Versuch einer Theorie des Komischen 9783787341146, 9783787341139

Der Schriftsteller, Ästhetiktheoretiker und Publizist Stephan Schütze hat 1817 eine äußerst innovative Komiktheorie verö

120 18 2MB

German Pages 266 [401] Year 2022

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Versuch einer Theorie des Komischen
 9783787341146, 9783787341139

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Philosophische Bibliothek

Stephan Schütze Versuch einer Theorie des Komischen

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

ST E PHAN S CHÜTZE

Versuch einer Theorie des Komischen

Mit weiteren komiktheoretischen Texten Schützes, Einleitung, Schriftenverzeichnis und Anmerkungen herausgegeben von

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann unter Mitarbeit von Justus Beyerling und Alessia Heider

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

PH I LOS OPH I S CHE BI BLIOTHEK BA ND 753

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN  978-3-7873-4113-9 ISBN eBook  978-3-7873-4114-6

Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft © Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 2022. Alle Rechte v­ orbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53 und 54 UrhG ausdrücklich gestatten. Satz: mittelstadt 21, Vogtsburg-Burkheim. Druck und Bindung: Beltz, Bad Langensalza. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruck­ papier, hergestellt aus 100 % chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Inhalt

Stephan Schütze und seine Komiktheorie. Zur Einführung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII 1. Zur Biographie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X 2. Die Grundzüge von Schützes Komiktheorie  . . . . . . . . . . . . . . . XXV 3. Schützes Komiktheorie im Kontext von Romantik und Idealismus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XL 4. Rezeption und Wirkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LXXIII Zu dieser Ausgabe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CIII

Siglenverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CV Schriftenverzeichnis zu Stephan Schütze  . . . . . . . . . . . . . . . . . CVI a. Komiktheoretische Texte   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CVI b. Auswahl komischer Texte (Anekdoten, Dialoge, Erzählungen, ­Gedichte, Lustspiele, Novellen, Schwänke, Singspiele)   . . . . . . CVIII c. Autobiographische und weitere zitierte Texte   . . . . . . . . . . . . . CXI

Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CXIII a. Quellen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CXIII b. Forschung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CXXVI

Versuch einer Theorie des Komischen von St.  Schütze

Versuch einer Theorie des Komischen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Vorrede  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Theorie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Ausführliches Inhaltsverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

VI

Inhalt

Anhang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a. Ueber das Komische.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b. Ueber das Verhältniß des Lächerlichen zum Komischen.  . . . . 185 c. Rezension von Friedrich Theodor Vischer: Über das Erhabene und Komische (1838)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

Anmerkungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Sachregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Personenregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Stephan Schütze und seine Komiktheorie. Zur Einführung

D

er Dichter, Publizist und Ästhetiktheoretiker Stephan Schütze ist heute weitgehend vergessen. Insbesondere seine Komiktheo­ rie verdient aber, nicht nur erinnert, sondern als innovative und singuläre Position im Feld der Ästhetik- und Komiktheorie der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts rezipiert und diskutiert zu werden. Schützes Theorie stellt einen bedeutenden Schritt in der Geschichte der Komiktheorie dar und nimmt entscheidende Gedanken vorweg, die erst später im 19. und 20. Jahrhundert wieder formuliert werden. Es gehört vor diesem Hintergrund zu den Merkwürdigkeiten der Geschichte der Ästhetik- und Komiktheorie, dass Schützes Theo­rie heute kaum noch jemandem bekannt ist und sie auch von der Forschung selten berücksichtigt wird. Sie findet sich heute in so gut wie keiner Darstellung der wichtigsten Positionen der Komiktheorie.1 Das ist deshalb erstaunlich, da Schützes »unserm Göthe« gewidmete Abhandlung Versuch einer Theo­rie des Komischen aus dem Jahr 1817 zu seinen Lebzeiten durchaus bekannt und weithin geschätzt war. Sie wurde in Lexika und Nachschlagewerken im 19. Jahrhundert zitiert, und sie bildet für heute kanonische Autoren wie etwa E.  T.  A. Hoffmann, Adalbert von Chamisso oder, zumindest mittelbar, auch für Georg Büchner einen relevanten diskursiven Kontext. Die Rezeptionsspuren werden aber im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts immer spärlicher, wenngleich sich auch eine internationale Wirkung Schützes nachweisen lässt. 1  Siehe etwa Uwe Wirth (Hg.): Komik. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart: Metzler 2017. In neueren Anthologien der Komiktheorie kommt Schütze ebenfalls nicht vor: Texte zur Theorie der Komik. Hg. v. Helmut Bachmeier. Stuttgart: Reclam 2005; Reader in Comedy. An Anthology of Theory & Criticism. Edited by Magda Romanska and Alan Ackerman. London [u. a.]: Bloomsbury 2017. Zur Rezeption Schützes siehe weiter unten ausführlich.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

VIII

Einführung

Schütze war als produktiver Herausgeber von Taschenbüchern, Almanachen und Zeitschriften in Weimar, wo er von 1804 bis zu seinem Tod im Jahr 1839 lebte, mit den Akteuren des kulturellen Lebens seiner Zeit bestens vernetzt. So war er häufiger Gast in J­ ohanna Schopenhauers Salon, er reiste mit Goethe nach Karlsbad und er korrespondierte als Herausgeber mit einer Vielzahl von Autorinnen und Autoren wie etwa Charlotte von Ahlefeld, Gottlieb Wilhelm Becker, Carl August Böttiger, Adalbert von Chamisso, E.  T.  A. Hoffmann, Friedrich Wilhelm Riemer, Charlotte von Schiller, Ludwig Tieck und anderen. Friedrich von Müller, der Kanzler des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach, würdigte Schütze nach dessen Tod in einem ausführlichen Nekrolog als einen der regelmäßigen Teilnehmer an der Abendgesellschaft der Großherzogin Maria Paw­ lowna – und er lobt ausdrücklich dessen Komiktheorie als »unstreitig das scharfsinnigste und gehaltreichste seiner Werke«.2 Dass Schütze in Weimar als vielseitiger Schriftsteller, Herausgeber und 2  Friedrich von Müller: Dr. Johann Stephan Schütze. Eine Vorlesung im literarischen Abendkreise Ihro Kaiserl. Hoheit der Frau Großherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach, Großfürstin von Rußland. In: Weimar’s Album zur vierten Säcularfeier der Buchdruckerkunst am 24. Juni 1840. Weimar: Albrecht’sche privil. Hochbuchdruckerei [o. J.], S.  233–255, hier S.  249. Biographische Abrisse zu Schütze finden sich bei Anonym: Johann Stephan Schütze. In: Neuer Nekrolog der Deutschen. Siebzehnter Jahrgang, 1839. Erster Theil. Weimar: Bernh. Friedr. Voigt 1842, S.  315–318; Heinrich Pröhle: Johann Stephan Schütze. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Bd.  33. Neudruck der 1. Auflage von 1891. Berlin: Duncker & Humblot 1971, S.  146  f.; Walter Hettche: Schütze, Johann Stephan. In: Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Hg. v. Wilhelm Kühlmann [u. a.]. Bd.  10: Ros-Se. Berlin  /Boston: De Gruyter 2011, S.  617–619; Ellen Richter: Schütze, Johann Stephan. In: Magdeburger Biographisches Lexikon. 19. und 20. Jahrhundert. Biographisches Lexikon für die Landeshauptstadt Magdeburg und die Landkreise Bördekreis, Jerichower Land, Ohrekreis und Schönebeck. Hg. v. Guido Heinrich und Gunter Schandera. Magdeburg: Scriptum 2002, S.  656; Martin Wiehle: Johann Stephan Schütze. Vom Olvenstedter Bauernhof zum Weimarer Musenhof. In: ­Kloster Berge, Klosterbergegarten, Gesellschaftshaus, Telemann-Zentrum: Zu Geschichte, Gegenwart und Zukunft eines Magdeburger Areals. Bericht des wis-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

IX

Mitglied der kulturellen Zirkel Weimars anerkannt war, schlug sich schließlich 1835 im Titel eines Großherzoglichen Hofrats nieder, den der Großherzog, wie es Müller in seinem Nachruf formuliert, Schütze »aus freien Stücken« und aus »Gnade«3 gewährte. Wie und warum aber ist Schütze aus dem Kanon der Komik­theo­ retiker für so lange Zeit herausgefallen? Ein Grund liegt vermutlich darin, dass Friedrich Theodor Vischer, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit seiner sechsbändigen Ästhetik die Autorität der Ästhetiktheorie nach Hegel war, Schützes Theorie gleichsam überschrieben hat. Vischer hat Schützes Theorie nicht nur geschätzt, sondern auch intensiv benutzt und an vielen Stellen zustimmend erwähnt, aber doch im Ganzen durch Inkorporation verdunkelt und überlagert. Die berühmte Redewendung von der ›Tücke des Objekts‹, wie sie Vischer in seinem Roman Auch einer wirkmächtig verwendet hat, findet sich bereits bei Schütze vorgeprägt. Überschrieben wird Schütze schließlich endgültig um 1900 von Henri Bergson, dessen zentrale komiktheoretischen Grundgedanken im Versuch einer Theorie des Komischen bereits knapp 100 Jahre zuvor formuliert sind. Bevor diese Theorie in ihrer Kontur skizziert sowie in ihrem zeitgenössischen Kontext verortet wird (2) und bevor daran anschließend ihre Rezeptionslinien nachgezeichnet werden (3), soll zunächst Stephan Schütze selbst, sein Leben und insbesondere sein Wirken in Weimar, kurz vorgestellt werden.

senschaftlichen Kolloquiums am 29./30. August 2003 in Magdeburg. Hg. v. Carsten Lange. Halle: Landesheimatbund Sachsen-Anhalt 2004, S.  107–116. 3  Friedrich von Müller, Dr. Johann Stephan Schütze, S.  254.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

X

Einführung

1. Zur Biographie Von Olvenstedt nach Weimar Schütze wurde als zweiter von drei Söhnen eines Bauern und Kaufmanns am 1. November 1771 in Olvenstedt (heute Stadtteil von Magdeburg) geboren. Über seinen Bildungsgang und sein Leben bis zur Ankunft in Weimar im Oktober 1804 sind wir durch seine e­ igene Lebensbeschreibung gut unterrichtet. Die narrative Anlage der 1834 publizierten Lebensgeschichte ist eine Art Bildungsroman mit Schwierigkeiten und Widerständen. Gerade »den Kampf mit Hindernissen« und die daraus resultierenden Störungen und Verzögerungen der »Entwickelung seiner Kräfte und Anlagen«4 erklärt er selbst zum Interessanten an seiner Biographie. Schütze erzählt, wie sein Wunsch nach Wissen, Unterricht und Bildung, nach Schreiben, Denken und Dichten nur auf Umwegen und nur unvollkommen habe realisiert werden können. So schickte ihn der Vater, der auf Schützes intellektuelle Neugier aufmerksam geworden war, mit 12 Jahren zwar auf die Domschule im nahegelegenen Magdeburg zum Erwerb der Grundlagen für ein späteres Theologiestudium. Allerdings musste Schütze die Schule nach gut einem Jahr wieder verlassen und in das Handelsgeschäft des Onkels Christian Schütze eintreten. Schütze fokussiert im Rückblick die Situation im Kontor, »gleichsam in vier Wände eingeschlossen«5 zu sein, als eine, die seinem Bedürfnis nach realistischer Dramatisierung abträglich gewesen sei. Ihm habe die »Erfahrung und Einsicht in die Verhältnisse der Welt« gefehlt: »Bei meiner Neigung zur reinen Nachahmung der Wirklichkeit, hätte ich ganz vorzüglich viel sehen und hören und erleben müssen, wenn sich daraus etwas für die Kunst allmählig hätte entwickeln sollen.«6 Zudem berichtet er, dass er in seinen Dramen, 4  Stephan Schütze: Lebensgeschichte. Erster Theil. Mit dem Bilde des Verfassers. Neuhaldensleben: C. A. Eyraud 1834, Vorrede, III. 5  Ebd., S.  114. 6  Ebd., S.  114  f.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

XI

die er frühmorgens schreibe, gerade seine unmittelbare Gegenwart zum Stoff genommen habe, wie etwa in dem Schauspiel Wie geht es in der Handlung?, das der Buchverleger, dem Schütze es offerierte, mit dem Hinweis ablehnte, dass zu viel darin vorkomme, »das ihm das Mißfallen der Herren Kaufleute zuziehen könnte«.7 Das Begehren der schriftstellerischen Wirklichkeitserfassung, das Schütze in seiner Autobiographie explizit mit dem »Erwachen der Geschlechtsneigung«8 und dem Mangel an wirklichen bzw. respondierenden Objekten korreliert, bleibt für ihn – und gerade auch für seine »das Vorhandenseyn einer Körperwelt« (VK, 52)9 fokussierende Komiktheorie – grundlegend. Nicht zuletzt Goethe charakterisiert Schütze in seinen Gesprächen mit Eckermann in Bezug auf das Doppel von Beobachtungswille und Weltmangel: »Hätte Schütze in England gelebt, er würde Epoche gemacht haben; denn ihm fehlte bei seiner Gabe der Beobachtung und Darstellung weiter nichts als der Anblick eines bedeutenden Lebens.«10 7  Ebd., S.  114. Der Text ist nicht gedruckt, ebenso wenig das Stück Der Bauer mit der Perücke, das in Referenz auf die Französische Revolution »die Nationalversammlung im Kleinen wiederholte«. Ebd., S.  110. 8  Ebd., S.  115. 9  Die in diesem Band enthaltenen Texte Schützes werden im Folgenden unter Angabe einer Sigle mit Seitenzahl im Fließtext zitiert (Versuch einer Theorie des Komischen = VK; Ueber das Komische = UdK; Ueber das Verhältniß des Lächerlichen zum Komischen = LzK; Rezension von Friedrich Theodor Vischer: Über das Erhabene und Komische [1838] = EuK). 10  Johann Peter Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Hg. v. Christoph Michel unter Mitwirkung v. Hans Grüters. Berlin: Deutscher Klassiker Verlag 2011 (= Bd.  39 der Ausgabe Johann Wolfgang von Goethe: Sämtliche Werke. Briefe Tagebücher und Gespräche. Frankfurt a. M.: Deutscher Klassiker Verlag 1999), S.  176. Seiner Tendenz, Gegenwartsstoffe aufzunehmen, ist Schütze auch später treu geblieben, und die politischen Ereignisse von 1806 und 1813 boten hierzu reichlich Gelegenheit. Vgl. zum Beispiel Schützes Lustspiel Der Dichter und sein Vaterland, das 1806 in Leipzig erschien und das Hegel seinem Freund Niethammer im Brief vom 16. Januar 1807 ausdrücklich empfahl. Vgl. Briefe von und an Hegel. 4  Bde. Hg. v. Johannes Hoffmeister. Bd.  1: 1785–1812. 3., durchgesehene Aufl. Hamburg: Meiner 1969, S.  136  f.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

XII

Einführung

Vier Jahre später gab der Onkel dem Wunsch Schützes nach und erlaubte ihm, mit seiner finanziellen Unterstützung, das protestantisch-pietistische Pädagogium Kloster Berge zu besuchen, in das Schütze im Jahr 1789 mit 18 Jahren eintrat. Auch hier ist er neben dem regulären Unterricht, den er begierig aufnimmt, schriftstellerisch tätig; er schreibt Gedichte über Vorfälle in der Schule und er konzipiert eine Theorie des Reims, in der er dessen Gebrauch gegen Johann Georg Sulzers Kritik verteidigt.11 Die Schrift erschien, sehr wohlwollend rezensiert, erst 1802 als Buch. In Schützes Fokussierung des Reims als Vermittlung zwischen dem Ausdruckswillen der Seele einerseits und den materiellen Bedingungen von Sprache und Lautlichkeit andererseits lässt sich bereits die Aufmerksamkeit auf das Gegen- und Miteinander von Freiheit und Notwendigkeit erkennen, das er später auch seiner Komiktheorie zugrunde legen wird.12 Zwischen 1794 und 1797 studierte Schütze Theologie, zunächst in Erlangen, dann, ab 1795, in Halle, interessierte sich aber mehr für die Umgebung, für Kant und seine schriftstellerischen Projekte. Nach Studium und Examen wurde Schütze, zurück in Magdeburg, Hofmeister, bewarb sich erfolglos auf freiwerdende Pfarrstellen und begleitete, mehr als Gesellschafter denn als Hauslehrer, den jungen Baron von Putlitz wiederum nach Kloster Berge. In der hier reichlich vorhandenen Zeit widmete er sich intensiv zunächst theologischen, moralphilosophischen und dann auch dichterischen Plänen. Schütze pflegte engen Kontakt zu den Lehrern der Schulanstalt und 11  Schütze, Lebensgeschichte, Teil 1, S.  161  f. Sulzer hatte den Reim laut Schütze als etwas »Barbarisches und Verwerfliches« bezeichnet. Ebd., S.  162. Die beiden Begriffe fallen bei Sulzer nicht, wohl aber hält er den Reim für ein »Gefängnis […], in welches die Gedanken und die Sätze der Rede eingesperrt werden«, und in der neueren Zeit für »überflüßig und gothisch«. Johann Georg Sulzer: [Art.] ›Reim‹. In: Ders.: Allgemeine Theorie der schönen Künste. Zweyter Theil. Leipzig: Weidmanns Erben und Reich 1774, S.  971  f., hier S.  972. 12  Stephan Schütze: Theorie des Reims nach Inhalt und Form. Magdeburg: G. Ch. Keil 1802. Vgl. zur Grundlegung der Theorie und zu Schützes Definition des Reims insbes. S.  7–31.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Johann Stephan Schütze, Handzeichnung von Johann Joseph Schmeller, Blatt: 577 × 380 mm, schwarze und weiße Kreide, weiß gehöht, 1825, Standort: Graphische Sammlung der Klassik-Stiftung Weimar, GHz/Sch.I.284,0545.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

XIV

Einführung

nahm in diesen Jahren auch intensiv am literarischen Leben Magdeburgs Teil. Unter der Vermittlung des Magdeburger Dichters Friedrich Köpken (1737–1811) publizierte er erste Gedichte, Balladen und Romanzen in Almanachen von Karl Müchler und Taschenbüchern von Wilhelm Gottlieb Becker. Zu den frühen Texten Schützes gehören Die Getäuschte, Der Organist und Der Greis am Erntefeste. Schütze schrieb zudem Dramen, von denen er zwei an August Wilhelm Iffland in Berlin schickte, in der Hoffnung, dieser werde sie dort zur Aufführung bringen. In der Tat erwarb Iffland als Direktor des Berliner Nationaltheaters im Oktober 1803 Schützes idyllisches Lustspiel Der Zauberbrunnen für 10 Dukaten, allerdings wurde die Aufführung ein Misserfolg, begründet durch eine Menge »irrthüm­ licher Umstände, die alle aufzuzählen hier viel zu weitläuftig sein würde, die aber fast ganz Berlin in Bewegung setzen«,13 wie Schütze schreibt. Mit dem Ende der Schulzeit seines Zöglings Baron von Putlitz und dessen Wechsel an die Universität endete Schützes Engagement als Hofmeister. Im März 1804 gab der Onkel einem ausführlichen, neuerlichen Bittbrief Schützes statt und gewährte diesem eine Pension von jährlich 600 Talern, damit er sich endgültig und unabhängig »der Poesie und den schönen Wissenschaften«14 widmen könne. Dies tat Schütze ab Oktober 1804 bis zu seinem Tod am 19. März 1839 in Weimar. 13  Schütze, Lebensgeschichte, Teil 2, S.  197. Offenbar war im Publikum das Auspochen des Stücks von einer Gruppe Offiziere verabredet worden, wie der Notiz in der Zeitung für die elegante Welt vom 13. 12. 1803, Sp.  1189 zu entnehmen ist. Die Kritik an diesem Vorgehen und die Verunglimpfung des Kritikers landeten schließlich sogar bei der Ministerialbehörde. 14  Ebd., S.  203. Der relative Reichtum in der Goethezeit begann bei 500 Talern Jahresgehalt, »von 600 Talern konnte man bequem leben«, so die Einschätzung von Frank Berger: Das Geld der Dichter in Goethezeit und Romantik. 71 biografische Skizzen über Einkommen und Auskommen. Wiesbaden: Waldemar Kramer 2020, S.  332. Zum Vergleich: Für Studenten rechnete man mit 200 Talern jährlich, Wieland erhielt als ehemaliger Prinzenerzieher im Jahr 1803 1000 Taler. Ebd., S.  145.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

XV

Schütze als Herausgeber, E.  T.  A. Hoffmann und Schützes Körper In Weimar entfaltete Schütze eine ungeheure Produktivität auf drei Feldern: Er betätigte sich erstens in allen Gattungen als Dichter, ­wobei neben Gedichten, Liedern und Balladen, Novellen, Erzählungen und einem Roman, autobiographischen Texten, Reisebeschreibungen und Übersetzungen vor allem Lustspiele und Dramen den größten Teil seiner literarischen Produktion ausmachen. Zweitens verfasste er eine Fülle theoretischer Abhandlungen, wobei die behandelten Gegenstände über die Theorie der Komik weit hinausgehen. Themen sind verschiedene Aspekte des Theaters, wie die Deklamation oder der Gebrauch von Tieren auf der Bühne, Fragen der Sprache und des Ausdrucks, etwa Assonanzen oder das Verhältnis von Metrum und Sprache, Probleme der Öffentlichkeit und des Nachdrucks – und immer wieder Musik. Drittens schließlich betätigte er sich als Herausgeber, Journalist und Rezensent. Fast 30 Jahre lang, von 1811 bis zu seinem Tod im Jahr 1839 war Schütze Herausgeber des Taschenbuchs der Liebe und Freundschaft gewidmet, das im Verlag der Brüder Wilmans in Frankfurt am Main erschien.15 Hier publizierte er unter anderem regelmäßig Erzählungen von Friedrich de la Motte Fouqué, August von Lafontaine, Karl Wilhelm Contessa, Carl Reinhold, August Friedrich Ernst Langbein und von E.  T.  A. Hoffmann. Schütze hatte sich bereits im November 1816 an den von ihm verehrten Dichter mit der Bitte um eine Erzählung gewandt, der aber erst für das Taschenbuch 1819 die Novelle Doge und Dogaresse beisteuerte. Ein Jahr später, im Taschenbuch für das Jahr 1820, konnte Schütze Hoffmanns Das Fräulein von Scuderi abdru15  Namentlich wird Schütze als Herausgeber erst ab dem Taschenbuch auf das Jahr 1814 genannt. Im Nachruf des Nachfolgers von Schütze als Herausgeber, Ludwig Storch, der dem Taschenbuch auf das Jahr 1840 voran­gestellt ist, nennt dieser 1811 als das Jahr, in dem Schütze das Taschenbuch übernahm. Vgl. Ludwig Storch: Nachruf an Stephan Schütze, gestorben am 19. März 1839. In: Taschenbuch der Liebe und Freundschaft gewidmet. 1840. Hg. v. Ludwig Storch. Frankfurt a. M.: Friedrich Wilmans [o. J.], [o. S.].

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

XVI

Einführung

cken und im Taschenbuch für das Jahr 1823, nach einigen Auseinandersetzungen über nicht fristgerechte Textlieferungen, die kleine Erzählung Datura fastuosa. Schütze war gerade in diesen Jahren gleich mehrfach als Herausgeber tätig. Zwischen 1817 und 1822 redigierte er, ebenfalls im Verlag der Brüder Wilmans, die Zeitschrift Der Wintergarten, in deren zweitem Band, gleich nach Schützes eigenem Einakter Der König von gestern. Posse in einem Akt, wiederum ein Text Hoffmanns erschien, die Erzählung Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde. Die Zeitschrift Der Wintergarten wurde nach sechs Ausgaben, die jährlich im Winter erschienen, ab dem Frühjahr 1823 mit der zu Ostern erscheinenden Zeitschrift Der Frühlingsbote fortgesetzt, da, wie Schütze im Vorwort des Herausgebers der ersten Ausgabe schreibt, das gleichzeitige Erscheinen von Taschenbuch und Der Wintergarten für manche Leser ungünstig war – noch ungünstiger vermutlich für Verleger und Herausgeber. Nach drei Jahren wurde Der Frühlingsbote eingestellt. Schließlich übernahm Schütze 1823 das von Friedrich Bertuch (1747–1822) bereits 1786 begründete Journal des Luxus und der Mo­ den, das im Laufe seiner 42-jährigen Laufzeit vier Mal seinen Titel wechselte und über Mode hinaus weitere kulturgeschichtlich relevante Gegenstände – Musik, Literatur, Kunst, Technik – umkreiste. Unter dem Titel Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode redigierte Schütze diese mit 25.000 Abonnenten und euro­pa­weiter Ausstrahlung publizistisch sehr erfolgreiche Zeitschrift bis 1827. Unter seiner Redaktion wurde der monatliche Erscheinungsturnus auf die Ausgabe von einem oder einem halben Bogen zwei Mal pro Woche umgestellt.16 Unter dem neuerlich geänderten Titel Journal für Li­ teratur, Kunst und geselliges Leben erschien 1827 der letzte Band.17 16  Vgl. hierzu die Ankündigung in der Leipziger Literaturzeitung. Nr.  66, 15. 3. 1823, S.  526. 17 Siehe hierzu: Walter Steiner, Uta Kühn-Stillmark: Friedrich Justin Bertuch. Ein Leben im klassischen Weimar zwischen Kultur und Kommerz. Köln  /  Weimar  /  Wien: Böhlau 2001, bes. S.  93–99. Vgl. auch: Angela Borchert, Ralf Dressel (Hg.): Das Journal des Luxus und der Moden: Kultur um 1800. Heidelberg: Winter 2004.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

XVII

Schütze hat allein für diese Zeitschrift circa 200 Texte beigesteuert, darunter neben Gedichten, Rezensionen zu Literatur und Theater wiederum Abhandlungen zu einer Vielfalt von Themen.18 Gleich im ersten von Schütze mitverantworteten Jahrgang findet sich eine Rezension zu Julius Eduard Hitzigs zweibändiger Biographie E.  T.  A. Hoffmanns.19 Schütze reflektiert Hoffmann – über die Beurteilung von Hitzigs Lebensbeschreibung weit hinausgehend – als Autor, der sich ganz und letztlich einseitig der »großen Mannichfaltigkeit der einzelnen Erscheinungen«20 zugewandt habe, namentlich der Karikatur und dem Phantastischen, und der gerade in seinen »komischen Darstellungen« allein auf Welt und Menschen geblickt habe, ohne hierin eine »höhere Harmonie abgespiegelt«21 zu sehen. Schütze versucht so zu begründen, warum Hoffmann kein »klassische[r] Dichter«22 geworden ist und erklärt dies schließlich mit dessen fehlendem Sinn für Natur und einem – damit zusammenhängenden – hypertrophen Freiheitsbegehren. So projiziert Schütze, der selbst auch kein »klassischer Dichter« geworden war, im Bestreben, neben den Ähnlichkeiten vor allem die Differenzen zu betonen, wesentliche Elemente seiner Komiktheorie, das Wechselverhältnis von Freiheit und Notwendigkeit, in Form eines Missverhältnisses auf Hoffmann. Schützes komiktheoretische Fokussierung auf die »Körperwelt«, die mit dem menschlichen Anspruch auf Freiheit ihr Spiel treibe und so auf eine »höhere« Freiheit (VK, 17) verweist, ist Hoffmann allerdings sehr viel näher, als es der Hinweis auf Mangel an »höherer Verklärung« bei Hoffmann nahelegt.23 18  Siehe das Verzeichnis sämtlicher Schriften Schützes unter: https://doi. org/10.48565/bonndoc-16. 19  Julius Eduard Hitzig: Aus Hoffmann’s Leben und Nachlaß. Zwei Theile. Berlin: Ferdinand Dümmler 1823. Rezensiert von Stephan Schütze: Ueber Hoffmann’s Leben und Nachlaß. In: Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode, Nr.  75, August 1823, S.  618–621; Nr.  76, August 1823, S.  629–632. 20  Schütze, Ueber Hoffmann’s Leben, S.  629. 21  Ebd., S.  631. 22  Ebd., S.  629. 23  Vgl. zur Nähe von Schütze und Hoffmann: Johannes F. Lehmann: »Das

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

XVIII

Einführung

Die Ähnlichkeit zwischen Schütze und Hoffmann gilt nach Auskunft der Quellen bis hinein in die physiognomische und physische Konstitution selbst und ist sogar Gegenstand der Legendenbildung geworden. Beide seien sich, so fabuliert Johann Peter Lyser (1804– 1870) in seinem vermutlich frei erfundenen Bericht über die persönliche Begegnung zwischen Hoffmann und Schütze in Berlin im Jahr 1821, äußerlich sehr ähnlich gewesen.24 Lyser erzählt hier, dass der »bekannte Stephan Schütze aus Weimar […] eigends nach Berlin gekommen«25 war, um Hoffmann wegen einer bereits honorierten Erzählung (gemeint ist: Datura fastuosa) zu mahnen. Schütze selbst berichtet von seiner Begegnung mit Hoffmann in Berlin, die allerdings in Wahrheit schon im Winter 1820 stattgefunden hatte, in seinem kleinen Text Ueber Hoffmann, der 1825 in Hitzigs Ausgabe von Hoffmanns letzten Erzählungen als Anhang publiziert wurde.26 ­Lyser phantasiert die Begegnung als komische Szene, die sich aufgrund der großen Ähnlichkeit der beiden ergeben habe:

Vorhandenseyn einer Körperwelt« – Widerständige Dinge zwischen Komik und Zufall in der romantischen Komiktheorie Stephan Schützes und bei E.  T.  A. Hoffmann. In: Christiane Holm, Günter Oesterle (Hg.): Schläft ein Lied in allen Dingen. Romantische Dingpoetik. Würzburg: Königshausen & Neumann 2011, S.  121–134. Siehe auch Johannes F. Lehmann: Humor  /Ironie  /  Komik. In: Christine Lubkoll, Harald Neumeyer (Hg.): E.  T.  A. Hoffmann Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart: Metzler 2015, S.  379–384. 24  Johann Peter Lyser: Erinnerungen aus dem deutschen Norden. Teil II. Berlin 1821. In: Sigmund Engländer (Hg.): Der Salon. Mittheilungen aus den Kreisen der Literatur, Kunst und des Lebens. Bd.  2. Wien: Wittenbecher, Siegel und Hollmann 1847, S.  33–45. Den Nachweis, dass Lysers Erzählung von der Begegnung zwischen ihm und Hoffmann (in die auch die Szene mit Schütze integriert ist) erfunden ist, führt Friedrich Eugen Hirth: Johann Peter Lyser. Der Dichter, Maler, Musiker; mit 60 Bildern Lysers, einem Porträt und einer Handschriftenprobe. München  /  Leipzig: Georg Müller 1911, S.  34–38. 25  Lyser, Erinnerungen aus dem deutschen Norden, S.  39. 26  Stephan Schütze: Ueber Hoffmann. In: Die letzten Erzählungen von E.  T.  A. Hoffmann. Vollständig gesammelt und mit Nachträgen zu dem Werke: Aus Hoffmann’s Leben und Nachlaß, herausgegeben von dessen Verfasser. Zweite Abtheilung. Berlin: Ferdinand Dümmler 1825, S.  352–360, hier S.  356.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

XIX

»Schön – das weiß Gott! war keiner von Beiden, aber Hoffmann’s kleine bewegliche Gestalt zeigte das vollkommenste Ebenmaß, während St.  Schütze – und das war der Unterschied – auf langen Spinnenbeinchen einen kurzen starkverwachsenen Körper trug, so daß er sich – wie Hoffmann meinte – ausnahm: wie ein gespaltener Rettig, oder: wie ein auf einer Gabel gespitzter gebratener Apfel.«27

Schütze seinerseits habe dann nach dem Weggang Hoffmanns laut gesagt, er sei überrascht, dass Hoffmann gar nicht so missgestaltet sei, wie man ihm vorab erzählt habe, was angesichts von Schützes eige­ner Hässlichkeit urkomisch gewesen sei. Exakt dieser Satz Schützes über die äußere Gestalt Hoffmanns steht wörtlich in Schützes eigener Beschreibung seiner Begegnung mit Hoffmann: Dieser sei »im Aeußern nicht so abschreckend, als manche ihn mir geschildert hatten«, dennoch habe Hoffmann sich ihm als »ein Zaubermännchen, oder stark ausgedrückt, als etwas Hexenmäßigs«28 dargestellt. Lyser verwandelt dies in eine Anekdote, der gemäß gerade Schütze sehr viel missgebildeter gewesen sei als Hoffmann, dessen »vollkommenste« ebenmäßige Erscheinung im Kontrast zu dem »kleinen bucklichten«29 Körper Schützes gestanden habe. Die wenigen biographischen Abrisse zu Schütze haben Lysers Ausdruck, er sei »verwachsen« gewesen, übernommen. Setzt man voraus, dass Lyser insgesamt auf die Glaubwürdigkeit seiner Erfindung zielte, muss man annehmen, dass dieser Hinweis vielleicht übertrieben, aber nicht völlig von der Hand zu weisen ist. Eine nachgerade obsessive und ins Extrem gesteigerte Schilderung des »verwachsenen« Schütze findet sich dagegen in den Erinnerungsblättern Alexander von Ungern-Sternbergs, der zwischen 1834 und 1841 in Weimar lebte und angibt, mit Schütze befreundet gewesen zu sein. Von dessen »gebrechliche[m] Leib« schreibt er, dass er »wirklich zu nichts anders tauglich war als im Grabe zu faulen«. Ein »so verschobenes, 27  Lyser, Erinnerungen aus dem deutschen Norden, S.  39. 28  Schütze, Ueber Hoffmann, S.  356. 29  Lyser, Erinnerungen aus dem deutschen Norden, S.  39.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

XX

Einführung

zerdrücktes, bald nach dieser, bald nach jener Seite schief gezogenes Körpergebilde ist mir nie wieder zu Gesicht gekommen«.30 Diese Quelle scheint allerdings insgesamt wenig überzeugend, da Sternberg Schütze zugleich als Feind Goethes porträtiert, wofür es sonst keine Anhaltspunkte gibt. Schütze selbst erzählt in seiner Lebensgeschichte, man habe ihm in seiner Zeit an der Magdeburger Domschule mitgeteilt, dass er »im Gange keine gerade Haltung beobachte« und kommentiert dies als »einen Fehler […], der erst in der Folge zum Vorschein kam und dem man leicht hätte vorbeugen können, wenn man überhaupt für mich von Hause aus mehr Sorgfalt gehabt hätte«.31 Im Weiteren erwähnt Schütze diesen ›Fehler‹ nicht mehr, allenfalls könnte man unterstellen, er habe bei seinen vergeblichen Versuchen der Liebeswerbung, von denen er mehrfach berichtet, eine Rolle gespielt. Ebenfalls spekulativ, aber doch plausibel ist die Annahme, dass Schützes ungerader Gang die Entwicklung seiner Komiktheorie, in der die Lächerlichkeit körperlicher Fehler sowie Stolpern und Stürzen erstmals komiktheoretisch ernstgenommen werden, mit befördert hat. Schütze und Goethe Als aktives Mitglied der Weimarer Kunst- und Gelehrtenszene stand Schütze auch mit Johann Wolfgang Goethe in Verbindung. Er lernte ihn im November 1806 bei der Eröffnung der Abendgesellschaft Johanna Schopenhauers kennen, in der Schütze über zwei Jahrzehnte regelmäßig Gast war und dort »fast alle seine Erzählungen aus der Handschrift«32 vorlas. Schütze berichtet über die Begegnung mit Goethe in seinem Text über Die Abendgesellschaften der Hofräthin 30 Alexander von Sternberg: Erinnerungsblätter. Erster Theil. Berlin: Heinrich Schindler 1855, S.  160–164, hier S.  161. 31  Schütze, Lebensgeschichte, Teil 1, S.  75  f. 32  Adolf Schöll: Weimar’s Merkwürdigkeiten einst und jetzt: Ein Führer für Fremde und Einheimische. Dabei ein statistisch-topographischer Anhang, nebst einem Adreßverzeichnis der Behörden und wichtigsten Privatanstalten,

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

X XI

Schopenhauer in Weimar: »Ich fühlte mich um so mehr beglückt, hier Goethe’n vorgestellt zu werden, da ich bisher vergebens danach gestrebt hatte, denn damals war er lange nicht so zugänglich, wie in späterer Zeit, so wie denn überhaupt der spätere Goethe sich viel milder und mittheilender bewies, als der frühere.«33 Ein näherer Umgang mit ihm ergab sich laut den biographischen Quellen vor allem auf den Reisen nach Karlsbad, wobei Goethe, wie Friedrich Schubart berichtet, die herzliche Nähe zu seinen Begleitern nach der Rückkehr nach Weimar in das »Verhältnis der Erstarrung« zurücktreten ließ, »wie es auch mit meinem schriftstellerischen Freunde Schütz gehalten wurde«.34 Schütze hat von einer dieser Begegnungen mit Goethe in Karlsbad selbst berichtet in einem autobiographischen Text, der von zwei Reisen »im Blutjahre 1813« erzählt und dabei die militärischen und politischen Wirren der Zeit als Hintergrund dieser Reisen eindrücklich einfängt.35 Bei einem ihrer Gespräche sei Goethe über die neuere Literatur regelrecht in Zorn geraten: »Er schalt die Träumer und Schwindler, und als ich äußerte, daß ihrer Poesie der Körper fehle, sagte er: da haben Sie das rechte Wort getroffen.«36 Nicht nur in diesem Sinne konnte Schütze einem Boten-, Post- und Eisenbahnberichte von R. Froriep. Mit einem Plan von Weimar. Weimar: Verlag des Landes-Industrie-Comptoirs 1847, S.  268. 33 Stephan Schütze: Die Abendgesellschaften der Hofräthin Schopenhauer in Weimar, 1806–1830. In: Weimar’s Album zur vierten Säcularfeier der Buchdruckerkunst am 24. Juni 1840. Weimar: Albrecht’sche privil. Hofbuchdruckerei 1840, S.  185–204, hier S.  186. Über die Abendgesellschaft schrieb 1829 Schütze zudem einen würdigenden »Nachruf«, als bereits bekannt war, dass Schopenhauer Weimar verlassen würde. Vgl. Stephan Schütze: Johanna Schopenhauer in Weimar. In: Der Gesellschafter. Blätter für Geist und Herz. 33. Blatt, 27. 2. 1829, S.  171  f. 34  Zit. n. Goethe: Begegnungen und Gespräche, Begründet v. Ernst Grumach und Renate Grumach. Band VI: 1806–1808. Hg. v. Renate Grumach. Berlin  /  New York 1999, S.  331. 35  Stephan Schütze: Reisescenen und Bemerkungen. Vom Jahr 1813. In: Die Harfe 1 (1815), S.  153–230, hier S.  155. Die Fortsetzungen erschienen in ebd. 3 (1816), S.  215–268; ebd. 4 (1816), S.  25–72; ebd. 5 (1816), S.  111–150. 36  Schütze, Reisescenen, S.  228.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

X XII

Einführung

­ oethe seine Komiktheorie widmen.37 Er hat außerdem regelmäßig G Gedichte zu seinem Geburtstag publiziert und mehrere Würdigungen Goethes nach dessen Tod verfasst.38 Goethe seinerseits hat sich im Gespräch mit Eckermann »wohlwollend« über Schütze geäußert und bei der Lektüre von Schützes Erzählband Heitere Stunden (1821– 23) »große Freude gehabt«.39 Karl von Holtei charakterisiert das Verhältnis von Schütze zu ­Goethe als ein bei aller Verehrung durchaus offenes: »Freundlich entgegenkommend und umgänglich hatte er dennoch den Schelm im Nacken, vertheilte rechts und links kleine Hiebe, verschonte 37  Siehe zur These einer großen Nähe zwischen Schützes Komiktheorie und Goethes Überlegungen zur Komik vor dem Hintergrund seiner naturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Norm und Abweichung Klaus H. Kiefer: »Die famose Hexen-Epoche«. Sichtbares und Unsichtbares in der Aufklärung. Kant – Schiller – Goethe – Swedenborg – Mesmer – Cagliostro. München: Oldenbourg 2004, S.  100–107. Goethe habe wie Schütze einen »ternär« strukturierten Begriff von Komik, der nicht nur Unverstand gegen Verstand setze, sondern auf eine höhere Freiheit ziele. Ebd., S.  107. 38  Vgl. vor allem Stephan Schütze: Zur Charakteristik Goethe’s. In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  1, 2. 1. 1837, S.  1–3; Nr.  2, 3. 1. 1837, S.  5–7; Nr.  3, 5. 1. 1837, S.  10  f. Schütze reflektiert hier zunächst die epistemologischen Schwierigkeiten einer solchen Charakteristik über eine so berühmte Persönlichkeit und rechtfertigt schließlich das Interesse auch an kleinen Details: »[A]n einem großen Manne interessiert auch das geringste, und kein Spott darüber hat noch je diese Neigung vertilgen können, die bei der Betrachtung eines Geistes ohne seinen Zusammenhang mit dem Körperlichen sich nicht beruhigt, und Boden und Ursprung verlangt, aus demselben Grunde, aus welchem der Mensch Gespenster fürchtet.« Ebd., S.  2. 39  Eckermann, Gespräche mit Goethe, S.  176. Schütze hat, als Zeitgenosse und Gesprächspartner Goethes, mehrere kleine Auftritte in Thomas Manns Roman Lotte in Weimar (1939), wobei insbesondere ein Gespräch über die Titel­formulierung »Heitere Stunden« Eingang in den Roman gefunden hat. Vgl. die Erwähnungen Schützes in: Thomas Mann: Große kommentierte Frankfurter Ausgabe. Werke – Briefe – Tagebücher. Hg. v. Heinrich Detering [u. a.]. Bd.  9.1.: Lotte in Weimar. Hg. und textkritisch durchgesehen v. Werner Frizen. Frankfurt a. M.: S.  Fischer 2003, S.  45, 136, 378–381, zu den »Heiteren Stunden« S.  422–424.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

X XIII

sogar den Altmeister nicht, dem er gleichwohl in Ehrfurcht anhing. Durch all’ sein Reden, Gebahren und Thun zog sich ein ironisch-humoristischer Spott, der aber von übler Absicht rein sich zuletzt immer wieder auf die Theorie des Komischen im Leben richtete, und den Umgang mit ihm erheiternd belebte.«40

In einem Brief an Tieck, den Holtei überliefert, und den Schütze ein halbes Jahr vor seinem Tod schrieb, spielt Goethe ebenfalls eine Rolle. Schütze weist Tieck auf seine Erzählung Die beiden Candida­ ten hin, die soeben im Taschenbuch der Liebe und Freundschaft ge­ widmet für das Jahr 1839 erschienen war. Diese Erzählung, die Heinrich Meyer in seinem Buch über Die Kunst des Erzählens mit sicher übertriebener Begeisterung als »das Meisterwerk der Erzählungskunst der klassischen Zeit«41 feiert, sei für Tieck womöglich interessant. Die Erzählung kreist um das Verhältnis von Körper und Geist anlässlich einer zu besetzenden Pfarrerstelle und um einen Baron, der den Geist als Teil des Körpers fasst und die Kandidaten d ­ aher zur Bestimmung ihrer Tauglichkeit auf einer Waage prüft. Über diese Figur des Barons schreibt Schütze nun mit einem Seitenblick auf Goethe an Tieck: »Ich habe ihn zugleich als Repräsentanten des materiellen Princips benutzt und bei Abwägung des geistlichen und leiblichen in Beziehung auf einen Ausschlag ein klein wenig an Goethe gedacht, der, im Leben wenigstens, einer recht tüchtigen bürgerlichen Erscheinung gern den Vorzug gab, und auf Augenblicke sich von ihr bestechen ließ, auch mündlich öfters in Grundsätzen sich dafür aussprach. Es versteht sich, daß ihm dabei das Geistige nicht entging, aber es folgte nicht selten erst um ein Paar Schritte später.«42 40  Karl von Holtei: Briefe an Ludwig Tieck. Ausgewählt und hg. v. Karl von Holtei. Bd.  4. Breslau: Eduard Trewendt 1864, S.  17. 41  Heinrich Meyer: Die Kunst des Erzählens. Bern  /  München: Francke 1972, S.  185. 42  Holtei, Briefe an Tieck, S.  18.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

X XIV

Einführung

So erscheint Goethe gleichsam als Gegenpol zu Hoffmann, mehr auf der Seite der Realität – und letztlich im Ausgleich der Oppositionen. Der Text Die beiden Candidaten endet seinerseits – nach einigen komischen Verwechslungsszenen – mit einer Widerlegung des einseitigen Prinzips des Barons, den Geist bloß als Körper zu wiegen. Schütze als Zeitgenosse Schütze war schließlich, vor allem in seinen letzten beiden Lebensjahrzehnten, in intensiver Weise Zeitgenosse, Beobachter und Kritiker seiner Gegenwart. In vielen Beiträgen zu aktuellen Phänomenen, Strömungen und Moden übte er wortgewaltig und scharfzüngig Kritik an seiner Zeit. So kritisiert er in dem Text Die verirrten deutschen Dichter deren Tendenz, alte und fremde Formen nachzuahmen und aus der eigenen Zeit zu fliehen: »Sonderbar ist es, moderne Poesie mit Verachtung auszusprechen, da eigentlich alle ­Poesie modern seyn, d. h. in ihrer Zeit und Erfahrung und in ihrem vaterländischen Boden wurzeln muß.«43 In seinem Aufsatz Ueber das Melo­drama der Zeit verbindet er Zeitkritik – »Das Melodrama ist in das Leben eingedrungen, ja es hat sich eine Herrschaft über unsere ganze Zeit angemaßt« – mit Medienkritik, indem er die Mechanismen der Aufmerksamkeitserregung analysiert: »– und so ist Aufregung das Ziel der meisten Journale; sie schwimmen mitten in dem Melodrama, das sie verwerfen.«44 Schließlich hat der Komiktheoretiker Schütze auch über den Zusammenhang der komischen Gattung des Lustspiels mit ihrer jeweiligen Zeit – und insbesondere mit seiner eigenen Gegenwart – nachgedacht. In seinem Text Was hat das deut­ sche Lustspiel zu hoffen? fragt Schütze nach den möglichen Quellen für komische Stoffe und plädiert zunächst für den direkten Zugriff 43  Stephan Schütze: Die verirrten deutschen Dichter. In: Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode. Nr.  99, 9. 12. 1825, S.  796–798, hier S.  798. 44  Stephan Schütze: Ueber das Melodrama der Zeit. In: Der Gesellschafter oder Blätter für Geist und Herz. 63. Blatt, 18. 4. 1832, S.  313  f.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

X XV

auf die Erfahrung des Lebens und gegen die bloße zitathafte Reproduktion der Komödien selbst. Allerdings, so Schütze, sei auch der Durchgriff auf die Erfahrung in der jetzigen Zeit längst erschöpft und biete keine ergiebige Quelle neuer komischer Situationen mehr, da die Zeit selbst zur oberflächlichen Scheinhaftigkeit abgesunken sei: »Also das Volk, das zuschauen will, ist eigentlich schuld, daß nichts Neues mehr auf die Bühne kommt. Es soll Stoff hergeben und ist zu feig dazu. Es will lachen, ohne selbst lustig zu seyn.«45 2. Die Grundzüge von Schützes Komiktheorie Schützes Komiktheorie stellt bereits in einer rein quantitativen Per­ spektive eine Besonderheit dar, denn um 1800 finden sich kaum Monographien zur Theorie der Komik. Zwar gibt es bereits umfangreiche Werke, die sich dem Komischen widmen, etwa Karl Friedrich Flögels vierbändige Geschichte der komischen Litteratur (1784–87), doch geht es speziell bei Flögel eher um eine Geschichte, weniger um eine Theorie des Komischen. Das Beispiel Flögels zeigt indes, dass Ende des 18. Jahrhunderts das Nachdenken über das Komische in einen Modus der historischen Selbstreflexion übergeht – und dabei eine ca. 2000jährige Geschichte der komischen Theorie und Praxis aufzuarbeiten hat. Komiktheorien bis 1800 Das abendländische Nachdenken über das Komische erfolgt bis in die Neuzeit vornehmlich im Kontext der Ethik, der Poetik und der Rhetorik.46 Dabei steht das Komische erstens unter dem Ver45  Stephan Schütze: Was hat das deutsche Lustspiel zu hoffen? In: Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode. Nr.  98, 6. 12. 1825, S.  788–790, hier S.  790. 46  Vgl. als Überblick zur Geschichte der Komiktheorie Klaus Schwind: Art. »Komisch«. In: Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden. Hg. v. Karlheinz Barck [u. a.]. Bd.  3. Stuttgart  /  Weimar: Metzler 2001, S.  332–384.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

X XVI

Einführung

dacht einer (religiösen) Amoralität, zweitens wird es vornehmlich mit Blick auf die Darstellungsregularitäten der Komödie diskutiert, drittens stellt sich die Frage, ob und wie sich ein Redner das Komische zu Nutze machen soll. Ab der Frühen Neuzeit ist dann zu erkennen, dass sich die Theorien des Komischen aus diesen Re­ strik­tionen lösen, wobei allerdings die Aspekte der Moralität, Darstellbarkeit und kontextgebundenen Nützlichkeit weiter diskutiert werden, nun jedoch tendenziell unter einer deskriptiven, keiner normativen Perspektive. Zu nennen ist hier Thomas Hobbes’ Mitte des 17. Jahrhunderts vorgetragene Überlegenheitstheorie, die das Lachen an ein Gefühl des Stolzes bindet, das der Lachende beim Anblick des verlachten Objekts empfindet.47 Im 18. Jahrhundert vervielfältigen sich die komiktheoretischen Ansätze, insbesondere in England, wobei – in zweifacher Weise – eine Spannung zwischen Moralphilosophie und Anthropologie zu verzeichnen ist: Zum einen wird versucht, an die Stelle eines amoralischen Verlachens ein moralisches Mitlachen zu setzen. Gelacht wird demnach nicht aufgrund einer hierarchischen Differenz von Verlachtem und Lachendem, sondern im Bewusstsein der geteilten menschlichen Existenz mit all ihren Lastern und Schwächen.48 Zum anderen ist ein Bemühen zu erkennen, die Gründe des Lachens ausgehend von der Beschaffenheit des belachten Gegenstandes präziser zu beschreiben. In diesem Zusammenhang entwickeln Francis Hutcheson und James Beattie – in Ab-

47  Vgl. Thomas Hobbes: Humane Nature, Or the Fundamental Elements of Policy. In: The English Works of Thomas Hobbes of Malmesbury. Hg. v. William Molesworth. Bd.  4. London: John Bohn 1840, S.  1–77, hier S.  46. 48  Vgl. Joseph Addison: Nr.  47, 24. 04. 1711. In: The Spectator. Bd.  1. London: S.  Buckley, J. Tonson 1712, S.  261–266; Gotthold Ephraim Lessing: Hamburgische Dramaturgie [1767]. In: Ders.: Werke und Briefe in 12 Bänden. Hg. v. Wilfried Barner zusammen mit Klaus Bohnen [u. a.]. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1985–2003, Bd.  6, S.  322–324; Karl Heinrich Heydenreich: Grundsätze der Kritik des Lächerlichen mit Hinsicht auf das Lustspiel. Nebst einer Abhandlung über den Scherz und die Grundsätze seiner Beurtheilung. Leipzig: Friedrich August Leupold 1797, ins. S.  85–100.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

X XVII

grenzung zu Hobbes’ Überlegenheitstheorie – ihre Kontrast- bzw. Inkongruenztheorien.49 Eine Kernfrage der komiktheoretischen Überlegungen des 18. Jahrhunderts in Hinsicht auf den Zusammenhang von Moralphilosophie und Anthropologie ist die nach den legitimen Formen des Komischen. Die hierbei vorgenommenen Bestimmungsversuche führen zu einer hierarchischen Ausdifferenzierung von Erscheinungsformen und Gattungen anhand der Kategorien des Hoch- und Niedrigkomischen. Mit dem schwindenden Einfluss von Regelpoetik und Rhetorik rückt außerdem eine Komik der Lebenswelt in den Blick. Damit stellt sich weniger die Frage, wie das Komische in artifiziellen Zusammenhängen hervorzubringen ist, sondern eher, welche Eigen­schaften einen komischen Gegenstand allgemein kennzeichnen, kurz gesagt, was das Komische ist.50 Im Kontext der Anthropologie wird zudem nicht nur die Beschaffenheit des belachten Objekts erkundet, sondern auch die des lachenden Subjekts. Die Befähigung zum Komischen wird dabei auf die Konstitution des Menschen als geistig-körperliches Doppelwesen zurückgeführt. Im Zuge der Er-

49  Vgl. Francis Hutcheson: Reflections upon Laughter [1725]. In: Ders.: Reflections upon Laughter and Remarks upon the Fable of the Bees. Glasgow: R. Urie 1750, S.  5–38; James Beattie: An Essay on Laughter and Ludi­crous Composition. Written in the Year 1764. In: Ders.: Essays. Edinburgh: William Creech; London: E. & C. Dilly 1776, S.  321–486. Ansätze dieser Art, das sei hier vermerkt, stehen noch im Zentrum der aktuellen Komiktheorien des 20. und 21. Jahrhunderts. Vgl. Tom Kindt: Literatur und Komik. Zur Theorie literarischer Komik und zur deutschen Komödie im 18. Jahrhundert. Berlin: Akademie-Verlag 2011, S.  7–158; Ders.: Komik. In: Uwe Wirth (Hg.): Komik. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart: Metzler 2017, S.  2–6. 50  So schließt etwa Cicero die Frage danach, »was es [das Komische] ist«, explizit aus: »[D]iese Frage hat nichts mit unserem Gespräch zu tun, und wenn sie etwas mit ihm zu tun hätte, würde ich mich trotzdem nicht schämen, etwas nicht zu wissen, was nicht einmal die wissen, die es erwarten lassen.« Marcus Tullius Cicero: De Oratore. Über den Redner. Lateinisch /Deutsch. Übers., kommentiert und mit einer Einleitung hg. v. Harald Merklin. Stuttgart: Reclam 1976, S.  359 [2, 235].

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

X XVIII

Einführung

kundung des ›ganzen Menschen‹ erweist sich das Lachen als Vorgang mit einer psychischen und einer physischen Dimension.51 Vor allem für die anthropologische Betrachtung des ­lachenden Subjekts ist die von Alexander Gottlieb Baumgarten Mitte des 18. Jahrhunderts begründete Ästhetik von zentraler Bedeutung.52 Insofern sich die Ästhetik den sinnlichen Erkenntnisvermögen zuwendet, eröffnet sie die Möglichkeit, das Komische als sensualistisches Phänomen auf neue Weise zu perspektivieren. Besonders deutlich zeigt sich der Zusammenhang von Anthropologie und Ästhetik in Verbindung mit einer Begründung des Lachens in Immanuel Kants Kritik der Urteilskraft (1790). Kants Definition, nach der das Lachen ein »Affekt« ist, der »aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts« hervorgeht, findet sich am Ende des Abschnitts zur »Analytik der ästhetischen Urteilskraft«; begründet wird der Mechanismus anthropologisch als psychophysischer Vorgang durch den »Einfluss[] der Vorstellung auf den Körper und dessen Wechselwirkung auf das Gemüt«.53 Allgemein lässt sich feststellen, dass mit der Anthropologie und der Ästhetik die Frage zur Disposition steht, welche Anteile am Lachen dem Psychischen und dem Physiologischen, dem Geist und dem Körper zukommen. Während Kant mit der »zur Gesundheit gereichenden Motion« des Lachens die Seite des Physiologischen betont,54 stellt umgekehrt Karl Heinrich Heydenreich in seinen Grundsätzen der Kritik des Lächerlichen (1797) das Moment der Freiheit und der geistigen Aktivität ins Zen51  Vgl. zur Anthropologie des 18. Jahrhunderts und zum ›ganzen Menschen‹ Hans-Jürgen Schings (Hg.): Der ganze Mensch. Anthropologie und Literatur im 18. Jahrhundert. DFG-Symposion 1992. Stuttgart  /  Weimar: Metzler 1994. 52 Vgl. zum Zusammenhang von Anthropologie und Ästhetik Britta Herrmann: Anthropologie und Ästhetik. Annäherungen aus dem 18. Jahrhundert zur Einleitung. In: Dies. (Hg.): Anthropologie und Ästhetik. Interdisziplinäre Perspektiven. Paderborn: Wilhelm Fink 2019, S.  1–24. 53  Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft [1790]. In: Ders.: Werke in 12 Bänden. Hg. v. Wilhelm Weischedel. Bd.  10. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1977, S.  273 [§ 54]. 54  Ebd., S.  275.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

X XIX

trum. Deshalb betont er gleich zu Beginn seiner Abhandlung, dass er es den »Physiologen« überlässt, »das Körperliche des äussern ­Lachens zu beschreiben«.55 Um 1800 rückt das Komische im Rahmen der klassizistisch-romantischen Ästhetiktheorien in den Kontext der Frage nach dem Schönen. Abermals wird dabei das Komische in verschiedene Erscheinungsformen unterteilt. Die älteren, moralphilosophisch grun­ dier­ ten Unterscheidungen von Verlachen und Mitlachen, Belachens­wertem (dem Komischen, das mit Verachtung und Herabsetzung verbunden ist) und Lächerlichem (dem reinen Komischen) werden in Hinsicht auf das Verhältnis des Komischen zum Schönen neu ausgerichtet.56 Dabei kristallisiert sich die Gegenüberstellung des Lächerlichen und des Komischen als entscheidende Opposition heraus. »Die Theorie des Komischen«, so schreibt Friedrich Bouterwek in seiner Aesthetik (1815, 2. Aufl.), »greift weit über die Grenzen der Aesthetik hinaus«, und zwar »besonders durch falsche Ansichten des Verhältnisses des Komischen zum Lächerlichen«.57 Das Lächerliche versteht Bouterwek als moralische oder gar ontologische Kategorie, denn der »Makel des Lächerlichen haftet immer an dem Gegenstande«. Das Komische falle dagegen insofern in den Bereich der Ästhetik, als diesem ein »besonderer Reiz der Form« zu eigen sei.58 Deshalb müsse dem Komischen eine Zugehörigkeit zum Schönen zugestanden werden – wenn auch nicht in reiner Form, da das Schöne stets durch eine »inner[e] Harmonie« 55  Heydenreich, Grundsätze der Kritik des Lächerlichen, S.  14. 56  Die Unterscheidung zwischen dem Lächerlichen und dem Belachenswerten geht zurück auf die Übersetzung von Henry Homes Elements of Criti­ cism (1762). Vgl. Heinrich Home: Grundsätze der Critik, in drey Theilen. Aus dem Englischen übersetzt. Erster Theil. Leipzig: Dyckische Handlung 1763, S.  415. Im englischen Original wird zwischen einem »risible object« und einem »ridiculous object« unterschieden. Henry Home: Elements of Criticism. Bd.  1. Dublin: Sarah Cotter 1762, S.  203. 57  Friedrich Bouterwek: Aesthetik. Zweite, in den Principien berichtigte und völlig umgearbeitete Ausgabe. Erster Theil. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1815, S.  175  f. 58  Ebd., S.  176.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Einführung

XXX

gekennzeichnet sei, wohingegen im Komischen notwendigerweise ein »versteckter Widerspruch zurückbleibt«, der als solcher »das Lachen erregt«.59 Mit Bouterweks Unterscheidung zwischen dem moralischen Lächerlichen und dem ästhetischen Komischen lassen sich bereits etablierte, mithin aber noch diffuse Unterscheidungen präziser erfassen: Das Lächerliche ist auf Erscheinungsweisen in der Lebenswelt bezogen, dabei kann weiterhin zwischen moralisch legitimen und illegitimen Lachanreizen und Lachreaktionen differenziert werden. Das Komische verfügt dagegen mit dem »besondere[n] Reiz der Form« über eine Artifizialität und ist daher der Kunst zuzuordnen. Auf dieser Grundlage wird vor allem im Kontext der Romantik und des Idealismus das Komische im Kontext einer Phi­ losophie der Kunst diskutiert. Die menschliche Doppelnatur als Voraussetzung des Komischen Die bisherigen Ausführungen haben einige Bestände der Komiktheorie bis in die Zeit um 1800 skizziert, die auch für Schützes Komiktheorie von Bedeutung sind. Schütze kann auf die Systematisierung und Historisierung sowie die Debatten um 1800 bereits zurückgreifen. Neben Flögels Geschichte der komischen Litteratur haben die entsprechenden Artikel zu den Gattungen, Autoren und Erscheinungsformen des Komischen in Johann Georg Sulzers Allgemeiner Theorie der schönen Künste (1771–1774) in Schützes Schriften deutliche Spuren hinterlassen. Will man sich einen Überblick darüber verschaffen, welche Position Schütze im Feld der Ästhetiktheorie zum Komischen besetzt und welche Besonderheiten seine Theorie kennzeichnen, muss man eine doppelte Heterogenität berücksichtigen: Zum einen betrifft das die Heterogentität der komiktheoretischen Ansätze um 1800, die Schütze durch die Zusammenführung aufklärerischer, romantischer und idealistischer Elemente zu seiner Theo­ 59  Ebd., S.  183.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

X X XI

rie amalgiert. Zum anderen hat Schütze seine Komiktheorie nicht in einem einzelnen Text abschließend vorgelegt, sondern diese von seinem ersten Aufsatz Ueber das Komische (1810) bis zu seinem Tod immer weiterentwickelt; dabei überwiegen die theoretischen Kontinuitäten, es sind aber auch Verschiebungen, neue Gegenstandsbereiche und Vertiefungen einzelner Aspekte zu verzeichnen.60 Auch Schützes umfangreichste Darlegung seiner Komiktheorie, der Ver­ such einer Theorie des Komischen (1817), kann als work in progress angesehen werden, da einige Kapitel zuvor bereits in Aufsätzen publi­ziert wurden.61 Die einleitenden Abschnitte des Versuch weisen deutliche Übereinstimmungen zum Aufsatz Ueber das Komische auf, der Schützes Komiktheorie bereits in nuce entfaltet. Dennoch hat Schütze hier im Vergleich zu anderen Aufsätzen, die nahezu wortgleich in den Versuch integriert wurden, stärkere Überarbeitungen vorgenommen. Eine Betrachtung der einleitenden Abschnitte des Versuch vor dem Hintergrund von Ueber das Komische eignet sich daher, die Einsatzpunkte von Schützes Theorie in den Blick zu nehmen. Schütze eröffnet seine Argumentation mit anthropologischen Überlegungen zur Differenz von Mensch und Tier in Hinsicht auf die Befähigung zum Lachen und Weinen. Einerseits geht er von ­einer strikten Differenz aus, da nur dem Menschen die Fähigkeit 60  Zu nennen sind hier zum Beispiel die Bereiche der Musik sowie der tierischen Komik. Vgl. Stephan Schütze: [Rez.] Fra Diavolo oder das Gasthaus in Terracina, komische Oper in drei Acten, von Scribe; Musik von Auber; zur beibehaltenen Musik bearbeitet von Carl Blum. II. Würdigung des Gedichtes. In: Caecilia. Eine Zeitschrift für die musikalische Welt XIII/51 (1831), S.  177– 181; Ders.: Ueber das Komische in der Thierwelt. In: Abendzeitung. Nr.  229, 25. 9. 1820, [o. S.]; Ders.: Dürfen Thiere auf dem Theater erscheinen? In: Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode. Nr.  73, 12. 9. 1826, S.  577–580. Vgl. auch die Anm.  32 u. 140 zu VK sowie zur Musik den vierten Teil dieser Einleitung. 61  Es handelt sich um insgesamt 10 Aufsätze, die Schütze in den Jahren 1811 und 1812 in der Zeitung für die elegante Welt publiziert hat. Die Texte finden sich (zusammen mit der Angabe der entsprechenden Parallelstellen im Versuch) in der Bibliographie zu Schützes komiktheoretischen Schriften.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

X X XII

Einführung

zum Lachen und Weinen zu eigen sei. Andererseits handle es sich jedoch im Vergleich zu »Sprache« und »Kunstvermögen« um anders geartete Differenzkriterien. Während diese sich nämlich allein dem »Daseyn des Verstandes und der Vernunft« verdankten, seien das Lachen und Weinen Ausdrucksformen, die »auf einem dunkeln Gefühle beruhen, das sowohl geistiger als sinnlicher Art ist«. (VK,  5; vgl. UdK, 175–177) Für Schütze liegt somit der Grund des Lachens in der menschlichen Konstitution als homo duplex, das heißt als psychophysisches bzw. geistig-körperliches Doppelwesen, das »halbfestgewurzelt im Boden« zugleich »hinauf verlangt zum Lichte, und auf diese Weise Körper mit Geist, Sinnlichkeit mit Freyheit, das Irdische mit dem Göttlichen verbindet«. (VK, 16; vgl. UdK, 180) Grundsätzlich ist Schützes Explikation des Lachens in der Anthropologie der Aufklärung und der Vorstellung vom ›ganzen Menschen‹ begründet, mit den metaphysisch aufgeladenen Oppositionen, z. B. von Schwere (»Boden«) und Licht, Irdischem und Göttlichen, zeigt sich zugleich die Nähe zu den Denksystemen der Romantik und des Idealismus. In Schützes weiterer Argumentation erweist sich das ›Verwurzelt-Sein‹ im Boden sowie das Streben zum Absoluten nicht nur als Grund für die menschliche Befähigung zum Lachen, sondern auch für seine Prädestination als Objekt des Lächerlichen. Als körperliches und geistiges Wesen vereinigt der Mensch in sich jene Gegensätze, deren Kollision das Komische hervorbringt. Andere Wesen – die leblosen Dinge, die Tiere sowie der körperlose Gott – sind für Schütze keine solchen Schwellenwesen und verfügen deshalb über kein oder (im Fall der Tiere) nur ein geringes Potential zum Komischen (vgl. zu Dingen, Tieren und Gott VK, 25–35).

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

X X XIII

Das Lächerliche, das Komische und die realistische ­Grundlegung des Komischen Ein weiterer zentraler Punkt in den einführenden Abschnitten des Versuch ist die Unterscheidung des Lächerlichen und des Komischen. Anders als im Fall der anthropologischen Überlegungen weichen hier die Ausführungen im Versuch und in Ueber das Komische stärker voneinander ab. Im Aufsatz werden die Begriffe nur knapp mit Blick auf die allgemeine Sprachproblematik bei der Beschreibung komischer Phänomene erwähnt: »Etwas Eigenthümliches ist es, das dem Lachen zum Grunde liegt, wofür die Sprache vergebens Worte sucht. Komisch, lächerlich wiederholt nur das Resultat, die Wirkung des Gegenstandes. Soll der Andere ein Gleiches empfinden, so muss der Lachende wieder die Erscheinung hinstellen, oder sie durch Vorstellungen erregen.« (UdK, 177) Im Versuch thematisiert Schütze ebenfalls diese Sprachproblematik, vor allem aber stellt er nun das Lächerliche und Komische einander gegenüber: »Der komi­ sche Mensch ist etwas anders, als der lächerliche Mensch. In jenem drücken wir ein ästhetisches, in diesem ein moralisches Urtheil (im weitern Sinne) aus.« (VK, 9) Mit dem Komischen und dem Lächerlichen stehen sich also bei Schütze – wie bei Bouterwek – ein ästhetisches und ein moralisches Phänomen gegenüber: Beim Komischen geht es um »Vergnügen«, beim Lächerlichen um »Tadel«; das Komische hat seinen Platz in einem Kunstwerk, das Lächerliche erscheint vornehmlich in der Alltagswelt. (VK, 9) »In einer Kunsttheorie«, so folgert Schütze, »sollte daher eigentlich nur vom Komischen, und nicht vom Lächerlichen die Rede seyn«. (VK, 10) Soweit entspricht die von Schütze vorgenommene Unterscheidung der bei Bouterwek und in anderen zeitgenössischen ästhetischen Schriften.62 Schütze belässt es indes nicht bei dieser klaren 62  Auch in Hegels Vorlesungen über die Ästhetik (gehalten zwischen 1818 und 1829, publ. postum 1835–1838) wird diese Unterscheidung getroffen. Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Ästhetik III. In: Werke in 20 Bänden. Auf der Grundlage der Werke von 1832–1845 neu edierte Aus-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

X X XIV

Einführung

»Grenzbestimmung«, und zwar schon deshalb nicht, weil er in der reinen Begriffsunterscheidung einen »Schlupfwinkel für Sophisterey« vermutet. (VK, 10  f.) Seine Ausführungen zielen deshalb darauf ab, das Lächerliche und das Komische präziser zu bestimmen, um auf diese Weise auch die dichotome Unterscheidung in ein Kontinuum zu überführen. So ist für das Komische das rätselhafte, dunkle Widerspiel zwischen der menschlichen Freiheit und der Natur entscheidend. Zudem ist es »poetisch, d. h. auf das Wesen der Dinge, auf ihren geheimen Sinn und das Verhältniß zum Ganzen gerichtet«, und regt deshalb die »Phantasie« und »Reflexion« des Betrachters an. Allerdings ist es nicht nur in einem »Kunstspiel«, sondern ebenso »in der Welt« anzutreffen. (VK, 10) Das Lächerliche ergibt sich dagegen weniger aus dem Widerspiel von Freiheit und Natur, stattdessen ist es dem (verfehlten) »Willen« oder Verhalten der lächerlichen Person zuzurechnen; ebenso bildet es aber auch – zumindest in der »ursprünglich[en] […] Wortbedeutung« – »die Wurzel und Grundlage des Komischen«. (VK, 8–11) Es ist diese Fundierung des Komischen im Lächerlichen, die Schütze zu dem Ergebnis kommen lässt, dass »recht gut eines für das andere« (VK, 11) gebraucht werden kann. Schütze hat bis in seine letzten Lebensjahre an der Unterscheidung des Lächerlichen und Komischen gearbeitet. Noch in seinem Aufsatz Ueber das Verhältniß des Lächerlichen zum Komischen von 1834 widmet er sich dieser Thematik, wobei er die Gedanken aus dem Versuch fortführt, vertieft und durch eine Vielzahl von Beispielen erläutert.63 Dass er im Versuch das Lächerliche und Komische zunächst unterscheidet und schließlich doch beide als synonyme Begriffe ausweist, ist insofern wichtig, als seine Theorie auf diese Weise das gesamte Feld des Komischen zu ihrem Gegenstand ergabe. Redaktion Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel. Bd.  15. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1986, S.  527  f. 63  Als Überblick zu den Texten, in denen Schütze sich mit dieser Unterscheidung befasst, siehe die Einleitung zum Aufsatz Ueber das Verhältniß des Lächerlichen zum Komischen in diesem Band (S.  185).

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

X X XV

klärt – Schützes Texte entwerfen eine allgemeine Theorie und keine reine Kunsttheorie des Komischen. Dies führt auch dazu, dass im Versuch zunächst in den ersten Kapiteln eine Grundstruktur komischer Phänomene entworfen wird (vgl. die Kap.  1–4 im Theorieteil des Versuch) und anschließend in den späteren Kapiteln die verschiedenen Erscheinungsformen, Gattungen und Darstellungsweisen des Komischen einer genaueren Prüfung unterzogen werden (Kap. 6–10 im Theorieteil). Deutlich ist dabei zu erkennen, dass Schütze dies auf der Grundlage einer intensiven Auseinandersetzung sowohl mit den Komiktheorien als auch der komischen Literatur seiner Zeit vornimmt, wobei die Bestände an Begriffen, Gattungen und Formen jeweils in die Gesamtargumentation des Versuch eingebunden werden. Der Versuch erweist sich in diesen Passagen als Theorie, die zugleich ein – durchaus eigenwilliges – Lexikon des Komischen mit sich führt. Auf einer Ebene mit der Reflexion und Kritik der Bestände des Komischen liegen die Textpassagen, in denen Schütze sich dem »[b] is­herige[n] Gang bey den Untersuchungen über das Lächerliche« (VK, 11) widmet. Seine Beschreibungen, die er sowohl im Ver­ such als auch in Ueber das Komische vornimmt, entsprechen in vieler Hinsicht den noch heute in der Komikforschung vorgenommenen Einteilungen. So unterscheidet er zwischen Theorien, die (1) von der »Beschaffenheit des lächerlichen Gegenstandes« ausgehen, die (2) »die Veränderungen im Menschen beim Lachen beobachte[n]« und die (3) beides miteinander verbinden.64 (VK, 12) In einem weiteren Schritt konkretisiert Schütze diese Einteilung, wobei er nun Entlastungs-, Kontrast- und Unsinnstheorien anführt: Für die Entlastungstheorie wird Kants Definition der »plötzliche[n] Auflösung der gespannten Erwartung in Nichts« und damit die Ausrichtung auf das lachende Subjekt genannt; die Kontrasttheorien, die das Lächerliche auf »Abweichungen vom Gewöhnlichen« zurückführen, wer64  In der aktuellen Komikforschung wird analog zu Schützes Aufteilung zwischen stimulus-, response- und whole process-Modellen unterschieden. Vgl. hierzu als Überblick Kindt, Komik, S.  4.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

X X XVI

Einführung

den dem lächerlichen Gegenstand zugeordnet; die Unsinnstheorien, die auch mit einem »angeschaute[n] Unverstand« zusammenhängen, verknüpfen Betrachter und Gegenstand. (VK, 13; vgl. UdK, 178) In späteren Kapiteln des Versuch werden die verschiedenen Ansätze genauer erläutert. Schütze führt hier mit Blick auf die Kon­trast­ theorien eine Vielzahl konkreter Positionen an (vgl. VK, 59). Zudem ergänzt er die drei Ansätze um zwei weitere – einen, der das Komische auf den »Untergang des Idealen im Realen« (VK, 67) zurückführt, und einen, der es »in eine Umkehrung oder auch in eine Ver­ nichtung der Welt setzt« (VK, 69). Beide neu hinzugefügten Ansätze klingen allerdings schon in der Einleitung an, wenn Schütze auf solche Positionen zu sprechen kommt, die das Komische auf »etwas Allgemeineres und Höheres«, eine »Idee« bezogen haben. (VK,  13) Schütze wendet gegen diese Positionen ein, dass sie »die wirkliche Beschaffenheit der objectiven Welt und das Vorhandenseyn des Komischen in den Erscheinungen« aus dem Blick verlieren und »nur subjectiv von der Vorstellung und dem Schaffen des Dichters aus[gehen]«. (VK, 14  f.) Es zeichnen sich hier nicht nur die Konturen von Schützes Verständnis des Komischen, sondern auch der Dichtung ab. »Poesie« ist für Schütze kein Produkt dichterischer Willkür, vielmehr müsse sie, auch in der »komische[n] Gattung«, eine »Darstellung der Natur« sein. (VK, 15) Auf den ersten Blick handelt es sich bei dieser Formulierung um ein Mimesis-Postulat, das um 1800 eigentlich als überholt zu gelten hat. Indem Schütze dieses Postulat aber zur Kritik der zeitgenössischen Komiktheorien verwendet, wird es aktualisiert und führt in Schützes Argumentation zu einer realistischen Grundlegung des Komischen. So bestehe die Aufgabe des Dichters darin, dass er mit seinem »tiefere[n], schärfere[n] Blick« das in den Strukturen der Welt angelegte Komische »entdeckt«. (VK, 15) Nicht das Subjekt und seine Phantasie, sondern die Welt ist die primäre Quelle des Komischen – es wird eher gefunden als erfunden.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

X X XVII

Subjektive und objektive Bestandteile des Komischen Auf der Grundlage der Kritik vorliegender Komiktheorien definiert Schütze zu Beginn des Theorieteils im Versuch das Komische folgendermaßen: Das Komische ist eine Wahrnehmung oder Vorstellung, welche nach Augen­blicken das dunkele Gefühl erregt, daß die Natur mit dem Men­ schen, während er frey zu handeln glaubt oder strebt, ein heiteres Spiel treibt, wodurch die beschränkte Freyheit des Menschen in Beziehung auf eine höhere verspottet wird. (VK, 17; vgl. auch UdK, 180)

Diese Definition, so Schütze, gilt »im Leben so wohl als in der Kunst« (VK, 17). Das Komische ergibt sich aus der »Wahrnehmung« des Menschen in seiner Doppelnatur – er wähnt sich frei, wird aber zum Spielball der Natur. Einerseits ist dieser Vorgang eine Bloßstellung des Menschen, da er in seinem Anspruch auf Freiheit scheitern muss. Andererseits scheint dabei etwas ›Höheres‹ auf, eine Freiheit jenseits der menschlichen Beschränkungen, deren Subjekt eine spielende Natur ist. In den folgenden Kapiteln, die den Kern seiner Komiktheorie bilden, legt Schütze die »Hauptbestandtheile« (VK, 24) des Komischen dar. Er unterscheidet zunächst zwischen subjektiven und objektiven Faktoren des Komischen. Erstere liegen »in der Beschaffenheit des Menschen« und machen das Komische »möglich«, zweitere liegen »in der Beschaffenheit der Welt« und machen es »wirklich«. (VK,  24) Irritierend ist, dass Schütze die subjektiven Faktoren nochmals unterteilt in die »handelnden Gegensätze« der »Freyheit des Menschen« auf der einen, der »Natur« auf der anderen Seite. (VK,  24) Die Opposition der subjektiven und objektiven Faktoren wiederholt sich also innerhalb der subjektiven Faktoren. In Ueber das Komische findet sich diese weitere Unterscheidungsebene noch nicht. Für die Seite der menschlichen Freiheit nennt Schütze den »Ver­ stand«, »äußere Bewerkstelligung« (Dinge, Mittel und Kräfte) und

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

X X XVIII

Einführung

»[l]ei­tende Ideen«. (VK, 24  f.) All diese Aspekte ermöglichen dem Menschen ein freies Handeln: Der Verstand entwirft Vorgehensweisen, die Bewerkstelligungsmittel dienen der praktischen Umsetzung, die leitenden Ideen geben die Ziele des Handelns vor. Zugleich aber weisen all diese Aspekte Möglichkeiten des Komischen auf: Der Verstand kann sich irren, die Bewerkstelligungsmittel können eine Widerständigkeit aufweisen und sich der menschlichen Herrschaft entziehen, die Ziele können durchkreuzt werden oder falsch gesetzt sein (vgl. VK, 25–46). Die menschliche Freiheit erweist sich also als beschränkt, sie ist stets mit einer »handelnde[n] Gegenwirkung« konfrontiert, die Schütze unter dem Begriff der »Natur« fasst. (VK, 46) Natur ist für Schütze keine passive, leblose Materie, stattdessen ist sie zwar durch Gesetze festgelegt, verfügt aber auch über eigene Spielräume. Schützes Beispiel ist in diesem Zusammenhang das Kartenspiel, in dem sich Regel und Zufall verbinden (vgl. VK, 49). Insofern es so wirkt, als würde in der Natur eine »höher waltende Kraft« wirksam sein, liegt es für Schütze nahe, von einem »Naturgeist, Weltgeist oder Gott« zu sprechen (VK, 46). Die Natur erscheint dem Menschen »bald als höher[er] Wille[], bald als eine körperliche Beschränkung« (VK, 50); sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie »mithandelt und überall die Hand mit im Spiel hat« (VK, 47). Es ist die Mischung aus Kontrolle und Kontrollverlust, bestimmendem Gesetz und unbestimmtem Zufall, die für Schütze die Bedingung der Möglichkeit des Komischen bildet, denn im Fall totaler Bestimmtheit würden alle Prozesse regelhaft ablaufen, es gäbe keine Irrtümer und Fehlgriffe; im Fall totaler Unbestimmtheit würde hingegen ein ordnender Rahmen fehlen, alle Zielsetzungen wären grundsätzlich vergeblich (vgl. VK, 47–49). Es stellt sich nun die Frage, was Schütze unter der »[o]bjective[n] Begründung« (VK, 52) des Komischen versteht, da mit dem Wechselspiel von Mensch und Natur bereits der Kern seiner Komiktheorie auf der Ebene der subjektiven Begründung dargelegt wurde. Der Unterschied liegt indes darin, dass im Fall der subjektiven Begründung das Komische auf ein Handeln und Tun, im Fall der objekti-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

X X XIX

ven Begründung auf ein Sein bezogen wird. Deshalb benennt die subjektive Begründung die Möglichkeit, die objektive Begründung die Wirklichkeit des Komischen. Jene könnte der Mensch bei »gehöriger Behutsamkeit« noch vermeiden, diese aber sei »unumgänglich«, denn sie ergebe sich aus der Struktur der Welt selbst. (VK,  52) So ist der Mensch über das »Vorhandenseyn einer Körperwelt« und »die Einkörperung des Geistes« untrennbar mit seiner Umwelt verbunden. Dabei sind es zwei Aspekte, die den Menschen »zur Lächerlichkeit zwingen: erstlich die Zusammenfügung aus Theilen, und zweytens die Richtung und das Streben nach Einheit und Ganzheit.« (VK,  52) Der Mensch ist also ein Teil der Welt, zugleich strebt er aber danach, sich selbst (oder einen Teil von sich) zu verabsolutieren. Auf diese Weise kommt es auf allen Ebenen zu Kollisionen »zwischen Persönlichkeit und Allgemeinheit, zwischen dem Individuellen und dem Generellen«. (VK, 53) Immer ist es ein Teil, der einen Anspruch auf das Ganze erhebt, ohne dieses erreichen zu können. Schützes Beispiele sind das Individuum, das seine Persönlichkeit nur nach einer Seite ausbildet (einer Leidenschaft, einem Beruf, einer sozialen Stellung), sowie Institutionen wie Kirche und Schule, die sich als autonome Systeme absolut setzen. In beiden Fällen führt das Streben nach Ganzheit zu disharmonischen und disproportionalen Vereinseitigungen. Für Schütze ist daher die Existenz des Menschen grundsätzlich eine komische.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

XL

Einführung

3. Schützes Komiktheorie im Kontext von Romantik und Idealismus Forschungspositionen zum komiktheoretischen Feld um 1800 Niklas Hebing hat Schütze als »Schelling-Schüler«65 bezeichnet, an dem sich als einem exemplarischen Vertreter seiner Zeit die Differenz zu Hegels Komiktheorie aufzeigen lasse: Schützes Bestimmung des Komischen – vor allem die »Bewusstlosigkeit, Unfreiheit und Ohnmacht des Subjekts vor der Natur« – mache deutlich, »wie grundsätzlich sich der Hegelsche und die hegelianischen Ansätze von anderen Theorien des Komischen ihrer Zeit unterscheiden«, da diese das Komische »als Ausdruck einer in sich vertieften und sich über sich selbst bewusst werdenden Subjektivität« verstehen, »die frei über den Stoff herrscht und diese Freiheit lachend genießt«.66 Zu einem anderen Befund kommt Klaus Schwind, der auf Schützes Orientierung an »Aufklärung und Romantik« hinweist und feststellt, dass Schütze seine Theorie ohne Ausrichtung an einer »romantischen Subjektivität« entwirft, die in anderen zeitgenössischen Posi­tionen vorherrschend ist.67 Hier ist Schütze also kein exemplarischer Vertreter der zeitgenössischen Theorien, sondern deren Opponent. Zieht man noch zwei weitere, etwas ältere Forschungspositionen heran, wird das Verhältnis Schützes zu den romantischen und idealistischen Theorien kaum klarer. So erkennt Karl S.  Guthke in Schützes Definition des Komischen paradoxerweise die »Formel der

65  Niklas Hebing: Hegels Ästhetik des Komischen. Hamburg: Meiner 2015, S.  121. 66  Niklas Hebing: Hegel, Vischer, Rosenkranz – Über das Komische in der Ästhetik. In: Andreas Arndt, Günter Kruck, Jure Zovko (Hg.): Gebrochene Schönheit. Hegels Ästhetik – Kontexte und Rezeptionen. Berlin  /  Boston: De Gruyter 2014, S.  120–143, hier S.  120. 67  Schwind, [Art.] »Komisch«, S.  364 u. 366.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

XLI

Seinsverhältnisse im Tragischen, nicht im Komischen«.68 Dies wiederum weise eine Nähe zu Schelling auf, der in seiner 1802/1803 gehaltenen Vorlesung zur Philosophie der Kunst (publ. postum 1859) das, »was sich bei Schütze andeutete« – die Annäherung von Tragik und Komik –, mit »eindruckvollster begrifflicher Schärfe« erfasst habe.69 Klingt es zunächst so, als würde Guthke Schütze mit seiner Theorie des Tragikomischen eine singuläre Stellung neben Schelling zuweisen, zielen seine weiteren Ausführungen darauf ab, gerade in dieser Hinsicht eine Familienähnlichkeit zwischen sämtlichen zeitgenössischen Theorien festzustellen.70 Zu einer nochmals anderen Anordnung kommt Walter Hinck. Für ihn sind die »[i]dealistische Philosophie und die romantische Ästhetik« dadurch gekennzeichnet, dass sie »die Theorie des Komischen in die Bahnen der Spekulation und metaphysischer Weltdeutung [bringen]. […] Komik wird verstanden als entfesselte Subjektivität: subjektive Freiheit und Willkür sind das Prinzip der Komödie (A. W. Schlegel, Friedr. Ast, Hegel)«.71 Schütze wird von Hinck an dieser Stelle nicht erwähnt, erst an einer späteren Stelle verweist er, wie auch Schwind, auf Ähnlichkeiten zwischen Schützes Versuch und Henri Bergsons Le rire (1900).72 Die genannten Forschungsbeiträge zur Komiktheorie um 1800 sind bereits als Ausnahmen zu verstehen, da sie neben den insgesamt stark rezipierten Autoren (z. B. die Brüder Schlegel, Schelling, Hegel) überhaupt auf Schütze eingehen. Die Verwandtschaftsverhältnisse im Feld der Komiktheorie um 1800 stellen sich noch einmal anders dar, wenn man auf die Sortierungen blickt, die in den 68  Karl S.  Guthke: Geschichte und Poetik der deutschen Tragikomödie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1961, S.  155. 69  Ebd., S.  158  f. 70  Vgl. ebd., S.  161–163. 71  Walter Hinck: Einführung in die Theorie des Komischen und der Komödie. In: Ders. (Hg.): Die deutsche Komödie. Vom Mittelalter bis zur Gegen­ wart. Düsseldorf: August Bagel 1977, S.  11–31, hier S.  16. 72  Vgl. ebd., S.  21, sowie Schwind, Art. »Komisch«, S.  367. Zum Verhältnis von Schütze und Bergson vgl. ausführlich den vierten Teil dieser Einleitung.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

XLII

Einführung

zeitgenössischen Theorien selbst vorgenommen werden. Hierzu heißt es in der zweiten Auflage von Jean Pauls Vorschule der Ästhe­ tik (1813): Die neuere Schlegel-Schelling-Astische Definition des Komischen, daß dasselbe, z. B. die Komödie, »die Darstellung der idealen unendlichen Freiheit, also des negativen unendlichen Lebens oder der unendlichen Bestimmbarkeit und Willkür sei«, lass’ ich hier sich mit der allerneuesten, aber für den Künstler mehr brauchbaren von St.  Schütz [sic] herumschlagen, welche das Komische für die Anschauung des Zwiespalts und des Siegs zwischen Notwendigkeit und Freiheit erklärt. Auch diesem Siege, welcher oft in Krankheit, Ohnmacht, unverschuldeter ­Armut, ehrenvollem Erliegen unter Überzahl ohne die Wirkung des Komischen erscheint, muß erst seine komische Kraft durch anschließende Merkmale zugesichert werden.73

Nach Jean Pauls Sortierung ist Schütze weder ein exemplarischer Vertreter seiner Zeit noch ein Schelling-Schüler, vielmehr steht seine Theorie den »neuere[n]« Ansätzen von A. W. Schlegel, Schelling und Ast als die »allerneueste[]« gegenüber. Dabei sei Schützes Theorie mit dem Konflikt zwischen Notwendigkeit und Freiheit einerseits »brauchbare[r]« als die anderen Theorien, die von der romantischen Denkfigur der subjektiven Willkür ausgingen. Andererseits liefere Schütze aber keine exakte Definition des Komischen, da der genannte Konflikt auch in ernsten Fällen greife.

73 Jean Paul: Vorschule der Ästhetik [1804/1813]. In: Ders.: Sämtliche Werke. 10 Bde. Abt. I. Hg. v. Norbert Miller. Bd.  5. Darmstadt. Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2000, S.  13–514, hier S.  104. In der ersten Fassung von 1804 findet sich diese Passage noch nicht. Das eingeschobene Zitat stammt von Friedrich Ast. Vgl. Ders.: System der Kunstlehre oder Lehr- und Handbuch der Aesthetik zu Vorlesungen und zum Privatgebrauche. Leipzig: J. C. Hinrichs 1805, S.  232.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

XLIII

Theorien der subjektiven Willkür und der Vernichtung (Brüder Schlegel, Friedrich Ast, Adam Müller, G. W. F. Hegel) Wenn Jean Paul mit Blick auf die »neuere […] Definition« des Komischen Schlegel nennt, so bezieht er sich vermutlich auf die Vor­ lesungen August Wilhelm Schlegels. Allerdings finden sich auch bei dessen Bruder Friedrich Schlegel Überlegungen zum Komischen und zur Komödie, etwa im Aufsatz Vom ästhetischen Werte der grie­ chischen Komödie (1794), in dem er sich der »schöne[n] Komödie« widmet, die reine »Freude«, »Lebenskraft« und »heilige[] Begeisterung« hervorbringe.74 Eine solche Komödie sei aber geknüpft an eine republikanische Staatsform, wie sie im antiken Griechenland vorgelegen habe.75 Daher finde man sie allein in den Komödien des Aristophanes – und selbst bei diesem müsste man bereits Verfalls­ erscheinungen (durch Derbheit und Personensatire) verzeichnen.76 Den Vorwurf allerdings, dass Aristophanes mit der »Parekbase« die poetische »Täuschung« unterbreche, weist F. Schlegel zurück: »Die höchste Regsamkeit des Lebens muß wirken, muß zerstören; findet sie nichts mehr außer sich, so wendet sie sich auf einen geliebten Gegenstand, auf sich selbst, ihr eigen Werk; sie verletzt dann, um zu reizen, ohne zu zerstören.«77 A. W. Schlegel betont ebenfalls den Zusammenhang von ästhetischer Form und politischem Kontext. Die echte Komödie sei demo74  Friedrich Schlegel: Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie [1794]. In: Ders.: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Hg. v. Ernst Behler unter Mitarbeit von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner. I.  Abt. Bd.  1: Studien des Klassischen Altertums. Eingeleitet und hg. v. Ernst Behler. Paderborn [u. a.]: Ferdinand Schöningh 1979, S.  19–33, hier S.  19–21. 75  Vgl. ebd., S.  23. 76  Vgl. ebd., S.  25–29. Vgl. als Überblick zur romantischen Aristophanes-­ Rezeption Stephan Kraft: Zum Ende der Komödie. Eine Theoriegeschichte des Happyends. Göttingen: Wallstein 2011, S.  181–247. 77  Schlegel, Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie, S.  30. Dass F. Schlegel am Ende des Zitats die Zerstörung des Werks zurücknimmt, hängt damit zusammen, dass er die Zerstörung der Form selbst wiederum als eine Form ansieht.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

XLIV

Einführung

kratisch, mit dem Verlust politischer Freiheit komme es aber in der ›Neuen Komödie‹ (Menander, Plautus, Terenz) zu einer Zähmung. Die Komödie stelle nun das »häusliche Leben« dar und weise ernste Züge auf.78 Bei Aristophanes könne man hingegen noch die »[r] eine Komödie« beobachten. Diese sei durch den »Scherz« und die strikte Opposition zum »Ernst« geprägt, sie kenne »keinen Zweck, keine Konsequenz« und idealisiere ins »Häßliche und Schlechte«.79 Zudem herrsche »eine absolute Willkür«, und zwar nicht nur im »Dargestellte[n]«, sondern auch in der »Form der Darstellung«. Um die Form scherzhaft werden zu lassen, müsse der Dichter »den Eindruck durch Einmischung aller Art selbst mutwillig […] zerstören«, er »übertritt das Gesetz aller dramatischen Darstellung durch Rücksicht auf die Zuschauer, und keckes Hervortreten seiner eignen ­Person«.80 Ähnliche Überlegungen wie A. W. Schlegel formuliert der ebenfalls von Jean Paul genannte Friedrich Ast, der selbst an Schlegels Jenaer Vorlesungen teilgenommen hat. In seinem System der Kunst­ lehre (1805) entwickelt er eine metaphysisch aufgeladene Kunsttheorie. Wie die Religion und die Philosophie gehe die Kunst auf das Absolute, allerdings tue sie dies, anders als die Philosophie, die nach dem reinen Erkennen des Absoluten strebe, mittels Versinnbildlichung und Symbolisierung.81 Auf diese Weise lasse die Kunst das Unendliche im Endlichen »erscheinen«.82 Im Fall der Komödie zeige sich die Ausrichtung auf das Absolute dadurch, dass der »Ko78  Vgl. August Wilhelm Schlegel: Vorlesungen über die philosophische Kunstlehre [Jena 1798–1799]. In: Ders: Kritische Ausgabe der Vorlesungen. Begründet von Ernst Behler, in Zusammenarbeit mit Frank Jolles. Bd.  1: Vorlesungen über Ästhetik I [1798–1803]. Mit Kommentar und Nachwort hg. v. Ernst Behler. Paderborn [u. a.]: Ferdinand Schöningh 1989, S.  3–177, hier S.  97  f. Wir orientieren uns im Folgenden an dieser frühen Vorlesung, hingewiesen sei darauf, dass A. W. Schlegel auch in späteren Vorlesungen ähnliche Überlegungen entwickelt und mithin ausführlicher beschrieben hat. 79  Ebd., S.  93  f. 80  Ebd., S.  94  f. 81  Vgl. Ast, System der Kunstlehre, S.  1–11. 82  Ebd., S.  26.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

XLV

miker […] die Welt [vernichtet], indem er sie aller Nothwendigkeit und Vernunftmäßigkeit entfesselt, um sie zum Spiegel seiner eigenen Freyheit und Willkühr zu machen«.83 Von den »grossen, allgemeinen Formen« müsse sich der Komiker fernhalten, stattdessen suche er »das Zufälligste und Individuellste«, denn das »Wesen der Komödie ist die Carrikatur«.84 All diese Überlegungen entsprechen den Ausführungen A. W. Schlegels. Das gilt auch für die Betonung, dass sich die Zerstörung nicht nur auf Ebene des Inhalts, sondern auch der Form niederschlagen soll,85 sowie die Orientierung an der attischen Komödie.86 Der Fokus der Komiktheorie auf subjektive Willkür und Vernichtung aller Zwecke findet sich noch in weiteren zeitgenössischen Theorien. Zu nennen ist hier zum einen Adam Müllers Aufsatz Ironie, Lustspiel, Aristophanes (1808). Müller entwickelt seine Gedanken wiederum ausgehend von Aristophanes sowie in Auseinandersetzung mit dem Begriff der Ironie, für den er als »deutsche Übersetzung« vorschlägt: »Offenbarung der Freiheit des Künstlers oder des Menschen.«87 Abermals klingt hier die subjektive Willkür an, die Müller zudem mit einer metaphysischen Überhöhung des Komischen verknüpft, z. B. wenn es in seinen Vorlesungen über die deut­ sche Wissenschaft und Literatur (1806) heißt, dass die »Willkür […] sich in der echten Komödie zur göttlichen Idee der Freiheit [reinigt]«.88 Zum anderen steht auch Hegels Komiktheorie in Hinsicht auf den Konnex von Freiheit und Subjektivität mit den Positionen 83  Ebd., S.  235. 84  Ebd., S.  238. 85  Vgl. ebd., S.  240. 86  Vgl. ebd., S.  243. Ast beschreibt hier auch den Untergang der »wahrhafte[n] Komödie«. Das »moderne Lustspiel« sei hingegen auf die »Beschränktheit des häuslichen und sittlichen Lebens« ausgerichtet. 87  Adam Müller: Ironie, Lustspiel, Aristophanes [1808]. In: Ders.: Kritische, ästhetische und philosophische Schriften I. Kritische Ausgabe. Hg. v. Walter Schroeder und Werner Siebert. Neuwied  /  Berlin: Luchterhand 1967, S.  233–248, hier S.  234. 88  Adam Müller: Vorlesungen über die deutsche Wissenschaft und Literatur [1806]. In: Ders.: Kritische, ästhetische und philosophische Schriften I.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

XLVI

Einführung

von A. W. Schlegel und Ast in Verbindung. Entscheidend ist an ­Hegels Ausführungen in den Vorlesungen über die Ästhetik (gehalten zwischen 1818 und 1829, publ. postum 1835–1838), dass er die Erscheinungen des Komischen – sei es der epische Humor oder die Komödie – als Ausdruck »der frei in sich selbst sich geistig bewegenden absoluten Subjektivität, die, in sich befriedigt, sich nicht mehr mit dem Objektiven und Besonderen einigt«, mit einer »Auflösung der Kunst überhaupt« in Verbindung bringt.89 Der »Zweck aller Kunst« ist für Hegel »die durch den Geist hervorgebrachte Identität, in welcher das Ewige, Göttliche, an und für sich Wahre in realer Erscheinung und Gestalt […] geoffenbart wird«. Diese »Einheit« komme jedoch in der Komödie »nur in ihrer Selbstzerstörung« zur Darstellung.90 Der höchste Ausdruck einer freien, sich selbst gewissen Subjektivität geht daher mit dem Ende der Kunst einher.91 Keiner der genannten Theoretiker wird von Schütze namentlich erwähnt. Recht eindeutig lässt sich sagen, dass er die Positionen, die das Komische über Scherz, Willkür und die Vernichtung aller ernsthaften Zwecke konzipieren, als Theorien des »Unsinn[s]« versteht, für die drei Aspekte kennzeichnend seien: Erstens gehen sie »nur subjectiv von der Vorstellung und dem Schaffen des Dichters« aus, dem sie »ein weites Feld, ein Spiel des unendlichen Ueber­ muths« einräumen (VK, 14  f.). Zweitens sind sie auf etwas »Höheres«, eine »Idee« ausgerichtet (VK, 13). Deutlich wird dies an den Kritische Ausgabe. Hg. v. Walter Schroeder und Werner Siebert. Neuwied  / Berlin: Luchterhand 1967, S.  11–138, hier S.  130. 89  Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik III, S.  572. 90  Ebd., S.  572  f. 91  Vgl. zum Zusammenhang von Komik und Humor mit dem Ende der Kunst Hebing, Hegel, Vischer, Rosenkranz, S.  127–132. Vgl. auch Werner Hamacher: (Das Ende der Kunst mit der Maske). In: Karl Heinz Bohrer (Hg.): Sprachen der Ironie – Sprachen des Ernstes. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2000, S.  121–155, der zeigt, dass die Verknüpfung mit dem Ende der Kunst einer – u. a. gegen F. Schlegel gerichteten – Strategie folgt, das Komische und dessen Derivationen (die Komödie, den Witz, die Ironie) zu begrenzen. Vgl. außerdem Eva Geulen: Das Ende der Kunst. Lesarten eines Gerüchts nach Hegel. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2002, S.  36–60.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

XLVII

geschichtsphilosophischen Spekulationen, die das Komische mit der poli­tischen Freiheit oder dem Ende der Kunst verbinden, sowie der Kunstmetaphysik, die alle Kunst, auch die komische, auf das Absolute bezieht. Drittens sind diese Theorien durch ein Denken in »Gegensätze[n]« (VK, 14) geprägt. Das Komische wird dem Ernst, dem Erhabenen, dem Tragischen und dem Schönen gegenübergestellt; dabei werden strikte Dichotomien formuliert, um so ›reine‹ Erscheinungsformen der ästhetischen Phänomene zu erhalten. Schütze kritisiert die Unsinnstheorien in Hinsicht auf alle drei der genannten Merkmale. Die Ausrichtung auf die subjektive Willkür des Dichters als dem Garanten des Komischen lässt er insofern nicht gelten, als für ihn das Komische, wie bereits dargelegt, eher eine Entdeckung als eine Erfindung ist. Einerseits muss dies zwangsläufig mit einer Limitierung dichterischer Freiheit und Phantasie verbunden sein – die absolute Freiheit des dichterischen Subjekts, die A. W. Schlegel und Ast mit dem Komischen verbinden, gibt es für Schütze nicht. Andererseits weist Schütze aber keineswegs die Idee einer absoluten Freiheit grundsätzlich zurück, er verschiebt diese jedoch in die »Zusammenfügung der Welt und des Menschen« (VK,  70). Das wiederum heißt, dass es ihm nicht um eine Subtraktion geht – die menschliche Freiheit minus die Beschränkungen der Körperwelt –, im Gegenteil basiert Schützes Theorie auf der Summe aller Freiheits- und Handlungspotentiale, die eben nicht auf den Menschen beschränkt sind, sondern im »Spiel und Widerspiel« (VK, 49) auch anderen Lebewesen und Dingen zukommen. Schütze gelangt hier nicht nur zu einer Revision des Freiheits- und Handlungsbegriffs, sondern auch des Lebensbegriffs. Das »Todte« liege »nur in so fern außer dem Kreise des Lächerlichen als es nicht handelnd und mit Verstand begabt erscheinen kann […]«. Bei einer »höhere[n] Ansicht« gebe es hingegen »kein todtes Seyn, sondern dieses wird als Theil und Mittel von etwas Lebendigem und Handelndem betrachtet, und kann daher mit in Verbindung gestellt werden«.92 92  Zu Schützes Lebensbegriff vgl. den vierten Abschnitt dieser Einleitung sowie die Anm.  97 zu VK.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

XLVIII

Einführung

(VK, 26) Schütze, das wird an dieser Stelle deutlich, denkt nicht in starren onto­logischen Gegensätzen, sondern in Konstellationen und Relationen. Aus diesem Grund kann er auch sagen, dass die »abso­ lute Freyheit« nur in der »Ganzheit der Welt« existiert (VK, 53). Der Mensch wiederum strebt zwar nach dieser Ganzheit, er kann sie aber niemals erreichen und wird so zu einer komischen Figur. Mit den Überlegungen zur absoluten Freiheit ist auch Schützes Komiktheorie eine metaphysische Spekulation eingeschrieben. Diese ist jedoch eher naturphilosophisch und weniger geschichtsund kunstphilosophisch grundiert. Schützes demgegenüber pragmatische Haltung zeigt sich daran, dass er die komische Literatur nicht auf ihre philosophischen und politischen Gehalte befragt, stattdessen bezieht er sich auf verschiedene Komödien sowie auf epische und lyrische Texte, um diese als praktische Belege für seine Theorie zu nutzen. Zwar greift er dabei ebenfalls auf einen eingespielten Kanon an Autoren zurück – Aristophanes, Shakespeare, Cervantes, Molière u. a.–, ebenso werden aber unbekanntere und vor allem auch zeitgenössische Texte berücksichtigt, neben August von Kotze­ bue, Jean Paul und Ludwig Tieck etwa Friedrich Ludwig Schröder, Friedrich Wilhelm Gotter und Friedrich Wilhelm Ziegler. Des Weiteren wird Schützes pragmatische Ausrichtung im Schlussteil des Versuch deutlich, wo für den Lustspieldichter, den Schauspieler und den Zuschauer allgemeine Folgerungen und Regeln für die Produktion, Darstellung und Rezeption komischer Phänomene formuliert werden (vgl. Kap. 11). Schließlich hängt Schützes Pragmatik auch mit seinem Kunst- und Poesieverständnis zusammen. Während es in Asts Kunstlehre bereits im ersten Satz heißt, dass die »Kunst […] die Anschauung und Darstellung der absoluten Harmonie des Unendlichen und Endlichen [ist]«,93 stellt umgekehrt Schütze fest, dass »weder die völlige Negation, noch das völlig Absolute jemals das Ziel und Vorhaben der Kunst seyn [kann], weil diese es mit wirklicher Darstellung (nicht mit dem blos philosophischen Denken) zu thun hat«. (VK, 150) Da die Kunst nie alles zeigen kann und immer ­etwas 93  Ast, System der Kunstlehre, S.  1.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

XLIX

darstellen muss, sind für Schütze Begriffe wie das »All« und das »Nichts« grundsätzlich »nur relativ« zu verstehen (VK, 151). Mit dem Fokus auf eine realistische und pragmatische Theorie des Komischen geht schließlich einher, dass Schütze auch die ideal­ typisch konstruierten Dichotomien zwischen dem Ernst, dem Erhabenen und dem Tragischen auf der einen, dem Komischen auf der anderen Seite zurückweist. Stattdessen betont er, dass das Komische ohne Ziele und Zwecke, ohne das Hohe und die Ideale nicht zur Geltung kommen kann, da ohne diese das »Gegenspiel[] die nöthige Kraft verliere[n]« (VK, 76) würde. »[W]ohin wir uns wenden mögen«, so schreibt Schütze im Kontext der Gegenüberstellung von Lust- und Trauerspiel, »nirgends finden wir vom Komischen das reine und vollständige Gegentheil«. (VK, 76) Im Folgenden führt er aus, dass Komik und Tragik am ehesten durch eine »Verstärkung« (VK, 76) zu unterscheiden sind. Außerdem sei die Darstellung der verschiedenen ästhetischen Phänomene in der Kunst einer jeweils spezifischen Perspektive auf die Welt geschuldet: »Der Lustspieldichter thut weiter nichts, als daß er die Welt gerade von ihrer komischen Seite auffaßt […]. Dies ist sein Schaffen und sein Idea­lisiren.« (VK, 71) Aus dieser Perspektive kommt Schütze zu dem Schluss, dass das Komische trotz solcher Erscheinungsformen wie dem Illusionsbruch, der Karikatur und der Disproportion mit dem Schönen in Einklang steht (vgl. Kap. 10). Dies war, wie Schütze selbst ausführt und auch an Bouterwek deutlich wurde, ein Streitpunkt der zeitgenössischen ästhetischen Schriften.94

94  In seinem monumentalen Aufsatz über Friedrich Schlegels Entwurf e­ iner Theorie des ästhetisch Häßlichen erkennt Günter Oesterle in der Komiktheorie Schützes mit ihrer Kritik an der Entgegensetzung des Komischen und des Erhabenen sowie der sich in ihr ankündigenden »Dominanzverlagerung vom Erhabenen zum Komischen« sowohl den Effekt der »Desillusionierung der Ideale der französischen Revolution« als auch jene Wende zur Geschichte, in der Hans Robert Jauß den »Ursprung des literarischen Realismus« gesehen hat. Günter Oesterle: Friedrich Schlegels Entwurf einer Theorie des ästhetisch Häßlichen. Ein Reflexions- und Veränderungsversuch moderner Kunst [1977].

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

L

Einführung

Theorien der Umkehrung (Schelling, Solger) Schütze spricht mehrfach von Theorien, die das Komische »bald als ein Vernichten, bald als ein Umkehren der Welt« (VK, 14; vgl. auch VK, 69) beschreiben. Während der Begriff der Vernichtung bei A. W. Schlegel und Ast im Vordergrund steht, bildet der Begriff der Umkehrung das Zentrum der komiktheoretischen Überlegungen Schellings, die er in seiner Vorlesung zur Philosophie der Kunst (gehalten erstmals 1802/1803, publ. postum 1859) im Abschnitt zur Komödie entwickelt. Dass Schütze beides, Vernichtung und Umkehrung, zusammenfasst, entspricht der Einschätzung Jean Pauls, und tatsächlich gibt es hierfür gute Gründe, denn neben einigen gemeinsamen Argumentationsmustern – etwa mit Blick auf die Bewertung der Alten Komödie – gilt auch für Schellings Theorie, dass sie, wie Schütze sagt, auf ein »Höheres« ausgerichtet ist. Im Fall Schellings ist dies damit verbunden, dass er seine Komiktheorie im Rahmen seiner Kunstphilosophie und diese wiederum im Kontext seiner Identitätsphilosophie entwickelt.95 Die Identitätsphilosophie besagt, dass alle Differenzen nur in der »Ansehung des Einzelnen« in Erscheinung treten. Könnte man indes, so Schelling, »alles, was ist, in der Totalität erblicken«, würde man »im Ganzen ein vollkommenes quantitatives Gleichgewicht von Subjectivität und Objectivität [von Realem und Idealem], also nichts, als die reine Identität, in welcher nichts unterscheidbar ist, gewahr« werden.96 Zwar stellt die Identitätsphilosophie ein AbsoluIn: Helmut Schanze (Hg.): Friedrich Schlegel und die Kunsttheorie seiner Zeit. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1985, S.  397–451, hier S.  449  f. 95  Vgl. zur Einbindung von Schellings Kunstphilosophie in seine Identitätsphilosophie Peter Szondi: Schellings Gattungspoetik. In: Ders.: Poetik und Geschichtsphilosophie II. Hg. v. Wolfgang Fietkau. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1974, S.  185–307. 96  Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Darstellung meines Systems der Philosophie [1801]. In: Ders.: Historisch-kritische Ausgabe. Im Auftrag der Schelling-Kommission der bayerischen Akademie der Wissenschaften hg.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

LI

tes ins Zentrum, da sich dieses aber kaum als solches erfassen lässt, gerät mit der Identität zugleich eine »quantitative Differenz« in den Blick, die sich in Form von Oppositionspaaren (Subjekt /Objekt, ideal / real) auf allen Stufen bzw., in Schellings Terminologie, Potenzen der Anschauung und des Anschaulichmachens des Absoluten reproduziert.97 So spricht Schelling bereits im Hinblick auf das Verhältnis von Philosophie und Kunst von einer Vereinigung von Gegensätzen, dem Idealen (Philosophie) und dem Realen (Kunst).98 Im Feld der Kunst unterscheidet er dann zwischen einer realen Kunst (bildende Kunst), in der das »Unendliche ins Endliche aufgenommen wird«, und einer idealen Kunst (redende Kunst), in der das »Endliche ins Unendliche gebildet wird«. In beiden Kunstformen tauchen mit der Musik (real) und der Malerei (ideal) bzw. der Lyrik (real) und der Epik (ideal) die Oppositionspaare abermals auf, es finden sich hier allerdings mit der Plastik und dem Drama zwei Formen, die jeweils die Oppositionen in einer »Synthese« zusammenführen.99 In den Ausführungen zum Drama geht Schelling sowohl auf die Tragödie als auch auf die Komödie ein. »Das Wesentliche der Tra­ gödie« sei »ein wirklicher Streit der Freiheit im Subjekt und der Noth­wendigkeit als objektiver, welcher Streit sich nicht damit endet, daß der eine oder der andere unterliegt, sondern daß beide siegend und besiegt zugleich in der vollkommenen Indifferenz erscheinen.«100 Bereits zuvor hat Schelling festgestellt, dass der »Gegensatz v. Thomas Buchheim [u. a.]. Reihe I: Werke. Bd.  10. Hg. v. Manfred Durner. Stuttgart: Frommann-Holzboog 2009, S.  107–211, hier S.  128  f. 97  Vgl. zur quantitativen Differenz und zur Potenz ebd., S.  134. 98  Vgl. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Philosophie der Kunst (Aus dem handschriftlichen Nachlaß.) Erstmals vorgetragen zu Jena im Winter 1802 bis 1803, wiederholt 1804 und 1805 in Würzburg [1859]. In: Ders.: Historisch-kritische Ausgabe. Im Auftrag der Schelling-Kommission der bayerischen Akademie der Wissenschaften hg. v. Thomas Buchheim [u. a.]. Reihe II: Nachlass. Bd.  6.1. Hg. v. Christoph Binkelmann und Daniel Unger. Unter Mitwirkung von Alois Wieshuber. Stuttgart: Frommann-Holzboog 2018, S.  111. 99  Ebd., S.  116. 100  Ebd., S.  371.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

LII

Einführung

der Noth­wendigkeit und der Freiheit« in der Kunst die »höchste[] ­Potenz« des »Gegensatz[es] des Unendlichen und Endlichen« bildet und daher in seinen »höchsten Formen« zur Darstellung kommen muss.101 Eben dies ist in der Tragödie der Fall, und zwar in einer Weise, dass nicht eine der beiden Seiten siegt und die andere auslöscht, sondern beide in einem Indifferenzpunkt zusammenfallen. Der »Moment des höchsten Leidens« ermöglicht dem Helden die »höchste[] Befreiung«;102 kommt es zu dieser, endet die Tragödie in einer Versöhnung, in der sich die ins extrem getriebenen und doch miteinander verflochtenen Gegensätze auflösen. In der Forschung wurde darauf hingewiesen, dass diese Überlegungen an die Dramentheorie Schillers anknüpfen und konzeptionell zu einer Grenzverwischung von Tragödie und Komödie führen, schließlich ist die finale Versöhnung, das happy ending, eigentlich ein Merkmal der Komödie.103 Zu Beginn des Abschnitts zur Komödie stellt Schelling fest, dass der allgemeine Begriff nicht bestimme, »auf welcher Seite die Freiheit, und auf welcher die Nothwendigkeit sey, daß aber das ursprüngliche Verhältniß von Freiheit und Nothwendigkeit dasjenige ist, in welchem die Nothwendigkeit als das Objekt, die Freiheit als das Subjekt erscheint. Dieses Verhältniß aber ist das der Tragödie«.104 Die Komödie kann auf dieser Grundlage nur die Umkehrung der »ursprüngliche[n]« Norm der Tragödie sein, wie Schelling definitorisch feststellt: »Diese Umkehrung ist überhaupt das Wesen des Komischen.«105 Die Denkfigur der Umkehrung weist eine Verwandtschaft zu jener der Vernichtung auf.106 Dennoch sind auch die Unterschiede nicht zu übersehen: Die Vernichtung bei A. W. Schlegel und Ast zielt wesentlich auf die künstlerische Form. Durch die 101  Ebd., S.  366. 102  Ebd., S.  374. 103  Vgl. Kraft, Zum Ende der Komödie, S.  252–262. 104  Schelling, Philosophie der Kunst, S.  384  f. 105  Ebd., S.  273. 106  An einer Stelle ist auch explizit von Vernichtung die Rede. Vgl. ebd., S.  386.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

LIII

subjektive Willkür des Dichters greift der Scherz (als Gegenteil des Ernsthaften) von der Ebene des Dargestellten auf die der Darstellung über, es kommt zu Illusionsbrüchen sowie zu einer Auflösung des sinnhaften Handlungsgefüges.107 Bei Schelling spielt eine solche Zerstörung der Form keine Rolle, seine Überlegungen zur Umkehrung betreffen stattdessen den Geschehenszusammenhang zwischen dem komischen Subjekt und seiner Umwelt. »[J]ede mögliche Umkehrung des Ursprünglichen« hat nach Schelling eine »komische Wirkung«: Wenn der »Feige« gezwungen wird, mutig zu sein, oder der »Geizige« verschwenderisch, wenn »die Frau im Hause die Rolle des Mannes, der Mann die Rolle der Frau spielt«, dann sei das jeweils eine »Art des Komischen«. Mit der Umkehrung lässt sich somit eine »Unzahl« komischer Situationen generieren.108 Diese Vielfältigkeit ist für Schelling aber kaum von Interesse, stattdessen fokussiert er seine Ausführungen auf das »höchste Komische«, bei dem »die Gegensätze in der höchsten P ­ otenz« in Erscheinung treten müssen. Der »Gipfel« des Komischen sei »da, wo ein allgemeiner Gegensatz der Freiheit und der Nothwendigkeit ist, aber so, daß diese in das Subjekt, jene in das Objekt fällt«.109 Schelling führt im Folgenden knapp aus, wie diese exakte Umkehrung der Tragödienstruktur vonstattengeht: Im Fall des Subjekts, das nicht durch Freiheit, sondern durch Notwendigkeit geprägt sei, handle es sich um eine Art von Zwang, der im Charakter liege, es sei daher keine echte, sondern eine »prätendirte, angenommene« Nothwendigkeit.110 Ein solches Subjekt dürfe nicht von einer objektiven Notwendigkeit, einem »Schicksal«, heimgesucht werden,

107  Hier zeigen sich die beiden romantischen Grundformen der parabatischen und der illudierenden Komödie. Vgl. Uwe Japp: Die Komödie der Romantik. Typologie und Überblick. Tübingen: Niemeyer 1999. 108  Schelling, Philosophie der Kunst, S.  385  f. 109  Ebd., S.  386. 110  Ebd. Szondi, Schellings Gattungspoetik, S.  306, verweist in diesem Zusammenhang auf »die Komik der ideé fixe Molièrescher Charaktere, des Ein­ gebildeten Kranken oder des Menschenfeindes«.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

LIV

Einführung

das wäre »furchtbar«.111 Vielmehr müsse die objektive Notwendigkeit den »Schein der Freiheit« und der »Gesetzlosigkeit« annehmen und auf dieser Grundlage die »prätendirte Gesetzmäßigkeit« des Subjekts zunichtemachen.112 Gelinge diese Umkehrung, könne die Komödie das »höchste Schicksal« ins Werk setzen, sie werde zur »höchste[n] Tragödie«.113 Damit fallen auch hier am höchsten Punkt die Gegensätze zusammen – der Versöhnung in der Tragödie entspreche in der Komödie, dass der Untergang des Helden »in einer erheiternden Gestalt, nur als die Ironie, nicht aber als das Verhängniß der Nothwendigkeit« zur Darstellung komme.114 Anklänge von Schellings Theorie finden sich in Solgers Vorlesun­ gen über Ästhetik (gehalten 1818, publ. 1829). Solger beschreibt das Komische in Opposition zum Tragisch-Erhabenen, beide sieht er als Erscheinungsformen des Schönen, das in seiner Reinheit und Harmonie »nicht als für sich selbst bestehend und gegeben betrachtet werden« kann, denn es »treten Widersprüche darin hervor, die nicht zulassen, daß die Idee des Schönen als wirklich gerettet werde«.115 Gekennzeichnet sind diese Widersprüche dadurch, dass z. B. die »Freiheit […] durch den Naturlauf gestört [wird] und daher nicht ganz zu Stande kommen« kann.116 Immer wieder geraten sich »die Einheit der Idee« und die »volle Wirklichkeit« in die Q ­ uere.117 111  Schelling, Philosophie der Kunst, S.  385. 112  Ebd., S.  386. Szondi, Schellings Gattungspoetik, S.  306, verweist hier auf den »reichen Katalog komischer Situationen«: »zufällige Rencontres, Verwechslungen etc.« Neben diesen klassischen Komödienmotiven nennt er zudem die Komik materieller Dinge, die »all den Szenen zugrunde liegt, die uns zumal aus den Abenteuern etwa Chaplins bekannt sind, in denen die tückischen Dinge eine Art Willensfreiheit zu haben scheinen und dem Menschen, der sich frei wähnt, es zeigen wollen.« 113  Schelling, Philosophie der Kunst, S.  386. 114 Ebd. 115  Karl Wilhelm Ferdinand Solger: Vorlesungen über Ästhetik. Mit ­einer Einleitung und Anmerkungen hg. v. Giovanna Pinna. Hamburg: Meiner 2017, S.  58. 116  Ebd., S.  66. 117  Ebd., S.  67.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

LV

Im Fall des Tragisch-Erhabenen tritt dieser Gegensatz derart in Erscheinung, dass »die Idee so vernichtet [wird], daß sie als Idee rein hervortritt«.118 Im Komischen wird hingegen »die Idee […] in die Existenz aufgelöst; aber nicht um diese zu vernichten, sondern sich mit ihr festzuhalten durch stufenweise Verknüpfung des Allgemeinen und Besonderen«.119 Diese Aussage verdeutlicht, dass auch Solger im Fall des Komischen eher von einer Umkehrung als von einer Vernichtung ausgeht. Seine Theorie entspricht in diesem Zusammenhang der von Schütze erwähnten Definition des Komischen als »Untergang des Idealen im Realen« (VK, 67; vgl. auch VK, 14).120 Während aber Schütze behauptet, dass es im Fall eines solchen Untergangs »um das Komische geschehen« sei und man stattdessen die »Bestialität oder einen unglücklichen Menschen« vor sich habe (VK,  67  f.), nimmt Solger die Präzisierung vor, dass das Ideale mit dem Untergang nicht verschwindet, sondern in der Wirklichkeit sichtbar bleibt. So rufe die Komödie eine »Empfindung des Behagens« hervor, »indem wir wahrnehmen, daß in der gemeinen Wirklichkeit dennoch die Idee enthalten ist, die sich zwar in ihren Gegensätzen aufhebt, aber zugleich mit in die Existenz verflicht«.121 Wie bereits ausgeführt, wurde Schützes Komiktheorie vonseiten der Forschung eine Nähe zu Schelling bescheinigt. Zwar teilt Schelling mit A. W. Schlegel und Ast Denkfiguren, mit denen Schütze sich kritisch auseinandersetzt. Dort aber, wo A. W. Schlegel, Ast und Schelling sich unterscheiden, nämlich in der Annahme der Vernichtung durch subjektive Willkür einerseits, der komischen Umkehrung von Freiheit und Notwendigkeit andererseits, ist bei Schütze ein deutlich stärkerer Bezug zu Schelling zu erkennen. Dies zeigt sich schon an Schützes Definition des Komischen: Das Komische ergibt sich für ihn aus dem Wechselspiel von Freiheit und Notwen118  Ebd., S.  82. 119 Ebd. 120  Zum Gebrauch der Sentenz vom Untergang des Idealen im Realen im Kontext komiktheoretischer Überlegungen um 1800 vgl. Anm.  68 zu VK. 121  Solger, Vorlesungen über Ästhetik, S.  246.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

LVI

Einführung

digkeit; dabei nimmt die Natur gegenüber dem Menschen, der »frey zu handeln glaubt«, selbst den Anschein der Freiheit an und verspottet auf diese Weise die »beschränkte Freyheit des Menschen in Bezie­ hung auf eine höhere« (VK, 17). Nicht nur sind es die Begriffe der Freiheit und Notwendigkeit, die sich Schütze für seine Theorie zunutze macht, darüber hinaus entspricht seine Unterscheidung einer beschränkten und einer höheren Freiheit der für Schellings Identitätsphilosophie typischen Denkfigur der Potenzierung: Nur im Ganzen aller Wesen und Dinge gibt es eine absolute Freiheit; die Träger der beschränkten Freiheit – vornehmlich die Menschen – versuchen, diese absolute Freiheit zu erreichen und werden beim zwangsläufigen Scheitern dieses Versuchs zu komischen Figuren. Trotz der genannten Gemeinsamkeiten, die in der Forschung zur Bezeichnung von Schütze als »Schelling-Schüler« geführt haben, sind indes auch die Unterschiede der beiden Komiktheorien kaum zu übersehen. Schelling geht es um die Erscheinungsweise des Komischen in der Kunst. Diese kann er nur als Umkehrung der Ursprungsform des Tragischen denken, das Komische ist somit zwangsläufig ein Sekundärphänomen. Schütze hingegen entwirft eine allgemeine Theorie des Komischen, die gleichermaßen Erscheinungen der Lebenswelt und der Kunst umfasst. Dabei sieht er das Komische wie das Tragische in den Strukturen der Welt verankert; im Fall der Erscheinung des Komischen in der Kunst ist es die Leistung des Künstlers, es dort zu entdecken. Für Schütze ist somit die Vertauschung, dass dem menschlichen Subjekt Notwendigkeiten auferlegt werden und umgekehrt die objektive Welt Züge der Freiheit annimmt, nicht nur eine Prätention, beides sind Effekte ontologischer Begebenheiten. Speziell für die Kunst ergibt sich ­daraus eine zusätzliche Erkenntnisleistung: Für Schelling ist das Komische der Komödie eine Umkehrung der Norm der Tragödie. Bei Schütze dagegen kann die Kunst, vor allem die Poesie, mittels einer »Abweichung[] vom Gewöhnlichen« die »Sache selbst« – also den ursprünglichen Normalzustand – »zur Erwägung« bringen und so ­deren Komik offenbaren (VK, 22). Das Komische liegt hier nicht in der Umkehrung der Norm, sondern in der Norm selbst, etwa in den

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

LVII

»Sitten und Gebräuchen« (VK, 22), deren Komik nur aufgrund e­ iner Gewöhnung nicht permanent wahrgenommen wird, tatsächlich aber den alltäglichsten Verrichtungen eingeschrieben ist. In ­Ueber das Komische formuliert Schütze dies folgendermaßen: Der ganze Schauplatz der Welt wird auf diese Weise endlich ein Spiel der Lust und jede Verrichtung mitwirkend zum Scherze, sobald unsere Phantasie oder der Dichter uns in eine solche Ansicht versetzt, dass wir uns des Behelfs in dem Gebrauch aller Dinge bewusst werden. Gehen und stehen, sprechen, essen, trinken, jede Bewegung eines Gliedes hat schon von Natur seinen komischen Theil […]. (UdK, 183)

Nochmals wird hier deutlich, dass für Schütze die Existenz des Menschen grundsätzlich eine komische ist. So sehr es zutrifft, dass Schütze mit der Gegenüberstellung von Mensch und Natur sowie der Umkehrung von Freiheit und Notwendigkeit das Komische ähnlich begründet wie Schelling, zeigt sich in den konkreten Ausführungen beider doch eine sehr verschiedene praktische Ausfüllung dieses theoretischen Mechanismus. Schellings Überlegungen sind insgesamt äußerst abstrakt. Dass mit der »Freiheit des Objekts« zugleich eine »Freiheit der Objekte« im Sinn einer dinglichen Komik adressiert wird, wie Peter Szondi es nahelegt,122 ist seinen wenigen Komödien-Beispielen nicht zu entnehmen. Stattdessen verweisen diese, etwa die Frau und der Mann, die jeweils die Rolle des anderen annehmen, auf konventionelle Komödienmotive, die kaum Schellings kunstphilosophischen Ansprüchen gerecht werden. Für diese wiederum werden abermals die aristophanischen Komödien angeführt. Anders verhält es sich bei Schütze. Im Versuch wird der grundlegende Mechanismus des Komischen an einer Vielzahl von Erscheinungsformen, Gattungen und Texten durchgespielt. Zudem entwickelt Schütze immer wieder eigene Beispiele, die das komische Wechselspiel zwischen Mensch und Natur, Freiheit und Notwendig122  Szondi, Schellings Gattungspoetik, S.  306.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

LVIII

Einführung

keit konkretisieren und tatsächlich auf die materiellen Dinge beziehen.123 »So viel Dinge aber nöthig sind, um die Freyheit auszuüben, so viel Fälle sind auch möglich, sie zu beschränken. Und mit jeder möglichen Beschränkung eröfnet sich auch wieder eine Quelle des Lächerlichen« (VK, 25). Der hier beschriebene Zusammenhang bildet die Grundstruktur für eine Vielzahl komischer Situationen, die Schütze auch an einzelnen Beispielen ausbuchstabiert. Ohne Weiteres könne das Komische hervorgerufen werden, wenn der Mensch in und mit den Dingen Absichten zu erreichen sucht. Ein Strang, der zerreißt, ein Tropfen, der einen Funken auslöscht, ein Schall, ein Unterschied von einer Minute, tausend Kleinigkeiten können den Plan des Menschen vereiteln, und ihn die Oberherrschaft der Natur fühlen lassen. Und dies kann wieder sowohl zum Glück als Unglück ausschlagen. Durch den kleinsten Umstand wird oft eine große Schlacht gewonnen, und das Schicksal eines ganzen Landes bestimmt. Zwey Kinder, die sich um einen Ball zanken, können leicht die Aeltern, die ganze Nachbarschaft, eine ganze Stadt, und endlich ein ganzes Volk in Flammen setzen, und so allesammt als einen Ball dem Walten der Natur in die Hände liefern. […] Der Geist findet die Gegenstände seiner Thätigkeit in der Außenwelt, aber auf dem Wege zu ihnen hinüber muß er Hände, Füße, Worte, Blicke u. s. w. gebrauchen, und sie in Bewegung setzen. Welche Beschränkung, welche vertheilte Macht, welche spärliche Bewaffnung für den denkenden Geist! (VK, 36  f.)

