnnd zwar Mendacium nach dem er lang gesuecht worden / entschuldiget sich bey seiner Mutter / mit fürgeben / daß er gar vil zuschaffen hab / müsse hin vnd wider lauffen / dieweil vil seiner hülff vnd rath begeren: Stehe derhalben in grosser gefahr / daß er von wegen solcher grossen mühe vnd arbeit letzlich vmb seine füß komme: begeret darumben man solle jhm fligl anmachen / damit er desto hurtiger allen könne gnug thun. Invidia endecket jhren anschlag vnd fürnemmen / schicket die Kinder in deß Kaysers Pallast / sie wolle aber sich eigner person im Rath finden lassen.
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S e e n a III. Nach dem Iustinianus von deß Belisarij eroberten Yictori gehöret / hat er der Rathßherren gutachten darüber anhören wollen / deren etliche die That hochgeprisen / andere aber auß N e y d gantz verächt: vnd verkleinerlich daruon geredt haben / Der Kayser aber sagt / die sach sey nach seinem wünsch vnd willen verricht worden / Derwegen er denn auch den Belisarium seinem verdienst nach / Jmperatorem nennet vnd grüsset / Vnd zugleich jhme für sein wolverdienten Lohn / ein vber die massen herrlichen Triumph decerniert vnnd verordnet / vnangesehen das Ablauius sich höchstlich darwider setzte. Seena
IV.
Virtus wirdt von Edlen Knaben begleitet / tritt auff den Plan herfür / beuilhet daß man den Weg / durch welchen Belisarius Triumphirend auffziehen wird / auffs stattlichste zieren solle. Den Dienern gibt sie guldine Ketten / Armbänder / Coronen / vnnd dergleichen Ehrengaben dem Belisario zuzestellen / mit welchen er seine woluerdiente Soldaten verehren vnd bereichern möge. Gibt darauff Ordnung / daß man ein herrlichen vnd Fürstlichen Bogen / wie Sieghafften Leüten zu ehren gebüret / auffrichten solle. Seena
V.
Ablavius nach dem er von deß Belisarij Triumph gehöret / reisset / wütet / vnd tobt vergebens darwider / vnangesehen die Jnuidia jhne hefftig zu solchem anreitzt vnd entzündet. Seena
VI.
Alß Belisarius den Triumph erlangt / hat er nach Kriegßbrauch zu dem Kriegßvolek ein Red oder Predig gethan / darauff er den Soldaten die sich Ritterlich gehalten / Ehrengaben außgetheilt. Zwen Soldaten aber / so jre Waffen vnd Rüstung dahinden gelassen / hat er Gersten fürzeschitten / vnnd an statt deß Lorberkrantz ein Strowern zu einem spott auffzesetzen beuolhen. Darauff zeucht Belisarius vnder solcher deß Volcks vnd der Soldaten frewd / vnd weil man aufftrometet / singt vnd paucket / auch das Kriegsvolck kurtzweilet / mit grossem Pracht / Pomp vnd Herrlichkeit auff. Schafft das man den Gilimer v n d andere gefangne in den Kercker führe vnd wolverwahre / Dem Genserico aber als der Feind Rädlführer vnd Auffwügler last er das H a u p t abschlagen. Seena
VII.
Dem Justiniano wird Gilimer demüttig bittend fürgebracht / welcher var dem Kayser sein elend vnd aller Menschen vnbestendiges Wesen
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vnnd condition auß H . Schriffi erweiset / sprechend / Daß alle ding eytel seind / ja eytelkeyt aller eytelkeyt. Dieweil jhne aber der Kayser etwas freundlichers angesehen / hat er ein hoffnung geschöpfit / sein sach werde zu einem glücklichen außgang gerathen. ACTVS QVARTVS. Seena
I.
Fortuna lobt Fauorem vnd Felicitatem, als die den Belisarium in so grossen ehren gehabt. Dargegen beklagen sich Contemtus vnd Calamitas, daß sie bißhero jren gwalt wider gedachten Belisarium nit gebrauchen mögen. Fortuna deutet dem Belisario ein newe gelegenheit an / dadurch er sein voriges Lob vnd glückliche wolfahrt eintweders mehren oder gar verlieren mag. Ermahnet jhne darneben / wolle jhme kein solchen schandtfleck lassen anhengen / daß man sagen dürffe / Er hab so vil gwaltige König beherrschet vnd jhnen obgesiget / sey aber entlich von einem Weib vberwunden worden. Seena
II.
Belisarius verwundert sich mit grossem mißfallen ab dem Gottlosen vnd vnbillichen der Keyserin Theodorae begeren / daß er mit Bapst Silverio handle / vnnd jhne dahin vermöge / wolle eintweders sich dem Chalcedonensischen Concilio widersetzen / oder aber in das Elend ziehen. Beruffl doch den Bapst zu sich. Entzwischen weil er hin vnd wider spatzieret / kommen Metus vnd Conscientia, tribuliren jhne vber die massen / vnnd machen jhme allerley gedancken: Metus zwar trowet mit der Kayserin zorn vnd vngnad / wouer er jrem geheiß vnnd beuelch nit gehorchen werde: Hergegen Conscientia stellet jhme Gott den Herrn für die äugen / der solche dem Bapst bewisne iniurj vnd schmach nit vngerochen fürüber werde gehen lassen. S e e n a III. Als Siluerius mit dem Belisario sich vnderredet / vnd der Kayserin gottloß begern vernommen / schafft er dem Belisario vnd der Kayserin / sollen von solchem begern ablassen / wolle vil lieber sterben / als jhrem vnzimlichen ansuchen statt geben oder verwilligen: geht also mit vnwillen darvon. S e e n a IV. Dieweil sich der Photius (ist allhie ein erdichter Namen) auff einen griff besinnet / damit er eintweders den Siluerium oder Belisarium von seinem standhafftigem fürnemmen abwendig machen vnd bey der Kayse-
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rin Theodora in vngnaden bringe / Sihe da laufft auß einem verborgnen heim(b)lichen ort ein Gespenst herfür / Vnd als Photius verstanden / daß solches ungehewr Mendacium genennet wurde / hoffet er gleich durch desselben Kunst vnd list gute anlaitung vnd hülff zuebkommen 1 / den vnschuldigen Gottseligen Siluerium zu hindergehen vnd zu betriegen. Mendatium verheisset / wolle die sach richtig machen / ladet derwegen Phocium in sein Wohnung / sein H a u ß r a t h vnd Kram mit allerley Lugen gezieret / zeschetzen / vnd last dem Kauffman die wähl. Seena
V.
Nach dem Siluerius von dem Belisario abgescheiden / begibt er sich in die Kirchen zum Altar / damit niemand an jhne hande anlege: Vber ein kleines aber gehet er zu der Clerysey herfür, redet dieselbe an / vnd mercket / daß Cyriacus deß Belisarij Abgesandter mit gerüster H a n d kommet / jhne zu dem Belisario zeführen. Dessen sich Bapst Siluerius anfangs waigert / Hernach aber als Cyriacus jhme bey trawen vnd glauben Sicherheit zugesagt / verheisset er zu kommen / Bitt darneben Gott den Allmächtigen / wann je ein gefahr vnd betrug vnder disem verborgen stecken solte / daß aller vngemach vber jhne allein / vnd nit vber die gantze Christliche Kirchen gehen solle. Seena
VI.
Photius nach Verrichtung seiner Anschläg mit dem Mendacio, beredet er Logodaedalum vnd Pseudopaeum, sollen sich als Zeugen wider Siluerium gebraudien lassen / vnd sagen / Sie wissen für gewiß / daß Siluerius die Statt dem Feindt zu vbergeben entschlossen sey. Da aber dem Belisario solchs f ü r vnglaubwirdig fürkommen / haben sie diß mit falsch erdichten Brieffen sich zuerweisen vnderwunden. Vnder disem kombt Bapst Siluerius, von welchem Belisarius die Clerisey / so jhne beglaittet / absondert / vnd wegen jhme zugemessner prodition, sich zuentschuldigen / zuspricht: Vnd ob er wol sich allerdings vberflüssig gnueg purgiert und entschuldiget / wird er dannoch solcher jnnzicht für schuldig beklagt vnd außgeruffen / auch mit höchster Vnehr seiner Bäpstlichen Kleyder außgezogen vnd entblösset / Nachmals gefängnusset / Endlich in die Insel Palmariam oder Pontianam in das elend verschickt. S e e n a VII. Als nun Belisarius jhme disen Schandfleck angehengt / zeucht Virtus von Hof hinweg / verhofft sicherer vnder den Hayden / als zu Hof zeleben. Beredt zugleich Fauorem, Honorem vnd Felicitatem / daß sie mit 1
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jhr ziehen. Dargegen Contemtus vnd Calamitas auff anmahnen Fortunae entschliessen sich bey dem elenden vnd erbärmlichen Belisario jhr leben zu enden. S c e n a IIX. Kombt die Clerisey herfür / wainendt vnd trawrendt / begeret von dem Siluerio, welchen die Guardj hinweg führet / vrlaub zenemmen. Wie jhr aber solchs anfangs abgeschlagen / endtlich bestechen sie die Knecht mit gelt / die jhnen solchs zuelassen vnd bewilligen: Vnd als sie wenig wort noch zum valete mit jhme geredt / scheiden sie von einander / vnd beschleust die Clerisey mit einem Ciaglied. S c e n a IX. Conscientia ängstiget Belisarium, vnd streicht jhme sein bewisene dem Siluerio schandthat wol herfür: Trowet jhme / solte forthin weder bey dem Kayser gnad oder gunst, noch frid vnd ruhe in seinem Hertzen / noch ainiches Lob vnd Preiß auß seinen begangnen Thaten / noch glück vnd segen in allem dem was er anfanget / haben. Belisarius gehet letztlich in sich selbst / erkennet sein Schuld vnd verbrechen / begert rath von der Penitentz / verlobt für seine Sünd ein Kirchen zu Rom zebawen. Zeucht wider in sein Vatterland / vnd entschlägt sich alles Kriegßwesens. ACTVS
QVINTVS.
S c e n a I. ALs Ablauius*, welcher dem Belisario die bewisene Ehr mißgönnet / sein widerkunfft vernommen / vnd besorgt der Kayser möchte jme / vmb wegen daß er Rom eingenommen / ein newen Triumph vergönnen / auch deßhalben wider den Kayser zürnet vnd vbel zefriden war / schwörn Marcellus, Sergius vnd er Ablauius zusamen. Der beschluß jhrer Coniuration vnd heim(b)lichen verbündnuß war diser / Daß sie nem(b)lich den Kayser / wann er von Hof der Kirchen zu gehn wurde / auff dem weg vnfürsehens vberfallen vnd vmbbringen wollen. Scena
II.
Logotheta der vngefähr dise Coniuration ersehen vnd vermerdtt gehabt / entdeckt dem Iustiniano die wider jhne fürgenommne Mordthat. S e e n a III. Vnder disem / weil Iustinianus im Rath seine erschröckliche Träum erzehlet / sihet er Logothetam kommen / der jme Brieff zustellet / welche * Ablauius ist alhie ein halb erdichter Nam.
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er in den Busen geschoben / und andeutet / wolte dieselben nach dem Rath lesen: Doch hat Logotheta mit hochfleissigem vnd demütigem anhalten / vnd vermelden / daß / woferr Ihr M a y : die Brieff nit von stundan lese / wurde hinnach kein zeit mehr sein dieselben zulesen / kaum erlangt / daß er sie geöffnet. Vnd als er darauß die wider jhne angestellte Verrätherey vernomen / hat er sich darob entsetzt / vnd gleichbald nach Ablauio, Marcello vnd Sergio den Rathßherren (welche heim(b)lich bey sich Dolchen verborgen gehabt) greiffen / vnd in gefängkliche verhafft nemmen lassen. Tritt darauff ab / vmb diser Coniuration mitverwahnten ferrnere nachfrag zehaben. S e e n a IV. Es waren obbemelte drey zesamen geschworne Rathßherrn noch nit gar in die gefängnuß geführt worden / Sihe / da kommen Fama vnd Detractio rueffen öffentlich / was sie für Mitgesellen jhrer Coniuration auff dem weg vngezwungen benennet haben / Vnd man vermaine / daß Belisarius auch einer darauß sey. Seena
V.
Eusebius wird mit einer Rott Landtßknecht den Belisarium zefangen geschickt / welcher / als er zum drittenmal öffentlich citirt, vnd berueffen worden / auß seinem Hauß herfür bricht / vnd sich mit gewöhrter Hand beschützen will / wird aber vom Eusebio dahin vermögt / daß er sich dem Kayser ergebe / deme er auch sein blosses Schwerd zugeschickt / mit solchem anhang: Der Kayser wolle ingedenck sein / daß er mit seinem Schwerd Africam eingenommen / Italiam widerumb erobert / jhme dem Kayser zum Reich geholffen / vnd das leben erhalten hab. Wirdt darauff mit trawren auff einem Wagen gen Hof geführet. Seena
VI.
Tribonianus last das Mandat verlesen / vnd beuilcht die gefangnen Thäter hinzerichten. Sergius wird in das elend verschickt: Marcello hawet man die rechte Hand ab: vnd Ablauius wirdt enthaupt. Haupt vnd Händt werden öffentlich auff dem Platz auffgehenckt. Seena
VII.
Belisarius erscheinet vor dem Justiniano, welchem er in erwegung seiner bißhero gehabten Würden vnd dignitet / die jhme zugemüte schmach / frey vnd vnerschrocken verweiset / vnd sich beklagt / daß jhme für seine vilfältige dem Kayser bewisene gutthaten / zu letzt diser Schandfleck angehenckt werde. Als er aber vermerckt / daß er auff dise weiß
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nichts erhalten mögen / thut er dem Kayser ein Fueßfall / aber auch vergebens. Dann Justinianus schafft / solle wegen seines Verbrechens die Peri oder Kriegßbinden vnd andere Zierd von sich ablegen / entsetzet jne der Würden vnd dignitet deß Raths / Last alle seine Güeter für die Kayserliche Cammer einziehen / vnd jhme letztlich die Augen außstechen. Vnder disem ächtet vnd spottet Conscientia ohne vnderlaß deß Belisarij, vnd erjnnert jhne / wie vnd was massen er vor disem mit dem Siluerio mißhandlet vnd vmbgangen. Seena
IIX.
Kommen acht Knaben herfür / die in einem Ciaglied bewainen den laidigen erbärmlichen vnfall deß Belisarij / Daraus zelernen / daß dise zeitliche Ehr / weder langwirig noch beständig / noch auch für ein wahre Ehr zenennen vnd zehalten sey. Seena
IX.
Den blinden armseligen Belisarium führet sein Sohn herfür. Vnd als Belisarius vermeinet / were nunmehr nahen bey Hoff / begert er jrgend auff einen stock oder stein nider zusitzen / alda er allen Menschen zu einem erbärmlichen gespött / die Hand vmb ein Allmosen außstrecket / vnd schreyet: Gebt durch Gottes willen ein Haller dem Hauptman Belisario, welchen das Glück zu hohen Ehren / der Neyd aber vmb seine Augen gebracht hat. Gehet demnach mit grossem seufftzen von disem ort gar hinweg / vnd gibt jederman zu bedencken wie verdächtlich vnd vnbestendig alle glückseligkeit sey. Seena
X.
Fortuna endet die Tragoedi mit erweisung / daß nichts auff Erden beständigs / vnd wie im ewigen Rath beschlossen sey worden / Daß niemandt jemaln zu so hohem vnd glücklichem Ehrenstand komme / der nicht etwa widerumb zu einem Bettler werden möge. Vermahnet auch jederman hohen vnd nidern standts sollen sich in disem Belisario spieglen / vnd bedencken / was disem begegnet / möge jhnen auch widerfahren. Mit disem stimmen zugleich zu jhre Gefährten / vnd zaigen an / daß dise zeitliche Ehr verschwinde wie der Rauch / verfliesse wie das Wasser / vnd gehe hinweg wie der Schatten. Weisen demnach vnd zaigen dem Zuehörer gleichsam mit dem Finger auff die ewige vnzergängkliche Glückseligkeit. *
*
*
Gott vnd Mariae sey Lob vnd Ehr.
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B u r g e r , Belisarius
II. T E I L
Versuch einer Deutung DIE QUELLEN Bereits zu Ende des vergangenen Jahrhunderts wies Norbert Lebermann 1 nach, welche Quellen dem .Belisarius' zugrunde liegen. Die Studie ist scharfsinnig durchgeführt, reich an Ergebnissen, aber anfechtbar in einzelnen Beurteilungen und Wertungen. Es sei zunächst zusammengestellt, was aus den Texten selbst und aus Lebermanns Untersuchungen zum Problem der Quellen hervorgeht: Gegenstand des Dramas — in einem äußerlichen Sinne — ist das Schicksal des byzantinischen Feldherrn Beiisar. Die im Stück dargestellten Ereignisse fallen in die Jahre zwischen 530 und 560: Beiisar steigt als oberster Feldherr Kaiser Justinians zu hohen Ehren empor, wird aber schließlich durch allerlei widrige Zufälle (Neid, Mißgunst der Höflinge) gestürzt (vgl. die Inhaltsangaben in der Perioche). Diese Periode der byzantinischen Geschichte wurde zunächst von Prokop (De bello Persico et Vandalico), später von zahlreichen mittelalterlichen Historikern dargestellt. Dichterische Bearbeitungen des Stoffes lagen Bidermann sicherlich nicht vor. (Nach Lebermann gehen dem Werk Bidermanns nur 3 griechische Belisargeschichten aus dem 15. Jahrhundert voraus, dazu ein Epos des Giangiorgio Trissino ,L'Italia liberata da' Goti' von 1547, das Bidermann aber kaum gekannt hat.) Seine Quellen sind also Geschichtswerke, auf die im Drucktext von 1666 (ebenso in der lateinischen Perioche)2 im einzelnen verwiesen wird: Lege Procopium de bell. Pers. & Wand. & c. Agathium & c. Crinitum de honest, discipl. üb. 15. Baron, tom. 7. & alios. Die lateinische Perioche enthält weitere Hinweise: Zonaras, Glicas, Cedrenus Graeci historici luculentius has Belisarij aerumnas denarrant; omnium tarnen luculentissim^ Constantinus Manasses in annalibus; qui post alia 1
2
N . Lebermann, Beiisar in der Literatur der romanischen und germanischen Nationen, 1899 u. 1907. Dort wird u . a . die Perioche zum Münchner Beiisar von 1740 besprochen. Die deutsche Perioche enthält keine Quellenangaben, da sie ja für das einfache Volk bestimmt war, das sich um so gelehrte Fragen wie historische Quellen u. dgl. nicht zu kümmern brauchte.
Die Quellen
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lamenta, eo loci redactum scribit Belisarium ut (heu sortem acerbam) carnificem expectaret, quando cervices ei gladio secturus esset. Lebermann macht es wahrscheinlich, daß Bidermann die vier letztgenannten Historiker nicht im Original, sondern nur nach den bei Baronius vorhandenen Exzerpten gekannt hat. 3 Zudem scheint Bidermann Theophanes gelesen zu haben, obwohl er ihn in den Quellenangaben nicht anführt; denn die beiden Senatoren Logotheta und Eusebius sind nur bei Theophanes erwähnt. 4 Soweit dürfte der Befund unanfechtbar sein. Wenn aber Lebermann behauptet, Constantinus Manasses werde von Baronius wie von Bidermann „unverdient viel ausführlicher behandelt" als Zonaras, Glicas, Cedrenus 5 , so läßt sich dies nur als positivistisches Vorurteil erklären. Zwar trägt Constantinus Manasses in der T a t nicht viel Faktisches zur Geschichtsdarstellung des Baronius bei, und auch dem Drama Bidermanns vermittelt er keine historischen Details. Doch Geschichtsschreibung ist nie bloße Beschreibung eines angeblich ,objektiven' Faktums, sie ist in ihrem Wesen immer schon Geschichts d e u t u n g. Und als Deuter der Historie ist Manasses für Baronius wie für Bidermann bedeutender geworden als die übrigen Geschichtsschreiber. Baronius diskutiert in dem strittigen Kapitel seiner Annalen die Meinungen der verschiedenen Historiker über Beiisars Ende und kommt dabei auch auf Const. Manasses zu sprechen. Dieser tadelt den Kaiser Justinian, weil er den Verleumdungen, die man über Beiisar ausstreute, Gehör geschenkt habe: Constantinus Manasses in A n n a l i b u s . . . vehementi istiusmodi invectia probrosum Imperatoris insectatus est facinus, ubi res à Belisario praeclarè gestas enarrati sed haec (inquit) invidiae sceleratissimae non placebant: quapropter honestissimam Ducis famam parum aequis oculis intuebatur, & toto impetu gloriam eius oppugnabat: nam vulgo quòd dicitur, Quid sit utile, ignorat invidia. Quamobrem vir fortunatus, magnus copiarum d u c t o r . . . invidiae dolis circumventus... ruinam indignam & lacrymis deplorandam r u i t . . . O invidia, bellua nocens, latrocinatrix, caedibus & persecutionibus gaudens, . . . dracaena, venefica . . . qualia designas & improba committis? . . . / hucusque Constantinus in invidiam veluti malorum omnium causam stylo pugnans, cum & alij in eodem argumento versantes fortunam proditionis incusent. 6 Für Baronius sind nicht die Fakten als solche der zentrale Gegenstand der Geschichtsschreibung, sondern die Kräfte, die den Ereignissen 3 4 ä 8
6»
Für den Beweisgang im einzelnen vgl. Lebermann S. 49 ff. Vgl. Lebermann S. 47. Lebermann S. 49. Baronius, Annales Ecclesiastici, Tomus Septimus, anno 561 S. 474 (zitiert nach der Ausgabe Antverpiae M D X C V I I I ) .
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zugrunde liegen und ihnen erst einen Sinn geben. Deshalb sind die Ausführungen des Manasses, der die Invidia als Ursache aller gegen Beiisar gerichteten Intrigen anklagt, für ihn von größerer Wichtigkeit als die übrigen Chroniken, die den Sinn des Geschehens nicht so eindringlich zu ergründen suchen wie Manasses. Im Anschluß an die zitierte Stelle diskutiert Baronius die Meinung des Manasses und derer, die die Fortuna als letzten Grund für das unglückliche Ende Beiisars angeben, wobei er selbst zu einem ganz neuen, grundsätzlich anderen Ergebnis gelangt. Es käme nun darauf an, zu untersuchen, wie Bidermann sich zu der Meinung des Manasses und der Kritik des Baronius stellt. Die zentrale Frage wäre: Übernimmt Bidermann mit den Fakten auch die Deutung aus den Geschichtswerken, oder unterlegt er den aus den Chroniken entlehnten biographischen Daten einen neuen, eigenen Sinn?7 Da diese Frage bereits das Problem der Geschichtsauffassung im ,Belisarius' betrifft, sei eine eingehendere Untersuchung vorläufig zurückgestellt. Immerhin scheint sich die Quellenkritik als ein wesentlicher Bestandteil der Interpretation des Dramas zu erweisen. SPRACHE, STIL, DIALOG Es bedürfte umfassender Kenntnisse der antiken ebenso wie der neulateinischen Literatur, wollte man bündige Aussagen machen über die Stellung der Sprache Bidermanns innerhalb des Neulateinischen und des Lateinischen überhaupt. Mehr als einige verstreute Beobachtungen zu dieser Frage beizubringen, ist mir daher nicht möglich. So lückenhaft das Bild aber auch ausfallen mag, es erscheint doch notwendig, sich genauer mit dem Medium zu befassen, in dem sich das dramatische Gespräch vollzieht. Für die neulateinische Lyrik wurde neuerdings der Versuch gewagt, nicht nur vom Motivischen, sondern von Sprache und Stil her einen Zu7
Ein zweites Beispiel mag zeigen, wie wenig gewonnen ist, wenn man das Verhältnis des Dichters zu seiner Quelle rein ,faktisch' beschreibt. Im V. Akt des .Belisarius' singen acht Knaben ein Klagelied, „daraus zelernen / daß diese zeitliche Ehr / weder langwirig noch beständig / noch auch für ein wahre Ehr zenennen vnd zehalten sey" (deutsche Perioche, V, 8). Dazu Lebermann S. 48, Anm. 3: „Crinitus hat die Geschichte des Beiisar nur als Beleg für eben diesen Gedanken erzählt. Die Überschrift des betreifenden Kapitels lautet (Üb. IX, cap. 6): N o n esse viri prudentis in humanis confidere et exemplum nobile de iniquissima fortuna Belisarii ducis. Nur in der Wiedergabe dieses Gedankens besteht die Benützung des Crinitus durch unseren Dichter." Der an sich richtige Befund hätte Anlaß für eine tiefergehende Untersuchung werden müssen: wie kommt Bidermann dazu, eine scheinbar so belanglose Quelle den übrigen gleichzustellen? enthüllt sich in diesem unscheinbaren Detail vielleicht schon die dichterische Absicht Bidermanns?
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gang zu diesen Dichtungen zu eröffnen und ihnen ihren Platz in der lateinischen Tradition anzuweisen. 1 Für das neulateinische Drama liegen meines Wissens solche Untersuchungen noch nicht vor. Die Wahl der lateinischen Sprache zieht eine Reihe von Konsequenzen nach sich: 1. Latein ist im 17. Jahrhundert die Sprache der Gebildeten; die einfachen Leute brauchen eine Übersetzung, wenn sie dem lateinischen Spiel folgen sollen. Da die Jesuiten einerseits auch auf dem Theater ihre hohen Bildungsansprüche nicht aufgeben wollen, da aber andererseits das Schuldrama im Dienst der Gegenreformation, d. h. der Reformierung aller Volksschichten steht, muß dem einfachen Publikum das Verständnis des Textes erleichtert werden: so entstehen die deutschen „Periochen", das sind ausführliche Theaterzettel mit Inhaltsangaben der einzelnen Szenen. 2 2. Durch die Arbeiten der humanistischen Philologen wurde die ganze Breite der lateinischen Literatur neu erschlossen. Der Fächer lateinischer Ausdrucksformen und Stile ist dem lateinisch Schreibenden verfügbar geworden. Die lateinische Sprache entwickelt sich nicht mehr organisch weiter — wie noch im Mittelalter — , im Gegenteil: der Umbildungsprozeß, der sich mit dem Lateinischen in Spätantike und Mittelalter vollzog, wird geradezu rüdegängig gemacht, indem man auf die klassischen Autoren und ihre Sprache zurückgreift; ,klassisch', d. h. von der Komödie bis zur ,Silbernen Latinität'. 3 Innerhalb dieser Stilmöglichkeiten kann man nun auswählen, von der disziplinierten Sprache des Horaz bis zum Manierismus eines Statius. Die Entwicklung der neulateinischen Lyrik scheint eine ähnliche Verlagerung des Geschmacks anzudeuten, wie sie in der klassischen römischen Literatur stattfand: von der strengen Klassizität zur ,barocken' Aufschwellung und Auflösung der Formen. Doch darf man nicht vergessen, daß für 1
Karl Otto Conrady, Lateinische Dichtungstradition und Deutsche Lyrik des 17. Jahrhunderts, Bonn 1962.
2
Den lateinischen Periochen, die ja nicht für das einfache Publikum gedacht sind, wie schon der gelehrte Apparat beweist, wird Herr Dr. Tarot, Zürich, demnächst eine ausführliche Untersuchung widmen. E r will nachweisen, daß den Periochen über ihre praktische Funktion hinaus eine Bedeutung für den Aufbau eines .emblematischen' Theaters zukommt. „Von Neulatein darf da gesprochen werden, wo, etwa seit dem 13. Jahrhundert, um der lateinischen Sprache und der in ihren Schöpfungen beschlossenen Werte willen unmittelbar auf die Antike zurückgegriffen und sie als verbindliches Vorbild für eigene literarische Tätigkeit angesehen wird." Conrady S. 29.
'
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den Humanisten grundsätzlich alle Stilarten nebeneinander möglich sind und daher von einer ,Entwicklung' nur in analogem Sinne gesprochen werden kann. Man bedenke, daß Dichter wie Lotichius und Melissus gleichzeitig leben! Die sprachlich-stilistische ,Entwicklung' des Jesuitendramas zu beschreiben, würde über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen. Es soll nur versucht werden, den Standort des ,Belisarius' innerhalb des Bereiches der möglichen lateinischen Stilarten zu fixieren. Ein Vergleich mit dem deutschen Barockdrama eines Gryphius wird darüber hinaus aufschlußreich sein für die Entwicklung des barocken Stiles überhaupt. Ein Brief Bidermanns an Rader 4 zeigt, mit welcher Bewußtheit sich auch die Ordensdichter um Stilprobleme bemühen: Rader hat seinem ehemaligen Schüler vorgeworfen, er vernachlässige seinen einst so eleganten Stil (me desijsse veterem & agnatum mihi stilum: affectare novum brevem, plus iusto concisum: id tibi minim£ probari). Darauf entschuldigt sich Bidermann mit Zeitmangel und dergleichen äußeren Gründen, gibt dann aber eine grundsätzliche Erklärung zu seinem ,concisen' Stil (eben dieses Prädikat gab man im Altertum der Sprache des Tacitus und Seneca!): Alterum est, quod haud dubie scis, imö ego ex te scio, alium esse stilum orationis ab epistolico. Verschiedene Gattungen erfordern verschiedene Stilebenen, und für den Briefstil scheint in dieser Zeit der concise Stil des Tacitus und Seneca, der durch Justus Lipsius neu belebt wurde, vorbildlich zu sein. (Später allerdings distanziert sich Bidermann pauschal von seinem einstigen Vorbild Lipsius.) Welchen Stil aber erfordert das Drama? Die antike Tradition würde das Vorbild des Seneca nahelegen, da es sich beim ,Belisarius' um eine Handlung unter hochgestellten Personen und damit um einen Stoff für die Tragödie handelt. Andererseits aber fallen die komischen Szenen nach den Regeln der antiken Poetik aus dem Rahmen der Tragödie, sie würden eher den plautinischen oder terenzischen Komödien entsprechen.5 Bekanntlich sind die Mischgattungen der Comicotragoedia und der Tragicocomoedia Erfindungen der humanistischen Schuldichter, die sich allerdings auf den ,Amphitruo' des Plautus berufen konnten. Für die Jesuiten und zumal für Bidermann werden dann diese Mischtypen zur geeigneten Grundlage eines christlichen Dramas. Die Mischung der Gattungen würde auch eine Kombination der Stile nahelegen: Pathos und Rhetorik im Sinne des Seneca für die tragischen Partien, Sprechstil der Komödie für die komischen Szenen. Bidermanns Drama 4 5
clm 1610, n. 198, ohne Jahr. Vgl. etwa Jacobus Pontanus, Poeticarum institutionum libri tres, Ingolstadt 1594, Lib. II, Cap. X I I „De Comoedia. Definitur Comoedia & Tragicocomoedia" (zumal die Bedenken gegen die Mischform der Comicotragoedia) und Lib. II, Cap. X X „Tragoediae et Comoediae discrimina".
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aber zeigt ein wesentlich anderes Bild, wie es schon der Autor der Praemonitio treffsicher beschrieben hat: Porrö, quamvis invitante Tragico argumento, placuit P. J A C O B O in toto B E L I S A R I O nihil de cothurno insonare, sed inter aspera & acerba saevientis fortunae leni ubique socco incedere; Nihilominus versus plerique omnes suis numeris, non ad Senecae quidem, sed ad Terentij exemplum constant; quod & in alijs observavit, sed tum tantum, cum versus facere lubido fuit, quod in C A L Y BITA, J A C O B O U S U R A R I O , & J O S A P H A T O non fecit, quia non placuit, Sc hoc sibi licere putavit, ut serviret Populo, qui vix aliud in Comoedijs magis desiderat, quam fluentem, claram, planämque Sc nullis pedibus operosius illigatam dictionem, quam sine fatigatione audiat, sine Calepino intelligat, sine interprete, Sc quasi se Magistro, totam comprehendat.° Bidermann habe also trotz des tragischen Sujets den leichtfüßigen Ton des Terenz gewählt, damit das Publikum dem Wortwechsel bequemer folgen könne; aus diesem Grunde verzichte er später gänzlich auf den Vers. So vordergründig diese Erklärung erscheint, sie deutet doch wenigstens die Richtung an, in der der Stilwille des Dichters sich bewegt: wichtig ist ihm offenbar die unmittelbare Wirkung auf das Publikum, die unvermittelte Eingängigkeit und Verständlichkeit des gesprochenen Wortes. Der Zuschauer soll nicht erst eines Kommentares bedürfen, um den Sinn der Rede zu begreifen. Ganz anders etwa im Drama des Gryphius: Der Leser der Gryphschen Dramen bedarf der Interpretation, ja die Erklärungen und Anmerkungen schaffen erst die Vollständigkeit des Stückes. Diese Tendenz zur Gelehrsamkeit wächst sich dann extrem aus in den Anmerkungsapparaten zu den Dramen Lohensteins (,Nöthige Erklär- und Anmerckungen . . . ' ) . Gehen wir im einzelnen den sprachlichen und stilistischen Elementen des ,Belisarius' nach: Der W o r t s c h a t z zeigt keine auffallenden Merkmale, keinen Zug ins Preziöse, Kostbare, Gesuchte, wie er sich bei vielen der neulateinischen Dichter beobachten läßt. In den komischen Szenen tauchen manche Wörter auf, die hauptsächlich oder ausschließlich bei Plautus oder Terenz belegt sind (z.B. suboleo, silicernium); allerdings darf man beim Publikum der Zeit eine äußerst genaue Kenntnis der beiden Dichter voraussetzen, so daß selbst ausgefallenere Vokabeln noch geläufig sind. Auch die Silberne Latinität — wie sich nahezu von selbst versteht — trägt zum Wortschatz des 6
Diese Beurteilung des Bidermannschen Stiles berührt sich eng mit der Charakterisierung, die Erasmus von Rotterdam vom Stil des Terenz gibt (1. de ratione studii, „de pueris libere instituendis", p. 43, zitiert bei Francke, Terenz und die lateinische Schulkomödie in Deutschland, 1877, S. 8): inter latinos quid utilior loquendi auctor, quam Terentius? purus, tersus et quotidiano sermoni proximus, tum ipso quoque argumenti genere iucundus adulescentiae.
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,Belisarius' bei. Auffallend sind manche altertümliche Verbalformen und -flexionen (z. B. ,faxis' statt normalem ,feceris' oder ,perduim' statt ,perdam'), die wohl von einer bewußten Nachahmung plautinischen Stils zeugen. Der S a t z b a u ist im allgemeinen schlicht. Perioden tauchen vor allem in Reden auf, der Forderung der Gattung entsprechend. Eine Periode wie diejenige zu Beginn der Rede Beiisars an das Heer (I, 6) ist schon relativ lang: Si mihi apud tirones, nec dum hoste, nec Duce / Suo Assuetos, facienda verba essent, diu / Cunctarer, quam mei animi sensa promerem; / Veritus ne qua novitate aegri oppallescerent (194 ff.). Von komplizierter Syntax kann hier wahrlich nicht die Rede sein.7 Vor allem im Wechselgespräch sind die Sätze meist kurz, schlagartig, ohne ein überflüssiges Wort. Doch ist diese Knappheit der Diktion nur äußerlich verwandt mit jener ,Auflösung der Periode in minutissimae sententiae' 8 , die bei Seneca zur Zerreißung des Satzes, zur Verdunkelung, oft zur Pointierung, selten aber zu einem natürlichen Ablauf des Gedankens führt. Die Reihung kurzer Sätze ergibt sich ungezwungen bei Aufzählungen oder knapper Charakteristik der Situation: Salvus est & integer / Exercitus; fractus jacet hostis; fulmine / Belli est subactus Persa; dedita oppida; / Revocata pax; stabilita nostri foedera / Sunt orbis (7 ff.). Im Gespräch ermöglichen die knappen Sätze ein rasches Spiel der Argumente. Auch die erregte Rede, der pathetische Monolog spricht sich in gedrängten, herausgestoßenen Wortgruppen aus, deren Intensität noch durch parallele Fügung erhöht wird: Vix aegrum colligo animum: sed colligo tarnen: / Placet consilium; fletu plorabunt genae, / Planctu sonabunt pectora; stipem prodigae / Manus effundent (1564 ff.). Seneca scheint bei diesen Partien Vorbild gewesen zu sein, doch mit einem wesentlichen Vorbehalt: die erregten Partien in den Dramen Senecas leben gerade von dem Wechsel kurzer, zerrissener Satzstücke und umfangreicherer rhetorischer Perioden. Die Knappheit ist nur Element eines größeren rhetorischen Prunkstückes, während sie bei Bidermann unmittelbar den Affekt spiegeln soll, ohne in einer rhetorisch-schwingenden Kurve aufgehoben zu sein. (Im Gegensatz zu Bidermann nutzt Balde im , Jephtias' den Gegensatz von kurzen und langen Sätzen ganz im Sinne Senecas aus, z. B. 7
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Bezeichnenderweise scheint bei dieser etwas längeren, ausgefeilteren Rede die Vorlage deutlich durch: Si nunc apud vos belli expertes ac nunc primiim militantes verba haberem, longa mihi opus esset oratione ad enarrandum quantam vim habeat ad victoriam observatio i u s t i t i a e . . . (Baronius anno 533, n. 190). Allerdings steht diese Rede Beiisars in einem anderen Zusammenhang als dem unsrigen. Norden, Antike Kunstprosa, S. 309.
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IV, 4.) Bidermann macht sich den Stil des Seneca (bzw. seiner humanistischen Jünger) nur soweit zu eigen, wie er einer rationalen Verschärfung und Pointierung des Gedankens dienlich ist. Antithetik wird daher zu einem wesentlichen Merkmal Bidermannscher Sprache: Zumal an den Gegensätzen des Raumes (innen—außen, hier—dort, Heimat—Ausland, oben—unten, stehen—liegen usw.) und der Zeit (einst—jetzt, jetzt—bald usw.) kristallisieren sich — wie bei Seneca" — die scharf umrissenen Gedanken und Argumente. Auch für die zahlreichen Wortspiele (jannominatio') 10 des ,Belisarius' muß Seneca als Vorbild gelten. In solchen Pointen enthüllen sich bisweilen schlagartig Bedeutung und Wesen einer Situation: so etwa, wenn Gilimer in seinem Brief an Phara schon in der Anrede die gänzliche Umkehrung der Verhältnisse andeutet: Gilimer Rex aerumnosus, Pharae olim hospiti, / Nunc bosti. (646 f.); oder wenn sich im Gespräche BelisarPhotius durch ein Spiel mit dem Wort ,rectus' die wahren Rechtsverhältnisse klären: PHOT. Quid jubes / Reginae nunciem? facturum, quod jubet, / An non? BEL. Recta jubeat, parebo. PHOT. Non tibi / Haec rede, & ordine imperata visa sunt? (1117 ff.) Durch den Zusatz ,et ordine' wird die Verlagerung, die Verkehrung des Begriffes deutlich. Während sich bei Seneca Wortspiele meist in äußerlichen Witzeleien erschöpfen, die allein dem Genuß an der rhetorischen Raffinesse entspringen," funktionalisiert Bidermann die von der Schulrhetorik angebotenen Mittel und gliedert sie besonnen dem Sinnaufbau des Dramas ein. Die komischen Szenen gewinnen ein gut Teil ihrer Wirkung aus Spielereien mit der Sprache; so z. B., wenn die liederlichen Soldaten Gilimers mit zwiefachen Waffen kämpfen wollen (nämlich mit Händen und Füßen, 378 ff.); oder wenn einer der Soldaten in unverständlichem afrikanischem Idiom auf Sonzon einredet (392 ff.). Dem Sprechstil des Dramas gemäß, gewinnt die Einheit des Verses eine besondere Bedeutung für rhetorische Figuren. Zumal durch chiastische Gruppierungen, die meist noch einen inneren Gegensatz enthalten, hebt sich ein einzelner Vers sentenzartig aus dem Ablauf des Dialoges heraus: z. B. 436 Hanc noctem si moramur, morimur crastina
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1 I I ; (zu der chiastischen Fügung kommt hier noch die annominatio ,moramur/morimur' hinzu!) Lacrimo misera, quod nil cerno lacrimabile.
Paul Stachel, Seneca und das deutsche Renaissancedrama, 1907, vgl. S. 18. Vgl. Heinrich Lausberg, Elemente der literarischen Rhetorik, 1963 2 § 277 ff. Vgl. Stachel a. a. O. S. 27.
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Quantum Belisario additur, adimitur tibi. Cecidit mea; sed tu cave, ne qua altera cadas.
Naturgemäß versteht sich ein Jesuitendichter, der im Laufe seines Studiums die rhetorischen Künste der Alten durch und durch kennenlernte, auf Geschmeidigkeit und Geschliffenheit des Ausdruckes. So tauchen denn auch im ,Belisarius' alle möglichen Kunstgriffe auf, vom einfachen Parallelismus über den inhaltlich antithetischen Parallelismus zum Chiasmus und komplexeren Figuren, ja bis zu den manierierten Techniken der Silbernen Latinität; allerdings begegnen Fügungen wie „sunt pluribus / Haec eadem hodieque percensenda" (56 f.) mit deutlicher Inkonzinnität nur sporadisch und scheinen fast ungewollt. Überhaupt werden alle diese oratorischen Techniken gleichsam unterschoben: man lernt Latein von vornherein als kunstvolle Sprache, als Mittel zur formalen Bildung; Latein ist immer schon formal geschliffenes Latein, nie Umgangssprache in einem anspruchslosen Sinne. Daher wäre es verfehlt, auf Grund vereinzelter Figuren den Stil eines Neulateiners als ,rhetorisch' zu bezeichnen. Der Vergleich mit Balde zeigt, daß Bidermann die Möglichkeiten des Redeschmuckes nur in sehr bescheidenem Maße ausnutzt. Anaphern, rhetorische Fragen werden nie zum Selbstzweck, sondern bleiben in der Situation gebunden. (Als Logotheta die Verschwörung gegen Justinian entdeckt, äußert sich seine Überraschung in zwei rhetorischen Fragen, die aber unmittelbar in einem Aussagesatz weitergeführt werden: Quas res actitant / Mortales? in quas praecipitant insanias? / Consilia temerant, dum iracundiae litant / Suae. 1622 ff.) Baldes Figuren dagegen steigern sich an der Sprache, die anaphorische Periode zieht gleichsam den Affekt mit sich, reißt ihn empor, bis er sich überstürzt und wieder zusammensinkt. Asyndetische Worthäufungen — die im klassischen Latein noch äußerst selten sind, in der Spätantike aber überhandnehmen 12 — finden sich im ,Belisarius* an wenigen Stellen, dort aber mit deutlichem stilistischem Effekt: In IV, 2 vergleicht Conscientia die gratia Gottes mit der weltlichen gratia, die von Metus ins Spiel gebracht wurde: MET. An nulla cuiquam ergo est spectanda gratia? / CONSC. Est im6; at vera, at magna, at digna; non tua, / Quae vana, fragilis, fluxa, falsa, nulla erit. (1134 ff.) In zwei parallelen, bzw. antithetischen Reihen werden wertende Prädikate aufgehäuft: der Skala des wahren Seins steht die Skala des Nichtigen, des 12
Vgl. Conrady, S. 80 u. S. 149 ff.
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Nichts gegenüber. Während die P r ä d i k a t e der echten gratia jeweils durch ein ,at' herausgehoben und in ihrem Gewicht unterstrichen sind, gleiten die Titel f ü r das Nicht-Sein, f ü r den Schein wesenlos dahin, sie beginnen in der Eitelkeit (vana) und enden im Nichts (nulla). 13 Die asyndetische Reihung spiegelt also die Gewichtslosigkeit der einzelnen ,nomina'. Ebenso wesenlos sind die irdischen Güter, die Metus dem schwankenden Beiisar vor Augen f ü h r t : Terram, patriam, opes, familiam, f a m a m a s p i c e . . . (1141) Gewichtslos werden sie durch die Gegenüberstellung mit den Sternen u n d m i t G o t t : CONS. Aspice s i d e r a . . .
( 1 1 3 9 ) . . . DEUM t u e r e . . .
(1143) Mag sich an dieser Stelle die asyndetische Reihung noch mehr oder weniger zufällig ergeben haben, so wird sie in den komischen oder halbkomischen Szenen offensichtlich mit Bewußtsein eingesetzt: Wenn Fama oder Mendacium auftreten, preisen sie ihre Waren der Reihe nach an: Fama: Nugas, fabulas, / Gerras, tricas iterum affero atque affanias. (538 f.) O d e r : Mend.: Mendacia omne genus invenies; grandia, / Minute, acuta, crassa, occulta, publica. (1236 f.) Die Scheinhaftigkeit, Wesenlosigkeit der Gerüchte und Lügen spiegelt sich in der syntaktischen Fügung (bzw. Nicht-Fügung!): die Wörter bilden kein sinnvolles Ganzes mehr, sie liegen in einem H a u f e n b u n t durcheinander. Offenbar zerbricht das Ordnungsgefüge der Sprache immer an den Stellen, wo auch der Sinn des Bezeichneten, der Seinsgehalt der nomina f r a g w ü r d i g wird. 1 4 Diese Interpretation mag überspitzt erscheinen. Doch im Hinblick auf ähnliche Stilmerkmale bei Gryphius d ü r f t e sie nicht ganz verfehlt sein. D o r t überborden die Wortreihungen; Ding w i r d auf Ding gehäuft, Block auf Block gewälzt, und doch entsteht kein beständiges, wahres Sein. Angst und Entsetzen steigern sich, je dichter, je gedrängter die Gegenstände sich a u f t ü r men. Das Gefühl b ä u m t sich auf angesichts der Substanzlosigkeit einer zum Konglomerat gewordenen Welt. 15 13
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Mit einer ähnlich absteigenden Reihe unverbundener Verbformen beschreibt Gilimer nach der Niederlage sein Verhältnis zu Beiisar: N u n c tuos / A d nutus v i v o , capior, servio, pereo (716 f.). Im Drude ist gegenüber der Hs. noch eine weitere Reihung hinzugekommen. Virtus befiehlt ihren Helfern, sie sollen „Coronas, torques, armillas hastasque" (891) herbeischaffen, um Beiisar zu ehren. Der Geschmack der Jahrhundertmitte tendiert deutlich zu dieser Stilfigur, als Mittel der Steigerung und Uberbietung. Vgl. etwa die Dramen des Caussin und Gryphius' Ubersetzung der .Felicitas' des Caussin. D a z u Wentzlaff-Eggebert, Dichtung und Sprache des jungen Gryphius, 1936. Balde steht in dieser Hinsicht zwischen Bidermann und Gryphius: die recht zahlreichen Worthäufungen im ,Jephtias' haben z w a r gegenüber Bidermann an Expressivität, an affektischer Intensität gewonnen (z. B. Imperativreihen wie „Lacrymare, ride, supplica, gaude, gerne" II, 1), ihnen fehlt aber der entlarvende, enthüllende Charakter, der sie bei Bidermann und Gryphius auszeichnet.
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Tropen des ,audacior ornatus' 16 begegnen im ,Belisarius' zwar nicht selten, sie gehen aber meist nicht über gängige Figuren und Motive hinaus. Es wäre müßig, die zahllosen Vorbilder für eine Hyperbel wie die folgende aufzusuchen: Extimos / Pete angulos Belisari, duc nigros / Ad usque Indos, aut ultimam inter insulas / Pete Thülen, aut siquis alius restat locus / Ulterior; quaevis te duce via erit brevis. (216 ff.) Eine ähnliche Figur begegnet in IV, 7, dort aber mit umgekehrtem Vorzeichen, worin sich die gänzliche Verkehrung der Situation spiegelt: VIRT. Terrarum angulos / Adite extremos, & vel immanissimas / Lustrate gentes; securi inter Sarmatas, / Hydaspeae inter ripae securi accolas, / Tuti Memnonias inter degetis piagas; / Apud Belisarium jam degere non licet. (1409 ff.) Solche Ubersteigerungen dienen dazu, die Situation am überspitzten Gegenstand schärfer zu charakterisieren, sprengen also keineswegs den Rahmen der Dialogsituation. Bezeichnenderweise tauchen an dieser Stelle exotische Namen und mythologische Anspielungen auf: die Sarmaten sind nach antiker Geographie ein Volk im Gebiet zwischen Weichsel und Wolga; der Hydaspes ist ein Fluß in Indien, der in den Acesines mündet; Memnon, König in Äthiopien, Sohn des Tithonus und der Aurora, zog den Trojanern zu Hilfe und wurde vor Troja von Achilles getötet (Aen. 1, 489), bei seiner Verbrennung flogen der Sage nach Vögel aus seiner Asche empor (aves Memnoniae), die alle Jahre nach Troja fliegen und da miteinander streiten (Ov. met. 3, 576—619). Auch die wenigen fremdländischen Namen und mythologischen Zitationen, die sich sonst im ,Belisarius' finden, begegnen nur in hyperbolischen Zusammenhängen: Fama beschreibt ihren Flug von Afrika nach Byzanz mit dem Hinweis auf den Pegasus: cursu Pegasum / Praetervolavi. (38 f.) Beiisar beschwert sich darüber, daß seine Leute für die Erorberung der wandalischen Festung länger brauchen als „in excindendä Graeci Troiä" (683). Metus warnt Beiisar vor dem Zorn der Kaiserin: Tutius lacesses tigrides / Hircanas, tutius obviam leonibus / Occurres, quam iratae, & furenti foeminae. (1146 ff.) Im Druck ist noch eine weitere Übertreibung mit mythologischer Anspielung hinzugekommen, diesmal aber in humoristischer Absicht: Philodamus rühmt seine Scharfsichtigkeit im Vergleich mit dem antiken Argus: Argo esse centum oculos credidit antiquitas; / Me si videret, mille habere crederet. (574 f.) Die ausdrückliche Erwähnung der ,antiquitas' macht die Anspielung als Anspielung deutlich und relativiert sie mit komischem Effekt. Ähnlich humoristisch wirkt es, wenn Fama den lausigen Polypragmon zur olympischen Klatschbase erhebt: FAMA. Tarnen alia scis omnia, / Quae Juppiter Junoni in aurem dixerit, / Etiam anteä quam dixerit. (545 ff.) 16
Lausberg §§ 90 u. 164.
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Wie wenig Wert hier im Grunde auf Gelehrsamkeit gelegt ist, zeigt der Vergleich mit Baldes Jephtias': Trotz des alttestamentlichen Stoffes scheut Balde sich nicht, ausgiebig das Personal der antiken griechischen und römischen Mythologie zu bemühen. Beispielsweise wird das Schicksal des Jephtias (neben christlich-typologischen Verweisen) ausführlich in Verbindung gebracht mit dem des Oedipus (z. B. IV, 4). Auch die Metaphern scheinen nicht sehr originell; eine Reihe von Metaphern wie in der folgenden Rede Gilimers fällt schon beinahe aus dem Rahmen: Heu me, quas mal£ patior tempestates? quibus / Jactor procellis? inquies mihi nox, dies, / Aetasque labitur; Ipse sui fit carnifex / Animus, roditque pectus vultur immanis meum. / Oculos eludit somnus, terretque minimae / Susurrus aurae. (275 ff.) Wenn Photius den Papst als ,Turm' und ,Mauer' bezeichnet, die man mit einem Sturmbock (aries) angreifen müsse (1205 ff.), wird durch diese hyperbolische Metapher die Größe und Standhaftigkeit des Papstes herausgestellt und gleichzeitig — aus der Perspektive des Photius — ironisiert. Überall bleibt der Redeschmuck funktional gebunden; Sprache und Stil werden nicht zum Selbstzweck, sie dienen der Situation und dem Dialog; das einzelne Wort hat vorzüglich Benennungs- und Beschreibungsfunktion, selbst wenn es in uneigentlichem Sinne verwendet ist. Man vergleiche damit eine Partie aus der Rede des Leo (II, 1 des ,Leo Armenius'), die nicht über den durchschnittlichen pathetischen Stil des Dramas hinausgeht: Leo bezeichnet die Mißgunst der Neider als Urheber seines jetzigen Zorns und malt die Wirkung des Neides in einer Reihe von Bildern aus: „So wird die erste flamm eh'r sie sich kann erheben, / Mit dunckel vollem dunst und schwartzem rauch umgeben, / Biss sie sich selbst erhitzt und in die bäume macht, / Dass der noch grüne wald in lichtem feur erkracht. / Doch wie der scharffe nord die glut mit tollem rasen, / In dem er dämpffen wil, pflegt stärcker auffzublasen; / Wie ein großmüthig pferd, wenn es den streich empfindt, / Durch sand und schrancken rennt, so hat der strenge wind / Der missgunst uns so fern, (trotz dem es leid) getrieben, / Biss unter diesem fuß sind feind und freunde blieben . . Die Bilder sind durchaus als Vergleiche gemeint, wie das ,so* und ,wie' anzeigen. Das Bild des brennenden Waldes wird aber eigenmächtig, löst sich von dem Verglichenen los in einer gewaltigen Steigerung. Mit ,doch wie' wird der Bezugspunkt wieder zurückgeholt, der Vergleich setzt neu ein, gelangt aber nicht weit; denn durch ein neues ,wie' wird ein Bild aus ganz anderer Sphäre eingeschoben. Mit der Metapher ,der strenge wind der missgunst' schließlich schieben sich die verglichenen Glieder 17
A. Gryphius, Trauerspiele, hrsg. von H . Palm, Tübingen 1882, S. 43.
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ineinander, so daß das Beziehungsgefüge ins Gleiten gerät. Man weiß nicht mehr recht, wo das Zentrum dieser über- und ineinander geschichteten Bilder und Metaphern ist. Die Sprache hat ihre natürliche Funktion, das schlichte Benennen, weit überstiegen. Ein ähnlich auffallender Unterschied zwischen Gryphius und Bidermann zeigt sich in der G e s p r ä c h s f ü h r u n g . Als Beispiel möge die 6. Szene des IV. Aktes dienen: Beiisar und Photius befinden sich auf der Szene, die Ankunft des Papstes wird erwartet. Photius hat offenbar über ein angebliches Verbrechen des Silverius berichtet, aber Beiisar läßt sich nicht überzeugen: somnia mihi narras. Photius greift das Wort ,somnia' auf, wehrt es von sich selbst ab und kehrt das Argument um, indem er es auf Beiisar anwendet: vielleicht werde er, Beiisar, einst feststellen, daß er selbst geträumt habe. In einer Reihe von kurzen Fragen und Antworten, die um den Beweis für die Behauptung kreisen, gelangt das Gespräch bis zu dem Punkt, an dem die Zeugen zitiert werden. In weiterem Frage- und Antwortspiel erfährt Beiisar von den Zeugen den angeblichen Hergang ihrer Entdeckung. An der entscheidenden Stelle des Berichtes unterbricht Photius gleichsam mit erhobenem Zeigefinger: nunc, Belisari, audies. Ungläubig nimmt Beiisar den gefälschten Brief zur Kenntnis: Non auribus meis hoc credo. Photius erwidert, indem er wiederum ein Wort aufgreift (auribus — oculis): Credes forsitan oculis. Dann erscheint der Papst (gerade im rechten Augenblick: ,commondum prodit'!). Beiisar kehrt den Gruß an den Papst unmittelbar in einen Vorwurf um (durch eine annominatio): Salvere te juberem, si tu patriam / Salvam, Silveri, esse sineres. Silverius greift das letzte Wort auf und wendet es zur Frage: Ego non sinam? Auf die weiteren Vorwürfe antwortet Silverius jeweils äußerst knapp (non promitto; non potest; non possunt usw.), indem er ein Wort des Vorwurfes negiert. In einem geradezu juristisch scharfsinnigen Wortwechsel versucht Silverius die Anschuldigungen zurückzuweisen. Als er die Frage, wie er sich die Existenz der Briefe von seiner Hand erkläre, nicht mehr zu beantworten weiß, bricht er die Diskussion mit dem resignierten „id non laboro" ab. Er verwünscht die lügnerische Feder, die die Briefe gefälscht habe, und ruft Gott zum Zeugen für seine Unschuld an. Als man ihm die Insignien abnehmen will, entsteht noch ein kurzer Wortwechsel mit Logodaedalus: Silv. Nec enim ego fui proditor, / Nec si fuissem, tu judex esses mihi. / L O G . Sim Carnifex tibi, dum tu Pontificio / Privere. S I L V . Non privabis, etsi ademeris / Haec mihi tegumenta. LOG. Assurge & reliquum etiam exue I Amictum. S I L V . Non exuo; sed si detraxeris, I Non pugno . . . Logotheta setzt die Reihe ,proditor, judex' mit ,carnifex' fort. Silverius wiederum deutet das ,privare' in ,adimere' um und kann es daher
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verneinen: in Wahrheit kann man ihn der Insignien nicht berauben, selbst wenn man sie ihm wegnimmt. Ähnlich dialektisch wird die nächste Aufforderung ,exue' durch ,detrahere' umgedeutet. Mit einer pathetischen Klage des Silverius und einem Anruf an Gott schließt die Szene. Fassen wir die Beobachtungen zusammen: Der Dialog wickelt sich äußerst rasch ab, Argument folgt auf Argument, bedingungslos und ohne Atempause. Wie in einer Disputation bekämpfen sich die Dialogpartner mit Wortspielen, Umdeutungen, Antithesen. Alle Argumente aber bleiben gänzlich im engsten Bereich der Konfliktsituation, sie betreffen stets und unmittelbar den konkreten, zur Diskussion stehenden Streitfall. Man könnte annehmen, daß in dieser rationalistischen Gesprächstechnik ein Einfluß des Seneca (und eine Verwandtschaft mit Gryphius) zu spüren sei. Doch schon ein flüchtiger Vergleich zeigt die große Kluft zwischen den beiden Möglichkeiten der Dialogführung: Bei Seneca (und in seinem Gefolge bei Balde und Gryphius) wechseln Stichomythien und lange Einzelreden einander ab. Der Dialog ist also deutlich zweigeteilt, d. h. einem rhetorischen Prinzip untergeordnet. Bidermanns Dialoge dagegen werden von der Sache, der ,causa' (der juristische Begriff liegt gar nicht so fern!) regiert und vorangetrieben, so daß es gar nicht zu einer rhetorischen Aufgliederung des Gespräches kommen kann. Zudem sind nirgendwo im .Belisarius' Stichomythien in strenger Form (d. h. jeder Dialogpartner spricht einen Vers oder Halbvers) über längere Strecken hin durchgeführt. Und auch die Abwicklung des Gesprächs in Argument und Gegenargument vollzieht sich hier grundsätzlich anders als bei Gryphius (in der Nachfolge Senecas). Ein Beispiel aus dem ,Leo Armenius' (I, 2) mag dies belegen: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
. . . Nicander: Brich, eh er um sich sticht! Leo: Stürb er ohn urtheil hin, wer würd ihn nicht beklagen! Nie.: Der fürst muss nicht so viel nach leichten Worten fragen. Leo: Ein leichtes wort rieht offt nicht leichten auffruhr an. Volck, hauptmann, ross und knecht sieht nur auf diesen mann. Exabolius: Man stell ihn auf der bürg gebunden für gerichte! Leo: Wie, wenn er wie vorhin, die klagen macht zu nichte? Ex: Die aufflag ist zu klar. Leo: Nechst auch; doch kam er loß. Nie.: Drum schnaubt er räch und mord. Leo: Sein anhang ist zu groß. Ex.: Wem man den kopff abschlägt, dem kan kein glied mehr schaden. Leo: Wir würden vieler hass und feindschaft auf uns laden. Ex: Man sieht nach keinem hass, wenns cron und seepter gilt. Leo: Er hat sud, ost und west mit seinem rühm erfüllt. Ex: Itzt wird sud, ost und west verfluchen sein verbrechen.
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Leo: Wofern nur ost und west nicht seine straffe rächen! Ex: Ein vogel fleucht den bäum, auf den der donner schlägt. Leo: Der große, wüste wald wird durch den schlag bewegt. Ex: Bewegt und auch erschröckt. Man lernt die klippen meiden, An der ein fremder mast hat müssen Schiffbruch leiden. Leo: Er hat des schwerdtes kopff, wir, leider! kaum die scheid. Ex: Drum hand ab, eh er schmeist. Es heist: schneid oder leid!18
Es beginnt mit Bemerkungen zur Situation (1, 2). Dann entgegnet Nicander mit einem allgemeinen Spruch (3), der ebenso allgemein beantwortet wird (4). Neue Argumente zur Situation folgen (5—8), mit einem Rückblick auf eine frühere ähnliche Lage und der Anwendung auf den jetzigen Streitfall (9). Exabolius entgegnet wieder mit einer Sentenz (10), die Leo mit einem Argument zum konkreten Fall erwidert (11); ebenso in dem folgenden Redewechsel (12/13). Zwei weitere spezielle Argumente schließen sich an (14/15). Dann wirft Exabolius eine Sentenz in Form eines Bildes in die Debatte (16). Das recht weit hergeholte Bild wird fortgesponnen und umgedeutet (17/18), wodurch die ursprünglich allgemeine Bemerkung konkretes Eigenleben gewinnt. Ein weiteres sentenzhaftes Bild (18 f.) aus ganz anderem Bereich soll das Argument verstärken. Schließlich fassen Leo und Exabolius ihre Meinung zur Situation zusammen, Leo in einem neuen Bilde, Exabolius geradezu sprichwortartig. Das Charakteristische dieser Gesprächsführung ist der ständige Umschlag von konkreten Argumenten in allgemeine Sentenzen und umgekehrt, die wechselseitige Spiegelung von Allgemeinem und Besonderem, sowie das stete Schwingen zwischen Bild und Gedanke. Diese Art von ,Dialektik' ist also eine prinzipiell andere als die Bidermannsche. Während der Dialog im ,Belisarius' immer dicht an der Situation haftet, erhellt sich bei Gryphius der zur Diskussion stehende Fall erst im Überstieg des Konkreten zum Allgemeinen, im ständigen Pendeln zwischen Ausgangspunkt und überindividuellen, allgemeingültigen Gedanken und Vorstellungen. Die Bedingungen des Gesprächs verschieben sich, wenn der Dialog nicht zwischen realen menschlichen Personen, sondern zwischen der handelnden Person und einer psychologischen' Allegorie (Metus, Conscientia) vor sich geht. Dann stehen sich nicht mehr verschiedene Personen mit real verschiedenen Standpunkten gegenüber, sondern die eine handelnde Person sieht sich mit widerstreitenden Impulsen, Affekten, Argumenten usw. konfrontiert. In solchen Dialogen dringt dann bei Bidermann unschwer etwas von der an Gryphius beschriebenen Dialektik ein, da es ja nicht mehr nur um sachgebundenes Für und Wider geht, sondern auch tieferliegende seelische und religiöse Begründungen zu Tage treten. Dann kann dem All18
P a l m S . 26 f.
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gemeinen, Sentenzhaften eher Einlaß gewährt werden als in .realen' Dialogen. Ein Beispiel ist der Kampf von Metus und Conscientia um Gilimer (II, 1). Die Art der Argumentation in solchen Szenen erinnert sehr an die scholastische, besser spätscholastische Methode der Disputation 19 , die sich — vergröbert gesagt — in den drei Schritten Argumentum, Sed contra und Solutio20 vollzieht. Die Solutio ist nicht eigentlich die Antwort auf die widerstreitenden Argumente, sie vollzieht sich unter Umständen losgelöst vom vorangehenden Für und Wider, mit neuen Begründungen und Demonstrationen. Ganz ähnlich gelangt Gilimer schließlich zur Entscheidung: Er wischt die Argumente von Conscientia und Metus mit einer Handbewegung beiseite, indem er auf die Fatalität, die Notwendigkeit zum Verbrechen hinweist, die ein erster Schritt ins Unrecht nach sich zieht: Jacta est alea; inceptum est mal£. / Pejus adhuc finiendum: Scelere novo scelus / Est expiandum... (318 ff.) Der Dreischritt von Argumentum, Sed contra und Solutio im beschriebenen Sinne vollzieht sich in allen ähnlichen Szenen. Daß solche Entwicklungsschemata mit der gründlichen scholastischen Denkausbildung, die der Jesuit auf der Ordensschule genossen hat, zusammenhängen, dürfte keine zu verwegene Annahme sein. Ein an sich unbedeutendes Detail, das uns absonderlich anmutet, beleuchtet diesen Zug zum Räsonnieren: Marcellus kann es sich nicht versagen, noch einige weise Sprüche von sich zu geben, bevor man ihm die Hand abschlägt. Er vergleicht, ordnet ein, bezieht und folgert: Gratia mihi est, . . . si pellar. Saevires, si . . . Dexterae jactura levis est; dignitatis me pudet Amissae. (1712 ff.) Zuletzt leitet er aus seiner Situation noch eine pathetische Warnung an den Kaiser ab (die allerdings erst in der Druckfassung hinzugekommen ist, 1788 ff.). Und was noch verwunderlicher ist: bevor Ablavius seinen Kopf auf den Richtblock legt, wagt er gar noch einen 18
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In der spanischen Spätscholastik, die für die jesuitischen Ordensschulen maßgebend ist, sinkt die mittelalterliche Quaestio zu einer bloßen Disputation herab, d. h. zu einem Denkschema, das auf alle Bereiche des Wissens und der praktischen Entscheidung anwendbar ist. „Es ist nicht zufällig, daß die mittelalterliche Quaestio damals sogar als Titel außer Gebrauch gekommen und durch die Bezeichnung Disputatio ersetzt war. Die Disputatio bezeichnet eine Denkübung, eine Denktechnik; Disputieren ist kein Erkennen; es ist audi nicht wie das Fragen ein Weg dazu. Der Disputant hat das theoretische Fragen und Erkennen schon hinter sich; er stellt eine These a u f . . . Das wesentliche Ziel der Disputation i s t . . . , recht zu behalten." (Eschweiler, Die Philosophie der spanischen Spätscholastik . . . , 1928, S. 302). Diese drei Termini der Hochscholastik werden in der spanischen Spätscholastik vielfältig modifiziert und abgewandelt. Uns geht es aber nur um das methodische Prinzip. Burger, Belisarius
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Wortwitz: Nempe supplicem I Me habebit Carnifex, qui supplex Caesari / Non fueram? (1792 ff.; die annominatio spielt mit der Urbedeutung von supplex — ,kniefällig', einmal in unmittelbar-anschaulichem Sinne, das andere Mal in übertragener Bedeutung). Selbst im Angesicht des Todes tritt die Abgründigkeit und Rätselhaftigkeit der Einzelexistenz nicht in den Blick, nicht einmal die nackte Angst, der pure Affekt, sondern bis zum äußersten Augenblick bleibt der Mensch bestimmt von Haltungen und Wertungen, die immer noch Distanz ermöglichen und denen gegenüber das Individuum gar kein Gewicht hat. Und an dieser Stelle gilt es nicht einmal, die christliche constantia des Märtyrers zu veranschaulichen, die auf ganz andere Weise — aus einer grundsätzlichen Entwertung des Irdischen und einer Bindung an das Jenseits — ein Abstandnehmen vom augenblicklichen Leiden ermöglicht. Marcellus und Ablavius sind mehr oder weniger windige Figuren, die auch im Angesicht des Henkers sich nicht zu Helden läutern, ja nicht einmal den unerschütterlichen ApathieStandpunkt des Stoikers erklimmen.21 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der Dialog im ,Belisarius' rational geschliffen und zugespitzt ist, ohne dabei den Charakter lebendigen Gespräches zu verlieren. Diese Meisterschaft der Gesprächsführung ist nun nicht etwa Bidermanns alleiniges Verdienst. Er steht in der gewichtigen Tradition seiner Lehrer Rader, Gretser und Keller, die die Kunst des Dialogs bereits hoch kultiviert haben. Besonders der ,Udo' Gretsers oder der ,Theophilus' Raders könnten hier zum Vergleich dienen. Um Parallelen und Unterschiede zu Bidermann herauszuarbeiten, bedürfte es aber einer eigenen 21
Eine ähnliche Szene findet sich in einem frühen Jesuitendrama, dem J o a n n e s Damascenus', clm 532. Dort aber erhält das raisonnement des Joannes seinen Sinn aus der christlichen constantia. Bevor man ihm die Hand abschlägt, hält er eine ,Ansprache' an die Hand: . . . Vale manus, superisque cara dextera. / Ipso futura quondam sole clarior: / E t tu tuo fungare cum uis munere. Carnifex: Constantiorem te uidisse neminem / Memini: sapiens es, hunc nunc porrige dexteram. / . . . Den zuschauenden König überkommt der Schmerz beim Anblick der Exekution: Redeamus intrö nos, dolor mentem occupat; Damascenus aber hält erneut eine Ansprache, diesmal an das fließende Blut: Riui cruoris innocentis currite. / Labesque mentis pristinas detergite. / O Virgo mater hoc tuo fer filio / Sacrificium meum, sit acceptum face. (Anklänge an die Opfer-Liturgie!) Gratümque munus grato quod corde offero . . . In diesem Stil geht es noch lange weiter (II, 11). Die Struktur dieser Verhaltensweise ist dieselbe wie in der Szene des ,Belisarius', der Sinn der Struktur aber ist ein anderer. — Die bekannte Szene in Shakespeares ,Titus Andronikus' wirkt in ihrer Selbstverständlichkeit noch grotesker (vgl. Reinhardstöttner S. 9 8 ) : nachdem Titus sich hat die Hand abhauen lassen, spricht er gelassen: N o w stay your strife; what shall be is dispatch'd (III, 1). Solche Äußerungen von Heldentum sind der Zeit offenbar gängige Münze.
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differenzierten Untersuchung. Jedenfalls ist es das Verdienst dieser frühen Jesuitendramatiker, daß sie einen Dialog schufen, der — ohne starkes Stilgefälle — imstande ist, komischen und tragischen Szenen in gleicher Weise als Fundament zu dienen. Wieweit das humanistische Schuldrama in seinen Moralitäten und Mischtypen den Grund legte für diese rasche und blühende Entwicklung im Jesuitendrama, kann hier nicht mehr erörtert werden. 2 2 Der Ausbildung eines ,mittleren' Stils (zwischen pathetisch-rhetorischer Sprache der T r a gödie und unmittelbarem Sprechstil der Komödie) in ihren Entwicklungsstadien nachzugehen, wäre vermutlich eine lohnende Aufgabe, zumal sich das Problem der gemischten Gattung' von hier aus schärfer stellen und verfolgen ließe. Ich habe es vermieden, die Gesprächsführung im ,Belisarius' als p s y chologisch' zu bezeichnen oder überhaupt von .psychologischer Wahrscheinlichkeit' zu sprechen. Man könnte nach dem bisher Gesagten vermuten, der Dialog rolle stets ohne Unterbrechung, ohne Störung des lebendigen Flusses ab. Das trifft zwar für viele Szenen zu, doch an einigen Stellen — und dort um so auffallender — stockt das Gespräch auf eine Weise, die man geradezu als Stilbruch zu bezeichnen versucht ist. Nach der Niederlage tritt Gilimer dem Kaiser gegenüber und demütigt sich vor ihm. Justinian aber gewährt ihm Verzeihung, ja setzt ihn sogar in A m t und Ehren wieder ein. D a r a u f Gilimer: Ah quid honorum, Imperator, ah quid erit opum? / Omitte magna polliceri Gilimeri, / Ademto regno, parvum est illi, quicquid est. / Vanitas Vanitatum,
& omnia Vanitas. / I t a
meus me docuit sentire, Sc credere / Casus (1158 ff.). Es ist, als ob Gilimer sich von seinem Gesprächspartner abwende, an die R a m p e trete und dem Publikum zur Warnung den biblischen Spruch entgegenhalte. Seine E r f a h rung hat ihn gelehrt, daß der Leitsatz des Prediger Salomo die Wahrheit der menschlichen Verhältnisse ausspricht. Hier erhebt sich der Dialog über die konkrete causa zu einer allgemeinen Erkenntnis, die am exemplum des konkreten Falles gewonnen und bewiesen wurde. Noch deutlicher ist dies in der gewaltigen Senatsszene, in der über Beiisar Gericht gehalten wird: Nach der Verurteilung bricht Bel'isar in eine große Klage aus, die sich dann zu einem unmittelbaren Anruf an die Umstehenden und damit an das "
7*
Tieghem (La littérature latine de la Renaissance, 1944) schreibt zu diesem Punkt: „Ces drames sacrés s'intitulent souvent .comédies'; on sait combien le sens de ce mot était devenu flottant au moyen âge et l'était resté depuis. Ils combinent l'imitation de Sénèque avec celle, prédominante, de Térence — certains recueils de telles pièces portent le titre de Térence chrétien . . . Nous assistons là à la création d'un genre littéraire nouveau, spectacle toujours intéressant; genre mixte, créé sous la pression des circonstances et des besoins par la combinaison d'éléments d'origine diverse" (p. 346 f.).
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Publikum steigert: O patria, quae triumphantem me videras, / Videsque nunc captivum! o cives, qui meos / Spectastis saepe honores, visuri modi> / Exoculum! Ite, & aliquam in rebus mortalibus / Felicitatem agnoscite; nempe est unica / Unius inconstantiae constantia. (1949 ff.) In diesen Sätzen kulminiert die gesamte Handlung des Dramas: hier wird die Summe gezogen, die den Einzelfall übersteigt und sich zu einer umfassenden Einsicht in das Wesen der menschlichen, sterblichen Dinge ausweitet. Auch hier kann von psychologischer' Dialogführung nicht mehr die Rede sein. Doch wäre die Forderung nach einem im heutigen Sinne realistischen' Theater der Art dieser Dichtung gänzlich unangemessen. Zweck und Ziel des Dramas ist der allem Einzelnen zugrundeliegende Sinn; und dieser Sinn soll dem Zuschauer sichtbar gemacht werden. Zum Zwecke solcher Demonstration können die Figuren aus sich heraustreten und den Rahmen der Situation verlassen, um sich selbst ihrer Individualität zu entkleiden und sich in ihrer Einzelheit als Repräsentanten, als Exempel des menschlichen Seins überhaupt zu enthüllen. Aus anderer Perspektive gesagt: an den Kulminationspunkten des Geschehens sprengt der Dichter die Abgeschlossenheit des Bühnenraumes und zieht in der Maske der Hauptfigur das Resümee aller Vorgänge, er tritt gleichsam als Lehrer, als Prediger auf die Bühne. Hintergrund dieser Erscheinung ist die alte Auffassung, daß die Geschichte als ,magistra vitae' der Philosophie an die Seite zu stellen sei (Cicero, De orat. II 8, 36; Tusc. III, 23, 56 ff.; Tusc IV 29, 63).23 Während die Philosophie durch ,ratio' ihren Jünger zu theoretischer Besinnung anleitet, wirkt die Geschichte durch ihre ,exempla' unmittelbar auf das Leben, auf die Lebensgestaltung ein (Seneca: Instruenda est vita exemplis inlustribus, Dial. VI 2, l). 24 Dem historischen Drama fällt die Aufgabe zu, solche exempla unmittelbar sinnenhaft auf der Bühne darzustellen und den lehrhaften Gehalt an den zentralen Punkten des Geschehens als eine Art Resümee herauszuheben. Darüber hinaus aber ist für Bidermann das historische Geschehen noch in einem tieferen Sinne exemplum: Menschliche Handlungen, Ereignisse dieser Welt überhaupt haben ihrem Wesen nach die Struktur des Exempels; sie gewinnen einen Wert, ja sie können ihre Existenz überhaupt nur erhalten in der Bezogenheit auf ein fundierendes Sinnprinzip, eine .causa metaphysica', oder welchen Namen man sonst wählen will. Dies wird am gegebenen Ort noch näher zu belegen sein. 23
24
Vgl. dazu Heitmann, Fortuna und Virtus — eine Studie zu Petrarcas Lebensweisheit, 1958, S. 115, wo auch die Cicero-Stellen angegeben sind. Zitat bei Heitmann a. a. O.
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Es ist wohl zu beachten, daß solche ,Brüche' im Ablauf des Dialoges nicht willkürlich und an beliebigem Ort auftreten. Ihre Wirkung steigert sich gerade dadurch, daß sie nur sehr sparsam eingesetzt werden. Einzig die Stellen des Geschehens, an denen sich ein Resümee geradezu aufdrängt, weisen diese Erscheinung auf. Zudem wird der Rahmen der Situation nicht in dem Sinne gesprengt, daß der Dialog zusammenbräche. Vielmehr wachsen die allgemeinen Lehren aus dem Zusammenhang des Gespräches sinnvoll heraus und kehren im ersten Falle sogar ins Gespräch zurück. Die allgemeine Erkenntnis — wie in kleinerem Rahmen die sentenzartige Zusammenfassung einer Situation — ist Spitze und Kulminationspunkt der sachgebundenen Diskussion (während bei Gryphius der Dialog sich im Wechselspiel von allgemeiner Sentenz und konkretem Argument entwickelt). In den Jesuitendramen der Jahrhundertmitte wird sich dann die Lehre verselbständigen, Aktion und ,Sinn' treten auseinander; der Sinn erwächst nicht mehr selbsttätig aus dem Geschehen, sondern Handlung und Lehre bilden verschiedene Bereiche, die sich nur ineinander spiegeln. 25 Schwer zu beurteilen ist die Frage der M e t r i k , da Vorarbeiten auf diesem Gebiet für die neulateinische Literatur gänzlich fehlen. Es existiert kein neulateinisches Glossar, eine Untersuchung des Quantitätenproblems ist ebenfalls nicht vorhanden. Unsere Bemerkungen können sich also nur auf sporadische Beobachtungen stützen: Der jambische Senar ist wegen seiner zahlreichen Auflösungsmöglichkeiten ein sehr kunstvoller Vers, weshalb kaum zu erwarten sein wird, daß ein Jesuitendichter, der sich schließlich nicht nur mit Subtilitäten der Metrik abzuplagen hat 26 , den metrischen Anforderungen stets gerecht wird. So weist denn auch der Text der Handschrift eine große Zahl von Versen auf, die metrisch nicht zu realisieren sind. Uber äußere Umstände, wie Zeitmangel und dgl. hinaus, führt der Autor der Praemonitio noch weitere Gründe zur Erklärung und Entschuldigung dieser Nachlässigkeiten an: Denique non deerunt ex lectoribus delicati fortasse nonnulli, qui sty25
26
D a s Buch von Albrecht Schöne „ E m b l e m a t i k und D r a m a im Zeitalter des B a r o c k " (München 1964), das nach Abschluß der vorliegenden Arbeit erschien, böte in diesem Zusammenhang interessante Vergleichsmöglichkeiten. D a aber die grundlegenden Untersuchungen Schönes einer eingehenden Diskussion bedürften, muß hier auf eine Auseinandersetzung verzichtet werden. V g l . d a z u die P r a e m o n i t i o : . . . illud interim considerandum, P . Biderm a n n o alijs rebus gravissimis occupato, minimum temporis concessum fuisse a d laborem scriptionis, nec ei, nisi p a u c a s horas subsecivas, ad stylum relictas; q u o ipso tarnen tempore erat p a r a n d u m Theatrum, Actores scenici instruendi, a p p a r a t u s vestium Sc scenarum concinnandus, & super haec aliae curae innumerae rerum p l u r i m a r u m ad Theatricos labores spectantium necessariö suscip i e n d a e ; quibus erat omnibus ita incumbendum, ut rarö spatium superesset, de stylo cogitandi.
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lum ipsum P. Bidermanni ad censuram vocent, veluti minùs vel ad lepórem Comicum, vel ad exactas Latinitatis leges exquisìtè elaboratum. H i quoque si quaesierint diligenter, invenient facilè in ipsis primis Comoediae Latinae parentibus, quod debeant ignoscere, quia excusare non possunt. Non est de toto opere ferendum continuò Judicium ex uno alteróve versu minus perfectè tornato, in hoc potissimùm genere scriptionis, in quo plerumque plus gratiae habet neglecta, sed illimis & minimè sordida oratio, & quidam sermonis candor nativus, quam exquisitum Studium percolendae dictionis. Diesen Bemerkungen ist kaum etwas hinzuzufügen. Interessant ist noch der Vergleich mit der bildenden Kunst, der auf die ,Natürlichkeit' der Bidermannschen Sprache abzielt: ut in formis ajunt eam maximè laudari, quae speculo minimum debeat; nec alio ornatu indigeat, naturae solius dotibus contenta. In welchem Sinne eine solche Rede von .Natürlichkeit' (Realismus u. ä.) eingeschränkt werden muß, wurde bereits angedeutet und wird noch weiter auszuführen sein. N u n sind metrische Nachlässigkeiten im Druck bei weitem nicht mehr so zahlreich wie in der Handschrift (s. o. Vorwort zur Edition, S. 3). Zwar bleiben immer noch einige metrisch nicht zu realisierende Verse, die aber kaum mehr in Betracht kommen, so daß die Bemerkungen der Praemonitio beinahe überflüssig erscheinen. Die C h ö r e scheinen zum Teil nach den Regeln der antiken Metrik gebaut zu sein: Der Chor der Priester (IV, 8): Eheu quis haurit imas Dolor medullas? usw. Der Schlußchor der gleichen Szene: O ter quaterque charae Manus valete usw. (nach dem gleichen Versschema wie der Eingangschor) Der Chor der Knaben (V, 8): N o n est gloria vera, vera non est usw. Die beiden restlichen Chöre (II, 9 und III, 6) aber lassen sich mit den Gesetzen der quantitierenden Metrik nicht erfassen. Hier spielt offensichtlich ein ganz anderes Versprinzip hinein, das der rhythmischen Dichtung: Der Chor II, 9 wäre dann so zu lesen: Ah miserandae somnia vitae usw. Derselbe Chor, nach quantitierender Metrik gemessen, würde zu viele Inkorrektheiten aufweisen. Für das rhythmische Prinzip spricht auch, daß Wortton und Verston zusammenfallen. Das Gleiche trifft f ü r den Soldatenchor in III, 6 zu:
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Laudemus Belisarium, Q u i nobis dat salarium. usw. Im letzteren Falle glaubt man ein Vagantenlied des Mittelalters zu hören.27 Wie erklärt sich dieses seltsame Nebeneinander der beiden Versprinzipien? Aus dem Mittelalter fließt ein breiter Strom geistlicher Gesänge (Hymnen, Sequenzen usw.) und weltlicher lateinischer Lieder in die folgenden Jahrhunderte, und alle diese Dichtungen basieren nicht mehr auf dem antiken Versprinzip. Hinzu kommt die reiche Produktion volkstümlicher deutschsprachiger Lyrik, die ebenfalls keine Silbenmessung kennt. Im Drama nun ist der Chor am ehesten gegenüber solchen Einflüssen anfällig. Auf welchen Wegen das rhythmische Dichtungsprinzip im einzelnen ins Jesuitendrama eingedrungen ist, müßte an den Stücken der jesuitischen Frühzeit untersucht werden. 28 Die F u n k t i o n der Chöre im ,Belisarius' pendelt zwischen elegischer Klage und Reflexion des Geschehens. Hinzu kommen Spottverse und -lieder der Soldaten im Triumphzug. Wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Chöre von den ersten Meistern der Zeit vertont wurden (in der Frühzeit des Jesuitendramas wirkte Orlando di Lasso in München und trug viel zum Erfolg des Theaters bei), kann man die Wirkung besonders der elegischen Stücke ermessen, die gleichsam den Grundakkord des Geschehens antönen und die im Zuschauer geweckten Regungen zum reinen Affekt läutern. Bereits die geistlichen und weltlichen Dramen der Humanisten schlie27
In der Szene des großen Triumphzuges singen die Soldaten kurze Spottverse, die sich durchweg dem jambischen Senar fügen. Ein einziges V e r s p a a r , das aber nur in der Handschrift vorhanden ist, weist 8 H e b u n g e n a u f : Haec Corona qualis est, et quae v o c a t u r milites? Seu muralis, seu ruralis, certe militaris est (nach 963). Wenn sich diese Verse auch quantitativ realisieren lassen, so scheint doch in dem streng alternierenden G a n g des Verses ein Einfluß der rhythmischen Dichtung spürbar zu sein. Möglicherweise hat Bidermann (oder der Herausgeber) bei der R e d a k t i o n des Textes diese Verse gestrichen, weil sie aus dem R a h m e n der übrigen Spottverse herausfallen. D a g e g e n spräche allerdings, d a ß der vierzeilige C h o r a m E n d e der Szene dem rhythmischen Prinzip folgt.
28
D i e metrischen Probleme der Chorlieder wären vermutlich leicht lösbar, wenn man über den C h a r a k t e r der Musik Genaueres wüßte. Leider scheint die Musik zu den Spielen der J a h r h u n d e r t w e n d e nicht erhalten zu sein. Vgl. R . H a a s ,Die Musik des Barock* (in: Handbuch der Musikwissenschaft 1929), S. 171: „ I m Katholischen sind die frühen Jesuitenspiele in K ö l n und München nur in einer in P a r i s liegenden P a r t i t u r der ,Philotea', München 1643, zu fassen; sie erscheint von R o m aus berührt; die Wiener L u d i Caesarei in der zweiten H ä l f t e des J a h r h u n d e r t s sind dann ersichtlich von der italienischen H o f o p e r abgesenkt."
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ßen jeden Akt mit einem Chor, der eine ähnliche Funktion hat wie im ,Belisarius'. Mit den Übersetzungen der griechischen Tragiker im 16. Jahrhundert greift die Aufgabe des Chors auch auf die Handlung über: er kommentiert, mahnt oder warnt. Daneben bleibt die alte Funktion der reflektierenden oder lyrischen Zusammenfassung des Geschehens weiter bestehen.29 Die frühen Jesuitendramatiker verwenden den Chor meist zur Steigerung der Affekte, der Trauer, der Freude, des sieghaften Jubels. Dabei sind die Chöre häufig die Glanzstücke des ganzen Dramas. Im Vergleich dazu erscheint die Bedeutung der Chöre im Bidermannschen Drama sehr reduziert. Nur noch an wirklich entscheidenden Punkten der Handlung oder an Stellen, die sich für einen Chorgesang geradezu anbieten (etwa die Klagegesänge der Priester), werden sie eingesetzt.30 In der weiteren Entwicklung des Jesuitendramas (Balde, Masen, Avancini) gewinnen die Chöre einen neuen Eigenwert und wachsen sich allmählich zu allegorischen Intermedien aus. DAS THEATRALISCHE Theater ist auf Sinnfälligkeit abgestellt. Nur das, was den Sinnen zugänglich ist, läßt sich auf der Bühne realisieren. Nicht jedes Drama also ist schon deshalb theatralisch', weil es sich in Aktionen und Dialogen vollzieht. Bekanntlich gibt es dichterisch hevorragende Stücke, die auf der Bühne durchfallen, eben weil ihnen das fürs Theater Erforderliche abgeht: sinnfällige Wirksamkeit. Nun haben die Bewunderer des Jesuitendramas stets zu rühmen gewußt, die Dramen der Ordensdichter seien unmittelbar für die Bühne, sogar für eine bestimmte Bühne, für bestimmte Spieler geschrieben. Ihr primäres Ziel sei Erregung der Affekte und Hinlenkung 29
30
Vgl. etwa die ,Hecuba' des Euripides, übersetzt von Spangenberg: Der Singende Chor: Das Glück verkehrt alle ding, weil sein Rad so hefftig herumbher fehrt. Es lest nicht beständigs sein, sondern das Underst zu Oberst kehrt, Das Erst mit dem Letzten, die Frewd mit Trawrigkeit vermischet gar, Wie ein Windwirbel: Also ist nichts in der Welt Beständig zwar. (Griechische Dramen in deutschen Bearbeitungen von Wolfhart Spangenberg und Isaac Fröreisen . . . hrsg. von O. Dähnhardt, I. Bd., Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart, CCXI, Tübingen 1896, S. 225.) Die Thematik ist ähnlich wie in den Chören des ,Belisarius'! Im englischen Drama der Zeit haben die Chöre einen weit größeren Aktionskreis. In Shakespeares Königsdramen etwa verbinden sie weit auseinanderliegende örtlichkeiten und überbrücken große historische Zeiträume, zudem geben sie Vorausdeutungen, die aber meist nicht eintreffen, also nur dazu dienen, den Zuschauer zu spannen, ferner veranschaulichen sie — anstelle von Dekorationen — dem Publikum die Szenerie usw.
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auf die unvergänglichen Güter des Glaubens. U n d um den Zuschauer völlig in den Bann des auf der Bühne Dargestellten zu zwingen, habe man alle erdenklichen bühnentechnischen Künste eingesetzt und mit Bühnenbild, Maschinerie und Musik einen grandiosen Sinnenzauber inszeniert. Indessen ist das Jesuitentheater viel zu reich — man bedenke die unglaubliche Fülle an Stoffen, die auf den Jesuitenbühnen dargestellt wurden, und die Vielzahl von Typen —, und die Wandlungen von Generation zu Generation sind viel zu bedeutend, als daß man von einer einheitlichen Form der ,Theatralik' sprechen könnte, die sich durch die zweihundertjährige Tradition dieser Bühnen durchgehalten hätte. Es wird also hier, wie überall im Bereich der Literatur und Kunst, darauf ankommen, das vorgefundene Material zu differenzieren, das Einzelne gegen seine Umgebung abzusetzen und so zu einer wirklichen Beschreibung des Einzelphänomens zu gelangen. Schon die Verlegung der Aufführung von der Freilichtbühne in die Aula der Schule hat so einschneidende Wandlungen der Form und des Typus zur Folge, daß die Festspiele der jesuitischen Frühzeit (etwa der ,Triumphus Divi Michaelis') kaum vergleichbar sind mit den Spielen Raders, Gretsers, Bidermanns usf. Ziel dieser Arbeit wird es sein, neben form- und problemanalytischen Fragen auch die Art Bidermannscher ,Theatralik' zu erörtern, soweit sie sich am ,Belisarius' ablesen läßt. Diese Frage wird sich von immer neuen Seiten her stellen, da sie ja nur auf den ersten Blick reine Äußerlichkeiten, bei näherem Hinsehen aber auch die innere Struktur des Stückes betrifft. Nachdem an Sprache, Dialogführung und Verwendung der Chöre schon einige Züge des dramatischen Stils sichtbar wurden, soll nun von szenischen Beobachtungen her ein neuer Zugang zum Problem des .Theatralischen' gewonnen werden. Dabei wird über die Bühnenform, über Einzelheiten der ,Regie' zu sprechen sein, schließlich über das Problem der raumzeitlichen Einheit, das wiederum die Frage nach Verknüpfung und Motivation der Handlung aus sich entläßt.
1. Bühne, Bühnentechnik, Regie Uber die Bühne des Bidermannschen Dramas hat ausführlich Flemming gehandelt. Seine Darstellung der ,kubischen Simultanbühne' wurde durch minutiöse Untersuchungen, die R. Tarot am ,Cenodoxus' vornahm 1 , in Einzelheiten korrigiert. Der ,Belisarius' bietet keine bühnentechnischen Hinweise, die eine Überprüfung dieser Befunde ermöglichen würden. 2 1 2
Rolf Günter Tarot, Jakob Bidermanns ,Cenodoxus', Diss. Köln 1960. Herr Dr. Tarot, Zürich, teilt mir mit, daß er aufgrund umfassender Untersuchungen zur Bühnentechnik des Jesuitendramas zu neuen Rekonstruktionen gelangt, die über die Ergebnisse seiner Dissertation beträchtlich hinausgehen.
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Bemerkenswert ist höchstens, daß im ,Belisarius' offenbar die durch Vorhänge verschließbaren Innenräume der Bühne wirkungsvoll ausgenutzt wurden. So etwa in IV, 5 („Nach dem Silverius von dem Belisario abgescheiden / begibt er sich in die Kirchen zum A l t a r . . . Vber ein kleines aber gehet er zu der Clerysey h e r f ü r . . . " deutsche Perioche) oder V, 5 („Eusebius wird mit einer Rott Landtßknecht den Belisarium zefangen geschickt / welcher... auß seinem Hauß bricht / vnd sich mit gewöhrter Hand beschützen w i l l . . . " ) . Uber Einzelheiten der Szenerie läßt sich nicht viel sagen, da in der Handschrift keine Bühnenanweisungen überliefert sind. (In älteren Jesuitendramen, wie im ,Benno' von 1598, clm 19 757 2 , oder im ,Triumphus Divi Michaelis', clm 19 757 2 , sind am Rande der Hs. zahlreiche Regieanweisungen vermerkt.) Aus den Periochen lassen sich einige Hinweise auf die Szenerie ablesen, die jedoch kein genaues Bild ergeben. Immerhin zeigen sich einzelne Grundzüge dieser Bühnentechnik: Die Darstellung ist ganz auf das Schaubare ausgerichtet, alle Vorgänge werden sichtbar gemacht, soweit es eben möglich ist. Selbst vor der Darstellung des Abstoßenden und Grausamen schreckt der Dichter nicht zurück: Ammates trägt das abgeschlagene Haupt des Hildericus über die Bühne (11,3: „Vnder disem tragt Ammates deß Hilderici abgeschlagnes Haupt auß der gefängnuß herfür / bringt es seinem Brüdern Gilimer."); dem Marcellus wird auf offener Bühne die Hand, dem Ablavius der Kopf abgeschlagen (V, 6: „Marcello hawet man die rechte Hand ab: vnd Ablavius wirdt enthaupt. Haupt vnd Händt werden öffentlich auff dem Platz auffgehenckt."); dem Beiisar sticht man die Augen aus (V, 7: „Dann Justianus schafft / solle wegen seines Verbrechens die Peri oder Kriegßbinden vnd andere Zierd von sich ablegen / entsetzet jne der Würden vnd dignitet deß Raths / Last alle seine Güter für die Kayserliche Cammer einziehen / vnd jhme letztlich die Augen außstechen. Vnder disem ächtet vnd spottet Conscientia..."). Für V, 6 geht zwar aus der Perioche nicht deutlich hervor, daß die Exekution auf der Bühne (wenn auch verdeckt) stattfindet, aber der Text des Dramas (die letzte Rede des Ablavius!) läßt keine andere Deutung zu. In V, 7 schließlich beweist das folgende „Vnder disem . . . " unsere Annahme. Auch die Schlußszene (V, 9) gehört in diesen Rahmen: „Den blinden armseligen Belisarium führet sein Sohn h e r f ü r . . . begert er (Beiisar) jrgend auff einen stock oder stein nider zusitzen / alda er allen Menschen zu einem erbärmlichen Gespött / die Hand vmb ein Almosen außstrecket / Es scheint der Nachweis möglich zu sein, daß u. a. die Bühne des ,Belisarius' nicht mehr unter den Typ ,kubische Simultanbühne' fällt. Zur Beurteilung der Frage wird man die Publikation der Studie abwarten müssen.
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vnd schreyet... Gehet demnach mit grossem seufftzen von disem ort gar hinweg." Hier wird nicht so sehr auf die Schaulust des Publikums, sondern auf seine Affekte, seine Disposition zur seelischen Erschütterung spekuliert. Mit Sensation und Nervenkitzel wartet der Regisseur in den naturalistisch ausgeführten Schlachtenszenen auf (II, 4: „Alßbald schreyet man Lerma / Lerma / vnd zeucht dem feindt in der Ordnung entgegen." 11,5: Nach der Ansprache an das Heer läßt Beiisar „aufftrommeten vnd den feind angreiffen. Darauff erhebt sich beeder seyts ein groß geschrey / die Kriegßheer lauffen zusamen / streitten miteinander / das Geschütz(!) erhallet allenthalben. Vnd anfangs zwar hat man lang gestritten / daß man nit gewust / wer oberhandt hett / entlich aber weichen allgemach die Wandaler / werden doch geschlagen vnd biß auffs haupt erlegt." 3 ). Hier geben die Periochen ein weit anschaulicheres Bild, als man es nach dem Text des Dramas rekonstruieren könnte. Dies dürfte uns ein Hinweis darauf sein, daß dem Text möglicherweise nicht die dominierende Stellung zukommt wie etwa im Theater Racines. Kampfszenen sind in der Zeit offensichtlich sehr beliebt, wie auch ältere Jesuitendramen zeigen. Bidermann weiß die so geartete Schaulust des Publikums wohl auszunützen, wenn er an einer Stelle, wo im Drama nicht eben entscheidende Dinge vor sich gehen, eine kleine, zudem lächerliche Fechterei einschiebt: „Durch den Praeconem wird das Kriegßvolck zusammen beruffen / dem Belisario so alsobald kommen wird / auff den dienst zuwarten. Pamphilus aber ein vnrhwiger Kopff kan nit feyren / raitzt seine gesellen zum fechten an / Vnd als er eben mit Philodamo ein gängle thun vnd auffheben wolte / wird solches durch deß Belisarij ankunfft verhindert." (I, 5) Bei solchen sensationellen Schaustellungen mit Exekutionen, Lärm, Trompeten, Schlachten dürfen Prunk und Glanz nicht fehlen. Wo es sich eben machen läßt, rollen Wagen über die Bühne (I, 3; V, 5; ferner wohl in den Schlachtenszenen und im Triumphzug). Die Allegorien sind ihrem Charakter entsprechend entweder prunkvoll oder furchterregend, in jedem Fall aber höchst anschaulich ausgestattet. 4 Zumal Invidia und Mendacium müssen in greulichem, entsetzenerregendem Aufzug erschienen sein (vgl. 1,7, wo Virtus die Invidia als ,stygij monstrum 3
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Noch genauer beschreibt die lateinische Perioche: „Post ubi militari oratione suos compellavit, signa canere jubet, et in hostem ferre. Tollitur utrinque clamor. concurritur, confligitur, tormentis ( = Schleuderwurfmaschine!) undique tonantibus . . Vgl. J. Masen, Speculum imaginum, veritatis occultae, Köln 1650; P. Lang, Dissertatio de Actione Scenica, München 1727, S. 107 f.; moderne Literatur zur Frage der Ausstattung der Allegorien: Irene Wanner, Die Allegorie im bayerischen Barockdrama des 17. Jhs., 1941, vor allem S. 78 ff.
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lacüs Portentum informe', ,orci pabulum', ,silicernium',,larva', ,Acheruntia pestis', ,Lamia', ,Canidia' usf. bezeichnet; mit ganz ähnlichen Titeln wird Mendacium in IV, 4 von Photius belegt). Das Non plus ultra an Pomp dürfte sich beim Triumphzug entfaltet haben (111,4: „Virtus wird von edlen Knaben begleitet / tritt auff den Plan h e r f ü r . . . Den Dienern gibt sie guidine Ketten / Armbänder / C o r o n e n . . . " 111,6: „Darauf! zeucht Belisarius vnder solcher deß Volcks vnd der Soldaten frewd / vnd weil man aufftrometet / singt und paucket / auch das Kriegsvolck kurtzweilet / mit großem Pracht / Pomp vnd Herrlichkeit a u f f . . . " ) . Aus all dem geht hervor, daß der bloße Text des Dramas, wie wir ihn erhalten haben, keineswegs ein vollständiges Bild von den Intentionen des Dichters zu geben vermag. Wenn sich auch nicht mehr in Einzelheiten feststellen läßt, w i e Bidermann seine Aufführungen des ,Belisarius' gestaltet hat, so weist dodi der Text des Dramas darauf hin, daß der Dichter sehr bewußt die Möglichkeiten der Bühne ausgenützt, ja geradezu den Text von der Bühne, von der sichtbaren Realisierung her gedacht und eingerichtet hat. Solchen Spuren der Regie im Text nachzugehen, wird unsere nächste Aufgabe sein. ,Regie' sei hier in einem sehr weiten Sinn verstanden — als Titel für Probleme der architektonischen Anordnung der Teile des Dramas wie für Fragen der Szenerie usw. Die Einteilung nach 5 Akten folgt den Anweisungen der RenaissancePoetik. Die Anordnung der Akte scheint eine gewisse Symmetrie zu verraten, zumal wenn man die Abfolge der Schauplätze beobachtet: I. Akt II. Akt III. Akt IV. Akt V. Akt Byzanz Nordafrika Byzanz Rom Byzanz Die Akte I, III, V spielen (im großen gesehen) auf den gleichen Schauplätzen. Dieses symmetrische Baugerüst erscheint in ähnlicher Weise, wenn auch nicht so deutlich, im Umfang der Akte: I.Akt II. Akt III. Akt IV. Akt V.Akt 7 Szenen 10 7 9 9 274 Verse 471 321 512 509 Gestört wird das symmetrische Gleichgewicht nur durch die Aufschwellung des letzten Aktes. Dies Übergewicht des Schlußaktes ist innerhalb des Bidermannschen Werkes kein Ausnahmefall. Man kann vermuten, daß dies rein äußerliche Merkmal des Aufbaus ein Wesensgesetz des inneren Geschehens spiegelt: möglicherweise liegt das Schwergewicht der dichterischen Absichten gerade im letzten Akt, gegenüber dem alles Vorangehende nur Vorbereitung wäre. Wenn die symmetrische Anordnung der Schauplätze noch auf Bauprinzipien des Renaissancetheaters zurückweist, so deutet das Verhältnis der Akte zueinander auf eine Aufgipfelung im letzten Akt hin, die den renaissancehaften Bau sprengt und dem Stück
1. Bühne, Bühnentechnik, Regie
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jene erregende Finalität verleiht, die für alle Werke Bidermanns charakteristisch ist.5 Die szenische Bewegung innerhalb der einzelnen Akte scheint vom Dichter genau berechnet zu sein: Das Drama beginnt mit einer pathetischen Szene, die sich noch vor den Mauern der Stadt abspielt. Dann verlagert sich der Schauplatz in das Innere der Stadt, bis in den Beratungssaal des Senats. Im gleichen Maße also, wie sich der Konflikt enthüllt, wandelt sich die Szenerie vom Äußeren, öffentlichen ins Innere, ins ,Kabinett'. Der zweite Akt folgt einem ähnlich deutlichen Baugesetz: er hebt an im Palaste des Gilimer, und zwar mit einem ,inneren' Gespräch Gilimers (Gilimer — Conscientia — Metus), verlagert sich dann zunehmend ins Äußere, öffentliche (über das Gespräch des Gefängnisaufsehers mit seinen Gefangenen zur Schlacht auf der Bühne) und endet schließlich wieder in der Enge des Zwiegesprächs (Gilimer—Beiisar). Der Schauplatz hat nun in das Lager Beiisars hinübergewechselt, dem Erfolg der Schlacht entsprechend. Die örtlichkeiten ändern sich also nicht sprunghaft, einem eher epischen Bauprinzip folgend, sondern gemäß einer genau erwogenen Linienführung, die das Vorstellungsvermögen des Zuschauers sachte mit sich zieht. Der dritte Akt bildet einen ganz ähnlichen Bogen wie der zweite. Sieht man von der einleitenden Szene ab, in der ein Herold den Senat einberuft, so beginnt auch dieser Teil mit einer Szene im Palast (Verhandlung im Senat), steigert sich dann zum prunkvollen Triumphzug, der Beiisar auf dem Höhepunkt der öffentlichen Anerkennung zeigt, und endet wieder in einem Zwiegespräch zwischen dem siegreichen Kaiser und seinem besiegten Gegner. Im vierten Akt geht es nicht mehr um öffentliche Vorgänge, um Kämpfe und Aufzüge, nicht mehr um große Senatsverhandlungen, sondern um den Kampf des Beiisar mit sich selbst. Entsprechend spielen sich alle Szenen in der Einsamkeit des Kabinetts ab, mit Ausnahme von IV, 5. Doch diese Szene erhält ihre "Wirkung gerade dadurch, daß sie in ihrer öffentlichkeit mit dem übrigen Geschehen kontrastiert, das hinter verschlossenen Türen vor sich geht. Der fünfte Akt beginnt wieder mit geheimen Gesprächen (Verhandlungen der Verschwörer). Sobald aber die Konspiration entdeckt ist, spielt sich alles Geschehen in der öffentlichkeit ab, bis zur pathetischen Klage des zum geblendeten Bettler herabgesunkenen Beiisar in der vorletzten Szene. Die große Senatsszene, in der Beiisar verurteilt wird, gewinnt nun auch den Charakter eines nur Äußeren, da die Verhandlungen im Grunde gar nicht die wahre Situation betreffen. Das eigentliche Geschehen spielt 5
Vgl. Max Wehrli, Nachwort zu Bidermanns ,PhiIemon Martyr', S. 322.
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Das Theatralische
sich im Inneren Beiisars ab (die Mahnungen der Conscientia!), ohne daß den Richtern diese Doppelschichtigkeit des Geschehens bewußt wäre. Schon dieser erste Überblick zeigt, daß Bidermann keineswegs nur eine den Absichten des Ordens dienende Fabel in sichtbares Geschehen umgesetzt hat, wie man es manchen Jesuitendichtern vorwirft. Das Drama scheint ihm als wirkliche Kunstform zu gelten, als Aufgabe, die künstlerisch zu bewältigen ist. In den Briefen Bidermanns an seinen Lehrer Rader ist oft von Problemen des Stils die Rede (vgl. o. S. 86), und auch dem Drama wird manche Bemerkung gewidmet.® Natürlich gehen dabei die reformatorische Absicht des Ordensmannes und das Verantwortungsbewußtsein des Dichters Hand in Hand: in dem Maße, in dem das Stück an dichterischer Qualität gewinnt, steigert sich auch die Wirkung auf den Zuschauer. Zeigt sich schon im Großen die künstlerische Bewußtheit des Dichters, so ist sie in den Teilen und gar im Einzelnen noch deutlicher spürbar: Für die Regie der Szene ergeben sich einige durchgehende Charakteristika: In der spezifischen Weise, wie ein Dichter die einzelnen Szenen einsetzen läßt und wie er neu auftretende Personen einführt, zeigt sich viel vom dramatischen Stil eines Werkes. Es seien daher kurz die Szeneneingänge betrachtet: Nur wenige Male beginnt die Szene mit einer längeren Rede ( 1 , 1 ; I, 6; I I I , 6). Bidermann benützt dieses Mittel also sehr sparsam, ganz im Gegensatz zu Gryphius, der mit Vorliebe eine pathetische Rede an den Anfang der Szene setzt. Die Rede hemmt den Fortgang des dramatischen Geschehens, sie ist der Ort, wo der Dichter seine rhetorischen Künste spielen lassen kann. Wie sich schon in den Untersuchungen zur Gesprächsführung zeigte (s.o. S. 94ff.), will Bidermann den Zuschauer mehr durch raschen Ablauf der Handlung als durch rhetorische Glanzstücke beeindrucken. So dienen denn die übrigen Arten des Szeneneingangs vorwiegend der dramatischen Aktion: Treten Allegorien zum erstenmal auf, so stellen sie sich selbst vor (I, 2; I, 3). D a sie ja nicht auf gleicher Ebene mit den handelnden Menschen 6
Selbst die ,gloria', die der Dichter zu erringen bestrebt ist, scheint dem Ordensmann nicht verachtenswert, wie ein Brief an Rader zeigt: Drama, inquam, illud tuum, quod olim Philosophus Sodalitio B. Virginis dedisti, redde, non pöst multö, ipsum illud cum foenore recepturus. Breve est, & ad rem nostram peridoneum: nec uerö tamdiu pulueres & tenebras carceresque meruit; solem aliquando repetat. Poterit tutior esse domi, inquies. Sed haec tu moris ac dicis caussä: aut si seriö, caue, malum; ne inuidere scriptis tuis videare, quod illa tibi nunquam inuiderunt; lucem, dico & gloriam. Certe si per otium & ingenium licuisset, lusissem ipse aliquid. Sed utrumque uetuit. . . clm 1610, n. 199, a. 1600.
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1. Bühne, Bühnentechnik, R e g i e
stehen, können sie ihre Person u n d ihre Eigentümlichkeit nicht in der H a n d l u n g offenbaren, sie müssen daher ausdrücklich über ihren C h a r a k t e r und ihre Absichten A u s k u n f t geben. U n d im Verlauf des Geschehens berichten sie immer wieder über ihre Pläne (etwa I I I , 5 : INV. H u i c ego c o m i t a b o rursus, quem d u d u m meis / F l a m m a v i f a c i b u s . . 9 0 3 f.). A u d i wenn menschliche Personen auftreten, geben sie bisweilen einen K o m m e n tar zu dem, w a s sie g e r a d e tun oder vorhaben. Doch richtet sich diese E r k l ä r u n g nicht nur a n den Zuschauer, sondern immer auch an die Mitspieler. S o etwa in 11,2 (Werbung der S o l d a t e n ) : SONZ. E g o hic conscribam militem, si quis aderit, / Q u i nomen d e t . . . (351 f . ) ; oder in V, 5 : EUSEBIUS. Aegre hoc d e f u n g o r munus; quem mihi unicum / In paucis habui amicum, illum ego j a m ducere / C a p t i v u m c o g o r . . . (1725 ff.) H ä u f i g w i r d eine Szene dadurch eingeleitet, d a ß eine der handelnden Personen einen Rückblick auf bisher Geschehenes gibt ( 1 , 4 ; 111,3; I V , 1; I V , 5 ; V, 3 ; V, 4) oder die augenblickliche Situation z u s a m m e n f a s s e n d charakterisiert (I, 7 ) ; besonders die allegorischen Figuren übernehmen diese A u f gabe der Z u s a m m e n f a s s u n g oder S t a n d o r t b e s t i m m u n g . Solche E i n f ü h r u n g betrifft die Vergangenheit b z w . G e g e n w a r t des Geschehens.
Eigentlich
dramatisch aber sind Szeneneingänge, die in die Z u k u n f t weisen, d. h. die k ü n f t i g e H a n d l u n g ins Rollen bringen. D a z u eignen sich vor allem Befehle, A u f f o r d e r u n g e n usw. (so in I, 5 ; II, 5 ; II, 7 ; II, 10; I I I , 2 ; I I I , 4 ; I V , 7 ; I V , 9 ; V, 6 ; V, 9 ; indirekt auch 111,7). Eine ähnliche F u n k t i o n haben Fragen, die eine Diskussion oder eine Verwicklung h e r v o r r u f e n ( I V , 2 ; I V , 4 ; I V , 6 ; V, 1 ; V , 7 ) . All diese Beobachtungen weisen d a r a u f h i n , d a ß B i d e r m a n n f ü r den Zuschauer, auf den Zuschauer hin, d. h. szenisch, theatralisch' dichtet. Es geht ihm d a r u m , daß die agierenden Personen gleich bei ihrem A u f treten d a s P u b l i k u m in den B a n n der Situation ziehen. A m kunstvollsten geschieht dies dort, w o bei Szenenbeginn in eine schon a n g e l a u f e n e H a n d lung eingeblendet w i r d : In I I I , 3 w i r d die S e n a t s v e r h a n d l u n g dargestellt, in der m a n über Beiisars K r i e g s f ü h r u n g verhandelt. Procopius hat bereits die F a k t e n berichtet (nämlich die Geschehnisse, die der Zuschauer vorher auf der Bühne gesehen hat), bei Szenenbeginn f o r d e r t J u s t i n i a n zur Diskussion
auf.