Stellen dieser Art finden sich im Versuch einige. Aufgrund dieser Passagen ist die Nähe zur Komiktheorie Henri Bergsons gelegentlich bemerkt worden. Eine solche Vorwegnahme muss in der Tat ein verstärktes Interesse an Schütze wecken. Mit Schützes Theorie wird eine vermeintlich diachrone Entwicklung in das synchrone Feld der romantischen Theorien umgelegt und ermöglicht so eine Neukartierung des Komischen um 1800, und zwar auch vor dem 123  Vgl. zu dieser Konkretisierungsleistung Schützes gegenüber der Theo­ rie von Schelling Lehmann, »Das Vorhandenseyn einer Körperwelt«, S.  125  f.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

LIX

Hintergrund der komischen Literatur im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts etwa bei Heinrich von Kleist, E.  T.  A. Hoffmann und Georg Büchner – Schütze hat mit seinen Schriften erstmals eine Theorie des Slapstick entfaltet.124 Unterschieben, angeschauter Unverstand und der Humor als das »romantische Komische« (Jean Paul) In Hinsicht auf seine Unterscheidung der »Schlegel-Schelling-Astische[n] Definition« auf der einen, der Schützes auf der anderen Seite ist abschließend Jean Pauls Position im Feld der Komiktheorien um 1800 zu klären. Wie Ralf Simon gezeigt hat, sind Jean Pauls komiktheoretische Überlegungen auf komplexe Weise in die Gesamtargumentation der Vorschule der Ästhetik eingebunden.125 Bevor Jean Paul auf das Komische und den Humor zu sprechen kommt, unterscheidet er die »griechische oder plastische Dichtkunst« der Antike und die »romantische Poesie«, die sich zusammen mit dem Chris124  Vgl. hierzu ebd., S.  127 (zum Slapstick) sowie S.  129–134 (zu Hoffmann); Ders.: Mit Händen und Füßen. Büchner und die romantische Komiktheorie (Stephan Schützes). In: Roland Borgards, Burghard Dedner (Hg.): Georg Büchner und die Romantik. Heidelberg: Metzler 2020, S.  121–136; Alexander Kling: Telling and Showing: Slapstick in Stephan Schütze’s Comic Theory and Heinrich von Kleist's Der zerbrochne Krug. In: Ervin Malakaj, Alena Lyons (Hg.): Slapstick. An Interdisciplinary Companion. Berlin/Boston: De Gruyter 2021, S.  165–185. Vgl. zu einer Theorie der Dingkomik auch Ders.: Aus dem Rahmen fallen. Dingtheorie, Narratologie und das Komische (Platon, Vischer, Loriot). In: Martina Wernli, Ders.(Hg.): Das Verhältnis von res und verba. Zu den Narrativen der Dinge. Freiburg i. Br.: Rombach 2018, S.  309–332. Hingewiesen sei außerdem auf die im Entstehen begriffene Habilitationsschrift von dems. mit dem Arbeitstitel Aus dem Rahmen fallen. Zu einer Literaturge­ schichte der Dingkomik (Romantik – Realismus – Moderne), die sich vor dem Hintergrund der Schriften Schützes der Komik der Romantik sowie den Traditionslinien der Komiktheorie im 19. Jahrhundert widmet. 125 Vgl. Ralf Simon: Die Idee der Prosa. Zur Ästhetikgeschichte von Baumgarten bis Hegel mit einem Schwerpunkt bei Jean Paul. München: Wilhelm Fink 2013, S.  238–252.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

LX

Einführung

tentum herausgebildet habe. Während sich die plastische P ­ oesie in den »Grenzen der Vollendung« bewege, blühe in der romantischen Poesie – als Folge der christlichen Körperfeindlichkeit, die »die ganze Sinnenwelt mit all ihren Reizen« vertilge – »das Reich des Unendlichen« innerhalb des Subjekts und dessen Phantasie.126 Nach dieser historischen und geschichtsphilosophisch ausgerichteten Unter­scheidung setzt Jean Pauls Argumentation neu an und widmet sich dem Komischen. Dabei geht er von der Überlegung aus, dass sich eine »Empfindung« am besten über ihren »Gegenschein« erfassen lasse und diesen sieht er im Fall des Komischen im Erhabenen, das er als ein auf das Endliche (einen »sinnlichen Gegenstand«) »an­ gewandte[s] Unendliche[s]« versteht.127 Von hier ­aus entwickelt Jean Paul den Grundgedanken seiner Komiktheorie, wobei er anhand der Figur des Sancho Pansas auf ein Beispiel zurückgreift, das zwar in Cervantes’ Roman selbst nicht zu finden ist, wohl aber in den Komiktheorien des 18. Jahrhunderts.128 Sancho halte sich irrtümlicherweise »eine Nacht hindurch […] über einem seichten Graben in der Schwebe […], weil er voraussetzte, ein Abgrund gaffe unter ihm«.129 Der »Hauptpunkt« des Beispiels besteht für Jean Paul darin, dass Sancho in dieser Situation keineswegs per se komisch ist, vielmehr entsteht die Komik erst durch einen Betrachter, der weiß, dass sich unter Sancho kein Abgrund befindet, und dieses Wissen Sancho leiht oder unterschiebt, so als ob dieser es selbst wissen würde: »[W]ir leihen seinem Bestreben unsere Einsicht und Ansicht und erzeugen durch einen solchen Widerspruch die unendliche Ungereimtheit«.130 Es ist das Wechselspiel zwischen untergeschobenem Wissen und »Selbst-Trug«, mit dem die Ungereimtheit nach Jean Paul bis ins Unendliche potenziert wird. Grundsätzlich basiert der Vorgang auf der »Phantasie, die hier, wie bei dem Erhabenen, der 126  Jean Paul, Vorschule der Ästhetik, S.  83 u. 93. 127  Ebd., S.  104 u. 106  f. 128  Vgl. hierzu, auch unter Angabe der komiktheoretischen Texte des 18. Jahrhunderts, in denen sich das Beispiel findet, Anm.  64 zu VK. 129  Jean Paul, Vorschule der Ästhetik, S.  110. 130 Ebd.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

LXI

Mittler zwischen Innern und Äußern ist«. Deshalb kann Jean Paul sagen, dass »das Komische, wie das Erhabene, nie im Objekte wohnt, sondern im Subjekte«.131 Folglich gibt es für Jean Paul »drei Bestandteile des Lächerlichen als eines sinnlich angeschaueten unendlichen Unverstandes«: erstens den »objektiven Kontrast«, also den »Widerspruch« der Handlung oder der Lage, in der sich die komische Figur (Sancho) befindet; zweitens den »sinnlichen« Kontrast, also die Anschauung der lächerlichen Figur durch einen Betrachter; drittens den »subjektiven Kontrast«, also den Vorgang des Leihens, mit dem der Betrachter sein Wissen der komischen Figur unterschiebt, sodass der »Widerspruch«, in dem sich diese befindet, zu einer gewussten Ungereimtheit wird, die gleichwohl nur im anschauenden Subjekt verankert ist.132 An dieser Stelle kommt Jean Paul auf die zuvor getroffene Unterscheidung zwischen plastischer und romantischer Poesie zurück. Je nachdem, welcher der Kontraste überwiegt, ergeben sich für ihn »die verschiedenen Gattungen des Komischen«: Für die plastische Poesie sei es kennzeichnend, dass der objektive Kontrast vorherrscht und der »subjektive […] sich hinter der mimischen Nachahmung [verbirgt]«; wenn hingegen der subjektive Kontrast stärker hervortritt, hat man es – so ist zu folgern, ohne dass Jean Paul dies hier bereits explizit formuliert – mit dem »romantische[n] Komische[n]« zu tun.133 Gemeinsamkeiten zu den zeitgenössischen Komiktheorien ergeben sich daraus, dass auch Jean Paul das Komische anhand einer Opposition zum Erhabenen entwickelt; dabei spielen wiederum geschichtsphilosophische Überlegungen eine wichtige Rolle; zudem ist auffällig, dass abermals der subjektive Anteil des Komischen besonders hervorgehoben wird. Allerdings versteht Jean Paul das Erhabene nicht in Analogie zum Tragischen, sondern entwickelt es als Empfindung in kritischem Rückgriff auf Kant. Die geschichtsphi131 Ebd. 132  Ebd., S.  114. 133  Ebd., S.  115.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

LXII

Einführung

losophischen Überlegungen gründen bei ihm nicht auf der Unterscheidung der Alten und Neuen Komödie, sondern von plastischer und romantischer Poesie, die um 1800 auch von Schiller und den Brüdern Schlegel beschrieben, aber kaum auf das Komische bezogen wurde. Die Rolle des Subjekts konzipiert er zunächst nicht produktionsästhetisch als Inszenierung einer subjektiven Willkür, sondern rezeptionsästhetisch als Wechselspiel zwischen dem beobachteten Objekt und dem beobachtenden Subjekt. In Zusammenhang mit dem Hervortreten des subjektiven Kontrasts wertet Jean Paul außerdem die humoristische Prosa gegenüber der Komödie als Gattung der Nachahmung und Objektivität auf. Der Humor als das »romantische Komische« bildet das Zentrum von Jean Pauls weiteren Ausführungen. Wenn das »Komische romantisch werden« solle, dürfe es nicht »im Kontrastieren des Endlichen mit dem Endlichen« verbleiben, vielmehr müsse es das »Unendliche zulassen«.134 Jean Paul formuliert dies in Form einer Frage: »Wie aber, wenn man eben diese Endlichkeit als subjektiven Kon­ trast jetzo der Idee (Unendlichkeit) als objektive[n] unterschöbe und liehe statt des Erhabenen als eines angewandten Unendlichen jetzo ein auf das Unendliche angewandte Endliche, also bloß Unendlichkeit des Kontrasts gebäre, d. h. eine negative?« In diesem Fall, so fährt Jean Paul fort, »hätten wir den humour oder das romantische Komische«.135 Maximilian Bergengruen hat ausgehend von dieser schwierigen Passage beschrieben, wie bei Jean Paul das romantische Komische mit einem Komisch-Werden der Romantik verbunden wird. Indem (analog zum Sancho-Beispiel) der romantischen Vorstellung der Unendlichkeit das Wissen über die Endlichkeit untergeschoben 134  Ebd., S.  124  f. 135  Ebd. Wir machen an dieser Stelle die in verschiedenen Ausgaben zu findende Konjektur rückgängig und schreiben statt »objektivem« auf der Grundlage der Originalausgabe wieder »objectiven«. Als Begründung, warum der Akkusativ beizubehalten ist, vgl. Maximilian Bergengruen: Schöne Seelen, groteske Körper. Jean Pauls ästhetische Dynamisierung der Anthropologie. Hamburg: Meiner 2003, S.  213–216.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

LXIII

werde, entstehe im unterschiebenden Subjekt die Vorstellung, dass die Romantik alle hochtrabenden Ideen von der Unendlichkeit im Wissen formuliere, dass es sich um Illusionen handle. »Durch diesen ›Trick‹«, so Bergengruen, »wird das Romantische nicht nur lächerlich gemacht, sondern kann – zumindest in der Illusion der Leser – ›intendiert‹ komisch werden. Die Leser können nämlich jetzt nichts mehr anderes tun, als die Romantik – wie schon Sancho Pansa – für einen Parodisten ihrer eigenen (Sprach-)Handlungen zu halten.«136 Damit ist der komplexe Vorgang allerdings noch nicht abgeschlossen, denn zu bedenken sei, dass die Unterschiebung des Endlichen im unterschiebenden Subjekt und »seiner Unendlichkeit« vorgenommen werde. »Zwar funktioniert also die Verbindung von Humor und Romantik so, daß der Unendlichkeit Endlichkeit parodistisch unterlegt wird, dies kann aber seinerseits nur in der subjektiven Unendlichkeit stattfinden. Und der – so könnte man jetzt hinzufügen – muß wiederum Endlichkeit unterlegt werden usw. usw.«137 Der hier beschriebene Mechanismus führt in einen endlosen Regress und potenziert auf diese Weise einerseits jene subjektive Willkür, die A. W. Schlegel und Ast für das Komische und die Komödie veranschlagt haben. Der Humor ist nicht nur ein mit den Mitteln der Romantik erzeugtes Komisches, sondern auch ein Komisches, das die Romantik mit ihren Schlagworten der Willkür und Freiheit, der Vernichtung und Idealisierung selbst komisch werden lässt. Andererseits folgt aus dieser Steigerung aber auch, dass dem Humor eine Verwandtschaft mit den romantischen Theorien der subjektiven Willkür zu eigen ist. Eine Bestätigung findet dies auch in den »vier Bestandteilen« des Humors, die Jean Paul in seinen weiteren Ausführungen entwickelt. Die »Totalität« des Humors zeichnet sich erstens dadurch aus, dass es ihm nicht um eine »einzelne Torheit«, sondern um »eine tolle Welt« geht, in die der Humorist selbst inbegriffen ist.138 Dabei wird zweitens die »unendliche Idee des Humors« 136  Ebd., S.  217. 137  Ebd., S.  218. 138  Jean Paul, Vorschule der Ästhetik, S.  125.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Einführung

LXIV

als »vernichtend« gekennzeichnet, u. a. deshalb, weil er mit dem »leersten Ausgang[e]« sowie der Ausrichtung auf »Widersprüche[]« und »Unmöglichkeiten« Sinn und Form sowohl des Dargestellten als auch der Darstellung zerstört.139 Drittens spricht Jean Paul von einer »[h]umoristische[n] Subjektivität« – die Subjektivität ist, wie bereits ausgeführt, für den Vorgang des komischen Unterschiebens verantwortlich, mit dem Humor wird sie nun zudem selbst von diesem Vorgang erfasst, sodass sich das »Ich in den endlichen und unendlichen Faktor« zerteilt.140 Viertens braucht der Humor wie alles Komische die sinnliche Erscheinung, und diese kann beim Humor als dem »Exponent[en] der angewandten Endlichkeit nie zu farbig werden«. Das Endliche anzuwenden, heißt für Jean Paul, es mittels Parenthesen, Metaphern und Vergleichen endlos zu entfalten, um so das Allgemeine im Besonderen und Individuellen aufzulösen.141 Totalität, Vernichtung, Subjektivität und Individualisierung – bei allen Besonderheiten, die Jean Pauls Theorie zu eigen sind, veranschaulichen diese vier Bestandteile doch eine enge Verbundenheit des Humors mit den zeitgenössischen romantischen Theorien, und zwar auch entgegen Jean Pauls eigener kritischer Distanznahme zu diesen Ansätzen. Eine Besonderheit des Verhältnisses von Jean Paul und Schütze ist darin zu sehen, dass die beiden mehrfach explizit aufeinander Bezug genommen haben. Bereits bevor Schütze 1810 mit Ueber das Komische erstmals seine komiktheoretischen Überlegungen publiziert hat, standen die beiden in brieflichem Kontakt. Schütze hat Jean Paul zwei seiner literarischen Texte, das Lustspiel Der Dichter und sein Vaterland (1806) und die Reisebeschreibung Abentheuer­ liche Wanderung von Weimar nach Carlsbad (1809), zugesandt und ihn um Mitarbeit am Taschenbuch der Liebe und Freundschaft ge­ widmet gebeten. Jean Paul äußert sich in seinen Antwortschreiben positiv zu den Texten, vermeidet aber eine Zusage zur Beteiligung 139  Ebd., S.  129 u. 131. 140  Ebd., S.  132. 141  Ebd., S.  139  f.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

LXV

am Taschenbuch.142 1813 hat Jean Paul dann in der zweiten Auflage der Vorschule seine knappe Einschätzung zu Schützes Komiktheorie formuliert, und zwar, nach einem Fußnotenbeleg, auf der Grundlage des Aufsatzes Prüfung der herrschenden Definitionen des Lä­ cherlichen, der im Februar 1812 in der Zeitung für die elegante Welt erschienen ist und später auch in den Versuch (vgl. VK, 59–75) integriert wurde. Jean Paul verweist hier, wie angeführt, auf die Brauchbarkeit von Schützes Theorie für die dichterische Praxis, stellt aber ebenso eine ungenügende Begründung der »komische[n] Kraft« anhand des Kontrasts von »Notwendigkeit und Freiheit« fest. Da dieser Kontrast auch bei »Krankheit, Ohnmacht, unverschuldeter Armut, ehrvollem Erliegen« erscheinen könne, brauche es für die Bestimmung des Komischen einer Konkretisierung durch »ausschließende Merkmale«.143 Schütze hätte auf Jean Pauls Kritikpunkt in seinen späteren Texten reagieren können, hat dies aber nicht getan – und dies, obwohl Jean Paul aus dem Umfeld der Komiktheorien um 1800 der einzige ist, der im Versuch mehrfach namentlich erwähnt wird.144 Inwiefern ist aber Jean Pauls Kritik an Schützes Begründung des Komischen anhand des Kontrasts von Freiheit und Notwendigkeit überhaupt gerechtfertigt? Im Aufsatz Prüfung der herrschenden Definitionen des Lächerlichen, auf den Jean Paul sich bezieht, sowie an der gleich lautenden Stelle des Versuch fragt Schütze allgemein, ob Kontraste 142  Überliefert sind u. W. n. nur die Briefe Jean Pauls. Vgl. Jean Paul: An Stephan Schütze in Weimar. Bayreuth, 29. Januar 1807. In: Jean Pauls sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Hg. v. der Deutschen Akademie der Wissenschaften. Abt. 3. Bd.  5: Briefe 1804–1808. Mit 7 Tafelbeilagen. Hg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademie-Verlag 1961, S.  131; Jean Paul: An Stephan Schütze in Weimar. Bayreuth, 20. Oktober 1809. In: Jean Pauls sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3. Bd.  6: Briefe 1809–1814. Mit 5 Tafelbeilagen. Hg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademie-Verlag 1952, S.  61  f. 143  Jean Paul, Vorschule der Ästhetik, S.  104. 144  Schütze bezieht sich dabei zum einen auf die komiktheoretischen Passagen der Vorschule, zum anderen geht er auch auf Jean Pauls literarische Texte ein, etwa die Erzählung Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz (1808).

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

LXVI

Einführung

»überhaupt schon hinreichend [sind], damit das Komische zu bezeichnen und zur Erkenntnis zu bringen?«145 Postwendend lautet die Antwort: »Keinesweges! […] Kontrast ist eine Ausdrucksform, ein Mittel der Darstellung, wie wir deren in der Poesie noch viele haben, und er dient nicht allein zum Komischen, sondern auch zum Erhabenen (z. B. Wurm und Seraph), zum Schrecklichen (Triumphmusik auf einem Leichenfelde) und zum Sinnreichen in der Kunst […].«146 (VK, 60) Schütze betont, dass allein die bloße »Ellenmesserey« (VK, 60) eines Kontrasts nicht zur Begründung des Komischen ausreicht. Die abstrakte »Form« des Kontrasts brauche einen konkreten »Inhalt«, bei dem die »kontrastirenden Dinge« nicht »blos todt neben einander« stehen, sondern sich »auf einander beziehen« (VK, 60). Schützes Beispiel ist in diesem Zusammenhang ein König, der von seinem Volk wie ein Gott angebetet, aber von einem Zahn gepeinigt wird. Hier stehen sich das Große und das Kleine nicht nur gegenüber, sie weisen auch eine Beziehung auf, wobei das Kleine eine Wirkung auf das Große entfaltet. Das »Geringere«, so Schütze, »zieht im Komischen gewöhnlich das Größere herab«. (VK,  61) Verknüpft man diese Aussage mit Schützes allgemeiner Definition des Komischen, wird der Mechanismus des komischen Kon­trasts einsehbar. Er besteht darin, dass zwei Oppositionsterme in ein Bezugs­ verhältnis geraten, wobei die beiden Seiten jeweils Eigen­schaften annehmen, die üblicherweise der anderen Seite zugeschrieben werden – der vermeintlich freie Mensch wird zum Spielball der Natur, die vermeintlich durch Notwendigkeit bestimmte Natur nimmt hingegen Züge einer freien Agentialität an. Je konkreter die beiden abstrakten Seiten, ›der Mensch‹ und ›die Natur‹, sowie ihr Wechselspiel ausgestaltet werden, desto komischer werden sie. Schütze hat 145  Stephan Schütze: Prüfung der herrschenden Definitionen des Lächerlichen. In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  24, 3. 2. 1812, Sp.  185–188, hier Sp.  186. Im Folgenden wird dieser Text nach der gleich lautenden Passage im Versuch zitiert. 146  Schütze zitiert hier mit »Wurm und Seraph« sogar ein Beispiel aus Jean Pauls Vorschule, mit dem dieser erläutert, dass die Verbindung des Kleinen mit dem Großen nicht zwangsläufig komisch ist. Vgl. Anm.  58 zu VK.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

LXVII

somit, anders als Jean Paul behauptet, den für seine Theo­rie zentralen Kontrast zwischen Freiheit und Notwendigkeit durchaus in Hinsicht auf das Komische konkretisiert, und zwar nicht nur negativ anhand »ausschließende[r] Merkmale« – etwa dem aristotelischen Kriterium der Folgelosigkeit des Komischen –, sondern auch positiv anhand einer präzisen Beschreibung der inhaltlichen Dynamik des formalen Kontrastmechanismus. Ein weiteres Dokument zum Verhältnis der beiden ist der Aufsatz Etwas aus Jean Paul’s Leben, den Schütze 1826, ein Jahr nach Jean Pauls Tod, im Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode publiziert hat. Schütze kommt hier auch auf sein persönliches Verhältnis zu Jean Paul sowie auf ihren komiktheoretischen Dissens zu sprechen: Ueber meine Theorie des Comischen, die, auf gleicher Bahn mit ihm zusammentreffend, gegen manche seiner Behauptungen Einwendungen mit sich führte, welche unwiderlegt blieben, konnten wir uns indeß bei persönlicher Bekanntschaft nicht vereinigen. Augenblicklich regte sich bei ihm die Lust, mit mir darüber zu disputiren, aber mir schien es dem Genuß des kurzen Besuchs, wo ich jeder Miene, jeder Bewegung seines Eifers mit froher Bewunderung folgte, nicht angemessen; ich hörte ihm ruhig zu. Der rastlos forschende Geist sprach aus allen Zügen.147

Man kann diese Passage sowohl als Charakterisierung Jean Pauls als auch als Selbstcharakterisierung Schützes ansehen. Entscheidend sind jedoch die komiktheoretischen Implikationen: Schütze hat in seinen Texten nicht explizit auf Jean Pauls Kritik reagiert und ebenso vermeidet er das Streitgespräch im persönlichen Kontakt. Umgekehrt stellt er allerdings fest, dass seine eigene Theorie kritische »Einwendungen« gegen die Jean Pauls vorbringt, die wiederum »unwiderlegt« geblieben sind. Ein konkreter Einwand, den Schütze bereits im Aufsatz Prüfung der herrschenden Definitionen des Lächerlichen und dann an der 147  Stephan Schütze: Etwas aus Jean Paul’s Leben. In: Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode. Nr.  95, 28. 11. 1826, S.  754–757, hier S.  757.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

LXVIII

Einführung

entsprechenden Stelle des Versuch vorbringt, betrifft Jean Pauls Theo­rie des Leihens. Schütze fasst diese Theorie zunächst so zusammen, »daß wir bey dem Irrthum des andern uns vorstellten, als wüßte er denselben. Dadurch, daß wir ihm bey dem Nichtwissen ein Wissen andichten, erhalten wir freylich einen gerechten Grund, über ihn zu lachen.« (VK, 64) Für Schütze besteht das Problem dieses Ansatzes darin, dass er letztlich wieder auf eine Überlegenheitstheorie hinau­släuft: »[W]ir lachen, weil wir uns freuen, die Klügern zu seyn.« (VK,  64) Dementsprechend schlägt er schließlich vor, den Vorgang des Leihens zu verallgemeinern und anthropologisch zu grundieren: Wir lachen nicht blos, weil wir uns gerade von diesem oder jenem Fehler und Irrthume frey fühlen, sondern weil wir überhaupt uns und andere einer größern Vollkommenheit und Freyheit fähig halten. Wir bilden uns (zur Täuschung des Augenblicks) nicht ein, daß der Irrende den Fehler wisse, sondern wir denken nur, daß er ihn überhaupt als ein Mensch, der Verstand hat, wissen sollte. […] Der seltsame Fall ergötzt uns; aber so sehr wir staunen, so finden wir doch alles so natürlich, daß wir, die Freyeren und Klügern, uns selbst unter den gegebenen Umständen nicht von dem Fehler lossprechen können. Zuschauend begehen wir den Fehler mit, aber lachend erheben wir uns wieder über das beschränkte Loos. Wir halten es mit beyden Theilen, mit dem Menschen, der da fehlt, und mit dem freyeren Geiste. (VK, 64)

Schützes Umkehrung des Verlachens zu einem Mitlachen, das selbst aus einem Verlachen hervorgeht, findet sich in ähnlicher Form bereits in der Komiktheorie Heydenreichs formuliert, wenn dieser schreibt, dass »[d]em herzlichen Lacher über die wahre Thorheit […] das homo sum immer gegenwärtig [ist]«.148 Mit Blick auf Schützes gesamte Theorie ist entscheidend, dass er das Leihen mit seinem anthropologischen Grundverständnis verknüpft: Es ist die im Handeln und Denken, im Wissen und Wollen gleichermaßen zur Gel148  Heydenreich, Grundsätze der Kritik des Lächerlichen, S.  98.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

LXIX

tung kommende Beschränktheit des Menschen gegenüber einer höheren Freiheit, die sowohl die Möglichkeit als auch die Wirklichkeit des Komischen als Tatsache der conditio humana eröffnet. Indem man über die Beschränktheit des Anderen lacht, erkennt man die eigene – und immer zeigt sich mit diesen Beschränkungen zugleich eine höhere Freiheit, ein »freyere[r] Geist«. Jean Paul kannte aus dem Aufsatz Prüfung der herrschenden Definitionen des Lächerli­ chen Schützes Kritik und hätte darauf in der zweiten Auflage der Vorschule der Ästhetik reagieren können, wie Schütze gegenüber der Kritik Jean Pauls hat er aber seinerseits darauf verzichtet. Ein weiterer Einwand gegen Jean Paul, der indes nicht explizit und namentlich adressiert wird, ist darin zu sehen, dass Schütze im Kontext seiner Betrachtung der verschiedenen Definitionen des Komischen die Theorien des »Unverstand[es]« neben die des »Unsinn[s]« stellt (VK, 13). Während der Begriff des Unsinns vor allem den romantischen Theorien zuzurechnen ist, ist der Begriff des Unverstandes auf Jean Paul zu beziehen. In der Vorschule ist vom »sinnlich angeschaueten unendlichen Unverstand[]« die Rede, bei Schütze findet sich dies verkürzt als »angeschauter Unverstand« (VK,  13). Auf der Grundlage der Zusammenstellung von Unsinn und Unverstand kann Schützes Kritik an den romantischen Theorien, insbesondere an der Zentralstellung der Subjektivität, auch für Jean Paul geltend gemacht werden. Zwar spricht Jean Paul von einem subjektiven und einem objektiven Kontrast, sodass seine Theorie stärker als die zeitgenössischen romantischen Positionen auf eine Vermittlung von menschlichem Subjekt und objektiver Welt ausgerichtet ist.149 Da die Komik für ihn aber »nie im Objekte wohnt, sondern im Subjekte«, ist deutlich eine Entwertung des Anteils der »objektiven Welt« zu erkennen. Auch der Humor, der sich die Welt als komische Spielmasse zunutze macht, ist eher auf die subjektive Phantasie und deren schöpferische Willkür ausgerichtet. Schütze hingegen fordert 149  Dies erklärt auch, warum Schütze die Unsinns- und Unverstandstheo­ rien als »innerlich und äußerlich« (VK, 13) bewertet – für die Unsinnstheorien alleine trifft dies kaum zu.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

LX X

Einführung

die Berücksichtigung der objektiven Welt für eine Analyse des Komischen vehement ein. Werde der »Phantasie des Dichters und seiner Willkür« zu sehr geschmeichelt, so Schütze in einer Passage in Ueber das Komische, die sich sowohl auf die romantischen Positionen als auch auf Jean Paul beziehen lässt, dann erhalte »die objektive Welt« zu wenig Beachtung, obwohl erst »aus deren Beschaffenheit selbst […] die komische Vorstellung des Dichters als begründet hervorgehen muss, wenn sie Wahrheit haben soll«. (UdK, 179) Schützes Zielsetzung, das Komische nicht in erster Linie subjektiv zu begründen, zeigt sich noch an einem weiteren Punkt, der in Opposition zu Jean Paul steht: der Verbindung des Komischen mit dem Romantischen. Dem romantischen Komischen bei Jean Paul steht das »Komische romantischer Art« (VK, 20) bei Schütze gegenüber. Gemeint ist damit eine Spielart des Komischen, in der das »Wechselspiel« zwischen dem handelnden Menschen und der mithandelnden Natur von einem »neckenden Genius« betrieben wird, der nicht in Gestalt anderer Personen erscheint – diesen Fall nennt Schütze die »Intrigue« –, sondern »durch den Zufall todter Gegenstände, welche für den Augenblick selbst vernünftig scheinen«, bewirkt wird (VK,  20). Das Komische romantischer Art ergibt sich somit für Schütze aus einer Als-ob-Verlebendigung der Dinge, die als aktiv handelnde Kräfte den Menschen mit einer »Gegenwirkung« und »Hindernissen« konfrontieren (VK, 20). An späteren Stellen des Versuch stellt Schütze fest, dass ein ähnlicher Vorgang im Fall der Sprache beobachtet werden kann, wenn »der spielende Genius der Sprache« den »Zuhörer« dazu veranlasst, »in den Worten dieselbe mitwirkende, selbstthätige romantische Kraft zu bemerken, die er in den Dingen und in der Natur wahrnimmt«. (VK, 111) Auch die Sprache kann sich also verselbständigen und den Diskurs des »ernste[n] Dichter[s] […] unwillkührlich in den Scherz hinüber[ziehen]« (VK, 111). Zudem greift Schütze den bei Jean Paul formulierten Zusammenhang von Humor und Romantik auf. Während aber für Jean Paul Humor und das romantische Komische identisch sind, stellt Schütze fest, »daß der Humor, ob er gleich, bey einer gewissen Genügsamkeit, auch romantisch wirken kann, doch noch vom

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

LX XI

Roman­tischen verschieden ist«. (VK, 109) Einerseits sei dem Humor und dem Romantischen gemeinsam, dass beide »den Dingen und Zufällen auch Handlung und Verstand« zuschreiben. Andererseits bestehe der Unterschied darin, wie dies jeweils vonstattengehe: »Im Romantischen verspüren wir die öftere Einwirkung eines geheimnißvollen Wesens, aber nicht sein gänzliches Fortwirken und Handeln; ein Wetterleuchten dämmert aus schwarzen Wolken; wogegen der Humor selbst der helle Tag ist, der alle Räume mit Licht erfüllt, und geistig alle Dinge umfängt. Das Romantische mischt zur Phantasie mehr dunkles Gefühl, der Humor mehr Verstand und Geist.« (VK, 109  f.) Nach der hier gewählten Lichtmetaphorik muss der Humor offenlegen, wie sich die »Dinge[] und Zufälle[]« mit »Handlung und Verstand« verbinden können, z. B. durch Verfremdungen der »wirklichen Welt«, wie sie sich in Jean Pauls literarischen Texten finden (VK, 109). Umgekehrt lasse das Romantische den Grund für diese Verbindung im Dunklen, hier müsse man »den Weltgeist mehr als etwas Verborgenes ahnden« (VK, 109). Ein besonderer Fall im Hinblick auf die Unterscheidung des ­Humors und des Romantischen ist für Schütze die Gattung des Märchens: »Im Mährchen ist es, wo sich beyde durchdringen, der Humor schafft, und die Romantic gebraucht das Geschaffene zu ihren Zwecken. Man könnte hier sagen, daß die Schöpfung humoristisch war, daß aber das Werk romantisch wurde.« (VK, 110) Für die Gattung des Märchens gelten üblicherweise subjektive Willkür, Imagination und Phantasie als kennzeichnende Merkmale. Schützes Überlegungen zum Verhältnis von Humor, Romantik und Märchen gehen jedoch in eine andere Richtung, wie auch sein Aufsatz Ueber die Wahrheit der Dichtkunst, besonders des Märchens (1810) belegt. Schütze beschreibt hier das Märchen als eine realistische Textgattung, in der die im Alltagsleben vergessenen Kräfte der Natur wieder zu Tage treten: »[G]erade das Märchen ist es, das uns zur Erkennung der lebendigen Natur auf den höchsten Standpunkt stellt. […] Nichts Geringeres, als das Daseyn und die Wirkung einer innern, geheimnisvollen Gewalt, die um uns her so wunderbare, so mannichfaltige Gestalten hervortreibt, ist die Wahrheit des Märchens oder vielmehr

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

LX XII

Einführung

die Basis seiner objektiven Gültigkeit.«150 Mit diesem Verständnis des Märchens, das heißt der Verpflichtung auf die Darstellung der ›wirklichen Welt‹ auf der einen, der Betonung schöpferischer Naturkräfte auf der anderen Seite, wird nochmals das spezifische Profil von Schützes Theorie kenntlich – sie verbindet Ideengut der Aufklärung und der Romantik und gelangt so zu einem innovativen Ansatz, der gleichermaßen für die Zeit um 1800 bedeutsam ist und auf spätere komiktheoretische Positionen des 19. Jahrhunderts vorausweist.

Ausschnitt einer eigenhändigen Notiz, ohne Orts- und Datumsangabe. ­Einfaches Blatt, 3/4 S.  beschrieben, aus dem Nachlass im Goethe-Museum Düsseldorf, Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung. Die Phantasie strebt dahin, allen Zufall aufzuheben, d.h. ihn mit wichtigen Dingen (entw. als Ursache oder Merkzeichen) in Verbindung zu bringen. Daher der Aberglaube u. das Romantische. Die Phantasie scheint dem wirkl. innigen Zusammenhang aller Dinge zu einem Ganzen [gestrichen: daher] zu schaden, hier vorauszusetzen, u. [gestrichen: gleichsam] ihre Vermuthungen nach den entferntesten Ähnlichkeiten drauf zu gründen. Loos, Vogelflug, Ohrenklingen, Niesen, Begegnen

150  Stephan Schütze: Ueber die Wahrheit der Dichtkunst, besonders des Märchens. In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  50, 25. 4. 1805, Sp.  393–395; Nr.  51, 27. 4. 1805, Sp.  401–403, hier Sp.  395.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

LX XIII

4. Rezeption und Wirkung Rezensionen und zeitgenössische Rezeption Als Schützes Versuch einer Theorie des Komischen 1817 in Buchform erschien, war das Echo einhellig positiv. Hervorgehoben wurde allseits, dass Schützes Theorie über die bisherigen Bemühungen hinaus­führe und insbesondere in der Fülle der beschriebenen Phänomene von großer Anschaulichkeit und von großem Nutzen für Schriftsteller und Schauspieler sei.151 Gleich in der ersten anonymen Kurzrezension im »Intelligenzblatt« der Zeitung für die elegante Welt heißt es, dass Schützes Grundprinzip des Komischen so umfassend wie keine Theorie vor ihm Phänomene des Komischen erklären könne. Seine Darstellung des Humors wird gar als »Meisterwerk«152 gepriesen. Im Januar 1819 erschien eine ausführliche Besprechung in der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung, die den Argumentationsgang rekonstruiert und ebenfalls hervorhebt, Schütze habe »die Untersuchung weiter gebracht […] als seine Vorgänger«, und es sei dem Rezensenten »auch bis jetzt kein Fall vorgekommen, der einen Zweifel an seiner Theorie begründen könnte«.153 Von besonderer Bedeutung ist die Wiener Rezension, die 1818 im ersten Band der Jahrbücher der Literatur erschien und zunächst ebenfalls vermerkt, dass sich Schütze in seiner Theorie »zu einem höheren und umfassenderen Standpuncte erhoben« habe und in das »eigentliche und innere Wesen der Kunst tiefer eingedrungen« sei als die bisherigen Theorien. Hervorgehoben werden neuerlich die konkreten »Folgerungen und Regeln für den Lustspieldichter, den Schauspie-

151  Anonym: [Rez.]: Jahrbücher der Litteratur. Wien b. Gerold. In: Isis oder Encyclopädische Zeitung 5 (1818), Sp.  802–806, hier Sp.  805  f. 152  Anonym: [Rez.] Versuch einer Theorie des Komischen, von St. Schütze. In: Intelligenzblatt der Zeitung für die elegante Welt. Nr.  19, 11. 11. 1817, o. S. 153  Anonym: [Rez.] Versuch einer Theorie des Komischen von St. Schütze. 1817. In: Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung. Nr.  14, Januar 1819, Sp.  105– 111, hier Sp.  108.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

LX XIV

Einführung

ler und den Zuschauer«.154 Der Rezensent lobt jedoch nicht nur emphatisch Schützes Theorie, sondern er benutzt sie zugleich – in einer für die Jahrbücher typischen Weise – zur Entwicklung einer eigenen Abhandlung über das Komische, in der Schützes Theorie ganz in die idealistische Sphäre einer Schellingschen Dialektik des Urprinzips des Lebens gerückt wird. Der Rezensent begrüßt die Grundidee Schützes, das Komische auf die »Doppelseitigkeit des Menschen«, auf den Kampf zwischen Körpergebundenheit und Freiheits­anspruch zu beziehen, stellt dann aber fest, dass hierdurch nur erklärt werde, worauf sich das Komische, »wie es im Menschen hervortritt«, gründe, nicht aber, was das Komische »an sich und auf unbedingte Weise sey«.155 Der Rezensent sucht das Komische über die phänomenale Ebene der menschlichen Situation hinaus auf die »Idee des Lebens überhaupt«156 zu beziehen, auf das Wesen des Lebens. Dieses fasst er in der romantischen Tradition von Begriffs­ opposi­tionen und ihren Dialektiken als »das Unbedingte, ewig sich selbst Bildende und Bestimmende, als sich selbst Bestimmendes, aber Bestimmendes und Bestimmtes zugleich«.157 Von dieser Einheit des Entgegengesetzten her entwickelt der Text dann weitere Oppositionen – Endliches und Unendliches, Komisches und Tragisches – und folgt hiermit den Bahnen der oben besprochenen Theorien von Jean Paul, Fr. Schlegel, Ast und vor allem Schelling. Gegen diese vereinnahmende positive Würdigung, die in den ­Augen Schützes die wesentliche Leistung seiner Theorie gerade wieder unsichtbar zu machen drohte, indem sie »mit zu hoher Anhebung wieder in Gefahr geräth, den Gegenstand ins Allgemeine verschwimmen zu lassen«,158 hat er in einer knapp 40-seitigen Replik geantwortet, wobei er seine Kommentare und Korrekturen in Klam154  Anonym: [Rez.] Versuch einer Theorie des Komischen, von St. Schütze. In: Jahrbücher der Literatur. Erster Band. Jänner. Februar. März. Wien: Carl Gerold 1818, S.  80–91, hier S.  80. 155  Ebd., S.  81. 156 Ebd. 157  Ebd., S.  81  f. 158  Stephan Schütze: Erläuterungen über das Komische. In: Die Muse.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

LX XV

mern in den noch einmal in extenso zitierten Text der Rezension hineinschreibt. Immer wieder lässt sich hier Schützes Bestreben erkennen, die philosophische Abstraktion und ihre Tendenz zur Bildung exklusiver Oppositionen auf die Phänomenbereiche menschlicher Formen und ihrer Verhältnisse zurückzuführen: »Es ist wohl eine Täuschung, das Komische selbst schon aus dem reinen Leben erkennen zu wollen und zur wirklichen Erscheinung zu bringen; unwillkührlich schleicht sich ein Begriff des menschlichen Lebens mit ein.«159 Es gehe um das Leben »auf einer bestimmten Stufe der Freiheit«160 und nicht um das Leben selbst und auch nicht um das »unbedingt«161 Komische. Zwischen der »Betrachtung des Lebens überhaupt« und der Betrachtung des »Komischen als einer Lebenserscheinung« sei »ein Sprung«,162 der aber unbemerkt bleibe, wenn man Leben und menschliches Leben nicht unterscheide. Schon Begriffe wie reine Willkür oder reine Lust hält Schütze für Abstraktio­ nen, denn sobald die Willkür »etwas will, bestimmt sie sich schon  – wenn auch nur auf Augenblicke – für etwas Folgendes«.163 Und auch das Theorem der Vernichtung des Endlichen weist Schütze als zu abstrakt zurück.164 Sehr deutlich macht Schütze, dass es nicht um absolute Gegensätze und ihre Ausschließung geht, sondern um Relationen, die aus der inklusiven Opposition vom Anspruch auf Freiheit des Handelns, »das für sich einen Kreis ziehen will«,165 und der Einwirkung alles dessen, was außerhalb dieses Kreises dem Handeln störend entgegenwirkt, entsteht. Dieses Störende »mag nun auch als Theil (Gabe, Trieb, Neigung) im Menschen seyn oder außer ihm«.166 Monatschrift für Freunde der Poesie und der mit ihr verschwisterten Künste. Bd.  1, Heft 2, 1822, S.  1–40, hier S.  3  f. 159  Ebd., S.  9. 160 Ebd. 161  Ebd., S.  8. 162 Ebd. 163  Ebd., S.  13. 164  Vgl. ebd., S.  22–25 u. S.  27  f. 165  Ebd., S.  31. 166  Ebd., S.  32.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

LX XVI

Einführung

Die Phantasie schaut »im Grunde hier zwei handelnde Freiheiten an«.167 Das Komische fungiert dabei für Schütze gleichsam als Analysemedium der menschlichen Freiheit und dessen, »was dazu erfordert wird. So viel Erfordernisse der Freiheit man findet, so viel mögliche Fälle (oder Gattungen) des Komischen entdeckt man auch, denn sie verrathen alle die angreifbaren Puncte, wo die Natur einwirken und die Freiheit theilweise verspotten kann.«168 Wie unverständlich Schützes Theorie und ihre Ausrichtung auf die Phänomenalität von Freiheit und bedingender Körperwelt jenseits der dichotomischen, philosophischen Begriffe den Zeitgenossen war, zeigt ein späterer Disput zwischen Schütze und Arnold Ruge Mitte der 1830er Jahre. Ruge nahm in seiner 1837 erschienenen Neuen Vorschule der Ästhetik den kleinen, in diesen Band aufgenommenen Artikel von Schütze Ueber das Verhältniß des Lächerli­ chen zum Komischen aus dem Jahr 1834 zum Anlass, in einer Reihe von Briefen an »den Herrn Hofrath Stephan Schütze in Weimar«,169 die er als Anhang seines Buches publizierte, gegen Schützes Komiktheorie zu polemisieren und sie – und ihren Autor – lächerlich zu machen. Schütze hatte hier einmal mehr seine Komiktheorie verteidigt und insbesondere zwischen dem Lächerlichen als einem Oberflächenphänomen ungereimter Handlungen (die das Verhalten bzw. Urteile betreffen) und dem Komischen als dem dahinterliegenden tieferen Gehalt des anthropologisch bedingten Zusammenstoßes von Freiheit und Beschränkung durch Körper- und Objektwelt unterschieden. Ruge wirft Schütze vor, dass die Beispiele, die er zum Beweis seiner These anführt, gar nicht komisch seien – und man sieht, dass Ruge sich auf die anthropologisch-reale Ebene des Komi167  Ebd., S.  31. 168  Ebd., S.  33. 169  Arnold Ruge: Komischer Anhang. Sechs lächerliche Briefe über das Lächerliche. An den Herrn Hofrath Stephan Schütze in Weimar. In: Ders.: Neue Vorschule der Ästhetik. Das Komische. Mit einem komischen Anhang. Halle: Buchhandlung des Waisenhauses 1837, S.  259–274. Ruge publizierte den Text bereits 1835 in den Blättern für literarische Unterhaltung, Nr.  248–251 (1835), S.  1021–1035.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

LX XVII

schen, wie Schütze es denkt, nicht einlassen will, sondern immer nur nach der Ungereimtheit auf der Ebene des Verhaltens oder des Verstandes fragt. Die Beispiele Schützes, so Ruge, müssten erst »durch Witz« lächerlich gemacht werden: Schützes Beispiel vom kleinen Kerl mit einem Hut etwa werde erst dadurch komisch, dass man dazusetze, »der Mann wolle zeigen, daß er ein großer Kopf sei«.170 Für Ruge gilt, »daß der Zustand des Belachten ein Geisteszustand ist, welcher Geisteszustand im Geiste des Herrn Lachers ist und bewegt wird«.171 Nach Schütze aber lacht man angesichts des Komischen über den Menschen und seine conditio humana schlechthin. So kann man ein und dieselbe Szene entweder bloß im Hinblick auf das Lächerliche eines ungereimten Verhaltens oder aber tiefergehend als das Hervortreten der den Menschen beschränkenden Natur verstehen. Ein weiteres Beispiel Schützes ist der mit Händen und Füßen zu viel gestikulierende Prediger. Einerseits sei das Übermaß des gestischen und körperlichen Einsatzes lächerlich, weil es ein ungereimtes Verhalten darstelle, andererseits habe die Szene doch Anteil am Komischen, insofern »die vielen Bewegungen eben dadurch, daß sie mit der Empfindung nicht recht zusammentreffen, uns an die mancherlei Mittel erinnern, deren sich der Mensch bedient und deren er bedarf, um Eindruck zu machen; es ist, als ob der Prediger die Gesticulationen überhaupt persiflierte und den Menschen damit in seiner Bedürftigkeit, in seiner Abhängigkeit von der Natur zeigte«. (LzK, 189) Dass der Mensch, um zu handeln, respektive zu kommunizieren, überhaupt körperliche Gesten und physikalisch-materielle Sprachzeichen braucht, ist als die zu Tage tretende menschliche Abhängigkeit von der Materialität des Behelfs die Grundlage für das Komische.

170  Ebd., S.  262. 171  Ebd., S.  268.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

LX XVIII

Einführung

Schütze im 19. Jahrhundert Im 19. Jahrhundert wird Schützes Komiktheorie trotz solcher grundsätzlichen Ablehnungen wie der von Ruge172 immer wieder im Kontext der Ästhetiktheorie erwähnt,173 zum Teil auch mit Hinweis ­darauf, dass Friedrich Theodor Vischer Schützes Theorie in seiner Ästhetik aufgenommen und diskutiert habe.174 Für das Schicksal der weiteren Rezeption ist Vischers Ästhetik in der Tat entscheidend. Schütze hatte im September 1838 in der Jenaischen Allgemeinen Lite­ ratur-Zeitung eine sehr ausführliche Rezension der Habilitationsschrift Vischers, Ueber das Erhabene und Komische. Ein Beytrag zu der Philosophie des Schönen, publiziert.175 Schütze bemerkt, dass Vischers Gedanken zum Teil mit seiner Theorie zusammentreffen, moniert aber wiederum den Umgang mit Dichotomien und Oppositionsbegriffen. Gleichwohl konzentriert sich Schütze im zweiten Teil der Rezension auf die Verwandtschaft beider Theorieansätze im Hinblick auf das Verhältnis des Komischen zum Zufall und zur Freiheit. 172  Götz Müller verweist in einer Fußnote darauf, dass Ruge »bei aller Belustigung über Stephan Schütze« gleichwohl dessen Kritik an Jean Pauls einseitiger Verortung des Komischen im Subjekt aufgenommen habe. Vgl. Götz Müller: Zur Bedeutung Jean Pauls für die Ästhetik zwischen 1830 und 1848 (Weisse, Ruge, Vischer). In: Ders.: Jean Paul im Kontext. Gesammelte Aufsätze. Mit einem Schriftenverzeichnis von Wolfgang Riedel. Würzburg: Königshausen & Neumann 1996, S.  7–28, hier S.  18 (zuerst veröffentlicht in: Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft 12 [1977], S.  105–136). 173  Etwa in der anonym publizierten Sammelrezension: Aesthetik. Etwas zur Uebersicht ihrer Fortschritte in Deutschland aus Gelegenheit mehrerer ästhetischen Schriften (von Steinau, Bürger, St. Schütze, Adolph Wagner, Schubarth, Büsching, Petri, Bouterwek und Griepenkerl). In: Leipziger Literatur-Zeitung. Nr.  204, 18. 8. 1828, Sp.  1625–1632; Nr.  205, 19. 8. 1828, Sp.  1633– 1640; Nr.  206, 20. 8. 1828, Sp.  1641–1648; Nr.  211, 26. 8. 1828, Sp.  1681–1686; Nr.  212, 27. 8. 1828, Sp.  1689–1696; Nr.  213, 28. 8. 1828, Sp.  1697–1704; Nr.  214, 29. 8. 1828, Sp.  1705–1712, zu Schütze bes. Sp.  1702–1707. 174  So Hermann Lotze: Geschichte der Ästhetik in Deutschland. München: J. G. Cotta’sche Buchhandlung 1868 (Geschichte der Wissenschaften in Deutschland. Neuere Zeit. Bd.  7), S.  348. 175  Siehe den Text in diesem Band, S.  192–205.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

LX XIX

Vischer ist erst durch diese Rezension auf die Theorie Schützes aufmerksam geworden – in seiner Habilitationsschrift wird sie noch nicht erwähnt. In seiner Ästhetik betont er dann mehrfach deren große Bedeutung: »St. Schützes Versuch einer Theorie des Komischen verdient aus unverschuldetem Dunkel hervorgezogen zu werden und hat gewiß mehr Werth, als ihm Ruge zugesteht.«176 An vielen Stellen verweist Vischer zustimmend auf Schütze und greift insbesondere jenen Hauptsatz auf, der in fast allen Rezensionen zu und Referenzen auf Schütze zitiert wird: Schütze habe treffend das Komische »als ein Spiel bestimmt, das die Natur mit der Freiheit des Menschen treibt« (vgl. VK, 17).177 Gerade die Beispiele, die in Ruges Augen den Hofrat Schütze hatten lächerlich machen sollen, sind für Vischer besonders wertvoll. Schützes Idee von der Natur als dem Anschein eines »neckenden Genius« nimmt Vischer auf, etwa anhand des Beispiels »eine[s] Menschen […], der feierlich reden will und von der Natur durch Niesen dabei zum Besten gehabt wird«.178 Vischer hat diese Theorie vom neckenden Genius nicht nur in seiner Ästhetiktheorie mit dankbarem Verweis auf Schütze aufgegriffen,179 sondern den bei Schütze vorrangig als äußeren und körperlichen Zufall gedachten Genius zugleich auf die Sphäre des Unbewussten übertragen: »Uebrigens erhellt von selbst, daß dieser Schein einer zweiten neckischen Macht eigentlich schon da eintritt, wo die Störung von innen kommt. Das Unbewußte und Unfreie im Subjecte selbst, eben weil das Bewußtseyn und die Freiheit nicht Besitz davon ergriffen hat, erscheint als ein in das Subject sich hineinerstrecken-

176  Friedrich Theodor Vischer: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen. Erster Theil: Die Metaphysik des Schönen. Reutlingen  /  Leipzig: Carl Mäcken’s Verlag 1846, S.  364. 177  Ebd., S.  358  f. 178  Das Niesen als komische Unterbrechung eines Redners hatte Schütze bereits im Versuch (VK, 79) als Beispiel genannt. Vischer greift das Beispiel von Menschen, die »mitten in einer erhabenen Rede niesen müssen und dergl« auf: Vischer, Aesthetik I, S.  389. 179  Bei Vischer ist die Rede vom »neckischen Genius«. Ebd., S.  364.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

LX X X

Einführung

des Grundstück des Territoriums jenes Kobolds […].«180 Zwar hatte Schütze bereits selbst die Störung des Zufalls auch auf das Innere bezogen – auf »ein unabwendlich für den innern Zustand verrätherisches Husten, ein Stocken, ein Stolpern« (VK, 79) sowie auf »Trieb« und »Neigung«181 – allerdings ist es Vischer, der die Beziehung auf das Unbewusste stärker herausarbeitet. In seinem Roman Auch einer. Eine Reisebekanntschaft (1878/79) macht Vischer diese theoretische Überlegung zur Grundlage einer den gesamten Text tragenden Figur: Albert Einhart, genannt A. E. Dieser bekommt Hustenanfälle gerade an den pathetischsten Stellen seiner Reden, ganz so, wie Schütze das in seiner Theorie formuliert hatte. Vischer legt darüber hinaus die Figur so an, dass die Dinge und Zufälle im Außen, von denen A. E. permanent gestört wird – und die das ganze von Schützes Theorie eröffnete Feld des Slapstick ausschreiten –, mit den Störquellen des Inneren korrespondieren: Das Unbewusste erscheint hier als jenes ›Ding‹, das für den Hustenanfall im emotional entscheidenden Moment sorgt oder für das Organversagen in der gewollten erotischen Bewegung. Noch Sigmund Freuds Überlegungen zur Psychopatho­ logie des Alltagslebens (1904) lassen sich in dieser Tradition lesen.182 Vischers Roman macht dabei zugleich Schützes Theorie des neckenden Genius selbst dergestalt thematisch, dass A. E. in seiner Wut auf die ihn störenden Objekte deren sprichwörtlich gewordene »Tücke« einem ganzen Heer von Kobolden zuschreibt, die ein Urweib dem männlich-geistigen Streben auf den Hals gehetzt habe.183 Aus Schützes dem Komischen zugrundeliegenden dunklen Gefühl, »daß die Natur mit dem Menschen, während er frey zu handeln glaubt oder 180  Ebd., S.  390. 181  Schütze, Erläuterungen über das Komische, S.  32. 182  Freud selbst verweist auf die ›Tücke des Objekts‹ und auf Vischer: Sigmund Freud: Zur Psychopathologie des Alltagslebens. Über Vergessen, Versprechen, Vergreifen, Aberglaube und Irrtum. Einleitung von Riccardo Steiner. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch Verlag 2009, S.  201. 183  Vgl. hierzu Johannes F. Lehmann: Im Abgrund der Wut. Zur Kulturund Literaturgeschichte des Zorns. Freiburg i. Br.  /  Berlin  /  Wien: Rombach 2012, S.  357–398.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

LX X XI

strebt, ein heiteres Spiel treibt« (VK, 17), wird bei Vischer eine Mythologie, die allerdings im Roman bis zum Wahnhaften gesteigert und zugleich ins Komische gezogen wird.184 Vischers Behauptung, die Theorie Schützes müsse aus unverschuldetem Dunkel hervorgezogen werden, lässt sich mit Blick auf das 19. Jahrhundert nicht durchgängig bestätigen.185 Denn es war nicht nur Ruge, der Schütze, wenn auch negativ, einen prominenten Platz im Anhang seiner Ästhetik einräumte, sondern Schützes Theo­ rie wurde in Artikeln zum Komischen und Lächerlichen in Konversationslexika des 19. Jahrhunderts regelmäßig aufgeführt186 und 184  In der Pfahldorfgeschichte in Vischers Roman, die in der Textwelt A. E. als Autor zugeschrieben wird, beten die steinzeitlichen Pfahldorfbewohner, die wegen des Wohnens auf dem Wasser ständig Husten haben, den Hustengott »Grippo« an. Friedrich Theodor Vischer: Auch einer. Eine Reisebekanntschaft [1879]. Mit einem Nachwort von Otto Borst. Frankfurt a. M.: Insel Verlag 1987, S.  93–281, bes. S.  237. 185 Einen ähnlichen Eindruck formuliert allerdings Friedrich Ludwig Bührlen in seinem Aufsatz Ueber das Lächerliche aus dem Jahr 1837, der selbst einräumt, von Schützes Buch erst durch eine persönliche Begegnung erfahren zu haben: »Wo ich Philosophen oder Aesthetiker über das ›Komische‹ und ›Lächerliche‹ las, nirgend fand ich eine Spur, daß sie dieselben Wege der Untersuchung gegangen, die jener Denker eingeschlagen, oder daß sie auch nur von dessen Schrift Notiz genommen, sie neben andern citirt hätten.« Friedrich Ludwig Bührlen: Ueber das Lächerliche. In: Morgenblatt für gebildete Leser Nr.  190, 10. 8. 1837, S.  761  f.; Nr.  191, 11. 8. 1837, S.  766  f.; Nr.  192, 12. 8. 1837, S.  769  f.; Nr.  193, 14. 8. 1837, S.  774–776, hier S.  762. 186  Vgl. etwa: [Art.] ›Komisch‹. In: Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände. (Conversationslexikon). In zwölf Bänden. Bd.  6: K–L. 7. Aufl. Leipzig: F. A. Brockhaus 1827, S.  226; [Art.] ›Lächerlich‹. In: ­Ignaz Jeitteles: Aesthetisches Lexikon. Alphabetisches Handbuch zur Theorie der Philosophie des Schönen und der schönen Künste. Nebst Erklärung der Kunstausdrücke aller ästhetischen Zweige, als: Poesie, Poetik, Rhetorik, Musik, Plastik, Graphik, Architektur, Malerei, Theater etc. Bd.  2: L bis Z. Wien: Carl Gerold 1837, S.  1–4; [Art.] ›Scherzhaft‹. In: Das große Conversations-Lexicon für die gebildeten Stände. Hg. v. Joseph Meyer. Abt. II: O–Z, Bd.  7: Sandsteinartiger Granit-Schriftgelehrte. Hildburghausen [u. a.]: Bibliographisches Institut 1851, S.  637; [Art.] ›Scherz‹. In: Neues Konversations-Lexikon für alle Stände. Hg. v. Hermann Julius Meyer. Bd.  13: Radetzky-Schmierkunst. Hild-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

LX X XII

Einführung

ebenso in Ästhetiken des 19. Jahrhunderts durchaus erwähnt.187 In Karl Julius Webers bis in die 1850er neu aufgelegtem zwölfbändigen Werk Dymocritos oder hinterlassene Papiere eines lachenden Philo­ sophen (1832–1840) firmiert Schütze – nach dem Durchgang durch die Positionen von Kant, Heydenreich und der »Schlegel-Schelling-­ Astische[n]-Schule« – als »das neueste und bessere Produkt, das ich kenne«, sowie als die »vielleicht […] beste Theorie«.188 An vielen Stellen übernimmt Weber außerdem ohne Kennzeichnung Passagen aus Schützes Versuch. Hervorzuheben ist auch Adolf Zeising, der in seinen Aesthetischen Forschungen (1855), einer der wenigen selbst komischen Komiktheorien, Schütze inmitten einer Reihe auch heute noch kanonischer Philosophen abhandelt. Gleich nach der »Tripleallianz« der drei »in ridiculo Verbrüderten« Schelling, Schlegel und Hegel, deren Theorie von der unendlich willkürlichen Subjektiviburghausen  /  New York: Bibliographisches Institut 1860, S.  1072; [Art.] ›Komisch‹. In: Pierer’s Universal-Lexikon der Vergangenheit und Gegenwart oder Neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe. Bd.  9: Johannes-Lackenbach. 4. Aufl. Altenburg: H. A. Pierer 1860, S.  676; [Art.] ›Komisch‹. In: Allgemeine Realencyklopädie, oder Conversationslexikon für alle Stände. In zwölf Bänden. Bd.  8: In integrum restitutio-Lopez. 3. Aufl. Regensburg: G. J. Manz 1870, S.  613. 187  Franz Ficker: Aesthetik oder Lehre vom Schönen und der Kunst in ihrem ganzen Umfange. Wien: J. G. Heubner 1830, S.  22, erwähnt Schütze in seinem Forschungsbericht und im Hinblick auf den Begriff der ›Afterlaune‹ (ebd., S.  87). In Georg Heinrich Bode: Geschichte der Hellenischen Dichtkunst. Dritter Band: Dramatik. Leipzig: Karl Franz Köhler 1840, S.  254, gibt es einen Verweis auf den aktuellen Stand der Komiktheorie, in dem allein Schütze, Ruge und Vischer genannt werden. Wilhelm Hebenstreit: Das Schauspielwesen dargestellt auf dem Standpunkt der Kunst, der Gesetzgebung und des Bürgerthums, Wien: Universitäts-Buchhandlung 1843, S.  73, verweist im Zusammenhang mit der Frage nach dem Schauspieler als Komiker auf die entsprechende Passage bei Schütze (vgl. VK, 159–165). 188  Karl Julius Weber: Was ist lächerlich? Die Idee der Alten und der Neue­ren. In: Ders.: Dymocritos oder hinterlassene Papiere eines lachenden Philosophen. Erster Band. Stuttgart: Fr. Brodhag’sche Buchhandlung 1832, S.  162–176, hier S.  175  f. In der Ausgabe von 1853 findet sich die Passage auf S.  229  f. Dort ist von der »Schlegel-Schelling’schen Schule« die Rede.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

LX X XIII

tät Zeising mit feiner Ironie referiert, folgt Schütze als Vertreter der »entgegengesetzten Ansicht«, der allerdings ebenfalls sein Fett weg kriegt, insofern seine Theorie vom »heiteren Spiel der Natur« mit dem Menschen das »Heitere«, das er erklären will, selbst schon in naiver Weise voraussetze: »Und kann man diese Naivetät nicht auch als ein Spiel ansehen, welches die Natur mit Herrn Schütz gespielt hat?« Daraufhin lässt Zeising Jean Paul als »bessere[n] Schütz als Schütz« folgen, dessen Theorie »nicht bloß ein Schuß ins Schwarze, sondern auch ins Blaue hinein« sei.189 Positiv und in eigenständiger Weiterführung, die wiederum auf Elemente der Theorie Bergsons vorausweist, hat Hermann Lotze Schützes Theorie in seiner Ge­ schichte der Ästhetik in Deutschland (1868) kurz referiert.190 Lotze spricht vom Komischen, das entsteht, wenn der Anspruch der Menschen, »wenigstens über ihren Körper souverain zu herrschen«, durch den »physiologische[n] Mechanismus«191 gestört wird, sowie davon, dass »[d]as Gewahrwerden dieser thatsächlichen Abhängigkeit des Ideellen von dem Mechanismus der reellen Mittel«192 komisch sei, beharrt aber darauf, dass die Herabsetzung der Wirklichkeit allein nicht ausreiche. Vielmehr müsse, und auch das kann man zumindest teilweise auf Schütze beziehen, in dieser Herabsetzung zugleich ein Zusammenhang der Dinge, ein übergeordneter Mechanismus als Idee erscheinen. Die Komik vernichte nicht einzelne

189  Adolf Zeising: Aesthetische Forschungen. Frankfurt a. M.: Meidinger Sohn & Comp. 1855, S.  275  f. Den Vorwurf der »petitio principii« erhebt bereits Ludewig Steckling: Die Kalologie oder Lehre vom Schönen aus ­Einem Prinzipe vollständig entwickelt. Leipzig: Georg Joachim Göschen 1835, S.  81. 190  Darauf, dass Lotze Schützes Theorie teilweise aufgenommen habe, weist hin: Franz Jahn: Das Problem des Komischen in seiner geschichtlichen Entwicklung. Potsdam: A. Stein 1904, S.  48. Plausibel wird eine solche Behauptung vor dem Hintergrund, dass Lotze in der Auseinandersetzung mit Schelling den Begriff des ›Mechanismus‹ einführt, um die empirische Verkettung der Dinge in der Welt zu bezeichnen. Siehe hierzu: Lotze, Geschichte der Aesthetik in Deutschland, S.  137. 191  Ebd., S.  347. 192  Ebd., S.  385.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

LX X XIV

Einführung

Gegenstände, sondern sie spiele mit allen.193 Sie liege in der »heiteren Betrachtung der Unzerstörbarkeit des allgemeinen Füreinanderseins der Dinge«,194 was man durchaus Spiel nennen könne. Eine Auseinandersetzung mit Schütze findet sich in den 1880er Jahren in der Philosophie Eduard von Hartmanns, der Schützes Komiktheorie als »folgerichtige Durchführung« des Kantischen Dualismus von Freiheit und Notwendigkeit in der Ästhetik würdigt. Da von Hartmann diesen Dualismus für »eine verfehlte Uebertreibung vorhandener relativer Gegensätze« hält, habe allerdings auch Schützes Theorie »keinen Werth mehr für die Gegenwart«. Sie handle insgesamt nur einen »Specialfall des Komischen« ab und habe immerhin »mit Jean Paul auf Vischer sehr anregend gewirkt«.195 Dass von Hartmann Schütze überhaupt erwähnt, ist dem Anspruch dieses Aufsatzes zu verdanken, möglichst vollständig über die Komiktheorien zu berichten. In vielen weiteren Ästhetiken des 19. Jahrhunderts, die Hartmann auf ihre Komiktheorien durchmustert, findet Schütze hingegen keine Erwähnung.196 Mit einem gewissen Recht kann daher der »Übertheoretiker des Komischen«197 Karl Ueberhorst in seiner zweibändigen knapp 1400 Seiten starken Darstellung des Komischen an der Schwelle zum 20. Jahrhundert Schütze als einen »we-

193  Vgl. ebd., S.  386. 194 Ebd. 195  Eduard von Hartmann: Der Begriff des Komischen in der modernen Aesthetik. In: Philosophische Monatshefte 22 (1886), S.  449–481, hier S.  454  f. Die Passage ist wortgleich abgedruckt in Eduard von Hartmann: Die deutsche Ästhetik seit Kant. Erster historisch-kritischer Theil der Aesthetik. Leipzig: Carl Duncker 1886 (= Ausgewählte Werke. Bd.  3), S.  414  f. 196  Zu nennen wären etwa die Ästhetiken von Karl Friedrich Eusebius Trahndorff (1827), Christian Hermann Weisse (1830), Robert von Zimmermann (1858), Julius Hermann von Kirchmann (1868), Karl Reinhold Köstlin (1869), Max Schasler (1872), Hermann Siebeck (1875) und Gustav Theodor Fechner (1876). 197  So die Formulierung von Gottfried Müller: Theorie der Komik. Über die komische Wirkung auf dem Theater und im Film. Würzburg: Konrad Triltsch 1964, S.  16.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

LX X XV

nig mehr beachtete[n] Autor«198 bezeichnen. Ueberhorst arbeitet an Schütze gerade jenes Moment des Zusammenspiels menschlicher Handlungen im Kontext nicht-menschlicher Akteure heraus, das zeitgleich bei Bergson in den Fokus der Komiktheorie rückt. Schütze und Bergson Bergson ist sicherlich der wirkmächtigste Komiktheoretiker des 20. Jahrhunderts. Die Parallelen zwischen Schütze und Bergson sind frappierend – und sie sind von den wenigen Forschern, die Schütze im 20. und 21. Jahrhundert wahrgenommen haben, häufig auch bemerkt worden. So etwa von Klaus Schwind in seinem ausführlichen Artikel »Komisch« in den Ästhetischen Grundbegriffen, wenn er feststellt, dass Schütze das Theorem der Steifheit »lange vor Bergson in genau derselben Weise entwickelt wie dieser«.199 Parallelen ergeben sich überall da, wo Schütze auf das Mechanische im Menschen hinweist, wo die Elemente der Körperkomik und des Slapstick von Schütze erstmals theoretisch ernstgenommen werden, wo auf Wiederholung, Gewohnheit und Automatismus verwiesen wird. Bei Bergson heißt es: »Komisch sind die Haltungen, Gebärden und 198  Karl Ueberhorst: Das Komische. Band II: Das Fälschlich-Komische. Besondere Erscheinungen des Komischen. Witz, Spott und Scherz. Nachträge zur Lehre vom Wirklich-Komischen. Leipzig: Georg Wigand 1900, S.  765. 199  Schwind, [Art.] ›Komisch‹, S.  367. Ebenfalls auf die Parallelen zwischen »dem zu Unrecht vergessene[n«] Werk Schützes und Bergson im Hinblick auf die »Bedeutung des Gegensatzes von Mechanismus und Personwert« macht aufmerksam: David Baumgardt: Jenseits von Machtmoral und Masochismus. Hedonistische Ethik als kritische Alternative. Meisenheim am Glan: Anton Hain 1977, S.  430, Anm.  87. Vgl. außer­dem Hinck, Einführung in die Theorie des Komischen und der Komödie, S.  21: Der Gedanke Bergsons von der komischen Wirkung der Steifheit des Menschen finde sich »schon im 1817 erschienenen ›Versuch einer Theorie des Komischen‹ von Stephan Schütze.« Michael Mader: Das Problem des Lachens und der Komödie bei Platon. Stuttgart [u. a.]: Kohlhammer 1977, S.  128, weist in einer Anmerkung ebenfalls auf diese Parallele zu Bergson hin.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

LX X XVI

Einführung

Bewegungen des menschlichen Körpers genau in dem Maß, wie uns dieser Körper an einen gewöhnlichen Mechanismus erinnert.«200 Schütze formuliert in Bezug auf die Bühne: »Daher hat alles auf dem Theater eine komische Wirkung, was den Menschen zur Sache zu machen scheint, und die Ahnung von einem Mechanismus giebt.« (VK, 79  f.) Bergson schreibt, dass es komisch sei, wenn die Gewohnheit die »Bewegungen diktiert« und jemand »sich mechanisch weiter« bewegt,201 Schütze beschreibt das Komische von »tausend Angewöhnungen in Worten und Reden, in Vorschlagssylben, in der Tonweise, in gewissen Mienen, Bewegungen, Stellungen u. s. w., […] auch mancherley Wiederholungen, durch welche die Natur wie instinct­artig fortwirkt«. (VK, 79  f.) Die grundlegende Parallele besteht darin, dass beide Theoretiker Komik weder als Problem ihrer Zugehörigkeit zur Kunst im Rahmen der Ästhetik noch als Problem philosophischer Begriffsdialektiken fassen, sondern als ein Phänomen des menschlichen Lebens bzw. Zusammenlebens – und dass sie erst von da aus nach den Erscheinungsweisen des Komischen in der Komödie und verwandter Gattungen fragen. Zwar betont Bergson das Mechanische und die Versteifung als Unterschreiten der Forderung des Lebendigen viel stärker als Schütze, der seinerseits das Mechanische als die durch die Körperwelt bedingte Unfreiheit des Menschen begreift, aber letztlich impliziert auch Bergsons Gegensatz von Leben und Mechanismus einen Bezug auf Freiheit, sieht er den »Automatismus im Gegensatz zu freiem Handeln«.202 Das Auto­ matische, bzw. »das besondere ›mechanische Arrangement‹, das wir hinter der Verkettung von Wirkungen und Ursachen wittern«,203 lässt sich problemlos auf Schützes Formulierung vom dunklen Gefühl, dass die Natur mit dem sich frei wähnenden Menschen spielt, übertragen. Konstruiert man schließlich das Lebens nicht als meta200  Henri Bergson: Das Lachen. Ein Essay über die Bedeutung des Komischen. Übers. v. Roswitha Plancherel-Walter. Hamburg: Meiner 2011, S.  29  f. 201  Ebd., S.  18. 202  Ebd., S.  93. 203  Ebd., S.  66.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

LX X XVII

physisch Absolutes, sondern phänomenologisch als je gegenwärtig wirkende Kraft des Organismus in und gegen seine Umwelt, so geraten – als sein Gegensatz – alle festgefügten Formen der körperlichen, materiellen, sprachlichen und sozialen Einrichtungen, Gewohnheiten und Institutionen, alle rekurrenten Strukturen sozusagen, in den Blick des Komischen. In den Worten Bergsons: die »Notwendigkeiten des Lebens«,204 in den Worten Schützes: unsere »Abhängigkeit von der Natur«, zu der Schütze auch Institutionen des Sozialen zählt: »Stände, Gewerke, Gerichtshöfe, Regierungsarten, Schulen, alles gehört dahin.« (UdK, 184) Allerdings erfasst Schütze die Verkehrung der Agency zwischen Mensch und Ding viel klarer als Bergson, der auf das Negative der Steifheit im Gegensatz zum ›Leben‹ den größten Akzent legt. Schütze hingegen spricht nicht nur vom Mechanischwerden des Körpers, sondern von allem, was eine »Ahnung von einem Mechanismus giebt« (VK, 80), mithin also vom Anschein einer mit dem Menschen spielenden Agency. Mit einem gewissen Recht hat daher Joachim Ritter in seinem einflussreichen Text Über das Lachen (1940) die Komiktheorie Bergsons und diejenige ­Vischers (die ja zum Teil Schütze folgt) als zwei entgegengesetzte Theorien dargestellt. Zwar verwiesen beide auf das Komische des Mechanischen, aber doch in ganz anderer Weise. Während Bergson letztlich in der Tradition von Hobbes dem Komischen die Überlegenheit des Lebendigen über den dem Mechanischen Verfallenen zugrunde lege und ihn im Lachen bestraft wissen wolle, gehe es bei Vischer umgekehrt um die »Versöhnung des Niedrigen mit dem Hohen«.205 In der Tat wäre in diesem Sinne auch Schützes Theo­ rie gegen Bergson abzugrenzen, als eine, die im Lachen über das Komische nicht das Abgleiten ins Mechanische sozial sanktioniert, sondern in der illusionären Ahnung von einem handelnden Mecha-

204  Ebd., S.  112. 205  Joachim Ritter: Über das Lachen. In: Ders.: Subjektivität. Sechs Aufsätze. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1974, S.  62–92, hier S.  72.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

LX X XVIII

Einführung

nismus zugleich die Illusion und die Begrenztheit der eigenen Freiheit vorführt.206 Der Aspekt der Strafe des Lachens, der für Bergson zentral ist, ist entsprechend bei Schütze allenfalls in Ansätzen zu erkennen, da Schütze im Komischen und im Lachen nicht eine quasi-evolutionäre bzw. soziale Funktion des Lebens sieht, um Versteifungen zu verflüssigen, sondern die Reflexion der begrenzten menschlichen Freiheit angesichts des »Vorhandenseyn[s] einer Körperwelt« überhaupt. Für eine Theorie des Slapstick, die sich im Hinblick etwa auf den frühen Film kritisch an Bergson abgearbeitet hat, wäre Schütze daher – trotz der historischen Distanz, die einen Rückgriff auf Bergson zunächst plausibler erscheinen lässt – womöglich noch ertragreicher.207 Denn die Paradoxie, dass Slapstick-Komik nicht nur die manifeste Steifheit des Körpers vorführt, sondern zugleich die virtuose Körperbeherrschung des Stolpernden oder des sich im Geflecht der Dinge verheddernden Komikers, die nötig ist, damit es so aussieht, als ob ein Mechanismus mit dem Menschen spielt, eben dies kann von der 206  Ritter bezieht sich nicht auf Schütze. Seine eigene Theorie, das Lachen habe die Funktion, »die dem Ernst nicht zugängliche Zugehörigkeit des Anderen zu der es ausgrenzenden Lebenswirklichkeit sichtbar zu machen« (ebd., S.  79), hat in einigen Beispielen eine große Nähe zu Schütze, erscheint aber insgesamt zu weit gefasst, denn nicht jede Repräsentanz eines von der Ordnung Ausgeschlossenen in dieser Ordnung ist komisch. Es fehlt jener Bezug auf die manifeste Konfliktdynamik von Freiheit, Agency und Körperwelt, wie sie – ebenfalls ohne Bezug auf Schütze – Plessner in seinem ein Jahr später publizierten Text Lachen und Weinen geltend gemacht hat, die »Verschränkung […] seiner [des Menschen, A.  K. / J. L.] Geistigkeit in den Körper.« Helmuth Plessner: Lachen und Weinen. Eine Untersuchung der Grenzen menschlichen Verhaltens (1941). In: Ders.: Gesammelte Schriften. Hg. v. Günter Dux [u. a.]. Bd.  7: Ausdruck und menschliche Natur. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1982, S.  201–387, hier S.  299. 207  Louise Peacock: Slapstick and Comic Performance. Comedy and Pain. New York: Palgrave Macmillan 2014, S.  7: »So whilst some examples of physical comedy certainly provide us with examples of rigidity and absentmindness, there are also many examples that will not be readily dealt with in these terms, relying as they do on mastery, timing and complex movement.« Daher sei Bergsons Komiktheorie für Slapstick nur bedingt brauchbar.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

LX X XIX

Theorie Schützes sehr gut erklärt werden, schließlich geht es in ihr nicht nur um die Mechanik der menschlichen, tollpatschigen Bewegung, sondern zugleich um den Anschein eines Mechanismus, der den Menschen zu seinem Spielball macht – und für diesen Anschein stellt die Virtuosität des Stolpernden keinen Widerspruch dar. Allerdings findet sich dieser Gedanke auch bei Bergson selbst. Das Leben, so Bergson, verdanke seinen Ernst der Freiheit des Menschen. Um diesen Ernst ins Komische zu verwandeln, müsse man sich nur vorstellen, »daß die scheinbare Freiheit ein Spiel von Fäden verdeckt und daß wir Menschen im Grunde nichts anderes sind als ›armselige Marionetten am Faden, den die Notwendigkeit in Händen hält.‹«208 Wie aber kann man die bestehenden Parallelitäten zwischen Schütze und Bergson erklären? Gibt es unmittelbare Spuren der Rezeption von Schütze, die bis zu Bergson führen? Oder ergibt sich die Parallelität aus der gemeinsamen Nähe zu Schelling? In der Literaturliste, die Bergson seinem Essay in der Erstausgabe von 1900 beifügte, führt er immerhin zwei Titel auf, die Schütze zumindest erwähnen, wenn auch jeweils sehr kurz.209 Insgesamt finden sich in Frankreich aber wenig Spuren von Schützes Komiktheorie, und wenn, dann handelt es sich um harsche Ablehnungen, wie etwa die von Alfred Michiels, der Schütze neben Jean Paul und Kant in seinem Buch Le Monde du Comique et du Rire (1886) im Kapitel über »Absurdités Germaniques, Absurdités Français« mehr abfertigt als abhandelt.210 Seine Kritik bezieht sich, wie auch etwa bei Charles 208  Bergson, Das Lachen, S.  62. Vgl. auch Christine Schramm: Die Komik der Chaplin-Filme. München: Martin Meidenbauer Verlagsbuchhandlung 2012, S.  78, die die Erklärungskraft von Bergson für eine Theorie des Slapstick entsprechend höher einschätzt. 209  Es handelt sich um Victor Courdaveaux: Études sur le comique. Le rire dans la vie et dans l’art. Paris: Librairie Académique Didier et C. 1875, zu Schütze siehe S.  6, sowie Léon Dumont: Des causes du rire. Paris: Durand 1862, zu Schütze siehe die Literaturliste vor der ersten Seite sowie das Zitat der Schützeschen Definition ebd., S.  41. 210  Michiels zitiert die Definition Schützes und wirft ihm dann vor, mit einem solchen Philosophieren die Philosophie zu diskreditieren. Siehe Alfred Michiels: Le monde du comique et du rire. Paris: Calmann-Lévy 1886, S.  338.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

XC

Einführung

Bénard, auf die Schelling-Schule insgesamt. Schütze wird hier als ­einer ihrer Vertreter ausgemacht und der Spott anderer Kritiker gegen ihn ausdrücklich verteidigt.211 Damit übersehen diese Kritiker, die – bei aller Nähe – entscheidende Differenz zwischen Schelling und Schütze. Gerade die hier geübte Kritik an bloßen abstrakten Begriffsspielen, an »phrases, quelquefois amphigouriques«,212 teilt Schütze in seiner Insistenz auf die Phänomenalität des Komischen. Auch Jules Champfleury sieht in Schütze nur einen besonders schweren Fall deutscher Begriffsdefinitorik: »Terribles Allemands avec leurs définitons!«213 – und dann folgt die Schützesche Komikdefinition. Eine unmittelbare Rezeption Schützes durch Bergson ist nicht nachweisbar und auch wenig wahrscheinlich. Zwar nimmt Bergson in seine Neuausgabe aus dem Jahr 1924 weitere Titel in seine Literaturliste auf, die Schütze explizit und zum Teil etwas ausführlicher referieren, namentlich James Sully und Karl Ueberhorst,214 Schütze Michiels vertritt selbst eine Kontrasttheorie: »Tout ce qui est contraire à l’idéal absolu de la perfection humaine excite le rire et produit un effet comique.« Ebd., S.  6. 211  Charles Bénard: La théorie du comique. Dans l’esthétique allemande. In: Revue philosophique de la france et de l’étranger 12 (1881), S.  251–276, hier S.  253. Bénard nennt als Kritiker Schützes zum einen Dumont, Des causes du rire, der Schütze allerdings nicht negativ kommentiert, sondern an einer Stelle durchaus zustimmend zitiert (ebd., S.  41), und zum anderen Charles Léveque, in dessen Aufsatz: »Le Rire. Le Comique et le risible dans l’esprit et dans l’art« (1863), der auf Dumont antwortet, sich indes kein Bezug auf Schütze findet. Breit und mit ambivalenter Wertung wird der Aufsatz Léveques referiert und seitenweise zitiert in: Joseph Rindskopf: Versuch einer Theorie des Lächerlichen. Rostock: Adler’s Erben 1869, S.  19–27. Rindskopf fertigt an einer Stelle – unter Verwendung des Namens ›Schütz‹ statt ›Schütze‹ – diesen kurz als im Vergleich mit Jean Paul ungenügend ab. Ebd., S.  12. 212  Bénard, La théorie du comique, S.  253. 213  Jules Champfleury: Histoire de la caricature antique. Paris: F. Dentu [1865], S.  222. 214  Vgl. James Sully: An Essay on Laughter. London [u. a.]: Longmans, Green, and Co. 1902, S.  19; vgl. Ueberhorst, Das Komische II, S.  747 u. S.  765– 768.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

XCI

selbst oder auch Vischer fehlen aber weiterhin. Plausibel wäre eine geistesgeschichtlich vermittelte Verbindung der Ansätze am ehesten über die gemeinsame Bezugnahme auf Schellings naturphilosophischen Begriff des Lebens und des Gegensatzes von Freiheit und Notwendigkeit. Bergsons Nähe zu Schelling wird in der Forschung über den Philosophen Félix Ravaisson (1813–1890) hergestellt, der Bergsons Lehrer war und der beim späten Schelling in München 1835 Vorlesungen gehört hat.215 Darüber hinaus hat sich Ravaisson in seinem für Bergson wichtigen Text über die Gewohnheit (De l’Habi­ tude, 1838) auf die Schellingsche Naturphilosophie bezogen und – vor dem Hintergrund der Unterscheidung des Organischen und des Anorganischen – die Gewohnheit als fundamentale Funktion der Vermittlung von Aktivität und Passivität, Geist und Körper, Freiheit und Unfreiheit (Mechanisierung) in organischen Lebewesen bestimmt.216 Bergson hat die Verbindung zu Gedanken von Ravaisson selbst hergestellt in seinem Text zu dessen Leben und Werk.217 Ravaisson bezieht sich in dem Aufsatz Über die Gewohnheit sowohl auf Schelling als auch auf andere Autoren einer Protobiologie 215  Vgl. Suzanne Guerlac: Bergson, the Time of Life, and the Memory of the Universe. In: Alexandre Lefebvre, Nils F. Schott (Hg.): Interpreting Bergson. Critical Essays. Cambridge: Cambridge University Press 2020, S.  104–120, bes. S.  111  f. Siehe zum Verhältnis von Schelling zu Revaisson sowie zum Briefwechsel zwischen beiden: Daniel Panis: Ravaisson et Schelling. In: Les Études philosophiques 3 (1988), S.  395–413, bes. S.  402  f. 216  Félix Ravaisson: Of Habit. Preface by Catherine Malabou. Translation and Commentary by Clare Carlisle and Mark Sinclair. New York: Continuum 2008. 217  Henri Bergson: La vie et l’œuvre de Ravaisson. In: Comptes rendus de l’academie des sciences morales et politiques 1 (1904), S.  673–708. Deutsche Übersetzung: Über das Leben und Werk Ravaissons. In: Ders.: Denken und schöpferisches Werden. Aufsätze und Vorträge. Mit einer Einführung von Friedrich Kottje. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt 1993, S.  246–279. Im Hinblick auf die Beziehung zwischen Ravaisson und Schelling spricht Bergson von einer »inneren Verwandtschaft, einer gleichartigen Inspiration und sozusagen einer prästabilierten Harmonie zwischen zwei Geistern, die in der gleichen Höhenlage sich bewegten und sich auf gewissen Gipfeln trafen.« Ebd., S.  254  f.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

XCII

Einführung

um 1800, namentlich auf Paul-Joseph Barthez, Xavier Bichat, Maine de Biran, Mathieu Busson. Der gemeinsame diskursive Horizont dieser Schriften, die vitalistische gegen mechanistische Theorien vom Leben entwickeln, ist der Versuch, das Leben als inklusive Opposition zur Natur zu verstehen. Schellings Unterscheidung von organischer und anorganischer Natur denkt den lebendigen Organismus weder mechanistisch noch vitalistisch, sondern als Teil und als Gegensatz der Natur, als eine komplexe Interaktion von Materie und Geist, Natur und Freiheit: Der Organismus (das Leben) erscheint als in sich abgeschlossene Sphäre, der den außerhalb wirkenden Gesetzen der Natur nur vermittelt durch die Verarbeitungsprozesse in seinem Inneren ausgesetzt ist. Der Organismus bildet sozusagen eine temporäre und räumlich umgrenzte Hemmung der Naturgesetze: Organisation ist mir überhaupt nichts anders, als der aufgehaltne Strom von Ursachen und Wirkungen. Nur wo die Natur diesen Strom nicht gehemmt hat, fließt er vorwärts (in gerader Linie). Wo sie ihn hemmt, kehrt er (in einer Kreislinie) in sich selbst zurück. Nicht also alle Succession von Ursachen und Wirkungen ist durch den Begriff des Organismus ausgeschlossen; dieser Begriff bezeichnet nur eine Succession, die innerhalb gewisser Grenzen eingeschlossen in sich selbst zurückfließt.218

Das ›Leben‹ hemmt die Naturgesetze – und nur in Form dieser Hemmung kann das Leben in der permanenten Oszillation zwischen Freiheit und Natur beweglich bleiben. Schelling sagt daher vom Prinzip des Lebens, dass nicht »die Rede davon seyn kann, daß dieses Princip die todten Kräfte der Materie im Körper aufhebe, wohl aber, daß es 1) diesen todten Kräften eine Richtung gebe […] 218  Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Von der Weltseele, eine Hypothese der höhern Physik zur Erklärung des allgemeinen Organismus [1798]. In: Ders: Historisch-kritische Ausgabe. Im Auftrag der Schelling-Kommission der bayerischen Akademie der Wissenschaften hg. v. Thomas Buchheim [u. a.]. Reihe I: Werke. Bd.  6. Hg. v. Jörg Jantzen [u. a.]. Stuttgart: Frommann-Holzboog 2000, S.  1–433, hier S.  69.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

XCIII

[und] 2.) daß es den Conflikt dieser Kräfte […] immer neu anfache und continuierlich unterhalte«.219 Blickt man von der Verbindung Bergson – Ravaisson – Schelling auf Schütze, so kann deutlich werden, dass Schützes Theorie – im Vergleich mit Ravaisson und den von ihm verarbeiteten Autoren über Leben und Bewegung – in der Tat einige wesentliche Prämissen mit Schelling teilt, allerdings weniger, wie oben gezeigt, mit seiner Kunst- und Komödientheorie, sondern mit seiner Naturphilosophie und dem hier entwickelten protobiologischen Gegensatz von (organischer) Freiheit und (anorganischer) Natur. Sie ist die Grundlage und die Voraussetzung dafür, überhaupt Begriffe von Freiheit und Notwendigkeit in ihrem konstitutiven Wechselverhältnis auf Phänomene des Lebens zu beziehen, wie auch Schütze es tut. Leben als Bewegung (und Freiheit) steht dem Tod (und dem Toten und Mechanischen) in dynamischer Weise gegenüber, in den Worten Xavier Bichats: »Das Leben ist die Gesamtwirkung der Funktionen, die dem Tode widerstehen.«220 Diese Idee, dass Freiheit sich im Gebrauch der Kraft gegen einen Widerstand äußert, sozusagen als eine relative Freiheit, macht es plausibel, dieses Doppel aus Kraft / Freiheit und Widerstand / Natur zu beobachten, wobei im Komischen offenbar wird, dass die Freiheit in ihrem Gebrauch von Kräften oder Hilfsmitteln immer in und an die Sphäre des Widerstands  / der Natur bzw. der Körperwelt gebunden ist. So lässt sich auch die von Schütze komiktheoretisch artikulierte Fokussierung auf das Phänomen des Gehens, Stolperns und Stürzens verstehen vor dem Hintergrund einer um 1800 entwickelten Anthropologie des Gehens, die erstmals den aufrechten Gang als Überwindung der Schwerkraft und somit als Gegensatz der Kräfte fasst.221 William Paley beschreibt das so: 219  Ebd., S.  636. 220  Xavier Bichat: Physiologische Untersuchungen über Leben und Tod. Übersetzt von E. H. Pfaff. Kopenhagen: Friedrich Brummer 1802, S.  1. Der französische Text erschien unter dem Titel: Recherches physiologiques sur la vie et le mort. Paris: Brosson, Gabon et Cie 1800. 221  Vgl. hierzu sowie zu den folgenden Ausführungen Kurt Bayertz: Der

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

XCIV

Einführung

Either the law of gravitation is suspended in favor of living substances, or something more is done for them, in order to enable them to uphold their posture. There is no reason whatever to doubt, but that their parts descend by gravitation in the same manner as those of dead matter. The gift therefore appears to me to consist in a faculty of perpetually shifting the centre of gravity, by a set, of obscure indeed, but of quick balancing actions, so as to keep the line of direction, which is a line drawn from that centre to the ground, within its prescribed limits. Of these actions it may be observed, first, that they in part constitute what we call strength. The dead body drops down.«222

Paley generalisiert und abstrahiert die Kraft des Menschen, im Stehen und Gehen der Schwerkraft zu widerstehen, in Analogie und vor dem Hintergrund der Frage nach der Lebenskraft. Sie arbeitet permanent gegen die Schwerkraft. Plausibel wird so, mit Schopenhauer zu sagen, dass »unser Gehen nur ein stets gehemmtes Fallen ist, das Leben unseres Leibes nur ein fortdauernd gehemmtes Sterben, ein immer aufgeschobener Tod ist«.223 Das menschliche Gehen wird zum Normalfall eines in der Regel unsichtbaren Kampfes mit der Schwerkraft und dem ›Tod‹ der den Naturgesetzen ausgesetzten körperlichen Dinglichkeit. Schütze formuliert das zwar ohne expliziten Rekurs auf die Schwerkraft, aber doch als unsichtbaren Kampf, der im Fallen sichtbar wird: »Wieder mit den Füßen ist er [der Mensch, A. K. / J. L.] demselben komischen Spiele ausgesetzt. So ist er z. B. genöthigt, um sich stehend zu erhalten, auf denselben zu balanciren. So lange dieses gut von Statten aufrechte Gang. Eine Geschichte des anthropologischen Denkens. München: C. H. Beck 2012. 222  William Paley: Natural Theology: Or, Evidences of the Existence and Attributes of the Deity, collected from the Appearances of Nature. London: R. Faulder 1802, S.  219. 223  Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung [1819] In: Werke in fünf Bänden. Hg. v. Ludger Lütkehaus. Bd.  1. Zürich: Haffmanns 1988, § 57, S.  406.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

XCV

geht, und die Gewohnheit uns diesen besondern Zustand nicht bemerken läßt, giebt es wenigstens sichtbar keinen Kampf mit der Natur; aber nun fängt er auf glatten Boden an auszugleiten, er wirft die Arme als Balancirstangen um sich, er fällt trotz seiner Bemühungen der Länge nach auf die Nase.« (VK, 38  f.)

Eine solche Aufmerksamkeit auf Szenen des Slapstick bildet in jedem Fall eine Brücke zwischen Schütze und Bergson. Zur Deutung der vorhandenen Parallelen wäre schließlich auch plausibel, dass um 1900, unabhängig von solchen Filiationen, gleichzeitig jene Gedanken formulierbar werden, wie sie Schütze bereits knapp 100 Jahre früher entwickelt hatte. Dafür sprechen würde ein ebenfalls im Jahr 1900 erschienenes Buch von Johannes Ziegler über das Komische, in dem Ziegler seinerseits von Szenen des Slapstick ausgeht und das Komische vom Eindruck her deutet, die Zweckverkehrung im Stolpern nähme das Gepräge einer Zwecksetzung an: »Dieser Eindruck ist nicht selten so mächtig, daß wir den Kobold zu sehen und zu hören glauben, der das Unheil angerichtet hat.«224 Wie Schütze und Bergson sieht auch Ziegler das Komische im »Erscheinungsgegensatz zwischen Geist und Materie«225 und auch er fasst das Komische als etwas, das – in der Formulierung Schützes – »in einem gebundenen Zustande« (VK, 22) bereits vorhanden ist und im Blick auf das menschliche Leben freigelegt werden kann: »ja, sogar Essen und Trinken, Schlafen und Gehen entbehren für den fein empfindenden Beobachter des komischen Beigeschmacks nicht«.226

224  Johannes Ziegler: Das Komische. Eine Studie zur Philosophie des Schönen. Leipzig: Eduard Avenarius 1900, S.  10. 225  Ebd., S.  12. 226 Ebd.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

XCVI

Einführung

Schütze seit dem 20. Jahrhundert Im 20. Jahrhundert gibt es in der Theoriebildung des Komischen noch sehr vereinzelte Bezugnahmen auf Schütze, die durch die Nähe zu Bergson auch verstärkt eine internationale Komponente erhalten. So stellt der US-amerikanische Psychologe Linus W. Kline in seinem Aufsatz The Psychology of Humour (1907) Schütze und Bergson unmittelbar nebeneinander mit ihrer Aussage, das Komische finde sich nur in der Sphäre des Menschlichen.227 In besonderer Weise hat der Italiener Giulio A. Levi sich mit Schütze beschäftigt und ihn in einer im 20. Jahrhundert seltenen Ausführlichkeit besprochen.228 Zugleich hat er ihn seiner eigenen, wiederum Bergson nahestehenden Theorie zugrunde gelegt. Die Nähe zwischen Bergson und Schütze ist dann auch in den Rezensionen zu Levis Buch bemerkt worden: »L’auteur [Levi] examine ensuite longuement les théories de M. Bergson et de Schütze. […] Sa conception [gemeint ist Bergson] ainsi que certains exemples se retrouvent d’ailleurs et en des termes très analogues […] esquissés dans l’ouvrage de Schütze«.229 Levi hält Schützes Theorie, die im Zuge des Positivismus zu Unrecht der Vergessenheit und zum Teil der Lächerlichkeit anheimgefallen sei, für »eine der durchdachtesten und schärfsten Arbeiten, die je über das Komische geschrieben wurden«.230 Er teilt mit Schütze das Bestreben, das Komische jenseits von allgemeinen Aussagen über das Wesen der Kunst als Phänomen sui generis ernst zu nehmen 227  Linus W. Kline: The Psychology of Humour. In: The Amercian Journal of Psychology 18 (1907), S.  421–441, hier S.  427. 228  Giulio A. Levi: Il Comico. Genua: A. F. Formiggini 1913. Für die Rezeption Schützes in Italien hat möglicherweise die Ästhetik von Franz Ficker gesorgt, die 1856 ins Italienische übersetzt wurde: Estetica ossia teoria del bello e dell’arte. Neapel: Francesco Rossi Romano 1856, vgl. zu Schütze S.  219. 229  Anonym: [Rez.] Il comico, par Giulio A. Levi. In: Revue de métaphysique et de morale 22 (1914). Supplement 1, S.  23. Levi widmet sich Bergson im Kapitel VI und Schütze im Kapitel VII seines Buches und verweist auf die Analogien zwischen den beiden bereits im Kapitel zu Bergson. 230  Levi, Il Comico, S.  52. (Übersetzung: Alessia Heider).

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

XCVII

und dieses in Bezug auf die Freiheit zu definieren. Levi interessiert sich wie Schütze dafür, das Komische sowohl von dem Menschen aus zu denken, der dem Lächerlichen qua Mechanismus verfällt, als auch vom Eindruck, hinter dem Mechanismus stecke wiederum ein mit dem Menschen spielendes Subjekt – allerdings wirft Levi eben dies Schütze fälschlich als Inkonsistenz vor. Schütze kläre nicht, ob »es sich hierbei um ein Spiel zwischen Mensch und Natur« handelt, oder »ob in diesem Spiel die Natur die Spielerin und der Mensch das Spielzeug ist«.231 Schütze aber denkt die Natur sowohl als »höheren Willen« als auch als »körperliche Beschränkung für den Menschen« und zeigt gerade die Übergängigkeit zwischen beiden Aspekten, insofern die Beschränkungen in »ihrem großen Zusammenhange« als »ein handelnder Geist« erscheinen können (VK, 50). Mit Schütze dagegen kritisiert er Bergsons Fokussierung auf das Automatenhafte, denn es schließe zwar »die Negation der Freiheit den Mechanismus ein, allerdings nicht umgekehrt«.232 Die Parallelen zu Bergson werden auch im Folgenden, zum Teil unter Aufnahme des Buches von Levi, gelegentlich bemerkt,233 Schütze bleibt aber dennoch in der weiteren Diskussion der Komiktheorie mehr als randständig – und spielt in der weiteren philosophischen Bemühung um die Theorie des Komischen keine Rolle mehr. Wo er genannt wird, geschieht dies allerdings immer mit großem Respekt – sozusagen im Modus des Geheimtipps. So etwa bei Sophus Hochfeld in seinem Buch Der Witz (1920), in dem er sämtliche Witztheorien – zum Teil sehr witzig – für ungenügend 231  Ebd., S.  54 (Übersetzung: Alessia Heider). 232  Ebd., S.  82 (Übersetzung: Alessia Heider). 233  Vgl. Giuseppe Montesano: Psicologia del riso e del comico. In: Rivista della filosofia 13/4 (1921), S.  308–358, bes. S.  310–312 u. ö.; Alberto Piccoli Genovese: Il comico, l’umore e la fantasia; o, teoria del riso come introduzione all’estetica. Torino: Fratelli Bocca 1926, S.  73; Marius Latour: Remarques pour une théorie des emotions. In: Journal de psychologie normale et pathologique. [Sitzung des 12. 12. 1929], S.  300–316, hier S.  303; Elisabeth Jongejan: De humor-›cultus‹ der Romantiek in Nederland. Zutphen: W. J. Thieme & Cie 1933, S.  82  f. (dort mit Verweis auf Schütze, Bergson und Levi).

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

XCVIII

Einführung

erklärt und dann im letzten Drittel des Buches auf Schütze zu sprechen kommt, »der das Trefflichste über den Witz« bereits 1817 gesagt habe.234 Ähnlich wie Lotze weist auch Hochfeld darauf hin, dass Schützes Komiktheorie sich auch auf die Wortkomik beziehen lasse, »wenn man für ›Natur‹ die ›Sprache‹ einsetzt«,235 was sich freilich bei Schütze selbst bereits findet (vgl. VK, 111  f.). Erwähnung findet Schütze auch noch in einem ausführlichen Forschungsbericht von Otto Rommel, der zur Grundlage einiger Referenzen auf Schütze in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde.236 Rommel bietet ­einen sowohl sehr materialreichen wie analytisch scharfen Überblick über die Philosophiegeschichte des Komischen und ist daher, trotz einer offen antisemitischen Passage, auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts prominent wiederabgedruckt und benutzt worden – auch hier war Schütze zu finden.237 Dass Schütze im weiteren Verlauf des 20. Jahrhundert dennoch nicht mehr zum Kanon komiktheoretischer Autoren gehört, zeigt sich insbesondere daran, dass er – mit der erwähnten Ausnahme der Berücksichtigung in den Ästhetischen Grundbegriffen – in keinem Artikel in Konversationslexika oder Realenzyklopädien oder auch Spezialnachschlagewerken zu Theater, Kunst oder Musik bis 234  Sophus Hochfeld: Der Witz. Potsdam  /  Leipzig: Bonneß & Hachfeld 1920, S.  109. 235  Ebd., S.  110. 236  Vgl. Otto Rommel: Die wissenschaftlichen Bemühungen um die Analyse des Komischen. In: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 21 (1943), S.  161–195 [wiederabgedruckt in: Reinhold Grimm, Klaus L. Berghahn (Hg.): Wesen und Formen des Komischen im Drama. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1975, S.  1–38], zu Schütze S.  166 u. 168  f. 237  Auf Rommel verweisen folgende Texte, die Schütze berücksichtigen: Klaus Lazarowicz: Verkehrte Welt. Vorstudien zu einer Geschichte der deutschen Satire. Tübingen: Niemeyer 1963, S.  245 u. S.  298; Renate Grötzebach: Humor und Satire bei Jean Paul: Exemplarische Untersuchungen mit besonderer Berücksichtigung des Spätwerks. Berlin: E. Reuter 1966, S.  45; Jan Papiór: Ironie. Diachronische Begriffsentwicklung. Posen: Universitätsverlag 1989, S.  31  f.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

XCIX

heute vorkommt. Auch im Kindler-Lexikon gibt es in keiner der drei Auflagen einen Eintrag zu Schütze; ebenso wenig wird Schütze im Komik-Handbuch (2017) gewürdigt. Dass Schütze hier dennoch zumindest einmal beiläufig erwähnt wird, hängt mit seiner besonderen Rolle im Feld der Musiktheorie zusammen, die abschließend skizziert werden soll.238 Schütze-Rezeption in der Musiktheorie Zehn Jahre nach der Publikation von Schützes Versuch erschien in der von Friedrich Rochlitz herausgegebenen Allgemeinen musika­ lischen Zeitung ein anonymer Artikel, der Schützes Komiktheorie im Hinblick auf die Frage nach dem Komischen in der Musik einer längeren Würdigung unterzieht. Ganz und gar einverstanden mit Schützes Komiktheorie referiert er die drei Bedingungen, nach denen laut Schütze die Musik mit dem Komischen allenfalls in Berührung kommen könne (vgl. VK, 139–141) – und versucht schließlich auch, gegen Schütze, die Instrumentalmusik einzubeziehen.239 Ohne Bezug hierauf eröffnet dann Gustav Adolph Keferstein unter dem Pseudonym K. Stein sieben Jahre später eine Kontroverse, indem er in seinem Text Versuch über das Komische in der Musik (1834) im ersten Teil Schützes Behauptung, die Musik sei eine lyrische Kunst, mit dem Hinweis auf ihre mathematischen Verhältnisse zurückweist, sodann versucht, Schützes Theorie des Komischen zu widerlegen und durch eine eigene Theorie zu ersetzen. Diese Theo­ rie sieht das Komische als Effekt einer jeden plötzlichen »ergötzli­ chen Abweichung« vom Zweckmäßigen und Gewöhnlichen und im

238 Vgl. Rainer Dachselt: Komik mit musikalischen Mitteln. In: Uwe Wirth (Hg.): Komik. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart: Metzler 2017, S.  220–234, hier S.  221. 239  Anonym: Das Musikalisch-Komische. In: Allgemeine Musikalische Zeitung. Nr.  20, 16. 5. 1827, Sp.  329–337, hier Sp.  334  f.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

C

Einführung

dadurch erregten Gefühl einer Überlegenheit.240 Mit dieser – offensichtlich unterkomplexen241 – Theorie des Komischen arbeitet Keferstein im zweiten Teil musiktheoretisch und -analytisch die Möglichkeiten des Komischen in der Musik heraus, wobei allerdings viele Beispiele doch nicht ohne Bezug auf Text oder Stimme auskommen. Leitend sind dabei alle Fälle des Ungewöhnlichen in der Behandlung von Takt, Rhythmus, musikalischen Figuren, oder etwa ungewöhnliche Intervalle in Melodien sowie Harmonie und Instrumentierung (hier dann auch in Bezug auf Instrumentalmusik, insbesondere auf Beethovens Sonaten). Auf diesen Text antwortete zunächst zustimmend ein kleiner Text von Robert Schumann in der Neuen Leipziger Zeitschrift für Mu­ sik242 und dann kritisch ein anonymer Beitrag in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung, der im Wesentlichen Schützes Position und Theorie verteidigt.243 Für Schütze selbst war diese kleine Debatte 240  K. Stein: Versuch über das Komische in der Musik. In: Caecilia. Eine Zeitschrift für die musikalische Welt XV/60 (1833), S.  221–266, hier S.  242. 241  Die petitio principii, dass es sich um eine »ergötzliche« Abweichung handeln müsse, ohne dass Stein die Bedingungen für diese Bestimmung angibt, ist nicht nur von Schütze selbst kritisiert worden. Siehe: Ludwig Rellstab: [Rez.] Caecilia, eine Zeitung für die musikalische Welt, herausgegeben von ­einem Vereine von Gelehrten, Kunstverständigen und Künstlern. Heft 59 u. 60. In: Iris im Gebiete der Tonkunst. Nr.  29, 18. 7. 1834, S.  113–115. Auch in späteren Referenzen auf die Kontroverse wird die Schwäche der Kefersteinschen Theorie analysiert: Richard Hohenemser: Über Komik und Humor in der Musik. In: Jahrbuch der Musikbibliothek Peters 24 (1917), S.  65–83, hier S.  68: »Diese Definition ist so schlecht wie nur möglich«. 242  Robert Schumann: Ueber den Aufsatz: das Komische in der Musik von C. Stein im 60. Hft. der Caecilia. In: Neue Leipziger Zeitung für Musik. Nr.  3, 10. 4. 1834, S.  10  f. 243  Anonym: Ueber komische Musik. In: Allgemeine Musikalische Zeitung. Nr.  16, 16. 4. 1834, Sp.  249–257; Nr.  17, 23. 4. 1834, Sp.  269–277. Der an­ onyme Autor ist aller Wahrscheinlichkeit der Jenaer Philosophieprofessor Ferdinand Hand, siehe hierzu: Michael Stille: Möglichkeiten des Komischen in der Musik. Frankfurt a. M. [u. a.]: Peter Lang 1990, S.  62. Dafür spricht, dass sich Hand in seiner Ästhetik der Tonkunst. Erster Theil. Leipzig: G. Hochhausen und Fournes 1837, S.  392, ebenfalls positiv auf Schütze bezieht.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

CI

eine willkommene Gelegenheit, seine Komiktheorie, die aus seiner Perspektive zu wenig Beachtung erfahren hatte, erneut in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken zu können. Schütze antwortet auf Keferstein in der Caecilia (1834) in einem kurzen Text und dankt Keferstein zunächst gleich zu Beginn, dass er seine Theorie »zur Sprache bringt«, und drückt am Ende die Hoffnung aus, »dass nun auch vielleicht Andere sich geneigt fühlen werden, meinen Versuch, dessen Inhalt ich nicht ergrübelt, sondern, fast ein ganzes Leben hindurch, aus dem Leben selbst geschöpft habe, ihrer unbefangenen Aufmerksamkeit und ihrem Nachdenken zu unterwerfen«.244 Entsprechend begibt sich Schütze zunächst auf das komiktheoretische Feld und weist nach, dass die Beispiele, die Keferstein zur Widerlegung seiner Theorie gebraucht, hierfür nicht geeignet sind. Im Gegenteil kann Schütze in diesem Zusammenhang die Stärke seiner Theorie vom Spiel der Natur mit der Freiheit des Menschen an eben diesen Beispielen demonstrieren, etwa an der Zappelbewegung des Geprügelten, in der einerseits ein »Streben nach Freiheit« sichtbar werde, andererseits »Furcht und Zaghaftigkeit und eine Beweglichkeit der Glieder« recht gut ein »Spiel der Natur mit dem Menschen abspiegeln«.245 Im musiktheoretischen Teil unterscheidet Schütze die Mittel des Komischen in der Musik vom Komischen selbst, wobei er Keferstein konzediert, diese Mittel mit Hilfe seiner viel zu allgemeinen Komiktheorie und vom »Standpuncte der Musik« aus eindrücklich aufgezeigt zu haben. Zugleich beharrt er aber darauf, dass vom Standpunkt einer philosophisch schärfer blickenden Komiktheorie »wir bei komischen Leistungen der Musik noch manches vermissen, das zu einer selbständigen, bestimmt und allgemein ansprechenden Komik erfordert wird«.246 Die Verwechslung der Mittel des Komi244  Stephan Schütze: Ueber das Verhältniss der Komik zur Musik. In: Caecilia. Eine Zeitschrift für die musikalische Welt XVI/63 (1834), S.  197–205, hier S.  197 u. S.  205. 245  Ebd., S.  199. 246  Ebd., S.  204.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

CII

Einführung

schen mit dem Komischen selbst hatte Schütze immer wieder gegen die Theorie des Kontrastes vorgebracht.247 Schütze flankiert dies schließlich mit dem empirischen Argument, dass im Theatersaal bei einem Lustspiel ständig und viel laut gelacht werde, bei Konzerten von Instrumentalmusik dagegen »selten ein lautes Lachen« zu h ­ ören sei. In seiner ersten Antwort248 begründet Keferstein seine weiterhin geltende Ablehnung der Theorie Schützes mit der irrigen Behauptung, dass »kein einziger der später schreibenden Aesthetiker sie aufgenommen«249 habe, erkennt aber an, dass Schütze mit der zwar nicht selbständigen, aber »nachempfundenen Komik«,250 die er der Musik zugesteht, seinen Standpunkt doch relativiert habe. In seiner zweiten Replik, die sich auf Schütze und den bereits erwähnten anonym publizierten Beitrag von Ferdinand Hand bezieht und auf die Schütze nicht mehr geantwortet hat, verteidigt Keferstein sowohl seine Komiktheorie als auch die Kritik an der Schützes. Für Schütze und die weitere Rezeption seiner Komiktheorie war diese Kontroverse ambivalent. Einerseits trat die musiktheoretisch avanciertere Position mit einer komiktheoretisch schwachen Position gegen Schütze auf, andererseits sorgte eben diese Kontroverse für ein gewisses Echo der Schützeschen Theorie in der Geschichte der Musiktheorie bis heute. In Darstellungen des Problems des Komischen in der Musik hat die Kontroverse, nicht zuletzt aufgrund der Beteiligung Robert Schumanns, einen festen Platz.251 Für die 247  Schütze, Erläuterungen über das Komische, S.  35. 248  K. Stein: Ueber Komik in der Musik. Nachschrift von K. Stein auf des Herrn Professors St. Schütze Erwiederung. In: Caecilia. Eine Zeitschrift für die musikalische Welt XVI/64 (1834), S.  245–249. 249  Ebd., S.  246. Diese Behauptung wiederholt Keferstein in seiner zweiten Replik: K. Stein: Comica. In: Allgemeine Musikalische Zeitung. Nr.  8, 25. 2. 1835, Sp.  129–140; Nr.  9, 4. 3. 1835, Sp.  141–146. 250  Stein, Ueber Komik in der Musik, S.  247. 251  Vgl. im 19. Jahrhundert die Dissertation von Fritz Ziller: Die Musik und das Komische. Halle: H. W. Schmidt 1876, S.  9, und im 20. Jahrhundert die Dissertationen von Stille, Möglichkeiten des Komischen in der Musik, bes. S.  60– 63, und Mirjam Schadendorf: Humor als Formkonzept in der Musik Gustav

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Alexander Kling und Johannes F. Lehmann

CIII

­ ezeption von Schützes Komiktheorie mag man es in diesem ZuR sammenhang als bezeichnend ansehen, dass diese im neuesten Handbuch zur Komik nur ein einziges Mal erwähnt wird, und zwar mit Blick auf das Komische in der Musik, wohingegen sie in den Feldern der allgemeinen Komiktheorie sowie des Theaters und der Dichtung fehlt. Zu dieser Ausgabe Die vorliegende Edition der Monographie Versuch einer Theorie des Komischen von Stephan Schütze folgt der in Leipzig bei Johann Friedrich Hartknoch im Jahr 1817 erschienenen ersten und einzigen Ausgabe. Der Text ist nahezu unverändert übernommen worden, Orthographie und Interpunktion sind beibehalten worden, ebenso die Abschnittsgestaltung. Ebenfalls aufgenommen sind die Anmerkungen, die Schütze im Text setzt. Sie finden sich originalgetreu als durch * gekennzeichnete Fußnoten im Text. Hervorhebungen durch Sperrung sind kursiv wiedergegeben. Die vier Druckfehler, die am Ende des Buches angemerkt sind, haben wir eingepflegt. Einige sehr wenige weitere Druckfehler haben wir stillschweigend korrigiert, wenn es sich eindeutig um Fehler handelte. Andernfalls ist dies in den Kommentaren vermerkt. Die ursprüngliche Paginierung ist durch Senkrechtstriche und Angaben der Seitenzahlen in der Kopfzeile erschließbar. Die Kommentare in den Endnoten, angezeigt durch hochgestellte arabische Ziffern, erläutern ausführlich Begriffe, Texte, Namen und komiktheoretische Positionen bzw. Kontexte, auf die Schütze rekurriert. Die Ausgabe enthält im Anhang drei weitere Texte Schützes, die für die Entwicklung seiner komiktheoretischen Position relevant sind: Der frühe Text Ueber das Komische (1810) stammt aus der Zeit Mahlers. Stuttgart  /  Weimar: Metzler 1995, bes. S.  60–69; sowie: Maria G ­ oeth: Musik und Humor: Strategien, Universalien, Grenzen. Hildesheim  /  Zürich  /  New York: Olms 2016, bes. zur Schütze-Stein-Kontroverse S.  55–69.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Einführung

CIV

der eigentlichen Konzeption des erst sieben Jahre später als Buch veröffentlichten Versuch und bietet die Möglichkeit, Entwicklungen in Schützes Theoriebildung zu verfolgen. Der sehr viel spätere Text Ueber das Verhältniß des Lächerlichen zum Komischen (1834) greift zentrale Unterscheidungen auf und war Anlass für Kontroversen, die auf die Rezeption Schützes zu Lebzeiten verweisen. Schützes ein Jahr vor seinem Tod verfasste Rezension zu F. T. Vischers Ueber das Erhabene und Komische (1838) schließlich weist über Schützes Lebenszeit hinaus und begründet seine Wirkung auf Vischer und weitere Autoren des 19. Jahrhunderts. Auch hier gelten die oben genannten Prinzipien der Edition. Die zugrundeliegenden Texte sowie deren Status und Bedeutung im Kontext der komiktheoretischen Überlegungen Schützes werden jeweils in kurzen Einleitungen, die den Texten vorangestellt sind, angegeben und ­erläutert. Das bibliographische Verzeichnis ausgewählter Schriften Stephan Schützes, das im nächsten Abschnitt folgt, ist dreigeteilt. Es enthält in chronologischer Reihenfolge erstens sämtliche komiktheoretische Schriften, zweitens sämtliche komische Texte und drittens eine Liste autobiographischer Texte sowie weiterer in der Einleitung oder in den Kommentaren zitierter Texte Schützes. Die ersten beiden Abteilungen zielen auf Vollständigkeit, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, dass in Zukunft weitere Texte gefunden werden. Eine möglichst vollständige Bibliographie Stephan Schützes ist online erreichbar unter der Adresse https://doi.org/10.48565/bonndoc-16 und wird bei neuen Funden aktualisiert. Die ausführlichen bisherigen Recherchen zu Schütze wären ohne die Unterstützung der DFG, die dieses Editionsprojekt gefördert hat, nicht möglich gewesen. Unser Dank gilt den beiden ProjektmitarbeiterInnen Justus Beyerling und Alessia Heider – sowie außerdem natürlich Marcel Simon-Gadhof, der die Relevanz der Komiktheorie Schützes für die Philosophische Bibliothek Meiners gesehen und das Projekt geduldig und professionell unterstützt hat. Bonn im August 2021

Alexander Kling, Johannes F. Lehmann

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Siglenverzeichnis

Siglen der in diesem Band abgedruckten Texte Stephan Schützes VK UdK LzK EuK

Versuch einer Theorie des Komischen Ueber das Komische Ueber das Verhältniß des Lächerlichen zum Komischen Rezension von Friedrich Theodor Vischer: Über das Erhabene und Komische [1838] Weitere Siglen

ÄGB

Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden. Hg. v. Karlheinz Barck [u. a.] Stuttgart  /  Weimar: Metzler 2000–2005. DWB [Jacob und Wilhelm Grimm:] Deutsches Wörterbuch [1854–1961]. 33 Bde. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1984. FA Johann Wolfgang Goethe: Sämtliche Werke, Briefe, Tagebücher und Gespräche. 40 Bde. Hg. v. Hendrik Birus [u. a.]. Frankfurt a. M.: Deutscher Klassiker Verlag 1985–2013. HWPh Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg. v. Joachim Ritter [u. a.]. 13 Bde. Basel: Schwabe 1971–2007. KFSA Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Hg. v. Ernst Behler unter Mitarbeit vom Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner. 35 Bde. Paderborn [u. a.]: Ferdinand Schönigh, Zürich: Thomas-Verlag 1958  ff. NA Friedrich Schiller: Werke. Nationalausgabe. Im Auftrag des Goethe- und Schiller-Archivs, des Schiller-Nationalmuseums und der Deutschen Akademie. Hg. v. Julius Petersen [u. a.]. 43 Bde. Weimar: Böhlau 1943  ff.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Schriftenverzeichnis zu Stephan Schütze

a. Komiktheoretische Texte Ueber das Komische. In: Gedanken und Einfälle über Leben und Kunst. Leipzig: J. F. Gleditsch 1810, S.  278–296. Ueber Scherz und Laune. In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  62, 28. 3. 1811, Sp.  489–493; Nr.  63, 29. 3. 1811, Sp.  499–501 (= VK, 95–101). Ueber den Humor. In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  122, 20. 6. 1811, Sp.  969–973; Nr.  123, 21. 6. 1811, Sp.  979–984. (= VK, 101–110). Ueber den Unterschied des Lächerlichen und Komischen. In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  240, 2. 12. 1811, Sp.  1916  f.; Nr.  241, 3. 12. 1811, Sp.  1923  f. (= VK, 8–11). Begründung des Lächerlichen im Menschen und in der Welt. In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  245, 9. 12. 1811, Sp.  1955–1958; Nr.  246, 10. 12. 1811, Sp.  1961–1964. (= VK, 52–58). Prüfung der herrschenden Definitionen des Lächerlichen. In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  24, 3. 2. 1812, Sp.  185–188; Nr.  25, 4. 2. 1812, Sp.  197– 199; Nr.  26, 6. 2. 1812, Sp.  201–205; Nr.  27, 7. 2. 1812, Sp.  212–215; Nr.  28, 8. 2. 1812, Sp.  217–221; Nr.  29, 10. 2. 1812, Sp.  229–231 (= VK, 59–75). Ueber die Vergleichung des Lustspiels mit dem Trauerspiele. In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  47, 6. 3. 1812, Sp.  369–372. (= VK, 75–78). Mittel zur Darstellung des Lächerlichen. In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  54, 16. 3. 1812, Sp.  429  ff.; Nr.  55, 17. 3. 1812, Sp.  436  f. (= VK, 78–83). Ueber den Kontrast als Mittel zur Darstellung des Lächerlichen. In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  56, 19. 3. 1812, Sp.  443–448. (= VK, 83–88). Ueber die Naivetät. In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  64, 30. 3. 1812, Sp.  506–509. (= VK, 88–91). Ueber den Witz. In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  69, 6. 4. 1812, Sp.  548–550; Nr.  70, 7. 4. 1812, Sp.  557–559 (= VK, 91–95). [Rez.] Travestieen und Burlesken, zur Darstellung im kleinen geselligen Verein von Julius von Voß. In: Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung. Nr.  168, 22. 8. 1812, Sp.  311  f. [signiert mit T. Z.].