JUST. R e s belli gestas D u c t o r e Belisario / Audistis intus, referente istoc P r o c o p i o . / F a c i o hic cuivis vestrum dicendi c o p i a m . (814 ff.) Dieser szenische Kunstgriff hat einen d o p p e l t e n Vorteil: erstens w i r d eine ermüdende N a c h e r z ä h l u n g der bisherigen V o r g ä n g e vermieden, zweitens w i r d der Zuschauer in den wichtigsten Augenblick der Sitzung eingeschaltet, ohne daß er Mühe hätte, den S t a n d der V e r h a n d l u n g zu begreifen. Wohl a m kunstvollsten ist die Szene I V , 2 eingeleitet. Beiisar beginnt mit einer
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Das Theatralische
Frage an Photius: Seriöne tandem haec imperat / Augusta? Man weiß zunächst nicht im geringsten, wovon die Rede sein soll. 7 So geht dann das Gespräch weiter: Photius: Ut nihil unquam magis. Beiisar.: Q u i d foeminam / H a e tangunt curae? Und immer noch ist man nicht im Bilde, wovon die beiden sprechen. Bei dem Stichwort ,foemina* aber wird der Zuschauer aufhorchen, denn am Ende der vorangehenden Szene (IV, 1) hatte Fortuna prophezeit, daß eine Frau im Mittelpunkt der künftigen Ereignisse stehen werde ( . . . t u . . . vide, / Q u a e gloria sit, reges vicisse; a foeminä / Victum esse). IV, 2 beginnt dann sehr rätselhaft, in unklaren Andeutungen. Die Spannung steigert sich, man ahnt, daß mit der Frau, die von der Fortuna angekündigt wurde, die Kaiserin gemeint ist. Allmählich wird man von einem schlimmen Plan der Theodora unterrichtet, der sich offenbar gegen den Papst Silverius richtet. Aber erst in IV, 3 weiß der Zuschauer, worum es sich eigentlich handelt. Das Publikum erfährt in IV, 1 also gerade soviel, wie nötig ist, damit die Spannung durch die folgenden Andeutungen geweckt und gesteigert werden kann. Die entscheidenden Zwiegespräche werden in ihrer Bedeutung dadurch exponiert, daß der eine Gesprächspartner sich bereits auf der Bühne befindet und die Ankunft des anderen erwartet, die dann mit besonderem Aufwand in Szene gesetzt wird. So in II, 10, wo Gilimer nach längerer Vorbereitung und mehreren Ankündigungen dem Feldherrn vorgeführt wird; noch deutlicher in IV, 6, wo Beiisar sich zunächst die Zeugen vorstellen läßt und Silverius erst empfängt, nachdem man diesen von seinem Gefolge abgesondert und feierlich vor Beiisars Richterstuhl geleitet hat; und auch Beiisar selbst wird in V, 7 dem Kaiser erst gegenübergestellt, nachdem sein Erscheinen ausdrücklich angekündigt wurde. Noch deutlicher erweist sich Bidermann als Kenner der theatralischen Möglichkeiten, wenn er die Bühne gleichsam mitspielen läßt: So nützt er den Gegensatz von Vorder- und Hintergrund für die Charakterisierung der Situation oder handelnden Hauptperson aus: Während der Gefängniswärter gemeinsam mit den Gefangenen über die traurige und gefährliche Zeitlage spricht, geht Ammates, der Bruder des Gilimer, mit dem abgeschlagenen Haupt des Hildericus über die Bühne (ob man sich die Gefangenen im Vordergrund und Ammates im Hintergrund oder die umgekehrte Anordnung zu denken hat, spielt keine Rolle). Ammates spricht vor sich hin bzw. zum Publikum, nicht aber zu den Gefan7
Diese Technik des verrätselten Szeneneingangs und der allmählichen Hinführung zum Gegenstand des Dialogs verwendet Bidermann nicht selten; in II, 5 des ,Macarius Romanus' z. B. weiß der Zuschauer lange Zeit nicht, was für eine Erscheinung Macarius soeben gehabt hat.
1. B ü h n e , B ü h n e n t e c h n i k , R e g i e
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genen, wodurch die Trennung und Gegenüberstellung von Vorder- und Hintergrund vollends deutlich wird. Gleichzeitig repräsentiert die Figur des Mörders mit dem abgeschlagenen Haupt des Ermordeten gleichsam die Quintessenz des Gespräches, das die vom Tyrannen Geknechteten im Hintergrund führen. Neben solchen gelegentlichen Effekten gibt es Vordergrund-Hintergrund-Wirkungen, die das ganze Stück durchziehen: In der ersten Szene hält Beiisar seine Begrüßungsrede auf dem Hintergrund des gesamten siegreichen Heeres. Dadurch wird unmittelbar ersichtlich, daß er nicht nur der große Einzelne ist, sondern eine politische Macht, die Verkörperung der zahlreichen Siege darstellt, die das Kaiserreich durch ihn errungen hat. Auch später erweist sich dies szenische Mittel mehrmals als wirksam. Die ersten drei Akte spielen sich geradezu auf dem Hintergrund der beiden Heere und der Kriegsschauplätze ab. Daher sind die kleinen Szenen, in denen Herolde ihre Botschaften verkündigen, keineswegs belanglos. Eine ähnliche Rolle wie das Heer übernimmt in den letzten beiden Akten der römische Klerus. Wie Beiisar die Folie des Heeres braucht, um in seiner Größe erscheinen zu können, so erhält der Papst seine sakrale Weihe und Würde auf dem Hintergrund der Schar der Priester. Wenn dem großen Mann die Folie fehlt oder genommen wird, so bedeutet dies schon rein optisch einen Verlust. Und wirklich verwendet Bidermann die Gegenüberstellung Einzelner — Gruppe als szenisches Mittel, um den Sinn einer Situation dem Auge sichtbar zu machen. Nach der verlorenen Schlacht wird Gilimer ohne Begleiter dem Beiisar vorgeführt. Der siegreiche Feldherr aber ist umgeben von seinen Heerführern und einem Teil des Heeres (II, 10). Noch wirksamer erscheint die Isolierung des Einzelnen gegenüber der Gruppe in dem Augenblick, da man Silverius von seinem Klerus trennt (IV, 6). In den Worten des Photius und des Silverius, vor allem aber in den bestürzten Rufen des Klerus wird der Sinn des Vorgangs deutlich: P H O T . Hic consistite ceteri; facit I Soli Silverio accedendi copiam / Belisarius. C L E R U S . O Pater, 6 antistes, o pater, / Q u o solus abriperis? S I L V . Quocunque D E U S sinet; / Ultra nemo hostis rapiet. P H O T . V O S secedite; / Arcaniora sunt consilia, quam quibus / Vos deceat interesse... (1349 ff.) In der Öffentlichkeit, in Anwesenheit des Klerus, der die Macht des Papstes verkörpert, kann Beiisar nichts gegen Silverius unternehmen; er bedarf der Heimlichkeit, des geheimen Zwiegesprächs, um ihm gegenübertreten zu können. Beiisar selbst erliegt am Ende dem gleichen Schicksal. Man holt ihn aus seinem Hause (V, 5), trennt ihn damit von seiner Umgebung, seinem Macht-Hintergrund. Und erst als isolierter Einzelner wird er verhaftet 8
Burger, Belisarius
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Das Theatralische
und dem Gericht vorgeführt. Auch diese Szene also ist nicht nur Handlungsträger, sondern hat bereits eine sinngebende Funktion. In größerem Rahmen wiederholt sich der Vorgang auch im Verhältnis zweier aufeinanderfolgender Szenen: Auf den überwältigenden Triumphzug (III, 6) mit seinen großen Menschenmassen folgt das Zwiegespräch zwischen Justinian und Gilimer. Auch dort wird Gilimer ausdrücklich von den übrigen Kriegsgefangenen abgesondert und zum Zwiegespräch herbeigeführt (JUST. Dedi negotium Triboniano, uti / Gilimerem mihi sisteret: aderitne tandem? Eus. Adest / Auguste vinctisque manibus Regem trahit. 1029 ff.). Was bisher über die szenischen Mittel des Stückes gesagt wurde, läßt sich unter einem allgemeineren Stichwort zusammenfassen: Alle diese Gegenüberstellungen von Innen und Außen, Öffentlichkeit und Verborgenheit, Massenszenen und Einzelszenen, Vordergrund und Hintergrund, Einzelner und Gruppe sind nur verschiedene Ausformungen des gleichen Stilprinzips: der Kontrastierung. Die großartigste Kontrastierung, die das ganze Drama umspannt, ist wohl die der Eingangs* und der Schlußszene (wenn man die letzte allegorische Szene als Epilog nimmt): In der ersten Szene des Dramas tritt Beiisar vors Publikum als der glänzende Feldherr und Sieger, der die Huldigungen seiner Vaterstadt erwartet. Ein pathetischer Gruß an die Heimat leitet das Stück ein, freudiger und strahlender ließe sich der Beginn kaum denken. In der erschütternden Schlußszene ist von all diesem Glück und Glanz nichts mehr übriggeblieben. Auf einen gewaltigen Kontrast hin ist das Stück also angelegt. Hier scheint ein Vergleich am Platz mit dem Drama, das als Vorbild für Bidermanns ,Belisarius' gilt 8 : dem ,Mauritius' des Jakob Keller. 9 (In welchem Sinne dies Stück als Vorbild des ,Belisarius' anzusehen ist, wird erst durch einen genaueren Vergleich zu entscheiden sein.) Auch dort handelt es sich um den Sturz eines zu Beginn hochangesehenen glänzenden Fürsten. Die Inhaltsangabe in der Perioche10 berichtet sehr weitläufig über den Ruhm und die Beliebtheit des Mauritius, bevor sie von seinem kläglichen Ende spricht. Das Stück selbst aber beginnt mit einer Szene 8 9
10
Vgl. Joh. Müller, Das Jesuitendrama, 1930, Bd. I, S. 48. In einem Brief Bidermanns an Rader aus dem Jahre 1603 heißt es: Eustachium, quod audio, paratis; et non dubie, faustä manu; saltem prae illa quae Cenodoxum, ac Cassianum. Nos hic Mauritium Augustum laboramus. (clm 1610, n. 190) Bidermann hat also an der Aufführung des ,Mauritius' mitgearbeitet, vielleicht war er sogar als Schauspieler beteiligt. Bayer. Staatsbibl. München, 4° Bavar. 2197 III; ein zweites Exemplar 4° Bavar. 2193 I. Ein Dramentext ist offenbar nicht erhalten, jedenfalls gelang es mir nicht, einen solchen ausfindig zu machen.
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2. Die Einheiten von Raum und Zeit
beim Gegenspieler des Mauritius, leitet also bereits den Konflikt ein: „Gaianus König zu Abaria nach erzehltem vbel welches er mit Kriegen in Griechenland gestifft / nimt jhm für forthin weiter dasselbige zuvberfallen. Entzwischen kombt Armazon der Gesandt Mauritii, beklagt sich deß gebrochen Fridts / begert die gefangnen von dem König / von welchem Gaianus für einen jedlichen ein Cron begert / wolle er sie änderst ledig haben." Eines springt hier sofort in die Augen: dem Dichter des .Mauritius* geht der Blick für weitgespannte Kontrastwirkungen ab, den Bidermann in besonderem Maße besitzt. Ziehen wir den Vergleich noch weiter — bis zum ,Leo Armenius' des Gryphius, der wiederum ein ganz ähnliches Thema behandelt: Dort beginnt das Stück mit einer Rede des Michael, also auch mit dem Gegenpart des Kaisers. Nur erscheint bei Gryphius ein solcher Eingang sinnvoll, weil das ganze Drama auf einen düsteren, geradezu gespenstischen Grundton abgestimmt ist. Der ,Leo Armenius' und ,Mauritius' haben dafür allerdings eine andere Weise der Kontrastierung gemeinsam, die im ,Belisarius' nicht so deutlich ausgeprägt ist: die Aufeinanderfolge inhaltlich entgegengesetzter Szenen. Die Szenerie wechselt in beiden Stücken oft unmittelbar vom Bereich des Haupthelden in den Raum der gegnerischen Partei und umgekehrt. Für Gryphius ist dies ein Mittel dialektischer Zuspitzung und Gegenüberstellung der Argumente, und wohl erst in zweiter Linie ein theatralischer Effekt. Uber den ,Mauritius' läßt sich in dieser Hinsicht nichts sagen, weil wir über den Charakter des Textes selbst nichts wissen. Bezeichnenderweise tritt bei Bidermann an die Stelle dieses Abfolgeprinzips innerhalb der Akte die Kontrastierung von ernsten und komischen Szenen (mindestens in den ersten drei Akten). Dies Prinzip ist noch im ,Cenodoxus' ganz konsequent durchgeführt, für den ,Belisarius' aber ist es nur noch ein Stilmittel unter anderen. Welche Funktion die komischen Szenen selbst haben, wird noch zu erörtern sein, hier interessiert nur ihre kontrastierende Wirkung. Damit im ,Mauritius' inhaltlich entgegengesetzte Szenen aufeinanderfolgen können, muß der Dichter einen raschen Wechsel der Szenerie — mit Überspringung großer räumlicher und zeitlicher Abstände — in Kauf nehmen. Offensichtlich scheint Bidermann in diesem Punkte vorsichtiger zu sein. Es stellt sich das Problem der raum-zeitlichen Einheit des ,Belisarius', das immer noch in gewissem Sinne eine Frage der ,Regie' ist, aber schon tiefer in die Gesetzlichkeiten des Stückes hineinführt. 2. Die Einheiten
von Raum und
Zeit
In den Dramen der jesuitischen Frühzeit kann von einer raum-zeitlichen Einheit im Sinne des Aristoteles oder gar der klassizistischen Poetik s*
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Das Theatralische
nicht die Rede sein. Für die großen Fest- und Umzugsspiele stellt sich das Problem noch gar nicht, wie schon ein flüchtiger Blick in die Perioche etwa des ,Triumphus Divi Michaelis' 11 lehrt: „SCENA I. Der Engel Chor Lobet vnd Preiset Gott / erzeigt jhm höchste Ehr mit allerley Seitenspilen / rauchwerck / anbetten / & ermanen auch alle Creaturen / das sie mit sampt jhnen Gott loben vnd preisen. SCENA I I . E i n Weib / mit der Sonnen vmbgeben / vnnd mit dem M o n
vnder jhren Füssen / erscheint sampt dem Kindt welches sie mit grossem Schmertzen geboren: Wider beyde wuettet der Track vnd wil sie verschlinden. Das Kindt wirdt in Himmel verzuckt / jhr aber werden zween Adlersfligel gegeben / damit sie in die wüsten fliech / vnd von Gott ernehrt werde . . . " Hier geht es nicht um Einheit oder Vielfalt irdischer Schauplätze, sondern die ganze Welt, Himmel, Erde und Hölle spielen mit. Die örtlichkeiten sind metaphysisch, nicht real-innerweltlich. Das Problem der Einheiten taucht erst auf, wenn man den kosmischen Schauplatz aufgibt und mindestens die Haupthandlung im irdischen Rahmen ablaufen läßt. Dann allerdings kann es zu der Frage kommen, ob man z. B. das ganze Leben eines Heiligen in Stationen auf der Bühne darstellen dürfe oder ob man sich auf die Einheit einer enggefaßten Episode beschränken müsse. Dieses Problem wird auf reizvoll-scherzhafte Weise im Prolog des Münchner ,Benno' verhandelt und ebenso witzig wie überzeugend ad acta gelegt. 12 Wie hat sich Bidermann zum Problem der Bühnen-Einheit gestellt? Im ,Josephus' (1615) unternimmt es der Dichter, die wesentlichen Stationen eines ganzen Lebens dramatisch darzustellen. Doch versteht er es 11 12
Bayer. Staatsbibl. München, 4 ° B a v a r . 2 1 9 3 1 , 1 . Der Poeta und die Stadt Monachium streiten miteinander: P o e t a : Comoediae leges violantur, si quidem / Vitam uniuersam uis retexere: fabulas / Plauti, Terentij, ueterümque examina, / Videbis unius diei termino / T o t a m actionem terminari: hic plurimi/ Anni, hic loci distantia, hic mutatio / Jnopina rerum interuenit, ut historia sit / Magis uocitanda quam Comoedia. Monachium: Fateor / N o n ex amussim comicorum regulis / Me paruisse. P o e t a : A t paruisse oportuit. / Mon.: Seruire ciuibus meis oportuit, / Quos nuda ueritas potius quam comptula, / Fucoque perlita capit. E t uerö bone / Poeta nescis conuenire poematis / Picturam? Poet.: Id ille nesciat qui Pegasi / H o m o r e nondum labra tinxit. Mon.: Cur mihi / N o n liceat hodie quod licet pictoribus? P o e t . : Quid ais licere? Mon.: V t in tabula res dissitas / P r o ponere a u s i m . . . Interessant ist an diesem Gespräch vor allem, daß .nackte Wahrheit' auf der Bühne dargestellt werden soll und daß die Bühne dem Gemälde verglichen wird. Sichtbares darf auf der Bühne nebeneinandergestellt werden, ohne daß die Zeit eigentlich eine Rolle spielt. Die reale Zeit des Spielens muß nicht mit der ,inneren' Zeit des Geschehens zusammenfallen.
2. Die Einheiten von R a u m und Zeit
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mit bewundernswertem Geschick, selbst ein so undramatisches Vorhaben noch mit den Mitteln des Dramas durchzuführen. Er beschränkt sich auf wenige Personen und Grundmotive und faßt die Szenen so zusammen, daß die Akte wirkliche Einheiten bilden. Natürlich wechseln die Schauplätze und eilen die Jahre am Zuschauer vorüber, aber gleichwohl behält er das Ganze im Auge (was natürlich durch die allgemeine Vertrautheit des Publikums mit der Fabel erleichtert wird). Im ,Belisarius', der 8 Jahre vor dem ,Josephus' entstand, ist die straffe Fügung, die Konzentration in raum-zeitlicher Einheit noch viel deutlicher ausgeprägt. Zwar sind auch hier nicht die aristotelischen Einheiten von Raum und Zeit realisiert, wie es die zeitgenössische Poetik verlangt hätte. Und offenbar hat man Bidermann diese Abweichung von den Regeln zum Vorwurf gemacht, wie die ausführliche Verteidigung in der Praemonitio vermuten läßt: „Sed maximam reprehensionem incurret apud Nasones mediocriter litteratos Poeta noster, quod Acta multorum saepe annorum, vetante Flacco, incluserit paucarum horarum spectaculo." Zur Entlastung Bidermanns wird auf den veränderten Zeitgeschmack hingewiesen: „Nempe ignoravit haec arcana Criticorum Jacobus noster. Potius tu crede, mi Lector, id eum sano consilio fecisse, cui Studium fuerit, unice sese ad Spectantium indolem accomodare, qui majore ex parte fuere homines ejusmodi, ut ab ijs nequaquam potuerit tantum patientiae sperari, quo plures horas sessitarent, & interim aliud vel audirent, vel viderent nihil, quam inter serviles nequitias rixantem cum sordidissimi Senis avaritiä vel potorem, vel amatorem herilem filium; ut taceam ea argumenta, quibus plerumque constant veterum Comoediae, adeö esse aliena a moribus Germanorum, ut si in Scenam nostratem intrarent, utique pro plausu sperato, sibilos strepitumque explodientium reportarent." Aufgabe eines religiösen Dichters sei es nicht, die Leichtfertigkeiten der antiken Komödie zu reproduzieren: „Meminerat noster, se esse h. numero Religiosorum Poetarum, quos deceat eö Studium omne convertere, non tarn ut delectent, quam ut prosint, animosque Spectantium ad virtutem ac DEI timorem adducant illecebrä dulci piorum spectaculorum." In der alten Horazischen Forderung an die Dichtung, sie solle ,prodesse et delectare', hat sich der Akzent entschieden auf das ,prodesse' verlagert. Der veränderten Zeitlage entsprechend, so fährt die Praemonitio fort, seien die Regeln der Alten hinfällig geworden. Schon Agricola, Rader, Keller und Brunner, — Bidermanns unmittelbare Vorgänger in der jesuitischen Theaterkunst — seien neue Wege gegangen und hätten sich nicht mehr um aristotelisch-horazische Poetiken gekümmert. Der Dichter habe sich nach den Forderungen der Zeit und des Publikums zu richten, selbst wenn sie den scheinbar unantastbaren Regeln der Alten widersprächen: „Desipere in tempore sapientia est, & qui praecepta artis
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Das Theatralische
non nimis anxiè servat, hoc ipso servat, dum minus servat, dummodo finem operis sui alia via assequatur, quod huic nostro artifici largiter obvenit..." In dieser entschiedenen Ablehnung humanistischer Ansprüche leuchtet etwas auf von dem Siegesbewußtsein, dem triumphalen Hochgefühl der gegenreformatorischen Kirche. Der christliche Dichter untersteht anderen Forderungen und Gesetzen als der weltliche Humanist, der in der Antike ein unerschütterliches Bildungs- und Lebensfundament zu haben glaubt. So wird der mittelalterliche Topos der ,Überbietung' (der Antike durch das Christentum) in der Gegenreformation neu lebendig; der Humanismus ist, wo nicht ausgeschaltet, so doch dem Siegeszug der triumphierenden Kirche dienstbar gemacht. Die Einheiten von Raum und Zeit sind also für den jesuitischen Dichter nur noch dichterische Möglichkeiten, nicht mehr unabweisbare Forderungen. An die Stelle der alten Regeln treten aber nun nicht etwa Regellosigkeit und Willkür, sondern neugeschaffene Formprinzipien, die dem Geist der neuen Zeit entsprechen und vielleicht nicht minder streng sind, als es die Vorschriften der Alten waren. Offensichtlich liegt dem ,Belisarius' ein straffes räumliches Gerüst zugrunde (s. o. S. 108). Auf die Symmetrie der Abfolge wurde bereits hingewiesen: Byzanz — Afrika — Byzanz — Rom — Byzanz. Innerhalb der einzelnen Akte wechseln die Schauplätze dann nur im angegebenen Rahmen. Und auch dieser Wechsel geschieht nicht willkürlich, sondern nach festen Bewegungsregeln: von innen nach außen, wieder zurück nach innen usw. (s. o. S. 109 ff.). Weniger eindeutig läßt sich eine zeitliche Ordnung ablesen. Nach der bei Baronius angesetzten Chronologie erstredet sich das Geschehen des I. Aktes über die Jahre 530—533 (Justinians Beschluß, gegen Gilimer zu ziehen, die Ernennung Beiisars zum Feldherrn, die Aushebung eines Heeres). Der II. Akt spielt im Jahre 534 (die Kämpfe zwischen Römern und Wandalen), der III. Akt betrifft noch das gleiche Jahr (Beiisars Triumphzug). Zwischen den Vorgängen des III. und des IV. Aktes liegt eine Zeitspanne von 4 Jahren (inzwischen hat Theodora den Bischofsstuhl von Konstantinopel eigenmächtig neu besetzt), der IV. Akt spiegelt dann die Vorgänge des Jahres 538 (Papst Silverius wird unter Anklage des Hochverrates abgesetzt). In den folgenden drei Jahren befindet sich Beiisar in Italien und kämpft mit wechselndem Glück gegen die Goten. Der V. Akt setzt mit dem Jahre 541 wieder ein (Beiisars ruhmlose Rückkehr nach Italien) und umfaßt die Zeit bis zur Verleumdung und Verurteilung Beiisars im Jahre 561. Das Leben des Beiisar ist in seinen wesentlichen Stationen wieder-
2. Die Einheiten von Raum und Zeit
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gegeben. Dies geschieht jedoch nicht im Sinne einer bloß epischen Aneinanderreihung von Episoden, sondern durch eine dramatische Gliederung und Anordnung der Teile, deren innere Folgerichtigkeit und Verklammerung im Laufe der Untersuchung deutlich hervortreten wird. Nur die für die Absicht des Stückes bedeutenden Episoden der Vita werden verarbeitet. Sehr vieles, was zum rein historischen Verständnis notwendig wäre, übergeht der Dichter. Nur die großen geschichtlichen Linien werden skizziert. Man wird kaum annehmen dürfen, dem Zuschauer um 1600 sei die byzantinische Geschichte so bekannt gewesen, daß er genauerer historischer Erklärungen nicht bedurft hätte. Es scheint also, daß es dem Dichter nicht in erster Linie um ein getreues Geschichtsbild geht. Die Gestalt der Theodora etwa, die in den religiösen Wirren der Zeit eine verhängnisvolle Rolle spielt, erscheint bei Bidermann nur als das egoistische, machtgierige, ja fast dämonische Wesen, das den bisher unerschütterlichen Beiisar zum Unrecht verleitet. Daß sie Monophysitin war und deshalb die Beschlüsse des Chalcedonensischen Konzils umzustoßen versuchte, wird im Text relativ kurz abgetan und bildet nur den Hintergrund ihrer gegen Beiisar gerichteten Ränke. Über die genauen Motive des Ansinnens, das sie an Beiisar stellt, erfahren wir nichts. Beiisar selbst gibt nur eine sehr allgemeine Erklärung, die sich aber mehr auf ihre Bosheit als auf ihre historische Persönlichkeit und ihre Stellung im Streit der religiösen Parteien bezieht: O foeminam, dirum caput. Quid non mali / Auetore häc infestavit orbem? (1116 f.) Dieser Befund ist einigermaßen erstaunlich, wenn man die gegenreformatorischen Bestrebungen des Jesuitenordens bedenkt. Wie leicht wäre es dem Dichter gewesen, die Gestalt der Theodora als Prototyp der Ketzerei herauszuarbeiten und sie zur zweiten Hauptfigur des Stückes zu machen. Aber offenbar zielt das Drama in erster Linie auf das Schicksal Beiisars. Im übrigen rafft: Bidermann die historischen Ereignisse, um sie dem straffen Ablauf des Stückes dienstbar zu machen. So faßt er in II, 5 zwei historische Schlachten in eine zusammen (vgl. Prokop V.I, 18 u. II, 3, sowie Baronius S. 191, 192). An anderer Stelle verzichtet er darauf, Näheres über die Belagerung der wandalischen Festung zu sagen (Gilimer flieht nach verlorenem Kampf in die feste Stadt Medeus im Gebirge Pappuas, s. Prokop V. II, 4 und Baronius S. 206). Es geht ihm dort nur darum, die elende Situation des belagerten Gilimer herauszustellen, der schließlich um eine Harfe, einen Schwamm und ein Stück Brot fleht, damit er in all seinem Jammer wenigstens einen geringen Trost habe. Bezeichnend für die Haltung Bidermanns gegenüber der historischen Wirklichkeit ist auch, daß er dem Jahre 534 volle zwei Akte widmet, während die übrigen Akte sich auf die Vorgänge von ca. 30 Jahren verteilen.
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Das Theatralische
An einer Stelle allerdings rächt sich das souveräne Verfügen über das historische Material: Während der Handlungskomplex, der sein Zentrum in der Gestalt der Theodora hat, auch ohne genauere Schilderung der geschichtlichen Hintergründe verständlich bleibt, macht sich der Mangel an historischer Exaktheit am Übergang vom IV. zum V. Akt verhängnisvoll bemerkbar. Der IV. Akt endet mit einem Zwiegespräch zwischen Beiisar und der Poenitentia. Beiisar beginnt bereits, die ungerechte Absetzung des Papstes zu bereuen, und er ahnt, daß die Zeit seiner großen Erfolge vorüber ist: Valete moenia / Romana, nec timete jam Gothi meas / Superati vires; me enervavit foemina; / Quondamque victor ad triumphum ex Africä / Qui redij, Roma redeo, heu redeo inglorius! (1577 ff.; vgl. Baronius anno 543, S. 328 und a. 549, S. 370). In düster-ahnungsvoller Stimmung schließt der Auftritt. Nun beginnt aber der V. Akt mit einer Szene, in der Beiisar als der Befreier Roms in hohen Ehren erscheint. Marcellus und Ablavius unterhalten sich über die Rückkehr Beiisars: MAR. Illum (Beiisar) Regum victorem omnium? / ABL. Illum, qui nuper in triumpho Gilimerem / Duxit. Redijt heri, sed absque exercitu. / MARC. An re male gestä? an alium expectat improbus / Triumphum? ABL. Adesse ajunt, petat uti praemium / Assertae Romae. (1586 ff.) Zwar kehrt Beiisar nicht mehr so ruhmreich heim wie nach der Besiegung Gilimers, aber immer noch so ehrenvoll, daß Ablavius, Marcellus und Sergius aus Neid eine Verschwörung einfädeln. Die Unstimmigkeit zwischen IV, 9 und V, 1 erklärt sich wohl daraus, daß Beiisars Stellung, die im IV. Akt schon erschüttert schien, sich wieder festigen, daß seine Schicksalslinie wieder ansteigen mußte, wenn die Verschwörung noch einen Sinn haben sollte. Offenbar ist an dieser Stelle die Einschmelzung des Historischen in den Gang des Dramas nicht restlos gelungen. Aus all diesen Beobachtungen zum Verhältnis von historischem Ablauf und dramatischem Geschehen ergibt sich eine Inkongruenz zwischen der inneren Zeit des Dramas und der historischen Zeit. Bidermann verwertet den realen Stoff, den ihm die Geschichte liefert, nur als ,Rohstoff', den er nach eigenen Gesichtspunkten gliedert und anordnet. Selbstverständlich muß der Dramatiker aus dem Angebot der Historie eine in jedem Falle willkürlich scheinende Auswahl treffen, aber das Prinzip der Auswahl ist jeweils ein anderes.13 Und auf Grund dieses Auswahlprin13
D e m Dichter des 17. J a h r h u n d e r t s ist das Bewußtsein der Souveränität über den historischen Stoff noch durchaus nicht selbstverständlich. Gryphius etwa folgt — im Gegensatz zu Bidermann — sklavisch den Einzelheiten seiner historischen Quellen. D a natürlich nicht sämtliche Details im R a h m e n des
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3. V e r k n ü p f u n g und M o t i v a t i o n
zipes konstituiert sich die ,innere' Zeit eines Dramas. Es zeigte sich, daß die Einheit der inneren Zeit im ,Belisarius' nicht in erster Linie durch eine Abfolge von Vorgängen, die das historisch reale Geschehen spiegeln, gestiftet wird. (Nach einem solchen ,naiven' und eigentlich undramatischen Baugesetz sind noch die Heiligendramen der jesuitischen Frühzeit eingerichtet.) Auf welche Weise sich im ,Belisarius' die Einheit der inneren Zeit begründet, wird im folgenden zu untersuchen sein. Die Frage nach der inneren Zeit eines Dramas zielt auf die Einheit der .Handlung', d. h. auf die Konstitution einer eigenen, in sich sinnvollen Bühnenwelt mit ihren spezifischen Konfigurationen der Personen und einem geordneten Zusammenhang der Aktionen. J a letztlich betrifft sie den gesamten inneren Aufbau des Stückes überhaupt. Alle folgenden Untersuchungen werden also dieses Problem umkreisen und erhellen. Einen ersten Zugang soll die Frage nach den Prinzipien der Handlungsführung eröffnen: wie hängen die einzelnen Phasen der Aktion zusammen, sind sie real-psychologisch miteinander verknüpft usw.?
3. Verknüpfung
und Motivation
Die Entwicklung der Verschwörung gegen Beiisar und den Kaiser möge als Beispiel dienen: Auf den ersten Blick fällt zweierlei auf: 1. Von einer eigentlichen Intrige kann kaum die Rede sein, da geheime Fäden, die von langer Hand vorbereitet wären, nicht geknüpft werden, sondern nur lange gestauter Neid und H a ß sich in einem mörderischen Anschlag entladen. 2. Und auch im entscheidenden Augenblick, als die Gegner und Neider Beiisars sich zur Verschwörung zusammenschließen, wird über die allgemeine psychologische Situation der Verschwörer hinaus keine genauere Motivation gegeben. Betrachtet man die einzelnen Phasen der Verschwörung, so wird das Bild noch merkwürdiger: Die erste Andeutung einer künftigen Verschwörung findet sich am Ende des ersten Aktes. Doch erfahren wir nichts über konkrete Umtriebe gegen Beiisar, es erscheint nur die Allegorie Invidia, die sozusagen das allgemeine Klima für eine Konspiration schafft. Im zweiten Akt ist davon nicht mehr die Rede, da Beiisars glänzender Sieg alles Dunkle überD r a m a s P l a t z finden, begnügt er sich zuweilen im T e x t mit
Andeutungen
eines historischen Faktums, gibt dann aber in Anmerkungen genauere klärungen. Solcher Überwucherung des Theaters durch Gelehrsamkeit
Ersteht
bei Bidermann wie durchweg im Jesuitendrama der Wille zu unmittelbarer theatralischer Wirksamkeit entgegen, die nur durch restlose Umsetzung der dichterischen Absicht in hörbare und sichtbare Aktion erreicht werden kann.
122
Das Theatralische
strahlt und keine Trübung zuläßt. Um so eindringlicher wirkt die erste Szene des dritten Aktes, wo Invidia ihre Kinder zum Kampf gegen Beiisar anstachelt. Das bisher noch Allegorisch-Allgemeine wird zum konkreten Handlungsimpuls, als Invidia in der großen Senatsszene (III, 3) den Neid einiger Senatoren weckt, und noch deutlicher, als sie sich Ablavius einzeln vornimmt und ihm zuredet. Im IV. Akt scheint der begonnene Handlungsfaden wieder fallengelassen zu sein; zu Beginn des letzten Aktes aber wird er um so wirkungsvoller aufgegriffen und seinem Höhepunkt zugeführt. In den ersten vier Akten ist diese Schicht der Handlung nicht viel mehr als ein Hintergrund- oder Untergrund-Motiv, das erst im letzten Akt an die Oberfläche dringt. Erwartet man nun eine klar ausgebildete Konspiration mit eindeutigen Gründen und Absichten, so sieht man sich getäuscht. Die drei Senatoren befürchten, Beiisars Ansehen werde durch einen neuerlichen Triumphzug ins Unermeßliche wachsen, ja er könne am Ende gar Caesar werden. Dies aber dürfe man unter keinen Umständen dulden (MARC. Hoc defuit illi hactenus unicum, / Ut Caesar nondum audiret. ABL. Me superstite / Non audiet: per hoc ego telum diero, / Me non passurum. 1594 ff.). Dann aber nimmt das Gespräch eine erstaunliche Wendung: SERG. At Imperator, si velit? / ABL. Stringi ferrum etiam in Imperatorem potest. / Quin ergo, si viri sumus, Rempublicam, / Et nos his liberamus contumelijs. (1597 ff.) Daß die Neider auf Beiisar einen Anschlag machen wollen, würde man verstehen. Daß sie aber den Kaiser selbst umzubringen beschließen, damit er Beiisar nicht weiter erhöhen könne, wirkt — gelinde gesagt — überraschend. Wäre die Situation an dieser Stelle nicht so ernst, würde man an eine parodistische Karikatur der Verschwörer glauben. Wie aber läßt sich der schon fast groteske Mangel an Motivation verstehen? Nimmt man vorsichtigerweise an, daß es sich nicht einfach um dichterische Schwäche handelt, so zeigt sich ein Weg zum Verständnis, der unserem durch das 19. Jahrhundert geprägten Geist allerdings recht fern liegt. Es scheint, daß der Dichter nicht in erster Linie eine kausale, reale Verknüpfung historischer Ereignisse darstellen will (zumal der Begriff ,objektive historische Wahrheit' überhaupt noch nicht in seinem Gesichtsfeld liegt; wenn man von den antiken Versuchen, ein objektives Geschichtsbild zu prägen, absieht, so ist dieser Begriff ja erst eine Schöpfung des 19. Jahrhunderts!). Statt eines immanent historischen Kausalzusammenhanges macht er die Kräfte sichtbar, die das Geschehen in dieser Welt bewirken. In diesem Falle ist es die Invidia, die als eine Art überpersönlicher Macht erscheint. Sie bedient sich jeweils eines Individuums, um die Geschichte in ihrem Sinne voranzutreiben. Wieweit diese Alle-
3. Verknüpfung und Motivation
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gorie und die Allegorien in unserem Drama überhaupt mehr sind als ,Ent-äußerungen' psychologischer Vorgänge, wird noch zu untersuchen sein. Immerhin ist die Invidia mehr Handlungsträgerin als die Individuen, in denen sie wirksam wird. Die Verschwörung des letzten Aktes erscheint in diesem Lichte nur als letzte Konsequenz der Fäden, die die Invidia bereits vorher gesponnen hat. In dieser Perspektive sind die Szenen der ersten Akte, in denen die Verschwörung vorbereitet wird, nicht mehr nur Untergrundhandlung, sondern von höherer Bedeutung f ü r das Geschehen als der Ausbruch der Verschwörung selbst. Dann erscheint es auch nicht mehr so absurd, wenn man über ,faktische' Hintergründe der Konspiration so gut wie nichts erfährt. Für die leitende Frage dieses Abschnitts ergibt sich daraus eine wichtige Konsequenz: Von ,Motivierung' läßt sich in diesem Drama nur in einem wesentlich anderen Sinne sprechen, als wir es heute gewohnt sind. Sie ist nicht identisch mit kausaler Verknüpfung der Fakten untereinander; worin aber besteht sie, wenn nicht in einem realen Auseinanderfolgen der Glieder? Bevor eine Antwort versucht werden kann, sei zunächst von der zeitlichen Einheit, die das Ganze des Werkes zusammenhält, abgesehen und die Verknüpfung kleinerer Einheiten, der Szenen untereinander betrachtet: Gibt es überhaupt so etwas wie Verknüpfung, d. h. einen irgendwie motivierten Zusammenhang im Rahmen dieses dramatischen Stils? In der klassizistischen französischen Dramatik muß jeder neue Auftritt durch den vorangehenden unmittelbar motiviert sein, und zwar ,motiviert' in einem durchaus kausalen (psychologischen oder realen) Zusammenhang. Nach den Beobachtungen, die wir am Beispiel der Verschwörung machten, wird man kaum Ähnliches im ,Belisarius' erwarten. Immerhin lassen sich einige Ansätze zu einer solchen Verkettung der Szenen untereinander aufweisen: I, 5 (die Mobilmachung des Heeres) folgt sinnvoll auf I, 4 (Ernennung Beiisars zum Heerführer gegen Gilimer). Zwischen I, 5 und I, 6 ist sogar ein direktes Verknüpfungsglied eingeschaltet, ganz im Sinne der klassizistischen Tragödie: Tubicen: Sed prodit Belisarius. Diese letztere Art von Verknüpfung ist interessanter als die erste, die ja nichts weiter als einen sinnvollen Zusammenhang der Vorgänge spiegelt und f ü r die es sich erübrigt, weitere Beispiele aufzuzählen. Ähnlich wie in I, 5/6 ist der Übergang von der zweiten zur dritten Szene des IV. Aktes beschaffen: Beiisar hat befohlen, man solle den Papst zu ihm bitten. Während der Feldherr noch unschlüssig ist, wie er Silverius behandeln solle, erscheint dieser. BEL. Sed eccum, adversus graditur; ibo etiam obvius. (1154) Damit ist dann die folgende Szene sinnvoll eingeleitet. Nach dem Gespräch Belisar-Silverius verläßt der Papst die Szene, so daß Raum geschaffen wird f ü r eine Unterredung zwischen den Zurückbleibenden (Belisar-Pho-
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D a s Theatralische
tius); auch dies ist wiederum eine ähnliche Art der Verknüpfung. I n V , 7 fragt Justinian, ob die Exekutionen durchgeführt worden seien. Der Zuschauer hat diese Exekutionen in der vorangehenden Szene gesehen, so daß man hier von einer rückläufigen Verknüpfung sprechen kann. 1 4 Ein direkter Zusammenhang besteht auch zwischen II, 7 und II, 8, wenn er auch etwas anderer Art ist als die bisher besprochenen: F a m a hat einen Boten angekündigt, und mit eben diesem Stichwort beginnt auch die folgende Szene (POL. N o v u m hoc, si Nuntiu-m Tyrannus mitteret / In castra . . . ) . G a n z ähnlich ist die V e r k n ü p f u n g zwischen I V , 1 und IV, 2 beschaffen, die uns schon durch ihre raffinierte Konstruktion auffiel: Die Andeutungen, die Photius in IV, 2 macht, gewinnen nur einen Sinn aus dem Zusammenhang mit der vorhergehenden Szene. Durch einen formalen Kunstgriff wird dieser Zusammenhang auch äußerlich hergestellt: der Einschnitt zwischen den beiden Szenen erfolgt mitten in einem Vers, wodurch die Scheidung eigentlich aufgehoben und zu einer Verbindung umgedeutet wird. Nicht zufällig scheint Bidermann diesen Übergang mit besonderer Sorgfalt ausgearbeitet zu haben: denn hinter der äußeren Verkettung verbirgt sich ein innerer wesentlicher Zusammenhang. Die allegorische Szene IV, 1 legt die Bahn fest, in der sich das folgende konkrete Geschehen bewegen wird. Die Analogie zu der ,unkausalen' A r t von Motivierung, die wir bei Invidia und der Verschwörung beobachten konnten, springt in die Augen. Wenn oben festgestellt wurde, daß reale Verknüpfungen von Szenen untereinander nicht sehr häufig vorkommen, so deutet sich hier eine grundsätzlich andere Möglichkeit der Verknüpfung an, die nicht mehr nur szenischer N a t u r ist: Wie die verschiedenen Etappen der Verschwörung so sind auch die einzelnen Szenen nicht primär durch real-kausale oder psychologische Begründung miteinander verkettet, sondern durch einen Zusammenhang von der Art, daß das Allgemeinere das Besondere, das Überindividuelle das Individuelle motiviert. In den allegorischen Szenen ist der G r u n d für die Einheit des Handlungsablaufes gelegt, für die Einheit der inneren Zeit des Stückes, so daß alle kausal-psychologische Verknüpfung nur eine abgeleitete, 14
In der D r u c k f a s s u n g ist gegenüber der H s . noch eine weitere direkte Verk n ü p f u n g zweier Szenen hinzugekommen, vielleicht als Konzession an den veränderten Zeitgeschmack: A m E n d e v o n II, 1 läßt Sonzon durch einen K n a b e n den Gensericus herbeiholen (V. 343, der in der H s . fehlt). U m die Zeit bis zum Eintreffen des Gensericus zu überbrücken, ist ein kurzer Monolog des allein auf der Bühne gebliebenen Sonzon eingeschaltet (die Verse 3 4 7 — 350 fehlen ebenfalls in der Hs.), der mit der szenischen Bemerkung ,Sed adest, quem oportuit' endet und zum folgenden Gespräch überleitet. D a m i t folgen die beiden Szenen, die in der Hs. noch unverknüpft nebeneinander stehen, in kausalem Z u s a m m e n h a n g a u f - und auseinander.
3. Verknüpfung und Motivation
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sekundäre Schicht solcher Motivierung darstellt. Diese Behauptung bewährt sich in der gesamten Anlage des Stückes: In I, 3 sagt Fortuna am Ende zu ihren Begleitern: Sunt Semper recentia / Edenda mihi spectacula: Nec me deficit / Ubertas tragici siparij: quo pluria / Committo exempla, tanto superant pluria. / Modo Pallatinos adoriar: efferam altiùs / Inde unum, ut ille per altius praeceps eat. / Hàc, hàc abite comités; petite Regiam. Alles, was künftig im Drama geschehen wird, sind ,spectacula', die der Fortuna gegeben werden, wobei sie selbst aber gleichzeitig die .Autorin' dieser spectacula ist. Sie wird den Helden des Stückes emporheben, damit er schließlich desto tiefer falle. Damit ist die gesamte H a u p t linie der H a n d l u n g und die Kurve der Szenenabfolge im voraus festgelegt. (Inwieweit damit die Willensfreiheit der handelnden Personen beschränkt wird, wird später zu untersuchen sein.) In I, 7 wird dieses noch sehr allgemeine Handlungsmuster ergänzt und konkretisiert: Invidia behauptet, sie sei die Tochter der Virtus. Zwar will Virtus davon nichts wissen, Invidia aber läßt sich nicht abweisen und folgt der ,Mutter' hartnäckig. Damit ist die spätere Verschwörung in ihren Grundlinien bereits begründet und motiviert: nichts weiter als die ,virtus' des Helden, die ihm in 111,4 ausdrücklich als Prädikat zugesprochen wird (884 ff.), wird der Grund sein, warum der Neid und damit die Konspiration entsteht. In III, 1 legt Invidia mit ihren Kindern Mendacium und Detractio die Bahn der Verschwörung fest. Der im IV. Akt beginnende Handlungskomplex, der die Intrigen der Theodora gegen den Papst umfaßt, wird eingeleitet durch die allegorische Szene IV, 1, die wir bereits erwähnten. Fortuna kündigt Beiisars weiteres Schicksal an und legt so den Grund f ü r sein Verhalten gegenüber Theodora und dem Papst. In IV, 7 schließlich zeigt Virtus den Fall Beiisars an, den jähen Wechsel seines Glücks (Fortunam qui senserat / Ridentem hactenus, hinc lacrimantem s e n t i a t . . . 1435 f.). Diese durchgehende Motivierung der konkreten Handlung durch allegorische Szenen läßt sich nach zwei Hinsichten deuten: 1. Der Dichter hat die Absicht, das Publikum nicht nur zu unterhalten, sondern es auch zu belehren; ja das ,prodesse' hat den Vorrang vor dem ,delectare' (s. o. S. 117). Daher wird schon vor der eigentlichen Handlung die Deutung, der Kommentar gegeben. Der Dichter weist auf die K r ä f t e und Mächte hin, die das Geschehen bestimmen, und verhindert so, daß der Zuschauer den Vorgang kritiklos hinnimmt. Diese Technik erinnert sogleich an das moderne ,epische' Theater Brechts, das ja der Handlung fortlaufend Kommentare beigibt, um das Publikum zur Kritik zu zwingen. Doch beruht die Brechtsdie Theaterkunst auf völlig anderem Grunde als das Bidermannsche Stück, wie aus der zweiten Hinsicht deutlich wird :
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Das Theatralische
2. Fortuna ist eine überindividuelle Macht; Virtus, Calamitas, Invidia sind Kräfte, die vielleicht nicht überindividuell, aber doch nicht an eine einzige Person gebunden sind. Diese Mächte bilden den Grund für alles konkrete, besondere, vereinzelte Geschehen. Sie sind (in philosophischer Terminologie) ontologisch primär gegenüber den Vereinzelungen. Das Allgemeine hat den Vorrang vor dem Besonderen, es ist von höherer Realität (die Scheidung von allgemein und besonders ist hier nicht logisch, sondern ontologisch gemeint). In den Allegorien spiegelt sich also die Metaphysik des ,Realismus', die weite Bereiche mittelalterlichen Denkens, der mittelalterlichen .Weltanschauung' (wenn man so verallgemeinernd überhaupt sprechen darf) bestimmt hat. Die jesuitische Philosophie, die in Spanien begründet wurde und deren Hauptvertreter Fr. Suarez ist, gilt als eine Fortsetzung der scholastischen Metaphysik. 15 Bereits um 1600 beherrschen die metaphysischen Kompendien der Spanier den philosophischen Lehrbetrieb an den Jesuitenschulen (und bald auch an allen deutschen Universitäten, ob katholisch oder protestantisch). Bidermanns philosophisch-theologische Ausbildung vollzog sich also im Geiste der Scholastik, und bis in die dramatische Motivierung seines Dramas hinein zeigt sich eine deutliche Rückbindung an hochmittelalterliche Vorstellungen. Dieser Hinweis mag vorerst genügen. Der gedankliche Hintergrund des Stückes wird in anderem Zusammenhang noch genauer zu erörtern sein. Jetzt läßt sich auch verstehen, warum Bidermann der Kausalität so wenig Bedeutung beimißt: Kausalität ist nichts anderes als die immanente Verknüpfung von Einzelnem mit Einzelnem. Eine solche Verknüpfung wird aber erst dadurch möglich, daß eine überindividuelle Macht das Mannigfache in einen Rahmen, in eine Bahn, eine Ordnung zwingt. Kausalität ist also nur die sichtbare Ausprägung einer über dem Einzelnen stehenden, motivierenden Kraft, die das Einzelne zusammenschließt. Die kausale Verknüpfung kann im Drama erscheinen, sie muß es aber nicht. Es genügt dem Dichter, den wahren Hintergrund des Geschehens aufzuweisen. Die Szenen folgen also in der Reihenfolge aufeinander, die ihnen durch die Allegorien vorgeschrieben wurde. Ob sie dann auch noch sichtbar untereinander verknüpft sind, ist nebensächlich.16 15
18
Vgl. Eschweiler, passim. E s soll natürlich nicht verschwiegen werden, d a ß z w i schen den Systemen des Thomismus und der spanischen Neuscholastik sehr wesentliche Unterschiede bestehen. Aber an dieser Stelle geht es uns nur um einen summarischen Hinweis, der an die Kontinuität von mittelalterlicher und jesuitischer Philosophie erinnern soll. D a m i t wird auch verständlich, w a r u m im Gegensatz z u m Bidermannschen D r a m a die Bühnenkunst der französischen Klassik, zumal Racines, so großen W e r t auf immanente oder psychologische Motivierung legen m u ß : dort ist der realistische R a h m e n der mittelalterlichen Metaphysik nicht mehr vorhanden,
1. Die handelnden Personen und ihre Konfigurationen
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Wenn bisher allgemein vom Verhältnis der Allegorien zu den H a n d lungen der konkreten Figuren gesprochen wurde, so soll nun versucht werden, die Konfigurationen der Personen und ihren Zusammenhang mit den Allegorien im einzelnen zu beschreiben. HANDELNDE PERSONEN UND 1. Die handelnden
Personen
und ihre
ALLEGORIEN Konfigurationen
Die im Drama auftretenden Personen bilden nicht eine einheitliche, durch kausal-psychologische Gesetze zusammenhängende ,Welt'. Sie gliedern sich in verschiedene Ebenen aus, deren Realitätsgehalt sich von Stufe zu Stufe wandelt. Relativ unproblematisch ist die Schicht der realen menschlichen Figuren. Zwei große Kreise stehen sich gegenüber: die oströmische und die wandalisdie Partei. Zentrum der ersteren ist Kaiser Justinian, während die Wandalen vom Tyrannen Gilimer beherrscht werden. Beiisar ist zu Beginn der glänzendste Feldherr des byzantinischen Reiches und gehorsamer Diener seines Kaisers. Ihm wird der Krieg gegen den Tyrannen Gilimer übertragen. Soweit ergibt sich ein einschichtiges Verhältnis von Partei und Gegenpartei, Spieler und Gegenspieler: Beiisar als der Vertreter des Rechts auf der einen1, Gilimer als ungerechter, illegitimer Tyrann auf der anderen Seite. Dadurch daß der Bischof Cornelius den Kampf gegen Gilimer als bellum justum deklariert, sind die Rechtsverhältnisse zu Beginn ganz eindeutig. Es zeigt sich aber auch, daß die weltlichen Machthaber von sich aus nicht imstande sind, über Recht und Unrecht zu befinden. In der Senatssitzung (I, 4), in der über die rebellischen Umtriebe des Wandalenkönigs beraten werden soll, kann man sich nicht zu einem eindeutigen Vorgehen entschließen. Justinian hört die Argumente der verschiedenen Senatoren an, ohne daß er mit sich ins reine käme. In dem Augenblick, da er die resignierte Frage stellt „Quid jubeam?", wird Bischof Cornelius gemeldet, der eine eindeutige Antwort zu geben weiß. In einem Traum hat Gott ihm offenbart, daß es eine Sünde wäre, wollte man den unterdrückten Christen in Afrika nicht Beistand leisten. Die Prophezeiung des Bischofs konnte Bidermann aus Baronius bzw. Prokop übernehmen (Bar. anno 532); er setzt sie ein, um einerseits die Rechtsverhältnisse klarzulegen und andererseits die Unselbständigkeit und Vorläufigkeit der weltlichen Gewalten aufzudecken.
1
an die Stelle der Allegorien sind die .Seelenkräfte' getreten (vgl. Descartes, Les passions de 1'äme, und die Seelenzergliederung der französischen Moralisten, die bereits mit Montaigne einsetzt). Baronius bezeichnet den Kaiser Justinian als .iustitiae cultor', a. 534, S. 194.
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Handelnde Personen und Allegorien
Über aller weltlich-politischen Macht steht der Führungsanspruch der K i r c h e . Ihr Zentrum hat sie im Papst Silverius, und durch den Arm des Cornelius macht sie ihren Einfluß auf die Politik geltend. Der Papst selbst dagegen erscheint im Drama durchaus als ruhende, allen Händeln der Welt entrückte Figur.2 Die Anschuldigungen, die man gegen ihn erhebt, gleiten kraftlos an ihm ab, und selbst die Verbannung entkleidet ihn nicht seiner Würde. Nach den Berichten der griechischen Historiker ist die historische Situation jedoch gar nicht so eindeutig: man zweifelt allenthalben, ob Silverius nicht doch mit Vitiges konspiriert habe. Bidermann kümmert sich nicht um diese Unsicherheit, sondern folgt der Meinung des Kirchenhistorikers Baronius, der eine Verstrickung des Papstes in unsaubere politische Geschäfte als unglaubwürdig abtut. Offensichtlich geht es dem Dichter darum, die wahren Rangverhältnisse von geistlicher und weltlicher Gewalt eindeutig herauszustellen. Die Kirche gehört in ihren Vertretern zwar noch der Ebene der innerweltlichen Personen an, ihre Weihe und Kraft empfängt sie aber aus der transzendenten Allmacht Gottes. Mit dem Traum des Cornelius und der christlichen constantia des Papstes bricht der Bereich übermenschlicher, jenseitiger Kräfte in das innerweltliche Spiel ein. Die ,animi constantia' (1189) des Papstes hat nichts zu schaffen mit jener stoisch-trotzigen Gebärde des Trotzdem, mit der starren Selbstbehauptung der Gryphschen Helden. Der Papst ist unerschütterlich im Glauben, nicht in der Selbstgewißheit, und seine constantia ist die Standhaftigkeit des christlichen Märtyrers, der Leiden und Tod seinem Gott als Opfer darbringt. Die Intrige gegen den Papst, und damit der Affront gegen die geistliche Gewalt überhaupt, geht von einer Person aus, die im Spiel selbst gar nicht erscheint: von der Kaiserin Theodora. Sie bildet den Gegenpol zu dem von Gott legitimierten Papst, insofern sie als Verkörperung des satanischen Prinzips gestaltet ist. Das möge durch einige Belege erhärtet werden: Die Charakterisierung, die Baronius von der Kaiserin gibt, hat deutlich auf Bidermanns Darstellung dieser Frau eingewirkt; Baronius anno 535: Tanta haec mala ordita est pessima femina, quae altera Eva serpenti obaudiens facta est viro malorum omnium causa, novaque Dalila Samsoni, eius vires dolosa arte enervare laborans, Herodias altera sanctissimorum virorum sitiens sanguinem, petulansque summi sacerdotis ancilla, Petri negationem solicitans: sed parum sit ipsam huiuscemodi sugilasse nominibus, quae reliquas impietate feminas antecelluit: accipiat potius 2
Vgl. das mittelalterliche Spiel vom Antichristen, in dem der Papst zwar nur eine stumme Rolle spielt, aber dennoch das eigentliche Zentrum darstellt, aus dem alle innerweltlichen Gewalten erst ihre Legitimation erhalten.