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Schriftenverzeichnis zu Stephan Schütze

CVII

Versuch einer Theorie des Komischen. Leipzig: Johann Friedrich Hartknoch 1817. Ueber die beiden Hauptgegensätze im Komischen. In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  3, 6. 1. 1820, Sp.  17–19; Nr.  4, 7. 1. 1820, Sp.  29  f. Ueber das Komische in der Thierwelt. In: Abendzeitung. Nr.  229, 25. 9. 1820 [o. S.]. Erläuterungen über das Komische. In: Die Muse. Monatschrift für Freunde der Poesie und der mit ihr verschwisterten Künste. Bd.  1, Heft 2, 1822, S.  1–40. Ueber die Komik des Aristophanes. In: Hermes oder kritisches Jahrbuch der Literatur. Erstes Stück für das Jahr 1823. Leipzig: F. A. Brockhaus 1823, S.  7–60 [anonym]. Ueber Shakspeare’s Troilus und Cressida. In: Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode. Nr.  88, September 1823, S.  721–723; Nr.  89, September 1823, S.  729–731. Das Theater-Vergnügen. In: Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode. Nr.  85, 21. 10. 1825, S.  682–688 [signiert mit Sch.]. Ueber das Gefährliche des Witzes. In: Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode. Nr.  93, 18. 11. 1825, S.  745–748 [anonym]. Was hat das deutsche Lustspiel zu hoffen? In: Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode. Nr.  98, 6. 12. 1825, S.  788–790 [signiert mit Sch.]. Ueber das Wort Humor. In: Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode. Nr.  16, 24. 2. 1826. S.  126 [anonym]. Die Ironie des Lustspiels. In: Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode. Nr.  56, 14. 7. 1826, S.  4 41–443. Ueber die Abhängigkeit des Lustspiels von der Zeit. In: Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode. Nr.  66, 18. 8. 1826, S.  522–524 [anonym]. Dürfen Thiere auf dem Theater erscheinen? In: Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode. Nr.  73, 12. 9. 1826, S.  577–580 [signiert mit Sch.]. Der Witz im Komischen. In: Journal für Literatur, Kunst und geselliges Leben. Nr.  56, 10. 5. 1827, Sp.  4 41–444 [signiert mit Sch.]. Was ist von Bearbeitungen alter Lustspiele zu erwarten? In: Journal für Literatur, Kunst und geselliges Leben. Nr.  148, 11. 12. 1827, Sp.  1177–1180 [signiert mit Sch.].

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

CVIII

Schriftenverzeichnis zu Stephan Schütze

Ueber den Unterschied des Lächerlichen und Komischen. In: Beiträge zur Geschichte dramatischer Kunst und Literatur. Hg. v. Karl von Holtei. Bd.  2. Berlin: Haude- und Spenersche Buchhandlung 1828, S.  183–191. [Rez.] Fra Diavolo oder das Gasthaus in Terracina, komische Oper in drei Acten, von Scribe; Musik von Auber; zur beibehaltenen Musik bearbeitet von Carl Blum. II. Würdigung des Gedichtes. In: Caecilia. Eine Zeitschrift für die musikalische Welt XIII/51 (1831), S.  177–181. Ueber das Verhältniß des Lächerlichen zum Komischen. In: Blätter für literarische Unterhaltung. Nr.  270, 27. 9. 1834, S.  1117–1119. Ueber das Verhältniss der Komik zur Musik. In: Caecilia. Eine Zeitschrift für die musikalische Welt XVI/63 (1834), S.  197–205. Ist das Lachen beim Komischen etwas Zufälliges? In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  168, 27. 8. 1836, S.  669–671. [Rez.] Ueber das Erhabene und Komische. Ein Beitrag zu der Philosophie des Schönen, von Dr. Friedrich Theodor Vischer. In: Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung. Nr.  176, September 1838, Sp.  4 41–448; Nr.  177, September 1838, Sp.  4 49–451.

b. Auswahl komischer Texte (Anekdoten, Dialoge, Erzählungen, Gedichte, Lustspiele, Novellen, Schwänke, Singspiele) Der Zauberbrunnen. Ein Lustspiel in Einem Akt. In: Taschenbuch für das Jahr 1805. Egeria. Hg. v. Karl Müchler. Berlin: Johann Friedrich Unger 1805, S.  5–46. Der Dichter und sein Vaterland, ein Lustspiel in drei Aufzügen. Als Vorschlag zu einer Todtenfeier für alle Dichter, die gestorben sind und noch sterben werden. Leipzig: E. F. Steinacker 1806. Die Journalisten. Lustspiel in einem Aufzuge. Leipzig: Georg Voß 1806. Sendschreiben deutscher Lustspieldichter an Herrn Cotta in Tübingen. In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  33, 26. 2. 1807, Sp.  261–264 [anonym, wiederabgedruckt in Gedanken und Einfälle über Leben und Kunst].

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Schriftenverzeichnis zu Stephan Schütze

CIX

Schreiben deutscher Lustspieldichter an das Publikum. In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  50, 28. 3. 1808, Sp.  393–397; Nr.  51, 29. 3. 1808, Sp.  402–405 [Signiert mit S., wiederabgedruckt in Gedanken und Ein­ fälle über Leben und Kunst]. Beispiel von glücklichem Humor. In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  12, 20. 1. 1807, Sp.  93  f. [anonym, wiederabgedruckt in Gedanken und Ein­ fälle über Leben und Kunst]. Männertrug und Weiberlist. Ein Lustspiel in zwei Aufzügen. In: Erholungen. Hg. v. W. G. Becker. 1809. Zweites Bändchen. Leipzig: J. F. Gleditsch 1809, S.  1–78. Der Hofnarr und der Dichter. Eine Geschichte aus Utopien. In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  221, 6. 11. 1809, Sp.  1761–1764; Nr.  222, 7. 11. 1809, Sp.  1769–1773. Der verliebte Postmeister. In: Taschenbuch für das Jahr 1811. Der Liebe und Freundschaft gewidmet. Frankfurt a. M.: Friedrich Wilmans [o. J.], S.  125–172. Die Prügelsuppe. Ein Schwank. In: Taschenbuch zum geselligen Vergnügen. Hg. v. W. G. Becker. Drei und Zwanzigster Jahrgang. 1813. Leipzig: Johann Friedrich Gleditsch [o. J.], S.  237–260. Wie gewonnen, so zerronnen. Eine Erzählung. In: Taschenbuch für das Jahr 1813. Der Liebe und Freundschaft gewidmet. Frankfurt a. M.: Friedrich Wilmans [o. J.], S.  113–160. Der Mantel. Ein kleines Reiseabenteuer. Taschenbuch für das Jahr 1814. Der Liebe und Freundschaft gewidmet. Hg. v. St. Schütze. Frankfurt a. M.: Friedrich Wilmans [o. J.], S.  51–94. Der arme Teufel. In: Der Sammler. Nr.  207, 27. 12. 1814, S.  825–827; Nr.  208, 29. 12. 1814, S.  829–831; Nr.  209, 31. 12. 1814, S.  833–835 [wiederabgedruckt unter Hinzufügung des Untertitels »Ein geistlicher Schwank« im Rheinischen Taschenbuch für das Jahr 1815. Darmstadt: Heyer & Leske [o. J.], S.  175–196]. Der Mann aus dem Mond. Ein Schwank. In: W. G. Becker’s Taschenbuch zum geselligen Vergnügen. Hg. v. Friedrich Kind. Auf das Jahr 1817. Leipzig: Joh. Friedrich Gleditsch [o. J.], S.  261–300. Der König von gestern. Posse in einem Akt. In: Der Wintergarten. Bd.  2. Hg. v. St. Schütze. Frankfurt a. M.: Wilmans 1818, S.  1–51.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

CX

Schriftenverzeichnis zu Stephan Schütze

Das verschmitzte Kammermädchen. In: Der Wintergarten. Bd.  3. Hg. v. St. Schütze. Frankfurt a. M.: Wilmans 1819, S.  115–170. Der Allgefällige. Ein Lustspiel in zwei Acten. In: Almanach dramatischer Spiele zur geselligen Unterhaltung auf dem Lande. Jg. 21. Leipzig: P. G. Kummer 1823, S.  159–232. Der Freiwerber wider Willen. Ein Lustspiel in zwölf Scenen. In: Taschenbuch für das Jahr 1823. Der Liebe und Freundschaft gewidmet. Hg. v. St. Schütze. Frankfurt a. M.: Friedrich Wilmans [o. J.], S.  1–32. Die Heimkehr. Lustspiel in einem Act. In: Almanach dramatischer Spiele zur geselligen Unterhaltung auf dem Lande. Jg. 22. Leipzig: P. G. Kummer 1824, S.  251–308. Erster Unterricht im ästhetischen Urtheil. In: Journal für Literatur, Kunst und geselliges Leben. Nr.  9, 20. 1. 1827, Sp.  65–69. Gedichte ernsten und scherzhaften Inhalts. Berlin: Vereins-Buchhandlung 1830. Mutter und Tochter. Lustspiel in einem Aufzuge. In: Almanach dramatischer Spiele zur geselligen Unterhaltung auf dem Lande. Jg. 28. Hamburg: Hoffmann und Campe 1830, S.  185–276. Was doch die Vorstellung thut! Lustspiel in einem Aufzuge. In: Jahrbuch deutscher Bühnenspiele. Hg. v. Carl v. Holtei. Jg. 10. Berlin: VereinsBuchhandlung 1831, S.  1–64. Der unentschlossene Freier. Eine Erzählung. In: Taschenbuch der Liebe und Freundschaft gewidmet. 1838. Hg. v. St. Schütze. Frankfurt a. M.: Friedrich Wilmans [o. J.], S.  1–54. Die beiden Candidaten. Eine Erzählung. In: Taschenbuch der Liebe und Freundschaft gewidmet. 1839. Hg. v. St. Schütze. Frankfurt a. M.: Friedrich Wilmans [o. J.], S.  1–73. Folgende Texte werden sowohl zeitgenössisch als auch bis heute oft Schütze zugeschrieben; diese Zuschreibung ist allerdings fragwürdig, da Schütze die Texte und möglicherweise zugrundeliegende Reisen weder in seiner Autobiographie noch in seinem handschriftlichen Publikationsverzeichnis vermerkt. Wahrscheinlicher ist, dass die Texte von Johann Friedrich Schütze stammen. Nahegelegt wird diese Verfasserschaft zumindest für die Humoristischen Reisen von Thomas Thode: Wer schrieb

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Schriftenverzeichnis zu Stephan Schütze

CXI

»Schütze’s Humoristische Reisen«? Bio-bibliographische Nachforschungen zu einer Sammlung fast vergessener Reiseberichte. In: Vom Zettelkasten zum Internet. Ein Feststrauß für Susanne Koppel. Eutin: Lumpeter & Lasel 2005, S.  7 1–97. * Das Land der Wunder, oder Die erstaunenswürdigen Abentheuer, eines Deutschen auf seinen Reisen in eine unbekante Welt. Satyrisch-komisch humoristischer Roman von Schütze. Hamburg: Gottfried Vollmer 1804. * Schütze’s Humoristische Reisen durch Mecklenburg, Holstein, Dännemarck, Ostfriesland etc. als Gegenstück zu Baggesens Humoristischen Reisen. Hamburg: Gottfried Vollmer 1812.

c. Autobiographische und weitere zitierte Texte Theorie des Reims nach Inhalt und Form. Magdeburg: G. Ch. Keil 1802. Abentheuerliche Wanderung von Weimar nach Carlsbad. Taschenbuch für das Jahr 1810. Leipzig: J. F. Gleditsch [o. J.]. Ueber die Wahrheit der Dichtkunst, besonders des Märchens. In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  50, 25. 4. 1805, Sp.  393–395; Nr.  51, 27. 4. 1805, Sp.  401–403 [wiederabgedruckt in Gedanken und Einfälle über Leben und Kunst]. Reisescenen und Bemerkungen. Vom Jahr 1813. In: Die Harfe 1 (1815), S.  153–230; 3 (1816), S.  215–268; 4 (1816), S.  25–72; 5 (1816), S.  111–150. Ueber Hoffmann’s Leben und Nachlaß. In: Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode. Nr.  75, August 1823, S.  618–621; Nr.  76, August 1823, S.  629–632. Die verirrten deutschen Dichter. In: Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode. Nr.  99, 9. 12. 1825, S.  796–798. Ueber Hoffmann. In: Die letzten Erzählungen von E.  T.  A. Hoffmann. Vollständig gesammelt und mit Nachträgen zu dem Werke: Aus Hoffmann’s Leben und Nachlaß, herausgegeben von dessen Verfasser. Zweite Abtheilung. Berlin: Ferdinand Dümmler 1825, S.  352–360.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

CXII

Schriftenverzeichnis zu Stephan Schütze

Etwas aus Jean Paul’s Leben. In: Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode. Nr.  95, 28. 11. 1826, S.  753–757. Johanna Schopenhauer in Weimar. In: Der Gesellschafter. Blätter für Geist und Herz. 33. Blatt, 27. 2. 1829, S.  171  f. Ueber das Melodrama der Zeit. In: Der Gesellschafter oder Blätter für Geist und Herz. 63. Blatt, 18. 4. 1832, S.  313  f. Lebensgeschichte. 2 Bde. Mit dem Bilde des Verfassers. Neuhaldensleben: C. A. Eyraud 1834. Zur Charakteristik Goethe’s. In: Zeitung für die elegante Welt. Nr.  1, 2. 1.  1837, S.  1  ff; Nr.  2, 3. 1. 1837, S.  5–7; Nr.  3, 5.  1.  1837, S.  10  f. Die Abendgesellschaften der Hofräthin Schopenhauer in Weimar, 1806– 1830. In: Weimar’s Album zur vierten Säcularfeier der Buchdruckerkunst am 24. Juni 1840. Weimar: Albrecht’sche privil. Hofbuchdruckerei 1840, S.  185–204.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Literaturverzeichnis

a. Quellen Adelung, Johann Christoph: Ueber den deutschen Styl. 2 Bde. Berlin: Christian Friedrich Voß und Sohn 1785.  –: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. Zweyte vermehrte und verbesserte Ausgabe. 4 Bde. Leipzig: Breitkopf und Härtel 1793–1801. Addison, Joseph: Nr.  47, 24. 04. 1711. In: The Spectator. Bd.  1. London: S.  Buckley, J. Tonson 1712, S.  261–266 [dt. Übersetzung 1719]. Anonym: Alle Arten der neuesten Scherz- und Pfänderspiele vor lustige Gesellschaften. Frankfurt  /  Leipzig: O. V. [1790]. Anonym: [Rez]. Versuch einer Theorie des Komischen, von St. Schütze. In: Intelligenzblatt der Zeitung für die elegante Welt. Nr.  19, 11. 11. 1817, o. S. Anonym: [Rez.] Versuch einer Theorie des Komischen, von St. Schütze. In: Jahrbücher der Literatur. Erster Band. Jänner. Februar. März. Wien: Carl Gerold 1818, S.  80–91. Anonym: [Rez.]: Jahrbücher der Litteratur. Wien b. Gerold. In: Isis oder Encyclopädische Zeitung 5 (1818), Sp.  802–806. Anonym: [Rez.] Versuch einer Theorie des Komischen von St. Schütze. 1817. In: Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung. Nr.14, Januar 1819, Sp.  105–111. Anonym: Brief aus Frankfurth a. M., über das Komische und Lächerliche, von B. In: Beiträge zur Geschichte der dramatischen Kunst und Literatur. Hg. v. Karl von Holtei. Bd.  1, Heft 2. Berlin: Haude und Spenersche Buchhandlung 1827, S.  156–164. Anonym: Das Musikalisch-Komische. In: Allgemeine musikalische Zeitung. Nr.  20, 16. 5. 1827, Sp.  329–337. Anonym: [Rez.] Aesthetik. Etwas zur Uebersicht ihrer Fortschritte in Deutschland aus Gelegenheit mehrerer ästhetischen Schriften (von Steinau, Bürger, St. Schütze, Adolph Wagner, Schubarth, Büsching,

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

CXIV

Literaturverzeichnis

Petri, Bouterwek und Griepenkerl). In: Leipziger Literatur-Zeitung. Nr.  204, 18. 8. 1828, Sp.  1625–1632; Nr.  205, 19. 8. 1828, Sp.  1633–1640; Nr.  206, 20. 8. 1828, Sp.  1641–1648; Nr.  211, 26. 8. 1828, Sp.  1681–1686; Nr.  212, 27. 8. 1828, Sp.  1689–1696; Nr.  213, 28. 8. 1828, Sp.  1697–1704; Nr.  214, 29. 8. 1828, Sp.  1705–1712. Anonym: Ueber komische Musik. In Allgemeine Musikalische Zeitung. Nr.  16, 16. 4. 1834, Sp.  249–257; Nr.  17, 23. 4. 1834, Sp.  269–277. Anonym: Johann Stephan Schütze. In: Neuer Nekrolog der Deutschen. Siebzehnter Jahrgang, 1839. Erster Theil. Weimar: Bernh. Friedr. V ­ oigt 1842, S.  315–318. Aristoteles: Poetik. Griechisch / Deutsch. Übers. und hg. v. Manfred Fuhrmann. Stuttgart: Reclam 1982. [Art.] ›Komisch‹. In: Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände. (Conversationslexikon). In zwölf Bänden. Bd.  6: K–L. 7. Aufl. Leipzig: F. A. Brockhaus 1827, S.  226. [Art.] ›Lächerlich‹. In: Ignaz Jeitteles: Aesthetisches Lexikon. Alphabetisches Handbuch zur Theorie der Philosophie des Schönen und der schönen Künste. Nebst Erklärung der Kunstausdrücke aller ästhetischen Zweige, als: Poesie, Poetik, Rhetorik, Musik, Plastik, Graphik, Architektur, Malerei, Theater etc. Bd.  2: L bis Z. Wien: Carl Gerold 1837, S.  1–4. [Art.] ›Scherzhaft‹. In: Das große Conversations-Lexicon für die gebildeten Stände. Hg. v. Joseph Meyer. Abt.  II: O–Z, Bd.  7: Sandsteinartiger Granit-Schriftgelehrte. Hildburghausen [u. a.]: Bibliographisches Institut 1851, S.  637. [Art.] ›Scherz‹. In: Neues Konversations-Lexikon für alle Stände. Hg. v. Hermann Julius Meyer. Bd.  13: Radetzky-Schmierkunst. Hildburghausen  /  New York: Bibliographisches Institut 1860, S.  1072. [Art.] ›Komisch‹. In: Pierer’s Universal-Lexikon der Vergangenheit und Gegenwart oder Neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe. Bd.  9: Johannes-Lackenbach. 4. Aufl. Altenburg: H. A. Pierer 1860, S.  676. [Art.] ›Komisch‹. In: Allgemeine Realencyklopädie, oder Conversationslexikon für alle Stände. In zwölf Bänden. Bd.  8: In integrum restitutioLopez. 3. Aufl. Regensburg: G. J. Manz 1870, S.  613.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Literaturverzeichnis

CXV

Ast, Friedrich: System der Kunstlehre oder Lehr- und Handbuch der Aesthetik zu Vorlesungen und zum Privatgebrauche. Leipzig: J. C. Hinrichs 1805. Batteux, Charles: Cours de belles lettres distribué par exercices. Bd.  4. Paris: Destaint & Saillant 1750 [dt. Übersetzung 1756]. Beattie, James: An Essay on Laughter and Ludicrous Composition. Written in the Year 1764. In: Ders.: Essays. Edinburgh: William Creech; London: E. & C. Dilly 1776, S.  321–486 [dt. Übersetzung 1780]. Bénard, Charles: La théorie du comique. Dans l’esthétique allemande. In: Revue philosophique de la france et de l’étranger 12 (1881), S.  251– 276. Bendavid, Lazarus: Versuch einer Geschmackslehre. Berlin: Belitz und Braun 1799. Bergson, Henri: Das Lachen. Ein Essay über die Bedeutung des Komischen. Übers. v. Roswitha Plancherel-Walter. Hamburg: Meiner 2011.  –: La vie et l’œuvre de Ravaisson. In: Comptes rendus de l’academie des sciences morales et politiques 1 (1904), S.  673–708.  –: Über das Leben und Werk Ravaissons. In: Ders.: Denken und schöpferisches Werden. Aufsätze und Vorträge. Mit einer Einführung von Friedrich Kottje. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt 1993, S.  246–279. Bichat, Xavier: Recherches physiologiques sur la vie et le mort. Paris: Brosson, Gabon et Cie 1800.  –: Physiologische Untersuchungen über Leben und Tod. Übersetzt von E. H. Pfaff. Kopenhagen: Friedrich Brummer 1802. Blanckenburg, Friedrich von: Versuch über den Roman. Leipzig  /  Liegnitz: David Siegerts Wittwe 1774. Bode, Georg Heinrich: Geschichte der Hellenischen Dichtkunst. Dritter Band: Dramatik. Leipzig: Karl Franz Köhler 1840. Bonin, Louis: Die Neueste Art zur Galanten und Theatralischen TantzKunst. Berlin: Hentrich 1996 [Nachdruck der Ausgabe: Frankfurt  / Leipzig: Lochner 1712]. Bouterwek, Friedrich: Aesthetik. Erster Theil. Leipzig: Gottfried Martini 1806.  –: Aesthetik. Zweite, in den Principien berichtigte und völlig umgearbeitete Ausgabe. Erster Theil. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1815.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

CXVI

Literaturverzeichnis

[Brockhaus] Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. 10 Bde. Leipzig  / A ltenburg: F. A. Brockhaus 1814–1819. Bührlen, Friedrich Ludwig: Ueber das Lächerliche. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr.  190, 10. 8. 1837, S.  761  f.; Nr.  191, 11. 8. 1837, S.  766  f.; Nr.  192, 12. 8. 1837, S.  769  f.; Nr.  193, 14. 8. 1837, S.  774–776. Büsching, Anton Friedrich: Geschichte und Grundsätze der schönen Künste und Wissenschaften, im Grundriß. Erstes Stück. Berlin: Georg Ludewig Winter 1772. Campe, Johann Heinrich: Wörterbuch der deutschen Sprache. 5 Bde. Braunschweig: Schulbuchhandlung 1807–1811. Champfleury, Jules: Histoire de la caricature antique. Paris: F. Dentu [1865]. Cicero, Marcus Tullius: De Oratore. Über den Redner. Lateinisch / Deutsch. Übers., kommentiert und mit einer Einleitung hg. v. Harald Merklin. Stuttgart: Reclam 1976. Claudius, Matthias: Urians Reise um die Welt, mit Anmerkungen. In: Musenalmanach für 1786. Hg. v. Voß und Goeking. Hamburg: Carl Ernst Bohn [o. J.], S.  166–171. Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik, nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweyter Theil. Leipzig: Breitkopf und Härtel 1804. Courdaveaux, Victor: Études sur le comique. Le rire dans la vie et dans l’art. Paris: Librairie Académique Didier et C. 1875. Delbrück, Ferdinand: Ein Gastmahl. Reden und Gespräche über die Dichtkunst. Berlin: Realschulbuchhandlung 1809. Diderot, Denis: Das Theater des Herrn Diderot. Aus dem Französischen übers. v. Gotthold Ephraim Lessing [1760]. Anmerkungen und Nachwort von Klaus-Detlef Müller. Stuttgart: Reclam 1986. Dumont, Léon: Des causes du rire. Paris: Durand 1862. Eberhard, Johann August: Theorie der schönen Wissenschaften. Halle: Verlag der Waysenhaus-Buchhandlung 1783.  –: Theorie der schönen Wissenschaften. Zweyte verbesserte Auflage. Halle: Verlag der Waysenhaus-Buchhandlung 1786.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Literaturverzeichnis

CXVII

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Hg. v. Christoph Michel unter Mitwirkung v. Hans Grüters. Berlin: Deutscher Klassiker Verlag 2011 (= Bd.  39 der Ausgabe Johann Wolfgang von Goethe: Sämtliche Werke. Briefe Tagebücher und Gespräche. Frankfurt a. M.: Deutscher Klassiker Verlag 1999). Engel, Johann Jakob: Fragmente über Handlung, Gespräch und Erzählung [1774]. In: Ders.: Schriften. Bd.  4: Reden. Ästhetische Versuche. Berlin: Myliussische Buchhandlung 1802, S.  101–266. Erasmus von Rotterdam: Adagiorum Chiliades (Adagia Selecta). Mehrere tausend Sprichwörter und sprichwörtliche Reden (Auswahl) [1500– 1536]. In: Ausgewählte Schriften. 8 Bde. Lateinisch–Deutsch. Hg. v. Werner Welzig. Bd.  7. 4. Aufl. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2006, S.  357–633. Ersch, Johann Samuel / Gruber, Johann Gottfried (Hg.): Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste in alphabetischer Folge. 168. Bde. Sektion I: Bd.  1–21; Sektion II: Bd.  1–7; Sektion III: Bd.  1: Leipzig: Gleditsch 1818–1830, Sektion I: Bd.  22–99; Sektion II: Bd.  8–43; Sektion III: Bd.  2–25: Leipzig: F. A. Brockhaus 1831–1889. Falk, Johann Daniel: Grotesken, Satyren und Naivitäten auf das Jahr 1806. Mit eilf Umrissen, nach Raphael, Michael Angelo, Teniers, und andern alten Meistern. Tübingen: J. G. Cotta’sche Buchhandlung 1806. Feder, Johann Georg Heinrich: Untersuchungen über den menschlichen Willen dessen Naturtriebe, Veränderlichkeit, Verhältniß zur Tugend und Glückseligkeit und die Grundregeln, die menschlichen Gemüther zu erkennen und zu regieren. Erster Theil. Göttingen  /Lemgo: Verlag der Meyerschen Buchhandlung 1779. Fichte, Johann Gottlieb: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre als Handschrift für seine Zuhörer (1794). Mit einer Einleitung und Registern hg. v. Wilhelm G. Jacobs. Hamburg: Meiner 1997. Ficker, Franz: Aesthetik oder Lehre vom Schönen und der Kunst in ihrem ganzen Umfange. Wien: J. G. Heubner 1830. –: Estetica ossia teoria del bello e dell’arte. Neapel: Francesco Rossi Romano 1856. Flögel, Karl Friedrich: Geschichte der komischen Litteratur. 4 Bde. Liegnitz  /  Leipzig: David Siegert 1784–1787.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

CXVIII

Literaturverzeichnis

 –: Geschichte des Groteskekomischen. Ein Beitrag zur Geschichte der Menschheit. Liegnitz  /  Leipzig: David Siegert 1788. Freud, Sigmund: Zur Psychopathologie des Alltagslebens. Über Vergessen, Versprechen, Vergreifen, Aberglaube und Irrtum. Einleitung von Riccardo Steiner. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch Verlag 2009. Goethe, Johann Wolfgang von: Sämtliche Werke, Briefe, Tagebücher und Gespräche. 40 Bde. Hg. v. Hendrik Birus [u. a.]. Frankfurt a. M.: Deutscher Klassiker Verlag 1985–2013 [= FA].  –: Goethe: Begegnungen und Gespräche, Begründet von Ernst Grumach und Renate Grumach. Band VI: 1806–1808. Hg. v. Renate Grumach. Berlin  /  New York 1999. Gotter, Friedrich Wilhelm: Der Schwarze Mann. Eine Poße in zwey Akten. Leipzig: Verlag der Dykischen Buchhandlung 1784. Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig: Bernhard Christoph Breitkopf 1730. [Grimm, Jacob und Wilhelm:] Kinder- und Hausmärchen. Berlin: Realschulbuchhandlung 1812.  –: Deutsches Wörterbuch [1854–1961]. 33 Bde. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1984 [= DWB]. Hand, Ferdinand: Ästhetik der Tonkunst. Erster Theil. Leipzig: G. Hochhausen und Fournes 1837. Hartmann, Eduard von: Die deutsche Ästhetik seit Kant. Erster historisch-kritischer Theil der Aesthetik. Leipzig: Carl Duncker 1886 (= Ausgewählte Werke. Bd.  3).  –: Der Begriff des Komischen in der modernen Aesthetik. In: Philosophische Monatshefte 22 (1886), S.  4 49–481. Hebenstreit, Wilhelm: Das Schauspielwesen dargestellt auf dem Standpunkt der Kunst, der Gesetzgebung und des Bürgerthums. Wien: Universitäts-Buchhandlung 1843. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Werke in 20 Bänden. Auf der Grundlage der Werke von 1832–1845 neu edierte Ausgabe. Redaktion Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1986.  –: Briefe von und an Hegel. 4 Bde. Hg. v. Johannes Hoffmeister. Bd.  1: 1785–1812. 3. durchgesehene Aufl. Hamburg: Meiner 1969. Heinse, Gottlob Heinrich: Sprache und Mundart der Schweizer. In: Zei-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Literaturverzeichnis

CXIX

tung für die elegante Welt. Nr.  223, 8. 11. 1809, Sp.  1777–1780; Nr.  224, 10. 11. 1809, Sp.  1785–1789. Heinsius, Theodor: Der Redner und Dichter oder Anleitung zur Redeund Dichtkunst. Berlin: Friedrich Braunes 1810. Heß, Jonas Ludwig von: Der zehnte August 1792 zu Paris von einem Augen­zeugen. In: Lektüre für Reisedilettanten. Bd.  1. Frankfurt a. M.: Hermannsche Buchhandlung 1798, S.  80–100. Heydenreich, Karl Heinrich: Grundsätze der Kritik des Lächerlichen mit Hinsicht auf das Lustspiel. Nebst einer Abhandlung über den Scherz und die Grundsätze seiner Beurtheilung. Leipzig: Friedrich August Leupold 1797. Hitzig, Julius Eduard: Aus Hoffmann’s Leben und Nachlaß. 2 Bde. Berlin: Ferdinand Dümmler 1823. Hobbes, Thomas: Humane Nature, Or the Fundamental Elements of Pol­ icy. In: The English Works of Thomas Hobbes of Malmesbury. Hg. v. William Molesworth. Bd.  4. London: John Bohn 1840, S.  1–77. Hoffmann, E.  T.  A.: Sämtliche Werke in sechs Bänden. Bd.  2/1. Hg. v. Hartmut Steinecke unter Mitarbeit von Gerhard Allroggen und Wulf Segebrecht. Frankfurt a. M.: Deutscher Klassiker Verlag 1993. Holtei, Karl von: Briefe an Ludwig Tieck. Ausgewählt und hg. v. Karl von Holtei. Bd.  4. Breslau: Eduard Trewendt 1864. Home, Henry: Elements of Criticism. Bd.  1. Dublin: Sarah Cotter 1762 [dt. Übersetzung 1763].  –: Grundsätze der Critik, in drey Theilen. Aus dem Englischen übersetzt. Erster Theil. Leipzig: Dyckische Handlung 1763. Humboldt, Alexander von: Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse. Tübingen: Cotta’sche Buchhandlung 1806. Hutcheson, Francis: Reflections upon Laughter [1725]. In: Ders.: Reflec­ tions upon Laughter and Remarks upon the Fable of the Bees. Glasgow: R. Urie 1750, S.  5–38 [dt. Übersetzung 1786/87]. Jean Paul: Sämtliche Werke. 10 Bde. Abt. I. Hg. v. Norbert Miller. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2000.  –: Jean Pauls sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Hg. v. der Deutschen Akademie der Wissenschaften. Abt. 3. Hg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademie-Verlag 1952–1964.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

CX X

Literaturverzeichnis

Kant, Immanuel: Werke in 12 Bänden. Hg. v. Wilhelm Weischedel. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1977. Kotzebue, August von: Der Wildfang. Ein Lustspiel für die Verdauung in drey Aufzügen [1797]. In: Ders.: Neue Schauspiele. Bd.  1. Leipzig: Paul Gotthelf Kummer 1798, S.  407–566.  –: Die deutschen Kleinstädter. Ein Lustspiel in vier Akten. Leipzig: Paul Gotthelf Kummer 1803. Krug, Wilhelm Traugott: System der theoretischen Philosophie. Dritter und letzter Theil: Geschmackslehre oder Ästhetik. Königsberg: A. W. Unzer 1810. Lavater, Johann Caspar: Von der Physiognomik. Leipzig: Weidmanns Erben und Reich 1772. Lessing, Gotthold Ephraim: Werke und Briefe in 12 Bänden. Hg. v. Wilfried Barner zusammen mit Klaus Bohnen [u. a.]. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1985–2003. Levi, Giulio A.: Il comico. Genua: A. F. Formiggini 1913. Lichtenberg, Georg Christoph: Briefe aus England. In: Ders.: Schriften und Briefe. Bd.  3.1. Hg. v. Wolfgang Promies. München: Zweitausendeins 1994, S.  326–367. Lotze, Hermann: Geschichte der Ästhetik in Deutschland. München: J. G. Cotta’sche Buchhandlung 1868 (Geschichte der Wissenschaften in Deutschland. Neuere Zeit. Bd.  7). Lyser, Johann Peter: Erinnerungen aus dem deutschen Norden. Teil II. Berlin 1821. In: Sigmund Engländer (Hg.): Der Salon. Mittheilungen aus den Kreisen der Literatur, Kunst und des Lebens. Bd.  2. Wien: Wittenbecher, Siegel und Hollmann 1847, S.  33–45. Mann, Thomas: Große kommentierte Frankfurter Ausgabe. Werke – Briefe – Tagebücher. Hg. v. Heinrich Detering [u. a.]. Bd.  9.1.: Lotte in Weimar. Hg. und textkritisch durchgesehen v. Werner Frizen. Frankfurt a. M.: S.  Fischer 2003. Mendelssohn, Moses: Rhapsodie, oder Zusätze zu den Briefen über die Empfindungen. In: Ders.: Philosophische Schriften. Zweyter Theil. Berlin: Voß 1761, S.  1–66. Michiels, Alfred: Le monde du comique et du rire. Paris: Calmann-Lévy 1886.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Literaturverzeichnis

CX XI

Moritz, Karl Philipp: Die metaphysische Schönheitslinie [1793]. In: Ders.: Schriften zur Ästhetik und Poetik. Kritische Ausgabe. Hg. v. Hans Joachim Schimpf. Tübingen: Niemeyer 1962, S.  151–157. Möser, Justus: Harlekin, oder Vertheidigung des Groteske-Komischen. [o. O.] 1761. Müller, Adam: Vorlesungen über die deutsche Wissenschaft und Literatur [1806]. In: Ders.: Kritische, ästhetische und philosophische Schriften I. Kritische Ausgabe. Hg. v. Walter Schroeder und Werner Siebert. Neuwied  /  Berlin: Luchterhand 1967, S.  11–138.  –: Ironie, Lustspiel, Aristophanes [1808]. In: Ders.: Kritische, ästhetische und philosophische Schriften I. Kritische Ausgabe. Hg. v. Walter Schroeder und Werner Siebert. Neuwied  /  Berlin: Luchterhand 1967, S.  233–248. Müller, Friedrich von: Dr. Johann Stephan Schütze. Eine Vorlesung im literarischen Abendkreise Ihro Kaiserl. Hoheit der Frau Großherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach, Großfürstin von Rußland. In: Weimar’s Album zur vierten Säcularfeier der Buchdruckerkunst am 24. Juni 1840. Weimar: Albrecht’sche privil. Hochbuchdruckerei [o. J.], S.  233–255. Novalis: Werke, Tagebücher und Briefe Friedrich von Hardenbergs. Hg. v. Hans-Joachim Mähl und Richard Samuel. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1999. Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey (1624). Studienausgabe. Mit dem Aristarch (1617) und den Opitzschen Vorreden zu seinen Teutschen Poemata (1624 und 1625) sowie der Vorrede zu seiner Übersetzung der Trojanerinnen (1625). Hg. v. Herbert Jaumann. Stuttgart: Reclam 2002. Ortmann, Benno: Umfang der heutigen Poesie im Allgemeinen und Besondern. Erster Theil. Sulzbach: Seidl 1795. Paley, William: Natural Theology: Or, Evidences of the Existence and Attributes of the Deity, collected from the Appearances of Nature. London: R. Faulder 1802. Pirch, Karl von: Ein Wort über das bürgerliche Lustspiel. In: Die Musen. Eine norddeutsche Zeitschrift. Hg. v. Friedrich Baron de la Motte Fouqué und Wilhelm Neumann. Drittes Quartal. Berlin: Salfeldsche Buchhandlung 1812, S.  154–156.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

CX XII

Literaturverzeichnis

Platner, Ernst: Neue Anthropologie für Aerzte und Weltweise. Mit besonderer Rücksicht auf Physiologie, Pathologie, Moralphilosophie und Aesthetik. Bd.  1. Leipzig: Siegfried Lebrecht Crusius 1790. Plessner, Helmuth: Lachen und Weinen. Eine Untersuchung der Grenzen menschlichen Verhaltens (1941). In: Ders.: Gesammelte Schriften. Hg. v. Günter Dux [u. a.]. Bd.  7: Ausdruck und menschliche Natur. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1982, S.  201–387. Poinsinet de Sivry, Louis: Traité des causes physiques et morales du rire relativement á l’art de l’expliquer. Amsterdam: Marc-Michel Rey 1768 [dt. Übersetzung 1771]. Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Allgemeine teutsche Sprachkunde, logisch und ästhetisch begründet, und mit literärischen Notizen begleitet. Leipzig: Im Schwickertschen Verlage 1804. Priestley, Joseph: A Course of Lectures on Oratory and Criticism. London: J. Johnson 1777 [dt. Übersetzung 1779]. Quintilianus, Marcus Fabius: Institutionis Oratoriae. Ausbildung des Redners. Zwölf Bücher. Hg. und übers. v. Helmut Rahn. Erster Teil: Buch I–VI. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1972. Ravaisson, Félix: Of Habit. Preface by Catherine Malabou. Translation and Commentary by Clare Carlisle and Mark Sinclair. New York: Continuum 2008. Rellstab, Ludwig: [Rez.] Caecilia, eine Zeitung für die musikalische Welt, herausgegeben von einem Vereine von Gelehrten, Kunstverständigen und Künstlern. Heft 59 u. 60. In: Iris im Gebiete der Tonkunst. Nr.  29, 18. 7. 1834, S.  113–115. Rindskopf, Joseph: Versuch einer Theorie des Lächerlichen. Rostock: Adler’s Erben 1869. Ritter, Joachim: Über das Lachen. In: Ders.: Subjektivität. Sechs Aufsätze. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1974. Ruge, Arnold: Komischer Anhang. Sechs lächerliche Briefe über das Lächerliche. An den Herrn Hofrath Stephan Schütze in Weimar. In: Ders.: Neue Vorschule der Ästhetik. Das Komische. Mit einem komischen Anhang. Halle: Buchhandlung des Waisenhauses 1837, S.  259– 274. Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Literaturverzeichnis

CX XIII

Begonnen von Friedrich Staub und Ludwig Tobler. Bd.  8. Bearbeitet von Albert Bachmann [u. a.]. Frauenfeld: Huber 1920. Shakspeare’s dramatische Werke. Übersetzt von August Wilhelm Schlegel. 9 Bde. Berlin: Johann Friedrich Unger 1797–1810. Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph: Historisch-kritische Ausgabe. Im Auftrag der Schelling-Kommission der bayerischen Akademie der Wissenschaften hg. v. Thomas Buchheim [u. a.]. 35 Bde. Stuttgart: Frommann-Holzboog 1976  ff.  –: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur. Mit einer Bibliographie zu Schellings Kunstphilosophie. Eingeleitet und hg. v. Lucia Sziborsky. Hamburg: Meiner 1983 Schiller, Friedrich: Werke. Nationalausgabe. Im Auftrag des Goethe- und Schiller-Archivs, des Schiller-Nationalmuseums und der Deutschen Akademie. Hg. v. Julius Petersen [u. a.]. 43 Bde. Weimar: Böhlau 1943  ff. [= NA]. Schlegel, August Wilhelm: Kritische Ausgabe der Vorlesungen. Begründet von Ernst Behler, in Zusammenarbeit mit Frank Jolles. 6 Bde. Paderborn [u. a.]: Ferdinand Schöningh 1989  ff. Schlegel, Friedrich: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Hg. v. Ernst Behler unter Mitarbeit vom Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner. 35 Bde. Paderborn [u. a.]: Ferdinand Schönigh, Zürich: Thomas-Verlag 1958  ff. [= KFSA]. Schlegel, Friedrich: Literarische Notizen 1797–1801. Literary Notebooks. Hg., eingeleitet und kommentiert v. Hans Eichner. Wien: Ullstein 1980. Schmid, Christian Heinrich: Anweisung der vornehmsten Bücher in allen Theilen der Dichtkunst. Leipzig: Weygandsche Buchhandlung 1781. Schöll, Adolf: Weimar’s Merkwürdigkeiten einst und jetzt: Ein Führer für Fremde und Einheimische. Dabei ein statistisch-topographischer Anhang, nebst einem Adreßverzeichnis der Behörden und wichtigsten Privatanstalten, einem Boten-, Post- und Eisenbahnberichte von R. Froriep. Mit einem Plan von Weimar. Weimar: Verlag des LandesIndustrie-Comptoirs 1847. Schopenhauer, Arthur: Die Welt als Wille und Vorstellung [1819] In: Ders.: Werke in fünf Bänden. Hg. v. Ludger Lütkehaus. Bd.  1. Zürich: Haffmanns 1988.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

CX XIV

Literaturverzeichnis

Schott, Andreas Heinrich: Theorie der schönen Wissenschaften. Erster Theil. Tübingen: Cottaische Buchhandlung 1789. Schröder, Friedrich Ludwig: Das Portrait der Mutter; oder Die Privat­ komödie. Ein Lustspiel in vier Aufzügen. In: Deutsche Schaubühne. Jg. 2, Bd.  12. Augsburg: [Jenisch und Stage] 1790, S.  1–134. Schumann, Robert: Ueber den Aufsatz: das Komische in der Musik von C. Stein im 60. Hft. der Caecilia. In: Neue Leipziger Zeitung für Musik. Nr.  3, 10. 4. 1834, S.  10  f. Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper, Third Earl of: A Letter concerning Enthusiasm / Ein Brief über den Enthusiasmus [1708, dt. Übersetzung 1768]. In: Ders.: Standard Edition. Sämtliche Werke, ausgewählte Briefe und nachgelassene Schriften. In englischer Sprache mit paralleler deutscher Übersetzung. Hg., übers. und kommentiert v. Gerd Hemmerich und Wolfram Benda. Bd.  I.1: Ästhetik. StuttgartBad Cannstatt: Frommann-Holzboog 1981, S.  302–375. Solger, Karl Wilhelm Ferdinand: Vorlesungen über Ästhetik. Mit einer Einleitung und Anmerkungen hg. v. Giovanna Pinna. Hamburg: Meiner 2017. Steckling, Ludewig: Die Kalologie oder Lehre vom Schönen aus Einem Prinzipe vollständig entwickelt. Leipzig: Georg Joachim Göschen 1835. Stein, K. [Gustav Adolph Keferstein]: Versuch über das Komische in der Musik. In: Caecilia. Eine Zeitschrift für die musikalische Welt XV/60 (1833), S.  221–266.  –: Ueber Komik in der Musik. Nachschrift von K. Stein auf des Herrn Professors St. Schütze Erwiederung. In: Caecilia. Eine Zeitschrift für die musikalische Welt XVI/64 (1834), S.  245–249. Sternberg, Alexander von: Erinnerungsblätter. Erster Theil. Berlin: Heinrich Schindler 1855, S.  160–164. Storch, Ludwig: Nachruf an Stephan Schütze, gestorben am 19. März 1839. In: Taschenbuch der Liebe und Freundschaft gewidmet. 1840. Hg. v. Ludwig Storch. Frankfurt a. M.: Friedrich Wilmans [o. J.], [o. S.]. Sully, James: An Essay on Laugther. London [u. a.]: Longmans, Green, and Co. 1902. Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der schönen Künste. 2 Bde. Leipzig: M. G. Weidemanns Erben und Reich 1771–1774.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Literaturverzeichnis

CX XV

Tetens, Johann Nicolaus: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd.  1. Leipzig: M. G. Weidmanns Erben und Reich 1777. Tieck, Ludwig: Schriften in zwölf Bänden. Hg. v. Manfred Frank [u. a.]. Bd.  6: Phantasus. Frankfurt a. M.: Deutscher Klassiker Verlag 1985. Ueberhorst Karl: Das Komische. Eine Untersuchung. Bd.  2: Das Fälschlich-Komische. Besondere Erscheinungen des Komischen. Witz, Spott und Scherz. Nachträge zur Lehre vom Wirklich-Komischen. Leipzig: Georg Wigand 1900. Vischer, Friedrich Theodor: Über das Erhabene und Komische, ein Beitrag zu der Philosophie des Schönen. Stuttgart: Imle & Kraus 1837.  –: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen. Erster Theil: Die Metaphysik des Schönen. Reutlingen  /  Leipzig: Carl Mäcken’s Verlag 1846.  –: Auch einer. Eine Reisebekanntschaft [1879]. Mit einem Nachwort von Otto Borst. Frankfurt a. M.: Insel Verlag 1987. [Voltaire:] Dictionnaire philosophique, portatif. Londres [Genève: Gabriel Grasset] 1764. Weber, Karl Julius: Dymocritos oder hinterlassene Papiere eines lachenden Philosophen. Bd.  1. Stuttgart: Fr. Brodhag’sche Buchhandlung 1832. Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd.  1. Dresden: Waltherische Hof-Buchhandlung 1764. W. K.: [Rez.] Prinzessin mit dem Schweinerüssel. In: Tartarus. Zeitung für Poesie, Kunst und neuere Zeitgeschichte. Nr.  24, 23. 3. 1806, S.  96. Zeising, Adolf: Aesthetische Forschungen. Frankfurt a. M.: Meidinger Sohn & Comp. 1855. Ziegler, Friedrich Wilhelm: Der Hausdoktor. Ein Original-Lustspiel in drey Aufzügen. Wien: J. B. Wallishauser 1802. Ziegler, Johannes: Das Komische. Eine Studie zur Philosophie des Schönen. Leipzig: Eduard Avenarius 1900.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

CX XVI

Literaturverzeichnis

b. Forschung Anonym: [Rez.] Il comico, par Giulio A. Levi. In: Revue de métaphysique et de morale 22 (1914). Supplement 1, S.  23. Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden. Hg. v. Karlheinz Barck [u. a.] Stuttgart  /  Weimar: Metzler 2000–2005. Bachmeier, Helmut (Hg.): Texte zur Theorie der Komik. Stuttgart: Reclam 2005. Bartl, Andrea: Die deutsche Komödie. Metamorphosen des Harlekin. Stuttgart: Reclam 2009. Baumgardt, David: Jenseits von Machtmoral und Masochismus. Hedonistische Ethik als kritische Alternative. Meisenheim am Glan: Anton Hain 1977. Bayertz, Kurt: Der aufrechte Gang. Eine Geschichte des anthropologischen Denkens. München: C. H. Beck 2012. Bergengruen, Maximilian: Schöne Seelen, groteske Körper. Jean Pauls ästhetische Dynamisierung der Anthropologie. Hamburg: Meiner 2003. Berger, Frank: Das Geld der Dichter in Goethezeit und Romantik. 71 biografische Skizzen über Einkommen und Auskommen. Wiesbaden: Waldemar Kramer 2020. Blumenberg, Hans: Das Lachen der Thrakerin. Eine Urgeschichte der Theorie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1987. Borchert, Angela, Dressel, Ralf (Hg.): Das Journal des Luxus und der Moden: Kultur um 1800. Heidelberg: Winter 2004. Dachselt, Rainer: Komik mit musikalischen Mitteln. In: Uwe Wirth (Hg.): Komik. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart: Metzler 2017, S.  220–234. Fulda, Daniel: Schau-Spiele des Geldes. Die Komödie und die Entstehung der Marktgesellschaft von Shakespeare bis Lessing. Tübingen: Niemeyer 2005. Frey, Christiane: Laune. Poetiken der Selbstsorge von Montaigne bis Tieck. Paderborn: Wilhelm Fink 2016. Gebhard, Walter: »Der Zusammenhang der Dinge«. Weltgleichnis und Naturverklärung im Totalitätsbewußtsein des 19. Jahrhunderts. Tübingen: Niemeyer 1984.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Literaturverzeichnis

CX XVII

Geulen, Eva: Das Ende der Kunst. Lesarten eines Gerüchts nach Hegel. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2002. Goeth, Maria: Musik und Humor: Strategien, Universalien, Grenzen. Hildesheim  /  Zürich  /  New York: Olms 2016. Greiner, Bernhard: Komödie  /  Tragikomödie. In: Uwe Wirth (Hg.): Komik. Ein interdisziplinäres Handbuch. Unter Mitarbeit von Julia Paga­nini. Stuttgart: Metzler 2017, S.  30–35. Grötzebach, Renate: Humor und Satire bei Jean Paul: Exemplarische Untersuchungen mit besonderer Berücksichtigung des Spätwerks. Berlin: E. Reuter 1966. Guerlac, Suzanne: Bergson, the Time of Life, and the Memory of the Universe. In: Alexandre Lefebvre, Nils F. Schott (Hg.): Interpreting Bergson. Critical Essays. Cambridge: Cambridge University Press 2020 Guthke, Karl S.: Geschichte und Poetik der deutschen Tragikomödie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1961. Hamacher, Werner: (Das Ende der Kunst mit der Maske). In: Karl Heinz Bohrer (Hg.): Sprachen der Ironie – Sprachen des Ernstes. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2000, S.  121–155. Hartmann, Nicolai: Ästhetik. Berlin: De Gruyter 1953. Hebing, Niklas: Hegels Ästhetik des Komischen. Hamburg: Meiner 2015.  –: Hegel, Vischer, Rosenkranz – Über das Komische in der Ästhetik. In: Andreas Arndt, Günter Kruck, Jure Zovko (Hg.): Gebrochene Schönheit. Hegels Ästhetik – Kontexte und Rezeptionen. Berlin  /Boston: De Gruyter 2014, 120–143. Heinel, Beate: Die Zauberoper. Studien zu ihrer Entwicklungsgeschichte anhand ausgewählter Beispiele von den Anfängen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Frankfurt a. M. [u. a.]: Peter Lang 1994. Herrmann, Britta: Anthropologie und Ästhetik. Annäherungen aus dem 18. Jahrhundert zur Einleitung. In: Dies. (Hg.): Anthropologie und Ästhetik. Interdisziplinäre Perspektiven. Paderborn: Wilhelm Fink 2019, S.  1–24. Hettche, Walter: Schütze, Johann Stephan. In: Killy Literaturlexikon. Auto­ren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes. 2., vollständig überarbeitete Aufl. Hg. v. Wilhelm Kühlmann [u. a.]. Bd.  10: Ros–Se. Berlin  /  Boston: De Gruyter 2011, S.  617–619.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

CX XVIII

Literaturverzeichnis

Hinck, Walter: Das deutsche Lustspiel des 17. und 18. Jahrhunderts und die italienische Komödie. Commedia dell’arte und Théatre italien Stuttgart: Metzler 1965.  –: Einführung in die Theorie des Komischen und der Komödie. In: Ders. (Hg.): Die deutsche Komödie. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Düsseldorf: August Bagel 1977, S.  11–31. Hirth, Friedrich Eugen: Johann Peter Lyser. Der Dichter, Maler, Musiker; mit 60 Bildern Lysers, einem Porträt und einer Handschriftenprobe. München  /  Leipzig: Georg Müller 1911. Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg. v. Joachim Ritter [u. a.]. 13 Bde. Basel: Schwabe 1971–2007 [= HWPh]. Hochfeld, Sophus: Der Witz. Potsdam  /  Leipzig: Bonneß & Hachfeld 1920. Hohenemser, Richard: Über Komik und Humor in der Musik. In: Jahrbuch der Musikbibliothek Peters 24 (1917), S.  65–83. Holtermann, Martin: Der deutsche Aristophanes. Die Rezeption eines politischen Dichters im 19. Jahrhundert. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2004. Hühn, Lore: Das Schweben der Einbildungskraft. Zur frühromantischen Überbietung Fichtes. In: DVjs 70 (1996), S.  569–599. Jahn, Franz: Das Problem des Komischen in seiner geschichtlichen Entwicklung. Potsdam: A. Stein 1904. Jantzen, Jörg: Theorien der Lebenskraft. In: Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Historisch-kritische Ausgabe. Hg. v. Hans Michael Baumgartner [u. a.]. Reihe I. Ergänzungsband zu den Bänden 5–9. Stuttgart: Frommann-Holzboog 1994, S.  498–565. Japp, Uwe: Die Komödie der Romantik. Typologie und Überblick. Tübingen: Niemeyer 1999. Jongejan, Elisabeth: De humor-›cultus‹ der Romantiek in Nederland. Zutphen: W. J. Thieme & Cie 1933. Kiefer, Klaus H.: »Die famose Hexen-Epoche«. Sichtbares und Unsichtbares in der Aufklärung. Kant – Schiller – Goethe – Swedenborg – Mesmer – Cagliostro. München: Oldenbourg 2004. Kindt, Tom: Literatur und Komik. Zur Theorie literarischer Komik und zur deutschen Komödie im 18. Jahrhundert. Berlin: Akademie-Verlag 2011.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Literaturverzeichnis

CX XIX

–: Komik. In: Uwe Wirth (Hg.): Komik. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart: Metzler 2017, S.  2–6. Kline, Linus W.: The Psychology of Humour. In: The Amercian Journal of Psychology 18 (1907), S.  421–441. Kling, Alexander: Aus dem Rahmen fallen. Dingtheorie, Narratologie und das Komische (Platon, Vischer, Loriot). In: Martina Wernli, Ders. (Hg.): Das Verhältnis von res und verba. Zu den Narrativen der Dinge. Freiburg  /  Br. 2018, S.  309–332. –: Telling and Showing: Slapstick in Stephan Schütze’s Comic Theory and Heinrich von Kleist's Der zerbrochne Krug. In: Ervin Malakaj, Alena Lyons (Hg.): Slapstick. An Interdisciplinary Companion. Berlin/Boston: De Gruyter 2021, S.  165–185. Kraft, Stephan: Zum Ende der Komödie. Eine Theoriegeschichte des Happy­ends. Göttingen: Wallstein 2011. Krauss, Werner: Zur Wortgeschichte von ›Persiflage‹. In: Ders.: Das wissenschaftliche Werk. Bd.  8: Sprachwissenschaft und Wortgeschichte. Hg. v Bernhard Henschel. Mit einer Bibliographie von Horst F. Müller. Berlin  /  New York: De Gruyter 1997, S.  273–299. Latour, Marius: Remarques pour une théorie des emotions. In: Journal de psychologie normale et pathologique. [Sitzung des 12. 12. 1929], S.  300–316. Lazarowicz, Klaus: Verkehrte Welt. Vorstudien zu einer Geschichte der deutschen Satire. Tübingen: Niemeyer 1963. Lehmann, Johannes F.: Im Abgrund der Wut. Zur Kultur- und Literaturgeschichte des Zorns. Freiburg i. Br.  /  Berlin  /  Wien: Rombach 2012.  –: »Das Vorhandenseyn einer Körperwelt«. Widerständige Dinge zwischen Komik und Zufall in der romantischen Komiktheorie Stephan Schützes und bei E.  T.  A. Hoffmann. In: Christiane Holm, Günter Oesterle (Hg.): Schläft ein Lied in allen Dingen. Romantische Dingpoetik. Würzburg: Königshausen & Neumann 2011, S.  121–134. –: Vom Leben und Tod der Dinge. Zur Aktualität der romantischen Komiktheorie Stephan Schützes. In: Limbus – Australisches Jahrbuch für germanistische Literatur- und Kulturwissenschaft 5 (2012), Thema: Die Aktualität der Romantik, S.  105–121.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

CX X X

Literaturverzeichnis

–: Humor  /  Ironie  /  Komik. In: Christine Lubkoll, Harald Neumeyer (Hg.): E.  T.  A. Hoffmann Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart: Metzler 2015, S.  379–384. –: Mit Händen und Füßen. Büchner und die romantische Komiktheorie (Stephan Schützes). In: Roland Borgards, Burghard Dedner (Hg.): Georg Büchner und die Romantik. Heidelberg: Metzler 2020, S.  121–136. Liede, Alfred: Dichtung als Spiel. Studien zur Unsinnspoesie an den Grenzen der Sprache. 2 Bde. Berlin: De Gruyter 1963. Ludwig, Ernst: Die ästhetischen Anschauungen in Webers »Demokrit«. Ein Beitrag zur Geschichte der Theorie des Lächerlichen. Gießen: v. Münchow’sche Universitätsdruckerei Otto Kindt 1927. Mader, Michael: Das Problem des Lachens und der Komödie bei Platon. Stuttgart [u. a.]: Kohlhammer 1977. Menninghaus, Winfried: Lob des Unsinns. Über Kant, Tieck und Blaubart. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1995. Meyer, Heinrich: Die Kunst des Erzählens. Bern  /  München: Francke 1972. Montesano, Giuseppe: Psicologia del riso e del comico. In: Rivista della filosofia 13/4 (1921), S.  308–358. Müller, Gottfried: Theorie der Komik. Über die komische Wirkung im Theater und im Film. Würzburg: Konrad Triltsch 1964. Müller, Götz: Zur Bedeutung Jean Pauls für die Ästhetik zwischen 1830 und 1848 (Weisse, Ruge, Vischer). In: Ders.: Jean Paul im Kontext. Gesammelte Aufsätze. Mit einem Schriftenverzeichnis von Wolfgang Riedel. Würzburg: Königshausen & Neumann 1996, S.  7–28 [zuerst veröffentlicht in: Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft 12 (1977), S.  105– 136]. Oesterle, Günter: Friedrich Schlegels Entwurf einer Theorie des ästhetisch Häßlichen. Ein Reflexions- und Veränderungsversuch moderner Kunst [1977]. In: Helmut Schanze (Hg.): Friedrich Schlegel und die Kunsttheorie seiner Zeit. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1985, S.  397–451. Otabe, Tanehisa: Wann spricht die schweigende, wann schweigt die sprechende Natur? Schellings Kunstphilosophie und die romantische Kunstauffassung. In: Christian Danz, Jörg Jantzen (Hg.): Gott, Natur,

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Literaturverzeichnis

CX X XI

Kunst und Geschichte. Schelling zwischen Identitätsphilosophie und Freiheitsschrift. Göttingen: V&R unipress 2011, 103–113. Panis, Daniel: Ravaisson et Schelling. In: Les Études philosophiques 3 (1988), S.  395–413. Papiór, Jan: Ironie. Diachronische Begriffsentwicklung. Posen: Universitätsverlag 1989. Peacock, Louise: Slapstick and Comic Performance. Comedy and Pain. New York: Palgrave Macmillan 2014. Pestalozzi, Karl: Tieck. Der gestiefelte Kater. In: Walter Hinck (Hg.): Die deutsche Komödie. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Düsseldorf: August Bagel 1977, S.  110–126. Piccoli Genovese, Alberto: Il comico, l’umore e la fantasia; o, teoria del riso come introduzione all’estetica. Torino: Fratelli Bocca 1926. Pröhle, Heinrich: Johann Stephan Schütze. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Bd.  33. Neudruck der 1. Auflage von 1891. Berlin: Duncker & Humblot 1971, 146  f. Rau, Peter: Paratragodia. Untersuchung einer komischen Form des Aristophanes. München: Beck 1967. Richter, Ellen: Schütze, Johann Stephan. In: Magdeburger Biographisches Lexikon. 19. und 20. Jahrhundert. Biographisches Lexikon für die Landeshauptstadt Magdeburg und die Landkreise Bördekreis, Jerichower Land, Ohrekreis und Schönebeck. Hg. v. Guido Heinrich und Gunter Schandera. Magdeburg: Scriptum 2002, S.  656. Riedel, Wolfgang: Die Anthropologie des jungen Schiller. Zur Ideengeschichte der medizinischen Schriften und der »Philosophischen Briefe«. Würzburg: Königshausen & Neumann 1985. Romanska, Magda, Ackerman, Alan: Reader in Comedy. An Anthology of Theory & Criticism. London [u. a.]: Bloomsbury 2017. Rommel, Otto: Die wissenschaftlichen Bemühungen um die Analyse des Komischen. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 21 (1943), S.  161–195 [wiederabgedruckt in: Reinhold Grimm, Klaus L. Berghahn (Hg.): Wesen und Formen des Komischen im Drama. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1975, S.  1–38].

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

CX X XII

Literaturverzeichnis

Russell, Tilden A: »Über das Komische in der Musik«: The Schütze-Stein Controversy. In: The Journal of Musicology. 4/1 (1985/86), S.  70–90. Schadendorf, Mirjam: Humor als Formkonzept in der Musik Gustav Mahlers. Stuttgart  /  Weimar: Metzler 1995. Scherer, Stefan: Witzige Spielgemälde. Tieck und das Drama der Romantik. Berlin  /  New York: De Gruyter 2003. Schings, Hans-Jürgen (Hg.): Der ganze Mensch. Anthropologie und Literatur im 18. Jahrhundert. DFG-Symposion 1992. Stuttgart  /  Weimar: Metzler 1994. Schmidt-Hidding, Wolfgang (Hg.): Europäische Schlüsselwörter. Wortvergleichende und wortgeschichtliche Studien. Bd.  1: Humor und Witz. München: Max Hueber 1963. Schramm, Christine: Die Komik der Chaplin-Filme. München: Martin Meidenbauer Verlagsbuchhandlung 2012. Simon, Ralf: Romantische Verdopplungen – komische Verwechslungen. Von der romantischen Reflexionsphilosophie über die Verwechslungskomödie zur Posse und zurück. In: Uwe Japp, Stefan Scherer, Claudia Stockinger (Hg.): Das romantische Drama. Produktive Synthese zwischen Tradition und Innovation. Tübingen: Niemeyer 2000, S.  259–280. –: Die Idee der Prosa. Zur Ästhetikgeschichte von Baumgarten bis Hegel mit einem Schwerpunkt bei Jean Paul. München: Wilhelm Fink 2013. Steiner, Walter, Kühn-Stillmark, Uta: Friedrich Justin Bertuch. Ein L ­ eben im klassischen Weimar zwischen Kultur und Kommerz. Köln  /  Weimar  /  Wien: Böhlau 2001. Stille, Michael: Möglichkeiten des Komischen in der Musik. Frankfurt a. M. [u. a.]: Peter Lang 1990. Strohschneider-Kohrs, Ingrid: Die romantische Ironie in Theorie und Gestaltung. 3. Aufl. Tübingen: Niemeyer 2002. Szondi, Peter: Schellings Gattungspoetik. In: Ders.: Poetik und Geschichtsphilosophie II. Hg. v. Wolfgang Fietkau. Frankfurt a. M. Suhrkamp 1974, S.  185–307. Thüring, Hubert: Das neue Leben. Studien zu Literatur und Biopolitik 1750–1938. München: Fink 2012.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Literaturverzeichnis

CX X XIII

Thode, Thomas: Wer schrieb »Schütze’s Humoristische Reisen«? Bio-bibliographische Nachforschungen zu einer Sammlung fast vergessener Reiseberichte. In: Vom Zettelkasten zum Internet. Ein Feststrauß für Susanne Koppel. Eutin: Lumpeter & Lasel 2005, S.  7 1–97. Wiehle, Martin: Johann Stephan Schütze. Vom Olvenstedter Bauernhof zum Weimarer Musenhof. In: Kloster Berge, Klosterbergegarten, Gesellschaftshaus, Telemann-Zentrum: Zu Geschichte, Gegenwart und Zukunft eines Magdeburger Areals. Bericht des wissenschaftlichen Kolloquiums am 29./30. August 2003 in Magdeburg. Hg. v. Carsten Lange. Halle: Landesheimatbund Sachsen-Anhalt 2004, S.  107–116.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Versuch einer Theorie des Komischen von St. Schütze.

Leipzig, bey Johann Friedrich Hartknoch 1817. Unserm Göthe

•••

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

3

V | VI

Versuch einer Theorie des Komischen.

Vorrede. Mit einer großen Neigung zum Komischen, die selbst auf die Ansicht des Lebens überhaupt Einfluß hatte, verband sich bey mir sehr bald auch das Verlangen, über das, was mir so oft Vergnügen gewährte, eine deutliche Erkenntniß zu gewinnen, und ich ergriff ­daher mit froher Begierde jede Erklärung, die mir Licht versprach; da aber alle Meinungen und Urtheile über das Komische, so viele ich deren auch zu Rathe zog, mir keine volle Befriedigung verschafften, so überließ ich mich, immer mehr an den Gegenstand gefesselt, zuletzt ganz dem festen Vorsatze, nicht eher zu ruhen, als bis ich auf meinem Wege den wahren Grund der Erscheinung entdeckt hätte. Ich nahm also das Komische von den verschiedensten Seiten in Augen­schein, schöpfte überall aus der frischen Quelle unmittelbarer Eindrücke, und sammelte so eine Menge von Bemerkungen, Zweifeln, Einwürfen, Unterscheidungen und Bestimmungen, bis die Idee, die ich anfangs nur dunkel ahndete, deutlicher und bestimmter daraus hervorging, und das Einzelne, aus den entferntesten Wahrnehmungen sich begegnend, | nun zu einem Ganzen sich ordnete und zusammenfügte. So entstand diese Theo­rie. Schon vor sieben Jahren verfaßt wurde sie nur durch die ungünstige Zeit des Krieges zurückgehalten,1 doch machte ich schon damals einzelne Capitel in öffentlichen Blättern und in meinen (1810 herausgekommenen) Gedanken und Einfällen bekannt, und da sie Aufmerksamkeit fanden, so hoffe ich, daß nun das Ganze, nachdem es nochmals einer sorgfältigen Prüfung unterworfen und mit Zusätzen vermehrt worden, eine nicht ungünstige Aufnahme erhalten, und zur richtigen Erkenntniß und Würdigung des Komischen, so wie zu einer geläuterten Anwendung desselben viel beytragen werde. Wer geneigt ist, das Ganze ins Auge zu fassen, wird auch leicht das, was ihm im Ein-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

4

Stephan Schütze

VI

zelnen noch dunkel oder mangelhaft scheint, daraus sich selbst erläutern oder ergänzen können. Wem es aber neue Gedanken weckt, dem möge es Gelegenheit geben, immer tiefer in den räthselhaften Gegenstand einzudringen. Kein Vergnügen kann edler seyn, als das, welches die Erforschung der Wahrheit, das Anschauen der Dinge in ihrem Zusammen­hange, – die Erkenntniß gewährt! Weimar, den 3. März 1817. 

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

St. Schütze.

5

3 | 4

Einleitung. Erstes Kapitel. Allgemeine Betrachtung über das Lachen und Weinen. Unter den verschiedenen Kennzeichen und Merkmalen, durch welche sich der Mensch vor den Thieren unterscheidet, ist besonders auch die von der Natur ihm verliehene Eigenschaft merkwürdig, daß er lachen und weinen kann, und wenn die andern Gaben, wie die Sprache und das Kunstvermögen, von dem Daseyn des Verstandes und der Vernunft zeugen, so ist es auch wahrscheinlich, daß nicht weniger Lachen und Weinen mit dem menschlichen Geiste und dessen höchster Richtung in Beziehung und Verbindung stehen. Aber das Merkwürdigste ist, daß diese Eigenschaften und Merkmale nicht wie jene auf etwas Allgemeines im Betragen und Handeln, sondern auf etwas Besonderes gehen, und nur für ganz eigen­ thümliche Fälle als unwillkührliche Mittel des Ausdrucks dienen. Da die Natur | diese Mittel für nöthig hielt, so läßt sich mit Rücksicht auf ihr Gesetz der Sparsamkeit schließen, daß derselbe Zweck, den sie damit erlangt, nicht durch Worte zu erreichen war, und daß daher auch wohl für den Beobachter Worte nie hinreichen werden, den Zustand, der dem Lachen und Weinen zum Grunde liegt, völlig zu entziffern und zu beschreiben. Alle Erkenntniß ist hier nur Annäherung zur Wahrheit, aber um so nöthiger, je leichter hier Irrthümer möglich sind. In so fern ein Ausdruck die Mittel des Geistes vermehrt, vermehrt er auch seine Freyheit; in so fern er aber unwillkührlich ist, legt er einen Zwang auf, und bringt einen Mittelzustand zwischen Handeln und Leiden hervor. Dieser Mittelzustand muß auf einem dunkeln Gefühle2 beruhen, das sowohl geistiger als sinnlicher Art ist. Und dieser sinnliche Antheil ist beim Lachen und Weinen in der That so groß, daß dadurch schon allein jene Wirkungen, ­Lachen durch Kitzel, und Weinen durch körperlichen Schmerz, hervorgebracht ­werden können.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

6

Stephan Schütze

4–6

Von diesem blos physischen Lachen und Weinen kann aber hier nicht die Rede seyn, sondern nur von dem, welches von Vorstellungen herrührt. Alles Lachen auf Vorstellungen begründen, und z. B., wie Heydenreich3 thut, auch den Kitzel auf eine Vorstellung, nämlich die der Geschlechtsverschiedenheit zurückführen zu wollen, | würde thörigt seyn, da wir schon bey andern Erscheinungen sehen, daß die Nerven überhaupt auch blos sinnlich erschüttert werden können. Nicht vielmehr ist zu gewinnen, wenn man vom Geistigen des Lachens auf das Physische zurückgeht, und es gleichsam wieder in dasselbe verwandelt, indem man z. B. mit Heydenreich sagt: »Alle Gründe für das Lachen lassen sich sämmtlich darauf zurückführen, daß durch die Auffassung und Beurtheilung des wahren Komischen unsere Erkenntnißkräfte auf eine ganz eigenthümliche, angenehme Weise beschäftigt werden, und daß eben dadurch unser physisches Lebensgefühl außerordentlich erhöht wird, welches dann nach dem Mechanismus unsers Körpers das eigentliche äußere Lachen hervorbringt.« Weit besser wird man von dem Physischen zu dem Geistigen hinaufsteigen. Und da das Lachen und Weinen e­ inen Zustand dunkler Gefühle ausdrückt, so möchte es rathsam seyn, sich erst mitempfindend in sie zu versenken, und mit seinen Ahnungen durch sie hindurch den Weg der Erfahrung zu machen, ehe man aus einzelnen Erscheinungen Schlüsse zu ziehen wagt, und so, statt jenen Zustand immer tiefer zu ergründen, ihn bey aller Klarheit durch theoretische Bestimmung nur beschränkt. Zunächst bemerken wir beim Lachen und Weinen, daß gewisse Empfindungen, die den Körper und den Geist zugleich berühren, plötzlich und | unwillkührlich und oft wider den Willen des Menschen hervorbrechen. Es liegt dabey eine Affection durch besondere Umstände zum Grunde, ein Drang von Empfindungen, von welchem sich der Geist, wie durch eine Explosion, befreyet. Es offenbart sich Empfindung und Urtheil zugleich darin, das aber etwas Unnennbares bezeichnet, für welches alle Worte unzureichend, und in dem Augenblicke zu langsam seyn würden. Die Thräne und das Lachen erscheinen als schnelle unmittelbare Boten, als Vermittler zwischen der Geist- und

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

6–8

Versuch einer Theorie des Komischen

7

Körperwelt, die den eingetretenen innern Zustand kund thun, und das Herz der Macht des dunkeln Gefühls überheben. Es ist der Geist, der Gedanke, die Vorstellung, die den ganzen Körper durchschauert und erschüttert, und uns mit dieser sinnlichen Aeußerung wieder nach innen auf ein Urtheil und auf einen höhern Richter zurückweist. Das Besondere scheint sich plötzlich auf etwas Allgemeineres, das Nahe auf etwas Entfernteres, das Irdische auf etwas Höheres zu beziehen. Beym Weinen zuvörderst (bey der Rührung), im Glück sowohl als Unglück, verspüren wir eine gewisse Wehmuth, eine Sehnsucht nach einem bessern Zustande, die Ahnung eines reinern Daseyns, die Ueberzeugung von etwas Edlem, Schuldlosem, von der Natur Geheiligten, das unsere Mitmenschen mit einer frommen, religiösen Scheu erfüllt. Die Thräne macht verstum | men, rührt, bewegt. Es ist, als ob die Natur auf einmal selbst redend sich des Menschen annähme, als ob eine Gottheit plötzlich ihre Hand über den Verlassenen ausstreckte. Der Weinende rettet durch Erregung des Mitleids seinen Werth, seine menschliche Würde, der Theilnehmende glaubt, daß derselbe ein besseres Schicksal verdiene. Selbst bey der Freude mischt sich in die Rührung der geheime Wunsch nach einer längern Dauer, nach einer Stetigkeit des Glücks (dessen Vergänglichkeit die Wehmuth vorempfindet) und nach einer Erweiterung des angenehmen Zustandes, dessen Bedeutung für den Augenblick mehr ­ge­ahnet, als völlig durchempfunden und genossen wird. Indem der Geist in eine endlose Freude hinüber schwebt, betrauert er zugleich die Schranken seines irdischen Daseyns, und überläßt sich der Ahnung einer höhern Abkunft. Aufathmend drückt sich hier auch schon körperlich mehr Wunsch als Genuß aus, indem dagegen das Lachen mehr Fülle zu erkennen giebt. Bey beydem aber offenbaret sich eine Auflösung zur Freyheit. Das Lachen  – nicht minder räthselhaft und merkwürdig als das Weinen, – bricht noch plötzlicher, noch augenblicklicher hervor; der Geist, von einer Erscheinung, von einer Vorstellung überrascht, giebt laut dadurch seine freudige Verwunderung zu erkennen. Etwas Ungewöhnliches hat sich begeben, das der Mensch nicht so dachte, nicht so | ver-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

8

Stephan Schütze

8 | 9

muthete, und er scheint das, was er mit den Sinnen wahrnimmt, in dem Augenblick nicht völlig fassen, nicht völlig begreifen zu können. Bewegt und erschüttert befindet er sich zugleich in dem Zustande der Ergötzung. Obgleich in der Gewalt des Gegenstandes, der ihn zum Lachen zwingt, fühlt er sich dennoch frey, erheitert, glücklich. So sehr auch die Erscheinung ihn befremdete, so ist es doch, als ob plötzlich ein höheres Licht, eine hellere Einsicht, eine größere Klarheit über seinen Geist verbreitet würde, als ob sein ganzes Wesen sich erweiterte, und eine höhere Freyheit vorempfände. – Nicht durch Begriffe kann er sich dem andern über seinen Zustand mittheilen, sondern, soll dieser ein Gleiches empfinden, so muß er die Erscheinung selbst wieder hinstellen, oder, wo möglich, ein Bild davon durch die Vorstellung erwecken. Keine allgemeine Umschreibung, keine Bestimmung kann das Lachen wiedergeben, sondern jeder einzelne Vorfall selbst muß es als die Darstellung von etwas Einzelnem wieder hervorbringen. |

Zweytes Kapitel. Unterschied des Lächerlichen und Komischen.4 Um einen Gegenstand, der Lachen erregt, zu bezeichnen, hat die Sprache nicht vermocht, ein Wort zu erfinden, das die Eigenschaft desselben ausdrückt, und die Ursach und Quelle des Lachens angiebt, sondern sie hat, – was auf die Schwierigkeit der Sache selbst schließen läßt, – sich begnügen müssen, den Gegenstand von andern nur durch seine Wirkung zu unterscheiden; denn lächerlich sagt weiter nichts als etwas, das Lachen erregt oder erregen kann. Die Bezeichnung ist also blos subjectiv und vom Erfolg hergenommen, und eröfnet nicht, wie sonst häufig ein Wort in der Sprache, eine Einsicht in die Sache, und eine Ahnung des geheimen Sinnes. Lächerlich ist blos eine allgemeine Benennung, aber der Sprachgebrauch hat ihm eine nähere Bestimmung gegeben, indem er damit ein Urtheil andeutet, das jemand über das verkehrte Handeln und Thun eines andern fällt. Man spricht von einem lächerlichen

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

9–11

Versuch einer Theorie des Komischen

9

Betragen, von einem lächerlichen Anzuge, von einer lächerlichen Person. Wenn wir diesen Ausdruck näher prüfen, so finden wir, daß darin ein Tadel ausgedrückt ist, sowohl über den Verstand, als über den Geschmack des Menschen. In dem Begriffe des Tadels liegt aber auch zugleich, daß wir | seinem Willen etwas schuld geben, und das Lächerliche als abhängig von seiner Freyheit betrachten*. Anders verhält es sich, wenn wir das Wort komisch gebrauchen. Wir bezeichnen hiermit zwar auch die Eigenschaft eines Gegenstandes nach der Wirkung, aber wir tadeln damit nicht, sondern wir deuten vielmehr an, daß uns derselbe Vergnügen gewähre. Wir denken hier mehr an die Natur, die den Menschen komisch seyn und erscheinen läßt, als an seinen Willen. Im komischen Charakter betrachten wir etwas Angebohrnes, das in die Handlungsweise des Menschen hinüberwirkt: wir schauen in einem entfernten Hintergrund auf etwas Dunkles, Unbebekanntes hin, das uns in Verwunderung setzt, auf ein geheimes Spiel, das vor unsern Augen sich begiebt. Nicht blos dem Menschen, auch dem Zufall legen wir den Ausdruck des Komischen bey, und verbinden diesen Begriff mit ­einer Heiterkeit, und Laune, als ob sie aus der Erscheinung selbst zu uns herüber käme. Es offenbart sich in dem Vorfall Verstand und gleichsam ein zufälliger Witz. Wir haben es hier mehr mit dem Zusammentreffen der Umstände, als mit der völlig freyen Willkühr des Menschen zu thun. – Diese Beobachtung ist aber sehr | wichtig; sie lehrt, daß wir in dem Ausspruch »komisch« auf zweyerley, auf die Natur und auf den Menschen zugleich, Rücksicht nehmen, und daß unsere Stimmung und Ansicht dabey poetisch, d. h. auf das Wesen der Dinge, auf ihren geheimen Sinn und auf ihr Verhältniß zum Ganzen gerichtet sey. Der komische Mensch ist etwas anders, als der lächerliche Mensch. In jenem drücken wir ein ästhetisches, in diesem ein moralisches Urtheil (im weitern Sinne) aus. Und dies zeigt auch die Ableitung des Wortes komisch und seine Verwandtschaft mit Komödie, wornach es die Eigenschaft eines Dinges bezeichnet, das dadurch für *  Lächerlich hat auch zugleich den Nebenbegriff des Verächtlichen; daher: jemanden lächerlich machen, ihn in ein lächerliches Licht setzen u. dgl.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

10

Stephan Schütze

11–13

die Komödie (für ein Kunstspiel) tauglich und gleichsam schon daraus entlehnt ist.5 Begegnet uns etwas in der Welt, das wir für wirklich komisch halten, so meynen wir auch, daß es zur reinen Erweckung der Lust passe, und jeden Menschen bey der Beschauung in ein freyes, unpartheyisches Lachen versetzen müsse. Wir sind dabey bloße Zuschauer, und nehmen keinen Antheil weiter daran, als den der Betrachtung, womit wir die ganze Natur bewundern. Wir fühlen dabey unsere Phantasie zu dunkeln Gefühlen, die auf etwas Räthselhaftes in der Erscheinung gehen, angeregt, und unsern Verstand zur Reflexion aufgefordert. Das Ueberraschende, das Lustige, das Witzige darin bringt uns aber eher zum Lachen, als zu einem | Resultate. Ja es ist hiebei kein Resultat und kein Zweck weiter, als das Lachen selbst, das mit einem Nu eine unbekannte Sphäre wie mit einem Blitze durchleuchtet, ohne dem Geiste Zeit zur Beschauung des Einzelnen zu lassen. Es ist ein Totaleindruck6 mit einem unbestimmten Hintergrunde. Und wegen dieser Beziehung auf etwas Entfernteres, sie mag noch so dunkel seyn, oder verschiedentlich weit sich erstrecken, meynen wir mit dem Ausdruck komisch auch immer etwas Poeti­sches, das es wenigstens in dem Augenblick für den Beschauer ist. In einer Kunsttheorie sollte daher eigentlich nur vom Komischen, und nicht vom Lächerlichen die Rede seyn, so wie man beym Trauer­ spiel nicht vom Traurigen, sondern vom Tragischen spricht; allein zweyerley Rücksichten geben dem Ausdruck lächerlich bey einer ausführlichen Behandlung dieser Materie den Vorzug. Erstlich ist der Ausdruck lächerlich an sich viel umfassender und durch seine Allgemeinheit wieder bestimmter, indem er ursprünglich und seiner Wortbedeutung nach alles bezeichnet, was Lachen erweckt. Man kann also jenen beschränktern Sprachgebrauch, der im Leben vorkommt, leicht bey Seite setzen, und zu wissenschaftlicher Betrachtung die allgemeine Bedeutung des Worts wieder herstellen, wie es auch fast in allen Lehrbüchern bereits geschehen ist.7 Zweytens wird mit dem Ausdruck ko | misch wegen der dunklern, tiefern Bedeutung, die es in sich schließt, leicht ein Schlupfwinkel für Sophisterey und ein Cirkel für die Demonstration eröfnet, weil

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

13 | 14

Versuch einer Theorie des Komischen

11

darin schon ein Kunsturtheil und eine Bestimmung und Würdigung des Unbestimmten, des Poetischen, enthalten ist, und es immer wieder darauf ankäme, was jemand für komisch, für poetisch-lächerlich, wolle gelten lassen. Auf diese Weise könnte das, was gezeigt werden sollte, wohl gar auf eine bloße Annahme beschränkt und jeder Einwurf gleich mit Ausschließung eines Gegenstandes bequem zurückgewiesen werden. Das Poetische beym Lächerlichen tritt so sehr gradweis hervor, und erhebt die Erscheinungen für die Beschauer in so vielen Abstufungen, daß es gefährlich scheint, hier gleich eine Schnur zu ziehen. Wie kann man auch, wenn man die Natur des Komischen überhaupt erforschen und erkennen will, gleich mit e­ iner Grenzbestimmung anfangen, da mit derselben schon die ganze Bedeutung und Sphäre desselben bis auf die letzten Enden (die doch erst erfolgen können) gefunden seyn müßte! Das Lächerliche geht so innig durch alle komische Erscheinungen hindurch, daß die Betrachtung desselben weit umfassender, und zugleich um so sichrer werden muß, da es die Wurzel und Grundlage des Komischen ausmacht. Haben wir die Geheimnisse des Lachens und des Lächerlichen erforscht, und wissen wir, was innerlich und äußerlich dabey | überhaupt zum Grunde liegt, so muß uns auch das Komische, nach seinen niedern und höhern Zweigen bis so weit, als wir sehen können, sichtbar werden, und bey dieser engen Verbindung können wir (nach Ausschließung jenes beschränkten Sprachgebrauchs) mit steter Hinsicht auf die Hauptsache komisch und lächerlich, recht gut eines für das andere, ohne die Gefahr eines Misverständnisses ­gebrauchen.

Drittes Kapitel Bisheriger Gang bey den Untersuchungen über das Lächerliche. Da der Grund des Lachens nicht blos im Menschen, sondern zugleich auch in der äußern Erscheinung liegt, hier deutlich vor die Sinne tritt, und das Einzelne desselben sich sogar auf einen Punct concentrirt, so ist bey dieser Fühlbarkeit und Sichtlichkeit die An-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

12

Stephan Schütze

14–16

reizung und Hofnung, das Lächerliche in seinem Ursprunge zu entdecken, immer sehr groß gewesen, und viele Denker und Philosophen haben sich deshalb in Thätigkeit gesetzt. Um zur erwünschten Entdeckung zu gelangen, haben sie aber vornehmlich dreyerley Wege eingeschlagen: entweder haben sie die Beschaffenheit des lächerlichen Gegen | standes untersucht, oder sie haben die Veränderungen im Menschen beym Lachen beobachtet, oder endlich eine Rücksicht mit der andern verbunden. Dadurch sind sie allerdings auf mancherley Bemerkungen und Resultate, aber auch immer wieder auf neue Hindernisse und Schwierigkeiten gekommen. Je weiter sie fortschritten, je mehr gab es zu bedenken, zu bezweifeln. Die Untersuchung geschah auf diese Weise nur physisch und psychologisch mit dem aufzählenden Verstande. Freylich durfte man bey der Sichtbarkeit des Lächerlichen nur die sinnlichen, äußern Merkmale auffassen, und nach ihrer Proportion ausmessen und bestimmen, man durfte nur das Gemeinsame, das Zutreffende bey allen Fällen sammeln, um sich in den Besitz gewisser allgemeinen Eigenschaften zu setzen; aber man konnte doch nie gewiß seyn, ob man auch schon alle aufgefaßt, und ob man in die aus der Wirklichkeit geschöpfte und zusammengesetzte Erklärung auch alle Möglichkei­ ten mit hinüber genommen habe, weil der Weg der Erfahrung, der theilweise durch alle Erscheinungen hindurch geht, eigentlich wie Zeit und Raum nie seine Endschaft erreicht. Bey diesem Schwanken zwischen dem Nothwendigen und Zufälligen traten zweyerley Fälle ein: entweder gab man zu wenig Merkmale an, – dann entgieng mancher lächerliche Gegenstand, der damit nicht bezeichnet war; oder man häufte die Merkmale | zu sehr, dann fand sich manche Erscheinung, die auch ohne dieses und jenes angegebene Kennzeichen lächerlich ausfiel, und die Wirkung des Lachens mit Wenigerm erreichte. – Blieb man aber blos bey der Beobachtung des Menschen stehen, so bemerkte man wohl, was in ihm vorgieng, die Veränderung des Gemüths, z. B. die Erwartung, die Ueberraschung, die Täuschung u. s. w., aber nicht, was äußerlich unter allen Umständen das Lachen hervorbrächte.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

16 | 17

Versuch einer Theorie des Komischen

13

Mit der Verknüpfung beyder Rücksichten kam man nicht viel weiter, so lange man nur historisch8 und nach der nächsten Erscheinung für den Verstand die äußern und innern Merkmale an einander reihte, oder gegen einander überstellte, und nicht um den höhern Ursprung bemüht war, der beyde durch ein geistiges Band zu sich hinauf vereinigt. Alle diese Untersuchungen liefen nun zuletzt auf folgende drey Sätze und Behauptungen hinaus: 1) daß das Lächerliche durch eine plötzliche Auflösung der gespannten Erwartung in Nichts, (innerlich)9 2) daß es durch Abweichungen vom Gewöhnlichen, durch Kon­ traste und Widersprüche (äußerlich)10 und 3) durch Unsinn entstehe, und ein angeschauter Unverstand sey (innerlich und äußerlich).11 | Leicht waren diese Erklärungen wieder über den Haufen geworfen, indem man zeigte, daß nicht jede Auflösung der Erwartung in Nichts, nicht jeder Kontrast, nicht jeder angeschaute Unverstand lächerlich sey.12 Es fand sich, daß die getäuschte Erwartung oft sehr verdrüßlich ausfalle, daß der Kontrast zuweilen eine sehr widerliche Empfindung erwecke, zuweilen auch sogar das Erhabene befördere, weshalb dieser Ausdruck im Leben immer noch den Zusatz komisch von nöthen habe, und daß endlich der Unverstand doch etwas Unangenehmes, Unwürdiges sey, worüber eigentlich kein vernünftiger Mensch lachen sollte. Die Annahme von Unsinn, Unverstand und Kontrast gewann ­indes den meisten Beyfall, und manche Dichter glaubten, es in der Anwendung davon nicht toll genug treiben zu können.13 Mit der Zeit aber wurde man inne, daß man sich mit diesen historischen und psychologischen Erklärungen nicht mehr begnügen könne, und daß beym Komischen etwas Allgemeineres und Höheres obwalten müsse. Man strebte nach einer Idee. Um diese zu finden, schlug man zunächst wieder einen realistischen Weg ein, und, je nachdem jemand in den Folgerungen mehr oder weniger kühn war, blieb er an der Grenze desselben stehen oder entfernte sich mit einem Sprunge

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

14

Stephan Schütze

17–19

sehr weit davon. Man stellte nehmlich Vergleichungen zwischen ver |­wandten Dichtungsarten an, suchte aus dem Bekannten das Unbekannte zu erforschen, und bildete Gegensätze, um aus der Beschaffenheit des Einen die Wahrheit des Gegentheils herzuleiten. Bald mußte der Ernst, bald das Erhabene dem Komischen zur Erklärung dienen. Aber es fragte sich noch immer, ob diese wirklich reine und vollkommene Gegensätze bildeten, und ob die Folgerungen so sicher wären. Da beyde, der Ernst und das Erhabene, auf etwas Positives gehen, so wollte man auch nun das Komische nur als etwas Negatives betrachten. Suchte der Ernst in der Poesie die Dinge ihrem Wesen nach zu ergründen, und aufzufassen, so mußte das Komische dahin streben, sie zu vernichten.14 Wollte die ernstere Poesie die Erscheinungen als eine harmonische Welt vor uns aufrichten, so mußte das Komische darauf ausgehen, alles in Dissonanz zu bringen; betrachtete und würdigte jene alles nach seiner Bestimmung und in seiner graden Gestalt, so mußte dieses nun alles umkehren, alles auf den Kopf stellen. Die vermeintlich völlige Negation der komischen Poesie wurde also bestimmt: bald als ein Vernichten, bald als ein Umkehren der Welt. Im Erhabenen und im Tragischen fand man neue Vergleichungspuncte.15 Man ward hier ein Ideal gewahr, das über das Leben hin­ ausstrebt | und in Bedrängnissen und Versuchungen sich aus der Wirklichkeit in einen freyern Zustand hinauf rettet. Man meynte also, beym Komischen müsse die Idealität in der Realität untergehen, oder es müsse sich eine ganz neue ideale Welt in der Umkehrung schaffen, und sein Idealisiren auf Carricatur abzwecken. Damit sahen sich nun andere wieder wegen der Schönheit der komischen Poesie in Verlegenheit, und in der That dürfte man jene Folgerungen nur noch etwas fortsetzen, um endlich sogar zu der Behauptung zu gelangen, daß alle komische Poesie als unschön zu verwerfen sey.16 Aber auch selbst die Wahrheit derselben kommt nun in Gefahr, indem man über diesen Folgerungen die wirkliche Beschaffenheit der objectiven Welt und das Vorhandenseyn des Komischen in den Erscheinungen ganz verabsäumte, und nur subjectiv von der

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

19–21

Versuch einer Theorie des Komischen

15

Vorstellung und dem Schaffen des Dichters ausgieng. Diesem ward ein weites Feld, ein Spiel des unendlichen Uebermuths gegeben, von welcher unbegrenzten Freyheit sich bey manchem Producte sehr nachtheilige Folgen zeigten.17 Der zum Geistigen sich erhebende subjective Standpunct würde allerdings wohl eher zu einer richtigen, höhern Ansicht des Komischen geführt haben, wenn man nicht auf jenem realistischen Wege durch Vergleichungen, durch ein Spiel des Witzes und der Phantasie dahin gelangt wäre, und statt dessen sich lieber der Ansicht und | dem Schaffen des Dichters beym Komischen ganz und gar vertrauet, das Streben des Geistes darin belauscht, die Entstehung des Komischen bis zum ersten Ursprung verfolgt, und damit zugleich wieder in das Wesen der Kunst überhaupt sich zurück begeben hätte. Wie die Poesie an und für sich, so muß auch die komische Gattung derselben eine Darstellung der Natur seyn, und auf gewisse Puncte (auf einerley Wahrheit) mit dem Ernst zusammentreffen. Die objective Welt muß unmittelbar, wie sie da liegt, der tiefern Einsicht die komische Beschaffenheit, und, in den einzelnen Erscheinungen sowohl wie im Ganzen, den Stoff zum Lustspiel darbieten. Nicht erst die Dichtung von Möglichkeiten, nicht erst die Umkehrung muß sie in ein lächerliches Licht setzen, sondern sie selbst muß den Grund zum Lachen aus der Tiefe heraufgeben. Nicht, daß das Komische ohne des Dichters Ansicht gar nicht vorhanden wäre, sondern der tiefere, schärfere Blick desselben entdeckt es nur. Es ist eben so gut da, als das Tragische, und, wie der Mensch in die Welt hinein­ gestellt ist, kann er beyden nicht entgehen. Eine subjective Wahrheit, die ihre Bestimmung nach außen hat, würde völlig leer seyn, wenn sie nicht auch in der Außenwelt ihren Grund und ihre Bestätigung fände, und zugleich objective Wahrheit wäre. Sie ist eine Hinwei | sung auf diese, und wir müssen das Vorhandenseyn der letztern wenigstens annehmen, und zu finden meynen, wenn wir jene nicht blos für Täuschung und Trug und für einen falschen Wegweiser halten sollen. Das Innere müssen wir mit dem Aeußern ausgleichen, in dem einen die Bestätigung des andern suchen und die sich wiederspie-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

16

Stephan Schütze

21 | 22

gelnde Parallelle zwischen beyden Welten entdecken, wenn wir nicht genöthigt seyn wollen, alle Erkenntniß aufzugeben. Es ist billig, daß auch die Wissenschaft des Schönen18 mit ihren Theorien dahin trachte, in der Auffindung der Wahrheit nicht minder objectiv als subjectiv zu seyn, und in dem Inhalt, in der Materie, in dem Wesen der Welt eben so gut als in der Form der Auffassung den Zusammenhang und die Harmonie des Systems zu ergründen und zu erbauen, ohne welche Doppelrücksicht alle Erkenntniß entweder negativ, dürr und unfruchtbar oder ein willkührliches Spiel der Phantasie seyn würde. Aus einem höhern Standpuncte, als die bloße Beobachtung giebt, muß freylich auch die Erklärung des Komischen kommen, aber sie muß nicht mit einer geistigen Ansicht blos das Ganze überschweben, sondern zugleich auch nach unten zu in alle Arten der komischen Erscheinungen eingehen und ihre Regeln auch in der Anwendung ohne Zwang bis in die kleinste Einzelnheit hinableiten können. Sie muß nicht die | Frucht des Baums seyn, sondern der Baum selbst, der nach zwey Richtungen in das Licht hinauf und in den Boden hinab sich erstreckt. Denn so steht auch der Mensch da, der, halbfestgewurzelt im Boden, hinauf verlangt zum Lichte, und auf diese Weise Körper mit Geist, Sinnlichkeit mit Freyheit, das Irdische mit dem Göttlichen verbindet.19 Aus dieser zwiefachen Richtung geht auch die Möglichkeit des Komischen hervor, dessen Daseyn aus der Berührung beyder Naturen und durch das Verhältniß des Menschen zur Welt ­gezeugt und geboren wird. |

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

17

23 | 24

Theorie. Erstes Kapitel. Begriffsbestimmung. Das Komische ist eine Wahrnehmung oder Vorstellung, welche nach Augenblicken das dunkele Gefühl erregt, daß die Natur mit dem Men­ schen, während er frey zu handeln glaubt oder strebt, ein heiteres Spiel treibt, wodurch die beschränkte Freyheit des Menschen in Be­ ziehung auf eine höhere verspottet wird. Oder: das Komische ist das in und bey der Freyheit des Menschen sichtbar werdende Spiel der Natur mit dem Menschen. Innerlich ist es eine Vorstellung, äußerlich die Vergegenwärtigung eines solchen Spiels. Das Lachen drückt die Lust an dieser eigenthümlichen Wahrnehmung aus. In der Erscheinung, – im Leben so wohl als in der Kunst – ist das Komische der | durch ein heiteres Zusammentreffen oder Wechselspiel zwischen Willen und Natur (Willkühr und Naturhandlung) fühlbar werdende Abstand einer beschränkten Freyheit von einer h ­ öhern. Indem das Komische in dem beschränkten geistig-sinnlichen, mehr glücklich- als unglücklichen Zustande des Menschen die Mangelhaftigkeit seiner Freyheit, seine Abhängigkeit vom Physischen, seine Dienstbarkeit im Kreise eines höhern Zusammenhanges und die stete Unzulänglichkeit seiner Mittel zur Ganzheit zur Anschauung bringt, bewegt es den freyeren Zuschauer zur heiteren Verspottung* der menschlichen Freyheit in Beziehung auf eine höhere. Subjectiv als Betrachtung ist das Komische diejenige Ansicht der Welt, nach welcher mit der Freyheit des Menschen ein heiteres Spiel getrieben wird;

*  Das Wort Verspottung ist hier nicht im strengsten Sinne zu nehmen, sondern drückt nur die ergötzliche Empfindung dessen aus, der den bezeichneten Zustand wahrnimmt, und sich lachend darüber erhebt.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

18

Stephan Schütze

24–26

als Anwendung in der Kunst ist es die Hervorbringung eines solchen zusammentreffenden gegenseitigen Spiels, das Aufstellen von solchen Handlungen und Verhältnissen des Menschen, wodurch die Abhängigkeit seiner Freyheit | ohne Aufhebung derselben und im Misverhältnisse zu einer höhern sichtbar oder fühlbar wird. Anmerkung. Sagten wir: das Komische ist die Erscheinung der Welt als ein heiteres Spiel bald der Natur mit dem Menschen, bald des Menschen mit der Natur; so bezeichneten wir damit nur das Lustige, das erst durch die besondere Beziehung auf die Freyheit des Menschen oder dessen Wahn und Willen, nicht Natur, sondern Mensch zu seyn, komisch wird. Man sieht aber gleich daraus, in wiefern das Lustige ein Theil vom Komischen ist.

Zweytes Kapitel. Worterklärung oder nähere Erwägung dieser Definition. Um Misverständnisse zu verhüten, müssen die Worte zuvörderst erwogen werden, nach dem, was sie sagen, und nach dem, was sie nicht sagen. Insoferne von einem Spiele20 die Rede ist, und dies von einem Gegenstande zugleich den inwohnenden Scherz ausdrückt, wird hiermit schon der Begriff des Ernstes und des Leidens vom Komischen ausgeschlossen.21 Der Ernst, der auf einen Zweck deutet, kann erscheinen sowohl in dem, was der Mensch thut, als auch in dem, was ihm widerfährt. Von beyden Seiten muß im Komischen kein Zweck weiter sichtbar werden, als die Lust des Kampfes. Der | materielle Zweck des Menschen muß dabey, wenn auch als beglückend, doch als gering betrachtet werden, und sich wieder in Scherz auflösen, oder der Mensch muß ihn nicht völlig und so erreichen, wie er ihn zu erreichen meynt, selbst wenn er bey seinem Wahn beharrt. Der höhere Zweck der Natur für das Ganze muß zwar im Komischen als allgemeine Wahrheit, als ewiges Recht, obwalten, aber nie als Kraftanstrengung mit der Absicht erscheinen, diesen oder jenen spe­

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

26–28

Versuch einer Theorie des Komischen

19

ciellen Zweck zu erreichen, etwa den Menschen zu belehren, zu bessern, oder zu irgend einer bestimmten guten Handlung zu bewegen; sondern jene höchste Freyheit muß, in der Gewißheit, ihre höchsten Zwecke doch zu erreichen, unangefochten und unbekümmert herrschen, sie muß dem Menschen Spielraum lassen für das, was er gerade jetzt will; in dem, was sie ihm zufügt, muß sie keinen pein­ lichen Zwang ausüben; ihre ewigen, nothwendigen Gesetze müssen in den einzelnen Hindernissen, die dem Menschen entgegen treten, nicht drückend werden, sondern die Schranken, die sie dem Menschen setzt, müssen wieder als belebte Mittel wirken, die Freyheit des Menschen wie durch eine Neckerey zu prüfen und anzuregen. Von Seiten des Menschen kann der Zweck des Augenblicks nie über den höchsten Zweck der Natur sich erheben, sondern muß dagegen in seiner Blöße als Thorheit sichtbar werden. Er | darf auch denselben nicht mit großer Leidenschaft und mit verderblich fortreissendem sinnlichen Affect verfolgen, noch sich wissentlich mit Tücke und Bosheit dem Willen der Natur entgegensetzen. Dies alles wäre zum Scherz zuviel, würde den Begriff und das Wesen des objectiven Spiels aufheben und zum Tragischen führen. Das Komische schließt also wirkliches Leiden, und den höchsten Grad der Leiden­ schaften, so wie die absichtliche Beziehung auf die Moral völlig aus*. In der Vergegenwärtigung und in dem Zusammentreffen des Wechselspiels liegt zweyerley: erstlich die Versinnlichung des Komischen, das entweder unmittelbar durch die sinnliche Erscheinung selbst, oder mittelbar durch die Vorstellung derselben wirken muß. Zweytens das Augenblickliche, was als das Resultat zweyer Berührungen, als die Auflösung zweyer verschiedenen concentrirten Vereinigungen hervorgeht. Die Empfindung des Lächerlichen ist jedesmal ein Moment, und wie das Lachen plötzlich hervorbricht, so kann und muß auch die Veranlassung dazu nach einzelnen | Punc­ *  In dem Begriff des Spiels liegt 1) Täuschung des andern bey seinem Vorhaben. 2) Eine gewisse Willkühr. 3) Die bloße Beabsichtigung der Mannichfal­ tigkeit und der ergötzlichen Regsamkeit. 4) Keine große Anstrengung. 5) Etwas Wohlmeynendes. 6) Einräumung von Gegenwirkung.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

20

Stephan Schütze

28 | 29

ten und Hauptschlägen geschehen. – In so fern das Komische als Ansicht sich über ein Ganzes verbreitet, kann es wohl die Stimmung des Lachens und ein fortwährendes Lächeln, aber nie das anhaltende Lachen selbst hervorbringen, das immer von Momenten ausgeht, und sich nur durch die Vorstellung erneuert*. Das laute Auflachen ist also in der Wirkung der höchste Grad des Lächerlichen, das durch die Versinnlichung, durch die Anwendung einer Idee auf einen beson­dern Fall hervorgebracht wird. Soll das Komische durch ein Wechselspiel entstehen, so müssen auch beyde Theile, der Mensch und die Natur, als handelnd erscheinen oder wenigstens so betrachtet werden. Keins darf ganz müßig da stehen, der thörigte Mensch z. B. muß eine Gegenwirkung verspüren, muß mit Hindernissen zu kämpfen haben, die ihm wieder unerwartete Streiche spielen oder ihm zu schaffen machen. Je witziger, je vernunftähnlicher dies von außen her geschieht, je poetischer täuschen wir uns mit einem neckenden Genius;22 erscheint er in den mithandelnden Personen, so offenbart er sich als Intri­ gue,23 | wirkt er durch den Zufall todter Gegenstände, welche für den Augen­blick selbst vernünftig scheinen, so erzeugt er das Komische romantischer Art.24 Es kann aber gradweis eins und das andere bald mehr, bald weniger handelnd hervortreten; in den letztern beyden Fällen (bey der Intrigue und beym Romantischen) ist die Natur mehr das handelnde Princip, und der Mensch, der in ein komisches Verhältniß gesetzt wird, erscheint dabey gewöhnlich mehr passiv, mehr unthätig, (doch niemals völlig leidend) in einer Situation, in einer Verlegenheit. Das Höchste ist, wenn beyde handelnde Principe, der Mensch und die Natur, mit gegenseitiger Vereitelung in der größten Thätigkeit gegen einander sich zeigen, welches aber leicht die Grenzen des Komischen, und die Fassungskraft des menschlichen, zum Lachen fähigen Geistes überschreiten kann. Hält die *  Das Lachen kann wohl anhalten, in so fern die komische Situation fortwährt, aber es wird eigentlich doch nur erneuert, indem es durch dieselbe Vorstellung immer wieder momentweis hervorgebracht wird, wobey indeß die mechanisch fortwährende Erschütterung der Nerven nicht zu übersehen ist.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

29–31

Versuch einer Theorie des Komischen

21

­ atur dem Menschen die gewöhnlichen sinnlichen Schranken entN gegen, dann sind oder scheinen diese mehr der ruhige Theil, woran der Mensch in seiner Handlung scheitert. Hier wird besonders die allen gemeinsame Abhängigkeit des Menschen vom Physischen sichtbar, die ihn nie verläßt, und ihm beständig Gelegenheit giebt, mit seiner Freyheit zum Gelächter zu werden*. Diese hindernde Noth | wendigkeit oder äußere Bedingung hat als Gegenspiel von der Freyheit des Menschen aber offenbar im Komischen nur äußerlich den Schein der Ruhe, und wird der Idee nach von der Phantasie als handelnd oder mitspielend aufgefaßt, in so fern die Hemmung und Einwirkung des sinnlichen Theils sich alle Augenblicke verändern und sich bald verstärken, bald vermindern kann. Eben so ist es auf der andern Seite mit dem Menschen, wenn er unter sinnlichen Einflüssen ruhig erscheint: wir sehen doch in ihm noch immer den freyen und auch im Genießen und in der Hingebung noch handelnden Menschen, dessen Freyheit wir aber gerade deshalb verlachen, weil er für diesmal einer Sache, z. B. einer anlockenden Frucht, so viel Gewalt über sich einräumt, daß diese nach unserer Idee zu viel über ihn vermag. Der Dichter aber hat in einem solchen Spiel nichts weiter gethan, als die Rolle eines neckenden Genius übernommen, den er aber nirgends anders als in der Natur finden, und auch bey allen seinen Erfindungen daher entlehnen mußte**. | Sein Spiel ist dem Sinn und Geiste nach nur eine Nachahmung und Darstellung der Natur. In so fern Geist und Körper in Widerspiel erscheinen, kann weder das Sinnliche, noch das Geistige allein das Komische bewirken, sondern beym Sinnlichen muß eine Vorstellung, und die Beziehung auf eine Idee, und beym Geistigen zugleich eine sinnliche Erscheinung  *  Wenn z. B. ein Mensch nicht alles mit zwey Händen fassen kann, und gern mehr fassen möchte, so erweckt er dadurch den Gedanken an die Möglichkeit, mehr Gliedmaaßen zu haben, und also an die Macht der Natur, sie zu verleihn und zu versagen, wodurch sogleich die äußere Beschränktheit in der Vorstellung belebt wird. **  So wie überhaupt jeder in Worten Scherzende aus Erwägung, Darstellung und Annahme eines solchen neckenden Naturspiels geht.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

22

Stephan Schütze

31 | 32

und Aeusserung oder eine Bezeichnung derselben statt finden. Das Komische hat daher immer einen Antheil von beyden, und kann demnach auch gradweis bald mehr zur Sinnlichkeit hinab, bald mehr zum Geistigen, zur Idee hinauf sich wenden, woraus nachher von selbst verschiedene Arten und Abarten bis zur Uebertretung der Grenze möglich werden. Wenn das Komische erst zur Erscheinung und zum Bewußtseyn gebracht werden muß, so deutet dieses auf die Möglichkeit verschiedener Ansichten der Dinge, keinesweges aber auf eine bloße Willkühr; denn das, was wirken soll, muß auch vorhanden seyn, oder wird doch als vorhanden geglaubt, und die Täuschung und der wirkliche Irrthum ist im Komischen nicht größer, als in allem übrigen Wissen und Anschauen. Das Komische kann aber in einem Gegenstande sich gleichsam in einem gebundenen Zustande befinden, durch die Gewohnheit des Anblicks, durch die beschränkte Beziehung desselben auf einen öconomischen Gebrauch u. s. w., und muß | vom Dichter (wie in der übrigen Poesie) erst bemerkt, aufgefaßt und dargestellt werden. Dieser muß die Eigenschaften des Dinges wieder schärfer hervorheben, und das Eigenthümliche sichtbar und fühlbar machen, wozu ihm (wie in den übrigen Dichtungsarten) verschiedene Mittel: Bilder, Vergleichungen, Kontraste, u. s. w. zu Gebote stehen. Oft ist nur die Stumpfheit des Zuschauers daran schuld, wenn er das Komische an einem Gegenstande nicht gewahr wird, und der Dichter muß demselben mit seiner Phantasie vorleuchten. Was aber auch nach Sitten und Gebräuchen (dieses oder jenes Volks) lächerlich oder nicht lächerlich erscheinen mag, so liegen doch bey der subjectiven Vorstellung davon dieselben Beziehungen auf Abhängigkeit und Beschränktheit des menschlichen Geistes und seiner Freyheit und eine Abmessung gegen etwas Besseres zum Grunde, und das Lächerliche behält dem Sinne nach immer dieselbe Bedeutung. Die Abweichungen vom Gewöhnlichen bringen nur die Sache selbst zur Erwägung und deutlichern Empfindung, und erwecken die nämlichen Beziehungen, die in dem Gewöhnlichen schon als möglich vorhanden sind, und aus diesem jeder Zeit eben so gut hervorgehen können.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

32–34

Versuch einer Theorie des Komischen

23

Darf im Komischen die Gegenwirkung der Natur die Freyheit des Menschen nicht völlig aufheben, so versteht es sich auch von selbst, daß das Leben und Gedeihen, die Glückseligkeit des | Menschen dadurch nicht vernichtet werden, oder als vernichtet erscheinen darf*. Es gilt hierbey aber wieder die Doppelrücksicht auf Subject und Object. Wenn der Zuschauer das Glück des Menschen nicht bis zum Unter­ gange gefährdet glaubt, so kann er nach Maasgabe der Veranlassung noch immer über ihn lachen, selbst, wenn die überwiegende Gefahr wirklich vorhanden seyn sollte. Bey allen Erscheinungen muß nicht nur auf die Dinge selbst, sondern auch auf die Vorstellungen davon Rücksicht genommen werden. Dies ist bey allen Einwirkungen, und folglich auch beym Komischen der Fall. Die Verschiedenheiten, die für die Empfindung und für das Urtheil daraus entstehen, heben aber den allgemeinen Grund des Lachens nicht auf, der immer derselbe bleibt, der Lachende mag dabey irren oder nicht. Es würde auch sehr thörigt und verwerflich seyn, den Irrthum als Regel, das Besondere als das Allgemeine, und die Modificationen als Grundgesetze, die allein die Wirkungen hervorbrächten, anzunehmen. Ursach und Wirkung dürfen nie mit ihren Gradationen und ihren blos ab- und | zunehmenden Veränderungen verwechselt werden. Ueber einen andern zu lachen, ist endlich nicht möglich, ohne klügere Einsicht, ohne eine Beziehung der beschränkten Freyheit auf eine höhere, ohne Glauben daran. Das Lachen ist ein idealer Zustand, ein Unterpfand von einer möglichen größern Vollkommenheit, und setzt nothwendig die Existenz einer absoluten Freyheit als Maaßstab und Gegensatz für die beschränkte voraus. Wir können aber niemals den Irrthum und die Thorheit zulässig und belachenswerth finden, wenn wir sie nicht nach allgemeinen menschlichen Gefühlen unter gegebenen Umständen für einen jeden und selbst für uns möglich *  Diesen Winter fielen die Menschen um wie die Mücken (Fliegen) – kann immer noch komisch wirken, weil es die allgemeine Vorstellung von geboren werden und sterben erweckt, wobey das Gedeihen des Menschengeschlechts immer noch statt finden kann.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

24

Stephan Schütze

34 | 35

halten. Wir müssen die allgemeine poetische Wahrheit, die Natur darin empfinden, wo nicht, so sehen wir nur positive Dummheit und Albernheit oder wohl gar Wahnsinn, Willkühr in der Dichtung, Ueber­treibung und Carricatur. Das Besondere in dem Komischen muß wieder so wahr erscheinen, als das Allgemeinste, ja es muß in seiner Vollendung wieder zu etwas Allgemeinen, zum Symbol vieler ähnlichen Fälle werden, und es wird gerade um so mehr an poetischem Werth zunehmen, je tiefer es aus der Natur geschöpft ist. – So viel vorläufig zur gegenseitigen Verständigung über die gebrauchten Worte; nun zur Erklärung und Erörterung der Sache selbst. |

Drittes Kapitel. Einzelne Hauptbestandtheile oder subjective Begründung des Lächerlichen. Das Lächerliche muß sowohl subjectiv (in der Beschaffenheit des Menschen) als objectiv (in der Beschaffenheit der Welt) begründet seyn, wenn es im erstern Falle möglich und im zweyten wirklich seyn soll. Hier wollen wir den Grund zunächst im Menschen aufsuchen. Zwey Hauptbestandtheile aber sind es, die die Grundstützen der Begriffsbestimmung und die Elemente des Lächerlichen ausmachen, nämlich jene zwey Seiten oder handelnden Gegensätze desselben: die Freyheit des Menschen und die Natur. I. Zuerst, wenn wir die Freyheit des Menschen betrachten, so finden wir, daß sie als das Vermögen zu wählen mit ihren Neigungen oder ihrem Willen dreyerley verlangt oder voraussetzt: 1) Verstand, wodurch und wornach sie wählt. 2) Eine äußere Bewerkstelligung oder Möglichmachung der Wahl sowohl durch Dinge, die zu wählen sind, als auch durch Mittel und Kräfte, womit sie erlangt werden können. |

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

36 | 37

Versuch einer Theorie des Komischen

25

3) Leitende Ideen, die der Wahl einen Zweck und eine Richtung geben. So viel Dinge aber nöthig sind, um die Freyheit auszuüben, so viel Fälle sind auch möglich, sie zu beschränken. Und mit jeder mögli­ chen Beschränkung eröfnet sich auch wieder eine Quelle des Lächerlichen; nehmen wir eine davon weg, so heben wir auch für diesen Fall die Möglichkeit des Lächerlichen auf. 1. Zunächst gehört zur Freyheit Verstand, und mit der Existenz und Anwendung desselben können erst besondere Fälle eines lächerlichen Zustandes eintreten. Die sogenannten todten Gegenstände, wie Felsen, Steine, Flüsse, Wälder, Berge, können an sich niemals lächerlich werden, sie mögen noch so sehr in zufälligen Uebereinstimmungen und Kontrasten erscheinen.25 Ein halb mit Schnee bedeckter Berg, der über eine grüne Wiese hoch hinausragt, mag noch so unpassend und in noch so sonderbarer Stellung da stehn, wir werden doch nicht über ihn lachen, weil hier eine bloße Körperlichkeit, kein Verstand, keine Freyheit, keine Handlung sichtbar ist. Wir können ihn aber gleich in ein lächerliches Licht setzen, sobald wir ihm durch Bilder und Vergleichungen menschliche Eigenschaften andichten, und ihn z. B. mit dem Schnee auf dem Gipfel einen Glatzkopf oder mit Wäldern einen Mann mit einer Perücke nennen, und ihm sein Her | überhangen für eine Neugier auslegen. Es ist aber an diesem Beyspiele schon zu merken: je schwerer die Phantasie daran geht, sich unter dem todten Gegenstande einen Menschen vorzustellen, desto schwerer wird es auch, durch die Vorstellung Lachen zu erwecken. Hier nimmt das Gezwungene, das Erkünstelte und Geschrobene des Witzes seinen Anfang. Bald ist es nur der Verstand, der mit Gewalt etwas lächerlich macht, bald ist es eine angestrengte Phantasie, die sich in Möglichkeiten hinauf schwingt, ohne recht daran zu glauben. In beyden Fällen mangelt die rechte sinnliche Beschaffenheit der Empfindung des Lächerlichen, welche Beschaffenheit erst durch die Sympathie der Gleichartigkeit, also durch die

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

26

Stephan Schütze

37–39

mitwirkende Versetzung des Gefühls möglich wird. Mit einem Felsen aber zu sympathisiren, möchte sehr schwer fallen. – Gleichwohl kann der poetische Witz und der Humor auch die todten Gegenstände erreichen, und uns durch sie in Lachen versetzen, aber wir müssen hier wohl unterscheiden, was dies Lachen eigentlich hervorbringt. Das Todte liegt nur in so fern außer dem Kreise des Lächerlichen, als es nicht handelnd und mit Verstand begabt erscheinen kann, es paßt aber dafür, in so fern es überhaupt ist. Für die höhere Ansicht giebt es nemlich kein todtes Seyn, sondern dieses wird als Theil und Mittel von etwas Lebendigem und Handelnden betrachtet, und kann da | mit in Verbindung gestellt werden. Diese Verbindung ist entweder die mit dem handelnden Naturgeiste26, oder eine Beziehung auf den Menschen*, und das Lächerliche wird hervorgebracht, indem wir eins davon als abhängig von dem Gegenstande darstellen. Hier entsteht auch der humoristische Spott, der sich nicht allein über die Freyheit des Menschen, sondern selbst über den handelnden Naturgeist, in so fern er ihn sich einstweilen auch als beschränkt denkt, lustig macht. Also, wenn z. B. in einem Lustspiel von einer Theatersonne die Rede ist, die geflickt werden müsse,27 so läßt die geflickte Sonne mehrere Beziehungen zu; auf den Menschen bezogen macht sie nicht nur das Aermliche und Behelfliche seiner Einbildungskraft im Theaterspiel, sondern selbst seine Abhängigkeit von der Sonne überhaupt als einem leuchtenden Körper fühlbar. Dieser leuchtende Körper könnte aber auch wirklich selbst einmal einer Reparatur bedürfen, und es hindert uns nichts, diesen Witz auf die wirkliche Sonne anzuwenden. Mit dem Begriffe eines Körpers läßt sie auch die Vorstellung einer Flickerey zu, und wir dürfen dies nur denken, so ist auch schon ein Spott über den mächtigen Naturgeist, der sich derselben bedient, im Anzuge. – Wenn in einem andern Lustspiel ein | Liebhaber gegen einen Betrunkenen behauptet, daß die See immer besoffen sey,28 so ist es offenbar nicht der vernunftlose Gegenstand an sich, (die See,) welcher lächerlich gemacht wird, *  So könnte die Nachtmütze des Burgermeisters auf der Spitze des Kirch­ thurms allerdings komisch wirken.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

39 | 40

Versuch einer Theorie des Komischen

27

sondern der Mensch, indem er eben so leicht wie jene durch Wirkungen der Natur (Abhängigkeit) in eine taumelnde Bewegung versetzt werden kann*. Es ist aber noch eines dritten Falls zu gedenken, wenn nämlich das Lachen über einen solchen Witz nicht durch die Beschaffenheit des todten Gegenstandes, sondern subjectiv durch die Laune des Sprechenden bewirkt wird, der mit den Fesseln seiner Abhängigkeit spielend umgeht. Alles dieses besonders erwogen kann ein todter Gegenstand an sich nie anders lächerlich dargestellt werden, als wenn ihm mit der Phantasie menschliche Natur angedichtet wird, und die Vorstellung von ihm, als von einem menschlichen oder freyen Wesen hinzukommt**.29 Hierzu | kann auch die Sache selbst Veranlassung geben, wenn sie bildlich einen Menschen darstellt. So wurde ein auffliegender Luftballon, der die Gestalt eines Frauenzimmers hatte, dadurch lächerlich, daß sich der Leib ungewöhnlich aufblähete. – Personificationen von todten Gegenständen gehören ebenfalls hieher, wenn diese redend eingeführt oder als handelnd gedacht werden.30 Indem man sie mit Verstand und Willen begabt, setzt man sie in den Stand, nach Maasgabe der Vorstellung auch Lachen zu wirken. Ist die Persönlichkeit schon in Glauben übergegangen, wie z. B. bey den Alten die Nymphen der Bäume und Felsen, so ist das Reden derselben als der Ausdruck wirklich empfindender Wesen zu be *  Etwas Lächerliches fällt nur auf die See, in so fern ihr etwas Mensch­ liches beygelegt wird, und die Vorstellung geneigt ist, dies aufzunehmen. Das Komische wirkt so weit, als wir im Stande sind, uns Leben und Freyheit zu denken. **  Dies ist eine Art von Umkehrung des Komischen, die aber dasselbe Verhältniß giebt. So wie man sonst bey der Freyheit des Menschen die Natur durchblicken läßt, so dichtet man hier der Natur menschliche Freyheit an. Dadurch kann man viele komische Vorstellungen erhalten, z. B. wenn man sagt: es ist März, die Luft muß trocknen, das ist ihre verfluchte Schuldigkeit; oder wie es in einem Lustspiele der Ankunft des Herrn heißt: die Hühner müssen legen.29 Und so könnte man von einem Erdbeben sagen: die Hügel und Bäume gehen spazieren; u. dgl.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

28

Stephan Schütze

40–42

trachten. – Aristophanes, der kühnste Komiker, läßt sogar Leichen mit ihren Trägern sprechen;31 dies würde ganz widersinnig seyn, indem es den Begriff der Sache aufhebt, wenn es sich nicht auf den Glauben der Menschen, der damit stark persiflirt wird, gründete, indem nämlich ein Todter von diesen nicht blos in Absicht des Geistes fortlebend gedacht, sondern selbst körperlich gefürchtet und als ein Reisender betrachtet wird, dem man Reisegeld und sonst noch | manches mit auf den Weg giebt. Liegt also in dem Reden der Leiche etwas Unsinniges, so fällt es auf den Glauben der Menschen zurück, die damit in ihrer Blöße und Bedürftigkeit erscheinen. Von den leblosen Gegenständen kommen wir auf die Thiere, und es fragt sich, in wie fern diese lächerlich werden können.32 Zunächst freylich, in so fern man ihnen menschliche Eigenschaften und Handlungen andichtet, wie in der Fabel geschieht. Ihr Charakterausdruck ist so groß, daß die Phantasie sehr leicht und wie von selbst darauf kommt. Es steht aber noch zu erwägen, ob die Thiere nicht auch an sich, ohne Andichtung einer menschlichen Natur, Lächerlichkeiten zulassen, weil sie, in so fern sie sich nach sinnlichen Vorstellungen rechts und links bewegen, von der Freyheit auch etwas erhalten haben. Wenn wir sie hüpfen und springen, neugierig suchen und schlau ausweichen sehen, so dünkt es uns, daß auch mit ihnen der Naturgeist zwischen Wollen und Können ein munteres Spiel treibe, und wir werden bey diesem kleinen Kampf von Wirkung und Gegenwirkung zum Lachen gereizt, besonders, wenn die Thiere in ihrer Beschränktheit auf einen Augenblick zu siegen scheinen, und mit einem Ausdruck von Freyheit ihrer angewiesenen Mittel sich spielend bedienen, d. h. scherzen. Mit dem Scherz beginnt das Gebiet der Freyheit und auch das Gebiet des Komischen, und wenn den | Thieren Schuld und Verdienst und die Fähigkeit zu moralischen Handlungen fehlt, so vernichtet dieses das Komische noch nicht, weil dieses der Rücksicht auf die Moral keinesweges bedarf. Vielmehr ist die große Beschränktheit ihres Verstandes und ihrer Freyheit, deren Wahl nur auf wenig Dinge und nach dunkeln Vorstellungen und ohne sehr entfernte Zwecke zum Ziele geht, allein schuld daran, daß sie nur einen Schimmer von Lächerlichkeit an sich

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

42 | 43

Versuch einer Theorie des Komischen

29

tragen, und uns nur nach dunkeln Spuren, gleichsam nach Ahnungen, in Lachen versetzen. In vollem Maaße giebt der Mensch mit seinem weit sehenden, berechnenden Verstande Stoff dazu, weil er, mit seiner Erkenntniß über alles sich erhebend, seinen Wünschen immer auf das klügste zu dienen glaubt. Wenn der Mensch durchaus nichts von Verstand besäße, und er ganz dem dunkeln, unmittelbaren Instinct überlassen bliebe, so daß er gradezu, ohne Vorstellung, den Gegenständen seiner Bedürfnisse, wie die Sonnenblume der Sonne, sich zuwendete, so wäre es niemals möglich, daß er in Lächerlichkeiten verfiele. Und eben so bliebe er davon entfernt, wenn sein Verstand völlig frey, alles durchdringend, wenn er unbegrenzt wäre; denn die Veranlassung des Lächerlichen ist hier* der Irrthum und der Selbstbetrug. Der | Mensch erscheint lächerlich, wenn er klug zu handeln glaubt, und doch das Rechte verfehlt. Der Irrthum aber entsteht theils in seinem Wesen, wenn verschiedene Neigungen und Vorstellungen ihn bestürmen, und ihn so irre machen, daß er das Ganze nicht überschauen, und das Kleine vom Großen, das Wichtigere vom Unwichtigern nicht unterscheiden kann, theils außer ihm, in der Wahl der Dinge, wo seine schwache Erkenntniß ihn wieder oft das Falsche für das Rechte oder das Kleine für das Große wählen läßt. Es gehört aber zweyerley dazu, wenn ein Irrthum belachenswerth seyn soll.33 Erstlich muß der Irrthum keine bloße Action des reinen Verstandes seyn; so wird z. B. ein Rechnungsfehler, besonders in verwickelten Fällen, uns nie ein Lachen abnöthigen; sondern der Irrthum muß zugleich mit dem empfindenden und handelnden Theil des Menschen, mit seinen Neigungen, Wünschen und Trieben zusammenhangen, so, daß seine Beschränktheit durch diese, und dadurch die Mit- oder Gegenwirkung der Natur zum Vorschein kommt. Man muß nicht blos sehen, daß der Mensch irrt, sondern auch, daß er sich hat verleiten lassen. Der Irrthum muß zugleich ein halber Be­ trug und von der Art seyn, daß menschlicher Weise unter solchen *  In Rücksicht des Verstandes als eines Hauptbestandtheils und Erfordernisses der Freyheit.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

30

Stephan Schütze

43–45

Umständen auch wohl ein anderer dessen hätte fähig seyn können. Also Handlung des Menschen und Handlung der Natur zugleich | oder ein Conflict von beyden giebt dem Irrthume erst die Möglichkeit, lächerlich zu erscheinen. Zweytens muß aber auch der Irrthum von dem Glauben der Klugheit begleitet, und dabey zugleich von der Stärke seyn, daß wir uns darüber verwundern, ob wir gleich die Möglichkeit davon begreifen. Es gehören also seltene, sinnreiche Fälle dazu, die das Außerordentliche und das Natürliche vereinigen; nur alsdann erst fühlen wir uns berechtigt, über den Mittelzustand der menschlichen Freyheit zu lachen, wenn wir sehen, daß bey einem so hellleuchtenden Verstande so viel Blindheit und so viele auffallende Irrthümer möglich und natürlich sind. Ob wir uns gleich in dem Augenblick für weit klüger halten, so ist es doch das allgemeine menschliche Schicksal, das wir in dem Vorfalle belachen. Wir sind überrascht, daß überhaupt ein Mensch von Verstand so unklug handeln, daß die Natur ihm solche Streiche spielen könne. Unsere höchste Beziehung ist also auf den menschlichen Verstand überhaupt, und auf die Natur gerichtet, die über ihm steht. Von beyden Seiten muß eine Wirkung geschehen, und darum ist es auch nöthig, daß Dummheit mit Klugheit und Eigen­dünkel gemischt sey, um dem Menschen das gehörige Gegengewicht zu geben. Wer geradezu und in den Tag hinein handelt, erscheint mit seinem Irrthume lange nicht so thörig, als der, welcher sich etwas dabey denkt, und alles überlegt. | In der Einbildung der Klugheit sehen wir nicht allein die thörigte Erhebung des Gemüths, sondern zugleich auch seinen glücklichen Zustand, und es freut uns, daß der Mensch überhaupt bey der Möglichkeit solcher Irrthümer so glücklich seyn kann, und auch nachher nicht untergeht. So wird der Wahn der zu harten Beschränkung entfernt, und der Mensch hat der Natur etwas entgegen zu bieten. Völliger Unverstand und völliger Unsinn wird uns wenig zum Lachen bewegen, wir fühlen die menschliche Natur darin herabgewürdigt, wir bezweifeln die Möglichkeit oder fangen in den stärksten Fällen an, für unsern eignen Verstand zu fürchten, welches in das Gefühl von Leiden und Vernichtung und zuletzt in das Tragische übergeht.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

45–47

Versuch einer Theorie des Komischen

31

Es giebt indes für die Wirkungen des Verstandes im Komischen unendliche Abstufungen, so daß er gegen die Einwirkungen der Außen­welt bald mehr, bald weniger beschränkt erscheint. Die Extreme sind völlige Klugheit, die alles überlistet, und völlige Dumm­ heit, die beym Zuschauer kein Gefühl von Freyheit aufkommen läßt. Beyde taugen wenig zur Lächerlichkeit, doch geht es damit gradweis. Sollen wir den Dummen belachen, so muß er noch einigen Verstand, oder wenigstens das Streben zeigen, welchen zu besitzen; auch das Gefühl von Glückseligkeit kann seinem unterdrückten Zustande etwas aufhelfen, und ihm gegen die Macht der | Natur ein gutes Gegengewicht geben, so daß ein Spiel und Kampf zwischen beyden möglich ist. Mischen sich noch gewisse Neigungen und Grundsätze hinein, die eine Art von Festigkeit und Consequenz hervorbringen, so kann aus dem dummen sogar vorzugsweise ein komischer Character werden, der zur Lächerlichkeit ganz und gar geschaffen scheint. – Weit davon entfernt sich der völlig Kluge, dem alles gelingt. Er kann andere durch seine List in eine Menge von Verlegenheiten und komischen Situationen versetzen, ohne selbst komisch und lächerlich zu werden. Die Natur bedient sich seiner nur als eines großen Verstandes, um ihren Schabernack an andern auszuüben, und es kann, wenn sich die andern wacker dagegen wehren, wohl durch ihn ein lustiges Spiel entstehen. Er selbst aber wird erst zum Gelächter werden, wenn er trotz seiner Klugheit sich doch einmal in ein Netz fangen läßt, und dann wird das Lachen über ihn desto größer seyn. Soll er aber durchaus komisch wirken, so muß die Natur auch das nämliche Spiel mit ihm treiben, das er gegen andere ausübt, und wir müssen ihn bey seiner List aus einer Verlegenheit in die andere gerathen ­sehen. Dies ist z. B. mit dem Lügner bey Goldoni der Fall,34 der sich herauswickelnd mit seinen Lügen nicht nur andere betrügt, sondern sich selbst auch immer wieder aufs neue verwickelt; ja die Natur spielt ihm zuletzt gar den Streich, | daß sie seine eigene Lügenhaftigkeit als Fehler gegen ihn wendet, so, daß er zu seinem eigenen Schaden nicht frey davon werden kann. Doch entsteht hier das Lächerliche nicht blos aus den Wirkungen des Verstandes, in Verbindung mit einer Handlung des Herzens, sondern zugleich aus der

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

32

Stephan Schütze

47 | 48

Verbindung des Verstandes mit einer herrschend gewordenen Neigung. Wir bemerken nämlich, daß der Verstand nicht nur im Einzelnen irren und dadurch lächerliche Fälle hervorbringen, sondern daß sein Fehler auch ein fortwährender practischer Irrthum werden kann, in so fern der Verstand ganz mit einer verkehrten Neigung des Herzens eins wird, und den Irrthum des Willens durch Consequenz noch befördert. Was erst ein einzelnes Versehen, eine Abweichung, eine Ausnahme war, das wird zuletzt fortgesetzte Handlungsweise; und sobald das Fehlen zum Fehler, und damit zur andern Natur geworden ist, nimmt sich auch der Verstand desselben als einer dem Anschein nach gerechten Forderung an, und sucht zu Gunsten desselben überall das aufgehobene Gleichgewicht wieder herzustellen. Dies kann ihm aber niemals völlig gelingen, weil die Natur, sorgend für das große Ganze, ihre angebornen Rechte behauptet, und immer wieder zur allgemeinen wahren Harmonie hinstrebt. Der Verstand hat also für den Fehler, für die Angewöhnung, für die Thorheit beständig gegen die Natur zu käm | pfen, und es ist sehr lustig zu sehen, wie er bald scheinbare Siege erringt, bald nach verlorner Beute sich in neuer Verlegenheit befindet. Das Bestreben des Thoren erscheint sein ganzes Leben hindurch halb vereitelt und halb beglückt, so daß sein Zustand weder in ein völliges Leiden, noch in völlige Zufriedenheit übergeht, und so ist es zur Lächerlichkeit gerade recht. Er handelt nicht eigentlich vorsätzlich wider die Natur, so daß er mit Bewußtseyn seines Unrechts zum Rebellen würde (wie im Tragischen der moralisch-schlechte Character), sondern er handelt ihr nur nicht völlig gemäß, er verdreht sie, und will sie zum Besten seiner Neigung zu einer halben Verkehrtheit zwingen, wobey sie bald nachgiebt, bald sich wieder weigert, und, statt ihn zu quälen, ihn nur verspottet. Auf diese Weise entstehen eine Menge komischer Charactere, welche alle daran zu erkennen sind, daß sie in eine Abweichung für ihr ganzes Wesen eine Art von Consequenz bringen, aber damit nie, selbst bey aller Ruhe, zu der Sicherheit gelangen, daß sie darüber von der Natur gar nicht mehr angefochten würden. Oft sind es bloße Angewöhnungen, die hartnäckig wie verzogene Kinder ihr Recht fordern, und darüber mit den billigern Geschwistern

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

48–50

Versuch einer Theorie des Komischen

33

in Streit gerathen, wobey der Verstand immer zum Vortheil seiner Lieblinge entscheidet, Angewöhnungen im Betragen, im Sprechen, im Essen und Trinken, in der Kleidung, in man | cherley Liebhabereyen, u. s. w.; oft aber auch offenbare Thorheiten und Fehler, die über das ganze Wesen sich erstrecken, es aus den Grenzen rücken und ihm mit Hülfe des Verstandes ein neues, erkünsteltes Gleichgewicht geben. Manche Fehler sind von der Art, daß sie den Character nur eine Zeitlang in der überhangenden Lage erhalten, und bey drohender Gefahr des völligen Umsturzes wieder in ihre Grenzen zurückgehen, wie z. B. Eifersucht, thörigte Liebe, Vorurtheile. Andere sind bleibend und erstarrend, so daß das Komische an ihnen feststehender Typus und Ausdruck wird, z. B. Eitelkeit, Neugierde, Geschwätzigkeit, Pedanterei und besonders Geiz. Der Geizige ist unter allen Thoren die auffallendste Erscheinung, und überall, in der Welt wie auf den Theatern, ein herrschend komischer Character.35 Bey ihm ist die größte Consequenz, welche auf alles Thun und Lassen Einfluß hat, und dabey dem Verstande, der das Ganze im Gleichgewicht erhalten muß, gerade am meisten zu schaffen macht. Welch ein Aufwand von Scharfsinn zu so großer Thorheit und Unklugheit, welch ein Kampf für diese Zahlenexistenz nach innen und aussen! Es scheint, daß die Natur, indem sie selbst durch Geburt und Anlage dazu behülflich war, schon von Hause aus mit dem Menschen sich einen Scherz erlaubte, und nur die Freude haben wollte, den Menschen auf eine recht mannigfaltige Weise in Thätigkeit zu setzen, und seine | angeborne Freyheit und seinen Verstand schon im Mutterleibe zu verspotten. Sie schuf sich selbst solche Gegenstreiter, um einen lustigen Kampf gegen sie zu führen, und sie mit hingehaltenem Siege bis ans Ende zu täuschen. Wie in allen sie bewundernd, stehen wir auch hier staunend und in der lebhaftesten Ueberraschung da. Nicht begreifend glauben wir, wir versuchen sinnend und denkend mit dem Geizigen zu leben, aber plötzlich gehemmt und getäuscht springen wir wieder in uns selbst zurück, und lachen der Neckerey eines ewigen Kampfes. Uebrigens bieten sowohl die angebornen als die angenommenen Fehler ihre lächerliche Seite dar, und beyde stehen als Ausartungen

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

34

Stephan Schütze

50–52

mit der Natur in Zusammenhang, von der sie bald nahe, bald entfernt, ihre Abkunft herleiten, daher sie halb als Folge und halb als fortstrebende Handlung erscheinen. Wenn der Dichter einen Character, einen Fehler oder eine Thorheit erdichten will, die ganz willkührlich und gar nicht in der Natur gegründet ist, dann wird er auch den Verstand zu keinem vernünftigen Irrthume, der zum Komischen durchaus nöthig ist, bringen können, sondern nur Dummheit und Albernheit aufstellen, worunter die Kraft der Vorstellung erliegt, und wo unsere Phantasie nicht mehr das Schicksal des Handelnden als ein menschliches theilen mag. | 2. Es ist aber nicht blos der Verstand, der das Komische möglich macht, und mit Thorheiten das Gebiet desselben erfüllt; sondern ein zwey­ tes Erforderniß der Freyheit und also auch eine zweyte Veranlassung zum Lächerlichen findet sich bey der Wahl theils in den Dingen, die zu wählen sind, theils in den Mitteln und Kräften, womit sie gewählt oder erlangt werden. In beyden Fällen können wir nach beyden Extremen die Freyheit, und damit die Möglichkeit des Komischen aufheben, wenn wir entweder eine völlige Befriedigung oder eine völlige Hemmung des Willens annehmen. Nicht genug, daß der Mensch Neigungen und Wünsche und die Einsicht hat, das Passende zu wählen, sondern es müssen auch Dinge, die ihn befriedigen können, es muß eine Welt vorhanden seyn; sein Streben nach Dingen außer ihm kann ihn erst zur Thätigkeit, und seine Freyheit zur Ausübung bringen. Wenn die ganze Welt in jedem Augenblick von ihm abhienge, so würde mit der völligen Freyheit auch alle Freyheit wegfallen, weil alsdann keine Beschränkung uns (als Verneinung) den Begriff davon herbeyführen könnte. Wir würden glauben, es müßte so seyn, und das Gegentheil wäre nicht möglich. Nur erst mit der Vorstellung, daß es auch anders seyn könnte, kann die Idee der Freyheit eintreten, | und ihr Besitz uns ein Geschenk dünken. Also ist im Grunde mit dem Begriff der Freyheit auch schon ihre Halbheit, ihre Beschränktheit gegeben,

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

52 | 53

Versuch einer Theorie des Komischen

35

d. h. es müssen zu ihrer Ausübung Hindernisse und widerstrebende Körper vorhanden seyn, die sich bald ganz, bald nur theilweise, bald gar nicht besiegen lassen. Eben so würde auf der andern Seite die Freyheit aufhören, wenn nichts, durchaus nichts zur Befriedigung der Wünsche oder gar keine Mannichfaltigkeit der Dinge zur Wahl sich darböte. Denken wir nun zuerst, daß der Mensch (recht eigentlich) die ganze Welt besäße, so wäre es von dieser Seite nicht möglich, daß er jemals ein Gegenstand des Lachens würde. Sein Wille wäre zugleich die That, und sein Leben und Handeln ein bloßes Anschauen der Welt. Aber auch das müssen wir uns zur Vollkommenheit seiner Freyheit noch hinzudenken, daß zwischen dem Willen und der Erfüllung keine Entfernung wäre, weder durch Zeit noch durch Raum, so daß er mit den Dingen in Eins übergienge und nie ein Bedürfen derselben fühlte. In einem solchen Zustande wäre der Mensch Gott, und wenn es alsdann noch für uns eine Anschauung des Menschen gäbe, so könnten wir ihn nur anstaunen und bewundern, und fänden niemals Gelegenheit, über ihn zu lachen. Zur Lächerlichkeit des Menschen gehöret durchaus die Abhängigkeit seines Geistes von der Körperwelt und das Wi | derstreben derselben. – Es muß hier aber gleich einer besondern Rücksicht oder Beziehung, die nur scheinbar den Sinn dieser Behauptung aufhebt, erwähnt werden, nämlich der Frage, ob nicht Gott selbst bey aller Macht ein Gegenstand des Lachens werden könne. Von einer solchen Verspottung finden sich allerdings Spuren bey den Dichtern, aber es ist wohl zu merken, daß hier das Lächerliche nicht von Gott, in so fern er ist, sondern von der menschlichen Vorstellung über ihn entlehnt ist.36 Also der Mensch ist es, der mit seiner Bedürftigkeit, mit seiner Mangelhaftigkeit, mit seiner Abhängigkeit von höhern Dingen, die er vergebens zu erfassen und zu begreifen strebt, in seiner lächerlichen Blöße dargestellt wird. Nicht die Gottheit als allgemeiner Begriff, sondern nur Gott und die Götter, als menschliche Vorstellungen mit allem Positiven in der Religion, in so fern es als ein unzureichender Behelf erscheint, sind der Gefahr ausgesetzt, eine lächerliche Seite darzubieten. Der Spott trift hier wieder die Beschränktheit der menschlichen Freyheit

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

36

Stephan Schütze

53–55

bey seinem hohen Streben und großen Dünkel. – Diese Beschränktheit nun tritt auch besonders in der Abhängigkeit des Geistes von der Körperwelt hervor, und wird sowohl im Besitz als im Gebrauch der Güter sichtbar. Großes Glück und großer Reichthum taugen wenig zur Darstellung des Komischen. Das Spiel des Zufalls mit Gewinn und Verlust | und das Widerstreben der Körper muß erst als thätige Gegenwirkung hinzukommen, wenn das Komische Kraft erhalten soll. Daß hier die Natur leicht eine zu große Rolle spielen könne, ist gleich sichtbar; aber auf der andern Seite läßt sich auch das Gegengewicht durch mancherley Dinge befördern, z. B. durch Muth, Stolz, eingebildete Würde u. s. w. – Der König, in so fern er herrscht, taugt wenig zum Komischen, aber auch eben so sehr und um so besser dazu, als er bey seiner Macht durch jede Kleinigkeit beschränkt, und seine Abhängigkeit von den Dingen um so auffallender gemacht werden kann.37 Es kostet nicht viel Erfindung, ihn seiner Diener, seiner Soldaten, seiner Palläste zu berauben, und ihn als einen dürftigen Wanderer vor die Hütte eines Bettlers zu führen, wo der Zustand seine Macht und Würde durch Darstellung und Reflexion alle Augen­blicke, wenn übrigens Glück und Laune im Ganzen obwaltet, in ein lächerliches Licht setzen kann. In der Abhängigkeit, in welcher der König gegen die Natur sich befindet, sind im Grunde alle Menschen, aber bey ihm wird es am auffallendsten sichtbar. Doch gehört zu dieser kühnen Art des Komischen schon ein höherer Aufflug des Geistes, um nicht, durch Empfindung der persönlichen Theilnahme gestört, der freyeren Betrachtung über ihn als Menschen verlustig zu gehen. Sonst entzieht sich der Fürst der Wirkung des Komischen eben so | sehr, als der Bettler ohne allen Besitz und der Taugenichts ohne alle Würde dazu untauglich ist. – Das schnelle Erlangen wie das schnelle Verlieren kann vorzüglich das Verhältniß des Menschen zu den Dingen sichtbar und fühlbar machen, und komische Situationen hervorbringen; aber noch leichter wird das Lächerliche möglich, wenn der Mensch in und mit den Dingen Absichten zu erreichen sucht. Ein Strang, der zerreißt, ein Tropfen, der einen Funken auslöscht, ein Schall, ein Unterschied von einer Minute, tausend Kleinigkeiten können den Plan des Menschen vereiteln, und ihn die

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

55–57

Versuch einer Theorie des Komischen

37

Oberherrschaft der Natur fühlen lassen. Und dies kann wieder sowohl zum Glück als zum Unglück ausschlagen. Durch den kleinsten Umstand wird oft eine große Schlacht gewonnen, und das Schicksal eines ganzen Landes bestimmt. Zwey Kinder, die sich um einen Ball zanken, können leicht die Aeltern, die ganze Nachbarschaft, eine ganze Stadt, und endlich ein ganzes Volk in Flammen setzen, und so allesammt als einen Ball dem Walten der Natur in die Hände liefern. Diese Abhängigkeit wird um so sichtbarer, je größer die Idee ist, die durch eine Kleinigkeit befördert oder aufgehalten wird. – Die kleinste Liebhaberey eines Königs kann eine ganze Staatsverfassung umstoßen. Die größten Gedanken sind dem Wind und Wetter, aber noch mehr dem Einflusse der menschlichen Bedürfnisse, dem Hunger, | dem Durste, dem Schlafe und jeder Neigung ausgesetzt. Ein fliehender König konnte sein Leben retten, wenn er seinen Appetit hätte beherrschen können.38 Kroaten in der Schlacht wenden sich plötzlich vom muthigsten Angriffe zurück, weil sie hinter sich aus einem Dorfe Schweine schreyen hören.39 Ein Mädchen heyrathet ­einen Mann, weil sie sich in seine Meubles ­verliebte. Wie der Besitz der Dinge, ihr Reiz, ihr Gewinn und Verlust, die Freyheit des Menschen anfechten, und ihn in lächerliche Verhältnisse bringen kann, so wird dies besonders auch häufig durch die Mittel und Kräfte bewirkt, deren sich der Mensch zur Erlangung der äußern Güter bedienen muß. Wenn es innerlich Neigungen und äußer­lich Dinge giebt, die sich einander als Wunsch und Befriedigung entsprechen, so muß auch für eine mittelbare Verbindung gesorgt seyn, um die Einwirkungen beyder auf einander möglich zu machen. Der Geist findet die Gegenstände seiner Thätigkeit in der Außenwelt, aber auf dem Wege zu ihnen hinüber muß er Hände, Füße, Worte, Blicke u. s. w. gebrauchen, und sie in Bewegung setzen. Welche Beschränkung, welche vertheilte Macht, welche spärliche Bewaffnung für den denkenden Geist! Sobald wir uns dessen bewußt werden, oder diese Instrumente als ärmliche Behelfe für den glücklichen Menschen zur Anschauung kommen, so müssen wir auch über die Operationen seiner | beschränkten Freyheit lachen. Lächerlich können aber diese Glieder und Kräfte nur werden, wenn

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

38

Stephan Schütze

57 | 58

das Abhängige des Geistes von ihnen hervortritt, also, wenn sie seiner innern Thätigkeit nicht genügen, oder wenn sie in ihrem Dienst fehlen. Im erstern Falle kommen viele lächerliche Situationen zum Vorschein. Man betrachte nur die Art der Mittheilung durch Worte mit ihren Bedingungen und Beschränkungen, und schon bey der allgemeinen Vorstellung davon wird man zum Lachen eine Anreizung fühlen. Daß eine gewisse Stärke der Stimme, eine gewisse Deutlichkeit, eine bestimmte Entfernung zwischen Mund und Ohr, und das Vorrecht des jedesmal Sprechenden, die Luft allein zu erschüttern, von einer Gesellschaft muß beobachtet werden, eröfnet nach allen Seiten Gelegenheit zum Lachen. Die Redenden überschreyen, überhören, mißverstehen sich, begegnen sich mit den Worten, mit Pausen, rücken einander näher, oder wissen sich auch wohl im engen Raum nicht zu lassen. Nun wieder der verschiedene Ton, die Stimme eines jeden, die Art der Aussprache, die verschiedene Beschaffenheit des Gehörs sind lauter gelegentliche Veranlassungen zum Lachen. – Man sehe einen Menschen mit zwey Händen, deren Fügung und Länge nicht hinreicht, dies oder jenes zu fassen, und den Willen des Geistes hinter sich wie vor sich, auszuführen, deren Doppelzahl nicht genug | ist, um alles, was er nöthig hat, auf einmal zu halten. In welch komischem Lichte erscheint er, wenn er beyde Hände schon gefüllt hat, noch eine andere Sache hinzukommt, und er nun nicht weiß, ob er das Vorige fallen lassen, oder das Letztere entbehren soll! und dieses Widerspiel zwischen dem Willen und der Natur wird um so komischer, je schwieriger die Wahl zwischen den zu ergreifenden Dingen ist. Auf der einen Seite bedrängt ihn die Natur mit dem Gefühl der Nothwendigkeit, und auf der andern versagt und verkürzt sie ihm die Mittel der Erreichung: sein Wille schwebt dazwischen, und wendet sich bald zu dem einen, bald zu dem andern, und so steht er als ein Gegenstand des Gelächters da. – Wieder mit den Füßen ist er demselben komischen Spiele ausgesetzt. So ist er z. B. genöthigt, um sich stehend zu erhalten, auf denselben zu balanciren. So lange dieses gut von Statten geht, und die Gewohnheit uns diesen besondern Zustand nicht bemerken läßt, giebt es wenigstens sicht-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

58–60

Versuch einer Theorie des Komischen

39

bar keinen Kampf mit der Natur; aber nun fängt er auf glatten Boden an auszugleiten, er wirft die Arme als Balancirstangen um sich, er fällt trotz seiner Bemühungen der Länge nach auf die Nase; oder der Wein macht ihm das Gleichgewicht streitig – sogleich ist er dem Gelächter preis gegeben. Oder sein Wille treibt ihn nach einem fernen Ziele, das er mit der Schnelligkeit der Füße, die er eins um das | andere vorschickt, vergebens zu erreichen strebt, worüber er noch obendrein mit dem Athemholen seiner Brust und dem Tact des Blutes in Collision kommt, – so kann er alle Augenblick als ein Spiel der Natur erscheinen, und zum Lachen reizen. Ja es kommt nur darauf an, daß wir uns dieses Zustandes überhaupt bewußt werden, um ihn auch ohne besondere Veranlassung belachenswerth zu finden. Könnten wir als Geister auf die Art des Stehens und Wandelns der Menschen herabsehen, so müßte uns über das glückliche Gelingen und die geschickte Bewerkstelligung der Verrichtungen ein Befremden und ein Lächeln anwandeln. Und dies scheint in der That der Fall zu seyn, wenn wir die Kinder in ihrer Lebenslust zuerst die Füße, die Hände, gebrauchen sehen, und ihr Stammeln und ihr kämpfendes Sprechen zuerst vernehmen. Und wie der Gebrauch der Glieder seine komische Seite darbietet, so macht uns auch ein Mangel daran auf ihren Nothbehelf aufmerksam, doch hat dies seine Grenzen. Wäre dem Geiste die unmittelbare Wirkung auf die Dinge verliehen, so fiele alle Hemmung, aller Kampf, und folglich auch alles Lächerliche weg; und so auch, wenn er auf der andern Seite der nöthigen Mittel beraubt oder in seiner Freyheit zu sehr beeinträchtiget wäre. Ein Mensch, der ein wenig hinkt, besonders, wenn er es sich eben zugezogen hat, ein anderer, der etwas schwer hört, | besonders, wenn er es sich nicht will merken lassen, ein Mensch mit einer fehlerhaften Aussprache, mit Lispeln, Stottern, Stammeln, besonders, wenn er sich richtig zu sprechen bemüht,– alle diese können dadurch ein Gegenstand des Lachens werden. Es ist hier aber wohl zu merken, daß immer noch Kampf und Widerspiel, Kraft und Thätigkeit sichtbar seyn muß; denn in dem Grade, als die wirkliche Unterdrückung des Willens zunimmt, nimmt auch unser Mitleiden zu, und wir sehen Leiden statt Lust,

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

40

Stephan Schütze

60 | 61

und das Lachen vergeht. Wer sich aber anschauend keiner Leiden bewußt ist, und den Menschen als Erscheinung frey betrachtet, kann auch noch eine Mißhandlung der Natur für einen Schabernack ansehen, und z. B., wie Kinder thun, selbst noch eine Mißgestalt und das Faseln eines Greises belachen. Es geht hier zur Grenze gradweis nach der Vorstellung des Menschen. Zu dieser Vorstellung des Beobachters gehört, daß er den andern nicht leidend, sondern noch glücklich, in Lust und Kampf erblickt oder zu erblicken glaubt. Hat nun die Natur dem Menschen etwas arg mitgespielt, so muß der Gegenthätigkeit durch Muth und Kraft aufgeholfen werden, wenn ein komisches Spiel entstehen soll: der Halbunterdrückte z. B. muß lustig, keck oder stolz erscheinen, der Mißgeschaffene muß sich brü­ sten, der Lahme muß flink und rührig seyn, der Stotternde pathetisch thun. Völlige Beraubung aber hebt | den Lustkampf und folglich auch alles Lachen auf. Wenn der Fallende hingeschmettert wird, wenn er ein Bein bricht, wenn der Taube mit verschlossenem Ohr, der Blinde mit völliger Blindheit da sitzt, ohne daß er zu sehen oder zu wandeln strebt, wenn der Lahme auch nicht einen Schritt gehen, und der Stammelnde auch nicht ein Wort ohne die größte Anstrengung hervorbringen kann, – dann vergeht uns die Lust, die Freyheit des Menschen zu belachen. Das zahnlose Alter ist kein Gegenstand des Lachens, auch an und für sich Zahnschmerzen nicht, wenn aber ein mächtiger Herr, mitten in seiner Herrschermacht dadurch einmal an seine Körperlichkeit erinnert wird, dann scheint er genug zur Gegenwehr bewaffnet zu seyn, um ein Gelächter aushalten zu können. Darum thut es eine komische Wirkung, wenn Claudius seinen reisenden Urian erzählen und bemerken läßt: Der Mogul ist ein großer Mann, Und gnädig über Maßen, Und klug, – er war jetzt eben dran, Einen Zahn ausziehn zu lassen.40

Ja die Körperlichkeit als Instrument des Geistes ist an sich schon hinreichend, ihn dem Gelächter preiß zu geben. Die Art der Gestal-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

61–63

Versuch einer Theorie des Komischen

41

tung, die Mienen und Gebehrden, die sich immer nach dem innern Vorgang richten sollen, und nur immer halb nachkommen und Genüge leisten, der nackte Körper, dessen Bekleidung zum Ausdruck | des Characters und Willens (der Würde, des Amtes, des Standes) mitwirken muß – alles dies sind Erinnerungen an die Beschränktheit und den Behelf des Geistes. Schon darin liegt viel Abhängigkeit und komische Natur, daß das Kleid den Willen aussprechen hilft, und mit jeder Aenderung den Ausdruck desselben verändert und ihm oft eine Aenderung andichtet. So wie der Mensch eine Mütze oder einen Hut aufsetzt, sieht er anders aus, und wir werden gewahr, wie hier das Kleid mit dem Manne spielt, oder – nach einer wahren Freyheit-verspottenden Redensart – wie das Kleid den Mann macht.41 Wie viel Willensveränderung und komische Mithülfe liegt nicht allein in dem Setzen des Huts, ob jemand ihn glückselig in den Nacken schiebt, oder herausfordernd ins Auge rückt, ob er sein stolzes Brüsten durch Herausziehen des Jabots und der Halskrause vermehrt oder mit Zuknöpfen des Rocks sich kleinmüthig zu verstecken sucht, ob er die Klappen und Schöße des Kleides keck zurückschlägt oder wie zur Erweiterung seines Besitzthums den Mantel weit hinter sich ausbreitet, und nachschleppt. Wie klein, wie ärmlich erscheint in allen diesen Dingen die Freyheit und Macht des gebietenden Geistes! Und auch die geschickteste Vermittelung, die Sprache mit ihren Wortfügungen, ist nicht im Stande, die Kennzeichen des Behelfs ganz zu entfernen. Das Versprechen schon reizt öfters | zum ­Lachen, der Dialect erinnert an eine Provinz, wovon der Mensch abhängig wie eine Pflanze erscheint, der Ausdruck verräth den Stand und die Erziehung, die ihn wie eine Temperatur der Luft, wie ein Klima, heraufgebildet hat; die Bildung und Fügung der Worte zeigt öfters die Noth, seinen Zustand auszudrücken, und das Geistige durch das Körperliche anzudeuten. Die Gewohnheit läßt uns den Behelf nicht immer bemerken, aber Abweichungen, eintretende Schwierigkeiten, gewagte Versuche und Neuheiten, Spiel mit denselben und scherzende Reflexion darüber, bringen uns ihn wieder ins Gefühl, und ins Bewußtseyn. Da wird ein Ausdruck als possirlich, sonderbar, när-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

42

Stephan Schütze

63–65

risch, lächerlich, bald als zu viel, bald als zu wenig sagend erkannt, und mit einem Doppelsinn schon im Voraus als eine Quelle von Mißverständnissen belacht. Wir wundern uns, wie der Mensch auf diese und jene Vergleichungen gerathen kann, und sehen ihn beständig sinnreich mit Bedingnissen kämpfen. Es lächelt uns,42 daß er das Ziel erreicht, und wir lachen, wenn er es verfehlt. Ein einziges Wort kann ihm die lustigsten Streiche spielen. Welche Verlegenheiten durch Mißdeutungen, durch Mißverständnisse! Die Seele hängt von der Sprache, die Beherrschung der Welt, Glück und Unglück von einzelnen Worten ab. Einem kleinen Laute muß sich der Wille anvertrauen, und er ist damit dem Schicksale | ausgesetzt, wie auf dem Meere der Schiffer mit seinem Boot. – Darum ist die Sprache das rechte Element des Scherzes, der spielend sich an die Gefahr, die in den Worten liegt, ergötzt, und auch andere mit den Möglichkeiten ihres Sinnes in der Vorstellung schreckt, Gedanken zu Riesen aufthürmt, und sie dann wieder zu Zwergen verkleinert. – Wie viele Empfindungen und Redensarten, wie viele Bezeichnungen und Gedanken schiffen hier an einander vorüber, und glauben sich ganz zu treffen, indem sie sich nur theilweise berühren. – Manche Worte tragen deutlich den Behelf und die Possirlichkeit (wie z. B. der Fluch der Schweizer: Donner erschieß! und davon donnererschießiges Un­ glück)43 an sich; bey andern wird es erst durch die Reflexion zu Tage gefördert. – 3. Der dritte Theil der menschlichen Freyheit, wodurch auch zugleich wieder das Komische möglich wird, ist der Zweck beym Handeln, oder die leitende Idee. Es ist nicht genug, daß der Mensch seine angebornen Neigungen und Triebe auf die beste Weise zu befriedigen, und die Dinge dazu durch die passendsten Mittel zu erreichen sucht, es ist nicht genug, daß er bey allem seinen Thun gewisse Absichten hat, wornach er Eins mit dem Andern in Verbindung bringt, und Eins dem Andern unterordnet, sondern seine Absichten selbst muß er als geringere und größere | unter einander ordnen und fügen, und eine der andern zur Richtschnur setzen, bis sich zuletzt alle in eine

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

65 | 66

Versuch einer Theorie des Komischen

43

Idee oder zu einem Hauptzweck vereinigen. Jenes ist die Thätigkeit des Verstandes, die bloße Klugheit, dieses ein Act der Vernunft, die über die Erscheinungen hinausstrebt, nach der letzten Bestimmung von allem fragt, und sich mit dem höchsten Willen des höchsten Geistes zu vereinigen trachtet.44 Je weiser jemand wird, je mehr er den schwankenden Einflüssen der bloßen Körperwelt sich entziehet, und diese ohne Kränkung seiner Natur unter seine Herrschaft bringt, desto mehr entgeht er der Lächerlichkeit. Deshalb kann ein wahrhaft weiser Mann als ein solcher nie als ein komischer Charakter erscheinen. Wir müssen aber hiervon den bloßen Philosophen, und jeden, der in Abstractionen und Phantasien lebt, wohl unterscheiden. Dieser kann alle Augenblick lächerlich werden, indem ihn die Außenwelt plötzlich um so nachdrücklicher an seine Abhängigkeit erinnert, je weniger er daran denkt. So wird ein Dichter leicht ein Gegenstand des Lachens, indem er über der Dichtung einer vollkommenern Welt die wirkliche und die Bedingnisse seiner Existenz leicht vergißt, welche ihn dann um so dringender mahnen, und die Freyheit seines Geistes in ein lächerliches Licht setzen.45 An die Weisheit wagt sich der Komiker nicht (weil diese schon die Bedingnisse mit einrechnet), außer, | wenn er selbst mit einer höhern Weisheit die Mangelhaftigkeit derselben darzustellen vermag. Deshalb konnten einige Critiker noch ungewiß seyn, ob Aristophanes in den Wolken wirklich den Socrates oder nicht vielmehr einen Sophisten gemeint habe.46 Dieser Zweifel hat keinen andern ästhetischen Grund, als weil die wahre Weisheit, als eine solche gedacht, eigentlich niemals lächerlich werden kann, denn ihr ganzes Bestreben geht eben dahin, alle Thorheit aufzuheben. Da es aber immer noch die Frage bleibt, ob und in wie fern es ihr damit gelingen möchte, so läßt sich auch die Grenze für das Komische hier nicht bestimmen, und man muß nur bemerken, daß dasselbe dadurch gradweis immer schwerer oder unzulässiger wird.– Steigen wir zu dem andern Extreme hinab, wo der Mensch gar keinen Zweck und gar keine Absicht hat, sondern nur immer zum Nächsten greift, und eins durch das andere über den Haufen wirft, so ist nicht zu läugnen, daß bey dieser Vernunftlosigkeit (für den Augenblick mag der Mensch noch

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

44

Stephan Schütze

66–68

so verständig handeln) sich die Wirkung des Komischen allmählig verlieren und endlich ganz verschwinden muß. Wir sehen, daß bey dem einzelnen Thun der Geist fehlt, der alles mit einander verbindet, auf einander bezieht und in einen Zusammenhang bringt, wir bemerken, daß hier weder Character noch Handlung dem Spiele des Zufalls entgegenwirkt und den | Menschen als Einzelnwesen zusammenhält; es erscheint hier alles als Chaos und Verwirrung.– Erheben wir uns allmählig aus dieser Unordnung, aus dieser Regellosigkeit, so treffen wir auf unzählig viele Stufen der menschlichen Vollkommenheit, wo der Mensch auch mit seinen klügsten Handlungen oft noch zum Gelächter da steht. Worin setzt nicht oft der Mensch sein Glück und den Zweck seiner Bemühungen! Wir können der großen Gemächlichkeit eines Essers und eines Faulen nicht ohne Lachen zusehen, weil er in dem Genuß und in der Ruhe schon seine Welt hat, und wir doch wissen, daß auch für ihn, in so fern er ein Mensch ist, die Welt hier lange noch nicht endet. Wenn Papageno sich bey Tische wohl seyn läßt, und er bey dem Schall der Posaunen, die ihn hinter der Bühne zur Weisheit rufen, sagt: ist das nicht ein Spectakel! ich komme ja schon;47 so müssen wir nothwendig – halb über ihn und halb über die vorgespiegelte Weisheit – lachen. Dasselbe Vergnügen gewähren uns Kinder, wenn sie uns ihre höchsten Wünsche offenbaren, und in eine Kleinigkeit ein Königreich setzen. Der bunte Aufschlag macht sie zum Tambour, die blanke Mütze zum Läufer und der grüne Rock zum Jäger. Und ist es mit den großen Menschen anders? Eine Uniform, ein Hut mit Federn, ein wohlklingender Titel zeigt ihnen oft das größte Gut der Welt. Wir sehen sie mit aller Klug | heit darnach streben, und müssen sie nicht selten wegen ihrer Beschränktheit belachen. Und diese Beschränktheit des Geistes, – in welchen Vorsätzen, in welchen Entwürfen, in welchen Bestrebungen und in welchen Glückseligkeiten entdecken wir sie nicht! Es bedarf hier nicht erst eines Irrthums, sondern auch mit der wirklichen Erlangung und mit dem fortdauernden Besitz des erwünschten Guts halten wir das Glück und den Menschen für belachenswerth. Wir nehmen an und fordern von ihm, daß er – so zufrieden er auch sey – höher streben müsse, weil er als freyer Mensch und denkender

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

68–70

Versuch einer Theorie des Komischen

45

Geist mit der nämlichen Bestimmung wie wir geboren ist: mit der höhern Ansicht verlachen wir die niedere, weil in derselben der nämliche Keim des Strebens, der Anfang des Laufs zu derselben Höhe sichtbar ist. Der Verlangende, der Genießende scheint sich oft nur in den Dingen, in dem gröbern Stoff zu vergreifen, und der Sinn seiner Meynung ist wahr und richtig. Er wandelt wie in einem Nebel, er ist sich seiner eigentlichen Wünsche selbst nicht recht bewußt; sein Blick, sein Herz, sein Genuß läutert sich allmählig. Aber bey diesem beständigen Fortsteigen – wer giebt uns, die wir jenen verlachen, die Gewißheit, daß wir nicht auch einem andern mit höherer Ansicht wieder zum Gelächter dienen? Wo ist das Ziel, wo die Gränze, wo der höchste Zweck? Wir ahnen ihn | nur in der höchsten Freyheit der höchsten Idee. Wenn wir der Menschen Handlungen und Wünsche von Zweck zu Zweck verfolgen, so entdecken wir keinen andern Willen, als das Verlangen nach jener höchsten Freyheit, nach einem vollkommenen Seyn. Aber wie weit ist der Weg dahin, wie weit die Entfernung davon? Unser Lachen über das Treiben der Welt bürgt uns für das Vorhandenseyn eines solchen Ziels und für unsere höhere Bestimmung, aber wer sagt uns, auf welchen Umwegen wir das Höchste zu erreichen suchen? Der Dümmste und der Klügste lachen gleich viel, der erstere, weil er bey der Handlung eines andern auch den nächsten Zweck nicht sieht, und der letztere, weil er auch bey den besten Zwecken noch eine große Entfernung vom höchsten Zweck gewahr wird. Mit der Einsicht steigert sich der Grund des Lachens, aber in dem Lächeln der Einfalt steckt schon das Lachen der Klugheit, und zuletzt liegt die ganze Welt als ein Schauspiel der Lust vor uns da, worin dem Aufstreben zur höchsten Freyheit alles nur als ein steter Behelf dienet. Eben daß der Mensch bey seinem hohen Sinne, von Stufe zu Stufe fortsteigend, den fehlenden weiten Abstand vom Ziele nicht merkt, und gleichsam sehend blind ist, macht, daß wir uns bey hellerer Einsicht ihn zu verlachen berechtigt glauben. Wir erhalten nicht selten Gelegenheit zum Lachen, wenn wir uns von jemanden seine Grundsätze, | seine Ansicht der Welt, kurz seinen Standpunct angeben lassen, und in den bedeutenden Lustspielen thut dieser Theil des Komischen in den Reden der

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

46

Stephan Schütze

70 | 71

handelnden Charaktere (in ihren Expectorationen) gewöhnlich die beste Wirkung. Indem wir die Klugheit in der Beschränktheit sehen, womit sie die Natur umgeben hat, und durch welche sie bald mehr, bald weniger Licht fallen läßt, treten wir selbst auf die Seite des mächtigern Geistes, und haben an der hinkenden Freyheit spielend und scherzend unsere Lust. Lachend setzen wir uns weit über sie hinaus, und schweben in diesem Augenblicke frey in einem idealen Zustande. –* II. Nachdem wir nun den ersten Hauptbestandtheil in der Definition des Lächerlichen, die Freyheit des Menschen (Verstand, Mittel der Wahl, Ideen und Zwecke) betrachtet haben, kommen wir zum zwey­ ten, der von jenem den Gegensatz, oder die handelnde Gegenwirkung ausmacht. Wir denken uns ihn unter | dem Begriff Natur, der mit dem Leblosen zugleich etwas Lebendiges, mit dem Bestimmten zugleich eine ewige Selbstbestimmung, also Geist und Willen, in sich schließt, und durch Zufall und Gesetz auf uns wirkt. In allem, was geschieht, bemerken wir bey der Verschiedenheit etwas Regelmäßiges, bey dem Wechsel etwas Bleibendes, bey dem Seyn ein Werden, bey den mancherley Beschaffenheiten eine gewisse Richtung, und in allem eine gewisse Harmonie und Uebereinstimmung, so daß wir hier eine höher waltende Kraft, wir mögen sie Naturgeist, Weltgeist48 oder Gott nennen, nothwendig anerkennen müssen. Nun läßt es sich nicht denken, daß der Mensch, mit seiner Freyheit in die Welt hinausgestellt, für sich irren und handeln könnte, ohne mit jenem Naturgeiste in Berührung zu kommen, oder ohne eine fremde Einwirkung zu verspüren und an sich merken zu lassen. *  Man kann behaupten, daß alles Lächerliche und Komische dasselbe Ziel hat, nur daß es nicht immer mit gleicher Deutlichkeit und Stärke, und nicht immer total, sondern oft nur Beyspielsweise, in der Einzelnheit, durch Theilvorstellungen wirkt, wornach man auch recht gut das Komische in eine höhere und niedere Gattung eintheilen, und vom Komischen der Phantasie, und vom Komischen des Verstandes reden kann.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

71–73

Versuch einer Theorie des Komischen

47

Schon seine Benennungen, wenn er von Ohngefähr und Schicksal spricht und sagt: das ist doch eigen, das ist doch sonderbar u. s. w., verrathen seinen Glauben an ein Wesen, das bey seinen Handlungen mithandelt und überall die Hand mit im Spiele hat. Es ist fast nicht möglich, wenn wir ihn vor unsern Augen mit Hindernissen kämpfen sehen, in diesen Hindernissen blos ein todtes Materiale und nicht auch etwas Beseeltes, eine aus dem | Zusammenhang der Dinge49 hervorgehende Uebereinkunft und lebendige Regel gewahr zu werden. Da ihn die mächtigere Natur überall umgiebt, so sehen wir ihn auch überall ihren Einflüssen und Einwirkungen ausgesetzt, und es erscheint, in so fern er sie mit seinem Willen und seiner Klugheit zu unterwerfen trachtet, und er mit halber Blindheit gegen sie zu Felde zieht, für die freyere Beobachtung ein lustiges Spiel von zwey sich einander entgegen handelnden Kräften. Dieses Spiel wäre nicht möglich, wenn der Mensch mit deutlicher Erkenntniß sich blos in den Willen der Natur fügte, ohne selbst auf gutes Glück etwas zu wollen; es wäre aber auch von Seiten der Natur nicht möglich, wenn dem Menschen nicht von ihr ein Spielraum gegeben wäre. Nämlich wenn für den Menschen eine Handlung der Freyheit voll Irrthum und Wahrheit, und also auch voll Lächerlichkeit möglich seyn soll, so gehört von Seiten der Natur zweyerley dazu, ein Be­ stimmtes und ein Unbestimmtes, gleichsam nach Art der Elasticität ein Beharren und ein Nachgeben, das die Einwirkungen zum Theil aufnimmt und zum Theil abhält. Wir können uns hier zwey entgegengesetzte Fälle denken, die gleich das Komische aufheben würden. Es könnte entweder alles (die ganze äußere Natur) völlig bestimmt oder völlig unbestimmt seyn. Im erstern Falle läge | alles so begrenzt, so sicher und ausgemacht vor uns da, daß wir immer mit Gewiß­ heit wüßten, worauf wir bey unserer Wahl rechnen könnten. Zufall und Ohngefähr, das Begegnen und das Zusammentreffen, wie das Fliehen, Verunglücken, Verschwinden, Mißrathen, Verfehlen u. s. w. fiele gänzlich weg. Der Mensch dürfte nur wie ein geschickter Mechaniker, der aus Rädern eine Maschine zusammen setzt, bestimmt zugreifen und sagen, wie alles seyn und sich fügen sollte. Alles ge-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

48

Stephan Schütze

73 | 74

horchte auf seinen Wink, es diente, wie ein todtes Instrument, es wäre immer da, und wartete schon auf den Verbrauch. Ja wahrlich, wenn der Mensch hier noch irren wollte, so würde seine Dummheit zu groß seyn, als daß wir noch über ihn lachen könnten. Sein Irrthum wäre ein bloßer Rechnungsfehler*, eine Uebereilung, ein Versehen, worüber wir uns nur ärgern und ereifern müßten. Sein Handeln ohne die Möglichkeit des Zufalls und Irrthums wäre das langweilige Bauen aus harten Steinen; und wie Baukunst und Gartenkunst mit Felsen, Thürmen und Maschinerien, so würde auch sein ganzes Thun und Treiben uns niemals Gelegenheit zum herz­ lichen Lachen geben. Der andere Fall ist, wenn alles, was Ge | genstand seiner Wahl werden kann, völlig unbestimmt wäre, und chaotisch durch einander liefe, so daß er auf gar nichts gewiß rechnen könnte. Nichts ließe sich erkennen und festhalten, nichts einholen, nichts erwarten, nichts voraussehen, nichts auf irgend eine Dauer zusammenfügen. Es wäre ein ewiges Haschen und Greifen, ein Fangen und Jagen, ein Umhertreiben durch das Weite. Nichts käme auf Rechnung des Menschen, alles wäre Zufall und Schicksal ohne Gesetz, alles ein willenloses Schwanken, kein Handeln, nur ein Geschehen. Da könnte es uns nicht mehr wundern, wenn der Mensch irrte; denn wir würden sagen: wer konnte das wissen, welcher vernünftige Mensch konnte das vermuthen? Die Wirkung des Verstandes, die Freyheit und der Irrthum hörten auf, und damit auch das Lächerliche. Auch außer uns müssen wir Vernunft bemerken, wenn wir sie mit unserer Vernunft begreifen, verfolgen, ahnen und schliessen und sie in den mancherley Erscheinungen, wenigstens zum Theil, uns dienstbar machen, oder doch unsern Plan nach ihr einrichten sollen. In der wechselnden Flut von Dingen muß ein Gesetz, eine ­Regel seyn, die uns auf irgend etwas bauen läßt. Aber die nachgiebige Macht muß zugleich wieder mit solcher Stärke walten, daß wir sie nie völlig, nie mit Zuverlässigkeit ganz besiegen können. Der Natur*  Der Grund, warum ein Rechnungsfehler an sich nicht komisch wirken kann, ist eben die Unbiegsamkeit der Bestimmtheit.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

74–76

Versuch einer Theorie des Komischen

49

geist | muß immer nur halb aus dem Verborgenen hervorschauen, und sich mehr ahnen als erkennen lassen. So entsteht in Handlung und Begegniß ein Spiel und Widerspiel, wo auf beyden Seiten Vernunft und Freyheit, nie völlige Unterdrückung des Menschen, nie völliger Irrthum ist. Der Mensch hätte es wissen sollen, da er so vernünftig ist – müssen wir urtheilen; aber wir müssen seinen Irrthum begreiflich finden, indem so viel zusammentraf, oder ihm so arge Streiche gespielt wurden, daß er unter solchen Umständen leicht ­irren konnte, oder rücksichtlich irren mußte. Erst, wenn wir beydes so betrachten, wird es uns möglich, über einen besondern Fall zu lachen, eins überrascht uns, wie das andere. – Dies ist unsere Reflexion, die wir anschauend, obgleich uns halb unbewußt, bey lächerlichen Dingen anstellen. Der Mensch mit Willen und Macht unter Regel und Zufall gestellt, giebt uns das Schauspiel einer Neckerey, in einem Chaos aber würde er uns nur ein Gegenstand des Mitleids und des Bedauerns werden. – Um uns von diesen Merkmalen zu überzeugen, dürfen wir ja nur fragen, wie es selbst die Menschen machen, wenn sie diese Action und Reaction in einem freygewählten Spiele nachzuahmen suchen, z. B. im Kartenspiel. Hier finden sich alle Elemente des Spiels zwischen Menschen und Natur wieder. Es giebt hier Wahl und Freyheit und Irrthum – und | folglich Handlung; aber auch dem Zufall ist sein Recht und sein Spielraum gelassen (in dem Geben und Mischen der Karten), und über dem Zufalle herrscht wieder ein allgemeines Gesetz, die Regel des Spiels. Und obgleich hier der lebendige Geist der Natur selbst fehlt, so kann doch der Spieler nicht aufhören, die Tücke, die List, die Laune des Zufalls, der in der Natur des Spiels liegt, zu bewundern oder anzuklagen und zu verlästern: indem man sich selbst Niederlagen und Triumphe und Gelegenheit zu mancherley Irrthümern schafft, zürnt und lacht man über einen verborgenen Dämon, den man oft abergläubisch zu fesseln meynt, und freut und betrübt sich, muthig entgegen kämpfend, bald über Ungunst und Glück, bald über Fehler und Klugheit. Wie wäre es aber möglich, daß wir die lebendige Natur selbst betrachteten, ohne Kraft und Verstand sowohl in dem Wesen als

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

50

Stephan Schütze

76–78

in dem Zusammenhang der Dinge wahrzunehmen, ohne bey dem mancherley Wollen und Handeln der Menschen eine bedingende Gegenwirkung zu verspüren! Dies geht aus dem Ganzen hervor, das sonst zertrümmern würde. Weil aber die Kunst das Ganze selbst nicht wiedergeben, und es nur im Bilde darstellen kann, so muß sie das concentriren, was sonst nur zerstreut erscheint; allein, indem sie Zufall und Intrigue zu einem sinnreichen Spiele verknüpft, thut sie weiter | nichts, als was die Natur schon längst im Ganzen, und in Beziehung auf einzelne Menschen auch im Einzelnen gethan hat, welche täglich, jährlich und lebenslänglich vor unsern Augen sowohl Lust- als Trauerspiele aufführen. Sehen wir auf die einzelne Anwendung des Begriffs, den wir mit der Natur verknüpfen, so denken wir uns dieselbe bald als einen höhern Willen, bald als eine körperliche Beschränkung für den Menschen. Diese Beschränkung ist die Körperwelt selbst, die im Komischen bald bedingendes Hinderniß (wie dies schon in Raum und Zeit liegt), bald als Mittel für den handelnden Geist (Hand, Fuß u. s. w.) wirkt. In so fern die Natur Bedingung und Mittel zugleich hergiebt, und in ihrem großen Zusammenhange den Menschen in Abhängigkeit von sich erhält, ja ihn sogar bestimmt und leitet, erscheint sie als handelnd, wollend, herrschend, gebietend, kurz, als ein verborgner Geist, der sich aller äußern Dinge zu seinem höchsten Zweck bedient, aus jedem Körper wie aus einem Gliede hervorstrebt, und durch mancherley Verknüpfungen und Beschränkungen den Menschen bald so, bald anders in Thätigkeit, in Spiel und Kampf und Verlegenheit setzt. In diesem Sinne erscheint die beschränkende Körperwelt wieder als belebt, als ein handelnder Geist, der dem un | ter­geordneten Geiste des Menschen nur unter der Bedingung seine Freyheit gegeben hat, daß sie sich wieder mit dem höchsten Zwecke des Ganzen vereinigen und sich erhebend wieder zu demselben zurückbegeben soll*. *  Alles, was wir nicht gradezu für menschliche Freyheit und reine Wil-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

78 | 79

Versuch einer Theorie des Komischen

51

Der sinnreiche Zufall in der Kunst ist ein Symbol für die Vernunft des Zufalls in der Welt überhaupt, der in dem Zusammenhange des Ganzen zur Handlung wird. Der Scherz des Dichters ahmt den Weltgeist nach, und indem er zugleich mit den Mitteln der Existenz ein munteres Spiel treibt, bringt er im Bewußtseyn der höhern Freyheit beym Zuschauer die Empfindung von der komischen Beschaffenheit ihres Zustandes hervor. Es ist ein Zurückgeben des Scherzes, das sich in der heitern Erhebung sowohl beym Dichter als beym Schauspieler offenbart. Spielend belächelt der freyere Geist die Geistes-Instrumente, deren er sich bedienen muß, und eine Ironie blickt durch seine Lust, mit welcher er die sinnliche Welt zugleich geringschätzt und genießt. So schwebt das Komische immer zwischen Körper und Geist, zwischen dem Bedingten | und Unbedingten, zwischen der Natur und der Freyheit.50 Anmerkung. Eine besondere Erwägung verdient noch die enge Ver­ webung der menschlichen Freyheit mit der Natur. Die dem Komischen zum Grunde liegende Täuschung wäre wohl nicht einmal möglich, wenigstens nicht so leicht, wenn der Mensch nicht so enge mit der Natur in Verbindung stände, so allmählig in sie überginge, so daß er das, was mit ihm handelt, noch für sein eigenes handelndes Selbst halten kann.

lenskraft erkennen, oder dafür halten, können wir, selbst wenn es im Menschen (als Antrieb und Mittel) liegt, nicht anders als mit dem Namen Natur benennen.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

52

Stephan Schütze

79–81

Viertes Kapitel. Objective Begründung des Lächerlichen, oder äußere Veranlassung dazu. In den Hauptbestandtheilen des Lächerlichen suchten wir bisher die nothwendigen Bedingungen (das, was das Lächerliche möglich macht) auf, und dachten blos an die subjective Möglichkeit desselben. Dabey könnte der Mensch mit gehöriger Behutsamkeit mehr oder weniger vielleicht immer noch dem thätigen Antheile und gleichsam der Verschuldung des Lächerlichen entgehen, wenn er sich seiner Natur nach in der Verbindung des Ganzen überhaupt nicht in einer Lage befände, die objectiv das Lächerliche unumgäng­ lich herbeyführt oder veranlaßt. Das Materiale, der Mechanismus, die Welt, worin er mit seinem Geiste schwebt, | kommt hier noch besonders in Betrachtung. Diese bestimmende Welt ist sowohl in ihm als außer ihm, und trägt überall dieselben Kennzeichen. Die ganze objective Veranlassung des Lächerlichen ist im Grunde das Vorhandenseyn einer Körperwelt, oder die Einkörperung des Geistes, der theilweise seine Wirkungen durch die Umgebungen ausdehnen muß. Es sind zweyerley Eigenschaften der Welt und des Menschen (der nur ein persönliches Abbild von der Welt ist), welche die Unvollkommenheit des Zustandes wirklich hervorbringen, und die beschränkte Freyheit des Menschen gleichsam zur Lächerlichkeit zwingen: erstlich die Zusammenfügung aus Theilen, und zweytens die Richtung und das Streben nach Einheit und Ganzheit. In der bürgerlichen Außenwelt steht alles in so fortgehender Verbindung, daß immer das Entfernte auf das Nahe, das Große auf das Kleine zurückwirkt, und der Handelnde nie das Ende absehen kann. Wie aber hier alles eine Richtung zum Ganzen hat, so hat auch der Mensch das Streben, Einheit in die Mannigfaltigkeit zu bringen, und darin liegt für ihn wieder zweyerley: erstlich das Streben nach Einheit selbst, und zweytens das Streben nach Ganzheit (Persönlichkeit und Allgemeinheit). Schwer wird es ihm, in sich selbst Zusammenhang und Uebereinstimmung zu bringen, und indem er darum bemüht ist, kommt sogleich der zweyte | Wunsch hinzu, nicht nur er selbst,

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

81 | 82

Versuch einer Theorie des Komischen

53

sondern auch wie andere zu seyn und die ganze Menschheit in sich zu vereinigen, vollkommen zu seyn als Mensch überhaupt. Mit diesem Streben nach Allgemeinheit sucht er andere in sich und sich in andere hinüberzutragen, kurz – sich selbst zu verallgemeinern und herrschend zu machen. Er sucht einen zweyten, einen dritten, mit dem er seine Empfindungen ausgleichen, mit dem er sich verbinden kann. Er erweitert seinen Gesichtskreis und bildet Korporationen auf Korporationen, um hinaufsteigend mit seiner Persönlichkeit zugleich Volk und Menschheit zu seyn. So treten die Menschen zusammen, und stellen immer neue Körper, neue Personen vor, die auch wieder ihre besondern Eigenschaften haben. Und verfolgen wir den Menschen, sowohl in seinem Denken als in seinem Handeln, von Stufe zu Stufe, so finden wir, daß sein Streben zuletzt auf die höchste, absolute Freyheit gerichtet ist, (die nur in der Ganzheit der Welt oder in Gott existirt,) daß er mit der höchsten Idee des Weltalls eins zu werden trachtet, daß er gern alles erkennen, alles besitzen, ja die Allheit selbst seyn möchte.51 Indem er hiebey immer stückweis und theilweis verfahren muß, und das Ganze nicht ablangen52 kann, hat ihm die Natur einen beständigen Kampf auferlegt, zwischen Persönlichkeit und Allgemeinheit, zwischen dem Individuellen und dem Generellen. | Betrachten wir zuerst, wie er in und mit sich selbst fertig wird: wie viel Veranlassung zum Lächerlichen bemerken wir da! Eine große Anzahl von Neigungen und Trieben hat ihn umringt; alle verlangen Gehör, wollen den Vorrang oder wohl gar die Oberherrschaft. Die Triebe, die Wünsche wirken nach Stunden, nach Augenblicken, machen mit ihrem Ungestüm andere Forderungen vergessen, und verwirren den Geist in der Schätzung ihrer Gerechtsame.53 Das Einzelne fordert, statt einen Theil, den ganzen Besitz, und, ist ihm derselbe eingeräumt, so kommen die Rebellen, ihm denselben streitig zu machen. Wie leicht wird der Mensch ein Thor, ein Narr, wenn er sich dem Einen überläßt! Und nicht minder lustig ist der Zustand, wenn zwey Wünsche, zwey Begierden zugleich um ihn streiten, oder wohl gar mehrere abwechselnd ihn bestürmen. Er rettet sich hierhin und dahin, spricht diesem und jenem das Wort, und

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

54

Stephan Schütze

82–84

obgleich glücklich unter diesen Anreizungen des Lebens, ist er doch stets von ihnen geneckt, und fast in beständiger Verlegenheit. Ein weites Feld für das Komische eröfnet sich hier, und schwer würde es seyn, aufzählend aller möglichen Fälle zu gedenken. Der Dichter geht an eine reiche Quelle, wenn er die Brust des Menschen öffnet, und ihn, darstellend, in seinem Zwiespalt offenbart. Ja oft werden selbst die Kräfte des Menschen, die doch nur dienend seyn sollten, | seiner Freyheit gefährlich, und treten auf Augenblicke (durch Angewöhnung auch wohl auf Zeitlebens) als handelnd gegen ihn in die Schranken. Wie sehr kann nicht z. B. die Lebhaftigkeit der Einbildungskraft mit dem Menschen ihr Spiel treiben, und seine Freyheit verspotten! Nicht nur beym Dichter (der in dieser Hinsicht herrlich zur komischen Darstellung paßt), sondern bey jedem Menschen, kann sie (in Furcht, Erwartung, Freude) das, was er nicht will, hervorbringen. Selbst die bloße Vorstellung von einer Handlung, die man zu thun fürchtet, macht oft, daß man sie wirklich thut. So ist es sehr komisch, bey Jean Paul den Feldprediger Schmelzle (in der Reise nach Flätz) erzählen zu hören: »Beym heiligen Abendmahle am ersten Ostertag, mitten in der Rührung von Orgel und Gesang, warf plötzlich etwas die Frage in mir auf: gäb es wohl etwas Höllischeres, als wenn du mitten im Empfange des heiligen Abendmahls verrucht und spöttisch zu lachen anfiengest? Sogleich rang ich mich mit diesem Höllenhund von Einfall herum – versäumte die stärksten Rührungen, um nur den Hund im Gesichte zu behalten, und abzutreiben, – kam aber von ihm abgemattet und begleitet vor dem Altars-Schemel mit der jammervollen Gewißheit an, daß ich nun in Kurzem ohne Weiteres zu lachen anfangen würde, ich möchte innen weinen und stöhnen, wie ich | wollte. Als daher ich, und ein sehr würdiger alter Burgermeister uns mit einander vor dem langen Geistlichen verbeugten, und letzterer mir die Oblate in den klemmen Mund steckte; so spürt’ ich schon, daß an den Mundwinkeln alle Lachmuskeln sardonisch zu ziehen anfiengen, die auch nicht lange an der unschuldigen Gesichtshaut arbeiteten, als schon ein wirkliches Lächeln darauf erschien, – und als wir uns gar zum zweyten male verneigten, so grinzte ich wie ein Affe. Mein Neben-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

84–86

Versuch einer Theorie des Komischen

55

mann, der Burgermeister, redete ganz mit Recht, als wir hinter den Altar umgiengen, mich leise an: Um Gotteswillen, sind sie ein ordinirter Prediger? Lacht denn der lebendige Gott-sey bey uns aus ­Ihnen? Ach Gott! sagt’ ich, wer denn sonst!«54 Dieses Etwas und dieser böse Geist, der den armen Schmelzle in einen solchen Kampf versetzte, ist nichts anders, als – mit einem allgemeinen Ausdrucke – die Natur, die sich öfters einen solchen Muthwillen erlaubt, um den Menschen seine Abhängigkeit fühlen zu lassen, und seine Freyheit zu verspotten. Um innerlich und äußerlich ein Ganzes herzustellen, bedarf der Mensch vieler Veranstaltungen, die bey der besten Einrichtung mit ihrer Theilwirkung gleichwohl alle Augenblicke nur als ärmlicher Behelf im lächerlichen Lichte erscheinen. Hinausstrebend aus sich selbst muß z. B. der Geist, um seinen Gedanken und | Wünschen ­einen Zusammenhang und ein Ziel zu geben, den Glauben an Gott, an Fortdauer u. s. w. zu Hülfe rufen, und weil er die Gefahr des Kampfes sieht, der er innerlich ausgesetzt ist, so denkt er an äußere Mittel dagegen, und errichtet Schule und Kirche. Wie unvollkommen er aber seinen Zweck erreicht, fällt leicht in die Augen. Indem er die Kinder gegen Irrthümer zu sichern sucht, sind es seine eignen Irrthümer, die mit an der Erziehung arbeiten. Und nicht minder verleiht auch die Kirche nur schwachen Beystand. Jeder Glaube ist der Anfechtung ausgesetzt, jede menschliche Vorstellung hat ihre Mangelhaftigkeit, und nirgend fehlt der Stoff zum Lachen. Hiervon überzeugen wir uns gleich, wenn wir nur, mit einem Blick auf das ganze Menschengeschlecht, die große Verschiedenheit der Meinungen und Religionspartheien bemerken. Wie mit ihrem Glauben, so ist es mit ihren Bitten, womit sie dort und hier Krieg und Frieden, Sieg und Niederlage, Sonnenschein und Regen zugleich fordern. – Bey dem steten Streben nach einem absoluten Zustande bleibt ein beständiges Schwanken. Bald ist Krieg, bald ist Frieden, bald wird ein Beharren, bald Aufstand und Reformation für nöthig gehalten, und keins hilft und rettet ganz: jedes gebiehrt eine neue Unvollkommenheit, eine neue Thorheit. Staatsverfassungen, Gesetzgebungen sind vergebens bemüht, das Ganze und das Ein | zelne zugleich so

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

56

Stephan Schütze

86 | 87

zu sichern, daß der Kampf zwischen beyden geschlichtet, und bey den Verordnungen nie eine Lächerlichkeit zum Vorschein käme. Das weiseste Gesetz, die größte Gerechtigkeit kann es nicht dahin bringen, daß gar keine komischen Auftritte in den Gerichtshöfen vorfielen, die den Richter beschämen. Was für das Ganze nothwendig ist, wird leicht für das Einzelne mangelhaft; und nicht selten hat auch die Kunst von dem Komischen, das sich hierdurch erzeugt, ­Gebrauch gemacht. Die Menschen, in dem vergeblichen Bestreben, Alles zu seyn, haben für nöthig gefunden, sich für das praktische Leben eine engere Bestimmung zuzumessen, und zur Wohlfahrt des Ganzen, wie zur Befriedigung des Einzelnen, sich in die Geschäfte getheilt. Diese Selbstbeschränkung wird für das Komische aber wieder eine große Bereicherung. – Jeder Stand an und für sich giebt schon jedem Menschen durch das bestimmte Gepräge, das er ihm aufdrückt, eine lächerliche Seite. Seine Beschränktheit erinnert an den Tribut, den er der Natur zollt, die ihn damit immer in gewissen, wenn auch noch so feinen Banden hält, und ihn so angefädet55 vor der Welt sehen läßt. Die Arbeit, das Geschäft, der Umgang, die Art zu leben prägt sich auf seinem Gesicht, in Mienen und Gebehrden, im Ton der Stimme, in Stellung, Gang und jeder Bewegung, ja sogar in der Kleidung aus. Diese | Gestaltung ist schon ein öffentliches Bekenntniß von der Abhängigkeit, worin sich jeder bewegt, wovon aber keiner etwas wissen will, weil er stets strebt, ein ganzer Mann zu seyn, und sich als vollkommenen Menschen zu zeigen. Es ist, als hätten ihm neckende ­Buben etwas angehängt, womit er lustig herumspringt, ohne die Posse zu ahnen. Je mehr er nun mit seiner Freyheit an das Physische zurückfällt, und sich von der Geistigkeit, die er auch zu besitzen trachtet, entfernt, desto deutlicher, desto auffallender wird an ihm das komische Gepräge des Standes. Ja es ist nicht möglich, manches Gewerk mit seiner Kleidung und Physiognomie auf dem Theater nur zu sehen, ohne darüber gleich in ein lautes Gelächter auszubrechen. So wie der Mensch durch sein Geschäft an Freyheit, Macht und Würde verliert (wobey er jedoch nicht ganz zur Niedrigkeit oder Gemeinheit herabsinken darf, in welcher sonst der

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

87–89

Versuch einer Theorie des Komischen

57

handelnde Gegensatz fehlen würde), so ist er mit seinem Wohlseyn auch dem Gelächter des Zuschauers, der den Menschen immer als Menschen nimmt, ausgesetzt. Manche Handwerker sind und bleiben deshalb lächerlich auf alle Zeiten. Besonders verstärken sie ihre komische Wirkung, wenn sie ihre Forderungen an die allgemeine menschliche Vollkommenheit laut werden lassen (womit sie gleichsam ihre Fesseln der Länge nach ausmessen), wenn sie raisonniren und philosophiren, und ihre | Meynungen und Grundsätze offenbaren. Das Wissen macht aber keinesweges den komischen Unterschied allein aus, sondern jede Entfernung von der Ganzheit (die im Grunde immer nur ideal bleibt) giebt dem Menschen ein komisches Gepräge. Man sehe den Advocaten, den Burgermeister, den Schulpedanten, den Platzmajor, den manierirten Hofmann, den freundlichen Handelsjuden, den zornigen Postmeister, den übelgelaunten Zöllner. Alle haben etwas Komisches an sich; alle haben ihre Art zu handeln und zu leben, und alle ihre eigene, durch den Stand beschränkte Ansicht von der Welt, und ihre eigenen Vorurtheile. Es wäre nichts lächerlicher in der Welt, als wenn irgend ein Stand, und säße er auch mit der feinsten Bildung in Gold und Seide, sich einbilden wollte, von allen Lächerlichkeiten frey zu seyn. Dies ist eben so wenig möglich, als der Mensch je im Stande ist, die Welt mit seinen Händen auszureichen, oder Etwas und Alles zugleich zu seyn. Es giebt nur Annäherungen zu einer absoluten Freyheit und Vollkommenheit, für dieses Daseyn niemals völlige Erreichung. Wenn man die Stände in der Welt mit einander vergleichend betrachtet, so findet man auch solche, die außer der nothwendigen Lächerlichkeit ihres Zustandes noch eine besondere an sich tragen, indem sie das Unvermögen zur großen Ganzheit überhaupt noch auf eine spe | cielle Weise, gleichsam symbolisch, darstellen. Dies sind solche, welche auf der Grenze zwischen dem einen und dem an­ dern Stande stehen, und gern beyde vereinigen möchten. Hier tritt die Lächerlichkeit, die dem Wesen nach eigentlich an allen haftet, durch die bestimmten Fälle und durch die größere Versinnlichung nur deutlicher hervor, und es entstehen daraus ganz vorzüglich komische Standescharaktere, die sich am leichtesten zur Darstellung

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

58

Stephan Schütze

89 | 90

eignen, und deshalb in der Kunst auch am ersten benutzt und bald verbraucht werden. Dahin gehört z. B. der Barbier, der Worte aus der Arzneywissenschaft aufgefangen, der Cantor, der etwas von der Glorie der Gottesgelahrtheit geborgt, die Kammerjungfer, die die Manieren der gnädigen Frau abgesehen, der Gerichtsdiener, der etwas von dem Ansehen des Burgermeisters geerbt hat, und mehrere dergleichen. Man darf nur die Stände, wie sie sind, gegen einander auftreten lassen, um die Beschränktheit des einen durch den andern zu beleuchten, und der komische Eindruck wird von selbst erfolgen.56 Oft erleichtert man sich aber auch das Geschäft dadurch, daß man ihnen das Bild des Menschen überhaupt durch Wünsche, Neigungen und Absichten aus ihrem eigenen Herzen vorhält, welche, dem Standescharakter gegenüber, zeigen müssen, wo das Joch sie schon gedrückt hat. | Und doch muß der Mensch, so sehr auch das Gehäuse, die Welt, worin er handelt, ihn von allen Seiten mit einem lächerlichen Gepräge bedroht, unaufhörlich zum Absoluten hinaufstreben, und immer mehr seyn wollen, als er ist; dies ist sein Ziel, seine Bestimmung, sein innerer Beruf; der Glaube an seine Hoheit berechtigt ihn dazu. So lange die äußere Nothwendigkeit und das Schicksal ihn nicht lastend ganz darnieder beugt, bleibt dies Leben für ihn ein glückliches, scherzhaftes Daseyn, und oft mitlachend kann er es sich schon gefallen lassen, dem freyeren Geiste zum Gegenstande des Lachens zu dienen. Wollte er sich muthlos ganz den äußern Bestimmungen übergeben, und aufhören zu streben und zu handeln, dann würde freylich des Lachens über ihn weniger seyn, aber geringer wäre dann auch seine Lust.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

90–92

Versuch einer Theorie des Komischen

59

Fünftes Kapitel. Prüfung der herrschenden Definitionen des Lächerlichen. Nachdem wir dem Sinn und Wesen und der Entstehung des Komischen auf allen Seiten nachgeforscht, und uns davon, so viel als möglich, einen Begriff gebildet haben, wird es Zeit seyn, uns wieder nach den herrschenden Definitionen umzusehen, und sie, der gegebenen Erklärung gegenüber, genauer ins Auge zu fassen. | Die erste Hauptdefinition geht dahin, daß man behauptet, das Komische bestehe im Kontrast. Dieser Meynung sind viele, und die meisten weichen nur im Ausdruck darüber von einander ab, oder ihr Urtheil läßt sich wenigstens darauf zurückführen. – Quintilian erklärt das Lächerliche geradezu für unerklärlich, und er hat nicht ganz Unrecht. Aristoteles nennt das Lächerliche einen Fehler (eine Abweichung) und einen Uebelstand, der aber schmerzlos und nicht zu Grunde richtend seyn dürfe. Cicero setzt es in die Unanständigkeit und Häßlichkeit. Home, Batteux und Mendelssohn sind für den Kontrast. Möser meynt, es sey Größe ohne Stärke. Priestley – Mißhelligkeit oder Disproportion, sobald nicht ernsthaftere Gemüthsbewegungen durch etwas Erheblicheres erregt würden. Beattie hält es für die Wahrnehmung von Dingen, die auf eine unschickliche oder unpassende Weise mit einander verbunden sind. Büsching sagt, es sey etwas Unregelmäßiges, Ungewöhnliches und Unschickliches. Feder – ein Mißverhältniß. Eberhard definirt es die im höhern Grade sinnliche und über­ raschende Vorstellung einer kleinern Unvollkommenheit, die aus dem Kontraste entsteht.57 | Obgleich die Alten, wie wir sehen, sich über das Komische zu allgemein ausgedrückt haben, so findet sich doch beym Aristoteles in dem Begriff der Abweichung, wenn wir zugleich an das, wovon abgewichen wird, denken, der Begriff des Kontrastes, und in der Un­

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

60

Stephan Schütze

92 | 93

anständigkeit und Häßlichkeit des Cicero das, was andere Dispro­ portion nennen. Aber, es fragt sich: ist der Kontrast überhaupt schon hinreichend, damit das Komische zu bezeichnen und zur Erkenntniß zu bringen? Keinesweges! denn es drückt ja offenbar nur etwas Formelles aus, und wenn dies allein das Lachen bewirken sollte, so müßte ja der Verstand nur ganz mechanisch daran sein Vergnügen finden, ohne an weiter etwas zu denken. Diese Ellenmesserey bringt uns, wenn wir uns nicht um Sinn und Bedeutung bekümmern wollen, zur wirklichen Erkenntniß des Lächerlichen um keinen Schritt weiter. Kontrast ist eine Ausdrucksform, ein Mittel der Darstellung, wie wir deren in der Poesie noch viele haben, und er dient nicht allein zum Komischen, sondern auch zum Erhabenen (z. B. in Wurm und Seraph58), zum Schrecklichen (Triumphmusik auf einem Leichenfelde) und zum Sinnreichen in der Kunst, wo z. B. ein Charakter den andern durch das Gegentheil hebt und fördert. Aber gesetzt auch, dieser Begriff bezeichnete wirklich das Komische vollkommen, | will man denn annehmen, daß er nichts auf die Sache und den Sinn der Worte wirke, daß die kontrastirenden Dinge blos todt neben einander stünden, ohne sich in ihrem Werth Abbruch zu thun? Die ­Poesie besteht ja nicht blos darin, daß wir Bilder und Gleichnisse gebrauchen, und daran schon unmittelbar uns ergötzen, sondern diese müssen für Sinn und Bedeutung etwas wirken und schaffen. Niemals wird die Form ohne den Inhalt aufgefaßt, nur die Abstraction sondert sie ab, und bedient sich einer Trennung, die in der Natur der Sache nicht vorhanden ist. Das Nämliche geschieht auch beym Komischen mit dem Begriffe des Kontrastes. Zwey kontrastirende Dinge werden nicht deshalb neben einander genannt, daß wir blos ihren Abstand fühlen, sondern daß wir sie auf einander beziehen, und ihren Werth darnach erkennen sollen. Der Werth eines Dinges kann aber nicht anders erkannt werden, als wenn wir die Bedeutung desselben auf den Zusammenhang und die Beziehung aller Dinge überhaupt zurückführen. Jedes Ding hat seine Wichtigkeit für das Ganze, die wir mit unserer Vorstellung bald zu hoch und bald zu niedrig anschlagen. Beson-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

93–95

Versuch einer Theorie des Komischen

61

ders aber giebt die Prosa des Lebens demselben häufig einen Werth, den es nicht hat.59 Dieses duldet nun die Phantasie des Dichters nicht, der immer das Ganze vor Augen behält. Wenn | Millionen vor einem Herrscher niederfallen, so wandelt ihn, in Beziehung auf das Höchste, die Lust an, denselben an seine Sterblichkeit oder an seine Abhängigkeit von der Natur zu erinnern, und z. B. seiner Gnade und seiner Macht das Bedürfniß eines Zahns, der ihm jetzt zu schaffen macht, entgegen zu stellen. Dieses Verdauungsinstrument oder der Schmerz daran kann nicht neben der Gnade und Macht des Sultans genannt werden, ohne dem Glanze desselben einige Strahlen zu rauben.60 Es ist das Mittel, wodurch der Dichter das Vermögen und die Freyheit des sonst so mächtigen Mannes verspottet. Und dies ist eben das Ziel des Komischen. Niemals können zwey kontrastirende Dinge neben einander stehen, ohne daß eins auf die Bedeutung des andern nicht auch Einfluß haben sollte. Das Geringere zieht im Komischen gewöhnlich das Größere herab, und geht entblößend und beraubend auf das Wesentliche, das nur in Beziehung auf das Ganze, und zuletzt auf das Absolute (die höchste Freyheit) seine Würdigung erhält. Es ist daher natürlich, daß der Kontrast im Komischen eine Hauptrolle spielen muß, weil das Wesen eines Gegenstandes nur durch Berührungen seiner Grenzen schnell gewürdigt werden kann. Will man aber genau seyn, so sagt der Ausdruck Kontrast für das Komische an und für sich schon zu viel; denn es sind nicht kontraire Dinge, die darin vor | kommen, weil diese sich einander ausschließen würden, sondern nur solche, die einen großen Abstand gegen einander bilden, wovon das eine immer den Begriff der Freyheit, und das andere den Begriff der Natur oder einer bedingenden Nothwendigkeit bezeichnet. Ein großer Abstand oder eine große Verschiedenheit von Dingen läßt aber recht gut eine Vereinigung zu, wie es bey einem komischen Gegenstande nöthig ist. Wenn indeß auch die Zusammenstellung zweyer sehr von einander abstechenden Dinge oder Vorstellungen am besten zum Komischen dienlich ist, so ist es doch noch nicht das Komische selbst, sondern nur ein Mittel desselben, indem es den komischen Zustand der angefochtenen Freyheit nur ans Licht und zur Erkenntniß bringt. Es ist aber nicht das einzige

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

62

Stephan Schütze

95 | 97

Mittel, das diesen Zweck erfüllt, wie wir weiter unten sehen werden, also wird auch äußerlich nicht einmal das Gebiet des Komischen damit ganz ausgemessen. Eine zweyte Definition behauptet geradezu, das Komische sey etwas Ungereimtes, etwas Unsinniges, ein Widerspruch, ein Unverstand.61 Eine Behauptung von sehr nachtheiligen Folgen! Zuvörderst haben wir uns schon bey der subjectiven Entstehung des Komischen überzeugt, daß der Verstand, worauf diese Definition hinzielt, nicht die einzige Quelle des Komischen ist. Es ist daher Unrecht, aber eine nothwendige | Folge dieser beschränkten Ansicht, wenn Heydenreich die Thorheit allein zum Gegenstande des Lächerlichen, und die Thoren ausschließlich zum Thema des Lustspiels macht.62 Wie mancherley ist nicht die Veranlassung zum Lachen, auch ohne Thorheit, auch ohne Irrthum! Bey der größten Klugheit kann jemand in eine lächerliche Situation, in eine Verlegenheit gerathen, worin wir ihn wegen der Abhängigkeit seiner Klugheit von äußern Umständen gerade um so mehr belachen müssen, je größern Verstand er in allem zeigt. Der Lustige, der Arm und Bein fröhlich um sich wirft, reizt uns durch seine Laune schon zum Lachen, ohne daß wir im mindesten an seinem Verstande zweifeln. Andere, die behutsamer seyn wollen, nennen das Komische einen anscheinenden Widerspruch.63 Dies trift mit dem Kontraste zusammen, der ebenfalls nur scheinbar seyn darf. Wie kann man sich aber einbilden, daß man über Unsinn als sol­ chen jemals lachen würde; das würde ja selbst Unverstand oder wenigstens eine große Albernheit voraussetzen. Freylich glauben viele, weil sie oft über einen komischen Auftritt lachen müssen, ohne gleich zu begreifen, worüber oder warum sie doch eigentlich lachen, daß der Grund davon der Unsinn sey, der in dem Auftritte vorkomme, und der ihnen freylich am deutlichsten oder als das Letzte vorschwebt. Dies ist aber ein großer | Irrthum, oder ein Fehlschluß, der leicht daher entsteht, weil das Lächerliche ein dunkles Gefühl ist, worin sich bey der schnellen Wirkung Sinn und Unsinn nicht schnell genug scheiden läßt. Man kann überhaupt nicht leugnen, daß das Komische, weil seine Wahrheit versteckt liegt, und mehr in-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

97 | 98

Versuch einer Theorie des Komischen

63

direct hervortritt, weit schwerer verstanden wird, als der Ernst oder das Tragische, das seine Gedanken geradezu offenbart. Wagt nun gar der Dichter einen hohen Flug oder umschwebt er seinen Gegenstand mit Humor, dann ist vollends der Zuschauer mit seinem Verstande wenigstens auf halbem Wege verloren. Aber an der ganz klaren Verständlichkeit ist auch nicht so viel gelegen, wenn der Zuschauer dem, was er sieht, nur mit der Phantasie nachzukommen sucht, und das Lächerliche als Wirkung nimmt; denn das Lachen ist nun einmal von der Beschaffenheit, daß darin eine dunkle Offenbarung liegt von einer Wahrheit, die der Mensch in dem Augen­blick mit dem Verstande nicht ganz ermessen, von einer Freyheit, die er nicht ganz durchschauen kann. – Aber wir wollen annehmen, daß ganz nahe und einfache Verhältnisse komisch wirken: würde der Zuschauer wohl darüber lachen, wenn der Unsinn gleich offen und baar hervorträte? Gewiß nicht! sondern er wird eben dadurch überrascht, indem er vorher mit der Phantasie so treulich folgte, und alles so natürlich fand, bis plötzlich ein Resultat hervor | geht, das unter andern Umständen Unsinn seyn würde, aber hier ganz erklärlich und nach dem Vorhergehenden ganz vernünftig erscheint. Ja, wenn er seinem eigenen Gefühle traut, so muß das Ungereimte, das Seltsame ihm so natürlich erscheinen, daß er glauben muß, selbst dessen unter den gegebenen besondern Umständen fähig zu seyn. Der Zuschauer geht ganz in die Seele des Handelnden ein, und denkt und empfindet mit ihm, und nur, wenn er hier auf nichts Unbegreifliches stößt, wird er von dem daraus plötzlich hervorgehenden komischen Zustande vollkommen überrascht und zum Lachen gezwungen werden. Mit dem Lachen ist er wieder zu sich selbst zurückgekehrt, doch kann er das nicht mehr als Wahrheit bestreiten, was er vorher dafür erkannte; die Wirkung selbst spricht dafür. Und wollen wir auch den Erfolg, aus dem Zusammenhang gerissen, für Unsinn gelten lassen (für etwas, das sonst Unsinn seyn würde), so kommen wir doch immer noch nicht zu der Wahrheit des Satzes, daß das Komische ganz und gar in Unsinn selbst bestehe, weil wir gezwungen sind, anzuerkennen, daß bey dem Unsinn auch viel Sinn seyn müsse.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

64

Stephan Schütze

98–100

Jean Paul fügt zur Erklärung des Lächerlichen hinzu, daß wir bey dem Irrthum des andern uns vorstellten, als wüßte er denselben. Dadurch, daß wir ihm bey dem Nichtwissen ein Wissen andichten, erhalten wir freylich einen ge | rechten Grund, über ihn zu lachen.64 Andere sagen statt dessen: wir lachen, weil wir uns freuen, die Klügern zu seyn.65 – Beydes muß aber auf etwas Tieferes und Allgemeineres sich stützen. Wir lachen nicht blos, weil wir uns gerade von diesem oder jenem Fehler und Irrthume frey fühlen, sondern weil wir überhaupt uns und andere einer größern Vollkommenheit und Freyheit fähig halten. Wir bilden uns (zur Täuschung des Augen­ blicks) nicht ein, daß der Irrende den Fehler wisse, sondern wir denken nur, daß er ihn überhaupt als ein Mensch, der Verstand hat, wissen sollte. Wir sehen es bestimmt, daß er es nicht wissen kann; aber er könnte und sollte es wissen, als ein verständiger Mensch, oder, wenn er mehr Verstand anwendete. Wir wundern uns also, und belachen es, daß ein menschlicher Verstand überhaupt eines solchen Unverstandes fähig ist. Der seltsame Fall ergötzt uns; aber so sehr wir staunen, so finden wir doch alles so natürlich, daß wir, die Freyeren und Klügern, uns selbst unter den gegebenen Umständen nicht von dem Fehler lossprechen können. Zuschauend begehen wir den Fehler mit, aber lachend erheben wir uns wieder über das beschränkte Loos. Wir halten es mit beyden Theilen, mit dem Menschen, der da fehlt, und mit dem freyeren Geiste. Den Zufall bewundernd setzen wir dem Menschen oft selbst im Namen des Naturgeistes neckend zu, | und wünschen noch mehr Umstände herbey, um seine Verlegenheit noch zu vermehren. Eines solchen Doppelspiels des Handelns und Leidens ist der Mensch nur fähig, in so fern er sterblich und unsterblich zugleich geboren ist. Die Personen eines Lustspiels mögen noch so verkehrt handeln, so dürfen sie doch nicht völlig unklug erscheinen, in der größten Ver­irrung muß noch Wahrheit, muß noch eine Aeußerung und Spur des Geistes seyn, die von der aufstrebenden Freyheit des Handelnden und von der Möglichkeit eines höhern Zustandes zeugt. – Bey allem komischen Betragen des Menschen muß die Natur einen Antheil behalten, es muß etwas Natürliches dabey zum Grunde lie-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

100–102

Versuch einer Theorie des Komischen

65

gen, oder es muß der Irrthum in der Natur selbst gegründet seyn. Reißt sich der Mensch ganz davon los, so hört das Komische auf. Er handelt alsdann völlig widersinnig und unnatürlich; es entsteht alsdann entweder ein baarer Unsinn, der uns ärgert, oder eine Bos­ heit, die uns empört. – Daraus sehen wir, daß eigentlich nicht der Unsinn als Unsinn das Komische ausmacht, sondern daß dieser nur der letztere Bestandtheil einer Handlung ist, worin die Freyheit mit der äußern Bestimmung oder der entgegenstehenden Beschränkung kämpft, und worin der Mensch klug und unklug, frey und unfrey zugleich erscheint. – Wir können dem Lustspieldichter recht gut als Wahrheit einräumen, daß | er Handlungen erfindet, die in Absicht der Wirkung auf Unsinn resultiren, wenn nur in dem Unsinn auch recht viel Sinn verborgen liegt, und er dem Unverstand auch recht viel Verstand entgegen setzt, der unter ganz besondern Einflüssen der Natur (recht aus der Tiefe geschöpft) handelnd und ringend zu dem Seltsamsten sich verirrt. – Es ist auch ungegründet, daß der Mensch nicht über sich selbst lachen könne. Dies kann er recht gut in dem Grade, als er einer Reflexion über sich fähig ist. In dem Menschen ist bey der sinnlichen Empfindung immer eine höhere Freyheit, ein höherer Richter, der auf das, was die äußere Natur über ihn vermag, auch bey dem Kampfe, der dagegen entsteht, mit ­einem Geschehen lassen lächelnd herabschaut, und bey dem Bewußtseyn seiner Macht und Hoheit sich verwundert, wie er doch solche Irrthümer begehen, oder sich so den Umständen und Eindrücken überlassen könne. Es giebt wenigstens Augenblicke, wo er dem lustigen Kampfe in sich eben so gut, als außer sich, zusehen kann, und zuweilen wird er sogar von Dingen überrascht, die ihm vorher als Erscheinungen seines Herzens fremd waren.66 Der Klügere lacht freylich über den minder Klugen, aber beydes ist der Mensch selbst, handelnd und zuschauend, und es ist nur die Beschränktheit der menschlichen Freyheit überhaupt, welche er in dem Kampf der Lust belacht. Dies ist nur mög | lich durch das Beysammenseyn einer niedern und höhern Natur. Mit jener wird die Schwäche als möglich anerkannt, mit dieser wird sie für etwas Lächerliches angesehen, und auf eine vollkommnere Freyheit bezogen.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

66

Stephan Schütze

102 | 103

Nicht den speciellen Irrthum, sondern den Menschen als Menschen, der Verstand und Freyheit hat, belachen wir, und weil doch etwas vorhanden seyn muß, das den Fehltritt möglich macht, so finden wir als die Ursach eben die Abhängigkeit der menschlichen Freyheit von der Natur als einer höhern Freyheit, die mit ihm spielt. Ueber sich selbst lacht der Mensch, in so fern er seine Abhängigkeit zwar bemerkt, aber freywillig mit sich spielen läßt. Eine dritte Definition setzt das Komische in die Auflösung einer Erwartung in nichts.67 Dagegen ist schon genugsam eingewandt, daß eine solche Täuschung oft sehr verdrießlich ausfalle, und daß das Lächerliche oft erscheine ohne eine solche Erwartung. Indeß findet man in dieser Definition, wenn man ihr weiter nachgeht, mehr Sinn und Wahrheit, als sie auf den ersten Blick zu geben scheint. Nämlich diese Auflösung der Erwartung muß man nicht blos subjectiv, sondern auch objectiv, und nicht blos von einem einzelnen Fall, sondern auch von einem ganzen Spiele verstehn. Die Auflösung der Erwartung in nichts drückt für den Zuschauer nichts anders aus, als die Ueber | raschung, die durch etwas Ungewöhnliches bewirkt wird. Dieses Ungewöhnliche ist die Abweichung des Aristoteles, nämlich die Abweichung von der Harmonie zwischen Natur und Freyheit gerade auf dem Punct, wo sie nicht weiter gehen kann, und wo die Freyheit mit einer Thorheit, der specielle Wille oder die einzelne Handlung so in ihrer Blöße erscheint, daß sie gleichsam nichts wird. Und wie dies in einzelnen Vorfällen geschieht, so geschieht es auch in dem großen, ganzen Spiele des Dichters, in einem Lustspiele. Doch leidet dies noch eine nähere Bestimmung, indem der Irrende nicht immer am Ende des Stücks erst überführt, belehrt oder auch angeführt zu werden, nicht immer seines Zwecks zu verfehlen braucht, um uns über ihn in ein Lachen zu versetzen, sondern er muß nur jederzeit so dargestellt erscheinen, daß wir seine Handlung als eine Abweichung von jener Harmonie, und durch das ganze Spiel hindurch als thörigt und nichtig erkennen. Aber es fragt sich wieder: was ist denn dieses Nichts und dieses Etwas, worum sich alles drehet? Und da finden wir, daß mit diesem Nichts eigentlich wieder zu viel behauptet, und nur die äußerste Grenze bezeichnet wird. So

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

103–105

Versuch einer Theorie des Komischen

67

wie in jeder Thorheit, und in jedem Irrthum noch eine halbe Wahrheit ist, so ist in dem, was der Thor erlangt, immer noch etwas, immer ein Gut, ein Besitz, nur nicht mit dem | hohen Werth, als er es betrachtet. Würden alle seine Bestrebungen im eigentlichen Sinne vernichtet, und wäre gar keine Möglichkeit vorhanden, daß er damit etwas erlangen könnte, so würden wir ihn in der That nur bedauern müssen. Es ist wahr, es giebt solche Grade von Bethörungen in der Welt, aber diese hören auf, lächerlich zu seyn. – Und dann müssen wir bey dem Komischen nicht blos an die Thoren denken, sondern darin den Menschen überhaupt in seinem ganz gewöhnlichen glücklichen Zustande beachten. Hier entstehen alle Augenblicke komische Situationen, indem die Freyheit in ihrer Glückseligkeit angefochten wird, und der Mensch in Gefahr ist, eine Sache zu werden, da er doch Person ist. Jenes geschieht aber keineswegs völlig, sondern der Mensch sträubt sich ­dagegen. Und bey diesem Lustkampf ist weiter kein Irrthum, als daß der Mensch sich mächtiger, klüger, freyer und glücklicher dünkt, als er es wirklich ist, oder als wir in der Freyheit der Reflexion ihn dafür können gelten lassen. Das völlige Nichts ist ein Todtes, und wenn der freye Mensch mit seinen komischen Situationen und Handlungen sich wirklich in ein Nichts auflösen sollte, so müßte er ganz zur Sache, zum Thier, ja zum Stein werden. Läßt der Mensch sich so weit überwinden (wie es denn wirklich zuweilen geschieht), so hat alles Lachen ein Ende, | und wir werden uns mit Bedauern oder mit Abscheu von ihm wegwenden. Jenes Nichts ist nur ein relatives, in Rücksicht auf das, was der Mensch im speciellen Fall denkt und will und sich einbildet, wobey er aber immer noch etwas erbeutet. Der ganze Kampf des Lebens um das absolute Nichts und um das absolute All besteht darin, daß der Mensch nicht Thier seyn will, und nicht Gott seyn kann, und immer von beyden etwas ist. Darum findet sich die Behauptung auch grundlos, daß nach einer vierten Definition das Komische der Untergang des Idealen im Realen sey.68 Sobald sich dieser Untergang wirklich zeigt, so ist es auch um das Komische geschehen, wir sehen die Bestialität oder einen un-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

68

Stephan Schütze

105–107

glücklichen Menschen vor uns. Das Wahre davon ist, daß der Geist in seinem Auffluge immer von der körperlichen Beschaffenheit seines Daseyns gehemmt, aufgehalten, aber keinesweges völlig herabgezogen wird. Das Komische tritt nur dadurch um so deutlicher hervor, wenn recht hohe Ideen recht niedern Bedürfnissen unmittelbar gegenüber erscheinen, und jene mit diesen zu kämpfen haben. So giebt es allerdings zwischen dem Poeten und dem Hunger, zwischen dem Philosophen und einem verliebten Herzen ein lustiges Kampfspiel; aber wenn der Poet dem Hunger oder auch dem Trunk erliegt, wenn | der Philosoph, statt von Liebe geneckt und beunruhigt zu werden, ganz von thierischen Begierden hingerissen wird, dann fangen wir seinen Fortgang, seine Freyheit und Würde zu bezweifeln an, und es vergeht uns die Lust, über ihn zu lachen. Es ist dann kein Widerspiel mehr, sondern Tod und Niederlage. Es sind nicht Gegensätze mehr, die gegen einander streiten, und sich theilweise etwas abdingen, sondern wirkliche Widersprüche, die sich einander aufheben. Einen berauschten Menschen mögen wir wohl belachen, denn wir sehen ihn in einem lustigen Kampfe mit der Natur, die ihn durch den Einfluß geringer Säfte alle Augenblicke zu Boden zu werfen trachtet; hat sie ihn aber aller Gegenwirkung, alles Verstandes beraubt, dann geht unser Lachen in Widerwillen und Abscheu über. Sehr leicht kann selbst mitten unter komischen Auftritten der Druck der Umstände so groß werden, daß der komische Zustand sich in einen traurigen verwandelt, oder wohl gar, wenn der moralische Wille mit Hartnäckigkeit sich einmischt, ins Tragische übergeht. Der Kampf der Lust wird dann ein Kampf des Schmerzes, oder es entsteht ein Mittelzustand, so daß das Lächerliche mit dem Traurigen sich berührt. Oft ist es nur eine gradweise Annäherung. Darum läßt Shakspeare den Prinzen Heinrich sagen: da er den dicken Fallstaff in die Flucht geschlagen hat: »Fallstaff schwitzt sich todt, und spickt die magre | Erde, wo er geht; wär’s nicht zum Lachen, ich bedauert’ ihn.«69 Aber es ist wirklich zum Lachen, weil er nicht erliegt, und mit der Last, die ihm die Natur angehängt hat, immer noch der ruhmredige, beutesüchtige, trinklustige Fallstaff bleibt.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

107 | 108

Versuch einer Theorie des Komischen

69

Die Idealität darf auch in der Hinsicht beym Komischen nicht zu Grunde gehen, als daraus ein Mensch ohne alles Streben, ein Mensch, der nichts ist, und nichts seyn will, kurz ein völlig verächtlicher Mensch entstehen würde, der mit aufgegebener Freyheit auch alle komische Kraft verlieren müßte. Obgleich das Lächerliche keinesweges dazu dient, den Menschen ehrwürdig zu machen, so darf doch dadurch die allgemeine menschliche Würde nicht verletzt werden, welches aber geschehen würde, wenn man alles ideale Streben bey ihm zu Grunde gehen ließe. Selbst in der größten Thorheit steckt noch ein Ideal, das nur nicht gereinigt und geläutert ist; selbst auf den größten Abwegen strebt doch der Mensch einem Ziele nach, das ihm durch Irrgewinde hindurch zu einer allgemeinern Wahrheit, zu einer höhern Freyheit immer weiter hinaufwinkt. Ohne Idealität ist kein Wachsthum, kein Handeln, keine Freyheit, keine Hofnung, kein Glaube, kein Irrthum, keine Lächerlichkeit und auch kein ­Lachen möglich. Eine ähnliche Bewandniß hat es mit einer fünften Definition, die das Komische in | eine Umkehrung oder auch in eine Vernichtung der Welt setzt.70 Beyde Erklärungen gehen von einem subjectiven Standpuncte aus, und sind von dem entlehnt, was der Dichter thut oder zu thun scheint. Man nimmt an, der Dichter stelle in der übrigen, positiven Poesie die Sache hin, wie sie wirklich ist, und wie sie im Zusammenhange zur Harmonie des Ganzen wirkt; in der komischen, negativen Poesie aber mache er sich die Lust, zu zeigen, wie wohl die Welt aussehen würde, wenn alles verkehrt, thörigt und unklug darin herginge, kurz, sein Uebermuth versuche, die ganze Welt umzukehren, oder die verkehrte Welt darzustellen. Unter einer Welt aber, wie sie auf graden Füßen stehe, meynt man die Ansicht derselben, wornach sie entweder harmonisch oder zugleich erhaben erscheint. Bey dem Erhabenen denkt man an ein Streben nach einer höhern Harmonie, an ein Uebergewicht des Geistes, und hat dabey besonders den Menschen im Sinne, der bey mächtigen Hindernissen sich muthig durchkämpft, und für das Gute sich selbst aufopfernd ein Gegenstand des Trauerspiels wird. Wie das Trauerspiel nun die Würde des

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

70

Stephan Schütze

108–110

Menschen und das Rechte und Wahre zeige, so zeige das Lustspiel den Menschen ohne Würde und alles auf verkehrtem Wege. Allein (ohne noch zu untersuchen, ob die Entgegenstellung völlig richtig sey) ist denn die | Erhabenheit die alleinige wirkliche Beschaffenheit der Welt, ist sie nicht auch im Komischen als allgemeines Streben vorhanden, und ist die vermeyntliche Umkehrung der Welt eine bloße Willkühr des Dichters? Daß beym Komischen die Idealität keinesweges untergehe, sondern derselben zur Basis diene, dasselbe erst möglich mache, und immer als ein fernes Ziel vorschwebe, haben wir vorher schon gesehn. Auch ist dies schon in dem Begriffe des Irrthums enthalten, welcher zwar sagt, daß der Mensch auf falschen Wegen gehe, aber doch dasselbe Ziel suche und dieselbe Richtung zu haben meyne, in welcher andere wandeln. Irrthum ist noch keine völlige Verkehrtheit, die man eher im Laster als in jenem Lustkampf des Komischen finden möchte. Sodann, wenn der Dichter in einem Lustspiele wirklich verkehrte Handlungen hinstellt, billigt er sie als solche, oder will er nicht durch sie vielmehr das Wahre zeigen? Und ist er nicht selbst genöthigt, das Spiel des Irrthums zuletzt in Wahrheit aufzulösen, und die aufgehobene Harmonie wieder herzustellen? Aber überhaupt fragt sich: stellt er blos angenommene Fälle oder die wirkliche Welt dar, wie sie ist und besteht? Es wäre ein sonderbares Unternehmen, wenn der Dichter Dinge zusammenfügen wollte, die gar nicht in der Natur vorhanden wären. Ja das ist nicht einmal denkbar, der Dichter müßte denn seinem | eignen Verstande zuwider handeln. Das Kühnste, das Tollste einer komischen Dichtung muß, wenn es Wahrheit haben soll, in der Natur der Dinge gegründet und als möglich vorhanden seyn, selbst wenn es auch nur symbolisch zutreffen sollte. Nun sehen wir aber, wenn wir die ganze Zusammenfügung der Welt und des Menschen betrachten, daß sie die Bestandtheile des Komischen wirklich selbst enthalte, ja daß kein Funken von Freyheit darin denkbar sey, wenn nicht auch das Komische darin möglich wäre. Wir würden nie auf den Begriff der Freyheit kommen, wenn sie unbeschränkt existirte. Ihre Beschränkung, ihre Erschwerung, ihre Halbheit macht erst das Handeln und Streben möglich,

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

110–112

Versuch einer Theorie des Komischen

71

dieses kann aber gar nicht gedacht werden ohne Fehlen und Irren. Soll der Mensch nun im Irren und Fehlen nicht seine höhere Natur einbüßen, so muß er dabey auch etwas Besseres und Klügeres zu thun glauben, als er wirklich thut, und hierin liegt von seiner Seite der Ursprung des Komischen. So sehen wir mehr oder weniger die ganze Menschheit vor uns, so muß sie seyn und handeln, wenn ein Fortschreiten zu einem höhern Ziele, wenn Kampf und Thätigkeit und Muth und Glückseligkeit mit einander möglich seyn soll. Eine Menschenwelt, ein Daseyn auf einer niedern Stufe der Geistesfreyheit mit dem Streben nach einer höhern ist ohne die Möglichkeit des Komischen nicht denk | bar. Triumph genug, daß wir über uns selbst lachen können! Der Lustspieldichter thut weiter nichts, als daß er die Welt gerade von ihrer komischen Seite auffaßt, das Sichtbarwerden des Komischen mehr an einander drängt, und den Grund und die Veranlassung dazu aus der dunkelsten Tiefe zum hellsten Gipfel hervorhebt. Dies ist sein Schaffen und sein Idealisiren. Weit entfernt, von der Wahrheit, von dem Wirklichvorhandenseyn abzuweichen, spürt er es erst recht auf, und giebt es zur hellen Erkenntniß an den Tag. Er erdichtet nur, um destomehr wahr seyn. Das Komische zeigt das Erhabene nur auf einem Umwege, und indem es Zweck und Ziel, gleichsam das Zukünftige, Abwesende, nicht voreilig oder vorwegnehmend in die Gegenwart mit herüberzieht, giebt es das wirkliche irdische Leben weit treuer, als jede andere Dichtung mit vorherrschender Erhabenheit. In dieser erscheint der Wille des Menschen schon gereinigt, geläutert, im Komischen aber noch in seiner Vermischung, in seinem Wachsen und Werden und in der kämpfenden Berührung von Körper und Geist, in seinem Irren und Fortstreben, in seinem Schwanken zwischen Höherm und Niederm, halb in seiner Freyheit und halb in den Händen der Natur. Das Ganze giebt den Anblick von Scherz und Lust, ohne Ausrottung des Zweckes, aber auch ohne ängstliche Bemühung darum, mit | dem einstweiligen Wohlseyn in Hofnung auf etwas Besseres und Höheres. Wollte man also annehmen, daß entweder das Trauerspiel oder das Lustspiel die Welt darstellte, so möchte eher dieses als jenes dazu passen;

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

72

Stephan Schütze

112 | 113

aber im Grunde sind beyde nicht für das Ganze zutreffend, weil sie absondernd (wegen der Beschränktheit der menschlichen Fassungskraft) ein Ganzes für sich bilden, das nur in gewählter Proportion die Welt nachahmt. Eigentlich ist die Welt ein Gemisch von Lust und Trauer, und beydes muß sich für den Menschen ereignen können, wenn seiner Freyheit Streben und Spielraum genug bleiben soll. Der Begriff der Vernichtung in der Definition des Komischen ist vom Humor entlehnt, der ein so freyes Spiel mit der Körperwelt treibt, daß er sie zu vernichten scheint.71 Aber auch nur scheint, indem er die Körper keinesweges zerstört, sondern nur das Relative der gewöhnlichen Schätzung aufhebt, Großes und Kleines oft so neben einander stellt, daß dieses die Stelle von jenem vertritt. Bey diesem Vermischen und Vertauschen, bey dieser Beraubung des falschen Scheins ist es demselben aber offenbar gerade darum zu thun, das Wesentliche, das Wahre bemerkbar zu machen. Sein Spiel ist das Spiel der Natur, die in dem ewigen Wechsel der Gestaltungen und Verwandlungen mit den Körpern auch alles anfangen kann, was sie | will, aber frey wirkend sich selbst einer Regel unterwirft, und, das Unwesentliche oft gegen einander aufhebend, die Welt keinesweges zerstört, sondern schafft. Wäre diese Vernichtung beym Komischen im eigentlichen Sinne wahr, so würde darüber nicht nur die irdische Schalenwelt, sondern auch die höhere geistige als ihre Frucht verloren gehen. Freylich trägt alle Thorheit, aller Irrthum und überhaupt alles Falsche den Keim des gänzlichen Verderbens und des völligen Untergangs in sich – das liegt schon in dem Begriff derselben, – nämlich, wenn wir annehmen, daß der aufgestellte Fall eines Irrthums allgemein wäre und bis zum Aeußersten fortgienge, so müßte darüber die ganze Welt zu Grunde gehen. Allein so weit schreitet das Komische nicht hinaus, noch hat es den Zweck, dieses zu zeigen und darzuthun, sondern in dem Irrthum ist zugleich so viel Wahrheit, in der Unklugheit so viel Verstand, daß weder der Sinn, noch das Spiel, noch die Welt bis zur völligen Vernichtung dadurch gefährdet wird. Vielmehr zeigt das Komische die Welt und das Leben bey so anschei-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

113 | 115

Versuch einer Theorie des Komischen

73

nenden Widersprüchen in so lustigem Fortgange, daß wir die Exi­ stenz und das Gedeihen derselben dabey sehr wohl begreifen. Wir sehen in dem Irrthume nicht dem Untergange entgegen, sondern begleiten ihn nur auf seinem Kampfzuge, auf dem er zwar nicht alles gewinnt, aber auch | nicht alles verliert. Wird der äußere Zweck des Ernstes im Lustspiele auch aufgehoben (wiewohl dies, wenigstens materiell, nicht immer der Fall ist, indem der Geizige z. B. seinen Schatz eben so gut verlieren als wieder gewinnen und zuletzt behalten kann), so bleibt doch innerlich für den handelnden Charakter immer noch ein wichtiges Etwas und ein wahrer Grund, der auch nach aufgehobener Täuschung nicht gänzlich verschwindet. Es liegt darin eine allgemeine Wahrheit, etwas Natürliches, etwas Gegründetes, das auch vom klügern Zuschauer als gültig anerkannt wird. Den Irrthum bis zur völligen Vernichtung der Welt (auch nur symbolisch) fortgesetzt, müßte ein schreckliches Spiel geben, wo zuletzt das Lachen sich in Weinen verwandelte. Und in der That kommen dergleichen Fälle, wenn auch nur selten und zum Theil, auf dem Theater vor, aber das Lustspiel hört in demselben Augenblicke auf, als z. B. der Geizige uns zu dauern anfängt. Das Komische hat es nicht mit dem Irrthume zu thun, der die Welt vernichtet, sondern nur mit dem, der mit ihr bestehen mag, und auch ewig besteht; und findet der Dichter es für gut, sein Spiel selbst zu vernichten, so thut er es nur, um eine schönere Harmonie daraus hervorgehen zu lassen. Durch das Ganze aber herrscht ein Geist und eine Idealität, die durch alle schwankenden Theile sich erstreckt, in dem Kampfe zwischen Willen und Schwachheit | immer als ein höheres Etwas vorleuchtet, und auch hinter dem so bestehenden morschen Weltgebäude noch eine bessere Welt durchscheinen läßt, die uns bey aller Täuschung und bey allem Irrthume von dem Gefühl der Vernichtung weit entfernt hält. – Jeder Scherz hat etwas Ernstes zur Grundlage; wer in einem Scherze den Ernst nicht versteht, hat auch den Scherz nicht verstanden. Es gehören dazu gewisse Bestandtheile, etwas Gegebenes, das seinen Werth und seine Bedeutung hat. Die Reduction geht auf ­etwas Geringeres, auf etwas Wesentliches, keinesweges bis

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

74

Stephan Schütze

115–117

auf Nichts herab. Wenn der Gegenstand auf keinerley Weise Stand hält, und gar keine Wahrheit, gar keine Kraft und Eigenschaft übrig läßt, so ist er des Scherzes unwerth und unfähig, er verdient nicht, daß über ihn gescherzt und mit ihm gespielt werde; das Gepräge des Spiels kann sich ihm gar nicht aufdrücken, weil er gleich unter den Händen des neuen Schöpfers verschwindet. – Der Humor kann wohl die Welt, aber nicht die Natur verachten, etwas Wesentliches muß ihm bleiben, wenn er eins gegen das andere in Vergleich und Wirkung setzen, und dem Ganzen eine höhere Beziehung geben soll. Ja, wenn er keine Wesenheit in den Dingen entdeckte, so müßte er ihnen schon um seines Spiels willen eine andichten. Seine Betrachtung ist eine wahre Feuerprobe der Welt, | wogegen die Erscheinung nicht bestehet, wohl aber das Seyn der Dinge. Der Sinn desselben ist keinesweges auf Nichts, sondern auf ein stetiges Etwas, und seine Idee auf etwas Vollkommeneres gerichtet. Er beginnt die Weltschöpfung aufs neue, aber er kann nicht über den Weltgeist hinaus, sondern nimmt freywillig dessen Gesetze an, und läßt das Wesen der Dinge um so unerbittlicher gegen den Schein wirken, als er den Schein verachtet. Wenn es aussieht, als ob bey dem Hin- und Herüberwirken der Dinge sich alles mit der Welt anfangen ließe, so ist dies doch nur auf einer Grundlage mit Annahme gewisser ­festen Puncte möglich. Die größte Willkühr des Spiels muß sich selbst Regel und Schranken setzen, wenn sie nicht in völlige Verwir­ rung übergehen soll. So ist es ein viel vernichtender humoristischer Satz, wenn Fallstaff, um die Feigheit seiner Flucht vor Heinrich zu entschuldigen, sagt: »der Löwe rührt den ächten Prinzen nicht an. ­Instinct ist eine große Sache, ich war eine Memme aus Instinct.«72 Vieles wird damit aufgehoben und gleichgemacht, indem freylich der Instinct alles kann, aber dieser bleibt denn doch mit den Gegenständen seiner Wirkung, und hinter demselben eine handelnde Natur, die der Dichter respectirt. Jede Willkühr, die nicht sinnlos seyn soll, muß ihre Grenzen haben. Die Willkühr des | Lustspieldichters ist es nur in Rücksicht auf die gewöhnliche Betrachtungsweise der Menschen, keinesweges aber in Rücksicht auf die Natur, deren freyes, Gesetze wählendes

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

117 | 118

Versuch einer Theorie des Komischen

75

Spiel er nicht zu übertreffen vermag, er müßte denn geradezu zum Unsinn und zur Verwirrung seine Zuflucht nehmen. Schon indem er einen Stoff wählt, ist er gebunden, und das Feld der Möglichkeiten für seine Dichtung dadurch beschränkt. Und nicht nur auf das Beharrliche muß er sich stützen, sondern er muß seiner Schöpfung selbst wieder den Ernst des Scheinlebens geben, um, wie in allen, so auch hierin dem scherzenden Naturgeiste wieder ähnlich zu werden. Vor Gott ist alles gleich; und sollten so auch vor dem Humoristen alle Dinge gleich werden, so müssen diese Dinge doch Eigenschaften behalten, weil er sonst nichts mit ihnen anfangen kann; und das gleiche oder sich stets ausgleichende Alles ist dabey noch keinesweges ein Nichts. Jedes Spiel hat sein Gesetz in sich und außer sich, und seine Freyheit ist noch lange keine eigentliche, positive Willkühr, die für den Menschen wohl relativ, aber nicht absolut möglich ist. |

Sechstes Kapitel. Vergleichung des Lustspiels mit dem Trauerspiele. Da man das Komische häufig durch eine Zusammenstellung von Gegensätzen aufzufinden und zu erklären gesucht hat, so ist es wohl der Mühe werth, auch diesen Weg etwas zu verfolgen.73 Aber es scheint, daß alles Suchen nach einem reinen, vollkommenen Gegensatze vergeblich sey. Will man das Komische dem Ernsthaften entgegenstellen, so findet sich nur der Scherz, der dem Ernste entspricht; will man es mit dem Traurigen zusammenbringen, so paßt nur das ­Lustige darauf; und obgleich Lachen und Weinen einander gegenüber stehn, so müssen doch dabey noch verschiedene Bestimmungen hinzugedacht werden, um damit zum Komischen und Tra­ gischen zu gelangen. Und wiederum folgt auch nicht aus dem Er­ habenen das Komische, sondern das Niedere als Gegensatz. – Da indeß das Erhabene und das Komische noch die meisten Verschiedenheiten darbieten, und gern in Lust- und Trauerspiel übergehen, so lassen sie noch am ersten eine Vergleichung zu. Es ist wahr: das Erhabene schließt das Komische feindselig aus, und seine Unächt-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

76

Stephan Schütze

118–120

heit wird gerade d ­ aran erkannt, wenn es ins Komische oder ins Lächerliche übergeht. Auch will das Komische nichts von dem Erhabenen | wissen; aber es ist doch nur gegen den falschen Schein desselben gerichtet, und trift dem Sinne nach wieder mit ihm zusammen. Das Erhabene verbindet sich gern mit der Moralität und geht auf Tugend und Charakterwürde*. Um beydes ist es dem Komischen nicht zu thun, aber es verwirft sie doch auch nicht, es fragt nur nicht darnach. Würde fordert es gerade nicht von einem Charakter, aber es will doch auch nicht alles davon missen, damit ihm der Charakter nicht ganz in Gemeinheit und Niedrigkeit (den eigentlichen Gegensatz) versinke, und so zum Gegenspiele die nöthige Kraft verliere. Tugend begehrt es nicht, aber es will sich auch mit dem Laster nicht zu schaffen machen. Läßt es dasselbe zu, so muß es untergeordnet seyn, und die Richtung auf das Komische nicht stören; am lieb­sten wird es darin ganz gemieden, als ein Hinderniß der reinen Lust. Der komischschlechte Charakter steht nur da, in so fern er komisch, nicht in so fern er lasterhaft ist. Wenn das Tragische große Leiden und Leidenschaften in sich schließt, so hält sich das Komische zwar davon entfernt, aber es ist doch auch keinesweges geneigt, seine Personen immer | in großer Ruhe und Glückseligkeit zu lassen, sondern sie müssen ebenfalls her­aus zum Kampf, nur ist dies ein Kampf der Lust, wobey sie, auch ohne Erreichung ihres Zwecks, dem Glück entgegen gehn. – Kurz, wohin wir uns wenden mögen, nirgends finden wir vom Komischen das reine und vollständige Gegentheil. Das Komische ist so eigenthümlicher Art, daß es nur in und durch sich selbst erkannt und erforscht werden kann. Am ersten gelangt man noch vom Lust- zum Trauerspiele durch Verstärkung. Was in dem einen Irrthum und Thorheit ist, das wird in dem andern Laster, Bosheit, selbstgewählte Blindheit. Der leichte zweifelhafte Kampf in dem einen um irgend einen Besitz wird in *  Wenn Tugend und Laster nicht auch gradezu Gegenstand des Trauerspiels sind, so gehen sie bey den leidenschaftlichen Bestrebungen, wenigstens für den Zuschauer, doch leicht daraus hervor.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

120–122

Versuch einer Theorie des Komischen

77

dem andern zur Hartnäckigkeit, zum Bestehen auf etwas; dort handelt der freye Wille halb getäuscht, halb verführt, halb verhindert, hier mit völligem Bewußtseyn und mit Vorsatz; dort ist der Kampf nachgebend gegen Natur und Zufall, hier widerstrebend gegen das Schicksal gerichtet. Tugend und Ehre ist es, warum der Held des Trauerspiels ringt, während der Thor im Lustspiele irgend einem zum Theil eingebildeten Glücke nachjagt. Im Trauerspiel herrscht kämpfend häufig ein böses und gutes Princip, wovon das Lustspiel nichts weiß. Dort siegt die Tugend entweder durch den Untergang des Lasters, oder dadurch, daß sie sich vor die | sem sterbend flüchtet; im Lustspiele handelt der Thor nur für diese Welt, und er wird entweder am Ende klug, ohne es gewollt, oder glücklich, ohne es erst verdient zu haben. In beyden herrscht Idealität, aber im Lustspiel als Voraussetzung überhaupt, und im Trauerspiel als bestimmter Zweck des Tugendhelden insbesondere; dort verliert sich die Freyheit in Lust, hier in Resignation; in beyden ist eine Appellation an etwas Höheres, im Trauerspiel von Seiten des sterbenden Helden, im Lustspiele von Seiten des Dichters und der Zuschauer. Die endliche und völlige Harmonie geht eigentlich bey beyden über das Sichtbare in das Unsichtbare hinaus, weil sie sich auf die Idee der höhern Freyheit und des vollkommenern Zustandes gründet, welche im Lustspiel wie im Trauerspiel im Glauben ihren Sitz hat, und nicht sichtbar vor uns erfüllt wird, indem auch der Held das Vollkommenere sterbend noch erwartet. Ohne diese Idee müßte für uns das Trauerspiel in Verzweiflung und das Lustspiel in Bangigkeit um unsern Verstand übergehen. Erhebung kommt beyden zu, doch wird sie beym Lustspiel schon mehr vorausgesetzt, beym Trauerspiel mehr sympathetisch und ausdrücklich bewirkt. Mit freyerem Geiste verlassen wir beyde, das Irdische ficht uns weniger an, wir kehren mit Lust zur Welt zurück, indem wir mit gestärktem Muth nur das ­Höhere darin verehren, und den Schein gering achten. | Aber welche sinnreiche Vergleichungen man auch weiter noch zwischen Lust- und Trauerspiel anstellen mag, so bleibt es doch mit der Erkenntniß einer Sache, die blos durch Gegenüberstellung einer andern erlangt wird, immer sehr mißlich, indem eine Sache durch

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

78

Stephan Schütze

122 | 123

Vergleichungen gewöhnlich nur einseitig beleuchtet, und nur auf den Puncten aufgeklärt wird, wohin das Gegentheil gerade seinen Schein wirft. Wenn jemand spricht: das Komische erscheint im Verhältniß zum Tragischen so und so, so kann man nichts dawider haben; wenn er aber aus seinem Satze folgert, daß er damit auch die Sache an und für sich und schon ganz und gar erkannt und ergründet habe, so muß man dagegen billig einiges Mistrauen hegen, weil ein solches Urtheil, aus einer Vergleichung hergenommen, gewöhnlich unvollständig ausfällt, und wenn es nachher außer dem Zusammenhange, für sich, betrachtet wird, leicht zu viel oder zu wenig aussagt. Wie das Lustspiel das Trauerspiel ganz ignorirt, und in seinem Fortgange thut, als ob es weder Tugend noch Laster gebe, so muß es auch für sich betrachtet und erkannt werden. Das Trauerspiel hat schon seine Gegensätze in sich und muß sie bey seiner großen Thätigkeit in sich haben, ohne sie erst vom Lustspiel erwarten zu dürfen. Dieses bewegt sich dagegen wieder in seiner eignen Proportion und in seiner eigenen Sphäre, aus welcher es höch | stens nur durch Verstärkung aller seiner thätigen Elemente, durch Verwandlung des Irrthums in Bosheit, des Uebelstandes in Unglück, des Zufalls in Schicksal, durch Aufhellung der gebundenen Idealität in das klare Bewußtseyn der Tugend u. s. w. zum Trauerspiel erhoben werden kann.