1. Die handelnden Personen und ihre Konfigurationen
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nomen ab inferis, quod Furiis fabulae indiderunt, femina furens, Alecto potiüs, vel Megera, aut Tisiphone nuncupanda, civis inferni, alumna daemonum, satanico agitata spiritu, oestro percita diabolico, initaequc summo labore inimica concordiae, pacisque redemptae sanguine martyrum & sudoribus confessorum partae f u g a t r i x . . . Baronius berichtet dann von der Verschwörung gegen den Papst und bezeichnet Theodora als Häretikerin, die ihren Gatten zum Verbrechen verführt habe. Dabei zitiert er u. a. den Liber Ecclesiasticus (Vulgata Cap. 25, 23): Commorari leoni & draconi placebit, quam habitare cum muliere nequam. In dieser Schilderung, die alttestamentliche Parallelen ebenso wie griechische Mythologie aufbietet, wächst Theodora zu einer satanischen, nahezu mythischen Figur empor, die die Erbsünde zum zweiten Male in die Welt gebracht hat. Sie ist von so übermenschlicher, überdimensionaler Bosheit, daß Bidermann es nicht wagt, sie auf die Bühne zu bringen. Nur in der Figur des Photius, der gegenüber Beiisar die Rolle des diabolischen Versuchers spielt, gewinnt ihre Verruchtheit im Drama Gestalt. Uber sie selbst wird nur indirekt, aber von allen Seiten (außer Photius natürlich) mit größtem Abscheu und heimlichem Grauen gesprochen. Es ist müßig, alle Äußerungen, die im Drama über Theodora fallen, hier zusammenzustellen. Die Charakteristik, die der Kirchenhistoriker gibt, kehrt z. T. wörtlich im Text des ,Belisarius' wieder. Es sei nur an die Worte der Metus erinnert, in denen sich das Zitat aus dem Liber Ecclesiasticus spiegelt: Tutiüs lacesses tigrides / Hircanas, tutius obviam leonibus / Occurres, quam iratae & furenti foeminae. (1146 ff.) Conscientia hält Beiisar immer wieder vor Augen, daß seine Antwort auf Theodoras Befehl eine Entscheidung für oder wider Gott sein werde. Entweder der ,tartarus' oder die ,sidera' sollen sein Lohn sein. (In der Handschrift ist diese Antithese mit fast ermüdender Hartnäckigkeit ausgesponnen. Der Druck hat hier sehr sinnvoll gekürzt.) Beiisars Versuchung erscheint in diesem Lichte als eine Wiederholung der Urversuchung des Menschen, sein Verbrechen als erneuter Sündenfall. 3 Sehr aufschlußreich für die Stellung der Theodora im Kräftegefüge des Dramas ist eine Metapher, die in allen Werken Bidermanns ungezählte Male wiederkehrt: aspice s i d e r a . . . Der Mensch, der zu den Sternen aufblickt, schwingt seine Seele zu Gott empor. Immer in Augenblicken der Versuchung ergeht daher die Mahnung des Gewissens oder des Engels an ihn, seinen Blick von der Erde loszureißen und zu den Sternen hinauf3
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D a Theodora in der Ökonomie des Dramas vor allem die Rolle der Versucherin zu spielen hat, ist es begreiflich, wenn sie nicht so sehr als markante historische Persönlichkeit, sondern als dämonisches Machtweib in den Blick tritt (s.o. S. 119). Burger, Belisarius
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Handelnde Personen und Allegorien
zurichten. 4 Eines der ,Epitaphia' Bidermanns 5 , das den Titel trägt ,Omnia umbra', hat diesen Imperativ zum H a u p t t h e m a ; der Refrain der Elegie lautet: Ah miseri erectum terra ne figite uultum! Stulti, qui speculum uultis habere lutum. Dabei sind mit den Sternen nicht nur die realen Himmelskörper gemeint, sondern überhaupt das Ziel des in rediter Weise ausgerichteten Willens. In einem Epigramm Bidermanns wird diese figurative Bedeutung der Astra geistvoll umspielt: Ad Eundum (Christum), in coelum redeuntem. Astra per immensos quaeris tibi, Christe, recessus: Sic humus ergo oculis sorduit ista tuis? Scilicet Astra placent! Aderunt, si manseris, Astra, N a m , quocunque loco manseris, Astra facis." Theodora stellt also die Kraft dar, die den Willen des Menschen zur Erde hinabzieht, die den Blick f ü r das Licht, f ü r die Wahrheit und das Wesen verstellt. Nicht zufällig verkörpert die einzige Frau, von der im ,Belisarius' überhaupt die Rede ist, das diabolische Prinzip. Über das Mißtrauen der Jesuiten gegenüber allem Weiblichen ist zuviel geschrieben worden, als daß es hier noch ausführlicher Erörterungen bedürfte. Wieweit es sich dabei nur um eine asketische bzw. pädagogische reservatio oder um einen wirklich weltanschaulichen Vorbehalt handelt, wäre nur durch eine umfassendere Untersuchung zu entscheiden. Zum Verständnis des ,Belisarius' genügt es zu wissen, daß bei Bidermann sehr oft die Versuchung in Gestalt einer Frau an den Helden herantritt (vor allem in den Eremitendramen ,Calybita' und ,Macarius Romanus'). 7 Im ,Macarius' bei4
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Bischof in seiner Studie über den Calybita (1929) macht auf diese Erscheinung aufmerksam. „Mit dem Blick auf den Himmel besiegt er (Calybita) den weltlichen B l i c k . . . Die richtige Blickführung ist die Hauptsache; der gewonnenen Erkenntnis mit Willen und Tat zu f o 1 g e n , macht keine sonderliche Schwierigkeit." (S. 111) Bischof erinnert in diesem Zusammenhang an Ignatius, Exercitia, ,De duobus vexillis', w o es heißt: Tertium rogare id quod volo, et erit hic, petere cognitionem fraudum mali Capitis, et auxilium, ut ab illis mihi caveam. clm 3348. Epigrammatum libri tres, Dilingae 1620, 1,70; vgl. auch die Epigramme 1,101: B.Magdalena, in obscuro specu delitescens; 1,130: S. Sabina Martyr, coelum suspiciens; 11,103 u . a . ; ferner: Philemon Martyr, V, 9 Chor der Engel, Str. 1. Auch in einer Ode Baldes kommt sehr deutlich zum Ausdruck, daß die Frau als das Erdhafte, zur Erde Hinabziehende angesehen wird: der Ode mit dem Titel ,Cur prisci crediderint Venerem ex mari procreatam esse' stellt Balde
1. Die handelnden Personen und ihre Konfigurationen
131
spielsweise läßt sich der Teufel Pirasta eine neue List einfallen, um den Helden zu Fall zu bringen: Ego me iterum convertam in ora faeminae; / Nullum schema potest nostris esse fraudibus / Magis opportunum. Hoc etiam invictos vincimus. (V, 10) Und Macarius selbst wehrt sich gegen die Voluptas mit den Worten: Parcunt leones, faemina nunquam non nocet (wiederum das Bild aus dem Liber Ecclesiasticus!). (V, 7) Andererseits zeigt Bidermann auch durchaus Verständnis für die Klagen der Braut, die von ihrem asketischen Bräutigam kurz vor der Hochzeit verlassen wird. Bezeichnenderweise wird aber dieses Motiv rasch wieder abgeblendet: Das Mädchen überwindet den Schmerz um die Abkehr des Bräutigams und folgt der Mahnung, die Macarius ihr beim Abschied in einer seltsam dialektischen Pointe mit auf den Weg gab: Et tu infelici nomine / Sponsa, vale: Si in tuo Macario non habes / Maritum, habes exemplum ... (III, 1, p. 376) Auch sie wendet sich vom Irdisch-Diesseitigen ab, um ganz dem Göttlichen zu dienen.8 Fassen wir zusammen, was sich über die Ebene der menschlichen Personen ausmachen läßt: Die gegnerischen Parteien sind Justinian bzw. Beiisar und deren Kreis sowie Gilimer und seine Anhänger. In diesen innerweltlichen Raum dringt einerseits das Licht des Göttlichen, sichtbar in den Dienern der Kirche, andererseits die Finsternis des Satans, der in der Kaiserin und ihren Helfershelfern Gestalt angenommen hat. Neben diesen Konfigurationen läuft noch eine weitere Gliederung durch das ganze Stüde: der Gegensatz von Personen hohen und niedrigen Standes. Die letzteren sind in unserem Stück ausschließlich durch Soldaten der beiden Heere vertreten. Sie begegnen einerseits in den großen Massenszenen, wo sie teilweise nur als Folie des Helden figurieren (s.o. S. 113), andererseits in den komischen Partien. Die komischen Figuren sind als Typen im Sinne der antiken Typenkomödie gezeichnet. Schon durch ihre Namen geben sie kund, welche Rolle sie zu spielen haben: Periergus (zu griech. peri-ergos = neugierig, vorwitzig) und Polypragmon (griech. = neugierig, vorwitzig, händelsüchtig).9 In anderen Dramen Bidermanns überwiegen — dem veränderten
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die Palinodie mit dem Untertitel ,Rectius dici Venerem ex limo terrae originem traxisse* zur Seite. Es hätte sich Bidermann noch eine zweite Frauengestalt neben der Kaiserin für sein Drama angeboten: die Gattin Beiisars, die nach dem Bericht der Historiker auch für das politische Schicksal Beiisars eine wichtige und durchaus positive Rolle spielte. Vielleicht lag Bidermann daran, die dämonische Bosheit der Kaiserin ungestört wirken zu lassen; die Figur einer edlen Gattin hätte das eindeutige Bild nur getrübt. Die antike Figur des Polypragmon, des Vielgeschäftigen, scheint noch im Barock ein stehender, gängiger Typ gewesen zu sein, wie etwa ein Epigramm des Angelus Silesius zeigt: ,Von der H. Martha an den Polypragmon' (IV,
123). 9»
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Handelnde Personen und Allegorien
Thema entsprechend — mehr die sich um Küche und Speisekammer scharenden komischen Figuren: der Schmarotzer, der Vielfraß usw. Diese Typen sind nicht nur niedrig von Stand, sie vertreten in jeder Hinsicht eine Welt des Niedrigen, Vorläufigen, Unverbindlichen, aber auch des in seiner Problemlosigkeit Gesicherten und Ungefährdeten. Die winzigen Raufereien und Scheingefechte, die sie aus Langeweile oder Ubermut anzetteln, gehen immer gut aus, ja es kommt gar nicht erst zu wirklichem Ernst. Die erste Funktion des Komischen im Drama bestände also darin, der Welt der hohen Staatsaktion, der Sphäre des unbedingten, verantworteten Ernstes einen Raum der Ungebundenheit, Unverbindlichkeit und Vorläufigkeit gegenüberzustellen. Weitere Funktionen des Komischen werden sich im Laufe der Untersuchung ergeben.
2. Die Allegorien (außer Fortuna) Dem Bereich der niedrigen, komischen Personen gesellt sich eine Allegorie bei, deren Wesen in gleicher Weise unverbindlich und deren Auftreten ebenso komisch ist: die Fama.10 Sie ist die Zwischenträgerin unverantworteter Nachrichten, wahr und falsch sind ihr einerlei: Vera vanäque / Facta atque infecta canto: Plura mentior / Quam dico. (26 ff.) Daher gibt sie sich als Händlerin aus, die Waren aller Art feilzubieten hat. (Mit dem gleichen Bild führt sich später Mendacium ein, womit Gerücht und Lüge auf ein und dieselbe Stufe der Wesenlosigkeit, ja der Verkehrung des Wesens ins Un-Wesen gestellt sind.) 10
Vgl. Vergil Aeneis IV, 173 ff.: Extemplo Libyae magnas it Fama per urbes, Fama malum, qua non aliud velocius ullum: mobilitate viget virisque adquirit eundo, parva metu primo, mox sese attollit in auras ingrediturque solo et caput inter nubila condit. illam Terra parens, ira inritata deorum, extremam, ut perhibent, Coeo Enceladoque sororem progenuit pedibus celerem et pernicibus alis, monstrum horrendum ingens, cui quot sunt corpore plumae, tot vigiles oculi subter — mirabile dictu — tot linguae, totidem ora sonant, tot subrigit auris. nocte volat, caeli medio terraeque per umbram stridens, nec dulci declinat lumina somno; luce sedet custos aut summi culmine tecti turribus aut altis, magnas et territat urbes, tarn ficti pravique tenax quam nuntia veri. auch Ovid, Met. 12,43 ff.; ganz ähnlich im Prolog zu Shakespeares King Henry IV, II. Teil (Rumour painted füll of Tongues . . . ) .
2. Die Allegorien (außer Fortuna)
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Die Mensdien glauben ihr unbesehen, ja sie glauben bereitwilliger, als Fama überhaupt ihre Lügen produzieren kann (promtiüs mihi creditur / Quam fingitur, 31 f.). Nach dieser Einführung sollte man annehmen, ihre Nachrichten seien wirklich nichts weiter als Lügengespinste. Aber seltsamerweise entspricht alles, was sie nun über Gilimer und die Situation in Afrika berichtet, vollständig den Tatsachen, wie sich in den nächsten Szenen herausstellt. D a die an sich wahren Nachrichten aber aus dem Munde der Fama stammen, geraten sie von vornherein in ein schiefes Licht. Man weiß nicht, darf man sich auf den Bericht verlassen oder nicht. Und damit wird der Gegenstand des Berichtes selbst unsicher, fragwürdig, haltlos. Ein erster Anklang an das, was Fortuna später umfassend erweisen wird, scheint bereits hier aus komischer Perspektive gegeben. Bei ihrem nächsten Auftritt, als sich die Entscheidung zwischen Beiisar und Gilimer schon deutlich abzeichnet, verblüfft Fama die herbeieilenden Neugierigen, indem sie sie auf andere Weise als bei ihrem ersten Erscheinen an der Nase herumführt. Sie schreit ihre Waren aus: somnia . . . nugas, fabulas, gerras, tricas . . . affanias (537 ff.), also lauter Nichtigkeiten. D a n n aber prahlt sie, man werde diesmal wider die Gewohnheit von ihr mehr Wahrheit als Lüge hören. Was sie dann zu bieten hat, sind jedoch nichts als allgemein bekannte Tatsachen. Sie berichtet den Soldaten, die Gilimers Festung belagern, d a ß Gilimer belagert werde, u. dgl. Erst zuletzt läßt sie sich herbei, Neuigkeiten auszuplaudern. In ihrem letzten Auftritt (V, 4) agiert sie wieder mit der alten Taktik, ihre Nachrichten, die durchaus der Wirklichkeit entsprechen, als Lügen zu verdächtigen. Immer wenn Fama auftritt, sieht sich der Zuschauer in ein undurchdringliches Gewirr von Wahrheit und Lüge, von Wesen und Unwesen, von Sein und Schein verstrickt. Z w a r löst sich die Ungewißheit durch die folgende Handlung, aber es bleibt der Vorbehalt, daß es sich auch hätte anders verhalten können, daß möglicherweise das auf der Bühne D a r gestellte gar nicht so sicher, so wirklich ist, wie es sich gibt. Während Fama den niedrigen Figuren zugeordnet ist und immer nur in deren Gesellschaft auftritt, bewegen sich die übrigen Allegorien im Spielraum der hochgestellten Personen. Sie bilden drei Gruppen, die verschiedenen Ebenen der Wirklichkeit zugeordnet sind: Fortuna mit ihren Begleitern Favor, Contemtus, Felicitas, Calamitas; Virtus und ihre Helfer Labor und H o n o r ; zuletzt die Gruppe der Conscientia, Poenitentia, Metus, Invidia, Mendacium, Detractio, die — der Verständigung halber — unter dem Titel psychologische Allegorien' zusammengefaßt seien, so unangemessen die Bezeichnung auch sein mag.
134
Handelnde Personen und Allegorien
Die drei ersten aus dieser Gruppe (Conscientia, Poenitentia, Metus) werden immer dort eingesetzt, wo das Ringen eines Menschen um eine ganz persönliche Entscheidung oder überhaupt ein Seelenkampf dargestellt werden soll. Solange es sich um eine Frage allgemeinerer Bedeutung, ein politisches Problem etwa, handelt, kann das Für und Wider durch die Argumente der verschiedenen Personen erörtert werden. In der Senatssitzung (I, 4) werden an Justinian die Argumente von außen herangetragen, so daß er nur noch die Entscheidung zu fällen braucht. Zwar ist auch diese Entscheidung im Grunde eine Frage des Gewissens, aber Justinian ist in diesem Augenblick Repräsentant des Volkes, nicht Einzelperson, so daß sich sein Schwanken und die endliche Entscheidung in aller Öffentlichkeit vollziehen müssen. Wie sich noch zeigen wird, ist diese Trennung von offizieller Staatsaktion und privatem Kampf des Einzelnen mit sich selbst bis in die letzten Konsequenzen durchgeführt. Was besagt nun die für uns so schwer nachvollziehbare Darstellung seelischer Vorgänge durch allegorische Gestalten? Wie schon die Untersuchung des Stils ergab, sind die Diskussionen der Metus und Conscientia von höchster Rationalität. Mit nahezu logischer Schärfe folgt Argument auf Argument, die Gegner drehen einander das Wort im Munde herum usw. Vom modernen Verständnis seelischer Vorgänge her wirken solche Gefechte höchst seltsam. Wir sind gewohnt, die Seele (abgesehen vom religiös-theologischen Begriff) als das Intimste, Undurchdringlichste des Menschen zu betrachten, das sich wissenschaftlicher Aufschlüsselung nur unter größten Schwierigkeiten eröffnet. Derartige Vorstellungen sind völlig abzulegen, wenn der Sinn allegorischer Darstellung von Seelenvorgängen klarwerden soll. Seelisches Leben vollzieht sich — für die Psychologie der Zeit Bidermanns — im Räume des Bewußtseins, der ,cogitado' (die ja noch bei Descartes weit mehr umfaßt als .Denken'). Es kann daher zergliedert, analysiert, in Impulse, Affekte usw. aufgeschlüsselt werden. (Besonders deutlich zeigt sich dieses Verständnis der Seele bei den französischen Moralisten seit Montaigne, dort allerdings in einem bereits säkularisierten Sinne, s. o. S. 126) Eine Entscheidung ist nichts anderes alsdieAntwort des Willens auf die von der ratio abgewogenen und verglichenen Affekte und Verstandesimpulse. Es sei daran erinnert, daß Descartes jeden Irrtum vermeiden zu können glaubt, indem er die Reaktion des Willens so lange zurückhält, bis die verschiedenen Impulse von der Ratio gereinigt und verglichen sind.11 11
Descartes, Méditation quatrième: „D'où est-ce donc que naissent mes erreurs? C'est à savoir de cela seul que, la volonté étant beaucoup plus ample et plus étendue que l'entendement, je ne la contiens pas dans les mêmes limites,
2. Die Allegorien (außer Fortuna)
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Dieses Verständnis der seelischen Vorgänge wurde bereits eingeleitet durch die alte Rede von den ,Seelenkräften', im Barock wächst es sich dann zu einem umfassenden Rationalismus aus, der die Seele wie ein Uhrwerk zerlegen zu können meint. Die scholastischen Disputationen, die an den Jesuitenhochschulen eine neue Blüte erlebten (s. o. S. 97), haben diesen Rationalismus erheblich gefördert. Aus einer solchen unter Bidermann abgehaltenen Disputation seien ein paar Thesen zitiert, die für das Ausgeführte höchst aufschlußreich sind. Gehalten wurde die Disputation in Dillingen im Jahre 1624, ihr Thema ist die ,Conscientia': Caput Primum. Conscientia universim. Thesis prima: Conscientia nomen tametsi Theologis aequè ac alijs est anceps: communius tarnen est, ut bifariam usurpetur: I. Spéculative, pro iudicio quodam, opus bonum malúmve, iam peractum, subséquente: quo animus vel remordetur, déque peccato commisso accusatur, vel de bono praeterito laudatur. Ita namque aut bene, aut malè conscij nobis dicimur. In quem sensum Apostolus (2. Cor. 1, ad Hebr. 10), „gloria", inquit, „nostra, testimonium conscientiae nostrae". II. Practicè, pro peculiari quodam iudicio, opus bonum malumve praecedente: quo intellectus practicè iudicat, aliquid hîc & nunc vetitum esse aut concessum, malum aut bonum. Ita usurpari videtur ab Apostolo ad Corinthios (1. Cor. 10 et 27). Atque hae duae Conscientiae in eo differunt: quod prior sit de factis, aut omissis; posterior de faciendis, aut cavendis. Igitur cum hîc inquirimus, utrum voluntas, ut benè honestéque operetur, cum Conscientia debeat consentire, non priorem illam, sed posteriorem hanc solùm volumus intellectam. (S. 5 f.) Das Gewissen ist ein Urteil, mit dem der Wille übereinstimmen muß, wenn er richtig handeln will!! Schon Ignatius hatte sich ähnlicher Methoden psychologischer Analyse bedient, um seine geistlichen Übungen mit nahezu wissenschaftlicher Strenge aufzubauen; als Beispiel eine Stelle unter vielen (Exercitia 179): „Es ist notwendig, sich das Ziel vorzulegen, zu dem hin ich geschaffen bin, das da ist, Gott unsern Herrn zu lobpreisen und meine Seele zu retten, und dabei sich gleichmütig (indiferente) zu finden, ohne irgendeine ungeordnete Anhänglichkeit, so daß ich nicht mehr geneigt oder angetan bin, die vorgestellte Sache zu nehmen als sie zu lassen; nicht, mehr sie lassen als sie zu nehmen, daß ich mich vielmehr wie im Gleichgewicht der Waage befinde, um dem folgen zu können, von dem ich spüre, daß es mehr zur Ehre und zum Lobpreis Gottes Unseres Herrn und zur Rettung meiner mais que je l'étends aussi aux choses que je n'entends pas; auxquelles étant de soi indifférente, elle s'égare fort aisément, et choisit le faux pour le vrai et le mal pour le bien; ce qui fait que je me trompe et que je pèche, etc.
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Handelnde Personen und Allegorien
Seele dient." 12 Und ein wenig später heißt es (182): „Nachdem ich so überlegt und die vorgestellte Sache nach allen Seiten hin erwogen habe, zusehen, wohin sich die Vernunft jeweils mehr hinneigt; und so soll nach der stärkeren vernunfthaften Regung, nicht aber nach irgendeiner sinnlichen Regung die Entscheidung über die vorgelegte Sache getroffen werden." Ignatius bleibt aber nicht bei solch immanenter Analyse stehen, vielmehr werden die seelischen ,Regungen' zu Spiegelungen bzw. direkten Wirkungen metaphysischer Kämpfe: Gott und der Teufel streiten um die Seele derart, daß alle Zustände der Seele sich als Hinwendungen zu einer der beiden Mächte erklären lassen.13 Daher ist es vordringliches Anliegen der Exerzitien, die ,Unterscheidung der Geister' zu fördern und Regeln an die Hand zu geben, „um einigermaßen die verschiedenen Bewegungen zu erklären und zu erspüren, die in der Seele sich verursachen; die guten, um sie aufzunehmen, die schlechten, um sie zu verwerfen" (313). In den Regeln für die zweite Woche charakterisiert Ignatius die Wirkungen Gottes und des Teufels auf das Gemüt: „Es ist Gott und Seinen Engeln in ihren Anregungen eigen, wahre geistliche Freude und Fröhlichkeit zu geben und alle Trauer und Verwirrung, die der Feind herbeiführt, zu entfernen, dessen Art es ist, gegen solche geistliche Fröhlichkeit und Tröstung anzukämpfen, indem er Scheingründe, Spitzfindigkeiten und anhaltende Täuschungen beizieht." (329) Wenn irgendwo, so lassen sich im Hinblick auf solche psychologische Analysen Einflüsse des Ignatius auf die Struktur der Bidermannschen Dramen nachweisen.14 Durch ,Scheingründe, Spitz12 13
11
Zitiert nach der Ubersetzung von Hans Urs von Balthasar, Einsiedeln, 1962. Auf diese Weise wird der Rahmen der realistischen mittelalterlichen Metaphysik neu und sehr konkret gefüllt. Die psychologischen' Allegorien sind — gemäß diesem Verständnis von Seele — nicht als bloße .Wesen' (essentiae) zu begreifen, sondern als Darstellungen lebendiger, personaler, wenngleich überindividueller Kräfte. Durch den ontologischen Sinn der Seelenkräfte unterscheidet sich die Psychologie des Ignatius also grundlegend von der der französischen Moralisten, während die M e t h o d e der Seelenzergliederung in beiden Fällen sehr ähnlich ist. Daß aber eine Gemeinsamkeit im Methodischen überhaupt möglich ist, weist auf die geistesgeschichtliche Zwischenstellung des Ignatius zwischen Mittelalter und Neuzeit hin. Im philosophischen Bereich ist eine ähnliche Doppelgesichtigkeit bei Fr. Suarez zu beobachten: Während er einerseits am scholastischen, zumal thomistischen Lehrgebäude festhält, gelangt er doch andererseits zu einem neuen, auf Leibniz vorausdeutenden Verständnis des Individuellen. (Vgl. Suarez, Disp. met., Disp. IV, Sectio IX, und Disp. V.). Auf weite Strecken verfehlt erscheint dagegen der Versuch, motivische Entlehnungen Bidermanns bei seinem Ordensstifter für alle Dramen nachzuweisen und gar noch die motivischen Parallelen in ein System hineinzuzwängen, wie Nachtwey es in seiner Studie über ,Die Exerzitien des Ignatius von Loyola in den Dramen Bidermanns' (1937) unternommen hat.
2. D i e Allegorien (außer Fortuna)
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findigkeiten und anhaltende Täuschungen' reizt Photius den Feldherrn zum Verbrechen und beraubt ihn des seelischen Gleichgewichts. Auch von dieser Seite her wird Photius als Handlanger des Satans entlarvt. Gilimers Verzweiflung (zu Beginn des II. Aktes) erinnert bis in Einzelheiten an des Ignatius Beschreibung der Trostlosigkeit, die er charakterisiert als .Verfinsterung der Seele, Verwirrung in ihr, Hinneigung zu den niedrigen und erdhaften Dingen, Unruhe verschiedener Getriebenheiten und Anfechtungen, die zum Mangel an Glauben, an Hoffnung, an Liebe bewegen, wobei sich die Seele ganz träg, lau, traurig findet und wie getrennt von ihrem Schöpfer und H e r r n ' (317). 15 Aber selbst eine solche Verfinsterung der Seele (animus turbatus, V. 287 f.; gaudere non licet, 285 usw.) hindert nicht die bewußte Auseinandersetzung mit den einzelnen Antrieben, Affekten (stimuli, punctus, 308) usw. Metus, die den Tyrannen zur ,Hinneigung zu den niedrigen und erdhaften Dingen' bewegen will, und Conscientia, die seinen Blick zu den Sternen emporzurichten versucht, kämpfen mit äußerster rationaler Schärfe um Gilimers Seele. Die Seele aber ist ,träge, lau, traurig' (animi impotentia, 330), so daß sie nicht zu einer gleichmütigen Gestimmtheit, zu einer ,Indifferenz' gelangt und daher eine blinde Entscheidung fällt. Auch ohne daß Engel oder Teufel auftreten, wachsen seelische Vorgänge auf diese Weise über die Immanenz des Bewußtseins hinaus und enthüllen sich als Kampf zwischen den beiden ,Bannern', zwischen der Partei Christi und der Luzifers. Metus und Conscientia verkörpern im ,Belisarius' die beiden Grundrichtungen der Seele: Metus zieht hinab, Conscientia richtet empor. Die übrigen psychologischen' Allegorien dagegen sind Darstellungen einzelner, spezieller Affekte und Antriebe, die vor allem der Motivierung (s. o. S. 124 ff.) und dem Voranschreiten der Aktion dienen. Invidia und ihre Kinder Mendacium und Detractio sind Ausgeburten der Hölle (Acheruntia pestis, 257), dem Styx (251) und Orcus (267) zugehörig. 16 Dadurch daß Detractio und Fama einträchtig miteinander auftreten (V, 4), gerät das Wirken der letzteren von neuem in zwielichtige Beleuchtung. Eine seltsame Stellung nimmt die Gruppe Virtus, Labor, H o n o r ein. Der Begriff der ,virtus' ist schon im römischen Altertum sehr vielschichtig und immer neuen Wandlungen unterworfen. Damit die Allegorie in ihrer dramatischen Funktion durchsichtig werde, wird also zu klären sein, was 15
In diesen Zusammenhang gehört auch die bereits beschriebene voluntative Ausrichtung des Blickes zu den Sternen, durch die die geistliche Trostlosigkeit bekämpft und verhindert werden soll.
16
Im J o s e p h u s ' bezeichnet der Teufel Misurgus die Invidia als ,gens inquilina Stygis' (I, 2).
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Handelnde Personen und Allegorien
Bidermann unter ,virtus' versteht. Zudem scheint die Zusammenstellung mit Labor und Honor nicht auf den ersten Blick einsichtig. Alle drei Begriffe sind schon in der Antike zu Göttern personifiziert, wobei der Tempel des Honos unmittelbar neben dem der Virtus stand. Virtus umspannt im Lateinischen ein weites Begriffsfeld: von innerer Festigkeit, Ehrenhaftigkeit, Wahrhaftigkeit über Tapferkeit, ehrenhaftes Verhalten bis zu den äußeren Folgen solcher inneren Haltungen, d. i. Ansehen, Wertschätzung bei den Menschen. Im ,Belisarius' tritt Virtus an drei Stellen auf (1,7; 111,4; IV, 7), jedesmal in Gesellschaft anderer Allegorien, nie aber in Gegenwart realer menschlicher Figuren. Das läßt schon darauf schließen, daß sie nicht primär, zumindest nicht ausschließlich eine innere Haltung des Menschen bezeichnet. Zwar sagt sie von sich selbst (I, 7), sie könne nur existieren, wo das Laster verbannt sei, doch in der gleichen Szene bezeichnet Invidia sich als ihre Tochter.17 Das heißt: wo das Ansehen eines Menschen wächst, dort erwacht auch der Neid; Ansehen zunächst also in einem äußerlichen Sinne verstanden (was die innere Begründung natürlich nicht ausschließt). In III, 4 bereitet Virtus mit ihren Helfern den Triumphzug Beiisars vor. Sie ruft das Volk herbei mit den Worten: Q u i . . . ignaviam j Damnatis, quique virtutem contenditis / Amare; spectate mea, Sc capite munera. (881 ff.) Als Gegensatz zu ,virtus' erscheinen also nicht nur die ,vitia', sondern auch die ,ignavia'. Dann meint virtus: Tapferkeit im Kampf. Ihr Lohn ist ,gloria', Ruhm im rein äußeren Sinne, wie die Worte des Honor bestätigen: Ita differt Virtus praemia sua, non negat: / Moram compensât doni magnitudine; / Theatrum quaerit, cum laudare vult suos. (893 ff.) Virtus belohnt und belobigt ihre Anhänger in aller Öffentlichkeit, auf dem ,Theater'. Es geht offenbar nicht um die gute Tat, die ihren Lohn in sich selber birgt, sondern um Heldentaten und Ruhm, um Leistung und Lohn. Bedenkt man, daß wenige Szenen später der besiegte Gilimer als Exempel für die Unbeständigkeit der gloria an die Rampe tritt, so wird rückwirkend auch Virtus in diesen Sog der Unsicherheit, der Wesenlosigkeit mit hineingerissen. Ihr letzter Auftritt erfolgt unmittelbar nach der Verbannung des Papstes. Sie fordert ihre Begleiter auf, so rasdi wie möglich mit ihr den Palast zu verlassen, da nach dem Verbrechen am Papst für sie kein Ort mehr in der Umgebung Beiisars sei. Daraus ließe sich schließen, virtus sei doch in erster Linie als innere Haltung zu verstehen. Nun tritt in ihrer Gesellschaft aber nicht nur Honor auf, sondern auch Fortuna mit ihrem Gefolge. Virtus und Fortuna kommen überein, daß alles, was irgendwie glückverheißend aussehe, aus dem 17
Vgl. Tristan : wirde unde nît diu zwei diu sint / reht alse ein muoter unde ir kint (8399 f.).
2. Die Allegorien (außer Fortuna)
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Palast fliehen müsse (si quid aliud est, quod prosperum / Meretur nomen, excedat palatio. 1426 f.). Zurückbleiben solle nur das Unglück (maneat, quicquid est / Ominis adversi. 1434 f.). Audi hier ist also nicht so sehr auf etwas Inneres abgezielt, wie Schuld, Sünde, Buße usw., sondern auf die rein äußere Folge des Verbrechens. Beiisar wird künftig vom Glück verlassen sein (Fortunam qui senserat / Ridentem hactenus, hinc lacrimantem sentiat. 1435 f.). Wenn auch Virtus ihn für immer verlassen hat, so schließt dies nicht aus, daß er wenig später sein Vergehen bereut und auf diese Weise nach der Lehre der Kirche gerechtfertigt ist. Virtus und Schuldlosigkeit (bzw. Rechtfertigung) sind nicht dasselbe, sie laufen nicht einmal in jedem Falle parallel. Alles in allem wird man Virtus wohl als Verkörperung des zu Recht bestehenden, wohlverdienten Ansehens unter den Menschen betrachten dürfen. Das wird noch bestätigt durch ihre Begleiter: Labor und Honor. Diese beiden sind nur verschiedene Seiten, Komponenten, Perspektiven der einen Virtus. Bedingung für Virtus ist Mühe, Anstrengung; Folge der Virtus ist die äußere Ehre. (Sdion der antike Gott Honos galt als Gott der äußeren Ehre!) Virtus ist mehr als bloß Honor, da sie stets errungen werden muß und nie bloße, möglicherweise erschlichene äußere Ehre bedeutet. Geistesgeschichtlich von hohem Interesse ist die Tatsache, daß Virtus und Fortuna Hand in Hand arbeiten, ja in einer Szene eine einzige Gruppe bilden. Damit ist eines der wesentlichsten Themen, vielleicht sogar das zentrale Problem der Renaissance ad acta gelegt: der Streit von Fortuna und Virtù. 18 Seit Petrarca wird dieser Streit in zahllosen Traktaten, allegorischen und dramatischen Darstellungen ausgefochten, wobei es sich eigentlich nur um einen Ausschnitt aus einem antiken Problemkreis handelt: Bereits die römische Literatur der Kaiserzeit beschäftigt sich eingehend mit den möglichen ,remedia' der Fortuna. 19 Vor allem durch den Einfluß stoischen Gedankengutes bildet sich eine ganze Theorie der ,Heilmittel' gegen die Unbeständigkeit der Glücksgöttin aus: die vorzüglichsten Mittel sind fortitudo, prudentia und pietas (devotio). Die Antithese der Renaissance ist eine Wiederbelebung dieser antiken Diskussionen. Dabei tritt als Gegenspielerin der Fortuna die fortitudo unter dem Titel .virtù' in den Vordergrund. Geblieben ist also von den antiken remedia im wesentlichen das heidnische Element, der heroische Gestus, der ,amor fati'. 20 (Diese grobe Simplifizierung möge nur dazu dienen, 18
" 10
Zur Geschichte der Begriffsgegensätze tydie/tédine, fortuna/ars, fortuna/ fatum/natura, fortuna/virtus, fortuna/fortitudo vgl. Heitmann, vor allem die Einleitung. Vgl. H. R. Patch, The Tradition of the Goddess Fortuna . . . , 1922, passim. Vgl. Machiavelli, Principe Kap. 25: ludico poter essere vero que la fortuna sia arbitra della metà delle azioni nostre, ma che etiam lei ne lasci governare
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Handelnde Personen und Allegorien
eine große Entwicklungslinie anzuzeigen. In Wirklichkeit vollzieht sich der Prozeß natürlich in weitaus komplexeren Einzelvorgängen. Zumal die Forschungen der letzten Jahrzehnte haben nachgewiesen, daß bei genauerem Studium einzelner Renaissance-Figuren vieles von dem angeblichen ,Paganismus' sich als durchaus christlich, als traditionelle Haltung in antikisierendem Gewände erweist.) Dieses große Problem der Renaissance tritt im ,Belisarius' nicht mehr in den Blick. Virtus und Fortuna scheinen ausgesöhnt. Aber hat sich das Problem nicht nur auf eine andere Ebene verschoben? Geht es nicht auch in Bidermanns Drama um ,remedia' gegen die Fortuna? Diese Frage wird ihre Antwort finden, wenn klar geworden ist, was Bidermann unter ,Fortuna' versteht und welchen Platz er ihr im Gefüge des Dramas anweist. Es sei zunächst zusammengestellt, was Fortuna selbst über ihre Stellung im Drama sagt und wie sich ihr Wirken im Handlungsablauf spiegelt. 3.
Fortuna
Fortuna tritt innerhalb der Handlung an vier entscheidenden Stellen auf: bevor die Belisar-Gilimer-Handlung einsetzt (I, 3), bevor Gilimer endgültig besiegt ist (II, 6), vor dem Erscheinen des Photius und der Auseinandersetzung mit dem Papst (IV, 1), schließlich unmittelbar nach der Verbannung des Papstes (IV, 7). Zudem bestreitet sie noch den Epilog des Stückes. Ihre Gefährten sind Favor, Contemtus, Felicitas, Calamitas. Diese vier sind nichts weiter als Ansichten, Perspektiven ihrer Herrin Fortuna (ein ganz ähnliches Verhältnis wie bei Virtus, Labor und Honor!). Sie verkörpern die Art, wie Fortuna in der realen Welt erscheint. In ein und derselben konkreten menschlichen Situation schließen Favor und Contemtus bzw. Felicitas und Calamitas sich gegenseitig aus. Nur in einem über-menschlichen Bereich können sie nebeneinander und miteinander existieren. Fortuna steht über der gesamten Menschheit, insofern sie die Herrin alles Lebendigen ist (Quacunque tellus . . . 60 ff.). Hoch und niedrig, arm und reich sind ihr in gleicher Weise unterworfen. Sie selbst untersteht allein der Providentia, deren Dienerin sie ist (Sed Servio uni &C subsum Providentiae. 66). Sie hat ihr Vergnügen an den Schauspielen, die sie selbst geschrieben hat und deren Rollen die Menschen spielen müssen (s. o. S. 125). Ihre Schauspiele sind ,exempla', aber exempla wofür und für wen? Das wird sich im Laufe des Spiels herausstellen. l'altra metà, o presso, a n o i . . . La fortuna . . . dimostra la sua potenzia, dove non è ordinata virtù a resisterle... La fortuna è donna; ed è necessario, volendola tener sotto, batterla e urtarla. Zitiert bei Heitmann S. 23.
3. Fortuna
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Diesmal plant sie ein exemplum, in dem ein hochgestellter Bewohner des Königspalastes die Hauptrolle spielen soll: efferam altius / Inde unum, ut ille per altius praeceps eat. (85 f.) Die Gefährten stellen sich selbst vor oder werden von Fortuna vorgestellt, jeweils mit einer kurzen Charakterisierung, deren interessanteste die der Felicitas ist: Ego verö sum Felicitas, / Si qua tarnen est in orbe. Nam multi negant, / Multi putant: hodie scietis utra pars / Minus fefellerit. (74 ff.) Felicitas stellt sich selbst in Frage: es ist gar nicht sicher, ob es sie überhaupt gibt! Manche behaupten ja, manche nein. Das Stüde wird lehren, wer recht hat. Das ist ein überraschender Kommentar: eine Bühnenfigur, die ihre eigene Existenz auf die Probe stellt! Wenn die vier Gefährten nur Perspektiven der einen Fortuna zu sein scheinen, so würde die Aussage der Felicitas bedeuten: das vorgelegte exemplum soll zeigen, welches das wahre Antlitz der Fortuna ist, Favor oder Contemtus, Felicitas oder Calamitas. Sie sind Perspektiven in dem Sinne, daß die Menschen glauben, es gebe Felicitas, daß die Menschen sich um Favor bemühen (quod petunt omnes prope, 71), den sie doch nicht auf die Dauer besitzen können (nemo constanter tenet, 72). Sie sind also nicht reale Seiten oder Wirkungen der Fortuna, sondern lediglich Ansichten, die Fortuna den Menschen bietet. Diese Figuren sind demnach nicht mehr Allegorien im gleichen Sinne wie die psychologischen' Allegorien oder wie Virtus nebst ihren Begleitern, sie verkörpern nicht mehr reale Kräfte, Verhältnisse oder Beziehungen. Dadurch daß sie sich selbst in Frage stellen, erweisen sie sich als von Grund auf fragwürdig, problematisch, als zur Diskussion gestellte Möglichkeiten der Beurteilung und Auffassung. Fortuna als über dem Menschen stehende Macht bleibt unberührt von dieser Diskussion, fragwürdig aber wird ihre Erscheinungsweise in der realen Welt. Und da das Problem der Fortuna und ihres Erscheinens in der Welt gleichbedeutend ist mit der Frage nach dem Wesen der Geschichte, enthüllt sich der ,Belisarius' — mindestens in dieser einen Hinsicht — als Diskussionsdrama, das wie der ,Cenodoxus' ,sub finem Philosophiae' 21 geschrieben ist. Steht in diesem ersten Auftritt das Verhältnis der Fortuna zum Schauspiel allgemein und zu ihren Gefährten im Zentrum, so tritt in II, 6 der besondere Sinn dieses Schauspiels in den Blick: Gott ist langmütig, aber auch seine Geduld hat ein Ende; er straft den Übeltäter vielleicht nicht unmittelbar, aber die Strafe bleibt gleichwohl nie aus; und wenn sie erst spät erfolgt, so ist sie um so schwerer. Dafür ist Gilimer ein exemplum. Er hat lange Zeit Gottes Gebot und das Recht der Menschen verachtet, ohne daß Favor und Felicitas von ihm gewichen wären. Nun aber straft ihn die Hand Gottes. Fortuna spricht ständig von Gottes "
Brief Bidermanns an Rader vom 24. April 1600, clm 1610, n. 201.
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Handelnde Personen und Allegorien
Langmut, Gottes Strafe usw. Welche Rolle aber spielt sie selbst in diesem von der Providentia gelenkten Geschehen? Non nescivi quid ageret / Et Providentia, quantum ei permitteret / Sed dissimulavi, et finem his prospexi m a l i s . . . (532 ff.) Sie selbst wußte um Gottes Absichten, ohne etwas davon zu verraten. Sie schaut untätig dem von der Providenz verhängten Gericht zu. Wie aber reimt sich das mit ihren Worten im ersten Auftritt, wo sie sich doch als Herrin und Lenkerin aller menschlichen Geschicke ausgab? In Frage steht also das Verhältnis von Fortuna und Providentia. Der nächste Auftritt der Fortuna gibt eine klare Antwort auf diese Frage (IV, 1): Fortuna lobt zu Beginn ihre Helferinnen Favor und Felicitas, weil sie Beiisar zu den Sternen emporgehoben haben. Auf den Vorwurf der Calamitas und des Contemtus, warum denn nur die beiden anderen mit Beiisar Zusammensein dürften, antwortet Fortuna: Ne causam petite altiüs; / Ita jusserat nimirum Providentia; / Quod ut juberet, ipsa causae sat habuit, / Voluisse, & permisisse. (1077 ff.) Es genügt, daß Providentia etwas will, damit es geschieht. Sie wird schon ihre Gründe gehabt haben, daß Beiisar eine so glänzende Karriere durchlaufen durfte. Denn sie ist die Königin aller Dinge: Agit illa, & nutu moderatur just£ suo / Eventus omnes. (1082 f.) Die Menschen aber sind so unwissend, daß sie Fortuna für die Urheberin allen Geschehens halten. Fel. Plausere nuper omnes cum Belisario, / Fortunam, Fortunam ajebant Belisario / Favisse... (1085 ff.) Die Menschheit ist blind, von Finsternis umhüllt (caligine / Gens nubilatur, 1088 f.), so daß sie die wahre Lenkerin der Dinge nicht erkennt. Olim, olim verö scient, / Me unius Providentiae ductu omnia / Egisse. Jam illa auctore Romam pertigit, / Vicitque Belisarius . . . (1089 ff.) Fortuna ist zwar die Herrin der menschlichen Geschicke, aber alles was sie tut, vollbringt sie im Auftrag der Providentia. Damit ist auch der Sinn ihrer anfänglichen Bemerkung geklärt, sie sei Dienerin der Providenz. Die Problematik, die auch in dieser so eindeutig scheinenden Formulierung enthalten ist, bleibe vorerst noch verdeckt. Wenn Fortuna in ihrem zweiten Auftritt (II, 6) das Schicksal Gilimers kommentierte, so geht es in dieser Szene ausschließlich um Beiisar (Gilimer ist ja mit der letzten Szene des III. Aktes endgültig von der Bühne abgetreten). Fortuna kündigt das weitere Schicksal Beiisars an: Nach soviel Kämpfen mit den Goten stehe ihm noch der schlimmste Kampf, der mit einer Frau, bevor. Darauf erkundigt sich Favor, ob er nun von Beiisar weichen müsse. Fortuna entgegnet: Nihil haec scire attinet (,attinet' — es ist gleichgültig, unwichtig, es kommt nicht darauf an). Belisari, age quod agis. Novum ego tibi Stadium novae victoriae / Ostendo: tu seu vincere,
3. Fortuna
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seu vinci potes: / Permitto: video tarnen in utram sis modo / Abiturus p a r t e m . . . (1096 ff.) Beiisar hat die Freiheit, sich für Sieg oder Niederlage zu entscheiden. Aber Fortuna sieht bereits voraus, welcher Seite er sich zuneigen wird. Das Problem, das sich gleich beim ersten Auftreten der Fortuna andeutete: wie dem Menschen überhaupt noch Freiheit der Entscheidung möglich sei, wenn doch Fortuna das gesamte Geschehen im voraus festlegt, stellt sich hier explizit. Fortuna gestattet Beiisar, zu handeln, wie e r will; aber das ändert nichts an der Tatsache, daß sie den Ausgang bereits von Anfang an kennt. Mit dieser Paradoxie muß sich der Zuschauer zufriedengeben. Das Drama ist natürlich nicht der Ort, die Frage auszudiskutieren. Es genügt, wenn der Zuschauer die Richtung kennt, in der die Lösung zu suchen ist; wenn ihm versichert wird, daß die Willensfreiheit durch das Wirken und die Voraussicht der Providentia und Fortuna nicht beschränkt oder gar aufgehoben wird. Die theologische Diskussion der Zeit steht im Zeichen der thomistisch-molinistischen Kontroverse um das Problem der Willensfreiheit. 22 Die Jesuiten unter Führung des Molina treten in dieser Diskussion für die uneingeschränkte Freiheit des menschlichen Willens ein. Der gebildete Zuschauer des Dramas wird aus den wenigen Bemerkungen der Fortuna die gesamte Problematik und Bidermanns Standpunkt herausgehört haben,und für das einfache Publikum genügte es zu wissen, d a ß der Wille des Menschen trotz aller Schicksalsmächte frei sei. Ganz ähnlich kurz und eindringlich beugt Bidermann im ,Philemon Martyr' der Meinung vor, Philemon sei durch Gottes überfließende Gnade zur Wandlung und Bekehrung gezwungen worden. In einem Chor der Engel (III, 2) singt der erste Engel: O quo miseri, caecique ruunt Mortale genus! D E U S alme juva! Quod si miseros cogere non vis (Nec velle decet) saltem caecis Lumina pande! Ah videant, videant, Quam grande malum, Coeli pulchra Luce relicta, spretoque DEO, Erebi tenebras noctemque pati Quam nulla dies, nulla sequetur.23 22
Vgl. Tarot S. 108 ff.; Schneemann, Die Entstehung der thomistisdi-molinistisdien Kontroverse, Freiburg 1880. In den Jesuitendramen der ersten Generation steht diese Problematik häufig im Vordergrund der theatralischen Demonstration. Der .Theophilus' etwa beginnt mit einer Ansprache der Gratia, in der sie von vornherein ihren Einfluß auf den menschlichen Willen klarstellt und eingrenzt: . . . Lumen meum / Abscondam ab oculis, arbitrij ne libera / Penitus facultas obruatur et locus / Merito negetur (1,1; S. 373).
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Gott zwingt den Menschen nicht, aber er kann ihn erleuchten, ihm den richtigen Blick geben für die Herrlichkeit des Himmels und die Finsternis der Hölle. Nichts anderes besagt dieMetaphorik der ,astra', ,sidera', die im ,Belisarius' so oft wiederkehrt. Jetzt läßt sich auch näher bestimmen, in welchem Sinne Fortuna das kommende Geschehen ,motiviert' (s.o. S. 125): Wenn es zunächst den Eindruck machte, als sei durch die ,Regie' der Fortuna alles Geschehen prädestiniert, so erweist sich nun, daß Fortuna zwar die Vorgänge voraussieht, sie deswegen aber nicht voraus bestimmt. Ihr Gespräch mit den Gefährten zu Anfang des Dramas bewegt sich, soweit es Entscheidungen der Personen betrifft, noch im Rahmen der reinen Möglichkeiten. Daher können auch Calamitas und Felicitas gleichzeitig auftreten, ohne einander zu widerstreiten. Allerdings bleibt die Tatsache bestehen, daß wirklich alles so eintrifft, wie sie es vorhersagt. Dieses geheimnisvolle Verhältnis von Providenz und Prädestination hat die christlichen Theologen (und bereits die stoischen Philosophen) über Jahrhunderte hinweg beschäftigt. Für das Drama genügt es wiederum zu wissen, daß Providenz nicht gleichbedeutend ist mit Prädestination, daß göttliche Allwissenheit nicht das menschliche Handeln determiniert. Ebenso wie in den realen menschlichen Vorgängen nicht eine kausale Abfolge, ein Folgen des einen aus dem anderen sichtbar gemacht werden soll, so findet auch zwischen Providenz bzw. Fortuna und dem Handeln der Menschen kein Kausalnexus statt. Man wird also ,Motivation' im beschriebenen Sinne sehr umfassend und doch sehr präzise verstehen müssen, wenn die Bedeutung der ,metaphysischen' Allegorien für die Struktur des Dramas nicht mißverstanden oder verzerrt werden soll. In IV, 7 tritt Fortuna nur noch passiv auf: sie gestattet ihren Gefährten Favor und Felicitas, mit Virtus die Flucht zu ergreifen; statt dessen sollen Calamitas und Contemtus in den Palast einziehen. Fortuna hat ihr Äußeres gewechselt, ihre Außenansicht; der Kern aber ist derselbe geblieben. (Virtus: Fortunam qui senserat / Ridentem hactenus, hinc lacrimantem sentiat. 1435 f.) Daher kann man weder sagen, Fortuna verlasse mit den übrigen den Palast, noch, sie bleibe mit Calamitas zurück;. Denn im Grunde ist sie gar nicht an diesem oder jenem Ort, sondern als Herrscherin über alle Dinge befindet sie sich jederzeit an jedem Punkt der Erde, wo es Leben gibt. Diese Allgegenwart drückte sich bereits bei ihrem ersten Auftreten in einer paradoxen Formulierung aus: FORT. Nunc hanc reviso ad Urbem; ex qua nunquam tarnen / Pedem extuli ullum. (80 f.) Sie kehrt an den Ort zurück, den sie nie verlassen hat! Die Paradoxie entsteht dadurch, daß die über-menschliche und allgegenwärtige Fortuna 23
Ed. M. Wehrli, S. 168.
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sich im Rahmen des Spieles zu einer konkreten Figur verkörpert, die notwendig den Gesetzen von Raum und Zeit unterworfen ist. Der Epilog bleibe vorläufig zurückgestellt, da er die Summe des ganzen Spieles zieht. Es sei nun das Handlungsgeflecht des Dramas daraufhin untersucht, wie sich die Herrschaft der Fortuna, genauer: das Verhältnis von Fortuna und Providentia im realen menschlichen Handeln auswirkt. HANDLUNGSLINIEN UND HANDLUNGSGEFÜGE In grober Gliederung lassen sich drei große Handlungslinien unterscheiden: 1. Die Belisar-Gilimer-Handlung (I.-III. Akt), die sich wieder in den Sturz Gilimers und den Aufstieg Beiisars ausgliedert. 2. Der Handlungskomplex um Beiisar, Theodora und den Papst (IV. Akt). 3. Die Verschwörung der Senatoren gegen den Kaiser und Beiisar (II.—V. Akt). Diese drei Komplexe laufen teils nebeneinander her, teils folgen sie aufeinander, teils durchdringen sie sich. Der große Schnitt des Dramas liegt zwischen dem III. und IV. Akt: Gilimer ist aus der Aktion ausgeschieden, die Intrige der Theodora setzt ein. Offenbar sind also sowohl das Schicksal Gilimers als auch die Machenschaften der Kaiserin nur soweit interessant, wie sie den Lebensweg Beiisars betreffen. Dieser ist die einzige Figur des Stückes, die in gleicher Weise an allen Aktionen beteiligt ist. Justinian tritt immer nur als Richter oder Regent auf, der in schwierigen politischen Situationen die Entscheidung zu fällen hat. Der Papst und die Kaiserin greifen erst im IV. und V. Akt ins Spiel ein, ohne daß sie vorher auch nur erwähnt worden wären. Wenn oben von Konfigurationen der Personen gesprochen wurde, so sollte damit nur angedeutet werden, daß die handelnden Personen in einem Verhältnis des Ranges, der Macht und des sittlichen Wertes zueinander stehen, nicht aber, daß sich aus diesen Verhältnissen ein einheitliches Geflecht und kunstvolles Spiel der Vorgänge entwickle. Beiisar ist die Figur, um die sich die Geschehnisse gruppieren, er allein bleibt im Wechsel der Ereignisse fester Bezugspunkt. In dieser Hinsicht könnte man den ,Belisarius' als ein ,Stationendrama' bezeichnen, wenn auch nicht in dem psychologisch vorbelasteten modernen Sinne. Dieser Dramentypus hat eine lange Tradition in den ,Revuen' der Renaissance und den Heiligenspielen der jesuitischen Frühzeit (vergl. oben die Bemerkungen zum ,H1. Benno', S. 116). Mit der Bezeichnung ,Stationendrama' wäre aber der ,Belisarius' nur einseitig und unzulänglich charakterisiert. 10
Burger, Belisarius
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Denn die verschiedenen Handlungskomplexe stehen in einem viel engeren und wesentlicheren Verhältnis zur Haupthandlung, als dies in einer bloßen Aneinanderreihung biographischer Fakten der Fall sein könnte. Um dies Verhältnis beschreiben zu können, seien die Handlungsstränge in ihrer Verflechtung kurz dargelegt: Die ersten drei Akte zeigen den ungebrochenen Aufstieg Beiisars bis zum Gipfel des Ruhms im Triumphzug. Er ist nicht nur tapfer und erfolgreich, sondern hat auch das Recht auf seiner Seite, wie es der Bischof Cornelius in der Senatssitzung prophezeit hatte. Wenn Fortuna verkündet hatte ,efferam altiüs / Inde unum, ut ille per altius praeceps eat', so vollzieht sich in den ersten drei Aufzügen der erste Teil ihrer Ankündigung. Das Heer folgt seinem Führer mit Begeisterung (vgl. I, 5, I, 6 und die Schlachtenszenen des II. Aktes). Ketzerei, Diebstahl und Ausschweifung haben keinen Ort im römischen Lager (I, 6; 1,7). 1 Mit einem Wort: Virtus herrscht unter der Führung Beiisars. Doch so ungetrübt und strahlend der Aufstieg Beiisars erscheinen möchte: im Hintergrund meldet sich bereits Invidia — als illegitimes Kind der Virtus. Mit Virtus und deren Gefährten heftet auch sie sich auf Beiisars Spuren, um im gegebenen Augenblick Unheil anzurichten. Im zweiten Akt macht Invidia sich nicht mehr bemerkbar, sie hält ihre arglistigen Pläne für später zurück. Im Vordergrund des Interesses steht nun Gilimer, der seinen Kampf um die illegitim errungene Herrschaft mit verbrecherischer Konsequenz zu Ende führt. Doch da er von Anfang an nicht mit ungebrochener, auf Macht u n d Recht sich stützender Kraft handelt, ist sein Kampf zum Scheitern bestimmt. Er sieht sich hin und her gerissen zwischen Furcht und Mahnungen des Gewissens, zwischen Macht und Recht, so daß er nicht nur gegen einen äußeren, sondern zumal gegen den inneren Feind zu kämpfen hat ( C O N S C . Höstes minus atque te time; clementiüs / Ii saevibunt; tu tibi eris saevissimus. 345 f.). Äußeres und inneres Schicksal klaffen auseinander, wenn sie gleich parallel laufen. Bevor es überhaupt zur Auseinandersetzung mit dem römischen Heer gekommen ist, weiß der Zuschauer bereits, wie der Kampf ausgehen wird. Denn zur Truppenaushebung (II, 2) läuft lauter elendes, abgerissenes und liederliches Gesindel herbei, dem die Niederlage auf der Stirn geschrieben steht.2 1
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Diese Details und vor allem Beiisars Gerechtigkeit werden beschrieben bei Baronius anno 533. Bereits im .Gottfried von Bouillon' begegnet eine Soldatenwerbung, die mit ganz ähnlichen komischen Effekten arbeitet, dort sogar mit lateinischem A u f ruf für die Offiziere und deutscher Ankündigung für das einfache Volk. Doch fehlt diesen Szenen die charakterisierende Prägnanz, die unmittelbare Funktion für den dramatischen Aufbau des Stückes, handelt es sich doch bei den
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Bevor die Schlacht dargestellt wird, ist als retardierendes Moment die Szene im Gefängnis eingeschaltet: Finsternis und Grauen der Kerker als wahrstes, echtestes Bild der Tyrannei. Die Schlacht wird eingeleitet durch Verkündigungen der Herolde und Ansprachen der beiden Heerführer an ihre Soldaten. In diesen ,Vorreden' erhellen sich von neuem die Rechtsverhältnisse: Der römische Herold ruft Gott an um Beistand gegen die ungerechten Feinde, während der wandalische Herold sich lediglich mit dem Mut und der Unbesiegbarkeit der Wandalen brüstet. Ähnlich charakteristisch sind die Ansprachen der Heerführer: Gilimer fordert die Soldaten auf, seine Person zu schützen (sich selbst nennt Gilimer zuerst! si me, si l i b e r o s . . . amästis 460 ff.), ihren Besitz, ihre Freiheit, ihre Familien zu verteidigen, wohingegen Beiisar nach der Ankündigung des Heroldes kein Wort der Aufmunterung mehr verliert, da er der Tapferkeit seiner Soldaten gewiß ist. Statt dessen gibt er konkrete Anordnungen zur Aufstellung u. dergl. Die Auseinandersetzung zwischen Römern und Wandalen entspricht aber keineswegs dem Bild, das Ignatius von den beiden Heeren Christi und des Teufels entwirft. Dem wandalischen Heer und seinem Feldherrn geht jede dämonische Größe ab, sie sind schon besiegt, bevor der Kampf begonnen hat. Gilimer ist ein Opfer des Satans, er ist Verführter, aber nicht selbst Verführer. Der eigentliche Kampf Beiisars gegen den Dämon beginnt erst mit dem Auftreten des Photius. Gilimer ist ein Opfer, wie auch Beiisar ein Opfer sein wird. 3 Unmittelbar nach der Schlacht zieht Fortuna das Fazit des Geschehens: Gilimer ist exemplum für die Gerechtigkeit Gottes. In einer höchst eindringlichen Szene (11,8) wird das Elend Gilimers in der belagerten
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liederlichen. Soldaten um das Heer des Antitürken, also um die Partei des Christentums. An dieser Stelle erweist sich wiederum, wie sinnlos es ist, äußerliche Motivgleidiungen zwischen Bidermann und Ignatius herzustellen, wie Nachtwey es unternimmt. Eher möglich wäre dies bei einem frühen Jesuitenstück, der Münchner ,Hester', in dem ebenfalls eine Sdilacht auf der Bühne stattfindet. Dort verkörpern die beiden Heere (Perser und Juden) wirklich das göttliche und das widergöttliche Prinzip, und die Schlacht ist nichts anderes als die Entscheidung zwischen Gott und Götzen. So sagt denn der Perser Taxiarchus vor der Schlacht: Videbimus modó vtrum illorum sit Deus / Quam Persici Dij fortior (V, 16). Aber audi dort fehlt die abstufende Charakterisierung der beiden Parteien: sie beschimpfen sich gegenseitig mit den gleichen brutalrealistischen Argumenten. Der ,Triumphus Divi Michaelis' erscheint wie eine direkte Übertragung der psychologisch-theologischen Theorien des Ignatius ins Kosmisch-Metaphysische: St. Michael kämpft als Vertreter der Christenheit gegen Luzifer und besiegt ihn. Von solchen metaphysischen Darstellungen ist aber das Theater Bidermanns weit entfernt.