Siebentes Kapitel. Mittel der Darstellung des Lächerlichen. Der ganze Zustand des Menschen überhaupt mit dem Streben nach Freyheit und mit der halbbewußten Abhängigkeit ist von der Art, daß er uns schon unmittelbar, ohne besondere Veranlassung, eine lächerliche Seite zeigen würde, wenn die Gewohnheit, den Menschen so und nicht anders zu sehen, und unsere eigne Lebensweise, die das Zufällige und Bedingte leicht zu etwas Natürlichem und Noth­ wendigem macht, den Blick des Geistes nicht dagegen abgestumpft hätte. Könnten wir als höhere, freye Wesen auf uns herabschauen, so dürfte vielleicht nur der Anblick der Erscheinung nöthig seyn,

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

123–125

Versuch einer Theorie des Komischen

79

wie sich unsere Maschinerie in Bewegung setzt, wie wir gehen und stehen, essen und trinken, und wie wir dabey mit unsern Gedanken und Bestrebungen frey und glücklich sind, um über alles dieses eine Anwandlung zum Lachen zu empfin | den. Um dieses Lachen wirklich hervorzubringen, dazu gehört weiter nichts, als zu bewirken, daß wir uns des Lächerlichen dieses Zustandes bewußt werden. Dies geschieht entweder dadurch, daß wir uns selbst zu einem höhern Standpuncte erheben, und uns außer dem Spiele hinstellen, oder dadurch, daß wir äußerlich die Gewohnheit durch Abweichung und Veränderung unterbrechen, so, daß uns das Eigenthümliche wieder einleuchtend und fühlbar wird. Hier ist oft die geringste, die leiseste Anregung schon hinreichend. Um Naturhandlung und Menschenfreyheit im Zusammentreffen erscheinen zu lassen, darf oft nur eins von beyden um ein weniges hervorgehoben und im äußersten Fall beydes zugleich verstärkt werden. Ein plötzlich abgedrungenes Niesen*, ein plötzlich eintretendes Hinderniß im Sprechen, ein unwillkührlich veränderter Ton, schnelle Abwechselung in der Stimme, ein unabwendlich für den innern Zustand verrätherisches Husten, ein Stocken, ein Stolpern, – kurz das Geringste, worin die Naturwirkung hervortritt, so daß sie entweder die Anordnung des Willens nicht abwartet, oder mächtiger über | sie hinaus geht, kann uns unverhoft an den halb gebundenen Zustand als Gegenspiel gegen die Freyheit erinnern, und uns in Lachen versetzen. Es ist, als wollte die Natur plötzlich mitsprechen, mithandeln, und ihren Eigenwillen zeigen, und als sey der Mensch bemüht, sie nicht durchschauen zu lassen. Alles Ungewöhnliche hebt oder rückt den Schleier ein wenig, so daß eine Blöße zum Vorschein kommt: es kann dieses das Plötzliche, das Langsamere oder Schnellere, das Spätere oder Frühere, jede Veränderung, jede Abstufung, jeder Reiz und jede Bestimmung thun. – Daher hat alles auf dem Theater eine komische *  Das Niesen wird komisch, wenn die Natur wider den Willen des Menschen dadurch mithandelnd erscheint (nach der Definition), z. B. durch das Plötzliche bey dem wichtigsten Wort der Rede, durch einen besondern Ton, und durch unablässige Wiederkehr in einer großen Versammlung.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

80

Stephan Schütze

125–127

Wirkung, was den Menschen zur Sache zu machen scheint, und die Ahnung von einem Mechanismus giebt. Dahin gehören nicht nur tausend Angewöhnungen in Worten und Reden, in Vorschlagssylben, in der Tonweise, in gewissen Mienen, Bewegungen, Stellungen u. s. w., sondern auch mancherley Wiederholungen, durch welche die Natur wie instinctartig fortwirkt. Es ist z. B. äußerst komisch, wenn ein Betrunkener, der den andern zum Fenster hinaussteigen sieht, seinem Cameraden durchaus durch das Fenster folgen will, und gar nicht davon abzubringen ist. Diese wiederkehrende Naturwirkung, die den Menschen halb zur Sache macht, ist auch sichtbar, wenn Personen hinausgehen wollen, und immer wieder kommen, wobey nicht | blos unsere getäuschte Erwartung, sondern die Sache selbst das Lächerliche enthält. Wir bemerken hier fühlbar das Unwillkührliche, das einen gefaßten Entschluß immer wieder unterbricht und nicht zur Ausführung kommen läßt. (Der Scherz damit ist aber noch davon zu unterscheiden.)* Einen ähnlichen Eindruck macht es, wenn viele Personen schnell einer nach dem andern abgehen, wobey die Menschen ebenfalls, (wenn es nicht spielend geschieht) Maschinen zu werden scheinen, vergleichbar einem vielzahnigen Mühlrade, das von Wind oder Wasser getrieben wird. Leicht komisch wird so auch das Kommen vieler Personen, die, blos, um eine Reihe zu bilden, hinter einander gehen**. Daher ist es mit Processionen, die nur ernsthaft wirken sollen, eine mißliche Sache. Ueberhaupt bekommt alles Erscheinen von Personen auf dem Theater, wenn sie nur als Masse dienen müssen, leicht etwas Komisches; z. B. ein Chor von Unbekannten, die nur zu gaffen oder nur ein einziges Wort zu sagen haben, Soldaten, die wie be | wegte Statüen aufmarschiren, Musicanten, die einem Zuge wie Goldpapier angesetzt sind, Freunde und Nachbarn, die nur ein freundliches Gesicht machen, Beysitzer  *  Er reflectirt nämlich diesen Zustand, zeigt ihn gleichsam in einem ­Spiegel. **  Das Auftreten und Vorübergehen sehr verschiedener großer und kleiner, dicker und dünner Personen wirkt schon ohne Weiteres komisch, weil uns dabey unmittelbar vorschwebt, wie die Natur mit den Gestalten oder den Gestaltungen der Menschen ihr Spiel treibt.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

127 | 128

Versuch einer Theorie des Komischen

81

eines Gerichts, die kaum ein stummes Ja nicken, Bediente, die wie ein Schwarm Kraniche dem Willen eines andern nachziehen, eine Gesellschaft von Trinkern, wovon zehne nur mit den Gläsern manövriren, eine Sitzung von Bauern, die sich alle rasiren lassen, und dergleichen. Und lange noch nicht genug hat das Theater von dieser Art des Komischen Gebrauch gemacht, weil dies bisher mehr unbewußt als bewußt geschah. Wenn man diesen Gedanken, wo die Person scheinbar zur Sache wird, weiter verfolgt, kann man noch eine Menge komischer Fälle und Mittel auffinden, so wie überhaupt die Hervorbringung und Darstellung des Komischen sehr erleichtert und erweitert werden muß, wenn man mit der Idee darüber im Klaren ist.* – Um einen Gegenstand zur freyen Ansicht zu bringen, so daß er nicht mehr als Gewohnheit wirkt, dient auch (statt der subjectiven Erhebung) die objective Entfernung und veränderte Propor­ tion. Schon, indem etwas abgesondert aufs Theater hingestellt wird, macht es mehr Eindruck auf die freyere Beschauung als sonst. | In der Hinstellung liegt schon eine Trennung und Scheidung aus der Wirklichkeit, eine Preisgebung, eine Verallgemeinerung, der Anfang eines Spiels und einer Persiflirung der handelnden Menschheit. Das Erscheinen auf dem Theater reizt unmittelbar schon zum Lachen, und alles Schauspielwesen hat daher auch mit dem Komischen seinen Anfang genommen.74 – Diese Absonderung im Bilde nimmt zu, wenn z. B. der Sprechende aus einem Fenster schaut, oder gar zwey aus den Fenstern mit einander reden, weil dadurch schon ein größeres Verhältniß von Häuser bewohnenden Menschen in die Phantasie kommt. Wegen der größern Wirkung der künstlerischen Entfernung schreitet man auch lieber zur Verkleinerung der Personen, als zur Vergrößerung, wovon camera obscura, laterna magica,75 Schattenspiel und Puppenspiel sprechende Beyspiele sind**. Auch in den  *  So könnte vielleicht im Lustspiele so gut ein Chor statt finden, als im griechischen Trauerspiele, aber er würde grade von entgegengesetzter Art seyn. **  Eine ähnliche Wirkung entsteht, wenn man von einem hohen Thurm auf einen gewühlvollen Markt niederschaut, wo die rührigen Menschen wie Gewürm erscheinen.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

82

Stephan Schütze

128–130

Zauberopern kommen mehr Zwerge als Riesen vor, und ein großes oder gleichartiges Wesen wird nicht sobald lächerlich, als ein kleines, das in seine Entfernung von uns nicht leicht unsere Sympathie fesselnd hinüberzieht, sondern unsere Vorstellung frey läßt, und diese mit dem Bilde einer handelnden Kreatur überhaupt beschäftigt. – | Fragen wir weiter nach den einzelnen und besondern Mitteln der Darstellung, so sind diese theils objectiv, theils subjectiv, ersteres, in so fern sie als körperliche Erscheinung, und letzteres, in so fern sie als eine Vorstellung des Dichters wirken. Weil aber derselbe beydes anordnet, so mischt sich seine Vorstellung auch in die Erscheinung, und beydes ist nicht genau zu trennen. Das Objective nun kann entweder mittelbar oder unmittelbar erscheinen. Unmittelbar erscheint es durch die sichtbare Gestalt und Handlung selbst, und mittelbar durch Zeichen, durch Worte, welche eine sinnliche Vorstellung erwecken. In beyden herrschen gleiche Gesetze, die aber in den Worten mehr zur Ausübung kommen, weil alles doch eine Vorstellung geben soll, und die Worte sie am besten vermitteln. – Sichtliche Darstellungen in Statüen, in Bildwerk und Gemählden haben auch ihr komisches Gebiet, aber sie wirken in der Einzelnheit leicht zu sinnlich (nicht geistig genug), und in der Zusammensetzung nicht sinnlich genug, weil die Phantasie durch längere Betrachtung, (durch Erwägung des Vorhergehenden) sich erst in den komischen Moment versetzen muß, und durch diese größere Thätigkeit leicht das Unwillkührliche des lächerlichen Eindrucks verloren geht.* – Ballette, die zur Gestalt auch in | der Zeit die Bewegung hinzufügen, und wirkliche Handlungen nach Anfang und Ende darstellen, können das Komische und das Lachen schon frischer und kräftiger hervorbringen. – Eine Handlung mit Worten aber wirkt durch innere und äußere Vorstellung zugleich, und nicht blos das Gegenwärtige, sondern auch das Abwesende, das gedacht und berichtet wird, beschäftigt die *  Das Komische kann hier bey einer großen Zusammensetzung nicht so schnell und plötzlich (mit einer Pointe) wirken, weil entweder der Blick nicht gleich alles umfaßt oder der Sinn des Ganzen nicht gleich deutlich hervorspringt.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

130 | 131

Versuch einer Theorie des Komischen

83

Phantasie. Entweder kann nun eine Person, eine Gestalt, eine Bewegung schon unmittelbar ihre komische Wirkung thun, oder unmittelbar und mittelbar zugleich, indem noch die Worte dazu kommen, und das Aeußere dadurch seine Auslegung, so wie der Wortausdruck durch das Aeußere wieder seine Versinnlichung erhält. Doch muß auch das Sinnlichste auf etwas, das ihm zum Grunde liegt, zurückgehen, und eine Vorstellung geben, sonst kann es nicht komisch seyn. Es ist nur eine Täuschung, wenn wir über eine bloße Gestalt zu ­lachen glauben; in der Gestalt liegt irgend ein Ausdruck von ­etwas Innerm, oder wir selbst bringen sie in eine Beziehung und verknüpfen ihren Anblick mit einer Idee.*– | Auch können die Worte allein, ohne sich mit Gestalt und Bewegung zu verbinden, Lachen hervorbringen, indem sie nur einen komischen Gedanken, der von der Gegen­wart unabhängig ist, als eine gewählte Vorstellung mittheilen. Da das Komische als eine Verspottung der menschlichen Freyheit auf die Abhängigkeit des Menschen geht, und diese zwischen Freyheit und Natur erscheint, so ist es natürlich, daß der Kontrast ein Hauptmittel der komischen Darstellung seyn muß, indem er durch die Zusammenstellung des freyen Willens mit der entgegenstehenden Bedingung den beschränkten Zustand desselben unmittelbar an das Licht stellt. Wie die Natur als der eigentlich einwirkende Gegensatz bald als ein scheinbarer Zufall, bald aber und hauptsächlich als etwas Körperliches sich zeigt, so steht auch Körper und Geist, planmäßiges Handeln und äußere Vereitelung am liebsten im Kontrast einander gegenüber. Dieser wird um so auffallender, je geistiger in der Zusammenstellung das Eine und je sinnlicher das Andere ist. Daher strebt der Ausdruck im Komischen nach dem Kleinsten und Speciellsten, und vermeidet das Allgemeine, welches dagegen am liebsten im Erhabenen gebraucht wird, weil dieses sich der sinn­ lichen Bedürfnisse schämt. | *  Die Vorstellung geht freylich um so eher auf die spielende Natur zurück, wenn der Mensch an dem Ausdruck der Gestalt, der in seinem Namen etwas zu sagen scheint, unschuldig ist; doch wirkt hier die Natur leicht mit einem Uebergewichte, und erregt oft Mitleiden.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

84

Stephan Schütze

132 | 133

Indem die erhabene Vorstellung gern in das Materielle noch e­ inen activen Antheil legt, und z. B. von einer Beschirmung und Bedeckung des Hauptes spricht, nennt der Komiker geradezu die Sache, von der der Mensch abhängt, und setzt dafür nicht nur den Hut und die Mütze, sondern wohl gar den Filzhut, den Filz, die Strumpfmütze, die Nachtmütze, und, damit der hohe Geist dadurch recht sehr beschämt werde, fragt er z. B. nach dem Befinden des Verstan­ des unter der Schlafmütze, wo gleich mehr als ein Bedürfniß sich an die Freyheit hängt. Durch diese Zusammenstellung drückt er unmittelbar den Spott aus: was ist das für eine Freyheit, was ist das für ein Geist, der zu seiner Existenz und Wirksamkeit des Schlafes und einer Schlafmütze bedarf! Diejenigen, welche das Komische selbst durch Kontrast definiren, und ihn nicht blos für das Mittel, sondern für die Sache selbst halten, müssen, da doch die Form nie das Wesen giebt, eine Menge Kon­ traste nennen, um das Gebiet des Komischen damit nur einigermaßen auszumessen.76 Sie sprechen von einem Kontrast der Dinge und ihrer Beschaffenheiten, der äußerlichen Verhältnisse, der ähnlichen und unähnlichen Sachen, der Ursach und Wirkung, der Mittel und Zwecke, der Ausdrücke und Gedanken, der heterogenen Wissenschaften, der Charaktere und Handlungen, der Gesinnungen, der | Zeiten, der Gebräuche, des Großen und Kleinen, des Ehrwürdigen und Unehrwürdigen, der Stellung und Absicht, u. s. w.77 Da aber die Berührungen des Geistes und Körpers auf allen Seiten sichtbar werden, so ist es nicht zu verwundern, wenn sie mit den einzelnen Fällen gar nicht zu Ende kommen. Weil sie die Hervorbringung des Kontrastes der Willkühr überlassen, so gehen auf eine spielende Weise (zwischen Kittel und Purpur, Feuer und Wasser, Frost und Hitze, Tugend und Laster, Wurm und Seraph) so mancherley Kontraste von so verschiedener Wirkung hervor, daß damit für das Komische noch gar keine Sicherheit gewonnen ist. Deshalb sollte man doch wenigstens, wenn man mit dem Kontraste das Komische bezeichnen wollte, für eine nähere, allgemeinere Bestimmung desselben sorgen, und man könnte in Hofnung, daß sich alles Komische unter Kon­ trast bringen ließe, z. B. sagen: das Komische ist ein Kontrast, der aus

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

133–135

Versuch einer Theorie des Komischen

85

dem Zusammentreffen oder aus dem Widerspiele des Willkührlichen und Unwillkührlichen entsteht. Damit wäre doch auch zugleich der Sinn und die Beziehung des Kontrastes angegeben, und man wüßte, wohin derselbe gerichtet wäre, und daß z. B. der große Abstand blos sinnlicher Dinge (wie Felsen und Thal) für das Komische noch nichts wirke, so lange noch die Beziehung auf den menschlichen Willen nicht hinzukäme. Mit | dem Begriffe des Willkührlichen und Unwillkührlichen würde man auf den Begriff der Freyheit, der Beschränkung, der Natur, und eines von innen und außen her handelnden Princips und der Möglichkeit eines höhern Seyns gelangen, wo der Kontrast sein Positives in dem Ideal eines vollkommenen Zustandes fände. Da wir unmittelbar schon von diesen Begriffen, dem Sinn und Wesen des Komischen, ausgegangen sind, so können wir von der Bedeutung des Kontrastes nur Gebrauch machen, in so fern er als ein Mittel das Komische hervorbringt. Und hierbey gehört zunächst zu seiner Wirksamkeit als Bedingung, daß er in keinem Widerspruch, in keiner Ausschließung, sondern in einer Beziehung des Verschiedenen auf einen gemeinsamen Punct, also zugleich in einer Vereinigung bestehen müsse. Der gemeinsame Punct ist der Mensch, und die Verschiedenheiten, die in ihm zusammentreffen, sind Natur und freyer Wille. Der Kontrast muß also, wenn er wahrhaft komisch seyn soll, eine Beziehung auf beyde Gegensätze enthalten. Und das nicht genug, sondern er muß auch zugleich eine Beziehung auf das haben, was über den beyden Gegensätzen als die letzte Vermittelung schwebt, auf die positive Freyheit und den vollkommeneren Zustand. Dieser letztere nun wird häufig auf einer niedern Basis blos repräsentirt, und wirkt relativ. Das Relative gilt vor der Hand für das Rechte. Weil aber in | der Annahme desselben schon ein menschlicher Behelf liegt, so kann es jederzeit wieder als lächerlich über den Haufen geworfen werden, ja es ist möglich, daß es an und für sich schon einen Irrthum enthalte, und so, auf falsche Vorstellungen der Menschen begründet, nur ein falsches Maaß für die Abweichung gebe. Dergleichen findet sich häufig in solchen Lustspielen, die ohne den klaren Sinn für das Komische, also ohne Poesie, ohne Sinn für die Natur, mit den Kontrasten nur ein eiteles Spiel treiben und ohne

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

86

Stephan Schütze

135–137

Herzensreinheit die natürlichen Beziehungen verwirren. Da gilt oft die Verdorbenheit mit dem Anstrich von feinen Sitten für die Regel, wogegen das Unschuldige und Natürliche verspottet wird. Auf diese Weise geht entweder die poetische Ansicht der Welt (wie auch häufig in andern Poesien) gänzlich verloren, und der Mensch von natürli­ chem Gefühl empfindet, wie bey einer künstlich verdorbenen Speise, einen Ekel dabey, oder das Komische kommt bey seiner sehr entfernten Beziehung auf die Natur, (z. B. bey Sitten und Gebräuchen) in einem sehr schwachen und gebrochenen Lichte zum Vorschein, so daß allmählige Steigerungen zum Poetischen und verschiedene Grade des Komischen entstehen. Es geht hier, wie mit der Poesie überhaupt, die das Wesen der Dinge bald flach, bald tiefer auffaßt, und deren höhere Beziehungen oft nur in ihrem Anfange überschaut werden. | Alles dieses aber, was die Sache trübt, oder verfälscht, kann nur als Ausnahme und nicht als Regel, am wenigsten zur Begründung des Komischen selbst dienen. Mit blos willkührlichen Zusammenstellungen von Kontrasten wandeln wir in einer Finsterniß; der Dichter muß sich der Beziehung derselben auf Willen und Natur und auf höhere Freyheit bewußt werden, wenn seine Darstellung für ächt komisch und poetisch gelten soll. – Unter den aufgestellten Beyspielen von Charakteren, die einen Kontrast enthalten sollen, steht bey Heidenreich auch ein prachtliebender Geizhals, ein aufschneidender Greis, und ein süßer Herr von Geistlichen.78 Diese möchten aber schwerlich an und für sich schon Lachen erwecken, weil ihre Kon­ traste sich entweder vernichten oder gegen einander nichts Entsprechendes haben oder sich nicht auf die Natur zurück beziehen. Der prächtig gekleidete Geizhals hebt sich von selbst auf, wenn wir ihn mit seiner Neigung nicht erst gegen die Pracht als etwas Abgefordertes kämpfen sehen. Der Greis hat mit dem Aufschneiden nichts gemein; soll die Aufschneiderey lächerlich werden, so muß sie nicht die Kraftlosigkeit des Alters (ein zu starkes Gegengewicht von Seiten der Natur), sondern Kleinheitssinn, oder für den aufwallenden Muth eigentliche Feigheit zum Gegensatze haben. Mit dem süßen Herrn von Geistlichen möchte es auf dem Theater auch schwerlich gelingen, denn sein | Betragen würde uns für seine Würde entweder

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

137 | 138

Versuch einer Theorie des Komischen

87

blos unanständig scheinen; oder wir würden bey langer Fortsetzung der süßen Galanterie bald den Geistlichen darüber vergessen. Und auch so können die Gegensätze keine rechte Wirkung thun, weil uns noch die Beziehung derselben auf eine Art von Nothwendigkeit im Widerspiele mit der Willkühr fehlt. Wenn der Geistliche sein ­süßes Wesen durchaus nicht lassen kann, würden wir sagen, warum ist er ein Geistlicher geworden? Wir würden ihn mehr tadeln als belachen. Aber nun wollen wir dem Geistlichseyn eine halbe Noth­ wendig­keit und eine halbe Willkühr unterlegen, und gleich werden wir ihn in einem lustigen Kampfe mit beyden sehen, z. B. wenn er einer frommen Mutter zu Liebe (halber Antrieb, halbe Wahl) ein Geistlicher geworden ist, und er nun trotz seiner besten Vorsätze in Gegenwart seiner Mutter seine Neigung zur Galanterie bey dem Auftritte schöner Frauenzimmer nicht unterdrücken kann, immer wieder seine verliebten Süßigkeiten vorbringt, während die Mutter ihm zur Seite steht, und ihn ums Himmels willen bittet, doch nicht seinen Stand zu vergessen, so entspinnt sich ein Kampf zwischen seiner Liebhaberey, und der Liebe zu seiner Mutter, wobey Wille und Natur (das Willkührliche und Unwillkührliche) gleiche Macht gegen ihn ausüben. Derselbe Kampf würde eintreten, wenn er aus Eitelkeit, um sich als Redner sehen zu | lassen, gegen die Warnungen seines Oheims den geistlichen Stand erwählt hätte, und der Onkel bey einem solchen Auftritte in die Worte ausbräche: da haben wir’s; hab’ ich’s nicht gesagt; Neffe, bedenkst du denn gar nicht? Und wollen wir das Komische noch weiter treiben, oder demselben einen Schluß geben, so läßt er sich nach langem Kampfe endlich von der stärkern Neigung besiegen und wirft im Angesichte der Frauenzimmer ohne Umstände die geistliche Perücke von sich, wo denn gewiß das Lachen allgemein seyn wird. – So müssen immer Freyheit und Natur in Berührung kommen, und die Kontraste sich mit beyden vermählen, oder auf sie eine Beziehung haben, wenn eine komische Wirkung mit einem Blick ins menschliche Herz (mit einem poetischen Hintergrunde) entstehen soll. – Das Komische erfordert ferner in den Kontrasten immer ein gewisses Gleichgewicht, so daß Wille und Natur sich nicht einander

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

88

Stephan Schütze

138–140

Trotz bieten. So kann ein alter verliebter Geck leicht Ekel erwecken, wenn er sich gegen die Natur zu viel anmaaßt, und auf dem Wege ist, unnatürlich zu werden. Seine Thorheit muß noch einigen Grund haben, und die Natur muß mit der Vereitelung gegenüber treten, z. B. wenn er bey noch ziemlicher Rührigkeit mit einem jungen Menschen um die Wette läuft, und den Athem oder beym Anstoß das Gleichgewicht verliert. | Ohne diese Unterstützung und Gegenhandlung zugleich wird sein verliebtes Wesen, sein Schmunzeln, sein Liebkosen, sein Drehen und Wenden leicht unsere Geduld ermüden, und unser Interesse zurückschrecken. – Da der Kontrast auf Vereini­ gung abstechender Dinge geht, so wird auch der Reim im Ausdruck ein dienendes Mittel zur Darstellung des Komischen*. – Außer dem Kontraste, der objectiv das beste Mittel ist, das Komische erscheinen zu lassen, giebt es noch subjectiv, von Seiten des Dichters, mancherley Mittel oder Darstellungsweisen, das Komische zur Wirkung zu bringen, worin sich Ansicht, Stimmung und Ausdruck vereinigen. Zuerst kommt die Naivetät79 in Betrachtung, worin entweder der Dichter sich äußert oder seine Personen sich äußern läßt. Sie ist eine einfache unbefangene Aeußerung unschuldiger, in Absicht des Verstandes noch halb befangener Gemüther, die halb unbewußt etwas Treffendes sagen, das sich unmittelbar aus einem dunkeln Gefühl über einen Gegenstand entwickelt. Das Gesagte ist nicht erst überlegt oder überdacht, so daß der volle Wille mit einem Ueberblick ähn | licher Fälle es als Auswahl hervorbrächte, sondern es geht hervor wie ein entstehender Klang, worin die Natur selbst zu sprechen scheint. Dieser plötzlich aus dem Dunkel hervorbrechende einzelne Lichtstrahl ist vorzüglich Personen verliehen, die sich noch ganz ihren Gefühlen überlassen, und deren Verstand gewissermaaßen noch im Gefühl wohnt. In dieser Empfänglichkeit und in dieser ruhigen *  S. meinen Versuch einer Theorie des Reims, wornach derselbe in der Vereinigung zwey verschiedener Dinge unter gleichen Klang besteht. Wie der Reim komisch wirken könne, wird hier erst durch den Begriff der Vereinigung beym Kontraste klar.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

140 | 141

Versuch einer Theorie des Komischen

89

Hingebung an den Gegenstand bemerkt der zurückgezogene Verstand eher das Resultirende einer Lage, als er es mit größerer Freyheit und Thätigkeit, durch vielerley Rücksichten zerstreut, sonst zu bemerken im Stande ist. Daher die Dummen, die Einfältigen oft die richtigsten Urtheile fällen. Es ist aber überhaupt zu bemerken, daß die Einfalt einen noch unentwickelten Gegenstand zwar langsam faßt und begreift, aber einen entwickelten, offen da liegenden keinesweges unrichtig beurtheilt, weil bey ihr das Gefühl spricht, und im Gefühl Wahrheit ist. Der Irrthum geht erst durch falsche Schlüsse, durch falsche Würdigung, durch Verwechselung des Geringern und Wichtigern hervor. In so fern nun die Naivetät eines Andern ein halb unbewußtes Urtheil des Gefühls ist, das unser eigenes noch dunkel empfundenes Urtheil plötzlich und mit einem treffenden Ausdrucke, wornach wir noch auf halbem Wege suchen, überraschend ausspricht, bringt sie auf uns eine | komische Wirkung hervor, und hat auch in der That etwas Komisches an sich, weil das Willkührliche und Unwillkührliche darin sich mischt, und wir den freyen Verstand von der Natur übermeistert, übertroffen und gleichsam beschämt sehen. Was wir erst kämpfend und durch einen Zwiesprach in uns hätten hervorbringen müssen, davon giebt die Natur mit stärkerer Kraft gleich das Resultat wie eine Frucht, die ihr von selbst zufällt. Es finden sich Menschen, die diesen kindlichen Zustand, alles rein aufzufassen, und den Eindruck als ein Urtheil aus dem Gefühl wieder zu geben, Zeitlebens bewahrt haben, und deren friedliches Gemüth ganz zu dieser Denkweise paßt. Solche Menschen müssen dem Dichter zum Komischen sehr willkommen seyn, weil sie bald freywillig handelnd, bald zur Natur sich bekennend alle Augen­ blicke komisch werden, ohne es zu wollen*. Was aber hier herrschende Weise ist, das wird bey andern öfters durch Lagen und Um*  Die Naivetät als Ausdruck ist ein Bekenntniß zur Natur da, wo der ernste Verstandesmensch die Einwirkung derselben gern leugnet und verbirgt.  – Ist diese Einwirkung stark verletzend, so kann die Naivetät auch Zorn, Unwillen, oder auch Wehmuth und Rührung hervorbringen.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

90

Stephan Schütze

141–143

stände bewirkt. Wenn der Mensch lange den neckenden Hindernissen entgegengestritten hat, kommt plötzlich ein Moment, wo er | sich nicht enthalten kann, seine Herzensmeynung zu sagen, oder das Seltsame, das Mißliche seiner Lage, wie von der Natur abgedrungen, einfach und klar auszusprechen. Das Einzelne, Vorhergehende vereiniget sich dann in wenigen Worten zu einem Hauptschlage, und bringt das fröhlichste, lauteste Lachen hervor*. Da die Wirkung des Lachens momentweise geschieht, so bedarf der Dichter solcher Concentrirpuncte, um die Empfindung des Lächerlichen mit Uebermacht in ein völliges Lachen zu verwandeln. Wie der Dichter in den Handlungen und Charakteren immer die Natur durch den Willen des Menschen hindurch treten läßt, so muß es auch in den Reden und Aeußerungen geschehen, und dieselbe zuweilen unmittelbar zur Sprache kommen. Deshalb wird der komische Dichter bey aller Mannichfaltigkeit der individuellen Gestalten doch immer auf Naivetät hinarbeiten, so daß diese durch das Ganze ihre Grundzüge verbreitet. Nach der komischen Darstellung selbst ist die naive Reflexion oder der subjective Reflex des Komischen gar nicht zu verwerfen, sondern vielmehr als eine Heimführung und Hindeutung auf die Sache oft sehr nöthig und ersprießlich, wenn anders sie eine gehörige Grundlage hat, und nicht mehr sagt, als wirklich ist. Als | Deutung, als Concentrirung, als eine plötzliche Entwickelung des dunkeln Gefühls, als eine unmittelbare Wirkung der Natur dient also die Naivetät nicht nur zur Hervorbringung, sondern auch zur Erhebung und Verstärkung des Komischen. Sie wirkt treffend und doch überraschend, weil sie mit dem Verborgnen des Gefühls unserm Urtheil voreilt und durch die deutlichere Aussage uns zu gleichem Bekenntniß zwingt. Indem sie nicht befremdet, sondern etwas Natürliches sagt, muß sie gleichwohl etwas hervorbringen, das nicht jeder gleich bemerkte, obgleich bemerken konnte. Und eignen wir uns auch das Urtheil nicht selbst an, so muß es doch von der Art *  Das Plötzliche, Einfache und Bündige einer solchen Aeußerung stellt besonders das beym Handeln eintretende Durchwirken der mithandelnden Natur dar.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

143–145

Versuch einer Theorie des Komischen

91

seyn, daß wir es in dem Charakter des andern natürlich finden. So ist es eine sehr naive Aeußerung, die wir dem Charakter als wahr zugestehen müssen, und zu der wir auch noch viele Theilnehmer voraussetzen können, sollten diese auch eine gleiche Empfindung, weniger naiv, verschweigen, wenn Fallstaff in der Schlacht recht aus der Tiefe seines Herzens den Wunsch zum Vorschein bringt, daß er statt in die Schlacht lieber zu Bette gehn möchte.80 In so fern die Naivetät für eine Sprache der Natur gilt, deren volle Bedeutung der Sprechende selbst nicht einsieht, kann man ihr den Witz und den Scharfsinn81 entgegensetzen, die bewußter­ weise Verstand und Klugheit zeigen. Naivetät ist ein unmittelbarer, unwill | kührlicher Scharfsinn des Gefühls, dessen Ausspruch keinesweges dem Zufall gehört (wie wenn z. B. ein Kind etwas sagt, worin nur zufällig ein vielbedeutender Sinn oder ein Doppelsinn liegt), sondern der von der wirklichen Bemerkung einer Wahrheit, obgleich ohne dessen volle Würdigung, herrührt, wobey aber die Klügern der Einfalt mit Recht die Absicht absprechen, daß sie etwas Witziges habe sagen wollen. Was die Einfalt im Dunkeln findet, das sucht der Witz im Hellen und bringt es hervor mit der Selbstschätzung seines Products. Er geht auf etwas, das nicht jedermann schon bemerkte, aber doch hätte bemerken können, nämlich auf entfernte Aehnlichkeiten und auf entfernte Verschiedenheiten. Von Seiten des Subjects ist es ein Spiel des Verstandes, der sich daran ergötzt, verschiedene Dinge unter einerley Beziehung zu bringen; von Seiten des Objects giebt er zu erkennen, oder macht es auf eine täuschende Art wahrscheinlich, daß die Natur selbst ein so witziges Spiel getrieben, indem sie Dinge mit getrennten Aehnlichkeiten hingestellt habe, und noch täglich dafür sorge, daß sie zu den sinnvollsten Berührungen zusammentreffen. Eben so macht es der Witz auch mit der Sprache, in dem er spielend mit der Bedeutung und Aehnlichkeit der Worte Wahrheiten wie versteckte Schätze der Weisheit hervorgehen läßt, und uns die Empfindung giebt, als ob die Sprache selbst | oder ein Genius darin schon dieses Spiel getrieben habe. Dies ist die poetische Natur des Witzes, der deshalb auch mit der Poesie überhaupt, und besonders mit dem Komischen in naher Berührung

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

92

Stephan Schütze

145 | 146

steht. Sobald die Dichtkunst sich nicht ganz den Gegenständen und der Empfindung hingiebt, sondern sich mit eigner Kraft darüber erhebt, bedarf sie des Witzes, und gelangt von selbst dazu. Nach der Grundlage der Empfindung und nach Beschaffenheit der Erhebung ist auch der Witz verschieden, und der findet sich daher sowohl im Erhabenen, im Leidenschaftlichen, im Sinnreichlyrischen, als im Komischen. Und je nachdem sich die Phantasie oder der Verstand über die Gegenstände herrschend und bildend beweist, entsteht ein Witz von verschiedener Art und verschiedener Schattirung. Ist der Verstand nur der Phantasie dienend, so wird diese jenen auch auf solche Aehnlichkeiten leiten, die das Wesen der Dinge selbst betreffen, und vielbedeutende Eigenschaften der Natur offenbaren. Ueberläßt der Verstand sich aber blos seinem willkührlichen Spiel, und führt Aehn­lich­keiten zusammen, die nur in etwas Zufälligem, in etwas Außerwesentlichem vorhanden sind, so wird auch der Witz, der daraus entsteht, nur einen formellen, subjectiven, und keinen objectiven reellen Werth haben. Und ist der Witz auch reell, d. h. in der Sache gegründet, so kann er doch auch so öfters nur sehr ober | flächlich und prosaisch ausfallen. Kurz, mit dem Witz geht es hier, wie vorher mit dem Kontrast; als bloße Form, die so und so angewandt werden kann, läßt er den Inhalt und folglich auch seinen Werth und seine Bedeutung unbestimmt. Da der Witz in einer Beziehung besteht, so fragt sich immer, welche Dinge füglich zusammengebracht und worauf sie bezogen werden, und alles kommt zuletzt auf den Vergleichungspunct oder auf die Idee an, wegen welcher sie in der Vorstellung verknüpft werden. Das Geringste freylich kann schon zum wichtigsten Witze dienen, wenn darin das Große wahrgenommen wird. Ueberdies sind manche Witzäußerungen nur erklärender Art, und machen blos einen Begriff deutlich; andere sind dagegen an sich sinnvoll und verrathen einen tiefen Blick in die Natur. Und nur diese, – so viel aufsteigende Grade sie auch wieder haben mögen, nach Maasgabe des Gedankens – sind die eigentlich poetischen. Da das Komische seiner zwiefachen Natur nach ebenfalls in Beziehungen besteht, so ist nichts natürlicher, als daß der Witz, gleich

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

146–148

Versuch einer Theorie des Komischen

93

dem Kontraste, ihm sehr dienlich seyn müsse. Schon indem etwas Geistiges einer körperlichen Sache durch eine Aehnlichkeit gleich gestellt wird, geschieht eine Verspottung desselben und eine Aufforderung an die Zuschauer, die Freyheit des Geistes zu belachen. Am meisten aber wirkt er | komisch, wenn er mehr thätig das Spiel der Natur mit dem Menschen in den sinnlichen Vergleichungen hervortreten läßt, das Eigenthümliche und Wirksamste jeder Sache zur Anschauung bringt, und in dem anscheinend Todten einen Willen und eine verborgene Handlung offenbart. Da der Witz eben so verschieden ist, als der Inhalt desselben, die verknüpfende Vorstellung, das Ziel der Vergleichung seyn kann, so scheint es vergeblich, alle Arten auffinden und deren Werth vollständig prüfen zu wollen. Geringfügig bleiben immer die, die für die Ansicht der Welt kein Resultat geben, und sich mit der Einzelnheit wieder in das Historische verlieren. Nichts sagend sind die, die blos zur Deutlichkeit oder zur Erklärung dienen, ferner die, welche gar keinen wahrhaften Vergleichungspunct darbieten, wie die Verknüpfung von einer guten Lunge und einem guten Herzen oder ­einer guten Handlung und einem guten Gedicht. Zur Gültigkeit ­einer Vergleichung müssen auch die Dinge in eine Klasse gehören, oder dahin gebracht werden können, sonst ist der Witz erschlichen und ohne Wahrheit. Endlich ist auch die Art des Witzes von geringem Werth, der in der Sphäre der Sinnlichkeit stehen bleibt, und dessen verknüpfende Vorstellung unter sinnlichen Dingen nur wieder von sinnlicher Beschaffenheit ist, wie gewöhnlich die Gattung der schlüpfrigen Zweydeutigkeiten, die deshalb nicht weniger leicht | zu erfinden als zu verstehen sind. Der Werth des Witzes beruht nicht blos auf dem Passen und Zutreffen, sondern hauptsächlich auf der Vorstellung, mit welcher der Geist die Dinge betrachtet und auf ein­ander bezieht. Daß die Dinge so verschiedene Ansichten zulassen, und man etwas so und so verstehen kann, je nachdem man es so oder anders nimmt oder auslegt, darin liegt schon an und für sich eine Verspottung der menschlichen Freyheit, die sich gern auf Erkenntniß verlassen möchte, und diese Art des Witzspiels, wie sie häufig bey Shakespeare vorkommt, bewegt sich deshalb schon,

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

94

Stephan Schütze

148–150

subjectiv betrachtet, in einem komischen Elemente. Objectiv hat sie das Unsichre, das Schwanken der Dinge zum Wahrheitsgrunde. Vorzüglich aber eröfnet sich der Witz ein weites Feld, wenn er auf den Zusammenhang zwischen der Sinnen- und Geisteswelt geradezu sein Augenmerk richtet. Der Mensch ist genöthigt, das Körperliche geistig und als etwas Menschliches zu betrachten, das Geistige selbst muß er wieder körperlich und sinnlich bezeichnen, und, mit seiner Freyheit zwischen Körper und Geist gestellt, verspürt er beständig den Einfluß des Einen auf das Andere. Alle diese drey Puncte werden ein Gegenstand oder Standpunct für den komischen Witz, weil alle dreye auf die Abhängigkeit und Bedürftigkeit des Geistes hinausgehen. Im ersten Fall tritt das Komische mehr indirect, durch eine Gleichstellung | der Dinge mit dem Menschen hervor, die sonst dem Erhabenen günstig ist. Im zweyten Falle hilft die Sprache witzig seyn, weil sie mit derselben Bezeichnung des Geistigen und Sinnlichen jenes diesem gleich setzt, und dadurch dessen höhere Natur beschämt oder ins Lächerliche zieht. Dieses Lächerliche geht im dritten Fall selbst aus der Wirklichkeit hervor, indem das Geringste in der Sinnenwelt mit dem Höchsten des Geistes in Berührung steht, und gerade so vom komischen Witze dargestellt wird. Der höchste Spott über die menschliche Freyheit sucht das Geistige ganz in das Sinnliche herabzuziehen, und darauf zurück zu bringen. Deshalb läßt Shakespeare den ganz sinnlichen Fallstaff vor der Schlacht also raisonniren: »Ehre beseelt mich vorzudringen: Wenn aber Ehre mich beym Vordringen entseelt? wie dann? Kann Ehre ein Bein ansetzen? Nein. Oder einen Arm? Nein. Oder den Schmerz einer Wunde stillen? Nein. Ehre versteht sich also nicht auf die Chirurgie? Nein. Was ist Ehre? Ein Wort. Was steckt in dem Worte Ehre? Was ist diese Ehre? Luft!«82 Daß der Witz sich eben so gut zu einer Weltbetrachtung erheben als in die bloße gesellschaftliche Reflexion sich verlieren könne, darf uns nicht wundern, weil er als eine bloße Form nur dienend ist, und bald dem prosaischen Verstande in die bürgerlichen Verhältnisse, bald der Phantasie zu höhern Beziehungen folgt. Eben | so verschiedenen Werth hat auch der Wortwitz und das Wortspiel, bey denen es immer auf das Resul-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

150 | 151

Versuch einer Theorie des Komischen

95

tat ihrer Aehnlichkeit (den Gedanken) und auf das Zutreffende mit der Sache ankommt. – Ein vorzügliches Mittel zur Hervorbringung des Komischen ist ferner der Scherz,83 der ebenfalls einer besondern Erwähnung verdient. Oft verbindet er sich mit dem Witz, oft aber auch nicht. Er hat das Aehnliche mit demselben, daß er zunächst nur das Wortkomische giebt, das Komische der erweckten Vorstellung. Es ist nicht die Sache, die Situation selbst, welche komisch wirkt, sondern nur ein Bild, eine Vorstellung davon, oder eine Anspielung auf ein Verhältniß, das als komisch gedacht und so in Worten dargestellt wird. Ja es wird beym Scherz angenommen, daß das komische Verhältniß nicht wirklich vorhanden sey, sondern nur Stoff und Gelegenheit darbiete, es sich komisch zu denken, und andern mit einem Spiele des Witzes und der Phantasie als solches wahrscheinlich zu machen; denn im wirklichen Fall würde man den andern geradezu dem Gelächter preiß geben und der Scherz Persiflage werden, der den andern zum Ernst stimmt. Aber dadurch unterscheidet sich eben der Scherz vom Ernste, daß er keinen Zweck hat, und keine Sache bewirken oder schaffen will, sondern das wirkliche Leben nur als ein Spiel zur Lust in der Be | schauung vorübergehen läßt. Sein Element, sein Reflex, seine Ursach und Wirkung zugleich ist gegenseitige Heiterkeit und Erhebung des Gemüths über alle Fesseln. Die Scherzenden sind Object und Subject zugleich; aus sich selbst schöpfen sie das Belachenswerthe, und sie selbst sind es wieder, die sich belachen. Im Scherz ist ein wahrhaft geistiges Seyn, die Wiederherstellung der menschlichen Freyheit, die erneuerte Wiedergeburt und Wiederergänzung des Menschen, die Wiederauffindung des vorigen Gleichgewichts. Der Scherz ist, – wie es selbst der Sprachgebrauch des gemeinen Lebens sagt, – zur Erholung, und keine Erholung pflegt ohne Scherz zu seyn. Ihm sind Vergnügen und Lust und Spiel beygesellt, und das Leben scheint dem Menschen durch denselben erst den vollen Genuß und die letzte Erfreulichkeit zu gewähren. Alle Kräfte der Seele werden durch ihn wieder in harmonische Thätigkeit gesetzt, und Verstand und Witz und Phantasie ermächtigen sich in ihm der vorigen Eindrücke.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

96

Stephan Schütze

151–153

Da die Menschen zu ihrer Erhaltung gezwungen sind, die Geschäfte des Lebens unter sich zu theilen, und sich und ihren Kräften dadurch einseitige Richtung und Bestimmung zu geben, so bleibt ihnen zur Wiederherstellung ihres Wesens weiter nichts übrig, als nach vollendetem Geschäft sich wieder der menschlichen Gesellschaft anzuschließen, ihre Ideen gegen einan | der umzutauschen, und, sich freymachend von ihrer Beschränktheit, auf ihr Schaffen und Treiben, auf ihre Einseitigkeit und Eigenheit mit allgemeinerm Blick lächelnd hinzuschauen. Sie halten sich deshalb gegenseitig den Maasstab des vollkommenern Menschen (nach ihrem Standpuncte) vor, und der Scherz nimmt ihn zur Richtschnur. Als wollten sie ihre Unebenheiten wieder gegen einander ausgleichen, unterziehen sie sich einer gegenseitigen Prüfung, und alle ihre Neckereyen laufen auf die Beschuldigung hinaus, daß sie schon einen großen Theil ihrer Freyheit und Vollkommenheit eingebüßt hätten. Der eine hält dem andern Gewinnsucht oder eine Liebschaft, die er nicht gestehen will, oder Stolz, oder Furchtsamkeit, Eitelkeit und dergleichen vor, und keiner will gern bekennen, daß er von irgend einem Gegenstande beherrscht werde. Den Lustkampf, den die Natur mit ihnen anstellt, wiederholen sie zu ihrer eignen Lust*. Und in der Betrachtung genießen sie der Freyheit wieder, die sie vielleicht zum Theil im Handeln wirklich schon verloren haben. Die Anschuldigung, besiegt zu seyn, ist Freude für den Unbesiegten, und Ermunterung für den Wankenden. Alle, indem sie so scherzen, fühlen sich frey und stark, die | Last des Lebens dünkt ihnen leichter, und nun jedes Hinderniß mehr in ihrer Gewalt zu seyn. Scherzend machen sie sich wieder zu Herren der Welt. – Hier wird das ganze Leben vor ihren Augen zum Lustspiel, und es ist kein Wunder, wenn sie es nun auch in sichtlicher Darstellung vor sich zu sehen begehren. Der Scherz ist das Mutterland des Komischen und der erste Schritt zur Bühne. – Weil sie aber hier die Sache, die Objecte des Scherzes vergegenwärtigt *  Deshalb ist auch der Scherz nichts weiter als ein Reflex (eine Erwägung und Wiedergebung) des Spiels der Natur, er mag nun ganz persönlich seyn oder sich freyer bewegen.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

153 | 154

Versuch einer Theorie des Komischen

97

wünschen, und zugleich, nach dem Wunsche der Phantasie, vollständiger erwarten, so folgt daraus, daß auf der Bühne eigentlich die komische Welt selbst, die dem Zuschauer zu lachen giebt, und nicht wieder die scherzende Gesellschaft erscheinen soll. Der Scherz spielt also auf dem Theater eine untergeordnete Rolle, denn der Dichter ist es ja schon, der diesen Scherz treibt, indem er in einem Beyspiele das Lächerliche der Welt hinstellt. Er kann aber noch in dem Grade wirksam seyn, als die Charaktere und Situationen ihm zur Grundlage dienen. Hier hat der Scherz den Zweck, das Komische zu heben oder hervorspringen zu lassen, den andern neckend zu reizen, so daß er sich lächerlich zeigen, oder sein komisches Verhalten bekennen muß. Wird das Lustspiel der Gesellschaft aber auch darin ähnlich, daß das Meiste, worauf der Scherz geht, ungegründet und nur angenommen ist, dann bleibt dem Anordner desselben weiter | nichts übrig, als kleine Mißverständnisse zu erfinden, die vor der Hand für Handlung und wirkliche Charakterzüge gelten müssen, woran der Wortspaß sich üben kann. – Bey einem wahrhaften, objectiven Lustspiele wird der Scherz am besten nur dienend nebenher gehen, wenn er seinen Zweck als Mittel der komischen Darstellung am glücklichsten erreichen soll. Das Lustspiel hat zwar seinen Ursprung subjectiv im Scherz, aber keinesweges objectiv, wo er gerade durch den sichersten Ernst entsteht, indem die thörigten, einseitigen Menschen, die komischen Charaktere in ihrer Weise dreist weg leben, alles folgerecht darnach einrichten, so das Rechte zu treffen glauben, und es ihnen nicht einfällt, daß sie eine Lächerlichkeit begehen. Je befangener sie in ihrem Zustande, je beschränkter sie in ihrer Ansicht, je unbekümmerter sie um das Urtheil anderer, je klüger und raffinirter sie in ihrer Unklugheit, je mehr sie auf sich selbst reducirt erscheinen, und je ernsthafter sie ihren Gegenstand behandeln, desto eher taugen sie zum Lustspiel. Der Scherz verhält sich dagegen activ, frey schwebend, das Komische bemerkend, in Erinnerung bringend und es hervorrufend; er wendet sich auf die Seite des Dichters, er hat und giebt eine poetische Stimmung, und macht das Gemüth für das Lustspiel empfänglich.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

98

Stephan Schütze

154–156

Noch höher steht die Laune.84 Die subjective Grundlage des Scherzes ist die Heiterkeit, das | Freyseyn von allem materiellen Einflusse der Dinge, das Zurückschauen auf ihre Wirkungen, und also zunächst negativer Art. Die Laune ist schon etwas Positives, die innere Regsamkeit eines frohen Genius, der sich des ganzen Menschen bemächtigt, eine Art von Begeisterung, ein Reden und Handeln der entfesselten Natur. Sie tritt aus dem Dunkel hervor, ohne daß wir immer ihre Entstehung oder Veranlassung wissen, sie ist eine unmittelbare Lebensthätigkeit der Seele, ein Ausdruck des frohen Lebens­gefühls, ein Ergreifen und Schaffen der freyesten Lust. Wenn die Heiterkeit sich schon mit Scherz begnügt, so geht die Laune in Lustig­keit über. Jene ist erst wegen ihrer Folge poetisch, die Laune schon in ihrem Ursprung, denn sie erscheint plötzlich als das Product vieler vorhergegangenen Gefühle und Stimmungen, wie ein heller schöner Tag nach unstät schwankender Witterung. Oft wissen wir nur die letzten mitwirkenden Ursachen davon anzugeben, oft aber auch diese nicht einmal, und wir sehen uns von ihr wie von dem Besuche eines Freundes überrascht. In der höhern Existenz, die sie uns verleiht, ist es uns nicht genug, uns von den Einwirkungen der Gegenstände, von den Neckereyen der Natur frey zu wissen, sondern wir fordern sie selbst heraus. Wir setzen andere in Bewegung, wir reizen sie auf, und nicht blos die Wirklichkeit mit Hinzudichtungen | dient uns zum Scherz, sondern unsere Phantasie schweift in das Reich der Möglichkeit hinüber, und wir dichten uns selbst tausend Verlegenheiten, mit denen wir unserm Vorgeben nach zu kämpfen haben. So wie es der Charakter des Spiels ist, sich Gefahren und Schwierigkeiten zu denken*, und sie herauszufordern, so wendet sich auch der Lustige zur Beschränktheit zurück, verspottet sie und vergilt der Natur mit gleicher Neckerey, gleich als ob er sicher wäre, daß sie ihn nicht treffen könne. Sein Gehen und Stehen, sein Reden und Agiren setzt er sich selbst in eine Lächerlichkeit um, seine Bedürfnisse, die Mittel seiner Existenz gebraucht er, nicht ach*  Bey einem Feuerwerk lacht die Menge, wenn Schwärmer um sie her prasseln, nicht, wenn Raketen hoch in die Luft steigen.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

156–158

Versuch einer Theorie des Komischen

99

tend, als ein Spielwerk, entfaltet sie in ihrer Mannichfaltigkeit, in den Bewegungen der Hände, der Füße, der Mienen, des ganzen Körpers, und schaukelt sich in dem Reichthume seiner beschränkenden Umgebung wie auf einem Nachen. Indem er den Herrn gegen die Natur spielt, leugnet er nicht, daß man von ihr auf mancherley Weise geneckt werden könne. Er zeigt, wie man klagt, wie man überlegt, wie man bedenklich aussieht, wie man sein Glück nicht fassen kann. Er denkt sich den andern zornig, verweisend, ihn bedrohend, verfolgend, hassend, liebend, spröde | verwerfend; bald steht er vor dem Richter, bald hat er es mit ­einem Pedanten, bald mit einem Verliebten zu thun. Jetzt geht er verschwenderisch im Gebrauch der Mittel der Glieder, der Hände, der Füße um, und bald darauf beraubt er sich ihres Dienstes, und deutet auf die Possen, die uns die Natur spielen könne: er hinkt, er kann nicht gut hören, sein Gedächtniß ist ihm untreu, seine Zunge ungelenk. Eine Krankheit hat ihn befallen, eine Unpäßlichkeit macht ihm zu schaffen, Schmerzen bemächtigen sich der Sprache seines Gesichts. – Heiterkeit und Scherz sind die einladenden Wirthe zum Volksfeste, aber Laune ist die Erfinderin ihrer Lustbarkeiten: Spiele, scherzhafte Gebräuche, sinnvolle Neckereyen, Verkleidungen und Maskeraden sind die Producte ihres Geistes. Und sie wird das Lachen in ihrem Gefolge haben, so lange sie selbst in den Grenzen des Komischen bleibt, d. h. so lange sie die sinnliche, beschränkende Natur nicht zu stark hervortreten läßt, und ihr das gehörige Gegengewicht von Geist und Freyheit giebt, sonst wird ihr Uebermuth Frevel, ihr Leichtsinn unverantwortlicher Spott, und ihre Freyheit läppische Kinderey und sinnlose Narrheit. Kurz, die Laune muß nicht blos als etwas Subjectives und Willkührliches erscheinen, sondern sie muß in ihren Darstellungen auch objectiven Grund haben, so daß die Phantasie des Zuschauenden sich mit ihm in ein gleiches Ver | hält­niß versetzen kann, und das Lächerliche als eine natürliche Folge davon empfindet. Die körperliche Lust (die Lustigkeit) muß den Geist nicht völlig ersticken, sonst geht sie in eine blos sinnliche Naturwirkung, in Schwelgerey und Ausschweifung über, und kann als ein subjectiver Zustand nicht mehr objectiv belustigen. Das Will-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

100

Stephan Schütze

158 | 159

kührliche muß mit dem Unwillkührlichen sich auch hier mischen, und der Geist immer noch schöpferische Freyheit behalten. – Das Gegentheil ist freylich eben so schlimm, nämlich, wenn das Subjective ganz fehlt, und der Verstand die Laune allein ersetzen will, wo wir für Eingebung des Gefühls nehmen sollen, was demselben nur nachgesagt ist. Auf diese Weise entsteht die gezwungene Laune, welche pedantische Schriftsteller dadurch verschulden, daß sie dem wirklich Launigen nur einige Mittel absehen, und dabey Aus­drücke gebrauchen, welche ihnen statt der fröhlichen Erhebung des Gemüths nur ein weises Ansehn geben, wie z. B. Ehren Blasius,85 der ci devant Schulmeister,86 der Pastor in spe, der Vice-Thorschreiber,87 mein quasi-Schwiegervater, die Frau Base, die mit ihrer Baarschaft der Fortuna ein Schnippchen schlägt, der Verwalter, der mit dem laus deum angestochen kommt,88 der Arrestant, dem die Häscher ein freyes Quartier anweisen, der Kranke, dem der Arzt schon den Reisepaß ausgefertigt hat, der Förster, | ein gewaltiger Jäger vor dem Herrn, der pastörliche Kriegsheld, der verschusterte Schuster,89 der mit einem großen Sündenpäcktchen beladene Reu- und Bußfertige, der im Dienst der Venus grau gewordene Husarenrittmeister, der seinem alten Kriegskumpan an- und vermelden läßt,90 u. s. w. Die After­ laune91 gebraucht die Redensarten und den Witz wie eingemachte Sachen, sie kommen Jahr aus, Jahr ein bey ihr unverändert zum Vorschein. Ihre Nachahmungen sind wie Obst aus Wachs, es fehlt ihnen das frische Leben und der gesunde Kern. Eben so ist es auch mit der Laune auf dem Theater. Sie ist ein herrliches Mittel, sympathetisch auf die Fröhlichkeit der Zuschauer zu wirken, aber dann muß man ihr auch weder Zwang noch geistlose Willkühr ansehen, sie muß nicht sparsam hie und da einmal zum Vorschein kommen, sondern sie muß mit Leichtigkeit wie eine Eingebung, wie ein flüchtiger Geist das Ganze durchdringen und beleben. Es muß alles wie von selbst hervorgehen, und der Zuschauer, angelockt und fortgerissen, immer willig mitdichten. Ein lustiger Charakter in einem Stück ist ein herrliches Reizmittel für das Komische, für den Ernst der übrigen Charaktere ein rechter Sporn zu lächerlichen Situationen, und eine Würze, wovon alle einen Ge-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

159–161

Versuch einer Theorie des Komischen

101

schmack bekommen. Doch muß seine Laune ächter Art seyn, und bey | fröhlicher Existenz aus dem Geiste herstammen, so daß sein Betragen weder grob-sinnlich, noch läppisch wird. Auch die momentane und zufällige Laune thut herrliche Wirkung; ein Mensch, der über ein Glück außer sich geräth vor Freude, ergreift auch andere leicht, und reißt sie fort in den fröhlichen Taumel. Der Zustand eines Halbberauschten ist gar zu komisch, als daß er auf dem Theater nicht immer eine willkommene Erscheinung seyn sollte. Wenn mehrere Ursachen zusammen wirken, können auch im Komischen wahrhaft begeisternde fortreißende Momente entstehen, die den Zuschauer gleichsam berauschen und in eine Ausgelassenheit versetzen. Von der Art ist die Scene im schwarzen Mann, wo Herrschaft und Kammermädchen in Ohnmacht fällt, und die Freude des Dichters im Stück über diesen dramatischen Stoff immer höher und endlich bis zum Entzücken steigt.92 – Mit der Laune und dem Ton, den ein Lustspieldichter anstimmt, giebt er seinem Werk gleich eine Sphäre, und weist dem Zuschauer einen Standpunct an, woraus er das Ganze betrachten soll. Mit solcher Voraussetzung und Stimmung ist ihm nachher manches erlaubt, das sonst ganz unpassend und unschicklich seyn würde. Am höchsten erhebt ihn aber der Humor,93 der ihn als das geistigste Mittel des Komischen zur kühnsten Darstellung berechtigt. | Wie sich die bloße Heiterkeit zur wirklichen Laune verhält, so verhält sich die Laune wieder zum Humor. Von ihm ist die Laune nur der physische, der subjective Theil, eine lyrische Stimmung, die den Körper blos des Humors fähig macht. Dieser ist aber ein Product des Geistes, ja der Geist selbst. Deshalb ist er auch nicht sowohl empfindend, als beschauend, keine Aufwallung, keine Begeisterung, sondern ein ruhiger und doch aufs höchste beseelter Zustand, keine fortreißende Fröhligkeit, auch keine Freude über einen Gegenstand, sondern ein Schweben, ein Erhabenseyn über alle, nicht bloße Freyheit in Absicht der Dinge und ihrer Eindrücke, sondern eigne Selbstständigkeit, kein Fliehen aus der Welt, und kein Entsagen, sondern ein Herrschen über alles, aber kein Herrschen mit Kampf, sondern die völlige friedliche Vereinigung mit dem Weltherrscher selbst,

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

102

Stephan Schütze

161–163

mit dem waltenden Naturgeiste, dessen höchste Gewalt er in der Mitherrschaft theilt; also ein völliges Hingeben an den höchsten Willen der Natur und doch ein völliges Freyseyn. Ja wie sollte der Mensch auch die vollkommene Freyheit anders erreichen, als dadurch, daß er sich selbst hingiebt an die Idee. Diese lebendige, alles durchdringende, frey waltende Idee sucht und schaut er in der Natur und ahnet sie in sich selbst. Ohne die innere Offenbahrung könnte er nicht zur äußern, und ohne die äußere nicht zum Gefühl und zur | Thätigkeit der innern gelangen. Diese giebt ihm das Vermögen, jene wahrzunehmen, und jene setzt ihn in den Stand, diese zu entwickeln und anzuwenden. Weil aber seine irdischen Kräfte zu beschränkt sind, so bleibt für ihn außer dem Nachmachen im Kleinen, in Kunstwerken, nur die äußere Beschauung, und wenn hier sein Geist herrscht, so ist es zugleich die Phantasie, die ihn trägt. Und alle Vorstellungen der Phantasie in der Herrschaft dieser Beschauung werden Aeußerungen des Humors. Der Humor hat das große Spiel vor Augen, das die Natur mit den Dingen, mit der ganzen Körperwelt treibt, indem sie eins in das andere verwandelt, eins durch das andere ersetzt, belebt, verringert, vergrößert, aus den kleinsten Ursachen die größten Wirkungen hervorgehen läßt, das Nächste mit dem Entferntesten in Berührung bringt, und alle Theile nach ihrem Willen gegen einander in eine lebendige Thätigkeit setzt. Diese Thätigkeit ist sowohl schaffend als vernichtend, und giebt jedem Dinge sowohl eine Eigenschaft für sich, als auch eine Wirkung und Beziehung auf andere, ohne welche kein Spiel und keine Welt möglich wäre. In diesem gegenseitigen Schöpfungsproceß, wo alles zu verschwinden scheint, kann jedes Einzelne wieder als wichtig und als ein Standpunct angenommen werden, woraus eine lebendige Wirkung auf alles hinübergeht. Ein Kraut, das ruhig im Thal wächst, | kann plötzlich zum Herrscher ­eines ganzen Reichs werden. Ein Gifttropfen drängt sich ein als Symbol der handelnden Natur. Ueberall zeigt sich die Wirkung vom Einzelnen aufs Ganze und vom Ganzen aufs Einzelne. Es ist nicht ohne Sinn, wenn Hamlet zum Polonius sagt: »ehrlich seyn, heißt, wie es in dieser Welt hergeht, Ein Auserwählter unter Zehntausenden seyn;

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

163–165

Versuch einer Theorie des Komischen

103

denn wenn die Sonne Maden in einem todten Hunde ausbrütet, – eine Gottheit, die Aas küßt, – habt ihr eine Tochter? Laßt sie nicht in der Sonne gehn. Gaben sind ein Segen; aber da eure Tochter emp­ fangen könnte, – seht euch vor, Freund.« Und wenn diese Worte auf die anscheinende Willkühr der Natur ein Licht oder vielmehr einen Schatten werfen, so beschaut folgendes wieder ihre Nothwendigkeit in dem, was sie sich selbst gesetzt hat: »ihr selbst, Herr, würdet so alt werden, wie ich, wenn ihr wie ein Krebs rückwärts gehen könntet.«94 Der Humor setzt alle Dinge der Körperwelt in eine Verwandschaft, und Hamlet zeigt, wie ein Bettler durch die Gedärme eines Königs wandert.95 Und weil ihre Wirkung bey ihrer Nothwendigkeit (bey der Bedingung durch die Eigenthümlichkeit) noch ein Zufälliges übrig läßt, so giebt der Humor dieses wieder in die Hände eines höhern Willens, und vereint so die Selbst | ständigkeit der Dinge mit der Zufälligkeit als dem Rückgang in die höhere Nothwendigkeit. Deshalb liebt der Humor die Gleichstellung zweyer Dinge, als zweyer für sich handelnden Wesen, wovon jedes dem andern gegenüber tritt, wie im Hamlet der Todtengräber sagt: entweder der Mensch geht zum Wasser, oder das Wasser geht zu ihm.96 Dies ist völlige Naturwahrheit, wobey aber der Weltgeist als das zuletzt Bestimmende durchblickt, und so das niedere Gesetz dem höhern unterordnet. Wie der Humor eine Einzelnheit durch die andere zu ertödten scheint, so belebt er wieder alle einzelnen Theile um des Ganzen willen, um das Spiel ­einer Welt daraus hervorgehen zu lassen, das für die Endlichkeit ihm wahre Objectivität giebt. Sein subjectiver Zweck ist die Idee, worauf sich alles zurückbezieht, und sein objectiver das Leben an sich in seinem ewigen Werden. Ohne das eine sowohl als das andere wäre alles todt, ruhig und in einem ewigen Stillstand. Obgleich das Streben nach Absolutheit überall fortwalten muß, so können wir uns dessen Erreichung doch nicht vorstellen, ohne einen Durchgang, und ohne die Umfassung einer untergeordneten Welt. So entsteht das Leben, ideell und reell zugleich, und die Kunst hat keinen andern Zweck, als dessen Darstellung.97 Diese Grenzen kann auch der Humor nicht überfliegen, immer schwebt er zwischen dem Bedingten und Unbedingten, | und weil er das Ganze in seiner letzten Harmonie zwar

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

104

Stephan Schütze

165 | 166

glaubend, aber nicht begreifend und mit durchdringender Erkenntniß zu umfassen, noch darzustellen vermag, so muß er alles wieder theilweise nach seiner positiven und negativen Natur zugleich geben, und das Ganze ahnen lassen. Auch bey ihm zeigt sich die menschliche Beschränktheit, indem er den Erscheinungen auf die Freyheit des Menschen eine verschiedene, bald eine strengere, bald eine mildere Beziehung giebt, und auf diese Weise bald eine tragische, bald eine komische Ansicht von der Welt hervorbringt. Im Tragischen läßt er die Körperwelt auf den Geist bis zur Bürde herablasten, stellt das eiserne Schicksal in den letzten Hintergrund, und gestattet der Freyheit des Menschen keine andere Existenz, als das Festhalten am moralischen Willen, und das Vertrauen auf seine Tugend mit Hingebung an jenes höhere Schicksal. Darf man dem Humor ja für die Außenwelt ein vernichtendes Streben beymessen, so beweist er dieses am ersten im Tragischen, wo es für seinen triumphirenden Spott über den handelnden Menschen immer ein Hauptsatz bleibt, »daß der Mensch sterben muß.« »Für Würmer! sagt Prinz Heinrich zum sterbenden Percy; großes Herz, leb’ wohl! Wie eingeschwunden, schlecht gewebter Ehrgeiz! Als dieser Körper einen Geist enthielt, war ihm ein Königreich zu enge Schranke: nun sind zwey Schritte | der gemeinsten Erde ihm Raum genug.«98 Der Rathsherr da, spricht Hamlet zum todten Polonius, Ist jetzt sehr still, geheim und ernst fürwahr, Der sonst ein schelm’scher alter Schwätzer war.99

Jeder Scherz über den Tod behält eine Bitterkeit und kann wegen des zu schweren Gewichts, das er auf die Freyheit wirft, nicht leicht komisch werden. Soll er es, so muß diese Nothwendigkeit dem Bewußtseyn weiter entrückt, und ihm die befangene kurzsichtige Laune, die in der Beschränktheit sich wohl seyn läßt, gegenüber gestellt werden. Hier wirkt der unbewußte Humor wieder heiter, während er in Beziehung auf das Ganze seinen tragischen Ernst beweisen kann; und dies giebt dem Komischen mit dem Tragischen auch in der Darstellung mögliche Berührungspuncte, so daß der Dichter

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

166 | 168

Versuch einer Theorie des Komischen

105

durch das Komische dasselbe zu sagen vermag, was er durch den Ernst des ganzen Trauerspiels ausdrückt. Von der Art ist der Scherz der Todtengräber im Hamlet, und die Betrachtung, wie lange wohl ein Grab und wie lange ein Leichnam aushalte.100 Das flüchtige Liebesglück in Romeo und Julie ist in den nämlichen Worten enthalten, wenn ein Bedienter zum andern spricht: wer am längsten lebt, kriegt den ganzen Bettel.101 Auch Fallstaff sagt mit aller Laune im Grunde nur eine Bitterkeit über das Schicksal, das die Menschen oft wie eine todte Sache | behandelt, wenn er zur Entschuldigung seiner Werbung schlechter zerlumpter Kerle spricht: »Pah! gut genug zum Aufspießen; Futter für Pulver, Futter für Pulver; sie füllen eine Grube so gut wie bessere, h’m, Freund! sterbliche Menschen! sterbliche Menschen!« Komischer schon ist das Folgende, wenn er auf die Erinnerung, daß sie doch gar zu arm und bloß und gar zu bettelhaft wären, antwortet: mein Treu, was ihre Armuth betrift, ich weiß nicht, woher sie die haben; und die Blöße – ich bin gewiß, die haben sie nicht von mir gelernt.«102 Ob dieser Spott gleich auf die Natur gerichtet ist, so läßt er sich doch auch auf die Menschen in ihrer Pracht und Herrlichkeit zurück wenden. – Soll nämlich der Humor eine heitere, rein komische Wirkung hervorbringen, so muß er eigentlich nicht die Natur zum Gegenstande, als einen vernichtenden Gegensatz des menschlichen Thuns, sondern die menschliche Freyheit als einen Wirkung empfangenen Gegensatz von der Natur annehmen; es muß der Freyheit Handlung, Gegenwirkung, Glückseligkeit und Dauer übrig bleiben und gelassen werden, wenn sie im Angesichte des großen Naturspiels komisch erscheinen soll. Das Komische hat sein Daseyn in einer glücklichen Beschränktheit, in einem stufenweis fortgehenden Aufklimmen, und in dem dunkeln Glauben an ein höheres Ziel, nicht in der völligen Auflösung in Trug, nicht in der Aufhe | bung aller Schranken und in der Vernichtung der ganzen Körperwelt sammt Wahrheit und Irrthum. Der Humor muß von der Laune die heitere Farbe annehmen, und das ganze Spiel und Treiben der Welt bey allem Schwanken noch ergötzlich finden, wenn er es belachen soll. Ja er selbst muß nicht abgeneigt seyn, dieses bunte Gewühl mit mancherley Reizen sich gefallen zu lassen, es müssen

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

106

Stephan Schütze

168 | 169

die Wogen wie spielende Wellen an ihn anschlagen. Er ist der schwebende Schiffer auf schäumendem Meer, mit dem Ruder in der Hand weiß er, daß er regierend irrt, aber er läßt es geschehen, und denkt, daß alle zuletzt doch in einem Hafen eintreffen werden. Duldsam gegen einzelne Thorheit lacht er über alle, und auch über sich selbst.103 Er sieht nicht die Menschen gänzlich betrogen, sondern nur irrend im glücklichen Wahn, und, mit ihnen hierhin und dorthin zu einem blumigten Ufer, zu einer neuen Erscheinung getrieben, dünkt es ihm eine lustige Fahrt. Mangelhaft, aber nicht vergebens scheinen ihm jene Mittel der Freyheit, jene ringenden Kräfte, denn, was sie auch versagen und unerreicht lassen, so geben und lassen sie doch, schon auf der Mitte des Weges, des Lebens Lust. Es ist daher ein wahrhaft humoristischer Satz, wenn Hamlet, obgleich nur über seinen Zustand spottend, sagt: was kann der Mensch besser thun als lustig seyn.104 Dieses Lustigseyn ist immer die eine Seite des | Komischen, und des Menschen beschränkte Freyheit ist auf der andern Seite das Ziel des Lachens nur so lange, als er nicht in der völligen Blöße da sitzt, und der farbige Staub- Bettler- oder Purpurmantel – ob schon mit einiger Mühe im Winde gehalten, noch seine Dienste thut. Deshalb darf der heitere Humor dem Spiele der Natur, das er am weitesten überschaut, hingegeben, zwar neckend im Sinne der Natur an die Blöße erinnern, aber sie nicht in ihrer Furchtbarkeit zeigen. Wie der große Zusammenhang der Dinge die Freyheit des Menschen anficht, so thut der Humor es auch scherzend, in den kühnsten Bildern und Gegensätzen, aber nie vergißt er für den Menschen das wohlthätige Gegengewicht. Und dies ist keine Spende der Willkühr, er läßt ihm nur, was er schon hat, und was die ankämpfende Natur ihm selbst immer zum Gegenkampf verleiht. Wirkt ein kleines Glück ein großes Verderben, so ist es eben so wahr, daß es auch ein großes Glück geben kann. Und gerade, indem er das Zufällige walten läßt, erinnert er mit dem einen auch an das andere, und zeigt den Menschen in seiner Abhängigkeit. Wenn ein Bäcker reich wird, so hat er sich nach seiner Vorstellung das Landgut aus Zuckerprezeln zusammen gebacken. Der Wind weht (durch die Schiffahrt) ein großes Vermögen zusammen. Der Gärtner lebt von der Raupe, in so fern sie

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

169–171

Versuch einer Theorie des Komischen

107

seinen Garten ver | schont, oder vom Sperling, in so fern dieser jene frißt. Ein ganzes Dorf zittert vor einer Hagelwolke, wie eine Heerde Schaafe vor dem Wolf. Vor der Heerde flieht der Hase, und vor dem Hasen der Frosch. Ich kann nicht anders, sagt Hamlet; Laßt Herkuln selber nach Vermögen thun, Die Katze maut, der Hund will doch nicht ruhn.105

So läßt der Humor jedes Ding in seiner Bestimmtheit, und indem er diese anerkennt, hat er auch zugleich ein Mittel, die Abhängigkeit der menschlichen Freyheit davon zu zeigen. Sein Spiel ist die lebendige Wechselwirkung der Dinge auf einander, das ewige Schaffen und Werden, und wenn darüber eine Einzelnheit zu Grunde geht, so steht schon wieder eine neue Schöpfung dahinter. Sein Symbol ist nicht die Nacht, sondern Tag und Nacht zugleich mit Morgen, Mittag und Abend. Spielend in und mit dem Ganzen ist er um das Einzelne nur unbekümmert; er will es weder zerstören noch retten, er braucht es selbst zu seinem Spiel, und ob es hält oder bricht, ist ihm gleichgültig, wenn er nur wieder eins für das andere, und überhaupt Gegenstände für seine Freyheit und Phantasie findet, welche wandelnd durch die Körper ihre Beharrlichkeit in der Idee erlangt. Auch das Wandelbare hat sein Beharrliches, alles, was ist, muß etwas seyn und das All kann ohne dieses nicht sein irdisches Leben haben. | Der Mensch wird in seinem Handeln und Thun gerade um so mehr angefochten, als er rings von bestimmten und bedingten Wesen umgeben wird. Und der Humor, wenn er geneigt ist, ihn mit seiner irdischen Freyheit in ein komisches Licht zu setzen, kann nach allen Seiten aus der reichsten Quelle schöpfen, weil er alles übersieht, das bedingt Nothwendige sowohl, als das Zufällige. Er kann ihn von einem Zwirnsfaden, von einem Nadelstich abhängig machen. Jede Einzelnheit wird wieder bey ihm belebt, und was dem gewöhnlichen Menschen nur als Mittel erscheint, dem giebt er selbst handelnde Kraft. Deshalb liebt er im Ausdruck die Form der Absonderung; Aug und Ohr, jedes nimmt seine wichtige Stelle ein, und maßt sich eine Art von Selbstständigkeit an, eins muß das andere um seinen Dienst

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

108

Stephan Schütze

171–173

ersuchen, eines redet und handelt zu dem andern hinüber. Die Füße zeigen, daß die Hände ihrer bedürfen, und die Hände versagen dem Munde den Gehorsam oder eilen ihm zuvor. Die Worte sind Boten der Lippen. Der Athem wird zum Verräther. Und wer kann den Willen des Menschen von dieser Dienerschaft umgeben sehen, ohne über seine Freyheit zu lachen. Wirkt nun die Natur selbst wieder von innen herüber, befindet sich z. B. der Mensch in einem verliebten Zustande, so hat vollends der Humor ein leichtes Spiel. Jede Kleinigkeit wird zur wichtigsten Sache, ein | Band hat Zauberkraft, und ein Ton bemächtigt sich aller Sinne. Nicht nur Shakespeare, auch Moliere zeigt sich hier, wo sich die Gelegenheit wie von selbst darbietet, öfters humoristisch; er läßt z. B. einen Bedienten mit großer Beredsamkeit schildern, was das Moll in der Musik für Wirkungen auf ein Mädchenherz hervorbringe.106 Außer dieser Sonderung und Belebung des Theils ist auch die Verbindung des Entferntesten ein vorzügliches Mittel des Humors, wie schon aus seiner Natur und aus seiner Ansicht der Welt von selbst hervorgeht, wo der Abwurf wieder zum Dünger wird, und der Einfall eines Amerikaners einen Europäer vom Stuhle jagen kann. Das Kleinste, das Zufälligste wirkt hier am mächtigsten. Wenn es regnet, breitet der geputzte Philister ein Tuch über seinen neuen Hut, aber auch bey heiterm Himmel kann statt des Regens schon ein vorüberfliegender Vogel ihm einen gleichen Possen spielen. – Weil im Komischen Geist und Körper sich einander entgegen treten, so bedient sich auch der Humor, um diese Abhängigkeit auffallend zu machen, im Ausdruck neben dem Geistigen des Sinnlichen und Individuellsten: John Bull107 ist ihm lieber als das Volk und der dumme Peter108 aus der Sackgasse ihm lieber als ein einfältiger Bürger der Stadt. Für jeden Begriff wünscht er sich einen Eigennamen, womit er symbolisch gern ein ganzes | Geschlecht bezeichnen möchte. Und oft bekriegt er das Geistige mit dem Sinnlichen in vielen, erneuerten Schlägen, indem er dieses wieder in mehrere Objecte zertheilt, und die Einzelnheit durch Zerstückelung und Umschreibung noch furchtbarer ausrüstet. Aber weil der komische Zustand des Menschen unter den Verhältnissen der Dinge oft dann erst recht erscheint, wenn diese ver-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

173 | 174

Versuch einer Theorie des Komischen

109

ändert werden, so begnügt sich der Humor nicht immer mit der überschauenden Betrachtung und Darstellung der wirklichen Welt, sondern er geht damit dichtend um. Eine einzige Annahme ist hinreichend, um das, was ist, in seiner Dürftigkeit zu beleuchten. So wird die ganze Art der Menschen, zu wohnen, und sich durch Häuser und Mauern zu verwahren, lächerlich, wenn der Humorist, wie Jean Paul thut, sich auf einen Augenblick vorstellt, daß der Mensch fliegen könne.109 Was sind Wälle, Städte, Thore, wenn jeder fliegend dem andern in den Schornstein sehen kann? Was wollen gegen die Fliegenden Accise-­Inspectoren und Visitatoren ausrichten? – Wie beschränkt erscheint da die menschliche Sphäre! Und wollen wir auf dem Wege nach dem Monde Wirthshäuser anlegen, die an ­Stricken hangen, so verspotten wir damit unsere eigenen Wohnungen, und die neue Art zu bauen obendrein. Wenn wir mit Anstand gehen und tanzen, dünkt uns dieses gar nichts Lächerliches, | und doch sehen wir gleich das Behelfliche daran, wenn wir aus größern oder nur veränderten Verhältnissen darauf herabschauen, und uns z. B. denken, wie wir mit Anstand fliegen würden, und wie der Tanzmeister auf diese Bewegung seine Regeln anzuwenden hätte. Es ist hier nicht das Neue, worüber wir lachen, sondern im Neuen eigentlich das Alte, das uns nur durch die veränderte Gestalt erst zum Bewußtseyn kommt. Weil der Mensch mit seiner hochstrebenden halben Freyheit überhaupt in einem lächerlichen Zustande sich befindet, so ist auch das Komische überall, und am besten weiß es der Humor, der Herrscher über alles, zu entbinden. Dabey ist noch zu bemerken, daß der Humor, ob er gleich, bey einer gewissen Genügsamkeit, auch romantisch wirken kann, doch noch vom Romantischen verschieden ist.110 Dieses giebt zwar den Dingen und Zufällen auch Handlung und Verstand, aber die Wirkung geschieht mehr aus einem geheimen Dunkel zu uns herüber, und läßt den Weltgeist mehr als etwas Verborgenes ahnden, als in den Kräften sichtbar werden. Im Romantischen verspüren wir die öftere Einwirkung eines geheimnißvollen Wesens, aber nicht sein gänzliches Fortwirken und Handeln; ein Wetterleuchten dämmert aus schwarzen Wolken; wogegen der Humor selbst der helle Tag ist,

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

110

Stephan Schütze

174–176

der alle Räume mit Licht | erfüllt, und geistig alle Dinge umfängt. Das Romantische mischt zur Phantasie mehr dunkles Gefühl, der Humor mehr Verstand und Geist. Das Romantische ist ganz und blos poetisch, das Humoristische poetisch und philosophisch zugleich. Jenes lehnt sich mit dem Epischen gern ans Lyrische, dieses an die Idee. Vor dem Humor liegt der Zusammenhang der Dinge wie ausgemessen da, das Romantische deutet nur darauf hin und hält sich in einer angenehmen Ungewißheit. Darin sind beyde ähnlich, daß ihr Ziel ein von fern her über uns waltender Geist ist. – Im Mährchen ist es, wo sich beyde durchdringen, der Humor schafft, und die Romantic gebraucht das Geschaffene zu ihren Zwecken. Man könnte hier sagen, daß die Schöpfung humoristisch war, daß aber das Werk romantisch wurde. Deshalb können auch mitten im Ernst des Mährchens wieder komische Charaktere Platz finden: es sind Boten, die der Schöpfer abschickt, um das gewordene Werk zu beschauen und zu belachen. Dieses Lachen aber über ein Beyspiel von Schöpfung ist für die Idee ein Verlachen der ganzen Welt. – – Es bleiben nun noch als Darstellungsmethoden die Parodie, die Travestie, die Persiflage und die Ironie zu betrachten übrig. Die Parodie111 (Gegen- oder Nachgesang) ist ein Gedicht, das ­einem andern nachgebildet | wird, so daß man davon einen Theil der Worte (am besten die Schluß- und prädicirenden Worte) beybehält, neue Verknüpfungen macht, und so ein ganz neues Gedicht mit e­ inem ganz andern Inhalte hervorbringt*. Man sieht nämlich die vorhandenen Worte in ihrem Zusammenhange als eine gute Gelegenheit an, darin einen ganz andern Gedanken einzukleiden. Dies kann nun bald etwas Lächerliches, bald etwas Ernsthaftes zum Zweck haben; oder es kann, noch genauer bestimmt, entweder die Form des komischen Gedichts wieder zu einem komischen ganz andern Inhalts oder zu einem ernsthaften, und eben so die Form des ernsthaften wieder zu einem ernsthaften oder zu einem komischen Gedichte dienen. Die letztere Art von Parodie ist es allein, *  Mitunter wird Parodie aber auch von jeder Aeusserung gebraucht, die einer andern nachgebildet und auf sie bezogen wird.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

176–178

Versuch einer Theorie des Komischen

111

welche hier in Betrachtung kommt, weil sie als ein formelles Mittel gebraucht wird, etwas lächerlich darzustellen. Doch giebt sie nicht allein den komischen Ausdruck, so daß der Gegenstand schon ohne Weiteres lächerlich würde; sondern dieser ist auch im Uebrigen so behandelt, daß jeder, der den Grundtext auch nicht kennt, das nach derselben Form und Einkleidung gebildete neue Gedicht doch für ein komisches halten, und schon an und für sich verstehen muß. | Es dient also die komische Parodie, wo die ernsthaften Worte zu einem scherzhaften Inhalte verwandt werden, nur zur Verstärkung des Lächerlichen. Sie ist das im Ganzen, was ein Wortspiel und Wortwitz im Einzelnen ist, und man könnte sie daher ein fortgesetztes melo­ disches Wortspiel (Phrasen- und Versspiel) nennen, denn sie ahmt nicht nur ganze Redensarten, sondern auch die Melodie des Verses nach*.112 Indem der Zuhörer eins auf das andere bezieht, und die Worte aus dem ernsten Zusammenhange mit auf den komischen herübertönen hört, befindet er sich in der angenehmen Verwunderung, halb durch Zufall, halb durch Scharfsinn ein neues Gedicht entstehen zu sehen, woran der spielende Genius der Sprache eben so großen Antheil hat, als die dichtende Willkühr, und er glaubt hier in den Worten dieselbe mitwirkende, selbstthätige romantische Kraft zu bemerken, die er in den Dingen und in der Natur wahrnimmt. Ihm ist, als wäre der Ernst schon auf halben Wege, den Scherz zu sagen, und als habe er ihn gewissermaßen schon vorher | bereitet, und vom Scherze dünkt es ihm wieder, daß er vom Ernst nicht weiter, als der Sohn vom Vater, entfernt sey, und lächelnd auf seinen Ursprung zurückweise. Ob er gleich den Scharfsinn des Dichters bewundert, so ist es doch, als hätte die Sprache selbst für ihn gedichtet. Der ernste Dichter wird unwillkührlich in den Scherz hinübergezogen, und wir müssen über seine redende Freyheit lachen, da sie so nahe daran war, ganz etwas *  Hier verdient noch die Accommodation erwähnt zu werden, welche ­darin besteht, daß man bekannte Aussprüche, z. B. Stellen der Bibel, Sprichwörter u. dergl. auf sich oder auf einen andern und dessen Zustand anwendet, was im Ernst sowohl als im Komischen geschehen kann.112

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

112

Stephan Schütze

178 | 179

anderes zu sagen. Es ist nicht blos der Zufall, dem wir zulächeln, sondern zugleich der Dichter, den das Gelächter trift. Und eigentlich nicht dieser allein, sondern der redende Mensch überhaupt, dessen Wahl und Freyheit in der Sprache durch die Parodie ins Lächerliche gezogen wird*. Die Parodie hat zwar nicht die Absicht, mit der entlehnten Form auch den Inhalt eines vorhandenen Gedichts lächerlich zu machen, weil es dieselbe auf einen neuen Gegenstand anwendet, aber es geschieht doch leicht, daß sie auch auf den ersten Gedanken ein lächerliches Licht zurück wirft, weshalb man auch häufig Parodie mit | Travestie113 verwechselt. – Diese letztere ist es eigentlich, welche ganz und gar auf den Inhalt eines ernsten Gedichts ihr Augenmerk gerichtet hat, und darauf ausgeht, das Ernsthafte in etwas Lächerliches zu verwandeln. Dabey kann sie auch mehr oder weniger zugleich parodisch verfahren, indem sie nicht nur den Inhalt, sondern selbst einen Theil der Form beybehält. So kann sie entweder bey derselben Versart bleiben, oder auch eine andere wählen, je nachdem sie das Komische direct oder indirect zu erreichen gedenkt. Tritt sie unmittelbar mit offener Naivetät oder mit drolliger Laune auf, so wird sie gern einen Volksvers mit kurzen Zeilen oder gradezu den Knittelvers wählen, der gleich seine Absicht verräth, und das Erhabene in die niedere Sphäre herabziehen hilft. Die Parodie wird am meisten im Lyrischen, bey Liedern, angewandt, wo man nicht gerade immer dieselben, aber doch wenigstens ähnliche Worte gebraucht, die Travestie am meisten im Epischen und Dramatischen; wohl aus dem Grunde, weil bey Lied und Gesang die melodische Form, bey diesem aber der Inhalt wichtiger ist. Läßt man hier, z. B. im travestirten Trauerspiel, die nämliche Versart, so thut man es, um mit ihrer Hülfe das Komische durch Uebertreibung des Pathos *  Noch zu erinnern ist, daß die komische Parodie auch in materieller Hinsicht zum Scherze dient, wenn sie nämlich einer geringern Sache falsches Ansehn von einer größern giebt, womit sie wieder an die Persiflage grenzt, und von der Travestie das Gegentheil ausmacht, indem diese das Große und Erhabene des falschen Ansehns entkleidet.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

179–181

Versuch einer Theorie des Komischen

113

zu bewirken. Es wird dabey gewöhnlich dasselbe Personal und im wesentlichen Fortgange auch dieselbe Geschichte | oder Fabel beybehalten, nur daß man ihnen hie und da andere Gegenstände, andere Absichten und andere Motive unterschiebt und andere Wendungen gebraucht*. Je mehr man von der Handlung Worte und Gedanken beybehalten und ihnen durch den Zusammenhang einen andern Sinn unterlegen kann, desto besser ist die Travestie, denn es soll bey der neuen Dichtung das Ansehn haben, als wenn sie schon in der alten unbemerkt vorhanden gewesen wäre, und als wenn die Hauptperson die Lächerlichkeit schon wirklich an sich trage. Daher ist die Travestie z. B. von einem Trauerspiele, um so leichter, je mehr dasselbe schon durch falschen Pathos, durch Unnatur und Uebertreibung die Hand dazu bietet, und sich gleichsam schon von selbst travestirt. Zu große Folgsamkeit kann aber auch leicht die Deutlichkeit des Komischen in der Travestie erschweren, und sie halb zwischen Ernst und Scherz stehen lassen, so wie auf der andern Seite zu große Willkühr sie über die Grenze hinaus treiben kann. Dies letztere geschieht entweder dadurch, daß man vom Original zu wenig beybehält, so daß man an gar keine Beziehung mehr denkt, oder dadurch, daß man den Per | sonen zu viel, zu arge Sachen andichtet, so daß ein Unsinn hervorgeht, der auch des Schattens der Wahrscheinlichkeit entbehrt. Wenn der Unsinn baar und förmlich, ohne allen Verstand ist, und selbst die kühnste Phantasie sich keine Möglichkeit davon denken kann, so erweckt das Product Ekel, und wir nennen es abgeschmackt. Es steht aber dem travestirenden Dichter frey, alle möglichen Trugmittel in Witz und Scheingründen anzuwenden, um seinem Producte ein Scheinleben zu verleihen, weil er damit zugleich das Trügliche und Sophistische der unächten Poesie überhaupt, mit welcher er es zu thun hat, in ein lächerliches Licht stellt. Uebertreibung und Anwendung des Großen aufs Kleine (in Gesinnung und Gegenständen) sind die Hauptmittel seiner Dar*  Soll die Travestie mehr parodirend seyn, so wird ein ganz anderes Personal und eine andere Sache untergeschoben, die aber in der Behandlung wieder Aehnlichkeit mit der erstern erhält und darauf zurückweist.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

114

Stephan Schütze

181–183

stellung; doch darf kein bloßes Gemisch entstehen, sondern es muß beym Rückblick auf das Ganze der neuen Dichtung auch eine Proportion und Ueber­einstimmung, ein folgerechtes Verfahren wahrzunehmen seyn. – Eigentlich ist eine Travestie nur als ein Gelegenheitsgedicht zu betrachten, weil ihre Dichtung sich an eine andere anlehnt, und daraus erst ihr Daseyn empfängt. Soll sie dennoch für ein freyes Kunstwerk gelten, so muß sie sowohl in Beziehung auf das Urgedicht, als auch für sich selbst schön und verständlich seyn, auf welche Weise auch jedes andere Gelegenheitsgedicht ein allgemeines werden kann. Es kann aber auch jemand einen | schon behandelten ernsten Gegenstand aufs neue zu einem komischen Zweck so gebrauchen, daß ein ganz neues Gedicht daraus hervorgeht, welches bey aller Aehnlichkeit des Inhalts doch nicht die Absicht hat, eine Travestie zu seyn*. Der Wille des Dichters und das Gelingen seines Werks muß darüber entscheiden. Uebrigens darf es uns nicht wundern, daß die Travestie einen ernsten Gegenstand lächerlich machen kann, da die ganze Verfassung der Welt und des Menschen von der Art ist, daß alles für die hochstrebende Freyheit nur als Behelf sich erweist. Der Komiker darf nur die ernstlich angewandten Mittel oder die Anwendung derselben so enthüllen, daß sie mangelhaft, unzureichend, oder auch nur unsicher erscheinen, und das Komische entsteht von selbst. Ist dies schon mit allen menschlichen Veranstaltungen in der Welt der Fall, wie viel mehr mit den Handlungen in einem Trauerspiele, wo die stärksten Affecte von den kühnsten Bestrebungen begleitet sind, und Irrthum und Unsicherheit und Mißlingen so leicht möglich ist. So vollkommen auch ein Trauerspiel seyn mag, so ist doch kein einziges von menschlichen Schwächen frey, und diese sind es gerade, auf die der ächte Ko | miker, der Humorist, am liebsten sein Augen­merk richtet. Steht aber das Trauerspiel sonst nur menschli­ cher Weise fest, so kann es ruhig über sich die Travestie ergehen *  Ein anderer Fall ist, wenn es in der Wirkung travestirend erscheint, ohne die Absicht zu haben, und daher beym Leser oder Zuschauer die Frage entsteht: ist es Travestie oder nicht?

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

183 | 184

Versuch einer Theorie des Komischen

115

lassen, die alsdann in dem Ernst nichts Falsches weiter als das Trügliche unserer Natur überhaupt entdeckt. Die Travestie mag alsdann noch so komisch ausfallen, – wenn das Trauerspiel wieder dagegen erscheint, so wird es mit seinem ächten Pathos doch wieder seine Wirkung thun, und die Travestie in dem Augenblick vergessen machen. – Die oft aufgeworfene Frage: ob das Lächerliche der Probier­ stein der Wahrheit sey,114 ist daher leicht zu entscheiden, wenn man sie nur recht versteht. Wahr oder nicht wahr – alles leidet eine lächerliche Darstellung, in so fern es unzulänglich und mangelhaft ist, und für die menschliche Freyheit und im Verhältniß zur Ganzheit als ein elender Behelf erscheint. In so fern aber dieser Behelf nöthig ist, hat er für die ernste Poesie auch wieder seine bleibende Wahrheit, deren ernstes Recht eben so gültig ist, als ihr komischer Antheil. Angefochten kann diese Wahrheit vom Komiker werden, aber ohne daß sie für sich darunter leidet. Das Lächerliche ist für sie nur in so fern ein Probierstein, als dadurch etwas Ungegründetes, etwas blos Angenommenes, eine Lüge des Dichters entdeckt wird, deren Gegenstand nicht aus der Natur | der Dinge, wie sie nun ein­ mal ist, von selbst herfließt. Geht nun durch eine Travestie an einem Trauerspiele wirklich etwas verloren, das bey der Wiederkehr uns als falsch erscheint, und nun immer dafür erkannt wird, so hat sich das Lächerliche allerdings als ein Probierstein daran bewiesen, so wie es das auch häufig schon bey der ersten Aufführung thut, indem das zuweilen vorkommende Lachen über eine Stelle für dessen Naturwahrheit immer der schlimmste Ausspruch ist. Die dabey obwaltende besondere Rücksicht auf Bildung und Geschmack führt zu den Ausnahmen, welche bey der allgemeinen Beantwortung jener Frage nicht in Betrachtung kommen dürfen, weil man dabey ohne­ hin in Absicht der Subjecte immer gesunden Sinn und die beste Beschaffenheit voraussetzt. Wenn man das, was Parodie und Travestie mit Gedichten thun, auf Personen anwendet, so entsteht die Persiflage.115 Die meiste Aehn­lich­keit hat diese mit der komischen Parodie, indem sie auch etwas Gegebenes zum Theil wiederholt, aber nicht aus reinem ästhetischen Vergnügen, sondern um den andern tadelnd zum Ge-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

116

Stephan Schütze

184–186

lächter und Gespötte zu machen. Sie kann gradweis materieller und formeller Natur seyn, je nachdem sie entweder mehr auf die Sache geht, und ernstliche Mißbilligung enthält, – dann grenzt sie an die Satyre; oder je nachdem sie mehr um der Form, um des Witzes willen, ihr  | Spiel treibt, – dann wird sie wieder dem Scherze verwandt. Der Scherz ist aber subjectiver und unschuldiger, indem er aus e­ inem heitern, wohlwollenden Gemüth entsteht, etwas Erdichtetes bey seinen Behauptungen schon voraussetzt, und den Zweck der Lust nicht verhehlt. Die Persiflage ist mehr objectiven Ursprungs, indem ein wirklicher Gegenstand sie veranlaßt, und ihre Aeußerungen sind eine Sache des Verstandes, und mit einer gewissen Kälte verbunden. Sie erwähnt des Geschehenen auf solche Weise, daß es tadelns- und belachenswerth erscheinen muß*: dies thut sie, indem sie das Gegebene mit bedeutenden Accenten wieder giebt, oder es auch durch eine andere Stellung und durch Zusätze verstärkt. Der Ton, womit sie es sagt, dient ihr zur Auslegung, und sie führt damit oft ganze Reden eines andern an. Oft aber läßt sie es bey bloßen Anspielungen bewenden, und verfährt indirect. Bald ahmt sie die unschuldige Naivetät nach, als wisse sie von nichts, bald giebt sie sich den Schein der guten Laune, als könne sie des Lustigen gar nicht Herr werden, bald thut sie freundlich und liebreich, wie der Scherz, bald nimmt sie den Ernst eines weisen Rathgebers an, und wenn der andere ihre Verstellung nicht merkt, überläßt sie | sich völlig der Absicht, ihn aufzuziehn. Wo es nöthig ist, bringt sie ihre Bemerkungen fein und versteckt an, und wählt abwesende Personen mit Anekdoten und Stadtgeschichten zu ihrem Gegenstande**. Die gewöhnliche Persiflage ist ein Product nicht der Poesie, sondern der feinen Gesellschaft und des Welttons, und wird zum unterhaltenden Bedürfnisse, wenn die Personen nicht mehr Charakter und gegenseitiges Vertrauen genug haben, um selbst mit und über einander zu *  Sie hat in ihren Aeußerungen das Princip der Vernichtung, ist Ehre und Ansehn raubend und hat mehr das Lächerliche als das Komische zum Ziel. **  Oft spricht sie auch von einer abwesenden Person, indem sie eine gegenwärtige meint.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

186 | 187

Versuch einer Theorie des Komischen

117

scherzen. Weit entfernt, mit neuen Dichtungen die Phantasie in ein anmuthiges Spiel zu versetzen, bedient sie sich nur des Geschichtlichen zur Uebung des Witzes, wobey das Augenmerk ihrer Vergleichungen häufig nicht auf die Natur, sondern auf schon bestimmte bürgerliche Verhältnisse, auf angenommene Grundsätze der Convenienz, und auf verfehlte Absichten im bürgerlichen L ­ eben gerichtet ist*. Das Komische ihres Wirkens ist also oft sehr gebrochener Art, indem es statt der wahren Bedürfnisse erkünstelte setzt, und des Menschen Abhängigkeit davon als von Gesetzen der Natur ans Licht zieht. Da aber demselben doch etwas Allgemei | nes, etwas Angebornes zum Grunde liegt, so kann es nicht fehlen, daß der Reflex doch zuletzt auf eine Naturhandlung zurückfällt, deren Herüberwirken auf die Abweichung von der künstlichen Regel ein schwaches Licht wirft. Ein anderes aber ist es, wenn diese Regel, die hier dem Lächerlichen zum Maaß und Gegensatze dient, selbst zum Gegenstande des Gelächters gewählt wird, was die feine Persiflage der Gesellschaft gewöhnlich nicht thut, wohl aber die poetische. Nicht selten ist es scherzender Muthwille des Aristophanes, den oft schwül­ sti­gen Euripides mit seinen hochtönenden Worten und aufgehäuften Rührungsmitteln in einem Lustspiele aufzuziehn, indem er jene in einem andern Zusammenhange gebraucht und durch den Doppeldienst ihre Lächerlichkeit enthüllt.116 So kann die Persiflage als eine nebenher gehende Dienerin auch in der Poesie die höhere Kraft verherrlichen, und durch Vergleichungen zwischen Natur und falscher Kunst mit siegreichem Rückblick auf die erstere den fröhlig lachenden Scherz über des Menschen irrende und kämpfende Freyheit vermehren. Mit diesem Zweck wird sie wieder poetisch. Noch ist zu bemerken, daß die Persiflage nicht nur gern die Worte eines andern, sondern oft auch seine Handlungen wiederholt, indem sie solche treu und nur mit etwas verstärktem Ausdruck nachahmet, um den Handelnden durch den Spiegel, den man ihm dadurch vor*  Daher das Sprichwort beym Volke: wer den Schaden hat, der darf für Spott nicht sorgen! Doch ist der Spott von größerer Freyheit und Mannichfaltigkeit, und die Persiflage nur ein Theil davon.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

118

Stephan Schütze

187–189

hält, auf das | Unschickliche oder Lächerliche seines Betragens aufmerksam zu machen, oder auch, ohne daß er es merkt, ihn damit dem Gelächter preis zu geben. In so fern man die Art und Weise des andern nachahmend wiedergiebt, nennt man dies auch einen an­ dern parodiren, womit man aber eigentlich das Bestreben ausdrückt, vermittelst der komischen Parodie einen andern zu persifliren, so wie dies zuweilen auch mit Gedichten geschieht, auf die man persi­ flirende Parodien macht. Eine Hauptform und subjective Methode beym Komischen ist noch die Ironie.117 Sie ist von der Parodie, Travestie und Persiflage dadurch unterschieden, daß diese sich an etwas anlehnen, und das Objective zu etwas Subjectiven verarbeiten, sie aber das Subjective (ihre Meynung) verbirgt, und das Objective zur eignen Wirkung des Komischen hinstellt. Einen versteckten subjectiven Antheil daran kann man ihr nicht absprechen, aber sie setzt ihre ganze Kunst darin, den Gegenstand so in seiner lächerlichen Blöße hinzustellen, daß schon durch die Wirkung desselben ihre Meynung hervorgeht. Sie sagt ihren Gedanken nicht, aber sie läßt ihren Sinn errathen. Indem sie hierin ganz dem ernsthaften Scherze der Natur folgt, die ein Vorbild der Kunst ist, wird sie mit ihrer Objectivität für das Komische überhaupt ein Kunstprincip, das für die rein objective Darstellung das Ver | borgenseyn des Dichters (wie in der Natur des Schöpfers) und die sich selbst entwickelnde organische Beschaffenheit des Gegenstandes (nach Art der Pflanzen) zum herrschenden Gesetz macht. Daß das Komische nicht blos subjectiver Scherz, sondern auch eine für sich bestehende Handlung seyn kann, das giebt, demselben erst die Fähigkeit, wirkliche Kunst zu seyn. Indeß, ob man nun gleich gestehen muß, daß die meisten Lustspiele eine Ironie begleitet, so ist, streng genommen, auch dieses selbst nicht immer nöthig, indem der Gegenstand ohne dieselbe, wenn auch nicht so verständlich, doch freyer und noch selbstständiger wirken kann. Nämlich die reinste Objectivität wird eigentlich durch die Naivetät erlangt, und nicht durch die Ironie.118 Das Naive dient allen Gattungen der Poesie, und folglich auch dem Komischen. Kann der Dichter das Unbewußte desselben ganz treu nachahmen, dann bleibt auch

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

189–191

Versuch einer Theorie des Komischen

119

die Ironie davon entfernt, und nur der Zuschauer, welcher weiß, daß der Dichter scherzen will, legt dieselbe erst hinein. Sie entsteht also erst, wenn der Scherz beym Ernst durchblickt; sie ist eine Andeutung, eine Bestimmung des Naiven zum Komischen, und macht, daß das Naive sich deutlicher aus dem allgemeinen Elemente sondert, und sich selbst für etwas Komisches giebt. Man kann auch nicht leugnen, daß das Ansichhalten der Ironie nicht immer streng, sondern | nur gradweise geschieht. Ton, Miene, Accent läßt sie nicht so ruhig gehen, wie die Naivetät, sondern diese sind in einer gewissen Spannung gehalten, und verrathen, obwohl nur mit den leisesten Spuren, den Richter hinter sich, der mit ihnen eine Absicht verbindet. Die geringste Kleinigkeit ist schon hinreichend, die Ironie durchblicken zu lassen, und so gern sie sich auch verbirgt, so kann sie doch nicht umhin, den Gegenständen einen schwachen Schimmer von sich zu verleihen. Da sie es indeß doch auf ihr Incognito abgesehen hat, so muß sie zu ihrer Verständlichkeit das äußerlich ersetzen, was sie innerlich zurückhält. Was sie mit dem größten Schein der Billigung hinstellt, das muß sie so in der vermeintlichen Vollkommenheit versichtbaren, daß gerade der falsche Schein ihre Unächtheit verräth. Die Ironie hat es also mit dem Vermeintlichen einer Vollkommenheit zu thun, und ahmt die Sprache des Irrthums und der Thorheit nach. Sie stellt sich, als wäre sie auch von der Wahrheit derselben durchdrungen, und indem sie es wiederholend zu bedenken und zu betrachten giebt, macht sie im helleren Lichte das Falsche daran bemerkbar. Indem sie also in die Natur und Lage eines andern sich versetzt, und diese zu ihrer eigenen macht, ist sie wahr und falsch zugleich, wahr in der Nachahmung der Falschheit, und falsch in dem Vorgeben der Wahrheit. Um aber das Falsche | des angeblich Wahren desto sicherer zur Erkenntniß zu bringen, hat sie ihr Hauptaugenmerk auf den falschen Schein desselben gerichtet, welchen sie als den objectiven Verräther am meisten hervorzieht, und dessen Sprache sie studirt. Deshalb nennt Jean Paul die Ironie den Ernst des Scheins.119 – Was also die Ironie noch durch eigne Betonung und Verstärkung hinzufügt, das dient nur dazu, den falschen Schein des angeblich Wahren zu bezeichnen,

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

120

Stephan Schütze

191 | 192

und so den Gegenstand in seiner schlecht verschleierten Blöße selbst deutlicher erscheinen zu lassen. Je mehr Scheingründe jemand für eine falsche Sache zu erfinden vermag, desto feiner ist seine Ironie; er kann eine Menge derselben einem andern andichten; widerstreiten sie aber dem Charakter des andern, so wird seine Ironie unwahr und gezwungen. Wird er durch Uebertreibung zu deutlich, so daß ohne alle objective Wahrscheinlichkeit nur seine Absicht und sein Urtheil hervorgeht, so entsteht die grobe Ironie. Läßt die Darstellung der Wahrheit wenig oder gar keinen Schein der Unächtheit bemerken, dann ist die Ironie versteckt, oder auch völlig unverständlich. Dieses ist so gut ein Fehler, als die zu große Deutlichkeit, die die Ironie zur Persiflage macht. Uebrigens wird die Ironie um so komischer wirken, je unbefangener und je natürlicher sie zu Werke geht, und je mehr komische Bestandtheile der Gegenstand in dem fal | schen Schein schon von selbst offenbart. Ohne diese würde die Ironie nur Scherz seyn, mit diesen ist sie eine wahrhaft poetische Beschauung der Welt, und eine stille Ergötzung an ihrer Thorheit.

Achtes Kapitel. Entstehung verschiedener Arten von Lustspielen. So lange das Komische nur indirect, durch die Aussage eines Dritten, durch Erzählung dargestellt wird, entstehen daraus in der Poesie nicht so viele Arten von komischen Producten, als wenn dies direct, durch bloße Objectivität, also dramatisch geschieht.120 Der Grund ist, weil das Komische eine starke Versinnlichung verlangt, und sein ganzes Wesen auf Mannichfaltigkeit, auf die mancherley Gestaltung der persönlichen Freyheit und also auf das Individuelle sich gründet. Das Individuelle nun wird besser sichtbar und gegenwärtig als in der Abwesenheit mit der blosen Vorstellung erkannt; daher strebt selbst jene indirecte Darstellungsweise zum Dramatischen hinüber, und bedient sich zum Theil der sinnlichen Deutlichkeit desselben. In so fern sie ihre Absicht durch den Ausdruck erreicht, wird ihr Verfahren schon aus den Darstellungsmitteln überhaupt erkannt; in

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

192–194

Versuch einer Theorie des Komischen

121

so fern sie aber mit dem Dramatischen zusammenfällt, empfängt sie am besten | ihr Licht aus diesem. Deshalb bedürfen zur Aufklärung des Komischen überhaupt die komische Erzählung und der Roman, das komische Heldengedicht und Epos und die Burleske, (welche letztere drey aus der Laune und Ironie und durch Travestie ihr Daseyn erhalten,) hier keiner besondern Erwähnung. Zwar bleibt dem Erzähler immer der Vortheil, daß er wegen der Ferne kühner seyn, und z. B. Situationen dichten kann, die in der Sichtbarkeit und Gegenwart zu sinnlich ausfallen würden, oder auch wegen ihrer Größe der wirklichen Darstellung sich enthalten müssen (weshalb also sein Spielraum in materieller Hinsicht weiter ist), und er genießt dabey noch des zweyten Vortheils, daß er als Referent sich auch selbst geben, seine eigene Meynung sagen, seine Laune und Stimmung wirken lassen, und durch subjective Mittheilung des Ideals neben dem Spiel der wirklichen Welt eine größere Verständlichkeit über sein Werk verbreiten kann; allein dies sind eigentlich mehr Vortheile für ihn (Erleichterungsmittel), als für das Kunstwerk, das mit größerer Objectivität seine Absicht, die Welt im Bilde zu zeigen, noch wahrer und selbstständiger und ohne Behelf erreicht. Es kann auch der dramatische Dichter recht gut das, was jenem unmittelbar als Mitsprecher zu Gebote steht, mittelbar durch seine eige­nen Geschöpfe erlangen und ausführen, denn sein Spiel ist eine Handlung | und eine Welt für sich, und ob sie gleich die Außenwelt im Bilde wiedergiebt, so ist und bleibt sie doch als des Dichters Werk auch seine eigene Welt, der er ganz und gar seinen Geist und seine Laune einhauchen, in der er sich selbst sogar aufstellen kann. Seine Subjectivität, seine Meynung und sein Ideal wird erkannt aus dem, was er von der Welt, und wie er sie auffaßt, aus der Fügung, aus der Zusammenstellung, aus der ganzen Behandlung des Gegenstandes, und aus der Anordnung, die in Irrthum und Begegnissen, im Reden und Thun, die Thorheit des Thoren offenbar werden läßt. Und die besondere Andeutung des Erzählers steht ihm auch frey, indem er dem Thoren auch vernünftige Menschen oder kleinere Thoren an die Seite stellen, und ihnen nach Maasgabe der Charaktere in den Mund legen kann, was er will. Zuletzt bleibt ihm noch die Erfin-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

122

Stephan Schütze

194–196

dung einer eignen Person, ein lustiger Rath, ein Hanswurst oder ein Stellvertreter desselben übrig, durch den er seinen Willen und seine Ansicht auf das Werk zurückwerfen kann. Aber – obgleich der Geist des Dichters mit in sein Werk hinübergeht, so ist doch recht wohl zu merken, daß, nachdem er sein Product hingestellt hat, eigentlich nicht mehr die Rede davon seyn kann, was seine Ansicht davon sey, sondern, wie es, abgelöst von ihm, nun dem Zuschauer erscheint. Dieser betrachtet ein Kunstwerk wie ein Stück | von der Welt, wie eine Beyspielswelt,121 und es fragt sich, was er darüber nun denken, empfinden und urtheilen, und welches größere oder geringere Ideal er unbewußt mit seinem Gefühl und seinem Geist dagegen stellen werde. Die Subjectivität des Dichters kommt nun gar nicht mehr in Betrachtung; diese muß schon lebendig wirkend mit im Werke vorhanden und selbst objectiv geworden seyn. Der Zuschauer sieht einem Vorfall, einer Handlung zu, wie wenn er auf dem vollen Markte des Lebens stände, und was er daran Thörigtes finden will, ob viel oder wenig, das kommt auf ihn, auf seinen Geist, und auf seine Ansicht an. Indeß obgleich der Unterschied der Zuschauer sehr groß seyn kann, so ist doch dieser keinesweges beym Lustspiel als etwas Bestimmtes mit eingerechnet, so daß es selbst einen Theil davon ausmachte, sondern die allgemeine Rücksicht geht nur auf sie als auf Menschen überhaupt, sonst müßte ja bey jedem Lustspiele noch hinzugesetzt seyn: für Könige, für den Adel, für den Bürgerstand, u. s. w. Will der Dichter vorher noch besondere Rücksichten nehmen, so steht das bey ihm; nur wenn das Werk einmal vorhanden ist, kann das Besondere nicht noch als allgemeine Bedingung nebenher gehen, und den allgemeinen Satz begründen, als ob das Urtheil der Zuschauer und ihre Ansicht geradezu mit zum Lustspiele gehörte, ei | nen Theil desselben ausmachte (nämlich den subjectiven) und daß die Zuschauer im eigentlichsten Sinne mitspielen müßten. Nein! das Lustspiel bleibt so gut wie jedes andere Kunstwerk der Empfindung des Beschauers überlassen, und der verschiedene Eindruck macht für dasselbe keinen Unterschied. Die Verschiedenheit des Lustspiels von andern Kunstproducten besteht in keiner totalen Abweichung, so daß das Objective auf dem Thea-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

196 | 197

Versuch einer Theorie des Komischen

123

ter und das Subjective desselben in den Zuschauern säße (welche Zusammenrechnung für die Kunst als solche unerhört seyn würde), sondern sie ist blos gradweis, indem die Verschiedenheit des Ur­ theils der Beschauer bey dem Lustspiele nur größer ist, als bey andern Producten. Uebrigens hat das Lustspiel seine Geschlossenheit und Selbstständigkeit so gut, als jedes andere Drama; die thörigte Welt ist da, wenn auch kein einziger Zuschauer sich einfindet, sie zu betrachten, und zur Beurtheilung seinen Maasstab von Idealität anzulegen. Und so sehr auch des Zuschauers Idealität geweckt wird, und zum Werke hinüberschaut, so ist es doch ganz falsch, das mit zum Werke zu rechnen, was ganz außer demselben liegt. Alles, was es von Idealität haben kann und soll, muß auch in demselben wirklich vorhanden seyn, wenn es für einen objectiven Theil desselben gelten soll. Will man aber demselben nur die Kraft beymessen, Idea­ litat zu wecken, oder | zum Bewußtseyn zu bringen, so ist es diese Eigenschaft, die Ursach der Wirkung, nicht die Wirkung (beym Zuschauer) selbst, die mit zur Beschaffenheit, zum ganzen Wesen und Daseyn des Werks gehört. Indem wir die verschiedenen Arten von Lustspielen betrachten, kommen wir von selbst auf die Art und Weise, wie der Dichter sein Werk bald mehr, bald weniger beseelt und begeistigt. Wie er die Welt anschaut, oder wie er will, daß die Welt angeschaut werden solle, so theilt er sich auch seinem Producte mit. Die Objectivität seines Werks besteht in einem Zusammenhange von Lächerlichkeiten, seine Subjectivität in der Art, wie er sie behandelt. Alles Hin­über­ streben zu einem Ideal für den moralisch handelnden Willen (zur Moralität) stört des Lebens unmittelbare Lust, und der Lustspieldichter bleibt darum unbekümmert. Aber eben so wenig will er das Unmoralische, und wir sehen gleich ein Beyspiel von dem Einwirken und dem Hinübergehen der Subjectivität in das Werk, wenn in einem Lustspiele nach der Verdorbenheit oder den falschen Begriffen des Dichters falsche Naivetät, falsche Natur herrscht und Sünde für Thorheit gilt. Nicht in diesen Dingen – zwischen Tugend und Laster – soll sich die Subjectivität wirksam beweisen, sondern in der größern oder geringern Freyheit des frohen Muths und in der hö-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

124

Stephan Schütze

197–199

hern oder niedern Ansicht der thö | rigten Welt überhaupt. Je nachdem er das Handeln der Menschen mit der Handlung der Natur in Beziehung und Berührung bringt und je nachdem er alle Macht und allen Verstand auf die höchste Freyheit bezieht, wird sich auch die Lächerlichkeit unter seinen Augen versichtbaren und vermehren, je kühner wird er vordringen, und je weiter wird er sich in die Verkettung der menschlichen Gesellschaft wagen, bis er die ganze Welt lachend überschaut. Die Menge und die Stärke der Thorheit und des lächerlichen Zustandes verräth seinen scharfen Blick, sowohl in die Weite, als in die Tiefe, und der höchste Komiker, der Humorist, wird gradezu zum kühnsten Spiele, sowohl in der Idee als in der Darstellung, schreiten. Zuerst kommt aber das bloße Scherzspiel122 in Betrachtung, das auf Wortwitz, auf Gegensätze in Reden beruht, und gern epigrammatisch wirkt. Hier tritt das Komische blos indirect, und also nur schwach hervor. Es wirken hier nicht sowohl Charaktere, Handlungen und Situationen, als Anspielungen auf etwas, das von dem einen dem andern als komisch vorgehalten und schuld gegeben wird, wogegen sich dieser wieder leicht zu reinigen und jenem mit neuen Anschuldigungen zu vergelten weiß. Der Stoff, die Fabel besteht daher in solchen Stücken gewöhnlich nur in kleinen Mißverständnissen, in kleinen Irrthümern und Mißhelligkeiten, ohne | welche es freylich zu gar keiner Fabel, zu gar keinem Fortgang und zu keinem Schlusse kommen würde. Doch sind Stücke dieser Art, die sich mit den Worten hin und her werfen, oft von so lockerer Beschaffenheit, daß sie mit angenommenen Fällen und leeren Späßen eben so gut länger fortdauern, als auch viel eher schließen könnten. Bey solcher Willkühr entbehren sie fast aller Objectivität, und es ist, als wenn wir mit jenen Personen selbst in Gesellschaft wären. Der gesellschaftliche Scherz ist von uns zu ihnen hinübergegangen, und wir hören einen Wortwechsel aus unsrer Mitte. Wenn solche Stücke dennoch gefallen, so rührt das zum Theil von der Gleichheit der Sphäre zwischen den redenden Personen und den Zuschauern, zugleich aber auch von der Heiterkeit her, die zum guten Glück ein kleines Lustspiel der Art belebt, und die sympathetisch wirkt. Häufig wird indeß

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

199–201

Versuch einer Theorie des Komischen

125

nur der Witz belacht, und man glaubt, daß es das Stück sey. Jemand, der hinträte und uns Epigramme vorläse, oder sich dialogisch mit einem andern in Epigrammen übte, würde oft schon ähnliche Wirkungen hervorbringen, wiewohl nicht zu leugnen ist, daß der Witz im lebendigen Entstehen eines persönlichen Verhältnisses mehr Kraft hat. Uebrigens sind solche Spiele das beste Mittel, das Publicum vom Komischen ganz zurück zu bringen, weil sie die Phantasie unbeschäftigt lassen, und in eine Bequemlichkeit und | Schlaffheit versetzen, die sich mit dem wahrhaft Komischen, das Geist und Phantasie und alle Sinne in Anspruch nimmt, sehr wenig verträgt. Diejenigen Scherzspiele sind noch die besten, welche zwischen Feinheiten und gutem Witz in einem reinen Verhältnisse schweben, so daß die kleinen Ursachen mit den kleinen Wirkungen auf Fortgang und Schluß gut berechnet sind, und in der Leichtigkeit weder zu viel geben, noch zu viel erwarten lassen. Das Lustspiel erhebt sich gleich, wenn der Scherz zur Laune übergeht, wenn eine regsame Munterkeit durch das Ganze herrscht, und wenn besonders ein lustiger, launiger Mensch darin auftritt. Dieser wird Veränderungen wünschen und hervorbringen, und, kommt noch List und Schlauigkeit dazu, die Handlung des Stücks vermehren, und dem Vorgang mehr Wichtigkeit verschaffen. Auf diese Weise entsteht das Intriguenstück,123 das mehr auf Handlung, als auf Charakter berechnet ist, welche beyde sich leicht einander Abbruch thun; denn wo viel geschehen soll, da haben wir nicht Zeit, bey e­ inem Einzelnen lange zu verweilen, und ihm besonders unsere Aufmerksamkeit zu schenken. Wer uns mit einer Geschichte unterhalten will, die viel Veränderungen enthält, der darf uns, zumal, wenn sie durch viele kleine Umstände sich verwickelt, mit Charakterschilderungen nicht lange aufhalten, sondern er kann voraussetzen, daß | wir schon zufrieden sind, wenn wir die Personen nur, so weit es zur Geschichte dient, kennen lernen. Zu einem wichtigern Charakter und dessen langsamerer Entwickelung erwarten wir auch, wenn sie zu einer Geschichte dienen soll, eine wichtigere Handlung und ein langsameres Vorschreiten. Im Intriguenstück ist der Gegenstand der Betrachtung die Verknüpfung von vielen kleinen Umstän-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

126

Stephan Schütze

201–203

den (nicht großen Begebenheiten, denn diese würden wieder große oder wichtige Charaktere erfordern und an den Ernst streifen). Hier gilt es Erfindungskraft in Absicht des geschichtlichen Stoffs oder: der Dichter hat hier nicht das Komische zum Ziel, das in den menschlichen Charakteren und Handlungen gleichsam bleibend ist, sondern jenes, das in der geschichtlichen Welt flüchtig vorübergeht. In so fern er ein sonderbares, seltsames Zusammentreffen und Zusammenfügen vor Augen hat, räumt er auch dem Zufalle große Gewalt ein, und er will mit seiner Erfindung das Ansehn haben, als wenn sich alles von selbst so füge, und als ob in den Umständen schon Verstand sey. Sein Zweck ist also offenbar, den Naturgeist als einen neckenden Genius darzustellen, wie er in den menschlichen Begegnissen erscheint. Oder, mit andern Worten: er will nicht das Komische des Zustandes, noch der Handlung und des Charakters, sondern das Ko­ mische des | Geschichtlichen in der Welt vergegenwärtigen. Dabey rechnet er auf eine von außen her wirkende Kraft, die ihm oder seinen Personen bald dienlich, bald hinderlich ist, und woraus ein neckender Widerstreit zwischen der Natur und dem Menschen entsteht. Kommt diese äußere Wirkung mehr aus einem geheimnißvollen Dunkel, und verliert sich in mehr geahnete als völlig erkannte Naturkräfte, so geht das Intriguenstück ins Romantische über. Häuft der Dichter aber das Zufällige so sehr, oder auf eine solche Weise, daß es nicht als Naturhandlung, sondern als ein Product seiner Willkühr, blos als eine Annahme von Möglichkeiten erscheint, die nicht aus einander, sondern nur auf einander erfolgen, so schweift das Stück ins Romanhafte, und verliert das Ansehn einer Handlung. Um dieses letztere, die Handlung, zu erreichen, muß der Dichter den Wirkungen von außen auch eine Kraft von innen entgegen stellen, und deshalb bedarf er eines listigen, schlauen Menschen, der sich für das Ganze zum Schöpfer aufwirft. Aber auch die übrigen Personen müssen eher mit einem Grade von Klugheit ausgerüstet als durch zu große Dummheit beschränkt seyn, weil sonst die Kunst, sie zu täuschen, ein zu leichtes Spiel haben, und die Handlung ohne den Gegenkampf immer wieder zur bloßen Geschichte, und zur Passivität zurücksinken würde. Bringt der Intriguen | dichter den Betrug

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

203 | 204

Versuch einer Theorie des Komischen

127

mehr subjectiv als objectiv, und nicht von beyden Seiten hervor, so wird das Komische sehr wenig Wirkung thun; wir werden den Betrogenen, statt über ihn zu lachen, nur einen dummen Menschen schelten. Für den Schlauen, der sich aufwirft, in der Schöpfung Herr zu seyn, ist es eben so nachtheilig, wenn ihm nichts, als wenn ihm alles gelingt. Ja, so fern er darauf ausgeht, das Nothwendige und Zufällige zu seinem Vortheil zu vermitteln, steht er zwischen dem Menschen und der Natur (der geschichtlichen) und horcht nach beyden Seiten. Wir werden über ihn lachen, wenn ihm der Betrug an andern mit Hülfe des Zufalls zuweilen gelingt, und zuweilen von ihnen vereitelt wird, aber noch größer wird unser Vergnügen seyn, wenn der Gehülfe wieder über den Herrn hervortritt, wenn der Verbündete sich plötzlich gegen ihn wendet, wenn der Zufall über ihn sein eige­nes Netz zuzieht. Ohne diese eigenwillige und gleichsam launige Einwirkung von außen her würde das Spiel noch der vollen poetischen Freyheit entbehren und mit Klugheit und Gegenklugheit zu sehr ­einem Schachspiele oder dem Werke eines falschen Spielers ähnlich sehen. Das Intriguenstück hat die Verspottung der menschlichen Freyheit auf den menschlichen Verstand gerichtet, und alle Ver­ legen­heiten, die es herbeyführt, fallen auf diesen zurück. Da ­indeß der Dichter hierbey an dem Menschen doch | irgend etwas haben muß, worauf er seine Schlauheit berechnen kann, so wird er mehr oder weniger auch die Charaktere zu Hülfe nehmen, und die Verlegenheiten der einzelnen Personen in komische Situationen verwandeln, so daß er die Charaktere durch seine List in ein streitendes Verhältniß bringt, in welchem die Eigenheiten sich gegen einander bespiegeln. Die Situationen sind Resultate von Begegnissen und vorhergehenden freyen Handlungen, durch welche die Personen von verschiedenen Seiten her so zusammentreffen, daß sie sich selbst ein­ander Verlegenheiten schaffen, welche sie in der herbeygeführten Lage entweder noch eine Weile blind bekämpfen, oder verwundernd mit Eingeständniß ihrer Schwäche erkennen. Das Intriguenstück wird immer mehr, dem Schein einer bloßen Rechnung entgehen, je mehr der Dichter Gemüth und Charakter

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

128

Stephan Schütze

204–206

daran Antheil nehmen läßt, und auch den Eigenschaften und Neigungen des Menschen eine Rolle darin ertheilt. Dadurch erhält es zugleich die Fähigkeit, ein Situationsstück124 zu werden, das seinen komischen Stoff halb aus der Geschichte und halb aus den Personen schöpft. Auch im Fluge des raschen Ganges zwischen thätiger List und mithandelnder Natur können wir die Charaktere, so viel zur Wirkung des Komischen nöthig ist, erkennen, und in der Verbindung von beyden ist unsere Aufmerksamkeit theils auf die | geschichtliche Handlung, die Intrigue, theils auf das Innere des Menschen, auf Neigung und Charakter, gerichtet, doch so, daß wir immer eins auf das andere beziehen und in Wechselwirkung setzen. – Tritt nun aber vorzüglich die Neigung eines Menschen handelnd hervor, und kämpft mit den Hindernissen der Natur und den Umständen, so macht diese mehr unmittelbar die Person oder den Menschen zum Hauptgegenstande des Stücks; der Held der Schlauheit, der Lustspielmacher, fällt dann von selbst weg, die Fabel wird eigentliche Handlung, und das Lustspiel erhält, in so fern sich alles aus etwas Gegebenem entwickelt, mehr geschlossene Objectivität. Auf diese Weise entsteht zunächst jene Gattung, welche man das bürgerliche Lustspiel125 nennen könnte. Es ist ein Spiel zwischen den verschiedenen Neigungen, Grundsätzen und Absichten der Personen, wie es im gewöhnlichen Leben (und daher auch auf der Bühne) häufig vorkommt. Der Sohn will z. B. ein junges hübsches Mädchen zur Frau, und dem Vater ist sie nicht reich, nicht vornehm genug, oder er lebt mit der Familie in Feindschaft, oder er hat ihm schon eine andere zur Frau bestimmt oder zwey Wünsche treffen auf den Besitz eines Gegenstandes zusammen und dergleichen. Indem das Willkührliche und Unwillkührliche sich hier von selbst mischt, und bald die Natur halb verborgen durch den Menschen handelt, indem er | selbst allein zu handeln glaubt, bald der Mensch – heimlich oder offenbar – ihr gradezu entgegen zu streben sucht, entstehen mancherley komische Scenen, und was im Intriguenstück erst herbey geführt wird, die komische Situation, die ist hier vermöge der sich durchkreuzenden Neigungen und angenommenen Mißverhältnisse recht eigentlich an ihrem Platze. Es giebt hier zwischen den Perso-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

206 | 207

Versuch einer Theorie des Komischen

129

nen, die sich einander suchen und meiden, hindern und befördern, in einem weg komische Auftritte. Wir sehen hier die handelnde Natur in ihrer unmittelbaren Wirksamkeit, und halb verleihend, halb versagend giebt sie den Menschen mit seiner Freyheit öfters seinem Zorn und Unwillen und unserm Gelächter preis. Es ist ein leichter Kampf von allen Seiten, der Menschen mit sich selber und mit andern, – genau betrachtet – aber immer nur mit der Natur, die nachgiebig den Personen freyen Spielraum läßt, und sie doch im Kreise vor sich her treibt, bis sie sich unter ihrem Scepter vereinigen. Diese Art von Lustspielen, wo sich die Menschen nur gegen einander ausgleichen, schließen daher gewöhnlich mit der Zufriedenheit oder der Beruhigung aller. Aber die einzelne Neigung kann auch eine größere Stärke, eine Beharrlichkeit zum Nachtheil des Ganzen, eine gewisse Verhärtung annehmen, und in förmliche Thorheit, in Liebhaberey und Fehler übergehen. Hier beginnt das | Sittenlustspiel,126 das sich mit den lächerlichen Gewohnheiten und Handlungsweisen, mit den Sitten und Thorheiten der Menschen beschäftigt. Diese erscheinen nun entweder als eine Sonderbarkeit an einzelnen Menschen, oder an ganzen Ständen. Im erstern Fall ist gewöhnlich eine Grille, eine Idee, eine Liebhaberey der Gegenstand des Lustspiels, und das Stück hat alsdann ein gewisses Thema vor sich, womit es in einer etwas zu sclavischen Behandlung leicht ans Didactische streift, – es zeigt ­einen theilweis närrischen Menschen; – im letztern Falle schöpft es das Komische aus einer allgemeinen bürgerlichen Beschränktheit, wo es Lächerlichkeiten und Thoren genug findet, aber mit denen es ohne Verarbeitung zu einer besondern kräftig durchherrschenden Fabel leicht zu einem bloßen Sittengemählde127 wird, und über der bloßen Wahrheit das Komische selbst, den Zweck der reinen Lust, vergißt. Hier mischt sich leicht ein zu großer Ernst ein, oder aber das Ganze schwankt unsicher zwischen Gemählde und Posse, ohne einem von beyden sein volles Recht widerfahren zu lassen. Das Portraitiren mit läppischen Zuthaten ist hier sehr häufig. Kurz: es wirkt der Stoff leicht vor, und bleibt in einer gewissen Rohheit, so daß wir oft sagen können: die Sache ist lustig, aber es ist daraus noch kein

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

130

Stephan Schütze

207–209

Lustspiel geworden. Die völlige Verarbeitung zu einem freyen, komischen Ganzen, so daß | aller Zweck und alle außerwesentliche Rücksicht verschwindet, macht hier die Hauptsache aus. Wenn Sitten und Handlungen gehörig zur Fabel verknüpft werden, können aus den mancherley Ständen recht viele gute Lustspiele zum Vorschein kommen. Nimmt sich der Dichter vor, eine solche zum herrschenden Fehler gewordene Neigung zu behandeln, die nicht blos als eine Sonderbarkeit an diesem oder jenem haftet, sondern in der menschlichen Natur überhaupt so sehr gegründet ist, daß sie oft unter den Menschen wiederkehrt, dann liefert er ein eigentliches Charakter­ stück.128 Dieser Fehler kann nun entweder auf eine Zeit oder auf ein ganzes Leben beharrlich seyn. Von der erstern Art ist z. B. die Eifersucht, von der zweyten der Geiz. Bey jener kann noch zuletzt eine Beschämung oder eine Bekehrung Statt finden, bey diesem ist an keine Erkenntniß und Aenderung zu denken. Bey beyden aber geht die Beschauungslust an ihrem Irrwesen dahin, zu sehen, wie die Natur durch eine Ausartung der Menschen sich ihrer Freyheit bemächtigt hat, während sie gerade recht frey zu seyn glauben. Besonders hat der Geiz als die sonderbarste Erscheinung, wo der rechnende und zählende Mensch fast ganz zur Zahl wird, und die ganze Welt nach seiner Ansicht gern darein verwandeln möchte, von jeher auf den Bühnen viel Stoff zum Lachen gegeben. Dieser | Fehler, der die Neigung des Menschen fast bis zum Instinct herabwürdigt, würde gleich aufhören, ein Gegenstand des Lachens zu seyn, wenn nicht ein vorzüglicher Verstand wieder dabey den Wahn der Freyheit rettete, und den Trieb wieder in eine freye Handlung verwandelte. Der Geizige wandelt unter dem Joche der Natur, ohne daß er es weiß und will, und das macht ihn, weil er doch auf seine Weise auch das Glück erstrebt, eben lächerlich. Aber nicht genug, daß ihn die Natur zum folgsamen Sclaven umbildet, sie reizt ihn auch wieder von andern Seiten durch Triebe und Neigungen, und setzt dadurch seine vermeintliche Freyheit in den größten Kampf. Er ist von allen Seiten geneckt und geplagt, aber sein Verstand und sein entschlossener Wille (geizig zu seyn) hält ihn immer wieder aufrecht, so daß

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

209–211

Versuch einer Theorie des Komischen

131

er nicht blos leidend, sondern auch in einem hohen Grade handelnd erscheint. Seine Erfindungsgabe in der Ersparniß, sein Scharfsinn in der Entdeckung des Betruges, setzt uns in Verwunderung, und, indem wir seiner Thätigkeit folgen, schenken wir ihm eine Art von Achtung und Huldigung, ohne welche er uns gar zu verächtlich oder erbarmungswürdig vorkommen würde. Zeigt sich sein Geiz von der Stärke, daß er selbst darunter erliegt, und ganz und gar Mitleiden einflößt, dann hat die Natur ihn völlig besiegt, alle Gegenwirkung, alle Handlung, alle Freyheit, alle Ideenthätig | keit hört auf, und alles Komische hat ein Ende*. Je versteckter die Natur durch die Freyheit des Menschen hindurchwirkt, desto mehr gewinnt das Komische an poetischer Kraft, doch muß es nicht gänzlich in Dunkelheit sich verlieren und verschwinden, sondern bey aller Heimlichkeit doch lebhaft und tief empfunden werden. Nur in einem solchen Dämmerlichte zwischen Willkühr und Unwillkühr wird der komische Charakter seine volle poetische Wirkung thun, indem sein thörigtes Treiben uns zugleich einen Blick in die Werkstätte der Natur vergönnt; soll aber seine eigenthümliche Beschaffenheit uns nicht nur an und für sich, sondern als ein Spiel ergötzen, so muß er auch durch eine äußere Handlung in Thätigkeit gesetzt werden: oder, die Fabel des Stücks muß von der Art seyn, daß sie dem Charakter erst Gelegenheit giebt, sich zu zeigen, und beydes, Fabel und Charakter, muß gegen einander in freyer Wechselwirkung stehen. Eben, weil der Dichter eines Charakterstücks alle Aufmerksamkeit auf das Innere einer Person gerichtet hat, das er unmittelbar zu entwickeln strebt, und wobey ihm die hervorgehenden Aeusserungen, Willensmeinungen und Anordnungen die nächsten Mittel sind, so vergißt er leicht die Handlung darüber, die zwar hier als ­äußere | Veränderung nicht so groß seyn darf, daß der Charakter darüber verdunkelt wird, indeß doch auch für ein Ganzes, das ein Drama seyn soll, nicht erlassen werden kann. Ein ko*  In der Erstarrung, z. B. wenn der Geizige bey seinem Schatze wachend und wie angeschmiedet bliebe, kann ein Charakter nicht mehr komisch wirken.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

132

Stephan Schütze

211 | 212

misches Charaktergemählde129 ist an sich noch kein Lustspiel, die Handlung, innere und äußere Veränderung und Wechselwirkung muß es erst dazu machen, ob man gleich bey dem Uebergewicht des Innern mit einer geringern Thätigkeit von außen her schon zufrieden seyn, und jenes Vorherrschen natürlich finden wird. In so fern die eigentliche Handlung des Menschen in der Gemüthsveränderung und Gemüthsthätigkeit besteht,130 von wo alles anfängt, und wohin alles zurückkehrt, kann man von einem Drama, um nichts zu übersehen, behaupten, daß darin nicht blos gehandelt werden, sondern, daß darin auch etwas geschehen müsse, so wie umgekehrt nicht blos darin etwas geschehen, sondern auch gehandelt werden muß. Und dies ist vornehmlich bey einem Charakterstücke wohl zu beobachten, wenn die Historienmalerey kein bloßes Gruppiren und Portraitiren werden soll. Sonst pflegt man auch wohl noch ein komisches Charakterstück dasjenige zu nennen, dessen komische Bestandtheile nicht auf der Intrigue, noch auf dem bloßen Scherz, sondern auf den Charakteren überhaupt beruhen, wobey man nicht an eine Person, sondern an alle denkt. | Die Handlung und Naturwirkung tritt hier von mehrern Seiten ein, und so darf und wird auch die Fabel des Stücks, die das Einzelne in Zusammenhang bringt, am wenigsten fehlen: hier ist die Concentrirung auf eine Hauptperson nicht unumgänglich nöthig, wenn nur das Ganze durch Einheit der Idee und durch Steigerung zu Hauptstellen der Phantasie einen Ruhe- oder Vereinigungspunct giebt. Kein einziges Lustspiel sollte eigentlich auf allen Unterschied von Charakteren Verzicht leisten, weil es mit diesen erst recht den Weg zur Natur eröfnet, und die Freyheit des Menschen in ihrer Abhängigkeit am deutlichsten oder fühlbarsten zur Anschauung und zum Bewußtseyn bringt. Nun kommt es noch darauf an, wie weit der Dichter die Handlungen des Menschen, sowohl rückwärts als vorwärts, verfolgen will, welchen äußern Wirkungskreis er ihnen zu setzen, und wie tief er das Komische nach seiner Möglichkeit zu ergründen denkt. Da dieses Weitersehen ganz von der Schärfe seines Blicks, von Geist und Phantasie abhängt, so ist Scherz und Laune und das gewöhnli-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

212–214

Versuch einer Theorie des Komischen

133

che Talent, Einzelnes komisch aufzufassen, und zu verbinden, hier noch nicht hinreichend, sondern die Erhebung des Gemüths bis zu ­einem allgemeinen Ueberblick (der dort nur theilweise wirkt) muß dazu kommen, kurz, die komische Dichtungskraft muß Humor seyn. Mit diesem wird auch der Dich | ter an die größern Verhältnisse der menschlichen Gesellschaft, und an das öffentliche Leben sich wagen. Staat und Kirche, Könige und Fürsten, und ein handelndes Volk wird vor ihm auftreten. Nicht mehr die bloße Sache eines Privatmanns, sondern die Angelegenheit einer ganzen Stadt, eines ganzen Landes wird der Gegenstand seines Spiels werden. Diese Art könnte man das große oder das heroische Lustspiel131 nennen, weil sie es mit einer Masse und zugleich mit Vorstehern derselben zu thun hat. Da aber dieser Wirkungskreis so weit umfassend ist, so daß dem Einzelnen weniger Alleinhandlung verbleibt, so wird das Ganze hier sehr leicht in ein großes Gemählde übergehen, welches das Handeln und Treiben der Menschen überhaupt schildert, und dessen Einheit mehr durch die Idee als durch die Fabel erhalten wird. Und dies bestätigt auch die Erfahrung. Um sich der Masse zu überheben, bleibt noch das Mittel übrig, sie zu personifiziren. Dies hat Aristophanes häufig gethan.132 Sobald die Masse handelnd wird, – und dies kann eigentlich nur in Freystaaten geschehen – so muß sie auch als Person gedacht werden, und es ist eine natürliche Folge davon, wenn England seinem Volke einen Eigennamen giebt, und es John Bull nennt. Und so läßt auch Aristophanes das Volk in einer einzigen Person auftreten, und ganze Provinzen durch persönliche Einzelnheiten sicht | bar werden, wobey das Individuum alle Charakterzeichen der Gesamtheit an sich trägt. Und hat er dieses mit den äußern extensiven Gesamtheiten und Größen gethan, so muß er es auch mit den innern, intensiven thun, theils, um jenen zu entsprechen, theils aus dem nämlichen Grunde, weil er die großen Angelegenheiten des Staats nicht in den kleinen Raum der menschlichen Handlung zusammenfassen, und mit ihrem Umfange versichtbaren kann. Er muß sie daher durch allegorische Personen darstellen, und so z. B. den Krieg, den Frieden und die Gerechtigkeit vergegenwärtigen. Dies geschieht nicht, um überhaupt nur zu allegorisiren, – damit würde

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

134

Stephan Schütze

214–216

dem Lustspiele ein schlechter Dienst erwiesen werden, – sondern um nothgedrungen auch das Abwesende, Unsichtbare und Große sinnlich und sichtbar erscheinen zu lassen, und dadurch im engen Raum symbolisch einen weiten Wirkungskreis zu bezeichnen. Je höher sich die Idee schwingt, und über mehrere Körper sich verbreitet, je schwerer wird es, ihr großes Augenmerk zu concentriren und zu versinnlichen. Die Alten wählten dazu jene symbolische Weise, die schon in ihrer plastischen Vorstellungsart überhaupt und in ihrer Mythologie sich offenbart; die Neuern, die für die Götter wieder Gott und die Natur setzen, können die Umfassung der Ganzheit nur durch viele kleine Einzelnheiten erreichen. Und deshalb muß auch jetzt | ein Lustspiel, wenn es sich an das öffentliche Leben wagt, die Masse theilweis in mancherley Gruppen vorüber führen, und eine Staatshandlung, wenn sie ins Leben treten soll, in einzelne Vorfälle und Auftritte zersetzen, wie solches ohnehin objectiv die wirklich zerstückelte Thätigkeit der bürgerlichen Verfassung nöthig macht. Auf diesem Wege ist dem Dichter auch die Einführung gigantischer Erscheinungen erlaubt, und das Groteske133 erhält hier seinen Ursprung. – Noch einen Schritt weiter, und er erhebt sich völlig zur Mährchenwelt, wo das komische Mährchenspiel134 entsteht, das man das hohe Lustspiel nennen könnte. Hier hat er sich wieder die Macht und Freyheit der symbolischen Dichtung errungen, indem er das Menschliche wie in einem Spiegel auffängt und verstärkt, so daß es aus der neuen Schöpfung in die wirkliche Welt auffallender zurückstrahlt. Die Abhängigkeit des Menschen von den Naturkräften wird hier um so deutlicher sichtbar, da diese Kräfte in eine selbsthandelnde Freyheit, ja in Person und Leben übergehen. Das Verborgene wird offenbar, die Natur handelt nicht mehr in einem gebundenen Zustande, sondern in lebenden Gestalten. Genien und Feen, böse und gute Geister treten auf, aus der Wirkung ist Handlung geworden, und der Wald, der Berg, das Gewässer hat sein redendes Organ. Hier steht der Mensch mit der Natur in unmittelbarem | Verkehr, und es ist ein Leichtes, seine Freyheit zu verspotten. Daher haben die komischen Masken135 in den Mährchenspielen von Gozzi zum Scherz ein weites Feld. Ohne etwas zu begreifen oder zu über­sehen,

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

216 | 217

Versuch einer Theorie des Komischen

135

machen sie sich lustig über die Willkühr und Beweglichkeit der Natur, deren Handlungen den Sprüngen muthwilliger Tänzer gleichen. Indem sie sich selbst völlig abhängig und stets zur Verwandlung bereit erklären, betrachten sie ihre noch kühn handelnden und doch bezauberten Herrschaften mit staunendem Lächeln, und üben über ihr Wollen und Wünschen einen heitern Spott aus. Oft können sie nicht umhin, die Natur wunderlich zu schelten, aber kaum haben sie das Wort ausgesprochen, so schauen sie auch schon nach einem neuen Strafwunder um, und fügen sich in ihr Verhängniß. Die Neckerey, die das Lustspiel nur in Leben andeutet, zeigt sich hier vollkommen. Der Schein wird Wirklichkeit, das Todte persönlich. Indem die Phantasie im Mährchen wagt, nach Art der Alten eine neue Welt darzustellen, und statt der bloßen Wirkungen die Ursachen als bedingte Thätigkeiten hervortreten zu lassen, so hat sie nicht nöthig, zur Entscheidung ihres Spiels auf etwas Zukünftiges hinzuweisen, ihre Trauerspiele werden also immer mit der vollen Gerechtigkeit zuletzt dem Schauspiele ähnlich sehen, dessen Schluß den Ernst wieder zu einem | Spiel des Lebens macht, und sich dem Lustspiele annähert. Die ungewöhnlich großen Erscheinungen ihrer Tragödie rufen daher fast von selbst das Komische herbey, das im voraus eine Aufklärung darüber verbreitet. Das Mährchen, das das Ganze der Natur vor Augen hat, wird nicht gern auf der einen Seite, im Tragischen, stehen bleiben, und auch bey dem größten Ernst, der sich mit der Strenge der handelnden Kräfte von selbst verbindet, nicht gern den Scherz, der das ganze Leben für ein Spiel giebt, ausschliessen. So erträgt das Mährchen die Mischung von beyden, und eine Tragi-Komödie136 ist ihrem Wesen natürlich. Es ist hier beym Schaffen für den Dichter eben so schwer, die volle Freyheit der Natur mit der Phantasie wieder zu gewinnen, als ihren Geist und ihre Gesetze nicht zu verletzen: das Mährchen geht über die sichtbare Natur hinaus, aber verfährt niemals wider die Natur. Es kommen wohl andere Verhältnisse (Verbindungen, Beziehungen, Mischungen) aber nicht andere Kräfte (dem Wesen nach) zum Vorschein. Wenn diese der Dichter einem Körper andichtet, so sind sie irgendwo schon vorhanden, neue zu dichten, vermag er nicht. Sein

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

136

Stephan Schütze

217–219

Werk ist also eigentlich nur eine veränderte Fügung, eine erneuerte Schöpfung, und je ähnlicher er bey der kühnsten Anordnung nach dem Geiste der Natur und zur Befriedigung seiner Phanta | sie handelt, je vollkommener ist sein Werk. Dies geht so weit, daß seine Veränderungen nur Erweiterungen, niemals völlige Umschaffungen des Vorhandenen sind: die Sonne darf nicht feucht und kalt machen, das Wasser nicht bergan fliessen (ohne eine andere Kraft), der Wald nicht auf dem Kopf stehen, die Biene keine Baßstimme singen, u. s. w. Alles dies ist wohl zu bedenken, weil bey einem Mährchen zum Behufe des Komischen alles darauf ankommt, daß ein anscheinender Ernst mit Täuschung für die Phantasie hervorgebracht werde; das Komische erfolgt alsdann von selbst. Ohne jene Rücksicht würde dieses völlig grenzenlos umherschweifen, und mit der Willkühr ganz in das Läppische und Kindische ausarten, wo zwar die Neigung zum Lachen, aber nicht das Lächerliche selbst zum Vorschein käme*. So wie nun der Humor in die Weite und in die Höhe sich begiebt, und darüber sich verbreitend im großen Lustspiele das Treiben der Welt oder das öffentliche Leben, im Mährchenspiele aber mehr unmittelbar die Handlung der Natur zeigt (beydes zum lustigen Kampfe für die menschliche Freyheit), so steigt er auch hinab in die Tiefe, in das Herz des Menschen, entfaltet und durchforscht es nach allen Möglichkeiten zu lächerlichen Gestaltungen, und bildet nach | der höchsten Denkbarkeit einer thörigten Welt – die P ­ osse**.137 Aber es geht hier, wie mit dem Mährchen: indem der Dichter sich blos der Phantasie zu überlassen scheint, schöpft er nur aus der Natur. Die Phantasie ist es eben, welche ihre Tiefen ergründet, das Gewordene bis zum ersten Werden zurück verfolgt, und den Keim des ersten Werdens zum Gewordenen macht. Ohne diesen Hin- und Herweg  *  So wie sich auch im Leben der blos lustige Mensch noch vom Komiker unterscheidet. **  Diese beruht demnach auf stark gezeichneten Charakteren; doch wird Posse auch jeder dramatische Schwank genannt, der nicht sowohl auffallende Charaktere, als eine List, eine Verstellung, einen Streich, der zur Erreichung eines nahe liegenden Zwecks ausgeübt wird, darstellt, und deshalb zwischen Scherz- und Intriguenstück gehört.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

219–221

Versuch einer Theorie des Komischen

137

erscheint die Thorheit in der Posse nur in einem historischen Erstarren: wir sind über die Gestalt befremdet, und fragen; wie wir dergleichen für möglich halten sollen, und indem wir uns der Willkühr des Dichters hingeben, haben wir lachend nur die Empfindung des Unsinns. Dies ist ein Lachen ohne alle Phantasie, welche aufgeregt und in das Innere des Menschen versetzt werden muß, um hinter der Lächerlichkeit die handelnde Natur zu erblicken, und in der Thorheit eine Täuschung wahrzunehmen, wie sie zwar hier aufs höchste getrieben, aber für den Menschen nicht unmöglich ist. Deshalb muß der Dichter in der Posse nicht blos mit der starren sinnlich ver | stärkten auffallenden Erscheinung, als dem letzten Resultate des Spottes, den die Natur über die menschliche Freyheit ergehen läßt, uns überraschen und ergötzen wollen, sondern zugleich immer wieder den Rückblick gestatten, und auf diese Weise das, was ist, erst recht in Handlung versetzen. Dies geschieht, wenn er der äußersten Dummheit so viel Klugheit, der Narrheit so viel Scheingründe und Verstandesäußerungen giebt, als sie irgend nur ertragen können. Die Menschen müssen sich in der großen Beschränktheit überaus klug dünken, und selbst von dieser Klugheit Beweise liefern, aber es muß scheinen, als wenn der Verstand, durch Lage und Umstände gedrückt, wie durch ein Gestrüpp im Wachsthume sich zur Verkehrtheit mit verrankt hätte. So wie wir äußerlich zwar auffallende Gestalten, aber doch Menschen sehen, so müssen wir durch die Thorheit hindurch auch den Verstand erkennen. Natur und Vernunft müssen bey aller Verschränkung doch so ihr Recht behaupten, daß wieder ihr Gesetz und ihre Consequenz, kurz, ein glückliches Daseyn zum Vorschein kommt. Um daher allen Schein von Hemmung zu entfernen, muß es in der Posse gerade am muntersten und lebhaftesten hergehen, und bey aller Beschränktheit der Personen muß es scheinen, als wenn die Natur in ihnen grade recht bey Laune wäre. So wird die Posse, die eigentlich die Natur mit dem Menschen spielt, | erst völlig sichtbar, und es ist dann eine Lust zu sehen, wie der Mensch die Beschränktheit zu seinem eignen Willen macht, zu handeln glaubt, da doch mit ihm gehandelt wird, und irrend und kämpfend nicht merkt, mit wem er eigentlich zu kämpfen

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

138

Stephan Schütze

221 | 222

habe. Aus diesem Befangenen und Unbewußten folgt von selbst, daß das herrschende Element der Posse muntere Naivetät* sey, wohinter sich der Humor versteckt hält. Will er selbst und unmittelbar hervortreten, so geht er in eine besondere Person, in den Hannswurst über, der mit dem Bekenntniß: – wir sind alle Narren – die Thorheit erst recht ans Licht bringt, und über das Unbewußte dem Zuschauer eine solche Auslegung giebt, daß dieser die ganze Welt und sich selbst in der Thorheit mit begriffen sieht. Ein solcher Ausleger, der die Rolle des Dichters spielt, und lustig den reinen Extract von der Lust giebt, ist noch mehr dem großen Lustspiele, als der Posse, von nöthen, weil dasselbe durch angenommenen Ernst häufig das Lächerliche noch halb gefangen hält, und dabey einer Auflösung bedarf. In der Posse ist die Narrheit sichtbarer, aber die Hinweisung auf Idee und Allgemeinheit wirkt versteckter, und wird vom Zuschauer nicht immer errathen. Daher kommt es denn auch, daß die Posse ohne Unterschied die Benennung des niedrig- | Komischen erhält, welche eigentlich nur die Außenseite derselben, die vorzüglich sinnliche Beschaffenheit des Komischen bezeichnet. Da das Lustspiel zwischen dem Geistigen und Sinnlichen schwebt, so kann es leicht kommen, daß eines davon das Uebergewicht erhält; ist es das Geistige, so entsteht das fein Komische, das wegen der fehlenden Versinnlichung nur belächelt und nicht belacht werden kann; ist es das Sinnliche, so entsteht das niedrig- oder gemein-Komische, das, wenn es nur eine entferntere Beziehung auf Geist und Idee hat, mehr den Körper erschüttert. Treten aber Idee und Sinnlichkeit in die genaueste Verbindung, so entsteht das Hoch-Komische.138 Und von dieser Art sollte eigentlich die Posse seyn. Freylich ist das Sinnliche leichter zu sehen, als das Geistige zu verspüren, und deshalb wird die Posse häufig verkannt und fälschlich mit jenem Namen der Gemeinheit belegt; aber zu leugnen ist es auch nicht, daß sie oft auch wirklich im Vordergrunde des sinnlichen Ausdrucks stehen bleibt**. Hier *  die in der Beweglichkeit des Ganzen zur Lustigkeit wird. ** Den Unterschied zwischen der Verstärkung des Komischen in der Posse, wenn sie blos sinnlich und von außen bewerkstelligt, und derjenigen,

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

222–224

Versuch einer Theorie des Komischen

139

bey sind indeß wieder verschiedene Grade und | Ausschweifungen möglich, und das Aeußerste ist, wenn das Thierische durchblickt. Und dies ist eigentlich das Gemeine, das Niedrige, das nicht nur eine Herabsetzung, sondern eine gänzliche Verwerfung verdient, indem es keinen Kampf, sondern eine Ueberwältigung, eine Vernichtung der Freyheit ausdrückt. Dieses Gemeine kommt aber nicht allein in schlechten Possen, sondern auch öfters in bürgerlichen Lustspielen vor, wenn diese nämlich mit Frivolität die Lüsternheit reizen, und der Thierheit einen geheimen Sieg über die Menschheit einräumen. In der Posse dürfen und müssen allerdings die menschlichen Bedürfnisse, wie Hunger und Durst, Essen und Kleidung, als die äußer­sten Schranken des Geistes eine Rolle spielen, aber nur, in so fern sie dem Menschen, und nicht, in so fern sie dem Thiere zukommen und herrschender Instinct (Gier, Fraß, und Fell) werden. Statt Begattung muß stets Liebe herrschen. –139 Die Musik kann an sich das Komische (weil dieses von einer Vorstellung herrührt) nicht erreichen;140 als ein Ausdruck des Gefühls hindert sie dasselbe eher, weil das Komische die freye Beschauung voraussetzt, und alles lyrische Hingeben an die Sache und gänzliches Sympathisiren (das Gegentheil vom Scherz) dieselbe erschwert, und der Seele mehr eine Ausdehnung als eine Richtung auf Hauptmomente giebt; indeß kann die Musik doch auf dreyerley Weise | mit dem Komischen in Verbindung treten; erstlich: wenn und in so fern sie nicht auf das Gefühl, sondern auf die Phantasie wirkt, und das ganze Spiel in ein flüchtiges Element versetzt, welches die kühnere Dichtung befördert, und also auch für das Komische neben dem Geistigen den stärkern Ausdruck des Sinnlichen und Körperlichen zulässig, ja zur Hindurchwirkung des Lächerlichen sogar nöthig macht. Dies ist besonders in den Zauberopern141 der Fall, wo die Musik die Phantasie zu größern Erscheinungen erhebt, und in eine neue Welt von Wundern versetzt, durch welche das scherzdie zugleich aus der Tiefe geschöpft, und phantasieerregend ist, wird man einsehen, wenn man z. B. den Dichter in den Kleinstädtern mit dem Dichter im schwarzen Mann vergleicht.139

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

140

Stephan Schütze

224–226

hafte Spiel der Natur mit den Menschen auffallender, grotesker hervortreten darf. Menschen, die von Drachen durch die Luft geführt, von Kobolden geneckt, in Thiere verwandelt oder sonst verzaubert und mit besondern Eigenschaften begabt werden, erregen hier häufig das lebhafteste Gelächter, was sie ohne die Hülfe der magischen Töne schwerlich würden. Die Musik ist hier nicht auf Seiten des fühlenden Herzens, sondern im Dienst der mächtigen und eigenwillig handelnden Natur, welche gegen den Menschen der mehr thätige Theil ist, und auch die Phantasie des Zuschauers mit zu sich hinüberzieht. – Zweytens tritt die Musik mit dem Komischen in Verbindung, in so fern sie die Stimmung, welche demselben zum Grunde liegt, andeuten, und ausdrücken, und also das Gemüth zum Komi | schen empfänglich machen kann. Diese Stimmung ist nämlich Heiterkeit, Munterkeit, Lustigkeit. Damit wirkt sie besonders bey komischen Operetten142 und komponirten Possen, in welchen die Munterkeit der Personen als Gegensatz der erstarrenden Thorheit zum Ausdruck der beschränkten Glückseligkeit sehr nöthig ist. Die muntere, lustige Musik, die die närrischen Handlungen in Takt und Harmonie zurückbringt, giebt den Personen etwas Drolliges, womit sie bey einer Art von Naivetät wieder den singenden und hüpfenden Kindern ähnlich werden; und den Zuschauer in eine fröhlige, sorgenfreye Stimmung versetzen. Das Grelle der Posse verschwindet unter dem Zauber der Musik, oder vielmehr: sie verträgt nun erst recht die volle Sinnlichkeit, und die närrischen Quersprünge der glücklichen Thoren. – Drittens kann die Musik das Komische befördern, wenn sie in den Reden den auf- und absteigenden Gang der Stimme nachahmt, und also mimisch wird. Indem sie ihren Antheil an der Prosa wieder zur Sprache bringt, parodirt sie gleichsam, der Rede nachfolgend, die Veränderungen des Willens und den Tonwechsel des Verlangenden, fast wie Kinder es machen, wenn sie sich einander singend nachsprechen. Bald steigt sie mit der Frage hinauf, bald begiebt sie sich mit dem Unwillen brummend in die Tiefe, bald tritt sie plötzlich mit einem eigensinnigen Machtgebote her | vor, bald macht sie Sprünge hin und her, bald persiflirt sie die eintönige Klage. Es versteht sich, daß sie dies gewöhnlich mit der Melodie verschmilzt;

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

226 | 227

Versuch einer Theorie des Komischen

141

aber sie kann es auch, wo es gerade hingehört, für sich deutlicher und sinnlicher hervortreten lassen, wobey es nun wieder auf den Schauspieler ankommt, daß er ihre Sprache auffaßt, und, sich an sie anschmiegend, sie mehr zum Gelächter hervorzieht. Besonders könnte in komischen Recitativen von beyden Seiten, vom Componisten und dem Schauspieler, noch weit mehr, als bisher, zum Ausdruck des Lächerlichen geschehen. – Was hier von den Tönen gilt, das paßt noch mehr auf das komische Ballet143 in Absicht der Bewegungen, wo das Mimische der Musik in Gang und Schritt und Capriolen übergeht. Was sie nur andeutet, setzt die Gebehrdensprache in starken Ausdrücken fort, und da die Handelnden die Rede durch Zeichen und Bewegungen ersetzen müssen, oder denselben allein überlassen sind, so ist es natürlich, daß auch im Komischen die Versinnlichung, das Handthieren und possirliche Männchenmachen hier weit stärker als sonst zum Vorschein kommt, und unter der harmonischen Begleitung der Musik sich dreister hervorwagen darf. – Die äußern Mittel der dramatischen Darstellung bringen immer einige Veränderung, zwar nicht zunächst in der Sache, aber im Ausdruck derselben hervor, der sich nach jenen körperlichen | Mitteln richten muß, und dadurch nun auch zugleich die Sache modifizirt. Deshalb kommen hier noch das Puppenspiel und das Schatten­ spiel144 in Betrachtung. Das Puppenspiel scheint an und für sich schon komischer Natur zu seyn, indem es durch die Veränderung der Körperwelt, durch die Verkleinerung der Menschen, auf die Körperannahme des Geistes überhaupt ein komisches Licht wirft. Die kleinen Figuren machen die Schranken des Geistes auffallender, und bringen es uns zum Bewußtseyn, daß er, um eine Art von freyer Handlung auszuüben, sich der Körperwelt, sich der Arme und Beine bedienen muß. Hier ist keine Verzerrung nöthig, wie sich die Posse dieselbe auf halbem Wege erlauben darf, auch keine Umschaffung und Verwandlung der handelnden Wesen überhaupt, wie im Mährchen, sondern alles dieses erreicht das Puppenspiel schon durch die veränderte Proportion der Figuren, und der General mit seinem Federbusch wird grade um so bessern Eindruck machen, je ähnlicher

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

142

Stephan Schütze

227–229

er in seiner steifen Gravität einem wirklichen General ist. Dabey muß er aber in dem erstarrten Gesichte den vollen und bestimmten Charakterausdruck an sich tragen, so daß er sein ganzes Geschlecht repräsentiren kann, und jeder glauben muß, den General schon überall gesehen zu haben. Die Natur ist die erste Lehrmeisterin der Kunst; daher sieht man schon bey den ge | wöhnlichsten Puppenspielen dergleichen sprechende Figuren, die dem Leben abgelauscht und durch die größere Bestimmtheit sogar idealisirt sind. Das Lächerliche des Ernstes in dem ganzen Treiben der Menschen, deren Wichtigkeit auf einmal unwichtig wird, kommt hier recht zum Vorschein, und das Lachen des Hanswurstes, der alles und selbst wieder sein eignes Lachen belacht, ist über das Ganze das wahre humoristische Urtheil und Resultat. Die sinnliche Seite des Komischen darf hier überwiegend sich äußern, weil die hölzernen Puppen die Sympathie weiter entfernen (und über das Anstößige erheben) und die Vorstellung von der unmittelbaren Empfindung frey, und das Herz gleichsam unangefochten lassen. Daher ist eine körperliche Einwirkung durch Prügel hier wohl erlaubt, und kann, als auf den Schmerz und dessen Motiv für den Geist hinweisend, in einer Scene besonders zum Schluß einer Steigerung, das Volk, das solche Motive noch am besten kennt, in ein lautes Lachen versetzen. Bey der beschränkten Beweglichkeit der Puppen bleibt jede einzelne Bewegung um so wirksamer, und die Bewegung selbst darf daher auch nicht unterlassen werden. Ein gänzlicher Stillstand mit langen Reden würde hier gar nicht an seinem rechten Platze seyn. Die Sprache und der Körper müssen hier immer zugleich agiren, und alles muß in kurzen Scenen vorübergehen, damit das Eintönige und | Langwierige den Erscheinungen ihren Reiz und ihre komische Kraft nicht raube. Ein völliger Ernst wird hier selten so gelingen, daß er nicht zuweilen von selbst lächerlich werden sollte. Um so grausiger aber dürfen die Personen thun, und nach einer kurzen Weile muß doch der Hanswurst wieder hervortreten, den man auch nach dem größten Ernst als den Wirth des Puppenspiels, der darin zu Hause ist, nur ungern vermissen würde.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

229 | 230

Versuch einer Theorie des Komischen

143

Der Hauptvortheil des Komischen beym Puppenspiel, die größere Sinnlichkeit, geht zum Theil beym Schattenspiel verloren, nicht als ob sie darin weniger sich äußern dürfte, sondern weil sie ­darin nicht so stark zum Vorschein und zur Wirkung kommt. In dem ­bloßen Gegensatz von Licht und Schatten hat man es mit reineren Formen zu thun, und das Ganze bekommt dadurch etwas Geistiges, ja wohl gar Idyllisches; deshalb findet das Ernsthafte hier auch nicht weniger als das Komische seine Stelle. Da die Erscheinung der Körper hier auf den bloßen Umriß beschränkt ist, und alle Thätigkeit außer der Sprache auf das Mimische zurückfällt, so muß die Handlung der kleinen Figuren besonders auf Bewegung berechnet seyn. Wenn schon das Puppenspiel weiter als das Theater in der sinnlichen Wirklichkeit (mit Häusern und Pallästen bis zur Errichtung eines Galgens) vorschreiten kann, so kann dies noch mehr bey einer | edlern Haltung das Schattenspiel, das in Darstellungen von Meer und Gewitter die Naturhandlung unmittelbar hinzunimmt, und bald das blos scherzhafte Spiel mit den Menschen, bald aber auch das Schicksal offenbart. Doch erscheinen nicht minder ruhige Scenen an und für sich schon als ländliche Gemählde hier in ihrem natürlichen Reiz, und die Musik ist bey dieser halb geistigen Körperwelt, wo überdies das Mimische vorherrscht, ja sogar die Sprache ganz entbehrlich machen kann, sehr willkommen, nur verliert dann das Komische an seiner Wirkung. Dieses kann indeß sich dabey wieder jenes Vortheils der Erweiterung bedienen, und vom Komischen der Thierwelt (z. B. in den Handlungen einer Katze)145 wie auch in Schattenspielen häufig geschieht, Gebrauch machen. Mit Zwittergattungen, wie das Puppenspiel mit großen Figuren ist, wird wenig oder gar nichts Eigenthümliches gewonnen, weil die größere Annäherung an wirkliche Personen die Puppen zuletzt ganz vergessen macht, und mit der Täuschung von Schauspiel und Zauberoper oft das Vollkommnere des Theaters nur vermissen läßt. |

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

144

Stephan Schütze

231 | 232

Neuntes Kapitel. Arten und Abarten des Lächerlichen. Das Zusammentreffen des Willkührlichen und Unwillkührlichen oder das Spiel der Natur mit dem Menschen bey dessen vermeintlicher Freyheit kann in verschiedenen Graden der Stärke und Deutlichkeit geschehen und sichtbar werden; ferner kann die Wirkung der Natur und die Wirkung des Menschen bald auf dieser, bald auf jener Seite stärker oder schwächer seyn; und es kann sich endlich auch die Empfindung des Lächerlichen mit verschiedenen andern Empfindungen und Beziehungen mischen, welche die Stimmung des Gemüths und den Ausdruck modifiziren. Aus allen diesen drey Fällen entstehen verschiedene Arten und Abarten des Lächerlichen. Schon das Niedliche, wo wir den Willen der Natur mit dem Willen des lebendigen Wesens noch in friedlicher Eintracht sehen, und ihr heiteres Zusammentreffen sich auf einen kleinen Raum beschränkt, wo eins noch für das andere handelt und die unbewußte Freyheit das Nothwendige zu seinem Ausdruck macht, kann uns schon ein freundliches Lächeln, ein Wohlgefallen, und eine ahnende Bewunderung abnöthigen. Dies geschieht besonders bey allen Geschöpfen, worin sich noch das erste, junge Leben regt, sowohl bey jungen Wesen überhaupt, als haupt | sächlich bey jungen Kindern. Jene Eintracht mit den ersten Spuren der Freyheit ist es wohl eigentlich, was dieses Lächeln hervorbringt; denn sobald das kleine Geschöpf leidet und sich gegen eine Nothwendigkeit peinlich sträubt, hört der Ausdruck der Niedlichkeit auf. Auch in der Kunst wird häufig das Lächeln durch Niedlichkeit bewirkt, wenn Wille und Natur in froher, friedfertiger Regsamkeit erscheinen, und ihr Unterschied gleichsam nur das Spiel gut gearteter Kinder ist*. Unschuld und Naivetät und Gutherzigkeit, entfernt von allem Grob-Sinnlichen, sind dabey die Hauptelemente. – Dem zunächst kommt das Drollige, wo das Naive oder der unmittelbare Naturausdruck sich mit Munterkeit, mit *  So setzt uns auch wohl das ebene Zutreffen einer Sache mit einer sorgfältigen Form in eine lächelnde Verwunderung.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

232–234

Versuch einer Theorie des Komischen

145

etwas Laune und Klugheit mischt. Bey dem Drolligen denken wir an etwas Unschuldiges, an eine kleine Selbstthätigkeit und zugleich an eine gewisse Beschränktheit*. Es ist zuerst wieder von den Kindern entlehnt, aber von solchen, die schon etwas mehr Willen und Verstand zeigen, und die zwischen Klugheit | und Natur sich glücklich hin und her bewegen. Diese kleine muntere Thätigkeit ahmt auch die Kunst in der Naivetät nach, wo sie bey anscheinend unbewußter Beschränktheit mit Kindeslaune desto treffender die erste Differenz zwischen Willen und Natur verräth. Steigt die Laune und Regsamkeit, so wird das Drollige possirlich und mit zunehmendem Uebermuth bey zurückbleibendem Verstande endlich gar possenhaft. Wenn man dies Wort tadelnd gebraucht, bezeichnet man damit den Uebergang der kindlichen Laune ins Kindische oder in Kinderey. – Mit dem Anfange des Witzes bey der Naivetät entsteht das Schalk­ hafte, wo die List sich bey der Unschuld noch verborgen hält. – Tritt die List über die Unschuld hervor, und ergötzt sich an den Verlegenheiten anderer, ohne bemitleidende Rücksicht auf ihren Nachtheil, so wird daraus leicht Schadenfreude. Das schadenfrohe Lachen** hat noch das mit der Empfindung des Lächerlichen überhaupt gemein, daß es das nächste, materielle Sympathisiren oder Mitleiden von sich entfernt, und den Zustand blos mit der Vorstellung, in der Doppelbeziehung zwischen Freyheit und Natur, auffaßt. Das Lachen eines Gefühllosen trift in der Hinsicht noch mit dem Komischen zusammen, weil für ihn das Uebergewicht der Leiden so gut wie nicht da ist. Eigennützig aber wird die Scha | denfreude bey dem Menschen, wenn das Lachen über die Verlegenheit sich zugleich mit dem Gedanken an einen für ihn daraus entspringenden Vortheil verbindet. – Viel Mitgefühl und Sympathie beschränkt die Sphäre des Lächerlichen, wenig Theilnahme erweitert sie oder läßt sie frey.  *  Damit verbindet sich oft etwas Redliches, worin sich das Ansehn eines Größern abspiegelt, das dadurch als ein Spiel der Natur erscheint. So sehen wir in dem Kinde den Vater, dessen Handlungsweise sich hier als Naturwirkung offenbart. **  dem das reine ästhetische Vergnügen fehlt.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

146

Stephan Schütze

234 | 235

Erhebt sich der Uebermuth und die Kühnheit des Menschen so weit, daß er sich selbst über Natur und Gott hinaussetzt oder sich dagegen empört, dann entsteht mit einem Ueberschritt zum bösen Princip des Tragischen das höhnische Lachen, das Lachen des Frevels, der Frivolität und der Gottlosigkeit*. Hier giebt die gereizte Phantasie der menschlichen Freyheit das Uebergewicht, und der Wille tritt der Natur trotzend entgegen; oder es wird auch die Freyheit als Wille wie ein Phantom verlacht. So höhnt der Gottlose der Tugend des Rechtschaffenen, weil er seine Kraft für nichtig, und sein Bestreben für Thorheit erklärt. Frevel ist es zu sagen, daß sich Gott den Henker um uns bekümmere. Der Frivole macht die Materie zu Gott, und jedes neugeborne Kind kommt wie ein Product aus einer Fabrik. – Religiöse Spöttereyen sind entweder von der Art, daß sie Gott und das Gött | liche selbst oder die menschlichen Vorstellungen davon treffen. Letztere Spöttereyen können rein und ächt komisch seyn, doch werden sie von denen, die ihren religiösen Vorstellungen und ihren Gebräuchen die Heiligkeit des verehrten Wesens selbst beylegen, ebenfalls für etwas Bösartiges und Lästerliches gehalten. – Vorzüglich verdient hier das Satyrische einer besondern Erwähnung. Die Satyre als das Bestreben, den Menschen durch Spott zu bessern, gehört zur angewandten, zur practischen Poesie, und fällt als solche mit dem Wesentlichen einer Rede zusammen, die sich dabey nur häufig einer poetischen Form und des Witzes und Spottes bedient, um dadurch desto bessern Eingang zu finden. Sehr entfernt sie sich indeß von der wirklichen Rede durch die sinnliche Darstellung, durch das Geben der Einzelnheiten statt der Begriffe, durch die Vermeidung langer Demonstrationen und durch die indirecte Weise der Ueberzeugung, indem sie durch das Falsche die Erkenntniß und die Befolgung des Rechten bewirken will. Sie geht auf den Tadel eben gegenwärtig vorhandener Mißbräuche, Lächerlichkeiten und Thorheiten, und verspottet und verlacht sie. Dieses kann nun mit heiterer Laune (doch ohne Wohlgefallen daran) oder mit wah*  Diese heben die höhere Freyheit, auf welche das Beschränkte im Reinkomischen bezogen wird, und damit zugleich die höhere Harmonie auf.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

235–237

Versuch einer Theorie des Komischen

147

rem Unwillen und mit Bitterkeit geschehen. Je mehr sich der moralische Ernst einmischt, je weiter entfernt sie sich vom Komischen, das indeß | hie und da als mitwirkende Einzelnheit immer noch statt finden kann. Gegen Thorheiten bleibt es für den Satyriker immer das beste Mittel, wenn er sie lächerlich macht; allein die Verkehrtheit kann so weit gehn, daß sie die völlige Unvernunft des Menschen und die völlige Verdorbenheit und Sündlichkeit an den Tag bringt, wo mit dem gänzlichen Untergange der menschlichen Würde und Freyheit aller Reiz zum Lachen aufhört. Dagegen kann aber auch die Satyre den Zweck haben, in den wirklichen Thorheiten eine Welt, einen Zusammenhang von Lächerlichkeiten überhaupt darzustellen, das blos der Phantasie das Vergnügen der Beschauung und des Lachens gewähren soll. In diesem Fall wird sie, ob sie gleich eine historische lächerliche Einzelnheit statt einer allgemeinen Thorheit von Menschen als Menschen überhaupt wählt, wieder in die freye, heitere Region der Poesie übergehen, wo sie nicht mehr die Menschen bessern, sondern ihr Treiben überhaupt nur zur Anschauung bringen und eine ergötzliche Verwunderung darüber erwecken soll. Um die allgemeine Mangelhaftigkeit der menschlichen Freyheit und Klugheit ans Licht zu stellen, kann der Dichter recht gut vom Einzelnen, Wirklichen, Gegenwärtigen ausgehen, nur muß er dabey jene höhere Beziehung nicht vergessen. Die Menschen müssen immer nur wieder als Menschen lächerlich erscheinen, nicht | als Einzelnheiten, die man erst selbst muß gesehen und gekannt haben, um sie belachen zu können. Keine bessere Gelegenheit kann der Komiker zu seiner Darstellung finden, als wenn die Gegenwart selbst ihm den Vordergrund dazu herleiht. Aber er muß sich nicht an die Erscheinung blos anlehnen, sondern sie in reiner Objectivität wieder hinstellen, so daß das Bild für sich spricht, und, wo möglich, für jedermann verständlich wird. So haben Aristophanes146 und Cervantes147 ihre heitern Schöpfungen aus der Wirklichkeit hervorgehen lassen, und die wahre, bleibende Schönheit darin ist die erkennbare Allgemeinheit in dem Besondern. Daß der Komiker einzelne Beziehungen und Anspielungen gebraucht, die mit der Zeit unverständlich werden, ist weder zu

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

148

Stephan Schütze

237 | 238

t­ adeln noch zu verwundern, weil die doppelte Natur des Komischen dahin führt; allein wenn die komische Kraft ihrer Werke auf diesen allein beruhte, dann hätten sie nur schlechte Satyren und Gelegenheitsgedichte, und keine freye, auf immer gültige komische Poesien geliefert. Nicht blos auf die Wahl des Stoffes, auf die Verarbeitung, auf die Verallgemeinerung, auf die Umschmelzung zum Phantasiebilde, auf die höhere Beziehung und Begeistigung kommt es hier an; die Wirklichkeit muß wieder Gedicht werden. Ohne diese objective Reinheit kann zwar ein Product auch wohl Lachen erregen, aber wir täuschen uns oft, wenn wir dem Werke | zuschreiben, was nur der Wirklichkeit zukommt, die erst historisch mit hinein dichten muß, um den Figuren wenigstens auf Stunden Leben einzuhauchen. Das Komische erreicht den höchsten Grad, wenn es eine Fülle von wirkenden Kräften sowohl von Seiten der Natur als von Seiten des Menschen offenbart, und unsere Betrachtung wie in einen Zauberkreis gebannt wird, wo überall eine neue Ursach des Lachens uns entgegentritt. Es ist um so vollkommener, je mehr Geist und Idee sich mit der vollen Sinnlichkeit darin verbindet. Es wirkt um so stärker, je symbolischer es wirkt, d. h. je mehr Fälle es mit einem einzigen bezeichnet, so daß die Wahrheit und der Grund des Lachens mit jeder dunkeln Erinnerung aufs neue an Kraft gewinnt, und wir fortlachend die aus der Ferne herüberwirkenden Ursachen selbst nicht mehr anzugeben wissen*. Und überhaupt: je mehr das Komische in die Geheimnisse der wunderbar schaffenden und handelnden Natur sich verliert, destomehr Tiefe, destomehr Geist und Kraft erhält es, destomehr erregt es die Phantasie. – |148

*  Dies möchte zum Theil in Cervantes Portrait in der Scene der Fall seyn, wo der Bediente einen Todten spielt, und selbst in Todesängsten schwebt, ­einen andern täuschend selbst das Aergste fürchtet und beständig im Leiden und Handeln zugleich ist.148

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

239 | 240

Versuch einer Theorie des Komischen

149

Zehntes Kapitel. Ueber die Schönheit des Komischen in der Darstellung. Eine der schwierigsten Fragen ist die, wie die komische Dichtung, z. B. das Lustspiel, Schönheit gewinnen könne, da sie doch in einer Abweichung von Regel und Ziel, in Irrthum und Thorheit bestehen soll. Allein die Hauptschwierigkeit macht man sich eigentlich erst dadurch selbst, daß man das Komische geradezu dem Tragischen entgegenstellt, und sein Wesen in bloße Subjectivität, in Negation, in Vernichtung und Carricatur setzt.149 Das Ideale, sagt man, werde im Komischen nur erreicht, in so fern sich in dem Spiele des Dichtters, dem man die höchste Willkühr einräumt, die unendliche Freyheit offenbare, und er wieder dahin strebe, sein ganzes Werk zu vernichten; ja er dürfe alle Objectivität aufheben, und zwischendurch selbst hinter den Coulissen hervortreten. Wenn dies wirklich in dem Wesen des Komischen läge, dann müßte es uns wundern, warum es nicht immer geschähe, da es doch (abgesehen vom Humor) so leicht ist, seine eigne Form zu zerbrechen, und durch den Lampenputzer und Soufleur, wenn man sie hervorspringen läßt, alle Täuschung aufzuheben. Daß man aber auf diesen Uebermuth, den man wohl einmal erlau | ben kann, den man jedoch bey häufiger Wiederkehr unleidlich finden würde, gern Verzicht leistet, zeigt schon, daß man hierin einem natürlichen Gefühle folgt, welches von keiner falschen Theorie gänzlich verleitet werden kann*.051 – Und mit dem Begriff der Carricatur geht es eben so.151 Diese bleibt immer und ewig ein Ausdruck der Häßlichkeit, und kann nie den Forderungen der schönen Kunst entsprechen. Wenn sie uns dennoch ergötzt, so ist es nur von Seiten der Idee, die sie ausdrückt, nicht von Seiten der Ge*  In der Vorstellung freylich kann der Dichter einen weiten Spielraum umfassen, und z. B., wie Tieck thut, sowohl die Personen auf dem Theater als die im Parterre sprechen lassen;150 allein von einem entferntern Standpuncte kommt doch wieder (durch die Idee zusammen gehalten) Objectivität und ein Ganzes heraus, und das Stück könnte z. B. heißen; Theater und Publikum.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

150

Stephan Schütze

240–242

stalt und Erscheinung, und wir verwechseln unsere Vorstellung von der angedeuteten, bezeichneten Sache mit der wirklichen schönen Darstellung derselben. Diese ist gar nicht vorhanden; die Carricatur ist in ihrer Unförmlichkeit nur eine Verdeutlichung für den Verstand, und geht nur auf Wahrheit, nicht auf Schönheit zugleich. Sie giebt zwar eine Anregung für die Phantasie, aber keine Befriedigung durch ein völliges Bild, keine Täuschung des wirklichen Daseyns, keinen wahrhaften Schein des Lebens. | Der Verstand geht durch sie zu Begriffen und einzelnen Vorstellungen über, aber das Gefühl bebt vor der Erscheinung zurück. Kurz: sie ist eine Darstellung der Wahrheit auf Kosten der Schönheit. – Vom Lustspiele sagt man nun, daß es nach dem Individuellsten (welches die Negation des Allgemeinen sey) und folglich, wie man hinzusetzt, nach der Carricatur strebe.152 Aber erstlich, folgt aus dem Individuellen noch nicht die Carricatur, und zweytens ist das Individuellste des Lustspiels ganz falsch verstanden, wenn man sich darunter die größte Abweichung von der menschlichen Vollkommenheit vorstellt, die auf Gemeinheit und Nichtswürdigkeit führen würde, wovon das Komische sich sorgfältig entfernt hält. Ueberhaupt kann weder die völlige Negation, noch das völlig Absolute jemals das Ziel und Vorhaben der Kunst seyn, weil diese es mit wirklicher Darstellung (nicht mit dem blos philosophischen Denken) zu thun hat. Die Kunst kann weder das Nichts noch das All darstellen, und es ist nur ein Behelf unserer Vorstellungskraft, wenn wir das gradweis fortgehende Streben derselben in völlige Gegensätze auflösen und in der Neigung hiehin und dahin schon die wirkliche Erreichung des Ziels als eines Extrems zu erblicken glauben.153 Die Annahme des Positiven und Negativen ist in der Trennung und Absonderung, wie wir es gebrauchen, nur eine | dienliche Form des Verstandes, und führt in der Ohnmacht, das Ganze zu fassen, auch leicht zu Irrthümern und zu extrematischen Behauptungen. Ja die Beziehung des Positiven und Negativen selbst ist öfters nur willkührlich, und wir setzen oft etwas als negativ, das wir in Vergleich mit ­einem andern auch als etwas Positives betrachten könnten.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

242 | 243

Versuch einer Theorie des Komischen

151

Aber stellen wir fest, daß das wahrhaft Positive und Absolute nur das Ewige, das Bleibende, das Höchste, das Unveränderliche sey, und daß der Mensch, um positiv zu seyn, auch ewig seyn müsse, – wo finden wir dieses Ewige anders, als in dem Leben der Idee, und wo für den Menschen anders, als in der Tugend? Verfolgen wir nun das Streben des Menschen bis zum Höchsten, so hat er nichts Geringeres zum Ziel, als Gott zu seyn, der zugleich die höchste Idee ist, und die ganze Menschheit hat kein anderes Vorbild, und keinen andern Willen, als sich mit Gott zu vereinigen. Wollte nun die Kunst wirklich das Absolute geben, so müßte es Gott selbst darstellen, was unmöglich ist. Alles Streben dahin aber bezeichnet zugleich eine Abweichung, eine Entfernung, und also auch etwas Negatives. Jede Kunst hat daher bey der Annäherung zum Absoluten durch die Idee zugleich auch mit einer Negation zu thun, und diese übernimmt sie mit dem Daseyn der Welt, deren Darstellung sie für die Dar | stellung Gottes setzt. Und auch die Welt kann sie nicht als ein Ganzes wiedergeben, sondern nur bildlich im Einzelnen das Ganze derselben nachahmen, worin sie nach dem Beyspiele organischer Einzelnheiten wieder der Natur folgt. So wie nun das Positive niemals in der Kunst ohne Negation seyn kann, weil es sonst das unerreichbare Absolute selbst seyn müßte, so kann auch das Negative nie völlig ohne etwas Positives seyn, das sonst das absolute unerreichbare Nichts seyn würde. Das Nichts kann eben so wenig von der Kunst dargestellt werden, als das All. Beyde Begriffe sind nur relativ, in Beziehung auf etwas anders gültig, nie an sich. Nun aber haben diese Begriffe und Beziehungen beym Tragischen und Komischen ganz verschiedene Stufenleitern. Das Positive bey jenem ist Macht, Tugend und Würde. Und wenn das Lustspiel wirklich das Negative davon liefern wollte, so müßte es völlige Ohnmacht, das Laster, die Bosheit und Niederträchtigkeit darstellen. Die wahre Negation Gottes, der Idee und des geistigen Lebens ist die Sünde, die den Teufel herbeyführt zur wahrhaften Zerstörung der Welt. – Von dieser Rücksicht weiß das Lustspiel nichts; der Zweck des menschlichen Strebens ist hier bloß die Lust, und die Erwerbung und Erlangung derselben ist die Handlung und das Ziel der menschlichen Thätig-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

152

Stephan Schütze

243–245

keit. In so fern der Mensch nun allein zu handeln glaubt | oder dahin strebt, und die Natur zugleich mit ihm handelt und er in mancherley Irrthümer geräth, die doch gleichwohl wieder seine Klugheit bezeichnen, wird er für den Beobachter ein Gegenstand des Gelächters. Frey und doch ein Spiel der Natur, klug und doch thörigt, mächtig und doch armselig – das ist das allgemeine Loos der Menschheit, und auf diese Ansicht baut das Lustspiel seine Unschuldswelt. Mit der völligen Negation, mit der wirklichen Vernichtung hat es nichts zu schaffen. Des Menschen Göttlichkeit ist hier sein Glaube an Freyheit, womit er wie ein Weltherrscher um sich greift, und immer etwas Höheres meint, als er wirklich faßt. Dieses Meinen des Höheren ist allen Thoren eingeprägt, und macht die beständig sie begleitende Idealität aus, die zwar in sehr veränderter Gestalt erscheint, aber niemals ganz verschwindet. Der völlige Untergang derselben würde auch der Tod des Lustspiels seyn. Je mehr Verstand sich in Unverstand, je mehr Glückseligkeit sich bey eiteln Gütern, je mehr Freyheit sich in Beschränktheit, je mehr Wahrheit in Irrthum sich offenbart, desto herrlicher geht das Komische an das Licht hervor. Das Ideal der Kunst in der Darstellung ist nicht die Bildung eines allgemeinen, vollkommenen Wesens, das Gott seyn könnte (denn dies bleibt blos Idee), sondern die tiefste Auffassung und Ausprägung eines Charakters bis zu der Vollkom | menheit, daß er das Schaubild werden kann von allen ihm ähnlichen Gestalten. So vereinigt auch das Komische das Allgemeine mit dem Besondern, indem es die Thorheit und den Irrthum so tief in der menschlichen Brust ergründet, daß in dem größten Thoren zugleich eine ganze Gattung der Art hervorgeht, und dieser ein Schaubild wird, das als ein Exemplar von vielen ihm ähnlichen Thoren betrachtet werden kann. Finden wir die Schönheit hier auch nicht in der geistigen Vollkommenheit nach den Begriffen von menschlicher Größe überhaupt, so sehen wir sie doch in der Form als Folge eines innern Zusammenhangs, was für die Kunst als Erscheinung schon genug ist. Je tiefer das Komische aufgefaßt wird, destomehr fühlen wir die Möglichkeit davon, und werden darin den Grund unsrer eignen Irrthümer gewahr, so daß der Thor nicht sich allein, sondern bey-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

245–247

Versuch einer Theorie des Komischen

153

spielsweise uns und alle Menschen zugleich darstellt. Die größte Ausartung nach außen muß auch auf die größten Ursachen nach innen begründet seyn. Freylich werden oft bloße Schöpfungen von außen gemacht, und mit den ärgsten Anhäufungen von Narrheit und Unsinn recht markirt und verdeutlicht hingestellt, aber je näher solche Ungestalten einer wirklichen Carricatur kommen, destoweniger geben sie für das Komische ein Ideal. Selbst der speciellste Narr in der Wirklichkeit kann in der Kunst nur dann | zum komischen Charakter dienen, wenn der Dichter ihn durch Verstand gehoben, und ihm durch eine Verallgemeinerung (durch Beziehung auf Menschennatur überhaupt) erst die Prosa der Wirklichkeit abgestreift hat. Jeder komische Charakter ist handelnd im beständigen Uebergang von Dissonanz zur Harmonie, nie völlig dissonirend, nie völlig ohne Consequenz. Mit völliger Dissonanz wäre er ein häßliches Unding. Er trägt sein Gleichgewicht in sich, dessen Erhaltung ihm aber, weil er den Schwerpunct verändert hat, viel Mühe macht, und ihn dem beständigen Gelächter preis giebt. Und wie es mit der Einzelnheit ist, so ist es mit der Handlung des ganzen Spiels, das zwischen steter Dissonanz und Harmonie hinläuft, und wenn nicht eher, doch zuletzt, einen harmonischen Schluß hervorbringt. Ohne diesen Schluß, welcher der Fabel des Stücks auch eine materielle Einheit giebt, würden wir die Lustspiele unleidlich finden und niemals für Kunstwerke gelten lassen. Eben so nothwendig fordern wir auch die Objectivität desselben, und der Dichter mag seine Subjectivität noch so sehr, direct und indirect, darin offenbaren, er mag seine Ansicht der Welt durch die Auffassungsart, durch Laune, durch Geist, durch Meinungen und Einfälle im Munde anderer, ja durch eine besondere Person, die seine Gedanken ausspricht, zu erkennen geben, – wenn er | einmal das Werk als ein Abbild der Welt hingestellt hat, muß er auch davon entfernt bleiben, und uns der Täuschung überlassen, als geschehe wirklich etwas vor unsern ­Augen, und als zeige sich die Natur selbst in einem Spiele mit dem Menschen. Sein Hervortreten und jede Hinzufügung von außen würde völlig unkünstlerisch seyn, und der Form und dem Sinn sei-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

154

Stephan Schütze

247 | 248

nes Drama’s widersprechen. Mag er seinen Uebermuth während der Schöpfung ausüben, nachher ist es zu spät. Wir werden den spätern Einfall belachen, aber das Werk bleibt für sich. – Je freyer seine Willkühr sich in Regel fügt, desto ergötzlicher wird das Ganze. Er muß nur zu scherzen, zu phantasiren scheinen, alles muß wie von selbst eins aus dem andern sich ergeben, und zu einem Zusammenhange harmonisch sich fügen. – Wie in jedem Drama, so muß auch im Lustspiele eine bestimmte Sphäre, ein bestimmter Ton, eine bestimmte Proportion herrschen*.451 Es muß nicht bald langsam, bald schnell vor sich schreiten, nicht zwischen Ernst und Laune, zwischen Scherz und Posse, zwischen einer höhern und niedern Ansicht der menschlichen Thorheiten schwanken. Raum und Farbengebung und Gestalten – alles muß harmonisch für einander passen, jedes natürlich und selbstständig seyn, und doch wieder dem Ganzen dienen. So der Welt | nachgebildet wird sein Werk, trotz seiner Dissonanzen, und trotz der Beziehung auf eine höhere Harmonie**, der über das Ganze sich verbreitenden Schönheit nicht ermangeln.

Eilftes Kapitel. Einige Folgerungen und Regeln. 1)  Für den Lustspieldichter. Ob man gleich nicht als Regel fordern kann, daß ein Lustspieldichter ein Humorist sey, was mit andern Worten hieße, er müsse ein großer Lustspieldichter seyn, so kann man doch von ihm verlangen, daß er  *  Dies giebt die Schönheit der Form als Uebereinstimmung der einzelnen Theile zum Ganzen.154 **  Nur in Rücksicht dieser Beziehung kann man sagen: das Komische giebt das Ideale auf eine verneinende Weise, indem es mit Aufhebung des Scheins und Darstellung des Unzulänglichen auf den höhern Geist der Natur hinweist, ohne es, wie im Trauerspiel, gradezu auszusprechen oder deutlich zu erkennen zu geben; aber auch selbst in der positiven Unterlage, das in der Beschränktheit ein Abbild einer höhern Freyheit ist, kann und muß es durch innere Uebereinstimmung den Ausdruck der Schönheit geben.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

248–250

Versuch einer Theorie des Komischen

155

überhaupt ein Dichter, und daß sein Werk poetisch sey. Alle Poesie aber hat den Entzweck, die Natur in ihrer wunderbaren Kraft und Schönheit darzustellen, und dies ist auch beym Komischen der Fall. Der Mensch, mit seiner Freyheit sich selbst überlassen, ist doch | nur in den Händen der Natur, und wenn er der Lächerlichkeiten fähig ist, so liegt der Grund davon nur in seiner menschlichen Beschaffenheit überhaupt, und die Natur ist es zuletzt, welche durch und mit ihm handelt. Ohne den Glauben an Freyheit würden wir sogar in dem Lächerlichen nichts weiter als unmittelbaren Naturausdruck sehen, und nicht im Stande seyn, über ihn zu lachen. Dieses Schweben zwischen der Willkühr und Unwillkühr, zwischen der Beschränktheit und einer höhern Bestimmung muß also der Dichter vorzüglich vor Augen haben, wenn er den Menschen mit seinen Lächerlichkeiten wahrhaft komisch darstellen will. Statt des Relativ-Lächerlichen, das auf Sitten und Gebräuchen, und auf der Annahme einer künstlichen Bildung beruhet, und durch ein willkührliches Spiel von Kontrasten (zwischen Kultur und Unkultur) hervorgebracht wird, ist jenes Lächerliche, das aus den einfachen, ursprünglichen Verhältnissen der Menschen, aus ihren Charakteren und unmittelbaren Eigenschaften hervorgeht, bey weitem vorzuziehen. Und auch in der Behandlung künstlicher Bedürfnisse sollte der Dichter die Beziehung auf die Natur nicht vergessen, und diese nicht aufs Geradewohl im Dunkel lassen, sondern mehr hervorheben, damit der Blick immer auf den wahren Ursprung treffen und sich in einen tiefern Hintergrund verlieren kann. Ohne diese Erweiterung ist die Aussicht beym | Komischen wie vermauert, man fühlt sich beschränkt, und hat in dem Historisch-Speciellen die Empfindung einer lästigen Gegenwart, wie bey dem Besuche eines Narren, dessen komische Bestandtheile noch nicht geläutert sind. – Wie der Dichter auch die Welt auffassen möge, so können wir doch wenigstens erwarten, daß es mit Laune und mit Unschuld geschehe. Ohne diese Unschuld sind wir mit seinem Lustspiele gefährdet: er wird satyrisch, bitter, frivol, wo er witzig, scherzhaft und lustig seyn sollte. Statt mit einer Vorstellung von einem komischen Verhältnisse unsere Phantasie zu beschäftigen, zwingt er unserer Sinnlichkeit durch schlüpferige Reizungen ein Lachen ab,

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

156

Stephan Schütze

250–252

das nichts Anderes als den blos körperlichen Kitzel zum Grunde hat. Er täuscht uns in seiner Verdorbenheit, und verleitet uns durch Witz, etwas als lächerlich anzusehen, das wir im nächsten Augenblick nicht dafür halten können, so daß wir, oft zum Lachen gereizt, zuletzt doch unwillig ihn verlassen müssen. Wie jede Poesie von der Wahrheit und Natur abweichen, und mit falschem Schimmer bestehen kann, so ist es auch mit dem Komischen, das nur in der wahren Gestalt unser Gefühl und Urtheil für das Wesentliche schärfen kann. Der Lustspieldichter muß Kind und Weiser zugleich seyn, und bey allem Uebermuth und bey allem anscheinenden Frevel doch eine fröhlige Religiosität haben. | Ist das Lachen gleich etwas Körperliches, so muß es doch in der Kunst nicht blos körperlich erregt werden, sonst verläßt es das Gebiet derselben, und ist keine Poesie mehr. Ueberhaupt muß der Dichter im Komischen für den sinnlichen und geistigen Antheil zugleich sorgen, und weder in das blos Materielle ohne Idee, in Verzerrung und Häßlichkeit, noch in bloße willkührliche Spielereyen übergehen. Freyheit und Natur – keines muß das andere unterdrücken, und sich zu viel anmaaßen: weder der baare, selbst gewählte Unsinn, noch der bloße Ausdruck des Bedürfnisses kann allein schon für komisch gelten: jedes muß sein Gegengewicht, seine Gegenwirkung finden, damit ein Spiel der Natur und Freyheit, damit eine Handlung daraus hervorgehen, und der Mensch als wirklich begeistigt und lebend erscheinen könne. Bis zu den kühnsten Extremen darf sich der Dichter wagen, wenn er nur beyde, Handlung und Naturwirkung, tief aus der Quelle geschöpft und bis zur organischen Durchdringung in Wechselwirkung gesetzt hat. Es würde an sich eine leichte Mühe seyn, einer Person Narrheiten und Sonderbarkeiten anzuhangen, und ihr eine Menge Widersprüche anzudichten, wenn diese nicht alle mit dem Charakter eins seyn, und das Bild eines wirklich lebenden Menschen geben müßten. Bey aller Willkühr des Dichters muß es immer scheinen, als wenn die Natur für ihn gedichtet hätte. | Aber auch mit dem Geistvollen des Werks ist es nicht gethan, wenn auf der andern Seite ihm die gehörige Versinnlichung fehlt. So

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

252 | 253

Versuch einer Theorie des Komischen

157

wie der Körper ein Ausdruck des Geistes ist, so muß auch das Gei­ stige im Komischen in der Sinnlichkeit, im Einzelnen, im Individuellen sichtbarlich hervorgrenzen, und Freyheit und Nothwendigkeit in der gemeinsamen Berührung erscheinen. Die Sprache des Lebens, Naivetät, Witz, u. s. w. müssen das Komische erst zur rechten Wirkung bringen, und es in Momente zusammenfassen, die die Vorstellung des Komischen auf Concentrirpuncte und zur Explosion des Lachens führen. Man findet öfters Lustspiele, die ihrem Geiste und ihren Bestandtheilen nach wirklich komisch sind, aber es fehlt ihnen diese Crystallisirung, die wie mit Stacheln das Lachen reizt. Deshalb muß der Dichter hauptsächlich auch die Mittel* der komischen Darstellung studiren, und darauf aufmerksam seyn.15– Hier | entsteht nun die Frage: wie weit er in der Versinnlichung gehen dürfe? Zunächst ist es wohl ausgemacht, daß das Komische in der Objectivität, in der Erscheinung, mehr Werth hat, als im bloßen Scherz, in der Beziehung und Anspielung auf etwas. Sodann ist freylich nicht zu leugnen, daß man auf die Beschaffenheit derer, auf die das Komische wirken soll, einige Rücksicht nehmen müsse. Rohe, starke Naturen verlangen eine starke Versinnlichung, wenn das Komische bis zum Lachen bey ihnen durchdringen soll; dahingegen feine Naturen nur sehr wenig davon vertragen können. Vorzüglich kommt hier der Unterschied der beyden Geschlechter, und die feinere Organisation des Weibes in Betrachtung. In sofern das Komische sich zur Weltidee erhebt, und ganz humoristisch wird, scheint es mehr dem Manne zuzusagen, der seinen Blick in die Weite gerichtet hat. In sofern das Komische aber eine Stimmung voraussetzt, alles leicht und scherzhaft zu nehmen, trift es mehr mit der Natur des Weibes zu*  Diese Mittel lernt der Dichter oft schon durch Uebung kennen, und mancher macht davon nicht selten einen unmäßigen Gebrauch, so daß er nun alles komisch vortragen will, wobey man aber recht deutlich fühlt, was schon an sich komisch ist, und was es mit Gewalt werden soll, welche Bemerkung uns schon allein auf das Wesen des Komischen und auf den Unterschied desselben von den bloßen Mitteln führen kann. – Auch im Komischen muß keine Manier, sondern der Styl herrschen, der sich immer dem Gegenstande anpaßt.155

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

158

Stephan Schütze

253–255

sammen, das gern alles auf die Annehmlichkeit des Lebens zurückführt. Vor blos männlichen Zuschauern kann das Komische leicht in zu große Derbheit und Roheit ausarten; und vor blos weiblichen Ohren ist es in Gefahr, zum bloßen Scherz herabzusinken. Letzteres wird auch unausbleiblich der Fall seyn, wenn das Weib in der Bildung der Menschen das Uebergewicht bekommt, und auch | der Mann zuletzt ihre Empfindungsweise annimmt. Eigentlich kann nur erst aus beyden die wahre Bildung und der wahre Geschmack hervorgehen. Deshalb richtet sich der Künstler weder nach dem ­einen, noch nach dem andern, sondern indem er einem Ideale nachstrebt, bildet sich bey ihm ein Kunstgeschmack, der für jene beyden Geschlechter wieder das Muster einer gemeinsamen Bildung wird. Und so wird auch dem Lustspieldichter bey seinem Werke ein Publicum vorschweben, das er vielleicht nirgends findet, das er sich aber dennoch als vorhanden, und dem wahren Kunstgeschmack entsprechend, denken muß. Er will weder den rohern Mann durch grobsinnlichen Ausdruck erschüttern, noch ist er willens, durch zärtliche Behandlung seiner Gegenstände ganz die Sympathie des Weibes zu schonen. Er rechnet darauf, daß man das Sinnliche mit der Vorstellung beherrschen, und die Erscheinung wieder in Idee verwandeln werde. Bleibt eine zartere Natur gleich im Vordergrunde stehen, und bemitleidet einen Charakter, statt daß sie ihn belachen sollte, so kümmert der Dichter sich nicht darum, sondern schreitet seinen Weg zur Verknüpfung des Ganzen muthig fort. Und eben so, wenn er die Welt humoristisch auffaßt, fragt er nicht ängstlich darnach, ob ihm jedermann folgen werde. Wenn man ihn nur dunkel ahnet, und das Spiel belacht, auch ohne | es völlig begreifen zu können, so ist er schon zufrieden. Da der Humor sich über ­alles erhebt, und alle menschliche Angelegenheiten als ärmlichen Behelf betrachtet, so kann auch das Lustspiel in seiner ganzen Größe und in seinem ganzen Umfang nur in einer Republik gedeihen, wo jeder mitbauend und bessernd auch alles tadeln darf. Was der eifrige Republicaner in einem Staate ist, das ist der Humorist in der ganzen Weltverfassung. Ueberall sieht er einseitige Aushülfe und Stützen, woran er rüttelt und schüttelt. Selbst das Heiligste, die Religion,

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

255 | 256

Versuch einer Theorie des Komischen

159

erscheint ihm im Gebrauch und in der Vorstellung der Menschen nur arm und schwach, und der Mensch damit nur in der Noth­durft dasitzend. – In einem Staate, wo man diese Sprache, diese Erschütterung, dieses Ueberschauen des Ganzen nicht gewohnt ist, muß eine Regierung, die alle Anordnungen selbst gemacht hat, sich gefährdet glauben, wenn der Humorist auch darin die menschliche Schwäche darstellt. Dem Menschen, der nicht muthvoll genug ist und sich stark genug fühlt, auch in zerbrechlicher Hütte sich noch frey zu wähnen, wird es ängstlich, wenn er die Dinge, deren er sich nun doch einmal bedienen muß, bespottet und belacht sieht, und in dieser Rücksicht darf man allerdings vom neuern Lustspieldichter erwarten, daß er säuberlich mit dem Zuschauer umgehen, und seine Religion, wie seinen König, und alles, was ihm ehrwür | dig ist, schonen werde. Aber mit diesen Bedingungen ist dem Komischen auch seine Spitze gebrochen, es schwebt nicht mehr von oben herab, sondern sucht nur von unten herauf die Freyheit und das Licht. Um so nöthiger ist es aber, daß der Weg zur Natur und die Beziehung auf die höhere Freyheit durch den künstlichen Zustand hindurch offen und in Ausübung erhalten werde, damit das Komische, obgleich durch die Wirklichkeit geschwächt, doch niemals ganz als Poesie verschwinde. 2)  Für den Schauspieler. Es muß uns in Verwunderung setzen, daß wir unter zwanzig bis dreyßig Schauspielern nur immer höchstens zwey Komiker antreffen. Dies giebt uns deutlich zu erkennen, daß mehr als zu andern Rollen zum Komischen ein besonderes, eigenthümliches Talent gehöre, und daß dieses gleich mit dem Charakter und der ganzen Sinnesart des Menschen angeboren werde.* Der Komiker muß – schließen wir mit Recht – eine ganz andere Richtung des Geistes, eine ganz andere Neigung und Gewohnheit haben, die Dinge um sich her zu sehen und aufzufassen. Es muß bey ihm ein beständiger Zwiespalt herrschend seyn, oder sein Wesen muß sich in zwey *  Im Leben bemerken wir dies noch deutlicher.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

160

Stephan Schütze

256–258

Gegensätze zertheilen, die stets den Kampf zwi | schen Natur und Freyheit in ihm erneuern und seinen Geist zum Zuschauer dieses Kampfes machen. Wenn andere sich einer Empfindung oder einem Gegenstande hingeben, und ihm mit dem Verstande dienend folgen, muß bey ihm gleich eine Reflexion darüber, eine höhere Beziehung entstehen, die noch den Wunsch vom Willen unterscheidet, und in dem, was der Mensch zunächst verlangt, noch entdeckt, was er eigent­lich möchte. Der Komiker sieht eine Operation der Natur vor sich, über welche sich der Mensch zum Herrn zu machen sucht. Was er an andern sieht, kann ihm auch an seiner eigenen Person nicht entgehen. Und dies erleichtert es ihn nachher wieder, sich in den Zustand eines andern zu versetzen. Sich selbst erprobt er an andern, und andere an sich, und so anschauend und aufmerkend kann er nicht umhin, den innern Zwiespalt eines andern in sich hinüber zu tragen, und auf einen Augenblick der andere selbst zu seyn. Dieses nun bringt beym Komiker zweyerley Zustände hervor: erstlich den Zustand der Reflexion und der Besonnenheit, die sich auf die Erscheinungen erstreckt und eine ruhige, ernste Stimmung giebt. So sehen wir den Komiker meist im gewöhnlichen Leben: das Menschliche beschauend und sich keiner Sache mit Theilnahme hingebend gewinnt er zuletzt ein finsteres, verdrießliches Ansehn, und seine Gleichgültigkeit geht nicht selten | in kalten Trübsinn über*. Tritt aber der zweyte Zustand ein, wird er thätig und aufgeregt, so ist es eben jenes Spiel des Kampfes, das ihn ergreift und ihn verführt, seine Reflexion in Handlung zu verwandeln, d. h. an sich selbst den Zwiespalt eines andern zu zeigen und mit heimlicher Verspottung einer so gearteten glückseligen Freyheit das wirklich darzustellen, was er vorher nur in Gedanken trug**. Deshalb ist der Komiker sehr weit vom lustigen Menschen verschieden, ob man ihn gleich auf  *  Kein Mensch ist mehr überzeugt, daß alles in der Welt eitel sey, als der Komiker und der Humorist, daher eine öftere hypochondrische Stimmung bey ihm nothwendig entstehen, und häufig eine finstere Ruhe, neben der Lust an der Welt ein Ueberdruß eintreten muß. **  Hier tritt er auf die Seite des neckenden Weltgeistes.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

258–260

Versuch einer Theorie des Komischen

161

Augenblicke mit diesem verwechseln kann. Die Laune des Lustigen geht auf Scherz, der mehr eine Thätigkeit nach außen hat, und das Lachen nicht zurückhält; und ob der Lustige gleich zuweilen den Zustand eines andern annimmt, so geschieht dies doch nur zum Beleg seiner Worte beyspielsweise, um ein Gelächter zu erregen, und er kehrt lachend gleich wieder zu sich selbst zurück. Der Komiker ist aber dabey ganz ernst, ganz verloren, ganz vertieft, und wie verwandelt in seinen Gegenstand. Es ist ihm in dieser | Veräußerung fast nicht möglich, zu sich selbst zurückzukehren; kaum hat er die eine Rolle verlassen, so geht er wieder in eine andere über. Durch alles blickt eine Herrschaft des Geistes, eine gewisse Ironie hervor, aber äußerlich bleibt er in der reinen Objectivität. Endet er, so werden wir ihn seltener in Ausgelassenheit auflodern, als in seinen vori­gen trüben Ernst zurücksinken sehen. Wir können nicht anders glauben, als daß ein solcher Geist schon bey der Geburt eine andere von der gewöhnlichen Betrachtungsweise abweichende Richtung bekommen habe. Der Komiker ist ein Genie eigenthümlicher Art; halb bewußt und halb unbewußt wird er zur komischen Darstellung getrieben; er mag leben, in welchem Stande er will, wenn seine Augen­blicke kommen, ist er ein geborner Schauspieler. Wie wir das in der Welt wahrnehmen, so ist es auch auf der Bühne. Der lustige Mensch vertritt hier oft die Stelle eines ächten Komikers, er hat einige Scherze aufgefaßt, einige lächerliche Züge sich gemerkt, er bringt sie vor mit Laune, mit Munterkeit, und er versetzt uns in eine ähnliche heitere Stimmung. Immer ragt er über seinen Gegenstand hinaus, und sich so und so gebehrdend giebt er dazwischen immer wieder deutlich zu verstehen, daß er nur Scherz treibe, und daß er etwas Närrisches thue. Es wird ihm schwer, seine Laune mit einem Charakter zu vereinigen, und, erzwingt | er es mit Unter­ drückung derselben, dann vermissen wir wieder etwas, wir meinen dann, es sey die Laune, eigentlich aber fehlt die durchweg herrschende komische Kraft. Ganz anders erscheint uns der Komiker: er ist ganz und gar verwandelt, so, daß wir ihn kaum wieder erkennen. Er ist für sich weder ernst noch scherzhaft, sondern zürnend, lachend, fürchtend, fröhlig, – alles im Namen und in der Seele eines

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

162

Stephan Schütze

260 | 261

andern. Und dennoch ist es uns, als ob noch das Lächeln und die Freyheit eines Dritten, seine eigene stille Ironie, hindurch schauete. So ernsthaft er aussieht, so bleibt uns seine Richtung auf das Lächerliche doch keinesweges zweifelhaft und verborgen. Es ist schwer anzugeben, worin dieser heimliche Spott liege, aber er verbreitet ­einen Anstrich über sein ganzes Wesen, und wir fühlen es. Besonders scheint die Stimme ihn zu verrathen. Diese ist beym Komiker gewöhnlich von ganz eigenthümlicher Beschaffenheit. Sie kommt oft gepreßt, halb wie aus einer Gefangenschaft zum Vorschein, gleich als wolle sie schon an sich Freyheit und Unterdrückung, Muth und Scheu zugleich verkünden. Sie giebt sich das Ansehn des Unbewußten, des Unwillkührlichen, und ahmt mit erkünstelter Einfalt die Naivetät eines Naturkindes nach, gleichsam, als wisse er selbst nicht, was er spreche, und als könne er nicht anders sprechen. Es kommt alles heraus wie ein Geständniß der | Menschlichkeit, wie eine von Klugheit bewachte und dennoch hervorbrechende Sprache der Natur. Indem der gepreßte Ton der Sache einen solchen Anschein giebt, offenbart sich in dem Anhalten und Modifiziren desselben wieder eine Freyheit und Thätigkeit des Komikers, die uns auf seine innere Ironie, auf seinen geheimen Spott zurückführt. Mit dem Ernst ist Laune, mit dem Unwillkührlichen Selbstbeherrschung, mit der Einfalt Geist verbunden, ohne daß wir sagen können, wo jedes anfängt und aufhört. Den Lustigen beschauen wir lachend mit einem heitern Wohlgefallen, aber den Komiker mit Bewunderung. Unsere ganze Phantasie ist bey ihm beschäftigt, indem wir bald auf die Natur, bald auf seine Kunst zurücksehen. – Da alles im Menschen eins ist, und sich von selbst in Wechselwirkung und Uebereinstimmung setzt, so geht es vielleicht auch aus der Art zu denken und zu reden beym Komiker hervor, daß er selten ein guter Sänger ist. Ohnehin wissen wir, daß das Lyrische (die materielle Hingebung) wider die Natur des Komischen streitet. Dazu kommt nun noch das Disharmonische, worin sich der Komiker nachahmend versetzt, und worin er den steten Uebergang zur Harmonie sucht, und sich seine eigne Harmonie erkünstelt. Und aus diesem Grunde wird auch wohl selten der frey hingleitende Wohlklang des voll austönenden Liedes ihm gelingen. |

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

262 | 263

Versuch einer Theorie des Komischen

163

Daß der Komiker sein entschiedenes Talent durch Beobachtung und Fleis noch sehr vervollkomm’nen könne, ist wohl keine Frage. Vorzüglich muß er auf die Verbindung des Sinnlichen und Geistigen aufmerksam seyn, und grade zur rechten Zeit den Körper in Bewegung setzen, so z. B. zur rechten Zeit vorwärts schreiten, stillstehen, stutzen, aufhorchen, den Kopf drehen, sich räuspern, mit dem Hute sich bedecken, eine Prise nehmen, das Glas Wein zum Munde führen, das Kleid zurückschlagen, sich setzen, aufstehen, zurückweichen, die Hand ausstrecken, u. s. w. Diese geringfügigen Dinge, beym rechten Worte und in der rechten Pause angebracht, sind nicht allein als Zeichen des Willens, sondern vorzüglich als das Unbewußte eines unwillkührlichen Ausdrucks, als eine mithandelnde Sinnensprache, die die Freyheit an sich schon persiflirt, im Komischen von der herrlichsten, ja von wunderbarer Wirkung, so, daß die Worte dagegen oft nur wie todte Unterlage erscheinen, woraus sie erst den Geist und die komische Kraft wecken müssen. Es geht fast über alle Begriffe, wie an einem Komiker alles komisch werden könne; das gleichgültigste Wort in seinem Munde trägt einen Sonnenstrahl seines Humors; die geringste Bewegung ist ein Verrath der Seele. Immer sehen wir ihn frey und gebunden zugleich, verwandelt in einen andern, und doch über denselben spottend. Indem er aber vor | züglich auf Versinnlichung bedacht seyn muß, ist er, zwischen Geist und Sinnlichkeit schwebend, der großen Gefahr ausgesetzt, sich zu sehr auf diese Seite zu neigen, und den Untergang der Freyheit statt den Kampf derselben zu versichtbaren. Obgleich der Schauspieler meist als ein unbewußter und unwillkührlicher Humorist das Rechte trift, so bedarf er doch dabey noch einiger Sicherheit, und erlangt diese gewiß am ersten, wenn er seiner Neigung zum Beobachten bis zur wirklichen Ausbildung seines Geistes folgt, und sich jener kämpfenden und zugleich aufstrebenden Freyheit des Menschen deutlicher bewußt wird, um derselben auch in der Kunst den gebührenden Respect wiederfahren zu lassen. Der Schauspieler muß nicht mit der Vorstellung einer nichtsnutzigen, verdorbenen und gemeinen Welt aufs Theater kommen, sondern in der Verirrung und Thorheit des Menschen immer noch seine Bestimmung und sein geistiges Wollen

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

164

Stephan Schütze

263–265

vor Augen behalten. Bey einer solchen Ansicht wird er nicht ins Ge­ meine verfallen, und auch das Aergste noch so aus der menschlichen Natur herleiten, daß es für den, der ihm mit der Phantasie folgen kann, nicht Uebertreibung wird. Die Regel besteht hier mit einem Wort darin, daß er das Thierische vermeiden muß, und alles, was darauf hindeutet. Das Zittern der Hände, das fortgesetzte Stampfen mit dem Fuße, das öftere Aufheben | des Beins, das gegenseitige Anstieren und Zanken nach Art beißiger Hunde*, das lange Herumwälzen auf der Erde, und noch viele andere Bewegungen, wenn sie thierische Begierde oder thierischen Affect ausdrücken, sind vernichtend für die menschliche Freyheit und Würde, und beleidigend für das Gefühl. Da der Komiker immer an sich hält, und jede Bewegung dadurch bedeutend macht, so kann auch hier das geringste Zeichen schon das Aergste ausdrücken, und die Phantasie zu den geheimsten Verrichtungen und also auch zu solchen hinführen, deren Vergegenwärtigung kein Mensch verlangen, oder auch nur ertragen kann. Je mehr die Dinge von der Art sind, daß sie pathologisch auf Fleisch und Blut wirken, und uns gänzlich der Freyheit berauben, desto sorgfältiger müssen sie vermieden werden. Essen und Trinken wirken nicht so stark auf unsere Phantasie, als manche andere sinnliche Verrichtung, doch haben auch sie | ihre Grenze. Leporello im Don Juan mag essen als ein sehr hungriger Mensch, aber keinesweges an einem Knochen nagen, wie ein Hund.156 Bey aller Berührung und Aehnlichkeit ist doch der Unterschied leicht zu treffen, wenn nur der Schauspieler will, und dessen, was er zu vermeiden hat, sich bewußt ist. Ueberhaupt muß der Komiker in der Versinnlichung sich vor

*  Zweye, die mit gleichem Eifer zugleich zankend gegen einander über stehen, können kein Lachen erregen, weil eine bestimmte Wirkung fehlt, die nur von einem auf den Zuschauer übergehen kann. – Der Schauspieler muß das Augenblickliche als Einwirkung der Natur vor Augen haben. So muß er z. B., wenn er unwillig zwischen zwey Personen treten will, es nicht von vorn, sondern von hinten her thun, so daß das Plötzliche und Unwillkührliche seines Zorns als Einwirkung recht in die Augen springt, sonst wird er kein ­Lachen erwecken.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

265 | 266

Versuch einer Theorie des Komischen

165

­einer zu großen Deutlichkeit hüten, und bedenken, daß er nicht blos auf die Sinne, sondern auch auf die Phantasie wirken soll*. 3)  Für den Zuschauer. Da es besonders beym Komischen nicht blos darauf ankommt, wie dasselbe ist, sondern auch, wie es dem andern erscheint, und wie es von ihm aufgenommen und betrachtet werde, so können Dichter und Schauspieler allein nicht alles wirken und schaffen, und den vollständigsten Eindruck hervorbringen, wenn der Zuschauer ihm nicht mit der gehörigen Stimmung und Erwartung, mit der richtigen Vorstellung auf halbem Wege entgegen kommt. Wir sehen dies schon in der Gesellschaft bey dem unschuldigsten Scherz, der, von einem heitern Menschen ausgegangen, keinen Eingang findet, wenn der andere mit zu | wichtigen Dingen belastet ist, oder in seiner bösen Laune alles mißversteht und mißdeutet. Zwischen beyden muß schon die stille Uebereinkunft herrschen, daß man von der einen Seite keinen verletzen und verwunden, und von der andern mit Gutmüthigkeit und Liberalität dem Scherze Raum lassen wolle. Und so ist es auch im Theater. Man muß Unschuld und Vertrauen von beyden Seiten voraussetzen, und der Zuschauer muß in dem Spiele keinen Zweck weiter suchen als die reine Lust. Er muß weder an ein Resultat, noch an eine Moral, noch an irgend eine Beziehung auf das practische Leben denken. Die Personen erscheinen ihm weder zur Nachahmung, noch zur Warnung. Er befindet sich mit ihnen nicht in einer Gesellschaft, wo jedes Wort seinem Ohre zugemessen wird, sondern er steht auf dem vollen Markte des Lebens, wo die wunderlichsten Gestalten in ihrer eignen Freyheit vorübergehn. Wer sich nicht stark genug fühlt, die Menschheit in ihrem Werden und in ihren Ausartungen ohne hinzugefügten Urtheilsspruch zu sehen, wer noch für die Züchtigkeit und Reinheit seines Herzens zu fürch*  Es scheint keinem Zweifel unterworfen, daß der Komiker aus einer richtigen Ansicht des Komischen große Vortheile ziehen und sein Spiel daraus sehr bereichern, auch darnach berichtigen kann.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

166

Stephan Schütze

266–268

ten hat, wenn er ein Gemisch von mancherley Menschen in ihrem ungeläuterten Zustande seiner Phantasie vorüber führt, und noch nicht selbstständig genug das Ganze mit der Idee und Vorstellung beherrschen kann, der bleibe lieber von dem Uebermuthe und der objectiven Sorglosigkeit des Lust | spiels entfernt, und bewahre die Zartheit und Reinheit seines noch jungfräulichen Herzens; denn die Absicht des Lustspiels ist nicht, ihm den Leichtsinn des Gemüths zu verschaffen, der ihn aus sich selbst in den Strudel des Lebens fortreißen, und alle Regeln und Schranken aufheben soll; sondern er selbst soll Kraft genug haben, dem Aufschwunge zur freyen Erhebung über alles, zur Betrachtung, zur Anschauung eines Spiels zu folgen, das ganz außer seinem Kreise vor ihm als vor einem Fremdlinge geschieht. Wie es der sittsamen Jungfrau in ihrem häuslichen Frieden nicht geziemt, in der Welt Zuschauerin von allerley Dingen zu seyn, selbst, wenn diese an sich zum Theil die unschuldigsten sind, so kann auch wohl das Anschauen eines Lustspiels, das sich in das Freye, in das Große hinauswagt, nicht grade jedem Gemüthe, jedem Alter immer räthlich und gefahrlos seyn. Das Gebiet des Komischen würde eine zu große Beschränkung leiden, wenn es auf alle Unmündigen und Schwachen Rücksicht nehmen sollte, und ein Lustspiel, das sonst nur seiner Unschuld gewiß ist, und nicht den Lüsten fröhnt, kann nicht die Schuld aller Mißverständnisse und falschen Anwendungen auf sich nehmen. Je mehr der Zuschauer Kindlichkeit und Klugheit, Unschuld und Geist zugleich mit einander verbindet, desto besser paßt er zum Lustspiele. Wer alles nur mit der Empfindung auffaßt, und sich mit | regem Gefühl nur nach Personen sehnt, mit denen er sympathisiren könne, der wird wenig über ein Lustspiel lachen. Dieses fordert die Freyheit des Gemüths, die das Herz vom Gegenstande absondert, und alles nur der Vorstellung und mitschaffenden Phantasie überliefert. Kinder in reifern Jahren sowohl als Personen von behaglich-ruhigem Alter, die aus verschiedenen Gründen die Welt als ein Spiel von Erscheinungen nehmen, werden dem Lustspiele am liebsten zueilen, dahingegen das Feuer der kräftigern Jugend und die Sittsamkeit der Jungfrau mehr nach dem Ernst und der Heiligkeit des Trauerspiels verlangen werden.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

268–270

Versuch einer Theorie des Komischen

167

Zur Freyheit des Gemüths gehört vornehmlich auch, daß es von Bedürfnissen frey sey, daß es für sich nichts wolle. Das Lustspiel kann zwar durch die Darstellung eines fremden Gegenstandes viele Sorgen vergessen machen, aber diese bleiben doch immer ein schweres Gewicht, das sich dem leichten Fluge anhängt. Besser ist es, wenn der Zuschauer, so viel als möglich, gleich selbst seine Angelegenheiten dahinten läßt, und seiner Phantasie wieder den freyen Spielraum zurückschenkt. Mit solcher fessellosen Hingebung wird er bald immer höher und höher sich erhoben fühlen, und endlich ganz die Luft der reinern Sphäre athmen, so daß er auf seine eignen Verhältnisse nachher wie auf Erscheinungen zurücksehen kann. Mit Entschlossenheit ge | winnt er an Muth, mit Heiterkeit an größerer Freude, in der Betrachtung der Welt findet er mit Ueberschauung seines Zustandes sein reines Selbst wieder, aus der Höhe, aus der Ferne erscheint ihm alles unwichtiger und geringer. So gieng es einem Virtuosen, der, vor dem öffentlichen Auftreten von großer Angst befallen, durch ein Lustspiel, das man vorher gab, davon befreyt wurde, indem die Darstellung ihn zum Lachen fortriß, und ihn wieder zum Herrn über seine Kraft erhob. – Also befreyet der Scherz das Gemüth. – Freyheit und Fröhlichkeit, Fröhlichkeit und Muth sind so nahe mit einander verschwistert, daß auch die Kraft des Weins nicht leicht eins ohne das andere giebt. Und nicht hoch genug können wir daher die Wunderkraft des Lustspiels schätzen, das uns gleich dem berauschenden Wein in einen fröhligen Taumel versetzen kann. Genährt mit körperlichem Wohlseyn und mit der Bereitwilligkeit, der geistigsinnlichen Lust körperlich und geistig zugleich sich zu überlassen, werden wir des Genusses am besten zu Theil werden, den uns der Dichter in seinem Spiele bereitet hat. Wer alle Thätigkeit in eine Rechnung des Verstandes auflöst, wer das Leben bis zur bloßen Formalität erkältet und austrocknet, wer seines Geistes Herrschaft und Würde darin sucht, den Dingen keinen Einfluß, auch nicht einmal zur Freude, auf sich zu gestatten, | oder wer wohl gar das Lachen selbst für etwas Unanständiges hält, für den hat der Lustspieldichter nicht gedichtet. Eine zu große Besonnenheit und

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

168

Stephan Schütze

270 | 271

Klarheit des Geistes verhindert die Macht der dunkeln Gefühle, in welche der Zuschauer sich verlieren muß, wenn er das Komische bis zum Reiz des Lachens empfinden, und die schnelle Wirkung in sich aufnehmen soll. Der Greis, der Philosoph mag Vieles lächerlich finden, aber er wird am schwersten zum Lachen zu bewegen seyn. Bey einem Lustspiele muß der Zuschauer als Geist und Körper zugleich erscheinen. Wir dürfen es dem weniger Gebildeten, dem Sinnlichen, so wie dem behaglich Wohlbeleibten nicht verargen, wenn er schon bey einem geringen Aufwande von Witz in Lachen ausbricht, welches nicht grade von Geistlosigkeit, als der unmittelbaren Quelle, sondern daher rührt, weil er noch am ersten jener sinnlichen, dunkeln Gefühle fähig ist, auf welche die Wahrnehmung der verspotteten menschlichen Freyheit am kräftigsten wirken kann. Was äußerlich ihn gleich zum Lachen reizt, das erfassen andere mehr innerlich mit dem Geiste, indem sie, ihrer Phantasie folgend, tiefer in die Naturthätigkeit und in die Verhältnisse eingehen, worin das Leben und Treiben der Menschen mannichfach geartet erscheint. | Was können wir auch bey dem innerlich hohen Streben und bey der äußern Beschränktheit unserer Freyheit Besseres thun, als in der doppelten Berührung zwischen Freyheit und Natur dem Spiele des Lebens lachend zusehen, worin wir zwar selbst mit befangen sind, wobey wir aber als Zuschauer zwiefache Freude geniessen: in uns das Vorgefühl eines höhern Daseyns, und außer uns des beweg­ lichen, trüglichen Lebens heitere Lust. |

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

169

272 

Inhalt* Einleitung. Erstes Kapitel. Allgemeine Betrachtung über das Lachen und Weinen. Seite 3. Zweytes Kapitel. Unterschied des Lächerlichen und Komischen. S.  9. Drittes Kapitel. Bisheriger Gang bey den Untersuchungen über das Lächerliche. S.  14.

Theorie. Erstes Kapitel. Begriffsbestimmung. S.  23. Zweytes Kapitel. Worterklärung oder nähere Erwägung dieser Definition. S.  25. Drittes Kapitel. Hauptbestandtheile oder subjective Begründung des ­Lächerlichen. S.  35. I. Freyheit des Menschen. S.  35. 1. Verstand. S.  36. 2. Dinge und Mittel zur Wahl. S.  51. 3. Ideen und Zwecke. S.  64. II. Natur. S.  70  f.

Viertes Kapitel. Objective Begründung des Lächerlichen oder äußere ­Veranlassung dazu. S.  79. | *  Die Seitenzahlen beziehen sich auf die Erstpublikation von 1817, deren Paginierung in dieser Ausgabe ergänzend in der Kopfzeile mitgeführt wird.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

170

Stephan Schütze

273

Fünftes Kapitel. Prüfung der herrschenden Definitionen des Lächerlichen. S.  90. Sechstes Kapitel. Vergleichung des Lustspiels mit dem Trauerspiele. S.  118. Siebentes Kapitel. Mittel der Darstellung des Lächerlichen. S.  123. Allgemeine. Erhebung über den Gegenstand. S.  124. Hervorhebung des Unwillkührlichen. S.  124. Mechanismus im Handeln und Unterordnung des Freyen unter Menge und Masse. S.  125  f. Objective Entfernung und veränderte Proportion. S.  127. Besondere. S.  129. (Unmittelbare Darstellung in Statuen, Bildwerk und Gemählden. S.  129.) Kontrast. S.  131. Naivetät. S.  139. Witz. S.  144. Scherz. S.  150. Laune. S.  154. Humor. S.  160. – Parodie. S.  175. Travestie. S.  179. Persiflage. S.  184. Ironie. S.  188.

Achtes Kapitel. Entstehung verschiedener Arten von Lustspielen. S.  192. (Eingang. Ueber das Epische. S.  192. Objectivität des komischen Drama’s. S.  193  f.) Scherzspiel. S.  198. Intriguenstück. S 200. Situationsstück. S.  204. Bürgerliches Lustspiel. S.  205. Sittenlustspiel. S.  206  f. Sittengemählde. S.  207. Charakterstück S.  208. Charaktergemählde. S.  211. Das große oder heroische Lustspiel. S.  213. |

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

274

Versuch einer Theorie des Komischen

171

Das hohe Lustspiel oder Mährchenspiel. S.  215. Die Posse. S.  219. (Ueber die Mitwirkung der Musik beym Komischen. S.  223  f.) Komische Operette. S.  225. Das komische Ballet. S.  226. Puppenspiel. S.  227. Schattenspiel. S.  229.

Neuntes Kapitel. Arten und Abarten des Lächerlichen. S.  231. Das Niedliche. S.  231. Das Drollige. S.  232. Das Possirliche. S.  233. Das Schalkhafte. S.  233. Das Schadenfrohe. S.  233. Das Höhnische, Frevelhafte, Frivole. S.  234. Das Satyrische. S.  235. Die höchsten Grade des Komischen. S.  238.

Zehntes Kapitel. Ueber die Schönheit des Komischen in der Darstellung. S.  239. Eilftes Kapitel. Folgerungen und Regeln. Für den Lustspieldichter. S.  248. Für den Schauspieler. S.  256. Für den Zuschauer. S.  265.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anhang

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Gedanken und Einfälle über Leben und Kunst von St. Schütze. Leipzig, bei J. F. Gleditsch 1810.

Ueber das Komische.* Unter den verschiedenen Kennzeichen und Merkmalen, durch welche sich der Mensch von den Thieren unterscheidet, ist besonders auch die von der Natur ihm verliehene Eigenschaft merkwürdig, dass er lachen und weinen kann, und wenn die andern Gaben, wie die Sprache und das Kunstvermögen, von dem Daseyn des Verstandes und der Vernunft157 einen Beweis geben, so ist es auch wahrscheinlich, dass nicht weniger Lachen und Weinen mit seinem Geiste in Beziehung und Verbindung stehen. Und in der That bemerken wir bald, dass beide sinnliche Aeusserungen nicht nur dazu dienen, e­ inen körperlichen Zustand, sondern auch, einen Zustand des Geistes auszudrücken. Die Empfindungen, die sich in ihnen offenbaren, brechen plötzlich hervor, und geben sich unwillkürlich *  Schützes erster dezidiert komiktheoretischer Aufsatz »Ueber das Komische« ist 1810 in seiner Textsammlung Gedanken und Einfällen über Leben und Kunst als einer von 40 Beiträgen erschienen. Dort finden sich neben essayistischen Texten über Literatur und Theater u.a. auch Erzählungen, Anekdoten und Dialoge. Während alle anderen Texte bereits zwischen 1804 und 1810 in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht wurden, erscheint »Ueber das Komische« erstmals in den Gedanken und Einfällen. Wie in der abschließenden Anmerkung angekündigt, nutzt Schütze den Aufsatz, der die zentralen Gedanken seiner Komiktheorie enthält, als Grundlage für den Versuch einer Theorie des Komischen. Übernahmen zeigen sich insbesondere in den argumentativen Schlüsselstellen des Versuch, namentlich in der Einleitung (S.  5–16) sowie im ersten Kapitel zu den Begriffsbestimmungen des Komischen (vgl. S.  17–18).