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Festung beschworen, bevor es zur Übergabe und damit zur endgültigen Niederlage kommt. 4 Im Gespräch des Siegers mit dem Besiegten enthüllt sich dann der volle Sinn der Gilimer-Handlung: GIL. . . . fastigia / Felicitatis impedire nos solent, / Ne cogitemus. Verum damno tu meo / Ita cogitare jam nunc incipe, si sapis. (720 ff.) Gilimers Sturz soll Beiisar eine Warnung sein: Nam quae fortuna me hodie ludere institit / EademBelisari te ridere cras potest, / Et quod cuique potuit contingere hactenus, / Poterit cuivis. (724 ff.) Gilimer befand sich auch einst im Zenit menschlicher Größe und menschlichen Ruhmes. Fortuna indessen hat ihn gestürzt, sie hat mit ihm gespielt und über ihn gelacht. Das aber ist allgemeinmenschliches Schicksal. — Jetzt wird offenbar, warum Gilimer nach seinem Sturz von der Bühne abtritt und ein ganz neues Geschehen einsetzt: Zur gleichen Zeit, da der eine zum Gipfel des Ruhms emporsteigt, stürzt der andere in den Abgrund; beide Bewegungen aber gehören notwendig zueinander, das eine folgt aus dem anderen mit der Konsequenz eines Naturgesetzes. Um diesen notwendigen Zusammenhang zu demonstrieren, ist dem Glanz Beiisars der Fall Gilimers als Kontrast und Vorausdeutung gegenübergesetzt; Vorausdeutung insofern, als mit dem IV. Akt für Beiisar genau der gleiche Umschwung der Kurve einsetzt. Die Belisarhandlung steht mit Beginn des IV. Aktes auf dem Punkte, an dem die Gilimer-Handlung begann. Die Gilimer-Handlung ist also in doppeltem Sinne exemplum: Vor-Bild, Präfiguration des künftigen Schicksals Beiisars und Modellfall für menschliche Existenz überhaupt. Der III. Akt dient vorzüglich dazu, Beiisar auf dem Höhepunkt seiner Karriere in glänzendstes Licht zu stellen, als Kontrast zum Elend und zur Schmach der besiegten Wandalen. Prunkstück dieses Aktes ist der Triumphzug Beiisars. Aber mitten hinein in den rauschenden Jubel ertönt der Ruf des Lictors: Respice post te, Belisari; hominem memento te (967, 972, 982). Und die Soldaten spotten: Victum triumphat Gilimerem Belisarius, / Sed Carnifex triumphat hunc Belisarium. (983 f.) Bidermann greift hier auf die alte römische Tradition zurück, daß den Soldaten bei Triumphzügen jeglicher Spott, jegliche Anzüglichkeit, sei sie noch so frech, erlaubt ist. Die Spottreden der milites und die Mahnrufe 4
Bei Prokop wird Gilimers Entschluß zur Kapitulation durch eine rührende Szene motiviert, die Bidermann aber nicht verwendet: Gilimer beobachtet, wie eine Schar von Kindern sich um ein Brot reißt (Pr. V. II, 7). Im Drama Bidermanns wird allein die Gestalt Gilimers beleuchtet, seine Umgebung tritt kaum in den Blick. Um seine Bedeutung herauszustellen, genügt eine knappe Skizze seiner historischen Persönlichkeit (ganz ähnlich wie bei Theodora, deren .Umwelt' auch nicht sichtbar wird).
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des Lictors haben im Drama eine ähnliche Funktion wie der Sturz Gilimers, wenn auch nur im Sinne von Andeutungen: sie präfigurieren das künftige Geschick Beiisars. Im Zwiegespräch mit Justinian zieht Gilimer selbst das Fazit seiner Lebenskurve, dann tritt er von der Bühne ab. Gilimers Sturz enthüllte sich als exemplum menschlicher Brüchigkeit, damit es zum Vor-Bild für Beiisars Schicksal werden könne. Am Ende sind die innere und die äußere Schicksalslinie Gilimers wieder in eins zusammengelaufen. Sein Kampf gegen sich selber ist beendet in dem Augenblick, als sein äußerer Sturz entschieden ist. Im Angesicht seiner völligen Ohnmacht geht ihm der Blick auf für das Wesen alles Irdischen; er mußte scheitern, um sehend zu werden. Im Laufe des III. Aktes nimmt Invidia ihr hinterhältiges Spiel wieder auf, indem sie sich nun konkreter Personen bemächtigt und damit erst eine eigentliche Verschwörung vorbereitet. Mit dem IV. Akt beginnt der innere Kampf Beiisars gegen die Furcht vor Theodora, die Auseinandersetzung, in der er bald unterliegen wird. Damit spaltet sich audi seine Schicksalslinie in eine innere und eine äußere auf: seine Seele unterliegt den Einflüsterungen des Versuchers, während sein Ruhm als Feldherr zunächst noch ungebrochen bleibt. Die Voraussage der Fortuna erfüllt sich: der große Feldherr, der so viele Schlachten siegreich bestanden hat, stürzt im Kampf gegen eine Frau, richtiger: im Kampf gegen seine eigene Schwachheit. Schon bald aber erkennt er, daß die Verbannung des Papstes ein schändlicher Frevel war. Conscientia prophezeit ihm, daß mit dem Verbrechen am Papst auch seine äußere Karriere ein Ende habe: veterum nihil / Videbis decorum; vanuerunt fornices / Tui Triumphi; applausus populi obmutuit, / Militum amor desijt, cessit Felicitas / In debellandis hostibus. (1535 ff.) Ja selbst die Gunst der Kaiserin, die er sich durch sein Verbrechen erhalten wollte, wird dahinschwinden: quamque unic£ / Spectasti Augustae gratiam, illam tu unice / Senuisse, cecidisse, perijsse senties. (1539 ff.) Bereits unmittelbar nach der Tat hatten ja Fortuna und Virtus das Urteil über Beiisar gefällt: sein künftiges Los solle Unglück und Verachtung sein (IV,7). Während seine Seele von Gewissensqualen erschüttert wird, steht ihm auch schon der äußere Sturz vor Augen. In diesem Augenblick äußerster Zerknirschung reicht ihm Poenitentia ihre rettende Hand: Tempori adsum, lapsum ut in pedes / Iterum erigam. (1549 f.) Ihre eindringlichen Worte fallen auf fruchtbaren Boden: Beiisar bereut sein Verbrechen zutiefst und gelobt Sühne. Er will auf weitere Kriegstaten verzichten, er will fasten, weinen und beten, schließlich sogar eine Kirche bauen
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lassen.5 Sein letztes Wort aber bleibt die Klage über seine Schwäche, die ihm alle frühere Macht und Herrlichkeit genommen hat ( . . . me enervavit foemina . . . heu redeo inglorius 1577 ff.). Nach Lehre der Kirche ist Beiisar gerechtfertigt, nachdem er sein Verbrechen bereut und Buße gelobt hat. Damit könnte eigentlich das Drama sein Ende haben. Aber das entscheidende Ereignis, um dessentwillen das Drama vermutlich geschrieben wurde, findet erst im letzten Akt statt (damit begründet sich auch das rein äußere Übergewicht des letzten Aktes, s. o. S. 108): Invidia, die sich während des ganzen IV. Aktes zurückgehalten hat, sieht nun die Früchte ihrer Ränke und Anstachelungen: Die Senatoren Ablavius, Marcellus und Sergius verschwören sich gegen den Kaiser, um Beiisars Ruhm nicht ins Unermeßliche wachsen zu lassen. Uber die Unwahrscheinlichkeiten der Motivierung an dieser Stelle wurde bereits gesprochen (s. o. S. 122). Das Gespräch der Verschwörer wird belauscht. LOG. Per rimulam casu prospexeram, / Vidique strictis stare cum mucronibus / Ter geminos h senatu; quae me advertere / Res caepit; cum repent£, o scelus, exaudio, / Quas moliantur Caesari insidias. (1625 ff.) Durch einen Zufall (casu) wird die Konspiration zunichte. In der folgenden Senatsszene erzählt Justinian, welch schreckliche Nacht er verbracht habe: Im Traum sei er von Mördern überfallen worden; doch eine unsichtbare Hand habe ihn vor den Dolchen geschützt (illi ferire me / Etsi volebant, nequiere tarnen; nescio / Quo intercedente. 1644 ff.). Diese Vorstellungen, die ja zum Glück nichts als Träume (somnia mera 1646 f.) gewesen seien, hätten ihm die Nachtruhe geraubt. Durch Logothetas Bericht aber wird offenbar, daß der Traum ein Spiegel der Wirklichkeit war; der Schein ist zum Sein geworden. Dieser Umschlag verschärft sich noch, da Justinian die,Träume' angesichts der drängenden Staatsgeschäfte verscheucht: Sed nulla his noctium est ludibrijs fides. / Excusso quare somno de Republicä / Agendum est, Patres. (1648 ff.) Als Logotheta den Brief bringt, der die Verschwörung entdecken soll, wehrt der Kaiser ab: die Staatsgeschäfte seien vordringlicher als Privatgeschäfte. Und unter nochmaliger Verschärfung der Dialektik entgegnet Logotheta: Sed ubi hanc tu privatam omiseris, / Nil dein in publicis tu certe effeceris. (1658 f.) Erst dann läßt sich der Kaiser herbei, den Brief 5
Vgl. den Schluß der lateinischen Perioche: Extat, de poenitentia Belisarij, post eiectum S. Silverium epigramma, quod ille, agnita culpa in lapidem incidi jussit, et in templo ä se Romae constructo servari. Hanc vir patricius Vilisarius ( = Belisarius) urbis amicus, Ob culpae veniam condidit ecclesiam. Hanc idcirco pedem sacram qui ponis in aedem, U t miseretur eum saepe precare deum.
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zu öffnen, der ihn zwingen wird, die Verkehrung des Traums in die Wirklichkeit zu akzeptieren. Die Umwertung des Scheins ins Sein wirft auch ein neues Licht auf die vorhergehende Szene: Justinian sah sich im Traum auf rätselhafte Weise vor den Mördern geschützt; dies Rätsel hat sich nun geklärt. Der .Zufall', durch den Logotheta die Konspiration entdeckte, verliert damit seinen ,zufälligen' Charakter, er enthüllt sich als Fügung. Noch aber bleibt ungewiß, welche Macht ihre schützende Hand über den Kaiser gehalten hat. Den Verschwörern, deren Hoffnungen sämtlich zunichte geworden sind, bleibt nur noch eine Möglichkeit, sich an Beiisar zu rächen: indem sie ihn als Mitwisser der Konspiration deklarieren. So wird denn der Feldherr zu Unrecht verhaftet und des Majestätsverbrechens angeklagt. Bevor die Verhandlung gegen ihn stattfindet, verkündet Tribonianus das Urteil über die drei Senatoren, das vom Carnifex unmittelbar vollstreckt wird. In der nun folgenden Verhandlung laufen die Fäden des Stückes zusammen: Alle Hinweise auf die geleisteten Dienste, alle Bitten und Appelle an die Großmütigkeit des Kaisers vermögen diesen nicht zur Milde zu bewegen. Beiisar wird für ein Vergehen verurteilt, das er gar nicht begangen hat. Also eine sinnlose, ja widersinnige Strafe? Nein, denn im gleichen Augenblick, da Beiisar an der Gerechtigkeit Gottes verzweifelt (O fidem / Vestram superi! quod nunquam somniaverini, / Ejus ego nunc insimuler parricidij. 1861 ff.), erwacht die Stimme des Gewissens: Puta hanc legem esse talionis. Redditur, / Quod Romae expenderás. (1864 f.) Sein Verbrechen an Silverius wird ihm nun heimgezahlt. So wie er die Beteuerungen des Papstes mißachtet hat, so werden nun auch seine Appelle zurückgewiesen. Ja die Ungerechtigkeit, die man an ihm begeht, steht noch in keinem Verhältnis zu dem, was er am Papst verschuldet hat (CONS. Et foediora tu quondam in Silverium / Patrasti. 1928 f.). Beiisar wird für etwas bestraft, das er nidit begangen hat, und dennoch ist die Strafe gerecht. Was Fortuna in bezug auf Gilimer gesagt hatte, gilt nun auch für Beiisars Geschick: Non tarn al tum dormit Numen, ut non deníque / Expergiscatur. Lento graditur in malos / Mulctandos passu. (521 ff.) Auf einem Umweg hat ihn die Strafe für sein Verbrechen an Silverius doch noch ereilt: die Verschwörung war das Mittel, dessen sich die Vorsehung bediente, um Beiisar zu strafen. Und der Zufall, durch den die Verschwörung entdeckt wurde, enthüllt sich als Lenkung, als Fügung der Providentia. Mit einem Wort: alles was im Drama Wirken der Fortuna zu sein schien, offenbart sich als geheimer, aber umso konsequenterer Plan der Providentia.
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Die verschiedenen Handlungsstränge, die lange Zeit unverbunden oder doch nur zufällig verbunden nebeneinander herzulaufen schienen, erweisen sich nun als von der Providentia gesponnenes Handlungsgeflecht. Beiisar war bisher blind gegenüber diesen Zusammenhängen. Nun aber, da man ihm das Augenlicht nehmen will, erhellt sich ihm der innere Blick für das wahrhafte Gesetz seines Lebensweges, und so bricht er in die Klage aus: O supreme Judex! Arbiter / Cunctorum, agnosco, agnosco dexterae tuae / Vindictam. Ego ne haberem iratum mihi Caesarem, / Te quondam laesi. Eheu sentio, sentio manum / Potentem; nil recuso . . . (1943 ff.) Sein letztes Wort aber ist wiederum — ganz ähnlich wie am Schluß des IV. Aktes — nicht die Einsicht in die gerechte Verkettung von Schuld und Sühne, sondern die pathetische Klage über die Unbeständigkeit aller menschlichen Dinge (1947 ff.). Wenn im ,Belisarius' auch nicht Einheit des Ortes und der Zeit nach den klassizistischen Regeln angestrebt ist, so konstituiert sich doch aufgrund des geheimen Handlungsplanes eine Einheit der Handlung, die den strengen aristotelischen Anforderungen Genüge leistet: Aristoteles, Poetik, 8: „Der Mythos ist eine Einheit nicht dann, wenn er sich um einen einzigen Helden dreht. Denn unzählig vieles kann an einem einzelnen geschehen, und es wird dennoch aus dem allem keine Einheit. So gibt es auch viele Handlungen eines einzelnen, ohne daß eine einzige Handlung daraus wird . . . Wie also in den anderen nachahmenden Künsten eine Nachahmung sich auf einen Gegenstand bezieht, so muß auch der Mythos, da er Nachahmung von Handlung ist, Nachahmung einer einzigen und ganzen Handlung sein. Die Teile der Handlung müssen so zusammengesetzt sein, daß das Ganze sich verändert und in Bewegung gerät, wenn ein einziger Teil umgestellt oder weggenommen wird." 6 Durch diese Einheit des ,Mythos', die die Einheit der inneren Zeit des Dramas begründet, unterscheidet sich Bidermanns Stück von den dramatisierten Heiligenviten der jesuitischen Frühzeit. Die wahre Verkettung aller Vorgänge aber eröffnet sich nur dem angeklagten Feldherrn, den Richtern und Klägern bleibt der Zusammenhang verschlossen. Sie urteilen nach dem Augenschein, ohne sich als Werkzeuge der Providentia zu erkennen. So bleibt alles menschliche Handeln immer kurzsichtig: der Mensch glaubt, er verfolge planvoll und klug seine Ziele, während er in Wirklichkeit der Verblendung unterworfen und nur ein Werkzeug in der Hand der Vorsehung ist. So relativiert sich der Eigenwert alles Irdischen angesichts der überlegenen Weitsicht und Planung des Göttlichen. Die Doppelbödigkeit, der zwiefache Sinn der Verhandlung gegen e
Zitiert nach der Übersetzung von O. Gigon, 1962.
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Beiisar scheint bereits in der Gesprächsführung durch: Beiisar ist sich zu Beginn keines Vergehens bewußt. Daher hält er es für überflüssig, ja unangemessen, den Kaiser um Gnade anzuflehen. Aber seine allgemeine Formulierung ,Qui nullius conscius / Facinoris est, dementia aliena haud eget' (1808 f.) läßt schon die zweite Deutung zu: auch Gott gegenüber fühlt er sich im Recht. Nachdem er dem Kaiser seine großen Verdienste in Erinnerung gerufen hat, entgegnet dieser: Ducamus cálculos. (1821) Es soll die Summe von Verdienst, Lohn und Sdiuld gezogen werden. Aber das menschliche .Kalkül' erweist sich als unzulänglich, da es an der Sache vorbeitrifft. Beiisar versucht, sich gleichfalls mit .Gründen' zu verteidigen, die aber den Augenschein nicht widerlegen können (Quia rationibus / Hic locus est ultra nullus . . . 1887F.; JUST. Non his tua scelera defendes argutijs, 1 8 4 8 ; . . . non verborum diverticulis . . . 1852). Klugheit, Gründe, Argumente vermögen nichts unter den Menschen, sie dienen eher der Verdeckung als der Erhellung der Wahrheit. Das Zwiegespräch redet solange an der Sache vorbei, bis Conscientia eingreift und die Wahrheit aus der Verdunkelung ans Licht hebt. Beiisar hatte sich gerade noch zu der Behauptung verstiegen, nicht einmal im Traum sei ihm der Gedanke an ein parricidium gekommen (und dabei war doch der Frevel an Silverius auch eine Art von parricidium!), da entlarvt Conscientia ihn in seiner Anmaßung, seinem Unschuldsdünkel, seinem Pharisäismus und hält ihm seine Schuld vor Augen. Schon vorher hatte er sich durch seine eigenen Worte entlarvt, ohne es aber zu bemerken: Defendent me praelia/ Pro te patrata, defendent discrimina, / Quibus ego me, vitámque animámque, 8c omnia/ Quotidie exposui. (1843 ff.) Nicht nur sein Leben, sondern auch sein Seelenheil hatte er für den Kaiser (besser: für die Kaiserin) aufs Spiel gesetzt. Das Argument richtet sich gegen ihn selbst! Unter den Anrufen und Stacheln der Conscientia gelangt Beiisar allmählich zum vollen Bewußtsein seiner Schuld und der Gerechtigkeit der Strafe, bis er schließlich bekennt: Satis hoc merui, memini, quid Romae egerim; / Hodie expiabo. (1925 f.) Conscientia ermöglicht also die Erkenntnis der wahren Zusammenhänge von Verbrechen und Sühne, sie legt das undurchsichtig gewordene Gewirr von Sein und Schein wieder auseinander und stellt die Wahrheit — wenigstens in der Seele des einen Menschen — ans Licht. Das alte Problem der .remedia' wider das Walten der Fortuna ist hier indirekt aufgenommen, aber in seinem Sinn gänzlich gewandelt: es ist nicht mehr die Frage nach .Allheilmitteln', wie es die stoischen Tugenden der fortitudo, prudentia usw. waren, es geht gar nicht mehr um ein Sich-Behaupten, eine Selbst-Bewahrung des Ich. Denn in dem Augenblick, da der Mensch die Schicksalsschläge als Fügungen Gottes begreift und an-
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nimmt, ist Fortuna kein Gegner mehr. Als Dienerin der Providenz ist sie die von Gott eingesetzte Lenkerin der menschlichen Geschicke, die Herrin, der sich der Mensch in Demut zu unterwerfen hat. Conscientia ist mehr als ein seelischer ,Impuls', sie durchbricht jegliche seelische Immanenz, da sie den Anruf Gottes an die in der Sünde befangene Seele darstellt. So ruft ihre Gehilfin Poenitentia den zerknirschten Feldherrn (IV,9) zur Umkehr auf, wie eine Stimme aus dem Jenseits (Tempora adsum, lapsum ut in pedes / Iterum erigam. Belisari, Belisari . . . 1549 f.). Für die Struktur des Dramas bedeutet das: Die Allegorie ermöglicht die Aufspaltung des Gesprächs in zwei Ebenen, die verschiedenen Stufen der Realität angehören. Auf der einen Seite der Bereich des menschlichen Gesprächs, das dem Augenschein, der ,doxa' und damit der Verblendung unterworfen ist, auf der anderen Seite die Auseinandersetzung der Seele mit den transzendenten Mächten, die sich im Räume unbedingter Wahrhaftigkeit und Unerbittlichkeit abspielt. Weder in dieser dramatischen Funktion noch in ihrer Bedeutung für die Analyse seelischer Vorgänge würden sich die Allegorien durch Monologe der handelnden Personen ersetzen lassen. Sie sind demnach nicht eine Merkwürdigkeit, sondern eine unabdingbare Voraussetzung dieses Theaters. Im ,Cenodoxus' hatte Bidermann die Allegorien in ganz ähnlicher Weise eingesetzt wie hier. Dort galt es, die Heuchelei des Cenodoxus bloßzustellen, die den Menschen gänzlich verborgen bleibt und selbst dem Doktor nur halbbewußt ist. Conscientia und Cenodoxophylax zerreißen das Lügengewebe von Hochmut und Gleisnerei in der Seele des Cenodoxus, ohne daß die Umgebung etwas von diesen Kämpfen ahnte. Der Zuschauer erfährt auf diese Weise mehr vom Wesen des Doktors als dessen nächste Freunde. Und so kann Conscientia den Cenodoxus vor dem göttlichen Richter verklagen: . . . Aeternis ego movere stimulis Non destiti. Saepe anxium, 8c rebus suis Subinde diffidentem adorta presseram. Hoc saepe judicium oculis objeceram; Sed tanta laudis cupiditas illum fuit Amplexa, tanta plebis aestimatio, Ut ferre morsus perpetes assueverit, Dum ferre laudem posset: ut contemnere Hoc Numinis terribile judicium sui Assueverit, dum jucidia mortalium Magni aestimaret. 7 (V,3) 7
Ed. Tarot, S. 107, V. 1933 3.
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Um eine Summe der bisherigen Beobachtungen ziehen zu können, sei noch der Epilog betrachtet, in dem Fortuna ihr letztes Wort über das dargestellte Geschehen spricht: FORT. Has leges dixere superi mortalibus, / Nemo ut ita felix esset, fieri quin miser / Quandöque posset. (2067 ff.) Gott hat allem menschlichen Wesen dies Gesetz auferlegt, daß Glück jederzeit sich in Unglück verkehren kann. Menschliches Dasein ist nicht autonom, es hängt in jedem Augenblick ab von einem höheren Willen. Für diese Unsicherheit und Unzulänglichkeit menschlicher Dinge habe sie den Beweis (specimen) liefern wollen, und zwar am Beispiel des Beiisar. In Beiisar sei nur der Mensch schlechthin dargestellt: quem si probe / vidistis, quisquis se vidistis. (2070 f.) In dem uralten Bilde des sich drehenden Rades veranschaulicht Fortuna das Lebensgesetz alles Sterblichen: das Unterste steigt auf den Gipfel, das Höchste stürzt in die Tiefe; der Unglückliche wird plötzlich beglückt, der Glückliche fällt ins Unglück. Dies ständige Auf und Ab vollzieht sich nach ewigem Gesetz (aeternä lege, 2078). Und dann setzt der große Klagegesang ein über die Hinfälligkeit der ,gloria vitae'. In immer neuen Bildern wird das Motiv durchgespielt, mit dem ganzen Arsenal der vanitas-Metaphorik. Nicht mehr der Ruhm des Feldherrn, nicht mehr die Ehre, das Ansehen des Staatsmannes sind in Frage gestellt, sondern der ,Ruhm des Lebens' überhaupt; aller Glanz, alle Beglückung, kurz: aller Wert des irdischen Lebens verfällt dem Urteil der Fortuna; nichts ist auf Erden, das der Hinfälligkeit entginge. Der Wechselgesang zwischen Fortuna, Favor und Felicitas gleicht einer gewaltigen Predigt, einer Predigt aber, die nicht mit Worten, sondern mit Anschauungen, nicht mit Begriffen, sondern mit lebendigen Bildern die Seele mit sich reißt. Mit ähnlicher Gewalt haben die großen Jesuitenprediger des Frühbarock die Gläubigen zu erschüttern gewußt, und ein Zeitgenosse Bidermanns, der Münchener Hofprediger Jeremias Drexel (1581—1638), enthüllt die Hinfälligkeit des Lebens in einer seiner Predigten mit fast den gleichen Bildern, die auch Fortuna verwendet, in ähnlicher Steigerung und immer neuer Aufhäufung von ,nomina*, von austauschbaren Bildern, die, selbst gewichtslos, nur Gewichtsloses, Nichtiges benennen: „Was ist das Leben? Das Leben ist ein Blum, ein Rauch, ein Schatten, des Schattens Schatten, ein Wasserblas, ein Staub, ein Schaum, ein Tau, ein Dachtropf, ein Eins, ein Regenbogen, ein auslöschende Wachskerz, ein durchlöcherter Sack, ein baufälliges Haus, ein betrüglicher Aschen, ein Frühlingstag, ein unbeständiger April, ein einziger Ton einer Lauten, ein zerbrochener Krug, ein Bronnrad, ein Spinnenweb, ein Meertropfen, ein Strohhalm,
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ein Sonnenkraut, ein kurze Comedi, ein fliegendes Fünklein, ein trauriger Nebel, ein Blasen voll Wind, ein Tauben so an der Sonnen gleißet. Das Leben ist ein zartes Glas, ein leichtes Baumblatt, ein subtiler Faden, ein guldiner innwendig fauler Apfel. Wann der Schatten nichts ist, was ist dann der Traum des Schattens? Diese und andere viel hundert Namen gehen gar ähnlich und füglich auf das menschliche Leben. Und haben meines Erachtens am allerbesten getroffen, die das Leben ein sehr kurzen Schattentraum nennen. Und alles miteinander kürzlich zu sagen, so ist das Leben: Ein Schlaf, ein Fabel und ein Gras, Ein Blum, Heu, Schatten, Wasserblas, Ein Aschen, wie ein Glas zerbrichts, Ein Punkt, Schall, Wind, ja sauber nichts."8 In einer anderen Predigt sucht Drexel anhand von Anekdoten und Zitaten zu erhärten, daß es besser sei, nicht geboren zu sein, als ins Leben zu treten. 9 So hätte auch Fortuna im ,Belisarius' sprechen können. Die Frage, die Felicitas zu Beginn des Stückes stellt, ob es überhaupt so etwas wie Glück unter den Menschen gebe, ist damit durch Felicitas selbst beantwortet: Felicitas und Favor sind Täuschungen, Illusionen, denen sich die Menschen nur zu gerne hingeben. Aber die Entlarvung bleibt nicht aus, beim einen früher, beim andern später. Das Leben wechselt ständig die Maske, sein echteres Antlitz — wenn es überhaupt ein wahres Gesicht hat! — ist Unglück und Verachtung. Das ganze Drama ist also ein ,specimen' für das ewige Gesetz, nach dem irdisches Geschehen sich in stetigem Auf und Ab vollzieht. Dargestellt werden soll nicht das Schicksal dieses einen Menschen, des Feldherrn Beiisar, sondern das Lebensgesetz d e s Menschen überhaupt. Alles menschliche Dasein ist von gleicher Struktur, nur zeigt sich die Struktur beim einen mehr, beim anderen weniger deutlich. Die Personen der hohen Aktion sind also weder Typen (wie die komischen Figuren) noch Individuen im modernen Sinne. Der Held ist Repräsentant menschlichen Daseins, und als solcher zwar nicht bloßes Schema ohne individuelle Züge, aber auch nicht in erster Linie dieser Mensch Beiisar, Gilimer, Ablavius, mit seinen ganz persönlichen Eigenheiten. Selbst Nebenpersonen wie Tribonianus, Procopius, Eusebius sind noch bis zu einem gewissen Grade persönlich gezeichnet (Tribonianus 8
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Bayrische Barockprediger, ausgewählte Texte und Märlein . . . , besorgt von G. Lohmeier, 1961, S. 13. S. 17; vgl. Prediger Salomo: Et laudavi magis mortuos, quam viventes, et feliciorem utroque judicavi, qui necdum natus est, nec vidit mala, quae sub sole fiunt (IV, 2 f.).
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erscheint als der angesehene Jurist, der er in der Tat zur Zeit des Justinian gewesen ist; in Prokopius erkennen wir den Kriegsberichterstatter, dem wir alle zuverlässigen Nachrichten über die Feldzüge Beiisars verdanken usw.), nie aber gewinnt das Einzelne, Individuelle den Vorrang gegenüber dem Allgemeinen und Allgemeingültigen. In dieser eigentümlichen Darstellung der Personen erweist sich ebensosehr die geistige Durchdringungskraft wie das theatralische Talent Bidermanns. Gryphius etwa vernachlässigt die Nebenfiguren seiner Stücke bis zur gänzlichen Preisgabe der Individualität: so erscheinen die Richter in II, 2 des ,Leo Armenius' nur als Vertreter verschiedener Argumente, als maskenhafte Darstellungen der möglichen Positionen, die sich nicht einmal durch einen Anflug von Affekt verlebendigen. Dementsprechend tragen sie statt individueller Namen nur Nummern (von I bis I X ) ; ähnlich später die ,zusammen geschwornen' in IV, 3/4. Dem geschichtlichen Drama fällt die Aufgabe zu, einen Einzelfall darzustellen, der gleichzeitig repräsentativ für alles Menschliche ist. Damit diese allgemeine Struktur im einzelnen sichtbar werde, greift der Dichter ein Beispiel aus dem Angebot der Geschichte heraus, an dem sich die Lebenskurve d e s Menschen mit geradezu geometrischer Klarheit und Anschaulichkeit ablesen läßt. Nun ist aber der Wechsel der irdischen Verhältnisse nicht ein sinnloses, chaotisches Nacheinander, sondern eine von der allwissenden Providentia sinnvoll und gerecht gelenkte Abfolge. Aufgabe des Dramas ist es demnach, hinter dem der Fortuna unterworfenen, scheinbar blinden und sinnlosen Wechsel einen genauen Sinn, eine besonnene Lenkung sichtbar zu machen. Wie gegenüber der Fortuna, so ist auch gegenüber der Providenz alles menschliche Dasein von gleicher Struktur: Der Mensch hat zu wählen zwischen zwei Möglichkeiten, der Ergebung in den göttlichen Willen und der Abkehr von Gott, d. h. der Verblendung und Verfinsterung durch den Teufel. Dementsprechend erlangt er das ewige Heil oder wird bestraft, wenn nicht gar für ewig verdammt. Das Drama gibt also ein ,specimen' sowohl für das Wirken der Fortuna als der Providenz. Beiisar und die übrigen Gestalten sind exempla in diesem doppelten Sinne. Und da die Struktur des Menschlichen grundsätzlich und überall die gleiche ist, kann auch das Geschick des einen Menschen exemplum sein für das des anderen. Es ergibt sich also eine verwirrende Vielfalt von beispielhaften und vorbildhaften Beziehungen, die in der dramatischen Anlage des Stückes ihren Ausdruck finden.
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Gesetzmäßigkeiten des inneren und äußeren Aufbaus
GESETZMÄSSIGKEITEN DES INNEREN UND ÄUSSEREN AUFBAUS 1. Immanente Baugesetze Kausalität, psychologische Wahrscheinlichkeit, Entwicklung sind Kategorien, die — wie sich zeigte — bei der Beurteilung des Bidermannschen Dramas ferngehalten werden müssen. Da das Allgemeine, ,Strukturelle' dem Vereinzelten, Individuellen gegenüber primär ist, sind die konkreten Vorgänge nur Ausfüllungen allgemeinerer Schemata, die durch die Allegorien im voraus aufgestellt werden. Solche ,Motivation' des Besonderen durch das Allgemeine, die geistesgeschichtlich auf den Horizont des mittelalterlich-scholastischen Realismus zu verweisen scheint (s. o. S. 126), erfährt nun ihre präzisere Begründung aus dem Verhältnis der konkreten Personen zu den transzendenten Mächten und aus dem exemplarischen Charakter des vereinzelten Geschehens. Menschliches Dasein vollzieht sich stets in Angewiesenheit auf überindividuelle Gesetzlichkeiten, auf strukturelle Schemata. Und diese Schemata gilt es vorab zu erfassen, wenn individuelles Dasein einen Sinn gewinnen soll. Da jede Handlung auf solche Schemata verweist, sind auch die einzelnen Vorgänge, Aktionen usw. untereinander in gewissem Grade austauschbar. Austauschbar wenigstens, insofern sie Repräsentanten ein und derselben Struktur sind. Das dramatische Gesetz des Dramas, das sich im Hinblick auf die einzelnen Handlungslinien als ,Motivation' im mittelalterlich-realistischen Sinne darstellte, besteht für das Verhältnis der Handlungsstränge untereinander in einem System von Präfigurationen und Spiegelungen, also von anschaulich und sprachlich faßbar gewordenen exemplarischen Entsprechungen und Identitäten. Diese gilt es nun zu beschreiben, soweit sie nicht bereits im vorigen Kapitel angedeutet wurden. Es ist kaum übertrieben, das System der Analogien und Identitäten als eine .offene Unendlichkeit' zu bezeichnen. Denn aus jeder neuen Perspektive ergibt sich wieder ein neuer Komplex von Zusammenhängen, der wiederum mit anderen Komplexen zusammenhängt usw. Es sollen hier nur einige Motivkreise daraufhin untersucht werden: a ) GILIMER UND BELISAR
Gilimer besteigt als illegitimer Tyrann den Thron, seine Karriere beginnt also bereits mit einer Schuld, die von Anfang an schwer auf ihm lastet. Aber zurück kann er nicht mehr, wenn er sich nicht auf die Rache der Unterdrückten gefaßt machen will: es ist das Gesetz der Tyrannen,
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daß sie, um ihre Macht behaupten zu können, ihre Vorgänger beseitigen müssen. MET. Hic si redit / Ad sceptra patruus, faciet quicquid passus est: / Patiere tu quicquid fecisti. (292 ff.) Gilimer sieht sich also einem allgemein-menschlichen Schema unterstellt, dem er nicht entrinnen kann. Dies Gesetz klingt später in der Begegnung mit Beiisar noch einmal a n : GIL. Jube me fieri, quicquid Belisari voles. / Te si vicissem, facerem 8c ego te, quod animo / Lubesceret meo. (729 ff.) Damit öffnet sich die Gilimer-Handlung in einen Horizont der Vergangenheit und der schematisch vorgezeichneten Zukunft. Gilimer steht nicht da als dieser einmalige, unverwechselbare Wandalenkönig, sondern als Vereinzelung des Tyrannischen, des illegitimen Machtprinzips. Dies ist seine erste exemplarische Funktion. Wichtiger als dies aber sind die Spiegelungen, die zwischen den Lebenskurven Gilimers und Beiisars stattfinden: Gilimer stürzt zur gleichen Zeit, da Beiisars Ruhm auf den Gipfel steigt (s. o. S. 148). Für diese Periode des Geschehens dient er also als Kontrast zu Beiisar. Da aber sein Abstieg wiederum nicht nur ein spezieller Unglücksfall, sondern die Erfüllung eines über alles Menschliche verhängten Gesetzes ist, entläßt der Kontrast aus sich die Präfiguration: Beiisar befindet sich noch im Glück, aber auch ihm wird es einst ergehen, wie es Gilimer ergangen ist. Der Umschlag der Kontrastfunktion in die Vorausdeutung vollzieht sich ausdrücklich in der Begegnung Gilimers mit Beiisar nach der Kapitulation (719 ff.; s. o. S. 148). Auf dem Gipfel des Glücks hätte er bedenken sollen, daß Glück nicht beständig sein kann. N u n bleibt ihm nichts mehr, als wenigstens Beiisar zu warnen: Verum damno tu meo / Ita cogitare jam nunc incipe, si sapis. (722 f.) Was ihm das Schicksal angetan hat, kann jederzeit auch über jeden anderen Menschen hereinbrechen. Beiisar geht über diese Warnungen mit dem scheinbar höchst einsichtigen Satz ,Ita nimirum homines sumus' (727) hinweg, der aber im Grunde nur eine Überheblichkeit ist: Ich, Beiisar, habe nicht zu fürchten, daß das Schicksal mir mitspielt wie den übrigen Menschen. Beiisars Worte, die ja die Quintessenz des Stückes beinhalten, wirken an dieser Stelle als tragische Ironie: Unbewußt spricht Beiisar sich selbst sein Urteil, bevor er überhaupt die Tat begangen hat. Er scheint die menschlichen Verhältnisse zu durchschauen, ist aber nicht fähig und demütig genug, seine Erkenntnis auf die eigene Person anzuwenden. Hier klingt f ü r einen Augenblick die Problematik des .Cenodoxus' an: das Verhältnis von Wissen und Selbsterkenntnis, von constantia und Demut usw. Der Mensch verschüttet die eigene innere Wahrheit, sobald er leichtfertig glaubt, sie zu besitzen. Wissen ohne Demut ist eitel, und
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Gesetzmäßigkeiten des inneren und äußeren Aufbaus
Erkenntnis ohne Selbsterkenntnis ist Verblendung. Beiisar stürzt nicht zuletzt deshalb so abgrundtief, weil er sich bis zum äußersten Augenblick weigert, das allgemein menschliche Verhängnis zu akzeptieren. Sein Glück war so vollkommen, daß er nicht glauben konnte, es werde je ein Ende haben. Gilimer fällt sogleich, als er Justinian gegenübertritt, auf die Knie und fleht um Gnade, fast mit den gleichen Worten wie später Beiisar gegenüber dem Kaiser. Beiisar aber versteift sich zunächst auf Beteuerungen seiner Unschuld, er pocht auf seine ruhmvolle Vergangenheit, bevor er sich zu der Erkenntnis durchringt, daß die Strafe, so ungerecht sie nach menschlichen Begriffen erscheinen mag, doch für ihn gerecht ist. Rückblickend erscheint dann auch Gilimers Gewissenkampf als Präfiguration der späteren Diskussionen Beiisars mit Metus und Conscientia: hier wie dort die beiden Allegorien, die die Entscheidung auf ihre Seite zu ziehen bemüht sind. Bis in die Wortwahl hinein entsprechen sich die inneren Auseinandersetzungen, obwohl der Gegenstand ja gänzlich verschieden ist: GIL. Heu me, quas malè patior tempestates? quibus / Jactor procellis? inquies mihi nox, dies, / Aetâsque l a b i t u r . . . (275 ff.) — BEL. Hei, quibus / Agitor procellis? Quae duella pectoris / C o m m i t t o . . . ( 1 1 4 9 ff.) Schließlich deutet Fortuna die Gilimer-Handlung auf ihren höheren, von der Providenz gewollten Sinn hin: Non tarn altùm dormit Numen, ut non denique / Expergiscatur. Lento graditur in malos / Mulctandos passu. (521 ff.) Mit einem ähnlichen Gedanken spricht später Silverius das Urteil über Beiisar: Vigilat Numen, & videt. / Et tu videbis olim, Belisari. (1385 f.) Damit wird Gilimers Geschick auch im letzten und höchsten Sinne Vor-Bild für Beiisar: beide sind in gleicher Weise der Gerechtigkeit und dem Urteil der Providenz unterstellt. Das Spiel der Analogien kann bis in winzige Details hinein durchgeführt werden, ohne daß noch ein funktionaler Zusammenhang mit dem Ganzen bestehen müßte. So beschreibt Honor das Walten der Virtus mit fast den gleichen Worten, deren sich Fortuna an der zitierten Stelle bedient (FORT Lento graditur in malos / Mulctandos passu. Verum compensât moram / Gravi ta te poenae: tarda vindicat manu / Matura scelera quidem; sed vindicat tarnen. — HONOR. Ita differt Virtus praemia sua, non negat: / Moram compensât doni magnitudine. 893 f.). Die Anspielung ist offensichtlich beabsichtigt, da von der Situation her nicht der geringste Grund für eine solche Erklärung des Honor vorläge. Die Analogie scheint an den Haaren herbeigezogen, zumal sie auf einem Gegensatz, nicht auf einer Identität beruht. Ursprünglich funktionsgebundene dramatische Bauprinzipien können in dieser Weise zu losgelösten Stil-
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eigenheiten, ja zu bloßen Spielereien absinken, wie es auch in den späteren Dramen Bidermanns nicht selten zu beobachten ist. 1 b ) D E R VERRAT AM PAPST UND DIE VERURTEILUNG BELISARS
Als Beiisar vor seinem Richter steht, erkennt er, daß man an ihm genauso handelt, wie er sich dem Papst gegenüber verhalten hat (s. o. S. 151). Die Verurteilung des Papstes ist demnach Präfiguration der Verhandlung gegen Beiisar, Präfiguration in der Identität und im Kontrast. Analog ist das Verhalten der Richter und die Unechtheit der Indizien: Im Rückblick erhält das Gespräch Beiisars mit Silverius eine Doppelbödigkeit, die wieder die Ironie des Dichters durchscheinen läßt. Die falschen Zeugen haben ihre Aussage gemacht; darauf Beiisar: Vides potuisse? Die Antwort des Papstes enthüllt den Zusammenhang mit der späteren Verurteilung Beiisars: Video, sed nihilo magis / Q u a m de te possunt. (1373 f.) Neben dieser Analogie enthalten die beiden Szenen einen ebenso wichtigen Kontrast: Der Papst ist gänzlich unschuldig, er kann die ihm zur Last gelegten Verbrechen mit reinem Gewissen von sich weisen. Beiisar ist zwar auch unschuldig, soweit es die zur Diskussion stehende Verschwörung betrifft, im Grunde aber ist er gleichwohl schuldig, da er am Papst gefrevelt hat. Dazu kommt ein weiterer Gegensatz: der Papst erträgt die Schmach mit der Gefaßtheit des im Glauben verwurzelten Märtyrers, ja seine innere Größe offenbart sich am glanzvollsten im Augenblick der tiefsten Erniedrigung, während Beiisar angesichts seines Sturzes in eine verzweifelte Klage ausbricht. Zweifellos ist dieser Gegensatz vom Dichter bewußt herausgestellt. Silverius soll Vorbild sein f ü r die dem Christen einzig angemessene H a l tung, die er gegenüber den Schlägen des Schicksals einzunehmen hat. Die Kontrastierung Beiisars und des Papstes ist bis ins Detail hinein durchgeführt. In einem unscheinbaren ironischen Streiflicht erhellen sich die wahren Verhältnisse: Polypragmon unterbricht die Klagen der Priester mit dem barschen Befehl: Abrumpite intempestivas querimonias; / Sat est ploratum, foeminae: hunc abducimus. (1493 f.) Der Handlanger Beiisars beschimpft die Gefolgschaft des Papstes als ,foeminae' — und dabei hat doch Beiisar soeben bewiesen, daß er nicht einmal die Kraft besitzt, den Drohungen einer Frau standzuhalten! 1
Vgl. J. Rütsdi, D i e Bedeutung J. Bidermanns (Trivium V), S. 2 8 1 : „Wie in der Fassade der Michaelskirche kleine Formen die großen wiederholen und das ganze wieder auf die überraschende Spannung des Innenraums vorbereitet, so begleitet Bidermann die großen Szenen der Entscheidung, des Gerichts, der Ekstase, in denen der Sinn des D r a m a s z u m Austrag kommt, mit einer spielenden Vielfalt kleinerer analogischer Formen."
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c ) ABLAVIUS UND BELISAR
Eine seltsame Analogie besteht zwischen der ehrsüchtigen, kleinlichhinterhältigen Intriganten-Figur und der doch immerhin imponierenden Person des Feldherrn. Ablavius ist ständig bemüht, Beiisars Verdienste zu schmälern und sich selbst auf dessen Kosten hervorzutun. Aber alles was er unternimmt, gerät nur zu einem Zerrbild, einer Perversion echter Größe. Gleichwohl behält er Recht mit seiner Voraussage ,Quondam fortassis lacrimabit ille me / Felicem infelix; vel certe miserum miser' (929 f.). Wahre und falsche Größe werden schließlich ohne Unterschied in den Sog der Vergänglichkeit hineingezogen. Wie Beiisar ist auch Ablavius imstande, die Brüchigkeit menschlichen Seins zu durchschauen (Imo & triumphet? Sed dialis gloria est. 915), doch ebensowenig wie jener bringt er die Kraft auf, seine Erkenntnis auch auf das eigene Ich zu beziehen. Gegenüber den Vorspiegelungen der Fortuna und Felicitas sind die Menschen, ob hoch oder niedrig, ob ehrenhaft oder hinterhältig, alle in gleicher Weise hilflos und verblendet. Im Endeffekt bricht alles Menschliche in sich zusammen, sofern es sich nur auf die eigene Kraft und das Bewußtsein der eigenen Größe stützt. d ) D I E KOMISCHEN SZENEN
Nur die niedrigen Personen und die Allegorien Fama, Invidia, Mendacium haben teil an den komischen Auftritten. Diese Szenen kontrastieren in ihrer Vorläufigkeit und Unverantwortlichkeit mit der Ebene des tragisch-pathetischen Ernstes, der die Staatsaktion beherrscht (s. o. S. 132). Wie das Verhältnis von Komik und Ernst im einzelnen beschaffen ist, gilt es nun zu beschreiben: In den beiden Szenen I, 5 und II, 2 werden die Heere der Römer bzw. der Wandalen charakterisiert und konstrastierend gegenübergestellt. Im ersten Falle entsteht die Komik aus einem Uberschuß an Energie, aus der Überfülle an Leben und Mut, die bis zum Bramarbasieren der Soldaten führt, wohingegen in der zweiten Szene das wandalische Heer durch seinen kümmerlichen Aufzug, durch den Mangel an Kraft und Vitalität lächerlich wird. In beiden Fällen aber spiegeln sich die Verhältnisse der Machtgruppen im jeweiligen komischen, d. h. vorläufigen, unverbindlichen Vorgeplänkel. Charakterisierung der Haupthandlung aus der Perspektive des Niedrigen — dies ist also die erste Verwendungsmöglichkeit des Komischen. Diese Aufgabe erfüllen auch die Chorlieder der Soldaten während des Triumphzuges. Darüber hinaus aber deutet sich in diesen leichtfertigen Gesängen schon die Vorläufigkeit und Unsicherheit des kriegerischen Ruhmes an: Laudemus Belisarium, / Q u i nobis dat s a l a r i u m . . . Q u i nostro favet stomacho. (1024 ff.) Die Soldaten werden ihrem Feldherrn nur so lange
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begeistert folgen, wie er ihre Bedürfnisse befriedigen kann. Verläßt ihn aber sein guter Stern, so werden sie die ersten sein, die von ihm abfallen. Die Szene II, 2 hat noch eine zweite Funktion: das Komische dient hier als affektivischer Kontrast zum folgenden Auftritt, in dem die Finsternis der Kerker beschworen wird. In ganz ähnlicher Weise macht Bidermann das Komische in II, 8 f ü r die ,Regie der Affekte' dienstbar: dort folgt noch in der gleichen Szene der tragische Ernst auf die leichtsinnigen Täuschungen und Verwirrungen, mit denen die Soldaten sich belustigen. Im ,Cenodoxus c noch war es H a u p t a u f g a b e der komischen Szenen, einen möglichst krassen Kontrast zu den ernsten Auftritten herzustellen. Durch den raschen Wechsel von Scherz und Ernst sollten die Affekte des Publikums durcheinandergeschüttelt werden, so daß das Gemüt empfänglich würde f ü r die erschütternde Botschaft des Stückes.2 Im .Belisarius' ist diese Kontrastfunktion nur e i n e , und nicht einmal die wichtigste Verwendungsmöglichkeit des Komischen. 3 Über solche theatralische Funktionen hinaus wird das Komische konstitutiv f ü r den Sinn des Dramas. Am deutlichsten zeigt sich dies gerade in d e r Szene, die auf den ersten Blick am schwächsten mit dem Gesamt des Dramas verknüpft ist (II, 8): Fama hat im vorangehenden A u f t r i t t einen Boten aus der Festung Gilimers angekündigt. Polypragmon aber traut dieser Nachricht nicht. Bisher pflegte Gilimer keine Boten an die Römer zu senden, w a r u m sollte er es also gerade jetzt tun? Der Bote wird also kurzerhand zum Spion deklariert (Suspectio mihi est ne fortasse in Nuntio / Sit explorator, 562 f.). Die zahlreichen Täuschungen, die sich nun anschließen, basieren sämtlich auf dieser völlig willkürlichen Annahme, auf einem Vorurteil also. Philodamus, der die Worte des Polypragmon mit angehört hat, tritt hinzu und hält ihm eine Büchse vor die Augen: Mit dieser Büchse könne 2 s
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Vgl. Tarot S. 59. D e r Autor der Praemonitio scheint vor allem diese Funktion des Komischen im A u g e zu haben, w e n n er über die komischen Szenen in den D r a m e n Bidermanns schreibt: Catones Censorini. . . facile deprehendent, P o e t a m ex ipsis jocis & risibus iter sibi ad salubres lacrymas fecisse . . . (Biderm.) c o e g i t . . . scenam suaviter ancillari Christianae pietati, cui adversari minime putabat honesta gaudia Sturnorum & Vernularum opportune illudentium severis actionibus; scilicet ne perpetuö Seena horresceret, & tristes Philosophi in arenä soli dominarentur. Atque his rebus Auetor noster id demum est assecutus, ut ¡Iiis annis, quibus Monachij ac Dilingae in Theatris regnabat, negaret populus, se interfuisse Comoediae, in qua non largiter cum riserit, tum fleverit; risu scilicet ac fletu alternante, & ab eodem affectu pietatis puldire temperato, cui quidem a f f e c t i u in D E U M tam in seipso, quam in alijs attollendo calamum ipse suum atque ingenium, seque ac sua omnia ä puero consecravit Bidermannus.
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er jeden Spion ausfindig machen. Er müsse nur mit geschlossenen Augen in das Zauberkästchen hineinblasen, dann erscheine der Entgegenkommende völlig schwarz, falls er ein Spion sei. Polypragmon und der dabeistehende Periergus drängen sich begierig nach der Zauberbüchse, bis Philodamus jeden gesondert vornimmt und ihn in die Büchse hineinblasen läßt. Beide fallen auf den Trick herein und schwärzen sich das Gesicht mit irgendeinem Pulver, das beim Hineinblasen aus der Büchse stäubt. Nun läßt Philodamus die beiden Helden aufeinander los, und prompt beschimpfen sie sich gegenseitig als Spione, obwohl sie jeweils im anderen den Kumpan zu erkennen glauben. Die lächerliche Streiterei dauert so lange, bis Polypragmon sich die Stirn wischt und den Betrug durchschaut. Beide haben dem Augenschein mehr geglaubt als der Vernunft; obwohl sie den anderen zu erkennen vermeinten, trauten sie doch mehr den Vorspiegelungen des Philodamus. Diese erste Verwechslung, Verblendung bleibt gänzlich im Raum des Spielerischen, des völligen Unernstes. Nun nähert sich der wirkliche Bote dem Lager. Die beiden tapferen Kämpfer legen sich in den Hinterhalt und beobachten den Anmarsch des Boten. Die Worte, die er vor sich hin spricht, mißverstehen sie oder wenden sie zu seinen Ungunsten. Dann brechen sie aus dem Hinterhalt hervor, nehmen den armen Boten gefangen und schlagen fürchterlichen Lärm. Sie wollen ihn so lange foltern, bis er seine verräterischen Absichten zugebe. Auch seine Beteuerungen, er habe nur einen Brief an Phara abzugeben, nützen ihm nichts; wenn er Briefe bei sich habe, dann seien sie gewiß gefälscht. Nach längerem Hin und Her kommt Phara herbei, und das Mißverständnis klärt sich auf. Diesmal war die Situation schon brenzlicher: wenn Phara nicht rechtzeitig erschienen wäre, hätte sich der harmlose Bote auf schlimme Dinge gefaßt machen können. Wenn bei der ersten Verwechslung römische Soldaten sich in wandalische Spione zu verwandeln schienen, so wird hier der unschuldige Abgesandte Gilimers als schlimmer Kundschafter verkannt. In beiden Fällen aber löst sich die Verwirrung, der getrübte Blick klärt sich; die Verwandlung des Wesens war nur vorläufig, die echten Verhältnisse stellen sich wieder her. Dann aber liest der Bote den Brief Gilimers vor, der mit den Worten beginnt: Gilimer Rex aerumnosus, Pharae olim hospiti, / Nunc hosti. (646 f. In dem Wortspiel ,hospiti-hosti' (s. o. S. 89) und der Verbindung ,Rex aerumnosus' erleuchtet sich Gilimers Situation: vom Glanz des Ruhms ist er herabgestürzt in Ohnmacht und Armseligkeit. Dieser Wechsel der Verhältnisse ist nicht nur äußerlich, nicht mehr auflösbar, sondern ein existentieller Umschlag, der den Menschen endgültig und un-
1. Immanente Baugesetze
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widerruflich zu Boden schmettert: de vitä in mortem (1046). So ist die ganze Szene also eine Kette von Verkehrungen, Umkehrungen, die vom spielerischen Unernst bis in tödlichen Ernst hineinreichen. Damit aber nicht genug: Die beiden komischen Täuschungen weisen über die Szene hinaus auf allgemeine Strukturen des Dramas: Die Menschen sind derart von Blindheit geschlagen, daß sie auf jede noch so grobe Täuschung und Vorspiegelung hereinfallen. Verdunkelung, Verblendung (,caligo') sind aber nicht nur zufällige Mängel des Menschengeschlechtes, sondern Modi des Menschseins überhaupt. Der Mensch ist von Natur aus in die Finsternis hineingestellt, da er sich in der Erbsünde vom Lichte abgewandt hat; allein durch die Nachfolge Christi vermag er des Lichtes wieder teilhaftig zu werden (Eph. 4,17 ff.: Hoc igitur dico, et testificor in Domino, ut iam non ambuletis, sicut et Gentes ambulant in vanitate sensus sui, tenebris obscuratum habentes intellectum, alienati a vita Dei per ignorantiam, quae est in illis, propter caecitatem cordis ipsorum...; Eph. 5, 8 f.: Eratis enim aliquando tenebrae; nunc autem lux in Domino. Ut filii lucis ambulate: fructus enim lucis est in omni bonitate, et iustitia, et veritate ...). Eine wesentliche Form dieser Verblendung begegnet im Drama als die Unfähigkeit der Menschen, hinter dem Walten der Fortuna eine sinnvolle providenzielle Lenkung zu erkennen. FORT. Nimirum adhuc caecutit, & caligine / Gens nubilatur; olim olim verö scient, / Me unius Providentiae ductu omnia / Egisse. (1088 ff.) Solche Blindheit ist, allgemeiner gesagt, ein Mangel an Glauben, mangelnde Bereitschaft, alles Schicksal gläubig als ,Geschicktes' anzunehmen. Die dämonisch-satanischen Kräfte im Menschen versuchen, die Seele in dieser Befangenheit zu halten. Der Teufel Pirasta, der in Gestalt der Voluptas den Jüngling Macarius versucht hat, beschreibt sein Wirken als Verblendung, Verdunkelung: Hos Uli ego stimulos / Addidi: ego animo istane offudi caliginem. / Sudarium ipsum: & crepidae tantum nebula erant. (Macarius Romanus, V,2) Dasselbe meint auch Ignatius, wenn er die geistliche Trostlosigkeit als ,Verwirrung der Seele, Verfinsterung in ihr . . (s. o. S. 137) beschreibt. Vehikel der dämonischen Täuschungen sind im .Belisarius' vor allem falsche Briefe und Zeugnisse. Es ist seltsam, mit welcher Regelmäßigkeit die wichtigen Entscheidungen durch Briefe in Gang kommen: Der Krieg gegen die Wandalen wird beschlossen, nachdem der Kaiser von Gilimer unverschämte Briefe empfangen hat; Gilimers Elend bekundet sich in einem Brief an Phara; die Intrige gegen den Papst beginnt mit einem Schreiben der Theodora an Beiisar (BEL. Viden' has primum litteras? / Augusta misit. 1161 f.); Silverius wird auf Grund gefälschter Briefe verurteilt; die Verschwörung kommt ans Tageslicht durch einen Brief, den
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Gesetzmäßigkeiten des inneren und äußeren Aufbaus
Logotheta dem Kaiser überreicht. Zumal im letzten Fall ist gar nicht einsichtig, warum der Senator einen Brief benötigt, um dem Kaiser die Konspiration zu entdecken. Der Brief ist im Zeitalter des Absolutismus und besonders in der Diplomatie der Jesuiten das wichtigste Mittel geheimer Abkünfte und Intrigen. Im geheimen Schreiben enthüllt sich faszinierend die Doppelgesichtigkeit aller menschlicher Verhandlungen, Abmachungen, Übereinkünfte. Zwielichtigkeit und Mißtrauen sind die Atmosphäre, in der diplomatische Briefe überreicht und empfangen werden. Veilleicht ist es gerade solche Ambivalenz, die dem Jesuiten den Brief als Vehikel der Intrige nahelegt. In der komischen Szene II, 8 schenken die beiden Soldaten dem Boten und seinen Briefen von vornherein keinen Glauben, die Briefe werden schlechtweg als gefälscht deklariert. Mit dem Brief der Theodora beginnt das intrigante Gespräch zwischen Beiisar und Silverius (IV, 3). Photius überzeugt Beiisar mit Hilfe gefälschter Briefe, denen der Feldherr aber blindlings glaubt, von dem Verrat des Silverius. Der Brief, den Logotheta dem Kaiser überreichen will, wird zunächst zurückgewiesen, obwohl er doch über Leben und Tod Justinians entscheidet. Verfinsterung, Täuschungen, Vorspiegelungen, Blindheit kennzeichnen die Vorgänge, in denen Briefe eine Hauptrolle spielen. Betrug und Verrat sind zentrale Motive der Haupthandlung, die auch bereits in der komischen Szene II, 8 durchgespielt werden. Periergus beschuldigt den geschwärzten Polypragmon mit fast den gleichen Worten des Verrates, mit denen auch der Bote kurz darauf verdächtigt wird, und ganz ähnlich wird später Beiisar zu Silverius sprechen (PER. Quas tu cum hostibus / Contexis fraudes? 596 f.; POL. Edissere fraudes, quas moliris, 629; BEL. Quibus tu tibi depactionibus / Gothorum Regem amicum quaeris reddere? usw. 1362 f.). In der Komik spiegelt sich also eine Grundbefindlichkeit des Menschen: die dämonische Verblendung, die im exemplarischen Fall der H o f intrige den Untergrund aller Verbrechen und Schicksalsumschwünge bildet. Die drei Allegorien, die auch meist in komischer Beleuchtung auftreten, Fama, Invidia, Mendacium, sind ebenfalls Verkörperungen der niedrigsten Stufe menschlicher Beziehungen, wo nicht Wahrheit und echte Verständigung, sondern Täuschung, Betrug und Verrat angestrebt werden. Fama, Invidia, Mendacium repräsentieren die Verkehrung aller Werte in Unwerte, alles Echten in Unechtes, aller Wahrheit in Verblendung: FAMA. Vera vanaque / Facta atque infecta canto. Plura mentior / Quam dico. (26 ff.) MEND. Mille magister artium / Peritus exto; augere parva, minuere /
2. Bühne und Publikum
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Magna didici; Vera refutare, inania / Probare. Et si opus est, crimina alij impingere, / Qua designavit nunquam. (1222 ff.) INV. Vitium esse dices, quod virtutem alij p u t a n t . . . audebis fingere, / Quaecunque, qualiacunque in mentem venerint. (794 ff.) Diese Sphäre der Vorspiegelungen findet ihr angemessenes Bild im Gleichnis des Marktes, des Feilbietens und Feilschens (1,2; 11,7; 111,3; IV, 4; V, 5). Wo man anpreist und betrügt um des eigenen Vorteils willen, dort kann Wahrheit keine Stätte haben. So zieht sich also in den komischen Partien, seien sie real-menschlich oder allegorisch, durch das ganze Stück ein dichtes Netz von Verwirrung, Täuschung und Verblendung, in dem sich das Geschehen der hohen Handlung, der Staatsaktion spiegelt. Und ebenso wie die historische Aktion exemplum ist, so weisen auch die komischen Szenen über den immanenten Bereich des Stückes hinaus. In den Worten der Fama .Vultis aliquod habere specimen?' (32) wird diese repräsentative Funktion auch der ,niedrigen' Auftritte angetönt. Die Komik als Spiegelung und Vordeutung ist aber nur so lange notwendig, wie in der hohen Aktion die Strukturen noch verborgen sind. So erklärt es sich, daß mit dem IV. Akt die komischen Partien spärlicher werden und im V. Akt gänzlich wegfallen. Diese Erscheinung ist auch in anderen Dramen Bidermanns zu beobachten; ein Hinweis darauf, daß vermutlich dieses Theater überall auf den gleichen Sinn- und Baustrukturen beruht. 2. Bühne und Publikum Alle diese Analogien, Anspielungen, Spiegelungen und Präfigurationen, die die dramatische Struktur des Stückes konstituieren, bewirken zugleich die Einbeziehung des Zuschauers in das Geschehen auf der Bühne. Das Drama ist exemplum für menschliches Sein überhaupt, also auch für den im Parkett sitzenden Zuschauer. Erst durch die Hinordnung auf das Publikum erhält das Bühnengeschehen seinen Sinn. Es rollt nicht — wie auf der modernen Guckkastenbühne — ein in sich abgeschlossener Vorgang auf der Bühne ab, der der Beteiligung des Zuschauers nicht bedarf, vielmehr bleibt der Bühnenraum stes auf das Publikum hin geöffnet. Die Allegorien zumal stellen sich dem Zuschauer vor und reden ihn an, kündigen die Handlung an und geben gar im voraus eine Deutung — ganz nach Art plautinischer Bühnenfiguren. Auch im rein theatralischen Sinne also ist die .Motivation 1 der konkreten Handlung durch Allegorien begründet (s. o. S. 124). Nun ist aber die Angewiesenheit der Bühne auf das Publikum eine gänzlich andere als in den Stücken des Plautus. Dem römischen Komödienschreiber geht es vor allem darum, sein Publikum am Gängelband zu führen, ihm das Verfolgen der Handlung zu erleich-
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Gesetzmäßigkeiten des inneren und äußeren Aufbaus
tern und einen unmittelbaren Kontakt zwischen Schauspielern und Zuschauern herzustellen. Bei dem Jesuiten mag dies alles auch mitspielen; wichtiger aber ist ein anderes: der Zuschauer ist nicht nur in dem Sinne beteiligt, daß er unterhalten und eventuell erschüttert wird, sondern das auf der Bühne Dargestellte ist nichts anderes als sein eigenes Dasein, und der Held des Stückes ist er selbst. Solche Art von Theater geht auf die Hekastus-Spiele des 16. Jahrhunderts und weiter auf die mittelalterlichen Mysterien zurück. Auch von dieser Seite her erweist sich der ,Belisarius' als ein Drama, dessen geistige Grundlagen — mindestens teilweise — noch dem Mittelalter angehören. Wenn also Fortuna im Epilog verkündet ,dixi me velle specimen / Edere duce in Belisario, quem prob£ / Vidistis, quisquis se vidistis' (2069 ff.), so bedeutet das: ihr habt nicht irgendein beliebiges Stück auf der Bühne abrollen sehen, sondern das Drama eures eigenen Lebens; ebenso wie ich, Fortuna, die Regie auf der Bühne geführt habe, so lenke ich das Schauspiel des menschlichen Lebens überhaupt; ihr alle seid Komödianten in meinem Dienst, ihr alle spielt die Rolle, die ich euch geschrieben habe (vgl. I, 3). Auf diese Weise wird das Jedermann-Motiv mit der typisch barocken Schauspielmetapher verknüpft und zu einer neuen Synthese vereinigt. Bis in Einzelheiten hinein zeigt sich die Beteiligung des Zuschauers am Aufbau des dramatischen Ganzen: Die Allegorien sind ja nicht reale Wesen, die außerhalb der Bühne ein entsprechendes Sein hätten, sondern Verkörperungen, Verdichtungen von Realitäten, die erst dem analysierenden und bedenkenden Betrachter eines realen Vorganges sichtbar werden. Sie erscheinen nur, sofern man ein konkretes Vorkommnis auf sein Wesen hin betrachtet. Das gilt vor allem für die nicht-psychologischen Allegorien wie Virtus und Fortuna. Da sie eine andere Art von Realität besitzen als die der augenfälligen Konkretion, sind sie auch auf der Bühne nicht feste, scharf umrissene, in ihrer Bedeutung eindeutige Figuren. Ihr Sinn innerhalb des dramatischen Geschehens schwankt, von Szene zu Szene vermag sich ihr Wesen oder doch ihre Erscheinung zu ändern. Sie können in ihrem Wesen zur Diskussion gestellt werden oder gar sich selbst zur Diskussion stellen (wie bei Felicitas in I, 3). Einmal werden sie als Personen, ein andermal als Begriffe angesprochen; selbst im Gespräch untereinander reden sie zuweilen von sich wie von fremden Personen, Dingen oder Begriffen (Virtus: Q u i . . . ignaviam / Damnatis, quique virtutem contenditis . . . 881 f.; Virt. Fortunam qui senserat / Ridentem hactenus, hinc lacrimantem sentiat. 1435 f.). Zumal Fortuna erscheint in dieser Ambivalenz: einmal spricht Beiisar von ihr wie von einem Begriff (abijt \ me melior fortuna, 1575 — durch das komparativische Adjektiv ent-
2. Bühne und Publikum
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steht eine rein begriffliche Vorstellung), ein andermal klagt er sie an wie eine Göttin im antiken Sinne (hic hic me suis / Fortuna cachinnis incautum fefellerat. 1991 f.). Eine Einheit dieser verschiedenen Sinnschichten und -möglichkeiten kann erst der Zuschauer herstellen. Für die Interpretation eines solchen Dramas ergibt sich aus diesen Feststellungen eine wichtige Konsequenz: Eine Analyse des Stückes muß die Funktion des Zuschauers mit in die Betrachtung einbeziehen, weil sie sonst eine wesentliche Schicht des dramatischen Aufbaus vernachlässigt.4 Schon wenige Jahrzehnte nach Bidermann geht auch im Jesuitentheater unter dem Einfluß des französischen Klassizismus der Sinn für das ,offene' Drama verloren. Man beginnt, von der Bühne eine in sich abgeschlossene, des Zuschauers nicht bedürftige Darstellung zu fordern. Was dem Zuschauer bleibt, ist ,admiratio', staunendes, aber im Grunde unbeteiligtes Anschauen erhabener Darstellungen. So ist es verständlich, wenn der sonst so hellsichtige Autor der Praemonitio manche Züge der Bidermannschen Dramen nicht mehr begreift. So bemängelt er etwa an der Szene, in der Silverius auf Grund der Aussagen falscher Zeugen verurteilt wird, den fehlenden Realismus: allein die Namen der Zeugen, Pseudopeius und Logodaedalus (griech. logodaidalos = Wort-, Redekünstler) hätten Beiisar schon über den Charakter dieser Figuren aufklären müsen: Sed in eo ridiculum videri potest, quöd Photius, quem ad evertendum Papam Sylverium Theodora Augusta ad BELISARIUM ablegaverat, cum alios testes confictae per summam calumniam proditionis non haberet, denique Logodaedalum quendam, & Pseudopoejum, testes scilicet omni exceptione majores produxerit, qui BELISARIO, sapientissimo Duci, fidem facerent tentatae ä Viro maximo turpissimae proditionis. Nimirum ipso nomine refutabantur hi testes, seseque reos agebant falsitatis sola nomenclaturä; quod tarnen a Poetä nostro non animadversum, meretur inter ignoscenda numerari. Ganz offensichtlich aber erklärt sich dieses unrealistische' Detail dadurch, daß die Bühne nicht als einheitlicher Raum einer in sich abgeschlossenen Realität verstanden wird, sondern immer auf das zuschauende und verstehende Publikum bezogen bleibt. Die ,sprechenden' Namen sollen das Publikum über den wahren Charakter der handelnden Figuren aufklären. (Abgesehen davon ist die Verblendung Beiisars, wie gezeigt wurde, nicht als psychische Verwirrung, als Problem der Psychologie gemeint, sondern als eine vom Satan ausgehende Verfinsterung der Seele; 4
,Immanente Werkinterpretation', die .Außenbeziehungen' des Dramas wie historischen Hintergrund und Funktion des Publikums ausscheidet und nicht als dem Aufbau des Werkes zugehörig erscheinen läßt, muß daher von vornherein die Sache verfehlen. Die Arbeit von Elbracht-Hülseweh über den ,Belisarius' ist auf weite Strecken dieser Gefahr erlegen.
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D i e Geschichtsauffassung des 'Belisarius'
und als solche ist sie nicht an Gesetze der Wahrscheinlichkeit gebunden.) Zudem gehören die falschen Zeugen zu der Schar von typischen Figuren, deren Funktion im Drama nur in einer einzigen Handlung oder Verhaltensweise besteht, die sich eben in einem Namen zusammenfassen läßt. So sind auch einige der Soldaten aus Gilimers Heer mit solch typisierenden Namen versehen (Asotus = Wüstling, Schlemmer; Gurges = Abgrund, Schlund, Säufer, Prasser; Hippus = Seepferddien, griech. Pferd) ebenso wie die beiden komischen Figuren des römischen Heeres (s. o. S. 131), Polypragmon und Periergus. Peri-ergos heißt im Griechischen zudem noch ,Zauberer', worauf Bidermann möglicherweise in der ZauberkastenSzene (II, 8) anspielt. Die Technik der ,sprechenden' Namen, die der antiken Typenkomödie entstammt, wird von Bidermann einerseits zur charakterisierenden Spiegelung der Hauptaktion verwandt, andererseits zur Einbeziehung des Publikums in den Sinn des Geschehens. Das neben Allegorien und typischen Figuren wichtigste Mittel, um die Bühne auf den Zuschauer hin zu öffnen, ist die früher beobachtete Erscheinung, daß die Hauptpersonen an entscheidenden Punkten der Handlung gleichsam aus sich heraustreten und zum Kommentator ihrer eigenen Handlungen werden. Auch dort wird der realistisch-psychologische Zusammenhang gesprengt, und zwar mit Absicht und Bewußtsein gesprengt! Wenn zu Beginn der Untersuchungen von der ,Theatralik' des ,Belisarius' gesprochen wurde, so zeigt sich nun, daß sich dahinter weit mehr verbirgt als bloße Bühnenwirksamkeit. .Theatralik' meint hier die durchgängige Verknüpfung der Bühne mit dem Publikum: dargestellte Aktion und Zuschauer stehen sich nicht gegenüber, bilden nicht zwei verschiedene Bereiche, sondern die dramatische Kurve verläuft von der Bühne auf den Zuschauer hin, die Aktion zielt in ihrem tiefsten Sinn auf den Zuschauer und trifft ihn in seinem Kern als sterblichem Wesen. Trotz moderner bühnentechnischer Errungenschaften ist Bidermanns Bühne also noch weit mehr mittelalterlich als neuzeitlich: Bühne und Publikum befinden sich in e i n e m Raum. N u r hat sich gegenüber der mittelalterlichen Simultanbühne eine entscheidende Wandlung vollzogen: die Welt ist selbst zur Bühne geworden, der Mensch zum Schauspieler, so daß im Theater nicht Wirklichkeit abgebildet, sondern Wirklichkeit erst enthüllt wird. Was der Mensch ist, offenbart sich am ehesten auf der Bühne. Theater als Entdeckung des menschlichen Seins, Theater als Enthüllung und Entlarvung des Irdischen — das ist barocke ,Theatralik'. DIE GESCHICHTSAUFFASSUNG DES BELISARIUS Im Sinne einer Zusammenfassung und Vertiefung der bisherigen Beobachtungen soll nun versucht werden, Bidermanns Auffassung von der
Die Geschichtsauffassung des 'Belisarius'
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,Geschichte' nachzugehen, und zwar zunächst nur im Hinblick auf den ,Belisarius'. Um aber Einseitigkeiten und Verzerrungen zu vermeiden, werden später auch andere Dramen Bidermanns zum Vergleich und zur Ergänzung herangezogen. Der .Belisarius' ist in zwiefachem Sinne ein Geschichtsdrama: Zunächst rein äußerlich deshalb, weil er ein Stück Geschichte, einen Ausschnitt aus der verbürgten Historie behandelt. Zweitens aber — und das ist entscheidend —, weil in diesem Stück die Frage nach dem Wesen der Geschichte gestellt wird. Fortuna ist — für Renaissance und Barock — die Macht, deren Lenkung alles Geschichtliche unterworfen ist. Und Fortuna ist es, die im ,Belisarius' ein exemplum, ein specimen ihrer Macht geben will. In ihren Begleitern stellt sie sich dem kritischen Blick des Zuschauers dar: am Ende wird sich erweisen, welches ihr wahres Gesicht ist. Und noch in einem tieferen und umfassenderen Sinne überliefert sie sich der Diskussion: nicht sie selbst ist es eigentlich, die das Geschick der Welt regiert, sondern die Providenz, der sie als Dienerin untersteht. In ihrem Wesen offenbart sich eine merkwürdige Unsicherheit der Perspektiven und Verhältnisse. Worin besteht nun das tiefste Wesen der Geschichte? In innerweltlicher, planloser Zufälligkeit oder in allweiser göttlicher Lenkung? oder gar in beidem? Aber wie reimt sich das eine mit dem anderen? Und wichtiger noch als dies alles: wie verhält sich der einzelne Mensch gegenüber der .Geschichte', gegenüber den ,Zufällen' des Geschicks? wie hat er sich zu verhalten? gibt es für den Menschen überhaupt so etwas wie eine ,ideale' Haltung gegenüber der Geschichte, d. h. ein ideales Verhältnis zu seiner eigenen Geschichtlichkeit? Ob der .Belisarius' für alle diese Fragen eine Antwort bereithält, wird im folgenden zu untersuchen sein. Bei einem Jesuiten pflegt man vorauszusetzen, daß ihn die Frage nur um der Antwort willen interessiert, und daß ihm die Frage verlorengeht, sobald er eine Antwort gefunden zu haben glaubt. Und nicht zuletzt dieses Aufgeben der Frage um der Lösung willen, die ,Fraglosigkeit' hat man dem christlichen Drama überhaupt vorgeworfen. Auf den ersten Blick scheint es, daß auch Bidermann sein Drama verfaßt hat, um auf alle gestellten Fragen eine, und zwar die einzige für einen Christen mögliche Antwort zu geben: Gott ist der Herr aller Wesen, seiner Voraussicht untersteht alles Geschehen; wenn die Menschen glauben, ein blindes Geschick walte über ihren Häuptern, so sind sie verblendet, so haben sie sich dem göttlichen Blick verschlossen; statt solcher Verblendung soll der Mensch sich demütig in den Willen Gottes ergeben, das ,Geschick' als Schickung und den Leidensweg als Weg zum himmlischen
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Die Geschichtsauffassung des 'Belisarius'
Vaterland betrachten (SILVERIUS. Ad patriam feliciorem haec sternitur / Mihi via; aspera quidem illa, & per sese horrida, / Sed spes patriae, Christusque mihi facilem facit. 1482 ff.). Nun ist aber der Grundton des Dramas keineswegs Demut, Ergebung, gläubiges Vertrauen, sondern Angst, Verwirrung, Klage, Verzweiflung, die ganze Skala tragisch-pathetischer Töne. Nicht Beiisars Reue, nicht Gilimers Erkenntnis seiner Schuld erschüttern den Zuschauer, sondern die grandiose Kurve der Schicksalslinien, zumal der jähe Sturz Beiisars aus höchstem Glück in tiefstes Elend, aus dem Glanz des Triumphes in die Nacht der Blindheit. In zwei der ,Heroenbriefe' 1 hat Bidermann das Schicksal Gilimers und Beiisars — aus der Perspektive der beiden Feldherrn — noch einmal aufgerollt. Schon im Titel der beiden Briefe erscheint der Gesichtspunkt, aus dem Bidermann das Geschick dieser Figuren betrachtet: Gilimer Rex obsessus, Belisario Victori. De FAME, et aerumna Regis; BELISARIVS Caecus Justiniano Imperatori De C A L A M I T A T E Caecitatis. Nicht die Verkettung von Schuld und Sühne, nicht die gerechte Strafe Gottes, sondern das nackte Elend, genauer: die Antithese von einstiger Größe und jetziger Erniedrigung fällt als erstes in den Blick. Und ein Epitaphion Bidermanns über Beiisar2 gipfelt in den Oxymora ,Triumphalis mendicus', ,Laureatus Mercator' und schließt mit der Warnung an den Betrachter des Grabsteins ,Tu Viator uideas, cadere posse, quicquid stare potuit'. 3 Aus diesem Gesichtswinkel erscheint es sehr fraglich, ob der ,Belisarius' die christliche, sozusagen aus dem Dogma herzuleitende Antwort auf die nur scheinbare Sinnlosigkeit des historischen Geschehens darstellt. Es gilt also, die Frage nach Bidermanns Auffassung von Geschichte und Geschichtlichkeit des Menschen von Grund auf neu zu stellen. 1. Geschichte unter der Herrschaft der Fortuna Auszugehen ist noch einmal vom Verhältnis Fortuna-Providentia: Im Zusammenhang mit Beiisars Blendung diskutiert Baronius die Meinungen der verschiedenen Historiker über den Grund dieses grausamen 1
2 3
Jacobi Bidermani e Soc. Jesu Heroum Epistolae, ad Romanum Exemplar recusae, Monachii 1633. ,Belisarius Justiniani Jmperatoris Dux', clm 3348. Vgl. Gryphius ,Leo Armenius': Wir steigen als ein rauch, der in der lufft verschwindet; Wir steigen nach dem fall, und wer die höhe findet, Findt, was ihn stürtzen kan . . . Wer steht, kan untergehn! (II, V. 575 ff., zitiert nach Palm)
1. Geschichte unter der Herrschaft der Fortuna
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Geschickes. Die Auffassung des Manasses wurde bereits besprochen (s. o. S. 83). Baronius erklärt sich aber nicht mit der Meinung des griechischen Historikers einverstanden, auch nicht mit der Behauptung derjenigen, die Fortuna als die Urheberin des Verrates betrachten: hucusque Constantinus in invidiam veluti malorum omnium causam stylo pugnans, cum & alij in eodem argumento versantes fortunam proditionis incusent. Sed Ethnicorum sint ista lamenta: altius figit oculos Christi fidelis, qui cum manare cuncta b divina Providentia intueatur, haud casum incusat atque fortunam; sed praeterita hominum impie facta considerans, divinam intelligit esse vindictam, quam imprudens quispiam invidentiae tribuit atque fortunae. Nicht Fortuna, Invidia oder Casus waren es, die Beiisars Verurteilung bewirkten, sondern die allweise Providentia. Beiisar wurde von Gott für sein Verbrechen am Papst bestraft: Quod autem, ex sententia Sapientis, Altissimus sit patiens redditor, cum interdum vindicet peccata patrum in filios, nepotes, ac pronepotes: seram haud quis iudicabit esse vindictam, qua ipsum viderit peccati esse prosecutum auctorem. Vt igitur aequa libra expensam intelligas in Belisarium caelitus Deum iaculatum esse vindictam: hic ob oculos pone quae in sanctissimum Ecclesiae Romanae Pontificem Silverium in gratiam Theodorae Augustae Romae Belisarius aliquando perpetravit: quorum etsi poenituisse postea visus sit, tarnen licet culpa peccantem absolvat, ob quam perpetua gehenna dignus erat, haud Semper poenam in praesenti vita luendam omnino remittit. In diesen Sätzen des Baronius liegt bereits das gesamte Grundschema des .Belisarius' vor, wie es in den vorigen Kapiteln beschrieben wurde. Bidermann scheint also nichts weiter unternommen zu haben, als die historische Darstellung des Baronius einschließlich der dort gegebenen Deutung in dramatische Aktion umzusetzen. Seine Leistung bestände dann nur in der geschickten Transposition der Angaben, die er in der Quelle vorfand. Aus der Quelle würde sich auch erklären, warum Beiisar, obgleich er bereits gesühnt hat, gleichwohl noch bis zum Bettler herabsinken muß: Reue und Buße hindern eben nicht, daß den Menschen die Strafe für seine Taten noch auf Erden erreicht, selbst wenn er sich längst gebessert hat (vgl. das Zitat aus Baronius). Und an anderer Stelle verdeutlicht Baronius denselben Gedanken: Cui ( = Gott) ob immensitatem sceleris perpetrati nec satis fuit ad veniam promerendam facti poenitentia: nam noluit omnino Deus, licet distulerit, absque vindicta relinqui, quod tanto sacrilegio facinus horrendum ab ipso fuerat perpetratum. (anno 538, p. 275) 1 4
Auch der Bruch zwischen IV. und V. Akt fände seine Erklärung in der gewissenhaften Quellentreue des Dichters: Bidermann muß die Ereignisse zwi-
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Die Geschichtsauffassung des 'Belisarius'
Bei näherem Hinsehen aber ergeben sich wesentliche Differenzen zwischen den Auffassungen und Darstellungen Bidermanns und des Kirchenhistorikers: Der wesentlichste Unterschied liegt wohl in der Beurteilung der Fortuna und ihrer Stellung innerhalb des Geschichtsverlaufes. Baronius leugnet das Wirken der Fortuna in Beiisars Geschick. Nicht Fortuna, sondern Providentia habe ihn gestürzt. Fortuna ist für den Kirchenhistoriker nur eine heidnische und daher abzulehnende Wahnvorstellung. Damit folgt er den Deduktionen der mittelalterlichen Philosophen, die sich bemühen, Fortuna und Casus wegzudisputieren, zugunsten der Providentia. (Patch nennt als Vertreter der philosophischen Richtung, die eine Liquidierung der Fortuna anstrebt, u. a. Lactantius, Augustinus, Hieronymus, Thomas, Hildebert von Lavardin, Alanus de Insulis.) Für Bidermann aber ist Fortuna — trotz aller Einschränkung durch die Providenz — doch die beherrschende Macht des Stückes. Sie legt von vornherein die Bahnen der Handlung fest und zieht am Ende das Resümee. In Frage steht nur die Erscheinungsform der Fortuna (ob Calamitas oder Felicitas), nicht aber ihre Existenz. In welchem Sinne aber i s t sie, kann sie überhaupt existieren innerhalb eines christlichen Weltbildes? Einige mittelalterliche Philosophen, darunter Albertus Magnus, haben versucht, Fortuna nicht einfach durch die Providenz zu ersetzen, sondern sie in eine Hierarchie der Mächte einzuordnen. 5 Diese Kompromißversuche gehen zurück auf die ,Consolatio Philosophiae' des Boethius (480 bis 524), der, am Ende der Antike stehend, versuchte, die großen Themen der klassischen Philosophie in einer auf brennende Lebensfragen zugeschen dem Wandaler-Krieg und dem Verrat an Beiisar in wenigen Sätzen zusammenfassen, um die historische Abfolge wenigstens anzudeuten. Nach dem Verbrechen am Papst ist Beiisar vom Kriegsglück verlassen, vgl. Baronius a. 543, p. 328: nihil praeterea memoria dignum est factum, Deo adversus Romanos pro Persis pugnante, eum videlicet aegritudo invaserit Romanum exercitum, adeó ut vix pars eius tertia servari potuerit. Oder Baronius a. 549, p. 370: Quod verö pertinet ad Belisarium, considerare ne praetermittas quam disparis exitus ä priore posterior hic fuit ipsius in Italiam adventus, et reditus Constantinopolim. Ex quo enim in Romanum Pontificem Silverium violentas manus iniecit, vis omnis ipsius roburque Romanae militiae concidit, addita verö fuit hostibus bellica fortitudo, quam innumerae victoriae
5
sunt secutae . . . Diese Mißgeschicke in den weiteren Kriegszügen Beiisars werden durch die Worte der Conscientia und durch seine eigene Schlußrede in IV, 9 zwar angedeutet, aber im folgenden nicht mehr dramatisch realisiert. Denn der ganze letzte Akt muß — um der Konzentration willen — dem Verrat und der Verurteilung Beiisars vorbehalten bleiben. Für die Einzelheiten vgl. Patch a. a. O. passim.
1. Geschichte unter der Herrschaft der Fortuna
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schnittenen Synthese zusammenzufassen. Für das christliche Mittelalter w u r d e Boethius der große Anreger u n d Vermittler antiken Geistesgutes. Z u m a l seine Lösung des Problemkreises um P r o v i d e n t i a - F a t u m - F o r t u n a Casus w u r d e vorbildlich f ü r die mittelalterlichen Diskussionen 8 , wenn auch die meisten christlichen Philosophen den gordischen K n o t e n zerhieben u n d der P r o v i d e n z die ausschließliche Herrschaft einräumten. Boethius beschreibt das Verhältnis von Providentia u n d Fatum wie folgt: O m n i u m generatio rerum cunctusque mutabilium n a t u r a r u m progressus et, quicquid aliquo movetur modo, causas, ordinem, formas ex divinae mentis stabilitate sortitur. H a e c in suae simplicitatis arce composita multiplicem rebus gerendis m o d u m statuit. Q u i modus cum in ipsa divinae intellegentiae puritate conspicitur, Providentia n o m i n a t u r ; cum vero ad ea, quae movet atque disponit, refertur, fatum a veteribus appellatum est. (IV, 6) Wenn wir den eventuellen Unterschied zwischen f a t u m u n d f o r t u n a 7 vernachlässigen (Boethius scheint die beiden Begriffe nicht eindeutig zu trennen), so ist nach Boethius die Fortuna nur eine andere Ansicht, eine andere Perspektive der Providentia. Der endlichen Betrachtung erscheint die Welt und alles Geschehen als ein W e r k des Fatums, der F o r t u n a : Igitur uti est ad intellectum ratiocinatio, a d id quod est id quod gignitur, ad aeternitatem tempus, ad p u n c t u m medium circulus, ita est f a t i series mobilis ad providentiae stabilem simplicitatem. (IV, 6) N u r dem intellectus, nicht aber der ratiocinatio erschließt sich die göttliche W e l t o r d n u n g u n d damit das Wesen der menschlichen Geschichte. Solche Gedankengänge scheinen den H i n t e r g r u n d f ü r die erste Szene des IV. Aktes des ,Belisarius' abzugeben, w o Fortuna die Blindheit der Menschen a n p r a n g e r t (1088 ff.; s . o . S. 165). Aber F o r t u n a ist im ,Belisarius' noch mehr als die innerweltliche, vermenschlichte Ansicht der göttlichen Weltlenkung: sie ist Dienerin der Providentia (V. 66), u n d als solche ein Wesen sui generis u n d sui juris. In dieser Charakteristik der F o r t u n a h a t Bidermannn einen großen Vorgänger, der der Spekulation der mittelalterlichen Philosophen in einer dichterischen Vision Gestalt gab: D a n t e in der D i v i n a commedia, I n f e r n o V I I , 67—96. 8 ' 7
8
Vgl. R. Newald, Nachleben des antiken Geistes im Abendland bis zum Beginn des Humanismus, 1960, S. 329. Weder im Altertum noch im Mittelalter hat man die Begriffe fatum und fortuna streng auseinandergehalten. „I wish to indicate that during the Empire this confusion means merely that the Fates had in general become haphazard; that the element of chance was thrust in everywhere. Destiny's plan seemed not so enduring as heretofore. This same confusion occurs in the Middle Ages, and there we must study the Medieval point of view which is to make either the Fates capricious or Fortuna constant" (Patch, S. 145). Der Hinweis bei Patch.
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D i e Geschichtsauffassung des 'Belisarius'
„Maestro", diss' io lui, „or mi di' anche: questa Fortuna di che tu mi tocche, che è, che i ben del mondo ha si tra branche?" Ed elli a me: „Oh creature sciocche, quanta ignoranza è quella che v'offende! Or vo' che tu mia sentenza ne'mbocche. Colui lo cui saver tutto trascende, fece li cieli e diè lor chi conduce, si ch'ogni parte ad ogni parte splende, Distribuendo igualmente la luce: similemente allí splendor mondani ordinò general ministra e duce Che permutasse a tempo li ben vani di gente in gente e d'uno in altro sangue, oltre la difension di senni umani; Per ch'una gente impera ed altra langue, seguendo lo giudicio di costei, che è occulto come in erba l'angue. Vostro saver non ha contasto a lei: questa provede, giudica, e persegue suo regno come il loro li altri dei. Le sue permutazion non hanne triegue: necessità la fa esser veloce; si spesso vien chi vicenda consegue. Quest' è colei ch'è tanto posta in croce pur da color che le dovrien dar lode, dandole biasmo a torto e mala voce: Ma ella s'è beata e ciò non ode; con l'altre prime creature lieta volve sua spera e beata si gode. Es kann hier selbstverständlich nicht darum gehen, Bidermanns Sicht der Geschichte auf bestimmte Quellen und Ursprünge ,zurückzuführen'; es soll nur der geistige Horizont sichtbar gemacht werden, der ein Drama wie den ,Belisarius' ermöglicht. Dantes Fortuna ist heiter, beseligt (s. die letzte Strophe); daher täten die Menschen besser, sie zu loben, als sie zu schmähen. Solche Heiterkeit wird möglich in einem fest gefügten, hierarchisch geordneten Kosmos, in dem kein Glied, keine Stufe sinnlos, für das Ganze überflüssig ist. Dort ist auch Fortuna nicht eine blinde Macht, deren Wirken als sinnloser Zufall erschiene. Ihr ,Dienen' hat einen durchaus festen, für das Ganze notwendigen Sinn. Zwischen Dante und Bidermann aber beginnt der mittelalterliche
1. Geschichte unter der Herrschaft der Fortuna
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Stufenkosmos sich in vielfältiger Weise aufzusplittern und aufzulösen. Die Welt öffnet ihre Grenzen ins Unendliche, der Raum weitet sich ins Unermeßliche. Nirgends mehr findet sich ein Mittelpunkt, ein Haltepunkt im Weltall, so daß sich der Mensch der alten Ordnungen entblößt und neuen Mächten ausgeliefert sieht, deren Ordnungsgefüge er noch nicht erkennt. Gott ist nicht mehr ü b e r dem Menschen, der Teufel nicht mehr in der T i e f e der Hölle, Gott und Satan werden transzendent, jenseits von Raum und Zeit und doch in Räumlichkeit und Zeitlichkeit wirkend. Die von den Philosophen und Theologen längst erkannte absolute Jenseitigkeit Gottes aktualisiert sich im allgemeinen Bewußtsein: die Spekulation wandelt sich in Erfahrung. Im gleichen Maße, wie Gott der Welt entflieht, behauptet sich das Weltliche als ein Bereich eigener Ordnung oder Unordnung. Der Mensch wird selbstherrlich — oder er verzweifelt: beides Möglichkeiten der Renaissance. Geschichte erscheint als der in sich abgegrenzte, nach eigener Gesetzmäßigkeit verwaltete Raum menschlicher Handlungen und Entscheidungen. Fortuna und Virtus kristallisieren sich als Brennpunkte der Geschichtlichkeit; Fortuna als Name für die Sinnentleertheit, für den von göttlicher Lenkung entblößten Ablauf der Geschichte — Virtus als heroische Widerstandskraft des selbstherrlich gewordenen Menschen. Mit Ignatius und der Gegenreformation setzt noch einmal eine gewaltige Anstrengung ein, die Welt in allen ihren Bereichen zu verchristlichen. Zwei Jahrhunderte der Säkularisierung sollen eingeholt und in triumphalem christlichem Pathos ü b e r holt werden. Gleichwohl ist in der Gegenreformation nicht das Mittelalter wieder auferstanden. Die Erfahrungen und Forderungen der Zeit sind zu gewaltig, als daß sie in einer Restauration längst abgestorbener Denk- und Vorstellungsformen rückgängig gemacht werden könnten. Schon in den Exerzitien des Ignatius zeigt sich eine deutliche Verlagerung mittelalterlicher Thematik: die Heilsgeschichte findet nun in der Einzelseele statt, der einzelne Mensch wird zum Spielraum metaphysischer Auseinandersetzungen, zum Raum aller wesentlichen Entscheidungen. Die neue Art von ,Innerlichkeit' läßt den Objektivismus der Scholastik weit hinter sich. Und wenn auch die Philosophie des Ordens sich bemüht, das scholastische System in gereinigter Synthese zu erneuern, so ist doch der lebendige Geist längst darüber hinausgegangen. Trotz aller theoretischen Bemühungen bleibt Fortuna die geschichtslenkende Macht, deren Alleinherrschaft nur im Innenraum der Seele aufgehoben und durch das Walten von Conscientia und Providentia ersetzt ist. Die innere Geschidite des Menschen enthüllt sich als Heilsgeschichte, während äußere Geschichte, als Raum der Macht und der Politik, um so bedenkenloser der Fortuna überliefert wird. Philosophische 12
Burger, Belisarius
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Die Geschichtsauffassung des 'Belisarius'
Theorie und Theologie zwar suchen Fortuna zugunsten der Providenz zu verdrängen, im Bewußtsein der Zeit aber herrscht die Glücksgöttin bedingungsloser denn je zuvor. Zumal die Dichter — die Ordensdichter nicht ausgenommen — verleihen dieser Erfahrung Ausdruck. Während aber Balde0 Fortuna und Providentia nebeneinander bestehen läßt, ohne ein Vermittlung oder gar eine Konkordanz anzustreben, unternimmt Bidermann die unmöglich scheinende Aufgabe, der theologischen Spekulation und dem Zeitbewußtsein in gleicher Weise gerecht zu werden. Einerseits zielt er auf eine Unterordnung der Fortuna unter die Providenz, andererseits erscheint Fortuna als die schrankenlose Herrscherin über alle menschlich-irdischen Dinge. N u r in der Seele Beiisars gewinnen die Ereignisse des Dramas einen Sinn, nur in seinem Innern erweist Fortuna sich als Providentia, während den übrigen Personen des Spiels dieser geheime Umschlag verborgen bleibt. Die äußeren Vorgänge, wie Konspiration der Senatoren und Gerichtsverhandlung gegen Beiisar, ebenso seine schließliche Blendung erscheinen als ein von Fortuna verfügtes Zusammentreffen an sich beziehungsloser Vorgänge, als sinnentleertes , Geschick'. Die Doppelgesichtigkeit der Fortuna — einerseits Dienerin der Providenz, andererseits Glücksgöttin mit dem Rade zu sein — verleiht dem Drama Bidermanns eine Fragwürdigkeit, die nicht auf dichterischer Unfähigkeit, sondern auf der Rätselhaftigkeit des Themas beruht. Der einzelne Mensch, als vom göttlichen Anspruch betroffener, kann durch das Licht der Providenz erleuchtet werden, die Welt als Erscheinung aber, zumal die vom Menschen gestiftete Welt der Gesellschaft und des Staates, bleibt verfinstert und dem sinnlosen Wechsel unterworfen. Geschichte, die ja für die Zeit nur als politische Geschichte in den Blick tritt, ist n i c h t Heilsgeschichte, ist nicht der Sieg der gestaltgebenden Mächte des christlichen Glaubens über die formlose, ungestalte Dämonie der Macht, Geschichte ist Verfinsterung, Dunkelheit, Nacht ohne das erhellende Licht göttlicher Lenkung. Nur wenn Gott selbst in die menschlichen Geschicke sichtbar eingreift — wie in der Gestalt des Bischofs Cornelius —, dringt für einen Augenblick Licht in das Dunkel des Menschlichen. Das dem Irdischen zugewandte Gesicht der Fortuna ist Calamitas eher als Felicitas. Und als solche beherrscht sie das Drama, als solche stürzt sie Belisarius ins Elend. S i c h t b a r wird sie im Stück nicht so sehr als Dienerin der Providenz, als die in seliger Heiterkeit verharrende Figur Dantes, sondern als grausame, spöttische Fratze (vgl. 710), die mit den ihr unterworfenen Menschen ein leichtfertiges Spiel treibt. Selbst der Papst sieht sich von ihr verspottet, zum Spielball gemacht: perferenda » Vgl. M. Müller, Parodia Christiana, Zürich 1964, S. 20 ff.
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sunt / Haec casuum ludibria. (1489 f.) Die übrigen Stellen, an denen in diesem Vokabular geredet wird, sind so zahlreich, daß sie nicht aufgezählt zu werden brauchen. Bevorzugter Spiel-Raum der Fortuna ist der Bereich hoher staatspolitischer Aktion, der ja Kulmination und Repräsentanz des Geschichtlichen überhaupt bedeutet. Aegidius Albertinus hatte in Deutschland mit der Übersetzung von Guevaras ,Contemptus vitae aulicae' (1598) die nicht abreißenden Diskussionen des 17. Jahrhunderts um die Gefährdetheit des Regenten eingeleitet. 10 Bidermann selbst beschreibt in einem Epigramm die Bodenlosigkeit des Hoflebens; mit wenigen, aber treffsicheren Zügen (die in vielen Einzelheiten an Formulierungen Gilimers, Beiisars und Justinians erinnern) wird die bleiche Angst beschworen, die hinter dem Prunk des Höfischen lauert: 11 De miserijs H o n o r u m Aulicorum. Qui fasces petit aemulus superbos, Aut Regni dominam potentis Aulam, Si Poenas dare, quas meretur, optat, Regnum continuò impetret, quod optat. Tum farto licet incubet grabato, Et texto latus ambiatur ostro, Prolixas tarnen exsecratus horas Insomnes vigilabit inter Vmbras. Quamvis Assyrio Culina luxu Lautas instruat expedita Mensas, Quamvis Caecuba ponat et Falerna Festis vina Minister in culullis, Impasto tarnen ore, delicatas Inter pocula nauseabit escas. Illi pectine si cohors eburno Ludat Threijcium sonora Carmen, Orphèam sibimet suus p r o f u n d o Turbabit gemitu Tragoedus artem. Si fulgentibus hinc et hinc Sarissis Stipent mille Satellites euntem, Et cingant totidem ensibus clientes, Et strictis totidem Aulici verutis ; Pallebit tarnen, et suas in ipsis(.) 10 11
12*
Über die Vorgeschichte des Traktates vgl. Conrady S. 274 ff. Mit nur geringfügigen Abweichungen erscheint derselbe Text als Scena V, 7 der Cosmarchia — Chorus Angelorum vel Epheborum.
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Die Geschichtsauffassung des 'Belisarius'
Anceps Civibus expavescet hastas; Nulli fidere certus: atque summa Inter gaudia moestus: Inde Regum Dum fasces quatit, et superbit Auro, Toto cogitur exulare Regno. Durum est Exilium timere, durum est: Multo durius est Timere Regnum. (III, 24) Die gleiche Erfahrung sprechen die Chöre im ,Belisarius' aus, vor allem aber der Epilog der Fortuna und ihrer Gefährten. Diese Ausgeliefertheit des Regenten und des Politikers, der ja nur Repräsentant des Menschen überhaupt ist, das Preisgegebensein an die dämonischen Mächte der Verwirrung und des Verrats liegen als Atmosphäre über dem ganzen Drama, am Anfang noch verdeckt, gegen Ende aber immer dichter und undurchdringlicher. Aber nicht nur die politischen Verhältnisse der Menschen, sondern auch die privaten und intimen Beziehungen werden verdächtigt und schließlich als trügerischer Schein entlarvt. Freundschaft gilt und besteht nur so lange, wie sie Nutzen bringt. Im Augenblick des Unglücks zerbricht sie wie alles Irdische. Eusebius muß Beiisar verhaften, obwohl sie enge Freunde waren (quem mihi unicum / In paucis habui amicum, illum ego jam ducere / Captivum cogor. 1725 ff.). Sieht es hier noch so aus, als gehorche Eusebius wider Willen dem höheren Befehl, so fällt nach Beiisars Sturz alle Freundschaft in Nichts zusammen. In der letzten Szene gehen Tribonianus und Cyriacus an dem zum Bettler gewordenen Feldherrn vorüber und geben ihm ein Almosen. Beiisar dankt mit den Worten: Parcite cives; pudet agnoscere / Veteres amicos; quondam mihi similes; mihi / Sed nunc longé impares. (2033 ff.) Und Tribonianus spricht zu Cyriacus: Haec homines homini redhostiunt. / Ita disperit amicitia, ita familiaritas / Repentè mutât; Salve Belisari & vale. (2038 ff.) Die Beziehung von Mann und Frau ist in diesem Drama ausgeklammert, da Bidermann die Gestalt der Gattin Beiisars nicht ins Spiel einbezieht. In den Eremitendramen ,Calybita' und ,Macarius Romanus' aber wird die Liebe ebenso wie die Freundschaft als Versuchung, als Täuschung und Verblendung entlarvt. Selbst die Liebe der Mutter zu ihrem Kinde hält dem prüfenden Blicke nicht stand. Als Calybita zerlumpt und elend heimkehrt, erkennt ihn die Mutter nicht, ja sie verstößt ihn als einen Bettler. Darauf Calybita: . . . J a m vidisti & matrem, Calybita. Sensisti parentem tuam. O quàm tui Amantem! Tanti tibi fuit, ut tanto terrarum intervallo Ad illius complexus properares. Metuebam, infelix,
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Ne blanditijs maternis flecterer; & mei oblitus, Cederem: bene factum: nihil erat opus hoc metu; Tales blanditiae, liberos nunquam corrumpent. Tutus Apud hanc matrem manebis, Calybita. O spes inanes! Ite miseri; & alij ut matrem ametis; alij ut patri Morem geratis, D E U M vestrum relinquite: sie vobis Vester cuique amor rependitur. Ah, quäm facilä Mutari maternus amor potest! Muta vestem, amorem Mutasti. Exue formam, exuisti afjectum. Constantius Redamat hominem DEUS; illum amate: illum prae Patre, illum prae matre diligite; N a m & ille prae patre, Prae matre vos diligit. Jam cert£ ut aliud profecerim In patriä nihil, juvat hoc unum experimento didicisse. Pater meus & mater mea dereliquerunt me; Dominus Autem assumpsit me. (V, 10, p. 289) (Dies ist wiederum eine Stelle, an der die Bühnenfigur gleichsam aus sich heraustritt und sich in die Sphäre der Allgemeingültigkeit erhebt.) Alles Menschliche, bis in die geheimsten und intimsten Beziehungen hinein, unterliegt dem Verdikt der inconstantia, der Scheinhaftigkeit und Brüchigkeit. Gott ist der einzige und absolute Wert, f ü r den zu leben der Mensch bestimmt ist. Der Mensch gilt dem Menschen nichts; mit einer Ausnahme allerdings: Das Verhältnis von Vater und Sohn scheint für den Jesuiten das letzte Residuum echter Liebe und wahren Vertrauens innerhalb des Irdischen zu sein. Wenn alle übrigen menschlichen Beziehungen sich auflösen, so überdauert die Liebe von Vater und Sohn selbst das tiefste Unglück. Im Josephus' zählen die Szenen, in denen der Vater über den Verlust des Sohnes klagt, zu den erschütterndsten des Stückes. Im ,Calybita' ist es der Vater, der als einziger ein dunkles Mitleid mit dem Sohn empfindet. In der ,Cosmarchia' steht der Sohn dem vom Throne verstoßenen Vater Adocetus zur Seite und teilt klaglos dessen grausames Schicksal (III, 3). Diese Szene der ,Cosmarchia' ist bis in wörtliche Übereinstimmungen hinein ein Gegenstück zur Schlußszene des ,Belisarius'. Der Sohn Arcadius hält dem geblendeten Beiisar die Treue, obgleich ihn dieser von sich weist: BEL. Abscede gnate; disere miserum Patrem, / Dignus feliciori... (1975 f.) Die Liebe des Sohnes ist der einzige Lichtschimmer, der Beiisars finsteres Los erhellt. ARC. Rapiat omnia si Caesar patri, / Gnatum relinquet: Optimum est Patrimonium, / Si pater est. Aedes eripuit, & familiam / Opesque Caesar; sed quod erat charissimum / Mihi inter opes, reliquit; patrem. (1982 ff.) Selten verweist das Werk barocker Dichter, und zumal der Ordensdichter, auf biographische Hintergründe; ja meist verbietet es die Struktur solcher Dichtung von vorn-
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herein, nach ,Erlebnissen' und dergleichen zu fragen. Und schon gar für ein historisches Drama scheinen derartige Spekulationen gänzlich unangemessen. Nun ist aber die Exposition des Vater-Sohn-Verhältnisses in den Bidermannschen Dramen so auffällig und einzigartig, daß ein Verweis auf Bidermanns Verhältnis zu seinem geistigen Vater, seinem Lehrer und Freund Rader am Platz scheint.12 In spirituellem Sinne kann die Liebe des Sohnes zum Vater begriffen werden als Abbild des Verhältnisses der Jünger zu Jesus und letztlich der Liebe Christi zu seinem göttlichen Vater. Im Drama erscheint diese geistliche Liebe im Verhältnis des Papstes zu seinen Priestern: Gaius und Cornelius bieten ihr Leben zum Opfer an, um den Vater der Christenheit zu retten (IV, 5). Man mag solche Auftritte, zumal die Schlußszene des ,Belisarius* als grandiose Sentimentalität abwerten: gleichwohl ist es tröstlich zu sehen, daß auch die äußerste Desillusionierung wenigstens vor e i n e m Menschlichen haltmacht. Bidermann versucht also, die grundsätzliche Verfallenheit der Welt und der Geschichte an die Herrschaft der Fortuna darzustellen, gleichzeitig aber die Unterordnung der Fortuna unter die göttliche Allmacht festzuhalten. Die Vereinigung beider Tendenzen wird dadurch möglich, daß das objektiv unsinnige Geschehen in Beiisars Seele einen subjektiven Sinn gewinnt. Doch auch dieser einzige Punkt in den Intrigen um Beiisar, an dem aus der Verblendung der politischen Machtkämpfe das Licht der göttlichen Gerechtigkeit aufleuchtet, wird nicht zum Fixpunkt, zum festen Sinnbezug, auf den alles Geschehen letztlich hingeordnet und bezogen wäre. Zwar zielen die Worte der Conscientia und die Präfigurationen der Gilimer-Handlung darauf ab, das Walten der göttlichen Gerechtigkeit 12
Dieser lebensgeschichtliche Hintergrund liegt um so näher, als die erhaltenen Briefe Bidermanns an Rader häufig in ganz ähnlichem Ton gehalten sind wie die Vater-Sohn-Gespräche im Drama. Als ein Beispiel für viele sei ein Teil aus einem Brief zitiert, den Bidermann an Rader sandte, nachdem der Lehrer längere Zeit nicht geschrieben hatte: Adeon' crudeles exercemus iras? & quousque tandem, Pater? an totus Radero suo euiluit Jacobus? Superi, quae istaec inter olim tarn geminos animos discidia? futurum hoc aliquando dixissem, peierasset orbis. Sed tu te placatum iurabis: Sc tarnen taces? Quid faceres iratus? Sunt haec, mi Pater, silentia etiam in amicis suspecta. Ego interea loci in maerore, & sordidatus uiuo; pdtere ut demum aliquando eluxerim. Scribe, inquam, tuo Jacobo Rädere mi, mi Praeceptor: & da tristi huic silentio m i s s i o n e m . . . (Ingolstadt, a. 1603, clm 1610, n. 190). Zwei Drittel des ganzen Briefes sind in diesem Ton gehalten! Für die Dichtung besagen solche Hintergründe wenig; die Persönlichkeit des Dichters aber, die sonst gänzlich hinter dem objektivierten, aller Subjektivität entkleideten Werk zurücktritt, rückt aus ihrer maskenhaften Undurdisichtigkeit in ein wärmeres, ,menschlicheres' Licht.