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

176

Anhang

und oft wider seinen Willen kund. Etwas Unnennbares liegt in dem Zustande, das von der Affection besonderer Umstände herrührt, und sich nicht gleich und nicht völlig mit Worten sagen lässt. Die Natur selbst hat es nicht für hinreichend gehalten, den Menschen zur Aeusserung seines Geistes und seines Gemüths mit Ton und Sprache zu begaben, sondern ihm als Vermittler und schnelle Boten zwischen Geist und Körperwelt noch die Thräne und den fröhlichen Schall des Lachens beigesellt, die das Herz von der Macht eines dunkeln Gefühls158 entbinden und erleichtern müssen. Es ist der Geist, der Gedanke, die Vorstellung, die unmittelbar den ganzen Körper durchdringt und erschüttert, und die erregten Sinne wieder nach innen auf ein Urtheil und auf einen höhern Richterstuhl zurückweist. Das Nahe, was sich begibt, deutet plötzlich auf etwas Entfernteres, das Irdische auf ­etwas Höheres, auf etwas Allgemeineres hin.  – Das Weinen, im Glück sowohl als Unglück, wenn es nicht bloss körperlich erzwungen ist, schliesst mit einer Wehmuth, mit einer Sehnsucht, mit einer Ahnung sich an einen reinern, vollkommnern Zustand der Seelen an, und offenbart unserer Sympathie etwas Edles, etwas Schuldloses, von der Natur Geheiligtes, das wir mit einer frommen, religiösen Scheu achten und ehren. Die Thräne macht uns verstummen, versetzt uns in Rührung, bewegt uns zum Mitleiden. Es ist, als ob die Natur, selbst redend, sich des Menschen annähme, als ob eine verborgene Gottheit seine Stimme über den Verlassenen hören liesse. Der Weinende rettet seinen Werth, seine menschliche Würde, unsere Theilnahme bestimmt ihm ein besseres Glück, und auch in der Freude empfinden wir den geheimen Wunsch für eine längere Dauer und für die Erweiterung eines mehr geahneten als noch völlig genossenen angenehmen Zustandes. Es sind die Schranken des Daseyns und die Spuren höherer Abkunft zugleich, die sich in unsern Empfindungen berühren. Und eben so bedeutungsvoll scheint das Lachen. Es bricht auch, und mehr noch als jenes, plötzlich und unwillkürlich hervor, der Geist ist von einer Erscheinung, von einer Vorstellung überrascht, und gibt eine besondere Empfindung, ein Urtheil, eine Verwunderung zu erkennen. Etwas Ungewöhnliches hat sich begeben, dass

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Ueber das Komische

177

er nicht so dachte, nicht so vermuthete, und was er mit den Sinnen wahrnimmt, scheint er in dem Augenblick nicht fassen, nicht völlig begreifen zu können. Er ist bewegt, erschüttert, und geräth in den Zustand des Vergnügens. In der Gewalt des Gegenstandes fühlt er sich dennoch frei, glücklich, erheitert. Er scheint befremdet, und doch ist es, als ob plötzlich ein höheres Licht ihn umstrahlte, als ob eine hellere Einsicht, eine grössere Klarheit ihn durchdränge, als ob sein ganzes Wesen mit einem Lichtblick ins Verborgene sich erweiterte, und mit einer Vorempfindung schon jetzt eines schranken­ losen Daseyns sich erfreute. Etwas Eigenthümliches ist es, das dem Lachen zum Grunde liegt, wofür die Sprache vergebens Worte sucht. Komisch, lächerlich159 wiederholt nur das Resultat, die Wirkung des Gegenstandes. Soll der Andere ein Gleiches empfinden, so muss der Lachende wieder die Erscheinung selbst hinstellen, oder sie durch Vorstellungen erregen. Keine allgemeine Umschreibung, kein Begriff, jeder einzelne Vorfall kann nur für sich wieder die Wirkung des Lachens hervorbringen, und lässt sich nicht unmittelbar aus der Empfindung mittheilen. Da indess der Grund und die Ursache des Lachens nicht bloss im Menschen, sondern zugleich auch in der äussern Erscheinung liegt, und sich hier sogar auf gewisse Punkte concentrirt, so ist die Anreitzung, die Wirkung in der Ursache zu entdecken, sehr gross, und hat von jeher viele Geister zur Erkenntniss des Lächerlichen in Bewegung gesetzt. Zweierlei Wege haben die Philosophen besonders eingeschlagen, um zur erwünschten Entdeckung zu gelangen: bald haben sie die Beschaffenheit des lächerlichen Gegenstandes untersucht, bald die Veränderungen im Menschen in Obacht genommen, die bei der Entstehung des Lachens in ihm vorgehen, öfters aber auch die eine Rücksicht mit der andern verbunden.160 Dadurch sind sie auf mancherlei Bemerkungen und Resultate, aber auch immer wieder auf neue Hindernisse und Schwierigkeiten gestossen. Je weiter, je mehr gab es zu bedenken, zu bezweifeln. Bei der offenen Erscheinung der lächerlichen Gegenstände durfte man freilich nur das Gemeinsame, das Zutreffende von allen sammlen, um zur Kenntniss gewisser allgemeinen Eigenschaften zu gelangen; da aber diese

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

178

Anhang

Beobachtung theilweise durch alle lächerlichen Erscheinungen hindurch gehen musste, so konnte man nie mit Bestimmtheit wissen, ob auch in der Erklärung, die aus der Wirklichkeit genommen war, alle Möglichkeiten mit inbegriffen wären. Entweder gab man zu wenig Merkmale an, so entschlüpfte mancher Gegenstand, der damit nicht getroffen wurde, oder man häufte sie zu sehr, dann empörte sich wieder manche Erscheinung dagegen, und es zeigte sich, dass sie bei aller Lächerlichkeit doch dieses oder jenes Merkmal nicht an sich trüge. – Blieb man aber bloss dabei stehen, dem Menschen beim Lachen zu beobachten, so bemerkte man wohl, was in ihm vorging, die Veränderung seines Gemüths, aber nicht, was sie veranlasste. Man fand hier auf jeden Fall immer zu wenig. Alle Untersuchungen dieser Art liefen zuletzt darauf hinaus, 1) dass das Lächerliche durch eine plötzliche Auflösung der gespannten Erwartung in Nichts (innerlich), 2) dass es durch Abweichungen vom Gewöhnlichen, durch Contraste und Widersprüche (äusserlich), und 3) durch Unsinn entstehe und ein angeschauter Unverstand sei (innerlich und äusserlich).161 Leicht wurden diese Erklärungen aber über den Haufen geworfen, dadurch, dass man zeigte, nicht jede Auflösung der Erwartung in Nichts, nicht jeder Contrast, nicht jeder angeschaute Unverstand sei lächerlich;162 mancher Contrast erwecke eine widerliche Empfindung oder befördere sogar das Erhabene, und man finde daher für nöthig, im Gespräch noch das Wort komisch zu Contrast hinzuzufügen; der Unverstand aber sei eigentlich etwas Unangenehmes, Verdriessliches, und man begreife nicht, wie ein vernünftiger Mensch darüber lachen könne. Daher auch mancher Philosoph das Lachen darüber zwar als Erfahrung zugab, sich selbst aber so viel als möglich dessen enthielt, oder, wenn es ihn ja überraschte, gleich hinzusetzte: es ist dummes Zeug!*163 Darüber hatten denn andere wieder ihre Noth, das Lachen als etwas Gutes, Nützliches und Würdiges zu vertheidigen und in Schutz zu nehmen. *  Diess ist noch bei einem jetzt lebenden Philosophen der Fall, der sich mehr nach der Definition als nach seiner Empfindung richtet.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Ueber das Komische

179

Indess fand die Annahme von Unsinn und Unverstand und Contrast noch immer den meisten Beifall und manche Dichter glaubten es nach dieser Definition nicht unsinnig und toll genug machen zu können.164 Mit der Zeit aber kam man nachforschend auf den Gedanken, dass beim Komischen wohl noch etwas Allgemeineres und Höheres zum Grunde liegen müsse, und um dieses ausfündig zu machen, nahm man zu sinnreichen Vergleichungen zwischen Scherz und Ernst und zwischen dem Komischen und dem Erhabenen seine Zuflucht, man begab sich mit der Betrachtung in die poetische Entstehung des Komischen, in die Phantasie des Dichters, in das Wesen der Kunst und suchte höhere Vergleichungspunkte und Gegen­sätze, stellte für die erhabene und für die komische Poesie zwei Ideale auf, oder vielmehr man erfand nach Massgabe der erstern auch für die letztern ein Ideal, das mit dem andern einen Gegensatz bilden musste. Dabei vernachlässigte man aber auf der andern Seite wieder die sinnliche Erscheinung, die objektive Welt mit den wirklich ursprünglich gegebenen Veranlassungen des Lächerlichen, und räumte statt dessen dem Dichtergeiste bei seiner Schöpfung so viel Freiheit ein, dass man sein Schaffen und Streben beim Komischen geradezu in eine Umkehrung, in eine Vernichtung der Welt und sein Ideal in die Aufstellung der Carricatur setzte. Man nahm auf einmal den Flug zu hoch, und zu weit hinaus, und es zeigten sich hier und da Folgen davon für die Anwendung von nachtheiliger Art. Das Wahre und Hohe in dieser Ansicht musste nicht nur manchen Missverständnissen, sondern selbst der Gefahr ausgesetzt seyn, die Grenzen des Komischen mit einer zu allgemeinen Auffassung zu sehr ins Unbestimmte zu erweitern. Indem diese Ausfassung der Phantasie des Dichters und seiner Willkür schmeichelte, beachtete sie die äussere Natur, die objektive Welt nicht genug, aus deren Beschaffenheit selbst (sowohl ihrer Erscheinung als ihrem Geiste nach) doch erst die komische Vorstellung des Dichters als begründet hervorgehen muss, wenn sie Wahrheit haben soll. Wie die Poesie überhaupt, so muss auch die komische Gattung derselben eine Darstellung der Natur seyn, und auf gewisse Punkte (auf einerlei Wahrheit) schon für

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

180

Anhang

diese Welt mit dem Ernst zusammentreffen. So geistreich und angenehm es ist, die Poesie aus dem Standpunkte der Phantasie und des beschauenden Gemüths zu betrachten, so leicht ist diess gewissermassen, indem man sich dabei selbst einem Phantasiespiele überlassen kann; schwerer und gründlicher scheint es, das Innere mit dem Aeussern auszugleichen, und die Parallele zwischen beiden Welten aufzufinden, wovon eine die Wahrheit der andern bestätigt. Was hilft alles formelle Streben, wenn es zuletzt nicht auch das Objektive (die Natur) ergreifen und ergründen kann! Die ganze Wissenschaft des Schönen165 mit allen ihren Theorien sollte in der Auffindung der Wahrheit eben so objektiv (von aussen her) als subjektiv (von innen her genommen) seyn, und in dem Inhalt, in der Materie, in dem Wesen der Welt eben so gut als in der Form der Auffassung den Zusammenhang ihres Systems ergründen und erbauen, ohne welche Doppelrücksicht alle Erkenntniss entweder negativ, dürr und unfruchtbar oder zu sehr der Willkür der Phantasie überlassen bleibt. – Von oben her muss freilich die Erklärung des Komischen kommen, aber sie muss nicht mit einer geistigen Ansicht bloss das Ganze überschweben, sondern zugleich auch nach unten zu, in alle Tiefen, in alle Arten der komischen Erscheinungen sich verlieren, und ihre Regeln und Folgerungen auch in der Anwendung bis in jede Einzelnheit hinab leiten. Sie muss nicht die Frucht des Baums geben, sondern den Baum selbst nach beiden Richtungen, in das Licht hin­ auf und in den Boden hinab erscheinen lassen. Der Mensch aber ist es, der, fest gewurzelt wie der Baum und hinauf verlangend zum Lichte, Körper mit Geist, Sinnlichkeit mit Freiheit, das Irdische mit dem Göttlichen verbindet.166 Ihn so betrachtend, finden wir, dass das Komische nichts anders als ein Spiel167 der Natur mit dem Men­ schen, einer höhern Freiheit mit der beschränkten Willkür, und das Lachen eine Lust an diesem Spiele sei. Jede komische Darstellung und Erscheinung bringt in einem Spiele und Widerspiele zwischen Freiheit und Nothwendigkeit, zwischen innerer und äusserer Natur, zwischen Geist und Körper, zwischen dem klugen, glücklichen Menschen und dem noch weisern, mächtigern Weltgeiste168 – das Mangelhafte der menschlichen Freiheit, die Abhängigkeit des Men­

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Ueber das Komische

181

schen vom Physischen, den Behelf in den Mitteln zur Ganzheit zum Bewusstseyn und zur Anschauung. Subjektiv als Betrachtung ist das Komische diejenige Ansicht der Welt, nach welcher mit der Freiheit des Menschen Scherz getrieben wird; als Anwendung in der Kunst ist es die Hervorbringung eines solchen wechselseitigen Spiels (wo der Dichter dichtend die Natur oder den Weltgeist nachahmt), das Ausstellen von solchen Handlungen und Verhältnissen des Menschen, wodurch die Abhängigkeit seiner Freiheit ohne Aufhebung derselben sichtbar und fühlbar wird. Objectiv ist es jede Erscheinung, wodurch die Freiheit des Menschen ohne Untergang mit der Natur in Widerspiel geräth, oder das Erscheinen des Spiels der Natur mit dem Menschen bei Behauptung der Freiheit. Wir bemerken in dieser Erklärung zwei Hauptbestandtheile: die Freiheit des Menschen und den Willen der Natur. Zuerst von der Freiheit. Diese erfordert, als das Vermögen zu wählen, dreierlei: Verstand, Dinge als Mittel und Ideen als Zwecke. Jedes wird eine Quelle des Lächerlichen. Von Seiten des Verstandes erscheint der Mensch gleich lächerlich, wenn er klug zu handeln glaubt und doch etwas Unkluges thut, daher Widerspruch, Unverstand und Contrast im Gebiete des Komischen eine Hauptrolle spielen. Aber dass sie das Komische nicht erschöpfen, sieht man zunächst daraus, dass zur Freiheit nicht nur Verstand, sondern auch Mittel und Macht gehört. Gibt sich der Mensch mit seinem Willen, mit seinen Vorsätzen, mit seinen Einsichten als gross und herrschend kund, während die Aussenwelt und der Besitz und Gebrauch der Dinge ihn wieder schwach und ärmlich erscheinen lässt, so ist er alle Augenblicke dem Gelächter preisgegeben. Und selbst dann endlich, wenn er auch die rechte Einsicht mit hinreichenden Mitteln verbindet, ist er nicht frei davon, sobald der Zweck seines Handelns und das, worein er seine Glückseligkeit setzt, gegen den höchsten Zweck seiner menschlichen Natur überhaupt als Thorheit, als etwas Aermliches und Kleinliches erkannt wird und seine Vorstellung mit der höchsten Idee des Weltalls (mit der Ganzheit)169 nicht zusammentrifft. Mit der Freiheit des Menschen legen wir ihm auch zugleich das Streben nach der höchsten,

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

182

Anhang

absoluten Freiheit bei (die nur in der Ganzheit der Welt existirt), lachend glauben wir daran, und in den Verirrungen, wie in den besten Handlungen des Menschen sehen wir, wenn wir die Absicht von Zweck zu Zweck verfolgen, keinen andern Willen, als das Verlangen nach der höchsten Freiheit, der höchsten Idee. Der zweite Hauptbestandtheil des Komischen ist die Natur, als Bedingniss und bestimmender Grund der menschlichen Freiheit. Sie begreift die ganze Körperwelt als Mittel für die handelnde Seele, und hiermit zugleich die Beschränkung derselben in sich. In so fern sie aber Mittel und Bedingung zugleich hergibt, und in ihrem grossen Zusammenhange den Menschen in Abhängigkeit von sich erhält, ja ihn sogar bestimmt und leitet, erscheint sie als handelnd, wollend, herrschend, gebietend, kurz als ein verborgener Geist, der sich aller äussern Dinge zu seinem höchsten Zweck bedient, aus jedem Körper wie aus einem Gliede hervorstrebt, und durch mancherlei Verknüpfungen und Beschränkungen den Menschen bald so, bald anders in Thätigkeit, in Spiel und Kampf und Verlegenheit setzt. In diesem Sinne erscheint die beschränkende Körperwelt wieder als belebt, als ein handelnder Geist,170 der dem Geiste des Menschen nur unter der Bedingung seine Freiheit gegeben hat, dass sie sich wieder mit dem höchsten Zwecke des Ganzen vereinigen und sich erhebend wieder in denselben zurück begeben soll. Da nun diese Vereinigung mit dem Höchsten auf unendlichen Umwegen geschieht, und das Ziel, das wir ahnen und glauben, hoch über alle irdischen Bestrebungen hinaus liegt, so kann es nicht fehlen, dass wir bei erweiterter Einsicht uns oft gedrungen fühlen, den Menschen mit seiner Freiheit nicht nur bei jeder augenscheinlichen Thorheit, sondern selbst auf jeder Stufe des Handelns und Seyns zu belachen. Eben, dass er fortsteigend sich des fehlenden weiten Abstandes vom Ziele nicht bewusst ist und immer schon hoch zu stehen glaubt, zeigt uns ihn in einem komischen Lichte. Und doch hätten wir nie ein Recht zu lachen, wenn wir, obgleich Mitgefangene, nicht einer über alle Beschränkung hinaus gehenden Ansicht fähig und mit dem Gefühle einer hohen Bestimmung und mit dem Glauben an die höchste Freiheit begabt wären. Der Dümmste und der Klügste

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Ueber das Komische

183

lachen gleich viel, der erstere, weil er auch den näch­sten Zweck nicht sieht, und der letztere, weil er selbst beim klügsten Handeln noch eine grosse Entfernung vom höchsten Zweck gewahr wird. Mit der Einsicht steigert sich der Grund des Lachens, aber in dem Lächeln der Einfalt steckt schon das Lachen der Klugheit, das sich zuletzt über das Treiben und Handeln der ganzen Welt erstreckt. Je freier und glüklicher der Mensch in seiner Beschränkung sich fühlt und dünkt, desto leichter ist er dem heitern Spotte des beschauenden Geistes ausgesetzt; aber auch der, welcher sich äng­stigt und plagt um geringer Ursachen willen, ist ein Gegenstand desselben. Der ganze Schauplatz der Welt wird auf diese Weise endlich ein Spiel der Lust und jede Verrichtung mitwirkend zum Scherze, sobald unsere Phantasie oder der Dichter uns in eine solche Ansicht versetzt, dass wir uns des Behelfs in dem Gebrauch aller Dinge bewusst werden. Gehen und stehen, sprechen, essen, trinken, jede Bewegung eines Gliedes hat schon von Natur seinen komischen Theil, der den völlig freien Geist zum Lachen reitzen kann. Nicht bloss in der Abhängigkeit des Menschen von diesen Dingen, die von aussen her bewirkt wird, tritt das Komische beim Handeln hervor, sondern auch der Scherz des Dichters, der den Weltgeist nachahmt, und die Laune des Handelnden, der mit diesen Mitteln der Existenz, im Bewusstseyn der höhern Freiheit, sein Spiel treibt, bringt es bei dem Zuschauer zur Empfindung. Dieses Zurückgeben des Scherzes offenbart sich in heitern Stimmungen bei jedem Komiker, beim Dichter sowohl als beim Schauspieler, und geht bei der Darstellung durch Ton und Bewegung bis in den Gebrauch des kleinsten Wortes, bis in die Fingerspitzen, bis in die Fusszehen hinab, so dass man vom Komiker sagen kann, an ihm ist alles komisch. Spielend belächelt der freiere Geist die Geistes­instru­mente, deren er sich bedienen muss, und durch seine Lust blickt eine Ironie hervor, mit welcher er die sinnliche Welt zugleich geniesst und gering schätzt. Immer schwebt das Komische zwischen zwei Naturen, zwischen Körper und Geist, dem Bedingten und Unbedingten, der äussern Nothwendigkeit und der halben Freiheit.171 – Der objektive Grund des Komischen aber liegt in der Zusammenfügung, sowohl der Welt als des Menschen, in der

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

184

Anhang

Ausdehnung des Geistes durch einen körperlichen Zusammenhang, wo die Freiheit nur theilweise wirken, und der Wille nur theilweise schaffen und fördern kann. Eben weil des Menschen Natur nach ­einem Ganzen strebt, und er mit seiner Idealität sich an das Weltall anschliesst, das er doch nie völlig zu erkennen, zu überschauen, noch zu besitzen vermag, so bleibt alles, was er thut und treibt, gegen die absolute Existenz nur ein ärmliches Zusammensetzen und Zusammenstücken, wo bald hier bald da ein neuer Riss entsteht. Alle Veranstaltungen der Menschen, womit sie für ihre niedern und höhern Zwecke eine bürgerliche Welt und eine Staatsverfassung bilden, sind daher mit ihren getheilten Thätigkeiten immer dem Vorwurf der Einseitigkeit und der Mangelhaftigkeit des Behelfs ausgesetzt. Stände, Gewerke, Gerichtshöfe, Regierungsarten, Schulen, alles gehört dahin. Der Mensch mag sich wenden, wohin er will, und noch so eifrig zulangen, bald hat er hier zu wenig, bald dort zu viel gethan, und mit jedem Heil kommt eine neue Gefahr. Wie er auch das Kleid, worein er sich hüllt, ziehen und rücken mag, nirgends reicht es zu, ihn ganz zu bedecken, bald kommt hier, bald dort eine Blösse zum Vorschein.172 Nach langem Frieden bedarf er des Krieges, und im Kriege häuft er Unglück und neue Thorheiten. Zerstörend und erhaltend, verwundend und heilend, menschlich und unmenschlich zugleich, heute Freund und morgen Feind, schwebt er unstät zwischen Willen und Natur in halber Freiheit und in ­halber Sclaverei. Bei solchem Spiel und Widerspiel, bei solchem vergeblichen Streben nach absoluter Ganzheit, muss es eben so leicht seyn, den Menschen zu beweinen als zu belachen, und es gibt einerlei Sinn weinend über den Bedrängten den stärkern Willen des Guten, oder l­achend über des Thoren Glück seine höhere Freiheit zu ehren. Nahe berühren sich Trauer und Lust. Anmerkung. Diese Betrachtung ist so anziehend und so weit aus­ sehend, dass ich mir unmöglich das Vergnügen versagen kann, sie ein andermal fortzusetzen, und mit grösserer Ausführlichkeit nach dieser Ansicht eine besondere Theorie des Lächerlichen zu versuchen.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Blätter für literarische Unterhaltung. Sonnabend,

— Nr.  270. — 

27. September 1834.

Ueber das Verhältniß des Lächerlichen zum Komischen.* Es ist nicht zu leugnen, daß in der Komik, die es eigentlich nur mit dem Komischen zu thun haben sollte, auch das Lächerliche vorkommt. Je auffallender diese Erscheinung ist, um so mehr bedarf sie einer nähern Prüfung. Wir stellen deshalb die Fragen auf: Kann und soll in der Komik das Lächerliche nicht ganz vermieden werden? Läßt es sich nicht streng vom Komischen trennen und absondern? Worauf beruht im Komischen der Gebrauch des Lächerlichen? Ist eine Verwechselung die Ursache, oder was sonst? Forschen wir nach dem Unterschied, so finden wir, daß in der Kunst das Lächerliche auf der Oberfläche, das Komische aber in der Tiefe liegt. Das Lächerliche bezeichnet etwas Ungereimtes in der un­ mittelbaren Erscheinung, wo die Vorstellung das Unpassende nur *  In seinem 1834 in den Blättern für literarische Unterhaltung erschienenen Aufsatz »Über das Verhältnis des Lächerlichen zum Komischen« widmet sich Schütze zum dritten Mal nach den beiden gleichnamigen Aufsätzen »Ueber den Unterschied des Lächerlichen und Komischen« (1811, 1828) – aus dem späteren übernimmt er hier einzelne Passagen – dem titelgebenden Verhältnis. Ausführlicher als in den vorigen Texten veranschaulicht Schütze hier die gradweise Unterscheidung des Lächerlichen und Komischen anhand von Beispielen. Vor allem diese sind es, die ihm die spöttische Kritik Arnold ­Ruges einbringen, der sich in seinen »Sechs lächerliche[n] Briefe[n] über das Lächerliche. An den Herrn Hofrath Stephan Schütze in Weimar«, die 1835 in derselben Zeitung erschienen und 1837 als »Komischer Anhang« seiner Neuen Vorschule der Ästhetik beigefügt sind, auf Schützes Text bezieht.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

186

Anhang

nach der Wirkung auffaßt, ohne auf Bedeutung, Grund und Ursache hingeleitet zu werden. Das Komische hat eine tiefere und entferntere Beziehung. Diese belebt den Widerspruch, indem sie auf zwei (zusammentreffende) Gegensätze hinweist, nämlich auf Freiheit und Natur. Die Freiheit mit ihrem Irrthum und Wahn gibt den Menschen dem Gelächter preis, wenn wir gewahr werden, daß die Natur mit ihm handelt, während er selbst nur zu handeln meint. Indem wir dies aber bemerken, werden wir einer höhern Freiheit uns bewußt, die uns in Fröhlichkeit versetzt. Das Lächerliche trägt diese Merkmale entweder gar nicht, oder nur in einem sehr geringen Grade an sich. Ueber eine alte Frau, die, mit Rosen geschmückt, noch jung sein will, werden wir lachen; aber es ist nicht jenes fröhliche Lachen, welches das Komische gewährt. Sie selbst ist keine komische, sondern eine lächerliche Erscheinung. Auffallende Contraste im Anzuge173 können uns an und für sich schon zum Lachen reizen, aber es fehlen ihnen die geistigen Bestandtheile des Komischen, so lange ihnen jene Beziehungen auf Freiheit und Natur fehlen. Ein kleiner Mann mit einer thurmhohen Mütze bildet eine lächerliche Figur, aber er tritt dem Komischen schon näher, wenn wir deutlich darin ein Streben nach Ansehen, also die Freiheit in ihrem Wahn gewahr werden, wobei die Natur widersetzlich erscheint. Oft aber widerfährt auch dem Menschen Etwas, das seinen Zustand in ein lächerliches Licht setzt, ohne daß er dabei etwas verschuldet, z. B. wenn bei einer ernsten Handlung der Wind seinen Hut oder seinen Mantel in die Lüfte führt. Betrachten wir nämlich das Lächerliche nach allen Seiten, so bemerken wir, daß es sowol activ als passiv zum Vorschein kommen kann. Von der letzten Art ist jenes Beispiel mit Hut und Mantel, von der ersten jenes von der alten Kokette. Es verbirgt oder verdunkelt sich dabei bald der Antheil der Natur, bald der Antheil der Freiheit, oder es stehen auch beide in keinem beziehlichen Verhältnisse. Gehen wir von der Erfahrung auf die Kunst und beobachten hier die Anwendung des Lächerlichen, so gelangen wir zu der Regel, daß das Lächerliche in der Komik noch so lange gebraucht werden kann, als es noch irgend eine Spur jener Beziehungen auf Freiheit und Natur ansichträgt, und

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Ueber das Verhältniß des Lächerlichen zum Komischen

187

daß es sich immer mehr dem Komischen nähert, je nachdem diese Spur deutlicher hervortritt. Dies bedingt also seine Brauchbarkeit, und auf die Frage: warum ist in der Kunst der Gebrauch des Lächerlichen erlaubt? dürfen wir antworten: weil das Lächerliche dem Komischen verwandt ist. Ohne eine solche Annäherung und Verwandschaft wäre eine Einmischung desselben ebenso unbegreiflich als unverzeihlich. Ganz verwerflich ist sie nur, wenn jene Beziehungen entweder bis zur Unkenntlichkeit verschwinden oder diese unter sich kein Verhältniß haben (wie beim Trauernden mit emporgewehtem Mantel, der damit sehr lächerlich erscheinen kann). Dreierlei macht sich beim Gebrauch des Lächerlichen noch besonders bemerklich, 1) daß die Annäherung des Lächerlichen zum Komi­ schen in unendlich verschiedenen Graden geschieht; 2) daß das Lächerliche zuletzt in das Komische übergehen, und 3) daß das Komische auch bei schlechter Behandlung in das Lächerliche zurücktreten kann. Letzteres sehen wir schon bei jeder Uebertreibung. Und warum wird hier das Komische lächerlich? Weil dabei Freiheit und Natur allmälig ihren Antheil versagen und das Lächerliche nur in der Erscheinung zurückbleibt, sodaß wir, dahinter schauend, uns nicht mehr mit der Vorstellung eines Spiels der Natur mit dem Menschen täuschen können. Viel kommt dabei freilich auf die Phantasie, auf die Ansicht und den Geist des Zuschauers an. Mancher sieht im Komischen nur das Lächerliche und spricht, wenn er gelacht hat: es ist dummes Zeug!174 Er bleibt bei dem Ungereimten in der Erscheinung stehen, während Andere den Sinn und die Bedeutung von dem Komischen empfinden, das dahinter sich begibt. Ebenso kann Mancher wol dem Lächerlichen selbst noch eine Bedeutung abgewinnen, die es ihm alsdann zu etwas Komischem macht. Unlängst wurde in einer Untersuchung über den Unterschied zwischen dem Lächerlichen und Komischen folgendes Beispiel angeführt: »Ein Prediger, der auf die Kanzel gestiegen war, und der, als er eben zu reden anfangen wollte, sechs Mal hintereinander niesen mußte, ward von der ganzen Gemeinde schonungslos ausgelacht.«175 Dieser Fall, wird behauptet, sei blos lächerlich, weil dies dem Prediger rein zufällig begegne und

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

188

Anhang

mit seinem Willen in keiner Berührung stehe. Ganz gewiß: die Beziehungen auf Freiheit und Natur fehlen hier zur Hälfte und haben auch kein Verhältniß zu einander. Dies Ereigniß gehört zu den Fällen, wo das Lächerliche passiv entsteht, und Viele in der Kirche werden es sicher sehr ungern sehen, daß ein bloßer Zufall ihren Prediger lächerlich machen und ihn auf einen Augenblick seiner Würde berauben mußte. Es wäre aber doch möglich, daß sich Personen in der Kirche befänden, die den Fall allgemeiner und höher auffaßten, indem sie sich im Allgemeinen einen Menschen vorstellten, der feierlich reden will und von der Natur durch Niesen dabei zum Besten gehabt wird. Hier (in dieser Vorstellung) wäre denn die Sache nicht mehr blos lächerlich, sondern wegen des Antheils der Freiheit ­komisch. Noch mehr aber rückt das Lächerliche in das Komische hinüber, wenn wir uns einen Prediger denken, der mit eignem Stolz und Dünkel ganz besonders pathetisch zu sein strebt. Hiermit verstärkt sich der Antheil der Freiheit, der bei jenem zu fehlen schien. Deutlich ergibt sich aus den Modificationen dieses Beispiels der Satz: das Komische verlangt, daß die Natur mit dem Willen (der Freiheit) in Berührung trete. Diese Berührung kann aber bald näher, bald entfernter geschehen, und darnach wird bald das Komische, bald das Lächerliche vorwalten oder in der Vorstellung als vorherrschend empfunden werden. Oft ist aber auch die Passivität nur scheinbar. Selbst das Zufällige entscheidet dabei nicht. So werden wir z. B. lachen, wenn ein Mensch im Grase schlummert und eine Kuh oder ein Esel kommt, ihn mit der Nase zu berühren. Nur zu deutlich wird hier der Freiheit des Menschen mitgespielt, wenn sie sich auch nicht regt, und wir ersehen daraus, daß zum Komischen nicht immer ein offenbares Widerspiel gehört, sondern daß es schon genügt, wenn nur in der Vorstellung die sich berührenden Gegensätze zum Bewußtsein kommen. Schwächen wird sich die Beziehung auf die Freiheit, wenn der Schlummernde ein Kind ist, aber steigern wird sie sich, wenn wir schlafend einen Betrunkenen erblicken und der Rüssel eines Schweins über ihn hinstreift. In einem solchen Zusammentreffen ist die Beziehung der Gegensätze (Freiheit und Natur) auf einander so angemessen und entsprechend, daß es keineswegs etwas

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Ueber das Verhältniß des Lächerlichen zum Komischen

189

Ungereimtes hervorbringt, weshalb es denn auch wirklich ­komisch genannt werden kann. Bald fällt das stärkere Gewicht auf die Seite der Natur, bald auf die Seite der menschlichen Freiheit. Kann jenes nun das passiv Lächerliche veranlassen, so führt dieses nach Gelegenheit das activ Lächerliche herbei. Stellen wir uns z. B. einen Prediger vor, dem nicht wie jenem durch plötzliches Niesen, oder durch eine Schwalbe in der Kirche, oder durch eine Maus auf der Kanzel mitgespielt wird, sondern der sich sehr possirlich geberdet, indem er sich rechts und links hinüber und herüber wirft, dann sich wieder in die Höhe streckt u. s. w., wird nicht Jedermann einen solchen Prediger und ein solches Benehmen lächerlich finden? Er begeht etwas Ungereimtes, indem er mehr Bewegungen macht, als nöthig sind, und diese gar nicht der Empfindung anpaßt. Nun fragt sich, wenn wir wirklich über ihn lachen, ist nicht doch etwas an diesem Lächerlichen, das dem Komischen angehört? Und das scheint in der That, weil die vielen Bewegungen eben dadurch, daß sie mit der Empfindung nicht recht zusammentreffen, uns an die mancherlei Mittel erinnern, deren sich der Mensch bedient und deren er bedarf, um Eindruck zu machen; es ist, als ob der Prediger die Gesticulationen überhaupt persiflierte und den Menschen damit in seiner Bedürftigkeit, in seiner Abhängigkeit von der Natur zeigte. Diese Vorstellung, obgleich nur dunkel angeregt, ist es eigentlich, was das Lachen in uns erwecken kann und uns zum Lachen berechtigt. Es ist hier nicht blos das Betragen (die Freiheit), was die Wirkung des Lächerlichen gibt, sondern zugleich auch die Natur, die den Menschen in gewissen Schranken hält und so ihre Macht mittelbar beurkundet. Nur insofern dieses mehr im Dunkeln bleibt, werden wir den Fall mehr zum Lächerlichen als zum Komischen rechnen. So geht es in der Kunst mit vielen Charakteren, die nicht komisch, sondern lächerlich und doch nicht ganz zu verwerfen sind, wie z. B. der Geck, der verliebte Alte, der gespreizte Hochmüthige, der übertrieben Empfindsame. Es ist kein rechter Grund, es ist etwas Uebertriebenes in ihrem Betragen, das entfernt sie von der Natur und verdunkelt die Beziehung auf dieselbe. Das Urtheil, was über einen so lächerlichen Menschen ausge-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

190

Anhang

sprochen wird, ist gewöhnlich: er ist ein Narr! Seine Brauchbarkeit zum Komischen wird sich aber immer noch bewähren, wenn er mit andern Narren, die in der Welt für vernünftig gelten, noch Aehnlichkeit behält, oder seine Narrheit doch einigermaßen auf etwas Natürliches sich gründet. Ist dieses nicht, so wird der Narr unausstehlich, der Geck lästig, der verliebte Alte widrig. Der Geschmack muß entscheiden, ob dergleichen Charaktere, die ohnehin schon auf der Grenze des Komischen stehen, sich nicht zu weit davon entfernen. Man muß sie immer wieder an die Natur anknüpfen und alle Täuschungsmittel, die ihr Betragen bestimmen können, zu Hülfe ­nehmen, wenn sie in der Komik zulässig sein sollen. Daß das Lächerliche, wenn auch in sehr verschiedenen Graden, mehrentheils noch seinen Antheil am Komischen behalte, das sehen wir nicht nur an dem unwillkürlichen, sondern auch an dem willkürlichen Narren, an dem Possenreißer, der Grimassen macht, der Gesichter schneidet, was sowol aus Laune und Neigung als aus besonderm Vorsatz geschehen kann. Hier tritt der Scherz176 ein, der nicht selbst komisch ist, sondern nur das Komische von Andern abspiegelt. Der Lustige zeigt im poetischen Uebermuth durch eine Menge von Bewegungen, wie die Natur den Menschen auf mancherlei Weise zwickt und zwackt, und wie er sich dabei unfrei geberdet. Er selbst gibt sich als eine lächerliche Erscheinung preis; aber aus dem Lächerlichen seines lebhaften Betragens spricht zugleich das Komische, worauf jenes sich gründet. Ist er im Stande, treffende Züge zu wählen, dann nähert er sich dem Komiker, verfehlt er sie und bleibt nur im Streben darnach, dann wird er zum bloßen Spaßmacher und sein Scherz zum Spaß.177 Fast das Nämliche gilt von Dem, der ein solches Spiel mit Mienen und Geberden künstlerisch treibt, von dem Grimassier. Er spiegelt auch die Hantirung der Natur mit der Freiheit des Menschen zurück, aber er wird nur so lange komisch wirken, als er wahrhaft ist, als er den Erscheinungen der Wirklichkeit sich anschließt und Täuschungen hervorbringt, sodaß wir uns in einen komischen Zustand versetzen können. Gewöhnlich verdirbt er aber sein Spiel durch zu große Uebertreibungen sowol als dadurch, daß er einen Ausdruck durch den andern wieder

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Ueber das Verhältniß des Lächerlichen zum Komischen

191

auslöscht. Durch den Ueberfluß von Grimassen wird er grell und geistlos. Durch sein handwerksmäßiges Gesichterschneiden entfernt er sich wieder von der Kunst, der er sich zu nähern trachtet. Durch sein absichtliches Streben erinnert er an den Spaßmacher, sinkt aber ohne Heiterkeit und Laune noch unter ihn herab. Da nun aus allen diesen Betrachtungen erhellt, daß das Lächerliche nur insofern unter dem Komischen sich geltend macht, als es etwas vom Komischen ansichträgt, dieses aber in sehr verschiedenen Graden geschieht, so kann eine Theorie des Komischen nicht im Voraus zwischen dem Komischen und Lächerlichen eine Grenze ziehen und das Lächerliche ganz ausscheiden wollen, sondern sie muß sich damit begnügen, den Unterschied von beiden im Allgemeinen nach den wesentlichen Merkmalen anzugeben, die Anwendung in einzelnen Fällen aber der Kritik überlassen, die darüber zu wachen hat, daß das Lächerliche sich nicht zu weit vom Komischen entferne. Zu verwerfen ist indeß auf jeden Fall das blos Ungereimte, d. h. Alles, was nichts weiter als ungereimt ist, und worin das Lächerliche auf der niedrigsten Stufe und im allerstrengsten Sinne besteht. St. Schütze.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Num. 176. Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung. September 1838. Ästhetik. STUTTGART, b. Imle u. Krauss: Ueber das Erhabene und Komische. Ein Beytrag zu der Philosophie des Schönen, von Dr. Friedrich Theo­ dor Vischer, Privatdocenten an der Universität Tübingen. 1837. VIII u. 230 S.  8. (1 Thlr. 9 gr.)

Rezension von Friedrich Theodor Vischer: Über das Erhabene und Komische (1838)* Mit Recht kann dieses Buch, wie auch der Titel ankündigt, als ein Beytrag zu der Philosophie des Schönen betrachtet werden, weil es die Einsicht über das Schöne weiter führt. Besonders hat der Vf. über das Erhabene mehr Aufklärung verbreitet. Es ist schon merkwürdig, dass er es ohne Weiteres mit zum Schönen rechnet, ja es unmittelbar als einen Hauptbestandteil des Schönen aufstellt, da die meisten Philosophen bisher darüber noch sehr schwankend waren, indem *  Schützes Rezension von Friedrich Theodor Vischers Habilitationsschrift Ueber das Erhabene und Komische (1837) ist im September 1838, ein halbes Jahr vor seinem Tod, in der Jenaischen Allgemeinen-Literaturzeitung erschienen, für die er ab 1806 über 350 Rezensionen zumeist literarischer Texte geschrieben hat. Sie stellt Schützes letzte theoretische Auseinandersetzung mit dem Komischen dar. Vischer, der seine in zentralen Punkten mit Schütze übereinstimmende Komiktheorie in der rezensierten Schrift u.a. mit einem kritischen Bezug zu Jean Paul entwickelt, wurde auf Schütze offenbar erst durch diese wohlwollende Rezension aufmerksam. In der weiteren Aus­arbei­ tung seiner Komiktheorie im ersten Band seiner Aesthetik (1846) zitiert Vischer Schützes Versuch einer Theorie des Komischen ausführlich und größtenteils zustimmend.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Rezension von Vischer: Über das Erhabene und Komische

193

sie das Erhabene neben das Schöne setzten, und häufig das Erha­ bene u n d das Schöne abhandelten, was ungefähr klingt, wie wenn man Champagner und Wein sagen wollte.178 Es konnte nicht fehlen, wenn man auf diese Weise das Erhabene vom Schönen absonderte, dass das Schöne an sich in der Betrachtung etwas Mattherziges (Sanftes, Geruhiges) bekommen musste, da eigentlich Alles, schon indem es aus der Prosa in Poesie übertritt, etwas vom Erhabenen annimmt, weil der geistige Bestandtheil des Kunstschönen immer auf etwas Höheres (Edleres, Besseres) hinweist. Es kann also nur vorzugsweise vom Erhabenen die Rede seyn, da, wo das Erhabene besonders das Sinnliche überwiegt, das Geistige über das Körperliche hinausgeht, die Idee die äussere Erscheinung überragt. So hat es auch der Vf. betrachtet. Es ist nur ein nöthiger Behelf, eben, um dieses Uebergewicht für sich in Erwägung zu ziehen, dass man erst das Schöne in seiner Geschlossenheit vorhergehen lässt, wo dieses dann freylich, aus Rücksicht gegen jenes, einen besonderen Namen annehmen muss, und das sanft-, anmuthig-Schöne, das geruhig harmonisch-Schöne, das absolut-Schöne u. s. w. genannt werden kann. Der Vf. nennt es nicht unpassend das einfach Schöne, und was er darüber sagt, ist vortrefflich und sehr belehrend. Mit der Definition: »Das Schöne ist das sinnliche Scheinen der Idee, die Idee in begrenzter Erscheinung«179 entgeht er nicht nur der unsicheren Schwärmerey über das Ideale der Kunst, sondern auch dem Gebrauch einer leeren Formel.180 Jene (die Schwärmerey) steigt mit der Schönheit bis zu Gott hinauf, sucht die Urbilder von allen Dingen in der Gottheit, ja sieht sie selbst für die einzig wahre Schönheit an, diese (Formel) fasst die Kunst als die Erscheinung des Unendlichen im Endlichen auf, – womit nur etwas angedeutet und nichts Bestimmtes gesagt wird; denn was ist nun das Unendliche? Diess Wort wird so oft in der Philosophie gebraucht, als etwas Höheres, Unfassbares bezeichnet werden soll. Es ist ein philosophischer Scherwenzel,181 ein Behelf, den man gleichwohl nicht gut entbehren kann. Man schafft sich mit diesem Worte die Sache vom Halse; sie wird in den Hintergrund gestellt; man sieht sie nicht. Der Vf. verwandelt daher das Ideale gleich in eine Idee. Er sagt ganz vorsich-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

194

Anhang

tig: »Im Schönen offenbart sich zunächst eine einzelne bestimmte Idee, und hiedurch mittelbar die höchste. Nur mittelbar; denn die absolute Einheit des Wirklichen und des Idealen kann eigentlich nie auf einem bestimmten Puncte sich erschöpfen, und fix und fertig auf die Oberfläche treten, sondern nur die Totalität alles Seyenden kann den ganzen Inhalt des Absoluten darstellen, nur das ganze Universum kann der vollkommene Spiegel des göttlichen Lebens seyn. Das Schöne kann die höchste Einheit nicht unmittelbar darstellen, sondern es zeigt die Aufhebung des Zwiespaltes zwischen Idee und Erscheinung nur in einer bestimmten Gestalt, in einem bestimmten Falle; dadurch aber überzeugt es uns, dass an sich dieser Zwiespalt absolut gelöst sey; es stellt uns den Geist auf einer einzelnen Stelle des Weltganzen als von der Synthese befreyt, die Welt als vom Geiste ganz durchdrungen und verklärt dar; und indem wir dies sehen, leuchtet uns ein (ahnen wir), dass in der höchsten Idee dieser ganze Gegensatz aufgehoben sey. Darum sprengt das Schöne alle Bande der Furcht und des Zweifels in unserer Seele, und überrascht uns als eine Erscheinung aus einer höheren Welt, wo die reine Harmonie wohnt. – Idee und sinnliches Gebilde sind im Schönen so vereinigt, dass die ästhetische Anschauung sie nicht zu trennen vermag; sie sind in einander verschmolzen, wie Seele und Leib. Es darf in der Idee nicht zurückbleiben, was nicht auf die sichtbare Oberfläche träte; und am sinnlichen Bilde darf nichts seyn, was für sich und abgesehen von der Idee ein (stoffartiges) Interesse in Anspruch nähme (wie wahr und wie umfassend!). Im schönen Gegenstande ist alle Fremdheit zwischen Idee und Stoff aufgehoben, ist ein reines Durchleuchten der Idee. Weder der Gedanke im Kunstwerke soll dem Anschauenden gesondert von seiner sinnlichen Erscheinung zum Bewusstseyn kommen, noch diese abgesondert von ihrer geistigen Bedeutung einen Reiz auf ihn ausüben. – Je individueller, concreter, je klarer begrenzt die sinnliche Erscheinung, desto reiner offenbart sich die Idee. Je reiner die Idee aufgefasst ist, desto vollkommener geht sie in das individuelle Bild ein, desto einleuchtender spricht sie aus ihm. Diess Alles drängt sich in den Satz zusammen: Das Schöne ist harmonisch. – Im Reiche des Schönen ist wolkenlose

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Rezension von Vischer: Über das Erhabene und Komische

195

Heiterkeit. Hier dürfen wir sinnlich seyn; denn hier sind die Sinne nur die gefälligen Schwestern des Geistes, dem sie auf blühenden Pfaden die reinste Nahrung zuführen. Hier sind wir als geistige Wesen befriedigt, ohne mit unserer Sinnlichkeit brechen zu müssen.«182 Mit diesen Worten ist das Wesentliche der Kunst überhaupt ausgesprochen, und jeder Künstler kann sie als oberste Regel oder Richtschnur gebrauchen. In dem Kapitel vom Erhabenen nun, worin bis jetzt viel Dunkel und Verworrenheit oder Einseitigkeit herrschte, zündet der Vf. ein neues Licht an, indem er die verschiedenen Arten desselben mustert oder zeigt, von wie verschiedenen Seiten her es entsteht. Manche sind schon dadurch am Erhabenen irre geworden, dass sie es als ein rhetorisches Element, als ein aufregendes Mittel des Redners betrachtet haben. Diess kann man ganz still bey Seite lassen, da hier von dem Erhabenen die Rede sein soll, das in der Kunst sich offenbart. Manche haben das Erhabene nur in der Willenskraft des Menschen gesucht, wie es besonders in der Tragödie hervortritt, da es doch auch in den Gegenständen der Natur erscheint, im Anblick des Meeres, des Gebirges, des gestirnten Himmels u. s. w. Sehr Viele wieder haben das Erhabene mit seinen Modificationen, mit den oft beygesellten Gefühlen des Furchtbaren, Schrecklichen, Grässlichen, Schauderhaften verwechselt, und es desshalb als eine Ueberwältigung unserer Vorstellung aus dem Gebiete des Schönen verstossen wollen, oder sie haben zur Vorsicht noch den verschiedenen Eindruck desselben Gegenstandes auf verschiedene Menschen mit in den Begriff des Erhabenen hineingezogen, ohne zu bedenken, dass sich die Sache schon von selbst bedingt, und dass wir, so wie wir das Wort erhaben brauchen, damit auch etwas Schönes meinen, und zwar etwas Kräftiges, das uns erhebt. Andere sind in grosse Irrthümer gerathen durch die geschichtliche Entwickelung des Erhabenen, indem sie bemerkten, dass rohe Völker das Erhabene im Grausamen, im Vertilgenden, Verzerrten und Scheusslichen finden, womit man denn geradezu das Erhabene bis zur Hässlichkeit sinken, sich grob verkörpern, und gleichsam abhanden kommen liess, ohne zu erwägen, dass, wenn auch in der ersten rohen Kraftäusserung der

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

196

Anhang

Keim des Erhabenen liegt, ein solches unentwickeltes, ungeläutertes Gefühl uns nicht schon für das Erhabene selbst, wie es die Kunst braucht, gelten kann, gleichwie das Schöne überhaupt ja erst aus einem sehr grellen Anfange hervorgeht.183 Da wir es in der Kunst mit geläuterten Begriffen zu thun haben, so ist es unphilosophisch, zu sagen: Die Schönheit besteht 1) in der Schönheit und 2) in der Hässlichkeit, – was für alle Arten des Kunstschönen gilt, das Erhabene und das Komische nicht ausgeschlossen; denn ob wir gleich wissen, dass Harmonie auch durch Dissonanzen hindurchgeht, so werden wir desshalb doch nicht definirend setzen: Harmonie besteht 1) in Harmonie und 2) in Disharmonie. Das heisst Weg mit Ziel, das Ungeordnete mit dem Wesentlichen verwechseln, oder es mit demselben in gleiche Linie stellen! – Das Erhabene nun, so mannichfach es auch erscheinen kann, hat seinen wahren Ursprung im Geiste des Menschen, es ist der angeborene Sinn für eine über­ irdisch herrschende Gewalt, welchem (Sinne) Natur und Menschenwelt in öfteren Erscheinungen entspricht, so dass das Erhabene auch als Gegenstand die Phantasie ergreifen kann. Es ist aber nicht das beengende Gefühl, welches oft mit dem Eindruck des Gewaltsamen auf uns verbunden ist, was sein Wesen ausmachte oder mit dazu gehörte, sondern es ist die Versetzung, die Erhebung der Phantasie in die Kraft selbst, die sich offenbart. Die Phantasie steht nicht zagend der Kraft gegenüber, sondern ist von ihr fortgerissen, von ihr be­gei­ stert, schwebt mit ihr in gleicher Herrschaft, und erhebt sich damit über die Beschränktheit. Tritt das menschliche Gefühl der Schwäche dabey ein, so ist das nur eine Störung des Erhabenen, eine Hemmung, die es nicht zu einem völligen Genuss des Erhabenen kommen lässt, und nachher noch Beywörter zur besonderen Bezeichnung des Eindrucks gebrauchen muss. Nicht jede Phantasie ist stark genug, das Erhabene frey in sich aufzunehmen und zu empfinden. So hat eine grosse Feuersbrunst etwas Erhabenes als die Sichtbarwerdung einer ausserordentlichen Naturkraft; aber der störenden Empfindungen sind dabey so viele, dass die Wenigsten dabey einem begeisternden Gefühle sich werden überlassen können. Von diesem Abbruch des Gefühls darf aber der Philosoph nicht die wesentliche

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Rezension von Vischer: Über das Erhabene und Komische

197

Bestimmung des Erhabenen herleiten wollen. Er kann seinen Begriff nur schöpfen aus dem Vollgenuss dessen, der des Eindrucks sich mit der Phantasie ermächtigen, und darin die Kraft des Allerhöchsten erahnen, wenn auch nicht ganz damit sympathisiren kann. Das Erhabene in seiner Reinheit ist das geistigste Schöne, dessen die Kunst sich erfreut; wie sollte es also mit seinem Heroismus in den Verdacht kommen, dass es eine Widersacherin der Schönheit sey, sich in ihre Formen nicht fügen, und von seiner Höhe keinen Rückweg zur ­Anmuth finden könnte! Diess Alles ist nun freylich keine wörtlich treue, ohne Beymischung von eigenen Gedanken gegebene Relation aus dem Buche, wo das Einzelne sehr ausführlich behandelt ist; aber die Hauptsache trifft doch in dem Resultate zu, das S.  151 über das Natur-Erhabene ausgesprochen wird. »Wir fühlen uns erhoben«, heisst es hier, »weil wir uns mit der Naturkraft in Identität setzen, ihre mächtigen Wirkungen gleichsam zu uns selbst rechnen, weil sich unsere Phantasie auf die Fittige des Sturmes legt, und mit ihm dahin braust, weil wir mit der Höhe uns selbst emporschwingen, und in die grenzenlose Ferne hinauswandern. Wir erweitern uns selbst zu einer grenzenlosen Naturgewalt, und darum schwillt unser Herz.« – Was hier von dem Natur-Erhabenen gesagt ist, kann man recht gut auf das Erha­ bene überhaupt (also auch auf Gesinnung und Handlung des Menschen) anwenden, wie denn dieser Sinn schon in dem Worte selbst angedeutet liegt. Nachdem nun der Vf. das Erhabene nach allen Seiten beleuchtet hat, macht er den Versuch, das Komische als den Gegensatz desselben zu betrachten, sein Wesen daraus herzuleiten und zu erläutern. Damit hat es aber nicht ganz seine Richtigkeit. Ob man gleich etwas Entsprechendes zwischen beiden entdeckt, so ist der Gegensatz doch nicht vollständig, und lässt sich durch alle Theile hindurchführen, so scharfsinnig sich auch der Vf. darum bemüht hat.184 Der Vf. behauptet, dass das Komische gegen das Erhabene gerichtet sey. Damit trifft er aber einen nur geringen Theil des Komischen; denn dieses ist nicht bloss gegen das Erhabene, sondern (nach Gelegenheit) gegen Alles gerichtet, was nur für den Menschen Werth

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

198

Anhang

haben kann, oder zu seiner Existenz dient. Um seinen Satz zu beweisen, muss daher der Vf. dem Begriff des Erhabenen Zwang anthun, und es auch in Dinge und Zustände legen, wo es nicht vorhanden ist. So sagt er z. B. S.  191: »Auch der Witz besteht darin, dass eine Erhabenheit zu Falle gebracht wird. Es ist aber dieselbe in dieser Form des Komischen abstract verständiger Natur: es ist nämlich der Ernst des verständigen Zusammenhanges der Vorstellungen unter einander, der aufgelöst wird.«185 Welche Ausdehnung des Erhabenen! – Ja, um das Gebiet des Komischen nicht zu beschränken, muss sogar der Vf. endlich geradezu Alles für erhaben gelten lassen, was nur von einiger Bedeutung ist, wie wir S.  179 gewahr werden, wo es heisst: »Das Erhabene und das unendlich Kleine spielen in einander, und dieses Spiel ist das Komische. Der Zuschauer ruft aus: So gross, und doch wieder so klein! So klug, und in dieser Klugheit so thöricht! So viel Sinn, und in diesem Sinn so viel Unsinn! So viel Kraft, und in dieser Kraft so viel Schwäche! Wie ist es doch nur möglich; man meint ja fast, es könne nicht so seyn! Wir bemühen uns, den Widerspruch zu reimen, und es geht nicht.«186 – Welche Mannichfaltigkeit von Eigenschaften und Begriffen wird damit zum Erhabenen gerechnet! »Hier wird es nun erst recht klar«, fährt der Vf. fort, »warum der Mensch und sein Treiben der eigentliche Gegenstand des Komischen ist (!); denn er ist in jedem Augenblick (!) an die Be­ dingungen des Natürlichen und Zufälligen gebunden, und eben so sehr darüber erhaben.«187 Mit dieser Verallgemeinerung der Sache, wo der Mensch (in der Gewalt der Natur, die mit ihm handelt) jeden Augenblick komisch erscheinen kann, trifft der Vf. unwillkürlich mit unserer Theorie des Komischen zusammen, die den ganzen Menschen nach allen Seiten, nach seinem Wollen und Thun, nach seinen Zuständen und Erscheinungen, nach der Zufälligkeit und Abhängigkeit, auffasst. – Nur in einem gewissen Sinne ist es gegründet, dass das Komische einen Gegensatz vom Erhabenen bildet. Dieser liegt nämlich in der Methode des Verfahrens, indem das Erhabene nach seiner allgemeinen Richtung etwas höher stellt, und das Komische dagegen etwas herabsetzt und gering macht. Diess hat der Vf. auch wohl ursprünglich im Sinne gehabt; er hat nur statt des allgemei-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Rezension von Vischer: Über das Erhabene und Komische

199

nen Etwas beym Komischen gleich das Erhabene selbst als Gegenstand gesetzt, und statt des Verfahrens gleich den Gegenstand als Gegensatz angenommen. Beide, das Erhabene und Komische, gehen auf dasselbe Ziel los, nämlich einen vollkommeneren Zustand geltend oder fühlbar zu machen, nur dass sie es auf zwey verschiedenen Wegen erreichen; das Eine unmittelbar und positiv, das Andere mittelbar und negativ, indem jenes geradezu den hohen Werth der Dinge zeigt, und dieses den Werth der Dinge beleuchtet, und mit der Darstellung ihrer Unzulänglichkeit, Mangelhaftigkeit, Behelflichkeit auf etwas Höheres hinweist. Werden so im Komischen die Dinge herabgesetzt (was man auch mit einem zu scharfen, übertriebenen Ausdruck Vernichtung188 nennt), so dient diess nur als Mittel zum Zweck, und ist keinesweges Ziel und Absicht, entspricht also in dieser Hinsicht dem Erhabenen nicht. Vom Erhabenen kann man sagen: Es ist sein Zweck, zu erhöhen; aber nicht vom Komischen: Es ist sein Zweck, zu erniedrigen. Der eigentliche Gegensatz vom Erha­ benen ist auch nicht das Komische, sondern das Niedrige, das Gemeine. Sollte also jene Entgegensetzung ganz richtig und gültig seyn, so müsste das Komische auf das Niedrige und Gemeine als Endziel der Darstellung gehen, was doch nicht wahr ist, da das Komische nie so weit hinabsteigen, auch nie eine Sache allen Werthes berauben darf. Es ist schon genug, wenn wir im Komischen sehen, dass sich der Mensch auf etwas Zerbrechliches stützt, wobey wir sogar zugeben, dass er sich einer solchen Stütze bedienen muss, und nicht ganz mit Unrecht sich ihrer bedient. Es fragt sich auch noch, ob das Komische gegen das Erhabene selbst gerichtet seyn kann, und wohlweislich bemerkt der Vf. S.  186 über diesen Punct: »Man kann weiter gehen und zugeben, dass nur ein scheinbar Erhabenes dem Lachen Preis gegeben werden dürfe, aber dann hinzusetzen, dass es nichts wahrhaft Erhabenes gebe, und dass auch das in Vergleichung mit blosser Prahlerey reellere Erha­ bene doch nicht absolut erhaben sey; dass daher der Geist der Komik ihm nur zufüge, was Rechtens ist (d. h. dass er kein Unrecht begeht), wenn er es ebenfalls nicht schont.«189 Mit dem Letzten hat es seine vollkommene Richtigkeit, aber die Sache so gewandt – wie steht es

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

200

Anhang

nun mit dem Komischen als Gegensatz des Erhabenen? Trifft es nur den Schein oder das Relative des Erhabenen, so bleibt weiter nichts übrig, als, um dem Komischen doch eine Seite zum Angriff darzubieten, anzunehmen, dass jeder komische Gegenstand immer erst eine Miene zum Erhabenen mache. Und das thut auch der Vf., indem er da, wo er auf die engste Verbindung der Contraste dringt, die Bewirkung des Lachens also schildert: »Das Komische hebt an mit einer Erscheinung, die sich die Miene giebt, erhaben zu seyn, mit ­einem Streben, einer Intention der Idee, sich über die gemeine Wirklichkeit zu erheben, und es darf dem Zuschauer keinesweges zum Voraus schon einleuchten, dass diess Erhabene seine eigene Ironie in sich trage. Nun aber zerspringt es plötzlich wie eine Blase u. s. w.«190 – Die Erfahrung dagegen lehrt, dass der Schein des Erhabenen das Komische nur befördert und verstärkt, aber keinesweges bedingt. Eine Verkehrtheit wird noch mehr belacht, wenn der Mensch sich dabey ein Ansehn giebt. Es sind überhaupt viele Umstände zu bemerken, die das Komische befördern können, und desshalb von Manchen mit zu seinem Wesen gerechnet werden, wohin z. B. auch das Plötzliche, das Unerwartete gehört, das aber keinesweges beym Komischen immer nöthig ist. Bald ist die Spannung, die man erregt, ein Beförderungsmittel des Komischen, bald ein ruhiges Hineinführen in die Materie u. s. w. – Uebrigens fehlt diesem Buche nicht an tief gehenden, scharfsinnigen Bemerkungen über das Komische, und die grosse Mannichfaltigkeit des Gegenstandes würde sich dem Vf. gewiss mehr entfaltet haben, wenn er dem Komischen gegenüber nicht immer das Erhabene im Auge behalten hätte. Seine Untersuchung wird freyer, wo er weniger daran denkt. Sehr beachtenswerth ist z. B., was er über die Verbindung der äusseren Welt mit dem Menschen sagt, wo er auch dem Zufall sein Plätzchen einräumt, der allerdings im Komischen eine grosse Rolle spielt. So lesen wir S.  183: »Der komische Widerspruch ist universeller Natur, und muss auf seinen metaphysischen Urgrund, das Ineinanderseyn des Endlichen und Unendlichen (des Irdischen und geistig Höheren) überhaupt zurückgeführt werden, wo wir uns denn allerdings, aber nur tragisch, das Komische in seiner letzten Tiefe als ein zweckwidriges

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Rezension von Vischer: Über das Erhabene und Komische

201

Handeln des Weltgeistes vorstellen können. Beym Zufälligen müssen wir, wenn wir das Erhabene (?) und die Winzigkeit des Zufalls, der es stört, in eine Einheit zusammengreifen wollen, über das Subject, an dem dieses Komische erscheint, hinausgehen, weil wir jenen Zufall ihm nicht aufbürden können, müssen auf den Weltgeist zurückgehen, in welchem menschliche Erhabenheit (?) und die Friction derselben mit dem Bagatelle des Zufalls zusammen sind. Indem der Mensch als geistiges Wesen verkehrt erscheint, scheint uns das Geistige überhaupt, das Ideale, wie es die ganze Welt durchdringt, in einem Widerspruch mit sich begriffen, mit sich selbst zu scher­ zen.«191 Dass das Geistige in der Welt mit sich selbst zu scherzen scheine, trifft wieder mit des Rec. Theorie und mit ihrem Hauptsatze zusammen, dass es im Komischen das Ansehn gewinne, als ob die Natur mit dem Menschen ihr Spiel treibe. Natur als etwas mit Geist Durchdrungenes ist nichts Anderes, als der hier so genannte Weltgeist.192 Da aber das Komische nur am Menschen sich offenbaren kann, so ist es weit natürlicher, zu denken, dass die Natur (der Weltgeist, Natur und Welt) mit dem Menschen, als mit sich selbst spiele. Der Widerspruch des Weltgeistes mit sich selbst kann höchstens nur momentweis (besonders im bitteren Humor) angenommen werden, da das heitere Lachen ja den Glauben an Freyheit, die Ahnung einer höheren Freyheit, die Annahme einer Harmonie über die Erscheinungen hinaus zur Grundlage behält. Ohne diesen Glauben wäre es etwas Schreckliches und Grauenhaftes, den Weltgeist selbst so mit sich in Widerspruch zu sehen. Die Annahme eines solchen Widerspruchs giebt die tragische Verzweiflung. Der Begriff der Natur, der den Weltgeist mit in sich schliesst, ist umfassender als dieser, geht durch alle Abstufungen der Erscheinungswelt, und kann uns in den Stand setzen, das Komische von allen Seiten her (als contrastirende Berührungen mit dem Menschen) hervortreten zu sehen. Die ganze Körperwelt kann auf die Freyheit des Menschen komisch wirken. Vor der Phantasie, die Alles belebt, was den Menschen berührt, spiegelt sich im Komischen die Einwirkung von Aussen als Handlung des Weltgeistes, der nur seinen Scherz zu treiben scheint, wobey sich der Mensch jedoch durch den Glauben an eine höhere Frey-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

202

Anhang

heit gesichert fühlt. Von der angeborenen Lebenslust in Verbindung mit diesem Glauben entsteht die lachende Fröhlichkeit beym Komischen. Der Lachende befindet sich auf Seiten des scherzenden Geistes, theilt seine Freyheit, seine anscheinende Willkür, und schaut so vergnügt auf die Contraste in die Welt hinab. Weiter sagt der Vf., wo er zeigt, wie die äussere Erscheinung auf den Menschen müsse bezogen werden: »Der Stein, über den wir Jemand straucheln und fallen sehen, kümmert sich nichts darum. Wir müssen einen inneren Zusammenhang dieses gleichgültigen Dinges mit der fallenden Person erst hervorbringen, indem wir ihm Be­ wusstseyn (Willen, Absicht) unterschieben.«193 Diess ist, dem Sinne nach, wieder ganz zutreffend mit des Rec. Theorie, wonach die Natur auch durch jeden einzelnen Körper mit dem Menschen spielen kann, indem das Einzelne durch die Phantasie sich gleichsam zu einem Gliede der handelnden Natur (des scherzenden Weltgeistes) belebt. [Fortsetzung in Nr.  177] Durch die Idee der Willkür aber lässt sich der Vf. öfters zu weit verleiten. Giebt man auch zu, dass das Komische »in der absoluten subjectiven Willkür seinen Sitz hat«,194 so darf Scherz und Witz doch nicht in eigentliche Willkür ausarten. Beide sind an gewisse Eigenschaften der Dinge gebunden. Auch der tollste Scherz muss, wie der Vf. selbst sagt, einen Schein von Wahrheit haben, und eine augenblickliche Täuschung hervorbringen können. Nicht Unsinn, sondern Doppelsinn ist die Natur des Witzes, und das Ergötzliche an ihm. Das Komische in ihm besteht darin, dass das Geistige mit dem Sinnlichen, das Höhere mit dem Niederen zusammenfällt, und dadurch verspottet, in seinem Werthe verdächtig gemacht wird. So viel Fremdes und Entferntes sich auch im Witz begegnen mag, so kann von einer unendlichen Willkür des Verstandes doch nicht die Rede seyn. Nicht die Willkür ist es, die im Witz belustigt, auch nicht schon allein die Schnelligkeit und Geschicklichkeit, wodurch das Fremdartige zum Einklang vermittelt wird; durch die Schnelligkeit wird das Komische nur verstärkt, nicht hervorgebracht; das Komische hat für sich seine eigenthümliche Kraft. Wo es durch jene Mittel ersetzt werden soll, da entsteht etwas Hohles und Leeres. So wird

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Rezension von Vischer: Über das Erhabene und Komische

203

S.  216 auch der Humor eine unendliche Willkür genannt, die mit der Welt spielt. Genau darf man es mit solchen Worten nicht nehmen. Eine Uebertreibung ist es ebenfalls, wenn S.  172 behauptet wird: »Ein abgeschmacktes, ungereimtes, cynisches Element ist zum Komischen unentbehrlich. Ohne Thorheit, ohne Hervorhebung des Zufalls, des Bagatells, so läppisch als möglich (?), ohne Cynismus (?) kann es im Komischen gar nicht abgehen.«195 Damit kann nur ein Extrem bezeichnet werden, das aus der Natur des Komischen erklärlich wird, keinesweges aber etwas Wesentliches ausmacht. Es darf nur vorkommen, so weit man es als zu einem Ganzen gehörig mit der Vorstellung beherrschen kann. Sehen wir nun auf den Gang dieser Untersuchung zurück, so werden wir nach manchen nicht völlig richtigen Sätzen gewahr, dass sich das Ganze zu einem systematischen Ueberblick noch besser, einfacher, fasslicher und bestimmter ordnen lässt. Misslich bleibt es immer, etwas durch Vergleichung erkennen zu wollen, weil dabey gewöhnlich eine oder die andere Eigenschaft minder beachtet wird, oder gar nicht zur Betrachtung kommt. Hier wird eigentlich doch nur gezeigt, wie sich das Komische zum Erhabenen verhält. Mit der gefundenen Aehnlichkeit im entgegengesetzten Verfahren des Erhabenen und Komischen gelangen wir noch nicht zum vollständigen Begriff von Beiden; es ist nur eine zur Erkenntniss mithelfende Betrachtung. Gewiss ist, dass beide aus einem und demselben poetischen Sinne entspringen, ebenso, dass sie als etwas Verschiedenes einander ausschliessen, aber auch, dass abgeschlossen jedes für sich seine Gegensätze und seine Harmonie bildet. Man kann Beides nicht wieder zu einem Ganzen zusammenfügen, und könnte man es auch, so erhielte man damit noch nicht die ganze Poesie, so dass das Erhabene und das Komische durch ein Ent­weder – oder darüber entschieden, und allein darüber Herr würden. Bey einem Gedichte wird es Niemandem einfallen, zu fragen: Ist es erhaben oder komisch? Nein. Man denkt zunächst an diese Eigenschaften gar nicht. Eher wird man fragen: Ist es ernst oder scherzhaft? Mit dem Ernst eröffnet sich aber ein weites Feld, dem das Erhabene auf verschiedene Weise gradweis beygemischt

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

204

Anhang

seyn kann. Wir bekommen für die Poesie erst wirklich Entsprechendes, wenn wir das Erhabene bis zum Tragischen steigern, womit wir denn zum Tragischen und Komischen gelangen, von welchen beiden schon eher als Gegensätzen die Rede seyn kann. Beide Gattungen der Poesie entstehen erst durch eine besondere Beziehung, die der Poesie im Allgemeinen, dem Kunstschönen an sich noch nicht eigen oder nothwendig ist. Mit Erwägung dieses Ausserordentlichen theilt sich nun das Ganze der Aesthetik von selbst also ein: Zuerst haben wir das einfach Schöne zu betrachten, wie es auch der Vf. auf eine sehr befriedigende Weise gethan hat. Es ist das Schöne schlechthin, das schon ursprünglich, ohne inneren Widerstreit, harmonisch in sich Abgeschlossene. (Manche nennen es auch das Anmuthige, welche Benennung indess für manches Product zu schwach ausfällt.) So empfangen wir Lieder, Elegieen, Oden, Romanzen u. s. w., die uns schon unmittelbar durch den Zusammenklang zu einer Empfindung, zu einer Vorstellung als etwas Schönes erfreuen, ergreifen, durchdringen, ergötzen. Darauf aber sehen wir eine Poesie entstehen, die erst durch einen Kampf, durch Dissonanzen hindurchgeht, ehe sie harmonisch schliesst, ja deren Wesen und Inhalt geradezu in Kampf besteht, – diess ist die Poesie oder das Kunstschöne mit ­einer besonderen Beziehung, nämlich mit der Beziehung auf die Frey­ heit des Menschen. Auf diese Weise entspringt das Tragische und das Komische, zwey ganz eigenthümliche Dichtungsarten, die aus dem geschlossenen Kreise des Schönen für sich, zu ihrer eigenen Selbstständigkeit hervortreten. Aber wenn wir genau seyn wollen, bilden auch diese keine in jeder Hinsicht vollkommenen Gegensätze. Die Tragödie kämpft weit hinaus mit dem Schicksale, und der moralisch gute und böse Wille mischt sich ein. Die Komödie dagegen mit ihren Anfechtungen in Behauptung der Freyheit begnügt sich schon mit dem engeren Kreise der irdischen Welt und Glückseligkeit, und selbst, wenn sie sich über das Ganze zu spotten erlaubt, kehrt sie doch immer wieder zum behaglichen Zustand ihrer Unschuldswelt zurück, wo sie die moralischen Betrachtungen lieber ganz und gar von sich weist, und von Sünde und Schlechtigkeit nichts wissen will. Ja, sie gefällt sich in der Kurzsichtigkeit, indem sie den Zufall

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Rezension von Vischer: Über das Erhabene und Komische

205

wie ­einen Dämon achtet, der dem Menschen zu schaffen macht. Sie dringt nicht klar bis zur Gottheit hinauf als einer Endursache der Dinge, sondern liebt es, die Einwirkungen mit dunkelen Vorstellungen zu verbinden, und sich an das zu halten, was den Menschen zunächst umgiebt. Deshalb ist es auch gewiss der Wahrheit gemäss, das, was im Komischen mit der Freyheit des Menschen spielt, oder zu spielen scheint, nicht Schicksal, nicht Nothwendigkeit, sondern Natur zu nennen. Wie schwer es sey, das Wesen des Komischen völlig zu erforschen, und das Gebiet seiner Wirksamkeit ganz zu überschauen, erhellt schon daraus, dass von Jahrhunderten her in den Schriften sich immer nur Bruchstücke darüber finden. Jeder bemerkt und schreibt nieder, je nachdem das Komische ihm in der Erfahrung diese oder jene Seite zugewandt hat; die Beobachtung ist nicht allseitig. Und wer nun vollends ein ganzes philosophisches System aufstellt, der wird durch das Princip, wovon er ausgeht, schon bestimmt, das Komische von der Seite aufzufassen, die zu seinem Systeme passt, oder sich mit seiner Betrachtungsweise verträgt. Mit dem Denken über das Komische ist es noch nicht gethan; die Gesamtheit des Komischen in allen Erscheinungen muss das Resultat geben. Dazu gehört aber mehr als ein Menschenleben, und funfzig oder hundert Jahre sind, wie die Vergangenheit lehrt, zum Fortschreiten einer allgemei­ neren Erkenntniss des Komischen immer noch eine kurze Zeit. St. Schütze.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

1  Gemeint sind die Napoleonischen Kriege, insbesondere die Befreiungskriege zwischen 1813 und 1815. Inwiefern dies Schütze an der Publikation seiner Theorie des Komischen hinderte, ist nicht klar. Schütze hat selbst Werke bei Hartknoch in dieser Zeit publiziert: Der unsichtbare Prinz. Ein Roman (in drei Teilen 1812/13) sowie gemeinsam hg. mit anderen: Komus. Ein Taschenbuch (1815). 2  Die deutsche Schulphilosophie (Leibniz, Wolff, Baumgarten, Gottsched) in der Tradition von Descartes und Locke unterscheidet im Hinblick auf das Erkenntnisvermögen klare und deutliche von konfusen, verworrenen bzw. dunklen Vorstellungen (clare et distincte versus confuse et obscure). Der Bereich der dunklen Vorstellungen, in dem keine benennbaren und klar unterscheidbaren Repräsentationen gegeben sind, wurde, als wirkend auf den Willen, traditionell mit den Affekten verbunden. ›Dunkle Gefühle‹ sind vor diesem Hintergrund eine Tautologie, da der Bereich von Affekt / Gefühl immer schon mit den dunklen Vorstellungen verbunden war. Seit der Mitte des 18. Jhs. können aber Affekt und Gefühl unterschieden werden. Mit der Einführung des Begriffs ›Gefühl‹ neben ›Vorstellung‹ und ›Wille‹ wurde es möglich, Affekte nicht mehr als Ideen dem Vorstellungsvermögen, die auf das Begehrensvermögen wirken, sondern dem Gefühlsvermögen zuzuweisen (vgl. Kant 1798/1977, Bd.  12, § 58, 557). Gefühle sind weder Erkenntnis noch Streben, sondern kommunizieren den Zustand des Ich. Für sie gilt nun ebenfalls die Skalierung von klar, distinkt und dunkel. Dunkle Gefühle nennt Johann Nicolaus Tetens solche »Aktus […], deren wir uns nicht einzeln, sondern nur in ganzen Haufen zusammen bewußt sind« (Tetens 1777, 173). In diesem Sinn geht der Begriff in die Psychologie und die Philosophie um 1800 ein. 3  Karl Heinrich Heydenreich (1764–1801) war von 1789 bis 1797 Professor für Philosophie in Leipzig. In der von Schütze zitierten Abhandlung Grundsätze der Kritik des Lächerlichen (1797) unternimmt H. den Versuch, das Komische und Lächerliche – die beiden Begriffe werden nicht genauer unterschieden – mit Blick sowohl auf den komischen Gegenstand als auch den Betrachter und dessen Psychologie und Moral zu erörtern. H.s Grundgedanke ist, das Komische auf die menschliche Freiheit zu beziehen. Gegenstand des Gefühls des Lächerlichen ist demnach ein Widersinn, der einer Person als das Produkt ihrer Freiheit zugerechnet wird (vgl. Heydenreich 1797, 20–24). Hieraus ergibt sich für H. die Frage nach der moralischen Rechtfertigung des Vergnügens am Lächerlichen, die in

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

208

Anmerkungen

Auseinandersetzung mit Thomas Hobbes’ Überlegenheitstheorie diskutiert wird (vgl. Anm.  65). Schütze zitiert H. nicht in den beiden Punkten, die seiner eigenen Theorie am nächsten kommen (zugerechnete Freiheit, imaginärer Rollenwechsel); er zitiert auch nicht die für H.s Theorie zentrale Auseinandersetzung mit der moralischen Problematik der Komik. Stattdessen nutzt er H. zur Diskussion der Rolle des Physiologischen. Dabei greift Schütze eine Stelle heraus, an der H. sogar den Kitzel als nicht-körperliches Ereignis verstehen will. »Alles Lachen auf Vorstellungen begründen« (VK, 6), dies scheint Schütze zu weit zu gehen, indem nun gar keine physische Dimension des Lachens mehr anerkannt wird. Im Folgenden zitiert Schütze eine der wenigen Stellen, in der H. überhaupt auf die Körperlichkeit des Lachens zu sprechen kommt. Indem Schütze den Anfang des Zitats leicht abändert und er zudem einzelne Wörter im Druck hervorhebt, erweckt er den Eindruck, als würde H. »[a]lle Gründe für das Lachen« auf das »physische[] Lebensgefühl« und den »Mechanismus unsers Körpers« zurückführen (VK,  6). H. spricht indessen nicht von »[a]llen Gründe[n] für das Lachen«, sondern von »noch andre[n] Gründe[n]«, die neben dem »unschuldigen Übermuth[]« des Überlegenheitsgefühls »bei aller Lust am wahren Komischen wesentlich mitwirken« (Heydenreich 1797, 101). Diese Unterschiebung bewirkt, dass H.s Theorie als eine erscheint, die das Komische von der Steigerung des physischen Lebensgefühls und des durch sie ausgelösten Mechanismus des Lachens her begreifen wolle, wo er doch, genau wie Schütze selbst, die geistige Sphäre der Freiheit ins Zentrum rückt, allerdings ohne den Widerstreit zwischen Freiheit und Notwendigkeit. 4  Vgl. zur Unterscheidung zwischen dem Lächerlichen und dem Komischen in der Komiktheorie des 18. und frühen 19. Jhs. sowie in Schützes Texten die Einleitung in diesem Band (vgl. XXXIII –XXXVI). In seinem frühesten komiktheoretischen Text, Ueber das Komische aus dem Jahr 1810 (vgl. in diesem Bd., 175–184), ist die terminologische Unterscheidung noch nicht ausgearbeitet. Auch in späteren Texten hat Schütze die Unterscheidung in den Blick genommen, u. a. in dem Aufsatz Ueber das Verhältniß des Lächerlichen zum Komischen aus dem Jahr 1834 (vgl. in diesem Bd., 185–191). 5  Der Begriff des Komischen geht etymologisch auf das griech. kōmikós zurück und drückt die Zugehörigkeit zur Komödie aus. In diesem Sinne wird der Begriff etwa um 1500 im Deutschen gebräuchlich. Im Laufe des 18. Jh. kommt es unter dem Einfluss von frz. comique zu einer Bedeutungserweiterung, in deren Folge das Komische im allgemeinen Sprachgebrauch teils synonym zum Lächerlichen für alles Belachenswerte verwendet wird (vgl. zur Bedeutungserweiterung z. B. Sulzer 1771, Bd.  1, 212  f.). Spätestens um 1800 verdrängt der Begriff des Komischen den des Lächerlichen mit-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

209

samt der negativen Konnotation des moralischen Verlachens aus dem Bereich des Ästhetischen. 6  Der Begriff markiert zeitgenössisch eine Wahrnehmung, die nicht analytisch auf die einzelnen Teile, sondern synthetisierend auf das Ganze des betrachteten Gegenstandes bezogen ist. Vorgeprägt findet sich der Begriff in Johann Caspar Lavaters Schrift Von der Physiognomik (Lavater 1772, 40). Georg Christoph Lichtenberg, bekanntermaßen ein Kritiker von Lavaters Physiognomik, verwendet den Begriff sodann in seinen Briefen aus England (3. Brief, 1778) im Kontext von Schauspielerbeschreibungen (vgl. Lichtenberg 1994, 353  f.). Wirkmächtig aufgegriffen wird der Begriff schließlich von Alexander von Humboldt, der u. a. in Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse (1806) mit der Rede von dem »Totaleindruck einer Gegend« (Humboldt 1806, 11) den Begriff auf eine ästhetische Landschaftswahrnehmung überträgt und mit der Rezeption von Gemälden in Bezug setzt. Dabei spricht er – wie auch Schütze, der in Zusammenhang mit der Plötzlichkeit des Lachens ebenfalls die sinnlich-körperliche Wahrnehmung der klaren und deutlichen Erkenntnis voranstellt – von dem »dunkle[n] Gefühl«, auf das sich der Eindruck des »Naturcharakters [gründet]« (ebd.). Zum Begriff ›dunkle Gefühle‹ vgl. Anm.  2. 7  Als Beispiele für philosophische und ästhetische Lehrbücher, in denen sich die allgemeine Begriffsverwendung von ›lächerlich‹ für das Belachenswerte findet, können z. B. Johann Georgs Sulzers Allgemeine Theorie der Schönen Künste (1771–1774), Johann August Eberhards Theorie der schö­ nen Wissenschafften (1783) sowie Wilhelm Traugott Krugs Geschmacks­ lehre oder Ästhetik (1810) angeführt werden. Des Weiteren ließen sich in Zusammenhang mit der in Frage stehenden Begriffsverwendung auch Karl Friedrich Flögels Geschichte der komischen Litteratur (1784–1787) sowie Heydenreichs Grundsätze der Kritik des Lächerlichen (1797) nennen. 8  Gemeint ist mit ›historisch‹ hier nicht ›geschichtlich‹ in einem zeit­ lichen Sinn, sondern, gemäß der ursprünglichen Bedeutung des griech. Begriffs historía, Erkundung und Aufzeichnung des Gegebenen bzw. Vorgefallenen (wie in historia naturalis bzw. Naturgeschichte). Gegenbegriffe wären an dieser Stelle ›philosophisch‹ oder ›analytisch‹. 9  Kants Sentenz, die häufig als Komiktheorie in einem Satz zitiert wird, findet sich in einer Anmerkung in der Kritik der Urteilskraft (1790) am Ende der »Analytik der ästhetischen Urteilskraft«: »Das Lachen ist ein Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts« (Kant 1977, Bd.  10, § 54, 273). Kant begründet das mit dem Lachen verbundene Vergnügen physiologisch. Ein »lebhaftes erschütterndes Lachen« müsse durch etwas »Widersinniges« erregt werden, das als solches dem Verstand zwar missfalle, aber dennoch Vergnügen verursache, weil die

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

210

Anmerkungen

mit dem Lachen verbundene Vorstellung »ein Gleichgewicht der Lebenskräfte im Körper hervorbringt« (ebd.). 10  James Beattie weist in seiner Abhandlung An Essay on Laughter and Ludicrous Composition (1764) auf die Relevanz des Ungewöhnlichen für das Lächerliche hin: »Incongruity, […] in order to be ludicrous, must be in some measure uncommon« (Beattie 1776, 418). Als Beispiele für Theorien, die das Komische explizit über den Kontrast begründen, nennt Schütze im Folgenden die Positionen von Henry Home, Charles Batteux und Moses Mendelssohn (vgl. VK, 59). Home bestimmt das Lächerliche (»ridicule«) in Elements of Criticism (1762) über den Kontrast von Darstellung und Dargestelltem (vgl. Home 1762, 270). Nach Batteux’ Cours de belles lettres dis­ tribué par exercices (1750) ergibt sich der komische Kontrast u. a. aus dem Widerspruch zur Natur, dem Kampf von Tugend und Laster oder auch aus der Spannung von Nachgeahmten und Nachahmung (vgl. Batteux 1750, 392  f.; 400  f.). Mendelssohn bestimmt in Rhapsodie, oder Zusätze zu den Briefen über die Empfindungen (1761) den Kontrast »zwischen einer Vollkommenheit und Unvollkommenheit«, sofern dieser »von keiner Wichtigkeit« sei, als Grundlage für das Lächerliche (Mendelssohn 1761, 23). Über die von Schütze genannten Positionen hinaus etabliert sich die Kontrasttheorie im 18. Jh. als dominierendes Paradigma in der Komiktheorie, woran sich bis heute nichts geändert hat (vgl. Kindt 2011 und 2017). Bereits Beattie verwendet dabei neben dem Begriff des Kontrastes auch den der Inkongruenz. Je mehr »incongruities« (Beattie 1776, 349) ein Gegenstand enthalte, desto lächerlicher sei er. Ab der Zeit um 1800 ist zunehmend der Versuch einer Präzisierung festzustellen. Auf der Grundlage des Befundes, dass Kontraste nicht per se komisch sind (vgl. etwa Flögel 1784, Bd.  1, 59), entwickelt Jean Paul in der Vorschule der Ästhetik (1804/1813) den dreifachen Kontrast des Objektiven, Sinnlichen und Subjektiven (vgl. Jean Paul 2000, Bd.  5, § 28, 114  f.; vgl. hierzu Bergengruen 2003, 214). 11  Die Wendung des ›angeschauten Unverstandes‹ kennzeichnet das Komische zum einen über die sinnliche Erscheinung, zum anderen über eine Widersprüchlichkeit und Ungereimtheit. Beide Aspekte werden in den zeitgenössischen Komiktheorien häufig genannt. Ein konkreter Bezug besteht zu Jean Pauls Vorschule der Ästhetik (1804/1813), allerdings ist hier die Rede von einem »sinnlich angeschaueten unendlichen Unverstand[]« (Jean Paul 2000, Bd.  5, § 28, 114). Kant hat in der Kritik der Urteilskraft (1790) den »Unsinn« als Überschuss der Einbildungskraft und als »gesetzlose[] Freiheit« gekennzeichnet; zum »Behuf der Schönheit« fordert er gegen diesen Überschuss »die Disziplin (oder Zucht) des Genies« (Kant 1977, Bd.  10, § 50, 256  f., vgl. hierzu Menninghaus 1995, 26–45). Entgegen einer solchen Beschränkung haben A. W. Schlegel in seinen Vorlesungen über philosophi­

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

211

sche Kunstlehre (gehalten 1798/99) und Friedrich Ast in seinem System der Kunstlehre (1805) die komische Dichtung anhand der Freisetzung dichterischer Willkür beschrieben und damit dezidierte Unsinnstheorien entworfen (vgl. Schlegel 1989, Bd.  1, 93–95; Ast 1805, 235  f.) 12  Schütze bezieht sich hier auf Jean Pauls kritische Auseinandersetzung mit den herrschenden Definitionen des Lächerlichen in der Vorschule der Ästhetik (1804/1813). Jean Paul geht u. a. auf Kant, Aristoteles, Rousseau und Flögel ein. Dabei zeigt er, dass weder die »plötzliche[] Auflösung e­ iner Erwartung in ein Nichts« (Kant) noch eine »unschädliche Ungereimtheit« (Aristoteles) bzw. ein Irrtum (Rousseau, Flögel) grundsätzlich komisch sind (Jean Paul 2000, Bd.  5, § 26, 102  f.). Bereits in seinem Aufsatz Ueber das Komische (1810) hat Schütze die Beobachtung formuliert, dass Erwartungsbrüche, Kontraste und Ungereimtheiten nicht per se komisch sind (vgl. 175–184 in diesem Bd.; zum Verhältnis von Schütze zu Jean Paul vgl. auch die Einleitung in diesem Bd., LIX–LXXII). 13  Als Beispiele für diese Dichter wäre an Jean Paul und Ludwig Tieck zu denken. Beide stehen mit den zeitgenössischen Komiktheorien des Unsinns in Verbindung (vgl. Anm.  11): Jean Paul als Ästhetiktheoretiker und Dichter in Personalunion, Ludwig Tieck als derjenige, der die Programmatik der Frühromantik dichterisch ins Werk gesetzt hat (vgl. zu Tiecks Unsinnsdichtung Menninghaus 1995). Schütze hat des Weiteren in einer Rezension in der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung (Nr. 168, 22. 8. 1812, Sp. 311  f.) die Texte aus Julius von Voß’ Travestieen und Burlesken (1811) als »Unsinn« (ebd., 312) gekennzeichnet und kritisiert. Voß habe die »Zerstörung seiner eigenen Schöpfung« (ebd.) betrieben. Die von Schütze in diesem Zusammenhang genannten Beispiele der Illusionsdurchbrechung – das Sprechen »mit dem Parterre, mit dem Lampenputzer und dem Aufzieher des Vorhangs« (ebd.) – erinnern wiederum deutlich an Tiecks Komödien Der gestiefelte Kater (1797) und Die verkehrte Welt (1798). Vgl. zu diesen Komödien Anm.  150. 14  Als Beispiele für Theorien, die das Komische in Opposition zum Ernst setzen, lassen sich A. W. Schlegels Vorlesungen über philosophische Kunst­ lehre (gehalten 1798/99) sowie Asts System der Kunstlehre (1805) nennen (vgl. Schlegel 1989, Bd.  1, 93  f.; Ast 1805, 236  f.). Schlegel und Ast vertreten eine Komiktheorie, die auf Dissonanz, Willkür und Vernichtung zielt. Der komische Dichter, so Schlegel, versetze seine Figuren in eine »Welt, wo […] eine absolute Willkür herrscht und die Gesetze der Wirklichkeit aufgehoben sind« (Schlegel 1989, Bd.  1, 94). Ähnlich, und noch deutlicher auf die Formulierung bei Schütze bezogen, heißt es bei Ast, dass der Komiker die »Welt [vernichtet], indem er sie aller Nothwendigkeit und Vernunftmässigkeit entfesselt« (Ast 1805, 235). Auch in Ferdinand Delbrücks dichtungs-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

212

Anmerkungen

theoretischer Abhandlung Ein Gastmahl (1809) ist von einer Vernichtung durch den komischen Künstler die Rede, bezogen ist dies hier insbesondere auf die Dinge des Alltags, »den untauglichen verächtlichen Stoff, den er [der komische Künstler] nicht begeistern kann« (Delbrück 1809, 47). 15  Die Opposition des Komischen zum Tragischen ist durch die Gattungsunterscheidung von Komödie und Tragödie fest etabliert. Eine Gegenüberstellung von Komik und Erhabenem findet sich u. a. bei Ast (vgl. Ast 1805, 233–235) und Jean Paul (vgl. Jean Paul 2000, Bd.  5, §§ 26–28, 105– 109), später auch in Solgers 1819 in Berlin gehaltenen Vorlesungen über Äs­ thetik (vgl. Solger 2017, 58–87) und Vischers Über das Erhabene und Komi­ sche (1837). Schütze nennt in diesem Zusammenhang zum einen die Position, dass im Komischen »die Idealität in der Realität untergeh[t]« (VK, 14; vgl. zu dieser Formulierung Anm.  68.). Zum anderen führt er die Position an, dass im Komischen eine eigene Art von Idealisierung stattfinde, die auch mit der Karikatur in Verbindung stehe (vgl. zur Karikatur Anm.  151). Diese Aussage kann auf Ast bezogen werden, der davon spricht, dass »der Komiker […] in das Zwecklose, Lächerliche und rein-Zufällige [idealisirt]« (Ast 1805, 237). 16  Das Verhältnis des Komischen zum Schönen steht um 1800 immer wieder zur Diskussion, z. B. in F. Schlegels Aufsatz Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie (1794) sowie in A. W. Schlegels 1798/99 gehaltenen Vorlesungen über philosophische Kunstlehre (vgl. Schlegel 1989, Bd.  1, 94). Für die ästhetischen Systementwürfe aus der Zeit um 1800 ist das Komische ein Grenzphänomen. Friedrich Bouterwek schreibt dementsprechend in der zweiten Auflage seiner Aesthetik (1815), dass die »Theorie des Komischen in ihrem ganzen Umfang […] weit über die Grenzen der Aesthetik hinaus[greift]« (Bouterwek 1815, 175). Bouterwek begründet diese Feststellung anhand der Unterscheidung des Komischen und des Lächerlichen: Einer­seits stehe das Komische »mit dem Schönen in eine[r] merkwürdige[n] ästhetische[n] Verbindung« (ebd., 181), andererseits hänge es aber auch mit dem Lächerlichen zusammen, das der »innern Harmonie« (ebd., 183) der Schönheit widerstrebe. Auf dieser Grundlage könne auch im Komischen das Schöne nie »rein empfunden« (ebd.) werden. Wie bei Bouterwek ist auch in den nachfolgenden Ästhetiken zu erkennen, dass das Komische in seinem Bezug zum Schönen und als Gegenkonzept zum Erhabenen verhandelt wird. So u. a. in Solgers 1819 in Berlin gehaltenen Vorlesungen über Ästhetik (vgl. Solger 2017, 58–87) und Vischers Über das Erhabene und Komische (1837), der das Komische ebenso wie das Erhabene als »Gärung innerhalb des Schönen« (Vischer 1837, 40) beschreibt. Schließlich bestimmt Hegel in seinen Vorlesungen über die Ästhetik (erstmals gehalten 1818 in Heidelberg) das Komische – bzw. dessen primäre poetische Erschei-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

213

nungsform: die Komödie – als Grenzphänomen des Schönen und der Ästhetik. Die Komödie sei zugleich »Gipfel« als auch »Auflösung der Kunst überhaupt«, da in ihr das »Absolute« nicht mehr in »positiver Einigung« erscheine, sondern durch »das Zufällige und Subjektive […] zernichtet« werde (Hegel 1986, Bd.  15, 572). 17  Die Bedeutung der Subjektivität des Dichters für das Komische und die Komödie formuliert bereits Schiller in Über naive und sentimentalische Dichtung (1795) anhand einer Unterscheidung im Hinblick auf die Tragödie: »In der Tragödie geschieht schon durch den Gegenstand sehr viel, in der Comödie geschieht durch den Gegenstand nichts und alles durch den Dichter.« (NA 20, 445) Schütze bezieht sich indessen hier und im Folgenden eher auf die Beschreibungen des komischen Künstlers sowie des Humoristen bei A. W. Schlegel, Friedrich Ast und Jean Paul. Entscheidend ist für Schütze, dass das Komische nicht vom Dichter hervorgebracht wird, sondern in der »objective[n] Welt« (VK, 15) bereits vorhanden ist. Hier muss es vom Dichter mit seinem »schärfere[n] Blick« zunächst »entdeckt« und dann zur Darstellung gebracht werden (ebd.). 18  Schütze bezieht sich hier allgemein auf die idealistischen Ästhetiken und Theorien in der Folge von Kants Kritik der Urteilskraft (1790). Zu denken wäre an Schiller, Schelling, die Brüder Schlegel und Jean Paul. Trotz der prinzipiellen Anerkennung, das Schöne sowohl im Objekt als auch im Subjekt, im Inhalt wie in der Form zu suchen, reklamiert Schütze für das Komische eine Bewegung nach unten, in die Phänomenalität der Natur. 19  Schütze greift hier die im 18. Jh. weitverbreitete Vorstellung vom Menschen als Mittelwesen auf. Formuliert findet sich diese etwa in Schillers dritter Doktorarbeit, dem Versuch über den Zusammenhang der thieri­ schen Natur des Menschen mit seiner geistigen (1780), wenn er – wie zuvor bereits Albrecht von Haller in seinem Gedicht Gedanken über Vernunft, Aberglauben und Unglauben (1729) – den Menschen als »Mittelding von Vieh und Engel« (NA 20, 47; vgl. hierzu Riedel 1985, 111–121) bezeichnet. Das Verständnis des Menschen als geistiges und körperliches Wesen liegt der sich im 18. Jh. formierenden Anthropologie zugrunde, die damit Psychologie und Physiologie vereint und deren Wechselbezüge in den Blick nimmt, und zwar in erster Linie auf der Grundlage einer empirischen, keiner metaphysischen Ausrichtung (vgl. Schings 1994). Für die Komiktheorie ist das Verständnis des Menschen als Mittel- und Zwischenwesen von kardinaler Bedeutung. Nicht nur um 1800 – etwa in Ernst Platners Neue Anthropolo­ gie für Aerzte und Weltweise (vgl. Platner 1790, 388  f.) oder bei Heydenreich (vgl. zu diesem Anm.  3) – wird auf dieser Grundlage die besondere Disposition des Menschen zum Komischen im Vergleich zu Tieren und Gott begründet, noch im 20. Jh. findet sich in Plessners Lachen und Weinen (1941)

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

214

Anmerkungen

eine Argumentationsweise, die das Komische auf die menschliche Exzeptionalität zurückführt. 20  Schützes Spielbegriff steht konträr zu den prominenten Definitionen in den Ästhetiken Kants und Schillers sowie zum Spielbegriff der Romantiker. Während Kant in der Kritik der Urteilskraft (1790) vom »freien Spiel[] der Vorstellungskräfte« (Kant 1977, Bd.  10, § 9, 132) spricht, das den Gegensatz von Einbildungskraft und Verstand harmonisiert, und nach ihm Schiller im 14. und 15. Brief der Ästhetischen Erziehung des Menschengeschlechts (1795) den Spieltrieb als Verbindung von Sach- und Formtrieb sowie als Ausgleich zwischen der geistigen Freiheit und der materiellen Beschränkung des Menschen versteht (vgl. NA 20, 352–360), betont Schütze gerade das agonale und unausgeglichene Verhältnis von Natur und Mensch und rückt das Spiel in die Nähe des Kampfes (vgl. etwa VK, 18 und 50). Dies äußert sich insbesondere in der häufigen Verwendung der erst um 1800 im Sinne eines »antagonimus gegeneinanderwirkender kräfte und mächte« (DWB 29, Sp.  1234) gebräuchlich werdenden Begriffe ›Wechsel-‹ und ›Widerspiel‹. Ferner löst Schütze den Spielbegriff vom Menschen ab und lässt die Natur als gleichwertigen oder gar überlegenen Spieler auftreten. Damit positioniert er sich auch explizit gegen die romantische Grundlegung des Komischen im »Spiel des unendlichen Uebermuths« der dichterischen Subjektivität (VK, 15), wie sie vor allem von A. W. Schlegel propagiert wurde (vgl. hierzu den dritten Teil der Einleitung in diesem Band). In dem für seinen komiktheoretischen Ansatz entscheidenden Ausdruck des »Spiel[s] der Natur mit dem Menschen« (VK, 17) nimmt Schütze wiederum die Semantik des Begriffs ›Naturspiel‹ auf, zu dem es bei Adelung heißt: »die Natur spiele, wenn sie zufällige Veränderungen unter den Geschöpfen hervorbringet« (Adelung 1801, Bd.  4 , Sp.  200). Das mit dem Begriff ›Naturspiel‹ verknüpfte Spannungsverhältnis zwischen der Regelhaftigkeit der Natur und ihren ›Launen‹, die zufällige Abweichungen produzieren, hebt Schütze hervor, wenn er das dem Komischen zugrundeliegende Spiel zwischen Mensch und Natur mit dem Kartenspiel vergleicht, das auch von Regeln und Zufall (Natur) geprägt ist (vgl. VK, 49). Schütze erweitert das ›Naturspiel‹ allerdings insofern, als er dem Zufall, dem Handeln der Natur, die Absicht von Scherz und Possenspiel unterschiebt: Die Natur treibe ein »scherzhafte[s] Spiel […] mit den Menschen« (ebd., 139  f.). Den Verweis auf das scherzhafte ­Handeln der Natur mit den Menschen in Bezug auf das Komische findet sich, wiewohl nur am Rande, bereits bei Bouterwek (vgl. Bouterwek 1806, 172  f.). 21  Schützes Worterklärungen ordnen dem Komischen das Spiel und den Scherz zu (zum Spiel vgl. Anm.  20, zum Scherz vgl. Anm.  83). Zugleich nimmt er hier und in den folgenden Ausführungen eine Reihe von Aus-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

215

schlüssen vor: Das Leiden, der »höchste[] Grad der Leidenschaften« sowie die »absichtliche Beziehung auf die Moral« gehören für Schütze nicht in das Feld des Komischen. Auch der Ernst wird hier genannt, allerdings betont Schütze, dass die »komische Gattung« an »gewisse[n] Puncte[n] […] mit dem Ernst zusammentreffen« muss (VK, 15). Dies entspricht seiner ablehnenden Haltung gegenüber Positionen, die das Komische über kategorische Gegensätze definieren wollen (vgl. VK, 75). Die von Schütze genannten Ausschlüsse sind in der Komiktheorie bereits etabliert. Für den Ausschluss des Leidens ist der locus classicus eine Formulierung aus Aristo­teles’ Poetik (um 335 v. Chr.), nach der das »Lächerliche […] ein mit Häßlichkeit verbundener Fehler« sei, der »indes keinen Schmerz und kein Verderben verursacht« (Aristoteles 1982, 1449 a, hier S.  17). Dass im Komischen keine starken Leidenschaften und kein Bezug zur Moral statthaben, formuliert Schiller in der Skizze Tragödie und Comödie, die als Vorarbeit zu Über naive und sentimentalische Dichtung (1795) gedient hat, sowie in der gemeinsam mit Goethe gestellten Dramatischen Preisaufgabe (1800). Die von Schütze nicht in dieser Schärfe übernommene Gegenüberstellung von Spiel und Scherz auf der einen, dem Ernst, der auf spezifische Zwecke bezogen ist, auf der anderen Seite findet sich etwa bei A. W. Schlegel (vgl. Schlegel 1989, Bd.  1, 93  f.). 22  Die Wendung vom »neckenden Genius« ist offenbar eine Prägung von Schütze, die später von Vischer übernommen wird (vgl. Vischer 1846, 389). Sie meint nicht die Handlung einer bestimmten Person, sondern sie bezieht sich auf die Zuschreibung eines agentiell anmutenden Zusammenhangs entweder an handelnde Personen (»Intrigue«) oder an die Hinderniswirkung von unbelebten Gegenständen (das »Komische romantische Art«) und steht in Zusammenhang mit Schützes Begriff des ›Naturgeistes‹ (vgl. hierzu Anm.  26, zu Schützes Verständnis des Romantischen vgl. VK, 109  f.). 23  Die Intrige, die Schütze als eine Weise beschreibt, wie es zwischen dem Menschen und der Natur zu einem auf Handlung basierenden, komischen Wechselspiel kommen kann, ist in Hinsicht auf die Unterscheidung von Charakter- und Intrigenkomödie komiktheoretisch relevant (vgl. zum Charakter- und Intrigenstück VK, 125–128 u. 130–132 sowie Anm.  123 u. 128). 24  Vgl. zum Komischen romantischer Art ausführlich den dritten Teil der Einleitung in diesem Band. 25  Die Beschränkung des Komischen auf den Menschen und das damit verbundene Postulat, dass tote Gegenstände nur über Personifikationen und Analogiebildungen zum Menschen komisch werden können, findet sich u. a. bereits formuliert bei Priestley (vgl. Priestley 1777, 208  f.), Platner (vgl. Platner 1790, 389) und Jean Paul (vgl. Jean Paul 2000, Bd.  5, § 28, 109).

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

216

Anmerkungen

26  Der Begriff geht zurück auf die Theosophie Jacob Böhmes (1575–1624) und dessen Lehre der Naturgeister, mittels derer Böhme Geistiges in die Sphäre der Materie verlegt und die Emanation der körperlichen Welt aus dem Geistigen, letztlich aus Gott, erklärt. Aufgenommen haben dieses pantheistische Motiv insbesondere die Romantiker, etwa Novalis (vgl. Novalis 1999, Bd.  1, 206), aber auch Schelling in seiner naturphilosophisch fundierten Kunstphilosophie: Die Kunst ahmt in ihrer Produktivität die Natur nach, die als etwas Geistiges gefasst wird (vgl. Schelling 1983, 13  f.), vgl. hierzu auch Otabe 2011). Der Begriff wird im 18. Jh. zur Bezeichnung von in der Natur wirkenden Kräften allgemein gebraucht, etwa für den Magnetismus. Der Naturgeist als die Annahme einer lebendigen, schöpferischen und handelnden Aktivität in und hinter den Wirkungen der Natur bzw. der Welt (synonym zu ›Naturgeist‹ spricht Schütze auch von ›Weltgeist‹, vgl. hierzu Anm.  48) tritt für Schütze dem Menschen als eine Begrenzung seiner Freiheit entgegen. Der Naturgeist zeigt sich als »scherzende[r]« Geist (VK, 75) oder »neckende[r] Genius« (VK, 20 u. 126, sowie Anm.  22), der mit dem Menschen und seinem Anspruch auf Freiheit spielt. 27  Vgl. Akt III von Friedrich Ludwig Schröder: Das Portrait der Mut­ ter; oder Die Privatkomödie. Ein Lustspiel in vier Aufzügen (UA 1786, publ. 1790). Bei der Vorbereitung für eine Aufführung im Haustheater zeigen sich dem Hofrat Waker zahlreiche Mängel: In der Kulisse ist ein Loch, das geflickt werden muss, es fehlt ein Theatermond, für den als Ersatz eine Sonne verwendet wird, die aber wiederum selbst einer Reparatur bedarf. Schließlich steht die Frage im Raum, wie man die Theatersonne sicher aufhängen und es dennoch vermeiden kann, »daß alle Illusion gestört wird« (III,1, S.  66). 28  Vgl. August von Kotzebue: Der Wildfang. Ein Lustspiel für die Ver­ dauung in drey Aufzügen (1797), II,4. Der Baron Fritz von Wellinghorst, der sich betrunken stellt, erzählt hier von der Seefahrt und sagt, die See sei »immer betrunken« (Kotzebue 1798, 493). Dabei führt er das Taumeln körperlich im Zimmer vor. Dies sorgt – im Sinne von Schützes Theorie – für die Komik der Szene, insofern die Natur, die vernunftlose See, gerade nicht als unbelebt, sondern als handelnd und mit dem Menschen spielend erscheint. 29  Vgl. Friedrich Wilhelm Ziegler: Der Hausdoktor. Ein Original-Lust­ spiel in drey Aufzügen (UA 1797), I,8. Da es für eine bevorstehende Hochzeit an Eiern fehlt, befiehlt der Schlossinspektor Eilmann: »Geschwind! Die Hühner sollen legen.« (Ziegler 1802, 27) Für den Einwand des Hausknechts Johann, dass die Hühner dies möglicherweise gerade nicht können, zeigt er wenig Verständnis. Schützes weitere Beispiele in dieser Fußnote sind vermutlich erfunden, zumindest verweist er nur für das Hühner-Beispiel darauf, dass es einem »Lustspiel« entstammt.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

217

30  Die Darstellung von Gegenständen als sprechende und handelnde Wesen findet sich u. a. in Tiecks Prinz Zerbino (1799, V,6) und Brentanos Gustav Wasa (1800), insbesondere in den Szenen »Eine Bibliothek« und »Das innere Schauspielhaus«. Bei Brentano sind die Gegenstände sogar im Personenverzeichnis aufgeführt. Die Dingbelebung ist auch ein Merkmal des romantischen Märchens. So heißt es in Novalis’ Allgemeinen Brouillon (1798/99) unter dem Stichwort ›Romantik‹: »In einem ächten Märchen muß alles wunderbar – geheimnißvoll und unzusammenhängend seyn – alles belebt« (Novalis 1999, Bd.  2, 514). 31  Vgl. Aristophanes: Die Frösche (405 v. Chr.), V. 167–178. Aristophanes ist neben Eupolis und Kratinos der bedeutendste Vertreter der attischen Alten Komödie und der einzige, von dem Texte vollständig überliefert sind (elf Komödien). Geprägt sind diese durch politische Themen, ­einen starken Gegenwartsbezug, Personalsatire und derben Witz. Zielscheibe des Spotts sind oft Personen des öffentlichen Lebens (vgl. zur Debatte um die Sokrates-Parodie in den Wolken Anm.  46, sowie zur Euripides-Parodie Anm.  116). In der Folge des politisch bedingten Endes der Alten Komödie entwickelt sich ein eher negatives Bild von Aristophanes. Dieses lange vorherrschende Bild verfestigt sich noch einmal in der Zeit der Frz. Klassik und der Frühaufklärung, etwa in Voltaires Dictionnaire philosophique (vgl. Voltaire 1764, 34). Ab der zweiten Hälfte des 18. Jhs. positiviert sich das Aristophanes-Bild. Exemplarisch hierfür sind die Ausführungen Sulzers (vgl. Sulzer 1771, Bd.  1, 81). Eine Neubewertung der aristophanischen Komödie vollzieht F. Schlegel in seinem Aufsatz Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie (1794), bei dem diese zum Ideal des reinen Komischen werden. Verbreitet wurde das neue Aristophanes-Bild auch durch die Vorlesungen A. W. Schlegels. Vgl. zur Aristophanes-Rezeption von der Antike bis ins 19. Jh. Holtermann 2004, sowie ausführlicher zur Rezeption durch die Romantiker Kraft 2011, 181–247. 32  Wie die Komik der »todten Gegenstände« (VK, 25) führt Schütze auch die Komik der Tiere in erster Linie auf Analogiebildungen zum Menschen zurück, allerdings gesteht er den Tieren – anders etwa als Heydenreich (vgl. Heydenreich 1797, 18  f.) – in eingeschränkter Form ein eigenes komisches Potential zu (vgl. hierzu auch Schützes Aufsätze Ueber das Ko­ mische in der Thierwelt. In: Abend-Zeitung, Nr.  229, 25. 9. 1820, o. S., und Dürfen Thiere auf dem Theater erscheinen? In: Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode, Nr.  73, 12. 9. 1826, 577–580). Ähnlich argumentieren Delbrück (vgl. Delbrück 1809, 38  f.) und Jean Paul (vgl. Jean Paul 2000, Bd.  5, § 28, 113). 33  Die zwei im Folgenden von Schütze erläuterten Aspekte, die den Irrtum belachenswert machen, orientieren sich an Jean Paul und Heydenreich.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

218

Anmerkungen

Zum einen ist nach Jean Paul der Irrtum nur komisch, wenn er durch die Darstellung einer Handlung sinnlich wahrnehmbar wird (vgl. Jean Paul 2000, Bd.  5, § 28, 109  f.). Anders als Jean Paul betont Schütze allerdings, dass die Komik des Irrtums besonders durch den Anschein wirksam wird, dass der Mensch sich nicht nur »irrt«, sondern sich durch einen »halbe[n] Be­ trug« der Natur hat »verleiten lassen«. Damit überträgt Schütze an dieser Stelle Jean Pauls Theorie des Leihens (vgl. Anm.  64) vom Menschen auf die Natur. Zum anderen bestimmt Heydenreich den »komische[n] Thor[en]« über einen »Missbrauch[] seiner Urtheilskraft« (Heydenreich 1797, 81). Das Lachen und den Genuss im Angesicht einer solchen Torheit führt Heydenreich weniger auf ein Verlachen im Sinn von Hobbes’ Überlegenheitstheorie, sondern auf ein Mitlachen über die allgemeine Mangel- und Fehlerhaftigkeit der menschlichen Natur zurück: »Dem herzlichen Lacher über die wahre Thorheit ist das homo sum immer gegenwärtig« (ebd., 98; vgl. zu Heydenreich auch Anm.  3). 34  Carlo Goldoni: Il bugiardo (1750; dt. Der Lügner). Die Komödie geht zurück auf das Vorbild Le Menteur (1644) von Pierre Corneille. Der Venezianer Goldoni gilt neben seinem Rivalen Carlo Gozzi als einer der wichtigsten italienischen Komödiendichter des 18. Jhs. (vgl. zu Gozzi Anm.  135). Mit der Literarisierung der Commedia dell’arte-Tradition sowie der Hinwendung zur Lebenswirklichkeit in Form von Gesellschafts- und Charakterkomödien nach dem Vorbild Molières reformierte Goldoni zum einen die Komödie, ohne die Tradition der Commedia dell’arte völlig preiszugeben, wertete zum anderen aber auch die Rolle und die Arbeit der Schauspieler auf. 35  Als Urmodell der Geizdarstellung in der Komödie gilt Plautus’ Aulu­ laria (um 190 v. Chr.). Die wohl bekannteste Figur des Geizigen aus Molières L’avare (1668) geht in der Charakterzeichnung des Protagonisten Harpagon auf Plautus’ Komödie zurück und wurde auch in Deutschland, ­adaptiert durch die Wanderbühne, früh rezipiert (erste dt. Übersetzung 1670). Vgl. zum Geizigen in der Komödie Fulda 2005. 36  Die Feststellung, dass Gott aus dem Bereich des Lächerlichen ausgenommen ist und nur die menschliche Vorstellung von ihm lächerlich erscheinen kann, findet sich bereits bei Flögel, der ähnlich wie Schütze argumentiert. Gott könne nicht lächerlich sein, da er »aus lauter Realitäten und Vollkommenheiten besteht« (Flögel 1784, Bd.  1, 99). Nur durch das Fehlen »reine[r] und erhabene[r] Vorstellungen von ihren Göttern« sowie das Andichten »menschliche[r] Unvollkommenheiten« hätten sich verschiedene Völker über die Götter lustig machen können (ebd.). 37  Schützes ambivalente Formulierung, dass sich Könige einerseits »wenig«, andererseits »um so besser« für komische Situationen eignen, kann auf die Darstellung von Königen in der Komödie bezogen werden. In Rück-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

219

griff auf die Poetik (um 335 v. Chr.) des Aristoteles und dessen Bestimmung der Komödie als »Nachahmung von schlechteren Menschen« (Aristoteles 1982, 1449 a, hier S.  17) spielt die Komödie nach den Regelpoetiken des 17. und 18. Jhs. im Sinne der Ständeklausel in der Sphäre der niederen Stände. Entsprechend verurteilt Opitz in seinem Buch von der Deutschen Poeterey (1624) alle Dichter, »die Keyser vnd Potentaten eingeführet; weil solches den regeln der Comedien schnurstracks zuewieder laufft.« (Opitz 2002, 30) Auch Gottsched verwirft eine Stelle aus den Acharnern des Aristophanes, in der König Xerxes »in einer königlichen Pracht seine Notdurft verrichte[t]« (Gottsched 1730, 597). Auflösungserscheinungen der Ständeklausel gibt es allerdings schon im 17. Jh. in Form von Mischgattungen wie der frz. co­ médie héroïque (vgl. Anm.  131). Im Laufe des 18. Jhs. wird der König selbst vermehrt zur komischen Figur, insbesondere im Kontext der Frz. Revolution. Als »erste[r] deutsche[r] Komödienkönig« (Pestalozzi 1977, 122) gilt der König in Tiecks Der gestiefelte Kater (1797). Weitere Beispiele sind der von Schütze genannte Sultan Wampum (1792; vgl. VK, 61 u. Anm.  60) sowie später König Peter von Popo in Büchners Leonce und Lena (1836). 38  Schütze bezieht sich hier auf eine Anekdote, die in einem Bericht Jonas Ludwig von Heß’ im ersten Band der Lektüre für Reisedilettanten (1798) mitgeteilt wird. Ludwig XVI. sei auf der Flucht nach Varennes an Stelle ­einer raschen Weiterreise in Sainte Menehould noch seinen Essensgelüsten  – die Rede ist von gebratenen Schweinsfüßen – nachgegangen und deshalb gefangengenommen und schließlich hingerichtet worden. Heß schreibt hierzu: »Ludwig XVI. kann seinen gewaltsamen Tod seiner Eßgierde verdanken« (Heß 1798, 86). 39  Kroaten bzw. die kroat. Reiterei ist eine Bezeichnung für Reiterverbände, die aus ost- oder südosteurop. Soldaten gebildet wurden und im Dreißigjährigen Krieg, etwa unter Wallenstein, in der kaiserlichen Armee kämpften. Sie galten als besonders furchtlos, unerbittlich und grausam. Schiller beschreibt sie in seiner Geschichte des Dreissigjährigen Krieges (1790) als »fürchterliche Banden«, die sich u. a. damit »vergnügten […], Kinder in die Flammen zu werfen« (NA 18, 161). 40  Matthias Claudius: Urians Reise um die Welt, mit Anmerkungen (1786). Das komische Gedicht ist dialogisch aufgebaut: Urians Erzählung seiner Reise, die über den Nordpol, Amerika, Asien und Afrika verläuft, wird von einer Chorstimme refrainartig mit »Anmerkungen« versehen. Der Text nimmt die Schütze interessierende Spannung von Macht und Körperlichkeit nach dem Refrain wieder auf: »Hm! Dacht ich, der hat Zähnepein, / Bei aller Größ’ und Gaben! – / Was hilfts denn auch noch: Mogul sein? / Die kann man so wohl haben« (Claudius 1786, 170; vgl. zum Zahnschmerz eines Herrschers auch VK, 61 u. Anm.  60).

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

220

Anmerkungen

41  Das Sprichwort findet sich in lat. Sprache (vestis virum facit) in Erasmus von Rotterdams Adagia (1500–1536/2006, 546  f.). Zusammen mit der Verwechslung ist der Kontrast von Sein und Schein eine Spielart der Kleidungskomik, die in einer Vielzahl von Komödien genutzt wird. So kann Komik z. B. dadurch entstehen, dass eine Figur aus dem niederen Stand in der Kleidung hoher Standespersonen auftritt, dabei aber Verhaltensweisen und Habitus des niederen Standes erkennbar bleiben. So etwa in der unter den Initialen J. B. erschienenen Posse Das Kleid macht nicht den Mann (1807), einer freien Übersetzung von Nicolas Gersins Un Tour de Soubrette. Comédie en un acte et en prose (1805), die Schütze in der Jenaischen Allge­ meinen Literatur-Zeitung (Nr.  23, 27. 1. 1808, Sp. 183) rezensiert hat. Schütze greift auch selbst in seinem einaktigen Lustspiel Der König von gestern (1818) auf das Verkleidungsmotiv und den damit verbundenen Kontrast von Sein und Schein zurück. In seinen theoretischen Überlegungen thematisiert er indessen weniger diesen Kontrast, sondern eher die partielle Vertauschung von Subjekt und Objekt: Die Freiheit des Menschen wird durch die Kleidung beschränkt, seine Handlungs- und Ausdrucksweisen werden bis auf die Ebene mikrologischer Gesten bedingt. Auch in Ueber das Komische und Ueber das Verhältniß des Lächerlichen zum Komischen kommt Schütze auf die Spielarten der Kleidungskomik zu sprechen (vgl. in diesem Band S.  184 und S.  186  f.). 42  Gemeint ist offenbar, dass die genannte Beobachtung uns lächeln macht (im Gegensatz zu etwas macht uns lachen), im Sinne von: Es gefällt uns. In dieser Verwendungsweise ist das Verb ›lächeln‹ im Grimmschen Wörterbuch allerdings nicht belegt. 43  ›Donnerschiess‹ und ›donnerschiessig‹ sind Steigerungsformen der ebenfalls als Flüche verwendeten Ausdrücke ›Schiess‹ und ›schiessig‹. Ersteres wird »als Ausdr. der Verwunderung, des Ärgers, Zorns« bzw. »als Schelte« verwendet (Schweizerisches Idiotikon, Bd.  8, Sp.  1355). Die Zusammensetzungen gehen vermutlich auf den Blitz- bzw. Donnerschlag in Verwünschungen, wie »daz üch der donner schiess« (ebd., Sp.  1356), zurück. Mit der abweichenden Schreibweise bezieht sich Schütze wahrscheinlich auf Gottlob Heinrich Heinses Artikel Sprache und Mundart der Schwei­ zer in der Zeitung für die elegante Welt (Nr.  223, 8. 9. 1809, Sp.  1777–1780; Nr.  224, 10. 9. 1809, Sp.  1785–1789), in dem dieser berichtet, er habe bei den Schweizern nie einen anderen Fluch gehört »als Donner erschieß!« (ebd., Sp.  1787) 44  Die Unterscheidung von Verstand und Vernunft ist vor dem Hintergrund antiker Gegensatzbegriffe – diánoia / noũs respektive intellectus / ratio – und der Philosophie von Leibniz und Wolff vor allem von Kant terminologisch geprägt und hierarchisiert worden. Verstand bezeichnet dem-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

221

nach das Vermögen, die Wahrnehmung zu strukturieren und nach Kategorien Begriffe zu bilden, d. h. das Erkenntnisvermögen (vgl. Kant 1977, Bd.  12, § 37, 505), während die Vernunft das höhere Vermögen meint, nach Grundsätzen zu urteilen und zu den apriorischen Vernunftideen wie Seele, Gott und Welt zu gelangen (vgl. ebd., § 40, 509). Bei Schütze entspricht dieser Unterscheidung die Opposition von »bloße[r] Klugheit« auf der einen, dem Streben, »über die Erscheinungen hinaus« und nach der »letzten Bestimmung von allem« zu fragen, auf der anderen Seite. Die Unterscheidung der beiden Begriffe ist in der Komik- und Humortheorie von Jean Pauls Vor­ schule der Ästhetik (1804/1813) von zentraler Bedeutung, insbesondere in den §§ 28–31 und 35. Der Verstand operiert in der Sphäre des Endlichen und Kleinen (vgl. Jean Paul 2000, Bd.  5, § 28, 109), die Vernunft wird bezogen auf Unendlichkeit, Gott und Idee (vgl. ebd., § 35, 139). Auf dieser Grundlage ist der Verstand dem Komischen als dem »Kontrastieren des Endlichen mit dem Endlichen«, die Vernunft dem Humor als dem Kontrast von »Idee (Unendlichkeit)« und Endlichkeit zugeordnet (ebd., § 31, 124  f.). Während Jean Paul die Unterscheidung von Verstand und Vernunft auf diejenige von Komik und Humor projiziert, stellen sie bei Schütze der Sache nach zwei unterscheidbare Quellen des Komischen dar. Auch hier bilden sie ein Gliederungsprinzip: Im Kapitel »Freyheit des Menschen« (VK,  24–46) zeigt Schütze, dass menschliche Freiheit sowohl mit den Bestrebungen des Verstandes arbeitet (vgl. VK, 25–34) als auch mit der Vernunft, die über die Erscheinungen hinausgehende Zwecke setzt, leitenden Ideen folgt und nach Vereinigung mit dem »höchsten Willen des höchsten Geistes« (VK,  43) strebt. Damit führen für Schütze auch beide, Verstand und Vernunft, ein genuin komisches (und weniger ein humoristisches) Potential mit sich: der Verstand, wenn er sich irrt, die Vernunft, wenn sie sich Ziele setzt, die von einer höheren Freiheit aus als beschränkt erscheinen. 45  Eine Urszene der von Schütze hier beschriebenen Spielart des Komischen stellt der Sturz des Philosophen Thales dar: Nach einer Beschreibung in Platons Dialog Theitetos fällt er, während er die Sterne betrachtet, in ­einen Brunnen und wird daraufhin von einer thrakischen Magd verlacht (vgl. hierzu Blumenberg 1987). Schütze stellt neben den Philosophen den Dichter, der im Schreiben die wirkliche Welt vergisst und schließlich von dieser auf komische Weise eingeholt wird. Solche komischen Dichterfiguren, die von banalen Dingen gestört werden, finden sich häufig in der romantischen Literatur, z. B. bei Jean Paul und E.  T.  A. Hoffmann. 46  Die bei den großen Dionysien 423 v.  Chr. aufgeführte Komödie Die Wolken erlangte Berühmtheit durch die Sokrates-Parodie. In Platons Dialogen tritt Sokrates als entschiedener Gegner der Sophisten auf, in Aristophanes’ Komödie dagegen verkörpert er selbst einen Sophisten, der seine Schü-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

222

Anmerkungen

ler u. a. darüber belehrt, wie sich Unrecht zu Recht machen lässt. Schon in Platons Apologie des Sokrates wird der Komödie des Aristophanes eine Mitschuld an Sokrates’ Verurteilung zugeschrieben. Die von Schütze erwähnte Debatte, ob die Komödienfigur des Sokrates der historischen Person oder einem Sophisten im Allgemeinen galt, durchzieht das 18. Jh. Ein Überblick über verschiedene Positionen zur Sokrates-Darstellung findet sich bei Flögel (vgl. Flögel 1787, Bd.  4, 64–66). Siehe zu Aristophanes auch Anm.  31. Vgl. des Weiteren zur Aristophanes-Rezeption im Kontext von Aufklärung und Romantik, auch mit Blick auf die Sokrates-Darstellung in Die Wolken, Kraft 2011, 181–247. 47  Wolfgang Amadeus Mozart / Emmanuel Schikaneder: Die Zauber­ flöte. Eine große Oper in zwey Aufzügen (1791), II,19. 48  Schütze verwendet hier den Begriff des Weltgeistes synonym zu Naturgeist und Gott. Allgemein zielen diese Begriffe bei Schütze auf ein Agens, das als »höher waltende Kraft« die Natur belebt und in ihrer Prozessualität steuert (vgl. zum Naturgeist Anm.  26). Wie vom »neckenden Genius« (VK, 20; vgl. Anm.  22) ist dementsprechend an einer Stelle auch vom »neckenden Weltgeist[]« (VK, 160) die Rede. Der Begriff des Weltgeistes ist um 1800 als »unbestimmte[r] Modeausdruck« (HWPh 12, Sp.  477) weit verbreitet. In der wohl wirkmächtigsten Begriffsprägung bestimmt Hegel den Weltgeist in seinen erstmals 1822/23 gehaltenen Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte als ein in der Geschichte waltendes Prinzip, das sich als »List der Vernunft« (Hegel 1986, Bd.  12, 49) partikulärer Kräfte (z. B. Leidenschaften, Zufälligkeiten) zur Realisierung des historischen Endzwecks bedient – der Herrschaft der Vernunft in der Weltgeschichte. Schützes Begriffsverwendung weist Parallelen zu Hegel auf, etwa wenn es heißt, dass der Dichter den »Weltgeist« nachahme, indem er im Scherz den »sinnreiche[n] Zufall« als »Symbol« für die »Vernunft des Zufalls in der Welt überhaupt« zur Darstellung bringe (VK, 51). Auch Schütze entwirft also eine Spielart der ›List der Vernunft‹ und setzt diese zudem mit dem Erkenntniswert der Kunst für die existentielle Komik des Menschen in Verbindung. An anderen Stellen verknüpft Schütze den Weltgeist mit dem Humor (vgl. VK, 74 u. 103), so dass sich auch eine Nähe zu Jean Paul einstellt, der von dem »wahren humoristischen Weltgeist« (Jean Paul 2000, Bd.  5, § 32, 128) spricht. Während aber Jean Paul den Humor als das »romantische Komische« fasst (vgl. Anm.  93 u. 110), unterscheidet Schütze das Romantische und den Humor gerade anhand ihrer jeweiligen Stellung zum Weltgeist: Das Romantische lasse »den Weltgeist mehr als etwas Verborgenes ahnden«, der Humor sei hingegen »der helle Tag […], der alle Räume mit Licht erfüllt« (VK, 109  f.). 49  Die Wendung findet sich mehrfach bei Schütze (vgl. VK, 50, 60 u. 110), und zwar zumeist verknüpft mit einem Geist oder Genius (vgl. Anm.  22

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

223

u. 26), der die vermeintlich tote Natur belebt und mit einer Handlungsmacht ausstattet, die auf komische Weise mit dem Willen des Menschen in Konflikt geraten kann. Grundsätzlich gilt die Frage nach dem »Zusammenhang der Dinge«, die insgesamt für das naturwissenschaftliche und naturphilosophische Denken des 19. Jhs. von zentraler Bedeutung ist (vgl. Gebhard 1984), einem die Welt präfigurierenden Ordnungsmodell. Dabei stehen sich konkurrierende Erklärungsansätze gegenüber, wie z. B. E.  T.  A. Hoffmanns Erzählung Der Zusammenhang der Dinge (1819) zeigt. 50  Die Metapher des Schwebens zwischen Gegensätzen nimmt eine frühromantische Gedankenfigur auf. Johann Gottlieb Fichte nutzt sie in seiner Grundlegung der gesamten Wissenschaftslehre (1794) im Hinblick auf die Einbildungskraft (vgl. Fichte 1997, 136). F. Schlegel hat die Metapher des Schwebens zwischen verschiedenen Gegensätzen im berühmten 116. Athenäums-Fragment (1798) als Kennzeichen der romantischen Poesie ausgewiesen (vgl. KFSA 2, 182  f.; zur Metaphorik des Schwebens bei Fichte, Schlegel und Novalis vgl. Hühn 1996). Schon ein Jahr zuvor hat Schlegel im 108. Lyceums-Fragment (1797) »de[n] unauflöslichen Widerstreit des Unbedingten und des Bedingten« (KFSA 2, 160) als Kennzeichen seines Ironiekonzepts beschrieben. Aufgegriffen wurde diese Formulierung von Novalis im 29. Blüthenstaub-Fragment (1798), wenn er die »freye[] Vermischung des Bedingten und Unbedingten« als Humor bezeichnet und diesen mit Schlegels Ironie verknüpft: »Schlegels Ironie scheint mir ächter Humor zu seyn. Mehre Nahmen sind einer Idee vortheilhaft« (Novalis 1999, Bd.  2, 240–242). 51  Mit der Rede vom »Streben nach Allgemeinheit«, das auf das Einswerden mit der »Ganzheit der Welt« und der »Allheit« zielt und damit zugleich auf das Erreichen der »absolute[n] Freiheit«, verwendet Schütze hier, im Kontext der objektiven Begründung des Komischen, verstärkt eine Semantik der Totalität. Insgesamt finden sich Begriffe dieser Art häufig in Schützes komiktheoretischen Schriften und verdeutlichen so den ideengeschichtlichen Hintergrund seiner Komiktheorie in der Philosophie des ›All-Einen‹, die um 1800 – unter Rückgriff auf Spinoza – u. a. von Goethe und Schelling vertreten wurde. 52  ›Ablangen‹ meint in der zeitgenössischen Alltagssprache etwas »[m] it ausgestrecktem Arme erlangen« (Adelung 1793, Bd.  1, Sp.  69). 53  Der Begriff ›Gerechtsame‹ bedeutet zeitgenössisch »die in einem Rechte oder Gesetze gegründete Befugniß« (Adelung 1796, Bd.  2, Sp.  582). 54  Jean Paul: Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz mit fort­ gehenden Noten; nebst der Beichte des Teufels bey einem Staatsmanne (1809/2000, Bd.  6, 42  f.). Die Komik Schmelzles ergibt sich aus seiner ins Neurotische gesteigerten Vorsicht und Angst vor potentiellen Gefahren,

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

224

Anmerkungen

die vor allem in der Natur bzw. im eigenen Körper lauern. Die oft auf der Grundlage wissenschaftlicher und pseudo-wissenschaftlicher Erkenntnisse imaginierten Gefahrensituationen und die dafür konzipierten Vorsichtsmaßnahmen erscheinen maßlos übertrieben. Zudem bewirken Sorge und Vorsicht, wie in der von Schütze zitierten Passage, häufig das Gegenteil. 55  Schütze verwendet das Wort »angefädet«, das in den einschlägigen zeitgenössischen Wörterbüchern nicht belegt ist, im Sinn von ›angebunden‹. 56  Mit Ständen sind hier Berufsrollen gemeint. Diderot fordert in seinen Theaterreformschriften Le fils naturel ou les épreuves de la vertu mit dem angehängten Dialog Dorval et moi (1757) und Le père de famille, comédie en cinq actes et en prose, avec un discours sur la poésie dramatique (1758), die von Lessing unter dem Titel Das Theater des Herrn Diderot (1760) ins Deutsche übertragen wurden, ein Theater der Stände. Im Gegensatz zur Tradition der Charakterkomödie sollen Sozial-, Familien- und Berufsrollen Gegenstände der Komödie bilden (vgl. Diderot  /  L essing 1986, 158  f.). J. M. R. Lenz hat Diderots Impuls zu einer sozialen Dramatik in seinen Tragikomödien Der Hofmeister (1774) und Die Soldaten (1776) in radikalisierter Form aufgenommen. 57  Schütze bezieht sich mit seiner Aufzählung der verschiedenen Definitionen des Komischen auf Flögels Geschichte der komischen Litteratur (vgl. Flögel 1784, Bd.  1, 34–48). Flögel resümiert hier eine Vielzahl von Komiktheorien, was Schütze verkürzt übernimmt. Vgl. zu den angeführten Definitionen: Quintilian: Institutio oratoria (um 95 n. Chr. / Quintilian 1972, VI, 3, 7, S.  7 16); Aristoteles: Poetik (um 335 v. Chr. / A ristoteles 1982, 1449 a, S.  16); Marcus Tullius Cicero: De oratore (55 v. Chr. / Cicero 1976, II, 236, S.  358); Henry Home: Elements of criticism (Home 1762, 270); Charles Batteux: Cours de belles-lettres distribué par exercises (Batteux 1750, Bd.  4, 392  f. u. 400  f.); Moses Mendelssohn: Rhapsodie, oder Zusätze zu den Briefen über die Empfindungen (Mendelssohn 1761, 22  f.); Justus Möser: Harlekin, oder Vertheidigung des Groteske-Komischen (Möser 1761, 48); Joseph Priestley: A Course of Lectures on Oratory and Criticism (Priestley 1762/1777, 205); James Beattie: An Essay on Laughter and Ludicrous Composition (Beattie 1764/1776, 340); Anton Friedrich Büsching: Geschichte und Grundsätze der schönen Künste und Wissenschaften, im Grundriß (Büsching 1772, Bd.  1, 36); Johann Georg Heinrich Feder: Untersuchungen über den menschli­ chen Willen (Feder 1779, Bd.  1, 447  f.); Johann August Eberhard: Theorie der schönen Wissenschaften (Eberhard 1783, 104). Vgl. zu den Kontrasttheorien auch Anm.  10. 58  Die Gegenüberstellung von Wurm und Seraph findet sich als Ausdruck der alles umfassenden göttlichen Schöpfung zwischen Endlichkeit und Unendlichkeit im sechsten Gesang von Friedrich Gottlieb Klopstocks

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

225

Epos Der Messias (1773). In die Komiktheorie überführt wurde das Gegensatzpaar von Jean Paul in der Vorschule der Ästhetik (1804/1813). Allerdings weist Jean Paul anhand dieses Beispiels gerade darauf hin, dass »eine gewisse Art Witz […], welche Großes mit dem Kleinen paart«, nicht zwangsläufig »Lachen erweckt« (Jean Paul 2000, Bd.  5, § 26, 102). 59  Der Begriff der Prosa bezeichnet die ungebundene Rede im Unterschied zur Poesie als die gebundene Rede (vgl. Adelung 1798, Bd.  3, Sp.  848). Ausgehend von Klopstock wird das Begriffspaar von Prosa und Poesie im Kontext der Romantik – wie auch Schützes Formulierungen »Prosa des Lebens« bzw. »Prosa der Wirklichkeit« (VK, 153) zeigen – von der Unterscheidung zweier Schreibmodi auf die Darstellung der sozialen und politischen Verhältnisse übertragen (vgl. ÄGB 5, 92–106). Die wirkmächtigste Verwendung der Opposition von Prosa und Poesie in diesem Sinn findet sich in Hegels Vorlesungen über die Ästhetik, die er erstmals 1818 in Heidelberg gehalten hat. Hegel spricht mit Blick auf das »Romanhafte« von der »Prosa der Wirklichkeit« (Hegel 1986, Bd.  14, 219); im Kontext seiner Beschreibung des Romans, der »modernen bürgerlichen Epopöe«, stellt er der »Prosa der Wirklichkeit« die »Poesie des Herzens« gegenüber (ebd., Bd.  15, 392  f.). 60  Vgl. August von Kotzebue: Sultan Wampum oder die Wünsche. Ein orientalisches Scherzspiel mit Gesang in drey Aufzügen (1792), I,5. In dem von Orientalismen geprägten Stück steht die Körperlichkeit des Sultans Wampum, die neben den Zahnschmerzen auch in seinem Appetit und seiner Müdigkeit zum Ausdruck kommt, in einem komischen Kontrast zu ­seiner Herrscherwürde, die mit den devoten Antworten seines Dieners Hussein zwar gewahrt werden soll, dadurch aber umso mehr dem Lachen preisgegeben wird (vgl. zum Zahnschmerz auch VK, 40, u. Anm.  40). 61  Vgl. zu diesen Theorien Anm.  11. 62  Vgl. zu Heydenreichs Komiktheorie, auch in Hinsicht auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur Theorie von Schütze, Anm.  3. 63  Der Begriff des ›scheinbaren Widerspruchs‹ findet sich etwa in Benno Ortmanns Schrift Umfang der heutigen Poesie (1795), wo er als eine der »Figuren für den Witz« (Ortmann 1795, 62) aufgeführt wird, sowie als zentraler Bestandteil der Komikdefinition in der Allgemeinen teutschen Sprach­ kunde (1804) von Karl Ludwig Pölitz, der das Komische als die versinnlichte Darstellung einer Erscheinung im »scheinbaren Widerspruch […] gegen das Hergebrachte und Analoge« (Pölitz 1804, 232) versteht. 64  Schütze bezieht sich hier auf Jean Pauls Theorie des Leihens. Ein »endliche[r] Irrtum« wird nach Jean Paul erst dann zur »unendliche[n] Ungereimtheit«, wenn man so tut, als wüsste der Irrende über seinen Irrtum Bescheid – dem Irrenden wird also das Wissen um seinen Irrtum geliehen bzw. untergeschoben (Jean Paul 2000, Bd.  5, § 28, 110). Zur Erläute-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

226

Anmerkungen

rung greift Jean Paul auf ein Sancho Pansa-Beispiel zurück, das sich in dieser Form zwar nicht in Cervantes’ Don Quixote-Roman findet, dafür aber im komiktheoretischen Kontext bei Home (vgl. Home 1762, 203) und Beattie (vgl. Beattie 1776, 385): Sancho klammert sich fest, weil er glaubt, über einem Abgrund zu hängen; da es Nacht ist, merkt er nicht, dass er sich in Wirklichkeit nur knapp über dem Boden befindet. Nach Jean Paul ist diese Situation nicht per se komisch, sie werde es erst dadurch, dass der Rezipient sein eigenes Wissen über die geringe Grubentiefe Sancho leiht. Dies führt Jean Paul zu der Feststellung, »daß das Komische […] nie im Objekte wohnt, sondern im Subjekte« (Jean Paul 2000, Bd.  5, § 28, 110). Jean Pauls Theorie des Leihens wurde von Vischer in seiner Habilitationsschrift Über das Erhabene und Komische (1837) dafür kritisiert, dass sie zu einseitig auf das menschliche Subjekt beschränkt sei. Im Fall von komischen Zufällen – etwa »abreißende[r] Hosenträger« – müsse man aber, so Vischer, als Agens auf den »Weltgeist zurückgehen« (Vischer 1837, 184). Später hat Vischer für das Leihen von Handlungsintentionen an nichtmenschliche Agentien auf Schützes Komiktheorie verwiesen (vgl. Vischer 1846, 389; vgl. hierzu Lehmann 2011, 123  f., sowie Anm.  22). 65  Locus classicus der so genannten ›Überlegenheitstheorien‹ des Komischen ist eine Stelle aus Thomas Hobbes’ Schrift Humane Nature, or the Fundamental Elements of Policy, die er ab 1640 in Abschriften zirkulieren ließ und die 1650 in einer unautorisierten Druckfassung erschien. Bei H ­ obbes heißt es, die Freude am Lachen sei nichts anderes als »sudden glory arising from some sudden conception of some eminency in ourselves, by comparison with the infirmity of others, or with our own formerly« (Hobbes 1840, 46). Ablehnung erfährt diese Position vermehrt im Laufe des 18. Jhs. von Vertretern der sogenannten Kontrasttheorie, etwa von Francis Hutcheson in seinen Reflections upon Laughter (vgl. Hutcheson 1750, 5–15) oder in Deutschland von Flögel (vgl. Flögel 1784, Bd.  1, 53–58). Schütze lehnt im Folgenden die Überlegenheitstheorie nicht gänzlich ab, er vertritt aber auch keine reine Verlachkomik. Stattdessen orientiert er sich mit der Fundierung des Komischen in der Reflexion anthropologischer Gegebenheiten an der Position von Heydenreich (vgl. Anm.  3 u. 33). 66  Während für Schütze in der Reflexionsfähigkeit des Menschen die Möglichkeit eines zeitgleichen Lachens über sich selbst liegt, betonen andere komiktheoretische Positionen die Notwendigkeit eines zeitlichen Abstands, um retrospektiv über sich selbst lachen zu können. Dies findet sich etwa bei Hobbes, bei dem es heißt: »men laugh at the follies of themselves past, when they come suddenly to remembrance« (Hobbes 1840, 46; vgl. zu Hobbes und der Überlegenheitstheorie Anm.  65). Bei Jean Paul ergibt sich der zeitliche Abstand aus dem Konzept des Leihens (vgl. Anm.  64): »Da-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

227

her kann niemand sich selber lächerlich im Handeln vorkommen, es müßte denn eine Stunde später sein, wo er schon sein zweites Ich geworden und dem ersten die Einsichten des zweiten andichten kann« (Jean Paul 2000, Bd.  5, § 28, 113). 67  Vgl. zu dieser auf Kant zurückgehenden Definition des Komischen Anm.  9. 68  Die Formulierung wurde von Karl Julius Weber im ersten Band seines Dymocritos (Weber 1832, 174) auf Friedrich Schiller bezogen. Weber führt hier außerdem – ohne dies als Zitat zu kennzeichnen – Jean Pauls Beschreibung von Schillers Komiktheorie als »Herunterziehen unter die Wirklichkeit selbst« (ebd.) an (vgl. Jean Paul 2000, Bd.  5, § 26, 103). Beide Formulierungen finden sich allerdings nicht in Schillers Werk. Möglicherweise könnte man in Schillers Feststellung, dass in der »Comödie […] alles von dem moralischen Forum auf das physische gespielt werden [muß]« (NA 21, 92), einen Verweis in diese Richtung erkennen. In der Forschung wurde indessen die Vermutung geäußert, dass Weber die Formulierung von Schütze übernommen und fälschlicherweise auf Schiller übertragen hat (vgl. Ludwig 1927, 47). Dies wird auch dadurch gestützt, dass Webers Beobachtung, mit der Auflösung des Idealen im Realen verschwinde das Komische und werde durch eine »Bestialität« (Weber 1832, 175) ersetzt, wörtlich der Argumentation von Schütze folgt (wiederum ohne Kennzeichnung des Zitats). Tatsächlich findet sich die Formel vom Untergang des Idealen im Realen in Rezensionen aus der Zeit um 1800, etwa in einer mit den Initialien W. K. unterzeichneten Rezension zu Johann Daniel Falks Puppenspiel Prinzessin mit dem Schweinerüssel (1804) in der Zeitschrift Tartarus (Nr.  24, 23. 3. 1806, 96). Falk wiederum hat selbst die Formel in einem Vorwort zu seinem Weihnachtsspiel Die Hirten an der Grippe verwendet, das 1806 in der von ihm herausgegebenen Sammlung Grotesken, Satyren und Naivitäten erschienen ist (vgl. Falk 1806, 93). In gewisser Weise wird die Formulierung sodann in Solgers Vorlesungen über Ästhetik (1819) theoretisch ausgearbeitet, wenn er das Komische darüber bestimmt, dass sich mit diesem einerseits »die Idee des Schönen […] ganz in die Zufälligkeit und die Beziehungen des gemeinen Lebens verliert«, sie aber doch andererseits »überall« in der »gemeine[n] Existenz« erkennbar bleibe (Solger 2017, 82  f.). 69  William Shakespeare: King Henry IV, Erster Teil (1596), II,2. Schütze rekurriert hier und bei den zahlreichen folgenden Zitaten stets auf A. W. Schlegels Übersetzung (1797–1810). 70  Vgl. zu Positionen, die von Umkehrung und Vernichtung sprechen, Anm.  14 sowie den dritten Teil der Einleitung dieses Bandes. 71  Schütze bezieht sich hier auf die Ausführungen zum Humor in Jean Pauls Vorschule der Ästhetik (1804/1813), in der es heißt: »Der Humor, als

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

228

Anmerkungen

das umgekehrte Erhabene, vernichtet nicht das Einzelne, sondern das Endliche durch den Kontrast mit der Idee« (Jean Paul 2000, Bd.  5, § 32, 125). »Die vernichtende oder unendliche Idee des Humors« ist dann Gegenstand in § 33 der Vorschule. Vgl. zum Humor Anm.  93. 72  William Shakespeare: King Henry IV, Erster Teil (1596), II,4. 73  Vgl. zu den Positionen, in denen die von Schütze angeführten Gegensätze vertreten werden, Anm.  14–16. 74  Ähnlich wie Schütze geht Jean Paul in der Vorschule der Ästhetik (1804/1813) vom Ursprung des Schauspiels in der Komödie aus: »Alle Nachahmung war ursprünglich eine spottende, daher bei allen Völkern das Schauspiel mit der Komödie anfing« (Jean Paul 2000, Bd.  5, § 28, 115). Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Entstehung der griechischen Komödie findet sich bei Flögel, der ebenfalls der Meinung ist, dass »die weltlichen Schauspiele […] anfänglich zur Belustigung der Menschen erfunden worden [sind]« (Flögel 1787, Bd.  4, 28  f.). Zwar sei »der Name Tragödie älter […] als das Wort Komödie«, doch scheine »die Komödie, oder das Poßen­ spiel, welches damit verbunden war, älter zu seyn« (ebd., 35). Dies erläutert er anhand verschiedener schon seit der Antike vertretenen Positionen zur Entstehung des Schauspiels aus den dionysischen Chorgesängen, bei denen sich als Satyrn verkleidete Bauern »die freyesten und gröbsten Spöttereien« erlaubten (ebd., 32). Ähnlich argumentiert bereits Gottsched. Nach diesem ist eine Ausdifferenzierung der ursprünglich als Tragödien (von griech. tragōdía, ›Bocksgesang‹) bezeichneten Spottgesänge in Tragödie und Komödie erst mit einer Kultivierung der Gesänge in den Städten erfolgt. Der Begriff ›Komödie‹ sei später für »die Überbleibsel der alten unflätigen Tragödien […] auf den Dörfern« – im Sinne der umstrittenen etymologischen Herleitung des Begriffes ›Komödie‹ von griech. kōmē für Dorf – aufgekommen (Gottsched 1730, 587). 75 Als camera obscura wird eine Projektionsinstallation bezeichnet, die aus einem dunklen Raum oder Behälter besteht und in die durch ein kleines Loch Licht einfallen kann, das auf der gegenüberliegenden Wand ein auf dem Kopf stehendes, verkleinertes Abbild des Ausblicks erzeugt. Sie wurde als Zeichenhilfe in der Malerei verwendet, diente aber auch als Modell für das menschliche Auge und als philosophische Metapher für den Geist und dessen Erkenntnisfähigkeit. Die laterna magica funktioniert dagegen nach dem umgekehrten Prinzip: Durch eine in der Laterne befindliche künstliche Lichtquelle, die eine bemalte Glasplatte bestrahlt, können in einem abgedunkelten Raum Bilder auf eine Leinwand projiziert werden, so dass ganze Landschaften in verkleinertem Maßstab erscheinen. 76  Vgl. zu den Kontrasttheorien Anm.  10. 77  Die Serie der verschiedenen Kontraste übernimmt Schütze fast wort-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

229

gleich aus Flögels Geschichte der komischen Litteratur (Flögel 1784, Bd.  1, 71). 78  Gemeint ist Karl Heinrich Heydenreich mit seiner Schrift Grund­ sätze der Kritik des Lächerlichen (Heydenreich 1797, 17; vgl. zu Heydenreich Anm.  3). Die von Schütze genannten Charaktertypen führt Heydenreich als Beispiele für die komische »Ungereimtheit« an: »Nichts«, so kommentiert er diese Charaktere, »ist lächerlicher als die grösste Zwecklosigkeit in der Form vollendeter Zweckmässigkeit« (ebd.). 79  Der Begriff des Naiven ist im 18. Jh. aus dem Französischen (naïvité), wo er im Kontext der Querelle des Anciens et des Modernes sowie in der Rhetorik als ein anscheinend einfaches, kunstloses und empfindungsnahes Sprechen im Sinne einer noble simplicité gebraucht wurde, ins Deutsche übernommen worden (vgl. ÄGB 4, 349). In der zweiten Hälfte des 18. Jhs. wird der Begriff in der Ästhetiktheorie im Zusammenhang mit dem Komischen und dem Lächerlichen einerseits und dem Erhabenen andererseits diskutiert (u. a. von Diderot, Mendelssohn, Wieland, Sulzer, Kant) und schließlich von Schiller in seiner Abhandlung Über Naive und Sentimen­ talische Dichtung (1795) geschichtsphilosophisch als Gegensatz zum Sentimentalischen bestimmt. Nach Sulzer ist das Naive eine besondere Art des natürlich Einfältigen, das schnell lächerlich erscheint oder aber – als Mittel der Komödie – andere vor der unschuldigen Einfalt lächerlich erscheinen lässt (vgl. Sulzer 1774, Bd.  2, 803–809). Kants Auseinandersetzung mit dem Naiven ist Teil seiner Erörterungen des ästhetischen Vergnügens, das im Lachen liegt. Naivität ist auch hier sowohl Gegenstand des Lachens wie zugleich Mittel, die nicht-natürlichen Konventionen bloßzustellen, so dass gemäß Kants Erklärung des Lachens der »falsche Schein […] hier plötzlich in nichts verwandelt« erscheint (Kant 1790/1977, Bd.  10, § 54, 276). Schiller weist die Definition von Kant als zu eng zurück und begreift das Naive demgegenüber als Idee der verlorenen und in einem »unendlichen Fortschritte« (NA 20, 415) wiederzugewinnenden Einheit mit der Natur, als Kindlichkeit, in der sich »der Verlust der Wahrheit und Simplicität in der Menschheit« (ebd., 503) spiegelt. Die Beschämung der Künstlichkeit durch die Naivität, die Schiller formuliert, greift Schütze auf, nimmt aber das Naive hier als das erste Beispiel einer Serie von »subjektiven« Mitteln des Lächerlichen, insofern der Kontrast, der im Naiven liegt, vom Dichter gefunden und verantwortet wird. Schütze folgt hier Flögel, der Naivität seinerseits als Mittel des Lächerlichen begreift (vgl. Flögel 1784, Bd.  1, 94–96), das sowohl »reell« (ebd., 71) in den Dingen liegen (objektiv) als auch in der »Manier der Vorstellung« (ebd., 72) erst hervorgebracht werden kann (subjektiv). Auf das Naive als Mittel zur Objektivität des Komischen kommt Schütze am Ende des Kapitels zu sprechen (vgl. VK, 118  f. sowie Anm.  118).