2. Geschichtlichkeit des Menschen
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zu erweisen, doch versinkt diese Sinngebung letztlich wieder angesichts der grausamen Willkür der Fortuna. Das letzte Wort Beiisars ist nicht Ergebung in den göttlichen Ratschluß, sondern Anklage der Fortuna, Jammer über das Elend des Irdischen. Dieses rätselhafte Versinken des mühsam erworbenen Sinnbezuges in den Abgrund der Fragwürdigkeit, der endgültigen Verfinsterung bedarf einer eingehenden Deutung. 2. Geschichtlichkeit
des
Menschen
Bereits in IV, 9 gelangt Beiisar zur Erkenntnis seines Verbrechens. Conscientia und Poenitentia weisen ihm den Weg, den Frevel zu sühnen, und Beiisar in seiner Zerknirschung bereut und gelobt Buße. Nach Lehre der Kirche wäre er durch Reue und Buße gerechtfertigt, die Last des Verbrechens wäre von ihm genommen. Doch dieser seelsorgerische Aspekt leuchtet nur einen Augenblick auf, um sofort wieder zu verlöschen. Poenitentia vermag nicht eigentlichen Trost (im Sinne der Ignatianischen Exerzitien) zu spenden. Trost würde bedeuten: geistliche Freude, Hinwendung der Seele zum himmlischen Vater, ein Ruhigwerden des Herzens in der Geborgenheit des Glaubens. Von all dem aber ist hier nichts zu verspüren. Beiisar vergräbt und vergrübelt sich in den Wechsel seines Glücks, der ihm bereits vor Augen steht (1577 fF.). Ein ähnlicher Vorgang spielt sich in der Gerichtsszene ab: Auch hier, wo sich reichlich Gelegenheit geboten hätte, Beiisars demütige Zerknirschung darzustellen, ist nicht die Rede von Unterwerfung, von gläubiger Hinnahme des rechten, weil von Gott gesandten Urteils. Zwar bekennt er ,eheu sentio, sentio manum / Potentem; nil recuso' (1946 f.), aber nicht um den Ratschluß Gottes in Demut anzunehmen; vielmehr münden auch hier seine Worte wieder in eine gewaltige Klage über die Unbeständigkeit des Glückes: Ite, & aliquam in rebus mortalibus / Felicitatem agnoscite . . . (1952 f.) Der Gott, dessen Macht Beiisar erfährt, ist nicht der verzeihende und liebende Gott des Neuen Testamentes, sondern der unerbittliche Gesetzgeber und Richter des Alten Bundes; so wenigstens erscheint er aus der Perspektive des Feldherrn. Ganz anders stellt sich das Göttliche in den Augen des Papstes dar: Ad patriam feliciorem haec sternitur / Mihi via . . . Spes patriae Christüsque mihi facilem facit. (1482 ff.) Der Papst bleibt, was er ist, auch nachdem man ihn seiner Würden entkleidet hat (LOG. Sim Carnifex tibi, dum tu Pontificio / Privere. SILV. Non privabis, etsi ademeris / Haec mihi tegumenta. 1393 ff.), mehr noch: der Weg in die Verbannung wird ihm zum Weg des Martyriums. Der äußere Sturz läßt die Unantastbarkeit seiner inneren Würde um so leuchtender erscheinen.13 13
Doch auch seine letzten Worte sind seltsamerweise nicht frei von Doppeldeutigkeit: Aeterne Rector, quas tibi ego sum gratias/ Habiturus? qui me
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Die Geschichtsauffassung des 'Belisarius'
Der Papst erweist sich — von seinem ersten bis zum letzten Auftritt — als unerschütterlich in sich und im Glauben ruhende Persönlichkeit, die durch keine äußeren Mächte in ihrer inneren Größe geschwächt wird. Diese Sicherheit entspringt nicht primär der Festigkeit seines Charakters oder sonstigen menschlichen Qualitäten, sondern einer Verankerung seines irdischen Wesens im Göttlichen. Größe und Würde des Papstes sind nicht von dieser Welt; alles was er ist, ist er durch göttlichen Auftrag und überirdische Legitimation. Daher ist er auch nicht in seinem innersten Wesen der irdisch-menschlichen Geschichte verhaftet, ,Geschichtlichkeit* ist nur ein vorübergehendes Akzidens seiner übergeschichtlichen Verantwortung. Die Schläge des Schicksals gehen zwar auch an ihm nicht spurlos vorüber (vgl. 1489 f.), aber sie betreffen nur seinen äußeren Menschen. Ganz anders Beiisar: Das gesamte Dasein des Feldherrn gründet in seinen Taten, seinem Ruhm, seiner Ehre, in all den durchaus positiven Qualitäten, die sich unter dem Namen ,Virtus' zusammenfassen lassen (s. o. S. 139). Da er sein Wesen in der Geschichte verankert hat, ist er ihr bedingungslos ausgeliefert, mit ihr steht und fällt er. Seine Würde ist von dieser Welt. Wird sie ihm genommen, so entgleitet ihm alles, was sein Dasein ausmachte. Übrig bleibt der Mensch in seiner nackten Kreatürlichkeit, schutzlos, preisgegeben, jeglicher Kraft beraubt. Beiisar zerbricht an der Geschichte: nachdem er sich einmal mit ihr eingelassen hat, wird er widerstandslos von ihr zermalmt. Beiisar ist Opfer der innerweltlichen Geschichtsmächte, zunächst und vor allem machtloses Opfer. Erst in zweiter Linie tritt seine Verschuldung in den Blick, obgleich sie theoretisch, spekulativ der Angelpunkt allen Unglücks ist.14 Ein Vergleich mit einem späteren Drama Bidermanns, der ,Cosmarchia', möge dies verdeutlichen: Dort wird das Problem der Geschichtlichkeit des Menschen noch
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insontem, & nominis tui/ Ob gloriam, sinis haec tolerare, sub Duce/Belisario . . . (1403 ff.). Heißt das: ,wie soll ich Dir für Deine große Gnade danken, Herr, der Du midi den Weg des Martyriums gehen läßt?' oder .verlangst Du, Herr, daß ich Dir dafür danke, daß D u midi in solche Schmach gestürzt hast?' Die erste Deutung wäre der Einheitlichkeit der Figur des Papstes angemessener, für die zweite spräche das ,sinis' (Du läßt zu . . . ) und der Schluß der Periode: hactenus quae nemo Pontifex/ Romanus pertulit sub hoste Barbaro. (1406 f.). Es bleibe dahingestellt, wie Bidermann die Stelle aufgefaßt hat. Vgl. Elbracht-Hülseweh, S. 30: „Weil der Feldherr Beiisar im Spielraum der Fortuna seiend ist, wird seine Rolle eine tragische, indem Fortuna ihn von Ehre in Elend stürzt, nicht der persönliche Konflikt macht ihn zu einem Exempel des Fortuna-Spieles."
2. Geschichtlichkeit des Menschen
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einmal aufgegriffen und mit letzter Konsequenz zu Ende gedacht. Die Parabel um die Stadt Cosmopolis erscheint bis in einzelne Szenen hinein als eine Art .Kommentar' zum ,Belisarius': was im ,Belisarius' verworren blieb — verworren wie die lebendige Geschichte selbst —, ist hier im Gleichnis auseinandergelegt. Und nur in der Parabel scheint eine solch scharfsinnige, das einzelne aus dem scheinbar unentwirrbaren Ganzen herauslösende Analyse des Geschichtlichen möglich. Der Angelus Tutelaris, der als Epilog-Sprecher auftritt, f a ß t den Sinn der Parabel zusammen: die ,fabula', die nur ein erdichtetes Märchen zu sein schien, ist in Wirklichkeit ,historia', ein Gleichnis f ü r das Wesen des Geschichtlichen überhaupt: Nihil est, cur omnes aeque terreamini; Bellum instat acre quidem intus, pugnaque oppid& Cruenta; sed intus, ut dixi; illis civibus Funesta, qui Cosmopolitas se dictitant. Quorum mores si nosse vultis, maximam Hodie opportunitatem habuistis. Fabulam Quippe hanc putatis esse, & historia fuit. Quotus est, ah, quotus est quisque qui se decipi Et vanä spe lactari ab istis civibus N o n experiatur? Irdische Würden sind ephemer, mit Zufälligkeiten stehen und fallen sie: Forma alium regem facit; Alium pecunia; alium sanguis; & alium Voluptas, et alium gloria; et alium aliud. Die Cosmopolis bedient sich solcher Lockmittel, um die Menschen zu ködern, zu täuschen und schließlich zu vernichten: H i laquei Cosmopolitarum sunt & doli, Qui mod6 regem aliquando, ah regem! annuum creant, Aliquando vix dialem! & interim tarnen Beatum sese talis esse existimat: Ludique se nescit, dum apprime luditur. Repente enim casus & infortunia, Morbi, clades, aerumnae, mortes ingruunt Incautis. Tum demum deceptos se vident, Cum jam videre nil p r o d e s t . . . (V, 10) Die Königswürde ist jeder sakralen Legitimation entkleidet. Statt wie im Mittelalter der weltliche Arm der geistlichen Gewalt zu sein, ist nun der König am stärksten von der Hinfälligkeit des Menschlichen be-
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Die Geschichtsauffassung des 'Belisarius'
droht. 15 Fürst und Fürstenhof sind die Spitze des Irdischen, in der Macht und Ohnmacht der Menschheit wie in einem Brennpunkt zusammenschießen. Während die Würde des Papstes, die ja nicht von dieser Welt ist, von der Geschichte nicht angetastet werden kann, zerrinnt die Königswürde mit dem Fluß der Geschichte. Und das Königtum ist schließlich nichts anderes als ein Sinnbild für den in seiner Geschichtlichkeit verhafteten Menschen überhaupt: Promethes als Fremdling und Unbekannter im Lande wird unversehens zum König erhoben, ohne daß er den Sinn dieses Vorganges begreift. PROM. Nulluni usquam aut novi, aut legi, quem felicitas Ita repentina, ita violenta, ita prodiga Beärit? Opprimit me copiä suä. Vix veni, & ecce! ignotum, ignarum, invitum ad hos Fasces evexit: opes, aulam, & regnum dedit. Non capio me ipse, fateor; illa tarnen capit. Timebam principiö, ne quid ludibrij Subesset. Quid ni enim timerem! hominem advenam, Aiebam, ignotum, externum, paene etiam inopem, Repente in regnum? non credebam seriös, Nec eos qui cogerent, nec me qui cogerer. Sed enim, supräi quam credidi, fida omnia. Stabilitum est regnum: tutus sum adversus metum. (Cosmarchia II, 4) Der Mensch kommt als armseliges Wesen auf die Welt, als Fremdling, als Unbehauster, der aber gleichwohl bestimmt ist, ,König dieser Welt' zu werden (der ,kleine Gott' der Renaissance!). Je höher er steigt, je mehr er an Amt und Würden zunimmt, desto sicherer glaubt er sich, desto mehr vergißt er, daß er im Grunde immer Fremdling auf Erden geblieben ist und bleiben wird. Promethes: Omnes sumus Peregrini, quamvis imperemus; insuper Decepti omnes sumus. (IV, 5) Die Geschichte aber ist die Macht, die den Menschen immer wieder auf die Nacktheit seiner Existenz zurückwirft, die kaum errungene Sicherheiten spielerisdi zerbricht und aus dem ,kleinen Gott' wieder einen heimatlosen, unbehausten Fremdling, einen Wanderer auf Erden macht. Wo aber läßt sich hier noch nach einer Schuld des Menschen fragen, wo bleibt Raum für Verfehlung und Strafe, für Schuld und Sühne? Der ständige Kreislauf des Geschichtlichen, seit alters versinnbildlicht im Rad der Fortuna, das mit einer Art von Notwendigkeit (aeterna lege) rotiert, 15
Für Balde ist die Krone nur noch ein ,tegumentum humanae miseriae', epod. 10. Vgl. M. Müller, a.a.O. S. 75.
2 . Geschichtlichkeit des Menschen
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scheint einen Widerstand oder auch nur ein tätiges Mitwirken des Menschen unmöglich zu machen. U n d wirklich: solange der Mensch der Erde verfallen bleibt und sich ohne Um-Sicht und Vor-Sicht dem blinden Ablauf des Geschehens überantwortet, wird er mit der gleichen Willkür zermalmt, mit der er auf den Gipfel des Glücks getragen wurde. Nicht den Folgen einer einzelnen Verfehlung erliegt er, sondern der Willkür der Geschichte. Gleichwohl ist er, wenn auch im einzelnen konkreten Fall unschuldig, so doch in fundamentaler Weise schuldig geworden, insofern er sich bedingungslos der Finsternis — im biblischen Sinne — anvertraut hat. Schuld des Menschen ist nicht primär dieser oder jener Frevel, sondern jene prinzipielle ,caecitas' 16 , die das Irdische verabsolutiert und das eigene Ich zum Angelpunkt der Welt erhebt. Die ,superbia' ist in dieser Hinsicht Kern und Ausgangspunkt aller menschlichen Laster. 1 7 Ziel der Superbia ist die ,gloria', deren Nichtigkeit zu erweisen Bidermanns erstes und wichtigstes Ziel ist (vgl. im ,Belisarius' vor allem die Chöre II, 9 und V, 8 sowie die Zwischenrufe des Lictors beim Triumphzug und — am allerdeutlichsten — den Epilog). Während Bidermann in der ,Cosmarchia' das Walten des Geschichtlichen und die Brüchigkeit der gloria vitae in aller Reinheit analysiert, wird im ,Belisarius' noch versucht, einen konkreten einzelnen Zusammenhang von Schuld und Strafe mit der fundamentalen Darstellung des Geschichtlichen zu verknüpfen, bzw. die letztere aus dem ersteren heraus sichtbar zu machen. Diese Verknüpfung ist offenbar nicht völlig gelungen, und sie konnte wohl auch nicht gelingen: denn die Vorstellung, daß die Geschichte eine Ordnung von Verfehlung und Strafe, von Verdienst und Lohn darstelle, entspringt mittelalterlich-hierarchischem Geiste, der die Existenz einer Fortuna mit dem R a d e strikt ablehnen muß. Bidermanns D r a m a steht zwischen den Zeiten, und als solches ist es behaftet mit Schwächen und Fragwürdigkeiten, aber auch ausgestattet mit all dem schillernden Reiz, der Wendepunkte der Geschichte zu bevorzugten Gegenständen historischer Forschung erhebt. In der ,Cosmarchia' ist der neue Boden bereits erobert, der im ,Belisarius' erst betreten wird. Aus der Sicht der ,Cosmarchia' erhellen daher manche Einzelzüge des ,Belisarius', die im Rahmen des Stückes selbst noch nicht zu völliger Eindeutigkeit gelangt sind. Von den zahlreichen Entsprechungen und Analogien, die beweisen, daß Bidermann in der ,Cosmarchia' ausdrücklich an das frühe Werk anknüpft, sei nur ein besonders 16
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Vgl. C o s m a r d i i a 11,2 Angelus Tutelaris: O stultos hominis sensus! caecam o pectoris H u m a n i noctem! usw. D a s P r o b l e m der superbia ist H a u p t t h e m a des ,Cenodoxus', vgl. M. Wehrli, Bidermanns C e n o d o x u s , 1958.
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D i e Geschichtsauffassung des 'Belisarius'
hervorstechendes Beispiel herausgegriffen, das dem Geschick Beiisars einen prägnanten Sinn zuweist: Adocetus w a r einst König in Cosmopolis, aber eben nur J a h r e s könig'. Blindlings wie man ihn auf den Thron erhoben hatte, wurde er auch wieder ins Elend zurückgestoßen. N u n wandert er mit seinem Sohn durch die Straßen, bis ihn Consilium an einen Ort führt, w o er dem neuen König begegnen soll — diesem zum warnenden Beispiel (die Szene sei im vollen Wortlaut angeführt, da sie bis in wörtliche Übernahmen hinein der Szene V, 9 des ,Belisarius' entspricht) : I I I , 3 : ADOCETUS Exul. MAXENTIUS Filius.
ADOC. Sine, fili, nitar humeris: nam me poplites Mei non sustinent. MAX. U t lubitum est, mi Pater. Utere humeris pro Scipione; si jubes, Etiam gestabo. ADOC. O indolem, dignam patre Meliore. Nunc te pater in exilium trahit. MAX. Trahit volentem. Nunquam abjungor à patre. Satis est, dum Semper fortuna patris sit mea. ADOC. Estne locus ubi acquiescam? MAX. Ibi est aliquis, pater. Sed vili è trunco. AD. Due, nate; nihil exuli Est vile. Abierunt tempora, quibus aurea Sedebam in sella. MAX. Ah parce talia, mi pater, Meminisse porrò. N a m enecat ille me dolor. AD. Ferendus est. HIE nos pronuper regio Sublimes curru vectabamur: Civium H i c inter agmina conspicui; nihil suprà. Infra nos omnia videbamus: H i c stipem Nunc itidem corrogamus. Inopi date aliquam Adoceto, date regi extorri, date exuli Misero stipem. Aliquam date famelico dapem. Non exteros rogo; rogo quibus ipse dederam. Heu quàm vicinus regno est exilij locus? MAX. Pater oro; tantisper tace dum hi transeunt. Ne quà agnoscamur. AD. Agnoscant imò, & sciant Sibi evenire posse, quod evenit mihi. (S. 187 f.) Die Übereinstimmungen mit der Szene des ,Belisarius' im einzelnen nachzuweisen, erübrigt sich wohl. Von diesem Auftritt der ,Cosmarchia' aus gesehen, erscheint auch Beiisar als machtloses Opfer der Geschichte, als hilfloser, preisgegebener Mensch, der nicht infolge einer Verfehlung, sondern durch die Übermacht politischer Verwirrungen gestürzt wurde. Die Verflechtung von
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Schuld und Strafe, die mit der Silverius-Handlung gegeben ist, wäre dann nur ein Akzidens der Staatsaktion, die Beiisar zu Fall bringt. Zwar bleibt die Intrige lange Zeit nur Hintergrundhandlung, während die Auseinandersetzung mit Silverius sich im Vordergrund abspielt; erst ganz am Ende des Dramas greift die Verschwörung in Beiisars Geschick ein. Und noch bis zur siebten Szene des V. Aktes ist das Stück auf den ersten Blick nichts als der Nachweis der göttlichen Gerechtigkeit. In den letzten drei Auftritten aber tritt dieser Aspekt gänzlich zurück, ja verschwindet völlig hinter einer erschütternden Demonstration der ungeheuerlichen Fragwürdigkeit der Geschichte. Summe und Fazit des Stückes werden im letzten Auftritt Beiisars zum Tableau, das sich dem Zuschauer unauslöschlich eingeprägt: der blinde Beiisar, einst glänzender Feldherr und Konsul, jetzt Bettler, von allen Menschen verlassen, außer seinem Sohn. In diesem Sinne ist er exemplum: Beispiel und Warnung an alle Menschen, ihr Sein in der Geschichtlichkeit zu verankern. Und so endet das Stück mit einer Elegie der Fortuna und ihrer Begleiter, einer Elegie aber, in der Fortuna ihr eigenes Wesen entlarvt. Bezeichnend ist die Änderung, die Bidermann später an der ursprünglichen Fassung des Textes vorgenommen hat: In der Handschrift verweist Fortuna nach dem Klagegesang über die Vergänglichkeit der gloria vitae auf die wahre, nicht der Hinfälligkeit des Irdischen unterworfene ,gloria': Quanquam o, blanditur gloria; at constantior, / Perenniorque; illam adamate, illam quaerite. / Felices illa servat omnes, et facit. (Vgl. die Perioche: Spectatori denique ad veram perennemque felicitatem, digitum intendunt.) Während hier noch der Blick aus der Zertrümmerung des Geschichtlichen, aus der Finsternis der irdischen Sinnlosigkeiten zum göttlichen Licht emporgehoben wird, endet die Druckfassung in gänzlicher Resignation: mögen die Menschen auch täglich und stündlich das Elend irdischer Verhältnisse erfahren, so haften sie doch mit blinder Liebe an der ,gloria vitae': Amat tarnen orbis gloriam hanc; amat, inquio, / Fugientem etiam, Sc fallentem, & saevientem, amat. (2089 ff.) Die zweite Fassung scheint der inneren Konsequenz des Dramas angemessener. Nach Absicht und Plan des Dichters ist das Stück als Theodizee gedacht 18 ; und so sucht Bidermann mit allen dramaturgischen Mitteln her18
Vgl. M. Wehrli, D a s barocke Geschichtsbild in Lohensteins Arminius, 1938. Für den heroisch-galanten R o m a n scheint g a n z Ähnliches zu gelten wie f ü r das historische D r a m a des 17. J h s . : „ D i e Gesdiichte erscheint letztlich nicht als der Gegenstand einer bildungsmäßigen, einer irgendwie ,romantischen' oder nationalen Bemühung, sondern als eine F o r m und eine F r a g e der menschlichen Existenz, die in der Geschichte steht, unter ihrem Verhängnis und ihren Versuchungen leidet, in ihr sich aber auch entscheiden und in ihr sich recht-
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auszustellen, daß Gott auch das Böse (die Intrige) für seine Zwecke einzusetzen weiß, etwa nach den Worten des Boethius: Sola est enim divina vis, cui mala quoque bona sint, cum eis competenter utendo alicuius boni elicit effectum. Ordo enim quidam cuncta complectitur, ut, quod adsignata ordinis ratione decesserit, hoc licet in alium tarnen ordinem relabatur, ne quid in regno providentiae liceat temeritati. (IV, 6) Über diesen Plan aber schichtet sich eine mächtigere Erfahrung, die am Ende die Gerechtigkeit Gottes aus dem Gesichtsfeld verdrängt und einzig die Ohnmacht des Menschen gegenüber der Geschichte in den Blick treten läßt. 1 9 Durch eine Aufspaltung der Handlung in einen inneren (Theodizee) und einen äußeren Zweig (politische Geschichte) schienen die beiden Schichten mit höchster Kunstfertigkeit säuberlich voneinander abgehoben zu sein. In den letzten Szenen aber bricht auch diese Konstruktion zusammen: die Nacht der Verzweiflung senkt sich über den gänzlich verstörten Beiisar. Nur der maßlosen Klage bleibt noch Raum (ARC. Non perfero, hos ego questus lamentabiles, / Non perfero, pater. 2044 f.). Beiisar ,zerbricht* — im Wortverstande, er zerbricht an der Ubermacht der Geschichte. Was aber ist die Geschichte, wenn sie den Menschen ,zerbrechen* kann?
3. Zeitlichkeit des Menschen Als der besiegte Gilimer dem Kaiser vorgeführt wird, erschrickt Justinian über das veränderte Aussehen des Wandalenkönigs: Hicne ille est Gilimer, quondam terror Africae? / U t squallet vultus? omnis ut forma perijt? / Non vinco me. Heu me, fortunae inconstantiam. (1032 ff.) Gilimer ist ein anderer geworden, als er einst war, da er zerbrochen ist an der inconstantia des Lebens überhaupt, zerschellt an der Macht des ,quondam' und ,nunc*: die Z e i t hat ihn vernichtet. Geschichte ist Erscheinungsform der Zeit, insofern die Zeit sich im geschichtlichen Augenblick aktualisiert. Zeit aber wird erfahren nicht als Kontinuum, als nicht abreißender, verrinnender Strom, sondern als diskontinuierliche Abfolge von isolierten Augenblicken: das Jetzt erscheint als das Andere des
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fertigen muß . . . Es handelt sich . . . um eine dichterische Theodizee der Geschichte" (S. 15). Vgl. Wehrli, a.a.O., zu Lohenstein: „Es ist nun freilich möglich, daß das dichterische Lebensgefühl mit dem theoretischen Entscheid gar nicht übereinstimmt, daß Lohenstein die Grausamkeit des Verhängnisses darstellt, seine Weisheit aber nur b e t e u e r t . . . Die im 17. Jahrhundert neuunternommene Unterordnung der alten blinden Fortuna unter die Vorsehung ist bei ihm nicht mehr gesichert und überzeugend" (S. 24). Etwas vom Entgleiten des theologisch-spekulativen Geschichtsbildes ist schon im Drama Bidermanns zu spüren, wenn auch nur untergründig und — wie bei Lohenstein — wider die ursprüngliche dichterische Absicht.
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,Soeben', ,Einst', ,Bald' usw. Unter den vielen Bildern, die für die ,gloria vitae' eingesetzt werden, erscheint zwar auch das Bild des Stromes, aber bezeichnenderweise nur als ,unda', als wechselnde, unbeständige Oberfläche des strömenden Wassers (1957, 2082). Zeit ist ein dialektisches sprunghaftes Konglomerat von Momenten, die f ü r den Menschen antithetischen Sinn gewinnen. Das Stück könnte in die einzige große Antithese des ,quondam* (nuper) und ,nunc' zusammengefaßt werden, die im letzten Auftritt Beiisars ebenso wie Gilimers hauptthematisch wird. U n d mit dieser Antithese setzt auch der ,Heroenbrief' (Beiisars an Justinian) ein, den Bidermann in späteren Jahren verfaßt: tuos quondam, non ultimus, inter amicos, D u m traherent nostram vela secunda ratem, N u n c etiam, hibernis lacerata carina procellis D u m natat, & medijs obruta pugnat aquis, Ille tuus (licet esse neges) Belisarius, oro Pauca leges, alia verba notata manu . . . (Heroum Epistolae II, 5) ILLE
In solchem Verständnis der Zeit begründet sich auch der antithetischdialektische Charakter der Sprache Bidermanns (s. o. S. 95). Am Beginn des Barockzeitalters ist also die Problematik der Zeit bereits in typisch ,barocker' Weise erfaßt, thematisch gemacht und durchgespielt worden. Drei Jahrzehnte später wird Descartes in seiner Theorie der immerwährenden Schöpfung dies neue Zeitbewußtsein philosophisch begründen: Gott schafft die Welt in jedem Augenblicke neu, so d a ß die Zeit in eine unendliche Reihe von einzelnen Augenblicken zerfällt, die nur durch das unmittelbare Eingreifen Gottes zu einem — äußerlichen — Kontinuum verkettet werden. An sich betrachtet, ist die Zeit ein Nichts, erst durch Gottes Schöpferkraft wird sie zu einem Etwas. Im Drama Bidermanns erscheint diese Substanzlosigkeit der Zeit als ,ludus', ,ludibrium' usf., als nichtiges, unberechenbares Wechselspiel von Zeitpunkten und Zeitphasen. Das Neue gegenüber der Renaissance ist aber nicht sosehr diese fundamentale Erfahrung von der Nichtigkeit der Zeit, sondern die dialektisch-antithetische Verschärfung des Zeitproblems, die Zuspitzung auf eine Kette von widerstreitenden, gegensätzlichen Momenten. 20 In einer Zone höchster geistiger Luzidität schlägt die absolute 20
Vgl. Conrady S. 281: „Das 17. Jh. gibt — schon vorbereitet durch Du Beilay, Spenser, Hooft — dem Fortuna-Geschehen einen scharfen Akzent. Den Humanisten und Neulateinern erschien das Auf und Ab im Wechselspiel der Fortuna zumeist als ein in gewissen Grenzen kontinuierlicher Ablauf im Strom der Zeit. Mehr und mehr aber sieht man es nun als einen unvermuteten Schlag an, als das Werk eines Augenblicks. ,Time is feit to be split up into a series of
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Diskontinuität wieder in eine, wenn auch dialektische Art von Finalität um: Fortuna: efferam altiüs / Inde unum, ut ille per altius praeceps eat. (85 f.); oder, wie es in dem Epitaphion über Beiisar heißt: Numine uolente maximus, ut grauior ruina esset: Minimus, ut quem felicem uidissemus, etiam fortem cognosceremus. Balde findet die Formel für diese paradoxe Finalität barocken Zeitverständnisses: ortus ut occidas (Ode 2,48 „Ad Sicilianum Bombycem"). Bis in unscheinbare Details hinein reicht die Problematik der Zeit. Im ,Macarius Romanus' etwa gibt die Flucht des Titelhelden aus dem elterlichen Hause Anlaß zu elegischen Reflexionen über die Antithese des ,nuper' und ,nunc'; III, 2: Chorus: . . . Tali humanae res ludibrio Ferunter. Festis nuper omnia cantibus Hic personabant; moerent jam omnia luctibus. Ascanius: Paulo ante domus suo angustata gaudio, Jam desolata barbaro squallet situ. Julus: Ubi vina temulento manabant solo, Ibi humectantur omnia lacrimis modö. Marcellus: In uno familia nitebatur Macario, In uno labefactatur . . . An der Identität des Ortes (ubi — ibi; .Belisarius* 1989 ff.: h i c . . . ) erscheint die Veränderung der Situation, d. i. das Walten der Zeit in besonderer Klarheit, daher kehren die Helden im .Belisarius' und in der ,Cosmarchia' nach ihrem Sturz an die Stätten einstigen Glanzes zurück. Zeiterfahrung ist aber nicht etwas vom Menschen Losgelöstes oder Ablösbares, sondern der innerste Grund menschlicher Geschichtlichkeit überhaupt. 21 Der Mensch wird zum geschichtlichen Wesen, insofern er Zeit hat und Zeit erfährt. Damit gewinnt auch die Rede vom ,Zerbrechen' eines Menschen einen genauen Sinn: Gilimer und Beiisar sind Repräsentanten einer Zeit- und Geschichtserfahrung, der die Zeit nicht als kontinuierliche Sukzession, sondern als zusammenhanglose Abfolge gegensätzlicher Momente erscheint; da sich ihr Wesen aber vorbehaltlos in der Zeit verwirklicht, spaltet es sich ebenfalls in unzusammenhängende Phasen auf, es zersplittert, zerbricht. Erkenntnistheoretisch bleibt natürlich eine abstrakte Identität der Person gewahrt, da jegliche zeitliche Abfolge, sei sie auch inkohärent, nur von einem identischen Bezugspunkt aus wahrgenommen werden kann. Die
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moments, of .occasiones', in each of which the power of Fortuna is apparent, in each of which man must act' (zitiert nach Förster)." Vgl. M. Heidegger, Sein und Zeit, und: Kant und das Problem der Metaphysik.
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reale, in der Geschichte sich erlebende Person aber, die zeitliche Existenz, sieht sich dem Abgrund der Ich-Verlorenheit gegenüber, da sie sich nicht mehr mit sich selbst zu identifizieren vermag. Identitätsverlust ist das notwendige Schicksal des Menschen, der sich der Zeitlichkeit und damit der Geschichtlichkeit bedingungslos ausliefert. Wiederum ist diese Idee im ,Belisarius' nicht eindeutig und konsequent realisiert: dadurch daß die ungerechte Verurteilung in Beiisars Seele einen providentiellen Sinn gewinnt, scheint die Identität der Person gerettet: Beiisar identifiziert sich mit seiner einstigen T a t und ihren Konsequenzen. In den letzten Szenen (und in der Praefiguration der Gilimer-Handlung) aber geht die scheinbar behauptete Konstanz wieder verloren: Beiisars Geschick erscheint, von der Katastrophe her gesehen, als ein sinnloser Wechsel der Fortuna; er vermag seine neue Situation nicht mit seinen einstigen Taten und sein jetziges Ich nicht mit dem Ich des Feldherrn zur Deckung zu bringen. Die christliche Lösung des Dramas wird überschichtet durch die tragische Katastrophe. ,Tragik' würde dann bedeuten: Verlust der Identität, der zur völligen Zerstörung der Person führt. Nicht in jedem Falle muß der Verlust des Selbst tragische Konsequenzen haben; aber tragisch verläuft er dann, wenn er nicht gewollt, nicht bejaht, sondern unwillentlich erlitten wird. Dies ist eine grundsätzlich andere Form von Tragik als die der f r a n zösischen Tragödie eines Corneille, wo der Mensch scheitert an dem gleichwertigen und gleich verpflichtenden Anspruch zweier entgegengesetzter Werte, wie es etwa im ,Cid' programmatisch formuliert ist: Père, maîtresse, honneur, amour, Noble et dure contrainte, aimable tyrannie, Tous mes plaisirs sont morts, ou ma gloire ternie. L'un me rend malheureux, l'autre indigne du jour. Je dois à ma maîtresse aussi bien qu'à mon père; J'attire en me vengeant sa haine et sa colère; J'attire ses mépris en ne me vengeant pas. A mon plus doux espoir l'un me rend infidèle, Et l'autre indigne d'elle. Mon mal augmente à le vouloir guérir; Tout redouble ma peine. (I, 6) Im ,Cid' löst sich gleichwohl der Zwiespalt, da sich letztlich doch immer noch eine der Pflichten als die höhere erweist. Im Prinzip aber ist der Modellfall einer tragischen Situation in diesen Worten vorgezeichnet: Der Mensch ist in eine unlösliche, von außen an ihn herantretende Konfliktsituation hineingestellt; von außen her, von einer absoluten Rang13
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Ordnung überpersönlicher Werte sieht sich die Person bedroht. Im Bidermannschen Drama dagegen ist die Bedrohung eine innere, wenn sie auch als das Alleräußerlichste, als das Walten der Fortuna erscheinen mag. Sie gründet ja in einer inneren Erfahrung der menschlichen Zeitlichkeit, die nur ,per occasionem' des äußeren Schicksals aufbricht. Erst am Ende des Dramas wird diese Identität von innerer Zeiterfahrung und äußerem Fortuna-Geschehen gänzlich offenbar. In der komischen Verwechslungsszene, wo das Zauberkästchen die Menschen scheinbar in ihr genaues Gegenteil verwandelt, wurde mit der Problematik der Identität gespielt, wenn auch nicht mit der dialektischen Schärfe, die ähnliche Szenen in späteren Dramen auszeichnet. Polypragmon und Periergus bleiben für sich, was sie sind, nur der jeweils andere scheint seine Identität eingebüßt zu haben. Solche ganz auf äußere Scheinhaftigkeit abgestellte Komik als Präfiguration des tragischen Ernstes entspricht der Anlage des Stückes, das von scheinbar äußeren, ja äußerlichen Vorgängen her ins Innere der Figuren vordringt. In allen Dramen Bidermanns sind die komischen Szenen bevorzugter Spielraum, in dem die Identität der Person auf vorläufige, wieder rückgängig zu machende Weise aufgelöst wird. 22 Im ,Macarius' etwa gibt Agyrta dem Sturnus eine Filzmütze, die ihn unsichtbar machen könne (II, 10). Kurze Zeit später begegnet der sich unsichtbar wähnende Sturnus dem Geta und dem Sannio, an denen er seinen neuen Trick ausprobieren will (die Verwandtschaft mit der Zauberkästchen-Szene des ,Belisarius' ist augenfällig): STURN. st'. GET. Quid est? STUR. st'. GET. Quid vis? STUR. Desine. GET. Hui tarn repente superbus, Sturne! STUR. Non vides Me: dimitte. GET. Quid? an ego non video? STUR. Non vides. GET. Quomodo id autem? STUR. Quia nemo jam videre me Potest. SAN. Ego non video te? STUR. Nec tu vides. GET. Nec tu etiam te ipse vides? STUR. Ita; Nec me ipse video. Seine Verblendung geht so weit, daß er sich einbildet, er selbst sei sich unsichtbar geworden. Durch die Prügel aber, die der kurze Wahn nach 22
D a die komischen Szenen nur aus der dramatischen Ökonomie des Ganzen ihren Sinn gewinnen, erscheint G. Müllers Deutung Bidermannscher Komik wo nicht verfehlt, so doch einseitig: „Dabei wird das natürliche' Bereich keineswegs ausgeschaltet. Gerade bei Bidermanti sind vielmehr von jeher die vielen burlesken Szenen aufgefallen, in denen unreflektierte Lebenslust und -list ihr Spiel treibt" (Deutsche Dichtung . . . S. 195). Der Bereich der komischen Figuren ist eine Sphäre der nicht endgültigen, wieder rückgängig zu machenden Verdunkelung (caligo). Hier ist der Mensch geschützt vor einer radikalen Bedrohung seiner Person. Aber nur die ,Torheit' ermöglicht ein solches unbedrohtes Leben in der Welt der Fortuna; ,Torheit' in dem ambivalenten Sinne, den Erasmus in seiner ,Laus stultitiae' aufdeckt.
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sich zieht, wird ihm die verlorene Identität rasch und überzeugend zurückerstattet. In dieser Szene greift die Bedrohung des Selbst — wenn auch nur in komischer Unverbindlichkeit — bereits auf das Innere der Person über, der Auftritt wird somit zur adaequaten Praefiguration der späteren Wandlung des Titelhelden: Macarius wechselt in der Einöde seine äußere wie seine innere Gestalt, er wird durch und durch zu einem neuen Menschen, so daß er sich selbst zu entgleiten droht. Der Engel Raphael tritt zu ihm und gibt ihm in einer gleichnishaften Geste seinen Mantel. Darauf Macarius: Accipio tuam hanc opem. / Hem! vix me ipse agnosco. Raphael: Satis est, dum D E U S / Te norit, frater. (III, 8; S. 390)23 Der Verlust des Selbst wird hier aufgehoben in einer überraschenden und äußerst kühnen Wendung: Gott verbürgt dem Menschen die Identität des Ich, selbst wenn der Mensch glaubt, sich schon verloren zu haben. In allen Dramen Bidermanns sind die komischen Umspielungen des Selbstverlustes eingebaut in die Ökonomie eines höheren, ernsteren Ganzen: in komischer Unverantwortlichkeit spiegeln sie die existentielle Bedrohung der Personeinheit.24 Damit geht Bidermann weit über sein Vorbild Plautus hinaus, dem er in der Konstruktion solcher komischen Verwechslungen und Täuschungen nachfolgt: In den Komödien des Plautus wird der Angriff auf die Selbstheit der Person zwar mannigfach umspielt (vor allem im ,Miles gloriosus'23 und ,Amphitruo'), die Verwirrung dringt aber nie in die innere Zone der Existenz vor; mit der einzigen Ausnahme des Amphitruo, der für Augenblicke in seinem Wesen radikal gefährdet scheint (Amph. III, 6).2e Plautus ist sich wohl der tragischen Möglichkeit bewußt, die sein Spiel in sich birgt, aber er biegt den tragischen Ansatz von vornherein in ein komisches Labyrinth der Täuschungen um.27 23
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Diese letzte, entscheidende Gefährdung des Macarius wird bereits an früherer Stelle — wiederum komisch — angedeutet, als die Sklaven nach vergeblichen Anstrengungen die Suche nach ihrem Herrn aufgeben. Sannio: Caeterüm ego me non frangam diu. Forte ipse sese amisit; quaerat ipse se (111,2; S. 377). Vgl. J. Rütsch, Die Bedeutung J. Bidermanns, S. 281. Zumal die Szenen im ,Miles gloriosus', in denen der Bewacher des Mädchens an der Nase herumgeführt wird, erinnern w o nicht inhaltlich, so doch in der Konstruktion an die Zauberkästchen-Szene des ,Belisarius\ Kleist hat diese Ansätze mit bohrender Konsequenz durchgeführt und so die komische Fabel an den Rand des Tragischen gerückt. Vgl. den Prolog zum .Amphitruo', gesprochen von Merkur: Nunc quam rem oratum huc ueni primum proloquar;/ post argumentum huius eloquar tragoediae./ quid? contraxistis frontem quia tragoediam/dixi futuram hanc? deu' sum, commutauero./ eandem hanc, si uoltis, faciam ex tragoedia comoedia ut sit omnibus isdem u o r s i b u s . . . (Amph. 50 ff.; ed. Lindsay, Oxonii).
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Scherz und Ernst, Komik und Tragik werden hier bewußt auseinandergehalten, und bei dieser Scheidung ist es im gesamten antiken und klassizistischen Drama geblieben. Bidermann aber gelingt — in der Nachfolge mittelalterlicher Spiele — eine Synthese des Komischen und Tragischen, die in allen seinen Dramen auf immer neue Weise errungen wird. Während im ,Cenodoxus' das Komische noch weitgehend kontrastierende oder retardierende, den Ernst vorbereitende Funktion hat, dient es im ,Belisarius' einer Spiegelung der innersten Problematik des Stückes. Freilich sind auch hier die Ebenen noch eindeutig gegeneinander abgestuft, wenn auch genau aufeinander bezogen. Erst im ,Philemon Martyr' wird eine eigentliche Vermischung der Stile möglich, die auch im Werke Bidermanns einzigartig dasteht. 28 Im ,Belisarius' ist eine solche Vermischung nicht nur nicht erstrebt, sondern sie verbietet sich von vornherein auf Grund der eigenartigen Perspektive des Stückes: Geschichte erscheint hier rein aus dem Blickwinkel des leidenden Menschen, wenn auch zuweilen durch die Gestalt der Fortuna hindurch der jenseitige Bezugspunkt aufscheint. Im inneren Raum der Geschichte aber, wenn sie nur aus sich selbst begriffen wird, ist Humor in jenem spezifisch christlichen Sinne nicht möglich. Humor als seelischer Raum, der in gleicher Weise Ernstes wie Heiteres umschließt, eröffnet sich erst aus einer transzendenten, das Irdische überfliegenden Sicht. Aus dieser Perspektive aber ist das Schicksal des Philemon gesehen, wie das dem Surius entnommene Argumentum bereits andeutet: Dedit hodie coelo risum Philemon, cum terris tantum pararet, nimis doctus mimus. Nur dem Menschen, der sich über das Irdische hinausschwingt, ist es gegeben, die Wirklichkeit der menschlichen Verhältnisse zu durchschauen und im Ernsten das Lächerliche, im Lächerlichen das Ernste zu erkennen. Philemon, der Spaßmadier, Trunkenbold und Schlemmer, wandelt sich in einen Menschen, dem es heiliger Ernst ist mit seinem Spiel.29 Aber dieser neue Ernst führt zu Konfusionen, die an Komik alle vorangehenden Szenen übertreffen. Heiterkeit, die im tiefsten Ernst verankert ist, breitet sich über das ganze Stück. Im .Belisarius' dagegen gelangt die Komik nicht in den Raum der Hauptfiguren, sie bleibt beschränkt auf die niedrigen, von alters her der Komödie zugeordneten Figuren. Nur an einer Stelle dringt das Lachen in die düstere Atmosphäre der Staatsaktion (abgesehen von den Chören im Triumphzug): Als der besiegte Gilimer dem Sieger vorgeführt wird, ver28 29
Vgl. M. Wehrli, Nachwort zum ,Philemon Martyr', S. 328. IV,7: At vos valete in ludicris/ Olim socieni: Nunc me Christus serium/ Jubet esse; caelum pollicetur praemium:/ Haec porro res tanta jocari me non sinit. . . und IV,8: Desiste: nondum finijt/ Hic actus; quam personam agere me jusseras,/ Hanc sine, dum peragam (ed. Wehrli S. 246 und 254).
4. Selbstbewahrung in der Geschichte
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liert er die Fassung und bricht in ein gewaltiges Gelächter aus. Beiisar fragt ihn erstaunt, was es f ü r ihn in seiner ausweglosen Situation zu lachen gebe. Darauf Gilimer: N o n hos cachinnos rerum incogitantia / Mearum edit. Scio quos meum infortunium / Habitus animi requirat; nempe lacrimas, / Nempe gemitus, nempe extremi suspiria / Doloris. Sed cum fortunae ludibria / Meae perpendo, rursum arescunt lacrimae, / Risüque solvor. N a m quis videat Simiam hanc / Jocantem, nec saltem leviter renideat? (704 ff.) Da er erkennt, daß Fortuna wie ein Affe mit ihm gespielt hat, versiegen die Tränen, und ein grausiges Gelächter erschüttert den vom Übermaß des Schmerzes Vernichteten. Ein Gelächter der Verzweiflung, nicht der Überwindung, ein verzerrtes Lachen, ebenso wie Fortuna als Affe, als Karikatur erscheint. 80 Dies Lachen, das aus der Vernichtung aufbricht, ist das genaue Gegenstück zur Heiterkeit des ,Philemon', wie auch die Perspektiven diametral entgegengesetzt sind: in beiden Fällen zwar erweist sich das Irdische als eine lächerliche H ä u f u n g von Verwirrungen, die aber aus der innerweltlichen Sicht der Geschichte als grandios sinnlose Spielereien erscheinen, während sie im Lichte des Humors hineinverwandelt werden in einen übergreifenden, überirdischen Sinnzusammenhang. Philemon verliert sich selbst, findet sich aber auf einer höheren Stufe seines Wesens wieder (ähnlich wie Macarius), er wandelt sich in den ,neuen Menschen', von dem die Bibel spricht. Beiisar aber verliert sein Selbst, ohne es nach einer gnadenhaften Verwandlung wiederzufinden: er endet ohne Hoffnung, ohne Ausblick auf eine neue, sinnvolle Existenz. Für Gilimer, der ja in allem die geringere, weniger konsequente Figur ist, scheint sich im Gespräch mit Justinian eine Möglichkeit neuen Aufstiegs nach der tiefsten Erniedrigung zu eröffnen, Beiisars Geschick aber mündet in der Nacht der Blindheit und des Elends. 4. Selbstbewahrung in der Geschichte Philemon und Macarius verwandeln sich aus dem Raum der Geschichte in einen überzeitlichen, übergeschichtlichen Existenzbereich hinein und entgleiten so dem totalen Zugriff der Fortuna. Beiisar aber, der rückhaltlos auf die ,gloria vitae' gebaut hat, erleidet die Unendlichkeit des Endlichen, den pausenlosen Absturz aus eben erworbenen Sicherheiten, in unerbittlicher Konsequenz. An seinem Untergang scheint sich zu erweisen, d a ß Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit überstiegen werden müssen, wenn eine sinnvolle Existenz in Zeit und Geschichte möglich sein soll: einen Sinn gewinnt menschliches Dasein nur aus der Transzendenz alles Menschlichen. 30
Das Gelächter des besiegten Gilimer erwähnt Prokop (V.II,7), Baronius übergeht dies Detail.
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Die Geschichtsauffassung des 'Belisarius'
Nun wird aber in der ,Cosmarchia' paradigmatisch demonstriert, daß Fortuna selbst in ihrem eigenen Machtbereich nicht unüberwindlich ist. Gibt es also doch eine Möglichkeit geschichtlichen Daseins, die sich aus der Immanenz menschlichen Wesens legitimiert? Der geschichtliche Spielraum des Menschen wird auch in der ,Cosmarchia' als in sich substanzlos entlarvt. Geschichte begegnet dem Menschen nicht zunächst als Stätte fruchtbaren Wirkens, sondern als drohende, anonyme Macht, die ihn sich selbst entfremdet, um ihn in seinem Kern zu zerstören. Exempla dafür sind Beiisar und Adocetus. Adocetus erwacht ebenso wie Beiisar erst nach der Katastrophe aus der Blindheit, mit der die ,somnia vitae' ihn umfangen hielten. In der großartigen Szene (Cosmarchia III, 4), als der alte und der neue König sich begegnen, gelangen die Motive zu äußerster Klarheit, die im ,Belisarius' angeklungen waren (zumal bei der Begegnung GilimerBelisar II, 10 sowie im Gespräch zwischen Justinian und Gilimer III, 7, schließlich bei der Verurteilung Beiisars V, 7 und in seinem letzten Auftritt V, 9; die Verse 1990 ff. und 719 ff. stimmen fast wörtlich mit einzelnen Sätzen des Adocetus überein). Wohl nur in der Parabel ist es möglich, das Problem der geschichtlichen Existenz mit solch zugespitzter Dialektik und intellektueller Schärfe zu Ende zu formulieren: Wer sich im Besitz der Königsherrschaft glaubt, ist in Wirklichkeit ins finsterste Exil verstoßen, wie überhaupt derjenige, der das Glück zu besitzen wähnt, der schlimmsten aller Täuschungen erliegt. So klagt Adocetus nach seiner Entmachtung: . . . Factum audiant Hoc posteri, sapiantque documento meo: Incolumis in exilio forem; periclitor In regno: pro me dimicarent exteri, Oppugnent cives. Nôrint saecula hoc meum Fuisse crimen; Cives esse credidi, Qui hostes fuêre. . . . . . . Caeterùm in exilio miser Ut sim; longé miserior in regno fui. (I, 3, S. 170 f.) Ganz ähnlich der Klagechor der Priester im ,Belisarius' (IV, 8): Cui Barbarus relicto Pepercit hostis, Hunc pellet efferatus Ex urbe c i v i s . . . (1443 ff.) Armantur in benignum Nati parentem . . . (1551 f.)
4. Selbstbewahrung in der Geschichte
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Beiisar selbst, als ihn das Gewissen zu peinigen beginnt, erkennt das Absurde seines Frevels: Ego Arrianis improbior; nam parserant Silverio illi; ego Gothis saevior extiti, Quos vici bello, vici & inclementiá. (1545 ff.) Justinian muß die gleiche Erfahrung machen wie der Papst: daß den eigenen Bürgern weniger zu trauen ist als den Feinden (Ego hic videam Sicarios? / Ego in Senatu parricidas? hostium / Ego inter agmina, quam inter cives tutior? 1665 ff.). In der Dialektik von exilium und regnum, von cives und exteri, die in der ,Cosmarchia' vielfältig abgewandelt wird, enthüllt sich eine merkwürdige Entwirklichung des Räumlichen. Ebenso wie die Zeit (s. o. S. 190) nur als eine zusammenhanglose Kette antithetischer Momente, als ein ständiges Umschlagen von einem Extrem ins andere erfahren wird, so ist auch der Raum nicht ein geordnetes Kontinuum: jeder Ort erweist sich als Schnittpunkt diametraler Gegensätze und damit als ein unbestimmbar schillerndes Hier, das ebenso gut ein Dort sein könnte. Die Welt kann dem Menschen nicht zur Heimat, zum festen, ruhenden Besitz werden, da sie nur als Spannungsfeld, als K a m p f p l a t z , als Ineinander von regnum und exilium existiert. Das regnum muß zuerst als exilium entlarvt werden, damit es als wahres regnum in Besitz genommen werden kann. Das heißt: die Erde wird dem Menschen nur soweit zur Heimat, wie er sie als O r t der Verbannung, der Obdachlosigkeit durchschaut. Geniale Illustration dieses dialektischen Raumverständnisses ist das D r a m a von Calybita, der die Heimat flieht, um nicht ihren Versuchungen zu erliegen, dann aber unerkannt zurückkehrt und bis zum Tode als Bettler im Vaterhaus lebt.®1 Ebenso wie es in dieser Welterfahrung keine in sich ruhende, sich selbst genügende Gegenwart gibt, so existiert auch jeder Ort, jedes Hier nur in der Identität mit seinem Gegensatz. Die Geschichte ist das isolierte Hier und Jetzt, das erst durch die Entscheidung des Menschen im Spannungsfeld der Gegensätze, durch die Entscheidung f ü r ,sidera' oder ,terra' (s. o. S. 129 f.) einen erfüllten Sinn gewinnt. Der Zwang zur unbedingten, unwiderruflichen Entscheidung stellt den Menschen in eine Situation, die sein innerstes Wesen spaltet und ihn zum Kampf mit sich selbst nötigt. Der Starke geht siegreich aus dem Konflikt hervor, der Schwache wird von den Gegensätzen zerrissen. So sieht Macarius sich gezwungen, zwischen der himmlischen und der irdischen patria zu wählen: Aeger animus malé habetur: Scyllam hinc timet Et hinc Charybdim: certum naufragium imminet. (V, 8) 31
Vgl. auch das Epigramm .Ioannes Calybita, parentum incognitus hospes', J. Bidermanni Epigrammatum libri tres, II, 86.
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Die Geschichtsauffassung des 'Belisarius'
Im Bilde des Schiffbruchs zwischen Scylla und Charybdis ist die Möglichkeit des Scheiterns genau vorgezeichnet. Menschliches Dasein vollzieht sich in jedem Augenblicke und an jedem Ort über einem Abgrund von widerstreitenden Gegensätzen. Nur einen Weg gibt es, diesen Abgrund zu überspringen: Es gilt, die Doppelgesichtigkeit des Geschichtlichen zu durchschauen und sich mit Schlauheit und List der Güter dieser Welt zu bemächtigen, um sie dann gegen die Welt ausspielen zu können. So rät Megadorus dem König Promethes, er solle alle Schätze heimlich außer Landes schaffen: Ita duas Res consequeris, praedam ages ab hostibus, Et in exilio felicior, quam in regno, eris. (V, 2, S. 204) Promethes aber geht noch einen Schritt weiter in der Überlistung der tückischen Cosmopolis: Er läßt mit Hilfe des Goldes ein Söldnerheer anwerben, um damit die eigenen Bürger zu bekämpfen. Diese müssen schließlich erkennen, daß ihnen der König zuvorgekommen ist und ihnen eben das Schicksal bereitet hat, das ihm selbst zugedacht war: Apomisthus: Nobis exilium e regno fecit: at sibi In exilio regnum. Ego me ad alia confero. (V, 8, S. 211) Solche Hellsicht eröffnete sich dem neuen König Promethes am Beispiel des gestürzten Vorgängers. Auch Beiisar wird mit seinem Ebenbild konfrontiert, ohne daß er aber in Gilimer das Vorbild seiner eigenen Existenz zu erkennen vermöchte. Ihm geht die Vorsicht ab, die beständige Wachheit, die der Erkenntnis den Boden bereitet. In II, 2 der ,Cosmarchia' tritt Providentia auf als innerweltliche ,Vor-Sicht', die vom Schutzengel dem neuen König zur Beraterin beigegeben wird. Und solche Vorsicht ist es letztlich, die allein einen Triumph über die Mächte der Geschichte ermöglicht: Artem cupis Discere, quae adversus hoc prosit ludibrium? Promethes docuit. Tu Cosmopolim decipe, / Ne te decipiat. Providos Semper timet; Improvidis & semper & solis nocet. (Cosm. V, 10) Vorsicht ist die dem Menschen verliehene Gabe, mit deren Hilfe er auf dem Kampfplatz der Geschichte Sieger bleiben kann. Solche .Providentia' (Vorsicht) ist als Abbild der göttlichen Providentia (Vorsehung) Zeichen für die Gottebenbildlichkeit des Menschen. Kraft der Vorsicht vermag der Mensch, seiner geschichtlichen Existenz zum Trotz, er selbst zu bleiben; Vorsicht aber verstanden als aktive, kämpferische Gerichtetheit auf die Welt. Geschichtliches Handeln, sofern es sinn-
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voll sein soll, ist also stets ein Handeln g e g e n die Geschichte. Im Einvernehmen mit den Mächten der Geschichte wirken zu wollen, ist eine unsinnige Prätention. So zeigt es sich an Beiisar, so auch an Gilimer und Adocetus. Nun hat Bidermann aber ein Drama verfaßt, in dem ein glückhaftes Handeln i n der Geschichte, ein Einverständnis mit den politischen und gesellschaftlichen Kräften verwirklicht scheint: im ,Josephus'. Bedeutsam ist zunächst, daß Bidermann an der Gestalt des Joseph nicht — wie das bürgerliche Renaissancedrama — das „redliche Familienmitglied'32, sondern — wie später Zesen — den Höfling und Politiker erfaßt. Der biblische Held steigt zum ruhmreichen und geliebten Staatsmann empor, ohne daß er sich mit den Mitteln der Vorsicht und List gegen den Strom der Geschichte stemmen müßte. Joseph ist aber nicht nur weltlicher Staatsmann, sondern charismatisch vorbildliche Figur, eben eine der durch besondere Gnadengaben ausgezeichneten Personen des Alten Testaments und insofern eigentlich ungeschichtlich oder außergeschichtlich. Um so merkwürdiger erscheint es, wie Bidermann in der Gestaltung dieser Figur schwankt zwischen biblisch-übergeschichtlichem und innerweltlich-geschichtlichem Verständnis. Diese Doppelgesichtigkeit hebt auch dieses Drama Bidermanns über den Rahmen des üblichen biblischen Theaters hinaus.33 Das Hauptinteresse Bidermanns liegt dabei nicht so sehr auf dem traditionellen biblisch-heilsgeschichtlichen Sinn des Stoffes, als vielmehr auf der geschichtlich-irdischen Existenz des Menschen Joseph. Immer wieder scheint hinter dem biblisch verbürgten und unbezweifelbaren Aufstieg des Helden das unheimlich zweideutige Wesen der Geschichte auf: Joseph, der einst Herr über so viele Sklaven war, wird selbst zum Sklaven erniedrigt: . . . Nescij Nuper, quid esset servitus, licet agmina Inter servorum errarem; nescij tarnen. Nam servis imperabam; nunc mihi imperant. (II, 7, S. 265) Dieser dialektische Umschlag erinnert an die erwähnten Beispiele aus der .Cosmardiia' (vgl. auch 1,4: MISTH. Prometha, pare, & impera. / PROM. Quibus enim parebo? MISTH. Regnare qui jubent. / PROM. Quibus imperabo? MISTH. Qui parere jam jubent. S. 174), ferner an Gilimers Worte über den Wechsel seines Schicksals (712 ff.) und über die Schmach 32 33
G. Müller, Deutsche D i c h t u n g . . . , S. 196. J . Rütschs abfällige Bemerkung über den J o s e p h u s ' (Die Bedeutung J a k o b Bidermanns, S. 276) scheint daher nicht gerechtfertigt.
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D i e Geschichtsauffassung des 'Belisarius'
des Besiegtseins (1044 ff.). Die einstigen Gefährten Josephs schreiben die Schuld für sein schlimmes Geschick dem ,casus' und den ,fata' zu: Chorus Sodalium: Quis te nobis rapuit casus, Q u a e te morti fata dederunt, Invidia nimiùm fata venustis? . . . (II, 9, S. 269) Möglicherweise aber haben die ,fata' den Knaben zu etwas Höherem ausersehen — in einem Streiflicht scheint Josephs künftiges Königtum auf : Viden' ut Tunicam versicolorem Color unus habet; Sanguine tota perfusa rubet; non habet alium Tincta colorem? Fortè haec signat Purpura Regem; Q u i d fata velint Olim melior viderit aetas. (II, 9, S. 270) Im doppelten Sinn der blutroten Tunica (zunächst unmittelbar real, dann symbolisch-präfigurativ verstanden) enthüllt sich die Zwiegesichtigkeit der ,fata'. Nachdem Joseph in Ägypten wieder zu Ehren gelangt ist, zieht in einem Augenblick der Besinnung sein ganzes Leben an ihm vorüber, das als eine Kette von unvorhergesehenen Zufällen und extremen Umschlägen erscheint : J o s . Cum reputo mecum, quis modò sim, quisque fuerim, Ipse me ego vix agnosco. Veni huc parvulus; Hoc interim staturam accessit ad meam. J a m idem Josephus, quam dissimilis sum mei? Faciunt hoc anni. Ex pueris adolescentuli; Ex his juvenes; ex juvenibus fimus viri. Senes postremi». Et dum corpus ita vertitur, Quoties vitae conditio mutatur? Fui Principiò liber: deinde servus: nunc meis Impero conservis. Ah, quis paullò pòst ero? (III, 3, S. 274 f.) Das Rätsel der Zeitlichkeit, und damit das abgründige Problem der Identität reißt vor seinen Augen auf; während Gilimer und Beiisar aber erst im Untergang die Macht der Zeit erkennen bzw. anerkennen müssen, ist Josephus sich auf jeder Stufe seines Lebensganges dieser unergründlichen Daseinsbedingung des Menschen bewußt. Vielleicht liegt darin das Geheimnis seines letztlichen Erfolges. Auch als er schließlich den Gipfel des Ruhmes erklommen hat, verläßt ihn das Bewußtsein der fundamentalen Bedrohtheit alles Irdischen nicht. Während die Höflinge ihn wegen seiner ,virtus* preisen, die ihm zu der Ehrenstellung verholfen
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habe (Baladanus: Brevis est virtuti h carcere in regnum gradus. IV, 3, S. 300), durchschaut er die Wesenlosigkeit auch dieser scheinbar allmächtigen virtus: Jos. Quam facilis rerum humanarum est mutatio? Idem esse eras potero, qui hodie esse desij. Nemo extollatur prosperis, quisquis potest Metuere adversa: fieri, quod timet, potest. (IV, 3, S. 301) Auch in dieser durch die biblische Umgebung gesicherten Welt also schwankt der Boden unter den Füßen, im Taumel des Triumphes bricht der Abgrund des Geschichtlichen vor den Augen des Helden auf. Die Geschichte, selbst wenn sie der biblischen Historie entstammt, ist nicht mehr per se als Heilsgeschichte zu begreifen. Nur in der vereinzelten Gestalt eines großen und überlegenen Mannes kann noch ein fruchtbares geschichtliches Dasein und Wirken glücken. Bezeichnenderweise verzichtet Bidermann gänzlich auf mittelalterlich-typologische Bibelauslegung. Die so naheliegende Präfiguration der Königsgestalt Christi in der Figur des Josephus klingt an keiner Stelle an. Wenige Jahrzehnte vor Bidermann ist das typologische Bibel- und Geschichtsverständnis audi im Jesuitendrama noch lebendig. So versucht sich der Epilog zur Münchner ,Hester' 34 in einer Auslegung der alttestamentlichen Fabel, die durchaus mittelalterlich anmutet. Damit der Bruch sichtbar werde, der sich zwischen solchen Dramen der jesuitischen Frühzeit und dem Theater Bidermanns vollzogen hat, sei ein Stück dieses Epiloges vorgelegt: EPILOGVS: Ecclesia interpretans mysterium historiae, Diua Virgo Maria per Hesteram figurata, Elohim Deus. Eccl.: Spectatistis actionem hueusque, ludicram Illam quidem, sed quae seria sit maxime, Adeoque plena quae momenti maximi Mysterijs sit. Quippe non est fabula, at Historia vera, sumpta e sacris Biblijs Veteribus, ergo cum (ut dixit verissime Electionis Vas meus apostolus) Cuncta in f i g u r i s 35 contigerint, ac gesserint Rerum, typum earum quae futura posteris Seclis erant, audite me iam filij Ecclesiam Vestram matrem, columna quae N o n frustra Veritatis apellata sum, Interpretantem maxima haec mysteria, Solius enim hocce munus est Ecclesiae, Jnterpretari sensum scripturae sacrae, 34
clm 524.
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Die Geschichtsauffassung des 'Belisarius' Q u a e spiritu regitur sacro, ac proinde in his N o n fallitur quicquam, sed nec falli potest. Assuerus ergo, cuius hie sit mentio Quique a beatitudine accepit suum Nomen, Deus est ille Verus & potens, Beatitudo vera sola & maxima. H a m a n u s ast adumbrat tetrum daemonem, Populus autem Jsrael, qui ab H a m a n o afflictus est, Mortalium genus omne significat tibi. A t Hestera ilia Diuam adumbrat Virginem Matrem Dei, prae caeteris mortalibus Q u a e gratiam inuenit summam penes Deum. V t 3 5 ergo H a m a n o isthoc ter execrabili Suasore & authore Assuerus populo Dei Jratus ilium mortis immanissimae Sententiae subiecit, s i c 35 Deus optimus Et maximus mortalium totum genus Sua ob nefanda crimina, Quae Daemone instigante malo patrauerat, Subiecit aeternae mortis sententiae. Et insuper Regem Assuerem v t 3 5 erat nemini Adire fas, non accersito ab hoc prius: J t a 35 nemo planè inuentus est mortalium Quantumsi(t) et sanctissimus, Adire qui iratum nostro generi Deum Auderet, aut iram placare numinis, Nostróque generi perditam reposcere Posset salutem diuinamque gratiam, Quosque tandem inuenta Hester sanctissima est, Pudica Virgo, Judaeo orta sanguine, Quae innixa duabus ancillis, Virtutibus Duabus hisce, humilitati uidelicet Et castitati adire Regem nil verità Complacuit oculis summi illius numinis Prae caeteris mortalibus, adeo quidem, vt H a n c singulari conuestitam gratia Dignam ?stimaret, in cuius sese sinu Perinde v t Assuerus in Hesterae domum Dimitteret, carnemque humanam assumeret, Natusque eadem ex Virgine homo mortalis, & Subiectus humanis quoque passionibus Nobis salutem redderet, fastumque sic Prosterneret ilium H a m a n u m , immanem scilicet Daemona inicum nobis infensissimum Cohorte cum sua vniuersa, liberos A morte nos sic sempiterna reddidit, Jussitque secum sempiternis s?culis Regnare, et aeternis fruisci sedibus. etc. Von mir ausgezeichnet.
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(Der Epilog endet in einem Gebet an Maria um Befreiung von der Türkengefahr. Maria wendet sich an Gott, und dieser verspricht schließlich dem österreichischen Kaiser seinen Beistand: bald werde der Krieg beendet und die Häresie verbannt sein.) Wenn schon im Josephus' der heilsgeschichtliche Aspekt des Stoffes nicht ausgenutzt ist, so wird in dem rein weltlichen ,Belisarius' kaum eine typologisch-allegorische Deutung zu erwarten sein. An einer Stelle allerdings zieht Beiisar eine Parallele zur Gestalt Christi: In seinem eigenen unglücklichen Geschick glaubt er eine echte imitatio Christi erkennen zu dürfen (Insigne virtutis meae exuam / Conceptis verbis, Caesar; Christe, qui meo / Pro scelere innoxius poenas persolvere / Voluisti; exemplo ego tuo istuc cingulum / Solvo immeritus. 1920 ff.); doch im gleichen Augenblick kommt ihm das Blasphemisdie des Gedankens zum Bewußtsein: Quanquam quid immeritus? satis / Satis hoc emerui . . . (1924 f.). Die einzige Stelle also, in der der imitatio-Gedanke anklingt, erweist sich unmittelbar als ein pervertierter Versuch, das eigene Geschick heilsgeschichtlich aufzuhöhen. Bei der Schilderung des Elends, in das der besiegte Gilimer gestürzt ist, wäre man für einen Augenblick geneigt, eine biblische Anspielung anzunehmen: Der in der Festung eingeschlossene Gilimer bittet um ein Brot, einen Schwamm und eine Kithara als einzigen Trost in seinem Jammer (II, 8). Schwamm und Brot könnten an Christi Leidensgeschichte erinnern. Doch abgesehen davon, daß dieses Detail bereits bei Prokop als historisch vermerkt ist (Pr. V. II, cap. 6), beabsichtigt Bidermann eine in andere Richtung weisende Symbolik: Brot, Schwamm und Kithara werden — als Zeichen äußersten Elends — dem Luxus, der immensen Pracht entgegengesetzt, in der Gilimer noch kurz zuvor lebte. (Aus dieser Antithese baut sich der Chorus Lugubris II, 9 der acht Knaben auf; vgl. auch die ironische Pointe des Phara: En Regias delicias, Panem & Spongiam. 664) 36 30
Im Heroenbrief 11,4 (Gilimer Rex obsessus, Belisario Victori. De Fame, et aerumna Regis) stellt der gestürzte Tyrann den Wechsel seines Geschickes dar am Beispiel seiner neuen ,Insignien' Brot, Schwamm und K i t h a r a : Interea e t i t u 1 i s* crescet tibi gloria nostris, Quos tua mox inter quisque tropaea leget. Cassis ibi, & galeae, & clypei, & thoraces ahcni, Fractaque captivi multa sarissa ducis, Laxatique arcus, & inermis theca pharetrae; N o n ita conspicuae S y m b o l a':" laudis erunt, Sicut erunt, hinc Visa C E R E S ; C I T H A R A inde; madensque In medio, lacrimis S P O N G I A plena meis. Tunc neglecturi S i g n a* omnes cetera, quaerent, H a e c tria praecipue quid sibi signa velint?
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Die Geschichtsauffassung des 'Belisarius'
Das anscheinend einzige direkte Bibelzitat im ,Belisarius' (,Vanitas Vanitatum, & omnia Vanitas' 1061) entstammt der pessimistischsten Schrift des Alten Testamentes, dem ,Prediger Salomo', der wie kein anderes Buch der Bibel die Hinfälligkeit des Irdischen herausstellt. Abgesehen davon ist dieser Spruch der Zeit so geläufig, nahezu sprichwörtlich geworden, daß er kaum mehr als Zitat empfunden wird. An zwei Stellen hätte Bidermanns Hauptquelle, das Geschichtswerk des Baronius, biblische Anspielungen bzw. Analogien geradezu angeboten: Die von den Wandalen geknechteten und eingekerkerten Afrikaner werden mit den in Babylon gefangenen Juden parallelisiert (Bar. a. 532), und Beiisar erscheint als ein zweiter Pilatus, der sein Urbild aber weit übertrifft (Bar. a. 538, p. 275: Magna haec quidem fuit horribilisque in Ecclesia Romana tempestas b furente haeretica femina excitata, ab ambitioso diacono procurata, per Belisarium autem impi£ admodum consummata in eo quidem Pilato deteriorem, dum veritus est ipse, ne feminae offensam incurreret, cuius iussa festinavit implere, cum ille ipsum Caesarem pertimuerit ...). Bidermann aber nützt diese Analogien nicht aus, er stellt die Schicksale seiner Helden aus rein innerweltlicher Perspektive dar. Die Eigenart dieses neuen ,Realismus' (der Begriff nun nicht mehr im mittelalterlich-philosophischen, sondern im modernen Sinne verstanden) wird sofort einsichtig, wenn man Baldes Jephtias' zum Vergleich heranzieht: Balde knüpft an die mittelalterliche Interpretationsweise des mehrfachen Schriftsinnes an und zieht die Parallelen mit erstaunlicher Virtuosität. So heißt es im Vorwort zum Drama: Figurae & Figurati, Filiae Jephtae & Humanit. Christi, Unigenitae & Unigenitae Comparatio. Diese Comparatio wird in acht Hinsichten durchgeführt: I. JEphtias, virgo obijt: Christus, etiam ex virgine natus, uterque in florentissima aetate . . . II. Filiae fecit Jephte, sicut voverat: Christo Pater, sicut ordinaverat. etc. (p. 24 ff.) Damit aber nicht genug: Bis in die Namensformen hinein treibt Balde das Spiel der Analogien und Gleichungen (Menulema = Emma-
*
Tu, Libyci dices haec esse I n s i g n i a* Regni. Jnvideat Regnum jam mihi nemo meum. Vgl. auch Gryphius, ,Leo Armenius', II, Reihen der höflinge, Str. 10: Dem metalle zugeflossen, Dem der Tagus schätz anbot, Bat offl, eh der tag geschlossen, Um ein stücke schimlend brodt. (ed. Palm S. 71) Von mir ausgezeichnet.
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nuel); ferner erscheint die Gestalt des Ariphanasso ( = Pharaonissa) in einer gesondert ausgearbeiteten Analogie zum Hohenlied usw. (vgl. p. 26). Mit spielerischer Artistik entdeckt Balde immer neue, wenn auch noch so weit hergeholte Gleichungen, Analogien, Präfigurationen, so d a ß in diesem unübersehbaren Geflecht von Anspielungen der einzelne Bezug seinen Eigenwert verliert. N i m m t man noch die zahlreichen Zitationen und Anspielungen aus der antiken Mythologie hinzu, so verflüchtigen sich das konkrete Geschehen und die Realität der Figuren in ein verwirrendes Gespinst von Relationen. 37 Zwar ist auch das Gefüge des ,Belisarius' eine dichte Konstruktion von Spiegelungen, Präfigurationen, Analogien; diese dienen aber nur dem inneren Aufbau des Stückes, insofern ein H a n d lungszweig den anderen beleuchtet, eine Figur sich in einer anderen spiegelt, insofern sich in der Komik auf unverbindliche Weise der Ernst der Staatsaktion wiederholt usw. Das mittelalterliche Stilprinzip der Analogie und Präfiguration ist in übertragener Verwendung in die Immanenz des Dramas eingegangen. 38 Wiederum erweist sich, daß das Theater Bidermanns zwar aus der Tradition schöpft, aber das Überlieferte gänzlich umdeutet und im Geiste der neuen Zeit gestaltet. Vom Geschichtsverständnis des Mittelalters her wären diese Umdeutungen als Entleerung und Formalisierung eines ursprünglich reichen Ideengebäudes zu beurteilen. Der Verlust wird aber durch den Gewinn aufgewogen: Die Loslösung des Geschichtlichen aus dem Rahmen der Heilsgeschichte eröffnet den Weg zu einer neuen Interpretation der Geschichtlichkeit des Menschen. D a Geschichte nicht mehr als identisch mit Heilsgeschichte begriffen wird, kann ihr objektives Wesen in der Subjektivität, d. i. der Zeitlichkeit des Menschen erscheinen: Fortuna, der scheinbar äußerlichste Titel f ü r die Willkür des Geschichtlichen, wird in einer paradoxen Wendung in den innersten Raum der menschlichen Existenz hineingezogen, derart, daß sie von dort ihren eigentlichen Ursprung nimmt und sich — radikaler als je — zur Herrscherin über das Dasein des Menschen erhebt. Die mittelalterlich-objektivistische Deutung der Geschichte — als von Fortuna und Providentia regierter Heilsplan — wird im Werk Bidermanns verdrängt durch eine Interpretation der Geschichte aus der Geschichtlichkeit, d. i. Subjektivität des Menschen.
37
38
Ähnliche Erscheinungen lassen sich in Baldes Lyrik feststellen (vgl. M. Müller, S. 112), während Bidermanns Lyrik durchweg in meditativ-besonnenem Stil gehalten ist. Vgl. Rütsch, D i e Bedeutung J. Bidermanns, S. 280 f.
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'Belisarius' im Rahmen der Literaturgeschichte
.BELISARIUS' IM R A H M E N D E R
LITERATURGESCHICHTE
Es gilt nun, dem Bidermannschen Drama seinen Ort in der Geschichte der Literatur anzuweisen. Bei gelegentlichen Vergleichen mit der unmittelbaren literarischen Umgebung des Stückes wurde die Eigenart des ,Belisarius' zunehmend sichtbar. Im folgenden soll der Horizont erhellt werden, in dem das Drama Bidermanns steht und aus dem erst seine geschichtliche Bedeutung zu begreifen ist. Bei der Frage nach Vorbildern des .Belisarius' stößt man zunächst auf das Stück, an dem Bidermann selbst möglicherweise als Schauspieler beteiligt war: Kellers ,Mauritius' (s. o. S. 114 Anm. 9). Die Anlage des Dramas scheint der des ,Belisarius' sehr verwandt: Der hochberühmte und gepriesene König Mauritius wird durch den Soldatenführer Phocas vom Throne vertrieben. Grund für den Aufstand sind Unzufriedenheit der Soldaten und zumal die Machtgier des Phocas, also eine rein politische, im Grunde sinnlose Intrige. So nutzt Keller ausgiebig die Gelegenheit, die Unbeständigkeit der Fortuna anzuklagen (CHORVS nach der 5. Szene des I. Aktes: Bewaint den Vbelstandt Mauritij, verwundert sich / wie sich das glück so gählich verkehrt. CHORVS am Ende des III. Aktes: Erklärt mit kläglichem Gesang die vnbeständigkeit der Welt.). Der ganze letzte Akt wird beherrscht von der Darstellung der Grausamkeit und blutigen Willkür des Usurpators; V, 6: Tyrannis oder Tyranney / Pracht / Grausambkeit / vnd die Forcht zaigent an wie sie den Kaiser zu der Tyranney vnd falscher forcht antreiben wollen / als wann jhme Constantina nach dem Leben vnd Reich stellte. Und in der letzten Szene (V, 7) läßt Phocas die Frau und die Töchter des Mauritius hinrichten. Eine blutrünstige Fabel also, die dem Geschmack der Jahrhundertwende entspricht und einige Ähnlichkeit aufweist zu den Stücken der englischen Wanderbühne. Über die Staatsaktion aber schichtet sich von Anfang an eine zweite Handlungslinie: Griechenland ist mehrere Male von den Truppen des Königs Gaianus überfallen worden. Bei diesen Feldzügen geriet eine große Zahl von Griechen in die Gefangenschaft des Gaianus. Mauritius sendet mehrere Male Boten zu seinem Gegner, um die Gefangenen zurückzufordern. Gaianus aber weigert sich, die Leute ohne Lösegeld freizugeben. Daraufhin erklärt Mauritius dem Gaianus den Krieg. ,AufT welches der König erzürnt / last die gefangnen alle ermorden.' Von nun an wird Mauritius im Wachen wie im Schlaf von den Rachegöttinnen und den Geistern der ermordeten Gefangenen verfolgt, die ihn wegen seiner Unbarmherzigkeit anklagen. Als nun der Soldatenaufstand ausbricht, erkennt Mauritius darin die gerechte Strafe für seinen Frevel und läßt alle Demütigungen geduldig über sich ergehen. 111,6: Mauritius nach dem er von Petro verständiget deß Tumults / zaigt er jhm
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an / wie dises ein straff sey seiner vnbarmhertzigkeit / ersucht auch darnebend Petrum vmb hülff vnnd raht dem Vatterlandt zu helffen. Und V, 1: Mauritius wirdt Phocae in gestallt eines gefangnen für geführt / welcher jhm vnnd seinen Kindern den Todt ankündt. Cassandra wirdt gezwungen den Leonem herzugeben / weil Mauritius Nicephorum für seinen Sohn nicht erkennt (die ,Zuchtmaisterin' Cassandra hatte versucht, ihren eigenen Sohn an Stelle des Prinzen dem Phocas zu opfern) / der Tyrann aber fangt von dem jüngsten an / last hernach alle andere in Angesicht des Vatters enthaupten: Zu welches jedlichen todt Mauritius mit lauter vnnd kläglicher Stimm dise Wort redet. Iustus es Domine, & rectum Iudicium tuum. Gerecht bistu O Herr / vnd gerecht ist dein Vrthel. Letztlich wirdt jhm das Haupt auch abgeschlagen.1 Die Parallelen zum ,Belisarius' sind offensichtlich: Der Stoff entstammt dem gleichen Raum und der gleichen Epoche — der byzantinischen Kaisergeschichte. In beiden Fällen wird die Handlung doppelsträngig geführt, bis sich am Ende die beiden Linien in der Katastrophe vereinigen. Auch gehaltlich wird in beiden Stücken versucht, eine Konkordanz von Fortuna und göttlicher Gerechtigkeit aufzuweisen. Die Unterschiede aber sind mindestens ebenso schwerwiegend: Die Identität der beiden Handlungsschichten erscheint im ,Mauritius' recht fragwürdig und zufällig, während sie im ,Belisarius' mit letzter innerer Konsequenz und brillantem Scharfsinn durchkonstruiert ist. Auf diese Weise ist im ,Mauritius' weder die Gerechtigkeit Gottes überzeugend dargestellt, noch kann Fortuna in ihrer tiefen Abgründigkeit erscheinen. (All dies gilt natürlich nur mit der Einschränkung, daß der nicht erhaltene Text des Dramas möglicherweise doch reicher gewesen ist, als es die Perioche vermuten läßt.) Daß die Problematik des Geschichtlichen kaum in den Blick tritt, erweist sich besonders deutlich an des Mauritius Haltung gegenüber dem auf ihn eindringenden Geschick: Er erkennt von vornherein seine Schuld und betrachtet seine äußere Situation in nahezu überstürzter Bereitwilligkeit und ohne wirklich zwingende Konsequenz als Strafe für den begangenen Frevel. Obwohl er von Phocas in blindem Machtrausch vernichtet wird, bleibt er doch in jedem Augenblick seines Daseins er selbst; er begreift sich selbst in Identität mit der Umwelt und dem Geschick, so daß er in keinem Moment von der Brüchigkeit der Zeit und des Geschichtlichen eigentlich erschüttert werden kann. Er wird nicht durch die 1
J. Müllers Inhaltsangabe des Stückes ist irreführend, da die beiden Handlungsstränge sich zunächst unabhängig voneinander entwickeln (Bd. I, S. 47: „Mauritius ist Emporkömmling, aus einem Schreiber wird ein Kaiser. In seinem Ubermut verachtet er Papst und Kirche. Mauritius ist zu geizig, einige Oströmer aus der Gefangenschaft loszukaufen. D a r ü b e r entsteht eine Revolution, die dem Kaiser und seiner Familie das Leben kostet.")
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B u r g e r , Belisarius
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'Belisarius' im Rahmen der Literaturgeschichte
Übermacht der Geschichte zermalmt, sondern nur für sein Vergehen gerechterweise bestraft. Im Vergleich zum ,Belisarius' ist hier also die Problematik der Geschichte nur ganz an der Oberfläche erfaßt. Vorbild konnte das Stück für Bidermann nur in dem Sinne werden, daß in der Doppelsträngigkeit der Handlungsführung die Möglichkeit einer eigentlich dialektischen Dramatik angezeigt war. Das Thema der Staatsaktion und zumal des Fürstensturzes ist in der Epoche Bidermanns ein gängiges Sujet für das Jesuitendrama. Duhr erwähnt neben ,Mauritius' und ,Belisar': Kaiser Theodosius der Jüngere (1613 in Regensburg); Kaiser Heraklius (1617 München); Kaiser Julian Apostata (1608 Ingolstadt, Text von Drexel, clm 2125); Kaiser Valerian (1641 in Ingolstadt); Antiochus; Aktion von Radbodo, König in Frießland (Ingolstadt 1620). Den durchschnittlichen Typus eines solchen Dramas stellt etwa die .Tragödie von Stilico' dar (1624 Ingolstadt): „ . . . einem gewaltigen und hochberühmten Obristen unter den großmächtigsten Kaisern Theodosio und Honorio, welcher wegen daß er kirchliche Freiheiten freventlich angegriffen, auch selbst in verräterischen Praktiken ergriffen, aus gerechtem Urteil Gottes von seinem hohen Stand in äußerstes Elend gestürzet und mit einem kläglichen End andern zu einem kläglichen Spektakul, Schau- und Beispiel worden." 2 Alles deutet darauf hin, daß in keinem dieser Stücke eine ähnlich vertiefte Darstellung des Geschichtsproblems gelungen ist wie in Bidermanns ,Belisarius'. Erst im ,Leo Armenius' des Gryphius setzt sich die Linie fort, die Bidermann mit einer für die Zeit einzigartigen Leistung begonnen hatte. Die mindere Produktion von historischen Jesuitendramen gewinnt literaturgeschichtlich eine gewisse Bedeutung, insofern sie Brücke und Vermittlung bildet zwischen Bidermann und dem deutschen Drama des Gryphius. Geistes- und literaturgeschichtlidi sehr merkwürdig ist es, daß das Drama des Gryphius sich zu seiner Vorlage ganz ähnlich verhält wie Bidermanns ,Belisarius' zum ,Mauritius' Kellers. Gryphius scheint unmittelbar an ein Drama des englischen Jesuiten Joseph Simon über Leo Armenius anzuknüpfen. 3 Der Unterschied in der Auffassung des Stoffes zeigt sich schon im Titel: ,Leo Armenus sive Impietas punita' bei Simon, ,Leo Armenius oder Fürsten-Mord' bei Gryphius. Für Simon ist „Kaiser Leo der starre Typus des Tyrannen schlechthin, wie er von Seneca her bekannt ist".4 Er wird zu Recht abgesetzt und stirbt zur Strafe für seine 2 3
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Alle Angaben bei Duhr, Geschichte der Jesuiten . . . , II, 1, S. 678. Das Drama des Simon ist 1645 in Rom verfaßt. Der Vergleich mit dem Stüde des Gryphius ist in einigen Punkten durchgeführt bei Stachel, Seneca und das deutsche Renaissancedrama, S. 354 ff., und noch ausführlicher bei Harring, Andreas Gryphius und das Drama der Jesuiten, Halle 1907 (Hermaea V). Stachel, S. 360.
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Verbrechen, zumal für seine Frevel gegenüber der Kirche. Sein Gegenspieler Michael erscheint dementsprechend als Rächer, als gerechter Richter über den Despoten, als Diener des Himmels. Das dramatische Schema des Stückes steht offensichtlich in der Nachfolge von Kellers ,Mauritius' oder verwandten Darstellungen. Eine ganz andere Welt bei Gryphius: Leo ist der zaudernde, melancholische Held, der durch seine Unfähigkeit, die Despotie konsequent und bedenkenlos durchzuführen, durch eine Art Willenslähmung selbst das Opfer des kommenden Tyrannen wird. Sein Untergang ist nicht die Folge seiner früheren Verbrechen, sondern paradoxerweise eher die Konsequenz einer guten T a t : Um das christliche Fest nicht durch eine Hinrichtung zu entweihen, verschiebt er die Vollstrekkung des Urteils und läßt so seinem Feind die nötige Zeit, um eine tödliche Intrige zu spinnen. — Ein Geschichtsdrama im vollen und echten Sinne, nicht eine pure Aufrechnung und säuberliche Begleichung von Schuld und Sühne wie bei Simon. Die innerste Angst des Menschen in der Erfahrung seiner Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit bricht in der Person des Kaisers auf und breitet sich als düster-grauenvolle Atmosphäre über das ganze Stück. Zeichnet sich der ,Belisarius' durch die extreme Gespanntheit seiner Konstruktion und die daraus entspringende Dialektik gegenüber der letztlich doch einschichtigen Geschichtsauffassung des ,Mauritius' aus, so ist es bei Gryphius vor allem die Atmosphäre der zersetzenden Melancholie, die das Drama von seinem vordergründigen Vorbild abhebt. Aber auch die Unterschiede zwischen Gryphius und Bidermann sind nicht zu übersehen: Während Beiisar in seinem Wesen ein aktivistischer Willensmensch ist, dessen Energie und Lebenswille erst durch das maßlose Geschick gebrochen, dann aber auch völlig zermalmt werden, erweist Leo sich von vornherein als Repräsentant jenes hochbarocken Heldentyps, der an der Müdigkeit des Willens und der Lähmung jeglicher Tatkraft leidet. Aus diesem Unterschied ergeben sich auch alle weiteren Stildifferenzen: Im ,Leo Armenius' liegt das Hauptgewicht auf den großen Einzelreden und den sich davon scharf abhebenden Stichomythien, während Bidermann den Monolog meidet und statt dessen ein lebhaftes, juristisch-logistisch zugespitztes Gespräch bevorzugt. Traumszenen und Geistererscheinungen, die bei Gryphius die reale Handlung durchweben, fehlen im ,Belisarius' bzw. sind auf den erinnernden Bericht beschränkt (der Traum des Bischofs Cornelius, Justinians Traum). Bidermanns Drama spielt sich in einer intellektuellen Klarheit und Wachheit ab, die alles Magisch-Gespenstische abwehrt. Demgemäß geht dem ,Belisarius' auch der atmosphärische Reiz ab, der gerade den ,Leo Armenius' auszeichnet: dort wird etwa die Traumszene III, 2 durch Musik und gespenstische Bühneneffekte vorbereitet (.Unter währendem spiel der geigen erschallet von ferne eine 14*
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trauertrompete, welche immer heller und heller vernommen wird, biss Tarasius erscheinet, um welchen auf bloßer erden etliche lichter sonder leuchter vorkommen, die nachmahls zugleich mit ihm verschwinden', Palm S. 74). In diesem Punkte steht der ,Mauritius* dem Stück des Gryphius näher als dem ,Belisarius': die Rachegöttinen und die Geister der Ermordeten erscheinen dem Kaiser im Schlaf wie im Wachen, ja, sein ganzes Schicksal wird ihm in einem Traum verkündet. Auch in der äußeren Anlage der Fabel zeigt der ,Mauritius' genauere Parallelen zur Geschichte von Leo Armenius als zum ,Belisarius'. Die Verwandtschaften zwischen Bidermann/Keller und Gryphius/Simon sind also verwickelter, als es auf den ersten Blick erschien. Wie Quellenuntersuchungen zu Dramen und Gedichten des Gryphius erwiesen haben 5 , ist eine strenge Kontinuität zwischen der neulateinischen Dichtung, zumal der Jesuiten, und dem hochbarodken deutschen Drama anzusetzen. Gryphius hat weder seinen Stil noch seine Gehalte aus dem Nichts geschöpft, wie man lange Zeit hat annehmen wollen. Auch in der Geschichtstragödie also sind die Jesuiten vorangegangen und haben den Boden bereitet für das deutsche Geschichtsdrama. Als große Gipfel innerhalb dieser Tradition erscheinen im 17. Jahrhundert der lateinische ,Belisarius' und der deutsche ,Leo Armenius'. Die Tradition der historischen Tragödie in Deutschland bis auf ihre Ursprünge zurückzuverfolgen, müßte Gegenstand einer eigenen Untersuchung werden. Es wäre zu fragen, wie es um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert plötzlich zu einer solch reichen Produktion historischer Dramen kommen konnte, wo die historischen und geistesgeschichtlichen Hintergründe dieses Phänomens zu suchen sind. Zumal die immanente Entwicklung des Jesuitentheaters müßte daraufhin betrachtet werden. Als Vorstufe zur historischen Tragödie, vor allem in der Form des Fürstensturzes, sind die Bearbeitungen des Udo-Stoffes (und als Gegenbild dazu die Darstellungen der Theophilus-Legende) anzusehen. Zumal Gretsers ,Udo' scheint nach Geist und Stil auf den jungen Bidermann große Wirkung ausgeübt zu haben. Es läßt sich eine direkte Linie ziehen vom Stück Gretsers zum ,Cenodoxus' Bidermanns. Doch tritt im ,Udo' noch nicht die Geschichte als Macht sui juris in den Blick. Der große Einzelne, der aus dem Nichts zu höchstem Ruhm emporgehoben wird, scheitert an seiner dämonischen Hybris, seiner maßlosen Ichbefangenheit. Um Udo von seinem lästerlichen Leben abzuhalten, spricht der Timor Dei die warnenden Worte: s
Vgl. etwa Wentzlaff-Eggebert, Dichtung und Sprache des jungen Gryphius, 2., verbesserte und stark vermehrte Auflage, 1965.
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Mille daemon artifex Struit insidias positis in alto culmine, Vt altius ruant. (II, 2) 6 Die Bewegung der Kurve — Aufstieg und Sturz des Fürsten — ist die gleiche wie im ,Belisarius' (Fortuna: efferam altius / Inde unum, ut ille per altius praeceps eat. 85 f.), der Sinn aber ist grundverschieden. U d o stürzt, w e i l er sich in den Schlingen des daemon artifex verfangen hat. Beiisars Sturz aber ist eine Folge der lex aeterna geschichtlichen Werdens und Vergehens, und erst sekundär erhält der an sich sinnleere Prozeß für Beiisar einen ganz persönlichen, nur ihm begreiflichen Sinn. Im ,Udo* eindeutig christliche Deutung der Fabel — im ,Belisarius' letztlich ein Auseinanderfallen von Geschichte und Heilsordnung: in diesem Unterschied erscheint die geistesgeschichtliche Differenz zwischen Gretser und Bidermann. Der Schluß der beiden Dramen bestätigt die Diskrepanz: während Udo in die Hölle hinabstürzt, endet Beiisar in der immanent-geschichtlichen Verzweiflung. Im ,Udo' steht (wie noch im ,Cenodoxus' Bidermanns) die Kritik am Geiste bzw. Ungeiste der Renaissance im Mittelpunkt des Interesses. Auch der ,Belisa.riusc trägt noch Züge des frühbarocken ,Weltanschauungsdramas', insofern sich in der Verurteilung der ,gloria vitae' offenbar eine radikale Absage an den Ruhmbegriff der Renaissance verbirgt. Nachruhm galt sowohl dem Feldherrn wie dem Dichter und Philosophen der Renaissance als die einzig sichere Garantie der Unsterblichkeit. Solcher Tendenz zur Selbstverewigung tritt Bidermann bereits im ,Cenodoxus' entgegen, wo er den Typus des in sich selbst verkapselten humanistischen Gelehrten mit satirischem Scharfsinn analysiert. Im .Belisarius' aber gelangt der Dichter über eine Kritik der Tradition hinaus zu einem eigenständigen und in gewaltiger Konzeption entworfenen Bild von der Geschichtlichkeit des Menschen. Aus den biblischen Dramen der jesuitischen Frühzeit wird Bidermann kaum wesentliche Anregungen erfahren haben. Wenn dort gelegentlich das Problem der Macht, des Königtums und der Tyrannei berührt wird, so in einem durchaus traditionell-mittelalterlichen Sinne. Ein Stück wie die ,Hester' (clm 524) läßt schon im Titel die Tendenz erkennen: Hester / Comoedia sacra ex biblicis / historijs desumpta. / In qua aperte ostenditur Tyrannidem / et perfidiam sibi constare non posse; / Deumque suorum in afflictionibus / nunquam obliuisci. Es scheint also, daß es sich bei der Entstehung der historischen Tragödie im Jesuitentheater um eine selbständige und nicht ableitbare oder «
clm 19757,, S. 803.
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zurückführbare Schöpfung der Generation eines Keller und Bidermann handelt. Außerhalb des Jesuitentheaters lassen weder das deutsche Renaissancedrama noch das humanistische Schultheater Ansatzpunkte erkennen, an die die Jesuitendichter bei der Ausbildung des historischen Dramas hätten anknüpfen können. Am ehesten nodi würde man bei den Straßburger Bearbeitern griechischer Tragödien nach verwandtem Geiste suchen. Doch schon ein flüchtiger Blick in die Texte lehrt, daß Spangenberg und seine Freunde viel zu sehr in bürgerlich-humanistischen Vorstellungen befangen waren, als daß sie zu einer wirklichen Rezeption oder gar Anverwandlung der antiken Tragödie hätten vordringen können. Uberall verdeckt die spießbürgerlich-moralische Absicht das eigentlich menschliche Problem. 7 D a ß die Bemühungen der Straßburger um die antike Tragödie 7
Der Übersetzer der ,Medea' des Euripides faßt den Sinn des Stückes in einem Epilog zusammen, der der Kuriosität halber angeführt sei: Dann liebe ist ein böse sucht, Da durch der Mensch wirdt so verrucht, Das er nit acht ehr oder schandt, Verdirbt an weyßheit und verstandt, Kahn auch durch solche lust gerathen In sünd und abscheuliche thaten, Wie unß Medea hie zeigt klar, Die so in lieb verblendet war, Das sie einem Jüngling unbekandt Verrhat ihr liebes Vatterlandt, Audi hingesetzt all zudit und ehr, Mit ihm davon zeucht über Meer, Die Eltern last in traurigkeitt Und ihr selbs schaffet hertzenleidt. Dabey man weitter auch verstehe, Was unfalß bring die winckel Ehe, Wann Junge leuth auß liebe blindt Ohn vor wissen der Eltern gschwindt Sich selbs verloben, das gar balt Der rew darauff kom mit gewalt Und bring ihn ihr verdienten lohn, Zorn, zwitracht, unglück, spott und hon, Ja, das auch solch heurath behendt Durch Unfall offt werden getrendt Und bringen feindschafft ubermaß, Verwandlen alle lieb in haß. Wie hie Medea audi beschehen, Die bald hernach hat müssen sehen, Das sie Verstössen wirt mit leydt Und Jason ihm ein andre freydt. Drumb Junge leuth hie ingemein
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für die Ausbildung einer deutschsprachigen Tragödie von erheblicher Bedeutung gewesen sind, sei damit natürlich nicht bestritten. Geistes- und literaturgeschichtlich nicht uninteressant ist Spangenbergs Verdeutschung8 eines lateinischen Saul-Dramas, das seinerseits nicht mehr auffindbar ist. Saul in seiner Verzweiflung an Gott und den Menschen scheint bereits auf den .gebrochenen' Helden des Barockdramas hinzudeuten, auf jene Verdüsterung des Gemüts und Lähmung des Willens, die den von den Geschichtsmächten Exponierten unüberwindlich anfällt — aus seiner eigenen Geschichtlichkeit und Zeitverfallenheit heraus. Nun ist aber der Sturz Sauls noch so deutlich als Folge einer sündhaften Gottentfremdung, der unverzeihlichen Verzweiflung an Gottes Güte und Barmherzigkeit begriffen, daß von einer eigentlichen Geschichtstragödie noch nicht die Rede sein kann. 9 Schließlich zeigt sich in den konfessionellen gegen Calvin gerichteten Tendenzen des Stückes eine klare Rückbindung Ihn lassen diß ein Warnung sein, Nemen nichts f ü r auß eigner that, Sondern volgen der Elttern rath, Wie solches Gott der herr gebeut Und ist gemäß der Ehrbarkeit. (,Ternsche Argumenta sammt der Vorrede und Beschlusz in die Griechische Tragoedi Euripidis, Medea g e n a n n t . . . Welche in Griechischer sprach gehalten und gesungen worden in der Straßburgischen Academj, mense Iulio, 1598', Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart C C X I I , Tübingen 1896/7, S. 293 f.). 8
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W o l f h a r t Spangenberg, Ausgewählte Dichtungen (Elsässische L i t e r a t u r d e n k mäler aus dem X I V - X V I I . Jahrhundert, hrsg. von E. Martin und E. Schmidt, IV. Bd.), Straßburg 1887, S. 127 ff. Vgl. die folgende Partie aus dem Epilog (S. 257 f.): A m Saul siht man auch ohne schertz / Wie eyn Rachgirig / Neidisch H e r t z / Vom Teuffei halt wird eingenommen / D a ß es verfolgen thut die Frommen Es glaubet der verleumbdung balt: Vnd wird verstockt solcher gestalt / D a ß Es verleurt v e r n u n f f t v n d Sinn: Vnd geräth endlich auch dahinn / D a ß Es Gottes gar thut vergessen; Vnd wird endlich auch so vermessen / D a ß Es den Teuffei f r a g t (umb) R a t h : Vnd bezeugt also mit der That / Wie Es an G o t t verzweiffeit sey: Vnd wann mehr Vnglüdc komt herbey / Vnd jhm der Mensch kein Trost kan geben So bringt Er sich selbst v m b sein Leben: Vnd sich der seligkeyt beraubt / Dieweil Er nicht an Christum glaubt.
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an das Reformationstheater: Saul stürzt in tödliche Verzweiflung, weil er sich von Gott zum Verbrechen prädestiniert glaubt. Solche konfessionelle Polemik verbietet es, den ,Saul' Spangenbergs bereits im Zusammenhang der neuen Tragödie zu sehen. Einflüsse aus dem außerdeutschen Raum anzunehmen, etwa vom englischen Theater her, ist aus zeitlichen Gründen kaum möglich. Als die historischen Dramen der Engländer durch Vermittlung der Wanderbühne in den (süd-)deutschen R a u m eindringen, steht das Geschichtsdrama der Jesuiten bereits in voller Blüte. 10 Zudem leben die Stücke der englischen Komödianten aus ganz anderem Geiste als das Jesuitentheater 1 1 : Die Welt der Staatsaktion erscheint in einer mehr exotischen als historischen Beleuchtung. Die blinde Fortuna beherrscht unumschränkt das Geschehen, Fortuna aber verstanden als äußerliches Walten der Geschichte. Selbst wenn gelegentlich von den lenkenden Göttern gesprochen wird, so verläuft die Historie doch grundsätzlich planlos. Ein tragisches Zerbrechen des Menschen tritt gar nicht in den Blick, da die Geschichte nur als eine Kette von traurigen Unglücksfällen begriffen wird, in die man sich zweckmäßigerweise schicken sollte. Auf diese Weise wird das Schicksal „seiner transsubjektiven Wucht entkleidet und trivialisiert". 1 2 Der Mensch läßt sich blindlings von seinen Affekten regieren. „Wie eine Macht von außen bespringt der Affekt den Menschen und treibt ihn zu Taten, die als schlimmes Ergebnis diese K r a f t als verderbliche entlarven." 1 3 Diese Auffassung des Geschichtlichen ist von der rationalen Wachheit und Schärfe des Jesuitendramas so weit entfernt, daß eine Parallelisierung kaum am Platze ist. Ein Vergleich mit Shakespeare wäre schon von Seiten des englischen Dichters mit so viel ungelösten Problemen vorbelastet, daß er eher in die Irre führen als zur Klärung der Eigenart Bidermanns beitragen würde. Eher scheint sich ein Hinweis auf die antike Tragödie des Sophokles anzubieten: Beiisars Lebenskurve wäre vergleichbar dem Schicksal des ö d i pus, der gleichfalls als Spielball der Fortuna aus höchstem Ansehen in tiefstes Elend stürzt und in der Nacht der Blindheit endet. 14 Die histo10
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Vgl. Creizenach, Die Schauspiele der englischen Komödianten (Dt. NationalLiteratur Bd. 23), S. III ff. Vgl. W. Flemming, Das Schauspiel der Wanderbühne (Dt. Lit. in Entwicklungsreihen), S. 16 ff. Flemming a. a. O. S. 19. Flemming a. a. O. S. 22. Vgl. den Schlußchor des .König ödipus': Ihr, im väterlichen Theben wohnend, schauet ödipus, Der das große Rätsel löste und gewaltig war vor uns, Nicht der Bürger Eifer achtet' noch des wandelbaren Glücks: Welcher ungeheure Aufruhr eines Schicksals ihn gefällt.
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rische F a k t i z i t ä t der B l e n d u n g Beiisars ist zur Zeit B i d e r m a n n s k e i n e s w e g s unumstritten, 1 5 aber der Dichter entscheidet sich für die theatralisch w i r k samere Version. 1 6 M a n darf v e r m u t e n , d a ß B i d e r m a n n seinen H e l d e n der a n t i k e n Figur b e w u ß t an die Seite gestellt hat. Z w a r findet sich im b e l i sarius* nirgends eine A n s p i e l u n g auf das Stück des Sophokles, w ä h r e n d doch B a l d e im J e p h t i a s ' , o b w o h l der Vergleich recht w e i t h e r g e h o l t ist, ausdrücklich auf die antike T r a g ö d i e v e r w e i s t ; aber der durchweg u n rhetorische C h a r a k t e r des Bidermannschen D r a m a s l ä ß t v o n vornherein keine direkte Z i t a t i o n erwarten.
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Also wende seine Augen auf den letzten Lebenstag, Was da sterblich ist, und preise keiner sein gesegnet Los, Ehe er des Daseins Grenze überschritten ohne Leid. (Sophokles Tragödien, deutsch von E. Staiger, Zürich 1944, S. 213). Über die erhaltenen Berichte mittelalterlicher Historiker referiert ausführlich Lebermann S. 9 ff. Einige mittelalterliche Geschichtsschreiber berichten, Justinian habe seinen Feldherrn sämtlicher Güter und Ehren entsetzt, ihn aber im folgenden Jahre wieder in Gnaden aufgenommen. Andere behaupten, Beiisar sei geblendet worden und habe bis zu seinem Ende als Bettler in Byzanz gelebt. Die letztere Version findet sich anscheinend zum erstenmal in ,patria tes póleos', einer Chronik, die unter Kaiser Alexios Comnenos (1081—1118) aus älteren Quellen zusammengestellt wurde. Zur Zeit Bidermanns scheinen einige Historiker die Blendung Beiisars bereits als Legende erkannt zu haben (vgl. die ausführliche Diskussion der verschiedenen Meinungen bei Baronius Tomus V I I , anno 561). Bidermann jedoch schließt sich der Meinung der „Latini nonnulli (Crinit. de honest, diseip. lib. 15. Volater. Pontan, vel alij recentiores omnes)" an, „qui eum excaecatum, exutumque omnibus dignitatibus atque divitiis, mendicare stipem fuisse coactum asserunt." (Baronius V I I , a. 561, S. 473). Der A u t o r der Praemonitio glaubt Bidermann deswegen rechtfertigen zu müssen: De hoc ipso B E L I S A R I O non omiserim hoc loco monere Lectorem, P. J A C O B U M nostrum in eâ Historiâ secutum fuisse vulgi opinionem, nec quidem Veteribus ignotam, & postea à Petro Crinito non ignobili Scriptore traditam, confirmatâmque, & quasi in Veteritatis Arâ consecratam; quam tarnen nunc à vero longé alienam esse satis constat; de exitu nimirum illius p r e s t a n t i s s i m i Ducis, déque excaecatione, & extremâ ejus mendicitate . . . Néque propterea tarnen arguendus est oscitantiae alieujus, ac multò minùs sublestae fidei, quòd in argumento Poeticae Scriptionis Bidermannus noster i l l u d s e q u i m a l u e r i t , q u o d S c e n a e ac T h e a t r o esset magis con v enien t iu s, quam quod veritati historicae c o n g r u e r e t . Illa Criniti narratio sponte sese suâ quasi ferebat in Theatrum, qui proprius est locus eventuum Tragicorum & Fortunae ludentis in magnis Capitibus; quod sufficere Bidermanno ad excusationem debet, etsi data opera in historiam peccasset, quod certus sum ab ejus verecundiâ fuisse alienum. Caeteroqui quis exigat adeo religiose fidem s a c r o s a n c t a m V e r i t a t i s h i s t o r i c a e à P o e t i s , cui Nationi numquam non concessa fuit, non quidem potestas mentiendi, sed concinnandae tamen fabulae ad sublimes affectus in Spectatorum animis e x c i t a n d o s . . .
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Die gewaltige Schicksalslinie des ödipus in ihrer zugespitzten Dialektik kehrt im ,Belisarius' wieder: erst in dem Augenblick, da ödipus sich die Augen aussticht, ist er zur inneren Einsicht gelangt, so daß er den verborgenen Zusammenhang seiner Lebensstationen begreift. Ganz ähnlich bei Beiisar (V. 943 ff.) und in abgeschwächter Form auch bei Gilimer (s. o. S. 149): sie müssen scheitern, um sehend zu werden. Allerdings ist im ,Belisarius' die Dialektik von Sehen und Blindheit, von leiblicher Finsternis und geistiger Klarheit nicht so ausdrücklich herausgestellt wie im ,König ödipus'. 17 Zwar erkennt Beiisar im Augenblick, da man ihm die Augen aussticht, den Sinn seines Sturzes, aber die Blendung selbst wird ihm nur zum Anlaß, über den Wechsel des ,quondam' und .nunc', d. h. über die tödliche Macht der Zeitlichkeit zu reflektieren: o cives, qui meos / Spectastis saepe honores, visuri modo / Exoculum. (1950 ff.) Beiisar gelangt nur für einen flüchtigen Augenblick zu geistiger Klarheit, dann versinkt er wieder in der Nacht der leiblichen und geistigen Blindheit. „Urgeor aeterna caligine; nigraqüe circum omnia" heißt es in den Heroenbriefen (II, 5). (Vom Schluß des Dramas her gesehen, erscheint die Zauberkästchen-Szene in wiederum verwandeltem Sinne als Präfiguration der Haupthandlung, insofern sie nicht nur die Grundbefindlichkeit der Helden andeutet, sondern konkret auf die Katastrophe, auf Beiisars Blendung vorausweist.) In der endgültigen Fassung des ,Belisarius' wird die Katastrophe nicht mehr zurückgenommen. Ähnlich aber, wie der Sophokleische Held in einem späteren Drama (.ödipus auf Kolonos') aus der Vernichtung wieder aufsteigt in die geläuterte Region des prophetischen Weisen, so deutet auch Bidermann in der paradigmatischen Gestalt des Promethes (in der .Cosmarchia') einen Weg an, der über die Katastrophe des .Belisarius' hinausführt. Die geschichtliche Bedeutung des .Belisarius' liegt aber nicht zuletzt im grandiosen, innerhalb des Stückes unwiderruflichen Zusammenbruch des Helden: Hier reißt eine radikale Kluft auf zwischen dem göttlichen Heilsplan und der menschlich-geschichtlichen Existenz. Die ,Tendenz' des Stückes — wenn von einer solchen überhaupt gesprochen werden darf — liegt im Aufweis dieser unüberbrückbaren Alternative. Das Göttliche erscheint nur noch am äußersten Horizont des Menschlichen — in letzter Konsequenz geradezu als Negation des Humanen (Macarius: At fuit hoc non humanum, ab his discedere / Parentibus. Rubor: San£, quia divinum fuit. Macarius Romanus V. 8. S. 425). Gott hat sich aus dem humanen Bereich in ein letztes residuum zurückgezogen, so daß er nur noch im 17
Vgl. vor allem das Gespräch Ödipus-Teiresias V. 300 ff. (der blinde Teiresas durchschaut die wahren Verhältnisse, während ödipus sehend mit geistiger Blindheit geschlagen ist) und die Schlußszene des Dramas.
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Gegensatz greifbar und begreifbar wird. Dem sehnsüchtigen Blick des Menschen droht er zu entschwinden in einen Raum der Unendlichkeit, von dem man für Augenblicke nicht mehr weiß, ob er der Bereich des Ewigen oder jener Ort der unendlichen Qual ist, an dem sich das Endliche als diskontinuierliche Kette antithetischer Momente in unendlicher Sinnleere wiederholt. Vor der abgründigen Erfahrung der Zeitlichkeit gibt es kein Entrinnen, es sei denn in einem kühnen Sprung aus der Endlichkeit ins Ewige hinein. Dieser Sprung aber ist ein Wagnis, das auf eine ungewisse Hoffnung, auf die Gefahr der endgültigen Gottverlassenheit hin unternommen werden muß: der Ort des Absprungs zwar ist bekannt, das Ziel aber erscheint, wenn überhaupt, so nur an der Grenze des Irdischen (Macarius: Nempe exemplo hoc doces, quid facere oporteat: / Fugiendum, Macari, fugiendum; Sc, si nondum habes / Locum in quem fugias, certe e quo fugias, habes. Macarius Romanus II, 5, S. 366). Das Christliche — nicht mehr in einer unanfechtbaren Gewißheit des offenbarten Glaubens gegründet — leuchtet auf in der Erfahrung der Grenze, als Hoffnung aus dem Abgrund. Die Zwiespältigkeit und Fragwürdigkeit des .Belisarius', weit entfernt, Anzeichen dichterischer Unfähigkeit zu sein, entspringt einer neuen Erfahrung menschlicher Zeitlichkeit, die wider alle traditionellen Antworten und Lösungen die Frage offenhält, ja das Sein des Menschen als fragwürdig erst enthüllt. Gryphius im ,Leo Armenius' wird zu einer vergleichbaren Formulierung menschlich-geschichtlicher Existenz gelangen. Im Drama Bidermanns ist das Tragische, das Jahrhunderte lang verschüttet war, durch und wider den Geist des Christentums, aus einer extremen inneren Gespanntheit der geistigen Situation, neu entdeckt und für die deutsche Literatur wiedergewonnen.
LITERATUR Textausgaben
von Dramen
Bidermanns
Ludi theatrales sacri sive opera cómica posthuma a R. P. Jacobo Bidermanno S. J . . . . olim conscripta. Monachii MDCLXVI. 2 vol. Jacob Bidermann, Philemon Martyr, Lateinisch und Deutsch, hrsg. und übersetzt von Max Wehrli, Köln & Ölten 1960. Jakob Bidermann, Cenodoxus, Abdruck nach den „Ludi theatrales" (1666), mit den Lesarten der Kelheimer und Pollinger Handschrift, hrsg. von Rolf Tarot (Neudrucke deutscher Literaturwerke, Neue Folge 6, Tübingen 1963). Jakob Bidermann, Cenodoxus, übersetzt von Joachim Meichel, München 1635 (mehrfach neugedruckt).
Sekundärliteratur (Es werden nur diejenigen Werke aufgeführt, durch die die Arbeit unmittelbar gefördert wurde. Für die übrige Spezialliteratur zu Bidermann sei verwiesen auf die bibliographischen Handbücher sowie auf die Literaturverzeichnisse bei Joh. Müller, ,Das Jesuitendrama', und R. G. Tarot, J a k o b Bidermanns Cenodoxus'.) zu B i d e r m a n n : Bischof, Berchttold O. S. B. Jakob Bidermanns Calybita (Literaturwiss. Jb. der Görresgesellschaft, 4. Bd., Barock, Freiburg i. Br. 1929). Elbracht-Hülseweh, Lucie Jacob Bidermanns ,Belisarius' (Neue deutsche Forschungen Abt. Neuere Deutsche Literaturgeschichte, Bd. 4, Berlin 1935). Nachtwey, Hermann Joseph Die Exerzitien des Ignatius von Loyola in den Dramen Jakob Bidermanns S. J. (Diss. Münster 1937). Rütsch, Julius Die Bedeutung Jakob Bidermanns (Trivium 5, 1947, S. 263 bis 282). Sadil, Meinrad Jakob Bidermann, ein Dramatiker des 17. Jahrhunderts aus dem Jesuitenorden (Sonderdruck aus dem Jahres-Bericht des k.k.Obergymnasiums zu den Schotten in Wien, 1899 und 1900). Tarot, Rolf Günter Jakob Bidermanns .Cenodoxus' (Diss. Köln 1960). Wehrli, Max Bidermanns Cenodoxus (Das deutsche Drama vom Barock bis zur Gegenwart, hrsg. von Benno von Wiese, I, S. 13—34, Düsseldorf 1958). Westermayer, G. J. Bidermann (A. D. B. Bd. 2, 1875). Zeidler, Jakob Studien und Beiträge zur Geschichte der Jesuitenkomödie und des Klosterdramas (Hamburg und Leipzig 1891). zum J es u i t en t h e a t e r : Bielmann, Joseph Die Dramentheorie und Dramendichtung des Jakobus Pontanus S. J. (Literaturwiss. Jb. der Görresges. III, Freiburg i. Br. 1928, S. 45 bis 85).
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QUELLEN UND FORSCHUNGEN KULTURGESCHICHTE
DER
ZUR SPRACH-
GERMANISCHEN
GERHARD
UND
VÖLKER
RUDOLPH
Studien zur dichterischen Welt Achim von Arnims VIII, 171 Seiten. 1958. DM 16,—. N. F. 1 (125) MARIANNE
THALMANN
Ludwig Tieck, „Der Heilige von Dresden" Aus der Frühzeit der deutschen Novelle X, 194 Seiten. Mit 2 Abbildungen. 1960. Lw. DM 27,—. N. F. 3 (127) HUGO
SOMMERHALDER
Johann Fischarts Werk Eine Einführung VIII, 137 Seiten. 1960. Lw. DM 14,—. N. F. 4 (128) ERNST VON
REUSNER
Satz, Gestalt, Schicksal Untersuchungen über die Struktur in der Dichtung Kleists VI, 136 Seiten. 1961. Lw. DM 24,—. N. F. 6 (130) RICHARD
DAUNICHT
Die Entstehung des bürgerlichen Trauerspiels in Deutschland 2., verbesserte und vermehrte Auflage X, 326 Seiten. 1965. Lw. DM 38,—. N. F. 8 (132) BERND
BREITENBRUCH
Ethik und Ethos bei Grillparzer Denkerische Bemühung und dramatische Gestaltung VI, 215 Seiten. 1966. Lw. DM 34,—. N. F. 18 (142)
WALTER
DE
GRUYTER
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B E R L I N 30
Ausgaben Deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts Unter Mitwirkung von Käthe Kahlenberg herausgegeben von Hans-Gert Roloff
Vorläufiges Programm der Reihe:
Georg Wickram (nach 1500 bis vor 1562), Sämtliche Werke Herausgegeben von Hans-Gert Roloff (Berlin). Im Sommer 1966 erscheint Band I : Die History des theüren Ritters Galmy auß Schottland.
Johann Rist (1607—1667), Sämtliche Werke Herausgegeben von Eberhard Mannack (Berlin). Im Sommer 1966 erscheint Band I der Dramatischen Dichtung: Irenaromachia-Perseus
Johann Beer (1655—1700), Sämtliche Werke Herausgegeben von Richard Alewyn (Bonn). Im Winter 1966/67 erscheint Band I : Der Simplizianische Welt-Kucker
Johann Christoph Gottsched (1700—1766), Ausgewählte Werke Herausgegeben von Joachim Birke (Ann Arbor) Im Winter 1966/67 erscheint Band I : Gedichte
In Vorbereitung befinden sich u. a.:
Johannes Reuchlin (1455—1522), Werke Pamphilius Gengenbach (gest. 1524), Werke Die ersten Bände der Reihen: I. Drama — II. Roman
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