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

230

Anmerkungen

80  Vgl. William Shakespeare: King Henry IV, Erster Teil (1596), V,1. Falstaff wendet sich beim Aufbruch zur Schlacht an seinen Freund Heinrich und drückt seinen Unmut darüber wie folgt aus: »Ich wollte, es wäre Schlafenszeit, Heinz, und alles gut« (Shakespeare  /  Schlegel 1800, Bd.  6, 158). 81  Der Begriff ›Witz‹ (engl. wit, lat. ingenium) wird bis ins 19. Jh. nicht für eine kurze pointierte Erzählung gebraucht, deren Zweck es ist, Lachen zu erregen, wiewohl diese Bedeutung und die damit verbundene Möglichkeit der Pluralbildung in der Zeit um 1800 entstehen. Unter Witz wird vielmehr »das Vermögen der Seele, Ähnlichkeiten, und besonders verborgene Ähnlichkeiten, zu entdecken« (Adelung 1801, Bd.  4, Sp.  1585), verstanden. Scharfsinn meint dagegen die Fähigkeit, »verborgene Unterschiede« (ebd.) zu finden. Nach Adelungs Ausführungen zum Komischen in Über den Deutschen Styl (1785) ist der Scharfsinn nicht nur das Gegenstück zum Witz, sondern auch dessen Korrektiv, das »die bemerkten Ähnlichkeiten mit den Verschiedenheiten zusammenhält« und ihn so vor abwegigen und »falschen Ähnlichkeiten« bewahrt (Adelung 1785, Bd.  2, 194). Als geistiges Vermögen der Kombinatorik, die sich sowohl auf Dinge als auch auf sprachliche Zeichen beziehen kann, steht der Witz wiederum in Analogie zu den rhetorischen Mitteln, mit denen Ähnlichkeiten artikuliert werden, etwa der Metapher, dem Vergleich und dem Wortspiel. In Schützes Ausführungen wird deutlich, dass die Ähnlichkeit sowohl objektiv im »Wesen der Dinge« liegen als auch durch das »willkührliche[] Spiel« (VK, 92) des Subjekts hervorgebracht werden kann. Der Witz steht damit in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Auffinden und dem Erfinden von Ähnlichkeiten. Im ersten Fall ist der Verstand, im zweiten Fall die Phantasie vorherrschend. Diese Ambivalenz zeigt sich – zusammen mit einer für die Aufklärung typischen Bewertung – z. B. bei Sulzer, wenn er den Witz auf der einen Seite als »Grundlage[] des zur Kunst nöthigen Genies« ausweist, er auf der anderen Seite aber auch einen »mäßige[n] Gebrauch« einfordert, da »[z]u viel Witz« eine »verderbliche Würkung« habe (Sulzer 1774, Bd.  2 , 1275). Entgegen dieser Beschränkung wird im Kontext der Romantik das kreative Potential des Witzes besonders hervorgehoben. Jean Paul verweist in der Vorschule der Ästhetik (1804/1813) auf die ihm innewohnende Erfindungskraft und spricht von dem »verkleidete[n] Priester, der jedes Paar kopuliert« (Jean Paul 2000, Bd.  5, § 44, 173). Programmatisch heißt es außerdem in Novalis’ Allgemeinem Brouillon (1798/99): »Der Witz ist schöpferisch – er macht Ähnlichkeiten« (Novalis 1999, Bd.  2, Nr.  732, 649). Vgl. zur Begriffsgeschichte Schmidt-Hidding 1963. 82  William Shakespeare: King Henry IV, Erster Teil (1596), V,1. 83  Schützes Ausführungen zum Scherz ähneln denen Sulzers, für den der Scherz ursprünglich »nichts anders [bedeutet], als sich zur Fröhlich-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

231

keit ermuntern, wenn auch keine unmittelbare Materie dazu vorhanden ist« (Sulzer 1774, Bd.  2, 1029). Allerdings stellt sich Schütze gegen die von Sulzer hervorgehobene Funktion der »Verspottung der Thorheit und Beschimpfung des Lasters« (ebd., 1031). Stattdessen sieht er die einzige Funktion des Scherzes in der Erholung von den Geschäften des Lebens. Der Verweis auf die Erholungsfunktion des Scherzes bzw. Spiels geht zurück auf Aristoteles’ Nikomachische Ethik (1176 b –1177 a). Schütze kehrt das Verhältnis indessen um: Während bei Aristoteles und Sulzer der Scherz dem Ernst des Lebens dient, versteht Schütze ihn als Befreiung aus den Beschränkungen des ernsten Lebens. 84  Im 18. Jh. wird mit Laune u. a. »eine unmotivierte, schnell kommende und gehende verstimmung« oder »allgemeiner die augenblickliche gemüts­ stimmung jeder art« bezeichnet (DWB 12, Sp.  344  f.). Ebenso ist die Laune eine vieldiskutierte ästhetische Kategorie. Nach Sulzer beeinflusst die launige Stimmung des Gemüts die Wahrnehmung derart, dass man alles »in veränderter Gestalt und verfälschter Farbe« (Sulzer 1774, Bd.  2, 678) sieht. »In Absicht auf die schönen Künste« betrachtet er diesen Zustand zum ­einen als Quelle der Inspiration insbesondere des lyrischen Dichters, wo »die Laune […] nicht selten die Stelle der Begeisterung [vertritt]« (ebd.), zum anderen als unabdingbar für die Figurengestaltung in der Komödie. Schon bei Sulzer ist die Laune allerdings nicht nur als eine unkontrollierbare Stimmung des Gemüts, sondern auch als ein poetisches Verfahren zu verstehen: Der Dichter »muß sich in jede Art der Laune zu sezen wissen« (ebd.). Überlegungen in diese Richtung finden sich auch in einer Anmerkung (§ 54) in Kants Kritik der Urteilskraft (1790). Zu Beginn des 19. Jhs., insbesondere durch die neue Definition des Humors in Jean Pauls Vorschule der Ästhetik (1804/1813), wird die Laune als ästhetischer Begriff abgewertet und durch den Humor ersetzt (vgl. zum Humor Anm.  93). Diese Hierarchisierung aufnehmend fasst Schütze die Laune als den »physische[n], de[n] subjective[n] Theil, eine lyrische Stimmung, die den Körper blos des Humors fähig macht« (VK, 101). Vgl. zum Laune-Begriff im 18. Jh. Frey 2016. 85 Schütze bezieht sich hier entweder auf den Abt »Ehren Blasius« im zweiten Teil des anonym veröffentlichten Romans Leben Thaten und Schicksale Simon Schachtelmanns des Wanderers (1799) – eine komische Figur, die immer wieder mit ihrer Körperlichkeit zu kämpfen hat – oder auf den gleichnamigen Pfarrer in Johann Gottwerth Müllers Roman Die Herren von Waldheim, eine komische Geschichte (1784). Beide tragen den zumeist höheren Geistlichen vorbehaltenen Titel ›Ehrn‹ bzw. ›Ehren‹, der so viel bedeutet wie ›Herr‹ (vgl. Adelung 1793, Sp.  1648). Ihren Namen teilen sie sich mit dem hl. Blasius, einem der vierzehn Nothelfer, der gegen verschiedene körperliche Leiden, insbesondere gegen Halsschmerzen, an-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

232

Anmerkungen

gerufen wird. Die folgenden Beispiele der gezwungenen Laune sind eingespielte Redensarten, die jeweils die gleiche Struktur des unpassenden Zusammenstoßes von sich ausschließenden Gegensätzen oder von Hohem und Niedrigem aufweisen, sich aber nicht alle auf literarische Texte zurückführen lassen. 86  Mit dem Attribut ci-devant (frz. für ehemals, ehemaliger) wurden v. a. nach der Frz. Revolution Adlige bezeichnet, die durch die Revolution ihre Privilegien verloren hatten; der Ausdruck bezieht sich sinnvollerweise auf ehemalige adlige Ränge oder hohe Staatsämter – und nicht auf die Posi­ tion eines Schulmeisters. 87  Die Aufgabe des Torschreibers bestand darin, in die Stadt kommende Personen und Waren zu verzeichnen. Im Aufsatz Ueber Scherz und Laune aus der Zeitung für die elegante Welt (Nr.  62, 28. 3. 1811, Sp.  489–493; Nr.  63, 29. 3. 1811, Sp.  499–501), der nahezu wortgleich diese Passage enthält, ist noch die Rede vom »Vice-Burgermeister« (ebd., Sp.  500). Die Komik von ›Vice-Figuren‹ ergibt sich zumeist aus einer kompensatorischen Selbstüberschätzung und einem übertriebenen Diensteifer. 88  Der Ausdruck bezieht sich scherzhaft auf Reiter, die ihr Pferd stechen (anspornen) oder auf Fußgänger, die mit Stecken gehen. Er bedeutet »so viel als angeritten kommen und überhaupt in verächtlichem sinn herankommen, sich nähern, mit etwas auftreten« (DWB 1, Sp.  477). ›Laus deum‹ ist zudem ein falscher Akkusativ, grammatikalisch korrekt wäre ›laus deo‹, Lob Gottes. In der falschen Form von ›laus deum‹ begegnet es im zweiten Teil des Lustspiels Die Negerinn oder Lilliput (1790) von Friedrich Julius Heinrich Graf von Soden und meint hier ironisch das Schuldbuch des Gastwirts, in dem die Verbindlichkeiten des Prinzen aufgelistet sind. 89  ›Verschustern‹ meint, etwas durch Ungeschicklichkeit (bei der Arbeit des Schusters) verderben, in übertragener Bedeutung: »durch ungeschicktes Thun, oder bei Ungeschicklichkeit und Unthätigkeit in schlechten Zustand, in schlechte Umstände gerathen. Er verschustert immer mehr.« (Campe 1811, Bd.  5, 364) Die Komik dieser figura etymologica ergibt sich damit aus dem Gleichklang auf der Wortebene und der Opposition von ›reparieren‹ und ›beschädigen‹ auf der Sachebene. 90  Innovativ ist hier die Kombination der Verben ›an- und vermelden‹. Sie könnten tautologisch gebraucht sein und damit beide ›mitteilen‹ bzw. ›melden‹ bedeuten, oder man versteht das ›vermelden‹ im ursprünglichen Sinn von ›verraten‹ (vgl. DWB 25, Sp.  856). Denkbar wäre also, dass der Husarenrittmeister, der selbst ein reges Liebesleben pflegt, seinen Kumpan hierzu erst anmeldet, um ihn anschließend zu vermelden. In jedem Fall ist die Verwendung beider Verben ausschließlich mit dem Dativ nicht belegt – somit ist der Relativsatz entweder syntaktisch elliptisch oder es

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

233

handelt sich um einen Druckfehler und es müsste lauten: ›der seinen alten Kriegskumpan an- und vermelden läßt‹. 91  Der Begriff der ›After-Laune‹ findet sich bereits in Jean Pauls Vor­ schule der Ästhetik (1804/1813). Beschrieben wird hier, wie der »gemeine Kritiker« den Humor mit seiner »weltverachtende[n] Idee« verkennt (Jean Paul 2000, Bd.  5, § 32, 128). Komposita mit der Präposition ›after‹ werden insbesondere seit der Frühen Neuzeit in einem pejorativen Sinn gebraucht; ausgedrückt wird auf diese Weise eine Minderwertigkeit und Pseudohaftigkeit. In Jean Pauls Vorschule finden sich noch weitere Komposita wie »After-Ich« (ebd., § 12, 57), »After-Humorist[]« (ebd., § 34, 134) oder »AfterIronie« (ebd., § 37, 151). 92  Vgl. die Szenen 14–16 in Akt I von Friedrich Wilhelm Gotter: Der Schwarze Mann. Eine Poße in zwey Akten (1784). Die Figur der Mistriß Johnson fällt über einen Brief des »Schwarzen Mannes« in Ohnmacht. Es folgt eine chaotische Suche nach einem Riechfläschchen. In der Zwischenzeit liest auch das Kammermädchen Betty den Brief und erschrickt über den Inhalt in ähnlicher Weise, fällt aber nicht in Ohnmacht. Der Dichter Flickwort sieht »mit allen Zeichen der Begeisterung« zu und ruft aus: »Eine unvergleichliche Szene!« (Gotter 1784, 30) 93  Der Begriff ›Humor‹ ist abgeleitet vom lat. Wort für Feuchtigkeit, (h) u­mor, und geht zurück auf die antike Säftelehre. In England bezeichnete der Begriff zunächst ein humoral bedingtes, nicht-konformes Verhalten (vgl. ÄGB 3, 69), in Deutschland wurde er im 18. Jh. zunächst in enger Parallele zu Stimmung oder Laune (›böser Humor‹ im Sinne von schlechter Laune) verwendet (vgl. DWB 10, Sp.  1906–1908), bevor er dann zunächst bei Lessing im 93. Stück der Hamburgischen Dramaturgie (1767) von Laune dezidiert unterschieden (vgl. Lessing 1985, Bd.  6, 643  f.) und in der Komiktheorie Jean Pauls wirkmächtig als höchste Form des Komischen terminologisch profiliert wurde. In der Vorschule der Ästhetik (1804/1813) stellt Jean Paul dem Komischen, das »bloß im Kontrastieren des Endlichen mit dem Endlichen besteht«, den »humour« als das »romantische Komische« und das »auf das Unendliche angewandte Endliche« gegenüber (Jean Paul 2000, Bd.  5, § 31, 125). Verknappt gesagt, meint Humor hier das Bewusstsein des (komischen) Zwiespalts des Menschen zwischen (innerer, idealer) Unendlichkeit und (äußerer, empirischer) Endlichkeit. Während Schütze die Deutung des Humors als romantisch ablehnt (vgl. VK, 109  f. sowie Anm.  110), übernimmt er den Grundgedanken der Neubewertung des Humors und versteht ihn als Mittel, den Zusammenhang zwischen dem Komischen und Tragischen zu beobachten. Entsprechend entnimmt Schütze viele seiner Beispiele zum Humor aus der Tragödie Hamlet. Vgl. zur Entwicklung des Humorbegriffs Schmidt-Hidding 1963; ÄGB 3, 66–85.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

234

Anmerkungen

94  Die beiden Zitate finden sich in William Shakespeare: Hamlet (1604), II,2. 95  Vgl. William Shakespeare: Hamlet (1604), IV,3. Schütze vertauscht die Rollen: Hamlet spricht davon, »wie ein König seinen Weg durch die Gedärme eines Bettlers nehmen kann« (Shakespeare  /  Schlegel 1798, Bd.  3, 288). 96  Vgl. William Shakespeare: Hamlet (1604), V,1. 97  Das ›Leben‹ avanciert seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einem zentralen Leitbegriff der Moderne, der, vor dem Hintergrund der entstehenden Lebenswissenschaften (und der frühen Biologie), in dem Maße auf Felder der Kultur, der Politik, der Ökonomie und auch der Kunst übertragen wird, in dem naturwissenschaftlich unklar wird, was ›Leben‹ ­eigentlich ist. Die zeitgenössischen Definitionsversuche um 1800 nehmen dabei den Tod in den Begriff des organischen Lebens als »die Gesamtwirkung der Funktionen, die dem Tode widerstehen« (Bichat 1802, 1), auf und operieren, für die Moderne insgesamt wirkmächtig, mit der inklusiven Opposition von Bewegung und Stillstand. Vor dem Hintergrund der Diskurse über Zeugungstheorien und Epigenese (Wolff), Bildungskraft (Blumenbach), Lebenskraft (Reil) und Organismus (Kielmeyer, Kant) erscheinen Leben und Tod als dynamisches Gegen- und Ineinander von Kräften, die Schelling in Von der Weltseele (1798) dann insgesamt auf das Verhältnis von Freiheit und Natur bezieht. Mit einem solchen Begriff des Lebens, der sowohl das ideelle Moment der ›Freiheit‹ (Bewegung, Geist) wie das reelle der ›Natur‹ (im Sinne von Beschränkung, Körper, Materie und Tod) im dialektischen Bedingungsverhältnis voraussetzt, kann das ›Leben‹ im Sinne eines organischen Zusammenhangs des Universums bzw. dessen »universeller Lebensproceß« (Novalis 1999, Bd.  2, 569  f.) zum Gegenstand einer zugleich ideellen und reellen Kunst promoviert werden, wie sie etwa Schiller in der Vorrede zur Braut von Messina (1803) fordert. Dass »die Kunst des Schönen […] die Darstellung des höchsten oder idealen Lebens« ist, schreibt Schütze in seinem Aufsatz Ueber die Kunst (in Zeitung für die elegante Welt. Nr.  89, 26. 7. 1806, Sp.  7 16–718). Die Kunst werde »immer in das Todte Leben und Geist« bringen und die Phantasie erkenne »als zwei Grundelemente der Welt und ihrer eigenen Vorstellung das Daseyn eines Körpers als das Todte und das Daseyn eines Geistes als das Lebendige, das sie aber im Sinn des Ganzen immer als etwas Verbundenes, immer als etwas Unzertrennliches, wie es auch ist, betrachtet.« (ebd., 717) In seiner Erläuterungen über das Ko­ mische betitelten Antwort auf die Rezension seiner Komiktheorie in den Wiener Jahrbüchern der Literatur von 1818 macht Schütze allerdings deutlich, dass der »Begriff des Lebens an sich […] zu weit für das Komische« sei, vielmehr gehe es im Komischen immer um die wirklichen Erscheinungen

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

235

des »menschlichen Lebens« (in Die Muse, Bd.  1, Heft 2, 1822, 7, 10). Vgl. zum Begriff des Lebens um 1800 Jantzen 1994; Thüring 2012. 98  William Shakespeare: King Henry IV, Erster Teil (1596), V,4. 99  William Shakespeare: Hamlet (1604), III,4. 100  Vgl. William Shakespeare: Hamlet (1604), V,1. Schütze verweist auf den Witz der Totengräber (im engl. Originaltext: Clowns), sie seien die besten Handwerker, weil ihre Häuser bis zum Jüngsten Tag Bestand hätten, sowie auf die spätere Frage Hamlets, wie lang eine Leiche in der Erde liege, bis sie zerfalle. 101  William Shakespeare: Romeo and Juliet (1597), I,5. 102  William Shakespeare: King Henry IV, Erster Teil (1596), IV,2. 103  Das Lachen über eine universelle Torheit, die auch den Lachenden mit einbegreift, orientiert sich an Jean Pauls Vorschule der Ästhetik (1804/1813). Hier heißt es: »Es gibt für ihn [den Humoristen] keine einzelne Torheit, keine Toren, sondern nur Torheit und eine tolle Welt« (Jean Paul 2000, Bd.  5, § 32, 125). Im Folgenden spricht Jean Paul auch von einer »humoristische[n] Milde und Duldung gegen einzelne Thorheiten«, die unter anderem darin begründet seien, dass »der Humorist seine eigne Verwandtschaft mit der Menschheit sich nicht leugnen kann« (ebd., 128). 104  William Shakespeare: Hamlet (1604), III,2. 105  William Shakespeare: Hamlet (1604), V,1. 106  Schütze bezieht sich hier auf Szene 4 aus Molières Einakter Le Sici­ lien ou L’amour peintre (1668). 107  Die Figur John Bull als nationale Personifikation Großbritanniens geht zurück auf eine Reihe von Pamphleten John Arbuthnots, die 1712 allesamt unter dem Titel Law is a Bottomless Pit. Or, the History of John Bull erschienen sind. 108  Der Ausdruck ›dummer Peter‹ wird ähnlich wie ›dummer Hans‹ für ungeschickte und einfältige Personen verwendet (vgl. Campe 1809, Bd.  3, 603). 109  Im Zuge der Erfindung des Heißluftballons durch die Brüder Montgolfier wird um 1800 das Fliegen zu einem breit diskutierten Phänomen und zu einem Motiv der Literatur. In Jean Pauls Werk finden sich immer wieder Flugträume, z. B. im »12. Zykel« des Titan (1800). Zudem widmet sich sein Aufsatz Ueber die erfundne Flug-Kunst von Jacob Degen in Wien (1808) dem Fliegen mit mechanischen Flügeln, wobei auf komische Weise die politische Relevanz und die polizeiliche Kontrolle der Luftfahrt sowie deren Auswirkungen auf das Alltagsleben thematisiert werden. Ausführliche literarische Darstellungen von Ballonflügen enthalten Das Kampaner Tal (1797) und die als »komischer Anhang« zum Titan publizierte Erzählung Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch (1801). Die von Schütze für den

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

236

Anmerkungen

Humor beschriebene dichterische Verfremdung der »wirklichen Welt« findet sich z. B. in der »Zweiten Fahrt« im Seebuch umgesetzt, wenn aus der Perspektive des Luftschiffers das Leben in den – wie Duplikate wirkenden – deutschen Kleinstädten beschrieben wird. Auch theoretisch hat Jean Paul den Humor mit dem Fliegen verknüpft, wie seine Analogisierung des Humoristen mit dem Vogel Merops in der Vorschule der Ästhetik (1804/1813) belegt (vgl. Jean Paul 2000, Bd.  5, § 33, 129). In der Forschung wurde diese Überblicksperspektive als Unterscheidungskriterium zwischen Jean Pauls Humor und F. Schlegels romantischer Ironie angeführt (vgl. Strohschneider-Kohrs 2002, 150). 110  Schützes Ausführungen beziehen sich auf die Kennzeichnung des Humors in Jean Pauls Vorschule der Ästhetik (1804/1813) als das »romantische Komische« (Jean Paul 2000, Bd.  5, § 31, 125). Während allerdings Jean Paul mit dem Romantischen die geschichtsphilosophisch begründete Verlagerung der Unendlichkeit ins Innere des Subjekts und dessen Einbildungskraft meint und der Humor diese (innere) Unendlichkeit mit der (äußeren) Endlichkeit kontrastiert, diese also auf jene anwendet, versteht Schütze unter dem Romantischen das Ahnen der »Einwirkung eines geheimnißvollen Wesens« oder die anscheinende Belebung toter Gegenstände durch einen »neckenden Genius« (VK, 20). Das »dunkle[] Gefühl« des Romantischen steht dabei dem »helle[n] Tag« des Humors gegenüber. Beides werde erst in der Gattung des Märchens vereint. 111 ›Parodie‹ (griech. parodía), hier mit »Gegen- oder Nachgesang« übersetzt, fasst Schütze ähnlich unserem heutigen Verständnis im Sinne einer »umbildung einer bekannten ernsten dichtung mit beibehaltung ihrer form ins scherzhafte und spöttische« (DWB 13, Sp.  1464). Er verweist aber auch auf die allgemeinere, Komisches und Ernstes umgreifende Verwendung des Begriffs. Ähnlich verfährt auch Flögel, wenn er zwischen ­einer ernsten Form der Parodie im Sinne der ernsthaften Nachahmung eines ernsthaften Gegenstandes und einer komischen Parodie als scherzhafter Anwendung von »Ausdrücke[n] und Stellen aus einem ernsthaften Schriftsteller auf eine ganz andre und gemeiniglich niedrige Sache« (Flögel 1784, Bd.  1, 85) unterscheidet. 112  Der Begriff der ›Akkommodation‹ (von lat. accommodare, anpassen) meint im Allgemeinen »die Anpassung einer Sache an eine andere, oder die Einrichtung derselben zu einem gewissen Zwecke« (Brockhaus 1814, Bd.  1, 31). Im Speziellen bezeichnet er u. a. die Auslegung einer Schrift im Sinne des Auslegenden, etwa bei der Bibelexegese (vgl. ebd.), sowie – etwa als Vorstufe oder Unterart der Parodie – die verändernde Anpassung von Zitaten an eine bestimmte Situation (vgl. Ersch  /  Gruber 1839, Sekt. 3, Bd.  12, 267).

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

237

113  Der Begriff ›Travestie‹ wurde im 18. Jh. aus dem engl. travesty entlehnt, eine Neubildung, die wiederum aus dem Ital. und Frz. stammt und auf Paul Scarrons Le Virgile travesti (1648) zurückgeht. Der Begriff, der im ursprünglichen Wortsinn das Verkleiden meint, bildet in der Folge das Gegenstück zur Parodie als Veränderung der Form unter Beibehaltung des Inhalts (vgl. DWB 21, Sp.  1567). A. W. Schlegel hat die Theorie, nach der die Travestie »das Entgegengesetzte von Parodie« (Schlegel 1989, Bd.  1, 645) sei, in seinen Vorlesungen über schöne Literatur und Kunst (gehalten 1801–1804), basierend auf ähnlichen Überlegungen Flögels (vgl. Flögel 1784, Bd.  1, 87  f.), wirksam festgeschrieben: In der Travestie »wird der Inhalt beybehalten, aber durch eine verdrehte Behandlung ins lächerliche gewandt.« (Schlegel 1989, Bd.  1, 645) 114  Die Frage nach dem Lächerlichen als Probierstein der Wahrheit wird u. a. bei Flögel (vgl. Flögel 1784, Bd.  1, 104–113) und in Adelungs Ueber den deutschen Styl (vgl. Adelung 1785, Bd.  2, 225–227) diskutiert. Sowohl Flögel als auch Adelung führen die Frage auf die Schriften Shaftesburys zurück, der in A letter concerning Enthusiasm (1708) von einem »Test of Ridicule« (Shaftesbury 1981, 318) spricht. Shaftesburys Überlegungen wurden, wie auch Flögels Ausführungen belegen, im 18. Jh. kontrovers aufgenommen. Einerseits wurde argumentiert, dass sich jegliche Wahrheit lächerlich darstellen ließe – aus dieser Perspektive stellt der »Test of Ridicule« eine Gefahr dar, da er alle religiösen, moralischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse bedroht. Andererseits wurde betont, dass die Wahrheit, insofern sie keine Ungereimtheit enthalte, jedem Versuch des Lächerlichmachens widerstehe – deshalb gefährde der Test die Wahrheit nicht, vielmehr bringe er sie in ­a ller Deutlichkeit ans Licht. 115  Der Begriff der Persiflage, der in den 1730er Jahren in Frankreich erstmals auftaucht, geht zurück auf das frz. siffler (dt. zischen, pfeifen), welches sich auf die Praxis des Auspfeifens eines Theaterstücks durch das Publikum bezieht. Bezeichnet der Begriff ursprünglich das zur Mode gewordene Phänomen der wechselseitigen, hinter Höflichkeiten versteckten Verspottung in adligen Kreisen, das von Seiten der Aufklärer kritisiert wurde und mit dem Ancien Régime ein Ende findet, überdauert der Begriff in seiner allgemeinen Bedeutung des versteckten Spottes und findet auch rasch Eingang ins Deutsche. In einem systematischen Zusammenhang mit dem Lächerlichen findet sich der Begriff wohl erstmals in der zweiten Auflage von Johann August Eberhards Theorie der schönen Wissenschaften (1786), in der Persiflage im Sinne einer Kontrastkomik von Innen und Außen definiert wird (Eberhard 1786, 104). Man lache über den persiflierten Menschen, dessen scheinbare Größe mit der eigentlichen Unvollkommenheit kontrastiert werde. Andreas Heinrich Schott nimmt dies auf, fügt allerdings ein-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

238

Anmerkungen

schränkend hinzu, dass sie »unächt« werde, wenn sie »als Werkzeug der Eitelkeit und Bosheit gebraucht werde, um ernsthafteste Dinge lächerlich zu machen« (Schott 1789, Bd.  1, 354). Ähnlich differenziert auch Schütze in eine auf das Verlachen von Normabweichungen ausgerichtete »feine Persiflage der Gesellschaft« und eine »poetische« (VK, 117), die die Falschheit der Gesellschaft selbst verspottet. Mit seinem Verweis auf die Kälte des Verstandes bezieht er sich möglicherweise auf Jean Pauls Vorschule der Äs­ thetik (1804/1813), nach der die Persiflage in Abgrenzung zur Ironie »mehr die Tochter des Verstandes als der komischen Schöpferkraft« ist (Jean Paul 2000, Bd.  5, § 38, 155). Vgl. zur Begriffsgeschichte Krauss 1997. 116  Die Parodie des Euripides ist zentral für die Komödien des Aristophanes und findet sich in Form von Anspielungen und Zitaten in nahezu jedem Text. In Die Acharner (425 v. Chr.), Die Thesmophoriazusen (411 v. Chr.) und Die Frösche (405 v. Chr.) tritt Euripides selbst als dramatische Figur auf. Mit der Rede vom »schwülstigen Euripides«, der als solcher von Aristophanes entlarvt werde, greift Schütze auf Wertungen zurück, die um 1800 etabliert sind. A. W. Schlegel verknüpft in seinen Vorlesungen über schöne Literatur und Kunst (gehalten 1801–1804) den Verfall der attischen Tragödie mit Euripides’ Stücken, wobei er auch auf Aristophanes zu sprechen kommt, »der dem Euripides gleichsam als seine ewige Geißel zugeordnet war« (Schlegel 1989, Bd.  1, 752). Eine Gegenposition nimmt Goethe ein, der vor allem in seinem Spätwerk eine Vorliebe für Euripides entwickelt und ihn dementsprechend in einem Tagebucheintrag vom 22. 11. 1831 gegen den »Hanswurst Aristophanes« (FA 38, 485) verteidigt. Vgl. zu Aristophanes auch Anm.  31 sowie zu seiner Tragödienparodie Rau 1967. 117  Der Begriff der Ironie, der in der griech. Philosophie (z. B. als sokratische Ironie) und als Tropus der Ersetzung eines Wortes durch sein Gegenteil in der Rhetorik einen festen Stellenwert hatte, wurde in der Frühromantik von F. Schlegel, unter anderem in der Auseinandersetzung mit ­Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahren, in die Kunstkritik eingeführt (vgl. ÄGB 3, 215). Als »permanente Parekbase« (KFSA 18, 85) und als Reflexion auf die Unhintergehbarkeit der Reflexivität des (modernen) Bewusstseins wird die romantische Ironie im Sinne des »steten Wechsel[s] von Selbstschöpfung und Selbstvernichtung« (KFSA 2, 172) zu einem wesentlichen Element der »progressive[n] Universalpoesie« (ebd., 182). Schütze lehnt sich in seiner Rekonstruktion des Verhältnisses von Ironie und Komik eng an Jean Pau­l an. Dieser definiert in der Vorschule der Ästhetik (1804/1813) Ironie als »Ernst ihres Scheins« (Jean Paul 2000, Bd.  5, § 37, 148) und stellt das Komische der »bessern« Ironie dem Lächerlichen einer »schlechtern« Ironie gegenüber (ebd., 149), in der sich das Lächerliche oder der Witz zu stark aussprechen, anstatt den »Schein des Ernstes« (ebd., 148) zu wahren. Im Gegensatz zur

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

239

subjektiven Laune erfordert die Ironie ein »fortgehendes Ansichhalten und Objektivieren« (ebd., 154). Schütze flexibilisiert dieses Ansichhalten, wenn er daran festhält, dass Ironie erst entsteht, »wenn der Scherz beym Ernst durchblickt« (VK, 119). 118  In einem scheinbaren Widerspruch zur vorherigen Auseinandersetzung mit der Naivität als dem ersten der subjektiven Mittel zur Darstellung des Lächerlichen (vgl. VK, 88 sowie Anm.  79) versteht Schütze hier die Naivität als Mittel für die »reinste Objektivität«. Die Begriffe ›subjektiv‹ und ›objektiv‹ benutzt er dabei – wie auch bei anderen subjektiven Mitteln – zur Binnendifferenzierung. Der Verweis auf die Objektivität der Naivität, die der Dichter nachahmen kann, dient zur Konturierung der Ironie (vgl. Anm.  117), die durch das Verbergen der Subjektivität des Dichters als objektiv erscheine. Die Ironie, die der Zuschauer dem Naivität nachahmenden Dichter unterlegt, fungiere als »Bestimmung des Naiven zum Komischen«, da die Naivität im Allgemeinen »allen Gattungen der Poesie« und nicht nur dem Komischen diene. Die Nähe von Ironie und Naivität weist Ähnlichkeiten zu Flögels Vorstellung einer »[s]chalkhaft angenommene[n] Naivetät« (Flögel 1784, Bd.  1, 96) auf. 119  »Die Ironie, der Ernst ihres Scheins« ist in Jean Pauls Vorschule der Ästhetik (1804/1813) die Kapitelüberschrift des § 37 (Jean Paul 2000, Bd.  5, 148). 120  Schützes Unterscheidung von Erzählung und dramatischer Darstellung findet sich auf ähnliche Weise formuliert in Goethes und Schillers Abhandlung Über epische und dramatische Dichtung (1797): Da »der Epiker die Begebenheit als vollkommen vergangen vorträgt, und der Dramatiker sie als vollkommen gegenwärtig darstellt« (NA 21, 57), leiste ersterer eine Beruhigung der Rezipienten, zweiterer könne hingegen »viel lebhaftere Wirkungen wagen« (ebd., 59). Eine ausführliche Unterscheidung von Epik und Drama mit Blick auf die Vor- und Nachteile der Gattungen hinsichtlich produktions- und wirkungsästhetischer Ziele hat schon Johann Jakob Engel 1774 in seiner Schrift Fragmente über Handlung, Gespräch und Erzählung vorgenommen (vgl. Engel 1802, 221–266). Engels Ausführungen weisen Ähnlichkeiten zu denen Schützes auf, allerdings spielen bei ihm Überlegungen zur Eignung der Gattungen für die Erzeugung des Komischen keine Rolle. 121  Dass Dichtung den Rezipienten eine »Beyspielswelt« zeigen soll, findet sich von produktionsästhetischer Seite beschrieben in Friedrich von Blanckenburgs Versuch über den Roman (1774): »Das Werk des Dichters«, so Blanckenburg, »muß eine kleine Welt ausmachen, die der großen so ähnlich ist, als sie sein kann. Nur müssen wir in dieser Nachahmung der großen Welt mehr sehen können, als wir in der großen Welt selbst, unsrer Schwach-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

240

Anmerkungen

heit wegen, zu sehen vermögen.« (Blanckenburg 1774, 314) Auch Schützes Trennung von Werk und Dichter wird von Blanckenburg formuliert: »Der Dichter selbst gehört gar nicht mit ins Ganze seines Werks.« (Ebd., 339) Zudem sollen nach Blanckenburg Romane möglichst dramatisch angelegt sein, um so »Leser[] und Zuhörer[] in Zuschauer« zu »verwandeln« (ebd., 499). Zwar verknüpft er diese Überlegung nicht wie Schütze mit der Hervorbringung des Komischen (vgl. VK, 120  f.), aber unabhängig davon enthält seine Abhandlung eine Vielzahl von Überlegungen zum Lächerlichen und zum Humor (vgl. Blanckenburg 1774, ins. 187–206). Auch für die klassizistische Ästhetik, wie sie in den Schriften von Karl Philipp Moritz formuliert wird, ist die Abschließung des Kunstwerks zu einem eigenen Weltmodell von entscheidender Bedeutung. Der Dichter, so Moritz in seinem Aufsatz Die metaphysische Schönheitslinie (1793) »schneidet« die dargestellten »Begebenheiten« aus der »Weltgeschichte« heraus und gibt ihnen so eine »Neigung gegen sich selber«. Auf diese Weise vergesse man »ihren Zusammenhang mit dem großen Lauf der Dinge«, stattdessen glaube man, »eine Welt, ein Ganzes von Begebenheiten im Kleinen zu sehen« (Moritz 1962, 153). Die derart erzeugte Autonomie des Kunstwerks ist für Moritz auch mit dessen Schönheit und Vollkommenheit verknüpft, da sich diese aus der inneren Selbstzweckhaftigkeit des Kunstwerks ergeben. 122  Das Scherzspiel findet sich als Gattungsbezeichnung u. a. in Andreas Gryphius’ Horribilicribrifax Teutsch (1663) oder auch in Kotzebues Sultan Wampum (1792; vgl. Anm.  60). Allerdings entsprechen diese Texte kaum Schützes Kennzeichnung des Scherzspiels anhand von »Wortwitz« und schwach gekoppeltem Handlungsverlauf. Eher in diese Richtung gehen die Texte, die in der Sammlung Alle Arten der neuesten Scherz- und Pfänder­ spiele vor lustige Gesellschaften (1790) erschienen sind. Während Schütze mit dem Scherzspiel seine systematische Betrachtung der verschiedenen dramatischen Formen des Komischen eröffnet, positioniert A. W. Schlegel in seinen Vorlesungen über dramatische Kunst und Litteratur (gehalten 1808) den Scherz am historischen Beginn der Komödie: »Die älteste Komödie der Griechen aber war durchaus scherzhaft, und bildete dadurch den vollkommensten Gegensatz mit ihrer Tragödie.« (Schlegel 2018, Bd.  4, 32) 123  Der Begriff des Intrigenstücks ist in der Komödientheorie um 1800 fest etabliert, insbesondere in Opposition zum Charakterstück. Formuliert findet sich diese Opposition etwa bei Flögel (vgl. Flögel 1787, Bd.  4, 95) sowie in der von Goethe und Schiller gestellten Dramatischen Preisaufgabe (1800), später auch in Hegels ab 1818 gehaltenen Vorlesungen über die Äs­ thetik (vgl. Hegel 1986, Bd.  15, 570–572). A. W. Schlegel weist die Unterscheidung hingegen in seinen Vorlesungen über dramatische Kunst und Littera­ tur (gehalten 1808) zurück, da ein »gutes Lustspiel […] immer beydes zu-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

241

gleich seyn [soll]« (Schlegel 2018, Bd.  4, 139). Während im Charakterstück die Figuren als Träger des Komischen im Zentrum stehen, generiert das Intrigenstück Komik durch Verwicklungen auf der Handlungsebene, die nach Schützes Ausführungen entweder durch Zufälle oder planvolles Agieren zustande kommen können. Sollte dabei das planvolle Agieren aus dunkel bleibenden Naturkräften hervorgehen, nimmt die Intrige für Schütze Züge des Romantischen an (vgl. hierzu auch Anm.  23). 124  In die Dramentheorie wird der Begriff ›Situation‹ vor allem von Dide­rot eingeführt: »Die Bestimmung der Charaktere aber hängt von den Situationen ab« (Diderot  /  L essing 1986, 343). Unter Situation versteht Diderot einen Bedingungsrahmen für widerstreitende Handlungsziele, der die Figuren mit ihren Interessen unter Druck setzt und ihre Leidenschaften gleichsam hervortreibt: »Der wahre Kontrast ist der, den die Charaktere mit den Situationen machen« (ebd., 344). Für die Begriffsgeschichte zentral ist außerdem die Verwendung des Wortes in Adam Smiths The Theory of Moral Sentiments (1759). Für Smith korrelieren Emotionen mit Situationen, so dass man sich, um die Emotion des anderen zu verstehen, nur in dessen Situation versetzen muss. Die Situation überbrückt die intersubjektive Differenz. Sulzer hat ›Situation‹ mit der Formulierung »Lage der Sachen« übersetzt und mit dichtungs- und dramentheoretischen Reflexionen verknüpft (Sulzer 1773, Bd.  2, 651). Ähnlich wie Schütze, für den das Situationsstück »halb aus der Geschichte und halb aus den Personen« hervorgeht, erläutert Sulzer diese Art der Komödie, Diderot folgend, anhand des Kontrastes von Figur und Umständen (vgl. Sulzer 1771, Bd.  1, 215). Nach Lazarus Bendavids Versuch einer Geschmackslehre (1799) zielt das »Situationsstück« auf die »interessante Verbindung der Teile zu einem Ganzen« (Bendavid 1799, 409) – auch hier klingt demnach das Wechselverhältnis von Figur, Umständen und Handlung an. 125 Die Gattungsbezeichnung ›Bürgerliches Lustspiel‹ findet sich in Deutschland vermehrt ab der zweiten Hälfte des 18. Jhs., allerdings deutlich seltener als das wirkmächtige ›Bürgerliche Trauerspiel‹. Vorbild ist wohl die frz. comédie bourgeoise. Ein frühes dt. Beispiel ist das 1782 ohne Autorangabe erschienene Stück Der Blinde Vater. Ein burgerliches Lust­ spiel in zween Aufzügen. Eng verbunden ist das Bürgerliche Lustspiel mit den Stücken Carlo Goldonis, in denen sich Commedia dell’arte-Tradition und bürgerliche Lebensweltlichkeit mischen (vgl. zu Goldoni Anm.  34). So vermerkt A. W. Schlegel in seinen Vorlesungen über schöne Literatur und Kunst (gehalten 1801–1804) Goldoni und dem Bürgerlichen Lustspiel gegenüber kritisch: »Goldoni. Bürgerliches Lustspiel. Zahm gewordne Masken. Äußre Beweglichkeit, Leerheit, Beschränktheit, Symmetrie – bey wenig Intrigue. Klippe der Dichtarten: Vermischung mit der Gemeinheit. Morali-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

242

Anmerkungen

scher Hang, platt.–« (Schlegel 1989, Bd.  1, 776). Für das auf die bürgerliche Lebenswirklichkeit bezogene Lustspiel, dem auch die populären Unterhaltungstücke des von Seiten der Romantiker vielfach kritisierten August von Kotzebue zuzurechnen sind, votiert hingegen Karl von Pirch in seinem 1812 in den Musen veröffentlichten Aufsatz Ein Wort über das bürgerliche Lustspiel. Es sei »Unrecht«, wenn eine Beschwerde über den Zustand des deutschen Lustspiels »den Tadel enthalte[], daß unsre Lustspiele im bürgerlichen Zeitgewande auftreten«, schließlich habe sich bereits Calderon an »den Sitten seines Zeitalters« orientiert (Pirch 1812, 155). 126  Von einer »Comödie der Sitten« spricht bereits Sulzer (Sulzer 1771, Bd.  1, 216), der allerdings anders als Schütze nicht zwischen »Sittenlustspiel« und »Sittengemählde« unterscheidet. Kennzeichen dieser Komödienform sei es, so Sulzer, dass sie die Sitten verschiedener Gruppen – etwa »des Hofes«, »der Reichen« oder »ganzer Völker« – zum »Hauptaugenmerk« mache (ebd.). Stärker auf das Individuum ausgerichtete Überlegungen zum »Sittenstück« finden sich in Bendavids Versuch einer Geschmackslehre (1799), der zudem den Zeitbezug besonders hervorhebt: Da Sittenstücke »immer die neueste Kleidung des Zeitalters [tragen]«, sei für sie typisch, dass sie besonders schnell »veralten« (Bendavid 1799, 410). 127  Der Begriff steht in der Tradition der Moralischen Wochenschriften. So haben die Schweizer Johann Jakob Bodmer und Johann Jakob Breitinger die erweiterte und überarbeitete Neuauflage ihrer Discourse der Mah­ lern (1721–1723) unter dem Titel Der Mahler der Sitten (1746) publiziert. Speziell mit Blick auf die Komödie finden sich Überlegungen zum Sittengemälde bei Sulzer: Die »Gemählde« des »comische[n] Dichter[s]« sollen den Zuschauer »empfinden lernen, was in den Sitten frey, schön, edel, groß, und was darin ungereimt, gezwungen, sclavisch, niedrig und lächerlich ist« (Sulzer 1771, Bd.  1, 214). Auch Flögel spricht in Hinsicht auf die griech. Neue Komödie, die in Folge des Verbots der Personalsatire entstanden sei, von einer »allgemeine[n] Mahlerei der Sitten« (Flögel 1787, Bd.  4, 69). Ebenfalls gebraucht wird der Begriff von A. W. Schlegel in seinen Vorlesungen über dramatische Kunst und Litteratur (gehalten 1808) etwa wenn es heißt, dass die Komödien Goldonis als »Sittengemählde« zwar »wahr, aber zu wenig aus dem Gebiete der Alltäglichkeit hinausgespielt« seien (Schlegel 2018, Bd.  4, 177). 128  Das Charakterstück bildet zeitgenössisch das Pendant zum Intrigenstück (vgl. Anm.  123). Zentral für die Charakterkomik sind die Laster und Leidenschaften der Figuren. Häufig wird dabei – wie auch bei Schütze – der Geizige als Beispiel herangezogen (vgl. etwa Bendavid 1799, 411  f.; vgl. zum Geizigen auch Anm.  35). Eine mit Blick auf den komischen Charakter immer wieder aufgeworfene Frage lautet, ob dieser verlacht oder ob mit

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

243

ihm gelacht werden soll. So setzt die sächsische Typenkomödie im Umfeld Gottscheds auf ein Verlachen, Lessing dagegen entwirft im 28. und 29. Stück der Hamburgischen Dramaturgie (1767) eine Theorie des Mitlachens, die dabei dem auch von Gottsched angestrebten moralischen Nutzen verpflichtet bleibt: »Die Komödie will durch Lachen bessern; aber nicht eben durch Verlachen« (Lessing 1985, Bd.  6, 323). Das Mitlachen als Mittel der Selbsterkenntnis im Sinn des »homo sum« greift auch Heydenreich in seiner Komik- und Komödientheorie auf (Heydenreich 1797, 98; vgl. zu Heydenreich Anm.  3). 129  Überlegungen zum Charaktergemälde formuliert Sulzer in Zusammenhang mit seiner »Grundregel, die der comische Dichter beständig vor Augen haben muß […]: Mahle Sitten und zeichne Charaktere, die für denkende und empfindsame Menschen interessant sind« (Sulzer 1771, Bd.  1, 214). Das Charaktergemälde stellt nach dieser Formulierung das komplementäre Gegenstück zum Sittengemälde dar (vgl. hierzu Anm.  127). Insofern der Dichter durch Beobachtung die »verschiedenen Charaktere der Menschen genau kennen[gelernt]« hat, wird es ihm nach Sulzer auch möglich, sie auf komische Weise »gegen einander in Streit [zu] bringen« (ebd.). 130  In seiner Abhandlung über die Fabel (1759) definiert Lessing Handlung als »Folge von Veränderungen« (Lessing 1997, Bd.  4, 357) und schließt ausdrücklich psychische Akte sowie Urteile ein. Es sei »jeder innere Kampf von Leidenschaften, jede Folge von verschiedenen Gedanken« (ebd., 363) eine Handlung. Johann Jakob Engel greift dies in seiner wirkmächtigen Abhandlung Fragmente über Handlung, Gespräch und Erzählung (1774) auf: »Der eigentliche Schauplatz aller Handlung ist die denkende und empfindende Seele. […] Darum ist auch in der Pantomime, im Tanz nicht anders Handlung, als insofern sich die Seele durch Gebehrden und Bewegungen darin ausdrückt.« (Engel 1802, 149) 131  Diese Gattungsbezeichnung ist eine Übersetzung aus dem Frz., wo seit dem 17. Jh. Dramen als comédie héroïque bezeichnet wurden, die – komödienunüblich – in der Sphäre des Hofes, der staatlichen Politik oder des Militärs spielen. Beispiele sind die Stücke Tite et Bérénice, Comédie Héroique (1670) oder Pulcherie. Comédie Héroique (1672) von Pierre Corneille. Die Komödie Esope a la cour. Comédie Héroique (UA 1701) von Edmé Bour­sault erscheint in der deutschen Übersetzung von G. W. von Reinbaben bereits 1711 als Esopus am Hofe. Heroisches Schau-Spiel sowie später in weiteren Übersetzungen. Die seltene Aufnahme der Bezeichnung in Deutschland steht im Kontext der Aufweichung der dramatischen Gattungshierarchien, wie sie sich auch im Bürgerlichen Trauerspiel, im Rührenden Lustspiel oder in der Verwendung des Begriffs ›Schauspiel‹ zeigt. Lessings Nathan der Weise (1779) etwa wurde von Christian Heinrich

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

244

Anmerkungen

Schmid als »heroisch Lustspiel« (Schmid 1781, 625) bezeichnet. Beispiele für nicht aus dem Frz. übersetzte Heroische Lustspiele sind sehr selten und finden sich u. E. erst zu Beginn des 19. Jhs., etwa mit Achim von Arnims Die Capitulation von Oggersheim. Heroisches Lustspiel in drei Aufzügen (1813). Für Schütze bildet die Behandlung von Angelegenheiten des öffentlichen Lebens oder eines »ganzen Landes«, das sowohl die »Masse« als auch die »Vorsteher[]« umfasst, das entscheidende Kriterium dieser Untergattung (VK, 133). Als Beispiel für die Darstellung ganzer Länder mittels Personifikationen lässt sich Jean Desmarets de Saint-Sorlins im Auftrag Richelieus verfasstes Stück Evrope. Comedie heroiqve (1743) nennen, das Frankreich im Kampf mit Spanien um die Vorherrschaft in Europa glorifiziert. 132  Bei Aristophanes findet sich eine Vielzahl von Personifikationen. Schütze bezieht sich hier auf die Komödie Die Ritter (424 v. Chr.), in der das Volk als seniler Herr Demos auftritt, sowie auf Der Frieden (421 v. Chr.) – dort begegnen die Personifikationen des Kriegs (Polemos) und des Friedens (Eirene). 133  Der Begriff des ›Grotesken‹ geht auf das ital. grottesco (eine Ableitung des ital. Begriffs für Höhle, grotta) zurück. Damit verweist der Begriff auf seinen Ursprung, der in antiken römischen Wandmalereien liegt, die im 15. Jh. wiederentdeckt wurden. Die Zeit um 1800 gilt als Hochphase grotesker Kunst. Die zeitgenössische Relevanz des Grotesken für das Komische zeigt sich mit dem Wortkompositum des ›Grotesk-Komischen‹. So bezeichnet Möser seine Harlekin-Schrift (1761) im Untertitel als »Vertheidigung des Groteske-Komischen«; Flögel hat eine Geschichte des Groteskekomischen (1788) als »Beitrag zur Geschichte der Menschheit« verfasst. Ihr gemäß findet das Komische im Grotesken seinen Anfang, »ehe der Mensch so gesittet wird, daß er das feine und hohe Komische erfinde[t]« (Flögel 1788, 1). Deutlich wird mit den Schriften von Möser und Flögel auch eine semantische Umwertung: Beide kennzeichnen das Groteske nicht als Erscheinungsform des Unnatürlichen, stattdessen bildet es als Ausdruck des Phantasievollen und als anthropologisches Ursprungsphänomen eine Opposition zur aufgeklärten Rationalität. Diese Opposition erklärt auch die Relevanz des Grotesken im Kontext der Romantik. Zu denken ist z. B. an E.  T.  A. Hoffmanns Fantasiestücke (1814/15), die in der Tradition der Malerei von Jacques Callot und dessen »groteske[n] Gestalten« (Hoffmann 1993, 18) stehen. In Schützes Komiktheorie hat das Groteske keinen zentralen Stellenwert, mit der »Einführung gigantischer Erscheinungen« stellt es aber eine Zwischen­etappe zum »komische[n] Mährchenspiel« dar, das mittels phantasiegeladener Symbolisierung und Personifizierung die Grenzen e­ iner an das rationalis­ tische Nachahmungspostulat gebundenen Kunst überschreitet, dabei aber doch als »Spiegel« auf die Wirklichkeit bezogen bleibt.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

245

134  Das komische Märchenspiel wurde geprägt durch Carlo Gozzis zwischen 1761 und 1765 entstandene Märchendramen (Fiabe teatrali; vgl. zu Gozzi auch Anm.  135), die auch in Deutschland breit rezipiert wurden. In der deutschen Literatur stellen die Stücke in der zweiten Abteilung von Tiecks Phantasus (1812) die bekanntesten Märchenspiele dar. Im Rahmengespräch wird dabei explizit auf Gozzi hingewiesen, wobei auch die nach Schütze für das Märchenspiel typische Vermischung des Tragischen und Komischen zur Sprache kommt (vgl. Tieck 1985, 393). Die weiteren Merkmale, die Schütze mit dem Märchen verbindet, sind zeitgenössisch eingespielt. Die Belebung und Personifikation der Natur findet sich als Gattungsmerkmal in der Vorrede des ersten Bandes der Kinder- und Hausmärchen (Grimm 1812, X) von Jacob und Wilhelm Grimm formuliert. Die Frage nach der Symbolik spielt eine zentrale Rolle in der Deutung von Goethes Märchen (1795). Schon Schiller hat Goethe in einem Brief vom 29. August 1795 darauf hingewiesen, dass in diesem Text »alles Symbol sey. Man kann sich nicht enthalten, in allem eine Bedeutung zu suchen.« (NA 28, 36) Anders als Goethe, der Symbol und Allegorie scharf voneinander unterscheidet, verwendet Schütze die beiden Begriffe tendenziell synonym (vgl. VK, 133  f.). Den Wirklichkeitsbezug des Märchens bzw. Märchenspiels, das »wie in einem Spiegel […] die wirkliche Welt auffallender zurückstrahlt«, entwickelt Schütze auch in seinem Aufsatz Ueber die Wahrheit der Dichtkunst, besonders des Märchens, der 1805 in der Zeitung für die elegante Welt erschienen ist. 135  Der Begriff der ›Masken‹ meint die Typen der Commedia dell’arte – zum einen die Masken tragenden Diener (Zanni), zum anderen die durch bestimmte Kleidung und Attribute gekennzeichneten Herren (Vecchi) –, die ausgehend von dem Handlungsgerüst einer durchaus ernsten Geschichte zweier Liebenden (Innamorati) und entsprechend ihrer jeweiligen Rolle komische Szenen improvisieren. Carlo Gozzi (1720–1806) verband in seinen Märchendramen die komischen Masken der Commedia dell’arte mit populären literarischen Märchenhandlungen und stellte diese den realistischen Gesellschafts- und Charakterkomödien seines Widersachers Carlo Goldoni gegenüber, dessen theaterästhetische Reformbestrebungen er ablehnte (vgl. zu Goldoni Anm.  34). Gozzi kehrt allerdings das Verhältnis der ernsten Handlung und der Improvisation der Masken um: Ist die Handlung ursprünglich nur das Grundgerüst für die komische Improvisation der Masken, dienen diese bei Gozzi der ins Märchenhafte überführten erns­ ten Haupthandlung im Sinne einer zwischenzeitlichen Entlastung. Gozzis Märchendramen, die in Italien nach kurzfristigem Erfolg wenig Beachtung fanden, wurden in Deutschland breit rezipiert, insbesondere im Kontext der Romantik. A. W. Schlegel rückt Gozzis Vermischung von Tragik und Komik,

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

246

Anmerkungen

Hohem und Niederem in den Vorlesungen über dramatische Kunst und Lit­ teratur (gehalten 1808) in die Nähe seiner Bestimmung des romantischen Dramas und sieht gerade im Handeln der Masken eine Form der romantischen Ironie (vgl. Schlegel 2018, Bd.  4, 178  f.; vgl. zur Ironie Anm.  117). Literarische Bezugnahmen auf Gozzi seitens der Romantiker finden sich insbesondere bei Tieck und E.  T.  A. Hoffmann sowie später in Büchners Leonce und Lena (1838). Vgl. zur Rezeption Gozzis um 1800 Hinck 1965, 380–395. 136  Seinen Ursprung hat der Begriff der ›Tragikomödie‹ bei Plautus im Prolog zum Amphitruo (ca. 200 v. Chr.), wo die scherzhafte Bezeichnung tragicomoedia mit der Mischung hoher (Götter, Könige) und niedriger Figuren (Sklaven) begründet wird. In der Folge bezieht sich die Bezeichnung allerdings nicht nur auf die Mischung des Personenbestands, sondern auch spezifischer Handlungsstrukturen, insbesondere in Bezug auf den Dramenschluss, sowie auf die Mischung von ›Komik‹ und ›Tragik‹. In den Regelpoetiken des 17. und frühen 18. Jhs. ist der Begriff als Abweichung von den dramatischen Reinformen zumeist negativ konnotiert. Gottsched etwa lehnt zwar nicht den Amphytruo oder die frz. Mischformen wie die comédie héroïque (vgl. Anm.  131), wohl aber den in seinen Augen widersprüchlichen Begriff als »ein Ungeheuer« (Gottsched 1730, 597) ab und versucht die reinförmigen Begriffe über das Kriterium des Schlusses aufrechtzuerhalten. Im Laufe des 18. Jhs. kommt es zu einer Umwertung. So stellt Sulzer gegen »die Besorgniß einiger Kunstrichter« über die Entstehung von Mischformen fest, dass die Trennung der ›Reinformen‹ nicht der Natur entspräche: »Die Natur kennt solche Schranken nicht« (Sulzer 1771, Bd.  1, 214). A. W. und F. Schlegel hingegen wenden sich gegen die Mischformen des 18. Jhs. wie das Bürgerliche und Weinerliche Lustspiel und formulieren ausgehend von den Stücken des Aristophanes das Ideal einer ›reinen Komödie‹ (Vgl. Anm.  31). Die bloße Juxtaposition von Komik und Tragik ebenfalls ablehnend erhebt Schelling in seiner Philosophie der Kunst (1802/03) gerade die »Mischung des Entgegengesetzten« in einer geschichtsphilosophischen Argumentation zum »Princip de[s] modernen Drama[s]« (Schelling 2018, Reihe II, Bd.  6.1, 390) sowie zum Ideal der Dichtung, insofern in der Steigerung des Kontrastes der Gegensatz von Freiheit und Notwendigkeit aufgelöst werde. Aufgenommen und ausführlich behandelt werden die Ansätze Schellings wiederum von A. W. Schlegel in seinen Vorlesungen über dramatische Kunst und Litteratur (gehalten 1808), wenn er in Auseinandersetzung mit den Dramen von Shakespeare und Calderon das Ideal des romantischen Dramas in »unauflösliche[] Mischungen« aller Gegensätze setzt (Schlegel 2018, Bd.  4, 170). Vgl. allgemein Guthke 1960; Bartl 2009, Greiner 2017. 137  Die Posse ist für Schütze zum einen, wie schon im 18. Jh. üblich, Gattungsbegriff, zum anderen im Sinn der Alltagsbedeutung wichtig für seine

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

247

Theorie, insofern das Komische für ihn auch jenseits der Textsorte ›Posse‹ freilegt, dass und wie die ›Natur‹ dem sich frei wähnenden Menschen eine Posse spielt. In dieser Bedeutung verwendet Schütze das Wort gelegentlich auch in maskuliner Form (»einen […] Possen spielen«, VK, 108) und meint den »einem andern auf eine belustigende Art, auf eine lustige Weise zugefügte[n] Schade« (Adelung 1798, Sp.  812). Schützes Ausführungen zur Gattung Posse nehmen das seit dem Anfang des 18. Jhs. aufgekommene feminine Geschlecht auf und beziehen sich im Speziellen auf das Possenspiel, mit dem üblicherweise »eine niedrigkomische komödie« (DWB 7, Sp.  2014) bezeichnet wird. Gegen die pejorative Verwendung des Begriffs Posse für »grobe und unanständige Ungereimtheiten […], welche nur den niedrigsten Pöbel belustigen, ohne irgend etwas Geistreiches und wirklich Witziges in sich zu enthalten« (Flögel 1784, Bd.  1, 88), versucht Schütze – mit dem Hinweis auf die auch für die Posse gültige Beziehung auf »Geist und Idee« – diese in das »Hoch-Komische« (VK, 138) zu überführen. 138  Die Unterteilung in ein Hoch- und ein Niedrig-Komisches ist in der Komik- und Komödientheorie um 1800 (etwa bei Sulzer, Eberhard oder Adelung) eingespielt und erfolgt wahlweise mit Bezug auf das Figurenpersonal, die Sprache oder das Kriterium der Ungereimtheit. Dem Niedrig-Komischen entspricht die dramatische Form der Posse, dem Hoch-Komischen die tragikomischen Mischformen. Der Begriff des ›Fein-Komischen‹ findet sich in den Typologien hingegen nur selten, z. B. in Theodor Heinsius’ Der Redner und Dichter (1810) oder in Christian August Heinrich Clodius’ Ent­ wurf einer systematischen Poetik (1804). Beide charakterisieren das FeinKomische durch eine Situierung in der bürgerlichen Welt, ordnen es aber unterschiedlich ein. Während Heinsius es dem Niedrig-Komischen gegenüberstellt (vgl. Heinsius 1810, 202–204), findet sich bei Clodius eine kleinteiligere Typologie, in der das Fein-Komische »die eigentliche Komödie im engern Sinn« (Clodius 1804, 660) darstellt. Die Verbindung aller drei Unter­a rten und deren systematische Unterscheidung anhand des Verhältnisses von Idee und Sinnlichkeit findet sich vermutlich erstmals bei Schütze. 139  Schütze bezieht sich auf August von Kotzebues Die deutschen Klein­ städter. Ein Lustspiel in vier Akten (1803) und Friedrich Wilhelm Gotters Der Schwarze Mann. Eine Poße in zwey Akten (1784; vgl. hierzu auch Anm 92). In beiden Stücken treten Dichterfiguren mit lächerlichen Zügen auf. Bei Kotzebue ist dies der »Bau-Berg- u. Weg-Inspectors-Substitut« Sperling (Kotzebue 1803, 4), bei Gotter der »Theaterdichter« Flickwort (Gotter 1784, 2). Ein Unterschied der beiden Dichterfiguren, auf den Schütze möglicherweise abzielt, liegt darin, dass bei Kotzebue die Kennzeichnung Sperlings als Dichter nicht entscheidend ist für den Handlungsverlauf, sie bleibt komisches Beiwerk. Bei Gotter dagegen ist Flickworts Dichtung funktional

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

248

Anmerkungen

mit dem Handlungsverlauf verknüpft: Zum einen reagiert er auf das Handlungsgeschehen, zum anderen treibt er es mittels seiner Dichtung voran. 140  Die Frage nach der Komik in der Musik wird verstärkt um 1800 erörtert, etwa von Carl Ditters von Dittersdorf, Christian Friedrich Michaelis, Friedrich Rochlitz und Friedrich August Weber, und erfährt in den 1830er Jahren eine Polarisierung durch die in der Musikzeitschrift Caecilia geführte Kontroverse zwischen Schütze und Gustav Adolph Kefer­stein (unter dem Pseudonym ›K. Stein‹). Während Schütze in einer Rezension zur komischen Oper Fra Diavolo oder das Gasthaus in Terracina – etwas vorsichtiger als im Versuch – formuliert, dass sich das Element des Lyrischen in der Musik »mit dem Komischen nicht gut verträgt« (in: Caecilia. Eine Zeit­ schrift für die musikalische Welt XIII/51 [1831], 177–181, hier 177), verteidigt Keferstein in seinem Aufsatz Versuch über das Komische in der Musik (1833) die Möglichkeit des Komischen in der Instrumentalmusik, »denn auch in ihr können tausenderley überraschende und ergötzliche Abweichungen vom Vernünftigen, Zweckmässigen, Gewohnten […] vorkommen, welche wir mit dem behaglichen, den Lach-Kützel erregenden Gefühle unserer Superiorität wahrnehmen« (Stein 1833, 242  f.; vgl. zur »Schütze-Stein Controversy« Russell 1985/86). Ausführlich besprochen wird die folgende Passage über die drei musikalischen Formen des Komischen – die Zauberoper, die komische Operette und das Mimische – in einer anonymen Rezension unter dem Titel Das Musikalisch-Komische (1827), wobei auch Beispiele für die unterschiedlichen Gattungen angeführt werden (vgl. Anonym 1827, Sp.  329–337; vgl. außerdem den dritten Teil der Einleitung in diesem Band). 141  Die Gattungsbezeichnung ›Zauberoper‹ ist seit dem Ende des 18. Jhs. belegt. Rückblickend ließen sich eine Vielzahl von Stücken seit dem Beginn der Operntradition unter diesem Begriff fassen, die sich durch phantastische, magische oder märchenhafte Elemente auszeichnen. Um 1800 bezieht sich der Begriff insbesondere auf die zeitgenössische, beliebte Wiener Zauberoper »mit einer märchenhaft-phantastischen Geschichte als Handlungsgrundlage, Komik und einer Fülle szenischer Effekte, die über Text und Musik dominieren« (Heinel 1994, 11). Als Paradebeispiele gelten Mozarts Zauberflöte (1791; vgl. Anm.  47) oder verschiedene Werke Wenzel Müllers. Auch E.  T.  A. Hoffmans Oper Undine (1816; Libretto von F. de la Motte Fouqué) ist hier zu nennen. 142  Der Begriff ›Operette‹ kommt vom ital. Diminutiv operetta und meint im Allgemeinen »eine kleine (besonders komische) Oper« (DWB 13, Sp.  1291). Die von Schütze verwendete Gattungsbezeichnung der ›komischen Operette‹ wiederum geht zurück auf eine begriffsgeschichtliche Entwicklung im 18. Jh.: Verstand man unter der Operette ursprünglich eine ernste Oper geringeren Umfangs, bezieht sich der Begriff ab der Mitte des

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

249

18. Jhs. auf die komische Oper (insbesondere auf die Tradition der frz. opéra comique), die sich neben der heiter-komischen Handlung durch ­einen Wechsel von Gesangs- und Dialogpartien und den Verzicht auf Rezitative auszeichnet. In der Folge etabliert sich der Begriff der ›komischen Operette‹ z. T. synonym zur ›komischen Oper‹ oder dem allgemeineren Begriff des ›Singspiels‹. Populäre Beispiele sind die musikdramatischen Werke Chris­ tian Felix Weißes und Johann Adam Hillers – so gilt zuweilen Der Teufel ist los (1752; ursprünglich mit Musik von Johann Georg Standfuß, Neubearbeitung 1766 mit Musik von Hiller) als gattungsbegründend in Deutschland (vgl. Brockhaus 1816, Bd.  7, 55). 143  Der Begriff des komischen Balletts geht zurück auf den ersten einheitlich konzipierten und choreografierten Schautanz der europ. Geschichte, das Balet comique de la royne (UA 1581), das Baltasar de Beaujoyeulx für eine Hochzeit am königlichen Hof Heinrichs III. in Paris inszenierte. Das Neuartige am Balet comique ist die einheitsstiftende, allegorische Handlung, weshalb das Attribut ›komisch‹ nicht in Abgrenzung zu ›tragisch‹, sondern synonym zum Oberbegriff ›dramatisch‹ zu verstehen ist. Erst unter dem Einfluss der Wanderschauspieler entwickelt sich zu Beginn des 18. Jhs. das komische Ballett als eine eigene, dem Tragischen entgegengesetzte Gattung, deren Zweck – so Louis Bonin in seiner Tanzpoetik Die Neueste Art zur Galanten und Theatralischen Tantz-Kunst (1712) – darin bestehe, »daß das Gemüte dadurch [den Tanz] ermuntert und belustiget wird.« (Bonin 1996, 59; vgl. zum Ballett als Mittel der Darstellung des Lächerlichen VK, 82  f.) Die Titel der aufgeführten Stücke zeigen, dass innerhalb der Gattung des komischen Balletts mit weiteren Nuancierungen gespielt wird: G. Angiolini: Der König und der Pachter. Ein heroisch-ko­ misches Ballet (1774); S.  Lauchery: Der Opernschneider. Ein komisch-pan­ tomimisches Ballet in zwey Acten (1804); J. Hellmesberger: Die verwan­ delte Katze. Komisch-phantastisches Ballet in drei Acten (1880). Vgl. zu den Unter­gattungen auch Ersch  /  Gruber 1821, Sekt. 1, Bd.  7, 261. 144  Puppen- und Schattenspiel finden als dramatische Kunstformen um 1800 Beachtung als Gegenmodelle zum ›offiziellen‹ Theater. Ein zeitgenössisches Puppenspiel, das 1804 in Weimar aufgeführt wurde, ist z. B. Johann Daniel Falks Prinzessin mit dem Schweinerüssel. Auch die Texte Goethes weisen eine Vielzahl von Bezügen zum Puppen- und Schattenspiel auf: In Jahrmarktsfest zu Plundersweilern tritt ein Schattenspieler auf, zudem ist der Text in einem Band mit dem Titel Neueröfnetes moralisch-politisches Puppenspiel (1774) erschienen; im ersten Buch von Wilhelm ­Meisters Lehr­ jahren (1795) wird von häuslichen Puppenspiel-Aufführungen erzählt; auch Goethes Beschäftigung mit dem Faust-Stoff wurde u. a. von der Puppenspieltradition inspiriert. Ein weiterer zentraler Text zum Puppenspiel ist

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

250

Anmerkungen

Heinrich von Kleists Essay Über das Marionettentheater (1810). Im Kontext der Romantik finden sich Bezüge zum Puppen- und Schattenspiel auch bei E.  T.  A. Hoffmann sowie bei Achim von Arnim, der sowohl Puppenspiele (Die Appelmänner. Ein Puppenspiel, 1813) als auch Schattenspiele (Das Loch oder das wiedergefundene Paradies. Ein Schattenspiel, 1811) verfasst hat. 145  Vgl. zur Komik der Tiere Anm.  32. 146  Vgl. zu Aristophanes Anm.  31 147  Miguel de Cervantes Saveedra (1547–1616) gilt insbesondere durch sein Hauptwerk El ingenioso Hidalgo Don Quijote de la Mancha (1605 und 1615) nicht nur als einer der wichtigsten Autoren des spanischen S­ iglo de Oro, sondern überhaupt der Weltliteratur. Im Kontext der ­Romantik werden Cervantes und der Don Quijote, der zwischen 1799 und 1801 von Ludwig Tieck erstmals vollständig übersetzt wird, breit rezipiert und neben dem Werk Shakespeares zu einem der wichtigsten Bezugspunkte der roman­tischen Kunsttheorie. Der Don Quijote gilt vor dem Hintergrund romantischer Konzepte wie der progressiven Universalpoesie als Inbegriff des modernen Romans. Vereinzelt finden auch Cervantes’ andere Werke wie die Novellas ejemplares (1613) oder seine wohl Anfang der 1580er Jahre entstandene Tragödie El cerco de Numancia (ED 1784) in der Zeit Beachtung. 148  Friedrich Ludwig Schmidt: Cervantes Portrait. Lustspiel in drei Auf­ zügen. Nach dem Französischen. Frei übersetzt (UA 1803, ED 1804), III,11. 149  Der folgende Abschnitt bezieht sich stark auf die Komödientheorie Asts, die er in seinem System der Kunstlehre (1805) formuliert. Dort grenzt er die Komödie von der Tragödie ab und bestimmt sie über die subjektive Freiheit des Dichters, der sowohl die Ordnung der dargestellten Welt als auch die Darstellung selbst, etwa durch lllusionsbruch, in Willkür auflöst, sie ›vernichtet‹ (vgl. Ast 1805, 231–243). Durch die Betonung der Zufälligkeit und des Individuellen auch in der Figurendarstellung ist für Ast »das Wesen der Komödie […] die Carrikatur« (ebd., 238). Ähnliche Konzeptionen finden sich in anderen Komödientheorien aus dem Umfeld des Idealismus und der Romantik. Vgl. hierzu Anm.  14 sowie zur Karikatur Anm.  151. ­ ater 150  Ludwig Tieck (1773–1853) hat mit seinen Stücken Der gestiefelte K (1797) und Die verkehrte Welt (1798) maßgeblich die romantische Komödie geprägt. F. Schlegels Aufwertung der Parabase des Chores in seinem Aufsatz Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie (1794) findet bei Tieck seine Entsprechung im Aus-der-Rolle-Fallen der Figuren und der Kommentierung der Bühnenhandlung durch das Publikum, auf die Schütze sich hier bezieht. In der Forschung gelten Tiecks Komödien als Musterbeispiele für den »parabatische[n] Typus der romantischen Komö-

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

251

die« (Japp 1999, 27; vgl. zu Tiecks Komödien auch Scherer 2003, sowie zur Parabase als grundlegendem Verfahren der Romantik Simon 2000). Zwar lehnt Schütze die Stücke Tiecks, insofern sie in einem gewissen Maß ihre Einheit behalten, nicht gänzlich ab, er verwirft aber die komödientheoretischen Überlegungen aus dem Umfeld der Romantik, die in der Vernichtung der Form und dem Aufstellen einer Karikatur das Ideal der Komödie sehen (vgl. hierzu Anm.  14 u. 149). Die kritischen Einwände gegen die »Zerstörung« der dichterischen »Schöpfung«, etwa durch das Sprechen mit dem »Lampenputzer«, formuliert Schütze auch in einer Rezension zu Julius von Voß’ Travestieen und Burlesken (vgl. Anm.  13). 151  Der Begriff ›Karikatur‹ geht zurück auf das ital. caricare (dt. ›beladen‹; ›übertreiben‹) sowie den daraus abgeleiteten Begriff caricatura und wurde im 18. Jh. aus dem frz. caricature ins Deutsche übernommen. Um 1800 meint der Begriff im Allgemeinen »die Übertreibung des Fehlerhaften oder Lächerlichen in einer Vorstellung« (Adelung 1793, Bd.  1, Sp.  1310) und kann sich neben den Bildkünsten auch auf die Literatur beziehen. Konturiert wird die Karikatur insbesondere über das Individuelle und Charakteristische in Abweichung vom Idealen (vgl. Kant 1790/1977, Bd.  10, § 17, 153  f.). Im Zusammenhang mit dem Komischen findet sich der Begriff in verschiedenen Ästhetiken, etwa bei Ast (vgl. Anm 149) oder Bouterwek, nach dem die »ästhetische Caricatur« entstehe, »[w]enn das Lächerliche in komischen Formen so vergrößert erscheint, daß es sich zum Natürlichen wie ein verkehrtes Ideal verhält« (Bouterwek 1806, 189). Insofern sich die Karikatur durch gesteigerte Disproportion auszeichnet, steht sie stärker noch als das Komische im Allgemeinen in einem Konflikt mit dem Schönen und wird von Schütze entsprechend dem Hässlichen zugeordnet. Auch in Hegels erstmals 1818 gehaltenen Vorlesungen über die Ästhetik wird die Karikatur nicht nur als »Überfluß des Charakteristischen«, sondern »das Kari­k aturmäßige ferner als Charakteristik des Häßlichen« bestimmt (­Hegel 1986, Bd.  13, 35). Vgl. zur Karikatur allgemein: HWPh 4, Sp.  696–701. 152  Bei der von Schütze referierten Position handelt es sich um die Ausführungen zur Komödie in Asts System der Kunstlehre (1805). Hier wird über die Karikatur, die Ast als Technik der Hervorhebung des Partikularen beschreibt, der von Schütze genannte Zusammenhang von Komödie und Individualisierung hergestellt (vgl. ebd., 238, sowie Anm.  149 u. 151). 153  Schützes Ausführungen zur Unterscheidung zwischen der »wirklichen Darstellung« in der Kunst und dem »blos philosophischen Denken« lassen sich als Auseinandersetzung mit Asts System der Kunstlehre (1805) und anderen zeitgenössischen ästhetischen Theorien verstehen, die Kunst und Philosophie (sowie Religion) in Hinsicht auf ihr Verhältnis zum Absoluten diskutieren. Für Ast gilt, dass die Kunst »auf das Absolute geht« (Ast

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

252

Anmerkungen

1805, 6). Allerdings tue sie dies auf vermittelnde Weise: Die Kunst lasse »das Absolute erscheinen«, indem sie es »bildlich darstellt« (ebd., 26). Zwar ist die Kunst damit nicht selbst das Absolute, aber sie kann dieses doch zur Darstellung bringen. Schütze greift die bei Ast, aber auch bei Schelling und Hegel formulierte Vermittlungs- und Symbolfunktion der Kunst auf. Dabei weist er die philosophische Fixierung der Kunst auf die Extrembegriffe des Negativen und Absoluten als bloße Abstraktionen zugunsten der relativen Beziehung dieser Größen zurück, zumal Kunst als Darstellung nie alles und immer etwas ins Werk setzen muss. 154  Die Kennzeichnung der Schönheit über die Proportion von Teil und Ganzem wird häufig in klassizistischen Kunsttheorien formuliert, und zwar insbesondere mit Blick auf den menschlichen Körper (vgl. z. B. Winckelmann 1764, Bd.  1, 172–184; Sulzer 1774, Bd.  2, 1039 u. 1044). Im näheren Umfeld von Schütze werden Schönheit und Proportion auch von Goethe verknüpft, etwa wenn es in den Maximen und Reflexionen aus dem Nachlass heißt: »Vollkommenheit kann mit Disproportion bestehen / Schönheit allein mit Proportion.« (FA 13, 185) Schützes Ausführungen an dieser Stelle müssen vor dem Hintergrund gesehen werden, dass das Komische und die Komödie häufig mit Disproportion verbunden wurden. Dies zeigen Schützes eigene Ausführungen, wenn er die von Aristoteles und Cicero stammenden Begriffe »Abweichung«, »Unanständigkeit« und »Häßlichkeit« als Spielarten der »Disproportion« ausweist (VK, 59  f.). 155  Das Begriffspaar ›Manier und Stil‹ wurde von Goethe in seinem Aufsatz Einfache Nachahmung der Natur, Manier, Styl (1789) geprägt. Goethe kennzeichnet die Manier als individuelle Abweichung von einer bloßen Naturnachahmung; den Stil dagegen bestimmt er als »höchste[n] Grad« der Kunst, er ruhe »auf den tiefsten Grundfesten der Erkenntnis, auf dem Wesen der Dinge« (FA 18, 227). Die Gegenüberstellung von Manier und Stil findet sich – mit je eigenen Schwerpunktsetzungen und unterschiedlich stark formulierten Wertungen – in einem Abschnitt zu Michelangelo in K. P. Moritz’ Reisen eines Deutschen in Italien in den Jahren 1786 bis 1788 (1792/93), im letzten von Schillers Kallias-Briefen (1792/93), in F. Schlegels Abhandlung Über das Studium der Griechischen Poesie (1797), in A. W. Schlegels aus Vorlesungen extrahiertem Aufsatz Über das Verhältniß der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier (1802) und in Schellings 1802/1803 gehaltenen Vorlesungen zur Philosophie der Kunst. Überlegungen zu einer Aufwertung der Manier in Bezug auf die romantische Kunst lassen sich in F. Schlegels Notizheften aus dem Jahr 1797/98 erkennen, etwa wenn es heißt, dass »[j]eder gute Roman […] manierirt sein [muß], wegen der Individualität«, oder wenn der »Humor« mit dem »poetisch Manierirten« in Beziehung gesetzt wird

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

253

(Schlegel 1980, Nr.  398 und 399, 59). Auch zu nennen ist in diesem Zusammenhang E.  T.  A. Hoffmann, der seine Fantasiestücke (1814/15) programmatisch auf die Zeichnungen Jacques Callots und dessen »Manier« (Hoffmann 1993, 18) bezogen hat. 156  Vgl. Wolfgang Amadeus Mozart / Lorenzo da Ponte: Il dissoluto pu­ nito. O sia Il D. Giovanni. Dramma giocoso in due atti (1787), II,13. Bei ­einer Mahlzeit Don Giovannis versucht der Diener Leporello heimlich seinen Hungergelüsten nachzugehen, kann dies vor seinem Herrn und dem Publikum allerdings nur schlecht verbergen. 157  Vgl. hierzu Anm.  4 4. 158  Vgl. hierzu Anm.  2. 159  Vgl. hierzu Anm.  4. 160  Die Bestimmung des komischen Gegenstandes steht im Zentrum der sogenannten Inkongruenz- und Kontrasttheorien (vgl. Anm.  10), deren Ursprünge schon in der Antike zu finden sind, dann aber insbesondere ab dem 18. Jh. virulent werden (Beattie, Batteux, in Deutschland etwa Flögel, vgl. VK, 59 sowie Anm.  57). Die Fokussierung auf die Veränderungen im Menschen exemplifiziert Schütze mit Kants physiologischer Bestimmung des Komischen (vgl. Anm.  9), zu nennen wären zudem zahlreiche Bestimmungsversuche der Gründe für das Lachen und der Freude daran – am prominentesten in Form der von Hobbes ausgehenden Überlegenheitstheorie (vgl. Anm.  65). Andere Erklärungen (Vergnügen, Torheit) werden etwa in Louis Poinsinet de Sivrys Traité des causes physiques et morales du rire (1768) aufgeführt. Eine Mischung beider Betrachtungsweisen, letztere allerdings mit einem anderen Schwerpunkt, findet sich bei Flögel, der dem »Objektive[n] des Komischen« (Flögel 1784, Bd.  1, 97) die »individuelle Beschaffenheit dieses oder jenes Menschen« (ebd., 114) gegenüberstellt, die in Temperament, Erziehung, Stand, sowie allgemeiner in der Nationalität und dem Zeitgeist begründet sei (vgl. ebd. 114–196). Schütze verweist auch auf solche Theorien, die das Komische als ›angeschauten Unverstand‹ definieren. Gemeint ist damit vermutlich Jean Paul sowie möglicherweise K. H. Heydenreich. Während Heydenreich als den Gegenstand des Komischen die Torheit ausmacht und das Vergnügen am Lachen über eine durch anthropologische Einsicht abgemilderte Überlegenheitstheorie erklärt (vgl. Anm.  3 u. 33), ist für Jean Paul schon der komische Gegenstand vom Subjekt abhängig: Der objektive Kontrast werde erst durch das ›Leihen‹ der eigenen Einsicht (subjektiver Kontrast) komisch (vgl. Anm.  64). Die von Schütze vorgenommene Einteilung ist auch in der heutigen Komikforschung unter den Begriffen stimulus-side-, response-side sowie wholeprocess-Theorie üblich (vgl. Kindt 2017). 161  Vgl. hierzu VK, 13, sowie Anm.  9–11.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

254

Anmerkungen

162  Vgl. hierzu VK, 13, sowie Anm.  12. 163  Schütze nimmt diese Formulierung in etwas anderem Zusammenhang in seinem kurzen Dialog Erster Unterricht im ästhetischen Urtheil (1827) auf. In dieser Karikatur auf die Gepflogenheiten des Theaterpubli­ kums wird die nachträgliche Abwertung des Belachten als »dummes Zeug« nebst zahlreichen anderen Floskeln als Möglichkeit der eigenen Profilierung propagiert, um so »feiner und gebildeter [zu] erscheinen, als der große Haufe« (in: Journal für Literatur, Kunst und geselliges Leben. Nr.  9, 20. 1. 1827, Sp.  66). Welchen Philosophen Schütze hier und in der Anmerkung im Blick hat, lässt sich nicht bestimmen. Die Charakterisierung nicht nur des komischen Gegenstands, sondern auch des darüber Lachenden durch Torheit und Unverstand und folglich eine tendenziell negative Einschätzung des Lachens findet sich als Position der Komiktheorie etwa in einem fingierten Beitrag Fontenelles in Louis Poinsinet de Sivrys Traité des causes physiques et morales du rire (1768). Dieser vertritt die Meinung, »que la folie est la source de rire« (Poinsinet de Sivry 1768, 65), und versteht das Lachen als »un symptôme passager de déraison« (ebd., 75). Eine ausführliche ›Apologie‹ des Lächerlichen und des Lachens findet sich hingegen bei Karl Friedrich Flögel (vgl. Flögel 1784, Bd.  1, 8–31). Um darzulegen, dass die Untersuchung des Lächerlichen »eines Philosophen würdig sey« (ebd., 29), verweist Flögel auf »berühmte Lacher« (ebd., 10) und zählt zudem die verschiedenen Nutzen des Lachens auf, etwa die physiologische Heilsamkeit oder die moralische Besserung. 164  Vgl. hierzu VK, 13 sowie Anm.  13. 165  Vgl. hierzu Anm.  18. 166  Vgl. hierzu Anm.  19. 167  Vgl. hierzu Anm.  20. 168  Vgl. hierzu Anm.  48. 169  Vgl. hierzu Anm.  51. 170  Vgl. hierzu Anm.  22 u. 26. 171  Vgl. hierzu Anm.  50. 172  Vgl. hierzu Anm.  41. 173  Vgl. hierzu Anm.  41. 174  Vgl. hierzu Anm.  163. 175  Das von Schütze leicht veränderte Zitat bezieht sich auf einen anonymen Brief aus Frankfurth a. M., über das Komische und Lächerliche, von B. (Anonym 1827, 162), veröffentlicht im ersten Band der von Karl von Holtei herausgegebenen Beiträge zur Geschichte der dramatischen Kunst und Literatur. Schütze reagiert auf diesen Beitrag bereits 1828 in seinem Aufsatz Ueber den Unterschied des Lächerlichen und Komischen im zweiten Band dieser Reihe.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

255

176  Vgl. hierzu Anm.  83. 177  Die Unterscheidung von Scherz und Spaß sowie die pejorative Verwendung des Begriffs ›Spaßmacher‹ sind um 1800 eingespielt. Für Wilhelm Traugott Krug etwa ist »Spaß […] ein unfeiner oder gemeiner Scherz« (Krug 1810, 229), insofern er unangebracht oder unschicklich ist. Folglich mache »der Spaßmacher (scurra) sich selbst verächtlich […], indem er im Gemeinen zu leben und zu weben scheint« (ebd., 229  f.). 178  Die Betrachtung des Schönen und des Erhabenen nebeneinander erfolgt wirkmächtig in Edmund Burkes A Philosophical Inquiry into the Origin of Our Ideas of the Sublime and Beautiful (1756). Eine Auseinandersetzung mit Burkes Schrift, die auch dessen Anordnung folgt, findet sich bei Moses Mendelssohn (Philosophische Untersuchung des Ursprungs un­ serer Ideen vom Erhabenen und Schönen, 1758) sowie beim vorkritischen Kant (Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen, 1764). Auch in der Kritik der Urteilskraft (1790) stellt Kant die Analytiken des Schönen und des Erhabenen ins Zentrum der Untersuchung der ästhetischen Urteilskraft; damit beeinflusst er die ästhetischen Schriften Schillers und insgesamt die Theorien zur Ästhetik um 1800. Eine andere Einteilung, die das Schöne und das Erhabene nicht nebeneinander positioniert, sondern das Erhabene sowie das Komische als spezifische Erscheinungsformen des Schönen ausweist, deutet sich – wie Vischer darlegt (vgl. Vischer 1837, 10–15) – bei Schelling an und wird vor allem von Solger in seinen 1819 gehaltenen Vorlesungen über Ästhetik genauer konturiert. Vischer will in seinen Ausführungen ausdrücklich auf »Solger’schem Grund fortbauend« (ebd., 15) argumentieren. 179  Im Original ist lediglich das »sinnliche Scheinen der Idee« hervorgehoben. Vischer 1837, 22. 180  Die Kennzeichnung des Schönen als »das sinnliche Scheinen der Idee«, mit der Vischer seine Ausführungen zum Schönen beginnt (Vischer 1837, 22), geht zurück auf Hegels zwischen 1818 und 1829 gehaltene Vorlesun­ gen über die Ästhetik (vgl. Hegel 1986, Bd.  13, 151). Vischer erwähnt selbst, dass in der Zeit, in der er seine Habilitationsschrift anfertigt, Hegels Ästhetik noch nicht vollständig publiziert ist (vgl. Vischer 1837, 16). Gemeint ist hier die Ausgabe, die Heinrich Gustav Hotho auf der Grundlage seiner Mitschriften sowie eines (heute verlorenen) Manuskripts nach Hegels Tod angefertigt hat; die Ausgabe erschien 1835, 1837 und 1838 in drei Bänden. Vischer hat nicht nur in Ueber das Erhabene und Komische, sondern vor allem in seiner sechsbändigen Aesthetik oder Wissenschaft des Schö­ nen (1846–1857) auf Hegel Bezug genommen, wobei er – entgegen älterer Forschungsmeinungen – durchaus eine eigene Position in der Ästhetiktheorie des 19. Jahrhunderts einnimmt. An der von Schütze zitierten Stelle

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

256

Anmerkungen

wird dies dadurch kenntlich, dass Vischer das Hegel-Zitat vom Schönen als dem »sinnliche[n] Scheinen der Idee« mit dem Zusatz von der »Idee in begrenzter Erscheinung« ergänzt (Vischer 1837, 22). Schütze greift dies auf und wertet den Zusatz als Wendung gegen Hegel, bei dem es heißt, dass »das Sinnliche und Objektive […] in der Schönheit keine Selbstständigkeit in sich [bewahrt]« (Hegel 1986, Bd.  13, 151). Indem Vischer gegenüber einer solchen Aussage die Erscheinung und die heterogenen Ideen (nicht das absolute Ideal) betont, vermeidet er für Schütze nicht nur die Wiederholung einer Phrase, sondern auch die »unsichere[] Schwärmerey über das Ideale in der Kunst«. Schütze setzt Vischer damit in eine ähnliche Opposition zu Hegel, wie er sie selbst im Versuch gegenüber den Romantikern einnimmt, etwa zu Friedrich Ast (vgl. Anm.  149). 181  Der Begriff ›Scherwenzel‹ meint zeitgenössisch u. a. einen Menschen, »welcher sich zu allem gebrauchen läßt«, oder ein Ding, »dessen man sich aus Gewohnheit in mehrern verschiedenen Fällen bedienet« (Adelung 1798, Sp.  1427). 182  Die hier zitierte Passage aus Vischer ist ein Stellenzusammenschnitt aus insgesamt ca. sechszehn Seiten, wobei Schütze die Auslassungen teilweise durch einen Gedankenstrich markiert. Dabei handelt es sich um kürzere Satzteile, um illustrierende Beispiele und philosophische Referenzen, etwa auf Hegel, oder um ganze Passagen (von S.  24–37). Im Ausdruck ein »(stoffartiges) Interesse« stammt die Klammer – in diesem Fall – von ­Vischer. Vischer 1837, 22–38. 183  Die theoretischen Referenzen der hier genannten Formen des Erhabenen sind insbesondere folgende: für die Rhetorik (Pseudo-)Longinus’ Peri hypsous (um 40 n. Chr.), für die Tragödie Schillers ästhetische Schriften, etwa Vom Erhabenen und Über das Pathetische (beide 1793), sowie Solgers 1819 gehaltene Vorlesungen über Ästhetik, für das Naturerhabene Kants Kritik der Urteilskraft (1790), für den Bezug zum Grausamen und Schrecklichen Burkes A Philosophical Inquiry into the Origin of Our Ideas of the Sublime and Beautiful (1756). Eine »geschichtliche Entwickelung des Erhabenen« findet sich bei Vischer in Zusammenhang mit der Beschreibung von drei Stufen, in denen sich das tragische Schicksal von einer niederen, sinnlichen zu einer höheren, geistigen Größe herausbildet. Die von Schütze verworfene Position, die das Erhabene bei den »rohe[n] Völkern« im Gefühl des »Grausamen, im Vertilgenden, Verzerrten und Scheusslichen« situiert, wird hingegen von Vischer nicht referiert. Sie findet sich etwa in Johann Gottfried Herders ästhetischer Abhandlung Kalli­ gone (1800) im Kapitel »Geschichte des Erhabenen«. Beschrieben wird hier die parallele Entwicklung von einem wilden Natur- zu einem zivilisierten Kulturzustand sowie vom Erhabenen zum Schönen.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Anmerkungen

257

184  Vgl. hierzu VK, 13  f. u. 75  f. Vermutlich handelt es sich hier um einen Fehler und der Satz müsste lauten: »und lässt sich nicht durch alle Theile hindurchführen«. 185  Das Zitat findet sich nicht an der genannten Stelle, sondern bei Vischer 1837, 196. 186  Schütze fügt hier ein ›so‹ hinzu. Im Original heißt es: »es könne nicht seyn!« Vischer 1837, 179. 187  Vischer 1837, 179. 188  Vgl. hierzu Anm.  14 u. 149. 189  Das Zitat findet sich nicht an der genannten Stelle, sondern bei Vischer 1837, 165. 190  Abweichend vom Original spricht Schütze von einem »Streben«, wodurch er den von Vischer verwendeten lateinischen Begriff nisus ersetzt. Vischer 1837, 178. 191  Im Original steht ›tropisch‹ statt ›tragisch‹. Zudem lässt Schütze innerhalb dieses Zitats zwei Sätze aus, in denen Vischer seine Kritik an Jean Paul formuliert und sich dabei auf vorher entfaltete Beispiele bezieht. ­Vischer 1837, 183  f. 192  Vgl. hierzu Anm.  26 u. 48. 193  Vischer 1837, 189. 194  Vischer 1837, 190. 195  Hier greift Schütze in die Syntax ein, indem er den emphatisierenden Spaltsatz auflöst. Zudem komprimiert er den »komischen Contrast[]« bei Vischer schlicht »zum Komischen«. Im Original heißt es: »Ein abgeschmacktes, ungereimtes, cynisches Element, das ist es eben, was zum komi­schen Contraste unentbehrlich ist.« Vischer 1837, 172  f.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Sachregister

Absolute, das, Absolutheit  55, 58, 61, 67, 103, 150  f., 184, 194 Abweichung  13, 22, 32, 41, 59, 66, 79, 85, 117, 122, 149  ff., 178 allegorisch, allegorisiren  133 Allheit, All  53, 67, 107, 150  f. Außenwelt  31, 37, 43, 181 Ballett, komisches  141 Bedingung, Bedingte, bedingen 21, 38, 42  f., 50  ff., 61, 78, 83, 103, 107, 122, 182, 189, 198, 200 Belebung, belebt  21, 50, 102  f., 107  f., 124, 182, 186, 201  f. Beschränkung, Beschränktheit 21  f., 25, 28  f., 30, 34–37, 41, 44, 46, 50, 56, 58, 65, 70, 72, 85, 96, 98, 104  f., 129, 137, 145, 152, 154  f., 166, 168, 182  f., 196 Burleske 121 Camera obscura  81 Charakter  60, 73, 76, 91, 125, 128, 156, 159, 161 Charakter, komischer  9, 43, 76, 100, 131, 153 Charaktergemählde, Charakterstück  130, 132, 170 Dämon  46, 205

Dichter  13, 15, 21  f., 34  f., 43, 51, 54, 61, 63, 66, 69  f., 73  f., 77, 82, 86, 88  ff., 97, 101, 104, 111–115, 118  f., 121  ff., 126  f., 130  ff., 134– 139, 147, 149, 153, 155–158, 165, 167, 179, 181, 183 Dichtung  14  f., 22, 24, 43, 70  f., 75, 113  f., 117, 133  f., 139, 149, 204 Ding, Dinge  4, 9, 14, 22–25, 28  f., 34–39, 41  f., 45, 47  f., 50, 59  ff., 70, 74  f., 84  ff., 88, 91–94, 98, 101  ff., 106–111, 115, 123, 159, 163  f., 167, 181  ff., 193, 198  f., 202, 205 Drollige, das  140, 144  ff., 171 Einbildungskraft  26, 54 Einheit  52, 132  f., 153, 194, 201 Ekel  86, 88, 113 Epos (Heldengedicht)  121 Erhabene, das  13  f., 71, 75  f., 84, 112, 178  f., 192  f., 195–201, 203  f. Ernst, Ernsthafte, ernst  14  f., 18, 63, 73, 75, 89, 95, 97, 100, 104  f., 110  ff., 113–116, 119, 126, 129, 135  f., 138, 142  f., 147, 154, 160  ff., 166, 179  f., 189, 198, 203 Erzählung  120  f. Fehler  31–34, 49, 59, 64, 120, 129  f.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

260

Sachregister

Freyheit  5, 7  ff., 15–19, 21–31, 33  ff., 37, 39–43, 45–57, 61, 63– 72, 75, 77  ff., 83–87, 89, 93–96, 99–102, 104–109, 111  f., 114  f., 117, 120, 123  ff., 127, 129–132, 134–137, 139, 144–147, 149, 152, 154–157, 159  f., 162–169, 201  f., 204  f. Freyheit, absolute  23, 53, 57, 61, 182 Frivolität, frivol  139, 146, 155 Ganzheit  17, 52  f., 57, 115, 134, 181  f., 184 Ganze, das  3, 16, 18, 29, 32  f., 50, 53, 55  f., 60  f., 71  ff., 90, 100– 104, 114, 142  f., 150  f., 154, 166, 180, 203  f. Gefühl  17, 23, 26, 30  f., 38, 41, 73, 86, 88–91, 100, 102, 122, 139, 150, 156, 164, 166, 195  f. Gefühl, dunkles  7, 10, 62, 88, 110 Gegensatz  14, 23  f., 57, 68, 75  f., 78, 83, 85  ff., 105, 117, 125, 140, 143, 150, 160, 179, 186, 188, 194, 197–200, 203  f. Geist  5–8, 15  f., 20  ff., 28, 35–38, 40  f., 43–46, 49–53, 55, 64, 68  f., 71, 73, 78, 83  f., 93  f., 99–102, 104, 108, 110, 121  f., 125, 132, 135, 138–142, 148, 153  f., 157, 160  ff., 166  ff., 175  f., 180, 182  f., 187, 194  f., 199, 201  f. Genius  20  f., 91, 98, 111, 126

Gott, Göttliche, das  35, 46, 53, 55, 67, 75, 134, 146, 151  f., 193 Groteske 134 Handlung  21, 25, 30, 34, 47, 49, 51, 54, 65  f., 82, 93, 105, 109, 121, 124  ff., 128, 130–137, 141, 156, 160, 197, 201 Hanswurst, Hannswurst  122, 138, 142 Harmonie  16, 32 , 46, 66, 69  f., 73, 77, 103, 140, 146, 153  f., 162, 194, 196, 201, 203 Häßlichkeit  59  f., 149, 156 Heiterkeit  9, 95, 98  f., 101, 124, 140, 167, 191, 195 Humor  26, 63, 72, 101–110, 133, 136, 138, 149, 158, 170, 201, 203 Humorist  109, 114, 124, 154, 158  ff., 163 Ideal, Idealität, ideal  14, 57, 69  f., 73, 77  f., 85, 121  ff., 152  f., 179, 184 Idee  13, 20  ff., 25, 34, 37, 42  f., 45  f., 53, 68, 74, 77, 81, 83, 92, 96, 102  f., 107, 110, 124, 129, 131–134, 138, 148  f., 151  f., 156  ff., 166, 169, 181  f., 193  f., 200, 202 Intrigue, Intriguenstück  20, 50, 125–128, 132, 136, 170 Ironie  51, 110, 118–121, 161  f., 170, 183, 200

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Sachregister

Irrthum  22  f., 29  f., 32, 47  ff., 62, 64–73, 76, 85, 89, 105, 114, 121, 149, 152, 186. Karikatur (Carricatur)  14, 24, 149  ff., 153, 179 Kartenspiel 49 Kind, Kindische, das, Kinderey 32, 37, 39  f., 44, 55, 99, 136, 140, 144  ff., 156, 166, 188 Komödie  9  f., 204 Kontrast, Contrast  178  f., 181, 186, 200, 202 Körper  6  f., 16, 21, 26, 35  f., 41, 50  f., 53, 71  f., 83, 94, 101, 104, 107  f., 134  f., 138, 142  f., 157, 163, 176, 180, 182  f., 202 Körperwelt  7, 35  f., 43, 50, 52, 72, 102–105, 141, 143, 176, 182, 201 Kraft, Kräfte  24, 34, 36  f., 39  f., 46, 49, 54, 69, 74, 76, 89, 92, 95, 102, 106  f., 111, 117, 123, 125  f., 131, 134  ff., 142, 146, 148, 155, 161, 163, 166  f., 196  ff., 202 Laster  70, 76  ff., 84, 123, 151 Laterna magica  81 Laune  9, 27, 36, 49, 62, 98–101, 104  f., 112, 116, 121, 125, 132, 137, 145  f., 153  ff., 161  f., 165, 170, 183, 190  f. Leben  10, 13  f., 17, 23, 27, 32, 35, 37, 56  ff., 71  f., 95  ff., 100, 103, 107, 117, 128, 130, 133–136,

261

142, 144, 148, 151, 160, 165, 167  f., 175 Leiden, das  5, 19, 30, 32, 39  f., 76, 145, 148 Lust  10, 17  f., 39  f., 45  f., 51, 58, 61, 65, 68–72, 75  ff., 95  f., 98  f., 106, 116, 123, 129, 137  f., 151, 160, 165–168, 180, 183  f. Lustige, das / der  10, 18, 62, 75, 98, 161, 190 Lustigkeit  98  f., 138, 140 Lustkampf  40, 67, 70, 96 Lustspiel  15, 26, 45, 62, 64  ff., 70  f., 73  ff., 77  f., 81, 85, 96  f., 101, 117  f., 120, 122–125, 128  ff., 132–136, 138  f., 149–159, 166  ff. Mährchen, Mährchenspiel  110, 134  ff., 141 Material, Materiale  47, 52 Materie, materiell  16, 18, 73, 84, 98, 112, 116, 121, 145  f., 153, 156, 162, 180, 200 Mechanismus, mechanisch  6, 20, 52, 60, 80 Mimische, das, mimisch  140  f., 143 Mitgefühl 145 Mitleid, mitleiden  7, 39, 49, 83, 131, 145, 158, 176 Moral, Moralität, moralisch  9, 19, 28, 68, 76, 104, 123, 147, 165, 204 Musik  60, 108, 139  ff., 143

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

262

Sachregister

Nachahmung, nachahmen, nachahmend  21, 72, 100, 117  ff., 140, 151, 162, 165, 181, 183 Naivetät, Naive, das, naiv  88–91, 112, 116, 118  f., 123, 138, 140, 144  f., 157, 162 Narr, Narrheit, närrisch  53, 99, 129, 137  f., 140, 153, 155  f., 161, 190 Naturgeist  26, 28, 46, 64, 75, 102, 126 Naturkraft  126, 134, 196  f. Naturspiel, Spiel der Natur  17, 21, 39, 72, 93, 96, 105  f., 140, 144  f., 152, 156, 181, 187 Naturwahrheit 103 Negation, Negative, negativ  13, 16, 69, 98, 104, 149–152, 180, 199 Nichts  13, 66  f., 74  f., 150  f., 178 Niedliche, das, Niedlichkeit  144 Nothwendigkeit, Nothwendige, das  12, 19, 38, 52, 58, 61, 78, 87, 103  f., 107, 127, 144, 157, 180, 183, 205 Object  23, 95  f., 108 Objektive, das, Objective, das, objektiv, objectiv  14  ff., 19, 24, 52, 66, 81  f., 88, 92, 94, 97, 99, 103, 116, 118  ff., 122  f., 127, 134, 148, 166, 179  f., 183 Objectivität  103, 118, 120  f., 123  f., 128, 147, 149, 153, 157, 161 Oper (Zauberoper), Operette  82, 139  f., 143

Parodie  110  ff., 115, 118 Persiflage  81, 95, 110, 112, 115– 118, 120 Phantasie  10, 15  f., 21  f., 25, 27  f., 34, 43, 46, 61, 63, 81  ff., 92, 94  f., 97  ff., 102, 107, 110, 113, 117, 125, 132, 135  ff., 139  f., 146  ff., 150, 154  f., 162, 164– 168, 179  f., 183, 187, 196  f., 201  f. Physiognomie 56 Poesie, poetisch  9  ff., 14  f., 22, 24, 26, 60, 69, 85  ff., 91  f., 97  f., 110, 113, 115–118, 120, 127, 131, 146  ff., 155  f., 159, 179  f., 190, 193, 203  f. Poet 68 Posse, Possen, Possenreißer  56, 99, 108, 129, 136–141, 145, 154, 190 Possirliche, das, possirlich, ­Possirlichkeit  41  f., 141, 145, 171, 189 Puppenspiel  81, 141  ff. Religion  35, 55, 158  f. Roman 121 Romantic, Romantische, das, romantisch, romanhaft  20, 109  ff., 126 Sache  8, 21  f., 24, 27  f., 38, 50, 67, 69, 77  f., 80  f., 84, 86, 90, 92  f., 95  f., 100, 105, 108, 112  f., 116, 120, 129, 133, 139, 141, 150, 160, 188, 193, 195, 198  f.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Sachregister

Satyre  116, 146  ff., 155 Schachspiel 127 Schadenfreude, schadenfroh  145 Schalk, Schalkhafte  145 Schattenspiel  81, 141, 143 Schauspieler  51, 141, 159, 161, 163  ff., 183 Scherz  18  f., 28, 33, 42, 51, 71, 73  ff., 80, 95–99, 104  f., 111  ff., 116–119, 124  f., 132, 134  f., 139, 154, 157  f., 161, 165, 167, 179, 181, 183, 190, 201  f. Scherzspiel  124  f. Schicksal  7, 30, 34, 37, 42, 47  f., 58, 77  f., 104  f., 143, 204  f. Schmerz  5, 61, 68, 99, 142 Schöne, das, Schönheit  14, 16, 147, 149  f., 152, 154  f., 180, 192–197, 204 Sinnlichkeit, Sinnliche, das, sinnlich 5  ff., 12, 16  f., 19, 21  f., 25, 28, 51, 57, 59, 65, 82  f., 85, 93  f., 99, 101, 108, 120  f., 134, 137– 144, 146, 148, 155–158, 163  f., 167  f., 175, 179  f., 183, 194  f., 202 Sinne  11, 108, 125, 165, 176, 195  f. Situationsstück 128 Sittengemählde, Sittenlustspiel 129 Spaßmacher  190  f. Spiel  9, 15–21, 28, 30  f., 36, 38–41, 44, 47, 49  ff., 54, 64, 66, 70, 72–76, 79  ff., 85, 91  ff., 95, 98  f., 102  f., 105–108, 111, 116  f., 121, 124  f., 127  f., 131, 135, 137,

263

139  f., 143  ff., 149, 152  f., 155  f., 158, 160, 165–168, 180–184, 187, 190, 198, 201  ff., 205 Spott, Verspottung, verspotten 17, 26, 32  f., 35, 41, 54  f., 61, 83  f., 86, 93  f., 98  f., 104  ff., 109, 116  f., 127, 134  f., 137, 146, 160, 162  f., 168, 183, 202, 204 Stand, Stände  41, 56  ff., 87, 184 Subject  23, 95, 115, 201 Subjective, das, subjektiv, subjectiv 8, 14–17, 24, 27, 52, 66, 82, 88, 90, 94, 97–100, 118, 121, 123, 127, 170, 181 Subjectivität  121  ff., 149, 153 Symbol, symbolisch  24, 51, 57, 70, 73, 100, 107  f., 134, 148 Sympathie, sympathisch, sympathisiren  25, 82, 139, 142, 145, 158, 166, 176, 197 Theater  26, 33, 56, 73, 79  ff., 86, 97, 100  f., 143, 149, 163, 165 Thier, thierisch  5, 28, 67  f., 139  f., 147, 164, 175 Tragische, das, tragisch  10, 14  f., 19, 30, 32, 63, 68, 75  f., 78, 104, 135, 146, 149, 151, 200  f., 204 Tragödie  135, 195, 204 Trauer, Traurige, das, traurig  10, 68, 72, 75, 184 Trauerspiel  10, 50, 69, 71, 75–78, 81, 105, 112–115, 135, 154, 166 Travestie  110, 112–115, 118, 121 Trieb  29, 42, 53, 130

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

264

Sachregister

Tugend  76  ff., 84, 104, 123, 146, 151 Tragikomödie 135 Umkehr, Umkehrung, Umkehren 14  f., 27, 69  f., 179 Unbedingte, das  51, 103, 183 Unendliche, das, unendlich  15, 31, 149, 182, 193, 200, 202  f. Unschuldswelt 152 Unsinn, Unsinnige  13, 28, 30, 62  f., 65, 75, 113, 137, 153, 156, 178  f., 198, 202 Unverstand  13, 30, 62, 64  f., 152, 178  f., 181 Unvollkommenheit  52, 55, 59 Unwillkührliche, das, unwillkürlich, unwillkührlich  5  f., 79  f., 82, 85, 87, 89, 100, 111, 128, 144, 162  ff., 175  f., 190, 198 Vergnügen  3  f., 9, 44, 60, 95, 115, 127, 145, 147, 177, 184 Vernichtung  30, 69, 72  f., 105, 116, 139, 149, 152, 179, 199 vernichten, vernichtend  14, 72  ff., 86, 102, 104  f., 149, 164 Vernunft  5, 43, 48  f., 51, 137, 175 Vernunftlosigkeit, Unvernunft 43, 147 Versinnlichung, versinnlichen 19  f., 57, 83, 120, 134, 138, 141, 156  f., 163  f. Verstand  5, 9  f., 12  f., 24–34, 43, 46, 48  f., 60, 62–66, 68, 70, 72,

77, 84, 88  f., 91  f., 94  f., 100, 109  f., 113, 116, 124, 126  f., 130, 137, 145, 150, 152  f., 160, 167, 175, 181, 202 Vollkommenheit  23, 35, 44, 57, 64, 96, 119, 150, 152 Vorstellung  6  ff., 15, 17, 19–23, 25–29, 34  f., 38, 40, 42, 54  f., 59  ff., 82–85, 92  f., 95, 102, 106, 120, 139, 142, 145  f., 149  f., 155, 157  ff., 163, 165  f., 176  f., 179, 181, 185, 187  ff., 195, 198, 203  ff. Wahre, das, wahr  3, 6, 24, 32, 41, 43, 45, 68, 70–73, 91, 103, 106, 115, 117, 119, 121, 142, 147, 151, 155  f., 158, 179, 193  f., 196, 199 Wahrheit  4  f., 14  ff., 18, 24, 47, 62–67, 69–74, 89, 91, 93, 105, 115, 119  f., 129, 148, 150, 152, 156, 179  f., 202, 205 Wahrscheinlichkeit, wahrscheinlich  5, 91, 95, 113, 120, 175 Weinen  5  ff., 73, 75, 175  f. Welt  10, 14–18, 24, 33  ff., 42–46, 51  ff., 56  ff., 67, 69–74, 77, 86, 93, 96  f., 101–105, 108  ff., 114, 120–124, 126, 130, 134  ff., 138  f., 147, 151, 153  ff., 158, 160  f., 163, 166  f., 179–184, 190, 194, 200–204 Weltall  53, 181, 184 Weltgeist  46, 51, 74, 103, 109, 160, 180  f., 183, 201  f.

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Sachregister

Widerspiel  21, 38  f., 49, 68, 85, 87, 180  f., 184, 188 Wiederholung, wiederholen  80, 96, 115, 117, 119, 177 Wille  6, 9, 17  ff., 24, 27, 32, 34  f., 38  f., 41  ff., 45  ff., 49  f., 66, 68, 71, 73, 77, 79, 81, 83, 85–88, 90, 93, 102  ff., 108, 114, 122  f., 130, 137, 140, 144  ff., 151, 160, 163, 176, 181  f., 184, 188, 202, 204 Willkührliche, das, willkürlich, willkührlich  16, 34, 85  ff., 89, 92, 99, 128, 144, 150, 155  f., 190 Willkür, Willkühr  9, 17, 19, 22, 24, 70, 74  f., 84, 87, 100, 103, 106, 111, 113, 124, 126, 131, 135  ff., 149, 154  f., 179  f., 202  f.

265

Witz  9, 15, 25  ff., 91–95, 100, 113, 116  f., 125, 145  f., 156  f., 168, 198, 202 Witzige, das, witzig  10, 20, 91, 94, 155 Wortspiel  94, 111 Wortwitz  111, 124 Zufall, Zufällige, das, zufällig  9, 12, 20, 25, 36, 44, 46–51, 64, 77  f., 83, 91  f., 101, 103, 106  ff., 111  f., 126  f., 187  f., 198, 200  f., 203  f. Zuschauer  10, 17, 22  f., 31, 51, 57, 63, 66, 73, 76  f., 93, 97, 100  f., 114, 119, 122  ff., 138, 140, 158  ff., 164–168, 183, 187, 198, 200

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Personenregister

Aristophanes  28, 43, 117, 133, 147 Aristoteles  59, 66

Home, Henry  59 Heydenreich (Heidenreich), Karl Heinrich  6, 62, 86

Batteux, Charles  59 Beattie, James  59 Büsching, Anton Friedrich  59

Jean Paul  54, 64, 109, 119

Cervantes, Miguel de  147 Cicero, Marcus Tullius  60 Claudius, Matthias  40

Mendelssohn, Moses  59 Molière 108 Möser, Justus   59 Priestley, Joseph  59

Eberhard, Johann August  59

Quintilian, Marcus Fabius  59

Feder, Johann Georg Heinrich  59

Shakespeare (Shakspeare), ­William  68, 93  f., 108

Goldoni, Carlo  31 Gozzi, Carlo  134

Tieck, Ludwig  149

DOI https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4114-6 | Generated on 2023-09-15 09:12:34 OPEN ACCESS | Licensed under | https://creativecommons.org/about/cclicenses/